Kaum hatte er müde die Tasche abgestellt und seinen Mantel aufgehangen, war er sich der schlanken Silhouette im Türrahmen zum Salon gewahr geworden. Die Lampen waren alle gedimmt, das Licht warf milchige Schatten ins Foyer. Langsam wandte er sich um, der anstrengende Tag steckte ihm noch immer in den Knochen. Einen weiteren Streit mit seiner Frau würde er heute nicht überleben können. Nicht vor ihrem Therapie-Termin.

 

„Langer Tag, Malfoy?“, fragte ihn ihre rauchige Stimme, und ihre Finger, deren Nägel dunkel lackiert waren, spielten mit seiner Krawatte um ihren Hals. Präzise gesagt, sie spielte mit seiner alten Schulkrawatte. Langsam hob sich sein Mundwinkel, ohne dass er es verhindern konnte. Die Krawatte war das einzige, was sie trug. Sein Blick glitt über ihre ausladende Taille, über die überraschend perfekten Brüste, die dunklen Nippel, die hart hervortraten, und sein Mund wurde trocken. Es war absolut krank. Und es war wahrscheinlich auch falsch. Sehr falsch.

 

Er zwang sich, einen ruhigen Atemzug zu tun. „Ist das dein Ernst?“, schaffte er zu fragen, während er ihr in die fremden dunklen Augen blickte. Sie machte einige laszive Schritte barfuß auf ihn zu. Merlin, es war so falsch.

 

„Sehe ich so aus, als würde ich Scherze machen?“, fragte sie ihn, die Stimme samtig verlockend. Kurz überlegte er zu antworten, entschied sich aber dagegen.

 

„Wir haben einen Termin-“, begann er warnend, aber dann ließ sie seine locker gebundene Krawatte los, um mit der Hand über seine Brust zu fahren.

 

„Scheiß auf den Termin, Malfoy.“

 

Es klang eigenartig, wenn sie ihn so nannte. Aber wie würde Hermine Granger ihn sonst nennen wollen? „Wie wäre es, wenn du mich anfassen würdest?“, schlug sie ihm vor, klimperte mit ihren langen dunklen Wimpern, und Draco atmete wieder aus.

 

„Wir haben das einmal getan, weil es witzig war. Aber das-“

 

„-hör auf zu reden“, bat sie ihn. „Es funktioniert, oder nicht?“, wollte sie ein wenig kleinlaut von ihm wissen.

 

„Pansy-“, begann er, versuchte ihre Hand von seiner Brust zu lösen, aber sie unterbrach ihn barsch.

 

„-Pansy? Wer ist Pansy? Heute ist hier niemand, außer Malfoy und Granger“, erklärte sie eindeutig. Und wahrscheinlich hatte Granger ihren Namen längst abgelegt. Unschlüssig stand er vor ihr. „Es ist nicht echt. Es ist Spaß.“

 

„Spaß?“, erkundigte er sich dunkel. „Wäre es Spaß für dich, wenn ich Ron Weasley wäre?“ Und tatsächlich dachte sie kurz darüber nach.

 

„Vielleicht?“, ärgerte sie ihn mit einem Lächeln, das ihm gänzlich unbekannt war. Er wollte gerade erwidern, da presste sie ihren nackten Körper gegen seinen. „Malfoy, wie wäre es, wenn du mich endlich berühren würdest? Harry hätte es längst getan!“ Sie schenkte ihm einen Schmollmund, und fast musste Draco lachen.

 

„Ach ja? Potter muss mit ins Rollenspiel?“, wollte er kopfschüttelnd wissen.

 

„Fick mich, Malfoy“, flüsterte sie, die Augen weit, und er konnte nicht leugnen, dass die Aussicht auf Hermine Granger, die darum bat, von ihm gevögelt zu werden, nicht direkten Einfluss auf seine Erektion hatte. Ein letztes Mal seufzte er resignierend, aber langsam legte sich seine Hand auf die Wölbung ihrer Taille. Sie hatte eine ansehnliche Figur, das gab er zu. „Gefällt dir das?“, fragte sie ihn rau, und kurz vergaß er das Spiel. Er betrog Pansy nicht. Das Gefühl einer fremden Frau war… absolut ungewohnt. Ja, sie hatten das Granger-Spiel einmal gespielt. Aber es war Monate her, und Draco war sehr betrunken gewesen. Pansy war sehr betrunken gewesen. Jetzt schien es, als… wären sie beide ziemlich nüchtern.

Pansy schien damals mehr als ein lockiges Haar von der Couch ihres Ehe-Therapeuten gezupft zu haben – zu dem anscheinend auch Hermine Granger mit ihrem Mann ging? Zumindest nahm Draco es an.

Und Pansy hatte vorgeschlagen, Heiler Shaws Idee von einem Rollenspiel ein wenig mehr Würze durch Vielsafttrank zu verleihen. Zuerst hatte er es lächerlich gefunden, sich strikt geweigert, eine andere Frau anzufassen – und vor allem nicht Hermine Granger, aber… Pansy war niemand, dem man einfach widersprechen konnte. Und letztendlich hatte ihm das letzte Mal sehr gut gefallen. Auch wenn er persönlich glaubte, dass es ein schlechtes Zeichen war, dass man sich in fremde Körper flüchten musste, um Spaß beim Sex zu haben. Ein sehr schlechtes Zeichen.

Er konzentrierte sich wieder auf die Frau vor ihm. Und dass Pansy sogar ihre Stimme verändert hatte…, war mehr als gruselig.

 

Mhm“, murmelte er eine abwesende Antwort auf ihre Frage, und seine Hand fuhr höher, zum Ansatz ihrer Brüste, umfasste sie fest, und sie stöhnte unterdrückt auf. Sie griff in sein Jackett, zog es ihm von den Schultern, und er liebte die dunkle Farbe ihrer glänzenden Nägel. Es passte kaum zu ihrer Erscheinung. Zu Grangers Erscheinung. Röte stieg in ihre Wangen, und er verfluchte den verdammten Vielsafttrank, der so täuschend echte Illusionen vermittelte. Er stand nicht auf Hermine Granger. Es war lediglich ein Spiel. Und er nahm an, ihre Haare für kranke Sexspiele zu missbrauchen… - würde Granger ganz und gar nicht gefallen.

Hart schlang sich sein Arm um ihre Taille, und sie war kurviger, als Pansy es war. Seine andere Hand hob sich zu ihrem Gesicht, strich die wilden Locken nach hinten, griff in ihren schlanken Nacken, und Pansy hatte einen guten Sinn für das Verbotene, denn tatsächlich putschte die verdammte Slytherinkrawatte um ihren Hals seine Erregung einige Stufen höher.

Es war so ungewohnt, sie zu küssen, aber fast zu schnell verschlossen seine Lippen ihren halb geöffneten Mund. Er ließ sich gehen, schob seine Zunge tief zwischen ihre Lippen, und sie spornte ihn lediglich an, indem sie aufreizend in seinen Mund stöhnte.

 

Es war immer noch Pansy, aber… bedauerlicherweise fühlte sich das hier um Längen besser an.

 

 

~*~

 

 

Sie schämte sich. Es kam ihr eigenartig falsch vor. Als Ron es vorgeschlagen hatte, war sie instinktiv dagegen gewesen. Aber nach einer Weile glaubte sie, die seltsame Befriedigung darin finden zu können, ihrem Therapeuten mal richtig die Meinung zu sagen. Dieser überhebliche Mistkerl. Sie mochte ihre Therapiesitzungen nicht. Und vor allem nicht, weil dieser arrogante Sack auch noch glaubte, überlegen zu sein. Hermine hatte psychologische Heilkunde nicht studiert, aber sie glaubte trotzdem, cleverer zu sein, als Heiler Shaw.

Aber nur ihre Meinung zu sagen, hatte Ron nicht hilfreich gefunden. Er hatte gesagt, Hermine müsse sich sexuell überlegen fühlen, und außerdem seien Rollenspiele nicht unbedingt falsch. Und es war auch noch Heiler Shaws Idee gewesen.

 

Hermine glaubte persönlich, es wäre ziemlich falsch, dass Ron die Gestalt von Heiler Shaw annehme, nur damit Hermine ihm sexuell und intellektuell überlegen sein konnte. Vielleicht war es reine Kopfsache. Vielleicht ließ sich Hermine auf die Therapie, die sie und Ron dringend benötigten, nicht ein, weil sie Probleme mit dem Heiler hatte. Zwar glaubte sie nicht, mit seiner Erscheinung zu schlafen, könne die Probleme lösen, aber wenn sie schrecklich ehrlich war, glaubte sie auch nicht, dass Sex mit Ron die Probleme lösen konnte.

Sie war lustlos, was ihre ehelichen Pflichten im Schlafzimmer betraf. Und sie war eigentlich zu prüde für solche Experimente, aber Rons Herausforderung nahm sie noch alle mal an. Solange sie selber keinen Vielsafttrank trinken musste!

 

Und nach Rons Idee, hatte sie sich das letzte Mal bemüht, ein helles Haar aus dem Büro des Therapeuten zu entwenden, bei dem sie von Farbe und Länge davon ausgehen konnte, dass es Heiler Shaw auch wirklich gehörte. Und die Vorstellung, dass dieser arrogante Heiler gleich nackt vor ihr stehen würde, ihr zu Füßen lag – wie Ron es nun mal tun würde – brachte ihr viel Genugtuung. Ron wüsste schon, mit welchen Worten er das Image des Heilers wandeln könnte, damit Hermine bei der nächsten Sitzung nur noch ein überlegenes Lächeln auf den Lippen haben würde, anstatt sich in handfeste Argumentationen über angebrachte Behandlungsmethoden verwickeln zu lassen.

 

„Ich nehme den Trank“, rief Ron ihr aus dem Badezimmer zu, und Hermine legte ihre angespannten, kühlen Finger um den gläsernen Stiel des Weinglases, während sie im Bademantel auf dem Bett saß. Es war noch etwas früh für Alkohol, aber sie musste sich beruhigen. Dumme Idee. Wahrscheinlich war es eine dumme Idee. Es half nicht, dass Heiler Shaw einigermaßen attraktiv war, aber blonde Haare waren noch nie ihr Fall gewesen. Sie war sich nicht sicher, ob sie es würde durchziehen können. Aber immerhin klang auch Ron etwas unsicher.

 

„Ok“, erwiderte sie, etwas zu laut. Hastig trank sie einen Schluck Wein.

 

Merlin, war sie nervös. Dabei war und blieb es Ron. Sie glaubte nicht, dass Rons schauspielerische Fähigkeiten so gut waren, dass sie es nicht merken würde.

 

Und dann vernahm sie gar nichts mehr, außer die schmerzhaften Laute, die Ron von sich gab, wahrscheinlich, weil sein Körper etwas zusammenschrumpfte, denn Heiler Shaw war kleiner als Ron. Jeder war kleiner als Ron. Und fast bereute Hermine es. Vielleicht sollte sie sich mehr Mühe mit Ron geben, ihren Mann motivieren, anstatt zuzustimmen, dass er sich den Körper eines anderen aneignete.

 

„Ron?“, fragte sie nach einer weiteren Minute, denn er sagte gar nichts mehr. Hatte sie sich vertan? War es das Haar eines Tieres gewesen? Das konnte nicht sein. Heiler Shaw hatte keine Tiere. Aber die anderen Patienten? Aber sie hatte extra ein Haar von seinem Schreibtisch genommen, was sie dort mit scharfen Augen entdeckt hatte.

 

„Scheiße“, hörte sie seine heisere Stimme.

 

„Was ist los?“ Sofort war sie aufgestanden.

 

„Nicht! Komm nicht rein!“, warnte er sie laut. Aber schon war sie in Bewegung.

 

„Oh nein! Es war doch hoffentlich kein Tierhaar? Ich habe genau aufgepasst! Sonst müssen wir direkt ins Mungo-“

 

„-nein, ist es nicht!“, unterbrach Ron sie laut. Er verschloss laut die Badezimmertür, bevor sie sie aufschieben konnte.


„Ron, was ist los?“ Sie konnte die Panik nicht verdrängen.

 

„Es ist nicht Heiler Shaws Haar gewesen“, informierte er sie gepresst. Und sie schwieg abrupt. Mist. Daran hatte sie nicht wirklich gedacht, aber es machte Sinn. Sie waren schließlich nicht die einzigen Patienten.

 

„Oh nein“, flüsterte sie durch die verschlossene Tür. „Es tut mir wirklich leid“, ergänzte sie schockiert. Ron sagte gar nichts mehr. „Tja, dann… wissen wir, wer jetzt noch in Therapie ist, hm?“, versuchte sie, die Stimmung aufzuheitern, die sowieso seit Monaten nicht mehr gut war. Er antwortete ihr nicht. „Bitte, mach auf“, versuchte sie es noch einmal.

 

„Ich komme in einer Stunde raus“, erntete sie seine Antwort.

 

„In einer Stunde?“, wiederholte sie ungläubig. „Ron, komm schon. So schlimm ist es nicht. Wir… können was essen, oder wir… machen uns lustig. Wir müssen nichts… anderes tun!“, versprach sie ihm.

 

„Ich will nicht, ok? Ich will mich nicht ansehen müssen, und ich will nicht, dass du mich ansehen musst!“ Seine Stimme klang sehr defensiv, und Hermine stutzte kurz.

 

„Wer… wer bist du?“, entkam es ihr ein wenig ehrfürchtig. Denn anscheinend… kannten sie die Person?

 

„Es ist egal, verdammt!“ Ron wurde langsam wütend. Und es gab da noch ein Detail, was Hermine nicht wirklich mit ihm besprochen hatte.

 

„Ron, ich…“ Sie malte verlorene Kreise auf dem Holz der Tür. „Ich habe den Trank ein wenig verändert“, ergänzte sie unschlüssig.


„Was?“ Seine Stimme klang zornig. „Inwiefern?“, wollte er böse wissen.

 

„Die zeitliche Komponente? Ich hatte gedacht, eine Stunde ist zu… ähm… kurz?“, schloss sie ein wenig beschämt.


„Was?“, zischte er aufgebracht. „Wie… wie lange hält die Wirkung an?“, wollte er wütend wissen.


„Vier.“

 

„Vier? Vier was?“

 

„Vier Stunden. Ungefähr“, ergänzte sie stiller.

 

„Super“, knurrte er bloß, und sie hörte, wie er irgendetwas auf den Boden warf.

 

„Ron, du weißt, dass ich diese Tür mit so ziemlich jedem Zauber öffnen könnte, oder?“, wagte sie, ihn zu informieren, aber seine Antwort kam prompt.

 

„Ja, aber ich habe dich gebeten, das nicht zu tun, aus genau den Gründen, die ich gesagt habe!“ Seine Stimme klang scharf und wütend, und sie glaubte mittlerweile tatsächlich, dass er wirklich hasste, wie er aussehen musste.

 

„Bitte“, sagte sie wieder.

 

„Nein“, erwiderte er bockig, und sie lehnte den Kopf gegen das Holz.

 

„Wieso vertraust du mir nicht? Wieso ist es so schwer für dich? Können wir das nicht zusammen überstehen?“, fragte sie ihn, und es war eines der Kernprobleme in ihrer Ehe. Er öffnete sich ihr nicht, verbrachte seine Zeit lieber mit Harry und Ginny und sprach mit ihr über keines seiner Probleme.

 

„Wow. Du nutzt diesen Moment hier wirklich, um Therapie zu machen, ja?“, fuhr er sie durch die geschlossene Tür an, und sie hörte seine wütenden Schritte. „Ok. Weißt du was – schön! Dann machen wir das jetzt!“ Er klang unglaublich zornig. „Weil du nie einfach deinen Mund halten kannst, und einfach nicht wahrhaben möchtest, dass andere ihre Zeit brauchen, und wenn sie nicht reden wollen, tatsächlich manchmal Gründe haben, warum sie nicht reden wollen, verflucht!“

 

Mit diesen Worten entriegelte er wütend die Tür und zog sie auf. Automatisch, es war reiner Instinkt, war sie zurückgewichen. Ihr Mund öffnete sich, und sie hatte das Gefühl, alle ihre Gesichtszüge gaben in einer gesammelten motorischen Geste nach. Oh Merlin! Das… war unmöglich!

 

„Zufrieden?“, fuhr er sie an. „Du willst jetzt reden? Du möchtest jetzt mit mir in der Küche sitzen und die kalten WanTans von Chows essen? Ok, Hermine. Nicht unbedingt das Rollenspiel, was ich mir vorgestellt hatte – aber bitte!“ Er schritt an ihr vorbei, und sie konnte dieser Erscheinung nur nachstarren. Draco Malfoy verließ in Rons Bademantel das Bad und marschierte in die Küche. Sie folgte ihm gänzlich entsetzt.

 

„Ron“, begann sie zaghaft, die Stimme vollkommen nutzlos.

 

„Lass es!“, knurrte er, zog die Kühlschranktür auf – der halb magisch, halb elektrisch lief – und kramte die Boxen des Chinesen hervor. Sie sah ihm zu, und die Tatsache, dass sie Draco Malfoy zusah, war… absurd. Sie stand nutzlos im Türrahmen und starrte ihn an. Sein Blick hob sich, und er war wütend. Sie wusste nicht, wann sie Draco Malfoy das letzte Mal gesehen hatte. Er arbeitete… im Ministerium? Sie war sich nicht mal völlig sicher. Aber sie glaubte, es war Jahre her. Endlose Jahre her. Und wenn sie ehrlich war, dann wollte sie ihn auch nicht mehr sehen, in diesem Leben. Und garantiert nicht in ihrer Küche. Es war das falsche Blond gewesen. Es war ein zu helles Haar gewesen, und es war ihr nicht aufgefallen. Unfassbar, wie gut dieser Trank wirkte. Nichts von Rons warmen Zügen war verblieben, und kalt und scharf traten die glatten Züge auf dem Gesicht des Mannes vor ihr hervor. Sie musste sagen, sie kannte Malfoy nur wütend. Von früher. Deshalb erkannte sie ihn jetzt überhaupt so gut.

Aber er sah… anders aus. Erwachsener. Die gerade Nase etwas länger, aber die Haare noch genauso eisblond, die Augen noch immer grau und kühl. Seine Wangen waren nicht mehr kindlich rund, sondern flach, angepasst an seine gesamte Erscheinung, und nur weil sie Lucius Malfoy vom Aussehen her kannte, wusste sie, Malfoy hier kam sehr stark auf seinen Vater.

 

Sie schauderte unwillkürlich.

 

Er saß steif vor den Kartons, rührte sie nicht an, und dann hob er die Hand, fuhr sich über das Gesicht, schreckte aber wohl selber zurück, denn es musste ihm fremd vorkommen. Wut zuckte wieder über das ernste Gesicht des fremden Mannes, und Hermine schoss eine Frage in den Sinn. Sie war dumm und… unangebracht, aber… sie konnte es nicht verhindern.

 

„Hat… hat er das Mal?“, fragte sie lautlos, und Ron sah sie an. Malfoy sah sie an. Kurz verflüchtigte sich der Zorn in seinen eisigen Augen.

 

„Was? Keine Ahnung! Ich habe kein Interesse, mich damit zu beschäftigen.“ Immerhin war es noch Rons Stimme. Immerhin!

 

„Sieh nach“, sagte sie kleinlaut. „Wir werden jetzt nicht ignorieren können, dass du… vier Stunden so aussiehst.“

 

„Danke“, knurrte er, und räusperte sich lautstark.

 

„Hey, es tut mir leid, ok?“, fuhr sie ihn an. „Ich wusste es nicht! Glaubst du, das war meine Absicht? Denkst du, das hatte ich mir vorgestellt?“ Er erhob sich wieder.

 

„Keine Ahnung! Aber ich darf wütend sein, oder? Oder willst du mir das auch vorschreiben?“

 

„Du bist ein Arschloch!“, entfuhr es ihr, und es fiel ihr tatsächlich um einiges leichter, mit ihm zu streiten, wenn er so aussah. Sein Aussehen alleine reichte, um sie wütend zu machen. Er verzog den Mund, und… unglaublicherweise, erkannte sie Malfoy! So hatte er sie angesehen! Immer!

 

„Hier! Wenn es dich so sehr interessiert!“ zornig schob er den Ärmel des Bademantels höher, gab seinen linken Unterarm frei, und ihre Augen fielen automatisch auf seine bleiche Haut. Und nein. Er trug es… nicht mehr. Sie blinzelte. Sie erkannte die tiefe Schnittstelle, die mittlerweile verheilt war. Das Mal war geballte dunkle Magie und musste tatsächlich komplett herausgeschnitten werden. Und es tat höllisch weh. Sie war bei einigen Entfernungen zwangsläufig in der Ausbildung dabei gewesen. Teilweise zwanghaft, teilweise ließen es ehemalige Todesser freiwillig entfernen. Malfoys Entfernung hatte sie nicht beigewohnt. Und fast hatte sie auch nicht angenommen, dass Malfoy es entfernt hätte.

 

Ihre Gedanken drifteten ab. Ron fuhr mit dem Finger über die tiefe, vernarbte Stelle. Dann zuckte er zusammen.


„Tut… tut es weh?“, fragte sie ihn dumpf. Er ruckte mit dem Kopf.

 

„Es… fühlte sich taub an. Unangenehm“, murmelte er bloß, schien sich dann aber zu besinnen. Er schüttelte den Ärmel wieder runter, und Wut trat wieder in seinen Blick. „Ich habe keine Lust, Malfoys Körper zu erkunden, ok?“ Hermine dachte sehr kurz darüber nach, dass Ron nun sehen könnte, wie lang Malfoys Penis war. Und kurz dachte sie darüber nach, nachzusehen, um sich zumindest insgeheim darüber lustig machen zu können.

 

„Ok“, gab sie zurück. Und vielleicht… trug sie ein wenig Schuld an dieser Sache. Sie hatte ihm das Haar gegeben, aber Ron hätte klar sein müssen, dass es keine hundertprozentige Garantier war, dass sie das richtige Haar gestohlen hatte.

 

„Das war eine dumme scheiß Idee“, knurrte er zornig. Ihr Blick fiel.

 

„Ja“, bestätigte sie fast scheu. Er räusperte sich wieder, bevor er unterdrückt fluchte, und sich an die Kehle griff. „Was?“, murmelte sie, aber sie wusste, was es war. Den Körper zu wechseln, ließ einen mit sämtlichen Unannehmlichkeiten zurück. Rons Stimmbänder waren höchstwahrscheinlich unangenehm lang und schmerzten in dem etwas kleineren Körper.

 

„Nichts“, gab er wütend zurück.

 

Änder sie“, schlug sie ihm müde vor. Er verengte die ungewohnten grauen Augen.

 

„Nein“, sagte er bitter. „Garantiert nicht!“ Wieder räusperte er sich schmerzhaft laut.

 

„Ron-“

 

„-nein!“, fuhr er sie wütend an. „Denkst du, ich tausche meinen Körper und gebe dann auch noch meine Stimme her, damit ich mich vier Stunden lang verabscheuen kann? Danke! Keine Lust, Hermine!“, rief er wütend.

 

„Es wird nur mehr wehtun, und letztendlich schadest du deiner eigenen Stimme umso mehr“, schloss sie didaktisch kurz.

 

„Weißt du was? Dann reden wir einfach die nächsten vier Stunden nicht mehr, wie wäre das? Ich denke, darin haben wir ohnehin Übung!“, fuhr er sie an, und sie nickte wütend.

 

„Fein! Ich hatte ohnehin keine Lust auf diesen Mist!“, erklärte sie bitter.


„Schön, dass du mir das jetzt sagst!“, schrie er praktisch, fasste sich aber direkt an die Kehle, denn schreien tat bestimmt ziemlich weh. Sie wandte sich um, bevor sie noch Mitleid bekam und verschwand in ihr Büro. Sie hätte auch so genug zu tun, ohne sich mit ihrer Ehe rumärgern zu müssen. Ron war scheiße.

 

Aber irgendwann hörte sie, wie er mit wütenden Schritten im Bad verschwand. Dort lag sein Zauberstab, und sie war sich ziemlich sicher, er würde jetzt seine Stimme ändern. Es war ein simpler Kehlkopfzauber, und der Körper merkte automatisch, wann die richtige Länge und Frequenz der Stimmbänder erreicht wurde. Aber ehrlich gesagt, war sie auch nicht sonderlich begeistert davon, dass dann die Stimme zum Körper passen würde.

 

Natürlich konnte sie sich auf keine einzige Akte konzentrieren, die vorwurfsvoll auf ihrem Schreibtisch lag. Sie war schmerzlich weit zurück, mit der Büroarbeit, die ohnehin keinen Spaß machte. Nur nebenbei hörte sie das Klopfen an der Haustür. Aber sie hatte keine Lust, aufzumachen. Sie wollte beleidigt sein. Es war Sonntag, und sie hatte jedes Recht dazu.

 

Fast erschrak sie, als er ihre Tür öffnete. Denn es war Malfoy. Sie war unpassenderweise zusammen gezuckt, und Ron verdrehte tatsächlich die Augen. Es sah eigenartig aus, wenn Malfoy es tat. Eindeutig sah er sie an und zeigte in Richtung Flur. Fast wollte sie ihm sagen, selber aufzumachen, aber… er war Draco Malfoy in Rons Bademantel.

 

Sie erhob sich unwillig. „Erwartest du irgendwen?“, fragte sie ihn schroff, und er verzog den Mund, sagte gar nichts, und sie sah sich bestätigt. Er hatte die Stimme geändert. „Ansonsten mache ich nicht auf. Es ist Sonntag.“ Aber sein Blick wurde drängender, und es klopfte erneut. „Wer ist es? Ist es Don? Muss ich mich umziehen?“ Herausfordernd sah sie zu ihm auf, und sie glaubte, gleich würde er sie erwürgen. Aber ihrem gemeinsamen Chef trat sie nicht im Bademantel gegenüber.

 

„Harry“, brachte er beinahe lautlos über die Lippen, aber tatsächlich jagte es Schauer über ihren Rücken. Seine Stimme war tiefer, als gewöhnlich. Ein wenig rauer, und… es erschreckte sie. Er klang nicht wie der Malfoy aus der Schule. Er klang wie ein erwachsener Mann mit einer sehr tiefen Stimme. Gut, dass sie wusste, dass es Ron war.

 

Wa-was will Harry?“, entfuhr es ihr überfordert, und wieder verdrehte Ron die Augen, schien mit dieser Stimme nicht sprechen zu wollen, aber dann gab er nach.

 

„Er… bringt…“ Widerwillig machte er Pausen nach jedem Wort, und es war wirklich eigenartig. Plötzlich war es, als wäre ein wildfremder Mann in ihrem Haus. Dann schloss Ron die Augen und atmete aus. Es musste ihn viel Überwindung kosten, ging Hermine schließlich auf. Draco Malfoy war nicht gerade Rons Lieblingsperson. Überhaupt nicht, nahm sie an. „Er bringt mir die neuen Quidditchhandschuhe vorbei. Bis morgen muss ich das Leder weich bekommen, für… unser Training.“

 

Wow. Sie konnte ihn nur anstarren. Draco Malfoy erzählte ihr von Quidditchhandschuhen. Sie schüttelte abwesend den Kopf.

 

„Oh“, machte sie bloß. Wieder klopfte es, diesmal lauter. „Dann…“, brachte sie unschlüssig hervor, „versteck dich einfach“, schlug sie überfordert vor, und er tat etwas, was Ron sonst nicht konnte. Aber Malfoys Gesichtsmuskeln schienen trainierter zu sein. Seine linke Augenbraue hob sich in äußerst spöttischer Manie, und wieder lockerte sich Hermines Kiefer. Dann besann sie sich. „Mach schon“, wiederholte sie, und kopfschüttelnd wandte er sich ab. Sie sah ihm fasziniert nach. Ron bewegte sich anders in diesem Körper. Bewusster. Eigenartig.

 

Sie hastete den Flur hinab und öffnete die Tür, nachdem sie den Knoten ihres Bademantels kontrolliert hatte.


„Hey, was ist los? Ich klopfe seit – oh“, unterbrach sich Harry selbst und betrachtete ihre Erscheinung. Die Idee eines Grinsens huschte über sein Gesicht. „Störe ich?“, fragte er, höchst unschuldig.

 

„Nein“, erwiderte sie. „Ron ist nicht da“, ergänzte sie eilig. „Ich… war dabei, ein Bad zu nehmen“, schloss sie entschuldigend.

 

„Ah, ok. Ich-“ Wieder unterbrach er sich, aber dieses Mal, weil ihr tollpatschiger Ehemann nicht schaffte, sich effektiv zu verstecken und still zu sein. Er hatte etwas im Bad umgeworfen, denn es zerbrach geräuschvoll auf den Fliesen. Kurz danach hörte sie das unterdrückte Fluchen der fremden Stimme. Harrys Augen weiteten sich.

 

„Hermine, wer…?“

 

„Es ist nicht, wie du denkst“, sagte sie sofort, streckte die Hand nach den Handschuhen aus, die Harry unschlüssig in beiden Händen behielt, und er versuchte, in den Flur zu spähen.

 

„Ach nein?“, erwiderte er vorsichtig. „Darf ich… reinkommen?“, fragte er, und Hermine atmete lange aus.

 

„Harry-“

 

„-ich weiß, ihr habt Probleme, aber… Hermine, du kannst nicht…- du kannst ihn nicht betrügen“, flüsterte er fast. Sie schnappte nach Luft.

 

„Was? Ich würde ihn niemals betrügen! Niemals!“ Und es war die Wahrheit. Das hatte sie nie getan. Egal, wie viele Probleme sie hatten. Egal, wie schwierig es zwischen ihnen sein mochte. Sie liebte Ron. Sie konnte ihm nicht wehtun. Und zur Bestätigung ihrer Worte, ertönte der nächste Krach aus dem Badezimmer. Ron gab sich keine Mühe, und sie fragte sich, ob er das mit Absicht tat. Aber sie konnte es sich nicht vorstellen.

 

„Wer ist-?“, begann Harry aber Hermine verdrehte die Augen zur Decke.


„-es ist Ron“, sagte sie hastig.

 

„Ich dachte, er ist nicht hier?“, hakte Harry sofort nach. Hermine atmete unzufrieden aus.

 

„Na ja… schon, aber…“

 

„Aber?“ Harry ließ nicht locker.

 

„Gib mir einfach die Handschuhe, Harry, und wir sehen uns morgen, ok?“, versuchte sie es erneut, aber Harrys Ausdruck wirkte verschlossen.

 

„Wir können über alles reden, das weißt du“, sagte er, mit mehr Mitgefühl, und sie hasste diesen Moment. Und wesentlich schlimmer war, dass sie Rons Schritte hörte. Oh nein! Das wagte er nicht! Harry würde es Ginny erzählen – und dann würden ihre beste Freunde über sie lästern und sagen, sie wären krank!

 

„Tut mir leid! Bis morgen!“ Sie versuchte, sich eilig zurückzuziehen, aber Harry stemmte die Hand gegen die Tür.

 

„Hermine, warte-!“ Sie warf einen zornigen Blick über die Schulter, und mildes Interesse lag auf dem fremden Gesicht. Ron stand mittlerweile hinter ihr, und sie hoffte, er konnte erkennen, wie sehr sie hasste, was er tat. Harry schaffte, die Tür aufzudrücken, aber sein Ausdruck gefror, als er Malfoy hinter ihr in Rons Bademantel erkannte. Sein Mund öffnete sich, und wie sie, wich er instinktiv zurück.

 

„Nein!“, flüsterte er bloß und sein Kopf schüttelte sich ungläubig. „Hermine… nein!“, wiederholte er, und Ron wagte es tatsächlich, seinen besten Freund zu verarschen.

 

„Hallo Potter“, begrüßte ihn Malfoys Stimme glatt und fremd. Harrys blinzelte schockiert, scheinbar bereit, den Zauberstab zu ziehen.

 

„Witzig“, zischte Hermine. „Harry, es ist nicht, wie du denkst“, versprach sie ihm mit Nachdruck.

 

„Ich… ich kann nicht-“, begann Harry kopfschüttelnd. „Hermine, wie… wie kannst du nur?“, entfuhr es ihm völlig verstört.

 

„Wahrscheinlich war es mit Weasley zu langweilig“, vermutete Ron hinter ihr, mit dem rechten Maß an Spott in der tiefen Stimme. Hermine atmete aus.

 

„Harry, es ist Ron“, erklärte sie gereizt.


„Was?“, entkam es Harry abwesend. „Am besten verschwindest du aus diesem Haus!“, wandte er sich direkt an Ron. Dieser musste tatsächlich lächeln.

 

„Wenn Hermine mich rauswirft“, entgegnete er achselzuckend, und sie verdrehte wieder die Augen.

 

„Lass es!“, warnte sie ihn. „Was ist los mit dir?“

 

„Neues Rollenspiel“, erwiderte er schlicht, aber Harry hörte es gar nicht.

 

„Wenn Ron erfährt, dass du hier bist-“, begann ihr bester Freund ungehalten, aber Ron unterbrach ihn lächelnd.

 

„-dann wird er mir danken, dass ich mich um seine Frau kümmere“, beendete Ron den Satz, und Hermine reichte es.

 

„Harry, stopp!“, warnte sie ihn, als Harry den Zauberstab gezogen hatte. Die Handschuhe lagen vergessen auf der Fußmatte. „Es… es ist Ron! Nicht… Malfoy. Wir… haben mit Vielsafttrank experimentiert, aber… die falsche Haarprobe verwendet.“ Es klang absurd.

 

„Was?!“, entkam es Harry ungläubig.

 

„Ron?“ Sie wandte sich hilfesuchend an ihren nutzlosen Mann, und dann grinste Malfoys Gesicht ein sehr untypisch weites Grinsen. Es sah eigenartig aus. Nicht schlecht, aber… eigenartig. Malfoy hatte wohl nie viel gegrinst.

 

„Mann, ich bin’s“, sagte Malfoys Stimme versöhnlich. Harry blinzelte wieder, unschlüssig. „Du bringst die Handschuhe? Für das Training? Wir spielen nächste Woche gegen die chirurgischen Heiler des Mungos? Hermine und ich… wollten nur… unsere Ehe etwas… aufpeppen“, schloss er achselzuckend. Harry schluckte schwer.

 

„Mit Draco Malfoy?“

 

Ron verdrehte Malfoys Augen. „Nein, eigentlich mit unserem Ehe-Therapeuten.“ Hermine schloss die Augen, denn das klang nicht sonderlich gesünder.


„Aber… aber jetzt reicht auch Malfoy, oder…?“ Harrys Zauberstab war gesunken. Er schüttelte den Kopf. „Ihr… ihr seid wahnsinnig“, schloss er angespannt und schien sich nicht wohlzufühlen. „Das hier… ist mein Albtraum“, schloss er kopfschüttelnd und deutete vor sich, auf sie und Ron in ihren Bademänteln. Oder eher auf sie und Malfoy in Bademänteln. Und ja, es war auch nicht Hermines Traumvorstellung. Ganz und gar nicht. „Wieso die Stimme?“, wollte er ungläubig von Ron wissen, aber dieser zuckte die Achseln.


„Es tat zu weh mit meiner Stimme.“ Sie gewöhnte sich langsam an den Klang von Malfoys Stimme. Sie war melodisch. Angenehm. Es war ihr früher nie aufgefallen. Und dann schloss sich Harrys Mund, und sein Blick fiel.

 

„Trägt er das Mal?“, fragte er, mit demselben wissenschaftlichen Interesse, wie es Hermine zuvor getan hatte. Und wieder atmete Ron genervt aus.

 

„Was ist los mit euch?“, wollte er gereizt wissen, aber Harry fixierte bereits seinen Unterarm. Ron schüttelte den Ärmel nach oben und zeigte Harry das Narbengewebe. „Nein, er hat es scheinbar entfernen lassen“, schloss er schließlich gepresst, bevor er den Ärmel wieder runterschüttelte.

 

„Interessant“, entfuhr es Harry. Sein Blick verengte sich. „Wann ist euer Hochzeitstag?“, schien er eine Sicherheitsfrage zu stellen, denn er schien ihnen noch immer nicht ganz zu glauben. Hermine verdrehte wieder die Augen.

 

„Oh viel Glück dabei, Harry“, entkam es ihr trocken. Als ob Ron sich Daten merken konnte.

 

„Achter Juli“, entgegnete er sofort, und Hermine war fast beeindruckt. Scheinbar konnte Ron sich in diesem Rollenspiel besser Daten merken. Es war lächerlich.

 

„Hermines Geburtstag?“

 

„Neunzehnter September“, entgegnete ihr Mann gelassen, als wären Daten nie ein Problem. Erst letztes Jahr hatte er ihren Geburtstag vergessen.

 

„Ich würde ihm nicht glauben“, warf Hermine zweifelnd ein, und Rons Blick fiel auf ihr Gesicht. Und fast erkannte sie ihn durch die fremde Gestalt. Aber nur fast.

 

„Ihr seid krank. Wirklich. Wehe, du bist nicht Ron!“, ergänzte Harry bloß, und dieses Mal lachte Ron auf. Und es war… ein schönes Lachen.

 

„Ich seh dich morgen“, versprach Ron ihm bloß, bückte sich nach den Handschuhen und verabschiedete Harry. Hermine schloss die Tür, nachdem sich Harry kopfschüttelnd abgewandt hatte.

 

„Musste das sein?“, fragte sie ihren Mann aufgebracht, aber eigenartigerweise schien Rons Ärger verraucht zu sein.

 

„Es hat Spaß gemacht.“

 

„Harry zu ärgern macht Spaß, ja? Zu glauben, ich betrüge dich mit Draco Malfoy macht Spaß?“, führte sie wütend aus, und sein Lächeln verwirrte sie. Dann hob sich seine Hand, und überfordert hielt sie den Atem an, als seine schlanken Finger über ihre Wange strichen.


„Ron-“, brachte sie hervor, aber er schüttelte den Kopf.

 

„-shht“, sagte er bloß. „Ehrlich gesagt, gefällt mir, wenn du wütend wirst, Granger“, sagte er, den Hauch an Unsicherheit in der fremden Stimme. Sie blinzelte überfordert. Er nannte sie… Granger. Anscheinend hatte Ron tatsächlich Gefallen an diesem kranken Rollenspiel gefunden. Sein Blick war sehr intensiv. Diese grauen Augen lösten irgendeinen Fluchtinstinkt in ihr aus.

 

„Wir sollten nicht-“, begann sie.

 

„-warum nicht?“, unterbrach er sie rau, und seine Finger fanden den Weg zum Knoten ihres Bademantels.

 

„Warum nicht?“, wiederholte sie und versuchte, seine Finger aufzuhalten. „Weil das verrückt ist! Weil du aussiehst, wie-“

 

„-ich weiß, wie ich aussehe“, sagte seine tiefe Stimme kopfschüttelnd. „Aber ich bin immer noch ich, Hermine. Und… ich will mich nicht streiten. Ich will… mit dir über alles reden können, aber… manchmal hilft es, das anders auszudrücken. Nicht mit… Worten.“

 

„Ron-“, verzweifelt wollte sie protestieren, als seine Finger den Knoten endlich gelöst hatten.

 

„-und ich konnte dich lange nicht mehr so wütend machen“, fuhr er fort.

 

„Du machst mich jeden Tag wütend“, wisperte sie, und kurzfristig fielen ihre Augen zu, als seine Hand tiefer wanderte. Ihr Kopf fiel zurück gegen die Haustür. Sein raues Lachen klang so fremd in ihren Ohren.

 

„Ja, schon. Aber… nicht so wütend, dass… es elektrisierend ist“, fuhr er fort, und automatisch fiel sein Mund auf ihren Hals. Und es fühlte sich direkt anders an. Es war nicht mehr Ron. Es fühlte sich nicht mehr an, wie ihr Ehemann. Ihre Augen flatterten auf.

 

„Was… soll das heißen?“, wisperte sie. „Du weißt, dass ich dich liebe! Und nicht die kranke Vorstellung von-“

 

„-ich weiß“, unterbrach er sie lautlos, und es war krank in die falschen Augen zu blicken, den falschen Menschen vor sich zu haben, dessen Wärme sie zwar kannte, aber… der Körper war einfach falsch! „Aber…“ Er zögerte, und es hatte etwas ungemein Erregendes an sich, ihm zuzusehen, wie er sich auf die Unterlippe biss, als seine Finger sanft über ihre Klitoris strichen. Sie schnappte nach Luft, ohne ihn aus dem Blick zu lassen. „Aber… das hier… ist aufregender, als ich dachte“, sprach die raue fremde Stimme von Draco Malfoy, und sie wurde übergangslos feucht.

Oh Merlin. Sie hasste dieses Rollenspiel automatisch. Vor allem, weil Ron scheinbar so gut darin war, jemand anders zu sein. Seine Mundwinkel hoben sich.

 

„Granger, so feucht für mich?“, erkundigte er sich mit einem wölfischen Lächeln, und Röte schoss in ihre Wange! Dabei war es Ron! Es war nur Ron! Das sagte sie sich, aber ihr Gehirn konnte es nicht so umsetzen.

 

„Du bist… unmöglich“, wisperte sie, beschämt und schockiert, aber sie erkannte, dass das Grau seiner Augen dunkler wurde. Und dann schloss der schöne fremde Mann den Abstand. Er presste seine Lippen gegen ihre, und Hermine hasste ein bisschen, dass sie ihn gewähren ließ. Dass sich ihre Augen schlossen, dass sie ein Stöhnen nicht unterdrücken konnte, als er die Zunge zwischen ihre Lippen schob. Ron wusste, wie er sie zu küssen hatte – und dass er es in Malfoys Gestalt auch wusste… erregte sie unermesslich.

 

Unbewusst griff sie in seine Haare, zog ihn näher, und das Gefühl der glatten, dicken blonden Strähnen unter ihren Finger, war so anders, als das Gefühl von Rons Haaren. Aber dann wiederum wusste sie nicht mal mehr, wann sie das letzte Mal Sex gehabt hatten. Und jetzt war sie schmerzlich bereit dafür.

Und als Malfoy schien Ron nicht das Bedürfnis zu verspüren, wie immer traditionell im Bett liegen zu müssen. Auch berührte er sie anders, traute sich mehr, als sonst, denn schon stieß er zwei Finger tief in ihre feuchte Hitze, und sie schnappte gegen seine Lippen nach Luft. Seine Hände fuhren über ihre Brüste, rissen ungeduldig ihren Bademantel von ihren Schultern, und schon öffnete sie auch seinen Knoten, wollte ihn spüren, auch wenn es ein fremder Körper war.

 

Er löste sich von ihren Lippen, senkte den Kopf, und weil er kleiner war, schaffte er es, mühelos ihren Nippel in seinen Mund zu saugen. Sie starb praktisch unter dieser Qual. Ihr Atem ging schneller, und seine Erektion berührte pulsierend ihren Schenkel. Merlin, sie wollte ihn! Er löste sich von seiner süßen Folter, und seine Stimme klang unglaublich rau. „Dreh dich um!“, befahl er bloß. Und Hermine kannte den befehlsgewohnten Ton nicht aus seiner Stimme. Dann wiederum…- war es nicht seine Stimme, und tatsächlich kam sie seinen Worten nach. Nackt drehte sie sich um, und grob presste er ihren Körper gegen das Holz, positionierte sich hinter ihr und ging ein wenig in die Knie. Sie hörte, wie er den Bademantel ebenfalls loswurde, und ohne Worte teilte er sie.

Sie erinnerte sich, dass sie sich vielleicht über seinen Penis hatte lustig machen wollen, aber… daran gab es nichts lustiges. Sie konnte nicht mal sagen, ob er größer war, als Rons. Aber es fühlte sich fast so an. Er weitete sie unnatürlich, und sie schnappte nach Luft, als er sich in nur einer Bewegung vollständig in ihr vergrub.

 

Das Geräusch aus seiner Kehle war animalisch und tief, nicht wie Ron, und sie schloss die Augen, ließ sich von ihm mitreißen, und wieder und wieder entfernte er sich und stieß härter zu, griff in ihre Hüfte, schmerzhaft und drängend, und sein fremdes Stöhnen wurde lauter. Sie spürte die Nähe seines Körpers, spürte, wie er zitterte, wie er kurz davor war, und dann glitt seine Hand nach vorne, zwischen ihre Beine, berührte ihren empfindlichen Punkt. „Komm für mich, Granger“, flüsterte er heiser – und es war zu viel. Ihr Kopf fiel zurück, und allein seine verdammte Stimme reichte, um sie über die Klippe zu schicken. Sie spürte, wie er unkontrolliert tiefer nach vorne bockte, sie gegen die Tür pinnte, und grollend folgte er ihrem Orgasmus, stöhnte ihren Namen, und sie glaubte, ohnmächtig zu werden, denn schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen.

 

Langsam entfernte er sich aus ihr. Sein Atem ging rau, und er griff nach ihren Schultern, um sie umzudrehen. Erschöpft fiel sie gegen die Haustür zurück.

 

Sanfter Schweiß stand auf seiner Stirn, und fast hatte sie schon wieder vergessen, wer er war. Als sie kam, hatte sie Ron vor Augen gehabt, nicht… Malfoy.

Doch er schien sich keine Gedanken zu machen, schien gerade gar nicht mehr zu wissen, dass er in einem fremden Körper steckte, denn voller Zuneigung schloss er den Abstand, und sie schämte sich, dass sie ihm entgegenkam, ihn voller Verlangen küsste, und sie musste zugeben – so etwas hatten sie und Ron noch nie getan! Noch nie!

 

„Schlafzimmer!“, raunte er fordernd gegen ihre Lippen, und überrascht zog sie den Kopf zurück. Sie starrte ihn ungläubig an. Aber dann hoben sich seine Mundwinkel. „Ich bin noch lange nicht fertig“, ergänzte er vielversprechend – und auch das war… ganz und gar nicht typisch Ron!

 

„Oh?“, entkam es ihr heiser, und Röte kroch wieder in ihre Wangen.

 

„Oh ja“, bestätigte er. „Selten hältst du mir gegenüber den Mund und wirst rot, wenn ich mit dir rede – also… koste ich das aus.“

 

„Du bist ein Idiot“, murmelte sie bloß. Aber es war besorgniserregend. Mehr als das. Draco Malfoy erregte sie. Und eigentlich sollte sie weglaufen, und Ron nicht auch noch aufmuntern.

 

„Ja?“, erkundigte er sich grinsend, ergriff ihre Hand und zog sie mit sich. „Erzähl mir mehr davon im Schlafzimmer, Granger“, ergänzte er spöttisch, und ihre Knie wurden weich, beim Klang ihres alten Nachnamens.

 

 

~*~

 

 

~Sechs Monate später~

 

Sie glaubte, die Kobolde brauchten mit voller Absicht Jahre, um eine simple Aufgabe auszuführen. Sie war überzeugt, es war ihre persönliche Strafe für die Zauberer, weil sie sich noch immer unterdrückt fühlten. Selbst in Gringotts! Selbst hier! Hermine lehnte sich zur Seite, um an der Schlange vorbei zu blicken, wo sich der Kobold am hohen Schalter gerade besonders viel Zeit ließ, um die Gringotts-Schecks einer Hexe zu zählen.

 

„Merlin“, entfuhr es ihr gereizt. Sie ließ den Blick kopfschüttelnd wandern und verfluchte, dass sie überhaupt bares Gold benötigte. Manchmal waren die Muggel doch cleverer als die Zauberer. Ihr Blick blieb an ihm hängen. Er stand eine Schlange weiter neben ihr. Hastig blickte sie starr nach vorne.

 

An ihn hatte sie lange nicht mehr gedacht. Aber heute stand Draco Malfoy in der Schlange neben ihr. Und sie hatte aus sehr verschiedenen Gründen nicht mehr an ihn gedacht. Es war so, dass Ron und sie sich keine Woche nach ihrem Vielsafttrank-Unglück getrennt hatten. Und alleine deshalb, weil Ron sie nicht mehr ansehen konnte, weil er glaubte, jedes Mal, wenn sie ihm nahe kam, sah sie Malfoy und nicht ihn. Das, was ihm an ihr so gut gefallen hatte, als er den Vielsafttrank genommen hatte, gefiel ihm am nächsten Tag überhaupt nicht mehr. Sie hatte nicht fassen können, dass er so von ihr dachte. Dass es so ein Problem war. Aber wahrscheinlich hätte sie es kommen sehen müssen. Jemand, der sich nur durch Vielsafttrank so gehen lassen konnte – hatte ernsthafte Probleme in seinem eigenen, echten Körper. Und vielleicht war sie das Problem. Vielleicht war sie nicht gut für Ron gewesen. Egal, wie sehr sie glaubte, ihn zu lieben. Vielleicht reichte es nicht aus.

 

Harry hatte es sowieso prophezeit gehabt und hasste, dass er wusste, was vorgefallen war, und seitdem lebte Hermine in einer beschämend kleinen Wohnung und hatte nicht mal Lust gehabt, ihre Kartons auszupacken. Die Trennung von Ron war anstrengend und gleichzeitig… befreiend gewesen.

Aber hier zu stehen, eine Schlange neben Draco Malfoy – war… das absolute Gegenteil davon! Und jetzt spürte sie seinen Blick. Mist. Aber sie konnte nicht anders. Sie wandte den Blick ebenfalls. Vorsichtig, fast. Als könne er womöglich ihre Gedanken lesen, wenn sie ihn ansah.

Er sah so aus, wie sie… ihn in Erinnerung hatte, als er sie gegen ihre Haustür genommen hatte – oh Merlin. Es war so krank.

Aber sehr kurz hatte sie das Gefühl, so etwas wie Schuld in seinem Gesicht zu erkennen. Merlin, sie wusste, wie sich seine Haare anfühlten. Seine Haut! Sie wusste, wie groß sein verdammter Penis war! Verdammt! Sie wusste sogar, dass er das Mal nicht mehr trug. Sie wusste, dass er und seine Frau in Ehe-Therapie waren! Wieso sah er sie so an? Wieso wandte er plötzlich den Blick steif nach vorne?

 

Sie tat es ihm gleich, ignorierte ihn mit aller Macht und wartete noch geschlagene zwanzig Minuten mit ihren eigenen ekelhaften Gedanken, bis sie endlich dran war.

Kaum hatte sie den Beutel voller Galleonen erhalten, flüchtete sie praktisch aus der Bank. Aber leider war er gleichauf mit ihr, und an der Tür kamen sie zu einem vorhersehbaren Halt. Sie überlegte, ob sie ihm die Tür aufmachen musste, er schien dasselbe zu tun, und letztendlich griffen sie gleichzeitig nach dem Griff, nur um wie verbrannt die Hände wieder zurückzuziehen.

Sie atmete gepresst aus.

Dann räusperte er sich neben ihr, lehnte sich nach vorne und zog die Tür in die eisige Kälte auf.

 

„Bitte“, sagte er bloß, ließ ihr den Vortritt, und scheu hob sie den Blick zu seinen Augen. Gott, wie konnte Vielsafttrank so exakt genau wirken? Merlin, er sah so aus, wie in ihren unzähligen Träumen nach dem verhängnisvollen Tag.

 

„Danke“, entkam es ihr fast rau und sie überwand sich, die Bank zu verlassen.

 

Ahem…“, war alles, was er sagte, aber sie wandte sich sofort um, als sie draußen war. Sein schwarzer Kragen war hochgeschlagen, und sanft fielen weiße Schneeflocken auf seinen Schopf. Farblich machte es keinen Unterschied.

 

„Ja?“, wagte sie zu erwidern, und ihr Herz schlug sehr schnell. Sie hatten sich nicht mal begrüßt. Nach – keine Ahnung wie viel? – zehn Jahren trafen sie sich – und begrüßten sich nicht mal. Sie standen sinnlos voreinander, und dann fiel sein Blick etwas schuldbewusst, nur damit sich sein Rücken plötzlich durchstreckte. Von irgendwoher hatte er wohl eine Portion Mut gefunden.

 

„Hast du… was vor?“ Es war eine eigenartige Frage. Absolut unpassend. Dass er sie duzte – dass er es überhaupt fragte! Es war praktisch unerhört. Und ja, sie hatte etwas vor. Sie kam zu spät zu James‘ Geburtstagsfeier, die ohnehin unangenehm werden würde, weil sie heute Ron nach zwei Monaten wiedersah, nachdem sie die Versetzung in eine andere Abteilung beantragt hatte. Und sie hatte die fünfzig Galleonen noch geschickt in der Auror-Action-Figur zu verstecken, so dass sie James das Gold nicht einfach so in die Hand drücken musste.

 

Aber ihr Gehirn entschied sich zu einer gänzlich falschen Antwort. „Jetzt?“ vergewisserte sie sich, denn seine Frage war höchst vage. Sie war sich… nicht mal sicher, was er überhaupt fragte!

 

„Ja“, bestätigte er dumpf, und sie war den Klang seiner Stimme nie ganz losgeworden, dachte manchmal unbewusst an die samtige Tiefe.

 

„Nein.“ Das Wort war nur ein Hauch. Kurz fixierte er sie verblüfft.

 

„Du… hast nichts vor?“, interpretierte er ihre Worte sehr vorsichtig, und sie wusste, das war ein massiver Fehler. Aber sie schüttelte fast unbefangen den Kopf.

 

„Nein“, wiederholte sie steif.

 

„Hättest du vielleicht Lust-?“

 

„-ja!“, entkam es ihr, viel zu früh, viel zu schnell. Sie biss die Zähne zusammen. Was genau tat sie hier? Zauberer schoben sich an ihnen vorbei, denn sie standen ziemlich dreist im Weg, und Hermine ignorierte voller Scham die abfälligen Blicke. Für gewöhnlich hasste sie es ebenfalls, wenn Menschen im Weg standen, aber jetzt gerade… war sie zu fasziniert von Draco Malfoy, der wahrhaftig vor ihr stand und sie fragte, ob sie etwas vorhatte. Er war überrascht verstummt.

 

„Ja?“, wiederholte er bloß und hob die Augenbraue, wie sie es bereits kannte. Allerdings von Ron. In seinem Körper. Merlin, sie war krank. „Du… weißt noch nicht, was ich fragen will“, bemerkte er unschlüssig, und sie schluckte schwer. Sie wurde rot. Unweigerlich.

 

„Vielleicht… könnten wir auf dem Markt einen Punsch trinken?“, fand sie endlich ihre Stimme wieder. Ihr Herz schlug verdammt schnell. Er schien sehr überrascht, dass sie das fragte, dass sie… darauf Lust hatte. Aber… es stimmte. Sie hatte Lust.

 

„Fragst du mich, oder…?“, erwiderte er jetzt mit gerunzelter Stirn, und sie atmete aus. Sie dachte länger an Draco Malfoy, als es ihr lieb war. Sie träumte zu oft von ihm, als dass es tatsächlich Zufall sein konnte. Also gab sie diesem Wahnsinn einfach nach. Nur um… es zu testen. Nur um… zu sehen, ob mehr hinter ihren Träumen steckte, oder ob Ron sie für alle Zeiten zerstört hatte, mit Empfindungen und Vorstellungen, die überhaupt nicht stimmten.

 

„Ja“, sagte sie schlicht. „Hast du Lust?“, wiederholte sie seine Worte, und ein wenig prüfend legte er den Kopf schräg, ehe sich seine Mundwinkel um eine Winzigkeit hoben.

 

„Du… weißt, wer ich bin, oder?“, schien er sich tatsächlich vergewissern zu müssen, aber Hermine musste fast lachen.

 

„Ja. Ja, ich weiß, wer du bist.“

 

„Gut“, erwiderte er, sichtlich beruhigt. Aber dann fiel ihr etwas ein.

 

„Du… bist verheiratet, oder?“, fragte sie ihn, fast verschlossen, denn… schließlich musste er bei Heiler Shaw gewesen sein. Seine Stirn legte sich in Falten.

 

„Ich… lebe von meiner Frau getrennt. Du?“, fragte er sie sehr knapp, fast lauernd.

 

„Ähm…“ Ihr Blick fiel. Sie erzählte es Leuten nicht gerne, und schon gar nicht Draco Malfoy. „Ron und ich sind auch getrennt.“

 

Mh“, machte er tatsächlich nachdenklich. „Therapie nicht erfolgreich?“, wollte er dann wissen, und sie horchte auf.

 

„Woher-?“ Erschien seine Worte zu begreifen, und sein Mund öffnete sich fast hastig.


„-meine Frau hat… dich in Heiler Shaws Praxis gesehen. Damals“, ergänzte er, auffällig gepresst. Und sie war froh, weshalb er sie nicht fragte, woher sie wusste, dass er verheiratet war. Wirklich froh.

 

„Oh. Ja.“ Das war alles, was sie sagte. Es wurde unangenehm.

 

„Punsch?“, griff er ihre Worte auf und trat neben sie. Sie sah zu ihm auf. Merlin, ihre Knie waren weich.

 

Jaah“, entkam es ihr mit einem scheuen Lächeln. Sie gingen nebeneinander, und der Schnee blieb zum ersten Mal liegen. Vor ihnen eröffneten sich zwei Reihen viel besuchter Stände, mit Schmuck, allerlei magischen Unsinnigkeiten, Köstlichkeiten aus sämtlichen Ländern, und weiter hinten stand ein Punschausschank der Drei Besen. Schweigend erreichten sie den vollen Stand, und Malfoy kümmerte sich um zwei Getränke, zahlte diese und reichte ihr den dampfenden Becher.

 

Dankbar nahm sie ihn entgegen, und sofort kroch wieder ein Gefühl in ihre Fingerspitzen. Sein Gesicht kam ihr so vertraut vor und war gleichzeitig doch sehr fremd. Aber sie hatte das seltsame Gefühl, etwas Ähnliches lag in seinem Blick.

 

„Was für ein Zufall“, sagte er schließlich, mehr zu sich, und ein wenig verloren standen sie zwischen den plappernden und lachenden Menschen – von denen Hermine glücklicherweise keinen kannte.

 

Mhm“, bestätigte sie wortkarg. Er trat näher an sie heran, und sie versteifte sich kaum merklich, als sie sein angenehm fruchtiges Parfüm riechen konnte.

 

„Hör zu, ich… denke, ich muss dir etwas beichten, und…“, begann er sehr überraschend, und sie erkannte, er fühlte sich sehr unwohl.

 

„Was?“, entfuhr es ihr angespannt, und ihre Augen flogen über seinen schuldbewussten Ausdruck.

 

„Ich… denke tatsächlich seit einer Weile an dich, und… habe heute einfach die Chance genutzt. Ich weiß, das klingt… dumm.“ Sie blinzelte verblüfft.


„Du… denkst an mich?“, flüsterte sie ungläubig, darauf bedacht, dass die Leute sie nicht hörten. Aber er nickte bloß. Sie erinnerte sich gut an diese grauen Augen. Verdammt. Er dachte an sie? Wieso? Sie arbeiteten nicht zusammen, sie sahen sich nicht! Merlin, sie kannten sich überhaupt nicht. Und doch… dachte sie auch an ihn. Seit… einer sehr langen Weile.

 

„Ist dir das unangenehm?“, fragte er sie rau, und fast zu schnell schüttelte sich ihr Kopf. Er musste glauben, sie wäre krank. Sie löste sich von seinen Augen und räusperte sich still.

 

„Ich…- nein, es ist mir nicht unangenehm“, führte sie ihre Geste aus.

 

„Ok“, erwiderte er, fast verblüfft. Ja, sie war auch verblüfft. Hastig wandte sie den Blick von ihm ab und leerte ihr Glas Punsch. Die Wärme und der Alkohol beruhigten sie ein wenig. Er besorgte ihnen noch zwei Gläser, und als es langsam angenehm dunkel wurde, die Lichter alles in einen sphärischen Anblick tauchten, begannen sie, zu sprechen. Über alles Mögliche. Über die Arbeit, über die Therapie, über Pansy und Ron. Und nach und nach erfuhr sie, dass er heute eigentlich auch keine Zeit gehabt hatte, dass die fünfzigste Geburtstagsfeier seines Vaters im Club stattfand, dass er aber instinktiv gehandelt hatte, und sie beichtete ihm, dass sie heute eigentlich auf James‘ sechsten Geburtstag eingeladen war, dass sie aber dankend verzichtete, um Ron nicht zu sehen.

Er lachte daraufhin und begann ihr von der misslungenen Therapie zu berichten, davon, wie Heiler Shaw ihm und Pansy seltsame Rollenspiele vorgeschlagen hatte, und auch Hermine warf ein, dass er das auch bei ihr Ron versucht hätte.

Und erst als er fragte, ob sie und Ron es ausprobiert hätten, schwieg sie beschämt, machte eine vage Kopfbewegung, und er entschuldigte sich anschließend für die unhöfliche Frage.

Sie waren mittlerweile beim vierten Punsch angekommen, und mit leicht geröteten Wangen erzählte er ihr, dass Pansy sehr begeistert von der Idee der Rollenspiele gewesen war. Der Blick in seinen Augen war eigenartig, ließ sie an so vieles denken, und sie fragte sich, was er sagen würde, wenn er wüsste, dass Ron… dass…-

 

„Es wird spät“, fand sie endlich wieder Worte, und er nickte bloß.

 

„Wohnst du in der Nähe? Ich… kann dich ein Stück begleiten“, bot er ihr an, und sie wusste, apparieren konnte sie nicht mehr. Sie nickte, verabschiedete sich beim Schankwirt, der selber etwas zu tief in den eigenen Punschbecher schaute und mittlerweile den Punsch verschenkte. Sie nahm an, Madame Rosmerta wäre von dieser Geschäftsidee nicht sonderlich begeistert. Schmunzelnd verließen sie den kleinen Markt und schlenderten die Straße entlang. Seine Hände waren in seinen Manteltaschen vergraben, und an der nächsten Kreuzung hielt sie an.

 

„Von hier aus schaffe ich es allein“, erklärte sie lächelnd, und er atmete die klare Luft ein. Es hatte aufgehört zu schneien, aber die Straßen lagen schön weiß, wie mit Puderzucker bestreut.

 

„Es war… wirklich nett“, bestätigte er.

 

„Ja. Danke für… den Punsch“, ergänzte sie nickend. Er zog die Hand aus der Tasche und streckte sie ihr entgegen.

 

„Schönen Abend dir noch“, wünschte er ihr, mit einem feinen Lächeln. Sie legte ihre Hand in seine, und seine Finger waren nicht so kalt wie ihre.

 

„Dir auch“, entgegnete sie, genoss die kleinen stromschlagartigen Gefühle, die alleine der Druck seiner Finger auslöste, und dann zog er die Hand wieder zurück.

 

Sie glaubte, er entschied sich recht spontan und ziemlich unüberlegt für den nächsten Schritt, und sie tat nicht viel mehr, als die Augen zu schließen, nachdem er den Abstand geschlossen und den Kopf gesenkt hatte.

Ein Arm lag um ihrer Taille, die andere Hand um ihren Nacken, als seine kühlen Lippen ihren Mund verschlossen. Sie atmete ihn automatisch ein, hielt dann praktisch den Atem an, und das Gefühl seiner Lippen kam ihr so verboten vertraut vor.

 

Er hielt den Kuss eine Weile lang, und als sie endlich wieder atmen musste, löste sie sich mit geöffnetem Mund von seinen Lippen. Blinzelnd öffnete sie die Augen wieder. Seine Hände fielen von ihr ab, und geschockt über sich selber machte er einen Schritt zurück.

 

„Tut… tut mir wirklich-“

 

„-sehen wir uns morgen?“, fragte sie, und versuchte, nicht zu sehnsüchtig zu klingen. Überrascht schwieg er. Dann begriff er, dass sie ihm diesen Kuss nicht übelnahm. Absolut nicht übelnahm.

 

„Morgen Abend? Essengehen?“, entkam es ihm recht zusammenhanglos, ein wenig kurzatmig, aber sie nickte bloß.

 

„Ok. Wo soll ich-?“, begann sie, aber ein wissender Ausdruck trat auf sein Gesicht.

 

„-ich weiß, wo du wohnst“, räumte er tatsächlich ein wenig schuldbewusst sein. „Ich hole dich ab. Sieben Uhr?“, schloss er, und bevor sie fragen konnte, woher er bitteschön wusste, wo sie wohnte, hatte er sich mit einem leisen Lächeln abgewandt. Sie sah ihm perplex nach, bis er um die nächste Ecke verschwunden war, und ihr klopfendes Herz schlug wild in ihrer Brust.

 

Das hier war wahrscheinlich genauso falsch, wie das Rollenspiel mit Ron. Aber wie auch damals schlug ihr Herz ihr bis zum Hals vor Aufregung.

Mit einem breiten Grinsen wandte sie sich ab. Aber ihr Geheimnis würde sie ihm nicht erzählen. Es war viel zu peinlich.

Wie eigenartig es war. Das Rollenspiel hatte ihr doch tatsächlich etwas gebracht. Es hatte ihr gezeigt, was sie definitiv nicht mehr wollte, und was… sie niemals für möglich gehalten hatte, das sie wollte. Ein Date mit Draco Malfoy. Sie würde von diesem perfekten Kuss träumen. Und all die Komplikationen ignorierte ihr Kopf gekonnt. Gut, dass die Therapie für irgendetwas gut gewesen war, dachte sie mit einem ungläubigen Lächeln, das einfach nicht mehr verschwinden wollte.

 

Dann war sie eben wahnsinnig. Es gab vielleicht Schlimmeres, als auf Draco Malfoy zu stehen. Bei dem Gedanken wurden ihre Wangen wieder knallrot.

 

Oh Merlin, Hermine, schalt sie sich in Gedanken, aber das Lächeln haftete unerschütterlich auf ihren Mundwinkeln.

 

 

– The End –