Teile
Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4 , Teil 5 , Teil 6 , Teil 7 , Teil 8 , Teil 9 ,
Teil 10 , Teil 11 , Teil 12 , Teil 13 , Teil 14 , Teil 15
, Teil
16 , Teil 17
,
Teil 18 , Teil 19 , Teil 20 , Teil 21 , Teil 22 , Teil 23 , Teil 24 , Teil 25 ,
Teil 1
~Die erste Hochzeit~
„Die
Braut findet ihre Schuhe nicht!“, gellte es schrill durch die Flure des teuren
Inns, in dem die Hochzeit stattfand. Hermine sah sich um, ob sich irgendwer kümmern
würde, aber sie musste bei Merlin nicht selber eingreifen. Es kamen bereist
eifrige Hexen den Gang entlang gerauscht, in abgrundtief hässlichen Kleidern.
Sie war
wirklich froh, dass Lavender ihr das nicht angetan hatte. Aber sie wusste auch
nicht unbedingt, weshalb sie überhaupt eine der Brautjungfern war. Die anderen
beiden Brautjungfern waren Parvati und Padma Patil, die wahrscheinlich gerade
ihre Pflicht verrichteten und der Braut beiseite standen.
Hermine
stand eher in der Lobby und unterhielt sich mit Luna Lovegood, die ebenfalls
eingeladen worden war. Natürlich war auch Ron eingeladen. Sowie Harry und
Ginny. Eigentlich halb Hogwarts war da.
Das war
einerseits sehr schön, aber andererseits auch nicht, denn Lavender Brown
heiratete heute Blaise Zabini. Das war nicht nur eine perverse Verbindung,
sondern auch ein Grund, den Harry und Ron wahrnahmen, um sich hemmungslos zu
betrinken.
Hermine
war sowieso nur hier, weil sie magische Hochzeiten reizvoller fand, als
Muggelhochzeiten.
Die
Hochzeit von Bill und Fleur damals hatte zwar ein abruptes Ende gefunden, aber
dennoch war sie Hermine gut im Gedächtnis geblieben.
Außerdem
hatte sie ein Schauer befallen, als sie die Einladung bekommen hatte.
Anscheinend war es jetzt nämlich soweit, dass die Leute ihrer Generation
anfingen zu heiraten.
Sie war
genauso alt wie Lavender. Mit neunundzwanzig sollte man sich also schon um
einen Verlobten bemüht haben. Allerdings sah das bei ihr etwas anders aus. Sie
hatte zurzeit nicht einmal einen festen Freund.
Luna hatte
ihr bereits die Möglichkeiten einer Brautjungfer aufgezählt, die sich im
Muggelsinne nicht besonders unterschieden.
Denn
traditionsgemäß fand also die Brautjungfer immer wen am Hochzeitstag.
Eigentlich
suchte Hermine gar nicht wirklich. Und sie wollte sich bestimmt nicht auf einer
Hochzeit auf irgendeinen fremden Zauberer einlassen. Obwohl das mit dem fremd
schwer werden würde, denn sie kannte nahezu neunzig Prozent der Anwesenden.
Lavender
musste hier so etwas wie ein Klassentreffen sehen. Sogar McGonagall war
eingeladen worden. Hermine hatte dies mit Stirnrunzeln festgestellt, und auch
Professor McGonagall wirkte eher so, als hätte sie aus Höflichkeit zugesagt.
Egal.
Neben den singenden Zwergen, die Lavender wohl putzig fand, nörgelte Luna
pausenlos.
„Ich
meine, findest du das nicht seltsam?“ Hermine musste sich gestehen, dass sie
nicht zugehört hatte und zuckte deshalb unverbindlich mit den Achseln.
„Kinderlos… Wieso sagen sie nicht einfach kinderfrei? Kinderlos klingt doch,
als ob man traurig ist, keine Kinder zu haben. Ich und Neville, wir haben das
so entschieden.“ Hermine hatte die Stirn in Falten gelegt.
Sie
konnte Luna die Bitterkeit ansehen. Sie war nun schon zehn Jahre mit Neville
zusammen. Anscheinend stand weder eine Hochzeit, noch der Klapperstorch ins
Haus. Sie wusste nur nicht genau, ob Luna neidisch war oder eben nur bitter.
Vielleicht war es dasselbe.
Ron saß
an der Bar mit Harry und war ziemlich betrunken, so wie sie seine Haltung
einzuschätzen versuchte. Dabei war es schon länger als ein Jahrzehnt her, dass
er mit Lavender gegangen war. Und sie glaubte nicht, dass die beiden überhaupt
Sex gehabt hatten. Nein, wenn sie recht überlegte, war sie ziemlich sicher,
denn Blaise Zabini war Reinblüter und würde bestimmt nur eine Jungfrau heiraten.
Sie
musste zugeben, dass sie nicht vorhatte, ihre Vorurteile für Reinblüter
abzulegen.
Sie
hatte Zabini noch nicht zu Gesicht bekommen, aber Lavender hatte ihr schon
Stundenlang in den Ohren gelegen. Das war auch eigentlich der Grund, weshalb
sie hier draußen war und nicht mehr im Brautzimmer, wo die Zauberstäbe der
anderen Brautjungfern um Lavender rumflogen und ihre Frisur richteten oder sie
schminkten.
Hermine
war es tatsächlich zu albern. Aber das lag vielleicht auch daran, dass es sich
um Lavender handelte. Sie hatte nicht viel mit Lavender zu tun, und selbst das
war noch übertrieben.
Sie
arbeiteten im Ministerium zusammen, aber sie hatte dort wirklich noch nie auch
nur ein einziges Wort mit Lavender gesprochen.
Noch
nie. Nicht eins.
Luna sah
sie jetzt erwartungsvoll an. „Ich… ja, wie du meinst“, lenkte Hermine ein. „Hör
zu, ich muss mich jetzt ein bisschen… du weißt schon.“ Verdrücken, hätte
Hermine am liebsten gesagt, stattdessen ließ sie Luna stehen und ging zu Ron
und Harry hinüber. Anscheinend hatte Harry hier einen Heidenspaß und schien
wieder vergessen zu haben, dass Ginny sauer auf sie beide war.
Auf sie,
weil Ginny gerne Brautjungfer gewesen wäre, Hermine dies aber gar nicht gewusst
hatte. Und auf Harry, weil er Ginny immer noch nicht um ihre Hand gebeten
hatte. Aber wahrscheinlich ging ihm das überhaupt nicht auf.
„Na,
ihr?“, fragte sie weniger begeistert.
„Hermine,
eine großartige Party“, grinste Harry. Ron hatte den Kopf auf die Theke gelegt
und stöhnte theatralisch.
„Hätte
ich sie gefragt, Mann! Ich hätte sie auch fragen können.“ Hermine verdrehte die
Augen.
„Aber
Ron…“, begann sie gereizt. „Du heiratest doch nur jemanden, wenn du ihn liebst.
Nicht, weil du in der Lage bist, eine Frage zu stellen.“
„Ist mir
egal. Jetzt heiratet sie dieses Arschloch.“ Da gab sie ihm allerdings recht.
Sie seufzte.
„Ron, du musst dich wieder einkriegen. Die Trauung ist noch nicht mal vorbei
und du bist schon betrunken. Harry, kümmer dich doch mal!“, zischte sie, und
Harry musste wieder grinsen. „Und regel das mit Ginny“, fügte sie hinzu.
„Mit
Ginny? Sie ist doch selber schuld, wenn sie zickig sein will“, fuhr er ihr ins
Wort und bestellte noch einen Whiskey. Normalerweise trank keiner der beiden so
widerliches Zeug, aber anscheinend änderten Männer ihre Meinung, wenn sie nicht
zahlen mussten. Hoffentlich dachten sie nicht daran, dass sie Seit an Seit mit
ihr apparieren konnten. Das konnten die beiden gleich vergessen.
„Hermine,
kommst du? Hi, Harry!“ Dies sagte Parvati im selben Atemzug. Anscheinend hatte
sie es immer noch auf Harry abgesehen. Dieser beachtete sie kaum, denn jetzt
folgte er Rons Beispiel und betrank sich ziemlich haltlos.
„Wohin?“
Ihr schwante Übles, denn sie wollte wirklich nicht länger als nötig in
Gesellschaft der Brautjungfern bleiben.
„Na ja,
es geht in ein paar Minuten los!“ Parvati war aufgeregter als die Braut, so
schien es Hermine. „Und wir müssen mit den Trauzeugen von Blaise zusammen den
Gang runter.“ Das einzig praktische war, dass dies eine magische Hochzeit war.
Also von Muggeln abgeschottet. Das hieß, in diesem Inn befand sich automatisch
die magische Kirche. Dieses Inn diente nur der magischen Heirat. Nein. Der
reichen, magischen Heirat. Hermine seufzte erneut. Sie sagte sich, dass sie
diesen Tag nur überleben musste. Dann wäre alles wieder normal. Sie würde ihr
Leben weiterführen, ohne jemals mit Lavender zu sprechen.
Obwohl
sie ihr eine ziemlich teure sprechende Standuhr besorgt hatte. Sie war zu spät
gekommen und musste sich wohl oder übel damit abfinden, mehr für das Geschenk
auszugeben, dass Lavender und Zabini auf ihrer Liste noch übrig hatten.
Hochzeiten waren einfach zu teuer und zu anstrengend. Sie folgte Parvati
widerwillig, die noch einen letzten Blick auf Harry warf.
„Du
weißt, dass er mit Ginny Weasley zusammen ist, richtig?“, sagte sie mit
Nachdruck und Parvati wandte den Blick endlich ab.
„Ja,
aber anscheinend läuft es nicht besonders gut.“ Und sie lächelte, wie nur eine
Frau mit einem Plan lächeln konnte. Hermine hoffte inständig, dass Harry nicht
auf so ein schlechtes Spiel reinfallen würde.
„Es
läuft großartig“, sagte sie also, mehr um sich selbst zu beruhigen, als Parvati
vom Kurs abzubringen.
„Komm.“
Sie waren vor dem Brautzimmer angekommen. Weiter hinten im Flur standen die
Trauzeugen von Zabini. Hermine erkannte sie an den teuren, schwarzen Anzügen.
Lässig hingen die schweren schwarzen Umhänge über ihre Schultern und entblößten
Schmuck, Gold, Diamanten oder mit was eben die Anzüge noch verziert waren.
Die
Schuhe glänzten allesamt schwarz. Zwei der Männer kannte Hermine nicht. Aber
sie sahen Zabini sehr ähnlich. Sie waren sehr schön und sehr groß. Bestimmt
Cousins oder andere Verwandte.
Die
andern beiden Männer kannte sie zu gut. Gregory Goyle wirkte ebenso fehl am
Platz wie sie. Bei ihm lag es daran, dass er vom Äußeren nicht allzu sehr ins
Bild passte, denn er war kleiner, etwas dicker und schwitzte vor Nervosität,
wie sie es sehen konnte, denn er tupfte sich hastig über die Stirn.
Der
vierte Mann war Draco Malfoy. Sie erkannte ihn sofort und ärgerte sich, dass
sie nicht darüber nachgedacht hatte. Sie hatte zwar gewusst, dass Zabini
Reinblüter war, aber ihr war nicht bewusst gewesen, dass er damit automatisch
seine Reinblüter-Freunde einladen würde. Dumm von ihr.
Die
Männer wandten alle den Blick in ihre Richtung. Parvati wurde zappelig.
„Oh, ich
weiß gar nicht, welchen ich nehmen soll. Draco sieht fantastisch aus. Aber
Blaises Cousin ist genauso scharf. Keine Ahnung, was Lavender sagen würde.“
Hermine schluckte schwer. Immerhin kam Parvati so von Harry ab. Aber müsste sie
sich entscheiden, dann würde sie lieber für immer auf Sex verzichten.
Sie hob
scheu die Hand und winkte knapp. Goyle winkte zurück. Malfoy gab ihm einen
Knuff und wandte seinen Blick ab. Parvati streckte den Rücken durch. Hermine
verstand übergangslos. Das hier war keine Hochzeit. Das hier war anscheinend
ein Zeichen von Macht. Es war wie in der Schule. Warum nahm Zabini eigentlich
Lavender? Sie war doch in Gryffindor. Vielleicht irrte sich Hermine und Zabini
war besser als all die andern Idioten.
Aber
noch glaubte sie das nicht. Sie war sich allerdings ziemlich sicher, dass sie
hier keine Szene machen würden. Das wäre wirklich interessant. Sie würde jeden verfluchen,
auf der Stelle, Lavenders Hochzeit hin oder her.
Ein
Kampf mit ehemaligen Todessern. Das wäre mal wenigstens etwas Aufregendes.
Parvati
klopfte hastig. Anscheinend fühlte sie sich nicht mehr ganz so wohl auf dem
Flur. Hermine spürte wieder Malfoys Blick. Goyle sagte irgendwas zu ihm und er
zuckte knapp die Schultern. Noch immer sah er sie an. Sie konnte den Ausdruck
nicht erkennen, aber es machte sie dennoch wütend. Denn was anderes konnte er
schon denken? Am liebsten würde sie direkt ihren Zauberstab auspacken und einen
Fluch quer durch den Flur jagen.
Sie
beherrschte sich. Knapp. Aber sie beherrschte sich.
Parvati
zog sie in das Zimmer, wo Lavender bereits keuchend atmete.
„Endlich.“
Sie besah sich ihre drei Brautjungfern, als würde sie noch eine letzte wichtige
Nachricht loswerden müssen, ehe sie für immer auf den Mond ziehen würde. „Ich
bin so froh…“ Sie machte eine Pause, denn sonst würde sie wohl weinen müssen.
„Ich bin froh, dass ihr meine Brautjungfern seid. Und Hermine, danke, dass du
einfach zugesagt hast! Ich wusste, du würdest nicht vergessen haben, wie eng
wir damals befreundet waren.“ Hermine rekapitulierte in ihrem Kopf.
Nein.
Sie
waren niemals eng befreundet gewesen. Als Hermine noch in Ron verliebt gewesen
war, hatte sie Lavender gehasst. Physisch gehasst.
Aber sie
verkniff sich jedes Wort. Bei Lavender schien jetzt jeder Widerspruch
gefährlich zu sein.
„Gleich
geht es los. Ich möchte, dass jede von euch mir einen Satz gibt, den ich noch
mit in meinen Schwur bringen kann. Das wäre wirklich…“ Sie schluckte schwer.
Hermine ebenfalls. Was? Sie sollte was? Auf die Schnelle und dann auch noch
ehrlich gemeint? Aber sie hatte keine Zeit zu überlegen, denn Parvati begann
bereits.
„Sag
ihm, dass du dir nicht hättest vorstellen können, wie leicht es ist, seine Frau
zu werden, und dass du doch immer solche Angst vor Beziehungen hattest.“
Hermines Mund klappte auf. Super. Woher sollte sie so intime Sachen wissen?
Mist.
„Weißt
du noch, als du die Erkältung hattest?“, rief jetzt Padma und Lavender nickte
tränenschwer, während die magische Feder hastig Parvatis Worte auf einem Stück
Pergament ergänzte. „Und Blaise ist bei dir geblieben, die ganze Zeit? Und er
hat dir gesagt, dass er nicht ohne dich aufwachen möchte, weil du die einzige
bist?“ Lavender fing an zu weinen, aber irgendeiner der Zauberstäbe machte sich
selbstständig und zauberte die Träne sofort davon und richtete gleichzeitig
wieder das Makeup.
„Du kannst ihm jetzt sagen, dass du nur ihn und sonst niemanden lieben wirst.
Und dass du von nun an jedem Tag neben deinem besten Freund aufwachen kannst!“
Oh Gott.
Hermine würde sich gleich übergeben. Sie wusste, das würde eventuell passieren.
Oder sie würde vor Kitsch noch ohnmächtig werden.
„Hermine?“
Lavender sah sie mit verheulten Augen an. Bei Merlin, jetzt konnte sie
beweisen, dass sie Jahrgangsbeste war. Und zwar schnell.
„Da… da…
gibt es…“ Die anderen sahen sie voller Erwartung an. „ Liebe ist die Antwort. Und
das weißt du ganz sicher. Liebe ist das, was am Ende immer überlebt und… das
ist, was zählt“, endete sie lahm und hoffte, dass John Lennon ihr nicht übel
nahm, dass sie seine Worte stahl.
„Oh,
Hermine!“ Lavender drückte sie übergangslos an sich. „Liebe ist die Antwort! Du
bist so tiefsinnig!“ Hermine atmete erleichtert auf, während die Feder immer
schneller die letzten Worte schrieb. Schon begannen auch die Geigen. Hermine
fühlte sich bereits zehn Jahre älter.
Sie war
etwas verwirrt, denn sie spielten nicht den Hochzeitsmarsch von Strauß. Sie
nahm an, dass es wohl überall andere Regeln und Bräuche gab. Sie atmete also
aus, zupfte noch einmal an dem lila Kleid, das sie selbst hatte auswählen
dürfen und folgte den aufgeregten Mädchen nach draußen. Sie hoffte, Harry und
Ron würden noch alleine stehen können und hätten noch keinen Skandal
angerichtet.
Sie
hatte Glück.
Die
Blumen schienen unnatürlich zu leuchten. Tauben flatterten an der Decke leise
hin und her. Sie war sich nicht sicher, ob es ein Zauber war, oder ob sie
wirklich echt waren. War das nicht Tierquälerei? Sie hatte keine Zeit zu
überlegen, denn sie musste aufpassen, nicht über Lavenders Schleppe zu fallen.
Es wäre
noch schöner gewesen, wäre sie von Hauselfen getragen worden, aber davon hatten
die Zabinis wohl abgesehen.
Stattdessen
hielten sie Padma und Parvati mit ihren Zauberstäben und stummen Formeln über
dem Boden.
Sie ließ
den Blick kurz schweifen.
Auf der
Seite der Braut saßen die Leute, die sie kannte und wenigstens zu einem großen
Teil auch wirklich mochte. Sie erkannte Harry und Ron, die sich an den
Holzlehnen der langen Bänke festhalten mussten. Sie würde nachher noch ein
Gespräch mit beiden führen.
Dann,
wenn sie das alles hier auch wieder lustig fand.
Es
setzte ein seltsamer Gesang ein und für einen Moment war sie benebelt.
Sie
blickte nach vorne. Ein wunderschöner Engel stand dort und sang. Sie schüttelte
sachte den Kopf. Nein.
Kein
Engel. Einer von Zabinis Verwandten. Manchmal vergaß sie, dass Zabinis Mutter
eine Veela war. Die Seite des Bräutigams unterschied sich drastisch.
Alle
waren steinreich. Das sah man an der Garderobe und den ernsten, teilweise,
verzogenen Gesichtern. Sie nahm nicht an, dass Mrs Zabini von der Wahl ihres
Sohnes so angetan war.
Sie
konnte es nicht wirklich sagen. Seine Mutter trug einen Hut mit einer so
breiten Krempe, dass sie ihr Gesicht nicht ausmachen konnte.
Der
Bräutigam stand hübsch und ernst vorne und wartete bereits. Neben ihm standen
die Trauzeugen. Sie reihten sich ein und sie stand Goyle gegenüber.
Der
schwitzte immer noch.
Der
Priester begann. Es klang alles genauso, wie sie es von den langweiligen
Zeremonien aus der Muggelwelt gewöhnt war. Ähnliche Worte über Vertrauen und
Liebe wurden gesprochen. Dann aber holte der Priester seinen Zauberstab hervor.
Jetzt wurde es spannend.
„Lavender,
dir ist bewusst, dass du durch das Einheiraten in die Familie Zabini Pflichten
und Vorzüge des hohen Geschlechtes genießt?“ Lavender nickte ehrfurchtsvoll, während
Hermine nicht verhindern konnte, die Augen kurz zu verdrehen. Wie überzogen.
Bestimmt bezahlten die Zabinis den Priester dafür, Lavender zu quälen. „Dir ist
bewusst, welche Bedeutung der Name hat und welche Verantwortung auf deinen
Schultern lastet?“ Sie nickte erneut.
„Ja, das
weiß ich.“ Der Blick den sie und Zabini tauschten war schon fast zu eklig.
Der
Priester hob den Zauberstab. „Lavender, liebst du Blaise Wendell Zabini?“
Wendell… Hermine würde das bestimmt nicht vergessen. Kein Wunder, weshalb der
kleine Wendell den Namen geheim gehalten hatte. Zabini verzog keine Miene. Das
musste man ihm lassen.
„Ja, das
tue ich“, sagte sie fest. Blaue Funken sprühten aus der Spitze des Zauberstabs,
schienen in ihren Mund zu dringen, ihn nach einer Lüge zu durchsuchen und
verließen ihn dann wieder und lösten sich auf.
Hermine
war fasziniert. Anscheinend war das ein Lügendetektortest.
Zabini
musste die Fragen nicht beantworten, musste aber dafür den Funkenregen über
sich ergehen lassen.
Anscheinend
liebten sie sich beide. Unfassbar.
„Es ist
euch erlaubt, eure Schwüre vorzutragen“, fuhr der Priester mit dröhnender
Stimme fort. Die hohen Schuhe wurden langsam unbequem. Goyle, der ihr gegenüber
stand, amtete wieder schwer. Aber für einen Mann schien er dennoch recht
angetan zu sein. Er sah noch genauso aus, wie früher.
Angestrengt
zwang er seinen Blick auf Zabini und Lavender.
„Lavender,
du bist alles, was ich mir wünschen konnte. Du liebst mich bedingungslos und
ich bin mir deiner Liebe und Zuversicht stets gewiss.“ Zabini hatte eine sehr
angenehme Stimme. Lavender blickte ihn an, als wäre sie volltrunken vor Liebe.
„Lass uns von nun an alle Wege gemeinsam beschreiten und nie mehr einen Tag
voneinander getrennt sein.“ Hermine konnte nicht verhindern zu denken, dass
Zabini diese Worte viel zu nüchtern und kalt sagte. Lavender schien dies nicht
zu hören.
Zabini
zog einen Ring aus einer Tasche und steckte ihn Lavender auf den Finger. Der
Priester hob seinen Zauberstab, schloss die Augen, murmelte etwas Unverständliches
und kurz erfüllt strahlend weißes Licht den hohen, Kirchähnlichen Raum.
Anscheinend
war Lavender jetzt dran. Hermine biss sich von innen auf die Wangen, damit sie
nicht lachen würde.
„Blaise,
du bist der perfekte Mann für mich. Du hast mir meine Ängste vor einer
Beziehung genommen und machst es mir so leicht, deine Frau zu werden. Du bist
mein bester Freund. Ich liebe dich und freue mich, von nun an jeden Tag neben
dir aufzuwachen und nie mehr eine Nacht allein zu sein. Liebe ist die Antwort.
Und das weiß ich ganz sicher. Liebe ist das, was am Ende immer überlebt. Und
nur das zählt.“ Sie schluchzte auf. Hermine wandte den Blick ab.
Sie
hörte ein feines Geräusch. Ein Räuspern. Ihr Blick traf den Malfoys. Seine
Mundwinkel zuckten kurz. Dann wurde er wieder ernst. Kurz ruhte sein Blick noch
auf ihrem Gesicht, ehe er sich wieder nach vorne wandte.
Sie
betrachtete ihn noch einen Moment, denn sie musste zugeben, sie hatte ihn lange
nicht gesehen. War er größer geworden? Vielleicht machte es nur der dichte,
lange Umhang.
Hatte er
gerade etwa gelacht? Aber sie bezweifelte ernsthaft, dass Draco Malfoy eine
Textzeile von John Lennon kennen würde.
Das war
nahezu unmöglich. Nahezu unmöglich war auch, was schließlich folgte.
„Sie sind
beide verbunden im heiligen Stand der Ehe. Vermag euch kein Fluch der Welt zu
trennen wissen.“ Kurz herrschte angenehme, fast ehrfürchtige, Stille. „Küssen
Sie Ihre Braut“, sagte der Priester schließlich.
Zabini
schien nichts lieber zu tun.
Die
Seite der Braut fing an zu klatschen. Die Seite des Bräutigams blieb still und
reserviert.
Und dann
begann das Fest.
Die
formale Kleidung war schwer. Sehr schön, aber sehr schwer. Er konnte nicht
ernst bleiben, wenn er Greg betrachtete. Ihm fehlte die nötige Eleganz einen
solchen Festumhang mit Anzug tragen zu können.
Er war
froh, dass Pansy sie noch nicht wieder gefunden hatte. Blaise hatte Pansy als
einzige Freundin eingeladen.
Die
restlichen Mädchen waren Verwandte. Blaise hatte verboten, dass sie
Begleitungen mitbrachten, denn damit würde das Prinzip der Trauzeugen
schließlich nicht erfüllt sein. Zu einer Hochzeit brachte man schließlich keine
Begleitung mit. Wer sollte sich sonst um die Brautjungfern kümmern? Guter
Einwand.
Aber
Draco hatte wenig Interesse an diesen Brautjungfern, denn die Patil Schwestern
hatte er bereits gehabt. Zwar war das lange her – beinahe zu lange, aber er
hegte nicht das Verlangen, diese Erfahrung zu wiederholen.
„Wie
wäre es, wenn du dich mit deinen Freunden verziehen würdest?“ Pansy hatte zu
viel getrunken. Sie hätte diese Worte ohne weiteres auch an ihn richten können,
aber als er sich umwandte, stellte er beruhigt fest, dass sie diesmal nicht ihn
anschrie. Weasley hatte sein Schicksal schneller ereilt, als es ihm zu gefallen
schien.
„Ich?
Wieso verschwindest du nicht Pansy-Pest-Parkinson?“ Weasley leerte sein Glas
mit schwankender Hand. Schlechter Witz. Aber für seinen Alkoholpegel bestimm
noch einer der besten, die er je gemacht hatte. Draco lehnte sich an den Tresen
und beobachtete die Szene. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen,
weshalb Pansy sich mit Weasley streiten könnte.
Es kam ihm sowieso wie ein Klassentreffen hier vor. Von einer besonders
schlimmen Sorte. Es reichte ihm völlig aus, Potter außerhalb ertragen zu
müssen. Ihre Wege kreuzten sich ab und an auf Abendessen, die das Ministerium
ausrichtete, denn Potter war berühmt und wurde eingeladen, wenn auch ohne
Grund, und er selber war reich und bezahlte das Ministerium für seine schlechte
Arbeit.
„Du
findest das witzig, Weasley, wirklich?“ Weasley wirkte recht unbeeindruckt. Das
könnte daran liegen, dass er wirklich nicht mehr nüchtern war, vermutete Draco.
Pansy funkelte Weasley zornig an.
„Nein.
Ich finde dich wirklich witzig. Wen
willst du mit deiner Oberweite beeindrucken?“ Pansys Mund klappte auf. Draco
fand es überaus unterhaltsam diesem Streit beizuwohnen. Unbewusst wanderte
Pansys Hand zu ihrem Dekolletee und bedeckte es knapp. Draco befürchtete
bereits, dass Pansy noch Gefallen an Weasley finden könnte.
Zwar war
Weasley ein bedeutungslos schlechter Quidditchspieler, aber er brachte dennoch
die äußerlichen Attribute mit, an denen Frauen Gefallen finden konnte. Auch
Pansy. Weasley war groß genug, hatte Schultern, die breit genug waren und
dichte rote Haare. Draco selber fand kaum etwas abstoßender als rote Haare,
aber er hoffte fast, dass Pansy sich vergessen würde, damit er sie damit auf
ewig aufziehen konnte.
„Ron, wie
wäre es, wenn du nicht streiten würdest?“ Grangers Stimme klang gepresst. Draco
nahm an, dass der Champagner in ihrem Glas bereits warm geworden war. Ihr
Makeup ließ ihn nicht erahnen, ob die Röte schon in ihre Wangen gestiegen war,
aber so wie er Granger einschätzte, würde sie keinen Tropfen zu sich nehmen.
Wenn er
auf den Feiern im Ministerium zu Gast war, sah er zwar Potter, aber Granger
noch kein einziges Mal.
Er nahm
an, dass sein Urteil korrekt war. Sie war alkoholscheu und prüde. Das war
natürlich schon immer so gewesen. Er nippte an seinem Getränk und genoss die
Szene.
„Das ist
meine Sache, Hermine!“, lallte Weasley und Pansy stellte sich neben ihn.
„Genau,
Granger. Wieso gehst du nicht jemanden nerven, den es interessiert, was du zu
sagen hast? Du solltest nicht als Brautjungfer hier sein, sondern als
Mauerblümchen.“ Draco musste schmunzeln. Pansy war richtig in Fahrt.
„Hey!
Parkinson, niemand hat dich gefragt!“, fuhr Weasley dazwischen und Pansy reckte
den Kopf in die Höhe, so dass ihre kunstvolle Frisur zu schwanken drohte.
„Ich
habe das Recht meine Meinung zu äußern, wie jeder andere hier! Ihr gehört hier
doch alle gar nicht hin. Das sollte eine Reinblüterhochzeit werden. Aber nein,
Blaise hat ja seinen Verstand verloren!“ Weasleys Mund öffnete sich zornig.
Pansy leerte hastig ihr Glas. „Und dann nicht nur das – nein, es werden auch
noch mittelmäßige Quidditchspieler eingeladen!“ Was auch immer Weasley hatte
sagen wollen, er besann sich.
„Mittelmäßig?“,
spuckte er ihr jetzt entgegen und lehnte sich näher zu ihr. „Ich möchte gerne
wissen, wer heute Abend mit dir nach Hause gehen möchte, Parkinson. Bei mir
stehen die Mädchen Schlange!“ Draco atmete langsam aus.
Potter
schien überhaupt nichts dazu sagen zu wollen.
„Ihr
werdet beide noch hier rausfliegen!“, fing Granger wieder an.
„Na und,
Hermine? Wenn ich mich hier mit Slytherins Busenwunder streiten möchte, dann
kann ich das tun!“
„Busenwunder?“,
kreischte Pansy. „Du bist nur neidisch, weil du niemals ein Mädchen finden
wirst, das so perfekt ist wie ich!“
Draco
musste jetzt grinsen. Er konnte es kaum unterdrücken.
„Willst
du nicht was sagen?“, fuhr ihn Granger jetzt an und ihre Augen funkelten.
Belustigt
hob er eine Augenbraue. „Ich bin nicht Pansys Vormund, Granger. Außerdem
solltest du einfach deinen Champagner trinken, dann würdest du auch mehr Spaß
dabei empfinden.“ Er prostete ihr knapp zu. Ihr Mund öffnete sich empört.
„Weißt
du, ich muss mir sowas von einem Weasley bestimmt nicht gefallen lassen.“
„Wenn ich
mich richtig erinnere, dann bist du hier hin gekommen. Ich muss also annehmen,
dass du verdammt scharf darauf bist, es dir von mir gefallen zu lassen!“
Weasley stand jetzt dicht vor Pansy.
„Ich
werde jetzt gehen. Am besten bleibst du hier, bei deinen Leuten“, fügte sie mit
einem angewiderten Blick auf Granger und Potter hinzu. Dann machte sie kehrt,
aber Weasley ließ sein Glas auf den Tresen krachen und folgte ihr zornig.
Entweder
die beiden brachten sich um, oder… nein. Eigentlich hoffte Draco auf die erste
Lösung.
„Auf das
Brautpaar“, verkündete er, immer noch grinsend. Demonstrativ hielt er es
Granger vor ihre Nase. Sie resignierte tatsächlich und stieß mit ihm an.
„Potter?“ Potter hob seine Hand, ohne Glas. Wahrscheinlich war es ausreichend,
denn er schien nicht mehr viel trinken zu wollen.
„Hermine,
sie wirft das Bouquet!“ Er konnte auch ohne Worte erkennen, dass Granger wohl
nichts egaler war, als das Bouquet. „Kommst du? Sie wartet extra auf dich. Die
Brautjungfern müssen vollzählig sein!“ Seine Mundwinkel zuckten noch einmal,
als Granger hastig ihr Glas leerte und Parvati folgte. Draco setzte sich neben
Potter. Der nahm ihn gar nicht wahr.
Er
wusste, es würde bestimmt noch einen netten Streit mit Weasleys Schwester
geben, sobald sie Potter hier fand. Draco bestellte noch einen Champagner.
Umsonst
trinken war der einzige Grund, der ihn hier her hatte bringen können.
~*~
Das
Essen war serviert worden. Und er wusste, es würde noch kalt werden, würden die
Leute noch länger brauchen. Die Aufteilung der Plätze machte in seinem Kopf
kaum wirklich Sinn.
Er saß
neben einer Patil Schwester und diese plapperte ununterbrochen. Neben ihr saß
Granger, die missmutig und angewidert auf das Bouquet starrte, das sie
anscheinend tatsächlich gefangen hatte.
Die
Brautjungfern und Trauzeugen saßen nämlich am selben Tisch, vor der Tafel des
Brautpaares. Innerlich zählte er bis fünf, ehe er mit der Gabel gegen sein Glas
klopfte. Er hatte nämlich verfluchten Hunger.
Schlimm
genug, dass er überhaupt sprechen musste.
Er erhob
sich und Stille legte sich über den Saal. So viele vertraute Gesichter, dass es
ihm vorkam, als säße er wieder in der Großen Halle und müsste dort eine Rede
halten. Nur saß er an einem ziemlich verrückten Tisch.
„Vielen
Dank“, sprach er zu der Menge. „Mein Name ist Draco Malfoy und ich bin Blaises
Trauzeuge.“ Er musste grinsen, denn dieser Satz war wirklich schockierend. „Wir
hatten vor Jahren eine Wette laufen“, wich er plötzlich von seinen Worten ab,
die er eigentlich aufgeschrieben und auswendig gelernt hatte, ab. „Und wir
haben um einen Hippogreif gewettet, dass ich eher verheiratet bin als Blaise.
Wettschulden sind Ehrenschulden, Zabini“, fügte er grinsend hinzu. Und die
Menge schenkte ihm ein höfliches Lachen.
„Ich sehe
mich um, und muss tatsächlich zugeben, dass an der Statistik, jeder heiratet
aus seinem schulischen Umfeld, vielleicht etwas Wahres dran sein könnte. Es ist
wie ein Klassentreffen.“ Und jetzt musste er langsam anfangen zu lügen. „Und
ich finde es großartig, bekannte Gesichter wieder zu sehen.“ Er hörte, wie
Granger verhalten aufstöhnte. „Blaise hat mir versichert, als Trauzeuge werde
ich hier heute den meisten Spaß haben, was – unter uns gesagt – auch der Grund
ist, weshalb ich gekommen bin.“ Erneutes Lachen.
„Aber…
es macht mich nachdenklich. Blaise hat unsere Wette zwar verloren, aber
wirklich verloren hat er nicht. Er hat seine Lavender gefunden und das ist
wahrscheinlich um vieles besser, als ein Hippogreif.“ Lavender hatte schon
wieder angefangen zu weinen. „Ich kann nur hoffen, dass meine Lavender irgendwo
auf mich wartet, oder vielleicht meine Julia, meine Elisabeth…“ Sein Blick
wanderte durch den Saal. „Vielleicht meine Hermine.“ Er wollte sie nur
ersticken sehen. Das war alles. Dabei schenkte er ihr ein feines Lächeln. Sie
hatte sich tatsächlich an ihrem Wasser verschluckt und funkelte ihn böse an.
„Ich
wünsche euch alles Gute an eurem perfekten Tag! Auf das Brautpaar!“ Er hob sein
Glas und die Menge tat es ihm jubelnd gleich. Er setzte sich wieder und eine
Patil Schwester lehnte sich sofort zu ihm, um ihn zu beglückwünschen.
Granger
stach bereits eine Kartoffel auf ihre Gabel.
Er
nickte den Leuten noch einmal zu, die ihn dankend ansahen und dann begann auch
er zu essen. Es herrschte munteres Geplauder und es störte ihn kaum, dass er
Pansy noch immer nicht entdecken konnte.
So hatte
er wenigstens ein bisschen Ruhe für sich.
„Draco,
das war eine so rührende Rede!“ Er nahm an, dass es Padma war, die dies sagte.
Er hatte sie noch nie unterscheiden können. „Hältst du häufiger solche Reden?“,
fragte sie jetzt und es sah aus, als ließe sie ihre Wimpern klimpern. Er musste
lächeln.
„In
meinem Beruf kommt es ab und an mal vor, dass ich Reden halten muss.“
„Dein Beruf…“, hörte er Granger murmeln. Er wandte
ihr den Blick zu. Er hatte schon darauf gewartet, dass sie sprechen würde.
„Ja,
Granger. Mein Beruf. Leider siehst du mich nie reden, denn an den Abenden
scheinst du ja immer verhindert zu sein“, fügte er gewählt hinzu. Sie sah ihn
abwertend an.
„Ich
habe auch leider nicht die Zeit, auf Betriebsfesten Champagner zu trinken, denn
einige von uns müssen im Ministerium wirklich arbeiten.“
„Ach so.
Das ist, was die Leute tun. Ich dachte, wir haben da jeden Tag eine große
Party. Eigentlich weiß ich gar nicht, weshalb ich jeden Tag komme. Oh –
richtig. Ich sorge dafür, dass es keinen Krieg gibt, zwischen den
Zauberergemeinschaften auf der Welt. Wie unwichtig…“ Sie verzog den Mund.
„Malfoy,
du tust absolut überhaupt nichts. Du gibst dein Geld.“
„Ja, und
Geld ist ja auch völlig unwichtig, richtig?“ Er lächelte flüchtig. „Einfach für
die zu behaupten, die sowieso kein Geld haben“, fuhr er fort, nur um sie zu
reizen.
„Wir
können nicht alle verzogene, selbstsüchtige, rücksichtlose Reinblüter sein!“
Die andere Patilschwester verschluckte sich an ihrem Champagner. Draco lehnte
sich ein Stück weit vor, näher zu Granger.
„Vielleicht
solltest du nicht so viel trinken, Granger. Du wirst ausfällig“, schlug er leise
vor. Sie bekam tatsächlich Flecken der Wut auf ihren schönen Wangen. Sie hatte
sich zweckentsprechend, dezent geschminkt, aber sie verlor zusehend an
Contenance.
„Ich habe überhaupt noch nicht getrunken!“, hielt sie jetzt dagegen und er
musste grinsen.
„Dann
wird es vielleicht Zeit, dass du damit anfängst und dir jemand den Stock aus
dem Hintern holt.“ Neben ihm lachte die Patil Schwester verhalten. Granger
funkelte immer noch.
„Was
soll das heißen?“, knurrte sie und schien selber sauer darüber zu sein, dass
sie überhaupt mit ihm sprach.
„Das soll heißen, das man nicht mal eine Stecknadel aus deinem Hintern ziehen
könnte, so verklemmt und garstig bist du“, erklärte er bereitwillig und ihr
Mund klappte vor Überraschung auf. Sie musste wohl kurz über seine Worte
nachdenken, ehe sie vollständig begriff, dass er sie jetzt tatsächlich in aller
Öffentlichkeit prüde geschimpft hatte.
Sie warf
ihre Servierte auf den Tisch und erhob sich, ohne ein weiteres Wort.
„Hermine,
er macht doch nur Witze!“, rief ihr das Mädchen neben ihm hinterher. Aber er
war bereit zu erklären, dass er keine Witze machte. Granger interessierte das
aber überhaupt nicht.
Genüsslich
nippte er an seinem Glas. Zwar hatte er nicht vorgehabt, sich zu streiten oder
sich überhaupt auf einen Wortwechsel einzulassen, aber er hatte nicht
widerstehen können. Zwar würde das das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen nicht
verbessern, aber wenn er ehrlich war, dann hatte er sowieso noch nie mit ihr
gesprochen.
Er würde
sich betrinken und den Rest des Abends genießen, egal was kommen würde. Und er
hoffte, er würde noch einiges kommen. Vor allem war er sich sicher, sobald er
den Saal betrunken verließ, würde er auf die beiden Leichen von Weasley und
Pansy im Flur stoßen.
Das wäre
der nächste Skandal. Er käme ihm gerade recht….
„Ihr
wollt jetzt zusammen ziehen? Jetzt? Nach einem Monat?“ Sie konnte ihn nur
anstarren. Sie konnte nicht begreifen, was er sagte. Seit vier Wochen redete
sie sich den Mund fusselig.
Seit sie
ihn und Pansy auf dem Flur erwischt hatte. An der Wand! Wild knutschend! Auf
Lavenders Hochzeit. Sie hatte erwartet, dass es sich um einen Akt der
Verzweiflung handelte. Die sogenannte betrunkene Weasley Verzweiflung, die sie
von ihm bereits kannte. Dieses Mal hatte er sich nicht an ihrer Schulter
ausgeweint, sondern an Pansys. Aber… es hatte nicht aufgehört! Sie hatten die
Nacht verbracht.
Und dann
das Wochenende, dann die Woche. Dann hatte er sich eine Auszeit genommen und er
und Pansy sind in Urlaub gefahren. Jetzt waren sie wieder hier und völlig
unzertrennlich.
Harry
kam aus dem Staunen und Witze machen nicht mehr raus.
„Hermine, ich habe dir schon gesagt, dass du meine Entscheidung nicht
unterstützen musst! Aber halt gefälligst endlich den Mund!“, schrie Ron
förmlich. Es nahm ihn mit, dass sie ihn nicht unterstützte.
„Ron, das ist Pansy!“, gab sie zurück. „Pansy!“, wiederholte sie ungläubig.
„Ja?“
Die Frau in Frage betrat das Zimmer. Sie war wohl auch gerade gekommen. Sie
hatte nicht mal mehr Probleme damit, Harrys Wohnung zu betreten, stellte
Hermine schockiert fest. „Hey, Hermine.“ Und sie benutzte ihren Vornamen.
„Versuchst
du immer noch Ron davon zu überzeugen, dass ich nicht die Richtige bin?“ Sie
lehnte sich gegen Rons Schulter und sofort gehörte ihr seine Aufmerksamkeit.
„Nein,
tut sie nicht“, antwortete Ron statt ihrer auf einmal sehr sanft. Dann lehnte
er sich zu Pansy hinab und küsste sie verlangend auf den Mund. Pansy stöhnte
lächerlicherweise auf und warf die Arme um Rons Nacken.
Hermine
verdrehte die Augen. Harry brachte ein Tablett mit Tee und Kuchen herein und
verdrehte knapp die Augen. „Ihr seid schlimmer als…“ Sie wusste nicht, was er
sagen wollte. Wahrscheinlich wollte er sie mit sich und Ginny vergleichen. Sie
war froh, dass er das nicht tat!
Es
machte sie wahnsinnig, dass jeder jemanden hatte. Und sie musste zusehen, wie
einer ihrer besten Freunde den Verstand verloren hatte und nun mit Pansy
Parkinson anbandelte!
„Ihr
könntet euch auch einfach ein Zimmer suchen“, schlug Harry trocken vor. Hermine
sank auf einen Sessel und griff nach einer dampfenden Teetasse. Niemals würde
sie sich daran gewöhnen können.
Niemals.
Die
Arbeit machte sie müde. Ihre Freunde waren aber noch viel anstrengender. Ginny
wurde langsam nervös, weil ihr Bruder viel schneller voran kam, als sie selber.
Jetzt zog er nach vier Wochen mit einem Mädchen zusammen und sie und Harry
hatten Ewigkeiten warten müssen.
Aber
Hermine hatte Ginnys Problemen nur mit halbem Ohr zuhören können. Sie war
teilweise angewidert gewesen von Ron und Pansy, die keine Sekunde die Finger
voneinander lassen konnten und der Tatsache, dass Ginny sich eigentlich nicht
beschweren musste, weil sie ihren perfekten Partner schließlich gefunden hatte
und sich ihr Bruder noch ärgern würde, weil er den Fehler seines Lebens machte.
Aber es
war nicht ihre Position, zu urteilen. Das hatte ihr Ron klar gemacht. Und sie
würde sich bestimmt nicht einmischen. Er sollte aber ja nicht zu ihr kommen, wenn
er dann einsehen würde, dass er wohl seinen Verstand verloren hatte und nun von
Pansy nicht mehr loskommen würde.
Jetzt
war ihr Schreibtisch wie immer voll von Problemen in Form von Akten und
Briefen. Es kam ihr so vor, als würden die Zauberer nichts lieber tun als sich
gegenseitig Steine in den Weg zu legen, damit der eine den anderen verklagen
konnte.
„Granger,
haben Sie die Einladung gefunden?“ Ihr Boss hatte den Kopf durch die Tür
gesteckt. Sie hatte sich noch nicht durch den Berg an Post gewühlt. „Sie sehen
müde aus“, fuhr er fort. „Vielleicht sollten Sie etwas weniger feiern gehen und
mehr Zeit im Büro verbringen?“, schlug er vor und zwinkerte. Sie hasste es,
wenn er das tat.
„Ja,
vielleicht. Was für eine Einladung?“
„Ich
weiß, bei Ihnen ist es ja meist vergebene Mühe, aber dieses Mal geht es um eine
Wohltätigkeitsveranstaltung. Das könnte doch sogar Sie locken, oder, Granger?“
Er zwinkerte wieder. Sie wollte am liebsten die Tür zuhexen.
„Spenden
für Getränkekasse des Ministeriums zu sammeln gilt nicht als Wohltätigkeit, Mr
Lark“, erklärte sie würdevoll. Aber ihr Boss lachte jetzt laut.
„Oh
nein. Wir versteigern Mitarbeiter!“ Sie starrte ihn an. War er jetzt völlig
verrückt geworden?
„Was?“
Ihre Stimme klang etwas schriller als gewöhnlich. Was war das für eine Idee?
Das Ministerium würde doch wohl nicht auf Menschenhandel umsteigen? Zwar konnte
sie die meisten Mitarbeiter nicht leiden, aber….
„Für die
Finanzierung des Kinderflügels. Im Sankt Mungo, ich habe Ihnen doch die Zahlen
vorgelegt?“, fuhr er etwas verstört fort. „Die Abteilung für Öffentliche Arbeit
hat sich dieses Konzept überlegt. Die Hexen des Ministeriums sollen auf einer
großartig bunten Auktion für einen Abend versteigert werden. Natürlich nur für
ein Abendessen oder einen Theaterbesuch, versteht sich von selbst“, zwinkerte
er wieder.
Ihr
schwante Böses, denn Lavender Brown war Vize-Leiterin dieser Abteilung und ihre
Ideen waren meist… nun ja, völliger Blödsinn! Und sie wollte die nächsten Worte
gar nicht hören. Denn ihr war nun völlig klar, weshalb ausgerechnet sie eine
Einladung bekommen hatte.
„Und Sie
gehören zu den glücklichen Hexen, die ausgewählt wurden! Es ist ja schon eine
Art Beliebtheitswettbewerb, richtig?“, lachte er jetzt wieder. „Und Sie sind
eben aus unserer Abteilung die Kandidatin geworden, Granger! Sie sind unter
dreißig, hübsch genug und Single!“ Sie kam sich vor wie auf dem Markt.
„Oh, na
wenn ich hübsch genug bin, Mr Lark“, sagte sie eisig und ging die neuen Akten
durch.
„Oh, Sie
wissen doch, was ich meine. Es ist eine Ehre!“ Ach so. Das war es? „Außerdem…
das könnte Ihnen die Beförderung zur Vize-Leitung bringen, auf die Sie seit
drei Jahren warten“, versprach er mit einem Zwinkern und die Feder entglitt
ihren Fingern.
„Das ist
ein Witz, richtig Mr Lark? Denn ich hatte gerade das Gefühl, als wollten Sie
mich erpressen, eine Stellung zu erlangen, die man nur durch die Bewertung der
Arbeit bekommen sollte? Nicht durch lächerliche Versteigerungen?“ Sie sah ihn
scharf an.
„Granger,
Sie haben mich verstanden. Natürlich arbeiten Sie ausgezeichnet. Allerdings…
gehört es zum Klima dazu, dass Sie sich in der gesamten Firma engagieren. Nicht
nur in dieser Abteilung. Und… wenn ich Sie nicht dazu bringe, teilzunehmen,
sind Sie die einzige Hexe, die… nicht teilnimmt. Alle anderen Kandidatinnen aus
den Abteilungen haben nämlich zugesagt.“ Es war ihr absolut schleierhaft,
weshalb. Absolut!
„Wenn
Sie also nicht zusagen, stehe ich schlecht da. Damit steht die Abteilung
schlecht da und Sie…“ Er fuhr sich kurz über den Schnauzer über seiner schmalen
Oberlippe. „Sie… müssten somit vielleicht noch mal drei Jahre auf diese
Beförderung warten.“
Erpressung.
Zwar kein Menschenhandel, aber dafür eiskalte Erpressung.
„Habe
ich das Recht, mir dies zu überlegen; Mr Lark, oder hängt auch bereits meine
Entlassung von dieser Entscheidung ab?“, fragte sie kühl und durchsuchte den
Stapel an Post nach einer klebrig violetten Einladung, auf der sie Lavenders
Handschrift nur zu gut erkennen konnte.
„Ach Granger,
Sie wissen doch, dass ich Sie am liebsten habe. Aber… irgendwann müssen Sie
lernen, dass man sich anpassen muss. Ich wäre sehr stolz auf Sie, wenn Sie sich
zu der unterprivilegierten Menge herablassen könnten und einen Abend in Unwürde
opfern würden.“ Er sah sie abwartend an, beinahe väterlich. Sie hatten
eigentlich eine sehr gute Beziehung, aber… manchmal… war es schwierig.
„Ich
gebe Ihnen Bescheid, Mr Lark“, seufzte sie jetzt und drehte die Einladung in
ihren Händen. Sie konnte sich kaum eine Einladung vorstellen, die schlimmer
war, als das hier! Sie verdiente diese Bezeichnung auch kaum.
Einladung
zum Menschenhandel und Mitarbeitererpressung sollte da drauf stehen. Nichts
weiter.
~*~
Sie
hatte sich nach einer Woche noch nicht entscheiden können. Merlin sei Dank
hatte sie die Arbeit auch ablenken können. Menschenhandel… Frauenunterdrückung…
all diese Worte spukten ihr im Kopf herum.
Sie
öffnete die Tür zu Harrys und Ginnys Wohnung und hievte die Einkaufstüten in
die Küche. Ginny kam völlig aufgelöst in die Küche gestürmt.
„Hast du
das gelesen?“, schrie sie hysterisch und Hermine fuhr sich erschöpft mit der
Hand über die Stirn.
„Was?“,
fragte sie müde.
„Was?!
Die Post natürlich!“ Sie wedelte mit einem hellen Umschlag vor ihrer Nase.
Ob sie
auch eine Einladung zur Versteigerung bekommen hatte? Aber das war völlig
absurd. Natürlich nicht. Sie schüttelte also den Kopf.
„Ich war
noch nicht Zuhause, Ginny. Du weißt doch, dass ich freitags nie vor abends nach
Hause komme. Ich bin doch immer hier“, fügte sie unsicher hinzu. Ginny nickte
und schien nicht zugehört zu haben.
„Dann
sieh dir das an und sag mir, dass er den Verstand verloren hat!“, schrie sie
jetzt und sie nahm den Umschlag aus Ginnys Hand. Ihre Finger kribbelten leicht
als sie die magischen Glocken auf dem Umschlag erkannte, die sich leicht zu
einem unsichtbaren Wind bewegten.
Sie zog
den flachen Streifen Papier aus dem Umschlag und ein Schleier folgte und wallte
hinab bis auf den Teppich. Sie hielt die Luft an.
Ronald Bilius Weasley und Pansy
Angeline Parkinson laden ein!
Es war
also so weit. Sie schüttelte nur den Kopf.
„Hat
Harry das gesehen?“, fragte sie kleinlaut und Ginny fuhr sich zornig durch die
feuerroten Haare.
„Harry
ist sein verdammter Trauzeuge!“ Hermine nickte also.
„Ok…“
Ginny starrte sie fassungslos an.
„Ok? Ist
das dein ernst, Hermine?“
„Was
soll ich sonst sagen? Die Einladungen sind verschickt, Ginny. Anscheinend meint
er das ernst.“ Ginny schien den Tränen sehr nahe zu sein.
„Es geht
um Ron! Wir müssen das verhindern! Ich werde nicht auf diese… diese
Veranstaltung gehen, Hermine! Er kann das doch nicht ernst meinen! Nach zwei
Monaten!“, fügte sie hysterisch hinzu.
„Geht es
nur darum, dass du immer noch nicht verheiratet bist oder geht es wirklich um
die Tatsache, dass er Pansy heiraten will?“, fragte sie also. Ginny
verschränkte die Arme vor der Brust.
„Auf
welcher Seite stehst du, Hermine? Seit wann freust du dich über die Verbindung
zu Pansy?“
„Ich
freue mich nicht darüber!“, widersprach sie jetzt. „Aber wenn es Ron glücklich
macht, dann – meine Güte…. Soll er sie doch heiraten“, endete sie etwas lahm.
Ja, sie wusste auch nicht, was in sie gefahren war.
Ron
wollte Pansy heiraten? War das eine neue Regelung? Jeder normale Mensch musste
irgendwann einen ehemaligen Todesser heiraten? Sie schluckte schwer. Musste sie
dann Crabbe oder Goyle heiraten?
Sie
hoffte nicht. Sie war sich nicht mal sicher, ob Ron sich nicht vielleicht doch
einen Scherz erlaubte.
Ginny
schwieg jetzt, nahm ihr die Einladung ab und warf sie beherzt in die schwachen
Flammen des Kamins in der Küche.
„Ich werde da nicht hingehen. Und ich habe auch keinen Hunger mehr.
Meinetwegen, koch für dich selbst und Harry, aber ich bin weg.“ Damit ließ
Ginny sie zurück. Hermine war unentschlossen. Sie stand eigentlich auf Ginnys
Seite, immer.
Aber sie
kannte Ron länger. Und wahrscheinlich schuldete sie ihm ein bisschen
aufrichtige Freundschaft, auch in seiner Zeit des Wahnsinns. Pansy Parkinson…,
das hatte sie wirklich nicht kommen sehen.
Und sie
war sich nicht einmal sicher, ob sie noch Zeit hatte mit ihm zu sprechen, denn…
jetzt hatte Ginny die Einladung verbrannt und sie wusste nicht, wann der Termin
war. Aber sie konnte jetzt nach Hause gehen und selber gucken. Oder sie wartete
auf Harry.
Jetzt saß
sie allein im Hause Potter und wusste nicht genau, was sie tun sollte…
Ron und
Pansy… Sie hasste Hochzeiten wohl generell. Es lag nur teilweise an den
jeweiligen Personen, nahm sie an.
~Die zweite Hochzeit~
Es war
tatsächlich unwirklich. Immerhin hatte er sich keinen neuen Anzug kaufen
müssen. Die Hochzeiten schienen regelrecht ineinander überzugehen.
Die
Gäste ähnelten sehr den Gästen auf der letzten Hochzeit.
Pansy
hatte er seit einer halben Stunde nicht mehr gesehen. Sie erlaubte ihrem Aussehen
wohl den letzten Schliff.
Dafür
rannte Weasley jede Minute an ihm vorbei, vollkommen wahnsinnig. Er hatte den
Streit mitbekommen. Wie es schien, war seine Schwester die einzige aus der
Familie, die nicht an der Hochzeit teilnahm. Die Glückliche, mutmaßte er.
Er wäre
am liebsten auch nicht hier. Aber was blieb ihm anderes übrig? Immerhin musste
dieses Mal Potter die Rede halten. Und nicht er.
„Hermine,
da bist du ja! Hast du mit ihr gesprochen?“ Granger sah reichlich genervt aus.
Da fiel ihm ein, dass er noch keine weiteren Gerüchte gehört hatte. Die Auktion
im Ministerium rückte immer näher und er war sich sicher, dass Granger noch
keine Stellungnahme abgegeben hatte.
Er war
sich sicher, dass sie sich niemals versteigern lassen würde. Niemals.
„Ja, ich
hab mit ihr gesprochen.“ Sie klang äußerst gereizt. Sie trug noch gewöhnliche
Kleidung. „Sie kommt nicht. Unter keinen Umständen.“
„Aber…
das kann sie mir nicht antun, verflucht!“, schrie Weasley aufgebracht.
„Ron,
ich muss mich umziehen, wenn du willst, dass ich teilnehme. Ansonsten kümmer
dich gefälligst selber um deine Schwester. Ich bin nicht eure Briefeule“,
brauste sie auf und schulterte die Tasche, in der sich vermutlich ihr Kleid
befand, neu.
„Auch
hier?“ Er prostete ihr zu und sie schaffte es tatsächlich noch ihre Augen zu
verdrehen.
„Richtig.
Das hatte ich vergessen. Wir sehen uns zwar nie im Ministerium, Malfoy – was
ich sehr begrüße – aber dafür immer öfter auf Hochzeiten.“ Anscheinend war sie
mit den Nerven so sehr am Ende, dass es nicht unter ihrer Würde war, mit ihm zu
sprechen. Das gefiel ihm ganz gut. Auch, dass sie wohl verzweifelt war, weil
ihre beste Freundin nicht hier war.
Sie
griff dieses Mal beherzt nach einem der Gläser auf dem Tablett, das vorüber
schwebte und leerte es beinahe in derselben Sekunde. Beeindruckend.
„Ist dir
aufgefallen, dass alle Gryffindors Todesser heiraten? Sei hier lieber
vorsichtig, Malfoy“, fuhr sie fort und stellte das Glas achtlos auf einen
Stehtisch neben sich. Er musste grinsen.
„Wieso?
Hast du größere Pläne mit uns?“ Sie stutzte. Dann hoben sich ihre Augen zu
seinem Gesicht und eine steile Falte trat auf ihre müde Stirn. Manchmal warf er
einen Blick in die Übersicht des Ministeriums und stellte immer wieder fest,
dass sie über fünfzig Stunden Arbeit pro Woche ins Ministerium steckte. Das war
doppelt so viel wie bei ihm. Aber es störte ihn kaum. Man sah es ihr lediglich
an.
Dann
schien sie begriffen zu haben.
„Oh nein. Eigentlich hatte ich geplant, Crabbe oder Goyle zu heiraten.“ Und sie
schien eine ganze Ladung Humor zu dieser Hochzeit mitgebracht zu haben.
„Anscheinend stört es dich gar nicht, dass Weasley und Pansy heiraten,
Granger“, stellte er ein wenig enttäuscht fest. Er hatte mit einer handfesten
Szene gerechnet, die Weasleys Schwester veranstalten würde. Diese war jetzt
nicht da. Da blieb eigentlich nur Granger, die sich heulend auf den Boden vor
dem Altar werfen würde, damit diese Hochzeit nicht zu Stande kam.
„Es
stört mich sehr. Es stört mich so sehr, dass ich am liebsten alle Reinblüter
verfluchen möchte. Aber… ich bin sehr, sehr betrunken, Malfoy. Also ist es
erträglich.“ Er sah sie an. Wirklich absolut fantastisch!
„Das
heißt, dass ich dich vielleicht auf den Tischen tanzen sehen werde, Granger?“ Er
grinste und angelte sich zwei weitere Gläser von einem anderen Tablett. Eines
reichte er ihr. Sie lächelte trocken.
„Vorher
würde ich dich unter den Tisch trinken und bewusstlos schlagen. Aber ja,
möglich ist bekanntlich alles.“ Sein Grinsen gefror. Gut, sie mochte ihn immer
noch nicht.
„Du
solltest dich umziehen gehen. Ansonsten lassen sie dich womöglich nicht zur
Trauung zu, wenn du wie ein Hauself aussiehst.“ Gut, er konnte nicht
widerstehen. Er würde sich nicht von ihr fertig machen lassen. Zu seiner
grenzenlosen Überraschung lächelte sie.
„Ich
freue mich, dass dies wohl die letzte Hochzeit sein wird, auf der wir
aufeinander treffen, Malfoy. Gut, dass wir so verschiedene Berufe an so
verschiedenen Orten ausüben, dass wir uns auch dort niemals begegnen werden.“
Sie stellte ihr leeres Glas ab und er fragte sich, wie sie überhaupt gerade
stehen konnte, wenn sie doch niemals etwas trank, geschweige denn, noch
schlagfertige Antworten in seine Richtung feuern konnte.
„Werden
wir sehen. Vielleicht erbarmt sich Gregory und heiratet dich“, schlug er vor.
„Dann
bist du nicht eingeladen“, erwiderte sie mit einem Lächeln und mit Schrecken
stellte er fest, dass sie das letzte Wort in dieser Unterhaltung gehabt hatte.
Er trank auf den Schock noch ein Glas Champagner. Das würde er brauchen, wenn
er gleich in den Saal gehen würde, wo sich zur Hälfte böse Parkinsons und
rothaarige Weasleys bittere Blickduelle liefern würden.
~*~
Die
Zeremonie war sehr ermüdend gewesen. Zwar war der Champagner bestimmt zu einem
großen Teil Schuld an seiner Müdigkeit, aber auch die Tatsache, dass es einfach
widerlich war, zuzusehen, wie sich Pansy und Weasley kaum beherrschen konnten.
Pansy
hatte auf sämtliche Traditionen verzichtet. Dabei war Weasley ebenfalls ein
Reinblüter, aber dies war wohl die simpelste Feier, die er jemals gesehen
hatte. Keine übertriebene Magie, die doch alle Reinblüter so schätzten. Keine
ewigen Schwüre, die man nur unter großen Schmerzen brechen konnte.
Fast
langweilig.
In
seiner Hand ruhte nun ein kühles Glas Scotch, von dem er keine Ahnung hatte,
wie es dort hingekommen war. Potters Rede war genauso anstrengend gewesen wie
der Rest des Tages. Potter hatte so sehr versucht objektiv zu bleiben, dass die
Aggressionen beinahe greifbar gewesen waren.
Und es
würde gleich dramatisch werden, denn er hatte Weasleys Schwester erspäht. Sie
sprach mit Granger, die tatsächlich ein ziemlich attraktives Kleid in ihrer
Tasche versteckt gehabt hatte.
„Ginny!“
Und zum ersten Mal ließ Weasley seine Hände von Pansy. Er stürmte zu seiner
Schwester und konnte sie nicht genug umarmen. Er musste grinsen, als er sah,
wie Granger langsam rückwärts verschwand. Und ziemlich zielstrebig endete sie
an der Bar, nachdem sie einen Blick auf Pansys wenig kaschierendes Kleid
geworfen hatte.
Dass
Weasley während der Zeremonie keinen Ständer gehabt hatte, war wirklich alles
gewesen, was noch gefehlt hätte. Er erhob sich ziemlich abrupt. Seine Füße
schritten zur Bar und schon war er wieder neben ihr.
Sie kam
ihm am angenehmsten vor. Gregory hatte er schon lange verloren. Dieser hatte
sich sehr schnell betrunken, damit der Schmerz ihn nicht hinweg reißen würde,
hatte er gesagt.
Gregory
war immer schon in Pansy verliebt gewesen, aber… leider erfolglos. Und Vince…
tja… er nahm an, der hatte sich bereits eine der Brautjungfern geholt. Das
sollte er eigentlich auch tun, ging ihm auf, genau in der Sekunde, in der sich
sein Mund schon geöffnet hatte.
„Überlebt“,
stellte er zufrieden fest und hob sein Glas. Sie tat es ihm ohne Zögern gleich.
„Immerhin ist Ginny noch gekommen, Himmel.“ Sie war leicht gereizt und
anscheinend half das ihrem Geist, wieder nüchtern zu werden. Sie stieß mir ihm
an und trank einen tiefen Schluck von einem Getränke, das ihm wie eine sehr
blutige Bloody Mary vorkam. Jedenfalls ließ ihn der starke Geruch von Wodka
scharf darauf schließen.
„Pansy
scheint das anders zu sehen. Was hält Potter eigentlich davon?“, fragte er
recht unverblümt.
„Du
könntest ihn einfach fragen“, entgegnete sie und ließ den Blick schweifen. Sie
hatte die Haare hochgesteckt. Viele winzige Locken fielen in ihren Nacken. Er
unterdrückte das betrunkene Verlangen die weiche Haut ihres Nackens zu
berühren.
Er
erkannte die Warnzeichen schnell. Sie war ein Mädchen. Er war betrunken und
willig. Und natürlich immer in der Stimmung für Sex.
„Ich
rede lieber mit dir.“ Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu.
„Ja,
richtig“, gab sie zurück. Er musste lächeln.
„-weil
ich es für einen immensen Fehler halte!“, schrie Weasleys Schwester in
beachtlicher Lautstärke. Potter hob automatisch die Hand in Richtung Bühne und
die engagierte Band fing lauthals an einen ziemlichen flotten Foxtrott zu
spielen. Granger hatte sich schon halb erhoben und war auf dem Weg zu dem
Familienstreit.
„Wie
wäre es, wenn wir mit einem Tanz eröffnen?“, schlug er vor und Granger vergaß
für einen Moment, was sie hatte tun wollen.
„Was?
Wir können nicht tanzen. Das Brautpaar eröffnet“, fügte sie hinzu und ihr Blick
glitt wieder zu den streitenden Personen, zu denen Pansy jetzt auch zugestoßen
war.
„Ich
glaube, die sind beschäftigt“, gab er zu bedenken. Er leerte eilig seinen
Scotch, weil er sich nicht sicher war, ob er überhaupt tanzen wollte. Das hatte
er bisher auch vermieden.
Sie
betrachtete ihn einen kurzen Momentlang. Er streckte ihr die Hand entgegen und
sie brauchte noch eine Sekunde.
„Nein, Malfoy“, sagte sie schließlich. Dann nahm er ihre Hand.
„Niemand
wird merken, dass du nicht tanzen kannst.“ Er lächelte bei den Worten und
entrüstet folgte sie ihm. Anscheinend hatte sie vergessen, dass sie nein gesagt
hatte, fiel ihm auf.
Noch war
niemand auf der Tanzfläche. Und Granger war tatsächlich nervös. Er legte die
Hand auf ihre Hüfte und brachte sie näher an sich.
„Seltsam. Was der Abend so bringt, richtig?“ Sie hob den Blick zu seinen Augen.
„Tanz
einfach, Malfoy“, erwiderte sie leise. Grinsend drehte er sie aus und sie
lenkten die Gäste von dem Ehestreit ab. Jetzt kamen auch Weasleys Eltern auf
die Tanzfläche.
„Oh, wie
nett, dass ihr eröffnet habt“, rief Weasleys Mutter, die in dem hellorangenen
Kleid gefährlich aussah, weil es sich ziemlich brutal mit ihren Haaren biss.
„Na ja,
irgendwer musste ja…“, sagte Granger peinlich berührt, aber er ließ sich nicht
beirren und zog sie wieder enger an sich.
Und er
tanzte mit ihr. Für dieses Lied. Und für das nächste. Und das folgende….
~*~
„Niemand
ist nüchtern genug, um noch zu apparieren“, stellte sie mit einiger Verwirrung
fest.
„Das
könnte daran liegen, dass wir die letzten hier sind. Wir und…“, sein Blick
wanderte durch den Saal. „Wir und das Brautpaar.“ Sie folgte seinem Blick.
Tatsächlich
saßen nur noch Weasley und Pansy nebeneinander. Beide beinahe eingeschlafen.
„Wir sollten sie wecken, sonst werden sie noch von der Band rausgeworfen“,
schlug er vor, aber sie hielt ihn auf.
„Lass
sie einfach.“ Damit erhob sie sich. „Ich habe Hunger, Malfoy.“ Er tat es ihr
gleich.
„Aha. Und was soll ich jetzt tun?“
„Wo
haben sie das Essen wohl hingebracht?“, mutmaßte sie und sah sich um. „Komm
mit“, befahl sie und mit einem Grinsen folgte er ihr. Er lockerte die stramme
Krawatte um seinen Hals und schon hatten sie den Saal verlassen. Zielstrebig
lief sie durch den Flur und er war sich nicht sicher, ob sie wusste, dass sie
gerade seine Hand hielt.
Ratlos
wandte sie sich um. „Und jetzt?“
Er sah
sich kurz um. Der Flur war leer. Mehrere Türen gingen von diesem Gang ab. Er
nahm an, eine musste zum Buffet führen. Oder sie hatten Pech und die Elfen
hatten schon sauber gemacht.
Und er
erkannte den Moment, der sich bot.
„Jetzt…
sind wir allein“, schloss er und senkte den Kopf.
Er
küsste Hermine Granger, ehe er registrierte, dass es Hermine Granger war.
Sie war
ein verflucht heißes Mädchen in einem verflucht heißen schwarzen Kleid.
Ihre
Lippen waren weich und öffneten sich überrascht unter seinen. Aber sie überwand
die Überraschung schnell und wich zurück. Sie sah ihn an. Ihre dunklen Augen
waren tief und warm.
„Was ist
mit dem Essen?“, fragte sie heiser.
„Frühstück
bei mir?“, entgegnete er und legte den Kopf schräg. Und zum ersten Mal sah er
sie lächeln. Ein richtiges Lächeln. Und er schien es hervorgerufen zu haben.
„Wie charmant“, flüsterte sie, während sie vorsichtig die Arme um seinen Nacken
legte. Seine Hände fanden automatisch den Weg zu ihrer Taille und er zog sie
ungeduldig an sich. „Aber… nein, niemals“, fügte sie hinzu.
Ehe er
verstand, was sie meinte, zog sie ihn zu sich. Egal, was sie meinte, zum
Teufel! Er küsste sie. Ihre Hände fuhren durch seine Haare und er musste fast
stöhnen, so sehr gefiel ihm das Gefühl.
Vorspiel
war selten etwas, das ihn wirklich anturnte, aber jetzt… war es unglaublich
aphrodisierend.
Ihr
Körper schmiegte sich in seine Arme und er schob sie zur nächsten Wand, um sich
besser abstützten zu können und natürlich um sich enger gegen sie zu lehnen.
Seine Zunge glitt in ihren Mund und sie reagierte sofort.
Ihre
Finger öffneten die Knöpfe seines Jacketts und ihre Hände fuhren über seinen
Oberkörper. Er spürte die Erektion schmerzhaft und küsste sie hungriger.
Das
Gefühl war unglaublich! Und viel unglaublicher war, dass sie sich von ihm fort
lehnte. Schwer atmend lehnte er seine Stirn gegen ihre. Ihre Hände sanken.
„Ok,
ich… denke, das war… ich werde jetzt gehen.“
„Du…
was?“, fragte er zusammenhanglos, denn Worte waren jetzt in seinem Kopf nicht
vorhanden. Es verging eine Weile. Eine
Weile, die viel zu lange währte, als dass sie wirklich die Worte meinen konnte,
die eben über ihre Lippen gekommen waren. Sanft aber bestimmt schob sie ihn von
sich. Sie sah reichlich verwirrt aus und ihre roten Wangen luden ihn praktisch
dazu ein, sie erneut zu küssen. Aber sie entfernte sich von ihm.
Sie
sahen sich an. Hunderttausend Erinnerungen schossen in seinen Geist. Keine
guten noch dazu. Hermine Granger…. Mehr musste er gar nicht denken, um an all
die Begebenheiten erinnert zu werden, wegen denen sie ihn eigentlich niemals
näher als fünfzig Meter an sich ranlassen sollte.
Er
konnte nicht mal schätzungsweise in seinen Gedanken zählen, wie leicht ihm das
Wort Schlammblut bei ihrem Anblick über die Lippen gekommen war. Und er konnte
auch nicht greifen, wie weit es jetzt von ihm entfernt lag. Meilenweit, wie es
ihm schien.
Wie
waren sie in diese Situation geraten, in der sie voreinander standen nachdem
sie sich gerade geküsst hatten? Wie hatte das unter allen möglichen Dingen
passieren können?
Wie?!
Sie
schien ihm darauf keine Antwort geben zu wollen – oder geben zu können. Wieso
war sie nicht schon längst gegangen? Wieso war er nicht schon gegangen? Einfach
– sie war zu schön. Es war zu leicht, sich in ihren Augen zu verlieren.
„Ich…
bin Draco Malfoy“, sagte er, ohne zu wissen, was er sagte. Er erkannte seine
Stimme nicht. Eigentlich hatte er gewollt, dass sie so etwas sagte. Wie etwa,
um zu rechtfertigen, dass sie jetzt gehen wollte. Kurz runzelte sie die Stirn.
„Ja?“,
erwiderte sie langsam. Unschlüssig stand sie vor ihm. Ihre Augen suchten
bereits den nächsten Fluchtweg.
„Bitte…“,
flüsterte er ruhig und wartete keine Reaktion mehr ab. Es war egal.
Er griff
um ihre Taille und zog sie wieder an sich. Ihre Augen weiteten sich. Ob vor
Schock oder Angst, ob vor Entrüstung oder Lust – das wusste er nicht. Das
wollte er auch eigentlich nicht wissen.
Er
wusste es ja schon.
Eigentlich.
Denn
eigentlich mochten sie sich nicht.
Eigentlich.
Als er
ihre Lippen berührte atmete er tief ein, roch ihr Parfum, ihre Haut, den Duft
ihrer Haare und merkte nur am Rand, wie seine Hand den Weg zu ihrem Gesicht
fand und seine Finger über die zarte Haut ihres Halses strichen.
Wie
Feuer… Ein Feuer entfachte in seinem Innern. Es brannte so sehr, dass es
beinahe schon weh tat, auszuatmen und sie nicht mehr einatmen zu können.
Sie
entzog sich seiner besitzergreifenden Geste, ehe er zur Besinnung hatte kommen
können.
Sie
waren betrunken. Beide.
Und das
war wohl auch schon alles, was an Erklärungen notwendig war.
„Tut mir
leid, ich…“ Sie schüttelte fassungslos den Kopf und war den Gang so gerade es
ging entlang gestürmt und um die Ecke verschwunden. Er lehnte sich schwer
atmend gegen die Wand und schloss kurz die Augen.
Hatte er
gerade eine Abfuhr bekommen von einem Mädchen, an dem er kein Interesse hatte?
Eigentlich?
Fuck.
Das hatte gesessen.
Was
hatte sie getan?
Sie war
sich nicht mal mehr genau sicher, was sie eigentlich getan hatte. Es lag alles
unter dem angenehmen Schleier der Trunkenheit. Natürlich wusste sie, dass sie
mit ihm getanzt hatte. Es hatte sie nicht einmal besonders angewidert.
Sie
hatte auch versucht gar nicht erst daran zu denken, aber gestern war eine
Postkarte von Ron und Pansy angekommen. Anscheinend lief die Hochzeitsreise auf
Hawaii nach Plan und sie waren beide noch glücklich.
Merlin
sei Dank. Selbst Ginny hatte sich über die Karte gefreut, auch wenn sie es sich
noch nicht anmerken ließ.
„Granger,
Ihre Entscheidung?“ Sie wäre fast aufgesprungen, so unerwartet traf sie seine
Stimme.
„Mr
Lark…“, begann sie und atmete gehetzt ein. Richtig. Da war ja auch noch eine
lästige weitere Entscheidung. „Hören Sie, beinhaltet die Beförderung auch eine
mögliche Versetzung?“, fragte sie jetzt und Mr Lark runzelte die Stirn.
„Sie
möchten nicht mehr hier im Ministerium arbeiten, Granger?“ Sie hörte seine
Entrüstung und dass er womöglich beleidigt war.
„Nun,
vielleicht eine neue Umgebung. Es wäre nicht schlecht, nicht wahr?“, versuchte
sie ihn zu beruhigen.
„Wenn
Sie gerne versetzt werden möchten, könnten Sie die Stellung auch woanders
ausführen, sicher, Granger. Sie denken also an einen Ortswechsel? Ein neues
Ministerium?“ Sie hörte, dass sie sich auf Glatteis begab.
„Ich…
nein. Nicht sofort, nein“, lenkte sie ein. Er nickte nur. Und er wartete.
„Dann…
schön. Ich werde an dieser Auktion teilnehmen, Sir.“ Sie verzog kurz den Mund.
Immerhin wäre sie in der Lage, das Ministerium danach zu verlassen und gewisse
Menschen nicht mehr sehen zu müssen. – Nicht dass sie überhaupt diese Menschen
sah, die sie nicht mehr sehen wollte.
Aber es
reichte zu wissen, dass sie dort arbeiteten.
„Ausgezeichnet!“
Die Miene ihres Boss’ heiterte sich augenblicklich auf. „Sie müssten nur diese
Kleinigkeit unterschreiben.“ Er zückte ein Dokument und sie konnte nicht
verhindern die Augen zu verdrehen. Sie musste sich fragen, ob die anderen Hexen
so etwas auch unterzeichnen mussten oder nur sie, weil bei ihr die akute Gefahr
bestand, dass sie wieder einen Rückzug machte.
Da ihr
Name auf dem Dokument stand, nahm sie an, es war tatsächlich ein persönlicher
Hermine Granger Vertrag. Lächerlich….
Aber sie
unterschrieb – wenn auch widerwillig.
„Was
passiert jetzt?“, fragte sie weniger begeistert.
„Sie
erklären sich jetzt dazu bereit, aufzutauchen“, begann ihr Boss und fixierte
sie kurz mit einem mahnenden Blick, den sie mit einem Stirnrunzeln quittierte. „Außerdem
werden Sie sich nett anziehen. Das macht einen guten Eindruck. Keine
Trainingshosen, Granger“, fügte er hinzu, als hätte sie jemals in Erwägung
gezogen etwas derartiges anzuziehen.
Kurz
befiel sie eine kalte Starre. Was, wenn sie da stand und niemand bot für sie?
Das war ein blöder Gedanke, aber sie schluckte schwer.
„Sir…
gibt es so etwas wie eine Garantie, dass man… auch wirklich ersteigert wird?“
Der Satz lag schwer in ihrem Mund, denn so etwas wie Unsicherheit oder Angst am
Arbeitsplatz war ihr völlig fremd.
„Granger,
haben Sie Bedenken, dass Sie niemand will?“ Sie wusste, es war ein Scherz. Sie
wusste das. Aber ihr Ego kämpfte schwer mit einem Panikanfall.
„Ist das
möglich oder nicht?“
„Also…“
Ihr Boss wirkte fast belustigt. „Es gibt ein Mindestgebot. Und vorher ist es
möglich, dass die Kandidatinnen begutachtet werden können. Es ist nicht
möglich, dass eine unter Wert versteigert wird, wenn das Ihre Sorge ist,
Granger. Und es ist für einen guten Zweck. Natürlich werden die Leute bieten“,
fügte er energisch hinzu.
„Sonst
biete ich für Sie und Sie putzen dafür mein Gartenhaus.“ Und sie wusste nicht,
ob er immer noch Witze machte, oder sich diese Gelegenheit durch den Kopf gehen
ließ.
„Sie
sind ein hübsches Kind, Granger. Also keine Panik. Wie steht die Abteilung da,
wenn unsere blitzblanke Vorzeigehexe Angst vor einer kleinen, freundlichen
Versteigerung hat?“ Jetzt zwinkerte er wieder.
„Sagen
Sie… werden alle Abteilungen eingeladen? Alle?“, fügte sie unsicher hinzu, um
sicher zu gehen, dass er verstand.
„Ja,
sicher. Alle, die auf der Gehaltsliste des Ministeriums stehen. Wieso?“
„Auch…
die Abteilung für die Internationale Zusammenarbeit?“, fragte sie unwirsch,
damit er ja nicht denken würde, sie interessiere sich besonders dafür.
„Zwar bekommt
diese Abteilung ein gesondertes Gehalt, ja, aber… dennoch ist sie eingeladen.
Was ist los, Granger?“ Er umklammerte förmlich den Vertrag, den sie gerade
unterzeichnet hatte. Sie ruckte mit dem Kopf.
„Ich
wollte nur sichergehen, Sir.“
Malfoy
war also eingeladen. Und sie war sich eigentlich sicher gewesen, dass er so
oder so gekommen wäre. Jetzt allerdings… wusste sie nicht, ob er kommen würde,
um zu sehen, wie sie sich lächerlich machte, oder… Nein. Eigentlich gab es kein
Oder. Was dachte sie?
Das, was
passiert war wiederholte sich bestimmt nicht. Vielleicht auf der nächsten
Slytherin Gryffindor Hochzeit. Aber sie wüsste nicht, wer noch aus ihrem
engeren Freundeskreis heiraten sollte. Außer vielleicht Malfoy selber. Und er
war nicht wirklich in ihrem Freundeskreis. Und er würde sie auch eher nicht
einladen. Vielleicht nur aus Lageweile. Oder Wahnsinn.
Wenn sie
doch nicht so furchtbar betrunken gewesen wäre! Sie erinnerte sich kaum daran,
wie es zu der Situation gekommen war, geschweige denn, wie es geendet hatte.
War sie gegangen? War er gegangen? Und weshalb? Und wieso… war es überhaupt
passiert? Hatte sie irgendwann nicht mehr an sich halten können? Und war es
überhaupt wirklich sie gewesen?
Es erschien
ihr so unlogisch. Aber noch unlogischer wäre es, wenn er sie geküsst hätte.
Sie
wusste nur, da war ein Kuss gewesen. Vielleicht noch ein weiterer. Aber mehr
nicht. Oder? Nein. Ihr Kleid saß so, wie sie es angezogen hatte, als sie am
Morgen auf ihrer Couch aufgewacht war.
Sie
hatten in einem Flur gestanden. Und sie hatten sich geküsst.
Und
dann… dann war da nichts weiter in ihrem Kopf. Also musste es das gewesen sein.
Sie erinnerte sich dumpf, dass sie Hunger gehabt hatte. Aber was hatte das damit
zu tun? Und anscheinend waren sie beide klug genug gewesen, es nicht vor aller
Augen zu tun. Aber sie hatte sehr lang geschlafen. Also war es wohl sehr spät
gewesen.
Ginny
hatte sie nicht darauf angesprochen. Harry auch nicht und mit Ron und Pansy
hatte sie natürlich noch nicht gesprochen. Hatte sie auch nicht vor.
Jedenfalls
nicht darüber.
Sie
hatte wirklich richtiges Glück gehabt.
Es war
unbeschreiblich, was für einen Skandal das in ihrem engsten Freundeskreis
ausgelöst hätte. Ginny hätte wahrscheinlich kein Wort mehr mit ihr gesprochen,
weil sie befürchtet hätte, dass nun auch Hermine vor ihr heiraten würde.
Was?
Sie
besann sich. Heiraten. Merlin, da küsste sie Malfoy ganz kurz in einem sehr
schwachen verrückten Moment und ihr Geist sprang weiter zur Heirat? Sie war
müde. Bestimmt. Oder verrückt. Denn zuerst musste man wohl zusammen ziehen…
Sie
schloss die Augen und fuhr sich über die Stirn.
„Granger?“
Mr Lark stand immer noch vor ihrem Schreibtisch. „Wehe, Sie machen einen
Rückzug“, drohte er und sah ein wenig verzweifelt aus.
„Nein,
nein, Mr Lark“, versuchte sie ihn zu beruhigen, dabei hatte sie größte Probleme
sich selber zu beruhigen.
Niemand
würde für sie bieten und Draco Malfoy würde mit einem kühlen Glas Champagner
die Auktion begutachten und sie müde belächeln, während er bestimmt Wetten
abschloss, welches Mädchen am wenigsten Spenden abräumen würde.
Ihr
wurde schlecht.
~*~
Es war
ihr lieber, dass sich Ginny über die Tatsache lustig machte, dass Hermine nun
käuflich sein würde, als darüber, dass sie in dunklen Gängen mit Draco Malfoy
knutschte.
Immer
wieder würde sie sich so entscheiden.
Und eher
würde sie sterben, als es Ginny zu erzählen.
„Hast du
dir überlegt, was du tun wirst, wenn dich ein alter Knacker ersteigert? So ein
Lustmolch, der nicht die Finger von dir lassen kann? Vielleicht einer, wie der
Leiter der Finanzabteilung? Dieser Wichsford?“ Hermine verzog den Mund, als
Ginny sie fester in das Kleid schnürte, was nun nicht dazu gedacht war, den
größten Respekt einzuheimsen.
„Wexford.
Er heißt Wexford“, verbesserte Hermine sie, während ihr wieder Übelkeit
erregende Bilder in den Kopf stiegen. „Und…“, fuhr sie fort, „es ist eine
kulturelle Sache. Es geht nicht darum, Frauen für Sex zu kaufen, Ginny.“
Jedenfalls
hoffte sie inständig, dass keiner der Bieter das im Kopf hatte.
„Also,
ich habe den getroffen, als es darum ging unsere Ausgaben zu rechtfertigen und
dass Harry nicht tausend Galleonen mehr als andere zahlen muss, weil er Harry
Potter ist. Und da hat mir dieser Wichsford ständig auf meinen Busen gestarrt.
Und Harry war dabei.“
Hermine
schenkte Ginny ein sehr falsches Lächeln. „Keine Sorge. Alle dort wissen, es
geht nur um die Wohltätigkeit. Nicht darum, irgendwen zu kaufen und dann
anzustarren. Oder sonst was“, fügte sie unwirsch hinzu.
„Und
wenn dich ein hübscher Zauberer ersteigert? Mit aufregenden Hobbys und einer
Bibliothek in seinem sieben-Zimmer-Apartment?“, lockte sie Ginny und Hermine
seufzte.
„Dann darf er leider nicht teilnehmen, denn so jemand arbeitet nicht im
Ministerium“, erklärte sie bitter.
„Oh komm
schon! Die ganzen reichen Abteilungen? Wie die Internationale Sache? Da sitzen
doch nur die Erben drin!“, widersprach sie lachend.
„Ich glaube nicht, dass ein Haufen Slytherins Lust hat, Frauen zu ersteigern,
die im Ministerium arbeiten. Wenn diese Herren Geld für Frauen ausgeben, dann
für welche, die auch halten, was das Geld verspricht, Ginny.“
„Hermine…“,
begann sie. „Das könnte deine Chance sein, eine romantische Geschichte zu
haben.“
„Keine
romantische Geschichte fängt jemals mit den Worten an: … und dann hat Daddy
mich auf einer Auktion ersteigert, Kinder“, erwiderte sie ein wenig wütend.
Ginny grinste.
„Du
musst ihn ja nicht heiraten und seine Frucht austragen. Ich sage nur, dass es
möglich ist, das Ganze zu deinen Gunsten zu nutzen und ein gutes Date
abzustauben.“
„Ja, ich
bin auch immer so dringend auf der Suche nach einem guten Date. Du hast recht.“
Auch Ginny verlor langsam die Geduld und die letzte Schlaufe band sie eher
unwillig zu. Hermine keuchte auf, denn jetzt bekam sie offiziell keine Luft
mehr.
„Alles,
was ich sage, ist, dass es kein schlechter, bedrückender Abend werden muss. Und
vielleicht könnte man dann zu viert essen gehen“, fügte sie hinzu, denn Pärchen
verbrachten den größten Teil des Tages damit, andere Pärchen zu suchen, mit
denen sie ihre freie Zeit verbringen konnten. Hermine wusste das. Und sie
hasste es, dass Ginny nun schon jede sich bietende Gelegenheit dazu nutzte,
Hermine zu verkuppeln.
Immerhin
versuchte sie jetzt nicht mehr, sie heimlich mit Ron in einem Zimmer
zurückzulassen. Der war jetzt vergeben. Anscheinend wollte sie nicht mit dem
Ehepaar Weasley-Parkinson anbandeln… Schade. Wirklich schade.
„Es wird
ein furchtbarer Abend werden. Denn ich glaube nicht, dass ich viel von jemandem
halte, der eine Frau auf einer Auktion ersteigert.“ Sie betrachtete sich
skeptisch im Spiegel. Das Kleid war dunkelrot. Es fehlte nur noch der scharlachrote
Buchstabe vorne und sie wäre eine öffentlich in Schande gefallene Hure des
fünfzehnten Jahrhunderts, nahm sie bitter an.
Selten
hatte sie ihr Dekolleté so groß gesehen. Es war fast unschön, wie auffällig sie
heute aussah. Als wäre sie verzweifelt genug, zu denken, niemand würde für sie
bieten. Aber sie beschloss, einfach viel zu trinken. Dann würde sie vielleicht
sogar lächelnd von der Bühne gehen können und erst am nächsten Tag planen, von
welchem Stockwerk sie in die Tiefe springen würde, um der Blamage zu entgehen,
die folgen würde.
Ihr
Bauch war flach eingeschnürt. Essen fiel wohl aus, nahm sie bitter an. Sie
hasste solche Abende. Vielleicht würde sie den Weg nach vorne auch nicht
schaffen, denn die Schuhe waren hoch und gefährlich. Wenn sie umknickte, würde
sie so tief fallen, dass sie bestimmt sofort ohnmächtig sein würde.
„Du
siehst absolut unglaublich aus!“, bestätigte Ginny jetzt und zupfte noch einmal
an ihren Locken, die heute sehr weit und sehr offen auf ihre Schultern fielen.
Der Lippenstift passte zum Kleid und ihre Augenbraue zog sich in die Höhe, als
wolle selbst ihr Spiegelbild erklären, dass sie nun überhaupt nicht mehr wie
sie selber aussah.
Aber ein
wenig Stolz besaß sie noch. Sie würde bestimmt nicht eine Hexe aus der
Öffentlichen Abteilung gewinnen lassen. Es war zwar kein Wettbewerb, aber das
hatte Hermine Granger noch niemals davon abgehalten, etwas zu gewinnen.
Dennoch
wäre Champagner heute eine Notwendigkeit. Eine absolute Notwendigkeit.
„Ich wär
so gerne dabei. Schade, dass nur Mitarbeiter erlaubt sind. Harry und ich haben
schon Tipps abgegeben, wie viel Geld du bringen wirst“, fuhr sie mit einem
Lächeln fort. Hermine sah, wie ihre Wangen ganz blass wurden.
Ihre
Freunde waren nun schon so weit gekommen, ihren Wert zu schätzen. Großartig.
„Ich bin
sicher, dass ich richtig liege. Also, sag mir morgen über Floh Bescheid, in
Ordnung? Und viel Spaß. Wenn er dich zum Essen mitnimmt, dann nimm den Hummer.
Oder einen Pixiebraten. Jedenfalls was Teures. Oder vielleicht ersteigert dich
auch die Lesbe aus der Buchhaltung“, fuhr sie hämisch fort.
Sie
würde jetzt schon anfangen zu trinken müssen, wurde Hermine augenblicklich
klar. Jetzt sofort!
„Zum
ersten – zum zweiten… und… - Verkauft!“
Sie
konnte nur wieder die Augen verdrehen. Anscheinend hatte irgendwer der Zauberer
bei einer Muggelauktion beigewohnt und von irgendwoher einen altmodischen
Hammer geklaut. Alle anderen waren begeistert von dieser merkwürdigen
Tradition. Dass bei einer Auktion kein Werkzeughammer benutzt wurde, schien
allen absolut egal zu sein.
Magische
Auktionen, soweit sie sich informiert hatte, liefen eigentlich still, ohne
Hammer, ab. Es war sogar sehr nett, denn, jeder Zauberstab, der teilnehmen
würde, wurde geeicht und jeder bekam ein Symbol zugesprochen.
Damit
konnte man die Parteien auseinander halten. Das Gebot wurde eröffnet. Einmal.
Dann wurde geboten und zwar mit Hilfe von Magie. Der erste Zauberer schoss
seinen Betrag in die Luft. Dann folgten die Zauberer, die überbieten wollten
und das letzte Gebot, was in der Luft hing, gewann die Auktion.
Aber
hier… ging es zu wie auf einem türkischen Basar.
Eine
Hexe, die Hermine nicht kannte, die aber ein größeres Dekolleté vorzuweisen
hatte als sie, war gerade für rund zweitausend Galleonen an einen Zauberer aus
der Abteilung Strafverfolgung versteigert worden.
Und der
sah ziemlich glücklich aus. Hermine schätzte ihn auf Anfang fünfzig und die
Hexe hatte ein sehr falsches Lächeln aufgesetzt, als sie sich von ihm auf ein
Glas Champagner einladen ließ.
„Wir
machen weiter mit der Abteilung für Muggelangelegenheiten und freuen uns auf
Hermine Granger!“ Einiger Applaus brandete auf und ihre Knie zitterten
gefährlich.
„Ist es
nicht großartig? Ich werde auf jeden Fall für dich bieten.“ Arthur Weasley
hatte sich zu ihr gesellt. Er strahlte. Sie konnte das Lächeln nicht erwidern,
denn sie war wie erstarrt. „Aber ich könnte dich nur auf ein Essen bei Molly
einladen“, fügte er etwas enttäuscht hinzu.
„Das ist
immerhin besser als mit irgendeinem Zauberer mitzugehen“, gab sie heiser
zurück. Ihre Hände waren nass und kalt. Sie hatte tatsächlich Angst.
„Ich habe übrigens den Hammer mitgebracht“, sagte Arthur jetzt sehr stolz.
„Ich
habe in diesem Muggel Sehfern eine Auktion gesehen. Da hatte der Muggel einen
Hammer und es war sehr aufregend!“ Er nickte bestätigend. Hermine hätte wissen
müssen, dass nur Arthur Weasley ein Ministerium überzeugen konnte, dass ein
Hammer eine Notwendigkeit bei einer Auktion war. Sie vermied es sogar, sein
Muggelvokabular zu verbessern, was sie sonst eigentlich immer gerne tat. Jetzt
hatte sie keine Lust mehr, es zu tun.
„Schön“,
sagte sie also säuerlich und setzte sich endlich in Bewegung. Der Champagner
ließ sie mutig über die hohen Schuhe hinweg sehen und sie kam ohne
Zwischenfälle zur Bühne. Sie wurde magisch beleuchtet und ihr Boss zwinkerte
wieder einmal. Er stand in nächster Nähe.
„Wie bei
allen bisherigen Angeboten eröffnen wir für unsere Kandidatin mit zweihundert
Galleonen!“, verkündete er mit magisch verstärkter Stimme. Sie versuchte ruhig
einzuatmen, aber es gelang ihr nicht ganz.
Immerhin
gab es eine gute Sache: Sie konnte Draco Malfoy nirgendwo entdecken. Er war
keine der anwesenden Gäste. Das erleichterte sie mehr, als sie es sagen konnte.
„Wer bietet zweihundertfünfzig?“, fragte erste Untersekretär des Ministers in
Höchstlaune. Arthur Weasleys Zauberstab schoss einen Betrag von
zweihundertfünfzig Galleonen in die Luft.
„Hier
haben wir zweihundertfünfzig! Ausgezeichnet. Arthur Weasley beginnt die
Auktion!“, fügte er hinzu. Aber leider gewann Arthur nicht.
Schon
schoss das nächste Angebot von dreihundert Galleonen in die Luft. Sie hatte
sich wahrscheinlich umsonst Sorgen gemacht. Sie bekam Gebote. Sie wagte sogar
ein leichtes Lächeln. Der Sekretär kam nicht dazu, den Namen des Mitarbeiters
zu nennen, denn schon war das Gebot für sie auf dreihundertfünfzig, dann auf
vierhundert, direkt auf fünfhundert und sechshundert Galleonen gestiegen.
Das
Licht war grell, sie erkannte viele der Bietenden nicht, aber sie nahm an, es
handelte sich um Wüstlinge. Aber damit würde sie sich später beschäftigen, wenn
es so weit war.
„Hier
haben wir eintausend Galleonen!“, sagte der Sekretär jetzt laut und sie
verrenkte sich den Hals. „Wie ich sehe aus der Abteilung für Internationale
Angelegenheiten.“ Sie hörte die Kritik in der Stimme durchaus.
Jetzt
sah sie den Zauberer. Neben dem Betrag war eine grüne Schlange in der Luft
erschienen. Sie kannte ihn nicht. Er war jung. Und attraktiv. Er lächelte ihr
sogar zu. Vielleicht lächelte er auch nur so, aber sie sah, dass er sehr weiße
Zähne und dichte dunkle Haare hatte.
Das wäre
nicht schlecht.
Aber die
Gebote hörten nicht auf. Sie wusste nicht, ob es charmant oder verrückt war.
Sonst konnte keine für einen armen Hauselfen einen Knut hergeben, aber sobald
Hexen in Kleidern auf Bühnen standen, wurden die Leute auf einmal spendabel.
„Eintausendeinhundert
– nein, eintausendzweihundert Galleonen!“ Sie wartete darauf, dass der hübsche
dunkelhaarige Mann noch einmal bieten würde und ihr Lächeln wurde sogar ein
wenig breiter. Sie versuchte nicht an Ginnys Worte zu denken. Es konnte keine
romantische Geschichte werden.
„Mr van
Brewster, was für eine Ehre, eintausendfünfhundert Galleonen für Ms Granger!“,
rief der Sekretär aufgeregt aus. Sie schluckte schwer, denn Mr van Brewster war
führender Aufsichtsrat und nebenbei auch ein Mitglied der Abteilung der
Reinblüter. Eigentlich war das ihre Gegenabteilung. Denn diese Abteilung
regelte alle erdenklichen Geschäfte für die Reinblüter der Gesellschaft, die
sich immer noch von allen anderen abgrenzen wollten. Mit ihren Stammbäumen,
ihren Versicherungswünschen, Eheverträgen, Scheidungsflüchen…
Man
sollte meinen, die Gesellschaft wäre so modern, dass so etwas abgeschafft
werden würde, aber Blaise und Lavender hatten ja bewiesen, dass Traditionen, so
dumm sie auch waren, fortbestanden….
Aber das
Schlimme war, Mortimer van Brewster war über sechzig Jahre alt. Seine grauen
Haare waren zwar noch voll und länger als die von anderen Herren, aber das
machte es nicht besser. Er lächelte ein furchtbares Lächeln. Er würde sie
entführen. Wahrscheinlich hegte er Pläne, sie zu verfluchen und seinen
Hauselfen zum Fraße vorzuwerfen, denn sie hatte schon unzählige Streite mit ihm
über Muggel, Halbblüter und den doppelten Standard in der Gesellschaft gehabt.
Und er
hatte immer die Reinblüter mit der Vehemenz eines alten Ignoranten vertreten
und schon sehr oft gedroht, sie zu entlassen und sich beim höchsten Gericht zu
beschweren.
Oder… er
war einer von diesen perversen alten Männern, die Freude dabei empfanden, sich
mit dem Feind einzulassen und jetzt wollte er seine sexuellen Fantasien an ihr
ausleben. Schweiß trat auf ihre Stirn.
Aber ihr
Prinz eilte zur Rettung.
„Eintausendachthundert
Galleonen von unserem jungen Mr Sanford! Sein Vorgesetzter muss ihn ja
besonders gut bezahlen!“, fügte der Sekretär des Ministers mit einem Hauch
Unruhe in der Stimme hinzu. Es kostete wahrscheinlich einiges an Mut, dass
jemand Mortimer van Brewster in die Quere kam.
Hermine
war schon halb berauscht von diesem Mann. Aber nicht lange, denn anscheinend
kam es jetzt wirklich zu einem seltsamen Duell.
„Eintausendneunhundert
Galleonen“, sagte der Sekretär nun vorsichtig, denn van Brewster hatte dem
jungen, hübschen Sanford einen sehr bösen Blick zugeworfen.
Aber
dieser ließ sich, wenn auch nicht mehr ganz so forsch, nicht einschüchtern und
zog seinen Zauberstab erneut. Hermine vergaß völlig, dass sie ja freundlich
sein wollte und starrte von einem zum anderen.
Der
Sekretär sagte gar nichts. Dann ging ihm seine Stellung wieder auf und er
räusperte sich hastig. „Ja… also zweitausend Galleonen für Ms Granger von Mr
Sanford geboten. Damit sind Ms Granger und Ms Devin gleich auf und liegen beide
aber noch unter Mrs Zabini, die für einen Rekordbetrag von siebentausend
Galleonen von Mr Zabini ersteigert wurde.“ Hermine nahm an, der Sekretär redete
nur, um seine Nervosität zu überspielen.
Und ja,
er hatte recht. Lavender hatte es sich nicht nehmen lassen selber teilzunehmen
und ihr eifersüchtiger Ehemann hatte sofort mit siebentausend Galleonen
begonnen. Natürlich hatte niemand die Lust und die Mittel das hier heute Abend
zu toppen.
Sie biss
sich unruhig auf die Unterlippe, denn sie wollte nicht mit Mortimer van Brewster
gehen. Das stand ihrer romantischen Liebesgeschichte gar nicht.
„Zweitausendzweihundert
Galleonen!“, rief der Sekretär erleichter aus, als van Brewster wieder den
Zauberstab zückte und die Zahl ziemlich wütend in die Luft über ihn schoss.
Aber beinahe völlig unverzagt, tat es ihm Prinz Sanford gleich.
In
Hermines Augen war er zumindest ein Prinz. Ein Prinz, der sie vor dem Biest
retten wollte.
Es
geschah, womit sie schon gerechnet hatte, und van Brewster überwand den Weg zu
Sanford und kurz unterhielten sich beide.
„Wie es
scheint kommt es zu einer…“ Der Sekretär sprach nicht weiter. Er starrte wie
gebannt zu den beiden Männern hinüber. Und nach einer kurzen Unterhaltung
schoss Prinz Sanford einen Betrag in Höhe von zweitausendfünfhundert Galleonen
in die Luft und Mortimer van Brewster hatte die Arme zornig vor der Brust
verschränkt.
Kurz
hielt der Sekretär inne, als würde er auf einen unangenehmen Sturm warten, aber
nichts passierte.
„Gut…
dann… zweitausendfünfhundert Galleonen für Ms Granger von Mr Sanford zum
ersten… - zum zweiten…“ Und er hielt wieder inne. Er wartete bestimmt eine
halbe Minute, in der absolut gar nichts geschah. Hermine atmete so erleichtert
aus, dass sie beinahe in hysterisches Gelächter ausgebrochen wäre.
„Und…
zum dritten. Verkauft an Mr Sanford für zweitausendfünfhundert Galleonen.“ Der
Sekretär schien so verwirrt zu sein, dass er sogar vergaß mit seinem
lächerlichen Muggelhammer auf den Tisch zu schlagen.
Die
anderen Mitarbeiter klatschten begeistert und mit einem fröhlichen Lächeln
durchschritt Hermine nun den Saal um zu ihrem Prinzen zu gelangen. Je näher sie
kam, umso besser sah ihr Prinz tatsächlich aus.
„Hallo…“,
stellte sie sich mit einem mädchenhaften Lachen vor. „Hermine Granger. Ich glaube
nicht, dass wir uns kennen“, schloss sie und ihre Stimme klang tatsächlich
anders. Flirtete sie tatsächlich?
„Tapferes
Duell, Sanford.“ Mortimer van Brewster hatte sich zu ihnen gesellt und es
herrschte wieder munteres Treiben als die nächste Hexe auf die Bühne gebeten
wurde. Hermine vergaß zu klatschen. „Ich hätte sie wirklich gerne zu einem
freundlichen Essen ausgeführt, Ms Granger, damit wir unsere Differenzen zu
Gänze hätten begraben können, aber…“ Er hob lächelnd die leeren Hände, „leider
sind mir die Hände doch etwas gebunden.“
Das
bezweifelte sie allerdings doch, denn wer sollte reicher sein als ein Mitglied
des Aufsichtsrates? Sie wusste, van Brewster war durchaus nicht arm.
Wahrscheinlich war ihm die Lust vergangen, so viel Geld für eine Muggel
auszugeben, nahm sie an. Das fand sie auch mehr als in Ordnung.
„Tja,
vielleicht verschieben wir das einfach“, entgegnete sie mit leichter Miene,
denn vielleicht wäre der Abend ein absolut perfekter Abend, wenn sie ihn mit
ihrem Prinzen verbringen würde. So ein hübscher Mann, stellte sie völlig außer
sich fest.
„Ich komme darauf zurück“, versprach van Brewster und sie konnte nicht umhin,
die Drohung in seinen Worten zu wittern, wenn sie auch vielleicht niemand
anders hören konnte. „Sanford, grüßen Sie mir Malfoy und sagen Sie ihm, dass er
das nächste Mal so leicht nicht davon kommt.“ Ihr Lächeln verlor ein wenig an
Kraft und sie runzelte kurz die Stirn.
Van
Brewster war verschwunden und sie betrachtete den jungen Mann.
„Sie
kennen Mr Malfoy?“, fragte sie also etwas gedämpft in ihrer guten und
betrunkenen Laune und Sanford nickte.
„Wir
arbeiten doch in derselben Abteilung.“ Natürlich, richtig! Das hatte sie
vergessen! Der Sekretär des Ministers hatte es doch gesagt. Natürlich kannten
sowieso die meisten den Namen Malfoy, also… musste sie sich keine Gedanken
machen. Das machte ihren Prinzen nicht weniger großartig. „Bitte folgen Sie
mir, Ms Granger“, fuhr ihr Prinz fort und bot ihr den Arm.
Sie nahm
ihn gerne beim Wort und hakte sich unter.
„Wo…
bringen Sie mich denn jetzt hin?“ Sie schenkt ihm noch ein entzückendes
Lächeln.
„Zu
meinem Vorgesetzten. Er selber hatte leider noch einen geschäftlichen Termin.
Er konnte nicht pünktlich zur Auktion erscheinen.“ Ihr Lächeln gefror und
verschwand von ihren Lippen. Sanford war also nicht ihr Prinz, sondern nur der
Bote?
Sie
hielt plötzlich inne. „Sagen Sie, wer hat mich dann ersteigert?“ Und all der
Alkohol und die damit zusammenhängende Heiterkeit schienen mit einem Mal von
ihr abzufallen.
„Ich
dachte, Sie wüssten es“, gestand der Mann etwas verwirrt. „Ich bin William
Sanford, der Assistent von Mr Malfoy“, erklärte er mit einem unsicheren Lächeln
und einem Ton in der Stimme, der davon ausging, dass sie doch hätte wissen
müssen, wer er war. „Wenn Sie mit mir kommen würden? Mr Malfoy wartet bestimmt
schon.“
Oh
großer Merlin, das war doch nicht möglich!
Draco
Malfoy hatte sie für zweitausendfünfhundert Galleonen ersteigert?
Draco
Malfoy hatte sie für einen ganzen Abend in seiner Gewalt?
Ihr wurde
augenblicklich schlecht. Und sie war unglaublich wütend. Denn das würde sich
garantiert herum sprechen. Sie würde es sich doch noch überlegen, ob sie aus
dem höchsten Stockwerk springen würde. Wenn Malfoy dachte, sie würde mit ihm
schlafen, dann hatte er sich aber geirrt!
Wenn er
geglaubt hatte, er würde einen netten Abend mit ihr haben, dann hatte er sich
erst recht geirrt.
Und mit
großen Stechschritten lief sie voraus.
„Vielen
Dank, ich kenne den Weg zum Büro von Draco Malfoy“, rief sie zornig aus, als
der junge, hübsche Verräter ihr folgen wollte. Sie wusste, den hübschen Männern
konnte man niemals – niemals – auch nur eine Messerspitze an Vertrauen
schenken!
Jetzt
wäre dieser Sanford nur noch ein gemeiner, böser Verräter in ihren Augen. Er
hätte so einen netten Abend mit ihr haben können! Aber gut. Malfoy wollte so
tun, als ob er sie kaufen könnte, dann würde sie ihm jetzt erklären, was er sie
wirklich mal konnte….
Und zwar
kreuzweise!
Es war kaum zu glauben. Menschen machten ihn wirklich
ratloser von Tag zu Tag. Das amerikanische Zaubereiministerium hatte ihm
geschrieben, dass sie dort nun eine Abteilung gegründet hatten, die Zauberstäbe
von Verstorbenen einsammeln ließ, um sie dann auseinander zu nehmen und damit
dann eine Art Ersatzteillager für kaputte Zauberstäbe anlegen zu können.
Und die Reparatur kostete natürlich Wucherpreise.
Den ganzen Tag hatte er schon vor dem Kamin gehockt und
erklärt, dass ein solcher Erfolg in England ausbleiben würde, weil viel zu
viele Zauberer sich mit ihren Zauberstäben beerdigen ließen und es somit
schlichter Grabraub wäre, würde man diese Zauberstäbe aus den Gräbern holen
lassen, nur um sie auszuschlachten für Ersatzteile.
Er fand es auch nicht angebracht, denn es brachte die
Zauberstabmacher somit irgendwann an den Ruin ihres Daseins, denn wer würde
noch zwanzig Galleonen für einen Zauberstab zahlen, wenn man einen anderen
gebrauchten Zauberstab für die Hälfte reparieren lassen konnte?
Wahrscheinlich würden nach und nach also keine
Zauberstäbe mehr verkauft werden, sondern nur noch alte Modelle im Umlauf sein.
Wegen solchen Banalitäten war er also den ganzen Tag
auf den Beinen gewesen und hatte zwei Federn durchgeschrieben. Er war überhaupt
nicht dazu gekommen, Mittag zu essen, geschweige denn auch nur irgendeinen
anderen Fall zu betreuen.
Er hatte nicht mal zu der Auktion gehen können, obwohl
er doch nur zu gerne Grangers Gesicht gesehen hätte. Aber vielleicht hätte er seine
Idee dann auch nicht mehr durchgezogen, denn wahrscheinlich wäre ihm klar
geworden, wie verrückt es war, sie zu ersteigern….
Aber jetzt hatte er gerade keine Zeit, sich darüber
Gedanken zu machen. Er wusste nicht, wann sie an der Reihe war, oder ob er es
überhaupt nach unten schaffen würde.
Er fuhr sich müde über die Schläfe und überlegte, ob er
eine allgemeine Sammelklage veranlassen sollte, in der Europa dem
amerikanischen Ministerium einfach verbieten würde, diese Abteilung
fortzuführen. Konnte er das? Wie lange dauerte es, die restlichen Ministerien
zu alarmieren und eine solche Schrift durchzubringen?
Er atmete langsam aus. Er hasste Sammelklagen. Und
Amerika hasste er sowieso.
Fast wäre er vor Stress zusammengezuckt, als seine Tür
mit einem lauten Krachen aufflog.
„Für wie arrogant hältst du dich eigentlich? Wie vermessen muss man sein, um so
etwas zu tun? Was sind eigentlich deine verfluchten Absichten? Ich habe keine
Ahnung, was in einem Kopf vorgehen muss, der etwas so dämliches planen kann,
Malfoy!“ Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
Der Kamin knisterte schon wieder und er wusste, er
würde bestimmt morgen blaue Flecken an den Knien haben, so lange hatte er heute
schon Gespräche über Floh geführt.
„Ms Granger“, begrüßte er sie nachsichtig und ohne
großen Enthusiasmus. „Was für ein umwerfendes Kleid. Ich bin sofort fertig“,
erklärte er ohne ihre Reaktion abzuwarten. Er erhob sich mit schmerzenden
Gliedern. Als er sich für einen Schreibtischjob beworben hatte, hatte er nicht
mit so viel körperlicher Anstrengung gerechnet.
Er schritt an ihr vorbei zum Kamin und erlaubte mit
seinem Zauberstab den Zugang. Er setzte sich mit schmerzverzogenem Mund auf den
persischen Läufer und begrüßte das schwitzende Gesicht vor sich.
„Mr Grant, gut dass Sie noch die Zeit gefunden haben.“
„Malfoy, es ist mitten in der Nacht. Ich hoffe, Sie
haben gute Gründe.“ Ja, das stimmte wohl. In New York dürfte es schätzungsweise
drei Uhr in der Frühe sein.
„Ja, Mr Grant. Ich habe mit der Abteilung für Ihre Zauberstäbe
gesprochen und das britische Ministerium ist in allen Punkten dagegen“,
erklärte er so höflich er konnte. Der Mann gegenüber gähnte herzhaft und
schlecht gelaunt.
„Aha. Wieso sollten wir-“ Er unterbrach und blickte an
ihm vorbei. „Haben Sie eine Prostituierte bei sich im Büro, Malfoy?“, fragte er
in sehr breitem Akzent, den Draco nicht leiden konnte. Amerikanisch war für ihn
eine Folter der englischen Sprache.
„Nein, Sir.“ Auch wenn er den Vergleich bemerkenswert
amüsant fand, war jetzt nicht die Zeit für Scherze. „Das ist Hermine Granger
aus-“
„Hermine Granger? Potters Granger?“ Draco seufzte kurz.
„Ja, Hermine Granger, eine Freundin von Mr Potter“,
erklärte er, denn noch weniger als den amerikanischen Akzent mochte er Harry
Potter leiden.
„Ausgezeichnet! Ms Granger, Sie sehen großartig aus!“,
rief der Mann vor ihm. Granger hinter ihm war erstaunlich still und kam nun
widerwillig näher.
„Vielen Dank, Mr Grant“, sagte sie und Draco nahm an,
sie hatte den Namen nur aus seinem Mund aufgeschnappt.
„Sagen Sie, Sie sind auch gegen die
Zauberstababteilung? Malfoy bezeichnet es als Grabraub“, fuhr er fort. Draco
schloss kurz die Augen. Sie sah ihn mit einem furchtbar bösen und sehr strengen
Ausdruck an, der nicht zu ihrem verflucht fantastischen Outfit passte. Sie sah
ihn an, als wäre neben dem Wort Grabraub
das Wort Hauselfenfolter nicht weit
entfernt und dass alles seine Schuld sein könnte.
„Nein, ich bin absolut dagegen, Sir!“, erklärte sie
voller Inbrunst, ohne überhaupt zu wissen, um was es gehen könnte. Er hasste
niedere Abteilungen in diesem Haus.
„Ist das so?“ Grant schien über die Worte nachzudenken.
Draco hob langsam eine Augenbraue. „Wissen Sie, wenn Harry Potter und seine
Mannschaft dagegen sind, dann…“ Er fuhr sich über die nasse Glatze. „Schön,
dann werden wir eine Schließung der Abteilung in Betracht ziehen, Malfoy. Ich
sende Ihnen morgen den letzten Entschluss. Sehen Sie Ihren Antrag als zulässig
an. Gute Nacht, Ms Granger“, rief er noch, ehe er verschwand.
Granger hatte ihm somit anscheinend einen Haufen an
Arbeit erspart. Sie musterte ihn abfällig, mit mahnendem Blick.
„Was zum Teufel sollte das? Grabraub, wirklich, Malfoy?“ Natürlich hatte sie
keine Ahnung.
Er erhob sich müde und strich sich über die Knie.
„Für viel habe ich dich bekommen?“, fragte er und
vergaß die Höflichkeit, die er hatte aufrecht erhalten wollen. Das raubte ihr
zumindest den Wind aus ihren sehr knappen Segeln und sie fixierte ihn
tatsächlich böse. „Granger, ich habe dich nicht gezwungen an der Auktion teilzunehmen.
Also für wie viel?“
Sie verzog den Mund. „Zweitausendfünfhundert
Galleonen“, sagte sie jetzt erstaunlich kleinlaut.
„Ok“, sagte er und war überrascht, dass es ihn fast
keinen Aufwand gekostet hatte, sie zu bekommen. Das würde er ihr aber nicht auf
die Nase binden. „Dann kann ich bestimmt von dir erwarten, mir keine
Vorhaltungen zu machen und eine zuvorkommende Begleitung zu sein?“ Es war keine
wirkliche Frage.
„Es ist neun Uhr. Wo willst du noch hin?“, erwiderte
sie, aber immerhin hatte sie ihm nicht ihre Faust ins Gesicht geschlagen. Es
lief also besser als gedacht.
„Nicht heute.“ Jetzt. Jetzt rechnete er mit ihrer Faust.
„Was?“, fragte sie mit gefährlicher Ruhe in der
angenehmen Stimme. Er mochte ihre Stimme wirklich. Sie war nicht so lästig hoch,
wie bei den meisten seiner Errungenschaften. Nett, er bezeichnete sie schon als
Errungenschaft, dabei hatte er keinerlei Absichten in dieser Hinsicht.
Eigentlich ging es nur darum, ihr zu zeigen, dass sie ihn nicht abservieren
konnte, wenn er sie doch eigentlich nicht wollte.
Eigentlich.
Dieses Wort machte ihn schon wahnsinnig.
„Was denkst du dir, Malfoy? Dass ich auf Abruf bereit
stehe, wenn du eine Stelle hast, die du nicht selber kratzen kannst?“ Er wollte
mit einem spöttischen Lächeln den Mund öffnen, aber sie hob die Hand. „Nein,
wage es ja nicht!“
Gut, er würde keine zweideutige Bemerkung machen. Noch
nicht.
„Granger, ich habe viel Geld für dich geboten. Ich
möchte keine sinnlose Nacht mit dir verbringen, wie du fälschlicherweise
annimmst. Ich möchte, dass du an einem anderen Abend deine Zeit für mich
opferst.“
„Was für ein Abend? Wann und warum?“ Er holte kurz Luft.
„Es ist eine Hochzeit. Anscheinend sind wir sehr gut
auf Hochzeiten.“ Ihr Mund öffnete sich perplex. „Wann? Kommenden Samstag. Und
warum? Einfach, weil ich kein Date habe.“ Sie verschränkte die Arme abweisend
vor ihrer ausnahmslos schönen Brust.
„Malfoy, ich bitte dich.“ Sie führte dieses Argument
nicht weiter aus. Er sah sie an. „Komm schon. Du hast kein Date? Was soll das?
Soll das eine Ausrede sein? Als ob du nicht auch noch auf die letzte Minute ein
perfektes Date bekommen könntest!“, schloss sie gereizt.
„Und warum sollte ich das?“, fragte er und bereitet
sich schon auf eine angenehme Antwort vor.
„Sieh dich an! Du bist doch-“
Schade, dass sie sich noch aufgehalten hatte, überlegte
er amüsiert. Er musste grinsen, auch wenn die Müdigkeit wirklich erdrückend
war, die in seinen Knochen steckte.
„Ich finde dich auch hübsch, Granger“, erwiderte er,
weil er sich in der Stimmung für ein kleines Kompliment fühlte. Sie verdrehte
jedoch die Augen.
„Der Punkt ist, dass du jede bekommen kannst. Und ich
werde bestimmt nicht auf eine dämliche weitere Hochzeit mit dir gehen. Ich kann
Reinblüter nicht ausstehen“, fügte sie bitter hinzu.
„Als du mich geküsst hast, hatte ich einen anderen
Eindruck, aber Alkohol macht auch irgendwann unzurechnungsfähig, richtig?“,
wagte er den nächsten Schritt und sie verlor ein wenig an Farbe in ihrem
Gesicht.
„Ich? Ich habe dich nicht geküsst! Du hast… Es ist
völlig egal. Ich möchte dich bitten-“ Er hob die Augenbrauen, aber sie
schüttelte den Kopf, um sich zu verbessern. „Nein, ich bitte dich nicht. Ich
gehe nicht mit dir auf eine Hochzeit. Und wenn du darauf bestehst, deinen
ersteigerten Preis wirklich zu haben, dann… kannst du das heute Abend noch
irgendwie bis zwölf Uhr tun.“
Er wartete. Ihre Lippen waren so schmal wie die von
Professor McGonagall an einem müden Montagmorgen in Verwandlung, wenn keiner
die Hausaufgaben am Wochenende erledigt hatte.
„Irgendwie? Granger, ich bin müde.“ Das schien sie noch
viel mehr aufzuregen.
„Das hier ist nicht deine Entscheidung, Malfoy! Du
kannst nicht sagen, gut, ich ersteiger mir eine Muggel, aber ich benutze sie heute
nicht – und, nein! Ich meine benutzen
nicht in diesem Sinne!“, fügte sie harsch hinzu.
„Ich beschließe das nicht“, erwiderte er und wollte
nicht mehr diskutieren. Er hatte heute seit zwölf Stunden nichts anderes getan.
„Ich bitte dich, Granger.“ Er erinnerte
sich vage, sie schon auf der letzten Hochzeit um etwas gebeten zu haben.
„Und ich lehne ab.“
Sie machte ihn sehr, sehr müde.
„Ich verspreche dir, dich nicht anzurühren oder
irgendetwas Unethisches zu tun, Granger. Begleite mich auf diese Hochzeit und
du bist mich für immer und ewig los.“
„Das werde ich sowieso bald sein, Malfoy.“ Kurz
runzelte er die Stirn. Was plante sie? Aber eigentlich… war ihm das egal. Er
hatte seine eigenen Pläne und die konnte er nur verwirklichen, wenn sie ihm
zusagte.
Er wusste, es war vielleicht ein wenig… welches Wort
suchte er? Gemein? Böse? Wirklich teuflisch von ihm? Ja, vielleicht. Aber
empfand ein perverses Vergnügen darin….
„Eigentlich ist es keine Verhandlung. Ich kenne deinen
Boss. Und ich werde gerne mit ihm reden, wenn wir uns hier nicht einig werden.
Ich nehme an, du hast einen Vertrag unterzeichnet?“ Alle Farbe was aus ihren
Wangen verschwunden.
„Weißt du, dass du ein Arschloch bist? Ein richtig
elendes, widerliches scheiß Arschloch?“ Er Lächeln kroch in seine Mundwinkel.
Ganz langsam, fast heroisch fühlte es sich an.
„Ja“, erwiderte er.
„Wenn du auch nur daran denkst mich zu küssen oder das
irgendwie auszunutzen, dann-“
„Dann?“ Er sah sie langsam ausatmen.
„Warte. Wer heiratet, Malfoy?“
Sein Grinsen wurde eine Spur breiter.
„Die Kunst liegt in der Überraschung, Granger. Ich
werde es dir sagen, wenn wir da sind. Ein Kleid wird dir geliefert. Trag die
Haare am Samstag offen, denn es sieht besser aus als dein ewiger Pferdeschwanz
und ich hole dich Samstag um sechs Uhr dreißig vor deiner Wohnung ab. Haben wir
einen Deal, Ms Granger?“
Und er konnte nicht genau sagen, was es war, das sie
dachte. Er nahm an, dass es etwas damit zu tun haben musste, dass er zu ihrem Boss
gehen würde, würde sie ihm die Zusage verweigern.
Anscheinend ging es bei dieser Auktion wirklich um eine
wichtige Sache bei ihr.
Er wusste, niemals würde sich Hermine Granger auf eine
derartige Abmachung einlassen.
Aber das würde sie wahrscheinlich auch jetzt nicht tun,
wenn sie wüsste, wo er sie mit hinnehmen würde. Aber… eigentlich ging es
weniger um sie. Es ging um ihn. Es ging um ihn und um die Wette, die er mit
Blaise geschlossen hatte. Nicht die mit dem Hippogreif. Er hatte einige Wetten
mit Blaise am Laufen und er pflegte seine Wetten alle zu gewinnen.
Auch wenn er diese absurde Wette nur aus Spaß
geschlossen hatte. Wer hätte gedacht, dass er es tatsächlich schaffen würde?
Nicht mal er hatte damit gerechnet.
Gespannt
wartete er.
„Warum
ich, Malfoy?“ Er fuhr sich durch die hellen Haare und angelte sich seinen
Umhang von der Garderobe neben ihr.
„Weil es
Spaß macht“, erwiderte er. Und das stimmte tatsächlich. Selten hatte er Besuche
auf Hochzeiten so sehr genossen, wie die letzten beiden Male. Und er war zu dem
Schluss gekommen, es lag an Hermine Granger.
Er war
nicht verliebt in sie. Er war nur verliebt in die reine Idee. Die Idee eine
Muggel, die ihn wirklich hasste, an seiner Seite zu haben.
„Dir
vielleicht“, gab sie leise zurück.
„Es muss dir auch keinen Spaß machen. Es ist nur eine Abmachung, die du
einhalten musst. Danach ist alles vorbei.“ Er schenkte ihr ein letztes Lächeln.
„Werde ich… das überleben?“ Und er konnte einen Hauch Angst in ihren dunklen
Augen erkennen. Sie dachte, er plante etwas Gefährliches. Kurz riss dieser
Gedanke an seinem Innern. Kurz. Sehr kurz. Sie dachte, er würde sie verletzten
oder zulassen, dass sie verletzt würde. Weil sie dachte, dass er ein Todesser
war, machte sein Gehirn den nächsten logischen Schritt.
„Es ist
keine Voldemort-Erweckungshochzeit“, erwiderte er und zum ersten Mal glitt
seine Stimme in tiefere, zornigere Regionen ab. Es war ein Scherz gewesen, aber
ihre schlimmste Vorstellung schien sich gerade in ihrem Kopf zu erfüllen.
„Wenn
ich dabei sterben sollte, wird Harry dich umbringen. Und Ron und Ginny.“
„Du bist
paranoid. Und verrückt“, fügte er hinzu. Er konnte nicht fassen, dass sie so
etwas dachte!
„Bin ich
das, Malfoy? Aber vielleicht hast du auch nichts zu befürchten. Wenn Harry
wüsste, dass wir darüber sprechen, würde er mich vielleicht sowieso nicht
retten.“ Er wusste nicht, ob sie überhaupt noch zu ihm sprach.
„Ich
gebe dir mein Wort, dass du in meiner Gegenwart vollkommen sicher sein wirst.
Wenn du willst, beschütze ich dich mit meinem Leben vor Champagner,
Buttercreme-Törtchen und einem siebenstöckigen Hochzeitskuchen, Granger“,
kürzte er ihren ganzen Theorien ab, ohne zuzulassen ihre Worte tiefer sinken zu
lassen. Dorthin, wo sie vielleicht weh tun könnten und der Funke Wahrheit, der
einst in diesen Worten gewesen war, sein Inneres zerstören konnte.
„Halt
deine Klappe. Ich gebe dir drei Stunden. Mehr nicht“, fügte sie knapp hinzu.
„Drei
Stunden sind drei Stunden“, erwiderte er mit einem sehr schwachen Grinsen. „Wollen
wir mit Handschlag besiegeln?“ Sie schüttelte den Kopf.
„Noch eine Sache… Du wirst mich nicht anfassen. Es sei denn zum Apparieren.
Keine weitere Berührung. Verstanden?“ Er verlor die Geduld.
„Fein.
Drei Stunden deiner Zeit, ohne dich anzufassen.“ Er wartete erneut.
„Abgemacht.
Sei pünktlich. Die Zeit läuft ab sechs Uhr dreißig, Malfoy. Um halb zehn ist
das hier vorbei.“ Fast wäre ihm seine Laune wieder vergangen, denn sie machte
es nicht besonders schmackhaft mit ihren Regeln und Vermutungen.
Sie
hatte sich abgewandt und war mit hängenden Schultern zur Tür gegangen.
„Noch
eine Kleinigkeit…“, hielt er sie zurück. „Am Samstag… bitte nenn mich für drei
Stunden lang Draco.“
Der
Blick, der ihn traf als sie sich an der Tür noch mal umwandte, war ein Blick so
voller Hass, dass er sich schlagartig wieder an die Schulzeit erinnert fühlte.
Es
kribbelte in seinen Fingern.
Sie
würde ihn so sehr hassen, aber das musste er in Kauf nehmen.
Denn
immerhin war diese Hochzeit der allerletzte Ort, wo er sein wollte. Zwar war
schon Pansys und Weasleys Hochzeit absolut grauenhaft gewesen, aber das hier
übertraf alles um ein Vielfaches.
Allerdings
war er sich doch nicht völlig sicher, für wen es wirklich schlimmer sein würde.
Für ihn
oder für Granger?
Müsste
er sich jetzt spontan entscheiden, dann würde Granger mit einem knappen
Vorsprung gewinnen.
Er
rechnete nicht damit, dass sie nach diesem Samstag noch ein einziges Wort mit
ihm sprechen würde.
Sein
Glück war, dass er daran auch kein Interesse hatte.
Seine
Mundwinkel hoben sich in stiller Vorfreude.
Sie war
weise genug gewesen, Ginny nichts davon zu erzählen. Eigentlich glaubte sie es
auch selber nicht wirklich. Und sie hatte doch ein wenig Angst. Sie hatte einen
Brief auf ihrem Tisch zurückgelassen, falls sie wirklich auf irgendeine
postdestruktive Todesseraktion reingefallen war.
Natürlich
war das… unsinnig. Aber es war nicht völlig ausgeschlossen.
Und sie
hatte versucht Recherchen zu betreiben, hatte versucht, herauszufinden, wer
denn heiratete, zu welcher blöden Reinblüterhochzeit sie erscheinen musste,
aber nicht einmal die Klatschhexen aus der Öffentlichen Abteilung wussten,
welche Berühmtheiten jetzt heiraten würden.
Das war
ein sehr schlechtes Zeichen. Denn was war das für eine Hochzeit, von der keiner
etwas wusste? Nicht einmal diejenigen, die immer alles wussten?
Und sie
war doch eigentlich froh, dass sie Ginny nichts erzählt hatte. Alles, was sie
ihr gestern erzählt hatte, war, dass sie heute einen Wäschetag machen würde.
Natürlich wusste die gesamte Familie Weasley, dass Malfoy sie ersteigert hatte.
Auch wenn sein Assistent es keinem gesagt hatte, war Mortimer van Brewster
hilfreich eingesprungen.
Anscheinend
hatte Malfoy seinem Assistenten aufgetragen, sie um jeden Preis zu ersteigern.
Das war
eine ziemlich mutige Aussage. Entweder fühlte sie sich doch ein wenig
geschmeichelt, oder sie vertraute auf die Tatsache, dass es sich immer noch um
Draco Malfoy handelte, und dies dann nichts mehr mit einer Schmeichelei,
sondern mit einem größenwahnsinnigen, gefährlichen Plan zu tun hatte.
Aber was
konnte ihr wirklich passieren?
Das
Kleid, von dem sie gehofft hatte, dass es nicht ankommen würde, war heute
Morgen mit der ersten Posteule erschienen. Es war eher ein Greifvogel von
monströser Größe gewesen, der ein mörderisch schweres Paket mit schlechtester
Laune vor ihre Fensterscheibe geknallt hatte.
Jetzt
hoffte sie nur noch, dass Malfoy doch nicht erscheinend würde, aber wenn das
Kleid angekommen war, dann war sie sich sicher, dass auch der Herr Malfoy nicht
fern bleiben würde.
Das
Kleid war unbeschreiblich. Entweder wollte er, dass sie als bestangezogenste
Hexe dort aufkreuzte, oder er wollte dass sie das möglichste Maß an
Aufmerksamkeit erregte.
Es war
lang und fiel in blauen Wellen bis auf den Boden. Es hatte keine Träger und sie
konnte nur hoffen, dass es ihr nicht einfach über ihre Brüste rutschen würde.
Sie hielt ihre Kaffeetasse fest umklammert, denn sie hatte noch nicht gewagt,
ihren Schlafanzug auszuziehen, um in das Kleid zu schlüpfen. Nur um es zu
testen.
Sie
sollte sich mit keiner Faser ihres Körpers auf irgendetwas freuen. Sie hatte
sich schon vor Tagen klar gemacht, dass alles, was Draco Malfoy tat, ein böses
Motiv haben musste. Gut, da war der eine winzig kleine Kuss. Aber das war auch
schon wirklich alles gewesen.
Es gab
nichts in ihrer bisherigen Geschichte, dass auch nur den Hauch an
Freundlichkeit erkennen ließ. Er schien lediglich sämtliche Hemmungen verloren
zu haben und sich nicht darum zu scheren, was die Leute dachten, wenn er mit
ihr irgendwo hinging.
War das
gut? Oder war das wirklich, wirklich schlecht?
Das
Kleid hing wie eine griechische Schönheit über ihrer Couch, während sie es in
sicherer Entfernung, auf ihrem Küchenstuhl zusammengekauert, beobachtete. Sie
beobachtete eigentlich, ob es Anzeichen dafür geben konnte, ob ein Fluch auf
dem Kleid lag.
Sie
hatte noch keine Zauber ausführen können, aber sie wusste, sie musste völlig
sicher gehen, dass es sich nicht im Laufe des Abends auflösen würde, dass keine
Säure aus den Fasern trat, dass es nicht irgendwie auf die Haut reagierte und
eine allergische Reaktion auslösen könnte, oder das es schrumpfen würde oder
lebendig würde oder… es gab so viele Möglichkeiten. Viel zu viele Flüche.
Aber sie
nahm fast an, dass er es mit einem Fluch belegt haben musste. Warum würde er
sonst so dringend darauf bestanden haben, dass er das Kleid für sie
organisierte?
Zwar war
sie ein wenig beruhigt, weil sie sicher war, seinen miesen Trick herausgefunden
zu haben, aber jetzt musste sie den Fluch erst mal finden. Malfoy war nicht
dumm gewesen. Gar nicht dumm. In seiner Schulzeit hatte er viele, viele Punkte
erlangt.
In allen
Fächern. Vor allem in Verteidigung. Sie erinnerte sich, dass er so gut wie
Harry gewesen war.
Bei
Merlin, man stelle sich vor, sie würde auf der Hochzeit dann plötzlich nackt in
irgendeiner Villa stehen?
Nein.
Das würde nicht passieren! Sie würde sich trotzdem die Beine rasieren,
beschloss sie. Sie hatte keine Probleme mit ihrem Körper. Aber sollte sie am
Ende doch nackt sein, würde sie gut dabei aussehen….
~*~
„Invaderis Revelio!“, befahl sie mit
heiserer Stimme, um auch einen Befall von Insekten oder Krankheiten
ausschließen zu können. Sie hatte sich die Haare gemacht. Aber fiel hatte es da
nicht zu machen gegeben. Sie hatte sie gewaschen und getrocknet, denn mehr
brauchte es nicht, um sie offen tragen zu können.
Ihre
Locken waren in sehr guter Verfassung heute. Der Rest ihres Körpers
mittlerweile weniger. Zweidutzend Bücher lagen auf dem Boden ausgebreitet,
angemarkert mit allen Sprüchen, die ihr nützlich erschienen.
Zettel
lagen ausgebreitet auf dem Holzfußboden: Listen mit Sprüchen, die sie bereits
probiert hatte, und Listen mit Sprüchen, die eher unwahrscheinlicher waren.
Bisher
hatte sie ausschließen können, dass das Kleid sie umbringen würde oder dass es
Allergien hervorrufen konnte, die in einer Art Ausschlag gipfelten. Bei den
Giften hatte sie alle Basengifte ausgeschlossen, jetzt blieben nur noch die
gefährlichen, die aber nicht tödlich, sondern nur zu Bewusstseinsstörungen
führten. Wobei hier auch zu bedenken war, dass es nur schwache Gifte sein
konnten, denn sonst würde der Stoff schon angegriffen sein.
Sie fuhr
sich angestrengt durch die Haare. Ihr Shirt klebte schon an ihr und das Duschen
würde sich in ein paar Minuten nicht mehr gelohnt haben. Dann konnte sie
eigentlich noch einmal duschen.
Aber
unwichtig. Es musste einen speziellen Grund geben, warum das Kleid erst heute
angekommen war. Es handelte sich also um eine Tinktur, ein Gift oder einen
Zauber, der eine zeitliche Begrenzung aufweist oder den Stoff in einer
zeitlichen Begrenzung beschädigen kann.
So viel
hatte sie schon mal.
Keine
Basengifte. Keine Todesflüche, die eingewebt waren.
Ein
Stapel an Büchern auf der Sofalehne beschäftigte sich ausschließlich mit
tierischen Flüchen, wobei winzig kleine Larven in den Stoff eingewebt werden
konnten, aber sie entschied sich gegen diese Theorie, denn das hätte Malfoy
einiges mehr an Zeit und Planung gekostet.
Es sei
denn natürlich… er hatte das alles
geplant! Aber wie hätte er?
Oder
hätte er…-
Das
energische Klopfen an der Tür riss sie völlig aus ihren Gedanken. Sie hüpfte
barfuß über die Zettel und Bücher und trat dabei auf ihre ausgetretene Jogginghose.
Sie
öffnete die Tür und erschrak fast über sein genervtes Gesicht.
Er
verlor jegliche zornigen Züge und starrte sie an.
„Du… bist nicht fertig?“ Es kam als Frage heraus. Er trug einen ziemlich teuren
Festumhang, darunter einen Anzug, der so exquisit aussah, dass er auch als
König hätte durchgehen können.
„Fertig?“,
wiederholte sie verwirrt und wandte sich hastig zur Uhr über dem Kamin um.
„Mist“, flüsterte sie. Sie hatte die Zeit vergessen! Er steckte den Kopf in
ihre Wohnung und betrat vollkommen fassungslos ihr kleines Reich.
„Granger,
was zum… Nein!“, schloss er zornig. Er hob eines der Bücher auf und betrachtete
kopfschüttelnd den Titel. „Flüchtige
Gifte für unterwegs?“, las er laut und seine Augen hatten sich ungläubig
geweitet. Sein Blick wanderte durch ihr Wohnzimmer und anscheinend hatte er
seine Wut für eine kleine Weile vergessen.
Etwas
unentschlossen stand sie in ihrem Wohnzimmer. Barfuß, mit roten Wangen und
völlig ratlos. Sie hatte es nicht herausfinden können. Sie war nicht fertig
gewesen. Sie hatte nicht unten gestanden und es war mittlerweile viertel vor
sieben.
„Ok…“,
sagte er langsam und fuhr sich völlig abwesend durch die hellen Haare. „Du
denkst…“, begann er und seine Augen konnte gar nicht alle Bücher und Notizen
aufnehmen, die quer im Raum verteilt waren. Einige Klebezettel hingen sogar an
verschiedenen Stellen des Kleides, welches ausgebreitet auf dem Boden lag. „Du
denkst, ich hätte dein Kleid vergiftet, verflucht… anscheinend Larven
eingewebt…“, sagte er trocken und starrte sie an wie eine Wahnsinnige. Aber sie
war nicht wahnsinnig!
Es war
doch alles möglich!
Vielleicht
unwahrscheinlich – aber… möglich….
„Malfoy…“,
begann sie, aber sie war viel zu fertig. All das Flüche suchen, Gifte testen und
Zaubern hatte sie sehr, sehr müde gemacht.
„Ich
werde… Tee kochen und du ziehst das verdammte Kleid an, Merlin noch mal“,
knurrte er jetzt und schritt ohne Zögern weiter in ihre Küche, die sich ohne
Tür und ohne Wand an ihr Wohnzimmer anschloss. Er öffnete einige Schranktüren,
bis er die Kanne gefunden hatte und setzte Wasser in ihrem Kessel auf.
„Ich habe dir ein Kleid zukommen lassen, weil ich mir ziemlich sicher war, dass
du für diese Art Angelegenheit nicht das richtige da hast. Wir gehen auf eine
ziemlich teure Party. Sehr teuer. Nichts weiter hatte ich im Sinn, Granger!“ Er
starrte auf den Kessel, der noch nicht gewagt hatte zu kochen.
Gut,
vielleicht war sie paranoid. Aber nicht verrückt.
„Malfoy-“
„Und die
Abmachung war, dass du meinen Vornamen benutzt.“ Er sah sie schon nicht mehr
an, sondern schüttelte immer noch fassungslos den Kopf.
„Tut mir
leid“, sagte sie tatsächlich. Für einen Moment herrschte Klarheit in ihrem Kopf
und es war wirklich mehr als unwahrscheinlich, dass er das Kleid irgendwie
verflucht hatte.
„Wirklich?
Es tut dir leid? Das glaube ich eher weniger, Granger. Ich habe dir gesagt,
dass dir nichts passieren wird. Dass ich so etwas lächerlich
Selbstverständliches überhaupt sagen muss!“, schrie er jetzt zornig.
„Du… du
hast nicht gesagt, wohin wir gehen oder… um wen es geht… ich…“ Der Kessel
begann zu pfeifen und er holte ihn vorm Herd, um ihn auf den Tisch zu stellen.
„Ist das
ein Brief, falls du nicht wieder kommen solltest?“, fragte er eisig und hatte
mit spitzen Fingern den Umschlag von ihrem Tisch angehoben.
Sie
schloss die Augen. Mist, Mist, Mist….
„Wie
viel Angst hast du eigentlich wirklich vor mir, Granger?“, fragte er
erstaunlich leise. „Denkst du, ich warte seit zehn Jahren auf eine adäquate
Gelegenheit, dich um die Ecke zu bringen? Denkst du, in meiner freien Zeit
halte ich okkulte Treffen mit ehemaligen Todessern ab und wir planen ein
Muggel-Metzel-Massaker?“ Seine Stimme war wieder lauter geworden.
Der
Kessel stand vergessen auf dem Tisch. Er warf den Brief daneben kam wieder in
das Wohnzimmer und hob das Kleid vom Boden hoch. Sie hatte es mit Salatbesteck
dort hin drapiert, weil sie Angst hatte, es anzufassen.
Das
Schlimme war, dass er nicht einmal so böse zu sein schien, sondern absolut fassungslos
war. Er hielt ihr das Kleid entgegen.
„Wieso
warst du auf den Hochzeiten vorher überhaupt in meiner Nähe? Erinnerst du dich,
dass wir getanzt haben, Granger? Wir haben getrunken? Wir hatten irgendwie
Spaß? Wir haben uns geküsst? Ist dir das alles irgendwie… entfallen?“ Sie sagte
gar nichts.
„Habe
ich dich… gezwungen? Zu irgendwas? Sind die letzten Tage aus deinem Kopf
verschwunden? Habe ich dir meinen Zauberstab an die Schläfe gepresst und
gesagt, wenn du mein giftiges Kleid nicht anziehst, dann bringe ich deine
besten Freunde in ihrem Schlaf auf brutalste Weise um?“
„Du
sagst, ich habe mich in dir getäuscht?“, fragte sie also. Er schloss entnervt
die Augen. „Ok, fein. Gib mir das Kleid und gib mir fünf Minuten. Draco“, fügte
sie unter größter Anstrengung hinzu. Der Name schmeckte schwer und falsch in
ihrem Mund.
Kurz
zögerte sie als sie nach dem Kleid griff, aber der Stoff war nichts anderes als
angenehm weich unter ihren Fingern. Sie hatte tatsächlich ein paar Fasern
abgeschnitten, um sie zu prüfen. Aber das würde sie nicht laut sagen.
Er war
bedacht, sie nicht anzufassen. Er hielt sich an seine Abmachungen, stellte sie
verärgert fest.
Gut,
dass Mr Lark ihr heute bestätigt hatte, dass sie ein für ein halbes Jahr nach
Paris konnte, wenn sie wollte. Das hatte sie Ginny auch nicht erzählt. Aber
nach ihrer paranoiden Show, die sie hier heute gegeben hatte, würde sie nichts
lieber tun, als sechs Monate gemütlich in Paris zu arbeiten. Mit Menschen, die
sie nur als Heldin kannten und sie nicht für vollkommen verrückt hielten!
Das
musste sie sich einfach nur immer wieder sagen.
Sie
durfte in ein paar Tagen, wenn sie wollte, gehen. Oder ein paar Wochen, wenn
Ginny und Harry vorher noch schnell heiraten wollten…. Sie hatte sich jetzt an
Hochzeiten gewöhnt. Es wäre seltsam, wenn sie nicht jeden Monat auf eine gehen
würde.
Er war
wieder zurück in die kleine Küche gegangen und hatte sich einen Teebeutel aus
der Schale neben dem Herd gezogen und kippte das heiße Wasser jetzt in einen
Becher aus der Spüle.
„Fünf Minuten“, wiederholte sie leise und verschwand resignierend und bis auf
die nicht verrückten Knochen blamiert in ihrem Schlafzimmer.
~*~
Gut, sie
hatte zehn Minuten gebraucht, aber es war einfach unmöglich gewesen in das
Kleid zukommen. Jetzt war schlimmer, dass sie den Reißverschluss nicht alleine
zubekam. Er saß auf ihrer Couch und war in einen Bericht in den Tagespropheten
vertieft.
Es ging
wohl um irgendeinen Zauberstabskandal.
„Hey…
könntest du mir helfen? Draco?“, fügte sie unwillig hinzu, wagte aber nicht in
irgendeiner Weise wütend zu klingen, denn sie war im Moment die einzige
verrückte Person in dieser Wohnung. Und das war schon nicht besonders gut.
„Ach, du
lebst noch. Hatte ich nicht mit rechnen können.“ Er erhob sich nachdem er die
Zeitung zusammen gefaltet hatte. „Ich hätte mich außerdem für ein pflanzliches
Gift entschieden. Die dunklen Seidenfasern in diesem Kleid wurden schließlich
auch aus Pflanzen gewonnen.“ Es kostete sie ein paar Sekunden, ehe sie den
Scherz als Scherz erkannte.
„Witzig.
Wirklich, witzig. Draco.“ Wieder fügte sie den Namen widerwillig hinzu.
„Könntest du… den Reißverschluss zu machen?“, fragte sie recht zerknirscht.
Kurz hoben sich seine Mundwinkel zu einem sehr spöttischen Grinsen.
„Tut mir
leid. Ich darf dich nicht anfassen, Granger. Schon vergessen?“ Sie verdrehte
die Augen und atmete gereizt aus.
„Weißt
du, du kannst wirklich-“
„Schon
gut!“, lachte er jetzt und trat hinter sie. „Die Heldin fragte sich, ob er
wirklich den Reißverschluss schließen würde, oder ob er bereits einen gemeinen
Meuchelmord geplant hatte“, flüsterte er belustigt und sie schloss die Augen.
Das konnte sie sich jetzt also den gesamten Abend lang anhören?
„Danke“,
sagte sie knapp, als er fertig war. Seinen Tee hatte er schon getrunken,
stellte sie fest.
„Wolltest
du auch einen Tee?“, fragte er jetzt. Sie runzelte die Stirn. Er stand immer
noch hinter ihr, ging ihr auf. Sehr nah hinter ihr. Sie wandte den Kopf nach
hinten. Ihm schien auch klar zu werden, wie nahe er ihr war. Er räuspert sich
kurz und schritt wieder an ihr vorbei.
„Willst du da nicht hin?“, fragte sie jetzt und war ein wenig verwirrt darüber,
dass er nicht schon einen Schreikrampf bekommen hatte. Eigentlich war sie nie
unpünktlich. Nie. Er sah kurz nachdenklich aus. Dann schüttelte er den Kopf.
„Nein,
nicht wirklich, aber die Frage stellt sich nicht.“ Dann erst schien er sie
überhaupt wahrzunehmen. „Also… deine kaputte Jogginghose war schon atemberaubend,
aber… das giftige Kleid steht dir um einiges besser, auch wenn böse Insekten
und Basengifte es in wenigen Minuten komplett zerstört haben werden.“ Er blieb
sogar bemerkenswert ernst bei seinen Worten.
„Es
reicht“, erklärte sie so würdevoll, wie eine Verrückte dies eben tun konnte.
„Oh nein. Das werde ich niemals vergessen, Granger. Wenn du willst kann ich dir
für den Rest des Monats kleine Drohmemos schicken.“ Sie wartete, ob er fertig
war. Den Rest des Monats… Sie würde doch schon eher gehen. Es erschien ihr am
besten zu sein. Sie zog es vor, nicht mehr auf seine Worte einzugehen. Er sah
sich ein letztes Mal um, ehe er zur Tür schritt. „Gemütlich hier“, fügte er
noch lächelnd hinzu.
Sie
stieg über die Bücher hinweg und war froh, dass sie flache Schuhe hatte
anziehen können, denn niemand würde sie sehen, es sei denn, das Kleid würde
sich doch noch auflösen.
Aber
mittlerweile bezweifelte sie das stark.
~Die dritte Hochzeit~
Sie war
mit ihm appariert.
Er hatte
damit gerechnet, dass sie sich weigern würde, das Kleid anzuziehen, dass sie
ihm vielleicht die Tür nicht öffnen würde, dass sie… überstürzt das Land
verlassen hätte, aber… dass sie tatsächlich dachte, das Kleid wäre vergiftet,
das übertraf sogar seine Vorstellung.
Und es
hatte kein gutes Gefühl hinterlassen.
Eigentlich
war das Kleid schon das einzig Nette, was er heute vorgehabt hatte, ihr
anzutun. Das war ein Geschenk gewesen. Üblicherweise machte er keine Geschenke.
Und sie hatte dies schon mit spitzen Fingern entgegen genommen.
Gut, er
hatte gewusst, der Abend würde für sie… furchtbar werden, aber… erst ab hier.
Nicht schon ab heute Morgen.
Sie
waren angekommen und er wartete förmlich darauf, dass der Sickel in ihrem Kopf
fallen würde. Denn jetzt waren sie da. Aber ihm wurde klar, dass sie noch
niemals hier gewesen war. Natürlich erkannte sie es nicht.
„Komm“,
versuchte er motivierend zu sagen, aber er selber konnte kaum die Motivation
finden. Vor allem nicht, nachdem er des versuchten Mordes verdächtig worden
war. Sie sah fast so aus, als würde sie wollen, dass er ihre Hand nimmt, aber
natürlich würde er ihre lächerlichen Regeln nicht brechen.
Sie
folgte ihm schließlich tapfer durch die schmiedeeisernen Tore, ohne zu wissen,
welches Schicksal sie erwartete. Der Kiesweg war so penibel geharkt worden,
dass jeder Tritt die Steine aus ihrer Ordnung riss.
Er hörte
die geschmackvolle Musik, die nicht mit Weasleys Hochzeit zu vergleichen war.
Dass Pansy sich darauf eingelassen hatte. Es war ihm immer noch unbegreiflich.
Kurz überlegte er, ob sie heute hier sein würde. Sie war eingeladen. Und das
schon bevor sie Weasley hatte heiraten wollen.
Aber
Weasley war nicht eingeladen und er nahm an, Pansy würde bestimmt nicht mehr
irgendwo ohne ihren kleinen Ehemann hingehen.
Blaise
würde hier sein. Ohne seine Frau allerdings. Denn auch diese war nicht
eingeladen. Er freute sich schon fast. Es wäre so ein grandioses Bild. Er
konnte kaum erwarten die Gesichter zu sehen, wenn sie erkannten, wen er als
Begleitung mitgebracht hatte.
Zwar war
von den drei Stunden schon fast eine vorbei, aber es würde vollkommen
ausreichen, um mindesten zwei Herzanfälle auszulösen.
Sie
erreichten das Ende des Wegs und kamen zu der runden Auffahrt. In der Mitte auf
der runden Rasenfläche wehte ein magisches Banner.
Sie
blieb stocksteif neben ihm stehen. Er konnte ein Grinsen nicht verhindern.
„Du
scheiß Arschloch“, flüsterte sie und fuhr sich mehr als nur nervös durch ihre dunklen
Haare. Sie dufteten betörend. Er würde sie bei Gelegenheit fragen, welches
Shampoo sie benutzte. Aber nicht jetzt. Denn jetzt genoss er den köstlichen
Moment des Verrats, den er begangen hatte.
„Wenn du
mir folgen würdest…“, entgegnete er galant und sie schüttelte panisch den Kopf.
„Was für
ein krankes Arschloch bist du? Sie werden nicht nur mich umbringen, sondern
dich gleich mit, Malfoy!“
„Ah, ah,
ah… Vorname, Granger. Es wird nur wirklich richtig schön, wenn du meinen
Vornamen benutzt.“ Sie starrte ihn immer noch völlig entgeistert an. Die Panik
stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Du hast
das geplant! Du hast meinen Tod bis ins Detail geplant. Ich werde hier sterben!
Ironischerweise dort, wo schon hundert Muggel vor mir gestorben sind! In einem
tausend Galleonen teuren Kleid“, murmelte sie und er war sich nicht sicher, ob
sie anfangen würde zu weinen.
„Du
wirst nicht sterben“, beteuerte er wenig genervt.
„Ach
nein? Auf der Erinnerungs-Hochzeit von Lucius und Narzissa Malfoy werde ich
nicht umgebracht werden? Bist du dir da wirklich vollkommen sicher, Malfoy?“
Ohne
ihre Abmachung zu beachten, griff er nach ihrer Hand.
„Wieso
vertraust du mir zur Abwechslung nicht mal? Natürlich wird es furchtbar. Das
war der Plan.“
„Wieso
tust du mir das an?“, flüsterte sie und hatte schon vergessen, dass er sie
nicht anfasse sollte. „Hasst du mich so sehr? War das Kleid so was wie ein
mörderisches Vorspiel, um mir erst mal nur Angst zu machen?“ Sie klang völlig
hysterisch.
„Granger!“
Er umfasste ihre Schultern und verlor die Geduld. „Ich hasse meine Eltern.
Nicht dich“, erklärte er gereizt.
„Was?“
„Na gut.
Ich mag dich auch nicht. Aber das ist nur ein Bonus.“ Sie schüttelte wieder den
Kopf. Er griff wieder nach ihrer Hand.
„Dafür
ist das Buffet wirklich unglaublich“, versprach er und jetzt bekam er selber
ein klein wenig Angst. Keine echte Angst. Mehr ein… Kribbeln in den
Fingerspitzen.
Und er
zog sie mit sich. Sie wehrte sich ziemlich heftig, aber es gelang ihm, sie um
die nächste Ecke zu ziehen. Und dann wurde sie still neben ihm. Sie wich sogar
sehr eng an seine Seite. Es gefiel ihm tatsächlich. Aber wahrscheinlich auch
nur, weil er selber so etwas, wie ein Fremdobjekt war. Zumindest seit einer
Weile. Hier in diesem Haus.
Die
Feier fand im hinteren Teil des Gartens statt. In einem kleinen hinteren Teil
des Gartens, müsste er sagen. Denn das Grundstück erstreckte sich noch so weit,
dass er es mit einem Blick nicht erfassen konnte. Weiter hinten rannten die
Kinder von irgendwelchen Zauberern und Hexen über den penibel geschnittenen
Rasen.
Seine
Mutter fasste sich ans Herz, als sie ihn sah. Sie ergriff die Hand ihre Mannes
neben sich und der wandte sich nun ebenfalls um. Sein Allwetter-Lächeln war aus
seinem Gesicht gewischt, wie nach einem sehr starken Regen.
„mein
Sohn ist auch gekommen. Wie nett“, rief er über die Menge hinweg. Alles
ziemlich feine, eitle Zauberer, die ihn anstarrten. Vielleicht auch nicht
unbedingt ihn, sondern seine Begleitung, die neben ihm zusammen schrumpfte.
„Mit
einem Gast“, fügte Lucius kühl hinzu. Narzissa war mit ihm gekommen. Beide
starrten Granger an, wie ein fremdes, schmutziges Tier, das sich hinter seiner
Schulter versteckte. „Ms Granger.“ Oh ja, der Name klang wie rostiges Metall,
dass mit einer noch viel rostigeren Säge zerschnitten wurde, so wie sein Vater
es sagte.
„Großer
Merlin, warum hast du das getan?“, zischte seine Mutter jetzt außer sich, aber
er schaffte es, recht teilnahmslos auszusehen.
„Ich war mir sicher, meine Einladung hat mit einen Gast zugesprochen.
Vielleicht sollte ich noch einmal nachsehen. Es wäre äußerst peinlich, sollte
ich mich da wirklich verlesen haben“, sagte er recht laut. Seine Mutter
schnappte zornig nach Luft.
„Halt
deinen Mund, Draco! Wie kannst du es wagen, sie hier her zu bringen?“
„Na, na,
Narzissa. Wir sind doch nicht unhöflich.“ Er war sich nicht sicher, ob Granger
noch sprechen würde. „Wir werden sie unseren Gästen gerne vorstellen. Ich bin
mir sicher, Ms Granger kennt die meisten.“ Draco sah sich kurz um.
Ja, das
nahm er an. Todesser, die sich alle freigekauft hatten. Zum ersten Mal kam ihm
die Idee, dass er vielleicht doch einen kleinen Fehler begangen hatte. Einen
winzig kleinen. Er war sich sicher, Granger hatte diese Zauberer in der
Mysteriumsabteilung im Ministerium getroffen. Im fünften Jahr in Hogwarts.
Daran
hatte er nicht mehr wirklich gedacht. Aber jetzt war es auch zu spät.
„Draco,
ich kann dir nicht sagen, wie…“ Seine Mutter schien keine Worte mehr zu finden.
Granger zerquetschte seine Hand. „Diese Weasley Mutter hat meine Schwester
umgebracht!“, presste sie hart hervor. „Und du wagst einen Freund dieser
Familie hier her zu bringen?“
Ach ja.
Das war ja auch noch passiert.
„Herzlichen
Glückwunsch, Mum. Dad“, fügte er mit einem feinen Lächeln hinzu. Noch nie hatte
er diese Namen benutzt. Sollte Granger ohnmächtig werden, wäre jetzt die Zeit
gekommen.
„Herzlichen
Glückwunsch, Mr und Mrs Malfoy“, sagte sie aber tatsächlich mit recht
gewöhnlicher Stimme. „Ich bin sicher, Sie haben den besten Alkohol hier?“
Das
gefiel ihm schon besser. Alkohol wäre angebracht. Auf jeden Fall. Er musste
darüber lächeln, dass sie immer noch seine Hand hielt. Und sie zog ihn mit zu
den langen Tischen.
„Oh
mein-“ Sie war erschrocken zusammen gezuckt. Ein winziger Hauself war neben
ihnen appariert mit einem Tablett voller Gläser. Absolut zornig hatte sie
vergessen, dass sie ohne ihn nicht laufen konnte. Sie löste die Hand aus seiner
und wandte sich zornig um, dass ihre langen Haare über ihre Schultern flogen.
„Hauselfen?
Sie beschäftigen immer noch Hauselfen, Mr Malfoy?“ Sie schrie fast. Mit einem
Nicken griff sich Draco ein Glas vom Tablett. Der Hauself starrte Granger an wie
eine Erscheinung. „Könnten Sie eigentlich noch mehr Gesetze auf einmal brechen?
Wie können Sie es wagen, diese Geschöpfe nach der Verabschiedung des
Gleichberechtigungsgesetz für magische Kreaturen hier arbeiten zu lassen?“
Sein
Vater schenkte der Runde ein verständnisvolles und nachsichtiges Lächeln. Aber
Draco erkannte sehr wohl, dass er an seine Grenzen gestoßen war.
„Ich bin
mir sicher, wenn die Hauselfen ordentliche Kleidung haben, einen Vertrag und
bezahlte Arbeitsstunden, ist ihr Gesetz perfekt eingehalten“, erklärte er ohne
den Hauch von Freundlichkeit oder Geduld in seiner Stimme.
Sie
wandte sich um. Ja, der Hauself trug tatsächlich eine entzückende, kleine,
weiße Uniform.
„Du wirst bezahlt?“, fragte sie etwas perplex.
„Ja,
Miss“, sagte der Hauself hastig und verbeugte sich. „Zwei Galleonen die Woche.
Die Wochenende sind frei.“ Seine Stimme zitterte und er musterte Granger mit
seinen großen Augen. „Champagner, Miss?“ Draco nahm ein weiteres Glas in die
Hand und reichte es ihr.
„Draco,
wir werden darüber noch sprechen. Glaub nicht, dass das keine Konsequenzen
haben wird“, drohte sein Vater mit einem falschen Lächeln und wandte sich
wieder dem geschockten Publikum zu.
„Absolut
perfekt, Granger. Ich bin absolut begeistert.“ Granger hingegen hatte die Augen
geschlossen und leerte ihr Glas in schnellen Zügen.
„Wie
lange noch?“, fragte sie unwirsch und mit immer noch geschlossenen Augen.
Belustigt warf einen Blick auf seine goldene Taschenuhr.
„Zwei
Stunden“, erklärte er lächelnd. Sie sah ihn an und er wusste nicht, was sie
dachte.
„Mehr
Alkohol“, erklärte sie dumpf und schon erschien ein nächster Elf aus dem
Nichts. Sie zuckte neben ihm zusammen. Ihr Gesicht verzog sich zu einer
leidenden Grimasse. „Oh Merlin, ich ertrage das nicht!“, flüsterte sie gequält,
nahm sich aber ein weiteres Glas.
Und er
hatte gedacht, es würde langweilig werden….
~*~
„… es
war ja nicht so, dass die Horkruxe einfach so herum lagen, wissen Sie?“ Ein wenig
Champagner schwappte aus ihrem Glas, als sie es in einer Geste der Erklärung
nach oben riss. Er war neben sie getreten
„Yaxley,
gut Sie zu sehen. Was macht die Familie?“, unterbrach er ihre Geschichte etwas
lauter, denn er glaubte nicht, dass sie wirklich wusste, mit wem sie sprach.
Aber er nahm an, dass sie sich bestimmt bei irgendeinem Kampf begegnet waren.
„Yaxley?“,
rief sie plötzlich aus. „Haben Sie uns nicht nach Bill und Fleurs Hochzeit
verfolgt? Wir hatten doch den Kampf in diesem entzückenden kleinen Café. Draco,
wie heißt das Café an der Lincoln-Baker-Street noch mal?“ Sie sah ihn erwartend
an. Er tauschte einen Blick mit Yaxley, der mit offenem Mund auf die Person vor
sich starrte.
Gut,
dann wusste sie doch, mit wem sie sprach. Er hatte keine Ahnung, von was sie
allerdings sprach.
„Wollten
Sie nicht den Hippogreif umbringen? Waren Sie nicht mit Lucius Malfoy bei
Hagrid gewesen?“, rief sie anklagend aus und der arme Yaxley stand etwas
hilflos vor ihr. Draco nahm an, sie würde gleich noch aus Rache den Zauberstab
ziehen.
„Wo soll
ich gewesen sein?“ Sein Vater stand jetzt auf Grangers anderer Seite. „Sagen
Sie, seit wann gehen Sie eigentlich mit meinem Sohn aus, Ms Granger?“ Seine
Stimme troff vor bitterer Enttäuschung und ehe Draco einschreiten konnte,
lachte Granger auf.
„Lucius…
darf ich Lucius sagen?“, lallte sie mit einem Lächeln und Draco schloss kurz
die Augen. Sein Vater verlor alle Farbe. „Ihr feiner Sohn hat mich auf einer
Auktion ersteigert. Für zweitausendfünfhundert Galleonen. Können Sie das
glauben?“, fragte sie und lachte in die Runde.
„Nein,
kann ich nicht“, erwiderte Lucius knapp. „Draco? Was sind das für neue
Methoden? Ich wusste nicht, dass Sie sich auf Auktionen ersteigern lassen, Ms
Granger“, fuhr er beflissen fort.
„Das ist
keine wöchentliche Angelegenheit. Nein, Lucius. Nicht wie Bingo. Bingo ist
eigentlich sehr interessant. Also, nicht, dass ich jemals gespielt hätte. Aber
die älteren Damen in meinem Heimatdorf gingen immer jeden Samstag zum
Bingoabend in die Kirche.“ Draco konnte nicht anders, als zu grinsen. Er hatte
keine Ahnung, was Bingo war, aber der Mund seines Vaters hatte sich in völligem
Unglauben geöffnet.
„Bingo?“,
wiederholte Lucius ungläubig.
„Ja, ja…
man hat Karten, wo… Sagen Sie, was war eigentlich nachdem der Minister damals
in die Mysteriumsabteilung gekommen war? Sind Sie verhaftet worden?“ Sie nippte
interessiert an ihrem Glas. Lucius starrte sie an. Draco musste sich kurz die
Hand vor den Mund halten, damit sein Vater ihm nicht das unverschämte Grinsen
aus dem Gesicht schlagen konnte.
„Ja,
Vater, erzähl noch mal“, ermunterte er Lucius mit einem knappen Grinsen.
„Ahem…
ich denke, Sie hatten genug zu trinken, Ms Granger, nicht wahr?“ Er sah
eindringlich an. Sie lachte nur.
„Wirkliche eine exquisite Champagnerwahl, Lucius. Wieso heiraten Sie ihre Frau
eigentlich noch mal?“ Es war unglaublich, wie redselig sie plötzlich war.
Alkohol hatte eine erstaunlich enthemmende Wirkung auf sie, stellte Draco fest.
Er konnte nicht sagen, dass er nicht angetan war.
„Lucius,
was tust da?“ Seine Mutter kam mit einem so falschen Lächeln herbei geschwebt,
dass ihre Mundwinkel schmerzen mussten, nahm Draco an.
„Ich
unterhalte mich mit unserem… Gast“, fügte Lucius schließlich wenig begeistert
hinzu.
„Wirklich?“,
erwiderte seine Mutter und betrachtete Granger mit einem Blick voller Ekel und
Abschreckung.
„Wissen
Sie, ich hatte wirklich gedacht, es würde grauenhaft werden, aber Draco hat mir
versichert, dass Sie mich nicht umbringen würden. Ich meine, Sie könnten mich
bestimmt hervorragend auf diesem großartigen Grundstück verscharren, so ist es
ja nicht“, erklärte sie zufrieden. „Ein schönes Grundstück. Wie viel Hektar
sind das?“, wollte sie wissen und Narzissa räusperte sich.
„Ms Granger, niemand wird Sie umbringen.“ Und doch klang die Stimme seiner
Mutter von diesen Worten nicht völlig überzeugt.
„Ja, ich
nehme an, das haben wir hinter uns“, erwiderte Granger jetzt. „Ein schönes
Kleid. Es passt zum Champagner. Ich denke, ich werde noch einen trinken.“
„Vielleicht
solltest du etwas essen?“, schlug Draco leise vor.
„Ja, ich
könnte es in den Champagner tunken, während ich trinke“, sponn sie die Idee
weiter.
„Nein, einfach nur… essen“, sagte er mit Nachdruck.
„Mir
geht es ausgezeichnet, Draco. Vielleicht tanzen wir später und dann kannst du
mich wieder in einem der Gänge küssen. Ich fühle mich abenteuerlustig, heute!“,
verkündete sie lallend und verschwand zu den Buffettischen.
Sein
Vater sah ihn mit eisigem Blick an. „Bei Merlin, du hast dir heute einiges
geleistet“, knurrte er außer sich. „Dein Interesse an Muggeln hat in den
letzten Wochen anscheinend rapide zugenommen“, fuhr er verärgert fort.
„Ich
hatte exzellente Damen eingeladen. Alle wären besser gewesen, als diese
Person“, fuhr seine Mutter fort und deutete auf eine Traube an jungen Damen in
sehr schicken Kleidern, die ihn aus einer Distanz beobachteten. „Keine wird
sich jetzt erbarmen und mit dir tanzen, Draco“, fügte sie beleidigt hinzu. „An
unserer Erinnerungs-Hochzeit musst du uns so sehr blamieren. Was hast du dir
gedacht?“
Eigentlich
hatte er nicht in seinen kühnsten Träumen erwartet, dass Granger eine so
unterhaltsame, perfekte Begleitung darstellen würde.
„Ich
hatte es mir exakt so vorgestellt, Mutter.“ Die Gäste um sie herum entfernten
sich nacheinander peinlich berührt. Er konnte die vielen ehemaligen Todesser
nicht zählen. So viele Reinblüter. Seine Augen wanderten zu Granger, die eine
Scheibe französisches Baguette in ihr Glas tunkte. „Entschuldigt mich, ich
glaube meine Begleitung möchte einen eurer Elfen befreien“, erklärte er
grinsend und seine Eltern wandten sich erschrocken um.
Er
fühlte sich tatsächlich ein weniger leichter als sonst. Er damit nicht
gerechnet, aber er amüsierte sich tatsächlich auf der Feier seiner Eltern.
Wunder gab es also doch….
Es war
ein fröhlicher, bunter Schleier vor ihren Augen. Sie wusste, eigentlich sollte
sie keinen Spaß empfinden, aber es ging viel leichter als sie dachte. Als sie
jemand umbringen würde!
Sie zog es
vor, eher weniger zu essen, denn das Kleid fiel doch recht eng aus.
Wahrscheinlich würde sie einfach platzen. Aber nicht mal das machte ihr noch
große Sorgen.
„Schwer
vorzustellen, dass er dich tatsächlich mitgenommen hat“, erklärte ein Mädchen
neben ihr, die die Tanzfläche auf dem Rasen betrachtete.
„Was?“
Hermine merkte bereits, dass das Sprechen schwerer wurde. Aber sie konnte
unmöglich mehr als zwei oder… sieben Gläser Champagner getrunken haben.
„Draco.
Wirklich eine Überraschung. Aber Pansy hat auch Weasley geheiratet. Damit war
nicht zu rechnen.“ Sie schenkte ihr einen bemitleidenswerten Blick. Hermine
musste sehr stark nachdenken. Aber sie glaubte nicht, dass ihr das Mädchen
bekannt vorkam.
„Ich war
nicht auf der Hochzeit, falls du dich wunderst. Pansy hatte mich eingeladen,
natürlich, aber…“ Sie schüttelte wie selbstverständlich den Kopf. „Pansy muss
schon ziemlich krank sein, um einen Weasley zu heiraten. Ich hatte angenommen,
er würde Abschaum wie dich nehmen, weil er nichts Besseres bekommen kann.“
Hermines Mund öffnete sich. Sie hörte die Beleidigung auch durch ihren
fröhlichen Nebel.
„Wer
bist du?“, fragte sie unfreundlich, denn dieses Mädchen ruinierte ihren
lustigen Abend.
„Wer ich bin? Du erinnerst dich also nicht? Wirklich sehr reich von dir. Ich
glaube allerdings nicht, dass du dir eine solche Einstellung erlauben kannst,
nur weil du mit Draco Malfoy auf eine Hochzeit gehst, Granger.“ Sie versuchte
das Mädchen näher in Augenschein zu nehmen. Sie war sehr dünn. Ihre Züge waren
aber eher grob. Sie hatte kräftige Wangenknochen, die gar nicht zu ihrer
magerkranken Figur zu passen schienen.
Hermine
konnte nur annehmen, dass sich dieses Mädchen runter gehungert hatte, um in das
hautenge Kleid zupassen. Der Akzent war deutlich schottisch, glaubte sie zu
hören und sie wusste, nüchtern hätte sie das Mädchen bestimmt erkannt.
Vielleicht…
Aber ihr kam Pansy auf einmal gar nicht mehr so furchtbar vor.
„Ich bin
sicher, es handelt sich sowieso nur um eine Wette, die Draco mit irgendwem
hatte. Wenn er es schafft, ein Schlammblut zu der Hochzeit seiner Eltern
mitzubringen, bekommt er noch ein paar tausend Galleonen mehr“, vermutete das
Mädchen neben ihr und nippte übertrieben vorsichtig an ihrem Glas.
Das Wort
hallte in ihrem Kopf nach. Sie hatte es schon seit einer ganzen Weile nicht
mehr gehört. „Blaise ist auch nicht hier. Dabei war ich sicher, er würde das
hier nicht verpassen“, erklärte das Mädchen unbeeindruckt. „Aber solltest du
glauben, dass du den Malfoyerben heiraten wirst, muss ich dich enttäuschen. Ich
denke nicht, dass Draco auch nur die kleinste Absicht hegt.“ Sie lächelte kühl.
„Ich
habe nicht vor, ihn zu heiraten“, flüsterte Hermine und versuchte nicht zu
lallen.
„Bist du
nicht auch bald dreißig? Aber na ja… manche bleiben eben einfach allein,
richtig?“ Das Mädchen prostete ihr mit einem herablassenden Lächeln zu. „Du
solltest das hier lieber genießen, denn ich denke nicht, dass dich noch
irgendjemand zu einer solchen Veranstaltung einladen wird.“
„Kann
ich dich zum Tanz auffordern?“, fragte ein hochgewachsener Junge das Mädchen
neben ihr jetzt. Diese nickte lächelnd und elegant verließen die beiden
Hermine.
Sie
stellte hastig das Glas auf einen der Leinentische. Sofort erschien einer der
Elfen aus dem Nichts.
„Darf ich,
Miss?“, fragte er mit hoher Stimme und reckte seine kleine Hand nach dem leeren
Glas.
„Bezahlen
Sie dich?“, fragte sie leise. Der Elf nickte.
„Immerhin“,
erwiderte sie und gab ihm unwillig ihr Glas.
„Hast du
Spaß? Ich sehe kein neues Glas in deiner Hand?“ Er war neben sie getreten und
fast hätte sie sich erschrocken.
„Nein,
nicht wirklich“, erwiderte sie. „Wer ist das Mädchen da?“ Er folgte ihrem Blick
mit gerunzelter Stirn.
„Welches
von den langweiligen Mädchen meinst du?“, erwiderte er.
„Sag mal,
ist das wieder eine Wette? Wie die mit dem Hippogreif?“ Sie wusste, das Wort
Hippogreif konnte sie nicht mehr nüchtern betonen. Er sah sie verwirrt an.
„Was?“
„Das
Mädchen sagt, dass das eine Wette ist. Dass du… ein Schlammblut zu der Hochzeit
deiner Eltern mitbringen wolltest“, fuhr sie fort und ärgerte sich darüber,
dass sie überhaupt sprach. Natürlich brachte er sie bestimmt nicht mit, weil
sie so eine fabelhafte Begleitung war. Wahrscheinlich hatte er sich erhofft,
dass sie sich selber und alle Anwesenden blamieren würde.
„Granger,
wer hat dir das erzählt?“
„Ist das
die Wette?“, wiederholte sie gereizt und er holte kurz Luft.
„Es ging
nicht um ein Schlammblut, nein. Nur um eine Muggel im Allgemeinen“, erklärte er
und zuckte mit den Achseln.
„Das war
also der Sinn, mich zu ersteigern?“ Er sah sie sehr ernst an.
„Dachtest
du, ich wollte dich mitnehmen, weil ich nicht mehr ohne dich auf Hochzeiten
gehen kann? Das glaube ich nämlich nicht, wenn ich daran denke, dass du dein
Kleid auf sämtliche Flüche geprüft hast.“ Sie sah kurz zur Seite. „Außerdem…“,
fuhr er fort, „meine Gründe sind völlig egal, Granger. Worum geht es hier
jetzt? Dass wir kein Paar sind? Dass… du dich auf einmal verliebt hast? Wann
soll das genau passiert sein?“
Sie
verdrehte zornig die Augen.
„Nein,
Malfoy. Auch wenn alle anderen einen millionenschweren Prinzen in dir sehen,
bleibt mir diese Aussicht verwehrt.“ Sie lallte. Merlin… wie ein Seemann. „Ich
fand es nur… ich bin kein Schlammblut“, erklärte sie wütend.
„Habe ich
das jemals behauptet?“, entgegnete er und sie nickte. „Was?“ Dann schien er zu
verstehen. „Nein, ich meine jetzt kürzlich, Granger. Nicht vor hundert Jahren“,
fuhr er energisch fort. Sie wollte darüber nicht mehr sprechen. „Welches
Mädchen war hier?“, fragte er wütend.
„Egal“,
erwiderte sie.
„Das
sind eifersüchtige Ziegen, Granger. Nichts weiter. Seit wann interessiert es
dich, was irgendwelche Slytherinschlampen denken?“
„Du
wirst eine von ihnen heiraten, oder?“
„Ich
werde bestimmt niemanden heiraten, der hier auf diese Hochzeit geht. Und wieso
reden wir darüber? Ich will sowieso nicht heiraten. Ich dachte, du wolltest das
auch nicht. Die Hochzeiten auf denen wir waren, die waren grauenhaft. Und diese
hier ist keine Ausnahme“, erklärte er. Sie sah ihn an. Ach? Diesen Eindruck
vermittelte sie? Dass sie nicht vorhatte jemals zu heiraten? Nur weil sie keine
Begleitungen auf Hochzeiten hatte?
„Ich
muss auf Toilette“, erklärte sie. „Ist das hier möglich oder halten alle Gäste
hier aus, bis es vorbei ist?“ Er lächelte jetzt. Gut, er sah wirklich absolut
königlich aus. Er war wunderschön. Sie war dumm gewesen. Natürlich erzählte
dieses Mädchen Unsinn. Wahrscheinlich waren hier alle in ihn verliebt und
wollten sein Erbe antreten.
Sie
atmete langsam aus.
„Komm
mit. Wir gehen für einen Moment rein.“ Sie starrte ihn an.
„Rein?
In das Schloss?“ Es war zwar ein sehr großes Herrenhaus, aber es konnte
bestimmt als Schloss durchgehen, nahm sie an.
„Du
kannst auch gerne in die Rosenbüsche meiner Mutter pinkeln, Granger. Ich würde
mich sehr freuen“, fuhr er fort. Sie beschloss nichts mehr zu sagen, und folgte
ihm.
Das Haus
war noch größer als es von außen den Anschein machte. Aber immerhin war es sehr
still hier drinnen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Vielleicht
mittelalterliche Waffen an den Wänden, finstere Familienportraits und
Todesser-Hassbanner, aber das war natürlich unsinnig.
Es war
atemberaubend hier.
„Ein
Badezimmer ist geradeaus durch den Gang.“ Er deutete nach vorne und Hermine
schätzte den Weg auf knapp einhundert Meter. Hier würde ihr Apartment bestimmt
tausend Mal reinpassen, überlegte sie. „Findest du das?“
Sie
nickte nur. „Ich warte hier auf dich“, fügte er hinzu und sie wusste nicht, ob er
müde war oder in dieser Sekunde tatsächlich… nett? War das das Wort, was sie
suchte? Sie wusste es nicht. Aber sie musste jetzt doch sehr dringend.
Eilig
durchschritt sie den Gang, wo wenigstens ein paar Bilder an den Wänden hingen.
Es kam ihr vor wie Hogwarts. Sie wurde von sehr blonden Hexen und Zauberern
gemustert und auf einem Bild erkannte sie die Familie Black. Narzissa Malfoy
stand auch bei der Gruppe an Menschen, aber sie war noch sehr viel jünger.
Sirius
sah sehr gut aus und winkte leicht. Er war der einzige, der nicht völlig
verklemmt und reich aussah. Sie musste lächeln und fragte sich, wie viel Streit
dieses Portrait hier wohl ausgelöst haben musste. Vielleicht war es ein
Erbstück und hatte aufgehängt werden müssen, vermutete sie.
Das Badezimmer
war… kein Badezimmer. Es hatte zwei Wannen und beide hatten die Größe von
Pools. Sie waren rechts und links neben den Wänden in den Boden eingelassen und
säumten somit einen Gang aus Marmor, der zu einer Toilette auf einem Podest
führte. Es sah seltsam aus, aber ihrer Blase war das egal. Eilig krempelte sie
die vielen Schichten ihres Kleides nach oben und konnte von dem erhöhten Platz
aus in den Garten sehen. Sie kam sich vor wie in einem griechischen
Toilettentempel, sofern es so etwas überhaupt gab.
Die
Party war wohl auf der anderen Seite, denn hier stolzierten nur Pfauen über den
Rasen. Die Sonne war nicht mehr zu sehen und Dunkelheit würde bald die
Dämmerung ablösen. Hohe Bäume säumten das Grundstück weit am Ende, und der
Alkohol gewährte ihr eine winzige Pause in ihrem Kopf. Sie würde wohl ein wenig
weniger trinken, beschloss sie jetzt. Außerdem konnte sie nur annehmen, dass es
bestimmt schon halb zehn war und die Abmachung somit vollständig von ihr
erfüllt wurde. Eigentlich sollte sie die Wette und das Geld gewinnen. Nicht
Malfoy.
Als sie
fertig war, spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und verließ das
monströse Badezimmer wieder. Auf ihrem Weg zurück entdeckte sie zwei
Flügeltüren, die nur angelehnt waren. Niemals hätte sie hier inne gehalten,
wenn es nicht völlig unglaublich gewesen wäre.
Aber
Reihen über Reihen und Regal um Regal reihten sich in diesem Raum, der so groß
war, wie die Große Halle in Hogwarts. Bücher… alle Bücher dieser Welt nahm sie
an. Sie hatte die Türklinke in der Hand und starrte völlig fasziniert in den
hell erleuchteten Raum. Bücher… so viele Bücher, dass sie kaum glauben konnte,
dass hier Todesser wohnten.
Sie nahm
an, Lesen bildete und beugte der Dummheit vor, aber anscheinen galt das für
dieses Haus nicht. Vielleicht hatte auch noch niemand die Bücher gelesen. Aber
das glaubte sie nicht. Überall standen gemütliche Sessel, hier und da gab es
eine Kaminecke. Parkett und Perserteppiche säumten den Boden, Leitern lehnten
an Regalen und auf kleinen Tischen häuften sich Bücher, mit Lesezeichen drin.
„Beeindruckend,
hm?“, hörte sie seine Stimme hinter sich und erschrak.
„Entschuldigung,
ich wollte hier nicht…“ Sie verstummte einfach. Er zuckte mit den Achseln.
„Kein
Problem“, erwiderte er schlicht. Aber sie nahm an, würden seine Eltern sie hier
finden, dann wäre es schon ein sehr großes Problem. Ihr wurde etwas klar…
„Habe
ich deinen Vater gefragt, ob er inhaftiert worden ist?“, flüsterte sie panisch
und seine Mundwinkel zuckten.
„Nur
zweimal bisher“, erklärte er grinsend. Sie schloss die Augen und spürte, wie
die Röte in ihre Wangen schoss.
„Wie
lange noch?“, fragte sie heiser. Er blickte über ihre Schulter hinweg,
anscheinend auf eine Uhr in der Bibliothek.
„Du bist
seit einer Viertelstunde frei“, erwiderte er ruhig. Sie sah ihn an. Sie war
frei? Das war es gewesen? Sie konnte gehen? „Wenn du willst, bringe ich dich
zum Tor und die Kutsche bringt dich zurück. Oder…“ Er hielt kurz inne.
„Oder?“,
fragte sie und war sich nicht sicher, was jetzt kommen würde. Sie rechnete
damit, dass er sie doch nicht gehen lassen würde, weil sie vielleicht doch noch
gefoltert werden würde, oder… weil sie noch irgendwen aus seiner Familie
blamieren sollte oder… es gab viele Gründe.
„Oder du
leistest mir noch eine Weile Gesellschaft?“ Es kam als Frage raus. Sie nahm
nicht an, dass er das beabsichtigt hatte. Oder vielleicht doch. Bei Draco
Malfoy kam ihr alles wie ein geplantes Experiment vor. Alles schien von ihm
berechnet worden zu sein. „Champagner“, sagte er in den leeren Raum. Ein Elf
erschien aus dem Nichts mit einem Tablett. „Noch ein Glas, Granger?“, fragte er
mit einem feinen Grinsen.
„Ich
sollte wirklich nicht noch mehr trinken. Ich sollte das Angebot mit der Kutsche
annehmen und gehen.“ Er nahm zwei Gläser vom Tablett und reichte ihr das
zweite. Abwartend hielt er es ihr entgegen.
„Wahrscheinlich“,
sagte er. Der Elf verschwand wieder ohne das leiseste Geräusch. Sie waren
wieder allein. Sie atmete langsam aus und war dankbar dafür, nicht mehr draußen
bei den furchtbaren Menschen sein zu müssen. Sie nahm das Glas entgegen. Seine
Finger berührten ihre. Ihr ging auf, dass er sie tatsächlich nicht einmal
berührt hatte. Dafür hatte sie seine Hand vorher wahrscheinlich zerquetscht,
nahm sie an.
Sie
stießen an. Die Gläser klirrten melodisch. Sie würde so betrunken sein, wie
noch nie in ihrem Leben, nahm sie an, denn der erste Schluck berauschte sie
mehr als alles andere am Abend zuvor. Sie hasste diese reichen Mädchen hier,
die sich alles erlauben konnten. Oder zumindest glaubten, sich alles erlauben
zu können. Sie trank noch einen Schluck.
„Ich
zeige dir die schwarzmagischen Bücher“, erklärte er mit einem Lächeln und zog
sie mit sich. Das Kleid wurde immer unbequemer und schwerer, so kam es ihr vor.
Sie folgte ihm tiefer in den Saal, an so vielen Regalen vorbei, dass sie sicher
war, alleine nicht mehr rauszufinden.
Er blieb
stehen vor dem letzten Regal, in dem nur Bücher standen, die in schwarzes Leder
gebunden waren. Er zog wahllos eines davon hervor. Sie las den Titel. Gellert
Grindelwalds Lexikon der schwarzen Kunst, hieß der Titel und befasste sich mit
Flüchen gegen Frauen. Ausschließlich gegen Frauen, stellte sie verwirrt fest.
„Ich
nehme an, der Arme hat eine saftige Abfuhr bekommen und wollte sich wehren“,
mutmaßte Draco belustigt, leerte sein Glas und stellte es auf einen der Tische.
Sie erwartete, dass ein Elf aus dem Nichts erschien, aber das passierte diesmal
nicht.
„Malfoy,
werden die Elfen wirklich bezahlt?“, fragte sie leise und Malfoy stellte das
Buch wieder zurück.
„Was denkst du?“, fragte er jetzt. Sie verzog den Mund.
„Also werden sie das nicht?“ Sie hasste die Malfoys.
„Du
kannst die Welt nicht auf einen Schlag besser machen, Granger.“ Er zog das
nächste Buch hervor. „Von Voldemort selbst verfasst“, bemerkte er spöttisch.
„Ich denke, die haben alle etwas kompensiert“, stellte er fest. Sie leerte
bitter ihr Glas.
„Und was
kompensierst du?“, fragte sie schließlich. Kurz sah er sie an und sie dachte,
er würde anfangen zu schreien, aber tatsächlich hoben sich seine Mundwinkel.
„Anti-Potter-Sympathien,
nehme ich an.“ Sie musste wirklich lächeln.
„Ich
möchte tanzen“, erklärte sie jetzt.
„Draußen?“,
fragte er ungläubig.
„Sicher.
Wann sollte ich sonst noch die Gelegenheit haben auf einer Malfoyhochzeit zu
tanzen?“, erwiderte sie lächelnd. Er vergrub die Hände in den Taschen seiner
dunklen Hose.
„Das
heißt, du möchtest erst tanzen und mich dann küssen?“ Sein Grinsen war eine
Spur böse, aber es war ihr egal. Sie leerte ihr Glas und stellte es neben seins
auf den Tisch.
„Nein,
nicht unbedingt in dieser Reihenfolge“, informierte sie ihn und fuhr sich durch
die Haare, um sie wieder in Form zu bringen. Dann stellte sie sich kurz auf die
Zehenspitzen und legte ihre Lippen für einen winzigen Moment auf die seinen.
Sie
schob es auf den Alkohol und nicht auf die Tatsache, dass er absolut umwerfend
aussah heute. Sie spürte, wie er sich versteifte und die Luft anzuhalten
schien.
Dann
lehnte sie sich wieder zurück und sah in seine überraschten, sehr hellblauen
Augen. „Champagner“, wiederholte sie seinen Befehl im leeren Raum und derselbe
Elf von vorhin erschien ein weiteres Mal. Sie nahm die nächsten Gläser vom
Tablett und legte den Kopf schräg. „Kommst du?“
Es
kostete ihn noch ein paar Sekunden. Er folgte ihr, ohne etwas zu sagen.
Sie
verließ lächelnd die Bibliothek und verabschiedete sich von ihrem Anstand,
ihren Sitten, ihrer Moral und ihren nüchternen Vorsätzen.
~*~
… sehr glatt. Eigentlich sollten die
Tischdecken nicht so glatt sein… Es war gefährlich für jeden Tänzer…!
„…-
sofort da runter!“
Was hat
er gesagt? War das Lucius? Sie sollte ihn Lucy nennen.
Das wäre
gleich sympathischer. Hatte die Musik aufgehört oder hörte sie sie einfach
nicht mehr?
… fast
wäre sie gefallen! Aber nur fast.
Zwei
Gläser waren ihr zum Opfer gefallen. Von hier oben wirkte die Party viel
angenehmer. Sie drehte sich mit geschlossenen Augen und hörte, wie unter ihren
flachen Schuhen das nächste Glas zu Bruch ging. Sie musste lächeln.
„… ob du
Hilfe brauchst?“, drang seine Stimme an ihr Ohr. Berauscht öffneten sich ihre
Augen und sie stand gefährlich nahe am Rand des Tisches. Wenn sie fallen würde,
dann würde das bestimmt weh tun. Sie spürte, wie sie grinsen musste.
„Nein!“,
antwortete sie einfach, denn sie wollte nicht runter vom Tisch. Auf Tischen zu
tanzen machte mehr Sinn als auf der Tanzfläche – aber warum das so war, wusste
sie im Moment nicht mehr. „Malfoy, wo ist die Musik?“ Sie sah sein Gesicht nur
verschwommen.
„Du
meinst… diese Musik?“ Er zeigte
weiter nach hinten in den dunklen Garten. Dort stand tatsächlich eine Band.
Wieso spielten sie so leise? Sie zuckte die Achseln und drehte sich wieder im
Kreis. Das Kleid schwang um ihre Beine, wie in einem seltsamen Takt, den nur
sie hören konnte.
„Draco!
Sie soll sofort-“
Aber sie
verstand nicht mehr, was Lucy sagte, denn sie verlor den Halt. Der Rand des
Tisches war ihr also gefolgt! Blöder Rand. Aber der harte Aufschlag blieb aus.
Sie war wohl gefangen worden.
…
„…-
nicht nach Hause!“ Ja, das war ihre Stimme. Ihre Augen fielen immer wieder zu.
„…-
nicht dein Ernst oder?“
Was war
nicht ihr…?
… schlafen…!!!
~*~
Oh
Merlin…
Sie
fühlte sich wie erschlagen. Schlimmer als das. Als hätte sie gegen hundert
Drachen gekämpft und hätte jeden einzelnen danach vom Feld tragen müssen. Ihre
Arme taten weh. Und ihr linkes Bein schmerzte auch, als sie versuchte, sich
aufzurichten.
Ihr Kopf
schien sich zu drehen. Oder zumindest ihr Gehirn. Ihre Hand legte sich auf ihre
Stirn, um sie etwas zu kühlen.
Noch
mehr Schmerzen… War sie tatsächlich in einen Kampf verwickelt gewesen? Sie
öffnete die Augen. Eins vorsichtig nach dem anderen. Sie blinzelte in das
dämmrige Licht.
Nicht
ihr Schlafzimmer. Nicht ihr Bett.
Was?
Ihr
Gehirn gab ihr keine Erklärung. Nicht einmal einen Lageplan. Wo war sie? Und
welches Bett war das?
„Wie
spät ist es?“
Sie
vergaß alle temporären Schmerzen. Sie vergaß ihren Kopf und die Übelkeit, die
erwachte, als sie aus dem Himmelbett sprang. Der Teppich war weich unter ihren
nackten Füßen.
Nackt
war das nächste Stichwort. Denn sie trug nichts außer einem… Hemd? Schockiert
weiteten sich ihre Auge. Es war wahllos zugeknöpft und eine grüne Schlange
zierte ihre Brust.
Was? Sie
starrte zum Bett. Malfoy fuhr sich durch die strubbeligen Haare und ihr Mund
öffnete sich. Sie schüttelte fast verzweifelt den Kopf und Tränen des Schocks
traten in ihre Augen! Nein, nein, nein!
Keine
Fragen. Gar nichts. Jetzt kam die unvermeidliche Übelkeit, die wohl nach zehn
Kästen Champagner eintrat und aus den Augenwinkeln sah sie die Tür. Es musste
ein Badezimmer sein! Es musste einfach. Sie stürmte förmlich durch die Tür –
und hatte Glück!
Sie erbrach
sich anscheinend in ein goldenes Klo.
Und sie
wollte sterben. Jetzt sofort!
… sie
hatte keine Ahnung, wie viele Minuten jetzt vergangen waren. Träge saß sie vor
dem Klo und wagte nicht aufzustehen. Nebenan hörte sie Geräusche. Sie hörte,
wie er seine Hose anzog, wie er die Vorhänge aufzog und durch den Raum schritt.
Die
Übelkeit war beinahe abgeklungen, aber ihre Finger waren kalt, Schweiß stand
auf ihrer Stirn und sie könnte heulen, weil sie nach Hause wollte. Einfach nach
Hause.
„Hey,
alles klar?“ Er hatte den Kopf durch den Türspalt gesteckt. „Du sitzt. Bist du
fertig mit…?“ Er beendete den Satz nicht. Großer Merlin, Malfoy hatte gehört,
wie sie sich übergeben hatte! Sie schloss die Augen. „Du kannst duschen, wenn
du willst. Handtücher sind im Schrank und… einen Bademantel findest du da
auch.“ Sie schwieg immer noch. Golden schimmerten die Manschettenknöpfe an dem
Hemd, das ihr etwas zu lang war.
„Ich
werde mich um Frühstück kümmern. Ich nehme an, du hast keinen Hunger?“ Bei dem Gedanken
an Essen wurde ihr wieder schlecht. „Ich bin gleich wieder da, ok?“ Damit
verschwand er. Sie weinte schon wieder. Eigentlich nur, weil sie jetzt am
liebsten zu ihrer Mutter wollte. Oder irgendwohin.
Sie
wollte sich zu Hause in eine Decke wickeln, an die Decke starren und nie wieder
das Haus verlassen. Aber sie war nicht zu Hause. Sie saß vor einem goldenen
Klo!
Er war
gegangen. Duschen schien das Beste zu sein, was sie tun konnte.
Sie
würde duschen. Und dann würde sie sterben….
Guter
Plan…
Er
traute sich noch nicht ganz zu, seinen Zauberstab zu benutzen. Also trug er das
Tablett selber nach oben. Es war still. Entweder war das ein gutes Zeichen oder
ein schlechtes. Möglich, dass sie bewusstlos in seinem alten Badezimmer lag.
Das wäre schlecht.
Aber
immerhin übergab sie sich nicht mehr. Eine Erfahrung, auf die er sehr gut hätte
verzichten können.
„Granger?“,
rief er jetzt vorsichtshalber und seine Badezimmertür öffnete sich langsam. Sie
trug seinen Bademantel. Er war ihr zu lang. Sie hatte die Ärmel nach oben
gekrempelt. Dampf füllte das Bad und folgte ihr in feinen Schwaden in sein
Schlafzimmer. „Besser?“, fügte er hinzu und glaubte nicht, dass sie schon
gesprochen hatte.
Sie
begutachtete den Tomatensaft auf dem Tablett skeptisch.
„Das ist
ein Hausrezept. Die Eier sind püriert.“ Sie verzog angewidert den Mund. „Ja,
das ist eklig, aber ich bin erfahren in solchen Dingen.“ Sie zog den Bademantel
enger um ihren Körper. Vielleicht sollte er ihr einfach nicht erzählen, dass er
sie sowieso schon oben ohne gesehen hatte.
Sie kam
nicht näher und er stellte das Tablett auf das Bett.
„Wo sind
wir?“, krächzte sie jetzt, wahrscheinlich noch heiser vom Übergeben oder von
ihrem Gesang gestern Abend, draußen im Garten.
„Wir
sind in meinem alten Zimmer.“ Ihre Augen schlossen sich kurz.
„Malfoy
Manor?“, fragte sie leise.
„Ja“,
erwiderte er lächelnd und sie legte sich die Hand über die Augen.
„Sind
deine Eltern unten?“, flüsterte sie, als hätte sie Angst, sie könnten sie
hören.
„Ja, beide am frühstücken. Ich habe gesagt, wir werden wohl nicht teilnehmen
können.“ Sie wurde wieder so blass und er befürchtete schon, dass sie es nicht
ins Badezimmer schaffen würde, aber sie blieb standhaft stehen.
„Oh
Gott…“, murmelte sie und schüttelte den Kopf. „Sie wissen, dass ich hier
geschlafen habe?“, fuhr sie fort. Er musste grinsen.
„Du
weißt gar nichts mehr oder, Granger?“ Fast war es wirklich lustig.
„Was
weiß ich nicht mehr? Erzähl mir bloß nicht, wir haben…“ Sie deutete verzweifelt
auf das Bett.
„Ich
habe keinen Sex mit Bewusstlosen“, erklärte er amüsiert. „Nein, es ist nichts
passiert, Granger. Aber… wieso sollte auch etwas passiert sein? War das dein
Plan?“ Sie würde weinen. Sie sah, wie ihre Augen glasig wurden.
„Wieso
bin ich hier?“, flüsterte sie wieder.
„Weil
ich nicht glaube, dass dich noch irgendjemand irgendwohin mitgenommen hätte.“
Sie starrte ihn an.
„Was
habe ich getan? Habe ich irgendwas getan?“, fragte sie panisch und er musste
wieder grinsen.
„Nein“,
erwiderte er, aber sie sah ihm an, dass er noch nicht fertig war. „Du hast auf
den Tischen getanzt, das Geschirr meiner Mutter zerstört, mit der Band magische
Schlager gesungen, einen Pfau geritten und dich von meinem Vater ins Bett
tragen lassen. Ansonsten… war es ziemlich ruhig.“ Es war der absolut beste
Abend, den er hier in diesem Haus jemals verbracht hatte. Ihr Mund hatte sich
geöffnet.
„Ich habe einen Pfau geritten?“
„Du hast es versucht, aber er wollte nicht unbedingt so wie du wolltest.“
„Wieso
hast du mich nicht aufgehalten?“, fragte sie zornig.
„Das war
kein Deal in unserer Abmachung. Außerdem… ich bin vor Lachen fast gestorben,
ich hätte nichts tun können“, fuhr er fort. Sie sank neben ihm auf das Bett.
„Dein Vater
hat mich ins Bett getragen…“, fügte sie panisch und kalkweiß hinzu.
„Oh ja…
ein Bild für die Götter. Aber solltest du das Zimmer hier jemals verlassen,
dann wirst du mit ihm noch darüber sprechen können.“ Sie sah ihn an.
„Ich
hasse dich“, sagte sie knapp.
„Ach ja?
Das klang gestern anders.“ Oh ja… er hatte so viel gegen sie in der Hand. Er
könnte sie zwingen, seine Haussklavin zu werden und sie könnte nicht einmal
protestieren.
„Anders?“,
wiederholte sie seine Worte und wirkte aggressiv.
„Ich liebe dich, Draco! Wenn wir heiraten,
dann lassen wir uns von Pfauen durch den Garten fliegen…“, imitierte er
ihre Stimme und ihr Mund öffnete sich.
„Das habe ich nicht gesagt!“, widersprach sie heftig.
„Wirklich
nicht?“ Er hob spöttisch eine Augenbraue und wartete. Dann schlossen sich ihre
Augen und sie vergrub den Kopf in beiden Händen.
„Ich hab
das gesagt! Oh nein… das ist…“ Sie sah ihn wieder an. Eine Träne rollte über
ihre Wange. Es amüsierte ihn sehr. „Du weißt, dass…“, begann sie, aber er
musste lachen.
„Dass du
das nicht ernst gemeint hast? Oh, Granger… ich glaube dir natürlich alles, was
du im Delirium erzählst. Ich bitte dich…“ Das schien sie ein wenig zu
beruhigen. Er betrachtete sie jetzt. Kurz wollte er sie fragen, ob sie sich
erinnerte ihn geküsst zu haben. Kurz wollte er es ihr vorhalten, aber
irgendetwas hielt ihn davon ab.
„Ich
will nach Hause“, flüsterte sie. Sie verschränkte die Hände in ihrem Schoss und
rührte das Tablett nicht an. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie wohl
lieber sterben wollte, als auch nur noch eine Sekunde länger hier zu bleiben.
Er
mochte wirklich die Idee… die Idee, eine Hermine Granger zu haben.
Noch nie
hatte er so viel Spaß empfunden. Ehrliches Vergnügen. Und das bei sich zu
Hause!
Aber in
seinem Kopf erreichte diese Hermine Granger irgendwann den Punkt, an dem sie…
an dem sie nicht mehr glaubte, dass er sie vergiften oder umbringen wollte. Es
störte ihn nicht. Nicht wirklich. Sollten die Menschen ruhig glauben, dass er
in der Lage war, ihnen Angst einzujagen. Damit verdiente er schließlich sein
Gold.
Aber…
sie sollte irgendwann darüber hinweg kommen.
Ihm
wurde tatsächlich klar, dass dieser Morgen mehr als deutlich das Ende seiner
Beziehung mit Hermine Granger markierte. Eine Beziehung, die aus Hochzeiten und
Alkohol bestand.
„Zieh
dich an. Zum Apparieren reicht deine Kraft wahrscheinlich nicht. Aber wenn du
es aushältst, dann kannst du über Floh nach Hause. Dafür musst du dann auch
nicht nach unten.“ Er sagte es ernst und beinahe sofort stand sie auf, griff
nach ihrem Kleid und verschwand im Bad.
Er hatte
Lust, das Tablett vom Bett zu stoßen. Aber natürlich tat er etwas Derartiges
nicht. Emotionen lenkten ihn nicht. Das taten sie äußerst selten und jetzt war
bestimmt nicht der Zeitpunkt dafür gekommen.
Sie kam
wieder. Mit ihren Fingern kämmte sie eilig ihre Haare. Sein Hemd und seinen
Bademantel legte sie ohne Worte auf sein Bett.
„Das
Kleid lass ich reinigen und schick es dir dann zu“, erklärte sie noch und er
fragte sich, ob sie die Reise über Floh wirklich aushalten konnte. Aber noch
weniger als hier zu sein, schien sie nach unten gehen zu wollen.
„Das ist
unnötig. Ich habe keine Verwendung für ein Kleid“, erwiderte er kühl.
„Und
bitte sag deinen Eltern, wie leid es mir tut“, fügte sie hinzu, seine Worte
ignorierend. Das würde er nicht tun. Ganz bestimmt nicht….
„Ok“,
sagte er und warf eine Handvoll Puder in die schwachen Flammen. Das Feuer
mussten die Elfen in aller Frühe schon angezündet haben. „Adresse?“, fragte er,
obwohl er die Adresse mittlerweile kannte.
„Cherry
Tree Lane 17b“, sagte sie kleinlaut. Natürlich hatte er einen geschlossenen
Kamin. Das Flohnetzwerk war nur zugänglich, wenn er es freigab. Fast war es
witzig, dass er nun ihren Kamin zu Malfoy Manor öffnete, weil er sie wohl nicht
noch einmal dort besuchen würde, geschweige denn umgekehrt.
„Dein
Ausweg“, sagte er und deutete mit dem Arm in die grünen Flammen.
Sie
nickte und griff nach ihrem Zauberstab, den er auf den Nachttisch gelegt hatte.
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und stieg dann in die Flammen. Sie sprach
ihre Adresse und schloss die Augen. Dann drehte sie sich um sich selbst, bis
sie verschwunden war und die Flammen wieder rot leuchteten.
Es
klopfte. Sein Vater schob die Tür auf. Sein Blick war eisig. Eisiger als sonst.
„Allein?“,
fragte er überflüssigerweise.
„Sie ist gerade über Floh verschwunden“, erklärte er. Sein Vater betrachtete
den Kamin, als hätte er ihm ein persönliches Leid angetan.
„Gut. Deine Mutter erwartet einige Entschuldigungen. Was hast du dir dabei
gedacht, ein Schlammblut mitzubringen? Bereitet es dir so viel Vergnügen, dich
gegen uns aufzulehnen? Wann wirst du erwachsen, Draco?“, knurrte sein Vater und
Draco bemerkte, dass die Geheimratsecken seines Vaters jeden Monat ein weniger
höher rutschten.
„Das war
keine Auflehnung, Vater“, erklärte er. „Und ich bitte dich, das Wort nicht zu
benutzen“, fügte er hinzu.
„Du bittest mich? Du bittest mich für eine
ganze Weile um gar nichts mehr, hast du verstanden? Ich hoffe, du hast deiner
kleinen Bettgeschichte Leb wohl gesagt und kümmerst dich um eine angemessene
Braut“, fuhr sein Vater gereizt fort.
„Granger
ist keine Bettgeschichte. Sie war… passend da“, erklärte er unwillig. „Und ich
habe dir gesagt, dass ich nicht heiraten werde.“
„Niemals,
Draco? Deine Mutter wird untröstlich sein, wenn sie kein Enkelkind bekommen
wird.“ Er wusste nicht, ob sein Vater Scherze machte oder nicht. Aber wenn er
ehrlich war, dann hatte er seinen Vater noch nie Scherze machen sehen.
„Das war
eine Blamage sondergleichen. Du denkst doch wohl nicht, weil wir dich gestern
verschont haben, wird dein Verhalten kein Nachspiel haben, oder?“
Er
verzog den Mund. Er hatte keine Ahnung, wie lange sein Vater noch so tun
wollte, als hätte er die Kontrolle über ihn. Wie viele unzählige Gespräche
dieser Art er in diesem Zimmer schon mit Lucius geführt hatte….
„Was für
ein Nachspiel? Willst du mir mein Taschengeld streichen? Mich übers Knie legen?
Hausarrest, vielleicht?“, vermutete er, aber sein Vater war nicht in der
Stimmung für Späße.
„Draco,
diese Hochzeit war unter anderem ein Treffen mit engsten Kollegen, mit
Investoren und Gläubigern. Wie lange denkst du, wird unser vermeintliches
Vermögen noch vorhalten?“ Nicht schon wieder dieses Gespräch… Das Gespräch
darüber, wann die Malfoys ihr Gold völlig verloren hatten, war das Gespräch
Nummer Eins, seit ungefähr zehn Jahren.
„Ich bin
sicher, du hast schon Pläne geschmiedet, Vater“, sagte er kühl.
„Ich
habe gute Pläne, ja. Allerdings denkt sich mein Sohn, dass er jetzt besser auf
der ehrlichen Schiene fährt, wenn er den Zauberstabhandel einfach unterbindet,
mit Hilfe von Potters Sklaven“, gab Lucius zornig zurück. Draco stutzte.
„Oh,
natürlich. Ich hätte deine blutverschmierte Handschrift auf dieser Aktion
erkennen müssen, richtig, Vater? Was für eine Idee sollte das sein? Über
Amerika? Wirklich? Du hast gedacht, mit diesem korrupten Zug kommst du durch?“
Lucius war unbeeindruckt.
„Bisher
habe ich alle Pläne durchsetzen können. Und denk nicht, es wäre die einzige
Idee, die ich habe. Ich werde nicht zulassen, dass du dich zwischen mich und
meinen Erfolg stellst. Vielleicht arbeitest du im Ministerium, aber vergiss
nicht, wer dir diese Stellung verschafft hat.“ Drohungen… Lucius liebte
Drohungen.
„Du hast
keinen Einfluss auf meine Stellung.“ Und er nahm an, dass dies stimmte. Er war
sich fast sicher.
„Ich
hatte angenommen, wir wären einen Waffenstillstand eingegangen, Draco. Aber ich
habe mich geirrt. Entweder, du fügst dich meinem Willen und heiratest ein
Mädchen, dass uns ein Vermögen sichert, damit unser Lebensstandard nicht vor
die Hunde geht, oder du wirst bereuen, dass du dich mit mir angelegt hast.“
„Ich
werde nicht heiraten, Lucius“, erklärte er erneut.
„Das ist
deine Entscheidung?“, fragte sein Vater lauernd und Draco nickte müde.
„Das ist
gut zu wissen. Wenn du dich dazu entschließt unsere Familie im Stich zu lassen,
dann habe ich hier auch keine weitere Verwendung für dich.“ Draco runzelte die
Stirn.
„Soll
das heißen, du wirfst mich aus der Familie?“, fragte er belustigt, aber sein
Vater lächelte ebenfalls.
„Nein.
Aber ich werde nicht zulassen, dass du in meinen Weg kommst, wenn ich eine
Geschäftsidee entwickeln will.“ Kurz wusste er darauf nichts zu sagen.
„Wie
willst du mich bitteschön fernhalten? Wir wohnen in London, Lucius. Das hier
ist mein Haus, wie es deins ist“, fuhr er fort. „Willst du meine Besuche hier
unterbinden?“
„Noch
wohnst du hier in London. Dinge ändern sich, Draco.“
„Ich
werde wegen dir die Stadt bestimmt nicht verlassen, Vater“, erklärte er
gereizt. Er hasste dieses Haus. Und er hasste seinen Vater.
„Das
liegt nicht in deiner Hand, mein Sohn. Aber… das hätte dir klar sein müssen.
Schon als du dieses Mädchen ersteigert hast, um mich zu demütigen, hätte dir
klar sein müssen, worauf du dich einlässt.“ Fast entschuldigend sah er ihn an.
Draco wäre es eigentlich lieber, wenn er schrie. Denn wenn Lucius schrie, dann
wusste er wenigstens, dass er Gefühle hatte. Aber so… so fühlte er sich wie das
Kaninchen vor der Schlange.
Er hegte
manchmal die Befürchtung, sich viel zu spät von seinem Vater und seiner Familie
gelöst zu haben. Heute war wieder einer dieser Tage. Ja, vielleicht hatte er
übertrieben. Vielleicht hatte er über die Stränge geschlagen. Aber was konnte
sein Vater schon tun?
Wo
wollte er ihn hinbringen?
An den
Nordpol?
„Entschuldige
mich. Ich werde mich mit ein paar Kollegen in Verbindung setzen“, entschuldigte
sich sein Vater. Draco hob eine Augenbraue in Unglauben.
„Wo? In
Ungarn? Kanada? China?“, erkundigte er sich, immer noch ungläubig.
„Nein,
Draco. Aber ich schlage dir vor, deine Französischkenntnisse aufzubessern“,
fügte sein Vater lapidar hinzu. „Nur für den Fall…“ Draco starrte ihn an.
„Du
kannst mich zu gar nichts zwingen!“, erwiderte er und wünschte sich, nicht ganz
so verunsichert zu klingen.
„Dann
hast du ja nichts zu befürchten, oder?“ Das Lächeln seines Vaters erinnerte ihn
mit unheimlicher Bestimmtheit an sein eigenes.
Dann
verließ Lucius endgültig sein Zimmer.
Sicher.
Als ob sein Vater es fertig bringen würde, ihn nach Frankreich zu schicken!
Das
würde er niemals tun. Niemals!
Sie
wollte immer noch im Erdboden versinken. Tief und unentdeckt. Natürlich erfüllte
ihr niemand den Gefallen. Und seitdem sie Ginny gesagt hatte, sie würde für
sechs Monate nach Paris gehen, sprach diese kein Wort mehr mit ihr.
Hermine
war sogar offiziell von der Hochzeit suspendiert, wie es Ginny sagte.
Nicht,
dass schon ein Termin feststehen würde….
Hermine
konnte sich darüber aber keine Gedanken machen. Oder nein. Sie wollte es nicht.
Absolut nicht. Sie hatte genug damit zu tun, nicht an ihre peinlichen Aktionen
zu denken und schnell alle sieben Sachen in ihrem Büro zusammen zu packen.
Sie
hatte sich sogar mit dem Vermieter ihrer Wohnung darauf einigen können, dass er
sie nicht weiter vermietete, sondern dass er lediglich ihr Wasser ausstellen
würde und ab und an nach dem rechten sah. Alles war wirklich gut verlaufen. Sie
hatte genug Abreit mitgenommen. In Paris erwartete man sie sehnsüchtig, genauso
wie ihre neuen Ideen für die Abteilung für Muggelangelegenheiten dort drüben.
Es war
wohl ein großes Gebiet, was gerade neu aufgemischt wurde. Es wurden viele neue
Kräfte eingestellt. Auch aus Übersee. Sie würde viele Menschen kennen lernen.
Natürlich hatte sie Glück, denn es war eher eine unbeliebte Abteilung, deswegen
waren dort auch viele Plätze frei.
Aber es
kam ihr ja gerade recht, denn das war ihr Spezialgebiet. Und sie würde
großartige Arbeit leisten.
Und
niemand würde ihr in die Quere kommen. Niemand würde wissen, dass sie
vielleicht nicht nur perfekt war. Und sie sah sich rein arbeitstechnisch als
perfekt. Gut, sie machte in ihrem Leben einige Fehler. Im Moment sehr viele
sogar, aber nicht auf der Arbeit!
Eher
missmutig hatte Mr Lark alle Formulare für ihre Versetzung unterzeichnet und
ließ sie nur widerwillig gehen, weil er somit niemand mehr in einer führenden
Position in dieser Abteilung hatte und somit mehr Arbeit auf ihn zurück fiel.
Sie würde sich aber später schlecht fühlen.
Den
Austauscharbeitern, wie das Ministerium min Paris sie nannte, wurden sogar
kleine Apartments in der Nähe der Arbeit zur Verfügung gestellt. Sie war froh,
dass Harry noch keine Zeit gehabt hatte, sie anzuschreien – oder sonst etwas.
Sie
würde mit allen Leuten reden, sobald in ihrem Kopf ein wenig Klarheit
herrschte. Nicht viel. Nur ein bisschen für den Anfang.
Sie
hatte alles gepackt, fiel ihr auf.
Und ihr
fiel auf, dass sie hier nicht viel besaß. Nicht mal der Locher war ihr eigener.
Aber das
war nicht wichtig.
Sie
hatte sogar davon abgesehen, eine große Apparierreise auf sich zu nehmen und
einen Flug gebucht. Ihre Maschine verließ morgen um neun Uhr in der Frühe den Heathrow
Airport. Das war nicht viel an Weg, was sie vor sich hatte, und sie war froh,
überhaupt noch einen Flug aus der Stadt bekommen zu haben. Zwar überstürzte sie
alles etwas, aber auch das war ihr herzlich egal.
Sie
hatte es tatsächlich geschafft, sich auf einer Reinblüterhochzeit zu blamieren.
Sie
verließ mit ihrer sehr leichten Kiste ihr Büro und sah sich noch einmal um, ehe
sie ging. Nein, sie würde diesen unbequemen Raum nicht wirklich vermissen. Sie
würde ja schon bald wieder kommen.
Dann
wäre schon wieder Frühling, wurde ihr klar. Fast immerhin. Ob sie bis dahin
noch Freunde hier hatte?
Vielleicht
lernte sie auch einen bezaubernden Franzosen kennen. Paris war ja bekanntlich
die Stadt der Liebe und…
Sie
wurde unsanft aus ihren Gedanken gerissen.
„Wissen Sie, es ist wirklich tragisch, aber wenn Sie es selber so wollen,
Malfoy“, hörte sie die Stimme von Mortimer van Brewster im Flur. Er und Malfoy
bogen gerade um die Ecke. Malfoy trug seinen Umhang und einen sehr dicken
Ordner über dem Arm.
Als er
sie erkannte, runzelte er kurz die Stirn.
„Ah, Ms
Granger, schön Sie zu treffen. Wissen Sie schon das Neuste?“ Sofern es nicht
damit zu tun hatte, dass Draco Malfoy gerade gefeuert worden war, interessierte
es sie überhaupt nicht, aber sie konnte unmöglich unhöflich sein.
„Nein, noch nicht“, erwiderte sie vorsichtig.
„Mr Malfoy verlässt uns. Genau wie Sie.“ Das war doch unfassbar! Wofür
veranstaltete sie den ganzen Zirkus? Damit er gehen konnte? Sie hatte doch wohl
das Recht zu gehen.
„Aha?“,
erwiderte sie etwas überrumpelt.
„Wohin
geht es denn?“, fragte Malfoy jetzt mit einem Hauch von Sorge in der Stimme.
Aber vielleicht irrte sie sich darüber.
„Ich
dachte, das wäre Ihnen klar?“, unterbrach van Brewster sie, ehe sie hatte
antworten konnte. „Sie werden beide nach Paris versetzt. Malfoy, Sie haben mir
doch in Ihrem Schreiben ziemlich deutlich gemacht, dass Sie nur in die
Abteilung für Muggelangelenheiten versetzt werden wollen.“ Malfoy starrte den
Mann vor sich so gebannt an, als höre er diese Worte zum ersten Mal.
Hermine
wäre fast ihr Karton aus den Händen gerutscht. Malfoy tat was? Das konnte doch
wohl nicht wahr sein! Sie wusste, sie würde gleich bewusstlos werden. Was zum
Teufel passierte hier denn gerade? Folgte er ihr? Hatte er das geplant? Aber
warum? Freiwillig in die Muggelabteilung nach Paris?! Zu viele Zufälle, für
ihren Geschmack!
Ihr Mund
öffnete sich panisch.
„Kann
ich dich sprechen?“, zischte sie zornig und van Brewster wirkte verwirrt.
„Alles in Ordnung, Ms Granger?“
„Oh, es ist
alles besten, vielen Dank, Mr Brewster. Malfoy?“, fügte sie böse hinzu und er
verdrehte gereizt die Augen und folgte ihr schließlich in ihr leeres Büro,
nachdem er sich von van Brewster verabschiedet hatte.
Sie
knallte ihren Karton auf ihren leeren Schreibtisch und warf dann die Tür ins
Schloss.
„Was
soll das?“
Und er
schwieg. Sie starrte ihn an. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Sie
fühlte, wie Tränen der Wut in ihr aufstiegen. „Du kannst nicht nach Paris
gehen! Ich gehe nach Paris! Nur deswegen habe ich an der verdammten Auktion
überhaupt teilgenommen! Das ist… das ist….“ Ihr fielen keine Worte mehr ein. Es
war so ungerecht!
„Denkst
du, ich will dahin, Granger? Denkst du, es war mein größter Wunsch zu den
dämlichen Froschfressern zu kommen?“
„Immer
Vorurteile, richtig?“, giftete sie böse und er schloss die Augen.
„Mein
Vater zwingt mich zu gehen. Denn sonst habe ich keinen Job mehr. Und eigentlich
war die Aussicht aus London wegzukommen recht verlockend. Aber jetzt…“ Wieder
sah er sie an, als wäre sie schuld an der Situation.
„Sieh
mich bloß nicht so an! Du denkst, ich würde dir glauben?“, fügte sie ungehalten
hinzu und er musste lachen.
„Was
denkst du? Dass ich das freiwillig tue? Denkst du, ich kann nicht genug von dir
bekommen? Denkst du, ich…“ Wieder musste er sich unterbrechen und schüttelte
erneut den Kopf. „Ich wäre dir wirklich verbunden, wenn du nicht dorthin gehen
würdest“, endete er schließlich ruhiger.
„Was?“,
schrie sie jetzt und war fassungslos. „Du wärst mir wirklich verbunden? Schön
für dich, aber mein Wasser wurde ausgestellt, mein Büro neu besetzt, ich bin
raus hier, Malfoy. Und ich habe mich eher angemeldet als du!“
„Dann
hast du eben Pech gehabt!“, schrie er zurück.
„Nein,
du hast Pech gehabt.“
Zwar
machte diese Aussage überhaupt keinen Sinn mehr – und das schien er ähnlich zu
sehen – aber sie war so wütend, dass sie schon nicht mehr wusste, was sie
sagte. „Solltest du mir auch nur einmal unter die Augen kommen, werde ich-“
„Wir arbeiten
in derselben verfluchten Abteilung. Es wird also schwer werden, nicht-“
„Nein!
Hör einfach auf, verstanden?“
Und
wieder sahen sie sich an. „Am besten gehst du“, sagte sie tonlos.
„Wieso
gehst du nicht einfach?“, gab er zurück und ihre Augen weiteten sich.
„Das ist mein Büro!“, knurrte sie zornig.
„Ich
dachte, es wäre neu besetzt?“, konterte er genauso kalt.
„Ich
hasse dich, Malfoy!“
„Interessant,
am Wochenende klang das anders, Granger.“ Und er schien aus unerfindlichen
Gründen noch wütender zu werden.
„Ich war betrunken!“, rechtfertigte sie sich und glaubte immer noch nicht, dass
sie am Wochenende im selben Bett mit diesem Idioten geschlafen hatte.
„Betrunken
gefällst du mir um einiges besser. Nein, warte“, unterbrach er sich eisig. „Du
gefällst mir eigentlich überhaupt nicht. Eigentlich bist du nichts weiter als
ein…“ Er fing sich. Er schluckte die Worte runter.
„Ein was? Ein was, Malfoy? Ein Schlammblut?“, beendete sie den Satz für ihn und
das letzte Wort kam tatsächlich hysterischer raus, als sie es beabsichtigt
hatte. Kurz zuckte etwas über sein Gesicht.
„Nein“,
erwiderte er ruhiger als zuvor. „Eigentlich wollte ich Miststück sagen, denn
ich habe gelogen, Granger. Denkst du wirklich, du schläfst in meinem Bett, ohne
dass irgendwas passiert?“ Sie vergaß ihren Zorn für einen Moment.
„Was?“,
fragte sie verwirrt und ihr wurde übel. „Was willst du damit sagen, Malfoy? Was
für eine Lüge verlässt jetzt wieder deinen Mund? Ich habe überhaupt nichts
getan! Als ob ich jemals – jemals – auch nur eine Sekunde lang daran denken
würde, mit dir Sex zu haben!“
„An was
denkst du wohl sonst, wenn du mir deine Liebe erklärst und mich heiraten
willst, nachdem du mir meine Klamotten vom Leib reißt?“, gab er zornig zurück.
„Das
habe ich niemals getan!“, flüsterte sie erbost. Das hatte sie doch wohl niemals
getan? Gut, sie erinnerte sich dunkel daran, dass sie etwas von Liebe und
Heiraten gesagt hatte, aber sie hatte ihn bestimmt nicht angerührt! Bestimmt
nicht!
„Bist du
dir sicher, Granger?“
Sie schloss
die Augen. Wie war sie in diese Situation geraten? Wie konnte sie schon wieder
mit ihm sprechen? Wie konnte sie öfter mit ihm sprechen als mit ihren
eigentlichen Freunden?
„Weshalb
musste dein dämlicher Todesserfreund Lavender heiraten? Der ganze Mist wäre
niemals passiert, wenn-“, doch er unterbrach sie laut.
„Mein Todesserfreund? Dein Blutsverräter hätte
die Finger von Pansy lassen und weit unter seinem Stand heiraten sollen, so wie
es sich für einen Weasley gehört!“ Er atmete schwer. „Denkst du, es war eine
reine Freude für mich all die…“ Wieder bekam er sich unter Kontrolle. Sie
wünschte sich fast, dass er es nicht schaffen würde. Sie wünschte sich, dass er
ihr auch nur einen einzigen Grund gab, ihn zu verfluchen, zu verklagen – in
hohem Bogen aus dem Land zu werfen.
Aber sie
verließen das Land ja sowieso, ging ihr auf.
„Nein,
es war bestimmt eine Qual für dich die ganzen Blutsverräter und Schlammblüter
zu sehen, die sich-“
„Halt
deinen Mund“, fuhr er ihr dazwischen.
„Was
ist? Bist du auf einmal feige geworden? Kannst du es nicht mehr sagen? Was ist
los, Malfoy? Gewissensbisse nach so vielen Jahren?“
„Was ist
überhaupt dein Problem?“, fragte er plötzlich ein wenig gelassener als zuvor.
„Ich habe dir nichts getan. All die Dinge hast du dir selber vorzuwerfen. Ist
das auch der Grund, weshalb du weg willst? Du erlaubst dir endlich mal, dich
wie ein Mensch aufzuführen, und auf einmal hast du Angst vor dir selbst und
verlässt fluchtartig die Stadt?“
„Ich
habe ganz bestimmt keine Angst vor mir selbst!“, gab sie rigoros zurück.
„Nein?
Du betrinkst dich auf der Hochzeit deines besten Freundes und küsst mich in den
Gängen? Du stimmst zu, dich von mir weiß Merlin wo mit hinnehmen zu lassen und
hast sogar noch am schlimmsten Ort der Welt Spaß mit mir? Du verbringst die
Nacht in meinem Bett und selbst wenn etwas passiert wäre, dann hättest du es
wahrscheinlich liebend gern in Kauf genommen.“
Selbst wenn…?
„Ich
glaube nicht, dass dir deine grandiose Flucht irgendwas bringen wird, Granger.
Du könntest einfach zugeben, dass du Spaß an verbotenen Dingen hast, dass du
gerne-
„Selbst
wenn?“, fragte sie sie endlich laut. „Selbst
wenn etwas passiert wäre? Dann ist also nichts passiert?“ Er verdrehte die
Augen.
„Ich
dachte, du hättest bereits etabliert, dass ich nicht mit Hexen wie dir schlafen
würde?“, entgegnete er knapp.
„Und…
ich flüchte nicht vor mir selber!“, fügte sie hinzu.
„Ach
nein? Wovor flüchtest du dann? Vor deinem grauenhaften Leben? Kommst du auf einmal
nicht mehr klar in deiner bunten, kleinen Granger Welt, in der-“
„-ein
scheiß Todesser glaubt, er hätte irgendeinen Einfluss auf mich? Ja, vielleicht,
Malfoy. Oder soll ich Draco sagen? Aber nein, dein Vater ist ja nicht hier!“,
rief sie laut und sah sich um, als könnte Lucius Malfoy jeden Moment hinter
ihrem Schreibtisch hervor krabbeln und sich den Staub vom Hauselfenfellumhang
klopfen.
„Ich
habe kein Problem mit mir selbst und meiner bunten, kleinen Welt. Aber du
möchtest gerne ein Teil davon sein, oder? Bist du nicht langsam alt genug, um
selber gegen deinen Vater vorzugehen? Musst du dein eigenes Schlammblut
mitbringen, um irgendwie zu zeigen, dass du Daddy nicht mehr brauchst?“
Sie
konnte nicht fassen, dass sie schon dreimal das Wort Schlammblut gesagt hatte –
und Malfoy noch nicht. Sie konnte nicht fassen, dass sie gerade überhaupt all
die Sachen gesagt hatte.
„Was
willst du von mir? Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst, verflucht!“
„Nein? Warum hast du mich ersteigert? Wolltest du deinen Vater demütigen oder
war das eine romantische Anwandlung, Malfoy? Fällst du gleich auf deine Knie,
um mir einen Heiratsantrag zu machen?“, schrie sie hysterisch und fing
plötzlich an zu lachen. „Oh, weißt du, das würde deinen Vater bestimmt
umbringen! Das ist dann doch eine fantastische Idee, aber warte – du heiratest
ja keine Schlammblüter.“
Viermal…
Sie brach gerade wahrscheinlich einen Rekord.
„Du bist
verrückt geworden!“
„Ja!
Natürlich bin ich verrückt geworden! Ich verbringe sieben Stunden damit ein
Kleid – ein Kleid! – auf Flüche zu
untersuchen! Nur weil es von dir kommt! Sagt dir das irgendwas? Ich verlasse
die Stadt! Ich verlasse das Land, allein wegen dir! Du bist ein grauenhafter
Mensch! Du bringst mich dazu, an mir selber zu zweifeln, weil ich mir bei
nüchternem und völlig klarem Verstand nicht erklären kann, wie ich überhaupt
nur eine Sekunde Spaß in deiner Gegenwart haben kann! Wie ich auch nur einen
Tanz überstehen konnte, ohne in Flammen aufzugehen!“
Sie
weinte. Jetzt weinte sie. Sie nannte sich Schlammblut und jetzt fing sie an zu
weinen. Und sie konnte sich selber gar nicht mehr stoppen. Es war ein
grauenhafter Tag. Paris würde nicht ausreichen. Mexico war da eher die richtige
Adresse, um für immer zu verschwinden….
„Du hast
es mir vor Jahren absolut klar gemacht, wie weit unten ich in dieser
Gesellschaft stehe! Ich hatte mir geschworen, dass ich dich niemals wieder sehe
und wenn doch, dann würde ich niemals wieder auch nur ein Wort mit dir
sprechen! Und stattdessen lasse ich mich auf einen Deal mit dir ein! Ich lasse
es zu, dass du mich ersteigerst, Malfoy! Natürlich bin ich verrückt! Nichts
anderes macht Sinn!“
Wütend
fuhr sie sich durch die Strähnen, die sich in all dem Zorn gelöst hatten und
nicht mehr hinter ihrem Ohr halten wollten.
„Du
machst mich wahnsinnig, Malfoy! In deiner scheiß Gegenwart ist alles… alles
folgt absolut anderen Regeln. Und für einen Moment hatte ich geglaubt, dass…
alles anders ist. Dass du kein Arschloch bist! Aber das Mädchen auf der
Pseudo-Hochzeit von deinen Eltern hat mir ziemlich deutlich klar gemacht, dass
du Abschaum wie mich nur aus rein selbstsüchtigen Gründen mitnimmst! Nicht,
dass ich etwas anderes erwartet hätte – aber… es wäre nett gewesen“, schloss
sie plötzlich ihre endlose, völlig wahnsinnige Ansprache.
Und er
starrte sie immer noch an.
„Ok“,
sagte er nach einer Weile. Und sie hatte keine Ahnung, ob er damit auf eine
Frage antwortete oder lediglich das Gespräch mit einer komplett Verrückten
beenden würde. „Ich hatte nicht vor, dich wahnsinnig zu machen. Anscheinend…
ist es dafür aber zu spät. Viel zu spät“, fügte er gedehnt hinzu.
„Geh einfach“, sagte sie tonlos und wollte ihn nicht mehr ansehen.
„Du…
darfst all diese Dinge sagen und ich soll gehen?“, fragte er ungläubig und sie
wischte sich verärgert die Tränen von der Wange.
„Ja, du
sollst einfach gehen. Geh einfach“, wiederholte sie jetzt und schämte sich mehr
als jemals zuvor. Sie würde liebend gerne noch einmal die Pfauen in Malfoy
Manor reiten, als ihn noch länger sehen zu müssen.
Er kam
plötzlich näher. Sie ballte die Hände unkontrolliert zu Fäusten. Er stand nahe
vor ihr. Sehr nahe. Sie konnte die lähmende Erschöpfung in seinen Augen sehen.
Vor allem aber konnte sie sich nicht bewegen.
Ja, fiel
ihr auf. Sie hatte tatsächlich all die Dinge gesagt. Sie hatte ihn geküsst,
wollte ihn heiraten, wollte wahrscheinlich sogar mit ihm schlafen. Er hatte
recht gehabt. Diese Tatsache erschlug sie beinahe.
„Weißt
du, es ging nur um die eine Sache“, begann er leise und ließ sie nicht aus den
Augen. Seine Pupillen flogen über ihr Gesicht, schienen jeden Punkt mit dem
Blick fesseln zu wollen. „Es ging lediglich darum, dass ich mir von jemandem
wie dir keine Abfuhr erteilen lassen wollte“, erklärte er sehr kühl. „Nicht,
weil du ein Schlammblut bist oder Abschaum oder Leiterin einer Muggelabteilung,
Potters Schoßhund oder Weasleys abgelegte Liebschaft“, fuhr er fort. Sie
schluckte schwer und spürte neue Tränen an die Oberfläche steigen. „Es ging
darum, dass du begreifst, dass du keine Chancen hast. Ich brauche dich nicht,
um meinen Vater zu ärgern, Granger“, schloss er mit einem Lächeln.
Dann
wich er zurück. „Übrigens, was die Wette angeht…“, fügte er hinzu, als er die
Tür öffnete. Sie hielt die Luft an, denn sein Lächeln wurde tiefer und seine
Mundwinkel hoben sich ein Stück. „Blaise hat behauptet, ich würde es nicht
schaffen, dass sich eine Muggel in mich verlieben könnte, würde sie
Bekanntschaft mit meinen reizenden Eltern gemacht haben.“
Hermine
brauchte einen Moment, ehe sie begriff.
„Aber…
diese Wette scheine ich mit Leichtigkeit gewonnen zu haben. Tut mir leid für
dich, Hermine.“ Mit einem Nicken verließ er das Zimmer und sie blieb zurück.
Allein, mit einem Kloß in der Kehle, an dem sie hoffentlich in der nächsten
Sekunde ersticken würde.
Aber es
war ganz einfach, kinderleicht… Er irrte sich.
Er irrte
sich.
Er irrte
sich.
Er irrte
sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte
sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte
sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte
sich… er irrte sich… er irrte sich…!!!
… er irrte sich nicht.
Er hatte
sich noch nicht bewegt. Seine Finger lagen auf den seltsamen Tasten und er
überlegte, dass er sich auf sehr dünnes Eis begab. Aber er hatte alles sowieso
auf eine sehr ungewisse Karte gesetzt.
Und
anscheinend… so wie er es selber betrachtete – sah es gut für ihn aus.
Zwar
wusste er nicht, wann in der gestrigen Unterhaltung das Gefühl über ihn
gekommen war, aber er wusste beinahe augenblicklich sofort, was er wollte.
Und so
unglaublich und seltsam und brutal erschreckend dieser Gedanke war – er konnte
es nicht ändern. Er wollte sie.
Und er
wusste, er hätte es anders machen können. Er war sich sicher, dass er… einen
gewissen Einfluss auf sie gehabt hatte. Er war sich sicher gewesen, seit er
ihren bösen Blick auf Blaises Hochzeit gespürt hatte.
Er hatte
es einfach gesehen. Und es hatte so viel Spaß gemacht.
Und er
hätte sie einfach küssen können. Er hätte sie… einfach um ein Date bitten
können, aber hatte es nicht geschafft. Also anstatt nett zu sein, hatte er sich
grauenhaft verhalten.
So
grauenhaft, dass er nicht schlafen konnte und jetzt in einer Telefonzelle
stand. Er hatte noch nie hier gestanden, um tatsächlich zu… telefonieren. Nur
um ins Ministerium über den Gästeeingang zu kommen – und selbst das hatte er
erst einmal oder so getan.
Aber
anscheinend musste er nur die Münzen in den Schlitz werfen und wählen. Die
Nummer lag vor ihm und er atmete aus.
Viel
Aufwand. Sehr viel Aufwand. Aber er kannte das Spiel. Wenn er schon sonst wenig
Erfahrung mit Muggelangelegenheiten hatte, so wusste er alles über Frauen.
Er
wählte die Ziffern und presste sich den Hörer ans Ohr.
„Heathrow
Airport?“, fragte eine Stimme plötzlich und fasziniert betrachtete er den
Hörer, ehe er ihn wieder zurück an sein Ohr presste.
„Hallo?
Ahem, hier ist… Draco Malfoy“, sagte er und wartete tatsächlich eine Sekunde,
aber natürlich bekam er keine hoheitliche Begrüßung. Zwar wusste er, dass sein
Vater sich – streng geheim – um einige Muggelunternehmen kümmerte, aber ein
Flughafen gehörte wahrscheinlich nicht dazu.
„Ja, Mr
Malfoy?“, fragte die Frau ungeduldig und er räusperte sich.
„Wenn
ich… mit einem Flugzeug morgen nach Paris fliegen möchte, was muss ich tun?“,
fragte er also und ärgerte sich, dass er nicht einfach… sagen konnte, was sie
hören wollte.
„Nun,
sie müssten sich ein Ticket kaufen, aber ich befürchte, dass für den Flug
morgen keine Economy Tickets mehr verfügbar sind.“
„Ich
brauche für morgen aber ein Ticket“, benutzte er seinen befehlsgewohnten Ton,
den er nicht ausschalten konnte.
„Das ist schön für Sie, aber wir haben keine regulären Plätze mehr frei, so wie
ich es sehe.“
Kurz
schwieg er. Anscheinend war dieses Gespräch teuer, denn die Geldanzeige schien
zu blinken.
„Sie
haben keinen einzigen Platz in einem fünfhundert Sitze Flugzeug frei?“, wandte
er sein Wissen an, dass er sich heute Mittag überstürzt angeeignet hatte.
„Keine
Economy Sitze, nein, Sir“, erklärte sie brüsk. Economy? Was sollte das
überhaupt sein?
„Was
heißt das?“, fragte er gereizt, denn er hatte kein Muggelgeld mehr und die Anzeige
schien einem Kollaps nahe.
„Das
heißt, dass wir in der Economy Klasse keine Sitze mehr haben, aber in der
Business Class noch fünf frei hätten“, erklärte sie ungläubig.
„Dann
haben Sie also Plätze?“, fragte er ärgerlich.
„Das
sind erste Klasse Ticket, Mr Malfoy. Und diese kosten nahezu viermal so viel
und-“ Er machte ein verärgertes Geräusch und die Frau unterbrach sich.
„Zwei
Tickets, bitte. Der Name ist Malfoy. Hinterlegen Sie diese bitte, ich hole Sie
morgen ab.“
„Wie
möchten Sie zahlen? Kreditkarte?“ Er überlegte kurz.
„Wie ist
es am angenehmsten?“, erkundigte er sich gereizt.
„Für
gewöhnlich werden diese Tickets abgebucht“, erklärte sie.
„Ist das morgen noch möglich?“
Die Frau
schwieg kurz. „Eigentlich nicht. Aber ich reserviere die Tickets und wenn sie
morgen bis halb acht nicht um Terminal erschienen sind verfallen die Sitze, Mr
Malfoy.“ Damit konnte er leben.
„Noch
etwas“, fügte er hastig hinzu. „Streichen Sie den Platz von Hermine Granger.“
Er hörte sie schnell irgendwelche Tasten drücken.
„Mit welcher Autorität möchten Sie diesen Platz streichen? Wenn Sie außerdem
für eine Stornierung anrufen, dann wäre ein Economy Sitz frei“, erklärte die
Frau. Jetzt piepte das verfluchte Telefon auch noch!
„Hören
Sie, ich möchte zwei Plätze für die Business Klasse, für mich und Hermine
Granger. Die Autorisierung ist selbstverständlich gegeben, denn…“ Denn? Er
atmete kurz aus. Zeit war eine furchtbare Begrenzung in seinem Leben. „Denn Ms Granger
ist meine Verlobte. Ich hole die Tickets morgen früh ab.“
„In
Ordnung. Ich streiche den Platz für Ms Granger… und Ihre Tickets sind vorläufig
gebucht“, leierte ihre Stimme monoton.
„Vielen-“
Die
Verbindung brach.
Er war
geschwitzt. Ok. Er hängte den Hörer wieder auf und jetzt musste er ein
Muggelgringotts finden und anscheinend eine… Kreditkarte kaufen.
Apparieren
ging viel schneller. Granger machte einen ziemlich großen Aufstand.
Er hatte
wieder einmal keine Zeit. Er hatte die Winkelgasse sowieso verlassen. Irgendwo
gab es bestimmt ein Gringotts. Wahrscheinlich hieß es anders. Er würde fragen.
Seinen
Umhang hatte er nicht gewagt anzuziehen. Es war auch warm genug, nur im Anzug.
Er verließ die Telefonzelle und schritt über die Straße.
„Entschuldigung“,
sprach er einen Mann an, der seine Hand an sein Ohr presste. Muggel waren
verrückt. Der Mann sah ihn verärgert an.
„Warte kurz“, sagte er zu seiner Hand und ließ sie sinken. Draco erkannte ein
winziges Gerät und er hörte eine Stimme daraus klingen. Fasziniert betrachtete
er das Gerät. „Was wollen Sie?“, herrschte ihn der Mann an.
„Mein Name ist Draco Malfoy“, begann er. Er war es gewohnt, sich vorzustellen
und dann die Wünsche von den Augen abgelesen zu bekommen.
„Toll. Wollen Sie mir irgendwas verkaufen?“, rief der Mann. Draco schüttelte
den Kopf.
„Wo kann ich eine Kreditkarte kaufen?“, fragte er jetzt.
„Was?
Ist das eine Trickfrage? Sind Sie verrückt?“, fragte der Mann und die Stimme in
seiner Hand schrie bereits.
„Wo?“, knurrte Draco und hasste Muggel augenblicklich noch mehr als sonst.
„In… in
der Bank?“, erwiderte der Mann fassungslos.
„Bank?“,
wiederholte Draco und hatte wohl noch nie ein lächerlicheres Wort gehört. Eine
Bank? Zum Sitzen? Da sollte man eine Kreditkarte bekommen? Der Mann hatte ihn
schnell zurück gelassen und erklärte der Stimme im Telefon, dass er gerade
einen Verrückten getroffen hatte.
Er hatte
keine Ahnung von den Öffnungszeiten und wusste, auch Muggelgeschäfte würden
nicht Ewigkeiten geöffnet haben. Er drehte sich um die eigene Achse und
erstarrte.
Barclays
Bank.
Unglaublich.
Da stand das Wort Bank. Hastig beschleunigte er seine Schritte und die
seltsamen Autos, wie die Muggel sie nannten, sausten an ihm vorbei. Sie stanken
und die Muggelwelt war unglaublich laut. Sein Zauberstab fühlte sich ungewohnt
beruhigend an, in seiner tiefen Hosentasche.
Er
betrat das Gebäude und es war um einiges besser als der Rest der Muggelwelt.
Der Boden war mit Marmor ausgelegt und die Scheiben schienen getönt zu sein.
Die Temperatur war angenehm und die Menschen, die hier arbeiteten, trugen feine
Anzüge.
Immerhin.
Ein Mann
saß freundlich lächelnd an einem freien Schreibtisch. Draco wartete eine
Sekunde, ehe der Mann ihm aufmunternd zunickte. Er schloss den Abstand zu
diesem Mann und setzte sich ihm gegenüber auf einen Besucherstuhl.
„Mein
Name ist Miller, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er freundlich. Draco
überlegte kurz, aber was sollte er sonst tun? Er würde fragen.
„Mein
Name ist Malfoy“, wiederholte Draco knapp die Worte. „Ich möchte eine
Kreditkarte haben“, sagte er vorsichtig. Der Mann stutzte.
„Besitzen
Sie keine? Sind Sie Kunde in dieser Bank?“ Die Geduld schwand rasend schnell.
Langsam zog er den Zauberstab aus seiner Tasche. Wollten sich alle Muggel in
seinen Weg stellen?
„Nein, ich bin noch kein Kunde“, erklärte er knapp.
„Möchten
Sie dann ein Konto hier eröffnen? Von welcher Bank möchten Sie Ihr Geld
transferieren, Mr Malfoy?“ Sollte er Gringotts sagen? Nein, wahrscheinlich
besser nicht. Aber… er war kein besonders guter Mensch, also verdrehte er die
Augen, ehe er stumm den Imperius ausführte. Der Mann ihm gegenüber bekam
glasige Augen.
„Eine
Kreditkarte auf den Namen Draco Malfoy, bitte.“
„Sicher,
selbstverständlich, Mr Malfoy“, gehorchte der Mann vor ihm. „Folgen Sie mir.“
Er erhob sich augenblicklich. Draco folgte ihm eilig und schob den Zauberstab
unter sein Jackett. Der Mann führte ihn durch mehrere Türen und Draco
ignorierte den Blick, den einige Angestellten ihm zuwarfen. Er folgte dem Mann
eilig. Er sah die seltsamen blinkenden Geräte in den Ecken der Räume.
Er nahm
an, sie fotografierten ihn oder ähnliches, deswegen bedeckte er sein Gesicht
mit seiner Hand.
Der Mann
führte ihn in einen weiteren Raum. Dort stand eine mittelgroße Presse.
Anscheinend bekam er jetzt seine Karte. Mit motorischer Bewegung setzte der
Mann ein flaches Stück Material auf eine Unterlage und stanzte mehrere Nummer
und Zeichen hinein.
Draco
buchstabierte vorsintflutlich seinen Namen und der Mann folgte seinen
Anweisungen. Draco hatte keine Ahnung, wofür die lange Nummer gut war, aber er
war froh, dass er keine Fragen mehr beantworten musste.
Nach
einer kurzen Weile überreichte der Mann ihm seine erste goldene Kreditkarte.
Das Material war angenehm leicht und ließ sich biegen.
„Was ist
das für ein Material“, fragte er interessiert.
„Plastik“,
erwiderte Mr Miller mit glasigem Blick und sonorer Stimme.
„Ausgezeichnet“,
erwiderte Draco und endlich lächelte er. „Bringen Sie mich nach draußen, guter
Mann“, fuhr er fort. Miller gehorchte augenblicklich. Der Imperius war nicht
mal besonders stark. Aber er erfüllte seine Wirkung. Dennoch konnte Draco nicht
riskieren, dass der Mann seinen Namen behalten würde.
Anscheinend
hatte der Mann den kürzesten Rückweg gewählt, denn es handelte sich wohl um
einen Seiteneingang. Hier hingen auch keine blinkenden Geräte in den Ecken.
Draco zog den Zauberstab wieder hervor.
„Entschuldigen
Sie, Miller“, erklärte er ruhig. „Oblivate“,
führte der Zauber auf schwächster Stufe aus. Kurz stutzte Miller, dann brach
der Imperius und wurde vom Vergessenszauber abgelöst. Draco wandte sich ab, bog
um die Ecke und apparierte erleichtert - und ein wenig gereizt.
~*~
Er hatte
keine Ahnung, was man mitnehmen durfte oder konnte. Was er brauchte oder
wollte. Er entschied sich, dass er sich immer noch um mehr Gepäck kümmern
konnte, würde er erst mal angekommen sein. Vielleicht würde er auch in einem
Flugzeug sterben.
Diesen
Gedanken verfolgte er, seit er appariert war.
Vor
allem erkannte er ihre schrille Stimme sofort, als er die Türen zum Flughafen
aufdrückte. Sie hatte einen regelrechten Skandal an einem Stand ausgelöst, der
mit dem Wort Terminal gekennzeichnet
war.
Das war
günstig. Da musste er hin. Sie sah zornig aus, unausgeschlafen und absolut
böse. Worte verließen ihren Mund, in dessen Genuss nur er bisher gekommen war.
„Entschuldigung“,
unterbrach er ihr Geschrei. „Draco Malfoy“, stellte er sich mit einem Lächeln
vor und die Dame hinter dem Tresen schien sehr erleichtert ihn zu sehen.
„Sehen
Sie, Ms Granger, Ihr Verlobter ist pünktlich“, sagte sie erleichtert und
Granger wandte sich mit fliegendem Pferdeschwanz zu ihm um.
„Morgen,
Darling“, begrüßte er sie mit einem unverschämten Lächeln. Sie sah aus, als
hätte sie den Verstand verloren. Ihr Mund öffnete sich perplex und sie konnte
nichts mehr sagen. Das war ganz gut, denn er hatte anders zu tun.
„Sie
zahlen mit Kreditkarte?“, fragte die freundliche Frau und Draco zückte die
goldene Karte aus der Hosentasche. Er war sogar etwas aufgeregt. Die Frau nahm
sie lächelnd entgegen und schob sie in ein buntes Gerät. Anscheinend las dieses
Gerät die Karte.
Es
vergingen qualvolle drei Sekunden.
„Vielen Dank. Ihre Karte und… Ihre Tickets, Mr Malfoy. Sie steigen ein in Gate
9“, fügte sie freundlich, mit einem sorgenvoll Blick auf seine vermeintliche
Verlobte, hinzu. Ja, er war bedauernswert, das wusste er.
„Kommst
du?“, erkundigte er sich und Granger bewegte sich kein Stück. „Oder willst du
nicht fliegen? Schatz?“ Das Wort gefiel ihm. Und wie die Ader auf ihrer Schläfe
bei dem Wort zuckte, gefiel ihm noch mehr. Sie hatte ihn immerhin noch nicht
umgebracht.
„Malfoy?“,
flüsterte sie heiser, aber niemand konnte sie hören. Verzweifelt schüttelte sie
den Kopf. Er konnte erkennen, dass sie viel geweint haben musste. Und es tat
ihm unvermittelt leid, dass sie es hatte tun müssen. Er wollte sie nicht zum
Weinen bringen. Beinahe wollte er sie berühren, aber nur beinahe. Er konnte nämlich
auch erkennen, dass sie kurz davor zu sein schien, ihn zu erwürgen.
„Mein
erster Flug“, sagte er jetzt. Zu gerne wüsste er, was sie dachte, aber sie
sagte immer noch nichts.
Ihr
Leben war ein Albtraum. Ein Albtraum, der kein Ende zu nehmen schien. Sie
konnte ihn nur anstarren und versuchen, die Dinge zu begreifen, die in den
letzten fünfzehn Minuten geschehen sind. Es war zu viel.
Sie
hatte gedacht, es müsse sich um einen Fehler handeln, dass ihr Platz gelöscht
worden war. Dass es auch ein Fehler war, dass ein Verlobter hier angerufen
hatte, um diesen Platz zu streichen. Sie hatte erwartet, dass sich der Nebel in
ihrem Kopf lichten würde, als die Frau gesagt hatte, ihr Verlobter sei Draco
Malfoy. Aber da war keine lichte Stelle in Sicht! Eine Erklärung machte es
nicht besser!
Jedenfalls
nicht diese Erklärung.
Sie
atmete ein. Und aus. Und das tat sie für die nächste Minute, in der sie ihn
anstarrte. Und sie wartete auch das einzige, auf das sie warten wollte.
Sie wartete
auf eine Entschuldigung aus seinem Mund. Sie wollte Worte hören, die
rechtfertigten, dass er ein Arschloch war. Sie wollte, dass er begriff, dass er
sich entschuldigen musste! Er musste es einfach.
Es war
alles unmöglich. Er hatte eine Kreditkarte? Einfach so? Er buchte Flugtickets
auf seinen Namen? Womöglich per Telefon? Er flog überhaupt?! Es machte gar
keinen Sinn. Er war Draco Malfoy. Wahrscheinlich würde er lieber ein Flugzeug
vom Himmel hexen als als Passagier mit einem solchen Gerät zu fliegen.
Wieso
tat er es? Wieso tat er überhaupt so etwas Derartig abstruses, wenn er ihr doch
schon erklärt hatte, wie sehr sie ihm zuwider war? Hatte er das gesagt? So
etwas ähnliches zumindest. Hatte er sie nicht gestern noch vor den Kopf
gestoßen? Mit solcher Wucht und verbal so schmerzhaften Attacken, dass sie nur
noch hatte weinen können?
Spielte
er eines seiner Spiele, bei denen man nur tot oder lebendig aussteigen konnte?
Und anscheinend wartete er tatsächlich darauf, dass sie etwas sagte! Also wäre
nichts passiert. Als hätte er plötzlich das Recht hier in diesem Flughafen zu
stehen, ihr Ticket umzubuchen und alles mit Kreditkarten zu bezahlen!
Und die
Entschuldigung auf die sie wartete, kam natürlich nicht. Natürlich nicht. Fast
kamen die Tränen wieder an die Oberfläche. Er war stur. Und arrogant. So
überzeugt von sich und der Tatsache, dass er es fertig gebracht hatte, in der
Muggelwelt ein Ticket zu buchen. Oder zwei.
Gut. Er
würde sich nicht entschuldigen. Dann musste sie ihm auch nicht vergeben.
„Ich werde nicht mit dir fliegen“, sagte sie also so eisig und so voller Zorn,
als würden in diesen Worten aller Hass und jedes bisschen Verzweiflung stecken,
dass sie in sich trug.
„Nein?“,
fragte er. Immer noch hatte sie lächerlicherweise auf eine Entschuldigung
gehofft, aber damit hörte sie nun auf.
„Nein,
du Mistkerl. Was denkst du dir? Es ist gegen das Gesetz im fremden Namen eine
solche Handlung zu tätigen, Malfoy!“, fuhr sie also fort und er blinzelte kurz.
„Gesetz?
Ich glaube nicht, dass im magischen Gesetz-“ Sie unterbrach ihn mit einem
Wutschrei.
„Nein! Nicht im magischen Gesetz, Malfoy. Aber anscheinend wendest du dich ja
von deinen magischen Wurzeln ab, um mit mir in einem Flugzeug zu fliegen!“,
schrie sie und alle Leute starrten sie an. Sie wollte sich nicht beruhigen.
Würde sie auch nicht.
„Hey,
vielleicht solltest du mir danken, dass du nicht in der mittelmäßigen
Absteigerklasse fliegen wirst“, schlug er ihr bitter vor.
„Ich wollte in dieser Klasse fliegen. Denkst du wirklich die erste Klasse sieht
für mich verlockend aus, wenn du da drin sitzt? Denkst du, ich steige in ein
Flugzeug, wenn du da bist? Auf fünfzig Quadratmetern, tausende von Metern in
der Luft, ohne Ausweg? Denkst du das?“ Sie wartete. Anscheinend dachte er
darüber nach.
„Du
wirst keinen anderen Weg nach Paris haben, Granger“, erklärte er also in einem
so überheblichen Ton, dass ihr übel wurde.
„Ich
werde von mir aus morgen fliegen oder nächste Woche, oder überhaupt nicht!“,
erwiderte sie fassungslos. „Wie hast du das überhaupt gemacht? Hast du alle mit
dem Imperius belegt, bis sie dir eine Kreditkarte und Flugtickets besorgt
haben?“, wechselte sie gereizt dieses Thema, denn es gab nur die eine
Alternative, nach Paris zu apparieren und das wollte sie eigentlich nicht.
Sie musste
morgen arbeiten und es würde sehr schlecht aussehen, wenn Malfoy pünktlich wäre
und sie nun nicht. Aber sie wollte sich in den nächsten Minuten keine Gedanken
darüber machen, wie sie diese Insel verlassen konnte, sondern sie wollte ihn
anschreien. Wegen… egal. Wegen irgendwas.
Und
tatsächlich sah er etwas schuldbewusst drein. Ihr Mund öffnete sich. „Du hast
sie also alle mit einem Unverzeihlichen belegt?“ Natürlich hatte Malfoy irgendein
Gesetz brechen müssen, um an sein Ziel zu kommen. Das war ihr klar gewesen.
„Nicht
alle. Nur einen“, widersprach er gereizt.
„Ach so.
Na dann… nur einen. Wen? Einen armen Bankangestellten?“, vermutete sie und er
blickte zur Seite. Dann wurde es ihr klar. Sicher hatte er das. Wie sonst
sollte er mit Karte bezahlen können?
„Oh
Malfoy, du bist so tief gesunken und stiehlst Geld?“ er sah sie verwirrt an.
„Nein? Wieso sollte ich. Ich habe mehr Geld, als du dir vorstellen kannst“,
erklärte er überflüssigerweise.
„Was
denkst du, was eine Kreditkarte macht?“, fragte sie zornig. Und kurz ärgerte er
sich wohl darüber, dass er nicht recht wusste, wofür diese Karte da war. „Sie
bucht Geld ab. Von einem existierenden Konto!“
„Und?“,
erwiderte er überheblich. Dann schien er zu begreifen. „Oh“, sagte er nur.
„Oh? Ja,
Malfoy: Oh. Du hast gerade deine Tickets von einem fremden Konto bezahlt. Oder
hast du dir die Mühe gemacht, Geld auf eine Bank zu schaffen, ein Konto
anzulegen und deine Kreditkarte auf diese Konto abzustimmen?“ Er sagte nichts.
„Nein? Also hast du einfach deinen Zauberstab gezogen und gesagt, dass du eine
Kreditkarte willst?“
Und sie
sah, dass er es hasste, dass sie ihn durchschaut hatte. „Du musst sie zurück
bringen“, befahl sie tonlos.
„Das
werde ich bestimmt nicht tun.“
„Ist dir
klar, dass die Polizei jede Transaktion zurückverfolgen kann?“ Er schien kein
Wort verstanden zu haben.
„Polizei?
Haben diese Muggelkontrolleure nicht Stöcke an ihrem Gürtel? Ich soll mich vor
Steinzeitmenschen fürchten?“
„Sie haben auch andere Waffen“, widersprach sie leise und schüttelte dann
energisch den Kopf. „Du hast dafür gerade zu stehen. Du kannst nicht einfach…“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. „Irgendwer wird sich beschweren!“,
endete sie hilflos.
„Na und?
Wir sind in Paris“, erklärte er ungerührt.
„Malfoy,
Computern ist es egal, wo du bist. Dein Name ist auf der Karte.“
„Dann
werde ich den Computer zerstören. Dann werde ich eben alle umbringen, die mir
wegen Kleinigkeiten an den Hals wollen. Könntest du bitte aufhören, mir
Vorhaltungen zu machen, Granger?“
„Was, wenn da keine Deckung ist? Wenn das Konto jetzt überzogen wurde und der
Inhaber Zinsen zahlen muss, weil es überzogen ist?“ Jetzt sah sie, dass sie ihn
völlig verloren hatte.
„Bist du wahnsinnig geworden?“, fragte er also vorsichtig und sie hätte ihn
schubsen können.
„Ich?
Wozu hast du das überhaupt gemacht?“
„Es wird
keiner merken. Ich habe nicht vor, diese Karte noch einmal zu benutzen. Der
Bankangestellte hat keine Erinnerung an mich. Und ich bin in keiner
Muggelbehörde als existierender Mensch gelistet. Also… reg dich ab.“
Er hatte
ihre Frage nicht beantwortet.
„Wieso
hast du das getan?“, fragte sie also noch einmal und schloss die Augen. Kurz
schwieg er.
„Kannst
du dir das nicht denken?“ Ihre Augen öffneten sich skeptisch und betrachteten
seine Züge, die wieder einmal mehr als selbstzufrieden wirkten.
„Nein,
Malfoy“, sagte sie also kalt. Er lächelte plötzlich. Es war etwas
Wunderschönes. Und sie konnte nicht begreifen, wie etwas so schönes, so falsch
und gemein sein konnte.
„Natürlich
nur, um dich noch ein klein wenig mehr zu quälen, Granger.“ Irgendwie klangen
seine Worte nicht völlig aufrichtig. Aber vielleicht irrte sie sich, weil sie
gerne hören würde, dass er kein Monster war. Aber sie würde sich auch mit ihrer
ursprünglichen Meinung über ihn abfinden können.
Das
Gespräch mit ihm kam ihr unendlich weit entfernt vor. All die Beleidigungen,
all die bösen Worte.
„Ich
hasse dich“, sagte sie also.
„Das heißt, du fliegst mit mir?“, ignorierte er die kalten Worte und legte den
Kopf ein wenig schräg.
„Ich
fliege, weil ich keine Wahl habe. Ich fliege, damit du morgen nicht da stehst
und es so aussieht, als kümmerst du dich wirklich um diesen Job. Ich fliege,
damit ich meine Pflicht erfüllen kann.“ Er grinste, aber sie wollte nur noch
weinen. „Ich fliege, weil es mir mehr bedeutet, in Paris zu sein, um zu
arbeiten, als dir die Genugtuung zu verschaffen, auch nur eine Sekunde zu
glauben, du würdest so viel Abscheu in mir wecken, dass ich diesen Flug wegen
dir nicht nehmen würde!“
Zuerst
schien er unbeeindruckt von ihren Worten zu sein. Dann verlor sein Grinsen an
Überzeugung, aber es blieb auf seinen Lippen liegen. Als wäre es dort hin
gemalt worden. Als könnten ihn Worte schon längst nicht mehr verletzten.
Sie
wusste, er wollte irgendwas Entsprechendes sagen. Sie wusste, er würde zu gerne
ihre Worte verdrehen, sie so auslegen, als könne sie nicht widerstehen und
würde aus purer Liebe mit ihm fliegen, aber er tat es nicht. Er schwieg und
hielt ihr das Ticket entgegen. Sie schnappte es aus seinen Fingern und stürmte
an ihm vorbei.
Sie
holte sich noch einen Kaffee. Der würde ihr zwar nicht helfen, sich zu
beruhigen, aber immerhin hatte sie somit noch ein wenig Ruhe. Sie sah ihr Gate
aus den Augenwinkeln. Und sie sah, wie sich ein junges Mädchen neben Malfoy
setzte. Sie war hübsch. Das schien auch er zu denken, denn er ließ die
Muggelzeitschrift sinken, die er sich anscheinend gekauft hatte. – Oder
geklaut!
Sie konnte
nicht hören, was die beiden sagten, aber sie wollte es auch nicht wissen. Sie
Blick traf sie knapp, als er den Kopf in ihre Richtung wandte, aber sie senkte
ihren Kopf schnell über den dampfend heißen Becher. Er sollte nur nicht denken,
dass sie ihn ansehen würde. Und es interessierte sie nicht, dass sich
Muggelmädchen neben ihn setzten. Sie schämte sich im Namen aller Muggel für
dieses Verhalten.
Mädchen
waren eben immer gleich dumm. Ob Muggel oder Hexe.
Dann
wurde es Zeit. Sie hatte ihren Koffer aufgegeben und klammerte sich an ihr
Handgepäck. Malfoy hatte sie aus den Augen verloren und sie lief mit einigen
anderen durch die schmale Rühre hin zum Flugzeug.
Eine
Stewardess begutachtete lächelnd ihr Ticket und winkte sie durch die gesamte
Maschine in den vorderen Teil, wo die erste Klasse mit einer eleganten
Schiebetür vom Rest des Flugzeugs getrennt war. Er saß bereits auf seinem Platz
aus die Stewardess neben ihm anhielt.
„Ms
Granger, Sie können ihr Handgepäck in der Ablage über sich unterbringen oder in
der Schublade im vorderen Sitz. Ich wünsche Ihnen einen sehr angenehmen Flug
und wenn Sie einen Wunsch haben sollte, bitte zögern Sie nicht.“ Lächelnd
wandte sie sich wieder ab.
Malfoy
saß am Fenster. Und er vergaß tatsächlich spöttisch oder gemein zu sein, denn
sein Blick war gefangen von all den Dingen, die ihm unbekannt waren.
Sie
schob also ihr Handgepäck in die Ablage. Abgesehen von ihrem kleinen
Französischbuch, mit dem sie praktische Vokabeln lernte. Sie setzte sich neben
ihm und die Sitze waren tatsächlich so breit, dass sie ihn nicht berühren
konnte, wenn sei den Arm auf die extra breite Lehne legte. Das weiche Leder
fühlte sich warm unter ihr an und es war tatsächlich unheimlich bequem, auf
diese Art zu reisen.
Aber
trotzdem säße sie lieber in der zweiten Klasse neben zwei Trollen
eingequetscht, als allen Platz der Welt neben Malfoy zu haben.
Der
Pilot machte einige Durchsagen. Darunter auch, dass sie jetzt starten würden
und alle Passagiere die Anschnaller prüfen und anlegen mussten. Malfoy wirkte
kurz überfordert. Er sah in ihre Richtung, als sie sich den Gurt über den Bauch
legte und in den Anschnaller steckte.
Hastig
folgte er diesen Bewegungen, aber er zog zu hastig an dem Stoffgurt, der
einrastete und sich nicht weiter bewegte. Er fluchte unterdrückt und sie
glaubte die Worte Muggel und Idioten zu hören.
Sie
verdrehte die Augen und griff nach seinem Gurt. Er ließ los und sie zog den
Gurt langsam über seinen Bauch. Sie wartete bis der Anschnaller zuschnappte und
beugte sch dann endlich wieder zurück. Sein Parfum hatte sie schon vollständig
benebelt. Er roch wie immer und es schockierte sie, dass sie so großen Gefallen
an seinem Duft gefunden hatte.
„Danke,
Granger“, sagte er mit einem flüchtigen Grinsen und sie lehnte sich stumm zurück.
Dann startete der Motor und Malfoy verlor jegliche Farbe. Seine Hände krallten
sich in die Lederlehnen und es dauerte nur eine Sekunde länger, ehe er panisch
den roten Service Knopf drückte. Die Stewardess erschien eilig, denn in der
ersten Klasse galten andere Regeln.
„Hilfe!“, sagte er tonlos und seine Augen waren weit aufgerissen. Sie musste
lächelnd und senkte den Blick in ihre französische Lektüre.
„Eine Bloody Mary, Mr Malfoy?“, fragte die Stewardess mit nachsichtigem Lächeln
und er war zu schockiert, um irgendwas zu sagen. „Sofort“, fügte sie nickend
hinzu und kam nach einigen Sekunden zurückgeeilt.
„Hier
bitte sehr. Machen Sie sich keine Gedanken. Der Kapitän fliegt diese Strecke
jeden Tag zweimal“, beteuerte sie. Malfoy schien ihr nicht zuzuhören.
„Alkohol?“, fragte er verwirrt, nachdem die Dame gegangen war. Sie seufzte auf
und brach ihr eigenes Versprechen, nicht mit ihm zu sprechen.
„Der
Tomatensaft betäubt deinen Gleichgewichtssinn. Und der Alkohol… nimmt dir die Angst“,
fügte sie lächelnd hinzu.
„Ich
habe keine-“ Kurz bockte das Flugzeug auf, als es anscheinend über eine unebene
Stelle auf der Startbahn fuhr. „Granger!“, fügte er hinzu, und seine kalten
Finger umschlossen ihr Handgelenk.
„Trink einfach, Malfoy!“, befahl sie und versuchte ihre Hand wieder frei zu
bekommen. Er hielt sie fest, während er die rote Flüssigkeit hastig seine Kehle
hinabstürzte.
„Bei
Merlin!“, flüsterte er, als das Flugzeug schneller wurde. „Wer zum Teufel, hat
sich das ausgedacht? Wieso kannst du nicht einfach apparieren, wie jeder
normale Mensch?“, knurrte er plötzlich. Sie entriss ihm ihre Hand.
„Du
wolltest doch unbedingt hinter mir her dackeln, Malfoy!“ Er schien diesen
Vorwurf von sich weisen zu wollen, aber anscheinend war ihm zu schlecht dafür.
Er war sehr blass.
„Das war
überhaupt nicht-“ Er schloss die Augen als der Pilot wieder sprach. Dieses Mal
erklärte er, dass die Maschine abheben würde und sie sich abschnallen konnten
sobald die Anzeige ausgehen würde. Malfoy schien jetzt kurz vor einem Schock zu
stehen. „Ich muss hier raus!“ Seine Finger versuchten hastig den Anschnaller zu
öffnen, aber er bekam es nicht fertig und fluchte zornig. Sie sah, dass er kurz
davor war, seinen Zauberstab zu ziehen. Weiß Gott, wie er den überhaupt ohne
Kontrolle mitgenommen hatte. Wahrscheinlich hatte er ihn magisch versteckt,
aber das war unwichtig. Denn gleich würde er wahrscheinlich die Maschine zum
Absturz bringen.
Energisch
griff sie nach seinen Händen.
„Malfoy,
du musst dich beruhigen. Beim ersten Mal ist Fliegen immer etwas…“ Sie suchte
nach den richtigen Worten, aber er sah sie panisch an.
„Lass
mich los! Ich mach das garantiert nicht mit! Nichts ist es wert, seinen
verdammten Hals zu riskieren und mit diesem Muggelmonster abzu-“
Sie hatte
sich vorgelehnt. Ihr Gurt gab nach, soweit beugte sie sich rüber.
Ihre
Lippen verschlossen seinen Mund, ehe er seiner Panik nachgab. Und sie hasste
ihn. Sie hasste ihn dafür, dass er sie so weit brachte!
Er
versteifte sich unter der Berührung. Sie spürte, wie schnell sein Atem ging,
und dass dies wahrscheinlich nicht reichen würde, um seine Nerven zu beruhigen.
Sie schmeckte den Alkohol, als sie ihre Zunge in seinen Mund gleiten ließ. Ganz
vorsichtig. Ihre Hände hatten sich auf seine Wangen gelegt.
Sie
merkte, wie er von seinem Gurt abließ und beinahe unsicher die Hand um ihren
Nacken legte. Sie spürte, wie er sich anstrengte, um sich in diesem Kuss zu
verlieren, aber seine Brust hob und senkte sich in raschen Abständen. Dann
hoben sie ab.
Sie
spürte, wie er scharf die Luft einsog. Sie griff zwischen ihre beiden Körper,
fand den Kippschalter für die breite Lehne und schob sie mit einem Ruck nach
oben. Jetzt war keine Barriere mehr zwischen ihnen und er reagierte sehr
schnell. Er zog sie hart an sich, dass ihr Gurt kurz blockierte. Dann gab das
Material wieder nach und sie fand sich an seinen harten Oberkörper gepresst
wieder.
Und sie
versuchte, nüchtern zu bleiben. Sie küsste ihn, um ihn abzulenken. Nicht, weil
sie große Freude dabei empfand. Was ihren Körper anging…, der schien sie
hintergehen zu wollen und genoss tatsächlich die Berührung des furchtbaren
Monsters.
Aus
Malfoy sprachen die Verzweiflung und die Angst. Hart stieß seine Zunge in ihren
Mund und sie tat ihm diesen Gefallen. Nur diesen, nur dieses eine Mal. Sie
erwiderte den Kuss und ihre Finger fanden den Weg in seine dichten Haare.
Er hielt
sie so fest, als wolle er sie nie wieder loslassen, presste sie an sich und
seine Lust schien Besitz von ihr zu ergreifen. Es kribbelte in ihrer Mitte und
fast stöhnte sie gegen seine geschwollenen Lippen.
Nur am
Rande merkte sie, dass das Flugzeug die vorgeschriebene Höhe erreicht hatte.
Aber noch war ihr Körper unwillig, diesen Kuss zu unterbrechen.
Und
Malfoy schien daran auch keinen Gedanken zu verschwenden.
Die zwei
Stunden Flug waren ihm tatsächlich kürzer vorgekommen, obwohl er ganz sicher
sagen konnte, dass er nicht noch einmal fliegen würde! Garantiert nicht mehr.
Dass er ihre Hand immer noch fest in seiner hielt, auch als sie die seltsame
Röhre verlassen hatten, durch die anscheinend alle Passagiere das Flugzeug
verlassen mussten, fiel ihm nur am Rande auf.
Ihr
anscheinend auch.
Erst als
sie in Richtung Gepäckband gingen, schien sie es wirklich zu registrieren. Mit
einem Stirnrunzeln betrachtete er das seltsame Gerät, das immer in der Runde zu
laufen schien, und das ohne Magie. Koffer über Koffer häuften sich darauf und
die Muggel schienen es besonders spannend zu finden, denn alle drängelten sich
nah an das Band.
Sie
entzog ihm langsam ihre Hand. Sie fehlte ihm nahezu augenblicklich, aber das
sagte er nicht laut. Stattdessen hob er die Augenbraue und schaffte es
tatsächlich nach zwei Stunden Panik, gemischt mit unmenschlichem Verlangen, ein
Lächeln auf seine Lippen zu zaubern.
„Das war
es dann also?“, fragte er und war froh darüber, dass seiner Stimme seine
Flugangst, wie es die Muggel nannten, nicht anzuhören war.
Sie sah
ihn an mit dem Blick, den er von ihr schon länger gewöhnt war. Aber dieses Mal
schien sie nicht wirklich sauer auf ihn zu sein, sondern eher auf sich selbst.
„Ja, das
war es, Malfoy“, erwiderte sie bitter. Allerdings musste er gestehen, dass sie
nicht so aussah, als würde sie ihre Worte wirklich aufrichtig ernst meinen. Er
hatte nicht unbedingt erwartet, benebelt und ein wenig betrunken in Paris
anzukommen. Aber er war froh, überhaupt angekommen zu sein.
Seine
Erleichterung machte es ihm auch wirklich schwer, jetzt noch eine Diskussion
mit ihr zu führen. Denn unterm Strich konnte er sagen, er würde sie jetzt ja
sowieso jeden Tag zu Gesicht bekommen.
„Monsieur Malfoy? Je m’appelle Francois Dubois et
malheureusement, je ne suis pas sûr si vous avez recu le message de votre
père?“ Für einen Moment
musste er nachdenken. Aber es war herrlich, Grangers Ausdruck zu beobachten. Er
räusperte sich und schenkte dem fremden Mann, der ihn betont freundlich
betrachtete, seine volle Aufmerksamkeit.
„Bonjour Monsieur Dubois. Non, bien sûr que non! Mon père
est un esprit étoit. Voulez-vous dire moi où puis-je faire enregistrer mes bagages?“ Grangers
Mund hatte sich langsam geöffnet. Draco zeigte knapp auf seinen relativ kleinen
Koffer und der Mann griff beherzt zu und wartete dann nickend auf weitere
Instruktionen.
„Was erzählst du da? Kennst du den Mann?“, flüsterte
Granger und schien für einen kurzen Moment zu vergessen, dass sie sauer auf
sich, auf ihn und auf die Welt gewesen war.
„Excusez-moi“, mischte sich der Franzose jetzt ein.
„Madame Granger?“, fragte er freundlich und sie lächelte schüchtern.
„Mademoiselle“, verbesserte
Draco automatisch.
„Il faut nécessaire qu’on
devons accoampagner Mademoiselle Granger?” Draco musste kurz lächeln.
„Was hat er gesagt?“, zischte sie leise und er lehnte sich näher zu ihr.
„Er hat mich gefragt, ob mir die Nachricht meines
Vaters zugegangen sei, denn das hier ist mein Assistent. Er übernimmt mein
Gepäck und hat möchte wissen, ob es nötig ist, dass wir auf dich aufpassen?“
Das war ein wenig freier übersetzt, aber er wusste genau, was sie dachte. Es
war offensichtlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte.
Aber sie war in Paris heillos verloren, das wusste
er auch. Aber würde sie sich in zwei Sekunden nicht geäußert haben, dann war
das ihr eigenes Pech. Er sah sich am wesentlich längeren Hebel und es wäre eine
verdammt grandiose Sache, Hermine Granger hilflos zu erleben. Dann müsste sie
nämlich endlich über ihren Schatten springen.
Der Moment verging, in dem sie im Kampf mit sich
selbst gefangen war.
„Non, Francois, pas nécessaire“, erklärte er also
knapp und damit nickte sein Assistent und verabschiedete sich mit einem Lächeln
von Granger.
„Wo geht er hin?“, fragte sie jetzt und sah ihm
nach.
„Ich nehme an, er wird draußen auf mich warten und
mich zu meinem Hotel bringen“, erwiderte er zufrieden.
„Du hast ein Hotel?“, wiederholte sie eine Spur gereizter.
„Ich bin Draco Malfoy. Was denkst du? Dass ich auf
der Straße schlafe?“, neckte er sie leise. Sie streckte den Rücken durch. „Ich
habe ihm gesagt, dass du keine Hilfe brauchst. Du kannst deine Meinung ändern,
Granger. Jederzeit… Du musst es nur sagen“, forderte er mit einem Grinsen.
Sie reckte ihr Kinn trotzig vor. „Nein. Vielen Dank.
Ich brauche deine Hilfe ganz bestimmt nicht, Malfoy“, erklärte sie, so
würdevoll es ging.
„Wie du willst.“ Damit wandte er sich ab. Vorerst
hatte er genug gesagt. Vorerst hatte er genug Zeit mit ihr verbracht. Er
wusste, sie sah ihm ganz bestimmt nach, aber er widerstand der Versuchung, sich
umzudrehen und sie noch einmal anzusehen.
Er konnte ihre Lippen noch auf seinen spüren und er
wusste, es fiel ihm schwer, sich auf die gemeinen Dinge zu konzentrieren, wenn
er noch völlig von ihrer Präsenz eingenommen war. Er fragte sich auch, wann sein
Vater den Kontakt zu ihm suchen würde. Wahrscheinlich ging dann sowieso nur
darum, wie viel Gold er machte und wann sein Vater damit rechnete, dass ihr
Familienvermögen zur Neige ging.
Aber diese Sorge konnte Draco nicht besonders
schocken. Der Gedanke war ein wenig beunruhigend, denn für einen Moment lang
befiel ihn nicht der kalte Schock, wenn er überlegte, dass die Möglichkeit der
Armut für ihn bestand.
Es machte ihm gar nicht so viel aus. Vielleicht wäre
es nicht die schlechteste Sache, die passieren konnte. Vielleicht wäre es an
der Zeit, dass sein Vater das Restvermögen verlor.
Gut, er müsste dann aus seiner Wohnung auszuziehen,
weil sie dann wohl nicht mehr mit seinem Pflichterbteil zu halten war, den er
schon vor Jahren bekommen hatte, aber selbst eine kleine Wohnung schockierte
ihn im Moment eher weniger. Ob es an Paris lag, an den Menschen, die sich
geschäftig durch den Flughafen schlängelten, oder an der Tatsache, dass er noch
ein wenig berauscht vom Flug war, oder daran, dass er Hermine Granger beinahe
als nötig für sein Leben betrachtete, wusste er nicht mit Sicherheit.
Er würde jetzt abwarten. Denn was anderes konnte er
auf seiner Strafversetzung nicht tun. Aber es juckte ihn in den Fingern
anzufangen und sie ständig um sich zu haben, weil sie keinen Satz französisch
konnte und zu ihm gehen musste, wenn sie Hilfe brauchte.
So sah es in seinem Kopf zumindest aus.
~*~
Und auch am nächsten Tag hatte das Grinsen nicht aus
seinem Gesicht verschwinden können. Er saß gelassen in dem Besucherstuhl seines
Vorgesetzten. Direkt neben Granger. Allerdings saß diese seit fünf Minuten
nicht mehr.
„Was wollen Sie damit sagen?“ Sie musste sich
zusammen reißen, nicht zu schnell zu sprechen, denn ihr Vorgesetzter war nicht
nur ein Verfechter der französischen Sprache und seines Nationalstolzes, der
ihm verbot eigentlich auch nur so zu tun, als würde er einen Fetzen Englisch
verstehen, aber er war zudem auch noch ein Sexist. Aber das hatte Draco
lediglich in der privaten Sphäre seines Kopfes festgestellt. Granger schien
diese These laut äußern zu wollen.
„Isch abe bereits gesagt, was isch denke, n‘est pas,
Ms Granger?“
„Nein, Sie haben gesagt, dass Sie denken, dass wir
ein Team bilden sollten. In einem Büro!“, brauste sie auf. Draco versteckte
sein Lächeln hinter vorgehaltener Hand und senkte den Blick, als ihm sein
Vorgesetzter, Monsieur Cassé, einen hilfesuchenden Blick zuwarf.
„Aber was Sie eigentlich damit sagen wollen, ist
doch, dass Sie es einer Frau nicht zutrauen, diesen Job alleine zu bewältigen,
oder nicht, Monsieur Cassé!“ Sie starrte ihn zornig an. Der Mann lockerte den
Knoten seiner Krawatte um den Hals.
„Isch denke nur, dass es nischt ünbedingt einer Notwendischkeit entsprischt,
dass wir ier in diese Abteilung su… emotional werden?“ Es endete als Frage.
Draco konnte sich vor Lachen kaum halten. Wenn es für Granger etwas Schlimmeres
gab als einen Todesser, dann war es wohl ein Mann, der glaubte, dass eine Frau
nicht so viel wie ein Mann zustande bringen konnte.
„Emotional?
Was genau soll das bedeuten? Dass ich meine Periode bekomme und aus Versehen
zweihundert Toaster verhexe, um die Muggelbevölkerung von Paris zu jagen?“,
schrie sie fast, und er konnte sehen, dass Monsieur Cassé nicht recht
verstanden hatte.
„Außerdem“, fuhr der Vorgesetzte jetzt strenger
fort, „sind Ihre Französischkenntnisse bei weitem nischt gut genug, um sisch
alleine in Paris surescht su finden.“ Diesmal konnte Granger nichts dazu sagen.
Aber was sollte sie tun? Ihre Französischkenntnisse verteidigen? Dann würde er
wahrscheinlich vom Stuhl kippen vor Lachen.
„Ich bin im Begriff zu lernen, Monsieur Cassé“,
widersprach sie jetzt.
„Bis Sie es beherrschen, möschte isch, dass Sie mit
Mr Malfoy susammen arbeiten. Aben wir uns verstanden, Ms Granger?“ Und sie war
kurz davor, erneut zu widersprechen, aber sie riss sich zusammen. Und das war
wohl eine der schwersten Sachen, die sie jemals hatte tun müssen.
„Fein“, erklärte sie, und nur Granger konnte
wirklich ein Wort laut äußern und damit explizit ganz genau ein völlig anderes
meinen.
Sie verließ vor ihm das Büro und er folgte ihr
lächelnd. Soweit er es mitbekommen hatte, war ihre Unterkunft ein Rattenloch,
bewohnt von Ratten, schmutzig und kalt; dann hatte sie sich auch noch verlaufen
und war an ihrem ersten Tag zu spät erschienen und die größte Überraschung
hatte jetzt vorhin auf sie gewartet: Nämlich, dass Sie nicht hübsch und nett
allein in ihrem Büro sitzen konnte.
Und eigentlich war es seine Schuld. Er hatte Cassé
den Floh ins Ohr gesetzt, dass Granger vielleicht nicht alleine zurecht kam.
Dabei ging es ihm auch um sich selbst. Denn es war zwar ein Ministerium, aber
er würde in der Muggelabteilung arbeiten. Zwar gab es dort auch einige Sachen,
die mit der internationalen magischen Zusammenarbeit in Verbindung standen,
aber sie waren durchaus langweiliger.
Aber er war hier nicht zum Vergnügen. Er war hier,
damit sein Vater krumme Geschäfte in London abwickeln konnte, ohne dass sein
Sohn ihm in die Quere kam. Er war schon gespannt, wie lange er hier absitzen
musste. Er nahm an, dass es Granger nicht besonders lange hier aushalten würde.
In dem neuen Büro standen bereits zwei Schreibtische
und er liebte die Aussicht, dass sie wahnsinnig werden würde. Spätestens
morgen, wenn nicht schon heute Abend. Sein Hotel war atemberaubend und er hatte
natürlich auch noch seinen Assistenten, der ihm jeden Wunsch erfüllte.
Es musste sich nur noch um eine Frage der Zeit
handeln, bis Granger ihn bat, ihm zu helfen.
Er sah ihren verzweifelten Blick als sie auf den
Stapel an frischen Fällen auf ihrem Schreibtisch blickte. Denn die Fälle waren
auf Französisch verfasst. Der Einfachheit halber. Er zählte schon die Sekunden,
bis sie ihr kleines Wörterbuch zur Seite warf und ihn wütend anfunkeln würde.
Er kannte die meisten Worte. Die Fälle waren ihm
reichlich egal. Er wollte sie leiden sehen. Er wollte hören, dass sie ihn
brauchte. Für… eigentlich alles. Sie hatte sich ihre kleine Reise wohl anders
vorgestellt.
Bisher entsprach die Reise ziemlich exakt seinen
geschätzten Vorstellungen.
Und es machte ihm verfluchten Spaß.
Es machte ihm Spaß, dass sie Probleme mit der
Sprache hatte. Hermine Gryffindor Granger hatte ein Problem, was sie selber
nicht innerhalb von zwei Stunden in den Griff bekommen konnte. Und das war noch
nicht alles, was absolut großartig war.
Die zweite Sache betrat gerade das Büro. Granger
würde wahrscheinlich gleich jemanden umbringen. Und wahrscheinlich sogar
Clarise Chagal.
„Dra-co?“ Sie betonte seinen Namen auf eine Art und Weise,
die er unwiderstehlich fand. Die andere Sache war nämlich, dass Granger hier
nicht besonders gut ankam. Nicht bei den Herren der französischen Schöpfungen,
denn sie verstand es nicht, die Spiele zu spielen, die die französischen Männer
so unwiderstehlich fanden. Sie wollten keine Frau, die sagte, was sie dachte
oder sagte, was sie wollte. Sie wollten eine geheimnisvolle Frau. Eine Frau,
die einen Schmollmund zog und tiefausgeschnittene Kleider trug.
„Oui, Clarise?“, wandte er sich an die junge Schönheit,
die soeben sein Büro betreten hatte. Seins und Grangers.
„Wir arbeiten!“, erklärte Granger jetzt aufgebracht,
aber Clarise tat so, als verstünde sie kein Wort. „Nous travailons, oui?“,
fügte sie energisch hinzu, aber Clarise schenkte ihr ein ahnungsloses Lächeln.
„Möschtest du mit mir su die Mittagessen gehen,
Dra-co?“, fragte sie warf die Haare über ihre Schulter. Sie waren lang und
glänzend braun. Granger hatte ähnliche Haare, aber Clarises Haare warfen keine
wilden Locken. Sie waren glatt und geordnet.
„Dra-co muss leider arbeiten. Und es ist elf Uhr.
Keiner isst um elf Uhr zu Mittag!“, fügte sie zornig hinzu. Clarise betrachtete
Granger, als wäre sie die Anti-Frau. Es gab so offensichtliche Unterschiede,
dass Draco wieder einmal das Verlangen verspürte zu lachen oder wenigstens zu
lächeln.
Clarise trug einen kurzen Rock, ein Oberteil, dass
Pansys Oberteilen Konkurrenz machen konnte und ihre tiefroten Lippen verzogen
sich im Sekundentakt zu einem göttlichen Schmollmund.
Granger hatte rote Wutflecken auf den Wangen, sie
trug eine Jeans, ein helles Shirt und hatte sich noch nicht die Haare waschen
können, nahm er an. Deswegen steckten sie alle in einem dichten Pferdeschwanz,
der ihr ständig über die Schulter fiel. Es fiel ihm nicht besonders schwer, ein
Arschloch zu sein.
„Je voudrais manger, Clarise“, erklärte er
freundlich und warf sich sein Jackett über die Schulter. „Ms Granger kann hier
auch ohne mich weiter arbeiten. Sie kommt hier bestens zurecht, oder… etwa
nicht?“, fügte er mit einem wissenden Blick hinzu. Für eine Sekunde dachte er
wirklich, sie würde die Wahrheit sagen und zugeben, dass sie es hier hasste und
ohne ihn, keine einzige Akte bearbeiten konnte, aber stattdessen funkelte sie
ihn wieder einmal böse an und setzte sich demonstrativ an ihren Schreibtisch.
„Au revoir“, rief er noch über die Schulter, ehe er
der lachenden Schönheit nach unten folgte. Die Franzosen aßen nicht besonders
viel, aber dafür taten sie es ständig. Daran würde es sich schon gewöhnen
können.
„Regnet es in deinem
Apartment?“ Apartment war zu viel gesagt, befand sie. Und sie ignorierte Rons
Frage einfach.
„Wie geht es Ginny? Und
Harry? Und euch natürlich?“, fügte sie wiederwillig hinzu, als sie sah, wie
Pansy hinter Ron durch das Zimmer schritt.
„Ginny und Harry geht es gut.
Und uns geht es hervorragend.“ Das hörte sie ungerne. Sie wartete immer noch
darauf, dass Ron sich schlecht über Pansy äußern würde, aber dies geschah
nicht.
„Also hat noch keiner geheiratet, ohne Bescheid zu sagen?“, fragte sie und
versuchte fröhlich zu klingen. Sie scheiterte. Aber wer würde das nicht tun?
Schließlich hasste sie es in Paris, der Stadt der Einsamkeit und Unhöflichkeit,
denn es regnete sogar in das Rattenloch, das ihr als Wohnung angedreht worden
war.
Die zwei spärlich
eingerichteten Zimmer, die sie hier zu Wucherpreisen bewohnen durfte, waren den
Namen Zimmer nicht wert. Die Türen hingen schief in den Angeln, es zog durch
jede Ritze und ihr Teppich war eine nasse Schmutzpfütze, die das Wasser
auffing.
„Nein. Ginny und Harry sind
noch nicht verheiratet“, erklärte Ron lächelnd. „Ich habe noch nicht
verstanden, weshalb du überhaupt so schnell weg musstest“, fing er wieder an.
„Ich… wollte was anderes
sehen“, erklärte sie.
„Wieso wohnst du nicht im Á-côté?“,
mischte sich Pansy jetzt ein. Das Á-côté war wohl die
beeindruckendste magische Hotelkette überhaupt. So wie das Hilton für die
Muggel dieser Welt. Und natürlich wohnte Malfoy im Á-côté. Sie
natürlich nicht. Sie beschloss Pansys Frage zu überhören.
„Erzähl mir von Zuhause, Ron?“ Er lachte plötzlich. Pansy war wieder geschäftig
verschwunden.
„Es regnet“, erwiderte er. Sie wusste, der Regen Zuhause war bestimmt
angenehmer und freundlicher. Und vor allem, würde er Zuhause auch nicht in ihre
Wohnung regnen. „Aber du bist in Paris! Was macht die Liebe, Hermine?“, fragte
er mit einem Grinsen.
„Gar nichts, Ron. Ich bin hier nicht hergekommen, um
mich zu verlieben.“ Pansy war wieder aufgetaucht.
„Weißt du, Potter sieht das ja anders. Er vertritt die
Theorie, dass du dich mit Draco in Paris hattest absetzen wollen, damit ihr
dort ungestört… verliebt sein könnt, oder so. Das war ja ein ziemlicher
Skandal, den ihr da auf der Ehrenhochzeit seiner Eltern ausgelöst habt.
Milicent konnte sich gar nicht beruhigen, als sie mir davon erzählt hat.“
Milicent Bullstrode. Plötzlich wusste Hermine, wer das
viel zu dünne Mädchen gewesen war, das sie beleidigt hatte. Natürlich! Darauf
hätte sie kommen können. Aber jetzt schockierten sie Pansys Worte. Und sie
vergaß, dass sie sie ignorieren wollte.
„Ich hatte keine Ahnung, dass Malfoy hier hin versetzt
wurde, ok, Pansy? Und es bestimmt kein Urlaub, den ich hier genieße. Malfoy ist
ein verfluchter-“ Pansy unterbrach sie lachend.
„Er hat mir erzählt, dass er selten so eine großartige Zeit erlebt hat. Wie
heißt noch mal seine neue Bekanntschaft? Larissa oder so ähnlich?“ Hermine
spürte die Bitterkeit in sich aufsteigen. Ja, Malfoy hatte sogar ein Mädchen.
Eigentlich sehr viele Mädchen, aber sie war wohl mit Abstand am hübschesten.
Sie hatte keine Ahnung, wie ein ganzes Wertesystem in Frankreich vor die Hunde
gehen konnte, aber anscheinend waren Männer mehr wert als Frauen.
Und Frauen verhielten sich wie Idioten, wie kleine
Sexsklavinnen, wie unwichtige Lebewesen, die nur dazu gut waren, Männern die
Wünsche von den Augen abzulesen.
„Und ihr teilt euch ein Büro? Ziemlich blöd, dass du
kein Französisch kannst, oder?“, fuhr Pansy fort und sah Hermine bedauernd an.
„Aber Draco kann dir da helfen. Er ist ein exzellenter Lehrer“, fügte sie
grinsend hinzu. Und Hermine war sich nicht sicher, was sie damit meinte, aber
sie beschloss darauf nicht einzugehen.
„Ron, bitte erzähl mir irgendwas“, forderte sie beinahe
drohend. Pansy verschwand wieder aus ihrem Sichtfeld.
„Du verstehst dich also nicht mit Malfoy?“, fragte er noch einmal.
„Nein, natürlich nicht. Es ist doch Malfoy!“, fuhr sie ihn an.
„Aber du hast in seinem Bett geschlafen? Jedenfalls
weiß Harry das von einigen Bekannten, die mit Millicent gesprochen haben. Die
hat es von Malfoys Vater. Stimmt das?“ Hermine wusste nicht genau, was sie
sagen sollte. Sie hatte mit Ron Kontakt aufgenommen, um über etwas anderes als
Malfoy zu sprechen.
„Ach Ron, das ist eine lange Geschichte. Und sie ist
nicht schön, ok? Es war ein Missverständnis, und es war bestimmt nichts, was
ich wiederholen möchte.“ Damit war das Thema abgeschlossen. Auch Ron sah es
widerwillig ein.
„Dann ist Paris wohl nicht die romantische Traumstadt für dich, oder? Kannst du
nicht einfach in das magische Hotel wechseln, Hermine?“, schlug er vor und sie
atmete langsam aus.
„Ich habe kein Geld dafür. Ich verdiene genauso viel
wie Zuhause. Nur reiche Menschen können sich dieses Hotel leisten.“ Sie hasste
Malfoy. Und sie hasste Paris.
„Na, Draco sollte doch nicht mehr so lange so reich
bleiben“, ging Pansy wieder dazwischen. „Das sollte dich dann doch freuen,
richtig?“, lachte sie. Hermine begriff nicht.
„Sein Vater hat ihn anscheinend nur nach Paris geschickt, damit er selber krumme
Dinge durchziehen kann. Ich weiß nicht, Draco hat mir gestern erzählt, dass er
jeden Tag damit rechnet, dass das Malfoy Imperium zusammenbricht. Und das
Schlimme ist… es scheint ihn gar nicht so zu stören!“ Sie sah Hermine
kopfschüttelnd an.
„Er verliert sein Geld?“ Hermine hatte schon wieder
vergessen, Pansy nicht zu beachten.
„Na ja… anscheinend. Wahrscheinlich nicht sofort, aber es sieht so aus.
Wusstest du das nicht? Ihr seid doch ein Herz und eine Seele, sagt man“, zog
Pansy sie jetzt auf.
„Malfoy wird arm?“, wiederholte sie und das war die
erste gute Neuigkeit, seit sie in das Flugzeug gestiegen war. Pansy ruckte nur
mit dem Kopf und zog sich wieder zurück. Anscheinend langweilte sie das
Gespräch wieder.
„Du solltest mal mit Ginny sprechen. Sie ist dir immer noch böse“, fuhr er
fort.
„Ich weiß“, erklärte Hermine seufzend. Aber sie hatte
sich noch nicht dazu durchringen können, mit Ginny zu sprechen. Die würde
vielleicht wissen, dass sie eigentlich nur wegen Malfoy umgezogen war. Und
jetzt war er auch hier und Hermine hatte nichts gewonnen. Und Ginny würde es
wissen, und ihr Vorhaltungen machen. Ganz bestimmt. „Ich meld mich bald bei
ihr“, fügte Hermine leise hinzu. Sie wollte darüber nicht nachdenken.
„Dann geh nach draußen. Ins Museum oder was Essen. Vielleicht lernst du wen
kennen“, schlug er freundschaftlich vor, aber Hermine sucht nicht nach einer
neuen Bekanntschaft oder einem Mann. Sie wollte eine trockene Wohnung und sie
musste dringend fließend Französisch sprechen lernen. Am besten noch heute.
„Wenn ich Zeit dafür habe. Ja, dann vielleicht, Ron.“
Ihr bester Freund betrachtete sie mit einem so mitleidigen Blick, dass Hermine
die Lust nach Smalltalk vergangen war. „Ich… muss jetzt weitermachen. Nett, mit
dir gesprochen zu haben. Grüß die anderen.“ Und damit beendete sie das
Gespräch.
Sie sah sich in ihrer
Tropfsteinhöhle um und wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder nach Hause
zu fahren. Aber sie musste noch viele Monate aushalten. Das hatte sie so
gewollt. Wahrscheinlich war das die erste Entscheidung, die sie bereuen würde;
die sie nicht durchdacht hatte und die wirklich einfach schlicht und ergreifend
dämlich gewesen war.
Aber das würde sie jetzt
nicht zugeben. Nicht vor sich, nicht vor Ron und seiner Frau und nicht vor
Malfoy. Nicht vor der ganzen verdammten Stadt, die sie zu hassen schien, weil
sie keine kleine Französin war, die die Emanzipation der Frau ablehnte und auch
in eisiger Kälte Röcke trug, obwohl es gesundheitsschädigend war.
Und ihr fiel endlich eine einzige positive Sache
ein. Etwas, dass sie fast völlig vergessen hatte. Sie war eine Hexe. Zwar hatte
sie bisher immer alles selber gelernt – mit Zeitaufwand und Stundenplänen für
ihre Ziele –, aber vielleicht musste sie eine Ausnahme machen. Sie brauchte
kein dämliches Französischbuch, um Französisch zu lernen, Merlin noch mal!
Es gab Zaubersprüche dafür! Das war vielleicht nicht
die beste Lösung, aber immerhin würde sie so nicht völlig vereinsamen und auf
Malfoy angewiesen sein, der ihr die Texte mit einem so widerlich
selbstgefälligen Grinsen übersetzte, dass sie ihm am liebsten das Gesicht
zerkratzen würde.
Natürlich hatte sie die wichtigsten Bücher
mitgenommen. Und sie wusste, sich magisch eine Sprache anzueignen, war eine
Sache von kurzer Dauer, aber immerhin fiel ihr auch wieder ein, dass sie die
Löcher im Dach selber beheben konnte. Zwar auch nur temporär, aber sie konnte
es!
Wie hatte sie vergessen können, was sie wirklich gut
konnte? Hastig zog sie ihren Zauberstab und begann die Löcher in der Decke zu
stopfen.
Dann würde sie sich um ihr Vokabular kümmern.
~*~
Es war anstrengend. Dieses Leben, was sie sich
ausgesucht hatte.
Es war anstrengend mit Draco Malfoy ein Büro zu
teilen und völlig unterschiedliche Aufgaben in derselben Abteilung zu
erledigen. Manchmal hob sich ihr Blick von den Aktenbergen, die sie
mittlerweile übersetzen konnte. Sie wusste, er wunderte sich. Wenn auch still.
Und es war sehr anstrengend. Je stärker sie den
Zauber brauchte, also je mehr Wissen sie aktiv anwenden musste, umso häufiger
musste sie den Zauber ausführen. Und sie hatte noch ein weiteres Problem. Ihr
Sprachzentrum wurde durch den Zauber so stark beeinflusst, dass sie ihn nicht
als einzelnen Part einfügen konnte.
Sobald sie den Zauber ausgeführt hatte, war sie für
ungefähr eine Stunde französisch. Ohne, dass sie es ändern konnte. Sie brauchte
so viele Worte in dieser Sprache. Sie brauchte das gesamte sprachliche Wissen,
dass selbst ihre Gedanken manchmal französisch wurden. Und weil sie so viel
französisches Wissen brauchte, wurde ihre englische Sprache komplett verdrängt.
Für eine ganze Stunde. Dann verlor der Zauber
nämlich an Wirkung, aber das hatte sie geplant. Denn je stärker diese
Sprachdosierung war, umso unwahrscheinlicher war es, dass man sich erholte. Das
bedeutete, würde sie auf zwei oder drei Stunden hochgehen, dann würde sie wohl
nicht mehr englisch sprechen können. Und das wollte sie wirklich nicht
riskieren.
Sie versuchte auch in dieser Zeit, nicht zu
sprechen, weil sie sich lieber vormachte, dass sie die Sprach so gelernt hatte.
Und sie wollte nicht, dass er merkte, dass sie einfach nur seit vier Tagen den
Zauber anwandte. Dann würde er wieder grinsen und sie hatte sich eigentlich
noch überhaupt nicht von seinen grauenhaften Worten erholt.
Und sie hasste seine neue kleine Freundin. Nicht,
weil sie eifersüchtig war, sondern… Nein, sie wusste keinen guten Grund.
Vielleicht, weil er ein Arschloch war. Vielleicht, weil sie diesen Mann im
Flugzeug gerettet hatte! Er hatte sie fast zwei Stundenlang geküsst! Mistkerl.
„Kannst du mir die Akte geben?“, fragte er und
deutete auf einen dicken Ordner. Sie erinnerte sich, dass dort über
irgendwelche Erneuerungen diskutiert wurde, die auch andere Länder zu bezahlen
hatten, damit der Muggelschutz aufrecht erhalten werden konnte. Langweilige
Sachen. Wie die meisten Sachen, wenn es um Geld ging.
Ihr fielen Pansys Worte wieder ein. Malfoy würde
bald arm sein. Und es störte ihn nicht. Er machte tatsächlich nicht den
Anschein, als interessiere er sich für sein Geld, aber natürlich konnte man ihm
nie auch nur die kleinste Gefühlsregung ansehen. Sie griff nach dem Ordner und
reichte ihn über ihren Tisch. Er konnte ihn mit seiner Hand erreichen, so nah
saßen sie voreinander.
„Sprichst du nicht mehr mit mir?“ Sie verstand, was
er sagte, aber sie wusste, würde sie den Mund aufmachen, dann würden nur
französische Worte über ihre Lippen kommen. Und das wollte sie doch vermeiden.
Sie ruckte also nur unverbindlich mit dem Kopf.
„Versuchst du dir jetzt Dinge von den französischen
Frauen abzugucken? Denkst du, es ist besonders reizvoll, wenn du auf einmal den
Mund nicht mehr aufbekommst?“, fragte er belustigt und sie musste sich zusammen
reißen, keine französischen Flüche auszustoßen. „Oder… liegt es an den
Nebenwirkungen des Zaubers?“, fügte er berechnend hinzu und sie sah ihn an. Sie
wusste, sie musste den Zauber gleich wiederholen, denn dessen Wirkung dürfte
bald verbraucht sein. Einige Worte in ihren Unterlagen ergaben kaum noch einen
Sinn.
„Après tout, tu as encore de l'argent á te caches”, konnte
sie sich nicht beherrschen und erntete seine hochgezogene Augenbraue.
„Bitte?“,
fragte er jetzt und sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich habe noch mein Geld?“, wiederholte er ruhig.
„Du denkst, ich verstecke mich hinter meinem Geld? Immerhin verstecke ich mich
nicht hinter der Tatsache, dass ich nicht französisch kann“, entgegnete er und
klappte die Akte auf.
Sie
beschloss zu schweigen.
„Wer hat
dir das überhaupt erzählt? Spionierst du hinter mir her? Seit wann interessiert
dich überhaupt mein Geld, Granger? Denkst du, du könntest die Tatsache deines
Zaubers besser machen, indem du den Mund hältst?“, fuhr er fort und lockte sie
tatsächlich wieder aus ihrer sicheren Reserve.
„Je ne demande pas mieux! Als ob ich mich vor dir rechtfertigen müsse, was…“ Sie
unterbrach sich. Na toll. Jetzt war die Wirkung vorbei. Und er hatte es gehört.
Er lächelte.
„Ah…
vielleicht habe ich jetzt die Chance, dass du wieder mit mir sprichst? Wie lebt
es sich eigentlich in deiner rustikalen Wohngegend?“, fuhr er fort und schien
den Paragraphen gefunden zu haben, nachdem er suchte. Sie hatte bereits bittere
Worte auf der Zunge, von wegen, dass sie zumindest eine Ewigkeit für ihre
Bleibe zahlen konnte, während er hoffentlich bald auf der Straße sitzen würde!
Aber sie
kam nicht dazu.
„Schön,
Sie beide ier zu finden“, begann Monsieur Cassé, als er ohne zu klopfen das
Zimmer betrat. „Isch abe eine kleine Aufgabe für Sie beide“, fuhr er fort. „Ms
Granger, Sie aben doch auf eine Außeneinsatz bestanden, nischt wahr?“ Sie war
beinahe aufgeregt. Das würde bedeuten, sie käme hier raus.
„Ja!
Ausgezeichnet, ich könnte diese Auftrag sofort erledigen, wenn Sie wollen,
Monsieur Cassé!“ Sie hatte sich schon erhoben.
„Ah, ah,
ah… So einfach ist es nischt. Aben Sie schon genug Spracherfahrung? Könnten Sie
mir eine paar kleine simple Phrasen übersetzen, Ms Granger?“ Sie würde ihm
gerne bei seiner Grammatik helfen, aber stattdessen biss sie sich auf die
Zunge. Nein, im Moment konnte sie ihm agr nichts übersetzen. „Das dacht isch
mir“, fügte er knapp hinzu. „Deswegen wird Mr Malfoy Sie begleiten, Ms
Granger.“ Sie sank wieder zurück auf ihren Stuhl.
Nein.
Das wäre keine schöne Abwechslung.
„Oder
sind Sie su beschäftigt, Malfoy?“, erkundigte sich ihr Vorgesetzter höflich.
„Ansonsten schicke ich Clarise mit Ihnen mit“, wandte er sich wieder an sie.
Die Schönheitskönigin? Nein, danke. Auf die konnte sie auch verzichten. Zuerst
sah Malfoy tatsächlich so aus, als würde er diese Kombination vorziehen. Sie
dachte wirklich, er würde sie mit seiner Eroberung losziehen lassen.
„Nein,
ich habe Zeit“, sagte er schließlich nach einer quälenden Sekunde. Sie schoss
ihm einen bösen Blick zu. Eigentlich war jede Option schlecht.
„Ausgezeichnet.
Ein paar Unruhestifter wollen die Muggel eute verwirren“, begann er. „Isch abe
Informationen su eine geplante Trick.“ Hermine war sich nicht sicher, ob sie
verstand. „Diese Spaßvögel wollen eute Abend die Eiffelturm verschwinden
lassen.“ Er klang gereizt. Hermine nahm an, dass die wohl alle paar Tage
passieren musste. Gehört hatte sie davon noch nie etwas, aber sie nahm an, dass
schon viele Erinnerungslöschungen durchgeführt werden mussten.
„Isch
wäre Ihnen beiden sehr dankbar, wenn Sie sisch darum kümmern könnten. Solsche
Streische passieren jede Woche. Und sie sind sehr lästig“, fuhr er fort und
wartete.
„Woher
erkennen wir die Zauberer, die es vorhaben?“, fragte Malfoy jetzt geschäftiger.
„Oh, das
dürfte unmöglisch sein, Malfoy. Aber Sie sollen dafür sorgen, dass die
Eiffelturm höchsten eine Sekunde verschwunden ist. Jeder, der Fragen stellt,
wird sofort gelöscht.“ Hermine nahm an, er meinte nur, dass das Gedächtnis
gelöscht werden sollte. Das wäre auch nett, einfach die Leute zu löschen.
„Um wie viel
Uhr?“, fragte sie jetzt, denn sie sah sich schon einem langen grauenhaften
Abend gegenüber stehen.
„Das ist
ein bisschen die Schwierischkeit.“ Jetzt lächelte er französisches Lächeln,
dass ganz und gar nicht mit Freundlichkeit zu verwechseln war. „Isch schlage
vor, Sie passen auf, wenn die Beleuschtung angeht, nischt wahr?“
„Die
Beleuchtung geht doch schon um sechs Uhr an“, wagte sie anzumerken. „Wie lange
sollen wir warten?“, fügte sie hinzu. Und ihr Vorgesetzter zuckte die Achseln.
Es schien ihm egal zu sein. Die französische Mentalität war bezeichnend dafür.
Solange es eine andere Person betraf, interessierten sich die Franzosen nicht
die Bohne für andere Individuen und ihr mögliches Leid.
Auch
Malfoy ihr gegenüber schien nicht vollkommen begeistert zu sein.
„Ich
dachte, ich würde heute mit dem Finanzberater sprechen“, warf Malfoy jetzt ein.
Oh, es musste ihm sehr zuwider sein, sein gemütliches Büro zu verlassen und mal
wirklich etwas zu tun, damit die Muggel nicht den Verstand verloren.
„Nun, denken
Sie Ms Granger kommt alleine surescht?“ Es war eine Fangfrage. Und sie wartete.
Und sie wusste, Malfoy hätte kein Problem damit, sie alleine durch die riesige
Stadt zu schicken, in der man nie ein Taxi bekam und in der die Leute auf stur
schalteten, sobald man ein englisches Wort in den Mund nahm.
Und sie
wusste, was er hören wollte. Sie seufzte auf. Sie hasste ihn.
„Bitte“,
sagte sie nur.
„Was?
Ich glaube, ich habe nicht richtig verstanden, Ms Granger?“, ärgerte er sie und
sie verdrehte die Augen.
„Bitte,
Malfoy. Ich brauche… deine Hilfe. Wahrscheinlich“, fügte sie böse hinzu.
Er
lächelte und sie hasste ihn noch mehr. Sie hatte auf Hochzeiten mit ihm
getanzt! Es war ihr unbegreiflich! Er hatte sie ersteigert. Und sie hatte sich
vielleicht oder vielleicht auch nicht, ein bisschen, oder auch nicht wirklich,
in ihn verliebt. Sie hasste ihre Gedanken.
Und nein
– im Moment mochte sie ihn definitiv nicht!
Er
glaubte nicht, dass Granger schon mal jemals von der Redewendung gehört hatte,
dass Paris die romantischste Stadt auf der Welt war. Er war sich sogar sicher,
dass sie diese These ablehnte. Dass er sie hatte überreden können, mit ihm in
einem Café Platz zu nehmen, hatte ihn schon einiges an Zeit gekostet.
Es war absurd.
Das war es wirklich, was es war. Denn jetzt saß er mit Granger in einem
entzückenden Café neben dem Eiffelturm. Es war romantisch, es war ein wunderbar
warmer Tag und die Vögel sangen sich heiser in der schleichenden Dämmerung. Es
roch nach Kaffee und Gebäck, nach Rosen und eben romantischen Anwandlungen, so
viele Pärchen streiften durch die Straßen. Zwar war er sich nicht sicher, wie
Romantik riechen konnte, aber die Düfte in Paris kamen seiner Vorstellung davon
sehr nahe.
Er roch
Chanel. Es roch überall nach diesem Muggelparfum, was auch die Hexen magisch
anzog.
Granger
hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ihren Kaffee noch nicht angerührt.
„Du
versuchst mit allen Mitteln gegen die perfekte Atmosphäre vorzugehen, oder?“
Sie warf ihm einen genervten Blick zu.
„Siehst
du es nicht? Wir sind die dämlichen Engländer, die neu in der Abteilung sind
und uns schickt man raus, um so etwas dämliches, wie ein
Eiffelturm-Verschwinde-Manöver zu überwachen“, erwiderte sie und betrachtete
die Umgebung mit giftigen Blicken.
„Du bist
einfach verklemmt“, sagte er unbeeindruckt und jetzt sah sie ihn an.
„Ich?
Verklemmt? Was soll das bitte mit dieser Situation zu tun haben?“, giftete sie
ungehalten.
„Wir sind in Paris, Granger!“ Er breitete seine Arme aus, damit sie einmal die
Augen aufmachte. Sie sah ihn immer noch an.
„Es gibt
keinen Ort, an dem ich ungerner sein würde. Vor allem mit dir!“, fügte sie böse
hinzu. Er lächelte.
„Das
kann ich mir nicht denken.“ Sie war wirklich wütend. Hastig starrte sie in eine
andere Richtung.
„Warum gehst du nicht einfach? Ich kann das hier auch allein“, beteuerte sie.
„Du willst wirklich, dass ich gehe? Wie willst du nach Hause kommen? Apparieren
dürfte noch unmöglich sein. Du kennst dich hier nicht aus, du beherrscht die
Sprache nicht, eigentlich bist du hier verloren, Granger“, schloss er grinsend.
Sie erhob sich augenblicklich.
„Weißt du, du hast recht. Du kannst den Eiffelturm anstarren, bis du schwarz
wirst.“ Sie schritt davon, aber er erhob sich und rief ihren Namen. Ihren
Vornamen, laut und deutlich. Sie wandte sich hektisch um.
„Sag
meinen Namen hier nicht so laut! Und benutz meinen Vornamen überhaupt nicht,
ok?“, zischte sie wütend. Er musste lachen.
„Denkst
du, das macht es besser? Wenn du vor mir davon läufst? Du wolltest mit mir in
Paris sein“, fuhr er fort und wusste, das würde sie wahnsinnig machen. Sie kam
wieder auf ihn zu. Sie trug immer noch eine Jeans. Sie sollte wirklich mehr
Röcke tragen, fand er.
„Ich?
Ich wollte das? Das ist verfluchter Bullshit, Malfoy!“, knurrte sie. „Ich
wollte von dir weg kommen! Ich weiß überhaupt nicht, worüber wir hier reden! Du
hast doch eine Kreditkarte gestohlen und wolltest fliegen. Und – tut mir leid –
aber es gibt für mich keine andere Erklärung, als die, dass du nicht ohne mich
leben kannst.“ Er sah ihr an, dass sie diese Worte selber nicht wirklich
glaubte.
„Das ist
ziemlich weit gegriffen, findest du nicht? Ich meine, bald bin ich arm. Denkst
du, da brauche ich auch noch eine arme Muggel? Ich denke, ich werde mich nach
einer reichen Erbin umsehen. Außerdem…“ Er betrachtete sie von oben bis unten.
„Du machst es einem Mann schwer, dich als Frau zu sehen, Granger. Weißt du
noch, als du Kleider getragen hast und mich auf Fluren verführen wolltest?“
Ihre flache Hand schlug hart gegen seine Brust, aber sie schien nicht zu
wissen, was sie dazu sagen sollte.
„Lass
mich einfach in Frieden, Malfoy“, sagte sie leiser als vorher.
„Kann
ich nicht“, erwiderte er grinsend. „Du willst doch wohl nicht, dass ich Cassé sage,
dass du deine Aufgaben nicht ernst nimmst?“ Lauernd sah er sie an. Sie schien
hin und her gerissen zu sein, zwischen dem Wunsch zu fliehen, und dem
Pflichtbewusstsein, ihren Job zu erfüllen.
Die
Beleuchtung am Turm schaltete sich in der Sekunde ein. Und er konnte nicht
umhin, absolut beeindruckt zu sein. Er vergaß für eine Sekunde, Granger zu
beleidigen und betrachtete das seltsame Gebilde, dem die Muggel so viel
Bedeutung beimaßen.
Weit
nach oben reckte sich das Metall des Turms und die grünen Lichter ließen ihn
beinahe giftig aussehen.
Es
musste einen starken Zauber benötigen, um diesen Turm verschwinden zu lassen.
Sie wandte sich schließlich um. Und er wusste nicht, was sie dachte, wenn sie
den Turm ansah. Wahrscheinlich nicht, dass er ein romantisches Symbol
darstellen sollte. Aber er war sich nicht sicher.
„Vielleicht
kommt auch keiner“, sagte sie, mehr zu sich selbst. Sie sah ihn nicht mehr an
und setzte sich wieder auf den zierlichen Stuhl.
Sie
beide wurden Zeugen einer späten Hochzeit. Vor dem Eiffelturm. Anscheinend
feierte ein Brautpaar im Restaurant nebenan seine Hochzeit.
Draco
lehnte sich entspannt zurück.
„Seltsam,
dass wir immer zusammen auf Hochzeiten sind“, sagte er nach einer kleinen
Weile. Granger beschloss, einfach nichts zu sagen. „Deux Grappa, sil vous
plait“, sagte er zu der Kellnerin, die ihm ein französisches, verführerisches
Lächeln schenkte. Ihm wurde bewusst, dass er hier sehr gut ankam. Es lag
bestimmt an seinen Haaren, nahm er an. Obwohl er sich nicht völlig sicher war.
Granger schien es wahnsinnig zu machen, aber sie sagte nichts zu seinem Charme.
„Ich
werde nicht mit dir trinken“, sagte sie stattdessen.
„Warum
denkst du, dass einer für dich ist?“, erkundigte er sich mit einem bösen
Lächeln. Sie blickte genervt zur Seite und schien förmlich darauf zu warten,
dass der Eiffelturm sich auflöste.
Nebenan
tanzte die Braut mit dem schicken Bräutigam und es hätte ein Bild auf einer
Muggelpostkarte sein können. Zwar hätte er lieber das Bild einer so genervten
und einsamen Granger vor dem Eiffelturm auf einer Postkarte, aber
wahrscheinlich würde sich so etwas nicht gut verkaufen.
Die
Kellnerin stellte mit einigen Komplimenten die beiden Gläser auf den Tisch.
Eines vor ihn und eines vor sie. Sofort schob Granger ihm das Glas zu und er
legte die Hand auf ihre. Sie sah ihn beinahe alarmiert an. Er musste lächeln.
„Zwei
sind vielleicht zu viel für mich. Außerdem…“, fuhr er fort, „verträgst du doch
um einiges an Alkohol mehr als ich“, schloss er. Sie sah beleidigt aus.
„Ich trinke nicht viel!“, protestierte sie. Er schüttelte langsam den Kopf.
„Natürlich
nicht“, erwiderte er und zog seine Hand wieder zurück. Ihre Haut war warm.
Genervt trank sie den Grappa und er tat es ihr grinsend gleich. Ein kleiner
französischer Musiker mit einer Geige spielte eine furchtbar romantische
Melodie und die Gäste im Restaurant erhoben sich. Zu seiner Freude kam eine
blonde Schönheit auf ihn zu. Und anscheinend war es Frauen in Paris völlig
egal, dass ein Mann mit einer Frau in einem Café saß. Er mochte die
französischen Frauen.
„Est-ce
que tu veux danser avec moi?“, fragte das Mädchen mit einem Lächeln, das zwei
tiefe Grübchen auf ihre Wangen zauberte. Er warf Granger einen kurzen Blick zu.
„Oh bitte,
Malfoy, meinetwegen kannst du hier auf der Straße mit ihr schlafen. Es ist mir
absolut egal. Ich kann auch alleine auf den blöden Turm aufpassen“, knurrte
sie.
„Heißt
das, du willst nicht, dass ich mit
ihr tanze?“, fragte er knapp. Granger sah ihn böse an.
„Tanz
mit ihr. Bitte. Dann muss ich dich nicht ertragen.“ Und er tat ihr den
Gefallen, nickte dem Mädchen zu und ließ Granger während dieses Tanzes nicht
aus den Augen. Das Mädchen bat ihn, sie zu begleiten, denn sie hatte keinen
Freund und wollte nicht alleine am Tisch sitzen.
„Tut mir
leid, ich muss zu meinem Tisch zurück“, erklärte er lächelnd. Er wusste, sie
verstand englisch. Alle Franzosen sprachen englisch.
„Su deine Frau?“, fragte sie mit einem Schmollmund. Er lächelte. Das Mädchen
schien eine Spur beleidigt zu sein und wandte sich ab, auf der Suche nach einem
anderen Mann. Er kehrte zu Granger zurück, die ihn immer noch ignorierte.
„Seltsam,
dass dich keiner auffordert, oder?“, fragte er belustigt.
„Ich bin
hier nicht zum Tanzen hingekommen, Malfoy“, erwiderte sie gelangweilt. Er
stellte fest, dass sie sich noch einen Grappa bestellt hatte.
„Nein,
anscheinend bist du hier zum Trinken hingekommen?“, mutmaßte er belustigt.
Anstatt sich zu setzen schritt er langsam zu ihr und hielt ihr seine Hand
entgegen. „Einen Tanz? Auf die guten Zeiten?“, fragte er jetzt. Sie sah ihn
bitter an.
„Niemals.“
„Niemals?“,
wiederholte er ungläubig. „Was ist denn mit Potters Hochzeit? Hast du vor da
nicht zu tanzen?“, fuhr er fort und sie sah ihn schockiert an.
„Harry heiratet nicht. Das steht noch nicht fest.“
„Ich
habe gestern eine Einladung erhalten“, korrigierte er sie und ihr Mund öffnete
sich langsam. „Du nicht?“, fragte er mit einem teuflischen Grinsen.
„Du
lügst“, sagte sie leise.
„Du wurdest nicht eingeladen? Wie… furchtbar“, schloss er. Er erwähnte nicht,
dass Potter ihm persönlich geschrieben hatte und erklärt hatte, dass seine
Verlobte gerade sauer auf Granger war und dass er sie doch bitte als seinen
Gast mitnehmen sollte, denn die kleine Weasley würde sich sonst sehr darüber
ärgern, dass sie nur aus Wut auf Granger hatte verzichten wollen.
Sie
erhob sich erneut. Allerdings nicht, um mit ihm zu tanzen.
„Ich glaube dir nicht. Warum sollte Harry dich einladen?“ Er zuckte die
Achseln.
„Ich könnte
dich als Begleitung mitnehmen, Granger. Du musst es nur sagen. Ein paar kleine
Worte aus deinem Mund. Ansonsten wäre Clarise bestimmt sehr interessiert…“ Er
ließ die Worte in der Luft hängen.
„Ich
werde nicht mit dir auf eine weitere Hochzeit gehen“, stellte sie klar.
„Nicht mal auf die Hochzeit deines besten Freundes?“, fragte er erstaunt, mit
einem feinen Lächeln.
„Anscheinend
ist es nicht mehr mein bester Freund“, entgegnete sie böse. „Also, viel Spaß,
mit wem auch immer du dort auftauchen wirst. Ich bin sicher, du findest noch
eine bedeutungslose Schlampe auf deinem Weg. Es kann ja anscheinend keine die
Finger von dir lassen“, fügte sie bitter hinzu. Er musste lachen.
„Mal
sehen, vielleicht treffe ich ein Mädchen im Flugzeug, die mich wieder belebt.“
Es machte ihm Spaß, zu spielen.
„Fick
dich, Malfoy“, sagte sie und wandte sich ab. In der Sekunde gingen die Lichter
aus. Nicht alle. Aber einige. Und er wusste, der Eiffelturm war wahrscheinlich
gerade verschwunden. Allerdings dachte er bei weitem nicht so weit. Sie hatte
inne gehalten und als sie sich wieder umdrehte, um zu sehen, was passiert war,
zog er sie einfach an sich.
„Mal-“
Weiter kam ihr Protest nicht, denn er küsste sie übergangslos. Er spürte, wie
sie scharf nach Luft schnappte. Und kurz ließ sie ihn gewähren. Sehr kurz. Dann
wich sie zurück, zog den Zauberstab und schritt hastig an ihm vorbei.
Um ihn
herum waren die Leute ein wenig panisch geworden. Wirre Sätze drangen in seine
Ohren. Die Leute wollte die Polizei rufen oder eine Ambulanz. Sie waren
verwirrt, sprachen von einem Stromausfall und dann hörte er Granger die Formel
sprechen, die ihm völlig unbekannt vorkam. Ihm wurde klar, dass sie
wahrscheinlich ein besserer Zauberer war als er. Er wandte sich um.
Die
Lichter waren wieder an. Der Turm stand unbewegt in der Mitte des Platzes und
die Panik legte sich.
„Der
Turm war noch nicht verschwunden. Aber ich glaube, die Verrückten, die die
Lichter gelöscht haben, sind schon weg. So was Verrücktes. Wieso will man den
Turm verschwinden lassen?“, fragte sie ärgerlich und sah ihn an. Er konnte sich
dafür jetzt gerade nicht wirklich interessieren. Dann schüttelte sie kurz den
Kopf. „Ach und wag es nicht, mich noch einmal zu küssen!“, fügte sie böse
hinzu.
„Komm
mit mir zu Potters Hochzeit“, sagte er jetzt, ihre Worte ignorierend. Sie
schüttelte den Kopf.
„Ich bin
nicht eingeladen“, sagte sie bestimmt.
„Granger, komm schon.“ Er schloss den Abstand zu ihr.
„Ich
werde jetzt gehen.“
„In dein
Rattenloch?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
„Ja. In
mein Rattenloch, Malfoy. Da wartet immerhin kein Verrückter auf mich, der mich
hasst oder auch nicht. Der ein Arschloch ist und jede Gelegenheit nutzt, um
mich zu verwirren mit…“ Sie wedelte mit den Händen in der Luft und wandte sich wütend
ab. Draco warf ein paar Scheine auf den Tisch, obwohl er sich sicher war, dass
er zu viele Euros da ließ. Diese Währungsumstellung war sowieso unmöglich für
ihn.
Muggelgeld
sah zwar bunt und interessant aus, aber er liebte Galleonen.
„Granger,
warte!“, rief er zornig.
„Warum?“,
fragte sie, während sie weiterlief. „Der Turm wird wohl nicht verschwinden. Und
wenn doch, dann ist es mir auch egal!“ Er holte sie ein. Sie sah ihn nicht an.
„Granger…“
„Was?
Ich will nicht mit dir sprechen. Du bist einfach…“ Sie sprach nicht weiter.
„Einfach
was?“, fragte er und griff nach ihrer Hand. Sie entriss sie ihm hastig. Ihre
Wangen waren gerötet und so lässig, wie sie vorgab zu sein, war sie nicht.
„Lass
mich!“, rief sie jetzt. „Was willst du von mir? Du kannst dich hier
hervorragend ohne mich amüsieren“, fügte sie hinzu und er war sich nicht
sicher, aber es klang so, als ob sie bald weinen würde.
„Das
heißt, du kannst es nicht? Heißt es das? Heißt es, dass du es hier hast und
einen verfluchten Fehler gemacht hast, dich hier her verschiffen zu lassen?“,
fragte er lauernd und sie strich sie zornig eine Strähne hinter ihr Ohr,
während sie verzweifelt versuchte, eines der wenigen Taxen an die Seite zu
winken.
Sie ließ
die Hand sinken.
„Ja,
Malfoy. Zufrieden? Ich habe einen blöden Fehler gemacht! Ich habe gedacht, ich
komme hier gut zurecht, aber anscheinend habe ich mich geirrt, ok?“, schrie sie
und fluchte leise, als ein Taxi sehr schnell an ihr vorbei fuhr, ohne sie auch
nur anzusehen. „Hast du jetzt wieder eine deiner scheiß Wetten gewonnen? Das
Schlammblut in Paris?“, fügte sie hysterisch hinzu und er wartete. Schließlich
schnappte sie nur noch nach Luft, hatte aber aufgehört zu schreien.
„Bist du
fertig?“, fragte er ruhig. Sie streckte den Rücken durch.
„Geh endlich.“
„Wohin?“,
entgegnete er jetzt.
„In dein
dämliches Hotel, wo die Decken dicht sind und die Frauen vor deiner Tür
Schlange stehen, Malfoy! Eben in dein scheiß Hotel!“, fügte sie hinzu. Wieder
hob sich ihre Hand, aber weniger enthusiastisch.
„Wir…
könnten einfach gehen. Zurück. Nach Hause“, bot er langsam an und stellte sich
direkt neben sie. Ihre Hand sank.
„Nein, können wir nicht. Erst mal gehe ich mit dir sowieso nirgendwo hin und
zweitens… haben wir Verträge“, fügte sie unsicher hinzu.
„Na und?
Scheiß auf die Verträge“, sagte er jetzt. Sie sah ihn an mit einem Blick aus
Verirrung und Unglaube.
„Malfoy,
dann sind wir arbeitslos. In Paris“, fügte sie böse hinzu und betrachtete die
Straßen.
„Du denkst also darüber nach?“, hakte er ein und sie schüttelte den Kopf.
„Nein, natürlich nicht.“ Sie klang nicht so, als ob sie die Worte ernst meinte.
„Lass
uns nach Hause gehen“, sagte er langsam. Sie sah ihn wieder an.
„Nein.
Ich kann nicht nach Hause gehen. Ich muss hier arbeiten. Ich habe ein Versprechen
abgegeben. Ich habe einen Vertrag unterschrieben. Ich habe meine Wohnung
aufgegeben. Ich kann nicht zurück, Malfoy“, erklärte sie müde.
„Es
gefällt dir hier nicht. Das ist es nicht, was du suchst, oder? Das ist doch
wohl nicht die Freiheit, die du dir vorgestellt hast! Deine beste Freundin
heiratet, um dich zu ärgern und lädt dich nicht zu ihrer Hochzeit ein“, fuhr er
fort. Granger schüttelte langsam den Kopf. „Ich bitte dich, gib doch einfach
zu, dass du es nicht willst. Sag doch einfach, dass du die Arbeit hasst und
dass es dich stört, wenn mich Frauen zum Tanzen auffordern“, sagte er
schließlich und sie verzog den Mund.
„Es ist
mir völlig egal. Ich bin hier her gekommen, damit ich weg von-“ Sie unterbrach
sich. Aber er wusste, was sie sagen wollte.
„Das scheint ja nicht geklappt zu haben. Kannst du nicht einsehen, dass ich
gewinne. Egal bei welchem Spiel?“ Sie verengte zornig die Augen.
„Spiel?“, wiederholte sie eisig. „Das
hier ist kein Spiel. Das hier ist mein Leben, Malfoy. Und aus unerfindlichen
Gründen bist du ständig dabei!“
„Das
willst du doch!“, sagte er jetzt lauter.
„Was?“
Sie starrte ihn an. „Bist du wahnsinnig? Ich will dich ganz bestimmt nicht
ständig dabei haben!“, widersprach sie.
„Wann
hattest du das letzte Mal so viel Spaß?“, fragte er. Sie öffnete den Mund.
„Du denkst, es macht Spaß? Ich hasse dich, Malfoy!“, rief sie jetzt und schrie
förmlich nach einem Taxi.
„Ich
weiß, dass dir diese Zeit gefällt“, beteuerte er jetzt.
„Was? Was genau, Malfoy? Dass mich dein Vater nach oben tragen muss, weil ich
es nüchtern nicht ausgehalten habe? Dass ich mich von dir ersteigern und
demütigen lassen muss? Dass ich dein Objekt einer Wette bin, weil ich en
Schlammblut-“ Er hob den Finger zu ihren Lippen, plötzlich und ohne Worte.
„Granger“,
sagte er langsam. „Halt den Mund.“ Er sah in ihre dunklen Augen.
„Küss
mich nicht“, flüsterte sie fast panisch. Er musste lächeln.
„Es ist
Paris. Was soll ich sonst tun?“, lachte er. Anscheinend hatte sie keine
passende Antwort darauf. „Und ich kann es nicht leiden, wenn du das Wort
benutzt“, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu. Ihr Mund öffnete sich.
Ein
Tropfen fiel auf ihre Nase. Sie blickte nach oben. Anscheinend setzte ein
plötzlicher Sommerregen ein. Er grinste breit. Schnell waren seine Haare nass
und sein Hemd klebte an seinem Oberkörper. Er beugte sich vor und küsste ihre
Nasenspitze. Und sie zuckte nicht zusammen, als er das tat.
„Nicht“,
flüsterte sie nur.
„Das ist
verflucht romantisch, Granger“, erwiderte er.
„Nichts mit dir ist romantisch“, verbesserte sie ihn und schloss die Augen. Er
sah, dass sie weinte.
„Dass
ich dich ersteigere? Dass wir Trauzeugen auf einer Hochzeit sind? Die Sache im
Flugzeug war nicht romantisch?“, fragte er jetzt. „Dass wir in derselben
Abteilung arbeiten ist nicht romantisch? Dass wir in Paris sind? Im strömenden
Regen vor dem Eiffelturm?“, fügte er hinzu. „Dass ich mir all die Mühe mache,
ist nicht romantisch?“ Ihr Mund öffnete sich langsam. Er biss sich auf die
Unterlippe und hob seine Arme.
„Ok.
Dann… eben etwas anderes…“, begann er. Ihr Mund schloss sich und öffnete sich,
aber er ließ sie nicht sprechen. „Wie wäre es damit, Granger, wir schmeißen
diese Arbeit hier, apparieren nach Hause, ziehen zusammen in ein winziges Haus,
feiern unsere Verlobung und heiraten, bevor Potter es tut?“ Die Regentropfen
liefen seinen Nacken hinab, während er sprach, aber es war nicht kalt. Es war
nicht einmal unangenehm. Sie starrte ihn fassungslos an.
„Hast du
mir einen Heiratsantrag gemacht, Malfoy?“, flüsterte sie heiser und schüttelte
völlig verwirrt den Kopf. Er zuckte mit den Achseln.
„Es ist
Paris, Granger“, lachte er. Endlich lächelte sie. Zaghaft.
„Ich
werde dich bestimmt nicht heiraten“, erklärte sie und wischte sich die Tropfen
von der Wange. Ob es nur noch Regen oder Tränen waren, wollte er gar nicht
wissen.
„Ok“, sagte er grinsend. „Und der Rest?“
„Der
Rest?“ Sie starrte ihn an. „Du willst, dass wir kündigen und nach Hause
apparieren?“ Er zuckte die Achseln.
„Ja“,
erklärte er.
Und sie überlegte
eine Sekunde lang, ehe sie plötzlich lachen musste.
„Ok.
Lass uns kündigen!“ Sie schlug sich die Hand vor den Mund, aber er sah, dass
sie immer noch kopfschüttelnd lächeln musste. Er zog die Hand von ihrem Gesicht
und senkte den Kopf. Und eigentlich rechnete er damit, dass es noch länger
dauern würde, aber sie gab nach. Sie gab tatsächlich nach, zog ihn an sich und
küsste ihn.
Sein Arm
legte sich um ihren nassen Körper. Sie klebten förmlich aneinander. Tropfen
liefen ihrer beider Wangen hinab und seine Hand griff in Haare, damit sie sich
nicht mehr aus diesem Kuss winden konnte.
Aber das
hatte sie gar nicht mehr vor.
Anscheinend
hatte er gewonnen. Anscheinend hatte er Hermine Granger!
Sie
löste sich lachend von ihm. Der Regen prasselte auf die Straße und er hob die
Hand. Das Taxi hielt, als hätte es nur darauf gewartet.
Sie trug
einen der Bademantel, die das Hotel bereit hielten. Bisher hatte er geduscht
und sie hatte in seinem Zimmer gewartet und jetzt hatte sie geduscht und nahm
an, dass er jetzt nebenan wartete. Vielleicht wartete er auch nicht.
Sie
wusste nicht genau, womit sie rechnete. Es war dunkel geworden und war ihr die
Idee, zu kündigen und nach Hause zu fahren vor einer Stunde noch großartig
vorgekommen, so war sie sich jetzt nicht mehr sicher.
Und
dann? Dann hatte sie keinen Job mehr und wahrscheinlich auch keinen Draco
Malfoy. Das war wohl sicher. Eigentlich wollte sie dieses Badezimmer auch nicht
mehr verlassen, aber es war lächerlich, sich hier in einem Bad in Paris zu
verstecken. Genauso lächerlich, wie sich irgendwo sonst zu verstecken.
Sie
betrachtete sich im beschlagenen Spiegel. Sie sah sich verschwommen. Ihre Haare
waren immer noch feucht, aber sie hatte keine Lust, sie zu trocknen. Sie wusste
nicht, ob sie sich anziehen und zurück in ihre kleine Wohnung gehen sollte. Sie
nahm an, dass sie bereits unter Wasser stehen musste.
Also
atmete sie aus, zog den Bademantel enger um sich und verließ das heiße
Badezimmer. Der Teppich im angrenzenden Zimmer war weich und anscheinend
magisch beheizt, denn ihre Füße wurden nicht kalt. Mehrere Tagespropheten lagen
auf der kleinen Couch – oder Chaiselongue, wie man sie hier nannte – und
anscheinend bekam Malfoy in diesem Hotel jeden Wunsch von den Augen abgelesen.
Ein
Tablett mit Erdbeeren und Champagner schien auf einem Beistelltisch zu warten.
Hatte er das gerade bestellt? Sie wusste es nicht. Hatte es schon da gestanden?
Sie wollte auch nicht fragen. Er saß auch in einem Bademantel über ein
Pergament gebeugt und schrieb recht konzentriert. Sie sah einen Wassertropfen
in seiner Haarspitze glitzern. Er würde gleich runter fallen, nahm sie an.
Warum
sie mit ihm gegangen war? Er war zu schön. Er war wirklich wunderhübsch. Sie
hatte diese oberflächliche Kleinigkeit nicht abschütteln können. Sie erinnerte
sich an all seine Worte. An die guten und die schlechten. An den Heiratsantrag,
den er nicht ernst gemeint hatte, der aber verlockend aus seinem Mund geklungen
hatte. Sie wusste nicht, ob sie sich bewegen sollte.
Im Taxi
hatte er ihre Hand gehalten und sie waren schweigend hier hoch gekommen. Sie
hatten nicht miteinander geschlafen, sondern einfach nacheinander geduscht. Es
war nichts passiert. Aber… wollte sie das? Wirklich? Denn… jetzt waren sie
hier.
„Was
schreibst du?“, fragte sie schließlich widerwillig.
„Ich
verfasse ein Kündigungsschreiben“, erklärte er konzentriert. Dann hob er den
Blick. „Fehlt nur noch deine Unterschrift“, ergänzte er mit einem schwachen
Lächeln.
„Du
meinst das ernst?“, flüsterte sie und kam automatisch näher. Der Duft seines
Shampoos stieg in ihre Haare. Er roch verführerisch frisch und unglaublich
maskulin. In ihrem Kopf überschlug sie, wann sie das letzte Mal –
geschätzterweise – Sex gehabt hatte.
Und ihr
wurde klar, wenn sie wirklich darüber nachdenken musste, dann war es schon viel
zu lange her!
Tatsächlich
hatte Malfoy ein recht förmliches Schreiben verfasst, indem er um fristlose
Kündigung für sich und sie bat. Nein, eigentlich bat er nicht. Ein Malfoy bat
wahrscheinlich nie um irgendetwas, nahm sie an. Er verlangte. So wie er
eigentlich immer alles verlangte. Sie hatte ihn noch nie am bitteren Ende
gesehen, auf dem Boden, auf Knien rutschend. Es würde ihm wohl auch nicht
stehen.
Selbst
bei einem Heiratsantrag würde er wohl nicht auf die Knie gehen, sondern es von
seinem Gegenüber verlangen. Sie sah sich selber schon vor ihm auf die Knie
gehen. Sie schloss die Augen. Es lag an diesem Hotel, an seiner Anwesenheit, an
der Tatsache, dass sie eben beide nichts weiter als Bademäntel trugen.
Was
hatte sie sich dabei nur gedacht? Nicht nur, dass sie mit zu ihm gegangen war
und tatsächlich darüber nachdachte zu kündigen, sondern, dass sie nach Paris
gegangen war! Was hatte sie erwartet? Und war sie dankbar, dass er auch hier
war? Nein. Oder doch? Oder nein?
„Also…?“
Er hielt
ihr die Feder entgegen. Anstatt sie zu ergreifen, griff sie nach einem
Champagnerglas und füllte es bis zum Rand. Die beiden Grappas, die sie zuvor
getrunken hatte, die waren unfreiwillig. Zumindest versuchte sie sich das
einzureden. Der Champagner, an den sie sich in seiner Gegenwart schon fast
gewöhnt hatte, der war freiwillig.
Sie
trank gierig. Und sie versuchte, dabei nicht nachzudenken.
Und sie
überraschte sich selbst.
Ihn
wahrscheinlich auch. Sie ergriff die Feder, sie beugte sich neben ihn und
unterzeichnete das Dokument, direkt neben seinem Namen. Ein Rausch erfasste
sie… Sie hatte gerade ihre Stelle gekündigt. Zwar konnten sie das Pergament
noch verbrennen, aber jetzt gerade in dieser Sekunde fühlte sie sich unglaublich
stark und beflügelt.
Er hatte
den Blick gehoben. Sein Mund hatte sich ein Stück weit geöffnet. Er schien so
beeindruckt zu sein, dass er kurz gar nichts sagte. Und sie nutzte exakt genau
diesen Moment. Es war ihr nämlich absolut scheiß egal, was morgen wirklich
passierte. Jetzt war sie hier! In einem Zimmer, indem der Regen nicht durch die
Decke tropfte.
Sie war
warm, sauber und angetrunken. Ihre Hand griff in den Knoten seines Bademantels
und sie zog ihn aus dem filigranen Mahagonistuhl. Und er folgte dieser
Bewegung. Er ließ sich von ihr nach oben ziehen, und ehe sie weiter nachdenken
konnte, öffnete sie seinen Bademantel.
Und ja.
Er war nackt.
Wirklich
nackt.
Sie
konnte nicht anders, als sich auf die Lippe zu beißen. Sein Blick war
königlich, denn das schien er bei weitem nicht erwartet zu haben. Und, ohne ihn
aus den Augen zu lassen, griff sie noch einmal nach ihrem Champagnerglas, trank
den letzten Schluck und leckte auch den letzten Tropfen vom Rand und ließ sich
auf den Boden sinken. Er folgte dieser Bewegung mit offenem Mund und einem
ungläubigen Blick.
Sie
hatte ihn immer noch mit ihrem Blick fixiert und als sie die Hand um seinen
Schaft schloss wurde er so augenblicklich hart, dass sie fast gelächelt hätte.
Aber nur fast. Er hatte die Augen sofort geschlossen und fluchte unerhört auf
Französisch und es klang unglaublich sexy in ihren Ohren.
Sie
konnte sich kaum noch daran erinnern, wann sie das das letzte Mal getan hatte,
und sie glaubte, sie war noch nie freiwillig auf die Knie gegangen.
Als sie
zu pumpen begann flogen seine Augen wieder auf. Gerade rechtzeitig, um zu
sehen, wie sie ihn in den Mund aufnahm.
„Oh
verflucht – fuck!“, keuchte er heiser und konnte sich gar nicht mehr bewegen.
Sein Atem ging schneller und er schien sich vor ihr zurück ziehen zu wollen.
Sie ignorierte das und begann zu saugen. Besonders tief bekam sie ihn nicht in
den Mund. Sie war völlig aus der Übung und wahrscheinlich war er auch einfach
zu… nun… dick dafür, überlegte sie und merkte, wie es in ihrer Mitte zu ziehen
begann.
Sie
hatte gewusst, Draco Malfoy hatte seinen Ruf bestimmt nicht, weil er ein
reicher Junge war. Er hatte seinen Ruf, weil er ein böser Junge war.
„Granger!“,
knurrte er tonlos und seine Hand fand den Weg in ihre feuchten Haare. Es machte
tatsächlich den Anschein, als wolle er sie aufhalten, aber sie merkte auch,
dass es ihn viel Beherrschung kostete, sich nicht tiefer in ihren Mund zu
schieben. Sie saugte noch einmal, härter, erbarmungsloser, griff mit ihrer Hand
hart um seine Länge und mit einem plötzlichen Grollen, das Schauer über ihren
Rücken jagte, zog er sich ungeduldig zurück, riss sie an den Schultern nach
oben und zog ihr den Bademantel grob von ihrem Körper.
Kurz
schien er ihren Anblick in sich aufzunehmen, abzuspeichern, und dann zögerte er
keine einzige Sekunde mehr. Er umschlang ihre Hüfte, hob sie vom Boden hoch und
ihre Finger krallten sich in seine nassen Haare. Sie küsste ihn hungrig und er
stöhnte in ihren Mund, als er sich rückwärts auf das Bett niederließ.
Sie
griff ungeduldig zwischen ihre Körper und platzierte seinen Penis, damit er in
sie eindringen konnte. Es passierte einfach so, ohne weiteres Vorspiel, ohne
weiteres Warten. Sie bewegte sich langsam über ihm und seine Hände lagen fest
auf ihren Hüften, um den Rhythmus zu kontrollieren, aber, bei Merlin, es war
ihr egal, wenn er sofort kam, denn sie hatte nicht vor, Liebe zu machen.
Sie
wollte mit ihm schlafen. Sie wollte mit Malfoy Sex haben und, verflucht, nichts
weiter sonst!
Sie zog
ihren Kopf zurück, legte ihn in den Nacken und bewegte sich schneller, stemmte
sich hoch, ließ sich wieder auf ihm nieder und spürte, wie er aufgab, wie er
sich geschlagen gab und sich furchtbar hart und erbarmungslos in sie bohrte.
Vielleicht
hatte er gerade noch ein wenig Kontrolle gehabt, aber jetzt… war es damit
vollkommen vorbei. Er stöhnte tief, saugte ihre Brustwarze in seinen Mund, biss
verlangend zu und obwohl sie nicht vorgehabt hatte, zu stöhnen, konnte sie sich
nicht aufhalten.
Aber sie
würde nicht seinen Namen stöhnen, so viel stand fest. Sie schloss also die
Augen fest und scherte sich nicht mehr, dass er sie schreien hörte.
Sie
wurden schneller, Schweiß rann ihren Nacken hinab, seine Zunge leckte ihn fort,
er biss in ihre Schulter und presste sie so fest an sich, als er kam, dass ihr
für eine Sekunde die Luft wegblieb.
Dann
fiel er nach hinten auf das Laken und sie rutschte von ihm runter. Ihre Beine
zitterten ein wenig und sie wusste, sie konnte noch nicht aufstehen. Sie legte
sich außer Atem neben ihn.
Sie
hatte mit Malfoy geschlafen. Nach endlosen Hochzeiten und ewigen Andeutungen
hatte sie tatsächlich mit Malfoy geschlafen.
Gut oder
schlecht?
Sie
wusste es nicht. Sie hatte jetzt nicht die Kraft, zu überlegen, ob es gut oder
schlecht war, nach so grandiosem Sex. Es war unglaublich! Er war… nein, er war
nicht völlig anders. Aber… sie hatte das Gefühl, beim Sex war Malfoy also
völlig ehrlich. Keine Spiele. Nur Sex.
Schließlich
drehte er den Kopf zur Seite und sah sie an.
„Verflucht…“,
sagte er anerkennend und ein Mundwinkel hob sich. Ein Grübchen erschien auf
seiner Wange. Sie hatte das Gefühl, ihn zu gut zu kennen. „Bist du… gekommen?“,
fuhr er heiser fort. Sie lächelte knapp und schüttelte dann den Kopf. Aber sie
kam nicht immer, das war völlig normal. Und es war völlig in Ordnung.
Anscheinend
nicht für Malfoy. Er stemmte sich müde auf den Ellenbogen. Seine hellen Haare
standen wirr in alle Richtungen und er sah anbetungswürdig aus. Sie nahm an,
sie sah einfach fruchtbar aus. Wahrscheinlich waren ihre Wangen rot, ihre Haare
ein Vogelnest und würde sie versuchen, sich zu bewegen, dann würden ihre Beine
einfach wegknicken und sie würde unschön auf dem Boden liegen.
Kurz sah
er in ihre Augen, dann verfing sich sein Blick an ihren Lippen und die Farbe
seiner Augen schien dunkler zu werden. Er küsste sie langsam. Sie war sich
nicht sicher, ob sie das wirklich tun sollte. Aber seine Zunge glitt in ihren
Mund und mehrere Schauer erfassten sie und ließen ihren Magen mehrere Saltos
schlagen.
Er
rückte näher an sie und sie spürte, dass er schon wieder hart war. Sie konnte
nicht anders, als ihre Hand auszustrecken, aber er fing sie ab. Er löste sich
von ihren Lippen und sah sie an. Er schüttelte sachte den Kopf.
„Nein“,
sagte er befehlsgewohnt und sie öffnete den Mund. Er schob ihre Hand einfach
nach oben, griff nach ihrer anderen und hielt ihre Handgelenke dann fest über
ihrem Kopf zusammen. Er küsste die Linie ihres Kiefers, ihren Hals, ihr
Schlüsselbein, wanderte mit den Lippen tiefer, saugte ihre andere Brustwarze in
seinen Mund und sie schnappte nach Luft. Je fester sie versuchte aus seinem
Griff zu entkommen, umso härter hielt er sie zurück. Und es war unglaublich
erregend.
Und
eigentlich hatte sie hierfür viel zu wenig getrunken!
Er
musste ihre Hände loslassen, denn jetzt wanderte sein Kopf tiefer.
Er
küsste ihren Bauch, ihren Venushügel und geistesgegenwärtig hielt sie ihn auf.
Sie war zurück gewichen und er hob fragend den Kopf.
„Wir
haben grad…“, begann sie etwas zögerlich. „Und du bist gerade in mir…“, fuhr
sie fort. Er musste grinsen. Und sie spürte, wie sie rot wurde.
„Ok“,
sagte er gedehnt, rutschte vom Bett und griff um ihre Taille. Ehe sie in die
Verlegenheit kam, zu stürzen, weil ihre Beine nicht mehr funktionierten, hob er
sie auf seine Arme und trug sie ins Bad. Ohne weitere Worte. Er setzte sie auf
den Wannenrand und stellte die Dusche an.
Sie
schüttelte langsam den Kopf.
„Was wird das?“, fragte sie ein wenig erschöpft. Aber er schien erst richtig
wach zu werden.
„Es
klingt vielleicht… seltsam“, begann er, „aber ich kann es nicht leiden, wenn
die Frau nicht kommt. Es macht einfach einen schlechten Eindruck“, erklärte er
mit einem Schulterzucken und schien mit der Wassertemperatur schließlich
zufrieden zu sein. „Und wenn du erst sauber sein möchtest“, fügte er grinsend
hinzu, „dann… muss es eben so sein“, schloss er und zog sie mit sich unter die
Dusche.
Es war
eng und sie war froh, dass er sie hielt. Sie wäre wahrscheinlich umgekippt.
Wegen ihrer schwachen Beine und wegen ihres Schams.
Er sah
fantastisch aus. Das Wasser perlte seinen glatten Brustkorb hinab, und sie
wusste nicht, was für Übungen er machte, aber seine Muskeln waren perfekt
definiert. Nicht zu stark, nicht zu übertrieben, einfach absolut perfekt.
Er griff
nach der Hotel-Lotion, die sie gerade schon benutzt hatte. Der Vanilleduft
füllte schnell das Bad und er begann ihren Körper einzuseifen. Sie starrte ihn
an. Aber sie wollte dazu nichts sagen. Seine Hände fuhren über ihren
Oberkörper, ihren Rücken, massierten kurz ihre Schultern und sie musste die
Augen schließen. Dann glitt seine Hand zwischen ihre Schenkel und sie musste
sich an ihm festhalten.
Das
heiße Wasser prasselte auf ihre beiden Körper hinab und sie schloss die Augen.
Sie war
bestimmt schon eine Weile sauber, aber sie wollte sich hier nicht fortbewegen.
Absolut nicht. Und dann ging er auf die Knie. Tatsächlich! Sie wollte etwas
sagen, aber er stellte ihr Bein einfach auf seine Schulter und das heiße Wasser
lief ihren Rücken hinab. Sie schüttelte schwach den Kopf, aber mit einem
Grinsen leckte er bereits über ihr warmes Fleisch.
Sie
schloss die Augen und keuchte auf. Wieder und wieder neckte sie seine Zunge,
bis sie schließlich in sie eindrang. Vorsichtig spürte sie seine Zähne an ihren
empfindlichen Punkt und sie krallte sich in seine mittlerweile nassen Haare.
Sie
schrie förmlich auf als seine Zunge tiefer in sie drang und er mit seinem
Daumen sanfte Kreise beschrieb. Sie kam nicht nur einmal.
Nein, zu
ihrer Schande musste sie gestehen, dass Draco Malfoy es schaffte, dass sie
dreimal hintereinander in der Dusche kam.
Ihre
Wangen brannten, als er sich erhob, nur um sie festzuhalten. Das Wasser lief
immer noch auf sie herab. Kurz spülte er sich den Mund im Strahl aus und
schlang dann die Hand um ihren Nacken, um sie zu küssen. Sie musste nicht
einmal überlegen, ob sie das wollte, denn… diese Frage stellt sich nicht! Er
musste sie einfach küssen. Sie würde nicht überleben, würde er sie jetzt nicht
küssen, das wusste sie!
Und sie
spürte, wie hart er geworden war. Sie presste sich enger an ihn und hörte sein
vertrautes Knurren an ihrem Ohr. Er fasste wieder um ihre Hüften, diesmal aber,
um sie einfach umzudrehen. Er presste sie gegen die relativ kühlen Fliesen und
sie schloss kurz die Augen und genoss die Kälte gegen ihre Wangen.
Dann
spürte sie, wie er in sie glitt. Er füllte sie vollkommen aus und sie krallte
sich in die Badeschale. Die kleinen Flaschen mit Lotion und Shampoo glitten
alle auf den Boden, aber es war ihr völlig egal. Hart stieß er in sie und das
Wasser über ihnen klang wie tropischer Regen. Ungefähr so heiß war es auch. Sie
wusste nicht, ob sie nass vom Wasser war oder von feinem Schweiß. Wohl eine
Mischung aus beidem. Er presste seinen Körper an ihren, seine Hand umfasste
hart ihre Brust, während die andere ihre Klitoris massierte.
Und es
lag ihr auf der Zunge. Sein Name lag ihr auf der Zunge, und sie musste sich
hart auf die Lippe beißen, um ihn nicht laut hier in der Dusche zu schreien.
Sein
Stöhnen hallte bedrohlich von den Fliesen wider und sie spürte den nächsten
Orgasmus in ihrem Körper. Er stieg erbarmungslos an die Oberfläche,
überschwemmte ihre Sinne und sie schrie auf vor Lust als er sich ein letztes
Mal in sie stieß.
Und so
verharrten sie eine Weile. Das Wasser lief immer noch beständig. Sie lehnte an
der kühlen Wand und sein Kopf lehnte auf ihrer Schulter, während er sanfte
Küsse auf ihre Haut drückte. Sie schloss die Augen und sie lehnte sich
schließlich gegen ihn. Gegen ihn und seinen perfekten Körper. Er hatte den Arm
um sie geschlungen.
Als sie
aufwachte hatte sie ein schlechtes Gefühl. Erst mal wachte sie am liebsten in
ihrem eigenen Bett auf und wenn sie dann schon woanders war, würde sie sich
lieber umdrehen und feststellen, dass jemand neben ihr lag.
Aber sie
war allein.
Ihr
Blick fiel aus dem Fenster. Die durchsichtigen Vorhänge hingen dort wohl nur
aus dekorativen Gründen und nicht, um das Licht aufzuhalten. Und sie sah etwas,
das sie aus dem Fenster in ihrer kleinen Wohnung nicht mal hätte sehen können,
wäre sie auf dem höchsten Punkt der Stadt: Sie sah den Eiffelturm. Beinahe
unauffällig streckte er sich in die Höhe. Die Beleuchtung war aus und er wirkte
nicht so pompös und besessen davon, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Es sah
so viel angenehmer aus. Ehrlicher, ohne das Licht und die ganze Show, die darum
gemacht wurde.
Sie war
in Paris. Und sie hatte sogar eine Art Romanze in Paris. Hatte sie nicht noch
vor einigen Wochen überlegt, dass ihre romantische Ader in Paris aufblühen
würde?
Nun,
vielleicht stimmte das irgendwie ansatzweise. Aber ihre romantische Blütezeit
befiel sich auf eine knappe Nacht. Denn jetzt lag sie allein auf den unsagbar
teuren Seidenlaken.
Sogar
das Bett auf seiner Seite war gemacht. Hatte er das etwa getan, während sie
geschlafen hatte? Und wie sah sie bitteschön dabei aus? Hatte sie vielleicht
geschnarcht oder auf ihr Kissen gesabbert, während König Draco diese Dinge
hoheitlich zur Kenntnis genommen und ignoriert hatte?
Sie
schlug die Decke zurück und ihr Herz begann zu klopfen. Da war noch etwas.
Neben der Unwahrscheinlichkeit, dass sie mit Malfoy tatsächlich geschlafen
hatte – und es war großartig gewesen – war da noch die Sache, dass sie im
Überschwang ihre Arbeit gekündigt hatte. Sie verließ sich gerne auf ihre
Instinkte und sie wusste schon – meistens lag sie völlig richtig.
So auch
dieses Mal. Sie machte sich nicht erst die Mühe, den Bademantel überzuziehen.
Wem wollte sie hier etwas beweisen? Zuhause besaß sie nicht einmal einen
Bademantel. Barfuß, nur mit seinem Hemd begleitet lief sie also aus dem
Schlafzimmer.
Er studierte den Tagespropheten und das Gefühl, was sich für eine Sekunde bei
ihr einstellte, war so eigenartig, dass es ihr in der Brust schmerzte. Es war
fast… vertraut. Diese… Intimität, hätte sie fast gedacht.
„Wo…“,
begann sie und musste sich räuspern. „Wo ist der Brief?“, krächzte sie, ehe sie
etwas anderes sagen konnte. Er hob kurz die Brau und ließ den Propheten sinken.
„Kaffee?“, fragte er anstatt zu antworten und sie ruckte mit dem Kopf.
„Der Brief. Malfoy, wo ist der Brief?“ Aber sie kannte die Antwort bereits.
„Abgeschickt“, erwiderte er verstört. „Guten Morgen, auch dir. Ich habe mir die
Freiheit genommen, das gesamte Frühstück zu bestellen. Also, du hast freie
Wahl. Ich nehme an, du hast hier besser geschlafen als-“ Er unterbrach sich,
denn er war aufgestanden und hatte tatsächlich kurz den Kopf gesenkt, wohl um
sie zu küssen, aber soweit dachte sie nicht. Sie hatte ihm die Hand auf die
Brust gelegt und schob ihn beiseite.
Fahrig
ging sie durch den Stapel an Post, der auf dem Tisch lag.
„Abgeschickt?“,
wiederholte sie heiser. „Du hast ihn abgeschickt? Wann?“, fügte sie zornig
hinzu.
„Was? Heute Morgen als das Zimmermädchen kam. Sie nimmt die Post mit, die noch
früh mit den Eulen raus muss“, erklärte er ungläubig. „Wieso?“ Sie stieß auf
einen elfenbeinfarbenen Umschlag. Harry Potter. Der Absender war Harrys
Absender.
„Harry
schreibt dir also tatsächlich? Du bist also wirklich eingeladen? Und du hast
den Brief abgeschickt?“, rief sie so zornig, dass sie das feine Papier unsanft
zerdrückte.
„Reg
dich ab, Hermine. Was ist das Problem?“ Hermine. Er nannte sie Hermine.
„Das
Problem ist, dass du ein Arschloch bist!“, fuhr sie ihn an und wandte sich
wütend um.
Hastig
zog sie sich an, wusch sich halbherzig das Gesicht, putzte sich mit dem Finger
die Zähne, flocht sich einen Zopf und griff nach ihrer Handtasche.
„Was wird das?“, fragte er als sie wieder in das Wohnzimmer seiner Suite kam.
„Was das
wird?“, wiederholte sie ärgerlich und griff nach ihrer Jacke, die immer noch
etwas klamm war. Aber sie konnte sie überm Arm tragen. Es war ja nicht mehr
besonders kalt morgens. „Ich werde zum Ministerium gehen, den Brief abfangen
und wieder normal sein!“, fuhr sie ihn an.
„Der
Brief ist bestimmt schon seit einer Stunde da. Und bestimmt auch schon geöffnet.“
„Es ist
Samstag“, sagte sie eisig.
„Es gibt auch Menschen, die samstags arbeiten“, entgegnete er.
„Und
wenn schon. Dann erklär ich das. Ich entschuldige mich und-“
„Und
was? Denkst du, in Pairs vergibt man dir so etwas? Ich glaube nicht. Und warum überhaupt?
Gestern warst du ganz scharf darauf, den Job zu kündigen“, fuhr er gereizter
fort.
„Ja. Gestern war ich auch noch scharf darauf, von dir flachgelegt zu werden.
Damit ist heute Schluss.“ Energisch zog sie die Tür auf.
„Du
kannst von deinem hohen Hippogreif runter kommen, Hermine. Wem willst du
irgendwas beweisen? Es hat dir gefallen und wahrscheinlich hättest du nichts
besseres tun können, als deinen verfluchten Stock aus dem Hintern zu bekommen
und aufzuhören so zu tun, als könntest du mich nicht leiden.“
Noch ein
letztes Mal drehte sie sich um.
„Das
war… eine Ausnahme. Und ich kann dich wirklich nicht leiden. Vor allem, weil du
so eine Entscheidung einfach übernimmst, ohne mich noch einmal zu fragen! Ja,
gestern im Regen unter Alkoholeinfluss kam es mir so vor, wie eine gute Idee,
zu kündigen und mit dir zu schlafen. Aber dir muss doch wohl völlig klar
gewesen sein, dass es heute anders aussieht. Alles sieht im Tageslicht anders
aus!“, schrie sie und konnte nicht fassen, dass sie in dieser Sekunde wohl
arbeitslos war. „Ich bin kein reicher Junge, Malfoy. Ich kann mir die
Arbeitslosigkeit nicht leisten!“
„Vielleicht
hättest du dir das vorher überlegen sollen“, erwiderte er kühl.
„Ich
kann nicht fassen, dass du das einfach getan hast! Wolltest du das so? Hast du
dir gedacht, es wäre lustig zu sehen, wie-“ Ihr Atem ging schneller. Es war
Angst. Sie kannte dieses bodenlose Gefühl noch. Es war ihr immer noch vertraut.
„Was kommt jetzt? Fängst du wieder mit deinen Schlammblut-Hasstiraden an? Ist
dir aufgefallen, dass du hier in diesem Raum die einzige bist, die dich wie ein
Schlammblut behandelt, Hermine?“ Ihr Mund öffnete sich.
„Nein.
Jetzt gerade eben kannst du das um einiges besser. Und nenn mich nicht
Hermine“, fügte sie böse hinzu. Er sah jetzt genauso zornig aus, wie sie sich
fühlte.
„Oh ja?
Letzte Nacht hattest du-“
„Letzte
Nacht war letzte Nacht. Jetzt ist der nächste Tag. Paris mag mir zu Kopf
gestiegen sein, aber damit ist es jetzt vorbei!“, stieß sie hervor und stürmte
aus dem Apartment.
Sie
musste sich beeilen und besser kam sie nicht zu spät!
~*~
Vielleicht
hatte er einen Fehler gemacht. Hatte er kurz den Anflug eines schlechten
Gewissens gehabt, als er den Brief abgegeben hatte? Ja, vielleicht. Ganz kurz.
Er hatte auch vielleicht nicht unbedingt zwingend darüber nachgedacht, dass
Granger nicht wirklich die Mittel hatte sich auf der Arbeitslosigkeit
auszuruhen.
Aber er
war sich sicher, die Franzosen würden die Kündigung als persönliche Beleidigung
auffassen. Vor allem schon nach keinem Monat. Nicht mal drei Wochen. Aber er
wusste auch, dass sich Granger hier nicht wohlfühlte.
Vielleicht
hätte er noch mal mit ihr reden müssen, aber… eigentlich hatte er erwartet,
dass sie zusammen frühstücken würden, dass sie vielleicht noch mal mit ihm
duschen wollte, dass sie ihn einfach zurück ins Bett ziehen würde. Dass sie
vielleicht beleidigt war, dass er schon aufgestanden war und dass sie ihn zur
Strafe einfach wieder ins Bett holte.
Es hatte ihm gefallen neben ihr aufzuwachen. Es hatte sich vollkommen richtig
angefühlt. Er hatte das Gefühl regelrecht genossen. Deswegen hatte er sich noch
nicht angezogen. Er hatte mit ihrem Feuer gerechnet. Allerdings nicht mit ihrer
Ablehnung.
Und es
machte ihn wütend.
Sie
verweigerte sich ihm, weil er die richtige Entscheidung getroffen hatte? Und
wovor hatte sie bitteschön Angst? Er dachte, sie hätten bereits geklärt, dass
sie ihn sowieso wollte. Und er… er wollte sie seit der Hochzeit. Und er war angenehm
überrascht über die Tatsache, dass seine Lust nach dieser Nacht nicht völlig
verraucht war!
Und sie?
Sie schrie ihn an, dafür, dass er endlich mal das tat, wozu sie zu feige war?
Sie drehte ihren seltsamen Spieß einfach um, und beschuldigte ihn, dass er sie
schlecht behandeln würde? Mit welchem Grund? Es war ihm unklar.
Und er
hatte erwartet, dass sie sich eine Lösung einfallen lassen würden. Er hatte
nicht vor, arbeitslos zu sein, nur weil er es sich auf einem unteren Level
leisten konnte. Er konnte sich keine Luxusvilla kaufen, aber es hieß auch
nicht, dass er jetzt nichts tun wollte.
Anscheinend
schien sie auch nicht zu begreifen, dass hinter seinem Namen mittlerweile kein
Vermögen mehr stand. Dass sie jetzt losgerannt war, zeigte ihm eigentlich nur,
dass sie ihm nicht vertraute, dass sie lieber wegrannte, als bei ihm zu sein.
Aber das
tat sie nun schon seit Wochen. Dieses Muster kannte er von ihr nun zur Genüge.
Was dachte sie denn? Dass er sich keine Gedanken gemacht hatte? Was hätte er
tun sollen? Hätte er sagen sollen, dass er überlegt hatte, seine Worte
umzusetzen? Anscheinend funktionierte es im Bett mit ihnen ja ausgezeichnet.
Ihn befiel kurz ein Schauer als er an die letzte Nacht dachte.
Es war
verflucht großartig gewesen.
Sie
hätten zusammen ziehen können. Aber hätte er ihr das sagen sollen? Hätte er ihr
sagen sollen, dass ihr erstes richtiges Date auf Potters Hochzeit stattfinden
würde? Hätte er sagen sollen, dass… er sie mochte? Dass er sich vorstellen
könnte, sie jeden Tag zu sehen? In seinem Bett? Ins einer Wohnung? Einfach
überall?
Dass er…
sie vielleicht sogar mehr mochte als nur einfach zu mögen?
Nein.
Natürlich sagte er ihr das nicht. Vor allem nicht, wenn sie im Begriff war, aus
seiner Suite zu stürmen. Was hätte er tun sollen? Musste er warten, bis sie
sich abgeregt hatte?
Er hatte
keine Ahnung. Sie war kompliziert und er hasste diesen Punkt. Sie sollte ihm
einfach vertrauen.
Aber er
wusste auch – das konnte sie wohl nicht.
Und er
hatte nicht unbedingt dazu beigetragen, ihr das leichter zu machen. Aber sah
sie nicht, dass die Dinge jetzt etwas anders lagen? War sie so blind? Sah sie
es denn nicht in seinem Gesicht?
Sie
musste völlig blind sein.
Kurz
dachte er nach.
Entweder
war sie wirklich blind – oder Hermine Granger hatte tatsächlich Angst. Angst
vor Nähe, Angst vor einer Beziehung. Konnte das sein? Hatte Hermine Granger
wohl noch mehr Angst vor der Liebe als er?
Nein.
Aber wenn er bereit war all seine Normen und sein altes Leben aufzugeben und
wenn sie lieber wieder davon anfing eine Todesser Schlammblut Ansicht
aufrechtzuerhalten, die absolut nicht zutreffend war, dann musste er annehmen,
dass die starke Hermine Granger ein viel größeres Problem hatte.
Die
Frage war nur, ob er die Geduld und die Lust dazu hatte, dieses Problem zu
lösen.
Nein,
hatte er nicht. Die Antwort darauf war sehr leicht zu beantworten. Aber
blöderweise kamen ihm die Gefühle in den Weg. Ja, er hatte tatsächlich Gefühle.
Und er wusste, die hatte sie auch. Er wusste zwar nicht genau, was diese
Erkenntnis bedeuten würde. Er wusste auch nicht, ob Paris plötzlich etwas
verändert hatte, in seiner Welt, in seiner Denkweise.
Aber es
drängte sich eine Frage auf: Wieso war alles so kompliziert? War es
kompliziert, weil es nicht so sein sollte, wie es war? War dieser fantastische
Sex, den er nicht von Granger erwartet hatte, einfach nur eine Episode, die er
vergessen sollte? Eben weil es so kompliziert war? Oder war es kompliziert, weil
eben „einfach“ absolut jeder konnte? Konnte er einfach?
War es
erstrebenswert, wenn Dinge einfach funktionierten?
Vielleicht
nicht. Er kannte die einfache Seite des Lebens. Es war ja nicht so, als hätte
er damit keine Erfahrung gemacht. Aber was hatte ihm diese Seite gebracht?
Bisher nicht besonders viel. Bedeutungslosen Sex, viele kurzfristige
Beziehungen. Und das schlimme war: Das war es, was er eigentlich auch wollte.
Wollte das nicht jeder Mann? So begehrenswert sein, dass er sich aussuchen konnte,
mit wem er wo aufwachte und wie lange dieser Zustand andauerte?
Aber es
lag ihm schwer im Magen, dass sie gegangen war. Ohne Kuss. Ohne ihn anzuflehen
zu bleiben. Nie blieb er. Er ging, wenn er es wollte, weil er es konnte. Er war
nicht emotional an seine Bettgeschichten gebunden. Das war nicht sein Stil –
und erst recht nicht sein Ziel!
Und
jetzt stand er hier, allein in der teuren Suite, die niemand so schnell, so
willig verlassen sollte, wie Granger es getan hatte. Sein Tee wurde kalt, das
Frühstück war unberührt geblieben und ihr Teller war leer. Das war es wohl, was
ihn schockierte.
Es
standen zwei Teller auf dem kleinen Tisch. Aber jeder, der dies jetzt sehen
würde, würde sich fragen, weshalb das so war, denn es machte nicht den
Anschein, als würde hier noch jemand leben, außer ihm.
Es
gefiel ihm schlicht und ergreifend nicht mehr. Es gefiel ihm nicht, dass
Menschen annehmen konnten, dass er allein war. Vor allem, wo er damit heute
nicht gerechnet hatte.
Aber
wenn er nicht alleine sein wollte, mit wem wollte er dann sein?
Er hatte
eine vage Vorstellung von der Antwort auf diese Frage.
Aber er
wusste nicht, ob es nicht doch zu anstrengend war.
Kompliziert
oder einfach? Er müsste sich nur noch entscheiden.
Ein
Versuch würde ihn wahrscheinlich nicht umbringen. Aber wahrscheinlich würde es
ihn all seine Würde kosten.
Vor
allem, weil er befürchtete ohne Hilfe nicht besonders weit zu kommen.
Sie
hatte nicht einmal den Muggelstolz aufbringen können, zu fliegen. Sie war nach
Hause appariert, nachdem sie die Sachen aus der Wohnung geholt hatte. Jetzt war
sie Stunden später Zuhause. Es war natürlich chancenlos gewesen. Sie hatte es
sich nur nicht eingestehen wollen.
Und sie
war noch nicht hier zum Ministerium gegangen, denn sie wollte sich jetzt nicht
mit ihrem Boss streiten, ob es angemessen war, in Paris zu kündigen und zu
hoffen, hier den Job noch zu bekommen. Sie wusste es nicht.
Das
Wochenende hatte sie mehr schlecht als recht hinter sich gebracht. Sie hatte
sich mit ihrem Vermieter angelegt und hatte sogar angefangen zu weinen. Aber
immerhin hatte er gestattet in die Wohnung, frühzeitig, zurückzukehren.
Ansonsten
wäre sie eine heimatlose Person gewesen.
Sie
hatte sich ihre Post schon abgeholt und all die Kleinigkeiten, Briefe ihrer
Eltern und überfällige Rechnungen, die sie in ihrer Eile vergessen hatten,
waren ihr eigentlich egal. Sie hatte auf einen elfenbeinfarbenen Brief gehofft.
Aber ein solcher Umschlag war nicht zu finden.
Harry
und Ginny hatten sie nicht eingeladen.
Es war
einfach die Krönung ihres grauenhaften Zustands. Und sie weinte vor allem,
seitdem sie durch die Tür gekommen war. Ihre Flucht nach Paris war furchtbar
gewesen. Sie hatte kein Französisch gelernt, hatte ihre Arbeit aufgeben, aus
dämlichen Gründen, die sie nicht mehr nachvollziehen konnte.
Sie
meinte, sich zu erinnern, dass sie nicht glücklich gewesen war. Nicht einmal
hier wirklich, aber… jetzt fühlte sie sich auch nicht unbedingt besser. Sie war
wieder allein. Sie war nicht mal mehr auf die Hochzeit ihrer besten Freundin
eingeladen, weil sie den blöden Fehler gemacht hatte, überstürzt nach Paris
abzureisen.
Sie
hatte etwas, ohne Hand und Fuß getan. Und es hatte natürlich nicht geklappt.
Die Menschen
sagten ihr nach, sie würde alles schaffen, alles wäre durchgeplant und perfekt
konstruiert. Das stimmte vielleicht, aber nur, wenn sie wirklich jeden Schritt
durchdacht und geprüft hatte. Nicht, wenn sie Hals über Kopf abreiste! Und
alles nur, weil sie sich auf Draco Malfoy eingelassen hatte. So lautete die
offizielle Version in ihrem Kopf. Die inoffizielle war, dass sie ihr Leben ab
einem bestimmten Punkt nicht mehr wirklich unter Kontrolle gehabt hatte.
Aber sie
wollte darüber nicht nachdenken. Draco Malfoy hatte ein ziemlich großes,
ziemlich gefährliches Fass zum Überlaufen gebracht. Und sie hasste es, dass er
eine Art Auslöser für symptomatisch viele Dinge gewesen war.
Jetzt
fühlte sie sich hilflos. Und allein. Wieso hatte sie in Paris die Flucht
ergriffen? Sie hatte Malfoy brutal vor den Kopf gestoßen. Warum? Damit er es
nicht zuerst tun konnte.
Sie
hatte panische Angst gehabt. Vor eigentlich allem. Sie hatte Angst davor
gehabt, ihren Job tatsächlich zu verlieren. Und das hatte sie verhindern wollen.
Aber sie hatte es nicht geschafft. Sie war jetzt zwar nicht gestorben, aber es
fühlte sich nicht gut an. Sie hatte Angst davor gehabt, dass Malfoy irgendwas
sagen würde, dass sie so sehr verletzte, dass sie ihm nicht verzeihen konnte.
Aber
anscheinend war es egal, dass er vor Jahren ein grässliches Arschloch war. Sie
ließ sich ja anscheinend sehr gut von ihm überzeugen. War er noch ein
Arschloch? War sie auf einmal das Arschloch? Sie wusste es nicht. Sie hatte
Angst davor, enttäuscht zu werden. Aber sie hatte nun ihre Arbeit verloren und
der Punkt, an dem sie dachte, dass sie sterben würde, war noch nicht
eingetreten.
Sie
hatte nicht weiter gedacht, als bis zu dem Punkt, endlich Zuhause zu sein.
Hatte sie gedacht, alles würde gut werden? Hatte sie das? Denn jetzt war sie
Zuhause und alles war immer noch schlecht. Hätte sie also ihre Angst überwunden
und wäre einfach bei ihm geblieben, dann hätte er sie vielleicht enttäuscht.
Aber vielleicht hätte sie auch das überlebt.
Es gab
keine andere Lösung hierzu. Er war Draco Malfoy. Er war böse und berechnend. Er
hatte keinen Grund, nett zu ihr zu sein. Er wollte doch eine Wette gewinnen,
war es nicht so? Hatte er nicht vor einigen Monaten genau das gesagt? In einer
Rede auf einer Hochzeit? Dass er Wetten liebte? Dass alles ein großes Spiel
war?
Sie war
nur irgendein Spiel gewesen.
Zwar
hatte er anscheinend seine Arbeit aufgeben, aber vielleicht hatte ihm das
geradeso in den Plan gepasst. Vielleicht machte es ihm nichts aus. Und es war
ihm bestimmt vollkommen egal, dass sie jetzt darunter zu leiden hatte. Sie war
so dumm, ihm auch nur ansatzweise ein wenig Vertrauen zu schenken. Was hatte
sie gedacht? Dass er für sie da sein würde? Sie war dumm. Dumm genug, mit ihm
zu schlafen. Dumm genug zu glauben, dass der beste Sex irgendetwas ändern
würde.
Ja, sie
war weggelaufen, aber warum hätte sie bleiben sollen? Es hatte keinen guten
Grund gegeben.
Dass sie
vielleicht in ihn verliebt war? Großartig. Dann konnte sie sich in eine lange
Schlange heulender Mädchen stellen, die wohl schon genauso so einen Mist mit
ihm erlebt hatten. Die auch glaubten, der weltbeste Sex würde irgendetwas
verändern. Aber sie würde am Ende doch nur zu diesen Mädchen gehören. Zu den
Mädchen, die das Herz von Draco Malfoy gebrochen bekommen hatten.
Und zu
denen wollte sie nicht gehören. Sie wollte nichts riskieren, von dem sie
wusste, dass sie es verlieren würde. Sei es ein neues Spiel – sei es ihr Herz.
~*~
„Mr
Lark…“, begann sie erneut und fühlte sich so, wie sie sich eigentlich noch nie
gefühlt hatte. Sie kam sich vor, als müsse sie zum Direktor der Schule gehen
und sich für eine Dummheit entschuldigen, die eigentlich auch nicht wirklich
ihre Dummheit gewesen war. Streng sah sie ihr – ehemaliger – Vorgesetzter an.
„Granger,
Sie haben uns ziemlich dumm aussehen lassen“, sagte er.
„Ich
weiß.“ Sie senkte den Kopf.
„Sie wollen sich mit allen Mitteln versetzen lassen, wir genehmigen Ihnen ein
ganzes halbes Jahr, und nach kaum drei Wochen kündigen Sie. Fristlos!“ er
wirkte böse.
„Ich…
habe einen Fehler gemacht“, erklärte sie kleinlaut.
„Das
können Sie laut sagen. Ich musste einiges an Arbeit leisten, um einen
Kulanzkrieg zu vermeiden. Paris wollte schon sämtliche muggelbezogenen Kontakte
abbrechen!“
„Aber…
sie konnten es doch regeln, nicht wahr?“
„Sagen
Sie…“, begann er langsam und sah sie prüfend an, „hat Mr Malfoy etwas damit zu
tun? Sagen wir, wenn er Sie vielleicht gezwungen hatte, das Kündigungsschreiben
zu unterzeichnen, dann könnte ich-“
„Nein“,
entgegnete sie leise.
„Bitte?“
„Mr
Malfoy hat damit nichts zu tun.“ Sie hätte gerne etwas anderes behauptet, aber
sie war eine schlechte Lügnerin. Und weshalb sollte sie Malfoy da mit
reinziehen? Sie wollte im Moment nicht an ihn denken. Es war schwer genug. Es
war schwer genug auch so um Gnade zu flehen, verdammt!
„Was ist
nur in Sie gefahren, Granger? Ich kenne das nicht von Ihnen. So etwas ist
unentschuldbar. Und nicht zu dulden. Nur weil Ihr Name einen gewissen
Bekanntheitsgrad inne hat, bedeutet es nicht, dass Sie mit allem durchkommen.“
Sie nickte erneut und betrachtete den Boden zu ihren Füßen. Ach, wie vermisste
sie den schmutzigen Boden ihres Büros.
„Für
jeden bedeutet ein solches Verhalten den Rausschmiss. Denken Sie, es reißt sich
niemand um diesen Posten?“, erkundigte er sich jetzt zornig und sie hob fragend
den Blick.
„Nein,
Sir?“, versuchte sie ihr Glück, denn niemand mochte die Abteilung.
„Tja,
dann haben Sie sich geirrt, Granger. Ich hatte selten so viele Anfragen auf
eine Stellung in der Abteilung wie in der letzten Woche. Ich habe also freie
Wahl, wen ich nehme“, verkündete er stolz.
„Was?“
Sie starrte ihn förmlich an. „Was soll das heißen? Seit meiner quasi Kündigung
bewerben sich nun hunderte auf diese Stelle?“ Er verzog kurz den Mund.
„Nun, nicht
hunderte, nein. Aber ich habe genügend Anfragen.“
„Wie
kann so was sein?“, fragte sie tonlos. Kurz schien er etwas aus der Bahn
geworfen.
„Wissen
Sie, Mr Malfoy…“ Er hielt kurz inne und sah ebenfalls kurz auf den schmutzigen
Teppichboden.
„MR
Malfoy?“, wiederholte sie jetzt gefährlich ruhig und wollte das Ende dieses
Satzes nicht hören. „Was hat Mr Malfoy getan? Haben Sie mich deshalb gefragt,
ob er mich zu irgendwas gezwungen hat, Mr Lark?“
„Nein,
ich… hören Sie, es ist eigentlich vollkommen egal. Was Mr Malfoy gemacht hat,
war eine sehr großzügige Geste, wenn man bedenkt, dass er ebenfalls gekündigt
hat. Er ist zu mir und seinem eigenen Abteilungsleiter gekommen und hat sich
dafür engagiert, dass der Ersatz Ihrer beider Stellen, keine große Mühe macht“,
endete ihr ehemaliger Boss recht schnell.
„Moment“, knurrte sie böse. „Sie sagen, Malfoy kam hier hin und hat sich
schnell bemüht die Stellen zu füllen, damit ich mich garantiert chancenlos bei
Ihnen vorstellen kann?“
„Nein.
Sie… haben gekündigt, Granger. Mir war nicht bewusst, dass Sie kündigen, um
sich erneut auf diesen Platz zu bewerben“, erklärte er verwirrt.
„Aber
Sir…“, wiederholte sie, „es war ein Fehler. Ich hätte niemals kündigen dürfen.
Sie wissen doch, wie ich arbeite. Ich arbeite immer gewissenhaft! Sie wollten
mich befördern! Ich sollte Partner in der Abteilung werden“, fügte sie fast
hysterisch hinzu.
„Ich
weiß das, aber…“
„Wieso
führen wir überhaupt ein so langes Gespräch, Mr Lark?“, fuhr sie dazwischen.
„Versuchen Sie mich butterweich abzuservieren, weil sie die Stellung gefüllt
haben?“, flüsterte sie sehr leise mit erstickter Stimme. Ihr Boss schwieg und
verdrehte unangenehm die Finger in seinen Händen. „Mr Lark?“, wiederholte sie
ungeduldig.
„Möglich.
Ja, ich habe die Stelle besetzt, Granger. Und wenn Sie mir keinen besseren
Grund, als momentane französische Unzurechnungsfähigkeit bieten können, dann
gibt es für mich keinen Grund, weshalb ich den neuen Vertrag mit Ms Weasley
zerreißen sollte.“
„Einen
Grund, wie, dass Malfoy mich gezwungen-“ Sie unterbrach sich selbst.
„Ms Weasley? Ms Ginny Weasley?“, wiederholte sie jetzt und Mr Lark nickte.
„Ja, Ms
Weasley hat sich vor zwei Tagen vehement beworben und da ihr Vater eine sehr
gute Leistung bisher erbracht hat, habe ich-“
„Ms
Weasley hatte ein ganz andere Arbeit! Aus welchem Grund sollte sie sich hier
bewerben? Und aus welchem Grund sollten Sie sie so überstürzt…“ Sie sprach
nicht weiter. Jetzt war sie wütend. „Weil sie bald Mrs Potter sein wird und Sie
wenigstens den Namen in ihrer Mitarbeiterliste führen wollen, richtig?“
„Granger,
Sie klingen verrückt.“
„Das ist
also Ihr letztes Wort? Sie nehmen Ginny Weasley und mich nicht?“
„Sie
haben gekündigt“, erklärte er jetzt auf einmal sehr ruhig.
„Ja. Und ich weiß auch wieder, warum!“, entgegnete sie sehr laut und rauschte
aus dem Büro. Es fiel ihr leicht. Sie wollte nur noch aus dieser
Ungerechtigkeit. Muggelfirmen würden sie nie so einfach gehen lassen. Da gab es
außerordentliche Kündigung nur bei Regelverstoß. Nicht bei Lust und Laune in
Paris! Jetzt war sie nicht nur sauer auf Malfoy, sondern auch auf Ginny!
Sein
Anzug war irgendwie steif, so kam es ihm vor. Er wusste, im Moment bewegte er
sich auf dünnem Eis. Ihm kam es vor, als ob er sich ständig in irgendwelche
unnötigen Gefahren begab. Nicht nur auf Granger bezogen. Sein Vater hatte ihm
sogar die Nachricht zukommen lassen, dass er es durchaus begrüßte, dass er,
Draco, nicht mehr im Ministerium arbeitete.
Draco
wusste, dass sein Vater nichts Schlechtes daran finden konnte, dass er seinen
Job aufgegeben hatte. Eigentlich machte es Draco schon fast wütend, dass er
seinem Vater somit eher in die Hände spielte, als dass er es schwerer für ihn
machte.
Denn er
wusste, Lucius verdiente es nicht wirklich, dass alles nach seinem Gutdünken
verlief.
Er war
müde. Die letzten Tage waren anstrengend verlaufen.
Es
klopfte an seiner neuen Tür.
„Herein“,
rief er knapp und der rothaarige Schopf kam langsam durch den Türspalt hervor.
„Das ist
es also?“, fragte Weasley eher weniger beeindruckt.
„Wo ist
Pansy?“, fragte Draco nur, um alles abzukürzen, denn er hatte eigentlich keine
Lust, nur Weasley hier sitzen zu haben.
„Sie ist
unten und redet mit deiner Sekretärin. Immerhin willst du Hermine nicht mit so
einem Job abspeisen“, fügte Weasley unwillig hinzu.
„Mit dem
Job einer Sekretärin? Nein, Weasley, ich denke, ich kenne Hermine auch ein
wenig besser als das“, entgegnete er und sortierte die Federn auf dem
Schreibtisch neu.
„Du
hältst das also für eine gute Idee, ja?“, erkundigte sich Weasley und Draco
konnte seine berechtigten Zweifel nachvollziehen.
„Nein, ich weiß es nicht“, gab Draco ehrlich zu. Weasley betrat schließlich
ganz das Zimmer.
„Ich
weiß, dass Ginny dich umbringen wird, wenn es nicht klappt. Eigentlich ist das
sowieso etwas, was wir nur zu gerne tun würden“, fügte er bitter hinzu.
„Mich
umbringen?“, fragte er nach und musste lächeln. „Ich kann nur annehmen, dass
Hermine Potters Verlobte zurzeit nicht unbedingt leiden kann. Aber es sollte
dich beruhigen, dass sie mir sowieso die Schuld an allem gibt.“
„Malfoy,
du weißt, dass es eigentlich unmöglich ist, dass Hermine keinen anderen Job
findet, als ausgerechnet hier bei dir“, klärte ihn Weasley mit hochgezogener
Braue auf. Draco nickte langsam.
„Das ist möglich. Aber ich habe noch ein paar Gefallen einzulösen, die zum
Erfolg beitragen werden. Und ich sage dir, sie wird nachher nur noch diesen
einen Job wollen.“
„Weiß sie, dass du zu dem Job gehörst?“, erkundigte sich Weasley skeptisch und
Draco konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal überhaupt mit
Weasley gesprochen hatte. Er zuckte mit den Achseln.
„Das muss sie nicht wissen. Noch nicht. Und ich glaube aber nicht, dass es sie
unbedingt aufhalten wird. Ich weiß, du glaubst es nicht, aber Hermine mag mich,
Weasley.“ Weasley sah ihn verächtlich an. „Wirklich. Sie mag mich“, betonte
Draco gereizt.
„Nein. Das kann ich nicht glauben. Oder – nein. Ich will es nicht glauben. Ich
glaube es, wenn ich es sehe und keine Sekunde vorher.“ Draco gab auf. Es war
auch eigentlich egal, was Weasley von ihm hielt, oder von ihm dachte, oder
glaubte, was wahr war oder was nicht.
Im
Moment ging es darum, dass sich Granger hier bewerben würde. Dass sie nur
diesen Job wollte, und dass er es ihr schwer machte, diesen Job zu bekommen.
Nein, eigentlich musste er es ihr nicht schwer machen. Aber er hatte einfach zu
wenig Zeit, ihr den Job schmackhaft zu machen. Er musste darauf bauen, dass sie
starb bei dem Gedanken, dass sie länger als eine Woche arbeitslos sein würde.
Und
nebenbei musste er sie überzeugen zu Potters Hochzeit als seine Begleitung zu
gehen. Es war sein Glück, dass die kleine Weasley ihm glaubte. Sie war die
einzige, die annehmen konnte, dass Hermine ihn wirklich – wirklich – mochte.
„Draco,
das ist ja wirklich eine Menge Aufwand für ein Mädchen“, bestätigte Pansy, als
sie endlich ins Büro kam. Weasley ergriff sofort ihre Hand, als könne sie sich
plötzlich für ihn, Draco, entscheiden. Das fand er amüsant.
„Hey,
Pansy. Schön, wenn es dir gefällt“, erwiderte er.
„Hast du
die Karte unserer Hochzeitsreise erhalten?“, fragte sie mit einem breiten
Lächeln und lehnte sich an Weasleys Schulter.
„Ja, ich
konnte es nicht verhindern“, gestand er mit gerunzelter Stirn.
„Böse, Draco“, sagte sie knapp. „All der Aufwand wegen Hermine Granger?
Wirklich? Seit wann hast du dein Auge überhaupt auf sie gerichtet?“, erkundigte
sie sich ungläubig, aber er würde auf Pansys Spiele nicht mehr reinfallen.
„Du hast
Weasley geheiratet? Wirklich?“, konterte er mit verschränkten Armen und ihre
Mundwinkel sanken ein Stück.
„Gut,
vielleicht ist es möglich, dass man sich spontan für eine andere Zukunft
entscheidet, als die, die man ursprünglich geplant hatte“, räumte sie
schließlich ein. „Lucius ist bestimmt begeistert von deinen Plänen, oder
Draco?“, fügte sie lächelnd hinzu.
„Lucius
ist begeistert, solange ich aus seinem Weg verschwinde“, erklärte er ärgerlich.
„Aber ich plane ja einen bitteren Gegenschlag. Und Hermine wird nicht widerstehen
können.“
„Er sagt
Hermine, ist das nicht süß?“, flüsterte Pansy in Weasleys Ohr und Draco hätte
sich am liebsten direkt übergeben können. „Ich glaube, er mag sie wirklich“,
fügte sie hinzu. Er verdrehte die Augen. „Stimmt das? Liebst du sie wirklich?“
„Was
soll das, Pansy?“, fragte er gereizt.
„Ich
will diese Worte aus deinem Mund hören, Draco“, sagte sie knapp. „Mir hast du
diese Worte nie gegönnt, also will ich hören, ob es möglich ist, dass du sie
überhaupt formen kannst.“ Zum ersten Mal hörte er Pansys Wut über sein
damaliges Verhalten. Weasley begann zu schnauben wie ein Bulle.
„Fein“,
erwiderte er kalt. „Schön. Du willst, dass ich es sage? Wirklich? Ist es
wirklich nötig? Du hast Weasley geheiratet. Was interessiert es dich, was ich
fühle?“
„Ist es
so schwer?“, fragte sie leise. „Draco, wenn du es nicht sagst, dann kannst du
auf meine beständige Freundschaft verzichten. Du willst schließlich einen
Gefallen von mir.“ Er sah sich in der Ecke gefangen, in die er sich selbst
hinein manövriert hatte.
„Ja,
Malfoy. Eigentlich schuldest du uns eine ganze Menge!“, mischte sich Weasley
wieder ein.
„Weasley,
du hast Pansy Parkinson geheiratet. Du hast dich ja anscheinend um
hundertachtzig Grad gedreht“, erwiderte er leise.
„Du
anscheinend auch. Draco“, fügte Weasley böse hinzu. Anscheinend zwang Pansy ihn
dazu, seinen Vornamen zu benutzen. Draco verdrehte gereizt die Augen.
„Schön. Bitte, wenn es sein muss, wenn ihr nicht anders leben könnt als mit den
Worten. Warum sonst sollte ich mir so viel Aufwand machen, verflucht? Ich liebe
Hermine Granger. Zufrieden?“ Am liebsten hätte er irgendwas verflucht oder
gegen die Wand geworfen. Er hasste es, Dinge zu sagen, wenn er sie nicht sagen
wollte. Es war nicht an der Zeit und vor allem wollte er es bestimmt nicht
gegenüber Fremden sagen. Nach allem, was er sagen konnte, war Pansy
mittlerweile eine fremde Person geworden.
„War der
Sex so gut?“, fragte Pansy lachend und Weasley würde sich doch noch auf ihn
stürzen. Er schloss nur die Augen. „Oh, komm schon, Ron. Reg dich ab. Draco
meint es wirklich ernst. Niemals würde er die Hölle deiner Anwesenheit sonst
überleben und diese Worte auch noch laut aussprechen“, neckte sie ihren Ehemann
und schien ihn seltsamerweise besänftigen zu können.
Es war
Draco völlig unbegreiflich. Ihn hatte Pansy eigentlich immer rasend gemacht.
Bei Weasley hatte sie einen völlig gegenläufigen Effekt.
„Ist
euch eigentlich klar, dass du mit mir und Hermine geschlafen hast und Ron
auch?“, sagte sie belustigt in seine Richtung gewandt. Bei dem Satz betrat
Potter nun auch das spärlich eingerichtete Zimmer und verzog den Mund.
„Das sind einfach zu viele Informationen, Pansy“, sagte er gequält. Richtig,
Draco hatte fast vergessen, dass Weasley sein Mädchen berührt hatte. Sein
Mädchen… Dabei stand es eigentlich noch überhaupt nicht fest. Wieso noch mal
glaubte Ginny Weasley, dass er den Hauch einer Chance bei Granger hatte?
Gerade
eben war es ihm nicht mehr ganz bewusst.
„Luna
hat jetzt Zeit“, erklärte Potter und schien den Blick auf ihn und auf Weasley
zu meiden. „Hast du Hermine schon zur Hochzeit eingeladen?“ Draco atmete
langsam aus.
„Ich
glaube, ich kann sie im Moment nicht mal dazu zu bringen, mit mir zu sprechen.
Gib mir noch ein paar Tage“, bat er leise.
„In ein
paar Tagen ist es dann auch schon zu spät. Hast du dir das alles gut überlegt?
Ich würde es hassen, dir das Genick zu brechen, Malfoy.“ Er überlegte, dass es
vielleicht nicht die schlechteste Lösung war, würde er Granger falsch
einschätzen und sie würde auf sein Angebot nicht anspringen.
„Wie
wäre es mit einer Wette, Draco? Unter Druck arbeitest du doch immer viel
besser“, schlug Pansy lächelnd vor und Draco würdigte sie mit einem kalten
Blick.
„Halt
einfach den Mund. Ich muss jetzt nämlich so weit nach unten gehen, wie ich noch
nie gegangen bin und vor Luna Lovegood auf die Knie fallen“, erklärte er wütend
und zog den Anzug zurecht.
„Warte,
was sollen wir tun?“, fragte Pansy
und war noch vor einer Minute die Aussicht auf Erfolg und unerträgliche
Leichtigkeit in diesem Raum vorhanden gewesen, dann war es jetzt damit vorbei.
„Ich
möchte, dass ihr alles über die Familie Malfoy rausfindet und was in den
letzten Jahrhunderten passiert ist. Ich habe ein paar Dinge aus dem Haus sichern
können, aber mittlerweile bin ich dort nicht mehr willkommen. Ich will, dass
Lucius Malfoy nach diesen Recherchen froh sein kann, wenn er noch einen
einzigen Schritt in Freiheit tun kann, ohne dass die Auroren ihn mit dem Stupor
an die Wand zwingen“, erklärte er kalt und kam sich vor, als würde er gerade
seine ganze Geschichte verraten.
Aber das
Gefühl war nicht das schlimmste Gefühl, das er jemals gefühlt hatte. Nein. Das
Gefühl komplett von Granger abhängig zu sein, das war das schlimmste Gefühl.
„Was ist
mit dir?“, fragte Potter jetzt. „Was ist, wenn wir etwas über dich finden?“
Draco musste lächeln.
„Denkst
du, ich habe Hauselfenleichen im Keller, Potter? Ich denke, ich kenne mich gut
mit meiner Geschichte aus. Delikte in der Schule werden nicht ausreichen, mich
an den Pranger zu stellen“, erklärte er und glaubte, ein wenig Enttäuschung auf
Weasleys Gesicht zu erkennen.
„Und du
bist sicher, dass du das willst?“, erkundigte sich Potter erneut.
„Sicher,
dass ich Lucius die Strafe zu kommen lassen will, die er verdient? Ja, Potter.
Ich denke, ich bin mir sicher.“
„Ok“,
sagte dieser nur. Draco wandte sich endlich ab. „Ach, Draco“, fügte Potter nach
kurzem Zögern hinzu und er hielt inne. „Viel Glück, ok?“
Das war
wohl das persönlichste, was er von Potter zu hören bekommen würde. Und er
wusste, er durfte sich jetzt keinen Fehler leisten.
~*~
Es war
unmöglich.
Sie
hätte es zwar nicht gedacht, aber es war tatsächlich unmöglich einen Job zu
finden. Einen, der ihr wirklich gut gefiel. Und eigentlich hatte sie nicht
vorgehabt, zu schreiben. Aber Luna Lovegood hatte sie beinahe völlig überstürzt
angerufen und ihr von einer Sache erzählt, die sie vielleicht interessieren
könnte.
Sie
hatte gelesen, dass die Stelle von Hermine Granger freigeworden war. Es stand
wohl in der Hexenwoche. Ein Magazin, das Hermine noch niemals in ihrem Leben
freiwillig gelesen hatte. Und deswegen wusste Lun, dass sie auf der Suche nach
Arbeit war.
Sie war
vage in ihren Angaben gewesen, aber mittlerweile, nach so vielen erfolglosen
Suchaktionen, hatte sie kaum eine Wahl, als etwas anzunehmen, das sie
wenigstens im Kern begeistern konnte.
Und alle
Unternehmen bei denen sie angefragt hatte, die sich auch nur im Entferntesten
mit dem beschäftigten, was sie vorher gemacht hatte, gaben ihr seltsame
Auskünfte und sagte, sie würden sie gerne zum Vorstellungsgespräch einladen,
aber sie hätten keinen Platz für sie. Vielleicht im nächsten Jahr.
Es war
wie verhext. Es war, als wollte jemand nicht, dass sie einen Job fand. Es war so
ungerecht. Sie wurde tatsächlich wahnsinnig. Wie hatte sie nur kündigen können?
Wie hatte sie auf ihre sichere Arbeit verzichten können? Sie war so dankbar,
dass sich Luna bei ihr gemeldet hatte. Sie kannte sie wenigstens. Und Schreiben
fiel ihr auch nicht so schwer. Sie hatte in Verwandlung gute Essays
geschrieben. Und die Berichte für die Abteilung waren ihr auch sehr leicht von
der Hand gegangen.
Es
sollte kein Problem sein, für den Klitterer ein paar Berichte hier und da zu
verfassen. Ihr Name würde sich bestimmt gut in einer Zeitung machen. War es
auch eine eher… abnorme Zeitung.
Sie
befand sich an ihren persönlichen Grenzen. Auch wenn sie nicht damit gerechnet
hatte. Würde sie aufhören zu suchen, würde sie sich wahrscheinlich den niederen
Instinkten hingeben und jemanden auf ihrer Hass-Liste umbringen, vermutete sie
bitter.
„Ok, ich
bin bereit“, sagte sie und klang alles andere als das. Aber sie war entmutigt
und die endlose Jobsuche müde. Eigentlich wäre ihr nächstes Ziel Gringotts gewesen,
auch wenn die Kobolde jede menschliche Form verabscheuten. Manchmal musste man
eben tiefer sinken, nahm sie an.
Lunas
Chefredakteur-Zimmer war alles anders als gewöhnlich. Die Wände waren zu
tapeziert mit den besten Titelseiten des Klitterers und verliehen dem Raum
etwas Wahnsinniges. Anscheinend bevorzugte Luna knallbunte Farben. Es sah aus
wie eine Tapete, ausgesucht von einem farbenblinden Psychopathen. Denn für
gewöhnlichen lasen auch nur sehr seltsame Gestalten den Klitterer vorbehaltlos.
Hermine
hatte nur einen Artikel gut gefunden und da ging es um gefährliche Windräder,
die sich in die Schlafzimmer schlichen, um den Menschen die Seele im Schlaf aus
dem Körper zu wehen. Eigentlich handelte es sich hierbei um die Ventilatoren
der Muggel. Und mehrere Produkte waren beschrieben worden. Hermine hatte sich
danach den Venti2000 gekauft. Und bisher funktionierte er einwandfrei und ihre
Seele war immer noch an Ort und Stelle.
„Hör zu,
tut mir leid, dass du deinen Job verloren hast“, begann Luna, allerdings
lächelte sie. Aber Hermine wusste, Lunas Lächeln konnte immer mehrere
Bedeutungen haben. Meistens galt es nicht der Situation, sondern eben einfach
nur ihren Gedanken. Sie nahm also an, dass ihr Lächeln nichts mit ihrer
Situation zu tun hatte. „Allerdings hätte dir auch nichts Besseres passieren
können. Es ist so, dass ich eine ganz neue Enthüllungsthematik behandeln will.“
Hermine
schwanten Berichte von Knallrümpfigen Krötern, Riesenwachteligen
Rehbeinfröschen, unsichtbaren Klumpläusen oder sonstigen Gestalten, die weder
besonders ansehnlich, oder besonders real waren. Ganz abgesehen von den
Krötern, denn diese Geschöpfe kannte sie noch zur Genüge.
„Aha?“,
sagte sie vorsichtig und wappnete sich für die nächsten Worte und bereitete
sich darauf vor, besonders aufgeschlossen auszusehen. Immerhin bot diese Frau
ihr hier einen Job. Ohne nennenswerte Referenzen – die sie auch nicht vorweisen
konnte, fiel ihr gerade ein. Außer ihrem Namen blieb ihr nicht viel. Sie könnte
ein Buch der magischen Geschichte hervorziehen und dort im Inhaltsverzeichnis
nach ihrem Namen suchen.
Dann
konnten die Leute sehen, dass sie fleißig war und keine Angst hatte. Allerdings
konnte sie nicht wirklich erklären, weshalb sie überstürzt eine großartige
Stelle im Ministerium gekündigt hatte. Großartig im weitesten Sinne….
„Was
hältst du von Wahrheitsfindung und Enthüllung der Todesser?“, fragte Luna mit
lauerndem Unterton.
„Was?“
Das klang zu normal. Das klang ja fast nach einer Aufhängerstory, die der
Tagesprophet drucken könnte. Mit sowas beschäftigte sich Luna doch sonst auch
nicht.
„Ja, es
hat mich einfach so gepackt. Ich habe angefangen über die Familie Malfoy
Nachforschungen anzustellen und wenn du möchtest, setze ich dich als ersten
Reporter an diesen Fall.“ Das Wort Reporter klang gut in ihren Ohren. Das Wort
Malfoy wiederum…
„Luna,
ich weiß nicht genau“, sagte sie also. Sie wollte nicht mit Malfoy arbeiten und
sie wollte bestimmt nicht an etwas arbeiten, dass mit der Familie zu tun hatte.
„Hermine, es ist möglich, dass wir Informationen finden, die die Malfoys so
schwer belasten, dass sie entweder Millionen Strafe zahlen müssen oder direkt
nach Askaban kommen.“ Sie horchte auf.
„Askaban? Alle Malfoys?“ Kurz musterte sie Luna und verdrehte anschließend die
Augen.
„Na mal
sehen. Bestimmt Lucius Malfoy. Ihn kann ich sowieso nicht leiden“, betonte Luna
und Hermine wusste eigentlich auch genau, warum. Schließlich war Luna bei den
Malfoys sehr lange Zeit gefangen gehalten worden, ohne dass sie irgendwie dafür
bestraft worden waren. Auch sie hatten nämlich alles auf Voldemort geschoben
und dass sie beeinflusst worden waren.
„Hm…“,
sagte Hermine langsam.
„Ich
bitte dich, Hermine. Ich meine, wir waren dort zusammen. Ich dachte, ich könnte
auf dich zählen, weil… ich traue mich nicht, mit irgendwem anders diese Sache
durchzuziehen“, erklärte sie und Hermine glaubte ihr kein Wort.
„Du traust dich nicht? Du hast dich getraut Radieschen in den Ohren zu tragen
und einen schreienden Löwenkopf beim großen Quidditchauswahlspiel“, erwiderte
sie skeptisch.
„Du willst mir also nicht helfen? Du willst nicht helfen, dass ich mich rächen
kann? Du willst Lucius Malfoy nicht an den Kragen?“, fuhr sie fort und
durchbohrte Hermine förmlich mit ihrem Blick.
Dann seufzte
sie auf. „Ok, meinetwegen. Du willst dich an den Malfoys rächen. Und was dann?“
„Dann
habe ich eine tolle Idee für die Sumpfmörtel Riesenlarven. Ich meine, es sind
so unterschätzte kleine Tierchen. Und so groß werden sie auch nicht. Sie werden
ab und an als Sauglarven bei Schönheitskorrekturen eingesetzt“, fuhr Luna fort.
Hermine verzog den Mund.
„Weißt
du… das klingt wirklich… verlockend, aber ich denke, ich versuche mich erst mal
an dieser Enthüllungssache und dann sehen wir weiter“, endete sie vorsichtig.
Luna lächelte wieder verschwörerisch.
„Und mit
wem gehst du zu Harrys Hochzeit? Es ist ja so aufregend, oder?“ Hermine
beschloss das Thema zu wechseln, denn sie würde gleich ausrasten, denn
anscheinend war jeder eingeladen – außer sie!
„Wann
soll ich anfangen? Es gibt bestimmt viel nachzuforschen, richtig?“, erwiderte
sie anstatt zu antworten.
„Ja“,
begann Luna langsam. „Hier ist im Moment kein Platz mehr. Alles Büros sind
voll. Ich habe am Ende der Winkelgasse eine Zweitstelle eingerichtet. Sie ist
nicht ganz so schön.“ Sie warf einen bedauernden Blick an die Wände. „Wir
hatten nicht genügend Klitterer Seiten, um das gesamte Gebäude zu tapezieren.
Hermine versuchte enttäuscht auszusehen, aber sie befürchtete, es gelang ihr
nicht gut. „Egal. Es ist in der Winkelgasse 480. Ich denke, du kannst es nicht
verfehlen. Die Sekretärin kann dir dort dann weiter helfen. Sie weiß, dass du
kommst“, fügte Luna immer noch lächelnd hinzu.
„Woher weiß sie, dass ich komme?“, hakte Hermine plötzlich nach. Lunas Lächeln
geriet ins Wanken.
„Na ja…
ahem… du hättest doch niemals abgelehnt, wenn ich dich um solch einen Gefallen
bitten würde, oder?“ Irgendwas stimmte hier nicht. „Außerdem… ich meine, es
steht dir frei. Wie läuft denn die Jobsuche bisher? Du musste sie doch bestimmt
mit Stöckern beiseite schlagen, oder nicht, Hermine?“
Gut. Sie
würde morgen skeptisch sein. Jetzt stand erst mal fest, dass niemand sie wollte
– außer Luna. Und sie sollte wirklich nicht dem einzigen Menschen vor den Kopf
stoßen, der ihr eine Chance bot.
„Ok. Ich
mach mich auf den Weg.“
„Du
kannst mich gerne anflohen, wenn irgendetwas ist. Aber nicht zwischen drei und
fünf. Die Flügelwichtler sind dann nämlich zwischen den Kaminen unterwegs um für
ihre Feuernester die Funken zu sammeln.“ Fast hätte Hermine nachgefragt, aber
sie beherrschte sich gerade eben so.
~*~
Sie
apparierte der Einfachheit halber zu der Zweitstelle. Sie konnte gar nicht
sagen, was ihr alles komisch an dieser Sache vorkam. Aber vielleicht lag es nur
daran, dass der Klitterer immer etwas – nun ja – an Glaubwürdigkeit hinterher
hinkte.
Ein Job
war immerhin ein Job. Luna würde sie bezahlen. Sie würde einen Bericht
veröffentlichen und konnte sich ja nebenbei nach etwas anderem umsehen.
Auch die
Sekretärin lächelte, als sie hereinkam.
„Hermine
Granger?“, fragte sie sofort und alles wirkte hier noch spartanisch und nicht
so, als ob man hier wirklich schon arbeiten konnte.
„Ja,
hallo. Hat Luna Ihnen Bescheid gesagt?“, fragte sie und hatte das Bedürfnis zu
fliehen.
„Luna?“,
fragte die Frau verwirrt, dann nickte sie schließlich. „Ja, sicher. Sie hat mir
gerade Bescheid gesagt, dass Sie kommen.“ Log diese Frau? Wurde sie einfach nur
verrückt, weil… sie eben einfach verrückt wurde? „Gehen Sie einfach die Treppe
rauf. Das Büro zu Ihrer rechten Seite“, erklärte die Frau höflich und versank
dann wieder in ihre Zeitschrift. Hermine wusste nicht, ob es eine Ausgabe des
Klitterers war. Und sie kam sich dumm vor, nachzufragen.
Also
ging sie die Treppe rauf. Sollte sie für alle Vorsicht den Zauberstab
bereithalten?
War es
eigentlich überhaupt eine gute Idee, gegen Lucius Malfoy Nachforschungen zu
betreiben? Hatte er nicht vielleicht immer noch überall seine kleinen Spione
sitzen?
Sie öffnete
die Tür zum Büro. Es war leer. Ein Schreibtisch mit zwei Stühlen befand sich im
Innern. Ein verstaubter Kamin an der anderen Seite und keine Bilder an den
Wänden. Dafür lagen Haufen an Papier und Pergament auf dem Tisch. Anscheinend
war sie nicht allein beauftragt, an dieser Sache zu arbeiten.
Ehe sie
den Gedanken zu Ende denken konnte, öffnete sich die Tür erneut.
Zwei
Tassen Kaffee dampften in seiner Hand und ein Lächeln erhellte seine Züge.
Sie war
so verblüfft, dass sie auf den Stuhl hinter sich sank. Was tat er hier? Und war
sie wirklich überrascht, dass er gekommen war? War sie überrascht, dass sie
hier in einem spärlich eingerichteten Büro auf Draco Malfoy traf?
Ja. Sie
war überrascht.
„Hey“,
begrüßte er sie nahezu gleichgültig und stellte ihr eine Tasse auf den Tisch.
„Wie lief dein Gespräch in Paris?“, erkundigte er sich nonchalant und setzte
sich ihr gegenüber.
„Was
tust du hier? Woher weißt du, dass ich hier bin?“, fragte sie stattdessen vollkommen
überfordert.
„Ich
arbeite hier. Luna hat mir schon Bescheid gesagt“, beantwortete er eilig ihre
Fragen. „Und wie lief dein Gespräch im Ministerium hier?“, fuhr er fort.
„Da ich
hier bin sollte dir klar sein, dass die Gespräche schlecht liefen. Wie auch das
Gespräch bei den Fluchbannern, den Runenübersetzern und den freien Auroren“,
fuhr sie ärgerlich fort.
„Lief
bei mir ähnlich. Luna hat sich aber bei mir gemeldet und mich gebeten diese
Sache für sie zu erledigen“, sagte er und bedeutete ihr den Kaffee zu trinken.
Völlig unbewusst griff sie nach der Tasse und trank. Er schmeckte gut. Stark,
aber gut.
„Luna
hat dich gefragt, ob du deine Familie beschatten würdest?“, wiederholte sie
argwöhnisch und er deutete auf den Haufen an Papier vor sich.
„Ja, schon
vor ein paar Tagen. Und sie hat mich gefragt, ob es in Ordnung sei, dich zu
fragen und ich hab gesagt, ok“, erklärte er immer noch gleichgültig.
„Sie hat dich gefragt? Und du hast gesagt, ok?“, wiederholte sie erneut seine
Worte und konnte sie nicht glauben. „Du arbeitest?“, fügte sie fassungslos
hinzu und er zuckte die Achseln.
„Sicher. Nicht jeder ist ein reicher Todesserjunge und kann sich ausruhen“,
sagte er bedächtig.
„Aber du bist…“ Sie überlegte, was sie sagte. „Du bist reich, Malfoy.“ Sie war
müde. Sie wollte ihn nicht sehen. Denn es tat weh, ihn zu sehen.
„Granger,
ich bin lediglich wohlhabend. Mein Vater ist reich. Und das möchte ich ändern.
Am besten so schnell es geht“, fügte er hinzu. „Du kannst mir helfen oder du
gehst zu Luna und erklärst ihr, dass du zu befangen bist, weil du mit mir
geschlafen hast und damit nicht umgehen kannst, wenn du mich siehst.“
Ihr Mund
klappte auf. Vor Entrüstung, vor Entsetzen, vor Schock.
Er sah
sie an. Ob erwartend, ungeduldig oder gereizt konnte sie wirklich nicht sagen.
„Ich
habe kein Problem damit, Malfoy. Ich bin nicht befangen“, erklärte sie zornig.
„Richtig.
Was in Paris passiert ist, zählt also nicht?“, erkundigte er sich mit einem schwachen
Lächeln und sie musste schlucken, als ihr Kopf ihr wieder Bilder lieferte von
den Dingen, die passiert waren.
Rich…richtig“,
sagte sie energisch.
„Dann
hilfst du mir, meinen Vater zu vernichten?“
„Nein,
ich helfe Luna mit ihrer… Wahrheitsfindung.“
„Wahrheitsfindung“,
wiederholte er amüsiert und nickte schließlich. „So kann man es auch nennen“
bestätigte er.
„Hör zu, ich helfe bestimmt nicht dir. Ich helfe Luna, weil dein Vater ein
blödes, arrogantes Arschloch ist, das nicht weiß, was Recht und Anstand ist!“,
stieß sie jetzt hervor.
„Mein Vater?“, wiederholte er, um sicher zu gehen.
„Ja, dein Vater, Malfoy“, erwiderte sie angriffslustiger als sie es von sich
erwartet hatte.
„Gut.
Dann haben wir ja kein Problem“, stellte er fest und schob ihr einen Berg an
Unterlagen zu. Kurz sahen sie sich an. Ihr Herz raste irgendwie viel zu
schnell. Vielleicht lag es am Kaffee. Ihre Fingerspitzen kribbelten. Auch der
Kaffee. Ihr Mund war unglaublich trocken. Lag bestimmt auch am Kaffee.
„Kein
Problem“, bestätigte sie knapp und musste den Blick von seinem lächelnden
Gesicht abwenden. Er war immer noch zu schön. Es war schlimm. Sie wollte ihn
nicht sehen, aber genauso dringend musste sie ihn sehen. Das würde sie nicht
zugeben. Denn er war auch nur ein Arschloch.
Und
wieso hatte ihm Luna Bescheid gesagt. Er hatte seinen Blick schon in die
Unterlagen gesenkt. Wieso wollte er seinen Vater fertig machen? So viele
Fragen. Wieso musste sie überhaupt mit ihm zusammen arbeiten?
Es war
bezeichnend, dass sie keine der Fragen laut äußerte. Sie kam sich schwach und
hilflos vor. Sie würde noch ein wenig länger die offensichtlichen Fragen
verdrängen. Sie würde den Schein wahren, bis sie genug davon hatte, ihn
anzusehen und seinen Anblick in sich aufzunehmen. Sie würde anfangen zu fragen,
sobald sie keine Schmetterlinge mehr im Bauch spüren konnte.
Irgendwann,
nahm sie an, mussten doch auch die Schmetterlinge sterben. Seine schienen
jedenfalls auch gestorben zu sein. Wenn er denn je welche gehabt hatte. Dieser
Mann hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Mehr schlecht als recht, aber…
anscheinend galten diese Gefühlswandlungen wirklich nur für Paris.
„Wir
treffen uns morgen mit Luna. Ich hoffe, du hast nichts anderes vor“, sagte er
knapp. Sie zuckte mit den Achseln.
„Malfoy, wieso arbeitest du für Luna?“, fragte sie schließlich, weil sie nicht
anders konnte. „Das kannst du doch wohl nicht freiwillig machen“, fügte sie
leiser hinzu.
„Warum?
Weil ich ein Todesser bin?“, erwiderte er ruhiger und sah sie ernst an. Ihr
Mund öffnete sich langsam. Sie wollte sich nicht wieder streiten. Nicht schon
wieder. Nicht über dasselbe. Er schien ihre Antwort nicht abwarten zu wollen.
„Lass uns hier weiter machen. Bitte“, fügte er leiser hinzu.
Sie
griff nach einem Ordner, der Tagebücher
hieß. „Sind die Seiten rausgerissen?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn als sie
durch die vergilbten Seiten blätterte.
„Nein,
die sind magisch kopiert. Ich habe mir die Freiheit erlaubt“, fügte er bitter
hinzu. „Meine Mutter wird nichts dagegen haben, nehme ich an. Was sie nicht
weiß…“ Er ließ den Satz unvollendet.
Die
Tagebücher seiner Mutter? Sie versuchte, nicht interessiert die erste Seite zu
verschlingen….
September 1982
…und ich hasse Lucius Malfoy! Ich
schreibe es wortwörtlich, damit ich es ja nicht vergesse, wenn er das nächste
Mal wagen sollte, nach Verwandlung hinter mir herzulaufen, nur um mich zu
beleidigen. Er ist ein widerlicher, hässlicher, gemeiner, unglaublich böser,
opportunistischer Kerl.
Ich kann dir gar nicht sagen, wie
sehr er mich aufregt! Was sind das überhaupt für Haare? Sie zu beschreiben,
würde hier zu weit führen. Vielleicht färbt er sie sich magisch. Dann wäre er
noch dümmer, als er sowieso schon ist.
Ich hoffe, er verliert den dämlichen
Pokal im nächsten Spiel. Quidditch liegt ihm nicht besonders. Vielleicht kommt
sein Vater und nimmt ihn dann von der Schule. Dieser reiche, ekelhafte
Mistkerl!
Ich, Narzissa Black, schwöre
feierlich, dass ich nie wieder auch nur ein einziges Wort mit diesem
aufgeblasenen Snob sprechen werde.
Sirius hat vollkommen recht. Nicht,
dass ich auf ihn hören würde. Immerhin ist er zwei Jahre jünger und hat erst
recht keine Ahnung.
Ich werde aber herausfinden, was es
mit diesem Lord Voldemort auf sich hat. Lucius Malfoy macht sich bestimmt nicht
umsonst die Mühe, alle von ihm fern zu halten. Politisch gesehen liegt dieser
Lord doch eigentlich richtig, oder nicht?
Ich muss aufhören. Ich schreibe
morgen wieder, wenn mich diese Elizabeth Westerford nicht damit nervt, wie toll
sie Lucius Malfoy findet. Soll sie doch ihren Geoffrey Parkinson nehmen. Der
läuft doch die ganze Zeit hinter ihr her.
Die Kinder von Elizabeth und
Geoffrey möchte ich mir aber lieber nicht vorstellen. Grauenhafte Nervensägen,
bestimmt.
Aber bestimmt erträglicher als alle
zukünftigen Kinder von Lucius Malfoy. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es
überhaupt irgendjemand neben diesem hirnlosen, blonden Angeber aushalten würde!
Elizabeth kommt. Du weißt ja, was das heißt…
Hier
endete der Eintrag von Malfoys Mutter. Und Hermine konnte nicht umhin, zu
schmunzeln. Anscheinend mochte Narzissa ihren Mann damals nicht besonders gut
leiden. Und anscheinend war nicht Lucius derjenige gewesen, der so
Voldemort-fanatisch gewesen war.
Hermine
fragte sich, ob Narzissa Malfoy noch wusste, dass sie diese Worte geschrieben
hatte. Anscheinend hatte sie aber doch noch ihre Meinung geändert. Und
Elizabeth Westerford schien Geoffrey Parkinson tatsächlich geheiratet zu haben.
Und ja, Pansy war eine Nervensäge….
Sie hob
den Blick. Hatte Malfoy sie angesehen? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie hatte
schon fast vergessen, dass sie ja eigentlich Beweise dafür suchen sollte,
Lucius in Schwierigkeiten zu bringen.
Aber
ihre Finger blätterten weiter zum nächsten Eintrag in Narzissas Tagebuch.
„Hast du
gewusst, dass Lucius Mitglied im Koboldsteinklub gewesen ist?“, fragte sie ihn
und tauchte aus einem weiteren Auszug eines Tagebuchs empor. Er sah sie kurz
an. Es schien ihr unverschämt viel Spaß zu machen, in der Vergangenheit seiner
Eltern zu forschen.
Natürlich
hatte er ihr die Tagebücher seiner Mutter nicht ohne Hintergedanken zugespielt.
Sie war zwar noch einige Jahre weit entfernt, aber er erhoffte sich akkurat
eine ganz bestimmte Regung von ihr.
Die
Beziehung seiner Eltern war symptomatisch bezeichnend gewesen. Würde er
entscheiden müssen, wer von beiden eigentlich der böserer Part gewesen war,
würde er ganz klar auf seine Mutter tippen.
Er
kannte die Tagebücher. Er war Einzelkind. In einem Herrenhaus hatte man nicht
viel zu tun, außer durch die Zimmer zu wandern und Schatzsucher zu spielen. Die
Hauselfen hatten damals für ihn herhalten müssen, denn seine Eltern hatten
andere Dinge zu tun gehabt, als sich um ihren Sohn zu kümmern. Sie mussten
planen die Welt zu vernichten und wenn dies scheitern sollte, dann mussten sie
einen Weg finden, zu überleben ohne nach Askaban zu kommen.
Das ließ
wenig Zeit für das Kind im Haus. Deswegen hatte er viele Hauselfen gehabt, die
ihn gefüttert, ihn gewaschen und seine Sachen für den nächsten Tag auf den
Ankleidestuhl gelegt hatten.
Sie
hatten nicht besonders gern und auch nicht besonders gut mit ihm gespielt,
erinnerte er sich düster. Er wollte magische Piraten spielen, auf unsichtbaren
Luftschiffen das Haus erobern, aber die Hauselfen konnten nicht besonders gut mit
den alten Schwertern umgehen, also musste er die meiste Arbeit beim Nahkampf
leisten, während die Hauselfen mit missbilligenden Blicken zugesehen hatten.
Und
irgendwann hatte er das Schlafzimmer seiner Eltern erobert. Dort wurden im
alten Schrank die vielen endlosen Kleinigkeiten aufbewahrt und weggeschlossen,
für die es keine Verwendung mehr gab. Es grenzte an ein Wunder, dass ihn seine
Eltern ihn nicht einfach auch dort in den Schrank gesperrt hatten, überlegte
er.
Jedenfalls
hatte er dort die Tagebücher entdeckt als er gerade erst lesen konnte. Vieles
hatte keinen Sinn gemacht, aber über die Jahre, wenn er immer mal wieder in den
Ferien dort hoch ging, um sich in die Vergangenheit seiner Eltern einzulesen,
hatte er immer mehr verstanden. Er hatte gelernt, zu verstehen, weshalb seine
Eltern so waren, wie sie waren. Weshalb sie keine andere Wahl gesehen hatten,
weshalb sie sich alle nun völlig auseinander gelebt hatten.
Er war
unbeschadet aus dieser Familie raus gekommen, zumindest glaubte er das fest.
Und Grangers Suche grenzte eigentlich an vertane Zeit, denn, alles, was er
brauchte um seinen Vater in die Knie zu zwingen, hatte er bereits gestern
gefunden. Es handelte sich nur um ein Pergament. Es war ein Schweigepergament.
Es war belegt mit zahlreichen Flüchen und stammte aus dem Jahr, in dem die
Schlacht um Hogwarts stattgefunden hatte.
Es war
sein letztes Jahr dort gewesen und er glaubte, dass Granger, Potter und Weasley
schon unterwegs gewesen waren, als das Treffen im Hause Malfoy stattgefunden hatte.
Er wusste, er konnte die Flüche auf diesem Pergament mit seinem Blut brechen,
denn sein Blut war das Blut seines Vaters. Familienblut löste alle Flüche des
Hauses Malfoy.
Auf
diesem Pergament hatte Lucius sämtliche Forderungen und Verbote festgehalten,
die mit dem Tod der Muggelkundelehrerin Charity Burbage zusammenhingen. Er war
an diesem Tag anwesend gewesen und hatte sich wochenlang später noch übergeben
müssen. Er hatte Albträume gehabt und war jede Nacht schreiend aus dem Schlaf
gefahren. Es hatte Jahre gedauert das Bild zu vergessen. Das Bild der armen
Frau, belegt mit dem Levicorpus, getötet mit dem Avada und dann Nagini zum Fraß
vorgeworfen.
Und er
war mehr als willig seinen Vater für dieses Vergehen zur Rechenschaft zu
ziehen. Es war alles, was er brauchte. Eigentlich hatte er niemals geplant, die
Tagebücher seiner Mutter irgendwem zu zeigen. Sein ursprünglicher Plan war
gewesen, die Bücher zu zerstören und niemals wieder einen Gedanken daran zu
verschwenden. Aber manchmal, so nahm er an, war es wichtig, dass man andere an
Dingen teilhaben ließ, die einem selber mehr als unangenehm waren.
Er hatte
noch zwei Tage Zeit. Noch zwei Tage, in denen er ein Mädchen davon überzeugen
musste, dass er ein liebenswerter Mensch war. Fast hätte er darüber gelacht.
„Ja, ich
habe das gewusst. Aber ich bin mir sicher, Lucius würde es leugnen bis zum
Tod.“
„Es
kommt mir vor, als wäre er ein… ein…“
„Besserer
Mensch gewesen als jetzt? Ja, definitiv“, beendete er den Satz für sie. Sie
strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Er fragte sich, wann sie ihn befragen
würde, ob niemals jemand hier her kam. Aber er wusste noch nicht, ob er sie
belügen würde. Denn ja, er hatte dieses Haus hier gekauft und behelfsmäßige
Büros eingerichtet. Er hatte Luna angeboten, seinen Vater dem Gesetz
auszuliefern, als Entschädigung dafür, dass sie wochenlang im Hause Malfoy
gefangen gewesen war.
Er hatte
Granger sämtliche Steine in den Weg gelegt und die Unternehmen und freien
Zauberer bestochen, damit sie ihr unter gar keinen Umständen eine Stelle
anboten. Er hatte sehr viel Geld dafür ausgegeben, um Granger genau hier an
diesem Tisch zu haben.
Und
eigentlich ging er davon aus, dass sie zumindest über einen Teil dieser Dinge
Bescheid wusste. Er hatte nicht erwartet, dass es funktionieren würde. Er hatte
es gehofft, aber nicht damit gerechnet. Er hatte sehr offen sein müssen. Mit
Luna und mit Ginny Weasley – und von der kleinen Weasley wusste er nur zu gut,
dass sie ihn bis auf die Eingeweide verabscheute.
Anscheinend
hatte er aber einen wichtigen Punkt gemacht. Anscheinend hatte er sie irgendwie
davon überzeugen können, dass es ihm sehr ernst war. Und er war nicht dumm. Ihm
war völlig klar, dass die kleine Weasley nur aus zwei möglichen Gründen
mitgemacht hatte: Granger war ihr wichtiger als alles andere. Und Ginny Weasley
musste etwas wissen, was ihm bisher noch unbekannt war. Oder zumindest war es
nur eine Vermutung. Sie musste definitiv wissen, was Granger fühlte.
Und
allem Anschein nach war er ihr nicht so zuwider, wie sie vorgab. Luna hatte ihm
gesagt, dass sie Granger zu absolut nichts zwingen würde und wenn sein Spiel
aufflog, dann wäre er auf sich selbst gestellt. Er war jetzt schon auf sich
selbst gestellt. Und sie war so nah! Er müsste nur die Hand ausstrecken und
könnte ihre Finger berühren. Er müsste nur aufstehen und ein paar Schritte in
ihre Richtung machen, dann könnte er sie berühren, er könnte sie küssen, er
könnte sich all das hier sparen.
Aber das
tat er nicht. Und er wusste nicht genau, warum er es nicht tat. Wahrscheinlich
aus Angst, nahm er an. Sie hatte vielleicht mehr Angst, aber er war nicht viel
besser. Ihm fiel vieles leicht und vieles ging ihm wie von selbst von der Hand,
aber Gefühle waren nie etwas gewesen, mit dem er gut hatte umgehen können.
Wahrscheinlich wusste Pansy das am besten.
„Denkst
du, in den Tagebücher gibt es etwas brauchbares?“, fragte sie jetzt. Und er
kannte ihren Tonfall. Er war skeptisch, prüfend und deutete an, dass sie
bereits einiges durchschaut hatte. Aber er wusste dafür auch, dass sie die
Bücher nur ungern aus der Hand legte.
„Keine
Ahnung. Du musst ja nicht weiter lesen“, schlug er gleichmütig vor. Aber sie
legte die Manuskripte nicht beiseite. Das war ihm klar gewesen.
Es
überraschte ihn, dass er sich so geändert hatte. Ihm war noch der Nachmittag im
Kopf geblieben, als sie zusammen an dem Tisch auf Blaises Hochzeit gesessen
hatten. Hatte er Granger überhaupt wahrgenommen? Ja, hatte er. Sie war
ausnahmslos hübsch gewesen.
„Was?“,
fragte unsicher und sah ihn an. Er fühlte es. Es war der richtige Punkt, um ihr
zu sagen, dass er sich die Mühe hier nur gemacht hatte, damit sie mit ihm
sprach. Er wollte es sagen. Er fühlte, wie die Worte an die Oberfläche stiegen,
er wusste genau, was er sagen wollte. Sein Herz war in dieser Sekunde absolut
bereit. Er musste nur den Mund öffnen, Luft holen, seine Stimmbänder anspannen
und sagen, dass er sie liebte, dass es ihm leid tat, dass er aber keine andere
Möglichkeit gesehen hatte.
Aber er
sagte es nicht.
Der
Moment verging so schnell, wie er gekommen war. Er räusperte sich und erhob
sich plötzlich.
„Nichts.
Ich habe beschlossen, allein mit Luna zu sprechen.“ Er griff nach dem Ordner,
den er sich zurechtgelegt hatte. Zum einen, weil es seine Aufgabe war, seinen
Vater auszuliefern und nicht Grangers, und zum anderen, weil er nicht wollte,
dass sie ihn fand.
Denn
jetzt hatte er sich dagegen entschieden, ihr die Wahrheit zu sagen.
„Du
willst allein mit ihr reden? Ich dachte, wir wollen das zusammen tun?“ Kurz sah
er sie an. Prüfend und sehr genau. Wollte sie mit ihm zusammen dorthin oder
wollte sie es einfach nur erledigen? Sie senkte ihren Blick. Schnell und fast
beschämt. „Aber nein… eigentlich ist es egal. Du kannst alleine gehen. Warum
auch nicht? Wir haben ja sowieso noch nichts Brauchbares gefunden. Richtig,
Draco?“ Sie benutzte seinen Vornamen, als könne sie ihn so zu einem Geständnis
bringen, vermutete er.
„Richtig“,
erwiderte er knapp. Sie sah ihn wieder an. Die dunklen Augen auf seinen Blick
geheftet, aber er wusste nicht genau, worauf sie wartete. Er verharrte kurz und
rang sich eine weitere Frage ab. „Hast du eigentlich deinen Freunden schon
Bescheid gesagt, dass du hier bist?“, fragte er unangenehm berührt und sie
verzog den Mund.
„Was
interessiert es dich?“, schnappte sie gereizt. Er verdrehte die Augen.
„Du hast Recht, es interessiert mich absolut nicht“, gab er zurück und ärgerte
sich darüber, dass sie ihm nicht vertraute. Er wandte sich zur Tür.
„Nein, habe ich nicht“, beantwortete sie die Frage tonlos. „Warum? Sollte ich?
Hast du vor mich still und heimlich umzubringen?“ Immer wieder dasselbe. Immer
wieder misstraute sie ihm. Jeden gottverdammten Tag. Er kam zum Tisch zurück
und lehnte sich langsam zu ihr runter. Sie erstarrte und sah ihn argwöhnisch
an.
„Hätte
ich vorgehabt dich umzubringen, hätte ich es nicht längst schon getan?“,
entgegnete er die Gegenfrage, die sich schlicht und einfach aufdrängen musste.
Sie atmete zornig aus.
„Woher
soll ich das wissen? Du tust lauter seltsame Dinge, ohne dass ich begreife,
weshalb“, erwiderte sie ruhiger als er angenommen hatte.
„Du
könntest einfach fragen. Stattdessen bleibst du einfach ruhig hier bei mir
sitzen.“ Er musste sich kontrollieren, oder er würde sich noch darüber ärgern,
dass er etwas sagte, was er nicht hatte sagen wollen.
„Welche Frage muss ich stellen, Malfoy?“, gab sie ungehalten zurück und er
stieß entnervt die Luft aus. „Warum ich keinen anderen Job finde, als diesen
hier mit dir? Weshalb wir in einem Gebäude sitzen, das seit achtundvierzig
Stunden kein anderer Mensch mehr betreten hat? Warum ausgerechnet du vorhast, deinen Vater auszuliefern?“
Er lehnte sich näher zu ihr, unfähig sich im Zaum zu halten.
„Wie
wäre es, wenn du mich fragen würdest, weshalb ich mich mit dir geschlafen habe?“,
korrigierte er sie eisig und sie erhob sich übergangslos.
„Das
will ich überhaupt nicht wissen, Malfoy!“ Er wusste, sie würde gleich ihren
Mantel nehmen und gehen. Sie würde nicht mehr wiederkommen und er hätte absolut
großen Mist gebaut und würde von Weasleys Schwester wahrscheinlich umgebracht
werden.
„Nein,
natürlich nicht, oder Hermine? Gibt es etwas wovor du mehr Angst hast als vor
dieser einen Antwort? Bestimmt nicht. Was wäre das Schlimmste, was passieren
könnte, verflucht?“ Merlin, er musste sich endlich wieder beruhigen! Er musste!
Er musste einfach.
„Das
Schlimmste?“, schrie sie und drehte sich zu ihm um, so dass ihre Haare über die
Schulter flogen. Er liebte es, wenn sie sie offen trug und sie so verführerisch
darauf warteten, dass er seine Finger in sie grub, damit er ihr Gesicht an sein
eigenes bringen konnte, um diese Lippen zu küssen, die für ihn nur böse Worte
übrig hatten. „Das Schlimmste, was du tun könntest? Du hast überhaupt keine
Ahnung, was das Schlimmste wäre, was du mir antun könntest!“ Er wollte nicht,
dass sie weinte. Nicht wegen ihm. Nicht schon wieder. „Das Schlimmste wäre,
wenn du hierfür verantwortlich wärst, Malfoy“, fuhr sie zornig fort. „Dass es
alles von dir geplant war und dass du selbst Ginny überzeugt hast, mir den Job
wegzunehmen, nur damit du mich noch einmal demütigen kannst. Noch einmal sehen
kannst, wie das Schlammblut am Boden zerstört ist und keine andere Wahl hat als
mit dir hier zu sitzen und darüber nachzudenken, dass mit dir zu schlafen
wahrscheinlich der größte Fehler meines Lebens war, weil es für dich nichts
weiter ist als ein Spiel, eine Wette, einfach eine Gemütsschwankung in deinem
scheiß selbstsüchtigen Tag!“
Sie
weinte nicht. Ihr Atem ging schnell. Und er wünschte sich, sie würde ihn
schlagen.
„Miss
dir nicht zu viel Bedeutung bei“, sagte er lediglich und wollte eigentlich
etwas anderes gesagt haben. „Ich bin später wieder da“, fügte er ruhiger hinzu,
ohne sie anzusehen.
„Schön“,
flüsterte sie zornig und ließ ihn vorbei. Sie hielt ihn nicht auf. Sie warf
sich nicht in seine Arme. Sie weinte nicht, um sich von ihm trösten zu lassen.
Nein, sie sagte, er war der schlimmste Fehler ihres Lebens.
Sie
hatte gehen wollen. Sie hatte nach ihm direkt auch noch verschwinden wollen.
Aber sie hatte sich kindisch verhalten. Was hatte sie gedacht? Dass Malfoy
tatsächlich für all das hier verantwortlich war? Bestimmt nicht. Bildete sie
sich wirklich zu viel ein? Was hatte sie erwartet? Dass er auf die Knie fallen
würde, um sie um Entschuldigung zu bitten? Wie konnte sie es hier überhaupt
aushalten.
Und was
hatte er damit gemeint? Was hatte er hören wollen? Wollte er, dass sie ihn
fragte, weshalb er mit ihr geschlafen hatte? Wollte er das wirklich?
Und was
wollte er dann darauf sagen? Dass es wieder einmal ein Spiel war?
Und was,
wenn er etwas anderes sagen würde? Verteidigte sie sich nur, weil sie Angst vor
einer anderen Antwort hatte? Meinte er das? Es war unmöglich, dass er das
meinte!
Mit
zitternden Fingern strich sie wahllos durch die Blätter an Tagebucheinträgen.
Juni 1999
Draco und Lucius haben Streit
angefangen. Schon wieder haben sie sich gestritten. Es kommt mir vor, als
streiten sie sich immer häufiger. Es ging wieder einmal darum, dass Harry
Potter im Quidditch besser war. Ich glaube aber nicht, dass es wirklich darum
geht. Ich habe Lucius gebeten, Draco von den Plänen des Dunklen Lords zu
erzählen. Draco ist doch unsere einzige Möglichkeit.
Lucius hat mir nicht gesagt, was er
davon hält, aber ich hoffe, er macht ihm klar, dass das Dunkle Mal zu tragen,
unser einziger Ausweg ist. Ich habe mehr und mehr das Gefühl als würde sich
Draco gegen uns stellen.
Der
Eintrag war unleserlich ab dieser Stelle. Hermine blätterte weiter. Es folgten
mehrere Seiten über ein Familientreffen, bei dem sich Lucius und Bellatrix
angelegt hatten.
August 1999
Merlin, steh mir bei. Draco muss Albus Dumbledore töten. Ich
weiß nicht, wie es geschehen konnte. Draco hat das Dunkle Mal bekommen und
seinen ersten Auftrag. Ich weiß, er wird es nicht schaffen. Und ich will nicht,
dass er jemanden töten muss. Er wird bestraft für Lucius‘ Versagen.
Lucius spricht nicht mehr mit mir.
Es war ein großer Fehler und es ist unsere einzige Chance. Bellatrix will
nicht, dass ich Severus aufsuche, aber ich werde es doch tun müssen. Bellatrix
sagt, er ist ein Spion von Dumbledore. Sie vertraut ihm nicht. Keiner aus den
Rängen vertraut ihm noch. Ich glaube, nicht einmal der Dunkle Lord vertraut ihm
noch.
Ich habe Dracos Willen gebrochen
und…
Wieder
war der Eintrag unleserlich. Aber sie wusste nicht, ob er mit Absicht nicht zu
lesen war, oder ob es wirklich Wasserflecken oder Altersflecken waren, die ihn
zerstört hatten.
Sie
blätterte durch die Einträge. Es kam nicht viel über Draco. Viel stand über die
Große Schlacht, aber Hermine wollte darüber nichts lesen. Sie kannte alles, was
es darüber zu wissen gab. Narzissas Schmerz über den Verlust ihrer geliebten
Schwester konnte sie kaum ertragen. Es widerte sie an.
Mai 2003
Es ist warm geworden. Die Pfauen
haben die letzten warmen Winterfedern abgeworfen und der weiche Flaum bedeckt
wie Schnee den gesamten Vorgarten. Draco ist ausgezogen. Lucius gibt mir die
Schuld daran.
Er hat Draco sogar gedroht, dass er
das Haus nicht bekommen wird, wenn er sich jetzt gegen die Familie wendet. Aber
ich glaube, das Haus steckt voller Schulden. Wenn Draco etwas erben wird, dann
nur unsere Schulden. Nein, eigentlich Schulden für die nur Lucius
verantwortlich ist.
Ich glaube, es schert Draco alles
nicht mehr. In seinem Zimmer liegen die Bücher über Harry Potter und seine
Freunde. Draco hat sie alle gelesen. Ich glaube, er wird uns nicht verzeihen.
Lucius schläft nicht mehr mit mir. Ich denke, es liegt daran, dass sein
einziger Sohn uns verlassen hat. Oder vielmehr ihn verlassen hat.
Ich gebe Draco die Schuld daran,
denn wenn ich mir noch mehr Schuld auf bürge, werde ich daran zu Grunde gehen.
Mein Sohn hat mich die letzte
Energie gekostet. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Lucius zu heiraten.
Jeder muss mit seinen Fehlern Leben
und der Schande, die…
Hier
fehlte wieder ein entschieden großer Teil.
Hermine
empfand immer mehr Hass auf Narzissa Malfoy. Auf Lucius Malfoy. Auf alle
Malfoys. Sie legte die Blätter ärgerlich beiseite. Es gab noch mehrere
Tagebücher, die darauf warteten gelesen zu werden.
Unter
dem gesamten Bündel an Pergamentblättern entdeckte sie einen weiteren
zusammengebunden Haufen.
Hogwarts, viertes Jahr, stand dort. Eigentum von Draco Malfoy.
Anscheinend
kam Draco auf seine Mutter und hatte ebenfalls Tagebuch geführt. Oder zumindest
so etwas, wie einen Tagesplaner, vermutete sie. Sie suchte die anderen Jahre,
aber sie waren nicht dabei. Wahrscheinlich war auch das vierte Jahr nur
versehentlich mit in diesen Stapel gerutscht, nahm sie an.
Auch
diese Seiten waren magisch kopiert worden. Sie blätterte durch die
Aufzeichnungen. Das Datum war manchmal vorhanden, manchmal bestanden die
Einträge auch nur aus Schimpfwörtern, mit denen er Harry beleidigen wollte.
An einem
Eintrag blieb sie jedoch hängen.
~*~
„Bist du
dir sicher?“, fragte Luna und biss sich auf die Unterlippe. Draco hatte gerade
die Wunde an seinem Finger wieder verschlossen, mit der er das Pergament vom
Fluch befreit hatte.
„Ja. Du
kannst es nutzen, wann immer du willst.“ Sie hob den Blick.
„Warum
fehlt deine Unterschrift?“, fragte sie jetzt. Sein Lächeln war ein freudloses
Lächeln.
„Lucius
hat mich nicht als erwachsenen Menschen gezählt. Ich war nur… gerade da“,
erklärte er kalt. „Ich existiere nicht in seiner Todesserkarriere.“
„Oh“,
sagte sie langsam.
„Wenn du
willst, kann ich meinen Namen nachträglich eintragen. Eigentlich hast du
Recht.“ Er griff nach einer Feder auf ihrem Schreibtisch. Sie zog das Pergament
an sich.
„Draco, das ist Unsinn. Du würdest dich in unnötige Schwierigkeiten bringen.
Außerdem hege ich keinen Groll gegen dich“, fügte sie gedankenverloren hinzu.
„Vielleicht
ist es nicht Recht, eine solche Fehde aufrecht zu erhalten“, mutmaßte sie und
fixierte einen unbestimmten Punkt an der Wand. „Rache ist ein sinnloses
Unterfangen, findest du nicht?“
„Nein.
Ich denke, Rache serviert man kalt und am besten unerwartet“, erwiderte er
böse.
„Ich
weiß nicht. Wenn ich es nicht tue, werde ich mich nicht anders fühlen. Es ist
lange her. Und… selbst wenn dein Vater inhaftiert wird… dann wird es mir
bestimmt nicht gut gefallen.“ Er sah sie verwirrt an.
„Das…
hatten wir doch abgemacht? Es war doch geplant, Luna. Es ist das richtige, was
wir tun können! Du musst das tun, damit Gerechtigkeit siegt. Lucius-“
„- ist
dein Vater“, beendete sie den Satz.
„Er hat
dich gefangen genommen!“
„Ich bin
frei. Mir geht es gut. Ich glaube, ich bin nicht diejenige, die sich rächen
will.“
„Es geht
hier nicht nur um deine Rache. Oder meine“, fügte er hinzu, ehe sie so etwas in
der Art sagen konnte. „Es geht um die Gerechtigkeit im Allgemeinen. Luna, es
gehört sich so, dass die Bösen bestraft werden.“
Sie
schüttelte schließlich langsam den Kopf. „Es klang verführerisch in der
Theorie. Aber bei allen Schnarchkacklern der Welt, ich möchte nicht dafür
verantwortlich sein, dass jemand nach Askaban kommt.“
„Luna-“
„Nein.
Wenn du es willst, dann kannst du es entscheiden. Ich will es nicht“, erklärte
sie rigoros und hielt ihm das Pergament entgegen. Er verzog kurz den Mund.
„Es ist deins. Es ist deine Sache, was du tun willst“, sagte er lahm. Sie
nickte und lächelte plötzlich.
„Gut.
Dann unterstelle ich deinem Vater, dass er jetzt einen guten Kern in sich
wohnen hat, der irgendwann einfach zum Vorschein kommen wird.“ Draco wäre am
liebsten hinterher gesprungen, als sie das Stück Pergament achtlos in ihr Feuer
warf. Es loderte kurz auf, dann zerfiel es zu schwarzer Asche.
Jetzt
wusste er nicht, ob er jemals wieder ein so beweislastiges Mittel finden würde,
um seinen Vater zu erpressen.
„Du irrst
dich“, sagte er schließlich und zwang sich zur Ruhe. „Lucius ist kein guter
Mensch. Und einen guten Kern hat er wahrscheinlich nie besessen“, merkte er an.
„Tut mir
leid.“ Er nickte nur.
„Dann
werde ich Hermine wohl sagen müssen, dass es jetzt keinen Grund mehr gibt,
weiter zu machen“, überlegte er laut. Dieser Satz galt nur ihm.
„Du bist
ein hübscher Kerl, Draco. Sie wird dir verzeihen“, erklärte Luna
schulterzuckend und setzte sich eine bunte Glitzerbrille auf. „Jetzt
entschuldige mich, ich habe zu lesen.“ Sie drehte den Klitterer auf den Kopf
und schien vergessen zu haben, dass er noch da war.
Und das
war es für Luna wohl gewesen. Sein Vater lief frei herum, und schloss korrupte
Geschäfte und er konnte sich überlegen, wie er lebend aus dieser Geschichte
rauskam. Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, sich an Luna Lovegood
zu wenden. Aber jetzt war es zu spät. Die Last des Tages lag schwer auf seinen
Schultern und alles in ihm sträubte sich, zurück zu gehen und Grangers
Erwartungen zu erfüllen.
Er stand
am Ende als Scheusal da. Und wahrscheinlich ohne sie. Oder irgendwen.
~*~
Dezember 1997
Wir haben‘s gemacht. Ich wollte sie
gar nicht. Hab ihr gesagt, ich hätte schon ganz andere Mädchen gehabt. Pansy
glaubt alles. Aber ich hab sie angelogen. Und ich glaube, ich bin schlecht,
aber natürlich hab ich ihr gegenüber nichts erwähnt. Soll Pansy ruhig denken,
sie wäre schuld. Mir völlig egal. Gregory ist in sie verliebt, aber ich hab ihm
gesagt, er soll es ihr nicht sagen.
Auf den blöden Ball werde ich mit
Pansy gehen. Mutter hat den Festumhang schon geschickt.
Potter hat den Schnatz schon wieder
gefangen, aber diesmal war es reines Glück. Ich hab ihn eher gesehen, aber ich
hab erzählt, ich wäre großzügig gewesen.
Totaler Bullshit. Ich hab den
Schnatz gar nicht eher gesehen. Ist auch völlig egal.
Wen interessiert Quidditch schon
wirklich?
Als ob es nicht reichen würde, dass
Potter in dem dämlichen Turnier teilnimmt. Weiß doch sowieso jeder, dass er
geschummelt hat. Dabei schafft er es doch gar nicht allein. Sicher erledigt
Granger all seine Aufgaben. Das Miststück hat zwei Punkte mehr in Verwandlung
bekommen.
Mutter will, dass ich nächstes Jahr
das Dunkle Mal trage.
Ich hasse den Gedanken. Ich will es
nicht tragen. Es tut bestimmt weh. Und dann kann ich nie wieder
Muss los. Training fängt an. Absolut
sinnlos, sowieso. Potter gewinnt am Ende.
Sie
versuchte sich an die Prüfung zu erinnern. Aber es fiel ihr nicht mehr ein.
Woher hatte er gewusst, dass sie zwei Punkte mehr hatte? Hatte das Ergebnis
ausgehangen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern.
Potter
gewinnt am Ende. Malfoy hatte Recht gehabt. Sie fühlte sich auf einmal schlecht
mit dem Gedanken, dass sie in diese Erinnerung eingedrungen war.
Ihre
Augen suchten, ob sie noch einmal ihren Namen fanden, aber sie zwang sich, die
Zettel beiseite zu legen.
Vielleicht
war Malfoy nicht einfach so wie er war, weil er ein Arschloch war. Vielleicht
war er so, weil er es nicht leicht gehabt hatte. Niemals wirklich leicht. All
der Reichtum schien diese Einsamkeit, die er erlebt hat, nicht überschatten zu
können.
Wo war
die Liebe in diesen Einträgen? Sie fehlte entschieden. Und er tat ihr leid. Nur
kurz und nicht besonders viel. Er hatte nicht viel dafür getan, dass ihn die
Menschen mochten. Wirklich nicht.
Sie
wollte nach Hause gehen.
Und sie
würde nach Hause gehen. Sie war müde. Und nicht einfach nur, weil es
anstrengend war, hier zu sitzen und so zu tun, kein Problem mit Draco Malfoy zu
haben. Nein, sie war es leid, sich quälen zu müssen.
Der
Kamin loderte auf.
„Draco?“
Als Harry sie erfasste, öffnete sich sein Mund ein Stück weit.
„Harry?“,
sagte sie völlig fassungslos und ihr bester Freund sah sie mehr oder minder
ertappt an.
„Mist“,
murmelte er und räusperte sich schließlich. „Hey, Hermine. Alles… in Ordnung
bei dir?“ Sie starrte ihn an und schüttelte langsam den Kopf.
„Was…?“
Was zum
Teufel machte Harry in diesem Kamin? Wieso wollte er mit Malfoy sprechen und
warum wusste sie davon nichts? Waren sie jetzt auf einmal Freunde? Wut kochte
in ihr hoch und sie war so wütend, dass sie kaum atmen konnte. „Harry, Draco
ist gerade nicht hier“, sagte sie betont freundlich und ging auf die Knie. Kurz
sah ihr Freund argwöhnisch zu ihr empor.
„Nein?
Vielleicht…“, begann er und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.
„Du kannst mir einfach sagen, um was es geht“, erklärte sie grinsend, denn sie
beschloss, es wäre unauffälliger, wenn sie so tun würde, als wäre es das
Normalste der Welt, dass Harry in diesem Kamin aufgetaucht war.
„Ja?“,
wiederholte er unsicher. „Du meinst… ihr habt gesprochen? Er hat es dir
gesagt?“ Sie überlegte knapp. Dann fiel ihre Entscheidung. Dieser Arsch. Beides
Arschlöcher. Es gab nichts, was sie jetzt noch verlieren konnte. Wie konnte Harry
ihr das nur antun? Wollte er sie etwa auch verletzen, weil sie nach Paris hatte
gehen müssen, damit sie keinen Nervenzusammenbruch erleiden würde?! Sie hasste
diese Menschen.
„Ja, er
hat mir alles gesagt. Schon vor Stunden“, fügte sie lächelnd hinzu. Dann atmete
Harry erleichtert aus.
„Großartig! Ich freue mich so. Hat er dir das Haus gezeigt, was er gefunden
hat? Es ist absolut perfekt. Ich habe mit Ginny schon geklärt, dass wir in
dieselbe Straße ziehen könnten. Und morgen fangen wir schon um drei Uhr an,
weil der Kuchen eher geliefert wird. Es ist so ein Chaos. Richtest du es Draco
aus? Willst du Ginny sprechen? Sie ist schon völlig fertig, weil sie so ein
schlechtes Gewissen hat. Sie hat schon befürchtet, dass Draco es dir immer noch
nicht gesagt hat und dass du sie für immer hassen wirst“, plapperte er
aufgeregt und sie konnte nur versuchen, alles zu verstehen. „Aber ihr war
völlig klar, dass du das alles nur wegen Draco gemacht hast. Also, die
Versetzung nach Paris und die Kündigung und all das“, erzählte er weiter.
„Woher
weißt du, was er mir sagen wollte?“, fragte sie scheinheilig und hielt die Luft
an.
„Was? Ich war doch dabei. Ich hab doch euer Scheinbüro eingerichtet. Luna fand
die Idee von einer Zweitstelle ziemlich genial. Vielleicht kauft sie Draco das
Gebäude noch ab. Ich weiß gar nicht, ob er jetzt überhaupt noch viel Geld übrig
hat. Aber ich könnte ein paar Fäden ziehen, damit ihr wirklich Arbeit habt. Ich
finde es wirklich gut, dass ihr nicht mehr im Ministerium seid. Mal ehrlich, das
war doch nicht unbedingt der beste Arbeitsplatz, richtig?“, lachte er jetzt
befreit.
Harry
war mit dabei. Das hier war ein Scheinbüro. Malfoy hatte Ginny überredet, Luna
überredet, Harry überredet. Ihr wurde übel. Er hatte ein Haus gefunden? Er
hatte sein Geld ausgegeben, damit sie glauben würde, es wäre alles echt? Warum?
Warum hatte er das getan?
„Weiß
Ginny, was er mir sagen wollte?“, fragte sie, bemüht, gleichgültig zu klingen.
„Ginny? Sie hat ihn überhaupt erst bestätigt. Oh, du musst wirklich mit ihr
sprechen. Sie hat schon gedroht, die Hochzeit morgen zu verschieben, wenn du
nicht kommst. Ich hätte ja nicht damit gerechnet, dass Draco es wirklich bis
morgen schafft, aber anscheinend ist alles gut gelaufen! Ich freue mich so,
Hermine!“
„Sie
wusste das?“, flüsterte sie erstickt und fühlte sich verraten von der gesamten
Welt.
„Dass ihr euch liebt? Sicher. Draco wollte es dir sofort sagen, aber… keine
Ahnung. Ihr seid seltsam. Ron war überhaupt nicht einverstanden, aber
anscheinend hat Pansy ihn beruhigt. Sie ist nicht so übel, wie wir dachten,
Hermine. Sie…“ Harry unterbrach sich und runzelte plötzlich die Stirn.
„Hermine, alles klar? Du bist vollkommen blass. Oder liegt das am Feuer?“
„Er
liebt mich? Das alles, weil er mich liebt?“, wiederholte sie und nun wurde
Harry käsebleich. „Das ist doch nicht dein ernst? Das kann nicht… das kann
nicht sein“, stotterte sie.
„Er hat es dir nicht gesagt“, bemerkte er jetzt ernst. „Oh, ich hab jetzt
richtig Mist gebaut“, fuhr er tonlos fort.
„Und Ron
weiß es! Und Ginny weiß es! Und Luna weiß es! Selbst Pansy weiß das?“, schrie
sie jetzt außer sich und Harrys Augen weiteten sich panisch.
„Hermine, bitte beruhige dich, ich dachte… scheiße, es tut mir so leid! Ich…
warte! Hey, warte, Hermine! Bleib da, bitte! Lass uns darüber reden, ich kann
dir erklären-“
Sie
hatte sich erhoben und mit einer zornigen Zauberstabbewegung die Flammen im
Kamin erstickt. Ihre Hände zitterten. Vor Wut, vor Scham, vor allen Gefühlen,
die ein Mensch haben konnte.
Dann
wurde sie ruhig.
Sie ging
zurück zum Schreibtisch, griff sich eine Feder und schrieb einen einigen Satz
auf eines der vielen Blätter.
Dann
griff sie sich ihren Mantel und schloss fast behutsam die Tür hinter sich.
Er hatte
es nicht geschafft. Er hatte es nicht geschafft zu ihr zu gehen. Er hatte im
Tropfenden Kessel halt gemacht und hatte ein wenig getrunken. Vielleicht hatte
er auch Angst. Vielleicht genauso viel Angst wie sie.
Dafür
hatte er sich jetzt sehr früh auf den Weg gemacht. Er war spät nach Hause
gekommen, direkt in sein Bett gefallen und jetzt war er unglaublich früh
unterwegs, weil er sich jetzt entschlossen hatte, kein Feigling zu sein. Das
half keinem. Jetzt war er bereit, mit ihr zu sprechen.
Sie
benahmen sich wie Kinder und das wollte er nicht mehr. Es war jetzt an der
Zeit.
Sie war
noch nicht da, als er das Gebäude betrat, in dem der Großteil seines letzten
Geldes steckte.
Seinen
Umhang warf er über den Stuhl und wollte nicht drüber nachdenken, was er ihr
sagen würde. Er würde es einfach sagen. Und wenn sie… wenn sie ihn danach nur
noch hassen würde – gut, dann hatte er eben versagt.
Er sah
ihre Notiz in genau dieser Sekunde. Seine Kehle schnürte sich unangenehm zu.
Harry war im Kamin. Hochzeit findet
um drei statt. Nicht um vier.
Das war
alles. Ihre Schrift war ruhig und gerade. Zorn war ihr nicht anzusehen. Potter,
der Idiot musste gestern versucht haben, über Floh mit ihm zu sprechen. Merlin,
wieso hatte er den Kamin nicht gesperrt?
Fuck,
verflucht! Hatte Potter sich verplappert? Dachte sie nur… er würde… er wusste
es nicht. Hat Potter irgendwas gesagt? Oder… hatte sie Potter dazu gebracht zu
sagen, weshalb er ausgerechnet mit ihm sprechen will? Hatte sie ihn einfach
sofort angeschrieen, weil sie nicht zur Hochzeit eingeladen war?
Oh nein,
oh nein! Oh, bei Merlin, nein!
Was
jetzt? Draco, komm schon. Was jetzt, verflucht?
Er
vergaß seinen Umhang völlig und stürmte nach draußen. Alles schien absolut schief
gelaufen zu sein! Wieso hatte er seine Chance gestern nicht genutzt? Wieso
nicht? Wo war sie? Zuhause? Ja sicher, Granger saß bestimmt Zuhause und wartete
darauf, dass er es über sich brachte und endlich zu ihr kam.
Er
musste wissen, was passiert war. Die Hochzeit fand um drei statt, aber musste
er noch zu der dämlichen Hochzeit? Nein, eigentlich musste er alles andere tun,
aber nicht zu der verdammten scheiß Hochzeit von dem Idioten gehen, der all
seine Chancen versaut hatte!
Eine
kleine Stimme, versuchte ihm zu sagen, dass er wohl kaum Potter die Schuld
seiner Inkompetenz zuschrieben konnte, aber er ignorierte diese Stimme zornig.
Scheiße!
Er musste mit Potter sprechen und rausfinden, was dieser eigentlich gesagt
hatte. Anders würde er nur im Kreis laufen und überhaupt nichts schaffen. Sie
konnte sonst wo sein. Und wenn das Wunder bestand, und Potter sich irgendwie
aus der Affäre hatte winden können – was Draco bezweifelte – dann würde er wohl
noch einen Fehler machen, wenn er jetzt panisch zu ihr ging.
Es war
scheißegal. Er musste zu ihr. Sofort!
Er
apparierte so schnell er konnte und brach ein Gesetz, dem er sowieso nicht
allzu viel Bedeutung beimaß. Er brach die Tür ihres Gebäudes auf und rannte die
Stufen empor. Er klopfte schwer und laut an ihre Tür. Hunderttausend Mal so kam
es ihm vor. Er konnte jetzt keine Rücksicht nehmen und hexte auch diese Tür
lautlos auf.
„Hermine?“, schrie er heiser und stürmte durch die kleinen Zimmer. Die Möbel
waren noch da. Ihre Sachen waren noch da. Alles war noch an Ort und Stelle. Sie
hatte also nicht die Sachen gepackt und das Land erneut verlassen. Das war
beruhigend. Allerdings – war sie nicht hier!
Er
verließ die Wohnung wieder.
Potter.
Ja, er musste zu ihm. Wusste er, wo er wohnte? Ja, es stand auf der Einladung.
Der Absender stand auf der Einladung. Die war in seiner Wohnung. Er apparierte
so schnell, dass seine Sohlen regelrecht zu brennen schienen.
Selbst
die Tür seiner Wohnung fluchte er beinahe aus den Angeln, denn er hatte keine
Zeit für den Schlüssel.
Er
durchsuchte seine Post aus Frankreich, bis er endlich den Brief gefunden hatte.
Potter wohnte mitten in der Stadt. Er musste vorsichtig apparieren, sonst würde
er noch einen blöden Unfall bauen, der ihn nur Zeit kosten würden.
Er
steckte den Umschlag ein und raste wieder los. Der Schlafmangel bekam ihm nicht
gut. Sein Herz schlug viel zu schnell und er spürte die Kopfschmerzen, die sich
anbahnten. Würde er sie nicht finden, dann würde er explodieren, nahm er an.
Er
apparierte nach Harvest Hill, wo es sich natürlich nur Potter leisten konnte,
zu wohnen. Es war ein magisches Viertel, mitten in der Stadt, umgeben von
Muggeln, die nicht die leiseste Ahnung von dessen Existenz hatten. Zauberer
konnten es finden und es konnte ihm gar nicht schnell genug gehen.
Er
apparierte in die ziemlich exakte Nähe des Eingangs des Viertels und kämpfte
sich durch die tausend Muggel, die an diesem Morgen anscheinend nichts anderes
zu tun hatten, als ihm im Weg zu sein.
Fluchend
kam er vorwärts und sah einen feinen rötlichen Schimmer am Ende einer Straße.
Es sah aus, wie ein Tor zu einer Parkanlage, aber niemand sonst sah den feinen
rötlichen Schimmer, der den Eingang nach Harvest Hill markierte. Mit seinem
Zauberstab stach er in den Schimmer und erkannte, dass hinter dem Tor eine
Straße weiterging.
Kurz sah
er sich um und schlüpfte dann durch den magischen Spalt. Anscheinend hatte es
niemand gesehen, oder es interessierte einfach niemanden. Er spurtete die
Straße runter. Hier war weniger los, dafür war alles umso magischer. Händler
zogen durch die Straßen, mit umständlichen Karren und Buden, priesen Fürchte an
und Straßenzauberer beschäftigten sich mit billigen Tricks zur Aufmunterung der
Kinder, die von ihren Müttern durch die Straße gezogen wurden.
Wütend las
er die Straßennamen und konnte Potters Straße nicht finden. Er schob sich durch
Gassen, war zu ungeduldig die Leute zu fragen und kam nassgeschwitzt an einer
Kreuzung zum Stehen.
Es hing
sogar an einer magischen Kapelle angeschlagen.
Heute: Potter-Weasley Trauung, 3 Uhr
Um die
Buchstaben flogen verzauberte Schmetterlinge, die Draco mit seiner Hand
verscheuchte. Er war also irgendwie in der Nähe. Aber er hatte keine Ahnung,
wie weit es noch war. Er war außer Atem und er spürte die dämliche Müdigkeit in
den Knochen. Aber er hatte keine Zeit, anzuhalten.
Er hatte
kurz nach Luft geschnappt, dann rannte er weiter. Er ignorierte die Rufe der
Leute auf der Straße. Manche schienen ihn erkannt zu haben, andere wollten sich
wohl nur beschweren, weil er sie anrempelte.
Er
stürmte in die Ecke und rannte in eine andere Person. Er fiel unsanft auf die
Steine und rieb sich den Rücken.
„Potter?“, keuchte er entgeistert und sah sich Potter gegenüber, der hastig auf
die Beine kam und ihm aushalf.
„Ich hab Scheiße gebaut“, erklärte Potter außer Atem. Draco nickte zornig.
„Ja, ich weiß, dass-“ Er unterbrach sich. „Was ist passiert? Weiß sie es? Was
machst du hier draußen?“, sprudelten die Fragen hervor und Potter fuhr sich
durch die strubbeligen Haare.
„Sie hat mich ausgetrickst. Ich dachte, sie wüsste es. Ich hab...“
„Was
hast du ihr gesagt?“, schrie er fast. Potter atmete schließlich aus.
„Alles.“
Und
Draco hatte plötzlich nichts mehr zu sagen. Denn eigentlich sprachen alle
Handlungen bereits Bände. Er sank auf den Bürgersteig und Potter tat es ihm
gleich. Beide Männer starrten ins Leere und die Menschen liefen an ihnen
vorbei.
Sie war
nicht in der Wohnung. Sie war nicht auf ihrer angeblichen Arbeit. Er wollte ihr
eigentlich beweisen, dass er seine Familie hinter sich lassen und sogar
bestrafen konnte, aber Luna Lovegood hatte ihm auch das zu Nichte gemacht.
Er hatte
so viel Gold ausgegeben, nur um sie zu bekommen. Jetzt hatte er Geld genug, ein
Haus zukaufen, in dem er sich eine Zukunft mit ihr vorstellte, aber jetzt
konnte er allein in diesem Haus wohnen.
Potters
Verlobte hatte Grangers Arbeitsplatz bekommen, weil er sie darum gebeten hatte,
ihren Job in der Buchhaltung von Potters Rennbesengeschäft aufzugeben.
Granger
betrachtete ihn als schlimmsten Fehler ihres Lebens und jetzt hatte er
eigentlich nichts mehr, um irgendwas gut zu machen.
Er fuhr
sich müde durch die blonden Haare, die heute nicht besonders gut lagen. Sein
Rücken war nassgeschwitzt von der erfolglosen Hetzjagd. Er bemerkte erst jetzt,
dass Potters Hemd falsch geknöpft war und er anscheinend eine Jogginghose trug.
„Wo
wolltest du hin?“, fragte er zerschlagen und Potter sah ihn müde an.
„Ginny
ist weg.“
„Deine
Verlobte ist weg?“, vergewisserte sich Draco schockiert und Potter nickte.
„Ich bin
heute Morgen aufgewacht und sie war nicht da. Keine Nachricht, kein gar nichts.
Und ich hatte gedacht, sie holt vielleicht Brötchen oder ist hier bei dem
Brautmodeladen um die Ecke, um das Kleid abzuholen. Es wurde noch
nachgebessert. Aber da war ich schon, und das Kleid ist immer noch da.“ Er
schwieg kurz und Draco begriff, dass er wohl nicht der einzige mit Problemen
war.
„Ich
dachte, sie wäre vielleicht wieder nach Hause gekommen. Aber sie war immer noch
nicht da. Ich hab Ron Bescheid gesagt, ihn
gefragt, ob er sie gesehen hat, ob sie bei ihm ist, aber er weiß von
nichts.“ Draco starrte den Mann neben sich an. Den Potter, der Voldemort
besiegt hatte und durch nichts zu erschüttern war. Der Potter, der jetzt das
reinste Häufchen Elend, am Rande der Verzweiflung war.
„Ich hab
im Fuchsbau nachgefragt. Molly ist vollkommen aus dem Häuschen. Percy ist auch
dort und denkt, Ginny hat vielleicht kalte Füße bekommen.“ Draco schüttelte
ungläubig den Kopf.
„Unsinn.
Sie wird dich bestimmt nicht am Tag eurer Hochzeit verlassen“, sagte er und kam
sich seltsam vor. Potter sah ihn zweifelnd an.
„Das glaubst du? Was wenn… was, wenn sie nur darauf gewartet hat? Was, wenn ihr
das Leben mit mir doch nicht gefällt? Wenn sie begreift, dass ich jetzt nicht
mehr alle Aufmerksamkeit bekomme, weil das Leben jetzt normal und alltäglich
geworden ist? Was, wenn ich alles falsch gemacht habe? Ich hätte sie eher
fragen sollen. Ich hätte sie schwängern sollen!“, rief er aus und raufte sich
die Haare.
„Potter,
bleib ruhig. Soweit ich es beurteilen kann, liebt dich deine Verlobte. Und sie
wartet hundert Jahre, bis du sie endlich fragst, und wenn es soweit ist, dann
läuft sie weg? Das klingt doch absolut unmöglich.“ Potter runzelte die Stirn
und sah ihn wieder an.
„Du
erzählst mir also, dass ich mir keine Gedanke machen muss und sie bis drei Uhr
wieder auftaucht und mich in dieser Kapelle hier heiraten wird?“, vergewisserte
er sich ungläubig und Draco ruckte mit dem Kopf.
„Hör zu,
ich bin nicht gut darin, anderen Mut zu machen, ok? Und… wir kennen uns nicht
wirklich“, fügte er hinzu.
„Jaah“,
sagte Potter schließlich. „Kommst du mit zum Fuchsbau? Oder willst du Hermine
suchen?“ Beide Männer sahen sich plötzlich an.
„Denkst du, sie sind irgendwo zusammen?“, fragte Potter jetzt und beide waren
wieder auf den Beinen.
„Dann
hat sie mit deiner Verlobten gesprochen. Dann hasst sie mich wahrscheinlich
noch mehr“, fügte Draco gedankenverloren hinzu.
„Aber
sie hasst Ginny dann anscheinend nicht dafür, dass sie ihren Arbeitsplatz
weggenommen hat.“
„Hermine
würde das deiner Verlobten innerhalb einer Nacht einfach vergeben?“, fragte er
argwöhnisch und Potter überlegte.
„Keine Ahnung“, gestand er schließlich ein. „Aber wenn sie nicht zusammen
irgendwo sind, dann bedeutete das, dass unsere Mädchen uns an meinem
Hochzeitstag weggelaufen sind.“ Draco schlug sich plötzlich die Hand vor die
Stirn.
„Scheiße“, fluchte er ungehalten und Potter sah ihn an.
„Was jetzt?“
„Hochzeitstag…
ich hab den Ring vergessen abzuholen.“ Potter starrte ihn an. „Jetzt ist es
auch egal“, knurrte er böse.
„Ring?
Du hattest einen Ring? Du wolltest ernst machen? Du wolltest tatsächlich…?“ Er
ließ den Satz unbeendet.
„Es ist
jetzt völlig egal.“ Er atmete langsam aus.
„Du hast
einen Ring gehabt?“
„Nein,
ich hab ihn vergessen abzuholen.“
„Du
wolltest ihr heute einen Antrag machen? Du liebst sie wirklich?“ Draco
verdrehte die Augen.
„Ihr
seid doch alle verrückt! Warum denkt ihr, mache ich mir die Mühe, verflucht?
Aber es ist jetzt alles unwichtig, denn Dank dir kam ich nicht dazu, es ihr zu
sagen“, rief er zornig. Potter hob die Hände.
„Oh,
wegen mir? Wirklich, Malfoy? Machst du dir das nicht sehr einfach?“, entgegnete
er genauso laut. „Es lag nicht daran, dass du einfach ein scheiß Arschloch
warst, was sie erst wie Dreck behandeln musste, damit du begreifen konntest,
dass du sie eigentlich wirklich willst?“
Draco
hatte ausgeholt, ehe er sich aufhalten konnte und Potter aus Lauter Wut die
Faust ins Gesicht geschlagen. Potter taumelte zurück und stürzte sich mit einem
Schrei auf ihn. Beide gingen zu Boden und jetzt spürte er Potters Faust. Es war
wie ein Klingeln in den Ohren. Kurz war ihm schwindelig.
Benommen
öffnete er die Augen. Seine Wange schmerzte brutal und Potter war von ihm
herunter gerollt, um sich seine rechte Wange zu halten. Draco war Linkshänder.
Potter anscheinend nicht. Denn seine linke Wange begann langsam anzuschwellen.
„Ok,
meinetwegen war es nicht deine Schuld, verflucht“, spuckte er heiser und Potter
hustete zur Bestätigung.
„Ok.
Dann war es das mit den Aggressionen?“, fragte er rau und die Leute um sie rum
hatten angehalten und sahen zu ihnen herab.
„Schön.“
„Schön.“
Beide sahen sich an. Potter reichte ihm die Hand und die Leute gingen murmelnd weiter.
Draco ergriff sie widerwillig und fühlte sich nicht mehr völlig elend. Zwar tat
seine Wange höllisch weh und er war müde und hatte Kopfschmerzen und er hatte
Granger verloren, aber sonst… war es eigentlich ok.
„Fuchsbau?“,
fragte Potter schließlich und Draco nickte im Einverständnis.
~*~
Im
Fuchsbau traf er nicht nur auf Arthur und Molly Weasley. Er traf auch auf Percy
Weasley und natürlich Weasley selber.
Die Zeit
schritt voran. Keiner der Weasleys hatte von Ginny oder Hermine gehört.
Jetzt war
es halb zwei und Potter sprach seit einer halben Stunde nicht mehr.
Er war
nur noch nervös, wartete am Kamin und Draco war sich nicht sicher, ob ihn
irgendwas aufmuntern konnte. Höchstwahrscheinlich nicht.
„Butterbier?“
Weasley hatte den Kopf aus der Verandatür gesteckt und hielt ihm eine offene
Flasche entgegen. Er musste grinsen.
„Butterbier?
Wirklich? Habt ihr nichts anderes?“ Weasley zuckte die Achseln.
„Ja oder nein, Malfoy?“ Draco wog kurz die Chancen ab. Und er kam zu dem
Schluss, Butterbier war besser als nichts.
„Danke“,
sagte er also nach einem Moment und Weasley kam nach draußen und setzte sich
neben ihn auf das Geländer.
„Nettes
Veilchen“, sagte er schließlich. „Harrys ist auch bemerkenswert hübsch“, fügte
er hinzu. „Ihr habt also… den Krieg endlich begraben?“ Draco nahm einen Schluck
von dem Bier, das ihn immer an die Schulzeit erinnerte und nickte dann.
„Scheint
so.“
„Sag
mal… müssen wir das auch so machen? Schlag ich dir die rechte Wange grün und
blau und dann sind wir auch quitt?“ Draco wollte lächeln, aber ihm war nicht
mehr danach zu Mute.
„Keine
Ahnung“, sagte er. Weasley seufzte und streckte ihm die Hand entgegen.
„Ist
vielleicht nicht der beste aller Tage, aber… hey, ich bin Ron“, erklärte er
grinsend und Draco ergriff auch Weasleys Hand nach einem kurzen Moment.
„Draco“,
sagte er und Ron schüttelte seine Hand.
„Meinst
du, sie taucht auf?“, fragte Ron schließlich und Draco nahm noch einen tiefen
Schluck.
„Wer?“ Er sah ihn an und Ron öffnete kurz ratlos den Mund.
„Stimmt.
Fehlen zwei…“
Stumm
tranken sie weiter. Um halb drei stieß auch Harry zu ihnen und brachte noch
drei Flaschen Butterbier nach draußen.
„Nichts
neues?“, fragte Ron voller Mitleid und Harry schüttelte den Kopf.
„Ich
sollte gehen“, bemerkte Draco jetzt und stieß sich vom Geländer ab.
„Wohin?
Denkst du, sie ist Zuhause und wartet?“, entgegnete Potter, die Stimme tief vor
Gleichmut.
„Wahrscheinlich
nicht“, erwiderte Draco genauso trist.
„Leute,
Kopf hoch. Es gibt bestimmt eine völlig logische Erklärung und…“
„Oh,
Ron, sei ruhig. Du hast eine Frau“, knurrte Potter und hob die Flasche, um
anzustoßen.
„Ja,
noch“, bemerkte Ron ein wenig unruhig. „Pansy bringt mich noch um, wenn ich ihr
nicht bald mal Bescheid gebe.“
„Du
lässt dich von Pansy unterwerfen, wirklich?“, erkundigte sich Draco ein wenig
amüsiert. Ron sah ihn an, als ob er sich erst jetzt wieder erinnerte, woher
Draco und Pansy sich kannten.
„Nein.
Nicht darüber reden, ok? Alles, aber das nicht. Und ja, Pansy kann… schwierig
sein.“
„Sie
wird drüber wegkommen, dass du den Nachmittag mit deinem besten Freund
verbringst, der von seiner Verlobten an seinem Hochzeitstag sitzen gelassen
wurde!“, brauste Harry auf und Ron sagte gar nichts mehr und trank weiter.
„Jemand
Lust auf Snape explodiert?“, fragte
Percy Weasley mit einem Deck Karten in der Hand und übertrieben gekünstelt
guter Laune. Die drei sahen sich an. Dann setzten sie sich zu viert an den
Tisch auf der Veranda und spielten.
„Willst
du Ron nicht Bescheid sagen?“, fragte Ginny jetzt als sie die letzten Girlanden
aufhing.
„Nein“, entgegnete Pansy zufrieden und steckte Hermine eine Blume ins Haar. „Du
hast doch Percy schon Bescheid gesagt, oder nicht?“ Ginny nickte.
„Ja, er versucht ja auch die Männer aufzuhalten, aber er weiß nicht, wie viele
Runden Snape explodiert noch reichen
und das Butterbier ist so gut wie leer, sagt Mum“, erwiderte Ginny und strich
über die Tischdecke. Es sah wunderschön aus. Der Garten war komplett geschmückt
und Hermine wusste, es musste Ginny schwer fallen, im Gemeinschaftsgarten in
Harvest Hill zu feiern und nicht Zuhause im Fuchsbau.
„Hermine?“
Pansy sah sie an. „Willst du auch irgendwas trinken? Alles ok?“ Hermine ruckte
mit Kopf. Sie trug die Haare ungern offen. Sie kam sich so… vorgeführt vor.
„Willst du noch etwas darüber reden?“
Sie
schüttelte den Kopf.
„Irgendwann solltest du aber reden, weißt du?“, merkte Ginny jetzt lächelnd an
und Hermine seufzte.
„Jetzt
hast du wegen mir den Termin in der Kapelle nicht geschafft. Das ist doch zu
dämlich. Ich hätte dich nie damit belästigen dürfen.“ Ginny machte eine
wegwerfende Handbewegung.
„Hermine, ich bitte dich! Wie sieht es denn alles für dich aus? Ich nehme dir
den Job weg, alle stellen sich gegen dich. So sah es doch aus, nicht wahr?“
Hermine wollte nicht nicken und sie wollte nicht den Kopf schütteln.
„Wenn es
dich beruhigt“, begann Pansy mit einem Grinsen, „Percy sagt, er sei am Boden
zerstört.“ Hermine wusste, Pansy wollte sie aufmuntern, aber… sie war nicht
ganz in der Stimmung dafür.
„Hermine,
bitte. Lächel einmal. Für mich wenigsten“, befahl Ginny streng und Hermine
lächelte ganz kurz. „Na, siehst du. Heute Abend ist der ganze Kram vergessen
und wir werden bei Elfenwein und Feuerwhiskey darüber lachen.“
„Wenn
die einen ganzen Kasten Butterbier getrunken haben, dann kannst du froh sein,
wenn Harry noch gerade stehen kann, wenn er ankommt.“ Ginny sah dieses Problem
wohl ähnlich.
„Oh,
wenn er betrunken ist, werde ich ihn garantiert erst recht nicht heute
heiraten!“, rief sie aus.
„Weiß
Molly, was sie sagen muss?“
„Du
nennst sie Molly?“, warf Hermine plötzlich ein und Pansy wirkte ein wenig
schüchtern. Tatsächlich konnte Pansy Parkinson schüchtern sein. Oder nein. Sie
hieß jetzt ja Weasley, ging Hermine auf. Sie war tatsächlich Ginnys Schwägerin.
„Ja,
seit drei Tagen“, bestätigte Pansy mit einem feinen Lächeln.
„Warum
seit drei Tagen?“, fragte Ginny während sie die letzten Sektflaschen in die
Kelter stellte.
„Weil
ich Molly vor drei Tagen gesagt habe, dass ich schwanger bin“, sagte sie leise.
Hermines Mund klappte auf. So auch Ginnys.
„Oh,
Merlin! Wirklich? Ich meine… wirklich?“
Ginny schlug sich die Hände vor den Mund. „Das glaub ich nicht! Oh, Himmel,
Pansy!“ Sie umarmte das Mädchen stürmisch. Hermine sah sie immer noch ungläubig
an.
„Du bist schwanger? Von Ron?“, vergewisserte sie sich jetzt. Pansy musste
lachen.
„Ja, Granger, ich bin schwanger von Weasley“, sagte sie grinsend. Jetzt musste
Hermine tatsächlich lachen.
„Ok,
anscheinend ist das ernst mit euch“, erwiderte sie und Pansy nahm sie einfach
in die Arme.
„Ja, das
hat Molly dann auch eingesehen. Und… jetzt darf ich sie Molly nennen“, endete
Pansy stolz.
„Weiß
Ron es schon? Oder wolltest du mir heute die Schau stehlen?“, fragte Ginny eine
Spur beleidigt.
„Nein, ich wollte es eigentlich keinem sonst sagen. Auch euch nicht. Auch Ron
nicht“, fügte sie hinzu. „Aber… weil heute so viel schief gegangen ist, dachte
ich…“ Sie zuckte mit den Achseln und Ginny strahlte.
„Unglaublich. Ich heirate Harry, du bist schwanger und Hermine überlegt sich
immer noch, ob sie Draco küssen oder killen soll.“ Wieder ruhten die Blicke auf
ihr.
„Hört
auf“, sagte sie ein wenig fester.
„Hermine,
ich hab dir gesagt, dass er dich liebt. Wirklich. Du bist die eine. Die eine,
für die er alles aufgibt“, erklärte Ginny ernst.
„Ja, er gibt all sein Geld einfach so fort. Für ein Gebäude, ein Haus in
Hogsmeade und einen verflucht teuren Ring bei Griphooks Edelschmuck.“ Pansy
schlug sich die Hand vor den Mund. Hermine sah sie an.
„Einen Ring?“
„Mist.
Ich verplappere mich ständig. Aber ja!“ Sie nickte stürmisch. „Einer musste ihm
ja helfen, ihn auszuwählen. Draco kann vieles, aber Ringe aussuchen – oh nein.
Da brauchte er weiblichen Rat.“ Hermine starrte sie an.
„Um einen Antrag zu machen?“ Pansy verdrehte die Augen.
„Nein, Hermine, um ihn anzuzünden und danach unter Applaus zu verspeisen.
Natürlich um einen Antrag zu machen.“ Beide Frauen sahen sie ungläubig an.
„Wie kannst
du eigentlich noch darüber nachdenken, was du tust?“, sagte Ginny schließlich
kopfschüttelnd.
„Es ist
Draco Malfoy. Es steht nicht in den Sternen geschrieben, dass wir zusammen
gehören, wie bei dir und Harry.“
„Ich und
Harry? Ist dir klar, dass er mich zweimal verlassen hat, ehe er eingesehen hat,
dass die Welt retten vielleicht doch nicht als lebenserfüllende Aufgabe
ausreicht? Ich und Harry? Ich bitte dich! Kein Uhrmacher hätte sich auf diese
Chancenberechnung eingelassen, dass er und ich wirklich heiraten würden!“, fuhr
Ginny sie an.
„Ja. Ich
bestätige das. Ich liebe Ron. Wer hätte damit gerechnet?“, mischte sich Pansy
ein. Hermine musste zugeben, dass die Ron und Pansy Geschichte nun auch nicht
unbedingt die besten Voraussetzungen hatte.
„Aber…
das ist anders“, sagte sie leise. „Er hat mich angelogen und benutzt. Er hat
mich gegen seine Eltern ausgespielt, verhindert, dass ich Arbeit bekomme und
konnte mir bis jetzt immer noch nicht sagen, was er eigentlich fühlt.“ Sie
wollte nicht weinen, also wandte sie sich ab.
„Hermine,
ich werde Harry in einer Stunde Bescheid geben lassen, dass er und Ron und
Draco hier aufzutauchen haben. Und wenn du das alles nicht willst – wenn du ihn
wirklich nicht willst… - dann sag es mir jetzt, dann lade ich ihn nicht ein.“
Hermine seufzte jetzt.
„Nein,
nein… anscheinend binden sich die Männer gerade mit seltsamen Kartenspielen und
Butterbier“, sagte sie langsam. „Er kann kommen. Und wenn… ich es nicht kann,
weil… es einfach nicht geht, dann… werd ich nicht hier sein, wenn er kommt.“
„Du willst auf meiner Hochzeit verschwinden?“, vergewisserte sich Ginny und
Hermine konnte die Tränen nicht mehr zurück halten.
„Nein,
will ich nicht. Aber ich kann nicht…. Ginny, ich kann nicht, wenn er…“ Und
Ginny nahm sie in den Arm. Und dann nahm Pansy sie in den Arm. Es fühlte sich
sogar richtig gut an, von jemandem in den Arm genommen zu werden, von jemandem
verstanden zu werden, der keine Lügen und keine Wetten brauchte, um
irgendwelche Gefühle auszudrücken.
„Schon
gut. Ich bin ja großzügig“, merkte Ginny jetzt an.
„Komm,
wir frischen dein Makeup auf. Und dann probierst du die Schuhe an“, fügte Pansy
nickend hinzu.
„Pansy, die sind hoch“, beschwerte sich Hermine jetzt.
„Du
trägst auch mein Kleid“, sagte Pansy jetzt. „Die Schuhe gehören einfach dazu.“
„Es ist
auch ein furchtbares Kleid“, erwiderte Hermine mit einem kleinen lächeln.
„Unsinn. Ron liebt das Kleid. Es ist richtig schön ausgeschnitten. Und es passt
gut zu deinem Teint. Das dunkle grün sieht einfach unglaublich an dir aus. Und
die Schuhe sind gar nicht so hoch. Und wenn du sowieso vorhast, eher zu gehen,
dann wird dich auch keiner sehen, richtig?“ Pansy sagte es mit schwerer Stimme.
Hermine konnte kaum glauben, dass Pansy Parkinson – ja, eigentlich Weasley –
tatsächlich freundschaftliche Gefühle entwickeln konnte. Für sie.
„Fein,
ich werde sie mal anprobieren“, gab sie sich geschlagen und Ginny musste noch
ihren Schleier von drinnen holen.
„Ok. Hermine,
ich sehe dich später, oder…“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen. Hermine
lächelte nur, denn auch sie wollte den Satz nicht beenden.
Und
plante sie eigentlich alles vorher, so konnte sie noch nicht sagen, wie dieser
Abend enden würde. Pansy hakte sich bei ihr unter und zum ersten Mal hatte sie
nicht das Gefühl, dass Pansy die schlimmste Person auf dieser Erde war. Sie war
sogar fast… nett.
~*~
„Und
weißt du was? Ich hatte gar keine Ahnung mehr, was ich eigentlich getan habe!“,
lachte Ron außer sich. „Auf einmal standen wir draußen und Pansy hatte ihre
Hände üüüberall!“
Harry
und Draco sanken aneinander vor Lachen.
„Und
dann sieht sie mich an und sagt…“ Ron hob die Hand und machte eine dramatische
Pause, „Sie sieht mich an und sagt: Weasley… du bist gar nicht so scheiße!“
Alle drei brachen in Gelächter aus und Harry leerte die letzte Falsche
Butterbier.
„Das ist
doch gar nichts!“, rief er und scheuchte ein Glühwürmchen mit der Hand vor
seinem Gesicht fort. „Ginny und ich hatten den größten Streit. Des
Jahrhunderts, nein, des Jahrtausends, vielmehr. Und ich zerbreche diesen Teller
von ihrer Großmutter und überall sind Scherben und sie macht den Reparo, aber weil der Teller so alt ist,
sieht man die Splitter immer noch!“, erzählte er gespannt.
„Den von
Nanna Rosie?“, unterbrach Ron ihn schockiert. „Das ist ein Erbstück, Harry!“
„Egal,
ich weiß“, rief Harry unwirsch. „Jedenfalls schreit sie mich an. Richtig laut,
meine Ohren dröhnen und sie schimpft mich den tollpatschigsten,
ungeschicktesten, Trampel dieser Welt und ich – ich hol den Ring raus und geh
auf die Knie.“
„Und
dann?“, fragte Ron mit offenem Mund und Harry grinste breit.
„Über den Teller haben wir bis heute nicht mehr gesprochen!“, erwiderte er mit
einem gönnerhaften Nicken.
„Jungs?“
Molly war nach draußen in die Dämmerung gekommen und betrachtete sie alle mit
missbilligenden Blicken, so kam es Draco vor. „Ginny hat sich gemeldet“, sagte
sie jetzt und Harry kam taumelnd auf die Beine. Alle Ruhe war von ihm
abgefallen.
„Was? Wo… wo ist sie jetzt? Was hat sie gesagt? Molly, sag es mir!“, rief er
laut und Molly atmete aus.
„Sie
sagt, es ist was vorgefallen, und du sollst nach Hause kommen. Jetzt. Und nimm
deine Freunde mit.“ Selbst ihrem Sohn warf sie einen bösen Blick zu.
„Mum, wir
sind nicht betrunken!“, beteuerte Ron gedehnt.
„Ihr
kommt mit, oder? Wenn sie mir jetzt erklärt, dass sie mich nicht will, wie ich
den Teller kaputt gemacht habe, dann werde ich sterben!“, flüsterte Harry mit
Panik im Blick.
Draco
nickte schließlich. Ohne Harry würde er auch nicht hier bleiben wollen.
„Aber
nur kurz“, sagte er langsam. Ron erhob sich auch.
„Dann
los. Auf in den Kampf“, tönte er und machte einen unsicheren Schritt.
„Wir
werden am besten mit euch apparieren. Das ist ja nicht mit anzusehen“, bemerkte
Molly gereizt und rief nach Percy und ihrem Mann.
Draco
hatte keine Zeit sich zu weigern und Percy Weasley von sich zu weisen. Hart
umfing der Mann seinen Unterarm und sah ihn kurz an.
„Bereit, Malfoy?“ Draco hatte nicht mal mehr Zeit zu nicken, da verschwanden
sie auch schon alle und ihm wurde fast übel. Dabei hatte er kaum sieben
Butterbier getrunken. Hatten die doch mehr Alkohol, als er gedacht hatte? Nein,
eigentlich nicht. Vielleicht kamen die Trauer und die Wut noch hinzu, überlegte
er, bevor Percy ihn auffing, ehe er zu Boden schlagen konnte.
Er hatte
keine Ahnung, wie man hierher apparieren konnte. Vielleicht brauchte man ein
Passwort oder einen speziellen Zugang, aber sie befanden sich kurz vor der
kleinen Kapelle, an der er heute schon mal gesessen hatte.
„Was ist
das?“, fragte Ron neben ihm völlig perplex.
„Das ist
der Gemeindegarten von Harvest Hill“, erklärte Percy, ganz im Sinne eines
Schulsprechers.
„Ich
weiß das“, schnappte Harry. „Aber… die Lichter“, flüsterte er verwirrt.
„Das ist deine Hochzeit“, sagte Arthur jetzt. „Zu der wir zu spät kommen“,
fügte er knapp hinzu. „Aber die Anzüge sind schon hier. Ginny meinte, wenn du
ihn nicht anziehst, kannst du es… tja, dann kannst du es vergessen.“
„Ich hab
keinen Anzug“, bemerkte Ron jetzt panisch.
„Doch,
Schatz, du hast auch einen Anzug.“ Er erschrak fast, als er sie erkannte.
„Pansy?“,
fragte er in die Dunkelheit und seine Frau lachte.
„Ja,
kennst du mich noch? Ein Wunder, nach der Menge an Bier. Draco, ich hab auch
einen Anzug für dich. Für den Fall…“
„Für den
Fall?“, beschwerte sich Harry jetzt. „Draco ist mit Ron Trauzeuge.“ Anscheinend
hatte sich Potter damit abgefunden, jetzt tatsächlich zu heiraten. Draco
betrachtete die bunten Lampions und roch das Essen, sah die wenigen Gäste und
hatte eigentlich nur eine einzige Frage.
„Wo ist sie?“
Pansy
schob Ron in Richtung Harry vor, die lallend irgendwelche Trinklieder
anstimmten und die Welt wieder feierten. Pansy Lächeln verschwand langsam. Und
Dracos Herz sank.
„Sie…
ist gegangen, Draco“, sagte Pansy leise. „Tut mir leid“, fügte sie hinzu und
Draco glaubte, sie weinen zu sehen. Pansy weinte also tatsächlich. Um ihn. Das
war nett.
„Du
siehst schön aus“, erwiderte er schließlich und sie wischte sich die Tränen
weg.
„Bild
dir nicht ein, dass ich wegen dir weine, du Idiot.“ Sie lächelte wieder. „Ich
krieg ständig irgendwelche Emotionsbomben. Ich bin schwanger“, fügte sie sehr
leise hinzu. Er sah sie an.
„Wirklich?“
„Ja,
wirklich. Ihr könnt es alle nicht glauben, oder?“
„Ron
wird gleich noch eine Kiste Butterbier öffnen, wenn er das hört“, sagte er und
verdrängte die Trauer, die sich in ihm ausbreitete.
„Nein,
ich wollte es ihm heute nicht – Ron?“, unterbrach sie sich. „Du nennst ihn Ron?“, wiederholte sie und er zuckte mit
den Achseln.
„Wunder
passieren. Also, wo ist dieser dämliche Anzug?“, fügte er hinzu und fand sich
gebrochen damit ab, dass Harry heute wenigstens den perfekten Tag haben würde.
~Die vierte Hochzeit~
„Also,
Harry geht vor“, erklärte Ron überflüssigerweise. „Dann geh ich und dann gehst
du. Ich geh mit Pansy, aber… du schaffst es auch allein, oder?“ Ron schlug ihm
auf die Schulter. Draco verdrehte die Augen.
„Ja, ich
denke schon.“ Immer noch klingelte es in seinen Ohren. Pansy war schwanger von
Ron Weasley. Unglaublich. Absolut. Er konnte die kleine Weasley von weitem
erkennen. Das Kleid fiel in unglaublichen Wellen zum Boden und sie sah
tatsächlich wunderschön aus.
Die
Musik kam von schwebenden Geigen, die mitten in der Gartenanlage hingen. Der
Klang war perfekt. Wenige Gäste waren noch erschienen, aber es war auch schon
nach neun.
Er
wartete. Pansy hatte den Arm unter Rons gehakt und die beiden sahen wirklich
wie füreinander geschaffen aus. Das hatte er nicht gedacht. Er hatte eigentlich
erwartet, dass Pansy irgendwann beschließen würde, aufzuwachen und Ron Weasley
als Ron Weasley erkennen würde. Aber anscheinend hatte er aufwachen müssen. Das war es wohl. Pansy würde bei ihm bleiben.
Er
atmete langsam aus.
„Willst
du alleine gehen oder kann ich mich anschließen?“, fragte sie leise und er
glaubte schon, eingeschlafen zu sein und das hier zu träumen. Er blinzelte kurz
und überlegte, ob ihm das Butterbier doch zu Kopf gestiegen war. Dann lächelte
sie scheu. „Also?“
Die
Musik spielte weiter. Und dann wurde es still. Er sah aus den Augenwinkeln, wie
die Leute sich umwandten, wie sie versuchten, ihn in der Dunkelheit zu
erkennen. Vielleicht war er verrückt geworden und die Trauer spielte ihm einen
Streich.
„Bist du
hier?“, flüsterte er rau und sie kam einen Schritt näher.
„Sieht
so aus“, bestätigte sie.
„Du hasst mich“, erwiderte er, eher er sich halten konnte.
„Ja, das
stimmt.“ Er schwieg. War sie gekommen, um ihm doch die Meinung zu sagen? Um
doch bei der Hochzeit ihrer besten Freunde dabei zu sein, bei der er sich
eingeschlichen hatte? Es überkam ihn in dieser Sekunde.
„Ich
sollte gehen. Das hier sind deine Freunde. Nicht meine.“
„Ich
dachte du hast dich mit Harry um die Freundschaft geprügelt und mit Ron auf
Brüderschaft getrunken?“, fragte sie und er wunderte sich, warum sie noch nicht
schrie.
„Ja,
aber…“
„Aber?“
„Hermine,
du solltest hier sein. Nicht ich. Hör zu, ich… ich hab’s verstanden. Ich hab
Scheiße gebaut. Ich hätte niemals… auch egal. Ich werde gehen. Bitte, mach für
mich weiter und-“
„Damit
lässt du mich hier stehen?“, fragte sie und wurde nun doch lauter. „Du erklärst
mir, dass du Scheiße gebaut hast und gehst, ohne irgendein Kompliment?“ Er atmete
aus.
„Du weißt, dass ich dich wunderschön finde. Immer. Überall. Ich… mach es dir
nur leichter. Wir halten alles auf“, fügte er hinzu, als er sah, wie sich Harry
weiter vor beugte, um besser zu sehen.
„Gut. Dann geh“, sagte sie jetzt. Er rührte sich nicht.
„Willst
du, dass ich bleibe?“, fragte er schließlich. Sie schüttelte den Kopf.
„Nein,
will ich nicht.“
„Bist du
wegen Ginny und Harry wieder gekommen?“, fragte er weiter und sie nickte.
„Was
denkst du? Dass ich wegen dir wiederkomme?“ Jetzt schüttelte er den Kopf.
„Nein,
denke ich nicht. Aber…“
„Aber?“
„Pansy
hat gesagt, du wärst gegangen“, sagte er schließlich und sie zuckte die
Achseln.
„Ja,
aber nur um etwas zu holen. Das hat etwas Zeit gekostet, weil Griphook schon
geschlafen hat. Aber… wir sind ja alte Bekannte, also hat er für mich noch mal
aufgemacht“, erklärte sie, ohne ihn anzusehen.
„Griphook? Du warst dort? Jetzt? Warum?“ Und er wagte eigentlich gar nicht
weiter zu denken.
Sie
holte die kleine Schachtel aus ihrer Handtasche.
„Er ist
ziemlich schön“, sagte sie. „Viel zu schön. Und viel zu teuer. Wir könnten uns
davon wahrscheinlich eine Weltreise leisten“, fügte sie hinzu.
„Wir könnten das?“, wiederholte er
ungläubig und sie sah ihn an.
„Du bist
wirklich ein ziemliches Arschloch, Malfoy. Muss ich mich selber fragen, oder
willst du mich jetzt nicht mehr?“ Sie sah ihn an und biss sich auf die Lippe.
Er
schüttelte fassungslos den Kopf, ehe das Grinsen in seine Mundwinkel kroch.
„Ich
will dich immer, Granger“, knurrte er, ehe er sie an sich zog. Sie quietschte
gegen seinen Mund, ehe sie mit einem Stöhnen die Arme um seinen Hals legte. Er
zog sie enger an sich und verschlang ihre Lippen mit einem Hunger, der ihm
völlig unbekannt war. Er würde sie nicht mehr loslassen. Und er wollte sie
jetzt und hier, so verflucht dringen, dass er sich kaum noch beherrschen
konnte.
Ihre
Finger fuhren in seine Haare und er bekam eine Gänsehaut als sie ihren Körper
fest an seinen presste. Seine Erektion drückte unangenehm hart gegen seine Hose
und er löste sich von ihren Lippen, um ihren Hals zu küssen.
„Ich…
ich liebe dich“, keuchte er tonlos und sie sah ihn an. Sie weinte. Schon
wieder.
„Ich
liebe dich auch“, erwiderte sie und zog ihn wieder an sich. Wieder schlangen
sich seine Arme um sie und er konnte nicht fassen, was gerade passierte. Seine
Hermine. In seinen Armen. Seins.
„Leute?“
Ron räusperte sich laut. „Das ist super, wisst ihr. Aber Ginny ist heute
ziemlich… reizbar. Wenn wir kurz diese Hochzeit hier… dann könnt ihr gerne…“ Er
ließ den Satz offen und Draco riss sich zusammen und ließ von der perfekten
Frau in seinen Armen ab. Und diese Überwindung war schwerer als alles andere.
Hermine
wischte sich lachend die Tränen von der Wange und es gefiel ihm mehr als gut,
dass sie den Blick nicht von ihm wenden konnte. Er nahm ihr die Schachtel mit
dem Ring ab und ließ sie in das Jackett gleiten.
„Dann später“, sagte er heiser und sie nickte lächelnd.
„Endlich!“,
rief Ginny laut, als sie sich in Bewegung setzten und die Trauung endlich
beginnen konnte. Der magische Priester gähnte verhalten.
„Wir
sind vollzählig?“, erkundigte er sich müde und Ginny nickte hastig.
„Ja. Machen Sie. Schnell.“
~*~
Die
Musik war jetzt lauter als vorher. Jetzt waren Tische und Bänke in den
Gemeinschaftsgarten gehext worden und einige Nachbarn waren aus ihren Häusern
gekommen, um an der Feier teilzunehmen. Manche trugen sogar Bademäntel und
tanzten, aber es schien ihnen oder Ginny und Harry nichts auszumachen.
Sie sah
Draco zu. Pansy hatte ihn gezwungen, zu tanzen. Widerwillig war er dieser
Aufforderung nachgekommen. Und jetzt tanzte er schon nicht mehr mit Pansy,
sondern mit Molly. Davor hatte er mit Luna getanzt, die auch noch als später
Gast erschienen war.
Das Lied
endete und erschöpft verbeugte er sich knapp vor Molly und fand ihren Blick. Er
lächelte jetzt und im Licht der Lampions leuchtete sein Haar golden. Er
streckte ihr die Hand entgegen und sie erhob sich ebenfalls mit einem Lächeln
und kam auf ihn zu.
„Es wäre
keine gute Hochzeit, wenn wir nicht tanzen würden, oder?“, sagte er und ergriff
ihre Hand, um sie an sich zu ziehen. Sie tanzten langsam in Mitten all der
anderen heiteren Tänzer und es verging kaum eine Minute, bevor er sie hungrig
küsste und sie gar nicht mehr tanzten.
Sie war
ganz leicht vor Glück und hielt sich eng an ihm fest.
„Wir
könnten gehen“, schlug sie leise vor, als sie sich kurz von ihm löste.
„Es ist
Harrys Hochzeit“, gab er zurück und sah sich um.
„Ich bin
sicher, das ist ihm nicht so wichtig“, beschwichtigte sie ihn, und kurz
überlegte er.
„Ok.
Wohin willst du gehen?“ Immer noch hielt er sie fest.
„Zu dem
Haus?“ Fragend sah sie ihn an und er musste grinsen.
„Ich
habe es noch nicht gekauft. Und es steht noch völlig leer. Es hat nicht mal ein
Sofa“, fügte er zweifelnd hinzu.
„Wir…
könnten eine Decke auf den Boden hexen“, schlug sie mit einem eindeutigen Blick
vor. Er ergriff ihre Hand.
„Dann
musst du wohl mit mir Seit-an-Seit apparieren, denn ich… bin wohl noch nicht
ganz fähig. Kennst du die Straße vorm Honigtopf?“, fragte er jetzt und sie
nickte. „Gut, dann bring uns dahin.“
Sie zog
ihn mit sich und sie verließen den Garten. Niemand bemerkte, wie sie gingen.
Draußen hakte sie sich bei ihm unter und sie schloss die Augen. Sie sah den Honigtopf
genau vor sich. Dann begannen sie sich zu drehen.
Ihre
Füße schlugen auf den Pflastersteinen auf. Es war niemand mehr draußen. Sie
standen direkt vor dem Honigtopf und wenn sie den Kopf nach rechts wandte, sah
sie die Nachtlichter auf den Fluren von Hogwarts in der Dunkelheit leuchten.
„Schau
mal“, flüsterte sie und deutete auf das Schloss.
„Harry
hat uns ein Treffen mit McGonagall arrangiert“, sagte Draco jetzt. Sie sah ihn
überrascht an.
„Weshalb
das denn?“
„Na ja,
er hat gute Verbindungen. Und… seines Wissens nach werden dort diesen Sommer
neue Lehrstellen vergeben. Slughorn ist zu alt für Zaubertränke und McGonagall
hat Harry gesagt, sie ist es müde, die Stelle des Direktors und Verwandlung zu
übernehmen.“ Ihr Mund öffnete sich.
„Du
sagst, es ist möglich dort zu arbeiten?“, flüsterte sie und er zuckte die
Achseln.
„Wenn du das willst“, erwiderte er nur und sie schüttelte fassungslos den Kopf.
„Seit wann weißt du das?“
„Seit
heute.“ Sie schüttelte den Kopf erneut.
„Lass
uns… lass uns morgen darüber reden“, sagte sie leise und zog seinen Kopf zu
sich, um ihn zu küssen. Er reagierte sofort und zog sie wieder an sich. Das
Gefühl in ihrem Bauch war unglaublich. Es war als würde sie fliegen, ohne einen
Spruch dafür zu benötigen. Sie musste unwillkürlich lächeln und er zog den Kopf
zurück.
„Bereit, das Haus zu sehen?“, fragte er und ergriff ihre Hand und sie folgte
ihm. Er ging ziemlich schnell und als die Läden aufhörten, begann eine kleine
Wiese. Sie kannte diese Wiese, aber als Schüler konnte sie sich nicht erinnern,
jemals genauer hingesehen zu haben. Drei Häuser standen dort. Alle drei lagen
in Dunkelheit. Sie sahen gemütlich aus, mit den Verandas aus Holz, den blauen
Holzläden vor den Fenstern und dem Efeu, der sich an den Seiten der Häuser nach
oben rankte. „Es ist das erste“, fügte er hinzu und öffnete das niedrige
Gartentor.
Sie
folgte ihm durch die laue Nacht und liebte es, wie sich das Gras unter ihren
Füßen anfühlte. Kurz sah er sich um, dann öffnete er mit einem stummen Zauber
die Tür und sie folgte ihm ins Innere.
Er
entfachte die wenigen Kerzen, die noch nicht herab gebrannt waren und führte
sie durch den Korridor in ein großes gemütliches Zimmer mit einem riesigen
Kamin. Er legte Feuerholz hinein und entzündete die Scheite.
Es war
ein riesiges Zimmer. Wahrscheinlich weil es komplett leer war. Die Küche
grenzte an und sie sah in einiger Entfernung eine verschlungene Treppe nach
oben führen.
„Willst
du den ersten Stock auch sehen, oder…?“ Aber sie ließ ihm keine Zeit, weiter zu
sprechen, sondern zog ihn wieder an sich. Ihre Finger griffen in sein Jackett
und zogen es über seine Schultern. Sie fühlte, wie sich seine Muskeln
anspannten und er gegen ihre Lippen stöhnte. Seine Finger schienen ihre Haut
nur zaghaft berühren zu können und er schob langsam die Träger ihres Kleides
zur Seite. Kurz rang er um Fassung.
„Es tut
mir leid“, begann er schließlich.
„Was tut
dir leid?“, fragte sie ein wenig benebelt von seiner Nähe.
„Alles.
Alles, was schief gelaufen ist. Ich hätte dir-“
Sie
hatte den Zeigefinger auf seine Lippen gelegt. Und jetzt schüttelte sie nur
sachte den Kopf. „Du hattest recht“, sagte sie leise. „Es ist… eigentlich ganz einfach.
Du hast meine kleine Welt durcheinander gebracht und… ich bin weggelaufen. Und
deswegen musstest du mich zurückholen. Das ist die offizielle Geschichte“,
fügte sie hinzu.
„Ich
finde, das spart einiges aus“, beschwerte er sich jetzt.
„Draco“,
warnte sie ihn lächelnd.
„Ich
meine, da kommt die ganze Sache in der Dusche nicht gut zur Geltung“, fügte er
mit einem Wackeln seiner Augenbrauen hinzu. „Aber, vielleicht war das auch
nicht besonders beeindruckend“, ergänzte er, als er qualvoll langsam ihre Lippen
küsste. Es kam ihr vor, als hätte sie eine Stufe verpasst. Oder gleich ein
ganzes Treppenhaus, so leicht fühlte sie sich plötzlich. Gott, er war
unglaublich. Sie hatte noch nicht mal nackt gesehen und war jetzt schon völlig
hin und weg. Es war auch unfair von ihm, so fantastisch auszusehen, befand sie
dumpf.
Er
küsste schließlich ihre Schulter und ließ sie die Knöpfe seines Hemdes
aufmachen.
Er zog
ihr Kleid tiefer, so dass er ihre Brüste küssen könnte und sie musste die Augen
schließen. Merlin, wie hatte sie ihn vermisst!
Und sie
konnte es nicht erwarten, ihn komplett auszuziehen. Sie hatte sich die ganze
Hochzeit lang gedulden müssen und jetzt konnte sie einfach nicht mehr.
Aber er
ging auf die Knie und ihr Blick folgte ihm verwirrt. Er griff in die Tasche
seines Jacketts, das schon auf dem Boden lag, und sie musste plötzlich lächeln.
Er zog die kleine Schachtel hervor, öffnete sie und entnahm den Ring. Dann hob
er den Blick zu ihrem Gesicht und sein Lächeln war unglaublich anziehend.
„Hermine
Granger…“, begann er, aber sie schüttelte den Kopf und ging ebenfalls auf die
Knie. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und musste lachen.
„Ja…!
Ja, Draco Malfoy! Was denkst du denn?“, erwiderte sie, erleichtert vor Freude.
Sie küsste ihn stürmisch und erlaubte ihm danach, den Ring auf ihren Finger zu
schieben. Die vielen kleinen Steine funkelten im Licht des Feuers.
„Pansy hat einen guten Geschmack“, fügte sie hinzu und er verdrehte die Augen.
„Dass
sie auch nicht einmal den Mund halten kann“, beschwerte er sich leise und sah
sie dann wieder ernst an. „Ich liebe dich, Hermine.“ Sie nickte nur und hatte
das Gefühl, ihr Lächeln tat schon weh. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie
sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte.
„Ich
dich auch.“
Und
jetzt wollte sie nicht mehr reden. Sie war hier. Mit ihrem Verlobten. In ihrem
zukünftigen Haus. Und mehr wollte sie nicht. Es war absolut perfekt und in
diesem Moment ließ sie sich von ihm küssen und sank mit ihm auf den Boden.
Jetzt hatten sie zwar die Decken vergessen, aber das störte sie auch nicht
wirklich.
Sie zog
das Hemd von seinen Schultern, öffnete ungeduldig die Hose und auch er schien
keine Lust mehr haben, besonders viel Zeit auf das Vorspiel zu verwenden, denn
seine Küsse wurden stürmischer, drängender und sie konnte ihm genau nachfühlen,
warum er nicht mehr warten wollte. Seine Erektion raubte ihr den letzten Sinn
und sie wurde nur zu schnell das geliehene Kleid los. Sie warf es über ihren
Kopf weit nach hinten.
Er
spreizte ihre Beine verlangend und drang in einer fließenden Bewegung in sie
ein. Wieder musste sie sein Gesicht in ihre Hände nehmen, um sich zu
vergewissern, dass sie das hier auch ja nicht träumte. Schwer atmend sah er sie
an. Dann stieß er nach vorne, vorsichtig, behutsam beinahe. Er versuchte, nicht
die Augen zu schließen und sie nicht aus dem Blick zu lassen. Das Spiel seiner
Muskeln im Feuerschein war berauschend und sie biss sich auf die Unterlippe.
Dann
küsste sie ihn und ließ sich völlig fallen. Der Moment schien ewig zu dauern.
Er verging nicht so schnell wie all die anderen Momente. Sie schloss glücklich
die Augen, während er heiße Küsse auf ihrem Hals verteilte und sie verschmolzen
zu nur einem Körper, während das Feuer hinter ihnen prasselte.
Er
bewegte sich schneller über ihr und sie warf den Kopf nach hinten, weil die
Wellen sie einfach mitrissen, ohne dass sie es aufhalten konnte.
Sein
Orgasmus folgte ihrem auf der Stelle und sie klammerten sich aneinander und
verharrten so in dieser Position, bis sich ihr beider Atem wieder beruhigt
hatte. Sie war eingehüllt in seinen perfekten Duft, verschmolzen mit seinem
Körper und sie waren einfach nur noch eins.
Sie nahm
sein Gesicht in ihre Hände. Er sah anbetungswürdig aus, die Wangen leicht
gerötet und sein Blick völlig in ihrem eigenen versunken.
„Ich
liebe dich, Draco“, sagte sie fest und zum ersten Mal sah sie ihre Zukunft vor
sich, ohne Ängste und ohne den geringsten Zweifel.
Er
lächelte sein wunderschönes Lächeln und küsste sie so, wie sie es noch nie
erlebt hatte. Ihre Augen schlossen sich automatisch und sie liebte diesen
Moment.
Und
eigentlich brauchten sie auch keine Möbel in diesem Haus. So war es genauso
perfekt, überlegte sie lächelnd und schlang die Arme glücklich um seinen Hals.
- The End -