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Teile

Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4 , Teil 5 , Teil 6 , Teil 7 , Teil 8 , Teil 9 ,

Teil 10 , Teil 11 , Teil 12 , Teil 13 , Teil 14 , Teil 15 , Teil 16 , Teil 17 ,

Teil 18 , Teil 19 , Teil 20 , Teil 21 , Teil 22 , Teil 23 , Teil 24 , Teil 25 ,

Teil 26 , Teil 27

 

Teil 1

 

~Die erste Hochzeit~

 

„Die Braut findet ihre Schuhe nicht!“, gellte es schrill durch die Flure des teuren Inns, in dem die Hochzeit stattfand. Hermine sah sich um, ob sich irgendwer kümmern würde, aber sie musste bei Merlin nicht selber eingreifen. Es kamen bereist eifrige Hexen den Gang entlang gerauscht, in abgrundtief hässlichen Kleidern.

 

Sie war wirklich froh, dass Lavender ihr das nicht angetan hatte. Aber sie wusste auch nicht unbedingt, weshalb sie überhaupt eine der Brautjungfern war. Die anderen beiden Brautjungfern waren Parvati und Padma Patil, die wahrscheinlich gerade ihre Pflicht verrichteten und der Braut beiseite standen.

Hermine stand eher in der Lobby und unterhielt sich mit Luna Lovegood, die ebenfalls eingeladen worden war. Natürlich war auch Ron eingeladen. Sowie Harry und Ginny. Eigentlich halb Hogwarts war da.

 

Das war einerseits sehr schön, aber andererseits auch nicht, denn Lavender Brown heiratete heute Blaise Zabini. Das war nicht nur eine perverse Verbindung, sondern auch ein Grund, den Harry und Ron wahrnahmen, um sich hemmungslos zu betrinken.

Hermine war sowieso nur hier, weil sie magische Hochzeiten reizvoller fand, als Muggelhochzeiten.

Die Hochzeit von Bill und Fleur damals hatte zwar ein abruptes Ende gefunden, aber dennoch war sie Hermine gut im Gedächtnis geblieben.

 

Außerdem hatte sie ein Schauer befallen, als sie die Einladung bekommen hatte. Anscheinend war es jetzt nämlich soweit, dass die Leute ihrer Generation anfingen zu heiraten.

Sie war genauso alt wie Lavender. Mit neunundzwanzig sollte man sich also schon um einen Verlobten bemüht haben. Allerdings sah das bei ihr etwas anders aus. Sie hatte zurzeit nicht einmal einen festen Freund.

Luna hatte ihr bereits die Möglichkeiten einer Brautjungfer aufgezählt, die sich im Muggelsinne nicht besonders unterschieden.

Denn traditionsgemäß fand also die Brautjungfer immer wen am Hochzeitstag.

 

Eigentlich suchte Hermine gar nicht wirklich. Und sie wollte sich bestimmt nicht auf einer Hochzeit auf irgendeinen fremden Zauberer einlassen. Obwohl das mit dem fremd schwer werden würde, denn sie kannte nahezu neunzig Prozent der Anwesenden.

Lavender musste hier so etwas wie ein Klassentreffen sehen. Sogar McGonagall war eingeladen worden. Hermine hatte dies mit Stirnrunzeln festgestellt, und auch Professor McGonagall wirkte eher so, als hätte sie aus Höflichkeit zugesagt.

 

Egal. Neben den singenden Zwergen, die Lavender wohl putzig fand, nörgelte Luna pausenlos.

 

„Ich meine, findest du das nicht seltsam?“ Hermine musste sich gestehen, dass sie nicht zugehört hatte und zuckte deshalb unverbindlich mit den Achseln. „Kinderlos… Wieso sagen sie nicht einfach kinderfrei? Kinderlos klingt doch, als ob man traurig ist, keine Kinder zu haben. Ich und Neville, wir haben das so entschieden.“ Hermine hatte die Stirn in Falten gelegt.

 

Sie konnte Luna die Bitterkeit ansehen. Sie war nun schon zehn Jahre mit Neville zusammen. Anscheinend stand weder eine Hochzeit, noch der Klapperstorch ins Haus. Sie wusste nur nicht genau, ob Luna neidisch war oder eben nur bitter. Vielleicht war es dasselbe.

 

Ron saß an der Bar mit Harry und war ziemlich betrunken, so wie sie seine Haltung einzuschätzen versuchte. Dabei war es schon länger als ein Jahrzehnt her, dass er mit Lavender gegangen war. Und sie glaubte nicht, dass die beiden überhaupt Sex gehabt hatten. Nein, wenn sie recht überlegte, war sie ziemlich sicher, denn Blaise Zabini war Reinblüter und würde bestimmt nur eine Jungfrau heiraten.

Sie musste zugeben, dass sie nicht vorhatte, ihre Vorurteile für Reinblüter abzulegen.

 

Sie hatte Zabini noch nicht zu Gesicht bekommen, aber Lavender hatte ihr schon Stundenlang in den Ohren gelegen. Das war auch eigentlich der Grund, weshalb sie hier draußen war und nicht mehr im Brautzimmer, wo die Zauberstäbe der anderen Brautjungfern um Lavender rumflogen und ihre Frisur richteten oder sie schminkten.

 

Hermine war es tatsächlich zu albern. Aber das lag vielleicht auch daran, dass es sich um Lavender handelte. Sie hatte nicht viel mit Lavender zu tun, und selbst das war noch übertrieben.

Sie arbeiteten im Ministerium zusammen, aber sie hatte dort wirklich noch nie auch nur ein einziges Wort mit Lavender gesprochen.

Noch nie. Nicht eins.

 

Luna sah sie jetzt erwartungsvoll an. „Ich… ja, wie du meinst“, lenkte Hermine ein. „Hör zu, ich muss mich jetzt ein bisschen… du weißt schon.“ Verdrücken, hätte Hermine am liebsten gesagt, stattdessen ließ sie Luna stehen und ging zu Ron und Harry hinüber. Anscheinend hatte Harry hier einen Heidenspaß und schien wieder vergessen zu haben, dass Ginny sauer auf sie beide war.

 

Auf sie, weil Ginny gerne Brautjungfer gewesen wäre, Hermine dies aber gar nicht gewusst hatte. Und auf Harry, weil er Ginny immer noch nicht um ihre Hand gebeten hatte. Aber wahrscheinlich ging ihm das überhaupt nicht auf.

 

„Na, ihr?“, fragte sie weniger begeistert.

 

„Hermine, eine großartige Party“, grinste Harry. Ron hatte den Kopf auf die Theke gelegt und stöhnte theatralisch.

 

„Hätte ich sie gefragt, Mann! Ich hätte sie auch fragen können.“ Hermine verdrehte die Augen.

 

„Aber Ron…“, begann sie gereizt. „Du heiratest doch nur jemanden, wenn du ihn liebst. Nicht, weil du in der Lage bist, eine Frage zu stellen.“

 

„Ist mir egal. Jetzt heiratet sie dieses Arschloch.“ Da gab sie ihm allerdings recht. Sie seufzte.


„Ron, du musst dich wieder einkriegen. Die Trauung ist noch nicht mal vorbei und du bist schon betrunken. Harry, kümmer dich doch mal!“, zischte sie, und Harry musste wieder grinsen. „Und regel das mit Ginny“, fügte sie hinzu.

 

„Mit Ginny? Sie ist doch selber schuld, wenn sie zickig sein will“, fuhr er ihr ins Wort und bestellte noch einen Whiskey. Normalerweise trank keiner der beiden so widerliches Zeug, aber anscheinend änderten Männer ihre Meinung, wenn sie nicht zahlen mussten. Hoffentlich dachten sie nicht daran, dass sie Seit an Seit mit ihr apparieren konnten. Das konnten die beiden gleich vergessen.

 

„Hermine, kommst du? Hi, Harry!“ Dies sagte Parvati im selben Atemzug. Anscheinend hatte sie es immer noch auf Harry abgesehen. Dieser beachtete sie kaum, denn jetzt folgte er Rons Beispiel und betrank sich ziemlich haltlos.

 

„Wohin?“ Ihr schwante Übles, denn sie wollte wirklich nicht länger als nötig in Gesellschaft der Brautjungfern bleiben.

 

„Na ja, es geht in ein paar Minuten los!“ Parvati war aufgeregter als die Braut, so schien es Hermine. „Und wir müssen mit den Trauzeugen von Blaise zusammen den Gang runter.“ Das einzig praktische war, dass dies eine magische Hochzeit war. Also von Muggeln abgeschottet. Das hieß, in diesem Inn befand sich automatisch die magische Kirche. Dieses Inn diente nur der magischen Heirat. Nein. Der reichen, magischen Heirat. Hermine seufzte erneut. Sie sagte sich, dass sie diesen Tag nur überleben musste. Dann wäre alles wieder normal. Sie würde ihr Leben weiterführen, ohne jemals mit Lavender zu sprechen.

 

Obwohl sie ihr eine ziemlich teure sprechende Standuhr besorgt hatte. Sie war zu spät gekommen und musste sich wohl oder übel damit abfinden, mehr für das Geschenk auszugeben, dass Lavender und Zabini auf ihrer Liste noch übrig hatten. Hochzeiten waren einfach zu teuer und zu anstrengend. Sie folgte Parvati widerwillig, die noch einen letzten Blick auf Harry warf.

 

„Du weißt, dass er mit Ginny Weasley zusammen ist, richtig?“, sagte sie mit Nachdruck und Parvati wandte den Blick endlich ab.

 

„Ja, aber anscheinend läuft es nicht besonders gut.“ Und sie lächelte, wie nur eine Frau mit einem Plan lächeln konnte. Hermine hoffte inständig, dass Harry nicht auf so ein schlechtes Spiel reinfallen würde.

 

„Es läuft großartig“, sagte sie also, mehr um sich selbst zu beruhigen, als Parvati vom Kurs abzubringen.

 

„Komm.“ Sie waren vor dem Brautzimmer angekommen. Weiter hinten im Flur standen die Trauzeugen von Zabini. Hermine erkannte sie an den teuren, schwarzen Anzügen. Lässig hingen die schweren schwarzen Umhänge über ihre Schultern und entblößten Schmuck, Gold, Diamanten oder mit was eben die Anzüge noch verziert waren.

 

Die Schuhe glänzten allesamt schwarz. Zwei der Männer kannte Hermine nicht. Aber sie sahen Zabini sehr ähnlich. Sie waren sehr schön und sehr groß. Bestimmt Cousins oder andere Verwandte.

Die andern beiden Männer kannte sie zu gut. Gregory Goyle wirkte ebenso fehl am Platz wie sie. Bei ihm lag es daran, dass er vom Äußeren nicht allzu sehr ins Bild passte, denn er war kleiner, etwas dicker und schwitzte vor Nervosität, wie sie es sehen konnte, denn er tupfte sich hastig über die Stirn.

 

Der vierte Mann war Draco Malfoy. Sie erkannte ihn sofort und ärgerte sich, dass sie nicht darüber nachgedacht hatte. Sie hatte zwar gewusst, dass Zabini Reinblüter war, aber ihr war nicht bewusst gewesen, dass er damit automatisch seine Reinblüter-Freunde einladen würde. Dumm von ihr.

 

Die Männer wandten alle den Blick in ihre Richtung. Parvati wurde zappelig.

 

„Oh, ich weiß gar nicht, welchen ich nehmen soll. Draco sieht fantastisch aus. Aber Blaises Cousin ist genauso scharf. Keine Ahnung, was Lavender sagen würde.“ Hermine schluckte schwer. Immerhin kam Parvati so von Harry ab. Aber müsste sie sich entscheiden, dann würde sie lieber für immer auf Sex verzichten.

 

Sie hob scheu die Hand und winkte knapp. Goyle winkte zurück. Malfoy gab ihm einen Knuff und wandte seinen Blick ab. Parvati streckte den Rücken durch. Hermine verstand übergangslos. Das hier war keine Hochzeit. Das hier war anscheinend ein Zeichen von Macht. Es war wie in der Schule. Warum nahm Zabini eigentlich Lavender? Sie war doch in Gryffindor. Vielleicht irrte sich Hermine und Zabini war besser als all die andern Idioten.

 

Aber noch glaubte sie das nicht. Sie war sich allerdings ziemlich sicher, dass sie hier keine Szene machen würden. Das wäre wirklich interessant. Sie würde jeden verfluchen, auf der Stelle, Lavenders Hochzeit hin oder her.

 

Ein Kampf mit ehemaligen Todessern. Das wäre mal wenigstens etwas Aufregendes.

 

Parvati klopfte hastig. Anscheinend fühlte sie sich nicht mehr ganz so wohl auf dem Flur. Hermine spürte wieder Malfoys Blick. Goyle sagte irgendwas zu ihm und er zuckte knapp die Schultern. Noch immer sah er sie an. Sie konnte den Ausdruck nicht erkennen, aber es machte sie dennoch wütend. Denn was anderes konnte er schon denken? Am liebsten würde sie direkt ihren Zauberstab auspacken und einen Fluch quer durch den Flur jagen.

 

Sie beherrschte sich. Knapp. Aber sie beherrschte sich.

 

Parvati zog sie in das Zimmer, wo Lavender bereits keuchend atmete.

 

„Endlich.“ Sie besah sich ihre drei Brautjungfern, als würde sie noch eine letzte wichtige Nachricht loswerden müssen, ehe sie für immer auf den Mond ziehen würde. „Ich bin so froh…“ Sie machte eine Pause, denn sonst würde sie wohl weinen müssen. „Ich bin froh, dass ihr meine Brautjungfern seid. Und Hermine, danke, dass du einfach zugesagt hast! Ich wusste, du würdest nicht vergessen haben, wie eng wir damals befreundet waren.“ Hermine rekapitulierte in ihrem Kopf.

 

Nein.

 

Sie waren niemals eng befreundet gewesen. Als Hermine noch in Ron verliebt gewesen war, hatte sie Lavender gehasst. Physisch gehasst.

Aber sie verkniff sich jedes Wort. Bei Lavender schien jetzt jeder Widerspruch gefährlich zu sein.

 

„Gleich geht es los. Ich möchte, dass jede von euch mir einen Satz gibt, den ich noch mit in meinen Schwur bringen kann. Das wäre wirklich…“ Sie schluckte schwer. Hermine ebenfalls. Was? Sie sollte was? Auf die Schnelle und dann auch noch ehrlich gemeint? Aber sie hatte keine Zeit zu überlegen, denn Parvati begann bereits.

 

„Sag ihm, dass du dir nicht hättest vorstellen können, wie leicht es ist, seine Frau zu werden, und dass du doch immer solche Angst vor Beziehungen hattest.“ Hermines Mund klappte auf. Super. Woher sollte sie so intime Sachen wissen? Mist.

 

„Weißt du noch, als du die Erkältung hattest?“, rief jetzt Padma und Lavender nickte tränenschwer, während die magische Feder hastig Parvatis Worte auf einem Stück Pergament ergänzte. „Und Blaise ist bei dir geblieben, die ganze Zeit? Und er hat dir gesagt, dass er nicht ohne dich aufwachen möchte, weil du die einzige bist?“ Lavender fing an zu weinen, aber irgendeiner der Zauberstäbe machte sich selbstständig und zauberte die Träne sofort davon und richtete gleichzeitig wieder das Makeup.


„Du kannst ihm jetzt sagen, dass du nur ihn und sonst niemanden lieben wirst. Und dass du von nun an jedem Tag neben deinem besten Freund aufwachen kannst!“

 

Oh Gott. Hermine würde sich gleich übergeben. Sie wusste, das würde eventuell passieren. Oder sie würde vor Kitsch noch ohnmächtig werden.

 

„Hermine?“ Lavender sah sie mit verheulten Augen an. Bei Merlin, jetzt konnte sie beweisen, dass sie Jahrgangsbeste war. Und zwar schnell.

 

„Da… da… gibt es…“ Die anderen sahen sie voller Erwartung an. „ Liebe ist die Antwort. Und das weißt du ganz sicher. Liebe ist das, was am Ende immer überlebt und… das ist, was zählt“, endete sie lahm und hoffte, dass John Lennon ihr nicht übel nahm, dass sie seine Worte stahl.

 

„Oh, Hermine!“ Lavender drückte sie übergangslos an sich. „Liebe ist die Antwort! Du bist so tiefsinnig!“ Hermine atmete erleichtert auf, während die Feder immer schneller die letzten Worte schrieb. Schon begannen auch die Geigen. Hermine fühlte sich bereits zehn Jahre älter.

 

Sie war etwas verwirrt, denn sie spielten nicht den Hochzeitsmarsch von Strauß. Sie nahm an, dass es wohl überall andere Regeln und Bräuche gab. Sie atmete also aus, zupfte noch einmal an dem lila Kleid, das sie selbst hatte auswählen dürfen und folgte den aufgeregten Mädchen nach draußen. Sie hoffte, Harry und Ron würden noch alleine stehen können und hätten noch keinen Skandal angerichtet.

 

Sie hatte Glück.

 

Die Blumen schienen unnatürlich zu leuchten. Tauben flatterten an der Decke leise hin und her. Sie war sich nicht sicher, ob es ein Zauber war, oder ob sie wirklich echt waren. War das nicht Tierquälerei? Sie hatte keine Zeit zu überlegen, denn sie musste aufpassen, nicht über Lavenders Schleppe zu fallen.

 

Es wäre noch schöner gewesen, wäre sie von Hauselfen getragen worden, aber davon hatten die Zabinis wohl abgesehen.

Stattdessen hielten sie Padma und Parvati mit ihren Zauberstäben und stummen Formeln über dem Boden.

Sie ließ den Blick kurz schweifen.

 

Auf der Seite der Braut saßen die Leute, die sie kannte und wenigstens zu einem großen Teil auch wirklich mochte. Sie erkannte Harry und Ron, die sich an den Holzlehnen der langen Bänke festhalten mussten. Sie würde nachher noch ein Gespräch mit beiden führen.

Dann, wenn sie das alles hier auch wieder lustig fand.

 

Es setzte ein seltsamer Gesang ein und für einen Moment war sie benebelt.

Sie blickte nach vorne. Ein wunderschöner Engel stand dort und sang. Sie schüttelte sachte den Kopf. Nein.

Kein Engel. Einer von Zabinis Verwandten. Manchmal vergaß sie, dass Zabinis Mutter eine Veela war. Die Seite des Bräutigams unterschied sich drastisch.

 

Alle waren steinreich. Das sah man an der Garderobe und den ernsten, teilweise, verzogenen Gesichtern. Sie nahm nicht an, dass Mrs Zabini von der Wahl ihres Sohnes so angetan war.

 

Sie konnte es nicht wirklich sagen. Seine Mutter trug einen Hut mit einer so breiten Krempe, dass sie ihr Gesicht nicht ausmachen konnte.

Der Bräutigam stand hübsch und ernst vorne und wartete bereits. Neben ihm standen die Trauzeugen. Sie reihten sich ein und sie stand Goyle gegenüber.

Der schwitzte immer noch.

 

Der Priester begann. Es klang alles genauso, wie sie es von den langweiligen Zeremonien aus der Muggelwelt gewöhnt war. Ähnliche Worte über Vertrauen und Liebe wurden gesprochen. Dann aber holte der Priester seinen Zauberstab hervor. Jetzt wurde es spannend.

 

„Lavender, dir ist bewusst, dass du durch das Einheiraten in die Familie Zabini Pflichten und Vorzüge des hohen Geschlechtes genießt?“ Lavender nickte ehrfurchtsvoll, während Hermine nicht verhindern konnte, die Augen kurz zu verdrehen. Wie überzogen. Bestimmt bezahlten die Zabinis den Priester dafür, Lavender zu quälen. „Dir ist bewusst, welche Bedeutung der Name hat und welche Verantwortung auf deinen Schultern lastet?“ Sie nickte erneut.

 

„Ja, das weiß ich.“ Der Blick den sie und Zabini tauschten war schon fast zu eklig.

 

Der Priester hob den Zauberstab. „Lavender, liebst du Blaise Wendell Zabini?“ Wendell… Hermine würde das bestimmt nicht vergessen. Kein Wunder, weshalb der kleine Wendell den Namen geheim gehalten hatte. Zabini verzog keine Miene. Das musste man ihm lassen.

 

„Ja, das tue ich“, sagte sie fest. Blaue Funken sprühten aus der Spitze des Zauberstabs, schienen in ihren Mund zu dringen, ihn nach einer Lüge zu durchsuchen und verließen ihn dann wieder und lösten sich auf.

Hermine war fasziniert. Anscheinend war das ein Lügendetektortest.

Zabini musste die Fragen nicht beantworten, musste aber dafür den Funkenregen über sich ergehen lassen.

 

Anscheinend liebten sie sich beide. Unfassbar.

 

„Es ist euch erlaubt, eure Schwüre vorzutragen“, fuhr der Priester mit dröhnender Stimme fort. Die hohen Schuhe wurden langsam unbequem. Goyle, der ihr gegenüber stand, amtete wieder schwer. Aber für einen Mann schien er dennoch recht angetan zu sein. Er sah noch genauso aus, wie früher.

 

Angestrengt zwang er seinen Blick auf Zabini und Lavender.

 

„Lavender, du bist alles, was ich mir wünschen konnte. Du liebst mich bedingungslos und ich bin mir deiner Liebe und Zuversicht stets gewiss.“ Zabini hatte eine sehr angenehme Stimme. Lavender blickte ihn an, als wäre sie volltrunken vor Liebe. „Lass uns von nun an alle Wege gemeinsam beschreiten und nie mehr einen Tag voneinander getrennt sein.“ Hermine konnte nicht verhindern zu denken, dass Zabini diese Worte viel zu nüchtern und kalt sagte. Lavender schien dies nicht zu hören.

 

Zabini zog einen Ring aus einer Tasche und steckte ihn Lavender auf den Finger. Der Priester hob seinen Zauberstab, schloss die Augen, murmelte etwas Unverständliches und kurz erfüllt strahlend weißes Licht den hohen, Kirchähnlichen Raum.

 

Anscheinend war Lavender jetzt dran. Hermine biss sich von innen auf die Wangen, damit sie nicht lachen würde.

 

„Blaise, du bist der perfekte Mann für mich. Du hast mir meine Ängste vor einer Beziehung genommen und machst es mir so leicht, deine Frau zu werden. Du bist mein bester Freund. Ich liebe dich und freue mich, von nun an jeden Tag neben dir aufzuwachen und nie mehr eine Nacht allein zu sein. Liebe ist die Antwort. Und das weiß ich ganz sicher. Liebe ist das, was am Ende immer überlebt. Und nur das zählt.“ Sie schluchzte auf. Hermine wandte den Blick ab.

 

Sie hörte ein feines Geräusch. Ein Räuspern. Ihr Blick traf den Malfoys. Seine Mundwinkel zuckten kurz. Dann wurde er wieder ernst. Kurz ruhte sein Blick noch auf ihrem Gesicht, ehe er sich wieder nach vorne wandte.

Sie betrachtete ihn noch einen Moment, denn sie musste zugeben, sie hatte ihn lange nicht gesehen. War er größer geworden? Vielleicht machte es nur der dichte, lange Umhang.

Hatte er gerade etwa gelacht? Aber sie bezweifelte ernsthaft, dass Draco Malfoy eine Textzeile von John Lennon kennen würde.

 

Das war nahezu unmöglich. Nahezu unmöglich war auch, was schließlich folgte.

 

„Sie sind beide verbunden im heiligen Stand der Ehe. Vermag euch kein Fluch der Welt zu trennen wissen.“ Kurz herrschte angenehme, fast ehrfürchtige, Stille. „Küssen Sie Ihre Braut“, sagte der Priester schließlich.

Zabini schien nichts lieber zu tun.

 

Die Seite der Braut fing an zu klatschen. Die Seite des Bräutigams blieb still und reserviert.

 

Und dann begann das Fest.

 

 

Teil 2

 

Die formale Kleidung war schwer. Sehr schön, aber sehr schwer. Er konnte nicht ernst bleiben, wenn er Greg betrachtete. Ihm fehlte die nötige Eleganz einen solchen Festumhang mit Anzug tragen zu können.

Er war froh, dass Pansy sie noch nicht wieder gefunden hatte. Blaise hatte Pansy als einzige Freundin eingeladen.

 

Die restlichen Mädchen waren Verwandte. Blaise hatte verboten, dass sie Begleitungen mitbrachten, denn damit würde das Prinzip der Trauzeugen schließlich nicht erfüllt sein. Zu einer Hochzeit brachte man schließlich keine Begleitung mit. Wer sollte sich sonst um die Brautjungfern kümmern? Guter Einwand.

 

Aber Draco hatte wenig Interesse an diesen Brautjungfern, denn die Patil Schwestern hatte er bereits gehabt. Zwar war das lange her – beinahe zu lange, aber er hegte nicht das Verlangen, diese Erfahrung zu wiederholen.

 

„Wie wäre es, wenn du dich mit deinen Freunden verziehen würdest?“ Pansy hatte zu viel getrunken. Sie hätte diese Worte ohne weiteres auch an ihn richten können, aber als er sich umwandte, stellte er beruhigt fest, dass sie diesmal nicht ihn anschrie. Weasley hatte sein Schicksal schneller ereilt, als es ihm zu gefallen schien.

 

„Ich? Wieso verschwindest du nicht Pansy-Pest-Parkinson?“ Weasley leerte sein Glas mit schwankender Hand. Schlechter Witz. Aber für seinen Alkoholpegel bestimm noch einer der besten, die er je gemacht hatte. Draco lehnte sich an den Tresen und beobachtete die Szene. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, weshalb Pansy sich mit Weasley streiten könnte.


Es kam ihm sowieso wie ein Klassentreffen hier vor. Von einer besonders schlimmen Sorte. Es reichte ihm völlig aus, Potter außerhalb ertragen zu müssen. Ihre Wege kreuzten sich ab und an auf Abendessen, die das Ministerium ausrichtete, denn Potter war berühmt und wurde eingeladen, wenn auch ohne Grund, und er selber war reich und bezahlte das Ministerium für seine schlechte Arbeit.

 

„Du findest das witzig, Weasley, wirklich?“ Weasley wirkte recht unbeeindruckt. Das könnte daran liegen, dass er wirklich nicht mehr nüchtern war, vermutete Draco. Pansy funkelte Weasley zornig an.

 

„Nein. Ich finde dich wirklich witzig. Wen willst du mit deiner Oberweite beeindrucken?“ Pansys Mund klappte auf. Draco fand es überaus unterhaltsam diesem Streit beizuwohnen. Unbewusst wanderte Pansys Hand zu ihrem Dekolletee und bedeckte es knapp. Draco befürchtete bereits, dass Pansy noch Gefallen an Weasley finden könnte.

 

Zwar war Weasley ein bedeutungslos schlechter Quidditchspieler, aber er brachte dennoch die äußerlichen Attribute mit, an denen Frauen Gefallen finden konnte. Auch Pansy. Weasley war groß genug, hatte Schultern, die breit genug waren und dichte rote Haare. Draco selber fand kaum etwas abstoßender als rote Haare, aber er hoffte fast, dass Pansy sich vergessen würde, damit er sie damit auf ewig aufziehen konnte.

 

„Ron, wie wäre es, wenn du nicht streiten würdest?“ Grangers Stimme klang gepresst. Draco nahm an, dass der Champagner in ihrem Glas bereits warm geworden war. Ihr Makeup ließ ihn nicht erahnen, ob die Röte schon in ihre Wangen gestiegen war, aber so wie er Granger einschätzte, würde sie keinen Tropfen zu sich nehmen.

 

Wenn er auf den Feiern im Ministerium zu Gast war, sah er zwar Potter, aber Granger noch kein einziges Mal.

Er nahm an, dass sein Urteil korrekt war. Sie war alkoholscheu und prüde. Das war natürlich schon immer so gewesen. Er nippte an seinem Getränk und genoss die Szene.

 

„Das ist meine Sache, Hermine!“, lallte Weasley und Pansy stellte sich neben ihn.

 

„Genau, Granger. Wieso gehst du nicht jemanden nerven, den es interessiert, was du zu sagen hast? Du solltest nicht als Brautjungfer hier sein, sondern als Mauerblümchen.“ Draco musste schmunzeln. Pansy war richtig in Fahrt.

 

„Hey! Parkinson, niemand hat dich gefragt!“, fuhr Weasley dazwischen und Pansy reckte den Kopf in die Höhe, so dass ihre kunstvolle Frisur zu schwanken drohte.

 

„Ich habe das Recht meine Meinung zu äußern, wie jeder andere hier! Ihr gehört hier doch alle gar nicht hin. Das sollte eine Reinblüterhochzeit werden. Aber nein, Blaise hat ja seinen Verstand verloren!“ Weasleys Mund öffnete sich zornig. Pansy leerte hastig ihr Glas. „Und dann nicht nur das – nein, es werden auch noch mittelmäßige Quidditchspieler eingeladen!“ Was auch immer Weasley hatte sagen wollen, er besann sich.

 

„Mittelmäßig?“, spuckte er ihr jetzt entgegen und lehnte sich näher zu ihr. „Ich möchte gerne wissen, wer heute Abend mit dir nach Hause gehen möchte, Parkinson. Bei mir stehen die Mädchen Schlange!“ Draco atmete langsam aus.

 

Potter schien überhaupt nichts dazu sagen zu wollen.

 

„Ihr werdet beide noch hier rausfliegen!“, fing Granger wieder an.

 

„Na und, Hermine? Wenn ich mich hier mit Slytherins Busenwunder streiten möchte, dann kann ich das tun!“

 

„Busenwunder?“, kreischte Pansy. „Du bist nur neidisch, weil du niemals ein Mädchen finden wirst, das so perfekt ist wie ich!“

 

Draco musste jetzt grinsen. Er konnte es kaum unterdrücken.

 

„Willst du nicht was sagen?“, fuhr ihn Granger jetzt an und ihre Augen funkelten.

 

Belustigt hob er eine Augenbraue. „Ich bin nicht Pansys Vormund, Granger. Außerdem solltest du einfach deinen Champagner trinken, dann würdest du auch mehr Spaß dabei empfinden.“ Er prostete ihr knapp zu. Ihr Mund öffnete sich empört.

 

„Weißt du, ich muss mir sowas von einem Weasley bestimmt nicht gefallen lassen.“

 

„Wenn ich mich richtig erinnere, dann bist du hier hin gekommen. Ich muss also annehmen, dass du verdammt scharf darauf bist, es dir von mir gefallen zu lassen!“ Weasley stand jetzt dicht vor Pansy.

 

„Ich werde jetzt gehen. Am besten bleibst du hier, bei deinen Leuten“, fügte sie mit einem angewiderten Blick auf Granger und Potter hinzu. Dann machte sie kehrt, aber Weasley ließ sein Glas auf den Tresen krachen und folgte ihr zornig.

 

Entweder die beiden brachten sich um, oder… nein. Eigentlich hoffte Draco auf die erste Lösung.

 

„Auf das Brautpaar“, verkündete er, immer noch grinsend. Demonstrativ hielt er es Granger vor ihre Nase. Sie resignierte tatsächlich und stieß mit ihm an. „Potter?“ Potter hob seine Hand, ohne Glas. Wahrscheinlich war es ausreichend, denn er schien nicht mehr viel trinken zu wollen.

 

„Hermine, sie wirft das Bouquet!“ Er konnte auch ohne Worte erkennen, dass Granger wohl nichts egaler war, als das Bouquet. „Kommst du? Sie wartet extra auf dich. Die Brautjungfern müssen vollzählig sein!“ Seine Mundwinkel zuckten noch einmal, als Granger hastig ihr Glas leerte und Parvati folgte. Draco setzte sich neben Potter. Der nahm ihn gar nicht wahr.

 

Er wusste, es würde bestimmt noch einen netten Streit mit Weasleys Schwester geben, sobald sie Potter hier fand. Draco bestellte noch einen Champagner.

Umsonst trinken war der einzige Grund, der ihn hier her hatte bringen können.

 

 

~*~

 

 

Das Essen war serviert worden. Und er wusste, es würde noch kalt werden, würden die Leute noch länger brauchen. Die Aufteilung der Plätze machte in seinem Kopf kaum wirklich Sinn.

Er saß neben einer Patil Schwester und diese plapperte ununterbrochen. Neben ihr saß Granger, die missmutig und angewidert auf das Bouquet starrte, das sie anscheinend tatsächlich gefangen hatte.

 

Die Brautjungfern und Trauzeugen saßen nämlich am selben Tisch, vor der Tafel des Brautpaares. Innerlich zählte er bis fünf, ehe er mit der Gabel gegen sein Glas klopfte. Er hatte nämlich verfluchten Hunger.

Schlimm genug, dass er überhaupt sprechen musste.

 

Er erhob sich und Stille legte sich über den Saal. So viele vertraute Gesichter, dass es ihm vorkam, als säße er wieder in der Großen Halle und müsste dort eine Rede halten. Nur saß er an einem ziemlich verrückten Tisch.

 

„Vielen Dank“, sprach er zu der Menge. „Mein Name ist Draco Malfoy und ich bin Blaises Trauzeuge.“ Er musste grinsen, denn dieser Satz war wirklich schockierend. „Wir hatten vor Jahren eine Wette laufen“, wich er plötzlich von seinen Worten ab, die er eigentlich aufgeschrieben und auswendig gelernt hatte, ab. „Und wir haben um einen Hippogreif gewettet, dass ich eher verheiratet bin als Blaise. Wettschulden sind Ehrenschulden, Zabini“, fügte er grinsend hinzu. Und die Menge schenkte ihm ein höfliches Lachen.

 

„Ich sehe mich um, und muss tatsächlich zugeben, dass an der Statistik, jeder heiratet aus seinem schulischen Umfeld, vielleicht etwas Wahres dran sein könnte. Es ist wie ein Klassentreffen.“ Und jetzt musste er langsam anfangen zu lügen. „Und ich finde es großartig, bekannte Gesichter wieder zu sehen.“ Er hörte, wie Granger verhalten aufstöhnte. „Blaise hat mir versichert, als Trauzeuge werde ich hier heute den meisten Spaß haben, was – unter uns gesagt – auch der Grund ist, weshalb ich gekommen bin.“ Erneutes Lachen.

 

„Aber… es macht mich nachdenklich. Blaise hat unsere Wette zwar verloren, aber wirklich verloren hat er nicht. Er hat seine Lavender gefunden und das ist wahrscheinlich um vieles besser, als ein Hippogreif.“ Lavender hatte schon wieder angefangen zu weinen. „Ich kann nur hoffen, dass meine Lavender irgendwo auf mich wartet, oder vielleicht meine Julia, meine Elisabeth…“ Sein Blick wanderte durch den Saal. „Vielleicht meine Hermine.“ Er wollte sie nur ersticken sehen. Das war alles. Dabei schenkte er ihr ein feines Lächeln. Sie hatte sich tatsächlich an ihrem Wasser verschluckt und funkelte ihn böse an.

 

„Ich wünsche euch alles Gute an eurem perfekten Tag! Auf das Brautpaar!“ Er hob sein Glas und die Menge tat es ihm jubelnd gleich. Er setzte sich wieder und eine Patil Schwester lehnte sich sofort zu ihm, um ihn zu beglückwünschen.

 

Granger stach bereits eine Kartoffel auf ihre Gabel.

 

Er nickte den Leuten noch einmal zu, die ihn dankend ansahen und dann begann auch er zu essen. Es herrschte munteres Geplauder und es störte ihn kaum, dass er Pansy noch immer nicht entdecken konnte.

So hatte er wenigstens ein bisschen Ruhe für sich.

 

„Draco, das war eine so rührende Rede!“ Er nahm an, dass es Padma war, die dies sagte. Er hatte sie noch nie unterscheiden können. „Hältst du häufiger solche Reden?“, fragte sie jetzt und es sah aus, als ließe sie ihre Wimpern klimpern. Er musste lächeln.

 

„In meinem Beruf kommt es ab und an mal vor, dass ich Reden halten muss.“

 

„Dein Beruf…“, hörte er Granger murmeln. Er wandte ihr den Blick zu. Er hatte schon darauf gewartet, dass sie sprechen würde.

 

„Ja, Granger. Mein Beruf. Leider siehst du mich nie reden, denn an den Abenden scheinst du ja immer verhindert zu sein“, fügte er gewählt hinzu. Sie sah ihn abwertend an.

 

„Ich habe auch leider nicht die Zeit, auf Betriebsfesten Champagner zu trinken, denn einige von uns müssen im Ministerium wirklich arbeiten.“

 

„Ach so. Das ist, was die Leute tun. Ich dachte, wir haben da jeden Tag eine große Party. Eigentlich weiß ich gar nicht, weshalb ich jeden Tag komme. Oh – richtig. Ich sorge dafür, dass es keinen Krieg gibt, zwischen den Zauberergemeinschaften auf der Welt. Wie unwichtig…“ Sie verzog den Mund.

 

„Malfoy, du tust absolut überhaupt nichts. Du gibst dein Geld.“

 

„Ja, und Geld ist ja auch völlig unwichtig, richtig?“ Er lächelte flüchtig. „Einfach für die zu behaupten, die sowieso kein Geld haben“, fuhr er fort, nur um sie zu reizen.

 

„Wir können nicht alle verzogene, selbstsüchtige, rücksichtlose Reinblüter sein!“ Die andere Patilschwester verschluckte sich an ihrem Champagner. Draco lehnte sich ein Stück weit vor, näher zu Granger.

 

„Vielleicht solltest du nicht so viel trinken, Granger. Du wirst ausfällig“, schlug er leise vor. Sie bekam tatsächlich Flecken der Wut auf ihren schönen Wangen. Sie hatte sich zweckentsprechend, dezent geschminkt, aber sie verlor zusehend an Contenance.


„Ich habe überhaupt noch nicht getrunken!“, hielt sie jetzt dagegen und er musste grinsen.

 

„Dann wird es vielleicht Zeit, dass du damit anfängst und dir jemand den Stock aus dem Hintern holt.“ Neben ihm lachte die Patil Schwester verhalten. Granger funkelte immer noch.

 

„Was soll das heißen?“, knurrte sie und schien selber sauer darüber zu sein, dass sie überhaupt mit ihm sprach.


„Das soll heißen, das man nicht mal eine Stecknadel aus deinem Hintern ziehen könnte, so verklemmt und garstig bist du“, erklärte er bereitwillig und ihr Mund klappte vor Überraschung auf. Sie musste wohl kurz über seine Worte nachdenken, ehe sie vollständig begriff, dass er sie jetzt tatsächlich in aller Öffentlichkeit prüde geschimpft hatte.

 

Sie warf ihre Servierte auf den Tisch und erhob sich, ohne ein weiteres Wort.

 

„Hermine, er macht doch nur Witze!“, rief ihr das Mädchen neben ihm hinterher. Aber er war bereit zu erklären, dass er keine Witze machte. Granger interessierte das aber überhaupt nicht.

 

Genüsslich nippte er an seinem Glas. Zwar hatte er nicht vorgehabt, sich zu streiten oder sich überhaupt auf einen Wortwechsel einzulassen, aber er hatte nicht widerstehen können. Zwar würde das das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen nicht verbessern, aber wenn er ehrlich war, dann hatte er sowieso noch nie mit ihr gesprochen.

 

Er würde sich betrinken und den Rest des Abends genießen, egal was kommen würde. Und er hoffte, er würde noch einiges kommen. Vor allem war er sich sicher, sobald er den Saal betrunken verließ, würde er auf die beiden Leichen von Weasley und Pansy im Flur stoßen.

 

Das wäre der nächste Skandal. Er käme ihm gerade recht….

 

 

Teil 3

 

 

„Ihr wollt jetzt zusammen ziehen? Jetzt? Nach einem Monat?“ Sie konnte ihn nur anstarren. Sie konnte nicht begreifen, was er sagte. Seit vier Wochen redete sie sich den Mund fusselig.

 

Seit sie ihn und Pansy auf dem Flur erwischt hatte. An der Wand! Wild knutschend! Auf Lavenders Hochzeit. Sie hatte erwartet, dass es sich um einen Akt der Verzweiflung handelte. Die sogenannte betrunkene Weasley Verzweiflung, die sie von ihm bereits kannte. Dieses Mal hatte er sich nicht an ihrer Schulter ausgeweint, sondern an Pansys. Aber… es hatte nicht aufgehört! Sie hatten die Nacht verbracht.

 

Und dann das Wochenende, dann die Woche. Dann hatte er sich eine Auszeit genommen und er und Pansy sind in Urlaub gefahren. Jetzt waren sie wieder hier und völlig unzertrennlich.

 

Harry kam aus dem Staunen und Witze machen nicht mehr raus.


„Hermine, ich habe dir schon gesagt, dass du meine Entscheidung nicht unterstützen musst! Aber halt gefälligst endlich den Mund!“, schrie Ron förmlich. Es nahm ihn mit, dass sie ihn nicht unterstützte.


„Ron, das ist Pansy!“, gab sie zurück. „Pansy!“, wiederholte sie ungläubig.

 

„Ja?“ Die Frau in Frage betrat das Zimmer. Sie war wohl auch gerade gekommen. Sie hatte nicht mal mehr Probleme damit, Harrys Wohnung zu betreten, stellte Hermine schockiert fest. „Hey, Hermine.“ Und sie benutzte ihren Vornamen.

 

„Versuchst du immer noch Ron davon zu überzeugen, dass ich nicht die Richtige bin?“ Sie lehnte sich gegen Rons Schulter und sofort gehörte ihr seine Aufmerksamkeit.

 

„Nein, tut sie nicht“, antwortete Ron statt ihrer auf einmal sehr sanft. Dann lehnte er sich zu Pansy hinab und küsste sie verlangend auf den Mund. Pansy stöhnte lächerlicherweise auf und warf die Arme um Rons Nacken.

 

Hermine verdrehte die Augen. Harry brachte ein Tablett mit Tee und Kuchen herein und verdrehte knapp die Augen. „Ihr seid schlimmer als…“ Sie wusste nicht, was er sagen wollte. Wahrscheinlich wollte er sie mit sich und Ginny vergleichen. Sie war froh, dass er das nicht tat!

 

Es machte sie wahnsinnig, dass jeder jemanden hatte. Und sie musste zusehen, wie einer ihrer besten Freunde den Verstand verloren hatte und nun mit Pansy Parkinson anbandelte!

 

„Ihr könntet euch auch einfach ein Zimmer suchen“, schlug Harry trocken vor. Hermine sank auf einen Sessel und griff nach einer dampfenden Teetasse. Niemals würde sie sich daran gewöhnen können.

 

Niemals.

 

 

Die Arbeit machte sie müde. Ihre Freunde waren aber noch viel anstrengender. Ginny wurde langsam nervös, weil ihr Bruder viel schneller voran kam, als sie selber. Jetzt zog er nach vier Wochen mit einem Mädchen zusammen und sie und Harry hatten Ewigkeiten warten müssen.

 

Aber Hermine hatte Ginnys Problemen nur mit halbem Ohr zuhören können. Sie war teilweise angewidert gewesen von Ron und Pansy, die keine Sekunde die Finger voneinander lassen konnten und der Tatsache, dass Ginny sich eigentlich nicht beschweren musste, weil sie ihren perfekten Partner schließlich gefunden hatte und sich ihr Bruder noch ärgern würde, weil er den Fehler seines Lebens machte.

 

Aber es war nicht ihre Position, zu urteilen. Das hatte ihr Ron klar gemacht. Und sie würde sich bestimmt nicht einmischen. Er sollte aber ja nicht zu ihr kommen, wenn er dann einsehen würde, dass er wohl seinen Verstand verloren hatte und nun von Pansy nicht mehr loskommen würde.

 

Jetzt war ihr Schreibtisch wie immer voll von Problemen in Form von Akten und Briefen. Es kam ihr so vor, als würden die Zauberer nichts lieber tun als sich gegenseitig Steine in den Weg zu legen, damit der eine den anderen verklagen konnte.

 

„Granger, haben Sie die Einladung gefunden?“ Ihr Boss hatte den Kopf durch die Tür gesteckt. Sie hatte sich noch nicht durch den Berg an Post gewühlt. „Sie sehen müde aus“, fuhr er fort. „Vielleicht sollten Sie etwas weniger feiern gehen und mehr Zeit im Büro verbringen?“, schlug er vor und zwinkerte. Sie hasste es, wenn er das tat.

 

„Ja, vielleicht. Was für eine Einladung?“

 

„Ich weiß, bei Ihnen ist es ja meist vergebene Mühe, aber dieses Mal geht es um eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Das könnte doch sogar Sie locken, oder, Granger?“ Er zwinkerte wieder. Sie wollte am liebsten die Tür zuhexen.

 

„Spenden für Getränkekasse des Ministeriums zu sammeln gilt nicht als Wohltätigkeit, Mr Lark“, erklärte sie würdevoll. Aber ihr Boss lachte jetzt laut.

 

„Oh nein. Wir versteigern Mitarbeiter!“ Sie starrte ihn an. War er jetzt völlig verrückt geworden?

 

„Was?“ Ihre Stimme klang etwas schriller als gewöhnlich. Was war das für eine Idee? Das Ministerium würde doch wohl nicht auf Menschenhandel umsteigen? Zwar konnte sie die meisten Mitarbeiter nicht leiden, aber….

 

„Für die Finanzierung des Kinderflügels. Im Sankt Mungo, ich habe Ihnen doch die Zahlen vorgelegt?“, fuhr er etwas verstört fort. „Die Abteilung für Öffentliche Arbeit hat sich dieses Konzept überlegt. Die Hexen des Ministeriums sollen auf einer großartig bunten Auktion für einen Abend versteigert werden. Natürlich nur für ein Abendessen oder einen Theaterbesuch, versteht sich von selbst“, zwinkerte er wieder.

 

Ihr schwante Böses, denn Lavender Brown war Vize-Leiterin dieser Abteilung und ihre Ideen waren meist… nun ja, völliger Blödsinn! Und sie wollte die nächsten Worte gar nicht hören. Denn ihr war nun völlig klar, weshalb ausgerechnet sie eine Einladung bekommen hatte.

 

„Und Sie gehören zu den glücklichen Hexen, die ausgewählt wurden! Es ist ja schon eine Art Beliebtheitswettbewerb, richtig?“, lachte er jetzt wieder. „Und Sie sind eben aus unserer Abteilung die Kandidatin geworden, Granger! Sie sind unter dreißig, hübsch genug und Single!“ Sie kam sich vor wie auf dem Markt.

 

„Oh, na wenn ich hübsch genug bin, Mr Lark“, sagte sie eisig und ging die neuen Akten durch.

 

„Oh, Sie wissen doch, was ich meine. Es ist eine Ehre!“ Ach so. Das war es? „Außerdem… das könnte Ihnen die Beförderung zur Vize-Leitung bringen, auf die Sie seit drei Jahren warten“, versprach er mit einem Zwinkern und die Feder entglitt ihren Fingern.

 

„Das ist ein Witz, richtig Mr Lark? Denn ich hatte gerade das Gefühl, als wollten Sie mich erpressen, eine Stellung zu erlangen, die man nur durch die Bewertung der Arbeit bekommen sollte? Nicht durch lächerliche Versteigerungen?“ Sie sah ihn scharf an.

 

„Granger, Sie haben mich verstanden. Natürlich arbeiten Sie ausgezeichnet. Allerdings… gehört es zum Klima dazu, dass Sie sich in der gesamten Firma engagieren. Nicht nur in dieser Abteilung. Und… wenn ich Sie nicht dazu bringe, teilzunehmen, sind Sie die einzige Hexe, die… nicht teilnimmt. Alle anderen Kandidatinnen aus den Abteilungen haben nämlich zugesagt.“ Es war ihr absolut schleierhaft, weshalb. Absolut!

„Wenn Sie also nicht zusagen, stehe ich schlecht da. Damit steht die Abteilung schlecht da und Sie…“ Er fuhr sich kurz über den Schnauzer über seiner schmalen Oberlippe. „Sie… müssten somit vielleicht noch mal drei Jahre auf diese Beförderung warten.“

 

Erpressung. Zwar kein Menschenhandel, aber dafür eiskalte Erpressung.

 

„Habe ich das Recht, mir dies zu überlegen; Mr Lark, oder hängt auch bereits meine Entlassung von dieser Entscheidung ab?“, fragte sie kühl und durchsuchte den Stapel an Post nach einer klebrig violetten Einladung, auf der sie Lavenders Handschrift nur zu gut erkennen konnte.

 

„Ach Granger, Sie wissen doch, dass ich Sie am liebsten habe. Aber… irgendwann müssen Sie lernen, dass man sich anpassen muss. Ich wäre sehr stolz auf Sie, wenn Sie sich zu der unterprivilegierten Menge herablassen könnten und einen Abend in Unwürde opfern würden.“ Er sah sie abwartend an, beinahe väterlich. Sie hatten eigentlich eine sehr gute Beziehung, aber… manchmal… war es schwierig.

 

„Ich gebe Ihnen Bescheid, Mr Lark“, seufzte sie jetzt und drehte die Einladung in ihren Händen. Sie konnte sich kaum eine Einladung vorstellen, die schlimmer war, als das hier! Sie verdiente diese Bezeichnung auch kaum.

Einladung zum Menschenhandel und Mitarbeitererpressung sollte da drauf stehen. Nichts weiter.

 

 

~*~

 

 

Sie hatte sich nach einer Woche noch nicht entscheiden können. Merlin sei Dank hatte sie die Arbeit auch ablenken können. Menschenhandel… Frauenunterdrückung… all diese Worte spukten ihr im Kopf herum.

 

Sie öffnete die Tür zu Harrys und Ginnys Wohnung und hievte die Einkaufstüten in die Küche. Ginny kam völlig aufgelöst in die Küche gestürmt.

 

„Hast du das gelesen?“, schrie sie hysterisch und Hermine fuhr sich erschöpft mit der Hand über die Stirn.

 

„Was?“, fragte sie müde.

 

„Was?! Die Post natürlich!“ Sie wedelte mit einem hellen Umschlag vor ihrer Nase.

 

Ob sie auch eine Einladung zur Versteigerung bekommen hatte? Aber das war völlig absurd. Natürlich nicht. Sie schüttelte also den Kopf.

 

„Ich war noch nicht Zuhause, Ginny. Du weißt doch, dass ich freitags nie vor abends nach Hause komme. Ich bin doch immer hier“, fügte sie unsicher hinzu. Ginny nickte und schien nicht zugehört zu haben.

 

„Dann sieh dir das an und sag mir, dass er den Verstand verloren hat!“, schrie sie jetzt und sie nahm den Umschlag aus Ginnys Hand. Ihre Finger kribbelten leicht als sie die magischen Glocken auf dem Umschlag erkannte, die sich leicht zu einem unsichtbaren Wind bewegten.

 

Sie zog den flachen Streifen Papier aus dem Umschlag und ein Schleier folgte und wallte hinab bis auf den Teppich. Sie hielt die Luft an.

 

Ronald Bilius Weasley und Pansy Angeline Parkinson laden ein!

 

Es war also so weit. Sie schüttelte nur den Kopf.

 

„Hat Harry das gesehen?“, fragte sie kleinlaut und Ginny fuhr sich zornig durch die feuerroten Haare.

 

„Harry ist sein verdammter Trauzeuge!“ Hermine nickte also.

 

„Ok…“ Ginny starrte sie fassungslos an.

 

„Ok? Ist das dein ernst, Hermine?“

 

„Was soll ich sonst sagen? Die Einladungen sind verschickt, Ginny. Anscheinend meint er das ernst.“ Ginny schien den Tränen sehr nahe zu sein.

 

„Es geht um Ron! Wir müssen das verhindern! Ich werde nicht auf diese… diese Veranstaltung gehen, Hermine! Er kann das doch nicht ernst meinen! Nach zwei Monaten!“, fügte sie hysterisch hinzu.

 

„Geht es nur darum, dass du immer noch nicht verheiratet bist oder geht es wirklich um die Tatsache, dass er Pansy heiraten will?“, fragte sie also. Ginny verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Auf welcher Seite stehst du, Hermine? Seit wann freust du dich über die Verbindung zu Pansy?“

 

„Ich freue mich nicht darüber!“, widersprach sie jetzt. „Aber wenn es Ron glücklich macht, dann – meine Güte…. Soll er sie doch heiraten“, endete sie etwas lahm. Ja, sie wusste auch nicht, was in sie gefahren war.

 

Ron wollte Pansy heiraten? War das eine neue Regelung? Jeder normale Mensch musste irgendwann einen ehemaligen Todesser heiraten? Sie schluckte schwer. Musste sie dann Crabbe oder Goyle heiraten?

Sie hoffte nicht. Sie war sich nicht mal sicher, ob Ron sich nicht vielleicht doch einen Scherz erlaubte.

 

Ginny schwieg jetzt, nahm ihr die Einladung ab und warf sie beherzt in die schwachen Flammen des Kamins in der Küche.


„Ich werde da nicht hingehen. Und ich habe auch keinen Hunger mehr. Meinetwegen, koch für dich selbst und Harry, aber ich bin weg.“ Damit ließ Ginny sie zurück. Hermine war unentschlossen. Sie stand eigentlich auf Ginnys Seite, immer.

 

Aber sie kannte Ron länger. Und wahrscheinlich schuldete sie ihm ein bisschen aufrichtige Freundschaft, auch in seiner Zeit des Wahnsinns. Pansy Parkinson…, das hatte sie wirklich nicht kommen sehen.

 

Und sie war sich nicht einmal sicher, ob sie noch Zeit hatte mit ihm zu sprechen, denn… jetzt hatte Ginny die Einladung verbrannt und sie wusste nicht, wann der Termin war. Aber sie konnte jetzt nach Hause gehen und selber gucken. Oder sie wartete auf Harry.

 

Jetzt saß sie allein im Hause Potter und wusste nicht genau, was sie tun sollte…

Ron und Pansy… Sie hasste Hochzeiten wohl generell. Es lag nur teilweise an den jeweiligen Personen, nahm sie an.

 

 

Teil 4

 

~Die zweite Hochzeit~

 

Es war tatsächlich unwirklich. Immerhin hatte er sich keinen neuen Anzug kaufen müssen. Die Hochzeiten schienen regelrecht ineinander überzugehen.

Die Gäste ähnelten sehr den Gästen auf der letzten Hochzeit.

Pansy hatte er seit einer halben Stunde nicht mehr gesehen. Sie erlaubte ihrem Aussehen wohl den letzten Schliff.

 

Dafür rannte Weasley jede Minute an ihm vorbei, vollkommen wahnsinnig. Er hatte den Streit mitbekommen. Wie es schien, war seine Schwester die einzige aus der Familie, die nicht an der Hochzeit teilnahm. Die Glückliche, mutmaßte er.

 

Er wäre am liebsten auch nicht hier. Aber was blieb ihm anderes übrig? Immerhin musste dieses Mal Potter die Rede halten. Und nicht er.

 

„Hermine, da bist du ja! Hast du mit ihr gesprochen?“ Granger sah reichlich genervt aus. Da fiel ihm ein, dass er noch keine weiteren Gerüchte gehört hatte. Die Auktion im Ministerium rückte immer näher und er war sich sicher, dass Granger noch keine Stellungnahme abgegeben hatte.

 

Er war sich sicher, dass sie sich niemals versteigern lassen würde. Niemals.

 

„Ja, ich hab mit ihr gesprochen.“ Sie klang äußerst gereizt. Sie trug noch gewöhnliche Kleidung. „Sie kommt nicht. Unter keinen Umständen.“

 

„Aber… das kann sie mir nicht antun, verflucht!“, schrie Weasley aufgebracht.

 

„Ron, ich muss mich umziehen, wenn du willst, dass ich teilnehme. Ansonsten kümmer dich gefälligst selber um deine Schwester. Ich bin nicht eure Briefeule“, brauste sie auf und schulterte die Tasche, in der sich vermutlich ihr Kleid befand, neu.

 

„Auch hier?“ Er prostete ihr zu und sie schaffte es tatsächlich noch ihre Augen zu verdrehen.

 

„Richtig. Das hatte ich vergessen. Wir sehen uns zwar nie im Ministerium, Malfoy – was ich sehr begrüße – aber dafür immer öfter auf Hochzeiten.“ Anscheinend war sie mit den Nerven so sehr am Ende, dass es nicht unter ihrer Würde war, mit ihm zu sprechen. Das gefiel ihm ganz gut. Auch, dass sie wohl verzweifelt war, weil ihre beste Freundin nicht hier war.

 

Sie griff dieses Mal beherzt nach einem der Gläser auf dem Tablett, das vorüber schwebte und leerte es beinahe in derselben Sekunde. Beeindruckend.

 

„Ist dir aufgefallen, dass alle Gryffindors Todesser heiraten? Sei hier lieber vorsichtig, Malfoy“, fuhr sie fort und stellte das Glas achtlos auf einen Stehtisch neben sich. Er musste grinsen.

 

„Wieso? Hast du größere Pläne mit uns?“ Sie stutzte. Dann hoben sich ihre Augen zu seinem Gesicht und eine steile Falte trat auf ihre müde Stirn. Manchmal warf er einen Blick in die Übersicht des Ministeriums und stellte immer wieder fest, dass sie über fünfzig Stunden Arbeit pro Woche ins Ministerium steckte. Das war doppelt so viel wie bei ihm. Aber es störte ihn kaum. Man sah es ihr lediglich an.

 

Dann schien sie begriffen zu haben.


„Oh nein. Eigentlich hatte ich geplant, Crabbe oder Goyle zu heiraten.“ Und sie schien eine ganze Ladung Humor zu dieser Hochzeit mitgebracht zu haben.


„Anscheinend stört es dich gar nicht, dass Weasley und Pansy heiraten, Granger“, stellte er ein wenig enttäuscht fest. Er hatte mit einer handfesten Szene gerechnet, die Weasleys Schwester veranstalten würde. Diese war jetzt nicht da. Da blieb eigentlich nur Granger, die sich heulend auf den Boden vor dem Altar werfen würde, damit diese Hochzeit nicht zu Stande kam.

 

„Es stört mich sehr. Es stört mich so sehr, dass ich am liebsten alle Reinblüter verfluchen möchte. Aber… ich bin sehr, sehr betrunken, Malfoy. Also ist es erträglich.“ Er sah sie an. Wirklich absolut fantastisch!

 

„Das heißt, dass ich dich vielleicht auf den Tischen tanzen sehen werde, Granger?“ Er grinste und angelte sich zwei weitere Gläser von einem anderen Tablett. Eines reichte er ihr. Sie lächelte trocken.

 

„Vorher würde ich dich unter den Tisch trinken und bewusstlos schlagen. Aber ja, möglich ist bekanntlich alles.“ Sein Grinsen gefror. Gut, sie mochte ihn immer noch nicht.

 

„Du solltest dich umziehen gehen. Ansonsten lassen sie dich womöglich nicht zur Trauung zu, wenn du wie ein Hauself aussiehst.“ Gut, er konnte nicht widerstehen. Er würde sich nicht von ihr fertig machen lassen. Zu seiner grenzenlosen Überraschung lächelte sie.

 

„Ich freue mich, dass dies wohl die letzte Hochzeit sein wird, auf der wir aufeinander treffen, Malfoy. Gut, dass wir so verschiedene Berufe an so verschiedenen Orten ausüben, dass wir uns auch dort niemals begegnen werden.“ Sie stellte ihr leeres Glas ab und er fragte sich, wie sie überhaupt gerade stehen konnte, wenn sie doch niemals etwas trank, geschweige denn, noch schlagfertige Antworten in seine Richtung feuern konnte.

 

„Werden wir sehen. Vielleicht erbarmt sich Gregory und heiratet dich“, schlug er vor.

 

„Dann bist du nicht eingeladen“, erwiderte sie mit einem Lächeln und mit Schrecken stellte er fest, dass sie das letzte Wort in dieser Unterhaltung gehabt hatte. Er trank auf den Schock noch ein Glas Champagner. Das würde er brauchen, wenn er gleich in den Saal gehen würde, wo sich zur Hälfte böse Parkinsons und rothaarige Weasleys bittere Blickduelle liefern würden.

 

 

~*~

 

 

Die Zeremonie war sehr ermüdend gewesen. Zwar war der Champagner bestimmt zu einem großen Teil Schuld an seiner Müdigkeit, aber auch die Tatsache, dass es einfach widerlich war, zuzusehen, wie sich Pansy und Weasley kaum beherrschen konnten.

 

Pansy hatte auf sämtliche Traditionen verzichtet. Dabei war Weasley ebenfalls ein Reinblüter, aber dies war wohl die simpelste Feier, die er jemals gesehen hatte. Keine übertriebene Magie, die doch alle Reinblüter so schätzten. Keine ewigen Schwüre, die man nur unter großen Schmerzen brechen konnte.

Fast langweilig.

 

In seiner Hand ruhte nun ein kühles Glas Scotch, von dem er keine Ahnung hatte, wie es dort hingekommen war. Potters Rede war genauso anstrengend gewesen wie der Rest des Tages. Potter hatte so sehr versucht objektiv zu bleiben, dass die Aggressionen beinahe greifbar gewesen waren.

 

Und es würde gleich dramatisch werden, denn er hatte Weasleys Schwester erspäht. Sie sprach mit Granger, die tatsächlich ein ziemlich attraktives Kleid in ihrer Tasche versteckt gehabt hatte.

 

„Ginny!“ Und zum ersten Mal ließ Weasley seine Hände von Pansy. Er stürmte zu seiner Schwester und konnte sie nicht genug umarmen. Er musste grinsen, als er sah, wie Granger langsam rückwärts verschwand. Und ziemlich zielstrebig endete sie an der Bar, nachdem sie einen Blick auf Pansys wenig kaschierendes Kleid geworfen hatte.

 

Dass Weasley während der Zeremonie keinen Ständer gehabt hatte, war wirklich alles gewesen, was noch gefehlt hätte. Er erhob sich ziemlich abrupt. Seine Füße schritten zur Bar und schon war er wieder neben ihr.

Sie kam ihm am angenehmsten vor. Gregory hatte er schon lange verloren. Dieser hatte sich sehr schnell betrunken, damit der Schmerz ihn nicht hinweg reißen würde, hatte er gesagt.

 

Gregory war immer schon in Pansy verliebt gewesen, aber… leider erfolglos. Und Vince… tja… er nahm an, der hatte sich bereits eine der Brautjungfern geholt. Das sollte er eigentlich auch tun, ging ihm auf, genau in der Sekunde, in der sich sein Mund schon geöffnet hatte.

 

„Überlebt“, stellte er zufrieden fest und hob sein Glas. Sie tat es ihm ohne Zögern gleich.


„Immerhin ist Ginny noch gekommen, Himmel.“ Sie war leicht gereizt und anscheinend half das ihrem Geist, wieder nüchtern zu werden. Sie stieß mir ihm an und trank einen tiefen Schluck von einem Getränke, das ihm wie eine sehr blutige Bloody Mary vorkam. Jedenfalls ließ ihn der starke Geruch von Wodka scharf darauf schließen.

 

„Pansy scheint das anders zu sehen. Was hält Potter eigentlich davon?“, fragte er recht unverblümt.

 

„Du könntest ihn einfach fragen“, entgegnete sie und ließ den Blick schweifen. Sie hatte die Haare hochgesteckt. Viele winzige Locken fielen in ihren Nacken. Er unterdrückte das betrunkene Verlangen die weiche Haut ihres Nackens zu berühren.

 

Er erkannte die Warnzeichen schnell. Sie war ein Mädchen. Er war betrunken und willig. Und natürlich immer in der Stimmung für Sex.

 

„Ich rede lieber mit dir.“ Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu.

 

„Ja, richtig“, gab sie zurück. Er musste lächeln.

 

„-weil ich es für einen immensen Fehler halte!“, schrie Weasleys Schwester in beachtlicher Lautstärke. Potter hob automatisch die Hand in Richtung Bühne und die engagierte Band fing lauthals an einen ziemlichen flotten Foxtrott zu spielen. Granger hatte sich schon halb erhoben und war auf dem Weg zu dem Familienstreit.

 

„Wie wäre es, wenn wir mit einem Tanz eröffnen?“, schlug er vor und Granger vergaß für einen Moment, was sie hatte tun wollen.

 

„Was? Wir können nicht tanzen. Das Brautpaar eröffnet“, fügte sie hinzu und ihr Blick glitt wieder zu den streitenden Personen, zu denen Pansy jetzt auch zugestoßen war.

 

„Ich glaube, die sind beschäftigt“, gab er zu bedenken. Er leerte eilig seinen Scotch, weil er sich nicht sicher war, ob er überhaupt tanzen wollte. Das hatte er bisher auch vermieden.

 

Sie betrachtete ihn einen kurzen Momentlang. Er streckte ihr die Hand entgegen und sie brauchte noch eine Sekunde.


„Nein, Malfoy“, sagte sie schließlich. Dann nahm er ihre Hand.

 

„Niemand wird merken, dass du nicht tanzen kannst.“ Er lächelte bei den Worten und entrüstet folgte sie ihm. Anscheinend hatte sie vergessen, dass sie nein gesagt hatte, fiel ihm auf.

 

Noch war niemand auf der Tanzfläche. Und Granger war tatsächlich nervös. Er legte die Hand auf ihre Hüfte und brachte sie näher an sich.


„Seltsam. Was der Abend so bringt, richtig?“ Sie hob den Blick zu seinen Augen.

 

„Tanz einfach, Malfoy“, erwiderte sie leise. Grinsend drehte er sie aus und sie lenkten die Gäste von dem Ehestreit ab. Jetzt kamen auch Weasleys Eltern auf die Tanzfläche.

 

„Oh, wie nett, dass ihr eröffnet habt“, rief Weasleys Mutter, die in dem hellorangenen Kleid gefährlich aussah, weil es sich ziemlich brutal mit ihren Haaren biss.

 

„Na ja, irgendwer musste ja…“, sagte Granger peinlich berührt, aber er ließ sich nicht beirren und zog sie wieder enger an sich.

 

Und er tanzte mit ihr. Für dieses Lied. Und für das nächste. Und das folgende….

 

 

~*~

 

„Niemand ist nüchtern genug, um noch zu apparieren“, stellte sie mit einiger Verwirrung fest.

 

„Das könnte daran liegen, dass wir die letzten hier sind. Wir und…“, sein Blick wanderte durch den Saal. „Wir und das Brautpaar.“ Sie folgte seinem Blick.

 

Tatsächlich saßen nur noch Weasley und Pansy nebeneinander. Beide beinahe eingeschlafen. „Wir sollten sie wecken, sonst werden sie noch von der Band rausgeworfen“, schlug er vor, aber sie hielt ihn auf.

 

„Lass sie einfach.“ Damit erhob sie sich. „Ich habe Hunger, Malfoy.“ Er tat es ihr gleich.


„Aha. Und was soll ich jetzt tun?“

 

„Wo haben sie das Essen wohl hingebracht?“, mutmaßte sie und sah sich um. „Komm mit“, befahl sie und mit einem Grinsen folgte er ihr. Er lockerte die stramme Krawatte um seinen Hals und schon hatten sie den Saal verlassen. Zielstrebig lief sie durch den Flur und er war sich nicht sicher, ob sie wusste, dass sie gerade seine Hand hielt.

 

Ratlos wandte sie sich um. „Und jetzt?“

 

Er sah sich kurz um. Der Flur war leer. Mehrere Türen gingen von diesem Gang ab. Er nahm an, eine musste zum Buffet führen. Oder sie hatten Pech und die Elfen hatten schon sauber gemacht.

 

Und er erkannte den Moment, der sich bot.

 

„Jetzt… sind wir allein“, schloss er und senkte den Kopf.

 

Er küsste Hermine Granger, ehe er registrierte, dass es Hermine Granger war.

Sie war ein verflucht heißes Mädchen in einem verflucht heißen schwarzen Kleid.

 

Ihre Lippen waren weich und öffneten sich überrascht unter seinen. Aber sie überwand die Überraschung schnell und wich zurück. Sie sah ihn an. Ihre dunklen Augen waren tief und warm.

 

„Was ist mit dem Essen?“, fragte sie heiser.

 

„Frühstück bei mir?“, entgegnete er und legte den Kopf schräg. Und zum ersten Mal sah er sie lächeln. Ein richtiges Lächeln. Und er schien es hervorgerufen zu haben.


„Wie charmant“, flüsterte sie, während sie vorsichtig die Arme um seinen Nacken legte. Seine Hände fanden automatisch den Weg zu ihrer Taille und er zog sie ungeduldig an sich. „Aber… nein, niemals“, fügte sie hinzu.

 

Ehe er verstand, was sie meinte, zog sie ihn zu sich. Egal, was sie meinte, zum Teufel! Er küsste sie. Ihre Hände fuhren durch seine Haare und er musste fast stöhnen, so sehr gefiel ihm das Gefühl.

Vorspiel war selten etwas, das ihn wirklich anturnte, aber jetzt… war es unglaublich aphrodisierend.

 

Ihr Körper schmiegte sich in seine Arme und er schob sie zur nächsten Wand, um sich besser abstützten zu können und natürlich um sich enger gegen sie zu lehnen. Seine Zunge glitt in ihren Mund und sie reagierte sofort.

Ihre Finger öffneten die Knöpfe seines Jacketts und ihre Hände fuhren über seinen Oberkörper. Er spürte die Erektion schmerzhaft und küsste sie hungriger.

 

Das Gefühl war unglaublich! Und viel unglaublicher war, dass sie sich von ihm fort lehnte. Schwer atmend lehnte er seine Stirn gegen ihre. Ihre Hände sanken.

 

„Ok, ich… denke, das war… ich werde jetzt gehen.“

 

„Du… was?“, fragte er zusammenhanglos, denn Worte waren jetzt in seinem Kopf nicht vorhanden.  Es verging eine Weile. Eine Weile, die viel zu lange währte, als dass sie wirklich die Worte meinen konnte, die eben über ihre Lippen gekommen waren. Sanft aber bestimmt schob sie ihn von sich. Sie sah reichlich verwirrt aus und ihre roten Wangen luden ihn praktisch dazu ein, sie erneut zu küssen. Aber sie entfernte sich von ihm.

 

Sie sahen sich an. Hunderttausend Erinnerungen schossen in seinen Geist. Keine guten noch dazu. Hermine Granger…. Mehr musste er gar nicht denken, um an all die Begebenheiten erinnert zu werden, wegen denen sie ihn eigentlich niemals näher als fünfzig Meter an sich ranlassen sollte.

 

Er konnte nicht mal schätzungsweise in seinen Gedanken zählen, wie leicht ihm das Wort Schlammblut bei ihrem Anblick über die Lippen gekommen war. Und er konnte auch nicht greifen, wie weit es jetzt von ihm entfernt lag. Meilenweit, wie es ihm schien.

 

Wie waren sie in diese Situation geraten, in der sie voreinander standen nachdem sie sich gerade geküsst hatten? Wie hatte das unter allen möglichen Dingen passieren können?

 

Wie?!

 

Sie schien ihm darauf keine Antwort geben zu wollen – oder geben zu können. Wieso war sie nicht schon längst gegangen? Wieso war er nicht schon gegangen? Einfach – sie war zu schön. Es war zu leicht, sich in ihren Augen zu verlieren.

 

„Ich… bin Draco Malfoy“, sagte er, ohne zu wissen, was er sagte. Er erkannte seine Stimme nicht. Eigentlich hatte er gewollt, dass sie so etwas sagte. Wie etwa, um zu rechtfertigen, dass sie jetzt gehen wollte. Kurz runzelte sie die Stirn.

 

„Ja?“, erwiderte sie langsam. Unschlüssig stand sie vor ihm. Ihre Augen suchten bereits den nächsten Fluchtweg.

 

„Bitte…“, flüsterte er ruhig und wartete keine Reaktion mehr ab. Es war egal.

 

Er griff um ihre Taille und zog sie wieder an sich. Ihre Augen weiteten sich. Ob vor Schock oder Angst, ob vor Entrüstung oder Lust – das wusste er nicht. Das wollte er auch eigentlich nicht wissen.

 

Er wusste es ja schon.

Eigentlich.

Denn eigentlich mochten sie sich nicht.

Eigentlich.

 

Als er ihre Lippen berührte atmete er tief ein, roch ihr Parfum, ihre Haut, den Duft ihrer Haare und merkte nur am Rand, wie seine Hand den Weg zu ihrem Gesicht fand und seine Finger über die zarte Haut ihres Halses strichen.

Wie Feuer… Ein Feuer entfachte in seinem Innern. Es brannte so sehr, dass es beinahe schon weh tat, auszuatmen und sie nicht mehr einatmen zu können.

 

Sie entzog sich seiner besitzergreifenden Geste, ehe er zur Besinnung hatte kommen können.

 

Sie waren betrunken. Beide.

Und das war wohl auch schon alles, was an Erklärungen notwendig war.

 

„Tut mir leid, ich…“ Sie schüttelte fassungslos den Kopf und war den Gang so gerade es ging entlang gestürmt und um die Ecke verschwunden. Er lehnte sich schwer atmend gegen die Wand und schloss kurz die Augen.

 

Hatte er gerade eine Abfuhr bekommen von einem Mädchen, an dem er kein Interesse hatte? Eigentlich?

 

Fuck. Das hatte gesessen.

 

 

Teil 5

 

 

Was hatte sie getan?

 

Sie war sich nicht mal mehr genau sicher, was sie eigentlich getan hatte. Es lag alles unter dem angenehmen Schleier der Trunkenheit. Natürlich wusste sie, dass sie mit ihm getanzt hatte. Es hatte sie nicht einmal besonders angewidert.

 

Sie hatte auch versucht gar nicht erst daran zu denken, aber gestern war eine Postkarte von Ron und Pansy angekommen. Anscheinend lief die Hochzeitsreise auf Hawaii nach Plan und sie waren beide noch glücklich.

 

Merlin sei Dank. Selbst Ginny hatte sich über die Karte gefreut, auch wenn sie es sich noch nicht anmerken ließ.

 

„Granger, Ihre Entscheidung?“ Sie wäre fast aufgesprungen, so unerwartet traf sie seine Stimme.

 

„Mr Lark…“, begann sie und atmete gehetzt ein. Richtig. Da war ja auch noch eine lästige weitere Entscheidung. „Hören Sie, beinhaltet die Beförderung auch eine mögliche Versetzung?“, fragte sie jetzt und Mr Lark runzelte die Stirn.

 

„Sie möchten nicht mehr hier im Ministerium arbeiten, Granger?“ Sie hörte seine Entrüstung und dass er womöglich beleidigt war.

 

„Nun, vielleicht eine neue Umgebung. Es wäre nicht schlecht, nicht wahr?“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

 

„Wenn Sie gerne versetzt werden möchten, könnten Sie die Stellung auch woanders ausführen, sicher, Granger. Sie denken also an einen Ortswechsel? Ein neues Ministerium?“ Sie hörte, dass sie sich auf Glatteis begab.

 

„Ich… nein. Nicht sofort, nein“, lenkte sie ein. Er nickte nur. Und er wartete.

„Dann… schön. Ich werde an dieser Auktion teilnehmen, Sir.“ Sie verzog kurz den Mund. Immerhin wäre sie in der Lage, das Ministerium danach zu verlassen und gewisse Menschen nicht mehr sehen zu müssen. – Nicht dass sie überhaupt diese Menschen sah, die sie nicht mehr sehen wollte.

 

Aber es reichte zu wissen, dass sie dort arbeiteten.

 

„Ausgezeichnet!“ Die Miene ihres Boss’ heiterte sich augenblicklich auf. „Sie müssten nur diese Kleinigkeit unterschreiben.“ Er zückte ein Dokument und sie konnte nicht verhindern die Augen zu verdrehen. Sie musste sich fragen, ob die anderen Hexen so etwas auch unterzeichnen mussten oder nur sie, weil bei ihr die akute Gefahr bestand, dass sie wieder einen Rückzug machte.

 

Da ihr Name auf dem Dokument stand, nahm sie an, es war tatsächlich ein persönlicher Hermine Granger Vertrag. Lächerlich….

 

Aber sie unterschrieb – wenn auch widerwillig.

 

„Was passiert jetzt?“, fragte sie weniger begeistert.

 

„Sie erklären sich jetzt dazu bereit, aufzutauchen“, begann ihr Boss und fixierte sie kurz mit einem mahnenden Blick, den sie mit einem Stirnrunzeln quittierte. „Außerdem werden Sie sich nett anziehen. Das macht einen guten Eindruck. Keine Trainingshosen, Granger“, fügte er hinzu, als hätte sie jemals in Erwägung gezogen etwas derartiges anzuziehen.

 

Kurz befiel sie eine kalte Starre. Was, wenn sie da stand und niemand bot für sie? Das war ein blöder Gedanke, aber sie schluckte schwer.

 

„Sir… gibt es so etwas wie eine Garantie, dass man… auch wirklich ersteigert wird?“ Der Satz lag schwer in ihrem Mund, denn so etwas wie Unsicherheit oder Angst am Arbeitsplatz war ihr völlig fremd.

 

„Granger, haben Sie Bedenken, dass Sie niemand will?“ Sie wusste, es war ein Scherz. Sie wusste das. Aber ihr Ego kämpfte schwer mit einem Panikanfall.

 

„Ist das möglich oder nicht?“

 

„Also…“ Ihr Boss wirkte fast belustigt. „Es gibt ein Mindestgebot. Und vorher ist es möglich, dass die Kandidatinnen begutachtet werden können. Es ist nicht möglich, dass eine unter Wert versteigert wird, wenn das Ihre Sorge ist, Granger. Und es ist für einen guten Zweck. Natürlich werden die Leute bieten“, fügte er energisch hinzu.

„Sonst biete ich für Sie und Sie putzen dafür mein Gartenhaus.“ Und sie wusste nicht, ob er immer noch Witze machte, oder sich diese Gelegenheit durch den Kopf gehen ließ.

„Sie sind ein hübsches Kind, Granger. Also keine Panik. Wie steht die Abteilung da, wenn unsere blitzblanke Vorzeigehexe Angst vor einer kleinen, freundlichen Versteigerung hat?“ Jetzt zwinkerte er wieder.

 

„Sagen Sie… werden alle Abteilungen eingeladen? Alle?“, fügte sie unsicher hinzu, um sicher zu gehen, dass er verstand.

 

„Ja, sicher. Alle, die auf der Gehaltsliste des Ministeriums stehen. Wieso?“

 

„Auch… die Abteilung für die Internationale Zusammenarbeit?“, fragte sie unwirsch, damit er ja nicht denken würde, sie interessiere sich besonders dafür.

 

„Zwar bekommt diese Abteilung ein gesondertes Gehalt, ja, aber… dennoch ist sie eingeladen. Was ist los, Granger?“ Er umklammerte förmlich den Vertrag, den sie gerade unterzeichnet hatte. Sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Ich wollte nur sichergehen, Sir.“

 

Malfoy war also eingeladen. Und sie war sich eigentlich sicher gewesen, dass er so oder so gekommen wäre. Jetzt allerdings… wusste sie nicht, ob er kommen würde, um zu sehen, wie sie sich lächerlich machte, oder… Nein. Eigentlich gab es kein Oder. Was dachte sie?

 

Das, was passiert war wiederholte sich bestimmt nicht. Vielleicht auf der nächsten Slytherin Gryffindor Hochzeit. Aber sie wüsste nicht, wer noch aus ihrem engeren Freundeskreis heiraten sollte. Außer vielleicht Malfoy selber. Und er war nicht wirklich in ihrem Freundeskreis. Und er würde sie auch eher nicht einladen. Vielleicht nur aus Lageweile. Oder Wahnsinn.

 

Wenn sie doch nicht so furchtbar betrunken gewesen wäre! Sie erinnerte sich kaum daran, wie es zu der Situation gekommen war, geschweige denn, wie es geendet hatte. War sie gegangen? War er gegangen? Und weshalb? Und wieso… war es überhaupt passiert? Hatte sie irgendwann nicht mehr an sich halten können? Und war es überhaupt wirklich sie gewesen?

Es erschien ihr so unlogisch. Aber noch unlogischer wäre es, wenn er sie geküsst hätte.

 

Sie wusste nur, da war ein Kuss gewesen. Vielleicht noch ein weiterer. Aber mehr nicht. Oder? Nein. Ihr Kleid saß so, wie sie es angezogen hatte, als sie am Morgen auf ihrer Couch aufgewacht war.

 

Sie hatten in einem Flur gestanden. Und sie hatten sich geküsst.

 

Und dann… dann war da nichts weiter in ihrem Kopf. Also musste es das gewesen sein. Sie erinnerte sich dumpf, dass sie Hunger gehabt hatte. Aber was hatte das damit zu tun? Und anscheinend waren sie beide klug genug gewesen, es nicht vor aller Augen zu tun. Aber sie hatte sehr lang geschlafen. Also war es wohl sehr spät gewesen.

 

Ginny hatte sie nicht darauf angesprochen. Harry auch nicht und mit Ron und Pansy hatte sie natürlich noch nicht gesprochen. Hatte sie auch nicht vor.

Jedenfalls nicht darüber.

 

Sie hatte wirklich richtiges Glück gehabt.

Es war unbeschreiblich, was für einen Skandal das in ihrem engsten Freundeskreis ausgelöst hätte. Ginny hätte wahrscheinlich kein Wort mehr mit ihr gesprochen, weil sie befürchtet hätte, dass nun auch Hermine vor ihr heiraten würde.

 

Was?

 

Sie besann sich. Heiraten. Merlin, da küsste sie Malfoy ganz kurz in einem sehr schwachen verrückten Moment und ihr Geist sprang weiter zur Heirat? Sie war müde. Bestimmt. Oder verrückt. Denn zuerst musste man wohl zusammen ziehen…

 

Sie schloss die Augen und fuhr sich über die Stirn.

 

„Granger?“ Mr Lark stand immer noch vor ihrem Schreibtisch. „Wehe, Sie machen einen Rückzug“, drohte er und sah ein wenig verzweifelt aus.

 

„Nein, nein, Mr Lark“, versuchte sie ihn zu beruhigen, dabei hatte sie größte Probleme sich selber zu beruhigen.

Niemand würde für sie bieten und Draco Malfoy würde mit einem kühlen Glas Champagner die Auktion begutachten und sie müde belächeln, während er bestimmt Wetten abschloss, welches Mädchen am wenigsten Spenden abräumen würde.

 

Ihr wurde schlecht.

 

 

~*~

 

 

Es war ihr lieber, dass sich Ginny über die Tatsache lustig machte, dass Hermine nun käuflich sein würde, als darüber, dass sie in dunklen Gängen mit Draco Malfoy knutschte.

 

Immer wieder würde sie sich so entscheiden.

 

Und eher würde sie sterben, als es Ginny zu erzählen.

 

„Hast du dir überlegt, was du tun wirst, wenn dich ein alter Knacker ersteigert? So ein Lustmolch, der nicht die Finger von dir lassen kann? Vielleicht einer, wie der Leiter der Finanzabteilung? Dieser Wichsford?“ Hermine verzog den Mund, als Ginny sie fester in das Kleid schnürte, was nun nicht dazu gedacht war, den größten Respekt einzuheimsen.

 

„Wexford. Er heißt Wexford“, verbesserte Hermine sie, während ihr wieder Übelkeit erregende Bilder in den Kopf stiegen. „Und…“, fuhr sie fort, „es ist eine kulturelle Sache. Es geht nicht darum, Frauen für Sex zu kaufen, Ginny.“

 

Jedenfalls hoffte sie inständig, dass keiner der Bieter das im Kopf hatte.

 

„Also, ich habe den getroffen, als es darum ging unsere Ausgaben zu rechtfertigen und dass Harry nicht tausend Galleonen mehr als andere zahlen muss, weil er Harry Potter ist. Und da hat mir dieser Wichsford ständig auf meinen Busen gestarrt. Und Harry war dabei.“

 

Hermine schenkte Ginny ein sehr falsches Lächeln. „Keine Sorge. Alle dort wissen, es geht nur um die Wohltätigkeit. Nicht darum, irgendwen zu kaufen und dann anzustarren. Oder sonst was“, fügte sie unwirsch hinzu.

 

„Und wenn dich ein hübscher Zauberer ersteigert? Mit aufregenden Hobbys und einer Bibliothek in seinem sieben-Zimmer-Apartment?“, lockte sie Ginny und Hermine seufzte.


„Dann darf er leider nicht teilnehmen, denn so jemand arbeitet nicht im Ministerium“, erklärte sie bitter.

 

„Oh komm schon! Die ganzen reichen Abteilungen? Wie die Internationale Sache? Da sitzen doch nur die Erben drin!“, widersprach sie lachend.


„Ich glaube nicht, dass ein Haufen Slytherins Lust hat, Frauen zu ersteigern, die im Ministerium arbeiten. Wenn diese Herren Geld für Frauen ausgeben, dann für welche, die auch halten, was das Geld verspricht, Ginny.“

 

„Hermine…“, begann sie. „Das könnte deine Chance sein, eine romantische Geschichte zu haben.“

 

„Keine romantische Geschichte fängt jemals mit den Worten an: … und dann hat Daddy mich auf einer Auktion ersteigert, Kinder“, erwiderte sie ein wenig wütend. Ginny grinste.

 

„Du musst ihn ja nicht heiraten und seine Frucht austragen. Ich sage nur, dass es möglich ist, das Ganze zu deinen Gunsten zu nutzen und ein gutes Date abzustauben.“

 

„Ja, ich bin auch immer so dringend auf der Suche nach einem guten Date. Du hast recht.“ Auch Ginny verlor langsam die Geduld und die letzte Schlaufe band sie eher unwillig zu. Hermine keuchte auf, denn jetzt bekam sie offiziell keine Luft mehr.

 

„Alles, was ich sage, ist, dass es kein schlechter, bedrückender Abend werden muss. Und vielleicht könnte man dann zu viert essen gehen“, fügte sie hinzu, denn Pärchen verbrachten den größten Teil des Tages damit, andere Pärchen zu suchen, mit denen sie ihre freie Zeit verbringen konnten. Hermine wusste das. Und sie hasste es, dass Ginny nun schon jede sich bietende Gelegenheit dazu nutzte, Hermine zu verkuppeln.

 

Immerhin versuchte sie jetzt nicht mehr, sie heimlich mit Ron in einem Zimmer zurückzulassen. Der war jetzt vergeben. Anscheinend wollte sie nicht mit dem Ehepaar Weasley-Parkinson anbandeln… Schade. Wirklich schade.

 

„Es wird ein furchtbarer Abend werden. Denn ich glaube nicht, dass ich viel von jemandem halte, der eine Frau auf einer Auktion ersteigert.“ Sie betrachtete sich skeptisch im Spiegel. Das Kleid war dunkelrot. Es fehlte nur noch der scharlachrote Buchstabe vorne und sie wäre eine öffentlich in Schande gefallene Hure des fünfzehnten Jahrhunderts, nahm sie bitter an.

 

Selten hatte sie ihr Dekolleté so groß gesehen. Es war fast unschön, wie auffällig sie heute aussah. Als wäre sie verzweifelt genug, zu denken, niemand würde für sie bieten. Aber sie beschloss, einfach viel zu trinken. Dann würde sie vielleicht sogar lächelnd von der Bühne gehen können und erst am nächsten Tag planen, von welchem Stockwerk sie in die Tiefe springen würde, um der Blamage zu entgehen, die folgen würde.

 

Ihr Bauch war flach eingeschnürt. Essen fiel wohl aus, nahm sie bitter an. Sie hasste solche Abende. Vielleicht würde sie den Weg nach vorne auch nicht schaffen, denn die Schuhe waren hoch und gefährlich. Wenn sie umknickte, würde sie so tief fallen, dass sie bestimmt sofort ohnmächtig sein würde.

 

„Du siehst absolut unglaublich aus!“, bestätigte Ginny jetzt und zupfte noch einmal an ihren Locken, die heute sehr weit und sehr offen auf ihre Schultern fielen. Der Lippenstift passte zum Kleid und ihre Augenbraue zog sich in die Höhe, als wolle selbst ihr Spiegelbild erklären, dass sie nun überhaupt nicht mehr wie sie selber aussah.

 

Aber ein wenig Stolz besaß sie noch. Sie würde bestimmt nicht eine Hexe aus der Öffentlichen Abteilung gewinnen lassen. Es war zwar kein Wettbewerb, aber das hatte Hermine Granger noch niemals davon abgehalten, etwas zu gewinnen.

 

Dennoch wäre Champagner heute eine Notwendigkeit. Eine absolute Notwendigkeit.

 

„Ich wär so gerne dabei. Schade, dass nur Mitarbeiter erlaubt sind. Harry und ich haben schon Tipps abgegeben, wie viel Geld du bringen wirst“, fuhr sie mit einem Lächeln fort. Hermine sah, wie ihre Wangen ganz blass wurden.

 

Ihre Freunde waren nun schon so weit gekommen, ihren Wert zu schätzen. Großartig.

 

„Ich bin sicher, dass ich richtig liege. Also, sag mir morgen über Floh Bescheid, in Ordnung? Und viel Spaß. Wenn er dich zum Essen mitnimmt, dann nimm den Hummer. Oder einen Pixiebraten. Jedenfalls was Teures. Oder vielleicht ersteigert dich auch die Lesbe aus der Buchhaltung“, fuhr sie hämisch fort.

 

Sie würde jetzt schon anfangen zu trinken müssen, wurde Hermine augenblicklich klar. Jetzt sofort!

 

 

Teil 6

 

„Zum ersten – zum zweiten… und… - Verkauft!“

 

Sie konnte nur wieder die Augen verdrehen. Anscheinend hatte irgendwer der Zauberer bei einer Muggelauktion beigewohnt und von irgendwoher einen altmodischen Hammer geklaut. Alle anderen waren begeistert von dieser merkwürdigen Tradition. Dass bei einer Auktion kein Werkzeughammer benutzt wurde, schien allen absolut egal zu sein.

 

Magische Auktionen, soweit sie sich informiert hatte, liefen eigentlich still, ohne Hammer, ab. Es war sogar sehr nett, denn, jeder Zauberstab, der teilnehmen würde, wurde geeicht und jeder bekam ein Symbol zugesprochen.

 

Damit konnte man die Parteien auseinander halten. Das Gebot wurde eröffnet. Einmal. Dann wurde geboten und zwar mit Hilfe von Magie. Der erste Zauberer schoss seinen Betrag in die Luft. Dann folgten die Zauberer, die überbieten wollten und das letzte Gebot, was in der Luft hing, gewann die Auktion.

 

Aber hier… ging es zu wie auf einem türkischen Basar.

 

Eine Hexe, die Hermine nicht kannte, die aber ein größeres Dekolleté vorzuweisen hatte als sie, war gerade für rund zweitausend Galleonen an einen Zauberer aus der Abteilung Strafverfolgung versteigert worden.

 

Und der sah ziemlich glücklich aus. Hermine schätzte ihn auf Anfang fünfzig und die Hexe hatte ein sehr falsches Lächeln aufgesetzt, als sie sich von ihm auf ein Glas Champagner einladen ließ.

 

„Wir machen weiter mit der Abteilung für Muggelangelegenheiten und freuen uns auf Hermine Granger!“ Einiger Applaus brandete auf und ihre Knie zitterten gefährlich.

 

„Ist es nicht großartig? Ich werde auf jeden Fall für dich bieten.“ Arthur Weasley hatte sich zu ihr gesellt. Er strahlte. Sie konnte das Lächeln nicht erwidern, denn sie war wie erstarrt. „Aber ich könnte dich nur auf ein Essen bei Molly einladen“, fügte er etwas enttäuscht hinzu.

 

„Das ist immerhin besser als mit irgendeinem Zauberer mitzugehen“, gab sie heiser zurück. Ihre Hände waren nass und kalt. Sie hatte tatsächlich Angst.


„Ich habe übrigens den Hammer mitgebracht“, sagte Arthur jetzt sehr stolz.

„Ich habe in diesem Muggel Sehfern eine Auktion gesehen. Da hatte der Muggel einen Hammer und es war sehr aufregend!“ Er nickte bestätigend. Hermine hätte wissen müssen, dass nur Arthur Weasley ein Ministerium überzeugen konnte, dass ein Hammer eine Notwendigkeit bei einer Auktion war. Sie vermied es sogar, sein Muggelvokabular zu verbessern, was sie sonst eigentlich immer gerne tat. Jetzt hatte sie keine Lust mehr, es zu tun.

 

„Schön“, sagte sie also säuerlich und setzte sich endlich in Bewegung. Der Champagner ließ sie mutig über die hohen Schuhe hinweg sehen und sie kam ohne Zwischenfälle zur Bühne. Sie wurde magisch beleuchtet und ihr Boss zwinkerte wieder einmal. Er stand in nächster Nähe.

 

„Wie bei allen bisherigen Angeboten eröffnen wir für unsere Kandidatin mit zweihundert Galleonen!“, verkündete er mit magisch verstärkter Stimme. Sie versuchte ruhig einzuatmen, aber es gelang ihr nicht ganz.

 

Immerhin gab es eine gute Sache: Sie konnte Draco Malfoy nirgendwo entdecken. Er war keine der anwesenden Gäste. Das erleichterte sie mehr, als sie es sagen konnte.


„Wer bietet zweihundertfünfzig?“, fragte erste Untersekretär des Ministers in Höchstlaune. Arthur Weasleys Zauberstab schoss einen Betrag von zweihundertfünfzig Galleonen in die Luft.

 

 

„Hier haben wir zweihundertfünfzig! Ausgezeichnet. Arthur Weasley beginnt die Auktion!“, fügte er hinzu. Aber leider gewann Arthur nicht.

 

Schon schoss das nächste Angebot von dreihundert Galleonen in die Luft. Sie hatte sich wahrscheinlich umsonst Sorgen gemacht. Sie bekam Gebote. Sie wagte sogar ein leichtes Lächeln. Der Sekretär kam nicht dazu, den Namen des Mitarbeiters zu nennen, denn schon war das Gebot für sie auf dreihundertfünfzig, dann auf vierhundert, direkt auf fünfhundert und sechshundert Galleonen gestiegen.

 

Das Licht war grell, sie erkannte viele der Bietenden nicht, aber sie nahm an, es handelte sich um Wüstlinge. Aber damit würde sie sich später beschäftigen, wenn es so weit war.

 

„Hier haben wir eintausend Galleonen!“, sagte der Sekretär jetzt laut und sie verrenkte sich den Hals. „Wie ich sehe aus der Abteilung für Internationale Angelegenheiten.“ Sie hörte die Kritik in der Stimme durchaus.

 

Jetzt sah sie den Zauberer. Neben dem Betrag war eine grüne Schlange in der Luft erschienen. Sie kannte ihn nicht. Er war jung. Und attraktiv. Er lächelte ihr sogar zu. Vielleicht lächelte er auch nur so, aber sie sah, dass er sehr weiße Zähne und dichte dunkle Haare hatte.

 

Das wäre nicht schlecht.

 

Aber die Gebote hörten nicht auf. Sie wusste nicht, ob es charmant oder verrückt war. Sonst konnte keine für einen armen Hauselfen einen Knut hergeben, aber sobald Hexen in Kleidern auf Bühnen standen, wurden die Leute auf einmal spendabel.

 

„Eintausendeinhundert – nein, eintausendzweihundert Galleonen!“ Sie wartete darauf, dass der hübsche dunkelhaarige Mann noch einmal bieten würde und ihr Lächeln wurde sogar ein wenig breiter. Sie versuchte nicht an Ginnys Worte zu denken. Es konnte keine romantische Geschichte werden.

 

„Mr van Brewster, was für eine Ehre, eintausendfünfhundert Galleonen für Ms Granger!“, rief der Sekretär aufgeregt aus. Sie schluckte schwer, denn Mr van Brewster war führender Aufsichtsrat und nebenbei auch ein Mitglied der Abteilung der Reinblüter. Eigentlich war das ihre Gegenabteilung. Denn diese Abteilung regelte alle erdenklichen Geschäfte für die Reinblüter der Gesellschaft, die sich immer noch von allen anderen abgrenzen wollten. Mit ihren Stammbäumen, ihren Versicherungswünschen, Eheverträgen, Scheidungsflüchen…

 

Man sollte meinen, die Gesellschaft wäre so modern, dass so etwas abgeschafft werden würde, aber Blaise und Lavender hatten ja bewiesen, dass Traditionen, so dumm sie auch waren, fortbestanden….

 

Aber das Schlimme war, Mortimer van Brewster war über sechzig Jahre alt. Seine grauen Haare waren zwar noch voll und länger als die von anderen Herren, aber das machte es nicht besser. Er lächelte ein furchtbares Lächeln. Er würde sie entführen. Wahrscheinlich hegte er Pläne, sie zu verfluchen und seinen Hauselfen zum Fraße vorzuwerfen, denn sie hatte schon unzählige Streite mit ihm über Muggel, Halbblüter und den doppelten Standard in der Gesellschaft gehabt.

 

Und er hatte immer die Reinblüter mit der Vehemenz eines alten Ignoranten vertreten und schon sehr oft gedroht, sie zu entlassen und sich beim höchsten Gericht zu beschweren.

 

Oder… er war einer von diesen perversen alten Männern, die Freude dabei empfanden, sich mit dem Feind einzulassen und jetzt wollte er seine sexuellen Fantasien an ihr ausleben. Schweiß trat auf ihre Stirn.

 

Aber ihr Prinz eilte zur Rettung.

 

„Eintausendachthundert Galleonen von unserem jungen Mr Sanford! Sein Vorgesetzter muss ihn ja besonders gut bezahlen!“, fügte der Sekretär des Ministers mit einem Hauch Unruhe in der Stimme hinzu. Es kostete wahrscheinlich einiges an Mut, dass jemand Mortimer van Brewster in die Quere kam.

 

Hermine war schon halb berauscht von diesem Mann. Aber nicht lange, denn anscheinend kam es jetzt wirklich zu einem seltsamen Duell.

 

„Eintausendneunhundert Galleonen“, sagte der Sekretär nun vorsichtig, denn van Brewster hatte dem jungen, hübschen Sanford einen sehr bösen Blick zugeworfen.

 

Aber dieser ließ sich, wenn auch nicht mehr ganz so forsch, nicht einschüchtern und zog seinen Zauberstab erneut. Hermine vergaß völlig, dass sie ja freundlich sein wollte und starrte von einem zum anderen.

 

Der Sekretär sagte gar nichts. Dann ging ihm seine Stellung wieder auf und er räusperte sich hastig. „Ja… also zweitausend Galleonen für Ms Granger von Mr Sanford geboten. Damit sind Ms Granger und Ms Devin gleich auf und liegen beide aber noch unter Mrs Zabini, die für einen Rekordbetrag von siebentausend Galleonen von Mr Zabini ersteigert wurde.“ Hermine nahm an, der Sekretär redete nur, um seine Nervosität zu überspielen.

 

Und ja, er hatte recht. Lavender hatte es sich nicht nehmen lassen selber teilzunehmen und ihr eifersüchtiger Ehemann hatte sofort mit siebentausend Galleonen begonnen. Natürlich hatte niemand die Lust und die Mittel das hier heute Abend zu toppen.

 

Sie biss sich unruhig auf die Unterlippe, denn sie wollte nicht mit Mortimer van Brewster gehen. Das stand ihrer romantischen Liebesgeschichte gar nicht.

 

„Zweitausendzweihundert Galleonen!“, rief der Sekretär erleichter aus, als van Brewster wieder den Zauberstab zückte und die Zahl ziemlich wütend in die Luft über ihn schoss. Aber beinahe völlig unverzagt, tat es ihm Prinz Sanford gleich.

In Hermines Augen war er zumindest ein Prinz. Ein Prinz, der sie vor dem Biest retten wollte.

 

Es geschah, womit sie schon gerechnet hatte, und van Brewster überwand den Weg zu Sanford und kurz unterhielten sich beide.

 

„Wie es scheint kommt es zu einer…“ Der Sekretär sprach nicht weiter. Er starrte wie gebannt zu den beiden Männern hinüber. Und nach einer kurzen Unterhaltung schoss Prinz Sanford einen Betrag in Höhe von zweitausendfünfhundert Galleonen in die Luft und Mortimer van Brewster hatte die Arme zornig vor der Brust verschränkt.

 

Kurz hielt der Sekretär inne, als würde er auf einen unangenehmen Sturm warten, aber nichts passierte.

 

„Gut… dann… zweitausendfünfhundert Galleonen für Ms Granger von Mr Sanford zum ersten… - zum zweiten…“ Und er hielt wieder inne. Er wartete bestimmt eine halbe Minute, in der absolut gar nichts geschah. Hermine atmete so erleichtert aus, dass sie beinahe in hysterisches Gelächter ausgebrochen wäre.

„Und… zum dritten. Verkauft an Mr Sanford für zweitausendfünfhundert Galleonen.“ Der Sekretär schien so verwirrt zu sein, dass er sogar vergaß mit seinem lächerlichen Muggelhammer auf den Tisch zu schlagen.

 

Die anderen Mitarbeiter klatschten begeistert und mit einem fröhlichen Lächeln durchschritt Hermine nun den Saal um zu ihrem Prinzen zu gelangen. Je näher sie kam, umso besser sah ihr Prinz tatsächlich aus.

 

„Hallo…“, stellte sie sich mit einem mädchenhaften Lachen vor. „Hermine Granger. Ich glaube nicht, dass wir uns kennen“, schloss sie und ihre Stimme klang tatsächlich anders. Flirtete sie tatsächlich?

 

„Tapferes Duell, Sanford.“ Mortimer van Brewster hatte sich zu ihnen gesellt und es herrschte wieder munteres Treiben als die nächste Hexe auf die Bühne gebeten wurde. Hermine vergaß zu klatschen. „Ich hätte sie wirklich gerne zu einem freundlichen Essen ausgeführt, Ms Granger, damit wir unsere Differenzen zu Gänze hätten begraben können, aber…“ Er hob lächelnd die leeren Hände, „leider sind mir die Hände doch etwas gebunden.“

 

Das bezweifelte sie allerdings doch, denn wer sollte reicher sein als ein Mitglied des Aufsichtsrates? Sie wusste, van Brewster war durchaus nicht arm. Wahrscheinlich war ihm die Lust vergangen, so viel Geld für eine Muggel auszugeben, nahm sie an. Das fand sie auch mehr als in Ordnung.

 

„Tja, vielleicht verschieben wir das einfach“, entgegnete sie mit leichter Miene, denn vielleicht wäre der Abend ein absolut perfekter Abend, wenn sie ihn mit ihrem Prinzen verbringen würde. So ein hübscher Mann, stellte sie völlig außer sich fest.


„Ich komme darauf zurück“, versprach van Brewster und sie konnte nicht umhin, die Drohung in seinen Worten zu wittern, wenn sie auch vielleicht niemand anders hören konnte. „Sanford, grüßen Sie mir Malfoy und sagen Sie ihm, dass er das nächste Mal so leicht nicht davon kommt.“ Ihr Lächeln verlor ein wenig an Kraft und sie runzelte kurz die Stirn.

 

Van Brewster war verschwunden und sie betrachtete den jungen Mann.

 

„Sie kennen Mr Malfoy?“, fragte sie also etwas gedämpft in ihrer guten und betrunkenen Laune und Sanford nickte.

 

„Wir arbeiten doch in derselben Abteilung.“ Natürlich, richtig! Das hatte sie vergessen! Der Sekretär des Ministers hatte es doch gesagt. Natürlich kannten sowieso die meisten den Namen Malfoy, also… musste sie sich keine Gedanken machen. Das machte ihren Prinzen nicht weniger großartig. „Bitte folgen Sie mir, Ms Granger“, fuhr ihr Prinz fort und bot ihr den Arm.

 

Sie nahm ihn gerne beim Wort und hakte sich unter.

 

„Wo… bringen Sie mich denn jetzt hin?“ Sie schenkt ihm noch ein entzückendes Lächeln.

 

„Zu meinem Vorgesetzten. Er selber hatte leider noch einen geschäftlichen Termin. Er konnte nicht pünktlich zur Auktion erscheinen.“ Ihr Lächeln gefror und verschwand von ihren Lippen. Sanford war also nicht ihr Prinz, sondern nur der Bote?

 

Sie hielt plötzlich inne. „Sagen Sie, wer hat mich dann ersteigert?“ Und all der Alkohol und die damit zusammenhängende Heiterkeit schienen mit einem Mal von ihr abzufallen.

 

„Ich dachte, Sie wüssten es“, gestand der Mann etwas verwirrt. „Ich bin William Sanford, der Assistent von Mr Malfoy“, erklärte er mit einem unsicheren Lächeln und einem Ton in der Stimme, der davon ausging, dass sie doch hätte wissen müssen, wer er war. „Wenn Sie mit mir kommen würden? Mr Malfoy wartet bestimmt schon.“

 

Oh großer Merlin, das war doch nicht möglich!

 

Draco Malfoy hatte sie für zweitausendfünfhundert Galleonen ersteigert?

 

Draco Malfoy hatte sie für einen ganzen Abend in seiner Gewalt?

 

Ihr wurde augenblicklich schlecht. Und sie war unglaublich wütend. Denn das würde sich garantiert herum sprechen. Sie würde es sich doch noch überlegen, ob sie aus dem höchsten Stockwerk springen würde. Wenn Malfoy dachte, sie würde mit ihm schlafen, dann hatte er sich aber geirrt!

Wenn er geglaubt hatte, er würde einen netten Abend mit ihr haben, dann hatte er sich erst recht geirrt.

 

Und mit großen Stechschritten lief sie voraus.

 

„Vielen Dank, ich kenne den Weg zum Büro von Draco Malfoy“, rief sie zornig aus, als der junge, hübsche Verräter ihr folgen wollte. Sie wusste, den hübschen Männern konnte man niemals – niemals – auch nur eine Messerspitze an Vertrauen schenken!

 

Jetzt wäre dieser Sanford nur noch ein gemeiner, böser Verräter in ihren Augen. Er hätte so einen netten Abend mit ihr haben können! Aber gut. Malfoy wollte so tun, als ob er sie kaufen könnte, dann würde sie ihm jetzt erklären, was er sie wirklich mal konnte….

 

Und zwar kreuzweise!

 

 

Teil 7

 

Es war kaum zu glauben. Menschen machten ihn wirklich ratloser von Tag zu Tag. Das amerikanische Zaubereiministerium hatte ihm geschrieben, dass sie dort nun eine Abteilung gegründet hatten, die Zauberstäbe von Verstorbenen einsammeln ließ, um sie dann auseinander zu nehmen und damit dann eine Art Ersatzteillager für kaputte Zauberstäbe anlegen zu können.

 

Und die Reparatur kostete natürlich Wucherpreise.

 

Den ganzen Tag hatte er schon vor dem Kamin gehockt und erklärt, dass ein solcher Erfolg in England ausbleiben würde, weil viel zu viele Zauberer sich mit ihren Zauberstäben beerdigen ließen und es somit schlichter Grabraub wäre, würde man diese Zauberstäbe aus den Gräbern holen lassen, nur um sie auszuschlachten für Ersatzteile.

 

Er fand es auch nicht angebracht, denn es brachte die Zauberstabmacher somit irgendwann an den Ruin ihres Daseins, denn wer würde noch zwanzig Galleonen für einen Zauberstab zahlen, wenn man einen anderen gebrauchten Zauberstab für die Hälfte reparieren lassen konnte?

 

Wahrscheinlich würden nach und nach also keine Zauberstäbe mehr verkauft werden, sondern nur noch alte Modelle im Umlauf sein.

 

Wegen solchen Banalitäten war er also den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und hatte zwei Federn durchgeschrieben. Er war überhaupt nicht dazu gekommen, Mittag zu essen, geschweige denn auch nur irgendeinen anderen Fall zu betreuen.

 

Er hatte nicht mal zu der Auktion gehen können, obwohl er doch nur zu gerne Grangers Gesicht gesehen hätte. Aber vielleicht hätte er seine Idee dann auch nicht mehr durchgezogen, denn wahrscheinlich wäre ihm klar geworden, wie verrückt es war, sie zu ersteigern….

 

Aber jetzt hatte er gerade keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er wusste nicht, wann sie an der Reihe war, oder ob er es überhaupt nach unten schaffen würde.

 

Er fuhr sich müde über die Schläfe und überlegte, ob er eine allgemeine Sammelklage veranlassen sollte, in der Europa dem amerikanischen Ministerium einfach verbieten würde, diese Abteilung fortzuführen. Konnte er das? Wie lange dauerte es, die restlichen Ministerien zu alarmieren und eine solche Schrift durchzubringen?

 

Er atmete langsam aus. Er hasste Sammelklagen. Und Amerika hasste er sowieso.

 

Fast wäre er vor Stress zusammengezuckt, als seine Tür mit einem lauten Krachen aufflog.


„Für wie arrogant hältst du dich eigentlich? Wie vermessen muss man sein, um so etwas zu tun? Was sind eigentlich deine verfluchten Absichten? Ich habe keine Ahnung, was in einem Kopf vorgehen muss, der etwas so dämliches planen kann, Malfoy!“ Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

 

Der Kamin knisterte schon wieder und er wusste, er würde bestimmt morgen blaue Flecken an den Knien haben, so lange hatte er heute schon Gespräche über Floh geführt.

 

„Ms Granger“, begrüßte er sie nachsichtig und ohne großen Enthusiasmus. „Was für ein umwerfendes Kleid. Ich bin sofort fertig“, erklärte er ohne ihre Reaktion abzuwarten. Er erhob sich mit schmerzenden Gliedern. Als er sich für einen Schreibtischjob beworben hatte, hatte er nicht mit so viel körperlicher Anstrengung gerechnet.

 

Er schritt an ihr vorbei zum Kamin und erlaubte mit seinem Zauberstab den Zugang. Er setzte sich mit schmerzverzogenem Mund auf den persischen Läufer und begrüßte das schwitzende Gesicht vor sich.


„Mr Grant, gut dass Sie noch die Zeit gefunden haben.“

 

„Malfoy, es ist mitten in der Nacht. Ich hoffe, Sie haben gute Gründe.“ Ja, das stimmte wohl. In New York dürfte es schätzungsweise drei Uhr in der Frühe sein.

 

„Ja, Mr Grant. Ich habe mit der Abteilung für Ihre Zauberstäbe gesprochen und das britische Ministerium ist in allen Punkten dagegen“, erklärte er so höflich er konnte. Der Mann gegenüber gähnte herzhaft und schlecht gelaunt.

 

„Aha. Wieso sollten wir-“ Er unterbrach und blickte an ihm vorbei. „Haben Sie eine Prostituierte bei sich im Büro, Malfoy?“, fragte er in sehr breitem Akzent, den Draco nicht leiden konnte. Amerikanisch war für ihn eine Folter der englischen Sprache.

 

„Nein, Sir.“ Auch wenn er den Vergleich bemerkenswert amüsant fand, war jetzt nicht die Zeit für Scherze. „Das ist Hermine Granger aus-“

 

„Hermine Granger? Potters Granger?“ Draco seufzte kurz.

 

„Ja, Hermine Granger, eine Freundin von Mr Potter“, erklärte er, denn noch weniger als den amerikanischen Akzent mochte er Harry Potter leiden.

 

„Ausgezeichnet! Ms Granger, Sie sehen großartig aus!“, rief der Mann vor ihm. Granger hinter ihm war erstaunlich still und kam nun widerwillig näher.

 

„Vielen Dank, Mr Grant“, sagte sie und Draco nahm an, sie hatte den Namen nur aus seinem Mund aufgeschnappt.

 

„Sagen Sie, Sie sind auch gegen die Zauberstababteilung? Malfoy bezeichnet es als Grabraub“, fuhr er fort. Draco schloss kurz die Augen. Sie sah ihn mit einem furchtbar bösen und sehr strengen Ausdruck an, der nicht zu ihrem verflucht fantastischen Outfit passte. Sie sah ihn an, als wäre neben dem Wort Grabraub das Wort Hauselfenfolter nicht weit entfernt und dass alles seine Schuld sein könnte.

 

„Nein, ich bin absolut dagegen, Sir!“, erklärte sie voller Inbrunst, ohne überhaupt zu wissen, um was es gehen könnte. Er hasste niedere Abteilungen in diesem Haus.

 

„Ist das so?“ Grant schien über die Worte nachzudenken. Draco hob langsam eine Augenbraue. „Wissen Sie, wenn Harry Potter und seine Mannschaft dagegen sind, dann…“ Er fuhr sich über die nasse Glatze. „Schön, dann werden wir eine Schließung der Abteilung in Betracht ziehen, Malfoy. Ich sende Ihnen morgen den letzten Entschluss. Sehen Sie Ihren Antrag als zulässig an. Gute Nacht, Ms Granger“, rief er noch, ehe er verschwand.

 

Granger hatte ihm somit anscheinend einen Haufen an Arbeit erspart. Sie musterte ihn abfällig, mit mahnendem Blick.


„Was zum Teufel sollte das? Grabraub, wirklich, Malfoy?“ Natürlich hatte sie keine Ahnung.

 

Er erhob sich müde und strich sich über die Knie.

 

„Für viel habe ich dich bekommen?“, fragte er und vergaß die Höflichkeit, die er hatte aufrecht erhalten wollen. Das raubte ihr zumindest den Wind aus ihren sehr knappen Segeln und sie fixierte ihn tatsächlich böse. „Granger, ich habe dich nicht gezwungen an der Auktion teilzunehmen. Also für wie viel?“

 

Sie verzog den Mund. „Zweitausendfünfhundert Galleonen“, sagte sie jetzt erstaunlich kleinlaut.

 

„Ok“, sagte er und war überrascht, dass es ihn fast keinen Aufwand gekostet hatte, sie zu bekommen. Das würde er ihr aber nicht auf die Nase binden. „Dann kann ich bestimmt von dir erwarten, mir keine Vorhaltungen zu machen und eine zuvorkommende Begleitung zu sein?“ Es war keine wirkliche Frage.

 

„Es ist neun Uhr. Wo willst du noch hin?“, erwiderte sie, aber immerhin hatte sie ihm nicht ihre Faust ins Gesicht geschlagen. Es lief also besser als gedacht.


„Nicht heute.“ Jetzt. Jetzt rechnete er mit ihrer Faust.

 

„Was?“, fragte sie mit gefährlicher Ruhe in der angenehmen Stimme. Er mochte ihre Stimme wirklich. Sie war nicht so lästig hoch, wie bei den meisten seiner Errungenschaften. Nett, er bezeichnete sie schon als Errungenschaft, dabei hatte er keinerlei Absichten in dieser Hinsicht. Eigentlich ging es nur darum, ihr zu zeigen, dass sie ihn nicht abservieren konnte, wenn er sie doch eigentlich nicht wollte.

 

Eigentlich. Dieses Wort machte ihn schon wahnsinnig.

 

„Was denkst du dir, Malfoy? Dass ich auf Abruf bereit stehe, wenn du eine Stelle hast, die du nicht selber kratzen kannst?“ Er wollte mit einem spöttischen Lächeln den Mund öffnen, aber sie hob die Hand. „Nein, wage es ja nicht!“

 

Gut, er würde keine zweideutige Bemerkung machen. Noch nicht.

 

„Granger, ich habe viel Geld für dich geboten. Ich möchte keine sinnlose Nacht mit dir verbringen, wie du fälschlicherweise annimmst. Ich möchte, dass du an einem anderen Abend deine Zeit für mich opferst.“


„Was für ein Abend? Wann und warum?“ Er holte kurz Luft.

 

„Es ist eine Hochzeit. Anscheinend sind wir sehr gut auf Hochzeiten.“ Ihr Mund öffnete sich perplex. „Wann? Kommenden Samstag. Und warum? Einfach, weil ich kein Date habe.“ Sie verschränkte die Arme abweisend vor ihrer ausnahmslos schönen Brust.

 

„Malfoy, ich bitte dich.“ Sie führte dieses Argument nicht weiter aus. Er sah sie an. „Komm schon. Du hast kein Date? Was soll das? Soll das eine Ausrede sein? Als ob du nicht auch noch auf die letzte Minute ein perfektes Date bekommen könntest!“, schloss sie gereizt.

 

„Und warum sollte ich das?“, fragte er und bereitet sich schon auf eine angenehme Antwort vor.

 

„Sieh dich an! Du bist doch-“

 

Schade, dass sie sich noch aufgehalten hatte, überlegte er amüsiert. Er musste grinsen, auch wenn die Müdigkeit wirklich erdrückend war, die in seinen Knochen steckte.

 

„Ich finde dich auch hübsch, Granger“, erwiderte er, weil er sich in der Stimmung für ein kleines Kompliment fühlte. Sie verdrehte jedoch die Augen.

 

„Der Punkt ist, dass du jede bekommen kannst. Und ich werde bestimmt nicht auf eine dämliche weitere Hochzeit mit dir gehen. Ich kann Reinblüter nicht ausstehen“, fügte sie bitter hinzu.

 

„Als du mich geküsst hast, hatte ich einen anderen Eindruck, aber Alkohol macht auch irgendwann unzurechnungsfähig, richtig?“, wagte er den nächsten Schritt und sie verlor ein wenig an Farbe in ihrem Gesicht.

 

„Ich? Ich habe dich nicht geküsst! Du hast… Es ist völlig egal. Ich möchte dich bitten-“ Er hob die Augenbrauen, aber sie schüttelte den Kopf, um sich zu verbessern. „Nein, ich bitte dich nicht. Ich gehe nicht mit dir auf eine Hochzeit. Und wenn du darauf bestehst, deinen ersteigerten Preis wirklich zu haben, dann… kannst du das heute Abend noch irgendwie bis zwölf Uhr tun.“

 

Er wartete. Ihre Lippen waren so schmal wie die von Professor McGonagall an einem müden Montagmorgen in Verwandlung, wenn keiner die Hausaufgaben am Wochenende erledigt hatte.

 

„Irgendwie? Granger, ich bin müde.“ Das schien sie noch viel mehr aufzuregen.

 

„Das hier ist nicht deine Entscheidung, Malfoy! Du kannst nicht sagen, gut, ich ersteiger mir eine Muggel, aber ich benutze sie heute nicht – und, nein! Ich meine benutzen nicht in diesem Sinne!“, fügte sie harsch hinzu.

 

„Ich beschließe das nicht“, erwiderte er und wollte nicht mehr diskutieren. Er hatte heute seit zwölf Stunden nichts anderes getan. „Ich bitte dich, Granger.“ Er erinnerte sich vage, sie schon auf der letzten Hochzeit um etwas gebeten zu haben.

 

„Und ich lehne ab.“

 

Sie machte ihn sehr, sehr müde.

 

„Ich verspreche dir, dich nicht anzurühren oder irgendetwas Unethisches zu tun, Granger. Begleite mich auf diese Hochzeit und du bist mich für immer und ewig los.“

 

„Das werde ich sowieso bald sein, Malfoy.“ Kurz runzelte er die Stirn. Was plante sie? Aber eigentlich… war ihm das egal. Er hatte seine eigenen Pläne und die konnte er nur verwirklichen, wenn sie ihm zusagte.

 

Er wusste, es war vielleicht ein wenig… welches Wort suchte er? Gemein? Böse? Wirklich teuflisch von ihm? Ja, vielleicht. Aber empfand ein perverses Vergnügen darin….

 

„Eigentlich ist es keine Verhandlung. Ich kenne deinen Boss. Und ich werde gerne mit ihm reden, wenn wir uns hier nicht einig werden. Ich nehme an, du hast einen Vertrag unterzeichnet?“ Alle Farbe was aus ihren Wangen verschwunden.

 

„Weißt du, dass du ein Arschloch bist? Ein richtig elendes, widerliches scheiß Arschloch?“ Er Lächeln kroch in seine Mundwinkel. Ganz langsam, fast heroisch fühlte es sich an.


„Ja“, erwiderte er.

 

„Wenn du auch nur daran denkst mich zu küssen oder das irgendwie auszunutzen, dann-“

 

„Dann?“ Er sah sie langsam ausatmen.

 

„Warte. Wer heiratet, Malfoy?“

 

Sein Grinsen wurde eine Spur breiter.

 

„Die Kunst liegt in der Überraschung, Granger. Ich werde es dir sagen, wenn wir da sind. Ein Kleid wird dir geliefert. Trag die Haare am Samstag offen, denn es sieht besser aus als dein ewiger Pferdeschwanz und ich hole dich Samstag um sechs Uhr dreißig vor deiner Wohnung ab. Haben wir einen Deal, Ms Granger?“

 

Und er konnte nicht genau sagen, was es war, das sie dachte. Er nahm an, dass es etwas damit zu tun haben musste, dass er zu ihrem Boss gehen würde, würde sie ihm die Zusage verweigern.

 

Anscheinend ging es bei dieser Auktion wirklich um eine wichtige Sache bei ihr.

Er wusste, niemals würde sich Hermine Granger auf eine derartige Abmachung einlassen.

 

Aber das würde sie wahrscheinlich auch jetzt nicht tun, wenn sie wüsste, wo er sie mit hinnehmen würde. Aber… eigentlich ging es weniger um sie. Es ging um ihn. Es ging um ihn und um die Wette, die er mit Blaise geschlossen hatte. Nicht die mit dem Hippogreif. Er hatte einige Wetten mit Blaise am Laufen und er pflegte seine Wetten alle zu gewinnen.

 

Auch wenn er diese absurde Wette nur aus Spaß geschlossen hatte. Wer hätte gedacht, dass er es tatsächlich schaffen würde? Nicht mal er hatte damit gerechnet.

 

Gespannt wartete er.

 

„Warum ich, Malfoy?“ Er fuhr sich durch die hellen Haare und angelte sich seinen Umhang von der Garderobe neben ihr.

 

„Weil es Spaß macht“, erwiderte er. Und das stimmte tatsächlich. Selten hatte er Besuche auf Hochzeiten so sehr genossen, wie die letzten beiden Male. Und er war zu dem Schluss gekommen, es lag an Hermine Granger.

Er war nicht verliebt in sie. Er war nur verliebt in die reine Idee. Die Idee eine Muggel, die ihn wirklich hasste, an seiner Seite zu haben.

 

„Dir vielleicht“, gab sie leise zurück.


„Es muss dir auch keinen Spaß machen. Es ist nur eine Abmachung, die du einhalten musst. Danach ist alles vorbei.“ Er schenkte ihr ein letztes Lächeln.


„Werde ich… das überleben?“ Und er konnte einen Hauch Angst in ihren dunklen Augen erkennen. Sie dachte, er plante etwas Gefährliches. Kurz riss dieser Gedanke an seinem Innern. Kurz. Sehr kurz. Sie dachte, er würde sie verletzten oder zulassen, dass sie verletzt würde. Weil sie dachte, dass er ein Todesser war, machte sein Gehirn den nächsten logischen Schritt.

 

„Es ist keine Voldemort-Erweckungshochzeit“, erwiderte er und zum ersten Mal glitt seine Stimme in tiefere, zornigere Regionen ab. Es war ein Scherz gewesen, aber ihre schlimmste Vorstellung schien sich gerade in ihrem Kopf zu erfüllen.

 

„Wenn ich dabei sterben sollte, wird Harry dich umbringen. Und Ron und Ginny.“

 

„Du bist paranoid. Und verrückt“, fügte er hinzu. Er konnte nicht fassen, dass sie so etwas dachte!

 

„Bin ich das, Malfoy? Aber vielleicht hast du auch nichts zu befürchten. Wenn Harry wüsste, dass wir darüber sprechen, würde er mich vielleicht sowieso nicht retten.“ Er wusste nicht, ob sie überhaupt noch zu ihm sprach.

 

„Ich gebe dir mein Wort, dass du in meiner Gegenwart vollkommen sicher sein wirst. Wenn du willst, beschütze ich dich mit meinem Leben vor Champagner, Buttercreme-Törtchen und einem siebenstöckigen Hochzeitskuchen, Granger“, kürzte er ihren ganzen Theorien ab, ohne zuzulassen ihre Worte tiefer sinken zu lassen. Dorthin, wo sie vielleicht weh tun könnten und der Funke Wahrheit, der einst in diesen Worten gewesen war, sein Inneres zerstören konnte.

 

„Halt deine Klappe. Ich gebe dir drei Stunden. Mehr nicht“, fügte sie knapp hinzu.

 

„Drei Stunden sind drei Stunden“, erwiderte er mit einem sehr schwachen Grinsen. „Wollen wir mit Handschlag besiegeln?“ Sie schüttelte den Kopf.


„Noch eine Sache… Du wirst mich nicht anfassen. Es sei denn zum Apparieren. Keine weitere Berührung. Verstanden?“ Er verlor die Geduld.

 

„Fein. Drei Stunden deiner Zeit, ohne dich anzufassen.“ Er wartete erneut.

 

„Abgemacht. Sei pünktlich. Die Zeit läuft ab sechs Uhr dreißig, Malfoy. Um halb zehn ist das hier vorbei.“ Fast wäre ihm seine Laune wieder vergangen, denn sie machte es nicht besonders schmackhaft mit ihren Regeln und Vermutungen.

 

Sie hatte sich abgewandt und war mit hängenden Schultern zur Tür gegangen.

 

„Noch eine Kleinigkeit…“, hielt er sie zurück. „Am Samstag… bitte nenn mich für drei Stunden lang Draco.“

 

Der Blick, der ihn traf als sie sich an der Tür noch mal umwandte, war ein Blick so voller Hass, dass er sich schlagartig wieder an die Schulzeit erinnert fühlte.

Es kribbelte in seinen Fingern.

 

Sie würde ihn so sehr hassen, aber das musste er in Kauf nehmen.

Denn immerhin war diese Hochzeit der allerletzte Ort, wo er sein wollte. Zwar war schon Pansys und Weasleys Hochzeit absolut grauenhaft gewesen, aber das hier übertraf alles um ein Vielfaches.

Allerdings war er sich doch nicht völlig sicher, für wen es wirklich schlimmer sein würde.

 

Für ihn oder für Granger?

 

Müsste er sich jetzt spontan entscheiden, dann würde Granger mit einem knappen Vorsprung gewinnen.

Er rechnete nicht damit, dass sie nach diesem Samstag noch ein einziges Wort mit ihm sprechen würde.

 

Sein Glück war, dass er daran auch kein Interesse hatte.

 

Seine Mundwinkel hoben sich in stiller Vorfreude.

 

 

Teil 8

 

Sie war weise genug gewesen, Ginny nichts davon zu erzählen. Eigentlich glaubte sie es auch selber nicht wirklich. Und sie hatte doch ein wenig Angst. Sie hatte einen Brief auf ihrem Tisch zurückgelassen, falls sie wirklich auf irgendeine postdestruktive Todesseraktion reingefallen war.

 

Natürlich war das… unsinnig. Aber es war nicht völlig ausgeschlossen.

 

Und sie hatte versucht Recherchen zu betreiben, hatte versucht, herauszufinden, wer denn heiratete, zu welcher blöden Reinblüterhochzeit sie erscheinen musste, aber nicht einmal die Klatschhexen aus der Öffentlichen Abteilung wussten, welche Berühmtheiten jetzt heiraten würden.

 

Das war ein sehr schlechtes Zeichen. Denn was war das für eine Hochzeit, von der keiner etwas wusste? Nicht einmal diejenigen, die immer alles wussten?

 

Und sie war doch eigentlich froh, dass sie Ginny nichts erzählt hatte. Alles, was sie ihr gestern erzählt hatte, war, dass sie heute einen Wäschetag machen würde. Natürlich wusste die gesamte Familie Weasley, dass Malfoy sie ersteigert hatte. Auch wenn sein Assistent es keinem gesagt hatte, war Mortimer van Brewster hilfreich eingesprungen.

 

Anscheinend hatte Malfoy seinem Assistenten aufgetragen, sie um jeden Preis zu ersteigern.

 

Das war eine ziemlich mutige Aussage. Entweder fühlte sie sich doch ein wenig geschmeichelt, oder sie vertraute auf die Tatsache, dass es sich immer noch um Draco Malfoy handelte, und dies dann nichts mehr mit einer Schmeichelei, sondern mit einem größenwahnsinnigen, gefährlichen Plan zu tun hatte.

 

Aber was konnte ihr wirklich passieren?

 

Das Kleid, von dem sie gehofft hatte, dass es nicht ankommen würde, war heute Morgen mit der ersten Posteule erschienen. Es war eher ein Greifvogel von monströser Größe gewesen, der ein mörderisch schweres Paket mit schlechtester Laune vor ihre Fensterscheibe geknallt hatte.

 

Jetzt hoffte sie nur noch, dass Malfoy doch nicht erscheinend würde, aber wenn das Kleid angekommen war, dann war sie sich sicher, dass auch der Herr Malfoy nicht fern bleiben würde.

Das Kleid war unbeschreiblich. Entweder wollte er, dass sie als bestangezogenste Hexe dort aufkreuzte, oder er wollte dass sie das möglichste Maß an Aufmerksamkeit erregte.

 

Es war lang und fiel in blauen Wellen bis auf den Boden. Es hatte keine Träger und sie konnte nur hoffen, dass es ihr nicht einfach über ihre Brüste rutschen würde. Sie hielt ihre Kaffeetasse fest umklammert, denn sie hatte noch nicht gewagt, ihren Schlafanzug auszuziehen, um in das Kleid zu schlüpfen. Nur um es zu testen.

 

Sie sollte sich mit keiner Faser ihres Körpers auf irgendetwas freuen. Sie hatte sich schon vor Tagen klar gemacht, dass alles, was Draco Malfoy tat, ein böses Motiv haben musste. Gut, da war der eine winzig kleine Kuss. Aber das war auch schon wirklich alles gewesen.

 

Es gab nichts in ihrer bisherigen Geschichte, dass auch nur den Hauch an Freundlichkeit erkennen ließ. Er schien lediglich sämtliche Hemmungen verloren zu haben und sich nicht darum zu scheren, was die Leute dachten, wenn er mit ihr irgendwo hinging.

 

War das gut? Oder war das wirklich, wirklich schlecht?

 

Das Kleid hing wie eine griechische Schönheit über ihrer Couch, während sie es in sicherer Entfernung, auf ihrem Küchenstuhl zusammengekauert, beobachtete. Sie beobachtete eigentlich, ob es Anzeichen dafür geben konnte, ob ein Fluch auf dem Kleid lag.

 

Sie hatte noch keine Zauber ausführen können, aber sie wusste, sie musste völlig sicher gehen, dass es sich nicht im Laufe des Abends auflösen würde, dass keine Säure aus den Fasern trat, dass es nicht irgendwie auf die Haut reagierte und eine allergische Reaktion auslösen könnte, oder das es schrumpfen würde oder lebendig würde oder… es gab so viele Möglichkeiten. Viel zu viele Flüche.

 

Aber sie nahm fast an, dass er es mit einem Fluch belegt haben musste. Warum würde er sonst so dringend darauf bestanden haben, dass er das Kleid für sie organisierte?

 

Zwar war sie ein wenig beruhigt, weil sie sicher war, seinen miesen Trick herausgefunden zu haben, aber jetzt musste sie den Fluch erst mal finden. Malfoy war nicht dumm gewesen. Gar nicht dumm. In seiner Schulzeit hatte er viele, viele Punkte erlangt.

 

In allen Fächern. Vor allem in Verteidigung. Sie erinnerte sich, dass er so gut wie Harry gewesen war.

 

Bei Merlin, man stelle sich vor, sie würde auf der Hochzeit dann plötzlich nackt in irgendeiner Villa stehen?

 

Nein. Das würde nicht passieren! Sie würde sich trotzdem die Beine rasieren, beschloss sie. Sie hatte keine Probleme mit ihrem Körper. Aber sollte sie am Ende doch nackt sein, würde sie gut dabei aussehen….

 

 

~*~

 

 

Invaderis Revelio!“, befahl sie mit heiserer Stimme, um auch einen Befall von Insekten oder Krankheiten ausschließen zu können. Sie hatte sich die Haare gemacht. Aber fiel hatte es da nicht zu machen gegeben. Sie hatte sie gewaschen und getrocknet, denn mehr brauchte es nicht, um sie offen tragen zu können.

 

Ihre Locken waren in sehr guter Verfassung heute. Der Rest ihres Körpers mittlerweile weniger. Zweidutzend Bücher lagen auf dem Boden ausgebreitet, angemarkert mit allen Sprüchen, die ihr nützlich erschienen.

 

Zettel lagen ausgebreitet auf dem Holzfußboden: Listen mit Sprüchen, die sie bereits probiert hatte, und Listen mit Sprüchen, die eher unwahrscheinlicher waren.

 

Bisher hatte sie ausschließen können, dass das Kleid sie umbringen würde oder dass es Allergien hervorrufen konnte, die in einer Art Ausschlag gipfelten. Bei den Giften hatte sie alle Basengifte ausgeschlossen, jetzt blieben nur noch die gefährlichen, die aber nicht tödlich, sondern nur zu Bewusstseinsstörungen führten. Wobei hier auch zu bedenken war, dass es nur schwache Gifte sein konnten, denn sonst würde der Stoff schon angegriffen sein.

 

Sie fuhr sich angestrengt durch die Haare. Ihr Shirt klebte schon an ihr und das Duschen würde sich in ein paar Minuten nicht mehr gelohnt haben. Dann konnte sie eigentlich noch einmal duschen.

 

Aber unwichtig. Es musste einen speziellen Grund geben, warum das Kleid erst heute angekommen war. Es handelte sich also um eine Tinktur, ein Gift oder einen Zauber, der eine zeitliche Begrenzung aufweist oder den Stoff in einer zeitlichen Begrenzung beschädigen kann.

 

So viel hatte sie schon mal.

 

Keine Basengifte. Keine Todesflüche, die eingewebt waren.

 

Ein Stapel an Büchern auf der Sofalehne beschäftigte sich ausschließlich mit tierischen Flüchen, wobei winzig kleine Larven in den Stoff eingewebt werden konnten, aber sie entschied sich gegen diese Theorie, denn das hätte Malfoy einiges mehr an Zeit und Planung gekostet.

 

Es sei denn natürlich… er hatte das alles geplant! Aber wie hätte er?

 

Oder hätte er…-

 

Das energische Klopfen an der Tür riss sie völlig aus ihren Gedanken. Sie hüpfte barfuß über die Zettel und Bücher und trat dabei auf ihre ausgetretene Jogginghose.

Sie öffnete die Tür und erschrak fast über sein genervtes Gesicht.

 

Er verlor jegliche zornigen Züge und starrte sie an.


„Du… bist nicht fertig?“ Es kam als Frage heraus. Er trug einen ziemlich teuren Festumhang, darunter einen Anzug, der so exquisit aussah, dass er auch als König hätte durchgehen können.

 

„Fertig?“, wiederholte sie verwirrt und wandte sich hastig zur Uhr über dem Kamin um. „Mist“, flüsterte sie. Sie hatte die Zeit vergessen! Er steckte den Kopf in ihre Wohnung und betrat vollkommen fassungslos ihr kleines Reich.

 

„Granger, was zum… Nein!“, schloss er zornig. Er hob eines der Bücher auf und betrachtete kopfschüttelnd den Titel. „Flüchtige Gifte für unterwegs?“, las er laut und seine Augen hatten sich ungläubig geweitet. Sein Blick wanderte durch ihr Wohnzimmer und anscheinend hatte er seine Wut für eine kleine Weile vergessen.

 

Etwas unentschlossen stand sie in ihrem Wohnzimmer. Barfuß, mit roten Wangen und völlig ratlos. Sie hatte es nicht herausfinden können. Sie war nicht fertig gewesen. Sie hatte nicht unten gestanden und es war mittlerweile viertel vor sieben.

 

„Ok…“, sagte er langsam und fuhr sich völlig abwesend durch die hellen Haare. „Du denkst…“, begann er und seine Augen konnte gar nicht alle Bücher und Notizen aufnehmen, die quer im Raum verteilt waren. Einige Klebezettel hingen sogar an verschiedenen Stellen des Kleides, welches ausgebreitet auf dem Boden lag. „Du denkst, ich hätte dein Kleid vergiftet, verflucht… anscheinend Larven eingewebt…“, sagte er trocken und starrte sie an wie eine Wahnsinnige. Aber sie war nicht wahnsinnig!

 

Es war doch alles möglich!

 

Vielleicht unwahrscheinlich – aber… möglich….

 

„Malfoy…“, begann sie, aber sie war viel zu fertig. All das Flüche suchen, Gifte testen und Zaubern hatte sie sehr, sehr müde gemacht.

 

„Ich werde… Tee kochen und du ziehst das verdammte Kleid an, Merlin noch mal“, knurrte er jetzt und schritt ohne Zögern weiter in ihre Küche, die sich ohne Tür und ohne Wand an ihr Wohnzimmer anschloss. Er öffnete einige Schranktüren, bis er die Kanne gefunden hatte und setzte Wasser in ihrem Kessel auf.


„Ich habe dir ein Kleid zukommen lassen, weil ich mir ziemlich sicher war, dass du für diese Art Angelegenheit nicht das richtige da hast. Wir gehen auf eine ziemlich teure Party. Sehr teuer. Nichts weiter hatte ich im Sinn, Granger!“ Er starrte auf den Kessel, der noch nicht gewagt hatte zu kochen.

 

Gut, vielleicht war sie paranoid. Aber nicht verrückt.

 

„Malfoy-“

 

„Und die Abmachung war, dass du meinen Vornamen benutzt.“ Er sah sie schon nicht mehr an, sondern schüttelte immer noch fassungslos den Kopf.

 

„Tut mir leid“, sagte sie tatsächlich. Für einen Moment herrschte Klarheit in ihrem Kopf und es war wirklich mehr als unwahrscheinlich, dass er das Kleid irgendwie verflucht hatte.

 

„Wirklich? Es tut dir leid? Das glaube ich eher weniger, Granger. Ich habe dir gesagt, dass dir nichts passieren wird. Dass ich so etwas lächerlich Selbstverständliches überhaupt sagen muss!“, schrie er jetzt zornig.

 

„Du… du hast nicht gesagt, wohin wir gehen oder… um wen es geht… ich…“ Der Kessel begann zu pfeifen und er holte ihn vorm Herd, um ihn auf den Tisch zu stellen.

 

„Ist das ein Brief, falls du nicht wieder kommen solltest?“, fragte er eisig und hatte mit spitzen Fingern den Umschlag von ihrem Tisch angehoben.

Sie schloss die Augen. Mist, Mist, Mist….

 

„Wie viel Angst hast du eigentlich wirklich vor mir, Granger?“, fragte er erstaunlich leise. „Denkst du, ich warte seit zehn Jahren auf eine adäquate Gelegenheit, dich um die Ecke zu bringen? Denkst du, in meiner freien Zeit halte ich okkulte Treffen mit ehemaligen Todessern ab und wir planen ein Muggel-Metzel-Massaker?“ Seine Stimme war wieder lauter geworden.

 

Der Kessel stand vergessen auf dem Tisch. Er warf den Brief daneben kam wieder in das Wohnzimmer und hob das Kleid vom Boden hoch. Sie hatte es mit Salatbesteck dort hin drapiert, weil sie Angst hatte, es anzufassen.

 

Das Schlimme war, dass er nicht einmal so böse zu sein schien, sondern absolut fassungslos war. Er hielt ihr das Kleid entgegen.

 

„Wieso warst du auf den Hochzeiten vorher überhaupt in meiner Nähe? Erinnerst du dich, dass wir getanzt haben, Granger? Wir haben getrunken? Wir hatten irgendwie Spaß? Wir haben uns geküsst? Ist dir das alles irgendwie… entfallen?“ Sie sagte gar nichts.

„Habe ich dich… gezwungen? Zu irgendwas? Sind die letzten Tage aus deinem Kopf verschwunden? Habe ich dir meinen Zauberstab an die Schläfe gepresst und gesagt, wenn du mein giftiges Kleid nicht anziehst, dann bringe ich deine besten Freunde in ihrem Schlaf auf brutalste Weise um?“

 

„Du sagst, ich habe mich in dir getäuscht?“, fragte sie also. Er schloss entnervt die Augen. „Ok, fein. Gib mir das Kleid und gib mir fünf Minuten. Draco“, fügte sie unter größter Anstrengung hinzu. Der Name schmeckte schwer und falsch in ihrem Mund.

 

Kurz zögerte sie als sie nach dem Kleid griff, aber der Stoff war nichts anderes als angenehm weich unter ihren Fingern. Sie hatte tatsächlich ein paar Fasern abgeschnitten, um sie zu prüfen. Aber das würde sie nicht laut sagen.

 

Er war bedacht, sie nicht anzufassen. Er hielt sich an seine Abmachungen, stellte sie verärgert fest.

 

Gut, dass Mr Lark ihr heute bestätigt hatte, dass sie ein für ein halbes Jahr nach Paris konnte, wenn sie wollte. Das hatte sie Ginny auch nicht erzählt. Aber nach ihrer paranoiden Show, die sie hier heute gegeben hatte, würde sie nichts lieber tun, als sechs Monate gemütlich in Paris zu arbeiten. Mit Menschen, die sie nur als Heldin kannten und sie nicht für vollkommen verrückt hielten!

 

Das musste sie sich einfach nur immer wieder sagen.

 

Sie durfte in ein paar Tagen, wenn sie wollte, gehen. Oder ein paar Wochen, wenn Ginny und Harry vorher noch schnell heiraten wollten…. Sie hatte sich jetzt an Hochzeiten gewöhnt. Es wäre seltsam, wenn sie nicht jeden Monat auf eine gehen würde.

 

Er war wieder zurück in die kleine Küche gegangen und hatte sich einen Teebeutel aus der Schale neben dem Herd gezogen und kippte das heiße Wasser jetzt in einen Becher aus der Spüle.


„Fünf Minuten“, wiederholte sie leise und verschwand resignierend und bis auf die nicht verrückten Knochen blamiert in ihrem Schlafzimmer.

 

 

~*~

 

Gut, sie hatte zehn Minuten gebraucht, aber es war einfach unmöglich gewesen in das Kleid zukommen. Jetzt war schlimmer, dass sie den Reißverschluss nicht alleine zubekam. Er saß auf ihrer Couch und war in einen Bericht in den Tagespropheten vertieft.

 

Es ging wohl um irgendeinen Zauberstabskandal.

 

„Hey… könntest du mir helfen? Draco?“, fügte sie unwillig hinzu, wagte aber nicht in irgendeiner Weise wütend zu klingen, denn sie war im Moment die einzige verrückte Person in dieser Wohnung. Und das war schon nicht besonders gut.

 

„Ach, du lebst noch. Hatte ich nicht mit rechnen können.“ Er erhob sich nachdem er die Zeitung zusammen gefaltet hatte. „Ich hätte mich außerdem für ein pflanzliches Gift entschieden. Die dunklen Seidenfasern in diesem Kleid wurden schließlich auch aus Pflanzen gewonnen.“ Es kostete sie ein paar Sekunden, ehe sie den Scherz als Scherz erkannte.

 

„Witzig. Wirklich, witzig. Draco.“ Wieder fügte sie den Namen widerwillig hinzu. „Könntest du… den Reißverschluss zu machen?“, fragte sie recht zerknirscht. Kurz hoben sich seine Mundwinkel zu einem sehr spöttischen Grinsen.

 

„Tut mir leid. Ich darf dich nicht anfassen, Granger. Schon vergessen?“ Sie verdrehte die Augen und atmete gereizt aus.

 

„Weißt du, du kannst wirklich-“

 

„Schon gut!“, lachte er jetzt und trat hinter sie. „Die Heldin fragte sich, ob er wirklich den Reißverschluss schließen würde, oder ob er bereits einen gemeinen Meuchelmord geplant hatte“, flüsterte er belustigt und sie schloss die Augen. Das konnte sie sich jetzt also den gesamten Abend lang anhören?

 

„Danke“, sagte sie knapp, als er fertig war. Seinen Tee hatte er schon getrunken, stellte sie fest.

 

„Wolltest du auch einen Tee?“, fragte er jetzt. Sie runzelte die Stirn. Er stand immer noch hinter ihr, ging ihr auf. Sehr nah hinter ihr. Sie wandte den Kopf nach hinten. Ihm schien auch klar zu werden, wie nahe er ihr war. Er räuspert sich kurz und schritt wieder an ihr vorbei.


„Willst du da nicht hin?“, fragte sie jetzt und war ein wenig verwirrt darüber, dass er nicht schon einen Schreikrampf bekommen hatte. Eigentlich war sie nie unpünktlich. Nie. Er sah kurz nachdenklich aus. Dann schüttelte er den Kopf.

 

„Nein, nicht wirklich, aber die Frage stellt sich nicht.“ Dann erst schien er sie überhaupt wahrzunehmen. „Also… deine kaputte Jogginghose war schon atemberaubend, aber… das giftige Kleid steht dir um einiges besser, auch wenn böse Insekten und Basengifte es in wenigen Minuten komplett zerstört haben werden.“ Er blieb sogar bemerkenswert ernst bei seinen Worten.

 

„Es reicht“, erklärte sie so würdevoll, wie eine Verrückte dies eben tun konnte.


„Oh nein. Das werde ich niemals vergessen, Granger. Wenn du willst kann ich dir für den Rest des Monats kleine Drohmemos schicken.“ Sie wartete, ob er fertig war. Den Rest des Monats… Sie würde doch schon eher gehen. Es erschien ihr am besten zu sein. Sie zog es vor, nicht mehr auf seine Worte einzugehen. Er sah sich ein letztes Mal um, ehe er zur Tür schritt. „Gemütlich hier“, fügte er noch lächelnd hinzu.

 

Sie stieg über die Bücher hinweg und war froh, dass sie flache Schuhe hatte anziehen können, denn niemand würde sie sehen, es sei denn, das Kleid würde sich doch noch auflösen.

 

Aber mittlerweile bezweifelte sie das stark.

 

 

Teil 9

 

~Die dritte Hochzeit~

 

Sie war mit ihm appariert.

 

Er hatte damit gerechnet, dass sie sich weigern würde, das Kleid anzuziehen, dass sie ihm vielleicht die Tür nicht öffnen würde, dass sie… überstürzt das Land verlassen hätte, aber… dass sie tatsächlich dachte, das Kleid wäre vergiftet, das übertraf sogar seine Vorstellung.

 

Und es hatte kein gutes Gefühl hinterlassen.

 

Eigentlich war das Kleid schon das einzig Nette, was er heute vorgehabt hatte, ihr anzutun. Das war ein Geschenk gewesen. Üblicherweise machte er keine Geschenke. Und sie hatte dies schon mit spitzen Fingern entgegen genommen.

 

Gut, er hatte gewusst, der Abend würde für sie… furchtbar werden, aber… erst ab hier. Nicht schon ab heute Morgen.

 

Sie waren angekommen und er wartete förmlich darauf, dass der Sickel in ihrem Kopf fallen würde. Denn jetzt waren sie da. Aber ihm wurde klar, dass sie noch niemals hier gewesen war. Natürlich erkannte sie es nicht.

 

„Komm“, versuchte er motivierend zu sagen, aber er selber konnte kaum die Motivation finden. Vor allem nicht, nachdem er des versuchten Mordes verdächtig worden war. Sie sah fast so aus, als würde sie wollen, dass er ihre Hand nimmt, aber natürlich würde er ihre lächerlichen Regeln nicht brechen.

 

Sie folgte ihm schließlich tapfer durch die schmiedeeisernen Tore, ohne zu wissen, welches Schicksal sie erwartete. Der Kiesweg war so penibel geharkt worden, dass jeder Tritt die Steine aus ihrer Ordnung riss.

 

Er hörte die geschmackvolle Musik, die nicht mit Weasleys Hochzeit zu vergleichen war. Dass Pansy sich darauf eingelassen hatte. Es war ihm immer noch unbegreiflich. Kurz überlegte er, ob sie heute hier sein würde. Sie war eingeladen. Und das schon bevor sie Weasley hatte heiraten wollen.

Aber Weasley war nicht eingeladen und er nahm an, Pansy würde bestimmt nicht mehr irgendwo ohne ihren kleinen Ehemann hingehen.

 

Blaise würde hier sein. Ohne seine Frau allerdings. Denn auch diese war nicht eingeladen. Er freute sich schon fast. Es wäre so ein grandioses Bild. Er konnte kaum erwarten die Gesichter zu sehen, wenn sie erkannten, wen er als Begleitung mitgebracht hatte.

 

Zwar war von den drei Stunden schon fast eine vorbei, aber es würde vollkommen ausreichen, um mindesten zwei Herzanfälle auszulösen.

 

Sie erreichten das Ende des Wegs und kamen zu der runden Auffahrt. In der Mitte auf der runden Rasenfläche wehte ein magisches Banner.

 

Sie blieb stocksteif neben ihm stehen. Er konnte ein Grinsen nicht verhindern.

 

„Du scheiß Arschloch“, flüsterte sie und fuhr sich mehr als nur nervös durch ihre dunklen Haare. Sie dufteten betörend. Er würde sie bei Gelegenheit fragen, welches Shampoo sie benutzte. Aber nicht jetzt. Denn jetzt genoss er den köstlichen Moment des Verrats, den er begangen hatte.

 

„Wenn du mir folgen würdest…“, entgegnete er galant und sie schüttelte panisch den Kopf.

 

„Was für ein krankes Arschloch bist du? Sie werden nicht nur mich umbringen, sondern dich gleich mit, Malfoy!“

 

„Ah, ah, ah… Vorname, Granger. Es wird nur wirklich richtig schön, wenn du meinen Vornamen benutzt.“ Sie starrte ihn immer noch völlig entgeistert an. Die Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben.

 

„Du hast das geplant! Du hast meinen Tod bis ins Detail geplant. Ich werde hier sterben! Ironischerweise dort, wo schon hundert Muggel vor mir gestorben sind! In einem tausend Galleonen teuren Kleid“, murmelte sie und er war sich nicht sicher, ob sie anfangen würde zu weinen.

 

„Du wirst nicht sterben“, beteuerte er wenig genervt.

 

„Ach nein? Auf der Erinnerungs-Hochzeit von Lucius und Narzissa Malfoy werde ich nicht umgebracht werden? Bist du dir da wirklich vollkommen sicher, Malfoy?“

Ohne ihre Abmachung zu beachten, griff er nach ihrer Hand.

 

„Wieso vertraust du mir zur Abwechslung nicht mal? Natürlich wird es furchtbar. Das war der Plan.“

 

„Wieso tust du mir das an?“, flüsterte sie und hatte schon vergessen, dass er sie nicht anfasse sollte. „Hasst du mich so sehr? War das Kleid so was wie ein mörderisches Vorspiel, um mir erst mal nur Angst zu machen?“ Sie klang völlig hysterisch.

 

„Granger!“ Er umfasste ihre Schultern und verlor die Geduld. „Ich hasse meine Eltern. Nicht dich“, erklärte er gereizt.

 

„Was?“

 

„Na gut. Ich mag dich auch nicht. Aber das ist nur ein Bonus.“ Sie schüttelte wieder den Kopf. Er griff wieder nach ihrer Hand.

„Dafür ist das Buffet wirklich unglaublich“, versprach er und jetzt bekam er selber ein klein wenig Angst. Keine echte Angst. Mehr ein… Kribbeln in den Fingerspitzen.

 

Und er zog sie mit sich. Sie wehrte sich ziemlich heftig, aber es gelang ihm, sie um die nächste Ecke zu ziehen. Und dann wurde sie still neben ihm. Sie wich sogar sehr eng an seine Seite. Es gefiel ihm tatsächlich. Aber wahrscheinlich auch nur, weil er selber so etwas, wie ein Fremdobjekt war. Zumindest seit einer Weile. Hier in diesem Haus.

 

Die Feier fand im hinteren Teil des Gartens statt. In einem kleinen hinteren Teil des Gartens, müsste er sagen. Denn das Grundstück erstreckte sich noch so weit, dass er es mit einem Blick nicht erfassen konnte. Weiter hinten rannten die Kinder von irgendwelchen Zauberern und Hexen über den penibel geschnittenen Rasen.

 

Seine Mutter fasste sich ans Herz, als sie ihn sah. Sie ergriff die Hand ihre Mannes neben sich und der wandte sich nun ebenfalls um. Sein Allwetter-Lächeln war aus seinem Gesicht gewischt, wie nach einem sehr starken Regen.

 

„mein Sohn ist auch gekommen. Wie nett“, rief er über die Menge hinweg. Alles ziemlich feine, eitle Zauberer, die ihn anstarrten. Vielleicht auch nicht unbedingt ihn, sondern seine Begleitung, die neben ihm zusammen schrumpfte.

 

„Mit einem Gast“, fügte Lucius kühl hinzu. Narzissa war mit ihm gekommen. Beide starrten Granger an, wie ein fremdes, schmutziges Tier, das sich hinter seiner Schulter versteckte. „Ms Granger.“ Oh ja, der Name klang wie rostiges Metall, dass mit einer noch viel rostigeren Säge zerschnitten wurde, so wie sein Vater es sagte.

 

„Großer Merlin, warum hast du das getan?“, zischte seine Mutter jetzt außer sich, aber er schaffte es, recht teilnahmslos auszusehen.


„Ich war mir sicher, meine Einladung hat mit einen Gast zugesprochen. Vielleicht sollte ich noch einmal nachsehen. Es wäre äußerst peinlich, sollte ich mich da wirklich verlesen haben“, sagte er recht laut. Seine Mutter schnappte zornig nach Luft.

 

„Halt deinen Mund, Draco! Wie kannst du es wagen, sie hier her zu bringen?“

 

„Na, na, Narzissa. Wir sind doch nicht unhöflich.“ Er war sich nicht sicher, ob Granger noch sprechen würde. „Wir werden sie unseren Gästen gerne vorstellen. Ich bin mir sicher, Ms Granger kennt die meisten.“ Draco sah sich kurz um.

 

Ja, das nahm er an. Todesser, die sich alle freigekauft hatten. Zum ersten Mal kam ihm die Idee, dass er vielleicht doch einen kleinen Fehler begangen hatte. Einen winzig kleinen. Er war sich sicher, Granger hatte diese Zauberer in der Mysteriumsabteilung im Ministerium getroffen. Im fünften Jahr in Hogwarts.

 

Daran hatte er nicht mehr wirklich gedacht. Aber jetzt war es auch zu spät.

 

„Draco, ich kann dir nicht sagen, wie…“ Seine Mutter schien keine Worte mehr zu finden. Granger zerquetschte seine Hand. „Diese Weasley Mutter hat meine Schwester umgebracht!“, presste sie hart hervor. „Und du wagst einen Freund dieser Familie hier her zu bringen?“

 

Ach ja. Das war ja auch noch passiert.

 

„Herzlichen Glückwunsch, Mum. Dad“, fügte er mit einem feinen Lächeln hinzu. Noch nie hatte er diese Namen benutzt. Sollte Granger ohnmächtig werden, wäre jetzt die Zeit gekommen.

 

„Herzlichen Glückwunsch, Mr und Mrs Malfoy“, sagte sie aber tatsächlich mit recht gewöhnlicher Stimme. „Ich bin sicher, Sie haben den besten Alkohol hier?“

 

Das gefiel ihm schon besser. Alkohol wäre angebracht. Auf jeden Fall. Er musste darüber lächeln, dass sie immer noch seine Hand hielt. Und sie zog ihn mit zu den langen Tischen.

 

„Oh mein-“ Sie war erschrocken zusammen gezuckt. Ein winziger Hauself war neben ihnen appariert mit einem Tablett voller Gläser. Absolut zornig hatte sie vergessen, dass sie ohne ihn nicht laufen konnte. Sie löste die Hand aus seiner und wandte sich zornig um, dass ihre langen Haare über ihre Schultern flogen.

 

„Hauselfen? Sie beschäftigen immer noch Hauselfen, Mr Malfoy?“ Sie schrie fast. Mit einem Nicken griff sich Draco ein Glas vom Tablett. Der Hauself starrte Granger an wie eine Erscheinung. „Könnten Sie eigentlich noch mehr Gesetze auf einmal brechen? Wie können Sie es wagen, diese Geschöpfe nach der Verabschiedung des Gleichberechtigungsgesetz für magische Kreaturen hier arbeiten zu lassen?“

 

Sein Vater schenkte der Runde ein verständnisvolles und nachsichtiges Lächeln. Aber Draco erkannte sehr wohl, dass er an seine Grenzen gestoßen war.

 

„Ich bin mir sicher, wenn die Hauselfen ordentliche Kleidung haben, einen Vertrag und bezahlte Arbeitsstunden, ist ihr Gesetz perfekt eingehalten“, erklärte er ohne den Hauch von Freundlichkeit oder Geduld in seiner Stimme.

 

Sie wandte sich um. Ja, der Hauself trug tatsächlich eine entzückende, kleine, weiße Uniform.


„Du wirst bezahlt?“, fragte sie etwas perplex.

 

„Ja, Miss“, sagte der Hauself hastig und verbeugte sich. „Zwei Galleonen die Woche. Die Wochenende sind frei.“ Seine Stimme zitterte und er musterte Granger mit seinen großen Augen. „Champagner, Miss?“ Draco nahm ein weiteres Glas in die Hand und reichte es ihr.

 

„Draco, wir werden darüber noch sprechen. Glaub nicht, dass das keine Konsequenzen haben wird“, drohte sein Vater mit einem falschen Lächeln und wandte sich wieder dem geschockten Publikum zu.

 

„Absolut perfekt, Granger. Ich bin absolut begeistert.“ Granger hingegen hatte die Augen geschlossen und leerte ihr Glas in schnellen Zügen.

 

„Wie lange noch?“, fragte sie unwirsch und mit immer noch geschlossenen Augen. Belustigt warf einen Blick auf seine goldene Taschenuhr.

 

„Zwei Stunden“, erklärte er lächelnd. Sie sah ihn an und er wusste nicht, was sie dachte.

 

„Mehr Alkohol“, erklärte sie dumpf und schon erschien ein nächster Elf aus dem Nichts. Sie zuckte neben ihm zusammen. Ihr Gesicht verzog sich zu einer leidenden Grimasse. „Oh Merlin, ich ertrage das nicht!“, flüsterte sie gequält, nahm sich aber ein weiteres Glas.

 

Und er hatte gedacht, es würde langweilig werden….

 

 

~*~

 

 

„… es war ja nicht so, dass die Horkruxe einfach so herum lagen, wissen Sie?“ Ein wenig Champagner schwappte aus ihrem Glas, als sie es in einer Geste der Erklärung nach oben riss. Er war neben sie getreten

 

„Yaxley, gut Sie zu sehen. Was macht die Familie?“, unterbrach er ihre Geschichte etwas lauter, denn er glaubte nicht, dass sie wirklich wusste, mit wem sie sprach. Aber er nahm an, dass sie sich bestimmt bei irgendeinem Kampf begegnet waren.

 

„Yaxley?“, rief sie plötzlich aus. „Haben Sie uns nicht nach Bill und Fleurs Hochzeit verfolgt? Wir hatten doch den Kampf in diesem entzückenden kleinen Café. Draco, wie heißt das Café an der Lincoln-Baker-Street noch mal?“ Sie sah ihn erwartend an. Er tauschte einen Blick mit Yaxley, der mit offenem Mund auf die Person vor sich starrte.

 

Gut, dann wusste sie doch, mit wem sie sprach. Er hatte keine Ahnung, von was sie allerdings sprach.

 

„Wollten Sie nicht den Hippogreif umbringen? Waren Sie nicht mit Lucius Malfoy bei Hagrid gewesen?“, rief sie anklagend aus und der arme Yaxley stand etwas hilflos vor ihr. Draco nahm an, sie würde gleich noch aus Rache den Zauberstab ziehen.

 

„Wo soll ich gewesen sein?“ Sein Vater stand jetzt auf Grangers anderer Seite. „Sagen Sie, seit wann gehen Sie eigentlich mit meinem Sohn aus, Ms Granger?“ Seine Stimme troff vor bitterer Enttäuschung und ehe Draco einschreiten konnte, lachte Granger auf.

 

„Lucius… darf ich Lucius sagen?“, lallte sie mit einem Lächeln und Draco schloss kurz die Augen. Sein Vater verlor alle Farbe. „Ihr feiner Sohn hat mich auf einer Auktion ersteigert. Für zweitausendfünfhundert Galleonen. Können Sie das glauben?“, fragte sie und lachte in die Runde.

 

„Nein, kann ich nicht“, erwiderte Lucius knapp. „Draco? Was sind das für neue Methoden? Ich wusste nicht, dass Sie sich auf Auktionen ersteigern lassen, Ms Granger“, fuhr er beflissen fort.

 

„Das ist keine wöchentliche Angelegenheit. Nein, Lucius. Nicht wie Bingo. Bingo ist eigentlich sehr interessant. Also, nicht, dass ich jemals gespielt hätte. Aber die älteren Damen in meinem Heimatdorf gingen immer jeden Samstag zum Bingoabend in die Kirche.“ Draco konnte nicht anders, als zu grinsen. Er hatte keine Ahnung, was Bingo war, aber der Mund seines Vaters hatte sich in völligem Unglauben geöffnet.

 

„Bingo?“, wiederholte Lucius ungläubig.

 

„Ja, ja… man hat Karten, wo… Sagen Sie, was war eigentlich nachdem der Minister damals in die Mysteriumsabteilung gekommen war? Sind Sie verhaftet worden?“ Sie nippte interessiert an ihrem Glas. Lucius starrte sie an. Draco musste sich kurz die Hand vor den Mund halten, damit sein Vater ihm nicht das unverschämte Grinsen aus dem Gesicht schlagen konnte.

 

„Ja, Vater, erzähl noch mal“, ermunterte er Lucius mit einem knappen Grinsen.

 

„Ahem… ich denke, Sie hatten genug zu trinken, Ms Granger, nicht wahr?“ Er sah eindringlich an. Sie lachte nur.


„Wirkliche eine exquisite Champagnerwahl, Lucius. Wieso heiraten Sie ihre Frau eigentlich noch mal?“ Es war unglaublich, wie redselig sie plötzlich war. Alkohol hatte eine erstaunlich enthemmende Wirkung auf sie, stellte Draco fest. Er konnte nicht sagen, dass er nicht angetan war.

 

„Lucius, was tust da?“ Seine Mutter kam mit einem so falschen Lächeln herbei geschwebt, dass ihre Mundwinkel schmerzen mussten, nahm Draco an.

 

„Ich unterhalte mich mit unserem… Gast“, fügte Lucius schließlich wenig begeistert hinzu.

 

„Wirklich?“, erwiderte seine Mutter und betrachtete Granger mit einem Blick voller Ekel und Abschreckung.

 

„Wissen Sie, ich hatte wirklich gedacht, es würde grauenhaft werden, aber Draco hat mir versichert, dass Sie mich nicht umbringen würden. Ich meine, Sie könnten mich bestimmt hervorragend auf diesem großartigen Grundstück verscharren, so ist es ja nicht“, erklärte sie zufrieden. „Ein schönes Grundstück. Wie viel Hektar sind das?“, wollte sie wissen und Narzissa räusperte sich.


„Ms Granger, niemand wird Sie umbringen.“ Und doch klang die Stimme seiner Mutter von diesen Worten nicht völlig überzeugt.

 

„Ja, ich nehme an, das haben wir hinter uns“, erwiderte Granger jetzt. „Ein schönes Kleid. Es passt zum Champagner. Ich denke, ich werde noch einen trinken.“

 

„Vielleicht solltest du etwas essen?“, schlug Draco leise vor.

 

„Ja, ich könnte es in den Champagner tunken, während ich trinke“, sponn sie die Idee weiter.


„Nein, einfach nur… essen“, sagte er mit Nachdruck.

 

„Mir geht es ausgezeichnet, Draco. Vielleicht tanzen wir später und dann kannst du mich wieder in einem der Gänge küssen. Ich fühle mich abenteuerlustig, heute!“, verkündete sie lallend und verschwand zu den Buffettischen.

 

Sein Vater sah ihn mit eisigem Blick an. „Bei Merlin, du hast dir heute einiges geleistet“, knurrte er außer sich. „Dein Interesse an Muggeln hat in den letzten Wochen anscheinend rapide zugenommen“, fuhr er verärgert fort.

 

„Ich hatte exzellente Damen eingeladen. Alle wären besser gewesen, als diese Person“, fuhr seine Mutter fort und deutete auf eine Traube an jungen Damen in sehr schicken Kleidern, die ihn aus einer Distanz beobachteten. „Keine wird sich jetzt erbarmen und mit dir tanzen, Draco“, fügte sie beleidigt hinzu. „An unserer Erinnerungs-Hochzeit musst du uns so sehr blamieren. Was hast du dir gedacht?“

 

Eigentlich hatte er nicht in seinen kühnsten Träumen erwartet, dass Granger eine so unterhaltsame, perfekte Begleitung darstellen würde.

 

„Ich hatte es mir exakt so vorgestellt, Mutter.“ Die Gäste um sie herum entfernten sich nacheinander peinlich berührt. Er konnte die vielen ehemaligen Todesser nicht zählen. So viele Reinblüter. Seine Augen wanderten zu Granger, die eine Scheibe französisches Baguette in ihr Glas tunkte. „Entschuldigt mich, ich glaube meine Begleitung möchte einen eurer Elfen befreien“, erklärte er grinsend und seine Eltern wandten sich erschrocken um.

 

Er fühlte sich tatsächlich ein weniger leichter als sonst. Er damit nicht gerechnet, aber er amüsierte sich tatsächlich auf der Feier seiner Eltern. Wunder gab es also doch….

 

 

Teil 10

 

 

Es war ein fröhlicher, bunter Schleier vor ihren Augen. Sie wusste, eigentlich sollte sie keinen Spaß empfinden, aber es ging viel leichter als sie dachte. Als sie jemand umbringen würde!

Sie zog es vor, eher weniger zu essen, denn das Kleid fiel doch recht eng aus. Wahrscheinlich würde sie einfach platzen. Aber nicht mal das machte ihr noch große Sorgen.

 

„Schwer vorzustellen, dass er dich tatsächlich mitgenommen hat“, erklärte ein Mädchen neben ihr, die die Tanzfläche auf dem Rasen betrachtete.

 

„Was?“ Hermine merkte bereits, dass das Sprechen schwerer wurde. Aber sie konnte unmöglich mehr als zwei oder… sieben Gläser Champagner getrunken haben.

 

„Draco. Wirklich eine Überraschung. Aber Pansy hat auch Weasley geheiratet. Damit war nicht zu rechnen.“ Sie schenkte ihr einen bemitleidenswerten Blick. Hermine musste sehr stark nachdenken. Aber sie glaubte nicht, dass ihr das Mädchen bekannt vorkam.

 

„Ich war nicht auf der Hochzeit, falls du dich wunderst. Pansy hatte mich eingeladen, natürlich, aber…“ Sie schüttelte wie selbstverständlich den Kopf. „Pansy muss schon ziemlich krank sein, um einen Weasley zu heiraten. Ich hatte angenommen, er würde Abschaum wie dich nehmen, weil er nichts Besseres bekommen kann.“ Hermines Mund öffnete sich. Sie hörte die Beleidigung auch durch ihren fröhlichen Nebel.

 

„Wer bist du?“, fragte sie unfreundlich, denn dieses Mädchen ruinierte ihren lustigen Abend.


„Wer ich bin? Du erinnerst dich also nicht? Wirklich sehr reich von dir. Ich glaube allerdings nicht, dass du dir eine solche Einstellung erlauben kannst, nur weil du mit Draco Malfoy auf eine Hochzeit gehst, Granger.“ Sie versuchte das Mädchen näher in Augenschein zu nehmen. Sie war sehr dünn. Ihre Züge waren aber eher grob. Sie hatte kräftige Wangenknochen, die gar nicht zu ihrer magerkranken Figur zu passen schienen.

 

Hermine konnte nur annehmen, dass sich dieses Mädchen runter gehungert hatte, um in das hautenge Kleid zupassen. Der Akzent war deutlich schottisch, glaubte sie zu hören und sie wusste, nüchtern hätte sie das Mädchen bestimmt erkannt.

Vielleicht… Aber ihr kam Pansy auf einmal gar nicht mehr so furchtbar vor.

 

„Ich bin sicher, es handelt sich sowieso nur um eine Wette, die Draco mit irgendwem hatte. Wenn er es schafft, ein Schlammblut zu der Hochzeit seiner Eltern mitzubringen, bekommt er noch ein paar tausend Galleonen mehr“, vermutete das Mädchen neben ihr und nippte übertrieben vorsichtig an ihrem Glas.

 

Das Wort hallte in ihrem Kopf nach. Sie hatte es schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gehört. „Blaise ist auch nicht hier. Dabei war ich sicher, er würde das hier nicht verpassen“, erklärte das Mädchen unbeeindruckt. „Aber solltest du glauben, dass du den Malfoyerben heiraten wirst, muss ich dich enttäuschen. Ich denke nicht, dass Draco auch nur die kleinste Absicht hegt.“ Sie lächelte kühl.

 

„Ich habe nicht vor, ihn zu heiraten“, flüsterte Hermine und versuchte nicht zu lallen.

 

„Bist du nicht auch bald dreißig? Aber na ja… manche bleiben eben einfach allein, richtig?“ Das Mädchen prostete ihr mit einem herablassenden Lächeln zu. „Du solltest das hier lieber genießen, denn ich denke nicht, dass dich noch irgendjemand zu einer solchen Veranstaltung einladen wird.“

 

„Kann ich dich zum Tanz auffordern?“, fragte ein hochgewachsener Junge das Mädchen neben ihr jetzt. Diese nickte lächelnd und elegant verließen die beiden Hermine.

Sie stellte hastig das Glas auf einen der Leinentische. Sofort erschien einer der Elfen aus dem Nichts.

 

„Darf ich, Miss?“, fragte er mit hoher Stimme und reckte seine kleine Hand nach dem leeren Glas.

 

„Bezahlen Sie dich?“, fragte sie leise. Der Elf nickte.

 

„Immerhin“, erwiderte sie und gab ihm unwillig ihr Glas.

 

„Hast du Spaß? Ich sehe kein neues Glas in deiner Hand?“ Er war neben sie getreten und fast hätte sie sich erschrocken.

 

„Nein, nicht wirklich“, erwiderte sie. „Wer ist das Mädchen da?“ Er folgte ihrem Blick mit gerunzelter Stirn.

 

„Welches von den langweiligen Mädchen meinst du?“, erwiderte er.

 

„Sag mal, ist das wieder eine Wette? Wie die mit dem Hippogreif?“ Sie wusste, das Wort Hippogreif konnte sie nicht mehr nüchtern betonen. Er sah sie verwirrt an.

 

„Was?“

 

„Das Mädchen sagt, dass das eine Wette ist. Dass du… ein Schlammblut zu der Hochzeit deiner Eltern mitbringen wolltest“, fuhr sie fort und ärgerte sich darüber, dass sie überhaupt sprach. Natürlich brachte er sie bestimmt nicht mit, weil sie so eine fabelhafte Begleitung war. Wahrscheinlich hatte er sich erhofft, dass sie sich selber und alle Anwesenden blamieren würde.

 

„Granger, wer hat dir das erzählt?“

 

„Ist das die Wette?“, wiederholte sie gereizt und er holte kurz Luft.

 

„Es ging nicht um ein Schlammblut, nein. Nur um eine Muggel im Allgemeinen“, erklärte er und zuckte mit den Achseln.

 

„Das war also der Sinn, mich zu ersteigern?“ Er sah sie sehr ernst an.

 

„Dachtest du, ich wollte dich mitnehmen, weil ich nicht mehr ohne dich auf Hochzeiten gehen kann? Das glaube ich nämlich nicht, wenn ich daran denke, dass du dein Kleid auf sämtliche Flüche geprüft hast.“ Sie sah kurz zur Seite. „Außerdem…“, fuhr er fort, „meine Gründe sind völlig egal, Granger. Worum geht es hier jetzt? Dass wir kein Paar sind? Dass… du dich auf einmal verliebt hast? Wann soll das genau passiert sein?“

 

Sie verdrehte zornig die Augen.

 

„Nein, Malfoy. Auch wenn alle anderen einen millionenschweren Prinzen in dir sehen, bleibt mir diese Aussicht verwehrt.“ Sie lallte. Merlin… wie ein Seemann. „Ich fand es nur… ich bin kein Schlammblut“, erklärte sie wütend.

 

„Habe ich das jemals behauptet?“, entgegnete er und sie nickte. „Was?“ Dann schien er zu verstehen. „Nein, ich meine jetzt kürzlich, Granger. Nicht vor hundert Jahren“, fuhr er energisch fort. Sie wollte darüber nicht mehr sprechen. „Welches Mädchen war hier?“, fragte er wütend.

 

„Egal“, erwiderte sie.

 

„Das sind eifersüchtige Ziegen, Granger. Nichts weiter. Seit wann interessiert es dich, was irgendwelche Slytherinschlampen denken?“

 

„Du wirst eine von ihnen heiraten, oder?“

 

„Ich werde bestimmt niemanden heiraten, der hier auf diese Hochzeit geht. Und wieso reden wir darüber? Ich will sowieso nicht heiraten. Ich dachte, du wolltest das auch nicht. Die Hochzeiten auf denen wir waren, die waren grauenhaft. Und diese hier ist keine Ausnahme“, erklärte er. Sie sah ihn an. Ach? Diesen Eindruck vermittelte sie? Dass sie nicht vorhatte jemals zu heiraten? Nur weil sie keine Begleitungen auf Hochzeiten hatte?

 

„Ich muss auf Toilette“, erklärte sie. „Ist das hier möglich oder halten alle Gäste hier aus, bis es vorbei ist?“ Er lächelte jetzt. Gut, er sah wirklich absolut königlich aus. Er war wunderschön. Sie war dumm gewesen. Natürlich erzählte dieses Mädchen Unsinn. Wahrscheinlich waren hier alle in ihn verliebt und wollten sein Erbe antreten.

 

Sie atmete langsam aus.

 

„Komm mit. Wir gehen für einen Moment rein.“ Sie starrte ihn an.

 

„Rein? In das Schloss?“ Es war zwar ein sehr großes Herrenhaus, aber es konnte bestimmt als Schloss durchgehen, nahm sie an.

 

„Du kannst auch gerne in die Rosenbüsche meiner Mutter pinkeln, Granger. Ich würde mich sehr freuen“, fuhr er fort. Sie beschloss nichts mehr zu sagen, und folgte ihm.

 

Das Haus war noch größer als es von außen den Anschein machte. Aber immerhin war es sehr still hier drinnen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Vielleicht mittelalterliche Waffen an den Wänden, finstere Familienportraits und Todesser-Hassbanner, aber das war natürlich unsinnig.

 

Es war atemberaubend hier.

 

„Ein Badezimmer ist geradeaus durch den Gang.“ Er deutete nach vorne und Hermine schätzte den Weg auf knapp einhundert Meter. Hier würde ihr Apartment bestimmt tausend Mal reinpassen, überlegte sie. „Findest du das?“

 

Sie nickte nur. „Ich warte hier auf dich“, fügte er hinzu und sie wusste nicht, ob er müde war oder in dieser Sekunde tatsächlich… nett? War das das Wort, was sie suchte? Sie wusste es nicht. Aber sie musste jetzt doch sehr dringend.

 

Eilig durchschritt sie den Gang, wo wenigstens ein paar Bilder an den Wänden hingen. Es kam ihr vor wie Hogwarts. Sie wurde von sehr blonden Hexen und Zauberern gemustert und auf einem Bild erkannte sie die Familie Black. Narzissa Malfoy stand auch bei der Gruppe an Menschen, aber sie war noch sehr viel jünger.

 

Sirius sah sehr gut aus und winkte leicht. Er war der einzige, der nicht völlig verklemmt und reich aussah. Sie musste lächeln und fragte sich, wie viel Streit dieses Portrait hier wohl ausgelöst haben musste. Vielleicht war es ein Erbstück und hatte aufgehängt werden müssen, vermutete sie.

 

Das Badezimmer war… kein Badezimmer. Es hatte zwei Wannen und beide hatten die Größe von Pools. Sie waren rechts und links neben den Wänden in den Boden eingelassen und säumten somit einen Gang aus Marmor, der zu einer Toilette auf einem Podest führte. Es sah seltsam aus, aber ihrer Blase war das egal. Eilig krempelte sie die vielen Schichten ihres Kleides nach oben und konnte von dem erhöhten Platz aus in den Garten sehen. Sie kam sich vor wie in einem griechischen Toilettentempel, sofern es so etwas überhaupt gab.

 

Die Party war wohl auf der anderen Seite, denn hier stolzierten nur Pfauen über den Rasen. Die Sonne war nicht mehr zu sehen und Dunkelheit würde bald die Dämmerung ablösen. Hohe Bäume säumten das Grundstück weit am Ende, und der Alkohol gewährte ihr eine winzige Pause in ihrem Kopf. Sie würde wohl ein wenig weniger trinken, beschloss sie jetzt. Außerdem konnte sie nur annehmen, dass es bestimmt schon halb zehn war und die Abmachung somit vollständig von ihr erfüllt wurde. Eigentlich sollte sie die Wette und das Geld gewinnen. Nicht Malfoy.

 

Als sie fertig war, spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und verließ das monströse Badezimmer wieder. Auf ihrem Weg zurück entdeckte sie zwei Flügeltüren, die nur angelehnt waren. Niemals hätte sie hier inne gehalten, wenn es nicht völlig unglaublich gewesen wäre.

 

Aber Reihen über Reihen und Regal um Regal reihten sich in diesem Raum, der so groß war, wie die Große Halle in Hogwarts. Bücher… alle Bücher dieser Welt nahm sie an. Sie hatte die Türklinke in der Hand und starrte völlig fasziniert in den hell erleuchteten Raum. Bücher… so viele Bücher, dass sie kaum glauben konnte, dass hier Todesser wohnten.

 

Sie nahm an, Lesen bildete und beugte der Dummheit vor, aber anscheinen galt das für dieses Haus nicht. Vielleicht hatte auch noch niemand die Bücher gelesen. Aber das glaubte sie nicht. Überall standen gemütliche Sessel, hier und da gab es eine Kaminecke. Parkett und Perserteppiche säumten den Boden, Leitern lehnten an Regalen und auf kleinen Tischen häuften sich Bücher, mit Lesezeichen drin.

 

„Beeindruckend, hm?“, hörte sie seine Stimme hinter sich und erschrak.

 

„Entschuldigung, ich wollte hier nicht…“ Sie verstummte einfach. Er zuckte mit den Achseln.

 

„Kein Problem“, erwiderte er schlicht. Aber sie nahm an, würden seine Eltern sie hier finden, dann wäre es schon ein sehr großes Problem. Ihr wurde etwas klar…

 

„Habe ich deinen Vater gefragt, ob er inhaftiert worden ist?“, flüsterte sie panisch und seine Mundwinkel zuckten.

 

„Nur zweimal bisher“, erklärte er grinsend. Sie schloss die Augen und spürte, wie die Röte in ihre Wangen schoss.

 

„Wie lange noch?“, fragte sie heiser. Er blickte über ihre Schulter hinweg, anscheinend auf eine Uhr in der Bibliothek.

 

„Du bist seit einer Viertelstunde frei“, erwiderte er ruhig. Sie sah ihn an. Sie war frei? Das war es gewesen? Sie konnte gehen? „Wenn du willst, bringe ich dich zum Tor und die Kutsche bringt dich zurück. Oder…“ Er hielt kurz inne.

 

„Oder?“, fragte sie und war sich nicht sicher, was jetzt kommen würde. Sie rechnete damit, dass er sie doch nicht gehen lassen würde, weil sie vielleicht doch noch gefoltert werden würde, oder… weil sie noch irgendwen aus seiner Familie blamieren sollte oder… es gab viele Gründe.

 

„Oder du leistest mir noch eine Weile Gesellschaft?“ Es kam als Frage raus. Sie nahm nicht an, dass er das beabsichtigt hatte. Oder vielleicht doch. Bei Draco Malfoy kam ihr alles wie ein geplantes Experiment vor. Alles schien von ihm berechnet worden zu sein. „Champagner“, sagte er in den leeren Raum. Ein Elf erschien aus dem Nichts mit einem Tablett. „Noch ein Glas, Granger?“, fragte er mit einem feinen Grinsen.

 

„Ich sollte wirklich nicht noch mehr trinken. Ich sollte das Angebot mit der Kutsche annehmen und gehen.“ Er nahm zwei Gläser vom Tablett und reichte ihr das zweite. Abwartend hielt er es ihr entgegen.

 

„Wahrscheinlich“, sagte er. Der Elf verschwand wieder ohne das leiseste Geräusch. Sie waren wieder allein. Sie atmete langsam aus und war dankbar dafür, nicht mehr draußen bei den furchtbaren Menschen sein zu müssen. Sie nahm das Glas entgegen. Seine Finger berührten ihre. Ihr ging auf, dass er sie tatsächlich nicht einmal berührt hatte. Dafür hatte sie seine Hand vorher wahrscheinlich zerquetscht, nahm sie an.

 

Sie stießen an. Die Gläser klirrten melodisch. Sie würde so betrunken sein, wie noch nie in ihrem Leben, nahm sie an, denn der erste Schluck berauschte sie mehr als alles andere am Abend zuvor. Sie hasste diese reichen Mädchen hier, die sich alles erlauben konnten. Oder zumindest glaubten, sich alles erlauben zu können. Sie trank noch einen Schluck.

 

„Ich zeige dir die schwarzmagischen Bücher“, erklärte er mit einem Lächeln und zog sie mit sich. Das Kleid wurde immer unbequemer und schwerer, so kam es ihr vor. Sie folgte ihm tiefer in den Saal, an so vielen Regalen vorbei, dass sie sicher war, alleine nicht mehr rauszufinden.

 

Er blieb stehen vor dem letzten Regal, in dem nur Bücher standen, die in schwarzes Leder gebunden waren. Er zog wahllos eines davon hervor. Sie las den Titel. Gellert Grindelwalds Lexikon der schwarzen Kunst, hieß der Titel und befasste sich mit Flüchen gegen Frauen. Ausschließlich gegen Frauen, stellte sie verwirrt fest.

 

„Ich nehme an, der Arme hat eine saftige Abfuhr bekommen und wollte sich wehren“, mutmaßte Draco belustigt, leerte sein Glas und stellte es auf einen der Tische. Sie erwartete, dass ein Elf aus dem Nichts erschien, aber das passierte diesmal nicht.

 

„Malfoy, werden die Elfen wirklich bezahlt?“, fragte sie leise und Malfoy stellte das Buch wieder zurück.


„Was denkst du?“, fragte er jetzt. Sie verzog den Mund.


„Also werden sie das nicht?“ Sie hasste die Malfoys.

 

„Du kannst die Welt nicht auf einen Schlag besser machen, Granger.“ Er zog das nächste Buch hervor. „Von Voldemort selbst verfasst“, bemerkte er spöttisch. „Ich denke, die haben alle etwas kompensiert“, stellte er fest. Sie leerte bitter ihr Glas.

 

„Und was kompensierst du?“, fragte sie schließlich. Kurz sah er sie an und sie dachte, er würde anfangen zu schreien, aber tatsächlich hoben sich seine Mundwinkel.

 

„Anti-Potter-Sympathien, nehme ich an.“ Sie musste wirklich lächeln.

 

„Ich möchte tanzen“, erklärte sie jetzt.

 

„Draußen?“, fragte er ungläubig.

 

„Sicher. Wann sollte ich sonst noch die Gelegenheit haben auf einer Malfoyhochzeit zu tanzen?“, erwiderte sie lächelnd. Er vergrub die Hände in den Taschen seiner dunklen Hose.

 

„Das heißt, du möchtest erst tanzen und mich dann küssen?“ Sein Grinsen war eine Spur böse, aber es war ihr egal. Sie leerte ihr Glas und stellte es neben seins auf den Tisch.

 

„Nein, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge“, informierte sie ihn und fuhr sich durch die Haare, um sie wieder in Form zu bringen. Dann stellte sie sich kurz auf die Zehenspitzen und legte ihre Lippen für einen winzigen Moment auf die seinen.

Sie schob es auf den Alkohol und nicht auf die Tatsache, dass er absolut umwerfend aussah heute. Sie spürte, wie er sich versteifte und die Luft anzuhalten schien.

 

Dann lehnte sie sich wieder zurück und sah in seine überraschten, sehr hellblauen Augen. „Champagner“, wiederholte sie seinen Befehl im leeren Raum und derselbe Elf von vorhin erschien ein weiteres Mal. Sie nahm die nächsten Gläser vom Tablett und legte den Kopf schräg. „Kommst du?“

 

Es kostete ihn noch ein paar Sekunden. Er folgte ihr, ohne etwas zu sagen.

 

Sie verließ lächelnd die Bibliothek und verabschiedete sich von ihrem Anstand, ihren Sitten, ihrer Moral und ihren nüchternen Vorsätzen.

 

~*~

 

 

sehr glatt. Eigentlich sollten die Tischdecken nicht so glatt sein… Es war gefährlich für jeden Tänzer…!

 

„…- sofort da runter!“

 

Was hat er gesagt? War das Lucius? Sie sollte ihn Lucy nennen.

Das wäre gleich sympathischer. Hatte die Musik aufgehört oder hörte sie sie einfach nicht mehr?

 

… fast wäre sie gefallen! Aber nur fast.

 

Zwei Gläser waren ihr zum Opfer gefallen. Von hier oben wirkte die Party viel angenehmer. Sie drehte sich mit geschlossenen Augen und hörte, wie unter ihren flachen Schuhen das nächste Glas zu Bruch ging. Sie musste lächeln.

 

„… ob du Hilfe brauchst?“, drang seine Stimme an ihr Ohr. Berauscht öffneten sich ihre Augen und sie stand gefährlich nahe am Rand des Tisches. Wenn sie fallen würde, dann würde das bestimmt weh tun. Sie spürte, wie sie grinsen musste.

 

„Nein!“, antwortete sie einfach, denn sie wollte nicht runter vom Tisch. Auf Tischen zu tanzen machte mehr Sinn als auf der Tanzfläche – aber warum das so war, wusste sie im Moment nicht mehr. „Malfoy, wo ist die Musik?“ Sie sah sein Gesicht nur verschwommen.

 

„Du meinst… diese Musik?“ Er zeigte weiter nach hinten in den dunklen Garten. Dort stand tatsächlich eine Band. Wieso spielten sie so leise? Sie zuckte die Achseln und drehte sich wieder im Kreis. Das Kleid schwang um ihre Beine, wie in einem seltsamen Takt, den nur sie hören konnte.

 

„Draco! Sie soll sofort-“

 

Aber sie verstand nicht mehr, was Lucy sagte, denn sie verlor den Halt. Der Rand des Tisches war ihr also gefolgt! Blöder Rand. Aber der harte Aufschlag blieb aus. Sie war wohl gefangen worden.

 

 

„…- nicht nach Hause!“ Ja, das war ihre Stimme. Ihre Augen fielen immer wieder zu.

 

„…- nicht dein Ernst oder?“

 

Was war nicht ihr…?

 

… schlafen…!!! 

 

~*~

 

 

Oh Merlin…

 

Sie fühlte sich wie erschlagen. Schlimmer als das. Als hätte sie gegen hundert Drachen gekämpft und hätte jeden einzelnen danach vom Feld tragen müssen. Ihre Arme taten weh. Und ihr linkes Bein schmerzte auch, als sie versuchte, sich aufzurichten.

 

Ihr Kopf schien sich zu drehen. Oder zumindest ihr Gehirn. Ihre Hand legte sich auf ihre Stirn, um sie etwas zu kühlen.

 

Noch mehr Schmerzen… War sie tatsächlich in einen Kampf verwickelt gewesen? Sie öffnete die Augen. Eins vorsichtig nach dem anderen. Sie blinzelte in das dämmrige Licht.

 

Nicht ihr Schlafzimmer. Nicht ihr Bett.

 

Was?

 

Ihr Gehirn gab ihr keine Erklärung. Nicht einmal einen Lageplan. Wo war sie? Und welches Bett war das?

 

„Wie spät ist es?“

 

Sie vergaß alle temporären Schmerzen. Sie vergaß ihren Kopf und die Übelkeit, die erwachte, als sie aus dem Himmelbett sprang. Der Teppich war weich unter ihren nackten Füßen.

Nackt war das nächste Stichwort. Denn sie trug nichts außer einem… Hemd? Schockiert weiteten sich ihre Auge. Es war wahllos zugeknöpft und eine grüne Schlange zierte ihre Brust.

 

Was? Sie starrte zum Bett. Malfoy fuhr sich durch die strubbeligen Haare und ihr Mund öffnete sich. Sie schüttelte fast verzweifelt den Kopf und Tränen des Schocks traten in ihre Augen! Nein, nein, nein!

 

Keine Fragen. Gar nichts. Jetzt kam die unvermeidliche Übelkeit, die wohl nach zehn Kästen Champagner eintrat und aus den Augenwinkeln sah sie die Tür. Es musste ein Badezimmer sein! Es musste einfach. Sie stürmte förmlich durch die Tür – und hatte Glück!

 

Sie erbrach sich anscheinend in ein goldenes Klo.

 

Und sie wollte sterben. Jetzt sofort!

 

… sie hatte keine Ahnung, wie viele Minuten jetzt vergangen waren. Träge saß sie vor dem Klo und wagte nicht aufzustehen. Nebenan hörte sie Geräusche. Sie hörte, wie er seine Hose anzog, wie er die Vorhänge aufzog und durch den Raum schritt.

 

Die Übelkeit war beinahe abgeklungen, aber ihre Finger waren kalt, Schweiß stand auf ihrer Stirn und sie könnte heulen, weil sie nach Hause wollte. Einfach nach Hause.

 

„Hey, alles klar?“ Er hatte den Kopf durch den Türspalt gesteckt. „Du sitzt. Bist du fertig mit…?“ Er beendete den Satz nicht. Großer Merlin, Malfoy hatte gehört, wie sie sich übergeben hatte! Sie schloss die Augen. „Du kannst duschen, wenn du willst. Handtücher sind im Schrank und… einen Bademantel findest du da auch.“ Sie schwieg immer noch. Golden schimmerten die Manschettenknöpfe an dem Hemd, das ihr etwas zu lang war.

 

„Ich werde mich um Frühstück kümmern. Ich nehme an, du hast keinen Hunger?“ Bei dem Gedanken an Essen wurde ihr wieder schlecht. „Ich bin gleich wieder da, ok?“ Damit verschwand er. Sie weinte schon wieder. Eigentlich nur, weil sie jetzt am liebsten zu ihrer Mutter wollte. Oder irgendwohin.

 

Sie wollte sich zu Hause in eine Decke wickeln, an die Decke starren und nie wieder das Haus verlassen. Aber sie war nicht zu Hause. Sie saß vor einem goldenen Klo!

 

Er war gegangen. Duschen schien das Beste zu sein, was sie tun konnte.

Sie würde duschen. Und dann würde sie sterben….

 

Guter Plan…

 

 

Teil 11

 

 

Er traute sich noch nicht ganz zu, seinen Zauberstab zu benutzen. Also trug er das Tablett selber nach oben. Es war still. Entweder war das ein gutes Zeichen oder ein schlechtes. Möglich, dass sie bewusstlos in seinem alten Badezimmer lag. Das wäre schlecht.

 

Aber immerhin übergab sie sich nicht mehr. Eine Erfahrung, auf die er sehr gut hätte verzichten können.

 

„Granger?“, rief er jetzt vorsichtshalber und seine Badezimmertür öffnete sich langsam. Sie trug seinen Bademantel. Er war ihr zu lang. Sie hatte die Ärmel nach oben gekrempelt. Dampf füllte das Bad und folgte ihr in feinen Schwaden in sein Schlafzimmer. „Besser?“, fügte er hinzu und glaubte nicht, dass sie schon gesprochen hatte.

 

Sie begutachtete den Tomatensaft auf dem Tablett skeptisch.

 

„Das ist ein Hausrezept. Die Eier sind püriert.“ Sie verzog angewidert den Mund. „Ja, das ist eklig, aber ich bin erfahren in solchen Dingen.“ Sie zog den Bademantel enger um ihren Körper. Vielleicht sollte er ihr einfach nicht erzählen, dass er sie sowieso schon oben ohne gesehen hatte.

 

Sie kam nicht näher und er stellte das Tablett auf das Bett.

 

„Wo sind wir?“, krächzte sie jetzt, wahrscheinlich noch heiser vom Übergeben oder von ihrem Gesang gestern Abend, draußen im Garten.

 

„Wir sind in meinem alten Zimmer.“ Ihre Augen schlossen sich kurz.

 

„Malfoy Manor?“, fragte sie leise.

 

„Ja“, erwiderte er lächelnd und sie legte sich die Hand über die Augen.

 

„Sind deine Eltern unten?“, flüsterte sie, als hätte sie Angst, sie könnten sie hören.


„Ja, beide am frühstücken. Ich habe gesagt, wir werden wohl nicht teilnehmen können.“ Sie wurde wieder so blass und er befürchtete schon, dass sie es nicht ins Badezimmer schaffen würde, aber sie blieb standhaft stehen.

 

„Oh Gott…“, murmelte sie und schüttelte den Kopf. „Sie wissen, dass ich hier geschlafen habe?“, fuhr sie fort. Er musste grinsen.

 

„Du weißt gar nichts mehr oder, Granger?“ Fast war es wirklich lustig.

 

„Was weiß ich nicht mehr? Erzähl mir bloß nicht, wir haben…“ Sie deutete verzweifelt auf das Bett.

 

„Ich habe keinen Sex mit Bewusstlosen“, erklärte er amüsiert. „Nein, es ist nichts passiert, Granger. Aber… wieso sollte auch etwas passiert sein? War das dein Plan?“ Sie würde weinen. Sie sah, wie ihre Augen glasig wurden.

 

„Wieso bin ich hier?“, flüsterte sie wieder.

 

„Weil ich nicht glaube, dass dich noch irgendjemand irgendwohin mitgenommen hätte.“ Sie starrte ihn an.

 

„Was habe ich getan? Habe ich irgendwas getan?“, fragte sie panisch und er musste wieder grinsen.

 

„Nein“, erwiderte er, aber sie sah ihm an, dass er noch nicht fertig war. „Du hast auf den Tischen getanzt, das Geschirr meiner Mutter zerstört, mit der Band magische Schlager gesungen, einen Pfau geritten und dich von meinem Vater ins Bett tragen lassen. Ansonsten… war es ziemlich ruhig.“ Es war der absolut beste Abend, den er hier in diesem Haus jemals verbracht hatte. Ihr Mund hatte sich geöffnet.


„Ich habe einen Pfau geritten?“


„Du hast es versucht, aber er wollte nicht unbedingt so wie du wolltest.“

 

„Wieso hast du mich nicht aufgehalten?“, fragte sie zornig.

 

„Das war kein Deal in unserer Abmachung. Außerdem… ich bin vor Lachen fast gestorben, ich hätte nichts tun können“, fuhr er fort. Sie sank neben ihm auf das Bett.

 

„Dein Vater hat mich ins Bett getragen…“, fügte sie panisch und kalkweiß hinzu.

 

„Oh ja… ein Bild für die Götter. Aber solltest du das Zimmer hier jemals verlassen, dann wirst du mit ihm noch darüber sprechen können.“ Sie sah ihn an.

 

„Ich hasse dich“, sagte sie knapp.

 

„Ach ja? Das klang gestern anders.“ Oh ja… er hatte so viel gegen sie in der Hand. Er könnte sie zwingen, seine Haussklavin zu werden und sie könnte nicht einmal protestieren.

 

„Anders?“, wiederholte sie seine Worte und wirkte aggressiv.

 

Ich liebe dich, Draco! Wenn wir heiraten, dann lassen wir uns von Pfauen durch den Garten fliegen…“, imitierte er ihre Stimme und ihr Mund öffnete sich.


„Das habe ich nicht gesagt!“, widersprach sie heftig.

 

„Wirklich nicht?“ Er hob spöttisch eine Augenbraue und wartete. Dann schlossen sich ihre Augen und sie vergrub den Kopf in beiden Händen.

 

„Ich hab das gesagt! Oh nein… das ist…“ Sie sah ihn wieder an. Eine Träne rollte über ihre Wange. Es amüsierte ihn sehr. „Du weißt, dass…“, begann sie, aber er musste lachen.

 

„Dass du das nicht ernst gemeint hast? Oh, Granger… ich glaube dir natürlich alles, was du im Delirium erzählst. Ich bitte dich…“ Das schien sie ein wenig zu beruhigen. Er betrachtete sie jetzt. Kurz wollte er sie fragen, ob sie sich erinnerte ihn geküsst zu haben. Kurz wollte er es ihr vorhalten, aber irgendetwas hielt ihn davon ab.

 

„Ich will nach Hause“, flüsterte sie. Sie verschränkte die Hände in ihrem Schoss und rührte das Tablett nicht an. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie wohl lieber sterben wollte, als auch nur noch eine Sekunde länger hier zu bleiben.

Er mochte wirklich die Idee… die Idee, eine Hermine Granger zu haben.

Noch nie hatte er so viel Spaß empfunden. Ehrliches Vergnügen. Und das bei sich zu Hause!

 

Aber in seinem Kopf erreichte diese Hermine Granger irgendwann den Punkt, an dem sie… an dem sie nicht mehr glaubte, dass er sie vergiften oder umbringen wollte. Es störte ihn nicht. Nicht wirklich. Sollten die Menschen ruhig glauben, dass er in der Lage war, ihnen Angst einzujagen. Damit verdiente er schließlich sein Gold.

 

Aber… sie sollte irgendwann darüber hinweg kommen.

Ihm wurde tatsächlich klar, dass dieser Morgen mehr als deutlich das Ende seiner Beziehung mit Hermine Granger markierte. Eine Beziehung, die aus Hochzeiten und Alkohol bestand.

 

„Zieh dich an. Zum Apparieren reicht deine Kraft wahrscheinlich nicht. Aber wenn du es aushältst, dann kannst du über Floh nach Hause. Dafür musst du dann auch nicht nach unten.“ Er sagte es ernst und beinahe sofort stand sie auf, griff nach ihrem Kleid und verschwand im Bad.

 

Er hatte Lust, das Tablett vom Bett zu stoßen. Aber natürlich tat er etwas Derartiges nicht. Emotionen lenkten ihn nicht. Das taten sie äußerst selten und jetzt war bestimmt nicht der Zeitpunkt dafür gekommen.

 

Sie kam wieder. Mit ihren Fingern kämmte sie eilig ihre Haare. Sein Hemd und seinen Bademantel legte sie ohne Worte auf sein Bett.

 

„Das Kleid lass ich reinigen und schick es dir dann zu“, erklärte sie noch und er fragte sich, ob sie die Reise über Floh wirklich aushalten konnte. Aber noch weniger als hier zu sein, schien sie nach unten gehen zu wollen.

 

„Das ist unnötig. Ich habe keine Verwendung für ein Kleid“, erwiderte er kühl.

 

„Und bitte sag deinen Eltern, wie leid es mir tut“, fügte sie hinzu, seine Worte ignorierend. Das würde er nicht tun. Ganz bestimmt nicht….

 

„Ok“, sagte er und warf eine Handvoll Puder in die schwachen Flammen. Das Feuer mussten die Elfen in aller Frühe schon angezündet haben. „Adresse?“, fragte er, obwohl er die Adresse mittlerweile kannte.

 

„Cherry Tree Lane 17b“, sagte sie kleinlaut. Natürlich hatte er einen geschlossenen Kamin. Das Flohnetzwerk war nur zugänglich, wenn er es freigab. Fast war es witzig, dass er nun ihren Kamin zu Malfoy Manor öffnete, weil er sie wohl nicht noch einmal dort besuchen würde, geschweige denn umgekehrt.

 

„Dein Ausweg“, sagte er und deutete mit dem Arm in die grünen Flammen.

 

Sie nickte und griff nach ihrem Zauberstab, den er auf den Nachttisch gelegt hatte. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und stieg dann in die Flammen. Sie sprach ihre Adresse und schloss die Augen. Dann drehte sie sich um sich selbst, bis sie verschwunden war und die Flammen wieder rot leuchteten.

 

Es klopfte. Sein Vater schob die Tür auf. Sein Blick war eisig. Eisiger als sonst.

 

„Allein?“, fragte er überflüssigerweise.


„Sie ist gerade über Floh verschwunden“, erklärte er. Sein Vater betrachtete den Kamin, als hätte er ihm ein persönliches Leid angetan.


„Gut. Deine Mutter erwartet einige Entschuldigungen. Was hast du dir dabei gedacht, ein Schlammblut mitzubringen? Bereitet es dir so viel Vergnügen, dich gegen uns aufzulehnen? Wann wirst du erwachsen, Draco?“, knurrte sein Vater und Draco bemerkte, dass die Geheimratsecken seines Vaters jeden Monat ein weniger höher rutschten.

 

„Das war keine Auflehnung, Vater“, erklärte er. „Und ich bitte dich, das Wort nicht zu benutzen“, fügte er hinzu.

 

„Du bittest mich? Du bittest mich für eine ganze Weile um gar nichts mehr, hast du verstanden? Ich hoffe, du hast deiner kleinen Bettgeschichte Leb wohl gesagt und kümmerst dich um eine angemessene Braut“, fuhr sein Vater gereizt fort.

 

„Granger ist keine Bettgeschichte. Sie war… passend da“, erklärte er unwillig. „Und ich habe dir gesagt, dass ich nicht heiraten werde.“

 

„Niemals, Draco? Deine Mutter wird untröstlich sein, wenn sie kein Enkelkind bekommen wird.“ Er wusste nicht, ob sein Vater Scherze machte oder nicht. Aber wenn er ehrlich war, dann hatte er seinen Vater noch nie Scherze machen sehen.

„Das war eine Blamage sondergleichen. Du denkst doch wohl nicht, weil wir dich gestern verschont haben, wird dein Verhalten kein Nachspiel haben, oder?“

 

Er verzog den Mund. Er hatte keine Ahnung, wie lange sein Vater noch so tun wollte, als hätte er die Kontrolle über ihn. Wie viele unzählige Gespräche dieser Art er in diesem Zimmer schon mit Lucius geführt hatte….

 

„Was für ein Nachspiel? Willst du mir mein Taschengeld streichen? Mich übers Knie legen? Hausarrest, vielleicht?“, vermutete er, aber sein Vater war nicht in der Stimmung für Späße.

 

„Draco, diese Hochzeit war unter anderem ein Treffen mit engsten Kollegen, mit Investoren und Gläubigern. Wie lange denkst du, wird unser vermeintliches Vermögen noch vorhalten?“ Nicht schon wieder dieses Gespräch… Das Gespräch darüber, wann die Malfoys ihr Gold völlig verloren hatten, war das Gespräch Nummer Eins, seit ungefähr zehn Jahren.

 

„Ich bin sicher, du hast schon Pläne geschmiedet, Vater“, sagte er kühl.

 

„Ich habe gute Pläne, ja. Allerdings denkt sich mein Sohn, dass er jetzt besser auf der ehrlichen Schiene fährt, wenn er den Zauberstabhandel einfach unterbindet, mit Hilfe von Potters Sklaven“, gab Lucius zornig zurück. Draco stutzte.

 

„Oh, natürlich. Ich hätte deine blutverschmierte Handschrift auf dieser Aktion erkennen müssen, richtig, Vater? Was für eine Idee sollte das sein? Über Amerika? Wirklich? Du hast gedacht, mit diesem korrupten Zug kommst du durch?“ Lucius war unbeeindruckt.

 

„Bisher habe ich alle Pläne durchsetzen können. Und denk nicht, es wäre die einzige Idee, die ich habe. Ich werde nicht zulassen, dass du dich zwischen mich und meinen Erfolg stellst. Vielleicht arbeitest du im Ministerium, aber vergiss nicht, wer dir diese Stellung verschafft hat.“ Drohungen… Lucius liebte Drohungen.

 

„Du hast keinen Einfluss auf meine Stellung.“ Und er nahm an, dass dies stimmte. Er war sich fast sicher.

 

„Ich hatte angenommen, wir wären einen Waffenstillstand eingegangen, Draco. Aber ich habe mich geirrt. Entweder, du fügst dich meinem Willen und heiratest ein Mädchen, dass uns ein Vermögen sichert, damit unser Lebensstandard nicht vor die Hunde geht, oder du wirst bereuen, dass du dich mit mir angelegt hast.“

 

„Ich werde nicht heiraten, Lucius“, erklärte er erneut.

 

„Das ist deine Entscheidung?“, fragte sein Vater lauernd und Draco nickte müde.

„Das ist gut zu wissen. Wenn du dich dazu entschließt unsere Familie im Stich zu lassen, dann habe ich hier auch keine weitere Verwendung für dich.“ Draco runzelte die Stirn.

 

„Soll das heißen, du wirfst mich aus der Familie?“, fragte er belustigt, aber sein Vater lächelte ebenfalls.

 

„Nein. Aber ich werde nicht zulassen, dass du in meinen Weg kommst, wenn ich eine Geschäftsidee entwickeln will.“ Kurz wusste er darauf nichts zu sagen.

 

„Wie willst du mich bitteschön fernhalten? Wir wohnen in London, Lucius. Das hier ist mein Haus, wie es deins ist“, fuhr er fort. „Willst du meine Besuche hier unterbinden?“

 

„Noch wohnst du hier in London. Dinge ändern sich, Draco.“

 

„Ich werde wegen dir die Stadt bestimmt nicht verlassen, Vater“, erklärte er gereizt. Er hasste dieses Haus. Und er hasste seinen Vater.

 

„Das liegt nicht in deiner Hand, mein Sohn. Aber… das hätte dir klar sein müssen. Schon als du dieses Mädchen ersteigert hast, um mich zu demütigen, hätte dir klar sein müssen, worauf du dich einlässt.“ Fast entschuldigend sah er ihn an. Draco wäre es eigentlich lieber, wenn er schrie. Denn wenn Lucius schrie, dann wusste er wenigstens, dass er Gefühle hatte. Aber so… so fühlte er sich wie das Kaninchen vor der Schlange.

 

Er hegte manchmal die Befürchtung, sich viel zu spät von seinem Vater und seiner Familie gelöst zu haben. Heute war wieder einer dieser Tage. Ja, vielleicht hatte er übertrieben. Vielleicht hatte er über die Stränge geschlagen. Aber was konnte sein Vater schon tun?

 

Wo wollte er ihn hinbringen?

 

An den Nordpol?

 

„Entschuldige mich. Ich werde mich mit ein paar Kollegen in Verbindung setzen“, entschuldigte sich sein Vater. Draco hob eine Augenbraue in Unglauben.

 

„Wo? In Ungarn? Kanada? China?“, erkundigte er sich, immer noch ungläubig.

 

„Nein, Draco. Aber ich schlage dir vor, deine Französischkenntnisse aufzubessern“, fügte sein Vater lapidar hinzu. „Nur für den Fall…“ Draco starrte ihn an.

 

„Du kannst mich zu gar nichts zwingen!“, erwiderte er und wünschte sich, nicht ganz so verunsichert zu klingen.

 

„Dann hast du ja nichts zu befürchten, oder?“ Das Lächeln seines Vaters erinnerte ihn mit unheimlicher Bestimmtheit an sein eigenes.

 

Dann verließ Lucius endgültig sein Zimmer.

Sicher. Als ob sein Vater es fertig bringen würde, ihn nach Frankreich zu schicken!

 

Das würde er niemals tun. Niemals!

 

 

Teil 12

 

Sie wollte immer noch im Erdboden versinken. Tief und unentdeckt. Natürlich erfüllte ihr niemand den Gefallen. Und seitdem sie Ginny gesagt hatte, sie würde für sechs Monate nach Paris gehen, sprach diese kein Wort mehr mit ihr.

Hermine war sogar offiziell von der Hochzeit suspendiert, wie es Ginny sagte.

 

Nicht, dass schon ein Termin feststehen würde….

 

Hermine konnte sich darüber aber keine Gedanken machen. Oder nein. Sie wollte es nicht. Absolut nicht. Sie hatte genug damit zu tun, nicht an ihre peinlichen Aktionen zu denken und schnell alle sieben Sachen in ihrem Büro zusammen zu packen.

 

Sie hatte sich sogar mit dem Vermieter ihrer Wohnung darauf einigen können, dass er sie nicht weiter vermietete, sondern dass er lediglich ihr Wasser ausstellen würde und ab und an nach dem rechten sah. Alles war wirklich gut verlaufen. Sie hatte genug Abreit mitgenommen. In Paris erwartete man sie sehnsüchtig, genauso wie ihre neuen Ideen für die Abteilung für Muggelangelegenheiten dort drüben.

 

Es war wohl ein großes Gebiet, was gerade neu aufgemischt wurde. Es wurden viele neue Kräfte eingestellt. Auch aus Übersee. Sie würde viele Menschen kennen lernen. Natürlich hatte sie Glück, denn es war eher eine unbeliebte Abteilung, deswegen waren dort auch viele Plätze frei.

 

Aber es kam ihr ja gerade recht, denn das war ihr Spezialgebiet. Und sie würde großartige Arbeit leisten.

 

Und niemand würde ihr in die Quere kommen. Niemand würde wissen, dass sie vielleicht nicht nur perfekt war. Und sie sah sich rein arbeitstechnisch als perfekt. Gut, sie machte in ihrem Leben einige Fehler. Im Moment sehr viele sogar, aber nicht auf der Arbeit!

 

Eher missmutig hatte Mr Lark alle Formulare für ihre Versetzung unterzeichnet und ließ sie nur widerwillig gehen, weil er somit niemand mehr in einer führenden Position in dieser Abteilung hatte und somit mehr Arbeit auf ihn zurück fiel. Sie würde sich aber später schlecht fühlen.

 

Den Austauscharbeitern, wie das Ministerium min Paris sie nannte, wurden sogar kleine Apartments in der Nähe der Arbeit zur Verfügung gestellt. Sie war froh, dass Harry noch keine Zeit gehabt hatte, sie anzuschreien – oder sonst etwas.

Sie würde mit allen Leuten reden, sobald in ihrem Kopf ein wenig Klarheit herrschte. Nicht viel. Nur ein bisschen für den Anfang.

 

Sie hatte alles gepackt, fiel ihr auf.

Und ihr fiel auf, dass sie hier nicht viel besaß. Nicht mal der Locher war ihr eigener.

 

Aber das war nicht wichtig.

 

Sie hatte sogar davon abgesehen, eine große Apparierreise auf sich zu nehmen und einen Flug gebucht. Ihre Maschine verließ morgen um neun Uhr in der Frühe den Heathrow Airport. Das war nicht viel an Weg, was sie vor sich hatte, und sie war froh, überhaupt noch einen Flug aus der Stadt bekommen zu haben. Zwar überstürzte sie alles etwas, aber auch das war ihr herzlich egal.

 

Sie hatte es tatsächlich geschafft, sich auf einer Reinblüterhochzeit zu blamieren.

 

Sie verließ mit ihrer sehr leichten Kiste ihr Büro und sah sich noch einmal um, ehe sie ging. Nein, sie würde diesen unbequemen Raum nicht wirklich vermissen. Sie würde ja schon bald wieder kommen.

Dann wäre schon wieder Frühling, wurde ihr klar. Fast immerhin. Ob sie bis dahin noch Freunde hier hatte?

 

Vielleicht lernte sie auch einen bezaubernden Franzosen kennen. Paris war ja bekanntlich die Stadt der Liebe und…

 

Sie wurde unsanft aus ihren Gedanken gerissen.


„Wissen Sie, es ist wirklich tragisch, aber wenn Sie es selber so wollen, Malfoy“, hörte sie die Stimme von Mortimer van Brewster im Flur. Er und Malfoy bogen gerade um die Ecke. Malfoy trug seinen Umhang und einen sehr dicken Ordner über dem Arm.

 

Als er sie erkannte, runzelte er kurz die Stirn.

 

„Ah, Ms Granger, schön Sie zu treffen. Wissen Sie schon das Neuste?“ Sofern es nicht damit zu tun hatte, dass Draco Malfoy gerade gefeuert worden war, interessierte es sie überhaupt nicht, aber sie konnte unmöglich unhöflich sein.


„Nein, noch nicht“, erwiderte sie vorsichtig.


„Mr Malfoy verlässt uns. Genau wie Sie.“ Das war doch unfassbar! Wofür veranstaltete sie den ganzen Zirkus? Damit er gehen konnte? Sie hatte doch wohl das Recht zu gehen.

 

„Aha?“, erwiderte sie etwas überrumpelt.

 

„Wohin geht es denn?“, fragte Malfoy jetzt mit einem Hauch von Sorge in der Stimme. Aber vielleicht irrte sie sich darüber.

 

„Ich dachte, das wäre Ihnen klar?“, unterbrach van Brewster sie, ehe sie hatte antworten konnte. „Sie werden beide nach Paris versetzt. Malfoy, Sie haben mir doch in Ihrem Schreiben ziemlich deutlich gemacht, dass Sie nur in die Abteilung für Muggelangelenheiten versetzt werden wollen.“ Malfoy starrte den Mann vor sich so gebannt an, als höre er diese Worte zum ersten Mal.

 

Hermine wäre fast ihr Karton aus den Händen gerutscht. Malfoy tat was? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Sie wusste, sie würde gleich bewusstlos werden. Was zum Teufel passierte hier denn gerade? Folgte er ihr? Hatte er das geplant? Aber warum? Freiwillig in die Muggelabteilung nach Paris?! Zu viele Zufälle, für ihren Geschmack!

 

Ihr Mund öffnete sich panisch.

 

„Kann ich dich sprechen?“, zischte sie zornig und van Brewster wirkte verwirrt.


„Alles in Ordnung, Ms Granger?“

 

„Oh, es ist alles besten, vielen Dank, Mr Brewster. Malfoy?“, fügte sie böse hinzu und er verdrehte gereizt die Augen und folgte ihr schließlich in ihr leeres Büro, nachdem er sich von van Brewster verabschiedet hatte.

 

Sie knallte ihren Karton auf ihren leeren Schreibtisch und warf dann die Tür ins Schloss.

 

„Was soll das?“

 

Und er schwieg. Sie starrte ihn an. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Sie fühlte, wie Tränen der Wut in ihr aufstiegen. „Du kannst nicht nach Paris gehen! Ich gehe nach Paris! Nur deswegen habe ich an der verdammten Auktion überhaupt teilgenommen! Das ist… das ist….“ Ihr fielen keine Worte mehr ein. Es war so ungerecht!

 

„Denkst du, ich will dahin, Granger? Denkst du, es war mein größter Wunsch zu den dämlichen Froschfressern zu kommen?“

 

„Immer Vorurteile, richtig?“, giftete sie böse und er schloss die Augen.

 

„Mein Vater zwingt mich zu gehen. Denn sonst habe ich keinen Job mehr. Und eigentlich war die Aussicht aus London wegzukommen recht verlockend. Aber jetzt…“ Wieder sah er sie an, als wäre sie schuld an der Situation.

 

„Sieh mich bloß nicht so an! Du denkst, ich würde dir glauben?“, fügte sie ungehalten hinzu und er musste lachen.

 

„Was denkst du? Dass ich das freiwillig tue? Denkst du, ich kann nicht genug von dir bekommen? Denkst du, ich…“ Wieder musste er sich unterbrechen und schüttelte erneut den Kopf. „Ich wäre dir wirklich verbunden, wenn du nicht dorthin gehen würdest“, endete er schließlich ruhiger.

 

„Was?“, schrie sie jetzt und war fassungslos. „Du wärst mir wirklich verbunden? Schön für dich, aber mein Wasser wurde ausgestellt, mein Büro neu besetzt, ich bin raus hier, Malfoy. Und ich habe mich eher angemeldet als du!“

 

„Dann hast du eben Pech gehabt!“, schrie er zurück.

 

„Nein, du hast Pech gehabt.“

 

Zwar machte diese Aussage überhaupt keinen Sinn mehr – und das schien er ähnlich zu sehen – aber sie war so wütend, dass sie schon nicht mehr wusste, was sie sagte. „Solltest du mir auch nur einmal unter die Augen kommen, werde ich-“

 

„Wir arbeiten in derselben verfluchten Abteilung. Es wird also schwer werden, nicht-“

 

„Nein! Hör einfach auf, verstanden?“

 

Und wieder sahen sie sich an. „Am besten gehst du“, sagte sie tonlos.

 

„Wieso gehst du nicht einfach?“, gab er zurück und ihre Augen weiteten sich.


„Das ist mein Büro!“, knurrte sie zornig.

 

„Ich dachte, es wäre neu besetzt?“, konterte er genauso kalt.

 

„Ich hasse dich, Malfoy!“

 

„Interessant, am Wochenende klang das anders, Granger.“ Und er schien aus unerfindlichen Gründen noch wütender zu werden.


„Ich war betrunken!“, rechtfertigte sie sich und glaubte immer noch nicht, dass sie am Wochenende im selben Bett mit diesem Idioten geschlafen hatte.

 

„Betrunken gefällst du mir um einiges besser. Nein, warte“, unterbrach er sich eisig. „Du gefällst mir eigentlich überhaupt nicht. Eigentlich bist du nichts weiter als ein…“ Er fing sich. Er schluckte die Worte runter.


„Ein was? Ein was, Malfoy? Ein Schlammblut?“, beendete sie den Satz für ihn und das letzte Wort kam tatsächlich hysterischer raus, als sie es beabsichtigt hatte. Kurz zuckte etwas über sein Gesicht.

 

„Nein“, erwiderte er ruhiger als zuvor. „Eigentlich wollte ich Miststück sagen, denn ich habe gelogen, Granger. Denkst du wirklich, du schläfst in meinem Bett, ohne dass irgendwas passiert?“ Sie vergaß ihren Zorn für einen Moment.

 

„Was?“, fragte sie verwirrt und ihr wurde übel. „Was willst du damit sagen, Malfoy? Was für eine Lüge verlässt jetzt wieder deinen Mund? Ich habe überhaupt nichts getan! Als ob ich jemals – jemals – auch nur eine Sekunde lang daran denken würde, mit dir Sex zu haben!“

 

„An was denkst du wohl sonst, wenn du mir deine Liebe erklärst und mich heiraten willst, nachdem du mir meine Klamotten vom Leib reißt?“, gab er zornig zurück.

 

„Das habe ich niemals getan!“, flüsterte sie erbost. Das hatte sie doch wohl niemals getan? Gut, sie erinnerte sich dunkel daran, dass sie etwas von Liebe und Heiraten gesagt hatte, aber sie hatte ihn bestimmt nicht angerührt! Bestimmt nicht!

 

„Bist du dir sicher, Granger?“

 

Sie schloss die Augen. Wie war sie in diese Situation geraten? Wie konnte sie schon wieder mit ihm sprechen? Wie konnte sie öfter mit ihm sprechen als mit ihren eigentlichen Freunden?

 

„Weshalb musste dein dämlicher Todesserfreund Lavender heiraten? Der ganze Mist wäre niemals passiert, wenn-“, doch er unterbrach sie laut.

 

„Mein Todesserfreund? Dein Blutsverräter hätte die Finger von Pansy lassen und weit unter seinem Stand heiraten sollen, so wie es sich für einen Weasley gehört!“ Er atmete schwer. „Denkst du, es war eine reine Freude für mich all die…“ Wieder bekam er sich unter Kontrolle. Sie wünschte sich fast, dass er es nicht schaffen würde. Sie wünschte sich, dass er ihr auch nur einen einzigen Grund gab, ihn zu verfluchen, zu verklagen – in hohem Bogen aus dem Land zu werfen.

 

Aber sie verließen das Land ja sowieso, ging ihr auf.

 

„Nein, es war bestimmt eine Qual für dich die ganzen Blutsverräter und Schlammblüter zu sehen, die sich-“

 

„Halt deinen Mund“, fuhr er ihr dazwischen.

 

„Was ist? Bist du auf einmal feige geworden? Kannst du es nicht mehr sagen? Was ist los, Malfoy? Gewissensbisse nach so vielen Jahren?“

 

„Was ist überhaupt dein Problem?“, fragte er plötzlich ein wenig gelassener als zuvor. „Ich habe dir nichts getan. All die Dinge hast du dir selber vorzuwerfen. Ist das auch der Grund, weshalb du weg willst? Du erlaubst dir endlich mal, dich wie ein Mensch aufzuführen, und auf einmal hast du Angst vor dir selbst und verlässt fluchtartig die Stadt?“

 

„Ich habe ganz bestimmt keine Angst vor mir selbst!“, gab sie rigoros zurück.

 

„Nein? Du betrinkst dich auf der Hochzeit deines besten Freundes und küsst mich in den Gängen? Du stimmst zu, dich von mir weiß Merlin wo mit hinnehmen zu lassen und hast sogar noch am schlimmsten Ort der Welt Spaß mit mir? Du verbringst die Nacht in meinem Bett und selbst wenn etwas passiert wäre, dann hättest du es wahrscheinlich liebend gern in Kauf genommen.“

 

Selbst wenn…?

 

„Ich glaube nicht, dass dir deine grandiose Flucht irgendwas bringen wird, Granger. Du könntest einfach zugeben, dass du Spaß an verbotenen Dingen hast, dass du gerne-

 

„Selbst wenn?“, fragte sie sie endlich laut. „Selbst wenn etwas passiert wäre? Dann ist also nichts passiert?“ Er verdrehte die Augen.

 

„Ich dachte, du hättest bereits etabliert, dass ich nicht mit Hexen wie dir schlafen würde?“, entgegnete er knapp.

 

„Und… ich flüchte nicht vor mir selber!“, fügte sie hinzu.

 

„Ach nein? Wovor flüchtest du dann? Vor deinem grauenhaften Leben? Kommst du auf einmal nicht mehr klar in deiner bunten, kleinen Granger Welt, in der-“

 

„-ein scheiß Todesser glaubt, er hätte irgendeinen Einfluss auf mich? Ja, vielleicht, Malfoy. Oder soll ich Draco sagen? Aber nein, dein Vater ist ja nicht hier!“, rief sie laut und sah sich um, als könnte Lucius Malfoy jeden Moment hinter ihrem Schreibtisch hervor krabbeln und sich den Staub vom Hauselfenfellumhang klopfen.

 

„Ich habe kein Problem mit mir selbst und meiner bunten, kleinen Welt. Aber du möchtest gerne ein Teil davon sein, oder? Bist du nicht langsam alt genug, um selber gegen deinen Vater vorzugehen? Musst du dein eigenes Schlammblut mitbringen, um irgendwie zu zeigen, dass du Daddy nicht mehr brauchst?“

 

Sie konnte nicht fassen, dass sie schon dreimal das Wort Schlammblut gesagt hatte – und Malfoy noch nicht. Sie konnte nicht fassen, dass sie gerade überhaupt all die Sachen gesagt hatte.

 

„Was willst du von mir? Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst, verflucht!“


„Nein? Warum hast du mich ersteigert? Wolltest du deinen Vater demütigen oder war das eine romantische Anwandlung, Malfoy? Fällst du gleich auf deine Knie, um mir einen Heiratsantrag zu machen?“, schrie sie hysterisch und fing plötzlich an zu lachen. „Oh, weißt du, das würde deinen Vater bestimmt umbringen! Das ist dann doch eine fantastische Idee, aber warte – du heiratest ja keine Schlammblüter.“

 

Viermal… Sie brach gerade wahrscheinlich einen Rekord.

 

„Du bist verrückt geworden!“

 

„Ja! Natürlich bin ich verrückt geworden! Ich verbringe sieben Stunden damit ein Kleid – ein Kleid! – auf Flüche zu untersuchen! Nur weil es von dir kommt! Sagt dir das irgendwas? Ich verlasse die Stadt! Ich verlasse das Land, allein wegen dir! Du bist ein grauenhafter Mensch! Du bringst mich dazu, an mir selber zu zweifeln, weil ich mir bei nüchternem und völlig klarem Verstand nicht erklären kann, wie ich überhaupt nur eine Sekunde Spaß in deiner Gegenwart haben kann! Wie ich auch nur einen Tanz überstehen konnte, ohne in Flammen aufzugehen!“

 

Sie weinte. Jetzt weinte sie. Sie nannte sich Schlammblut und jetzt fing sie an zu weinen. Und sie konnte sich selber gar nicht mehr stoppen. Es war ein grauenhafter Tag. Paris würde nicht ausreichen. Mexico war da eher die richtige Adresse, um für immer zu verschwinden….

 

„Du hast es mir vor Jahren absolut klar gemacht, wie weit unten ich in dieser Gesellschaft stehe! Ich hatte mir geschworen, dass ich dich niemals wieder sehe und wenn doch, dann würde ich niemals wieder auch nur ein Wort mit dir sprechen! Und stattdessen lasse ich mich auf einen Deal mit dir ein! Ich lasse es zu, dass du mich ersteigerst, Malfoy! Natürlich bin ich verrückt! Nichts anderes macht Sinn!“

 

Wütend fuhr sie sich durch die Strähnen, die sich in all dem Zorn gelöst hatten und nicht mehr hinter ihrem Ohr halten wollten.

 

„Du machst mich wahnsinnig, Malfoy! In deiner scheiß Gegenwart ist alles… alles folgt absolut anderen Regeln. Und für einen Moment hatte ich geglaubt, dass… alles anders ist. Dass du kein Arschloch bist! Aber das Mädchen auf der Pseudo-Hochzeit von deinen Eltern hat mir ziemlich deutlich klar gemacht, dass du Abschaum wie mich nur aus rein selbstsüchtigen Gründen mitnimmst! Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte – aber… es wäre nett gewesen“, schloss sie plötzlich ihre endlose, völlig wahnsinnige Ansprache.

 

Und er starrte sie immer noch an.

 

„Ok“, sagte er nach einer Weile. Und sie hatte keine Ahnung, ob er damit auf eine Frage antwortete oder lediglich das Gespräch mit einer komplett Verrückten beenden würde. „Ich hatte nicht vor, dich wahnsinnig zu machen. Anscheinend… ist es dafür aber zu spät. Viel zu spät“, fügte er gedehnt hinzu.


„Geh einfach“, sagte sie tonlos und wollte ihn nicht mehr ansehen.

 

„Du… darfst all diese Dinge sagen und ich soll gehen?“, fragte er ungläubig und sie wischte sich verärgert die Tränen von der Wange.

 

„Ja, du sollst einfach gehen. Geh einfach“, wiederholte sie jetzt und schämte sich mehr als jemals zuvor. Sie würde liebend gerne noch einmal die Pfauen in Malfoy Manor reiten, als ihn noch länger sehen zu müssen.

 

Er kam plötzlich näher. Sie ballte die Hände unkontrolliert zu Fäusten. Er stand nahe vor ihr. Sehr nahe. Sie konnte die lähmende Erschöpfung in seinen Augen sehen. Vor allem aber konnte sie sich nicht bewegen.

 

Ja, fiel ihr auf. Sie hatte tatsächlich all die Dinge gesagt. Sie hatte ihn geküsst, wollte ihn heiraten, wollte wahrscheinlich sogar mit ihm schlafen. Er hatte recht gehabt. Diese Tatsache erschlug sie beinahe.

 

„Weißt du, es ging nur um die eine Sache“, begann er leise und ließ sie nicht aus den Augen. Seine Pupillen flogen über ihr Gesicht, schienen jeden Punkt mit dem Blick fesseln zu wollen. „Es ging lediglich darum, dass ich mir von jemandem wie dir keine Abfuhr erteilen lassen wollte“, erklärte er sehr kühl. „Nicht, weil du ein Schlammblut bist oder Abschaum oder Leiterin einer Muggelabteilung, Potters Schoßhund oder Weasleys abgelegte Liebschaft“, fuhr er fort. Sie schluckte schwer und spürte neue Tränen an die Oberfläche steigen. „Es ging darum, dass du begreifst, dass du keine Chancen hast. Ich brauche dich nicht, um meinen Vater zu ärgern, Granger“, schloss er mit einem Lächeln.

 

Dann wich er zurück. „Übrigens, was die Wette angeht…“, fügte er hinzu, als er die Tür öffnete. Sie hielt die Luft an, denn sein Lächeln wurde tiefer und seine Mundwinkel hoben sich ein Stück. „Blaise hat behauptet, ich würde es nicht schaffen, dass sich eine Muggel in mich verlieben könnte, würde sie Bekanntschaft mit meinen reizenden Eltern gemacht haben.“

 

Hermine brauchte einen Moment, ehe sie begriff.

 

„Aber… diese Wette scheine ich mit Leichtigkeit gewonnen zu haben. Tut mir leid für dich, Hermine.“ Mit einem Nicken verließ er das Zimmer und sie blieb zurück. Allein, mit einem Kloß in der Kehle, an dem sie hoffentlich in der nächsten Sekunde ersticken würde.

 

Aber es war ganz einfach, kinderleicht… Er irrte sich.

Er irrte sich.

 

Er irrte sich.

 

Er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich… er irrte sich…!!!

 

… er irrte sich nicht.

 

 

Teil 13

 

 

Er hatte sich noch nicht bewegt. Seine Finger lagen auf den seltsamen Tasten und er überlegte, dass er sich auf sehr dünnes Eis begab. Aber er hatte alles sowieso auf eine sehr ungewisse Karte gesetzt.

Und anscheinend… so wie er es selber betrachtete – sah es gut für ihn aus.

Zwar wusste er nicht, wann in der gestrigen Unterhaltung das Gefühl über ihn gekommen war, aber er wusste beinahe augenblicklich sofort, was er wollte.

 

Und so unglaublich und seltsam und brutal erschreckend dieser Gedanke war – er konnte es nicht ändern. Er wollte sie.

 

Und er wusste, er hätte es anders machen können. Er war sich sicher, dass er… einen gewissen Einfluss auf sie gehabt hatte. Er war sich sicher gewesen, seit er ihren bösen Blick auf Blaises Hochzeit gespürt hatte.

 

Er hatte es einfach gesehen. Und es hatte so viel Spaß gemacht.

Und er hätte sie einfach küssen können. Er hätte sie… einfach um ein Date bitten können, aber hatte es nicht geschafft. Also anstatt nett zu sein, hatte er sich grauenhaft verhalten.

 

So grauenhaft, dass er nicht schlafen konnte und jetzt in einer Telefonzelle stand. Er hatte noch nie hier gestanden, um tatsächlich zu… telefonieren. Nur um ins Ministerium über den Gästeeingang zu kommen – und selbst das hatte er erst einmal oder so getan.

 

Aber anscheinend musste er nur die Münzen in den Schlitz werfen und wählen. Die Nummer lag vor ihm und er atmete aus.

 

Viel Aufwand. Sehr viel Aufwand. Aber er kannte das Spiel. Wenn er schon sonst wenig Erfahrung mit Muggelangelegenheiten hatte, so wusste er alles über Frauen.

 

Er wählte die Ziffern und presste sich den Hörer ans Ohr.

 

„Heathrow Airport?“, fragte eine Stimme plötzlich und fasziniert betrachtete er den Hörer, ehe er ihn wieder zurück an sein Ohr presste.

 

„Hallo? Ahem, hier ist… Draco Malfoy“, sagte er und wartete tatsächlich eine Sekunde, aber natürlich bekam er keine hoheitliche Begrüßung. Zwar wusste er, dass sein Vater sich – streng geheim – um einige Muggelunternehmen kümmerte, aber ein Flughafen gehörte wahrscheinlich nicht dazu.

 

„Ja, Mr Malfoy?“, fragte die Frau ungeduldig und er räusperte sich.

 

„Wenn ich… mit einem Flugzeug morgen nach Paris fliegen möchte, was muss ich tun?“, fragte er also und ärgerte sich, dass er nicht einfach… sagen konnte, was sie hören wollte.

 

„Nun, sie müssten sich ein Ticket kaufen, aber ich befürchte, dass für den Flug morgen keine Economy Tickets mehr verfügbar sind.“

 

„Ich brauche für morgen aber ein Ticket“, benutzte er seinen befehlsgewohnten Ton, den er nicht ausschalten konnte.


„Das ist schön für Sie, aber wir haben keine regulären Plätze mehr frei, so wie ich es sehe.“

 

Kurz schwieg er. Anscheinend war dieses Gespräch teuer, denn die Geldanzeige schien zu blinken.

 

„Sie haben keinen einzigen Platz in einem fünfhundert Sitze Flugzeug frei?“, wandte er sein Wissen an, dass er sich heute Mittag überstürzt angeeignet hatte.

 

„Keine Economy Sitze, nein, Sir“, erklärte sie brüsk. Economy? Was sollte das überhaupt sein?

 

„Was heißt das?“, fragte er gereizt, denn er hatte kein Muggelgeld mehr und die Anzeige schien einem Kollaps nahe.

 

„Das heißt, dass wir in der Economy Klasse keine Sitze mehr haben, aber in der Business Class noch fünf frei hätten“, erklärte sie ungläubig.

 

„Dann haben Sie also Plätze?“, fragte er ärgerlich.

 

„Das sind erste Klasse Ticket, Mr Malfoy. Und diese kosten nahezu viermal so viel und-“ Er machte ein verärgertes Geräusch und die Frau unterbrach sich.

 

„Zwei Tickets, bitte. Der Name ist Malfoy. Hinterlegen Sie diese bitte, ich hole Sie morgen ab.“

 

„Wie möchten Sie zahlen? Kreditkarte?“ Er überlegte kurz.

 

„Wie ist es am angenehmsten?“, erkundigte er sich gereizt.

 

„Für gewöhnlich werden diese Tickets abgebucht“, erklärte sie.


„Ist das morgen noch möglich?“

 

Die Frau schwieg kurz. „Eigentlich nicht. Aber ich reserviere die Tickets und wenn sie morgen bis halb acht nicht um Terminal erschienen sind verfallen die Sitze, Mr Malfoy.“ Damit konnte er leben.

 

„Noch etwas“, fügte er hastig hinzu. „Streichen Sie den Platz von Hermine Granger.“ Er hörte sie schnell irgendwelche Tasten drücken.


„Mit welcher Autorität möchten Sie diesen Platz streichen? Wenn Sie außerdem für eine Stornierung anrufen, dann wäre ein Economy Sitz frei“, erklärte die Frau. Jetzt piepte das verfluchte Telefon auch noch!

 

„Hören Sie, ich möchte zwei Plätze für die Business Klasse, für mich und Hermine Granger. Die Autorisierung ist selbstverständlich gegeben, denn…“ Denn? Er atmete kurz aus. Zeit war eine furchtbare Begrenzung in seinem Leben. „Denn Ms Granger ist meine Verlobte. Ich hole die Tickets morgen früh ab.“

 

„In Ordnung. Ich streiche den Platz für Ms Granger… und Ihre Tickets sind vorläufig gebucht“, leierte ihre Stimme monoton.

 

„Vielen-“

 

Die Verbindung brach.

 

Er war geschwitzt. Ok. Er hängte den Hörer wieder auf und jetzt musste er ein Muggelgringotts finden und anscheinend eine… Kreditkarte kaufen.

Apparieren ging viel schneller. Granger machte einen ziemlich großen Aufstand.

 

Er hatte wieder einmal keine Zeit. Er hatte die Winkelgasse sowieso verlassen. Irgendwo gab es bestimmt ein Gringotts. Wahrscheinlich hieß es anders. Er würde fragen.

 

Seinen Umhang hatte er nicht gewagt anzuziehen. Es war auch warm genug, nur im Anzug. Er verließ die Telefonzelle und schritt über die Straße.

 

„Entschuldigung“, sprach er einen Mann an, der seine Hand an sein Ohr presste. Muggel waren verrückt. Der Mann sah ihn verärgert an.


„Warte kurz“, sagte er zu seiner Hand und ließ sie sinken. Draco erkannte ein winziges Gerät und er hörte eine Stimme daraus klingen. Fasziniert betrachtete er das Gerät. „Was wollen Sie?“, herrschte ihn der Mann an.


„Mein Name ist Draco Malfoy“, begann er. Er war es gewohnt, sich vorzustellen und dann die Wünsche von den Augen abgelesen zu bekommen.


„Toll. Wollen Sie mir irgendwas verkaufen?“, rief der Mann. Draco schüttelte den Kopf.


„Wo kann ich eine Kreditkarte kaufen?“, fragte er jetzt.

 

„Was? Ist das eine Trickfrage? Sind Sie verrückt?“, fragte der Mann und die Stimme in seiner Hand schrie bereits.


„Wo?“, knurrte Draco und hasste Muggel augenblicklich noch mehr als sonst.

 

„In… in der Bank?“, erwiderte der Mann fassungslos.

 

„Bank?“, wiederholte Draco und hatte wohl noch nie ein lächerlicheres Wort gehört. Eine Bank? Zum Sitzen? Da sollte man eine Kreditkarte bekommen? Der Mann hatte ihn schnell zurück gelassen und erklärte der Stimme im Telefon, dass er gerade einen Verrückten getroffen hatte.

 

Er hatte keine Ahnung von den Öffnungszeiten und wusste, auch Muggelgeschäfte würden nicht Ewigkeiten geöffnet haben. Er drehte sich um die eigene Achse und erstarrte.

 

Barclays Bank.

 

Unglaublich. Da stand das Wort Bank. Hastig beschleunigte er seine Schritte und die seltsamen Autos, wie die Muggel sie nannten, sausten an ihm vorbei. Sie stanken und die Muggelwelt war unglaublich laut. Sein Zauberstab fühlte sich ungewohnt beruhigend an, in seiner tiefen Hosentasche.

 

Er betrat das Gebäude und es war um einiges besser als der Rest der Muggelwelt. Der Boden war mit Marmor ausgelegt und die Scheiben schienen getönt zu sein. Die Temperatur war angenehm und die Menschen, die hier arbeiteten, trugen feine Anzüge.

 

Immerhin.

 

Ein Mann saß freundlich lächelnd an einem freien Schreibtisch. Draco wartete eine Sekunde, ehe der Mann ihm aufmunternd zunickte. Er schloss den Abstand zu diesem Mann und setzte sich ihm gegenüber auf einen Besucherstuhl.

 

„Mein Name ist Miller, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er freundlich. Draco überlegte kurz, aber was sollte er sonst tun? Er würde fragen.

 

„Mein Name ist Malfoy“, wiederholte Draco knapp die Worte. „Ich möchte eine Kreditkarte haben“, sagte er vorsichtig. Der Mann stutzte.

 

„Besitzen Sie keine? Sind Sie Kunde in dieser Bank?“ Die Geduld schwand rasend schnell. Langsam zog er den Zauberstab aus seiner Tasche. Wollten sich alle Muggel in seinen Weg stellen?


„Nein, ich bin noch kein Kunde“, erklärte er knapp.

 

„Möchten Sie dann ein Konto hier eröffnen? Von welcher Bank möchten Sie Ihr Geld transferieren, Mr Malfoy?“ Sollte er Gringotts sagen? Nein, wahrscheinlich besser nicht. Aber… er war kein besonders guter Mensch, also verdrehte er die Augen, ehe er stumm den Imperius ausführte. Der Mann ihm gegenüber bekam glasige Augen.

 

„Eine Kreditkarte auf den Namen Draco Malfoy, bitte.“

 

„Sicher, selbstverständlich, Mr Malfoy“, gehorchte der Mann vor ihm. „Folgen Sie mir.“ Er erhob sich augenblicklich. Draco folgte ihm eilig und schob den Zauberstab unter sein Jackett. Der Mann führte ihn durch mehrere Türen und Draco ignorierte den Blick, den einige Angestellten ihm zuwarfen. Er folgte dem Mann eilig. Er sah die seltsamen blinkenden Geräte in den Ecken der Räume.

 

Er nahm an, sie fotografierten ihn oder ähnliches, deswegen bedeckte er sein Gesicht mit seiner Hand.

 

Der Mann führte ihn in einen weiteren Raum. Dort stand eine mittelgroße Presse. Anscheinend bekam er jetzt seine Karte. Mit motorischer Bewegung setzte der Mann ein flaches Stück Material auf eine Unterlage und stanzte mehrere Nummer und Zeichen hinein.

 

Draco buchstabierte vorsintflutlich seinen Namen und der Mann folgte seinen Anweisungen. Draco hatte keine Ahnung, wofür die lange Nummer gut war, aber er war froh, dass er keine Fragen mehr beantworten musste.

 

Nach einer kurzen Weile überreichte der Mann ihm seine erste goldene Kreditkarte. Das Material war angenehm leicht und ließ sich biegen.

 

„Was ist das für ein Material“, fragte er interessiert.

 

„Plastik“, erwiderte Mr Miller mit glasigem Blick und sonorer Stimme.

 

„Ausgezeichnet“, erwiderte Draco und endlich lächelte er. „Bringen Sie mich nach draußen, guter Mann“, fuhr er fort. Miller gehorchte augenblicklich. Der Imperius war nicht mal besonders stark. Aber er erfüllte seine Wirkung. Dennoch konnte Draco nicht riskieren, dass der Mann seinen Namen behalten würde.

 

Anscheinend hatte der Mann den kürzesten Rückweg gewählt, denn es handelte sich wohl um einen Seiteneingang. Hier hingen auch keine blinkenden Geräte in den Ecken. Draco zog den Zauberstab wieder hervor.

 

„Entschuldigen Sie, Miller“, erklärte er ruhig. „Oblivate“, führte der Zauber auf schwächster Stufe aus. Kurz stutzte Miller, dann brach der Imperius und wurde vom Vergessenszauber abgelöst. Draco wandte sich ab, bog um die Ecke und apparierte erleichtert - und ein wenig gereizt.

 

 

~*~

 

 

Er hatte keine Ahnung, was man mitnehmen durfte oder konnte. Was er brauchte oder wollte. Er entschied sich, dass er sich immer noch um mehr Gepäck kümmern konnte, würde er erst mal angekommen sein. Vielleicht würde er auch in einem Flugzeug sterben.

 

Diesen Gedanken verfolgte er, seit er appariert war.

 

Vor allem erkannte er ihre schrille Stimme sofort, als er die Türen zum Flughafen aufdrückte. Sie hatte einen regelrechten Skandal an einem Stand ausgelöst, der mit dem Wort Terminal gekennzeichnet war.

 

Das war günstig. Da musste er hin. Sie sah zornig aus, unausgeschlafen und absolut böse. Worte verließen ihren Mund, in dessen Genuss nur er bisher gekommen war.

 

„Entschuldigung“, unterbrach er ihr Geschrei. „Draco Malfoy“, stellte er sich mit einem Lächeln vor und die Dame hinter dem Tresen schien sehr erleichtert ihn zu sehen.

 

„Sehen Sie, Ms Granger, Ihr Verlobter ist pünktlich“, sagte sie erleichtert und Granger wandte sich mit fliegendem Pferdeschwanz zu ihm um.

 

„Morgen, Darling“, begrüßte er sie mit einem unverschämten Lächeln. Sie sah aus, als hätte sie den Verstand verloren. Ihr Mund öffnete sich perplex und sie konnte nichts mehr sagen. Das war ganz gut, denn er hatte anders zu tun.

 

„Sie zahlen mit Kreditkarte?“, fragte die freundliche Frau und Draco zückte die goldene Karte aus der Hosentasche. Er war sogar etwas aufgeregt. Die Frau nahm sie lächelnd entgegen und schob sie in ein buntes Gerät. Anscheinend las dieses Gerät die Karte.

 

Es vergingen qualvolle drei Sekunden.


„Vielen Dank. Ihre Karte und… Ihre Tickets, Mr Malfoy. Sie steigen ein in Gate 9“, fügte sie freundlich, mit einem sorgenvoll Blick auf seine vermeintliche Verlobte, hinzu. Ja, er war bedauernswert, das wusste er.

 

„Kommst du?“, erkundigte er sich und Granger bewegte sich kein Stück. „Oder willst du nicht fliegen? Schatz?“ Das Wort gefiel ihm. Und wie die Ader auf ihrer Schläfe bei dem Wort zuckte, gefiel ihm noch mehr. Sie hatte ihn immerhin noch nicht umgebracht.

 

„Malfoy?“, flüsterte sie heiser, aber niemand konnte sie hören. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Er konnte erkennen, dass sie viel geweint haben musste. Und es tat ihm unvermittelt leid, dass sie es hatte tun müssen. Er wollte sie nicht zum Weinen bringen. Beinahe wollte er sie berühren, aber nur beinahe. Er konnte nämlich auch erkennen, dass sie kurz davor zu sein schien, ihn zu erwürgen.

 

„Mein erster Flug“, sagte er jetzt. Zu gerne wüsste er, was sie dachte, aber sie sagte immer noch nichts.

 

 

Teil 14

 

Ihr Leben war ein Albtraum. Ein Albtraum, der kein Ende zu nehmen schien. Sie konnte ihn nur anstarren und versuchen, die Dinge zu begreifen, die in den letzten fünfzehn Minuten geschehen sind. Es war zu viel.

 

Sie hatte gedacht, es müsse sich um einen Fehler handeln, dass ihr Platz gelöscht worden war. Dass es auch ein Fehler war, dass ein Verlobter hier angerufen hatte, um diesen Platz zu streichen. Sie hatte erwartet, dass sich der Nebel in ihrem Kopf lichten würde, als die Frau gesagt hatte, ihr Verlobter sei Draco Malfoy. Aber da war keine lichte Stelle in Sicht! Eine Erklärung machte es nicht besser!

 

Jedenfalls nicht diese Erklärung.

 

Sie atmete ein. Und aus. Und das tat sie für die nächste Minute, in der sie ihn anstarrte. Und sie wartete auch das einzige, auf das sie warten wollte.

Sie wartete auf eine Entschuldigung aus seinem Mund. Sie wollte Worte hören, die rechtfertigten, dass er ein Arschloch war. Sie wollte, dass er begriff, dass er sich entschuldigen musste! Er musste es einfach.

 

Es war alles unmöglich. Er hatte eine Kreditkarte? Einfach so? Er buchte Flugtickets auf seinen Namen? Womöglich per Telefon? Er flog überhaupt?! Es machte gar keinen Sinn. Er war Draco Malfoy. Wahrscheinlich würde er lieber ein Flugzeug vom Himmel hexen als als Passagier mit einem solchen Gerät zu fliegen.

 

Wieso tat er es? Wieso tat er überhaupt so etwas Derartig abstruses, wenn er ihr doch schon erklärt hatte, wie sehr sie ihm zuwider war? Hatte er das gesagt? So etwas ähnliches zumindest. Hatte er sie nicht gestern noch vor den Kopf gestoßen? Mit solcher Wucht und verbal so schmerzhaften Attacken, dass sie nur noch hatte weinen können?

 

Spielte er eines seiner Spiele, bei denen man nur tot oder lebendig aussteigen konnte? Und anscheinend wartete er tatsächlich darauf, dass sie etwas sagte! Also wäre nichts passiert. Als hätte er plötzlich das Recht hier in diesem Flughafen zu stehen, ihr Ticket umzubuchen und alles mit Kreditkarten zu bezahlen!

 

Und die Entschuldigung auf die sie wartete, kam natürlich nicht. Natürlich nicht. Fast kamen die Tränen wieder an die Oberfläche. Er war stur. Und arrogant. So überzeugt von sich und der Tatsache, dass er es fertig gebracht hatte, in der Muggelwelt ein Ticket zu buchen. Oder zwei.

 

Gut. Er würde sich nicht entschuldigen. Dann musste sie ihm auch nicht vergeben.


„Ich werde nicht mit dir fliegen“, sagte sie also so eisig und so voller Zorn, als würden in diesen Worten aller Hass und jedes bisschen Verzweiflung stecken, dass sie in sich trug.

 

„Nein?“, fragte er. Immer noch hatte sie lächerlicherweise auf eine Entschuldigung gehofft, aber damit hörte sie nun auf.

 

„Nein, du Mistkerl. Was denkst du dir? Es ist gegen das Gesetz im fremden Namen eine solche Handlung zu tätigen, Malfoy!“, fuhr sie also fort und er blinzelte kurz.

 

„Gesetz? Ich glaube nicht, dass im magischen Gesetz-“ Sie unterbrach ihn mit einem Wutschrei.


„Nein! Nicht im magischen Gesetz, Malfoy. Aber anscheinend wendest du dich ja von deinen magischen Wurzeln ab, um mit mir in einem Flugzeug zu fliegen!“, schrie sie und alle Leute starrten sie an. Sie wollte sich nicht beruhigen. Würde sie auch nicht.

 

„Hey, vielleicht solltest du mir danken, dass du nicht in der mittelmäßigen Absteigerklasse fliegen wirst“, schlug er ihr bitter vor.


„Ich wollte in dieser Klasse fliegen. Denkst du wirklich die erste Klasse sieht für mich verlockend aus, wenn du da drin sitzt? Denkst du, ich steige in ein Flugzeug, wenn du da bist? Auf fünfzig Quadratmetern, tausende von Metern in der Luft, ohne Ausweg? Denkst du das?“ Sie wartete. Anscheinend dachte er darüber nach.

 

„Du wirst keinen anderen Weg nach Paris haben, Granger“, erklärte er also in einem so überheblichen Ton, dass ihr übel wurde.

 

„Ich werde von mir aus morgen fliegen oder nächste Woche, oder überhaupt nicht!“, erwiderte sie fassungslos. „Wie hast du das überhaupt gemacht? Hast du alle mit dem Imperius belegt, bis sie dir eine Kreditkarte und Flugtickets besorgt haben?“, wechselte sie gereizt dieses Thema, denn es gab nur die eine Alternative, nach Paris zu apparieren und das wollte sie eigentlich nicht.

 

Sie musste morgen arbeiten und es würde sehr schlecht aussehen, wenn Malfoy pünktlich wäre und sie nun nicht. Aber sie wollte sich in den nächsten Minuten keine Gedanken darüber machen, wie sie diese Insel verlassen konnte, sondern sie wollte ihn anschreien. Wegen… egal. Wegen irgendwas.

 

Und tatsächlich sah er etwas schuldbewusst drein. Ihr Mund öffnete sich. „Du hast sie also alle mit einem Unverzeihlichen belegt?“ Natürlich hatte Malfoy irgendein Gesetz brechen müssen, um an sein Ziel zu kommen. Das war ihr klar gewesen.

 

„Nicht alle. Nur einen“, widersprach er gereizt.

 

„Ach so. Na dann… nur einen. Wen? Einen armen Bankangestellten?“, vermutete sie und er blickte zur Seite. Dann wurde es ihr klar. Sicher hatte er das. Wie sonst sollte er mit Karte bezahlen können?

 

„Oh Malfoy, du bist so tief gesunken und stiehlst Geld?“ er sah sie verwirrt an.


„Nein? Wieso sollte ich. Ich habe mehr Geld, als du dir vorstellen kannst“, erklärte er überflüssigerweise.

 

„Was denkst du, was eine Kreditkarte macht?“, fragte sie zornig. Und kurz ärgerte er sich wohl darüber, dass er nicht recht wusste, wofür diese Karte da war. „Sie bucht Geld ab. Von einem existierenden Konto!“

 

„Und?“, erwiderte er überheblich. Dann schien er zu begreifen. „Oh“, sagte er nur.

 

„Oh? Ja, Malfoy: Oh. Du hast gerade deine Tickets von einem fremden Konto bezahlt. Oder hast du dir die Mühe gemacht, Geld auf eine Bank zu schaffen, ein Konto anzulegen und deine Kreditkarte auf diese Konto abzustimmen?“ Er sagte nichts. „Nein? Also hast du einfach deinen Zauberstab gezogen und gesagt, dass du eine Kreditkarte willst?“

 

Und sie sah, dass er es hasste, dass sie ihn durchschaut hatte. „Du musst sie zurück bringen“, befahl sie tonlos.

 

„Das werde ich bestimmt nicht tun.“

 

„Ist dir klar, dass die Polizei jede Transaktion zurückverfolgen kann?“ Er schien kein Wort verstanden zu haben.

 

„Polizei? Haben diese Muggelkontrolleure nicht Stöcke an ihrem Gürtel? Ich soll mich vor Steinzeitmenschen fürchten?“


„Sie haben auch andere Waffen“, widersprach sie leise und schüttelte dann energisch den Kopf. „Du hast dafür gerade zu stehen. Du kannst nicht einfach…“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. „Irgendwer wird sich beschweren!“, endete sie hilflos.

 

„Na und? Wir sind in Paris“, erklärte er ungerührt.

 

„Malfoy, Computern ist es egal, wo du bist. Dein Name ist auf der Karte.“

 

„Dann werde ich den Computer zerstören. Dann werde ich eben alle umbringen, die mir wegen Kleinigkeiten an den Hals wollen. Könntest du bitte aufhören, mir Vorhaltungen zu machen, Granger?“


„Was, wenn da keine Deckung ist? Wenn das Konto jetzt überzogen wurde und der Inhaber Zinsen zahlen muss, weil es überzogen ist?“ Jetzt sah sie, dass sie ihn völlig verloren hatte.


„Bist du wahnsinnig geworden?“, fragte er also vorsichtig und sie hätte ihn schubsen können.

 

„Ich? Wozu hast du das überhaupt gemacht?“

 

„Es wird keiner merken. Ich habe nicht vor, diese Karte noch einmal zu benutzen. Der Bankangestellte hat keine Erinnerung an mich. Und ich bin in keiner Muggelbehörde als existierender Mensch gelistet. Also… reg dich ab.“

 

Er hatte ihre Frage nicht beantwortet.

 

„Wieso hast du das getan?“, fragte sie also noch einmal und schloss die Augen. Kurz schwieg er.

 

„Kannst du dir das nicht denken?“ Ihre Augen öffneten sich skeptisch und betrachteten seine Züge, die wieder einmal mehr als selbstzufrieden wirkten.

 

„Nein, Malfoy“, sagte sie also kalt. Er lächelte plötzlich. Es war etwas Wunderschönes. Und sie konnte nicht begreifen, wie etwas so schönes, so falsch und gemein sein konnte.

 

„Natürlich nur, um dich noch ein klein wenig mehr zu quälen, Granger.“ Irgendwie klangen seine Worte nicht völlig aufrichtig. Aber vielleicht irrte sie sich, weil sie gerne hören würde, dass er kein Monster war. Aber sie würde sich auch mit ihrer ursprünglichen Meinung über ihn abfinden können.

 

Das Gespräch mit ihm kam ihr unendlich weit entfernt vor. All die Beleidigungen, all die bösen Worte.

 

„Ich hasse dich“, sagte sie also.


„Das heißt, du fliegst mit mir?“, ignorierte er die kalten Worte und legte den Kopf ein wenig schräg.

 

„Ich fliege, weil ich keine Wahl habe. Ich fliege, damit du morgen nicht da stehst und es so aussieht, als kümmerst du dich wirklich um diesen Job. Ich fliege, damit ich meine Pflicht erfüllen kann.“ Er grinste, aber sie wollte nur noch weinen. „Ich fliege, weil es mir mehr bedeutet, in Paris zu sein, um zu arbeiten, als dir die Genugtuung zu verschaffen, auch nur eine Sekunde zu glauben, du würdest so viel Abscheu in mir wecken, dass ich diesen Flug wegen dir nicht nehmen würde!“

 

Zuerst schien er unbeeindruckt von ihren Worten zu sein. Dann verlor sein Grinsen an Überzeugung, aber es blieb auf seinen Lippen liegen. Als wäre es dort hin gemalt worden. Als könnten ihn Worte schon längst nicht mehr verletzten.

 

Sie wusste, er wollte irgendwas Entsprechendes sagen. Sie wusste, er würde zu gerne ihre Worte verdrehen, sie so auslegen, als könne sie nicht widerstehen und würde aus purer Liebe mit ihm fliegen, aber er tat es nicht. Er schwieg und hielt ihr das Ticket entgegen. Sie schnappte es aus seinen Fingern und stürmte an ihm vorbei.

 

Sie holte sich noch einen Kaffee. Der würde ihr zwar nicht helfen, sich zu beruhigen, aber immerhin hatte sie somit noch ein wenig Ruhe. Sie sah ihr Gate aus den Augenwinkeln. Und sie sah, wie sich ein junges Mädchen neben Malfoy setzte. Sie war hübsch. Das schien auch er zu denken, denn er ließ die Muggelzeitschrift sinken, die er sich anscheinend gekauft hatte. – Oder geklaut!

 

Sie konnte nicht hören, was die beiden sagten, aber sie wollte es auch nicht wissen. Sie Blick traf sie knapp, als er den Kopf in ihre Richtung wandte, aber sie senkte ihren Kopf schnell über den dampfend heißen Becher. Er sollte nur nicht denken, dass sie ihn ansehen würde. Und es interessierte sie nicht, dass sich Muggelmädchen neben ihn setzten. Sie schämte sich im Namen aller Muggel für dieses Verhalten.

 

Mädchen waren eben immer gleich dumm. Ob Muggel oder Hexe.

 

Dann wurde es Zeit. Sie hatte ihren Koffer aufgegeben und klammerte sich an ihr Handgepäck. Malfoy hatte sie aus den Augen verloren und sie lief mit einigen anderen durch die schmale Rühre hin zum Flugzeug.

 

Eine Stewardess begutachtete lächelnd ihr Ticket und winkte sie durch die gesamte Maschine in den vorderen Teil, wo die erste Klasse mit einer eleganten Schiebetür vom Rest des Flugzeugs getrennt war. Er saß bereits auf seinem Platz aus die Stewardess neben ihm anhielt.

 

„Ms Granger, Sie können ihr Handgepäck in der Ablage über sich unterbringen oder in der Schublade im vorderen Sitz. Ich wünsche Ihnen einen sehr angenehmen Flug und wenn Sie einen Wunsch haben sollte, bitte zögern Sie nicht.“ Lächelnd wandte sie sich wieder ab.

 

Malfoy saß am Fenster. Und er vergaß tatsächlich spöttisch oder gemein zu sein, denn sein Blick war gefangen von all den Dingen, die ihm unbekannt waren.

 

Sie schob also ihr Handgepäck in die Ablage. Abgesehen von ihrem kleinen Französischbuch, mit dem sie praktische Vokabeln lernte. Sie setzte sich neben ihm und die Sitze waren tatsächlich so breit, dass sie ihn nicht berühren konnte, wenn sei den Arm auf die extra breite Lehne legte. Das weiche Leder fühlte sich warm unter ihr an und es war tatsächlich unheimlich bequem, auf diese Art zu reisen.

 

Aber trotzdem säße sie lieber in der zweiten Klasse neben zwei Trollen eingequetscht, als allen Platz der Welt neben Malfoy zu haben.

 

Der Pilot machte einige Durchsagen. Darunter auch, dass sie jetzt starten würden und alle Passagiere die Anschnaller prüfen und anlegen mussten. Malfoy wirkte kurz überfordert. Er sah in ihre Richtung, als sie sich den Gurt über den Bauch legte und in den Anschnaller steckte.

 

Hastig folgte er diesen Bewegungen, aber er zog zu hastig an dem Stoffgurt, der einrastete und sich nicht weiter bewegte. Er fluchte unterdrückt und sie glaubte die Worte Muggel und Idioten zu hören.

 

Sie verdrehte die Augen und griff nach seinem Gurt. Er ließ los und sie zog den Gurt langsam über seinen Bauch. Sie wartete bis der Anschnaller zuschnappte und beugte sch dann endlich wieder zurück. Sein Parfum hatte sie schon vollständig benebelt. Er roch wie immer und es schockierte sie, dass sie so großen Gefallen an seinem Duft gefunden hatte.

 

„Danke, Granger“, sagte er mit einem flüchtigen Grinsen und sie lehnte sich stumm zurück. Dann startete der Motor und Malfoy verlor jegliche Farbe. Seine Hände krallten sich in die Lederlehnen und es dauerte nur eine Sekunde länger, ehe er panisch den roten Service Knopf drückte. Die Stewardess erschien eilig, denn in der ersten Klasse galten andere Regeln.


„Hilfe!“, sagte er tonlos und seine Augen waren weit aufgerissen. Sie musste lächelnd und senkte den Blick in ihre französische Lektüre.


„Eine Bloody Mary, Mr Malfoy?“, fragte die Stewardess mit nachsichtigem Lächeln und er war zu schockiert, um irgendwas zu sagen. „Sofort“, fügte sie nickend hinzu und kam nach einigen Sekunden zurückgeeilt.

 

„Hier bitte sehr. Machen Sie sich keine Gedanken. Der Kapitän fliegt diese Strecke jeden Tag zweimal“, beteuerte sie. Malfoy schien ihr nicht zuzuhören.


„Alkohol?“, fragte er verwirrt, nachdem die Dame gegangen war. Sie seufzte auf und brach ihr eigenes Versprechen, nicht mit ihm zu sprechen.

 

„Der Tomatensaft betäubt deinen Gleichgewichtssinn. Und der Alkohol… nimmt dir die Angst“, fügte sie lächelnd hinzu.

 

„Ich habe keine-“ Kurz bockte das Flugzeug auf, als es anscheinend über eine unebene Stelle auf der Startbahn fuhr. „Granger!“, fügte er hinzu, und seine kalten Finger umschlossen ihr Handgelenk.


„Trink einfach, Malfoy!“, befahl sie und versuchte ihre Hand wieder frei zu bekommen. Er hielt sie fest, während er die rote Flüssigkeit hastig seine Kehle hinabstürzte.

 

„Bei Merlin!“, flüsterte er, als das Flugzeug schneller wurde. „Wer zum Teufel, hat sich das ausgedacht? Wieso kannst du nicht einfach apparieren, wie jeder normale Mensch?“, knurrte er plötzlich. Sie entriss ihm ihre Hand.

 

„Du wolltest doch unbedingt hinter mir her dackeln, Malfoy!“ Er schien diesen Vorwurf von sich weisen zu wollen, aber anscheinend war ihm zu schlecht dafür. Er war sehr blass.

 

„Das war überhaupt nicht-“ Er schloss die Augen als der Pilot wieder sprach. Dieses Mal erklärte er, dass die Maschine abheben würde und sie sich abschnallen konnten sobald die Anzeige ausgehen würde. Malfoy schien jetzt kurz vor einem Schock zu stehen. „Ich muss hier raus!“ Seine Finger versuchten hastig den Anschnaller zu öffnen, aber er bekam es nicht fertig und fluchte zornig. Sie sah, dass er kurz davor war, seinen Zauberstab zu ziehen. Weiß Gott, wie er den überhaupt ohne Kontrolle mitgenommen hatte. Wahrscheinlich hatte er ihn magisch versteckt, aber das war unwichtig. Denn gleich würde er wahrscheinlich die Maschine zum Absturz bringen.

 

Energisch griff sie nach seinen Händen.

 

„Malfoy, du musst dich beruhigen. Beim ersten Mal ist Fliegen immer etwas…“ Sie suchte nach den richtigen Worten, aber er sah sie panisch an.

 

„Lass mich los! Ich mach das garantiert nicht mit! Nichts ist es wert, seinen verdammten Hals zu riskieren und mit diesem Muggelmonster abzu-“

 

Sie hatte sich vorgelehnt. Ihr Gurt gab nach, soweit beugte sie sich rüber.

Ihre Lippen verschlossen seinen Mund, ehe er seiner Panik nachgab. Und sie hasste ihn. Sie hasste ihn dafür, dass er sie so weit brachte!

 

Er versteifte sich unter der Berührung. Sie spürte, wie schnell sein Atem ging, und dass dies wahrscheinlich nicht reichen würde, um seine Nerven zu beruhigen. Sie schmeckte den Alkohol, als sie ihre Zunge in seinen Mund gleiten ließ. Ganz vorsichtig. Ihre Hände hatten sich auf seine Wangen gelegt.

 

Sie merkte, wie er von seinem Gurt abließ und beinahe unsicher die Hand um ihren Nacken legte. Sie spürte, wie er sich anstrengte, um sich in diesem Kuss zu verlieren, aber seine Brust hob und senkte sich in raschen Abständen. Dann hoben sie ab.

 

Sie spürte, wie er scharf die Luft einsog. Sie griff zwischen ihre beiden Körper, fand den Kippschalter für die breite Lehne und schob sie mit einem Ruck nach oben. Jetzt war keine Barriere mehr zwischen ihnen und er reagierte sehr schnell. Er zog sie hart an sich, dass ihr Gurt kurz blockierte. Dann gab das Material wieder nach und sie fand sich an seinen harten Oberkörper gepresst wieder.

 

Und sie versuchte, nüchtern zu bleiben. Sie küsste ihn, um ihn abzulenken. Nicht, weil sie große Freude dabei empfand. Was ihren Körper anging…, der schien sie hintergehen zu wollen und genoss tatsächlich die Berührung des furchtbaren Monsters.

 

Aus Malfoy sprachen die Verzweiflung und die Angst. Hart stieß seine Zunge in ihren Mund und sie tat ihm diesen Gefallen. Nur diesen, nur dieses eine Mal. Sie erwiderte den Kuss und ihre Finger fanden den Weg in seine dichten Haare.

 

Er hielt sie so fest, als wolle er sie nie wieder loslassen, presste sie an sich und seine Lust schien Besitz von ihr zu ergreifen. Es kribbelte in ihrer Mitte und fast stöhnte sie gegen seine geschwollenen Lippen.

 

Nur am Rande merkte sie, dass das Flugzeug die vorgeschriebene Höhe erreicht hatte. Aber noch war ihr Körper unwillig, diesen Kuss zu unterbrechen.

 

Und Malfoy schien daran auch keinen Gedanken zu verschwenden.

 

 

Teil 15

 

 

Die zwei Stunden Flug waren ihm tatsächlich kürzer vorgekommen, obwohl er ganz sicher sagen konnte, dass er nicht noch einmal fliegen würde! Garantiert nicht mehr. Dass er ihre Hand immer noch fest in seiner hielt, auch als sie die seltsame Röhre verlassen hatten, durch die anscheinend alle Passagiere das Flugzeug verlassen mussten, fiel ihm nur am Rande auf.

Ihr anscheinend auch.

 

Erst als sie in Richtung Gepäckband gingen, schien sie es wirklich zu registrieren. Mit einem Stirnrunzeln betrachtete er das seltsame Gerät, das immer in der Runde zu laufen schien, und das ohne Magie. Koffer über Koffer häuften sich darauf und die Muggel schienen es besonders spannend zu finden, denn alle drängelten sich nah an das Band.

 

Sie entzog ihm langsam ihre Hand. Sie fehlte ihm nahezu augenblicklich, aber das sagte er nicht laut. Stattdessen hob er die Augenbraue und schaffte es tatsächlich nach zwei Stunden Panik, gemischt mit unmenschlichem Verlangen, ein Lächeln auf seine Lippen zu zaubern.

 

„Das war es dann also?“, fragte er und war froh darüber, dass seiner Stimme seine Flugangst, wie es die Muggel nannten, nicht anzuhören war.

Sie sah ihn an mit dem Blick, den er von ihr schon länger gewöhnt war. Aber dieses Mal schien sie nicht wirklich sauer auf ihn zu sein, sondern eher auf sich selbst.

 

„Ja, das war es, Malfoy“, erwiderte sie bitter. Allerdings musste er gestehen, dass sie nicht so aussah, als würde sie ihre Worte wirklich aufrichtig ernst meinen. Er hatte nicht unbedingt erwartet, benebelt und ein wenig betrunken in Paris anzukommen. Aber er war froh, überhaupt angekommen zu sein.

 

Seine Erleichterung machte es ihm auch wirklich schwer, jetzt noch eine Diskussion mit ihr zu führen. Denn unterm Strich konnte er sagen, er würde sie jetzt ja sowieso jeden Tag zu Gesicht bekommen.

 

„Monsieur Malfoy? Je m’appelle Francois Dubois et malheureusement, je ne suis pas sûr si vous avez recu le message de votre père?“ Für einen Moment musste er nachdenken. Aber es war herrlich, Grangers Ausdruck zu beobachten. Er räusperte sich und schenkte dem fremden Mann, der ihn betont freundlich betrachtete, seine volle Aufmerksamkeit.

 

„Bonjour Monsieur Dubois. Non, bien sûr que non! Mon père est un esprit étoit. Voulez-vous dire moi où puis-je faire enregistrer mes bagages?“ Grangers Mund hatte sich langsam geöffnet. Draco zeigte knapp auf seinen relativ kleinen Koffer und der Mann griff beherzt zu und wartete dann nickend auf weitere Instruktionen.

 

„Was erzählst du da? Kennst du den Mann?“, flüsterte Granger und schien für einen kurzen Moment zu vergessen, dass sie sauer auf sich, auf ihn und auf die Welt gewesen war.

 

„Excusez-moi“, mischte sich der Franzose jetzt ein. „Madame Granger?“, fragte er freundlich und sie lächelte schüchtern.

 

„Mademoiselle“, verbesserte Draco automatisch.

 

„Il faut nécessaire qu’on devons accoampagner Mademoiselle Granger?” Draco musste kurz lächeln.


„Was hat er gesagt?“, zischte sie leise und er lehnte sich näher zu ihr.

 

„Er hat mich gefragt, ob mir die Nachricht meines Vaters zugegangen sei, denn das hier ist mein Assistent. Er übernimmt mein Gepäck und hat möchte wissen, ob es nötig ist, dass wir auf dich aufpassen?“ Das war ein wenig freier übersetzt, aber er wusste genau, was sie dachte. Es war offensichtlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte.

 

Aber sie war in Paris heillos verloren, das wusste er auch. Aber würde sie sich in zwei Sekunden nicht geäußert haben, dann war das ihr eigenes Pech. Er sah sich am wesentlich längeren Hebel und es wäre eine verdammt grandiose Sache, Hermine Granger hilflos zu erleben. Dann müsste sie nämlich endlich über ihren Schatten springen.

 

Der Moment verging, in dem sie im Kampf mit sich selbst gefangen war.

 

„Non, Francois, pas nécessaire“, erklärte er also knapp und damit nickte sein Assistent und verabschiedete sich mit einem Lächeln von Granger.

 

„Wo geht er hin?“, fragte sie jetzt und sah ihm nach.

 

„Ich nehme an, er wird draußen auf mich warten und mich zu meinem Hotel bringen“, erwiderte er zufrieden.


„Du hast ein Hotel?“, wiederholte sie eine Spur gereizter.

 

„Ich bin Draco Malfoy. Was denkst du? Dass ich auf der Straße schlafe?“, neckte er sie leise. Sie streckte den Rücken durch. „Ich habe ihm gesagt, dass du keine Hilfe brauchst. Du kannst deine Meinung ändern, Granger. Jederzeit… Du musst es nur sagen“, forderte er mit einem Grinsen.

 

Sie reckte ihr Kinn trotzig vor. „Nein. Vielen Dank. Ich brauche deine Hilfe ganz bestimmt nicht, Malfoy“, erklärte sie, so würdevoll es ging.

 

„Wie du willst.“ Damit wandte er sich ab. Vorerst hatte er genug gesagt. Vorerst hatte er genug Zeit mit ihr verbracht. Er wusste, sie sah ihm ganz bestimmt nach, aber er widerstand der Versuchung, sich umzudrehen und sie noch einmal anzusehen.

 

Er konnte ihre Lippen noch auf seinen spüren und er wusste, es fiel ihm schwer, sich auf die gemeinen Dinge zu konzentrieren, wenn er noch völlig von ihrer Präsenz eingenommen war. Er fragte sich auch, wann sein Vater den Kontakt zu ihm suchen würde. Wahrscheinlich ging dann sowieso nur darum, wie viel Gold er machte und wann sein Vater damit rechnete, dass ihr Familienvermögen zur Neige ging.

 

Aber diese Sorge konnte Draco nicht besonders schocken. Der Gedanke war ein wenig beunruhigend, denn für einen Moment lang befiel ihn nicht der kalte Schock, wenn er überlegte, dass die Möglichkeit der Armut für ihn bestand.

Es machte ihm gar nicht so viel aus. Vielleicht wäre es nicht die schlechteste Sache, die passieren konnte. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass sein Vater das Restvermögen verlor.

 

Gut, er müsste dann aus seiner Wohnung auszuziehen, weil sie dann wohl nicht mehr mit seinem Pflichterbteil zu halten war, den er schon vor Jahren bekommen hatte, aber selbst eine kleine Wohnung schockierte ihn im Moment eher weniger. Ob es an Paris lag, an den Menschen, die sich geschäftig durch den Flughafen schlängelten, oder an der Tatsache, dass er noch ein wenig berauscht vom Flug war, oder daran, dass er Hermine Granger beinahe als nötig für sein Leben betrachtete, wusste er nicht mit Sicherheit.

 

Er würde jetzt abwarten. Denn was anderes konnte er auf seiner Strafversetzung nicht tun. Aber es juckte ihn in den Fingern anzufangen und sie ständig um sich zu haben, weil sie keinen Satz französisch konnte und zu ihm gehen musste, wenn sie Hilfe brauchte.

 

So sah es in seinem Kopf zumindest aus.

 

 

~*~

 

 

Und auch am nächsten Tag hatte das Grinsen nicht aus seinem Gesicht verschwinden können. Er saß gelassen in dem Besucherstuhl seines Vorgesetzten. Direkt neben Granger. Allerdings saß diese seit fünf Minuten nicht mehr.

 

„Was wollen Sie damit sagen?“ Sie musste sich zusammen reißen, nicht zu schnell zu sprechen, denn ihr Vorgesetzter war nicht nur ein Verfechter der französischen Sprache und seines Nationalstolzes, der ihm verbot eigentlich auch nur so zu tun, als würde er einen Fetzen Englisch verstehen, aber er war zudem auch noch ein Sexist. Aber das hatte Draco lediglich in der privaten Sphäre seines Kopfes festgestellt. Granger schien diese These laut äußern zu wollen.

 

„Isch abe bereits gesagt, was isch denke, n‘est pas, Ms Granger?“

 

„Nein, Sie haben gesagt, dass Sie denken, dass wir ein Team bilden sollten. In einem Büro!“, brauste sie auf. Draco versteckte sein Lächeln hinter vorgehaltener Hand und senkte den Blick, als ihm sein Vorgesetzter, Monsieur Cassé, einen hilfesuchenden Blick zuwarf.

 

„Aber was Sie eigentlich damit sagen wollen, ist doch, dass Sie es einer Frau nicht zutrauen, diesen Job alleine zu bewältigen, oder nicht, Monsieur Cassé!“ Sie starrte ihn zornig an. Der Mann lockerte den Knoten seiner Krawatte um den Hals.


„Isch denke nur, dass es nischt ünbedingt einer Notwendischkeit entsprischt, dass wir ier in diese Abteilung su… emotional werden?“ Es endete als Frage. Draco konnte sich vor Lachen kaum halten. Wenn es für Granger etwas Schlimmeres gab als einen Todesser, dann war es wohl ein Mann, der glaubte, dass eine Frau nicht so viel wie ein Mann zustande bringen konnte.

 

Emotional? Was genau soll das bedeuten? Dass ich meine Periode bekomme und aus Versehen zweihundert Toaster verhexe, um die Muggelbevölkerung von Paris zu jagen?“, schrie sie fast, und er konnte sehen, dass Monsieur Cassé nicht recht verstanden hatte.

 

„Außerdem“, fuhr der Vorgesetzte jetzt strenger fort, „sind Ihre Französischkenntnisse bei weitem nischt gut genug, um sisch alleine in Paris surescht su finden.“ Diesmal konnte Granger nichts dazu sagen. Aber was sollte sie tun? Ihre Französischkenntnisse verteidigen? Dann würde er wahrscheinlich vom Stuhl kippen vor Lachen.

 

„Ich bin im Begriff zu lernen, Monsieur Cassé“, widersprach sie jetzt.

 

„Bis Sie es beherrschen, möschte isch, dass Sie mit Mr Malfoy susammen arbeiten. Aben wir uns verstanden, Ms Granger?“ Und sie war kurz davor, erneut zu widersprechen, aber sie riss sich zusammen. Und das war wohl eine der schwersten Sachen, die sie jemals hatte tun müssen.

 

„Fein“, erklärte sie, und nur Granger konnte wirklich ein Wort laut äußern und damit explizit ganz genau ein völlig anderes meinen.

 

Sie verließ vor ihm das Büro und er folgte ihr lächelnd. Soweit er es mitbekommen hatte, war ihre Unterkunft ein Rattenloch, bewohnt von Ratten, schmutzig und kalt; dann hatte sie sich auch noch verlaufen und war an ihrem ersten Tag zu spät erschienen und die größte Überraschung hatte jetzt vorhin auf sie gewartet: Nämlich, dass Sie nicht hübsch und nett allein in ihrem Büro sitzen konnte.

 

Und eigentlich war es seine Schuld. Er hatte Cassé den Floh ins Ohr gesetzt, dass Granger vielleicht nicht alleine zurecht kam. Dabei ging es ihm auch um sich selbst. Denn es war zwar ein Ministerium, aber er würde in der Muggelabteilung arbeiten. Zwar gab es dort auch einige Sachen, die mit der internationalen magischen Zusammenarbeit in Verbindung standen, aber sie waren durchaus langweiliger.

 

Aber er war hier nicht zum Vergnügen. Er war hier, damit sein Vater krumme Geschäfte in London abwickeln konnte, ohne dass sein Sohn ihm in die Quere kam. Er war schon gespannt, wie lange er hier absitzen musste. Er nahm an, dass es Granger nicht besonders lange hier aushalten würde.

 

In dem neuen Büro standen bereits zwei Schreibtische und er liebte die Aussicht, dass sie wahnsinnig werden würde. Spätestens morgen, wenn nicht schon heute Abend. Sein Hotel war atemberaubend und er hatte natürlich auch noch seinen Assistenten, der ihm jeden Wunsch erfüllte.

Es musste sich nur noch um eine Frage der Zeit handeln, bis Granger ihn bat, ihm zu helfen.

 

Er sah ihren verzweifelten Blick als sie auf den Stapel an frischen Fällen auf ihrem Schreibtisch blickte. Denn die Fälle waren auf Französisch verfasst. Der Einfachheit halber. Er zählte schon die Sekunden, bis sie ihr kleines Wörterbuch zur Seite warf und ihn wütend anfunkeln würde.

 

Er kannte die meisten Worte. Die Fälle waren ihm reichlich egal. Er wollte sie leiden sehen. Er wollte hören, dass sie ihn brauchte. Für… eigentlich alles. Sie hatte sich ihre kleine Reise wohl anders vorgestellt.

 

Bisher entsprach die Reise ziemlich exakt seinen geschätzten Vorstellungen.

 

Und es machte ihm verfluchten Spaß.

 

Es machte ihm Spaß, dass sie Probleme mit der Sprache hatte. Hermine Gryffindor Granger hatte ein Problem, was sie selber nicht innerhalb von zwei Stunden in den Griff bekommen konnte. Und das war noch nicht alles, was absolut großartig war.

 

Die zweite Sache betrat gerade das Büro. Granger würde wahrscheinlich gleich jemanden umbringen. Und wahrscheinlich sogar Clarise Chagal.

 

„Dra-co?“ Sie betonte seinen Namen auf eine Art und Weise, die er unwiderstehlich fand. Die andere Sache war nämlich, dass Granger hier nicht besonders gut ankam. Nicht bei den Herren der französischen Schöpfungen, denn sie verstand es nicht, die Spiele zu spielen, die die französischen Männer so unwiderstehlich fanden. Sie wollten keine Frau, die sagte, was sie dachte oder sagte, was sie wollte. Sie wollten eine geheimnisvolle Frau. Eine Frau, die einen Schmollmund zog und tiefausgeschnittene Kleider trug.

 

„Oui, Clarise?“, wandte er sich an die junge Schönheit, die soeben sein Büro betreten hatte. Seins und Grangers.

 

„Wir arbeiten!“, erklärte Granger jetzt aufgebracht, aber Clarise tat so, als verstünde sie kein Wort. „Nous travailons, oui?“, fügte sie energisch hinzu, aber Clarise schenkte ihr ein ahnungsloses Lächeln.

 

„Möschtest du mit mir su die Mittagessen gehen, Dra-co?“, fragte sie warf die Haare über ihre Schulter. Sie waren lang und glänzend braun. Granger hatte ähnliche Haare, aber Clarises Haare warfen keine wilden Locken. Sie waren glatt und geordnet.

 

„Dra-co muss leider arbeiten. Und es ist elf Uhr. Keiner isst um elf Uhr zu Mittag!“, fügte sie zornig hinzu. Clarise betrachtete Granger, als wäre sie die Anti-Frau. Es gab so offensichtliche Unterschiede, dass Draco wieder einmal das Verlangen verspürte zu lachen oder wenigstens zu lächeln.

Clarise trug einen kurzen Rock, ein Oberteil, dass Pansys Oberteilen Konkurrenz machen konnte und ihre tiefroten Lippen verzogen sich im Sekundentakt zu einem göttlichen Schmollmund.

 

Granger hatte rote Wutflecken auf den Wangen, sie trug eine Jeans, ein helles Shirt und hatte sich noch nicht die Haare waschen können, nahm er an. Deswegen steckten sie alle in einem dichten Pferdeschwanz, der ihr ständig über die Schulter fiel. Es fiel ihm nicht besonders schwer, ein Arschloch zu sein.

 

„Je voudrais manger, Clarise“, erklärte er freundlich und warf sich sein Jackett über die Schulter. „Ms Granger kann hier auch ohne mich weiter arbeiten. Sie kommt hier bestens zurecht, oder… etwa nicht?“, fügte er mit einem wissenden Blick hinzu. Für eine Sekunde dachte er wirklich, sie würde die Wahrheit sagen und zugeben, dass sie es hier hasste und ohne ihn, keine einzige Akte bearbeiten konnte, aber stattdessen funkelte sie ihn wieder einmal böse an und setzte sich demonstrativ an ihren Schreibtisch.

 

„Au revoir“, rief er noch über die Schulter, ehe er der lachenden Schönheit nach unten folgte. Die Franzosen aßen nicht besonders viel, aber dafür taten sie es ständig. Daran würde es sich schon gewöhnen können.

 

 

Teil 16

 

 

„Regnet es in deinem Apartment?“ Apartment war zu viel gesagt, befand sie. Und sie ignorierte Rons Frage einfach.

 

„Wie geht es Ginny? Und Harry? Und euch natürlich?“, fügte sie wiederwillig hinzu, als sie sah, wie Pansy hinter Ron durch das Zimmer schritt.

 

„Ginny und Harry geht es gut. Und uns geht es hervorragend.“ Das hörte sie ungerne. Sie wartete immer noch darauf, dass Ron sich schlecht über Pansy äußern würde, aber dies geschah nicht.


„Also hat noch keiner geheiratet, ohne Bescheid zu sagen?“, fragte sie und versuchte fröhlich zu klingen. Sie scheiterte. Aber wer würde das nicht tun? Schließlich hasste sie es in Paris, der Stadt der Einsamkeit und Unhöflichkeit, denn es regnete sogar in das Rattenloch, das ihr als Wohnung angedreht worden war.

 

Die zwei spärlich eingerichteten Zimmer, die sie hier zu Wucherpreisen bewohnen durfte, waren den Namen Zimmer nicht wert. Die Türen hingen schief in den Angeln, es zog durch jede Ritze und ihr Teppich war eine nasse Schmutzpfütze, die das Wasser auffing.

 

„Nein. Ginny und Harry sind noch nicht verheiratet“, erklärte Ron lächelnd. „Ich habe noch nicht verstanden, weshalb du überhaupt so schnell weg musstest“, fing er wieder an.

 

„Ich… wollte was anderes sehen“, erklärte sie.

 

„Wieso wohnst du nicht im Á-côté?“, mischte sich Pansy jetzt ein. Das Á-côté war wohl die beeindruckendste magische Hotelkette überhaupt. So wie das Hilton für die Muggel dieser Welt. Und natürlich wohnte Malfoy im Á-côté. Sie natürlich nicht. Sie beschloss Pansys Frage zu überhören.


„Erzähl mir von Zuhause, Ron?“ Er lachte plötzlich. Pansy war wieder geschäftig verschwunden.


„Es regnet“, erwiderte er. Sie wusste, der Regen Zuhause war bestimmt angenehmer und freundlicher. Und vor allem, würde er Zuhause auch nicht in ihre Wohnung regnen. „Aber du bist in Paris! Was macht die Liebe, Hermine?“, fragte er mit einem Grinsen.

 

„Gar nichts, Ron. Ich bin hier nicht hergekommen, um mich zu verlieben.“ Pansy war wieder aufgetaucht.

 

„Weißt du, Potter sieht das ja anders. Er vertritt die Theorie, dass du dich mit Draco in Paris hattest absetzen wollen, damit ihr dort ungestört… verliebt sein könnt, oder so. Das war ja ein ziemlicher Skandal, den ihr da auf der Ehrenhochzeit seiner Eltern ausgelöst habt. Milicent konnte sich gar nicht beruhigen, als sie mir davon erzählt hat.“

 

Milicent Bullstrode. Plötzlich wusste Hermine, wer das viel zu dünne Mädchen gewesen war, das sie beleidigt hatte. Natürlich! Darauf hätte sie kommen können. Aber jetzt schockierten sie Pansys Worte. Und sie vergaß, dass sie sie ignorieren wollte.

 

„Ich hatte keine Ahnung, dass Malfoy hier hin versetzt wurde, ok, Pansy? Und es bestimmt kein Urlaub, den ich hier genieße. Malfoy ist ein verfluchter-“ Pansy unterbrach sie lachend.


„Er hat mir erzählt, dass er selten so eine großartige Zeit erlebt hat. Wie heißt noch mal seine neue Bekanntschaft? Larissa oder so ähnlich?“ Hermine spürte die Bitterkeit in sich aufsteigen. Ja, Malfoy hatte sogar ein Mädchen. Eigentlich sehr viele Mädchen, aber sie war wohl mit Abstand am hübschesten. Sie hatte keine Ahnung, wie ein ganzes Wertesystem in Frankreich vor die Hunde gehen konnte, aber anscheinend waren Männer mehr wert als Frauen.

 

Und Frauen verhielten sich wie Idioten, wie kleine Sexsklavinnen, wie unwichtige Lebewesen, die nur dazu gut waren, Männern die Wünsche von den Augen abzulesen.

 

„Und ihr teilt euch ein Büro? Ziemlich blöd, dass du kein Französisch kannst, oder?“, fuhr Pansy fort und sah Hermine bedauernd an. „Aber Draco kann dir da helfen. Er ist ein exzellenter Lehrer“, fügte sie grinsend hinzu. Und Hermine war sich nicht sicher, was sie damit meinte, aber sie beschloss darauf nicht einzugehen.

 

„Ron, bitte erzähl mir irgendwas“, forderte sie beinahe drohend. Pansy verschwand wieder aus ihrem Sichtfeld.


„Du verstehst dich also nicht mit Malfoy?“, fragte er noch einmal.


„Nein, natürlich nicht. Es ist doch Malfoy!“, fuhr sie ihn an.

 

„Aber du hast in seinem Bett geschlafen? Jedenfalls weiß Harry das von einigen Bekannten, die mit Millicent gesprochen haben. Die hat es von Malfoys Vater. Stimmt das?“ Hermine wusste nicht genau, was sie sagen sollte. Sie hatte mit Ron Kontakt aufgenommen, um über etwas anderes als Malfoy zu sprechen.

 

„Ach Ron, das ist eine lange Geschichte. Und sie ist nicht schön, ok? Es war ein Missverständnis, und es war bestimmt nichts, was ich wiederholen möchte.“ Damit war das Thema abgeschlossen. Auch Ron sah es widerwillig ein.


„Dann ist Paris wohl nicht die romantische Traumstadt für dich, oder? Kannst du nicht einfach in das magische Hotel wechseln, Hermine?“, schlug er vor und sie atmete langsam aus.

 

„Ich habe kein Geld dafür. Ich verdiene genauso viel wie Zuhause. Nur reiche Menschen können sich dieses Hotel leisten.“ Sie hasste Malfoy. Und sie hasste Paris.

 

„Na, Draco sollte doch nicht mehr so lange so reich bleiben“, ging Pansy wieder dazwischen. „Das sollte dich dann doch freuen, richtig?“, lachte sie. Hermine begriff nicht.


„Sein Vater hat ihn anscheinend nur nach Paris geschickt, damit er selber krumme Dinge durchziehen kann. Ich weiß nicht, Draco hat mir gestern erzählt, dass er jeden Tag damit rechnet, dass das Malfoy Imperium zusammenbricht. Und das Schlimme ist… es scheint ihn gar nicht so zu stören!“ Sie sah Hermine kopfschüttelnd an.

 

„Er verliert sein Geld?“ Hermine hatte schon wieder vergessen, Pansy nicht zu beachten.


„Na ja… anscheinend. Wahrscheinlich nicht sofort, aber es sieht so aus. Wusstest du das nicht? Ihr seid doch ein Herz und eine Seele, sagt man“, zog Pansy sie jetzt auf.

 

„Malfoy wird arm?“, wiederholte sie und das war die erste gute Neuigkeit, seit sie in das Flugzeug gestiegen war. Pansy ruckte nur mit dem Kopf und zog sich wieder zurück. Anscheinend langweilte sie das Gespräch wieder.


„Du solltest mal mit Ginny sprechen. Sie ist dir immer noch böse“, fuhr er fort.

 

„Ich weiß“, erklärte Hermine seufzend. Aber sie hatte sich noch nicht dazu durchringen können, mit Ginny zu sprechen. Die würde vielleicht wissen, dass sie eigentlich nur wegen Malfoy umgezogen war. Und jetzt war er auch hier und Hermine hatte nichts gewonnen. Und Ginny würde es wissen, und ihr Vorhaltungen machen. Ganz bestimmt. „Ich meld mich bald bei ihr“, fügte Hermine leise hinzu. Sie wollte darüber nicht nachdenken.


„Dann geh nach draußen. Ins Museum oder was Essen. Vielleicht lernst du wen kennen“, schlug er freundschaftlich vor, aber Hermine sucht nicht nach einer neuen Bekanntschaft oder einem Mann. Sie wollte eine trockene Wohnung und sie musste dringend fließend Französisch sprechen lernen. Am besten noch heute.

 

„Wenn ich Zeit dafür habe. Ja, dann vielleicht, Ron.“ Ihr bester Freund betrachtete sie mit einem so mitleidigen Blick, dass Hermine die Lust nach Smalltalk vergangen war. „Ich… muss jetzt weitermachen. Nett, mit dir gesprochen zu haben. Grüß die anderen.“ Und damit beendete sie das Gespräch.

 

Sie sah sich in ihrer Tropfsteinhöhle um und wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder nach Hause zu fahren. Aber sie musste noch viele Monate aushalten. Das hatte sie so gewollt. Wahrscheinlich war das die erste Entscheidung, die sie bereuen würde; die sie nicht durchdacht hatte und die wirklich einfach schlicht und ergreifend dämlich gewesen war.

 

Aber das würde sie jetzt nicht zugeben. Nicht vor sich, nicht vor Ron und seiner Frau und nicht vor Malfoy. Nicht vor der ganzen verdammten Stadt, die sie zu hassen schien, weil sie keine kleine Französin war, die die Emanzipation der Frau ablehnte und auch in eisiger Kälte Röcke trug, obwohl es gesundheitsschädigend war.

 

Und ihr fiel endlich eine einzige positive Sache ein. Etwas, dass sie fast völlig vergessen hatte. Sie war eine Hexe. Zwar hatte sie bisher immer alles selber gelernt – mit Zeitaufwand und Stundenplänen für ihre Ziele –, aber vielleicht musste sie eine Ausnahme machen. Sie brauchte kein dämliches Französischbuch, um Französisch zu lernen, Merlin noch mal!

 

Es gab Zaubersprüche dafür! Das war vielleicht nicht die beste Lösung, aber immerhin würde sie so nicht völlig vereinsamen und auf Malfoy angewiesen sein, der ihr die Texte mit einem so widerlich selbstgefälligen Grinsen übersetzte, dass sie ihm am liebsten das Gesicht zerkratzen würde.

 

Natürlich hatte sie die wichtigsten Bücher mitgenommen. Und sie wusste, sich magisch eine Sprache anzueignen, war eine Sache von kurzer Dauer, aber immerhin fiel ihr auch wieder ein, dass sie die Löcher im Dach selber beheben konnte. Zwar auch nur temporär, aber sie konnte es!

 

Wie hatte sie vergessen können, was sie wirklich gut konnte? Hastig zog sie ihren Zauberstab und begann die Löcher in der Decke zu stopfen.

Dann würde sie sich um ihr Vokabular kümmern.

 

~*~

 

Es war anstrengend. Dieses Leben, was sie sich ausgesucht hatte.

Es war anstrengend mit Draco Malfoy ein Büro zu teilen und völlig unterschiedliche Aufgaben in derselben Abteilung zu erledigen. Manchmal hob sich ihr Blick von den Aktenbergen, die sie mittlerweile übersetzen konnte. Sie wusste, er wunderte sich. Wenn auch still.

 

Und es war sehr anstrengend. Je stärker sie den Zauber brauchte, also je mehr Wissen sie aktiv anwenden musste, umso häufiger musste sie den Zauber ausführen. Und sie hatte noch ein weiteres Problem. Ihr Sprachzentrum wurde durch den Zauber so stark beeinflusst, dass sie ihn nicht als einzelnen Part einfügen konnte.

 

Sobald sie den Zauber ausgeführt hatte, war sie für ungefähr eine Stunde französisch. Ohne, dass sie es ändern konnte. Sie brauchte so viele Worte in dieser Sprache. Sie brauchte das gesamte sprachliche Wissen, dass selbst ihre Gedanken manchmal französisch wurden. Und weil sie so viel französisches Wissen brauchte, wurde ihre englische Sprache komplett verdrängt.

 

Für eine ganze Stunde. Dann verlor der Zauber nämlich an Wirkung, aber das hatte sie geplant. Denn je stärker diese Sprachdosierung war, umso unwahrscheinlicher war es, dass man sich erholte. Das bedeutete, würde sie auf zwei oder drei Stunden hochgehen, dann würde sie wohl nicht mehr englisch sprechen können. Und das wollte sie wirklich nicht riskieren.

 

Sie versuchte auch in dieser Zeit, nicht zu sprechen, weil sie sich lieber vormachte, dass sie die Sprach so gelernt hatte. Und sie wollte nicht, dass er merkte, dass sie einfach nur seit vier Tagen den Zauber anwandte. Dann würde er wieder grinsen und sie hatte sich eigentlich noch überhaupt nicht von seinen grauenhaften Worten erholt.

 

Und sie hasste seine neue kleine Freundin. Nicht, weil sie eifersüchtig war, sondern… Nein, sie wusste keinen guten Grund. Vielleicht, weil er ein Arschloch war. Vielleicht, weil sie diesen Mann im Flugzeug gerettet hatte! Er hatte sie fast zwei Stundenlang geküsst! Mistkerl.

 

„Kannst du mir die Akte geben?“, fragte er und deutete auf einen dicken Ordner. Sie erinnerte sich, dass dort über irgendwelche Erneuerungen diskutiert wurde, die auch andere Länder zu bezahlen hatten, damit der Muggelschutz aufrecht erhalten werden konnte. Langweilige Sachen. Wie die meisten Sachen, wenn es um Geld ging.

 

Ihr fielen Pansys Worte wieder ein. Malfoy würde bald arm sein. Und es störte ihn nicht. Er machte tatsächlich nicht den Anschein, als interessiere er sich für sein Geld, aber natürlich konnte man ihm nie auch nur die kleinste Gefühlsregung ansehen. Sie griff nach dem Ordner und reichte ihn über ihren Tisch. Er konnte ihn mit seiner Hand erreichen, so nah saßen sie voreinander.

 

„Sprichst du nicht mehr mit mir?“ Sie verstand, was er sagte, aber sie wusste, würde sie den Mund aufmachen, dann würden nur französische Worte über ihre Lippen kommen. Und das wollte sie doch vermeiden. Sie ruckte also nur unverbindlich mit dem Kopf.

 

„Versuchst du dir jetzt Dinge von den französischen Frauen abzugucken? Denkst du, es ist besonders reizvoll, wenn du auf einmal den Mund nicht mehr aufbekommst?“, fragte er belustigt und sie musste sich zusammen reißen, keine französischen Flüche auszustoßen. „Oder… liegt es an den Nebenwirkungen des Zaubers?“, fügte er berechnend hinzu und sie sah ihn an. Sie wusste, sie musste den Zauber gleich wiederholen, denn dessen Wirkung dürfte bald verbraucht sein. Einige Worte in ihren Unterlagen ergaben kaum noch einen Sinn.

 

Après tout, tu as encore de l'argent á te caches”, konnte sie sich nicht beherrschen und erntete seine hochgezogene Augenbraue.

 

„Bitte?“, fragte er jetzt und sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich habe noch mein Geld?“, wiederholte er ruhig. „Du denkst, ich verstecke mich hinter meinem Geld? Immerhin verstecke ich mich nicht hinter der Tatsache, dass ich nicht französisch kann“, entgegnete er und klappte die Akte auf.

 

Sie beschloss zu schweigen.

 

„Wer hat dir das überhaupt erzählt? Spionierst du hinter mir her? Seit wann interessiert dich überhaupt mein Geld, Granger? Denkst du, du könntest die Tatsache deines Zaubers besser machen, indem du den Mund hältst?“, fuhr er fort und lockte sie tatsächlich wieder aus ihrer sicheren Reserve.

 

„Je ne demande pas mieux! Als ob ich mich vor dir rechtfertigen müsse, was…“ Sie unterbrach sich. Na toll. Jetzt war die Wirkung vorbei. Und er hatte es gehört. Er lächelte.

„Ah… vielleicht habe ich jetzt die Chance, dass du wieder mit mir sprichst? Wie lebt es sich eigentlich in deiner rustikalen Wohngegend?“, fuhr er fort und schien den Paragraphen gefunden zu haben, nachdem er suchte. Sie hatte bereits bittere Worte auf der Zunge, von wegen, dass sie zumindest eine Ewigkeit für ihre Bleibe zahlen konnte, während er hoffentlich bald auf der Straße sitzen würde!

 

Aber sie kam nicht dazu.

 

„Schön, Sie beide ier zu finden“, begann Monsieur Cassé, als er ohne zu klopfen das Zimmer betrat. „Isch abe eine kleine Aufgabe für Sie beide“, fuhr er fort. „Ms Granger, Sie aben doch auf eine Außeneinsatz bestanden, nischt wahr?“ Sie war beinahe aufgeregt. Das würde bedeuten, sie käme hier raus.

 

„Ja! Ausgezeichnet, ich könnte diese Auftrag sofort erledigen, wenn Sie wollen, Monsieur Cassé!“ Sie hatte sich schon erhoben.

 

„Ah, ah, ah… So einfach ist es nischt. Aben Sie schon genug Spracherfahrung? Könnten Sie mir eine paar kleine simple Phrasen übersetzen, Ms Granger?“ Sie würde ihm gerne bei seiner Grammatik helfen, aber stattdessen biss sie sich auf die Zunge. Nein, im Moment konnte sie ihm agr nichts übersetzen. „Das dacht isch mir“, fügte er knapp hinzu. „Deswegen wird Mr Malfoy Sie begleiten, Ms Granger.“ Sie sank wieder zurück auf ihren Stuhl.

 

Nein. Das wäre keine schöne Abwechslung.

 

„Oder sind Sie su beschäftigt, Malfoy?“, erkundigte sich ihr Vorgesetzter höflich. „Ansonsten schicke ich Clarise mit Ihnen mit“, wandte er sich wieder an sie. Die Schönheitskönigin? Nein, danke. Auf die konnte sie auch verzichten. Zuerst sah Malfoy tatsächlich so aus, als würde er diese Kombination vorziehen. Sie dachte wirklich, er würde sie mit seiner Eroberung losziehen lassen.

 

„Nein, ich habe Zeit“, sagte er schließlich nach einer quälenden Sekunde. Sie schoss ihm einen bösen Blick zu. Eigentlich war jede Option schlecht.

 

„Ausgezeichnet. Ein paar Unruhestifter wollen die Muggel eute verwirren“, begann er. „Isch abe Informationen su eine geplante Trick.“ Hermine war sich nicht sicher, ob sie verstand. „Diese Spaßvögel wollen eute Abend die Eiffelturm verschwinden lassen.“ Er klang gereizt. Hermine nahm an, dass die wohl alle paar Tage passieren musste. Gehört hatte sie davon noch nie etwas, aber sie nahm an, dass schon viele Erinnerungslöschungen durchgeführt werden mussten.

 

„Isch wäre Ihnen beiden sehr dankbar, wenn Sie sisch darum kümmern könnten. Solsche Streische passieren jede Woche. Und sie sind sehr lästig“, fuhr er fort und wartete.

 

„Woher erkennen wir die Zauberer, die es vorhaben?“, fragte Malfoy jetzt geschäftiger.

 

„Oh, das dürfte unmöglisch sein, Malfoy. Aber Sie sollen dafür sorgen, dass die Eiffelturm höchsten eine Sekunde verschwunden ist. Jeder, der Fragen stellt, wird sofort gelöscht.“ Hermine nahm an, er meinte nur, dass das Gedächtnis gelöscht werden sollte. Das wäre auch nett, einfach die Leute zu löschen.

 

„Um wie viel Uhr?“, fragte sie jetzt, denn sie sah sich schon einem langen grauenhaften Abend gegenüber stehen.

 

„Das ist ein bisschen die Schwierischkeit.“ Jetzt lächelte er französisches Lächeln, dass ganz und gar nicht mit Freundlichkeit zu verwechseln war. „Isch schlage vor, Sie passen auf, wenn die Beleuschtung angeht, nischt wahr?“

 

„Die Beleuchtung geht doch schon um sechs Uhr an“, wagte sie anzumerken. „Wie lange sollen wir warten?“, fügte sie hinzu. Und ihr Vorgesetzter zuckte die Achseln. Es schien ihm egal zu sein. Die französische Mentalität war bezeichnend dafür. Solange es eine andere Person betraf, interessierten sich die Franzosen nicht die Bohne für andere Individuen und ihr mögliches Leid.

 

Auch Malfoy ihr gegenüber schien nicht vollkommen begeistert zu sein.

 

„Ich dachte, ich würde heute mit dem Finanzberater sprechen“, warf Malfoy jetzt ein. Oh, es musste ihm sehr zuwider sein, sein gemütliches Büro zu verlassen und mal wirklich etwas zu tun, damit die Muggel nicht den Verstand verloren.

 

„Nun, denken Sie Ms Granger kommt alleine surescht?“ Es war eine Fangfrage. Und sie wartete. Und sie wusste, Malfoy hätte kein Problem damit, sie alleine durch die riesige Stadt zu schicken, in der man nie ein Taxi bekam und in der die Leute auf stur schalteten, sobald man ein englisches Wort in den Mund nahm.

 

Und sie wusste, was er hören wollte. Sie seufzte auf. Sie hasste ihn.

 

„Bitte“, sagte sie nur.

 

„Was? Ich glaube, ich habe nicht richtig verstanden, Ms Granger?“, ärgerte er sie und sie verdrehte die Augen.

 

„Bitte, Malfoy. Ich brauche… deine Hilfe. Wahrscheinlich“, fügte sie böse hinzu.

 

Er lächelte und sie hasste ihn noch mehr. Sie hatte auf Hochzeiten mit ihm getanzt! Es war ihr unbegreiflich! Er hatte sie ersteigert. Und sie hatte sich vielleicht oder vielleicht auch nicht, ein bisschen, oder auch nicht wirklich, in ihn verliebt. Sie hasste ihre Gedanken.

Und nein – im Moment mochte sie ihn definitiv nicht!

 

 

Teil 17

 

Er glaubte nicht, dass Granger schon mal jemals von der Redewendung gehört hatte, dass Paris die romantischste Stadt auf der Welt war. Er war sich sogar sicher, dass sie diese These ablehnte. Dass er sie hatte überreden können, mit ihm in einem Café Platz zu nehmen, hatte ihn schon einiges an Zeit gekostet.

 

Es war absurd. Das war es wirklich, was es war. Denn jetzt saß er mit Granger in einem entzückenden Café neben dem Eiffelturm. Es war romantisch, es war ein wunderbar warmer Tag und die Vögel sangen sich heiser in der schleichenden Dämmerung. Es roch nach Kaffee und Gebäck, nach Rosen und eben romantischen Anwandlungen, so viele Pärchen streiften durch die Straßen. Zwar war er sich nicht sicher, wie Romantik riechen konnte, aber die Düfte in Paris kamen seiner Vorstellung davon sehr nahe.

 

Er roch Chanel. Es roch überall nach diesem Muggelparfum, was auch die Hexen magisch anzog.

 

Granger hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ihren Kaffee noch nicht angerührt.

 

„Du versuchst mit allen Mitteln gegen die perfekte Atmosphäre vorzugehen, oder?“ Sie warf ihm einen genervten Blick zu.

 

„Siehst du es nicht? Wir sind die dämlichen Engländer, die neu in der Abteilung sind und uns schickt man raus, um so etwas dämliches, wie ein Eiffelturm-Verschwinde-Manöver zu überwachen“, erwiderte sie und betrachtete die Umgebung mit giftigen Blicken.

 

„Du bist einfach verklemmt“, sagte er unbeeindruckt und jetzt sah sie ihn an.

 

„Ich? Verklemmt? Was soll das bitte mit dieser Situation zu tun haben?“, giftete sie ungehalten.


„Wir sind in Paris, Granger!“ Er breitete seine Arme aus, damit sie einmal die Augen aufmachte. Sie sah ihn immer noch an.

 

„Es gibt keinen Ort, an dem ich ungerner sein würde. Vor allem mit dir!“, fügte sie böse hinzu. Er lächelte.

 

„Das kann ich mir nicht denken.“ Sie war wirklich wütend. Hastig starrte sie in eine andere Richtung.


„Warum gehst du nicht einfach? Ich kann das hier auch allein“, beteuerte sie.


„Du willst wirklich, dass ich gehe? Wie willst du nach Hause kommen? Apparieren dürfte noch unmöglich sein. Du kennst dich hier nicht aus, du beherrscht die Sprache nicht, eigentlich bist du hier verloren, Granger“, schloss er grinsend. Sie erhob sich augenblicklich.


„Weißt du, du hast recht. Du kannst den Eiffelturm anstarren, bis du schwarz wirst.“ Sie schritt davon, aber er erhob sich und rief ihren Namen. Ihren Vornamen, laut und deutlich. Sie wandte sich hektisch um.

 

„Sag meinen Namen hier nicht so laut! Und benutz meinen Vornamen überhaupt nicht, ok?“, zischte sie wütend. Er musste lachen.

 

„Denkst du, das macht es besser? Wenn du vor mir davon läufst? Du wolltest mit mir in Paris sein“, fuhr er fort und wusste, das würde sie wahnsinnig machen. Sie kam wieder auf ihn zu. Sie trug immer noch eine Jeans. Sie sollte wirklich mehr Röcke tragen, fand er.

 

„Ich? Ich wollte das? Das ist verfluchter Bullshit, Malfoy!“, knurrte sie. „Ich wollte von dir weg kommen! Ich weiß überhaupt nicht, worüber wir hier reden! Du hast doch eine Kreditkarte gestohlen und wolltest fliegen. Und – tut mir leid – aber es gibt für mich keine andere Erklärung, als die, dass du nicht ohne mich leben kannst.“ Er sah ihr an, dass sie diese Worte selber nicht wirklich glaubte.

 

„Das ist ziemlich weit gegriffen, findest du nicht? Ich meine, bald bin ich arm. Denkst du, da brauche ich auch noch eine arme Muggel? Ich denke, ich werde mich nach einer reichen Erbin umsehen. Außerdem…“ Er betrachtete sie von oben bis unten. „Du machst es einem Mann schwer, dich als Frau zu sehen, Granger. Weißt du noch, als du Kleider getragen hast und mich auf Fluren verführen wolltest?“ Ihre flache Hand schlug hart gegen seine Brust, aber sie schien nicht zu wissen, was sie dazu sagen sollte.

 

„Lass mich einfach in Frieden, Malfoy“, sagte sie leiser als vorher.

 

„Kann ich nicht“, erwiderte er grinsend. „Du willst doch wohl nicht, dass ich Cassé sage, dass du deine Aufgaben nicht ernst nimmst?“ Lauernd sah er sie an. Sie schien hin und her gerissen zu sein, zwischen dem Wunsch zu fliehen, und dem Pflichtbewusstsein, ihren Job zu erfüllen.

 

Die Beleuchtung am Turm schaltete sich in der Sekunde ein. Und er konnte nicht umhin, absolut beeindruckt zu sein. Er vergaß für eine Sekunde, Granger zu beleidigen und betrachtete das seltsame Gebilde, dem die Muggel so viel Bedeutung beimaßen.

Weit nach oben reckte sich das Metall des Turms und die grünen Lichter ließen ihn beinahe giftig aussehen.

 

Es musste einen starken Zauber benötigen, um diesen Turm verschwinden zu lassen. Sie wandte sich schließlich um. Und er wusste nicht, was sie dachte, wenn sie den Turm ansah. Wahrscheinlich nicht, dass er ein romantisches Symbol darstellen sollte. Aber er war sich nicht sicher.

 

„Vielleicht kommt auch keiner“, sagte sie, mehr zu sich selbst. Sie sah ihn nicht mehr an und setzte sich wieder auf den zierlichen Stuhl.

Sie beide wurden Zeugen einer späten Hochzeit. Vor dem Eiffelturm. Anscheinend feierte ein Brautpaar im Restaurant nebenan seine Hochzeit.

Draco lehnte sich entspannt zurück.

 

„Seltsam, dass wir immer zusammen auf Hochzeiten sind“, sagte er nach einer kleinen Weile. Granger beschloss, einfach nichts zu sagen. „Deux Grappa, sil vous plait“, sagte er zu der Kellnerin, die ihm ein französisches, verführerisches Lächeln schenkte. Ihm wurde bewusst, dass er hier sehr gut ankam. Es lag bestimmt an seinen Haaren, nahm er an. Obwohl er sich nicht völlig sicher war. Granger schien es wahnsinnig zu machen, aber sie sagte nichts zu seinem Charme.

 

„Ich werde nicht mit dir trinken“, sagte sie stattdessen.

 

„Warum denkst du, dass einer für dich ist?“, erkundigte er sich mit einem bösen Lächeln. Sie blickte genervt zur Seite und schien förmlich darauf zu warten, dass der Eiffelturm sich auflöste.

 

Nebenan tanzte die Braut mit dem schicken Bräutigam und es hätte ein Bild auf einer Muggelpostkarte sein können. Zwar hätte er lieber das Bild einer so genervten und einsamen Granger vor dem Eiffelturm auf einer Postkarte, aber wahrscheinlich würde sich so etwas nicht gut verkaufen.

 

Die Kellnerin stellte mit einigen Komplimenten die beiden Gläser auf den Tisch. Eines vor ihn und eines vor sie. Sofort schob Granger ihm das Glas zu und er legte die Hand auf ihre. Sie sah ihn beinahe alarmiert an. Er musste lächeln.

 

„Zwei sind vielleicht zu viel für mich. Außerdem…“, fuhr er fort, „verträgst du doch um einiges an Alkohol mehr als ich“, schloss er. Sie sah beleidigt aus.


„Ich trinke nicht viel!“, protestierte sie. Er schüttelte langsam den Kopf.

 

„Natürlich nicht“, erwiderte er und zog seine Hand wieder zurück. Ihre Haut war warm. Genervt trank sie den Grappa und er tat es ihr grinsend gleich. Ein kleiner französischer Musiker mit einer Geige spielte eine furchtbar romantische Melodie und die Gäste im Restaurant erhoben sich. Zu seiner Freude kam eine blonde Schönheit auf ihn zu. Und anscheinend war es Frauen in Paris völlig egal, dass ein Mann mit einer Frau in einem Café saß. Er mochte die französischen Frauen.

 

„Est-ce que tu veux danser avec moi?“, fragte das Mädchen mit einem Lächeln, das zwei tiefe Grübchen auf ihre Wangen zauberte. Er warf Granger einen kurzen Blick zu.

 

„Oh bitte, Malfoy, meinetwegen kannst du hier auf der Straße mit ihr schlafen. Es ist mir absolut egal. Ich kann auch alleine auf den blöden Turm aufpassen“, knurrte sie.

 

„Heißt das, du willst nicht, dass ich mit ihr tanze?“, fragte er knapp. Granger sah ihn böse an.

 

„Tanz mit ihr. Bitte. Dann muss ich dich nicht ertragen.“ Und er tat ihr den Gefallen, nickte dem Mädchen zu und ließ Granger während dieses Tanzes nicht aus den Augen. Das Mädchen bat ihn, sie zu begleiten, denn sie hatte keinen Freund und wollte nicht alleine am Tisch sitzen.

 

„Tut mir leid, ich muss zu meinem Tisch zurück“, erklärte er lächelnd. Er wusste, sie verstand englisch. Alle Franzosen sprachen englisch.


„Su deine Frau?“, fragte sie mit einem Schmollmund. Er lächelte. Das Mädchen schien eine Spur beleidigt zu sein und wandte sich ab, auf der Suche nach einem anderen Mann. Er kehrte zu Granger zurück, die ihn immer noch ignorierte.

 

„Seltsam, dass dich keiner auffordert, oder?“, fragte er belustigt.

 

„Ich bin hier nicht zum Tanzen hingekommen, Malfoy“, erwiderte sie gelangweilt. Er stellte fest, dass sie sich noch einen Grappa bestellt hatte.

 

„Nein, anscheinend bist du hier zum Trinken hingekommen?“, mutmaßte er belustigt. Anstatt sich zu setzen schritt er langsam zu ihr und hielt ihr seine Hand entgegen. „Einen Tanz? Auf die guten Zeiten?“, fragte er jetzt. Sie sah ihn bitter an.

 

„Niemals.“

 

„Niemals?“, wiederholte er ungläubig. „Was ist denn mit Potters Hochzeit? Hast du vor da nicht zu tanzen?“, fuhr er fort und sie sah ihn schockiert an.


„Harry heiratet nicht. Das steht noch nicht fest.“

 

„Ich habe gestern eine Einladung erhalten“, korrigierte er sie und ihr Mund öffnete sich langsam. „Du nicht?“, fragte er mit einem teuflischen Grinsen.

 

„Du lügst“, sagte sie leise.


„Du wurdest nicht eingeladen? Wie… furchtbar“, schloss er. Er erwähnte nicht, dass Potter ihm persönlich geschrieben hatte und erklärt hatte, dass seine Verlobte gerade sauer auf Granger war und dass er sie doch bitte als seinen Gast mitnehmen sollte, denn die kleine Weasley würde sich sonst sehr darüber ärgern, dass sie nur aus Wut auf Granger hatte verzichten wollen.

 

Sie erhob sich erneut. Allerdings nicht, um mit ihm zu tanzen.


„Ich glaube dir nicht. Warum sollte Harry dich einladen?“ Er zuckte die Achseln.

 

„Ich könnte dich als Begleitung mitnehmen, Granger. Du musst es nur sagen. Ein paar kleine Worte aus deinem Mund. Ansonsten wäre Clarise bestimmt sehr interessiert…“ Er ließ die Worte in der Luft hängen.

 

„Ich werde nicht mit dir auf eine weitere Hochzeit gehen“, stellte sie klar.


„Nicht mal auf die Hochzeit deines besten Freundes?“, fragte er erstaunt, mit einem feinen Lächeln.

 

„Anscheinend ist es nicht mehr mein bester Freund“, entgegnete sie böse. „Also, viel Spaß, mit wem auch immer du dort auftauchen wirst. Ich bin sicher, du findest noch eine bedeutungslose Schlampe auf deinem Weg. Es kann ja anscheinend keine die Finger von dir lassen“, fügte sie bitter hinzu. Er musste lachen.

 

„Mal sehen, vielleicht treffe ich ein Mädchen im Flugzeug, die mich wieder belebt.“ Es machte ihm Spaß, zu spielen.

 

„Fick dich, Malfoy“, sagte sie und wandte sich ab. In der Sekunde gingen die Lichter aus. Nicht alle. Aber einige. Und er wusste, der Eiffelturm war wahrscheinlich gerade verschwunden. Allerdings dachte er bei weitem nicht so weit. Sie hatte inne gehalten und als sie sich wieder umdrehte, um zu sehen, was passiert war, zog er sie einfach an sich.

 

„Mal-“ Weiter kam ihr Protest nicht, denn er küsste sie übergangslos. Er spürte, wie sie scharf nach Luft schnappte. Und kurz ließ sie ihn gewähren. Sehr kurz. Dann wich sie zurück, zog den Zauberstab und schritt hastig an ihm vorbei.

 

Um ihn herum waren die Leute ein wenig panisch geworden. Wirre Sätze drangen in seine Ohren. Die Leute wollte die Polizei rufen oder eine Ambulanz. Sie waren verwirrt, sprachen von einem Stromausfall und dann hörte er Granger die Formel sprechen, die ihm völlig unbekannt vorkam. Ihm wurde klar, dass sie wahrscheinlich ein besserer Zauberer war als er. Er wandte sich um.

 

Die Lichter waren wieder an. Der Turm stand unbewegt in der Mitte des Platzes und die Panik legte sich.

 

„Der Turm war noch nicht verschwunden. Aber ich glaube, die Verrückten, die die Lichter gelöscht haben, sind schon weg. So was Verrücktes. Wieso will man den Turm verschwinden lassen?“, fragte sie ärgerlich und sah ihn an. Er konnte sich dafür jetzt gerade nicht wirklich interessieren. Dann schüttelte sie kurz den Kopf. „Ach und wag es nicht, mich noch einmal zu küssen!“, fügte sie böse hinzu.

 

„Komm mit mir zu Potters Hochzeit“, sagte er jetzt, ihre Worte ignorierend. Sie schüttelte den Kopf.

 

„Ich bin nicht eingeladen“, sagte sie bestimmt.


„Granger, komm schon.“ Er schloss den Abstand zu ihr.

 

„Ich werde jetzt gehen.“

 

„In dein Rattenloch?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.

 

„Ja. In mein Rattenloch, Malfoy. Da wartet immerhin kein Verrückter auf mich, der mich hasst oder auch nicht. Der ein Arschloch ist und jede Gelegenheit nutzt, um mich zu verwirren mit…“ Sie wedelte mit den Händen in der Luft und wandte sich wütend ab. Draco warf ein paar Scheine auf den Tisch, obwohl er sich sicher war, dass er zu viele Euros da ließ. Diese Währungsumstellung war sowieso unmöglich für ihn.

 

Muggelgeld sah zwar bunt und interessant aus, aber er liebte Galleonen.

 

„Granger, warte!“, rief er zornig.

 

„Warum?“, fragte sie, während sie weiterlief. „Der Turm wird wohl nicht verschwinden. Und wenn doch, dann ist es mir auch egal!“ Er holte sie ein. Sie sah ihn nicht an.

 

„Granger…“

 

„Was? Ich will nicht mit dir sprechen. Du bist einfach…“ Sie sprach nicht weiter.

 

„Einfach was?“, fragte er und griff nach ihrer Hand. Sie entriss sie ihm hastig. Ihre Wangen waren gerötet und so lässig, wie sie vorgab zu sein, war sie nicht.

 

„Lass mich!“, rief sie jetzt. „Was willst du von mir? Du kannst dich hier hervorragend ohne mich amüsieren“, fügte sie hinzu und er war sich nicht sicher, aber es klang so, als ob sie bald weinen würde.

 

„Das heißt, du kannst es nicht? Heißt es das? Heißt es, dass du es hier hast und einen verfluchten Fehler gemacht hast, dich hier her verschiffen zu lassen?“, fragte er lauernd und sie strich sie zornig eine Strähne hinter ihr Ohr, während sie verzweifelt versuchte, eines der wenigen Taxen an die Seite zu winken.

 

Sie ließ die Hand sinken.

 

„Ja, Malfoy. Zufrieden? Ich habe einen blöden Fehler gemacht! Ich habe gedacht, ich komme hier gut zurecht, aber anscheinend habe ich mich geirrt, ok?“, schrie sie und fluchte leise, als ein Taxi sehr schnell an ihr vorbei fuhr, ohne sie auch nur anzusehen. „Hast du jetzt wieder eine deiner scheiß Wetten gewonnen? Das Schlammblut in Paris?“, fügte sie hysterisch hinzu und er wartete. Schließlich schnappte sie nur noch nach Luft, hatte aber aufgehört zu schreien.

 

„Bist du fertig?“, fragte er ruhig. Sie streckte den Rücken durch.


„Geh endlich.“

 

„Wohin?“, entgegnete er jetzt.

 

„In dein dämliches Hotel, wo die Decken dicht sind und die Frauen vor deiner Tür Schlange stehen, Malfoy! Eben in dein scheiß Hotel!“, fügte sie hinzu. Wieder hob sich ihre Hand, aber weniger enthusiastisch.

 

„Wir… könnten einfach gehen. Zurück. Nach Hause“, bot er langsam an und stellte sich direkt neben sie. Ihre Hand sank.


„Nein, können wir nicht. Erst mal gehe ich mit dir sowieso nirgendwo hin und zweitens… haben wir Verträge“, fügte sie unsicher hinzu.

 

„Na und? Scheiß auf die Verträge“, sagte er jetzt. Sie sah ihn an mit einem Blick aus Verirrung und Unglaube.

 

„Malfoy, dann sind wir arbeitslos. In Paris“, fügte sie böse hinzu und betrachtete die Straßen.


„Du denkst also darüber nach?“, hakte er ein und sie schüttelte den Kopf.


„Nein, natürlich nicht.“ Sie klang nicht so, als ob sie die Worte ernst meinte.

 

„Lass uns nach Hause gehen“, sagte er langsam. Sie sah ihn wieder an.

 

„Nein. Ich kann nicht nach Hause gehen. Ich muss hier arbeiten. Ich habe ein Versprechen abgegeben. Ich habe einen Vertrag unterschrieben. Ich habe meine Wohnung aufgegeben. Ich kann nicht zurück, Malfoy“, erklärte sie müde.

 

„Es gefällt dir hier nicht. Das ist es nicht, was du suchst, oder? Das ist doch wohl nicht die Freiheit, die du dir vorgestellt hast! Deine beste Freundin heiratet, um dich zu ärgern und lädt dich nicht zu ihrer Hochzeit ein“, fuhr er fort. Granger schüttelte langsam den Kopf. „Ich bitte dich, gib doch einfach zu, dass du es nicht willst. Sag doch einfach, dass du die Arbeit hasst und dass es dich stört, wenn mich Frauen zum Tanzen auffordern“, sagte er schließlich und sie verzog den Mund.

 

„Es ist mir völlig egal. Ich bin hier her gekommen, damit ich weg von-“ Sie unterbrach sich. Aber er wusste, was sie sagen wollte.


„Das scheint ja nicht geklappt zu haben. Kannst du nicht einsehen, dass ich gewinne. Egal bei welchem Spiel?“ Sie verengte zornig die Augen.

 

Spiel?“, wiederholte sie eisig. „Das hier ist kein Spiel. Das hier ist mein Leben, Malfoy. Und aus unerfindlichen Gründen bist du ständig dabei!“

 

„Das willst du doch!“, sagte er jetzt lauter.

 

„Was?“ Sie starrte ihn an. „Bist du wahnsinnig? Ich will dich ganz bestimmt nicht ständig dabei haben!“, widersprach sie.

 

„Wann hattest du das letzte Mal so viel Spaß?“, fragte er. Sie öffnete den Mund.


„Du denkst, es macht Spaß? Ich hasse dich, Malfoy!“, rief sie jetzt und schrie förmlich nach einem Taxi.

 

„Ich weiß, dass dir diese Zeit gefällt“, beteuerte er jetzt.


„Was? Was genau, Malfoy? Dass mich dein Vater nach oben tragen muss, weil ich es nüchtern nicht ausgehalten habe? Dass ich mich von dir ersteigern und demütigen lassen muss? Dass ich dein Objekt einer Wette bin, weil ich en Schlammblut-“ Er hob den Finger zu ihren Lippen, plötzlich und ohne Worte.

 

„Granger“, sagte er langsam. „Halt den Mund.“ Er sah in ihre dunklen Augen.

 

„Küss mich nicht“, flüsterte sie fast panisch. Er musste lächeln.

 

„Es ist Paris. Was soll ich sonst tun?“, lachte er. Anscheinend hatte sie keine passende Antwort darauf. „Und ich kann es nicht leiden, wenn du das Wort benutzt“, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu. Ihr Mund öffnete sich.

 

Ein Tropfen fiel auf ihre Nase. Sie blickte nach oben. Anscheinend setzte ein plötzlicher Sommerregen ein. Er grinste breit. Schnell waren seine Haare nass und sein Hemd klebte an seinem Oberkörper. Er beugte sich vor und küsste ihre Nasenspitze. Und sie zuckte nicht zusammen, als er das tat.

 

„Nicht“, flüsterte sie nur.

 

„Das ist verflucht romantisch, Granger“, erwiderte er.


„Nichts mit dir ist romantisch“, verbesserte sie ihn und schloss die Augen. Er sah, dass sie weinte.

 

„Dass ich dich ersteigere? Dass wir Trauzeugen auf einer Hochzeit sind? Die Sache im Flugzeug war nicht romantisch?“, fragte er jetzt. „Dass wir in derselben Abteilung arbeiten ist nicht romantisch? Dass wir in Paris sind? Im strömenden Regen vor dem Eiffelturm?“, fügte er hinzu. „Dass ich mir all die Mühe mache, ist nicht romantisch?“ Ihr Mund öffnete sich langsam. Er biss sich auf die Unterlippe und hob seine Arme.

 

„Ok. Dann… eben etwas anderes…“, begann er. Ihr Mund schloss sich und öffnete sich, aber er ließ sie nicht sprechen. „Wie wäre es damit, Granger, wir schmeißen diese Arbeit hier, apparieren nach Hause, ziehen zusammen in ein winziges Haus, feiern unsere Verlobung und heiraten, bevor Potter es tut?“ Die Regentropfen liefen seinen Nacken hinab, während er sprach, aber es war nicht kalt. Es war nicht einmal unangenehm. Sie starrte ihn fassungslos an.

 

„Hast du mir einen Heiratsantrag gemacht, Malfoy?“, flüsterte sie heiser und schüttelte völlig verwirrt den Kopf. Er zuckte mit den Achseln.

 

„Es ist Paris, Granger“, lachte er. Endlich lächelte sie. Zaghaft.

 

„Ich werde dich bestimmt nicht heiraten“, erklärte sie und wischte sich die Tropfen von der Wange. Ob es nur noch Regen oder Tränen waren, wollte er gar nicht wissen.


„Ok“, sagte er grinsend. „Und der Rest?“

 

„Der Rest?“ Sie starrte ihn an. „Du willst, dass wir kündigen und nach Hause apparieren?“ Er zuckte die Achseln.

 

„Ja“, erklärte er.

 

Und sie überlegte eine Sekunde lang, ehe sie plötzlich lachen musste.

 

„Ok. Lass uns kündigen!“ Sie schlug sich die Hand vor den Mund, aber er sah, dass sie immer noch kopfschüttelnd lächeln musste. Er zog die Hand von ihrem Gesicht und senkte den Kopf. Und eigentlich rechnete er damit, dass es noch länger dauern würde, aber sie gab nach. Sie gab tatsächlich nach, zog ihn an sich und küsste ihn.

 

Sein Arm legte sich um ihren nassen Körper. Sie klebten förmlich aneinander. Tropfen liefen ihrer beider Wangen hinab und seine Hand griff in Haare, damit sie sich nicht mehr aus diesem Kuss winden konnte.

Aber das hatte sie gar nicht mehr vor.

Anscheinend hatte er gewonnen. Anscheinend hatte er Hermine Granger!

 

Sie löste sich lachend von ihm. Der Regen prasselte auf die Straße und er hob die Hand. Das Taxi hielt, als hätte es nur darauf gewartet.

 

 

Teil 18

 

 

Sie trug einen der Bademantel, die das Hotel bereit hielten. Bisher hatte er geduscht und sie hatte in seinem Zimmer gewartet und jetzt hatte sie geduscht und nahm an, dass er jetzt nebenan wartete. Vielleicht wartete er auch nicht.

Sie wusste nicht genau, womit sie rechnete. Es war dunkel geworden und war ihr die Idee, zu kündigen und nach Hause zu fahren vor einer Stunde noch großartig vorgekommen, so war sie sich jetzt nicht mehr sicher.

 

Und dann? Dann hatte sie keinen Job mehr und wahrscheinlich auch keinen Draco Malfoy. Das war wohl sicher. Eigentlich wollte sie dieses Badezimmer auch nicht mehr verlassen, aber es war lächerlich, sich hier in einem Bad in Paris zu verstecken. Genauso lächerlich, wie sich irgendwo sonst zu verstecken.

 

Sie betrachtete sich im beschlagenen Spiegel. Sie sah sich verschwommen. Ihre Haare waren immer noch feucht, aber sie hatte keine Lust, sie zu trocknen. Sie wusste nicht, ob sie sich anziehen und zurück in ihre kleine Wohnung gehen sollte. Sie nahm an, dass sie bereits unter Wasser stehen musste.

 

Also atmete sie aus, zog den Bademantel enger um sich und verließ das heiße Badezimmer. Der Teppich im angrenzenden Zimmer war weich und anscheinend magisch beheizt, denn ihre Füße wurden nicht kalt. Mehrere Tagespropheten lagen auf der kleinen Couch – oder Chaiselongue, wie man sie hier nannte – und anscheinend bekam Malfoy in diesem Hotel jeden Wunsch von den Augen abgelesen.

 

Ein Tablett mit Erdbeeren und Champagner schien auf einem Beistelltisch zu warten. Hatte er das gerade bestellt? Sie wusste es nicht. Hatte es schon da gestanden? Sie wollte auch nicht fragen. Er saß auch in einem Bademantel über ein Pergament gebeugt und schrieb recht konzentriert. Sie sah einen Wassertropfen in seiner Haarspitze glitzern. Er würde gleich runter fallen, nahm sie an.

 

Warum sie mit ihm gegangen war? Er war zu schön. Er war wirklich wunderhübsch. Sie hatte diese oberflächliche Kleinigkeit nicht abschütteln können. Sie erinnerte sich an all seine Worte. An die guten und die schlechten. An den Heiratsantrag, den er nicht ernst gemeint hatte, der aber verlockend aus seinem Mund geklungen hatte. Sie wusste nicht, ob sie sich bewegen sollte.

 

Im Taxi hatte er ihre Hand gehalten und sie waren schweigend hier hoch gekommen. Sie hatten nicht miteinander geschlafen, sondern einfach nacheinander geduscht. Es war nichts passiert. Aber… wollte sie das? Wirklich? Denn… jetzt waren sie hier.

 

„Was schreibst du?“, fragte sie schließlich widerwillig.

 

„Ich verfasse ein Kündigungsschreiben“, erklärte er konzentriert. Dann hob er den Blick. „Fehlt nur noch deine Unterschrift“, ergänzte er mit einem schwachen Lächeln.

 

„Du meinst das ernst?“, flüsterte sie und kam automatisch näher. Der Duft seines Shampoos stieg in ihre Haare. Er roch verführerisch frisch und unglaublich maskulin. In ihrem Kopf überschlug sie, wann sie das letzte Mal – geschätzterweise – Sex gehabt hatte.

 

Und ihr wurde klar, wenn sie wirklich darüber nachdenken musste, dann war es schon viel zu lange her!

 

Tatsächlich hatte Malfoy ein recht förmliches Schreiben verfasst, indem er um fristlose Kündigung für sich und sie bat. Nein, eigentlich bat er nicht. Ein Malfoy bat wahrscheinlich nie um irgendetwas, nahm sie an. Er verlangte. So wie er eigentlich immer alles verlangte. Sie hatte ihn noch nie am bitteren Ende gesehen, auf dem Boden, auf Knien rutschend. Es würde ihm wohl auch nicht stehen.

 

Selbst bei einem Heiratsantrag würde er wohl nicht auf die Knie gehen, sondern es von seinem Gegenüber verlangen. Sie sah sich selber schon vor ihm auf die Knie gehen. Sie schloss die Augen. Es lag an diesem Hotel, an seiner Anwesenheit, an der Tatsache, dass sie eben beide nichts weiter als Bademäntel trugen.

 

Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Nicht nur, dass sie mit zu ihm gegangen war und tatsächlich darüber nachdachte zu kündigen, sondern, dass sie nach Paris gegangen war! Was hatte sie erwartet? Und war sie dankbar, dass er auch hier war? Nein. Oder doch? Oder nein?

 

„Also…?“

 

Er hielt ihr die Feder entgegen. Anstatt sie zu ergreifen, griff sie nach einem Champagnerglas und füllte es bis zum Rand. Die beiden Grappas, die sie zuvor getrunken hatte, die waren unfreiwillig. Zumindest versuchte sie sich das einzureden. Der Champagner, an den sie sich in seiner Gegenwart schon fast gewöhnt hatte, der war freiwillig.

 

Sie trank gierig. Und sie versuchte, dabei nicht nachzudenken.

 

Und sie überraschte sich selbst.

 

Ihn wahrscheinlich auch. Sie ergriff die Feder, sie beugte sich neben ihn und unterzeichnete das Dokument, direkt neben seinem Namen. Ein Rausch erfasste sie… Sie hatte gerade ihre Stelle gekündigt. Zwar konnten sie das Pergament noch verbrennen, aber jetzt gerade in dieser Sekunde fühlte sie sich unglaublich stark und beflügelt.

 

Er hatte den Blick gehoben. Sein Mund hatte sich ein Stück weit geöffnet. Er schien so beeindruckt zu sein, dass er kurz gar nichts sagte. Und sie nutzte exakt genau diesen Moment. Es war ihr nämlich absolut scheiß egal, was morgen wirklich passierte. Jetzt war sie hier! In einem Zimmer, indem der Regen nicht durch die Decke tropfte.

 

Sie war warm, sauber und angetrunken. Ihre Hand griff in den Knoten seines Bademantels und sie zog ihn aus dem filigranen Mahagonistuhl. Und er folgte dieser Bewegung. Er ließ sich von ihr nach oben ziehen, und ehe sie weiter nachdenken konnte, öffnete sie seinen Bademantel.

 

Und ja. Er war nackt.

 

Wirklich nackt.

 

Sie konnte nicht anders, als sich auf die Lippe zu beißen. Sein Blick war königlich, denn das schien er bei weitem nicht erwartet zu haben. Und, ohne ihn aus den Augen zu lassen, griff sie noch einmal nach ihrem Champagnerglas, trank den letzten Schluck und leckte auch den letzten Tropfen vom Rand und ließ sich auf den Boden sinken. Er folgte dieser Bewegung mit offenem Mund und einem ungläubigen Blick.

 

Sie hatte ihn immer noch mit ihrem Blick fixiert und als sie die Hand um seinen Schaft schloss wurde er so augenblicklich hart, dass sie fast gelächelt hätte. Aber nur fast. Er hatte die Augen sofort geschlossen und fluchte unerhört auf Französisch und es klang unglaublich sexy in ihren Ohren.

 

Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wann sie das das letzte Mal getan hatte, und sie glaubte, sie war noch nie freiwillig auf die Knie gegangen.

Als sie zu pumpen begann flogen seine Augen wieder auf. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie ihn in den Mund aufnahm.

 

„Oh verflucht – fuck!“, keuchte er heiser und konnte sich gar nicht mehr bewegen. Sein Atem ging schneller und er schien sich vor ihr zurück ziehen zu wollen. Sie ignorierte das und begann zu saugen. Besonders tief bekam sie ihn nicht in den Mund. Sie war völlig aus der Übung und wahrscheinlich war er auch einfach zu… nun… dick dafür, überlegte sie und merkte, wie es in ihrer Mitte zu ziehen begann.

 

Sie hatte gewusst, Draco Malfoy hatte seinen Ruf bestimmt nicht, weil er ein reicher Junge war. Er hatte seinen Ruf, weil er ein böser Junge war.

 

„Granger!“, knurrte er tonlos und seine Hand fand den Weg in ihre feuchten Haare. Es machte tatsächlich den Anschein, als wolle er sie aufhalten, aber sie merkte auch, dass es ihn viel Beherrschung kostete, sich nicht tiefer in ihren Mund zu schieben. Sie saugte noch einmal, härter, erbarmungsloser, griff mit ihrer Hand hart um seine Länge und mit einem plötzlichen Grollen, das Schauer über ihren Rücken jagte, zog er sich ungeduldig zurück, riss sie an den Schultern nach oben und zog ihr den Bademantel grob von ihrem Körper.

 

Kurz schien er ihren Anblick in sich aufzunehmen, abzuspeichern, und dann zögerte er keine einzige Sekunde mehr. Er umschlang ihre Hüfte, hob sie vom Boden hoch und ihre Finger krallten sich in seine nassen Haare. Sie küsste ihn hungrig und er stöhnte in ihren Mund, als er sich rückwärts auf das Bett niederließ.

 

Sie griff ungeduldig zwischen ihre Körper und platzierte seinen Penis, damit er in sie eindringen konnte. Es passierte einfach so, ohne weiteres Vorspiel, ohne weiteres Warten. Sie bewegte sich langsam über ihm und seine Hände lagen fest auf ihren Hüften, um den Rhythmus zu kontrollieren, aber, bei Merlin, es war ihr egal, wenn er sofort kam, denn sie hatte nicht vor, Liebe zu machen.

Sie wollte mit ihm schlafen. Sie wollte mit Malfoy Sex haben und, verflucht, nichts weiter sonst!

 

Sie zog ihren Kopf zurück, legte ihn in den Nacken und bewegte sich schneller, stemmte sich hoch, ließ sich wieder auf ihm nieder und spürte, wie er aufgab, wie er sich geschlagen gab und sich furchtbar hart und erbarmungslos in sie bohrte.

 

Vielleicht hatte er gerade noch ein wenig Kontrolle gehabt, aber jetzt… war es damit vollkommen vorbei. Er stöhnte tief, saugte ihre Brustwarze in seinen Mund, biss verlangend zu und obwohl sie nicht vorgehabt hatte, zu stöhnen, konnte sie sich nicht aufhalten.

 

Aber sie würde nicht seinen Namen stöhnen, so viel stand fest. Sie schloss also die Augen fest und scherte sich nicht mehr, dass er sie schreien hörte.

Sie wurden schneller, Schweiß rann ihren Nacken hinab, seine Zunge leckte ihn fort, er biss in ihre Schulter und presste sie so fest an sich, als er kam, dass ihr für eine Sekunde die Luft wegblieb.

 

Dann fiel er nach hinten auf das Laken und sie rutschte von ihm runter. Ihre Beine zitterten ein wenig und sie wusste, sie konnte noch nicht aufstehen. Sie legte sich außer Atem neben ihn.

 

Sie hatte mit Malfoy geschlafen. Nach endlosen Hochzeiten und ewigen Andeutungen hatte sie tatsächlich mit Malfoy geschlafen.

 

Gut oder schlecht?

 

Sie wusste es nicht. Sie hatte jetzt nicht die Kraft, zu überlegen, ob es gut oder schlecht war, nach so grandiosem Sex. Es war unglaublich! Er war… nein, er war nicht völlig anders. Aber… sie hatte das Gefühl, beim Sex war Malfoy also völlig ehrlich. Keine Spiele. Nur Sex.

 

Schließlich drehte er den Kopf zur Seite und sah sie an.

 

„Verflucht…“, sagte er anerkennend und ein Mundwinkel hob sich. Ein Grübchen erschien auf seiner Wange. Sie hatte das Gefühl, ihn zu gut zu kennen. „Bist du… gekommen?“, fuhr er heiser fort. Sie lächelte knapp und schüttelte dann den Kopf. Aber sie kam nicht immer, das war völlig normal. Und es war völlig in Ordnung.

 

Anscheinend nicht für Malfoy. Er stemmte sich müde auf den Ellenbogen. Seine hellen Haare standen wirr in alle Richtungen und er sah anbetungswürdig aus. Sie nahm an, sie sah einfach fruchtbar aus. Wahrscheinlich waren ihre Wangen rot, ihre Haare ein Vogelnest und würde sie versuchen, sich zu bewegen, dann würden ihre Beine einfach wegknicken und sie würde unschön auf dem Boden liegen.

 

Kurz sah er in ihre Augen, dann verfing sich sein Blick an ihren Lippen und die Farbe seiner Augen schien dunkler zu werden. Er küsste sie langsam. Sie war sich nicht sicher, ob sie das wirklich tun sollte. Aber seine Zunge glitt in ihren Mund und mehrere Schauer erfassten sie und ließen ihren Magen mehrere Saltos schlagen.

 

Er rückte näher an sie und sie spürte, dass er schon wieder hart war. Sie konnte nicht anders, als ihre Hand auszustrecken, aber er fing sie ab. Er löste sich von ihren Lippen und sah sie an. Er schüttelte sachte den Kopf.

 

„Nein“, sagte er befehlsgewohnt und sie öffnete den Mund. Er schob ihre Hand einfach nach oben, griff nach ihrer anderen und hielt ihre Handgelenke dann fest über ihrem Kopf zusammen. Er küsste die Linie ihres Kiefers, ihren Hals, ihr Schlüsselbein, wanderte mit den Lippen tiefer, saugte ihre andere Brustwarze in seinen Mund und sie schnappte nach Luft. Je fester sie versuchte aus seinem Griff zu entkommen, umso härter hielt er sie zurück. Und es war unglaublich erregend.

 

Und eigentlich hatte sie hierfür viel zu wenig getrunken!

 

Er musste ihre Hände loslassen, denn jetzt wanderte sein Kopf tiefer.

Er küsste ihren Bauch, ihren Venushügel und geistesgegenwärtig hielt sie ihn auf. Sie war zurück gewichen und er hob fragend den Kopf.

 

„Wir haben grad…“, begann sie etwas zögerlich. „Und du bist gerade in mir…“, fuhr sie fort. Er musste grinsen. Und sie spürte, wie sie rot wurde.

 

„Ok“, sagte er gedehnt, rutschte vom Bett und griff um ihre Taille. Ehe sie in die Verlegenheit kam, zu stürzen, weil ihre Beine nicht mehr funktionierten, hob er sie auf seine Arme und trug sie ins Bad. Ohne weitere Worte. Er setzte sie auf den Wannenrand und stellte die Dusche an.

 

Sie schüttelte langsam den Kopf.


„Was wird das?“, fragte sie ein wenig erschöpft. Aber er schien erst richtig wach zu werden.

 

„Es klingt vielleicht… seltsam“, begann er, „aber ich kann es nicht leiden, wenn die Frau nicht kommt. Es macht einfach einen schlechten Eindruck“, erklärte er mit einem Schulterzucken und schien mit der Wassertemperatur schließlich zufrieden zu sein. „Und wenn du erst sauber sein möchtest“, fügte er grinsend hinzu, „dann… muss es eben so sein“, schloss er und zog sie mit sich unter die Dusche.

 

Es war eng und sie war froh, dass er sie hielt. Sie wäre wahrscheinlich umgekippt. Wegen ihrer schwachen Beine und wegen ihres Schams.

 

Er sah fantastisch aus. Das Wasser perlte seinen glatten Brustkorb hinab, und sie wusste nicht, was für Übungen er machte, aber seine Muskeln waren perfekt definiert. Nicht zu stark, nicht zu übertrieben, einfach absolut perfekt.

 

Er griff nach der Hotel-Lotion, die sie gerade schon benutzt hatte. Der Vanilleduft füllte schnell das Bad und er begann ihren Körper einzuseifen. Sie starrte ihn an. Aber sie wollte dazu nichts sagen. Seine Hände fuhren über ihren Oberkörper, ihren Rücken, massierten kurz ihre Schultern und sie musste die Augen schließen. Dann glitt seine Hand zwischen ihre Schenkel und sie musste sich an ihm festhalten.

 

Das heiße Wasser prasselte auf ihre beiden Körper hinab und sie schloss die Augen.

 

Sie war bestimmt schon eine Weile sauber, aber sie wollte sich hier nicht fortbewegen. Absolut nicht. Und dann ging er auf die Knie. Tatsächlich! Sie wollte etwas sagen, aber er stellte ihr Bein einfach auf seine Schulter und das heiße Wasser lief ihren Rücken hinab. Sie schüttelte schwach den Kopf, aber mit einem Grinsen leckte er bereits über ihr warmes Fleisch.

 

Sie schloss die Augen und keuchte auf. Wieder und wieder neckte sie seine Zunge, bis sie schließlich in sie eindrang. Vorsichtig spürte sie seine Zähne an ihren empfindlichen Punkt und sie krallte sich in seine mittlerweile nassen Haare.

 

Sie schrie förmlich auf als seine Zunge tiefer in sie drang und er mit seinem Daumen sanfte Kreise beschrieb. Sie kam nicht nur einmal.

Nein, zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass Draco Malfoy es schaffte, dass sie dreimal hintereinander in der Dusche kam.

 

Ihre Wangen brannten, als er sich erhob, nur um sie festzuhalten. Das Wasser lief immer noch auf sie herab. Kurz spülte er sich den Mund im Strahl aus und schlang dann die Hand um ihren Nacken, um sie zu küssen. Sie musste nicht einmal überlegen, ob sie das wollte, denn… diese Frage stellt sich nicht! Er musste sie einfach küssen. Sie würde nicht überleben, würde er sie jetzt nicht küssen, das wusste sie!

 

Und sie spürte, wie hart er geworden war. Sie presste sich enger an ihn und hörte sein vertrautes Knurren an ihrem Ohr. Er fasste wieder um ihre Hüften, diesmal aber, um sie einfach umzudrehen. Er presste sie gegen die relativ kühlen Fliesen und sie schloss kurz die Augen und genoss die Kälte gegen ihre Wangen.

 

Dann spürte sie, wie er in sie glitt. Er füllte sie vollkommen aus und sie krallte sich in die Badeschale. Die kleinen Flaschen mit Lotion und Shampoo glitten alle auf den Boden, aber es war ihr völlig egal. Hart stieß er in sie und das Wasser über ihnen klang wie tropischer Regen. Ungefähr so heiß war es auch. Sie wusste nicht, ob sie nass vom Wasser war oder von feinem Schweiß. Wohl eine Mischung aus beidem. Er presste seinen Körper an ihren, seine Hand umfasste hart ihre Brust, während die andere ihre Klitoris massierte.

 

Und es lag ihr auf der Zunge. Sein Name lag ihr auf der Zunge, und sie musste sich hart auf die Lippe beißen, um ihn nicht laut hier in der Dusche zu schreien.

Sein Stöhnen hallte bedrohlich von den Fliesen wider und sie spürte den nächsten Orgasmus in ihrem Körper. Er stieg erbarmungslos an die Oberfläche, überschwemmte ihre Sinne und sie schrie auf vor Lust als er sich ein letztes Mal in sie stieß.

 

Und so verharrten sie eine Weile. Das Wasser lief immer noch beständig. Sie lehnte an der kühlen Wand und sein Kopf lehnte auf ihrer Schulter, während er sanfte Küsse auf ihre Haut drückte. Sie schloss die Augen und sie lehnte sich schließlich gegen ihn. Gegen ihn und seinen perfekten Körper. Er hatte den Arm um sie geschlungen.

 

 

Teil 19

 

Als sie aufwachte hatte sie ein schlechtes Gefühl. Erst mal wachte sie am liebsten in ihrem eigenen Bett auf und wenn sie dann schon woanders war, würde sie sich lieber umdrehen und feststellen, dass jemand neben ihr lag.

Aber sie war allein.

 

Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Die durchsichtigen Vorhänge hingen dort wohl nur aus dekorativen Gründen und nicht, um das Licht aufzuhalten. Und sie sah etwas, das sie aus dem Fenster in ihrer kleinen Wohnung nicht mal hätte sehen können, wäre sie auf dem höchsten Punkt der Stadt: Sie sah den Eiffelturm. Beinahe unauffällig streckte er sich in die Höhe. Die Beleuchtung war aus und er wirkte nicht so pompös und besessen davon, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Es sah so viel angenehmer aus. Ehrlicher, ohne das Licht und die ganze Show, die darum gemacht wurde.

 

Sie war in Paris. Und sie hatte sogar eine Art Romanze in Paris. Hatte sie nicht noch vor einigen Wochen überlegt, dass ihre romantische Ader in Paris aufblühen würde?

 

Nun, vielleicht stimmte das irgendwie ansatzweise. Aber ihre romantische Blütezeit befiel sich auf eine knappe Nacht. Denn jetzt lag sie allein auf den unsagbar teuren Seidenlaken.

 

Sogar das Bett auf seiner Seite war gemacht. Hatte er das etwa getan, während sie geschlafen hatte? Und wie sah sie bitteschön dabei aus? Hatte sie vielleicht geschnarcht oder auf ihr Kissen gesabbert, während König Draco diese Dinge hoheitlich zur Kenntnis genommen und ignoriert hatte?

 

Sie schlug die Decke zurück und ihr Herz begann zu klopfen. Da war noch etwas. Neben der Unwahrscheinlichkeit, dass sie mit Malfoy tatsächlich geschlafen hatte – und es war großartig gewesen – war da noch die Sache, dass sie im Überschwang ihre Arbeit gekündigt hatte. Sie verließ sich gerne auf ihre Instinkte und sie wusste schon – meistens lag sie völlig richtig.

 

So auch dieses Mal. Sie machte sich nicht erst die Mühe, den Bademantel überzuziehen. Wem wollte sie hier etwas beweisen? Zuhause besaß sie nicht einmal einen Bademantel. Barfuß, nur mit seinem Hemd begleitet lief sie also aus dem Schlafzimmer.


Er studierte den Tagespropheten und das Gefühl, was sich für eine Sekunde bei ihr einstellte, war so eigenartig, dass es ihr in der Brust schmerzte. Es war fast… vertraut. Diese… Intimität, hätte sie fast gedacht.

 

„Wo…“, begann sie und musste sich räuspern. „Wo ist der Brief?“, krächzte sie, ehe sie etwas anderes sagen konnte. Er hob kurz die Brau und ließ den Propheten sinken.


„Kaffee?“, fragte er anstatt zu antworten und sie ruckte mit dem Kopf.


„Der Brief. Malfoy, wo ist der Brief?“ Aber sie kannte die Antwort bereits.


„Abgeschickt“, erwiderte er verstört. „Guten Morgen, auch dir. Ich habe mir die Freiheit genommen, das gesamte Frühstück zu bestellen. Also, du hast freie Wahl. Ich nehme an, du hast hier besser geschlafen als-“ Er unterbrach sich, denn er war aufgestanden und hatte tatsächlich kurz den Kopf gesenkt, wohl um sie zu küssen, aber soweit dachte sie nicht. Sie hatte ihm die Hand auf die Brust gelegt und schob ihn beiseite.

 

Fahrig ging sie durch den Stapel an Post, der auf dem Tisch lag.

 

„Abgeschickt?“, wiederholte sie heiser. „Du hast ihn abgeschickt? Wann?“, fügte sie zornig hinzu.


„Was? Heute Morgen als das Zimmermädchen kam. Sie nimmt die Post mit, die noch früh mit den Eulen raus muss“, erklärte er ungläubig. „Wieso?“ Sie stieß auf einen elfenbeinfarbenen Umschlag. Harry Potter. Der Absender war Harrys Absender.

 

„Harry schreibt dir also tatsächlich? Du bist also wirklich eingeladen? Und du hast den Brief abgeschickt?“, rief sie so zornig, dass sie das feine Papier unsanft zerdrückte.

 

„Reg dich ab, Hermine. Was ist das Problem?“ Hermine. Er nannte sie Hermine.

 

„Das Problem ist, dass du ein Arschloch bist!“, fuhr sie ihn an und wandte sich wütend um.

 

Hastig zog sie sich an, wusch sich halbherzig das Gesicht, putzte sich mit dem Finger die Zähne, flocht sich einen Zopf und griff nach ihrer Handtasche.


„Was wird das?“, fragte er als sie wieder in das Wohnzimmer seiner Suite kam.

 

„Was das wird?“, wiederholte sie ärgerlich und griff nach ihrer Jacke, die immer noch etwas klamm war. Aber sie konnte sie überm Arm tragen. Es war ja nicht mehr besonders kalt morgens. „Ich werde zum Ministerium gehen, den Brief abfangen und wieder normal sein!“, fuhr sie ihn an.

 

„Der Brief ist bestimmt schon seit einer Stunde da. Und bestimmt auch schon geöffnet.“

 

„Es ist Samstag“, sagte sie eisig.


„Es gibt auch Menschen, die samstags arbeiten“, entgegnete er.

 

„Und wenn schon. Dann erklär ich das. Ich entschuldige mich und-“

 

„Und was? Denkst du, in Pairs vergibt man dir so etwas? Ich glaube nicht. Und warum überhaupt? Gestern warst du ganz scharf darauf, den Job zu kündigen“, fuhr er gereizter fort.


„Ja. Gestern war ich auch noch scharf darauf, von dir flachgelegt zu werden. Damit ist heute Schluss.“ Energisch zog sie die Tür auf.

 

„Du kannst von deinem hohen Hippogreif runter kommen, Hermine. Wem willst du irgendwas beweisen? Es hat dir gefallen und wahrscheinlich hättest du nichts besseres tun können, als deinen verfluchten Stock aus dem Hintern zu bekommen und aufzuhören so zu tun, als könntest du mich nicht leiden.“

 

Noch ein letztes Mal drehte sie sich um.

 

„Das war… eine Ausnahme. Und ich kann dich wirklich nicht leiden. Vor allem, weil du so eine Entscheidung einfach übernimmst, ohne mich noch einmal zu fragen! Ja, gestern im Regen unter Alkoholeinfluss kam es mir so vor, wie eine gute Idee, zu kündigen und mit dir zu schlafen. Aber dir muss doch wohl völlig klar gewesen sein, dass es heute anders aussieht. Alles sieht im Tageslicht anders aus!“, schrie sie und konnte nicht fassen, dass sie in dieser Sekunde wohl arbeitslos war. „Ich bin kein reicher Junge, Malfoy. Ich kann mir die Arbeitslosigkeit nicht leisten!“

 

„Vielleicht hättest du dir das vorher überlegen sollen“, erwiderte er kühl.

 

„Ich kann nicht fassen, dass du das einfach getan hast! Wolltest du das so? Hast du dir gedacht, es wäre lustig zu sehen, wie-“ Ihr Atem ging schneller. Es war Angst. Sie kannte dieses bodenlose Gefühl noch. Es war ihr immer noch vertraut.


„Was kommt jetzt? Fängst du wieder mit deinen Schlammblut-Hasstiraden an? Ist dir aufgefallen, dass du hier in diesem Raum die einzige bist, die dich wie ein Schlammblut behandelt, Hermine?“ Ihr Mund öffnete sich.

 

„Nein. Jetzt gerade eben kannst du das um einiges besser. Und nenn mich nicht Hermine“, fügte sie böse hinzu. Er sah jetzt genauso zornig aus, wie sie sich fühlte.

 

„Oh ja? Letzte Nacht hattest du-“

 

„Letzte Nacht war letzte Nacht. Jetzt ist der nächste Tag. Paris mag mir zu Kopf gestiegen sein, aber damit ist es jetzt vorbei!“, stieß sie hervor und stürmte aus dem Apartment.

 

Sie musste sich beeilen und besser kam sie nicht zu spät!

 

 

~*~

 

 

Vielleicht hatte er einen Fehler gemacht. Hatte er kurz den Anflug eines schlechten Gewissens gehabt, als er den Brief abgegeben hatte? Ja, vielleicht. Ganz kurz. Er hatte auch vielleicht nicht unbedingt zwingend darüber nachgedacht, dass Granger nicht wirklich die Mittel hatte sich auf der Arbeitslosigkeit auszuruhen.

 

Aber er war sich sicher, die Franzosen würden die Kündigung als persönliche Beleidigung auffassen. Vor allem schon nach keinem Monat. Nicht mal drei Wochen. Aber er wusste auch, dass sich Granger hier nicht wohlfühlte.

 

Vielleicht hätte er noch mal mit ihr reden müssen, aber… eigentlich hatte er erwartet, dass sie zusammen frühstücken würden, dass sie vielleicht noch mal mit ihm duschen wollte, dass sie ihn einfach zurück ins Bett ziehen würde. Dass sie vielleicht beleidigt war, dass er schon aufgestanden war und dass sie ihn zur Strafe einfach wieder ins Bett holte.


Es hatte ihm gefallen neben ihr aufzuwachen. Es hatte sich vollkommen richtig angefühlt. Er hatte das Gefühl regelrecht genossen. Deswegen hatte er sich noch nicht angezogen. Er hatte mit ihrem Feuer gerechnet. Allerdings nicht mit ihrer Ablehnung.

 

Und es machte ihn wütend.

 

Sie verweigerte sich ihm, weil er die richtige Entscheidung getroffen hatte? Und wovor hatte sie bitteschön Angst? Er dachte, sie hätten bereits geklärt, dass sie ihn sowieso wollte. Und er… er wollte sie seit der Hochzeit. Und er war angenehm überrascht über die Tatsache, dass seine Lust nach dieser Nacht nicht völlig verraucht war!

 

Und sie? Sie schrie ihn an, dafür, dass er endlich mal das tat, wozu sie zu feige war? Sie drehte ihren seltsamen Spieß einfach um, und beschuldigte ihn, dass er sie schlecht behandeln würde? Mit welchem Grund? Es war ihm unklar.

 

Und er hatte erwartet, dass sie sich eine Lösung einfallen lassen würden. Er hatte nicht vor, arbeitslos zu sein, nur weil er es sich auf einem unteren Level leisten konnte. Er konnte sich keine Luxusvilla kaufen, aber es hieß auch nicht, dass er jetzt nichts tun wollte.

 

Anscheinend schien sie auch nicht zu begreifen, dass hinter seinem Namen mittlerweile kein Vermögen mehr stand. Dass sie jetzt losgerannt war, zeigte ihm eigentlich nur, dass sie ihm nicht vertraute, dass sie lieber wegrannte, als bei ihm zu sein.

 

Aber das tat sie nun schon seit Wochen. Dieses Muster kannte er von ihr nun zur Genüge. Was dachte sie denn? Dass er sich keine Gedanken gemacht hatte? Was hätte er tun sollen? Hätte er sagen sollen, dass er überlegt hatte, seine Worte umzusetzen? Anscheinend funktionierte es im Bett mit ihnen ja ausgezeichnet. Ihn befiel kurz ein Schauer als er an die letzte Nacht dachte.

 

Es war verflucht großartig gewesen.

 

Sie hätten zusammen ziehen können. Aber hätte er ihr das sagen sollen? Hätte er ihr sagen sollen, dass ihr erstes richtiges Date auf Potters Hochzeit stattfinden würde? Hätte er sagen sollen, dass… er sie mochte? Dass er sich vorstellen könnte, sie jeden Tag zu sehen? In seinem Bett? Ins einer Wohnung? Einfach überall?

 

Dass er… sie vielleicht sogar mehr mochte als nur einfach zu mögen?

Nein. Natürlich sagte er ihr das nicht. Vor allem nicht, wenn sie im Begriff war, aus seiner Suite zu stürmen. Was hätte er tun sollen? Musste er warten, bis sie sich abgeregt hatte?

 

Er hatte keine Ahnung. Sie war kompliziert und er hasste diesen Punkt. Sie sollte ihm einfach vertrauen.

 

Aber er wusste auch – das konnte sie wohl nicht.

 

Und er hatte nicht unbedingt dazu beigetragen, ihr das leichter zu machen. Aber sah sie nicht, dass die Dinge jetzt etwas anders lagen? War sie so blind? Sah sie es denn nicht in seinem Gesicht?

 

Sie musste völlig blind sein.

 

Kurz dachte er nach.

 

Entweder war sie wirklich blind – oder Hermine Granger hatte tatsächlich Angst. Angst vor Nähe, Angst vor einer Beziehung. Konnte das sein? Hatte Hermine Granger wohl noch mehr Angst vor der Liebe als er?

 

Nein. Aber wenn er bereit war all seine Normen und sein altes Leben aufzugeben und wenn sie lieber wieder davon anfing eine Todesser Schlammblut Ansicht aufrechtzuerhalten, die absolut nicht zutreffend war, dann musste er annehmen, dass die starke Hermine Granger ein viel größeres Problem hatte.

 

Die Frage war nur, ob er die Geduld und die Lust dazu hatte, dieses Problem zu lösen.

 

Nein, hatte er nicht. Die Antwort darauf war sehr leicht zu beantworten. Aber blöderweise kamen ihm die Gefühle in den Weg. Ja, er hatte tatsächlich Gefühle. Und er wusste, die hatte sie auch. Er wusste zwar nicht genau, was diese Erkenntnis bedeuten würde. Er wusste auch nicht, ob Paris plötzlich etwas verändert hatte, in seiner Welt, in seiner Denkweise.

 

Aber es drängte sich eine Frage auf: Wieso war alles so kompliziert? War es kompliziert, weil es nicht so sein sollte, wie es war? War dieser fantastische Sex, den er nicht von Granger erwartet hatte, einfach nur eine Episode, die er vergessen sollte? Eben weil es so kompliziert war? Oder war es kompliziert, weil eben „einfach“ absolut jeder konnte? Konnte er einfach?

War es erstrebenswert, wenn Dinge einfach funktionierten?

 

Vielleicht nicht. Er kannte die einfache Seite des Lebens. Es war ja nicht so, als hätte er damit keine Erfahrung gemacht. Aber was hatte ihm diese Seite gebracht? Bisher nicht besonders viel. Bedeutungslosen Sex, viele kurzfristige Beziehungen. Und das schlimme war: Das war es, was er eigentlich auch wollte. Wollte das nicht jeder Mann? So begehrenswert sein, dass er sich aussuchen konnte, mit wem er wo aufwachte und wie lange dieser Zustand andauerte?

 

Aber es lag ihm schwer im Magen, dass sie gegangen war. Ohne Kuss. Ohne ihn anzuflehen zu bleiben. Nie blieb er. Er ging, wenn er es wollte, weil er es konnte. Er war nicht emotional an seine Bettgeschichten gebunden. Das war nicht sein Stil – und erst recht nicht sein Ziel!

 

Und jetzt stand er hier, allein in der teuren Suite, die niemand so schnell, so willig verlassen sollte, wie Granger es getan hatte. Sein Tee wurde kalt, das Frühstück war unberührt geblieben und ihr Teller war leer. Das war es wohl, was ihn schockierte.

 

Es standen zwei Teller auf dem kleinen Tisch. Aber jeder, der dies jetzt sehen würde, würde sich fragen, weshalb das so war, denn es machte nicht den Anschein, als würde hier noch jemand leben, außer ihm.

Es gefiel ihm schlicht und ergreifend nicht mehr. Es gefiel ihm nicht, dass Menschen annehmen konnten, dass er allein war. Vor allem, wo er damit heute nicht gerechnet hatte.

 

Aber wenn er nicht alleine sein wollte, mit wem wollte er dann sein?

Er hatte eine vage Vorstellung von der Antwort auf diese Frage.

Aber er wusste nicht, ob es nicht doch zu anstrengend war.

Kompliziert oder einfach? Er müsste sich nur noch entscheiden.

 

Ein Versuch würde ihn wahrscheinlich nicht umbringen. Aber wahrscheinlich würde es ihn all seine Würde kosten.

 

Vor allem, weil er befürchtete ohne Hilfe nicht besonders weit zu kommen.

 

Teil 20

 

 

Sie hatte nicht einmal den Muggelstolz aufbringen können, zu fliegen. Sie war nach Hause appariert, nachdem sie die Sachen aus der Wohnung geholt hatte. Jetzt war sie Stunden später Zuhause. Es war natürlich chancenlos gewesen. Sie hatte es sich nur nicht eingestehen wollen.

 

Und sie war noch nicht hier zum Ministerium gegangen, denn sie wollte sich jetzt nicht mit ihrem Boss streiten, ob es angemessen war, in Paris zu kündigen und zu hoffen, hier den Job noch zu bekommen. Sie wusste es nicht.

 

Das Wochenende hatte sie mehr schlecht als recht hinter sich gebracht. Sie hatte sich mit ihrem Vermieter angelegt und hatte sogar angefangen zu weinen. Aber immerhin hatte er gestattet in die Wohnung, frühzeitig, zurückzukehren.

 

Ansonsten wäre sie eine heimatlose Person gewesen.

 

Sie hatte sich ihre Post schon abgeholt und all die Kleinigkeiten, Briefe ihrer Eltern und überfällige Rechnungen, die sie in ihrer Eile vergessen hatten, waren ihr eigentlich egal. Sie hatte auf einen elfenbeinfarbenen Brief gehofft. Aber ein solcher Umschlag war nicht zu finden.

 

Harry und Ginny hatten sie nicht eingeladen.

 

Es war einfach die Krönung ihres grauenhaften Zustands. Und sie weinte vor allem, seitdem sie durch die Tür gekommen war. Ihre Flucht nach Paris war furchtbar gewesen. Sie hatte kein Französisch gelernt, hatte ihre Arbeit aufgeben, aus dämlichen Gründen, die sie nicht mehr nachvollziehen konnte.

 

Sie meinte, sich zu erinnern, dass sie nicht glücklich gewesen war. Nicht einmal hier wirklich, aber… jetzt fühlte sie sich auch nicht unbedingt besser. Sie war wieder allein. Sie war nicht mal mehr auf die Hochzeit ihrer besten Freundin eingeladen, weil sie den blöden Fehler gemacht hatte, überstürzt nach Paris abzureisen.

 

Sie hatte etwas, ohne Hand und Fuß getan. Und es hatte natürlich nicht geklappt.

 

Die Menschen sagten ihr nach, sie würde alles schaffen, alles wäre durchgeplant und perfekt konstruiert. Das stimmte vielleicht, aber nur, wenn sie wirklich jeden Schritt durchdacht und geprüft hatte. Nicht, wenn sie Hals über Kopf abreiste! Und alles nur, weil sie sich auf Draco Malfoy eingelassen hatte. So lautete die offizielle Version in ihrem Kopf. Die inoffizielle war, dass sie ihr Leben ab einem bestimmten Punkt nicht mehr wirklich unter Kontrolle gehabt hatte.

 

Aber sie wollte darüber nicht nachdenken. Draco Malfoy hatte ein ziemlich großes, ziemlich gefährliches Fass zum Überlaufen gebracht. Und sie hasste es, dass er eine Art Auslöser für symptomatisch viele Dinge gewesen war.

 

Jetzt fühlte sie sich hilflos. Und allein. Wieso hatte sie in Paris die Flucht ergriffen? Sie hatte Malfoy brutal vor den Kopf gestoßen. Warum? Damit er es nicht zuerst tun konnte.

 

Sie hatte panische Angst gehabt. Vor eigentlich allem. Sie hatte Angst davor gehabt, ihren Job tatsächlich zu verlieren. Und das hatte sie verhindern wollen. Aber sie hatte es nicht geschafft. Sie war jetzt zwar nicht gestorben, aber es fühlte sich nicht gut an. Sie hatte Angst davor gehabt, dass Malfoy irgendwas sagen würde, dass sie so sehr verletzte, dass sie ihm nicht verzeihen konnte.

 

Aber anscheinend war es egal, dass er vor Jahren ein grässliches Arschloch war. Sie ließ sich ja anscheinend sehr gut von ihm überzeugen. War er noch ein Arschloch? War sie auf einmal das Arschloch? Sie wusste es nicht. Sie hatte Angst davor, enttäuscht zu werden. Aber sie hatte nun ihre Arbeit verloren und der Punkt, an dem sie dachte, dass sie sterben würde, war noch nicht eingetreten.

 

Sie hatte nicht weiter gedacht, als bis zu dem Punkt, endlich Zuhause zu sein. Hatte sie gedacht, alles würde gut werden? Hatte sie das? Denn jetzt war sie Zuhause und alles war immer noch schlecht. Hätte sie also ihre Angst überwunden und wäre einfach bei ihm geblieben, dann hätte er sie vielleicht enttäuscht. Aber vielleicht hätte sie auch das überlebt.

 

Es gab keine andere Lösung hierzu. Er war Draco Malfoy. Er war böse und berechnend. Er hatte keinen Grund, nett zu ihr zu sein. Er wollte doch eine Wette gewinnen, war es nicht so? Hatte er nicht vor einigen Monaten genau das gesagt? In einer Rede auf einer Hochzeit? Dass er Wetten liebte? Dass alles ein großes Spiel war?

 

Sie war nur irgendein Spiel gewesen.

 

Zwar hatte er anscheinend seine Arbeit aufgeben, aber vielleicht hatte ihm das geradeso in den Plan gepasst. Vielleicht machte es ihm nichts aus. Und es war ihm bestimmt vollkommen egal, dass sie jetzt darunter zu leiden hatte. Sie war so dumm, ihm auch nur ansatzweise ein wenig Vertrauen zu schenken. Was hatte sie gedacht? Dass er für sie da sein würde? Sie war dumm. Dumm genug, mit ihm zu schlafen. Dumm genug zu glauben, dass der beste Sex irgendetwas ändern würde.

 

Ja, sie war weggelaufen, aber warum hätte sie bleiben sollen? Es hatte keinen guten Grund gegeben.

 

Dass sie vielleicht in ihn verliebt war? Großartig. Dann konnte sie sich in eine lange Schlange heulender Mädchen stellen, die wohl schon genauso so einen Mist mit ihm erlebt hatten. Die auch glaubten, der weltbeste Sex würde irgendetwas verändern. Aber sie würde am Ende doch nur zu diesen Mädchen gehören. Zu den Mädchen, die das Herz von Draco Malfoy gebrochen bekommen hatten.

 

Und zu denen wollte sie nicht gehören. Sie wollte nichts riskieren, von dem sie wusste, dass sie es verlieren würde. Sei es ein neues Spiel – sei es ihr Herz.

 

 

~*~

 

 

„Mr Lark…“, begann sie erneut und fühlte sich so, wie sie sich eigentlich noch nie gefühlt hatte. Sie kam sich vor, als müsse sie zum Direktor der Schule gehen und sich für eine Dummheit entschuldigen, die eigentlich auch nicht wirklich ihre Dummheit gewesen war. Streng sah sie ihr – ehemaliger – Vorgesetzter an.

 

„Granger, Sie haben uns ziemlich dumm aussehen lassen“, sagte er.

 

„Ich weiß.“ Sie senkte den Kopf.


„Sie wollen sich mit allen Mitteln versetzen lassen, wir genehmigen Ihnen ein ganzes halbes Jahr, und nach kaum drei Wochen kündigen Sie. Fristlos!“ er wirkte böse.

 

„Ich… habe einen Fehler gemacht“, erklärte sie kleinlaut.

 

„Das können Sie laut sagen. Ich musste einiges an Arbeit leisten, um einen Kulanzkrieg zu vermeiden. Paris wollte schon sämtliche muggelbezogenen Kontakte abbrechen!“

 

„Aber… sie konnten es doch regeln, nicht wahr?“

 

„Sagen Sie…“, begann er langsam und sah sie prüfend an, „hat Mr Malfoy etwas damit zu tun? Sagen wir, wenn er Sie vielleicht gezwungen hatte, das Kündigungsschreiben zu unterzeichnen, dann könnte ich-“

 

„Nein“, entgegnete sie leise.

 

„Bitte?“

 

„Mr Malfoy hat damit nichts zu tun.“ Sie hätte gerne etwas anderes behauptet, aber sie war eine schlechte Lügnerin. Und weshalb sollte sie Malfoy da mit reinziehen? Sie wollte im Moment nicht an ihn denken. Es war schwer genug. Es war schwer genug auch so um Gnade zu flehen, verdammt!

 

„Was ist nur in Sie gefahren, Granger? Ich kenne das nicht von Ihnen. So etwas ist unentschuldbar. Und nicht zu dulden. Nur weil Ihr Name einen gewissen Bekanntheitsgrad inne hat, bedeutet es nicht, dass Sie mit allem durchkommen.“ Sie nickte erneut und betrachtete den Boden zu ihren Füßen. Ach, wie vermisste sie den schmutzigen Boden ihres Büros.

„Für jeden bedeutet ein solches Verhalten den Rausschmiss. Denken Sie, es reißt sich niemand um diesen Posten?“, erkundigte er sich jetzt zornig und sie hob fragend den Blick.

 

„Nein, Sir?“, versuchte sie ihr Glück, denn niemand mochte die Abteilung.

 

„Tja, dann haben Sie sich geirrt, Granger. Ich hatte selten so viele Anfragen auf eine Stellung in der Abteilung wie in der letzten Woche. Ich habe also freie Wahl, wen ich nehme“, verkündete er stolz.

 

„Was?“ Sie starrte ihn förmlich an. „Was soll das heißen? Seit meiner quasi Kündigung bewerben sich nun hunderte auf diese Stelle?“ Er verzog kurz den Mund.

 

„Nun, nicht hunderte, nein. Aber ich habe genügend Anfragen.“

 

„Wie kann so was sein?“, fragte sie tonlos. Kurz schien er etwas aus der Bahn geworfen.

 

„Wissen Sie, Mr Malfoy…“ Er hielt kurz inne und sah ebenfalls kurz auf den schmutzigen Teppichboden.

 

„MR Malfoy?“, wiederholte sie jetzt gefährlich ruhig und wollte das Ende dieses Satzes nicht hören. „Was hat Mr Malfoy getan? Haben Sie mich deshalb gefragt, ob er mich zu irgendwas gezwungen hat, Mr Lark?“

 

„Nein, ich… hören Sie, es ist eigentlich vollkommen egal. Was Mr Malfoy gemacht hat, war eine sehr großzügige Geste, wenn man bedenkt, dass er ebenfalls gekündigt hat. Er ist zu mir und seinem eigenen Abteilungsleiter gekommen und hat sich dafür engagiert, dass der Ersatz Ihrer beider Stellen, keine große Mühe macht“, endete ihr ehemaliger Boss recht schnell.


„Moment“, knurrte sie böse. „Sie sagen, Malfoy kam hier hin und hat sich schnell bemüht die Stellen zu füllen, damit ich mich garantiert chancenlos bei Ihnen vorstellen kann?“

 

„Nein. Sie… haben gekündigt, Granger. Mir war nicht bewusst, dass Sie kündigen, um sich erneut auf diesen Platz zu bewerben“, erklärte er verwirrt.

 

„Aber Sir…“, wiederholte sie, „es war ein Fehler. Ich hätte niemals kündigen dürfen. Sie wissen doch, wie ich arbeite. Ich arbeite immer gewissenhaft! Sie wollten mich befördern! Ich sollte Partner in der Abteilung werden“, fügte sie fast hysterisch hinzu.

 

„Ich weiß das, aber…“

 

„Wieso führen wir überhaupt ein so langes Gespräch, Mr Lark?“, fuhr sie dazwischen. „Versuchen Sie mich butterweich abzuservieren, weil sie die Stellung gefüllt haben?“, flüsterte sie sehr leise mit erstickter Stimme. Ihr Boss schwieg und verdrehte unangenehm die Finger in seinen Händen. „Mr Lark?“, wiederholte sie ungeduldig.

 

„Möglich. Ja, ich habe die Stelle besetzt, Granger. Und wenn Sie mir keinen besseren Grund, als momentane französische Unzurechnungsfähigkeit bieten können, dann gibt es für mich keinen Grund, weshalb ich den neuen Vertrag mit Ms Weasley zerreißen sollte.“

 

„Einen Grund, wie, dass Malfoy mich gezwungen-“ Sie unterbrach sich selbst.


„Ms Weasley? Ms Ginny Weasley?“, wiederholte sie jetzt und Mr Lark nickte.

 

„Ja, Ms Weasley hat sich vor zwei Tagen vehement beworben und da ihr Vater eine sehr gute Leistung bisher erbracht hat, habe ich-“

 

„Ms Weasley hatte ein ganz andere Arbeit! Aus welchem Grund sollte sie sich hier bewerben? Und aus welchem Grund sollten Sie sie so überstürzt…“ Sie sprach nicht weiter. Jetzt war sie wütend. „Weil sie bald Mrs Potter sein wird und Sie wenigstens den Namen in ihrer Mitarbeiterliste führen wollen, richtig?“

 

„Granger, Sie klingen verrückt.“

 

„Das ist also Ihr letztes Wort? Sie nehmen Ginny Weasley und mich nicht?“

 

„Sie haben gekündigt“, erklärte er jetzt auf einmal sehr ruhig.


„Ja. Und ich weiß auch wieder, warum!“, entgegnete sie sehr laut und rauschte aus dem Büro. Es fiel ihr leicht. Sie wollte nur noch aus dieser Ungerechtigkeit. Muggelfirmen würden sie nie so einfach gehen lassen. Da gab es außerordentliche Kündigung nur bei Regelverstoß. Nicht bei Lust und Laune in Paris! Jetzt war sie nicht nur sauer auf Malfoy, sondern auch auf Ginny!

 

 

Teil 21

 

Sein Anzug war irgendwie steif, so kam es ihm vor. Er wusste, im Moment bewegte er sich auf dünnem Eis. Ihm kam es vor, als ob er sich ständig in irgendwelche unnötigen Gefahren begab. Nicht nur auf Granger bezogen. Sein Vater hatte ihm sogar die Nachricht zukommen lassen, dass er es durchaus begrüßte, dass er, Draco, nicht mehr im Ministerium arbeitete.

 

Draco wusste, dass sein Vater nichts Schlechtes daran finden konnte, dass er seinen Job aufgegeben hatte. Eigentlich machte es Draco schon fast wütend, dass er seinem Vater somit eher in die Hände spielte, als dass er es schwerer für ihn machte.

Denn er wusste, Lucius verdiente es nicht wirklich, dass alles nach seinem Gutdünken verlief.

 

Er war müde. Die letzten Tage waren anstrengend verlaufen.

 

Es klopfte an seiner neuen Tür.

 

„Herein“, rief er knapp und der rothaarige Schopf kam langsam durch den Türspalt hervor.

 

„Das ist es also?“, fragte Weasley eher weniger beeindruckt.

 

„Wo ist Pansy?“, fragte Draco nur, um alles abzukürzen, denn er hatte eigentlich keine Lust, nur Weasley hier sitzen zu haben.

 

„Sie ist unten und redet mit deiner Sekretärin. Immerhin willst du Hermine nicht mit so einem Job abspeisen“, fügte Weasley unwillig hinzu.

 

„Mit dem Job einer Sekretärin? Nein, Weasley, ich denke, ich kenne Hermine auch ein wenig besser als das“, entgegnete er und sortierte die Federn auf dem Schreibtisch neu.

 

„Du hältst das also für eine gute Idee, ja?“, erkundigte sich Weasley und Draco konnte seine berechtigten Zweifel nachvollziehen.


„Nein, ich weiß es nicht“, gab Draco ehrlich zu. Weasley betrat schließlich ganz das Zimmer.

 

„Ich weiß, dass Ginny dich umbringen wird, wenn es nicht klappt. Eigentlich ist das sowieso etwas, was wir nur zu gerne tun würden“, fügte er bitter hinzu.

 

„Mich umbringen?“, fragte er nach und musste lächeln. „Ich kann nur annehmen, dass Hermine Potters Verlobte zurzeit nicht unbedingt leiden kann. Aber es sollte dich beruhigen, dass sie mir sowieso die Schuld an allem gibt.“

 

„Malfoy, du weißt, dass es eigentlich unmöglich ist, dass Hermine keinen anderen Job findet, als ausgerechnet hier bei dir“, klärte ihn Weasley mit hochgezogener Braue auf. Draco nickte langsam.


„Das ist möglich. Aber ich habe noch ein paar Gefallen einzulösen, die zum Erfolg beitragen werden. Und ich sage dir, sie wird nachher nur noch diesen einen Job wollen.“


„Weiß sie, dass du zu dem Job gehörst?“, erkundigte sich Weasley skeptisch und Draco konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal überhaupt mit Weasley gesprochen hatte. Er zuckte mit den Achseln.


„Das muss sie nicht wissen. Noch nicht. Und ich glaube aber nicht, dass es sie unbedingt aufhalten wird. Ich weiß, du glaubst es nicht, aber Hermine mag mich, Weasley.“ Weasley sah ihn verächtlich an. „Wirklich. Sie mag mich“, betonte Draco gereizt.


„Nein. Das kann ich nicht glauben. Oder – nein. Ich will es nicht glauben. Ich glaube es, wenn ich es sehe und keine Sekunde vorher.“ Draco gab auf. Es war auch eigentlich egal, was Weasley von ihm hielt, oder von ihm dachte, oder glaubte, was wahr war oder was nicht.

 

Im Moment ging es darum, dass sich Granger hier bewerben würde. Dass sie nur diesen Job wollte, und dass er es ihr schwer machte, diesen Job zu bekommen. Nein, eigentlich musste er es ihr nicht schwer machen. Aber er hatte einfach zu wenig Zeit, ihr den Job schmackhaft zu machen. Er musste darauf bauen, dass sie starb bei dem Gedanken, dass sie länger als eine Woche arbeitslos sein würde.

 

Und nebenbei musste er sie überzeugen zu Potters Hochzeit als seine Begleitung zu gehen. Es war sein Glück, dass die kleine Weasley ihm glaubte. Sie war die einzige, die annehmen konnte, dass Hermine ihn wirklich – wirklich – mochte.

 

„Draco, das ist ja wirklich eine Menge Aufwand für ein Mädchen“, bestätigte Pansy, als sie endlich ins Büro kam. Weasley ergriff sofort ihre Hand, als könne sie sich plötzlich für ihn, Draco, entscheiden. Das fand er amüsant.

 

„Hey, Pansy. Schön, wenn es dir gefällt“, erwiderte er.

 

„Hast du die Karte unserer Hochzeitsreise erhalten?“, fragte sie mit einem breiten Lächeln und lehnte sich an Weasleys Schulter.

 

„Ja, ich konnte es nicht verhindern“, gestand er mit gerunzelter Stirn.


„Böse, Draco“, sagte sie knapp. „All der Aufwand wegen Hermine Granger? Wirklich? Seit wann hast du dein Auge überhaupt auf sie gerichtet?“, erkundigte sie sich ungläubig, aber er würde auf Pansys Spiele nicht mehr reinfallen.

 

„Du hast Weasley geheiratet? Wirklich?“, konterte er mit verschränkten Armen und ihre Mundwinkel sanken ein Stück.

 

„Gut, vielleicht ist es möglich, dass man sich spontan für eine andere Zukunft entscheidet, als die, die man ursprünglich geplant hatte“, räumte sie schließlich ein. „Lucius ist bestimmt begeistert von deinen Plänen, oder Draco?“, fügte sie lächelnd hinzu.

 

„Lucius ist begeistert, solange ich aus seinem Weg verschwinde“, erklärte er ärgerlich. „Aber ich plane ja einen bitteren Gegenschlag. Und Hermine wird nicht widerstehen können.“

 

„Er sagt Hermine, ist das nicht süß?“, flüsterte Pansy in Weasleys Ohr und Draco hätte sich am liebsten direkt übergeben können. „Ich glaube, er mag sie wirklich“, fügte sie hinzu. Er verdrehte die Augen. „Stimmt das? Liebst du sie wirklich?“

 

„Was soll das, Pansy?“, fragte er gereizt.

 

„Ich will diese Worte aus deinem Mund hören, Draco“, sagte sie knapp. „Mir hast du diese Worte nie gegönnt, also will ich hören, ob es möglich ist, dass du sie überhaupt formen kannst.“ Zum ersten Mal hörte er Pansys Wut über sein damaliges Verhalten. Weasley begann zu schnauben wie ein Bulle.

 

„Fein“, erwiderte er kalt. „Schön. Du willst, dass ich es sage? Wirklich? Ist es wirklich nötig? Du hast Weasley geheiratet. Was interessiert es dich, was ich fühle?“

 

„Ist es so schwer?“, fragte sie leise. „Draco, wenn du es nicht sagst, dann kannst du auf meine beständige Freundschaft verzichten. Du willst schließlich einen Gefallen von mir.“ Er sah sich in der Ecke gefangen, in die er sich selbst hinein manövriert hatte.

 

„Ja, Malfoy. Eigentlich schuldest du uns eine ganze Menge!“, mischte sich Weasley wieder ein.

 

„Weasley, du hast Pansy Parkinson geheiratet. Du hast dich ja anscheinend um hundertachtzig Grad gedreht“, erwiderte er leise.

 

„Du anscheinend auch. Draco“, fügte Weasley böse hinzu. Anscheinend zwang Pansy ihn dazu, seinen Vornamen zu benutzen. Draco verdrehte gereizt die Augen.


„Schön. Bitte, wenn es sein muss, wenn ihr nicht anders leben könnt als mit den Worten. Warum sonst sollte ich mir so viel Aufwand machen, verflucht? Ich liebe Hermine Granger. Zufrieden?“ Am liebsten hätte er irgendwas verflucht oder gegen die Wand geworfen. Er hasste es, Dinge zu sagen, wenn er sie nicht sagen wollte. Es war nicht an der Zeit und vor allem wollte er es bestimmt nicht gegenüber Fremden sagen. Nach allem, was er sagen konnte, war Pansy mittlerweile eine fremde Person geworden.

 

„War der Sex so gut?“, fragte Pansy lachend und Weasley würde sich doch noch auf ihn stürzen. Er schloss nur die Augen. „Oh, komm schon, Ron. Reg dich ab. Draco meint es wirklich ernst. Niemals würde er die Hölle deiner Anwesenheit sonst überleben und diese Worte auch noch laut aussprechen“, neckte sie ihren Ehemann und schien ihn seltsamerweise besänftigen zu können.

 

Es war Draco völlig unbegreiflich. Ihn hatte Pansy eigentlich immer rasend gemacht. Bei Weasley hatte sie einen völlig gegenläufigen Effekt.

 

„Ist euch eigentlich klar, dass du mit mir und Hermine geschlafen hast und Ron auch?“, sagte sie belustigt in seine Richtung gewandt. Bei dem Satz betrat Potter nun auch das spärlich eingerichtete Zimmer und verzog den Mund.


„Das sind einfach zu viele Informationen, Pansy“, sagte er gequält. Richtig, Draco hatte fast vergessen, dass Weasley sein Mädchen berührt hatte. Sein Mädchen… Dabei stand es eigentlich noch überhaupt nicht fest. Wieso noch mal glaubte Ginny Weasley, dass er den Hauch einer Chance bei Granger hatte?

 

Gerade eben war es ihm nicht mehr ganz bewusst.

 

„Luna hat jetzt Zeit“, erklärte Potter und schien den Blick auf ihn und auf Weasley zu meiden. „Hast du Hermine schon zur Hochzeit eingeladen?“ Draco atmete langsam aus.

 

„Ich glaube, ich kann sie im Moment nicht mal dazu zu bringen, mit mir zu sprechen. Gib mir noch ein paar Tage“, bat er leise.

 

„In ein paar Tagen ist es dann auch schon zu spät. Hast du dir das alles gut überlegt? Ich würde es hassen, dir das Genick zu brechen, Malfoy.“ Er überlegte, dass es vielleicht nicht die schlechteste Lösung war, würde er Granger falsch einschätzen und sie würde auf sein Angebot nicht anspringen.

 

„Wie wäre es mit einer Wette, Draco? Unter Druck arbeitest du doch immer viel besser“, schlug Pansy lächelnd vor und Draco würdigte sie mit einem kalten Blick.

 

„Halt einfach den Mund. Ich muss jetzt nämlich so weit nach unten gehen, wie ich noch nie gegangen bin und vor Luna Lovegood auf die Knie fallen“, erklärte er wütend und zog den Anzug zurecht.

 

„Warte, was sollen wir tun?“, fragte Pansy und war noch vor einer Minute die Aussicht auf Erfolg und unerträgliche Leichtigkeit in diesem Raum vorhanden gewesen, dann war es jetzt damit vorbei.

 

„Ich möchte, dass ihr alles über die Familie Malfoy rausfindet und was in den letzten Jahrhunderten passiert ist. Ich habe ein paar Dinge aus dem Haus sichern können, aber mittlerweile bin ich dort nicht mehr willkommen. Ich will, dass Lucius Malfoy nach diesen Recherchen froh sein kann, wenn er noch einen einzigen Schritt in Freiheit tun kann, ohne dass die Auroren ihn mit dem Stupor an die Wand zwingen“, erklärte er kalt und kam sich vor, als würde er gerade seine ganze Geschichte verraten.

 

Aber das Gefühl war nicht das schlimmste Gefühl, das er jemals gefühlt hatte. Nein. Das Gefühl komplett von Granger abhängig zu sein, das war das schlimmste Gefühl.

 

„Was ist mit dir?“, fragte Potter jetzt. „Was ist, wenn wir etwas über dich finden?“ Draco musste lächeln.

 

„Denkst du, ich habe Hauselfenleichen im Keller, Potter? Ich denke, ich kenne mich gut mit meiner Geschichte aus. Delikte in der Schule werden nicht ausreichen, mich an den Pranger zu stellen“, erklärte er und glaubte, ein wenig Enttäuschung auf Weasleys Gesicht zu erkennen.

 

„Und du bist sicher, dass du das willst?“, erkundigte sich Potter erneut.

 

„Sicher, dass ich Lucius die Strafe zu kommen lassen will, die er verdient? Ja, Potter. Ich denke, ich bin mir sicher.“

 

„Ok“, sagte dieser nur. Draco wandte sich endlich ab. „Ach, Draco“, fügte Potter nach kurzem Zögern hinzu und er hielt inne. „Viel Glück, ok?“

 

Das war wohl das persönlichste, was er von Potter zu hören bekommen würde. Und er wusste, er durfte sich jetzt keinen Fehler leisten.

 

~*~

 

Es war unmöglich.

 

Sie hätte es zwar nicht gedacht, aber es war tatsächlich unmöglich einen Job zu finden. Einen, der ihr wirklich gut gefiel. Und eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, zu schreiben. Aber Luna Lovegood hatte sie beinahe völlig überstürzt angerufen und ihr von einer Sache erzählt, die sie vielleicht interessieren könnte.

 

Sie hatte gelesen, dass die Stelle von Hermine Granger freigeworden war. Es stand wohl in der Hexenwoche. Ein Magazin, das Hermine noch niemals in ihrem Leben freiwillig gelesen hatte. Und deswegen wusste Lun, dass sie auf der Suche nach Arbeit war.

 

Sie war vage in ihren Angaben gewesen, aber mittlerweile, nach so vielen erfolglosen Suchaktionen, hatte sie kaum eine Wahl, als etwas anzunehmen, das sie wenigstens im Kern begeistern konnte.

 

Und alle Unternehmen bei denen sie angefragt hatte, die sich auch nur im Entferntesten mit dem beschäftigten, was sie vorher gemacht hatte, gaben ihr seltsame Auskünfte und sagte, sie würden sie gerne zum Vorstellungsgespräch einladen, aber sie hätten keinen Platz für sie. Vielleicht im nächsten Jahr.

 

Es war wie verhext. Es war, als wollte jemand nicht, dass sie einen Job fand. Es war so ungerecht. Sie wurde tatsächlich wahnsinnig. Wie hatte sie nur kündigen können? Wie hatte sie auf ihre sichere Arbeit verzichten können? Sie war so dankbar, dass sich Luna bei ihr gemeldet hatte. Sie kannte sie wenigstens. Und Schreiben fiel ihr auch nicht so schwer. Sie hatte in Verwandlung gute Essays geschrieben. Und die Berichte für die Abteilung waren ihr auch sehr leicht von der Hand gegangen.

 

Es sollte kein Problem sein, für den Klitterer ein paar Berichte hier und da zu verfassen. Ihr Name würde sich bestimmt gut in einer Zeitung machen. War es auch eine eher… abnorme Zeitung.

 

Sie befand sich an ihren persönlichen Grenzen. Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte. Würde sie aufhören zu suchen, würde sie sich wahrscheinlich den niederen Instinkten hingeben und jemanden auf ihrer Hass-Liste umbringen, vermutete sie bitter.

 

Teil 22

 

 

„Ok, ich bin bereit“, sagte sie und klang alles andere als das. Aber sie war entmutigt und die endlose Jobsuche müde. Eigentlich wäre ihr nächstes Ziel Gringotts gewesen, auch wenn die Kobolde jede menschliche Form verabscheuten. Manchmal musste man eben tiefer sinken, nahm sie an.

 

Lunas Chefredakteur-Zimmer war alles anders als gewöhnlich. Die Wände waren zu tapeziert mit den besten Titelseiten des Klitterers und verliehen dem Raum etwas Wahnsinniges. Anscheinend bevorzugte Luna knallbunte Farben. Es sah aus wie eine Tapete, ausgesucht von einem farbenblinden Psychopathen. Denn für gewöhnlichen lasen auch nur sehr seltsame Gestalten den Klitterer vorbehaltlos.

 

Hermine hatte nur einen Artikel gut gefunden und da ging es um gefährliche Windräder, die sich in die Schlafzimmer schlichen, um den Menschen die Seele im Schlaf aus dem Körper zu wehen. Eigentlich handelte es sich hierbei um die Ventilatoren der Muggel. Und mehrere Produkte waren beschrieben worden. Hermine hatte sich danach den Venti2000 gekauft. Und bisher funktionierte er einwandfrei und ihre Seele war immer noch an Ort und Stelle.

 

„Hör zu, tut mir leid, dass du deinen Job verloren hast“, begann Luna, allerdings lächelte sie. Aber Hermine wusste, Lunas Lächeln konnte immer mehrere Bedeutungen haben. Meistens galt es nicht der Situation, sondern eben einfach nur ihren Gedanken. Sie nahm also an, dass ihr Lächeln nichts mit ihrer Situation zu tun hatte. „Allerdings hätte dir auch nichts Besseres passieren können. Es ist so, dass ich eine ganz neue Enthüllungsthematik behandeln will.“

 

Hermine schwanten Berichte von Knallrümpfigen Krötern, Riesenwachteligen Rehbeinfröschen, unsichtbaren Klumpläusen oder sonstigen Gestalten, die weder besonders ansehnlich, oder besonders real waren. Ganz abgesehen von den Krötern, denn diese Geschöpfe kannte sie noch zur Genüge.

 

„Aha?“, sagte sie vorsichtig und wappnete sich für die nächsten Worte und bereitete sich darauf vor, besonders aufgeschlossen auszusehen. Immerhin bot diese Frau ihr hier einen Job. Ohne nennenswerte Referenzen – die sie auch nicht vorweisen konnte, fiel ihr gerade ein. Außer ihrem Namen blieb ihr nicht viel. Sie könnte ein Buch der magischen Geschichte hervorziehen und dort im Inhaltsverzeichnis nach ihrem Namen suchen.

 

Dann konnten die Leute sehen, dass sie fleißig war und keine Angst hatte. Allerdings konnte sie nicht wirklich erklären, weshalb sie überstürzt eine großartige Stelle im Ministerium gekündigt hatte. Großartig im weitesten Sinne….

 

„Was hältst du von Wahrheitsfindung und Enthüllung der Todesser?“, fragte Luna mit lauerndem Unterton.

 

„Was?“ Das klang zu normal. Das klang ja fast nach einer Aufhängerstory, die der Tagesprophet drucken könnte. Mit sowas beschäftigte sich Luna doch sonst auch nicht.

 

„Ja, es hat mich einfach so gepackt. Ich habe angefangen über die Familie Malfoy Nachforschungen anzustellen und wenn du möchtest, setze ich dich als ersten Reporter an diesen Fall.“ Das Wort Reporter klang gut in ihren Ohren. Das Wort Malfoy wiederum…

 

„Luna, ich weiß nicht genau“, sagte sie also. Sie wollte nicht mit Malfoy arbeiten und sie wollte bestimmt nicht an etwas arbeiten, dass mit der Familie zu tun hatte.


„Hermine, es ist möglich, dass wir Informationen finden, die die Malfoys so schwer belasten, dass sie entweder Millionen Strafe zahlen müssen oder direkt nach Askaban kommen.“ Sie horchte auf.


„Askaban? Alle Malfoys?“ Kurz musterte sie Luna und verdrehte anschließend die Augen.

 

„Na mal sehen. Bestimmt Lucius Malfoy. Ihn kann ich sowieso nicht leiden“, betonte Luna und Hermine wusste eigentlich auch genau, warum. Schließlich war Luna bei den Malfoys sehr lange Zeit gefangen gehalten worden, ohne dass sie irgendwie dafür bestraft worden waren. Auch sie hatten nämlich alles auf Voldemort geschoben und dass sie beeinflusst worden waren.

 

„Hm…“, sagte Hermine langsam.

 

„Ich bitte dich, Hermine. Ich meine, wir waren dort zusammen. Ich dachte, ich könnte auf dich zählen, weil… ich traue mich nicht, mit irgendwem anders diese Sache durchzuziehen“, erklärte sie und Hermine glaubte ihr kein Wort.


„Du traust dich nicht? Du hast dich getraut Radieschen in den Ohren zu tragen und einen schreienden Löwenkopf beim großen Quidditchauswahlspiel“, erwiderte sie skeptisch.


„Du willst mir also nicht helfen? Du willst nicht helfen, dass ich mich rächen kann? Du willst Lucius Malfoy nicht an den Kragen?“, fuhr sie fort und durchbohrte Hermine förmlich mit ihrem Blick.

 

Dann seufzte sie auf. „Ok, meinetwegen. Du willst dich an den Malfoys rächen. Und was dann?“

 

„Dann habe ich eine tolle Idee für die Sumpfmörtel Riesenlarven. Ich meine, es sind so unterschätzte kleine Tierchen. Und so groß werden sie auch nicht. Sie werden ab und an als Sauglarven bei Schönheitskorrekturen eingesetzt“, fuhr Luna fort. Hermine verzog den Mund.

 

„Weißt du… das klingt wirklich… verlockend, aber ich denke, ich versuche mich erst mal an dieser Enthüllungssache und dann sehen wir weiter“, endete sie vorsichtig. Luna lächelte wieder verschwörerisch.

 

„Und mit wem gehst du zu Harrys Hochzeit? Es ist ja so aufregend, oder?“ Hermine beschloss das Thema zu wechseln, denn sie würde gleich ausrasten, denn anscheinend war jeder eingeladen – außer sie!

 

„Wann soll ich anfangen? Es gibt bestimmt viel nachzuforschen, richtig?“, erwiderte sie anstatt zu antworten.

 

„Ja“, begann Luna langsam. „Hier ist im Moment kein Platz mehr. Alles Büros sind voll. Ich habe am Ende der Winkelgasse eine Zweitstelle eingerichtet. Sie ist nicht ganz so schön.“ Sie warf einen bedauernden Blick an die Wände. „Wir hatten nicht genügend Klitterer Seiten, um das gesamte Gebäude zu tapezieren. Hermine versuchte enttäuscht auszusehen, aber sie befürchtete, es gelang ihr nicht gut. „Egal. Es ist in der Winkelgasse 480. Ich denke, du kannst es nicht verfehlen. Die Sekretärin kann dir dort dann weiter helfen. Sie weiß, dass du kommst“, fügte Luna immer noch lächelnd hinzu.


„Woher weiß sie, dass ich komme?“, hakte Hermine plötzlich nach. Lunas Lächeln geriet ins Wanken.

 

„Na ja… ahem… du hättest doch niemals abgelehnt, wenn ich dich um solch einen Gefallen bitten würde, oder?“ Irgendwas stimmte hier nicht. „Außerdem… ich meine, es steht dir frei. Wie läuft denn die Jobsuche bisher? Du musste sie doch bestimmt mit Stöckern beiseite schlagen, oder nicht, Hermine?“

 

Gut. Sie würde morgen skeptisch sein. Jetzt stand erst mal fest, dass niemand sie wollte – außer Luna. Und sie sollte wirklich nicht dem einzigen Menschen vor den Kopf stoßen, der ihr eine Chance bot.

 

„Ok. Ich mach mich auf den Weg.“

 

„Du kannst mich gerne anflohen, wenn irgendetwas ist. Aber nicht zwischen drei und fünf. Die Flügelwichtler sind dann nämlich zwischen den Kaminen unterwegs um für ihre Feuernester die Funken zu sammeln.“ Fast hätte Hermine nachgefragt, aber sie beherrschte sich gerade eben so.

 

 

~*~

 

 

Sie apparierte der Einfachheit halber zu der Zweitstelle. Sie konnte gar nicht sagen, was ihr alles komisch an dieser Sache vorkam. Aber vielleicht lag es nur daran, dass der Klitterer immer etwas – nun ja – an Glaubwürdigkeit hinterher hinkte.

 

Ein Job war immerhin ein Job. Luna würde sie bezahlen. Sie würde einen Bericht veröffentlichen und konnte sich ja nebenbei nach etwas anderem umsehen.

 

Auch die Sekretärin lächelte, als sie hereinkam.

 

„Hermine Granger?“, fragte sie sofort und alles wirkte hier noch spartanisch und nicht so, als ob man hier wirklich schon arbeiten konnte.

 

„Ja, hallo. Hat Luna Ihnen Bescheid gesagt?“, fragte sie und hatte das Bedürfnis zu fliehen.

 

„Luna?“, fragte die Frau verwirrt, dann nickte sie schließlich. „Ja, sicher. Sie hat mir gerade Bescheid gesagt, dass Sie kommen.“ Log diese Frau? Wurde sie einfach nur verrückt, weil… sie eben einfach verrückt wurde? „Gehen Sie einfach die Treppe rauf. Das Büro zu Ihrer rechten Seite“, erklärte die Frau höflich und versank dann wieder in ihre Zeitschrift. Hermine wusste nicht, ob es eine Ausgabe des Klitterers war. Und sie kam sich dumm vor, nachzufragen.

 

Also ging sie die Treppe rauf. Sollte sie für alle Vorsicht den Zauberstab bereithalten?

 

War es eigentlich überhaupt eine gute Idee, gegen Lucius Malfoy Nachforschungen zu betreiben? Hatte er nicht vielleicht immer noch überall seine kleinen Spione sitzen?

 

Sie öffnete die Tür zum Büro. Es war leer. Ein Schreibtisch mit zwei Stühlen befand sich im Innern. Ein verstaubter Kamin an der anderen Seite und keine Bilder an den Wänden. Dafür lagen Haufen an Papier und Pergament auf dem Tisch. Anscheinend war sie nicht allein beauftragt, an dieser Sache zu arbeiten.

 

Ehe sie den Gedanken zu Ende denken konnte, öffnete sich die Tür erneut.

 

Zwei Tassen Kaffee dampften in seiner Hand und ein Lächeln erhellte seine Züge.

 

Sie war so verblüfft, dass sie auf den Stuhl hinter sich sank. Was tat er hier? Und war sie wirklich überrascht, dass er gekommen war? War sie überrascht, dass sie hier in einem spärlich eingerichteten Büro auf Draco Malfoy traf?

 

Ja. Sie war überrascht.

 

„Hey“, begrüßte er sie nahezu gleichgültig und stellte ihr eine Tasse auf den Tisch. „Wie lief dein Gespräch in Paris?“, erkundigte er sich nonchalant und setzte sich ihr gegenüber.

 

„Was tust du hier? Woher weißt du, dass ich hier bin?“, fragte sie stattdessen vollkommen überfordert.

 

„Ich arbeite hier. Luna hat mir schon Bescheid gesagt“, beantwortete er eilig ihre Fragen. „Und wie lief dein Gespräch im Ministerium hier?“, fuhr er fort.

 

„Da ich hier bin sollte dir klar sein, dass die Gespräche schlecht liefen. Wie auch das Gespräch bei den Fluchbannern, den Runenübersetzern und den freien Auroren“, fuhr sie ärgerlich fort.

 

„Lief bei mir ähnlich. Luna hat sich aber bei mir gemeldet und mich gebeten diese Sache für sie zu erledigen“, sagte er und bedeutete ihr den Kaffee zu trinken. Völlig unbewusst griff sie nach der Tasse und trank. Er schmeckte gut. Stark, aber gut.

 

„Luna hat dich gefragt, ob du deine Familie beschatten würdest?“, wiederholte sie argwöhnisch und er deutete auf den Haufen an Papier vor sich.

 

„Ja, schon vor ein paar Tagen. Und sie hat mich gefragt, ob es in Ordnung sei, dich zu fragen und ich hab gesagt, ok“, erklärte er immer noch gleichgültig.


„Sie hat dich gefragt? Und du hast gesagt, ok?“, wiederholte sie erneut seine Worte und konnte sie nicht glauben. „Du arbeitest?“, fügte sie fassungslos hinzu und er zuckte die Achseln.


„Sicher. Nicht jeder ist ein reicher Todesserjunge und kann sich ausruhen“, sagte er bedächtig.


„Aber du bist…“ Sie überlegte, was sie sagte. „Du bist reich, Malfoy.“ Sie war müde. Sie wollte ihn nicht sehen. Denn es tat weh, ihn zu sehen.

 

„Granger, ich bin lediglich wohlhabend. Mein Vater ist reich. Und das möchte ich ändern. Am besten so schnell es geht“, fügte er hinzu. „Du kannst mir helfen oder du gehst zu Luna und erklärst ihr, dass du zu befangen bist, weil du mit mir geschlafen hast und damit nicht umgehen kannst, wenn du mich siehst.“

 

Ihr Mund klappte auf. Vor Entrüstung, vor Entsetzen, vor Schock.

 

Er sah sie an. Ob erwartend, ungeduldig oder gereizt konnte sie wirklich nicht sagen.

 

„Ich habe kein Problem damit, Malfoy. Ich bin nicht befangen“, erklärte sie zornig.

 

„Richtig. Was in Paris passiert ist, zählt also nicht?“, erkundigte er sich mit einem schwachen Lächeln und sie musste schlucken, als ihr Kopf ihr wieder Bilder lieferte von den Dingen, die passiert waren.

 

Rich…richtig“, sagte sie energisch.

 

„Dann hilfst du mir, meinen Vater zu vernichten?“

 

„Nein, ich helfe Luna mit ihrer… Wahrheitsfindung.“

 

„Wahrheitsfindung“, wiederholte er amüsiert und nickte schließlich. „So kann man es auch nennen“ bestätigte er.


„Hör zu, ich helfe bestimmt nicht dir. Ich helfe Luna, weil dein Vater ein blödes, arrogantes Arschloch ist, das nicht weiß, was Recht und Anstand ist!“, stieß sie jetzt hervor.


„Mein Vater?“, wiederholte er, um sicher zu gehen.


„Ja, dein Vater, Malfoy“, erwiderte sie angriffslustiger als sie es von sich erwartet hatte.

 

„Gut. Dann haben wir ja kein Problem“, stellte er fest und schob ihr einen Berg an Unterlagen zu. Kurz sahen sie sich an. Ihr Herz raste irgendwie viel zu schnell. Vielleicht lag es am Kaffee. Ihre Fingerspitzen kribbelten. Auch der Kaffee. Ihr Mund war unglaublich trocken. Lag bestimmt auch am Kaffee.

 

„Kein Problem“, bestätigte sie knapp und musste den Blick von seinem lächelnden Gesicht abwenden. Er war immer noch zu schön. Es war schlimm. Sie wollte ihn nicht sehen, aber genauso dringend musste sie ihn sehen. Das würde sie nicht zugeben. Denn er war auch nur ein Arschloch.

Und wieso hatte ihm Luna Bescheid gesagt. Er hatte seinen Blick schon in die Unterlagen gesenkt. Wieso wollte er seinen Vater fertig machen? So viele Fragen. Wieso musste sie überhaupt mit ihm zusammen arbeiten?

 

Es war bezeichnend, dass sie keine der Fragen laut äußerte. Sie kam sich schwach und hilflos vor. Sie würde noch ein wenig länger die offensichtlichen Fragen verdrängen. Sie würde den Schein wahren, bis sie genug davon hatte, ihn anzusehen und seinen Anblick in sich aufzunehmen. Sie würde anfangen zu fragen, sobald sie keine Schmetterlinge mehr im Bauch spüren konnte.

 

Irgendwann, nahm sie an, mussten doch auch die Schmetterlinge sterben. Seine schienen jedenfalls auch gestorben zu sein. Wenn er denn je welche gehabt hatte. Dieser Mann hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Mehr schlecht als recht, aber… anscheinend galten diese Gefühlswandlungen wirklich nur für Paris.

 

„Wir treffen uns morgen mit Luna. Ich hoffe, du hast nichts anderes vor“, sagte er knapp. Sie zuckte mit den Achseln.


„Malfoy, wieso arbeitest du für Luna?“, fragte sie schließlich, weil sie nicht anders konnte. „Das kannst du doch wohl nicht freiwillig machen“, fügte sie leiser hinzu.

 

„Warum? Weil ich ein Todesser bin?“, erwiderte er ruhiger und sah sie ernst an. Ihr Mund öffnete sich langsam. Sie wollte sich nicht wieder streiten. Nicht schon wieder. Nicht über dasselbe. Er schien ihre Antwort nicht abwarten zu wollen. „Lass uns hier weiter machen. Bitte“, fügte er leiser hinzu.

 

Sie griff nach einem Ordner, der Tagebücher hieß. „Sind die Seiten rausgerissen?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn als sie durch die vergilbten Seiten blätterte.

 

„Nein, die sind magisch kopiert. Ich habe mir die Freiheit erlaubt“, fügte er bitter hinzu. „Meine Mutter wird nichts dagegen haben, nehme ich an. Was sie nicht weiß…“ Er ließ den Satz unvollendet.

 

Die Tagebücher seiner Mutter? Sie versuchte, nicht interessiert die erste Seite zu verschlingen….

 

September 1982

 

…und ich hasse Lucius Malfoy! Ich schreibe es wortwörtlich, damit ich es ja nicht vergesse, wenn er das nächste Mal wagen sollte, nach Verwandlung hinter mir herzulaufen, nur um mich zu beleidigen. Er ist ein widerlicher, hässlicher, gemeiner, unglaublich böser, opportunistischer Kerl.

Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr er mich aufregt! Was sind das überhaupt für Haare? Sie zu beschreiben, würde hier zu weit führen. Vielleicht färbt er sie sich magisch. Dann wäre er noch dümmer, als er sowieso schon ist.

Ich hoffe, er verliert den dämlichen Pokal im nächsten Spiel. Quidditch liegt ihm nicht besonders. Vielleicht kommt sein Vater und nimmt ihn dann von der Schule. Dieser reiche, ekelhafte Mistkerl!

Ich, Narzissa Black, schwöre feierlich, dass ich nie wieder auch nur ein einziges Wort mit diesem aufgeblasenen Snob sprechen werde.

Sirius hat vollkommen recht. Nicht, dass ich auf ihn hören würde. Immerhin ist er zwei Jahre jünger und hat erst recht keine Ahnung.

Ich werde aber herausfinden, was es mit diesem Lord Voldemort auf sich hat. Lucius Malfoy macht sich bestimmt nicht umsonst die Mühe, alle von ihm fern zu halten. Politisch gesehen liegt dieser Lord doch eigentlich richtig, oder nicht?

Ich muss aufhören. Ich schreibe morgen wieder, wenn mich diese Elizabeth Westerford nicht damit nervt, wie toll sie Lucius Malfoy findet. Soll sie doch ihren Geoffrey Parkinson nehmen. Der läuft doch die ganze Zeit hinter ihr her.

Die Kinder von Elizabeth und Geoffrey möchte ich mir aber lieber nicht vorstellen. Grauenhafte Nervensägen, bestimmt.

Aber bestimmt erträglicher als alle zukünftigen Kinder von Lucius Malfoy. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es überhaupt irgendjemand neben diesem hirnlosen, blonden Angeber aushalten würde! Elizabeth kommt. Du weißt ja, was das heißt…

 

Hier endete der Eintrag von Malfoys Mutter. Und Hermine konnte nicht umhin, zu schmunzeln. Anscheinend mochte Narzissa ihren Mann damals nicht besonders gut leiden. Und anscheinend war nicht Lucius derjenige gewesen, der so Voldemort-fanatisch gewesen war.

 

Hermine fragte sich, ob Narzissa Malfoy noch wusste, dass sie diese Worte geschrieben hatte. Anscheinend hatte sie aber doch noch ihre Meinung geändert. Und Elizabeth Westerford schien Geoffrey Parkinson tatsächlich geheiratet zu haben. Und ja, Pansy war eine Nervensäge….

 

Sie hob den Blick. Hatte Malfoy sie angesehen? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie hatte schon fast vergessen, dass sie ja eigentlich Beweise dafür suchen sollte, Lucius in Schwierigkeiten zu bringen.

 

Aber ihre Finger blätterten weiter zum nächsten Eintrag in Narzissas Tagebuch.

 

 

Teil 23

 

„Hast du gewusst, dass Lucius Mitglied im Koboldsteinklub gewesen ist?“, fragte sie ihn und tauchte aus einem weiteren Auszug eines Tagebuchs empor. Er sah sie kurz an. Es schien ihr unverschämt viel Spaß zu machen, in der Vergangenheit seiner Eltern zu forschen.

 

Natürlich hatte er ihr die Tagebücher seiner Mutter nicht ohne Hintergedanken zugespielt. Sie war zwar noch einige Jahre weit entfernt, aber er erhoffte sich akkurat eine ganz bestimmte Regung von ihr.

Die Beziehung seiner Eltern war symptomatisch bezeichnend gewesen. Würde er entscheiden müssen, wer von beiden eigentlich der böserer Part gewesen war, würde er ganz klar auf seine Mutter tippen.

 

Er kannte die Tagebücher. Er war Einzelkind. In einem Herrenhaus hatte man nicht viel zu tun, außer durch die Zimmer zu wandern und Schatzsucher zu spielen. Die Hauselfen hatten damals für ihn herhalten müssen, denn seine Eltern hatten andere Dinge zu tun gehabt, als sich um ihren Sohn zu kümmern. Sie mussten planen die Welt zu vernichten und wenn dies scheitern sollte, dann mussten sie einen Weg finden, zu überleben ohne nach Askaban zu kommen.

 

Das ließ wenig Zeit für das Kind im Haus. Deswegen hatte er viele Hauselfen gehabt, die ihn gefüttert, ihn gewaschen und seine Sachen für den nächsten Tag auf den Ankleidestuhl gelegt hatten.

 

Sie hatten nicht besonders gern und auch nicht besonders gut mit ihm gespielt, erinnerte er sich düster. Er wollte magische Piraten spielen, auf unsichtbaren Luftschiffen das Haus erobern, aber die Hauselfen konnten nicht besonders gut mit den alten Schwertern umgehen, also musste er die meiste Arbeit beim Nahkampf leisten, während die Hauselfen mit missbilligenden Blicken zugesehen hatten.

 

Und irgendwann hatte er das Schlafzimmer seiner Eltern erobert. Dort wurden im alten Schrank die vielen endlosen Kleinigkeiten aufbewahrt und weggeschlossen, für die es keine Verwendung mehr gab. Es grenzte an ein Wunder, dass ihn seine Eltern ihn nicht einfach auch dort in den Schrank gesperrt hatten, überlegte er.

 

Jedenfalls hatte er dort die Tagebücher entdeckt als er gerade erst lesen konnte. Vieles hatte keinen Sinn gemacht, aber über die Jahre, wenn er immer mal wieder in den Ferien dort hoch ging, um sich in die Vergangenheit seiner Eltern einzulesen, hatte er immer mehr verstanden. Er hatte gelernt, zu verstehen, weshalb seine Eltern so waren, wie sie waren. Weshalb sie keine andere Wahl gesehen hatten, weshalb sie sich alle nun völlig auseinander gelebt hatten.

 

Er war unbeschadet aus dieser Familie raus gekommen, zumindest glaubte er das fest. Und Grangers Suche grenzte eigentlich an vertane Zeit, denn, alles, was er brauchte um seinen Vater in die Knie zu zwingen, hatte er bereits gestern gefunden. Es handelte sich nur um ein Pergament. Es war ein Schweigepergament. Es war belegt mit zahlreichen Flüchen und stammte aus dem Jahr, in dem die Schlacht um Hogwarts stattgefunden hatte.

 

Es war sein letztes Jahr dort gewesen und er glaubte, dass Granger, Potter und Weasley schon unterwegs gewesen waren, als das Treffen im Hause Malfoy stattgefunden hatte. Er wusste, er konnte die Flüche auf diesem Pergament mit seinem Blut brechen, denn sein Blut war das Blut seines Vaters. Familienblut löste alle Flüche des Hauses Malfoy.

 

Auf diesem Pergament hatte Lucius sämtliche Forderungen und Verbote festgehalten, die mit dem Tod der Muggelkundelehrerin Charity Burbage zusammenhingen. Er war an diesem Tag anwesend gewesen und hatte sich wochenlang später noch übergeben müssen. Er hatte Albträume gehabt und war jede Nacht schreiend aus dem Schlaf gefahren. Es hatte Jahre gedauert das Bild zu vergessen. Das Bild der armen Frau, belegt mit dem Levicorpus, getötet mit dem Avada und dann Nagini zum Fraß vorgeworfen.

 

Und er war mehr als willig seinen Vater für dieses Vergehen zur Rechenschaft zu ziehen. Es war alles, was er brauchte. Eigentlich hatte er niemals geplant, die Tagebücher seiner Mutter irgendwem zu zeigen. Sein ursprünglicher Plan war gewesen, die Bücher zu zerstören und niemals wieder einen Gedanken daran zu verschwenden. Aber manchmal, so nahm er an, war es wichtig, dass man andere an Dingen teilhaben ließ, die einem selber mehr als unangenehm waren.

 

Er hatte noch zwei Tage Zeit. Noch zwei Tage, in denen er ein Mädchen davon überzeugen musste, dass er ein liebenswerter Mensch war. Fast hätte er darüber gelacht.

 

„Ja, ich habe das gewusst. Aber ich bin mir sicher, Lucius würde es leugnen bis zum Tod.“

 

„Es kommt mir vor, als wäre er ein… ein…“

 

„Besserer Mensch gewesen als jetzt? Ja, definitiv“, beendete er den Satz für sie. Sie strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Er fragte sich, wann sie ihn befragen würde, ob niemals jemand hier her kam. Aber er wusste noch nicht, ob er sie belügen würde. Denn ja, er hatte dieses Haus hier gekauft und behelfsmäßige Büros eingerichtet. Er hatte Luna angeboten, seinen Vater dem Gesetz auszuliefern, als Entschädigung dafür, dass sie wochenlang im Hause Malfoy gefangen gewesen war.

 

Er hatte Granger sämtliche Steine in den Weg gelegt und die Unternehmen und freien Zauberer bestochen, damit sie ihr unter gar keinen Umständen eine Stelle anboten. Er hatte sehr viel Geld dafür ausgegeben, um Granger genau hier an diesem Tisch zu haben.

 

Und eigentlich ging er davon aus, dass sie zumindest über einen Teil dieser Dinge Bescheid wusste. Er hatte nicht erwartet, dass es funktionieren würde. Er hatte es gehofft, aber nicht damit gerechnet. Er hatte sehr offen sein müssen. Mit Luna und mit Ginny Weasley – und von der kleinen Weasley wusste er nur zu gut, dass sie ihn bis auf die Eingeweide verabscheute.

 

Anscheinend hatte er aber einen wichtigen Punkt gemacht. Anscheinend hatte er sie irgendwie davon überzeugen können, dass es ihm sehr ernst war. Und er war nicht dumm. Ihm war völlig klar, dass die kleine Weasley nur aus zwei möglichen Gründen mitgemacht hatte: Granger war ihr wichtiger als alles andere. Und Ginny Weasley musste etwas wissen, was ihm bisher noch unbekannt war. Oder zumindest war es nur eine Vermutung. Sie musste definitiv wissen, was Granger fühlte.

 

Und allem Anschein nach war er ihr nicht so zuwider, wie sie vorgab. Luna hatte ihm gesagt, dass sie Granger zu absolut nichts zwingen würde und wenn sein Spiel aufflog, dann wäre er auf sich selbst gestellt. Er war jetzt schon auf sich selbst gestellt. Und sie war so nah! Er müsste nur die Hand ausstrecken und könnte ihre Finger berühren. Er müsste nur aufstehen und ein paar Schritte in ihre Richtung machen, dann könnte er sie berühren, er könnte sie küssen, er könnte sich all das hier sparen.

 

Aber das tat er nicht. Und er wusste nicht genau, warum er es nicht tat. Wahrscheinlich aus Angst, nahm er an. Sie hatte vielleicht mehr Angst, aber er war nicht viel besser. Ihm fiel vieles leicht und vieles ging ihm wie von selbst von der Hand, aber Gefühle waren nie etwas gewesen, mit dem er gut hatte umgehen können. Wahrscheinlich wusste Pansy das am besten.

 

„Denkst du, in den Tagebücher gibt es etwas brauchbares?“, fragte sie jetzt. Und er kannte ihren Tonfall. Er war skeptisch, prüfend und deutete an, dass sie bereits einiges durchschaut hatte. Aber er wusste dafür auch, dass sie die Bücher nur ungern aus der Hand legte.

 

„Keine Ahnung. Du musst ja nicht weiter lesen“, schlug er gleichmütig vor. Aber sie legte die Manuskripte nicht beiseite. Das war ihm klar gewesen.

Es überraschte ihn, dass er sich so geändert hatte. Ihm war noch der Nachmittag im Kopf geblieben, als sie zusammen an dem Tisch auf Blaises Hochzeit gesessen hatten. Hatte er Granger überhaupt wahrgenommen? Ja, hatte er. Sie war ausnahmslos hübsch gewesen.

 

„Was?“, fragte unsicher und sah ihn an. Er fühlte es. Es war der richtige Punkt, um ihr zu sagen, dass er sich die Mühe hier nur gemacht hatte, damit sie mit ihm sprach. Er wollte es sagen. Er fühlte, wie die Worte an die Oberfläche stiegen, er wusste genau, was er sagen wollte. Sein Herz war in dieser Sekunde absolut bereit. Er musste nur den Mund öffnen, Luft holen, seine Stimmbänder anspannen und sagen, dass er sie liebte, dass es ihm leid tat, dass er aber keine andere Möglichkeit gesehen hatte.

 

Aber er sagte es nicht.

 

Der Moment verging so schnell, wie er gekommen war. Er räusperte sich und erhob sich plötzlich.

 

„Nichts. Ich habe beschlossen, allein mit Luna zu sprechen.“ Er griff nach dem Ordner, den er sich zurechtgelegt hatte. Zum einen, weil es seine Aufgabe war, seinen Vater auszuliefern und nicht Grangers, und zum anderen, weil er nicht wollte, dass sie ihn fand.

 

Denn jetzt hatte er sich dagegen entschieden, ihr die Wahrheit zu sagen.

 

„Du willst allein mit ihr reden? Ich dachte, wir wollen das zusammen tun?“ Kurz sah er sie an. Prüfend und sehr genau. Wollte sie mit ihm zusammen dorthin oder wollte sie es einfach nur erledigen? Sie senkte ihren Blick. Schnell und fast beschämt. „Aber nein… eigentlich ist es egal. Du kannst alleine gehen. Warum auch nicht? Wir haben ja sowieso noch nichts Brauchbares gefunden. Richtig, Draco?“ Sie benutzte seinen Vornamen, als könne sie ihn so zu einem Geständnis bringen, vermutete er.

 

„Richtig“, erwiderte er knapp. Sie sah ihn wieder an. Die dunklen Augen auf seinen Blick geheftet, aber er wusste nicht genau, worauf sie wartete. Er verharrte kurz und rang sich eine weitere Frage ab. „Hast du eigentlich deinen Freunden schon Bescheid gesagt, dass du hier bist?“, fragte er unangenehm berührt und sie verzog den Mund.

 

„Was interessiert es dich?“, schnappte sie gereizt. Er verdrehte die Augen.


„Du hast Recht, es interessiert mich absolut nicht“, gab er zurück und ärgerte sich darüber, dass sie ihm nicht vertraute. Er wandte sich zur Tür.


„Nein, habe ich nicht“, beantwortete sie die Frage tonlos. „Warum? Sollte ich? Hast du vor mich still und heimlich umzubringen?“ Immer wieder dasselbe. Immer wieder misstraute sie ihm. Jeden gottverdammten Tag. Er kam zum Tisch zurück und lehnte sich langsam zu ihr runter. Sie erstarrte und sah ihn argwöhnisch an.

 

„Hätte ich vorgehabt dich umzubringen, hätte ich es nicht längst schon getan?“, entgegnete er die Gegenfrage, die sich schlicht und einfach aufdrängen musste. Sie atmete zornig aus.

 

„Woher soll ich das wissen? Du tust lauter seltsame Dinge, ohne dass ich begreife, weshalb“, erwiderte sie ruhiger als er angenommen hatte.

 

„Du könntest einfach fragen. Stattdessen bleibst du einfach ruhig hier bei mir sitzen.“ Er musste sich kontrollieren, oder er würde sich noch darüber ärgern, dass er etwas sagte, was er nicht hatte sagen wollen.


„Welche Frage muss ich stellen, Malfoy?“, gab sie ungehalten zurück und er stieß entnervt die Luft aus. „Warum ich keinen anderen Job finde, als diesen hier mit dir? Weshalb wir in einem Gebäude sitzen, das seit achtundvierzig Stunden kein anderer Mensch mehr betreten hat? Warum ausgerechnet du vorhast, deinen Vater auszuliefern?“ Er lehnte sich näher zu ihr, unfähig sich im Zaum zu halten.

 

„Wie wäre es, wenn du mich fragen würdest, weshalb ich mich mit dir geschlafen habe?“, korrigierte er sie eisig und sie erhob sich übergangslos.

 

„Das will ich überhaupt nicht wissen, Malfoy!“ Er wusste, sie würde gleich ihren Mantel nehmen und gehen. Sie würde nicht mehr wiederkommen und er hätte absolut großen Mist gebaut und würde von Weasleys Schwester wahrscheinlich umgebracht werden.

 

„Nein, natürlich nicht, oder Hermine? Gibt es etwas wovor du mehr Angst hast als vor dieser einen Antwort? Bestimmt nicht. Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte, verflucht?“ Merlin, er musste sich endlich wieder beruhigen! Er musste! Er musste einfach.

 

„Das Schlimmste?“, schrie sie und drehte sich zu ihm um, so dass ihre Haare über die Schulter flogen. Er liebte es, wenn sie sie offen trug und sie so verführerisch darauf warteten, dass er seine Finger in sie grub, damit er ihr Gesicht an sein eigenes bringen konnte, um diese Lippen zu küssen, die für ihn nur böse Worte übrig hatten. „Das Schlimmste, was du tun könntest? Du hast überhaupt keine Ahnung, was das Schlimmste wäre, was du mir antun könntest!“ Er wollte nicht, dass sie weinte. Nicht wegen ihm. Nicht schon wieder. „Das Schlimmste wäre, wenn du hierfür verantwortlich wärst, Malfoy“, fuhr sie zornig fort. „Dass es alles von dir geplant war und dass du selbst Ginny überzeugt hast, mir den Job wegzunehmen, nur damit du mich noch einmal demütigen kannst. Noch einmal sehen kannst, wie das Schlammblut am Boden zerstört ist und keine andere Wahl hat als mit dir hier zu sitzen und darüber nachzudenken, dass mit dir zu schlafen wahrscheinlich der größte Fehler meines Lebens war, weil es für dich nichts weiter ist als ein Spiel, eine Wette, einfach eine Gemütsschwankung in deinem scheiß selbstsüchtigen Tag!“

 

Sie weinte nicht. Ihr Atem ging schnell. Und er wünschte sich, sie würde ihn schlagen.

 

„Miss dir nicht zu viel Bedeutung bei“, sagte er lediglich und wollte eigentlich etwas anderes gesagt haben. „Ich bin später wieder da“, fügte er ruhiger hinzu, ohne sie anzusehen.

 

„Schön“, flüsterte sie zornig und ließ ihn vorbei. Sie hielt ihn nicht auf. Sie warf sich nicht in seine Arme. Sie weinte nicht, um sich von ihm trösten zu lassen. Nein, sie sagte, er war der schlimmste Fehler ihres Lebens.

 

 

Teil 24

 

 

Sie hatte gehen wollen. Sie hatte nach ihm direkt auch noch verschwinden wollen. Aber sie hatte sich kindisch verhalten. Was hatte sie gedacht? Dass Malfoy tatsächlich für all das hier verantwortlich war? Bestimmt nicht. Bildete sie sich wirklich zu viel ein? Was hatte sie erwartet? Dass er auf die Knie fallen würde, um sie um Entschuldigung zu bitten? Wie konnte sie es hier überhaupt aushalten.

 

Und was hatte er damit gemeint? Was hatte er hören wollen? Wollte er, dass sie ihn fragte, weshalb er mit ihr geschlafen hatte? Wollte er das wirklich?

Und was wollte er dann darauf sagen? Dass es wieder einmal ein Spiel war?

 

Und was, wenn er etwas anderes sagen würde? Verteidigte sie sich nur, weil sie Angst vor einer anderen Antwort hatte? Meinte er das? Es war unmöglich, dass er das meinte!

 

Mit zitternden Fingern strich sie wahllos durch die Blätter an Tagebucheinträgen.

 

Juni 1999

 

Draco und Lucius haben Streit angefangen. Schon wieder haben sie sich gestritten. Es kommt mir vor, als streiten sie sich immer häufiger. Es ging wieder einmal darum, dass Harry Potter im Quidditch besser war. Ich glaube aber nicht, dass es wirklich darum geht. Ich habe Lucius gebeten, Draco von den Plänen des Dunklen Lords zu erzählen. Draco ist doch unsere einzige Möglichkeit.

Lucius hat mir nicht gesagt, was er davon hält, aber ich hoffe, er macht ihm klar, dass das Dunkle Mal zu tragen, unser einziger Ausweg ist. Ich habe mehr und mehr das Gefühl als würde sich Draco gegen uns stellen.

 

Der Eintrag war unleserlich ab dieser Stelle. Hermine blätterte weiter. Es folgten mehrere Seiten über ein Familientreffen, bei dem sich Lucius und Bellatrix angelegt hatten.

 

August 1999

 

Merlin, steh mir bei. Draco muss Albus Dumbledore töten. Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte. Draco hat das Dunkle Mal bekommen und seinen ersten Auftrag. Ich weiß, er wird es nicht schaffen. Und ich will nicht, dass er jemanden töten muss. Er wird bestraft für Lucius‘ Versagen.

Lucius spricht nicht mehr mit mir. Es war ein großer Fehler und es ist unsere einzige Chance. Bellatrix will nicht, dass ich Severus aufsuche, aber ich werde es doch tun müssen. Bellatrix sagt, er ist ein Spion von Dumbledore. Sie vertraut ihm nicht. Keiner aus den Rängen vertraut ihm noch. Ich glaube, nicht einmal der Dunkle Lord vertraut ihm noch.

Ich habe Dracos Willen gebrochen und…

 

Wieder war der Eintrag unleserlich. Aber sie wusste nicht, ob er mit Absicht nicht zu lesen war, oder ob es wirklich Wasserflecken oder Altersflecken waren, die ihn zerstört hatten.

 

Sie blätterte durch die Einträge. Es kam nicht viel über Draco. Viel stand über die Große Schlacht, aber Hermine wollte darüber nichts lesen. Sie kannte alles, was es darüber zu wissen gab. Narzissas Schmerz über den Verlust ihrer geliebten Schwester konnte sie kaum ertragen. Es widerte sie an.

 

Mai 2003

 

Es ist warm geworden. Die Pfauen haben die letzten warmen Winterfedern abgeworfen und der weiche Flaum bedeckt wie Schnee den gesamten Vorgarten. Draco ist ausgezogen. Lucius gibt mir die Schuld daran.

Er hat Draco sogar gedroht, dass er das Haus nicht bekommen wird, wenn er sich jetzt gegen die Familie wendet. Aber ich glaube, das Haus steckt voller Schulden. Wenn Draco etwas erben wird, dann nur unsere Schulden. Nein, eigentlich Schulden für die nur Lucius verantwortlich ist.

Ich glaube, es schert Draco alles nicht mehr. In seinem Zimmer liegen die Bücher über Harry Potter und seine Freunde. Draco hat sie alle gelesen. Ich glaube, er wird uns nicht verzeihen. Lucius schläft nicht mehr mit mir. Ich denke, es liegt daran, dass sein einziger Sohn uns verlassen hat. Oder vielmehr ihn verlassen hat.

Ich gebe Draco die Schuld daran, denn wenn ich mir noch mehr Schuld auf bürge, werde ich daran zu Grunde gehen.

Mein Sohn hat mich die letzte Energie gekostet. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Lucius zu heiraten.

Jeder muss mit seinen Fehlern Leben und der Schande, die…

 

Hier fehlte wieder ein entschieden großer Teil.

Hermine empfand immer mehr Hass auf Narzissa Malfoy. Auf Lucius Malfoy. Auf alle Malfoys. Sie legte die Blätter ärgerlich beiseite. Es gab noch mehrere Tagebücher, die darauf warteten gelesen zu werden.

Unter dem gesamten Bündel an Pergamentblättern entdeckte sie einen weiteren zusammengebunden Haufen.

 

Hogwarts, viertes Jahr, stand dort. Eigentum von Draco Malfoy.

 

Anscheinend kam Draco auf seine Mutter und hatte ebenfalls Tagebuch geführt. Oder zumindest so etwas, wie einen Tagesplaner, vermutete sie. Sie suchte die anderen Jahre, aber sie waren nicht dabei. Wahrscheinlich war auch das vierte Jahr nur versehentlich mit in diesen Stapel gerutscht, nahm sie an.

 

Auch diese Seiten waren magisch kopiert worden. Sie blätterte durch die Aufzeichnungen. Das Datum war manchmal vorhanden, manchmal bestanden die Einträge auch nur aus Schimpfwörtern, mit denen er Harry beleidigen wollte.

 

An einem Eintrag blieb sie jedoch hängen.

 

 

~*~

 

„Bist du dir sicher?“, fragte Luna und biss sich auf die Unterlippe. Draco hatte gerade die Wunde an seinem Finger wieder verschlossen, mit der er das Pergament vom Fluch befreit hatte.

 

„Ja. Du kannst es nutzen, wann immer du willst.“ Sie hob den Blick.

 

„Warum fehlt deine Unterschrift?“, fragte sie jetzt. Sein Lächeln war ein freudloses Lächeln.

 

„Lucius hat mich nicht als erwachsenen Menschen gezählt. Ich war nur… gerade da“, erklärte er kalt. „Ich existiere nicht in seiner Todesserkarriere.“

 

„Oh“, sagte sie langsam.

 

„Wenn du willst, kann ich meinen Namen nachträglich eintragen. Eigentlich hast du Recht.“ Er griff nach einer Feder auf ihrem Schreibtisch. Sie zog das Pergament an sich.


„Draco, das ist Unsinn. Du würdest dich in unnötige Schwierigkeiten bringen. Außerdem hege ich keinen Groll gegen dich“, fügte sie gedankenverloren hinzu.

„Vielleicht ist es nicht Recht, eine solche Fehde aufrecht zu erhalten“, mutmaßte sie und fixierte einen unbestimmten Punkt an der Wand. „Rache ist ein sinnloses Unterfangen, findest du nicht?“

 

„Nein. Ich denke, Rache serviert man kalt und am besten unerwartet“, erwiderte er böse.

 

„Ich weiß nicht. Wenn ich es nicht tue, werde ich mich nicht anders fühlen. Es ist lange her. Und… selbst wenn dein Vater inhaftiert wird… dann wird es mir bestimmt nicht gut gefallen.“ Er sah sie verwirrt an.

 

„Das… hatten wir doch abgemacht? Es war doch geplant, Luna. Es ist das richtige, was wir tun können! Du musst das tun, damit Gerechtigkeit siegt. Lucius-“

 

„- ist dein Vater“, beendete sie den Satz.

 

„Er hat dich gefangen genommen!“

 

„Ich bin frei. Mir geht es gut. Ich glaube, ich bin nicht diejenige, die sich rächen will.“

 

„Es geht hier nicht nur um deine Rache. Oder meine“, fügte er hinzu, ehe sie so etwas in der Art sagen konnte. „Es geht um die Gerechtigkeit im Allgemeinen. Luna, es gehört sich so, dass die Bösen bestraft werden.“

 

Sie schüttelte schließlich langsam den Kopf. „Es klang verführerisch in der Theorie. Aber bei allen Schnarchkacklern der Welt, ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass jemand nach Askaban kommt.“

 

„Luna-“

 

„Nein. Wenn du es willst, dann kannst du es entscheiden. Ich will es nicht“, erklärte sie rigoros und hielt ihm das Pergament entgegen. Er verzog kurz den Mund.


„Es ist deins. Es ist deine Sache, was du tun willst“, sagte er lahm. Sie nickte und lächelte plötzlich.

 

„Gut. Dann unterstelle ich deinem Vater, dass er jetzt einen guten Kern in sich wohnen hat, der irgendwann einfach zum Vorschein kommen wird.“ Draco wäre am liebsten hinterher gesprungen, als sie das Stück Pergament achtlos in ihr Feuer warf. Es loderte kurz auf, dann zerfiel es zu schwarzer Asche.

Jetzt wusste er nicht, ob er jemals wieder ein so beweislastiges Mittel finden würde, um seinen Vater zu erpressen.

 

„Du irrst dich“, sagte er schließlich und zwang sich zur Ruhe. „Lucius ist kein guter Mensch. Und einen guten Kern hat er wahrscheinlich nie besessen“, merkte er an.

 

„Tut mir leid.“ Er nickte nur.

 

„Dann werde ich Hermine wohl sagen müssen, dass es jetzt keinen Grund mehr gibt, weiter zu machen“, überlegte er laut. Dieser Satz galt nur ihm.

 

„Du bist ein hübscher Kerl, Draco. Sie wird dir verzeihen“, erklärte Luna schulterzuckend und setzte sich eine bunte Glitzerbrille auf. „Jetzt entschuldige mich, ich habe zu lesen.“ Sie drehte den Klitterer auf den Kopf und schien vergessen zu haben, dass er noch da war.

 

Und das war es für Luna wohl gewesen. Sein Vater lief frei herum, und schloss korrupte Geschäfte und er konnte sich überlegen, wie er lebend aus dieser Geschichte rauskam. Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, sich an Luna Lovegood zu wenden. Aber jetzt war es zu spät. Die Last des Tages lag schwer auf seinen Schultern und alles in ihm sträubte sich, zurück zu gehen und Grangers Erwartungen zu erfüllen.

 

Er stand am Ende als Scheusal da. Und wahrscheinlich ohne sie. Oder irgendwen.

 

 

~*~

 

 

Dezember 1997

 

Wir haben‘s gemacht. Ich wollte sie gar nicht. Hab ihr gesagt, ich hätte schon ganz andere Mädchen gehabt. Pansy glaubt alles. Aber ich hab sie angelogen. Und ich glaube, ich bin schlecht, aber natürlich hab ich ihr gegenüber nichts erwähnt. Soll Pansy ruhig denken, sie wäre schuld. Mir völlig egal. Gregory ist in sie verliebt, aber ich hab ihm gesagt, er soll es ihr nicht sagen.

Auf den blöden Ball werde ich mit Pansy gehen. Mutter hat den Festumhang schon geschickt.

Potter hat den Schnatz schon wieder gefangen, aber diesmal war es reines Glück. Ich hab ihn eher gesehen, aber ich hab erzählt, ich wäre großzügig gewesen.

Totaler Bullshit. Ich hab den Schnatz gar nicht eher gesehen. Ist auch völlig egal.

Wen interessiert Quidditch schon wirklich?

Als ob es nicht reichen würde, dass Potter in dem dämlichen Turnier teilnimmt. Weiß doch sowieso jeder, dass er geschummelt hat. Dabei schafft er es doch gar nicht allein. Sicher erledigt Granger all seine Aufgaben. Das Miststück hat zwei Punkte mehr in Verwandlung bekommen.

Mutter will, dass ich nächstes Jahr das Dunkle Mal trage.

Ich hasse den Gedanken. Ich will es nicht tragen. Es tut bestimmt weh. Und dann kann ich nie wieder

Muss los. Training fängt an. Absolut sinnlos, sowieso. Potter gewinnt am Ende.

 

 

Sie versuchte sich an die Prüfung zu erinnern. Aber es fiel ihr nicht mehr ein. Woher hatte er gewusst, dass sie zwei Punkte mehr hatte? Hatte das Ergebnis ausgehangen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern.

Potter gewinnt am Ende. Malfoy hatte Recht gehabt. Sie fühlte sich auf einmal schlecht mit dem Gedanken, dass sie in diese Erinnerung eingedrungen war.

 

Ihre Augen suchten, ob sie noch einmal ihren Namen fanden, aber sie zwang sich, die Zettel beiseite zu legen.

Vielleicht war Malfoy nicht einfach so wie er war, weil er ein Arschloch war. Vielleicht war er so, weil er es nicht leicht gehabt hatte. Niemals wirklich leicht. All der Reichtum schien diese Einsamkeit, die er erlebt hat, nicht überschatten zu können.

 

Wo war die Liebe in diesen Einträgen? Sie fehlte entschieden. Und er tat ihr leid. Nur kurz und nicht besonders viel. Er hatte nicht viel dafür getan, dass ihn die Menschen mochten. Wirklich nicht.

 

Sie wollte nach Hause gehen.

 

Und sie würde nach Hause gehen. Sie war müde. Und nicht einfach nur, weil es anstrengend war, hier zu sitzen und so zu tun, kein Problem mit Draco Malfoy zu haben. Nein, sie war es leid, sich quälen zu müssen.

 

Der Kamin loderte auf.

 

„Draco?“ Als Harry sie erfasste, öffnete sich sein Mund ein Stück weit.

 

„Harry?“, sagte sie völlig fassungslos und ihr bester Freund sah sie mehr oder minder ertappt an.

 

„Mist“, murmelte er und räusperte sich schließlich. „Hey, Hermine. Alles… in Ordnung bei dir?“ Sie starrte ihn an und schüttelte langsam den Kopf.

 

„Was…?“

 

Was zum Teufel machte Harry in diesem Kamin? Wieso wollte er mit Malfoy sprechen und warum wusste sie davon nichts? Waren sie jetzt auf einmal Freunde? Wut kochte in ihr hoch und sie war so wütend, dass sie kaum atmen konnte. „Harry, Draco ist gerade nicht hier“, sagte sie betont freundlich und ging auf die Knie. Kurz sah ihr Freund argwöhnisch zu ihr empor.

 

„Nein? Vielleicht…“, begann er und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.


„Du kannst mir einfach sagen, um was es geht“, erklärte sie grinsend, denn sie beschloss, es wäre unauffälliger, wenn sie so tun würde, als wäre es das Normalste der Welt, dass Harry in diesem Kamin aufgetaucht war.

 

„Ja?“, wiederholte er unsicher. „Du meinst… ihr habt gesprochen? Er hat es dir gesagt?“ Sie überlegte knapp. Dann fiel ihre Entscheidung. Dieser Arsch. Beides Arschlöcher. Es gab nichts, was sie jetzt noch verlieren konnte. Wie konnte Harry ihr das nur antun? Wollte er sie etwa auch verletzen, weil sie nach Paris hatte gehen müssen, damit sie keinen Nervenzusammenbruch erleiden würde?! Sie hasste diese Menschen.

 

„Ja, er hat mir alles gesagt. Schon vor Stunden“, fügte sie lächelnd hinzu. Dann atmete Harry erleichtert aus.


„Großartig! Ich freue mich so. Hat er dir das Haus gezeigt, was er gefunden hat? Es ist absolut perfekt. Ich habe mit Ginny schon geklärt, dass wir in dieselbe Straße ziehen könnten. Und morgen fangen wir schon um drei Uhr an, weil der Kuchen eher geliefert wird. Es ist so ein Chaos. Richtest du es Draco aus? Willst du Ginny sprechen? Sie ist schon völlig fertig, weil sie so ein schlechtes Gewissen hat. Sie hat schon befürchtet, dass Draco es dir immer noch nicht gesagt hat und dass du sie für immer hassen wirst“, plapperte er aufgeregt und sie konnte nur versuchen, alles zu verstehen. „Aber ihr war völlig klar, dass du das alles nur wegen Draco gemacht hast. Also, die Versetzung nach Paris und die Kündigung und all das“, erzählte er weiter.

 

„Woher weißt du, was er mir sagen wollte?“, fragte sie scheinheilig und hielt die Luft an.


„Was? Ich war doch dabei. Ich hab doch euer Scheinbüro eingerichtet. Luna fand die Idee von einer Zweitstelle ziemlich genial. Vielleicht kauft sie Draco das Gebäude noch ab. Ich weiß gar nicht, ob er jetzt überhaupt noch viel Geld übrig hat. Aber ich könnte ein paar Fäden ziehen, damit ihr wirklich Arbeit habt. Ich finde es wirklich gut, dass ihr nicht mehr im Ministerium seid. Mal ehrlich, das war doch nicht unbedingt der beste Arbeitsplatz, richtig?“, lachte er jetzt befreit.

 

Harry war mit dabei. Das hier war ein Scheinbüro. Malfoy hatte Ginny überredet, Luna überredet, Harry überredet. Ihr wurde übel. Er hatte ein Haus gefunden? Er hatte sein Geld ausgegeben, damit sie glauben würde, es wäre alles echt? Warum? Warum hatte er das getan?

 

„Weiß Ginny, was er mir sagen wollte?“, fragte sie, bemüht, gleichgültig zu klingen.


„Ginny? Sie hat ihn überhaupt erst bestätigt. Oh, du musst wirklich mit ihr sprechen. Sie hat schon gedroht, die Hochzeit morgen zu verschieben, wenn du nicht kommst. Ich hätte ja nicht damit gerechnet, dass Draco es wirklich bis morgen schafft, aber anscheinend ist alles gut gelaufen! Ich freue mich so, Hermine!“

 

„Sie wusste das?“, flüsterte sie erstickt und fühlte sich verraten von der gesamten Welt.


„Dass ihr euch liebt? Sicher. Draco wollte es dir sofort sagen, aber… keine Ahnung. Ihr seid seltsam. Ron war überhaupt nicht einverstanden, aber anscheinend hat Pansy ihn beruhigt. Sie ist nicht so übel, wie wir dachten, Hermine. Sie…“ Harry unterbrach sich und runzelte plötzlich die Stirn. „Hermine, alles klar? Du bist vollkommen blass. Oder liegt das am Feuer?“

 

„Er liebt mich? Das alles, weil er mich liebt?“, wiederholte sie und nun wurde Harry käsebleich. „Das ist doch nicht dein ernst? Das kann nicht… das kann nicht sein“, stotterte sie.


„Er hat es dir nicht gesagt“, bemerkte er jetzt ernst. „Oh, ich hab jetzt richtig Mist gebaut“, fuhr er tonlos fort.

 

„Und Ron weiß es! Und Ginny weiß es! Und Luna weiß es! Selbst Pansy weiß das?“, schrie sie jetzt außer sich und Harrys Augen weiteten sich panisch.


„Hermine, bitte beruhige dich, ich dachte… scheiße, es tut mir so leid! Ich… warte! Hey, warte, Hermine! Bleib da, bitte! Lass uns darüber reden, ich kann dir erklären-“

 

Sie hatte sich erhoben und mit einer zornigen Zauberstabbewegung die Flammen im Kamin erstickt. Ihre Hände zitterten. Vor Wut, vor Scham, vor allen Gefühlen, die ein Mensch haben konnte.

 

Dann wurde sie ruhig.

 

Sie ging zurück zum Schreibtisch, griff sich eine Feder und schrieb einen einigen Satz auf eines der vielen Blätter.

 

Dann griff sie sich ihren Mantel und schloss fast behutsam die Tür hinter sich.

 

 

Teil 25

 

 

Er hatte es nicht geschafft. Er hatte es nicht geschafft zu ihr zu gehen. Er hatte im Tropfenden Kessel halt gemacht und hatte ein wenig getrunken. Vielleicht hatte er auch Angst. Vielleicht genauso viel Angst wie sie.

 

Dafür hatte er sich jetzt sehr früh auf den Weg gemacht. Er war spät nach Hause gekommen, direkt in sein Bett gefallen und jetzt war er unglaublich früh unterwegs, weil er sich jetzt entschlossen hatte, kein Feigling zu sein. Das half keinem. Jetzt war er bereit, mit ihr zu sprechen.

 

Sie benahmen sich wie Kinder und das wollte er nicht mehr. Es war jetzt an der Zeit.

 

Sie war noch nicht da, als er das Gebäude betrat, in dem der Großteil seines letzten Geldes steckte.

 

Seinen Umhang warf er über den Stuhl und wollte nicht drüber nachdenken, was er ihr sagen würde. Er würde es einfach sagen. Und wenn sie… wenn sie ihn danach nur noch hassen würde – gut, dann hatte er eben versagt.

 

Er sah ihre Notiz in genau dieser Sekunde. Seine Kehle schnürte sich unangenehm zu.

 

Harry war im Kamin. Hochzeit findet um drei statt. Nicht um vier.

 

Das war alles. Ihre Schrift war ruhig und gerade. Zorn war ihr nicht anzusehen. Potter, der Idiot musste gestern versucht haben, über Floh mit ihm zu sprechen. Merlin, wieso hatte er den Kamin nicht gesperrt?

 

Fuck, verflucht! Hatte Potter sich verplappert? Dachte sie nur… er würde… er wusste es nicht. Hat Potter irgendwas gesagt? Oder… hatte sie Potter dazu gebracht zu sagen, weshalb er ausgerechnet mit ihm sprechen will? Hatte sie ihn einfach sofort angeschrieen, weil sie nicht zur Hochzeit eingeladen war?

 

Oh nein, oh nein! Oh, bei Merlin, nein!

 

Was jetzt? Draco, komm schon. Was jetzt, verflucht?

 

Er vergaß seinen Umhang völlig und stürmte nach draußen. Alles schien absolut schief gelaufen zu sein! Wieso hatte er seine Chance gestern nicht genutzt? Wieso nicht? Wo war sie? Zuhause? Ja sicher, Granger saß bestimmt Zuhause und wartete darauf, dass er es über sich brachte und endlich zu ihr kam.

 

Er musste wissen, was passiert war. Die Hochzeit fand um drei statt, aber musste er noch zu der dämlichen Hochzeit? Nein, eigentlich musste er alles andere tun, aber nicht zu der verdammten scheiß Hochzeit von dem Idioten gehen, der all seine Chancen versaut hatte!

 

Eine kleine Stimme, versuchte ihm zu sagen, dass er wohl kaum Potter die Schuld seiner Inkompetenz zuschrieben konnte, aber er ignorierte diese Stimme zornig.

 

Scheiße! Er musste mit Potter sprechen und rausfinden, was dieser eigentlich gesagt hatte. Anders würde er nur im Kreis laufen und überhaupt nichts schaffen. Sie konnte sonst wo sein. Und wenn das Wunder bestand, und Potter sich irgendwie aus der Affäre hatte winden können – was Draco bezweifelte – dann würde er wohl noch einen Fehler machen, wenn er jetzt panisch zu ihr ging.

 

Es war scheißegal. Er musste zu ihr. Sofort!

 

Er apparierte so schnell er konnte und brach ein Gesetz, dem er sowieso nicht allzu viel Bedeutung beimaß. Er brach die Tür ihres Gebäudes auf und rannte die Stufen empor. Er klopfte schwer und laut an ihre Tür. Hunderttausend Mal so kam es ihm vor. Er konnte jetzt keine Rücksicht nehmen und hexte auch diese Tür lautlos auf.


„Hermine?“, schrie er heiser und stürmte durch die kleinen Zimmer. Die Möbel waren noch da. Ihre Sachen waren noch da. Alles war noch an Ort und Stelle. Sie hatte also nicht die Sachen gepackt und das Land erneut verlassen. Das war beruhigend. Allerdings – war sie nicht hier!

 

Er verließ die Wohnung wieder.

 

Potter. Ja, er musste zu ihm. Wusste er, wo er wohnte? Ja, es stand auf der Einladung. Der Absender stand auf der Einladung. Die war in seiner Wohnung. Er apparierte so schnell, dass seine Sohlen regelrecht zu brennen schienen.

Selbst die Tür seiner Wohnung fluchte er beinahe aus den Angeln, denn er hatte keine Zeit für den Schlüssel.

 

Er durchsuchte seine Post aus Frankreich, bis er endlich den Brief gefunden hatte. Potter wohnte mitten in der Stadt. Er musste vorsichtig apparieren, sonst würde er noch einen blöden Unfall bauen, der ihn nur Zeit kosten würden.

 

Er steckte den Umschlag ein und raste wieder los. Der Schlafmangel bekam ihm nicht gut. Sein Herz schlug viel zu schnell und er spürte die Kopfschmerzen, die sich anbahnten. Würde er sie nicht finden, dann würde er explodieren, nahm er an.

 

Er apparierte nach Harvest Hill, wo es sich natürlich nur Potter leisten konnte, zu wohnen. Es war ein magisches Viertel, mitten in der Stadt, umgeben von Muggeln, die nicht die leiseste Ahnung von dessen Existenz hatten. Zauberer konnten es finden und es konnte ihm gar nicht schnell genug gehen.

Er apparierte in die ziemlich exakte Nähe des Eingangs des Viertels und kämpfte sich durch die tausend Muggel, die an diesem Morgen anscheinend nichts anderes zu tun hatten, als ihm im Weg zu sein.

 

Fluchend kam er vorwärts und sah einen feinen rötlichen Schimmer am Ende einer Straße. Es sah aus, wie ein Tor zu einer Parkanlage, aber niemand sonst sah den feinen rötlichen Schimmer, der den Eingang nach Harvest Hill markierte. Mit seinem Zauberstab stach er in den Schimmer und erkannte, dass hinter dem Tor eine Straße weiterging.

 

Kurz sah er sich um und schlüpfte dann durch den magischen Spalt. Anscheinend hatte es niemand gesehen, oder es interessierte einfach niemanden. Er spurtete die Straße runter. Hier war weniger los, dafür war alles umso magischer. Händler zogen durch die Straßen, mit umständlichen Karren und Buden, priesen Fürchte an und Straßenzauberer beschäftigten sich mit billigen Tricks zur Aufmunterung der Kinder, die von ihren Müttern durch die Straße gezogen wurden.

 

Wütend las er die Straßennamen und konnte Potters Straße nicht finden. Er schob sich durch Gassen, war zu ungeduldig die Leute zu fragen und kam nassgeschwitzt an einer Kreuzung zum Stehen.

 

Es hing sogar an einer magischen Kapelle angeschlagen.

 

Heute: Potter-Weasley Trauung, 3 Uhr

 

Um die Buchstaben flogen verzauberte Schmetterlinge, die Draco mit seiner Hand verscheuchte. Er war also irgendwie in der Nähe. Aber er hatte keine Ahnung, wie weit es noch war. Er war außer Atem und er spürte die dämliche Müdigkeit in den Knochen. Aber er hatte keine Zeit, anzuhalten.

 

Er hatte kurz nach Luft geschnappt, dann rannte er weiter. Er ignorierte die Rufe der Leute auf der Straße. Manche schienen ihn erkannt zu haben, andere wollten sich wohl nur beschweren, weil er sie anrempelte.

Er stürmte in die Ecke und rannte in eine andere Person. Er fiel unsanft auf die Steine und rieb sich den Rücken.


„Potter?“, keuchte er entgeistert und sah sich Potter gegenüber, der hastig auf die Beine kam und ihm aushalf.


„Ich hab Scheiße gebaut“, erklärte Potter außer Atem. Draco nickte zornig.


„Ja, ich weiß, dass-“ Er unterbrach sich. „Was ist passiert? Weiß sie es? Was machst du hier draußen?“, sprudelten die Fragen hervor und Potter fuhr sich durch die strubbeligen Haare.


„Sie hat mich ausgetrickst. Ich dachte, sie wüsste es. Ich hab...“

 

„Was hast du ihr gesagt?“, schrie er fast. Potter atmete schließlich aus.

 

„Alles.“ 

 

Und Draco hatte plötzlich nichts mehr zu sagen. Denn eigentlich sprachen alle Handlungen bereits Bände. Er sank auf den Bürgersteig und Potter tat es ihm gleich. Beide Männer starrten ins Leere und die Menschen liefen an ihnen vorbei.

Sie war nicht in der Wohnung. Sie war nicht auf ihrer angeblichen Arbeit. Er wollte ihr eigentlich beweisen, dass er seine Familie hinter sich lassen und sogar bestrafen konnte, aber Luna Lovegood hatte ihm auch das zu Nichte gemacht.

 

Er hatte so viel Gold ausgegeben, nur um sie zu bekommen. Jetzt hatte er Geld genug, ein Haus zukaufen, in dem er sich eine Zukunft mit ihr vorstellte, aber jetzt konnte er allein in diesem Haus wohnen.

Potters Verlobte hatte Grangers Arbeitsplatz bekommen, weil er sie darum gebeten hatte, ihren Job in der Buchhaltung von Potters Rennbesengeschäft aufzugeben.

 

Granger betrachtete ihn als schlimmsten Fehler ihres Lebens und jetzt hatte er eigentlich nichts mehr, um irgendwas gut zu machen.

 

Er fuhr sich müde durch die blonden Haare, die heute nicht besonders gut lagen. Sein Rücken war nassgeschwitzt von der erfolglosen Hetzjagd. Er bemerkte erst jetzt, dass Potters Hemd falsch geknöpft war und er anscheinend eine Jogginghose trug.

 

„Wo wolltest du hin?“, fragte er zerschlagen und Potter sah ihn müde an.

 

„Ginny ist weg.“

 

„Deine Verlobte ist weg?“, vergewisserte sich Draco schockiert und Potter nickte.

 

„Ich bin heute Morgen aufgewacht und sie war nicht da. Keine Nachricht, kein gar nichts. Und ich hatte gedacht, sie holt vielleicht Brötchen oder ist hier bei dem Brautmodeladen um die Ecke, um das Kleid abzuholen. Es wurde noch nachgebessert. Aber da war ich schon, und das Kleid ist immer noch da.“ Er schwieg kurz und Draco begriff, dass er wohl nicht der einzige mit Problemen war.

 

„Ich dachte, sie wäre vielleicht wieder nach Hause gekommen. Aber sie war immer noch nicht da. Ich hab Ron Bescheid gesagt, ihn  gefragt, ob er sie gesehen hat, ob sie bei ihm ist, aber er weiß von nichts.“ Draco starrte den Mann neben sich an. Den Potter, der Voldemort besiegt hatte und durch nichts zu erschüttern war. Der Potter, der jetzt das reinste Häufchen Elend, am Rande der Verzweiflung war.

 

„Ich hab im Fuchsbau nachgefragt. Molly ist vollkommen aus dem Häuschen. Percy ist auch dort und denkt, Ginny hat vielleicht kalte Füße bekommen.“ Draco schüttelte ungläubig den Kopf.

 

„Unsinn. Sie wird dich bestimmt nicht am Tag eurer Hochzeit verlassen“, sagte er und kam sich seltsam vor. Potter sah ihn zweifelnd an.


„Das glaubst du? Was wenn… was, wenn sie nur darauf gewartet hat? Was, wenn ihr das Leben mit mir doch nicht gefällt? Wenn sie begreift, dass ich jetzt nicht mehr alle Aufmerksamkeit bekomme, weil das Leben jetzt normal und alltäglich geworden ist? Was, wenn ich alles falsch gemacht habe? Ich hätte sie eher fragen sollen. Ich hätte sie schwängern sollen!“, rief er aus und raufte sich die Haare.

 

„Potter, bleib ruhig. Soweit ich es beurteilen kann, liebt dich deine Verlobte. Und sie wartet hundert Jahre, bis du sie endlich fragst, und wenn es soweit ist, dann läuft sie weg? Das klingt doch absolut unmöglich.“ Potter runzelte die Stirn und sah ihn wieder an.

 

„Du erzählst mir also, dass ich mir keine Gedanke machen muss und sie bis drei Uhr wieder auftaucht und mich in dieser Kapelle hier heiraten wird?“, vergewisserte er sich ungläubig und Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Hör zu, ich bin nicht gut darin, anderen Mut zu machen, ok? Und… wir kennen uns nicht wirklich“, fügte er hinzu.

 

„Jaah“, sagte Potter schließlich. „Kommst du mit zum Fuchsbau? Oder willst du Hermine suchen?“ Beide Männer sahen sich plötzlich an.


„Denkst du, sie sind irgendwo zusammen?“, fragte Potter jetzt und beide waren wieder auf den Beinen.

 

„Dann hat sie mit deiner Verlobten gesprochen. Dann hasst sie mich wahrscheinlich noch mehr“, fügte Draco gedankenverloren hinzu.

 

„Aber sie hasst Ginny dann anscheinend nicht dafür, dass sie ihren Arbeitsplatz weggenommen hat.“

 

„Hermine würde das deiner Verlobten innerhalb einer Nacht einfach vergeben?“, fragte er argwöhnisch und Potter überlegte.


„Keine Ahnung“, gestand er schließlich ein. „Aber wenn sie nicht zusammen irgendwo sind, dann bedeutete das, dass unsere Mädchen uns an meinem Hochzeitstag weggelaufen sind.“ Draco schlug sich plötzlich die Hand vor die Stirn.


„Scheiße“, fluchte er ungehalten und Potter sah ihn an.


„Was jetzt?“

 

„Hochzeitstag… ich hab den Ring vergessen abzuholen.“ Potter starrte ihn an. „Jetzt ist es auch egal“, knurrte er böse.

 

„Ring? Du hattest einen Ring? Du wolltest ernst machen? Du wolltest tatsächlich…?“ Er ließ den Satz unbeendet.

 

„Es ist jetzt völlig egal.“ Er atmete langsam aus.

 

„Du hast einen Ring gehabt?“

 

„Nein, ich hab ihn vergessen abzuholen.“

 

„Du wolltest ihr heute einen Antrag machen? Du liebst sie wirklich?“ Draco verdrehte die Augen.

 

„Ihr seid doch alle verrückt! Warum denkt ihr, mache ich mir die Mühe, verflucht? Aber es ist jetzt alles unwichtig, denn Dank dir kam ich nicht dazu, es ihr zu sagen“, rief er zornig. Potter hob die Hände.

 

„Oh, wegen mir? Wirklich, Malfoy? Machst du dir das nicht sehr einfach?“, entgegnete er genauso laut. „Es lag nicht daran, dass du einfach ein scheiß Arschloch warst, was sie erst wie Dreck behandeln musste, damit du begreifen konntest, dass du sie eigentlich wirklich willst?“

 

Draco hatte ausgeholt, ehe er sich aufhalten konnte und Potter aus Lauter Wut die Faust ins Gesicht geschlagen. Potter taumelte zurück und stürzte sich mit einem Schrei auf ihn. Beide gingen zu Boden und jetzt spürte er Potters Faust. Es war wie ein Klingeln in den Ohren. Kurz war ihm schwindelig.

 

Benommen öffnete er die Augen. Seine Wange schmerzte brutal und Potter war von ihm herunter gerollt, um sich seine rechte Wange zu halten. Draco war Linkshänder. Potter anscheinend nicht. Denn seine linke Wange begann langsam anzuschwellen.

 

„Ok, meinetwegen war es nicht deine Schuld, verflucht“, spuckte er heiser und Potter hustete zur Bestätigung.

 

„Ok. Dann war es das mit den Aggressionen?“, fragte er rau und die Leute um sie rum hatten angehalten und sahen zu ihnen herab.

 

„Schön.“

 

„Schön.“ Beide sahen sich an. Potter reichte ihm die Hand und die Leute gingen murmelnd weiter. Draco ergriff sie widerwillig und fühlte sich nicht mehr völlig elend. Zwar tat seine Wange höllisch weh und er war müde und hatte Kopfschmerzen und er hatte Granger verloren, aber sonst… war es eigentlich ok.

 

„Fuchsbau?“, fragte Potter schließlich und Draco nickte im Einverständnis.

 

 

~*~

 

Im Fuchsbau traf er nicht nur auf Arthur und Molly Weasley. Er traf auch auf Percy Weasley und natürlich Weasley selber.

Die Zeit schritt voran. Keiner der Weasleys hatte von Ginny oder Hermine gehört.

Jetzt war es halb zwei und Potter sprach seit einer halben Stunde nicht mehr.

Er war nur noch nervös, wartete am Kamin und Draco war sich nicht sicher, ob ihn irgendwas aufmuntern konnte. Höchstwahrscheinlich nicht.

 

„Butterbier?“ Weasley hatte den Kopf aus der Verandatür gesteckt und hielt ihm eine offene Flasche entgegen. Er musste grinsen.

 

„Butterbier? Wirklich? Habt ihr nichts anderes?“ Weasley zuckte die Achseln.


„Ja oder nein, Malfoy?“ Draco wog kurz die Chancen ab. Und er kam zu dem Schluss, Butterbier war besser als nichts.

 

„Danke“, sagte er also nach einem Moment und Weasley kam nach draußen und setzte sich neben ihn auf das Geländer.

 

„Nettes Veilchen“, sagte er schließlich. „Harrys ist auch bemerkenswert hübsch“, fügte er hinzu. „Ihr habt also… den Krieg endlich begraben?“ Draco nahm einen Schluck von dem Bier, das ihn immer an die Schulzeit erinnerte und nickte dann.

 

„Scheint so.“

 

„Sag mal… müssen wir das auch so machen? Schlag ich dir die rechte Wange grün und blau und dann sind wir auch quitt?“ Draco wollte lächeln, aber ihm war nicht mehr danach zu Mute.

 

„Keine Ahnung“, sagte er. Weasley seufzte und streckte ihm die Hand entgegen.

 

„Ist vielleicht nicht der beste aller Tage, aber… hey, ich bin Ron“, erklärte er grinsend und Draco ergriff auch Weasleys Hand nach einem kurzen Moment.

 

„Draco“, sagte er und Ron schüttelte seine Hand.

 

„Meinst du, sie taucht auf?“, fragte Ron schließlich und Draco nahm noch einen tiefen Schluck.


„Wer?“ Er sah ihn an und Ron öffnete kurz ratlos den Mund.

 

„Stimmt. Fehlen zwei…“

 

Stumm tranken sie weiter. Um halb drei stieß auch Harry zu ihnen und brachte noch drei Flaschen Butterbier nach draußen.

 

„Nichts neues?“, fragte Ron voller Mitleid und Harry schüttelte den Kopf.

 

„Ich sollte gehen“, bemerkte Draco jetzt und stieß sich vom Geländer ab.

 

„Wohin? Denkst du, sie ist Zuhause und wartet?“, entgegnete Potter, die Stimme tief vor Gleichmut.

 

„Wahrscheinlich nicht“, erwiderte Draco genauso trist.

 

„Leute, Kopf hoch. Es gibt bestimmt eine völlig logische Erklärung und…“

 

„Oh, Ron, sei ruhig. Du hast eine Frau“, knurrte Potter und hob die Flasche, um anzustoßen.

 

„Ja, noch“, bemerkte Ron ein wenig unruhig. „Pansy bringt mich noch um, wenn ich ihr nicht bald mal Bescheid gebe.“

 

„Du lässt dich von Pansy unterwerfen, wirklich?“, erkundigte sich Draco ein wenig amüsiert. Ron sah ihn an, als ob er sich erst jetzt wieder erinnerte, woher Draco und Pansy sich kannten.

 

„Nein. Nicht darüber reden, ok? Alles, aber das nicht. Und ja, Pansy kann… schwierig sein.“

 

„Sie wird drüber wegkommen, dass du den Nachmittag mit deinem besten Freund verbringst, der von seiner Verlobten an seinem Hochzeitstag sitzen gelassen wurde!“, brauste Harry auf und Ron sagte gar nichts mehr und trank weiter.

 

„Jemand Lust auf Snape explodiert?“, fragte Percy Weasley mit einem Deck Karten in der Hand und übertrieben gekünstelt guter Laune. Die drei sahen sich an. Dann setzten sie sich zu viert an den Tisch auf der Veranda und spielten.

 

 

Teil 26

 

„Willst du Ron nicht Bescheid sagen?“, fragte Ginny jetzt als sie die letzten Girlanden aufhing.


„Nein“, entgegnete Pansy zufrieden und steckte Hermine eine Blume ins Haar. „Du hast doch Percy schon Bescheid gesagt, oder nicht?“ Ginny nickte.


„Ja, er versucht ja auch die Männer aufzuhalten, aber er weiß nicht, wie viele Runden Snape explodiert noch reichen und das Butterbier ist so gut wie leer, sagt Mum“, erwiderte Ginny und strich über die Tischdecke. Es sah wunderschön aus. Der Garten war komplett geschmückt und Hermine wusste, es musste Ginny schwer fallen, im Gemeinschaftsgarten in Harvest Hill zu feiern und nicht Zuhause im Fuchsbau.

 

„Hermine?“ Pansy sah sie an. „Willst du auch irgendwas trinken? Alles ok?“ Hermine ruckte mit Kopf. Sie trug die Haare ungern offen. Sie kam sich so… vorgeführt vor. „Willst du noch etwas darüber reden?“

 

Sie schüttelte den Kopf.


„Irgendwann solltest du aber reden, weißt du?“, merkte Ginny jetzt lächelnd an und Hermine seufzte.

 

„Jetzt hast du wegen mir den Termin in der Kapelle nicht geschafft. Das ist doch zu dämlich. Ich hätte dich nie damit belästigen dürfen.“ Ginny machte eine wegwerfende Handbewegung.


„Hermine, ich bitte dich! Wie sieht es denn alles für dich aus? Ich nehme dir den Job weg, alle stellen sich gegen dich. So sah es doch aus, nicht wahr?“ Hermine wollte nicht nicken und sie wollte nicht den Kopf schütteln.

 

„Wenn es dich beruhigt“, begann Pansy mit einem Grinsen, „Percy sagt, er sei am Boden zerstört.“ Hermine wusste, Pansy wollte sie aufmuntern, aber… sie war nicht ganz in der Stimmung dafür.

 

„Hermine, bitte. Lächel einmal. Für mich wenigsten“, befahl Ginny streng und Hermine lächelte ganz kurz. „Na, siehst du. Heute Abend ist der ganze Kram vergessen und wir werden bei Elfenwein und Feuerwhiskey darüber lachen.“

 

„Wenn die einen ganzen Kasten Butterbier getrunken haben, dann kannst du froh sein, wenn Harry noch gerade stehen kann, wenn er ankommt.“ Ginny sah dieses Problem wohl ähnlich.

 

„Oh, wenn er betrunken ist, werde ich ihn garantiert erst recht nicht heute heiraten!“, rief sie aus.

 

„Weiß Molly, was sie sagen muss?“

 

„Du nennst sie Molly?“, warf Hermine plötzlich ein und Pansy wirkte ein wenig schüchtern. Tatsächlich konnte Pansy Parkinson schüchtern sein. Oder nein. Sie hieß jetzt ja Weasley, ging Hermine auf. Sie war tatsächlich Ginnys Schwägerin.

 

„Ja, seit drei Tagen“, bestätigte Pansy mit einem feinen Lächeln.

 

„Warum seit drei Tagen?“, fragte Ginny während sie die letzten Sektflaschen in die Kelter stellte.

 

„Weil ich Molly vor drei Tagen gesagt habe, dass ich schwanger bin“, sagte sie leise. Hermines Mund klappte auf. So auch Ginnys.

 

„Oh, Merlin! Wirklich? Ich meine… wirklich?“ Ginny schlug sich die Hände vor den Mund. „Das glaub ich nicht! Oh, Himmel, Pansy!“ Sie umarmte das Mädchen stürmisch. Hermine sah sie immer noch ungläubig an.


„Du bist schwanger? Von Ron?“, vergewisserte sie sich jetzt. Pansy musste lachen.


„Ja, Granger, ich bin schwanger von Weasley“, sagte sie grinsend. Jetzt musste Hermine tatsächlich lachen.

 

„Ok, anscheinend ist das ernst mit euch“, erwiderte sie und Pansy nahm sie einfach in die Arme.

 

„Ja, das hat Molly dann auch eingesehen. Und… jetzt darf ich sie Molly nennen“, endete Pansy stolz.

 

„Weiß Ron es schon? Oder wolltest du mir heute die Schau stehlen?“, fragte Ginny eine Spur beleidigt.


„Nein, ich wollte es eigentlich keinem sonst sagen. Auch euch nicht. Auch Ron nicht“, fügte sie hinzu. „Aber… weil heute so viel schief gegangen ist, dachte ich…“ Sie zuckte mit den Achseln und Ginny strahlte.


„Unglaublich. Ich heirate Harry, du bist schwanger und Hermine überlegt sich immer noch, ob sie Draco küssen oder killen soll.“ Wieder ruhten die Blicke auf ihr.

 

„Hört auf“, sagte sie ein wenig fester.

 

„Hermine, ich hab dir gesagt, dass er dich liebt. Wirklich. Du bist die eine. Die eine, für die er alles aufgibt“, erklärte Ginny ernst.


„Ja, er gibt all sein Geld einfach so fort. Für ein Gebäude, ein Haus in Hogsmeade und einen verflucht teuren Ring bei Griphooks Edelschmuck.“ Pansy schlug sich die Hand vor den Mund. Hermine sah sie an.


„Einen Ring?“

 

„Mist. Ich verplappere mich ständig. Aber ja!“ Sie nickte stürmisch. „Einer musste ihm ja helfen, ihn auszuwählen. Draco kann vieles, aber Ringe aussuchen – oh nein. Da brauchte er weiblichen Rat.“ Hermine starrte sie an.


„Um einen Antrag zu machen?“ Pansy verdrehte die Augen.


„Nein, Hermine, um ihn anzuzünden und danach unter Applaus zu verspeisen. Natürlich um einen Antrag zu machen.“ Beide Frauen sahen sie ungläubig an.

 

„Wie kannst du eigentlich noch darüber nachdenken, was du tust?“, sagte Ginny schließlich kopfschüttelnd.

„Es ist Draco Malfoy. Es steht nicht in den Sternen geschrieben, dass wir zusammen gehören, wie bei dir und Harry.“

 

„Ich und Harry? Ist dir klar, dass er mich zweimal verlassen hat, ehe er eingesehen hat, dass die Welt retten vielleicht doch nicht als lebenserfüllende Aufgabe ausreicht? Ich und Harry? Ich bitte dich! Kein Uhrmacher hätte sich auf diese Chancenberechnung eingelassen, dass er und ich wirklich heiraten würden!“, fuhr Ginny sie an.

 

„Ja. Ich bestätige das. Ich liebe Ron. Wer hätte damit gerechnet?“, mischte sich Pansy ein. Hermine musste zugeben, dass die Ron und Pansy Geschichte nun auch nicht unbedingt die besten Voraussetzungen hatte.

 

„Aber… das ist anders“, sagte sie leise. „Er hat mich angelogen und benutzt. Er hat mich gegen seine Eltern ausgespielt, verhindert, dass ich Arbeit bekomme und konnte mir bis jetzt immer noch nicht sagen, was er eigentlich fühlt.“ Sie wollte nicht weinen, also wandte sie sich ab.

 

„Hermine, ich werde Harry in einer Stunde Bescheid geben lassen, dass er und Ron und Draco hier aufzutauchen haben. Und wenn du das alles nicht willst – wenn du ihn wirklich nicht willst… - dann sag es mir jetzt, dann lade ich ihn nicht ein.“ Hermine seufzte jetzt.

 

„Nein, nein… anscheinend binden sich die Männer gerade mit seltsamen Kartenspielen und Butterbier“, sagte sie langsam. „Er kann kommen. Und wenn… ich es nicht kann, weil… es einfach nicht geht, dann… werd ich nicht hier sein, wenn er kommt.“


„Du willst auf meiner Hochzeit verschwinden?“, vergewisserte sich Ginny und Hermine konnte die Tränen nicht mehr zurück halten.

 

„Nein, will ich nicht. Aber ich kann nicht…. Ginny, ich kann nicht, wenn er…“ Und Ginny nahm sie in den Arm. Und dann nahm Pansy sie in den Arm. Es fühlte sich sogar richtig gut an, von jemandem in den Arm genommen zu werden, von jemandem verstanden zu werden, der keine Lügen und keine Wetten brauchte, um irgendwelche Gefühle auszudrücken.

 

„Schon gut. Ich bin ja großzügig“, merkte Ginny jetzt an.

 

„Komm, wir frischen dein Makeup auf. Und dann probierst du die Schuhe an“, fügte Pansy nickend hinzu.


„Pansy, die sind hoch“, beschwerte sich Hermine jetzt.

 

„Du trägst auch mein Kleid“, sagte Pansy jetzt. „Die Schuhe gehören einfach dazu.“

 

„Es ist auch ein furchtbares Kleid“, erwiderte Hermine mit einem kleinen lächeln.


„Unsinn. Ron liebt das Kleid. Es ist richtig schön ausgeschnitten. Und es passt gut zu deinem Teint. Das dunkle grün sieht einfach unglaublich an dir aus. Und die Schuhe sind gar nicht so hoch. Und wenn du sowieso vorhast, eher zu gehen, dann wird dich auch keiner sehen, richtig?“ Pansy sagte es mit schwerer Stimme. Hermine konnte kaum glauben, dass Pansy Parkinson – ja, eigentlich Weasley – tatsächlich freundschaftliche Gefühle entwickeln konnte. Für sie.

 

„Fein, ich werde sie mal anprobieren“, gab sie sich geschlagen und Ginny musste noch ihren Schleier von drinnen holen.

 

„Ok. Hermine, ich sehe dich später, oder…“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen. Hermine lächelte nur, denn auch sie wollte den Satz nicht beenden.

Und plante sie eigentlich alles vorher, so konnte sie noch nicht sagen, wie dieser Abend enden würde. Pansy hakte sich bei ihr unter und zum ersten Mal hatte sie nicht das Gefühl, dass Pansy die schlimmste Person auf dieser Erde war. Sie war sogar fast… nett.

 

 

~*~

 

 

„Und weißt du was? Ich hatte gar keine Ahnung mehr, was ich eigentlich getan habe!“, lachte Ron außer sich. „Auf einmal standen wir draußen und Pansy hatte ihre Hände üüüberall!“

 

Harry und Draco sanken aneinander vor Lachen.

 

„Und dann sieht sie mich an und sagt…“ Ron hob die Hand und machte eine dramatische Pause, „Sie sieht mich an und sagt: Weasley… du bist gar nicht so scheiße!“ Alle drei brachen in Gelächter aus und Harry leerte die letzte Falsche Butterbier.

 

„Das ist doch gar nichts!“, rief er und scheuchte ein Glühwürmchen mit der Hand vor seinem Gesicht fort. „Ginny und ich hatten den größten Streit. Des Jahrhunderts, nein, des Jahrtausends, vielmehr. Und ich zerbreche diesen Teller von ihrer Großmutter und überall sind Scherben und sie macht den Reparo, aber weil der Teller so alt ist, sieht man die Splitter immer noch!“, erzählte er gespannt.

 

„Den von Nanna Rosie?“, unterbrach Ron ihn schockiert. „Das ist ein Erbstück, Harry!“

 

„Egal, ich weiß“, rief Harry unwirsch. „Jedenfalls schreit sie mich an. Richtig laut, meine Ohren dröhnen und sie schimpft mich den tollpatschigsten, ungeschicktesten, Trampel dieser Welt und ich – ich hol den Ring raus und geh auf die Knie.“

 

„Und dann?“, fragte Ron mit offenem Mund und Harry grinste breit.


„Über den Teller haben wir bis heute nicht mehr gesprochen!“, erwiderte er mit einem gönnerhaften Nicken.

 

„Jungs?“ Molly war nach draußen in die Dämmerung gekommen und betrachtete sie alle mit missbilligenden Blicken, so kam es Draco vor. „Ginny hat sich gemeldet“, sagte sie jetzt und Harry kam taumelnd auf die Beine. Alle Ruhe war von ihm abgefallen.


„Was? Wo… wo ist sie jetzt? Was hat sie gesagt? Molly, sag es mir!“, rief er laut und Molly atmete aus.

 

„Sie sagt, es ist was vorgefallen, und du sollst nach Hause kommen. Jetzt. Und nimm deine Freunde mit.“ Selbst ihrem Sohn warf sie einen bösen Blick zu.

 

„Mum, wir sind nicht betrunken!“, beteuerte Ron gedehnt.

 

„Ihr kommt mit, oder? Wenn sie mir jetzt erklärt, dass sie mich nicht will, wie ich den Teller kaputt gemacht habe, dann werde ich sterben!“, flüsterte Harry mit Panik im Blick.

 

Draco nickte schließlich. Ohne Harry würde er auch nicht hier bleiben wollen.

 

„Aber nur kurz“, sagte er langsam. Ron erhob sich auch.

 

„Dann los. Auf in den Kampf“, tönte er und machte einen unsicheren Schritt.

 

„Wir werden am besten mit euch apparieren. Das ist ja nicht mit anzusehen“, bemerkte Molly gereizt und rief nach Percy und ihrem Mann.

 

Draco hatte keine Zeit sich zu weigern und Percy Weasley von sich zu weisen. Hart umfing der Mann seinen Unterarm und sah ihn kurz an.


„Bereit, Malfoy?“ Draco hatte nicht mal mehr Zeit zu nicken, da verschwanden sie auch schon alle und ihm wurde fast übel. Dabei hatte er kaum sieben Butterbier getrunken. Hatten die doch mehr Alkohol, als er gedacht hatte? Nein, eigentlich nicht. Vielleicht kamen die Trauer und die Wut noch hinzu, überlegte er, bevor Percy ihn auffing, ehe er zu Boden schlagen konnte.

 

Er hatte keine Ahnung, wie man hierher apparieren konnte. Vielleicht brauchte man ein Passwort oder einen speziellen Zugang, aber sie befanden sich kurz vor der kleinen Kapelle, an der er heute schon mal gesessen hatte.

 

„Was ist das?“, fragte Ron neben ihm völlig perplex.

 

„Das ist der Gemeindegarten von Harvest Hill“, erklärte Percy, ganz im Sinne eines Schulsprechers.

 

„Ich weiß das“, schnappte Harry. „Aber… die Lichter“, flüsterte er verwirrt.


„Das ist deine Hochzeit“, sagte Arthur jetzt. „Zu der wir zu spät kommen“, fügte er knapp hinzu. „Aber die Anzüge sind schon hier. Ginny meinte, wenn du ihn nicht anziehst, kannst du es… tja, dann kannst du es vergessen.“

 

„Ich hab keinen Anzug“, bemerkte Ron jetzt panisch.

 

„Doch, Schatz, du hast auch einen Anzug.“ Er erschrak fast, als er sie erkannte.

 

„Pansy?“, fragte er in die Dunkelheit und seine Frau lachte.

 

„Ja, kennst du mich noch? Ein Wunder, nach der Menge an Bier. Draco, ich hab auch einen Anzug für dich. Für den Fall…“

 

„Für den Fall?“, beschwerte sich Harry jetzt. „Draco ist mit Ron Trauzeuge.“ Anscheinend hatte sich Potter damit abgefunden, jetzt tatsächlich zu heiraten. Draco betrachtete die bunten Lampions und roch das Essen, sah die wenigen Gäste und hatte eigentlich nur eine einzige Frage.


„Wo ist sie?“

 

Pansy schob Ron in Richtung Harry vor, die lallend irgendwelche Trinklieder anstimmten und die Welt wieder feierten. Pansy Lächeln verschwand langsam. Und Dracos Herz sank.

 

„Sie… ist gegangen, Draco“, sagte Pansy leise. „Tut mir leid“, fügte sie hinzu und Draco glaubte, sie weinen zu sehen. Pansy weinte also tatsächlich. Um ihn. Das war nett.

 

„Du siehst schön aus“, erwiderte er schließlich und sie wischte sich die Tränen weg.

 

„Bild dir nicht ein, dass ich wegen dir weine, du Idiot.“ Sie lächelte wieder. „Ich krieg ständig irgendwelche Emotionsbomben. Ich bin schwanger“, fügte sie sehr leise hinzu. Er sah sie an.


„Wirklich?“

 

„Ja, wirklich. Ihr könnt es alle nicht glauben, oder?“

 

„Ron wird gleich noch eine Kiste Butterbier öffnen, wenn er das hört“, sagte er und verdrängte die Trauer, die sich in ihm ausbreitete.

 

„Nein, ich wollte es ihm heute nicht – Ron?“, unterbrach sie sich. „Du nennst ihn Ron?“, wiederholte sie und er zuckte mit den Achseln.

 

„Wunder passieren. Also, wo ist dieser dämliche Anzug?“, fügte er hinzu und fand sich gebrochen damit ab, dass Harry heute wenigstens den perfekten Tag haben würde.

 

 

Teil 27

 

~Die vierte Hochzeit~

 

 

„Also, Harry geht vor“, erklärte Ron überflüssigerweise. „Dann geh ich und dann gehst du. Ich geh mit Pansy, aber… du schaffst es auch allein, oder?“ Ron schlug ihm auf die Schulter. Draco verdrehte die Augen.

 

„Ja, ich denke schon.“ Immer noch klingelte es in seinen Ohren. Pansy war schwanger von Ron Weasley. Unglaublich. Absolut. Er konnte die kleine Weasley von weitem erkennen. Das Kleid fiel in unglaublichen Wellen zum Boden und sie sah tatsächlich wunderschön aus.

 

Die Musik kam von schwebenden Geigen, die mitten in der Gartenanlage hingen. Der Klang war perfekt. Wenige Gäste waren noch erschienen, aber es war auch schon nach neun.

 

Er wartete. Pansy hatte den Arm unter Rons gehakt und die beiden sahen wirklich wie füreinander geschaffen aus. Das hatte er nicht gedacht. Er hatte eigentlich erwartet, dass Pansy irgendwann beschließen würde, aufzuwachen und Ron Weasley als Ron Weasley erkennen würde. Aber anscheinend hatte er aufwachen müssen. Das war es wohl. Pansy würde bei ihm bleiben.

 

Er atmete langsam aus.

 

„Willst du alleine gehen oder kann ich mich anschließen?“, fragte sie leise und er glaubte schon, eingeschlafen zu sein und das hier zu träumen. Er blinzelte kurz und überlegte, ob ihm das Butterbier doch zu Kopf gestiegen war. Dann lächelte sie scheu. „Also?“

 

Die Musik spielte weiter. Und dann wurde es still. Er sah aus den Augenwinkeln, wie die Leute sich umwandten, wie sie versuchten, ihn in der Dunkelheit zu erkennen. Vielleicht war er verrückt geworden und die Trauer spielte ihm einen Streich.

 

„Bist du hier?“, flüsterte er rau und sie kam einen Schritt näher.

 

„Sieht so aus“, bestätigte sie.


„Du hasst mich“, erwiderte er, eher er sich halten konnte.

 

„Ja, das stimmt.“ Er schwieg. War sie gekommen, um ihm doch die Meinung zu sagen? Um doch bei der Hochzeit ihrer besten Freunde dabei zu sein, bei der er sich eingeschlichen hatte? Es überkam ihn in dieser Sekunde.

 

„Ich sollte gehen. Das hier sind deine Freunde. Nicht meine.“

 

„Ich dachte du hast dich mit Harry um die Freundschaft geprügelt und mit Ron auf Brüderschaft getrunken?“, fragte sie und er wunderte sich, warum sie noch nicht schrie.

 

„Ja, aber…“

 

„Aber?“

 

„Hermine, du solltest hier sein. Nicht ich. Hör zu, ich… ich hab’s verstanden. Ich hab Scheiße gebaut. Ich hätte niemals… auch egal. Ich werde gehen. Bitte, mach für mich weiter und-“

 

„Damit lässt du mich hier stehen?“, fragte sie und wurde nun doch lauter. „Du erklärst mir, dass du Scheiße gebaut hast und gehst, ohne irgendein Kompliment?“ Er atmete aus.


„Du weißt, dass ich dich wunderschön finde. Immer. Überall. Ich… mach es dir nur leichter. Wir halten alles auf“, fügte er hinzu, als er sah, wie sich Harry weiter vor beugte, um besser zu sehen.


„Gut. Dann geh“, sagte sie jetzt. Er rührte sich nicht.

 

„Willst du, dass ich bleibe?“, fragte er schließlich. Sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein, will ich nicht.“

 

„Bist du wegen Ginny und Harry wieder gekommen?“, fragte er weiter und sie nickte.

 

„Was denkst du? Dass ich wegen dir wiederkomme?“ Jetzt schüttelte er den Kopf.

 

„Nein, denke ich nicht. Aber…“

 

„Aber?“

 

„Pansy hat gesagt, du wärst gegangen“, sagte er schließlich und sie zuckte die Achseln.

 

„Ja, aber nur um etwas zu holen. Das hat etwas Zeit gekostet, weil Griphook schon geschlafen hat. Aber… wir sind ja alte Bekannte, also hat er für mich noch mal aufgemacht“, erklärte sie, ohne ihn anzusehen.


„Griphook? Du warst dort? Jetzt? Warum?“ Und er wagte eigentlich gar nicht weiter zu denken.

Sie holte die kleine Schachtel aus ihrer Handtasche.

 

„Er ist ziemlich schön“, sagte sie. „Viel zu schön. Und viel zu teuer. Wir könnten uns davon wahrscheinlich eine Weltreise leisten“, fügte sie hinzu.

 

Wir könnten das?“, wiederholte er ungläubig und sie sah ihn an.

 

„Du bist wirklich ein ziemliches Arschloch, Malfoy. Muss ich mich selber fragen, oder willst du mich jetzt nicht mehr?“ Sie sah ihn an und biss sich auf die Lippe.

 

Er schüttelte fassungslos den Kopf, ehe das Grinsen in seine Mundwinkel kroch.

 

„Ich will dich immer, Granger“, knurrte er, ehe er sie an sich zog. Sie quietschte gegen seinen Mund, ehe sie mit einem Stöhnen die Arme um seinen Hals legte. Er zog sie enger an sich und verschlang ihre Lippen mit einem Hunger, der ihm völlig unbekannt war. Er würde sie nicht mehr loslassen. Und er wollte sie jetzt und hier, so verflucht dringen, dass er sich kaum noch beherrschen konnte.

 

Ihre Finger fuhren in seine Haare und er bekam eine Gänsehaut als sie ihren Körper fest an seinen presste. Seine Erektion drückte unangenehm hart gegen seine Hose und er löste sich von ihren Lippen, um ihren Hals zu küssen.

 

„Ich… ich liebe dich“, keuchte er tonlos und sie sah ihn an. Sie weinte. Schon wieder.

 

„Ich liebe dich auch“, erwiderte sie und zog ihn wieder an sich. Wieder schlangen sich seine Arme um sie und er konnte nicht fassen, was gerade passierte. Seine Hermine. In seinen Armen. Seins.

 

„Leute?“ Ron räusperte sich laut. „Das ist super, wisst ihr. Aber Ginny ist heute ziemlich… reizbar. Wenn wir kurz diese Hochzeit hier… dann könnt ihr gerne…“ Er ließ den Satz offen und Draco riss sich zusammen und ließ von der perfekten Frau in seinen Armen ab. Und diese Überwindung war schwerer als alles andere.

 

Hermine wischte sich lachend die Tränen von der Wange und es gefiel ihm mehr als gut, dass sie den Blick nicht von ihm wenden konnte. Er nahm ihr die Schachtel mit dem Ring ab und ließ sie in das Jackett gleiten.


„Dann später“, sagte er heiser und sie nickte lächelnd.

 

„Endlich!“, rief Ginny laut, als sie sich in Bewegung setzten und die Trauung endlich beginnen konnte. Der magische Priester gähnte verhalten.

 

„Wir sind vollzählig?“, erkundigte er sich müde und Ginny nickte hastig.


„Ja. Machen Sie. Schnell.“

 

 

~*~

 

 

Die Musik war jetzt lauter als vorher. Jetzt waren Tische und Bänke in den Gemeinschaftsgarten gehext worden und einige Nachbarn waren aus ihren Häusern gekommen, um an der Feier teilzunehmen. Manche trugen sogar Bademäntel und tanzten, aber es schien ihnen oder Ginny und Harry nichts auszumachen.

 

Sie sah Draco zu. Pansy hatte ihn gezwungen, zu tanzen. Widerwillig war er dieser Aufforderung nachgekommen. Und jetzt tanzte er schon nicht mehr mit Pansy, sondern mit Molly. Davor hatte er mit Luna getanzt, die auch noch als später Gast erschienen war.

 

Das Lied endete und erschöpft verbeugte er sich knapp vor Molly und fand ihren Blick. Er lächelte jetzt und im Licht der Lampions leuchtete sein Haar golden. Er streckte ihr die Hand entgegen und sie erhob sich ebenfalls mit einem Lächeln und kam auf ihn zu.

 

„Es wäre keine gute Hochzeit, wenn wir nicht tanzen würden, oder?“, sagte er und ergriff ihre Hand, um sie an sich zu ziehen. Sie tanzten langsam in Mitten all der anderen heiteren Tänzer und es verging kaum eine Minute, bevor er sie hungrig küsste und sie gar nicht mehr tanzten.

 

Sie war ganz leicht vor Glück und hielt sich eng an ihm fest.

 

„Wir könnten gehen“, schlug sie leise vor, als sie sich kurz von ihm löste.

 

„Es ist Harrys Hochzeit“, gab er zurück und sah sich um.

 

„Ich bin sicher, das ist ihm nicht so wichtig“, beschwichtigte sie ihn, und kurz überlegte er.

 

„Ok. Wohin willst du gehen?“ Immer noch hielt er sie fest.

 

„Zu dem Haus?“ Fragend sah sie ihn an und er musste grinsen.

 

„Ich habe es noch nicht gekauft. Und es steht noch völlig leer. Es hat nicht mal ein Sofa“, fügte er zweifelnd hinzu.

 

„Wir… könnten eine Decke auf den Boden hexen“, schlug sie mit einem eindeutigen Blick vor. Er ergriff ihre Hand.

 

„Dann musst du wohl mit mir Seit-an-Seit apparieren, denn ich… bin wohl noch nicht ganz fähig. Kennst du die Straße vorm Honigtopf?“, fragte er jetzt und sie nickte. „Gut, dann bring uns dahin.“

 

Sie zog ihn mit sich und sie verließen den Garten. Niemand bemerkte, wie sie gingen. Draußen hakte sie sich bei ihm unter und sie schloss die Augen. Sie sah den Honigtopf genau vor sich. Dann begannen sie sich zu drehen.

 

Ihre Füße schlugen auf den Pflastersteinen auf. Es war niemand mehr draußen. Sie standen direkt vor dem Honigtopf und wenn sie den Kopf nach rechts wandte, sah sie die Nachtlichter auf den Fluren von Hogwarts in der Dunkelheit leuchten.

 

„Schau mal“, flüsterte sie und deutete auf das Schloss.

 

„Harry hat uns ein Treffen mit McGonagall arrangiert“, sagte Draco jetzt. Sie sah ihn überrascht an.

 

„Weshalb das denn?“

 

„Na ja, er hat gute Verbindungen. Und… seines Wissens nach werden dort diesen Sommer neue Lehrstellen vergeben. Slughorn ist zu alt für Zaubertränke und McGonagall hat Harry gesagt, sie ist es müde, die Stelle des Direktors und Verwandlung zu übernehmen.“ Ihr Mund öffnete sich.

 

„Du sagst, es ist möglich dort zu arbeiten?“, flüsterte sie und er zuckte die Achseln.


„Wenn du das willst“, erwiderte er nur und sie schüttelte fassungslos den Kopf.


„Seit wann weißt du das?“

 

„Seit heute.“ Sie schüttelte den Kopf erneut.

 

„Lass uns… lass uns morgen darüber reden“, sagte sie leise und zog seinen Kopf zu sich, um ihn zu küssen. Er reagierte sofort und zog sie wieder an sich. Das Gefühl in ihrem Bauch war unglaublich. Es war als würde sie fliegen, ohne einen Spruch dafür zu benötigen. Sie musste unwillkürlich lächeln und er zog den Kopf zurück.


„Bereit, das Haus zu sehen?“, fragte er und ergriff ihre Hand und sie folgte ihm. Er ging ziemlich schnell und als die Läden aufhörten, begann eine kleine Wiese. Sie kannte diese Wiese, aber als Schüler konnte sie sich nicht erinnern, jemals genauer hingesehen zu haben. Drei Häuser standen dort. Alle drei lagen in Dunkelheit. Sie sahen gemütlich aus, mit den Verandas aus Holz, den blauen Holzläden vor den Fenstern und dem Efeu, der sich an den Seiten der Häuser nach oben rankte. „Es ist das erste“, fügte er hinzu und öffnete das niedrige Gartentor.

 

Sie folgte ihm durch die laue Nacht und liebte es, wie sich das Gras unter ihren Füßen anfühlte. Kurz sah er sich um, dann öffnete er mit einem stummen Zauber die Tür und sie folgte ihm ins Innere.

 

Er entfachte die wenigen Kerzen, die noch nicht herab gebrannt waren und führte sie durch den Korridor in ein großes gemütliches Zimmer mit einem riesigen Kamin. Er legte Feuerholz hinein und entzündete die Scheite.

Es war ein riesiges Zimmer. Wahrscheinlich weil es komplett leer war. Die Küche grenzte an und sie sah in einiger Entfernung eine verschlungene Treppe nach oben führen.

 

„Willst du den ersten Stock auch sehen, oder…?“ Aber sie ließ ihm keine Zeit, weiter zu sprechen, sondern zog ihn wieder an sich. Ihre Finger griffen in sein Jackett und zogen es über seine Schultern. Sie fühlte, wie sich seine Muskeln anspannten und er gegen ihre Lippen stöhnte. Seine Finger schienen ihre Haut nur zaghaft berühren zu können und er schob langsam die Träger ihres Kleides zur Seite. Kurz rang er um Fassung.

 

„Es tut mir leid“, begann er schließlich.

 

„Was tut dir leid?“, fragte sie ein wenig benebelt von seiner Nähe.

 

„Alles. Alles, was schief gelaufen ist. Ich hätte dir-“

 

Sie hatte den Zeigefinger auf seine Lippen gelegt. Und jetzt schüttelte sie nur sachte den Kopf. „Du hattest recht“, sagte sie leise. „Es ist… eigentlich ganz einfach. Du hast meine kleine Welt durcheinander gebracht und… ich bin weggelaufen. Und deswegen musstest du mich zurückholen. Das ist die offizielle Geschichte“, fügte sie hinzu.

 

„Ich finde, das spart einiges aus“, beschwerte er sich jetzt.

 

„Draco“, warnte sie ihn lächelnd.

 

„Ich meine, da kommt die ganze Sache in der Dusche nicht gut zur Geltung“, fügte er mit einem Wackeln seiner Augenbrauen hinzu. „Aber, vielleicht war das auch nicht besonders beeindruckend“, ergänzte er, als er qualvoll langsam ihre Lippen küsste. Es kam ihr vor, als hätte sie eine Stufe verpasst. Oder gleich ein ganzes Treppenhaus, so leicht fühlte sie sich plötzlich. Gott, er war unglaublich. Sie hatte noch nicht mal nackt gesehen und war jetzt schon völlig hin und weg. Es war auch unfair von ihm, so fantastisch auszusehen, befand sie dumpf.

 

Er küsste schließlich ihre Schulter und ließ sie die Knöpfe seines Hemdes aufmachen.

Er zog ihr Kleid tiefer, so dass er ihre Brüste küssen könnte und sie musste die Augen schließen. Merlin, wie hatte sie ihn vermisst!

Und sie konnte es nicht erwarten, ihn komplett auszuziehen. Sie hatte sich die ganze Hochzeit lang gedulden müssen und jetzt konnte sie einfach nicht mehr.

 

Aber er ging auf die Knie und ihr Blick folgte ihm verwirrt. Er griff in die Tasche seines Jacketts, das schon auf dem Boden lag, und sie musste plötzlich lächeln. Er zog die kleine Schachtel hervor, öffnete sie und entnahm den Ring. Dann hob er den Blick zu ihrem Gesicht und sein Lächeln war unglaublich anziehend.

 

„Hermine Granger…“, begann er, aber sie schüttelte den Kopf und ging ebenfalls auf die Knie. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und musste lachen.

 

„Ja…! Ja, Draco Malfoy! Was denkst du denn?“, erwiderte sie, erleichtert vor Freude. Sie küsste ihn stürmisch und erlaubte ihm danach, den Ring auf ihren Finger zu schieben. Die vielen kleinen Steine funkelten im Licht des Feuers.


„Pansy hat einen guten Geschmack“, fügte sie hinzu und er verdrehte die Augen.

 

„Dass sie auch nicht einmal den Mund halten kann“, beschwerte er sich leise und sah sie dann wieder ernst an. „Ich liebe dich, Hermine.“ Sie nickte nur und hatte das Gefühl, ihr Lächeln tat schon weh. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte.

 

„Ich dich auch.“

 

Und jetzt wollte sie nicht mehr reden. Sie war hier. Mit ihrem Verlobten. In ihrem zukünftigen Haus. Und mehr wollte sie nicht. Es war absolut perfekt und in diesem Moment ließ sie sich von ihm küssen und sank mit ihm auf den Boden. Jetzt hatten sie zwar die Decken vergessen, aber das störte sie auch nicht wirklich.

 

Sie zog das Hemd von seinen Schultern, öffnete ungeduldig die Hose und auch er schien keine Lust mehr haben, besonders viel Zeit auf das Vorspiel zu verwenden, denn seine Küsse wurden stürmischer, drängender und sie konnte ihm genau nachfühlen, warum er nicht mehr warten wollte. Seine Erektion raubte ihr den letzten Sinn und sie wurde nur zu schnell das geliehene Kleid los. Sie warf es über ihren Kopf weit nach hinten.

 

Er spreizte ihre Beine verlangend und drang in einer fließenden Bewegung in sie ein. Wieder musste sie sein Gesicht in ihre Hände nehmen, um sich zu vergewissern, dass sie das hier auch ja nicht träumte. Schwer atmend sah er sie an. Dann stieß er nach vorne, vorsichtig, behutsam beinahe. Er versuchte, nicht die Augen zu schließen und sie nicht aus dem Blick zu lassen. Das Spiel seiner Muskeln im Feuerschein war berauschend und sie biss sich auf die Unterlippe.

 

Dann küsste sie ihn und ließ sich völlig fallen. Der Moment schien ewig zu dauern. Er verging nicht so schnell wie all die anderen Momente. Sie schloss glücklich die Augen, während er heiße Küsse auf ihrem Hals verteilte und sie verschmolzen zu nur einem Körper, während das Feuer hinter ihnen prasselte.

Er bewegte sich schneller über ihr und sie warf den Kopf nach hinten, weil die Wellen sie einfach mitrissen, ohne dass sie es aufhalten konnte.

 

Sein Orgasmus folgte ihrem auf der Stelle und sie klammerten sich aneinander und verharrten so in dieser Position, bis sich ihr beider Atem wieder beruhigt hatte. Sie war eingehüllt in seinen perfekten Duft, verschmolzen mit seinem Körper und sie waren einfach nur noch eins.

 

Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände. Er sah anbetungswürdig aus, die Wangen leicht gerötet und sein Blick völlig in ihrem eigenen versunken.

 

„Ich liebe dich, Draco“, sagte sie fest und zum ersten Mal sah sie ihre Zukunft vor sich, ohne Ängste und ohne den geringsten Zweifel.

Er lächelte sein wunderschönes Lächeln und küsste sie so, wie sie es noch nie erlebt hatte. Ihre Augen schlossen sich automatisch und sie liebte diesen Moment.

 

Und eigentlich brauchten sie auch keine Möbel in diesem Haus. So war es genauso perfekt, überlegte sie lächelnd und schlang die Arme glücklich um seinen Hals.

 

 

- The End -

 

 

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