Chapters

Chapter 1 , Chapter 2 , Chapter 3 , Chapter 4 , Chapter 5 ,

Chapter 6 , Chapter 7 , Chapter 8 , Chapter 9 , Chapter 10 ,

Chapter 11 , Chapter 12 , Chapter 13, Chapter 14 ,

Chapter 15 , Chapter 16, Chapter 17 , Chapter 18 ,

Chapter 19 , Chapter 20 , Chapter 21 , Chapter 22 ,

Chapter 23 , Chapter 24 , Chapter 25 , Chapter 26 ,

Chapter 27 , Chapter 28 , Chapter 29 , Chapter 30 ,

Chapter 31 , Chapter 32 , Chapter 33 , Chapter 34 ,

Chapter 35 , Chapter 36 , Chapter 37 , Chapter 38 ,

Chapter 39 , Chapter 40 , Chapter 41 , Chapter 42 ,

Chapter 43 , Chapter 44 , Chapter 45 , Chapter 46 ,

Chapter 47 , Chapter 48 , Chapter 49 , Chapter 50 ,

Chapter 51 , Chapter 52 , Chapter 53 , Chapter 54 ,

Chapter 55 , Chapter 56 , Chapter 57 , Chapter 58 ,

Chapter 59 , Chapter 60 , Chapter 61 , Chapter 62 ,

1. talented

 

Seine Hände schwitzten, verrieten seine nicht vorhandene Gelassenheit, während er sie trotzdem weiterhin in den Taschen der Hose verborgen hielt.

 

„Absolut unmöglich. Lass es besser“, vernahm er Blaises Stimme neben sich. Er war er seinem Blick gefolgt, und scheinbar kannte ihn Blaise gut genug, dass er erkennen konnte, dass sich Draco in tiefster Planung und Ränkeschmiede befand. Sein Blick glitt über die Menge an Menschen, und er hatte keine Ahnung, wie er es bewerkstelligen wollte. Was er überhaupt bewerkstelligen wollte, denn bei Merlin, er hatte kaum Zeit, überhaupt hier zu sein. Er war so erschöpft, dass er kaum stehen konnte, dass er am liebsten türmen wollte, einfach, um ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, wie ein Hundertjähriger. Seine neue Arbeit forderte ihn dermaßen, dass er nur noch Überstunden leistete, um jeden Tag erneut voller Furcht auf der Matte zu stehen.

Am liebsten wollte er etwas erwidern, Blaises Worte abtun, aber ihm fiel nicht mal ein, was er hätte sagen können. Stattdessen kaute er abwesend auf der Unterlippe und überlegte krampfhaft, ob ihm jemals Anstand und Benehmen beigebracht worden war. Er glaubte nicht. Oder er erinnerte sich nicht mehr. Wie sollte er ein Gespräch mit ihr beginnen? „Lass uns abhauen“, raunte sein bester Freund achselzuckend, aber Draco ruckte mit dem Kopf. Es war der erste Abend, den er nicht im Apartment verbrachte, sondern draußen. Und seit Monaten hatte er niemand andere als Blaise zu Gesicht bekommen, und es juckte ihn in den Fingern, mit einer hübschen Frau zu sprechen.

 

„Noch nicht“, widersprach er ruhig, ohne den Blick zu wenden. Er brauchte einfach nur eine vernünftige Gelegenheit mit ihr zu sprechen, ohne dass es absolut erbärmlich wirkte. Was tat sie hier überhaupt? Sein Verstand arbeitete, und das war mal was Neues. Seit Monaten ließ er sich eigentlich nur noch berieseln und dachte selber kaum noch nach. Was tat sie auf dem Ministeriumsbankett? Arbeitete sie hier? Musste sie wohl. Eine Ehrenfeier war es nicht. Einige junge Mitarbeiter waren hier.

 

„Dann starte deine Hogwarts-Revival-Party ohne mich. Potter ist hier“, murmelte Blaise kopfschüttelnd, und Draco verzog den Mund. Tatsächlich. Aber er nahm an, Potter würde den gesamten Abend von einer Traube an Bewunderern umringt sein. Trotzdem blieb sein Blick an ihm hängen. Auror, schoss es ihm dumpf durch den Kopf, und er reckte sich, stand etwas aufrechter und suchte nach einem verräterisch roten Haarschopf, aber Ronald Weasley war nicht zu entdecken. Wahrscheinlich waren sie allesamt Auroren im Training, oder bereits fertig ausgebildet. Ihm fehlten einige Jahre in England, um den Werdegang seiner Mitschüler ausreichend beurteilen zu können.

 

Und als sie sich in Bewegung setzte, tat er es ihr beinahe simultan gleich. „Draco!“, zischte Blaise gereizt, aber Draco mimte ihren Weg, erkannte ihr Ziel, und es bot ihm zumindest ein Alibi, in ihre Nähe zu gelangen. Er vergewisserte sich, dass sein Vater in keiner nächsten Distanz zu ihm war, und schloss den Abstand zur schmalen Bar, die behelfsmäßig an der Wand aufgebaut worden war. Lucius war nur als Sponsor hier. Er belegte keine Position, aber Draco fand es dennoch unpassend, dass sein Vater hier rumspazierte, wo er selbst doch knietief in seiner Schuld stand. Seine Gedanken rasten. Er trank nicht. Nicht wirklich, aber er würde kaum Kürbissaft bestellten können! Und schon stand er neben ihr, sie sprach, nannte dem Barkeeper ihr Getränk, und schon traf ihn der auffordernde Blick des Zauberers, und er sagte, was sein Vater sagen würde.

 

„Scotch, zwölfjährig.“ Er hasste Scotch. Er schluckte schwer und spürte ihren Blick. Beiläufig, fast überrascht, zwang er sich nach rechts zu blicken. Und er musste tief nach unten blicken, denn sie war kleiner als er.

 

„Oh hey“, entkam es ihr, tatsächlich überrumpelt, und er sah in ihrem Blick, dass sie diese Begrüßung wohl so sehr bereute wie er seine Scotch-Bestellung.

 

„Hey“, wiederholte er das Wort langsam, fast schwerfällig, und kam sich grenzenlos dämlich vor. Aber für gewöhnlich stalkte er keine Frauen mit seinem Blick und brachte sich in unangenehme Situationen. Für gewöhnlich brauchte er auch keine Floskeln der Höflichkeit auspacken. Er glaubte auch nicht, dass er welche kannte. Für eine flüchtige Sekunde fragte er sich, wie seine Haare lagen, aber dann nahm sie ihr Getränk entgegen – es war pink – und wollte sich abwenden, und sein Gehirn spuckte das nächstbeste aus, was so spontan möglich war.

 

„Arbeitest du hier?“ Unverfänglich. Unverbindlich. Gut, wirklich gut.

 

„Ahem – ja“, bestätigte sie, und wahrscheinlich war es eine blöde Frage, aber sie sprach weiter, Merlin sei Dank. „Ich bin in der Ausbildung hier.“

 

„Auror?“, vermutete er sofort, und sie nickte zögerlich.

 

„Ja. Du?“ Scheinbar fragte sie ihn der Höflichkeit halber, der sie scheinbar mächtig war.

 

„Finanzen. Mein-“, er zögerte eine Sekunde, „selbstgerechter Vater hat mir hier einen Job verschafft“, schloss er dann, wollte nicht ins schmerzhafte Detail gehen, und seit Monaten schaffte es einer seiner Mundwinkel, sich zu heben, den beschwerlichen Weg in seine Wange zu graben, nach all den Enttäuschungen. Und tatsächlich lachte sie kurz auf. Sie war nervös, hob ihr Glas entsprechend und trank einen zügigen Schluck. Tja, und das war es an Smalltalk. Noch einmal suchten seine Augen die Umgebung ab, denn auf keinen Fall brauchte er Lucius‘ Input zu seiner Entscheidung, ein Gespräch mit Hermine Granger zu führen. Lucius hatte für ihn einige Räder ins Rollen bringen müssen, damit Draco überhaupt genommen worden war, nachdem ihn die Mysteriumsabteilung sehr überdeutlich abgewiesen hatte. Es war sein eigenes Drama, seine eigene dreijährige Enttäuschung, und er würde darüber nicht reden. Jetzt arbeitete er auf Probe in der Finanzabteilung, wo er nicht hatte sein wollen, aber Lucius hatte ihm keine Wahl gelassen. „Weasley nicht hier?“ Es sollte beiläufig klingen, tat es aber ganz und gar nicht, wie er unglücklich feststellte. Es klang grenzwertig, es klang lauernd. Wieder sah sie ihn an, schien nicht sicher zu sein, was er von ihr wollte, und die feinste Falte entstand zwischen ihren Augenbrauen.

 

„Äh, nein. Ron… Ron arbeitet nicht hier“, erklärte sie beinahe distanziert, beinahe… verletzt? Er wusste es nicht einzuordnen.

 

„Kein Auror im Training?“ Fast überraschte es ihn. Nicht, dass er in seiner Freizeit darüber sinnierte, welcher Gryffindor eine Aurorenausbildung machte, aber tatsächlich hätte er vermutet, das Trio wäre unzertrennlich. Dann wiederum war er drei Jahre nicht hier gewesen und hatte keine Ahnung, was die Leute, die er ohnehin nur oberflächlich kannte, in ihrem Leben antrieb.

 

„Nein, Ron hat kein übermäßiges Interesse am Ministerium“, entgegnete sie, offenbarte ihm nicht, was Weasley sonst mit seinem Leben anstellte, und fairerweise interessierte es Draco so wenig, dass er es wahrscheinlich am Ende des Abends sowieso wieder vergessen hätte. Und tatsächlich reckte auch sie unauffällig den Kopf. Als würde auch sie anderen gegenüber keine Rechenschaft darüber ablegen wollen, dass sie hier mit ihm stand. Das Gespräch mit ihm war ihr… peinlich? Unangenehm? Eines dieser Worte, nahm er an. Sein Mund schloss sich. Er fühlte sich abgewiesen, obwohl er keinerlei Absichten kommuniziert hatte.

 

„Hier bist du!“ Fast erschrak er, verschüttete beinahe sein Getränk, fing sich aber im letzten Moment. Oh, dieses Gesicht kannte er. Scheinbar waren Dracos Absichten zumindest auf instinktiver Ebene klar, denn der Mann vor ihm legte Granger den Arm demonstrativ um die schlanke Taille. „Malfoy“, ergänzte der Mann, und Draco wusste, es würde wohl als Arroganz ausgelegt werden, dass er den Namen des Mannes nicht kannte. Er lag ihm nicht ansatzweise auf der Zunge. Er wusste nur, er war ein Gryffindor gewesen, und ein Reinblut, denn allein aus dem Club kam ihm das Gesicht noch geläufig vor.

Und Granger schien sein Problem zu erkennen, oder aber sie kannte sich mit der Etikette besser aus, als angenommen.

 

„Ahem, Malfoy, du kennst Cormac? McLaggen“, ergänzte höflicherweise, allerdings entging Draco der eindeutige Unterton in ihrer Stimme nicht.

 

„Sicher“, schluckte Draco ihren Köder dankbar. „McLaggen, du verkehrst im Club, oder?“, brachte er sein schmales Wissen an, und McLaggen nickte knapp.

 

„Hin und wieder. Selten“, erwiderte er, aber die Antwort war gepresst, und kurz war sein Blick über Grangers Gesicht geglitten, und Draco konnte nur mutmaßen, dass es womöglich ein Streitpunkt war. McLaggen…- am liebsten würde er den Mund verziehen, und Granger fragen, warum sie mit diesem Clown zusammen war und nicht mit Weasley. Aber… das tat er nicht.

 

„Hm“, machte Draco, der eigentlich einen klanglosen Rücktritt hatte antreten wollen. „Du arbeitest hier?“

 

„Nein, nein. Merlin bewahre“, entgegnete McLaggen, ebenfalls einigermaßen arrogant. „Ich bin im Familiengewerbe untergebracht.“ Soweit Draco es interessierte, konnten die McLaggens Zirkuseulen dressieren. Es war ihm ziemlich egal, und vor allem – Blaise hatte Recht gehabt. Es war ein viel zu kompliziertes Unterfangen mit Granger zu reden. „Ich bin Hermines Begleitung“, machte McLaggen es deutlich. Sehr deutlich. Sein Blick war stechend. „Wundert mich, dass man dich hier antrifft. Hätte angenommen, dass dein Vater dich in seinem Unternehmen eingeplant hat.“ Draco hätte aus drei Kilometern erkennen können, dass Granger kurz davor war, einzuschlafen.

 

„Mein Vater ist ein Arschloch“, erwiderte Draco ohne Scham und ohne Scheu, mit einem angedeuteten Achselzucken und einem trockenen Lächeln, und Grangers Aufmerksamkeit gehörte ihm plötzlich etwas mehr. „Unser Name öffnet nach dem Krieg keine Türen mehr, höchstens die in Askaban, und deshalb habe ich meinen Vater genötigt, mir zumindest einen sicheren Job im Ministerium zu verschaffen, da ich nicht dazu verdammt sein will, auf dem untergehenden Schiff ‚Malfoy‘ meine Jahre zu fristen.“ McLaggen wirkte vollkommen schockiert.

 

„Das ist… ehrlich“, entkam es McLaggen konsterniert. Mit bitterer Miene leerte Draco seinen Scotch in einem Zug.

 

„Das ist kein Geheimnis“, bemerkte Draco offen. „Und leider reicht meine Begabung nicht für die Aurorenausbildung aus.“ Es war ein Kompliment, aber er konnte Grangers Blick nicht deuten. Zwar war es gelogen, denn ihn interessierten die Auroren nicht, aber Schmeicheleien hatten noch nie geschadet. Er wusste, wann eine Schlacht verloren war. Nicht, dass er irgendwelche konkreten Gedanken gehabt hätte. Es war ein Impuls gewesen, einfach weil Granger heute Abend hier die hübscheste Frau gewesen war. Hübscher, als Draco sie je in Erinnerung gehabt hatte. Aber wohl nicht mehr die klügste Hexe ihrer Zeit, wenn sie McLaggen an ihrer Seite bevorzugte. Er war seit einigen Monaten wieder in England und hatte körperliche Bedürfnisse – um es subtil zu sagen. Seine Beziehung in Arizona war kurz gewesen, und er hatte schlicht keine Zeit gehabt, sich um sein sexuelles Seelenheil zu sorgen. Mittlerweile bereute er seine Entscheidungen, aber jetzt half es ohnehin nicht mehr. Granger hatte irgendeinen primitiven Impuls in ihm geweckt. Mehr nicht.

 

„Die Leute lassen einen überhaupt nicht mehr in Ruhe. Entschuldigung, ich – oh.“ Potter hatte ihm sachte die Hand auf die Schulter gelegt, um an die Bar zu treten, und erkannte ihn erst jetzt. Unglaube und leichter Unverstand zeichneten seine Züge. Draco hatte ihn lange nicht mehr gesehen, lange nicht mehr an ihn gedacht. „Malfoy?“ Es verließ als Frage seinen Mund und Potters Blick glitt fast hilfesuchen zu Granger.

 

„Wir… sind zufällig hier aufeinander getroffen“, erklärte sie mit einem hohlen Lächeln.

 

„Ja“, bestätigte Draco diese Lüge, denn für Granger mochte es Zufall gewesen sein. Vielleicht auch nicht, und sie war tatsächlich einfach nur höflich, hatte ihn bereits durchschaut.

 

„Oh“, entfuhr es Potter ratlos. „Ich… wie… geht es so?“, wich er in Floskeln aus, und fast wollte Draco lachen.

 

„Schon gut“, nahm er Potter die Bürde ab, mit einem ehemaligen Todesser zu kommunizieren. „Ich möchte deinen Abend nicht verderben. Harry“, ergänzte er den ungewohnten Namen. Potter blinzelte. „Zeit, zu gehen“, schloss er lächelnd. „McLaggen, Granger“, ergänzte er, und er schenkte ihr ein knappes Lächeln, das sie einigermaßen verwirrt zur Kenntnis nahm. „Genießt den Abend und den freien Alkohol“, schloss er und machte Kehrt.

 

Versagt auf ganzer Linie. Das würde Blaise ihm vorhalten.

 

~*~

 

Genannt wurde es der ‚finanzielle Sonderposten‘. Draco würde eher sagen, es war die komplizierteste Arbeit der gesamten Abteilung. Er hatte im Ministerium arbeiten wollen, aus genau den Gründen, die er auch Granger und ihrer Entourage gestern mitgeteilt hatte. Sein Name war belastet, und er war lange nicht mehr so verbohrt, nicht einzusehen, dass es auf lange Sicht kein Geschenk Merlins war, ein Malfoy zu sein. Er huldigte seinem Vater nicht, huldigte auch nicht seinem Gold.

Das Ministerium sicherte ihm eine einigermaßen gute Stellung. Denn er wusste auch, nicht zu arbeiten, bedeutete, sich den ganzen Tag mit sich selbst zu befassen. Und in ihren Kreisen bedeutete es ebenfalls, dass man zu dumm war, einer Arbeit nachzugehen.

 

Gregory überlegte seit drei Jahren, was er machen sollte, nachdem er zwei Jahre sinnlos studiert hatte. Pansy suchte einen Mann (Blaise), und Blaise hatte es ihm gleich getan, verzichtete ebenfalls auf eine Anstellung bei seinem eigenen Vater, arbeitete aber nicht in der Finanzabteilung, sondern im Außenwesen. Öffentlichkeitsarbeit war genau das richtige für eine Rampensau wie Blaise es war. Ein Schönling erster Güte. Dracos Mundwinkel hoben sich knapp.

 

„Fertig hier?“, unterbrach Darwin Leman seine Gedanken. Er war sein Vorgesetzter und auf Dracos Namen ebenfalls nicht sonderlich gut zu sprechen. Draco war überqualifiziert für den Job, den er machte, aber er beschwerte sich nicht. Nicht viel, nicht laut, nicht bei seinen Vorgesetzten. Nur bei Blaise.

 

„Mhm“, machte Draco, nachdem ihn der letzte Fall zwei Stunden gekostet hatte.

 

„Gut. Ich habe hier noch eine undankbare Aufgabe für dich“, erläuterte Darwin ihm, und Darwin verzichtete – nur bei ihm – auf die förmliche Anrede. Der Todesser-Stellenwert lag hier… irgendwo tief unter Null, wusste Draco. Darwin reichte ihm einen Zettel. Draco zog die Stirn in Falten.

 

„Was soll das sein?“, entfuhr es ihm gereizt, denn er machte alles, was hier von ihm verlangt wurde, arbeitete Überstunden, damit er gut dastand, seinen Vater nicht blamierte, der sehr viele hartnäckige Gespräche mit der Verwaltung hatte führen müssen, damit Draco überhaupt die Chance gegeben wurde, in eine Abteilung zu kommen, die weder suchte, ausbildete, noch anstellte. Es lag viel daran, dass er sich gut führte, dass er bewies, dass er den Job machen konnte, mit einer Einarbeitungszeit von einem Monat – denn er löste bereits Fälle, die nicht für Einsteiger gemacht waren.

 

Es war keine Kunst, nichts Anspruchsvolles. Es war Schadensbemessung. Nichts weiter. Aber die Gepflogenheiten der Abteilung zu erlernen, zu wissen, was von ihm gefordert wurde – das musste er alleine herausfinden, und es war müßig.

 

„Die Akte fehlt. Finde sie“, ergänzte Darwin fast aufmunternd, mit knapper Genugtuung.

 

„Sie finden?“, wiederholte Draco bloß. „Wie soll ich das anstellen?“ Aber Draco hatte bereits eine Befürchtung, und Darwin schien ihm die Frage gerne zu beantworten.

 

„Oh, ich weiß nicht, Malfoy. Ich schlage vor, du erhebst dich aus deinem Stuhl, verlässt dein Büro – es sei denn, du versteckst die Akte unter deinem Schreibtisch – und fängst an.“ Draco sparte sich jeden Kommentar dazu.

 

„Wer hatte sie zuletzt?“

 

„Würde ich das wissen, hättest du nicht die Aufgabe, das Ding zu finden, oder?“, erwiderte Darwin kühl.

 

„Warum ist sie weg?“, wollte er ohne Begeisterung wissen.

 

„Vielleicht hat sie Beine bekommen und ist weggelaufen?“, entgegnete Darwin gereizter, und Draco nahm an, mehr Infos würde er nicht bekommen. Darwin reckte den Daumen nach oben. „Viel Erfolg. Erledige das bis mittags, Malfoy“, schickte er noch eine Warnung hinterher, und Draco atmete lange aus. Und tatsächlich erhob er sich aus seinem Stuhl, nicht undankbar, sein Büro verlassen zu können. Er wusste nur eine Anlaufstelle, nämlich das Archiv. Dort musste man hin, wenn man Akten außerhalb des Bearbeitungslaufes einsehen wollte.

Allerdings nahm er an, dass dieser Schritt bereits versucht wurde.

Dennoch klopfte er an die offene Tür des Raumes, der magisch vergrößert worden war, denn er blickte bestimmt einen halben Kilometer tief in den Raum, wo sich Aktenschrank um Aktenschrank reihte.

Nur hier war der Apparierschutz aufgehoben, und kurze Zeit später apparierte eine Hexe an den Tresen.

 

„Ja?“, fragte sie abwartend und Draco reichte ihr den Zettel. Sie hob den Blick. „Mr. Malfoy“, begann die Frau, die ihn scheinbar kannte, denn unbekannt war er nicht, er war lediglich… unerwünscht. „Mr. Leman war vor zehn Minuten hier, um die Akte zu holen, und ich hab ihm mitgeteilt, dass sie seit zwei Monaten fehlt. Hätte ich sie, müssten Sie nicht herkommen.“

 

Er hatte es sich gedacht. „Ich verstehe“, sagte er dann. „Gibt es irgendwelche anderen Informationen? Können Sie mir sagen, welcher Name hierzu gehört? Welcher Fall es ist?“

 

„Nein“, sagte sie dann. Draco hielt sich davon ab, frustriert den Mund zu verziehen. „Auch hier haben wir Datenschutz. Die Bearbeitungsnummern sind willkürlich, und-“

 

„-ok“, unterbrach er sie. „Woher wissen Sie, dass sie seit zwei Monaten fehlt?“, versuchte er es auf eine andere Schiene.

 

„Ausleihprotokoll“, erwiderte sie eindeutig. Seine Augen weiteten sich knapp.

 

„Dann verstehe ich nicht, wo das Problem liegt“, entfuhr es ihm verständnislos.

 

„Das Problem“, begann die Hexe, als sie den Wälzer von Protokoll hervorholte und aufschlug, um mit dem Zauberstab magisch die richtige Seite zu finden, „ist, dass die angegebene Büronummer falsch ist“, schloss sie knapp, und ungefragt beugte er sich vor. „Mr. Malfoy!“, rief sie sofort. „Der Datenschutz-“

 

„-das ist die Leitung der Auroren“, erkannte er, und die Hexe entzog das Protokoll seinem Blick.

 

„Das weiß ich, Mr. Malfoy. Mr. Shacklebolt hat allerdings bestätigt, die Akte niemals angefordert zu haben.“ Draco runzelte die Stirn.

 

„Dann wird es jemand anders aus der Abteilung sein“, bemerkte er, und die Hexe sah ihn entsprechend spöttisch an.

 

„Es scheint so, nicht wahr?“ Sie schien davon auszugehen, und Draco begriff nicht wirklich. „Mr. Malfoy, in der Auroranabteilung arbeiten zweihundert Mitarbeiter. Niemand hat die Zeit und Muße, jeden Mitarbeiter zu befragen.“

 

„Wie viele Muggelgeborene arbeiten in der Abteilung?“, kürzte er das Problem präzise ab.

 

„Bitte?“ Die Frage war eher rhetorisch, denn natürlich ließ sich diese Zahl drastisch reduzieren. Draco deutete auf den Zettel.

 

„Die letzte Zahl ist eine neun. Das bedeutet, es handelt sich um einen finanziellen Sonderposten. Und das bedeutet, es ist ein Schadensersatzfall wegen Kriegsverbrechen. Kriegsverbrechen sind überwiegend an Muggeln begangen worden, was mich annehmen lässt, es wird hier nicht anders liegen. Also braucht man nur die Mitarbeiter zu fragen, die muggelgeboren sind“, schloss er didaktisch kurz, aber die Hexe schien von seiner offensichtlichen detektivischen Kunst nicht angetan.

 

„Dann viel Spaß dabei“, erklärte sie lächelnd. „Wäre das alles?“ Draco atmete lange aus.

 

„Das wäre alles.“

 

„Einen schönen Tag noch.“

 

„Ja.“ Er hasste es hier. „Ebenso.“ Er machte kehrt. Und er begriff, vielleicht würde er Granger eher wiedersehen, als gedacht. Wie viele Muggelgeborene konnten schon da unten rumlaufen?

 

 

- Nicht viele, wie sich zehn Minuten später herausstellte. Er stand im Büro von Mr. Shackelbolt. „Miss Granger, Mr. Thomas und Mr. Lawson befinden sich im Training, was bedeutet – nun ja, dass sie gerade trainieren. Sie haben kein Büro“, machte Shackelbolt es deutlich. „Wenn Sie also annehmen, Ihre wichtige Akte befindet sich in unserem Besitz, müssen Sie nach unten gehen.“

 

„Nach unten?“, wiederholte Draco entgeistert.


„Die Trainingseinheiten finden unten statt. In den Trainingsräumen?“, machte er es deutlich, und Dracos Mund öffnete sich. Richtig. Auroren wurden im Kampf ausgebildet. Natürlich saßen sie nicht hier oben.

 

„Komme ich dort rein?“

 

„Nicht ohne weiteres, nein. Es sei denn, Sie möchten sich als Ziel anbieten“, schlug Shacklebolt mit einem feinen Lächeln vor. Weil er Sohn eines Todessers war. Witzig. Überaus witzig. Draco verzog den Mund, sagte nichts dazu. Shacklebolt atmete aus. „Ich schreibe Ihnen eine kurzfristige Zulassung.“ Er füllte irgendein Standardformular aus, griff dann in seine Schreibtischschublade und überreichte ihm auch noch einen Anstecker. Er schimmerte dunkelblau. Es war eine Aurorenplakette. „Bitte wieder bringen“, ermahnte Shacklebolt ihn. Draco nickte knapp, als er sie an seinen Hemdkragen steckte. „Junge“, sagte Shackelbolt dann kopfschüttelnd, erhob sich, umrundete den Schreibtisch, überwand jeden höflichen Abstand und griff in seinen Kragen. „Ich denke, die Leute werden sich ohnehin über Sie lustig machen da unten, wie wäre es, wenn Sie dann nicht völlig lächerlich sind?“, bemerkte er eindeutig und steckte die Plakette an seine Brust. „Ich nehme an, Sie wollten verhindern, dass Ihr feines Hemd eine Falte bekommt, aber bei allem Respekt – das ist die Abteilung der Auroren, nicht das feine-Pinkel-Büro, aus dem Sie gerade kommen.“

 

Draco dachte darüber nach, und tatschlich hob sich sein Mundwinkel. „Verstehe, Sir“, sagte er knapp. Shacklebolt schlug ihm auf die Schulter.

 

„Wunderbar“, bemerkte er versöhnlich. „Raus mit Ihnen. Lösen Sie Ihren Fall“, verabschiedete er ihn, und zum ersten Mal hatte Draco ein fast angenehmes Gefühl im Ministerium.

 

Der Weg nach unten war ihm unbekannt. Theoretisch nicht, aber die Fahrstuhltüren hatten sich für ihn nie geöffnet, im Stockwerk 03.

 

„Auroreneinheit“, informierte ihn die kühle Hexenstimme, seine Plakette schimmerte verheißungsvoll, aktivierte wohl den Zauber der Tür, und der Fahrstuhl öffnete sich, offenbarte ihm einen langen Gang, und er hörte bereits lautes Geschrei, Flüche, die durch irgendwelche Hallen gelten, und kurz überlegte er, dass er absolut ungeschützt, als Sohn von ehemaligen Voldemort-Anhängern, vorhatte, ein Fluch-Training zu stören.

 

Er durchwanderte den Flur langsam, praktisch auf der Hut. Ein Zimmer stand offen, offenbarte ihm eine Reihe an Besen an der Wand, Ausrüstungen, Uniformen, und ein Zauberer und eine Hexe hoben die Blicke. Wahrscheinlich fiel er auf wie ein bunter Hund.

 

„Ja?“, wollte der Zauberer beinahe amüsiert wissen. Er trug die graue Uniform, die gelben Signalstreifen an Ärmeln und Beinen, und ebenfalls eine Plakette über der Brust. Sofort holte Draco das Formular hervor.


„Draco Malfoy, ich… suche Miss, Granger, Mr. Thomas oder Mr. Lawson.” Der Mann betrachtete stirnrunzelnd das Formular. Dann hob sich sein Blick spöttisch zu der Plakette über Dracos Brust.

 

„Kommen ehemalige Todesser jetzt hier runter, um sich ein bisschen an Muggelgeborenen abzureagieren? Wird schlecht für dich enden, Malfoy“, mischte sich die Frau grinsend ein, und Dracos Blick hob sich ausdruckslos.

 

„Mein Vater ist ehemaliger Todesser. Ich war nur unglücklich genug, als sein Sohn geboren zu werden und eine Handvoll dummer Entscheidungen zu treffen, die ich bereue und nicht rückgängig machen kann.“ Er hatte kein Problem damit, seine Fehler einzugestehen, zuzugeben, einer schlimmen Familie anzugehören. Das war seine Realität. Sie zu beschönigen half keinem. Die Hexe verlor den spöttischen Ausdruck.

 

„Wenn mal mehr von euch solche Demut besäßen“, sagte sie knapp. „Eleanor Greenwood“, stellte sie sich vor.

 

„Wir sind verwandt“, fiel ihm abwesend auf.

 

„Ja, sind wir“, bestätigte sie. „Aber du warst in Windeln, als deine Mutter das letzte Mal bei uns Zuhause gewesen ist“, ergänzte sie lächelnd.

 

„Wie nett“, entkam es ihm.

 

„Komm, ich bring dich. Die fressen dich sonst auf“, ergänzte sie versöhnlich. „Nur Granger und Thomas sind zusammen. Lawson ist im dritten Jahr. Jetzt gerade haben nur die Einer und Zweier zusammen Training“, erklärte sie Dinge, die er nicht wirklich verstand. Er wurde weiter geführt, den Flur entlang, während der Zauberer zurückblieb und scheinbar eine Art Inventur über Besen und Ausrüstung nachhielt. Es wurde lauter, und die Hexe stoppte vor einer Halle mit zwei großen Türen Sie sprach einen Zauber stumm, löste eine Art Alarm im Innern aus, und das Geschrei endete abrupt. „Jetzt ist es sicher“, informierte sie ihn überflüssigerweise. Sie öffnete die Tür. „Guten Morgen Leute. Ich bräuchte einmal Granger und Thomas“, rief sie, und Draco überblickte die riesige Trainingshalle einigermaßen neidisch. So würde er lieber seine Morgen verbringen. Tatsächlich lösten sich zwei Menschen in dampfenden Uniformen aus der Menge und kamen näher. Die anderen Auroren im Training reckten die Köpfe und verrenkten die Hälse.

 

„Seit wann dürfen sich die Todesser die Muggelgeborenen hier aussuchen, ohne einen angemessenen Kampf vorweg?“, vernahm er die vorlaute Stimme eines äußerst muskulösen Zauberers, den er mit einem eisigen Blick bedachte.

 

„Halt die Klappe, Cage“, informierte Eleanor den jungen Mann, ohne Zögern.

 

„Ich meine es wirklich ernst. Scheint mir nicht sportlich zu sein. Aber wahrscheinlich würde sich der Idiot nur seine Lackschuhe schmutzig machen, würde er seinen Zauberstab benutzen müssen“, sagte der Mann namens Cage und erntete zustimmenden Gelächter.

 

„Wir können das gerne nach Dienstschluss klären“, bemerkte Draco kalt, nicht willig, sich von seiner Altersgruppe beleidigen zu lassen.

 

„Nach Dienstschluss?“, wiederholte Cage lachend. „Klar! Die reichen Wichser müssen natürlich erst das Gold verdienen, und dann ihren Namen verteidigen.“ Draco ballte die Hände zu Fäusten, nicht sicher, wie er reagieren sollte.

 

„Niemanden interessiert deine Meinung, Cage“, sagte Granger jetzt, die sich auf halbem Weg zu ihm umgewandt hatte.

 

„Granger rettet den Todesser. Wie heldenhaft!“ Bevor Draco merkte, wie er sich in Bewegung setzte, hatte sich Eleanors Hand um seinen Arm gelegt.

 

„Es reicht!“, beendete Eleanor die Auseinandersetzung noch bevor sie wirklich begonnen hatte. Draco konnte sich wirklich gut vorstellen, diesem Arschloch die Fresse zu polieren. Sehr gut. Aber dann hatten die beiden ersten potentiellen Verdächtigen ihn erreicht. „Mr. Malfoy hier hat… eine Frage, nehme ich an?“ Eleanor schien nicht wirklich zu wissen, was er wollte, und fast wusste er es selbst schon nicht mehr. Richtig, er wurde in seiner Abteilung drangsaliert, wie er es auch hier unten wurde.

 

Und er fixierte nur sie, als er sprach, denn selbst in Uniform gab sie eine sehr gute Figur ab. „Eine Akte fehlt in der Finanzabteilung“, begann er lahm, und kam sich vor wie der letzte Idiot. Die Uniformen unterschieden sich, stellte er fest. Manche trugen einen grünen Streifen über der Schulter, manche zwei. Granger hatte nur einen Streifen eingenäht.

 

Und tatsächlich sprach sie. „Ich hatte sie ausgeliehen. Sie… ist in meinem Spind“, entkam es ihr still. „Brauchst du sie jetzt?“

 

„Bevor Mr. Malfoy noch einmal wiederkommen muss, würde ich sagen, ihr klärt es jetzt, in Ordnung?“, mischte sich Eleanor kopfschüttelnd ein.

 

„Ok“, bestätigte Granger sofort. Sie ging voran, und schließlich folgte er ihr. Ihnen folgten einige Pfiffe, und Dracos Kopf wandte sich über die Schulter zurück. Er sah noch, wie Cage ihm den Mittelfinger zeigte, ehe er von dem Trainer einen nicht zu schmerzhaften Schlag auf den Hinterkopf kassierte. Die beiden Türen schlossen sich hinter ihnen, und sie waren wieder auf dem Flur.

 

„Ignorier Cage“, sagte Granger bloß, und Draco beeilte sich, gleichauf mit ihr zu gehen.

 

„Was anderes bleibt mir kaum übrig“, räumte Draco ein. „Wo… ist Potter?“, fragte er das Offensichtliche, denn den König der Truppe hatte er nicht ausmachen können. Tatsächlich schien Granger dankbar über den Themenwechsel zu sein.

 

„Harry ist im dritten Team, weil er im dritten Ausbildungsjahr ist.“ Draco begriff die Streifen auf den Uniformen.

 

„Du bist im ersten“, erkannte er dann nickend. Sie hob den Blick.

 

„Ja.“ Ihre Antwort kam sparsam. Und er fragte, bevor er nachgedacht hatte. Bevor er sich darüber Gedanken gemacht hatte, ob es ok war, zu fragen.

 

„Wieso bist du nicht auch im dritten Jahr?“ Er bereute die Frage direkt. Was ging es ihn an? Er hatte erst gestern eine Abfuhr von ihr bekommen. Von ihr und ihren zahlreichen Helden und Eroberern. „Vergiss es“, ergänzte er eilig. „Geht mich nichts an. Tut mir leid“, schloss er knapp. Kurz sagte sie nichts, und als sie um die Kurve bogen erkannte er die vielen Schließfächer und Schränke.

 

„Ich habe eine Auszeit genommen“, erwiderte sie schlicht.


„Drei Jahre?“, entkam es ihm wieder ohne nachzudenken, und diesmal hob sich ihre Augenbraue. Er biss sich auf die Lippe. „Fuck, es tut mir wirklich leid. Keine Ahnung, wo meine Manieren hin sind“, erwiderte entschuldigend, und tatsächlich lächelte sie leicht.

 

„Schon gut. Was hast du drei Jahre gemacht? Warst du die ganze Zeit hier?“

 

„Nein“, entgegnete er kopfschüttelnd. „Ich war in Amerika.“

 

„Drei Jahre?“, wollte sie verblüfft wissen.

 

„Ungefähr. Plus, Minus ein paar Monate“, räumte er ein.

 

„Aus Spaß?“

 

„Teilweise“, antwortete er, und begriff, er gab ebenso wenig Preis, wie sie. Er räusperte sich. „Ich… hatte einen Begabtenschein und habe ein Seltenheitszertifikat gemacht. In… Arizona“, fasste er seinen erfolglosen Werdegang zusammen, und scheinbar wusste sie, wovon er sprach.

 

„Du hast was?“, wiederholte sie, und jetzt erst glaubte er, wirklich ihre Aufmerksamkeit zu haben, denn sie fixierte ihn sehr genau. „Was heißt das? Du bist ein Animagus?“

 

„Ja“, bestätigte er achselzuckend.

 

„Seltenheitszertifikat heißt-“ Sie unterbrach sich plötzlich. „Arizona? Du… bist ein Donnervogel?!“ Sie starrte ihn regelrecht an. „Im Ernst?“, hakte sie ungläubig nach. Er nickte bloß. „Wie zur Hölle kannst du so einen Schein machen und ihn nicht nutzen? Du arbeitest wo? Finanzen?“ Aus ihrem Mund klang es abwertend, nieder, absolut unnötig. Er schenkte ihr ein freudloses Lächeln.

 

„Meine Bewerbung in der Mysteriumsabteilung wurde abgelehnt.“

 

Das brachte sie tatsächlich zum Verstummen. Nicht für lange.

 

„Wie können sie dich ablehnen, mit einem Seltenheitszertifikat? Du kannst Arten zusammen bringen, dafür sorgen, dass die Gattung nicht ausstirbt. Du übermittelst lebenswichtiges Fachwissen – und sie erkennen deine Bewerbung nicht an?“ Es schien sie ernsthaft zu schockieren. Fast war es nett. Er zuckte wieder die Achseln.

 

„Ehemalige sind hier nicht gern gesehen, schätze ich.“ Mit ihr zu reden war… angenehm, fiel ihm auf. Und ihr Ausdruck wurde weicher, ihr Blick senkte sich plötzlich.

 

„Oh“, entkam es ihr, einigermaßen sparsam. „Trotzdem“, ergänzte sie zerknirscht. „Das ist nicht fair.“

 

„Tja…“, schloss er, vergrub die Hände in seinen Hosentaschen.

 

„Und die Aurorenausbildung? Ich meine, wir müssen den Schein auch machen. Zwar… beileibe kein Seltenheitszertifikat, aber damit wärst du schon mal hoch im Rennen“, sagte sie.

 

„Ich mache nicht drei Jahre den Schein, um noch mal drei Jahre Ausbildung zu machen. Und garantiert nicht als Auror.“

 

„Mit dem Schein steigst du direkt im zweiten Jahr ein“, erklärte sie entrüstet. „Und was soll das heißen, als Auror?“, wiederholte sie seine Worte, als hätte er sie persönlich beleidigt.

 

„Granger“, begann er nachsichtig, „kein Reinblüter wie ich wird Auror“, schloss er eindeutig.

 

„Was soll das wieder heißen?“ Sie klang beinahe gereizt. „Bist du was Besseres?“

 

„Eher… das exakte Gegenteil“, bemerkte er verständnislos. Sie war witzig.

 

„Was?“ Sie sah ihn entgeistert an.

 

„Helden werden Auroren. Die Leute, die auf der richtigen Seite gekämpft hatten. Nicht… Leute wie ich.“ Ihr Mund öffnete sich in stummem Verständnis, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkte.


„Das ist Unsinn, das weißt du, oder?“

 

„Oh, ich denke, deine Kollegen da drin wären absolut scharf darauf, mich in ihrer Mitte zu haben?“, wollte er herausfordernd wissen, aber sie winkte ab.

 

„Cage ist ein Arschloch“, erklärte sie.

 

„Danke für den Tipp, aber ich denke, ich bleibe, wo ich bin.“

 

„Deine Entscheidung“, antwortete sie fast beleidigt. Sie ging zu ihrem Spind in der Mitte, bevor sie wieder innehielt. „Hast du mir gestern nicht gesagt, du wärst nicht gut genug, um Auror zu sein?“, wiederholte sie seine leeren Worte, und sein Mundwinkel hob sich.

 

„Du hast mir zugehört?“

 

„Sollte ich das nicht?“, stellte sie eine direkte Gegenfrage, und er zuckte wieder die Achseln. „Du warst Schulsprecher“, stellte sie schließlich fest, und er lachte auf.

 

„Im Todesser-Regime. Ja. Das heißt… erdenklich wenig, nicht wahr?“

 

„Und du hast einen Begabtenschein gemacht“, ergänzte sie argwöhnisch.

 

„Jaah“, bestätigte er lahm. „Aber über Vitamin B. Mein Vater hat mich im Programm eingekauft. Gold öffnet viele Türen.“ Sie verdrehte entnervt die Augen.

 

„Schön, dann hast du dich eingeschleimt, aber bestanden hast du die Prüfung trotzdem. Das heißt, du bist einigermaßen Intelligent. Du könntest-“

 

„-ich wollte aber nicht“, unterbrach er sie. „Danke für die Fürsorge, aber ich habe einen Job.“

 

„Einen schlechten“, stellte sie klar. Er sagte darauf nichts. Es war besser, als nichts. Was sollte er schon dazu sagen?

 

Sie öffnete den Spind und kramte die Akte aus den Tiefen hervor.

 

„Warum hast du sie?“, wollte er wissen. Unschlüssig hielt sie sie in den Händen, bevor sie lange seufzte.

 

„Du machst also Schadensersatzfälle?“, wollte sie knapp wissen, und er nickte wieder. „Das ist die Akte meiner Eltern.“ Draco wusste nicht, ob ihre Eltern noch lebten oder nicht. Er wollte auch gar nicht fragen.

„Ich… habe ihr Gedächtnis verändert, sie nach Australien auswandern lassen und… habe mich aus ihrer Erinnerung gelöscht.“ Draco war nun an der Reihe, sie anzustarren. „Es musste sein. Der Krieg stand vor der Tür. Sie wären umgebracht worden. Und ich… wollte sehen, ob ihre Adresse hier hinterlegt ist.“

 

„Und?“, fragte er still, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Unbekannt verzogen“, schien sie die Akte zu zitieren. „Und auch sonst gibt sie nichts her.“ Sie reichte sie ihm. 

 

„Willst du sie wiederfinden?“, fragte er. „Es gibt Mittel und Wege, wie-“


„-ich weiß nicht, ob ich das will“, unterbrach sie ihn steif.

 

„Nicht?“ Er konnte sich ein Leben ohne seine nervtötenden Eltern nicht vorstellen, offen gesagt.

 

„Ist vielleicht besser so“, schloss sie verschlossen.

 

„Ok…“ Er wusste nichts weiter zu sagen, nahm die Akte entgegen und nickte ihr knapp zu. „Danke dafür“, ergänzte er still. Sie nickte ebenfalls.

 

„Kein Problem.“

 

Er wandte sich von ihr ab, und hoffte, sie würde sich noch verabschieden, noch irgendetwas-

 

„-Malfoy?“, hielt ihn ihre Stimme auf, und er lächelte unwillkürlich, verbarg das Lächeln aber, als er sich noch mal umwandte.

 

„Ja?“

 

„Dein Vater hat dich ins Begabtenprogramm eingekauft?“, wiederholte sie prüfend. „Aber ohne die Begabtenvoraussetzung ist ein Seltenheitszertifikat nicht möglich“, ergänzte sie bloß. Sie war ein kluges Mädchen, das gab er zu. „Was ist dein Patronus?“ Er verzog knapp den Mund, atmete aus, und gab schließlich nach.


„Drache“, räumte er ein, und wieder starrte sie ihn an.

 

„Dein Vater hat nicht dafür bezahlen müssen, dass sie dich nehmen, oder?“

 

„Was macht es für einen Unterschied?“, entgegnete er gleichmütig.

 

„Warum machst du dich schlechter, als du bist?“

 

„Niemand will es hören, niemanden interessiert es, ok? Es sind unwichtige Details.“

 

„Ich finde sie wichtig“, behauptete sie.

 

„Ach ja? Ändert es deine Meinung? Hast du ein besseres Bild von mir, nur weil ich begabt war?“, wollte er spöttisch wissen. „Dann hätte ich das Gespräch gestern damit eröffnet, ich bin sicher, das wäre super angekommen – hey Granger, ich bin absolut begabt und durfte an einem Förderprogramm teilnehmen“, sagte er trocken, reckte einen Daumen in die Höhe, und sie wirkte eine Spur beschämt.

 

„Warum solltest du mich überhaupt beeindrucken wollen?“, entkam es ihr stiller. Sein Lächeln vertiefte sich deprimiert.

 

„Richtig. Du… bist vergeben. Also, aus keinem ersichtlichen Grund“, bestätigte er.

 

„Du wolltest wissen, ob ich vergeben bin?“, griff sie seine Worte beinahe ungläubig auf. „Deshalb die ganzen Fragen gestern?“ Sie sah ihn wieder sehr durchdringend an.

 

„Möglich“, räumte er vage ein. „Ich… dachte, das wäre klar gewesen“, schloss er dumpf. Ihre Augenbrauen hoben sich schockiert.


„Wie sollte so etwas klar sein, Malfoy? Du bist…“ Sie beendete den Satz nicht. Es wurde wieder unangenehm. So absolut unangenehm, dass er wusste, er hätte längst verschwinden sollen.

 

„Schon klar“, erlöste er sie von der schrecklichen Stille. „Ich weiß, wer ich bin.“

 

„Ich meinte nicht…, ich habe nur-“

 

„-es ist ok.“

 

„Tut mir leid“, sagte sie ehrlich. Seine Stirn legte sich in Falten.

 

„Was konkret?“, wollte er wissen, drehte die Akte abwesend in seinen Händen. „Dass du vergeben bist?“, ergänzte er, einen Mundwinkel gehoben, und sie blinzelte verblüfft.

 

„Dass du geglaubt hast, du hättest eine Chance bei mir“, erwiderte sie beinahe mitfühlend, beinahe nachsichtig, und seine Arme sanken. Oh. Er verstand. Und es wäre besser, würde er die Abfuhr akzeptieren, einfach schlucken. Einfach verschwinden, denn so überdeutlich war er noch nie abserviert worden. Aber natürlich konnte er Dinge nicht auf sich beruhen lassen. Er hasste seinen elenden Stolz.

 

„Danke für deine Ehrlichkeit, Granger“, räumte er ein. „Wir können schließlich nicht alle Helden sein“, bemerkte er bitter. „Um McLaggen das Wasser zu reichen, braucht es schon einiges, nehme ich an…“, ergänzte er kopfschüttelnd. „Hoher Standard, Granger. Absolut königlich“, schloss er vielsagend, und ihre Mundwinkel sanken böse. Er nickte zum Abschied und machte Kehrt. „Oh“, fiel ihm noch ein, und sein Mund ließ sich nicht von seinem Verstand aufhalten, stellte er entnervt fest, „du könntest dich glücklich schätzen, mich zu haben. Das nur nebenbei.“

 

Er verschwand mit langen Schritten, bevor sie ihn noch mal demütigen konnte. Was für eine dumme Gans, dachte er zornig. Aber er war leider nicht sonderlich schlagfertig gewesen. Und es störte ihn maßlos, dass Blaise recht behalten hatte, und er trotzdem nicht locker gelassen hatte. Wahrscheinlich brauchte er überdeutliche Abfuhren, überlegte er zerknirscht.

 

 

2. the job

 

Sie saßen in der Kantine. Der Tag war lang gewesen. Einige wilde Locken fielen aus dem hohen Zopf bereits in ihr Gesicht. Sie war erschöpft, aber zufrieden. Etwas verkohlt, aber mit jedem Tag klüger. Es war seltsam gewesen, dass Malfoy aufgetaucht war. Sie hatte die Akte noch etwas länger haben wollen und war sich sicher gewesen, dass sie erst mal nicht gefunden werden würde, aber sie hatte wohl falsch gedacht. Und wahrscheinlich würde sie noch Ärger bekommen, aber aus anderen Gründen. Aber sie würde es erst mal drauf ankommen lassen und abwarten.

 

„Malfoy?“, sagte ihre Freundin und Mitbewohnerin, Penelope Clarke, und Hermine hob träge den Blick. „Draco Malfoy?“, wiederholte sie. Hermine sah sie erwartend an. Penelope war nicht auf Hogwarts gewesen. Sie war nach England transferiert, und für Hermine war es schwer vorstellbar, dass jemand nicht nach Hogwarts ging. „Er sieht ganz gut aus“, stellte Penelope abschließend fest. Kopfschüttelnd fiel Hermines Blick in ihren kalten Tee. Natürlich. Was sollte Penelope sonst zu sagen haben. – Über so ziemlich jeden Jungen.

 

„Äußerlichkeiten können täuschen, Penny“, erwidert sie bloß.

 

„Mhm“, bemerkte sie an. „Du datest McLaggen, weil er so ein Gutmensch ist, nehme ich an?“, wollte Penelope wissen, und Hermine wusste, sie brauchte keine Meinung zu diesem Thema haben. Es stimmte. McLaggen war arrogant genug gewesen, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Aber sie kannte Malfoy und wusste, wie er gewesen war. Sicher, er sah nicht schlecht aus. Wahrscheinlich eine acht bis neun auf der Skala, aber sie konnte dennoch nichts mit ihm anfangen. Und Penelope brauchte auch nicht nobel tun, denn sie schlief ab und an mit William Cage, dem Schönling aus dem zweiten Jahr, obwohl Hermine ihre eigenen Theorien über Cage hatte.

 

„Cormac war in Gryffindor. Malfoy… ist einfach ein schleimiger Slytherin mit dem schlimmstmöglichen familiären Hintergrund“, kürzte sie es ab. Einige weitere ihrer Gruppe betraten die Kantine, winkten ihnen zu, und auch die Vorgesetzten gönnten sich wohl etwas zu essen.

 

„Zu schade“, bemerkte Penelope grinsend an.

 

„Als ob du darauf achten würdest, wer in Ordnung ist und wer nicht“, entfuhr es Hermine angewidert und ihr Blick wanderte über Bill Cage, der sich gerade vor seinen Freunden mit irgendetwas profilierte. Überkompensation, dachte sie grimmig. Hermine hatte gestern Abend gedacht, sie sah nicht richtig, als Malfoy plötzlich neben ihr gestanden hatte. Dann heute dieses eigenartige Geständnis, dass er hatte wissen wollen, ob sie vergeben war. Seit wann war es überhaupt möglich, dass ehemalige Gryffindors und Slytherins miteinander sprachen, ohne sich zu duellieren, fragte sie sich dumpf. Und dass ausgerechnet Malfoy sie so etwas fragte?!

 

„Ich habe Spaß mit Cage“, sagte Penelope achselzuckend. „Verklag mich!“, ergänzte sie grinsend. „Aber mir gefällt, dass dieser Malfoy Anzüge trägt und gut darin aussieht“, fuhr Penelope schwärmerisch fort. Hermine verzog verständnislos den Mund und wusste nichts mit Penelopes Ansichten anzufangen.

 

„Du bist krank“, sagte sie bloß.

 

„Wahrscheinlich“, bestätigte Penelope gedankenverloren, absolut unbekümmert.

 

„Allerdings“, fuhr Hermine dann nachdenklich fort, „hat er ein Seltenheitszertifikat. Das macht ihn schon fast wieder interessanter“, schloss sie stiller, und Penelopes Augen wurden groß. Hermine konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, denn es war so eigenartig und gleichzeitig spannend genug, dass sie Harry davon erzählen würde. Später.

 

„Ernsthaft? Er hat ein Seltenheitszertifikat? Warum sitzt er den in der langweiligsten Abteilung?“, wollte Penelope wissen. „Mit so einem Zertifikat würde ich-“

 

„-wer besitzt ein Seltenheitszertifikat?“ Hermine hatte ihn nicht kommen hören, und sowohl sie als auch Penelope setzten sich aufrechter hin. Kingsley stand hinter ihnen, eine Tasse Tee in der Hand, mildes Interesse auf den dunklen Zügen. Natürlich durfte Hermine ihn nicht Kingsley nennen. Nicht in der Ausbildung, aber privat hatte es sich nicht geändert, soweit sie sich denn alle paar Wochen mal bei den Weasleys oder bei Harry trafen. Und kurz tauschte Hermine einen Blick mit Penelope, der ihr sagen sollte, das Thema zu wechseln, nicht auf die Frage zu antworten und etwas anderes zu besprechen.

 

„Draco Malfoy, Sir“, antwortete Penelope aber sofort, hatte Hermines Wink nicht verstanden, und sie nahm an, dass Kingsley weitere Fragen haben würde.

 

„Ist das so?“, entfuhr es ihrem Chef mit gerunzelter Stirn. „Wissen Sie welches Zertifikat, Clarke?“, wollte er wissen, und jetzt riss Penelope sie mit in den Abgrund.

 

„Nein, Sir, aber Granger weiß es.“ Es war üblich, den Nachnamen zu verwenden. Es machte es alles etwas distanzierter in der Ausbildung.

 

„Granger?“ Er sah sie abwartend an.

 

„Sir, ich weiß nicht-“

 

„-sicher weißt du es!“, behauptete Penelope sofort, und Hermine schoss ihr einen gereizten Blick zu.

 

„Ich denke, er ist ein Donnervogel, Sir“, räumte Hermine zerknirscht ein, und Kingsleys Augen weiteten sich einen Moment lang.

 

„Tatsächlich“, entfuhr es ihm. „Das ist… interessant. Sehr interessante Informationen, Granger. Genießen Sie Ihren Feierabend, meine Damen. Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich von ihnen, und Hermine wartete, bis er zu seinen Kollegen verschwunden war, bevor sie Penelope wütend ansah.

 

„Musste das sein?“

 

„Was war jetzt schlimm daran?“, wollte Penelope entgeistert wissen, und Hermine war sich nicht sicher. Sie hatte nur so ein Gefühl.

 

„Besser Kingsley weiß so was nicht“, bemerkte sie bitter.

 

„Warum?“

 

„Keine Ahnung. Nachher will er, dass wir auch einen Seltenheitsschein machen“, entfuhr es Hermine abwiegelnd.

 

„Du stellst dich an, Hermine“, erwiderte Penelope kopfschüttelnd. Wahrscheinlich tat sie das. Wahrscheinlich.

 

~*~

 

„Du könntest dich glücklich schätzen, mich zu haben?“, wiederholte Blaise abwägend, nicht überzeugt. „Das hast du ihr gesagt?“ Er klang nicht begeistert. Draco nickte schlecht gelaunt. Er und Blaise wohnten in einem netten Apartment, nachdem Draco es Zuhause nicht mehr ausgehalten hatte und auch Blaise noch nicht bereit war, ein eigenes Herrenhaus zu beziehen.

Ihr Apartment besaß sieben Zimmer, bot genügend Platz, und Draco fühlte sich relativ wohl, auf so engem Raum. Malfoy Manor war ihm immer zu groß vorgekommen. Und zu kalt.

 

Blaise hatte bessere Tage als er. Aber sein Name war auch nicht so belastet, wurde nicht mit so viel Schlechtem in Verbindung gebracht. Draco war es nicht anders gewöhnt.

 

„Wie kommt es überhaupt, dass du sie heute schon wieder gesehen hast?“

 

„Lange Geschichte. Langweilige Geschichte“, ergänzte Draco mit einem Kopfrucken. „Jedenfalls war es ein scheiß Tag.“

 

„Klingt so“, bemerkte er. „Ich habe direkt gesagt, dass es zu kompliziert ist, dieses Mädchen zu bekommen. Du bist selber schuld“, schloss Blaise das leidige Thema ab.

 

„Wahrscheinlich“, bestätigte Draco bloß.

 

„So gut sieht sie auch nicht aus“, fuhr sein Freund fort.

 

„Mh“, machte Draco bloß, denn es stimmte nicht. Granger war hübsch. Ausnahmslos hübsch. Er hatte gedacht, er versuchte sein Glück. Er hätte nicht gedacht, in den Wind geschossen zu werden, wenn er ehrlich war. Er hatte nicht viel Erfahrung mit einer Abfuhr. Natürlich hatte er auch sonst nicht viel Erfahrung. Im Nationalpark in Arizona hatte er eine Affäre mit einer Hexe aus Utah gehabt. Kurzlebig, nichts Besonderes. Aber er hatte sie an dem Abend in seinem Bett verführt, als er sie um ein Date gebeten hatte. Ohne Probleme. Sie hatte ohne Zögern Ja gesagt, und vielleicht war er einfach verwöhnt. Vielleicht war Granger McLaggen treu – was er nicht nachvollziehen konnte, wenn er ehrlich war.

„Hast du noch Pläne?“, wechselte er das Thema, und Blaise schien nachzudenken.

 

„Pansy nervt. Keine Ahnung. Vielleicht schlafe ich mit ihr. Ein letztes Mal“, erwiderte Blaise achselzuckend. Draco hob die Augenbraue.

 

„Das hast du das letzte Mal schon behauptet.“

 

„Vielleicht meine ich es dieses Mal ernst?“, entgegnete Blaise kopfschüttelnd. „Sie ist nicht übel, weiß du?“

 

„Ich will es nicht hören“, sagte Draco sofort. Pansy war seine Kindergartenfreundin. Sie hatten im Sandkasten gespielt. Sie war schon eher eine Schwester, als eine Bekannte.

 

„Und was sie mit ihrem Mund anstellt, Malfoy, ich sage dir-“

 

Draco schleuderte Blaise das Sofakissen direkt ins Gesicht. „-halt dein Maul! Du bist ekelhaft!“, entfuhr es ihm angewidert, und Blaise lachte laut. Abgesehen von seinem scheiß Job und seinem Mitbewohner, der widerlich war, lief es gut. Es war ok. Draco würde sich nicht großartig beklagen.

 

„Wenn es dich so sehr nervt, dann lade ich sie vielleicht hierher ein?“, schlug Blaise grinsend vor, und Draco betete, dass Pansy heute Abend keine Zeit hatte.

 

Nicht, dass sie viel zu tun hatte. Aber vielleicht hätte sie genügend Stolz, dass sie nicht auf Blaises Booty Call reagierte.

 

„Ich gehe ins Bett“, sagte Draco jetzt gähnend. „Mach, was du nicht lassen kannst. Ich bin so hinüber, ich denke nicht mal, dass ich eure Ekel-Show mitbekommen würde.“

 

„Meine Damen und Herren, das von dem Mann, der der Kriegsheldin aus Gryffindor heute versichert hat, ‚sie könne sich glücklich schätzen, ihn zu haben‘!“, rief Blaise ihm feixend nach, und Draco konnte seinen besten Freund nicht immer leiden. Eigentlich selten genug, stellte er bitter fest. Er wusste nicht, warum er Blaise alles erzählte, was ihn bewegte. Wahrscheinlich, weil sonst niemand zuhörte.

 

Morgen wäre der nächste anstrengende Tag. Er war sich sicher.

 

~*~

 

Es war noch nicht sonderlich spät, er war noch nicht lange hier, und noch hatte er keine anstrengenden Scheiß-Fälle zu bearbeiten. Sein Tee war mittlerweile kalt, und er wälzte die endlosen Gesetzeslagen, die er durchzuarbeiten hatte, um zu verstehen, warum und wann wie viel Gold gezahlt werden konnte. Die ganzen Nachkriegsgesetze erschienen ihm willkürlich und unverständlich.


Es klopfte, und er hob den Blick nicht sofort, wollte die Zeile nicht verlieren, die er zum achten Mal gelesen hatte und nicht verstand.

 

„Ja?“, sagte er, ohne aufzusehen.

 

„Mr. Malfoy“, vernahm er eine tiefe Stimme, die nicht Darwin gehört. Er hob verstört den Blick.

 

„Mr. Shacklebolt?“, entkam es ihm verwirrt, und der Leiter der Auroren betrat sein Büro. „Gab es irgendein Problem gestern? Ich habe die Plakette abgegeben, ich-“

 

„-kein Problem“, unterbrach der Auror ihn. „Alles in Ordnung. Sagen Sie, gefällt Ihnen Ihr Job? Hier? In dieser Abteilung?“ Draco verstand nicht wirklich.

 

„Sir, ich weiß nicht-“

 

„-es ist eine einfache Frage, nicht wahr?“ Shacklebolt sah ihn abwartend an. „Ja oder nein“, machte er es deutlicher, und Draco runzelte die Stirn.

 

„Es gefällt mir“, erwiderte er also, nicht sicher, was er sonst sagen sollte.

 

„Mh“, machte der Auror dann. „Mh, mh, mh“, wiederholte er und deutete auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Darf ich?“, fragte er, betont unverfänglich, und Draco legte die Feder beiseite.

 

„Ich denke schon“, erwidert er vorsichtig. Shacklebolt setzte sich zufrieden und betrachtete ihn.

 

„Mir ist zu Ohren gekommen, Sie verfügen über ein Seltenheitszertifikat.“ Es war keine Frage, und dennoch sah er ihn auffordernd an. Draco konnte sich nicht erklären, woher er das wissen sollte. Granger würde es ihm wohl kaum erzählt haben?! Aber… wer sollte es sonst getan haben?

 

„Ja, Sir“, sagte er also, behutsam und abwartend.

 

„Donnervogel?“, vergewisserte sich Shacklebolt jetzt.

 

„Ja, Sir“, bestätigte Draco mit gerunzelter Stirn.

 

„Haben Sie über eine Karriere außerhalb der Finanzverwaltung nachgedacht, Mr. Malfoy?“

 

„Ja. Ich habe mich in der Mysteriusmabteilung beworben, und-“


„-da sitzen nur Idioten“, unterbrach ihn Shacklebolt kopfschüttelnd. Draco hob die Augenbrauen. „Ich meinte, eine Karriere mit Zukunft, Malfoy?“

 

„Sie meinen, eine Auroren-Karriere?“, vermutete Draco prüfend, denn es war nicht schwer zu erraten, auf was dieser Mann hinaus wollte.


„Ja.“

 

„Sir-“, begann Draco ablehnend, aber Shacklebolt lehnte sich vor.

 

„-Sie wären in einer besonderen Situation, Malfoy. Der Seltenheitsschein rechtfertigt nicht nur den Einstieg in Jahrgang zwei, sie dürften sogar außerhalb des Ausbildungsbeginns anfangen.“ Draco begriff nicht ganz.

 

„Sie bieten mir ein Platz in ihrer Riege an?“, entkam es ihm ungläubig. Shacklebolt nickte schlicht, fixierte ihn abwartend. „Ich habe noch nie über diese Ausbildung nachgedacht, Sir“, räumte Draco wahrheitsgemäß ein.

 

„Malfoy, wissen Sie, wie selten eine solche Chance ist? Sie bekommen die Möglichkeit, von vorne anzufangen. Ich biete Ihnen einen einzigartigen Job an.“

 

„Sie bieten mir die Aurorenausbildung an, Sir“, korrigierte Malfoy ihn zweifelnd.

 

„Ohne Bewerbung, ohne Prüfung und während der Ausbildungszeit – ohne irgendwelche Fragen und Probleme“, ergänzte Shacklebolt mahnend. Das bezweifelte Draco stark. Es würde eintausend Fragen und Probleme bringen. „Das Gehalt ist nicht wirklich bemerkenswert während der Ausbildung, aber jemand von Ihrem Format arbeitet wahrscheinlich sowieso nicht des Goldes wegen?“, nahm er knapp an.

 

„Sir-“

 

„-und stellen Sie sich vor, Sie würden etwas Sinnvolles mit Ihrem Leben tun“, ergänzte Shacklebolt eindeutig.

 

„Menschen wie ich machen keine Aurorenausbildung“, erklärte Draco schlicht.

 

„Weil Menschen wie Sie üblicherweise nicht die Fähigkeit und Muße haben, einen solchen Job zu meistern, Malfoy.“ Draco verzog den Mund.

 

„Mein Vater hat mir unter harten Bedingungen diese Stelle besorgt. Ich könnte nicht-“

 

„-unabhängig von Ihrem Vater leben?“, erkundigte sich der Mann vor ihm glatt, und Draco schloss den Mund. „Wäre es nicht… noch ein besonderer Bonus?“, wollte Shacklebolt lächelnd wissen. „Zu wissen, dass es Ihren Vater wahnsinnig machen würde?“ Dracos Mundwinkel zuckten kurz. Sicher, es wäre super. Aber nicht umsetzbar.

 

„Ich weiß, Ihnen ist gleichgültig, wie hart es wäre. Als einziger ehemaliger Todesser eine solche Position zu belegen. Ihnen geht es lediglich um meine Verwendung als Animagus.“

 

„Natürlich tut es das“, bestätigte Shacklebolt achselzuckend. Fast war Draco überrascht. „Ich interessiere mich nicht dafür, ob es eine Last für Sie wäre oder ein Kindergeburtstag, Malfoy“, machte er es deutlich. „Das ist mir offen gesagt egal.“ Draco schätzte die harte Ehrlichkeit der Auroren – wieder einmal.

„Aber nichts, was es wert ist, zu haben, bekommt man geschenkt. In der echten Welt zumindest nicht“, ergänzte er. „Und ich würde sogar eine Ausnahme machen und Ihnen zumindest die Möglichkeit schenken, unsere unglaublich Ausbildung zu absolvieren. Heldenstatus erlangen kann nicht so schlecht klingen, wie Sie tun, Malfoy“, schloss Shacklebolt zweifelnd. „Aber ich muss Ihnen nichts verkaufen. Ich werde jetzt gehen, biete Ihnen an, dass Sie Abteilungen wechseln, und alles, was Sie tun müssen, ist, heute hier zu kündigen und morgen vor meiner Tür zu stehen.“

 

Der hochgewachsene Mann erhob sich geschmeidig. Trotz seines Alters wirkte er jung. Er neigte sich hinab, streckte die Hand aus und ließ etwas auf seinen Schreibtisch fallen.

Draco fixierte die blaue Plakette unverhohlen.

 

Nie in seinem Leben hatte er über diesen Weg nachgedacht. Den Potter-Weg. Noch nie hatte ihm jemand ein solches Angebot gemacht.

Aber es wäre zu hart. Alle würden ihn hassen. Wozu sollte er sich quälen, nur um etwas Sinnvolles und Ehrenwertes mit seinem Leben anzustellen?

 

„Danke, Sir. Aber ich könnte nie-“, erwiderte Draco, schüttelte ablehnend den Kopf, wollte Shacklebolt die Plakette wieder zuschieben, aber der Mann hob die Hand.

 

„-sagen Sie nicht Nein, ohne nachzudenken, Junge“, unterbrach der Mann ihn ruhig. „Und sagen Sie niemals nie“, ergänzte er kopfschüttelnd. „Die falsche Entscheidung können Sie immer noch morgen treffen“, schloss er mit einem schmalen Lächeln. „Ich erwarte Sie morgen in meinem Büro. Entweder beginnt Ihr Leben neu, oder Sie geben mir dieses fabelhafte Ticket einfach wieder zurück.“

 

Er verließ sein Büro, und Dumbledore wäre höchstwahrscheinlich stolz über so einen Abgang, nahm Draco dumpf an und wusste, auf seine eigentliche Arbeit würde er sich nicht mehr konzentrieren können.

 

~*~

 

Sie schürzte die Lippen in sanfter Ablehnung, bevor ein kaltes Lächeln Furchen in ihre zu stark geschminkten Wangen grub. „Ich will ihn haben“, informierte ihn Eugenia Belvadour beinahe abweisend, ihren Worten widersprechend. Kingsley kam selten und ungerne hier her. Er mochte Eugenia ebenso wenig, wie sie ihn, aber dieses Detail hatte er ihr nicht vorenthalten wollen.

 

„Er wird es nicht wollen“, fasste Kingsley kopfschüttelnd das vorangegangene Gespräch zusammen. Eugenia pflegte ein ordentliches Büro. Keine verlorene Akte, kein Hauch der Unordnung verunstaltete den Blick. Ihr Schreibtisch war blank poliert, und Kingsley nahm an, sie arbeitete hier lediglich zur Schau, beschäftigte sich mit ganz anderen Machenschaften, aber es hatte seit jeher immer enge Zusammenarbeit zwischen der Aurorenabteilung und der Strafverfolgung geherrscht, und seitdem Eugenia Leitung der Strafverfolgung war, wehte ein anderer Wind. Eugenia hatte ihre Hände im Spiel, wenn es um das Auswahlverfahren der AIT ging. Wer es schaffte und wer nicht, hing stark von Eugenias Gutdünken ab, da sie an unerwarteten Orten Potential witterte, das Kingsley verborgen blieb.

 

Und sie veranstaltete eine subtile Hetzjagd auf Ehemalige, was Kingsley billigte – ja, fast begrüßte – nachdem Henry Backsworth alles Mögliche als Leitung veranstaltete hatte, aber nicht ein Ehemaliger zur Rechenschaft gezogen wurde. Eugenia hatte sogar dafür gesorgt, dass ihr eigener Ehemann fünfzehn Jahre Haft nach verschiedenen Diensten für Voldemort aufgedrückt bekam, was ihr zumindest gespaltenes Vertrauen der oberen Ränge entgegenbrachte, da sie als Reinblut scheinbar fähiger war, als der Rest der Bande – und ruchlos noch dazu. Und ihr Ziel Nummer Eins, seit einem Jahr, war Lucius Malfoy. Niemand wusste sonderlich viel über den Lord aus dem hohen Norden Englands. Sicher, Kingsley nahm an, Lucius steckte knietief in allen möglichen Todesser-Angelegenheiten, die sich damals als lohnenswert und lukrativ dargestellt hatten – aber Beweise zu bekommen… war absolut unmöglich. Lucius hatte damals auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert, Einfluss des Imperius‘, so wie alle, die es sich hatten leisten können.

Kingsley selber hatte gegen ihn ausgesagt, ihm gegenüber vorm hohen Kriegsgericht gesessen, dem unnahbaren Mann in die stahlgrauen Augen gesehen, während dieser eiskalt jede Teilhabe am Kriegsgeschehen aus freiem Willen geleugnet hatte. Kingsley trug noch immer die Narben, die Lucius‘ Flüche ihm angetan hatten.

 

Aber für jeden Anlass, jede Tat – hatte Lucius ein Alibi, eine Ausrede, die nicht zu kippen war. Eugenia nahm an, dass ein Geständnis des eigenen Sohnes genug Gewicht besäße, den Reinblüter verhaften zu lassen. Und nicht nur das – nein, die Malfoys besaßen Gold. Und die Strafsumme würde sich auf einen so hohen Betrag belaufen, dass sie das gesamte Atrium davon renovieren könnten.

 

Es waren alles Hirngespinste. Kingsley ging davon aus, dass Draco Malfoy wusste, wie man sich nicht die Finger verbrannte. Er sah seinem Vater zum Verwechseln ähnlich, und Kingsley hatten beim vorangegangenen Gespräch mehrere kalte Schauer befallen. Er mochte den Jungen nicht sonderlich, ohne dass dieser großartig dafür konnte.

 

„Dann mach es ihm schmackhaft. Es kann nicht sonderlich schwer sein, einen schwachen Charakter zu brechen, Kingsley“, erwiderte Eugenia finster. „Und sollte dieser Todesser-Sohn auch noch fähig sein, haben wir zwei Doxys mit einer Klappe geschlagen“, machte sie es deutlich. Richtig. Der Malfoy-Junge besaß einen verdammten Seltenheitsschein. Kingsley hätte so oder so versucht, ihn zu bekommen, denn es sicherte seiner Abteilung eine kostengünstige Möglichkeit, AIT zu seltenen Animagi ausbilden zu lassen, auf Draco Malfoys Kosten. Dass der Junge dadurch eine vernünftige Zukunft mit ehrlichen Perspektiven bekam – das war lediglich ein Bonus. Aber er hatte es mit Eugenia abzusprechen, denn so lief das Arrangement zwischen den Abteilungen. Kingsleys Mitgefühl für die Malfoy-Bande hielt sich in überschaubar geringen Grenzen, dass es ihn kaum störte, aus Draco Malfoy vielleicht sogar noch ein Geständnis herauszulocken.

 

„Warten wir ab“, sagte er abschließend, denn er wollte hier so schnell wie möglich raus. „Erst mal sehen, ob er seine Stellung kündigt“, wiegelte er ab, aber Eugenia erhob sich, das schwarze Kostüm umschmiegte ihren Körper, und milder Tatendrang trat auf ihre Züge.

 

„Das wird er nicht. Er ist ein fauler Malfoy“, bemerkte sie. „Ich werde dafür sorgen, dass sie ihn rauswerfen, sollte er sich weigern.“ Kingsley öffnete den Mund, nicht sicher, was er darauf erwidern sollte.

 

„Auf welcher Basis?“, erkundigte er sich misstrauisch, denn legal war garantiert nichts, was Eugenia tat.

 

„Auf der Basis, dass Ehemalige keinen Platz in unserem Ministerium haben sollten, Kingsley.“ Soweit zweite Chancen gingen, stießen sie bei Eugenia auf Granit. Jeder Ehemalige blieb ein Todesser, jeder Abkömmling eines Todessers war ebenfalls ein solcher. Das war die Logik, und Kingsley wusste nicht, wie viel Wahrheit sich dahinter verbarg. „Sag ihm, du hättest in seinem Namen gekündigt“, fuhr sie achselzuckend fort, offensichtlich am Ende des Gespräches angelangt, denn sie schritt an ihm vorbei, um ihre Bürotür auffordernd zu öffnen.

 

„Ich soll was? Ich könnte nicht-“

 

„-es ist ein Bluff, Kingsley.“

 

„Eugenia-“, begann er kopfschüttelnd.

 

„-ich will ihn haben“, wiederholte sie dunkel, ohne Kompromisse. „Ich denke nicht, dass der Ausschuss begeistert wäre, zu erfahren, dass du nicht dein Möglichstes getan hättest, um einen Anwärter mit Seltenheitsschein zu bekommen, nicht wahr?“, schlug sie ihn mit seinen eigenen Waffen, und er verzog den Mund. „Das wäre alles“, verabschiedete sie ihn deutlich, und ohne Abschied machte er kehrt und marschierte zügig die kahlen Gänge der Strafverfolgung hinab. Er hasste es hier.

 

Am besten wusste der Malfoy-Junge, was letztendlich gut für ihn war, dachte er grimmig.

 

 

3. hard ways

 

Ihre Wege trennten sich. Blaise fuhr nach oben, Draco fuhr nach unten. Sein Freund zögerte, ehe er den Fahrstuhl betrat.

 

„Bist du sicher?“, fragte er, aber sie hatten gestern Abend ziemlich lange über das Für und Wider gesprochen. Draco nickte langsam.

 

„Das hätte keine Zukunft. Niemand aus meiner Familie hat jemals eine solche Ausbildung gemacht.“

 

„Ja“, bestätigte Blaise. „Die Bezahlung wäre… unterirdisch“, ergänzte er kopfschüttelnd. „Der Aufwand unmessbar“, fuhr er fort. „Aber… du wärst Auror.“

 

„Was soll das heißen?“

 

„Wenn du eine weiße Weste willst, wäre das nicht der Weg dorthin?“, erkundigte sich sein bester Freund nachdenklich bei ihm, und Draco war sich nicht sicher.

 

„Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Sie würden mich alle hassen. Wofür soll ich mir diese Last aufbürgen?“, entkam es ihm.

 

„Ich würde es auch nicht tun“, tat Blaise die Worte achselzuckend ab. „Außerdem hast du auch nicht gekündigt, also… ist es egal.“

Das war es wohl. Draco hatte gar nichts getan. Hatte viel überlegt, aber es brachte mehr Nachteile, als Vorteile. Nur Nachteile, wenn er ehrlich war. „Ich muss los“, verabschiedete er sich von ihm, stieg in den Fahrstuhl und betätigte den Knopf für den vierten Stock. „Sehen wir uns zum Mittag?“, rief er noch, und Draco nickte, bevor sich die Türen schlossen.

 

Dann nahm er den nächsten Fahrstuhl nach unten, hatte die Plakette lediglich in der Jackettasche, und erreichte das Stockwerk der Auroren. Die Türen öffneten sich knarrend, und er betrat den Flur, der zu Shacklebolts Büro führte. Sie war verschlossen, wie er nach kurzem Klopfen feststellte. Er sah sich unentschlossen um. Er würde zu spät zur Arbeit kommen. Er ging eine Tür weiter.

 

Sie stand offen, und er klopfte sachte gegen den Türrahmen.

Auch dieses Gesicht kam ihm bekannt vor, aus dem Tagespropheten oder sonst wo her. „Ja?“, entkam es dem Mann interessiert.

 

„Ich suche Mr. Shacklebolt“, sagte er direkt, und er hatte nicht gesehen, dass in dem hohen Stuhl vor dem Schreibtisch jemand saß, aber ein dunkler Schopf beugte sich plötzlich zur Seite, um ihn anzusehen.

 

„So sieht man sich wieder“, begrüßte Potter ihn knapp. Draco blinzelte kurz.

 

„Hey“, entkam es ihm.

 

„Ich gehe sowieso runter. Wir können zusammen los“, erwiderte der Held, verabschiedete sich mit einem Nicken von dem Mann vor sich. „Wir sehen uns später, Mr. Donovan.“ Potter stand die Uniform gut, stellte Draco fest, und erkannte drei grüne Streifen auf Potters Schulter.

 

„Alles klar. Bis später, Harry.“

 

Er folgte Potter, und hatte überhaupt keine Lust runter zu gehen. „Kingsley sagt, du hast einen Seltenheitszertifikat?“, begann Potter sofort das Gespräch. „Ich wünschte du wärst in meinem zweiten Jahr schon hier gewesen“, fuhr er fort. „Dann hätte ich nicht die langweilige Prüfung zum Hirsch machen müssen.“ Draco wusste nicht wirklich, was er dazu sagen sollte.

 

„Ah?“, machte er dann.

 

„Ich denke sogar, dass du dafür ein Bonus-Gehalt bekommen wirst. Muss man natürlich alles regeln, aber da könntest du einiges für rausschlagen“, fuhr Potter gedankenverloren fort. „Das ist sogar etwas, das könntest du auch noch in zwanzig Jahren machen, wenn du zu alt bist für den Einsatzdienst“, ergänzte er wohl nach einer kurzen Epiphanie.

 

„Einsatzdienst? Wovon redest du?“, entkam es Draco jetzt tatsächlich, und Potter sah ihn an.

 

„Ich meine, man ist irgendwann zu alt für den Einsatz. Guck dir Kingsley an. Der macht nur noch die Büroarbeit. Und sein Animagus ist ein Wolf. Nicht des Schlechteste, aber garantiert nicht das Beste.“

 

„Ich werde hier nicht arbeiten“, machte er es deutlicher, und Potter runzelte die Stirn.

 

„Kingsley sagt, du fängst heute an“, widersprach er tatsächlich, und Draco atmete angestrengt aus.

 

„Das denkt er vielleicht, aber… es ist viel zu schwer.“

 

„Zu schwer? Du bist ein Donnervogel, Malfoy“, entfuhr es ihm, und Draco hasste mit einem Mal, dass er Granger davon überhaupt erzählt hatte.

 

„Na und?“, erwiderte er, denn bisher hatte ihm diese Tatsache absolut gar nichts gebracht. Noch nirgendwo. Er hatte nicht mal einen guten Job bekommen.

 

„Diese Prüfung ist tausendmal schwerer, als jede Auroren-Prüfung, das versichere ich dir.“

 

„Ich will kein Auror sein“,  schloss Draco beinahe trotzig.

 

„Oh. Tja, das… tut mir leid.“

 

„Wirklich?“, erkundigte sich Draco dann. „Es tut dir leid? Wieso sollte es? Wir sind keine Freunde. Waren das auch noch nie. Es sollte dich einen Scheißdreck interessieren, offen gesagt“, schloss er gereizt.

 

„Wäre gut für deinen Ruf gewesen, oder nicht?“, erwiderte Potter achselzuckend, und sie betraten den Fahrstuhl und fuhren tiefer.

 

„Was kümmert dich das?“ Er wusste, er klang wie ein Kleinkind.

 

„Tut es nicht. Mach, was du willst.“ Potter hatte die Hände abwehrend gehoben, und sie verließen den Fahrstuhl auf Stockwerk 03 wieder. „Kingsley instruiert die Zweier“, erklärte Potter schließlich und hatte vor einer anderen Tür angehalten. Draco nahm an, das waren die Auroren im Training im zweiten Jahr. „Einfach klopfen. Man sieht sich, Malfoy“, verabschiedete sich Potter mit einem enttäuschten Kopfrucken, und Draco klopfte laut. Er hörte Shacklebolts tiefe Stimme und öffnete die Tür.

 

„Da ist unser Mann“, begrüßte er ihn. „Etwas overdressed, Malfoy“, ergänzte er, und verhaltenes Gelächter schlug ihm entgegen. „Sie werden sich umziehen müssen.“ Draco verharrte stirnrunzelnd. „Ich habe bereits von Ihrem Talent erzählt und beschließe hiermit, dass Sie Ihre Gabe mit Ihren Kollegen teilen werden. Die Begabtenprüfungen laufen zurzeit, und es gibt den ein oder anderen Kandidaten, der den Wechsel bestimmt meistern wird.“

 

„Sir-“

 

„-Sie werden also gleichzeitig Ausbilder sein, und AIT im zweiten Jahr“, unterbrach Shacklebolt ihn ungerührt. „Das ist ein absoluter Vorteil für Auszubildende, die sich für ein Zertifikat interessieren, und den bürokratischen Krempel werde ich für Sie erledigen, damit Sie die geeigneten Kandidaten ausbilden können.“

 

„Ich bin kein Ausbilder“, entfuhr es ihm überfordert. „Und ich werde hier nicht arbeiten“, wiederholte er ernst, und Shacklebolt schnalzte mit der Zunge.

 

„Das ist ungünstig. Denn Ihre Kündigung wurde in Ihrer Abteilung bereits besonders schlecht aufgefasst, und Sie werden kein gutes Arbeitszeugnis erhalten“, informierte der Mann ihn, beinahe grinsend. Draco konnte nicht fassen, was er hörte.

 

„Sie haben meinen Job gekündigt?“, entfuhr es ihm ungläubig, und sein Herzschlag setzte aus. Das konnte nicht wahr sein! „Sie hatten kein verdammtes Recht dazu!“ Er konnte nicht anders, als ausfallend zu werden, als diesen Mann vor sich anzublaffen, denn – was bei Salazar dachte er sich?

 

„Mr. Malfoy-“, begann Shacklebolt jetzt, und sein Grinsen verblasste.

 

„-ich habe Sie nicht darum gebeten! Und garantiert habe ich keine Lust, Ihr Zirkustier zu sein!“, ergänzte er gefährlich laut.

 

„Sie werden so nicht mit mir reden, haben Sie verstanden?“, warnte ihn der Leiter der Auroren jetzt eindeutig, und niemand lachte mehr. Es war so still, dass er das Ticken der großen Uhr an der Wand hören konnte.

 

„Warum nicht?“, entfuhr es Draco zornig. „Sie haben sich herausgenommen, meine Kündigung einzureichen!“ Wütend griff er in seine Tasche und seine Finger schlossen sich hart um die Plakette, die er hervor holte und mit voller Wucht auf den Boden vor sich schleuderte. Kurz zuckten die Auszubildenden zusammen, und Draco machte Kehrt.

 

„Mr. Malfoy“, sagte Shacklebolt jetzt und Draco hörte, dass er sich in Bewegung setzte, aber er nahm lange Schritte, verließ den Trainingsraum, und Shacklebolt folgte ihm. „Bleiben Sie stehen!“, befahl der Mann, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. Draco atmete hörbar aus, verharrte, wandte sich aber nicht um. „Ich weiß, Sie haben Angst.“ Draco biss die Zähne fest zusammen. „Angst sollte niemals der Grund für irgendeine Entscheidung sein, Mr. Malfoy.“ Jetzt wandte er sich um.

 

„Ich habe keine Angst!“, rief er wütend.

 

„Dann sind Sie was? Faul? Das kann ich mir nicht vorstellen“, behauptete Shacklebolt kopfschüttelnd.


„Was wollen Sie von mir? Warum wollen Sie unbedingt, dass ich für Sie arbeite? Ich will es nicht, und ich kann es nicht!“, entfuhr es ihm haltlos.

 

„Wieso können Sie es nicht?“

 

„Ich kann nicht mit dem Willen meines Vaters brechen. Ich bin abhängig von meiner Familie, Mr. Shacklebolt. Und auf keinen Fall wird eine solche Entscheidung bei meinem Vater klaglos über die Bühne gehen.“ Er schrie nicht mehr. Er war wie gelähmt vor Angst. „Meine Eltern waren Todesser, und ich war nicht sonderlich weit entfernt davon!“

 

„Ich weiß das“, informierte ihn der dunkle Zauberer vor sich still. „Ich habe gegen Ihren Vater gekämpft, Mr. Malfoy. Ich habe nicht gegen Sie gekämpft. Sie sind zu mehr fähig, als Sie sich zugestehen wollen. Und aus diesem Grund – aus diesem Grund allein – biete ich Ihnen an, mir zu folgen. Nicht Lucius Malfoy.“ Dracos Brust hob und senkte sich schneller. „Wollen Sie nicht ein einziges Mal für sich selbst entscheiden? Und ich denke, das wollen Sie!“, beantwortete er seine eigene Frage, bevor Draco es konnte. „Denn Sie hätten nicht irgendeine verdammte Akte in der Aurorenabteilung suchen müssen, wenn Sie es nicht gewollt hätten! Sie hätten nicht hier runter kommen müssen. Sie hätten ihrem Boss sagen können, er könne sich seine fehlende Akte in die Haare schmieren – denn verlorene Akten zu finden ist nicht Ihr Job!“

 

Draco fehlten die Worte. Kurz. „Es… es ist egal, oder nicht?“, wollte er jetzt wissen. „Ich habe keinen Job mehr“, entkam es ihm wie betäubt.

 

„Ich habe Ihren Job nicht gekündigt“, räumte Shacklebolt schließlich ein. „Aber ich wollte sehen, wie Sie reagieren. Und Ihre Reaktion zeigt mir Ihre Furcht.“ Dracos Mund öffnete sich perplex.

 

„Sie… sie haben nicht-?“

 

„-ich würde meiner Entlassung damit so schnell entgegenrudern, dass ich meinen Zauberstab zur Verteidigung nicht ziehen könnte. Natürlich habe ich nicht für Sie gekündigt.“

 

„Dann… kann ich zurück?“, entfuhr es ihm.

 

„Sie können tun, was Sie wollen.“ Shacklebolt klang resignierend.

 

„Es hat nichts mit Angst zu tun“, entfuhr es Draco jetzt kleinlaut.


„Es hat alles immer mit Angst zu tun“, widersprach Shacklebolt mit einem freudlosen Ausdruck. „Es ist unbequem, es wird hart sein, er wird Sie fordern, wie nichts sonst in ihrem Leben. Aber bedenken Sie Ihre Möglichkeiten. Niemand kann Ihnen jemals nehmen, dass Sie Ihre eigene Entscheidung getroffen haben. Und ich weiß nicht, warum es mir am Herzen liegt – Merlin, meinen eigene Kindern verpasse ich solche Standpauken nicht!“, rief er kopfschüttelnd aus. „Aber ich erkenne Potenzial, wenn ich es sehe, Malfoy. – Also, was wird es sein?“

 

Draco starrte den Mann an, der überzeugter von ihm war, als er selbst. Ohnmächtige Gefühle überkamen ihn, wenn er nur daran dachte, was Lucius tun würde! Er würde von der Kündigung erfahren, von dieser neuen Ausbildung. Er würde ihm ein Ultimatum stellen, ihm das Gold streichen – Draco wäre vollkommen aufgeschmissen. Er hätte nichts, worauf er sich noch verlassen konnte.

 

Aber vielleicht würde er etwas tun, was er nicht bis zu seinem Lebensende hassen würde. Sein Vater hatte ihm die eine Chance gelassen. Die eine Möglichkeit, den Seltenheitsschein zu machen, zu versuchen, irgendetwas ohne Lucius‘ Hilfe zu erreichen. Und Draco war gescheitert. Und seitdem ging es ihm dreckig. Seitdem war er nicht mehr er selbst. Und wenn der Preis Bequemlichkeit war – war es dann ein hoher Preis? Was brachte ihm Reichtum, wenn ihn niemand um sich haben wollte?

 

„Ich… werde nach oben gehen“, sagte Draco mit bebender Stimme, und Shacklebolts Blick fiel resignierend, „um meinen Job zu kündigen“, schloss er ernst. Shacklebolt hob lächelnd den Blick.

 

„Glückwunsch, Malfoy“, erwiderte er mit einer eigenartigen Zuneigung, die Draco von Menschen außerhalb seiner Familie kaum kannte. „Willkommen im Team“, schloss er, und Draco schluckte schwer.

 

Er musste komplett wahnsinnig sein, nahm er dumpf an.

 

~*~

 

„So schnell kann’s gehen“, sagte Eleanore, als sie ihm einen Spind zuwies. Er glaubte, es war der Spind neben Grangers Spind, wusste es aber nicht mehr genau. Etwas verloren stand er im Korridor der Spinde, seine wenigen Habseligkeiten aus seinem Büro in einer schmalen Kiste, die er hier ohnehin nicht gebrauchen würde. „In deinem Spind befindet sich deine Uniform. Es sind magische Anpassungsgrößen, und ich habe dir eine mittlere besorgt. Ich denke, das ist genau richtig für dich. Vergiss nicht, die Plakette zu jeder Zeit während du hier bist zu tragen, sonst verlierst du Zugangsrechte. Das zweite Ausbildungsjahr hat 15 Kandidaten. Die nächste große Prüfung ist der Animagus-Schein, nicht jeder besteht, aber… den hast du bereits in der Tasche. Zweite Prüfung wird eine mündliche Wissensprüfung sein, Termin ist im Frühling. Du solltest dich mit einigen Einern kurzschließen und dir das Material besorgen, denn es werden alle bisherigen gelernten Flüche abgefragt, und ich gebe dir den Tipp, zu üben.“ Draco ließ die Informationen über sich ergehen, vergaß ohnehin die Hälfte, und war noch nicht über die Tatsache hinweg, dass er tatsächlich gekündigt hatte.

 

„Morgen früh ist wieder eine Animagus-Einheit. Es wird von dir erwartet werden, ein Konzept zu erstellen, und am besten setzt du dich mit einem der Ausbilder zusammen, lässt dich beraten, denn du bist verantwortlich, dass die Horde besteht. Oder dass sie zumindest die Chance dazu bekommen.“ Draco schluckte schwer. „Und am besten nutzt du den Tag dafür. Ich bring dich zu einem Ausbilder und anschließend solltest du dir im Einer-Team schleunigst wen suchen, der gute Notizen nachhält. Ich schlage dir Granger vor. Bisher Jahrgangsbeste“, ergänzte sie. „Zieh dich um, triff mich in zehn Minuten vor dem Equipment-Raum“, schloss sie.

 

Sie ließ ihn stehen, und Draco öffnete den Spind mithilfe der Kombination, die Eleanore ihm aufgeschrieben hatte. Tatsächlich lag dort eine frische Uniform. Dunkelgrau, gelbe Streifen, zwei grüne Nähte auf der Schulter.

 

Mit kalten Fingern griff er sich die Uniform und verstaute seine Habseligkeiten im Spind. Er ging zu den Umkleiden und knöpfte sein Hemd auf. Sein Mal hatte er mit der Desillusionierung verborgen, aber er dachte dennoch ständig daran, dass er es trug. Es half keine Desillusionierung, um das zu vergessen. Die Uniform saß etwas locker, bis er den verbogenen Verschluss geschlossen hatte. Mit einem magischen Summen spürte er, wie sich die Uniform an seinen Körper schmiegte, wie sie wenig der Vorstellung überließ, und so figurbetont hatte er sich selten angezogen. Noch nie, wenn er darüber nachdachte. Er blickte in den angelaufenen Spiegel. Er erkannte sich kaum. Blass blickte er seinem Spiegelbild entgegen, die grauen Augen wirkten gegen das Dunkel der Uniform eigenartig hell, und er würde sich an diesen Anblick erst gewöhnen müssen. Die Stiefel standen noch vor seinem Spind, und er zog sie über. Sie waren hochgeschlossen, reichten fast bis unters Knie, und Draco hätte nicht gedacht, dass die Uniform so gut wärmen würde.

 

An der Hüfte befand sich eine elastische Schlaufe, wo er den Zauberstab verstauen konnte. Dann befestigte er die Plakette, die er Shacklebolt vor die Füße geworfen hatte sorgsam über seiner linken Brust und kam sich erheblich vor. Merlin, damit hätte er vor einer Woche niemals gerechnet. Niemals.

 

Er atmete einige Male ruhig ein und aus, bevor er den Korridor verließ. Sein Gang war nicht unbedingt selbstbewusst, aber mehr brachte er nicht zu Stande.

Er fand den Raum, und Eleanore hob den Blick mit einem schiefen Lächeln.

 

„Steht dir gut, Malfoy. Ich denke, du bist der größte in deinem Jahrgang“, äußerte sie eine Vermutung, die ihm egal war. „Komm mit. Ich habe schon geschaut, aber heute ist nur Banks im Gebäude.“ Er nahm an ‚Banks‘ war ein Ausbilder. Eleanore führte ihn voran, den langen Flur hinab, und ganz hinten gab es drei Büros.

„Es gibt sechs Ausbilder, für jeden Jahrgang zwei. Sie teilen sich die Büros. Hier sitzen Banks und Priestley. Lass dich beraten und dann werden wir sehen, wie deine erste Stunde morgen läuft. Wenn was ist, meld dich bei mir, bei den Ausbildern oder bei Edward Caine. Der Mann der gestern bei mir im Equipment-Raum war“, erinnerte sie ihn, aber Draco wusste kaum noch, wie der Mann ausgesehen hatte. „Viel Spaß. Willkommen, Malfoy“, verabschiedete sie sich und ließ Draco allein.

 

Schließlich klopfte er gegen die Tür.

 

„Herein“, hörte er eine Frauenstimme und öffnete die Tür. Ein Mädchen, ungefähr sein Alter hob den Blick. Es überraschte ihn.

 

„Ich suche-“, begann er, aber sie kam auf ihn zu, trug ebenfalls die Uniform, war aber einen Kopf kleiner als er.

 

„-mich“, beendete sie den Satz, grinste frech, und ihre langen Haare glänzten auffallend. Sie trug einen tiefen Pony, funkelnde rote Steine in den Ohrläppchen, und ihr Makeup verlieh ihrem gebräunten Gesicht einen angenehmen Glanz. Ihre Zähne waren gerade, ihre Augen stahlgrau wie seine eigenen, und sie roch unglaublich gut, war, was er stumpfsinnig feststellte. Die langen Haare steckten in einem anmutig hohen Zopf, und ihr Hals war schwanenhaft lang. Die Erhebung ihrer Brüste zeichnete sich deutlich unter der Uniform ab, und er schätzte Körbchengröße C mindestens. Wenn nicht mehr. Absolut dämliche Gedanken. Sie war schlank und unfassbar attraktiv. Er schluckte wieder einmal schwer. „Draco Malfoy“, schien sie ihn zu erkennen, ihn zu fragen, ihn zu begrüßen – er wusste es nicht. Aber die Art, wie sie seinen Namen sagte, war mehr als angenehm. „Lara Banks“, stellte sie sich vor. „Sie nennen dich Donnervogel“, ergänzte sie mit einem gewinnenden Lächeln.

 

„Du bist fertig mit der Ausbildung?“, war das erste, was er sagte, und sie nickte.

 

„Ja, ich… habe keine Auszeit genommen, bin direkt nach der Schule in die Ausbildung und arbeite seit einem Jahr als Ausbilderin für die Zweier. Dort habe ich die besten Noten bekommen. Außerdem mag ich das zweite Jahr am liebsten. Die Prüfungen sind einfacher, als die Dreier-Prüfungen, und der Animagus-Schein ist das Beste.“

 

„Was bist du?“, fragte er wie betäubt.

 

„Leopard“, entgegnete sie. Er runzelte unwillkürlich die Stirn.

 

„Ungewöhnlich“, entfuhr es ihm. „Original Patronus?“ wollte er wissen, und sie nickte.

 

„Ja, ich hätte einen Begabtenschein machen können“, sagte sie dann. „Aber… wofür den Aufwand? Ich meine, es ist schwer genug, den eigenen Patronus zu verkörpern. Dann auch noch volle Begabung für ein anderes Tier zu entwickeln ist... anstrengend“, schloss sie schlicht. „Außerdem mag ich meinen Animagus“, ergänzte sie achselzuckend. „Aber gut für dich!“, ergänzte sie grinsend. Seine Mundwinkel hoben sich unwillkürlich. Sie sprach viel.

 

„Wie alt bist du?“, entfuhr es ihm, wieder einmal höchst unpassend, und sie hob die Augenbraue.

 

„Denkst du, ich bin zu jung, um dir Tipps zu geben?“, wollte sie herausfordernd wissen, und sein Herz schlug minimal schneller.

 

„Äh… nein.“ Eigentlich überschlug er in seinem Kopf, ob es möglich wäre mit dieser Frau auszugehen. Aber wahrscheinlich war es verboten. Das nahm er ganz stark an.

 

„Und es ist unhöflich, eine Frau nach ihrem Alter zu fragen, Draco“, benutzte sie seinen Vornamen, und es klang mehr als nett. Sein Lächeln vertiefte sich.

 

„Dann tut es mir leid, gefragt zu haben“, entschied er zu sagen, und sie deutete auf den Schreibtisch.

 

„Setz dich. Ich weise dich in unser Konzept ein.“ Er folgte ihr, beobachtete, wie sich ihr Körper unter der Uniform bewegte, und ehrlich gesagt hatte er noch nie sonderlich gute Manieren besessen.

 

„Eine Frage, bevor wir beginnen“, sagte er, als er sich gesetzt hatte.

 

„Ja?“ Erwartungsvoll sah sie ihn an.

 

„Es ist mein erster Tag, und ich habe bestimmt noch wesentlich mehr Fragen. Hast du Pläne fürs Mittagessen?“ Er fixierte sie genau, und kurz erschien eine Falte zwischen ihren Augenbrauen.

 

„Was wird das, Malfoy?“, fragte sie direkt.

 

„Nichts weiter“, erwiderte er. „Ich frage lediglich, ob du Hunger hast“, schloss er abwehrend. Und dann lächelte sie.

 

„Hunger habe ich immer“, behauptete sie, aber ihre Figur verriet ihm eher Gegenteiliges. „Du kennst mich seit fünf Minuten und fragst mich, ob ich mit dir essen gehe? Ziemlich schnell. Sehr typisch für die männlichen Auroren. Hang zur Selbstüberschätzung, absolut unfehlbare Arroganz…“, zählte sie kopfschüttelnd auf.


„Heißt das Ja?“, erkundigte er sich glatt, und sie grinste wieder frech.


„Auf keinen Fall, Malfoy“, lehnte sie ab. Sein Blick fiel. „Danke für die Frage. Aber ein Essen mit mir hat man sich zu verdienen“, fuhr sie fort. Sein Blick hob sich wieder. „Frag mich nächsten Monat noch mal“, forderte sie ihn auf, und sein Mundwinkel hob sich.

 

„Wenn ich dran denke“, entgegnete er, und ihr Lächeln wurde breiter.

 

„Oh, du wirst dich hier sehr gut einfügen. Keine Sorge“, versicherte sie ihm. „Fangen wir an, Herzensbrecher“, fuhr sie fort. „Wir beginnen die Animagus-Stunden meist damit, einen Patronus-Auffrischer-Kurs zu machen. Viele beherrschen den Patronus-Zauber nicht oder nur schlecht. Die wenigen Begabten, die wir haben, haben ein ganze Stück Arbeit vor sich, um überhaupt in die Seltenheitskategorie zu kommen“, sagte sie kopfschüttelnd. „Und ob sie überhaupt bestehen, steht noch in den Sternen.“

 

„Ok“, bestätigte er dann.

 

„Was ist dein Patronus? Von vornherein Begabtengruppe, nehme ich an?“ Er nickte bloß, verwirrt, dass sich tatsächlich jemand dafür interessierte, wofür er sich nun jahrelang interessiert hatte. Er fühlte sich seltsamerweise so, als wäre er endlich angekommen. Bei seinesgleichen. „Löwe? Schlange?“, vermutete sie mit gerunzelter Stirn. „Aber ich weiß, dein Vater ist in den Archiven als Drache gelistet – also, wahrscheinlich Drache?“, riet sie dann, und er nickte erneut, speicherte unbewusst, dass sie sich scheinbar für die Malfoy-Familiengeschichte interessiert hatte. Sein Vater hatte ebenfalls einen Begabtenschein, würde ihn aber niemals für das Ministerium nutzen, würde niemals irgendeine gemeinnützige Aufgabe übernehmen. Auch sein Großvater hatte einen Drachen als Patronus, hatte sich aber nie die Mühe gemacht, irgendeinen Schein zu erwerben. „Darf ich fragen, warum du nicht einfach beim Drachen geblieben bist?“, wollte sie wissen. „Ziemlich cooler Patronus, oder nicht?“

 

„Ich wollte nicht sein, wie mein Vater“, antwortete er schlicht und wahrheitsgemäß. Sie schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Du bist interessant“, räumte sie ein. Scheinbar nicht interessant genug, dass sie mit ihm essen ging, stellte er bitter fest. Er hatte Pech mit Frauen, ging ihm dumpf auf. Und es störte ihn unheimlich.

 

„Es geht“, bemerkte er bloß.

 

„Also, ich würde vorschlagen, du demonstrierst morgen deinen Patronus, zeigst den Zweiern, wie man den Zauber perfektioniert und verlässlich anwendet, und wichtig ist, dass sie den Zauber hinbekommen, ohne äußerliche Anreize. Aus dem Stand quasi. Keine Hilfestellung deinerseits.“

 

„Verstanden“, erwiderte er bloß.

 

„Dann kommen wir zur zweiten Einheit“, fuhr sie fort, und er hörte ihr gerne zu. Sie hatte eine angenehme Stimme. Die Aussicht hier unten lohnte sich schon mal um einiges mehr, als oben in der Finanzabteilung. Er würde diesen Tag genießen, Abfuhr hin oder her, denn sobald Lucius mitbekam, dass er gekündigt hatte, würde sich zeigen, ob Draco selber noch aus dem Stand den Patronus hinbekam. Glückliche Gedanken hatte er seit einer ganzen Weile nicht mehr gehabt.

 

 

4. the cost of living

 

Heute fiel das Training der Erstklässler aus. Draco Malfoy gab heute seine erste Ausbildungsstunde für die Zweier, und die Erstklässler hatten die Erlaubnis von Kingsley erhalten, zuzusehen, genauso wie die Dreier. Es gab keinen Zauberer in der Abteilung mit einem Seltenheitszertifikat, und natürlich war nicht gesagt, ob Malfoy sich tatsächlich verwandeln würde, aber Hermine ging stark davon aus. Kingsley persönlich war anwesend, und er würde sich nicht nehmen lassen, Malfoy zu bitten. Sie war sich sicher.

 

Sie hatte von der Szene gehört, die sich gestern abgespielt hatte – so ziemlich jeder hatte davon gehört. Und Eleanore war anschließend zu ihr gekommen, hatte sie gebeten, ihre Unterlagen Malfoy zur Verfügung zu stellen, wenn er käme und sie darum bat, aber tatsächlich war er nicht zu ihr gekommen. Er war zu einem Jungen ihres Jahrgangs gegangen. Trevor Canvish, den er wohl über den Club kannte. Sie war nicht enttäuscht gewesen, aber sie nahm an, Trevor würde Malfoy nicht sonderlich gut helfen können. Aber das war nicht ihr Problem.

 

Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, neben Harry in der ersten Reihe zu sitzen. Neben ihr Penelope, neben Harry Dean. Die Großmäuler des zweiten Jahrgangs saßen auf den hinteren Bänken, obwohl die gerade zuzusehen hatten. Sie hatten eine gemeinsame Stunde mit den Zweiern, und es reichte Hermine aus. Mehr brauchte sie nicht. Die Zweier waren unerträglich arrogant.

 

Noch war niemand da, weder Malfoy, noch Kingsley. Harry lehnte sich zu ihr.

 

„Kaum zu glauben, dass Malfoy unterrichten wird.“

 

„Mh“, machte Hermine bloß, und sie konnte ehrlich gesagt nicht erwarten, dass er anfing. Sie hielt nichts von ihm, aber sie hatte etwa dreitausend Fragen. Die wichtigste wäre, ob sie auch in der Lage wäre, einen Begabtenschein zu machen, obwohl ihr Patronus ein gewöhnlicher Otter war. Sie wusste, der Patronus ließ sich wechseln. Snape hatte seinerzeit seinen eigenen Patronus gewechselt.

 

„Scheiß Todesser. Kommt auch noch zu spät“, hörte sie Billy Cage murmeln, und Harry reagierte sofort.

 

„Vielleicht solltest du dein Maul halten?“, wandte er sich direkt um, und Hermines Finger kribbelten. Harry sollte sich nicht anlegen. Viel zu häufig stritten sich die Jungen hier. Aber Harry war eine absolute Respektsperson. Er war per Du mit Kingsley, und niemand wagte, Harry auch nur von der Seite anzumachen.

 

„Er ist spät. Das ist alles, was ich sage“, beschwerte sich Cage, aber deutlich leiser.

 

„Du brauchst ihn nicht zu beleidigen. Es gibt keine Todesser mehr.“ Hermine hielt das für eine gewagte Aussage, aber niemand widersprach. Cage schwieg beleidigt.

 

Die Türen öffneten sich, und alle verrenkten sich die Hälse. Sie erkannte sofort, dass Malfoy die Uniform trug. Es war so seltsam, ihn in Uniform zu sehen, zu glauben, dass er jetzt tatsächlich dazugehörte. Kingsley ging neben ihm, legere gekleidet. Sie glaubte, Kingsley noch nie in Uniform gesehen zu haben, seitdem der Krieg vorbei war.


„Leute, die erste Stunde für euren Animagus-Schein beginnt. Das ist Draco Malfoy, Neueinsteiger des zweiten Jahrgangs, Animagus Donnervogel“, erklärte Kingsley knapp, und die Mannschaft schwieg. „Malfoy, fangen Sie an“, bedeutete er ihm, und etwas unsicher trat Malfoy vor.

 

„Hey“, begrüßte er sie, sein Blick blieb kurz an Harry hängen, und Harry nickte ihm zu. „Etwas mehr Leute hier, als gedacht“, stellte er eine Spur unsicher fest. „Ich weiß nicht, wie man ausbildet, aber von der Animagus-Ausbildung habe ich Ahnung, und ich kann zumindest sagen, dass es eine harte undankbare Aufgabe ist“, schloss er. Die Menge schwieg. „Ich habe drei Jahre gebraucht, das Zertifikat zu bekommen, und Mr. Shacklebolt hat mich gebeten, die Begabtenregelung zu erläutern.“ Hermine lauschte gebannt, während ihr Blick über ihn glitt. Er war groß, größer als der Rest, so groß wie Ron, nahm sie an, und an Ron hatte sie lange nicht mehr gedacht. Wollte sie auch nicht. Sie blinzelte kurz, verscheuchte die Gedanken und konzentrierte sich wieder.

 

„Es gibt verschiedene Formen von Begabtenscheinen“, fing Malfoy vage an, und die Türen öffneten sich erneut. Die Ausbilder schlichen rein, als auch einige Auroren von oben. Sogar die Leitung der Strafverfolgung, wie Hermine erkannte. Sie trug ein mattschwarzes Kostüm, schritt anmutig zu Kingsley und setzte sich neben ihn, die übrigen Auroren taten es ihr gleich. Malfoy unterbrach sich, wartete, bis auch diese Leute sich gesetzt hatten, und Hermine nahm an, niemand wollte verpassen, wie sich Malfoy verwandelte. „Verschiedene Begabtenscheine“, wiederholte Malfoy mit erhobenen Brauen, als er die Auroren musterte, die ihm aufmunternd zunickten. „Ich persönlich kenne nur die angeborene Begabung, da das in meiner Familie scheinbar ein alter Fluch war. Je nachdem, wie man es sehen möchte.“ Er zögerte, tauschte einen kurzen Blick mit Kingsley, denn Penelope neben ihr hatte die Hand gehoben. Kingsley nickte ihm zu, schien ihm zu erlauben, Leute dranzunehmen.


„Ja?“, sagte Malfoy und nickte Penelope zu.

 

„Penny Clarke“, stellte sie sich vor. „Erstes Jahr“, ergänzte sie. „Was heißt das, deine Familie ist verflucht?“ Hermine hätte ihn so etwas nie gefragt. Aber sie wusste ja, dass er nicht gerade freundlich über seine Familie sprach.

 

„Seit zehn Generationen ist der Patronus der Malfoys der Drache. Ohne Ausnahme, ohne Möglichkeit, ihn vor der Geburt zu wechseln.“

 

„Warum?“, entkam es Penelope entgeistert.

 

„Der Drache ist erhaben und rein – irgend so ein Reinblüter-Quatsch, halt“, erwiderte er achselzuckend, und tatsächlich lachten einige ihrer Kollegen auf. Auch Malfoy schien die Sympathie zu verwundern. „Jedenfalls gehören gewisse Patroni zur angeborenen Begabtengruppe. Ja?“, nahm er den nächsten Teilnehmer dran, und Hermine wandte den Blick. Ein Junge aus dem dritten Jahr.

 

„Warum ist das so?“ Malfoy zuckte die Achseln erneut.


„Ich denke, dass manche Patroni einfacher zu beschwören sind, manche schwieriger, abhängig von Gestalt, Größe und geographischer Seltenheit. Angeborene Begabtengruppen sind Drachen, Löwen – Wildkatzen im Allgemeinen, Schlangen, Niffler und Thestrale.“ Einige lachten darüber, flüsterten, wie lächerlich ein Niffler-Patronus wäre, aber Kingsley räusperte sich laut. „Ja?“, nahm Malfoy jemand anderen dran.

 

„Was soll das heißen, Begabungsgruppen? Was ist der Unterschied zu einem normalen Patronus?“ Ein Mädchen hatte gefragt, das Hermine auch nicht kannte. Sie gehörte ebenfalls zum dritten Jahr.

 

„Es bedeutet, dass man den Begabtenschein zuerkannt bekommt, sofern man den Patronus fehlerfrei erzeugen kann.“

 

„Und dann?“, wollte das Mädchen wissen.

 

„Dann kann man seinen Patronus wechseln, oder man kann einen Seltenheitsschein machen“, schloss er knapp. Hermines Hand wanderte nach oben, zielsicher, und sein Blick traf ihren.

 

„Ja?“, sagte er, nickte ihr zu, und sie streckte den Rücken gerade durch.

 

„Kann jeder seinen Patronus wechseln?“ Er sah sie kurz nachdenklich an.

 

„Ja. Man kann ihn immer wechseln, wenn man das will“, schloss er.

 

„Und warum braucht man den Schein?“

 

„Der Schein sagt aus, dass dein Patronus Größe und Form nicht mehr wechselt, dass du beschwörungssicher bist, und man braucht ihn, um ein Seltenheitszertifikat zu machen. Was ist dein Patronus?“, fragte er sie spontan. Und fast kam es ihr ein wenig zu privat vor, sie wusste nicht, warum. Aber sie antwortete still.

 

„Otter“, sagte sie dann.

 

„Ok“, erwiderte er nickend. „Nehmen wir an, du bist den Otter leid, willst etwas… Eindrucksvolleres als das und wählst das Pferd. Dann brauchst du keine Begabtenprüfung machen. Das Pferd berechtigt dich nicht zum Seltenheitsschein. Es liegt zu weit entfernt“, erklärte er schlicht. „Willst du letztendlich den Manitkor, das Einhorn, den Blutkraken, den Phönix, den Hippogreif, den Donnervogel als Animagus – dann musst du dir einen Patronus der Begabtengruppe aussuchen. Nur von einem solchen Patronus kann man zu einem seltenen Wechseln. Denn die seltenen Animagi sind für den Patronus-Zauber nicht möglich.“

 

„Warum macht man das? Einen seltenen Animagus wählen, wenn es so schwer ist?“, warf ein anderer Junge ein, unterbrach ihren Gedankengang, und Malfoy atmete lange aus.


„Die offensichtlichen Gründe wären, dass man artenübergreifend kommunizieren möchte. Dass man seltenen Geschöpfen das Überleben ermöglicht, dass man die Psyche versteht, den Körperaufbau, den Magiehaushalt“, zählte er wahllos auf.


„Kann man sich paaren?“, wollte ein anderer Junge wissen, und die Gruppe prustete los. Malfoy verzog knapp den Mund, einigermaßen angewidert.

 

„Man übernimmt zwar einen funktionierenden Organismus im magischen Sinne, aber man entwickelt kein tierisches Triebverhalten. Es ist… lediglich eine doppelte materische Hülle. Man kann essen, verdauen, schlafen, aber man fühlt sich sexuell nicht hingezogen zu Artgenossen.“

 

„Das heißt, theoretisch könnte man schon?“, mischte sich Cage jetzt mit einem dreckigen Grinsen ein, und Malfoys Ausdruck kühlte merklich ab, als er ihn wohl erkannte.

 

„Man kann vieles, Mr. Cage. Aber nur, weil man fähig ist, bedeutete es nicht, dass man zwangsläufig auch handelt.“ Cage schwieg daraufhin. „Das natürliche Zuwiderhalten würde es verhindern“, kürzte Malfoy es ab.

 

„Warum hast du den Schein gemacht?“, fragte Hermine in die aufkommende Stille, denn sie hatte gehört, was er gesagt hatte. „Wenn die offensichtlichen Gründe nicht deine Gründe waren?“, ergänzte sie, und wieder gewann sie seine Aufmerksamkeit.

 

„Ich habe es gemacht, weil ich es konnte“, erklärte er schlicht. Wieder lachten einige, aber sie verzog den Mund.


„Klingt nach keinem guten Grund“, behauptete sie.

 

„Ich hatte Zeit, ich hatte Gold, Granger“, erwiderte er, benutzte ihren Namen, und sie sagte nichts mehr. Sie glaubte ihm nicht, aber wahrscheinlich war er ihr keine Rechenschaft schuldig. Er sah in die Runde, aber niemand schien Fragen zu haben. „Fangen wir an“, forderte er die Menge auf. „Zumindest die Auroren im zweiten Jahr“, ergänzte er, mit knappem Blick auf den Rest des Publikums.

 

„Würden… würden Sie sich verwandeln, Mr. Malfoy?“, fragte Alma Davenport, eine ältere Aurorin, und Malfoy atmete knapp aus. „Wir würden es wirklich gerne sehen. Dann lassen wir Sie in Ruhe“, versicherte sie, und kurz schien Malfoy abzuwägen. Er schien zu einem inneren Entschluss zu kommen, ehe er knapp nickte.

 

Er nutzte nicht mal seinen Zauberstab, stellte Hermine fest, als er innerhalb einer Sekunde die Gestalt zu wechseln schien. Ein Raunen ging durch die Menge, und es war unfassbar eindrucksvoll. Gleißendes Licht begleitete die Verwandlung, und Hermine wusste nicht mal, wie synchron man mit seinem Animagus sein musste, um ohne Zauberstab, ohne Spruch, ohne sichtbare Hilfe den Körper wechseln zu können! Er war absolut unfassbar begabt! Das war alles, was sie denken konnte. Sein Stellenwert verdreifachte sich direkt in ihrem Kopf. Absolut unglaublich!

 

Sie musste die Augen abschirmen, aber sie hörte bereits das fremdartige Gurren, das Scharren, die Laute aus einer massiven Kehle. Ihr Mund öffnete sich. Sie kannte Donnervögel von Bildern aus Büchern, aber es waren Zeichnungen. Sie hatte noch nie ein lebendiges Exemplar gesehen. Harrys Hirsch war eindrucksvoll, keine Frage, und was er erzählte, wie besonders es sich anfühlte, das Herz eines Tieres in sich schlagen zu spüren, hatte sie schon lange beschäftigt, aber das hier… war noch etwas anderes. Und alle erhoben sich praktisch gleichzeitig, außer die Jungen in der letzten Reihe, die so taten, als wären sie zu cool, aber selbst Cage war blass geworden, konnte nur starren, und Hermine schämte sich nicht, näher zu treten. Malfoy gab diesem Exemplar von Donnervogel seine eigene Note. Denn das Gefieder war heller, schimmerte silbern mit einem feinen goldenen Glanz in den Federspitzen, und es war das schönste Tier, was sie jemals gesehen hatte – und sie wollte genau dieses Tier sein! Sie hatte es oberflächlich gefunden, hatte sich nicht vorstellen können, ihren lieben Otter aufzugeben – aber das hier! Das war eine ganz andere Liga.

 

„Merlin, Malfoy“, vernahm sie Kingsleys Stimme, und der Donnervogel verharrte ruhig, warf den Kopf zurück und maß mit aufgerichtetem Kopf bestimmt zwei Meter fünfzig. „Das nenne ich verdammt eindrucksvoll“, entkam es ihm. „Und das ohne Zauberstab“, fiel sogar Kingsley auf. Der Donnervogel hob den hellen Kopf, die grauen Augen waren wohl das einzige, was noch von Malfoy verblieben war, und er spannte seine sechs Flügel verheißungsvoll, und als er sie kraftvoll niederschlug, abhob, erkannte Hermine seine scharfen Krallen. Und fast hatte sie vergessen, was diese Kreatur so einzigartig machte, aber mit dem nächsten kraftvollen Flügelschlag der weiten Schwingen, türmte sich eine Wolke über dem Vogel auf, dunkel und mächtig, Donner grollte über ihnen, und ein greller Blitz zuckte durch die Halle, und Laute des unfassbaren Staunens und der Begeisterung erfüllten die andächtige Stille. Richtig, der Donnervogel konnte Blitz und Donner erzeugen. Höchstwahrscheinlich konnte Malfoy die gesamte Halle in Brand setzen, wenn er nur wollte. Er stieg nicht höher, verharrte mit schmalen Flügelschlägen in der Luft, bevor er fiel. Die Mädchen, schrien praktisch auf, aber Malfoy nutze das Momentum des Falls nur, um sich zurückzuverwandeln. Die Aurorenuniform war aus magischem Elastan und erlaubte Veränderungen jeder Art, deshalb war Malfoy auch nicht nackt, als er sich innerhalb von einer Sekunde wieder verwandelte und sanft auf dem Boden landete, während einige enttäuschte Geräusche machten. Hermine stand keine zwei Meter von ihm entfernt und musste ihn ansehen, wie verzaubert. Er fing ihren Blick, bevor sein Blick fiel. Er fuhr sich knapp durch die Haare, und ein wenig leuchtendes Gold hing noch in seinen hellen Strähnen und verflüchtigte sich langsam.

 

„Das will ich auch!“, entkam es Penelope neben ihr absolut begeistert. Einige weitere Mädchen bekundeten Zustimmung, und scheinbar war diese Verwandlung Malfoys mögliches Ticket, einige Mädchen hier mühelos in die Kiste zu bekommen, stellte sie grimmig fest. Denn die Mädchen bestürmten ihn mit Lob und Befragungen. Die Auroren kamen näher, wollten seine Technik wissen, und er wirkte milde überfordert.

 

„Ich würde mich nie wieder verwandeln, könnte ich das“, bemerkte Harry beeindruckt neben ihr. Hermine musste lächeln. Ja, es wäre wirklich nett. Malfoy konnte wirklich fliegen, ging ihr auf. Oh, er musste sich noch mal verwandeln und das ausführlicher demonstrieren. Er musste einfach. Sie merkte selbst, wie sie kaum den Blick von ihm wenden konnte und hasste sich dafür, dass sie sich so leicht beeindrucken ließ. Es war ein Trick, ein Zauber. Nichts weiter. Jeder konnte es lernen. – Obwohl es das normale Maß an Können immens überstieg, räumte sie sich mental ein. Immens.

 

Mit einem Mal hatte Malfoy ihr Interesse geweckt. Natürlich nur theoretisch. Nur ihr Interesse an seinen Fähigkeiten.

Sie wusste schon, dass sie Cormac auf gar keinen Fall von diesem Erlebnis erzählen durfte. Er war schon eifersüchtig genug.

 

„Der Typ ist unfassbar heiß“, vernahm sie Penelopes Stimme neben ihrem Ohr. „Ganz egal, was du denkst“, ergänzte sie und stellte sich ebenfalls zu den Menschen, die ihn umringten und fragte Dinge, die Hermine akustisch nicht verstehen konnte.

 

~*~

 

„Unfassbar, dass diese dämliche Tier-Geschichte dir ernsthaft Dates einbringt“, entkam es Blaise fassungslos. Draco lächelte freudlos. Nicht mit den Frauen, die er sich erhofft hatte, dachte er dumpf. Er hatte Blaise gestern beim Mittagessen versetzt, hatte sich darum bemüht, Unterlagen zu bekommen, aber Trevor war ziemlich faul und besaß keine Notizen. Aber Granger hatte er nicht fragen wollen. Dann am Abend hatte er Blaise den Tag gebeichtet, gerade rechtzeitig, bevor der Heuler seines Vaters angekommen war.

 

Draco war recht dankbar, dass er nicht in Malfoy Manor hatte anwesend sein müssen, um angeschrien zu werden. Er wäre undankbar, absolut verzogen, verdiene nicht die Hilfe, die Lucius ihm geboten hatte. Es war minutenlang so weiter gegangen. Die Krönung war gewesen, dass Lucius ihm sein Taschengeld gestrichen, und ihm eröffnet hatte, er könne sehen, wie weit er mit dem Gehalt eines Aurors käme, und er würde solange keinen Sickel mehr sehen, bis er sich nicht in der Finanzabteilung entschuldigt hätte. Blaise hatte ihm angeboten, dass er für das Apartment alleine zahlen würde, aber Draco sah ein, dass man nicht alles haben konnte. Außerdem hatte er einen Plan.

 

„Du willst das aber nicht ernsthaft tun? Du ziehst deine sexy-Biest-Show ab, und wirst bei dem nächstbesten Mädchen unterkommen?“ Blaise starrte ihn an. Draco musste kurz auflachen.

 

„Sexy-Biest-Show?“, wiederholte er grinsend. „Und ich würde nicht bei ihr unterkommen. Es ist ein freies Zimmer. In einer Ausbildungs-WG“, ergänzte er.

 

„Alles, was du gerade gesagt hast, ist einfach absolut widerlich“, entgegnete Blaise konsterniert. „Was willst du mit einem Zimmer anstellen? Deine Sachen passen kaum in dieses Apartment!“

 

„Dann werde ich sie lagern“, erwiderte Draco achselzuckend.

 

„Du bist wahnsinnig!“

 

„Ich steige im zweiten Jahr ein. Das Mädchen ist im ersten und kann mir helfen.“

 

„Oh, ja. Ich nehme an, ich weiß, wie sie dir helfen kann“, bemerkte Blaise ablehnend. „Das ist eine gefährliche Sache, Draco“, warnte er ihn.


„Es ist nicht, wie du denkst“, behauptete Draco halbherzig ehrlich.

 

„Ich denke schon.“

 

Draco dachte das offen gesagt auch, aber er war dankbar für das Angebot. Wenn er die Ausbildung meistern wollte, brauchte er Unterstützung, und vielleicht wäre es nicht dumm, sich mit seiner Ausbildungsgruppe abzugeben. Das Zimmer würde er sich leisten können.

 

„Es wäre temporär.“

 

„Ja, temporär, bis du sie betrügst und sie dich rauswirft.“

 

„Ich habe nicht vor, mit ihr zu schlafen!“, rief Draco aus. „Merlin, Blaise. Ich… habe eine ziemlich harte Entscheidung getroffen, und zum ersten Mal… respektieren mich Leute.“

 

„Bullshit“, entfuhr es Blaise. „Zum ersten Mal fallen dir die Weiber zu Füßen, Malfoy. Niemand respektiert dich wirklich. Du bist ein Entertainer, nichts weiter“, erinnerte ihn Blaise. Und es war Draco ein wenig so vorkommen. Als wäre er… eine Zirkusattraktion. „Das Ministerium wird diese Information nutzen, um für die scheiß dämliche Aurorenausbildung zu werben, und dich haben sie einfach mit billigen Tricks überredet.“

 

„Blaise, das glaube ich nicht.“

 

„Warum sollte dich jemand wollen?“, fragte sein bester Freund direkt. „Wir sind nicht gerade beliebt. Nirgendwo. Es war kalte Abwägung, reines Kalkül“, fuhr er schlecht gelaunt fort. „Pass bloß auf, dass du die meiste Zeit nicht als dämlicher Vogel rumlaufen musst, weil sie deine wahre Gestalt nicht gebrauchen können.“

 

„Ich habe mich dafür entschieden“, knurrte Draco jetzt. „Es ist besser, als der scheiß Job, den ich vorher gemacht habe.“

 

„Du hast keine Show veranstalten müssen, um bezahlt zu werden“, bemerkte Blaise spöttisch.


„Es ist keine Show.“ Langsam wurde Draco wütend. „Es ist meine Ausbildung gewesen.“

 

„Wofür will man ein Tier sein, Draco? Es war eine dumme Ausbildung. Und offen gesagt, für die Aurorenausbildung war sogar deine Tier-Ausbildung zu schade.“

 

„Du kannst damit nichts anfangen – schön!“, schnauzte er. „Aber mach dich nicht lustig. Du bist nicht besser als ich!"

 

„Nein, aber mein Name ist um einiges besser, als deiner.“

 

„Super. Dann ist es kein Problem, wenn ich ausziehe.“

 

„Viel Spaß!“, rief Blaise gereizt. „Aber komm nicht angekrochen, wenn dir deine Zelle zu klein wird, das Wasser zu kalt ist, der Lebensstil zu arm! Du wirst gehörig auf die Schnauze fallen, und du wirst mich um Vergebung anflehen“, prophezeite er, und für eine Sekunde beschlicht Draco die Angst, dass er Recht haben könnte. Aber nur für eine Sekunde, dann löste sein Stolz seine Furcht gänzlich ab. „Du stehst drauf, dass die Frauen dich wollen – das ist alles. Das ist der einzige Grund für diese Entscheidung!“ Draco nickte bitter.

 

„Ok“, bestätigte er. „Denk, was du verdammt noch mal willst! Du weißt, wo du mich findest, solltest du den Weg von deinem scheiß hohen Hippogreif noch finden, Zabini“, schloss er gereizt und verschwand aus dem Zimmer, um seine Sachen klein zu hexen und in den Kisten zu verstauen, die er erst letzten Monat vollständig ausgepackt hatte. Er hasste Blaise. Er irrte sich.

 

Und er würde Penelope über Floh anrufen müssen, um zu fragen, ob das Zimmer schon heute Abend frei wäre.

 

 

5. new friends

 

Hermine blieb im gemeinschaftlichen Wohnzimmer der Wohnung stehen und beobachtete mit gerunzelter Stirn, wie Penelope im Badezimmer ihren Lippenstift nachzog.

 

„Es ist Donnerstagabend“, sagte Hermine verständnislos. „Warum trägst du dieses Kleid an einem Donnerstagabend?“ Penelope hob gehetzt den Blick. Hermine war erst gerade vom Joggen wiedergekommen und würde gerne die Dusche benutzen.

 

„Ok, hör zu“, begann Penelope, während sie ihr Makeup überprüfte, und Hermine hoffte, es stand nicht wieder ein Besuch von Billy Cage an. Sie würde wieder magischen Hörschutz benutzen müssen, wenn Cage über Nacht blieb. „Ich hätte es eher mit dir besprechen müssen, aber ich musste unser leeres Zimmer vermitteln. Sehr kurzfristig.“ Und kurz gab Hermines Kiefer nach. Zorn überkam sie, aber sie beherrschte sich.

 

„Du musstest was?“, entkam es ihr, um Ruhe bemüht, denn das war ein absolutes Streitthema zwischen ihnen.

 

„Es war ein Notfall, Hermine“, versicherte Penelope ihr, und Hermine bezweifelte das sehr stark. Es sei denn, Penelopes Libido bestimmte von jetzt an, was ein Notfall war und was nicht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Penelope Makeup und ein kurzes Kleid für eine arme, hilfebedürftige Kollegin von ihnen trug.

 

„Das glaube ich nicht“, fasste Hermine ihren Unglauben in kühle Worte. Der kalte Schweiß war unangenehm auf ihrer Haut getrocknet. Sie wollte einfach nur einen ruhigen Abend haben.

 

„Ich hätte mit dir gesprochen, aber es ging nicht anders.“

 

„Was ging nicht anders? Wem zur Hölle hast du das Zimmer vermittelt, Merlin noch mal? Und wer zieht donnerstags ein? Ich habe keine Lust, dass irgendeiner von deinen Verehrern hier-“

 

„-er macht auch die Ausbildung, und seine Eltern haben ihn quasi auf die Straße gesetzt.“ Es klang ganz und gar nicht nach der Gesellschaft, die Hermine sich vorstellte. Jemals!

 

„Ein Kerl? Du willst unsere WG tatsächlich entweihen mit einem Kerl?“, entfuhr es ihr, obwohl es darum eher weniger ging. Aber es ging um das Prinzip, dass Penelope immer ihren Kopf durchsetzen musste, immer jede Entscheidung traf und ständig von Hermines Ruf eingeschüchtert war. „Warum solltest-“ Und Hermine unterbrach sich, und jeder Ausdruck schwand von ihrem Gesicht. Sie hatte plötzlich eine sehr genaue Vorstellung, was in Penelope gefahren sein könnte. Praktisch über Nacht. „Oh nein!“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd. „Sag mir bloß nicht, du bist so dämlich gewesen und hast Malfoy das Zimmer angeboten?“, flüsterte sie praktisch, denn es durfte nicht sein, und gleichzeitig wusste Hermine, dass sie selten falsch lag. Nicht bei Penelope.


„Er hat keinen Ort, wo er sein kann“, beteuerte Penelope eilig, und Hermine konnte nicht fassen, was sie hörte. „Wie sehe ich aus?“, wollte Penelope übergangslos wissen, beendete dieses Thema scheinbar eigenmächtig, und Hermines unterschwelliger Zorn brodelte erneut. Sie konnte die Abschätzung nicht unterdrücken.

 

„Verzweifelt? Lächerlich? Absolut durchschaubar?“, zählte sie die freundlichen Adjektive auf, die ihr einfielen, und ihre Stimme bebte vor Zorn. „Wie konntest du?“, fuhr sie ihre Mitbewohnerin jetzt an. „Das ist absolut nicht ok! Das ist eine Entscheidung, die wir zusammen-“

 

„-ich bitte dich. So schlimm ist es nicht. Die Miete ist lächerlich hoch. Ein dritter Mieter ist perfekt“, unterbrach Penelope sie einfach, und Hermine war Einzelkind. Sie war es nicht gewöhnt, dass über ihren Kopf entschieden wurde, dass sie sich irgendetwas teilen musste. Sicher, sie war erwachsen, kein Kind mehr – aber das Prinzip war dasselbe geblieben. Sie hasste, dass Penelope ihre Wut abtat, dass es… nicht weiter wichtig war, was Hermine fühlte! Und ausgerechnet – ausgerechnet – ihn! Und sie hasste, wie durchschaubar Penelope war, und dass es auch Malfoy aufgefallen sein musste, und dass er tatsächlich hier auftauchte, weil er wahrscheinlich sexuell genauso verkommen war, wie Penelope selbst!

 

„Wir haben das gemacht, damit wir zusammen lernen können. Ich habe überhaupt nicht nötig, hier zu wohnen!“, machte Hermine es deutlich, ein wenig zerknirscht, ein wenig überheblich.


„Ja, ja, ich weiß“, winkte Penelope tatsächlich ab. „Weil du deine Kriegsabfindung für ein scheiß Haus in Godric’s Hollow aus dem Fenster werfen willst?“, griff sie den Plan wieder auf, den sich Ginny ursprünglich für Hermine ausgedacht hatte. Und Hermine schluckte schwer, denn damals war dieser Plan tatsächlich etwas gewesen, worauf sie sich gefreut hatte. Damals. Als sie noch nicht Single gewesen war. Noch nicht in dieser Ausbildung gestanden hatte. Und sie hatte sich innerlich noch nicht ganz von diesem Plan verabschiedet. Denn immerhin wäre sie so bei Harry und Ginny. Immerhin das. Aber Hermine schluckte diese Argumente runter, den Schmerz, den sie verspürte, weil sich Penelope darüber lustig machte.

 

„Es muss niemand hier einziehen“, wiederholte Hermine wütend. „Wir haben genug Gold dafür. Und Cormac rastet aus!“, ergänzte sie zähneknirschend.

 

„Du hast vielleicht genug Gold“, bemerkte Penelope, bevor sie Hermine fixierte. „Und vielleicht verlässt du diesen Vollidioten dann endlich mal?“, schlug Penelope ihr bitter vor, und zog ihren Ausschnitt tiefer. Hermines Mundwinkel sanken beständig.


„Beziehungstipps von dir muss ich mir nicht wirklich anhören!“, fuhr sie sie an, und Penelope schenkte ihr einen zornigen Blick. Das Blick-Duell führte allerdings zu nichts, denn es klopfte an der Tür. Das Haus lag direkt in London, war alt und beherbergte ausschließlich Auroren in der Ausbildung. Das Ministerium hatte es so eingerichtet. Es war ein sechs-Parteien-Haus, und bisher war es ein friedliches und gemütliches Leben gewesen. Bisher. Hermine schüttelte steif den Kopf. Ihr Herz schlug schneller, und sie konnte nicht fassen, dass ihr ruhiges WG-Leben heute sein Ende fand. Dass Penelope es einfach so entschieden hatte. „Das Thema ist noch nicht durch, Penny“, warnte Hermine sie zischend und verschwand in Richtung ihres Zimmers.

 

„Was tust du?“, fuhr Penelope sie an absolut entgeistert an.

 

„Ich werde garantiert nicht deine Sex-Gäste empfangen!“, spuckte Hermine ihr entgegen, und Penelope verdrehte genervt die Augen.

 

„Es ist unser Mitbewohner, und es geht dich einen Scheißdreck an, mit wem ich schlafe!“, schnauzte sie jetzt.

 

„Er wird hier nicht bleiben!“, knurrte Hermine bloß warnend, wandte sich zornig ab und schlug ihre Zimmertür zu. Sie hörte, wie Penelope öffnete, erkannte seine Stimme sofort, und hielt praktisch die Luft an, um ihn zu verstehen. Aber sie verstand keines der dumpfen Worte, hörte nur Penelopes aufgesetztes Lachen, und dieses Mädchen ließ gar nichts anbrennen. Hermines Herz tat wütende Schläge. Morgen wollte Cormac kommen. Was sollte sie ihm sagen? Er würde es garantiert nicht gut finden. Hermine fand es erst recht nicht gut!

 

Und jetzt konnte sie nicht raus, konnte nicht duschen, konnte gar nichts mehr tun. Denn wahrscheinlich war offensichtlich, dass sie ihn hier nicht wollte. Wahrscheinlich hatte er den Streit nicht mitbekommen, aber zumindest, dass sie die Tür geknallt hatte. Und sie sah furchtbar aus. Sie hatte geschwitzt, ihre Haare hatten sich gekräuselt und standen in alle Richtungen ab, sie trug eine unschöne weite Jogginghose, und hasste Penelope abgrundtief.

 

Sie hörte Penelope wieder lachen. Und dann… hörte sie gar nichts mehr. Jetzt presste sie das Ohr an die Tür. Dann rumste es drüben, irgendwas fiel um, und kurz war sie versucht, rauszugehen, zu sehen, ob irgendwas passiert war, aber dann vernahm sie Penelopes eindeutiges Stöhnen!

Das konnte nicht wahr sein! Das war absolut unfassbar! Dass sie das tatsächlich tat! Und sie handelte aus instinktiver Wut, aus… nicht unbedingt rationalen Gedanken.

 

Zornig riss sie die Tür auf, dachte nicht großartig nach, marschierte zu Penelopes Zimmer, stieg über die frischen Umzugskartons im Wohnzimmer und blieb in der Tür stehen, und tatsächlich erkannte sie beide in Penelopes Bett. Penelope saß rittlings auf ihm, beugte sich gerade zu einem Kuss runter, und Hermine zitterte vor Wut.

 

„Könntet ihr die scheiß Tür zu machen?“, knurrte sie so zornig, dass Penelope erschrocken den Blick wandte. Jetzt erkannte sie Malfoy auf dem Bett, und er stützte sich auf die Ellbogen, und den Ausdruck in seinem Gesicht konnte sie nicht deuten – wollte sie auch nicht! Er war einfach nur ein weiterer elender Kerl! Wütend knallte sie Penelopes Tür so heftig zu, dass sie befürchtete, das Holz würde brechen.

 

Und dann ließ sie alles zurück, hatte keine Kraft und Muße hierzubleiben und verließ die Wohnung, knallte auch diese Tür und eilte die Stufen runter. Sie wusste, alle anderen Wohnungen waren belegt, und sie wollte keinem auf die Nerven gehen. Wahrscheinlich hatten ohnehin alle ihren Ausbruch mitbekommen, und sie genoss den kühlen Wind auf dem Gesicht, als sie das Gebäude verließ. Sie apparierte im Gehen, und landete unsanft vor Harrys Gartentor. Es brannte Licht im Innern, und sie würde direkt beim Abendessen stören. Hastig lief sie über den schmalen Weg zur Tür. Sie klopfte sachte, und nach einer Weile öffnete sich die Tür in den gemütlich beleuchteten Flur.


„Hermine“, sagte Ginny überrascht. „Was…?“

 

„Kann ich reinkommen?“, wollte sie erschöpft wissen, und Ginny zögerte einen kurzen Moment.


„Du – sicher“, sagte sie dann. Und Hermine schob sich dankbar ins Innere. „Aber-“

 

„-wer ist es?“ Ron kam kauend in den Flur und verharrte verblüfft. „Hermine?“, sagte er dann, und Hermine hatte Ron nicht mehr gesehen, nachdem er ihr nach ihrem Trip gesagt hatte, dass er mit ihr Schluss machen wollte.

 

Das war kurz bevor sie ihre Ausbildung begonnen hatte. Drei Jahre lang hatte sie mit Ron die Welt bereist. Mit ihrer großen Liebe. Sie hatten diese Reise machen wollen, und es war perfekt gewesen. Sie hatten den Krieg verarbeitet, hatten sich geliebt an vielen verschiedenen Orten, hatten alles gesehen, was man sehen konnte – und dann waren sie zurückgekommen, hatten das Haus besichtigen wollen, dass Ginny für sie in der Nachbarschaft reserviert hatte, und Hermine hatte ernsthaft geglaubt, Ron würde um ihre Hand anhalten, als er ihr gesagt hatte, sie müssten reden. Sie war felsenfest überzeugt gewesen.

 

Aber nein. Ron hatte ihr eröffnet, dass ihm ihr Trip gezeigt hatte, was die Welt alles noch bereithielt, dass er noch nicht soweit war, sich zu binden. Dass er leben wollte. Und niemals hätte sie damit gerechnet. Niemals.

Sie hatten kein Haus gekauft, Hermine hatte sich ein Apartment genommen, hatte sich schleunigst für die Aurorenausbildung beworben, um ja nicht mehr an Ron zu denken, und sie hatte keine Ahnung, was er seitdem gemacht hatte. Sie hatte Harry untersagt, von ihm zu erzählen. Und jetzt sah sie ihn nach Monaten wieder.

Ausgerechnet heute. Ausgerechnet an dem Tag, wo sie absolut beschissen aussah. Vollkommen überfordert sah sie ihn an. Natürlich waren sie freundschaftlich auseinander gegangen. Sie hatte nicht vor ihm geweint, hatte Verständnis gemimt, hatte ihm gesagt, dass sie verstand. Dass sie nur das Beste für ihn wollte. Geweint hatte sie erst, als sie alleine gewesen war. Drei Tage lang. Durchgehend. Bei jeder Postkarte, die sie von ihm erhalten hatte, aus wusste Merlin wo. Acht Wochen hatte sie nur gelitten, war innerlich gestorben – und jetzt war er wohl wieder hier. Fünf Monate später.

 

„Ron ist hier“, schien Ginny nun den Satz zu beenden.

 

„Wie geht es dir?“, wollte Ron sofort wissen, und er sah gut aus. Erholt, gebräunt, munter, sorglos. Das komplette Gegenteil von ihr.


„Gut“, antwortete sie einsilbig, tonlos, ehe sie sich an Ginny wandte. „Kann ich mit dir reden?“, sagte sie nahtlos, und Ginny nickte eilig. Sie verließen den Flur, gingen die Treppe hoch und Ginny bedeutete ihr, ins Gästezimmer zu gehen. Wo bereits Rons Tasche stand. Natürlich tauchte er ausgerechnet heute auf und blieb auch noch über Nacht.

 

„Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass-“

 

„-schon gut“, entfuhr es Hermine resignierend.

 

„Nein, wirklich. Es ist nur… er ist mein Bruder, und-“

 

„-wirklich, du musst dich nicht rechtfertigen, dass dein Bruder zu Besuch kommt. Er ist Harrys bester Freund, Merlin noch mal. Dass er keine Manieren hat, und ein Arschloch ist, ist nicht euer Problem“, machte sie ihrem Ärger Luft. „Es ist meins“, schloss sie bitter.

 

„Wieso… bist du hier? Warst du joggen?“, wollte Ginny verständnislos wissen und abwesend legte sich ihre Hand über ihren Babybauch. Ginny war im sechsten Monat schwanger, und Hermine wollte Ginny auch nicht aufregen. Aber heute war es denkbar schwer.

 

„Ja, ich…- Und ich kann nicht in die WG zurück“, erwiderte sie unglücklich. „Penelope hat mir erst vorhin eröffnet, dass sie einen Mieter ausgesucht hat, für das leere Zimmer.“

 

„O-k?“, entschied Ginny zu sagen. „Hattet ihr das nicht ohnehin eventuell vor?“, fragte sie vorsichtig, und Hermine atmete zornig aus.


„Ich – nein, ich… keine Ahnung. Jedenfalls hat sie mich nicht gefragt“, entkam es ihr wütend, und kurz kam sie sich tatsächlich vor, wie ein kleines Kind. Nachsicht trat auf Ginnys Züge.

 

„Das tut mir leid, Hermine. Wirklich. Aber es ist wirklich so schlimm?“, versuchte Ginny aufmunternd zu fragen. „Ich meine, sicher wäre es nett, wenn sie dich in solche Entscheidungen miteinbezieht, aber es ist nur eine Ausbildungs-WG. Es ist ja nicht permanent. Es wird schon kein Schwerverbrecher sein, es muss ja ebenfalls ein AIT sein“, rationalisierte Ginny das Problem, und Hermine war anderer Ansicht. Ginny hatte das erste Jahr bereits beendet, musste dann aber wegen der Schwangerschaft pausieren. Das Training wäre zu gefährlich für den Embryo gewesen. Sie würde mit Hermine das zweite Jahr gemeinsam absolvieren. Bald.

 

„Es ist Malfoy“, schloss Hermine grimmig.

 

„Es ist Malfoy?“, wiederholte Ginny verständnislos. „Was ist Malfoy?“

 

„Der dritte Mieter. Der Auror im Training. Und jetzt gerade hat er Sex mit Penelope mit offener Zimmertür“, fasste Hermine ihren Ärger zusammen. Mit geballten Fäusten.

 

„Oh“, machte Ginny mit weitem Blick. „Ernsthaft?“, vergewisserte sie sich gespannt, und Hermine ruckte mit dem Kopf. „Harry hat erzählt, dass er ein Donnervogel ist“, fuhr Ginny neugierig fort, bevor ein wissender Blick in ihre Augen trat. „Und er hat erzählt, dass er Malfoy letzte Woche schon in deiner Nähe entdeckt hatte, während ihr auf dem Bankett geplaudert habt“, ergänzte sie vielsagend.

 

„Wir haben nicht geplaudert“, entgegnete Hermine abwehrend. „Er hat versucht herauszufinden, ob ich vergeben war“, korrigierte Hermine dieses Missverständnis bitter. Ginny sah sie ungläubig an. Als wäre es abwegig, als erfinde Hermine Geschichten.

 

„Tatsächlich?“

 

„Das ist unwahrscheinlich, weil…?“, wollte Hermine prüfend wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„…es Malfoy ist?“, antwortete Ginny ohne Scham und Zögern. „Dass er überhaupt wieder da ist. War er nicht ewig lange von der Bildfläche verschwunden?“, entkam es ist kopfschüttelnd. „Na gut, sicher, wenn er ein Seltenheitszertifikat gemacht hat“, beantwortete sie ihre eigene Frage abwesend. Dann hob sie wieder den Blick. „Und du hast ihn abblitzen lassen?“, wollte sie knapp wissen.

 

„Was? Sicher habe ich ihn abblitzen lassen! Merlin, Ginny. Ich bin vergeben. Und es ist Malfoy“, schloss Hermine kopfschüttelnd.

 

„Du bist nicht vergeben“, bemerkte Ginny abschätzend. „Du datest Cormac, den Vollidioten.“ Hermine zog es vor, nichts darauf zu sagen. „Und siehst du? Ein Grund mehr, dir endlich ein Haus in der Nachbarschaft zu kaufen. Dann können wir uns jeden Abend sehen, und du musst Penelope nicht mehr ertragen.“ Hermines Blick fiel unglücklich.

 

„Wie soll ich es Cormac erklären?“

 

„Was konket?“, entkam es Ginny kühl.

 

„Alles. Dass Malfoy da ist, dass ich… vielleicht hierhin möchte…“, fasste sie ihre Sorgen zusammen, aber Ginny zuckte die Achseln.

 

„Hermine, du bist erwachsen“, sagte Ginny dann. „Und zu alt für Gemeinschaftsräume“, ergänzte sie. „Und mir würde einiges einfallen, was du Cormac sagen könntest, aber es wäre nichts, was ihn zum Bleiben motivieren würde. Ernsthaft, Hermine. Schieß ihn endlich ab.“

 

„Er ist nicht so schlimm“, behauptete Hermine dann lahm. „Und ich mag die WG“, ergänzte sie unglücklich.

 

„Cormac ist deine lästige Übergangslösung – und das schon viel zu lange“, machte Ginny es deutlich. „Ron war scheiße, ja. Aber nichts rechtfertigt deine Not-Beziehung zu diesem Reinblüter-Vollidioten.“ Ginny hatte Recht. Und Hermine verzog den Mund. „Mach mit ihm Schluss, sag Penelope, dass du ausziehen wirst, und vorher holst du dir noch ein paar Tipps von Malfoy, wie man ein Donnervogel wird. Du wirst den Schein machen, oder nicht? Das ist eine unfassbare Chance“, ergänzte sie mahnend.

 

Hermine hasste, dass Ginny Recht hatte. „Fein“, gab sie sich geschlagen.

 

„Na, also. Ich kann Cormac direkt über Floh anrufen, wenn du ihn heute Abend absägen willst?“, bot Ginny lächelnd an.

 

„Ich werde ihn nicht absägen“, warnte Hermine sie kopfschüttelnd. Ginnys Augenbraue hob sich. „Ich mache mit ihm Schluss“, versprach Hermine dann. „Aber nicht heute Abend“, ergänzte sie resignierend.

 

„Gut. Immerhin.“ Ginny schenkte ihr wieder ein warmes Lächeln. „Hast du Hunger?“, bot sie ihr versöhnlicher an, und Hermine blickte angewidert an sich hinab.

 

„Kann… kann ich erst duschen? Ich will nicht ekelhaft und verschwitzt neben meinem Exfreund sitzen, der aussieht wie das blühende Leben“, entkam es ihr dumpf, mit einem unglücklichen Blick auf Rons alte Reisetasche.

 

„Du bist nie ekelhaft“, beteuerte Ginny dann. „Du kannst auch hier bleiben heute“, ergänzte sie mitfühlend.

 

„Nein, danke. Ist schon gut.“

 

„Du könntest auch zu deinem liebevollen Freund. Ich meine, er ist dir doch so wichtig, dass du ihn nicht verlassen willst?“, stichelte Ginny erneut, und Hermine seufzte auf. Nein, sie wollte nicht mehr Zeit als nötig mit Cormac verbringen.

 

„Ich habe gesagt, ich werde es beenden“, versprach Hermine erneut mit Nachdruck. Ginny schenkte ihr ein Zwinkern.

 

„Dann geh duschen, und vielleicht bekommst du noch den Rest von Rons schlüpfrigen Eskapaden mit“, ergänzte sie einigermaßen angewidert, und Hermines Mundwinkel sanken bitte.

 

„Super“, entfuhr es ihr, und sie konnte sich gleichzeitig tausend bessere Sachen vorstellen, als mit ihrem Exfreund in der Küche zu sitzen. Vom Regen in die Traufe.

Unfassbar….

 

 

6. bad day

 

Sie war spät wieder gekommen, hatte zu viel Wein bei Harry und Ginny getrunken, aber anders hätte sie Rons rumänische Sexgeschichten nicht ausgehalten, nachdem sie ihm versichert hatte, es mache ihr rein gar nichts aus, dass er von seinen Eskapaden während seines verlängerten Urlaubs erzählte, während dem er Charlie besucht hatte.

Und sie war verdammt früh aufgestanden, um weder Malfoy noch Penelope zu begegnen. Das brauchte sie wirklich nicht. Sie hatte einen Kater, war schlecht gelaunt und hatte die Wohnung wieder verlassen, als der Morgen graute.

 

Sie saß in der Kantine und ihre Augen fielen über dem lauwarmen Tee immer wieder zu. Heute war wieder ein anstrengender Trainingstag. Schutz- und Basisflüche, danach eine kurze Pause, und anschließend war das Freitagsprojekt dran. Die dämliche Gruppenarbeit, auf die sie überhaupt keine Lust hatte. Jetzt erst recht nicht, denn sie arbeitete mit Penelope, Dean und Sheila zusammen. Sie mussten eine Abhandlung über den Stuporfluch ausarbeiten und seine Anwendung in unterschiedlichen Stärkegraden demonstrieren. Der Stupor war der Hauptfluch der Einheit. Er wurde nicht nur zum Schocken, sondern auch zum Erstarren und Lähmen genutzt, aber in geringster Dosis. Es war schwierig zu erlernen, und am liebsten würde sie alleine arbeiten.

 

Sie merkte gar nicht, wie Dean näherkam. Erst als er vor ihr stehen blieb, hob sie den Blick. „Oh hey“, begrüßte sie ihn, und Dean hatte selber erst spät mit der Ausbildung angefangen. Nach dem Krieg hatte er Zeit mit seinen Eltern verbracht, hatte sogar ein Muggelleben geführt, eine Freundin gehabt, Teilzeit auf irgendwelchen Baustellen gearbeitet, aber letztlich hatte er Magie doch vermisst, hatte den Krieg irgendwann überwunden oder zumindest ein wenig verarbeitet. Es ging ihnen allen ähnlich. Manchmal wachte sie auf, nicht sicher, wo sie war und ob der Schrecken schon ein Ende genommen hatte, oder ob es alles nur ein Traum gewesen war.

 

„Hey, Du bist früh. Müde?“, kommentierte er ihr entsprechend unfreiwilliges Gähnen mit einem Grinsen, und sie ruckte mit dem Kopf, als er sich mit seinem Tee neben sie setzte.

 

„Mh“, machte sie nur. Das nächste unerwünschte Subjekt bahnte sich seinen Weg zu ihr. Ihre Laune verschlechterte sich. Dean sah ihm auch skeptisch entgegen.

 

„Granger“, begrüßte Billy Cage sie mit einem schmierigen Ausdruck im Gesicht, anders konnte sie es nicht beschreiben. Sie kannte ihn nicht wirklich. Nicht gut. Sie wusste, er war ebenfalls Reinblüter, ebenfalls vermögend, und Cage qualifizierte sich für den Begabtenschein, denn sein Patronus war der Löwe. Hermine fand es eine Ungerechtigkeit des Schicksals, dass sie selber, als kluge Hexe, keiner Begabtengruppe angehörte. Dann wiederum war es nur der dämliche Animagus-Schein, und zur Not würde sie eben ein Otter werden – oder einfach gar nichts. Unterm Strich war es egal, dachte sie missmutig.

 

„Cage“, erwiderte sie grimmig, denn er konnte nur aus einem Grund hier sein.

 

„Penny auch hier?“, wollte er wissen, und Hermine enttäuschte ihn sehr gerne.


„Siehst du sie?“, fragte sie eindeutig herausfordernd, und sie sah, wie sich sein Kiefer gereizt bewegte.

 

„Sag ihr, sie soll mich in der Pause finden“, befahl er, wie es nur ein Arschloch konnte.

 

„Weißt du was?“, schlug sie ihm beinahe munter vor. „Ich bin nicht dein Diener. Sag’s ihr selbst, ok?“ Wahrscheinlich ging es um das wöchentliche Date der Schande. Aber Date konnte man es nicht nennen. Cage kam zu ihnen, aß all ihr Essen auf, nur um für zwanzig Minuten mit Penelope in ihrem Zimmer zu verschwinden. Und sie wusste, sie hätte sich rauszuhalten, aber sie war immer noch sauer auf ihre Mitbewohnerin. Und auf Malfoy. Und auf Cage. Grundsätzlich. „Außerdem glaube ich ganz stark, dass du abgeschrieben bist, Cage“, ergänzte sie ohne Scheu und Scham. Seine Augenbraue hob sich auf so nachsichtige Weise, dass sie kotzen könnte. Er sah gut aus, sicher. Die meisten AIT sahen nicht schlecht aus. Es ging wohl mit der Ausbildung und schlichten Selbstüberschätzung einher, dachte sie bitter. „Du hast es bestimmt noch nicht gehört“, fuhr sie dann fort, „aber Malfoy ist bei uns eingezogen.“ Jetzt hob sogar Dean den Blick, den dieses Gespräch wahrlich nicht interessiert hatte. Dean hatte sein eigenes Problem mit Sheila. Die Gruppenarbeit würde heute wieder unangenehm werden, nahm Hermine an. Aus vielen Gründen. Cage sah sie entgeistert an.


„Malfoy?“, wiederholte er ungläubig. „Was willst du damit sagen?“ Tatsächlich vergaß er, großkotzig zu tun und wirkte ehrlich verwirrt. Wahrscheinlich war Malfoy tatsächlich Konkurrenz in seinen Augen, obwohl es Hermine in den Fingern juckte, Cage nach seiner eigentlich sexuellen Orientierung zu fragen, einfach nur, um ihn zu nerven.

 

„Dass Penelope so großes Mitleid mit ihm hatte, dass sie ihn in unsere WG geholt hat. Und so wie es aussieht, werden deine Dienste nicht mehr gebraucht, Billy“, benutzte sie seinen Vornamen, und der dunkelblonde Mann vor ihr wirkte minimal mörderisch.

 

„Gut zu wissen“, bemerkte er dann und machte Kehrt, ohne irgendeine Verabschiedung.

 

„Das war… mutig von dir“, bemerkte Dean schließlich, als Cage außer Hörweite war. Für einen Moment beschlich sie das schlechte Gewissen, aber es verschwand schnell wieder.

 

„Es ist nicht mein Problem“, tat sie die Sache ab. Und Recht hatte sie auch noch. Dann bekäme Malfoy eben Ärger. Dann wäre es Stress für Penelope. Das war das Mindeste, was Hermine als Wiedergutmachung für sich beanspruchen konnte. Und dann legte Dean den Kopf angewidert schräg.

 

„Du wohnst mit einem Slytherin zusammen?“, entkam es ihm kopfschüttelnd, und Hermine musste fast lächeln. Denn ja, immerhin verstand Dean. Dean kannte Malfoy genauso lange wie sie, auf dieselbe Art und Weise. Und es war angenehm, ein gemeinsames Feindbild zu haben, egal, wie unpassend und überholt es war.

 

„Mh“, machte Hermine unglücklich. Dann aber änderte sich Deans Ausdruck in einen überaus gereizten.

 

„Und Malfoy ist einen Tag da und bekommt Penny? Wie ist das fair bitteschön?“, erkundigte sich Dean verständnislos, und Hermine verzog den Mund. Auch Penelope sah gut aus, und sie wusste, die Jungen hatten bereits allesamt versucht, bei ihr zu landen. Es war keine wirkliche Konkurrenz zwischen ihnen, aber Hermine fiel es auf. Sie hatte keine Einladung zu irgendeinem Date bekommen. Von keinem. Und sie zählte Malfoy nicht. Und Cormac erst recht nicht. Es war ein unglücklicher Zufall gewesen, der nicht enden wollte.

 

„Hör mir auf“, warnte Hermine ihn dunkel, denn sie wollte keine Lobeshymnen mehr auf Penelope Clarke hören.

 

„Mein Beileid“, erwiderte Dean mitfühlend.

 

Sie hoffte einfach, Malfoys Tag wäre genauso beschissen wie ihrer. Sie wünschte es ihm.

 

~*~

 

Gähnend verstaute er seinen ungesunden, aber höchst effektiven Bertie Botts Koffein Aufwecker in der anstrengend bunten Flasche in seinem Spind, denn bis mittags wäre er hinüber, nahm er finster an.

Als er die Tür zuschlug, wäre er fast zusammen gefahren, denn ihn hatte er weder erwartet, noch kommen hören.

 

„Schlecht geschlafen?“, vernahm er Cages gefährlich ruhige Stimme, und überaus ungeduldig fiel sein Blick auf den mäßig aggressiven Mann, der vor ihm stand. Er war etwas niedriger als er, machte die fehlende Größe aber mit Muskelmasse garantiert wieder wett.

 

„Was willst du von mir?“, kürzte er es ab, denn er hoffte noch darauf, einen Tee in der Kantine zu bekommen. Er vermisste seinen Anzug, vermisste die Förmlichkeit einer gewöhnlichen Büroarbeit, denn jetzt im magisch vollbeheizten Spandexanzug vor die Aussicht gestellt zu sein, physisch aktiv zu werden, graute ihm maßlos.

 

„Du warst gestern bei Penny?“, fragte Cage ihn, und alle Warnsignale waren vorhanden. Der flache Atem, die geballten Fäuste, das Zuschlag-Potenzial in Cages finsterem Blick. Draco entgingen alle diese Dinge jedoch, und verhalten gähnte er erneut in die Hand, was Cage scheinbar noch wütender machte.

 

„Ja?“, entkam es Draco beinahe verständnislos.

 

„Hast du sie angerührt?“, folgte die nächste Frage, und scheinbar gewann dieses Gespräch die Aufmerksamkeit aller restlichen Versammelten, hier im Korridor der Umkleiden. Verschiedene junge Männer reckten die Köpfe höher, Frauen hörten sogar auf zu reden, und Draco begriff, dass er der falschen Person das falsche gesagt hatte. Anscheinend – er ging mittlerweile davon aus – war Penny vergeben, oder zumindest… schien Cage ihre Zeit zu beanspruchen. Auf welche auch immer. Und Draco wog ernsthaft ab, ob es helfen würde, Cage zu sagen, dass er nicht mit ihr geschlafen hatte – denn nach Grangers Auftritt gestern, war er nicht mehr in der Stimmung gewesen.

 

Niemals hätte er angenommen, dass die Kriegsheldin in einer schmierigen WG wohnen würde! Mit ausgerechnet dieser Hexe, die sich ihm angenehm offensichtlich an den Hals geworfen hatte. Und Draco war begeistert gewesen, dass wenigstens dieses Mädchen kein Werben, keinen guten Grund brauchte, um ihn an sich zu ziehen. Kaum hatte er gestern die Wohnung betreten, festgestellt, wie kurz Penelopes Kleid gewesen war, hatte sie ihn auch schon in ihr Zimmer gezogen, hatte ihn geküsst, und er hatte das Gefühl gehabt, dass zumindest dieser Abend in Ordnung verlief.

 

Dann hatte Granger ihren hysterischen Auftritt gehabt – Draco war davon ausgegangen, Penelope lebte allein und hatte ein Zimmer frei. Es wäre eine gemütliche Sexbeziehung geworden. Aber irgendwie war er nach Grangers Abgang nicht mehr in der Stimmung gewesen. Penelope hatte es ihm denkbar übel genommen, aber irgendwann weit nach Mitternacht war er dann auf dem freien Bett eingeschlafen. Er hatte nicht mal Laken oder Bettwäsche, denn darauf war er gestern bei seinem abrupten Auszug aus dem Apartment nicht gekommen. Also hatte er auf dem nackten Bett geschlafen und sich dafür verflucht, mit seinem Schwanz zu denken.

 

Er nahm an, Cage würden diese gedanklichen Abhandlung eher weniger interessieren – und er behielt recht, denn scheinbar hatte er zu lange die Klappe gehalten.

 

„Arschloch!“, entfuhr es Cage zornig, und bevor Draco seine müden Fäuste hatte heben können, traf ihn der unfassbar harte Schlag direkt zwischen die Augen. Wo war Harry Potter, wenn man ihn verdammt noch mal brauchte?! Draco presste sich die Hand vors Gesicht, denn Tränen schossen in seine Augen und er spürte das warme Blut, das aus seiner Nase floss. Absoluter Ekel überkam ihn. Er hatte sich noch nie in seinem gesamten Leben geprügelt, kaum mehr als die kindischen Auseinandersetzungen in der Schule verlebt, und im Krieg hatte er auf einer sehr gemütlichen Seite gestanden. Dann wiederum fiel ihm ein, dass Granger selbst ihm im dritten Jahr einen Kinnhaken verpasst hatte. Aber das konnte er wohl kaum als Kampferfahrung zählen…?

 

„Na los!“, forderte Cage ihn tatsächlich auf, und fluchend blinzelte Draco. Was? Das war es noch nicht? Dieser Vollidiot wollte ernsthaft weiter machen? Reichte das nicht dafür, dass er seine Freundin geküsst hatte – oder was auch immer Penelope war? Draco wusste, es war ein Kräftemessen, aber er war zu müde, zu erschöpft, er hatte keine Lust. „Was ist, Pfauenfeder? Können Todesser nicht zuschlagen?“

 

Draco hatte nicht mal Lust, auf die Beleidigung anzuspringen. Langsam aber sicher beschlich ihn das Ausmaß des Fehlers, den er begangen hatte, als er gekündigt hatte. Mit seinem Vater hatte er Streit, so auch mit Blaise. Und anscheinend mit diesem Pfosten vor ihm ebenfalls. Es wäre so viel einfacher, könnte Draco ihn einfach in die Brust schocken. Sein Zauberstab lag direkt neben ihm. Aber er nahm an, es wurde erwartet, dass er die sinnlose physische Gewalt aufrechterhielt. Blut strömte über sein Gesicht, als er seine Hand zurückzog.

Er hasste diese Ausbildung. Alle warteten gespannt, schienen auf seine Reaktion zu warten, und er spuckte angewidert das Blut auf den Boden, was in seinen Mund lief.

 

So viel zu seinem geplanten Tee. Cage wartete, beinahe gierig. Der Typ hatte ein verdammtes Scheißproblem.

 

„Verteidige dich, du scheiß Schlappschwanz!“, drohte Cage jetzt genervt, und Draco wusste, er wäre unterlegen. Cage schien regelmäßig über das erforderliche Maß hinaus zu trainieren. Hinter seinem Schlag hatte immense Kraft gelegen, und eigentlich würde sich Draco gerne hinlegen.

 

„Du bist es nicht wert“, sagte Draco rau, absolut angewidert, und das schien Cage rasend zu machen.

 

„Was? Ist das dein scheiß ernst? Denkst du, du wärst besser als ich?“, fuhr er ihn zornig an, und Draco hätte das sehr gerne bestätigt. Hundertmal. „Scheiß Wichser!“, fuhr Cgae fort, griff in Dracos Uniform, stieß ihn hart gegen die geschlossenen Spinde, und mit einem inneren Aufstöhnen reagierte Draco schließlich, schubste Cage grob von sich, und dieser rutschte auf Dracos schmaler Blutlache aus, stieß einen überraschten Laut aus, bevor er mit ungünstiger Wucht mit dem Hinterkopf auf den Boden schlug.

 

Cage war sofort bewusstlos, was dankenswerter Weise immerhin diese Situation beendete. Überraschende Erleichterung überkam Draco augenblicklich,

 

Aber es war nicht sein Glückstag.

 

„Was ist hier los?“

 

Der Mann, den er am ersten Tag im Equipment-Raum gesehen hatte, schob sich durch die gaffenden Auroren. Caine. Den Vornamen wusste Draco nicht mehr. „Was treibst du hier?“, wollte der Trainer von ihm wissen, als hätte Draco angefangen! Entrüstet öffnete sich Dracos Mund, aber Caine ging auf die Knie, untersuchte den Vollidioten am Boden. „Der wird eine Gehirnerschütterung haben!“, fuhr er ihn an.

 

Er bekam allerdings unerwartet Rückendeckung. „Cage hat angefangen, Sir“, informierte ein anderer Junge den Trainer.

 

„Das ist mir scheiß egal!“, blaffte Caine sofort. „Es gibt hier keine Schlägereien. Wie oft muss ich es sagen? Es wird Konsequenzen haben. Irgendwer heilt Malfoy, und dann erwarte ich euch in der Halle!“, knurrte er. Caine ließ Cage schweben und verschwand mit ihm um die nächste Ecke. Super. Draco nahm an, sie würden gleich bei diesem Typen Training haben. Der schwarze Junge kam zu ihm. Vage ordnete Draco ihn Cages Gruppe zu. Er zog den Zauberstab, und Draco hasste hier sowieso alle, denn das hier hätte sehr leicht vermieden werden können – wahrscheinlich in erster Linie durch ihn, aber er war sauer.

 

„Ich kann das selbst“, sagte er schroff, aber der Junge schenkte ihm ein schmales Lächeln.

 

„Schon klar“, bemerkte er, heilte ihn stumm, und die gebrochene Nase fand mühelos ihren vorherigen Platz. Der Blutfluss hörte auf, und Draco griff sich schmerzerfüllt in sein Gesicht. Er angelte sich seinen Zauberstab und reinigte sein Gesicht und seine Uniform behelfsmäßig, verpasste sich noch eine Linderung und konnte endlich wieder die Augen normal öffnen. Sein Gesicht blieb weiterhin etwas geschwollen, wie er im Spiegel feststellte, und unter seinen Augen färbten sich bereits lila Schatten. „Sam“, stellte sich der Junge vor. „Sam Black“, ergänzte er, und Dracos gereizter Blick verließ sein eigenes unzulängliches Spiegelbild, bevor sich eine steile Falte auf seiner Stirn bildete. „Ja“, bestätigte der Junge seine unausgesprochenen Worte. „Wir sind verwandt. Aber so weitläufig, dass wir es fast nicht mehr sind“, ergänzte er. Draco nickte unverbindlich. Die Black-Familie umfasste weite Generationen. „Billy ist ein Arsch“, sagte Sam schließlich.

 

„Ihr seid befreundet, oder nicht?“, entfuhr es Draco missmutig.

 

„Na ja, es gibt eine beliebte Gruppe in jedem Jahrgang, und besser man gehört dazu, nicht wahr?“, bemerkte Sam mit einem schiefen Lächeln, und Draco verzog den Mund.

 

„Kenne ich mich nicht wirklich mit aus“, gab er knapp zurück, denn er musste nichts beschönigen. Für niemanden.

 

„Du warst auf Hogwarts“, erwiderte der Junge, als wäre das irgendeine Ausrede für irgendwas.

 

„In Slytherin, als Sohn von Todessern, in Zeiten des Kriegs“, schloss er dumpf.

 

„Ja, ich weiß, wer du bist“, erwiderte Sam nickend. „Jeder weiß, wer du bist“, ergänzte er eindeutig, und Draco hasste diese Worte. Ja, jeder hier wusste es. Jeder hier hasste ihn dafür.

 

„Super“, bemerkte Draco bitter, beschloss aber das Thema zu wechseln, denn Freunde waren für ihn selten gesät, und er war dankbar über jedes Wort, das an ihn gerichtet wurde, das keine Beleidigung war. „Wo warst du?“

 

„Magische Gemeinschule in London“, antwortete Sam. Draco nickte. Er kannte nicht wirklich Leute, die nicht nach Hogwarts gegangen waren. Sicher, es war eine Privatschule und nicht jeder konnte dorthin, aber… wirklich Gedanken hatte er sich nie darüber gemacht. „Dein Animagus ist wirklich cool“, ergänzte Sam dann. „Können wir bei dir wirklich einen Seltenheitsschein machen?“ Draco war klar gewesen, dass er alleine auf seinen dämlichen Animagus reduziert werden würde, aber Sam schien wirklich überzeugt zu sein.

 

„Keine Ahnung, wie das Ministerium bewerkstelligen will, dass ich das ‚darf‘, aber zeigen, wie es geht, werde ich können“, schloss er achselzuckend. „Ob jemand es schafft – mal sehen.“

„Ach, die werden dir irgendeinen Wisch ausstellen, dich ernennen und befähigen – kein Problem. Ich will auf jeden Fall wechseln“, ergänzte Sam entschlossen, und gemeinsam gingen sie zum Trainingsraum. Draco fühlte sich matt und erschlagen.

 

„Was ist dein Patronus?“, erwiderte Draco, mäßig gelangweilt, aber es war nett, nicht dumm von der Seite angemacht zu werden.

 

„Panther“, erwiderte Sam, und Draco hob den Blick.

 

„Würde ich niemals wechseln wollen“, entkam es ihm kopfschüttelnd. Sam lächelte knapp.

 

„Es ist ganz cool, ja. Aber es ermöglicht mir… keine Absicherung. Falls diese Ausbildung nicht hinhaut. Ich interessiere mich für Zauberstabkunde. Und mit einem Seltenheitsschein könnte ich zwei, vielleicht sogar drei Jahre verkürzen“, sagte er dann.

 

„Den Schein zu machen wird euch garantiert ein oder zwei Jahre kosten“, merkte Draco an, der gerade so mit seinen drei Jahren hingekommen war. Allerdings war er auch mäßig faul gewesen, und die Donnervögel hatten sich äußerst ungerne studieren lassen. Das schien Sam einen Dämpfer zu verpassen.

 

„Meinst du?“, entkam es ihm verunsichert. Draco ruckte mit dem Kopf. „Egal. Ich hätte was in der Rückhand, sofern es klappt. Und wenn Zauberstabkunde nichts ist, dann hätte ich auch die Möglichkeit ins Magiterenär-Studium zu rutschen.“

 

„Wenn du so wenig Lust auf die Auroren-Ausbildung hast, wieso machst du es dann überhaupt?“, wollte Draco ehrlich entgeistert wissen, aber Sam ruckte den Kopf.

 

„Ich will es machen, aber… ich weiß nicht, ob ich es mental packe, Leute zu jagen, zu verfluchen – ständig fit zu sein. Ich wollte es machen, weil Harry Potter hier ist“, ergänzte er vielsagend.

 

„Jaah“, bestätigte Draco, dem ebenfalls das Idol Potter im Kopf umher geisterte. „Du bist Reinblut?“, erkundigte sich Draco, denn Sams Nachname suggerierte das.

 

„Nein“, widersprach er grinsend. „Nur mein Vater, und deshalb wurde er verstoßen, als er eine Muggel geheiratet hat.“ Dracos Augen weiteten sich.


„Oh“, sagte er, wenig intelligent.

 

„Kein Problem. Die Familie scheint mir sowieso einen an der Waffel zu haben. Sorry“, ergänzte er lächelnd.

 

„Kein Ding, meine Tante war absolut krank. Meine Mutter ist… auch nicht normal. Und der Rest… ist wahnsinnig“, schloss er nachdenklich.

 

„Du bist korrekt, Malfoy“, sagte Sam achselzuckend.

 

„Aber nicht beliebt“, erinnerte Draco ihn stirnrunzelnd, aber Sam winkte ab.

 

„Die Mädchen stehen auf deinen Donnervogel. So wie ich es sehe, hast du Penelope bekommen – nach einem Tag. Ich denke, die Dynamik hat sich verändert, und Cage wurde einigermaßen öffentlich vom Thron gestoßen“, schloss er grinsend.

 

„Ich habe überhaupt nicht vor-“

 

„-verstehe“, unterbrach Sam ihn zwinkernd. „Beliebtheit kommt und geht. Und bevor dich alle belagern, hoffe ich, du machst mit mir das Projekt.“

 

„Welches Projekt?“, wollte er müßig wissen.


„Praktische Anwendung der Trankherstellung im Notfall“, erläuterte Sam und verdrehte die Augen. Draco verzog den Mund.

 

„Klingt spannend“, entfuhr es ihm trocken.

 

„Ja, ist es nicht“, bestätigte Sam nickend. „Erzähl mir von Penelope“, wechselte er das Thema, und Draco hatte wirklich nichts zu berichten.

 

„Ich bin lediglich bei ihr eingezogen, weil-“


„-du bist was?“, unterbrach Sam ihn mit großen Augen. „Alter! Das ist wohl der selbstbewussteste Move, den ich kenne!“, entkam es ihm anerkennend.

 

„Es war nicht-, ich habe nicht-“

 

„-natürlich nicht“, warf Sam mit erhobenen Augenbrauen ein. „Rein altruistische Gedanken?“, erkundigte er sich, und Draco verdrehte die Augen.

 

„Nein, wahrscheinlich nicht“, räumte er jetzt zerknirscht ein. Er hasste, wenn Blaise recht hatte, und er, Draco, mit seinem verdammten Schwanz dachte.

Wirklich dumm.

 

„Wohnt Granger nicht auch in der WG?“, wollte Sam beinahe vorsichtig wissen. Dracos Mundwinkel sanken. Das hatte er nicht gewusst, nicht geahnt – und niemals hätte er sich mit Blaise gestritten, hätte er über diese entscheidende Information verfügt.


„Mhm“, machte Draco missmutig.

 

„Das ist einfach nur der Jackpot, Malfoy.“

 

„Nicht wirklich“, brummte er entnervt, und wollte, dass dieser Tag einfach vorüber ging.

 

 

7. deals

 

Es war ungefähr so angespannt, wie freitags bei seinen Eltern, stellte er erschöpft fest. Er hatte sich noch keine Gedanken gemacht, wie es erst mal weiter ging. Provisorisch hatte er seine Kisten in das freie Zimmer gestapelt, nicht willig, auszupacken, und war gerade von seiner Erkundungsrunde um den Block wieder zurück. (Vielleicht wären ja einige leerstehende Wohnungen ausgewiesen gewesen.) Er schloss die Wohnungstür hinter sich, und Penelope ignorierte ihn, während sie in der angrenzenden, offenen Küche irgendetwas warm machte. Es roch nicht sonderlich gehaltvoll. Er war vollkommen hinüber, sein Gesicht schmerzte, und er hatte auch noch Ärger von Shacklebolt persönlich bekommen.

 

Dabei hatte er absolut nichts falsch gemacht! Rein gar nichts. Er hatte keinen der Schutzzauber auf die Reihe bekommen, und er musste dringend lernen. Er sank auf die Couch, lehnte den Kopf zurück, aber schon öffnete sich die Wohnungstür erneut. Granger.

Sie war schon umgezogen, und er sollte sich angewöhnen, sich ebenfalls im Ministerium umzuziehen, sonst könnte er sich selber um die Reinigung seiner dummen Uniform kümmern. Mist. Aber er war zu faul gewesen heute.

 

„Wir haben zwei Möglichkeiten“, eröffnete Granger ihm, ohne Begrüßung, ohne irgendein freundliches Wort. Sie ging sofort in die Offensive, wirkte einigermaßen gestresst, absolut nicht entspannt, und warf ihre prall gefüllte Umhängetasche achtlos vor die Couch. Es befanden sich garantiert dreihundert Bücher im Innern, nahm er an. Es war auf Hogwarts nicht anders gewesen, erinnerte er sich. Er hatte sie nirgendwo ohne ein Buch gesehen.

 

„Aha“, machte er müde, atmete aus und setzte sich aufrecht hin. Der Tag war also noch nicht vorbei. Ihr Blick blieb kurz an seinem Gesicht hängen, und er nahm an, seine Auseinandersetzung von heute Morgen hatte die Runde gemacht, denn übermäßig überrascht sah sie nicht aus.

 

„Entweder du ziehst aus, oder ich ziehe aus“, schloss sie knapp. Er hatte keine Lust, sich zu streiten – sich überhaupt anzulegen.

 

„Ich ziehe aus“, erwiderte er tonlos. Sie wirkte nicht sonderlich zufrieden über seine Worte.

 

„Nein, ich werde ich ausziehen“, schien sie ihn zu korrigieren. Seine Augenbraue hob sich verwirrt.

 

„Du musst nicht-“

 

„-ich werde es aber!“, beteuerte sie.

 

„Du hast gerade-“

 

„-meinetwegen kannst du auch ausziehen, aber ich werde es ebenfalls tun“, informierte sie ihn rigoros.

 

„Ist mir beides Recht“, knurrte Penelope vom Küchentresen aus, aber Draco ignorierte sie.

 

„Zwei Etagen tiefer wird ein Zimmer frei“, schien sie ihm zu offenbaren, war anscheinend selber nicht interessiert. „Aber es ist auch eine reine Mädchen-WG“, sagte sie dann, beinahe mahnend.

 

„Heißt was?“, entkam es ihm grimmig, denn er würde ihre unausgesprochene Beleidigung nicht hinnehmen.

 

„Dass du dir vielleicht überlegen solltest, deinen Penis in deiner Hose zu behalten, solltest du mit zwei Mädchen zusammen wohnen.“ Er sah sie abwartend an. Sie schien die Worte ernstzumeinen.

 

„Mein Penis geht dich absolut gar nichts an, Granger“, machte er es deutlich, und trotz ihres tapferen Gryffindorblicks wurde sie rot unter seinen Worten. „Und nebenbei bemerkt – ich wusste nicht, dass du hier wohnst, ok? Ich wäre garantiert nicht eingezogen, hätte ich das gewusst!“, entfuhr es ihm wütend. Und kurz runzelte sich ihre Stirn.

 

„Ach nein?“, wollte sie dann wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum das nicht, Malfoy?“ Kurz öffnete sich sein Mund und er haderte mit der Antwort. Warum nicht? Weil sie ihn hatte abblitzen lassen. Weil sie gestritten hatten. Weil sein Abgang unterirdisch gewesen war. Weil… es unangenehm war. Ganz einfach. Und wieder einmal heute schien er zu lange zu zögern. „Weil ich nicht sofort mit dir in die Kiste steigen will?“, vermutete sie schließlich, fixierte ihn, und er atmete erschöpft aus. „Oder ist es auf einmal unangenehm? Realisierst du auf einmal, dass ich Hermine Granger bin? Muggelgeboren, aus Gryffindor?“

 

„Was?“, entkam es ihm tatsächlich überrascht. „Ich – so denke ich nicht. Nicht…-mehr“, sagte er abwehrend. Denn, ja. Ja, verdammt. Er erinnerte sich an damals. „Ich hätte mich wohl kaum für dich interessiert, wäre das immer noch ein Problem für mich, oder?“, wollte er wissen und verzog kurz den Mund bei seiner Wortwahl.

 

„Gut, dass du es nicht vergessen hast“, sprang sie sofort darauf an. Sofort öffnete sich sein Mund im Protest, aber sie wurden unterbrochen.

 

„Moment“, mischte sich Penelope ein und war näher gekommen. „Was soll das heißen, du hast dich für sie interessiert?“ Eifersucht. Penelope klang minimal eifersüchtig und fixierte ausschließlich ihn. Wieder öffnete sich sein Mund sinnlos.

 

„Ahem…“, machte er. „Das war… vorher. Bevor-“

 

„-bevor was?“, wollte Penelope eisig wissen. Grangers Blick fiel sehr spontan auf den Fußboden, und sie schien ihn nicht erretten zu wollen. „Du wolltest Hermine?“, fragte sie ihn direkt, und ganz so eindeutig würde er es nicht formulieren.

 

„Wir…- ich…- nein“, entschied er zu sagen. So unverfänglich er es zustande brachte. Grangers Blick hob sich langsam wieder. „Merlin, es war… nichts weiter“, rechtfertige er sich gereizt. „Außerdem brauchst du gar nicht erst so tun, als wäre das ein Problem“, ergänzte er bitter. „Du bist genauso vergeben wie Granger“, knurrte er zornig.

 

„Ich bin nicht vergeben!“, blaffte Penelope sofort. „Und ich denke, du hättest das mit Billy anders lösen können!“, fuhr sie ihn an, verstand anscheinend, worauf er hinaus wollte, und er fand es unfassbar. „Er muss seine Gehirnerschütterung zwei Tage auskurieren!“, ergänzte sie kopfschüttelnd.

 

„Dieses Arschloch hat mich angegriffen! Ich habe überhaupt nichts getan!“, fuhr er sie an. Ja, er machte Fehler. Einen nach dem anderen. Und Penelope wirkte nicht zufrieden, nicht begeistert, aber er war ebenfalls sauer. Es klopfte erneut, und vielleicht war es die Mädchen-WG von unten, die ihn retten wollte. Granger wandte sich seufzend ab, um zu öffnen, und überrascht hob sich sein Blick.

 

„Hey“, sagte Lara dann ein wenig verstört, als sie der Szene gewahr wurde. „Ist Draco zu sprechen?“, fragte sie Granger dann, und mit einem sehr eindeutigen Blick wandte sich Granger um, um ihn anzusehen. Kurz hasste er ihren Blick. Kurz würde er ihr gerne versichern, dass auch dieses Mädchen ihn abgewiesen hatte, aber es war erbärmlich genug, ohne sein dazutun. Er erhob sich, einigermaßen dankbar aus dem Kreuzfeuer raus zu kommen.

 

„Frag ihn selbst“, erwiderte Granger lächelnd.

 

„Danke, Hermine“, entgegnete Lara freundlich und nickte Granger zu, ehe sie sich an ihn wandte. „Würdest du… auf den Flur mitkommen?“ Und Draco nahm an, er wurde entlassen – oder etwas ähnliches, weswegen Vorgesetzte zu ihm kamen.

 

„Sicher“, erwiderte er, unsicher, fast schon unwillig. Er folgte Lara nach draußen, zog die Tür hinter sich zu, und Lara betrachtete sein Gesicht.

 

„Das… sieht übel aus“, stellte sie tatsächlich mitleidig fest. Kurz dachte er nach, bevor er resignierend ausatmete.

 

„Jaah, ich… habe keine gute Erklärung dafür, also lasse ich es besser“, bemerkte er erschöpft.

 

„Ok“, erwiderte sie mit einem schmalen Lächeln.

 

„Gibt es Probleme?“, wollte er ohne Umschweife wissen, denn wenn er entlassen war, dann sollte sie es kurz und schmerzlos machen.

 

„Probleme? Das… weiß ich nicht. Es sieht so aus, wenn ich dich ansehe, aber… deshalb bin ich nicht hier, Draco.“ Er runzelte verblüfft die Stirn. „Ich wollte dir lediglich sagen - ich habe es mir anders überlegt“, fuhr sie fort. „Wenn du mit mir ausgehen willst – ich wäre heute Abend frei. Gegebenenfalls auch morgen Abend, sofern du noch einen Tag brauchst, um dich von deinen Kriegsverletzungen zu erholen“, bemerkte sie spöttisch und nickte seiner Nase zu. Es war überraschend. Er war sich nicht sicher, was gerade passiert – oder warum. Und er sollte nein sagen. Das war es, was er dachte, aber er tat es nicht.

 

„Woher weißt du, wo ich wohne?“, entkam ihm eine plötzliche Frage, und ihr Blick fiel knapp.

 

„Ich habe mich umgehört“, bemerkte sie achselzuckend.

 

„Man redet über mich?“, erkundigte er sich beinahe beiläufig.

 

„Die ganze Einheit redet über dich“, bestätigte sie. „Und deine Performance gestern war über alle Maße eindrucksvoll“, ergänzte sie mit warmem Blick. Performance. Zirkusnummer. Er war eine Attraktion. Nicht viel mehr als das. Und seltsamerweise schien ihm sein Animagus tatsächlich zu helfen, Frauen klarzumachen. Nicht alle. Nicht wirklich. Aber bei dieser schien es zu funktionieren. Sollte man ihn hängen dafür. Und sein Schwanz antwortete ihr.

 

„Morgen wäre besser. Dann… bin ich leistungsfähiger“, ergänzte er entschuldigend.

 

„Was genau denkst du, wirst du leisten müssen, Draco Malfoy?“, wollte sie kopfschüttelnd wissen. „Es ist nur ein Date“, ergänzte sie warnend, aber er lächelte daraufhin. Warum nicht alles auf eine scheiß Karte setzen? Er hatte nichts zu verlieren.

 

„Das werden wir sehen, Banks“, erwiderte er, und sie lächelte ebenfalls.

 

„Du bist unfassbar arrogant“, stellte sie atemlos fest. Sein Lächeln vertiefte sich und sie ging auf die Zehenspitzen, um einen Kuss auf seine Wange zu hauchen. Er selber fand sich kaum arrogant, aber wenn sie das gerne so hätte, und er dafür sogar Küsse bekam – dann bitte! „Morgen dann. Achtzehn Uhr, Drei Besen. Hogsmeade ist nicht so überlaufen mit Auroren“, verabschiedete sie sich, und wieder glaubte er, es wäre besser zu lernen als auszugehen, aber natürlich würde er nicht nein sagen. Nicht zu diesem Mädchen!

 

„Bis morgen“, rief er ihr nach, und dann fiel ihm siedend heiß wieder ein, dass noch ungelöste Probleme im Innern der WG auf ihn warteten. Dumpf hörte er beide Frauen diskutieren, und er nahm an, wenn Dinge schief gingen, dann gingen sie absolut schief. Grangers Idiot bog um die Kurve, um die Lara gerade verschwunden war. Draco verzog knapp den Mund. McLaggen erkannte ihn, näherte sich, und der Ausdruck auf seinem Gesicht war eher ungläubig.

Sinnlos wartete Draco, bis er vor ihm stand.

 

„Malfoy?“, entkam es McLaggen. Dann vertiefte sich der Unglaube auf seinen Zügen. „Was ist mit dir passiert?“

 

„Es – nichts weiter Wichtiges“, wiegelte Draco ab, nicht willig, über seine Niederlagen mit McLaggen zu reden.

 

„O-k? Wolltest… wolltest du rein?“, schien er sich nun prüfend zu vergewissern und fasste ihn strenger ins Auge. Jaah. Das sah jetzt wirklich nicht sonderlich gut für ihn aus. Er dachte angestrengt nach, aber jede mögliche Ausrede brachte noch mehr Fragen mit sich, nahm er an.

 

„Ich… wohne hier, also… ja“, bestätigte er, und McLaggen wirkte kurz verständnislos, sah sich um, als hätte er sich selbst im Gang geirrt, aber dann runzelte er die Stirn erneut.

 

„Hier? Du- seit wann?“, entkam es dem Jungen vor ihm, der ähnlich groß war wie er selbst.

 

„Gestern“, erwiderte er wahrheitsgemäß.

 

„Warum?“, entfuhr es McLaggen, und Draco hörte den Vorwurf, die stille Frage hinter seinen Worten. Vor einer Woche hatte er Granger auf dem Bankett gestalkt, und jetzt wohnte er in ihrer WG. Ja, es sah… etwas merkwürdig aus, ein wenig verdächtig, aber er konnte es erklären. Zwar nicht auf eine Weise, die ihn sonderlich besser aussehen ließ, aber er konnte es erklären.

 

„Wegen Penelope“, erwiderte er lahm, nicht gänzlich überzeugt, denn das Mädchen war verrückt – und brachte ihm nichts als Ärger. Kurz sah er echte Erleichterung auf McLaggens Zügen, aber überzeugt wirkte der Junge noch immer nicht. Draco wollte es nicht weiter erklären. Wirklich nicht. Resignierend öffnete er die Tür erneut, und die Diskussion unterbrach sich.

 

„Was wollte Lara hier?“, entfuhr es Penelope, als hätte sie ein Recht, ihn zu fragen. Sie ignorierte McLaggen, und Granger wurde kurz blasser um die Nase. McLaggen ignorierte Penelope, kam zu Granger, aber auf eine ekelhaft zärtliche Begrüßung wurde wohl verzichtet.

 

„Wollen wir los?“, fragte er sie stiller, und Granger schien Nicken zu wollen, aber Penelope wandte sich um.

 

„Ihr könnt Malfoy direkt mitnehmen“, zischte sie, und Granger verzog angespannt den Mund. Es schien ihr gar nicht mehr recht, dieses Gespräch auch nur im Ansatz fortzusetzen.

 

„Penelope-“, begann er erschöpft.

 

„-du wolltest Hermine, dann wolltest du mich und jetzt steht anscheinend Lara auf der Liste“, fuhr sie ihn ohne Scham und Reue an, und McLaggen fixierte ihn wieder. „Ich habe mich absolut in dir getäuscht!“

 

„Penny, du solltest wirklich-“, begann er wieder warnend, aber Penelope winkte ab.

 

„-du wolltest hier einziehen wegen ihr, nicht wegen mir, oder?“ Draco hatte nicht die geringste Ahnung, was das Problem war – wie Penelope überhaupt darauf kam! Und wieso es überhaupt wichtig war!


„Ich habe schon gesagt, ich wusste nicht, dass sie hier wohnt. Es war… einfach ein Missverständnis, und außerdem-“

 

„-außerdem zieht er wieder aus“, mischte sich Granger eindeutig ein, richtete die Worte an ihn, an McLaggen, aber dieser wirkte gänzlich bedient.

 

„Malfoy hat Interesse an dir?“, erkundigte sich McLaggen schließlich und fixierte seine Freundin näher.

 

„Hat er nicht“, versicherte sie ihm, ohne mit der Wimper zu zucken. „Er brauchte ein Zimmer, Penny hat es ihm angeboten – und alles Weitere sind Probleme zwischen Malfoy und Penny“, schloss sie knapp.

 

„Hermine“, erwiderte McLaggen kopfschüttelnd, aber Granger unterbrach ihn.

 

„Was? Ich sage dir, es gibt kein Problem, also solltest du nicht anfangen, welche zu suchen.“

 

„Hättest du mir erzählt, dass er hier wohnt?“, wollte McLaggen schließlich von ihr wissen, und Draco wusste, es ging weder ihn noch Penelope etwas an, aber beide blieben sie wie angewurzelt stehen und lauschten dem privaten Gespräch. Und sogar Draco wusste die Antwort auf die Frage.

 

„Ich – nein“, erwiderte Granger rigoros, und das… war die falsche Antwort. „Wieso sollte ich?“

 

„Du meldest dich nie, kommst nie bei mir vorbei, schleichst dich auf dem Bankett von mir weg, stehst mit ihm an der Bar – und keine Woche später wohnt er in deiner Wohnung? Und du würdest es mir nicht einmal erzählen?“

 

„Weil es dich nicht betrifft. Und ich habe mich nicht weggeschlichen, Merlin noch mal!“, fuhr sie ihn an.

 

„Hätte ich nicht vor deiner Tür gestanden, wärst du ohne mich gegangen, Hermine“, schien McLaggen sie zu erinnern.

 

„Ich dachte einfach nicht, dass es dich interessiert.“

 

„Ein Abend mit dir? Nein, sicher nicht. Warum sollte es?“, entfuhr es dem Jungen zerknirscht. Granger atmete gereizt aus.

 

„Wollen wir gehen, oder nicht?“, entkam es ihr, gefährlich nahe dran, wütend zu klingen.

 

„Ich denke nicht“, erwiderte McLaggen mit gesenktem Kopf.

 

„Was?“ Sie klang ehrlich verblüfft.

 

„Das ist mir nicht mehr gut genug, Hermine“, offenbarte McLaggen ihr.

 

„Ist das dein Ernst? Weil Malfoy hier ist?“

 

„Nein, Hermine“, fuhr McLaggen sie schließlich an. „Weil du ganz klar kein Interesse an mir oder meinen Gefühlen hast!“, knurrte er. „Du bist nicht über Weasley hinweg, und ganz klar ist irgendetwas mit Malfoy, was du mir nicht erzählen willst!“

 

Und Draco wusste, er hatte den Mund zu halten, hatte überhaupt nichts dazu beizutragen. Aber er war nicht sonderlich gut darin, kluge Entscheidungen zu treffen.

 

„Das hat alles nichts mit ihr zu tun“, hörte er sich sagen, und McLaggens eindeutiger Blick sagte ihm deutlich, dass er besser den Mund zu halten hatte.

 

„Lass es, Malfoy“, warnte ihn der hochgewachsene Mann still.

 

„Du brauchst sie nicht zu bestrafen, nur weil du denkst, dass-“

 

„-ich habe gesagt, du sollst dich raushalten!“, fuhr McLaggen ihn an. Er steuerte dem nächsten thesterongeladenem Showdown entgegen.

 

„Lass ihn in Ruhe, Cormac“, fuhr Granger ihn jetzt an, und McLaggen wandte sich wieder ihr zu.

 

„Keine Sorge, Hermine“, knurrte er. „Du kannst den Rest deiner Zeit liebend gerne mit ihm verbringen, denn ich bin raus!“, schloss er mit ätzendem Blick.

 

„Arschloch“, entkam es Draco kopfschüttelnd. Und McLaggen schien wirklich nur äußerst kurz abzuwägen, bevor er knapp nickte, zu irgendeinem Schluss kam, den Abstand schloss, und erneut bekam Draco eine schmerzhafte Faust ins Gesicht geschlagen. Sterne tanzten vor seinem Fokus, und er taumelte zurück.

 

Beide Frauen schnappten erschrocken nach Luft, aber McLaggen schüttelte fluchend seine Hand, wandte sich mit schnellen Schritten ab, und Draco hörte nur noch, wie die Tür zuschlug. Blind sank er auf die Couch zurück, von der er heute eigentlich nicht mehr hatte aufstehen wollen, und Penelopes Mitleid hielt sich in überschaubaren Grenzen.

 

„Das hat man davon, wenn man zweigleisig fährt“, bemerkte sie giftig, und Draco verzichtete darauf, ihr genau dasselbe vorzuwerfen. Eine Zimmertür knallte ins Schloss, und dann spürte er ein Gewicht neben seinem eigenen.

 

„Lass mich das sehen“, forderte Grangers Stimme ihn auf, aber er presste die Hand vor sein Gesicht.

 

„Ich brauche deine Hilfe nicht“, sagte er, aber sie zog seine Hand von seinem Gesicht. Von irgendwoher hatte sie ihren Zauberstab und er spürte direkt lindernde Kälte und konnte seine Augen wieder öffnen. Ihm fiel auf, dass sie schrecklich blass geworden war. „Tut mir leid, dass dieses Arschloch mit dir Schluss gemacht hat“, schloss er zerknirscht.

 

„Nicht schade drum“, erwiderte sie tatsächlich. „Und… es tut mir auch leid“, räumte sie ein. Er verzog knapp den Mund. Denn er hatte da noch eine Theorie.


„Was genau, Granger? Dass dein Ex mich geschlagen hat, oder dass du mich an Cage verpetzt hast?“ Er tippte auf gut Glück, aber Röte stieg beinahe übergangslos in ihre Wangen. Er hatte es gewusst! Es war ihre Schuld, dass er zweimal aufs Maul bekommen hatte heute. Ihr Blick fiel.


„Das mit Cage“, räumte sie ein, „das war…“

 

„Lass es“, schloss er müde. „Es ist egal. Ich wusste nicht, dass du hier wohnst. Ich hatte nicht vor, dich und Penelope auseinander zu bringen – oder dich und dieses Arschloch“, ergänzte er Richtung Tür. „Lass mich einfach ausziehen“, bat er sie tatsächlich.

 

„Malfoy-“, begann sie, aber er wollte es nicht hören.

 

„-das ist meine Entschuldigung an dich, ok?“, schlug er müde vor. „Gib mir… ein paar Wochen Zeit“, sagte er bloß, denn er hatte noch keine Ahnung, wie er Blaise überzeugen sollte, dass er ihn wieder aufnahm. Die WG unten kam auf keinen Fall in Frage. Auf gar keinen Fall.

 

„Kein Problem“, räumte sie tatsächlich ein, und er lehnte den Kopf zurück. „Ich lass dich allein“, ergänzte sie beschämt, und er wäre sehr dankbar dafür. Er hätte Lara nicht zusagen dürfen. Er hatte keine Ahnung, warum alles so verdammt kompliziert war. Dann kam ihm eine letzte Idee. Ein letzter Fehler, nahm er an, aber solange er in dieser Situation steckte, würde er es ausnutzen.

 

„Granger“, hielt er sie auf, und sie wandte sich ihm zu, „Gib mir Nachhilfe, ehe ich ausziehe. Die nächsten Wochen brauche ich Unterstützung. Nach dem Training. Dann bin ich weg“, versprach er blind, obwohl er keinen Plan hatte, was er tun würde. Sie sah ihn an, etwas in ihrem Blick zeigte ihm, dass sie eine Entscheidung abwog.

 

„Abgemacht“, sagte sie. „Wenn ich Privatunterricht von dir bekomme“, schlug sie ihm den nächsten Handel vor, wesentlich schneller und abgeklärter, als er erwartet hätte.

 

„Privatunterricht?“, entkam es ihm stirnrunzelnd.

 

„Ich will den Begabtenschein und ein Seltenheitszertifikat.“ Sie klang nicht so, als wolle sie darüber großartig verhandeln.

 

„Du bist im ersten Jahr“, erwiderte er.

 

„Ich bin ein kluges Mädchen“, versprach sie ihm übergangslos.

 

„Das ist sehr viel Aufwand. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe.“

 

„Dann gib dein Bestes“, schlug sie ihm achselzuckend vor. Er atmete lange aus.

 

„Ok“, gab er nach, und wusste, es war der nächste Fehler. Es kaufte ihm immerhin noch ein paar Wochen Zeit, bis er ausziehen würde.

 

 

8. the mistake

 

Sie sah unglaublich aus, fand er. Sie roch absolut fantastisch, und er konnte nicht den Blick nicht von ihr wenden. „Warum hast du deine Meinung geändert?“, fragte er sie, wollte die Antwort aber nicht wirklich wissen. Der einzige Grund, warum ihm Mädchen in letzter Zeit Beachtung schenkten, war sein dämlicher Animagus. Und nicht mal das brachte ihn wirklich weiter. Sie schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Du bist… interessant, siehst gut aus, machst schon jetzt ‘ne Menge Ärger, und scheinbar hast du genügend Angebote. Ich dachte, ich nutze die Chance“, schloss sie offen.

 

„Ich habe keine Angebote“, widersprach er etwas kleinlaut.

 

„Ach nein?“, wollte sie spöttisch wissen. „Mädchen holen dich bereits in ihre Wohnung.“

 

„Das… war…“, begann er in Ermangelung weiterer Worte, und er senkte den Blick. „Hör zu“, begann er dann, „ich… bin kein Arschloch, ich…“

 

„Ich weiß“, sagte sie dann, aber er glaubte nicht, dass sie verstand. Nicht wirklich.

 

„Ich will kein Problem – mit keinem!“, versprach er ihr. „Ich bin offen gesagt nicht gewöhnt, dass Mädchen…“

 

„-sich an deinen Hals werfen?“, erkundigte sie sich mit schräg gelegtem Kopf, und er verzog den Mund. Das taten sie nicht mal.

 

„Ich habe einfach mein Glück mit dir versucht. Nicht, weil… ich sowas tue“, versuchte er, zu erklären, aber ihr Lächeln vertiefte sich bereits. „Was?“, fragte er sofort.

 

„Du bist niedlich“, sagte sie. „Keine Ahnung, ob es alles Show ist, aber-“

 

„-ich… habe keine Show!“, unterbrach er sie fast verzweifelt. „Lara, ich…- wahrscheinlich ist das hier ein Fehler“, entfuhr es ihm unglücklich.

 

„Ich mache gerne Fehler, Malfoy“, behauptete sie dann, und er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendwer gerne Fehler machte. Er zumindest nicht, aber er konnte wenig tun. Fehler passierten ihm einfach. Und auch noch viel zu viele.

 

„Ich nicht“, räumte er ernsthaft ein, und sie musterte ihn mit gerunzelter Stirn.


„Du meinst das alles ernst?“, entfuhr es ihr dann prüfend, und er nickte heftig.


„Sicher meine ich das ernst!“, wiederholte er gepresst. „Diese letzte Woche war… unglaublich anstrengend. Ich habe meinen Job gekündigt, der sicher gewesen wäre, meine Familie zufriedengestellt hätte! Und jetzt hat mich mein bester Freund vor die Tür gesetzt, mein Vater hat mein bequemes Taschengeld gestrichen, und ich mache eine Ausbildung, die ich niemals machen wollte – und ich weiß schon nicht mehr, warum ich es tue. Ein Junge hat mich geschlagen, weil… er denkt, ich hätte mit seiner Freundin geschlafen – und noch ein Junge hat mich geschlagen, obwohl ich nichts getan habe. Und… irgendwie… kann ich mir nicht vorstellen, dass ich jemals gute Entscheidungen treffe“, entfuhr es ihm bitter. „Und glaub mir, ich will dich nicht voll jammern – absolut nicht. Ich komme mir erbärmlich vor“, schloss er zerknirscht.

 

„Selbstbewusstsein“, sagte sie dann.

 

„Was?“

 

„Du brauchst mehr Selbstbewusstsein, Malfoy“, machte sie es deutlich.

 

„Woher soll das kommen?“

 

„Du hattest Selbstbewusstsein, als du mich um ein Date gebeten hast“, erläuterte sie achselzuckend. „Du hattest scheinbar Selbstbewusstsein, als Shacklebolt dich als Trainer eingesetzt hat. Also trag deine Fehler mit demselben Selbstbewusstsein, mit dem du einem Mädchen um eine Verabredung bittest“, erklärte sie.

 

„Es klingt eher wie dummer Stolz“, entkam es ich zweifelnd. Sie schnalzte entnervt mit der Zunge.

 

„Selbstbewusstsein ist meist dummer Stolz, ok? Ich glaube nicht, dass die erste Verabredung wirklich dafür geeignet ist, Probleme abzuladen und über die harten Entscheidungen des Reinblüterlebens zu diskutieren, oder?“ Sie hatte sich den Abend anders vorgestellt, nahm er an.

 

„Wahrscheinlich nicht“, räumte er ein.

 

„Das heißt, du bist ein armer Rebell, der mit seinem Vater gebrochen hat und kein Vermögen mehr besitzt?“, ging sie auf seine Worte ein, und er biss die Zähne zusammen.

 

„Scheint so“, bestätigte er.

 

„Du kannst mir nicht ernsthaft sagen, dass du nicht siehst, wie sexy das ist?“, wollte sie ungläubig von ihm wissen.

 

„Mädchen sind oberflächlich“, stellte er gänzlich fassungslos fest, aber sie schenkte ihm einen eindeutigen Blick.


„Ja, und ich nehme an, du hast mich ausgebeten, weil ich so einen fantastischen Charakter habe?“, vermutete sie.

 

„Dein Charakter ist nicht sonderlich nett. Ich darf dir nicht mal meine Probleme erzählen“, machte er sich über sie lustig und erntete ihr Lächeln erneut.

 

„Ich finde dich absolut anziehend, Draco Malfoy“, eröffnete sie ihm, während sie sich langsam erhob. „Bezahl die Rechnung, du armer, verstoßener Reinblüter, und triff mich in zwei Minuten vor der Garderobe“, befahl sie ihm, und er sah ihr zu, wie sie mit schwingenden Hüften den Tisch verließ. Was zur…? Was hatte sie vor?

Gut, vielleicht war sie oberflächlich. Vielleicht musste er beim ersten Date nicht über seine Probleme reden. Vielleicht war sie nicht der Typ dafür.

 

Gedankenverloren sah er ihr nach und bemerkte die Kellnerin erst, als sie vor ihm stand. „Darf es noch was sein?“, erkundigte sich das Mädchen, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Nur… die Rechnung“, erwiderte er etwas rau, denn er sah sich nicht in der Lage, bessere Entscheidungen zu treffen, und natürlich würde er sie finden! Er zahlte, machte sich keine Gedanken, dass es noch Wochen wären, bis er Gehalt bekam, denn er war scheiße und dumm. Er erhob sich, und unauffällig ging er Richtung Garderobe. Er stieß mit einer Hexe zusammen, die sich fluchend den Arm hielt.

 

„Entschuldigung! Ich… habe nicht aufgepasst“, entkam es ihm sofort, und sie schoss ihm einen wütenden Blick zu.

 

„Ganz klar nicht“, bemerkte sie bloß, warf die dunklen Haare über ihre Schulter zurück, und seine Stirn runzelte sich. Sie kam ihm bekannt vor.

 

„Kennen wir uns?“, fragte er plötzlich. Sie sah ihn an, mit hübschen dunkelblauen Augen, hohen Wangenknochen, einem halbmondförmigen Muttermal fast auf Höhe ihrer rechten Schläfe.

 

„Nicht… wirklich“, sagte sie dann. Er verengte die Augen. Dann atmete sie aus. „Selber Gemeinschaftsraum“, half sie ihm dann scheinbar auf die Sprünge. Sein Blick klärte sich. Hogwarts. Ja, er hatte sie nicht erkannt, weil sie keine Uniform trug.

 

„Cassandra?“, vermutete er halbwegs sicher, aber ihr Blick sagte ihm, er lag falsch.

 

„Astoria“, korrigierte sie ihn eisig.

 

„Greengrass!“, fiel es ihm ein.

 

„Ja“, bestätigte sie, beinahe angenehm überrascht.

 

„Ich bin-“

 

„-ich weiß, wer du bist, Draco“, unterbrach sie ihn, fast wieder gereizt. Tat sie das?

 

„Oh“, entkam es ihm lediglich. „Wie… wie läuft es so? Wie geht es deiner Schwester? Was macht sie?“

 

„Arbeitet bei Bangle & Burgh als Kuratorin. Hat drei Jahre Kunst studiert“, ergänzte sie. Ja, Daphne war klug gewesen. „Du?“

 

„Ahem… nichts weiter Interessantes“, wiegelte er ab, denn er wusste, seine Geschichte klang reißerischer, als sie war. Ihr Blick hob sich stirnrunzelnd. „Und.. du?“, hakte er jetzt nach.

 

„Ich bin im letzten Jahr“, sagte sie dann. Er blinzelte. Sie war jung. Fast zu jung, als dass er wohl mit ihr reden durfte, ging ihm dumpf auf.

 

„Wow. Wie die Zeit vergeht“, stellte er fest.

 

„Ja“, bestätigte sie abwartend. „Wo ist deine Verabredung?“, fragte sie ihn dann, und innerlich verfluchte er sich. Richtig! Seine heiße Verabredung wartete auf ihn, damit er wusste Merlin was mit ihr anstellte.

 

„Ah… sie ist-“

 

„-hier“, vernahm er Laras eisige Stimme neben sich. „Lara Banks“, stellte sie sich vor, streckte Astoria die Hand entgegen, und mit erhobener Braue schüttelte Astoria sie.

 

„Hi“, sagte sie lediglich.

 

„Bist du hier fertig, Draco?“, fragte Lara sanft, aber ihr Blick war durchdringend.

 

„Absolut“, bestätigte er tonlos.

 

„Gut“, erwiderte Lara knapp.

 

„Astoria, man sieht sich vielleicht. Grüß deine Schwester“, verabschiedete er sich von dem hübschen Mädchen, was vielleicht höchstens siebzehn war.

 

„Werde ich tun. Ich bin jeden Samstag hier, also…“, schien sie ihm eine offene Einladung direkt anzubieten, während ihr Blick kurz über Lara wanderte.

 

„Gut zu wissen“, bemerkte Lara dann. Astoria wandte sich ab, und ihre seidigen Haare fielen mit Schwung über ihre Schulter, glänzend ihren Rücken hinab. Kurz verfing sich sein Blick.

 

„Du bist unfassbar“, bemerkte Lara leise neben ihm, und sofort schoss sein Blick zu ihr.

 

„Ich habe nicht-!“, begann er sofort, nicht wirklich sicher, was er abstreiten wollte, aber sie griff hart in seinen Arm und zog ihn mit sich.

 

„-halt die Klappe, Malfoy!“, warnte sie ihn, und Erregung überkam ihn, obwohl sie zornig war. Die Garderobe war leer. Es war ein kleines Zimmer, mit zwei Stangen recht und links, und Lara zog ihn zwischen den Mänteln durch und stieß ihn gegen die Wand, wo sie verborgen vor möglichen Schaulustigen waren. Er schnappte nach Luft, aber ihr Körper presste sich gegen seinen. „Glaub ja nicht, dass diese Eifersuchts-Nummer bei mir zieht, Malfoy“, sagte sie, während sie tatsächlich seine Hose öffnete.

 

„Die- was?“, entkam es ihm überfordert, aber sie ging auf ihre Knie. Merlin! Panisch hob sich sein Blick, aber er würde sie garantiert nicht aufhalten. „Hiernach wirst du keinem jungen Ding mehr nachstellen!“, versicherte sie ihm, und er wusste nicht, was sie meinte, und es war ihm scheiß egal! Denn – fuck! Sie zog seine Hose tiefer, seine Shorts, und sein Schwanz war hart. Merlin, er hatte bisher ein Mädchen gehabt – und die hatte niemals so etwas mit ihm getan! Noch nie hatte überhaupt ein Mädchen seinen Schwanz…-

 

Sein Kopf fiel nach hinten gegen die Wand, während er sich auf die Unterlippe biss, um nicht zu stöhnen, als Lara seinen Schwanz in den Mund nahm – einfach so! Verdammt noch mal einfach so! Er atmete abgehackt, stöhnte gepresst, und sie saugte ihn tief in ihren Mund, ihre Hand pumpte schnell, und sein Atem beschleunigte sich. Er würde nicht lange aushalten! Merlin, dass er überhaupt noch stand! Blind griff seine Hand in ihre Haare, und als seine Spitze gegen ihre Kehle stieß, bockte er unkontrolliert nach vorne, hatte weder Erfahrung, noch Ausdauer, noch Willenskraft, um sich aufzuhalten, und er kam hart und heftig.

Er wusste nicht, ob es zu hart war, zu tief, wusste nicht, ob sie würgen musste, ob sie alles schluckte, denn Punkte tanzten vor seinen Augen, und er atmete mit offenem Mund. Dann spürte er die Kälte an seinem schlaffen Penis. Sie hatte ihn nicht mehr im Mund, und zitternd verschloss er den Reißverschluss. Sie stellte sich wieder aufrecht hin, und blinzelnd öffnete er die Augen.

 

„Das sollte dir-“, begann sie, aber er hörte nicht. Konnte nicht zuhören. Wollte nicht. Dieses Mädchen hatte ihm einen geblasen, und er hatte sie noch nicht mal geküsst. Und deshalb schlag er die Hand um ihren Nacken und zog sie zu sich. Es war egal, dass sie nach ihm schmeckte – absolut egal. Das hatte noch kein Mädchen für ihn getan, und erst recht nicht aus – unbegründeter – Eifersucht. Es war verdammt heiß. Er raubte ihr die Worte, küsste sie hart, stieß seine Zunge zwischen ihre Lippen, und sie griff in seinen Pullover, zog ihn näher, und hätte er das verdammte Selbstbewusstsein, würde er sich revanchieren. Aber sein gesunder Menschenverstand schlug ihm vor, das nicht in einem dämlichen Garderobenzimmer zu tun. Er löste sich schwer atmend von ihr.


„Deine Wohnung?“, raunte er dunkel, und ihre Wangen waren gerötet, als sie nickte. „Jetzt“, entfuhr es ihm ungeduldig, und ein feines Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.

 

~*~

 

Er hatte nicht mitgezählt. Vielleicht dreimal? Viermal? Das erste Mal hatte er sie direkt im Flur genommen, auf der schmalen Kommode. Das nächste Mal immerhin in ihrem Bett. Dann hatten sie Hunger gehabt, sie hatte irgendwelche Zutaten zusammen gesucht, und irgendwie hatten sie dann Sex in der Küche gehabt, und jetzt lag sie über seine Brust, atmete heftig, und er erschlaffte gerade in ihr. Es hatte auf der Couch begonnen, aber mittlerweile lagen sie auf dem Boden davor, sie rittlings auf ihm. Es war spät. Nach zehn, nahm er an.

 

„Das war gut“, murmelte sie gegen seine Brust, und er starrte blind an die Decke.

 

„Ja“, bestätigte er. Er persönlich war kurz davor, ihr seine Liebe zu gestehen.

 

„Ich kann nicht mehr“, sagte sie grinsend und rollte neben ihn. Er zog die Wolldecke über sie beide.

 

„Nette Wohnung“, bemerkte er dann. Sie lachte leise.

 

„Danke“, erwiderte sie. „Eigentlich… bin ich so nicht“, murmelte sie beschämt. Jetzt musste er den Kopf heben, um sie anzusehen.

 

„Du meinst, du befriedigst Männer nicht jedes Mal in Restaurants?“, wollte er heiser wissen, und ihre Wangen färbten sich tiefrot.

 

„Nein. Erstes Mal für mich“, erwiderte sie. „Aber… irgendwie… wollte ich es“, schloss sie achselzuckend.

 

„Gute Entscheidung“, entkam es ihm nickend, und er lehnte den Kopf zurück auf den Teppich.

 

„Haben wir gegessen?“, fragte sie tatsächlich verwirrt, und er schüttelte grinsend den Kopf.

 

„Nicht wirklich“, verneinte er.

 

„Vielleicht lassen wir was liefern? Wenn sie noch liefern?“, schlug sie ihm vor, schien sich nicht sicher zu sein, wie spät es war, stützte sich auf ihre Ellbogen und beugte sich hinab, um seine Lippen zu küssen.

 

„Mhm“, bestätigte er und erwiderte den Kuss.

 

„Ich meine, bei dem ganzen Sport wäre es unklug, nicht zu essen“, fuhr sie fort, küsste ihn wieder, und er vergrub die Hand in ihren Haaren, als er ihren Kopf enger an seinen presste, ihre Lippen unter seinen öffnete, und kaum trafen sich ihre Zunge, wurde er wieder hart. Es war unfassbar. Er wollte sie wieder und wieder haben. Sie schien es zu spüren, und löste sich knapp von ihm. Sie sahen sich an, und dann warf er sie mit seinem Gewicht um und lag über ihr.

„Ich… sollte es dir schwerer machen“, murmelte sie kopfschüttelnd, aber schon küsste er sie erneut.

 

„Wahrscheinlich“, murmelte er verlangend gegen ihre Lippen, aber er hatte verdammt viel nachzuholen, fand er, denn schon fanden seine Finger den Weg zwischen ihre Körper und berührten ihren empfindlichen Punkt. Ihr Körper bog sich ihm entgegen. Sie spreizte die Beine für ihn, und sie war noch immer feucht. Er glitt tief in sie, und glaubte, das für immer tun zu können.

 

Das erste Mal glaubte er, tatsächlich keinen Fehler gemacht zu haben. Vielleicht war Lara das erste Richtige, was ihm passierte? Er ging davon aus.

 

~*~

 

Er war Samstag nicht wieder gekommen. Penelope auch nicht. Hermine nahm an, sie hatte sich mit Cage versöhnt, dem Vollidioten. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ihre Theorie, dass Cage auf Kerle stand, näher mit Penelope zu diskutieren, und so, wie die Dinge jetzt lagen, war es noch immer keine Option, das zu tun. Schade, dachte sie abwesend. Sie interessierte sich dafür, zu erfahren, ob sie richtig lag. Aber im Moment sah es eher nicht danach aus. Sonntag hatte sie Malfoy erst spät abends gehört, und sie war davon ausgegangen, dass er tatsächlich ein Date mit Lara Banks gehabt hatte. Ein erfolgreiches Date, ergänzte sie dumpf in Gedanken.

 

Jetzt war es Montag, und unfassbarerweise küsste Lara ihn schamlos, im Flur vor den Spinden, während er gelassen an der Wand lehnte. Ob er wusste, wie viele AIT Lara schon abgeschmettert hatte? Hermine wollte nicht starren, aber sie war auch beileibe nicht die einzige.  

 

„Wie – zur Hölle – macht er das?“, entfuhr es Dean neben ihr, der sich gerade die Stiefel überzog. Hermine fand es eher ekelhaft, dass er den einen Abend Penelope hatte, den nächsten dann wohl Lara – und wer wusste schon, wie diese Liste weitergehen würde. Der Aurorenberuf war eine Halbblut-Domäne. Es war ganz angenehm. Aber ab und an verirrten sich rebellische Reinblüter auch in diese Abteilung. Und sie bekamen die meiste Aufmerksamkeit. So war es auch bei Cage.

 

Malfoys Hände ruhten ungeniert auf Laras Hintern, und Hermines Blick löste sich angewidert.

 

„Er ist ein Arschloch, Dean“, erläuterte sie still.

 

„Hey“, wurde sie tatsächlich von Penelope begrüßt. „Wie hoch stehen die Chancen, dass du mir vergibst?“, wollte sie kleinlaut wissen, und Hermine wusste, Penelope war schwierig – und sehr schnell beleidigt.

 

„Ziemlich groß, warum?“, räumte Hermine jedoch ein, und Penelope lächelte.

 

„Weil ich blöd war“, sagte sie resignierend.


„Mhm“, bestätigte Hermine dann.

 

„Ich dachte, er ist heiß. Und…“ Ihr Blick glitt ebenfalls über Malfoy und Lara. „Tja, er ist nur wieder ein dummer, arroganter Schönling.“

 

„Wie läuft’s mit Cage?“, erkundigte sich Hermine eindeutig, und Penelope schürzte die Lippen.


„Erstaunlich gut. Wir wollen es ernsthaft probieren“, sagte sie dann. Hermines Augen weiteten sich ungläubig. „Mal sehen, wie lange es hält. Es tut mir leid, Mine“, entschuldigte sich das hübsche Mädchen bei ihr, und sie verdrehte die Augen.

 

„Entschuldigung angenommen“, sagte Hermine lächelnd und verwarf ihre Cage-Theorie fürs erste.

 

„Ist er schon ausgezogen?“, wollte Penelope fast hoffnungsvoll wissen, und Hermine verzog den Mund.

 

„Noch nicht… direkt. Aber… bald“, versprach sie. Penelope betrachtete die beiden weiterhin, ein wenig wehmütig, aber Hermine wusste, es war besser so. Zwar war es nicht besser, Billy Cage zu nehmen, aber vielleicht würde sich Penelope charakterlich irgendwann weiter entwickeln.

Hermine hatte am Wochenende zu viel Zeit damit verbracht, über Cormac und ihre sinnlose Beziehung zu ihm nachzudenken, und ärgerte sich dennoch, dass nicht sie es war, die ihn abgeschossen hatte. Zwar war es dasselbe unterm Strich, aber es fühlte sich blöder an. Sie vermisste ihn nicht, sie… hätte nur gerne das letzte Wort gehabt. Die Macht, ihn abzusägen, Schluss zu machen. Und sie wusste nicht, was es über sie sagte, dass sie es nicht fertig gebracht hatte.

So oder war sie am Wochenende allein gewesen. Aber besser allein, als mit einem Vollidioten unterwegs. Immerhin hatte sie jetzt mehr Zeit für Ginny. Es hatte alles Vorteile, nahm sie dumpf an.

 

 

9. the hitch

 

Der Tag war lang gewesen, Dean und Sheila hatten sich überwiegend angeschrien, und Penelope hatte keine Ahnung von komplexen Zaubern. Die Projektarbeit würde schneller laufen, wäre sie allein. Der Stupor hatte sie in so vielen geballten Ladungen getroffen heute, dass sie glaubte, noch eine Schockung nicht zu überleben.

 

Es war halb sechs, und sie war pünktlich, wartete vor dem großen Trainingsraum mit der offenen Decke, der eigentlich für kombinierte Angriff- und Appariezauber für die AIT im letzten Jahr genutzt wurde, und niemand war mehr hier. Hier wollten sie ihre Nachhilfe stattfinden lassen, da es einfacher wäre, als in der kleinen Wohnung – wo heute außerdem Penelope und Cage ihr Stelldichein halten würden.

 

Sie kamen Hand in Hand den Flur hinab, und Hermine nahm mittlerweile an, dass sie mit einem Klebefluch belegt waren. Alle beide.

 

„Hermine“, begrüßte Lara sie, denn zu Beginn war Hermine immer mal wieder bei Lara im Büro gelandet, weil sie mit den Trainern des ersten Jahres nicht wirklich zurechtgekommen war, die sie einfach nur unterforderten. Mittlerweile hatte sie einen guten Lernrhythmus gefunden, und jetzt würde sie Lara ohnehin nicht mehr aufsuchen wollen.

 

„Hey Lara“, erwiderte sie die Begrüßung. „Malfoy“, ergänzte sie dann, und wohl nur unter größter Anstrengung löste er seine Hand von Laras.

 

„Wir sehen uns morgen. Sei fleißig“, ermahnte Lara ihn grinsend, und er zog sie zu einem ekelerregenden Kuss an sich. Schamlos, übertrieben und mit übermäßig viel Zungenfertigkeit, wie Hermine angewidert hören konnte. Sie war kein sinnlicher Mensch, niemand, der seine Zuneigungen zur Schau stellte. Außer… mit Ron. Nur mit Ron. Damals. Als alles noch in Ordnung war. Ihre Mundwinkel sanken unwillkürlich. Sechs Monate, und sie war immer noch nicht drüber weg. Erbärmlich.

 

„Bis morgen“, verabschiedete sich Malfoy, und Hermine wunderte nicht im Geringsten, dass sich zwei Reinblüter gesucht und gefunden hatten. Malfoy blickte seiner Freundin abwesend nach, schien sie nahezu vergessen zu haben, und Hermine räusperte sich anschließend, mehr oder weniger demonstrativ.

 

„Soll ich drinnen auf dich warten?“, wollte sie eindeutig wissen, und er riss den Blick von Laras Gestalt los, die um die nächste Biegung verschwand.

 

„Ich bin da“, behauptete er schließlich, und auch seine Uniform wirkte einigermaßen verkohlt. Sie betraten die große Halle. Das Licht entfachte automatisch.

 

„Was habt ihr heute gemacht?“, wollte sie mit Blick auf einige Löcher in der eigentlich feuerfesten Uniform wissen.

 

„Dämonsfeuer“, erwiderte er und verdrehte die Augen.

 

„Das… ist ziemlich gefährlich“, bemerkte sie sparsam, war aber gleichzeitig schon so gespannt auf ihr zweites Jahr.

 

„Ja. Habe ich festgestellt“, war seine eindeutige Antwort, und sanfte Müdigkeit lag auch um seine Augen.

 

„Ok. Dann lass uns einfach simpel anfangen. Welche Zauber fehlen dir?“, begann sie diese Lektion, denn sie hoffte, dass sie in zwei Stunden zuhause wären, und sie bereits in ihrem eigenen Vorhaben vorangekommen wäre.

 

„Basissachen“, sagte er achselzuckend. „Protego, Expelliarmus, Defensio, Servare“, zählte er wahllos auf, und sie nickte. Es reichte nicht, diese Schulzauber ausführen zu können. Man musste sie stumm und präzise ebenso wirksam zustandebringen.

 

„Ok. Ich würde sagen, wir fangen mit deiner Nachhilfe an. Eine Stunde. Dann bin ich dran“, ergänzte sie, einigermaßen erwartungsvoll. Er nickte knapp.

 

„Erwarte nicht zu viel“, schien er sagen zu müssen. „Den Patronus zu wechseln braucht Zeit“, fügte er hinzu.

 

„Ich komme schon klar. Ich erwarte keine Wunder“, behauptete sie bloß. Sie nahm nicht an, irgendwelche Schwierigkeiten zu haben. Bescheiden, wie sie war….

 

„Ok.“

 

„Entwaffne mich“, forderte sie ihn auf und ging in Position.

 

Expelliarmus!“, rief er, und ihr Zauberstab entglitt ihren Fingern und sauste in seine Hand.

 

„Ok. Jetzt entwaffne mich stumm“, sagte sie, und er warf ihr den Zauberstab wieder zu. Er ahmte die Bewegung nach, und diesmal konnte sie den Zauberstab halten, bevor er sich aus ihren Fingern winden konnte. Er verzog verärgert den Mund.

 

„Hier“, sagte sie dann, kam näher, und wiederholte die Bewegung. „Du musst die Drehung ganz vollziehen. Nicht nur halb. Halbe Bewegungen sind ausreichend für gesprochene Zauber. Für stumme Zauber muss dein Zauberstab sprechen, quasi“, versuchte sie es zu erklären, und er nickte mit gerunzelter Stirn. „Noch mal“, verlangte sie, stellte sich wieder vor ihn, und er wiederholte den Zauber. Diesmal passierte gar nichts. Sie steckte den Zauberstab ein.

 

Sie stellte sich schräg hinter ihn, so dass sie ihren Arm über seinen legen konnte, ihre Hand um seine Zauberstabhand schloss, und seine Hand führte. „Es ist häufig so, dass man vergisst, welche Bewegung man sonst immer automatisch macht, wenn man zaubert. Tu so, als würdest du sprechen, und mach dieselbe Bewegung.“ Sie wiederholte es, und sein Blick traf sie von oben. Sie sah ihn an. Es war unangenehm, so nah neben ihm zu stehen, ging ihr auf. Seine Hand mit ihrer zu führen. Sie war nicht sonderlich körperlich, half ihren Mitstreitern zwar ab und an – heute erst Dean, aber bei ihm – bei Malfoy – fühlte es sich wesentlich unangenehmer an.

 

„Warum ist deine Hand so kalt?“, fragte er sie ruhig, brachte sie tatsächlich minimal aus der Fassung, und sie zog hastig die Hand von seiner zurück. Sie blinzelte automatisch, während sich ihre Gedanken sortierten.

 

„Mir ist immer kalt“, erwiderte sie wahrheitsgemäß, ohne ihn anzusehen und stellte sich wieder in Position auf. „Noch mal“, forderte sie, fiel zurück in die Lehrerrolle und brachte wieder professionelle Distanz zwischen sich und ihn.

 

Er wiederholte den Zauber, aber es passierte noch immer nichts. Sie lächelte schließlich. Die soziale Ebene mit ihr schien ihm leichter zu fallen, als es bei ihr der Fall war, aber die Ebene des Kampfes schien ihm Probleme zu bereiten. „Du musst mich natürlich entwaffnen wollen, Malfoy“, erklärte sie. Seine Stirn runzelte sich. „Visualisiere meinen Zauberstab, und dass du ihn gerne an dich nehmen würdest. Du musst ihn haben wollen.“

 

„Ok“, erwiderte er, konzentrierte sich wohl stärker, aber es passierte gar nichts.

 

„Hast du keine Lust mehr?“, fragte sie jetzt, und er atmete aus.

 

„Es ist schwer. Ich habe sonst nie darüber nachgedacht“, entkam es ihm gereizt. Hermine kannte das Phänomen von hier. Einige hatten dasselbe Problem gehabt.

 

„Stell dir vor, du musst ihn haben. Anders kannst du nicht überleben. Tu so, als wäre es ein ernsthafter Kampf, tu so, als wärst du unterlegen, und das einzige, was dir jetzt noch helfen kann, ist diesen Zauberstab zu bekommen!“ Sein Blick fixierte ihren Zauberstab in ihrer Hand. „Hol ihn dir, Malfoy, oder wir werden hier für immer bleiben“, warnte sie ihn, und dieses Mal riss die schiere Kraft des Zaubers ihren Zauberstab praktisch aus ihren Fingern. Er fing ihn gerade so, schien selber überrascht. Ihres Zauberstabes beraubt stand sie nun wieder vor ihm, und sehr plötzlich fragte sie sich, ob sie sich schon einmal so gegenübergestanden hatten. Ob sie im Krieg gegen ihn gekämpft hatte. Es würde ihr absolut nicht schwer fallen, ihn zu entwaffnen, dachte sie abwesend. Er trug das Mal, nahm sie an. Sein Vater würde dafür gesorgt haben.

 

„Bekomme ich kein Lob?“, wollte er etwas außer Atem wissen, den Ansatz eines Lächelns in den Mundwinkeln, und sie blinzelte wieder.

 

„Mh?“, entkam es ihr ertappt, und er legte den Kopf schräg, warf ihren Zauberstab zurück, und sie fing ihn mit ihren kühlen Fingern. „Wo bist du?“, ergänzte er interessiert.

 

„Nirgendwo“, lenkte sie kopfschüttelnd ein. „Malfoy“, sagte sie schließlich doch zögerlich, und er hob die Augenbraue.

 

„Ja?“ Er wartete. Haben wir uns bekämpft? Die Frage lag ihr auf der Zungenspitze, die Worte drängten sich praktisch gegen ihre Lippen, wollten ihren Mund verlassen, aber wohin sollte so ein Gespräch ernsthaft führen? Es würde alles nur noch unangenehmer machen. – Für sie.

 

„Das… war gut“, endete sie widerwillig, denn seine vorangegangene Frage erreichte ihr Bewusstsein endlich. „Noch mal“, befahl sie, und er warf ihn zurück.

 

So verfuhren sie mit jedem Basiszauber. Dann kamen sie zum Protego. Hermine war geschwitzt, und Malfoy auch.

 

„Ok, ich greife an, und du verteidigst, verstanden?“, fragte sie, und mit einem Schlenker ließ sie die Lichter über ihnen heller leuchten. Der magische Sternenhimmel strahlte ebenfalls heller, und die Beleuchtung am Rand der Halle glühte jetzt. Es war mittlerweile sieben. Malfoy nickte konzentriert.


Stupor!“, rief Hermine den blöden Zauber, und Malfoy schwang den Zauberstab zur Verteidigung stumm, schaffte aber keine Blockung. Aber Hermine hatte den Zauber nur schwach dosiert, und Malfoy fiel lediglich auf den Hintern.


„Scheiße“, entkam es ihm.

 

„Bei dem Zauber ist es einfacher. Du musst dich verteidigen, ok? Anders wird es schmerzhaft enden. Ich lasse die Dosierung schwach, verstärke sie aber mit jedem Mal, ok? Denk dran, du musst die Verteidigung wollen, du musst mich abwehren!“, erinnerte sie ihn, und er nickte verbissen.

 

„Los!“, rief er, scheinbar bereit, und sie begann von neuem.

 

Stupor!“, rief sie, und dieses Mal blockte er sie.

 

Stupor!“, rief sie erneut, diesmal mit mehr Kraft. Er blockte wieder, musste aber schon zurückweichen.


Stupor!“, rief sie wieder, und mit Schweißperlen auf der Stirn blockte er den Zauber, ging aber in die Knie.

 

Stupor!“, wiederholte sie, mit halber Power, und brach durch seine Wand. Schmerzhaft riss es ihn von den Füßen, und er flog mit Wucht nach hinten. Sofort kam sie zu ihm. Er blickte schwer atmend gen Himmel. „Das war gut.“

 

„Nein, war’s nicht“, widersprach er erschöpft.

 

„Du arbeitest seit eineinhalb Stunden mit dem Zauberstab. Natürlich ist es irgendwann anstrengend“, räumte sie ein. Er schien nicht antworten zu wollen, und widerwillig streckte sie ihm die Hand entgegen.

 

„Ich schaffe es allein“, bemerkte er, ignorierte ihre Hand und erhob sich. „Du bist dran“, beendete er seine Nachhilfe schlecht gelaunt, und sie wusste nicht, ob sie Lust auf seinen Unterricht hatte, wenn er pissig war.

 

„Wir müssen heute auch nicht mehr anfangen, wenn du nicht-“

 

„-wenn ich nicht was? Du wolltest das doch, oder nicht?“

 

„Schon, aber…“

 

„Aber?“

 

„Aber nicht, wenn du sauer bist, weil du Zeit brauchst, um Zauber zu lernen. Es ist halt so, wenn man neu anfängt.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er atmete aus.

 

„Ich bin dir dankbar. Ich bin nicht sauer“, behauptete er, klang aber nicht so.

 

„Ok“, erwiderte sie, nicht überzeugt.

 

„Welchen Patronus willst du überhaupt?“, fragte er dann, und sie war sich nicht völlig sicher.

 

„Welcher ist am geeignetsten, um zum Donnervogel zu wechseln?“, fragte sie ihn direkt. Er antwortete nicht sofort, betrachtete sie kurz.

 

„Wieso möchtest du überhaupt so dringend das Zertifikat?“, fragte er unwillkürlich, und bevor sie nachdenken konnte, antwortete sie tatsächlich ehrlich.

 

„Vielleicht gibt mir das die Chance… woanders zu landen“, erwiderte sie schlicht. Er runzelte die Stirn.

 

„Willst du nicht hier bleiben?“, wollte er dann wissen.


„Schon. Denke ich. Bis zum Abschluss. Aber… im Moment hält mich hier nicht viel“, sagte sie tatsächlich kleinlaut, um dann kopfschüttelnd einzulenken. „Vielleicht will ich… was anderes. Wo anders sein“, schloss sie knapp, fast verärgert, überhaupt so viel gesagt zu haben. Er nickte dann.

 

„Wo würdest du hinwollen?“, fragte er sie, aber sie zuckte lediglich die Achseln, nicht willig, mehr zu erzählen. „Nach Australien?“, vermutete er dann. „Deine Eltern suchen?“ Sie war gänzlich überrascht. Er hatte es sich gemerkt. Sie ruckte unverbindlich mit dem Kopf, würde ihn nicht dafür loben, zuzuhören. „Ich empfehle, einen Patronus mit Flügeln zu wählen, dann wird die Transition auch einfacher.“

 

„Ok“, sagte sie dann, dankbar, dass sie das Thema wechseln konnten. „Welchen Patronus kann ich wählen?“

 

„Der einzige Patronus im Begabtenschein mit Flügeln ist der Drache – also…“

 

„Ok“, räumte sie ein. „Wie… wie ändere ich ihn?“ Sie kannte sich mit dieser Thematik tatsächlich nicht aus. Er stellte sich neben sie.

 

„Du kannst ihn temporär ändern, oder dauerhaft. Der erste Schritt ist die temporäre Änderung.“

 

„Temporär?“, wiederholte sie.

 

„Du stellst dir das Tier vor, siehst es vor deinem inneren Auge“, er bewegte den Zauberstab minimal, „denkst an die Attribute, die es braucht – und erweckst es zum Leben“, schloss er, beendete die Führung des Zauberstabs mit einer gezielten, präzisen Geste nach unten, und aus seiner Spitze brach ein flinker Otter, der durch die Halle schwamm. Ihre Augen weiteten sich.

 

„Du malst das Tier?“, flüsterte sie beinahe.

 

„In etwa“, bestätigte er. „Du zeichnest die Umrisse, nichts weiter. Sieh es in deinem Kopf – du weißt, wie Drachen aussehen“, behauptete er, bewegte den Zauberstab erneut, und diesmal flogen die Punkte praktisch synchron mit seiner Bewegung. Der Otter löste sich auf, wurde wuchtiger, und fein reihten sich die Punkte aneinander, bildeten den Kopf, den Rücken, den langen Schweif und die Flügel.

 

„Wie lange hast du dafür gebraucht?“, entkam es ihr einigermaßen tonlos.

 

„Einige Monate“, räumte er achselzuckend ein. „Beschwör deinen Patronus“, sagte er dann. Sie tat es augenblicklich, und ihr Otter sauste durch die Halle, und kurz tat ihr leid, dass sie ihn verändern würde. Sie hatte sich gewöhnt. „Und jetzt konzentrier dich auf das andere Tier.“ Sie atmete aus, hob den Zauberstab, und machte ihn nach, begann mit ihrer magischen Zeichnung, stellte sich einen majestätischen Drachen vor, mit lila Schuppenpanzer, feurig gelben Augen und einer brennenden Feuerzunge, ihre Augen schlossen sich, als sie die Magie in ihren Fingern spürte. Der Drachenschweif war gespickt mit gefährlichen Dornen am Ende, scharfe Krallen an seinen Läufen, und es zog in ihrem Körper. Sie öffnete die Augen. Riesig schimmerte das Ungetüm über ihr spannte seine Flügel weit, und Malfoy pfiff anerkennend durch die Zähne.

 

„Verdammt, Granger. Du bist ein Naturtalent“, bemerkte er anerkennend. Aber es war schwer. Solange wie er konnte sie das Bild nicht halten. Erschöpft sank ihr Zauberstab, und der Drache zerfiel zu feinstem Staub. Ihr Atem ging schnell.


„Wow“, flüsterte sie. „Wie kann man ihn dauerhaft halten?“, wollte sie wissen.

 

„Jedes Mal, wenn du deinen Patronus beschwörst, musst du die Figur vor deinem Geist sehen. Du darfst ihn nicht mehr zeichnen. Am besten übst du mit verschiedenen Tieren, machst dich vertraut. Dann fällt dir die Änderung leichter“, ergänzte er, machte eine knappe Bewegung, und ein Schwan brach aus seiner Spitze hervor, mit der nächsten Bewegung erschien ein riesiger Tiger, mit der nächsten Bewegung ein Gorilla, und staunend öffnete sich ihr Mund, denn sie könnte sich niemals all diese Tiere im exakten Detail merken, geschweige denn aus dem Steigreif beschwören.

 

„Das ist… sehr eindrucksvoll, Malfoy“, sagte sie ehrlich schockiert. „Du bist… fast zu schade für diese Ausbildung“, ergänzte sie, ohne wirklich nachzudenken.


„Tja, sag das der Mysteriumsabteilung“, bemerkte er bloß.

 

„Hast du dich dort beworben?“, entkam es ihr, und er nickte knapp. „Und sie wollten dich nicht?“, ergänzte sie ungläubig. Er ruckte wieder mit dem Kopf. „Du könntest alles machen“, sagte sie überwältigt. „Jeder andere würde dich nehmen. Das Kultusamt, jede Hochschule für Magiterenäre Heilung – du könntest dozieren! Deinem Talent sind keine Grenzen gesetzt. Deine Vorstellungsgabe übersteigt das Normalmaß“, stellte sie fassungslos und ein wenig neidvoll fest, und er schenkte er ihr ein knappes Lächeln.

 

„Hohes Lob“, erwiderte er belustigt, aber sie schüttelte den Kopf. Es war kein Lob. Sie lobte nicht gerne. Vor allem nicht andere. Es war nur leider absolut offensichtlich. Und ausgerechnet Malfoy war so begabt, wie es bei seiner Verwandlung bereits den Anschein gemacht hatte. Wer hätte das geahnt?! Sie garantiert nicht.

 

„Nein, ich meine das ernst“, entkam es ihr still. Die nächste Frage stellte sie im eigenen Interesse. Vielleicht war es üblich unter seinesgleichen. „War irgendwer so gut wie du?“ Die Worte klangen beiläufig genug, aber sie fixierte ihn genau.

„Sicher“, behauptete er, aber die Art und Weise, wie er vage Worte äußerte, erregte ihr Misstrauen. Auch seine Behauptung, einige Monate gebraucht zu haben, ließ sie annehmen, dass er log. Sie würde wissen, ob sie zwei oder fünf Monate gebraucht hätte, um perfekt zwischen Tieren wechseln zu können.


„Wirklich?“, wiederholte sie prüfend. Er verdrehte lediglich die Augen.

 

„Das Talent Patroni zu wechseln bringt einem gar nichts“, war seine Antwort, und es gab ihr die Bestätigung, dass er gelogen hatte.

 

„Du kannst nicht nur das“, erwiderte sie stirnrunzelnd, und sein Ausdruck wirkte verschlossener. „Du kannst-“


„-ich weiß, was ich kann, ok?“, unterbrach er sie tatsächlich, und seine Stimme hatte sich immens abgekühlt. Alles neutrale, was mühsam zwischen ihnen existierte, verschwand langsam. Und es ärgerte sie einfach. Sie hatte angenommen, die Aurorenausbildung war nichts für ihn, weil er sein bisheriges Leben auf der anderen Seite gestanden hatte, aber tatsächlich war diese Ausbildung nichts für ihn, weil er schlicht und einfach zu schade hierfür war. Und das war eine nervig bittere Erkenntnis, fand sie.

 

„Bist du sicher?“, wollte sie annähernd so gereizt wissen wie er, aber er war nicht mehr nett.

 

„Danke der Nachfrage, aber ja. Ich bin sicher. Das sogenannte Talent hat mir nichts gebracht“, machte er es überdeutlich. „Und das ist ok“, ergänzte er mit mehr Nachdruck. „Ich fühle mich wohl hier“, schloss er gereizt. Und sie antwortete schneller, als sie wollte.

 

„Wegen Lara?“ Sie bereute die Worte augenblicklich. Auch wenn sie wusste, dass sie wohl richtig lag. Sie wollte nichts mehr sagen, aber wenn ihr Mund mal die Oberhand gegen ihren Verstand gewann, war es schwer, ihn abzuschalten, stellte sie entnervt fest. „Beziehungen enden, Malfoy“, sprach ihr Mund, ohne ihr Zutun, und so ähnlich sah er sie jetzt auch an.

 

„Ich glaube, ich brauche keine Lebensweisheiten von dir, was Beziehungen angeht“, entkam es gepresst seinen Lippen, und sehr wahrscheinlich hatte sie diesen Seitenhieb verdient. Aber ihr Mund war natürlich noch nicht fertig, stellte sie verzweifelt fest.

 

„Alles, was ich sage ist, dass du das, was du kannst, für dich nutzen solltest. Dort, wo es auch anerkannt wird.“

 

„Ich denke, ich kann diese Entscheidung alleine treffen“, erwiderte er, fixierte sie finster, und sie biss die Zähne fest zusammen. „Oder brauche ich deine Erlaubnis dafür?“, ergänzte er lauernd, und sie schwieg, erlaubte sich keine weiteren Aussagen mehr. Und er hatte auch noch recht. Es war seine Entscheidung. Und wenn er sein Talent vergeuden wollte, für die Aurorenabteilung, dann war es sein gutes Recht. Ihr Blick fiel sehr plötzlich. Es war wie der Streit mit Ron. Monatelang wollte sie für die Aurorenausbildung erwärmen, mit Argumenten, dass sie dann zusammen wären, vereint mit Harry, aber es war einfach nichts gewesen, was Ron auch nur im Entferntesten hatte machen wollen.

 

„Tut mir leid“, sagte sie zerknirscht. Sie entschuldigte sich fast so ungerne, wie sie Lob verteilte, aber sie musste sich zusammen reißen. Sie brauchte ihn, brauchte dieses Training. Sie hörte ihn lange ausatmen.

 

„Schon gut“, räumte er still ein. Sie nickte steif. „Es bedeutet viel“, begann er, ohne sie anzusehen, aber ihr Blick hob sich langsam wieder. „Dass du es sagst“, schloss er. Sie hinterfragte seine Worte nicht, nahm an, dass ihre Worte viel wogen, weil sie… eben Hermine Granger war. Es war nett zu hören.

 

„Interessierst… du dich überhaupt für Tiere?“, wollte sie schließlich wissen, versuchte mühsam, das Thema wieder zu wechseln, und er musste lächeln.


„Nicht wirklich, nein“, erwiderte er, und ihre Augen wurden groß. „Ich mag den Donnervogel“, ergänzte er dann.

 

„Warum?“, fragte sie ihn still, glaubte noch immer nicht, dass er diesen Animagus gewählt hatte, einfach, weil er es konnte. Kurz dachte sie, dass er nicht antworten würde, aber das tat er doch.

 

„Warum?“, wiederholte er nachdenklich. „Wieso interessiert es dich?“, ergänzte er mit gerunzelter Stirn.

 

„Weil es viel Aufwand ist, wenn man überhaupt nicht vorhat, mit seinem Animagus zu arbeiten“, erwiderte sie still. Er hielt ihrem Blick stand. Eine ganze Weile. Dann atmete er lange aus.


„Du verstehst das nicht“, entgegnete er schließlich.

 

„Das bezweifel ich“, behauptete sie mit erhobenen Brauen und verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust. Knapp sah er sie an.

 

„Fast ist es witzig“, bemerkte er dann mit einem schmalen Lächeln.

 

„Was?“, wollte sie verständnislos wissen.

 

„Du möchtest das Seltenheitszertifikat, um große Distanzen zu fliegen, um deine Eltern zu finden…“

 

„Was ist daran witzig?“, fragte sie defensiv. Er sah sie wieder an.

 

„Bei mir ist es das genaue Gegenteil“, räumte er ein, und sie blinzelte knapp. „Die Möglichkeit zu haben, zu verschwinden, einfach so, und niemand kann einen finden, niemand kennt deinen Namen – das ist die größere Verlockung für mich“, schloss er sehr still, und es war ein eigenartiges Geständnis. Sie wusste absolut nichts dazu zu sagen.

 

Für einen Moment glaubte sie, dass er unglücklich war. Über alle Maßen. Aber warum sollte er? Warum sollte dieser reiche, hübsche Junge vor ihr derartig unglücklich sein? Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich bereute sie, gefragt zu haben. Sie wollte es gar nicht wissen.

 

„Du hast Recht“, sagte sie gezwungen konsterniert. „Ich verstehe tatsächlich nicht.“ Seine Mundwinkel hoben sich sanft.

 

„Dachte ich mir“, bestätigte er bloß.

 

Sie wusste mit einem Mal nicht mehr, warum sie überhaupt noch mit ihm sprach. Warum sie ihm überhaupt ihre Meinung aufzwang, ihn mit Fragen nervte. Was brachte es ihr? Sie sah ihn an, aber sie stellte fest, dass es unangenehm war, ihn anzusehen. Genauso, wie es unangenehm war, ihn zu berühren.

Er hätte keine Chance bei ihr. Das hatte sie gesagt. Sie hatte ihn bei Cage verpetzt, hatte ihn bei Ginny verteufelt. Sie warf ihn praktisch aus der Wohnung.

Und Malfoy war… tatsächlich offen, ging ihr auf. Hatte keine Vorurteile, verweigerte keine Antwort auf keine Frage. War das seine Tour? Seine Masche, fragte sie sich unwillkürlich. Ihre Augen verengten sich. Bei ihr würde es nicht ziehen. Egal, was er für einen innerlichen Konflikt in ihr auslöste. Sie traf selten jemanden, der etwas besser konnte als sie, irgendwo gebildeter war. Und das war der einzige Reiz.

Sie beendete diesen Moment, dieses Gespräch. Sie wollte lernen, wie man sich verwandelte, nicht über seine Beweggründe sinnieren, warum er sich verwandeln wollte. Es hatte sie nicht wirklich zu interessieren. Er war Draco Malfoy, der Slytherin, der sie Schlammblut genannt hatte. Und das würde sie nicht vergessen. Egal, wie talentiert der Bastard war. Letzte Woche war beinahe ihr Herz stehen geblieben, als sie ihn an der Bar erkannt hatte. Und für eine wilde Sekunde hatte sie fast befürchtet, er würde sie vor versammelter Menge beleidigen. Aber er hatte nur ein Gespräch mit ihr geführt. Nicht mehr, nicht weniger. „Machen wir morgen weiter?“, fragte sie ihn neutral, und schwor sich, keine unpassenden Fragen mehr zu stellen.  

 

„Ok. Klar“, entkam ihm die einsilbige Antwort. „Lass uns gehen“, schloss er, und es war eigenartig. Absolut eigenartig, dass sie sich eine Wohnung teilten. Aber sie sprach es nicht aus. Sie nahm an, er fühlte es auch.

 

„Ok“, schloss sie, und erschöpft verließen sie die Halle.

 

Sie verließen das Ministerium über die Toiletten und konnten zu Fuß nach Hause gehen, hingen ihren Gedanken nach, und bogen schließlich in die magische Straße, die für Muggel uninteressant war, da sie eine Sackgasse markierte, in der Bauarbeiten durchgeführt wurden. Durch die Fenster sahen sie ab und an verschiedene Zauber blitzen, und kurz vor ihrem Gebäude hielten sie an. Vielmehr war er stehen geblieben, und eher unbewusst verharrte auch sie. Ihre Augen verengten sich. Eine pechschwarze Kutsche parkte vor dem Gebäude. Die beiden Thestrale scharrten mit den Hufen, warfen die Köpfe zurück, und Hermine war sich nicht sicher, was jetzt passierte. Das war kein übliches Bild, was sich ihr bot. Sie nahm an, es hatte mit Malfoy zu tun. Und diese Abscheulichkeit würde wohl einem Mitglied seiner Familie gehören. Seine ganze Haltung änderte sich, und die sanfte Überheblichkeit, die ihn umgab, der Hauch von Rebellion, den er ausstrahlte, verblasste gänzlich. Er wirkte äußerst angespannt.

 

„Gute Nacht, Granger“, verabschiedete er sich kühl und distanziert von ihr, erwartete wohl, dass sie weiterging, ihn zurückließ, denn er würde wohl in die Kutsche steigen. Sie wusste nicht, ob sie etwas dazu sagen sollte, ihm Mut machen musste – überhaupt irgendetwas tun sollte.

Aber was hatte sie schon mit dem reichen Schönling zu schaffen? Absolut gar nichts. Was für Probleme konnten Reinblüter schon haben, dachte sie dumpf. Es ging garantiert um Gold. Denn um mehr ging es doch nie bei den Reinblütern. Er hatte keine echten Sorgen, konnte gar nicht wirklich unglücklich sein, nahm sie an. Und sie glaubte, dass war es wohl, was sie so absolut unattraktiv an ihm fand. Unterm Strich war er ein verwöhnter Reinblüter.

 

Und genau das machte es ihr sehr leicht, zu nicken und zu gehen.

 

„Nacht, Malfoy“, verabschiedete sie sich umstandslos und war froh, sich keine Gedanken über seine privilegierten Sorgen machen zu müssen. Mit zügigen Schritten ging sie zum Gebäude, mied jeden Blick in Innere der Kutsche, denn Lucius Malfoy brauchte sie nicht sehen. Am besten nie.

 

~*~

 

Er setzte sich in Bewegung. Das letzte Gespräch mit seinem Vater war erdenklich schlecht gelaufen. Sie hatten geschrien, und dass er hier auftauchte konnte nur Schlechtes bedeuten. Er atmete aus und blieb vor der Kutschentür stehen.

Schon öffnete sie von innen, schwang nach außen, und im Innern brannten zwei Laternen, beleuchteten seinen Vater in harschem Licht, und sein Ausdruck war sparsam. „Leiste mir Gesellschaft, Draco“, forderte ihn sein Vater mit kühler Stimme auf, und es war keine Frage, keine Bitte. Es war kaum höflich genug, um überhaupt als Gespräch zu gelten. Es war ein simpler Befehl.  

 

Draco wollte keine Szene veranstalten. Deshalb ballte er die Fäuste und stieg ein. Lucius schloss die Tür, und still saßen sie voreinander. „Wer war deine Begleitung?“, fragte Lucius sofort, und Draco wollte nicht antworten. „Oder sollte ich sagen, deine Mitbewohnerin?“, korrigierte sich sein Vater, und Draco nahm an, er war bereits im Bilde und deshalb wartete er jetzt hier draußen. Warum er nicht schrie, war ihm unbegreiflich.

 

„Vater-“, begann er, aber Lucius winkte mit der behandschuhten Hand ab. Er war edel gekleidet. Wahrscheinlich fuhr er noch in den Club, nahm Draco an. Sein Mund war zu einer schmalen, strengen Linie verzogen. Draco kannte nur diesen Blick. Enttäuschung, gepaart mit sanfter Ablehnung.

 

„-ich habe nicht vor, über deine Ausbildung zu reden“, begann Lucius das Gespräch barsch, vereitelte jede neutrale Basis, die Draco schaffen könnte. „Ich habe dir meine Meinung deutlich mitgeteilt. Dass du hier, in dieser Absteige, lebst ist deine Wahl und dein Recht“, fuhr er fort, „und wenn du deine Wohnung teilen willst mit muggelgeborenen und Halbblütern – so sei es“, schloss er. Er ignorierte die Wertung in der Stimme seines Vaters.

 

„Woher weiß du, wo ich wohne?“, wollte Draco stattdessen wissen. Sein Vater schürzte die Lippen.

 

„Nicht wichtig.“

 

„Du hast Blaise gefragt?“, vermutete er jetzt, und sein Vater machte eine abschätzende Geste.

 

„Ich habe… einen Vorschlag für dich“, sagte Lucius schließlich. Draco runzelte die Stirn. Und es war eigenartig, dass er erkennen konnte, wie ungerne sein Vater tatsächlich hier war. Und es fiel ihm wirklich auf, denn die Abschätzung, mit der er ihn betrachtete war selten so überaus klar und deutlich. Sein Vater wollte nicht wirklich hier sein, aber was genau konnte Lucius Malfoy zwingen, mit der Kutsche vor diesem Gebäude zu stehen, fragte er sich unwillkürlich?

 

„Einen Vorschlag?“, wiederholte er und mochte den Klang dieser Worte überhaupt nicht. Denn höchstwahrscheinlich war es kein Vorschlag. Höchstwahrscheinlich war es Erpressung, mit einem Hauch familiären Zwang. Vielleicht… Etikette? Draco konnte nur raten, aber freiwillig würde Lucius garantiert nicht auf ihn warten.

 

„Ich habe mit Arthur Greengrass gesprochen“, erklärte er gönnerhaft. Draco runzelte die Stirn. Das klang nach mäßig viel Zufall, dafür, dass er Astoria am Samstag selber getroffen hatte.

 

„Aha“, machte Draco, der bereits jetzt das Interesse verloren hatte und überlegte, wie er hier möglichst schnell wieder verschwinden konnte.

 

„Arthur sitzt im Verwaltungsausschuss des Ministeriums“, fuhr sein Vater mit gewisser Nachsicht fort. Dracos Mundwinkel sanken. Es interessierte ihn immer weniger, was Lucius von sich gab.

 

„Und?“, entfuhr es Draco einsilbig.

 

„Er kümmert sich unter anderem um die finanzielle Verwaltung der Mysteriumsabteilung“, ergänzte er. Draco runzelte langsam die Stirn. „Und er wäre bereit, dir ein Gespräch mit dem Vorsitz zu verschaffen. Scheinbar gibt es internationales Interesse an einem Animagus deiner Güteklasse“, schloss er. Draco konnte sich das nur schwer vorstellen.

 

„Ich habe mich dort vorgestellt“, erläuterte er ruhig. „Ich hatte ein Gespräch. Und ich wurde abgelehnt, ohne den Hauch von Interesse an meiner Person oder meiner Begabung, Vater“, machte er es deutlich. „Du hast es für Unsinn befunden und mich woanders untergebracht. Oder hast du das bereits vergessen? Wieso solltest du mir ein weiteres Gespräch besorgen?“ Er fiel nicht auf die Tour rein. Auf keinen Fall. Aber Lucius betrachtete ihn, als höre er nur am Rande zu.

 

„Arthur erzählte mir, du hast seine Tochter Astoria getroffen?“ Draco wusste nicht sicher, wie er darauf antworten sollte, also tat er es vorsichtig.

 

„Kurz in Hogsmeade, ja?“, bestätigte er schmal, und Lucius‘ Mundwinkel hoben sich entsprechend, als hätte Draco eine wichtige Kronzeugenaussage bestätigt.

 

„Astoria wird achtzehn. Nächsten Monat“, ergänzte Lucius, und Draco starrte ihn mittlerweile an. Das hier würde einfach nur ein ekelhaftes Ende- „-heiratsfähiges Alter“, ergänzte Lucius vielsagend, und Dracos Stirn legte sich in tiefe, ungläubige Falten. Sein Vater musste komplett betrunken sein, hier her zu kommen, und zu denken, mit dieser Nummer bei ihm weiter zu kommen!

 

„Ich werde garantiert kein achtzehnjähriges Mädchen heiraten, Vater“, antwortete er direkt und wollte diesen Punkt wirklich deutlich machen. Sehr deutlich.

 

„Aber ein dreiundzwanzigjähriges Schlammblut, das erscheint dir passend?“, erntete er Lucius‘ eisigkalte Antwort nahezu sofort, und Draco reagierte, obwohl er es nicht wollte. Obwohl es genau das war, was sein Vater provozieren wollte.

 

„Sie ist kein-“, begann er zornig, fing sich aber. Er fing sich sehr schnell, denn für den Fall, dass sein Vater leidglich seine Gefühle für Hermine Granger testen wollte, würde er ihn direkt enttäuschen. Darum ging es hier nicht. „Ich habe kein Interesse an ihr!“, beteuerte er, und sein Vater musterte ihn abschätzend.

 

„Blaise sagt, du hast sie auf dem Bankett angesprochen. Und jetzt wohnst du in ihrer Wohnung“, fuhr er fort. Ja. Es sah aus, wie es eben aussah. Aber Lucius wollte er nicht auf die Nase binden, dass er eigentlich Sex mit ihrer Mitbewohnerin hatte haben wollen. Es waren unnötige Details.

 

Er hasste Blaise. „Ich habe eine andere Freundin“, knurrte er praktisch, aber der Effekt blieb aus.

 

„Das ist schön, Draco“, entfuhr es seinem Vater nachsichtig, als wäre er fünf Jahre alt. Als wüsste es Lucius besser, als wäre er die Respektsperson, die Dracos blinde Augen für das Wesentliche würde öffnen können. Er hasste diese kalte Herablassung. Hasste sie! „Die Greengrass‘ bieten dir die Hand ihrer Tochter, denn anscheinend öffnet dir unser Name in den richtigen Kreisen immer noch die ein oder andere Tür“, schloss er eindeutig. Draco konnte nicht fassen, was er hörte. „Und die Stelle als Unsäglicher ist deine. In der Animagus-Abteilung, mit der Option auf Auslandsarbeit. War es nicht das, was du eigentlich wolltest?“, lockte ihn Lucius‘ Stimme, und Draco biss die Zähne zusammen. Er hasste diese Welt, in der Lucius verkehrte. In der man das bekam, was man wollte, aber zu einem so hohen Preis, dass es schon nicht mehr wert war, überhaupt irgendetwas haben zu wollen.  

 

„Ich dachte, mir wird lediglich ein Gespräch verschafft?“, wollte Draco bitter wissen.


„Pro forma, ja“, bestätigte Lucius sehr geschäftsmäßig. „Sobald du um ihre Hand anhältst, kannst du anfangen“, schloss er schlicht, als wäre es einfach.

 

Es war der Job, den er wollte. Oder gewollt hatte.

 

Zu einem Preis, den er nicht zahlen konnte. Er war sich nicht sicher, ob er diesen Preis zahlen wollte. Sicher wollte er sich mit seinen Eltern verstehen, würde gerne einmal in seinem Leben erleben, dass sein Vater stolz auf irgendetwas war, was er tat oder erreichte, aber er bezweifelte, dass das geschehen würde, nur weil er sich seinem Willen fügte. Denn selbst, wenn es in ihren Kreisen Bestätigung brachte, sich angenehm in die Gesellschaft einpflegte, dann konnte er sich trotzdem kein Langzeit-Glück davon versprechen. Keinen Respekt. Er wusste, was er tat, in seinem Privatleben, war weit davon entfernt, ernsthaft zu sein, oder erwachsen. Aber vielleicht konnte er daraufhin arbeiten. Er liebte Lara. Er war sich sicher. Sie war eine gute Wahl für ihn. Aber Lucius würde es nicht verstehen.

 

„Nein“, sagte er deshalb, und beinahe lächelte er. Nicht weil es sonderlich witzig war, sondern einfach, weil er langsam aber sicher Übung darin bekam, seinem Vater Dinge abzuschlagen. Und der Effekt war fast nett. Denn vielmehr tun, als ihm das Gold zu entziehen, konnte Lucius nicht. Und Draco war nie sonderlich verwöhnt gewesen, auch wenn es den Anschein machte. Brauchte nie viele Dinge, die er sein eigen nennen konnte. Und Lucius machte es wahnsinnig. Lucius‘ Oberlippe kräuselte sich abweisend. Elterlicher Unglaube und Ablehnung erreichten ihn in heißen Wellen, so kam es Draco vor.

 

„Gefällt es dir tatsächlich so gut?“, wollte sein Vater dann wissen und fasste ihn  näher ins Auge. „Die Veilchen um deine Augen sagen mir, es läuft nicht gerade wie erwartet?“ Draco war es egal, wie es aussah. Lucius befasste sich mit ihm. Machte sich die Mühe, zu ihm zu kommen. Das hieß einiges. „Mach den nächsten Zug, und du bekommst deinen Unterhalt zurück, jedes Haus, was du willst, und der Albtraum ist vorbei.“ Sein Vater hatte keine Ahnung von Albträumen, dachte Draco knapp. Wenn Lucius nicht verstand, dass die Reinblüter-Hölle, in die er ihn zurückholen wollte, der eigentliche Albtraum war, dann hatte Lucius keine Ahnung.

 

„Ich habe eine Freundin“, wiederholte Draco kopfschüttelnd.

 

„Ich hatte viele Freundinnen, Draco“, erläuterte Lucius mit ätzender Nachsicht. „Du musst nicht sofort entscheiden. Hab etwas Spaß. Ich bin sicher, Astoria hat Verständnis. Du hast Zeit, bis sie Hogwarts verlässt“, sagte sein Vater, und ohne es zu wollen, überschlug Draco in seinem Kopf, dass es noch sieben Monate waren. Er schob die Tür wieder auf. Denn er hatte nichts mehr beizutragen, wollte auch nichts mehr hören.

 

„Ich lehne ab.“

 

„Ich frage dich in ein paar Monaten noch mal“, erwiderte sein Vater stattdessen, hielt ihn mit seinen nächsten Worten auf. „Draco“, sagte er, und er wandte sich langsam um. „Glaub es oder nicht, aber Armut ist anstrengend“, schloss Lucius. „Irgendwann wirst du das erkennen, und du wirst dich fragen, ob es keinen einfacheren Weg gibt, als diesen. Du bist ein Malfoy. Es liegt dir im Blut“, ergänzte er, aber er lächelte nicht. Als wäre es kaum ein Ticket zum Glück, sondern eine schwere Bürde. Draco kannte diese Bürde bereits. Er würde es nicht vergessen. Draco schlug die Kutschentür zu, und die Thestrale setzten sich in Bewegung. Er sah der Kutsche nach, sah den Weg, den er nicht wählen würde. Sah das hübsche junge Mädchen vor sich, mit dem halbmondförmigen Muttermal. Und er sah, was es für eine schlimme Zukunft wäre.

Nichts, was sein Vater bieten konnte, besaß längerfristigen Wert.

 

Er hatte solange ein Unsäglicher werden wollen, dass er schon nicht mehr wusste, wann er es entschieden hatte.

 

Aber was er jetzt tat, war besser. Er war Trainer, hatte eine wunderschöne Freundin. Er hatte, was er brauchte. Auch wenn Granger es anders sah. Fast wäre es wert, ihr zu sagen, dass sie und sein Vater derselben Ansicht waren. Er nahm an, das würde ihr ganz und gar nicht gefallen. Granger sah nur sein vermeintliches Talent, Lucius sah nur seinen Ruf.

Draco wollte schlafen. Er war vollkommen fertig, mit Muskelkater, den er vor dem nächsten Sex mit Lara kurieren musste. Gut, dass er die wirklich wichtigen Dinge im Fokus hatte, dachte er, und seine Mundwinkel zuckten selbstvergessen.

 

 

10. boy lost

 

Heute arbeitete er wieder mit den Zweiern am Animagus-Schein. Sogar Billy Cage hörte ihm einigermaßen aufmerksam zu.

 

„Ich muss alle diejenigen, die einen Begabtenschein machen wollen in die Liste aufnehmen. Ebenso diejenigen, die das Zertifikat erlangen möchten. Alle anderen, die nur ihren Animagus-Schein machen wollen, brauchen sich nicht einzutragen. Wir werden drei Gruppen haben, da der Patronus-Wechsel für alle, die sich nur verwandeln wollen, nicht wichtig ist“, rief er, damit es alle verstanden.

 

Und tatsächlich wollten überwiegend diejenigen aus der Begabtengruppe das Seltenheitszertifikat machen. Und von ihnen auch nur vier. Cage, Sam, David Jones und Jane Fairlane. Den Patronuswechsel für einen Begabtenschein wollte allein ein Mädchen namens Quinn Temple erwerben. „Ok“, sagte er abschließend. „Dann heute nur diejenigen, die den Patronus wechseln wollen – also Quinn“, ergänzte er lächelnd, „und diejenigen, die das Zertifikat möchten. Die übrigen trainiere ich morgen“, schloss er, und kam sich mäßig wichtig vor. Es war nett. Angenehm. Und er dachte kaum an das Angebot seines Vaters.

 

Die restlichen verschwanden, und Draco betrachtete die fünfköpfige Gruppe.

 

„Ihr wollt Donnervögel werden?“, fragte er die Gruppe, und alle nickten nacheinander. „Ok“, sagte er. Er hatte einen Konzeptplan vorgelegt bekommen, denselben, den er mit Granger privat durcharbeitete. Quinn sah ihn äußerst ehrgeizig an. Sie besaß hellblonden Locken, einige erdbeerblonde Strähnen dazwischen, Sommersprossen auf der Nase und wirkte auffallend ungewöhnlich. Vor seinem geistigen Auge konnte er ihren Donnervogel fast erahnen. Sie waren beide eher hell, also würde ihr Vogel auch in die goldenen Farben ragen, vielleicht sogar ins rötliche. Er würde außergewöhnlich aussehen. Er verwarf den Gedanken wieder. „Quinn“, sagte er dann, denn er mochte die Verwendung der Nachnamen nicht sonderlich. Bei den meisten hier zumindest. Sie sah ihn aufmerksam an. „Zeig mir, wie gut du den Patronus beherrschst“, forderte er sie auf, und das Mädchen gehorchte sofort, schwang den Zauberstab mühelos, und überrascht hoben sich seine Augenbrauen, und er hörte die übrigen, die er zum Bleiben aufgefordert hatte, ebenfalls überraschte Laute von sich geben.

 

Ihr Patronus gehörte zur gewöhnlichen Gruppe, war der eines mittelgroßen Hundes, aber der Unterschied zu üblichen Patroni war der, dass er farbig war. Nicht nur das, er war bunt, schimmerte je nach Bewegung in anderen Facetten des Regenbogens, und Draco hatte bisher nur davon gelesen.

 

„Und damit wird das mein Lieblingsprojekt“, entfuhr es ihm einigermaßen achtlos, während seine Augen den buchstäblich bunten Hund betrachteten, der vor ihm durch die Halle flitzte. Ein Albino-Patronus würde ebenso ein Albino-Animagus werden. Sie wäre in der Lage den Farbwechsel zu kontrollieren, sich an ihre Umgebung anzupassen, was ein immenser Vorteil gegenüber seinem Animagus war, den man zehn Kilometer gegen die Sonne ausmachen konnte. Ihm entging ihr geschmeicheltes Lächeln, die Röte in ihren Wangen, und er wandte sich den übrigen zu. „Hat noch irgendwer einen Albino-Patronus?“ Er nahm es nicht an, und die übrigen vollführten selber ihren Patronus, einige mehr schlecht als recht. Cage gehörte nicht zu den schnellsten, er brauchte zwei Anläufe, bevor sein Löwe mächtig aus der Spitze seines Zauberstabes brach. Kein Patronus sonst wechselte die Farbe.

 

„Ich denke, wir üben in der ersten Hälfte den Patronus-Zauber, denn wenn der nicht sitzt, klappt das ganze Unterfangen nicht. Anschließend studieren wir die Charakteristika des Donnervogels.“

 

„Heißt das, du verwandelst dich?“, entfuhr es Jane auffordernd, und Draco musterte sie knapp, nicht sicher, welche Wertung in ihrer Frage mitschwang.

 

„Zwangsläufig, sonst wird es euch um einiges schwerer fallen, euch damit zu identifizieren, oder?“, erwiderte er, und Jane lächelte verhalten.

 

„Super!“, entfuhr es ihr, ehrlich aufgeregt. Draco hatte nie viel Beachtung geschenkt bekommen, für seine… Ausbildung. Ein Talent war es nicht, denn es hatte ihn Jahre seines Lebens gekostet. Und während der Ausbildung war er von gleichgesinnten umgeben gewesen, mit demselben Ziel. Hier etwas Besonderes zu sein – und darauf reduziert zu werden – erschien ihm manchmal schäbig. Nur manchmal.

 

Niemand stellte Fragen, und die nächste Stunde wurde stumm die Formel geübt. Immer und immer wieder brachen die Patroni hervor, mal schneller, mal deutlicher, mal heller, mal größer, und er legte den Auszubildenden nahe, dass der Patronus immer dieselbe Größe, Form, Farbe haben sollte (abgesehen von Quinns Patronus), weil ansonsten eine wichtige Konstante zur Verwandlung fehlen würde – nämlich die exakte Präzision.

 

Und zumindest brauchte keiner mehr einen zweiten Anlauf, um seinen Patronus zu beschwören.

 

„Ok, ich denke, wir können weitermachen. Als wir die Donnervögel studiert haben, war die größte Herausforderung die Textur zu erahnen. Dies ist grundsätzlich bei jeder Animagus-Wandlung das schwerste, aber an eine Katze lässt sich wesentlich einfacher kommen, als an einen Donnervogel.“

 

„Was genau soll das heißen?“, entkam es Cage stirnrunzelnd.

 

„Um sich in ein Tier zu verwandeln, reicht es nicht nur, die Gewohnheiten, das Jagdverhalten, die Bewegungsmuster nachzuempfinden – ihr müsst in eurem Kopf die sehr genaue Vorstellung der – sagen wir – Haptik haben. Und ja, es ist für uns alle unangenehm, aber wesentlich einfacher, als einen Donnervogel hier her zu schaffen“, entfuhr es ihm fast gereizt.

 

„Wir sollen dich anfassen?“, entkam es Cage einigermaßen fassungslos.

 

„Glaub mir, wenn du die Prüfung ablegen kannst, ohne jedes Verständnis wie sich Körper und Federn anfühlen – bitte! Hab ich kein Problem mit. Aus Studienzwecken habe ich allerdings auch kein Problem damit, berührt zu werden“, ergänzte er grimmig.

 

„Dafür wirst du schließlich bezahlt“, machte sich David Jones vielsagend lustig, und Dracos Mundwinkel sagen.

 

„Der Donnervogel hat ein verdammt scharfes Gebiss, Jones“, bemerkte er knapp, benutzte den Nachnamen abschätzend, und er hatte geahnt, dass dieser Teil der Übung ätzend werden würde. Bei echten Tieren war es anders, aber bei dem Wissen, dass er… ein Mensch war, der berührt werden musste – war es einfach ekelhaft. „Bringen wir es hinter uns“, kürzte er es ab. „Macht Notizen zur Bewegung, zum Lauf, zur Körperform – denn glaubt mir, ich bin das originalgetreuste, was ihr in England finden werdet“, schloss er, sanfte Überheblichkeit in der Stimme, denn dass es ihm unangenehm war, bedeutete noch lange nicht, dass er nicht wusste, wie gut er tatsächlich war.

Grangers Bestätigung gab ihm nur mehr Absicherung in diesem Fall. Er war verdammt gut. Aber wieder einmal brachte ihm das nicht viel mehr, als zunächst fünfhundert Galleonen zusätzlich auf seiner Gehaltsabrechnung, auf die er sehr gespannt war.

 

„Ich dachte, wir müssen eine Woche ein Blatt im Mund haben?“, warf Jane spöttisch ein, und Draco verzog den Mund. Ja, das war der unangenehme Teil.

 

„Einen Monat“, korrigierte er sie.

 

„Einen Monat?“, wiederholte Sam ungläubig.

 

„Können sehr leicht sechs werden“, bemerkte Draco bitter. Sechs Monate hatte es bei ihm gedauert.

 

„Was?“ David Jones wirkte gänzlich unbegeistert. „Wieso sechs?“

 

„Das Blatt wird von Vollmond zu Vollmond im Mund behalten. Und der Mund muss unbewölkt sein. In Arizona hatten ständig irgendwelche Gewitterwolken den Mond verhangen, und wir mussten sechsmal von vorne beginnen“, erklärte er. „Aber bis ihr an dem Punkt angelangt seid, wird noch einiges an Zeit vergehen“, schloss er lächelnd, und seine Kollegen sahen ihn missmutig an. „Was?“, wollte er mit erhobener Braue wissen. „Es wird kein Spaziergang werden. Also passt ihr am besten auf“, ergänzte er mit eindeutigem Kopfschütteln.

 

Zögerlich holten die Auszubildenden ihr Pergament, und Draco steckte den Zauberstab ein.

 

„Wieso kannst du das ohne Zauberstab?“, wollte Quinn ehrlich neidisch wissen, und er schenkte ihr ein knappes Lächeln.

 

„Weil ich gut bin“, war alles, was er sagte, und er sah gerade noch Cages entnervte Grimasse, bevor dieser den Blick senkte. Es machte Spaß, die arroganten Idioten zu ärgern. Bevor er den Effekt zu sehr hinauszögerte, verwandelte er sich. Sein Gehirn tat es automatisch, so sehr hatte er den Prozess verinnerlicht. Er spürte, wie sich sein Körper wandelte, seine Lunge größer wurde, seine Gliedmaßen wuchsen, sich änderten, und es schmerzte nicht mal mehr, als sich sein Organismus anpasste. Das zweite Herz schlug schneller, kräftiger in seiner Brust. Seine Sicht änderte sich, und ultraviolett schimmerte alles, was vorher weiß gewesen war. Seine Optik verschärfte sich und er erkannte jedes Staubkorn in der Luft. Er wuchs an, spürte das massive Gebiss, schüttelte knapp den Kopf, um den kurzen Schwindel abzulegen, und große Augen sahen ihn an. Das einzig ärgerliche war, dass er nicht sprechen konnte.

 

Er war ein großes Exemplar, weil er ein hochgewachsener Mann war. Voll aufgerichtet maß er über zwei Meter, aber er senkte entsprechend den Kopf. Zuerst begann er einige Runden zu laufen. Locker, mit kraftvollen Sprüngen. Gerne zog er sich in diesen Körper zurück, und das beste waren die Flügel. Mühelos spannte er die vielen Paare aus, bewegte die Schultern, spürte schon jetzt den sanften Auftrieb, alleine, weil seine Federn dick und seine Knochen hohl waren. Sofort kamen die übrigen näher, notierten alles Mögliche, einige zeichneten ihn, und dann stieß er sich mit massiver Kraft vom Boden ab, stieg in die Luft, und die Köpfe der anderen hoben sich, folgten ihm, während er befreiend durch die verzauberte Halle flog, die ihm genug Freiraum erlaubte, um höher zu steigen, ehe er im Sturzflug tiefer sank. Niemals hätte er angenommen, andere in dieser Kunst auszubilden.

Wie hart es gewesen war, die Biester zu Gesicht zu bekommen. Nachtaktive, scheue Kreaturen waren sie. Allesamt weiblich und bissig.

Und dann gab es da noch den winzigkleinen Bonus dieser Rasse. Hart schlug er die Flügel nieder, ließ die Magie in seine Umgebung fließen, spürte die elektrische Ladung um sich herum, und mit dem nächsten Flügelschlag wandelte sich der künstliche Himmel über ihm, aber er dosierte die Magie, ließ nur leisen Donner ertönen, und verhalten zuckte ein heller Blitz über die ferne Decke über ihm.

 

Die anderen würden es leichter haben als er. Er gab sich Mühe, so tierisch wie möglich zu sein, als er landete, und der magische Himmel klarte wieder auf. Unbewusst wichen die anderen zurück, und er trabte auf Quinn zu, die wie versteinert verharrte. Er neigte für sie den mächtigen Kopf, sah sie erwartend an, als sie sich nicht rührte, und zaghaft hob sich ihre schmale Hand, legte sich auf die breite, sensible Fläche zwischen seinen Augen, und ruhig atmete er, verharrte unter ihrer Bewegung.

 

„Merlin, es ist… viel weicher, als ich gedacht hätte“, entfuhr es ihr, während sie prüfend mit den Fingern über seinen Schnabel fuhr. Er öffnete den Schnabel für sie, zeigte das Gebiss, was ebenfalls verdammt schwer zu sehen war, bei einem echten Donnervogel, und sie blinzelte überrascht ob der scharfen Leisten, die er ihr offenbarte. Donnervögel waren Fleischfresser. Sanft fuhren ihre Finger über jede Erhebung, bis sie sanft seinen Nacken streichelten. Quinn schien schon vergessen zu haben, dass er kein Tier war, aber Cage erinnerte sie zuverlässig daran.

 

„Sollen wir euch alleine lassen, Temple?“, rief er feixend, und Draco hob den mächtigen Kopf, kam sofort auf Cage zu, dessen Grinsen auf seinem Gesicht erstarb, und Draco gab sich nicht die Mühe, den Kopf zu senken, überragte den Jungen um mehr als einen Meter, und Cage blickte angespannt nach oben. Draco rührte sich nicht mehr, und Cage zögerte.

 

„Billy, du wirst ihn berühren müssen. Du willst dich verwandeln, oder nicht?“ Jane sah ihn genervt an. „Sei nicht so ein dämliches Weichei“, entkam es ihr schließlich, und Cage schoss ihr einen wütenden Blick zu. Seine Hand zitterte, als er sie langsam hob. Er zögerte noch immer, berührte nicht seinen Hals, und Draco schnaubte tierisch gereizt.

 

„Ja, Mann“, knurrte Cage gepresst. Lieblos presste er die Handfläche gegen Dracos Hals. Und es half nichts. Cage würde ihn untersuchen müssen, um sich die Federstruktur einzuprägen. Und das nicht nur heute, dachte er bitter. Deshalb neigte er langsam den Kopf, senkte den Blick, denn er brauchte Cage nicht aus nächster Nähe betrachten, während er von ihm angefasst wurde. Aber langsam verlor Cage wohl den Widerwillen oder auch er vergaß, dass Draco kein Tier war, als seine Hand langsam zu seinem Kopf wanderte, fast sanft über seinen Schnabel strich, bevor seine Hand ebenfalls auf der prominenten Stelle zwischen seinen Augen ruhen blieb.

 

„Es ist… wie Seide“, entkam es Cage fasziniert. Dracos Blick hob sich, traf seine Augen, und langsam spannte er seine sechs paar Flügel, so ruhig er konnte. Cages Augen weiteten sich, und gänzlich ohne Scheu glitten seine Finger über den muskulösen Teil des Hauptflügels. Auch David und Sam kamen näher, berührten Draco mit technischem Interesse, fühlten die Muskeln, staunten über die schiere Kraft, aber Draco spürte, wie anders sie ihn berührten, als Cage es tat. Ihr Interesse war ein gänzlich anderes. Sam und David ging es um Muskelaufbau, um Kräfteverteilung, wogegen sich Cages Berührung nur auf das reine Gefühl beschränkte. Und fast – nur fast – empfand er es als über alle Maßen unangenehm, denn… es wirkte zu vertraut, zu… intim. Er hob den Kopf, betrachtete Cage mit seinem scharfen Blick, und Cage erwiderte ihn schließlich, und langsam kroch die Erkenntnis in die blauen Augen des Jungen, dass Draco kein Tier war, und Faszination wich dem Ekel zu schnell, dass man es mit bloßem Auge kaum mitbekommen hätte. Cage zog seine Hand zurück, machte einen Schritt nach hinten.

 

„Komm her, Jane“, knurrte er praktisch, ließ Jane den Vortritt, und machte tatsächlich kehrt, verschwand allerdings nur zu den Bänken und schrieb auf seinem Pergament. Jane und Quinn untersuchten ihn, wie Mädchen es eben taten. Sanft, gewissenhaft, vollkommen verzückt.

 

„Fliegst du noch mal?“, fragte Sam ihn schließlich, und gerne tat ihm Draco den Gefallen, dann musste er nämlich nicht mehr berührt werden. Er spannte alle Flügel, stieg hoch, flog kunstvolle Kreise und genoss die Pfiffe und die Rufe von unten. Er fiel in einen Sturzflug, bremste kurz vor dem Boden ab und verwandelte sich im Flug zurück, um anmutig auf beiden Füßen zu landen.

Tatsächlich war sogar der Applaus angenehm.

 

„Wow“, flüsterten die Mädchen kopfschüttelnd, und der sanfte goldene Glanz fiel von ihm ab. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Hallentür zufiel. Cage war verschwunden. Kurz runzelte er die Stirn, bevor er geduldig sämtliche Fragen beantwortete, die die anderen an ihn hatten.

 

„Wie verdammt noch mal machst du den Donner?“ Sam starrte ihn so wissbegierig an, dass Draco das Grinsen nicht verkneifen konnte.

Dann hatte Blaise eben doch Recht. Er genoss die Aufmerksamkeit.

 

~*~

 

Es war seltsam in der einen Stunde der Held zu sein, in der anderen gerade ebenso mithalten zu können. Sam und er arbeiteten mit Hochdruck an den Zaubertränken. Es war auf Hogwarts nie Dracos Lieblingsfach gewesen. Und er besaß kein gutes Augenmaß. Natürlich hatte er für seine Animagus-Verwandlung einen exakten, lebenswichtigen Trank brauen müssen, aber es war nicht auf Zeit angekommen, sondern auf Präzision, und er hatte sechs Monate Zeit gehabt. Hier ging es um Sekunden. Perfekte Tränke ließen sich nicht innerhalb von Sekunden brauen.

 

„Reicht das?“, entkam es ihm unsicher, und Sam hob unglücklich den Blick.

 

„Würde ich sagen“, behauptete der dunkle Junge vage. Es musste ausreichen, sagte sich Draco, beendete den Trank eilig, denn der Ausbilder sammelte bereits die Proben ein. Es erinnerte ihn gefährlich deutlich an Hogwarts. Die Farbe passte ungefähr. Immerhin. Sie übergaben den Flakon, und von weitem erkannte Draco, dass Cage und Jones nicht besser abschnitten, als sie es taten. Cage mied seinen Blick entschieden, bedrohte ihn nicht mal mehr.

„Wie läuft deine Nachhilfe eigentlich?“, wollte Sam wissen, und Draco hob langsam den Blick.

 

„Mh?“, machte er abwesend.

 

„Mit Granger?“, ergänzte Sam.

 

„Ganz ok“, entgegnete er mehr oder weniger wertfrei.

 

„Ist sie gut?“, wollte Sam wissen.

 

„Ist sie gut?“, wiederholte Draco verständnislos. „Ob sie gut erklärt?“, fragte er stirnrunzelnd, und Sam ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja.“

 

„Schätze schon. Mal sehen, ob es mir was bringt. Wieso fragst du? Willst du mir lieber Nachhilfe geben?“, vermutete Draco spöttisch, und Sam schüttelte den Kopf.

 

„Nein“, widersprach er grinsend. „Absolut keine Lust und keine Begabung dafür“, ergänzte er kopfschüttelnd. „Geht sie noch mit diesem Schwachmaten aus?“, wollte er dann wissen, und tatsächlich wusste Draco, dass sie das nicht tat.

 

„Nein“, erwiderte er, als sie die Sachen zusammenpackten. „Tut sie nicht, warum?“

 

„Vielleicht… könntest du für mich das Wasser testen? Mal… nachhaken, ob sie Interesse an einem Date hätte?“, machte er es vorsichtig deutlich.

 

„Mit… mit dir?“, erkannte Draco endlich Sams Beweggrund, und Sam ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja. Oder spricht was dagegen?“, wollte er eindeutig wissen, und Draco schüttelte sofort den Kopf. Er hatte überhaupt nicht so überrascht klingen wollen. Es war nur so, dass beispielsweise Blaise auch nie auf dieselben Mädchen stand, wie Draco es tat, und dass Draco nicht erwartet hätte, dass jemand weiteres an Granger Interesse hatte. Dass sie ihm eine unschmeichelhafte Abfuhr erteilt hatte und dass vielleicht ausgerechnet der Mann, mit der er zusammenarbeitete, keinen Korb bekäme. Die Gedanken waren dumm, aber verhindern konnte er sie nicht.

 

„Nein. Überhaupt nicht“, sagte er sofort. „Ich… rede nur nicht wirklich mit ihr.“

 

„Aber… du kennst sie? Ihr wohnt zusammen“, begann Sam verständnislos.

 

„Noch, ja. Noch wohnen wir zusammen.“ Er wollte das betonen, denn es war nur temporär.

 

„Also, fragst du sie? Du siehst sie jeden Tag, Malfoy“, ergänzte er.

 

„Ok“, bestätigte Draco, obwohl er nicht wollte. Er wollte niemanden verkuppeln, niemanden verkaufen, für niemanden ein gutes Wort einlegen, und schon gar nicht bei Granger. „Meinetwegen“, ergänzte er lustlos.


„Danke, Mann“, erwiderte Sam erleichtert. „Wahrscheinlich habe ich sowieso keine Chance“, ergänzte er betrübt. Wahrscheinlich stimmte das sogar, überlegte Draco dumpf. Er hatte keine Chance bei ihr gehabt.

 

„Besser als McLaggen bist du jeden Tag“, war allerdings, was er sagte. Sam grinste schief.


„Danke, jetzt fühle ich mich aufgebaut, Malfoy“, bemerkte er kopfschüttelnd, und sie verließen den Raum. Draco fühlte sich zum ersten Mal, als ob er dazugehörte. Zum ersten Mal in seinem Leben, ging ihm auf. Es war nett.

 

„Malfoy“, vernahm er Cages Stimme hinter sich und wandte sich um. „Hast du ‘ne Minute?“, fragte er schroff, und Sam hob fragend die Augenbrauen, verabschiedete sich aber auf Cages eisigen Blick hin.

 

„Ich sehe dich später“, rief er Richtung Draco, und dieser wollte auf keinen Fall mit Cage alleine sein. Eigentlich wollte Draco Mittagessen. Mit Lara. Jetzt.

 

„Ich habe nicht viel Zeit“, sagte er also vorsintflutlich.

 

„Dauert auch nicht lange, Malfoy“, versicherte Cage ihm knapp. „Ich habe kein Interesse an dem Seltenheitszertifikat mehr. Ich bin raus“, sagte er schlicht.

 

„Ok?“, entkam es Draco verblüfft, und Cage nickte zum Abschied. „Kannst- sagst du mir, warum?“, hielt er Cage knapp auf, denn er hoffte nicht, dass es an seiner Unfähigkeit lag, Menschen zu unterrichten.

 

„Weil ich keinen Bock auf die Scheiße habe“, bekam er seine unqualifizierte Antwort. Draco runzelte die Stirn. „Du bist kein Ausbilder.“

 

„Ich kann trotzdem das Wissen vermitteln, dass du brauchst, um-“

 

„-ich habe keine Lust mehr, es zu lernen.“ Aber Draco war nicht dumm. Meistens nicht.

 

„Weil du mich anfassen musst?“, schloss er knapp, und kurz weiteten sich Cages Augen.

 

„Halt die Schnauze, Merlin, verflucht!“, entkam es Cage gepresst, und Draco nahm an, er lag richtig mit seiner Vermutung. Er schätzte Cage so ein.

 

„Es gehört zur Ausbildung. Es ist nichts-“

 

„-wenn du nicht sofort dein Maul hältst, muss ich dich wieder verprügeln. Willst du das?“, fragte er ihn sehr direkt, und Draco atmete lange aus.

 

„Am Ende musstest du zur Krankenstation“, erinnerte er Cage bloß. „Wenn du diese Gelegenheit sausen lässt, wirst du keine mehr bekommen“, machte er es deutlich.

 

„Danke, ich werde überleben, ohne dich anzufassen, Malfoy“, knurrte der Junge gefährlich leise.

 

„Das ist dein Problem – und dein Problem allein, ich hoffe, das weißt du?“, erwiderte er einigermaßen verständnislos.

 

„Schon klar“, entgegnete Cage gepresst. „Ich wollte dich informieren, das ist alles.“

 

„Du hast die besten Voraussetzungen“, beharrte Draco kopfschüttelnd.

 

„Hör auf damit“, knurrte Cage, sah sich wieder um, als würde es irgendjemand auch nur im Ansatz interessieren, über was sie sprachen.

 

„Ich akzeptiere deine Entscheidung“, entgegnete er, „aber wenn sie alleine darauf basiert, dass du keinen Körperkontakt willst, dann-“

 

„-ich schwöre bei Merlin, wenn du-!“

 

„-warum ist es so ein Problem? Weil du mich hasst? Weil du mich geschlagen hast? Weil du Männer widerlich findest? Zum Vorteil deiner Ausbildung solltest du Chancen nutzen, die sich nur ein einziges Mal-“ Draco unterbrach sich, als Cage umstandslos den Zauberstab zog und ihn kalt auf ihn richtete.

 

„Wir sind fertig mit diesem Gespräch, Malfoy. Ich bin raus. Hast du das verstanden?“ Es lag eine eigenartige Angst in Cages Blick, die Draco bisher nie aufgefallen war. Er hatte angenommen, Cage fürchtete sich vor so ziemlich gar nichts. Aber scheinbar hatte er sich geirrt.

 

„Billy?“, hörte er Penelopes Stimme, und auch Granger betrachtete die Szene misstrauisch. „Wieso bedrohst du ihn?“ Es klang direkt nach Beziehungsstreit, fand Draco.

 

„Tue ich nicht“, log der Mann vor ihm gepresst, und sein Zauberstab sank.

 

„Kann ich mit dir reden?“, machte es Penelope überdeutlich, und mit einem letzten hasserfüllten Blick folgte Cage seiner Freundin. Draco sah ihm nach, bevor er sich wieder Grangers Blick gewahr wurde.

 

„Schon wieder Streit?“, erkundigte sie sich lediglich und schob sich an ihm vorbei zu ihrem Spind, um einige Bücher zu verstauen.

 

„Nicht… wirklich“, entkam es ihm nachdenklich.

 

„Aha. Er bedroht dich jetzt also schon zum Spaß?“, nahm sie an, aber sie klang nicht sonderlich interessiert.

 

„Er will den Schein nicht mehr machen“, informierte er sie – wusste Merlin, warum er es tat. Wahrscheinlich, weil sie gerade da war und es ihn bewegte. Sie hielt kurz inne und runzelte die Stirn.

 

„Er ist in der Begabtengruppe. Warum sollte er diese Chance ausschlagen?“, wiederholte sie seine Worte, und er sah sie schließlich an, bevor er unentschlossen mit dem Kopf ruckte.

 

„Ich denke, weil er mich berühren muss, um das Körperverständnis zu erlangen“, räumte er stiller ein, und tatsächlich trat eine wissende Erkenntnis auf ihre Züge, die etwas vor Dreck standen. Wahrscheinlich hatten sie wieder praktisches Training gehabt.

 

„Das würde meine Theorie mehr als nur bestätigen“, bemerkte sie, verschloss den Spind und machte sich daran, zu gehen.

 

„Die da wäre?“, verlangte er zu wissen, und sie wandte knapp den Blick zurück.

 

„Billy Cage ist schwul“, erwiderte sie eindeutig, und Dracos Mund öffnete sich knapp.

 

„Ist er nicht“, behauptete er blind, denn Cage war mit Penelope zusammen. „Er hat ein Mädchen“, ergänzte er eindeutig.

 

„Verzeihung“, sagte Granger dann achselzuckend, „Billy Cage ist nicht öffentlich schwul“, korrigierte sie sich, hob die Hand zum Abschied, und ihm ging auf, er hatte Sam nicht den Gefallen getan, Granger nach ihren Gefühlen für Sam zu fragen. Er würde es später nachholen. Und er nahm an, sie lag falsch. Cage kam ihm nicht schwul vor.

 

Die Frage war, musste er mit ihm darüber reden? Dass er deshalb nicht den Schein sausen lassen sollte? Draco konnte sich lebhaft ausmalen, wie dieses Gespräch laufen würde. Am besten würde er sich direkt einen Sturzhelm aufsetzen, vielleicht noch seine Uniform polstern.

 

Es war erst mittags. Noch sechs Stunden würde er hier sein. Er war schon jetzt müder, als jemals in seinem Leben zuvor. Mal sehen, wie lange er durchhalten würde.

 

 

11. bitter truth

 

Sie verblieben wie schon das letzte Mal. Zuerst half sie ihm, aber seine Zauberstabhand war bereits müde und zitterte stärker, bei jeder Abwehr. Sie sprachen nicht wirklich, und seine Gedanken hingen ohnehin ihrer These nach, dass Cage möglicherweise schwul sein könnte. Allerdings war Draco in seinem Kopf dann an dem Punkt angelangt, wo er es einfach nur noch scheiße von Cage fand, sollte er tatsächlich deshalb den Schein schmeißen.

 

„Bist du überhaupt fit genug für die Verwandlung?“, erkannte sie schließlich seinen Zustand, und er schenkte ihr einen missmutigen Ausdruck.

 

„Ist kein Aufwand für mich“, erwiderte er, und konnte das Gähnen gerade so verhindern. „Du leistet ja die meiste Arbeit“, ergänzte er, und jetzt dachte er an Sams Bitte. Wie sollte er so etwas fragen, ohne dass es seltsam war?

 

„Dann fange ich mit dem Patronus-Wechsel an“, informierte sie ihn, als er wohl schweigend Löcher in die Luft gestarrt hatte.

 

„Mh? Ja, gute Idee“, riss er sich aus den Gedanken, betrachtete sie knapp, während sie tatsächlich schon Verbesserungen machte. Sie trug die langen Locken wie immer in ihrem hohen Zopf, war Lara so unähnlich, und er versuchte, sich an Hogwarts zu erinnern. Sie war ihm dort nie wirklich aufgefallen. Sicher, er wusste, wie er sie genannt hatte. Was er getan hatte. Für einen Moment fragte er sich, ob er sich entschuldigen müsste. Ob es ihr wichtig wäre. Wahrscheinlich war es absolut töricht von ihm gewesen, ausgerechnet sie um ein Date zu bitten.

Er sah es ein.

 

Sie hob langsam den Blick. Er starrte, ging ihm ärgerlich auf.

 

„Was?“, entkam es ihr fast unsicher, aber nur fast.

 

„Nichts“, sagte er hastig. „Du – alles richtig“, kommentierte er ihren langsamen Wechsel, der ihr heute schon schneller gelang. „Granger“, begann er schließlich, als sie den etwas zu kleinen Drachen wieder zum Otter wechselte.

 

„Ja, Malfoy?“, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen.

 

„Gehst… ich- gehst du zurzeit mit irgendwem aus?“, erkundigte er sich fast zu hastig, und wieder hob sich ihr Blick.

 

„Was wird das?“, fragte sie direkt. „Versuch Nummer zwei?“, wollte sie prüfend von ihm wissen, Ablehnung im Blick, und er biss die Zähne zusammen.

 

„Oh nein, keine Sorge“, entgegnete er bitter. „Ich persönlich werde dich nie mehr fragen“, sagte sein Stolz mit Nachdruck. „Und offen gesagt bin ich dankbar für deine Abfuhr, denn ich habe dadurch eine wesentlich bessere Entscheidung getroffen“, behauptete er etwas zu überheblich, er konnte es selber hören.

 

Sie wandte sich wieder spöttisch ihrem Patronus zu. „Das hatte nichts mit mir zu tun. Ich denke, Lara war die nächste auf der Liste“, erklärte sie achselzuckend.


„Es gibt keine Liste“, widersprach er gepresst.

 

„Ich bitte dich“, war tatsächlich alles, was sie darauf sagte. Gerne würde er ihr seine Unerfahrenheit vorhalten, sein mangelndes Wissen über Beziehungen – aber natürlich tat er das nicht. Sollte sie ruhig denken, er hätte eine Liste. Dafür, dass er 23 war, war seine Liste erstaunlich kurz. Er hatte mit zwei Frauen geschlafen. Und nur mit einer hatte er seit neuestem eine Beziehung.

 

„Ich frage nicht für mich“, machte er es deutlicher, und seine Stimme klang gereizter. Ihr Zauberstab sank.

 

„Was?“ Sie sah ihn verständnislos an.

 

„Ob du zurzeit mit irgendwem ausgehst. Ich- Sam hatte mich gebeten, zu fragen“, sagte er schließlich.


„Sam? Sam wer?“ Sie schien ihn nicht auf ihrem Radar zu haben. Draco nahm an, das bedeutete nichts Gutes für Sam.

 

„Sam Black. Zweites Jahr?“, half er ihrem Gedächtnis, und sie zog die Stirn in Falten.

 

„Der beste Freund von Cage?“, wollte sie leicht angewidert wissen.

 

„Nein, er ist nicht mehr bei Cage“, erwiderte er sofort.

 

„Weil er jetzt dein bester Freund ist?“, wollte sie spöttisch von ihm wissen, und mit ihr zu reden war mehr als anstrengend. Und er befürchtete, er leistete gerade keinen guten Job. Sams Verkaufsgespräch lief denkbar schlecht. „Was seid ihr? Jungen im Kindergarten? Weil du jetzt beliebter bist, ist er dein Freund?“ Und tatsächlich lag sie sogar richtig, nahm er an, wenn er Sam denn Glauben schenken konnte.

 

„Granger, ich wollte einfach nur-“

 

„-einfach nur was?“ Mittlerweile waren ihre Zauberstäbe vergessen, und er befand sich in einem seltsamen Streitgespräch mit ihr, obwohl das das letzte auf seiner Liste war. „Mich einfach nur mit deinem Freund verkuppeln, weil ich ein Objekt bin, über das man frei verfügen darf? Weil ich in eurer unendlichen Gnade dankbar sein sollte, dass ihr Interesse an mir habt? Malfoy, lass es mich erklären, so dass sogar du es verstehst-“, begann sie warnend, aber er wollte es gar nicht hören.

 

„Du musst mir überhaupt nichts erklären, Merlin noch mal!“, fuhr er sie an. „Und dass du mich nicht willst ist ok. Ich… verstehe das, und es war absolut dumm von mir, zu fragen – dich überhaupt anzusehen, ok? Ich weiß das!“, machte er es deutlich. „Aber Sam ist anders! Sam ist ebenfalls verstoßen und wurde verachtet, und er ist ganz und gar nicht wie ich, und-“

 

„-verstoßen und verachtet?“, wiederholte sie tonlos seine Worte, und sehr schnell rekapitulierte er. „Wie ich?“, schloss sie schneller, als er es verteidigen konnte. „Wie absolut ‚Voldemort‘ von dir, Malfoy“, spuckte sie ihm entgegen – und sie packte ihre Sachen ein! Sofort war er neben ihr.

 

„Das war- ich habe es so nicht gemeint! Überhaupt nicht so!“, sagte er sofort. „Ich hatte es nicht auf dich bezogen, sondern-“


„-sondern was? Auf wen, Malfoy? Auf dein privilegiertes Leben ja wohl kaum!“, fuhr sie ihn an.

 

„Granger, alles, was ich sagen wollte-“

 

„-vielleicht solltest du einfach mal gar nichts sagen, wie wäre das? Kannst du nicht einfach deinen Mund halten? Hätten wir nicht einfach arbeiten können? Wieso fragst du überhaupt, ob ich vergeben bin?“, wollte sie plötzlich wissen. „Ist das deine Masche? Die Schlammblüter-Wohlfahrt? Taucht deshalb dein Vater in unserer Straße auf?“ Sie raubte ihm jedes Wort – und nein! Sie verstand alles falsch! Und er wusste nicht, wie viel Körner Wahrheit sie fand. Ja, sein Vater war da gewesen, und ja, vielleicht machte er sich Gedanken darüber, warum er, Draco, mit Hermine Granger zusammen wohnte, aber es hatte nichts damit zu tun! Und wieder unterstellte ihm ein Mädchen, dass er eine Masche hätte, ging ihm am Rande auf.

 

„Granger-“, begann er müde, aber sanfte Verletztheit schoss über ihr Gesicht.

 

„-lass es einfach“, warnte sie ihn jetzt kopfschüttelnd.

 

„Ich wollte nicht-“, begann er kraftlos, aber sie wandte sich ab.

 

„-und sag deinem Freund, ich habe nicht das geringste Interesse an oberflächlichen Auroren im Training, die Freundschaften nur dann pflegen, wenn sie lohnend für ihr Image sind“, rief sie über die Schulter zurück, bevor sie ihn einfach stehen gelassen hatte.

 

Und seit wann war er lohnend für irgendein Image?! Seit wann war er beliebter als irgendwer sonst? Hörte sie sich überhaupt reden?!

 

Scheiße. Er hatte komplett versagt. Sams Chancen wären wahrscheinlich größer gewesen, hätte er selber gefragt. Und das Dumme war – sie wohnten zusammen. Er würde ihr eventuell folgen, in derselben Wohnung schlafen und hoffen, dass sie morgen eher aufstand als er.

 

~*~

 

Sie lehnte müde an der Küchenzeile, trank Earl Grey und ärgerte sich darüber, dass er die Dreistigkeit besaß und nicht eher aufgestanden war. Gähnend schlurfte Penelope an ihr vorbei, versuchte die Badezimmertür zu öffnen, und Hermines Ausdruck verdunkelte sich. „Vergiss es. Prinzessin Tausendschön belegt das Bad seit fünfzehn Minuten“, entkam es ihr bitter.

 

„Malfoy!“, rief Penelope verärgert. „Du wohnst hier nicht alleine!“, ergänzte sie mit rauer Stimme.

 

„Eine Sekunde!“, vernahm Hermine seine gereizte Stimme, und sie hasste Penelope dafür, ihn hergeholt zu haben. Hermine war schon im Bad gewesen, aber sie hasste seine schlichte Existenz an diesem Morgen noch mehr. Endlich öffnete er die Tür, wurde begleitet von Dampfschwaden und ärgerlich nutzte Penelope ihren Zauberstab, um die Luftfeuchtigkeit zu verringern, bevor sie die Tür zuknallte. Malfoy kam näher, bis er vor ihr stand. Sein Geruch erschlug sie praktisch. Er badete in Aftershave, nahm sie blinzelnd an, denn der Geruch biss in ihren Augen.

 

„Ist noch heißes Wasser da?“, fragte er mit Blick auf den Wasserkessel auf dem Herd, und sie ruckte unverbindlich mit dem Kopf, sah ihn nicht an, rührte sich aber auch nicht.

 

Er hob den Kessel an, schüttete sich eine neue Tasse voll und füllte sich ein frisches Teeei mit Teeblättern, welches er anschließend lieblos in die Tasse warf. Wartend stand er nun neben ihr, betrachtete unschlüssig das Brot im Korb, und schien sich gegen Nahrung zu entscheiden. „Redest du nicht mehr mit mir?“, erkundigte er sich dann ruhig bei ihr, und abweisend trank sie weiter ihren Tee. „Nicht sonderlich erwachsen“, ergänzte er bloß.

 

„Fick dich, Malfoy“, rang sie sich knappe Worte ab, und erkannte sein Lächeln aus den Augenwinkeln. Gott, er war so scheiße!

 

„Das… ist immerhin etwas“, bemerkte er glatt, und sie atmete aus. Dann hob sie den Blick zu seinem Gesicht. Es war immer irgendwie anstrengend. Sie wusste nicht mal, warum. „Gibst du mir noch Nachhilfe?“, fragte er schließlich, und sie verzog den Mund. Sie wollte den Schein machen. Immer noch. Denn es war einzigartig, und sie war zu gut, um ihn nicht zu machen.

 

„Ja“, antwortete sie missmutig.

 

„Gut. Danke“, ergänzte er. „Vielleicht vereinbaren wir einen Waffenstillstand?“, schlug er jetzt vor. Sie sah ihn ablehnend an. „Und ich werde meinen Teil dazu beitragen, dich nicht zu nerven, und dir keine dummen Fragen zu stellen“, ergänzte er.

 

„Und was genau soll mein Beitrag sein? Im Licht der Tatsache, dass ich absolut gar nichts falsch gemacht habe?“, sagte sie endlich Worte, die weit von einem Waffenstillstand entfernt waren. „Ich soll schlicht und einfach ertragen, dass du ein Vollidiot bist?“, wollte sie bitter wissen, und sein Blick fiel.

 

„Wieso hältst du mir so etwas vor?“, erkundigte er sich ehrlich ungläubig bei ihr. „Ich dachte, ich wäre so wahnsinnig talentiert?“, schien er ihre Worte aufzugreifen, und sie atmete angestrengt aus.

 

„Ich hätte dir niemals irgendein Kompliment machen sollen“, entkam es ihr kopfschüttelnd.

 

„Keine Sorge, das passiert mir schon nicht allzu häufig“, entgegnete er tatsächlich, und sie verdrehte die Augen.

 

„Genau so was!“, fuhr sie ihn an. „Was soll das, Malfoy? Was soll die Show? Wieso tust du so?“ Sein Mund öffnete sich verständnislos.

 

„Wie?“ Seine Stimme war lauter geworden.

 

„Ernsthaft? Ich soll es buchstabieren? Wirklich?“, fragte sie ihn lauernd, und seine Ratlosigkeit machte sie wild.

 

„Ich bitte darum, Granger“, knurrte er jetzt. „Denn ich verstehe dich nicht!“

 

„Du verstehst mich nicht? Natürlich nicht, Malfoy. Es wäre ja auch zu viel, sich einfach in andere Menschen hineinzuversetzen, oder?“

 

„Geht es um McLaggen?“, wollte er ernsthaft ungläubig wissen, und ihr Mund öffnete sich langsam.

 

„Was? Nein!“, fuhr sie ihn  an. „Natürlich nicht! Warum sollte es?“

 

„Ich verstehe nicht-“

 

„-hör auf, mir zu erklären, dass du es nicht verstehst!“

 

„Warum bist du sauer auf mich, verflucht?“ Seine Stimme klang nicht mehr freundlich, nicht mehr geneigt, einen Waffenstillstand aufrechtzuerhalten.

 

„Weil du hier auftauchst. Mitten in der Nacht – um mit Penny zu schlafen!“, begann sie zornig. „Weil du nicht nachdenkst – weil du plötzlich mit unserer Trainerin und Vertrauten zusammen bist! Weil du die Ausbildung machst, ohne dich zu interessieren! Weil du so tust, als wüsstest du nicht, welche Ausstrahlung du hast, und weil du ständig Bestätigung suchst! Weil du denkst, du kannst jedes Mädchen um eine Verabredung bitten – und mich direkt weiterverkuppeln!“, fuhr sie ihn außer Atem an.

 

„Du bist völlig verrückt geworden!“, gab er gepresst zurück. „Ich wollte nicht mit Penny schlafen!“, ergänzte er dann gereizt.

 

„Weil es ein so unschuldiges Angebot war, ja? Weil du so verzweifelt warst? Weil du keine andere Möglichkeit hattest?“, wollte sie wütend wissen.

 

„Darum geht es? Du wolltest dein Apartment nicht teilen?“

 

„Nein, darum geht es nicht, verflucht!“

 

„Was willst du dann von mir?“ Sie starrten sich an, und sie wusste nicht, warum sie sich so ärgerte. Er war…- er war so… ahrg!

 

„Ich mag dich nicht“, entkam es ihr schließlich, beinahe lahm, aber er fixierte sie genau.

 

„Warum nicht?“ Fast klang er ernsthaft interessiert.

 

„Weil du verwöhnt bist. Weil du das alles nicht nötig hast. Weil du auf tausend andere Dinge zurückfallen könntest.“ Seine Stirn runzelte sich wieder einmal. „Was wollte dein Vater hier?“, fragte sie ihn, nicht einmal bösartig, und sein Ausdruck wirkte verschlossen. „Wollte er dich abbringen? Dir eine Alternative anbieten? Weißt du, du kannst losziehen, ein Seltenheitszertifikat machen, und es ist eigentlich völlig egal, was du mit deinem Leben anstellst – denn du hast genug Gold. Niemand hinterfragt, was du tust. Die Vergangenheit belastet dich nicht, und wenn du hier keine Lust mehr hast, wenn Lara nicht mehr spannend genug ist, kommt die nächste Sache, die nächste belanglose Kerbe-“

 

„-woher nimmst du die Dreistigkeit, zu glauben, mich zu kennen, Granger?“, unterbrach er sie kalt. „Denkst du ernsthaft, ich bin so verwöhnt?“ Wut zeichnete seine Züge jetzt. „Ich wohne in einem winzigen Apartment, ich kündige einen finanziell vollkommen sicheren Job, für eine Ausbildung, die mir kaum die Miete zahlt – und mein Vater hat mir jeden Sickel gestrichen, ok?“ Allein die schiere Lautstärke seiner Stimme, ließ sie an die Kante des Küchentresens zurückweichen.

 

„Du armer“, warf sie trotzdem zornig ein, denn Angst hatte sie keine vor ihm. Aber er schloss den Abstand.

 

„Nein! Das ist nicht der verdammte Punkt!“, donnerte seine Stimme jetzt. „Du magst mich nicht, weil meine Familie Gold hat? Weil sie Todesser waren? Weil ich drei Jahre eine Ausbildung in Amerika gemacht habe? Weil mir diese Ausbildung ermöglicht, Auror zu werden – wie gut das auch immer sein mag? Was auch immer es mir bringt?“ Sie schwieg, antwortete nicht, aber er wartete, lauerte auf ihre Reaktion. „Was genau habe ich dir getan? Sag es mir, Granger. Was genau ist so grauenhaft? Dass ich hier wohne, deine Luft atme? Denn ehrlich gesagt, fällt mir kein Moment ein, an dem ich dich jemals anders als respektvoll behandelt hätte“, schloss er wütend, und sie spürte ihren zornigen Herzschlag in der Kehle, als er sich korrigierte. „Zumindest jetzt. In dieser Zeit hier“, ergänzte er, nicht mehr ganz so überzeugt, nicht mehr so vollmundig, wie zuvor. „Wozu machen wir Abmachungen? Wozu gibst du mir Nachhilfe, wozu unterrichte ich dich überhaupt, wenn es dir so zuwider ist? Wenn du mich so sehr verabscheust? Ich habe dir gesagt, ich gehe – ich ziehe aus, ok? Also was? Was ist es?“, verlangte er, so zornig, so nahe, dass sie viel zu viele Details aufsaugen konnte. Seine Größe, seinen Geruch, die Flecken seiner Iris, das Muttermal auf seiner Wange, den Pulsschlag, den sie wild unter seiner Haut erkannte.

 

Und er hatte recht. Nichts von den Dingen, die er aufzählte sollte sie ernsthaft stören. Es war einfach die schlichte Tatsache, dass er Draco Malfoy war. Es reichte schon aus. Aber es war nicht gut genug. Als Grund war es einfach nicht gut genug, mit ihm zu streiten. Und es war schlimm genug, dass sie es selber feststelle. Er regte sie auf, ja. Er war anmaßend, und über alle Maßen verwöhnt – auch wenn er es so nicht sah. Ja, er hatte sie beleidigt, sie schlecht behandelt, aber es war solange her, dass sie es ihm kaum noch vorhalten konnte, oder? Sie verhielt sich kindisch. So absolut kindisch. Und das hasste sie schon fast mehr, als alles andere. Es lief nicht gut für sie, ihre Beziehung war vorbei, aber sie trauerte darum kaum. Sie brauchte zurzeit niemanden. Auch niemanden wie Cormac. Wohl erst recht nicht jemanden wie ihn. Und es war erbärmlich, dass sie Malfoy nicht gönnte, Anschluss zu finden, dass sie neidisch war, dass er gewusst hatte, was er mit seinem Leben hatte anfangen wollen, während sie mit Ron um die Welt gefahren war. Und Ginny hatte recht. Sie musste hier nicht wohnen. Sie hatte selber Gold – zurzeit wohl mehr als Malfoy, ironischerweise, aber sie verblieb hier, wählte ihr Schicksal selbst, und verhielt sich nicht mehr ihrer Intelligenz entsprechend, gönnte Malfoy keine Beziehung, keinen Erfolg und keine Beliebtheit, einfach, weil er Malfoy war.

 

Sie tat einen langen Atemzug und dachte daran, was Harry tun würde. Welchen Ratschlag er für sie hätte. Wie er sich verhalten würde. Und es kostete sie viel, über ihren verdammten Schatten zu springen.

 

„Du hast recht“, sagte sie also, beinahe kleinlaut, und seine Augen verengten sich sehr plötzlich.

 

„Ich…- was?“, entkam es ihm tatsächlich, einigermaßen überrascht. „Du- mit was konkret?“, ergänzte er, mehr als verwirrt.

 

„Du hast mir nichts getan. Ich verhalte mich vollkommen unmöglich“, räumte sie ein, und sein Kiefer gab nach. „Es tut mir leid. Du hast dir deinen Erfolg hart erarbeitet, verdienst eine gute Beziehung, und ich bin missgünstig“, schloss sie zerknirscht. Er blinzelte überfordert. „Waffenstillstand wäre… sehr gut“, griff sie seine Worte erschöpft auf.

 

Er betrachtete sie, als könne sie jede Sekunde wieder explodieren. „Wenn du das noch willst“, ergänzte sie kleinlaut. Sie musste an ihrem Problem arbeiten, und Malfoy war es nicht. Sie sollte ihm kaum mehr Beachtung schenken, und den Vorteil nutzen, dass er so nahe bei ihr wohnte, denn so würde sie vielleicht die Animagus-Prüfung vorziehen können. Seit wann erkannte sie den größeren Nutzen einer Sache nicht mehr? Es wurde Zeit, dass sie anfing, sich mehr um ihr Seelenheil zu kümmern. Und vielleicht hatte Malfoy sogar recht. Vielleicht tat sie Sam Unrecht, aus welchen Gründen auch immer. „Und ich… würde gerne mit Sam Black ausgehen“, ergänzte sie, als Friedensangebot, und er fixierte sie misstrauisch.

 

„Du machst mir Angst, Granger“, erwiderte er offen.

 

„Ich mache mir selber Angst“, sagte sie still. „Können wir… dieses Gespräch einfach vergessen?“, wollte sie hoffnungsvoll wissen, und er fuhr sich erschöpft durch die hellen Haare.

 

„Wahrscheinlich“, sagte er dann ernst.

 

„Ok“, erwiderte sie nickend. „Danke“, ergänzte sie tonlos. Und vielleicht musste sie ausziehen. Nicht Malfoy. Vielleicht war es allein ihr Problem. Sie würde mit Ginny reden.

 

„Seid ihr fertig mit schreien?“, erkundigte sich Penelope beinahe gereizt vom Badezimmer aus.

 

„Wir sind fertig“, sagte Hermine hastig, Röte in den Wangen. Immerhin trug Draco Malfoy schuld daran, dass sie endlich ihr Leben überdachte.

 

„Ja, wir sind fertig“, bestätigte er ebenfalls. „Wollen wir los?“, wollte er sowohl von ihr, als auch von Penelope wissen.

 

„Ok“, rief Penelope und griff sich einen Apfel im Gehen aus der Schale, und Hermine hoffte, dass sie ihre neugewonnen Erkenntnisse auch würde umsetzen können.

 

 

12. dead

 

„Vielleicht sollte sie etwas länger darüber nachdenken?“, sagte Harry wieder, und Hermine hätte nicht angenommen, dass ausgerechnet Harry und Ginny über ihre neue Entscheidung streiten würden.

 

„Warum? Damit das Haus weg ist? Damit sie nichts Gutes mehr finden wird?“

 

„Das Haus bindet sie komplett und vollkommen an Godric’s Hollow, Ginny“, ermahnte Harry seine Frau fast nachsichtig.


„Was genau ist schlimm daran, Harry?“, wollte Ginny gereizt wissen.

 

„Hier ist nichts!“, fuhr Harry sie jetzt mit erhoben Armen an. Ginnys Augen verengten sich gefährlich. Er atmete knapp aus, während Hermine wie das dritte Rad im Flur stand, und sich nicht traute, nach Hause zu apparieren. „Hier sind gute Kindergärten, ruhige Spielstraßen, Einfamilienhäuser“, ergänzte er eindeutig.


„Ja, das ist wahnsinnig schrecklich, du hast recht. Wir sollten mehr Alarm-Zauber auf den Garten legen“, entfuhr es Ginny spöttisch.

 

„Was ich meine ist, dass Hermine nicht so weit ist, ok? Sie hat keinen Partner, nicht die Aussicht, zu heiraten – will es vielleicht auch gar nicht. Zumindest nicht jetzt. Sie hier wie eine Gefangene wohnen zu lassen, weil du es willst – damit sie näher bei uns wohnt – ist… selbstsüchtig, Ginny“, erklärte er erschöpft.


„Ich denke, das kann Hermine selbst entscheiden, oder nicht? Irgendwann wird sie es wollen. Und wenn nicht, verkauft sie das Haus wieder, Merlin noch mal.“

 

„Wenn sie einen Fehler damit macht – sich bindet, sich festlegt, ohne überhaupt die Welt gesehen zu haben-“

 

„-ich habe die Welt gesehen“, meldete sie sich kleinlaut zu Wort.

 

„Nein. Du bist Ron unterwegs gewesen. Du hast noch nie… alleine eine wilde Zeit verbracht, hast dich noch nie anders als vernünftig verhalten. Das einzig wilde, was du bisher getan hast, war, in die WG zu ziehen. Und ich denke, es war eine gute Entscheidung. Immerhin kommst du so unter Menschen.“

 

„Ich komme genug unter Menschen, Harry“, korrigierte sie ihn.


„Wirklich? Nenn mir einen anderen Ort, als das Ministerium, an dem du deine Zeit verbringst“, wollte er knapp wissen.

 

„Hier“, erwiderte sie trotzig, wenn auch etwas lahm. „Und ich absolviere eine Ausbildung. Natürlich bin ich auf der Arbeite. Ich muss lernen. Ich will gut sein.“

 

„Und das wirst du auch. Aber leb ein bisschen, bevor du dich in Godric’s Hollow verschanzt und Listen führst, welche Vorschulen den Ententeich haben und welche den Kaninchenstall“, bemerkte er bitter.


„Hey!“, entrüstete sich Ginny. „Das sind wichtige Entscheidungen.“

 

„Hermine hat keine Kinder, Ginny. Es ist nicht in Aussicht. Verstehst du das? Du hast Angst, dass niemand dich besuchen wird, sobald du Mutter geworden bist“, entkam es Harry schließlich, und Ginnys Mund schloss sich abrupt. „Und vielleicht wird es am Anfang schwierig sein, aber du kannst Hermine nicht zwingen, weil du Angst hast“, schloss er sanfter.

 

„Ich werde immer hier sein!“, versprach Hermine sofort. „Egal, wo ich wohne, Ginny“, ergänzte sie und umarmte ihre beste Freundin, die angefangen hatte zu weinen.

 

„Diese… blöden Hormone“, schluchzte Ginny verzweifelt. So standen sie, und Hermine hing ihren unglücklichen Gedanken nach. Sie hatte nie angezweifelt, dass Godric’s Hollow eine schlechte Wahl wäre. Zwar machte es wenig Sinn, ein Haus zu haben, jetzt wo Ron nicht mehr im Bilde war, aber… war es so wie Harry sagte? Sie glaubte nicht. Aber sie wusste es auch nicht. Sie dachte bis zu Ginnys Geburt, und dass sie auf jeden Fall da sein wollte. Aber wie viel konnte sie wirklich helfen? Sie kannte sich nicht aus. Sie musste selber lernen, hatte kaum Zeit, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen, und wie viel Hilfe brauchte Ginny? War Hermine überhaupt die richtige Person?

 

„Ich bin hier, Gin“, murmelte Hermine, auch um sich selbst zu beruhigen. Sie hatte heute die Nachhilfe mit Malfoy ausfallen lassen, um Ginny und Harry zu sehen. Aber die Zweier hatten heute sowieso einen langen Tag. Es war außerdem auch etwas viel Kontakt gewesen, fand sie. Etwas viel dicke Luft. Sie hatte Harry auch nicht erzählen wollen, dass sie versucht hatte, sich in ihn hineinzuversetzen, um eine gute Entscheidung in Bezug auf Malfoy zu treffen. Er würde ihr nur ein wissendes Lächeln schenken und ihre Entscheidung feiern. Als wäre sie selber unfähig.

 

Außerdem wusste sie nicht, wie Harry es finden würde, dass sie wohl ein Date mit einem AIT hatte. Sie wusste, er hielt nicht viel von der gesamten Truppe, und sein Beschützerinstinkt in Bezug auf seine Freunde und Familie war so stark ausgeprägt wie eh und je. Ehrlich gesagt, würde Hermine ihm am liebsten vollendete Tatsachen präsentieren, die unfehlbar und unzweifelhaft beanstandungslos waren. Es war albern, vielleicht. Aber ihr Urteilsvermögen hatte im letzten Jahr zu viele Dämpfer erfahren müssen. Die Sache mit Ron hatte sie gehörig aus der Bahn geworfen, und sie traute sich selbst nicht mehr.

 

Sie sprach nicht darüber, aber sie schob es sich selber zu, dass sie es nicht beser gewusst hatte. Nicht besser geurteilt hatte. Und leider gerieten ihre Hormone zu häufig in ihren Weg. Insgeheim hatte sie geglaubt, besser organisiert und emotional gefestigter zu sein, als Harry oder Ginny. Dass ihre Beziehung mit Ron nicht nur aufregender, sondern vorherbestimmt gewesen war.

Aber das stimmte nicht. Sie hatte falsch gelegen, sich blind verlassen, und genau das wollte sie von nun an verhindern, hatte Malfoys Anfrage auch sofort im Keim erstickt, weil sie keine Fehler machen wollte – und dieser Fehler hatte sich ja geradezu aufgedrängt!

 

In die WG zu ziehen nannte Harry klug. Hermine war sich nicht sicher. Damit hatte alles angefangen. Die Sache mit Cormac, die fragwürdige Verbindung zu Penelope, dann kam Malfoy, und jetzt ließ sie sich auf ein Date ein mit einem Halbblut, das sie nicht kannte, aber sicher war, dass er nur das eine wollte – so wie sie alle. Nein, sie wusste, was Harry sagen würde. Oder vielleicht auch nicht, denn anscheinend sollte Hermine ja wild sein, Dinge erleben. Fast verdrehte sie die Augen, während sie beruhigend Ginnys Rücken streichelte, und den sanften Babybauchhügel gegen ihren eigenen Bauch genoss. Ginnys Zustand vermittelte ihr wieder mehr Ruhe und Perspektive. Ginny würde Harrys Baby bekommen. Das war immerhin eine Sache, die felsenfest stand. Die sich nicht ändern ließ. Und Hermine würde Patentante werden. Und auch das konnte ihr niemand nehmen.

Niemand würde es sich anders überlegen, sie sitzen lassen und ihr Patenkind wieder wegnehmen.

 

Niemand mochte Veränderung. Aber Hermine tat sich besonders schwer. Veränderung bedeutete Kontrollverlust. Und sie fand es schwer, die Kontrolle wiederzufinden. Aber sie hatte kaum eine Wahl.

 

Sie würde die Balance finden müssen, zwischen Instinkt und Kontrolle. Sie konnte nicht alles kontrollieren, konnte nicht alle anschreien – vor allem nicht Malfoy – und würde einfach versuchen, den vermeidbaren Fehlern so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Merlin, was für ein Kompromiss, dachte sie bitter. Wie tief Hermine Granger doch gesunken war.

 

~*~

 

Freitags hatten sie länger. Caine ließ sie erbarmungslos Nahkampftraining wieder und wieder üben. Heute war es anders, denn seit einigen Minuten wurden sie von Shacklebolt beobachtet, der sehr auffällig mit Anzug und Robe in den unteren Rängen saß und Notizen machte. „Aufstellung!“, bellte Caine, magisch verstärkt durch die Halle, und sie rotierten gegen den Uhrzeigersinn, um ständig andere Gegner zu haben, und sich nicht auf eine bestimmte Angriffstaktik festlegen zu können. Dracos Begeisterung war seit Trainingsbeginn verschwunden, denn er hatte bei Lara geschlafen – oder auch nicht geschlafen – und war wie gerädert. Die Woche war so unglaublich hart gewesen.

Er stand Cage gegenüber, der ihn grimmig fixierte. Super.

 

„Angriff!“, rief Caine über ihre Köpfe, und stumm zielte Draco, aber Cage war schneller. Draco flog mit voller Wucht zu Boden, und es war ein fieser Fluch, der noch im Nachgang Stöße durch seine Gliedmaßen zucken ließ, und für einen Moment lag er am Boden, unfähig, aufzustehen, da seine Beine zuckten.

 

„Fokus, Malfoy!“, schrie Caine über die fliegenden Flüche, und Draco trat der Schweiß auf die Stirn, als er gegen das Bedürfnis, aufzugeben ankämpfte, und sich wieder in die Senkrechte kämpfte. Noch während er sich erhob, zielte er, schoss den Klammerfluch lediglich auf Cages Zauberstabarm, und tatsächlich wand sich der Arm des Jungen zurück auf seinen Rücken, und schon schickte Draco den Stupor hinterher. Nicht volldosiert, nur halb, aber Cage flog ebenfalls zu Boden, kämpfte noch mit dem Klammerfluch, und Draco konnte einige Sekunden verschnaufen.

 

Sam hatte seine Schwierigkeiten mit Jane Fairlane, die wirklich gut kämpfte. Draco hoffte, nicht auch noch in ihr Schussfeld zu geraten. Ihm tat jetzt schon alles weh.

 

„Aufstellung!“, rief Caine schließlich, denn Shacklebolt hatte sich von seinem Platz erhoben, schlenderte in die Halle, und lauter, schneller Atem erfüllte die Stille. Einige Uniformen schwelten bereits, und der Geruch war nicht so neutral, wie die Uniformen versprachen. Dracos Blick ruhte auf Shacklebolt.

 

„Ihr macht euch gut“, begann der Leiter nickend, aber euch fehlt die Präzision. „Für die Zwischenprüfung müsste ihr üben, üben, üben“, warnte er sie, und Draco hatte das Gefühl, er sah ihn besonders lange an. Oder er fühlte sich nur sehr ertappt, denn er hatte nicht großartig geübt. „Ich möchte mit euch zwei Dinge studieren, die ebenfalls unabdingbar sind. Der absolut zuverlässige Einsatz eures Patronus – wo ich hoffe, dass Malfoy glänzen wird“, ergänzte er mit einem Hauch Abschätzung in seine Richtung, die Draco höchstwahrscheinlich verdiente, bei seiner unterirdischen Performance hier, „denn für einen Auror ist der Patronus eines der wichtigsten Hilfsmittel bei jeder Gefahrenlage. Wir senden unsere Patroni zur Warnung, zur Übermittlung von Botschaften – und das auch im Auge jeder Gefahr, die uns zu Tode ängstigen mag. Darüber hinaus außerdem den modifizierten Cruciatus-Fluch.“ Draco runzelte die Stirn. Die AIT begannen zu murmeln, aber Kingsley hob die Hand.

 

Seit der letzten Generation sind wir dabei, verbotene Flüche umzuwandeln, zu modifizieren, und die Mysteriumsabteilung hat streckenweise gute Arbeit geleistet, dies umzusetzen“, fuhr er fort. Draco konnte sich nur ausmalen, wie spannend es sein musste, Flüche zu entwickeln. Etwas, worin er gänzlich unbegabt war.

 

„Versteht mich nicht falsch“, mahnte Shacklebolt sie alle, „wir werden keinen Unverzeihlichen hier benutzen. Kein Todesfluch, kein Imperius. Der Cruciatus ist der einzige Fluch, der zum Einsatz kommen wird, und er ist auf die Weise modifiziert, dass er lediglich den schwächsten Punkt des Gegners angreift. Wer keine Schwächen, keine Unsicherheiten vorzuweisen hat, ist immun gegen diesen Fluch, aber… so jemanden gibt es nicht“, schloss er achselzuckend. „Er ist also eine erfolgreiche Alternative zum Stupor, wenn gleich auch wesentlich schwerer auszuführen.“ Draco verzog den Mund. Wäre nett gewesen, hätte Lucius in seiner Erziehung die modifizierte Variante benutzt. Draco kannte sich mit den Unverzeihlichen besser aus, als ihm lieb war. Teilweise am eigenen Leib, teilweise eben nicht.

 

Nicht, dass er sie ausführen konnte. Ihm fehlte die Begabung dafür.

 

Jane hatte sich gemeldet. Unerschrocken, ehrgeizig. Sie erinnerte ihn an Granger.

 

„Ja?“, nahm Shacklebolt sie formlos dran.

 

„Was genau heißt das, er greift den schwächsten Punkt an? Physisch oder psychisch?“

 

„Sowohl als auch“, gab Shacklebolt die unbefriedigende Antwort. Janes Stirn legte sich in Falten. „Wer Angst hat, zu stürzen, dem werden die Beine gelähmt, und die Schmerzen sind unwesentlich stärker als beim Stupor. Wer ein Rückenleiden hat – tja, dem wird es gehörig im Rücken wehtun. Praktischer Fluch, schwierig zu erlenen. Die Dreier üben immer noch, müssen aber in der Abschlussprüfung fähig sein, ihn ohne Schwierigkeiten auszuüben. Ich schlage vor, wir fangen an.“ Shacklebolt ging in den Nebenraum, wo verschiedene Hilfsmittel aufbewahrt wurden und kam mit einer schlichten Kiste zurück. „Machen wir es einfach“, erklärte er zufrieden, platzierte die Kiste mittig in der Halle und löste die Schlossmechanik lautlos. „Ich habe hier ein gewöhnliches Irrwicht. Anstatt den Lächerlichkeitsfluch zu verwenden, werdet ihr euren Patronus nutzen, ihn zu verscheuchen. So bekommt ihr ein Gefühl für euren möglichen Animagus, und für alle, die ihn wechseln werden, bekommt ihr so zumindest mehr Sicherheit im Umgang mit dem Patronus als Verlängerung eurer Selbst.“

 

Draco war einigermaßen zufrieden. Den ersten Teil dieser Übung könnte er im Schlaf meistern. Den zweiten Teil fürchtete er jedoch. Er war so fertig, und die Schmerzen würden ihn nur noch mehr Schwächen. Er wüsste nicht mal, was ihm mehr wehtat. Seine Gliedmaßen, sein Kopf – und natürlich war er unsicher in Bezug auf so ziemlich alles, was er hier tat. Dieser modifizierte Fluch würde Spaß mit ihm haben, nahm er an.

 

„Aufstellung!“, mischte sich Caine jetzt wieder ein, und sie reihten sich mehr oder weniger unwillig in eine Reihe.

 

Jane stand ganz vorne. Vielleicht nicht, weil sie unbedingt wollte, sondern einfach, weil sich alle unauffällig hinter sie gedrängt hatten. Draco war groß genug, über die Köpfe zu blicken, und erkannte, dass Jane den Zauberstab selbstvergessen in den Händen dreht, die Box schwer atmend fixierte, und dann ging ihm auf, dass sie sich ja ihrer größten Furcht stellen mussten. Verdammt großartig. Er nahm an, er würde Voldemort beschwören, oder einen Werwolf, oder seinen Vater persönlich. Vielleicht auch Caine, der ihm regelmäßig Angst einjagte. Es würde einfach peinlich werden. So oder so.

 

Jane wappnete sich, aber ihre Hand zitterte. Draco wusste nicht, ob ihr Patronus unter diesen Umständen volle Kraft entfalten würde. Janes Jaguar war eindrucksvoll, aber ob er gehorchen würde, wusste Draco nicht.

 

Als sie zwei Meter von der Kiste entfernt war, wirkte der Zauber, verband sich mit ihrer Psyche, und die Box sprang auf. Draco überkamen wieder schreckliche Erinnerungen an Hogwarts, denn damals war seine schlimmste Befürchtung ein weiterer Besuch bei Mr. Borgins gewesen – und genau diese Gestalt hatte das Irrwicht angenommen. Mehr als peinlich. Jetzt würde er gerne dieses Schicksal wählen.

 

Schwaden waberten aus der Kiste, fielen schwer auf den Hallenboden, breiteten sich rasend schnell aus, und Draco begriff, was auch immer es war, wovor Janes sich fürchtete, es befand sich am Boden. Der Rauch legte sich, und alle wichen kollektiv zurück, als sie die riesige schwarze Schlange entdeckten, die ihren Kopf hob. Dracos Kopf fiel in den Nacken, und mit zitternder Stimme beschwor Jane ihren Jaguar. Milchig weiß, nahezu durchsichtig, erschien er, die Konturen unscharf, und Jane wich weiter zurück. Auch ihr Jaguar wich vor der Schlange zurück, und Draco beherrschte sich, nicht zu Hilfe zu eilen.

 

„Los!“, befahl Jane ihrem ängstlichen Patronus, und Draco wusste, der Jaguar würde nichts tun. Die weißen Konturen sprangen zaghaft in die Luft, drehten eine Runde, bevor der Patronus in die weite Halle sprintete und verschwand. „Riddikulus!“, rief Jane zornig, und die schwarze Schlange wandelte sich in eine lange, bunte Luftschlange, die noch einen Moment in der Luft wehte, bevor sie sanft zu Boden segelte.

 

„Hinten anstellen. Du gehst noch mal“, rief Caine ihr zu, und mit hochroten Wangen marschierte Jane an ihnen vorbei, sah keinen an, und Draco war sehr dankbar, dass sein Patronus nicht seine Schwachstelle war. Ein Junge, den er nicht weiter kannte und erst einmal beim normalen Animagus-Kurs gesehen hatte, war als nächstes dran. Fest hielt er seinen Zauberstab. Draco glaubte, sich zu erinnern, dass sein Animagus eine Eule war. Sehr praktisch.

 

Er näherte sich der Box, und alle waren schon bereits zurückgewichen. Die Box sprang auf, und diesmal schoss der Rauch in die Höhe. Kurz war Draco neidisch auf alle diejenigen, die wohl vom Krieg nicht geschädigt waren, denn lediglich ein Schwarm Kampf-Hornissen stürzte sich in Formation auf den Jungen.

 

„Expecto Patronum!“, rief der Junge schrill, aber seine Eule erschien sofort, die Konturen wesentlich schärfer als es bei Jane der Fall gewesen war, und anscheinend war die Verbindung zu seinem Patronus so stark, dass die Eule sofort zur Verteidigung sprang, ihre Flügel weit spannte, und die Hornissen mit mächtigen Schlägen vertrieb. Sehr nett. Es war eine gute Show, und Caine schenkte dem Jungen einen hochgereckten Daumen.

 

Irgendwie formierte sich die Schlange an AIT neu, und Draco war an der Reihe. Kurz fragte er sich, ob er sich entschuldigen müsste, schon im Vorfeld, als seine Hand minimal feucht wurde, und er den Zauberstab drehte. Shacklebolt rückte etwas näher. Zumindest mimte Draco Furchtlosigkeit, denn immerhin könnte sein Drachen sämtliche Todesser auf einmal in die Flucht schlagen. Er wünschte sich auch eine unschuldige Furcht, wie Hornissen oder Riesenchlangen. Er konzentrierte sich auf seine mäßige Furcht vor Fledermäusen, nahm aber nicht an, dass er seine Geist täuschen konnte.

 

Die Box sprang auf, Rauch stieg auf, und bevor sich irgendeine Kreatur, irgendein Feind festigen konnte, flexte er seinen Zauberstab minimal, und der Drach brach leuchtend weiß aus der Spitze, stürzte sich praktisch kommandolos auf die Rauchgestalt, und alle wichen erschrocken zurück, als der mächtige Drache den Rauch in Stücke riss.

 

„Nicht so schnell!“, rief Shacklebolt, während er aber wohlwollend in die Hände klatschte. „Gib deiner Angst wenigstens eine kurze Sekunde, ja?“ Draco sah ihn an, öffnete den Mund, um zu erklären, aber Shacklebolt winkte ab. „Voldemort ist tot, und die Furcht vor ihm ist nichts, wovor man sich schämen muss.“ Dracos Mund schloss sich. Alle sahen ihn an. Er biss die Zähne zusammen, und mit einem Schelnker verschwand sein Drache, der gähnend Kreise über seinem Kopf zog. „Noch mal, bitte“, bat ihn Shacklebolt freundlich. Draco trat zurück, fixierte die geschlossene Kiste, und hoffte jetzt schon auf Voldemorts Erscheinung – oder Mr. Borgins. Dann hätten alle wenigstens was zu lachen.

 

Die Box rumpelte vor ihm, der Deckel sprang auf, der Rauch stieg hoch über den Rand und baute sich auf. Menschlich. Draco war nur halbwegs überrascht, seinen Vater zu erkennen, der gestochen scharf vor ihm stand. Mit knirschenden Zähnen drehte Draco wartend den Zauberstab in der Hand. Lucius schenkte ihm ein herablassendes Lächeln, die Hände hinterm Rücken verschränkt, die hellen Haare zusammen gebunden. Seine Haltung war stählern, jugendlicher, als sie es jetzt war, und noch immer fühlte sich Draco unbewusst eingeschüchtert. Er spürte, wie die Leute hinter ihm nun näher rückten, keine Angst verspürten, sondern nur mildes Interesse. Musste nett sein, seinen Vater nicht zu fürchten. Und er ging davon aus, dass die Erscheinung seines Vaters, nicht den Zauberstab ziehen würde, ihn nicht mit dem Cruciatus belegen würde – nein. Natürlich nicht.

 

„Du bist eine Enttäuschung, Draco“, sprach die Erscheinung seines Vaters mit so täuschend echter Abwertung, dass Draco die Wut in seinen Eingeweiden spüren konnte. Seine Brust hob sich. „Eine Schande für unseren Namen, und ich-“ Draco bewegte den Zauberstab nicht mal, der Drache brach grollend aus der Spitze, so dass alle anderen zurpckstoben vor Schreck, stürzte sich im halben Flug auf Lucius und stieß seine Fänge scharf in den stofflosen Körper, so dass die Gestalt in sanfte Rauchkringel zerriss. Er brauchte den Rest der Ansprache nicht hören. Er kannte sie auswendig. Eine Schande für unseren Namen, und ich bemitleide dich und deinen ehrlosen Charakter. Jedes Wort hatte sich in seine Erinnerung gebrannt, als er Lucius gesagt hatte, er wollte nach Arizona, wollte ein Donnervogel werden. Und er glaubte, er hatte es nur geschafft, um seinem Vater zu beweisen, dass man ihn nicht zu bemitleiden hatte. Er brauchte kein Mitleid. Mit einem wütenden Schlenker riss er den Drachen aus der Luft, ließ ihn verschwinden, und brauchte eine Sekunde, um sich zu fangen.

 

„Ausgezeichnet“, lenkte ihn Shacklebolts väterliche Stimme ab. „Keine weitere Runde notwendig, Malfoy.“ Davon war Draco ausgegangen, und er fiel zurück, marschierte ausdruckslos an seinen Kollegen vorbei, und die nächsten AIT nahm er nicht wirklich wahr, denn sie versagten kläglich. Er konzentrierte sich erst wieder auf sein Umfeld, als Cage an der Reihe war. Er wirkte nicht ängstlich.

Er trat näher an die Box, und unauffällig reckte Draco den Kopf höher.

 

Der Deckel sprang auf, und Cage spannte den Zauberstabarm an. Und es erschien ebenfalls eine menschliche Gestalt. Ein Mann, gedrungen, die Haare kurz, und nach einer Sekunde fiel Draco die Ähnlichkeit auf. Der Mann sah Cage sehr ähnlich, nur älter. Sofort trat Zorn in die Augen des Mannes, und jetzt erst erkannte Draco den schweren Kerzenständer, den der Mann schwang. Draco runzelte die Stirn. Was für ein eigenartiges Bild. Dann lief der Mann schreiend los, Cage vollführte die Patronus-Zauber stumm, und der Löwe sprang an seine Seite.

 

„Du widerlicher Abschaum!“, dröhnte die tiefe Stimme des Mannes, und der Löwe kauerte sich zusammen. Auch Cage zog instinktiv den Kopf ein, als der Mann der schweren Kerzenständer in die Luft riss. Alle schnappten vor Schreck nach Luft, aber Cage schwang den Zauberstab, wie Jane es getan hatte. „Riddikulus!“, rief er zornig, und die Züge des Mannes erschlafften, wandelten sich in Stroh, und die Vogelscheuche, hielt den Kerzenständer reglos, kippte langsam mit dem schweren Gewicht nach vorne, und bevor es ein lautes Geräusch geben konnte, löste sich die Erscheinung in Rauch auf.

 

„Noch mal anstellen, Cage“, verlangte Caine erbarmungslos, aber Cage reagierte nicht. Draco erkannte die weißen Knöchel auf Cages geballten Fäusten, bevor dieser mit steifen Schritten die Halle, verließ, Caine ignorierend, der hinter ihm her rief. Anscheinend war Draco nicht der einzige, der Schwierigkeiten mit seinem Vater hatte, nahm er dumpf an. Er hasste diese Übung.

 

Endlich war Caine nach einer halben Stunde fertig, die AIT zu quälen, sie ihre Ängste bekämpfen lassen, aber immerhin hatten es alle am Ende geschafft. Außer Cage.

 

„Tja, ihr seht, woran ihr arbeiten müssen. Malfoy, wiederhol das Patronus-Training ruhig“, richtete Shacklebolt belanglose Worte an ihn. Draco hatte es sowieso vor. Auf kluge Hinwiese konnte er verzichten. Die Stimmung war im Keller angekommen, und keiner wirkte mehr begeistert, jetzt noch verflucht zu werden.

 

„Aufstellung!“, rief Caine wieder, und keiner drängte sich um den ersten Platz in der Reihe. Und wieder opferte sich Jane, aber Draco stellte sich direkt hinter. Er wollte es hinter sich haben.

 

„Wir beginnen damit, dass ich euch den Fluch zeige, seine Auswirkungen – wie es sich anfühlt. So kann man besser damit arbeiten. Dann erlenen wir die Zauberstabbewegung dahinter, und ihr übt in Zweier-Teams“, schloss Shacklebolt, und Janes schluckte schwer. Draco fragte sich, was Janes Schwäche war. Sie war klug, sie war gut im Kampf. Schon trat sie mutig vor.

 

„Bereit!“, sagte sie laut. Draco kannte die Zauberstabbewegung. Wahrscheinlich kannte jeder der Anwesenden die Theorie. Aber Shacklebolt verkürzte die Bewegung, brach den Zauber ab, so schien es, bevor Draco über die Methode nachdenken konnte, sprach Shacklebolt sehr präzise.

 

„Crucio!“, entkam es ihm scharf, und zuerst passierte gar nichts. Jane versuchte zu blocken, aber schnell, wurde ihr Kopf röter, Schweiß erschien auf ihrer Stirn, und Draco sah, ihre Zauberstabhand zitterte. Ihr Geist kämpfte gegen den Zauber. Draco nahm an, ihre Schwäche war, dass sie Angst hatte, mit dem Zauberstab zu versagen, was ziemlich nobel von ihr war. Eine angenehme Schwäche. Er hoffte, auch so etwas in der Art überwinden zu müssen. Auch wenn es schwer aussah. Ihre Hand zitterte so stark, dass es so aussah, als würde sie den Zauberstab fallen lassen, aber mit großer Überwindung, schwang sie den Zauberstab, löste den Fluch, brach aber zusammen und sank auf die Knie. Keuchend ging ihr Atem.

 

„Außerordetnlich! Ich bin beeindruckt, Fairlane!“, gönnte Shacklebolt ihr ein Kompliment, und er hörte alle anderen ausatmen. Wahrscheinlich waren sie froh, dass es machbar war, diesen Fluch zumindest abzuschwächen. Jane kam wankend auf die Beine. „Ruh dich kurz aus“, bot Shacklebolt ihr an, nur um ihn zu fixieren.

 

„Malfoy, bereit?“ Gerne würde er sagen Nein, aber er nickte bloß, stellte sich auf, bereit für alles, und Shacklebolt hob den Zauberstab. Dracos Atem flachte ab, er wappnete sich, und die erste Silbe des Fluches war alles, was Draco noch wahrnahm, bevor er starb.

 

 

13. hopeless

 

-…

 

„-foy?“

 

Er war tot. Das war das klanglose Ende. Er hatte seine Gliedmaßen verloren.

 

„Malfoy?“, drang die Stimme in sein Bewusstsein. Er war nicht tot. Er lag. Weich, fiel ihm am Rande auf. Zu weich, als dass es Hallenboden sein könnte.

 

„Er kommt zu sich“, vernahm er eine andere Stimme.

 

„Malfoy?“ Shacklebolt. Alles schmerzte. Absolut alles. „Malfoy, aufwachen“, hörte er die Stimme erneut. Seine Augenlider zu bewegen, schickte erneute Schmerzen durch seinen Körper, und er verzog den Mund. Selbst diese Bewegung schmerzte, und er schnappte stöhnend nach Luft. „Noch eine Dosierung“, hörte er Worte, und plötzlich erfüllte ihn sanfte Linderung.

 

„Noch mehr, und er ist im Rausch“, sagte eine strenge Frauenstimme, aber Draco konnte endlich die Augen öffnen.

 

„Alles ok?“ Verschwommen rückte Shacklebolts Gesicht in den Fokus. „Entfernen Sie das Blut“, verlangte Shacklebolt gereizt. Der Reinigungszauber lag kalt auf seinem Gesicht, und eine Frau in weiß schien ihn zu reinigen. „Die Uniform ist hinüber“, bemerkte Shacklebolt bloß, und Draco lag flach wie ein Käfer, konnte sich nicht weiter rühren. Aber die Linderung tat gut. „Hast du Schmerzen?“, fragte Shacklebolt ihn, und langsam, sehr langsam, arbeitete Dracos Verstand wieder.

 

„Wo- was ist passiert?“, krächzte seine Stimme schwach.

 

„Du trägst das Mal“, sagte Shacklebolt knapp, und Draco konnte mit diesen Worten wenig anfangen.


„Was?“, flüsterte er.

 

„Wir müssen es entfernen. Der modifizierte Cruciatus wurde grundsätzlich zur schnellen Ausschaltung von Feinden entwickelt, und eine hervorragende Schwäche ist schwarze Magie der ersten Güte.“ Worte. Shacklebolt sprach viele Worte.

 

„Was?“, wiederholte Draco sinnbefreit.

 

„Im Moment ist das Mal deine Schwachstelle, und ein idealer Angriffspunkt. Du wirst die Ausbildung nicht bestehen können, mit dem Dunklen Mal auf deinem Arm“, fasste er es zusammen. Draco blinzelte.

 

„Dann… entfernen Sie es“, raunte er erschöpft.

 

„Ganz so einfach geht es leider nicht, mein Junge“, sprach Shacklebolt nun sanfter, wohl aber erleichtert, dass Draco keine innige Bindung zu der Scheußlichkeit auf seinem Arm verspürte.

 

„Wieso nicht?“, fragte er, wusste aber die Antwort bereits, und die Erkenntnis sank wie ein schwerer Stein in seinen sehr leeren Magen. Die Benebelung legte sich langsam.

 

„Ich würde es dir zeigen, aber zurzeit ist das keine gute Idee.“ Dracos Blick fiel auf seinen linken Arm, der straff verbunden in einem magischen Verband steckte. Sanftes, blaues Flimmern hob sich von der Gaze, und Draco schluckte schwer. Seine Uniform war zerschnitten, blutgetränkt und einfach ein widerlicher Anblick.

 

„Es ist geblockt“, entfuhr es ihm still.

 

„Vater, Mutter oder beide?“, erwiderte Shacklebolt ebenso still, und Draco hob den Blick.

 

„Vater“, antwortete er bitter. Sein Mal war an das seines Vaters gebunden. Draco war noch minderjährig gewesen, und Lucius hatten darauf bestanden, das Mal mit einem Verbundenheitsfluch zu versehen, so dass Draco es sich nicht mehr anders überlegen konnte. Es war nie ein Problem. – Gut, es war immer ein Problem, aber noch nie war es physisch für ihn ein Problem gewesen.

 

Shacklebolt seufzte lange. „Um dein Mal zu entfernen, muss Lucius seins ebenfalls entfernen.“

 

Ha ha. Das würde niemals passieren. So in etwa musste Draco ihn ansehen. „Was uns zu meiner nächsten Frage bringt“, fuhr Shacklebolt ernster fort. „Hast du irgendetwas gegen deinen Vater in der Hand, was ihn dazu bringen könnte, Draco?“ Waches Interesse lag auf Shacklebolts Zügen.

 

„Erpressung?“, entfuhr es Draco erschöpft.

 

„Nenn es wie du willst“, antwortete Shacklebolt neutral. Draco machte eine unverbindliche Kopfbewegung.

 

„Ich – nein“, sagte er dann, und Shacklebolt wirkte unzufrieden. Als ob Draco Lucius würde erpressen können! Egal, mit was! Er nahm an, das Ministerium suchte nach Hinweisen, nach schmutzigen Geschäften, und die gab es – garantiert. Aber Draco befand sich nicht auf Lucius‘ Augenhöhe, gehörte nicht zu den Vertrauten seines Vaters.

 

„Gar nichts?“, vergewisserte sich Shacklebolt mit erhobener Braue.

 

„Ich verkehre nicht in den Kreisen meines Vaters, Mr. Shacklebolt. Ich bin kein Todesser“, entkam es ihm bitter. Der verbissene Zug verschwand von Shacklebolts Gesicht.

 

„Verstehe“, sagte er dann. „Das ist bedauerlich.“ Draco fand seine Wortwahl nicht korrekt. Und fast hatte er das Gefühl, Shacklebolt brannte regelrecht darauf, seinen Vater dran zu kriegen. Aber ehrlich gesagt, war es ihm egal. Die Schmerzen brachten ihn um. Und anscheinend ging auch Shacklebolt nicht davon aus, dass Draco Lucius einfach fragen könnte. „Bis auf Weiteres bist du dann vom Fluch-Training ausgeschlossen“, beendete Shacklebolt wohl das Gespräch.

 

„Was?“, entfuhr es Draco geschockt. „Ich muss trainieren.“

 

„Ja? Kannst du aufstehen, Malfoy?“, forderte er ihn direkt auf, und Draco wusste, er würde sich übergeben und ohnmächtig werden, würde er es versuchen. Er biss die Zähne zornig zusammen. „Das dachte ich mir. Ich wüsste nicht, was es für einen Ausweg gebe.“

 

„Muss ich diesen modifizierten Fluch lernen?“, wollte er wütend wissen. „Ist er notwendig?“

 

„Ich brauche keinen Auror, der beim Einsatz zusammengeklappt, wegen einer Einschränkung, die ohne weiteres zu beheben wäre“, war die kalte Antwort seines Vorgesetzten.

 

„Dann war es das?“, entkam es Draco tonlos, absolut ungläubig. Shacklebolt atmete aus.

 

„Werd dein Mal los, Malfoy. – Wenn du hier bleiben willst. Vielleicht hast du ja irgendein anderes Druckmittel, was du aus deinem Ärmel schütteln kannst.“ Er erhob sich mühelos und blickte auf ihn hinab. „Der Verband sollte in ein paar Minuten volle Wirkung zeigen. Dann kannst du gehen.“ Shacklebolt verschwand, und Dracos Kopf fiel zurück. Tränen brannten in seinen Augen. Teils aus Wut, teils aus Schmerz. Er hätte niemals zusagen sollen. Er hätte diese Ausbildung niemals machen sollen. Lucius hatte recht gehabt. Blaise hatte recht gehabt.

 

Er ballte die Fäuste und keuchte auf vor Schmerz. Ein ehemaliger Todesser hatte hier nichts zu suchen. Das war die Wahrheit – unterm Strich.

 

~*~

 

Laut sprang seine Tür aus den Angeln, und Lara stürmte praktisch nach draußen. Sie und Penelope zuckten in der Küche zusammen, denn vorher hatte der Muffliato auf der Tür gelegen.

 

„Dann lass es einfach, Draco! Bleib in deinem Zimmer und sei depressiv!“, donnerte ihre Stimme, bevor sie ohne ein weiteres Wort an sie beide die Wohnung verließ. Seine Tür stand auf, und sie hörten seine schweren Schritte näher kommen. Penelope tauschte kurz mit ihr einen Blick, aber Malfoy schenkte ihnen lediglich einen säuerlichen Blick, bevor er die Tür mit einem Ruck wieder zuknallte.

 

„Krach im Paradies, nehme ich an“, sagte Penelope und klang ein wenig zu schadenfroh, fand Hermine. Hermine fixierte nachdenklich seine Zimmertür. Natürlich hatte die Geschichte die Runde gemacht. Selbst am Wochenende. Hermine war noch in der Bibliothek gewesen und hatte mit Trevor gesprochen, der es von Annie Bishop aus dem zweiten Jahr gehört hatte, und nicht nur erzählten alle von der Erscheinung von Lucius Malfoy bei der Patronus-Übung, sondern auch von dem blutigen Spektakel, als Kinglsey Malfoy mit dem modifizierten Cruciatus getroffen hatte, und Malfoy, laut Aussage der anderen, so markerschütternd geschrien hatte, dass er Blut spucken musste, dass die schwarze Magie in seinem Arm außerdem die Petroleumlampen gesprengt hätte, dass das Mal seine Uniform verbrannt hatte, dass er in die Luft geschleudert worden und sogar für einige Momente tot gewesen sei.

 

Hermine hielt diese Aussagen für reißerisch und äußerst übertrieben, aber sie gaben eine gute Geschichte her. Aber nichtsdestotrotz musste es schmerzhaft gewesen sein. Malfoys Arm war magisch verbunden. Die Linderung dauerte immer noch an, und es sah nicht so aus, als wäre er sonderlich belastbar.

Um was der Streit mit Lara ging war für Hermine nur zu erraten. Aber wahrscheinlich ging es darum, dass Malfoy das Mal nicht entfernen lassen wollte. Um was sollte es sonst gehen?

 

„Scheint so“, entgegnete Hermine lediglich, die sich nicht einmischen wollte.

 

„Denkst du, sie macht Schluss, weil er das Mal trägt?“

 

„Ich denke eher, sie macht Schluss, weil er die Ausbildung nicht machen kann“, entfuhr es Hermine gedankenlos, und sie biss sich auf die Zunge. Sie wollte nicht lästern, wollte sich nicht einmischen.

 

„Was? Wieso?“

 

„Wenn das jedes Mal passiert…“, merkte Hermine vielsagend an, und Penelopes Augen weiteten sich, als sie begriff.

 

„Oh“, machte sie nur. „Aber… kann er es nicht einfach entfernen?“ Hermine wollte sich hier nicht festlegen.

 

„Keine Ahnung“, erwiderte sie also.

 

„Wieso sollte er es behalten?“, flüsterte Peneleope fast.

 

„Keine Ahnung“, wiederholte Hermine vehement, auch wenn sie verschiedene Theorien diesbezüglich hatte. Sie hatte Penelope nicht erzählt, dass man auch über Cage bereits Gerüchte verbreitete, wie er von seinem jähzornigen Vater mit einem Kerzenleuchter verprügelt worden war. Hermine konnte sich zu gut vorstellen, warum. Cage tat ihr plötzlich mehr leid, als vorher, aber sie weigerte sich, näher darüber nachzudenken. Nicht alle verdienten ihr Mitgefühl.  

 

„Müssen…- müssen wir mit ihm reden?“, wollte sie jetzt von ihr wissen, und fast erkannte Hermine, dass Penelope es sogar dringend wollte.

 

„Ich glaube nicht“, ermahnte Hermine ihre Freundin eindeutig. „Und du hast einen eigenen Freund, der sich das Wochenende über nicht gemeldet hat“, erinnerte Hermine sie, und Penelope verzog den Mund.

 

„Frag ihn, ob er mitessen will“, erwiderte sie dann geknickt, und Hermine wollte nicht. „Ich versuche, Billy zu erreichen“, ergänzte Penelope mit dem Anflug eines schlechten Gewissens. Ihr Blick fiel auf die spärlichen Portionen an Spaghetti Bolognese, und sie seufzte lange. Sie war ebenfalls neugierig. Extrem neugierig.

 

Sie durchschritt das Wohnzimmer, blieb vor seiner Tür stehen und klopfte sachte. „Malfoy?“, sagte sie seinen Namen vorsichtig. Sie wartete und hörte ihn im Innern. Seine Schritte näherten sich. Er öffnete die Tür einen Spalt breit.

 

„Was?“ Allein das Wort aus seinem Mund klang gefährlich zornig.

 

„Willst- willst du mitessen?“, fragte sie ihn vorsichtig, und er musterte sie knapp. Vielleicht eine Sekunde zu lange.

 

„Nein“, antwortete er kalt.

 

„Du musst irgendwas essen“, widersprach sie still, und wusste nicht, warum sie ihn zwingen wollte. Er war erwachsen. Er konnte auf sich selbst aufpassen.

 

„Habe keinen Hunger“, erwiderte er gereizt.

 

„Malfoy-“, begann sie, aber er unterbrach sie scharf.


„-was willst du von mir, Granger?“, fuhr er sie an, und sie wich unbewusst zurück.

 

„Nichts“, entkam es ihr hastig. Klein. Ängstlich. Sie hasste das. Sie hatte keine Angst. Vor gar nichts. Erst recht nicht vor ihm. Sie machte wieder einen Schritt auf ihn zu. „Du musst essen, wenn du wieder fit werden willst.“ Sie sah, er wog ihre Worte ab, sein Kiefer bewegte sich wütend.

 

„Lass mich einfach in Ruhe“, knurrte er, und mit einem letzten verachtenden Blick knallte er seine Tür wieder zu, und bevor sie reagieren konnte, hatte er den Muffliato wieder auf das Holz gelegt. Sanft schimmerten die magischen Wellen um den Türrahmen, und sie nahm an, er hatte sie verriegelt.

 

Gut. Dann war es nicht ihr Problem. War es sowieso nicht. War es sowieso nicht!!

 

~*~

 

Er wusste nicht, wieso er es tat. Vielleicht tief in seinem Innern kannte er den Grund. Und ganz sicher half es, dass der Junge vor ihm unter seinem Fluch heißes Blut gespuckt hatte, sich gekrümmt hatte vor Todesqualen und er ihn hatte wiederbeleben müssen, nachdem sich vor seinem inneren Auge bereits das Disziplinarverfahren der inneren Abteilung abgespielte, und man ihm gröbste Fahrlässigkeit vorwarf, einen ehemaligen Todesser mit dem modifizierten Fluch zu belegen. Er hatte nicht nachgedacht – hatte es nicht mal geahnt!

 

Aber natürlich würde der Fluch auf genau so einen Trigger anspringen! Natürlich! Das Mal hatte sich gewehrt, hatte die Uniform des Jungen nahezu sofort verbrannt, und dass Malfoy seinen Arm überhaupt noch am Körper hatte, war… reines Glück.

 

Kingsley schluckte schwer, als er mit zügigen Schritten durch die Dunkelheit marschierte. Wiltshire lag um einiges außerhalb seiner gewöhnlichen Route, und er hatte seiner Frau bereits Bescheid gegeben. Er trug die Arbeitskleidung, eine dunkle Robe über den Schultern, während er grimmig die Imposanz von Malfoy Manor vor sich erkannte. Schmiedeeiserne hohe Zäune umrahmten das Grundstück, hielten Eindringlinge und Muggel erfolgreich fern, und lange musste er marschieren, bis er die Eingangspforte erreichte. Eine altmodische Klingel, magisch verstärkt, würde ihn im Haupthaus ankündigen. Er läutete und wartete fünf Schläge lang. Bevor er erneut klingeln konnte, erwachte die Sprechanlage.

 

„Sie wünschen?“, fragte eine alte Stimme, nicht menschlich, nicht freundlich.

 

„Kingsley Shacklebolt, Aurorenleitung für Lucius Malfoy. Es geht um seinen Sohn“, kürzte Kingsley es ab. Sicher, er hätte Lucius intern übers Ministerium eine Nachricht schicken können, um Flohzugang bitten müssen, aber ganz sicher hätte er dann einen Termin im nächsten Jahr erwarten können. Wenn überhaupt.

 

„Einen Moment“, vernahm er die Stimme mit demselben gelangweilten Tonfall. So schnell ihn seine Hauselfenbeine tragen würde, würde die Kreatur nun Lucius die Anfrage übermitteln, dachte Kingsley bitter. Er wartete. Und das tat er geschlagene fünf Minuten. Er spähte in die Dunkelheit, erkannte keine anderen Häuser in nächster Nähe, nichts weiter entlang dem stillen Weg, der gepflegt, wenn auch verödet war. Und endlich schwangen die Tore ohne Antwort, ohne Einladung, für ihn auf. Er betrat den Weg, den er bereits etliche Male entlang gegangen war. Nur war er nie allein gewesen – und nie in privater Angelegenheit.

 

Seinetwegen gab Kingsley zu, dass er ein schlechtes Gewissen hatte. Hatte er auch. Das war eine haarscharfe Situation gewesen, und sicher, ihn traf die Schuld, aber genauso gab er Lucius Malfoy diese Schuld. Diesem verdammten Bastard von Todesser. Kingsley bemühte sich um Ruhe, brachte Haltung in seinen endlosen Gang zu den erleuchteten Eingangstoren, und vereinzelt huschten Tiere über die weite Grünfläche, flohen vor seinen lauten Schritten. Er spürte seinen Zauberstab im Gürtel, und es vermittelte ihm die nötige Sicherheit.

 

Er glaubte nicht, Lucius Malfoy jemals legere gesehen zu haben, jemals anders als in schwarzer Robe, aber es gab wohl für alles ein erstes Mal. Er trug eine dunkle Stoffhose, recht gewöhnliche Schuhe und einen hellen Pullover, darunter ein weißes Hemd. Sehr legere. „Lucius“, begrüßte er den Mann vor sich, den er bereits bekämpft und im Gerichtssaal mehrfach bedroht hatte. Lucius war alt geworden. Älter als er vor zehn Jahren noch gewesen war. Abweisend trat ein angedeutetes Lächeln auf die Züge des Mannes vor ihm. Kingsley war ein hochgewachsener Mann, aber Lucius überragte ihn dennoch.

 

„Kingsley“, erwiderte Lucius die formlose Begrüßung. Kurz herrschte Stille, und Kingsley glaubte, Lucius würde ihn ohne Durchsuchungsbefehl kaum einlassen, aber der unangenehme Moment verging und wich dem nächsten unangenehmen Moment. „Kommen Sie rein“, bot er lächelnd an, und eisiger hätte die Einladung nicht sein können. Kingsley betrat den Palast vor sich, wenn es auch modernder wirkte als bei seinem letzten Besuch vor einigen Jahren. Die Rüstungen waren verschwunden und moderne Stehlampen zierten die verschiedenen Erker.

 

„Sieht anders aus“, bemerkte er im Gehen, und Lucius lächelte weiterhin.

 

„Meine Frau dekoriert jährlich anders“, erklärte er jovial.

 

Er betrat die ausladende Halle, und eine Tür führte in den erleuchteten Salon ab. „Bitte“, sprach Lucius knapp, und Kingsley schritt über den weiten Perserteppich in den riesigen Salon. Gemälde häuften sich an den Wänden, Bücherregale reihten sich endlos aneinander, und Lucius‘ Frau erhob sich erwartungsvoll aus einem Sessel am offenen Kamin, der sich sehr modern über die gesamte Wand zog, mit einem magischen Feuer, was ebenmäßig loderte.

 

„Mr. Shacklebolt“, begrüßte Narzissa Malfoy ihn, und das Veelablut in ihren Adern, ließ ihn automatisch den Blick senken. Sie war eine Augenweide, trug ein fliederfarbenes Kleid, eine helle Jacke, und die langen welligen hellblonden Haare in einem geflochtenen Seitenzopf. Die blauen Augen strahlten ihm regelrecht entgegen, als er knapp den Blick hob.

 

„Mrs Malfoy“, erwiderte er die Begrüßung still.

 

Er kam sich nicht sonderlich eindrucksvoll vor, hier in diesen erlauchten Hallen. Diese Familie besaß so unfassbar viel Gold – was sie nicht haben dürfte – und auf einmal kam ihm sein Anliegen für die schmale Ausbildung des Sohnes lächerlich vor. Aber das war es nicht. Blenden war alles, was Lucius Malfoy konnte. Und Kingsley durfte das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren, im Angesicht des Reichtums und der Schönheit dieser Frau.

 

„Was führt Sie hier her?“, wollte Narzissa wissen, die Stimme melodisch, ein wenig besorgt. Er würde es kurz machen.

 

„Draco hatte einen Unfall heute“, begann er also.

 

„Geht es ihm gut?“, fragte Lucius tatsächlich nahezu sofort, und seine Haltung änderte sich minimal. Er wirkte steifer als vorher, ein weniges mehr angespannt. Das war nett zu sehen, nahm Kingsley an.

 

„Was ist passiert?“, wollte Narzissa wissen, und fast hätte man meinen können, es handelte sich hier um besorgte Eltern. Kingsley wusste es aber besser als das. Das mochten sie vielleicht auch sein, aber es war nur ein kleiner Teil von dem, was sie waren.

 

„Den Umständen entsprechend, ja. Draco wird jedoch die Ausbildung in meiner Abteilung nicht fortsetzen können.“ Lucius verengte die Augen.

 

„Was ist mit ihm passiert? Ist er im Mungo? Hat er-“ Kingsley unterbrach ihn knapp.

 

„-er trägt das Mal.“ Lucius schwieg daraufhin. Narzissa fing sich schneller, sprach eher, als ihr Mann es konnte.

 

„Draco hat das Mal bereits getragen, als Sie ihn Ihre Ausbildung gelockt haben, Mr. Shacklebolt. Was für eine Art von Unfall hatte mein Sohn?“ Die Melodie in ihrer Stimme kühlte zügig ab, fand Kingsley, und ihre Schönheit nahm eine bedrohliche Note an.

 

„Die Auroren im Training des zweiten Jahres erlenen den modifizierten Cruciatus-Fluch. Eine schwächere Version des Unverzeihlichen, allerdings… um einiges Stärker dosiert im Hinblick auf körperliche oder geistige Schwächen“, erklärte er es in wenigen Worten.

 

„Was soll das heißen?“, fuhr Narzissa ihn praktisch an. „Sie haben meinen Sohn mit dem Folterfluch belegt?“ Kingsley öffnete den Mund, aber Lucius sprach.

 

„Das Mal hat den Fluch aktiviert“, erkannte der blonde Mann ernst.

 

„Was soll das heißen?“, wandte Narzissa sich gereizt an ihn.

 

„Das heißt, dass ich davon ausgehe, dass mein Sohn noch über seinen linken Arm verfügt, oder ich verklage Ihre Abteilung und alle, die mit drin hängen?“ Seine Stimme hob sich am Ende, und Kingsley hatte angenommen, dass Lucius diese Tatsache würde ausnutzen wollen. Ob mit oder ohne Arm.

 

„Draco geht es entsprechend gut. Sein Arm ist vollständig intakt“, schloss Kingsley konsterniert.

 

„Mussten Sie ihn wiederbeleben?“, wollte Lucius scharf wissen, und Kingsley fand, Lucius kannte sich ziemlich gut aus mit den Schäden dieses Fluches, was seine verengten Augen wohl mitteilten, denn Lucius fuhr nahtlos fort. „Kingsley, ich habe meine Kontakte in der Mysteriumsabteilung, und ich bin im Bilde, was Zauberspruch-Modifikationen angeht.“ Kingsley fragte sich direkt, über wen Lucius Kontakt bezog, verschob diese Frage allerdings.

 

„Ich habe ihn wiederbelebt“, räumte er also ein, und Narzissas Hand legte sich schockiert über ihren Mund.

 

„Wie können Sie ihn derartig in Gefahr bringen? Sie-“

 

„-wir können das hier kurz halten“, fuhr Lucius seiner Frau dazwischen, schenkte ihr einen ernsten Blick, und tatsächlich gehorchte sie, war ihrem Mann scheinbar hörig, auf eine gruselige Art, die Kingsley sehr kurz anziehend fand und sich wünschte, dass sie seine Frau zu einem Teil adaptieren würde – aber gleichzeitig fand er es so ekelerregend reaktionär und rückständig, dass er seine Meinung direkt änderte. „Ich werde mein Mal nicht entfernen lassen, damit Draco diese unsinnige Ausbildung fortführen kann.“

 

Kingsley hatte nicht damit gerechnet, dass Lucius so schnell zu diesem Schluss kommen würde, aber er hatte diesen Ausgang bereits angenommen.

 

„Lucius“, begann er, „die Entfernung-“

 

„-ist magisch massiv vasiv und unumkehrbar. Was bedeutet, die Schmerzen bleiben ein Leben lang. Ich bezweifel, dass es den Aufwand wert ist.“

 

„Es würde ein Zeichen setzen. Diese Familie-“

 

„-hat sich nichts mehr vorzuwerfen“, unterbrach Lucius ihn kalt. Kingsley Zähne malten aufeinander. „Und für wen soll es ein Zeichen sein? Der magischen Gesellschaft dürfte es herzlich egal sein, ob die Malfoys das Mal tragen oder eben nicht. Wenn Draco die Ausbildung nicht absolvieren kann, so wie er sie begonnen hat, werde ich garantiert nicht solche unnötigen Maßnahmen ergreifen, wie die lebenslange Verstümmelung unserer Gliedmaßen!“

 

Aber den Mord an unschuldigen Muggeln – das war kein Problem! Diese Worte dachte Kingsley nur. Es war gefährlich, Lucius Malfoy diese Kriegsverbrechen zu unterstellen. Und deshalb tat er es nicht.

 

„Muss er diesen Fluch erlenen? Kann er ihn… nicht… überspringen?“, wollte Narzissa knapp wissen, und Kingsley atmete aus.

 

„Das ist unerheblich“, sagte er kopfschüttelnd. „Es geht nicht darum, ob er ihn ausführen kann, oder nicht.“

 

„Es geht darum, dass er zu einem leichten Ziel wird, Narzissa“, erklärte Lucius anstatt seiner, und Narzissas Blick fiel.

 

„Denk darüber nach!“, drängte Kingsley ihn jetzt, duzte den Mann vor sich, und Lucius schüttelte lediglich den Kopf.

 

„Das werde ich nicht. Und ich bin dankbar, dass Draco die Ausbildung aufgeben wird, ohne mein Dazutun, Kingsley, wirklich“, ergänzte er.

 

„Draco ist begabt!“, fuhr Kingsley ihn an.


„Ganz genau. Und deshalb sollte er sein Dasein nicht in der Aurorenabteilung des Ministeriums fristen müssen!“, konterte Lucius.

 

„Er möchte es!“, rief Kingsley jetzt.

 

„Draco möchte vieles, Kingsley“, erwiderte Lucius über alle Maßen beherrscht. „Und ich unterlag dem Verständnis, dass Eleanore meinen Sohn lediglich einstellen wollte, um unsere Familie durch den Dreck ziehen zu können, oder irre ich da?“ Kingsleys Mund schloss sich übergangslos. Wer war dieser verdammte Maulwurf, der Lucius Malfoy sämtliche Informationen zukommen ließ, Merlin verflucht?! „Offen gesagt warte ich noch auf eine entsprechende Erpressung, die meine väterliche Meinung ändern sollte, aber anscheinend ist mein rückgratloser Sohn nicht der Hauptgewinn, den sich Eleanore ausgemalt hatte?“ Er fixierte ihn genau, wartete scheinbar auf eine Antwort, aber Kingsley schwieg. „Also nenn mir einen guten Grund, warum ich meinem Sohn – und vor allem mir – die Qual antun sollte, das Mal, unser Zeichen der Schande, die ewige Mahnung, loszuwerden? Denn ich bezweifel sehr stark, dass Draco jemals irgendeine höhere Position innehaben wird, bei seinem Hintergrund.“

 

„Das ist nicht gesagt“, entfuhr es Kingsley jetzt haltlos.

 

„Potter ist da, nicht wahr? Potters muggelgeborene Wunderhexe, und die Tochter von Barnabas Fairlane ebenfalls, oder nicht? Und wie viele Positionen für aufstrebende Auroren in der hohen Riege sind verfügbar, nachdem du abgedankt hast?“

 

Eine. Eine lukrative Position war verfügbar. Das wusste Kingsley, das wusste Eleanore, und anscheinend der Rest der magischen Bevölkerung, die sich für interne Ministeriumshierarchie interessierte. Er schluckte wieder schwer.

 

„Das dachte ich mir“, schloss Lucius vielsagend.

 

„Es hat nichts mit irgendwelchen Aufstiegschancen zu tun, Lucius“, fuhr Kingsley ihn jetzt an. „Es geht alleine darum, dass man seinen Kindern die bestmöglichen Chancen verschafft – bei den Dingen, die die Kinder wollen, nicht man selbst!“

 

„Keine Sorge“, knurrte Lucius jetzt, „ich verschaffe meinem Sohn die bestmögliche Chance! Und sobald er einsieht, dass seine Zukunft nicht bei den Auroren liegt, umso eher wird er dieses Kapitel abhaken.“

 

„Du irrst dich“, behauptete Kingsley wütend.

 

„Ich danke dir für deine Zeit und Mühe“, erwiderte Lucius gefährlich ruhig. „Am besten entlässt du Draco sobald wie möglich aus seinem Vertrag und hältst ihn nicht noch länger hin“, schlug er ihm mit falscher Freundlichkeit vor, und Kingsley riss sich zusammen. Er kämpfte hier nicht seinen Kampf. Aber der Junge tat ihm leid.

 

„Ich finde die Tür“, erwiderte er distanziert und machte kehrt. Verdammter Mist. Er ging davon aus, dass spätestens nächste Woche Lucius‘ Klageschrift auf seinem Schreibtisch liegen würde.

 

Aber jetzt erst recht. Jetzt verdammt noch mal erst recht!

 

 

14. the first

 

Sie wachte auf, weil es verdammt noch mal zu laut war. Der Krieg hatte sie geschädigt. Sie schlief nicht mit Ohrenschutz oder magischen Lautlos-Zaubern auf ihrer Tür. Sie blieb wachsam, hörte gerne, wenn etwas passierte, wenn sich Geräusche änderten – aber dieses Geräusch war einfach nur nervtötend.

Sie schlug die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett, und war sich ziemlich sicher, wer verantwortlich war.

 

Sie öffnete ihre Tür und blinzelte in das helle Küchenlicht. Malfoy stand am Tresen, mühte sich ab, Spaghetti in einen Teller zu häufen, und sein Verband schien ihm derartige Schwierigkeiten zu bereiten, dass er es nicht hinbekam, ruhiger zu sein. Sie war halbwegs verärgert, aber dann wiederum war sie sich nicht sicher, ob sie Mitleid mit ihm haben musste. Immerhin war er verletzt, auch wenn es absolut seine eigene Schuld war, dass er diese Scheußlichkeit auf dem Arm trug, die ihn sein Leid kostete.

 

„Brauchst du Hilfe?“ Sie klang nicht sonderlich hilfsbereit, als sie auf ihn zukam, während ihre nackten Beine in der kurzen Schlafanzughose praktisch erfroren, aber ein Blick auf die Uhr sagte ihr auch, dass es drei Uhr morgens war – und niemand war hilfsbereit um drei Uhr morgens! Garantiert niemand war mehr gut gelaunt und nett. Sein Blick schoss zu ihr herum, und er fixierte sie genauso zornig wie schon einige Stunden vorher.

 

„Wieso verdammt noch mal sollte ich Hilfe brauchen?“, blaffte er tatsächlich, und sie versuchte, ruhig einzuatmen. Es war schwer.

 

„Weil du verdammt laut bist“, gab sie zurück, und er warf den Löffel auf den Tresen.

 

„Dann leg Lärm-Zauber auf deine scheiß Tür“, knurrte er. Sie würde ihm nicht erläutern, dass sie das nicht tat, und dass Leute wie er der Grund war, warum sie es nicht tat. Aber eigentlich könnte sie es ihm genau so sagen, denn immerhin wählte er sein Leid selbst, weil er sein Mal nicht entfernen wollte.

 

„Nimm einfach Hilfe an, Malfoy“, erwiderte sie kalt, schloss den Abstand und nahm ihm den Topf ab, um ihm stoisch Nudeln aufzutun. Sie könnte nachts überhaupt nichts essen, aber sie nahm, mit ihm über seinen Stoffwechsel zu diskutieren, würde sie ebenfalls nicht weiter bringen.

 

„Ich brauche deine Hilfe nicht“, sagte er gepresst, wollte ihr den Topf abnehmen, aber sie war schneller, und schmerzhaft stieß er sich den Arm am Tresen. Er zog scharf die Luft ein. „Dieses Scheißding!“, knurrte er wütend, griff sich ein Messer aus dem Block und begann, zu ihrem Horror, auf den magischen Verband einzustechen.

 

„Malfoy!“, rief sie hastig, schob den Topf zurück und griff eilig nach seinem gesunden Arm, um ihn aufzuhalten. „Was soll das? Willst du den Arm ganz verlieren? Du kannst keinen magischen Verband lösen, wenn-“ Er entzog ihr seinen Arm mit einem Ruck.

 

„-ich denke schon!“, knurrte er, stach noch ein letztes wildes Mal auf den Verband, und die blaue Linderung, die von der Gaze aufgestiegen war, erlosch. Er atmete erschöpft aus, griff sich eine Schere aus der Ablage, und Hermine konnte es nicht mitansehen. Konnte einfach nicht! Auch wenn sie ihm Schmerzen und Leid gönnte, die er sich aus eigener Dummheit selber zufügte!

 

„Gib mir das“, verlangte sie tonlos. Er ignorierte sie, wie ein bockiges Kind. „Gib mir die Schere, oder ich verfluche dich auf der Stelle“, wiederholte sie und wie von selbst lag ihr Zauberstab kampfbereit in ihrer Hand. Kurz traf sie sein unfassbar ungläubiger Blick, während sie den Zauberstab auf ihn richtete.

 

„Wie erwachsen von dir“, informierte sie seine nervtötende Stimme, und das Grau seiner Augen kühlte noch mehr ab.

 

„Du willst dich mit Messer und Schere verstümmeln“, kommentierte sie seine erbärmlichen Versuche, und er warf die Schere zurück auf den Tresen. Er atmete entnervt aus.

 

„Penelope benutzte Lärm-Zauber“, bemerkte er bitter mit einem Kopfrucken in Richtung Penelopes Tür, die grünlich schimmerte. Ja, Penelope war eben ein Genie.

 

„Gib mir deinen Arm und halt still“, ignorierte sie seine Worte, und äußerst widerwillig streckte er ihr den Arm entgegen. Langsam lockerte sie die Gaze mit einem praktischen Spruch, bis sie so lose war, dass sie einfach von seinem Arm fiel. Hermine schluckte kurz, denn das Mal auf seinem Unterarm hatte sich stark entzündet, schimmerte über die schwarzen Ränder feuerrot, hatte seine Haut angegriffen und die Adern in nächster Nähe dunkel gefärbt. Es musste ziemlich wehtun. Noch nie hatte sie diese Abscheulichkeit aus der Nähe gesehen, und es wäre ihr sehr recht, es auch nie wieder tun zu müssen. Aber sie bewahrte Fassung, behandelte es, wie eine herkömmliche Wunde und schenkte dem Mal kaum mehr Aufmerksamkeit, als einem blauen Fleck.

 

„Der Heiler hat mir Salbe mitgegeben“, kommentierte er wohl dennoch ihren schockierten Blick, wandte sich ab und verschwand in seinem Zimmer. Zuerst dachte sie, er würde nicht wiederkommen, aber er kehrte mit Salbe und einem großen Verbandspflaster zu ihr zurück. Stumm sah er sie an, wohl nicht wirklich willig, sie tatsächlich mit Worten um Hilfe zu bitten, aber sie verdrehte die Augen und streckte ihre Hand nach der Salbe aus. Sie kannte diese Bockigkeit in Bezug auf Verletzungen bereits bestens von Harry und Ron.

 

„Halt still“, murmelte sie leere Worte, während sie genügend Salbe auf seinem Unterarm verteilte, dass es heilend wirken musste. Danach klebte sie sehr behutsam das große Pflaster weiträumig über die Entzündung.

 

„Danke“, sagte er schließlich, zog den Arm zurück und dehnte seine Finger. „Wesentlich besser so.“

 

„Wieso willst du es nicht entfernen lassen?“, fragte sie ihn still und erntete ein tiefes Stirnrunzeln, während er sie tatsächlich musterte.


„Was?“ Er sah sie sehr prüfend an.

 

„Deshalb der Streit mit Lara, oder nicht?“, vermutete sie bloß, und er blickte nach einem langen Atemzug zur Seite. „Malfoy-“ Sie wusste schon, bevor er erwiderte, dass er wütend war. Es schien in Wellen von ihm auszugehen.

 

„-es geht dich verdammt noch mal nichts an!“, brauste er wieder auf, und die neutrale Stimmung kippte wieder mal.

 

„Ich verstehe dich nicht“, entkam es ihr frustriert.

 

„Ich glaube, das musst du nicht – und es geht dich nichts an!“, wiederholte er zornig. Sie atmete aus, musste sich unter Kontrolle kriegen, und vor allem musste sie aufhören, sich einzumischen.

 

„Ich gehe ins Bett“, murmelte sie, den Blick gesenkt.

 

„Besser für uns alle, Granger“, gab er gepresst zurück.

 

„Schaffst du es, leise zu sein?“, wollte sie gereizt von ihm wissen.

 

„Keine Ahnung. Schaffst du es vielleicht, mich einfach zu ignorieren, oder ist das einfach nicht machbar für dich?“ Seine Anschuldigung war wohl gerechtfertigt. Sie wusste nicht, warum es sie störte. Warum sie es tat. Warum sie überhaupt mit ihm sprach.

 

„Ich habe dir lediglich geholfen“, entgegnete sie beinahe beleidigt, bevor sie sich umwandte.

 

„Oh, fick dich, Granger!“, hörte sie seine wütende Stimme näher kommen. Schnell rotierte ihr Körper zurück, ihre Instinkte ließen sie zurückweichen, als er den Abstand schloss.

 

„Du bevormundest mich! Du verurteilst mich! Ich hatte ein scheiß Wochenende! Alles ist verdammt noch mal scheiße – und du hast nichts Besseres zu tun, als mir deine unerwünschte Meinung aufzudrängen! Wieso nervst du nicht wen, den es interessiert?“, fuhr er sie wütend an. „Hol dir wieder eine scheiß Katze – oder gib dem Wichser McLaggen noch eine Chance, aber verschon mich mit deiner ‚Hilfe‘!“, rief er vollkommen aufgebracht.

 

„Wenn du dein Mal behalten willst, ist es deine eigene-“

 

„-wenn du nicht sofort still bist, hex ich dir den Mund zu, Granger! Ich warne dich!“, unterbrach er sie gefährlich nahe, gefährlich zornig.

 

„Am besten drohst du mir nicht, du aufgeblasener Sohn eines-“ Sie erkannte seinen Zauberstab in seiner Hand, wohl bereit, seine Drohung wahrzumachen, und sie reagierte so schnell sie konnte, gab ihm eine schallende Ohrfeige, und fluchend wich er zurück, kniff die Augen zusammen, und ihr Atem ging unregelmäßig. Ihre Finger brannten, ihre Brust hob und senkte sich schnell, sie kalkulierte, ob ein Kampf in der kleinen Wohnung wirklich die beste Idee war, aber er öffnete die Augen wieder, fixierte sie mit dunklem Zorn, und seine Brust hob sich ebenso schnell.

 

Ein Meter trennte sie, und irgendwas passierte. Irgendwas Falsches. Etwas in ihr stand in Flammen, brannte sich durch ihren Körper, und vielleicht war der Bruchteil der Sekunde auschlaggebend, als seine Augen kurz auf ihre Lippen fielen. Vielleicht war es die Uhrzeit, der Streit, die Ohrfeige – sie wusste es nicht. Sie hasste es, nicht zu wissen, nicht zu verstehen, aber diese Sache verstand sie nicht.

Und sie war es, die den Abstand schloss, die ihn praktisch an sich zog, die mit ihren zitternden Händen in seinen Nacken griff, seinen Kopf hinab drängte. Fast ging sie auf die Zehenspitzen, aber sein Körper gehorchte ihrem Verlangen nahezu sofort.

 

Sie küsste Malfoy, als wäre es Vorspiel gewesen. Als wäre es kein Streit, keine eskalierte Situation. Eine Gänsehaut brach auf ihrem Körper aus, ohne dass sie Einfluss darauf hatte. Ihre Lippen öffneten sich hungrig, gierig nach ihm, und sein Arm lag um ihre Taille. In ihrer Mitte zog es, und ihre Finger krallten sich praktisch in seine Haare. Es schien ihn aus der Balance zu bringen, und sie taumelten zurück, stießen gegen Penelopes Tür, die Merlin sei Dank versiegelt und schallgeschützt war! Durch die Wucht stöhnte sie schmerzhaft in seinen Mund, aber seine Zunge drang verlangend nach vorne, dämpfte ihr Stöhnen, und fest griffen seine Hände jetzt in ihre Taille, zogen sie näher an sich, und ihr Verstand versuchte wirklich zu kalkulieren, was ein guter Ausweg aus dieser Situation war, während ihr Körper vollkommen willig war, Malfoy hier im Wohnzimmer zu verführen. Sie spürte seine Körperwärme, die Hitze seiner Hände durch den dünnen Stoff ihres Oberteils und verbrannte nur noch mehr! Er atmete sie ein, und sie schien regelrecht in ihm zu verschwinden. Ihre Synapsen versuchten Vergleiche zu ziehen, zu Ron, zu Cormac – aber etwas an Malfoy war gänzlich anders. Sie fühlte sich auch komplett anders. Ihr Magen schlug eigenartige Saltos, und die Welt schien stillzustehen.

Sein Geschmack war toxisch auf eine Weise, die sie nicht antizipiert hätte. Sie fühlte sich gut in seinen Armen, und etwas sehr Besitzergreifendes ging von ihm aus, was sie jetzt gerade in dieser Situation sehr anziehend fand.

Aber der Druck seiner linken Hand ließ plötzlich nach, wahrscheinlich hatte er vergessen, dass er Schmerzen hatte – so wie sie vergessen hatte, dass er ein Todesser war, der sein Mal nicht entfernen wollte!

 

Und diese nüchterne Tatsache ließ sie den Kopf ruckartig zurückziehen. Sein Name bekam wieder die abstoßende Wirkung, die er für sie haben sollte. Die Welt fiel in ihre rationalen Fugen zurück.

 

Heiß entwich die Luft ihren Lippen, als sie versuchte, zu Atem zu kommen.

Er stand so nahe vor ihr, dass sie seine Erektion spüren konnte, denn sein Körper war immer noch an ihren gedrängt.

 

Die Verwirrung auf seinem Gesicht wurde abgelöst durch absolute Erschütterung. Er wich zurück, löste die Spannung, besser als sie es konnte. Merlin, das war ein Fehler gewesen, stellte sie schockiert fest. Sie machte nicht viele Fehler, aber das hier war definitiv… ihre Schuld. Das war noch schlimmer.

 

„Malfoy, ich-“, begann sie heiser, aber er schüttelte ruckartig den Kopf.

 

„-nicht“, flüsterte er rau, wich noch einen Schritt zurück. „Das… hätte nicht passieren dürfen!“, entfuhr es ihm tonlos. Er fixierte sie, als wäre sie gefährlich, als würde sie sich auf ihn stürzen wollen – was sie wohl getan hatte, aber der Moment war vorbei. Sie war absolut ratlos, während sie ihn nur anstarren konnte, wie eine Erscheinung. Was hatte sie nur getan?!

 

„Ich wollte nicht-“, begann sie verzweifelt, aber wieder unterbrach er sie.

 

„-gut! Ich will das auch nicht!“, sagte er ernsthaft. „Es ist das allerletzte, was ich will!“

 

O-kay. Gerne würde ihm sagen, dass sie seine Erektion noch immer erkennen konnte, dass er garantiert nicht so abgeneigt und schockiert war, wie er gerade tat, aber das wäre allein verletzter Stolz oder etwas ähnlich seltsames, was für sie sprechen würde. Nicht ihr rationaler Verstand, der mit ihm absolut übereinstimmte.

 

Er war vergeben. Vielleicht zurzeit verstritten, aber nichtsdestotrotz vergeben! Er war ein Ehemaliger, trug das Mal, beschwor nur Unheil, wohin er ging – und viel wichtiger war, dass sie seinen Unterricht brauchte, und sie nahm an, dieses Privileg hatte sie gerade mit Händen und Lippen in den Wind geschossen. Er war attraktiv, ja. Aber seit wann fiel sie auf so etwas rein? Sein ganzer Charakter, seine ganze Show war so absolut unattraktiv für sie! Und seine Familie! Alles, was mit ihm zusammenhing war nur schlecht und kompliziert, und nichts, was sie auch nur für eine Sekunde in Erwägung ziehen sollte, haben zu wollen.

Was sollte sie Harry und Ginny sagen? Wie sollte sie so etwas erklären? Die Sache mit Cormac war schon ein Fiasko gewesen! Aber so etwas mit Malfoy anzufangen?! War sie wahnsinnig geworden? Es musste so sein!

 

„Ich liebe Lara“, informierte er sie ungefragt – oder er sprach mit sich selbst – aber egal, was der Fall war, die Worte waren absolut unangenehm und verursachten ein übles Gefühl in ihrem Körper. Merlin, sie war die weitere Kerbe, oder nicht? Hatte sie ihn nicht in den Wind geschossen? Hatte sie ihn nicht abserviert, hatte ihn nicht haben wollen, als er sie gefragt hatte? Was zur Hölle war los mit ihr?! Und wenn er Lara liebte, wieso… war er dann so leicht abzubringen? Es war wieder die kleine nervige Stimme in ihrem Hinterkopf, die seine Worte hinterfragte. Aber es war ein weiterer abschreckender Punkt. Malfoy war nicht treu, nicht loyal – und sie war genauso schäbig. Und fast wollte sie erwidern, wollte ihm sagen, dass es nicht so aussah, nicht den Anschein machte, als gingen seine Gefühle für ihre Trainerin besonders tief, aber wohlweislich hielt sie endlich einmal ihre verdammte Klappe! Er wirkte vollkommen zerstört, erschlagen, besiegt. „Sie kann das nicht erfahren“, hörte sie ihn verzweifelt sagen, die Stimme rau und unglücklich. Alle Leidenschaft war verschwunden, von ihm abgefallen, innerhalb von Sekunden. „Bitte.“ Er bat sie. Ernsthaft und offen. Sein Blick war so unerträglich, dass sie fast wegsehen wollte.

 

Sie nickte stumm, denn sie traute ihren Worten nicht. Und sie hatte auch wirklich nicht vor, mit dieser Sache hausieren zu gehen. Sie hatte Malfoy viel zu schlecht geredet. Sie war ein Heuchler. Mehr nicht.

Aber ein einzelner Kuss bedeutete gar nichts. Es war ein schwacher Moment in einer schwachen Nacht gewesen. Es zählte kaum. Niemand hatte es gesehen, niemand würde es erfahren. Es war egal. Das sagte sie sich. Sie hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, die Sache runterzuspielen, ihm zu versichern, dass es alles nichts weiter bedeutete, aber sie konnte gar nichts sagen. Vor fünf Minuten hatte sie noch viel zu viel gesagt, und jetzt kam kein einziges Wort mehr über ihre Lippen. Er erwiderte ihr Nicken knapp, sie schienen eine Übereinkunft erreicht zu haben, und dann fiel sein Blick erschöpft. Er wandte sich ab, schritt in sein Zimmer, verschloss die Tür, versiegelte sie, und die Wellen des Muffliatos zeigten ihr, dass er nicht hören würde, würde sie jetzt einen Nervenzusammenbruch erleiden. Aber die zornigen Wellen blieben aus. Kein Gefühl der Wut rang sich an ihre Oberfläche. Sie fiel lediglich zurück gegen die Tür, schloss die Augen, und von irgendwoher kamen die heißen Tränen, die stumm über ihre Wangen rollten.

 

Was passierte nur mit ihr? Sie musste ihr Leben unter Kontrolle kriegen. Wieso war es so schwer? Wieso hatte jeder einen Partner, nur sie machte immer nur genau das Falsche? Seit wann war sie nicht mehr klug genug für jede Entscheidung, die sie traf? Es war absolut niederschmetternd.

 

Und sie nahm finster an, diese Nacht wäre wild genug, sogar für Harrys Dafürhalten. Vielleicht war Godric’s Hollow nicht die Antwort, aber diese WG war es ebenfalls nicht.

 

Sie schloss die Augen und schämte sich, während sie langsam an Penelopes Tür zusammensackte und ihre Stirn auf ihre aufgestellten Knie sank.

 

 

15. wrong turns

 

Er hatte wenig geschlafen. Zu wenig, um sich gut zu fühlen. Allerdings schmerzte sein Arm kaum noch. Es machte es nicht besser. Nichts konnte das. Er wusste kaum, warum er noch aufstand. Er war quasi suspendiert vom Training, und es gab keine Chance, dass er diese Ausbildung würde beenden können.

Dann hatte er Streit mit Lara, hatte den unfassbaren Fehler gemacht, Granger zu küssen – und ihm wurde übergangslos schlecht. Heiße Schuldgefühle kehrten zurück, sprengten praktisch seine Brust, und der Weg zum Ministerium kam ihm so qualvoll vor wie noch nie.

Penelope beschwerte sich neben ihm über Cage, fragte ihn aus, ob er tatsächlich tot gewesen war – und hatte das Taktgefühl eines Riesenkröters.

Draco antwortete einsilbig, hatte keine Kraft, keine Lust zu sprechen, und war lediglich dankbar, dass Penelope nichts mitbekommen hatte. Granger war heute Morgen noch nicht fertig gewesen, mied seine Gesellschaft wahrscheinlich mit Absicht, und seine Gedanken rasten vor Müdigkeit. Sie hatte ihn geküsst. Granger hatte ihn geküsst! Potter würde ihn umbringen, dachte er dumpf. Aber natürlich würde es Potter nicht erfahren. Denn dann würde es Lara erfahren. Und Lara würde ihn dann umbringen.

 

Musste er es ihr sagen? Musste er mit Lara reden? Nein, auf keinen Fall! Die Beziehung stand ohnehin gerade auf der Kippe. Lara wollte, dass er sich Hilfe suchte. Dass er einen Heiler fand bei dem er Versuchskaninchen spielen konnte, der sein Mal mit irgendwelchen druidischen Riten entfernte. Nein, danke!

 

Und kategorisch vermied sein Verstand, an Lucius‘ Worte zu denken. An den Reinblüter-Ausweg, der ihm offenstehen würde. Draco merkte, dass er sich schwertat, sobald sich Hürden in den Weg stellten. Dass er immer näher dran war, aufzugeben, anstatt zu kämpfen. Dass das Einfache, das Schlechte, viel leichter zu erreichen schien, viel bequemer war. Es war immer die Gefahr. Wäre er erst einmal den Handel eingegangen, würde er nicht mehr rauskommen – so viel wusste er! So viel war auch ihm absolut klar. Und wenn er sehr ehrlich mit sich selber war, dann war er sich fast sicher, dass er den Ausgang der letzten Nacht hätte verhindern können. Irgendwie. Er hätte sich nicht mit ihr streiten müssen, hätte nicht auf ihren dünnen Schlafanzug achten brauchen, hätte nicht jede Sekunde, die sie ihm langsam näher gekommen war, antizipieren und genießen sollen – nur um sich zu beweisen, dass er vielleicht auch Granger haben konnte, wenn er denn unbedingt alles andere aufs Spiel setzen wollte! Und das war der Punkt – er wollte sie nicht! Sie hatte ihn abserviert, Sam wartete auf grünes Licht bei ihr, und was sonst noch alles dran hing, war gar nicht aufzuzählen! Potter war nur die Spitze des muggelgeborenen Eisbergs, der ihm gestern Nacht noch verwirrte Träume beschert hatte.

 

Der Reiz war unfassbar hoch, aber er war sich sicher gewesen, dass er Lara liebte, dass es echt war, dass… es halten würde! Aber der Streit war dazwischen gekommen, war wieder eine Hürde gewesen, die ihn verunsichert hatte. Er hasste sich ein wenig mehr, als sowieso schon. Und Granger hasste ihn auch. Granger hielt ihn für absoluten Abschaum, für Todesser-Müll, für einen Reinblüter-Snob – egal, wie sehr sie sich zusammen reißen mochte, für den verdammten Schein.

 

Er hatte es wieder mal verbockt. Er sah nicht, dass sie ihm noch Nachhilfe geben würde. Aber dann wiederum würde er die Ausbildung sowieso schmeißen müssen. Es war alles egal.

 

Endlich betraten sie das Atrium, und die Blicke schienen ihm heute noch zahlreicher zu folgen. Er gab sich Mühe, ein Gespräch mit Penelope aufrechtzuerhalten, um beschäftigt zu tun, aber es war schwer. Sie bewegten sich tiefer, fuhren Fahrstuhl, und er glaubte, aus den Augenwinkeln Blaise erkannt zu haben. Er vermisste ihn. Aber in seinem Moment der Niederlage wollte er ihn auch nicht sehen, wollte nicht erklären, wollte ihm nicht recht geben müssen. Das würde er schon früh genug tun müssen.

 

Sie verließen den Fahrstuhl, betraten den Flur, und er hielt abrupt inne.

 

„Malfoy, wie geht es dir?“ Shacklebolt stand ihm gegenüber, musterte ihn knapp, während er eine Rolle mit Siegel und Stempel abwesend in den Händen bewegte. Dracos Herz sank tiefer.


„Meine Entlassung?“, vermutete er, fast tonlos, fast ängstlich. Shacklebolts Blick fiel entgeistert auf die Rolle, bevor er den Kopf schüttelte. Er lächelte freudlos.

 

„Das? Nein, Malfoy. Das ist… ein Liebesbrief deines Vaters“, bemerkte er bitter. Dracos Augen weiteten sich. „Das ist meine Schuld. Du hast nichts damit zu tun“, erklärte Shacklebolt abwinkend.

 

„Sie haben meinen Vater informiert?“, entkam es ihm erschlagen. Großartig. Dann könnte Lucius ihm wieder einmal vorhalten, was für ein Versager er war. Aber dafür brauchte er kaum einen Grund. Dann verengten sich seine Augen. „Er verklagt Sie?“ Es wunderte Draco, dass sich Lucius überhaupt interessiert – aber dann wiederum ging es wahrscheinlich nur um die Form und die Möglichkeit, andere zu drangsalieren, was Lucius immer Spaß bereitete.

 

„Ich hätte es besser wissen müssen“, räumte Shacklebolt offen ein. Erst jetzt fiel Draco auf, dass er nicht alleine war. Eine Reihe fremder Männer wartete hinter Shacklebolt. „Keine Sorge“, schloss er bloß und ließ das Pergament in seiner Robe verschwinden. „Er verklagt das Ministerium jeden Monat einmal – also, nichts Neues für uns“, erwiderte Shacklebolt sehr gelassen und bestätigte damit Dracos Theorie. Dann erklärte er den Auflauf hinter sich. „Malfoy, das sind Kollegen von mir. Goodwin, Beck und Lorrie“, stellte er die Männer vor, die ihn unverhohlen betrachteten. „Hättest du eine Minute Zeit?“ Was für eine Frage sollte das sein? Sie hatten Training, und er konnte sowieso nicht teilnehmen. Außerdem würde er nicht nein zu Shacklebolt sagen.

 

„Ok?“, sagte er dann.

 

„William, wartest du auf Miss Granger?“, wandte sich Shacklebolt verhalten an den Mann mit den grauen Strähnen, der knapp nickte, ehe er sich mit finsterem Blick abwandte. Auf Granger? Wieso? Aber Draco fragte nicht. – Obwohl er dringend wollte.

 

„Bis später“, verabschiedete sich Penelope vielsagend bei ihm, und es würde wieder Tratsch geben, nahm er an.

 

„Wo gehen wir hin?“, entkam es ihm, als sie allesamt wieder Kehrt machten.

 

„Wo wir privat reden können“, war die kryptische Antwort, und Draco begriff, sie verließen die Auroreneinheit wieder, um noch tiefer zu fahren.

 

„Mysteriumsabteilung“, verkündete die Fahrstuhlstimme, und Draco folgte den Männern mit großen Augen. Das achtwandige Türenzimmer war mit Kerzen erleuchtet, und ohne Nachdenken fanden die Männer die richtige Tür, Draco folgte durch einen dunklen Gang mit schwarzen Fliesen, versuchte einen Blick in Räume zu erhaschen, wo die Türen nur angelehnt waren, scheiterte aber kläglich. Es war still hier unten und unüberschaubar groß. Endlich schienen sie anzukommen, und Shacklebolt ließ sich in einen Raum führen, der Draco stark an die Bibliothek von Hogwarts erinnerte. Er war riesig, mahagoniverkleidet, und künstliches Licht drang durch die Deckenplatten, als wären sie nicht acht Stockwerke unter der Erde, sondern in einem hell erleuchteten Anbau.

 

„Willkommen in der Dunklen Abteilung“, begrüßte der Mann namens Lorrie Draco jetzt zum ersten Mal, und Draco fiel erst jetzt auf, wie unfassbar groß der Mann wirklich war. Bestimmt weit über zwei Meter, aber er wirkte nicht einschüchternd, das Gegenteil schien eher der Fall zu sein. „James Lorrie“, stellte er sich vor. „Einfach Lorrie“, ergänzte er freundlich. Dracos Blick wanderte langsam zu Shacklebolt, der ihm aufmunternd zunickte.


„Malfoy. Draco Malfoy“, stellte er sich beinahe vorsichtig vor, denn er äußerte seinen Namen ungerne laut gegenüber Fremden, aber Lorrie lächelte.

 

„Ist mir bewusst“, sagte er bloß. „Ich war mit Lucius im selben Jahrgang, selbes Haus, selbes Quidditchteam“, schloss er. Draco suchte in seiner Erinnerung nach dem Namen, aber James Lorrie war nie bei ihnen zuhause gewesen. „Ich war noch auf der Hochzeit deiner Eltern eingeladen. Narzissa war gerade schwanger, aber dann… sind wir auseinander gedriftet – sagen wir es so.“

 

„Sie waren kein Anhänger Voldemorts“, schloss Draco didaktisch kurz, denn ansonsten gab es keinen ersichtlichen Grund.

 

„Ja“, bestätigte Lorrie freundlich.

 

„Gut für Sie“, sagte Draco bloß und stellte wieder fest, dass das Ministerium wirklich nur Platz hatte, für Menschen, die im richtigen Moment die richtige Entscheidung getroffen hatten. Er war hier einfach nur falsch.

 

„Nein. Nein, das war es wirklich nicht“, erwiderte der Mann überraschenderweise, und Dracos Blick hob sich stirnrunzelnd. „Ich wurde verstoßen, mein Vermögen wurde aberkannt, ich war… ein Aussätziger. Meine Verlobte hat wen besseres gefunden und ich musste in der Küche der Drei Besen arbeiten, um meine Ausbildung zu finanzieren.“ Dracos Mund schloss sich ratlos. „Und häufig habe ich mich gefragt, ob ich den richtigen Weg gewählt hatte, und wahrscheinlich wäre mein Leben ein bequemeres und besseres gewesen, hätte ich mich den Wünschen der Familie gefügt.“ Er lächelte freudlos. War das Shacklebolts verquere Logik? Setzte er ihm einen Reinblüter vor, der ihm zeigen sollte, dass auch Verstoßene einen Platz im Ministerium fanden? Draco wusste nichts dazu zu sagen und beschloss, sich auf das Offensichtliche zu beschränken.


„Aber jetzt sind Sie ein Unsäglicher“, versuchte Draco den Lichtblick zu erfassen.

 

„Zu einem hohen Preis. Ich habe gehört, Sie haben sich hier beworben, ehe Sie zu Finanzen gewechselt hatten?“, erwiderte Lorrie mit gewissem Interesse. „Es ist spannend, dass sie mich hier zuerst nicht wollten, weil ich nicht die – sagen wir – richtigen Voraussetzungen mitbrachte, und dass Sie bei Ihnen genau gegenteilig reagiert haben.“ Draco runzelte die Stirn. „Sie haben ein Talent, wie ich hörte“, wechselte Lorrie schließlich das Thema, und Draco hatte die Schnauze voll von seinem Talent.

 

„Jeder hier hat ein Talent, nicht wahr?“, war seine mehr oder weniger freundliche Antwort. Lorrie lächelte daraufhin. Draco fragte sich, was der Mann vor ihm hier unten eigentlich beruflich tat. Aber er wollte es gar nicht wirklich herausfinden. Er würde nicht mehr lange bei den Auroren sein, nicht mehr lange im Ministerium, deshalb hielt er den Mund. Zumindest zu diesem Thema.

„Warum bin ich hier?“, wollte er schließlich wissen, aber Shacklebolt antwortete.

 

„Weil ich stur sein kann“, antwortete sein Vorgesetzter beinahe entschuldigend. „Lucius scheint nicht willig, seine Unterstützung anzubieten, dein Mal zu entfernen, also gehen wir mit dem Kopf durch Wand“, schloss er. Draco kommentierte nicht, dass sein Vorgesetzter wahnsinnig war, mit seinem Vater überhaupt zu reden, aber er verstand trotzdem nicht.

 

„Wozu der Aufwand?“, wollte er müde wissen. Shacklebolt hob die Augenbraue.

 

„Etwas mehr Enthusiasmus, Malfoy. Und etwas mehr Dankbarkeit“, ergänzte er. „Willst du die Ausbildung machen?“ Draco schwieg auf die Frage. „Ja, es ist hart. Mir ist das klar“, fuhr Shacklebolt ungerührt fort. „Aber willst du nicht sehen, ob du nicht vielleicht genau hierfür geschaffen bist?“ Draco nahm an, Shacklebolts Worte sollten motivierend sein. Aber er fühlte sich nicht sonderlich motiviert im Moment.

 

„Ok?“, entfuhr es ihm unschlüssig, mit hängenden Schultern, ohne jede Hoffnung.  

 

„Er ist nicht schwach“, bemerkte der zweite Zauberer jetzt, der bisher geschwiegen hatte. Goodwin. Er hatte ihn still beobachtet, fiel Draco auf. Und sein Blick war so unfassbar unangenehm, dass Draco seinen eigenen senken musste. Die Stimme des Mannes war sanft, ruhig, sonor. „Ich sehe Potenzial. Den Hang zur Selbstüberschätzung, aber Potenzial, nichtsdestotrotz.“ Seine Augen waren hell, sehr hell.

 

„Goodwin ist ein Seher“, bemerkte Shacklebolt jetzt. Dracos Augen weiteten sich sehr plötzlich. Er hatte noch nie einen Seher kennengelernt. Und hatte es auch nicht vorgehabt!

 

„Ein Seher? Ich glaube nicht, dass-“

 

„-keine Sorge, Mr. Malfoy. Ich errate keine unkeuschen Gedanken“, unterbrach ihn der Seher lächelnd. Draco verzog den Mund. Natürlich tat der Seher das. „Ich habe auch nicht vor, Ihnen den Tag Ihres Todes mitzuteilen“, ergänzte er. Draco wusste, alte Familien, wie seine, gingen zu Sehern, um Krankheiten vorherzusagen, Geschäftserfolge, gute Partien für ihre Kinder. Aber jeder Blick in die Zukunft kam mit einem hohen Preis. Wie eigentlich alles in der Welt der Reinblüter, ging ihm bitter auf.

 

„Dass Sie es können reicht bereits aus“, erwiderte Draco still, fühlte sich mit jeder Sekunde unwohler, aber der Seher lächelte jetzt breiter.

 

„Ich dachte, Sie wollten hier unten arbeiten, Mr. Malfoy? Ein härteres Fell für die Abteilung der Unsäglichen sollten Sie sich zulegen, für den Fall, dass Sie einst hier landen werden.“ Der Seher schien ihn ärgern zu wollen.

 

„Das wird nicht passieren“, erwiderte Draco mit einem bitteren Lächeln.

 

„So wie ich es sehe, kann nichts und alles jederzeit passieren, Mr. Malfoy.“ Er hasste Seher.

 

„Einen Seher wofür?“, wandte er sich übergangslos an Shacklebolt, und dieser schien kurz über die rechte Wortwahl nachzudenken.

 

„Eigentlich nur, um zu sehen, ob meine Maßnahmen tödlich für dich enden“, räumte er offen ein. Das raubte Draco kurz jede Antwort.

 

„Oder dauerhaft tödlich“, warf der Seher vielsagend ein, und Draco betrachtete den unheimlichen Mann verständnislos. Was sollte das wieder heißen? Die Tür öffnete sich schließlich erneut. Der Mann namens Beck kehrte zurück, und Dracos Haltung änderte sich unbewusst, sein Rücken ging gerader, sein Kopf saß höher, und er wusste nicht, warum sie hier war, aber ihre Anwesenheit hatte einen sofortigen Effekt auf seine Ausstrahlung, der selbstgerechte Blick aus ihren dunklen Augen regte ihn ständig auf. Denn ihr gegenüber wollte er keine Schwäche zulassen. Er wollte ihr nicht in die Karten spielen, ihre Meinung über ihn auf keinen Fall bestätigen.

 

„Hermine!“, rief Shacklebolt, aber immerhin schien auch Granger nicht zu wissen, weshalb sie hergebracht worden war. „Ich danke dir für deine Zeit“, sagte er, und Granger wirkte überfordert.

 

„Warum bin ich hier, Kingsley?“, fragte auch seine Mitbewohnerin, die ihn vor etwa vier Stunde geküsste hatte, und Draco versuchte, seine Gedanken auf nichts zu konzentrieren, denn der Seher würde, mit ein wenig Geistesanspannung auch wissen, was zwischen ihnen vorgefallen war. Nicht, dass es ihn interessierte, aber er würde es mit Leichtigkeit sehen können. Was passierte hier?

 

„Du bist eine exzellente Hexe?“, erkundigte sich ihr gemeinsamer Vorgesetzter, und Granger zögerte.

 

„Ich – arbeite den Anforderungen entsprechend, ja?“, sagte sie knapp, und Draco wusste nicht, dass beide per Du waren, außerhalb der Trainingsräume. Aber wahrscheinlich machte es Sinn. Sie kannten sich nicht erst seit gestern.

 

„Mehr als das. Ich würde ja Westerfield miteinbinden, aber ich habe die Vermutung, du bist begabter als sie.“ Draco wusste nicht, wer Westerfield war, aber noch verstand er sowieso nicht, um was es ging.

 

„Das… ist ein großes Kompliment. Danke, Kingsley, aber-“

 

„-erinnerst du dich an das Kriegsmanöver des Ordens?“, unterbrach er Granger direkt, und sie schwieg. „Den ewigen Schlaf?“ Grangers Blick fiel augenblicklich, und etwas Steinernes legte sich auf ihre Züge.

 

„Ja“, sagte sie langsam. „Sicher erinnere ich mich.“ Kingsley nickte und wandte sich dann an ihn.

 

„Ich denke, die Zeitung nannten es damals ‚den schwarzen Tag‘. Die Todesser hatten den Tag jedoch als besonders siegreich verbucht“, erklärte er vielsagend, und Dracos Stirn zog sich in Falten.

 

„Das Muggel-Drama?“, entkam es ihm still, denn er erinnerte sich. Ein ganzes Dorf an Muggeln war ausgeschaltet worden.

 

„Ja“, bestätigte Shacklebolt freudlos. „Der Orden hat unter großem Aufwand das Dorf mit dem ewigen Schlaf belegt, um die Muggel in Sicherheit zu bringen“, begann Shacklebolt, aber Granger mischte sich zornig ein.

 

„Es… ist gescheitert, Kingsley. Sie sind alle gestorben.“ Dracos horchte auf, hob den Blick, und hasste, wie ihn der Seher von der Seite musterte. Er wusste es. Er durchleuchtete ihn und wusste es. Draco hatte es im Gespür. Er hatte nicht gewusst, dass der Orden Verantwortung für dieses Drama trug. Er hatte es immer den Todessern zugeschoben.

 

„Man müsste es natürlich ändern, die Dosierung-“, begann Shacklebolt gedehnt, aber Granger schüttelte den Kopf.

 

„-ändern? Für was?“

 

„Für Malfoy“, schloss Shacklebolt, als wäre es offensichtlich, und Draco hatte sich schon gefragt, wann er ins Spiel kommen würde.

 

„Für Malfoy?“, wiederholte Granger, als würde sie ihn erst jetzt hier erkennen. Was dachte sie, warum sie hier war? Zwar war er sich selbst nicht ganz sicher, warum er hier war, aber es ging um sein Mal. So viel konnte er sich zusammen reimen.

 

„Das Mal“, sagte Shacklebolt schlicht. „Es ist ok darüber zu reden?“, fragte ihn sein Vorgesetzter tatsächlich, aber Draco begrüßte es beinahe, denn Granger schien anzunehmen, Draco wäre ein devoter Todesser, der sich nicht von seinen Wurzeln trennen konnte. Er ruckte lediglich mit dem Kopf, und Shacklebolt fuhr ohne Zögern fort. „Lucius willigt nicht in die Entfernung ein. Dracos Mal ist mit seinem verbunden, Verbundenheitsflüche enden mit dem Tod der jeweiligen Person – also…“

 

„Sie wollen mich umbringen?“, fasste Draco den Plan seines Vorgesetzten einigermaßen fassungslos zusammen.


„Nein“, sagte Shacklebolt schlicht. „Nun… vielleicht nur kurz“, bemerkte er freundlich. Dracos Kiefer gab nach. Er spürte Grangers Blick auf sich. Kurz erwiderte er den Moment, hasste sich, dass seine Augen sofort ihre gesamte Gestalt aufsogen, hasste, dass er sich lebhaft daran erinnerte, wie sie sich unter ihm angefühlt hatte, und was für einen Triumpf er verspürt hatte, als sie ihn an sich gezogen hatte, obwohl sie ihm mehr als deutlich gemacht hatte, dass sie ihn nicht wollte. Als es unangenehm wurde, sie anzusehen, und er die Röte in ihren Wangen erahnen konnte, wandte er den Blick, nur um zu bemerken, dass der Seher ihn musterte. Ah verdammt. Die Augen des Sehers waren verengt, schienen Informationen zu verarbeiten, und Dracos Blick fiel ebenfalls, bevor er sich zusammen riss und den Kopf schüttelte.

 

„Ich werde mich nicht töten lassen“, sagte er bloß.

 

„Der ewige Schlaf ist nicht ewig“, erläuterte er. „Im Idealfall zumindest nicht. Im Krieg hatten wir nicht die Mittel, nicht die Zeit, nicht die Ausrüstung. Du bist doch selber gut in Stadiumstränken, nicht wahr? Die Animagus-Wandlung ist ebenfalls kein Spaziergang“, bemerkte er. Draco verzog den Mund. „Es ist ein Risiko, aber was ist das nicht im Leben?“, wollte Shacklebolt wissen, aber Draco würde nicht einwilligen.

 

„Es ist gefährlich“, sagte Granger schließlich. „Lebensgefährlich. Und für was?“, fuhr sie fort, überwand die Tatsache, dass er wohl doch kein widerlicher Dreckskerl war, mit immenser Geschwindigkeit und ignorierte ihn nur noch mehr. „Dafür, dass es möglicherweise funktioniert? Wie ich hörte, musste Malfoy schon am Freitag wiederbelebt werden. Nach meinem Verständnis war er also bereits tot – und das Mal ist nicht verschwunden!“ machte sie mit herrischer Geste auf seinen Arm deutlich. Der Seher musterte nun sie, mit gerunzelter Stirn.

 

„Vielleicht ist Miss Granger nicht die richtige Hexe in diesem Unterfangen“, bemerkte der Seher jetzt tatsächlich, und Grangers Blick konnte tatsächlich noch tödlicher werden.

 

„Und Sie sind?“, knurrte sie praktisch, schien weder Respekt, noch Ehrfurcht vor fremden Zauberern zu haben, die sie zu kritisieren wagten, und der Seher lächelte sanft.

 

„Goodwin“, stellte sich der Seher mit einem tiefen Nicken vor, „verstehen Sie mich nicht falsch, Miss Granger. Ich bewundere Ihren Intellekt, aber ich denke nur, dass Sie ein wenig zu… investiert sind.“

 

„Zu investiert?“, wiederholte sie die Worte beinahe abschätzend. „Kingsley, wer-?“, begann sie zornig, aber Shacklebolt beeilte sich, sie mit Informationen zu versorgen.


„-Goodwin ist ein wirklich fähiger, wirklich vertrauenswürdiger Seher, Hermine“, sagte ihr Chef mit Nachdruck. Granger schwieg. Sehr kurz. Zu kurz, als dass Draco die Gelegenheit hatte, auch nur irgendeine Unsicherheit auf ihren Zügen zu erkennen.

 

„Ist das so?“, entkam es ihr tatsächlich besonders giftig. „Dann schlage ich vor, Sie halten sich aus meinen Gedanken raus, Goodwin“, zischte sie in Richtung des Sehers, der lediglich eine Augenbraue hob und wissend lächelte.

 

„Emotionen geraten häufig in den Weg jeder klugen Entscheidung“, war alles, was Goodwin äußerte, aber Draco fand es ungemein spannend.

 

„Ach ja? Was für Emotionen sollen das bitte sein?“ Sie forderte den Seher praktisch heraus, und dieser senkte lächelnd den Blick. Draco wartete auf die Antwort, denn ihn interessierten diese Emotionen sehr. Aber er nahm bereits an, er wusste ziemlich genau, von welchen Emotionen die Rede war. Granger machte aus ihrer Abneigung keinen wirklichen Hehl. Nicht ihm gegenüber.

 

„Es sind erst mal Vorschläge, die ich mit einem qualifizierten Team besprechen möchte. Und der ewige Schlaf war meine erste Idee. Es gibt auch andere Möglichkeiten“, lockerte Shacklebolt die Situation mit ernster Stimme auf. „Es ist keine Sache der Unmöglichkeit, ein verdammtes Mal zu entfernen!“

 

„Nein“, sagte der Mann namens Beck grimmig. „Es wird nur den Rest seines Lebens eine unerträgliche Qual werden“, schloss er knapp. Draco sah den Mann an. Alle hier wirkten vom Leben und vom Krieg gezeichnet. Er konnte nicht sagen, wer von ihnen allen tragische Lebensgeschichten vorzuweisen hatte, aber so tragisch konnte es nicht sein. Sie arbeiteten in der Mysteriumsabteilung.

 

„Mr. Beck trägt sein Mal nicht mehr“, kommentierte Shacklebolt die Worte schließlich widerwillig, und Draco fixierte den Mann vor sich mit den grauen Strähnen genauer. Er wirkte unfreundlich, bitter, nicht gerade vertrauenserweckend. „Aber du bereust es nicht, nicht wahr?“, ergänzte Shacklebolt mit Nachdruck, und Beck verzog den Mund.

 

„Es war nicht meine Absicht gewesen“, war alles, was er dazu sagte, und es klang nicht zwangsläufig wie eine Bestätigung. Draco war nicht bewandert in den Kreisen seines Vaters, hatte nicht die Hälfte der inneren Riege von Voldemorts Anhängern gekannt, und noch weniger persönlich getroffen. Aber der Name sagt ihm irgendwas. Etwas Finsteres.

 

„Sie haben zu Greybacks Leuten gehört, oder nicht?“ William Beck war ein Name, der eine kalte Gänsehaut auf seinem Rücken auslöste.

 

„Entfernt“, bestätigte er so kurz angebunden, wie es ging. Aber Becks Kopf legte sich minimal schräg. „Du erinnerst dich nicht an mich?“, stellte der Zauberer schließlich mit verengten Augen fest. „Wahrscheinlich besser so“, ergänzte er finster, und Dracos Stirn legte sich in Falten. „Zu viel Cruciatus hat den Effekt“, schloss Beck vielsagend. Draco fühlte sich unangenehm durchleuchtet von den Anwesenden. Ja, der Folterfluch hatte den Nebeneffekt, dass er einige Erinnerungen einfach verloren hatte. Lucius war nicht sonderlich sparsam mit Strafen umgegangen, zu der damaligen Zeit, und Draco hatte häufiger keuchend auf seinem Zimmerfußboden gelegen, ohne eine Idee, wie er dort gelandet war. „Lucius umzubringen wäre wohl die einfachste Methode“, schloss Beck beinahe aufmunternd, und Draco schockierten die Worte nicht halb so sehr, wie Granger, die empört einatmete.

 

„Fabelhafter Vorschlag“, mischte sich Kingsley nachdenklich ein. „Aber vielleicht bleibt das Plan B.“

 

„Was für Schmerzen sind es?“, wollte Draco wissen, der seine Gedanken von der Tatsache ablenken wollte, dass sich dunkle Erinnerungen wieder in seinen Geist schlichen, von irgendwelchen Todesser-Versammlungen im Salon seiner Eltern.

 

„Als ob ein stumpfes Messer wieder und wieder in deinen Arm sticht“, erklärte Beck mit einem bitteren Grinsen. „In eine entzündete, niemals heilende Wunde.“ Dracos Mundwinkel sanken.

 

„Nicht gerade aufmunternd“, bemerkte Draco mit trockenem Mund.

 

„Ich kann es dir auch absolut nicht empfehlen, sofern du eine Wahl hast.“ Was Draco daraus ableitete, war, dass Beck keine Wahl gehabt hatte. Aber das hatte er wohl bereits durch die Blume gesagt. Draco wollte nicht fragen, wollte es nicht unbedingt wissen. Wollte nicht mal wirklich wissen, wie ein Todesser aus Greybacks Riege überhaupt jemals im Ministerium landen konnte. Einige Enden mancher Todessergeschichten fehlten ihm – interessierten ihn auch nicht.

 

„Beck“, begann Kingsley, aber Beck hob den Blick.

 

„Kingsley, der Junge wurde von seinem Vater die Hälfte seines Lebens bewusstlos gefoltert, und ich denke, es gibt einen Weg, wie er den modifizierten Cruciatus-Fluch bekämpfen kann, als sich den lebenslangen Schmerzen einer ziemlich unwahrscheinlichen Entfernung auszusetzen.“ Draco mochte die Worte nicht, die Beck sprach. Sicher, seine Kindheit war ihm nicht fremd, aber er war relativ dankbar, nahezu jedes Erlebnis mit seinem Vater verdrängt und vergessen zu haben. Jeden dunklen Spruch, jeden Folterfluch, jede Aussicht auf Schmerz.

 

„Es hat ihn freitags umgebracht!“, machte Shacklebolt es gepresst deutlich.

 

„Na und?“, entfuhr es Beck demonstrativ. „Er scheint mir recht lebendig zu sein. Dann wird er lernen, damit umzugehen!“, knurrte Beck bloß. Shacklebolt schien es nicht zu gefallen, und er schien Beck aus anderen Gründen rekrutiert zu haben. Wahrscheinlich um eine Entfernung schmackhaft zu reden. Und Draco glaubte nicht, es schaffen zu können. Die Schmerzen waren zu hart gewesen. Unerträglich hart.

 

„Was für ein Training soll das sein?“, wollte Shacklebolt wütend wissen. „Er kann nicht-“

 

„-es gibt sanftere Trainingsmethoden, als ihn direkt in seine schwächste Stelle zu schocken“, bemerkte Lorrie eindeutig, und Draco nahm an, er war einer der Unsäglichen, die den Fluch modifiziert hatten. „Am besten trainiert er mit seinesgleichen, mit jemandem, der weiß, wie er mit dem Zauber umzugehen hat, ihn schwächer dosiert, ihn-“

 

„-vielleicht wäre Miss Granger dafür am besten geeignet?“, schlug der Seher schließlich vor. „Mitgefühl schwächt jeden Fluch“, gab er zu bedenken, und Dracos Blick fiel auf Grangers Gesicht. Sie wirkte ertappt und etwas bloßgestellt, während rote Wut in ihre Wangen stieg. Sie hatte keine Gelegenheit diesen Vorwurf zu kommentieren, denn Shacklebolt wandte sich an den Seher.


„Hat das Aussicht auf Erfolg? Kann er das schaffen?“ Shacklebolt klang nicht überzeugt. Draco war es ebenso wenig.

 

„Es macht den Anschein, dass Mr. Malfoy für Miss Granger einiges tun würde. Wie ich schon sagte, ab diesem Punkt ist alles möglich und alles unmöglich, Kingsley“, schloss der Seher lächelnd, und Draco hatte das Gefühl, in den Magen geschlagen worden zu sein. Er spürte die Hitze in seinem Körper praktisch. Er würde gar nichts für Granger tun! Und niemand schien sich sonderlich an diesen Worten zu stören! Niemand kommentierte es, machte sich lustig, wiederholte diese unmögliche Unterstellung – nein, jeder schien es hinzunehmen! Er hatte das Bedürfnis zu erklären, dass er eine Freundin hatte, aber er schwieg, denn er kam sich wie ein Vollidiot vor.

 

Granger sah ihn einigermaßen ungläubig und schockiert an, aber er mied ihren Blick entschieden. Er würde gar nicht für sie tun! Niemals!

Und ihr verdammtes Mitgefühl brauchte er ebenso wenig!

 

Allerdings war er marginal dankbar dafür, dass sie nicht versuchen würden, ihn umzubringen – oder seinen Vater. Training klang nach dem kleinstmöglichen Übel. Aber mit Granger würde er nicht trainieren!

Er wusste nur nicht, wie er es verhindern konnte. Aber vielleicht starb er beim nächsten Fluch einfach, dann wäre das Problem sowieso gelöst.

 

„Ich kann Miss Granger die Strategie hinter dem Fluch erklären, ihr beibringen, wie eine Dosierung funktioniert?“, schlug Lorrie vor. „Außerdem war es mein Vorschlag von Anfang an, mit dem Fluch zu arbeiten, anstatt das Mal zu entfernen“, schloss er. Shacklebolt wirkte nicht glücklich.

 

„Das Mal ist Teil von ihm“, fuhr Shacklebolt kopfschüttelnd fort. „Es wird immer ein Problem sein.“

 

„Ja, wird es, aber er wird besser mit diesem Teil arbeiten können, wenn er lernt, es zu besiegen, anstatt mit den Phantomschmerzen zu kämpfen“, merkte Beck an. Shacklebolt wirkte grimmiger.

 

„Das liegt an Hermine. Ich werde es nicht ans schwarze Brett hängen. Sofern sie kein Training mit Malfoy machen möchte, verbleibt nur die Möglichkeit, das Mal zu entfernen.“

 

„Vielleicht… wäre Harry besser geeignet für so etwas“, mischte sich Granger sehr kleinlaut ein.

 

„Bei allem Respekt, aber Harry wird die komplexe Fluchanwendung gerade ebenso meistern. Er ist ein Held, aber keine Koryphäe“, entgegnete Shacklebolt eindeutig.

 

Es passierte etwas Seltsames. Wahrscheinlich nicht seltsam für Granger, aber Draco fand es seltsam. Beinahe bemerkenswert. „Ich bin hier, weil der Seher es gesagt hat, nicht wahr?“, erkundigte sie sich sehr direkt bei Shacklebolt. Dieser öffnete sehr kurz den Mund, wohl bereit, etwas Gegenteiliges zu erwidern, bevor sein Mund sich schloss.

 

„Hermine“, begann Shacklebolt beinahe sanft, aber Granger schüttelte den Kopf.

 

„Ich habe nichts mit ihm zu schaffen, Kingsley!“, machte sie es deutlich. „Wir haben absolut nichts miteinander gemein und nichts miteinander zu tun! Mein Mitgefühl geht auch nicht weiter, als es für jedes getretene Tier gehen würde“, fuhr sie fort, und Dracos Mundwinkel sanken zügig und bitter. „Was dieses… Orakel sieht“, fuhr sie zornig fort, schien sie den Seher sehr gemäßigt zu beleidigen, „basiert auf flüchtigen Eindrücken, schwindenden Momenten, die wenig Aussagekraft haben!“

 

„Ich verstehe das“, begann Shacklebolt beschwichtigend. „Aber ich will nicht aufgeben, ich will ihm die faire Chance lassen. Er ist begabt!“

 

„Und ich bin ein Bauer im Spiel, oder wie verstehe ich das?“, entfuhr es Granger bissig.

 

„Du ziehst Vorteile, oder nicht?“, wollte Shacklebolt mit erhobenen Brauen von ihr wissen. „Ich hörte, du ziehst das Seltenheitszertifikat vor, trainierst mit ihm ohnehin, ihr wohnt zusammen – verzeih, wenn ich die falschen Schlüsse gezogen-“

 

„-wir wohnen nicht-!“ Granger unterbrach sich zornig. „Es ist egal“, kürzte sie ihre Wut ab. Er fragte sich, ob irgendetwas, was er vorbringen würde, irgendeinen Effekt hatte.

 

„Wenn du es nicht willst-“, begann Shacklebolt wieder, aber Granger verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Garantiert nicht, weil ich mich schäme oder mich unwohl fühle!“, knurrte sie. „Ich mache es“, schnaubte sie fast. „Mir wird ja kaum eine Wahl gelassen! Aber er ist dein Protegé!“, fuhr sie ihren Vorgesetzten an. „Sobald er nicht mehr stirbt, kannst du ihn übernehmen!“

 

„Habe ich irgendein Mitspracherecht?“, erkundigte er sich wütend bei ihr, und ihre imposante Gestalt schoss zu ihm herum, und beinahe wäre er einen Schritt zurückgewichen, so kochend war ihr Zorn.

 

„Was für ein Mitspracherecht sollte das sein, Malfoy? Du wirst praktisch auf Händen getragen hier, bekommst ein Team Unsäglicher, damit du bloß nicht die verdammte Ausbildung schmeißt – über was genau willst du dich beschweren? Dass wieder einmal alles genau nach deinen Vorstellungen passiert?“, fuhr sie ihn an, und sein Mund öffnete sich überfordert. Er wollte sie erwürgen. „Es ist unfassbar, dass Ehemalige hier den Arsch hinterhergetragen kriegen!“

 

„Du hast keine Ahnung von meinen verdammten Vorstellungen, Granger! Und ich kann mich nicht erinnern, dass du dich vor einigen Stunden bei mir beschwert hast!“, erwiderte er tatsächlich mit geballten Fäusten, und kurz weiteten sich ihre Augen.

 

„Nein, Malfoy! Auch vor einigen Stunden habe ich mich bei dir beschwert!“, korrigierte sie ihn, und ja, sie hatten gestritten, ging ihm auf, aber… das war kaum der Punkt. „Und am besten hältst du ab jetzt deinen Mund, wenn du mit mir zu tun hast!“ Sehr gerne hätte er hierauf noch irgendwas erwidert, aber sie schoss letzte wütende Blicke in die Runde, bevor sie Kehrt machte und den Raum verließ, bevor Beck ihr mit einem vielsagenden Blick folgte, wohl um sie wieder nach oben zu bringen.

 

„Jaah, ich denke, das wird nicht funktionieren“, bemerkte Draco Richtung Shacklebolt, und dieser kratzte sich nachdenklich am Kopf.

 

„Ich denke, das funktioniert besser, als du in der Lage bist, jetzt gerade zu erfassen, mein Junge“, erwiderte Shacklebolt mehrdeutig, ohne ihn anzusehen, und Dracos Stirn legte sich in endlose Falten. Er bezweifelte das. Stark.

 

„Ja, noch mal zwanzig sein“, bemerkte Lorrie ebenfalls, ohne dass Draco den Sinn hinter diesen Worten erfassen konnte – oder wollte. „Komm, zeig mir dein Mal und wir schauen, wo die Schwachstelle genau liegt und wie wir sie vielleicht umgehen können“, bot er Draco an, und Draco wandte sich hilfesuchend an Shacklebolt.

 

„Geh ruhig mit. Du kannst ohnehin kein Training absolvieren. Ich… spreche mit Hermine.“ Super. Alles war mit einem Schlag dreihundert Mal so kompliziert als vorher geworden.

 

 

16. white flags

 

Sie hatte ihr Essen nicht angerührt.

Jetzt gerade konnte sie nicht fassen, dass sie keine Rückendeckung bekam. „Sie haben mich ausgespielt – benutzt, Harry!“, fasste sie die Geschehnisse erneut zusammen, aber Harry schien ihre Meinung nicht zu teilen.

 

„Ich würde es so nicht sehen, Hermine“, begann er zögerlich. Natürlich nicht. Harry hatte Dumbledores Methoden auch nicht als fragwürdig empfunden, obwohl er lediglich am Leben gehalten worden war, um unter Voldemorts Zauberstab zu sterben. Ja, der Vergleich hinkte, aber so sah es Hermine. „Ich finde, es ist eine gute Sache.“

 

„Eine gute Sache? Dass ich meine Zeit, meinen Intellekt opfere, um Malfoy zu helfen?“

 

„Er hilft dir, oder nicht?“, kürzte Harry es vielsagend ab, und Hermine schnappte nach Luft.


„Er wird dafür bezahlt, uns auszubilden! Er hätte es so oder tun müssen!“

 

„Aber er gibt jetzt auch seine Zeit für dich auf, oder?“

 

„Ich trainiere ohnehin schon mit ihm!“, entrüstete sie sich.

 

„Was genau stört dich? Dass sie einen Seher dazu geholt haben?“

 

„Mich stört, dass… dass…!“ Sie konnte gar nicht alle tausend Dinge aufzählen, die sie störten! „Und ja! Was für eine unfassbare Dreistigkeit, einen Quacksalber dazu zu holen!“

 

„Seher können nützlich sein“, bemerkte Harry. „Außerdem, welche Hexe ist hier sonst engagiert und mitfühlend genug, armen verlorenen Auszubildenden zu helfen?“, bemerkte Harry achselzuckend.


„Er ist nicht arm und verloren“, knurrte sie.


„Hermine, was macht er denn?“, wollte Harry jetzt ernster von ihr wissen. „Ich meine, viel mehr Reue kann man kaum demonstrieren, als es Malfoy gerade tut, oder nicht?“ Hermine hasste, dass Harry sich auf Malfoys Seite schlug. Als würde er das tun! Als hätten sie plötzlich Mitleid mit Ehemaligen! „Er kündigt seine Stelle, fängt die Ausbildung an, wo er ein Aussätziger ist, stellt sich gegen seine Erziehung, will das Mal entfernen lassen- oder zumindest bekämpfen-“

 

„-Kingsley will es entfernen lassen!“, unterbrach sie ihn zornig.


„Hermine!“, sagte Harry wieder. „Ich verstehe dich nicht. Du lernst einen absolut aufwendigen, komplexen Fluch, ziehst das Training vor und kannst einem Kollegen helfen. Seit wann möchtest du Menschen nicht mehr helfen?“, wollte er wissen, und sie verzog den Mund.

 

„Das ist nicht fair, Harry“, entkam es ihr kopfschüttelnd.

 

„Ok“, sagte ihr bester Freund schließlich und schob seinen Nachtisch zurück. Seine Stimme senkte sich, als er sprach. „Sag mir, dass er dich beleidigt, dass er dich Schlammblut nennt, wenn niemand zuhört – sag mir, dass er ein Arschloch ist, was dein Leben zur Hölle macht, dich drangsaliert und seine Kraft gegen deine ausspielt. Dann verstehe ich alle deine Einwände“, versprach er sehr nüchtern. Ihr Mund schloss sich entnervt. „Beleidigt er dich?“, fragte Harry jetzt erneut.

 

„Ja“, bestätigte sie gereizt, und Harrys Augen weiteten sich kurz. „Aber… nicht- nein, nicht wie du denkst. Und wahrscheinlich beleidige ich ihn schlimmer“, ergänzte sie und verdrehte die Augen. Dann nickte Harry langsam.

 

„Weil du ihn magst?“, entgegnete Harry gegen jede ihrer Erwartungen, mit einer erhobenen Augenbraue, und beinahe wäre ihr Kiefer auf den polierten Plastiktisch der Kantine geschlagen.

 

„Bitte was?!“, entkam es ihr, fast tonlos vor Schock. Harry atmete knapp aus, dann schüttelte er lächelnd den Kopf.

 

„Schon gut. Es war nur eine Vermutung“, schien er sich zu rechtfertigen, aber ihre Augen weiteten sich.

 

„Eine Vermutung? Was für einen Beweggrund solltest du… was zur...?“ Sie konnte sich kaum fassen. Als wären sie Kinder auf dem Spielplatz! Als würde Malfoy sie an den Haaren ziehen und sie würde ihn schubsen.


„Nichts weiter“, gab er grinsend zurück. „Ich meine, er taucht auf dem Bankett auf, will deine Bekanntschaft machen, er beginnt keine Woche später die Aurorenausbildung, zieht bei dir ein, du schießt McLaggen ab, trainierst mit ihm, er macht mit dir das Zertifikat im Privatunterricht – ich meine…?“ Harry schien auf ihre Bestätigung zu warten. „Ich meine, läuft da was?“, fragte er direkt, wohl eher als Scherzfrage, aber Hermine blinzelte heftiger.

 

„Ich – nein. Nein! Nein, natürlich nicht! Ich…“ Sie spürte die verdammte Röte, spürte, wie ihr Körper sie einfach auslieferte und verriet, während sie haltlos ihren Kopf schüttelte. Harry hatte sie mit seinen Thesen so eiskalt überrascht und musterte sie beinahe belustigt.


„Warum wirst du so rot?“, wollte er mit zuckenden Mundwinkeln wissen. „Oh sag mir nicht, dass ich recht habe? Hermine Granger!“, entkam es ihm beinahe ungläubig. „Das würde Ron gefallen!“, behauptete er mit großen Augen. Schockiert konnte sie ihren besten Freund nur anstarren.

 

„Es… es ist nicht…! Es war nur…- es war…, ich…“ Merlin, sie musste sich fassen! Sie musste sich unter Kontrolle kriegen, und Harrys Grinsen verblasse langsam.

 

„Es war nur was?“, wollte er plötzlich gänzlich nüchtern wissen, bevor sein Kiefer nachgab. „Oh mein Gott, da läuft was!“, entfuhr es ihm fassungslos, und sie mied seinen Blick, sah entnervt zur Seite und schüttelte vehement den Kopf.


„Es war gar nichts, Harry!“, informierte sie ihn gepresst. „Merlin!“, knurrte sie, und kühlte ihre heißen Wangen mit ihren kühlen Fingerspitzen. „Und ich mag ihn nicht!“, ergänzte sie so giftig, dass Harry sich gespannt nach vorne lehnte.

 

„Hast du mit ihm geschlafen?“, fragte er sie tatsächlich, und ihre Augen hoben sich empört.

 

„Was?! Nein!“, zischte sie heiser. „Nein!“, wiederholte sie, als Harry sie immer noch lauernd ansah. Sie hatte nicht gewusst, dass sie unfähig war, ihren besten Freund anzulügen. „Ich… habe… ihn geküsst“, flüsterte sie gepresst, denn was half es jetzt noch. Harry hing an ihren Lippen.

 

„Ernsthaft?“, flüsterte er zurück, und Hermine verdrehte die Augen.

 

„Einmal. Sehr kurz. Und es bedeutet gar nichts. Und wenn du es Ginny erzählst – oder Ron! –, rede ich nie wieder ein Wort mit dir!“, ermahnte sie ihn. Er sah sie weiterhin an. „Was?“, wollte sie gänzlich fertig wissen, und tatsächlich lehnte er sich lächelnd zurück.

 

„Genau das meine ich“, bemerkte er zufrieden. Hermines Mundwinkel sanken. „Leb ein bisschen, Hermine. Es steht dir gut“, ergänzte er, und sie wollte am liebsten über den Tisch steigen, und ihn schlagen.

 

~*~

 

Der Gang war nicht so schwer, wie er gedacht hätte. Nein, es war lächerlich einfach. Er wollte es klären, und er wollte sie unter keinen Umständen verlieren. Unter keinen! Er klopfte an die Tür.

 

„Ja?“, vernahm er die Stimme seiner missgelaunten Freundin, und sein Herz schlug schneller in stiller Vorfreude, sie endlich zu sehen. Er öffnete ihre Tür. Sie hob den Blick, erkannte ihn, und ihr Ausdruck war sparsam.

 

„Hey“, begrüßte er sie, völlig bereit, sich auf jeden Streit mit ihr einzulassen, wenn sie ihn nur nicht abschoss. „Darf ich?“, fragte er zwischen Tür und Angel, deutete nach innen, und sie ruckte mit dem Kopf. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schien abzuwarten. „Es tut mir leid“, sagte er, meinte nicht nur den Streit, entschuldigte sich auch für seine Untreue, aber natürlich nur im Subtext. Sie erwiderte nichts. „Lara“, sagte er sanft, „bitte verzeih mir. Ich… hatte Schmerzen, ich… war nicht ich selbst.“ War er auch nicht gewesen. Er war jemand anderes, abscheuliches, der Fehler machte, die er nie wieder machen würde. „Ich will dich unter keinen Umständen verlieren. Du bist das Beste, was mir hier passieren konnte. Glaubst du mir das?“ Noch immer war ihr Ausdruck steinern.

 

„Du hast gesagt, ich wäre wahnsinnig, dir vorzuschlagen, alternative Methoden zu finden, das Mal loszuwerden“, warf sie ihm bitter vor, und er schluckte schwer. Richtig. Der Druiden-Vorschlag.

 

„Ich hatte Angst“, räumte er ein. „Große Angst. Ich hatte Angst, alles zu verlieren, was so greifbar gewesen war, verstehst du?“, versuchte er, zu erklären. „Ich dachte, ich müsste die Ausbildung beenden, wieder zu meinem Vater zurück – ohne Aussicht auf Arbeit – oder irgendwas.“

 

„Ich wäre da gewesen“, behauptete sie beleidigt, und Draco glaubte ihr.

 

„Das weiß ich. Jetzt“, ergänzte er. „Ich habe nicht nachgedacht.“

 

„Das geht nicht, Draco“, informierte sie ihn. „Du kannst mich nicht ausschließen.“

 

„Kannst du irgendetwas von dem nachvollziehen, was ich gerade gesagt habe, Lara?“, fragte er sie ruhig, und sie atmete aus.

 

„Vielleicht“, gab sie zu, und ihre Arme sanken aus der abwehrenden Haltung.

 

„Es tut mir unfassbar leid.“ Er begann, den Abstand zu schließen.

 

„Hör auf, dich zu entschuldigen, Draco“, warnte sie ihn jetzt.

 

„Ich meine es ernst“, beteuerte er bloß. „Ich will dich nicht verlieren.“ Sie verdrehte schließlich die Augen.

 

„Du verlierst mich nicht“, schloss sie still. Er stand vor ihrem Stuhl und streckte ihr die Hand entgegen.

 

„Darf ich dich begrüßen?“, fragte er sehnsüchtig, und mit einem schweren Seufzer erhob sie sich aus dem Stuhl. Er hatte sie vermisst. Ihre Form, ihren Duft – alles an ihr!

 

„Ich denke“, sagte sie vorsichtig.

 

„Gut“, erwiderte er, legte sachte den Arm um ihre Taille und zog sie sanft an sich. Sie ließ sich in die Umarmung ziehen und legte ihre Arme um seinen Nacken. Er hielt sie fest, genoss die Nähe und schämte sich dafür, ein Arschloch zu sein. „Ich liebe dich.“ Die Worte kamen, bevor er nachgedacht hatte. Sie versteifte sich in der Umarmung. Dann lehnte sie sich zurück.


„Du – was?“ Sie sah ihn verblüfft an, aber er hatte nicht das Bedürfnis, es zurückzunehmen.

 

„Lara, ich liebe dich“, wiederholte er ernst. Überfordert öffnete sich ihr Mund. „Und, es ist ok!“, sagte er sofort. „Du musst gar nichts sagen, ich-“

 

„-ich liebe dich auch!“, unterbrach sie ihn atemlos, und ihr Blick wurde glasig. „Keine Ahnung, warum, du Idiot, aber ich empfinde genauso!“, flüsterte sie. Sofort küsste er ihre Lippen, zog sie an sich, und für den Moment hatte er das Gefühl, nichts könne mehr schief laufen. Dass er alles schaffen würde, was er wollte. Er musste sich nur konzentrieren. Er durfte keine Fehler mehr machen. Durfte sich nicht gehen lassen, nicht aufgeben, nicht mehr schwach werden, bei der kleinsten Versuchung. Er sah es als Test. Als Prüfung. Er musste alles Schwache in seinem Innern bekämpfen. Und bei Lara hatte er keinen Zweifel, dass sie die Richtige war.

 

Blind zog er den Zauberstab, verriegelte ihre Tür, und spürte ihr Lächeln gegen seine Lippen. Er wollte sie jetzt und hier. Sofort. Zur Bestätigung. Zur Absicherung, dass er alles überwinden konnte, was sich in seinen Weg stellte. Sei es das Mal, sei es Granger.

 

Sei es seine eigenen Unzulänglichkeiten. Sei es seine Familie und seine Herkunft. Er würde dem Namen Malfoy Ehre machen.

 

Zumindest würde er es versuchen.

 

~*~

 

„Das hat sie gesagt?“ Sam sah ihn skeptisch an. Sie waren unterwegs zur nächsten Unterrichtseinheit. Die Zweier schwärmten an ihnen vorbei, warfen Draco ab und an Blicke zu, die er ignorierte.

 

„Ja“, bestätigte er, mittlerweile auf dem Weg der ewigen Tugend. Er hatte mit seiner perfekten Freundin geschlafen, in ihrem Büro, hatte sie geliebt, und er fühlte sich gut. Es würde einen Weg geben, das Mal zu bekämpfen, er würde es schaffen, und gleichzeitig konnte er sich als selbstloser Gutmensch üben, der seiner Mitbewohnerin ein Date mit dem einzigen Freund, den er hier hatte, verschaffte. Seine Theorie war, wenn er so schnell wie möglich dafür sorgte, dass Granger vergeben war, würde er verdrängen, was er in ihrer Nähe empfunden hatte. Nicht, dass es irgendetwas Tiefgreifendes gewesen war. Es waren lediglich Hormone, lediglich Anziehung, einfach nur sexuelle Anspannung. Nichts Ernstes. Und am besten beendete man solche Neigungen, indem man sie für sich selber nicht mehr zugänglich machte.

 

„Sie weiß, wer ich bin, richtig?“, wollte Sam zweifelnd wissen. „Sie verwechselt mich nicht mit dem Weißbrot Sam Shepard?“, wollte er tonlos wissen und ruckte Richtung Sam Shepard, der sich abmühte, seinen Stiefel wieder zu verschließen. Draco schmunzelte.

 

„Keine Sorge. Sie weiß, wer du bist“, erwiderte er grinsend.

 

„Dann… dann werde ich sie um eine Verabredung bitten.“ Es klang eher so, als mache er sich Mut, als dass er es tatsächlich vorhatte.

 

„Mach das. Sie ist auf jeden Fall dafür“, sagte Draco mit Nachdruck.

 

„Ok. Ok…“, wiederholte Sam nervös. Draco runzelte die Stirn.

 

„Was ist das Problem? Du hast die Absicherung, dass sie ja sagt“, entgegnete Draco bloß, nicht sicher, wovor sich Sam fürchtete.

 

„Jaah, aber… es ist Hermine Granger“, erwiderte Sam, und Dracos Augenbraue wanderte höher. „Es ist nicht irgendwer“, ergänzte Sam eindeutig. Dracos Mund schloss sich knapp. „Neben Harry Potter ist sie wohl das Berühmteste, was hier rumläuft.“ Draco nahm an, dass das wohl stimmte. „Und man kann nicht einfach mit ihr ausgehen und es versauen“, behauptete Sam angespannt. „Ich meine…, es bedeutet einfach mehr, verstehst du?“, fragte er Draco jetzt. Er selber hatte darüber so nicht nachgedacht. Zumindest nicht gestern Nacht. Aber er beabsichtigte auch nicht, eine Beziehung mit Granger zu führen, Salazar bewahre! Es war soweit von seinem Fokus entfernt, dass es praktisch abwegig war.

Darüber war er längst hinweg. Es wäre eine grenzenlos dämliche Idee – und für ihn sowieso unmöglich. Die Namen Malfoy und Granger gehörten einfach nicht zusammen. Vielleicht in einer kurzen, verbotenen Nacht, für wenige Sekunden, wenn niemand am nächsten Tag mehr darüber sprach. Ja, dann vielleicht. Mehr war es nicht. Dass er sie überhaupt öffentlich auf dem Bankett angesprochen hatte, kam ihm bereits Jahre entfernt vor – und natürlich vermessen und völlig fehlgeleitet. Zabini hatte völlig recht gehabt.

 

Und das war der nächste Punkt auf seiner Liste. Er hatte nämlich einen besten Freund. Und er beabsichtigte, diesen wieder zu bekommen.

 

„Sie ist ein Mädchen, das Interesse an dir hat. Ich würde vorschlagen, die Helden-Saga hinter ihrem Namen zu vergessen“, legte Draco ihm nahe – und sich selber auch.

 

„Vielleicht könnten wir ein Doppel-Date machen?“, wollte Sam fast verzweifelt wissen. Und Draco reagierte hier sofort.

 

„Ich denke nicht“, schloss er direkt. Sam wirkte unglücklich. „Zu deinem ersten Date solltest du kein anderes Paar anschleppen“, machte er es deutlich. Nicht, dass er Ahnung hätte, aber es kam ihm bereits zum Scheitern verurteilt vor.

 

„Einfach nur, um es aufzulockern“, sagte Sam kleinlaut. Draco nahm an, es würde vieles tun, aber auflockern würde es nichts.

 

„Ich rate dir davon ab. Wirklich“, ergänzte er. „Sie… mag mich nicht“, sagte er nur.

 

„Ja, das ist der Punkt“, entfuhr es Sam nickend. „Denkst du, ich würde dich auf irgendein Date mitnehmen, wo die Chance besteht, dass du das Mädchen klar machen könntest, Malfoy?“, fragte er ihn ernsthaft. „Es war ein absoluter Pluspunkt, dass du bei Hermine Granger auf keinen Fall landen könntest“, machte er deutlich, und Draco zog die Stirn in Falten. „Nicht, dass das ausschlaggebend war“, ergänzte er hastig. „Oder dass ich das persönlich meine!“, sagte er kopfschüttelnd. Draco verzog den Mund. „Und du hast ja wen!“

 

„Halt die Klappe“, entfuhr es Draco gereizt. Sam grinste dann.

 

„Ich frag sie heute vor eurer Nachhilfe“, versprach er ihm. Draco war sich plötzlich nicht mehr ganz so sicher, ob es eine gute Idee war. Und er fürchtete sich vor der Nachhilfe – die scheinbar nicht abgeschafft war, jetzt wo Granger ihn auch noch immun gegen Malschmerzen machen sollte.

 

Das Gespräch mit Lorrie heute Morgen war gut gewesen. Er hatte Dracos Mal begutachtet, hatte festgestellt, dass es zwar versuchte, den Fluch zu bekämpfen, dass seine Macht aber begrenzt war. Dass Draco, wenn er genug Kampfgeist und Willensstärke besäße bald in der Lage wäre, die Kraft des Mals zu überschatten. Aber Draco sah es nicht. Nicht wirklich. Und nicht unter dem Gesichtspunkt, dass er es für Granger tun würde. Er hielt nichts von Sehern, aber er wusste, es lag häufig ein Korn Wahrheit in den Visionen der Stümper.

Und es machte ihm Angst. Lorrie wäre heute Nachmittag bei der Nachhilfe dabei, und Draco wusste, er war noch nicht einmal sonderlich weit mit den Basisflüchen gekommen. Seine Beziehungsdramen wuchsen ihm langsam aber sicher über den Kopf.

 

Aber er ignorierte dieses Problem erst mal.

 

~*~

 

Der Tag war schwindend schnell vergangen. Erschöpfung nagte an ihm. Wie jeden Tag. Es war kurz vor sechs, und er sehnte sich nach weichen Kissen, einem traumlosen Schlaf, denn die letzte Nacht war ein Albtraum gewesen. Die Aussicht, gleich von Granger mit dem Cruciatus belegt zu werden, machte es nicht besser. Ganz und gar nicht. Aber er hatte im Kopf, was Granger ihm heute gesagt hatte. Er würde sich nicht mit ihr anlegen. Er hatte auch keine Kraft dazu. Lara hielt seine Hand in ihrer, begleitete ihn zur Halle, und Draco genoss einzig die empathische Wärme, die von seiner Freundin ausging.

 

„Ich bin stolz auf dich“, raunte Lara ihm zu.

 

„Danke“, murmelte Draco, der Lara heute Mittag in Shacklebolts Pläne eingeweiht hatte.

 

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es sein muss, Draco“, entkam es ihr mitfühlend, und Draco lächelte schwach.

 

„Es ist ok. Solange du da bist, ist es nicht schwer.“ Er wollte die Worte meinen, war aber bereits viel zu müde für Ernsthaftigkeit.

 

„Du bist süß.“ Lara zog ihn tiefer, küsste seine Wange, und Draco wollte am liebsten die Augen schließen und in Laras weicher Umarmung einschlafen. „Ich sollte gehen“, merkte sie schließlich an, und Draco hob den Blick. Lorrie kam mit langen Schritten den Flur entlang und blieb vor ihnen stehen. Er kam ihm noch größer vor, als heute Morgen.

 

„Schönen guten Abend“, begrüßte er Draco. „Bereit?“, erkundigte er sich bei ihm, und Draco ruckte lediglich mit dem Kopf.

 

„Mh“, machte er unschlüssig.


„Keine Sorge, wir fangen klein an“, versprach Lorrie zwinkernd. „Sie sind…?“, wandte er sich höflich an Lara, und diese lächelte freundlich, wie sie war.

 

„Lara Banks. Dracos Freundin“, erklärte sie, und es erfüllte Draco mit Stolz, wie liebevoll sie klang.

 

„Ach was“, erwiderte Lorrie knapp. „Angenehm. Lorrie“, stellte er sich vor. Er sah sich knapp um. „Ist Miss Granger bereits in der Halle?“, erkundigte er sich dann, aber Draco schüttelte den Kopf. Granger wurde gerade um eine Verabredung gebeten.


„Sie kommt bestimmt gleich“, antwortete Lara zuversichtlich. „Ich lasse euch alleine“, schloss sie stiller. „Bis morgen und viel Erfolg“, verabschiedete sie sich von ihm, ging auf die Zehenspitzen, und Draco erwiderte ihren sinnlichen Kuss, der schnell endete.

 

„Bis morgen“, entgegnete er, und Lara verschwand mit schwingenden Hüften und wippendem Pferdeschwanz. Lorrie musterte ihn kurz, und als Draco den Blick hob, öffnete Lorrie aber bereits mit einem Schlenker die Türen zur Halle.

 

„Ich denke, wir können schon mal den Ablauf durchsprechen“, sagte er knapp und Draco folgte ihm. „Kingsley ist es ein echtes Anliegen, Sie durch die Ausbildung zu bringen“, ergänzte er freundlich.

 

„Ein fehlgeleitetes“, murmelte Draco gähnend. Lorrie lachte kurz auf.

 

„Sie haben eine hohe Meinung von sich selbst“, erwiderte Lorrie bloß.

 

„Shacklebolt möchte lediglich einen Auror mit Zertifikat in seiner Riege haben“, schloss Draco achselzuckend. „Anscheinend um jeden Preis.“

 

„Es ist auch über alle Maßen eindrucksvoll, Mr. Malfoy“, bemerkte Lorrie knapp. „Es erfordert Willenskraft und ein beharrliches Talent.“

 

„Ich denke, man braucht lediglich ein Elternteil, was nicht an einen glaubt und nur auf die Niederlage wartet – gepaart mit keiner anderen Aussicht auf irgendeinen Erfolg“, entfuhr es ihm bitter.

 

„Sie können mehr, als Sie meinen“, war alles, was Lorrie behauptete, bevor sich die Tür öffnete, und Granger etwas außer Atem die Halle betrat.

 

„Verzeihung“, wandte sie sich an Lorrie, nicht an ihn.

 

„Kein Problem, Miss Granger. Wir werden ohnehin langsam beginnen heute“, versprach Lorrie bloß.

 

„In Ordnung“, erwiderte sie, verschränkte wartend die Arme vor der Brust, und Draco bekämpfte die Müdigkeit.

 

„Wichtig ist, dass wir die schmerzliche Dosis des Fluchs gering halten. So gering wie möglich, damit Mr. Malfoy lernt, damit umzugehen.“

 

„Ok“, war ihre knappe Antwort, die Stimme sachlich, neutral, nicht sonderlich freundlich. Ob sie Ja zu Sam gesagt hatte? Er nahm es an. Er hoffte es, ansonsten wäre Sam sauer. Lorrie begann, Granger zu zeigen, wie der Fluch funktionierte, was die Komponenten waren, und Granger war so aufmerksam wie immer, wenn es um neues Wissen ging. Sie war eine gute Schülerin, dachte er dumpf. Seine Gedanken drifteten träge, gingen im Kopf die Basisflüche durch, und er fürchtete sich vor seiner Prüfung in zwei Monaten.

 

„Beginnen wir?“, fragte Lorrie ihn, und Draco schreckte aus den Gedanken hoch.

 

„Jetzt sofort?“, wollte er überrascht wissen, und Lorrie nickte.

 

„Ich denke, Miss Granger ist fähig genug.“ Draco befiel die Angst.

 

„Und wenn… wenn es wieder passiert?“, fragte er doch, und ihm gelang nicht, die Stimme neutral zu halten.

 

„Dann bin ich da“, versprach Lorrie. „Ich bin in der Lage, den Zauber sofort zu beenden.“ Draco atmete lange aus.

 

„Ok“, gab er schließlich nach. Es wäre der krönende Abschluss für einen endlos langen Tag. Granger ging bereits in kampfbereite Aufstellung, und Draco fand, sie schien etwas zu selbstgerecht. Es schien ihr zu gefallen, ihn jetzt verfluchen zu dürfen. Er atmete lange aus, bevor er ihr entgegen trat. Gerne wollte er ihr nahelegen, nicht zu hart zu sein, aber es kam ihm erbärmlich vor. Er wappnete sich, spannte seine Zauberstabhand an, und hatte unfassbare Angst vor den Schmerzen. Er nahm an, er wirkte krampfhaft, aber er konnte es nicht verhindern.

 

Und dann zögerte sie. Er sah es in ihrem Blick. Ihre Entschlossenheit wich, und ihre strengen Gesichtszüge lockerten sich.

 

„Er wird es nicht können“, sagte sie still. „Er ist viel zu schwach, hat zu wenig geschlafen. Er hat sich nicht erholt, Lorrie“, fuhr sie kopfschüttelnd fort.

 

„Ich komme schon klar“, entkam es ihm rau, denn er hatte nicht nötig von ihr schwächer dargestellt zu werden, als nötig.

 

„Malfoy“, sagte sie ungläubig, aber er machte ein gereiztes Geräusch.

 

„Denkst du ernsthaft, dass du in jeder Lebenslage die Wahl hast, ausgeschlafen und bestens vorbereitet zu sein? ich glaube nicht, dass es ideale Situationen für einen Kampf gibt, also wieso fängst du nicht endlich an?“, fuhr er sie an, denn er konnte nicht anders.

 

„Du wirst es nicht schaffen“, beteuerte sie bloß.

 

„Na und? Dann werde ich es noch mal und noch mal und noch mal probieren müssen, Merlin verflucht!“

 

„Ich denke, Mr. Malfoy hat recht. Es gibt keinen idealen Zeitpunkt. Wir werden sehen, wie weit wir kommen“, schloss Lorrie diplomatisch, und Draco war dankbar dafür.

 

„Ich weiß, das sich recht habe“, schien Granger dennoch das letzte Wort behalten zu müssen, bevor sie widerwillig den Zauberstab hob. Draco atmete aus, ging in Stellung, und dann hob sie den Zauberstab.

 

„Cru-“

 

Der Schmerz erfasste ihn mit brennender Präzision und Klarheit, brannte sich durch seinen Körper, und zuerst begriff er nicht, dass es sein markerschütternder Schrei war, aber es war unerheblich, denn die Welt verschwand, glitt ins Dunkel, und er spürte gar nichts mehr.

 

Aber nicht lange war er bewusstlos, denn seine Augen flogen unter schweren Atemzügen wieder auf.

 

„Ich habe es gesagt!“, hörte er ihre panische Stimme. Die Welt war gekippt, lag seitlich, aber er begriff, er lag auf dem Hallenboden. Lorrie kniete über ihm.

 

„Alles ok?“, erkundigte sich der Zauberer, und Draco hob träge den Arm, um zu sehen, ob er noch an seinem Körper saß. Das Mal pochte und kribbelte brennend, aber es war erträglicher, als Freitag.

 

„Mhm“, machte er gepresst, und Grangers Kopf erschien in seinem Sichtfeld. Sie schien selbstvergessen auf ihrer Unterlippe zu kauen.

 

„Du kannst zugeben…“, brachte er angestrengt über die trockenen Lippen, „dass dir das verdammten Spaß macht“, murmelte er erschöpft. Sie sah ihn schockiert an.

 

„Du bist so ein Arschloch!“, entfuhr es ihr. „Wenn du ernsthaft denkst, es macht mir Spaß, dir Schmerzen zuzufügen-“

 

„-ich denke, wir können einen weiteren Versuch wagen“, bemerkte Lorrie zuversichtlich. Granger sah ihn empört an.

 

„Ist das Ihr Ernst?“, fragte sie den Zauberer jetzt. „Sehen Sie ihn an! Er liegt am Boden!“

 

„Können Sie aufstehen?“, erkundigte sich Lorrie bei ihm, und Draco stieß sich mit Mühe vom Boden ab.

 

„Ja“, behauptete er wankend.

 

„In Ordnung. Miss Granger, noch einmal. Noch etwas sanfter“, befahl er knapp. Unwillig hob Granger den Zauberstab. Draco wollte nur noch sterben. Wahrscheinlich war es das doch nicht wert. Aber er dachte an Lucius, und wie sehr es seinen Vater nerven würde, wenn Draco diese Hürde ohne seine Hilfe überwinden könnte.  

 

„Crucio!“, sagte Granger bitter, und dieses Mal war keien Wucht hinter dem Spruch. Genug, um ihn in die Knie zu zwingen, aber sie hatte den Zauberstab nicht gedreht, keine echte Absicht lag hinter ihren Worten, und auf seinen Knien, schaffte Draco es den Schmerz zu lokalisieren. Sein Atem ging abgehackt, seine Augen tränten, aber er blieb bei Bewusstsein. Schlimme Erinnerungen kehrten zurück, zerrissen seinen Geist, und er sah sich vor seinem inneren Auge, wie er sich am Boden wand, Lucius über ihm, und Draco wusste den Grund nicht mehr. Wusste nicht, warum er bestraft wurde, aber oftmals hatte es keinen Grund gegeben. Hart umfasste er seinen Unterarm, bezwang seine Instinkte, zu schreien, sich hinzuwerfen, um Erlösung zu flehen, und biss die Zähne zusammen, versuchte, den Schmerz zu verbannen, und er hob den tränenverhangenen Blick, erkannte ihr schockiertes Gesicht, ihre zitternde Hand, die den Zauberstab auf ihn gerichtet hielt. Der Schmerz auf ihren Zügen war echt. Ihr Mitgefühl nahm die Wucht, und dass sie ihn tatsächlich nicht verletzen wollte, war bemerkenswert, dachte er dumpf.

 

Und fast tat es ihm leid, dass sie diese Bürde zu tragen hatte, mit ihm zu trainieren hatte, dem Todesser, dem nutzlosen Abschaum, dem Dreck, der ihre Zeit kostete, und wütend mit sich selber, mobilisierte er jeden letzten Funken an Kraft, an Magie in seinem Innern, um den dunklen Fluch abzuschütteln, aus seinem Körper zu verbannen, und mit einer herrischen Bewegung, schlug er den linken Arm zur Seite, und tatsächlich ebbte der Schmerz ab, verließ seinen Arm, seinen Körper, und der Fluch war beendet. Grangers Zauberstab ruckte zur Seite, die Magie war unterbrochen.

 

Jetzt erst hörte er ihren schnellen Atem, und sie schloss den Abstand, ging auf die Knie, sah ihn einfach an. Tränen liefen über ihre Wangen. „Es tut mir leid“, sagte sie betroffen, und sein Kopf sank erschöpft.

 

„Schon gut“, sagte er, dachte er? Er wusste es nicht.

 

„Sie machen das gut“, vernahm er Lorries Stimme.

 

„Mh“, machte er nur. Lorrie schoss Linderung direkt in seinen Arm, und Draco konnte endlich wieder denken.

 

„Ich denke, das reicht für heute“, vernahm er Lorries Stimme wieder klar und deutlich. Wankend kam er auf die Beine. „Und ja, wenn er ausgeruht ist, sollte es besser funktionieren.“

 

„Da gehe ich von aus“, sagte Granger immer noch etwas tonlos.

 

„Sie sind ein gutes Team. Ich sehe absolutes Potenzial, dass Mr. Malfoy seine Dämonen bekämpfen kann.“

 

„Wir… sind kein Team“, sagte er bloß, denn er wollte es wirklich deutlich machen, für alle übrigen Menschen auf der Welt, nicht nur für sich.


„Was auch immer Sie sind“, ergänzte Lorrie vielsagend, „scheint gut zu funktionieren. Sie leben noch, waren keine fünf Sekunden bewusstlos – ich denke, ich komme morgen wieder, und dann schauen wir, ob Sie meine Anwesenheit noch mal benötigen werden.“ Er verabschiedete sich von Granger, und dann waren sie wieder allein.

 

Sein Blick hob sich. Er hatte das Gefühl, als wäre Granger noch etwas neben sich.

 

„Ich – danke dir für deine Hilfe“, sagte er schließlich. Ihr Blick klärte sich, fiel auf seine Gestalt, und er konnte ihren Blick nicht deuten. Irgendwann nickte sie.

 

„Du hilfst mir, ich helfe dir“, erwiderte sie schließlich. „Ich glaube, wir lassen es für heute gut sein.“ Sie wirkte nicht, als wolle sie streiten. Und auch ihm fehlte jede Kraft für eine Auseinandersetzung. Er mochte nicht, wie eigenartig monoton und abgestumpft sie wirkte, aber er nahm an, das war ihre Art, mit ihrer Situation umzugehen, und er wusste auch keine bessere Option.

Dazu kam, dass er achthundert Stunden schlafen könnte.

 

„Gehen wir nach Hause“, sagte er dumpf, und wieder sah sie ihn an. Er hatte sich noch nicht bemüht, auszuziehen – überhaupt eine Alternative zu finden, aber es schien sie nicht zu stören.

 

Nach einem weiteren stillen Moment verließen sie die Halle.

 

Er stand in ihrer Schuld, ging ihm auf. Ziemlich tief.

 

Und er wusste nicht, wie er diese Schuld würde jemals ausgleichen können.

 

 

17.  boy in trouble

 

Der Spiegel in ihrem Zimmer war nur schmal, und sie sah sich nicht komplett. Es war ihr nie sonderlich wichtig gewesen. Noch nie hatte sie das Bedürfnis verspürt, sich zur Gänze im Spiegel zu betrachten. Sie war sich auch nicht sicher, ob es ihr heute wirklich helfen würde.

Sie atmete angespannt aus, blickte ihrem Spiegelbild entgegen, das den Blick unsicher erwiderte.

 

„Komm schon, Hermine“, murmelte sie leise. Sie hatte geduscht, ihre Haare waren gepflegt und gebändigt, fielen in glänzenden Wellen ihren Rücken hinab, das Makeup, das sie besaß – was noch nicht abgelaufen war – lag ebenmäßig auf ihrem Gesicht und ließ sie sogar entspannt und ausgeschlafen aussehen – fast, als hätte sie Urlaub. Sie trug sogar Lippenstift und musste sich nur noch abgewöhnen, andauernd auf ihrer Lippe zu kauen.

Der Herbst war kühl, und deshalb trug sie einen dunklen Blazer über dem blauen Kleid, was sie nur als Alibi besaß, da Ginny mal erwähnt hatte, Hermine hätte keine Kleider. Deshalb war es auch noch so gut wie neu. Oben saß es eng, der Ausschnitt war tiefer, als sie gewöhnt war, und der Rock warf sanfte Falten um ihre Oberschenkel. Sie trug eine magische Strumpfhose, die gleichzeitig mit Wärme- und Unsichtbarzaubern belegt war. Ihr war also immerhin warm.

 

Schmuck besaß sie nicht wirklich. Es war ihr nie ein Anliegen gewesen. Sie trug lediglich die silberne Kette mit dem Perlenanhänger, die ihre Mutter ihr damals für den Weihnachtsball geschickt hatte. Sie hatte nie Schmuck geschenkt bekommen. Nicht von ihren Eltern, nicht von Ron oder Cormac. Sie hatte es sich nie gewünscht, und während des Krieges wäre sie nicht darauf bekommen, sich auch noch mit Schmuck zu belasten. Ab und an überlegte sie, sich Ringe zu kaufen, sich Ohrlöcher stechen zu lassen – aber dann verwarf sie die Gedanken wieder.

 

Ihre Gedanken wanderten, drifteten ab. Sie streckte den Rücken durch und wusste nicht, ob sie gut aussah. Es würde reichen müssen.

 

Lustlos verließ sie ihr Zimmer. Sie würde mit Malfoy apparieren. Denn anscheinend war ein Doppel-Date, was heutzutage angesagt war. Es war anstrengend. Sie sah Malfoy jeden Tag, verbrachte ihre Abende mit ihm in der Halle, und sie waren noch nicht weit gekommen mit seinem Training. Meistens war er nach den Cruciatus-Übungen so geschafft, dass sie mit ihrem Zertifikat pausieren mussten. Und jetzt war es Samstag und sie würde auch diesen Abend mit Malfoy verbringen.

 

Sie hatte sich bereits stoisch damit abgefunden, verdrängte, dass der Kuss mit ihm eine Woche her war, und immerhin schrien sie sich nicht an, stritten nicht, und sie sah es als Prüfung. Sie gab sich Mühe, ihn vorzubereiten, abzuhärten, aber eigentlich sollte er einfach mal zuhause bleiben, sich ausruhen – nicht auf Doppel-Dates mit ihr gehen. Aber natürlich sagte sie das nicht. Streit war das letzte, was-

 

„-Merlin, du siehst auch so gut aus! Wieso hat mich eigentlich keiner gefragt? Billy und ich könnten auch mit euch Doppel-Daten!“, beschwerte sich Penelope lautstark, während sie ziemlich entspannt in Jogginghose vor dem Sofa stand, eine offene Tüte Bertie Botts Kesselchips in der Hand. Hermine war bisher noch um das leidige Thema ‚Billy Cage‘ herum gekommen. Penelope schien heute Abend nirgendwohin zu gehen. Billy hatte sich wohl mal wieder nicht gemeldet.

 

„Ich lehne dankend ab“, hörte sie Malfoys Stimme, und sie hatte ihn nicht in der Küche bemerkt. Kurz verfing sich ihr Blick. Er hatte ebenfalls geduscht, sah nicht mehr so verbraucht und abgekämpft aus, und irgendein nerviger Zauber lag auf seinen Haaren, und ließ sie glänzend und anmutig auf seinem Kopf liegen. Er trug ein dunkles Hemd, eine Hose, die teurer wirkte, als alles, was Hermine je besessen hatte, und sie erkannte einen silbernen Ring an seinem Zeigefinger. Auch seine Schuhe waren aus exquisitem Leder. Sie würde ihn gerne fragen, ob er seine Kisten ausgepackt hatte, aber sie hatte Sorge, dass es so klang, als wolle sie ihn mit dem Zaunpfahl darauf hinweisen, dass er ja eigentlich vorhatte, auszuziehen.

 

Besser, sie sprach nicht mit ihm. Nicht mehr als nötig. Wie fand er wohl, dass Sam auf einem Doppel-Date bestanden hatte? Sie hatte es sich noch gar nicht gefragt. Es musste unangenehm sein, oder? Sie fand es unfassbar unangenehm! Sie wollte Lara auch überhaupt nicht mehr sehen! Zwar lief es wohl ekelerregend gut, aber immerhin schleppte Malfoy seine Freundin nicht hier her. Nicht in ihre WG. Hermine hielt sich raus. Es war nicht ihre Angelegenheit. Und sie war einfach nur froh, relativ schadenfrei aus dieser Sache mit Malfoy rausgekommen zu sein – abgesehen natürlich von der Tatsache, dass sie nun noch mehr mit ihm trainieren musste als vorher. Und sie war aber dankbar, dass er unter der Woche nicht halb so gut aussah, wie er es heute tat. Er hatte irgendeinen Aufwand betrieben.

 

Sie schluckte bitter und fragte sich gleichzeitig, ob er ihren Aufwand bemerkte. Er schenkte ihr allerdings keinen zweiten Blick. Sie nahm also an, dass sie nicht großartig anders aussah, als sonst.

 

„Und ich hatte bisher noch nicht das Bedürfnis“, äußerte sich Hermine. Penelope verzog den Mund.

 

„Einen schönen Abend euch“, murrte sie beleidigt, warf sich missmutig auf die Couch und begann in einem magisch bewegten Magazin zu blättern, während sie sie ignorierte.

 

„Bereit?“, fragte Malfoy sie schließlich, als sie beide ihre Mäntel übergezogen hatten. Er schien nur teure Sachen zu besitzen, schloss sie diesen Gedanken dumpf ab. Wahrscheinlich konnte der reiche Reinblüter nichts dafür, dachte sie bitter.

 

„Ja“, sagte sie, gönnte ihm ab jetzt auch keinen zweiten Blick und war sich nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, mit Sam auszugehen. Aber sie wollte ihm die Chance lassen. Besser als Cormac und Malfoy würde er allemal sein.

 

Draußen auf der Straße bot Malfoy ihr den Arm. Sie würden Seit-an-Seit apparieren, und mit großem Widerwillen hakte sie sich unter. Sie roch sein Parfüm und fragte sich, ob er ihres ebenfalls riechen konnte. Sie spürte das Spiel seiner Muskeln, seine Anspannung, die perfekte Ausführung des Zaubers, denn ebenmäßig drehten sie sich. Die Bewegung und das Flugmoment pressten sie eng an ihn, und das Material seines Mantels fühlte sich steif und fest an. Schon fanden ihre Füße wieder Halt, und sie standen vor der Bar, die Sam ausgesucht hatte. Das Gangs bot einen Restaurant-Bereich, als auch einen Tanz- und Barbereich an, was Hermine wie ziemlich viel Druck vorkam. Aber sie waren keine vierzehn mehr, und Abendessen, Drinks und Tanzen war wahrscheinlich ein relativ normales Date.

 

„Sie werden drinnen sein“, bemerkte Malfoy neben ihr, und mit Schrecken stellte sie fest, dass sie seinen Arm noch hielt. Hastig wich sie zurück, etwas zu ruckhaft, etwas zu demonstrativ. Kurz fiel sein Blick auf ihr Gesicht. Kurz glaubte sie, dass er etwas sagen würde, wie, dass sie cool bleiben sollte, dass sie nicht so auffällig abweisend zu sein hatte – aber er sagte gar nichts.

 

„Ok“, rang sie sich heiser ab, und mit zügigen Schritten hatte sie die wenigen Stufen nach oben überwunden. Der Club war teurer, als alles, was sie ausgesucht hätte, und sie hatte wohlweislich genügend Galleonen eingesteckt.

Der Club war voll, überall waren Menschen, Gelächter schlug ihr entgegen, und laute Musik drang von links an ihr Ohr, aber nur wenn sich die ausladenden Türen zur Tanzbar öffneten – was sie taten.

 

„Ich bauche frische Luft!“, rief ein Mädchen, das Hermine nicht kannte, aber die Begleitung war ihr mehr als nur bekannt.

 

„Oh nein“, flüsterte sie, mit wachsender Beklemmung. „Ich muss hier raus“, sagte sie mit erstickter Stimme, aber Malfoy ergriff geistesgegenwärtig ihre Hand.

 

„Du musst gar nichts“, erwiderte er gepresst, und bevor sie eine Szene veranstalten und sich losreißen konnte, um zu fliehen, hatte Ron sie bereits entdeckt. Was tat er hier? Er hasste Clubs! Hatte er zumindest. Seine Augen weiteten sich, nur um sich zu verengen, als er wohl Malfoy erkannte hatte. Seine zügigen Schritte verlangsamten sich, und Hermine sprach, bevor sie nachgedacht hatte.

 

„Das ist kein Date – hi!“, ergänzte sie laut, und immerhin schien Ron ernsthaft verwirrt zu sein.

 

„Hi“, erwiderte er ihre Begrüßung.

 

„Wow. Hermine Granger“, sagte das Mädchen einigermaßen beeindruckt, und Hermine gefiel es, dass sie immerhin ihren Namen kannte. „Eine Ehre, dich kennenzulernen“, ergänzte sie, aber Hermine würde keine Freundschaft mit ihr schließen. Das Kleid war zu kurz, ihre Haare zu blond, ihre Schuhe zu hoch.

 

„Mh“, machte Hermine lediglich. „Danke“, ergänzte sie knapp.

 

„Einfach mit Malfoy unterwegs?“, vermutete Ron jetzt einigermaßen giftig.

 

„Nein, nein“, sagte Hermine lahm.

 

„Unsere Dates warten. Schönen Abend noch, Weasley“, kürzte Malfoy dieses Treffen ab, was Hermine wohl niemals hätte beenden können, bevor er sie recht erbarmungslos weiterzog. „Was veranstaltest du da?“, wollte er gepresst von ihr wissen.

 

„Ich… ich – keine Ahnung!“, zischte sie hilflos zurück, blickte sich knapp um, um zu sehen, dass Ron ihr stirnrunzelnd nachsah. Malfoy ließ ihre Hand los, als sie endlich zum Restaurant-Bereich kamen. Eine Hexe fragte sie nach Namen und ihrem Tisch, und Malfoy regelte es kurz und knapp, während ihre Mäntel abgenommen wurden. Hermine aber erkannte ihren Tisch bereits. Sam sah sehr gut aus. Es half, ihre Gedanken sofort von Ron abzulenken – der ebenfalls sehr gut ausgesehen hatte. Es half nicht, dass auch Lara ziemlich atemberaubend aussah. Hermine fühlte sich klein und hässlich und underdressed, denn auch Laras Kleid war um einiges kürzer und enger, als Hermines. Sie kam sich vor wie ein Mauerblümchen auf dem ersten Date – und sie hasste es. Sam erhob sich ebenfalls, schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, und er trug sogar ein dunkles Jackett über dem dunklen Hemd. Er sah verdammt gut aus!

 

Hermine konnte sich vorstellen, ihn zu küssen. Das war erleichternd!

 

Malfoy erreichte seine Freundin zuerst, küsste sie knapp und verhalten auf die Lippen, und dann wandte sich Lara an sie. „Hermine, du siehst umwerfend aus“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. Sie wäre nicht mehr freundlich, würde sie wissen, dass Hermine ihren Freund vor einer Woche schamlos geküsst hatte. Sie verscheuchte die Gedanken.

 

„Danke, du auch“, sagte sie.

 

„Wirklich umwerfend“, sagte Sam jetzt strahlend, und Hermine lächelte das erste Mal an diesem Abend.


„Danke, Sam. Dein Jackett gefällt mir sehr gut“, erwiderte sie zaghaft.

 

„Danke!“, entgegnete er erleichtert.


„Wir sehen alle super aus“, knurrte Malfoy praktisch. „Wollen wir uns setzen?“, schlug er vor, schien sich ebenfalls unwohl zu fühlen, und Hermine nickte bloß.

 

„Hermine, ich habe uns bereits Cocktails bestellt. Ich nehme an, Sam und Draco ziehen Scotch vor?“ Kurz fiel ihr Blick auf Malfoy. Das hatte er damals auf dem Bankett auch getrunken, aber kurz verzog sich sein Mund.

 

„Scotch, sicher. Gerne!“, rief Sam aber aus. „Habe aber nicht viel Erfahrung damit“, ergänzte er entschuldigend in Malfoys Richtung. Eine Kellnerin brachte die fruchtigen Cocktails in einem dreieckigen Glas für Lara und sie, und Malfoy bestellte Scotch für sich und Sam. Bisher war alles mäßig unangenehm. Und aus irgendeinem Grund saß sie an dem quadratischen Tisch neben Malfoy. Sie saßen ihren Dates gegenüber, nicht nebeneinander, was Hermine ungemein störte. Sie wollte nicht neben Malfoy sitzen – und sie hoffte nur, dass Ron hier nicht ins Restaurant kommen würde. Aber wieso sollte er essen, wenn er schon jetzt in der Bar war?

 

„-geklappt?“, riss Sams Stimme sie aus ihren Gedanken.


„Was?“, entkam es ihr erschrocken.

 

„Ob beim Apparieren alles gut geklappt hat?“, fragte er erneut, mit sanfter Nachsicht. Etwas, das sie von Malfoy beispielsweise gar nicht kannte.

 

„Ja! Ja, alles bestens“, sprach sie leere Worte, schenkte ihm aber ein Lächeln.

 

„Gut. Gut, ich hoffe, du hast Hunger. – Oh, und du bist natürlich eingeladen, Hermine“, ergänzte er hastig. „Such dir aus, was du möchtest – auch alle Cocktails, die du willst!“ Sie grinste breiter.

 

„Das musst du nicht! Aber danke“, schloss sie. „Und ich vertrage nicht sonderlich viel“, ergänzte sie. „Habe keine wirkliche Erfahrung.“

 

„Ja. Ja“, bestätigte Sam hastig. „Der Krieg und so…“ Er schien sich direkt für seine Worte zu schämen, und kurz sah er hilflos zu Malfoy.

 

„Wir wollen uns auch nicht betrinken, nicht wahr?“, sprach Malfoy gedehnt.

 

„Wie war euer Training gestern?“, wechselte Lara souverän das Thema.

 

„Richtig, ihr arbeitet viel zusammen, oder? Du machst auch das Zertifikat?“, warf Sam jetzt ein.

 

„Training läuft mäßig“, beantwortete Malfoy Laras Frage sehr konsterniert. Ja, es lief nicht sonderlich, weil Malfoy sich keine Ruhe gönnte und praktisch jeden Tag bei Lara schlief.

 

„Sobald du dir mehr Ruhe gönnst, wird es besser laufen. Ja, ich mache das Zertifikat. Zurzeit pausiert das aber…. Wegen des Trainings“, ergänzte sie vielsagend.


„Was soll das heißen?“, wandte er sich unverwandt an sie, den Blick sehr kalt auf sie geheftet.

 

„Nichts weiter“, lenkte sie eisig ein, ein kühles Lächeln auf den Zügen.

 

„Ist er nicht ausgeruht genug?“, wollte Lara sofort wissen. „Weißt du, ich sage ihm, dass er nicht jeden Abend bei mir sein muss. Ich wusste, dass-“

 

„-ich komme schon zurecht. Ich bin groß und kann auf mich selber aufpassen“, unterbrach Malfoy seine Freundin scharf, bevor er sie wieder ansah. Es war eine sehr klare Warnung, sogar sie begriff das. Und ja, wahrscheinlich war es übergriffig von ihr – es waren einfach nur höfliche Fragen, Smalltalk. Sie musste ihren Mist hier nicht abladen. Kurz sammelte sie sich, zwang sich zur Kontenance und lächelte wieder.

 

„Es geht voran“, log sie schlicht, nippte an dem sehr alkoholischen Getränk und konnte nicht erwarten, dass der Abend vorbei war.

 

Immer wenn Gelächter zu ihnen drang wandte sich ihr Blick zur Tür. Lara hatte lediglich Salat bestellt, also hatte es Hermine ihr gleich getan. Sie wollte weder, dass Sam zu viel zahlen musste, in diesem Edel-Laden, noch dass sie aussah wie ein hungriges Tier, was sich am liebsten das größte Steak bestellt hätte. Mit knurrendem Magen aß sie den kargen Salat und trank gehorsam die Cocktails, die Lara ihnen bestellte.

 

„Ich finde es absolut wunderbar, dass wir zusammen ausgehen!“, sagte Lara schließlich. „Es gibt viel zu wenig Paare in unserer Abteilung. Und ich weiß – es ist euer erstes Date, aber ist es so nicht wesentlich entspannter?“

 

Hermine wusste nicht, wo Lara die letzte Stunde gewesen war – aber es war alles andere als entspannend! Malfoy war so kalt und abweisend, dass sie sich selber schon komplett unwohl fühlte, und sie wusste nicht, worüber sie mit Sam sprechen sollte, denn alles, was sie zurzeit beschäftigte, war, dass Malfoy ihren letzten Nerv raubte. Auf der Arbeit und Zuhause! Sie hoffte, dass das Essen bald vorüber wäre. Tatsächlich war wohl die offene Tanzfläche weniger angsteinflößend, als das Restaurant. Obwohl sie annahm, dass sie Ron bestimmt noch einmal treffen würde.

 

Hinter ihnen knallte es plötzlich, und Hermine erkannte ein kleines Feuerwerk, was wohl die Kellner in die Luft gezaubert hatten. Eine ganze Reihe an junger Mädchen betrat das Restaurant, und eine von ihnen trug ein funkelndes Diadem auf dem Kopf und eine magische Girlande um den Hals, die die Worte Happy Birthday in verschiedenen Farben anzeigte.

 

„Vielen, vielen Dank!“, rief das Mädchen mit roten Wangen aus, und sie war sehr hübsch – so wie alle ihre Freundinnen. Malfoys Kopf wandte sich zügig wieder zurück, aber Lara verengte die Augen.

 

„Ist das nicht das Mädchen, was dich in den Drei Besen angesprochen hat?“, wollte sie direkt von Draco wissen. Dieser stocherte mürrisch auf seinem Teller.

 

„Kann sein“, sagte er bloß, aber Hermine erkannte sie plötzlich.

 

„Sie ist aus Hogwarts! Daphnes Schwester!“, wusste sie. Daphne Greengrass war sehr klug gewesen. Und Hermine wusste noch, sie hatte es bedauert, dass Pansy Parkinson Vertrauensschülerin geworden war, und nicht Daphne. Hermine hatte mit ihr einen Aufsatz in Alte Runen zusammen geschrieben. Und Daphne hatte sich konstant über ihre kleine Schwester beschwert, die schon damals eine lästige Verliebtheit zur Schau gestellt hatte. Wie passend, dass der Schwarm direkt neben ihr saß. Ob Malfoy es wusste? So auffällig abweisend wie er sich verhielt – wahrscheinlich schon. Und vielleicht lag es an Laras stechendem Blick, aber das junge Mädchen entdeckte ihren Tisch. Sofort sprach sie verhalten zu ihren Freundinnen, welche sich sofort die Hälse verrenkten.

 

Es wurde gekichert, aber niemand kam zu ihnen. Dann wurden die Mädchen wohl zu einem separaten Raum geführt, denn Hermine hörte und sah nichts mehr von ihnen.

 

„Wie alt sie wohl ist?“, fragte sich Hermine, die nicht mehr ganz sicher war, wie jung Daphnes Schwester damals gewesen war.


„Draco sollte es wissen“, bemerkte Lara knapp, nicht wirklich unfreundlich, aber auch nicht zu begeistert.

 

„Ich habe nichts mit ihr zu tun, Lara“, sagte dieser schließlich.

 

„Gut“, sagte Lara bloß.

 

„Ihre Schwester war in meinem Jahrgang. Das ist alles“, machte er es deutlich.

 

„Ok“, erwiderte Lara mit erhobenen Händen. „Ich dachte nur, das Mädchen hatte letztes Mal einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“ Hermine erkannte Laras Eifersucht, konnte sie allerdings nicht wirklich nachvollziehen.

 

„Dann erinnerst du dich falsch“, war alles, was Malfoy sehr eindeutig sagte.

 

„Ich meinte nicht-“

 

„-können wir aufhören, darüber zu reden?“, unterbrach Malfoy sie scharf, und Lara schwieg.

 

Allerdings nur kurz, denn tatsächlich brachte ein Kellner jetzt eine zusammenfaltete Karte an ihren Tisch, die er vor Malfoy ablegte.

 

„Was ist das?“

 

„Eine Nachricht, Sir“, erläuterte der Kellner mit knapper Verbeugung, bevor er wieder verschwand. Malfoy entfaltete sie, seine Augen flogen wohl über die Zeilen, und nach einer Sekunde knüllte er sie in der Faust zusammen.

 

„Von dem Mädchen?“, vermutete Lara kühl. Malfoy erwiderte Laras Blick.

 

„Ich habe kein Interesse an diesem Mädchen“, sagte er, und weder Hermine, noch Sam wagten, irgendein Wort zu äußern.

 

„Darf ich die Nachricht lesen?“, fragte Lara und streckte bereits ihre Hand aus. Und Hermine fand die Nachfrage ziemlich nachvollziehbar, aber sehr kurz weiteten sich Malfoys Pupillen.

 

„Aus welchem Grund?“, wollte er wissen, und seine Stimme verriet keine Emotion.

 

„Ich bin deine Freundin. Du liebst mich. Irgendein Mädchen schickt dir Nachrichten – ich denke, es spricht nichts dagegen, dass wir uns zusammen lustig machen?“ Ihre Worte klangen munter, aber ihr Blick war einigermaßen kompromisslos.

 

„Es ist keine Nachricht, die mich interessiert.“

 

„Mich interessiert sie sehr. Und es interessiert mich, warum ich sie nicht lesen darf?“ Es würde ein handfester Streit werden, wenn Malfoy nicht bald den dämlichen Zettel abgeben würde. Und das schien auch Malfoy zu ahnen.

 

„Lara, wir sind nicht alleine.“

 

„Ich bin sicher, Hermine kann meine Beweggründe nachvollziehen“, wurde sie direkt mit hineingezogen. Aber Hermine würde sich nicht einmischen.

 

„Ich denke nicht, dass irgendetwas Wichtiges auf dem Zettel steht. Daphne hat erzählt, ihre Schwester war damals in Malfoy verknallt gewesen. Ich denke, es ist lediglich eine Einladung zu ihrem Tisch“, fasste Hermine ihre These zusammen, aber Lara sah sie entgeistert an.

 

„War sie das?“, griff sie Hermines Worte auf.


„Ich – das wusste ich nicht! Und es spielt keine Rolle! Woher weißt du sowas?“ wandte sich Malfoy zornig an sie.

 

„Ich – ich dachte, du wüsstest das? Ich meine, Daphne hat-“

 

„-ich kenne weder Daphne, noch ihre Schwester!“, knurrte Malfoy.

 

„Tut mir leid!“, entkam es Hermine hastig, die davon ausgegangen war, ihre Worte würden die Situation entschärfen, nicht noch angespannter machen.

 

„Du verhältst dich kindisch“, informierte Malfoy Lara jetzt, und diese streckte noch immer die Hand aus.

 

„Dann gib mir die Nachricht!“, verlangte sie jetzt wütend. Malfoy tat gar nichts, und tatsächlich zog Lara den Zauberstab. Schnell, präzise.

 

„Accio Zettel!“, sagte sie scharf, und die Nachricht entriss sich Malfoys Händen, bevor er sie halten konnte.

 

„Das ist nicht dein Ernst!“, knurrte er ungehalten, aber Lara entfaltete bereits das zerknüllte Papier. Ihre Augen weiteten sich.

 

„Was soll das heißen?“, sprach sie kalte Worte.

 

„Es heißt gar nichts!“, sagte Malfoy mit Nachdruck.

 

„‘Du bist an meinem Tisch willkommen, ansonsten bis zur Hochzeit‘ heißt gar nichts?“, schien Lara die Worte auf dem Zettel zu wiederholen, und Malfoys Kiefer arbeitete.

 

„Es ist nichts, was dich betrifft, Lara!“, sagte er steif.

 

„Nein. Natürlich nicht. Meine Hochzeit ist es auch nicht, Draco“, entfuhr es ihr. Hermine war tatsächlich dankbar, dass Malfoy und Lara dabei waren. So war es für sie und Sam überhaupt nicht schwierig, hier zu sein. Sie warfen sich ab und an ungläubige Blicke zu, und es war einigermaßen spannend, was sich hier abspielte. Welche Hochzeit bitteschön?

 

„Meine ist es auch nicht! Es ist…“ Er beendete den Satz nicht. Sein Blick fiel auf Sam, auf sie, und er schüttelte den Kopf. „Wenn ich dir sage, es ist nichts weiter, kannst du mit verdammt noch mal glauben! Du musst keine Szene machen. Wir sind nicht alleine. Und es besteht kein Grund!“

 

„Dann erklär es mir! Ich mache keine Szene, Draco!“, zischte Lara abweisend, und Malfoy stöhnte verhalten.

 

„Ich werde das nicht hier diskutieren – und es gibt nichts zu diskutieren!“, warnte er sie jetzt.

 

„Das entscheide ich!“, behauptete Lara wütend. „Entweder du sagst mir, was es damit auf sich hat – oder ich werde gehen!“, stellte sie das furchtbare Ultimatum, und Hermine hoffte inständig, dass Malfoy kein dummer Idiot wäre.

Aber natürlich war er das. Nicht, dass sie wirklich etwas anderes erwartet hatte.

 

„Ich werde mich nicht von dir in einem Restaurant unter Druck setzen lassen“, erwiderte er kopfschüttelnd, und Lara warf die Nachricht auf seine Tischseite.

 

„Dann noch einen schönen Abend. Tut mir leid, Hermine, Sam“, verabschiedete sie sich knapp, während sie sich erhob, warf einige Münzen auf den Tisch und marschierte davon.

 

„Lara!“, rief Malfoy gepresst, bevor auch er aufstand, um ihr zu folgen.

 

Dann waren sie allein.

 

„Gutes Date für uns, schlechtes Date für die anderen“, bemerkte Sam mit einem schiefen Lächeln.

 

„Sieht so aus.“

 

„Ich würde zu gerne die Notiz sehen“, sagte Sam gespannt, aber Hermine zog den Zauberstab und sprach den Diffindo stumm.

 

„Nicht unser Streit“, merkte sie lediglich an, und kurz wirkte Sam enttäuscht.

 

„Wahrscheinlich besser so“, sagte er, und verlegen sahen sie sich an. „Du warst also mit Malfoy und Daphne auf Hogwarts?“, begann er nun demonstrativ unverfänglich das Gespräch, und Hermine musste grinsen.

 

„Ja“, bestätigte sie.

 

„Erzähl mir von Hogwarts. Ist es so großartig, wie alle sagen, oder ist das Show?“

 

„Es ist Show“, sagte sie sofort, und kurz verengte er die Augen.


„Du musst meine Gefühle nicht schonen, Hermine“, entgegnete er grinsend.


„Es ist ein Märchenschloss“, räumte sie lachend ein.

 

„Verdammt, das hatte ich befürchtet“, bestätigte er achselzuckend, und sie fand es angenehm erfrischend mit einem normalen Menschen zu reden. Der Abend würde vielleicht doch nicht so schlimm werden! Für sie zumindest! Sie mochte die Grübchen, die sich in seine Wangen gruben, wann immer er beim Erzählen lächelte, wie er sie ansah, mit strahlend braunen Augen, ihren eigenen so ähnlich, und wie verdammt gut sein Teint in dieser Umgebung, in diesem Jackett, aussah. Die Idee, hinter Malfoy oder Lara herzurennen kam ihr nicht eine Sekunde lang in den Sinn.

 

 

18. the second

 

Er hasste Szenen. Egal, welcher Art. Er hasste jede Art von Aufmerksamkeit – sei es negative oder positive. Und er hatte zu wenig Erfahrung mit Beziehungen, um zu wissen, was er zu tun hatte. Er wusste, er war angespannt gewesen. Die Art, wie Granger aussah, hatte nicht unbedingt dazu beigetragen, dass er sich wohler fühlte. Dass er sie begleitete zu ihrem Date, dass sie an seinem Arm appariert war, dass sie Weasley getroffen hatten, dass er buchstäblich hatte fühlen können, wie sehr es sie belastet hatte, dass ausgerechnet Astoria ihren Geburtstag hier feierte – es half seiner Anspannung keineswegs!

 

Und als er Lara gefolgt war, raus auf den Flur, als sie ihn gewarnt hatte, ihr nicht zu folgen, als die Leute um sie herum begonnen hatten, sich für ihr Gespräch zu interessieren – war er wie eingefroren gewesen. Er war ihr nicht nachgelaufen. Er wusste nicht, ob das etwas gewesen wäre, was er hätte tun müssen, aber er war keine sechzehn mehr. Was hätte er tun sollen?! Hätte er sie physisch aufhalten müssen? Dominanz demonstrieren müssen, obwohl sie doch gleichberechtigt sein sollten? Hätte er irgendein Macho-Gehabe an den Tag legen sollen, um ihr zu erklären, dass sie überzogen reagierte? Dass ihre Eifersucht abschreckend und unangebracht war? Stellte sie sich so etwas vor? Denn das wollte er nicht. Dass er sie liebte sollte reichen. Er hatte es nicht zu beweisen – und schon gar nicht bei so einer offensichtlichen Show!

 

Anscheinend hatte Astoria mit ihrem Vater gesprochen und schien anzunehmen, dass Draco ernsthaft Interesse an ihr hatte! Und Lara sollte es verdammt noch mal besser wissen!

 

„Noch einen doppelten“, befahl er dem Barkeeper, und sein Hass und Abscheu für Whiskey steigerte sich ins Unermessliche, aber die Art von Rausch, die das hochprozentige Getränk mit sich brachte, beruhigte seine Nerven angenehm schnell. Er hatte nicht mehr vor, zu apparieren. Er würde laufen. Der Weg war nicht weit. Er hatte auch nicht vor, wieder zurück ins Restaurant zu gehen, da er den Vorschlag eines Doppel-Dates von vornherein zum Kotzen gefunden hatte.

 

„Zwei Bier“, vernahm er eine Stimme neben sich, und er blickte starr nach vorne, hatte keine Lust, ein Gespräch zu beginnen, aber Weasley schien betrunken genug, die Initiative zu ergreifen. „Wo ist dein Date? Verschwunden?“, erkundigte sich der rothaarige Zauberer laut über die Musik hinweg, etwas zu laut, denn so laut spielte sie hier gar nicht. Aber der angrenzende Club war wohl noch um einiges lauter.

 

„Ja“, erwiderte Draco, den Blick immer noch nach vorne geheftet. Und Alkohol schien Weasleys Schamgrenze zu senken.

 

„Mit wem ist sie aus?“, wollte er umstandslos wissen. Draco musste nicht fragen, von wem Weasley sprach. Es lag ein eigenartiges Drängen in seiner Stimme. Draco atmete lange aus. Es war nicht seine Angelegenheit.

 

„Nicht mit mir“, gab er eindeutig zurück, und er konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Weasley kurz lächelte.

 

„Sehe ich“, entgegnete er. „Hat wohl nicht wirklich funktioniert“, ergänzte er knapp, ließ ihn nicht aus den Augen, und langsam hob sich Dracos Blick. Der Barkeeper stellte ihm wortlos einen weiteren Scotch vor die Nase, den er abwesend bezahlte.

 

„Was?“ Mehr wusste Draco nicht zu fragen, interessierte sich kaum, aber Weasley schien irgendwas zu wissen, was ihn gleichermaßen neugierig zu machen schien und wohl anwiderte.

 

„Ich habe mit Harry gesprochen“, sagte er nur. Draco zog die Stirn in Falten. Sein Blick richtete sich wieder auf sein Glas. „Sie hat gesagt, sie hat dich geküsst“, rief Weasley. Nicht laut genug, dass es Leute interessierte, aber laut genug, dass Dracos Kopf wieder herum schoss. Sie hatte was?! Er war sich nicht sicher, was genau passieren würde. Er wusste nicht mal eine gute Antwort auf diesen Satz – der nicht mal eine Frage zu sein schien. Granger hatte es Potter gesagt?! Wieso bei Salazar sollte sie das tun? Weasley schien vielleicht angenommen zu haben, dass es nicht stimmte, aber Dracos Gesicht schien wohl unfähig zu sein, etwas anderes als Schock und Unglaube zu vermitteln. Weasleys Gesichtszüge fielen etwas. „Dann stimmt es?“, fragte er schließlich.

 

„Es war nicht…“, begann Draco, wusste aber kein Ende zu diesem Satz. Er musste nicht mit Weasley reden, musste sich nicht rechtfertigen. Es ging Weasley tatsächlich überhaupt nichts an. „Wir sind fertig hier“, entschied Draco zu sagen und leerte den widerlichen Scotch in einem Zug. Er erhob sich, wankte minimal, denn er war einfach nur noch am Ende.

 

„Wir sind nicht fertig, Malfoy!“, vernahm er Weasleys warnende Stimme. Draco blieb unwillig stehen, denn er nahm an, Weasley würde nur lauter schreien, sollte er weitergehen. So langsam regte sich Interesse im engsten Kreis an Leuten, die um sie herum standen und tranken oder auf Getränke warteten. „Es war nicht was?“, forderte Weasley scheinbar ein Ende zu seinem angefangen Satz. „Gut?“, bot er ihm an. Draco wandte sich langsam um. Weasley sah ihn so offen an, wie es nur zu viel Alkohol auslösen konnte. Als kannten sie sich. Als wäre dieses Gespräch ok.

 

„Echt“, sagte Draco jetzt. „Es war nicht echt.“

 

Weasley schien darüber nachzudenken. „Wieso interessiert es dich?“, fragte Draco schließlich, denn er sah Weasley nicht im Ministerium auftauchen, Granger zum Mittagessen abholen.

 

„Weil es Hermine ist“, war die schlichte Antwort. „Und wenn du der Nachfolger bist-“

 

„-ich bin kein Nachfolger!“, unterbrach ihn Draco sofort. Die Anspannung kehrte um ein tausendfaches zurück. „Sie ist nicht mit mir hier! Ich war nicht mit ihr hier!“, machte er es deutlich.

 

„Sie verdient was Besseres. Das ist alles, was ich-“

 

„-Ron!“

 

Sein Blick schoss herum. Granger. Dicht gefolgt von Sam. „Was tust du?“, verlangte sie schockiert zu wissen. Scheinbar war sie erst jetzt gerade rausgekommen und erkannte jetzt die Situation. Aber Weasley streckte den Rücken durch.

 

„Ich erkläre Malfoy, dass du etwas Besseres verdient hast, als ihn!“ Echter Horror trat auf ihre Züge.

 

„Warum zur Hölle solltest du ihm das erklären?“, wollte sie schockiert wissen. Dracos Mund öffnete sich, sein Kopf schüttelte sich bereits, aber Weasley sprach, ließ sich nicht abbringen.

 

„Weil du ihn geküsst hast!“

 

Sie schwieg, so wie er geschwiegen hatte.

 

„Du… hast Draco geküsst?“, wollte Sam einigermaßen verwirrt wissen, und Dracos Mund öffnete sich, aber Sam sah ihn an. „War das bevor oder nachdem du mir vorgeschlagen hast, Hermine um ein Date zu bitten, Malfoy?“ Draco wusste nicht, ob er auf die Frage antworten sollte – oder besser nicht?

 

„Sam, es ist nicht, wie-“, begann Granger.

 

„-du hast eine Freundin, oder nicht?“, ignorierte Sam Grangers Worte. „Oder ist das vorbei? Kommt jetzt die nächste?“, wollte er bitter wissen, und Dracos Schultern sanken erschöpft.

 

„Sam-“, begann er, aber Granger unterbrach ihn.

 

„-ich habe kein Interesse an Malfoy!“, sagte sie laut, und er hatte das Gefühl, keine Frau hatte überhaupt je Interesse an ihm. Es war unfassbar bitter. „Ich bin mit dir hier!“, beteuerte sie.

 

„Du wohnst mit ihm, trainierst mit ihm…“

 

„Na und? Was soll das heißen?“

 

„Wieso küsst du ihn, wenn er vergeben ist? Wenn du kein Interesse hast? Hermine, ich… mag dich. Ich mag dich wirklich. Aber… wenn er da ist…- ich muss mir wirklich nicht antun, zweite Geige zu spielen, oder irgendein Trostpreis zu sein“, sagte Sam kopfschüttelnd.


„Das bist du nicht!“, sagte sie vehement. „Überhaupt nicht! Es war ein Fehler, ein dummer-“

 

„-ok“, sagte Sam. „Ich… werde gehen. Und… vielleicht wiederholen wir das Date. Ohne ein zweites Pärchen. Einfach nur… wir zwei. Wenn du das willst. Wenn du dir über deine Gefühle klar bist, und-“

 

„-ich bin mir völlig klar!“, sagte Granger heftig. „Und ja, wir können zu zweit ausgehen! Ich...- bitte, gib mir die eine Chance!“, bat sie ihn flehend.

 

„Wir sehen uns Montag“, verabschiedete er sich bei ihr, und unglücklich ließ er sie stehen. Ihn bedachte er mit keinem einzigen Wimpernschlag mehr. Draco wollte Weasley schlagen. Ins Gesicht. Vor versammelter Menge. Granger sah Sam nach. Und dann wandte sie sich kochend um. Aber es war nett zu sehen, dass ihr Zorn nicht ihm galt. Wirklich nett.

 

„Ich bringe dich um, Ronald Weasley!“, spuckte sie ihm entgegen. „Wie kannst du es wagen, dich einzumischen? Wie kannst du so etwas einfach rausposaunen, als wäre es Allgemeinwissen?“, fuhr sie ihn an, hatte den Abstand geschlossen und schlug tatsächlich gegen seine Brust. Weasley wich überrascht an den Tresen zurück.

 

„Hermine-!“

 

„Oh nein! Du und Harry werdet noch so verdammten Ärger von mir bekommen!“, knurrte sie haltlos, und jetzt mischte er sich ein.

 

„Wieso erzählst du es überhaupt Potter?“, wollte er von ihr wissen, aber tatsächlich sah sie ihn ebenso zornig an.

 

„Hast du ernsthaft nichts Besseres zu tun, als hier rumzulungern und Schaden anzurichten?“, fauchte sie in seine Richtung.


„Schaden?“, wiederholte er ungläubig.

 

„Ja! Schaden! Hättest du nicht einfach nach Hause verschwinden können? Wäre das so schlimm gewesen?“

 

„Weil ich das Problem bin?!“, entkam es ihm gereizt.

 

„Ja! Du bist das Problem!“

 

„Du hast mich geküsst – nicht umgekehrt!“

 

„Malfoy!“, knurrte sie jetzt außer sich, schloss den Abstand, und auch er wich einen Schritt zurück. „Du wusstest, dass Ron hier ist! Du hättest einfach-“

 

„-ich wusste nicht, dass du Potter und der Welt erzählst, was du nicht hättest erzählen müssen!“, fuhr er sie an. Und sehr kurz sah er ihre Unsicherheit, ihren Scham, aber sie waren nicht allein. Es war nicht allein ihr Problem.

 

„Schrei sie nicht an!“, warnte Weasley ihn jetzt.

 

„Am besten verschwindest du, unterhältst dein billiges Date und genießt den Heldenruhm, der dir sonst so zuwider war, Ron!“, mischte sich Granger wütend ein. „Mit wem ich hier bin und wen ich küsse geht dich verdammt noch mal nichts an!“

 

„Aber wenn es Malfoy-“

 

„-selbst wenn es Malfoy ist!“, unterbrach Granger ihren Exfreund bösartig, und Dracos Mundwinkel sanken weiter. „Du hast mich verlassen! Du hast entschieden, die Beziehung zu beenden, weil du mehr Aufregung wolltest! Weil du mehr wolltest, als uns! Also spiel dich jetzt nicht auf, als hättest du das Recht!“

 

„Ich habe das Recht!“, behauptete Weasley jetzt. „Du bist meine Freundin! Ich sorge mich um dich und deine Entscheidungen!“

 

„Wir sind keine Freunde mehr“, erwiderte Granger schlicht. „Wir sind gar nichts mehr.“ Und Draco wusste sofort, sie meinte es nicht wirklich ernst. Er hörte es ihr an. Sah es förmlich. „Leb dein Leben. Mach, was du willst, aber lass mich in Ruhe!“

 

„Das meinst du nicht“, entkam es Weasley fast tonlos.

 

„Wir können es gerne drauf ankommen lassen“, sagte sie kühl.

 

„Wir können darüber reden!“, behauptete Weasley jetzt, wollte näher kommen, aber Granger wich zurück.

 

„Oder wir können es lassen. Ich bin fertig mit dir“, entkam es ihr erschöpft.

 

„Hermine“, begann Weasley wieder. Es war ein Fehler, den er sehenden Auges machte. Immerhin das erkannte er.

 

„Lass es gut sein“, mischte er sich ein, trat zwischen sie und Weasley, und Weasleys Blick war mörderisch.

 

„Das ist nicht dein Ernst, Malfoy. Du stellst dich zwischen mich und Hermine?“, wollte Weasley ernsthaft ungläubig wissen.

 

„Du bist betrunken, du belästigst sie. Sie will gehen“, fasste er die Situation zusammen.

 

„Und du gehst mit ihr?“, wollt Weasley herausfordernd wissen. Und bedauerlicherweise tat Draco das – denn er wohnte mit dem Miststück in derselben scheiß Wohnung – was er ändern würde! Am besten noch heute Nacht!

 

„Malfoy“, vernahm er ihre Stimme hinter sich. Still, mit leiser Warnung, und er wandte sich um. Müde sah sie ihm entgegen, und er fühlte so wie sie. Es war alles unfassbar anstrengend. Er atmete aus.

 

„Gute Nacht, Weasley“, verabschiedete er sich, deeskalierte, was er noch deeskalieren konnte und wandte sich ab.

 

„Du verdienst sie nicht!“, spuckte Weasley ihm nach. Das war Draco mehr als bewusst, aber er reagierte nicht mehr, wandte nicht mehr den Blick, ging direkt zur Garderobe, ließ sich seinen Mantel geben, und hasste die Aufmerksamkeit, die weiten Blicke, das Getuschelt und Getratsche. Er verließ das Gangs, früher als er angenommen hatte, nüchterner als er angenommen hatte – und alleine.

 

„Malfoy!“, hörte er ihre Stimme. Die Nacht war kalt geworden, stellte er fest, als sein Atem kondensierte. Er wandte sich müde um. Er wollte sich nichts weiter anhören. Keine Vorwürfe – keine Probleme. Er konnte-

 

„-es tut mir leid“, sagte sie bloß, und damit hatte er kaum gerechnet. Er blinzelte überrascht.

 

„Was?“

 

„Es ist alles meine Schuld“, beteuerte sie. „Ich hätte es Harry nicht sagen dürfen, ich…- ich hätte es von vornherein nicht tun sollen! Dich… dich küssen“, ergänzte sie, die Wangen hochrot. Ob vor Kälte oder vor Scham wusste er nicht zu sagen. Sie hatte ihren Mantel nicht verschlossen, stand verzweifelt vor ihm, und er hätte nicht gedacht, dass ihr Abend auch finster enden würde. Er vergrub die Hände in den Taschen.

 

„Ich habe es nicht verhindert“, räumte er schließlich ein. „Es ist nicht deine Schuld.“

 

„Es ist meine Schuld“, wiederholte sie. „Ich hätte es besser wissen müssen. Es hat alles kaputt gemacht!“ Er seufzte schwer.

 

„Sam wird sich einkriegen“, sagte er bloß.

 

„Es geht nicht nur um Sam. Es geht um… alles andere. Uns“, sagte sie ein wenig wahllos, deutete auf sich und ihn, und er runzelte die Stirn.

 

„Es gab bei uns was kaputt zu machen?“, fragte er tatsächlich, und sie nickte zu seiner Überraschung.

 

„Ja! Wir… hatten Waffenstillstand! Wir… haben zusammen gearbeitet, wir…- mögen uns nicht“, schloss sie. Er sah sie knapp an. „Ich meine, das hast du gesagt. Auch… auch wenn du mich auf dem Bankett angesprochen hast – danach hast du gesagt, du weißt es jetzt besser, und…- ich meine, ich könnte nie…! Nie mit dir-! Es würde schon nicht funktionieren, weil ich… nicht wüsste, wie ich… es erklären könnte!“ Sie sagte viele Worte. Sehr viele Worte. Granger war betrunken, stellte er dumpf fest. „Und du warst schnell drüber weg! Du wolltest Penelope – oder dann Lara, oder Daphnes Schwester – oder auch nicht“, fuhr sie verwirrt fort. „Und… ich meine, du bekommst sie auch noch alle!“, schien sie verwundert festzustellen. „Sogar… mich“, schloss sie fast betroffen. Seine Stirn lag in tiefen Falten.

 

„Ich bekomme dich nicht“, sagte er dann. Ihr Blick hob sich. „Am Ende nicht“, stellte er es klar, und ihr Mund öffnete sich. „Der Todesser bekommt am Ende nicht die Muggelgeborene.“

 

„Ok“, sagte sie nur, nickte knapp, und ihr Blick fiel wieder auf die dunkle Straße. Merlin, sie war so unfassbar hübsch. Er war so unfassbar scheiße. Er schloss den Abstand zu ihr. Am Ende bekam er sie nicht, aber… das hier war auch nicht das Ende, sagte er sich bitter. Er war absolut beziehungsunfähig, und fast nahm er an, es war nicht Liebe, was er in Bezug auf Lara empfand. Er war sich nicht mehr sicher, was er überhaupt noch fühlte.

 

Erschrocken hob sich ihr Blick, bevor er die Hand um ihren schlanken Nacken schlang, und seine Lippen ihren überraschten Mund verschlossen. Sie atmete schockiert durch die Nase ein, und für den Bruchteil einer Sekunde erwartete er fast, dass sie ihn von sich stieß, denn sie reagierte, ihre Arme bewegten sich, aber sie griffen hart in seine Haare, und als sie ihn an sich zog, gab er jeden Anstand auf. Unter ihrem Mantel legte sich sein Arm um ihre Taille, spürte den seidigen Stoff ihres Kleides, und sie presste sich an ihn. Er öffnete den Mund, ihre Lippen teilten sich automatisch, und seine Zunge drang fordernd zwischen ihre heißen Lippen, traf auf ihre Zunge, wieder schien sie sich nicht beherrschen zu können!

 

Jeder Hass schmolz dahin. Sie küsste ihn so verlangend, dass ihm schwindelig wurde, und doch besaß er den letzten Rest Vernunft, das hier nicht auf der Straße zu tun! Viel zu ungern löste er sich von ihr, hielt sie weiterhin eng, und blinzelnd öffneten sich ihre verträumten Augen.

 

„Wir sollten gehen“, raunte er heiser.

 

„Wo-wohin?“, entkam es ihr.

 

„Ich wüsste einen Ort“, sagte er schließlich, und kurz wirkte sie unsicher.

 

„Nicht… nach Hause?“, vermutete sie mit roten Wangen.

 

„Penelope ist wach“, nahm er an, und er sah sie schlucken. „Oder… wir gehen nach Hause und… verhalten uns wie vernünftige Erwachsene-“

 

„-wo ist der Ort?“, unterbrach sie ihn direkt, mit klappernden Zähnen, und fast lächelte er.

 

„Nicht weit“, sagte er, denn sein altes Apartment lag keine drei Straßen von hier.

 

„Ok“, sagte sie nur. Er biss sich auf die Lippe. Wusste sie, zu was sie zustimmte? Wusste er es, fragte er sich in einer blinden Sekunde der Panik, aber er konnte nicht mehr wirklich denken, ergriff lediglich ihre Hand und zog sie mit sich.

Der Abend entwickelte sich anders als erwartet – wirklich anders! Aber sie widersprach nicht, stellte keine Fragen und folgte ihm mit zügigen Schritten, so schnell sie es wohl betrunken schaffte. Nutzte er ihren Zustand aus? Sein eigener Zustand war nicht unbedingt gerade einwandfrei, aber er wollte nicht fragen. Er hatte Angst vor der Antwort.

 

Sie erreichten den Komplex an teuren Apartments, und er betätigte die altmodische Klingel.

 

„Ja?“, vernahm er Blaises Stimme schließlich durch die Anlage. Reines Glück, dass er Zuhause war.

 

„Blaise, mach auf“, bat er seinen ehemaligen Freund, und zuerst passierte gar nichts. Blaise sprach nicht mal. Aber tatsächlich ertönte der Türöffnet, und Draco zog die gläserne Tür nach außen auf. Granger folgte ihm, und sie liefen die Stufen nach oben. Erschöpft kamen sie im vierten Stock an, aber noch hatte Granger ihre Meinung nicht geändert. Blaises Ausdruck rutschte ihm praktisch vom Gesicht, als er erkannte, wer Dracos Begleitung war.

 

„Können wir hier unter kommen? Für diese Nacht?“, bat Draco ein wenig schamlos, und Blaise schien nicht fassen zu können, dass Draco hier war. Mit ihr. „Und du hattest Recht. Mit… allem“, ergänzte Draco stiller. Blaise schürzte die Lippen.

 

„Habe gehört, du musstest wiederbelebt werden?“, war alles, was sein ehemaliger Freund schließlich sagte, und Draco ruckte mit dem Kopf. „Lucius springt im Dreieck“, fuhr Blaise kopfschüttelnd fort. „Und das hier… setzt dem Ganzen die Krone auf“, schloss Blaise anerkennend.

 

„Dürfen wir rein?“, fragte Draco erneut, und Blaise seufzte auf.

 

„Ich bin gerne Teil hiervon“, bemerkte Blaise gönnerhaft. „Du hast sie nicht mit irgendeinem Fluch belegt, oder?“, vergewisserte er sich plötzlich mit Blick auf Granger, aber Granger enttäuschte ihn nicht.

 

„Malfoy ist nicht sonderlich begabt, was Flüche angeht“, erwiderte sie achselzuckend. Mit einem Grinsen ließ Blaise sie eintreten.

 

„Wie bei Salazar hast du das angestellt, Malfoy?“, fragte er ihn direkt.

 

„Tut mir leid“, wandte er sich an Granger. „Es war der einzige Ort, der mir einfiel“, räumte er ein. Sie sah sich direkt um.

 

„Hier hast du gewohnt?“, stellte sie schockiert fest, als sie den ausladenden Flur und die vielen Zimmer begutachtete.

 

„Ja“, bestätigte er bloß, während sie den Marmorboden betrachtete.

 

„Und du… wolltest in unsere WG ziehen?“, vergewisserte sie sich mit gerunzelter Stirn.

 

„Ob er das wollte sei dahingestellt“, mischte sich Blaise schließlich ein. „Aber Draco hier musste ja beweisen, dass er mit dem Kopf durch die Wand kann, also… musste er sehen, wo er bleibt.“

 

„Ich wäre hier geblieben“, bemerkte sie anerkennend.

 

„Vielen Dank“, erwiderte Blaise lächelnd. „Seid ihr-?“, begann er langsam, aber die Antwort darauf war einfach.

 

„-nein!“

 

„-nein!“

 

Sie sprachen gleichzeitig und sahen sich anschließend an.

 

„O-k“, erwiderte Blaise unsicher. „Draco, dein Zimmer ist… frei. Und ich muss los. Pansy wartet.“

 

„Pansy?“, vergewisserte sich Draco stirnrunzelnd. Blaise verzog den Mund.

 

„Ich muss mich nicht rechtfertigen“, sagte Blaise. Draco lächelte leicht. „Bist… bist du morgen hier, wenn ich wiederkomme?“

 

„Ich… denke, ja“, bestätigte er. Es war alles sehr unangenehm.

 

„Gut. Dann… reden wir morgen?“, wollte Blaise wissen, und Draco nickte dankbar.

 

„Danke“, sagte er still.

 

„Schon gut“, erwiderte Blaise. „Du weißt, wo die Küche ist“, sagte er dann. „Miss Granger?“, wandte er sich an sie, und Granger nickte scheu.

 

„Danke, Blaise“, sagte auch sie. Und dann verschwand sein bester Freund Richtung Bad, wohl um sich für sein Date fertig zu machen – was wohl erst um zehn begann.

 

„Hast… hast du Hunger? Willst du was trinken?“, bot Draco ihr an, und hatte Sorge, dass Granger gehen wollte. Dass der Moment vorbei war. Ungefragt zog sie den Mantel aus und hing ihn an die Garderobe. Sie sah umwerfend aus in diesem Kleid. Es betonte ihre Haut, ihre Haare – er hatte sich den ganzen Abend gezwungen, sie nicht anzusehen. Es fiel ihm erst jetzt auf, wo er es konnte. – Nicht, dass er es jetzt dürfte, aber… jetzt konnte er, ohne dass es jemand sah.

 

„Willst du was trinken?“, fragte sie ihn unsicher, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Nicht… zwangsläufig?“, wich er einer Antwort aus.

 

„Ok“, sagte sie.

 

„Ok?“, wiederholte er unschlüssig.

 

„Vielleicht sollten wir kurz… die Regeln abstecken?“, schlug sie vor, und seine Stirn zog sich in Falten.


„Regeln?“

 

„Ja, ich… denke, sobald wir in deinem ehemaligen Zimmer sind, werden wir keine Gelegenheit mehr haben, zu… reden?“, sagte sie, und sein Mund öffnete sich knapp.

 

„Weil…?“ Er war gespannt auf ihre Begründung, aber tatsächlich kroch Röte in ihre Wangen.

 

„Weil wir hier nicht zum… Reden hingekommen sind, nehme ich an?“ Ihre Wangen waren tiefrot, und es war anbetungswürdig. Er war überrascht, dass sie überhaupt mit ihm gegangen war. „Malfoy?“ Sie sah ihn gereizt an.

 

„Nein. Reden war wohl nicht geplant. Also, was für Regeln sind das? Wir sagen keinem, was wir tun – abgesehen von Potter, Weasley, Weasleys Brüdern…“, zählte er spöttisch auf, und ihre Mundwinkel sanken.

 

„Du bist vergeben – ich bin es nicht!“, sagte sie warnend.

 

Ja, es war alles doch nicht ganz so witzig, stellte er fest. Lara. Er hatte Lara. Aber wahrscheinlich nicht mehr wirklich. Ganz klar wollte er etwas anderes dringender.

 

„Wir können uns darauf einigen, dass wir beide schäbig sind?“, schlug er vor. „Ich meine, du hast Sam gesagt, dass-“

 

„-ich weiß das“, unterbrach sie ihn bitter.

 

„Du musst das auch nicht tun. Du kannst… auch einfach wieder gehen“, räumte er ein.

 

„Willst du das?“, fragte sie ihn direkt, und er verdrehte die Augen.

 

„Will ich das?“, wiederholte er verständnislos. „Nein, Granger. Das will ich nicht. Das sollte einigermaßen klar sein. Willst du gehen?“, fragte er sie, fixierte sie genau. Sie sah ihn an.

 

„Ich… sollte gehen wollen“, erwiderte sie still, und er dachte kurz über diese Worte nach.

 

„Aber… du willst… nicht gehen?“, kam er zu dem Umkehrschluss, und sie biss sich auf die Lippe.

 

„Ich bin hier, Malfoy.“

 

„Gut“, sagte er dunkel, denn er wollte nicht mehr reden. Über gar nichts mehr. „Lass uns gehen“, sagte er, streckte ihr seine Hand entgegen und deutete den Flur hinab. Ihr Mund öffnete sich.

 

„Aber… die Regeln…“, sagte sie tonlos.

 

„Ich glaube nicht, dass irgendetwas, was wir besprechen könnten sonderlich hilfreich sein wird“, machte er es deutlich. Und tatsächlich ergriff sie zögerlich seine Hand. Sein Mund wurde trocken, als ihre schmale Hand in seiner lag. Sie wartete. Er gab sich den Ruck, der nötig war. Er hatte das hier angefangen, er würde es zu Ende bringen. Sie gingen den Flur tiefer, und es war wirklich riesig hier, im Vergleich zur WG. Zu schnell standen sie vor seiner alten Tür. Sein Herz ging schnell in seiner Brust. Er öffnete die Tür in das dunkle Zimmer, und sie trat neben ihn in den Türrahmen. Ihr Blick hob sich zu seinem Gesicht, und ihre kühlen Finger bebten ein wenig. Sie atmete mit geöffneten Lippen, und bevor ihn der Mut verließ, Hermine Granger zu verführen, wandte er sich ihr zu, drängte sie gegen den breiten Türrahmen, senkte den Kopf und küsste ihre Lippen. Ihr Rücken bog sich automatisch, ihr Körper lehnte sich ihm entgegen, und hart presste er sie gegen das Holz, küsste sie, wie er es draußen schon getan hatte, und dieses Mal hatte er keine Absicht, aufzuhören.

 

 

19. the exception to the rule

 

Sie war keine Jungfrau mehr, sie war auch nicht unerfahren, aber trotzdem schlug ihr Herz bis zum Hals, als sie sich von ihm in das dunkle Zimmer manövrieren ließ. Sie konnte nicht sagen, warum sie es zuließ, warum sie ihn nicht aufhielt, warum es so absolut notwendig und wichtig war, das jetzt zu tun.

Sie hatte zehn Möglichkeiten gehabt, zu rennen, abzuhauen, ihn stehen zu lassen, diesen Fehler einfach nicht zu begehen, aber jede Möglichkeit war verstrichen. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie nicht. Das machte es nicht besser, und sie wollte nicht wirklich ergründen, warum das so war.

 

Sie schämte sich nicht mal, dass sie in seiner alten Wohnung waren – mit Blaise Zabini nebenan! Es war ihr egal. Sie nahm an, es war offensichtlich, weshalb sie hier waren, und anscheinend hatte Zabini kein Problem damit. Verkommene Slytherins, dachte sie mit einem Anflug Selbstironie, denn sie war nicht sonderlich besser. Sie hatte Sam gesagt, sie wollte nichts von Malfoy – Merlin, sie hatte Malfoy gesagt, dass sie nichts von ihm wollte! Und ja, sie war mehr als angenehm angetrunken, aber es war keine gute Entschuldigung. Und ihr war klar, es war ihr zweiter Kuss, ihr zweiter Ausrutscher. Ein erster Kuss bedeutete nicht wirklich viel, konnte immer mal passieren. Aber das hier…, das war tatsächlich echt.

 

Alles war grundsätzlich anders mit Malfoy. Sicher, sie hatte sich vorgestellt, wie es wäre, Sam heute Abend zu küssen, aber… sie ging stark davon aus, es war ungleich besser, jetzt gerade Malfoy zu küssen. Noch nie hatte sie so eine Erfahrung gemacht. Dass etwas verboten war, dass etwas so absolut falsch war. Aber er hatte sie mit seinen Worten in Brand gesetzt. Als er gesagt hatte, er würde sie am Ende nicht bekommen, war Hermine innerlich praktisch explodiert. Es war so wahr, so traurig – und so unfassbar erregend. Aus welchen falschen Gründen auch immer!

 

Mit Ron war es Schicksal gewesen. Unschuldige Küsse, ein holpriges erste Mal, mit Kerzenlicht, unter der Decke – er hatte die Socken angelassen. Und auch jedes weitere Mal mit Ron war einfach angenehm gewesen. Vorherbestimmt. Nicht aufregend oder falsch. Bei Cormac gab es nichts Spektakuläres zu berichten. Er wollte immer oben liegen, hatte nur kommen können, wenn sie ihn nicht küsste, und alles in allem war er eine echte Enttäuschung gewesen, trotz der körperlichen Attribute, weswegen sie überhaupt mit ihm ausgegangen war. Und auch mit Cormac hatte jedes verbotene Element gefehlt. Es war eher lästig und peinlich gewesen. Aber Hermine hatte Bedürfnisse gehabt, die Cormac aber offen gesagt auch nicht befriedigt hatte. Aber es hatte sich nicht großartig von Ron unterschieden. Es war… sauberer Sex gewesen. Nichts… außerhalb der Norm. Nichts, was sie erröten ließ, was ihre Reife oder Erfahrung in Frage gestellt hätte, nichts, was sie überforderte.

 

Und sie ging ganz stark davon aus, dass es mit Malfoy anders sein würde.

 

Sie konnte es spüren. Und vor allem – viel wichtiger – sie wollte, dass es anders war. Sie wollte, dass es verboten war, aufregend! Sie wollte diese Dinge mit ihm tun, ihn berühren, ihn überall spüren, und es erschreckte sie immens. So war sie nicht. So kannte sie sich nicht. Er war vergeben, und seine Freundin war so nett zu ihr gewesen – bis sie vor Eifersucht ausgerastet war! Aber Hermine musste zugeben, Lara hatte nicht unrecht. Malfoy war untreu und scheiße – und jetzt gerade war das genau alles, was Hermine wollte! Sie war krank. Wirklich krank.

Es war ein Abenteuer, sagte sie sich. Letztes Mal war ein Ausrutscher, dieses Mal war es ein Abenteuer, und sie ging stark davon aus, dass sich keine Wiederholung ereignen würde, denn sie nahm an, nach dieser Nacht wäre sie von ihrem Malfoy-Wahn geheilt. Es musste so sein, denn es ging nicht anders.

 

Für sie war es so, dass jeder Sex in der letzten Offenbarung des anderen gipfelte. Hiernach würde sie nichts weiter über Malfoy lernen können. Es war das letzte Geheimnis. Man war buchstäblich nackt, der andere wusste dann alles über einen. Hiernach würde es einfach enden.

 

Bisher küssten sie sich lediglich, und das brachte sie schon praktisch um den Verstand. Wie seine Zunge sie erkundete, wie dringend sich sein Körper an ihren presste. Seine Erektion war hart, sie spürte es, während ihre Hände den Mantel von seinen Schultern schoben. Er half ihr halbherzig, ließ den Mantel hinter sich fallen, und sie hatte keine Lust, sich Zeit zu lassen, vielleicht zu riskieren, dass sie nüchtern wurde, und zog bereits ihren Blazer aus. Kurz fror sie an den bloßen Armen, aber Malfoy zog sie direkt wieder an sich, griff hart in den seidigen Stoff ihres Kleides, und wieder schlug ihr Bauch Saltos über seine Unbeherrschtheit.

 

Sie hasste, dass er ein Hemd mit Knöpfen trug, so gut er darin auch aussah, denn sie würde sich von ihm lösen müssen. Solange sie ihn küsste, dachte sie nicht großartig nach, aber wenn sie aufhörte, wurde es zu real.

Es half nicht viel, denn sie wollte ihn. Jetzt. Sie zog den Kopf zurück, fixierte im Halbdunkeln seine Knopfleiste, denn die Tür war langsam wieder zugefallen, und nur das Mondlicht gab ihr Anhaltspunkte, wo seine Knöpfe saßen. Mit fahrigen Fingern fand sie den ersten und öffnete ihn ungeduldig. Er sprach nicht, half ihr stattdessen, und sie war dankbar. Endlich befreite sie ihn von seinem Hemd, liebte für einen Moment, dass Aurorenanwärter trainiert waren, Muskeln besaßen, fitter und agiler waren als andere Männer, und griff dann in den Saum des Shirts, was er unter dem Hemd trug. Sie zog es hoch, aber sie erreichte seinen Kopf nicht, und er half ihr das letzte Stück. Sein Oberkörper war haarlos, wirkte wie in Stein gemeißelt, und sie bewunderte die eigenartigen Malfoy-Gene, die zwar einen schlechten Charakter, aber einen unglaublich schönen Körper produzierten. Seine Proportionen waren perfekt, dachte sie dumpf, bevor ihr Blick auf das Mal fiel, dass selbst im Mondlicht schwärzer wirkte, als jeder Schatten, jede Dunkelheit. Eine Welle des Mitgefühls überkam sie wieder. Was er für Schmerzen auf sich nahm, um diese Ausbildung zu machen, hatte sie die letzten Tage sehr erschüttert.

 

Vielleicht hatte sie sich minimal in seinen Absichten bezüglich der Ausbildung getäuscht. Sie wusste nicht, inwieweit ihr Sinneswandel Einfluss auf heute Nacht hatte – sie nahm an, es spielte ein wenig mit rein, dass er nicht nur scheiße war.

 

Und es gefiel ihr, wie er sie ansah, wie dringend er sie wollte. Diesen Hunger kannte sie weder von Ron und erst recht nicht von Cormac.

Wie beiläufig öffnete sie den verborgenen Reißverschluss ihres Kleides, schüttelte sich die kurzen Ärmel von den Schultern, und schon fiel es ihren Körper hinab.

Sie stand vor ihm in Unterwäsche und Strumpfhose, und war sich ihrem Körper sehr bewusst. Sein Blick glitt ihren Körper hinab, er schien sich nicht beherrschen zu können, und Hermine musste schlucken, so trocken war ihr Mund. Nur der Saum ihrer Strumpfhose war sichtbar, und ungefragt hakte er seine Finger hinein und ging vor ihr auf die Knie, zog die Strumpfhose langsam ihre Beine hinab, während ihr Blick gefallen war und seinen Schopf fixierte. Er zog ihre flachen Schuhe aus, befreite sie aus der Strumpfhose, und langsam wanderten seine Hände ihre Oberschenkel empor. Ihr Atem beschleunigte sich, denn je höher seine Hände kamen, umso fester griffen sie in ihre Haut.

 

Ihre Lippen teilten sich, als seine Finger den Bund ihres Höschens erreicht hatten und er von unten den Blick hob. Ungeduldig, verrucht, absolut unfassbar erotisch. Sie würde diesen Blick nicht vergessen, dieses Bild. Malfoy vor ihr auf seinen Knien, während er quälend langsam ihre Unterwäsche auszog. Ihre Brust hob und senkte sich heftiger. Kühl traf die Luft ihre Scham, und Malfoys Blick fiel automatisch. Und er tat, was sie sich absolut gewünscht hatte, dass er tun würde. Konnte es kaum erwarten. Er hob ihr Bein an, ihr Höschen fiel, hing um ihren anderen Knöchel, und legte ihren Schenkel über seine Schulter. Sie wollte irgendetwas tun, etwas sagen, aber lediglich ihr Atem wurde lauter. Er rückte näher zu ihr, bis sie seinen heißen Atem an ihrer Haut spüren konnte, und seine Zunge leckte eine heiße Spur über ihren inneren Oberschenkel. Fast wären ihren Augen nach hinten gerollt und ihr Kopf zurückgefallen – aber sie war zu fasziniert, zu gefangen.

 

Und dann versank er in ihr! Seine Lippen küssten ihren Venushügel sanft, bevor sie wieder seine Zunge spürte. Ron hatte es damals probiert, aber sie hatte nichts empfunden – ganz im Gegensatz zu heute Nacht! Malfoys Zunge zirkelte um ihre Klitoris, bevor sie tiefer glitt, wesentlich tiefer. Automatisch schlug sie die Hand vor ihren Mund, als sie das Stöhnen nicht verhindern konnte. Als hätte er die Aufforderung erhalten, leckte er hart über ihre empfindlichen Nerven, ließ seine Zunge in sie gleiten, und ihre Hand griff blind in seine dichten Haare, drängte seinen Kopf an sich, und sie spürte sein Lächeln. Es schickte sie praktisch direkt über die Klippe, und sie biss sich auf die Lippe, aber das laute Stöhnen konnte sie nicht verhindern, während er ihre zitternden Wellen mit Hilfe seines Daumens noch verstärkte, der nun harte Kreise über ihre geschwollene Klitoris rieb.

 

Ihr Atem ging schnell, als wäre sie gerannt. Wankend stand sie wieder auf ihren zwei Beinen, denn Malfoy angelte sich seinen Zauberstab aus seiner Manteltasche und reinigte stumm seinen Mund, bevor er seine Hose einhändig öffnete, den Bund seiner Shorts vorzog, um einen hellen Zauber auf seinen sehr harten Penis zu legen. Sie erkannte die Erektion durch die geöffnete Hose. Verhütungszauber. Malfoy war nicht dumm, dachte sie abwesend, während sie sich im Stehen von ihrem Orgasmus erholte. Sie glaubte nicht, jemals vorher im Stehen gekommen zu sein.

 

Er ließ seine Hose offen und schloss den Abstand zu ihr, ohne Zögern, ohne den Hauch eines Zweifels auf den mondbeleuchteten Zügen seines schönen Gesichts.

Sie sprachen nicht – und Hermine wüsste auch nicht, was sie zu ihm sagen sollte. Es würde wahrscheinlich nur hirnrverbrannter Unsinn über ihre Lippen kommen. Sie kam ihm entgegen, zog ihn gierig an sich, und überlegte bereits, wie sie sich revanchieren könnte. Am einfachsten wäre es, würde sie direkt auf die Knie gehen, aber scheinbar hatte er andere Pläne, bugsierte sie zu seinem alten Bett, was immerhin bezogen war, stellte sie am Rande fest. Seine Hand fand mühelos den Verschluss ihres BHs, und Hermine hatte jede Scheu verloren, wollte nur noch von ihm berührt werden, und ungeduldig zog sie an seiner Hose. Er half ihr, zog sie seine Beine hinab, und dann griff sie in den Bund seiner Shorts. Sachte befreite sie seine Erektion, und war überrascht, dass er tatsächlich einen schönen Penis besaß. Er ängstige sie nicht, hatte die perfekte Form, die perfekte Länge – würde gut in ihrer Hand liegen, dachte sie, und biss sich auf die Lippe, als sie die Hand nach seinem Penis ausstreckte.

 

Sofort fing er ihre Finger ab.

 

„Nicht“, raunte er bloß. Überrascht und ein wenig vor den Kopf gestoßen hob sich ihr Blick. Aber er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Sonst ist das hier sehr schnell vorbei“, murmelte er, und sie zog die Hand enttäuscht zurück. „Später“, versprach er ihr tatsächlich, und ihre Augenbrauen hoben sich. Er bemerkte diese Geste, und sein Lächeln vertiefte sich ein wenig mehr. „Das hier ist Runde eins. Und ich habe nicht vor, dich danach gehen zu lassen“, informierte er sie rau, und wieder schluckte sie schwer. Hatte er nicht?

 

Sie würde diese Nacht niemals vergessen, nahm sie an. Noch nie hatte sie mehr als einmal Sex in einer Nacht gehabt. Wenn sie ihn nicht anfassen durfte, würde sie aber die Initiative ergreifen. Es gefiel ihr nicht, dass er so viel sprach, während sie stumm wie Stockfisch war. Sie griff in seine Schultern und schubste ihn aufs Bett, nur um sich rittlings über ihn zu setzen.

 

„Darf ich dich reiten, Malfoy?“, fragte sie, und niemals in ihrem Leben hätte sie angenommen, diese Worte zu irgendwem zu äußern – und schon gar nicht zu Malfoy! Sein Blick verdunkelte sich sehr schnell.

 

„Du darfst alles mit mir machen, was du willst, Granger“, erwiderte er tonlos, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sein Blick fiel auf ihre Lippen, und sofort setzte er sich auf, um sie zu küssen, während sie ihr Becken anhob. Ihre Hand fand seine Erektion, und er keuchte in ihren Mund, als sie ihre feuchte Mitte über seiner Spitze platzierte. Ihre Wirbelsäule bog sich ihm entgegen, als sein Penis sie teilte, hart und tief. Sie schluckte zwischen zwei lauten Atemzügen, und abwesend legten sich seine Hände auf ihre Taille. Stöhnend fiel sein Kopf zurück, unterbrach den Kuss, und eng an ihn gepresst begann sie, ihn zu reiten. Zuerst beherrscht, nur um dann viel zu schnell in einen wilden Rhythmus zu fallen. Seine Bewegungen wurden harscher, unkontrollierter, und sie grub die Finger in seine Haare, suchte seine Lippen, und er küsste sie hungrig, gänzlich in Ekstase, und Hermine kam ein zweites Mal, während Malfoy sich fluchend in ihr ergoss und sich an sie klammerte.

 

~*~

 

Er wusste nicht mehr wirklich, wo oben oder unten war. Schwer atmend lag er neben ihr, starrte blind an die Decke und wusste nicht, ob er das hier nicht alles nur träumte. Er würde behaupten, er hatte seine Freundin nun ziemlich offiziell betrogen und war ein Arschloch und ein Schwein.

Nur leider fühlte er sich nicht halb so schlecht, wie er wohl sollte.

 

„Hast… hast du Durst?“, fragte er schließlich in die Stille, die nur ihr beider Atem füllte, und er spürte ihren Blick.

 

„Schon“, entkam es ihr ziemlich atemlos.

 

„Wasser oder… irgendwas anderes?“, fragte er, als er sich aufsetzte. Sie rührte sich nicht, blieb reglos liegen.

 

„Überrasch mich, Malfoy“, antwortete sie müde, und er schwang die Beine aus seinem ehemaligen Bett. Blaise war längst verschwunden, und das war auch gut so, denn er und Granger waren in der letzten Runde nicht gerade leise gewesen.

 

Er machte sich nicht die Mühe, Licht zu machen, schritt im Dunklen in die Küche, fand den Kühlschrank blind und war froh, dass Blaise immer von allem im Haus hatte. Seine Elfen kümmerten sich, wusste Draco. Er zögerte nicht wirklich lange, griff sich zwei Flaschen Kristallwasser, denn er glaubte nicht, dass sie beide noch Alkohol trinken wollten.

 

Kurz atmete er ruhige Atemzüge, versuchte, ruhig zu bleiben, ehe er wieder Kehrt machte. Er hatte mit Granger geschlafen! Er hatte tatsächlich mit ihr geschlafen, Merlin! Er hielt inne, als er wieder in der Zimmertür stand. Sein Bett war leer. Kurz glaubte er, sie wäre abgehauen, aber dann erkannte sie am Fenster. Nackt stand sie vor der tiefen Scheibe, und das Mondlicht schien ihre Kurven nur noch mehr zu umschmeicheln. Sie hatte einen unglaublichen Körper

 

„Planst du die Flucht?“, erkundigte er sich spöttisch, stellte das Wasser auf dem Beistelltisch ab und trat hinter sie, während sie weiterhin nach draußen blickte. Es waren nette Apartments, die einen hübschen Park überblickten, dessen Namen er zeitweilig verdrängt hatte.

 

„Mhm“, machte sie still. „Entweder übers Dach oder die Regenrinne runter“, ergänzte sie, und er konnte nicht sagen, ob sie lächelte oder nicht.

 

„Sofern du nackt türmen willst, empfehle ich nicht die Regenrinne. Könnte schmerzhaft enden“, bemerkte er, und überlegte, ob er sie berühren durfte. Sie wirkte plötzlich sehr weit entfernt, auch wenn sie keinen Meter von ihm weg war.

 

„Danke für den Tipp“, erwiderte sie, und er sah sie nicken. „Aber es ist kalt. Ich würde zumindest einen Mantel anziehen. Und ich… kann zaubern, also… eine Muggel-Flucht steht außer Frage“, ergänzte sie nachdenklich.

 

„Aber eine Flucht wird es sein?“, entkam es als Frage seinem Mund, und sie wandte sich ihm zu. Ihre Nacktheit machte es schwer, ihr in die Augen zu sehen, aber er gab sich die größte Mühe.

 

„Ich warte, bis du schläfst“, sagte sie ruhig, und er wusste nicht, ob sie Witze machte oder nicht. Sie kannten sich nicht gut genug, als dass er es wissen konnte.

 

„Sehr klassisch.“ Er nickte anerkennend.

 

„Malfoy-“, begann sie, und etwas Schweres hing ihrer Stimme nach.

 

„-nicht“, unterbrach er sie sofort. „Mach es nicht.“

 

„Was?“, wollte sie überrascht wissen.

 

„Analysieren, entscheiden, planen“, zählte er wahllos auf. „Das bedeutet, diese Nacht ist um, das hier vorbei, und wir können anfangen uns für unsere treulose Ehrlosigkeit zu schämen“, sagte er dumpf. Ihr Mund öffnete sich knapp.

 

„Aber…“, begann sie, ein wenig ratlos, ein wenig überfordert, „morgen-“

 

„-morgen ist morgen, Granger.“

 

„Technisch gesehen ist heute bereits morgen“, informierte sie ihn still. Sie hatte wohl recht. Blind griff er nach ihrer kühlen Hand, verschränke seine warmen Finger mit ihren, und kurz sah sie ihn verloren an.

 

„Das war… eine verdammt gute Nacht“, sagte er ruhig. „Die Ausnahme der Regel, richtig?“, ergänzte er, als sie nicht reagierte.

 

„Ja“, erwiderte sie tonlos, wohl selber etwas überrascht.

 

„Mehr muss es nicht sein“, entgegnete er seufzend. „Mehr wird es nicht sein“, korrigierte er sich nachdenklich.

 

„Ok“, sagte sie.

 

„Ok“, wiederholte er. Er wollte nicht mehr nachdenken, konnte es kaum noch. Und plötzlich wusste er, sie machte keine Witze. Sie würde irgendwann verschwinden, und er würde alleine aufwachen. Und sehr kurz empfand er diese Vorstellung als angenehm, denn dann hatte es tatsächlich den Anschein eines Traumes. Eines sehr guten Traumes. Und gleichzeitig hasste er die Idee, denn er würde vergessen. Die Details dieser Nacht. Wie sie gerochen hatte, wie sich ihre Haare um seine Finger gedreht hatten, wenn er sie in ihren Strähnen vergrub. Der Geschmack ihrer Lippen, das Gefühl ihres perfekten Körpers. Der schiere Wahnsinn, der es war, Hermine Granger vor Lust zum Schreien zu bringen. All das würde verpuffen, und irgendwann würde er sich fragen, ob es tatsächlich passiert war.

 

Fast wollte er selber fliehen, so tun, als wäre es nie passiert, anstatt es in schmerzhafte Längen zu ziehen, aber das würde er natürlich nicht. Er war nicht so klug. Seine Triebe verboten es sowieso.

 

Aus einem plötzlichen Impuls heraus senkte er den Kopf, küsste sie ohne Reue, und nach anfänglicher Scheu und Starre taute sie auf, löste ihre Hand aus seiner und legte die Arme um seinen Nacken. Er bugsierte sie zum Bett, ließ sie sanft auf die Matratze sinken, bevor er über sie stieg, sich zwischen ihre Beine legte, und ohne Worte die letzte Runde genoss. Er war wieder hart, und diese Nacht kam ihm so erheblich vor.

 

Er wusste selber nicht, warum, aber es war wie das Ende eines sehr kurzen Anfangs. Was für ein Anfang es sein könnte, wollte er gar nicht so genau wissen. Er zog es lieber vor, zwischen ihren Schenkeln zu vergessen. Sich selber, seinen Namen, und er genoss, wie willig sie ihm begegnete, wie sie ihn an sich zog, und dass er ein Mistkerl war, rückte weit weg aus seinem Fokus, als er sich nur noch auf ihren Körper konzentrierte und all sein Können darin investierte, Hermine Granger den letzten weltbesten Orgasmus zu schenken.

 

 

20. the change

 

Als er aufwachte stand die Sonne hoch, zu hoch, als dass es vielleicht gerade acht Uhr war. Es kam ihm eher vor wie zwölf, vielleicht eins. Vielleicht noch später. Blind streckte er den Arm aus, erwartete aber nicht viel. Er wandte langsam den Kopf, aber niemand teilte das Bett mit ihm.

 

Er war allein, wie er angenommen hatte. Sein Schlaf war tief und traumlos und erholsam gewesen, auch wenn seine Muskeln protestierten. Lebhaft krochen die Bilder der letzten Nacht zurück. Grangers volle Brüste, ihr nackter Körper gegen seinen, ihr Geschmack, ihre Geräusche, und Draco genoss in der Erinnerung zu schwelgen. Zu schnell würde sie verblassen. Unfassbar, dass das passiert war. Unfassbar, dass es nie wieder passieren würde.

 

Er setzte sich gähnend auf, streckte sich, und hatte wohl genügend Lärm gemacht, dass Blaise an die angelehnte Tür klopfte.

 

„Wach?“, erkundigte er sich, spähte ins Zimmer, und überrascht hob sich seine Augenbraue. „Und allein“, ergänzte er, traute sich nun aber, das Zimmer zu betreten.

 

„Hey“, begrüßte Draco ihn, kratzte sich verschlafen den Kopf, gähnte noch mal, und zog die Decke höher, denn er war noch immer nackt.

 

„Hast du Lust, es zu erklären, oder…?“, wollte Blaise gespannt wissen, aber Draco verzog den Mund.

 

„Eher nicht“, erwiderte er. „Kann… kann ich wieder hier einziehen?“, erkundigte er sich dann.

 

„Das mit Granger ist vorbei?“, entfuhr es Blaise ungläubig, aber Draco machte eine unverbindliche Kopfbewegung.

 

„Es hatte nie angefangen. Das war… nur eine Ausnahme“, fasste er die unglaubliche Nacht zusammen.

 

„Glückwunsch zur Ausnahme“, bemerkte Blaise trocken.

 

„Ich habe eine Freundin“, erklärte Draco, und Blaise hob die Augenbraue höher.

 

„Die glückliche“, erwiderte Blaise bitter. Draco verdrehte die Augen.

 

„Natürlich werde ich ihr sagen, dass ich sie betrogen habe.“

 

„Und du denkst, sie fällt dir um den Hals, ob deiner gönnerhaften Ehrlichkeit?“, wollte Blaise spöttisch wissen.

 

„Ich denke, sie wird mich verfluchen und abservieren, aber…“ Er seufzte schwer.

 

„Du wolltest Granger, du hast Granger bekommen“, stellte Blaise beeindruckt fest. „Du verdammter Bastard! Das ist eindrucksvoll, Draco“, fuhr er fort. Draco runzelte die Stirn.

 

„Du hattest Recht gehabt. Es ist zu kompliziert. Ich hatte nur…“ Ratlos ließ er den Satz in der Luft hängen.

 

„-eine Nacht mit ihr verbringen wollen?“, vermutete Blaise ungläubig.

 

„Keine Ahnung“, räumte Draco tonlos ein.

 

„Aber… du willst sie nicht?“, stellte Blaise fest. „All der Aufwand für ein bisschen Sex?“ Es war mehr als ein bisschen gewesen, dachte Draco schmerzvoll, aber er starrte leer nach vorne.

 

„Mehr wäre es nie gewesen“, sagte er bloß.

 

„Mh“, machte Blaise. „Sieht sie das so?“

 

„Ich – keine Ahnung?“, sagte Draco wieder. „Wahrscheinlich. Ich sehe es so“, ergänzte er ernst. Blaise verengte die Augen.


„Richtig“, erwiderte er langsam, „aber… magst du sie?“ Blaise schien ernsthaftes Interesse an seinen Gedanken zu haben. Draco schüttelte den Kopf.

 

„Das ist unerheblich“, sagte er dann. Sie war muggelgeboren, besaß Heldenstatus, den er niemals auch nur im Ansatz erreichen könnte, hatte Freunde, die ihn verabscheuten – und er war… Draco Malfoy.

 

„Wie ‚Lucius‘ von dir“, entkam es seinem besten Freund, und Dracos Blick hob sich sofort.

 

„Ich bin nicht wie er“, widersprach er sofort.

 

„Nur weil etwas Gesellschaftlich nicht passt, muss man es nicht kategorisch ausschließen.“ Draco konnte ihn nur ungläubig betrachten. Seit wann kam auch nur irgendetwas halbwegs Liberales über Blaises Lippen, fragte er sich verwirrt.

 

„Das hat damit nichts zu tun.“ Blaise runzelte die Stirn.

 

„Du willst ihr deine Welt nicht antun?“, vermutete er dann. Draco hatte darauf keine Antwort, wollte darauf nicht mal antworten – denn wozu? Darum ging es nicht! „Sehr nobel, du reicher Sohn eines Todessers“, sagte Blaise wieder spöttisch. Draco verdrehte die Augen. „Seltsam, dass du an diesem Punkt die Grenze ziehst“, schloss Blaise schließlich.

 

„Was?“ Draco verstand nicht mehr, was Blaise von ihm wollte.


„Ich meine, du brichst mit deiner Familie, schmeißt eine bequeme Arbeit, um jetzt etwas zu tun, was dich in Armut stürzt und dich sogar umbringt – aber das Mädchen, was du als allererstes haben wolltest, nachdem du mich hier drei Jahre hast sitzen lassen“, warf er mit eindeutigem Vorwurf ein, „willst du nicht gewinnen, weil es kompliziert ist? Wie viel komplizierter als alles, was du jetzt gerade am Laufen hast, kann es wirklich sein, Malfoy?“, wollte Blaise verständnislos von ihm wissen, und Dracos überforderter Mund schloss sich.

 

„Sein Leben auf die Reihe zu kriegen, eine Ausbildung zu absolvieren, irgendwie seine Vergangenheit zu verarbeiten und seinen Namen aufzuwerten – das sind Dinge, die tue ich für mich! Und wenn ich scheitere, dann… betrifft es nur mich. Mich allein. Eine Beziehung ist etwas anderes!“, entfuhr es ihm bitter.

 

„Ich dachte, du befindest dich in einer Beziehung?“, folgerte Blaise scharf.

 

„Nicht mit-“

 

„-nein, nicht mit Granger! So viel habe ich verstanden, Draco“, unterbrach Blaise ihn gereizt.

 

„Egal, wie sehr ich mich ändere, egal, wie viel Mühe ich mir gebe“, machte Draco es sehr deutlich, „unterm Strich bleibe ich der Sohn eines Todessers, ein reiches Reinblut. Ich bleibe Draco Malfoy, der sie Schlammblut genannt hat“, schloss er dumpf.

 

„Ich glaube nicht, dass sie noch-“


„-was soll das, Blaise?“, fuhr Draco ihn zornig an. „Seit wann interessiert es dich, was ich mit meinem Leben anstelle? Seit wann willst du mich mit Muggelgeborenen verkuppeln?“, wollte er wütend wissen. Sein Freund wurde ebenfalls ernst, seine Mundwinkel sanken ebenfalls.

 

„Das will ich nicht!“, sagte Blaise laut. „Und dein Liebesleben interessiert mich einen verdammten Scheißdreck, Draco!“, sagte er mit Nachdruck. „Alles, was ich festgestellt habe, ist, dass du willig bist, dich nach außen zu ändern, dass du innerlich aber die Beziehung zu Reinblüterinnen vorziehst, weil es einfacher ist.“ Draco wurde heiß vor Wut.

 

„Es hat nichts mit einfach oder schwer zu tun!“, behauptete er zornig.


„Nein, ich würde sagen, es hat mit feige oder mutig zu tun.“

 

„Ist das dein Ernst?!“, wollte Draco absolut empört von ihm wissen.

 

„Es ist mir egal!“, sagte Blaise wieder, mehr Nachdruck in der Stimme. „Aber das war es dann, Draco!“, warnte ihn sein bester Freund praktisch. „Ich höre es mir nicht weiter an. Das ist das letzte Gespräch, was ich mit dir über Hermine Granger führen werde – das verspreche ich dir! Und ich erwarte, dass es auch das letzte Mal ist, dass du sie mir gegenüber erwähnst!“, schloss er mit stechendem Blick. Dracos Stirn legte sich in ungläubige Falten. „Du stehst nachts vor meiner Tür – bettelst um Einlass, damit du Granger hier verführen kannst – oder was auch immer! – und jetzt bist du fertig? Jetzt war es das? Das war das Ende?“ Blaise schien ernsthaft auf eine Antwort zu warten. „Denn meinetwegen! Ich nehme das hin!“, behauptete Blaise mit leiser Warnung. „Aber Dinge haben sich verändert, Draco, während du unterwegs warst, dich selbst zu finden, gegen deine Herkunft zu rebellieren“, fuhr Blaise ungerührt fort. Draco wollte antworten, aber jetzt schien Blaise noch nicht fertig zu sein. „Und ich habe nicht die Muße, nicht die Kraft, deinem Vater Rede und Antwort zu stehen, wo du dich mit wem rumtreibst. Und bevor du mich in deine Affären ziehst, bevor du dich blind in Schwierigkeiten stürzt, möchte ich absolute Klarheit darüber haben, dass du nicht wieder irgendwelche Aktionen planst, die mich schlaflose Nächte unter Lucius‘ Verhör kosten!“

 

Draco starrte ihn nur noch an. Lucius war anscheinend hier gewesen, interessierte sich wohl doch mehr, als es den Anschein machte, und Draco konnte nicht wirklich begreifen.

 

„Blaise-“, begann Draco kraftlos, aber Blaise hob die Hand.


„-du bist mein bester Freund. Seit der Vorschule“, ergänzte er mahnend. „Aber ich mache das Hin und Her nicht mit.“

 

„Wieso hast du mich dann gestern reingelassen?“, wollte Draco tonlos wissen.

 

„Weil ich dachte, du ziehst es durch.“

 

„Was?“, entkam es Draco absolut entgeistert.


„Die komplette Wandlung“, entgegnete Blaise gereizt. „Innen und außen.“ Draco schüttelte unfähig den Kopf.

 

„Du redest völligen Schwachsinn, das weißt du?“, wagte Draco einzuwerfen. „Es tut mir leid, dass Lucius dich bedrängt und belästigt“, ergänzte er entschuldigend. „Aber ich will mit meinem Leben einfach das anfangen, was ich möchte. Nicht, was Lucius will“, sagte er fast ruhig. „Und es hat nichts mit den Frauen zu tun, mit denen ich schlafe.“ Blaise sah ernsthaft so aus, als wolle er sehr laut widersprechen. Aber Draco hob die Hände. „Und keine Sorge!“, sagte er hastig. „Ich will Granger nicht. Wirklich nicht. Ich verspreche es dir! Das war das Ende! Lektion gelernt“, schwor er bitter. „Das Potter-Weasley-Komplettpaket ist nichts, was ich gratis dazu erhalten möchte. Sex mit Granger – oder gar eine Beziehung mit Granger – kommt mit so vielen losen Enden, mit so viel Zubehör, mit unfassbar vielen Problemen – politisch, familiär und beruflich – dass es einfach gesunder Menschenverstand ist, es auszuschlagen. Es hat nichts mit feige oder faul zu tun“, sagte er knapp. „Es ist schlichtweg unmöglich. Und ich liebe sie nicht. Nichts in der Welt könnte mich dazu bewegen, mir so etwas aufzuerlegen. Unterm Strich wähle ich mein gemütliches Erbe, freue mich, wenn mein Vater das Zeitliche segnet und möchte garantiert keine Schlagzeilen machen, als der Idiot von Reinblüter, der entschieden hat, Hermine Granger zu bekommen.“ Kurz glitt Blaises Blick ins Zimmer, starrte leer nach vorne.

 

„Merlin, ich kann diese Schlagzeile praktisch vor mir sehen“, murmelte sein Freund erschlagen.

 

„Bestimmt. Aber nicht mit meinem Namen“, erwiderte Draco ernst.

 

„Das ist dein Ernst?“, wollte Blaise unsicher wissen.

 

„Absolut“, bestätigte Draco.

 

„Du bist einfach nur ein untreues Arschloch, das nicht nachdenkt – und… Granger ist eine Kerbe?“ Draco nickte traurig.

 

„Ich fürchte schon.“

 

„Ok“, sagte Blaise schließlich und nickte feierlich. „Damit kann ich leben. Und ich hoffe, du erstickst nicht an deinen eigenen Worten, wenn sie dir wieder hochkommen“, bemerkte er knapp.

 

„Das werden sie garantiert nicht.“ Er hatte genug von diesem Gespräch. Kurz schwiegen sie beide, aber Draco wollte zu einem Ende kommen. „Es war ein Abenteuer, nichts weiter. Sie hat andere Pläne, ich habe andere Pläne. Ganz einfach. Kann ich wieder einziehen, oder nicht?“ Jeder Kompromiss, jede Plauderstimmung verließ ihn. Und tatsächlich war das Thema beendet.

 

„Gerne“, erwiderte Blaise. „Du warst tot. Wie war das so?“, wechselte Blaise beinahe unverfangen das Thema, aber Draco wusste, Blaise verurteilte ihn trotzdem, hatte wahrscheinlich noch mehr zu sagen, aber Draco war dankbar für den Themenwechsel, auch wenn er nicht besser war.

 

„Anscheinend schlimm genug, dass mein Vater das Ministerium verklagt“, bemerkte Draco, mit gewisser Genugtuung.

 

„Oh, du weißt die nicht die Hälfte, Malfoy!“, erwiderte Blaise ungeduldig. „Der ganze Club spricht von dir und deinen unorthodoxen Methoden das Ministerium einzunehmen.“ Draco runzelte die Stirn ob dieser Lügen. „Lucius ist verdammt stolz auf dich“, ergänzte Blaise eindeutig. Dracos Mund öffnete sich entgeistert. „Wer hätte gedacht, dass eine eigene Meinung zu haben der Schlüssel zum väterlichen Stolz ist?“ Blaise grinste bitter.

 

„Keiner. Und das wird es auch nicht sein“, widersprach Draco zweifelnd.

 

„Er redet pausenlos von dir“, sagte Blaise achselzuckend. Es gefiel ihm nicht. Zu viel Aufmerksamkeit von Lucius konnte absolut nichts Gutes heißen. Ganz und gar nicht. Es war ein furchtbarer Morgen, stellte Draco düster fest.

 

~*~

 

Sie war gegangen, bevor die Sonne aufgegangen war, war nach Hause gekommen, bevor Penelope wieder aufstand. Sie hatte sogar schnell geduscht, hatte gegessen, sich umgezogen, und als Penelope schließlich ins Wohnzimmer geschlurft gekommen war, hatte Hermine ihr teilweise von dem verdorbenen Date erzählt – nicht die Sache mit Sam oder der Kuss mit Malfoy – oder der Sex! – denn sie wusste nicht wirklich, wie. Sie hatte sich schließlich entschuldigt, Penelope gesagt, sie wolle sich hinlegen, nachdenken, einfach im Bett bleiben, und Penelope verstand.

 

Hermine war sehr dankbar, denn ihr fielen die Augen praktisch beim Sprechen zu. Jetzt lag sie in ihrem Bett, konnte nicht fassen, was geschehen war, und war einerseits traurig, dass sie still und leise verschwunden war, aber andererseits unfassbar dankbar.

 

Sie hatte gewusst, dass der Morgen bitter werden würde, der Nachgeschmack unerträglich. Aber die Nacht… war unglaublich gewesen. Die physische Kompatibilität absolut unleugbar! Es war der aufregendste, beste Sex ihres gesamten Lebens gewesen – was auch immer das hieß, wie viel so etwas auch bedeuten mochte. Wahrscheinlich im Lichte des Tages nicht sonderlich viel, denn es war vorbei und niemand wusste davon.

Jetzt könnte sie sich auf den Rest ihres Lebens, den Rest ihrer Ausbildung und einen besseren Partner konzentrieren.

 

Seitdem Malfoy sie auf dem Bankett angesprochen hatte, hatte sie die leise Vorstellung im Hinterkopf gehabt, wie es wohl wäre. Jetzt wusste sie, es wäre kompliziert, falsch und moralisch absolut verwerflich, wenngleich auch heiß und verboten erregend. Aber die flüchtige Leidenschaft wog die Vernunft niemals auf. Alles was mit dran hing, an seinem Namen, an ihrem Namen, seiner Herkunft, ihrer Herkunft, war so abschreckend, dass es kaum wert war, weiter drüber nachzudenken.

 

Sie nahm an, er würde nicht wiederkommen.

 

Zwar wäre das nur ein kleiner Fortschritt, denn morgen würde sie ihn wiedersehen. Aber die Spannung hatte sich entladen. Sie hatte kaum ein Gefühl mehr übrig. Wenn sie an ihn dachte, dann war sie lediglich froh, dass es nichts Ernstes war. Nichts, worüber sie sich noch weiter den Kopf zerbrechen musste. Sie nahm an, er sah es ähnlich. Sie hoffte es. Es würde vielleicht endlich einfacher werden.

 

Was er tun würde, wie er mit der Situation umgehen würde, war nicht ihre Angelegenheit. Sie hoffte, er würde es diskret behandeln, aber sie ging davon aus. Im Herzen war er ein Slytherin, und sie nahm an, kein Slytherin hinterließ gerne Unordnung, kehrte lieber alles sauber unter den Teppich, nahm ein Geheimnis lieber mit ins Grab.

 

Sie hatte den Kopf endlich frei, um sich eine Zukunft mit jemandem wie Sam vorzustellen, und fragte sich gähnend, ob er sie noch nehmen würde.

Das mit Malfoy war nur eine Phase gewesen, ein Fehler, den sie nun schulterzuckend abtun würde. Nicht mal Harry hatte es schlimm gefunden, dass sie sich ihre Zeit mit ihm vertrieb. Und Rons Meinung interessierte sie nicht. Natürlich würde es noch Ärger geben! Harry könnte sich warm anziehen! Aber sie war jetzt klüger. Von letzter Nacht würde sie niemanden erzählen. Mit Glück hätte sie die Nacht sogar irgendwann selber verdrängt. Irgendwann.

 

Mit diesen Gedanken schlief sie ein und erlaubte sich, noch einmal von seinem Körper und ihren Höhepunkten zu träumen. Aus sicherer Distanz, in ihrem eigenen Bett, wo es ihr niemand vorwerfen konnte!

 

 

21. the prodigal son

 

Es war das erste Mal, dass Hermine ihn mit Blaise Zabini Mittagessen sah, während sie mit Penelope und Dean die Kantine betrat. Beide schienen in ein konzentriertes Gespräch vertieft, und Hermines Blick fiel schnell auf ihr Tablett. Gestern Nachmittag hatte Malfoy seine Sache holen lassen, und Penelope hatte Hermine mit ihrem Schreikrampf geweckt, als wohl Blaises Hauselfen in ihrem Wohnzimmer appariert sind. Es hatte keinen Abschied gegeben, worüber Penelope sich Stunden aufgeregt hatte, aber Hermine war dankbar gewesen.

 

Sie konnte Lara nirgendwo entdecken, wusste nicht, wie die Dinge standen, und war gänzlich überrascht, als Sam in ihren Weg trat.

 

„Hey“, begrüßte er sie, und ihr war nie aufgefallen, dass ihm die Uniform ebenfalls sehr gut stand, nicht nur ein Jackett.

 

„Hey“, erwiderte sie, und Penelope und Dean zögerten eine Sekunde, bevor Penelope sich scheinbar durchrang zu reagieren.


„Wir gehen vor“, bemerkte sie bloß.

 

„Ok. Bis gleich“, rief Hermine ihr nach, denn sie nahm, es würde sich hier um ein kurzes Gespräch handeln. Ihre Finger begannen zu schwitzen. Erwartungsvoll sah sie Sam ins Gesicht.

 

„Tut mir leid für… meinen Abgang am Samstag.“

 

„Absolut verständlich“, erwiderte sie. „Hör zu“, begann sie mit gesenkter Stimme, „ich habe nachgedacht, und-“

 

„-und du hast kein Interesse“, kürzte Sam ihre Worte nickend ab. Hermines Augen weiteten sich.

 

„Was? Nein! Ich… ich habe Interesse, Sam“, beteuerte sie eilig. „Aber ich verstehe, wenn es für dich… anders aussieht.“ Kurz wirkte er überrascht. „Ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern, aber ab jetzt, ab heute“, wählte sie ihre Worte mit Bedacht, denn das Wochenende sprach nicht gerade für sie, „versichere ich dir, dass ich keine Gefühle für niemanden sonst habe, dass ich keine unerfüllten Vorstellungen besitze – ich… bin völlig frei. Und meine Gedanken gehören dir. Wenn du das willst?“, sagte sie, etwas beschämt. Denn wahrscheinlich wollte er sich lediglich für den Abend entschuldigen, und das wäre es dann gewesen.

 

„Ab heute?“, griff er ihre Worte tatsächlich auf, und sie konnte seinen Ton nicht deuten. Aber der Ehrlichkeit halber bestätigte sie es.

 

„Ja, ab heute.“ Und kurz schien er abzuwägen, schien zu überlegen, bevor er nickte. Er würde gehen. Sie wusste es.


„Ok“, sagte er ernst. „Dann würde ich gerne wissen, ob du – ab heute – Lust hättest, mit mir auszugehen?“, fragte er sie tatsächlich. Ihre Mundwinkel hoben sich.

 

„Absolut!“, antwortete sie, ein wenig nervös. „Das wäre… genau was ich wollte!“ Sie nickte, ohne es verhindern zu können. Und er musste grinsen. Er sah auch sehr gut aus, wenn er das tat. Seine Zähne waren ebenmäßig, und ihre Finger kribbelten bei seinem Anblick allein.

 

„Ich denke, ich schulde dir noch einen vernünftigen Abschied“, sagte er schließlich, die Stimme etwas rauer, und Hermine blinzelte verblüfft.


„Tust du?“

 

„Na ja, es war ein Date gewesen, oder nicht?“

 

Er würde sie küssen, dachte sie beinahe panisch. Sie wusste nicht mal, wie sie aussah, ob sie Mundgeruch hatte, wie ihre-

 

Er neigte sich zu ihr hinab, und federleicht küsste er ihre Wange. Ihre Augen flatterten zu, doch schon löste er sich von ihr. Ihre Mundwinkel hoben sich wieder.

 

„Das war… sehr nett“, sagte sie beschämt.

 

„Morgen Nachmittag hast du auch frei, oder?“, erkundigte er sich, und sie musste nicht nachdenken. Dienstags hatten sie immer früh frei.

 

„Ja“, bestätigte sie.

 

„Hättest du Lust auf Tee oder Kaffee? Nicht hier“, ergänzte er eindeutig, und Hermine war sich der verschiedenen Blicke der AIT bereits gewahr.

 

„Sehr gerne“, hauchte sie praktisch.

 

„Dann treffen wir uns morgen. Um zwei im Atrium?“ Sie konnte es buchstäblich nicht erwarten.


„Ich freue mich, Sam.“

 

„Ich mich auch, Hermine.“ Er verabschiedete sich mit einem schiefen Lächeln von ihr, und ihr Herz schlug wild. Es war genau, was sie wollte. Hastig wandte sie sich um, wollte aus dem Rampenlicht wegkommen, und Malfoy und Zabini waren immer noch in ihr Gespräch vertieft, zeigten nicht das geringste Interesse an ihr – und es hob ihre Laune nur noch mehr. Der Albtraum war vorbei!

 

Sie erkannte, dass sich Penelope und Dean zu Sheila gesetzt hatten, und alle drei sahen sie mehr als gespannt an. Ein Lächeln breitete sich unfreiwillig auf ihrem Gesicht aus, und dieses Mal konnte sie nicht erwarten zu erzählen, was passiert war!

 

So musste es sein! So musste es sich anfühlen! Erleichterung überkam sie.

 

~*~

 

Hermine brachte gerade die restlichen Bücher in ihren Spind, die sie zum Training mit Malfoy nicht benötigte, als sie hörte, wie die Stimmen lauter wurden. Die Türen des Aufzugs öffneten sich in einiger Entfernung.

 

„-und weißt du was?“, vernahm sie Laras schrille Stimme. „Es war sowieso ein Fehler!“

 

Hermine presste sich praktisch an die Seite der Spinde, und es war ein Glück, dass die meisten AIT bereits gegangen waren. Diese Szene wäre ein gefundenes Fressen.

 

„Du bist kindisch, hast keine Erfahrung – und ich begreife nicht, wie ich mich auf einen untreuen Versager wie dich hatte einlassen können! Du hast nicht mal einen Abschluss! Du bist absolut lächerlich, und vielleicht sollten du und dein Mal euch dahin verpissen, wo ihr hingehört! Astoria freut sich garantiert!“, schnaubte sie tief verletzt, und Hermine hielt den Atem an, als beide keine drei Meter entfernt im Flur stehen blieben.

 

„War es das?“, hörte sie Malfoys kühle Stimme.

 

„Ja, Draco! Ja!“, knurrte Lara praktisch. „Das war’s! Verpiss dich einfach! Du bist ein dämliches Todesser-Arschloch! Und ich wünsche dir alles Unglück dieser Welt!“ Hermine hörte die wütenden Schritte, die sich entfernten und vernahm dann schwere Schritte, die sich den Spinden näherten. Vorsichtig lugte sie zur Seite an den Spinden vorbei, und Malfoy erkannte sie in ihrer beengten Position. Sein Kopf legte sich schräg, und es war das erste Mal, dass sie sich Auge in Auge begegneten. Seit Samstagnacht, nachdem sie ihn verlassen hatte.

 

„Hi“, war alles, was sie sagte.

 

„Hi“, erwiderte er, und die Anspannung auf seinem Gesicht legte sich.

 

„Was… was genau…?“ Sie hatte Angst zu fragen, aber er kam ihr tatsächlich entgegen.

 

„Ich habe Lara gesagt, dass ich sie betrogen habe.“ Hermines Augen wurden groß. Malfoy hatte es tatsächlich getan.

 

„Mit…?“, wollte Hermine sehr vorsichtig wissen, aber er ruckte mit Kopf.

 

„Ich habe es offen gelassen, und sie kam zu dem Schluss, dass-“

 

„-Daphnes Schwester!“, erriet Hermine die Antwort atemlos. „Astoria“, fiel ihr der Name wieder ein. „Oh. Du hättest nicht-“

 

„-besser so, oder?“, unterbrach er sie direkt. „Du und Sam habt euch… versöhnt?“, schien er das rechte Wort zu suchen, aber sie trat ihm entgegen. Dann war es ihm heute doch aufgefallen, dachte sie dumpf.

 

„Es wäre egal gewesen“, sagte sie noch mal. Malfoy runzelte die Stirn. „Ich habe Sam heute gesagt, dass… ich ab heute ausschließlich Interesse an ihm habe. Erst ab heute“, wiederholte sie stiller.

 

„Ah“, machte er nachdenklich. „Ich glaube, es ist trotzdem besser, dass Lara denkt, was sie gerne denken möchte. Wozu eure Beziehung gefährden?“

 

„Meine und Laras oder meine und Sams?“, wollte Hermine schließlich wissen, aber er zuckte die Achseln.

 

„Beide.“ Es war sehr erwachsen und sehr nobel von ihm, fand sie.

 

„Danke“, sagte sie. „Aber… du hättest es nicht tun müssen.“

 

„Schon ok“, sagte er bloß.

 

„Nicht, dass sie es… erzählt, und-“

 

„-wer sollte es erfahren? Und wenn, dann streite ich es ab“, erwiderte er schlicht.

 

„Ok“, räumte sie seufzend ein. Er trug die Bürde, er durfte es sich aussuchen, nahm sie an.

 

„Ok“, bestätigte er, etwas ratlos.

 

„Deine… Sachen sind weg“, stellte sie noch das Offensichtliche fest, und kurz legte sich wieder Anspannung auf seine Züge. Sie hatte ihn nackt gesehen, hatte mit ihm geschlafen, und es war gerade mal 24 Stunden her, dachte sie plötzlich.

 

„Ja, ich… dachte, ich verschone dich von meiner Anwesenheit“, sagte er dann. 

 

„Ich hatte sowieso geschlafen“, entkam es ihr, ohne nachzudenken. Kurz wirkte sein Blick anders, aber nur kurz.

 

„Jaah“, sagte er bloß. „Ich auch“, bestätigte er, und das Gespräch kam zu einem unangenehmen Ende, einer grausamen Pause, während sie sich unschlüssig ansahen. Hitze stieg in ihr empor, und wenn sie nicht sofort das Thema wechselte, würde sie wahrscheinlich im Erdboden versinken, weil sie sich daran erinnerte, wie er vor ihr auf die Knie gegangen-

 

„-wollen wir anfangen?“, entkam es ihr etwas zu laut, aber er nickte sofort.


„Auf jeden Fall.“

 

„Gut“, erwiderte sie dankbar.

 

„Ja“, bestätigte er ebenso einsilbig, und sie schritten zur Halle.

 

Immerhin sprachen sie nicht mehr wirklich viel. Er schaffte es tatsächlich mehr als dreimal, dem Cruciatus zu widerstehen, konnte sich erfolgreich wehren, aber wie immer wandte sie nicht viel Kraft an, fügte ihm kaum Schmerzen zu, aber so würden sie verfahren, bis er überhaupt keine Anstrengung mehr spürte, den Fluch abzuwehren. Er war erschöpft, sie sah es ihm an, hörte es an seinen schweren Atemzügen, und sie beendete das Training.

 

„Wie kommst du mit den Basisflüchen voran?“, wollte sie beinahe vorsichtig wissen.

 

„So gut wie gar nicht“, gestand er tatsächlich ein.

 

„Ok, das… ist nicht schlimm“, behauptete sie. „Ich habe überlegt, dass wir die Einheiten entweder abwechseln, also morgen nur Basisflüche machen – oder wir üben den Cruciatus solange, bis du nicht mehr erschöpft bist und legen beide Einheiten zusammen.“ Sie ließ ihm die Wahl. Aber wenig begeistert hob er den Blick.

 

„Abwechseln klingt gut“, bestätigte er ihren ersten Vorschlag, und sie nickte. „Lust, deinen Patronus zu wechseln?“, fragte er sie, und Hermine brannte auf neue Trainingseinheiten. Sie hatte nämlich alleine geübt.


„Ja!“, sagte sie gespannt, zog den Zauberstab und ließ ihren Otter aus der Spitze schießen. Konzentriert, ohne Anweisung, zeichnete sie im Gedächtnis den Drachen, schwang den Zauberstab und nahezu sofort zerfiel ihr Otter, und silbrig glänzend flog nun ein riesiger Drache unter der Hallendecke.

 

„Sehr beeindruckend“, stellte er nickend fest. „Wechsel noch mal, dann versuch, den Drachen direkt zu beschwören.“ Es war angenehm, sich nur auf die Arbeit konzentrieren zu können, fand sie. Fast entspannend. Sie tat, wie ihr geheißen, wechselte auf den Otter, um ihn dann verschwinden zu lassen und konzentrierte sich erneut. Es war die Macht der Gewohnheit, den Otter zu erwarten, aber sie schloss die Augen, malte den Drachen, und – scheiterte kläglich.

 

Munter schoss ihr Otter aus der Spitze. Enttäuscht sank ihr Zauberstab und der Otter zerfiel.

 

„Kein Problem“, hörte sie Malfoys Stimme. „Komm her“, sagte er, und sie folgte ihm zu den Bänken der Halle, er stellte seine Tasche ab, holte Pergament und einen Kohlestift hervor und setzte sich. Er wartete, bis sie stirnrunzelnd neben ihm saß.

„Deine innere und äußere Vorstellung müssen sich irgendwann decken“, erklärte er, sehr neutral, sehr professionell. Es fiel ihr nicht schwer, ihm zuzuhören, zu verstehen, was er meinte, und mit einigen geschickten Zügen hatte er einfach so einen eleganten Drachen auf das Papier gezeichnet. Ihr Mund öffnete sich.

 

„Das kann ich nicht“, entkam es ihr direkt. Die Details waren beeindruckend, und mit einigen weiteren Kohlestrichen hauchte Malfoy dem Tier noch mehr Leben ein, ergänzte Schattierungen und Schuppenpanzer.

 

„Das musst du auch nicht. Es reicht, dass du den Ansatz verstehst.“ Er reichte ihr ein leeres Blatt.

 

„Du zeichnest mit links“, stellte sie fest. „Aber du zauberst mit rechts.“

 

„Ja“, sagte er darauf nur.

 

„Aber… die starke Hand sollte Zauberstabhand sein“, erwiderte sie, weil es sie verstörte.

 

„Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich die rechte Hand trainiere. Nicht die linke.“

 

„Das ist… mühsam und bescheuert“, entkam es ihr, und sie schloss den Mund sofort. Sie sollte aufhören, zu werten, aber er lächelte müde.

 

„Mein Vater ist mühsam und bescheuert“, bestätigte er bloß. „Spar dir dein Mitleid und fang an zu zeichnen, Granger“, ergänzte er mit einem halben Grinsen, und fast war es angenehm, dass keine Feindlichkeit zwischen ihnen herrschte.

 

Mit einem Lächeln schmierte sie einen schlechten Drachen aufs Papier.

 

„Und jetzt zeichne deinen Otter“, sagte er, und mit gerunzelter Stirn begann sie, ihren Otter aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Es gelang ihr wesentlich besser. Sie hatte sich an seine Form gewöhnt, seine Besonderheiten, und tatsächlich gelang ihr ein ansatzweise akkurates Bild. Aber es war nichts im Vergleich zu Malfoys Zeichnung, dachte sie widerwillig. „Siehst du? Perfekt“, schloss er schlicht.

 

„Alles andere als das, aber ich verstehe“, erwiderte sie nickend. „Hast du es so gelernt?“, wollte sie neugierig wissen, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Es hilft definitiv“, erwiderte er langsam. „Du übst dein Verständnis in das Tier, indem du es aus dem Gedächtnis heraus zeichnen kannst. Die Donnervögel waren nachtaktiv und scheu. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Nächte wir wach geblieben waren“, entfuhr es ihm kopfschüttelnd.

 

„Kann ich mir vorstellen. Waren dort andere Auroren?“, wollte sie plötzlich wissen, aber er schüttelte den Kopf.

 

„Nein, keine“, widersprach er. „Die meisten waren Magiterenäre, Studenten der Zauberstabkunde – wenige, die sich verwandeln wollten.“

 

„Mh“, machte sie dann. „Hast du… noch Kontakt?“, wollte sie belanglos wissen, und er sah sie an.

 

„Nicht wirklich“, räumte er ein. „Es waren überwiegend Leute aus Amerika. Da ist es kompliziert Kontakt zu halten, und… sagen wir, die kurze Affäre, die ich dort hatte, ist nicht gut ausgegangen“, schloss er stiller.

 

„Oh“, entkam es ihr überrascht. „Du hattest… Zeit dafür?“, entschied sie sich für dieses Ende, wenn auch ihr Mund wieder ohne Nachdenken sprach. Er hob einen Mundwinkel.

 

„Ich würde sagen, man denkt nicht immer darüber nach, ob man die Zeit für dumme Entscheidungen hat.“ Sein Ton klang einigermaßen belustigt, und ja, wahrscheinlich hatte er recht. Aber es war typisch für ihn, fand sie. Er fand irgendwie immer weiblichen Anschluss. Aber sie brauchte nicht überlegen tun. Er hatte sie gehabt. Und er schien sehr leicht drüber weg zu sein. Aber… das war sie schließlich auch. Fast war es mit einem Mal angenehm mit ihm zu reden.

 

Sie entschied sich, nichtssagend zu lächeln. Sein Blick fiel zurück auf das Pergament in seinem Schoß. „Genug abgelenkt“, wechselte er das Thema. „Lass uns weitermachen. Ich habe noch einen Termin“, sagte er, und sie verließen die Bänke wieder. Es war das vernünftigste Gespräch, was sie jemals mit ihm geführt hatte, ging ihr verblüfft auf.

 

Von ihr aus könnte es für immer so laufen, dachte sie, als sie ihm folgte.

 

~*~

 

Das einzig angenehme war, dass Blaise an seiner Seite verblieb. Er war eine ganze Weile nicht mehr im Club gewesen, aber eine verspätete Einladung zum Geburtstag seiner Mutter hatte ihn sofort nach seinem Einzug bei Blaise erreicht, in welcher sie ihn bat, zu ihrer Feier am Montagabend zu erscheinen.

Seit dem er neun Jahre alt war, trug er maßgeschneiderte Anzüge, aus so kostbarem Material, dass er es kaum noch merkte. Es beengte ihn nicht, störte ihn ebenso wenig und manchmal, während den harten Trainingsstunden in der Übungshalle, wenn seine Uniform mal wieder vor Ruß und Schweiß stank, vermisste er die hohle, höfliche Etikette seiner Herkunft. Schnell verflog diese Nostalgie allerdings wieder, und auch wenn er sich nicht unwohl im feinen Zwirn fühlte, so fühlte er sich auf ganze andere Art und Weise unwohl, wenn er sich im Club aufhielt. 

 

Die Blicke folgten ihm auch hier, verhohlene Worte wurden gewechselt, und Draco beschloss, einfach stur geradeaus zu starren, nicht stehen zu bleiben, bis er seine Mutter entdeckt hatte. Er kannte viele der Gesichter vom Sehen, wusste aber keine Namen – wollte er auch nicht. Weiter hinten, am Kamin, wo sich ein runder Tisch mit hundert bunten Geschenken offenbarte, erkannte er seine Eltern. Er streckte den Rücken durch, seine Mundwinkel zuckten lieblos, und Blaise senkte die Stimme.


„Du machst das wunderbar, Malfoy“, neckte ihn sein bester Freund.

 

„Halt dein Maul“, knurrte Draco durch zusammen gebissene Zähne, und wollte es schnell hinter sich bringen. Seine Mutter erkannte ihn. Sie verstand es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.


„Draco! Wie schön, dass du hier bist!“, rief sie über die Köpfe hinweg, und wenn ihn bisher jemand noch nicht bemerkt hatte, so wurde er spätestens jetzt begutachtet. Sie breitete sie Arme aus, und widerwillig schloss Draco den Abstand, ließ sich in die Umarmung ziehen, atmete den bekannten Duft von Vanille und Lavendel ein, nur um sich zügig von ihr loszumachen. Die Malfoys mochten vieles sein, aber übermäßig zärtlich gehörte eher weniger zu den gängigen Begriffen, mit denen man sie beschrieb.

 

„Herzlichen Glückwunsch, Mutter. Danke, für die Einladung“, erwiderte er bloß. Er nannte seine Eltern nicht Mum oder Dad. Lucius und Narzissa nur, wenn sie nicht anwesend waren, oder im Streit, wenn es herablassend klingen sollte, und er nahm an, es war bei ihnen allen gleich, hier im Club.

 

„Natürlich“, sagte sie sanft, aber er nahm an, würde er immer noch in der WG wohnen, hätte er nicht den Hauch an Beachtung erhalten. „Wie geht es dir? Du siehst erschöpft aus“, durchschaute sie ihn zügig, die Augen verengt.

 

„Alles in Ordnung“, sagte er, der Gewohnheit halber.

 

„Wirklich?“, vergewisserte sie sich.

 

„Mutter, wir müssen hier nicht darüber reden.“ Zu viele Leute hörten zu. Zu viele Ohren interessierten sich.

 

„Draco“, wandte sich sein Vater jetzt an ihn, und sein Blick hob sich langsam. Er hatte mildes Interesse an seinen Eltern gehabt, wollte sehen, ob es tatsächlich eine Wandlung gegeben hatte, wie Blaise es behauptete. „Schön, dich zu sehen!“, behauptete Lucius mit lauter Stimme, legte ihm tatsächlich die Hand auf die Schulter, und Draco musste einigermaßen angespannt wirken. „Wie ich hörte, wirst du trainiert, dem Fluch zu widerstehen?“ Draco nahm an, dass hätte Lucius in früheren Jahren überhaupt nicht gepasst, war der Cruciatus doch seine liebste Form der gewählten Strafe für ihn gewesen. Knapp atmete er aus.

 

„Von wem solltest du es hören?“, erwiderte Draco anstatt einer Bestätigung, anstatt einer Begrüßung.

 

„Ich bitte dich“, war alles, was er sagte. Als wäre es nachsichtig von ihm, in Frage zu stellen, dass Lucius nicht vollständig über sein Leben informiert wäre. Draco wollte gar nicht wirklich darüber reden. Nicht mit seinen Eltern. Erst recht nicht mit seinen Eltern!

 

„Draco, wie geht es dir bei den Auroren?“, mischte sich Geoffrey Parkinson väterlich ein, sah ihm gespannt entgegen. „Mutiger Zug von dir.“

 

„Wirklich?“, wollte Draco sparsam wissen, während er dem massigen Zauberer die Hand schüttelte.

 

„Aber sicher doch!“, rief er lachend. „Merlin, wie viele Verfahren ich gegen die verdammten Auroren geführt habe! Aber ich werde besser schlafen, wenn ich weiß, dass du einer von ihnen sein wirst. Wird Zeit, dass unsereins diese Position übernimmt“, erklärte er lächelnd. Dracos Mund öffnete sich. Unsereins? Die Todesser. Die Ehemaligen. Anscheinend wurde davon ausgegangen, er sei der ‚Underdog‘ der Reinblüter, der falsche Gerechtigkeit walten lassen wollte. Bevor er sich dazu äußern konnte, drängte sich Blaise neben ihn.

 

„Guten Abend, Mr. Parkinson“, begrüßte Blaise den Mann mit dessen Tochter er höchst unanständige Dinge trieb. Mr. Parkinsons Blick kühlte ab.

 

„Zabini“, begrüßte er diesen nickend, und Draco würde sich diese eisige Begrüßung merken. Er hatte einige Fragen.

 

„Sir, es ist schön, Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihrer Frau?“, bemühte sich Blaise mit einem strahlenden Lächeln um Sympathie.

 

„Es geht ihr gut“, erwiderte er knapp. „Entschuldige mich“, wandte er sich an Lucius, welcher ihn nickend aus ihrer Gesellschaft entließ.

 

„Verdammt“, murmelte Blaise neben ihm angespannt.

 

„Ich bin interessiert“, bemerkte Draco still, aber Blaise machte eine herrische Handbewegung.

 

„Nichts, was dich angeht“, knurrte er bloß. „Ich suche Pansy“, verabschiedete er sich kurzerhand von ihm, und Draco hätte ihn gerne gebeten, zu bleiben. Er wollte nicht alleine bei seinem Vater sein. 

 

„Ich würde dich gerne einigen Zauberern bekannt machen, Draco“, sagte Lucius jetzt.

 

„Ich bin hier wegen Mutter. Nicht, um deine Bekanntschaften zu treffen“, machte Draco es deutlich. Still, aber eindeutig. Lucius‘ Blick lag auf ihm.

 

„Das Ende des Monats naht, Draco. Dein Gehalt wird nicht im Ansatz deinen gewöhnlichen Lebensstil decken können. Ist es nicht anstrengend, gegen mich zu kämpfen? Mit jeder Faser?“, erkundigte sich sein Vater, mit einem falschen Lächeln. Ja, Draco hatte Schulden gemacht, konnte wohl nicht mal den Mietanteil zahlen, den er den Mädchen schuldete – aber was wollte Lucius? Dass er angekrochen kam? Dachte er, Gold würde ihn umstimmen? Dachte er, er wäre mittlerweile bestechlich? Draco biss die Zähne zusammen. „Du kannst Blaise auf der Tasche liegen, solange du willst, aber… es wird sich nicht ansatzweise so gut anfühlen, wie-“

 

„-dir auf der Tasche zu liegen?“, beendete Draco den Satz angespannt. „Glaub mir, da belästige ich lieber Blaise“, schloss er bitter. Lucius lächelte immer noch.

 

„Du weißt, dass ich am Ende gewinne, nicht wahr?“, wollte Lucius schließlich von ihm wissen. Draco verzog den Mund.

 

„Was möchtest du gewinnen, Vater?“, fragte er direkt.

 

„Ich möchte euch bitten, nicht zu streiten“, bemerkte seine Mutter jetzt eisig. „Nicht hier, nicht heute Abend.“

 

„Natürlich nicht, Liebes“, sagte Lucius sofort, schenkte seiner Mutter ein gewinnendes Lächeln und küsste ihre Wange. Draco verzog den Mund, hatte Zärtlichkeiten zwischen seinen Eltern immer gehasst, denn sie wirkten immer aufgesetzt und falsch. „Leland!“, rief er jetzt, erkannte wohl einen Zauberer von weitem, und der Mann kam zu ihnen. „Du kennst ihn sicherlich“, bemerkte er in seine Richtung, das Lächeln widerlich selbstgerecht. Draco hatte den Mann noch nie gesehen. Er war groß, dunkelhaarig, und ein dichter Schnurrbart bedeckte akkurat getrimmt seine Oberlippe. „Leland ist Leiter des Außenwesens im Ministerium“, erläuterte sein Vater. Draco begriff nicht, warum er ihn kennenlernen sollte. Und kurz bevor, der Mann in Hörweite war, lehnte sich sein Vater unauffällig näher zu ihm. „Oh, und er ist der Vater deine Freundin“, ergänzte er herablassend.

 

„Lucius“, begrüßte der Mann seinen Vater mit tiefer Stimme. „Du bist Draco?“, wandte er sich an ihn. Draco brach der kalte Schweiß auf den Handflächen aus. Er hasste seinen Vater. Mit tiefster Inbrunst. „Lara hat schon von dir erzählt.“ Hatte sie? Anscheinend nicht, dass sie nicht mehr zusammen waren, dachte er dumpf, während er seif die Hand des Mannes schüttelte. „Wie gefällt dir die Ausbildung?“, wollte Mr. Banks freundlich wissen.

 

„Ich – gut“, sagte er stockend. „Mr. Banks, nett, Sie kennenzulernen“, würgte er hervor.


„Gleichfalls. Ich kenne deine Eltern natürlich, aber… von dir hatte ich kein klares Bild. Du warst im Ausland?“, führte er das Gespräch fort, aus dem Draco verzweifelt einen Ausweg suchte.

 

„Ja. Ja, Arizona. Ich-“

 

„-du hast ein Seltenheitszertifikat“, sagte der Mann anerkennend. „Nichts, mit dem dein Vater hausieren gegangen ist.“

 

„Es war Zeitverschwendung.“ Lucius enttäuschte nicht, behielt seine Meinung nicht für sich.

 

„Für die Aurorenabteilung kann es nützlich sein“, behauptete Mr. Banks, der wohl selber nicht sicher war, ob es stimmte. „Lara sagt, deine Verwandlung ist mehr als eindrucksvoll?“

 

„Das weiß ich nicht“, sprach Draco trocken, während ihm heiß und kalt wurde.

 

„Bescheiden. Gute Eigenschaft“, bemerkte er lächelnd. „Hat Lara dich heute nicht begleitet?“, wollte Mr. Banks schließlich wissen, und die Art und Weise, wie Lucius lächelte sagte Draco, dass sein Vater Bescheid wusste. Über zumindest einige Details, die Mr. Banks unbekannt waren.

 

„Ich…- nein. Wir hatten… einen kleinen Streit“, versuchte Draco, zu retten, was er nicht retten konnte. Mr. Banks wirkte enttäuscht.

 

„Tatsächlich? Wie unglücklich. Ich nehme an, es wird sich einrenken. Lara kann… hitzig sein“, ergänzte er, mit zuckenden Mundwinkeln.

 

„Es war meine Schuld“, sagte Draco peinlich berührt.

 

„Na ja, du wirst es richten, nicht wahr?“, wollte Mr. Banks lächelnd wissen, und Dracos Mund schloss sich überfordert.

 

„Vielleicht, ja“, bestätigte er.

 

„Du wirst eine Einladung zum Essen erhalten, sobald ich mit Lara gesprochen habe“, versicherte Mr. Banks ihm, und Draco hoffte, dann bereits sehr weit weg zu sein.

 

„Ich – ja. Ok. Vielen- vielen Dank, Mr. Banks, Sir“, entkam es ihm hastig.

 

„Noch einen schönen Abend euch“, bemerkte der Mann in Lucius‘ Richtung, und sein Vater stand entspannt neben ihm, während Draco seinen teuren Anzug vollschwitzte.

 

„Bemerkenswert“, sagte Lucius dann.

 

„Was soll das?“, zischte er praktisch. „Woher-?“

 

„-woher was?“, unterbrach ihn Lucius zufrieden. Aber Draco nahm an, Lucius wusste nichts. Vermutete lediglich. „Woher weiß ich, dass du deine Beziehung vergeigt hast?“, schien er zu erraten. „Nun, reine Intuition. Du wohnst wieder bei Blaise, du bist hier allein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Unterfangen scheitert. Ebenso wie die Ausbildung scheitern wird“, ergänzte er schlicht. „Und wie gut, dass du immer noch einen Vater hast, der sich kümmern wird. Der dir den Rücken nach wie vor freihält.“ Draco sah ihn hasserfüllt an. Er hielt ihm gar nichts frei. Draco hatte den metaphorischen Zauberstab seines Vaters im Rücken – nichts weiter.

 

Er sagte nichts dazu, hielt den Mund, und seine Kiefer mahlten aufeinander. „Arthur!“, rief Lucius schließlich, bevor Draco klug genug war, zu verschwinden. Und Draco spürte, wie er sich versteifte, wie er Kopfschmerzen bekam vor Anspannung. Arthur Greengrass hob die Hand zum Gruß, und er war nicht allein. Seine Tochter begleitete ihn. In einem verboten kurzem, schrecklich offenherzigem Kleid.

 

„Lucius, Draco“, begrüßte der fremde Mann ihn, wie einen alten Freund. „Du kennst meine Tochter Astoria?“, fragte er, und das hübsche Mädchen mit dem halbmondförmigen Muttermal schenkte ihm ein Wolfslächeln. Die blauen Augen dunkel geschminkt, die Lippen rot und einladend. Draco hoffte, Blaise käme so schnell wie möglich zurück. Er hatte das ungute Gefühl, in eine mehr als gefährliche Falle getappt zu sein.

 

„Schön, dich wiederzusehen, Draco“, sagte Astoria mit sanfter Stimme. Sie war verdammte achtzehn. Wer ließ seine Tochter so rumlaufen? Mit achtzehn?! Er schluckte schwer.

 

„Hey“, rang er sich ab, nicht willig, viel mehr oder noch wesentlich länger mit ihr zu sprechen.

 

„Mein erstes Mal hier“, erwiderte sie. „Würdest du mir den Club zeigen?“, fragte sie unschuldig genug, und Lucius antwortete, bevor Draco ablehnen konnte.

 

„Natürlich, Astoria. Du bist in sehr guten Händen“, versprach er dem Mädchen, und Draco sah sich außerstande, eine Szene zu machen. Schon ging Astoria lächelnd voran, und Draco folgte, nicht ohne Lucius noch einen tödlichen Blick zu schenken. Er wusste, warum er seine Eltern hasste. Garantiert war seine Mutter nicht unschuldig an diesem Plan.

 

Wo war Blaise? Er musste diese Mädchen schleunigst irgendwo abladen. Am besten innerhalb der nächsten Minute.

 

 

22. headgirl

 

Sie war tatsächlich interessiert an den Räumlichkeiten, von denen Draco wenig Ahnung hatte. Er führte sie nur in Räume, wo genügend andere Menschen waren und helle Lampen leuchteten, immer auf der Suche nach Blaise und Pansy.

 

„Hast du Angst vor mir?“, erkundigte sich das viel zu junge Mädchen bei ihm, beinahe belustigt. Alles, was er ihr schenkte, waren kurze Blicke, nichts tiefergehendes als das. Nie länger als zwei Sekunden sah er sie an.

 

„Wieso sollte ich Angst vor dir haben?“, wich er in die offensichtliche Gegenfrage aus, ohne sie anzusehen.

 

„Du gehst sehr schnell, meine Schuhe sind sehr hoch. Du scheinst keine Zeit mit mir verbringen zu wollen, als wärst du in Eile – du siehst mich nicht an?“, schlug sie ihm langsam vor. Kurz musterte er sie von der Seite.

 

„Du bist Schülerin“, sagte er knapp.

 

„Ich bin reif für mein Alter“, erwiderte sie prompt. „Und was soll das bedeuten?“, ergänzte sie, den Blick spöttisch auf ihn gerichtet.

 

„Ich weiß, was du tust“, stellte er klar. „Die Einladung in Hogsmeade, die Nachricht im Gangs“, fuhr er grimmig fort.

 

„Ich versuche, Kontakt mit dir aufzunehmen, Draco“, entkam es ihr falsch und höflich.

 

„Nein“, widersprach er gedehnt. „Das ist es nicht, was du tust.“

 

„Was tue ich dann?“, wollte sie herausfordernd wissen und blieb auf einem verlassenen Flur demonstrativ stehen.

 

„Ich werde hier nicht alleine mit dir stehen bleiben“, warnte er sie lediglich kurz angebunden, bevor er mit zügigen Schritten weiter ging, der angelehnten Verandatür entgegen, die auf das ausladende Gelände führte, wo er genügend Augenzeugen erkannte, die bestätigen konnten, dass er einen angemessenen Sicherheitsabstand zu einer Schülerin einhielt. Auch hier waren Laternen entzündet, und er verblieb nur in der Reichweite der Lichtkegel.

 

„Draco!“, rief sie ihm nach und folgte ihm schließlich nach draußen. Er tat einen erleichterten Atemzug, als fremde Zauberer sie entdeckten. „Es war ein Spaß gewesen“, ergänzte sie etwas außer Atem, als sie neben ihm angekommen war.

 

„Dir war vollkommen klar, was meine Freundin denken musste“, gab er bitter zurück. Astoria schwieg tatsächlich.

 

„Ich hatte keine böse Absichten“, log sie unschuldig, und Draco hasste Slytherin-Mädchen.

 

„Ich unterstelle dir nichts anderes, als böse Absichten, Astoria“, korrigierte er sie mit einem weiteren kurzen Blick.

 

„Es ist wohl nicht meine Schuld, wenn deine Beziehung ein wenig Spaß nicht aushält“, entgegnete sie beleidigt. Er presste die Zähne aufeinander. Unheil stiften, Zorn säen, Zerwürfnisse beschwören – das war alles, was Slytherins konnten.

 

„Du hattest keinen Grund. Mit mir Kontakt aufzunehmen war eine dumme Idee. Ich habe keinerlei Interesse an Kontakt zu dir“, informierte er sie kopfschüttelnd.

 

„Warum nicht?“ Zum ersten Mal klang sie ehrlich entrüstet. Wieder streifte sie sein Blick.

 

„Du bist Schülerin“, wiederholte er knapp.

 

„Und was bin ich in fünf Monaten?“, fragte sie ihn mit hochgerecktem Kinn, und scheu vor Auseinandersetzungen – oder Abweisungen – war sie wohl nicht.

 

„Niemand, mit dem ich Kontakt haben werde“, machte er es noch deutlicher.

 

„Mein Vater sagt-“

 

„-und denkst du ernsthaft, ich wurde gefragt?“ Er fuhr zu ihr herum, sah ihr ernsthaft zornig ins Gesicht, und sie schwieg, bevor er den Blick wieder stur nach vorne richtete, während sie Mühe hatte, ihm durch das Gras zu folgen, aber folgen tat sie ihm nichtsdestotrotz.

 

„Was spricht dagegen?“, wollte sie tatsächlich wissen. Er blieb stehen und atmete aus. Er vergewisserte sich, dass sie sich immer noch im Sichtfeld der übrigen Gäste des Clubs befanden, bevor er sich umdrehte.

 

„Was willst du nach Hogwarts machen, Astoria?“ Kurz wirkte sie beleidigt und verschlossen, so als wäre sie dies bereits von ihren Lehren oder Eltern gefragt worden und hätte auch dann keine Antwort parat gehabt.

 

„Keine Ahnung, Draco.“

 

„Du hast keine Ahnung, was du mit deinem Leben anfangen möchtest, außer eine arrangierte Ehe mit mir einzugehen, mit achtzehn?“, erkundigte er sich. „Warum? Weil es aufregend klingt? Weil du denkst, du kannst dir was beweisen? Weil du eigentlich zu faul bist, dich weiterzuentwickeln und dich für den Rest deines Lebens auf irgendeinem Vermögen ausruhen willst, als niemand? Als Frau von irgendwem? Als Mutter von Kindern, für deren Erziehung du viel zu jung bist?“

 

„Wir müssten nicht sofort Kinder kriegen“, sagte sie diplomatisch, ignorierte scheinbar jedes andere seiner Argumente, störte sich nicht mal an seinen Beleidigungen an ihrem Charakter. Seine Augen weiteten sich ungläubig. „Wir könnten reisen? Die Welt sehen?“, schlug sie achselzuckend vor.

 

„Astoria, ich mache eine Ausbildung im Ministerium, um zu arbeiten. Jeden Tag. Mit einem Gehalt, was wahrscheinlich nicht mal ein Bruchteil deines Taschengeldes ist“, bemerkte er bitter. „Sofern du ernsthaft Interesse an einer arrangierten Ehe zu einem Mann hast, der nichts weiter tut, als sich auf Gold auszuruhen und Reisen mit seiner Frau unternimmt, schlage ich vor, dich anders zu orientieren – und du solltest keine Angst vor einem sehr großen Altersunterschied mitbringen“, ergänzte er vielsagend. Ihr Mund verzog sich.

 

„Merlin, Draco. Wir könnten einfach… verheiratet sein. Eine Ehe führen. Du gehst arbeiten, ich kümmere mich um die Kinder. Oder den Garten“, ergänzte sie und verdrehte die Augen.

 

„Das ist kein Spiel“, erklärte er gereizt. „Das ist dein Leben, was du wegwerfen willst. Für einen Mann, der dich nicht liebt. Der dich nicht mal leiden kann.“ Ernsthaft sah sie ihn an.

 

„Wie ich es verstehe, wirfst du dein Leben weg, nicht ich“, sagte sie, und ihre Stimme bebte tatsächlich. „Dein Vater hat dir das Gold gestrichen? Du hast keinen Sickel zu deinem Namen – und alles wegen einer Aurorenausbildung? Durch eine Ehe mit mir würde mein Vater dich bei den Unsäglichen unterbringen, alles ungeschehen machen. Dein Vater gibt dir dein Gold zurück – was ist daran so schlimm?“ Sie war im Bilde, das gestand er ihr wohl zu. „Dass du dich fügen müsstest? Dass du deinen Vater hasst? Du kannst deinem Namen sowieso nicht entkommen. Wieso wehrst du dich so sehr? Was kann besseres auf dich warten, als das, was ohnehin für dich vorherbestimmt ist?“ Er blinzelte knapp. „Der Job, den du willst, eine reiche, absolut angemessene Reinblüterin, deren Name kein Bezug zum Krieg aufweist. Wen interessiert es, dass es arrangiert ist? So funktioniert unsere Gesellschaft. Nur so erhalten wir unsere Gesellschaft. Niemand sonst hat Verständnis für uns. Und welcher Außenstehende würde die Vergangenheit deiner Familie einfach so akzeptieren? Du kämpfst einen aussichtslosen Kampf, Draco.“

 

Sein Mund blieb verschlossen, aber er sah sie seit einer geschlagenen Minute an.

 

„Wir passen gut zusammen“, stellte sie schließlich fest. „Ich denke, ich bin dein Typ, und ich denke, es ist nicht schlimm, dass du eine Frau bekämst, die dich tatsächlich mag, seitdem sie dich das erste Mal gesehen hat“, fuhr sie fort, und er schluckte knapp. Sie war ihm nie aufgefallen. Nicht eine Sekunde lang, dachte er bloß. Er kannte sie nicht und wollte es auch niemals tun. „Ich bin nicht dumm“, ergänzte sie, als sie ihre schmale Handtasche öffnete. „Auch wenn es viele denken mögen, dich eingeschlossen. Die Entscheidungen, die ich treffe, sind meistens klug und am besten für mich und alle beteiligten geeignet.“ Mit diesen Worten steckte sie sich blind das silberne S an das ausladende Revere ihres Kleides. „Falls du Zweifel an meiner Intelligenz oder meinen übrigen Möglichkeiten nach Hogwarts haben solltest.“

 

Seine Lippen teilten sich abwesend. Sie war nicht dumm, sie war nicht faul. Mit einem letzten Blick aus ihren blauen Augen wandte sich die Schulsprecherin von Slytherin von ihm ab, um durch das Gras zurückzustapfen.

 

Wo, Salazar verflucht, war Blaise?! Die Schulsprecherin wollte ihn heiraten. Nicht, dass es seine Meinung änderte, aber dass sie tatsächlich klug war, brachte ihn zum Nachdenken. Und das wollte er wirklich nicht. Denn für eine Sekunde hatte er seine Zukunft gesehen. Nicht speziell mit ihr, aber er hatte gesehen, wie es wäre, sollte er sich für seine Herkunft entscheiden. Den einfachen Weg nehmen.

 

Er durfte nicht vergessen, dass es sein gesamtes Ziel war, aus dieser Gesellschaft zu entkommen, nicht zurückzukehren. Und er war weit gekommen, soweit wie keiner von den anderen. Und er durfte nicht zurückblicken, nicht umkehren. Und unterm Strich, war die Tatsache, dass sie Schulsprecherin war, nur ein Indikator dafür, dass er noch wesentlich vorsichtiger zu sein hatte.

 

~*~

 

„Erzähl mir von dir“, bat Sam sie, als sie durch den Park spazierten, zwei Chais in der Hand, und Hermine die letzte Herbstwärme genoss, während sich die Blätter bereits vollständig färbten. Sie lächelte in ihren Becher, bevor sie einen Alibischluck trank.

 

„Ich glaube, da gibt es keine großen Geheimnisse mehr“, erwiderte sie achselzuckend.

 

„Ich bin sicher, neben Weltretten hast du noch andere Hobbys, andere Qualitäten, oder nicht?“, wollte er eindeutig wissen.

 

„Ich lese gerne“, erklärte sie grinsend, und er erwiderte die Geste.

 

„Ja? Irgendwas außerhalb der Norm?“

 

„Nicht wirklich“, räumte sie ein.

 

„Also nur Jane Austen, Stephen King, Per Anhalter durch die Galaxis?“, zählte er nickend auf, und sie starrte ihn an. „Ich bin halb Muggel, schon vergessen?“ Ihr Mund öffnete sich knapp. Ja, sie hatte es vollkommen verdrängt. „Wir können über alles Mögliche reden. Die langen Schlagen bei Starbucks, lächerliche Benzinpreise“, fuhr er spöttisch fort. „Und wie langsam das Internet auf dem Land ist“, schloss er gespielt entrüstet. Sie musste grinsen.


„Darüber weiß ich leider gar nichts. Ich… habe keinen Führerschein und… Internet habe ich noch nie benutzt“, erwiderte sie fast beschämt.

 

„Leben deine Eltern in der Steinzeit?“, erkundigte er sich lachend, aber ihr Blick fiel wieder in ihren Tee.

 

„Nein, ich denke nicht, aber… sie leben nicht hier“, schloss sie knapp.

 

„Nicht in England? Dann ist es wahrscheinlich zu weit, sie am Wochenende zu besuchen? Aber… ist ihr Kamin nicht freigeschaltet?“, vermutete er für sich, konnte sich wohl nicht erklären, warum sie Muggel-Dinge nicht kannte, und Hermine wog ab, ob sie mit ihm reden konnte, ob sie es überhaupt wollte.

 

„Wir haben nicht… wirklich Kontakt“, wich sie in eine Notlüge aus, und Sams Augen weiteten sich. Besser, sie hielt diese Schublade an Problemen verschlossen. Wozu der Schmerz und der Ärger?

 

„Oh… scheiße. Tut mir leid, ich bin ein absoluter Idiot. Weißt du, der Großteil meiner Familie hat keinen Kontakt zu mir, also sollte ich nicht so naiv sein. Entschuldige bitte. Vergiss die Frage“, ergänzte er betreten.

 

„Schon gut“, räumte sie neutral ein. „Das Thema kommt selten auf hier“, ergänzte sie schlicht.

 

„Schon klar“, sagte er.

 

„Ich verbringe die meiste Zeit mit Harry und Ginny. Ginny bekommt bald ihr Baby, und das ist ziemlich aufregend“, wechselte sie das Thema.

 

„Wahnsinn“, sagte Sam nickend. „Ich kann mir nicht vorstellen, zu heiraten, und Harry Potter bekommt ein Kind. Er ist noch nicht mal fertig“, sagte er kopfschüttelnd.


„Ich denke nicht, dass es bei Harry Schwierigkeiten geben wird“, machte sie es deutlich.

 

„Nein, natürlich nicht. Den armen Irren möchte ich erleben, der Harry Potter den Aurorenstatus nicht zuerkennt. Muss er überhaupt die Ausbildung machen? Oder du? Ich meine-“

 

„-warum nicht?“

 

„Weil… ihr alles gerettet habt. Ohne euch gäbe es überhaupt keine Ausbildung mehr. Vielleicht“, ergänzte er unsicher. „Ihr seid… besonders“, schloss er dann.

 

„Das mag sein. Aber am besten, man behandelt auch solche Menschen wie alle anderen, damit sie sich nicht… anders fühlen“, schloss sie eindeutig.

 

„Macht Sinn“, erwiderte er. „Merlin, du musst denken, ich bin ein Vollidiot“, sagte er schließlich gequält, verzog den Mund, und sie sah zu ihm auf. Er war angenehm groß.

 

„Das denke ich nicht“, widersprach sie lächelnd. „Du bist mit mir weg, trotz Samstag“, ergänzte sie. Er atmete lange aus.

 

„Tja, ich… mag dich. Ich hoffe einfach, das beruht auf Gegenseitigkeit“, war alles, was er sagte. Sie spürte die sanfte Hitze in ihren Wangen.

 

„Ja“, sagte sie scheu. „Das tut es, Sam“, bestätigte sie mit roten Wangen. „Und wegen Malfoy“, ergänzte sie dann, und seine Gesichtszüge spannten sich merklich an. „Ich will nicht über ihn reden, keine Sorge“, unterbrach sie sich sofort. Er senkte den Blick auf ihr Gesicht. „Ich… weiß nur, dass er sich schwer tut… hier. Bei uns. Und er mag dich, und… ehrlich gesagt, habe ich ihn geküsst. Nicht umgekehrt. Und…“ Sam runzelte die Stirn, ob ihrer vielen Worte.

 

„Hat er es verhindert?“ Er sprach, wie Malfoy es tat. Hermine seufzte auf.

 

„Nicht… nicht direkt“, räumte sie ein. „Aber… ich meine, welcher Junge verhindert schon freiwillig einen Kuss – wenn es nicht gerade grottenschlecht ist?“, wagte sie einzuwerfen.

 

„Worauf willst du hinaus?“ Er klang nicht mehr ganz so freundlich.

 

„Vielleicht brichst du den Kontakt nicht ab?“, bat sie ihn still.

 

„Wieso interessiert es dich? Seid ihr befreundet, oder…?“

 

„Nicht wirklich“, entgegnete sie schnell. „Aber…“

 

„Aber?“ Er wartete auf ihre Antwort, und sie blieben stehen.

 

„Aber ich glaube, er wollte dich wirklich nicht verletzen.“ Sie wusste nicht, ob sie richtig lag. Sie wusste nur, dass es nicht ging, dass Sam wütend auf Malfoy war, wenn Hermine gezwungen war, privat mit ihm zu arbeiten. „Und ich werde ihn weiterhin sehen. Wir werden zu zweit sein, und ich weiß nicht, ob ich bei dir sein kann, wenn du wütend bist, dass ich mit ihm trainiere.“

 

„Wieso sollte ich wütend sein?“, fragte er sie dann.

 

„Weil…“ Sie zögerte.

 

„Du hast mir versichert, du hast kein Interesse an ihm, und ich glaube dir“, schloss er schlicht. Überrascht weiteten sich ihre Augen. „Oder kann ich dir nicht glauben?“

 

„Doch! Doch, natürlich!“, sagte sie vehement. „Ich-“

 

„-ich bin nicht sauer auf ihn. Nicht mehr. Ich meine, ich habe dich jetzt, richtig?“, wollte er vorsichtig wissen.

 

„Ich würde sagen, ja“, bestätigte sie lächelnd.

 

„Gut. Das ist… gut.“ Noch immer standen sie, und es zog in ihrem Bauch. Sie sahen sich an, und Sam reagierte schließlich, schloss den Abstand, und Hermine hatte keine Ahnung, ob sie es ihm schwerer machen musste, drei Dates warten sollte, bis sie ihn küsste, aber sie wollte gar nicht. Sie wollte die Geister des Wochenendes verscheuchen, und es schien ihr die ideale Waffe zu sein.

 

Er legte den Arm um ihre Taille, brachte sie näher, und ihr Kopf lehnte sich zurück, und schon lagen seine vollen Lippen auf ihren. Ihre Hand griff automatisch in seinen Nacken, ihre Augen schlossen sich, und sie öffnete die Lippen, um ihn zu schmecken. Er schmeckte nach Tee, und seine Zunge focht sanft mit ihrer, und sie verlor sich gänzlich in seinen harten Muskeln, seiner Sinnlichkeit und seinem Duft.

 

Er löste sich irgendwann, die Pupillen geweitet. „Ok“, murmelte er atemlos. „Das… das war…“

 

„Perfekt“, hauchte sie lächelnd.

 

„Was… was machst du Freitag?“, fragte er sie drängend. Ihre Mundwinkel hoben sich, als sie ihm sagen wollte, dass sie mit ihm ausgehen würde, aber dann sanken ihre Schultern. „Was?“ Er hatte ihre Enttäuschung bemerkt.


„Ich habe Harry und Ginny versprochen, dass ich zum Essen komme.“ Eigentlich hatte sie es nur Ginny versprochen, denn sie sprach zurzeit nicht mit Harry, aber sie hatte vorgehabt, eine ernste Aussprache mit ihm zu haben.

 

„Oh“, sagte er, ebenfalls enttäuscht. Dann runzelte sich seine Stirn. „Ist… ist es privat, oder… kannst du ein Date mitbringen?“ Er wirkte hoffnungsvoll, und sie nahm an, Ginny würde ausflippen vor Freude. Sie biss sich auf die Lippe.

 

„Ich denke…, das wäre ok?“, verließ es als Frage ihren Mund.

 

„Ja?“, vergewisserte er sich, und sie nickte schließlich.


„Wenn du darauf Lust hast?“

 

„Harry Potter privat kennenzulernen? Ja, definitiv“, bestätigte er. „Aber… wesentlich dringender würde ich dich gerne sehen.“ Wieder zog es in ihrer Magengegend.

 

„Ok. Dann… ja!“

 

„Dann ist das unser offizielles erstes Date. Obwohl es wieder ein Doppel-Date ist“, kam ihm nachdenklich in den Sinn. „Dann ist es besser inoffiziell, bis wir wissen, wie es gelaufen ist“, schlug er vor, und sie musste lachen.


„Abgemacht“, bestätigte sie grinsend.

 

„Abgemacht“, wiederholte er lächelnd. „Komm, ich bringe dich zurück. Du hast gleich Training, oder nicht?“ Sie versuchte, ihm irgendeinen Stimmungsumschwung anzumerken, aber wenn es ihn störte, verbarg er es gut.

 

„Sicher?“, wollte sie knapp wissen, und er legte den Arm um ihren Rücken.

 

„Absolut.“

 

 

23. moving onward

 

Er war die restliche Woche sehr abwesend gewesen. Wenn Sam sie runter brachte, war Malfoy bereits da und trainierte Basisflüche mit den magischen Dummys, und er war sehr konzentriert. Er begrüßte Sam zwar, aber es fand kein weiterer Austausch statt. Auch sie wurde von ihm begrüßt, aber nicht wie jemanden, den er nackt gesehen hatte. Eher wie jemanden, den er flüchtig kannte und dessen Namen ihm kurzzeitig entfallen war. Sie wusste nicht, ob es sie störte, ob sie es unhöflich fand, aber sie sprach ihn darauf nicht an.

 

Sie waren mit dem Cruciatus nicht viel weiter gekommen, und sie wusste, es frustrierte ihn. Heute war es wieder soweit, obwohl er wesentlich größere Fortschritte mit dem Basistraining machte. Aber er musste den modifizierten Fluch beherrschen, also verblieb ihnen kaum eine Wahl. Er schien sich in seine Ausbilderposition eingefunden zu haben, und ihr Unterricht machte ihr immer mehr Spaß. Sie konnte den Drachen mittlerweile nahezu auf Anhieb, was ihr Lob von Sam einbrachte. Nicht von Malfoy. Aber sie suchte auch kein Lob und keine Anerkennung. Sie wollte in einem halben Jahr ihren Schein machen. Vor allen anderen.

 

„Ich hole dich später gegen halb neun ab“, verabschiedete sich Sam mit einem sinnlichen, viel zu kurzen Kuss.

 

„Ok“, bestätigte Hermine und wusste, Ginny hatte sich nicht nehmen lassen, ein Vier-Gänge-Menü zu kochen. Sie würde ihr eigenes Training kürzer fassen müssen, aber es war ok. Sie machte gute Fortschritte.

 

„Bis dann, Malfoy“, verabschiedete sich Sam mit kurzem Gruß, und Malfoy hob die Hand ebenfalls. Dann verschwand Sam und Hermine atmete knapp aus. Wieder ein unangenehmes Training.

 

„Bereit?“, fragte sie also, kürzte jedes nicht vorhandene Gespräch sofort ab, und er ließ den Dummy wieder im Abstellraum verschwinden.

 

„Ja“, bestätigte er tonlos, neutral. Er ging in Position. Er wirkte nicht zuversichtlich, nicht begeistert, und sie wusste, er zählte lediglich die Minuten, bis es vorbei war. Seine Haare waren lang geworden, stellte sie am Rande fest, denn er musste sie bereits hinter seine Ohren stecken, wo sie auch blieben. Sie machte sich nicht die Mühe zu fragen, ob er in der rechten Verfassung sei. Sie war nicht mehr so dumm.

 

„Crucio!“, sagte sie, ohne Kraft hinter den Worten, und er rang mit dem Fluch, der sofort von seinem Mal Besitz ergriff. Schmerz zeichnete seine Züge, und sie wusste, sein Kampf war ehrenhaft. Das war, was ihr Mitleid schürte. Unter größter Anstrengung, mit Schweiß auf der Stirn, schaffte er es, den Zauber abzuwehren.

 

„Mehr Wucht“, verlangte er außer Atem, und sie war klüger, auch diesen Wunsch nicht zu hinterfragen. Das waren die Gespräche, wo der Streit lauerte. Sie wusste es mittlerweile. Sie wartete, bis er in Position gegangen war, und dieses Mal drehte sie den Zauberstab. Dieses Mal legte sie ein wenig mehr Abscheu in den Fluch, etwas mehr Schmerz.

 

„Crucio!“, sagte sie mit kalter Stimme, und das Ergebnis war direkt ein anderes. Sofort fiel er auf die Knie, und sie widerstand dem Wunsch, den Fluch sofort zu unterbrechen. Zitternd hielt sie den Zauberstab aufrecht, ließ den Fluch mehr Wirkung entfalten, und keuchend ging sein Atem. Sie beobachtete ihn aufmerksam, achtete auf die Anzeichen, die Lorrie ihr deutlich gemacht hatte. Sie kam auf ihn zu, immer näher, bis sie keinen Meter vor ihm stand, während er am Boden kämpfte.

 

„Malfoy, sag, wenn ich aufhören soll“, ermahnte sie ihn, durch zusammengebissene Zähne, während sie den Fluch stabil hielt.

 

„Noch-nicht!“, knurrte er, umklammerte mittlerweile seinen Unterarm, während er sich auf die Unterlippe biss. Sein Oberkörper war vornübergebeugt.

 

„Dann kämpf!“, befahl sie ihm. „Verbann den Fluch, konzentrier dich und schieb mich aus deinem Geist!“

 

„Oh wirklich?“, keuchte er gereizt. „Das ist es, was ich machen soll?“, spuckte er ihr praktisch entgegen, die Stimme hart vor Sarkasmus.

 

„Hör auf zu streiten und arbeite!“, verlangte sie wieder, und zornig bäumte er sich auf, aber er würde es nicht schaffen. Blut lief aus seinem linken Nasenloch, und ihr Atem ging schneller. Sie hob den Zauberstab, bereit, den Fluch zu brechen.

 

„Wag es ja nicht!“, knurrte er, den Blick kochend vor Zorn und Schmerz. Sie biss die Zähne zusammen. Abwesend wischte er sich mit dem Handrücken das Blut vom Gesicht, bevor er grollend seinen Unterarm umklammert hielt. Tränen füllten ihre Augen, als sie seinen Körper zittern sah. Aber er schaffte es, den Fuß auf den Boden zu setzen, kämpfte sich höher, und vornübergebeugt, schaffte er es, auf beiden Beinen zu stehen, bevor sich ein immenser Schrei aus seiner Kehle rang. Wut, Verzweiflung, Zorn – alles mischte sich in diesem unmenschlichen Laut, und eine Träne fiel auf ihre Wange. Sie tat ihm das an. Sie fügte ihm Schmerzen zu. Dann hob er den Kopf, zwang sich in die Aufrechte, streckte den Rücken durch, ließ seinen Arm los, und mit schierer Geisteskraft kämpfte er. Sie spürte plötzlich den Widerstand, seinen Drang, seine Kraft. Der Fluch brach, wurde gestört. Sein tränenverhangener Blick traf ihren eigenen. Tränen fielen auf ihre Wangen, und mit letzter Kraft verbannte er sie aus seinem Geist. Der Zauber brach und fast flog ihr der Zauberstab aus der Hand.

 

Schwer atmend stützte er sich auf seinen Knien ab.

 

„Malfoy“, flüsterte sie erschüttert, „das war-“

 

„-spar es dir“, unterbrach er sie rau. „Es war schlecht. Es war schwach. Und jeder andere als du, hätte mich ausgeschaltet“, fasste er die Übung zusammen. Es stimmte wahrscheinlich. Aber der Sinn war, dass er lernte. Mit ihr. Mit jemandem, der ihn nicht ausschalten wollte. Er hob den Blick. „Bitte, hör auf zu heulen“, sagte er kalt. Zornig wischte sie sich die Tränen von der Wange. „Ich habe keine Lust, diese Schwäche zu überwinden, nur um jedes Mal, wenn ich vielleicht angegriffen werden sollte, dein heulendes Gesicht vor meinem inneren Auge als Motivation zu sehen“, knurrte er erschöpft.

 

„Ich bin deine Motivation?“, entkam es ihr bloß.

 

„Nein“, widersprach er gefährlich gereizt. „Dass du aufhörst, dein überschwängliches Mitleid zu demonstrieren, ist meine Motivation“, korrigierte er sie knapp.

 

„Du bist ein Arschloch“, sagte sie still.

 

„Und vergiss es nicht“, warnte er sie, nachdem er sich gefasst hatte, mit dem Zauberstab stumm das Blut entfernte und sich heilte. „Ich habe Gold für dich“, schien ihm nebenbei einzufallen, und er verschwand zu den Bänken. Sie war noch immer etwas neben sich. Dieses Training war zu hart für sie. Sie würde davon träumen.


„Was?“, sagte sie, als sie seine Worte verstanden hatte.

 

„Der Mietanteil“, ergänzte er.

 

„Malfoy“, begann sie stirnrunzelnd.

 

„Ich will es nicht vergessen.“ Er übergab ihr einen Umschlag, und sie nahm ihn wortlos an. Es war ein eigenartiger Moment.

 

„Ok. Danke“, erwiderte sie unwillig und steckte den Umschlag in ihre Tasche.

 

„Und jetzt noch mal“, befahl er ihr.

 

„Malfoy, du solltest-!“, begann sie entrüstet, aber er wandte sich zu ihr um.

 

„-ich sollte trainieren. Ich sollte es lernen. Ich kann mich nicht jedes Mal ausruhen. So lerne ich es nicht, Granger!“, unterbrach er sie müde.

 

„Aber du wirst es nicht schneller lernen, wenn du keine Kraft hast! Du musst dich ausruhen, du-“

 

„-ich denke, dass es mittlerweile offensichtlich ist, dass ich keine Zeit habe, mich auszuruhen. Ich kann mir nicht freinehmen, mich von Pflichten lossagen. Du wirst einfach damit zurechtkommen müssen, dass mein Grundzustand einfach müde und erschöpft ist, verdammt noch mal!“, fuhr er sie an.

 

„Du könntest-!“, begann sie wütend zu widersprechen, aber er fuhr sich zornig durch die Haare.

 

„-wieso streitest du mit mir? Wieso arbeitest du nicht einfach? Wieso tust du nicht, worum ich dich bitte? Was bringt dir der Streit? Du weißt genau, dass ich nicht einlenken werde, nicht auf dich höre! Also warum, Granger?!“

 

„Weil ich Recht habe, Malfoy!“, schrie sie praktisch. „Weil es einfach gegen meine Natur geht, etwas Dummes und Falsches zu akzeptieren! Weil ich es so oft tun werde, bis du einsiehst, dass ich Recht habe!“ Er sah sie mit einiger Anstrengung und Erschöpfung an. „Ich will es nicht!“, ergänzte sie wütend. „Ich will dir nicht helfen, ich will kein Mitleid haben – es sollte mir egal sein – aber das ist es nicht. Und das ist dein verdammtes Pech, nicht meins! Du hast es dir so ausgesucht!“, warnte sie ihn.

 

„Ich habe-?!“, begann er entrüstet.


„-du wolltest die Ausbildung machen! Du allein!“, unterbrach sie ihn zornig. „Und du hast mich an der Backe. Und solange du nicht in der Lage bist, mich einfach aus deinem Geist zu schütteln, werde ich dir immer weiter Vorhaltungen machen und dir sagen, was richtig ist und was absolut falsch ist!“

 

„Wir können dieses Gespräch für immer weiter führen!“, warnte er sie böse.

 

„Nein, wahrscheinlich nicht. Denn du wirst früher erschöpft sein, als ich“, entgegnete sie selbstgerecht. „Wieso siehst du nicht einfach ein, dass ich Recht habe?“, wollte sie stattdessen wissen. Sie glaubte, er würde sie verfluchen wollen. Sie würde es ihm zutrauen, und offen gesagt, konnte sie es nachvollziehen. Sie verhielt sich wieder mal unmöglich.

 

„Du hast Recht, Granger“, schloss er schließlich. Sie verzog den Mund. „Besser so?“, erkundigte er sich. „Können wir jetzt weitermachen?“

 

„Mir blind Recht zu geben ändert nichts an-“

 

„-mehr kann ich nicht“, unterbrach er sie wieder einmal. „Ich kann dir bestätigen, dass du Recht hast, dass ich weiß, dass du Recht hast – aber dann musst du dich damit abfinden, dass das alles ist, wozu ich in der Lage bin. Ich habe keine Zeit!“, knurrte er.

 

„Wenn du nicht ständig-“

 

„-wenn ich nicht ständig was?“, unterbrach er sie beinahe tonlos, beinahe rau, fixierte sie nun mit dunklem Blick, und ja – das wäre der Punkt, die Klappe zu halten, nahm sie an. Sie wusste, was sie sagen wollte, er schien zu wissen, was sie sagen wollte, und besser, sie sagte es nicht. Sie wollte ihm vorwerfen, sich nicht jedes Wochenende zu verausgaben, aber dummerweise war sie jetzt nicht unschuldig gewesen. Sie konnte ihm wohl schlecht vorschreiben, keine Frauen mehr zu sehen, keine Beziehungen mehr zu führen – denn welches Recht hatte sie, das zu tun? Es wäre das Richtige für ihn. Es wäre der absolut vernünftige Ratschlag und die Garantie zu seinem Erfolg, nur leider – leider – stand es ihr nicht zu. Sie waren keine Freunde. So einfach war es wohl.

 

„Nichts“, sagte sie also, die Stimme schmal, und ihre Mundwinkel zuckten in Ablehnung. Sein Kopf legte sich minimal zurück und er musterte sie abschätzend.

 

„Was kostet es dich jetzt gerade, deine Klappe zu halten?“, wollte er prüfend von ihr wissen.

 

Nichts.

 

Alles.

 

Sie hasste ihn.

 

Auch ihr Kopf legte sich herausfordernd zurück.

 

„Wir machen weiter“, erwiderte sie gepresst, und seine Augen verengten sich prüfend, ob dem schmalen Erfolg, den er in diesem Streitgespräch wohl zu verzeichnen hatte. Aber es wäre ein kurzer Erfolg, wusste sie. Denn er würde dem nächsten Fluch nicht standhalten, und wahrscheinlich wusste der Bastard es auch, und es ging einfach nur ums verdammte Prinzip – und das hasste sie gerade noch mehr. Sie gab nicht gerne nach, und vor allem nicht, wenn sie Recht hatte. Es war eine Krankheit, sie konnte nichts dagegen tun.

 

„Na los, Granger“, lockte er sie praktisch, und sein Mundwinkel hob sich, trotz der Erschöpfung, trotz der Anstrengung. Er ging in Position, und sie atmete entnervt aus.

 

„Fick dich, Draco.“ Sie sprach, bevor sie nachgedacht hatte, und zum ersten Mal sagte sie seinen Namen. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, und es fühlte sich mit einem Mal richtig an. Als wären sie sich irgendwie durch diesen Streit näher gekommen, als wäre es dieses Mal anders, auf einer anderen Ebene, die sie nicht wirklich greifen oder benennen konnte. Und es hatte nichts mit verbotenen Gefühlen zu tun. Sie war mit ihm so sauer, wie sie es mit Harry oder Ron gewesen wäre. Ihre Gefühle waren ehrlich und aufrichtig. Sie hasste ihn ehrlich und aufrichtig, und zum ersten Mal empfand sie tatsächlich im Ansatz etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis ihm gegenüber. Sei es, weil sie zusammen arbeiteten, weil er ihr tatsächlich die Stirn bot – weil sie keine Angst hatte, ihn zu verletzen, denn… sie wären aneinander gebunden, egal, was sie einander an den Kopf warfen.

 

Bevor der Fluch ihn traf, hatte sich auch sein zweiter Mundwinkel gehoben, und sie hätte ihn dafür gemaßregelt, wäre er nicht augenblicklich danach ohnmächtig geworden. Bastard.

 

~*~

 

„Irgendwelche Themen, die ich vermeiden sollte?“ Sam wirkte einigermaßen aufgeregt, und Hermine fand es fast niedlich. Dass Draco heute ohnmächtig geworden war, hatte ihr immerhin ermöglicht, früher zu gehen. (Nachdem sie ihn geweckt und geheilt hatte, natürlich.) Und sie hatte duschen können, fühlte sich attraktiv genug für diesen Abend, trug allerdings nicht schon wieder ihr einziges Alibikleid, sondern steckte in engen, dunklen Jeans, einer hellen Bluse und einem dunklen Blazer. Absolut angemessen für einen kühlen Herbstabend, nahm sie an.

 

„Hm“, machte sie gespielt nachdenklich, „Voldemort, Todesser, Horkuxe vielleicht, oder-“

 

„-witzig“, erwiderte Sam gepresst, während Hermine grinsend den Türklopfer betätigte. Sie mochte diese altmodischen Dinger. Und es war Ginny, die öffnete. Mit ihrem beachtlich gewachsenen Babybauch.

 

„Wie schön! Kommt rein, kommt rein!“, rief sie erfreut.

 

„Hey“, begrüßte Hermine sie und umarmte sie kurz. „Gut siehst du aus“, sagte sie sofort mit Blick auf Ginnys Bauch, und diese verdrehte die Augen.

 

„Ja, mittlerweile würde ich lieber so aussehen wie du, glaub mir“, bemerkte sie seufzend. „Und du bist Sam?“, fuhr sie nahtlos fort und fasste Hermines Begleitung prüfend ins Auge.


„Ich – ja“, bestätigte ihr Date schüchtern. „Äh… Sam Black“, stellte er sich vor. Ginnys Interesse war mehr als geweckt. „Kommt doch rein“, wiederholte sie, als Sam sich nicht rührte. „Harry kommt sofort“, ergänzte sie. „Der Feuerblitz muss noch zu Ende poliert werden“, schloss sie entnervt.

 

„Verständlich“, sagte Sam nur. Ginny schüttelte lächelnd den Kopf.

 

„Wie ist die Arbeit?“, wollte Ginny wissen, als sie Sams Mantel und Hermines Blazer abnahm.

 

„Gut. Anstrengend, aber gut“, sagte Sam wahrheitsgemäß.

 

„Ginny wird die Ausbildung auch machen, sobald sie kann“, erklärte Hermine dann.

 

„Oh“, entkam es ihm. „Es ist absolut furchtbar, ich kann es keinem empfehlen“, scherzte er kopfschüttelnd.

 

„Ausgezeichnet. Genau, was ich will“, sagte sie, und Harry trat durch die Verandatür, schloss sie, um dann in den Flur zu kommen.

 

„Hey, schönen Abend. Harry“, stellte er sich unnötigerweise vor, und Sam schüttelte ihm überschwänglich die Hand. „Wir haben uns einige Male in den Umkleiden gesehen“, sagte er nickend.


„Ja! Auf jeden Fall. Aber… auch… sonst wüsste ich, also… wirklich schön, dich kennenzulernen. Persönlich. Privat. Ich meine-“

 

„-er ist ein Fan“, machte Hermine lächelnd deutlich. „Wenigstens einer von uns ist das“, ergänzte sie kalt in Harrys Richtung. Harry hatte den Anstand den Blick zu senken.

 

„Jaah. Ron hat mir erzählt, was letzte Woche passiert ist.“

 

„Dein Glück ist, dass Sam hier nicht nachtragend ist und mir noch eine Chance gegeben hat. Obwohl ich dich gebeten hatte, nichts zu sagen.“

 

„Hermine“, begann Ginny jetzt diplomatisch, aber Hermine hob die Hand, fixierte immer noch Harry.


„Ginny, es betrifft dich nicht, es ist wirklich auch nicht mehr wichtig, darüber zu sprechen, aber ich war enttäuscht, Harry.“

 

„Das verstehe ich. Wirklich. Ich… verspreche dir, Ron solche Neuigkeiten nicht mehr zu erzählen“, sagte er dann.

 

„Es… geht um die Sache mit Draco?“, nahm Sam jetzt stirnrunzelnd an. Hermines Blick fiel.

 

„Ja“, bestätigte sie. Und tatsächlich runzelte Sam die Stirn.

 

„Warum ist es ein so großes Geheimnis?“, wollte er tatsächlich verständnislos wissen. „Weil er eine Freundin hat? Oder hatte“, ergänzte er stiller. Kurz schwiegen sie. Und Hermine ergriff die Chance, die sich ihr bot.

 

„Ja, denn-“

 

Aber Harry war schneller.

 

„Nein, weil es Draco Malfoy ist“, sagte er mit eindeutig erhobenen Brauen, dem rechten Unglaube in die Stimme, aber Hermine begriff, dass Sam nicht verstand. Dass er es überhaupt nicht spannend oder verwerflich fand – dass es lediglich darum ging, dass sein angeblicher Freund es ihm nicht gesagt hatte. Hermine schoss Harry einen warnenden Blick zu, aber Sam ging bereits auf seine Worte ein.

 

„Und das ist… schlimm?“, vermutete er mit gerunzelter Stirn.

 

„Na ja, nein. Es ist nur… so unwahrscheinlich“, erklärte Harry, der wenigstens versuchte, zurückzurudern. „Du warst nicht auf Hogwarts?“, nahm Harry jetzt an, aber sie waren gleich alt. Sie wären sich über den Weg gelaufen.

 

„Nein, ich… leider nicht“, bestätigte Sam.

 

„Wahrscheinlich besser so“, erwiderte Harry dann.

 

„Warum?“, wollte Sam verständnislos wissen.

 

„Du bist ein Black“, erklärte Harry, und Hermine wollte ihn schon wieder aufhalten, aber er sprach. „Du wärst nach Slytherin gekommen, hättest Hermine wahrscheinlich ebenso beschimpft, wie Malfoy es getan hat – wärst ein unausstehlicher, rassistischer Idiot gewesen-“

 

„-er ist ein Halbblut, Harry, und wahrscheinlich wäre er nicht nach Slytherin gekommen“, warf Hermine eilig ein, bevor das hier irgendwie noch aus dem Ruder lief.

 

„Ein rassistischer Idiot?“, griff Sam die Worte stutzig auf.

 

„Er ist bei Muggeln aufgewachsen“, füllte Hermine hastig die Lücken. „Und ich weiß nicht, ob ich es sagen darf, aber er hat mit seiner väterlichen Familie keinen Kontakt“, ergänzte sie, mit Blick auf Sam.

 

„nicht jeder Slytherin ist ein rassistischer Idiot“, mischte sich Ginny jetzt ebenfalls stirnrunzelnd ein. „Außerdem hat Sirius den Namen Black getragen und war ein Gryffindor?“, ergänzte sie, und Harry seufzte beschämt.


„Richtig. Das stimmt wohl. Es tut mir leid, Sam, ich… bin wohl etwas… beschützend, was Hermine angeht“, stellte Harry überrascht fest.

 

„Du hast gesagt, du fandest es gut, dass ich Malfoy geküsst habe“, entfuhr es Hermine jetzt. „Einen rassistischen Idioten“, ergänzte sie eindeutig.

 

„Weil es nichts Ernstes ist, Merlin noch mal. Es ist Malfoy“, sagte Harry dann. „Aber jetzt, dieser Junge…, das ist ernst, oder nicht?“ Hermine spürte die Hitze in den Wangen.

 

„Harry, es ist das zweite Mal, dass ich mit ihm ausgehe, und bisher läuft es nicht gut“, knurrte sie praktisch. Ginny starrte Harry lediglich fassungslos an. Und dann hob Harry den Blick, schüttelte sachte den Kopf und streckte Sam die Hand entgegen.

 

„Vielleicht fangen wir noch mal an. Hey. Harry“, stellte er sich erneut vor. Zögernd ergriff Sam seine Hand.

 

„Sam Black“, sagte dieser dann langsam. „Zwar ein Black, aber kein rassistischer Idiot“, ergänzte er.

 

„Klingt sehr gut“, sagte Harry mit schmalem Lächeln. „Mein Patenonkel war ein Black. Ich freue mich, dich kennenzulernen. Entschuldige, dass ich anscheinend keine Manieren besitze“, ergänzte er entschuldigend.

 

„Schon gut“, räumte Sam schließlich ein. „Wenn mich die Erfahrung bisher irgendwas lehrt, in Bezug auf Dates mit Hermine, dann, dass die Streitigkeiten besser am Anfang des Abend geklärt werden“, schloss er vielsagend. Hermine lächelte nervös.

 

„Merlin, wir stehen immer noch im Flur. Harry, wieso besorgst du nicht eine Falsche Wein für die Gäste?“ Ginny schob ihn praktisch Richtung Keller. Als er verschwunden war, drehte sie sich mit großen Augen um. „Es tut mir so leid! Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist! Du bist das Beste, was Hermine hierher hätte bringen können!“, versicherte sie ihm. „Folgt mir!“, befahl Ginny jetzt eilig.

 

„Bist du nicht mit ihrem Bruder zusammen gewesen?“, flüsterte Sam jetzt neben ihrem Ohr, und Hermine musste grinsen.

 

„Ja, ich denke, das hat Ginny nie wirklich gut in den Kram gepasst“, flüsterte sie zurück. Ihr Herz ging schnell. Sie hatte angenommen, dass es absolut sicher war, Sam zu Ginny und Harry mitzunehmen. Und nicht, dass es in einem weiteren Fiasko endete. Seit wann traf Harry solche vorschnellen Schlüsse? Es passte nicht zu ihm. Wollte er sie wirklich schützen? Dann sollte er vielleicht nicht Tratschtante mit Ron spielen, dachte sie bitter.

 

Angstvoll durchlitt sie den weiteren Abend, aber Harry passierten keine Fauxpas mehr, er sagte nichts Unbedachtes, und als Hermine beim Nachtisch entspannen wollte, lehnte sich Harry gespannt vor.

 

„Sam, kennst du dich mit dem Stammbaum deines Vaters aus?“, wollte er wissen, und Hermines Blick schoss hoch. „Wenn nicht ist das völlig ok – ich wollte nicht-“, ergänzte Harry sofort, aber Sam legte die Serviette beiseite und lehnte sich zurück.

 

„-schon gut, Harry. Ich kann mir vorstellen, dass es spannend für euch ist. Ich… bin mehr oder weniger im Bilde. Eher weniger, aber… trotzdem im Bilde.“ Fast wirkte Harry erleichtert. „Mein Vater ist Pollux Black. Es ist der Vorname meines Urgroßvaters?“, ergänzte er achselzuckend. „Aber ich habe ihn nie kennengelernt. Meinen Großvater habe ich kennengelernt – Alphard“, fuhr er nachdenklich fort, „denn er wurde auch aus dem ehrenvollen Stammbaum entfernt“, schloss er. „Weil er deinem Patenonkel Gold gegeben hatte.“ Hermine musterte ihn von der Seite. Dann hob Sam die Hände. „Und viel mehr weiß ich nicht.“

 

„Dann waren Sirius und dein Vater Cousins?“, vermutete Ginny, und Sam nickte vage.


„Ja, ich denke.“

 

„Alphard war Sohn von Pollux und seiner Frau – wie auch immer sie hieß“, sagte Harry nickend. „Walburga war Alphards Schwester und die Mutter von Sirius – also, ja. Cousins.“ Hermine war beeindruckt, dass Harry sich in Sirius‘ Stammbaum auskannte, aber dann wiederum hatte es Harry immer interessiert. Und die Abscheulichkeit hatte lange genug im Grimmauld Place gehangen – hing dort wahrscheinlich immer noch, und dass Harry und Ginny einen Käufer gefunden hatten, war Hermine noch immer schleierhaft. Musste ein Liebhaber der Familiengeschichte gewesen sein, dachte sie mit Schaudern. „Dein Vater ist auch der Cousin von Narzissa Malfoy. Dann ist Malfoy dein Cousin zweiten Grades“, stellte er überrascht fest.

 

„Ja, das… haut wohl hin.“ Sam schien es nicht wirklich zu interessieren. Hermine fand es angenehm. Sie interessierte es ebenso wenig.

 

„Tut mir leid, dass ihr verstoßen wurdet, du und dein Dad“, ergänzte Harry schließlich.

 

„Ist wohl besser so“, stellte Sam reflektiert fest. „Ich glaube, die Familie hat überwiegend Mist produziert.“

 

„Du gehörst nicht dazu“, sagte Harry lächelnd. „Tut mir leid, dass ich dich vorhin nach deinem Namen beurteilt habe. Das sollte man niemals tun.“ Fast war Hermine erleichtert. Es renkte sich alles wieder ein. Merlin, sei Dank!

 

„Danke“, sagte Sam offen.

 

„Und jetzt lasst uns das Thema wechseln“, schlug Ginny betont munter vor. „Sam, wohnst du auch in einer dieser schrecklichen WGs?“, wollte sie wissen, und Sam musste grinsen.

 

„Ja, ich glaube, das tun die meisten. Es ist einfach am günstigsten. Es macht am meisten Sinn – wenn man nicht gerade schwanger ist – oder Harry Potter“, ergänzte er vielsagend.

 

„Oh, ich hätte es großartig gefunden!“, sagte Harry sofort.

 

„Ja, vor allem deine neugewonnene Freiheit als Single…“, sagte Ginny sofort mahnend, und Harry musste lachen.

 

„In der Theorie hätte ich es großartig gefunden“, schloss er. „Natürlich würde ich niemals ohne dich irgendwohin gehen – und wahrscheinlich hast du Recht, und es ist nur für Singles“, räumte er versöhnlich ein und ergriff zärtlich Ginnys Hand.

 

„Wie finden deine Eltern die Ausbildung?“, fragte Ginny dann. Sam ruckte mit dem Kopf.

 

„Mein Dad findet es gut, meine Mum… kennt sich nicht wirklich aus“, schloss er lächelnd. „Sie hat Angst um mich, aber… ich glaube, das ist normal.“ Hermine klinkte sich aus, als Ginny sich über Molly zu beschweren begann, denn das würde noch eine Weile dauern. Natürlich fand Molly Weasley die Aurorenausbildung für ihre einzige Tochter zu gefährlich, und sie ging ohnehin davon aus, dass Ginny noch fünf weitere Kinder bekommen würde und somit niemals die Ausbildung beginnen könnte.

Molly und Ginny hatten jede Woche mindestens einen riesen Familienkrach, den Arthur schlichten musste.

 

Hermines Verstand registrierte erst im nächsten Halbsatz, was Ginny sagte.

 

„-sobald Hermine ihre Eltern gefunden hat, würden diese ihr ebenfalls eröffnen, dass der Job zu gefährlich ist, richtig?“, schien Ginny ihre Unterstützung zu suchen, und Hermines Mund öffnete sich hastig. „Ich meine, bei Töchtern ist es doch grundsätzlich so, oder?“, wandte sie sich an Hermine. „Wie läuft die Suche eigentlich? Harry hat erzählt, du hattest die Akte angefordert?“

 

Kurz wirkte Hermine zu überrumpelt, um zu antworten.

 

„Ähm“, machte Hermine wenig intelligent und sie spürte Sams Blick.

 

„Deine Eltern sind verschwunden?“, fragte Sam sie still, und Hermines Mund öffnete sich angestrengt.

 

„-oh, es tut mir leid“, entkam es Ginny gepresst. „Ich habe nicht nachgedacht“, ergänzte sie.

 

„Schon gut“, winkte Hermine schließlich ab. Der Abend hatte holprig begonnen und schien holprig zu enden. „Als ich sagte, ich habe keinen Kontakt zu meinen Eltern“; wandte sie sich entschuldigend an Sam, „habe ich ausgelassen, dass es deshalb ist, weil… ich im Krieg ihre Erinnerung an mich gelöscht und sie nach Australien geschickt habe.“ Sie ließ den fragwürdigen Implementierungszauber aus, der Züge des Imperius‘ aufwies, damit ihre Eltern das Verlangen verspürt hatten, überhaupt Australien in Erwägung zu ziehen. Sam wirkte einigermaßen erschüttert. „Es… war nötig. Sie wären sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit ermordet worden.“

 

„Du musst dich nicht erklären“, erwiderte Sam ernst. „Wer erzählt sowas schon beim Tee“, ergänzte er kopfschüttelnd. „Wirklich. Da scheint mit mehr Material für ein zweites Date zu sein – oder ein drittes, oder viertes…“

 

„Die es geben wird?“, erkundigte sich Hermine vorsichtig bei ihm, und Sam musste lächeln.

 

„Definitiv, Hermine. Keine Sorge. Deine Freunde oder ehemaligen Liebhaber halten mich bisher nicht auf“, bemerkte er spöttisch, und ihr Grinsen vertiefte sich, während Ginny und Harry entschuldigende Worte murmelten. Hermine mochte ihn. Sie mochte ihn wirklich.

 

„Gut zu wissen“, sagte sie erleichtert. Sehr kurz überlegte sie, ihre Freunde zu informieren, dass sie ihre Eltern gefunden hatte, aber… sie konnte es nicht über sich bringen, wollte nicht die Aufmerksamkeit des Abends auf sich ziehen, mit Für und Wider Diskussionen (die bei Ginny sehr wahrscheinlich laufen würden, wie sie mit Ron laufen würden, da sie beide Familienmenschen waren), ob sie ihre Eltern sehen sollte oder nicht.

 

Sie beschloss, zu retten, was kaum zu retten war, und den Abend einigermaßen seicht zu beenden und unter Sams Seitenblicken zu erröten.

Sie hoffte, er würde sie zum Abschied später küssen. Das war alles, worauf sie sich noch konzentrierte, während Ginny sich noch immer für ihre Taktlosigkeit entschuldigte.

 

 

24. taking charge

 

Sein Blick wanderte über den unbegabten und desinteressierten Haufen an Auroren, von denen er annahm, dass nur die Hälfte es schaffen würde, eine Animaguswandlung zu vollziehen. Er hatte nicht mehr am Training teilgenommen, Granger war sein einziger Gegner, seit einer ganzen Weile. Obwohl er auch hier annahm, dass sie mehr Begabung in ihrem kleinen Finger besaß, als die AIT vor ihm in beiden Händen.  

 

„Noch mal“, befahl er, und übte mit ihnen den Einsatz des Patronus vor dem Irrwicht aus der Box. Cage warf ihm mittlerweile mörderische Blicke zu, denn obwohl er sich nicht mehr für das Seltenheitszertifikat interessierte, war er gezwungen, die Animagusprüfung zumindest abzulegen. Immer noch schafften es lediglich fünf der AIT auf Anhieb, das Irrwicht zu besiegen, der Rest war von Furcht gelähmt. Sein Blick ruhte auf Cage, während er fortfuhr. „Und wir werden diese lästige Übung noch solange machen, bis eure Patroni beim ersten Versuch eure Angst besiegen. Nicht beim zweiten, nicht beim dritten“, ergänzte er warnend, und sein Blick flackerte zu Sam Shepard, der sich ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckerte. „Würdet ihr nicht genauso hart trainieren, wenn ihr einen Fluch nicht beim ersten Mal zustande bekämt?“, wollte er gereizt wissen, als sie ihm alle entnervte Blicke zuwarfen.

 

„Wie geht’s mit dem Modifizierten voran?“, wollte Cage einigermaßen gehässig von ihm wissen, und Draco verzog den Mund.


„Nun, ich spucke kein Blut mehr und sterbe nicht jedes Mal, also würde ich sagen, erfolgreich. Wann schafft es dein Löwe, deinen Schlägervater beim ersten Mal zu zerstören?“, erkundigte er sich, denn zwei konnten dieses Spiel spielen. Cages Mundwinkel sanken.

 

„Am besten hältst du dein Maul, denn du verstehst nichts davon!“, knurrte Cage, und Draco hob die Augenbraue.

 

„Da bist du sicher, ja?“, wollte er demonstrativ wissen, denn sie alle hier wussten, dass auch Dracos Vater nur in der Box lauerte, wann immer Draco ihr zu nahe kam.

 

„Du hast keine scheiß Ahnung!“, blaffte Cage jetzt.

 

„Cage geht als erster“, befahl Draco dann, ignorierte die Schlange an AIT, und Cage hatte sich in Rage geatmet.

 

„Das werde ich nicht!“, widersprach der sehr muskulöse Junge, aber Draco hatte keine Angst vor ihm. Der längere Hebel gefiel ihm zu Abwechslung mal verdammt gut.

 

„Deine Entscheidung, Cage. Absolut deine Entscheidung“, erwiderte Draco gelassen, mit erhobenen Händen. „Aber wenn du dich weigerst, habe ich keine andere Wahl, als dich Shacklebolt zu melden, zu sagen, dass du verweigerst – und ich denke, im Moment hast du sowieso nicht die besten Karten? Mit deiner unkontrollierten Wut, deinen Ausbrüchen – ganz abgesehen von deiner schlechten Performance im Allgemeinen.“ Cages Kiefer gab unwillkürlich nach. „Ich würde es mir also verdammt gut überlegen, wann und wann ich mein Temperament nicht unter Kontrolle habe…“ Er ließ die Worte verklingen.

 

„Du bist so ein dämliches Todesser-Arschloch“, entkam es Cage gepresst. „Sie hätten dich hier niemals reinlassen dürfen!“

 

„Anfang der Schlange, Mr. Cage“, sagte Draco ausgewählt ruhig. „Oder muss ich bis drei zählen? Im Gegensatz zu deinem Patronus weist meiner nicht den Hauch an Schwäche auf und wäre in Rekordzeit in Shacklebolts Büro.“ Die übrigen AIT schwiegen, waren regelrecht mucksmäuschenstill. Und tatsächlich – mit dem größten Widerwillen, der Draco erkennen ließ, nach der Stunde besser Augen im Rücken zu haben – bewegte sich Billy Cage an den Anfang der Schlange.

 

Draco hätte sich gerne auf die Schulter geklopft, aber es hinterließ alles einen bitteren Geschmack. Man lernte nicht durch Zwang, durch Ausweglosigkeit. Vielleicht hatte er auf persönlicher Ebene mit Granger Fortschritte gemacht, aber was seine Ausbildung betraf, half es nicht, dass er definitiv eine feste Zeitschiene hatte und einfach keine guten Fortschritte lieferte.

 

Aber er hatte den Entschluss bereits gefasst, den Granger nicht laut ausgesprochen hatte: keine Frauen mehr. Das schien die größte Versuchung für ihn zu sein – und anscheinend immer ein Fehler. Deshalb bemühte er sich seit einer Woche, keine Gedanken an niemanden zu haben. Und es ging ganz gut. Er hatte seine eigenen Kämpfe, dachte er abwesend, während er Cage beobachtete, wie er es nicht hinbekam, seinem Löwen das entscheidende Signal zu geben, und seinen Vater wieder in eine Vogelscheuche verwandeln musste. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen.

 

Sam Black hingegen gehörte zu denjenigen, die nicht das geringste Problem mit ihrem Patronus hatten. Sein Panther war geschmeidig, im perfekten Einklang mit Sams Geist, und Draco bereute, wie Dinge zwischen ihnen waren. Sam war höflich, hasste ihn nicht, aber… er hatte nicht das Gefühl, dass er noch unbefangen mit ihm reden könnte. Und das würde er gerne. Wirklich gerne. Denn hier hatte er sonst niemanden. „Cage, nach der Einheit kommst du zu mir für ein Vier-Augen-Gespräch“, rief Draco schließlich, und der Rest der Truppe lachte verhalten über Cage.

 

„Das denkst du nicht im Ernst, du aufgeblasenes-?!“

 

Draco zog den Zauberstab, der Drache brach eindrucksvoll aus der Spitze.

 

„-ich würde vorschlagen, jetzt wäre ein Moment, wo ich mein Temperament im Griff haben sollte, meinst du nicht auch?“, unterbrach Draco ihn scharf. Er sah Cages Kiefer förmlich mahlen, und genoss das wenige Bisschen an Macht, das ihm seine schmale Stellung brachte – denn ein höheres Gehalt brachte es ihm nicht wirklich. Lediglich 250 Galleonen mehr. Für die AIT war es wohl beachtlich, aber Blaise hatte ihm Gold leihen müssen. Für letzten und bereits für diesen Monat. Draco müsste sich selber hier neu verhandeln. Er sah es so, dass er mehr wert war, als das, was er zurzeit bekam. Und er hatte die Ausbildung begonnen, mit genügend Gold seines Vaters im Rücken – und ohne die Unterstützung wirkte es nur noch wie eine übereilte, dumme Entscheidung. Und Lucius hatte zumindest damit Recht, dass es grauenhaft war, Blaise auf der Tasche zu liegen.

 

Cage antwortete nicht, verblieb aber, wo er war. Draco wusste nicht, warum er sich überhaupt die Mühe gab. Wahrscheinlich tat ihm der Junge tatsächlich leid. Warum auch immer.

 

Das Training verging, alle hatten Fortschritte gemacht, Jane am meisten, aber sie war verdammt clever. Eine richtige Granger, wenn man so wollte. Und tatsächlich verblieb Cage in der Halle, wartete abschätzend, nicht begeistert, und Draco hatte ehrlich gesagt, keine Ahnung, was er jetzt machen wollte.

 

„Pack deinen Zauberstab weg“, sagte er schließlich, als auch der letzte gegangen war.

 

„Ich denke nicht“, sagte Cage. „Dir ist klar, dass wir jetzt alleine sind?“

 

„Was willst du tun?“, erkundigte sich Draco tatsächlich ungläubig.

 

„Mir würden dreihundert Dinge einfallen, die sehr schmerzhaft für dich enden“, drohte Cage ihm offen.

 

„Ich habe keine Lust darauf. Willst du Hilfe, oder nicht?“

 

„‘Oder nicht‘ wäre meine Antwort, Malfoy“, spuckte ihm Cage entgegen, und Draco verdrehte die Augen.

 

„Pack deinen verdammten Zauberstab weg!“, wiederholte er und tat es ebenfalls.

 

„Was soll das?“ Cage musterte ihn.

 

„Bevor du deine Angst besiegst, musst du wissen, wovor du überhaupt Angst hast“, erklärte er dann. Der Patronus war eine hakelige Angelegenheit. Draco wusste das. Ein schwacher Patronus machte einen schwachen Animagus, und das war das letzte, was man wollte. Es war eine externe Verbindung zum eigenen Geist. Und eine solche Verbindung war am besten so stark außerhalb, wie sie innerhalb war. Und deshalb war es unabdingbar, dass sich der Patronus vor nichts fürchtete. All seine Kraft, seine innere Stabilität, musste man nach außen projizieren – ob es nun echt war oder lediglich Tapferkeit.

 

„Halt deine scheiße Klappe – ich brauche deine Psycho-Kacke nicht!“

 

„Tu einfach, was ich dir sage, du Vollidiot“, knurrte Draco jetzt. Er trat vor die Box, weit genug weg, dass sie nicht aufspringen konnte. „Komm her.“

 

„Nein?!“, entgegnete Cage ungläubig.

 

„Lass ihn reden. Hör dir an, was es ist, was dir die meiste Angst macht. Und überleg dir dann, ob es tatsächlich so grauenvoll ist, dass du davor Angst haben musst.“

 

„Du bist so ein Wichser! Dein Vater kommt auch aus der Box! Du hast es nicht überwunden!“, behauptete Cage zornig.

 

„Du musst es nicht überwinden. Du musst lediglich wissen, dass es nicht echt ist. Es ist nicht real, es ist längst passiert, du bist drüber weg. Du bist woanders, es kann dir nichts anhaben.“

 

„Wenn das bei dir so ist, wieso ist er dann noch da?“

 

„Weil ich vor Lucius Angst haben werde, bis er endlich tot ist“, erklärte Draco sachlich. „Was er sagt, ist nicht, wovor ich Angst habe. Was er sagt ist lediglich die letzte lebhafte Erinnerung, die ich an ein Gespräch mit ihm habe, dass mich innerlich zerstört hat. Ich habe Angst vor meinem Vater. Nicht vor… dieser Erinnerung“, sagte er dann. Er fühlte sich beschissen an, diese Dinge zuzugeben, aber vielleicht hatte es irgendwelche positiven Auswirkungen auf diesen Hornochsen vor ihm.

 

„Bei mir ist es umgekehrt“, entkam es Cage schließlich, wesentlich ruhiger, wenn auch nicht wirklich freundlich.

 

„Ok. Das kannst du ändern“, erwiderte Draco schließlich.

 

„Das kann ich nicht.“

 

„Doch, das kannst du“, beharrte Draco. „Hör es dir an, und überleg dir, ob es das wert ist.“

 

„Was ist das für ein bescheuerter Ratschlag?“, entfuhr es Cage.

 

„Es ist ok, anders zu sein“, begann er jetzt.


„Oh, fick dich, Malfoy!“, brauste Cage auf.

 

„Er hat dich erwischt?“, vermutete Draco jetzt, und mit einem Mal wurde Cage blasser im Gesicht. „Er… hat es herausgefunden? Ist ausgerastet? Du bist hier. Du lebst noch, es ist vorbei.“ Für einen Moment schien Cage nicht zu wissen, ob er ihn angreifen oder verfluchen sollte, aber Draco war bereit, schleunigst seinen Zauberstab zu ziehen.

 

„Du… du hast keine Ahnung, wo-wovon du redest!“ Cages Stimme zitterte. Draco nahm an, Granger hatte Recht. Cage war schwul. Es war alles nicht wirklich dramatisch. Vielleicht für Cage, aber grundsätzlich war es nicht wirklich schlimm. Draco würde gerne dieses Problem gegen alle seine Probleme tauschen. Liebend gerne.

 

„Wir können-“

 

„-halt dein Maul!“, schrie Cage jetzt. „Verpiss dich, oder ich bringe dich um, Malfoy!“, warnte er ihn, rasend vor Wut, blind vor Schmerz, und sie zogen die Zauberstäbe zeitgleich.

 

„Cage-!“, appellierte Draco laut, aber anscheinend war er den einen Schritt zu schnell zu weit gegangen, hatte das eine Wort zu viel gesagt, und bevor Draco den Expelliarmus denken konnte, wusste er, was Cage tun würde! Und er besaß nicht mal den Funken an Geisteskraft, es abzuwehren.

 

„Crucio!“, schrie Cage außer sich, und es riss ihn von den Füßen, so heftig und schmerzvoll wie keiner von Grangers gesammelten Versuchen. Das Mal riss auf, so kam es ihm vor. Sein Arm fing Feuer, er schmeckte den metallischen Geschmack von Blut in seinem Gaumen, seiner Kehle, hatte den Geruch in der Nase. Ihm kam es vor, als lief es ihm aus den Augen, den Ohren – es war als verblute er innerlich, aber die Bewusstlosigkeit erlöste ihn dieses Mal nicht. Schlimme Erinnerungen lähmten ihn, ein kurzer Blitz von William Beck in seinem Gedächtnis, wie er Lucius eine Ohrfeige verpasste – aber sofort hatte Draco diese Erinnerung wieder verdrängt.

 

Und dann riss der Schmerz ab. Auf einmal war es vorbei. Hatte er gesiegt? Den Fluch überwunden? Keuchend röchelte er am Boden, realisierte, dass alles um ihn herum blutverschmiert war, und als er den Kopf wandte, erkannte er, dass jemand Cage von den Füßen gerissen hatte und ihm fluchend den Zauberstab entrang. – Sam! Dracos Atem ging flach, flacher, als es ihm lieb war.

 

„Du dummes Arschloch! Hol Caine!“, blaffte Sam Cage jetzt an. „Los! Er stirbt, verdammt!“, schrie er, und jetzt erwachte Cage, aber Draco sah ihn bereits doppelt. Cage stürmte nach draußen, stolperte mehrfach, und Sam stürzte zu ihm.

„Draco!“, hörte er das Echo seiner Stimme. „Scheiße, bleib wach, ok? Bleib einfach wach!“ Sam säuberte sein Gesicht, denn der rote Schleier verschwand plötzlich. Sams Hände waren rot getränkt, und Draco konnte nicht wirklich sprechen. „Bleib einfach… wach, bitte!“

 

Viele Schritte ließen den Hallenboden beben, und dann erschien das Gesicht von Edward Caine in seinem Blickfeld. „Scheiße“, hörte er dessen Stimme. Stumm vollführte er einen Spruch, der irgendetwas in seinem Körper bewegte, etwas verlangsamte. „Das ist zu viel Blut“, sagte Caine dann. „Black, sag im Mungo Bescheid. Wir brauchen Paramagier – jetzt sofort.“

 

Viel mehr wurde nicht gesprochen. Draco spürte, wie Caine sein Mal untersuchte, während er immer wieder abdriftete in irgendeine Dunkelheit, die er fürchtete, jedes Mal, wenn sich seine Lider schlossen. Mal flatterten sie wieder auf und immer mehr Menschen wankten durch sein Sichtfeld. Fremde Menschen. Aber er hatte das Gefühl, Billy Cage war die ganze Zeit über da. Auch Sam tauchte immer mal wieder auf.

 

Als er das nächste Mal die Augen öffnete, lag er nicht mehr in der Halle.

Und er war hellwach.

 

Es brannte eine Lampe auf einem Tisch. Es war dunkel.

 

„Draco!“, hörte er ihre Stimme. Als erstes ihre Stimme. Zuerst verschwommen, und innerhalb einer Nanosekunde klar. Er blinzelte in die Fremde. „Er ist wach“, wandte sie sich erleichtert an Sam, dem die Sorge ins Gesicht geschrieben stand.

 

„Verdammt, bist du ok?“ Sam fragte ernsthaft besorgt.

 

Sie nannte ihn Draco. Es war ihm schon letztes Mal aufgefallen. Und es gefiel ihm, wenn Leute es taten. Es war nett. Die Erinnerungen kamen stockend zurück. Sein Blick fiel automatisch nach rechts, als er die Bewegung registrierte. Billy Cage stand neben dem Bett. Er lag im Mungo, nahm er an. „Wenn er nicht hier sein soll, dann sag es sofort! Ich war sowieso dagegen!“, hörte er Sams Stimme, aber Cage wirkte absolut erschüttert, die Augen rot, und Draco konnte noch nicht wirklich sprechen.

 

Die Tür zum Zimmer öffnete sich. „Habe ich doch richtig gehört“, sagte Shacklebolt, einen Heiler im Schlepptau, wie es schien. Sofort wurde er untersucht, seine Werte gemessen. Einige Zauber wurden angewandt, und er konnte besser sehen, besser verstehen.

 

„Mr. Malfoy, können Sie mich hören?“, fragte der Heiler ihn direkt. Draco nickte knapp. „Sehr gut. Sie hatten einen Hörsturz, aber das ist nicht verwunderlich. Können Sie sprechen? Ihr Gehirn war einige Sekunde ohne Sauerstoff, aber ich hoffe, es hat keine Schäden hinterlassen.“

 

„Was?“, krächzte er verständnislos.

 

„Mein Name ist Atwell, wiederholen Sie meinen Namen, Mr. Malfoy.“

 

„At-atwell“, wiederholte er heiser.

 

„Ich denke, es sind keine bleibenden Schäden im Gehirn zu verzeichnen, Mr. Shacklebolt.“

 

„Das ist verdammt gut“, bestätigte Shacklebolt erleichtert.

 

„Mr. Malfoy, hören Sie mir gut zu“, sagte der Heiler jetzt. „Der Fluch hat Ihren Arm schwer beschädigt. Elle und Speiche waren gebrochen, und es lag ein Arterienriss vor, welchen wir noch zeitig heilen konnten. Sie haben sehr viel Blut verloren, es wird sie mit Sicherheit eine Woche Bettruhe kosten.“ Draco hörte zu, verarbeitete die Worte langsam. „Ihr Mal ist in Takt, was Sie wahrscheinlich nicht allzu freudig stimmen wird, aber die gute Nachricht ist, dass es Sie nicht umgebracht hat.“ Draco scheiterte, die gute Nachricht zu erkennen, aber wahrscheinlich musste er sich damit begnügen, nicht tot zu sein. Mal wieder nicht.


„O-k“, sagte er bloß.

 

„Ich komme später noch einmal vorbei, wenn Sie alleine sind und überprüfe ihre Vitalfunktionen. Wiedersehen, Mr. Shacklebolt“, verabschiedete sich der Heiler, und Draco lehnte den Kopf erschöpft zurück.

 

„Und jetzt zu Cage“, fuhr Shacklebolt nahtlos fort. „Black erklärte mir, er habe einen Streit gehört und dass Cage dich angegriffen hat. Korrekt?“ Er wartete ungeduldig auf eine Antwort, während Cage neben ihm ein Schniefen unterdrückte. „Malfoy, stimmt das?“, wiederholte er, und Dracos Mund öffnete sich überfordert. „Mr. Cage, Sie können Ihre Sachen sofort packen. Und ein Disziplinarverfahren wird eröffnet. Sie haben sehr wohl gewusst, dass Malfoy kein-“

 

„-er hat mich nicht angegriffen“, rang sich Draco mühsam ab.

 

„Was?“ Shacklebolt sah ihn ungläubig an.

 

„Ich habe euch gehört!“, mischte sich Sam direkt ein.

 

„Ich habe ihn gezwungen“, mühte sich Draco um Worte ab. Stumm sah Cage ihn an. „Ich… ich wollte den Fluch endlich besiegen.“

 

„Was?“, vernahm er Grangers Stimme. „Was hätte dich annehmen lassen, dass du schon soweit wärst? Du kannst kaum die halbe Dosis im Stehen bekämpfen!“, fuhr sie ihn direkt an. „Was für eine dumme Entscheidung soll das gewesen sein?“

 

„Es stimmt nicht!“, widersprach Sam. „Ich habe die Auseinandersetzung gehört!“

 

„Worum ging es?“, wollte Shacklebolt direkt wissen, aber Sam verzog den Mund.


„Ich – ich weiß es nicht im Detail. Ich habe nur die lauten Stimme gehört, und…- und dann bin ich rein, als Draco geschrien hat, ich-“

 

„-Sie wissen es also nicht?“

 

„Nein“, räumte Sam ein. „Aber garantiert hat Draco nicht darum gebeten!“, behauptete er.


„Ich habe das Training satt. Ich wollte fertig sein“, sagte Draco müde. Granger wirkte einigermaßen enttäuscht von ihm.

 

„Sofern das stimmt, war das wirklich dumm von dir“, bekam er jetzt Shacklebolts Ärger ab. „Denn das wird die nächste Klage auf meinem Tisch, aber immerhin kann ich sie dieses Mal abschmettern, mit dem Argument, dass du mental unfähig bist, deine Fertigkeiten einzuschätzen. Es sei denn, du möchtest an diesem Statement noch etwas ändern?“, merkte er eindeutig an.

 

„Nein. Passt so“, erwiderte er knapp.

 

„Gut, dann meine Warnung an dich, Malfoy: Noch so ein waghalsiges Manöver, und du kannst deine Sachen packen, hast du mich verstanden?“, fuhr Shacklebolt ihn kopfschüttelnd an, und Draco nickte schroff. „Ich nehme an, die Besuchszeiten sind vorbei. Granger, Black, Cage, verabschiedet euch. Und Cage“, ergänzte Shacklebolt, „Ihr Statement erwarte ich morgen auf meinem Schreibtisch. Am besten sprecht ihr euch ab. Nicht, dass es Ungereimtheiten gibt“, knurrte er noch. Anscheinend glaubte Shacklebolt ihm nicht, aber Draco musste gestehen, Lügen war anstrengend. Jetzt gerade. Und Sam wirkte nicht zufrieden, Granger ebenso wenig.

 

„Wir kommen morgen wieder“, schien Sam zu entscheiden. „Gute Nacht, Draco“, sagte er und ignorierte Cage. Anscheinend hatte Draco Freunde, die morgen wiederkämen. Es verblieb nur noch Cage im Zimmer, und als die Tür zugefallen war, sank er auf den Besucherstuhl.

 

„Es… es tut mir so leid!“, flüsterte der Muskelprotz heiser. „Wieso… wieso hast du das gemacht?“, wollte er ungläubig von ihm wissen. „Ich werde Shacklebolt nicht belügen. Ich werde ihm sagen-“


„-lass es“, unterbrach ihn Draco erschöpft.

 

„Ich hätte dich töten können“, wisperte Cage grenzenlos verzweifelt.


„Hast du aber nicht“, sagte Draco schwach.

 

„Aber ich-“

 

„-hast du aber nicht!“, wiederholte er gereizt.

 

„Wieso deckst du mich?“, wollte Cage unglücklich wissen.

 

„Es ist nett, wenn man was gut hat“, erklärte Draco. Cages Augen weiteten sich.


„Was willst du?“, wollte er nervös wissen.

 

„Mach das Zertifikat. Du bist geeignet.“

 

„Du hast einen Vollknall“, sagte Cage betroffen.

 

„Ich habe keine Lust, dass du Ärger bekommst, nur weil ich dich provoziert habe. Und warum sollte ich nicht irgendwas daraus gewinnen, dass du mich hierhin befördert hast? Du wirst mir wohl kaum etwas abschlagen, was sich nur positiv auf deinen Lebenslauf auswirken kann, oder?“ Müde sah er dem Jungen entgegen.

 

„Nein, Malfoy“, räumte Cage tatsächlich ein.

 

„Super“, murmelte er erschöpft. „Und jetzt, hau ab. Ich will schlafen“, murmelte er bloß. „Oh, und Shacklebolt sagst du, wir haben normal trainiert, und ich wollte alleine mit dir noch an deinem Patronus arbeiten, und danach habe ich mich selbstbewusst genug gefühlt, den Cruciatus zu bekämpfen. Er muss es nicht glauben, es muss nur dieselbe Story sein“, schloss er, und Cage sah zweifelnd auf ihn hinab.

 

„Ich sollte fliegen“, sagte Cage betroffen.

 

„Nicht wegen mir“, widersprach Draco gähnend. „Ich bin kein Arschloch“, ergänzte er knapp.

 

„Nein. Nein, bist du nicht“, bestätigte Cage tatsächlich. Dann wandte er sich nickend ab.

 

„Und schick meinem Mitbewohner Blaise Zabini eine Eule, dass ich hier bin. Und er soll es nicht meinen Eltern sagen“, ergänzte er hastig. Cage reckte den Daumen in die Höhe.

 

„Verstanden“, sagte er bloß. „Nacht, Malfoy“, verabschiedete er sich mit einem müden Ausdruck.

 

Dracos Kopf fiel zurück. Er schlief nahezu sofort ein und träumte gar nichts mehr.

 

 

25. the friendship-game

 

Sie war eher da als Sam, saß bereits an Dracos Bett und bemühte sich, einen anatomisch korrekten Drachen zu zeichnen. Leise fluchend radierte sie an den Flügeln herum.

 

„Was wird das?“, vernahm sie seine träge Stimme, und ihr Blick hob sich. Merlin sei Dank, war er wach. Als Sam sie gestern Abend informiert hatte, ehe ihr Training begonnen hätte, wäre sie fast ausgeflippt. Sie war sicher gewesen, er hatte seinen Arm verloren, aber immerhin war er nur komplett gebrochen, inklusiver sämtlicher Nerven und der Hauptarterie. Dass er noch lebte war… ein kleines Wunder. Aber sie würde es sich nicht anmerken lassen, denn wem half es etwas?

 

„Ich setze unser Training fort, Draco“, erklärte sie schlicht, ohne ihre Erleichterung offenkundig zu machen. „Während du scheinbar lieber mit Billy Cage trainieren möchtest.“ Sie wusste, er hatte gelogen. Sie war sich nur nicht sicher, warum. Sie legte den Bogen Pergament zur Seite, denn sie war sehr dankbar, dass er noch lebte. Sie nahm Anteil. Sie wusste, wie schlimm seine Schmerzen waren.

 

„Mh“, machte er knapp. „Hat nicht sonderlich gut geklappt“, räumte er achselzuckend ein. „Ich glaube, ich ziehe unser Training vor“, sagte er schließlich.

 

„Ha ha“, machte sie bloß. „Wie geht es dir?“, fragte sie schließlich.

 

„Bestens“, sagte er sofort, reflexartig.

 

„Ja?“, hakte sie nach. „Dann steh auf und renn durchs Zimmer“, forderte sie ihn auf, was ihr eine erhobene Augenbraue einbrachte. „Wenn es dir ‚bestens‘ geht“, ergänzte sie vielsagend.

 

„Du bist grausam.“

 

„Du bist einfach nur dumm“, machte sie ihrem schmalen Ärger Luft. „Was legst du dich mit Cage an? War es so schwer zu erraten, dass er diesen Fluch wählen würde?“ Kurz schien er zu überlegen. Aber er verzichtete auf seine Lügengeschichte.

 

„Er hat mich überrascht.“

 

„Vielleicht denkst du das nächste Mal besser nach, wie wäre das?“

 

„Ok, Hermine“, sagte er bloß, und kurz schwieg sie, verarbeitete ihren Vornamen aus seinem Mund, und wusste keine Antwort. „Ist das ok?“, fragte er sie tatsächlich.

 

„Was?“, entkam es ihr leise. „Mein… mein Vorname?“, deutete sie seinen Blick, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Du sagst meinen, ich sage deinen – ich dachte, das wäre nur fair.“

 

„Ok“, erwiderte sie unsicher.

 

„Ok“, sagte er ebenfalls.

 

Es entstand eine unendlich lange, unangenehme Pause, die sie annehmen ließ, besser nicht hierhergekommen zu sein und besser niemals seinen Vornamen benutzt zu haben. Fast wollte sie bereits aufstehen und gehen, aber es klopfte knapp, und die Tür öffnete sich.

 

„Merlin, sei Dank!“, entfuhr es Blaise Zabini erschöpft, als er sich ins Zimmer schob. „Miss Granger“, begrüßte er sie vielsagend. Kurz wollte sie sich rechtfertigen. Kurz wollte sie erklären, dass sie hier nicht saß, weil sie sich Sorgen machte, aber eigentlich tat sie das sehr wohl. Aber es waren keine romantischen Gefühle im Spiel. Aber selbst bei einer mentalen Prüfung der Worte in ihrem Kopf wusste sie, dass es alles äußerst fragwürdig aussah.

 

„Blaise“, begrüßte sie den Mann, der ihr und Draco Einlass gewährt hatte, als sie seine Freundin betrogen hatten. Siedend heiß fiel ihr ein, dass Sam gleich kommen würde. Sehr gleich. „Ahem… Sam kommt gleich. Vielleicht warte ich draußen?“

 

„Nicht meinetwegen“, sagte Blaise sofort. „Sam ist… dein Freund? Eure kleine Affäre ist geheim?“, erriet er schließlich. „Ich bin nicht von gestern“, erläuterte er. „Und es interessiert mich auch nicht im Geringsten“, schloss der ehemalige Slytherin eindeutig, und Hermine blieb sitzen. Mit knallroten Wangen, aber sie blieb sitzen. Dracos Mundwinkel zuckten ebenmäßig.


„Schön, dich zu sehen, Blaise“, begrüßte auch er ihn, und Blaises Zorn kehrte wohl zurück.


„Was für einen Neandertaler hast du bestochen, diese Nachricht zu verfassen?“, wollte er knapp wissen, und in krakeliger Schrift erkannte Hermine die Worte: ‚Malfoy ist im Mungo. Sag es nicht seinen Eltern.‘ Sie schmunzelte knapp. Anscheinend hatte Cage eine Nachricht verfassen müssen.

 

„Ich muss sagen, es ist sehr funktional und fasst die Geschehnisse ausreichend zusammen“, erwiderte Draco lächelnd.

 

„Witzig. Warst du wieder tot?“, wollte Blaise eher herzlos wissen, und Draco zuckte die Achseln.

 

„Nur sehr kurz.“

 

„Findest du das lustig, Malfoy?“

 

„Hat mein Vater dich belästigt?“, fragte Draco sofort, aber Blaise verdrehte die Augen.

 

„Ok. Lass mich zu meinen Beschwerden noch ergänzen: Ich will nichts von Hermine Granger hören und ich will nicht, dass mein Mitbewohner halbtot im Mungo liegt und ich eine verdammte Nachricht mit drei Worten dazu erhalte!“, knurrte er. Hermine nahm an, Blaise hatte ihre verbotene Nacht doch nicht so klaglos geschluckt, wie angenommen.

 

„Deal“, erwiderte Draco lächelnd.

 

„Du bist ein Bastard“, sagte Blaise erschöpft und lehnte den Kopf zurück. Es klopfte wieder. Hermine saß aufrecht. Das war Sam.

 

„Herein“, rief Draco beinahe amüsiert. Sam öffnete die Tür.


„Kann ich – oh“, sagte er, als er die Versammlung bemerkte. „Ich bin spät“, stellte er dann fest. „Ich habe dir was zu essen mitgebracht – jetzt bereu ich, dass ich nicht genug dabei habe“, ergänzte er mit Blick auf Hermine, die aber dankend den Kopf schüttelte. „Hey“, begrüßte ihr zuvorkommender Freund Blaise Zabini. „Sam“, stellte er sich vor, und sie nahm an, auch Blaise verfügte über einen Satz Reinblut-Manieren, denn er erhob sich aus dem Stuhl.


„Blaise Zabini. Du arbeitest mit Draco?“

 

„Ja. Beide im zweiten Jahr“, erklärte Sam.

 

„Draco ist mein Mitbewohner, und ich hasse eure Ausbildung.“

 

„Ehrlich gesagt, hat nur Draco diese Probleme“, erwiderte Sam nachdenklich. „Alles klar?“, fragte er ihn tatsächlich, und Draco nickte bloß.

 

„Alles ok, ja.“

 

„Wann kannst du nach Hause?“, wollte Blaise dann wissen.

 

„Eine Woche“, sagte Draco unzusammenhängend, und Blaise stöhnte auf.

 

„Bist du verrückt? Das kann ich nicht eine Woche vor Lucius geheim halten? Ich bin heute im Club! Er wird da rumlaufen, mich fragen, wo du bist, was du tust!“

 

„Als ich jemals freiwillig in dieses Irrenhaus gehen würde. Lüg einfach“, erwiderte Draco achtlos.

 

„Oh ja, richtig. Kennst du deinen Vater?! Draco, verdammt – wieso passt du nicht besser auf? Was ist überhaupt passiert?“ Blaise schien auf eine Antwort zu warten.

 

„Unfall beim Training“, log Draco einigermaßen neutral, und Hermine gefiel nicht, dass er Blaise anlog. Nur zu schnell würde so etwas im Streit ausarten und Draco säße wieder auf der Straße.

 

„Vielleicht solltest du die Ausbildung sein lassen?“, schlug Blaise kalt vor. „Vielleicht hat dein Vater recht. Und vielleicht hat sogar Astoria recht“, ergänzte er bissig.

 

„Ich habe nicht vor, auf die Angebote meines Vaters zurückzufallen“, sagte Draco, um Ruhe bemüht.

 

„Weil sie so schrecklich sind? Weißt du, was ich für so ein Angebot tun würde?“, wollte er wissen.

 

„Du stellst mittlerweile Pansy nach. Was für Angebote möchtest du bitteschön haben?“, wollte Draco jetzt gereizt wissen. „Was ist überhaupt mit Pansy? Sie redet nicht mal mehr mit dir. Wollte sie dich nicht heiraten?“ Und Blaises Stimmung schien noch mehr abzukühlen.

 

„Ich wollte nicht auf dem Geburtstag darüber reden – und ich will es garantiert nicht jetzt!“, machte er mit Blick auf sie und Sam deutlich.

 

„Oh, ich mache also so viele Fehler, aber über deine Fehler willst du nicht reden?“

 

„Denkst du wirklich, ich habe Lust mein Leben vor Granger und ihrem Freund zu diskutieren? Oder deins, Draco?“, fuhr er ihn an, und Hermine und Sam tauschten einen knappen Blick, bereit zu gehen.

 

„Bleibt!“, sagte Draco bloß, hinderte beide mit einem eisigen Blick daran, zu gehen. „Das sind meine Freunde, Blaise“, sagte Draco jetzt, und Hermine wusste nicht, ob er sich da besonders weit aus dem Fenster lehnte. Ja, ihre Gefühle hatten sich etwas geändert, aber… sie wusste nicht, wie nahe sie an eine Freundschaft gerückt waren. Dasselbe galt wohl auch für Sam. „Und ich werde sie nicht rauswerfen, nur weil dir meine Ausbildung nicht passt.“

 

„Mir passt noch einiges mehr nicht – vor allem, dass du dir nicht die Mühe machst, Bescheid zu sagen, wenn du halbtot auf der Intensivstation liegst!“, schrie er praktisch. „Und seit wann gelingt es dir überhaupt, irgendwo auf der Welt Freunde zu haben?“

 

„Du meinst, weil du so ein umgänglicher und freundlicher Mensch bist?“, rief Draco außer sich. „Und ich konnte nicht Bescheid sagen! Ich war kaum bei Bewusstsein!“, knurrte er zornig. „Was ist los mit dir?“

 

Blaise stand mittlerweile völlig aufgebracht vor Dracos Bett, fixierte ihn fast bösartig, und beinahe wollte Hermine dazwischen gehen, Blaise zwingen, ruhig zu bleiben, aber sie nahm kurzatmig an, dass sie nur noch zwei Auseinandersetzungspunkte davon entfernt waren, dass Blaise ihr Geheimnis platzen ließ – was aber technisch gesehen für Sam unwichtig sein sollte. Technisch gesehen.

 

„Pansy ist schwanger“, sagte er dann. Dracos Augen weiteten sich minimal, und Hermine kam sich vor wie in einer seltsamen Reinblüter-Daily-Soap.

 

„Oh“, entkam es Draco überfordert. „Ihre… Eltern wissen es?“, schien er zu vermuten, und Blaise ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja.“

 

„Wieso redet sie dann nicht mit dir? Ich meine, wenn… ihr…?“ Draco schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Mach den Antrag. Frag Geoffrey. Wieso sollte er Nein sagen?“

 

„Weil es unschicklich ist“, erwiderte Blaise, und Hermine überkam eine reaktionäre Welle der Übelkeit des vergangenen Jahrhunderts. Was sollte das bedeuten? Draco schien es ähnlich zu sehen.


„Scheiß doch drauf.“

 

„Ich würde ja“, erwiderte Blaise kleinlaut. „Aber Pansy will nicht.“

 

„Pansy will nicht? Sie wollte dich in der Vorschule heiraten – und jetzt will sie nicht mehr? Wenn es dein Baby ist-“

 

„-es ist nicht meins“, sagte Blaise nun sehr eindeutig, und Draco schwieg mit einem Mal.

 

„Was?“, entkam es ihm schließlich, und Hermine konnte nicht glauben, wie spannend sie die Reinblüter-Dramen fand. Auch Sam machte keine Anstalten mehr, aufzustehen und zu gehen.

 

„Sie ist nicht von mir schwanger, aber das wissen ihre Eltern nicht. Ihre Eltern wissen nur, dass wir daten, und das Pansy schwanger ist – höchstwahrscheinlich von mir. Und ihr Vater ist sauer, verständlicherweise.“

 

„Moment“, entkam es Draco dann stirnrunzelnd. „Sie ist nicht schwanger von dir, aber du würdest sie heiraten?“, stellte er klar. Blaise verdrehte die Augen.


„Sie würde in Ungnade fallen. Sie würde…- ihr Name ist gut, Draco. Ihr Vermögen beachtlich. Dann wäre es eben nicht meins, dann-“

 

„-wessen Kind ist es?“ Selbst Draco wirkte gespannt. Blaise atmete aus.

 

„Wenn du weniger Zeit in Krankenhäusern verbringen würdest und ab und an mal zeitig nach Hause kämst, wüsstest du, was in meinem Leben vor sich geht.“

 

„Als ob es die beiden interessiert, welcher Reinblüteridiot Pansy geschwängert hat!“, entfuhr es Draco abwinkend in Sams und ihre Richtung.

 

„Oh, ich denke, in dieser einen Situation wäre es sehr wahrscheinlich der Fall“, bemerkte Blaise beinahe kühl. Hermines Stirn runzelte sich ebenfalls.


„Wieso? Kennen wir den Reinblüteridioten?“, fragte sie mit mildem Interesse, und erntete Blaises eindeutigen Blick.

 

„Ziemlich gut, würde ich meinen“, bestätigte er grimmig, und langsam gaben Hermines Züge nach. Sie kannte wenige Reinblüter. Alle saßen in diesem Raum. Alle, außer…- Ihre Augen weiteten sich.


„Ron?“, entkam es ihr mehr als ungläubig. Blaise atmete lange aus. „Ron Weasley?“, wiederholte sie, falls Blaise nicht verstanden hatte, was sie gerade angedeutet hatte.

 

„Weasley ist unser King, und… lässt vielleicht einen Quaffel zu viel durch seinen Ring“, erwiderte Blaise bitter, und Hermine konnte ihn nur anstarren.

 

„Ron?“, sagte sie wieder. „Du… du bist da vollkommen sicher?“, wollte sie wissen.

 

„Vielleicht lügt Pansy auch, aber… warum sollte man so etwas erfinden?“

 

„Pansy sagt das?“ Hermine konnte es nicht fassen, wollte es nicht mal hören, konnte aber nicht aufhören, Blaise anzustarren. „Wo-woher sollten sich die beiden kennen? Ich meine-“


„-Pansy geht gerne auf Partys, wie auch Weasley scheinbar“, machte Blaise es deutlich. „Pansy und ich sind nicht exklusiv, also… ist es mit mäßig egal, wen sie mit nach Hause nimmt, obwohl ich in diesem Fall weniger begeistert war.“

 

„Weiß… weiß Ron das?“, wollte Hermine jetzt wissen, noch nicht völlig überzeugt, aber Blaise hatte Recht, denn warum sollte Pansy lügen?

 

„Nein, weiß er nicht. Und das wird er auch nicht erfahren, Granger“, sagte Blaise jetzt. „Weil manche Geheimnisse besser nicht die große Runde machen“, ergänzte er vielsagend, aber auf eine so neutrale Art und Weise, dass Sam nicht reagierte. Er würde sie damit erpressen, ging Hermine auf. Der einzige Grund, warum Blaise es vor ihr gesagt hatte, war, dass er Hermine in der Hand hatte. Sofern sie nicht wollte, dass Sam von der Nacht mit Draco erfuhr – was sie nicht wollte!

 

„Aber… wenn sie dich nicht will-“

 

„-sie will Weasley auch nicht. Und ich bin sicher, Weasley ist bereits über die gemeinsame Nacht hinweg und hat eine neue Eroberung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das ehrenhafte Interesse hat, Pansy zu seiner Frau zu machen“, schloss er knapp. Und nein, das konnte sich Hermine auch nicht vorstellen. Sie konnte sich aber auch nicht vorstellen, dass Ron vor einem halben Jahr ihr Freund gewesen war und jetzt mit Pansy Parkinson schlief! Ekelhaft! Aber dann wiederum – wer war sie schon, so eine Meinung zu haben…?

 

„Das verlässt nicht dieses Zimmer“, warnte Blaise sie nun allesamt. „Das meine ich ernst“, ergänzte er scharf.

 

„Ich weiß nicht mal, wer Pansy ist, also… keine Sorge“, bestätigte Sam eindeutig.

 

„Wunderbar“, entgegnete Blaise lakonisch.

 

„Du solltest dir das gut überlegen“, merkte Draco dann an.

 

„Es gibt nichts zu überlegen. Pansy muss lediglich zustimmen, und wir schaffen diese Hürde aus der Welt“, war alles, was Blaise sagte.

 

„Und es stört dich nicht?“

 

„Dass Pansy mit einem Blutsverräter geschlafen hat und seinen Samen in sich trägt?“, vergewisserte sich Blaise herablassend. „Sicher stört es mich! Aber ich mag Pansy, ich denke, ich könnte mit ihr mein Leben verbringen, ohne jede Nacht in meinem Bett zu liegen und darüber nachzudenken, es besser zu treffen“, schloss er ehrlich.

 

„Sagt man Blutsverräter?“, erkundigte sich Sam ehrlich ratlos bei ihr.


„Nein, tut man nicht“, bestätigte Hermine still. Blaises Blick traf sie gereizt.


„Ich nehme an, du hast wesentlich schlimmere Beleidigungen für Weasley auf Lager nach diesen Neuigkeiten, oder irre ich mich?“, wollte er grimmig von ihr wissen, und sie verzog den Mund. Sie würde ihn garantiert nicht reizen. Dann wandte er sich wieder an Draco. „Also, hilf mir endlich“, fuhr er ihn an. „Hör auf, ständig irgendwo verletzt zu liegen und tu was, für das Gold, das ich dir gebe!“, knurrte er. Tatsächlich musste Draco lachen.

 

„Oh, ich glaube, das ist allein dein Projekt. Projekt Pansy“, entkam es ihm grinsend.

 

„Witzig, Malfoy.“ Dann wurde Draco wieder ernst.

 

„Wer weiß davon?“, wollte er wohl interessehalber wissen.

 

„Ich weiß es. Pansy weiß es – und jetzt ihr“, schloss Blaise knapp.

 

„Gut. Lass es keinen sonst wissen.“

 

„Hatte ich nicht vor“, bestätigte er knapp.

 

„Warum will sie dich nicht?“, ging Hermine auf Blaises vorangeganene Worte ein.

 

„Was?“, wandte sich dieser unzufrieden an sie.


„Du hast gesagt, sie will dich nicht heiraten.“ Kurz runzelte Blaise die Stirn.

 

„Ich weiß es nicht“, sagte er tatsächlich ehrlich.

 

„Will sie… Ron?“, entkam es Hermine höchst ungläubig. Blaise runzelte die Stirn.

 

„Kann ich mir nicht vorstellen. Was hätte Weasley zu bieten?“ Diese Reinblüter waren alle gleich, dachte sie entnervt.

 

„Er ist ein Held?“, schlug Hermine vor. „Er hat eine saftige Kriegsabfindung bekommen? Er… ist anscheinend der Vater ihres Kindes?“, wiederholte sie diese unfassbare Tatsache – von deren Wahrheit sie noch nicht überzeugt war.

 

„Es wäre eine Schande“, sagte Blaise lediglich, schien ihre Argumente nicht zu begreifen.

 

„Vielleicht ist es ihr egal?“, sagte sie eindeutig, und Blaise runzelte die Stirn.

 

„Das glaube ich nicht. Pansy ist sehr bequem. Einen Weasley zu bevorzugen wäre… alles andere, als bequem. Sieh dir Draco an“, ergänzte er vielsagend. „Sieht das bequem aus, was er veranstaltet? Verbockt es mit allen Frauen, hat keinen Sickel mehr und liegt öfter im Mungo, als dass er arbeitet?“ Hermine lächelte freudlos. „So sind wir nicht.“

 

„Ihr Reinblüter?“, vergewisserte sich Hermine dann kalt.

 

„Ja, wir Reinblüter“, bestätigte Blaise leidglich.

 

„Draco ist ein Reinblut. Draco zieht es durch.“

 

„Das werden wir noch sehen“, entschied sich Blaise wohl zu sagen.

 

„Ich denke, er zieht es durch“, behauptete sie plötzlich mit Vehemenz und ignorierte Dracos Seitenblick. „Er leistet hervorragende Arbeit.“

 

„Er liegt auf der Intensivstation.“

 

„Nicht, weil er bequem ist, sondern weil er kämpft“, log sie schlicht, und Blaise atmete lange aus.

 

„Ich würde ja wetten, Granger, aber ich möchte an Dracos Leid kein Gold verdienen“, schloss Blaise achselzuckend. „Obwohl es einer von uns tun sollte“, bemerkte er mit Blick auf Draco, der den Mund verzog.

 

„Wir können sehr gerne wetten!“, widersprach sie herausfordernd – wenn auch nicht völlig sicher, aus welcher Motivation heraus.

 

„Hermine“, mischte sich Sam beruhigend ein.

 

„Das wird nicht nötig sein“, sagte auch Draco mit Nachdruck – mit mehr als das. Sein Blick war beinahe streng.

 

„1.000 Galleonen, dass er es durchzieht“, sagte sie dennoch blind. Blaise schenkte ihr einen nachsichtigen Blick. Der Slytherin regte sie auf.

 

„Dafür lohnt es sich kaum, einzuschlagen. Es sind kaum drei Monate Miete für eure-“

 

„-50.000“, unterbrach Hermine ihn scharf, und Blaises Augenbraue hob sich.

 

„Was veranstaltet ihr?“, wollte Draco entgeistert wissen, aber grimmig fixierte sie Zabini. Er war hier nicht der einzige mit Gold auf hohen Kanten.

 

„Abgemacht“, ignorierte Blaise seinen besten Freund und streckte ihr die Hand entgegen. „Draco meistert die Ausbildung in seiner verkürzten Regelzeit“, sagte er herausfordernd, und Hermine schlug ein.

 

„Hermine, was soll das?“, wollte Sam entgeistert wissen. „Und – viel wichtiger, hast du so viel Gold?“, ergänzte er stiller. Sie ignorierte ihn teilweise. Blaise reizte sie ungemein.

 

„Sicher habe ich so viel Gold, aber ich werde nicht verlieren“, informierte sie Sam, um Draco dann einen eisigen Blick zu schenken.

 

„Oh, sieh mich bloß nicht so an! Das ist dein Bockmist“, bemerkte er kopfschüttelnd. „Wenn ich beim nächsten Fluch sterben sollte, bist du selber schuld an deiner Armut“, ergänzte er mit erhobenen Händen, aber Hermine gedachte nicht, zu verlieren. Blaise Zabini würde schon sehen. „Ich würde lieber wieder über Weasley und Pansy reden“, fuhr er fort und lehnte sich entspannt zurück, während Blaise ihr einen eigenartigen Blick schenkte.

 

„Ich nicht“, erwiderte Blaise, ließ ihre Hand los und wirkte wieder schlecht gelaunt. Tatsächlich war es wohl einigermaßen ehrenhaft, was Blaise vorhatte. Vielleicht. Hermine war sich nicht völlig sicher. Wahrscheinlich ging es auch um Blaises eigene Bequemlichkeit, aber immerhin störte es ihn nur geringfügig, dass es nicht sein Kind war. Und Merlin, sie wusste nicht, ob sie ihr Wort würde halten können.

 

Aber… vielleicht nützte es auch keinem, dass sie mit Ron sprach. Wenn Ron diese Verantwortung nicht wollte – wovon sie ausging – was brachte es dann für einen Nutzen? Sie ging davon aus, Molly (und Ginny) würden es anders sehen. Ganz anders als sie. Harry und Ginnys Baby hätte dann einen Cousin oder eine Cousine, von der es niemals erfahren würde. Das wäre zu traurig. War sie ebenfalls eine Tratschtante wie Harry es war, dachte sie mit einem Anflug von Mitgefühl, und sie war sich wirklich nicht sicher, wie sie diese Situation handhaben sollte. Und es war nicht mal ihr Geheimnis.

 

Vielleicht… müsste sie mit Pansy reden? Vielleicht irrte sich Pansy auch. Oder… vielleicht log sie sogar? Aber sie hatte keinerlei Kontakt zu Pansy. Nicht mal ansatzweise.

 

Sie würde mit Draco sprechen, sobald er tatsächlich mal nicht irgendwo in einem Krankenbett lag. Blaise hatte nicht völlig Unrecht, ging ihr bitter auf. – Und warum sie 50.000 Galleonen ihres Ersparten auf Malfoy verwettete, wollte sie so genau nicht hinterfragen, aber sie nahm an, das wäre noch etwas, worauf Sam sie später ansprechen würde. Sie hatte nicht mal sonderliches Vertrauen in Malfoy, aber dass sein angeblicher bester Freund nicht zu ihm hielt, regte sie einfach auf! Vor allem, wo sie jeden Tag mit ihm trainierte, und Malfoy quasi ihr eigenes Projekt war! Und Blaise schadete es nicht, ein paar Galleonen zu verlieren.

Und hoffentlich behielt sie recht.

 

 

26. naked

 

Es regnete, und das tat es seit Tagen. Außer das Ministerium und ihre Wohnung hatte sie nicht viel gesehen. Aber sie war nervös genug, denn Sam war heute hier, saß auf ihrer Couch im Wohnzimmer und sie waren tatsächlich in ihre Aufgaben vertieft. Sie lernte Flüche, er lernte Basistränke. Fast war es angenehm – wenn ihr Bauch nicht kribbeln würde vor Anspannung.

 

„Ist es seltsam?“, fragte er sie schließlich.


„Was?“ Sie hob den Blick aus ihrem anschaulichen Übungsbuch.

 

„Dass dein Ex ein Kind bekommt, von dem er nichts weiß?“, wollte Sam vorsichtig wissen. Sie sprachen seit den letzten Tagen kaum von ihrem Erlebnis im Krankenhaus. Hermine wusste nicht, was sie denken sollte, und sie wollte Sam damit auch nicht nerven.

 

„Keine Ahnung“, entkam es ihr unschlüssig, und das Buch sank auf ihren Schoß.

 

„Willst du das Geheimnis behalten?“, fragte er sie, und sie zuckte die Achseln.

 

„Ich habe über die Möglichkeiten nachgedacht“, begann sie, relativ dankbar, mit ihm darüber sprechen zu können. „Und ich weiß es nicht. Auf der einen Seite wäre es vielleicht gut, es Ron zu sagen, denn seine Mutter würde sich freuen, und es wäre Verwandtschaft, könnte mit Ginny und Harrys Kind spielen – und… es wäre vielleicht das Richtige“, sagte sie. „Aber…“

 

„Aber Zabini würde Pansy heiraten, es anerkennen, und es gäbe keinen Skandal?“, vermutete Sam nickend.


„Ja“, bestätigte sie.

 

„Aber… du wüsstest es immer“, schloss er. „Und ich auch“, ergänzte er stirnrunzelnd. „Nicht, dass es mir sonderlich viel bedeuten würde, aber…“

 

„Du wüsstest es auch“, wiederholte sie nickend.

 

„Was wäre besser? Für das Kind?“

 

„Hm“, überlegte sie unzufrieden. „Wäre es besser, dass es bei Pansy und Blaise ist – zwei idiotische Slytherin-Reinblüter, die es sehr wahrscheinlich zu einem furchtbaren Menschen erziehen – oder wäre es besser, dass Ron es wüsste, der sich entweder überhaupt nicht interessiert, weil es zu anstrengend ist, oder der sich einmischen würde – aber garantiert nicht für eine frühe Ehe und Familie geschaffen ist, erst recht nicht mit Pansy Parkinson, die ihn höchstwahrscheinlich nicht mal heiraten dürfte…?“ Verzweifelt zuckte sie die Achseln.

 

„Wenn du beide nicht kennen würdest, was wäre deine Lösung?“, fragte er sie ernsthaft.

 

„Was wäre deine? Du kennst sie nicht“, ergänzte sie knapp.

 

Sie sahen sich an. Und sie sprachen gleichzeitig. Hermine nahm an, sie wusste seine Antwort.

 

„Ich würde es nicht sagen“, entkam es ihr.

 

„Ich würde es Ron sagen“, sprach er gleichzeitig, und Hermines Augen weiteten sich minimal.

 

„Wirklich?“, wollte sie ungläubig wissen. Sam lächelte.


„Ich denke, das wäre das richtige.“

 

„Aber… das macht es unnötig kompliziert. Und wahrscheinlich schmerzhaft.“

 

„Würde das Kind lieber Blaise als Vater haben wollen, oder Ronald Weasley?“ Er sah sie an. Sie wüsste, wen sie lieber als Vater hätte. Aber bedachte man, dass Ron einen Fehler in einer betrunkenen Nacht gemacht hatte – dann… war sie sich nicht mehr völlig sicher.

 

„Ich glaube, die Frage ist, wer Pansy mehr liebt. Denn eine Familie funktioniert nur, wenn sich alle mit Respekt und Wertschätzung behandeln. Und sich lieben“, ergänzte sie.

 

„Sehr idealtypisch“, bemerkte Sam. „Und ich weiß nicht, ob es Liebe ist, wenn Blaise die Herkunft des Kindes verleugnen will.“

 

„Wenn es einem höheren Zweck dient?“, warf sie ein.


„Der da wäre?“

 

„Schadensbegrenzung“, murmelte sie bitter. „Ich verstehe, was du meinst, aber…“

 

„Warum willst du deine Eltern nicht finden?“, fragte er sie plötzlich. „Wenn ich fragen darf?“, ergänzte er vorsichtig.

 

„Das ist nicht dasselbe. Absolut überhaupt nicht.“

 

„Nein, ist es nicht. Aber… du scheinst nie einen Konflikt zu wählen, wenn er sich vermeiden lässt. Das ist… manchmal nicht der richtige Weg.“


„Ich denke, ich kann das alleine entscheiden.“

 

„Ich meine nur, dass-“

 

„-und ich habe gesagt, ich kläre es selbst“, unterbrach sie ihn hart.

 

„Entschuldige“, sagte er sofort. „Ich will dir nicht zu nahe treten. Ich will nur nicht, dass du unnötig leidest.“

 

„Ich leide nicht“, entkam es ihr reflexartig.

 

„Vermisst du deine Eltern?“, fragte er sie dann. Sie verzog den Mund.

 

„Sicher vermisse ich meine Eltern, aber… wie würde so ein Gespräch aussehen, Sam?“, fragte sie dann. „Ich fahre nach Australien, finde ihr Haus, klingel an der Tür, muss irgendeine Möglichkeit finden, dass sie mir zuhören, mich reinlassen, Lust darauf haben, erklärt zu bekommen, dass sie eine Tochter hatten, die in einem Zauberer-Krieg ihr Gedächtnis gelöscht und sie um die halbe Welt geschickt hat, und am Ende können sie sich sowieso nicht erinnern?“


„Du hast Angst, dass sie dir nicht zuhören? Dass sie dir nicht glauben?“, vermutete er, und sie betrachtete ihre Finger unschlüssig. „Oder dass sie dir nicht verzeihen? Oder dass es ihnen egal ist?“

 

All das.

 

Ja. Das war ihre Angst. „Du weißt, wo sie wohnen, oder nicht?“, fragte er plötzlich. Ihr Blick hob sich. „Du schiebst diese Entscheidung vor dir her, weil du es weißt?“

 

„Meine Mutter ist schwanger. So viel weiß das Ministerium. Und sie wird bald das Kind bekommen, und… wenn es magisch begabt ist, dann… werden sie einen Brief erhalten. Und dann… vielleicht…“

 

„Dann ist es einfacher? Dann wirst du sie sehen?“, fragte er, ohne nachzuhaken. Ohne es in Frage zu stellen, ohne zu werten.

 

„Vielleicht?“, erwiderte sie.

 

„Und wenn nicht? Wenn es ein ganz normales Muggel-Kind ist?“ Sie schwieg daraufhin. „Dann wendest du die Zabini-Logik an, lässt deine Eltern in Ruhe ihr Leben leben, mit ihrem normalen Kind, lässt sie einen Neuanfang machen? Und du bist dann was? Etwas Lästiges, etwas Kompliziertes, was du aus ihrem Leben streichen willst? Oder ist es umgekehrt? Sind dir deine Eltern lästig und kompliziert und etwas, was du nicht in deinem Leben brauchst?“ Ernst sah er ihr entgegen. Sie wollte darauf nichts erwidern. „Hermine, weißt du, meine Familie hat mich verstoßen, weil meine Mutter eine Muggel ist. Weil mein Vater sie gewählt hat, und mein Großvater wurde bereits ebenfalls verbannt, weil er sein Gold einem Jungen gegeben hat, der weggelaufen ist. Diese Entscheidung, jemanden nicht mehr an seinem Leben teilhaben zu lassen, ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte – und meine Meinung ist, man sollte so eine Entscheidung sowieso nie zur Disposition stellen. Sobald man sich fragen muss, ob man jemanden ausschließt, sollte die Antwort immer Nein sein. Man sollte nie jemanden ausschließen – auch wenn man denkt, man tut dem anderen einen Gefallen. Meistens ist es nicht der Fall.“ Er schwieg schließlich, und sie verzog unglücklich den Mund. „Und ich weiß, du hast mich nicht gefragt, es steht mir nicht zu – nicht in Bezug auf Ron oder deine Eltern – aber von den wenigen Dingen, die ich weiß, ist das eine, dass ich niemals nachvollziehen werde, wie man vor solchen Entscheidungen stehen kann, und sehenden Auges die falsche Antwort wählt. Denn man weiß es im Innern. Und meistens hat es mit Angst zu tun.“

 

„Und du suchst Kontakt zu deiner Familie?“, wollte sie dann wissen.

 

„Ich schreibe jedes Jahr. Zu Weihnachten, zu verschiedenen Geburtstagen. Damit sie mich nicht vergessen. Damit ich weiterhin etwas Lästiges und Kompliziertes in ihrem Leben bleibe, was sie nicht einfach verdrängen können.“

 

„Sie werden die Briefe nicht öffnen“, merkte sie still an.


„Völlig egal. Es reicht, dass sie meinen Namen auf dem Umschlag lesen können. Ich habe nichts zu verlieren“, schloss er kühl.

 

„Du bist sehr weise“, sagte sie dann seufzend.

 

„Nicht wirklich. Wenn man immer auf der verstoßenen Seite steht, hat man nicht wirklich eine Wahl. Ich habe keine Geschwister, meine Eltern haben keine Geschwister. Ich habe keine Onkel, keine Tanten, keine Cousinen oder Cousins – und dabei hätte ich all das. Aus einer der reichsten, ältesten magischen Familien der Zaubereigeschichte – die alle zu blöd und stur und bockig und rassistisch sind, um mir nur den Hauch einer Chance zu lassen.“

 

„Weißt du, ich habe mir angewöhnt, zu denken, dass ich die Menschen, die mich Schlammblut nennen, nicht in meinem Leben brauche. Und genauso wenig brauchst du die Familie, die dich nicht haben möchte“, schloss sie neutral.

 

„Das mag stimmen“, bestätigte er. „Aber dann sollen sie mir das ins Gesicht sagen.“

 

„Das könnten wir arrangieren“, sagte sie plötzlich. Er runzelte die Stirn. „Wenn dir ein Gespräch wichtig ist? Ich denke, ich werde mit Pansy reden“, sagte sie dann. „Vielleicht hast du recht, und Rons Kind sollte zumindest eine faire Chance bekommen. Und die Malfoys sind im Club. Narzissa ist deine Tante – also…, wenn du dringend Anerkennung oder eine Abfuhr erhalten möchtest – das wäre dein Ticket“, eröffnete sie ihm abwartend. „Oder hast du Angst?“, wollte sie von ihm wissen, beobachtete ihn genau.

 

„Gut gespielt“, lobte er sie anerkennend. „Um nicht wie ein Weichei auszusehen, werde ich dich begleiten“, beschloss er dann.

 

„Oh, du musst das nicht! Ich wollte dir aufzeigen, dass, für den Fall, dass du-“

 

„-schon ok“, unterbrach er sie lächelnd. „Vielleicht ergänzen wir uns beide gut?“, nahm er an, und sie schenkte ihm ein freches Grinsen.

 

„Das ist noch herauszufinden“, behauptete sie, und er hob die dunkle Augenbraue.

 

„Ist das so? Wann… würden wir das tun?“, wollte er langsam wissen, und sie biss sich auf die Lippe.

 

„Ich habe… keine Lust mehr zu lernen. Also…, wenn du fertig bist?“, begann sie und deutete vielsagend auf sein Buch, was er sofort achtlos fallen ließ.

 

„Fertig“, sagte er rau und rückte näher zu ihr.

 

„Cool“, entkam es ihr lahm, ein wenig atemlos.

 

„Cool“, wiederholte er bloß. Er senkte den Kopf und sie kam ihm entgegen. Er küsste sie behutsam, vorsichtig, und sie griff in seinen Nacken, zog ihn näher, und er atmete sie ein, rückte noch näher, und ihre Körper berührten sich. Sein Mund öffnete sich, teilte ihre Lippen, und sie küsste ihn, liebte seine weiche Haut und das Gefühl seiner Muskeln unter ihren Fingern. Er griff in ihre Taille, hob sie an, und sie setzte sich rittlings auf ihn, ließ ihre Finger durch seine kurzen, krausen Haare fahren und genoss die Laute, die sie ihm entlockte. Schnell glitten seine Hände unter ihr Top, über ihren bloßen Bauch, und seine schlanken, langen Finger wanderten höher, erreichten ihren BH, und seine Hände legten sich über ihre Brüste, drückten sie sanft, und Hermine stöhnte in seinen Mund. Sie spürte die wachsende Härte in seiner Hose, rieb sich auffordernd gegen seinen Schoß, und sofort erhob er sich mit ihr, hatte genug Kraft, sie zu halten, und ihre Beine legten sich um sein Becken, während sie gegen seine Lippen grinste. Er unterbrach den Kuss. Seine dunklen Augen voller Verlangen.


„Darf ich dich in dein Zimmer begleiten?“, fragte er sie, und sie biss sich auf die Lippe und nickte knapp. Kurz dachte sie an Malfoy, ob der Sex mit Sam ähnlich sein würde – und gleichzeitig hoffte sie, dass es nicht so wäre. Er trug sie in ihr Zimmer, kickte die Tür mit dem Fuß zu und trug sie zu ihrem – Merlin sei Dank – gemachten Bett, um sie abzulegen. Sofort war er über ihr, und das Vorspiel war elektrisierend. Er ließ sich Zeit, schien in keiner Eile zu sein. Es war komplett anders, als mit Draco. Bei Draco war es alles verboten gewesen, es war heiß und schnell gewesen – dieses Element fehlte komplett.

 

Und eine kleine Sache fehlte ebenfalls. Es war kein Nervenkitzel. Aber das war eine gute Sache, sagte sie sich eilig. Wozu brauchte sie verbotene Nächte, in fremden Wohnungen, wo sie nicht sein sollte, von denen sie niemandem erzählen durfte? Wozu?

 

Wozu?

 

Sie fragte es sich wieder, wollte sich selber zum Antworten bewegen, denn es gab keinen Grund, unnötigen Stress und Nervenkitzel zu vermissen. Sie hatte nicht so viel Sex in ihrem Leben gehabt, dass es ab jetzt nur noch langweilig war, und sie sich praktisch nach verbotenen Dingen sehnte! Es war absolut unsinnig.

 

Sam sah fantastisch aus! Seine dunkle Haut – nicht vollständig braun, eher hellbraun, die hypnotischen Augen, so warm und tief, die Muskeln, sein ganzer Körperbau – er würde sie nackt garantiert nicht enttäuschen, wusste sie! Sie war sich absolut sicher! Und er wollte sie! Schämte sich nicht, hatte niemand anderen, war emotional komplett für sie da, wollte eine Beziehung, wollte ihre Freunde kennenlernen, war ein perfekt geeigneter Kandidat, der sie bereits jetzt zum Nachdenken bewegte, ihr Ratschläge gab – die sogar Hand und Fuß besaßen, sie zu besseren Entscheidungen bewogen – und doch…

 

- und doch.

 

Sie bäumte sich gegen ihn auf. Überrascht wich er zurück, sah sie unsicher an.

 

„Hättest… hättest du was dagegen, wenn wir es nicht im Bett tun würden?“, fragte sie, etwas atemlos, ein wenig beschämt, aber sie musste ihren Kopf freikriegen! Sie musste ihre Gedanken sortieren – und vor allem musste sie Draco Malfoy da raus bekommen! Kurz hob sich seine Augenbraue.

 

„An… was hattest du gedacht?“, wollte er gespannt wissen, absolut nicht abgeneigt. Merlin sei Dank!

 

„An… die Wand?“, schlug sie mit klopfendem Herzen vor. Sie hatte noch Sex an einer Wand gehabt. Es erschien ihr aufregend genug. Er musste grinsen.

 

„Wenn… du das willst?“, sagte er dann, erhob sich und öffnete seine Hose. Ihr Blick folgte seinen Händen, folgte dem Bund seiner Hose, folgte dem Jeansstoff, der seine Beine hinab fiel. Er zog sich den Pullover aus, sein Shirt und sie betrachtete versonnen seine haarlose, muskulöse Brust. Sie erhob sich ebenfalls, beeilte sich, ihre Klamotten loszuwerden, wollte nicht mal, dass er es tat. In Unterwäsche standen sie sich gegenüber.

 

„Du siehst absolut fanatisch aus“, entkam es ihr, und er grinste breiter.

 

„Danke. Gleichfalls.“

 

Und sie tat noch etwas, schritt zu Tür, öffnete sie ins Wohnzimmer und ließ ihr Höschen zu ihren Knöcheln fallen und stieg aus dem dünnen Stoff, während sie gleichzeitig ihren BH öffnete.

 

„Lass uns die Tür auflassen“, sagte sie mit hochroten Wangen, und er schien ihr nicht mehr vollständig in die Augen sehen zu können.


„Ay, Ma’m“, sagte er tonlos, wurde seine Shorts los, und sein Penis besaß eine beachtliche Länge. Absolut beachtlich! Wie Malfoy war er noch clever genug, einen Verhütungszauber zu benutzen. Es war genug Nervenkitzel, nahm sie an. Gegen die Wand, bei offener Tür – und Penelope könnte jede Sekunde nach Hause kommen. Ihr Herz raste, und endlich verdrängte sie, was sie verdrängen wollte.

 

Nur noch Sam existierte gerade, und er schloss den Abstand, küsste sie erregt, und sie hob ihr Bein, er griff unter ihre Schenkel, hob sie hoch und im innigen Kuss krachten sie gegen ihre Wand. Keuchend genoss sie die Härte in ihrem Rücken, während er sich positionierte. Sie war feucht, sie war völlig bereit, und in einer einzigen schnellen Bewegung versank er in ihr, rammte sich tief, und ihr Kopf flog zurück, knallte ebenfalls gegen die Wand, und sie genoss, dass er ihr Gewicht halten konnte, dass er sie wieder und wieder nahm, ihren Namen stöhnte, und sie kratzte über seine Kopfhaut, seinen Nacken, bis sie sich komplett verlor.

 

~*~

 

Gedanken verloren zeichnete er, testete die Beweglichkeit seiner Finger, aber Magie war ein Wundermittel. Alle Knochen saßen fest, seine Finger zeichneten, ab und an schmerzte sein Mal, bei dehnenden Bewegungen, aber er nahm an, er würde nur noch ein, zwei Tage brauchen. Dann war er fünf Tage hier gewesen, und immerhin war er von seinen Eltern verschont geblieben.

 

Der Stift zeichnete eine schwungvolle Linie, eine weitere, noch eine und noch eine, bis er plötzlich einen welligen Vorhang vor sich hatte. Er führte den Kohlestift zwei Zentimeter weiter, begann gedankenverloren mit dem schwarzen Kern der Pupille, bis er behutsam die Iris schattierte. Mit gerunzelter Stirn versuchte er, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie die Farbe das Licht fing. Mit Schwung zeichnete er die Augenbraue. Der hohe Bogen, die feinen Haare, perfekt im Einklang. Der Nasenrücken, gerade, leicht gebogen am Ende, und automatisch kamen die Sommersprossen aus der Bewegung seines Handgelenks. Erst einige wenige, bevor er sich in ihrer Vielzahl verlor. Es waren bestimmt zweihundert, nahm er an.

 

Schon zeichnete er das zweite Auge, den Schwung der langen Wimpern, die Schattierungen der Wangenknochen, die feine Linie des Kiefers, und als er bei den Lippen ankam, ging sein Atem bereits schneller. Er zeichnete sie leicht geöffnet, konnte den heißen Atem praktisch erahnen, malte sie voll und glänzend, ergänzte das runde Kinn, und blinzelnd sank der Stift in seiner Hand. Grangers Gesicht blickt ihm beinahe sinnlich entgegen. Er hatte die schattierte Röte ihrer Wangen angedeutet, hatte eher unbewusst den einladenden Blick nachempfunden, und die geöffneten Lippen luden ihn praktisch zum Küssen ein.

 

Seine Erektion regte sich in seiner Hose, und beinahe andächtig, zögerlich, führte er den Bogen ihres Halses aus, ließ ihn in ihren bloßen Schultern gipfeln, und allein die Vorstellung, dass er sie nackt gezeichnet hatte, schickte Erregung durch seinen Körper. Eher unbewusst legte er den Stift zur Seite, und ergeben griff er unter die Decke in die Hose seines Schlafanzugs, fand seinen pulsierenden Schwanz und erlösend begann seine linke Hand zu pumpen. Sein Kopf fiel zurück ins Kissen, aber bevor er mit lauten Atemzügen kam, schlug er die Decke zurück, und konnte nicht anders, als noch ein letztes Mal ihr Gesicht anzusehen. Er spritzte zähe Fäden und ruinierte sich immerhin nur seine Hose. Er atmete heftig, griff sich den Zauberstab und reinigte sich behelfsmäßig.

 

Eilig riss er das Pergament vom Block, zerknüllte es, ohne einen weiteren Blick und warf es im hohen Boden in den Eimer an der Tür. Mühsam erhob er sich trotzdem, schritt zum Eimer, den Zauberstab in der Hand und zielte den Diffindo sauber auf das zerknüllte Pergament und beobachtete fast erleichtert, wie das Bild in Fetzen zerfiel.

 

Sofort zog er sich um, versuchte, nicht zu denken, es einfach sein zu lassen, bis er sich erschöpft wieder ins Bett legte.

 

Für einen Moment verfluchte er seine Gabe, zeichnen zu können, während er im selben Gedankengang überlegte, ob er sie aus dem Gedächtnis auch würde komplett nackt zeichnen können.

 

„Scheiße“, entkam es ihm gereizt. In einer zornigen Geste schleuderte er den Block quer durch das Zimmer. Immerhin würde ihn das aufhalten, direkt wieder etwas Dummes zu tun.

 

 

27. progress

 

„Ist das zu glauben?“, fragte Penelope entrüstet in die Runde. „Einfach so!“, ergänzte sie außer sich, und Hermine bereute bereits, sie eingeladen zu haben, bei Harry, Sam und ihr zu sitzen.

 

„Sehr bitter“, bemerkte Harry der Höflichkeit halber, während Hermine nur mit halbem Ohr zuhörte, denn Sam rieb ihr Knie unter dem Tisch und lenkte sie erfolgreich ab.

 

„Ja!“, bestätigte Penelope aufgebracht. „Was denkt er sich? Dass ich Verständnis habe? Wenn er Probleme hat, dann kann er mit mir reden – er muss nicht Schluss machen, wie ein feiger Idiot?!“

 

Cage hatte Penelope abserviert. Verständlicherweise, fand Hermine. Es wurde Zeit. Und scheinbar hatte der wenig wortgewandte Cage ihr auch keinen passablen Grund geliefert. Das schien Penelope am meisten aufzuregen.

 

„Vielleicht hat er wen anders?“, schlug Sam vor, und schien genau in die eifersüchtige Kerbe zu schlagen, vor der Penelope sich fürchtete.

 

„Ja, oder? Es kam mir auch so vor!“, rief sie wütend.

 

„Ich denke, er hat andere Sorgen“, murmelte Hermine, während sie Sams Aufmerksamkeit genoss.

 

„Dass er ein Arschloch ist? Ja, das denke ich auch!“, knurrte Penelope aufgebracht.

 

„Draco!“, rief Sam plötzlich, und Hermine saß kerzengerade. Tatsächlich. Er hatte die Kantine betreten. In Uniform. Er war anscheinend wieder zurück. Sie und Sam waren nicht mehr im Krankenhaus gewesen. Es hatte sich keine Zeit gefunden, neben der Ausbildung – und Sex in der Küche, Sex im Flur – Sex in Sams Wohnung im Zimmer seines Mitbewohners… Hermine war nicht stolz, aber… sie dachte immerhin nicht mehr an Draco.

 

Er kam näher, wirkte relativ ausgeruht, den Arm nicht mehr in der Schlinge.

 

„Hey“, begrüßte er sie gesammelt.

 

„Setz dich!“, sagte Sam sofort, mehr als zuvorkommend, bot ihm den freien Stuhl ihr gegenüber an, neben Penelope, die nicht begeistert wirkte. „Wie geht es dir?“, wollte Sam direkt wissen, und Draco lehnte sich zurück, schien sie nicht mal ansehen zu wollen.


„Besser“, sagte er.

 

„Malfoy, bekommst du Bonusmeilen im Mungo, oder warum landest du dort?“, wollte Harry lächelnd wissen. Draco erwiderte das Lächeln.

 

„Ich mag das Drama, Potter“, erwiderte er spöttisch.

 

„Dachte ich mir“, bemerkte Harry bloß. Beide sahen sich knapp an. „Gut, dass es dir besser geht“, entschied sich Harry wohl dem lieben Frieden Willen zu sagen.

 

„Danke, Potter“, entgegnete Draco dann.

 

„Trainiert ihr heute wieder?“, wollte Sam dann wissen, und während Hermine nicht anders konnte, als Draco anzusehen, richtete er den Blick zum ersten Mal auf sie.

 

„Können wir?“, schlug er gedehnt vor. „Aber, es ist Freitag. Seid ihr bereits verplant, oder-?“

 

„-Training geht vor“, sagte Sam sofort kopfschüttelnd, und Hermine öffnete überfordert den Mund.

 

„Nein, es ist ok“, sagte Hermine dann.

 

„Du kannst danach mit zu mir“, bot Sam ihm sogar an. „Wir machen einen Filmeabend – Muggel-Style“, erklärte er grinsend, und Draco könnte nicht ratloser aussehen. „Fernsehen. Du weißt schon?“, ergänzte er.


„Ahem…“, begann Draco ablehnend.


„Sam, ich glaube nicht, dass-“, begann Hermine einzulenken.


„-wir sind Freunde, oder nicht? Es ist sein erster Abend draußen. Ich denke, er würde bestimmt gerne was mit seinen Freunden und Kollegen machen?“ Sie sah, wie Harrys Augenbraue interessiert nach oben wanderte, bei der Behauptung, dass sie Malfoys Freunde waren. „Oder nicht? Bist du zu erschöpft?“

 

„Zu erschöpft zum… Fernsehen?“, benutzte Draco das Wort, als wäre es etwas exotisches. „Das ist die schwarze Scheibe, vor der man sitzt und absolut gar nichts tut, richtig?“, schien er sich zweifelnd zu vergewissern, und Sam sah ihn nachsichtig an.

 

„Es transportiert dich in eine andere Welt, Mann! Es ist ein 60 Zoll Screen und ich habe den Strom der Nachbarn im nächsten Haus angezapft – einfach genial!“, erklärte Sam. Kurz fiel Dracos Blick einigermaßen hilflos auf ihr Gesicht. „Oh, komm schon. Sei kein Reinblut, Malfoy“, neckte Sam ihn schließlich, was tiefe Falten auf Dracos Stirn erscheinen ließ.

 

„Wenn es absolut sein muss“, räumte Draco dann seufzend ein.


„Ja, muss es. Ich besorge Bier, Taccos – was kann besser sein, ehrlich mal?“ Hermine konnte sich dreitausend Dinge vorstellen, die besser waren.

 

„Nicht… viel?“, vermutete Draco schwach, und Hermine seufzte auf.

 

„Du bist anstrengend“, informierte sie ihren Freund kopfschüttelnd, und er küsste ihre Wange.

 

„Ich bin zuvorkommend“, korrigierte er sie liebevoll. „Das ist das Wort, das du suchst.“

 

„Ihr seid ekelhaft. Und nein, keine Sorge. Ihr müsst mich zu eurem bescheuerten Muggel-Scheiß nicht einladen“, erklärte Penelope gereizt.

 

„Hatte ich nicht vor, Penny. Wirklich nicht“, sagte Sam ohne Scheu, mit einem schiefen Grinsen, und wütend stocherte Penelope in ihrem Salat.

 

„Gut. Ich habe ohnehin besseres zu tun!“

 

„Perfekt“, griff Sam ihre Worte auf und wandte sich dann wieder an Draco. „Also mit Hermine hatte ich eigentlich eher an klassische Komödien gedacht, Monty Python und so…- aber mit einem weiteren Mann, vielleicht eher Die Hard?“ Er wirkte begeistert. Hermine verzog den Mund. „Mission Impossible?“ Dann weiteten sich seine Augen. „Batman!“, entkam es ihm siegessicher.

 

„Batman?“, wiederholte Malfoy zweifelnd.

 

„Du wirst es lieben!“, versprach Sam grinsend. 

 

Hermine graute bereits vor dem Abend.

 

~*~

 

„Bereit?“, fragte sie ihn, wie so viele Male zuvor, nicht halb so motiviert wie einige Mal zuvor, und sie wünschte sich, dass die Zeiten bald enden würden, wo sie ihn verfluchen musste. Aber er wirkte selber nicht begeistert – wie eigentlich immer, wenn sie trainierten.

 

„Wenn du etwas mehr Absicht benutzt, vielleicht kann ich den Abend dann wieder im Mungo verbringen“, schlug er abwesend vor. Sie lächelte freudlos.


„Witzig“, sagte sie dann. „Bereit?“, wiederholte sie, wollte so wenig wie möglich mit ihm reden, und er streckte den Rücken durch.

 

„Bereit“, erwiderte er neutral, sah ihr direkt ins Gesicht, und selten hielt er tatsächlich Blickkontakt mit ihr.

 

Mit einem schweren Atemzug hob sie den Zauberstab. „Crucio!“, sagte sie, ohne Kraft, und fast war sie sicher, sie hatte es falsch gemacht, als er den Fluch nahezu locker blockte. Ihr Zauberstab schnappte leblos zur Seite, der Fluch war abgewehrt. „Was…?“ Sie starrte ihn an. Kurz wirkte er selber überrascht.

 

„Du kannst… mehr Kraft als das anwenden“, sagte er dann kopfschüttelnd. „Es geht mir gut, ok?“ Sie runzelte die Stirn.

 

„Ok“, entkam es ihr unsicher. Was hatte sie falsch gemacht?

 

„Crucio!“, sagte sie mit mehr Absicht, drehte die Hand sogar ein Drittel, aber nahezu sofort brach er auch diesen Fluch. Mit einem stärkeren Ruck verlor ihr Zauberstab diesmal den Kontakt, und sie musste nachgreifen, damit er nicht aus ihren Fingern glitt. „Draco, was-?“

 

„-verarschst du mich?“, wollte er direkt gereizt von ihr wissen, und sie schüttelte hilflos den Kopf.

 

„Nein! Ich… wirklich nicht!“, schwor sie, mittlerweile aufgeregt. „Wie… wie machst du das?“, entkam es ihr tonlos.

 

„Ich – keine Ahnung?“ Seine Stirn lag in tiefen Falten. „Mach das noch mal“, forderte er sie auf. Sie schluckte schwer.

 

„Crucio!“, sagte sie, mit halber Umdrehung, halber Power, spürte die Bösartigkeit des Fluches sogar in ihrem Körper, und kurz sah sie die Anspannung in seinem Gesicht, aber keine Sekunde später, riss seine Blockung ihren Zauberstab aus ihren Fingern. Er flog im hohen Bogen, landete klappernd auf dem Hallenboden, und ihr Mund öffnete sich stumm. „Du… kannst es!“, wisperte sie aufgelöst. „Malfoy!“, entkam es ihr begeistert. Tränen füllten ihre Augen praktisch, als sich ein verblüfftes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Er lachte erleichtert auf, und sie nahm an, es waren einfach die Gefühle der Erleichterung, die endlich gelöste Anspannung, denn, ohne nachzudenken, kam sie auf ihn zu, öffnete die Arme und zog ihn in eine freudige Umarmung. Kurz verharrte er sehr steif unter dieser Geste, bis er die Arme hob und sie um ihren Körper legte.

 

Sie bereute es.

 

Direkt, sofort.

 

Mit heißen Schuldgefühlen, hochroten Wangen, zitternden Knien – mit allem, was zu einem schlechtem Gewissen gehörte, aber sie verblieben in der Umarmung, und fester drückte er sie an sich.

 

„Danke“, sagte er tatsächlich mit einigermaßen belegter Stimme und wieder nahmen Tränen ihr die Sicht, als sie sich erlaubte, ihn ebenfalls fester zu umarmen.

 

Es waren mehr als fünf Sekunden, ging ihr auf.

 

Mehr als zehn, stellte sie fest.

 

Und ab jetzt war es unangenehm. Mehr als das. Sie wollte sich aber nicht lösen, denn er würde ihr rotes Gesicht sehen, sich lustig machen – alles Mögliche! Er rührte sich ebenfalls nicht. Mittlerweile waren wohl zwanzig Sekunden vergangen.

 

„Alles ok?“, fragte er sie schließlich, und sie schüttelte den Kopf, irgendwo unterhalb seiner Schulter.

 

„Sieht das so aus?“, murmelte sie gegen seine Uniform.

 

„Nein, aber ich dachte, ich frage“, entgegnete er ruhig.

 

Langsam ließ sie von ihm ab, zog sich zurück und widerwillig hob sie den Kopf, um ihn anzusehen. Hastig wischte sie sich die Tränen von der Wange. Er kommentierte es nicht. Weder die Tränen, noch ihre heißen Wangen. Sie war dankbar.

 

„Wieso… wieso hat es funktioniert?“, wollte sie stattdessen wissen, und er schien kurz zu überlegen. Dann atmete er aus und zuckte die Achseln.

 

„Keine Ahnung. Auf einmal… ging es“, schloss er ratlos, aber sie runzelte die Stirn. Irgendetwas schien er zu verbergen. Aber sie war so glücklich, dass sie nicht nachhaken wollte.

 

„Das ist… ein immenser Fortschritt“, räumte sie ein. „Ich freue mich für dich.“

 

„Ja, ich mich auch“, bestätigte er. „Wollen… wollen wir weitermachen?“, fragte er schließlich. Sie sah ihn an.

 

„Bist du sicher?“

 

„Definitiv“, sagte er zuversichtlich. „Gib mir die volle Dröhnung“, ergänzte er, dehnte seinen linken Arm, und sie zögerte.

 

„Draco, du bist gerade erst aus dem Krankenhaus zurück. Willst du wirklich riskieren, dass-“


„-wieso diskutierst du alles? Wieso stellst du alles in Frage? Vertrau mir ein einziges Mal, ok?“, bat er sie ungeduldig. Sie wollte ihm nicht vertrauen, aber sie tat es so oder so. Sie atmete aus.

 

„Fein“, gab sie nach. Er schenkte ihr ein Grinsen. Dann wappnete er sich, schien sie sehr genau ins Auge zu fassen, und es war ihr fast unangenehm. Zuvor fand sie es immer dreist, wenn er sich nicht die Mühe machte, sie anzusehen, jetzt war es ihr unangenehm. Aber sie sah ihm entgegen, und fast kam es ihr so vor, als tat er es mit Absicht, als… zöge er daraus irgendeine Art von… Kraft. Aber es war lächerlich. Ihr Anblick half ihm nicht dabei, die Malschmerzen zu überwinden.

 

Sie konzentrierte alle böse Energie, legte kein Mitgefühl in den Spruch und vollführte den Fluch, wie Lorrie es ihr beigebracht hatte. „Crucio!“, entkam es kalt ihren Lippen, sie drehte den Zauberstab nahezu zur Gänze, spürte die Wucht des Zaubers, musste ihre Hand zwingen, still zu halten, und spürte, wie sich sein Blick intensivierte. Sofort erfasste der Fluch seinen Arm, der mit einem reflexartigen Ruck zuckte, sich von seinem Körper bewegte, und er schloss seine zitternden Finger zur Faust. Und Hermine merkte, wie er bereits kämpfte, wie er versuchte, den Fluch zu zerstören, und sie legte mehr Kraft in ihren Zauber, umfasste den Zauberstab mit beiden Händen, würde ihm geben, wonach er verlangte, und mit einem zornigen Schrei entriss er seinen Arm tatsächlich dem schwarzen Bann, und der Rückschlag ließ Hermine mit Wucht nach hinten fallen.

 

Perplex saß sie auf ihrem Hintern, den Zauberstab nutzlos in beiden Händen, aber ein Grinsen erhellte ihr Gesicht.

 

„Das war absolut beeindruckend!“, rief sie, und bevor sie selber aufstehen konnte, hatte er den Abstand geschlossen und sie ergriff seine rechte Hand, die sie in die Höhe zog. Sein Atem ging schnell, und er wirkte minimal erschöpft, aber sehr zufrieden.

 

„Vielleicht können wir es Montag Shacklebolt zeigen und dann… können wir diese Trainingseinheit streichen. Ich kann wieder in den normalen Kurs und wir konzentrieren uns lediglich auf deinen Schein?“, schlug er ihr etwas aufgeregt vor.

 

„Oh – sicher. Ich… denke, du hast es raus“, sagte sie eilig. „Und… die Basisflüche? Beherrscht du sie alle schon? Ich meine-“

 

„-nein, aber ich dachte, ich trainiere lieber mit Sam?“

 

Sie wusste nicht, warum es sie eigenartig verletzte. Sein Vorschlag war vollkommen angemessen. Sam hatte das erste Jahr hinter sich, hatte die Prüfung bestanden und würde Draco alles erklären können. Und es wäre für ihre Beziehung besser, denn Hermine war sich nicht sicher, ob Sam ihr tatsächlich so ausnahmslos vertraute, wie er sagte. Auf diese Weise würde sich die Freundschaft von Sam und Draco stärken, und Hermine müsste weniger Zeit mit ihm verbringen.

 

„Ok“, schaffte sie zu sagen, klopfte sich den nichtvorhandenen Staub von der Hose.

 

„Ich meine, wegen… allem. Ich dachte, es wäre angenehmer für…uns – für dich – wenn ich einfach-“


„-schon klar!“, sagte sie hastig. „Ja, ich denke, es ist eine gute Idee.“ Sie bemühte sich um aufrichtige Worte, aber in ihren Ohren klang es hohl. Er wollte nicht mehr mit ihr trainieren, und es ging an ihren Stolz. Sie musste tausend aufregende Orte finden, um mit Sam Sex haben zu können – und Malfoy hier wollte nicht mal mehr mit ihr trainieren.

 

„Tust du das? Es klingt nicht so?“, schien er sie zu durchschauen.


„Doch. Das tue ich“, erwiderte sie fast aggressiv. Er hob abwehrend die Hände.

 

„Ok“, sagte er schlicht.

 

„Ok“, bestätigte sie und hasste sich selbst.

 

~*~

 

Es gefiel ihr nicht. So viel wusste er zu sagen. Aber er begriff nicht, was es war. Sie hasste das Training, das wusste er auch. Und auf einmal war sie sauer, weil er mit Sam weitermachen wollte. Er hatte angenommen, die perfekte Lösung gefunden zu haben?!

 

Auf einmal war es wieder unangenehm zwischen ihnen. Gerne hätte er ihr dazu die Meinung gesagt, aber er war ehrlich gesagt zu dankbar, dass er die Ausbildung nicht aufgeben musste. Dass er tatsächlich einen Weg gefunden hatte! Einen absolut fragwürdigen Weg, aber… ein Weg war es, nichtsdestotrotz.

Wenn sie wüsste, dass sie der Grund war, dass er die Schmerzen überwand – und das mit Leichtigkeit – würde sie wahrscheinlich erst ihn und dann den Seher umbringen, nahm er bitter an. Denn es stimmte. Er tat es für sie. Es war… seltsam, aber er sah sie an, wusste, was es sie kostete und hasste, es ihr antun zu müssen. Er wollte, dass sie glücklich war und nicht verzweifelt und sauer wegen ihm.

 

-Aber anscheinend war sie das so oder so.

 

Und natürlich würde er es ihr niemals sagen! Denn es klang… fragwürdig. Es klang nach dummen Gefühlen, die er nicht ergründen wollte – und die er auch nicht wirklich empfand. Sicher, ihr Portrait zu zeichnen und sich zu befriedigen schrie nicht zwingend nach einem rationalen, gesunden Menschenverstand, aber das wusste niemand. Und niemand kannte seine Beweggründe, was den Modifizierten Fluch anging – also… hatte er wenig zu befürchten.

 

Und tatsächlich gelang es ihr, den Drachen sofort zu beschwören. Draco hätte es garantiert nicht so schnell geschafft. Er hatte Monate gebraucht, um Konstanz in seinen eigenen Patronus zu bringen. Aber Granger war anders.

 

Und sie schien nicht begeistert, nicht zufrieden – nein. Sie war noch immer wütend. Als wäre es eine Leichtigkeit, ließ sie den Drachen wieder verschwinden und wandte sich ihm zu.

 

„Draco, ich denke, es wäre besser, wenn du heute Abend nicht zu Sam kommst“, sagte sie dann. Er musterte sie knapp. Sie bestrafte ihn. Aber… er nahm an, das war ok. Er brauchte nicht unbedingt das reale Bild, dass Sam und Hermine zusammen waren, Sex hatten, heiraten würden, Kinder bekamen – das mentale Bild war schon anstrengend genug.

 

„Das denke ich auch. Ich habe sowieso keine Lust auf euren Muggel-Quatsch“, entgegnete er achselzuckend.


„Es ist kein Muggel-Quatsch“, korrigierte sie ihn steif, wohl beinahe reflexartig, denn er könnte sich nicht erinnern, sie jemals beim Fernsehen gesehen zu haben.

 

„Ich würde sagen, mehr Muggel-Quatsch als einen… Filmeabend“, sagte er betont herablassend, „geht schon nicht mehr.“

 

„Dein Pech!“, sagte sie, und er lachte auf.


„Du hast gerade gesagt, ich soll nicht kommen“, wiederholte er grinsend ihre Worte, und sie wurde nur wütender.


„Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, es wäre besser.“

 

„Wo ist der Unterschied?“, erkundigte er sich.

 

„Der Unterschied ist, dass ich dir die Wahl lasse und eben nicht sage, dass ich es nicht will.“

 

„Aber… du willst es nicht?“, suchte er den Umkehrschluss, und sie fixierte ihn zornig.

 

„Von mir aus kannst du gerne kommen“, sagte sie gereizt. Er legte den Kopf schräg. „Wir… sind Freunde, und ich dachte, ich lege dir einfach nahe, dass-“

 

„-es besser wäre, wenn ich nicht komme?“, wiederholte er gedehnt ihre Worte. „Und sind wir das?“, griff er ihre Worte auf. „Freunde?“

 

„Das hast du Blaise gesagt!“, entkam es ihr fast entrüstet, und fast war es niedlich, wie sie sich über ihn aufregte.

 

„Ja, weil es Blaise ist. Und es ihn wahnsinnig macht“, ergänzte er spöttisch.

 

„Also sind wir keine Freunde?“

 

„Möchtest du das?“, wich er in die Gegenfrage aus, aber sie schien genug von ihm zu haben.

 

„Malfoy-“, begann sie warnend, und er seufzte auf.

 

„-ich habe dich nackt gesehen, Hermine“, antwortete er also ehrlich, und sofort – wirklich sofort – schoss die Röte in ihre Wangen. Niedlich. „Und ich halte es für schwierig, mit jemandem befreundet zu sein, den man nackt gesehen hat. Mit dem man Sex hatte. Mit dem man theoretisch wieder Sex haben würde“, ergänzte er, vielleicht etwas zu achtlos, denn sie starrte ihn jetzt an. Und dann verdrehte er die Augen. „Nein“, machte er es klar. „Nein, ich will keinen Sex mit dir haben“, erklärte er hastig. „Ich meine nur, es war nicht schrecklich. Und theoretisch könnte man mit der Person noch einmal – ach vergiss es!“, winkte er ab.


„Es war nicht schrecklich?“, wiederholte sie entgeistert seine Worte. „Wow. Danke. Das…- fick dich, Draco“, sagte sie kopfschüttelnd.

 

„Ich kann dich nur noch mal fragen: möchtest du wirklich, dass wir Freunde sind?“

 

„Ich denke, Freunde würde nicht behaupten, dass der Sex ‚nicht schrecklich‘ war“, giftete sie mit verschränkten Armen.

 

„Freunde hätten keinen Sex“, entgegnete er beflissen. Sie verzog den Mund.


„Gut. Dann ist das geklärt. Wir sind keine Freunde“, schloss sie verärgert.


„Aber das hättest du gerne?“, versuchte er, ihre Gedanken zu erraten.

 

„Nein. Ehrlich gesagt, bevorzuge ich die ‚theoretisch wieder Sex haben‘ Kategorie, aber da es nur ‚nicht schrecklich‘ war, bin ich da ebenfalls raus!“, knurrte sie.


„Was?“, entkam es ihm verwirrt.


„Vergiss es“, wiederholte sie seine Worte bissig.

 

„Du würdest noch mal mit mir schlafen?“, fragte er sie mit gerunzelter Stirn.


„Nein“, log sie. Er konnte es praktisch hören. Kurz fiel sein Blick nachdenklich.

 

„Hör zu“, begann er erschöpft, „ich… wäre gerne mit dir befreundet, Hermine“, sagte er. „Ich… wäre gerne eine Person, der du alles Mögliche erzählst. Und natürlich würde ich gerne wieder mit dir schlafen“, räumte er offen ein. „Gerne jetzt sofort“, machte er es deutlich, ohne wirklich nachgedacht zu haben, und fast wirkte sie nun ängstlich. „Aber… meiner Erfahrung nach, sind die Dinge, die ich ‚gerne‘ möchte, grundfalsch. Und ich meine, wirklich – wirklich – falsch. Ich bin die falsche Person, mit der man irgendetwas ‚gerne‘ tun sollte. Und deshalb werde ich euch heute nicht belästigen. Ich weiß zu schätzen, was Sam tut, und ich nehme an, du bist nicht unbeteiligt an dieser Entwicklung“, ergänzte er. „Und weil ich weiß, dass ich alles immer falsch mache – bin ich nicht mit dir befreundet. Ich werde nicht mehr mit dir trainieren, denn auf gar keinen Fall möchte ich dein Leben versauen. Ich schulde dir jetzt schon mehr, als ich jemals zurückzahlen könnte.“ Sie sah ihn an, ohne dass er ihren Blick deuten konnte. „Danke, für deine Hilfe. Aber vielleicht… sind wir einfach… Kollegen?“, schlug er ihr vor. „Ich freue mich über deine Beziehung zu Sam. Es scheint… echt zu sein. Richtig. Und ich will nichts mehr tun, was das zerstören könnte.“

 

Schließlich nickte sie.

 

„Du hast Recht.“ Es waren simple Worte, positive Worte. Aber sie fühlten sich nicht positiv an. Vor allem hörten sie sich aus ihrem Mund auch nicht positiv an. „Mit allem.“ Er wartete auf den Einwand, das große Aber. Aber das schien nicht zu kommen. „Kollegen klingt gut. Absolut ausreichend. Ich bin sehr glücklich mit Sam. Und ich will das auch nicht riskieren. Nicht für eine Freundschaft zu Draco Malfoy.“

 

Ihre Worte stachen. Irgendwo. Aber es war ein Ort, den er ignorieren konnte. Denn sie hatte Recht. Er würde niemals mehr sein, als Draco Malfoy. Aber es tat nie gut, es zu hören. Sie wollte ihn verletzen, hatte er das Gefühl. Und er hasste, dass sie es konnte. Es tatsächlich konnte.

 

„Du weißt, dass ich Recht habe“, sagte er still. „Du brauchst mich nicht zu beleidigen“, informierte er sie tonlos.

 

„Aber du darfst mich beleidigen, ja?“, fuhr sie ihn jetzt an, und das große Aber schien doch noch aus ihr herausbrechen zu wollen.

 

„Dich beleidigen?“, entfuhr es ihm ungläubig. „Wann bitteschön habe ich dich mit irgendeinem Wort-“

 

„-die Freundschaft zu mir ist grundfalsch, ja?“, unterbrach sie ihn, und er wusste nicht, warum sie das tat! Warum sie seine Worte verdrehte, den Sinn komplett entstellte. „Sex mit mir ist grundfalsch?“ Tränen glänzten in ihren Augen. Merlin, sie war unfassbar! So absolut unfassbar – ahrg!

 

„Du weißt genau, wie ich es meine!“, entkam es ihm gereizt. „Fuck! Wieso tust du das? Wieso musst du alles-?“ Sie weinte jetzt, wischte sich zornig über das Gesicht, und er verstand nicht, wie alles aus dem Ruder lief. Alles war ok! Er hatte große Fortschritte gemacht! Und sie! Sie… zerstörte all das! Mit einer Handvoll scheiß Tränen!

 

„-ich weiß es nicht!“, schrie sie wütend – mit ihm, mich sich selbst. Er verstand nicht. Er verstand sie einfach nicht. „Scheiße“, fluchte sie, schloss die Augen, und langsam kam er näher. „Nicht!“, sagte sie hastig, schien es registriert zu haben. „Hör auf, mich zu trösten! Hör auf, die richtigen Worte zu sagen! Ich hasse das!“, knurrte sie hilflos. Er hatte keine Antwort parat. Sie brachte ihn an sämtliche Grenzen. „Ich mag Sam!“ Sagte sie das ihm? Sagte sie das sich selbst? „Auch, wenn ich…“

 

Der Satz hing in der Luft.

 

Auch, wenn sie was? Auch, wenn sie was?! Es kostete ihn alles, nicht zu fragen. Verdammt noch mal, nicht zu fragen!

 

Aber sie sah ihn an, und er wusste, was. Auch, wenn sie an ihn dachte! Sie dachte an ihn, wenn sie bei Sam war! Sein Atem ging flach.

 

Es war falsch. So einfach war es. Sie wollte ihn, und er würde sie nehmen. Sofort. Innerhalb eines Herzschlages, wenn nur irgendetwas an dieser Entscheidung im Ansatz richtig wäre. Aber nichts daran wäre richtig. Absolut gar nichts. Und es würde niemals richtig sein.

 

„Du solltest gehen“, sagte er gepresst. Eine letzte Träne fiel auf ihre Wange.


„Ja, ich sollte gehen“, bestätigte sie heiser, als hätte auch sie jetzt gerade diese Erkenntnis gehabt. Und mit diesen Worten wandte sie sich ab. Und sie ging nicht, sie rannte praktisch.

 

Noch eine ganze Weile stand er reglos in der Halle und wünschte sich mit aller Macht, irgendwer anders zu sein.

 

Aber es passierte gar nichts. Er blieb, wer er war. Er blieb das Arschloch Draco Malfoy.

 

 

28. unravel

 

„Morgen“, raunte Sam in ihr Ohr, und Hermine schmiegte sich in die warme Umarmung. Sie war in keiner sonderlich guten Stimmung gewesen, als sie vom Training zurückgekehrt war. Dann hatte sie eine Ausrede erfinden müssen, warum Draco nicht mitgekommen war (Sam hatte alle Batman Filme rausgesucht, alte wie neue), und letztlich hatten sie irgendeine Komödie angefangen, aber Hermine war beim Sitzen regelrecht schlecht geworden, und sie hatte Sam direkt auf der Couch verführt. Sie hatte keine Geduld für Muggel-Filme aufbringen können, hatte schon früher keinen Spaß am Fernsehen gehabt, und ihren Gedanken nachzuhängen war nicht drin gewesen. Sie hätte an Draco gedacht – und sie wollte alles, nur das nicht.

 

„Morgen“, erwiderte sie entspannt. Diese Nacht hatten sie dreimal Sex gehabt, und Hermine fühlte sich so ausgelaugt, dass sie gar keine Zeit hatte, an Malfoy zu denken.

 

„Schön, dass du hier bist. Hast du Hunger?“, wollte Sam wissen und biss sanft in ihre Schulter.

 

„Absolut“, gähnte sie, und er lächelte gegen ihre Haut.

 

„Oder möchtest du noch schlafen?“, erkundigte er sich.

 

„Nein, nein. Frühstück klingt gut. Ich will danach noch joggen“, erklärte sie. „Ich habe überlegt, dass wir heute in den Club könnten?“, wechselte sie dann das Thema. Sie wollte beschäftigt sein, und zur Not musste sie sich selbst zur Ablenkung zwingen.

 

„Heute?“, vergewisserte er sich.

 

„Ja? Ist das ok?“

 

„Meinetwegen“, erwiderte Sam nachdenklich.

 

„Ich meine, du musst ja nicht mit den Malfoys sprechen“, sagte sie eilig. „Aber ich würde gerne mit Pansy Kontakt aufnehmen, bevor… bevor es zu spät ist“, schloss sie bloß. Und bevor Blaise es merken würde. Vielleicht war ja mit Pansy zu reden? Sie glaubte es nicht, aber… dann wiederum hätte sie nie gedacht, dass Ron Interesse an dieser Person haben könnte.

 

„Nein, ich… stelle mich meiner Angst. Das ist in Ordnung. Ich denke, ich weiß auch, wie es ausgehen wird“, ergänzte er vielsagend und erhob sich. „Dann auf zur Galgenmahlzeit“, bemerkte er bitter. Hermine war sich nicht mal völlig sicher, ob sie ihm Club willkommen waren, aber dann wiederum war sie arrogant genug, anzunehmen, dass sie, Hermine Granger, in jedem Club willkommen war.

 

Sie sah Sam nach, wie er in Shorts ins Wohnzimmer verschwand, um in der Küche zu hantieren.

 

Für einen Moment fühlte sie sich schwach. Und sie wusste, sie würde das hier verlieren. Diese Beziehung. Müde fragte sie sich, wann sie damit angefangen hatte, sich selbst zu sabotieren, aber die Antwort war wohl einfach: Seitdem Ron sie abserviert hatte. Sie trieb von einer Misere zur nächsten, was ihr Privatleben anging, aber der größte Fehler war gewesen, Malfoy zu küssen. Mit ihm zu schlafen. Mit ihm zu wohnen, mit ihm zu trainieren, an seinem Krankenbett zu sitzen, gestern einen unsinnigen Streit mit ihm anzufangen.

 

Sie wollte ihn nicht mal! Sie wollte nur wieder das Gefühl spüren, was sie bekam, wenn sie in seiner Nähe war. Sie fühlte sich eigenartig lebendig.

 

Aber er war vernünftig – glaubte sie. Dass er wieder mit ihr schlafen würde, hatte ein ohnmächtiges Gefühl in ihr ausgelöst. Und es brachte sie um, dass sie diese Gefühle nicht kontrollieren, nicht abschalten konnte.

 

Und es würde damit enden, dass sie Sam verlor. Und für was? Für eine weitere verbotene Nacht? Sie hatten nichts gemein. Gar nichts! Und sie wollte Sam nicht verletzen. Auf keinen Fall. Sie wollte bei ihm sein. Bei ihm bleiben.

 

Sie würde einfach stark sein müssen. Irgendwie. Wie konnte der Wahn nicht vorbei sein? Bei Cormac war nach der ersten Nacht für sie klar gewesen, dass der Junge wieder verschwinden musste. Wieso war es bei Malfoy nicht so? Wieso nicht?!

 

Sie hatte Angst vor sich selbst. Sie war nicht mehr Hermine Granger. Nicht die Hermine, die sie geglaubt hatte, zu kennen. Und das ängstigte sie mehr, als alles andere zuvor.

 

~*~

 

„Was ist los?“, wollte Blaise von ihm wissen, während Draco lustlos in seinem Müsli rührte, während er auf einem der hohen Barhocker vor dem Tresen in der Küche saß. „Vermisst du das Mungo?“, erkundigte er sich mit einem trockenen Lächeln.

 

„Mh“, machte Draco, ohne wirklich zuzuhören.


„Hey, was ist?“, wiederholte Blaise und stellte sich neben ihn. Träge hob Draco den Blick. Er blinzelte. Blaise wirkte über alle Maßen schick. Draco runzelte die Stirn. Blaise trug einen dunklen Anzug, glänzende Schuhe, die Haare lagen perfekt auf seinem Kopf und sanfte Nervosität spielte um seine Augen.

 

„Wo gehst du hin?“

 

„In den Club.“

 

„Jemand gestorben?“, wollte Draco stirnrunzelnd wissen.

 

„Noch nicht“, gab Blaise zurück. „Ich mache heute Pansy den Antrag“, schloss er dann. Dracos Augen weiteten sich.


„Spricht sie wieder mit dir?“, wollte er dann vorsichtig wissen.

 

„Nein. Deshalb setze ich sie in Zugzwang“, schloss sein Freund, ganz der Slytherin.

 

„Du bist verrückt“, sagte Draco. „Was, wenn sie nein sagt?“ Blaise zuckte jedoch die Achseln.

 

„Dann frage ich sie solange, bis sie ja sagt.“

 

„Aha“, sagte Draco mitleidig. „Das… steigert das Selbstwertgefühl, nehme ich an?“ Blaise verzog lediglich den Mund. „Muss ich mit?“, wollte er dann grimmig wissen, und Blaise mimte den Tapferen.

 

„Nein, wozu? Du kämpfst scheinbar deine Kämpfe allein, dann kann ich es auch“, sagte er mit Blick auf Dracos Erscheinung, und Dracos Mundwinkel sanken.

 

„Ich kann mit dir nicht drüber reden“, sagte er bloß.

 

„Gehe ich von aus. Ich habe außerdem kein Interesse an Hermine-Granger-Problemen“, schloss Blaise vielsagend. Dracos Gesichtszüge wurden bitter.

 

„Ich denke, ich komme mit. Vielleicht heitert mich Pansys Abfuhr auf“, schloss er.

 

„Sie wird mich nicht abweisen“, widersprach Blaise gereizt.

 

„20 Galleonen, dass sie’s tut“, entgegnete Draco und schwang die Beine zur Seite und rutschte vom Hocker.


„Ha. Da wette ich lieber mit Granger. Da macht man immerhin Gewinne. Woher willst du überhaupt 20 Galleonen haben?“, spottete Blaise, und Draco schlurfte in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Er hatte nicht viel geschlafen, und er war schlecht gelaunt. Je länger er nachdachte, umso wütender wurde er auf sie. Auf Granger. Auf Hermine. Was dachte sie? Was wollte sie von ihm? Es kam ihm so vor, als wollte sie alles haben und gleichzeitig gar nichts. Als wollte sie mit ihm befreundet sein, mit ihm Sex haben und eigentlich nie wieder mit ihm reden. Sie hatte sich große Mühe gegeben, Sam zu bekommen, zu behalten – und anscheinend lief das gut? Oder nicht?

 

Er machte keine Annäherungen – er tat gar nichts! Außer mit ihr schlafen, wenn er es wirklich hätte lassen sollen. Bei ihr einzuziehen, wenn er wirklich hätte hier bleiben müssen. Mit ihr trainieren, auch wenn es somit unabwendbar geworden war, sie zu ignorieren. Vielleicht war es seine Schuld?

 

Mit Sicherheit, nahm er an. Gestern Nacht hatte er sie wieder gezeichnet. Nicht nackt. Nur ihr Gesicht, ihr Lächeln, ihre Grübchen. Er war so hart geworden, dass er sich nicht mal die Mühe gemacht hatte, seine Tür zu verschließen, so dringend hatte er sich anfassen müssen. Er war verabscheuungswürdig.

 

Gut, dass jetzt Wochenende war. Gut, dass er sie zwei Tage nicht sehen musste. Wirklich gut. Und heute würde es mal eine nette Ablenkung geben, und er konnte zusehen, wie Blaise sich zum Clown machte.

 

Es wäre ein schmaler Trost. Immerhin das.

 

~*~

 

„Es war eine dumme Idee“, murmelte sie und hätte gerne Sams Hand gehalten, aber die Blicke lagen sowieso schon auf ihnen. Als wären sie bunte Hunde.

 

„Mhm“, machte ihr Freund, ohne die Lippen zu bewegen.

 

„Sie haben uns nur reingelassen, weil sie Angst vor mir haben“, stellte sie tonlos fest, und er ruckte knapp mit dem Kopf. Tatsächlich hatte der Concierge sie sofort erkannt, hatte sie überschwänglich begrüßt, ihnen Besuchernadeln gegeben und sie im Club willkommen geheißen. Anscheinend gab es seit dem Krieg sehr strenge Vorgaben, was muggelgeborene Besucher anging – die Hermine Granger hießen.

Sie sah ein, dass es vielleicht keine gute Idee gewesen war. „Ich werde nach Pansy suchen. Willst du… mit, oder-?“

 

„-ich suche die Malfoys“, sagte er unsicher.

 

„Ok“, bestätigte Hermine. „Wir treffen uns drinnen… oder wenn ich es nicht mehr aushalte – Zuhause“, ergänzte sie leise. Er nickte schwach. Hermine wandte sich ab und schritt in ihrem Alibikleid tiefer in die Höhle der Reinblüter-Schlangen. Sie hasste den Protz und den Luxus hier, aber sie durfte sich nicht abbringen lassen. Sie durchwanderte die Räume, und in ausschließlich jedem Raum verstummten die Gespräche nahezu abrupt. Vielleicht nahm man an, sie war vom Ministerium zu Spionage geschickt worden. So ungefähr musterte man sie. Aber sie erwiderte jeden Blick gleichmäßig kalt. Die Leute sollten nicht denken, sie hätte Angst.

 

Nein, sie wollte einfach nur nach Hause. Immerhin wagte niemand sie auch nur anzusprechen. Immerhin! Niemand hielt sie auf, und sie betrat sogar einen scheinbar recht privaten Bereich, denn hier hielt sich niemand weiter auf.

Und tatsächlich – sie hatte wohl Glück im Unglück! Sie erkannte Pansy weiter hinten in einem gläsernen Erker, auf einem der Stühle, die das weite Gelände überblickten. Sie kam zügig näher.

 

„Hey“, begrüßte sie das Mädchen, was sie Jahre nicht mehr gesehen hatte, und Pansy sah anders aus. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht mehr die Uniform trug, oder dass ihre Haare in einem kurzen Bob geschnitten waren, aber definitiv hatte Hermine sie anders in Erinnerung.

 

„Ja?“, entkam es Pansy, wohl nicht, weil sie Hermine nicht erkannte, sondern eher, weil… es wirklich abwegig war, dass Hermine überhaupt hier war.

 

„Hast du… kurz Zeit?“, wollte Hermine unsicher wissen.

 

„Was tust du hier?“, entkam es Pansy fast schockiert.

 

„Ich wollte… mit dir reden.“ Aber Pansy wirkte nicht mal milde überrascht.

 

„Hat Weasley mit dir gesprochen?“, flüsterte sie fast. „Denn wenn er irgendwas erzählt hat, was dich wütend macht, dann-“


„-Ron hat nicht mit mir gesprochen“, unterbrach sie Pansy eilig. Kurz schluckte Pansy.

 

„Ich…- ich wollte ihn gar nicht“, sagte das Mädchen mit den glänzend dunklen Haare und den langen schimmernden Ohrringen beinahe verzweifelt. Hermine begriff, dass Pansy wohl wusste, dass sie und Ron ein Paar gewesen waren – aber die gesamte magische Gesellschaft hatte das gewusst. Und Hermine nahm es Pansy nicht mal übel! Nicht wirklich, wenn sie darüber nachdachte. Sie wollte Ron bestimmt nicht zurück! Garantiert nicht!

 

„Pansy, das ist mir egal“, räumte Hermine kopfschüttelnd ein. „Ich weiß, dass… dass du…“ Ihr Blick fiel vielsagend auf ihren Bauch. Pansys Augen weiteten sich.

 

„Was?“, entkam es ihr schockiert.

 

„Ich will einfach nur mit dir reden“, wiederholte sie still.

 

„Woher weißt du das?“

 

Hermine fand, es war offensichtlich, aber wahrscheinlich fehlte Pansy die Verbindung zwischen ihr und Malfoy, was nicht wirklich verwunderlich war. Hermine selber zweifelte manchmal an dieser Verbindung. Täglich, wenn sie ehrlich war.

 

„Ich weiß es einfach. Und ich würde gerne mit dir über deine Möglichkeiten sprechen“, fuhr sie sanfter fort.

 

„Meine Möglichkeiten?“, wiederholte Pansy. „Granger, du bist nicht meine Mutter“, machte sie es sehr klar. „Ich werde mit dir nicht über meine Möglichkeiten sprechen!“

 

„Es ist Rons, oder nicht?“, fuhr Hermine rigoros fort. Pansy wirkte merklich blasser. „Und ich weiß, Blaise will dich heiraten“, ergänzte sie. „Und… das ist auch wirklich ehrenwert. Aber… wenn irgendetwas in deinem Innern danach drängt, es Ron zu sagen, dann… kannst du Blaise nicht heiraten“, schloss sie ernst.

 

„Ich habe kein Interesse an Weasley!“, behauptete Pansy blind, und Hermine runzelte die Stirn, und hoffte wirklich, dass sie diese Worte nicht auf diese Art und Weise zu Sam gesagt hatte, als es um Malfoy gegangen war, denn sie glaubte Pansy nicht mal im Ansatz. Es verschlechterte ihre Laune direkt um ein hundertfaches. Hatte sie so ausgesehen? Machte sie sich selber etwas vor? War sie komplett in Malfoy verschossen und zu verbissen, es zu bemerken? Sie hoffte nicht. Wirklich nicht.

 

„Oh Pansy“, sagte Hermine mitleidig. „Es tut mir so leid“, entkam es ihr mitfühlend.


„Was? Was soll das?“, fuhr Pansy sie defensiv an.

 

„Du magst Ron“, stellte Hermine beinahe schockiert fest.


„Granger, ich hatte Sex mit Weasley – und das schlimmstmögliche-“


„-du hättest es entfernen können. Mit Leichtigkeit – ohne ein Problem. Ohne, dass es jemand hätte erfahren müssen. Stattdessen willst du es behalten und erzählst es Blaise“, fasste Hermine tonlos zusammen. Pansy starrte sie an.

 

„Du hast Kontakt mit Blaise?“, entfuhr es Pansy ungläubig.

 

„Nicht wirklich“, verneinte Hermine kopfschüttelnd. „Aber darum geht es nicht, oder?“

 

„Ich weiß nicht, was du dir da zusammen reimst, aber ich habe nicht das geringste Interesse an Ronald Weasley!“, fuhr sie Hermine an und erhob sich zornig.

 

„Du willst sein Kind bekommen“, widersprach Hermine neutral. Pansy wirkte gehetzt.


„Ich will einfach kein unschuldiges Leben zerstören, nur weil ich einen Fehler gemacht habe! Für wie bösartig hältst du mich?“, zischte sie außer sich.

 

„Hauptsache, du bereust es nicht. Denn garantiert wäre es die bessere Entscheidung, wenn du es Ron sagst, anstatt unglücklich mit Blaise verheiratet zu sein.“

 

„Ich muss gehen“, verabschiedete sich Pansy kopfschüttelnd und verließ sie mit schnellen Schritten. Hermine wusste nicht, ob das erfolgreich war oder nicht, aber sie würde-

 

„-Miss Granger?“ Sie fuhr herum. Aus einem der angrenzenden Räume war eine Frau getreten, komplett in Flieder. Und sie brauchte keine Sekunde, um sie zu erkennen und zu wissen, dass ihr Gespräch nicht ungehört geblieben war.

 

„Mrs Malfoy“, begrüßte Hermine die Frau mehr oder weniger freundlich.

 

„Was für eine eigenartig Überraschung“, sagte die Frau mit den endlos langen weißblonden Haaren in einem kunstvoll geflochtenen Zopf. Sie war hübsch, aber eine greifbare Kälte umgab sie.

 

„Ja, ich…“ Hermine hatte kein Ende zu diesem Satz. „Ich war in der Gegend“, log sie also nicht sonderlich einfallsreich, und Narzissa lächelte kühl.

 

„Sie wissen, dass es geeignete Worte waren, Pansy aus unserer Gesellschaft zu verbannen?“ Hermine atmete gepresst aus. Narzissa hatte gelauscht. Super. Und sofern es für Narzissa neue Informationen waren, dass Pansy gar nicht Blaises Baby erwartete, sondern Rons, schien sich sehr schnell gefangen zu haben.

 

„Ich verstehe nicht“, erwiderte Hermine betont freundlich.

 

„Blaise Zabini auszuschlagen für einen Weasley“, machte Narzissa es deutlich. „Ein gefährlicher Ratschlag.“

 

„Ich wüsste nicht, warum.“

 

„Natürlich nicht.“

 

„Mrs Malfoy-“

 

„-Sie sollten vorsichtig sein“, war alles, was Narzissa noch sagte. „Besser Sie mischen sich nicht in Dinge ein, die Sie rein gar nichts angehen und überlassen es den Betroffenen, einen Ausweg zu finden.“

 

„Klingt ganz so, als mischen Sie sich nur zu gerne in fremde Dinge ein, die sie rein gar nichts angehen?“, vermutete Hermine mit einem falschen Lächeln.

 

„Das hier ist mein Club, Pansy ist meine Patentochter, Blaise der beste Freund meines Sohnes. Ich denke, ich bin wesentlich involvierter, als Sie es sind.“

 

„Die Weasleys sind meine Familie. Das Baby wird zu ihnen gehören, nicht zu den Zabinis. Und wenn es Ihre Patentochter ist, sollten Sie vielleicht eher an Pansy denken, als an Ihre gesellschaftlichen Buschtrommeln.“

 

„Ich denke, hier liegt der feine Unterschied zwischen Ihrer Welt und meiner, Miss Granger.“

 

„Ja, Ihre Welt ist ein winzig kleiner rassistischer Club, der sehr kurz vor der Zwangsschließung stehen dürfte, wohingegen meine Welt die normale ist, mit normalen Menschen“, konnte Hermine sich nicht beherrschen, zu erwidern. Narzissa schenkte ihr ein widerlich freundliches Lächeln.

 

„Sie lehnen sich weit aus dem Fenster, Miss Granger“, warnte Narzissa sie immer noch ruhig.

 

„Wirklich?“, wollte Hermine herablassend wissen, denn sie ließ sich von keinem Reinblüter einschüchtern.

 

„Ich schlage vor, Sie sind vorsichtig. Ihr Bekannter ist Mr. Black, mein Neffe zweiten Grades? Ich bin mir nicht sicher, was Ihr Anliegen ist? Soll er wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden? Kann das wirklich das sein, was Sie wünschen?“, fragte sie sie direkt, und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Da mir Ihre Familie nicht unbekannt ist, gehe ich wohl Recht in der Annahme, dass kein noch lebender Black das Interesse hätte, ihn ‚in die Gesellschaft aufzunehmen‘“, benutzte sie abfällig die Worte der hochgewachsenen Frau.

 

„Wir haben uns gewandelt“, behauptete Narzissa offen, „die Erben sind spärlich gesät, Draco steht kurz vor dem gesellschaftlichen Aus – ich würde nicht zu niedrig pokern, Miss Granger“, machte Narzissa es deutlich. Hermine konnte diese Frau nicht fassen.

 

„Draco steht vor dem Aus, weil er sich entschieden hat, etwas Vernünftiges mit seinem Leben anzufangen? Gegen dieses Kabinett der Bekloppten zu rebellieren? Weil er versucht, das Richtige zu tun? Wie können so kalt und herzlos sein? Es ist Ihr Sohn!“ Narzissa lächelte noch immer.


„Es ist wirklich nett, wie Sie versuchen, uralte Mühlen in eine neue Richtung zu wenden, und… dass ausgerechnet Sie Dracos Partei ergreifen, aber-“

 

„-Mutter, es reicht“, durchschnitt seine Stimme das Gespräch, und Hermine hatte ihn nicht kommen hören, so schnell hatte sie sich in Rage geatmet. Sofort zauberte Narzissa ein strahlendes Lächeln auf ihre Züge.

 

„Draco! So früh wieder hier im Club?“ Die falsche Freundlichkeit war ekelerregend. Hermines Handflächen wurden feucht.

 

„Nicht freiwillig, und keine Sorge, ich gehe auch wieder. Das gesellschaftliche Aus erscheint wesentlich attraktiver zu sein, als was auch immer du hier planst!“, bemerkte er mit erhobener Augenbraue, und gruseligerweise ähnelte er seiner Mutter ebenfalls auffallend, stellte sie abwesend fest. Die Augen. Irgendwas in seinen Augen. Dann traf sie sein Blick. Sie schluckte schwer, ihr Mund war trocken.


„Draco, ich habe nie-“, begann Narzissa jetzt lauter, aber Draco winkte ab. Er fixierte sie immer noch.


„Kommst du?“, fragte er sie direkt. Hermine konnte ihr klopfendes Herz nicht beruhigen. Sie konnte nicht mit ihm gehen. Sie konnte nicht.


„Ich muss Sam holen, wir-“


„-Sam ist gegangen“, sagte Draco nur. Ihre Augen weiteten sich.

 

„Sam ist weg?“ Draco nickte lediglich.


„Pansy auch“, ergänzte er knapp. „Blaise hat ihr den Antrag gemacht, sie hat schneller abgelehnt, als dass er sich hatte hinknien können und ist abgehauen.“ Hermine schwante Schlimmes, und Narzissa schnappte schockiert nach Luft.

 

„Das ist Ihre Schuld!“, warf Narzissa ihr beherrscht vor und war mit schnellen Schritten aus dem Zimmer verschwunden. Hermine hätte nicht gedacht, dass alles so schnell so schief laufen könnte.

 

„Hat… hat Blaise irgendwas zu Sam gesagt?“, wollte Hermine sofort wissen, denn wenn Blaise wusste, dass Sam hier war, würde er auch wissen, dass sie hier war, und wenn-

 

„-ich weiß es nicht“, erwiderte Draco knapp, wartete darauf, dass sie ihm folgte, und Hermine blieb, wo sie war.

 

„Du weißt es nicht?“, entkam es ihr fassungslos.

 

„Ich glaube nicht. Es ging zu schnell. Ich hatte nicht mal Zeit, mit Sam zu sprechen, da ist er schon abgehauen. Wahrscheinlich hat er hier kalte Füße bekommen – wie Pansy auch.“

 

„Du musst Blaise fragen!“, beharrte sie panisch.


„Ich muss gar nichts!“, knurrte er. „Wieso bist du hier?“, fuhr er sie an. „Du hast es nicht lassen können!“, brachte er gepresst über die Lippen, beantwortete seine eigene Frage zornig. „Du musstest mit Pansy reden. Denkst du wirklich, Weasley ist beste Wahl? Und ist es das wirklich wert?“

 

„Du bist sauer?“, erkannte sie fassungslos.


„Ja! Ich bin sauer!“, bestätigte er. Sie konnte nicht fassen, dass sie ihn schon wieder sah. Schon wieder irgendwo alleine mit ihm war – und wie konnte er die Dreistigkeit besitzen und sauer sein?! „Weißt du, ich bemühe mich, Granger! Ich bemühe mich wirklich!“

 

„Und ich nicht?“, rief sie empört.

 

„Nein! Scheinbar ist dir alles scheiß egal, wenn du riskierst, dass Sam-“


„-oh, es geht um Sam!“, unterbrach sie ihn eisig. „Weil du so dringend deinen Freund Sam brauchst, damit du auf keinen Fall mit mir trainieren musst. Du bist erbärmlich, Malfoy!“, zischte sie zornig und ließ ihn stehen. Er war ihr so schnell gefolgt, hatte ihren Arm mit immenser Kraft zurückgerissen, und schmerzhaft brachte er sie an seinen Körper.

 

„Du weißt verdammt noch mal sehr genau, dass es nicht so ist!“, brauste er auf, und sie verzog vor Schmerz den Mund, ob seiner Gewalt. „Du erzählst Potter, was du nicht erzählen sollst – du erzählst Pansy, was Blaise dir verboten hat – ich gehe mittlerweile davon aus, dass du-!“

 

„-lass mich los, oder ich schreie!“, unterbrach sie ihn heiser, denn sie wollte nicht! Sie wollte nicht, dass er diesen Satz beendete, denn sie fürchtete sich vor der Wahrheit hinter seinen verdammten Worten. Sein Blick wurde nur dunkler, sein Griff ein wenig härter.

 

„Ich warte, Hermine“, sagte er tatsächlich provozierend. Sie hasste sein scheiß überlegenes Gesicht, hasste seine besitzergreifende Körpersprache und hasste, wie schwach sie in seiner Gegenwart war. Mit Wucht entriss sie ihm ihren Oberarm, der mittlerweile pochte vor Schmerz. Sie holte aus, aber er fing ihr Handgelenk rechtzeitig ab und schüttelte blind den Kopf. „Nein“, informierte er sie rau, während sie an ihrem nun schmerzenden Handgelenk zerrte. Ihre linke Hand presste gegen seine Brust, versuchte, ihn wegzuschieben, aber sie besaß nicht die nötige Kraft.

 

Dann gab sie auf, wandte keine Gewalt mehr an und schwer atmend fielen ihre Schultern, und mit geöffnetem Mund schnappte sie nach Luft.

 

„Du wolltest schreien“, informierte er sie, als kümmere es ihn nicht, als wäre es nicht zerschmetternd für ihn.


„Fick dich, Malfoy“, sagte sie zitternd.


„Dann schrei“, verlangte er erneut, ignorierte ihre Beleidigung.

 

„Fick dich“, wiederholte sie nahezu lautlos, aber sie weinte nicht, gönnte es sich nicht, gönnte es ihm nicht, aber sie sah die sanfte Anspannung um seinen Kiefer. Sie war komplett erregt, zählte nur die Sekunden, bis sie höchstwahrscheinlich explodierte vor Lust, sein Blick glitt über ihr Gesicht, verlor sich kurz in irgendwas, und dann zuckten seine Mundwinkel vor Anspannung.

 

„Ich hasse dich wirklich“, knurrte er bloß, bevor er sie an sich riss, ohne sich wohl länger aufhalten zu können, und sie begegnete ihm, als wäre er Luft zum Atmen. Seine Zähne bissen so hart in ihre Unterlippe, dass sie wimmerte, als sie Blut schmeckte, aber sie presste sich an ihn, und sein Zunge leckte den metallischen Geschmack fort, gierig, hungrig, und sie musste ihn spüren – konnte nicht anders! Er zog sie mit, tiefer in den Raum, löste sich nur kurz, um die nächste Tür praktisch einzutreten, und sie registrierte, es war irgendein kleiner Salon mit Sesseln, einem schmalen Sofa, und schon hatte er die Tür mit seinem Zauberstab zuknallen lassen, während das Schloss laut verriegelte.

 

Die Vorhänge waren hier nahezu geschlossen, nur ein schmaler Streifen Licht brach durch den Ritz des schweren Brokats. Seine Hände zogen sie aus, mit schnellen, drängenden Bewegungen, und sie zerrte an seinem Jackett. Das Hemd war ihr zu kompliziert. Es war ihr egal! Sofort griff sie nach seinem Gürtel, öffnete ihn blind, und er schob sie zum runden Glastisch, setzte sie auf die Platte, und ihre Beine spreizten sich automatisch. Ihr Kleid fiel um ihre Hüfte, und ungeduldig öffnete er ihren BH, umfasste ihre Brüste gierig und neigte den Kopf, um ihre Brustwarze in seinen Mund zu saugen. Ihre Fingernägel krallten sich in seine dichten Haare, pressten ihn an sich, und selbst, wenn sie mitten im Freien wären und seine Eltern ihnen zusähen – es wäre ihr verdammt egal!

Ungeduldig schob er den Rock des Kleides empor, sie befreite seine steinharte Erektion beinahe verzweifelt, und er bewegte lediglich ihren feuchten Slip zur Seite, schloss den Abstand und stand groß vor ihr. Sie tauschten nur einen sehr kurzen Blick im Halbdunkeln, und manisch drang er vor, teilte sie, senkte den Kopf wieder, verschlang ihre Lippen und erlösend stöhnte sie in seinen Mund.

 

Es ging schnell. Es war hart, ohne ein anderes Gefühl als Lust. Sie dachte nicht nach, überschaute keine Konsequenz hiervon, und sie liebte dieses Gefühl, glaubte nicht, jemals wieder Sex ohne dieses Gefühl haben zu können – was die Sache sehr einfach machte – sie hätte einfach nie wieder Sex!

 

Ihre Gedanken brachen ab, als sie spürte, wie er sich seinem Höhepunkt näherte und im Begriff war, sie mitzureißen, denn seine Bewegungen wurden härter, sein Stöhnen lauter, und sie gab sich ihm hin, bog ihren Körper seinem entgegen, und er griff in ihren Po, presste sie enger an sich, und er kam in langen Zügen, stieß so tief in sie, dass ihre Augen zurückrollten, und sie folgte ihm, seinen Namen irgendwo in ihrer Kehle.

 

Draco.

 

29. over

 

Er erholte sich kaum, ab und an regte sich sein halbschlaffer Schwanz in ihr wie im Protest, als wolle er ihre Hitze noch nicht verlassen, und sie klammerte sich an ihn. Er hielt ihren warmen Körper gegen seinen, hasste, wie viele Sachen sie noch trugen – aber das war eigentlich nicht, was er wirklich hasste.

 

Nein. Er hasste sie. Er tat es wirklich, hatte die Worte ernst gemeint, und egal, wie gut es sich anfühlte, sie blieb Hermine Granger. Sie war toxisch. Beinahe wütend streckte er den Rücken durch, zog sich aus ihr zurück, ließ sie auf dem Tisch sitzen, um seine Hose hastig zu verschließen. Mit aller Macht ignorierte er ihre bebenden Brüste, ihre geschwollenen Lippen, den Geschmack ihres Blutes in seinem Mund, weil er sich nicht hatte beherrschen können und ihre volle Unterlippe blutig gebissen hatte – Merlin.

 

Und vage, irgendwo im dunkelsten Dunkel seiner frühkindlichen Erziehung, speicherte und überschrieb sein Gehirn die Information, dass sie nicht nach Schlamm schmeckte. Sie schmeckte viel zu gut dafür.

 

„Du musst verhüten“, erinnerte er sie lediglich, die Stimme noch immer rau vor Zorn.

 

„Das weiß ich“, entgegnete sie, nicht wirklich zornig, einfach nur unglücklich. Er bückte sich nach seinem Jackett, mehr oder weniger darauf bedacht, sie nicht mehr anzusehen. Endlich verschloss sie ihren BH, zog ihr Kleid höher, rutschte lautlos vom Tisch, und er konnte nur davon ausgehen, dass sie garantiert blaue Flecken auf ihrem Oberarm bekommen würde. Wegen ihm. Präventiv wischte sie sich über die Wange, aber sie schien nicht zu weinen. Er wollte nicht zu genau hinsehen.

 

„Kein Wort zu Sam“, sagte er still, und bereute es immer mehr, ein schwaches, dummes Arschloch zu sein.

 

„Nein“, bestätigte sie genauso still, und es verblieb kein gutes Gefühl, keine nachträgliche Ekstase. Alles, was verblieb war der bittere Geschmack der Untreue und ihrer beider Schwäche.

 

Sie zog ihren Zauberstab – den sie die gesamte Zeit nicht gegen seine unpassende Gewalt angewandt hatte – und vollführte den Verhütungszauber stumm. Kurz leuchtete ihr Unterleib durch das dünne Kleid. Dass sie hatte schreien wollen, anstatt ihn direkt zu verfluchen, ärgerte ihn maßlos. Hatte sie gedacht, es wäre eine geeignete Methode, ihn aufzuhalten? Oder war es ihr Verständnis von Vorspiel gewesen? Er nahm letzteres an.

 

„Warte“, hielt er sie auf, als sie sich der Tür näherte. Sie verharrte, wandte sich aber nicht um. Mit schnellen Schritten stand er vor der Tür, presste sein Ohr gegen das Holz und lauschte nach draußen. Sie waren nicht wirklich leise gewesen. Zwar war es hier kein öffentlicher Bereich im Club, aber er konnte nicht vorsichtig genug sein. „Scheint leer zu sein“, sagte er schließlich und entriegelte die Tür.

 

Kurz zögerte er. Nicht lange. Es gab keine letzten Worte. Es gab keine gute Erklärung, und jede Beteuerung, dass dies das letzte Mal gewesen war, erschien ihm hohl und verlogen in seinem Kopf. Er wollte es nicht mal beteuern. Wozu? Jedes Mal mit ihr war das letzte Mal für ihn. Er meinte es jedes Mal ernst. Natürlich trug nicht nur sie die Schuld, aber im Moment war es einfacher, seine Schuld einfach mal abzugeben – sei es nur zur Hälfte.

 

„Für den Fall, dass Blaise mit Sam gesprochen hat“, begann sie jetzt, gebrochen und zerstört, und Draco hasste, wie sie klang. Er hasste es einfach.


„Das Problem gehen wir an, wenn es soweit ist“, kürzte er das Gespräch barsch ab. „Und jetzt hau ab!“, warnte er sie bitter. „Gib mir einen Tag Pause von dieser verfluchten Scheiße“, entfuhr es ihm kalt.

 

Augenblicklich öffnete sie die Tür, helles Licht brach in den Salon, und er musste blinzeln. Seine Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt. Als er wieder sehen konnte, war sie bereits verschwunden. Fuck. Es zerstörte ihn, aber er wusste keinen Weg, es zu beenden. Er wusste einfach nicht, wie.

 

~*~

 

Sie war verheult. Sie war unfassbar zornig. Mit sich, mit ihm – mit der ganzen verdammten Welt. Und deshalb klopfte sie Sturm gegen die alte Tür. Sie wusste nicht mit Sicherheit, ob er hier war, aber die Chancen standen gut! Tatsächlich schwang die Tür schließlich nach innen, und sein verschlafener Ausdruck rutschte ihm direkt vom Gesicht.


„Du bist so scheiße!“, warf sie ihm direkt vor, ohne Zögern, ohne Begrüßung. „Es ist alles deine Schuld, du blöder Mistkerl! Du scheiß Arschloch!“, fuhr sie ihn haltlos an, und Rons Kiefer klappte langsam auf.

 

„Hermine, was-?“

 

„-wieso hast du mich verlassen? Wieso war ich nicht gut genug? Wegen dir ist alles kaputt! Alles ist falsch und schlecht und-!“

 

„-Stopp mal, ich-!“, warf er hastig ein, aber sie warf sich gegen seine warme Brust, wollte ihn wirklich verletzen schlug mit ihren Fäusten auf ihn ein, und reflexartig fing er ihre Hände ab. „Hermine!“, entfuhr es ihm beinahe panisch. „Scheiße, beruhige dich! Was ist passiert? Was-?!“

 

„-du schläfst mit Pansy Parkinson? Das ist das große Abenteuer, was du verpasst, wenn du mit mir zusammen wärst? Wirklich?“, schrie sie praktisch, interessierte sich nicht dafür, dass George und alle möglichen Kunden des Scherzartikelladens zwei Etagen tiefer mithören konnten, aber Ron zog sie in das kleine Apartment.

 

„Ok“, sagte er bloß. „Das bereden wir hier drin“, informierte er sie gereizt. Sie machte sich wütend von ihm los, funkelte ihn an, und er hob abwehrend die Hände. „Es tut mir leid!“, sagte er wohl vorsintflutlich. „Ich… hatte das nicht geplant, und – Hermine, wir haben einfach nicht gepasst“, versuchte er, vorsichtig mit ihr zu verhandeln. „Harry sagt, du hast einen neuen Freund, einen AIT, einen Black, einen besseren Freund, als mich“, fuhr er fort, und neue Tränen brachen aus ihr hervor, und Ron schwieg abrupt. „Hast du… hast du ihn nicht mehr?“, entkam es ihm still, und sie machte eine unwirsche Kopfbewegung.


„Ich… weiß nicht! Ich… keine Ahnung! Ich…“

 

„Komm her“, sagte er umstandslos, aber sie wollte nicht, brauchte seine Umarmung nicht, seinen verdammten Trost, und doch ignorierte er ihren Protest. „Komm her, du verrückte Gans“, murmelte er, als er sie einfach gegen sich zog. „Du hast einen Schatten“, sagte er beruhigend, und obwohl es Beleidigungen waren, ebbten ihre Tränen langsam ab. „Es ist alles gut, ok?“

 

Nichts war gut. Gar nichts war gut. Sie hatte Sam betrogen. Schon wieder mit Malfoy!

 

„Alles geht kaputt. Ich bin… ich bin verrückt geworden“, wisperte sie panisch.


„Das ist ok“, sagte er bloß.

 

„Ist es nicht“, flüsterte sie kopfschüttelnd. „Ich… ich war im Club.“

 

„In welchem Club?“, fragte er entgeistert.

 

„Im Reinblüter-Club. Ich… wollte mit Pansy reden“, murmelte sie verzweifelt.


„Was?“ Er wich ein Stück zurück. „Weil ich mit ihr geschlafen habe? Oh, Hermine, das klingt aber wirklich-“

 

„-Blaise wollte sie heiraten, und sie hat Nein gesagt“, informierte sie ihn. Ron runzelte die Stirn.


„Ok? Das… ist… schade?“, schlug er vor. „Hermine, sie hat nichts bedeutet, es war einfach nur… eine dumme Nacht, ok?“, schien er sie beruhigen zu wollen, und Hermine weinte wieder mehr. Sie konnte nicht. Sie wollte es ihm sagen, aber selbst in diesem Zustand konnte sie erahnen, was passieren würde. Sie kannte Ron. Zu gut. Sie würde ihm sagen, Pansy wäre schwanger, deswegen wollte Blaise sie heiraten, und dann würde Ron ausrasten. Er würde es leugnen, Pansy vorwerfen, promiskuitiv zu sein, Hermine fragen, woher sie es wusste – dann würde Hermine ihm sagen, sie wusste es von Blaise; Ron würde noch mehr ausrasten. Er würde nicht rational denken können – aber unterm Strich wäre es ihre Schuld, Ron wäre stinksauer, würde etwas Dummes tun, und sie rauswerfen, aber genau dasselbe würde passieren, wenn sie es ihm nicht sagte. Nur nicht jetzt. Es würde später passieren.

 

Er würde wissen, dass sie es schon jetzt gewusst hatte, und er wäre später sauer.

 

Sie konnte es gerade nicht. Sie wollte ihre eigenen Probleme zuerst lösen. Und wenn Ron schrie und tobte konnte sie das nicht. Sie wollte schreien und toben. Es war ihr Moment. Ihr gutes Recht. Und deshalb entschied sie sich für den feigen Ausweg.

 

„Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll“, flüsterte sie, wohl wissend, dass sie hundert Fehler beging, wenn sie nur ihren Mund aufmachte.

 

„Du tust doch gar nichts Schlimmes. Denke ich. Hast du… mit Pansy gesprochen?“ Unglücklich sah sie ihn an.


„Ja“, bestätigte sie nur. Er verzog gequält den Mund. „Ich… habe ihr gesagt, wenn sie dich mag, dann soll sie zu dir gehen, und-“


„-was? Warum solltest du so etwas tun?“

 

„Weil sie Blaise nicht aus Not heiraten soll!“, fuhr sie Ron an.


„Aber… aber mich?“, entkam es ihm ungläubig.

 

„Nein, Merlin. Sie soll einfach nachdenken!“

 

„Hermine, bitte verkuppel mich nicht mit Parkinson“, bat Ron sie schließlich. „Es war wirklich ein großer Fehler. Wirklich groß. Wie deine Malfoy-Sache? So in etwa“, machte er es deutlich. Tränen füllten ihre Augen. „Oh, ich… meinte nicht – bitte, sei nicht traurig. Das ist doch vorbei! Du hast den Fehler gemacht, ich habe den Fehler gemacht – wir sind beide klüger!“ Tränen liefen über ihre Wange.

 

„Ich… hatte Sex mit Malfoy…“, wisperte sie verzweifelt, und Ron schluckte schwer, schien aber nicht wirklich zu schockiert zu sein.


„Ok“, sagte er stattdessen. „Ok, dann… sind wir ja gleichauf, was dumme Fehler angeht. Ich hatte Sex mit Pansy, du hattest Sex mit Malfoy – das war es dann. Wir sind fertig damit!“, versuchte er, sie aufzubauen. „Richtig?“, schien er sich vergewissern zu müssen. „Oder hast du…? Bist du…?“

 

„Ich hasse ihn!“, flüsterte sie heiser.


„Gut“, entkam es Ron erleichtert. „Wirklich gut“, bestätigte er. „Hermine, so was passiert. Es ist kein Untergang. Alles ist ok!“, beteuerte er. „Sei nicht immer so hart zu dir“, entfuhr es ihm.

 

„Doch!“, widersprach sie verzweifelt. „Ich muss – irgendwer muss mich bestrafen dafür! Irgendwer hat-“


„-Hermine!“, entfuhr es Ron lauter. „Schluss“, sagte er dann. „Die Welt geht nicht unter. Vielleicht war es etwas, was du tun musstest – und dann ist das so“, rang er sich mäßig überzeugt ab. Ron war so verkommen, sie glaubte, er war nicht die richtige Person für dieses Gespräch.

 

„Wie kann so etwas Dummes etwas sein, was man tun muss?“, flüsterte sie angewidert.

 

„War es gut?“ Er fragte das tatsächlich. Ihr Exfreund fragte sie, ob Sex mit Malfoy gut war. Ihr Mund öffnete sich zornig, schloss sich wieder, und sie sah unschlüssig zu ihm auf.

 

„War es mit Pansy gut?“, stellte sie die Gegenfrage, höchst ungläubig. „Es ist doch egal, ob es gut war! Dass sich schlechte Dinge gut anfühlen, macht sie noch lange nicht richtig!“ Ron atmete knapp aus.

 

„Nein“, bestätigte er. „Aber die Qualität bestimmt wohl, wie oft man diesen Fehler noch wiederholen möchte“, ergänzte er vielsagend, und ihr Mund schloss sich wieder. „Ich denke nicht, dass du mir die Schuld der Welt in die Schuhe schieben willst, wenn du schlechten Sex mit Draco Malfoy hattest“, ergänzte er angewidert. Ihr Kiefer lockerte sich perplex. „Der Sex mit Pansy war schlecht – ergo habe ich kein Interesse daran, es zu wiederholen“, schloss er achselzuckend. Ihr Blick fiel. Das war wirklich dumm, dachte sie abwesend. Wirklich dumm für Pansy, wirklich dumm für Ron. „Hab Sex mit Malfoy, Hermine. Merlin, noch mal. Du musst dir keinen Heiligenstatus auferlegen, ok?“ Sie konnte nicht fassen, dass er das sagte. „Ja, wenn ich betrunken bin, lege ich mich mit dem Vollidioten an – aber…. Im Lichte des Tages…“ Wieder zuckte er die Achseln. „Ich liebe dich“, sagte er dann. „Für immer. Ich will für immer in deinem Leben sein, egal, wer nach mir kommt. Egal, wen du am Ende nimmst“, beteuerte er schließlich, und wieder weinte sie.

 

„Ron“, sagte sie tief gerührt, und er verdrehte die Augen.


„Hör auf zu heulen“, bat er gequält. „So früh am Morgen vor allem“, ergänzte er kopfschüttelnd, während er sie wieder umarmte. Es war nach drei. Sie wollte nicht wissen, was er die letzte Nacht getrieben hatte. Wirklich nicht.

 

Und plötzlich wusste sie, was sie tun musste.

 

Plötzlich war es ihr klar.

 

Es gab einen Ausweg.

 

~*~

 

„Ich verstehe nicht, warum du dich in deinem Zimmer einsperrst!“, blaffte ihn Blaise durch die verschlossene Tür an, hinter der Draco seit Stunden eingeschnappt auf seinem Bett lag und Löcher an die Decke starrte. „Ich bin derjenige, der sauer sein muss! Ich bin derjenige, der gerade jemanden zum Reden braucht!“

 

Magisch klickte sein Schloss auf, und er verzog gereizt den Mund. Blaise stand schlecht gelaunt im Türrahmen.

 

„Und ich würde es begrüßen, wenn mein bester Freund seinen Arsch bewegt bekäme und jetzt gerade mich unterstützt. Es läuft nicht immer nur die Malfoy-Show, verdammt“, knurrte Blaise zornig. Draco setzte sich auf.

 

„Überrascht dich ernsthaft, dass Pansy Nein gesagt hat?“, wollte er entnervt von Blaise wissen, und dieser schenkte ihm einen säuerlichen Blick.

 

„Nicht wirklich“, räumte dieser bitter ein. „Es war Versuch Nummer eins“, ergänzte er achselzuckend. „Was mich überrascht, ist, dass deine ‚Freundin‘ allen Ernstes in unserem Club auftaucht, um Pansy zu überzeugen, zu Weasley zu gehen!“, entkam es ihm gepresst.

 

„Sie ist nicht meine-!“, begann er sauer, aber Blaise stöhnte auf.

 

„-oh fein! Dann vögelt ihr eben, um euch danach zwei Wochen zu schämen, und wieder von vorne anzufangen! Nenn es wie du willst, du Schlappschwanz!“, fuhr Blaise ihn an, und Draco starrte wütend zurück.

 

„Hast du es Sam-?“, wollte er schwach wissen, aber Blaise schien ihn gleich verprügeln zu wollen.

 

„-nein, Draco“, antwortete er kalt. „Ich habe deinem verstoßenen Halbblutverwandten nichts erzählt, Salazar verflucht. Geht es dir jetzt besser? Bist du jetzt beruhigt? Er war weg, bevor ich das hätte tun können.“ Immerhin etwas. Nicht, dass es das besser machte. Nicht wirklich.

 

Er vergrub den Kopf in seinen Händen, die Arme auf die Knie gestützt, und er wusste nicht, wie er weitermachen sollte.

 

„Ich muss es ihm sagen“, murmelte er in seine Hände, und Blaise schnalzte gereizt mit der Zunge.

 

„Jetzt hör mir zu“, zwang Blaise ihn gepresst. „Es ist das letzte Mal – das allerletzte Mal, dass ich darüber rede! Und ich meine es ernst!“, warnte er ihn. „Ich gehe zu Lucius, ich sage ihm, du willst Granger heiraten und bei Potter einziehen, ich schwöre bei Merlin!“, drohte er zornig. Draco sah ihn finster an. „Wenn du ernsthaft vorhast, sie selber zu gewinnen, sie zu behalten – all den Scheiß auf dich zu nehmen, der dir vor zwei Woche noch zuwider war – dann, ja, Malfoy“, schloss er gereizt. „Definitiv“, bestätigte Blaise mit Nachdruck „Pack deine Koffer, hau hier ab, zieh bei ihr ein – lebt euer sozialverträgliches liberales Leben und lasst mich in Ruhe!“ Draco nahm an, es ging alleine um Blaises Bequemlichkeit. „Aber wenn du deine Eier wiederfindest, dich daran erinnerst, dass du ein Slytherin bist, ein verdammter Malfoy, Salazar noch mal! Wenn du gerade einfach nur dein Selbstmitleid genießt und dich geißeln willst für dumme Entscheidungen – wenn du einfach nur mit deinem Schwanz denkst – dann, verdammt noch mal, nein. Du sagst kein Wort zu keinem“, erklärte Blaise mehr als deutlich. „Du willst die Ausbildung machen? Willst du das als Außenseiter? Als Ausgegrenzter, der sich jeden zum Feind macht? Willst du das?“, wollte er wissen, und Draco entfuhr zornig die Luft.

 

„Nein!“

 

„Nein, das willst du nicht – aber das ist es, was du am Ende bekommst, wenn du nicht anfängst, dich unter Kontrolle zu kriegen, Mann!“ Blaise fuhr sich in einer herrischen Geste durch die dunklen Haare. „Liebst du sie?“, fragte Blaise beinahe sachlich.

 

„Nein“, erwiderte Draco kopfschüttelnd. Und er meinte es ernst.

 

„Sicher?“, erkundigte sich sein bester Freund knapp.

 

„Nein, tue ich nicht.“ Blaise sah ihn prüfend an.

 

„Aber du willst mit ihr schlafen, weil es ein Kick ist?“, schloss Blaise dann sehr fachmännisch, als wäre Sex so einfach zu analysieren. „Weil sie Granger ist? Weil du dich in deiner Haut besser fühlst, wenn Potters Helden-Schlammblut deinen Schwanz in dir hat?“ Sofort schoss sein Blick nach oben. „Stört dich die Beleidigung, Malfoy?“, erkundigte sich Blaise bei ihm, sehr glatt. „Protestiert dein innerer Rebell bei dem Wort, das du mir vor zwölf Jahren beigebracht hast?“

 

Manchmal glaubte er, sie kannten sich zu lange. „Das ist schön und ehrenwert, aber es ändert verdammt noch mal gar nichts. Ich habe keine Lust darauf“, sagte Blaise schlicht. „Ich habe andere Probleme. Echte Probleme. Ich habe nicht abgeschlossen mit unserer Erziehung, unserer Herkunft, der Bürde, die wir tragen müssen. Und ehrlich gesagt, finde ich es groß von Lucius, dass er dich ernsthaft machen lässt.“ Draco ließ ihn reden, auch wenn sich alles in ihm anspannte. Er besaß kein Gold, war angewiesen auf Blaises Gunst – und es sah so aus, als verscherze er sich diese auch noch. „Du bist kurz davor, die Seiten komplett zu wechseln“, fuhr Blaise kopfschüttelnd fort. „Kurz davor, aus dem Club zu fliegen. Und Merlin! Ein junges, hübsches Mädchen aus verdammt gutem Haus will dich trotzdem heiraten – und nicht nur das! Am Ende bekämst du auch noch die Anstellung, wegen der du dir deinen Arsch aufgerissen hast. Was soll dieser Auroren-Müll überhaupt? Und denkst du vielleicht einmal an mich? Ich muss die Scheiße ertragen, dein Hin und Her – dein Drama, deine Mungoaufenthalte, muss mich fragen, ob du komplett deinen Verstand verloren hast – und wahrscheinlich, sobald du die Ausbildung vergeigt hast – landest du vor Lucius‘ Tür, nimmst nur zu gerne seine Hilfe an, und bekommst am Ende mehr als wir alle!“

 

Blaise schwieg schlecht gelaunt, und Draco hatte keine Worte. Keine netten, keinen passenden. „Hast du verstanden, was ich gesagt habe?“, wollte er jetzt mahnend von ihm wissen. Draco nickte knapp.

 

„Ich soll meine Schnauze halten und dich in Ruhe lassen“, fasste er es zusammen. „Ich soll dem Reinblüter-Credo huldigen und dasselbe Arschloch sein, was ich damals war.“ Blaise verdrehte schließlich die Augen.

 

„Du bist nicht Potter“, entkam es Blaise stiller.

 

„Will ich nicht sein!“, behauptete Draco sofort. Blaise betrachtete ihn ausgiebig, atmete lange ein und verlieh seinem Unglauben mehr Gewicht.

 

„Unsereins wacht nicht auf und ändert sich über Nacht.“

 

„Ich will nicht-“

 

„-ich weiß“, unterbrach Blaise ihn. „Shacklebolt nutzt dich aus, Draco“, warnte Blaise ihn lediglich. „Vertu dich da nicht, ok?“ Draco verzog den Mund. „Für Null Aufwand bekommen diese Wichser ein Reinblut erster Güte mit fantastischen magischen Voraussetzungen und lassen dich für einen Hungerlohn schuften und Kunststücke vorführen.“

 

„Es ist nicht-“


„-das ist genau, was es ist!“, sprach Blaise bitter. „Und vielleicht, mit viel Glück finden sie noch irgendeinen Dreck, den Lucius am Stecken hat und buchten ihn ein.“ Draco schwieg. Er glaubte nicht daran. Niemand konnte seinen Vater bisher nach Askaban bringen, und er zweifelte, dass es irgendwem gelingen würde. Es war eine eigenartige Vorstellung. Und er wollte das auch nicht, könnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden. Es war immer noch sein Vater. „Das ist die Gefahr, wenn du dich so weit von deiner Herkunft entfernst, dass du auf einmal bei den Leuten landest, die dich verabscheuen, und ich versichere dir – die wollen dir nichts Gutes. Denen ist es egal, ob du reich bist oder bettelarm – ob du glücklich bist oder gerade so am Leben hängst.“

 

„Blaise-“, begann er kopfschüttelnd.

 

„-ich will dich nicht verlieren, Mann! Ich will das nicht. Ich brauche dich hier!“, sagte Blaise wütend. „Und die Chancen stehen hoch, dass du nicht bekommen wirst, was du willst. Die Anerkennung, die Befreiung, von der du träumst – die gibt es nicht. Niemand empfängt dich mit offenen Armen. Potter wird keinen Staatsempfang für den verlorenen Todessersohn einleiten. Bestenfalls bestehst du die Ausbildung und wirst auf niedrigstem Posten angestellt und bildest für immer dumme, arrogante AIT als Animagi aus, die dich hinter deinem Rücken verabscheuen – so wie alle deine Kollegen, während deine Familie dir längst den Rücken gekehrt hat. Granger wird letztlich Weasley heiraten – oder den Black-Idioten! Oder irgendeinen anderen Gutmenschen – und dann was? Dann was, Draco?“

 

Er schwieg eine Weile lang, während Blaise praktisch auf seine Antwort lauerte. „Ich habe keine Angst, Blaise“, sagte Draco dann. „Nicht davor, mein Gold zu verlieren“, schloss er, was er ehrlich sagen konnte. „Ich habe verstanden, dass es nicht alles ist. Es ist nicht alles, was mich ausmacht, ok?“ Er wusste nicht, ob Blaise verstand. „Die einzige Macht, die unsere Familien haben, ist, das Gold zu streichen. Mehr nicht“, machte er deutlich. „Und davor habe ich keine Angst. Lucius‘ Wort bedeutet hier eine Menge, aber da draußen – bei den echten Menschen, den Menschen, die Voldemort nicht blind unterstützt und den Krieg gewonnen haben – bedeutet es gar nichts. Und ich will lieber dort hingehören, als in das goldene Gefängnis, was hier wartet.“

 

Blaise wirkte mit einem Mal unglücklich. „Ich will dich auch nicht verlieren, Zabini“, ergänzte er traurig. „Aber es sieht so aus, als würden sich unsere Wege unweigerlich irgendwann trennen. Ich bin lieber Shacklebolts Fußabtreter, als Lucius‘.“

 

„Es hängt mehr daran, als nur das Gold, Draco“, versuchte Blaise es zu erklären.

 

„Mein Name?“, wollte Draco fast belustigt wissen. „Ich hasse meinen Namen! Ich hasse alles, was damit zusammenhängt! Dann soll die verdammte Tradition mit mir enden. Ich brauche keine Erben, ich brauche… gar nichts mehr. Sicher wäre es schön, Gold zu haben. Am Ende, wenn man nichts sonst hat – aber… ich brauche es nicht.“ Zum ersten Mal erschien etwas Ähnliches wie Anerkennung auf Blaises Zügen. Draco kam es vor, als wäre er selber gerade um ein hundertfaches gereift. Wie eigenartig.

 

„Ok“, entkam es Blaise dann.

 

„Und diese Granger-Sache“, ergänzte Draco nachdenklich. „Ich will dich nicht ärgern damit. Ich… will das selber nicht. Wirklich nicht. Es ist auch kein Kick – es ist einfach… krank und falsch. Und ich hasse mich dafür. Und ich verspreche, es wird kein Problem mehr für dich sein. Du bist dran. Du willst Pansy – dann… holen wir dir Pansy“, schloss Draco konsequent.

 

Blaise lächelte unglücklich. „Sie will mich nicht, Draco“, entkam es ihm kopfschüttelnd.

 

„Seit wann hält dich das auf?“, erkundigte er sich mit einem schwachen Grinsen, aber Blaise blieb ernst, stieg nicht auf das Level. „Komm schon“, sagte Draco stiller, aber Blaise rührte sich nicht.

 

„Ich denke, sie will ihn“, entgegnete Blaise traurig. Draco wusste nicht, ob es stimmte. Er hatte kurz darüber nachgedacht, als Pansy die Flucht ergriffen hatte, aber… es war so verdammt unwahrscheinlich.

Draco schwieg, wusste dazu nichts zu sagen, denn Blaise tat ihm tatsächlich leid. Blaise versuchte, an der Vergangenheit festhalten und sie schien ihm mehr und mehr durch die Finger zu gleiten. Fast war es traurig.

Aber wohl unvermeidbar.

 

 

30. the catch

 

Er war so unfassbar nervös. Zuerst hatte er gar nicht auftauchen wollen, aber… das half keinem. Mit Shacklebolt hatte er heute alleine gesprochen, hatte mit ihm das weitere Vorgehen diskutiert, und schließlich hatte der Leiter zugestimmt, dass Draco wieder am normalen Fluchtraining teilnehmen durfte. Das war immerhin ein großer Fortschritt. Und Draco wollte einfach nur nicht mehr mit ihr alleine sein. Er traute sich nicht, er traute ihr nicht – aber er wusste nicht, was er tun konnte.

 

Und sechs Uhr kam und ging. Um viertel nach war er bereit, zu gehen, als sich die Tür zur Halle öffnete. Er hielt die Luft an.

 

Sam.

 

Er wappnete sich, verhielt sich merklich ruhig, wartete, bis der Junge ihn erreicht hatte, aber Sam grinste schief.

 

„Hey, sorry. Bin leider zu spät“, entschuldigte sich Grangers Freund bei ihm, und Draco begriff, dass Sam mit ihm trainieren würde. Granger musste bereits mit ihm gesprochen haben. Dann… waren sie nicht getrennt. Sie hatte es ihm nicht gesagt. „Bist du sauer?“, wollte Sam ein wenig entgeistert wissen, und Dracos Blick fokussierte wieder.


„Ich – nein“, sagte er schnell. „Absolut nicht. Ich… hatte dich nur nicht erwartet“, schloss er dann. 

 

„Hermine meinte, es wäre dir lieber, mit mir zu trainieren. Auch wenn ich wirklich unbegabt bin. Ich musste selber noch üben heute“, entkam es ihm.

 

„Das ist… ok. Ich brauche einfach nur jemanden zum Trainieren und jemanden, der die Flüche in der Prüfung kennt“, erwiderte Draco. „Hermine hat mit dir gesprochen?“, ergänzte er dann, und Sam nickte.


„Ja. Es lief alles ziemlich beschissen am Samstag“, entkam es ihm zweifelnd. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich Angst bekommen würde, aber… auf einmal wollte ich gar nicht wirklich dazugehören, weißt du?“, fragte er ihn, aber Draco atmete lange aus.

 

„Jaah“, bestätigte er dann vielsagend. „Kann ich mir sehr gut vorstellen.“

 

„Tja…“, sagte Sam ein wenig ratlos, und Draco gab sich einen Ruck.

 

„Wollen… wollen wir trainieren?“ Er kam sich scheiße vor. Wie das letzte Arschloch. Er hasste sich abgrundtief.

 

„Ok!“, erwiderte Sam motiviert.

 

Sie begannen, und nach einer Weile verdrängte Draco das schlechte Gewissen, den unmenschlichen Drang, Sam die Wahrheit zu sagen, und konzentrierte sich nur noch auf das Training. Das half tatsächlich.

 

So verging die Stunde, und es war gute Arbeit gewesen. Er wurde besser und besser, und war dankbar, dass sich irgendein Erfolg abzeichnete. Endlich mal.

Sie beendeten das Training, und schwer atmend holte Sam seine Wasserflasche aus seiner Trainingstasche.

 

„Willst du noch irgendwas unternehmen?“, wollte Sam von ihm wissen. Draco runzelte die Stirn.

 

„Ahem… eigentlich habe ich noch Training mit-“

 

„-oh richtig!“, entfuhr es Sam, und er wirkte fast schuldbewusst. „Ich sollte dir noch sagen, dass Hermine das Zertifikat nicht mehr vorziehen möchte“, schloss er hastig. „Tut mir leid! Ist mir total entfallen. Sie hat mich gebeten, dir das mitzuteilen. Sie will sich auf das Lernpensum konzentrieren – oder irgendwas“, entfuhr es Sam kopfschüttelnd.

 

„Oh“, machte Draco wenig intelligent.

 

„Sie meinte, das würde dir gut passen, weil du uns ja auch noch ausbildest und deine Woche voll genug wäre?“, wiederholte Sam wohl ihre Worte, und Draco wusste nicht, was er denken sollte.

Dann sah er sie also nicht mehr. Trainierte nicht mehr mit ihr. Musste sie tagsüber nicht mehr sehen.

 

Das war wohl… gut?

 

Er hatte nicht so schnell mit einer Lösung gerechnet, wenn er ehrlich war.

 

„Das ist ok, oder?“ Sam sah ihn abwartend an.

 

„Das… das ist wirklich ideal“, entkam es ihm, nicht gerade enthusiastisch, aber das war es wohl. Es war ideal, um abzuschließen. Weiterzumachen.

 

„Gut.“ Sam wirkte erleichtert. „Willst du noch was unternehmen?“, wiederholte der Junge, dessen Freundschaft Draco nicht verdiente.


„Nein, tut mir leid. Ich habe Blaise schon versprochen, dass wir… das Pansy-Problem angehen“, log er schlicht, denn… viel mehr Zeit konnte er nicht mit Sam verbringen. Er fühlte sich einfach zu schäbig.

 

„Richtig, ok“, erwiderte Sam bloß. „Grüß ihn von mir. Und… hoffentlich renkt es sich ein“, ergänzte er. Draco nickte blind. „Dann… werde ich meine Freundin nerven“, schloss er mit wackelnden Augenbrauen, und Draco spürte, das Lächeln, was er Sam schenkte, war mehr als nur gezwungen. Es war regelrecht unangenehm falsch.

 

„Tu das“, brachte er knapp hervor.

 

„Alles klar. Bis morgen!“ Der Junge schulterte die Tasche und verließ mit schwingenden Schritten die Halle. Draco war wieder allein.

 

So schnell konnte es gehen. Er griff sich seine Tasche ebenfalls, löschte die Lichter und verschloss die Hallentür hinter sich. Er wandte sich um – und wäre fast in sie gelaufen.

 

„-oh, tut mir leid, ich-“, begann er, aber dann erkannte er sie. „Hey“, rang er sich ab, und Laras Blick war kalt. Ja, an dieser Front hatte er tatsächlich Mist gebaut. Großen Mist. „Wie… wie geht es-?“ Sie unterbrach ihn.

 

„-mein Vater wollte dich zum Essen einladen“, sagte sie bloß, und ja, ihm fiel diese Begegnung ebenfalls wieder ein. Sein Mund öffnete sich knapp.

 

„Hast… hast du…?“

 

„Ihm gesagt, was für ein dummes Arschloch du bist?“ Er hielt die Luft an. „Ja, Draco“, schloss sie bloß. „Ja, habe ich. Oder hattest du erwartet, dass ich dir den Rücken freihalte?“ Sie wirkte verletzt. Er hatte sie wirklich verletzt, ging ihm auf. Es war nie Liebe für ihn gewesen, obwohl er sich so sicher gewesen war. Er war verliebt gewesen, würde vielleicht immer noch gerne mit ihr schlafen, stellte er abwesend fest, nachdem er sie unauffällig begutachtet hatte, aber das hatte er gründlich versaut.

 

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte er wahrheitsgemäß. Und dann dachte er unweigerlich weiter. „Was genau hast du ihm gesagt?“, wollte er beinah vorsichtig wissen.

 

„Nichts, was nicht ohnehin stimmt“, behauptete sie blind vor Schmerz.

 

Oh nein. Merlin, bitte nicht.

 

„Was genau?“, hakte er vorsichtig nach. Sie schien gehen zu wollen, und sie wurde langsam zornig.

 

„Nichts weiter“, wiegelte sie ab. „Lediglich, dass du die Ehe zu Astoria Greengrass schon vollzogen hast, bevor ihr überhaupt vor dem Gesetz verheiratet seid“, schloss sie bitter. Oh fuck.

 

„Das hast du nicht wirklich getan, oder?“, wollte er einigermaßen tonlos von ihr wissen.

 

„Hätte ich das nicht tun sollen?“, fragte sie ihn direkt mit verschränkten Armen. Kurz schlossen sich seine Augen.

 

„Es war nicht Astoria“, sagte er dann gepresst, und er ging sehr stark davon aus, dass Lucius davon Wind bekommen würde. Oder auch Mr. Greengrass – vielleicht auch Astoria, und er nahm nicht an, dass sie es abstreiten würde, so wie ihre Pläne für ihn aussahen. Fuck. Lara wirkte mäßig überrascht.

 

„Ach nein?“

 

„Nein, natürlich nicht!“, knurrte er. „Sie ist Schülerin! Und ich habe kein Interesse an ihr!“ Es war immer wieder dasselbe Gespräch mit Lara. Immer wieder dasselbe Problem. Aber Lara wirkte kurz entgeistert.

 

„Sie war es nicht?“, wiederholte sie langsam. „Wer war es dann?“

 

„Das ist unwichtig“, wollte er das Thema beenden, aber Lara sah ihn weiterhin an. „Du hast ziemlich episch mit mir Schluss gemacht, mich beleidigt – und ich denke, es ist alles geklärt, oder nicht?“, fragte er sie, und sie schien nicht zufrieden zu sein.

 

„War es… eine einmalige Sache? Mit einer… Unbekannten?“, schien sie wissen zu wollen, mildes Interesse auf den Zügen, aber nein! Draco würde nicht mehr in diese Richtung gehen!

 

„Ehrlich gesagt, nein und nein“, beantwortete er grimmig ihre Frage.

 

„Oh“, entkam es Lara nickend, während sie schwer schluckte. „Gut zu wissen“, schloss sie scharf, aber Draco war es fast egal. Er wusste nicht, wie viel Zeit ihm blieb, was er noch tun konnte, aber vielleicht hatte er auch Glück? Aber… das war sehr wahrscheinlich Wunschdenken. Reinblüter tratschten. Unheimlich viel. Und es war seine eigene Schuld. Wie eigentlich immer. Scheiße.

 

„Ich muss los“, verabschiedete er sich, hatte das Bedürfnis hier wegzukommen, und Lara wirkte aufgewühlt, als er sich zügig abwandte.


„Oh, ich halte dich bestimmt nicht auf!“, hörte er ihre erstickte Stimme, und ja, es tat ihm leid, aber dieser Fehler würde ihn wahrscheinlich einiges kosten, befürchtete er mit zunehmender Angst. Definitiv einiges, wenn Lucius es erfuhr.

 

~*~

 

Es war keine elegante Lösung, aber es war eine Lösung.

 

„Bringst du mich runter?“, wollte Sam nach der Mittagspause wissen, während sie gemeinsam am Tisch in der Kantine saßen. Sam hatte Animagus-Training, und Hermine betrachtete gezwungen unauffällig ihre Fingernägel, als wäre es spannend.

 

„Nein, ich bleibe noch hier. Hole mir noch einen Tee“, ergänzte sie achselzuckend, aber sie sah Sams Stirnrunzeln.

 

„Alles in Ordnung?“, wollte Sam schließlich wissen, und Hermine lächelte nichtssagend.

 

„Ja“, erwiderte sie, hoffentlich überzeugend genug. Es war Donnerstag und seit vier Tagen hatte sie den Schein aufgegeben. Und es gefiel ihr nicht. Sie hatte zu viel Freizeit, konnte gar nicht mehr lernen, als sie ohnehin schon tat, und sie hasste, dass dies der einzige Weg war. Aber emotional ging es ihr wohl besser. „Vielleicht besuche ich Ginny. Langsam fällt ihr das Laufen schwer“, erzählte Hermine unverfänglich.

 

„Ok. Soll ich… später nachkommen?“, schlug er vor, und Hermine hasste ebenfalls, dass sie beinahe neidisch auf Sam war, der sich am Ende des Jahres vielleicht bereits verwandeln konnte.

 

„Kannst du gerne tun“, sagte sie bloß.

 

„Ok“, erwiderte er.

 

„Ok“, bestätigte sie nickend.

 

„Tut mir leid, dass du nicht mehr trainieren kannst“, sagte er schließlich, als er sich erhob. Er neigte den Kopf, küsste ihre Wange, und sie schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Das ist wirklich ok. Es passt einfach nicht. So ist es wesentlich besser“, räumte sie mehrdeutig ein. Mehrdeutig für sie, nicht für Sam. Abstand zu Malfoy tat gut und war dringend nötig. Lebensnotwendig.

 

„Bis später, Hermine.“ Er zwinkerte aufmunternd und marschierte mit langen Schritten davon. Hermines Blick fiel erschöpft auf die Tischplatte, obwohl es keinen Grund gab, erschöpft zu sein. Sie hörte Kingsleys laute Stimme auch von hier, hob langsam wieder den Blick, und langsam runzelte sich ihre Stirn.

Anscheinend tat sich eine gänzlich neue Hölle auf, erkannte sie mit wachsendem Unmut. Langsam runzelte sich ihre Stirn, als es tatsächlich den Anschein machte, dass Kingsley ihre Richtung einschlug. Ihr Rücken ging automatisch gerader, und dann standen drei Personen vor ihr. Kingsley, ein Mann, den sie nicht kannte, und Astoria Greengrass, in sauber gepresster Slytherin-Uniform.

 

„Ja?“, wagte sie zu sagen, und Kingsley lächelte zu ihr hinab.

 

„Hermine, schönen guten Tag. Hättest du eine Minute Zeit?“, fragte er sie, und sie nahm an, es wäre nichts, was innerhalb einer Minute zu klären wäre.

 

„Es kommt drauf an?“, entgegnete sie einigermaßen vielsagend, und ihr Blick glitt knapp über Astoria, die zuvorkommend lächelte. Hermine erkannte das silberne S an ihrer Brust und war kurz einigermaßen verwirrt.

 

„Das sind Mr. Greengrass aus der Mysteriumsabteilung und seine Tochter Astoria. Hogwarts erlaubt seinen besten Schülern einen Schnuppertag, dort wo später vielleicht ihr Ansatz sein wird, und Astoria hier hat Interesse an der Aurorenausbildung bekundet“, erklärte er knapp, verbarg seinen Unglauben einigermaßen überzeugend. Hermine konnte nur annehmen, die Greengrasses waren verflucht reich und Mr. Greengrass hatte Kingsley bereits eine umfassende Subvention für die Auroreneinheit zugesichert. Ansonsten würde sich Kingsley für keinen Reinblüter bemühen, hier her zu kommen. Zu ihr.

 

„Aha“, machte sie wenig hoffnungsvoll.


„Du bist unsere Vorzeige-AIT mit dem stärksten Leistungsschnitt – und ich dachte, du könntest ihr unsere Abteilung zeigen?“ Es klang wie eine Frage, aber Kingsleys Blick war eindeutiger, als seine Worte. Es musste um viel Gold gehen.

 

„Es wäre mir eine Ehre, Miss Granger“, log das Mädchen, mit den glatten, glänzenden Haaren, dem schönen Teint, dem perfekten Makeup – und Hermine fragte sich, wie eine Schulsprecherin die Zeit für Oberflächlichkeiten finden konnte. Und wie eine Schulsprecherin Malfoy heiraten wollte – je nachdem, ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen.

 

„Nenn mich Hermine“, bat sie sofort, denn sie hasste es, von nahezu gleichaltrigen mit ‚Miss Granger‘ angesprochen zu werden.

 

„Sehr gerne, Hermine. Würdest du mir die Abteilung zeigen?“, bat Astoria mit einem gewinnenden Lächeln, und Hermine nahm an, Malfoy würde sich definitiv von so einem Mädchen um den Finger wickeln lassen. Er war ein schwacher Mistkerl. Sie erhob sich müde.

 

„Sicher“, sagte sie fast bissig, schenkte Kingsley einen knappen Blick, und dieser dankte ihr mit seinen Augen. Sie sah es genau.

 

„Astoria, bitte bestes Verhalten“, sagte ihr Vater warnend, und Astoria nickte demütig.

 

„Ja, Vater“, erwiderte sie.

 

„Ich hole dich in einer Stunde ab. Vielen Dank, Miss Granger, Mr. Shacklebolt“, verabschiedete sich Mr. Greengrass von ihnen, und Kingsley schloss sich zügig an.

 

„Du interessierst dich für die Ausbildung?“, wollte Hermine mehr als ungläubig wissen, und Astoria ruckte mit dem Kopf.

 

„Draco macht sie. Es muss also irgendetwas hier sein, was… den Reiz ausmacht“, nahm Astoria betont freundlich an.

 

„Mh“, machte Hermine einsilbig. „Wir Frauen sind hier in der Unterzahl, also wäre es tatsächlich eine Überlegung wert, hier-“

 

„-du hattest Sex mit ihm, oder?“, unterbrach Astoria Hermines halbherzigen Versuch, die Ausbildung schmackhaft zu machen, und kurz runzelte sich ihre Stirn.

 

„Was?“, wich Hermine entschieden aus, verschränkte defensiv die Arme vor der Brust und hatte nicht vor, sich auf persönlicher Ebene mit diesem Mädchen zu unterhalten.

 

„Mit Draco“, machte Astoria es deutlich. „Ansonsten fällt mir kein Mädchen ein, das er geheimhalten wollen würde“, schloss sie bloß. Hermines Mund öffnete sich knapp. Sie runzelte verständnislos die Stirn.

 

„Hast du Interesse an einer Führung? Ansonsten schlage ich vor, du wartest hier, bis dein Vater dich abholt“, machte Hermine es deutlich, und Astoria fasste sie näher ins Auge.


„Es macht mir nichts, weißt du?“, sagte sie dann. „Ich möchte, dass er all seinen Wünsche und verbotenen Gelüsten nachgeht, bevor es ernst wird“, ergänzte sie. Hermine wusste nicht, ob sie bleiben oder gehen sollte.


„Das interessiert mich nicht wirklich“, entschied sie zu sagen.

 

„Du streitest es nicht ab, also nehme ich an, ich habe Recht?“ Hermine atmete lange aus.


„Was möchtest du von mir? Bist du hier, um mir unpassende Fragen zu stellen, deren Antworten dich einen feuchten Dreck angehen, oder willst du die Einheit kennenlernen?“

 

„Mich interessiert Dracos Alltag, die Menschen, die er trifft, die Beziehungen, die er offen oder heimlich führt…“, führte Astoria ehrlich aus, und Hermine wurde aus dem Mädchen nicht sonderlich schlau.

 

„Es geht dich nichts an“, sagte Hermine verständnislos.

 

„Dracos Ex hat ihrem Vater erzählt, dass er Sex mit mir hatte. Und Mr. Banks hat es seiner Frau erzählt – die es meiner Mutter gesagt hat, also…“, Astoria machte eine knappe Pause.

 

„Also?“, entkam es Hermine ein wenig angespannter.

 

„Also hat meine Mutter mich zur Rede gestellt, mich gefragt, ob es stimmt“, schloss Astoria achselzuckend. Hermines Mund öffnete sich unbewusst.

 

„Und du hast gesagt, es stimmt?“, nahm sie an, denn was für einen anderen Schluss gab es?

 

„Ich habe mich noch nicht geäußert. Es wäre einigermaßen töricht, meinen Ruf aufs Spiel zu setzen.“ Hermine hatte Slytherins noch nie sonderlich leiden können. Und es war tatsächlich Malfoys Schuld. Er hätte Lara die Wahrheit sagen sollen. Denn selbst, wenn er es jetzt abstritt – Hermine glaubte nicht, dass man ihm glauben würde.

 

„Ich verstehe das Problem nicht“, gab Hermine offen zu.

 

„Das Problem ist, dass ich mir nicht völlig sicher bin, ob er nicht doch bereit ist, das bequeme Reinblüterleben aufzugeben für…“, sie machte eine knappe Pause, fasste sie deutlich ins Auge, und ihre Mundwinkel zuckten freudlos, „etwas anderes.“ Hermines Augen verengten sich.

 

„Lass mich dir eins versichern, Astoria“, begann Hermine gereizt, „ich bin keine Gefahr für dich. Und Geheimnisse vor Draco zu haben wird nicht dazu führen, dass du sonderlich in seiner Gunst steigen wirst“, ergänzte sie vielsagend.

 

„Du möchtest, dass ich meiner Mutter sage, dass ich keinen Sex mit Draco hatte, sondern du?“, fragte Astoria direkt, und Hermine atmete angestrengt aus.

 

„Ich denke, es wäre ausreichend, dass du einfach ehrlich bist, und jemanden nicht erpresst und zwingst, mit dir zusammen zu sein.“ Astorias Stirn runzelte sich.

 

„So funktioniert die Welt aber nicht“, entgegnete sie fast entschuldigend.

 

„Wenn man bekommen möchte, was man will, schon“, erwiderte Hermine. „Irgendwann holen dich alle deine Lügen und schlechten Entscheidungen ein. Du bist Schulsprecherin. Ich unterstelle dir diese Weitsicht.“ Hermine wünschte, sie wüsste dasselbe Prinzip auf ihr eigenes Leben anzuwenden, aber die, die es nicht selbst konnten, brachten es wohl anderen bei, nahm sie finster an.

 

„Vielleicht“, räumte das Mädchen tatsächlich ein. „Ich habe nicht vor, dir zu drohen oder dich zu erpressen. Dracos Exfreundin war wirklich keine Konkurrenz, aber gegen dich kämpfe ich nicht“, erklärte sie achselzuckend. „Jeder verliert gegen dich“, ergänzte sie offen. Hermines Augenbraue hob sich. „Ich bin hier, um dich zu fragen, ob du ihn willst.“

 

„Das wäre schon alles?“, entkam es Hermine sarkastisch, und sie schüttelte den Kopf über so viel Dreistigkeit.

 

„Die Frage ist einfach, oder nicht?“, wollte Astoria schlicht von ihr wissen, und Hermine wünschte, es wäre so verdammt einfach.

 

„Natürlich will ich ihn nicht!“, knurrte Hermine dann. Und tatsächlich schien Astoria aber ihren inneren Kampf zu bemerken.


„Aber?“, entkam es der hübschen Schulsprecherin über alle Maßen sachlich.

 

„Kein Aber“, erwiderte Hermine bitter. „Ich bin in einer Beziehung!“

 

„Ok“, sagte Astoria tatsächlich. „Dann habe ich jetzt Interesse an einer Führung“, erklärte sie. „Vielleicht ist die Ausbildung was für mich“, ergänzte sie achtlos. „Vielleicht kann man Ehefrau sein und gleichzeitig eine Ausbildung machen“, ergänzte sie achselzuckend.

 

„Da gehe ich stark von aus“, erwiderte Hermine knapp.

 

„Du magst mich nicht sonderlich?“, vermutete Astoria lächelnd, als sie sich in Bewegung setzten, und Hermine schenkte ihr einen eindeutigen Blick.


„Keine Sorge, ich mag keinen Slytherin sonderlich“, erwiderte Hermine bloß.

 

„Weißt du, du bist nicht übel, Hermine“, stellte Astoria schließlich fest, und Hermine würde Slytherins nie verstehen. Niemals in ihrem Leben.

 

 

31. headstrong

 

Sie machten Fortschritte, und Draco hatte sich in seine Ausbilderrolle gut eingefunden, auch wenn Angst seinen Geist beherrschte, zurzeit.

Selbst Cage war hier, folgte seinen Anweisungen, und Sam stand am nächsten und vertrat wohl die Ansicht, dass Draco ein guter Freund war. Draco hasste sich selbst ein klein wenig mehr.

 

„Die Flügelstruktur ist wohl das schwerste, für alle diejenigen, die keinen Patronus mit Flügeln besitzen. Es fordert einiges an Kreativität und mentaler Vorbereitung, in einen Animagus zu wechseln, der die Gabe besitzt, zu fliegen. Außerdem ist die Magie des Tieres direkt an die Fähigkeit des Flugs gekoppelt. Aber dazu später. Ich werde mich verwandeln und möchte, dass ihr dem Flugapparat genaue Aufmerksamkeit schenkt“, sagte er schlicht, und der zweite Herzschlag in seiner Brust wurde kräftiger, lauter in seinen eigenen Ohren, schlummerte immer in seinem Geist und wollte praktisch aus ihm herausbrechen.

 

Schon spürte er die Wandlung, die Federn, die in magischer Geschwindigkeit aus seiner Haut wuchsen, die Kraft, die ihn mit einem Mal durchzog, ihn erfüllte, und mit dem nächsten Kopfschütteln, hatte sich seine Sicht verändert, war ultraviolett und gestochen scharf, seine Flügel breiteten sich aus, er stieß sich vom Boden ab und flog einige erlösende Runden, bevor er tiefer sank. Alle Augen folgten ihm, und es war fast angenehm.

Sein scharfer Blick erkannte, wie sich die Tür öffnete, und er stockte in der Luft, flog auf der Stelle. Sofort erkannte er sie. Die Wolkendecke über ihm verdunkelte sich automatisch, und dennoch konnte er den Blick nicht – was?!

 

Hinter Granger betrat ein Mädchen die Halle. Sie trug die Hogwartsuniform, und es kostete ihn keine Sekunde, sie zu erkennen. Fuck.

 

Ohne nachzudenken gewann er an Geschwindigkeit und Übelkeit pochte in ihm. Mit kraftvollen Flügelschlägen erreichte er die Tür, wandelte sich m Sturzflug und in menschlicher Gestalt schlugen seine Füße fest auf den Boden. Astorias Augen hatten sich geweitet.

 

„Wow“, entkam es dem Mädchen. „Das war-“

 

„-was treibst du hier?“, unterbrach er sie, ohne Begrüßung, ohne den Hauch von Freundlichkeit.

 

„Malfoy-“, begann Granger, aber Draco ignorierte sie.

 

„Die besten Schüler von Hogwarts dürfen sich künftige Ausbildungsberufe ansehen“, antwortete Astoria mit hochgerecktem Kopf. Draco schüttelte abwesend seine Haare, aus denen noch immer sanfter Schimmer rieselte.

 

„Künftige Ausbildungsberufe? Seit wann interessieren sich reiche Erbinnen für eine Ausbildung – hier?“, ergänzte er vielsagend, glaubte ihr keine Sekunde und konnte nicht fassen, dass Granger sie hierher gebracht hatte!

 

„Hermine hier hat es mir schmackhaft gemacht, außerdem interessiert mich, was du hier so bestechend findest. Aber auch davon habe ich bereits eine Vorstellung bekommen“, sagte sie, und wieder fiel ihr Blick vielsagend auf Hermine, und Dracos Mund öffnete sich sehr kurz unschlüssig.

 

„Verschwinde hier, Astoria“, warnte er sie jetzt.

 

„Ich darf hier sein, Mr. Shacklebolt hat es erlaubt. Ich möchte mir alles ansehen und dazu gehört natürlich auch das spektakuläre Animagus-Training von dem alle hier reden“, schloss die Schlange lächelnd. Sein Blick hob sich zu Grangers blassem Gesicht, aber sie wirkte merklich ausdruckslos, die Augen nicht auf seine fixiert, und er erkannte ihre Anspannung.

 

„Ich werde nicht weiter trainieren, solange hier Schüler zusehen“, sagte er bestimmt, fixierte wieder Astoria, und diese wirkte unzufrieden.

 

„Draco-“

 

„-hast du gedacht, ich freue mich über dein Auftauchen? Dass ich es nicht erwarten kann, dich wiederzusehen?“, knurrte er, und ihm war egal, wer es hörte und wer nicht. Er hasste es, Angst zu haben. Er würde es schon schaffen. Selbst wenn! Selbst wenn diese Schlange es dem gesamten Club erzählte – selbst wenn sie ihn noch heute verstießen!

 

„Es sind noch mehr Schüler hier heute“, sagte Astoria fast beleidigt.


„Ja? Ich sehe keinen anderen verdammten Schüler in meiner Trainingseinheit, Astoria“, erwiderte er kalt.

 

„Ich habe ein gutes Recht-“, begann sie, aber Draco machte ein abwertendes Geräusch.


„-alles, was du hast, ist einen Vater, der nicht weiß, wohin mit seinem Gold. Sonst nichts“, spuckte er ihr entgegen. „Miss Granger wird dich jetzt wieder nach oben bringen“, ergänzte er warnend. Astorias Mundwinkel sanken. Sie wirkte regelrecht aufgebracht, kurz davor, zu schreien. „Ich schlage vor, du bewegst dich, bevor ich dich mit dem Zauberstab selber vor die Tür setze!“, ergänzte er dann.


„Malfoy!“, entkam es Granger fast entrüstet, aber sein Blick schoss augenblicklich zu ihrem Gesicht.

 

„Mir ist nicht ganz klar, was dich hat annehmen lassen, dass ich diese Schlange in meinem Training sehen will, aber ich versichere dir, Hermine – kein Grund, kein Gold der Welt, ist gut genug, dass ich meine Zeit für dieses Gespräch opfere!“, entkam es ihm zornig, und jetzt bekam sie seinen Ärger ab. Dafür, dass sie den feigen Ausweg wählte, ohne ihm noch einmal die Stirn zu bieten! Ohne sich zu verabschieden, ohne…- er wusste es nicht. Wusste nicht mal, ob er ihr dafür böse sein durfte, oder nicht. Unschlüssig sah Granger ihn an, schien ihn mit ihrem Blick zu drängen, und er ging davon aus, dass Astoria es bereits wusste. Wusste, was Lara ihrem Vater erzählt hatte. Und er wusste nicht, wie dünn das Eis war, auf dem sie sich bewegten.

 

Unwahrscheinlich dünn, nahm er an.

 

„Du wirst deine Meinung ändern!“, entkam es Astoria jetzt sauer.

 

„Weil du denkst, du kannst mich zwingen?“, vermutete Draco, auf absolutem Krawallkurs. Er hatte keine Angst vor verzogenen, kleinen Mädchen! Zorn blitzte in Astorias Augen. „Dann bitte!“, sagte er auffordernd. „Wir können ausprobieren, wie weit dich das bringen wird!“, schloss er kalt. Bevor Astoria erwidern konnte, schob sich Granger dazwischen.

 

„Draco, Kingsley hat gesagt, sie darf sich jede Einheit, jedes Training ansehen. Willst du wirklich den Ärger riskieren, der-“

 

„-es ist mir scheiß egal!“, knurrte er dann. „Was soll passieren? Sie rennt zu Shacklebolt und fängt an zu heulen, weil der große, böse Malfoy sie nicht hat zusehen lassen? Was denkst du, was Shacklebolt das interessiert? Oder ist er so unfassbar geil auf das Reinblüter-Gold, dass er jedem dahergelaufenen Miststück gestattet, ihm auf der Nase rumzutanzen? Das mache ich nicht mit – und das muss ich auch nicht!“, warnte er sie schlicht.


„Was ist in dich gefahren?“, fuhr Granger ihn jetzt fassungslos an. „Astoria kann-“


„-Astoria kann dahin zurückgehen, wo sie hergekommen ist!“, unterbrache er Granger barsch.

 

„Malfoy, du verstehst nicht-!“, begann Granger jetzt gepresst, aber Draco hatte genug.


„-ich verstehe, ok? Und es ist mir egal! Soll sie zu ihren Eltern rennen! Soll sie ihnen sagen, dass ich mit ihr geschlafen habe – soll sie ruhig!“, knurrte er. „Erzähl es meinen Eltern – erzähl es verdammt noch mal Shacklebolt oder direkt McGonagall!“ Seine Brust hob und senkte sich schneller.

 

„Du wirst sehen, was du davon hast. Und am Ende ändert es gar nichts, Draco!“, schien Astoria ihn zu warnen, verbarg die Verletztheit hinter ihren glänzenden Augen gut, und Draco war einfach zu geladen.

 

„Dann hau ab! Zeig mir, dass du leere Slytherin-Drohungen auch wahrmachen kannst, du verwöhnte Göre!“, rief er wütend, und auf dem Absatz machte Astoria kehrt und stürmte aus der Halle. Die Türen knallten zu und niemand sprach. Granger atmete gepresst aus.


„Du bist so ein unfassbarer Idiot!“, knurrte sie haltlos, senkte die Stimme aber auf ein Minimum.

 

„Merlin, was soll passieren?“, fuhr sie an, aber jetzt erkannte er ihren glasigen Blick.

 

„Sie weiß es!“, zischte sie bloß. „Sie weiß es“, wiederholte sie stiller, und sein Mund öffnete sich knapp. Oh. Granger führte sie durch die Einheit, weil Astoria auch sie erpresste, ging ihm bitter auf.

 

„Und wenn schon“, entkam es ihm trocken, wenn auch nicht mehr ganz so selbstbewusst, wie vorher. Denn es konnte sehr gut sein, dass Astoria den Spieß umdrehte – wahrmachte, was Blaise ihm lediglich androhte. Und er war sich nicht völlig sicher, was dann passierte. Wenn Astoria entschied, die Wahrheit zu sagen. Lucius und Narzissa die Wahrheit zu sagen; dass er nicht mit ihr schlief, sondern mit… Hermine Granger. Er nahm an, es wäre unangenehm. Vielleicht gäbe es eine Unterredung, ein paar böse Worte. Vielleicht brachte das alleine auch das Fass zum Überlaufen, und sein Verstoß wäre besiegelt. Aber viel verloren hätte er nicht. Dann wäre es eben vorbei, dann wäre er auf sich gestellt.

 

Oder aber… es würde sich weiterziehen. Sie würden es erzählen, und diese Information würde die Runde machen, offiziell werden, und er nahm an, einige Zeitungen würden zu gerne darüber berichten, und die sprichwörtliche Schlagzeile über die er sich lustig gemacht hatte, würde letztendlich doch noch Wahrheit werden. „Es wird nichts passieren“, sagte er plötzlich, stiller als vorher. „Ich kümmere mich, dass nichts passieren wird“, versicherte er ihr blind, ohne zu wissen, ob es stimmte. Ohne zu wissen, was genau er tun wollte. Sie glaubte ihm nicht, er sah es genau. Sanft schüttelte sich ihr Kopf.

 

„Diesmal habe ich mir Mühe gegeben“, sagte sie lediglich, und ihre Stimme zitterte vor Wut, vor Schmerz, und dann hatte sie sich abgewandt, ließ ihn stehen, und zornig wandte er sich seinem Kurs wieder zu.

 

Scheiße.

 

„Wo waren wir stehen geblieben?“, fragte er bitter, und niemand wagte, zu antworten. Verdammte Scheiße.

 

~*~

 

Es war eine Weile her, dass er hier war. Unangekündigt, uneingeladen. Es kam ihm vor, als wären es Jahre gewesen. Aber das stimmte wohl, denn seit der ersten Ausbildung war er nicht mehr bei seinen Eltern gewesen, war praktisch danach sofort zu Blaise gezogen, und es kostete ihn einiges, überhaupt hier zu sein. Er hatte vom offenen Kamin in Caines Büro eine Anfrage an Malfoy Manor gestellt, die sein Vater sogar sehr zeitnah beantwortet hatte, und jetzt stieg er aus dem geräumigen Rost, betrat den weichen orientalischen Läufer seines Vaters in dessen Büro, aber niemand wartete auf ihn. Niemand empfing ihn, und er nahm an, er musste seine Eltern erst suchen gehen.

 

Das Arbeitszimmer allein maß an Platz so viel wie Grangers WG allein, und Draco wusste, Luxus stieg einem nur zu schnell zu Kopf. Er verließ das gefürchtete Büro eilig, trat auf den Flur, nur um festzustellen, dass seine Mutter wohl wieder neu dekoriert hatte – oder lassen hatte. Als ob Narzissa Malfoy jemals etwas selber tat.

 

„Hallo?“, rief er knapp durch die langen Hallen, schritt durch den Flur, und wusste nicht, was sein Vater spielte.

 

„Im Salon!“, hörte er die Stimme seiner Mutter deutlich, und mit zügigen Schritten lief er den Flur entlang. Seine Stiefel hinterließen ein lautes Echo, und das Haus war unfassbar groß. Unüberschaubar groß. Reichtümer stellten sich grotesk und angeberisch zur Schau – wie immer schon, und er ignorierte alles, was er an Kostbarkeiten sah.

 

Er durchschritt die Halle und erreichte den Salon, wo seine Eltern die meiste Zeit verbrachten, wo er unzählige Weihnachten gefeiert hatte, die teuersten Geschenke bekommen hatte. Er erinnerte sich. Dies war sein Zuhause gewesen, aber zuhause hatte er sich nie gefühlt. Seine Mutter dirigierte einige Elfen, die eilig Teetassen und Gebäck auf dem Tisch herrichteten, während eine dritte Elfe die Kanne schweben ließ.

 

„Draco. Dein Vater hat gesagt, du würdest kommen. Was für eine schöne Überraschung“, sagte seine Mutter, aber ihr Blick war eindeutig ablehnend auf seine Uniform gerichtet. Lucius betrat den Salon aus dem angrenzenden Zimmer.

 

„Draco“, begrüßte er ihn. „Alle Knochen in Takt?“, vergewisserte er sich. „Alle Gliedmaßen noch-?“

 

„-ja“, bestätigte er bloß.

 

„Was verschafft uns die Ehre?“ Selten hatte er seinen Vater ohne Gehrock gesehen, selten hatte sein Vater jemals anders als geschäftig gewirkt, aber das Ende des Krieges hatte wohl eine gewisse Lässigkeit ins Hause gebracht, stellte er fest, denn sein Vater wirkte nicht gestresst, nicht überarbeitet oder gehetzt. Aber das mochte auch täuschen. Er hatte keine Ahnung, was sich hier hinter verschlossenen, goldenen Türen abspielte.

 

„Es gibt ein Problem“, sagte er schlicht, widerwillig, aber sein Vater schien nichts anderes erwartet zu haben. Seine Mutter wirkte ebenfalls merklich angespannt.

 

„Ein Problem, was dir nicht gestattet hatte, dich umzuziehen?“, vermutete Narzissa schließlich vielsagend.

 

„Ich glaube nicht, dass meine Garderobe noch euren Ansprüchen entspricht“, entkam es ihm eindeutig.

 

„Das ist völlig egal“, sagte Lucius jetzt, nicht mehr gänzlich freundlich. „Was für ein Problem?“, wollte er wissen. Draco wunderte es, dass Lucius tatsächlich interessiert wirkte. Seinem Gold konnte nichts geschehen. Draco besaß keinen Knut mehr vom Malfoy-Reichtum. Was erwartete sein Vater? Und Draco hasste, dass sein Problem so trivialer Natur war. Und es war mehr als unangenehm – und dazu kam die verdammte untergründige Bedeutung, die nicht wirklich existierte, die seine Eltern wohl aber in sein Begehren hineininterpretieren würden. Und das hasste er schon jetzt.

 

„Nichts… finanziell Schädigendes“, fasste Draco knapp zusammen. „Nichts, was euch irgendetwas kostet“, ergänzte er knapp, und Narzissa runzelte die Stirn. Und Draco erinnerte sich an das Gespräch in der Kutsche. Und es machte den Anschein, als hätte Lucius Recht gehabt, aber das stimmte nicht. Nicht wirklich. Nicht mal im Ansatz. Aber wozu sollte er das erklären?

 

„Um was-?“, begann seine Mutter verstört, aber Draco wollte nicht länger zögern.

 

„-es geht um Astoria. Greengrass“, ergänzte er, für den Fall, dass seine Eltern dumm spielen wollten.


„Ja?“ Lucius wartete ab. Draco atmete gereizt aus.

 

„Ich… habe meine Exfreundin Lara betrogen. Und Lara denkt, mit Astoria“, erklärte er das Problem, was er seinen Eltern nicht erklären wollte, was ihn mehr Überwindung kostete, als zuerst angenommen, und seine Eltern musterten ihn, wie etwas, von dem sie nicht angenommen hatten, dass es Sex haben könnte. Und so bevorzugte er es eigentlich – aber leider, leider… ging das jetzt nicht mehr.

 

„Aber es war nicht Astoria?“, sagte seine Mutter jetzt, und Draco glaubte nicht, sie jemals in Jeans gesehen zu haben, dachte er abwesend.


„Nein“, bestätigte er knapp. „Zuerst habe ich angenommen, sie würde wohl diese Version erzählen, aber-“

 

„-diese Version habe ich bereits gehört“, sagte seine Mutter, klang nicht sonderlich begeistert, aber nicht sonderlich zornig. Draco hatte angenommen, dass der verdammte Club seiner Eltern bereits informiert war. „Nicht von Astoria selbst, aber-“

 

„-Draco, worauf willst du hinaus?“, kürzte sein Vater das Thema angespannt ab.

 

„Ich möchte euch bitten, daraus kein Drama zu machen“, sagte er schlicht. „Es zu ignorieren, es… nicht mit euren Freunden zu besprechen, es keinem Reporter zu sagen – es einfach…“ Ihm fehlten die richtigen Worte. „Mir einfach den Gefallen zu tun“, schloss er fast etwas hilflos.

 

Und seine Eltern wirkten beide nicht begeistert, nicht glücklich. Und – was er wesentlich eindrucksvoller fand – sie waren im Bilde.

 

„Denkst du allen Ernstes, wir gehen mit deinen Eskapaden hausieren?“, wollte Lucius knapp wissen. „Denkst du, es macht Spaß, in den Club zu kommen und sich anhören zu müssen, was wir falsch gemacht haben, dass sich unser einziger Sohn der Demütigung aussetzt, eine niedere Ausbildung zu machen?“

 

„Nieder?“, wiederholte Draco ungläubig, und Lucius winkte ab.


„Du weißt genau, was ich meine, Draco – komm mir nicht mit semantischen Feinheiten“, warnte sein Vater ihn sofort. „Sie ist nieder für unseren Rang, für unsere Rolle in unserer Gesellschaft, ja.“ Draco wollte erwidern, wollte… irgendetwas sagen, aber wozu? Wozu der Aufwand, wozu die Mühe? „Dass du hier auftauchst und uns ernsthaft um den Gefallen bittest – annimmst, dass es nötig wäre, das zu tun…!“, fuhr sein Vater angestrengt fort, und Draco nahm an, alles, was Blaise gesagt hatte, stimmte nicht. Es war kein väterlicher Stolz, es war einfach eine gute Show, die sein Vater ablegte, wohl um väterliche Enttäuschung als falschen Stolz zu verkaufen. „Wir unterstützen keine deiner Entscheidungen, die du in jüngster Zeit triffst!“, erklärte er bitter. „Aber das wirst du festgestellt haben, da dir auch sonst keinerlei Unterstützung zuteilwird.“

 

Draco wartete lediglich. „Du brauchst also keinerlei Sorge haben, dass deine Mutter oder ich eine Weltanschauung daraus veranstalten, welche jungen Damen das Bett mit dir teilen.“ Davon war Draco auch nicht allen Ernstes ausgegangen. Wirklich nicht. „Kriegsheldin oder eben keine“, ergänzte Lucius kalt. Fast spürte Draco die Hitze in den Wangen.

 

„Kommentiert es einfach nicht“, entkam es ihm gepresst.

 

„Oh, wir werden es nicht kommentieren!“, entfuhr es Lucius ungläubig. „Was denkst du? Dass ich zur nächsten Klatschpresse renne, um mich ausführlich über die geschmacklichen Verirrungen meines Sohnes zu äußern? Denkst du das?“, fuhr er ihn an.

 

„Ich wollte lediglich-“

 

„-wir wissen, was du willst!“, unterbrach seine Mutter ihn angespannt. „Du willst uns bestrafen! Uns der größten Scham aussetzen, die du finden kannst.“

 

„Was?“ Draco starrte sie entgeistert an. „Das ist nicht dein Ernst? Ich bin der einzige, der sich darum bemüht, diesen Namen-“

 

„-genug“, sagte Lucius streng. „Unser Name braucht garantiert nicht die Demütigung-“

 

„-Demut ist genau das, was dieser Name braucht, Vater!“, knurrte Draco außer sich. „Und zwar tonnenweise!“ Seine Eltern wirkten angespannt. Noch angespannter als vorher. Der Tee wurde kalt, die Elfen kauerten in den Ecken – es war wie damals. Ein ganz normaler, unangenehmer Nachmittag bei den Malfoys. Es kotzte ihn so sehr an. Er erinnerte sich wieder, warum er nach Arizona gegangen war. – Er wünschte, er wäre immer noch dort. „Ich möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen – das ist alles.“

 

„Keine Sorge, wir werden ihren Namen nicht äußern. Gegenüber niemandem“, sagte sein Vater sehr eisern. 

 

„Wenn du nicht willst, dass sie zu gesellschaftlichem Schaden kommt, vielleicht solltest du dich dann von ihr fernhalten“, schlug seine Mutter dunkel vor.

 

„Das ist der Plan“, versprach Draco erschöpft. Lucius atmete schließlich aus.

 

„War es das?“, wollte er wissen.

 

„Ja“, sagte Draco tonlos.

 

„Weißt du“, begann Lucius gedehnt, „sie wird deine angebliche Ritterlichkeit nicht brauchen.“

 

„Es hat nichts damit zu tun“, widersprach er knapp. Unschlüssig stand er vor seinen Eltern, konnte nicht erwarten wieder zu verschwinden. Seine Mutter wirkte unglücklich, aber… das war nichts Neues.

 

„Erspar uns das nächste Mal ein solches Treffen“, sagte Lucius dann, und Draco verzog den Mund.

 

„Sofern es sich vermeiden lässt, beabsichtige ich nicht, wiederzukommen. Danke für eure Zeit“, sagte er abschließend und machte Kehrt. Endlich! Endlich konnte er gehen. Er wusste nicht, was er bewirkt hatte – wahrscheinlich gar nichts, aber besser, seine Eltern waren informiert, als dass sie es nicht waren. Jetzt konnten sie ihn im Vorfeld hassen – wie sie es ohnehin taten – und machten keine Dummheiten – was sie aber vielleicht trotzdem tun würden.

 

Und er wusste, er strafte seine Worte Lügen, aber… er musste einfach. Er musste sie sehen. Ihr sagen, dass er sich gekümmert hatte. Weil er ein Arschloch war. Weil er wusste, dass Sam nicht bei ihr war, da er ihn gebeten hatte, bei Cage zu bleiben und mit ihm die Unterlagen durchzugehen, die ihm fehlten.

Er war nicht stolz. Er war nie stolz, auf nichts, was er tat. Es war also immerhin nichts Neues.

 

~*~

 

Sie hatte nicht gegessen, rührte kaum ihren frischen Tee an, reagierte nicht wirklich auf Ginnys Gesprächsthemen, und sie nahm an, als es klopfte, dass nur Ron ihren Abend noch schlimmer machen könnte. Es war ein furchtbarer Tag gewesen. Sie erwartete jede Sekunde, erwischt zu werden. Enttarnt, an den Pranger gestellt, von wusste Merlin wem!

 

Harry befand sich gerade ohnehin im Flur draußen, und sie hörte ihn durch den Flur gehen und die Tür öffnen. Sie vernahm ein kurzes Gespräch, und Ginny reckte gespannt den Kopf.

 

„Vielleicht kommt er doch noch?“, nahm Ginny fragend an, aber Hermine glaubte es nicht. Sam hatte ihr per Eule geschrieben, dass er Cage Nachhilfe gab, und sie ging davon aus, dass es länger dauern würde, als eine Stunde. Und fast dachte sie, sie träumte, als sie ihn im Türrahmen zur Küche erkannte. Ginny schwieg abrupt. Es war ein so eigenartiges Bild. Ihre Kehle schnürte sich zu. Sein Blick wirkte so unfassbar schuldbewusst und noch etwas anderes, was sie nicht analysieren wollte.  

 

„Hey“, begrüßte Malfoy sie, bevor sein Blick kurz zu Ginny flackerte. „Entschuldigt die Störung“, erklärte er. „Hermine hast du eine Minute?“, fragte er sie tatsächlich, und ihr Herz jagte. Er kam hierher?! Ernsthaft? Sie starrte ihn an. Das ging zu weit!

 

„Was tust du hier?“, wollte sie fassungslos wissen. „Was-?“

 

„-kann ich dich alleine sprechen?“, unterbrach er sie bloß, und sie erkannte, dass er seine Uniform noch trug. Wo war er gewesen? Ihr klopfendes Herz schlug mittlerweile vor Furcht, und sie hasste, dass sie tatsächlich aufstand, ihm tatsächlich folgen würde. Und sie hatte keine Ahnung, was sie Ginny und Harry sagen sollte.

 

Sie folgte ihm in den Flur und nahm an, Ginny und Harry würden mit spitzen Ohren in der Küche lauschen. Sie gingen bis zur Haustür zurück. Malfoy war hier. Bei Harry und Ginny. In Godric’s Hollow.

 

„Woher wusstest du, wo ich bin?“, stellte sie die Frage, die sich ihr aufdrängte. Kurz flackerte wieder etwas wie Schuldbewusstsein über sein angespanntes Gesicht.


„Sam hat es erwähnt.“

 

„Du hast mit ihm gesprochen?“, entkam es ihr.

 

„Ich… hatte ihn gebeten, Cage zu helfen“, räumte er tatsächlich ein. Kurz öffnete sich ihr Mund. Er hatte was…? Das war nicht sein-! „Hör zu“, unterbrach er ihre ungläubigen Gedanken, „ich… habe mit meinen Eltern gesprochen“, sagte er, und ihre Augen weiteten sich.

 

„Du hast was?“, entkam es ihr, und fast vergaß sie, zu flüstern.

 

„Ich war heute bei ihnen, um… um…“ Er schien es nicht zu wissen oder nicht erklären zu wollen. „Sie werden es nicht thematisieren. Ich nehme an, dass man im Club nicht darüber reden wird, dass es… sich verläuft“, schloss er dann.

 

„Du hast es ihnen gesagt?“, flüsterte sie beinahe.


„Nein, sie… wussten es bereits.“ Ihre Augen weiteten sich.


„Was?“, entkam es ihr, aber sein Blick fiel.

 

„Es ist unerheblich. Du musst dir… keine Gedanken machen, dass dir meine Familie Steine in den Weg legt. Es ist meine Schuld, und ich hätte… ich hätte heute… anders reagieren müssen“, entkam es ihm.

 

„Ja, hättest du. Du hättest auch nicht zu deinen Eltern gehen müssen, Merlin!“, flüsterte sie aufgebracht.

 

„Besser, sie erfahren es offiziell von mir, als von Astoria“, sagte er nur. „Falls sie es überhaupt… sagen wird.“ Hermine schluckte schwer. Es war so ein absolutes Chaos. „Und… du hättest mir sagen können, dass du das Zertifikat nicht mehr machst. Persönlich.“

 

„Ich… hatte angenommen, es wäre besser, das nicht zu tun. Es dir… nicht persönlich zu sagen“, ergänzte sie kleinlaut. Er hob die Augenbraue. „Aber dann wiederum scheinst du ja unmenschliche Längen zu gehen, um doch wieder mit mir zu reden“, stellte sie eindeutig fest.

 

„Hermine“, begann er ernst, aber sie hob die Hand.

 

„Danke für die Info“, sagte sie gepresst. „Dann hoffe ich, dass… dass…“ Sie wusste nicht wirklich, was sie hoffte. Sie machte den Fehler und sah ihn an. Er wirkte abgekämpft, unglücklich, absolut erschlagen. So wie sie sich den ganzen Tag lang fühlte.

 

„Tut mir leid“, ergänzte er in die aufkommende Stille. Ihre Stirn legte sich in Falten. „Dass ich hergekommen bin.“ Ja, sie nahm an, das gleich folgende Gespräch würde mehr als unangenehm werden. „Ich wollte dich sehen“, räumte er knapp ein, und ihr Mund öffnete sich überfordert.

 

„Du wolltest mich sehen?“, wiederholte sie leise, und hasste sich dafür, dass sie die Worte wiederholte, dass sie ihn praktisch nötigte, es noch einmal zu beteuern. In seiner Nähe hasste sie sich, und das wollte sie nicht mehr. Sie wollte sich nicht mehr hassen, aber… sie wusste nicht, wie sie das ändern konnte.

 

„Ich wollte dich sehen, bestätigte er tonlos, und sie ging stark davon aus, dass er seinen Eltern sehr wahrscheinlich das Gegenteil erzählt hatte. Merlin, seine Eltern wussten davon! Wussten von ihr! Ihr Herz schlug wieder schneller. Sein Blick fiel auf ihre Lippen, und sie konnte nicht – sie konnte nicht anders! Sie schloss den Abstand, griff in seine Uniform, und er senkte seine Lippen unbeherrscht auf ihren Mund. Sofort atmete sie ihn ein, und seine Hand schlang sich um ihren Nacken. Ihre Zunge drang in seinen Mund, und sie nahm an, das hier – jetzt gerade – war der Moment, wo sie nicht mehr leugnen konnte, dass sie etwas anderes als Abscheu und Ekel empfand. Sie nahm in Kauf von Harry und Ginny in ihrem Flur erwischt zu werden, wie sie nicht anders konnte, als in Malfoys Armen zu schmelzen, und am liebsten hätte sie ihm hier direkt die Uniform ausgezogen.

 

Bevor sie stöhnen würde, löste sie sich von ihm, beendete den Kuss und wollte gleichzeitig mehr.

 

„Wann bist du zuhause?“, raunte er, gab nicht mal mehr vor, schuldbewusst zu sein, sich schlecht zu fühlen, und ihr Herz jagte.

 

„Halb zehn“, entschied sie atemlos, hasste sich immerhin noch etwas mehr, und sein Blick fiel kurz auf die Uhr an der Wand hinter ihr.


„Ich sehe dich gleich“, verabschiedete er sich mit einem letzten dunklen Blick aus seinen grauen Augen, und sie glaubte, ihr Herz würde ihr gleich aus der Kehle springen. Und gegen jede Moral und besseres Wissen nickte sie. Er wandte sich ab, zog die Tür auf und war verschwunden.

 

Sie stand im Flur. Sie und ihr verräterisches Herz. Nach einer Weile, in der sie ihren Gedanken nachgehangen hatte, erschien Ginny im Türrahmen.

 

„Hermine?“, fragte sie ins Halbdunkel, und Hermine hob den Blick. „Ist… er weg?“, wollte Ginny wissen.


„Ja“, sagte Hermine leer.

 

„Hermine?“, sagte Ginny wieder, und Hermine hob den Kopf zur Gänze, um Ginny anzusehen. „Warum war Draco Malfoy in unserem Haus? Um halb neun abends, wenn eigentlich Sam hätte kommen sollen?“ Sie musste zugeben, Ginny stellte die richtigen Fragen, aber Hermine war nicht in der Lage, die richtigen Antworten zu geben.

 

„Ich… ich habe den Schein geschmissen, und ich habe ihn nicht informiert. Und jetzt…“ Sie unterbrach ihre Lüge, nicht sicher, wie fortfahren sollte, aber Ginny war schockiert genug.


„Du hast den Schein geschmissen? Warum?“

 

„Weil ich Malfoy hasse.“ Und mich, ergänzte sie in Gedanken. Ginny wirkte merklich betroffen.

 

„Und… er wollte dich vom Gegenteil überzeugen?“, vermutete Ginny ungläubig. „Hier? Heute Abend?“

 

„Wir… hatten Streit heute, und ich…“ Wieder fehlte ihr das Ende zum Satz, und das Lügen war so anstrengend, wie nichts sonst.

 

„Hermine…“, sagte Ginny mitfühlend. „Ist es wegen… dieser Sache? Wegen dem Kuss?“, wollte sie vorsichtig wissen, und Hermine beschloss, dass Halbwahrheiten keine schlechte Lösung waren. Nicht schlechter, als alle anderen Lügen zumindest.

 

„Ich fühle mich furchtbar. Ich… weiß nicht, was ich tun soll“, flüsterte sie, und Ginny nahm sie in den Arm, obwohl Hermine eine gehörige Ohrfeige verdiente.

 

„Schon gut“, beteuerte Ginny, deren mütterliche Instinkte wohl seit einer Weile überhandgenommen hatten. „Möchtest du hier schlafen?“, fragte Ginny dann, und Hermine seufzte leise.


„Nein. Ich… werde gleich nach Hause apparieren“, erwiderte sie, und wieder macht ihr Herz einen Satz. Sie sollte hier schlafen. Sie sollte ein besserer Mensch sein, war sie aber nicht. Sie nahm an, das Ende würde schnell genug kommen. Und es würde nicht angenehm oder bequem sein. So viel Weitsicht besaß sie. Nicht, dass es ihr sonderlich viel half.

 

Für den Moment genoss sie die warme Umarmung. Sie genoss es wirklich.

 

 

32. caught

 

Er hatte gehadert. Wahrscheinlich zu kurz, als dass es sein Karma positiv beeinflussen könnte, aber gehadert hatte er immerhin. Jetzt wartete er im Dunkel vor ihrer Wohnungstür, wie ein gewöhnlicher Stalker. Die Tür unten war offen gewesen. Seine Haare waren noch feucht von seiner kurzen Dusche, und er kämmte sie nervös über seinen Kopf nach hinten. Ihm fiel erst jetzt auf, wie verdammt lang sie geworden waren. Das Petroleum entfachte plötzlich über ihm, und er kam auf die Beine. Die Tür unten fiel ins Schloss, und bevor er darüber nachdenken konnte, sich vielleicht zu verbergen, für den Fall dass es nicht Granger war, bog sie bereits die Treppe hoch. Ein wenig außer Atem.

 

Ihre Blicke trafen sich. Er hatte sie vermisst. Das allein garantierte ihm einen Platz in der ersten Reihe zu seiner Hinrichtung, nahm er bitter an, und er setzte sich in Bewegung, in derselben Sekunde, als sie es tat. Der Abstand verringerte sich, schloss sich, und er zog sie an sich, genoss, dass sie nicht sprachen, dem ganzen nicht noch unnötig Worte verliehen, und mit jeder Sekunde der Lust, der Ungeduld, hasste er sich etwas mehr. Hatte sich praktisch schon an dieses Gefühl gewöhnt, und sie begegnete ihm so gierig, so unvergleichbar verzweifelt, dass er den Hass beinahe vergaß. Blind bewegten sie sich zur Tür, sie fand das Schloss, drehte den Schlüssel, und ehe er zurückweichen konnte, erkannte er, dass das Licht aus war. Penelope war nicht hier.

 

Das machte Dinge einfacher, nahm er an. Granger schien das ebenfalls zu denken, warf den Schlüssel achtlos auf die Kommode und zog ihn mit sich. Er war noch nie in ihrem Zimmer gewesen, ging ihm auf, und im Dunkeln stießen sie gegen sämtliches Mobiliar. Er fluchte unterdrückt, bis sie endlich ihre Zimmertür erreicht hatten. Und endlich konnte er sie ausziehen!

 

Er ließ sich keine Zeit – konnte es nicht mal, und sie griff bereits in seine Jacke, zog ihn ebenso ungeduldig aus, und keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort. Endlich befreite er ihren Oberkörper von der Bluse, und seine Hände fuhren in heißen Spuren ihren Oberkörper empor. Dass Sam in diesen Genuss kam, raubte ihm den Verstand. Er senkte den Kopf, biss sanft in ihren Nacken, und sie stöhnte auf. Sie zog ihn zum Bett und er wurde die restlichen Klamotten los, bevor er mit ihr auf die Matratze fiel. Seine Finger hakten sich in den Bund ihres Slips, zogen ihn ihre Beine hinab, und er genoss, dass sie niemand erwischen würde, dass sie niemand sah, dass niemand annahm, dass er hier war. Mit ihr. Er spreizte ihre Beine weit, denn sie war unbeschreiblich feucht, so absolut bereit. Er verzichtete auf die Verhütung, hatte keine Lust, würde es nachholen, und sie kam ihm entgegen, zog seinen Körper an ihren, und er versank mühelos in ihrer Enge, teilte ihre Hitze und starb innerlich, weil es sich so verflucht perfekt anfühlte.

 

Keine Zeichnung von ihr ersetzte das echte Gefühl.

 

Hart drang er wieder und wieder nach vorne, holte sich, was er nur bei ihr empfand, und sie klammerte sich an ihn, genoss die Härte, erwiderte den Rhythmus stöhnend, voller Leidenschaft, und es war ein perfektes Mal. Kurz überlegte er, wie oft er mit ihr geschlafen hatte, und alarmierenderweise wusste er es nicht mal mehr zu sagen. Diese Feststellung allein, ließ ihn härter werden und er bockte wieder und wieder nach vorne, küsste ihre geschwollenen Lippen, die seinen Namen flüsterten, und er kam. Lang und in harten Zügen, spürte, wie sich ihr Muskel verkrampfte, und erstickte Laute verließen ihre Kehle. Heiß keuchte sie in seinen Mund, und sein Orgasmus ebbte langsam ab.

 

Träge lag er auf ihr, wollte nicht fort, wollte genau hier bleiben, und abwesend fuhren ihre Finger wieder und wieder durch seine feuchten Strähnen.

 

„Deine Haare sind nass“, murmelte sie schließlich rau, und er nickte stumm, während sein Kopf in ihrer Halsbeuge ruhte. Seufzend rollte er schließlich von ihr, fiel mit dem Gewicht von tausend Tonnen neben sie und starrte in die Dunkelheit. „Du hättest nicht zu Harry und Ginny kommen dürfen“, fuhr sie irgendwann fort, und wieder nickte er, ohne dass sie es sehen konnte. „Malfoy?“, sagte sie, und er atmete aus.

 

„Ich weiß“, erwiderte er dumpf. Er hätte nicht kommen dürfen, sie hätte ihm nicht gestatten dürfen, herzukommen – es war alles falsch.

 

„Hermine“, begann er gequält, aber er spürte, wie sie den Kopf schüttelte.

 

„Bitte nicht. Keine Erklärungen, keine Entschuldigungen, keine Beteuerungen, dass es nicht mehr passiert.“

 

„Hatte ich nicht vor“, gestand er offen ein.

 

„Nicht?“, vergewisserte sie sich ungläubig. „Was dann?“, wollte sie still von ihm wissen.

 

„Keine Ahnung“, sagte er dann leer.

 

„Malfoy?“, sagte sie dann, und er wandte den Kopf.

 

„Hm?“

 

„Ich will die Beziehung zu Sam nicht beenden“, entkam es ihr unglücklich.

 

„Das ist gut. Das will ich auch nicht“, bestätigte er.

 

„Wenn du mich nicht willst, warum willst du dann überhaupt-?“, begann sie verwirrt, aber nicht unfreundlich, und er musste lachen.

 

„-dich nicht wollen?“, griff er ihre Worte bitter auf. „Ich wollte noch nie etwas so dringend, wie dich“, korrigierte er sie gedankenverloren. „Fast nie“, ergänzte er dann.

 

„Oh“, sagte sie. „Ich… verstehe nicht“, entkam es ihr, und er stützte sich auf die Ellenbogen. Sie setzte sich ebenfalls auf, die Decke hochgezogen, und nur ebenso konnte er ihr Gesicht in der Dunkelheit ausmachen.

 

„Was verstehst du nicht?“ Sie schwieg knapp. „Ich glaube, du verstehst es genauso gut wie ich“, sagte er schließlich. „Es ist nicht zu ändern, aber es hätte keine Zukunft.“

 

„Nein“, sagte sie tatsächlich. „Hätte es nicht. Denkst du, es fühlt sich immer falsch an, weil zuerst du in einer Beziehung warst und dann ich?“, fragte sie ihn jetzt, und er runzelte die Stirn.

 

„Nein“, sagte er langsam. „Ich denke, es fühlt sich falsch an, weil es falsch ist“, schloss er. „Beziehungsunabhängig.“

 

„Ich kann… mich davon nicht überzeugen“, sagte sie sehr unglücklich. „Zumindest… meinen Körper nicht.“

 

„Ich weiß“, bestätigte er, einigermaßen frustriert.

 

„Und jetzt?“, wollte sie unzufrieden von ihm wissen, und er lächelte freudlos.

 

„Denkst du, ich habe eine Einheitslösung?“, erkundigte er sich, und erkannte im Ansatz, wie sie die Achseln zuckte.

 

„Warum nicht?“, fragte sie ihn direkt, und er atmete aus.

 

„Ich denke, wir haben alle großen Gefahren so gut wie eliminiert. Wir trainieren nicht mehr zusammen, wir… müssen uns tagsüber nicht sehen-“

 

„-und trotzdem sind wir jetzt hier“, erinnerte sie ihn gereizt.

 

„Ich weiß“, entkam es ihm entnervt. „Es ist eine Ausnahme“, räumte er ein.


„Es sind immer irgendwelche Ausnahmen“, beschwerte sie sich.

 

„Granger, was möchtest du von mir?“, fragte er sie offen.

 

„Ich weiß es nicht, Malfoy.“ Ansatzweise klang sie gereizt.

 

„Ich will mich nicht mit dir streiten. Vielleicht könnten wir einfach so oft Sex haben, dass es… nicht mehr gut ist?“, schlug er vor. Ihre Stimme klang sanfter, als sie sprach.

 

„Denkst du, das hilft?“, fragte sie ihn ruhig.

 

„Nein, aber-“

 

„-aber es würde uns noch schlimmer machen, als wir ohnehin schon sind“, unterbrach sie ihn.

 

„Irgendwas wird passieren“, sagte er dann. Sie sah ihn wieder an, auch wenn er ihre Augen nicht erkennen konnte.

 

„Was?“

 

„Irgendetwas passiert, was das hier beenden wird. Garantiert. Nichts bleibt ewig. Keine Beziehung hält“, versicherte er ihr.

 

„Das ist eine Beziehung?“, entkam es ihr schockiert.


„Es ist irgendwas!“, behauptete er defensiv.

 

„Keine Beziehung!“, warnte sie ihn.


„Meinetwegen.“

 

„Sag es“, verlangte sie jetzt.

 

„Was?“ Entnervt sah er sie an.

 

„Sag, dass es keine Beziehung ist.“ Er verdrehte die Augen über sie.

 

„Fein, Granger. Wenn es dir dann besser geht: Es ist keine Beziehung.“

 

„Danke“, entkam es ihr knapp.

 

„Gern geschehen“, erwiderte er.

 

„Halt die Klappe, Draco.“

 

„Sehr gerne“, bestätigte er, lehnte sich zu ihr und küsste ihre Lippen, die er in der Dunkelheit auch blind fand. Kurz erwiderte sie den Kuss, ehe sie sich zögerlich löste.

 

„Fast nie?“, schien sie seine Worte aufzugreifen, aber seine Stirn runzelte sich.

 

„Was?“

 

„Du wolltest fast nie etwas so dringend?“, wiederholte sie. „Was noch?“ Er atmete aus.

 

„Unwichtig“, sagte er bloß.

 

„Sag es mir“, bat sie. Er atmete noch mal besonders lange aus.

 

„Ich dachte, ich soll die Klappe halten?“, wiederholte er ihre Worte prüfend.


„Sollst du auch. Nur noch diese eine Sache“, verlangte sie. Wieder verdrehte er die Augen.

 

„Noch dringender, als zwischen deinen Beinen zu liegen“, begann er vielsagend und erntete ihren sanften Schlag gegen seine Brust, „wollte ich weg von meinem Vater, weg aus meiner Vergangenheit, weg von meinem Namen, weg von… mir selbst und-“ Sie unterbrach ihn, indem sie ihn küsste. Sinnlich und sanft, und seine Lippen öffneten sich unter ihren. Sie schob die Decke zur Seite, setzte sich über ihn, und sofort setzte er sich aufrechter hin, unterbrach den Kuss nicht, und als sie ihr Becken anhob, um ihn aufzunehmen, war er bereits wieder steinhart. Sein Arm schlang sich um ihre Taille.

 

Er schaffte nicht, sich schlecht zu fühlen. Nicht heute Nacht.

 

~*~

 

Es war noch dunkel, als sie aufwachte. Sie hörte, wie Penelope ins Bad ging. Sie war also wieder zuhause. Am besten weckte sie Draco. Am besten verschwand er, solange es noch dunkel war. Er strahlte eine immense Wärme ab, und ihr war nicht aufgefallen, dass sie eingeschlafen waren – nach dem vierten Mal….

 

„Draco“, sagte sie leise, als Penelope wieder in ihrem Zimmer verschwunden war. „Wach auf“, flüsterte sie, und er regte sich neben ihr.

 

„Hm?“, entkam es ihm rau. „Wa-was ist los?“, stotterte er verschlafen.

 

„Penny ist hier. Und es dürfte mittlerweile früher Morgen sein“, ergänzte sie. Kurz rührte er sich nicht, bevor er sich stöhnend aufsetzte.

 

„Du wirfst mich raus?“, gähnte er, und sie kuschelte sich zurück in die Kissen.

 

„Ich denke, du kannst nicht wirklich bleiben“, erwiderte sie entschuldigend. Er lehnte sich zur Seite, schien den Wecker auf ihrem Nachttisch zu fixieren, und dann verließ Penelope ihr Zimmer wieder.

 

„Fuck“, entkam es ihm tonlos. „Es ist nach sechs“, ergänzte er.

 

„Oh nein“, stöhnte sie leise. Dann konnte sie sich nicht noch einmal umdrehen und weiter schlafen. „Dann musst du hier warten, bis wir weg sind“, stellte sie bitter fest.

 

„Das trifft sich gut“, merkte er gähnend an und legte sich wieder hin.

 

„Was tust du?“, wollte sie verständnislos wissen.


„Was denkst du? Ich kann ja wohl schlecht im Wohnzimmer warten, bis ihr geht.“

 

„Malfoy“, murrte sie unzufrieden.

 

„Oder wir warten, bis Penny geht?“, schlug er vor.

 

„Sie weiß, dass ich hier bin“, sagte Hermine missmutig.

 

„Tja. Dann hast du Pech“, entschied er zu sagen, und sie schlug ihm sanft gegen die Seite.

 

„Du bist so ein Arsch“, stellte sie fest, und er richtete sich wieder auf.

 

„Ach ja?“, wollte er herausfordernd wissen, und schon lag er über ihr. „Wir können die Zeit auch anders verbringen, Granger“, sagte er dann, und sie biss sich auf die Lippe.

 

„Nein, wir können nicht-“ Aber schon senkte er den Kopf, küsste ihre Lippen, geschmeidig und sanft. Sofort legte sie die Arme um seinen Nacken, genoss das Gefühl, und hier, im Dunkel ihres Zimmers, stand die Zeit noch immer still. Unter der Decke bewegte er sich zwischen ihre Beine, seine Hand griff zwischen ihre Körper, fand ihre Scham, und ihr Kopf fiel zurück ins Kissen, als er zwei Finger in sie gleiten ließ. Sie war feucht. Schon wieder, noch immer. Es war egal. Sofort ersetzte er seine Finger durch seinen pulsierend harten Penis, und sie musste sich hart auf die Lippe beißen, um nicht zu stöhnen.

 

Sie gab sich Mühe, kein Geräusch zu machen.

 

Und vielleicht gab sie sich zu viel Mühe.

 

Ihre Tür öffnete sich mit einem Ruck – ohne Warnung, ohne dass Penelope sich die Mühe machte, zu klopfen.

 

„Hey, sag mal, stehst du überhaupt noch – ach du Scheiße!“, entkam es ihrer Mitbewohnerin, und Hermine versuchte, sich in die Kissen zu ducken, aber sie war wohl eher weniger das Problem. Draco hatte den Kopf zurück gewandt, und das grelle Licht des Wohnzimmers schien ihn zu blenden. Penelope schien wie erschlagen in der Tür zu verharren, bevor sie sich wohl endlich von diesem Anblick losreißen konnte und die Tür hastig verschloss.

 

„Ok“, entkam es Draco langsam. „Ich nehme an, das war es dann“, fuhr er knapp fort, aber anstatt sich zu entfernen, anstatt, dass sein Penis schlaff wurde, blieb er hart, blieb in ihr, und er bewegte sich wieder. Sie wollte sich davon wirklich nicht überzeugen lassen, aber es fühlte sich zu gut an. Viel zu gut. Langsam begegnete auch sie ihm wieder, ließ zu, dass er sie härter nahm, küsste ihn, als er den Kopf senkte, und sie kamen schnell und hart, ohne ein Geräusch.

 

Kurz musste sie sich erholen, und dann verließ er sie, zog sich zurück, und Hermine quälte sich aus dem Bett. Blind tastete sie nach ihrem kurzen Morgenrock, der an der Tür hing, um sich ihrer dämlichen Mitbewohnerin zu stellen. Vom Orgasmus benebelt, völlig übermüdet – es waren gute Voraussetzungen, nahm sie an.

 

Penelope stand wartend an der Theke, einen Kaffee in der Hand. Hermine ging ebenfalls in die Küche, goss sich einen Kaffee ein, und Penelope durchbohrte sie praktisch mit ihrem Blick.

 

„Das ist Malfoy in deinem Zimmer“, sagte sie mit gewisser Anspannung.

 

„Ich weiß“, begann Hermine dann.

 

„Wieso…- wieso ist Malfoy in deinem Zimmer?“, flüsterte Penelope fast. „Ich meine, ich… habe gesehen, wieso – aber, was in Merlins Namen tust du?!“ Ihre Freundin starrte sie an. Unglücklich fiel Hermines Blick.

 

„Ich… weiß es nicht“, sagte sie kopfschüttelnd.


„Was ist mit Sam?“, entkam es Penelope zweifelnd.


„Ich weiß es nicht“, wiederholte Hermine stiller.

 

„Ich… ich dachte, du magst Sam!“

 

„Ich mag ihn auch! Sehr. Das mit Malfoy ist nichts, worauf ich stolz bin, oder was ich wirklich will“, sagte sie hastig. „Es war ein dummer Fehler.“ Sie ließ aus, dass sie diesen Fehler bereits mehrfach begangen hatte. Penelope wirkte gänzlich fassungslos.

 

„Es ist zu früh für sowas“, beschwerte Penelope sich unglücklich. „Was machen wir jetzt?“, schien sie wissen zu wollen.

 

„Wir sagen gar nichts zu keinem“, bat Hermine sie still, und Penelope schien das zu hassen.

 

„Ich bin nicht gut in sowas – und… ist das fair?“, wollte sie stirnrunzelnd wissen. Hermines Tür öffnete sich und Malfoy verschloss gerade seine Hose.


„Was ist schon fair?“, mischte er sich ein. „Morgen, Penny“, begrüßte er sie und streckte sich. „Sei so gut und behalt es für dich, ja?“, sagte auch er, kam dann zu ihr, nahm ihr den frischen Kaffee aus der Hand und leerte ihn in wenigen Zügen, nur um ihr die leere Tasse zurückzugeben. Penelope starrte ihn an. „Ich bin weg“, verabschiedete er sich mit einem knappen Blick von ihr.

 

„Ok“, sagte sie bloß, denn sie wollte es in keine Längen ziehen. Jedes Mal war das letzte Mal. Das sagte sie sich. Das hoffte sie immer.

 

Er öffnete die Tür, und fast sank ihr Herz in ihre Hose. Beinahe ließ sie die Kaffeetasse fallen.

 

„Hey, was… tust du hier?“ Sam stand vor der Tür, zwei Becher Kaffee gestapelt in der einen Hand und einer Tüte Brötchen in der anderen. Sams Stirn runzelte sich bei Malfoys Anblick.

 

„Ich…“, begann Malfoy etwas ratlos, und Hermines Herz tat schwere Schläge. „Ich… war bei Penny“, kam er zu dem wohl naheliegendsten Schluss. Sie spürte, wie Penelope sich neben ihr merklich anspannte.

 

„Was?“ Sam starrte ihn lediglich an. „Ist das dein Ernst?“

 

Kurz entstand eine kleine Stille, bevor Penelope sich wohl einen Ruck gab. Und fast wünschte Hermine, dass sie es nicht tat. Dass diese scheiß Situation ihr bitterböses Ende endlich fand! Sie musste wohl oder übel Penelope ihre lächerliche Treue ihr gegenüber zugutehalten.

 

„Ja. Er war bei mir“, gestand Penelope zögerlich ein.

 

„Ich… ich dachte, das wäre vorbei?“, entkam es Sam ungläubig.

 

„Tja, typisch ich“, sagte Penelope gezwungen fröhlich. „Kann mich einfach nicht entscheiden“, schloss sie achselzuckend. Draco wandte sich kurz um, gab Penelope einen schmalen Kuss auf die Wange, nur um sich wieder umzudrehen.

 

„Danke für gestern“, sagte er zwinkernd. „Wir sehen uns“, verabschiedete er sich. Er nickte Sam zu, ignorierte sie gänzlich, und Hermine wusste nicht, was sie tun sollte. Sam schenkte ihr ein ungläubiges Lächeln.

 

„Dieser Typ“, sagte er beeindruckt, als er die Tür geschlossen hatte. „Ich habe Frühstück dabei? Hungrig?“, erkundigte er sich bei ihnen, und bevor er sie küssen würde, bevor er den Abstand schloss, wich sie zurück, als wäre er giftig.

 

„Sehr“, sagte sie nickend, „aber ich will ganz dringend ins Bad“, schloss sie entschuldigend. „Zähne putzen und so…“ ergänzte sie. Sie wollte auf keinen Fall, dass er Malfoy an ihr riechen konnte. Dass er sie berührte, so kurz nachdem sie unter Malfoy gekommen war. Sie widerte sich selber an.

 

„Klar. Ich warte hier“, erklärte er, und sie und Penelope tauschten einen kurzen Blick, der Hermine mehr als überdeutlich sagte, dass sogar Penelope sie verabscheute.

 

 

33. show down

 

„Wann reden wir darüber?“, erkundigte sich Penelope gepresst bei ihr, während sie gegenseitig ihre Flüche blockten, mittlerweile stumm. Hermine wich Penelopes Klammerfluch gekonnt aus und er schlug in die Wand hinter ihr.

 

„Gar nicht“, entgegnete Hermine kurz angebunden.

 

„Ich habe mich heute für dich geopfert – für euch!“, schien sie sie zu erinnern, und Hermine schoss den Stupor stumm, Penelope blockte ihn fast aggressiv. Sie umkreisten sich abwesend, so synchron lief es bereits.

 

„Das hättest du nicht tun müssen“, sagte Hermine stiller.


„Ach nein?“ Penelope blieb stehen, der Zauberstab sank in ihrer Hand. „Was hätte ich dann tun sollen? Dich ins Messer laufen lassen? Zusehen, was passiert? Sam hätte Malfoy verprügelt, die beiden hätten sich duelliert – und dann was? So macht man es nicht, Hermine“, sagte Penelope barsch. „Man betrügt auch niemanden so verdammt offensichtlich – mit ausgerechnet jemandem, den man überhaupt nicht mag!“

 

Hermine schwang den Zauberstab und entwaffnete Penelope unerwartet. Der Zauberstab flog ihr aus den Fingern, und überrascht sah Penelope ihm nach, während er in Hermines Hand landete.

 

„Wechsel!“, rief Caine, und Hermine warf Penelope den Zauberstab demonstrativ abweisend zu. Penelope biss die Zähne zusammen.


„Wir sind noch nicht fertig!“, warnte Penelope sie kopfschüttelnd, und dann trat Hermine Dean gegenüber, der wesentlich besser gelaunt war.

 

„Hey, Fremde!“, begrüßte er sie grinsend, und Hermine lächelte schmal zurück, bevor sie wieder in sture Trainingsroutine fiel.

 

Träge verging das Training, sie besiegte jeden Partner, erntete Lob von Caine, aber sie nahm es kaum wahr. Sie dachte an Malfoy, an Sam, daran, dass sie ein widerlicher Mensch war – und nebenbei, beinahe in der letzten Ecke ihres Bewusstseins, fuhr sie zusammen vor Schreck.

 

Sie hatten nicht verhütet!

 

Die Stunde war vorüber, und nahezu sofort griff sie sich ihre Tasche und stürmte aus der Halle. Penelope mochte wahrscheinlich denken, sie lief vor ihr davon, aber Hermine musste dringend auf die Toilette! Dringend!

 

Sie lief durch den Flur, im Auge, dass sie nur fünf Minuten Zeit hatte bis zur nächsten Einheit, stieß die nächstbeste Tür auf und zögerte kurz. Lara stand vor dem Spiegel, korrigierte Falten ihrer Uniform, und der Blick ihres Spiegelbildes traf sie knapp. „Morgen, Hermine“, sagte Lara dann.

 

„Hey, Morgen“, erwiderte Hermine etwas außer Atem und steuerte die nächste Kabine an.

 

„Wie läuft’s mit Sam?“, wollte Lara betont unverfänglich wissen, und Hermine zögerte vor der Kabine, wandte sich halb um, und sie versuchte, zu lächeln.

 

„Ganz gut, warum?“

 

„Ja? Schön“, sagte Lara, aber Hermine sah genau, sie meinte es nicht so – ganz und gar nicht. Hermine bekam ein schlechtes Gefühl in ihrer Magengegend. „Sonst irgendwas spannendes passiert?“, erkundigte sich das hübsche Mädchen beinahe neutral bei ihr. Beinahe. Unterschwellig wirkte sie… kälter.

 

„Nicht… wirklich“, entgegnete sie dann, und Lara kam gelassen näher.

 

„Ganz sicher?“, fragte Lara sie mit einem prüfenden Blick. Und Hermine wollte einfach nur auf die Toilette. Einfach nur das.

 

„Was ist los?“, fragte Hermine dann, und Lara hob ratlos die Arme.

 

„Sag du es mir. Das wäre… zumindest aufrichtig und fair, nicht wahr?“

 

Oh verdammte Scheiße. Sie war heute definitiv nicht für so etwas geschaffen. Sie war generell nicht für Showdowns geschaffen. Und erst recht in irgendwelchen öffentlichen Badezimmern des Ministeriums. „Lara, ich weiß nicht, was du von mir willst“, sagte Hermine dann, und Lara wirkte nicht geneigt, ihr zu glauben.

 

„Ich denke schon. Ich denke, du weißt eigentlich immer, was Leute von dir wollen, oder nicht?“

 

„Lara-“

 

„-war es gut?“, wollte das Mädchen dann wissen. „Ich meine, garantiert war es das, warum solltest du es sonst mehr als einmal wollen?“ Sie lachte freudlos. Hermine registrierte, dass sie zu spät kommen würde.

 

„Ich muss wirklich-“

 

„-ich dachte, dein Heldenstatus unterscheidet dich von all den anderen dummen Schlampen hier“, erklärte sie knapp. „Aber das tut er nicht. Du bist hinterhältig, Hermine.“ Ok. Anscheinend wusste Lara Bescheid – wahrscheinlich durch Astoria, wahrscheinlich über ihre Eltern. Sie überschlug diese Informationen in ihrem Kopf. Sam würde es irgendwann erfahren. So oder so. „Ich dachte, wir würden uns gut verstehen? Wie konntest du so etwas tun?“

 

Sie würde gerne sagen, dass sie nicht allein beteiligt gewesen war, aber selbst in ihren Ohren klang es erschreckend lahm.

 

„Lara, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich wollte dir nie wehtun, oder-“

 

„-weißt du, ich glaube dir nicht“, unterbrach Lara sie. „Ich will auch keine dämliche Entschuldigung von dir! Du kannst ihn gerne haben! Aber… richtig. Du hast ja einen Freund. Noch zumindest. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er bereit ist, dich zu teilen.“ Hermines Magen schmerzte. „Mal sehen, wie lange es dauert, bis er es erfährt, hm?“, sagte Lara jetzt mit einem Lächeln, und Hermine wusste nicht, ob es eine Drohung sein sollte. „Aber… du warst ja beschäftigt. Ich will dich nicht aufhalten.“ Damit schenkte ihr Lara einen letzten herablassenden Blick, und Hermine fluchte unterdrückt, als Lara endlich gegangen war. Tatsächlich hatte sie geglaubt, dass Lara sie schlagen würde. Aber das war nicht passiert. Nein, es war nicht gerade besser, aber sie zog hastig den Zauberstab und stellte die Tasche ab.

 

Sie richtete ihn auf ihre Bauchdecke, sprach die Formel stumm, aber das Glühen blieb aus. Kurz blinzelte sie verblüfft. „Deletur!“, sagte sie die Formel laut, aber nichts geschah. „Scheiße“, entkam es ihm tonlos. Sie wusste, die nachträgliche Verhütungsformel konnte nur eine gewissen zeitlang angewendet werden, unterschied sich in ihrer Zusammensetzung minimal von der vorzeitigen Verhütung, aber der Bauchdeckenschimmer war bei beiden der Indikator, dass ihr Körper geschützt und jeder Fremdkörper vernichtet war. „Scheiße, scheiße!“, entkam es ihr wieder. Sie war zu spät. Die Formel würde nicht mehr wirken. Sie brauchte einen Trank. Sie verdrehte die Augen gen Himmel und verfluchte Malfoy und sich selbst.

 

Sie griff sich ihre Tasche und stieß die Tür auf – und Penelope wartete bereits. Sie zuckte vor Schreck zusammen, und Penelope runzelte die Stirn. „Wo bleibst du? Du verpasst-“ Penelope unterbrach sich. „Was ist los? Du siehst… furchtbar aus“, schloss sie fragend. Hermine atmete knapp aus.


„Ich habe keine Zeit“, sagte sie nur, schultere die Tasche neu und musste fragen, ob die Krankenschwester einen passenden Trank hier hatte. Sonst konnte sie direkt in die Stadt apparieren. Auch das Zeitfenster für Tränke war ein geringes, und nach zwölf Stunden musste sie direkt zum Heiler. Scheiße.

 

„Keine Zeit, um mit deiner besten Freundin zu reden?“, fuhr Penelope sie an, und Hermine ersparte sich, Penelope darauf hinzuweisen, dass sie eine beste Freundin hatte – und dass diese mit Harry Potter verheiratet war. Sie schenkte ihr einen gehetzten Blick.

 

„Später, ok?“ Hermines Blick fiel auf die riesige Uhr im Flur. Ja, sie war zehn Minuten zu spät zur nächsten Einheit – würde sie aber zur Gänze verpassen. „Geh zum Unterricht“, bat sie Penelope.

 

„Wo gehst du hin?“

 

„Penny!“, bat Hermine verzweifelt. „Bitte, ich muss was erledigen!“ Und sie stellte fest, sie hatte noch eine Stunde Zeit dafür. Nicht viel länger als das. Sie hatte ihren Zyklus nicht im Kopf, wusste nicht, ob sie ihre Periode vor zwei oder drei Wochen gehabt hatte und wollte garantiert keinen Unfall riskieren! Und garantiert keinen Unfall mit Draco Malfoy! Penelope wirkte ernsthaft verletzt, und Hermine wusste, Penelope hatte heute ihren Arsch gerettet – oder zumindest das Unheil verzögert – aber jetzt musste sie los! Sie musste! „Es tut mir leid. Ich verspreche dir, wir reden später!“ Sie wandte sich ab und hoffte, dass Penelope verstand. Irgendwie.

 

Hermine ging schnell zu den Aufzügen und fuhr eine Etage höher, dort wo die Büros waren, dort wo die Krankenschwester war. Zügig durchwanderte sie den Flur, erreichte die Tür, und die Hexe hob den Blick. Sie sortierte gerade einige Flakons, und ihr Blick erhellte sich. „Miss Granger, wie nett! Was kann ich für Sie tun? Ist es ein spezielles Anliegen?“ Ein freundliches Gesicht. Erleichterung überkam sie beinahe.

 

„Ich – ja. Hallo, Morgen Mrs Fowl“, sagte sie lächelnd. „Ich hätte ein Problem, aber ich weiß nicht, ob Sie… überhaupt-“

 

„-worum geht es?“, wollte Mrs Fowl von ihr wissen, und Hermine tat sich schwer.


„Haben… haben Sie zufällig auch Verhütungstränke?“ Mrs Fowl hob die Augenbrauen, und ihr Mund öffnete sich.

 

„Oh, Miss Granger, das tut mir tatsächlich leid. Ich verfüge nur über das Übliche“, erklärte sie lächelnd. „Wundheilung, Amputationspulver, Entgiftungsserum. Etwas Banales wie einen Verhütungstrank kann ich Ihnen leider nicht bieten“, entschuldige sich Mrs Fowl bei ihr. Hermine nickte. Sie hatte das angenommen.


„Kein Problem. Dann… versuche ich es in der Stadt.“

 

„Ich wünsche Ihnen viel Glück!“, sagte Mrs Fowl. „Beeilen Sie sich besser“, ergänzte sie, und Hermine nickte bloß.

 

„Danke!“, verabschiedete sie sich und hatte nichts anderes erwartet. Sie wandte sich ab.

 

„Hermine!“

 

Merlin, verdammt!

 

„Hey, Harry“, begrüßte sie ihn betont freundlich.

 

„Alles ok?“ Harry spähte in das Zimmer aus dem sie gekommen war und musterte sie dann. „Irgendwelche Verletzungen?“, fragte er, aber Hermine schüttelte den Kopf.


„Nein, nein. Nichts weiter. Ich… hatte eine Frage. Und ich muss auch wieder runter. Bin sowieso zu spät.“

 

„Oh klar, ich muss auch runter“, erklärte er nickend.

 

Fuck!

 

„Was für eine Frage hattest du an Mrs Fowl? Ob die Entgiftungen auch dem Standard entsprechen?“, wollte er belustigt wissen, und sie wiegelte ab.

 

„Geh ruhig vor, mir fällt ein, ich wollte kurz noch bei Kingsley vorbei.“

 

„Komme ich gerade her, er ist nicht im Büro“, erklärte Harry. Oh Merlin, Harry! Sie verteufelte ihr Pech.

 

„Dann muss ich hoch“, entschied sie entschuldigend zu sagen.


„Was willst du von Kingsley?“, fragte er.

 

„Ach nichts weiter. Es geht um… verschiedenes – um den Schein, den ich abgebrochen habe, um die Aufgaben, die ich hier übernehme – nichts Wichtiges.“

 

„Seit wann verpasst du für nichts wichtiges Unterrichtseinheiten?“, erkundigte er sich stirnrunzelnd, und Hermine atmete erschöpft aus.

 

„Harry, ich muss weiter“, sagte sie gestresst. Er verengte die Augen.

 

„Ok. Dann frohes Schaffen und sag Kingsley, falls du ihn findest, dass er mich später treffen soll“ erklärte er, und Hermine nickte ungeduldig, wartete bis Harry kopfschüttelnd zu den Aufzügen verschwunden war und nach unten fuhr, nicht ohne ihr noch einen neugierigen Blick zu schenken. Kaum waren die Türen zu, folgte sie ihm und schlug praktisch auf den Knopf.

 

Endlich kam der Aufzug wieder und sie fuhr nach oben. Es war ihr egal, dass sie noch die Uniform trug – jeder wusste sowieso, wer sie war. Das Atrium war überschaubar leer um diese Zeit und sie hastete zu den Kaminen. Sie nahm einen am Rand, und die Flammen loderten grün, bevor sie das Pulver hinein werfen konnte. Jemand kam an. Sie machte einen hastigen Schritt zurück, und fast hätte sie ihre Tasche fallen gelassen, die sie unsinnigerweise mit sich trug.

 

Mrs Malfoy trat vom Rost, klopfte sich den Reiseumhang sauber und schenkte ihr einen prüfenden Blick. „Miss Granger“, erkannte sie die Frau, und Hermines Mund schloss sich hastig.


„Mrs Malfoy“, erwiderte sie die Begrüßung etwas heiser. Mrs Malfoy begutachtete ihre Erscheinung.

 

„Sie wollen weg?“, vermutete die Hexe und trat zur Seite.

 

„Ja“, sagte Hermine bloß, und ihr fiel siedend heiß ein, dass Draco gestern bei seinen Eltern war. Röte schoss so augenblicklich in ihre Wangen, dass sie glaubte, in Flammen zu stehen. Ihr Blick fiel.

 

„Hätten… hätten Sie eine Minute Zeit, um zu reden?“, fragte sie die Hexe tatsächlich, und Hermine entwich die Luft gepresst.

 

„Zu… zu reden?“, entkam es Hermine tatsächlich eiskalt überrascht.

 

„Nun, ich denke… es wäre vielleicht angebracht“, erwiderte die hochgewachsene Frau. Hermine runzelte die Stirn.

 

„Sie… Sie sind aber nicht hier wegen mir, oder? Ich-“

 

„-nein, Miss Granger. Ich treffe Blaise Zabini zum Gespräch. Allerdings glaube ich, dass wir ein gemeines Anliegen haben, Sie und ich, dass wir vielleicht privat besprechen müssten. Die Vorhergehensweise. Die Schadensbegrenzung, wenn man so will“, erklärte die Frau konsterniert, und Hermine verstand. Sie verstand gut.

 

„Mrs Malfoy, ich muss in die Stadt und eigentlich habe ich Unterricht, aber…“ Narzissa schien ihre Erklärung abzuwarten.

 

„Ich würde sehr gerne mit Ihnen reden. Ohne zu streiten. Ohne zu schreien“, sagte Narzissa dann. Hermine sammelte sich knapp.

 

„Heute Nachmittag? Haben Sie Zeit?“ Hermine hatte tatsächlich das Bedürfnis einiges klarzustellen, sich abzusichern. Also, warum nicht?

 

„Möchten Sie sich hier im Ministerium treffen oder-“

 

„-außerhalb!“, sagte Hermine sofort.

 

„Sehr gerne“, entschied Narzissa tatsächlich zu sagen. „Kennen Sie das Blackburn Caféhaus?“, fragte sie, und ja. Hermine kannte das scheußliche Gebäude vom Sehen.

 

„Ja, Mrs Malfoy.“

 

„Dann um halb drei?“, schlug die Hexe knapp vor, und Hermine nickte langsam. Vielleicht war es doch eine dumme Idee. Sehr wahrscheinlich sogar. Aber viel hatte sie nicht zu verlieren.

 

„Bis später“, verabschiedete sich Hermine, nicht sicher, ob sie nicht gerade ein Treffen mit dem Teufel vereinbart hatte. Aber sie musste los! Sie warf das Pulver in die Flammen, als Mrs Malfoy außer Sicht war und betrat das Rost.

 

Sie erreichte die Apparierstation im Tropfenden Kessel, verließ über die leere Bar das Haus und hastete die Straße hinab zum nächsten Geschäft, das schlicht und ergreifend ‚Kräuter und allgemeiner Heilungsbedarf‘ hieß.

 

Sie betrat das Geschäft, ging nach vorne zum Tresen, und die Uhr an der Wand sagte ihr, dass sie noch zwanzig Minuten Zeit hatte. Zwanzig. Verdammt.

 

„Guten Morgen“, begrüßte sie den Verkäufer, der höflich lächelte und anerkennend ihre Uniform betrachtete.

 

„Schönen guten Morgen, was kann ich für die Aurorin tun?“, fragte er, und sie fand, es klang sehr nett, so betitelt zu werden, auch wenn sie noch in der Ausbildung war.

 

„Einen Verhütungstrank, bitte“, sagte sie, zwang sich, selbstbewusster zu klingen, als sie war, und er verzog entschuldigend die Mundwinkel.

 

„Tut mir leid, fertige Tränke haben wir heute noch nicht. Unserer Brauerin kommt erst um zehn“, erklärte er kopfschüttelnd. „Ich kann Ihnen allerdings die Kräuter geben, dann können Sie den Trank selber brauen?“, schlug er vor, und Hermine starrte ihn an.

 

„Ich… ich habe keine Zeit zum Brauen“, entkam es ihr verzweifelt. Verzweifelter, als er ihr lieb war. Der Verkäufer dachte nach.


„Due Straße runter ist ein Geschäft, ‚Kräuter & Mehr‘, vielleicht haben Sie da Glück?“, schlug er vor, und während sie sich hastig bedankte, machte sie Kehrt. Das Schicksal meinte es böse mit ihr, und sie konnte gut nachvollziehen, warum.

Sie hastete die Straße runter, überlegte, wie weit es war, und kämpfte sich durch die Menschenmassen. Anscheinend war Markt, und es kostete sie ewig lange, überhaupt weiter zu kommen.

 

Die Schlange bei ‚Kräuter & Mehr‘ reichte bis auf den altertümlichen Marktplatz, und sie fluchte stumm gen Himmel. Es half nichts. Sie hatte keine Zeit mehr. Sie zog den Zauberstab. „Entschuldigung, Hermine Granger, Amtseinsatz“, informierte sie die tratschenden Kunden vor sich, und erschrocken wichen die Kunden zur Seite. „Bitte lassen Sie mich durch, ich bin im Einsatz, Entschuldigung!“, machte sie sich herrisch Platz. „Bitte halten Sie zur Diskretion Abstand ein!“, rief sie, als sie sich ganz nach vorne gedrängelt hatte. Die Menschen machten ihr staunend Platz, und sie versuchte, nicht zu erröten.

 

Die Verkäuferin sah sie mit großen Augen an. Hermine lehnte sich vor. „Einen Verhütungstrank, schnell bitte, Sie behindern sonst einen Einsatz“, drohte sie still, und die Verkäuferin setzte sich in Bewegung. Hermine zählte praktisch die Sekunden, hoffte, dass das hier kein Reporter beobachtete, und die Hexe kehrte eilig zurück. Hermines Blick fiel auf den Flakon.

 

„Was ist das?“, fragte sie, denn es war nicht der übliche Trank, den sie kannte.

 

„Das ist der Infecta-Trank?“, sagte die Verkäuferin unsicher.

 

„Wirkzeit?“

 

„Zehn bis zwölf Stunden“, erwiderte die Verkäuferin hastig, als wäre es eine Prüfung, der Hermine sie unterzog. Hermine atmete gepresst aus.

 

„Zehn bis zwölf? Haben Sie keinen anderen?“

 

„Nein, Miss, tut mir leid – das… ist alles, was wir haben.“ Sie wartete mit großen Augen.


„Wie sicher ist der Trank nach zwölf Stunden noch?“, wollte Hermine gereizt wissen.

 

„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Zur… zur Sicherheit sollte dennoch ein Heiler aufgesucht werden.“ Hermines Schultern sanken. Super. Sie schob einige Knuts über den Tresen.

 

„Danke“, sagte sie unzufrieden, verließ das Geschäft mit energischen Schritten, denn sie war ja angeblich in einem Einsatz, der verlangte, dass sie einen Verhütungstrank besorgte. Schnell verließ sie die staunende Menge und bog in die nächste Gasse ab, die einigermaßen verlassen wirkte. Sofort öffnete sie den Flakon und trank das widerliche Gesöff. Sie hatte keine Ahnung, ob es helfen würde. Es waren genau zwölf Stunden, und sie nahm an, es führte kein Weg daran vorbei, einen Heiler aufzusuchen. Am besten gleich.

 

Sie musste ins Mungo.

 

~*~

 

„Hey.“ Sofort wandte sich Draco um, als er seine Stimme erkannte. Er schloss die Spindtür und Sam sah ihn an. Schwere Schläge tat sein Herz. „Hast du Hermine gesehen?“, wollte er wissen, und tuschelnd gingen zwei Mädchen an ihnen vorbei, beide nur einen Streifen auf der Schulter. Erstes Jahr, dachte er dumpf, während beide ihm verstohlene Blicke zuwarfen.

 

„Hm?“, machte er, nachdem sie verschwunden waren, und er in Sams erwartungsvolles Gesicht blickte.

 

„Ob du Hermine gesehen hast? Ich kann sie nicht finden. Penelope sagt, sie hätte irgendwohin gemusst?“, wiederholte er wohl, was er wusste, und Dracos Mund öffnete sich.

 

„Keine Ahnung“, antwortete er müde. Es war ungewöhnlich, dass sie Unterricht verpasste, aber dann wiederum konnte er sich aber auch vorstellen, dass sie sich den Tag freigenommen hatte.

 

„Ok.“ Sam klang besorgt.

 

„Es wird… es wird schon nichts sein“, entkam es Draco, während sein Blick der nächsten Mädchentraube folgte, die ihn und Sam ebenfalls tuschelnd musterten.

 

„Was ist los mit denen?“, wollte Sam schließlich wissen, und Dracos Mund schloss sich misstrauisch.

 

„Ich weiß es nicht“, erwiderte er langsam.

 

„Willst du Essen?“, fragte Sam, und Draco ruckte mit dem Kopf. Zwar nicht mit ihm, aber er würde essen gehen. Sonst würde er gleich umkippen.

 

„Von mir aus“, entschied Draco zu sagen.

 

„Bist du ok?“, wollte Sam wissen, und nein, war er nicht.


„Ich bin… etwas fertig“, sagte Draco, und das schlechte Gewissen nagte an ihm. Schlimmer als zuvor.

 

„Kann ich mir denken“, bestätigte Sam mit einem feinen Lächeln. „Ich dachte, das mit Penelope wäre vorbei gewesen?“, fragte er dann interessiert.

 

„Ist es jetzt“, erwiderte Draco, ohne ihn anzusehen.

 

„Du bist gestern einfach bei ihr vorbeigekommen? Was, wenn sie nein gesagt hätte?“, wollte Sam gespannt wissen.

 

„Weißt du, ich… lass uns nicht darüber reden. Ich bin nicht stolz darauf und will es vergessen.“

 

„Ok, verstehe“, sagte Sam achselzuckend. „Aber du wusstest ja, dass Hermine nicht da ist. Ziemlich mutig alles auf eine Karte zu setzen. Und ich dachte Penelope wäre mittlerweile an Sam Shepard interessiert?“, schien er willkürliche Informationen preiszugeben.

 

„Hm“, machte Draco desinteressiert. „Von mir aus“, sagte er nur.

 

„Dann würde Penelope trotzdem mit dir in die Kiste steigen? Obwohl sie wen neues hat?“

 

„Machen bestimmt einige Frauen“, entkam es ihm kurz angebunden.

 

„So wie Pansy Parkinson mit Ron Weasley?“, überlegte Sam, während sie Aufzug fuhren. „Obwohl Zabini ja gesagt hat, es wäre nichts Ernstes zwischen ihm und Pansy gewesen.“

 

„Hm“, machte Draco wieder. Sie gingen zur Kantine, und Merlin sei Dank war es voll und lenkte Sam von weiteren Themen ab. Aber es blieb nicht gut, nein, es wurde schlimmer, stellte Draco fest.

 

„Hey!“, rief Potter aus einiger Entfernung, und Sam hob die Hand zum Gruß. Draco verzichtete darauf, und sein Herzschlag beschleunigte sich unmittelbar. „Wo ist Hermine?“, wollte er wissen, als er näher kam. Sam zuckte die Achseln.

 

„Keine Ahnung, ich suche sie selber“, wiederholte er, und Draco fragte sich, ob er sich wohl ungesehen aus dem Staub machen könnte. Potters Anwesenheit brauchte er gerade nicht, nach seinem Auftritt gestern. Absolut nicht.


„Ich hatte sie heute Morgen gesehen. Sie war bei der Krankenschwester. Ist was vorgefallen?“ Dracos Aufmerksamkeit richtete sich abwesend wieder auf Potter. Sie war was?

 

„Bei der Krankenschwester? Nein, es war gar nichts. Ich… weiß es nicht“, erwiderte Sam stirnrunzelnd.

 

„Konntet ihr die Sache gestern noch klären?“, wandte sich Potter tatsächlich an ihn, und Dracos Kiefer spannte sich an. „Sie hat nicht mehr viel gesagt, bevor sie gegangen ist“, ergänzte Potter, und Draco antwortete sofort.

 

„Ja, alles geklärt“, bestätigte er bloß, nicht laut, absolut vage.

 

„Welche Sache?“, erkundigte sich Sam.

 

„Nichts weiter“, winkte Draco ab.

 

„Der Schein“, antwortete Potter für ihn.

 

„Oh, ach so“, entkam es Sam. „Ich hatte es Draco gestern schon gesagt. Hattest du noch mit ihr gesprochen?“, folgerte Sam verwirrt. Und Potter antwortete! Er antwortete tatsächlich, dieser elende Wichser!

 

„Ja, Malfoy war noch bei uns.“

 

Und Draco konnte Potter nur anstarren, einfach nur anstarren, und er wusste nicht, ob das jetzt glatte Absicht war, oder ob Potter einfach ein kreuzdämlicher Vollidiot war. Aber die sanfte Erkenntnis schien in Potters grüne Augen zu wandern, und Dracos Fäuste spannten sich an.

 

„Was?“ Fast lachte Sam. Fast. „Du warst… bei Harry?“, fragte er dann, und Draco sah ihn an.

 

„Nicht… nicht wirklich“, entkam es Draco, und sehr langsam, so langsam, dass er zusehen konnte, sanken Sams Mundwinkel.

 

„Nicht wirklich?“, wiederholte er völlig verständnislos. „Aber… schon?“ Sam wartete, aber er wartete nicht sonderlich lange. „Die Sache mit… Cage. Das…- du bist zu Harry, um Hermine abzupassen“, entkam es ihm ungläubig, und Dracos Mund öffnete sich.

 

„Nein. Nein, ich-“

 

„-du warst die Nacht dort, in der WG“, schloss Sam, ohne zuzuhören, und sein Blick war so offen, so grenzenlos verletzt, dass Dracos Mund sich hilflos öffnete. „Du sagst, du warst bei Penny, aber… aber das stimmt nicht, richtig?“, kam der Junge vor ihm still zu dem Schluss, und Draco wünschte, dass das Ministerium jetzt zusammenkrachen würde, dass ein neuer Krieg ausbrach – irgendwas. Dass irgendwas passierte – aber es passierte wieder mal gar nichts. Nichts, was ihn retten konnte. „Du warst bei ihr! Du warst bei Hermine!“

 

Sam sah ihn an, wartete, und mit jeder Sekunde, die verging, konnte Draco den Hass in Sams Augen aufsteigen sehen. „Am besten sagst du irgendwas, Malfoy“, warnte Sam in still.

 

„Sam“, begann Draco gepresst.

 

„Du bist so ein scheiß Arschloch!“, entkam es Sam fassungslos. „Du bist-“

 

„-es ist nicht-!“, begann Draco hastig, aber Sams Körper zitterte vor Zorn.

 

„-nicht was? Nicht wahr?“, wollte er lauter von ihm wissen, und die Gespräche verstummten langsam. „Willst du das sagen? Hattest du gestern Sex mit ihr?“, fragte er ihn direkt. Draco wusste, es gab darauf keine simple Antwort. Wahrscheinlich schon, aber- „Antworte mir!“, verlangte Sam, schrie mittlerweile, und alles war still.

 

Und Draco sah ein, dass es nichts half. Zum ersten Mal begriff er, dass er nicht gewinnen konnte. Keine Lüge würde ihn auf Dauer retten.

 

„Ja“, räumte er tonlos ein.

 

Und alles schlug um. Alles änderte sich innerhalb einer halben Sekunde.

 

Sam rastete aus. Seine Faust kam so schnell geflogen, dass Draco keine Zeit hatte, zu reagieren. Hart krachte sie in sein Gesicht, zerschmetterte seinen Kopf, so kam es ihm vor, und blind stürzte er nach hinten, flog über einen Tisch und Geschirr rauschte zu Boden. Er befand sich in mitten einer Szene, und benommen, versuchte er, sich aufzusetzen, rutschte aber auf verschiedenen Spieseresten aus. Sam erreichte ihn, rasend vor Zorn. Draco hörte irgendwo Potters laute Worte, vernahm erschrockene Stimmen, und Sam riss ihn an der Uniform nach oben. Dracos Augen fokussierten, und der nächste Schlag traf seine Nase. Blut strömte praktisch aus beiden Nasenlöchern, und Potter brüllte wieder.

 

Draco bekam eine Tischkante zu fassen, konnte sich abhalten, zu fallen, und konnte gerade noch den nächsten Angriff abwehren, schob blind die Hände gegen Sams Brust, bevor er spürte, wie ihn Arme zurückrissen. Er blinzelte durch die Tränen, und erkannte, dass Sam ebenfalls zurückgehalten wurde.


„Lasst mich!“, brüllte Sam außer sich vor Zorn, und Potter hatte Mühe, ihn zu halten. Draco hatte nicht vor, sich zu wehren, Sam anzugreifen, und trotzdem wurde er gehalten.

 

„Was in Merlins Namen geht hier vor?“, donnerte Shacklebolts Stimme keine zwei Meter von ihnen entfernt. „Aufhören, alle beide!“ Wieder war es absolut still, nur sein rasselnder Atem und Sams Keuchen füllten die Stille. „Black, was fällt Ihnen ein?“, fuhr Shacklebolt ihn an.

 

„Er… er hat – Malfoy hat…!“, begann Sam, außer Atem, aber er sagte es nicht.


„Was hat er getan, dass er es verdient, von Ihnen mungoreif geschlagen zu werden, verdammt noch mal?“, rief Shacklebolt. „Es reicht mir langsam! Sie verhalten sich allesamt wie Kinder! Hat Malfoy angefangen?“, wandte er sich direkt an Potter. „Malfoy, wenn du-“, warnte er ihn im selben Atemzug, aber Potter sprach.

 

„-hat er nicht“, sagte Potter tatsächlich. Shacklebolt fixierte Potter jetzt. „Sam hat zuerst zugeschlagen“, schloss er.


„Was?“, knurrte Sam. „Malfoy hat-!“

 

„-genug!“, sagte Shacklebolt. „Scheinbar gibt es für Sie allesamt genügend Gründe, Malfoy zu verprügeln, aber es reicht mir! Niemand wird sich noch einmal derartig daneben verhalten – oder ich suspendiere Sie alle vom Training!“, warnte Shacklebolt jetzt. „Malfoy, in mein Büro. Auf der Stelle.“

 

Er wollte nicht mal widersprechen, wollte nicht mal irgendwas sagen. Sams Blick war mörderisch, und hastig senkte er den Blick.

 

Das war es jetzt. Immerhin war Granger nicht hier und hatte es nicht mitbekommen – oder abbekommen. Das war wohl das einzig Positive.

 

„Kingsley, Sie lassen auf der Stelle meinen Sohn in Ruhe!“

 

Oh Salazar, nein. Alles, nur das nicht. Seine Mutter kam zu ihm, schob die jungen Männer achtlos beiseite.

 

„Mrs Malfoy-“, begann Shacklebolt sofort, aber seine Mutter fasste ihn streng ins Auge.

 

„-Draco, wie du aussiehst!“, entkam es ihr schockiert. „Wir müssen sofort-“

 

„-wir müssen gar nichts, Mutter“, knurrte er, schämte sich in Grund und Boden. Was bei Merlin tat seine Mutter hier?! Dann erkannte er Blaise aus den Augenwinkeln, und dieser wirkte ebenfalls nicht begeistert. Anscheinend hatte Blaise seltsame geheime Treffen mit seiner Mutter.

 

„Mrs Malfoy, Draco befindet sich in Ausbildung unter meiner Verantwortung, und ich werde ihn jetzt mitnehmen“, machte Shacklebolt deutlich, und Draco war noch nie so dankbar gewesen.

 

„Das werden Sie nicht!“, sagte seine Mutter eisig, aber Draco ging nur zu gerne.

 

„Das ist nicht deine Entscheidung. Geh einfach, Mutter“, sagte er gepresst, folgte Shacklebolt, so schnell es seine blutende Nase zuließ, und auch Shacklebolt schien extra schnell zu gehen. 

 

 

34. the talk

 

Sie wartete ungeduldig, hoffte jede Sekunde, dass niemand ins Wartezimmer kam, der sie persönlich kannte, und war froh und dankbar, als sie endlich aufgerufen wurde.

 

„Miss Granger.“ Die Heilerin persönlich wartete in der Tür. Hermine reagierte sofort, sprang praktisch aus dem Stuhl und folgte ihr ins Untersuchungszimmer. „Was verschafft mir Ihren Besuch?“ Sie wirkte gespannt.

 

„Na ja, nichts außer gewöhnliches“, räumte Hermine scheu ein. „Verhütungszauber vergessen“, schloss sie, fast schon genervt von dieser Tatsache. Die klügste Hexe vergaß die Verhütung. Es ärgerte sie maßlos,

 

„Na, dann wollen wir mal schauen“, sagte die Heilerin freundlich. „Unten rum ausziehen, bitte“, ergänzte sie, und Hermine hatte gehofft, dass es anders gehen würde.


„Können Sie nicht… einfach…?“, begann sie, und die Heilerin schenkte ihr ein Lächeln.

 

„Wie lange ist Ihr Verkehr her?“, fragte sie, und Hermine befiel wieder der stumme Ekel, ob ihrer Eskapaden mit Draco Malfoy.

 

„Ahem, das erste Mal gestern Abend gegen halb zehn, das letzte Mal… heute um sechs“, erwiderte sie der Ehrlichkeit halber und wurde wieder rot. Die Heilerin lächelte bloß.

 

„Dann wird es nicht anders gehen, Miss Granger.“

 

„Ok. Können… können Sie denn sehen, ob…?“

 

„Ist das gewünscht?“, fragte die Heilerin mit gerunzelter Stirn. „Sie sind hier für eine nachträgliche Verhütung.“

 

„Ja, ja, sicher. Mich hatte rein medizinisch interessiert, ob…-“ Sie schwieg. Es war egal, nahm sie an.

 

„Ja, ich kann erkennen, ob das Ei befruchtet ist, Miss Granger. Möchten Sie wissen, ob-?“

 

„-nein!“, unterbrach sie die Heilerin eilig. „Natürlich nicht. Sie haben völlig Recht. Wozu soll ich es wissen?“, erklärte Hermine mit einem entschuldigenden Lächeln, entkleidete sich hinter einer Stellwand, und versuchte, weiterhin selbstbewusst zu sein – auch ohne Uniform.

 

„Alles klar“, sagte die Heilerin fachmännisch, nachdem sich Hermine auf den Stuhl gesetzt hatte, ließ den hohen Stuhl magisch kippen, schien völlig kontaktlos einen Abstrich zu machen, denn Hermine merkte nichts von der Prozedur, und dann kippte der Stuhl wieder zurück. Die Heilerin hantierte mit dem Rücken zu ihr an einem blanken Tisch mit dem Zauberstab, nur um sich nach wenigen Sekunden wieder lächelnd umzudrehen. „Alles in Ordnung“, sagte sie dann.

 

„In… in Ordnung? Das heißt?“

 

„Keine Befruchtung. Ich verabreiche Ihnen aber noch einen zusätzlichen Trank, sofern sich da noch unerwartete Überraschungen ergeben sollten – aber… Ihre Sorge war unbegründet.“ Aus einer Schublade reichte sie ihr einen blanken Flakon mit klarer Flüssigkeit, und Hermine zog dankbar den Korken ab, trank die Flüssigkeit zügig und fühlte sich gleich um einiges entspannter. „Sie können sich wieder ankleiden“, schloss die Heilerin lächelnd.

 

„Ich danke Ihnen. Auch, dass Sie kurzfristig Zeit hatten.“

 

„Kein Problem. Für Sie wirklich nicht“, ergänzte sie wohlwollend.

 

„Danke“, wiederholte Hermine still, verschwand wieder hinter der Wand und sah, dass sie noch gerade genug Zeit hatte, zum Teehaus zu kommen. Nicht, dass sie wollte oder großartig Lust hatte, aber sie hatte zugesagt.

 

Den ganzen Tag hatte sie verloren, um sicherzugehen, dass der Fehler mit Malfoy nicht noch zur ausgewachsenen Katastrophe wurde. Und jetzt hatte sie gleich ein Date zum Tee mit seiner Mutter.

 

Völlig erschlagen verließ sie das Mungo via Floh und apparierte zurück in den Tropfenden Kessel. Von hier aus war der Weg nicht sonderlich weit, und sie hatte jetzt mehr Ruhe und mehr Zeit, ihr Herz schlug ihr nicht mehr bis zum Hals, und fast war sie erleichtert.

 

Aber dieser Zustand währte natürlich nicht sonderlich lange.

 

Sie erreichte das feine Caféhaus und erkannte Narzissa Malfoy bereits vor den Pforten. Und sie sah nicht gerade freundlich aus. Fast kam sie ihr entgegen, und Hermine konnte kaum zu Atem kommen, da begann Narzissa bereits mit salvenartigen Vorhaltungen.

 

„Was haben Sie mit meinem Sohn gemacht?“, fuhr sie die Frau ohne Zögern direkt an, und Hermines Mund öffnete sich überfordert. „Wegen Ihnen wird er grün und blau geprügelt, weigert sich, mit mir zu kommen und veranstaltet eine Szene im Ministerium! Er ist verletzt wegen Ihnen!“, empörte sich Narzissa voller Zorn und Sorge, und Hermine konnte sie nur anstarren.


„Draco ist verletzt?“, entkam es ihr ungläubig.

 

„Ja, Draco ist verletzt!“, spuckte Narzissa. „Wegen Ihrem Bekannten!“

 

„Meinem Bekannten?“, wiederholte Hermine schwer von Begriff, aber dann verstand sie. „Wegen Sam?“, flüsterte sie. Oh nein. Er musste es erfahren haben!

 

„Ja, Ihrem Bekannten! Und weil Sie weder über Anstand, noch irgendeine Form von Moral verfügen!“, donnerte Narzissa weiter, und Hermine konnte nicht viel mehr tun, als unfähig stehen zu bleiben. „Was denken Sie sich eigentlich? Dass solche Geschichten spurlos vorüber gehen? Und ich weiß!“, knurrte Narzissa, als Hermine unschlüssig den Mund geöffnet hatte. „Draco hatte uns gebeten, uns rauszuhalten, Sie in Ruhe zu lassen – was auch immer er von uns denken mag, uns so etwas auch nur im Ansatz nahezulegen!“, fuhr sie haltlos fort. „Aber er ist mein Sohn! Und ihn verletzt zu sehen wegen einem-“ Sie fing sich. Ebenso, ging Hermine am Rande auf. „Wegen einer Person wie Ihnen!“, spuckte sie ihr entgegen. „Auch noch einer Person Ihres Formates – bei allem Respekt, aber sollten Sie es nicht besser wissen? Sollten Sie nicht längst irgendeine Mrs Weasley sein und rothaarige Kinder gebären?“, fuhr Narzissa sie weiter an, und Hermine wusste keine Antwort. „Warum nehmen Sie meinen Sohn?“ Anklagend sah Narzissa sie an, und Hermine hatte keine Ahnung.

 

„Ich… weiß es nicht“, war alles, was sie zu sagen schaffte. „Ich will es nicht“, entkam es Hermine hilflos. Narzissas Augen verengten sich scharf.

 

„Sie wollen es nicht? Soll das heißen, Draco zwingt Sie? Nötigt Sie? Vergreift er sich an-“

 

„-Merlin, nein!“, sagte Hermine heftig, errötete allein bei diesen Unterstellungen. Und es war allein dem Umstand geschuldet, dass der Wind mittlerweile kälter blies, dass sie ziemlich einsam vor dem Café standen. „Ich meine, ich will auch nicht, dass es passiert. Aber-“

 

„-Passiert?“, wiederholte Narzissa ungläubig. „Ich verstehe nicht ganz, vielleicht bin ich altmodisch und prüde, Miss Granger, aber ich nehme nicht an, dass es einer Reihe an Zufällen geschuldet ist, dass Sie mit meinem Sohn Verkehr haben, oder nicht? Ich nehme an, es sind bewusste Entscheidungen, die Sie treffen!“

 

„Mrs Malfoy-“


„-ich weiß, dass Sie nicht alleine beteiligt sind! Wahrscheinlich nicht mal zu einem Großteil“, räumte die Frau vor ihr bitter ein, „aber Merlin, wieso beherrschen Sie sich nicht? Draco wählt diesen Weg, der ihm ohnehin mehr schaden als nützen wird, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als ihm noch mehr Steine in den Weg zu legen?“ Hermines Mund öffnete und schloss sich sprachlos wieder. „Sie werden nicht vorhaben, seine Freundin zu sein? Seine Verlobte, seine Ehefrau?“, fragte Narzissa direkt, und Hermine wurde schlecht, alleine bei der Vorstellung.

 

„Nein, das habe ich nicht vor“, sagte sie also zerknirscht.

 

„Gut“, entkam es Narzissa tatsächlich einigermaßen beruhigt. „Denn wir haben eine Frau für Draco. Wir haben seinen Weg geplant, denn er ist scheinbar unfähig.“

 

„Er ist erwachsen“, begann Hermine gereizt.

 

„Ja, und die Entscheidungen, die er trifft lassen natürlich auch keinen anderen Schluss zu, nicht wahr?“, entfuhr es Narzissa lakonisch, und Hermine stöhnte beinahe auf.


„Er darf Fehler machen, oder nicht? Was genau ist so schlimm an mir?“ Hermine bereute es, die Frage so gestellt zu haben. Sie lieferte die Vorlagen selbst, ging ihr auf.

 

„Von Ihrem Blutstatus abgesehen“, begann Narzissa pikiert, „fallen mir so viele Nachteile ein, dass ich kaum den Atem hätte, sie alle aufzuzählen. Lucius mag da liberaler sein, Draco alle Freiheiten gönnen, ihn machen lassen, aber ich sehe die Gefahr! Ich sehe, was ihm blüht, wenn er sich nicht endlich zusammen reißt!“

 

„Was blüht ihm?“, wollte Hermine direkt wissen, und Narzissa schürzte die Lippen.

 

„Der Verstoß. Die Abnabelung von seiner Familie, wenn er mit Ihresgleichen-“

 

„-Mrs Malfoy, ich erinnere Sie höflichst daran, dass wir den Krieg gewonnen haben. Meinesgleichen – ich, Harry und Ron!“, knurrte sie.

 

„Sie wollen meinen Respekt?“, entkam es Narzissa lauernd, und Hermine lachte beinahe auf.

 

„Menschen wie Sie befinden sich nicht auf meinem Radar, Mrs Malfoy. Menschen wie Sie nehme ich nicht mal wahr. Ob Sie mich respektieren oder nicht, ist mir so gleichgültig, dass es mir keine schlaflosen Nächte bereiten wird, wenn Sie mir ewigen Hass schwören!“, sagte Hermine kopfschüttelnd. „Aber wenn Sie mit mir reden, mit Meinesgleichen, dann erwarte ich, dass Sie zumindest den Anstand besitzen und so tun, als wüssten Sie, dass Sie den Krieg verloren haben. Ihresgleichen“, benutzte Hermine das Wort äußerst abfällig. Narzissa sah sie an, als wäre sie das verabscheuungswürdigste Geschöpf auf Merlins weiter Erde.

 

„Miss Granger, ich wollte Sie treffen, um Ihnen nahezulegen, sich von meinem Sohn fernzuhalten, sich irgendeine andere Beschäftigung zu suchen! Jetzt, nachdem sich mein schwer verletzter Sohn sogar weigert, mir Folge zu leisten, hoffe ich doch, dass Sie von selber zu diesem Schluss kommen!“

 

Hermine wollte ihr versichern, dass sie nicht die Absicht hatte, Draco überhaupt zu nahe zu kommen, aber sie wusste, sie traute sich solche Versprechungen nicht zu. Deshalb schwieg sie unzufrieden. „Sie finden ihn attraktiv, nehme ich an? Sie können es nicht kontrollieren?“, fuhr Narzissa ruhiger fort. „Es ist der Malfoy-Charme. Aber mein Sohn ist nichts für Sie, Miss Granger.“

 

„Ich weiß das!“, sagte sie beschämt. „Ich will ihn auch gar nicht.“

 

„Vielleicht fangen Sie an, diese Thesen umzusetzen“, entkam es Narzissa kalt. „Es wird nur bitter für Sie enden. Das wissen Sie.“

 

Es hatte bereits bitter geendet. Allein die Kälte, die unangenehme Situation, hielt sie davon ab, zu weinen – denn Sam würde kein Wort mehr mit ihr reden. Hermine nickte nur, wollte nichts mehr sagen, wollte nicht mehr mit dieser Frau reden und wandte sich ab. „Miss Granger“, hielt Narzissas Stimme sie eisern auf, und Hermine wandte halb den Kopf, „gehen Sie nicht zu ihm.“

 

Und tatsächlich hätte sie wohl die Richtung zu Blaises Apartment-Block eingeschlagen, ging ihr auf. Weil… sie ihn sehen wollte, wissen wollte, wie es ihm ging – weil sie nicht zu Sam konnte, aber selbst sie begriff, dass es falsch war. So absolut lächerlich falsch, dass sie kaum begreifen konnte, warum sie so etwas tun würde!

 

Wieder nickte Hermine, und sie nahm schließlich einen anderen Weg. Den einzigen Weg, den sie zu nehmen hatte.

 

Ihr Kopf schwirrte. Sie hatte sich von Narzissa Malfoy anschreien lassen, hatte den gesamten Tag damit zugebracht, sicher zu gehen, nicht von Malfoy schwanger zu sein – und wofür? Sie wollte ihn nicht mal! Nicht… wirklich. Und sie hatte alles verloren, was sich erarbeitet hatte. Die Freundschaft zu Penelope, zu Lara, die Beziehung zu Sam – einfach alles.

 

Und vor Sams Block hielt sie schließlich an, schritt zur Tür, und glücklicherweise verließen gerade ein paar Mädchen das Gebäude. Sie schenkten ihr herablassende Blick und tuschelten schließlich verhalten, als sie sie passiert hatten. Wahrscheinlich wusste es das gesamte Ministerium, nahm sie an.

 

Sie ging mühsam die Stufen nach oben, denn jede kam ihr höher vor als die letzte, und sie wusste nicht mal, was sie hier wollte, was sie sagen sollte. Aber sie wusste, wenn sie schon irgendwo war, dann besser hier. Nicht bei Draco.

 

Vor seiner Tür hielt sie an, zwang sich, nicht zu warten, nicht zu zögern, denn sonst würde sie wieder verschwinden, und klopfte hart gegen das Holz. Zuerst passierte gar nichts, und vielleicht würde sein Mitbewohner öffnen – aber nach wenigen Sekunden zog Sam die Tür auf. Und sie zu sehen überraschte ihn wohl. Er hatte geweint, sie sah es sofort. Und sofort wurde sein Blick kalt.

 

„Verschwinde, Hermine“, sagte er, und bevor er die Tür zuschlagen konnte, stemmte sie die Hand gegen das Holz.

 

„Sam, warte“, bat sie ihn verzweifelt.

 

„Warum sollte ich? Ich will nicht mit dir reden – nie wieder, um ehrlich zu sein. Also verpiss dich einfach!“

 

„Sam!“, sagte sie wieder, und er zog die Tür zornig auf.

 

„Ich will es nicht hören! Du hast mich betrogen! Du hast mich gedemütigt!“, schrie er sie jetzt an, Tränen glänzten in seinen Augen. „Ich habe dir vertraut und du hintergehst mich – eiskalt, hinter meinem Rücken! Ihr verdient euch wirklich!“, wisperte er hasserfüllt.

 

„Sam, es tut mir leid“, sagte sie mit belegter Stimme.

 

„Das interessiert mich nicht! Und ich glaube dir auch nicht!“ Eine Träne fiel auf seine Wange. „Ich hoffe, das war es wert, Hermine“, entkam es ihm kopfschüttelnd, komplett zerstört.

 

Nein. Da war es nicht. Unglücklich suchte sie nach Worten, aber sie wusste, es gab keine. „Und jetzt verschwinde endlich!“, sagte er wieder und knallte die Tür in ihr Gesicht. Mit glasigem Blick flog sie die Stufen praktisch wieder runter, und als sie draußen angekommen war, wusste sie nur einen Ort, wo sie hinkonnte. Nur den einen.

 

Sie apparierte auf der Stelle, erreichte Godric’s Hollow innerhalb von Sekunden und landete vor Harrys Haus. Zügig rannte sie die letzten Meter, klopfte Sturm an die Haustür, und Ginny öffnete wenig später. Sie erkannte sie, und ihr Mund öffnete sich langsam. Hermine weinte mittlerweile, und Ginny zögerte nicht mal eine halbe Sekunde.


„Komm her“, sagte ihre beste Freundin, breitete die Arme aus, und Hermine warf sich praktisch in die Umarmung, wenn auch etwas vorsichtig, wegen des riesigen Bauches. Ginny strich beruhigend über ihren Rücken, und Hermine wollte einfach nie wieder aufwachen, keinen neuen Tag erleben.

 

Sie wollte gar nichts mehr.

 

~*~

 

Zwangsurlaub.

 

Shacklebolt hatte ihm zwei Tage Zwangsurlaub aufgedrückt. In seiner Ausbildung. Dazu noch eine saftige Warnung und die Mahnung, sich seine Beziehungsdramen besser zu überlegen. Shacklebolt hatte ihn geheilt, und Draco hatte es nicht für nötig befunden, die Krankenschwester aufzusuchen.

 

Er dachte an Granger, hatte beinahe erwartet, sie gestern noch zu sehen. Bestimmt hatte sie von dem Skandal gehört, von der Schlägerei, von… allem. Aber sie hatte ihn nicht besucht, hatte sich nicht nach ihm erkundigt, und er überlegte, warum sie gestern gefehlt hatte, warum sie bei der Krankenschwester gewesen war. Natürlich war es besser so. Es war nur sein dummer Stolz, sein scheiß Ego und sein verdammter Schwanz, der sie hatte sehen wollen. Noch einmal sehen. Fast war er dankbar, dass sie nicht gekommen war.

 

Er nahm an, er hatte genug Schaden angerichtet. Seine Beziehung hatte er für sie aufs Spiel gesetzt – und verloren – und jetzt hatte ihre Beziehung ebenfalls ihr fürchterliches Ende gefunden. Und er hatte Sam verloren.

 

Es klopfte an seiner angelehnten Tür. Blaise schob den Kopf herein, aber Draco lag einfach nur gereizt und müde auf seinem Bett. „Dein Gesicht sieht besser aus“, merkte Blaise lediglich an. Draco sagte nichts dazu, starrte lediglich leer aus dem Fenster.

 

„Warum bist du nicht auf der Arbeit?“, wollte Draco mürrisch wissen.

 

„Ich habe mir Urlaub genommen. Jetzt, wo du gezwungenermaßen hier bist, dachte ich, es wäre… nett“, schloss er knapp. Draco sah ihn zweifelnd an.

 

„Ernsthaft?“, wollte er wissen, und Blaise ruckte mit dem Kopf.

 

„Theoretisch“, antwortete Blaise trocken. „Wenn du allerdings den ganzen Tag so eine Stimmung hast, wahrscheinlich nicht.“

 

„Was für eine Stimmung soll das sein? Was erwartest du? Dass ich durch die Wohnung tanze, mich freue, zwangsbeurlaubt zu sein?“

 

„Du entgehst so dem wütenden Mob auf der Arbeit“, erinnerte Blaise ihn freudlos, und Draco verzog den Mund. „Und nein. Ich dachte, wir gehen raus. Unternehmen was. Verhalten uns wie… oh, ich weiß nicht – Freunde?!“, machte Blaise es sehr deutlich.

 

„Denkst du, ich habe Lust, raus zu gehen?“ entkam es Draco ungläubig, und Blaise blieb hartnäckig.

 

„Ich denke, du brauchst eine Auszeit. Einfach… mal was anderes. Ich denke, zu viel Granger hat-“

 

„-halt deinen Mund!“, warnte Draco ihn schneller, als er es überhaupt vorgehabt hatte. Blaise stockte, sah ihn an. „Du wolltest nicht mehr von ihr reden, also wie wäre es, wenn du es einmal schaffen würdest?“, schlug Draco kalt vor.

 

„Pack deine Koffer“, sagte Blaise schließlich, und Dracos Mund öffnete sich knapp.

 

„Du wirfst mich raus?“, entfuhr es ihm ungläubig, und Blaise atmete gereizt aus.


„Ja, vielleicht, wenn du weiterhin du ein dummes Arschloch bist. Nein, ich möchte, dass du deine Koffer packst. Wir haben vier Tage Zeit, und vielleicht gestattest du mir, dich daran zu erinnern, was Reinblüter eigentlich unternehmen, um eine gute Zeit zu haben“, ermahnte Blaise ihn. Draco mochte den Klang der Worte überhaupt nicht.

 

„Du willst jede Menge Galleonen ausgeben und Menschen schlecht behandeln?“, wollte Draco ohne Begeisterung wissen.

 

„Wahrscheinlich toppt es nicht, in der Ministeriumskantine von Grangers geladenem Freund verprügelt zu werden – aber hey, ich dachte, wir probieren was Neues?“ Blaises Sarkasmus stach in Dracos Brust, aber wahrscheinlich war es nicht die schlechteste Idee. Es war keine gute Idee, aber er hatte genug. Genug von sich selbst und seiner scheiß Besessenheit von Hermine Granger.

 

„Woran dachtest du?“, wollte Draco stiller wissen, Misstrauen in der Stimme.

 

„Tapetenwechsel. Es wird mir langsam zu kalt hier, und in einer Stunde ist mein Kamin offen zum Resort Hotel Benevento.“ Dracos Stirn runzelte sich.


„Du willst nach Hause?“, entkam es ihm. Blaises Familie kam aus Neapel, und Benevento war die Stadt seiner Geburt. Draco war früher mit ihm öfters Mal dort gewesen, aber es schien Jahrzehnte her zu sein.

 

„Na ja, nicht wirklich“, widersprach Blaise. „Aber das Resort ist einladend genug.“

 

Draco zögerte.

 

„Was verpasst du hier, Malfoy? Hast du nicht genug Unheil gestiftet?“ Wahrscheinlich lag Blaise richtig.


„Was ist mit Pansy?“ Blaise seufzte.

 

„Sie weiß, wie sie mich erreichen kann“, war seine schlichte Antwort.

 

„Meinetwegen“, gab sich Draco schlecht gelaunt geschlagen.

 

„Fast die Begeisterung, die ich mir erhoffte habe“, bemerkte Blaise spöttisch. „Und jetzt fang an zu packen.“

 

 

35. prophecy

 

Sie hätte es ahnen müssen – hatte sie aber nicht. Nicht in diesem Ausmaß. Nicht im Entferntesten. Abgesehen von der Tatsache, dass ihre Aurorenkollegen kein Wort mehr mit ihr sprachen, weil es wohl gerade eher der Trend war, sie zu verurteilen und über sie zu lästern, hatte die Hexenwoche nichts Besseres zu tun gehabt, als über Nacht einen absolut reißerischen Bericht auf Seite Sechs zu verfassen – den scheinbar die gesamte Abteilung bereits gelesen hatte.

Und ihr kurzer Aufenthalt im Mungo schien nicht unbemerkt geblieben zu sein, und der Titel dieser Misere war, dass die Heldin Hermine Granger das Malfoy-Baby entfernen ließ. Sie hatte keine Ahnung, wer verantwortlich war, aber es dürfte mit Astoria zusammenhängen – oder sonst irgendwelchen Schreckschrauben aus dem verdammten Club.

 

Ginny hatte berichtet, Eulen wären den gesamten Tag über angekommen. Auch Penelope hatte ihr wortlos eine Vielzahl an offensichtlichen Leserbriefen mitgebracht, die Hermine sofort entsorgt hatte.

 

Das war die Rechnung, die sie bekam, und sie nahm an, es war verdienterweise. Malfoy war nicht da, hatte Zwangsurlaub, wie Kingsley sie knapp informiert hatte, und immerhin besaß Kingsley die fehlgeleitete Scham, sich bei ihr zu entschuldigen, sie auch noch mit Malfoy zusammen gesteckt zu haben. Scheinbar sah er die Schuld gänzlich bei sich. Immerhin etwas, wo Hermine ihn nicht vorhatte, zu korrigieren. Anscheinend hatte Sam Malfoy ordentlich verprügelt gestern, und es tat ihr leid, aber sie verspürte keinen Drang mehr, nach ihm zu sehen. Dieser Drang war ihr gehörig vergangen. Merlin sei Dank.

 

„Was für ein Theater“, bemerkte Ginny nach dem Essen, und Hermine erkannte die zusammen gerollte Hexenwoche auf dem Tresen. Auch diesen Abend verbrachte sie bei Harry und Ginny. Sie konnte die verdammte Zeitschrift nicht mehr sehen. „Aber… du hast kein Baby entfernt, richtig?“, wollte Ginny mit gewisser Bestürzung von ihr wissen, und Hermine schenkte ihr einen säuerlichen Blick.


„Gin, lass sie in Ruhe“, sagte Harry müde. Harry hatte sie heute verteidigt, wo er nur konnte. In jeder Pause war er an ihrer Seite gewesen, und Hermine hatte nicht genügend Worte der Dankbarkeit für ihn übrig.

 

„Ich meine nur-“

 

„-wir wissen, was du meinst“, schloss Harry finster. Ginny legte den Arm um ihre Schulter.

 

„Das geht vorüber“, beteuerte Ginny zuversichtlich. „Es ist spannend für eine Woche und dann haben es die Leute wieder vergessen.“

 

„Ich nicht.“

 

„Du auch. Glaub mir. Und vielleicht überlegst du dir jetzt, zu uns zu ziehen?“, schlug sie vor. „Du kannst erst mal im Gästezimmer wohnen, oder du-“

 

„-nein. Ich verstecke mich hier nicht.“ Das tat sie zwar schon, aber sie würde damit auch wieder aufhören. „Ich gehe zurück. Morgen“, ergänzte sie müde. Heute wollte sie sich noch verstecken. Sie war noch nicht in der Verfassung, sich Penelope zu stellen, zugeben zu müssen, dass sie genauso eine dumme Pute war, die Malfoy hinterherlief, und es war einfach eine sehr bittere Erkenntnis.

 

Sie gehörte zu ihnen. Zu all den dummen Mädchen. Sie hätte gedacht, sie wäre besser als der Rest. Aber das war sie nicht. Und niemand war enttäuschter von ihr, als sie selbst.

 

~*~

 

Auch heute wurde sie nicht beachtete, aber immerhin gab es keine neuen Berichte über sie. Es tat gut, dass Malfoy nicht hier war. Dass sie nicht um die Spinde schleichen musste – fast tat es sogar gut, dass es endlich raus war. Sie hatte Sam bereits gesehen, nur von hinten im Flur, aber es hatte gereicht, um direkte Übelkeit durch ihren Körper zu jagen.

 

Sie fühlte sich genauso schäbig wie gestern, wie vorgestern, den Tag davor – und es tat ihr immer noch leid. So unendlich leid.

 

Sie schloss die Spindtür, denn sie hatte vor, mit Harry Mittag zu essen. Dean hatte sich auch auf ihre Seite geschlagen, konnte ihr Handeln zwar nicht nachvollziehen, aber Gryffindors müssen zusammenhalten, war sein Hauptargument gewesen, und dagegen hatte sie nichts einzuwenden.

 

„Miss Granger“, wurde sie in ihren Gedanken durch eine sanfte Stimme unterbrochen, und ihre Mundwinkel sanken schnell.

 

„Goodwin“, begrüßte sie den Seher mehr oder weniger freundlich. Er trug einen dunklen Anzug, ein helles Hemd, eine dunkle Krawatte, wirkte sehr förmlich, so wie fast alle Angestellten der Mysteriumsabteilung, und sein kahler Schädel glänzte im hellen Licht.

 

„Bitte verzeihen Sie die Störung, aber haben Sie kurz Zeit für mich?“ Hermines Antwort war schnell gefasst.

 

„Nein, danke“, entschied sie abzulehnend, aber sie nahm nicht wirklich an, dass er vorhatte, ihr eine echte Wahl zu lassen.

 

„Sie mögen mich nicht, das ist mir klar. Aber ich würde Sie trotzdem bitten, mich zu begleiten.“

 

„Wissen Sie, ich möchte nicht unhöflich sein, aber-“

 

„-ich bitte Sie inständig!“, unterbrach er sie etwas drängender, und es konnte sich nur um etwas Grauenhaftes handeln. Warum sonst sollte ein Seher sie belästigen, der ihr bereits vorausgesagt hatte, dass sie irgendwelche Gefühle für Draco Malfoy besaß?! „Bitte“, wiederholte er stiller.

 

„Wenn es sein muss“, räumte sie entnervt ein.

 

„Ich befürchte das“, sagte er, und Hermine fragte sich dumpf, ob der Seher all das hier bereits vorhergesehen hatte. Aber warum sollte er sich die Mühe machen? Sie folgte ihm, nicht sicher, wohin er unterwegs war, aber schnell erkannte sie, er führte sie zu Kingsleys leerem Büro. Anscheinend war dieses Treffen mit ihrem Chef abgesprochen. Das machte es nicht besser.

Er verschloss die Tür und bot ihr einen Platz an. Sie zog es vor, zu stehen.

 

„Worum geht es?“, wollte sie abweisend wissen, rührte sich nicht, hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

 

„Verzeihen Sie, dass ich mich in Ihre Angelegenheiten mische.“

 

„Wie soll ich Ihnen verzeihen, wenn ich noch nicht weiß, was es ist, das Sie von mir wollen?“ Sie hasste Seher. „Außerdem werden Sie bereits erahnt haben, dass ich nicht mit Ihnen reden möchte, und dass Sie mich trotzdem zwingen, heißt, Sie wissen mehr als ich und glauben, dass Sie mir tatsächlich helfen.“

 

„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann. Ich hatte… eine… sagen wir Vorahnung“, begann er unbehaglich. Welch Wunder! Der Seher hatte eine Vorahnung.


„Weil Sie nicht anders konnten, als sich mit meinem Leid von gestern zu beschäftigen?“, entkam es ihr kühl, und er verzog keine Miene.

 

„Etwas ist aus den Fugen geraten“, sagte er, beinahe selber ratlos.

 

„Das würde ich meinen“, behauptete sie schlecht gelaunt.

 

„Etwas ist nicht mehr so, wie es zu sein hatte, so, wie ich es gesehen habe“, räumte er ein. Sie runzelte die Stirn.

 

„Ach ja? Was haben Sie gesehen?“, wollte sie sofort von ihm wissen. Er wirkte kurz etwas gequält.

 

„Kingsley hatte mich damals gebeten, in das Schicksal des Malfoy-Jungen zu blicken, die Zukunft zu erahnen, die ihm bevorsteht, hier in der Ausbildung“, begann er dann, und Hermine wollte nicht mal im Ansatz diskutieren, wie verwerflich und falsch es war!

 

„Alles wegen dem Dunklen Mal?“, entkam es ihr gegen ihren Willen entrüstet, und der Seher atmete wieder lange aus.


„Nicht direkt. Kingsley hat ebenfalls beabsichtigt, den Vater des Jungen mit Beweisen derartig zu belasten, dass Lucius Malfoy eine lebenslange Haftstrafe droht.“

 

„Was?“ Hermine begriff nicht wirklich.

 

„Ich nehme an, der Grund für die Einstellung des Jungen gipfelte wohl darin, dass er ein geeigneter Lockvogel war, um Lucius Malfoy verhaften zu lassen.“ Hermines Mund öffnete sich. „Und eine lohnenswerte Investition.“

 

„Sie haben Kingsleys Gedanken gelesen“, entkam es ihr tonlos.

 

„Gezwungenermaßen musste ich das, um zu wissen, was es war, dass ich herausfinden sollte.“

 

„Es ist illegal!“, entfuhr es ihr schockiert.

 

„Miss Granger, ich weiß, dass diese ganze Sache nicht unbedingt auf legalem Boden abläuft.“

 

„Das würde ich auch behaupten, Goodwin!“, sagte sie gänzlich fassungslos.

 

„Aber heute komme ich zu Ihnen aus einem anderen-“

 

„-was habe ich damit zu tun? Was haben Sie überhaupt gesehen?“ Sie nahm an, sie würde erfahren, warum sich Kingsley so besonders schuldig gefühlt hatte! Goodwins Zögern ließ sie beinahe zornig werden. „Was ist Dracos Schicksal hier?“, wollte sie plötzlich bitter wissen.

 

„Miss Granger-“, begann er besänftigend, aber sie hatte genug.


„-wieso wurde ich ausgewählt, Goodwin?“

 

„Weil ich es Kingsley nahe gelegt habe“, gestand er tatsächlich ein. Ihre Augen weiteten sich.


„Warum?“

 

„Weil ich Sie an seiner Seite gesehen habe“, schloss er schlicht. Ihr Kiefer gab nach. „Sofern der junge Malfoy diesen Weg weiter verfolgen wird, hatte sich mir eine mehr als erfolgreiche Zukunft erschlossen. Er wird mit Auszeichnung bestehen, wird alle Hürden meistern, sogar seinen eigenen Vater nach Askaban bringen-“ Hermine stockte kurz der Atem, „-und Sie waren da.“

 

„Ich… war da?“, wiederholte sie ungläubig.

 

„Als seine Partnerin, als…“

 

„Was?!“ Sie schüttelte benommen den Kopf.

 

„Es erschien mir demnach mehr als logisch, Sie an seiner Seite einzusetzen, da es den Anschein machte, dass alles ohnehin darauf hinauslaufen würde, dass Sie zusammen finden werden.“ Hermines Mund öffnete sich gänzlich schockiert. „Aber dieses Bild hat sich geändert.“ Dumpf schlug ihr Herz, und sie konnte nur hoffen, dass sich dieses furchtbare Bild in jedem Fall geändert hatte! „Es ist aus den Fugen geraten, und ich sehe keine positive Entwicklung mehr“, schloss er warnend.


„Was… was soll das heißen? Ich ende nicht mehr an seiner Seite? Glauben Sie mir, das war auch niemals meine Absicht, ich-“

 

„-Miss Granger, ich bin nun in der Lage, Ihnen den Tag Ihres Todes vorauszusagen.“ Diese Worte ließen sie verstummen. Ihre Brust hob sich schneller. Dieser verdammte Mistkerl!

 

„Können Sie das nicht so oder so?“, fuhr sie ihn zornig an, und der Seher machte eine unverbindliche Kopfbewegung.

 

„Wir Seher sind in der Lage, die Geschichte eines Menschen ins hohe Alter zu verfolgen, und es ist meine Gabe, zumindest in ungefährem Maße, einzuschätzen, wann ein Leben enden wird, aber in Ihrem Fall hat sich Ihre Lebensdauer drastisch verkürzt. Und glauben Sie mir, wir gehen nicht hausieren, wir klingeln nicht an Türen der Menschen und informieren Sie über ihr Schicksal – aber in diesem Fall fühle ich mich verantwortlich.“

 

„Sie fühlen sich verantwortlich?“, knurrte sie grenzenlos zornig, und er schluckte wieder.

 

„Sagen wir, Ihre Zukunft war eine andere, ehe Mr. Malfoy sich der Einheit angeschlossen hatte.“ Hermines Mund schloss sich.


„Sie haben mein Schicksal verändert?“, entkam es ihr absolut schockiert.

 

„Nun, es hätte sich so oder so gewandelt. Vielleicht habe ich Ihrem Schicksal lediglich einen gewissen Anstoß in eine bestimmte Richtung verliehen“, räumte er ein. „Vielleicht aber auch nicht. Das Schicksal ändert sich häufig. Gewisse… irrationale Handlungen der Menschen können jedes noch so vorgefertigte Schicksal beeinflussen. Dumme Vorhersagen der Wahrsager sind ebenfalls geeignet, Leben auszulöschen. Nehmen Sie Harry Potters Eltern als Beispiel.“ Hermine hatte die Hände zu Fäusten geballt.

 

„Goodwin-“, knurrte sie haltlos.

 

„Ich fühle mich verantwortlich. Und auch bei Unfällen widerspricht es unserer Gabe, unserem Handwerk, einzugreifen, aber ich mache diese Ausnahme. Denn ich denke, es ist ein Fehler passiert. Vielleicht auch durch mein Eingreifen, vielleicht durch ein anderes Element.“

 

„Ich will es nicht wissen“, sagte sie sofort.

 

„Miss Granger, das wäre unter Umständen töricht!“

 

„Es war töricht, mich Malfoy zuzuteilen, nur damit Kingsley seinen Willen bekommt!“, fuhr sie ihn an. „Alles weitere, alles, was in den nächsten Jahren passiert, ist-“

 

„-es ist kein Jahr“, unterbrach er sie kopfschüttelnd, und sie schwieg abrupt. Was?! Ihr Mund öffnete sich, aber der Seher sprach. „Diese Information ist absolut vertraulich. Ich habe Kingsley gesagt, dass ich dringend mit Ihnen sprechen möchte, aber natürlich kennt er keine Details! Und wenn Sie mir vollkommen nüchtern und bedenkenlos versichern, dass Sie diese Vorahnung nicht kennen wollen – werde ich das respektieren.“

 

Sie schluckte schwer. „Was heißt kein Jahr?“, entkam es ihr heiser. Denn natürlich würde sie nun niemals nicht mehr an diese Worte denken können! Natürlich würde sie nicht nüchtern entscheiden, dass sie nichts davon wissen wollte. Und er schien ihre Gedanken zu erraten – oder sie zu lesen. Es machte keinen Unterschied.

 

„Miss Granger, ein Wort der Warnung, einfach, weil eine solche Vorahnung oftmals zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung führen kann“, begann er ernst. „In meiner langen Zeit als Berater verschiedener Familien, die sich sicherer gefühlt haben, den Tag oder den Zeitraum ihres Dahinscheidens zu kennen – kann ich Ihnen sagen, dass sich die Termine zumindest jedes Mal dann bestätigt haben, wenn ich konkrete Daten nannte“, schloss er sehr deutlich.

 

„Wenn Sie es mir sagen, erfüllt es sich? Wollen Sie das damit sagen? Wozu dann überhaupt damit anfangen, Merlin, verdammt?!“, fuhr sie ihn an.

 

„Weil Sie anders sind, als der Rest. Weil ich davon ausgehe, dass Sie in der Lage sind, Vorherbestimmungen zu beeinflussen.“

 

„Und wenn nicht?“, entkam es ihr wütend. „Dann weiß ich jetzt, dass ich kein Jahr mehr habe – und dann? Was ist Ihr Vorschlag? Dass ich mich verkriechen soll? Meine Ausbildung abbreche – mit niemandem mehr rede?“ Sie atmete sich in Rage. Er schwieg betroffen. „Und was meinen Sie damit – es ist ein Unfall?“, erinnerte sie sich an seine kryptischen Worte.

 

„Es ist ein plötzliches Ereignis. Ich sehe keine Krankheit in Ihrem Lebensverlauf, also…“

 

„Also, was? Also werde ich von Hippgreifen totgetrampelt? Ich stürze eine Klippe hinab? Ich werde beim Training tödlich verflucht? Was ist es?“

 

„Ich kann es Ihnen nicht sagen, aber ich schließe das Training und den Hippogreif aus“, machte er tatsächlich einen Witz, so kam es ihr vor, aber seine Stimme blieb schrecklich nüchtern und ernst.

 

„Woher wissen Sie das?“, fuhr sie ihn an.

 

„Weil es ein Samstag ist“, erwiderte er schlicht. Ihr Mund schloss sich und ihre Kehle wurde trocken. Sie musste es wissen. Sie musste einfach. „Der 20. Juli ist ein Samstag“, tat er ihr den Gefallen schließlich und führte seine Gedanken aus. Sie schluckte schwer.


„Wieso kennen Sie das exakte Datum?“, flüsterte sie bloß, und er verzog keine Miene, als er ihr antwortete.

 

„Es ist das Datum von Draco Malfoys Hochzeit.“

 

 

36. the malfoy-show

 

Er war angenehm betrunken, und alte Muster schienen sich nur zu leicht zu wiederholen, stellte er am Rande seines Verstandes fest. Sie stießen an, Champagnergläser klirrten verheißungsvoll, die Musik war laut, die Mädchen

leicht bekleidet und leicht zu bekommen. – Dass er kein Interesse hatte, war weit nach hinten in sein Bewusstsein gerückt. Das Mädchen, was sich aufreizend gegen ihn gepresst hatte, roch verdammt verlockend.

 

Blaise lachte schallend, tanzte ebenfalls mit einer dunkelhaarigen Schönheit, aber Dracos neue Bekanntschaft besaß dichte, wellige Locken, die ihn seit Stunden erregten.

 

Ihm wurde klar, dass er alles, was er sah, was ihm gefiel – bekommen konnte. Er wusste nicht, ob es immer so war, aber heute kam es ihm so vor! Er leerte sein Glas, wusste, er hatte längst zu viel, aber wen interessierte es wirklich? Es war so ziemlich egal, was er tat, und er nahm an, was in Italien passierte, passierte nur in Italien….

 

Zuerst zögerte er, als die Schönheit ihn mit tiefen Wimpern ansah, auffordernd ihre Augen schloss, aber Draco war weit über den Punkt hinaus, wo er seine Handlungen noch moralisch hinterfragte. Und wenn er nicht zu genau hinsah, wenn er seinem betrunkenen Geist erlaubte, ein wenig zu wandern, dann wandelte sich dieses Mädchen vor ihm. Und die Locken halfen ungemein. Seine Hand schlang sich um ihren Nacken, und er kam ihrer Aufforderung nach, küsste sie verlangend, öffnete seinen Mund, ließ seine Zunge zwischen ihre Lippen gleiten, und sie erwiderte den Kuss sofort.

 

Das Lied endete, wechselte in ein schnelleres, und er vernahm Blaises Stimme.

„Malfoy, komm! Wir stoßen an!“, rief sein Freund über die Lärm hinweg, und Draco war bereit für ein weiteres Glas Champagner. Er beendete den feuchten Kuss, schritt, mit der Schönheit im Arm, zu Blaise, um sein Glas neu füllen zu lassen, während sich ihm ein anderes Mädchen näherte.

 

Er war völlig berauscht. Die riesige Suite beherbergte mittlerweile eine ganze Party, aber er und Blaise waren die einzigen Männer, und es gefiel ihm. Sie hatten jede weibliche Person entsprechenden Alters, die sie in der Lobby getroffen hatten, eingeladen. Auch Blaises Eroberung ließ sich gehen, biss Blaise sanft in den Hals, und Blaise zwinkerte ihm zu, bedeutete ihm, dass er gleich verschwinden würde, und Draco genoss die ungeteilte Aufmerksamkeit der zehn Damen, die mit ihnen feierten.

 

Sie hatten keinen Anlass. Er nahm an, sie feierten, dass sie Reinblüter waren und Gold besaßen. Oder Blaise besaß es.

 

Aber Draco trug einen sündhaft teuren Anzug, trank sündhaft teuren Alkohol, und er fühlte sich nach langer Zeit endlich wieder wie er selbst. Eigenartigerweise.

 

Wahrscheinlich war es alte Gewohnheit, aber… es fühlte sich herrlich an.

 

Er löste sich achtlos von dem Mädchen mit den Locken, nur um sich der nächsten zuzuwenden, den Abstand zu schließen und auch ihre Lippen zu küssen. Es war mittlerweile egal, wer es war – wie viele es waren! Sie alle waren willig. Kaum löste er sich von den neuen Lippen, bot sich ihm die nächste Schönheit an, und sicher, es war falsch, aber es war ihm scheiß egal. Er war Draco Malfoy und schien einen der wenigen Orte gefunden zu haben, wo diese Tatsache tatsächlich ein Aphrodisiakum zu sein schien.

 

„Mehr Champagner!“, befahl er den gehorsamen Elfen, die in den Ecken warteten, denn es war ein sündhaft teures Hotel.

 

Und ungefähr ab diesem Zeitpunkt begann sein Gedächtnis löchrig zu werden.

 

Er wusste, er verschwand mit zwei Damen in sein Schlafzimmer. Und er erinnerte sich, beide Damen ausgezogen zu haben. Er war aber nicht mehr in der Lage zu sagen, ob er mit beiden von ihnen geschlafen hatte, ging aber stark davon aus.

 

Denn als er aufgewacht war, lagen beide Damen unbekleidet neben ihm, und sie waren beide ausnahmslos hübsch.

 

Zwar wollte er sich lautlos aufsetzen und das Bett verlassen, um eine Schnellheilung gegen seinen dröhnenden Kopf anzuwenden, aber eine der Schönheiten wachte auf, und er war mehr als überrascht, dass sie englisch sprach.

 

„Guten Morgen, Draco“, begrüßte sie ihn lächelnd, und bei seinem Leben würde er ihren Namen nicht wissen, würde sie ihn jetzt fragen – aber das tat sie nicht. „Willst du schon aufstehen?“, erkundigte sie sich enttäuscht, und er wusste keine gute Antwort.

 

„Ahem…“, begann er und fühlte sich nicht mehr so wohl, wie letzte Nacht, wo alles egal gewesen war, und es keine Konsequenzen gab.

 

„Es wäre zu schade“, bemerkte sie, lehnte sich vor und küsste seine Lippen. Seine Augen schlossen sich automatisch und auch das andere Mädchen neben ihm regte sich wieder.

 

„Morgen, Draco“, begrüßte auch sie ihn mit angenehm rauer Stimme, und ihre Hand griff umstandslos unter die Decke umfasste seine Erektion, und er hatte keine Ahnung gehabt, dass ein Dreier so verdammt perfekt sein konnte! Während das erste Mädchen ihn küsste, kletterte das zweite Mädchen bereits über ihn, um ihn zu reiten. Er erwiderte den Kuss verlangender, während seine Hand abwesend auf der Hüfte des zweiten Mädchens ruhte – und Merlin – die beiden wechselten sich tatsächlich nach einer Minute ab!

 

Jetzt ritt ihn die erste Schönheit, und während die zweite hungrig seine Lippen küsste, kam er hart und schnell, und sein Kopf fiel erschöpft wieder zurück in die weichen Kissen. Beide Frauen schmiegten sich rechts und links neben ihn.

 

„Hattest du Spaß?“, erkundigte sich eine der beiden bei ihm, er konnte nicht mal mehr sagen, welche. „Meine Schwester und ich nämlich schon“, erklärte sie, und seine Augen öffneten sich knapp. Fuck. Das war so verflucht verboten, dass er kaum erwarten konnte, es Blaise zu erzählen. Unwillkürlich hoben sich seine Mundwinkel.

 

„Willst du noch mal?“, fragte die andere Schwester, und er hatte keine Ahnung, womit er diese verdammte Erlösung verdiente – aber er würde nicht nein sagen. Er verarbeitete traumatische Erlebnisse und wollte nicht weiter nachdenken.

 

„Verdammte Scheiße, ja“, entkam es ihm grinsend, und die Mädchen lachten verhalten.

 

Verdammte Scheiße, ja!

 

~*~

 

Sie war joggen gewesen, betrat ihre Wohnung nass geschwitzt und konzentrierte sich darauf, zu duschen. Penelope stand müde in der Küche.

 

„Du bist wieder da“, stellte ihre Mitbewohnerin einigermaßen kühl fest, und Hermine goss sich schnell noch ein nötiges Glas Wasser ein. Sie hatte die Stunde, die sie laufen wollte überschritten und war praktisch ausgetrocknet.

 

„Ja“, bestätigte sie, ohne Penelope anzusehen. „Bin gestern Abend spät wiedergekommen“, ergänzte sie mit schnellen Atemzügen, leerte das Glas und stellte es zurück. Sie war letztendlich doch noch das Wochenende bei Harry und Ginny verblieben, hatte ihnen aber nicht vom Seher und seinen Neuigkeiten erzählt.

Sie hatte nicht gekonnt, nicht gewollt. Denn sie wusste es nicht zu ändern. Der Seher ging davon aus, dass sie es jetzt wusste, würde ihr zumindest die Chance geben, es zu verhindern.

 

Aber es waren eine Menge neuer Informationen gewesen, mit denen sie nicht viel hatte anfangen können. Das wichtige war wohl, dass sie jetzt noch lebte und wohl abwarten musste. Malfoy würde Astoria also heiraten, denn wen sonst? Und es überraschte sie nur beinahe. Zutrauen würde sie es ihm, denn charakterlich hielt sie nicht viel von ihm. Und sie hatte nicht mal ein Gefühl dazu, war komplett abgestumpft, nach dieser Information.

 

Penelope sah sie immer noch an, aber Hermine konzentrierte sich auf ihre Atmung und wandte sich dann wortlos ab, um zu duschen.

 

„Ich werde nicht auf dich warten“, rief Penelope ihr nach, und sie schien noch immer enttäuscht von ihr zu sein. Oder beleidigt – oder was auch immer sie war. Hermine war es gleichgültig. Sie hatte wahrlich andere Sorgen.

 

„Das ist ok“, sagte sie bloß und verschwand im Badezimmer.

 

Sie duschte, machte sich frisch, zog sich eine neue Uniform über, denn sie wollte sich nicht im Ministerium umziehen und verschwand dann ebenfalls zur Arbeit. Der Weg verlief reibungslos, sie kam noch pünktlich, verstaute ihre Tasche noch im Spind und folgte den übrigen Erstklässlern in die Halle.

Sie hatten in der ersten Einheit Verteidigungs-Theorie mit Eleanore, und am Rande stellte sie fest, dass die übrigen Mädchen, die sich neben sie setzten, tatsächlich einen Sicherheitsabstand einhielten. Als wäre sie ansteckend. Sie kommentierte es nicht.

 

„Beginnen wir“, erklärte Eleanore ein wenig gelangweilt, denn sie mochte lieber praktische Einheiten. Hermine war es einerlei. Und Eleanore benötigte Unterlagen, um sie abzufragen. „Wer kann mir die Phasen der Verteidigung nennen?“, fragte sie also, und Hermines Hand schoss mit einigen anderen nach oben.

 

„Hawthorne“, rief Eleanore wen anders auf.

 

„Schnelligkeit, Präzision, exakte Ausführung und Zielfindung“, zählte das Mädchen herablassend auf.

 

„Korrekt“, bestätigte Eleanore nickend. „Was sind die Basenzauber, um eine Blutung direkt zu stoppen?“, fuhr sie fort.

 

Hermines Hand schoss erneut nach oben, aber auch andere meldeten sich.


„Thomas“, nahm sie Dean dran, der sich sonst eher selten zu Wort meldete.

 

„Äh, Velox, Pernix oder Protinus?“, entkam es ihm, und Eleanore nickte wieder.

 

„Richtig“, sagte sie. Dieses Mal nahm sie ihre Unterlagen zu Hilfe. Es war also etwas, um das sich ausgebildete Auroren nicht scherten, nahm Hermine an. „Nennen Sie mir die magischen Parameter für eine exakte Verteidigungshandlung?“ Sie klang selber nicht zu begeistert von der Frage.

 

Zwei Hände meldeten sich. „Travers“, sagte sie, und das Mädchen räusperte sich.

 

„Es müssen alle vorgeschriebenen magischen Vorbehalte berücksichtigt werden?“, sagte sie vorsichtig, und Hermines Hand schoss erneut in die Höhe. Eleanores Blick streifte sie.

 

„So halbwegs. Granger“, nahm sie sie endlich dran.

 

„Die Verteidigungshandlung muss die Trias der Grundsätze zur ordnungsgemäßen Anwendung der Gewaltunterbindung einhalten, welche aufsteigend defensive, offensive und aktiv vasive Zauber umfasst“, gab sie die Textbuch-Antwort, und Eleanores Augenbraue hob sich knapp.

 

„Völlig korrekt“, sagte sie dann. „In welcher Situation ist der Barnaby-Gayle-Grundsatz anzuwenden?“, stellte Eleanore die nächste Frage, und nur Hermines Hand hob sich, ohne Zögern. Eleanore wartete einige Sekunden, bevor sie sie fixierte. „Granger.“

 

„Der Barnaby-Gayle-Grundsatz bezieht sich auf die Thesenforschung der Zauberer Barnaby und Gayle, nach deren Forschung ungleiche magische Zauber nicht vereinbar seien“, erklärte sie mit neutraler Stimme. „Zauber oder Flüche mit gleicher magischer Basis können sich demnach gegenseitig ausschalten, ungleiche Zauber oder Flüche verschlimmern das Endergebnis“, erläuterte sie.

 

„Irgendjemand Beispiele dafür?“, erkundigte sich Eleanore mit erhobener Braue, und Hermines Hand erhob sich wieder. „Granger“, sagte sie wieder.

 

„Beispiele für gleiche Zauber wären als Angriffszauber der Petrificus und als Abwehr der Expelliarmus. Beide Zauber wählen das passive Element, ohne Absicht Schmerzen zuzufügen, somit sind beide Zauber gleichermaßen geeignet und sollten nach ehemals standardmäßigem Kernlehrplan auch auf diese Weise entgegen gesetzt werden.“

 

„Wird der Barnaby-Gayle-Grundsatz noch vertreten?“, ratterte Eleanores Stimme runter, und Hermines Hand hob sich erneut. Sie erntete Eleanores eindeutigen Blick. „Granger, die Bühne gehört Ihnen – bitte“, forderte Eleanore sie gelangweilt auf.

 

„Der Grundsatz gilt heutzutage als überholt, wird aber für Basisflüche weiterhin genutzt. Populärstes Beispiel den Grundsatz zu entkräften ist das Avada-Expelliarmus-Paradoxon, erstmals beobachtet zwischen Voldemort und Harry Potter“, gab sie das einfachste Beispiel.

 

„Wunderbar“, bemerkte Eleanore freudlos. „Sollten Sie Punkte für Gryffindor erwarten, muss ich Sie enttäuschen.“

 

„Das ist kein Problem“, erwiderte Hermine schlicht.

 

„Machen wir weiter, obwohl ich denke, dass Granger den Hallenboden mit euch wischen wird“, äußerte Eleanore kopfschüttelnd ihre Bedenken, während ihre Augen entnervt die nächsten Fragen überflogen.

Hermine hatte die letzten beiden Tage offen gesagt das gesamte Lehrbuch durchgearbeitet. Es hatte sie abgelenkt von der verdammten Tatsache, dass ihr Leben enden würde.

 

Aber irgendwann war das Lehrbuch auch zu Ende gewesen. Und seitdem kreisten ihre Gedanken nur noch um den 20. Juli. Das war alles in ihrem Kopf.

 

~*~

 

Zum Mittagessen traf sie sich mit Harry und Dean. Niemand sonst hatte Interesse daran, mit ihr zu reden. „Wie war euer Morgen?“, wollte Harry von ihnen wissen, und Dean antwortete mäßig entnervt.

 

„Erinnerst du dich an Hogwarts? An so ziemlich jedes Fach mit Hermine?“, wollte er von Harry wissen, und dieser runzelte die Stirn.


„Ja?“, entkam es ihm fragend, und Dean verdrehte die Augen.

 

„Ungefähr so. Nur noch schlimmer“, ergänzte Dean vielsagend.

 

„Sehr beeindruckend“, sagte Harry lächelnd.

 

Auf ihrer Seite der Kantine brach kurzes Schweigen aus, und Harrys Blick hatte sich gehoben, nur um sehr schnell wieder auf seinen Teller zu fallen. Hermine folgte dieser Geste und erkannte Malfoy, Zabini und Cage die Kantine betreten und sich einen freien Tisch suchen. Sie konnte ihm keine Verletzung mehr ansehen, dachte sie abwesend. Tatsächlich wirkte er… gebräunt? Das war es, was sie als erstes dachte, verwarf diesen Gedanken aber wieder. Leer fiel ihr Blick wieder auf ihren Teller, denn ihn zu sehen ließ nur wieder den 20. Juli in ihren Fokus rücken, und sie hatte es satt daran zu denken. Seit drei Tagen dachte sie an nichts anderes, als daran, dass Draco Malfoy für ihren Tod verantwortlich sein würde und Wut brannte in ihrem Innern.

 

Malfoy sah nicht zu ihr, schenkte ihr keine Beachtung, und Hermine wusste, sie würde sich nicht konzentrieren können, mit ihm hier in der Kantine.

 

„Ich gehe schon mal runter, bis später“, verabschiedete sie sich umstandslos, erhob sich und ließ ihr kaum angerührtes Mittagessen verschwinden.

 

„Hermine, bist du ok?“, wollte Harry wissen.

 

„Alles in Ordnung, es geht mir gut“, erwiderte sie tonlos und verließ die Kantine. Sollten sich alles das Maul zerreißen, wenn sie nicht da war, dachte sie dumpf.

 

Der Nachmittagsunterricht zog sich in endlose Längen, und anscheinend hatte Harry Dean instruiert, ein Auge auf sie zu haben, denn er war bei ziemlich jeder Partnerarbeit ihr freiwilliger Partner, beobachtete sie genau, aber Hermine war nicht wütend, war nicht traurig, sie war… vollkommen neben sich. Kein Gedanke schien mehr wert, gedacht zu werden. Sie musste erst einmal diese Depression überwinden, in der sie unweigerlich steckte.

 

Nach dem Unterricht begleitete Dean sie sogar zu den Umkleiden.

 

„Gutes Training“, lobte er sie betont munter, und er war so transparent wie Penelopes Lieblingskleid. Hermine ignorierte seine Versuche, sie aufzumuntern.

 

„Mhm“, machte sie also nichtssagend, und sie bogen zu den Spinden ab. Sie konnte nicht erwarten, nach Hause zu gehen. Mit einem Mal war die Ausbildung, die sie so dringend hatte machen wollen nur noch anstrengend geworden, und sie konnte nur sich selbst die Schuld geben. Fast.

 

Es war das erste Zusammentreffen dieser Art.

 

Sam und Sam Shephard standen vor ihren Spinden und unterbrachen ihr Gespräch prompt, als Sam sie erkannte. Hermine hatte kaum die Zeit, irgendwas zu empfinden da erschienen auch schon Draco und Cage, in ein lockeres Gespräch vertieft, dessen Thema Hermine nicht verstehen konnte. Sie spürte Deans Anspannung regelrecht.

 

Für eine Sekunde schien alles still zu stehen. Selbst Draco und Cage unterbrachen ihr Gespräch, rührten sich nicht, aber Hermine hatte es versucht. Sie hatte sich bei Sam entschuldigt. Alles andere war nicht mehr wichtig.

Hermine würde sterben. Und als sie den Blick zu Dracos Gesicht hob, besaß dieser nicht einmal den Anstand, sie anzusehen. Er fixierte Sam. Ebenso wie dieser Draco fixierte.

 

Hermine bereute, nicht mehr Herrin ihres Intellektes zu sein. Aber immerhin wusste sie, wenn sie irgendwo nichts mehr zu suche hatte. Es interessierte sie nicht mal mehr. Es schmerzte nicht mal mehr. Sie war nur noch sauer mit sich selbst, dass sie vorübergehend ihren Verstand eingebüßt hatte. Ein Fehler, der ihr nicht mehr passieren würde. Nicht, dass es noch wichtig wäre. Es war ein Fehler, den sie nicht korrigieren konnte. Sie würde unter Umständen mit ihrem Leben zahlen. Mit ihrem viel zu kurzen und so verheißungsvollen Leben.

Sie hatte im Laufe der Jahre anscheinend aufgehört, ihren Verstand zu schärfen und hatte sich nur um ein fragwürdiges Sozialleben bemüht, hatte geglaubt, an Wert verloren zu haben, nur weil ein dummer Weasley sie abserviert hatte. Sie war zu klug für solche niederen Emotionen. Vor allem für Männer, die sie ganz klar nicht wertschätzten oder verdienten. So einfach war es. Was hätte sie sich für Leid ersparen können?

 

Sie unterbrach die Szene, auf die sich wohl sämtliche AIT bereits gefreut hatten, in dem sie Dean stehen ließ, an Draco und Cage vorbei marschierte, Sam ignorierte, ihren Spind öffnete, um unbeeindruckt ihre Tasche zu holen, den Spind verschloss, und mit erhobenen Kopf, ohne den Hauch an Interesse den Flur wieder verließ. Tatsächlich waren ihre Gedanken bereits wieder woanders, und vielleicht müsste sie Hogwarts aufsuchen. McGonagall fragen. Bücher finden, die ihr nicht die achtzehn Möglichkeiten aufzählten, einen abgetrennten Finger unterwegs wieder anzuhexen. Echte Bücher.

 

Draco Malfoy hatte ihr Leben versaut. Es verdorben. Es… beendet.

 

Und sie hasste, keinen Ausweg zu wissen. Sie wusste nur, ab jetzt existierte er nicht mehr für sie. Nichts weiter existierte mehr, bis ihr Verstand nicht eine adäquate Lösung des Problems gefunden hatte. Denn sie wollte nicht sterben.

Sie wusste, würde sie auch nur zulassen, ihn zu registrieren, ihm irgendeine Form der Aufmerksamkeit zu schenken, würde sie toben. Sie würde es selber sein, die ihm den nächsten Mungoaufenthalt bescherte – und das wollte sie vermeiden. Um jeden Preis. Denn vielleicht würde sie ihn auch einfach selber umbringen. Obwohl das vielleicht der Ausweg aus der Situation wäre. Wenn er nicht heiraten konnte, würde sie vielleicht nicht sterben. Sie verwarf den bitteren Gedanken wieder, denn sie wusste nicht, ob eine lebenslange Haftstrafe in Askaban den Aufwand überhaupt wert wäre.

 

Sie brauchte ihn nicht mehr, denn er brachte ihr nur Leid und Verderben.

 

~*~

 

Sie war schneller verschwunden, als er in der Lage gewesen war, ihre Anwesenheit ausreichend zur Kenntnis zu nehmen. Er hatte ein ziemlich fantastisches, sorgloses Wochenende gehabt, aber je näher der Sonntag gerückt war, umso weniger Lust hatte er gehabt, zurückzukehren. Er war bereit gewesen, in Blut zu unterschreiben, dass der Sex mit den beiden reichen Schwestern den Sex mit Granger um ein tausendfaches überschattete, der beste Sex seines Lebens gewesen war, aber sie zu sehen, brachte die Erinnerungen zurück. Das Gefühl.

 

Und der Sex mit den Schwestern kam ihm mit einem Mal billig und verkommen vor. Cage hatte ihm heute berichtet, was er verpasst hatte – und es war einiges gewesen. Anscheinend war Granger am Mittwoch nicht da gewesen, weil sie damit beschäftigt war, sicherzugehen eine mögliche Schwangerschaft zu terminieren. Sollte er der Hexenwoche denn Glauben schenken – was er nicht tat, aber selbst wenn es nur vorsintflutlich Vorkehrungen ihrerseits gewesen sein sollten, war es schlimm genug. Schlimm genug, dass die gesamte Riege von nichts anderem sprach, ihn mit anklagenden Blicken verfolgte, und er konnte sich nur ausmalen, was seine Eltern sagen würden.

 

Granger schien ihn zu ignorieren, schien sich nicht zu interessieren, dass ihr mittlerweile Exfreund ihn vermöbelt hatte, und das alleine machte es ihm fast leichter, sie ebenfalls zu ignorieren. Zwar wusste er nicht, wie lange er dazu in der Lage sein würde, aber besser, er gab sich Mühe. Shacklebolts Warnung war eindeutig gewesen.

 

„Netten Urlaub gehabt?“, fragte Sam ihn direkt, offen angriffslustig, und Draco suchte keine Auseinandersetzung. Sam schien keine ehrliche Antwort zu erwarten.

„Wegen mir braucht ihr euch nicht zurückhalten“, informierte Sam ihn kalt. Alle anderen Anwesenden warteten gebannt, beobachteten sie mit großen Augen. „Du hast gewonnen, Arschloch!“, rief Sam jetzt. Und Draco sagte gar nichts, sah Sam zu, wie er zornig seine Sachen aus seinem Spind holte und die Tür zuknallte. Sehr gewaltbereit stand Cage neben ihm, und kurz überkam Draco das Gefühl, Crabbe und Goyle neben sich zu haben. Er kam sich wieder vor, wie der Bully, der er einst gewesen war. Und er hasste das Gefühl. „Schön, dass du deine Fresse mal nicht aufbekommst“, sagte Sam, als er auf ihn zukam. „Und falls es nicht klar war – wir haben nichts mehr miteinander zu tun, Malfoy. Wir sind fertig. Und das nächste Mal, wenn dich jemand umbringen will, hast du es dir besser nicht mit jedem verscherzt, der dich retten könnte.“ Sam ließ ihn stehen. Er hatte es versaut.

 

Und er konnte nur annehmen, Granger hatte ihre Abfuhr bereits erhalten. Und so unglücklich, wie es begonnen hatte – so unglücklich hatte es geendet, ging ihm bitter auf.

 

„Las uns gehen“, sagte Cage neben ihm, und Draco wusste nicht, ob er ernsthaft Lust darauf hatte, jetzt zu Cages Seite zu gehören. Aber wahrscheinlich war es diese Seite – oder gar keine mehr.

 

 

37. gone girl

 

Es schockierte ihn selbst, wie wenig er protestiert hatte, als Blaise ihn überredet hatte, den Club zu besuchen. Blaise wollte sehen, ob Pansy da war, und er? Er hatte nichts zu tun. Er hatte gelernt, hatte kein Interesse daran, wegzugehen, irgendwen zu sehen und womöglich den dritten Abend in Folge Cages langweiligen Geschichten zuzuhören, die von seiner schrecklichen Familie handelten.

Und fast war er schon an die schockierten Blicke der Leute gewöhnt. Auch hier folgten sie ihm.

Er nahm an, seine Eltern waren hier, denn sie waren jeden Tag hier. So kam es ihm zumindest vor.

 

Aber dieses Mal wurde er nicht herzlich willkommen geheißen. Er konnte kaum den Vorsaal betreten, da kam ihm Lucius mit sehr schnellen Schritten entgegen.

 

„Blaise, ich muss mit Draco reden. Geh ruhig schon vor“, eröffnete sein Vater das Gespräch, ohne jede Begrüßung, und Draco hatte fast schon damit gerechnet. Blaise warf ihm einen fragenden Blick zu, aber Draco nickte ergeben den Kopf. Kaum war Blaise vorangegangen, umfasste sein Vater seinen Oberarm fast grob und zog ihn zurück, raus aus dem Saal, wieder in den Eingangsbereich.

 

„Was, in Merlins Namen, fällt dir ein, hier aufzutauchen?“, fuhr Lucius ihn übergangslos an. Dracos Mund öffnete sich knapp. „Willst du uns nun öffentlich zum Gespött hier machen?“, wollte er zornig wissen, und Dracos Stirn legte sich in Falten.

 

„Ich bin hier mit Blaise.“

 

„Ich denke, Blaise ist besser dran, ohne deine Anwesenheit hier – und Pansy ist sowieso nicht da“, ergänzte Lucius bitter. „Ich werde dich jetzt höflich bitten, hier zu verschwinden.“ Dracos Blick fiel.

 

„Es ist vorbei“, sagte er bloß, und sein Vater lachte hart auf.

 

„Oh ja? Nachdem unsere Familie in der Klatschpresse gedemütigt wurde ist es vorbei, ja? Wie nobel von dir. Wie rücksichtsvoll. Wenn du dein Gesicht hier zeigen willst, dann wartest du gefälligst die nötige Zeit, die es kosten wird, diese Sache aus der Welt zu schaffen. Wenn dir noch irgendetwas an diesem Leben hier liegt, dann besitzt du den nötigen Verstand und richtest nicht noch mehr Schaden an!“

 

„Du wirfst mich raus?“, erkundigte sich Draco bitter bei ihm.

 

„Mit beiden Händen, und zwar auf der Stelle, ja.“ Und Lucius schien nicht in der Stimmung, Witze zu machen. Nicht, dass Draco jemals erlebt hätte, dass sein Vater irgendeine Art von Humor besaß, aber jetzt gerade wirkte er mehr als entschlossen.

 

„Keine Sorge, ich gehe“, räumte Draco gepresst ein.

 

„Gut“, bestätigte Lucius, wartete tatsächlich, bis Draco den Club wieder verlassen hatte, und Draco hoffte, dass Blaise nicht zu lange bleiben würde. Draußen vor den Toren stand er unschlüssig im zugigen Wind. Wo sollte er jetzt hin? Was genau sollte er jetzt tun? Es war tatsächlich ein Tiefpunkt, den er so nicht vorhergesehen hatte.

 

Und dann erkannte er sie von weitem. Sie näherte sich zögerlich, war wohl gerade erst appariert. Er blieb, wo er war, wartete, bis sie ihn erreicht hatte, und er fasste sie prüfend ins Auge. Es war eine ganze Weile her, dass er alleine mit ihr geredet hatte.

Pansy war seine erste Freundin gewesen. Für ganze drei Wochen im sechsten Jahr. Es war nie über Händchenhalten und einen ungeschickte Zungenkuss hinausgegangen, aber er erinnerte sich.

 

„Hey“, begrüßte er sie schließlich, als sie blass vor ihm stand. „Blaise ist drinnen.“

 

„Schön für Blaise“, erwiderte sie angespannt. Sie schien sich zu wappnen.

 

„Du solltest mit ihm reden“, schlug Draco vor, aber Pansy fasste ihn strenger ins Auge.

 

„Ich denke, von dir muss ich mir keine Ratschläge abholen, oder Draco?“, fragte sie direkt, und er öffnete überrascht den Mund.

 

„Was?“

 

Ich meine, du bist genauso… seltsam wie ich“, sagte sie dann. Er runzelte die Stirn. Dann begriff er.

 

„Du meinst wegen Granger?“, erriet er ihre Gedanken dann, und sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Hätte nur gefehlt, dass auch sie schwanger wäre.“

 

„Ha ha“, machte er, aber tief in seinem Innern verursachte es ein ohnmächtiges Gefühl der Angst. Das wäre noch schlimmer als alles andere gewesen, nahm er dumpf an.

 

„Ich hätte es nicht von dir gedacht“, merkte sie knapp an.

 

„Was? Dass ich Sex habe? Mit einer Gryffindor?“, ergänzte er vielsagend.


„Komm schon, ich bitte dich. Du warst-“

 

„-ich weiß, was ich war.“ Der Vorzeigesohn eines Todessers. So in etwa würde Pansys Beschreibung lauten. So lautete sie immer, egal, wer über ihn sprach. Aber er hatte das geändert. Vor Jahren schon. Aber es schien ihn immer noch zu verfolgen, und würde ihn verfolgen bis zu seinem letzten Tag, nahm er finster an. „Und ich habe dich in der Schule garantiert nicht hinter einem Weasley herschmachten sehen“, schlug er in dieselbe Kerbe, und Pansys Blick fiel. „Was tust du hier heute?“, wollte er wissen, wo sie doch ganz klar kein Interesse an Blaise hatte und so gut wie gar nicht mehr hier war.

 

„Ich… werde es Weasley sagen“, informierte sie ihn schlicht. „Ich nehme an, du bist im Bilde, da sogar deine Freundin Bescheid weiß.“


„Sie ist nicht meine Freundin“, korrigierte er Pansy, fast neutral. „Wieso bist du hier, wenn du es Weasley sagen willst?“ Aber Draco kannte die Antwort. Pansy handelte wie er.

 

„Weil ich es meinen Eltern zuerst sagen werde. Um bloß keinen Rückzieher zu machen“, ergänzte sie, wesentlich stiller, viel nervöser.

 

„Sie werden nicht begeistert sein.“ Und das war noch untertrieben. Sie würden nicht mehr mit ihr reden.

 

„Das weiß ich.“

 

„Hast du dir das gut überlegt?“

 

„Hast du dir gut überlegt, Sex mit Granger zu haben?“, fragte sie ihn gereizt.

 

„Für mich hat es keine Konsequenzen“, sagte er lediglich. Aber Pansy hob demonstrativ die Augenbrauen, sah ihn nachsichtig an.

 

„Ach nein?“, wollte sie bloß wissen.

 

„Sicher, Lucius ist sauer, aber…“ Aber? Er war sich nicht ganz sicher, was er sagen wollte. Aber Pansy enttäuschte ihn nicht.

 

„Aber zur Not hast du ein Sicherheitsnetz?“, sagte sie kühl. „Zur Not lässt du die Ausbildung sein und rennst zurück zu Daddy, ja?“ Und er sah ein, dass Pansy diese Möglichkeit nicht nutzen wollte.

 

„Du könntest Blaise heiraten“, sagte er, ignorierte ihre Worte, denn er brauchte kein Sicherheitsnetz.

 

„Es geht wohl nicht wirklich darum, was ich könnte und was nicht“, erwiderte sie kopfschüttelnd. „Ich muss das tun, was richtig ist. Nicht nur für mich. Vielleicht… solltest du auch öfters Mal diese Methode versuchen, Draco?“, schlug sie ihm bitter vor, und er verzog den Mund. Er hasste die Wahrheit hinter ihren Worten und hatte sie auch nicht nötig.

 

„Viel Glück“, sagte er dann. Armer Blaise.

 

„Für dich auch“, verabschiedete sie sich ernst, und er nahm an, er würde sie für eine ganze Weile nicht sehen. Er hatte es ihm Gefühl. Er sah ihr nach, bis sich die Türen hinter ihr schlossen, und hatte nicht vor, zu bleiben, bis ihre Eltern sie ebenfalls rauswarfen.

 

Er apprierte. Denn jetzt war es auch egal.

 

 

Er hatte geklingelt, jemand hatte ihn reingelassen, und er nahm zwei Stufen auf einmal nach oben. Denn wo sollte er jetzt noch sein, wenn nicht hier? Er hatte sonst nichts mehr, außer das leere und falsche Gefühl in seinem Innern.

 

Er erreichte ihre Etage, klopfte an die viel zu vertraute Tür, und dass er selber hier gewohnt hatte, kam ihm Jahre her vor. Penelope öffnete, und als sie ihn erkannte, wurde der Ausdruck auf ihrem Gesicht hart.

 

„Hey“, begrüßte er sie still.

 

„Hermine, dein Freund ist hier“, rief Penelope lediglich und ließ ihn im offenen Türrahmen stehen. Gut, Penelope fand ihn auch scheiße. Das wunderte ihn nicht. Er nahm nur noch zur Kenntnis, dass alle Welt annahm, sie wären ein Paar. Sollten sie alle ruhig dumme Gedanken haben. Er wartete, und schließlich öffnete sich ihre Zimmertür. Seine Augen sogen ihren Anblick auf. Sie wirkte so müde. Sie hatte geweint. Ihre Augen lagen in Falten, und langsam kam sie näher. Aber etwas war anders. Etwas in ihrem Blick war verschwunden. Er wusste es nicht zu benennen, aber es machte ihm Angst.

 

Und sein Mund öffnete sich, als sie ohne ein Wort, die Tür wieder schließen wollte. Sofort umfasste er das Holz.


„Hermine, warte!“, sagte er sofort, hätte nicht damit gerechnet, dass sie nicht mit ihm reden würde, und plötzlich überkamen ihn viele Ängste gleichzeitig. Hätte er heute auf dem Flur mit ihr reden müssen? In der Kantine? Wusste sie von Benevento? Hatte Blaise mit ihr gesprochen? Nicht, dass er ihr Rechenschaft schuldete – oder tat er das? Sein Herzschlag ging unregelmäßig in seiner Brust, seine Atmung beschleunigte sich unwillkürlich. Er hatte ein schlechtes Gewissen, wie ein Kind, und wusste nicht mal, warum.

 

„Geh“, sagte sie warnend, ihre Stimme bebte, und dieses Mal bekam er keine Drohung aus ihrem Mund zu hören, dieses Mal zog sie den Zauberstab, richtete ihn direkt auf ihn, und Zorn sprach aus ihren Augen.

 

„Wir müssen reden, Hermine“, sagte er wieder, und seine Stimme klang absolut erbärmlich, fast panisch.

 

„Wir müssen gar nichts“, sagte sie fast warnend.

 

„Was ist passiert?“, fragte er sofort, denn neben all den Dingen, die passiert waren – schien es noch irgendetwas anderes zu geben. Sie mochte traurig sein, sie mochte verletzt sein, aber irgendetwas war anderes. Irgendetwas passte nicht. Kurz schoss etwas in ihren Blick, etwas Gefährliches, und sehr kurz drohte der Zorn zu verschwinden, und ihr Blick wurde glasig.

 

„Draco, ich warne dich“, sagte sie sehr ruhig. „Ich will, dass du verschwindest!“ Und sie meinte es! Merlin, sie meinte es wirklich ernst! Das konnte nicht…- er konnte nicht-!

 

„Hermine, bitte-“, begann er, machte tatsächlich einen Schritt auf sie zu, und der Stupor traf ihn so unerwartet, als sie ihn stumm losließ, dass er keuchend zurückflog, zurück in den Flur, gegen die harte Wand, und es war nur eine schwache Dosierung gewesen, denn er stand noch auf den Beinen. Ungläubig sah er sie an, sein Mund öffnete sich, Tränen glänzten in ihren Augen, und er wagte nicht, sich zu rühren.

 

„Noch einen Schritt, und du liegst am Boden“, flüsterte sie jetzt. „Es ist vorbei. Ich hasse dich, Draco“, erklärte sie mit erstickter Stimme. „Und vielleicht schaffst du es, ein einziges Mal einen anderen Menschen zu respektieren!“ Er hatte einiges entgegenzusetzen, und viel wichtiger war, dass er nicht verstand! Er verstand gar nichts mehr! „Ich will dich nicht mehr sehen“, schloss sie bitter.

 

Aber er wollte sie sehen! Er wollte bei ihr sein! „Weil du denkst, es wäre falsch?“, entkam es ihm ungläubig, aber ihr Blick wurde hart.

 

„Du bist das einzige, was falsch ist“, sagte sie. „Und ich mache mir nur die Mühe mit dir zu reden, um dir absolut klar zu machen, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will. Komm nicht mehr hier her, lass mich in Ruhe, denk nicht mal mehr an mich! Vergiss einfach, was passiert ist und leb dein Leben!“, spuckte sie ihm entgegen.

 

Er wusste, es stimmte nicht! Er wusste es! „Du… du lügst“, sagte er kopfschüttelnd, denn er verstand nicht mehr. „Was… was soll das alles? Wieso sagst du diese Worte?“, wollte er völlig verständnislos wissen.  „Wenn du mich verfluchen willst, um mich zu bestrafen, dann tu das – aber… hör auf, dir irgendetwas vorzumachen!“, verlangte er, denn er wusste – tief in seinem Innern wusste er – dass etwas nicht passte! Sie log! Was sie sagte, stimmte einfach nicht! Und er konnte es sogar hören! Ihre Worte taten nicht mal weh, denn sie waren nicht wahr!

 

Sie hob den Zauberstab wieder, aber er stieß sich von der Wand ab, schlug ihre Hand achtlos zur Seite und umfing ihre Schultern. Sofort – Merlin, sofort – versuchte sie, ihren Arm freizubekommen.

 

„Hör mir zu!“, bat er sie gepresst, aber sie wehrte sich!

 

„Lass mich los!“, fuhr sie ihn beinahe panisch an. Tränen strömten jetzt aus ihren Augen, und es betäubte ihn fast vor Schmerz. Tat er ihr das an? Weinte sie wegen ihm? Was... was war passiert? Was hatte er getan? Wieso... wieso war sie...?

 

„Hermine!“, sagte er wieder, verzweifelt, übte keine Gewalt mehr aus, umfasste ihr Gesicht, musste ihre weiche Haut spüren, und seine Daumen wischten sanft die Tränen fort, und unter nassen Wimpern hob sich ihr unglücklicher Blick zu seinen Augen. Es zerstörte ihn! Er musste sie küssen! Er musste ihr diese Schmerzen nehmen! Dieser Ausdruck würde ihn in seinen Träumen jagen. Er senkte den Kopf, und ihre Augen weiteten sich vor Panik, als seine Lippen sanft über ihre strichen.

 

Ihre Blicke trafen sich, und er spürte die harte Spitze ihres Zauberstabs auf seiner Brust. Und innerhalb einer Sekunde wappnete er sich, denn er wusste, sie würde ihn verfluchen. Er wusste nur nicht, warum sie es-

 

„-Stupor!“, sagte sie zitternd, und ihm kam es vor, wie die geballte Dröhnung in die Brust. Seine Gedanken rissen ab, und diesmal schleuderte ihn die Wucht gegen die Wand, und sein Bewusstsein verabschiedete sich von ihm. Das letzte, was er sah, als er an der Wand hinabglitt, war ihr zerstörter Blick, und dann wurde es schwarz.

 

~*~

 

Die Tür stand noch immer offen, und sie war auf den Boden gesunken, weinte ziemlich jämmerlich, während sie mit sich kämpfte, ihn aufzuwecken oder ihn liegenzulassen.

 

„Hermine!“ Penelope kam mit schnellen Schritten zu ihr. „Was… oh Merlin!“, rief sie panisch, als sie ihn am Boden sah. „Was ist passiert? Was hat er…?“ Sie überprüfte seinen Puls, und schien erleichtert, dass er lediglich bewusstlos war. „Warst du das?“, wollte Penelope ungläubig von ihr wissen.

 

„Ich… ich habe ihn gewarnt“, flüsterte Hermine verloren, die Augen weit und leer. Penelope starrte sie lediglich an.

 

„Wieso verfluchst du ihn?!“, entkam es ihr verständnislos.

 

„Weil er mich nicht anrühren soll, und ich keinen anderen Weg weiß“, wisperte sie unter Tränen.

 

„Hermine“, sagte Penelope tonlos, bevor sie sich vor sie kniete und sie in den Arm nahm. Hermine sank an ihre Schulter und wollte nicht mehr. Ja, sie würde vielleicht sterben, aber ihm Schmerzen zuzufügen war beinahe noch schlimmer, stellte sie fest. Sie konnte sich nicht rühren, wollte hier bleiben, genau hier, bis er wieder aufwachte – aber sie konnte nicht. Sie durfte nicht. Sie war in ihn verliebt, aber er würde sie umbringen! Sie schluchzte jetzt, klammerte sich an Penelope, die sie nur fester hielt, und der Mangel an Worten sagte ihr, dass Penelope nicht verstand. Aber Hermine konnte es nicht erklären, wollte es nicht erklären.

 

Sie hatte zu große Angst. Angst, dass die Leute versuchen würden, zu helfen, dass sie alles mögliche unternahmen, und am Ende würde es nicht helfen. Es würde sich einfach erfüllen, und sie würde sterben. Sie wusste nicht, ob sie ihn von sich stoßen sollte – ob es nicht genau das Falsche wäre, aber der Seher würde es gewusst haben! Natürlich würde sie sich nach so einer Nachricht nicht rational verhalten, und sie glaubte einfach nicht, dass irgendetwas, was sie im Moment entscheiden würde, irgendeine Hilfe war.

 

Sie konnte es ihm nicht sagen! Er würde… er würde…- sie wusste nicht, was er tun würde! Wahrscheinlich würde er…- er würde helfen wollen, würde wohl nicht wollen, dass sie starb, aber was wäre das für eine Last? Sollte sie ihn zwingen, bei ihr zu sein?! Wo er garantiert von seinen Eltern verstoßen werden würde – und anscheinend wollte er ja Astoria heiraten. Sie könnte nicht so selbstsüchtig sein. Sie sah es selber, wenn sie ihn ansah. Sie war spannend für ihn, ihm gefiel vielleicht die Jagd nach ihr, das… verbotene Element, aber sie sah seinen wandernden Blick, sie sah die blassen Schimmer der Knutschflecke auf seinem Hals. Sie war nicht dumm. Sie war nicht blind.

 

Er wäre nicht treu. Und es gab keine Garantie, dass sie sich oder ihm irgendeinen Gefallen tat, wenn sie ihm diese Last aufbürgte. Ihm nicht und auch sonst keinem. Es war ihr schwacher Moment gewesen. Sie musste ihre Stärke wiederfinden. Sie musste einfach! Narzissa hatte Recht. Sie gehörte nicht zu ihm. Malfoy gehörte nicht in diese Welt, wo sie lebte. Die Vorhersage des Sehers stimmte nicht, es machte kaum Sinn, wenn sie darüber nachdachte. Sie sah nicht, dass Malfoy sein Leben lang bei den Auroren war, dass er verstoßen mit einem schmalen Gehalt leben könnte – mit ihr! Das war nicht Malfoy. Er war nicht jemand, der seinen eigenen Vater verriet. Es hatte alles nicht gestimmt.

 

Und sie konnte nicht mehr länger hier sein und sich etwas vormachen. Sie musste klüger sein und eine Lösung finden.

 

Sie machte sich von Penelope los, und erhob sich matt. Penelope erhob sich ebenfalls. „Hermine, was kann ich-?“, wollte das Mädchen hilflos wissen, aber Hermine schüttelte bloß den Kopf. Sie ließ Malfoy schweben, in die WG, und ließ ihn auf der Couch nieder.

 

„Kannst du… aufpassen?“, bat sie sie tonlos, und Penelope nickte überfordert.

 

„Sicher, ich…“

 

„Ich muss gehen. Ich muss… ausziehen. Ich… kann es nicht erklären, aber ich kann nicht hier bleiben, ok? Es ist… nichts gegen dich, und ich zahle noch für die nächsten Monate Miete, bis du wen gefunden hast, aber…“

 

„Schon gut, Hermine“, sagte Penelope sanft. „Alles, was du brauchst“, ergänzte sie, und Hermine fühlte grenzenlose Dankbarkeit. „Soll… ich ihn wecken?“, fragte Penelope dann zweifelnd, und Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Nein! Ich… erst, wenn ich weg bin“, bat sie still, und kam langsam näher, betrachtete sein schlafendes Gesicht, was keine Anspannung, keine Schmerzen zeigte, und er war tatsächlich schön. Er war ein absolut schöner Mann. Unwillkürlich hoben sich ihre kühlen Finger zu seiner Wange, strichen über die samtene Haut, und sie konnte nicht anders. Sie konnte nicht. Sie lehnte sich hinab und küsste seine weichen Lippen sanft. Nur kurz. Nur ein letztes Mal.

 

Zügig erhob sie sich, wich zurück, als hätte sie sich verbrannt und riss den Blick von ihm los. Es war ihr egal, dass Penelope sie misstrauisch beobachtete, dass sie glauben musste, sie wäre verrückt. Es war ihr gerade egal. Das war die letzte Schwäche. Das letzte Mal.

 

Sie brauchte einen Plan. Sie brauchte eine Familie. Aber… tatsächlich besaß sie eine Familie, ging ihr dankbar auf.

 

 

38. apart

 

Es war wie eine Trennung. Wie das Ende einer Beziehung, von der er nicht mal gewusst hatte, dass er sie geführt oder gewollt hatte. Es schmerzte nur genauso! So wie er es sich vorstellte, dass eine Trennung schmerzen würde. Er war in der WG aufgewacht und war von Penelope halbherzig getröstet und informiert worden, dass Hermine gegangen war.

 

Und das war sein Status. Unverändert.

 

Zwei Wochen waren vergangen, und alles, was er tun sollte, war, sich auf seine bevorstehende Prüfung zu konzentrieren – aber alles, was er tun wollte, war, sie zu sehen! Aber sie war nicht mehr da. Er hatte versucht, mit Shacklebolt zu reden, zu erfahren, was für Gründe es gab, dass sie nicht mehr kommen brauchte – dass sie die Ausbildung im Fernstudium weiterführen durfte, aber alles, was er aus dem Mann herausgekommen hatte, war, dass es Umstände gab, die ein solches Vorgehen rechtfertigen würden, dass er Draco keine weiteren Gründe nennen könnte, dass es ihn nichts anginge, und Draco war milde gesagt ausgerastet.

 

Es hatte ihm nur eine weitere Verwarnung eingebracht, und dann hatte er Potter belästigt, war sogar zu dem Bastard nach Hause appariert! Seine schwangere Frau hatte ihn sogar reingelassen, hatte ihm Tee angeboten – aber Hermine war nicht dort gewesen, schien dort nicht zu leben.

 

Und es machte ihn komplett wahnsinnig. Sie gab sich die größte Mühe aus seinem Weg zu gehen – ihn eiskalt abzuservieren, und es ihm mehr als deutlich mitzuteilen – nur irgendwie kam die Botschaft nicht bei ihm an. Es war ihm alles nicht gut genug. Ja, sie schien ihn nicht zu wollen. Fein. Aber er glaubte es trotzdem nicht. Und er wusste nicht, warum es auf einmal wichtig war. Warum er nicht das letzte bisschen Stolz besaß und diese Entscheidung akzeptierte. Anscheinend war sie vollkommen übergeschnappt, wenn sie ein Fernstudium machte, aus dem Grund allein, nicht in seiner Nähe zu sein!

 

Es sollte ihm zu denken geben – tat es aber nicht. Es machte ihn lediglich wütend. Seit zwei Wochen war er wütend, gewaltbereit, und wahrscheinlich lag es an Cage allein, dass er noch nicht entlassen worden war. Mit Sam hatte er sich bereits dreimal angelegt, dreimal an so öffentlichen Orten, dass es schieres Glück war, dass keiner der Trainer oder Shacklebolt persönlich ihn erwischt hatten – und jedes Mal war es seine Initiative gewesen.

 

Er hasste die Ausbildung, hasste die Leute, und gleichzeitig wollte er dort sein, wollte polarisieren, wollte sie alle herausfordern! Leer überflogen seine Augen die Textbücher, stumpfsinnig übte er Formeln, ohne Zauberstab und er vegetierte dahin, hasste, wie alles gekommen war, und er wartete nur darauf, dass sie endlich wiederkäme! Endlich wiederkam und ihn erlöste, verdammt!

 

„Hey.“ Er hatte Blaise nicht kommen hören, lernte seit Stunden mehr oder weniger aufmerksam in seinem Zimmer, und hob halbwegs aggressiv den Blick.


„Keine Zeit“, knurrte er bloß.

 

„Ja, ich weiß“, erwiderte Blaise, fast vorsichtig.

 

„Was willst du?“ Und immerhin besaß Blaise den Anstand, ihn nicht auf seinen Zustand anzusprechen. Es nicht zu kommentieren, seine offensichtliche Trauer über eine Beziehung, die überhaupt keine gewesen war. In seiner verdammten Schreibtischschublade stapelten sich die verdammten Zeichnungen von ihr – und er war nicht mehr so nobel und zeichnete nur noch ihr Gesicht, nein. Er war so tief gesunken, verruchte Aktzeichnungen von ihr anzufertigen, und wenn er nicht gerade lernte, onanierte er bis zur Erschöpfung. Er war ein epischer Versager, und er brauchte niemanden, der es ihm aufzeigte.

 

Wenn das Liebe war, dann verzichtete er dankend!

 

„Du hast Besuch“, sagte Blaise neutral, und Dracos Stirn runzelte sich gereizt.

 

„Ich will keinen Besuch“, sagte Draco bloß, und Blaise wich entschuldigend zur Seite. Dracos Augen verengten sich grimmig. „Was willst du?“, fragte er Potter direkt, ohne Begrüßung, ohne den Hauch von Höflichkeit zu heucheln.

 

„Danke. Ich schaffe es von hier an“, bemerkte Potter in Blaises Richtung, und Draco verdrehte die Augen.

 

„Mach es dir nicht gemütlich. Ich habe keine Zeit“, wiederholte es bloß, und Potter schloss die Tür hinter sich. Innerlich interessierte es ihn, warum der Held hier her kam. Zu ihm. Es musste mit ihr zu tun haben! Es musste!

 

„Schon klar. Prüfungen und so…“, bemerkte Potter still. „Ich… wollte mich entschuldigen. Für… die Sache in der Kantine“, begann Potter schließlich. Draco hob gereizt den Blick.

 

„Lege ich keinen Wert drauf“, erwiderte Draco ehrlich, denn es wäre so oder rausgekommen. Irgendwas wäre irgendwann so oder so passiert.

 

„Trotzdem. Es war… unachtsam. Ich hätte… nachdenken müssen. Das Offensichtliche… erkennen sollen“, schloss er dann. Draco legte die Feder beiseite.


„Das Offensichtliche?“, wiederholte er bloß ungläubig.

 

„Hermine mochte dich. Und… ich hätte sehen müssen, dass ein Kuss zwischen euch nicht alles war, was… passiert ist.“ Dracos Mundwinkel sanken. Sie hatte ihn nicht gemocht. Er hasste, dass Potter es sagte. Sie war weg, hatte ihn bewusstlos geflucht. Ganz klar mochte sie ihn nicht! Klarer ging es kaum.

 

„Du kannst dir das sparen. Ich habe zu tun“, informierte Draco ihn kalt.

 

„Ich habe sie vor zwei Wochen gesehen, habe erlebt, was es ihr angetan hat, in der Klatschpresse zu stehen, ihre Beziehung zu verlieren. Sie hat geweint. Viel geweint. So viel wie noch nie zuvor“, ergänzte er, und Draco hörte widerwillig zu. „Und… ich mochte die letzten Monate vielleicht falsch gelegen haben, nie richtig verstanden haben, aber…“ Er zögerte knapp, und Dracos Blick hob sich unwillig. „Ich weiß, sie wollte ungefähr zweihundert Mal zu dir, nach dir sehen, und sie hat nicht wegen Sam geweint. So viel hat Ginny mir versichert“, ergänzte er, und Draco starrte ihn an. „Und was auch immer jetzt gerade passiert, was auch immer sie jetzt gerade tut, ich glaube nicht, dass es das richtige ist. Shacklebolt will mir nichts sagen, aber… irgendetwas ist passiert.“

 

Ja! Das wusste er bereits! Er wusste das! Hatte Shacklebolt angeschrien deswegen!

 

„Was… was soll-?“, wollte Draco missmutig wissen, aber Potter sprach weiter.

 

„-keine Ahnung, ob diese Information hilfreich ist, ob du sie für irgendwas nutzen wirst, aber ich glaube, dass es ihr nicht gut tut, sich von dir fernzuhalten, wenn sie das gar nicht will.“

 

„Was? Woher willst du das wissen? Und welche Information?“ Draco konnte nicht anders, als an Potters Worten zu hängen. Harry Potter stand in seinem Zimmer und erklärte ihm, dass Hermine ihn wollte! Dann.. musste es stimmen, oder nicht? Oder nicht?!

 

„Ich weiß, wo sie ist, und ich weiß, sie weint immer noch wegen dir.“ Draco Herz ging schneller.

 

„Wo ist sie?“, wollte er sofort wissen, legte die Feder sofort beiseite, aber Potter schüttelte den Kopf.


„Das kann ich dir nicht sagen“, erwiderte Potter sofort.

 

„Was?“, entkam es Draco gereizt. „Du hast-“

 

„-ich werde dir aber sagen, wo sie nächsten Samstag ist“, unterbrach Potter ihn ruhig. „Denn ich denke, du solltest mit ihr reden, sofern… du das willst. Sofern-“


„-ich will!“, sagte Draco, bevor er nachgedacht, bevor er den Gedanken wirklich rational abgeschlossen hatte. Er wollte es! So absolut dringend! Potter nickte dann.

 

„Gut. Ich denke, das ist richtig“, schien er sich selber zu versichern. „Ich stehe ab und an in Kontakt mit Minerva“, erklärte Potter knapp, und Draco nahm das an. Potter stand mit sämtlichen Leuten in Kontakt, die Rang und Namen hatten. „Und Hermine wird nächsten Samstag in Hogwarts sein, um 2 Uhr. Ich weiß nicht, warum, Minerva konnte es mir ebenfalls nicht sagen, aber sie hat einen Termin dort gemacht – und Minerva schien gedacht zu haben, ich wüsste Bescheid. Also… Hermine weiß nicht, dass ich es weiß, aber ich denke, es wäre eine Chance für dich, herauszufinden, was passiert ist.“ Fast klang es mahnend, fast wie eine Warnung.

 

Und Draco fragte nur der Form halber. „Warum… gehst du nicht? Warum fragst du sie nicht selbst?“ Wenn Potter wusste, wo sie war, wenn er über all diese Informationen verfügte, dann sollte er sich kümmern.

 

„Ich habe angenommen, du wirst sie sehr wahrscheinlich dringender sehen wollen, als ich – und… ich bin nicht derjenige, den sie will, also… macht es mehr Sinn so.“

 

„Sie will mich nicht“, entkam es ihm plötzlich kopfschüttelnd. „Sie… sie hat mich verflucht, als ich sie küssen wollte“, räumte Draco plötzlich, beinahe ängstlich, ein. Potter runzelte die Stirn.

 

„Klingt sehr drastisch“, entkam es Potter nachdenklich. Ja, war es auch. „Klingt… übertrieben“, ergänzte Potter dann. Ja, es war übertrieben. Draco sah es ähnlich. „Ich gebe dir diese Chance, entweder, du nutzt sie weise, oder ich werde versuchen, selber mit Minerva zu reden“, schloss Potter das Thema wohl ab.

 

„Ich werde gehen“, sagte Draco sofort. „Potter?“, ergänzte er, als dieser sich bereits abgewandt hatte, denn die Epiphanie hatte ihn bereits erreicht. „Sie ist im Fuchsbau, oder nicht?“ Potter musterte ihn knapp.

 

„Molly wird dich eher verfluchen, als dass du dich der Haustür auch nur auf Sichthöhe nähern könntest“, erwiderte Potter kopfschüttelnd. Und Draco glaubte ihm tatsächlich.

 

„Danke“, sagte Draco schließlich.

 

„Bedank dich nicht. Vielleicht wird sie dich wieder verfluchen.“

 

Draco ging fast davon aus. Aber alles wäre besser, als das Leben, das er jetzt gerade führte.

 

~*~

 

Sie wusste nicht, weshalb sie Teil hiervon war. Sie wusste nur, sie hatte sich nicht rechtzeitig raugehalten.

 

„Dann entfern es!“, rief Ron absolut ungehalten, und Pansy stand etwa drei Meter entfernt auf der anderen Seite des Raumes und weinte Zornestränen.

 

„Ich werde es nicht entfernen!“, sagte Pansy wieder, und Hermine nahm an, Molly war klug genug, nicht ins Zimmer zu platzen. Hermine war nur hier, weil Ron sie zuvor angefahren hatte, ihr vorgeworfen hatte, ihn hintergangen zu haben, und ehrlich gesagt, hatte sie nicht gewusst, was sie zu ihrer Verteidigung hatte vorbringen sollen – und scheinbar nur deshalb vertrat sie jetzt Pansys Seite – denn, Merlin, das Mädchen war hier aufgetaucht, weil ihre Eltern sie bereits verstoßen hatten und sie nun augenscheinlich keinen Sickel mehr besaß. Keine Freundin wollte sie mehr unterkommen lassen, und natürlich hatte Molly auch für sie ihre Türen geöffnet.

 

„Wieso regst du dich so auf?“, mischte sich Hermine wieder ein, bereute ihre dämliche Frage aber sofort.

 

„Wieso ich mich aufrege? Ernsthaft?!“, entkam es ihm aggressiv. „Weißt du, ich habe dich noch nicht gefragt, weshalb du dich hier verbunkerst, und warum du – laut Harry – nicht mehr zur Ausbildung erscheinst, aber du hast kein Recht irgendwas gegen meine Meinung zu sagen! Du hast dein Kind scheinbar auch entfernen lassen!“ Zorn brannte in ihr.

 

„Ich habe gar nichts entfernen lassen – ich war nicht schwanger!“, knurrte sie, hasste, sich über diese verdammte Klatschpresse rechtfertigen zu müssen, und Ron sah sie wütend an.

 

„Aber du hättest es entfernen lassen, richtig?“

 

Ja. Hätte sie. Es tat aber nichts zur Sache! „Darum geht es hier wohl kaum. Außerdem kann ich jede Entscheidung für mich treffen, die ich will, ohne mich vor dir zu rechtfertigen – das hat nämlich nichts mit Pansys und deiner Situation zu tun.“

 

„Pansys und meiner-?!“, brauste er auf. „Wir hatten zu viel getrunken, Merlin noch mal! Das ist die einzige Situation!“, schrie er jetzt. „Es war ein Mal! Ein einziger Fehler in einer einzigen beschissenen Nacht!“, fuhr er haltlos fort. „Wieso bestrafst du mich dafür? Und dich, anscheinend?!“, entkam es ihm ungläubig, während er Pansy fixierte.

 

„Es war ein Fehler, aber ich werde ihn nicht rückgängig machen!“, rief Pansy wütend. „Du kannst schreien, dich aufregen – aber es passiert jetzt. Ich bekomme das Kind.“

 

Ron konnte nur den Kopf schütteln. Immer wieder. „Fein!“, sagte er dann. „Schön für dich. Ich will damit nichts zu tun haben, hast du verstanden, Parkinson? Und wenn du hier einziehst und meine Familie für immer nerven wirst – dann bin ich eben raus. Dann komme ich nicht mehr. Unfassbar, dass du das tust! So absolut unnötig! Du hättest Zabini nehmen sollen, als du noch die Chance gehabt hast“, knurrte er.

 

„Dann geh einfach!“, sagte Hermine jetzt sauer. „Wenn du so blöd und scheiße sein willst – dann geh!“ Ron fixierte sie böse.

 

„Und wir sind noch nicht fertig, Hermine. Garantiert noch nicht!“, schien er sie zu warnen, machte aber Kehrt und ließ die Haustür mit einem lauten Knall zuschlagen. Pansy stand wie angewurzelt an derselben Stelle und weinte stumm.

 

„Er wird sich abregen“, versprach sie Pansy dann. Sie wusste nicht, ob es hohle Worte waren. Sie ging aber davon aus, dass Ron einfach einige Wochen Zeit brauchen würde.

 

„Er kann machen, was er will. Ich will ihn nicht haben“, schluchzte Pansy jetzt.

 

„Pansy“, begann Hermine ratlos, aber Molly kam ins Wohnzimmer und umarmte Pansy völlig umstandslos.

 

„Keine Sorge, meine Liebe!“, sagte auch Molly jetzt mütterlich. „Du bleibst, solange du es möchtest. Das ist überhaupt kein Problem. Wenn Ronald sich derartig verhält, braucht er auch gar nicht mehr unter meine Augen kommen!“, war die barsche Lösung der Mrs Weasley, und Hermine glaubte ihr. Es schien hier mittlerweile ein Auffanglager für verzweifelte Frauen zu sein, dachte sie dumpf. Sie war hier untergekommen, hatte Ginny nicht nerven wollen, musste auch in Ruhe weiter lernen, und wollte auch nicht riskieren, dass Ginny erweichen würde, sollte Malfoy vor der Tür stehen – was er wohl schon getan hatte, aus Harrys Berichten.

 

Hermine hatte am Samstag endlich einen Termin bei McGonagall und wollte das Problem endlich angehen. Und in der Zwischenzeit dachte sie an Draco und vermisste ihn, wie ein Vollidiot.

 

Vielleicht war Pansy eine willkommene Ablenkung? Möglich war es.

 

Sie war bereit für jede Abwechslung, denn neben unglaublich nervenzerfetzenden, schmutzigen Träumen, in denen Draco all das mit ihr anstellte, worüber sie am Tage noch errötete, fürchtete sie sich immer noch vor ihrem Tod. Und das den Rest des Tages über.

 

Ihr Leben war unfassbar anstrengend geworden. Aber das schien bei Pansy ebenfalls der Fall zu sein. Vielleicht war es Schicksal, dass sie jetzt hier war? Obwohl Hermine die Nase voll hatte vom verdammten Schicksal und seinen elenden Konsequenzen.

 

 

39. saturday

 

Sie war nervös. Aus diesem Grund war sie schon eher im Dorf. Den Weasleys hatte sie gesagt, sie mache einen Spaziergang, bräuchte etwas Ruhe, denn Pansy war in eine Depression gefallen, die sie unausstehlich machte. Sie weinte praktisch den gesamten Tag, trauerte um ihre Familie, verteufelte Ron nebenher – und Hermine hatte keine Lösung für das Problem. Sie hatte schon keine Lösung für ihr eigenes Problem.

Shacklebolt und die übrigen Trainer waren freundlich genug, ihr Unterlagen zukommen zu lassen, Trainingseinheiten und Pläne, und Hermine war wirklich dankbar. Sie sah sich nicht im Stande, andere Menschen zu sehen, ihn zu sehen, und sie nahm an, alle dachten mit Sicherheit, sie wäre exzentrisch. Alle außer Shacklebolt, dem sie Halbwahrheiten erzählt hatte. Er hatte nach ihrem Treffen mit Goodwin gefragt, und sie hatte ihm lediglich offenbart, dass Goodwin freundlich genug war, sie über eine baldige schlimme Krankheit zu informieren. Es streckte die Wahrheit ein Stück, aber Shacklebolt war so betroffen gewesen, dass er Hermines Wünsche hatte erfüllen wollen. Außerdem war Hermine so gut, dass sie die Ausbildung auch alleine im Heimtraining schaffen würde. Es war zwar nicht der Sinn und es machte keinen Spaß – aber… nichts machte noch sonderlich viel Spaß.

 

Sie saß in den Drei Besen und kam sich wie ein junger Teenager vor. Sehr viele Schüler waren heute unterwegs, aber sie saß weit hinten in einer privaten Ecke, und niemand schien sich um sie zu scheren. Madame Rosmerta hatte sie überschwänglich begrüßt, und es war wirklich nett, hier zu sein.

 

Die Tür öffnete sich mit einem Läuten, und sie musste zweimal hinsehen, bevor sie erschrocken tiefer in den alten Polstern der Sitzbank versank. Ihr Herz rutschte tiefer, und der Schmerz kehrte mit aller Macht zurück.

 

Was bei Merlin tat er hier?!

 

Und als er nach einem freien Tisch suchte, erkannte er sie. Er verharrte in der Bewegung, bevor er sich näherte. Sie machte Anstalten, aufzustehen, aber er erreichte sie. „Geh nicht“, bat er still. „Bitte, bleib sitzen, Hermine“, sagte Draco mit eindringlichem Blick. Sie konnte nicht fassen, dass er hier war, und sie konnte nur annehmen, dass Harry irgendwoher Wind davon bekommen hatte, dass sie heute hier wäre! Sie schüttelte starr den Kopf.

 

„Nein“, sagte sie entschieden, wenn auch kaum hörbar.

 

„Dann verfluch mich wieder. So oft, wie du willst, aber ich werde nicht gehen!“, informierte er sie bloß.

 

„Malfoy“, sprach sie den Namen voller Unglück, wollte ihn nicht sehen, und erhob sich, nachdem sie einige Münzen auf den Tisch gelegt hatte. Er ließ sie gehen, folgte ihr aber. Sie wollte hier keine Szene machen, nicht vor all den Schülern. Sie ging zügig zur Garderobe, suchte ihren Mantel in dem schmalen Zimmer, griff ihn sich vom Bügel, als sie ihn entdeckt hatte, konnte ihren Schal aber nicht mehr finden. Er war direkt hinter ihr, kam näher, und sie beschloss, den verdammten Schal zurückzulassen. Dieses Opfer würde sie wohl bringen müssen. Hastig verließ sie die Wärme, stemmte sich gegen die Tür, während er ihr weiterhin folgte.

 

„Hermine!“, sagte er draußen, und die kalte Winterluft schlug ihr ins Gesicht. Sie wandte sich um.

 

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, wollte sie wissen, ohne dass es sie wirklich interessierte, ohne, dass es großartig etwas änderte.

 

„Ist das wichtig?“, erkundigte er sich bei ihr, und sie hasste, dass sie ihn vermisst hatte.

 

„Nein“, erwiderte sie kopfschüttelnd. „Lass mich einfach in Ruhe“, bat sie ihn unglücklich, und er kam näher.

 

„Ich kann nicht, Granger“, sagte er dann entschuldigend. Sie hasste, wie dringend ihre Augen ihn ansehen wollten, wie beruhigend allein sein Anblick war. Wieder schüttelte sie verzweifelt den Kopf. „Sag mir, was los ist. Sag mir einfach, was ich tun soll!“, verlangte er drängend, und wieder schüttelte sie den Kopf.

 

„Es gibt nichts, was du tun kannst, außer mich endlich in Ruhe zu lassen!“, wisperte sie, und als er sie mitten auf der Straße an sich zog, hatte sie nicht die Kraft zu widerstehen. Er küsste sie, und Tränen stiegen in ihre Augen. Für einige Sekunden erlaubte sie sich, ihn einzuatmen, seine Lippen zu schmecken, seine Nähe zu genießen, bevor sie sich von ihm löste. „Du musst es mir leichter machen, Draco“, flüsterte sie unter Tränen.

 

„Ich mache es dir verdammt leicht“, sagte er rau, wollte den Abstand wieder schließen, aber sie hielt ihn auf Abstand.

 

„Du musst mich gehen lassen. Bitte“, sagte sie bloß, und sein Blick brachte sie um.

 

„Nenn mir einen guten Grund. Einen, Hermine“, verlangte er von ihr, und er hielt sie weiterhin fest. Und den hatte sie.

 

„Es bringt mich um, in deiner Nähe zu sein“, erwiderte sie stockend. Seine Lippen teilten sich, sein heißer Atem kondensierte vor seinem Gesicht und sein Griff lockerte sich unwillkürlich.

 

„Ist… ist das dein Ernst?“, fragte er offen, und sie schluckte schwer, ehe sie nickte.

 

„Ja“, bestätigte sie unter Tränen. Seine Schultern sanken mit einem Mal und er ließ von ihr ab. Merlin, es tat so weh! So unfassbar weh. Aber sie wusste, tief in ihrem Innern wusste sie, würde sie jetzt nachgeben, wäre es ein Fehler. Vielleicht könnte sie… irgendwann wieder nachgeben, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Er nickte ernster.

 

„Was willst du bei McGonagall?“, fragte er dann, und jetzt war sie sich ziemlich sicher, dass Harry irgendetwas wusste. Wahrscheinlich von McGonagall persönlich. Ihr Blick fiel.

 

„Das ist privat“, hörte sie sich sagen.

 

„Was auch immer vorgefallen ist, egal, was passiert ist“, begann er jetzt, „ich werde immer da sein, verstehst du das?“, fragte er sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Und sie wusste, es stimmte nicht. Das dachte er jetzt vielleicht, aber sie wusste, es stimmte nicht. „Du kannst immer zu mir kommen, Hermine.“ Das würde sie nicht können.


„Hör einfach auf damit“, bat sie ihn still. Seine Augen weiteten sich.

 

„Womit?“ Sie konnte seine Verständnislosigkeit nicht begreifen.

 

„Mit deinen Versprechungen, mit…“ Sie schüttelte starr den Kopf, wollte sich gar nicht weiter auf das Gespräch einlassen.

 

„Es ist wahr!“, sagte er mit mehr Nachdruck, und zornig atmete sie aus.

 

„Es sind leere Worte. In einem halben Jahr wirst du nichts mehr davon wissen, Draco!“, entfuhr es ihr voller Schmerz.

 

„Was redest du für einen verdammten Blödsinn?“, fuhr er sie an. „Du schiebst mich weg! Du willst nichts mit mir zu tun haben und unterstellst mir, ich meine es nicht Ernst?“ Entrüstet sah er sie an. „Hermine, ich schlafe nicht mehr, ich esse nicht mehr, ich tue gar nichts mehr! Ich denke nur an dich! Nur an dich, verflucht!“, entkam ihm das Geständnis gepresst, und wieder wurden ihre Augen glasig.

 

„Das wird vergehen“, zwang sie sich zu den passenden Worten, und seine Augen weiteten sich.


„Das wird vergehen?“, wiederholte er ihre Worte. „Ist das bei dir der Fall? Hast du dich deshalb verpisst? Bist du deshalb nicht mehr im Ministerium, weil es bei dir vergangen ist? Das glaube ich nämlich nicht!“, rief er wütend.

 

„Draco-“, begann sie unglücklich, und sie konnte nicht mehr.

 

„-was soll ich tun? Sag es mir!“

 

„Du kannst nichts tun“, sagte sie, wovon sie glaubte, dass es der Wahrheit entsprach. Einige Schüler beobachteten sie bereits, und Hermine verkraftete keine Szene mehr.

 

„Du irrst dich, du machst einen Fehler, Hermine!“, warnte er sie, als sie einen Schritt zurückmachte. Sie atmete lange aus.


„Das kann sein“, räumte sie ein, denn tatsächlich bestand die Möglichkeit, dass sie sich genau falsch verhielt. Kurz weiteten sich seine Augen, hatten wohl nicht mit dieser Zusage gerechnet. „Aber meistens habe ich Recht, Draco. Und ich glaube, dieses Mal habe ich auch Recht-“

 

„-wovon-?“

 

„-deshalb bitte ich dich, lass mich tun, was ich tun muss!“, sagte sie energisch. „Und wenn ich mich irre – wenn es alles falsch ist, was ich tue, dann…“ Kurz fehlte ihr die nötige Luft zum Sprechen. Wenn sie sich irrte, und wenn die Lösung nicht die Distanz zu ihm war, sondern bei ihm zu sein, dann…

 

„-dann kommst du zurück“, beendete er den Satz, und fast erkannte sie den Hauch von Angst und Misstrauen in seinem Blick. Und sie nickte einmal.


„Dann komme ich zurück“, flüsterte sie unter Tränen. Sein Blick war durchdringend. Auch er nickte, bevor er sich widerwillig umwandte. Er vertraute ihr. Er glaubte, sie irrte sich. Vielleicht lag er richtig. Fast hoffte sie es. Irgendwo tief in ihrem Innern. Wie dumm von ihr. Sie war nicht viel klüger geworden. Vielleicht änderte es sich noch.

 

Als sie die entgegengesetzte Richtung einschlug und zur Anhöhe von Hogwarts marschierte, passierte sie eine Traube Slytherinmädchen, die ihr nachsahen. Merlin sei Dank war Astoria nicht dabei, dachte sie dumpf. Merlin, sei Dank!

 

~*~

 

Als McGonagall sie empfing, war sie emotional komplett ausgelaugt. Er hatte sie geküsst. Sie hatte ihn geküsst. Es fiel ihr so schwer. Die richtige Entscheidung fühlte sich mit einem Mal falsch an.

Sie hoffte einfach, es gab eine Lösung. Und dass McGonagall sie wusste.

 

„Miss Granger, was für eine angenehme Überraschung. Setzen Sie sich doch bitte. Haben Sie alles gut gefunden?“, erkundigte die alte Schulleiterin sich freundlich bei ihr, und McGonagall zu sehen, hob ihre Stimmung ungemein.

 

„Sie meinen das Büro der Schulleitung?“, vergewisserte sie sich mit einem schmalen Lächeln. „Ja, ich hatte keine Schwierigkeiten“, bestätigte sie freundlich.

 

„Sie wirken müde, meine Liebe“, erkannte McGonagall mit gerunzelter Stirn.

 

„Das kann gut sein, Ma’am“, räumte Hermine ein.

 

„Bitte, nennen Sie mich Minerva. Ich sehe keinen Grund für unnötige Förmlichkeit, Miss Granger.“

 

„Das sehe ich genauso, Minerva. Nennen Sie mich einfach Hermine“, schlug sie vor, und Minerva lächelte warm.

 

„Hermine, ich bin sehr gespannt, was Ihr Anliegen ist, und ich hoffe, ich kann Ihnen von Nutzen sein“, sagte die Schulleiterin, und Hermine brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln und alles Irrationale aus ihren Gedanken zu verbannen.

 

„Das hoffe ich ebenfalls. Ich werde nächsten Juli sterben und hatte mich gefragt, ob Sie vielleicht eine Idee hätten, es zu verhindern?“

 

Tatsächlich blinzelte ihre Schulleiterin sehr kurz, bevor sich ihr Mund knapp öffnete. „Bitte entschuldigen Sie, aber… haben Sie gesagt, Sie werden sterben?“, hakte die Frau verblüfft nach, und Hermine nickte still. „Mit Verlaub, woher wissen Sie das, Hermine?“

 

„Es ist… etwas komplizierter“, begann Hermine dann, aber Minerva faltete ihre schlanken, faltigen Finger vor ihr auf dem Tisch.

 

„Ich habe eine recht gute Auffassungsgabe, Hermine“, sagte die Frau dann ernst, „probieren Sie es“, verlangte sie gespannt.

 

„Ein Seher hat es mir vor einigen Wochen mitgeteilt“, begann sie. Minervas Stirn legte sich in Falten. „Vielleicht muss ich anders beginnen“, korrigierte Hermine sich abwesend. „Vielleicht muss ich damit beginnen, dass Draco Malfoy beschlossen hatte, die Ausbildung zum Auror zu machen – oder vielmehr Kingsley hat es beschlossen“, erzählte sie dann. „Wissen Sie, Malfoy ist ein Animagus. Seltenmagisch, und Kingsley schien besonderes Interesse an der Vermarktung des Animagus‘ einerseits zu haben, als auch daran, Lucius Malfoy nach Askaban zu bringen.“ Minerva lauschte andächtig, unterbrach sie nicht. „Wahrscheinlich war es ein umfangreiches und teures Unterfangen, und zur Ausbildung im zweiten Jahr gehört die Lehre des Modifizierten Cruciatus“, fuhr sie fort.


„Und Mr. Malfoy trägt das Mal“, erkannte Minerva mit fachlichem Verständnis im Blick. Hermine war überrascht von ihrer Auffassungsgabe, aber dann wiederum – auch nicht wirklich. „Das war bestimmt eine schwierige Angelegenheit“, mutmaßte die Frau.

 

„Das Mal war verbunden mit dem seines Vaters-“

 

„-und Lucius Malfoy hat einer Entfernung widersprochen, natürlich“, schloss Minerva nickend.

 

„Sehr richtig“, bestätigte Hermine schnell. „Also wurde ein Team der Mysteriumsabteilung zusammengestellt, wohl um den weiteren Nutzen von Draco Malfoy schätzen zu lassen, und ob eine Fortführung der Ausbildung zweckführend ist“, schloss sie bitter.

 

„Und Kingsley hat sich einen Seher dazu geholt, der dumme Junge“, merkte Minerva kopfschüttelnd an.

 

„Ja, hat er“, sagte Hermine dann.

 

„Was genau hat der Seher empfohlen?“, wollte Minerva schließlich wissen, und Hermine atmete wieder aus.

 

„Er hat empfohlen, Malfoy mit mir trainieren zu lassen, den Modifzierten langsam, behutsam anzuwenden und Malfoy zu desensibilisieren, da ich… Mitleid mit ihm haben würde.“ Minervas Blick war plötzlich unangenehm, wie der einer Katze, die eine Maus entdeckt hatte.

 

„Aber Mitleid war nicht alles, was Sie hatten?“, wollte sie dann wissen, und Hermine spürte die sanfte Hitze in ihre Wangen steigen.

 

„Nein, das war nicht alles.“

 

„Ich verstehe“, war alles, was die Frau noch sagte.

 

„Aber ich wollte es nicht!“, beteuerte Hermine dann. „Und er wollte es nicht! Er… war in einer Beziehung, dann war ich in einer Beziehung, aber… irgendwie haben sich immer wieder Umstände ergeben, wo…- ich bin sicher, Ihnen ist die Hexenwoche unterkommen?“, wollte Hermine das leidige Thema abkürzen, und Minerva schürzte kurz die Lippen.


„Irgendetwas davon wahr?“, wollte sie sehr knapp wissen, und Hermine dachte kurz nach.

 

„Nur die Affäre. Sonst nichts“, räumte Hermine ein.

„Hm“, machte Minerva dann. „Fahren Sie fort.“

 

„Nach dem Bericht der Hexenwoche, nun…- danach hat mich der Seher aufgesucht, wollte mit mir reden, hätte Informationen, die er nicht für sich behalten wollte.“

 

„Sehr unwahrscheinlich, da Seher meist recht zurückgezogenen Menschen sind. Das bedeutet wohl, er empfand es als überragend wichtig“, kommentierte Minerva ihre Feststellung.

 

„Ich nehme es an, denn er verkündete mir, dass sich mein Schicksal geändert hätte, dass Ereignisse sich ändern würden, und dass… ich am 20. Juli sterben werde.“

 

Minervas Augenbrauen hoben sich beide. „Das ist merkwürdig konkret“, sagte die Frau, schien aber tatsächlich nur halb so schockiert, wie Hermine es gewesen war.

 

„Es ist Malfoys Hochzeit.“

 

Wieder wirkte Minerva milde erstaunt. „Eine Hochzeit ist geplant?“, wollte sie dann wissen.


„Nein. Noch nicht. Aber ich denke-“

 

„-aber Sie denken, es wird bald soweit sein?“, wollte sie wissen, und Hermine zuckte die Achseln.


„Es macht den Anschein. Es steht im Raum, ja. Malfoys Eltern und die Eltern von Astoria Greengrass planen die Hochzeit.“

 

„Astoria?“, entkam es Minerva überrascht. „Die-?“

 

„-Schulsprecherin aus Slytherin, ja.“ Minerva schien kurz nachzudenken.

 

„Wie immer bei solchen Vorhersagen, scheint die Lösung sehr einfach zu sein“, begann die Frau langsam. „Die offensichtliche Antwort wäre, dass Mr. Malfoy eben nicht an diesem Tag – oder an keinem Tag – heiraten sollte“, schloss sie schlicht. „Das Problem mit Vorhersagen ist aber meist ein anderes“, fuhr die Frau dann fort.

 

„Vorhersagen berücksichtigen, dass man Kenntnis von ihnen hat“, antwortete Hermine, als wäre es eine Frage im Unterricht gewesen.

 

„Exakt“, bestätigte McGonagall. „Der Seher wird Ihnen diese Vorhersage mitgeteilt haben, weil er wusste, dass Sie in der Zukunft Kenntnis davon haben werden. Ansonsten müsste er sich nicht die Mühe machen, denn unter Umständen, würde eine solche Zukunft gar nicht Wahrheit werden.“

 

„Das heißt aber, dass ich es weiß – und gewusst habe – und dass es trotzdem Wahrheit wird.“

 

„Richtig.“

 

„Soweit habe ich gedacht. Und ich weiß nicht, was ich-“

 

„-Sie haben zwei Möglichkeiten, und ich nehme an, Sie kennen beide, Hermine“, unterbrach die Frau sie nachsichtig.

 

„Ich ändere mich radikal und gehe in die Vermeidung, oder ich… lebe, wie ich vorher gelebt habe und… schaue, was passiert?“, antwortete Hermine still.

 

„Beide Möglichkeiten können falsch sein“, bemerkte Minerva. „Beide Möglichkeiten können richtig sein. Oder nur eine führt zum gewünschten Erfolg. Das ist das Problem mit Schicksal.“ Fast klang sie verärgert. „Man weiß nicht, was es beeinflusst. Nicht nachhaltig. Deshalb sind Vorhersagen mit Vorsicht zu genießen, und ein Tod, der heute sicher erscheint, muss in einem halben Jahr überhaupt nicht mehr sicher sein.“

 

„Minerva, ich weiß nicht-“

 

„-haben Sie Gefühle für Mr. Malfoy?“, fragte die Frau direkt.

 

„Ich… ich weiß es nicht. Ich… will ihm die Last nicht auferlegen. Ich will nicht, dass er für mich irgendwelche Nachteile in Kauf nimmt. Ich möchte einfach nur, dass…-“ Sie unterbrach sich seufzend. „Ja, ich habe Gefühle für ihn.“ Minerva lächelte beinahe.

 

„Und hat er Gefühle für Sie?“, erkundigte sich die Frau dann freundlich.

 

„Ich- er denkt, dass er das hat, ja“, räumte Hermine ein.

 

„Hm. Was kann man da wohl tun?“, schien Minerva gespielt nachdenklich zu sinnieren. „Eine wirklich schwere Entscheidung…“ Hermine verdrehte beinahe die Augen.

 

„Ganz so einfach ist es nicht.“

 

„Ist er gebunden? Verlobt? Vergeben?“, wollte Minerva eindeutig wissen, und wieder spürte Hermine die Röte in den Wangen.

 

„Nein, ist er nicht.“

 

„Und Sie? Verlobt, vergeben?“, wollte sie wissen, und Hermine lächelte zum ersten Mal.

 

„Nein, aber-“

 

„-Hermine, die Lösung erscheint mir in diesem Fall einigermaßen einleuchtend zu sein.“

 

„Aber was, wenn es falsch ist?“

 

„Dann werden Sie zusehen, dass Sie am Tag von Draco Malfoys möglicher Hochzeit soweit weg wie möglich vom Veranstaltungsort sind – am besten in meiner Obhut. Oder in Kingsleys Obhut, vielleicht in der Obhut von Mr. Potter“, schlug sie vor. „Ich halte für unwahrscheinlich, dass Sie sterben werden. Nicht heute, nicht im Juli.“

 

„Danke, Minerva.“

 

„Kein Problem, Hermine.“

 

Beinahe fühlte sie sich erleichtert, fast losgelöst.

 

Und wieder vermisste sie ihn! Stärker als vorher. Und jetzt wollte sie ihn sehen!

 

 

40. cheating

 

Blaise war gegangen, ging sich ablenken, tat Merlin, was! Und Draco hing seinen Gedanken nach. Es war nach drei, und er hatte keine Ahnung, was heute vorgefallen war, und was es war, dass Granger ihm verheimlichte. Aber Ungeduld hatte ihn befallen, und er wusste, er würde so nicht leben können. Nicht lange. Er hatte sie geküsst, und es war so nötig gewesen. So verdammt nötig.

 

Es klopfte an der Tür. Jemand war oben im Flur. War es wieder Potter? War es wieder Cage? Er hatte sich geschworen, nirgendwo mehr zu sein, nichts dummes mehr zu tun, einfach zu warten, auf irgendetwas Gutes, das passieren würde.

 

Und anscheinend war heute der Tag.

 

Er öffnete die Tür, und sie sah ihm entgegen. Die Augen weit, die Wangen gerötet. Seine Lippen teilten sich.

 

„Ich komme zurück“, sagte sie erwartungsvoll. Kurz stand er stockstill.

 

„Bist- bist du sicher?“, fragte er sie, denn er würde gleich nicht mehr viel Sinn für sonderlich viele Fragen haben. „Was…- was hat McGonagall gesagt?“, wollte er wissen. Noch immer nicht sicher, um was es überhaupt ging.

 

„Das ist nicht mehr wichtig. Ich bin mir absolut sicher, Draco!“, versprach sie ihm, ein Lächeln erschien auf ihren Zügen. „Aber… wenn du nicht willst-“, sagte sie einlenkend, und er verlor das Interesse am Gespräch.

 

„-halt den Mund, Hermine“, entkam es ihm kopfschüttelnd, und er schloss den Abstand. Und es war anders. Es war komplett anders. Sie küsste ihn zaghafter, vorsichtiger, und seine Arme glitten um ihren Körper, und sanft umfassten ihre Hände seinen Nacken. Er löste sich kurz. „Alles ok?“, fragte er sie atemlos, und sah in ihre glänzenden Augen. Sie weinte.

 

„Alles perfekt“, hauchte sie.

 

„Gut“, rang er sich ab. „Gut, denn ich werde dich nicht gehen lassen“, informierte er sie knapp. Sie schenkte ihm ein wunderschönes Lächeln.

Wieder schloss er den Abstand, küsste sie verlangender, und langsam schien sie aufzutauen, küsste ihn ebenfalls hungriger, ließ sich von ihm mitreißen, und blind führte er sie durch den Flur zurück in sein Zimmer. Er zog ihr den weichen Mantel aus, entfernte ungeduldig ihren Schal, schenkte ihrer Kleidung wenig Beachtung, und sie konnte ihre Sachen nicht schnell genug loswerden, so kam es ihm vor. Es gefiel ihm ungemein gut. Er zog sich den Pullover über den Kopf, öffnete seine Hose, und ihr Blick glitt über seinen Körper, fast ein wenig abwesend, als sähe sie ihn zum ersten Mal. „Angst vor mir?“, erkundigte er sich knapp, und wieder lächelte sie.

 

„Wieso sollte ich?“, fragte sie, öffnete ihren BH, ohne ihn aus dem Blick zulassen, und eilig zog er seine Shorts aus.

 

„Komm her“, befahl er rau, und sie kam der Aufforderung nach. Er griff in ihre schlanke Taille, warf sie auf sein Bett und war über ihr, um ihr Höschen auszuziehen.

 

„Können wir… es dieses Mal langsam angehen?“, bat sie ihn tatsächlich. „Ich will nicht immer-“

 

„-ja“, sagte er bloß. Er wollte es gar nicht schnell. Er wollte einfach nur sie. Und er durfte es. Er durfte es sogar! Sie waren ungebunden, und er griff sich den Zauberstab, um zu verhüten, aber sie hielt ihn auf.

 

„Nicht“, bat sie ihn. „Nicht jetzt. Später, ok?“ Er runzelte die Stirn.

 

„Wenn wir es nicht vergessen“, spottete er knapp, und wieder lächelte sie.

 

„Garamtiert nicht!“, versicherte sie ihm augenverdrehend, und er legte den Zauberstab beiseite. „Was schwebt Ihnen vor, Miss Granger?“, wollte er von ihr wissen, während er sie langsam mit seinen Fingern bearbeitete, und sie sich mit flachen Atemzügen auf die Lippe biss, während er einen Finger tief in sie gleiten ließ.


„Oh“, entkam es ihr mit roten Wangen. „Es ist ein guter Anfang“, brachte sie gepresst über die Lippen, und er schob zwei Finger in sie, während sein Daumen sanfte Kreise zeichnete.

 

„Ja?“, erkundigte er sich lächelnd. Sein Kopf senkte sich, und er küsste ihren Hals, ihr Schlüsselbein, ließ seine Zunge tiefer wandern, und sie zitterte unter ihm, als er ihre Brustwarze in den Mund saugte. Mittlerweile dehnte er sie mit drei Fingern, und starb bei dem heißen Gefühl allein, denn unregelmäßig krampfte sich ihr Muskel um seine Finger. Dann wanderte sein Kopf tiefer, küsste ihren Bauchnabel, ihren glatten Venushügel, und sie wand sich unter ihm.

 

„Draco!“, entkam es ihr, und sie war verdammt feucht. Feucht genug für ihn. Er richtete sich wieder auf, positionierte seinen harten Schwanz vor ihrer feuchten Enge, und sie sah ihn wieder an. Es war so anders. So verdammt neu, fast ungewohnt, dachte er blind. Nie hatte sie ihn so angesehen. Erwartung lag in ihrem Blick, und ein Hauch von… er wusste es nicht, kannte es nicht von ihr – würde es nicht als Angst oder Sorge bezeichnen, aber irgendetwas war es, was ihn störte.

 

„Willst du das wirklich?“, fragte er sie, wollte nicht, dass sie ihm irgendwelche Gefallen tat, weil er sie zwang, und dann lächelte sie wieder.

 

„Ich will dich. Immer“, versprach sie, und die Worte reichten ihm, um langsam in sie zu dringen. Sie schluckte schwer, schien dieses Mal geistig irgendwo anders zu sein, und dann schloss sie die Augen, atmete ruhiger, und er neigte den Kopf, um ihre Lippen zu küssen. Er dehnte sie, rammte sich in einem Zug zur Gänze in ihre erlösende Hitze, und sie keuchte in seinen Mund. Zügig zog er den Rhythmus an, konnte nicht anders, und sein Daumen unterstützte ihre Bewegungen, und mit jedem Stoß rieb er härter über ihre angespannten Nerven. „Draco!“, sagte sie irgendwann, warf den Kopf zurück, und ihre Hüfte bockte ihm entgegen. Er nahm sie härter, verlor sich in ihr, und er konnte sich nicht viel länger zurückhalten. „Ich liebe dich!“, wisperte sie, kaum hörbar, und es schickte ihn gänzlich über die Klippe, und er kam erbarmungslos hart, rammte sich noch ein paar Mal tief in sie, und er glaubte, es war das beste Mal gewesen.

 

Und sie… liebte ihn! Was für ein Gefühl!

 

Er verblieb noch einige Momente in ihr, spürte aber, wie sie sich regte, und schließlich zog er sich zurück, fiel neben sie, und sie lächelte versonnen.

 

„Das war… unglaublich“, flüsterte sie.


„Ebenfalls“, gab er zurück. Er wusste nicht, ob er sie auf die Worte ansprechen konnte. Jetzt schon. Ob sie ernstgemeint waren, ob er… sie erwidern konnte…? Er war vorsichtig geworden, was solche Worte, solche Gefühle anging. Aber wenn er diese Worte ihr nicht sagen konnte, wem sollte er sonst-

 

-es klopfte. Laut. Heftig.

 

„Erwartest du jemanden?“, wollte sie träge wissen, und er schwang gereizt die Beine aus dem Bett.

 

„Nein, und das werde ich demjenigen auch eindeutig verkünden“, erklärte er knapp. Er stieg in seine Shorts, machte sich auf den Weg durch den Flur, und scherte sich nicht darum, ziemlich nackt zu sein.

 

Er öffnete die Tür, und fast wurde ihm schlecht.

 

„Hey“, begrüßte sie ihn außer Atem, und sein Mund öffnete sich. Und sein Unterbewusstsein erkannte ihren Mantel, die Hose von heute Morgen, den blauen Pullover. Ihre Stirn runzelte sich über seinen Aufzug, und jetzt erkannte er sie wirklich. „Erwartest du wen Bestimmtes?“, entkam es ihr fragend, und es fiel ihm plötzlich schwer, zu atmen.

 

Es… war ein Albtraum. Es musste so sein. Sehr schnell verließ das Blut seinen Kopf, stürzte praktisch in seinen Unterleib, und er musste sich wankend am der Kommode neben der Tür abstützten, denn – was?!

 

„Draco!“, entkam es ihr sofort, und sie umfasste seinen Arm voller Sorge. Was-?“ Aber die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich. Langsam hob sich sein Blick, angstvoll und die sanfte Hoffnung, dass es ein Traum war, pochte noch in seinem Hinterkopf, aber…- nein.

 

Es war kein Traum.

 

Astoria kam aus seinem Zimmer, trug nichts weiter, als ein Laken um den Körper gewickelt, und geschockt schnappte er nach Luft. Hermine ließ ihn augenblicklich los und fast wäre er gefallen.

 

„Draco, am besten gehe ich. Morgen früh ist Vertrauensschülertreffen“, vernahm er die nun völlig fremde Stimme. Er würde das Bewusstsein verlieren.

 

„Das hat nicht sonderlich lange gedauert“, hörte er Grangers flache Stimme, und keuchend schnappte er nach Luft.

 

„Nein!“, sagte er. „Nein, nein, nein! Sie war nicht – es war nicht-!“ Er begriff nicht. Vielleicht hatte er einen Hirnschaden, ein… nachträgliches Aneurysma durch die vielen Attacken, und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Mit einem freundlichen Lächeln in Hermines Richtung verschwand das Mädchen wieder in seinem Zimmer, um sich anzuziehen.

 

„Malfoy-“, begann Granger tonlos, und sofort schoss sein Blick zu ihrem Gesicht.

 

„-du musst mir glauben! Es war nicht Astoria! Als sie geklopft hatte, warst du es! Du bist hergekommen – du… hat mir gesagt, du bist zurückgekommen – du…!“

Sie runzelte die Stirn – und sie glaubte ihm nicht! „Merlin, Hermine, ich schwöre! Es war nicht Astoria.“

 

„Jetzt ist es Astoria“, bemerkte sie lediglich, und er konnte es sehen. Die übermächtige Enttäuschung, und er starb vor Schmerz. Nein! Nein, nein!

 

„Vielsafttrank!“, lieferte ihm sein Gehirn die Antwort.

 

„Vielsafttrank?“, vergewisserte Hermine sich zweifelnd bei ihm.

 

„Denkst du ernsthaft ich würde mit ihr schlafen?“ Und sie sah ihn zögernd an. Ja, ging ihm auf. Das dachte sie.

 

„Du… hast mit ihr geschlafen“, sagte sie dumpf.


„Ich habe mit dir geschlafen!“, sagte er mit Vehemenz. „Oder ich… dachte, es wäre so“, entkam es ihm verzweifelt. Astoria verließ sein Zimmer gut gelaunt. „Du verdammtes Miststück!“, fuhr er das Mädchen aufgebracht an. „Du hast-“

 

„-was habe ich?“, wollte sie unschuldig wissen. „Meine Unschuld an dich verloren? In deinem Bett, in deinem Apartment?“ Sein Mund schloss sich absolut verstört. „Ja, das stimmt, Draco. Und es war perfekt, wirklich“, versprach sie ihm. Merlin, er hatte nicht – das konnte nicht-!

 

„Du Schlange hast Vielsafttrank benutzt!“, entkam es ihm fassungslos.

 

„Was?“, tat sie gänzlich schockiert. „Warum solltest du so etwas behaupten? Möchtest du Hermine den Schmerz ersparen? Das ist nett, Draco.“

 

„Du hast-!“, fuhr er sie an, aber Astoria lächelte entschuldigend. Und dann reichte sie Hermine den Schal. Entgeistert nahm Hermine ihn mit weitem Blick entgegen.


„Ich muss zurück, bevor sie die Tore schließen. Also… ich melde mich, Draco. Garantiert!“, versprach sie lächelnd, und er konnte nichts anderes tun, als ihr nachzusehen, wie sie sein Apartment verließ.

 

„Merlin, das…“ Verzweifelt sah er Granger an, als könne sie es richten. Sie wirkte verletzt und enttäuscht – so maßlos enttäuscht. „Du musst mir glauben!“, entkam es ihm sofort. „Hermine, du musst mir glauben! Ich würde niemals-“

 

„-ich glaube dir“, sagte sie schließlich kleinlaut, drehte den Schal in ihren Händen. Fast hätte er geweint vor Erleichterung.

 

„Wirklich? Du…- es stimmt, ok? Ich will nur dich – ich habe-“

 

„-es ändert nichts, Draco“, sagte sie stiller, warf den Schal fast zornig auf die Kommode.


„Was?“

 

„Sie ist achtzehn“, sagte Hermine jetzt behutsam, und wieder musste er sich an der Kommode abstützen. „Und wenn sie clever ist, wird sie… irgendwelche Beweise… aufheben“, ergänzte sie vielsagend, und Horror trat in seinen Blick.


„Wieso sollte sie-?“, begann er, aber Hermine ignorierte ihn.

 

„-hast du verhütet?“, fragte sie ihn direkt, und jeder Ausdruck verwischte von seinem Gesicht. Grangers Augen weiteten sich.

 

„Ich…- nein“, flüsterte er dann. „Sie… wollte nicht, sie hat gesagt- fuck!“, entfuhr es ihm. Aber Hermine sprach nicht weiter. „Was heißt das?“, wollte er sofort von ihr wissen. „Kann sie…- ich meine, kann sie-?“

 

„-schwanger werden? Ja, Malfoy. Sicher kann sie das, und ich nehme ganz stark an, dass das ihre Absicht war.“

 

„Der Vielsafttrank – sie war nicht, sie kann doch gar nicht-“

 

„-natürlich kann sie. Vielsafttrank ändert die äußere Erscheinung, nicht das innere Organsystem“, belehrte sie ihn kalt. Scheiße.

 

„Aber sie… muss nicht schwanger sein! Es könnte-“

 

„-sie ist Reinblüterin, Schulsprecherin – und als Hexe gibt es Mittel und Wege, auf jeden Fall schwanger zu werden. Und ich nehme an-“

 

„-Nein!“, donnerte seine Stimme, und sie zuckte zusammen. Panisch schüttelte sich sein Kopf. „Wie… wie bei Salazar hat sie-?“

 

„-heute Morgen“, erklärte sie dumpf. „Sie war heute Morgen in Hogsmeade, oder ihre Freundinnen waren da. Ich… habe meinen Schal in den Drei Besen zurückgelassen, und…“ Ihr Blick fiel auf den Schal auf der Kommode. „Anscheinend hat sie ihn gefunden“, nahm Granger schließlich tonlos an.

 

„Was… was soll ich jetzt tun?“, entkam es ihm rau.


„Woher soll ich das wissen?“, sagte Granger, ansatzweise Ekel auf den Zügen.

 

„Hermine“, entkam es ihm verzweifelt, und er streckte den Arm nach ihr aus, aber automatisch wich sie zurück. Schmerz durchfuhr ihn.

 

„Bitte, fass mich nicht an“, sagte sie lediglich. Tränen stachen hinter seinen Augen.

 

„Geh nicht“, sagte er rau.

 

„Ich… kann jetzt nicht hier sein – ich-“

 

„-aber… du bist hier! Du bist hergekommen, du-!“

 

„-du hattest Sex mit Astoria!“, fuhr sie ihn jetzt tiefverletzt an.


„Das hatte ich nicht!“, widersprach er sofort, wusste aber, dass es nicht stimmte.

 

„Und wie konntest du es nicht bemerkt haben?“ Kalte Wut schoss über ihre Züge.

 

„Hermine, ich habe nicht-“

 

„-es ist dir nicht aufgefallen? Keine Sekunde lang?“, wollte sie von ihm wissen, und er zögerte. Kurz. Sehr kurz, aber sie sah es. „Es ist dir aufgefallen?“

 

„Nein! Ich…- ja, es war anders. Aber ich… habe gedacht, es wäre… anders, weil die Situation anders ist!“

 

„Ich werde gehen“, informierte sie ihn jetzt kopfschüttelnd. Und so grenzenlos enttäuscht, dass es schmerzte. Überall.

 

„Ich habe keine Interesse an ihr – du weißt das!“, entkam es ihm jetzt wütend.

 

„Ja“, sagte sie tatsächlich, „aber es ändert nichts, verstehst du nicht?“, warf sie ihm jetzt vor. Verständnislos sah er sie an. „Sie wird dich erpressen, Draco! Sie hat dich am Arsch!“, machte Granger es mehr als deutlich.

 

„Sie kann mich nicht erpressen! Mit was?“

 

„Einem Baby zum Beispiel?“, rief sie jetzt zornig, und er schüttelte wieder den Kopf.

 

„Es interessiert mich nicht!“, sagte er bloß. Irgendetwas schoss über Grangers Gesicht, irgendwas flackerte in ihren Augen.

 

„Sie wird sagen, du hast sie gezwungen.“

 

„Das ist Bullshit!“, entfuhr es ihm haltlos.

 

„Und sie werden ihr glauben. Alle haben dein verdammtes Temperament im Ministerium erlebt, haben gehört, wie du sie beleidigt und fertig gemacht hast!“

 

„Warum sollte ich dann mit ihr schlafen?!“, schrie er blind vor Wut, und sie wich zurück.

 

„Weil Männer so was tun!“, schrie sie zurück, und sein Atem ging schnell. Sie machte noch einen Schritt zurück.

 

„Du willst ernsthaft gehen?“, sagte er jetzt ungläubig.

 

„Du kannst nicht im Ansatz wirklich denken, dass ich bleiben würde!“, erwiderte sie angewidert.

 

„Aber du bist-!“, begann er zornig, und sie schüttelte den Kopf.

 

„-es ändert alles, Malfoy. Verdammt noch mal alles!“ Und mit diesen Worten hatte sie sich abgewandt und lief die Treppe runter, verschwand aus seinem Sichtfeld, und er glaubte, er würde sich übergeben müssen.

 

Scheiße. Fuck, verdammt.

 

 

41. one shot

 

 Es war Montag, und sie war im Ministerium, teilweise, weil sie sich abgefunden hatte, teilweise, weil sie Pansys Stimmungsschwankungen nicht mehr ertragen konnte. Sie hatte für sich den Entschluss gefasst, dass sie McGonagalls subtilem Ratschlag folgen würde, und sich nicht mehr verstecken brauchte. Was kommen würde, würde kommen, egal, ob sie versuchte, es zu vermeiden oder eben nicht.

 

Deshalb war sie hier. Und nicht nur das. Sie hatte den Unterricht mitgemacht, als wäre sie einfach ein paar Wochen in Urlaub gewesen, weil sie es sich leisten konnte, garantiert nicht, weil sie starr vor Angst gewesen war. Sie ignorierte die meisten gekonnt, hatte nur mit Penelope und Dean gesprochen – und natürlich mit Harry beim Mittag – und jetzt besuchte sie, weil Kingsley ihr alles erlaubte, was ihr armes, krankes Herz begehrte, Malfoys Animagus-Training des zweiten Jahres. Offiziell, mit Erlaubnis, und gestern hatte sie zwar kaum geschlafen, hatte geweint und sich selbst bemitleidet und Malfoy dafür gehasst, ein untreues, dummes Arschloch zu sein – auch wenn sie ihm glaubte. Teilweise zumindest. Er blieb ein dummer Mann. Grenzenlos dumm. Und wieder erkannte sie, er war nichts für sie. Aus der Ferne vielleicht. Hinter Glas, zum Angucken.

 

Sie betrat die Halle, als gehöre sie ihr, war mehr oder weniger absichtlich zu spät gekommen, und immerhin unterbrach er seinen Vortrag. Auch Sam war noch immer hier, wollte wohl trotzdem den Schein machen, und kurz erntete sie seinen Blick. Und Kingsley schien noch keine Zeit gehabt zu haben, Draco zu informieren, stellte sie zufrieden fest. Dann durfte sie das jetzt wohl tun.

 

„Hermine“, entkam es ihm, völlig aus der Bahn geworfen. Er sah sie an, schien sich nicht sicher zu sein, was sie hier wollte, aber sein Blick glitt über ihre Uniform. Anscheinend hatte er sie heute noch nicht hier gesehen. „Du bist… wieder da?“, entfuhr es ihm, und ein Drängen lag in seiner Stimme.


„Ja, ich dachte mir… ich muss mich nicht verstecken. Nicht vor dir“, ergänzte sie bloß achselzuckend, und es kümmere sie nicht, was alle denken mussten – Malfoy eingeschlossen. Seine Stirn runzelte sich. „Oh, und Kingsley erlaubt mir, offiziell an deinem Kurs hier teilzunehmen, weil – tja, weil ich sowieso besser bin, als der Rest“, entkam es ihr offen, ohne Reue oder Scham. Sein Mund öffnete sich knapp.

 

„Ok“, sagte er dann. „Das ist… gut.“ Er klang sparsam. Er sah müde aus, und sein Blick verließ sie keine Sekunde. Aber anscheinend besaß er genügend Professionalität, um ihr keine hundert Fragen zu stellen.

 

Und natürlich war es nur Show. Innerlich starb sie. Ihn zu sehen war immer hart. Es tat immer weh. Zu wissen, dass er nicht mit geschlafen hatte, sondern mit Astoria schmerzte viel zu sehr, als dass sie es auf Dauer würde ignorieren können, aber jetzt gerade musste sie das. Denn sie hatte keine Wahl. Es half nichts.

 

„Ok, alle, die ihren Patronus wechseln wollen, kommen nach vorne“, befahl er, anscheinend befehlsgewohnt, mit dem rechten Maß an Autorität in der Stimme, und trotz ihrer Wut, trotz ihres Schmerzes fand sie ihn unheimlich sexy. Das würde sie ihm nicht sagen, aber ihre Gedanken waren noch frei.

 

Sie trat mit einigen weiteren nach vorne, die sie nur vom Sehen kannte, und-

 

Die Hallentüren flogen auf. Überrascht wandte sie sich um, als sie die Strafverfolgung erkannte. „Draco Malfoy?“, erkundigte sich diese, fasste ihn aber bereits ins Auge. Seine Stirn runzelte sich, als sie ihn überrascht ansah.

 

„Ja?“, erwiderte er langsam.


„Wir haben dringenden Tatverdacht einer unsittlichen Straftat und möchten Sie bitten, auf der Stelle freiwillig mit uns zu kommen“, erklärte ein hochgewachsener Mann, ohne ihn aus dem Blick zu lassen, und Hermines Mund öffnete sich. Astoria! Sie handelte scheinbar unfassbar schnell. Dracos Kiefer mahlten, sie sah es.

 

„Ok“, sagte er lediglich, steckte den Zauberstab ein, und sie konnte nicht fassen, dass er einfach gehen würde!

 

„Warte!“, sagte sie jetzt sofort und kam auf ihn zu. „Was… was tust du?“, fuhr sie ihn an. Er schenkte ihr einen knappen Blick.


„Ich mache keine Szene, wonach sieht es aus?“, erwiderte er gepresst.


„Miss, ich bitte Sie, den Einsatz nicht zu behindern“, bat sie ein zweiter Beamter streng, und sie schenkte dem Beamten einen so zornigen Blick, dass er kurz den Blick senken musste.

 

„Malfoy“, sagte sie, und er schüttelte nur sachte den Kopf.


„Lass es“, warnte er sie sehr still.


„Du kannst nicht-“


„-Granger, halt deinen Mund. Mach da keine große Sache draus“, unterbrach er sie eindringlich.


„Aber du hast keine unsittliche Straftat begangen! Ich war da!“, entfuhr es ihr blind.

 

„Sie waren da?“, wiederholte der erste Beamte mehr als interessiert, und Draco fuhr dazwischen.

 

„War sie nicht!“, korrigierte er sie knapp, den Blick nun entschieden zornig.

 

Es betraten weitere Männer die Halle, und Hermine erkannte Lucius Malfoy, so, wie er wohl aus der Irrwicht-Box erscheinen mochte. Sam hatte es ihr damals erzählt. Und seine Erscheinung war imposant und äußerst gruselig, ganz in schwarz, mit glänzenden Schuhen und einem Gehstock, der bei jedem zweiten Schritt ein gefährliches Geräusch auf dem Boden machte.

 

„Er wird nicht mit Ihnen kommen“, schien Lucius zu entscheiden. Seine Haare schienen zu leuchten. Sie steckten elegant in einem langen Zopf, und seine scharfen Züge, erinnerten sie an Dracos Gesicht. Sehr unwillkürlich fiel ihr die Ähnlichkeit der Männer auf. Draco sah seinem Vater zum Verwechseln ähnlich, dachte sie fast bestürzt. Nur die Augen, die hatte er wohl von seiner Mutter.

 

Und die Beamten gaben nicht mal vor, ihn nicht zu kennen. „Mr. Malfoy, wir haben unseren Befehl, ihn direkt-“

 

„-ich kann Ihnen gerne sagen, wohin Sie sich Ihren Befehl schieben können, wenn Sie möchten“, erklärte der Mann mit kalter Stimme. Und wäre Dracos Stimme kalt und herablassend, dann würde auch seine Stimme der seines Vaters ähneln, erkannte sie dumpf.

 

„Mr. Malfoy“, begann der zweite Beamte.

 

„Mein Sohn wird mit mir kommen, und unter überhaupt gar keinen Umständen wird er von Ihnen in die verdammte Verwahrung gebracht werden. Meine Rechtsmagier hier hätten Sie schneller aus Ihrem jämmerlichen Job geklagt, als Sie den Stupor auch nur würden denken können“, schloss er gefährlich ruhig, und die Beamten tauschten einen knappen Blick. „Sie können Ihrem Vorgesetzten gerne mitteilen, dass ich die volle Verantwortung übernehme, und lassen Sie Hastings ruhig wissen, dass ich immer noch über Informationen verfüge, die er wohl äußerst ungern mit der Öffentlichkeit teilen möchte – und garantiert nicht mit seiner Frau“, ergänzte Lucius mit einem falschen Lächeln. „Und Mrs Belvadour können Sie meine freundlichsten Grüße bestellen!“, ergänzte er derartig herablassend, dass Hermine annahm, Lucius und Eugenia Belvadour verband ein wenig mehr, als eine oberflächliche Bekanntschaft. Und das konnte sie sich fast schon denken, war Eugenia doch mehr als berüchtigt dafür, Ehemalige zu fassen.

 

Unschlüssig verharrten die Beamten eine knappe Sekunde.

 

„Vater-“, wagte Draco zu widersprechen, aber der knappe Blick aus den dunkelgrauen Augen seines Vaters brachte ihn zum Schweigen.

 

„-du hältst deinen Mund“, warnte er ihn tonlos. Nach einer weiteren Sekunde verschwanden die Beamten. Es verging ein weiterer unangenehmer Moment.

 

„Vater, du-“ Aber Lucius Rückhand kam unfassbar schnell und unfassbar laut aus dem Nichts geschossen, und er verpasste Draco einen unfairen Schlag, direkt ins Gesicht, so dass Draco keuchend zu Boden stürzte. Er spuckte Blut, und als sein Vater den Gehstock hob, reagierte sie blind, absolut unbewusst und ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern. Sie warf sich dazwischen, landete über Draco, und schloss die Augen, aber Lucius schien den Schwung gerade noch bremsen zu können.

 

Sie öffnete die Augen mit schnellen flachen Atemzügen wieder. Sie sah dem Mann furchtlos entgegen.

 

„Aus dem Weg, Miss Granger“, spuckte ihr Lucius kalt entgegen.

 

„Sie werden ihn nicht mehr verletzen!“, warnte sie den Mann. Kniete schützend vor Draco, und dieser regte sich hinter ihr.

 

„Ich werde mit meinem Sohn tun, was ich für richtig erachte“, informierte er sie herablassend, „und jetzt verschwinden Sie auf der Stelle“, schloss er mahnend, während er langsam den Zauberstab aus dem Gehstock zog.

 

„Sie können nicht-!“ Aber der Fluch traf sie stumm, schien eine Art Entfesslungs- und Bewegungsfluch zu sein, denn ihr Körper flog minimal über den Hallenboden und landete zwei Meter weit entfernt. Draco kam sofort auf die Beine, stürzte sich praktisch auf seinen Vater, aber die Rechtsmagier hielten ihn effektiv auf. Er warf sich gegen ihren Griff.

 

„Du rührst sie nicht an!“ Blut lief aus seinem Mundwinkel, und er spuckte es achtlos zu den Füßen seines Vaters. Lucius griff umstandslos und grob in seine Uniform und brachte ihn näher an sich.

 

„Das ist vorbei, Draco! Du wirst nichts mehr mit ihr zu schaffen haben! Deine kleine Muggel-Freundin wird hier bei ihresgleichen bleiben, hast du mich verstanden?“, fuhr er ihn an.

 

„Du kannst nicht-!“

 

„-teste mich nicht, Draco!“, warnte Lucius jetzt mit dröhnender Stimme, griff härter zu, und Hermine spürte die Tränen praktisch. Er war ein grausam böser Mann! Sie wollte reagieren, wollte selber den Zauberstab heben, aber zwei Arme zogen sie in die Höhe.

 

„Komm“, sagte Sam neben ihr, und sie wollte nicht! Sie wollte nicht!

 

„Kluge Entscheidung, Mr. Black“, nickte Lucius anerkennend, und Hermine hasste, dass Lucius ihn kannte, seinen Namen benutzte, als wären sie auch nur im Ansatz etwas wie Bekannte. Sam zog sie weiterhin.


„Nein, ich will nicht-!“, begann sie, vernahm aber dann Dracos Stimme.

 

„-bring sie hier weg!“, rief er Sam zu, und dieser zog sie erbarmungslos mit sich.

 

„Lass mich los!“, rief sie wütend, als er mit ihr die Halle verlassen hatte. Kaum war sie draußen, riss sie sich los. „Ich kann selber laufen!“

 

„Ja, und scheinbar kannst du dir selber eine verdammte Handvoll von Probleme aufhalsen!“, fuhr er sie an, und zornig fixierte sie ihn. „Du hilfst ihm garantiert nicht, wenn du dich da drinnen mit seinem Vater anlegst!“

 

„Seit wann interessiert es nicht, was mit ihm passiert?“, wollte sie fast verständnislos von ihm wissen, und sein Blick kühlte ab.


„Glaub mir, es interessiert mich einen Scheißdreck – von mir aus kann er ihn totprügeln“, entkam es Sam abwertend, und sie hasste, wie er sprach. „Aber du musst nicht mit untergehen“, ergänzte er bloß.

 

„Ich dachte, du hasst mich?“, wollte sie bitter wissen, und Sam atmete aus.


„Scheinbar nicht genug, um dich Dummheiten machen zu lassen“, antwortete er finster. „Und jetzt beweg dich“, befahl er ihr. „Malfoy ist ein großer, dämlicher Junge, der schon wissen wird, wie er sich unter der Hand seines Vaters zu verhalten hat.“

 

Hermine gefiel es nicht, aber sie erkannte, dass sie nicht viel ausrichten konnte. Widerwillig setzte sie sich in Bewegung und nahm an, würde sie nicht freiwillig gehen, würde Sam sie an den Ohren hinterherschleifen.

 

~*~

 

Er war den Männern gefolgt, der Geschmack des Blutes in seinem Mund war widerlich betäubend. Sein Kopf dröhnte, und er hasste seinen Vater. Hätte er Hermine auch nur einen blauen Fleck verpasst – er hätte ihn umgebracht!

Sie waren in der siebten Etage angekommen, und er betrat ein protziges Büro mit Doppelschreibtischen.

 

„Mr. Headley und Mr. Crane werden sich um die Verhandlung kümmern. Du wirst nicht anwesend sein müssen“, entschied Lucius schlicht.

 

„Vater“, begann er wieder, und Lucius hob die behandschuhte Hand.


„Sofern du nicht vorhast, mir handfeste Beweise zu liefern, dass du nicht mit Astoria geschlafen hast – spar deinen Atem.“ Draco schwieg unwillig. Er hatte keine Beweise. „Und der Stammbaum lügt wohl kaum“, informierte ihn sein Vater über alle Maße gereizt.


„Was?“ Draco verstand nicht, wollte nicht mal verstehen.

 

„Der Stammbaum. Im Haus“, ergänzte er ungeduldig. „Deine Leibesfrucht befindet sich in Astorias Uterus, und deine Mutter und ich sind ungleich beruhigter, dass Astorias Name im Baum steht – und nicht der des Schlammbluts“, informierte Lucius ihn kalt.

 

Sie war schwanger. Sie hatte es durchgezogen. Draco konnte Lucius nur anstarren.

 

„Nun, es gibt eine einfache Lösung“, fuhr Lucius beherrschter fort. „Nach Hogwarts wirst du sie heiraten, mit Glück passt sie dann noch in ein Kleid“, ergänzte er bitter.

 

„Ich werde sie garantiert nicht-“ Aber Lucius brachte ihn mit einer herrischen Geste zum Schweigen, und seine Augen funkelten gefährlich.


„-mein Junge, was in Salazars Namen lässt dich annehmen, dass dieser Beschluss in irgendeiner Weise zur Disposition steht?“, wollte er glatt von ihm wissen. „Ich stelle dich vor Tatsachen – garantiert hole ich nicht deine Meinung ein!“, warnte er ihn.

 

„Du kannst nicht-“ wieder ließ er ihn nicht ausreden.

 

„Astoria hat ihrer Mutter mitgeteilt, dass sie ungeschützten Verkehr mit dir hatte, sie wurde getestet, und siehe da – so schnell passiert der dumme Fehler. Die Greengrass‘ sind willig, ihr Angebot aufrechtzuerhalten. Astoria wird deine Frau; solltest du ablehnen, werden Sie die Anklage der Vergewaltigung durchsetzen“, klärte ihn sein Vater sehr geschäftlich auf.

 

„Vergewaltigung?“, entkam es ihm ungläubig.

 

„Ich bin mir sicher, du wünschst dir, klüger gewesen zu sein, bei Merlin, das wünsche ich mir täglich, aber auch wenn du sie nicht gezwungen hast – das wird dem Richter ziemlich egal sein. Dein Name ist Grund allein, das Verfahren zu eröffnen, Draco. Eugenia Belvadour lechzt nach jedem Strohhalm, unsere Familie aus egal welchen Gründen nach Askaban zu verschiffen – und ich gehe ganz stark davon aus, dass es dir an ausreichenden Beweisen mangeln wird, in Anbetracht der Tatsache, dass Hermine Granger… befangen ist“, schloss er kalt. „Außerdem wäre es eine Schande für Astoria, und es ist deine letzte Chance, Falsches wieder gut zu machen.“

 

Draco starrte ihn an. „Ich hatte dir damals Bedenkzeit gegeben“, erinnerte ihn Lucius achselzuckend. „Ich hatte dir gesagt, hab so viel Spaß wie du willst – du selber hast deinen Spaß merklich kurz gefasst. Ich informiere dich lediglich, Draco. Heute Nachmittag werden wir mit den Greengrass‘ das weitere Vorgehen besprechen. Arthur und Allegra favorisieren den 20. Juli. Das Wochenende nach dem offiziellen Abschluss. Bis dahin ist für euch der Westflügel im Herrenhaus hergerichtet. Deine Mutter plant bereits die Dekoration“, schloss er mit einem freudlosen Lächeln. „Nett, wie sich alles fügt, nicht wahr?“

 

„Du glaubst doch nicht, dass ich das mitmachen werde?“, entfuhr es Draco einigermaßen tonlos.

 

„Zurzeit beläuft sich die Haftstrafe für Vergewaltigung dieser Art auf zehn bis zwölf Jahre. Acht, wenn die Richter gute Laune haben. Ich kann dir nicht empfehlen, hierbei deinen Kopf durchzusetzen. Askaban wird kalt im Winter“, ergänzte Lucius vielsagend. „Zumindest hörte ich das“, schloss er lächelnd.

 

„Ich habe sie nicht vergewaltigt!“, knurrte er praktisch.

 

„Erzähl das der Richterbank, Draco. Heute Nachmittag werden Headley und Crane dafür Sorge tragen, dass die Anschuldigung der Greengrass‘ zurückgezogen wird, dann ist dieses leidige Thema vom Tisch. Und ich rate dir, keinen Fehler mehr zu machen. Meine Macht ist begrenzt. Ich möchte meinen einzigen Sohn nicht hinter den Gittern von Askaban sitzen sehen, aber ich werde keinen Handschlag für dich tun, wenn du dich selbst in die missliche Lage eine Verhaftung bringen solltest. Du hast die eine Chance – sonst hast du gar nichts mehr. Haben wir uns verstanden, Draco?“ Er konnte nicht fassen, was er hörte. Er wurde erpresst! Von allen Seiten! Er hasste sich! Er hasste Astoria! Aber sie noch mehr. Wäre er doch einfach nicht in Hogsmeade aufgetaucht – aber es war Grangers Schuld! Astoria hätte sie dort so oder so irgendwie gesehen, sie hätte… irgendwie herausgefunden, was sie hätte herausfinden müssen – Draco kochte innerlich.

 

„Ob wir uns verstanden haben?“, wiederholte sein Vater warnend.

 

„Ich habe verstanden“, entkam es ihm hohl.

 

Was für eine Wahl hatte er? Keine große, wenn er Granger sehen wollte. Er bezweifelte, dass sie ihn in Askaban besuchen käme.

 

 

42. the promise

 

 Sein Weg führte ihn nach unten. Sein Tag war beendet, er musste seine Sachen holen. Seine Eltern erwarteten ihn im Herrenhaus, er durfte nicht bei Blaise sein heute. Es ging um die Verhandlung, um tausend andere Dinge – und im Moment ging es darum, Zeit zu schinden. Nicht verhaftet zu werden.

Sein Kopf war wie betäubt, und es lag nicht mehr am unfairen Schlag seines Vaters. Blind bewegte er sich, kannte die Wege mittlerweile auswendig und fuhr tief hinab, zu den Auroren.

 

Die Flure lagen einigermaßen ausgestorben. Wenige AIT waren noch unterwegs, aber an den Spinden erkannte er sie. Und Sam. Sie sah ihn sofort, stieß sich ab und zügig kam sie zu ihm, Sorge im Blick, grenzenlose Angst.

 

„Was ist passiert?“ Ihre Stimme klang gebrochen, klang verzweifelt. „Draco?“, sagte sie wieder, als er nicht gesprochen hatte, als er sie nur hatte ansehen können, sich dafür verteufelte, den Unterschied nicht gemerkt zu haben! Dabei sah er es jetzt vor sich – so verschieden wie Nacht und Tag. Selbst in Grangers Körper war Astoria immer noch ein komplett anderer Mensch gewesen. Er hätte es wissen müssen! Hätte es einfach müssen. Sein Mund öffnete sich.

 

„Lucius wird es klären“, sagte er nur. „Die Verhaftung zumindest“, ergänzte er bitter, denn natürlich konnte sein Vater nichts Wichtiges für ihn tun. Nichts, was er tatsächlich brauchen konnte.

 

„Gut. Das… ist gut“, sagte sie nickend leere Worte, die absolut unnötig waren.

 

„Alles gut mit dir?“, fragte er sie schließlich, fasste sie prüfend ins Auge, und sie nickte wieder hohl.

 

„Ja, alles gut“, hauchte sie unglücklich. „Was passiert jetzt?“ Sie blieb Hermine Granger, verlor das Wesentliche nicht aus den Augen. Ihr scharfer Verstand war es, der immer unterschwellig in jeder Unterhaltung mitschwang. Er war es, den er so unfassbar sexy an ihr fand, so anziehend, so unverwechselbar. Er verdiente sie nicht. Aber es änderte nichts. Wirklich nicht.

 

„Ich muss zurück. Zurück… ins Herrenhaus“, erklärte er bitter. „Dinge müssen geklärt werden. Astorias Eltern bestehen auf eine Hochzeit“, entkam es ihm tonlos.

 

„20. Juli“, flüsterte sie beinahe abwesend, mit geweiteten Augen, und sein Blick fokussierte. Was hatte sie gesagt?

 

„Was? Woher weißt du-“ Aber sie reagierte genauso schnell, immer noch abwesend.


„-dann ist Hogwarts vorbei und sie ist noch schwanger, wenn es keine Frühgeburt wird“, erklärte sie, und ihre Blicke trafen sich. Denn richtig. Astoria war schwanger. „Sie ist doch schwanger?“, vergewisserte sich Granger äußerst sachlich. Draco schluckte schwer.


„Es macht den Anschein“, entkam es ihm beinahe neutral, als ginge es ihn nichts an. Als läge dieses Problem sehr weit weg, weit entfernt aus seinem Umkreis – aber das stimmte wohl nicht.

 

„Ok“, sagte sie, obwohl nichts ok war. Absolut verdammt noch mal gar nichts, und neben ihrer Sachlichkeit kroch die unweigerliche Kälte in ihre Körperhaltung. Sie verzieh ihm nicht.

 

„Ja“, sagte er schwach.

 

„Es war meine Schuld“, entkam es ihr tatsächlich, mehr oder weniger neutral. Er runzelte bloß die Stirn. „Ich hätte… nicht nach Hogsmeade gehen sollen, ich hätte… gar nichts tun sollen! Ich-“

 

„-nichts ist deine Schuld, Hermine“, unterbrach er sie, denn es war einfach nicht ihre Schuld. Niemand trug wirklich Schuld. Niemand, außer ihm. Sie sah ihn an, widersprach ihm nicht.

Er machte einen Schritt in ihre Richtung, aber sie versteifte sich nahezu sofort, und es schmerzte unfassbar in seiner Brust. Sei es, dass sie sich wegen Sam zurückzog – sei es, dass es an der Tatsache lag, dass er ein dummes, untreues Arschloch war! Unterm Strich war es egal, denn es schmerzte, so oder so. Er wollte sie berühren, wollte sie spüren, aber er griff lediglich nach ihrer Hand, die sie ihm vor Überraschung nicht entzog.

 

„Ich weiß noch nicht, wie“, begann er ernst, denn es war wichtig, dass er sprach, „aber ich finde eine Lösung. Einen Ausweg. Ich werde dieses Mädchen nicht heiraten, Hermine. Ich werde nicht der Vater ihres Kindes sein – ich… werde keiner von den Malfoys sein, wie sie seit Jahrhunderten in England rumlaufen.“ Sie schien jetzt widersprechen zu wollen, aber er wollte es nicht hören. „Und selbst wenn du mich nicht mehr willst, selbst wenn das hier jetzt der Punkt ist, an dem du aussteigst – ich will Astoria nicht. Ich wollte sie an keinem bisherigen Tag“, machte er es deutlich. Er konnte ihren Blick nicht deuten. „Ich… möchte jetzt keine dummen Gefühle beteuern“, fuhr er dann fort, und ignorierte Sams säuerlichen Blick. „Ich möchte dir nicht sagen, dass ich dich will, dass du auf mich warten sollst, dass… ich an dich denke, Tag und Nacht“, sagte er ernste Worte, und ihre Augen wurden langsam weit. So wunderschön weit. Er führte ihre Fingerknöchel an seine Lippen, küsste sie zaghaft, und er konnte sehen, wie sie den Atem anhielt. „Aber sobald diese… Sache, diese Tragödie vorbei ist, werde ich vor egal welcher Tür stehen, hinter der du dich befindest, Granger“, versprach er ihr dunkel. „Sei es bei Potter, bei den Weasleys, im Tropfenden Kessel – sei es am Ende der verdammten Welt!“ Sie schluckte schließlich schwer.

 

„Was, wenn es nicht vorbei sein wird?“, fragte sie ihn. „Was, wenn du keinen Ausweg findest?“

 

Für eine Sekunde wollte er ihr versichern, dass das nicht passieren würde. Aber so viel unfehlbares Selbstvertrauen besaß er nicht. Steif nickte er stattdessen.


„Dann… ist es so, wie ich dir damals sagte. Dann verdient der Todesser die Muggel am Ende eben nicht.“

 

Sie schien sich nicht mehr beherrschen zu können, und eine Träne fiel auf ihre Wange. Sie senkte den Blick und entzog ihm hastig ihre Hand. „Was, wenn ich dich nicht will?“, fragte sie ihn schwach. „Hast du darüber nachgedacht, Malfoy?“

 

„Es ist alles, worüber ich nachdenke, Granger“, räumte er ohne Zögern ein, und ihr glasiger Blick hob sich wieder.

 

„Ja! Weil du den Unterschied zwischen mir und ihr scheinbar sowieso nicht kennst“, sagte sie, und es war unfair. Es tat unfassbar weh. Und er war sich absolut sicher, der Fehler wäre ihr auch passiert. Aber er biss die Zähne zusammen, konnte ihr nicht mal den Vorwurf machen.

 

„Denkst du das?“, fragte er sie still.

 

„Ich…- nein“, entfuhr es ihr letztlich unglücklich. „Das denke ich nicht.“

 

„Kannst du mir diesen Fehler verzeihen, Hermine?“, fragte er sie direkt, sah sie an, wartete auf ihre Antwort, und sie atmete sehr lange aus. „Letztendlich. Am Ende des Tages?“, ergänzte er eindeutig.

 

„Letztendlich? Am Ende des Tages?“ wiederholte sie seine Worte fast gereizt. „Merlin, Malfoy, wahrscheinlich schon“, entkam es ihr wütend. „Aber was ist mit deinen anderen hundert Fehlern?“, wollte sie mit schwacher Stimme wissen, und fast hoben sich seine Mundwinkel.

 

„Was ist mit deinen?“, erkundigte er sich bei ihr, und Entrüstung legte sich auf ihre Züge.

 

„Meine Fehler sind hier nicht Thema“, widersprach sie, seufzte und wurde sehr schnell wieder ernst. „Lass mich… eine Sache loswerden, ok?“, sagte sie dann, und er hörte ihr aufmerksam zu. „Es soll… keine Kritik an deinen Gefühlen oder deiner Ehrlichkeit jetzt gerade in dieser Situation sein-“

 

„-aber?“, unterbrach er sie fast atemlos. Sie schenkte ihm einen warnenden Blick.

 

„Aber…“, griff sie das Wort schließlich auf, „ich glaube, es wird sich kein Ausweg auftun. Ehrlich gesagt, weiß ich das“, ergänzte sie dann kopfschüttelnd.

 

„Granger“, sagte er sofort, „ich werde nicht hinnehmen-!“ Aber sie unterbrach ihn direkt.

 

„-ich weiß, dass du das jetzt denkst, Draco!“, sagte sie sofort mit Nachdruck. „Ich glaube dir, dass du es willst, und dass du Gefühle für mich hast – und all das! Das habe ich auch!“, versicherte sie ihm ernst. „Aber… letztendlich… wirst du aus dieser Sache nicht rauskommen.“ Er konnte nicht glauben, dass sie das sagte.

 

„Warum sagst du das?“, fragte er sie direkt. „Hast du… hast du so wenig Vertrauen in mich? Gebe ich dir so wenig Anlass, anzunehmen, dass-“


„-darum geht es nicht!“, versuchte sie es wieder, und es reichte ihm.


„Worum geht es dann? Wieso-“

 

„-weil ich es weiß!“, rief sie fast zornig. „Ich weiß es einfach, ok? Und nicht, weil ich dir nicht vertraue, nicht weil ich es dir nicht gönne, weil ich dich für unfähig halte! Ich halte dich für mehr als fähig, Merlin noch mal! Und ich möchte es glauben. Ich glaube es dir auch jetzt!“, beteuerte sie dann. „Aber ich weiß es besser.“  

 

Das schien sie tatsächlich anzunehmen. Und etwas kam ihm so unwirklich bekannt vor. An ihren Worten, ihrer Haltung. Ihrer Abwehr. Ihrer kompletten Resignation, dem Fatalismus, mit dem sie sprach. Er kannte es von seiner Familie, von so vielen anderen. Sie wusste etwas. Oder sie glaubte, es zu wissen. Bitter zuckten seine Mundwinkel.

 

„Was hat der Seher dir gesagt?“, wollte er fast kalt wissen, und dass ihr jeder Ausdruck vom Gesicht fiel, sagte ihm, dass er richtig lag. „Hat er dir gesagt, es hat keine Zukunft? Ist das der Grund für all das? Deinen Rückzug? Dein Besuch bei McGonagall?“

 

„Draco-“, begann sie tonlos, aber er winkte ab.


„-Seher sind Pfuscher, Granger“, warnte er sie. „Egal, was dieser Wichser dir gesagt hat, egal, welche bekloppte Vorhersehung er hatte – es bedeutet alles gar nichts! Meine Mutter ist komplett depressiv geworden – absolut wahnsinnig – als ihr ein Seher versichert hat, dass ihre bescheuerte Schwester den Krieg nicht überleben wird!“, sagte er entnervt. „Dass meine Familie überhaupt überlebt hat, war reinstes Glück! Und dass Tante Bellatrix gestorben ist, war ihre eigene verdammte Schuld. Lass dich nicht von so einer Scheiße beeindrucken!“, sagte er bloß.

 

„Du verstehst das nicht“, begann sie tatsächlich.

 

„Ach nein?“, wollte er freudlos wissen, ohne jede Nachsicht. „Ich denke, ich verstehe es besser, als du es jemals könntest. Und ich musste nicht mal mit einem von diesen Quacksalbern reden!“ Er wollte nicht abwertend klingen, konnte es aber nicht verhindern. „Meine Geburt ist auf die Sekunde genau vorhergesagt, und stell dir vor, wie groß die Enttäuschung war, als mit meinem ersten Schrei direkt das Schicksal verkündet wurde, dass ich nicht der ganze Stolz meines Vaters sein werde, dass mein Weg in die Abtrünnigkeit führt – was auch immer diese Scheiße heißen sollte! Und wie bitter ich Jahre meines Lebens für diese vage Aussage hatte bezahlen müssen – immer noch bezahle! Von einem Mann, den ich nicht mal kennengelernt habe! Aber irgendwann war es mir egal. Irgendwann habe ich für mich selbst gedacht. Und die schreckliche Abtrünnigkeit war auf einmal nicht mehr existent.“

 

„Ich glaube dem Seher auch nicht“, sagte sie dann, mit sehr schmaler Stimme.


„Dann was?“, fuhr er sie ungläubig an.

 

„Ich…“, sagte sie zögernd, und er erkannte es in ihren Augen.

 

„Du fürchtest dich“, stellte er fest. Sie sprach nicht mit Worten, aber ihr Blick sprach ganze Bände. Und dass sie sich fürchtete mochte einiges heißen, nahm er an. Hermine Granger fürchtete wenig. „Ok“, sagte er schließlich. Er hob den Blick herausfordernd zu ihrem Gesicht. „Ok, Miss Gryffindor“, fuhr er dann fort, „sag mir, ob sich irgendeine deiner Entscheidungen auf Grund der Furcht irgendwie positiv auf irgendetwas ausgewirkt hat, was du seitdem getan hast?“, fragte er sehr direkt. Und sehr kurz schien sie tatsächlich darüber nachzudenken, bevor sich ihre Stirn runzelte.

 

„Nein, hat es nicht“, erkannte sie verblüfft.

 

„Hm“, machte er dann eindeutig.

 

„Ich… möchte auch überhaupt nicht mehr in Furcht leben!“, beteuerte sie dann. „Aber… Dinge haben sich bewahrheitet, und-“

 

„-das liegt wohl in der Natur der Sache“, erwiderte er bloß. „Wenn man sich der Furcht beugt, gewinnt sie am Ende.“ Er kannte sich mit dieser Scheiße aus. Merlin, es war alles, womit er sich auskannte. Nicht umsonst war er Zeit seines Lebens von seinem Vater verprügelt worden. Nicht nur er hatte sich vor seinem dummen Schicksal gefürchtet – nein, auch Lucius hatte das getan. Tat es verdammt noch mal immer noch. Draco hasste Seher. Aus sehr gutem Grund. Er hätte nicht geglaubt, so eine Sache noch einmal durchkauen zu müssen!

 

Unzufrieden sah sie ihn jetzt an. „Vielleicht hättest du mit mir reden sollen, anstatt wegzulaufen und dich zu verstecken?“, merkte er bitter an, und sie wirkte noch eine Spur unzufriedener.

 

„Woher hätte ich das wissen sollen? Du hast nicht wirklich kommuniziert, dass du Erfahrung mit Sehern hast“, blaffte sie ihn an. Hart atmete er aus.

 

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das müsste! Vor allem gegenüber jemandem, der öffentlich Wahrsagen geschmissen hat!“, bemerkte er kopfschüttelnd.

 

„Das ist was anderes!“, sagte sie dann.

 

„Es ist genau dasselbe“, entkam es ihm.

 

„Deine Abtrünnigkeit stimmt auch!“, warf sie ihm jetzt vor. Er schenkte ihr ein freudloses Lächeln.


„Das ist eine Frage der Sicht, Granger“, erklärte er bitter.

 

„Bei mir gibt es keine Frage der Sicht. Es ist alles ziemlich eindeutig.“

 

„Und unabwendbar?“, erkundigte er sich mit erhobener Braue.

 

„Ich – nein. Ich weiß es nicht, ok?“ Sie machte ihn wütend.

 

„Merlin, Granger! Du bestimmst dein Schicksal – nicht irgendein Wichser mit einer dummen Ahnung!“, fuhr er sie an. Und irgendetwas an diesen Worten schien endlich zu ihr durchzudringen, stellte er erleichtert fest.


„Fein!“, spuckte sie ihm entgegen. „Gut, dann…“ Sie schien etwas ratlos zu sein.

 

„Dann?“, wollte er entgeistert wissen.


„Dann streng dich gefälligst an!“, warnte sie ihn. Er hob die Augenbrauen. „Lös das Problem, Draco!“, ermahnte sie ihn gereizt. „Find den Ausweg!“, machte sie es deutlich. Er zog eine nachsichtige Grimasse.

 

„Das ist der Plan“, sagte er schlicht, schüttelte noch einmal den Kopf über sie. So viel Verstand und doch so viel Dummheit auf einem Haufen.

 

„Was?“, wollte sie beinahe angriffslustig wissen.

 

„Nichts“, entgegnete er abwehrend. „Hermine Granger hat Angst vor Wahrsagern. Es… ist tatsächlich erheiternd, neben all der Scheiße, die gerade passiert“, schloss er achselzuckend.

 

„Du bist so ein Arschloch“, erwiderte sie gekränkt. Dass sie wütend auf ihn war, war fast zu süß, um es auszuhalten. Und er wollte es auch nicht aushalten.

 

„Sorry, Sam“, bemerkte er halbherzig, ohne den Blick zu dem Jungen zu heben, der immer noch unbewegt vor den Spinden stand und ihrem Gespräch ungefragt zuhörte, bevor er ihren Arm ergriff und sie gegen sich zog. Er verschloss ihre Lippen, die sich im stummen Protest geöffnet hatten, aber ihr Protest währte bei Merlin nicht lange. Er vertiefte den Kuss, und ihre Gegenwehr wandelte sich in Entgegenkommen, und sie seufzte gegen seine Lippen. Er brachte sie eng an sich, verschlang ihre Lippen, ließ seine Zunge um ihre kreisen, lang genug, um sich ihren Geschmack einzuprägen, aber dennoch viel zu kurz für sein Dafürhalten.

 

Er löste sich sanft von ihr, ihre Lippen trennten sich voneinander, und weit blickten ihre Augen auf in sein Gesicht, tiefe Röte in ihren Wangen.

 

„Versteck dich nicht mehr vor mir“, warnte er sie rau. „Ich finde dich“, versprach er dann.

 

„Ok“, war alles, was sie herrlich benebelt erwiderte. Er schloss kurz die Augen, atmete ihren Duft ein letztes Mal ein, ehe er von ihr abließ und einen Schritt zurück machte. Es war auch ein symbolischer Schritt für ihn, denn er durfte sich jetzt keine Fehler mehr leisten, durfte nichts Dummes anstellen, musste einmal in seinem Leben erwachsen sein. Er musste jedes Risiko ausschließen, und das bedeutete, dass er echte Distanz zwischen sich und sie bringen musste. Sei es auch nur für eine kurze Weile. So lange, wie er eben brauchen würde.

 

Nichtsdestotrotz fühlte es sich wie ein Abschied an. Ein grausamer, schlimmer Abschied.

 

Und für eine winzige Sekunde dachte er über ihre Worte nach, über die Möglichkeit, dass er den Ausweg vielleicht nicht fand. Denn er war ein Versager, schaffte nie irgendetwas von menschlicher Größe. Aber er nahm an, das hier war der Wendepunkt. Das hier war die eine Sache, die er besser nicht versaute.

 

Aber es war völlig unerheblich, nahm er an. Was auch immer es war, wovor sie sich fürchtete, was auch immer der Seher gesagt hatte – er würde persönlich dafür Sorge tragen, dass es sich nicht bewahrheitete.

Und er brauchte keinen verdammten Seher, um zu wissen, dass er es schaffen würde. Es stand außer Frage.

 

Er durfte es nur nicht aus dem Fokus verlieren. Und gleichzeitig wusste er, dass es besser war, wenn er gar nicht so genau wusste, welches Schicksal Granger vorausgesagt worden war. Er musste kein Genie sein, um zu wissen, dass es schrecklich war, wenn sie sogar das Ministerium mied, um ihn nicht zu sehen. Das reichte ihm schon aus.

 

Er holte seine Sachen aus dem Spind, und ab jetzt würde nichts mehr seine Stimmung noch heben können. Denn er musste zurück zu seinen verdammten Eltern.

 

 

43. perspectives

 

Tori war nicht dumm. Die meiste Zeit über nicht. Aber jetzt zögerte sie doch, wollte den letzten Treppenabsatz kaum überwinden, wollte diesen Tag nicht fortsetzen. Sie hatte Angst. Nur leider war es jetzt zu spät, um Angst zu haben.

Natürlich war alles nach Plan verlaufen.

Sie hatte mit ihm geschlafen, sie war von ihm schwanger geworden, sie hatte ihn erpresst, und jetzt stand das Treffen mit ihm und seinen Eltern an, wo über die künftige Heirat verhandelt wurde.

Sie wusste, sie könnte die jetzige Situation nicht als Indikator für ihre Zukunft wählen. Natürlich war jetzt alles chaotisch und falsch. Er war sauer, hatte keine andere Wahl, und sie wusste, Erpressung war nicht unbedingt der feinste Schachzug. Aber tatsächlich half sie ihm. Auf die richtige Bahn.

Hermine Granger hatte ihr gesagt, dass sie Draco nicht wollte. Nicht auf Dauer, nicht für die Ewigkeit. Dass er Sex mit ihr haben wollte, das war zwar lästig, aber Astoria konnte damit leben. Es war ihr egal.

Draco war eine aufregende, angemessene Partie. Der schönste Mann, den sie bisher gesehen hatte, der komplizierteste Mann, den sie kannte.

 

Sie nahm in Kauf, nicht Nummer eins auf seiner Liste zu sein, aber das war ok. Denn sie wusste, er würde seinen Wurzeln niemals entkommen können, würde sich niemals zur Gänze von seiner Familie lossagen, und dafür war Hermine Granger ungeeignet. Als Affäre, als Mätresse – damit konnte Astoria leben. Und Hermines Zögern hatte ihr deutlich gesagt, dass auch sie nicht damit rechnete, dass Draco jemals mit seiner Herkunft abschließen würde. Und Hermine würde das auch nicht wollen, nahm sie an.

 

Vielleicht lag sie falsch. Aber dafür war das Baby da. Familie bindet. Familie zwingt. Das wusste Tori sehr genau. Und selbst wenn er jetzt noch unwillig war, würde er nur zu schnell wieder Seiten wechseln und vielleicht sogar dankbar sein, in eine bequeme Rolle zurückfallen zu können.

 

Und wenn nicht…- hatte sie noch andere Mittel und Wege.

 

Sie war dezent gekleidet, bescheiden, keusch. Hochgeschlossen war die Bluse unter der sensiblen, weißen Strickjacke. Die helle Hose nicht zu eng, die hellen Schuhe nicht zu hoch. Die Haare waren kunstvoll in eine hohe Frisur gebunden, die kaum Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie wollte bei den Malfoys einen guten Eindruck hinterlassen. Natürlich wussten ihre Eltern, als auch wahrscheinlich die Malfoys, dass es keine Vergewaltigung gegeben hatte, aber darum ging es nicht. Es ging darum, den Hengst einzufangen.

Und das funktionierte eben manchmal nur mit gemeinen Tricks. Und sie wollte einfach nur, dass die Malfoys nicht schlechter von ihr dachten. Es kam ihr zugute, dass sie sowieso schon wenig von ihrem eigenen Sohn hielten.

 

„Astoria“, rief ihre Mutter streng, und sie atmete knapp aus, zwang sich zur Ruhe, so wie sie es vor jeder Prüfung tat. Sie war die Herrin ihrer Entscheidungen. Sie war das Mastermind. Draco würde das zu schätzen lernen, nahm sie an.

 

„Komme, Mutter“, rief sie mit gewöhnlicher Stimme, und ging die letzten Stufen in die Halle hinab.

 

Sie reisten über Floh und kamen wohl direkt im Arbeitszimmer seines Vaters an. Lucius erwartete sie bereits. Malfoy Manor war um einiges größer als das Haus ihrer Eltern, war luxuriöser, und Astoria konnte nicht erwarten, hier zu leben.

 

„Lucius“, begrüßte ihr Vater den Mann nickend, auch ihre Mutter schenkte ihrem zukünftigen Schwiegervater ein Lächeln.

 

„Mr. Malfoy“, sagte Tori demütig, und Lucius bedachte sie mit einem knappen Blick. Sie konnte ihn nicht deuten.

 

„Willkommen“, begrüßte er sie. „Folgt mir, bitte. Im Salon ist alles hergerichtet. Das Arbeitszimmer ist bei weitem zu klein“, entschied er, bedeutete ihnen, ihm zu folgen, und Astoria achtete darauf, sich keinen Gemütsschwung anmerken zu lassen. Lucius wirkte angespannt. Aber sie wusste, Draco drohten mehrere Jahre Haft, sollte sie ihre Aussage nicht ändern. Es war eben ein sehr ernstes Thema.

 

Still gingen sie ausladende Flure hinab. Es war ein wunderschönes Haus. Sie bereute ihre Entscheidung nicht. Mit keiner Faser in ihrem Körper. Dann erreichten sie die säulengesäumte Halle, gingen durch einen Torbogen ab und betraten einen unfassbar großen Salon. Es brannte ein helles, warmes, sehr großes Feuer, beinahe über die gesamte gegenüberliegende Wand. Der große Tisch war dezent gedeckt, und vier Rechtsmagier warteten bereits an einem Ende des Tisches auf sie.

 

Sie erkannte Draco sofort. Er wartete neben seiner Mutter, trug einen dunklen Anzug, war dem Anlass entsprechend gekleidet, und sie konnte nicht anders, als ihn anzusehen, versuchen, zu erkennen, wie wütend er wohl war. Aber so wie sie, war er des Pokerfaces mehr als mächtig, und sie konnte ihn nicht lesen. Narzissa war eine Schönheit, stellte Astoria fest. Wenn sie eine Tochter bekäme, vielleicht würde sie so aussehen?

 

„Ich schlage vor, wir bringen das Geschäftliche hinter uns und räumen alle Zweifel aus der Welt“, schlug Lucius schließlich vor und bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. Die Familien saßen sich gegenüber, und Narzissa nickte ihr wohlwollend zu. Astoria erwiderte die Begrüßung verhalten.

 

„Ganz meiner Meinung. Es ist simpel“, begann ihr Vater knapp, und tatsächlich war er wesentlich zorniger mit ihr gewesen, als es ihre Mutter gewesen war. „Astoria wird unterzeichnen, dass der Verkehr einvernehmlich stattgefunden hat – unter Vorbehalt – und Draco hier wird den Unbrechbaren Schwur leisten, Astoria zu heiraten, sobald Hogwarts um ist.“

 

„Einen Moment“, sagte Lucius tatsächlich, aber Dracos Ausdruck hatte zu brechen begonnen. Seine kühle Fassade wankte, und er sah seinen Vater an. „Wozu den Vorbehalt?“

 

„Der Vorbehalt dient Astorias Ehre. Sofern Draco sich letztlich weigern sollte, sie zu heiraten, würden wir dennoch das Urteil der Vergewaltigung vollstrecken wollen“, schloss er.

 

„Nach deiner Vorstellung, wäre Draco wäre tot, sollte er sich weigern“, entkam es Lucius trocken.

 

„Es ist der Form halber“, sagte ihr Vater schlicht. Lucius wirkte nicht zufrieden.

 

„Der Form halber soll der Name meines Sohnes nach seinem Tod durch den Dreck gezogen werden, ob eines Verbrechens, was er nicht begangen hat?“ Lucius schien der Vergewaltigungs-Geschichte keinerlei Glauben zu schenken, erkannte sie.

 

„Es kann euch in diesem Fall egal sein, oder nicht?“, wollte ihr Vater knapp wissen, aber Lucius verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Auf den Vorbehalt wird verzichtet“, sagte er lediglich.

 

„Du willst diese Verbindung doch nicht wirklich am Vorbehalt scheitern lassen?“, erkundigte sich ihr Vater beinahe ungläubig bei Lucius. Aber dieser atmete hörbar angestrengt aus.

 

„Es ist der Form halber“, wiederholte Lucius die Worte ihres Vaters trocken, bevor er ernster wurde. „Arthur“, sagte er schlicht, „der Vorbehalt ist absolut haltlos.“ Draco sprach.

 

„Ich werde keinen Unbrechbaren leisten“, erklärte er dann empört und erntete Lucius‘ Seitenblick.

 

„Das wirst du, Junge“, versprach ihr Vater ihm dunkel. „Das kannst du mir glauben.“ Tori gefiel es selber nicht wirklich. Denn ja, sie erpresste Draco, aber der Unbrechbare war tatsächlich allein die Idee ihres Vaters gewesen.

 

„Das wird er nicht“, sagte Lucius tatsächlich. „Ich meine, von mir aus – meinetwegen, aber so funktioniert es nicht“, erkannte er gereizt. „Der Unbrechbare wirkt nicht unter Zwang von Außenstehenden. Die Beteiligten müssen es wollen“, erklärte er entnervt.

 

„Dann hat er es zu wollen“, sagte ihr Vater gepresst.

 

„Dunkle Flüche benötigen ein Bindemittel an aufrichtigen Emotionen, und ich gehe sehr stark davon aus, dass Draco gerade alles andere lieber tun möchte, als ein tödliches Versprechen abzugeben“, vermutete Lucius kalt. „Der Unbrechbare wäre null und nichtig.“

 

„Lucius!“, warnte ihr Vater ihn aufgebracht, aber Lucius atmete aus.


„Arthur, ich bin mir nicht sicher, wer von uns wen dringender benötigt, für wen von uns die augenscheinliche Schande größer ist. Sofern diese Schwangerschaft Bestand hat, und ein Kind geboren wird, sind wir unweigerlich verbunden. Aber bis dahin… ist es zähe Theorie.“

 

„Eine Vergewaltigung ist keine Theorie“, sagte ihr Vater jetzt kalt.

 

„Ich habe sie nicht vergewaltigt!“, knurrte Draco jetzt aufgebracht. „Wir können es gerne auf eine Verhandlung ankommen lassen!“ Sie war nicht dumm. Vielleicht waghalsig, leichtsinnig – aber nicht dumm.

 

„Du möchtest nicht nach Askaban, Draco“, wandte sie sich das erste Mal an ihn. Zornig fixierte er sie.

 

„Sobald sie Vertitaserum benutzen-“ Aber sie unterbrach ihn strikt. Ihre Eltern verabscheuten dann und wann dass sie Schulsprecherin geworden war, allein auf Grund der Tatsache, dass Tori es nicht lassen konnte, andere zu korrigieren, zu berichtigen und zu demonstrieren, dass alle anderen einfältig waren. 

 

„-du hast mich genötigt. Auch unter Veritsaerum wäre ich in der Lage-“

 

„-das habe ich nicht, du verdammtes-!“, reagierte Draco sofort, aber Mutter mischte sich ein.

 

„-Draco! Du hältst dich raus!“, warnte sie ihn einigermaßen entrüstet. „Arthur, Allegra, ich versichere euch, Lucius und ich begrüßen diese Verbindung mehr als irgendetwas sonst! Alles Weitere sind Feinheiten, Details, wenn man so will. Die Gemüter kochen vielleicht im Moment, aber-“

 

„-sobald es zur Verhandlung kommt, fliegt deine Show auf!“, brauste Draco nun zornig auf, ignorierte seine Mutter und sie tat es ebenfalls.

 

„Sie würden nicht mal daran denken, Veritaserum zu benutzen. Warum sollten sie?“, fragte sie ihn direkt. „Denkst du ernsthaft, man würde dir eher Glauben schenken, anstatt mir? Gerade erwachsen? Zu schwach, um sich zu wehren? Bei deinem Ruf?“, erinnerte sie ihn freundlich, und schon stand er auf den Beinen, sein Vater folgte direkt.


„Setz dich“, ermahnte er ihn durch zusammengebissene Zähne, legte ihm die Hand fest auf die Schulter. „Sofort“, ergänzte er bloß. Und sie sah die Wut, die Anspannung um Dracos schönen Mund. Er hasste sie. Mit Inbrunst. Sie sah den Unterschied. Wie er sie angesehen hatte, als er geglaubt hatte, sie wäre Hermine. Er liebte das Mädchen, sie war sich sicher. Aber genauso sicher war sie sich, dass es aussichtslos wäre. Es würde nicht halten, es wäre nicht von Dauer. Aber diese Verbindung, mit ihr, die wäre dauerhaft. Und dafür hatte sie bereits jetzt gesorgt.

 

Kraftlos fiel er auf den Stuhl zurück, fixierte sie mit kalten grauen Augen, dieselbe Farbe wie die Augen seines Vaters, aber die Form… war die seiner Mutter. Sie würde auch einen Jungen bevorzugen, dachte sie dumpf.

 

„Es scheint, wir befinden uns in einer Pattsituation“, erkannte ihr Vater schließlich, als alle geschwiegen hatten. „Draco“, begann er dann, wesentlich ruhiger als vorher, „Astoria ist schwanger mit deinem Kind“, entkam es ihm, ohne jede Begeisterung, ging ihr auf.


„Durch ihren eigenen Wunsch“, knurrte Draco haltlos.

 

„Lass uns so nicht anfangen“, warnte ihr Vater ihn jetzt streng. „Es scheint dich nicht zu viel Überwindung gekostet zu haben“, ergänzte er bitter.

 

„Ja. Vielsafttrank mag diese Wirkung haben“, spuckte Draco zurück, und der Blick ihres Vaters traf sie nun direkt. Richtig, diese Kleinigkeit hatte sie natürlich nicht erwähnt. Ihr Vater atmete lange aus.

 

„Astoria“, sagte ihr Vater kopfschüttelnd.

 

„Er lügt“, war ihre schlichte Antwort mit Blick auf ihn, und wieder sah sie es hinter seinen Augen kochen.

 

„Warum sollte ich?“, wollte Draco zornig von ihr wissen.

 

„Weil ich jung bin“, schlug sie vor. „Vielleicht zu jung? Weil du einen seltsamen Fetisch hast, was muggelgeborene Kriegsheldinnen angeht, und diese Neigung gesellschaftlich nicht unbedingt vertretbar ist?“, fuhr sie kälter fort, und seine Fäuste spannten sich an. „Weil du vorgibst, mich nicht zu mögen, und jetzt bin ich schwanger? Und wirklich, Draco, wer würde dir glauben, dass du den Unterschied nicht erkennst?“, wollte sie schließlich wissen, und bevor er erneut aus dem Stuhl springen konnte, lag wieder die schwere Hand seines Vaters auf seiner Schulter.

 

„Wir bestehen auf die Verbindung – schon allein wegen des Seelenheils unserer Familie“, räumte Lucius laut ein. Mit einem Ruck entzog Draco seine Schulter dem Griff seines Vaters. „Aber ich kann Draco nicht zwingen, einen Unbrechbaren zu leisten, egal, wie gerne ich das würde“, erklärte er neutral. Ihr Vater atmete knapp aus.

 

„Wir verzichten auf den Unbrechbaren. Aber der Vorbehalt bleibt bestehen.“

 

„Lucius“, sagte Narzissa jetzt still. „Es ist ein geeignetes Druckmittel“, fuhr sie sanfter fort.

 

„Das ist es“, bestätigte ihre Mutter blind. „Wer garantiert uns sonst, dass euer Rebell von Sohn nicht einfach über Nacht die Koffer packt und abhaut? Er scheint keine großartige Verbundenheit gegenüber der Familienehre zu empfinden!“, entkam es ihr empört. „Was sollte ihn also davon abhalten, Astoria sitzen zu lassen?“, wollte sie wütend wissen.

 

Gereizt atmete Lucius aus, dann fixierte er Draco. „Begreifst du die Konsequenz dieses Vertrags, Draco?“, fragte er ihn direkt. Es schwang viel in seinen Worten mit. „Begreifst du die Konsequenz deines Handelns“, und Draco wollte sprechen, aber Lucius fuhr unbeeindruckt fort, „-sei es mit Absicht oder ungewollt. Begreifst du, dass du allein für alles verantwortlich bist, was innerhalb deines Handlungsspielraums passiert?“, wollte er dann wissen.

 

„Was willst du von mir-?“, begann Draco, aber Lucius‘ Stimme unterbrach ihn donnernd.

 

„-ich will von dir hören, dass du verstanden hast!“, dröhnte seine Stimme. „Dass das die Art von Verantwortung ist, die man nicht auf die leichte Schulter nimmt! Ich will hören, dass du nicht planst, abzuhauen, Astoria sitzen zu lassen, um eine fragwürdige Zukunft mit einem Schlammblut einzugehen, das dich alles – aber verdammt noch mal alles kosten wird?“, fuhr er ihn an, so kalt, so scharf, dass alle anderen schwiegen. Selbst Draco. „Du wirst Vater werden – das verstehst du jetzt nicht, aber das wirst du! Und du wirst enttäuscht werden, du wirst den Tag verteufeln, an dem Kind geboren worden ist, weil es genau das Gegenteil von all dem tun wird, was du für gut und richtig erachtest! Aber es wird um einiges schlimmer für dich werden, wenn kein Millionenerbe hinter deinem Namen steht, wenn du keine Sicherheit mehr hast, finanziell gut durchs Leben zu kommen! Denn ich verspreche dir hier und jetzt, um die Geburt deines Kindes, um sein Anrecht auf finanzielle Anerkennung kommen wir nicht mehr drum rum – aber dein Recht kann ich verwirken, Draco“, informierte er ihn glasklar. „Du stehst auf der verdammten Kippe – und ich kann dir versichern, jemand wie Hermine Granger, mit der Fähigkeit, Mitgefühl und Empathie zu empfinden, wird dich ohne jeden Zweifel verurteilen, wenn du diese Art von Verantwortung nicht wertschätzt! Wenn du dein ungeborenes Kind sitzen lässt! Liebe vermag nur gewisse Distanzen zu überwinden, mein Sohn“, entkam es ihm kopfschüttelnd. „Und ich kann dir garantieren, dass ihre Liebe dort aufhören wird, wo du dich gegen die Verantwortung für ein unschuldiges Leben entscheiden wirst!“

 

Toris Herz klopfte laut in ihrer Brust. Sie sah den Kampf hinter Dracos Augen. Sie konnte ihn nicht einschätzen, konnte nicht sehen, was die Worte seines Vaters in ihm bewegten – ob sie etwas bewegten. Und sie wusste, es lag an ihr. Dieses Schicksal lag an ihr. Er wollte Hermine Granger, das war offensichtlich, und würde sie das Kind entfernen, stünde nichts weiter in seinem Weg. Ihm schien Gold egal zu sein, sein eigener Wert in dieser Welt. Aber Lucius würde Recht behalten. Granger würde ihn verurteilen, wenn er sich der Verantwortung entzog.

Und sie wusste, dass sie das Kind behalten würde. Sie wollte Draco. Sie wollte ihn seit sieben Jahren, und jetzt, wo sie ihn bekommen konnte, würde sie garantiert keine Entscheidung um seinetwillen treffen. Denn sie nahm an, selbst wenn er mit Hermine zusammen wäre, wäre die Beziehung nur kurzlebig. So oder so.

 

Und wenn sie sich irrte, dann wäre das so. Das Schicksal von Hermine Granger betraf sie nicht. Tori bekam, was sie wollte. So war es immer gewesen. So würde es immer sein. Er mochte sich jetzt noch sträuben, aber er würde sich fügen. Jedes Reinblut fügte sich irgendwann. Sie hatte es noch nicht anders erlebt.

 

Dann fiel Dracos Blick. Und dann nickte er dumpf, sagte kein Wort mehr, hob nicht mehr den Blick.

 

„Dann werden wir den Vertragsentwurf aufsetzen“, beschloss ihr Vater, einigermaßen zurückhaltend. Er wandte sich an die Rechtmagier, die betreten die Köpfe gesenkt hatten. „Korrigieren Sie den Vertrag. Der Vorbehalt bleibt, mit Option auf magischem Eilverfahren vor dem Strafgericht, den Ehevertrag besprechen wir beim nächsten Treffen“, sagte er dann.

 

Still kratzten die Federn, flogen magisch übers Papier, und nach wenigen Minuten war der Vertrag aufgesetzt, wurde zur Unterzeichnung zunächst ihr vorgelegt und dann an Draco weitergereicht. Er ergriff die Feder mit links. Ausdruckslos, unterzeichnete, ohne den Vertrag zu lesen, ohne aufzusehen, und kaum war die Tinte trocken, erhob er sich aus dem Stuhl.

 

„Draco-“, begann Narzissa, die sanfte Warnung in der Stimme.


„-ich werde mich zurückziehen. Ich habe zu tun“, informierte er seine Mutter kalt. „Mr. Greengrass, Mrs Greengrass“, verabschiedete er sich von ihren Eltern, und seiner Stimme war kein Gefühl anzuhören. „Astoria“, wandte er sich an sie, ohne sie anzusehen, und verließ mit zügigen Schritten den Salon.

 

Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er mit ihr plaudern wollte. Dass er sich freute, sich fügte, nein.

 

„Gut, dann…“, sagte ihr Vater bloß. „Astoria muss zurück nach Hogwarts. Ich schlage vor, wir reden morgen, Lucius“, verabschiedete er sich. „Narzissa, danke für die Gastfreundschaft“, ergänzte er mit Blick auf den nicht angerührten Tee, und Narzissa und ihre Mutter sahen sich unzufrieden an.

 

„Ich rufe später über Floh an“, versprach ihre Mutter Narzissa still, und die andere Frau nickte drängend.

 

„Astoria“, sagte Narzissa schlicht.

 

„Mrs Malfoy, Mr. Malfoy“, verabschiedete auch sie sich mit einem tiefen Nicken. Lucius schenkte ihr einen knappen Blick, und seine Mundwinkel zuckten kurz, ehe auch er mit langen Schritten den Raum verließ.

 

Schritt eins war überwunden, dachte sie erleichtert. Fehlten nur noch der Ehevertrag, die Hochzeit und natürlich eine reibungslose Geburt.

Und dann wurde ihr Märchen endlich Wahrheit.

 

 

44. the art of sex

 

Granger wohnte noch immer hier. Pansy begriff nicht, wie man freiwillig hier leben konnte. Dann wiederum konnte sie sich keine großen Sprünge mehr leisten – nicht mal mehr eine große Klappe. Sie dachte oft an Blaise, an das Angebot, was er ihr gemacht hatte, aber… es war nicht, was sie wollte. Jeder Gedanke an ihr Zuhause, an eine Ehe zu Blaise, hatte sie gedanklich so sehr eingeengt, dass sie Panikattacken bekommen hatte!

Jetzt hatte sie zwar gar nichts mehr, aber eigenartigerweise war dieses Gefühl dennoch besser, als alles Bisherige.

Hinzu kam nur die Tatsache, dass Weasley sie verabscheute. Pansy verabscheute sich selbst hin und wieder. Ihre Mutter hatte sie immer wieder gefragt, was sie von einem Weasley wolle – welchen Vorteil sie sich ernsthaft versprach; und Pansy wusste, es gab keinen Vorteil. Es war schlicht und einfach eine Herzensangelegenheit, der sie sich nicht verwehren konnte.

 

Granger betrat einigermaßen ruhelos das winzige, unordentliche Wohnzimmer, in dem Pansy versuchte, ihre Gedanken abzulenken. Erfolglos, natürlich.

 

„Hey“, begrüßte Granger sie mehr oder weniger anwesend.

 

„Hey“, erwiderte Pansy die formlose und sinnlose Begrüßung. Granger fragte nie, wie es ihr ging, wie sie sich fühlte. Ob sie bei Potters Frau auch so absolut taktlos war? Ob es sie störte, dass sie, Pansy, hier nun ebenfalls lebte? Aber es kam Pansy eher so vor, als wäre Granger immer nur mit sich selbst und ihrem Leid beschäftigt. Sie war ziemlich selbstbezogen. Nicht, dass sich Pansy großartig unterschied, aber sie fand es bei Granger lächerlich. Denn Granger hatte keine Probleme. Keine echten zumindest. „Ich dachte, du wärst wieder ausgezogen“, machte Pansy jetzt widerwillige Konversation, mit dem eigentlichen Hintergedanken, Granger so schnell wie möglich zu verscheuchen. Granger hob den Blick zu ihrem Gesicht, absolut abwesend.

 

„Hm“, machte sie bestätigend, ehe ihr Blick fokussierte. „Was?“, fragte sie entgeistert, und Pansy hinderte sich daran, die Augen zu verdrehen.

 

„Du warst im Ministerium. Ich dachte, du wärst jetzt fertig mit beleidigt sein“, erklärte sie achselzuckend. Natürlich schenkte ihr Granger einen verständnislosen, leicht beleidigten Blick. Sie schmollte viel. Dass es Draco nicht schon längst zu anstrengend mit ihr war! Unfassbar, fand Pansy.

 

„Ich bin nicht beleidigt“, schien Granger mit gewisser Herablassung klarstellen zu wollen. 

 

„Was auch immer“, seufzte Pansy augenverdrehend.

 

„Im Moment bleibe ich hier“, sagte Granger dann. „Aber keine Sorge, ich verschwinde bald.“

 

„Nicht meinetwegen“, erwiderte Pansy gelangweilt. Aber neugierig war sie dennoch. „Seid ihr… zusammen?“, fragte sie also offen, und Grangers Blick löste sich wieder abwesend vom spärlich bestückten Bücherregal. Natürlich war es prall gefüllt mit magischen Kochbüchern, aber echte Lektüre war in diesem Haus schwer zu finden, hatte Pansy festgestellt.

 

„Nein“, erklärte Granger dann kühler.

 

„Aber?“, hakte Pansy nach, die vielleicht sogar doch ein Gespräch mit Granger der endlosen Langeweile vorzog.

 

„Nichts aber“, log Granger, und Pansy stöhnte gereizt.

 

„Dann wäre es nett, wenn du wieder verschwinden würdest?“, sagte Pansy eindeutig, und jetzt wirkte Granger äußerst missmutig.

 

„Wenn dir so langweilig ist, Pansy, wieso gehst du dann nicht zu Ron?“ Pansy verzog den Mund.

 

„Ich denke, ich habe keine Lust, mich anschreien zu lassen, danke.“

 

„Du denkst, du bekommst deinen Willen, in dem du passiv wartest? Mit Verlaub, aber ich kenne Ron.“

 

„Gehe ich von aus“, bemerkte Pansy säuerlich. Granger ignorierte sie jedoch.

 

„Du wirst ihn überzeugen müssen. Anders läuft es nicht. Ron ist faul und stur.“

 

„Er hat bereits gesagt, dass-“

 

„-Männer sagen ständig irgendwelche dummen Sachen“, erklärte Granger entnervt. „Und man muss nicht unbedingt mit Worten überzeugen. Ich nehme an, die eine gemeinsame Nacht war nicht deine beste Performance – aber wer ist schon gut, wenn er betrunken ist?“, fuhr Granger abwesend fort, und Pansys Stirn runzelte sich.

 

„Bitte was?“, entfuhr es ihr, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Granger ernsthaft darüber sprach.

 

„Der Sex?“, sagte sie tatsächlich. Pansy starrte sie an. „Mit… mit Ron“, erläuterte sie. „Er sagte, es wäre nicht gut gewesen. Deshalb hätte er kein Interesse mehr. Aber ich denke-“

 

„-Stopp mal – was?!“, unterbrach Pansy sie ungläubig. „Das… das hat er dir gesagt?“, entkam es ihr tonlos. „Wieso sollte er – wieso…?“ Es war absolut unfassbar. Granger besaß den Anstand, rot zu werden.

 

„Oh. Ich dachte… vielleicht… hättest du das geahnt?“, erkundigte sich das Mädchen mit den unmöglichen Locken vor ihr, und Pansys Mundwinkel sanken.


„Sehe ich so aus?“, fragte sie Granger ernsthaft, und diese schüttelte den Kopf.

 

„Nein, nicht direkt. Aber… daran lässt sich arbeiten. Wie ich sagte, Männer sind stumpf. Und Ron gehört definitiv zu diesen Männern. Sobald der Sex gut für ihn ist – sollte es kein Problem mehr sein.“ Fast achtlos waren ihre Worte. Pansy war davon ausgegangen, dass der Sex großartig gewesen war! Dass Frauen überhaupt nicht schlecht im Bett sein könnten! Und gerade sie nicht!

 

„Ich glaube nicht, dass ich mit dir darüber reden möchte“, sagte sie mit erstickter Stimme. Grangers Mund öffnete sich.

 

„Pansy, es tut mir leid“, sagt sie verblüfft. „Merlin, es ist keine große Sache“, behauptete sie.

 

„Wieso weißt du das? Ich dachte, du hast keinen Kontakt mit Weasley?“ Pansy war einfach nur erschüttert. Solche Frivolitäten kannte sie aus ihrem Umfeld nicht!

 

„Habe ich auch nicht. Nicht wirklich zumindest“, räumte Granger ein. „Ich… war nur bei ihm, um… meine schlechte Laune auszulassen, als… als ich mit Draco geschlafen hatte“, sagte sie schlicht. Es war so absurd, dass Draco mit diesem Mädchen freiwillig schlief. Merlin!

 

„Dann war der Sex mit Draco nicht gut?“, vermutete Pansy etwas ratlos. „Wenn du dich beschweren wolltest?“ Aber wieder wurde Granger rot. Sehr rot.

 

„Nein…, ähm, der Sex war… gut“, gestand Granger ein. Pansy verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Dann erklär es mir“, forderte sie Granger unerschrocken auf.

 

„Es dir erklären?“, wiederholte Granger verwirrt.

 

„Guten Sex. Erklär es mir. Du und Draco seid ja scheinbar Experten“, spottete Pansy, die die Hexenwoche sehr wohl gelesen hatte. Und Narzissa hatte sie sehr unsanft ins Bilde gesetzt. Granger schien gleich vor Röte platzen zu wollen. Immerhin etwas.

 

„Ich glaube nicht, dass-“

 

„-ich habe Zeit, ich gehe nirgendwohin. Und wenn guter Sex der Schlüssel ist, dass ein dummer Weasley seine Meinung ändert – warum nicht? Ich bin lernfähig“, behauptete sie gereizt.

 

„Ok?“, erwiderte Granger. „Was… wie ist es gelaufen? War es… romantisch?“

 

„Romantisch?“, wiederholte Pansy. „Wir waren auf den Toiletten im Club – also würde ich sagen, nein.“ Granger verzog beinahe angewidert den Mund.


„Dann würde ich vorschlagen, einen anderen Ort zu wählen“, sagte Granger eindeutig.


„So einfach ist es nicht! Ich kann nicht einfach… zu ihm gehen, mich ausziehen und sagen – hier! Nimm mich“, entkam es ihr beschämt, aber Granger lachte fast.


„Ich denke, so ungefähr würde Ron es wohl gerne haben“, merkte sie an. Pansy zog eine Grimasse.

 

„Das kann ich nicht. Nicht nachdem er… so-“

 

„-magst du ihn?“, wollte Granger wissen, und Pansy verdrehte die Augen. „Also, dann… würde ich mich nicht so anstellen.“

 

„Ich bin schwanger. Es ist kein erstes Mal. Unser erstes Mal ist sowas von schief gelaufen. Er weiß, dass ich schwanger bin und es garantiert nicht noch mal-“

 

„-was soll jetzt noch schiefgehen?“, wollte Granger eindeutig von ihr wissen. Und vielleicht hatte sie sogar Recht. „Und glaub mir, Männer sind anders gestrickt. Sobald das Blut sein Gehirn verlassen hat – ich würde es versuchen“, merkte sie achselzuckend an. Pansy war einigermaßen dankbar. Tatsächlich. Vielleicht wäre es einen Versuch wert?

 

„Was soll ich ihm sagen?“, wollte sie beinahe scheu von ihr wissen. Granger zuckte die Achseln.

 

„So wenig wie möglich, schlage ich vor. Am besten verschlägst du ihm die Sprache. Besorg dir nette Unterwäsche, oder…- mach das, womit du ihn das erste Mal überzeugt hast“, schlug sie vor. Pansy konnte nette Unterwäsche anziehen. Sie könnte auch Feuerwhiskey besorgen – nur könnte sie keinen mehr trinken. Sie könnte einen Mann verführen, nahm sie an. Bei Blaise war es nie nötig gewesen, aber der Sex mit Blaise war auch immer langweilig.

 

„Ok“, sagte Pansy dann. „Ich werde es versuchen.“ Fast war sie überrascht.

 

„Gut“, erwiderte Granger neutral.

 

„Wie… läuft es bei euch denn jetzt?“, versuchte Pansy, das Gespräch aufrechtzuerhalten, und Granger atmete schließlich lange aus.

 

„Er wird Astoria heiraten“, sagte sie nachdenklich. Pansy sah sie an.

 

„Astoria? Greengrass?“, vergewisserte sie sich ungläubig. Sie kannte das kleine Mädchen. Nerviges Biest. „Wieso sollte er?“, entkam es ihr.

 

„Er hat mit ihr geschlafen, und sie ist schwanger“, erwiderte Granger nachdenklich. Pansys Mund öffnete sich ungläubig. Was hatte sie alles verpasst? Wieso blieb Granger so eigenartig ruhig.


„Ist das… dein Ernst? Er heiratet dieses Mädchen? Er hatte ernsthaft Sex mit ihr? Wie alt ist sie? Zwölf?“, entkam es ihr schockiert, aber Granger hob eine Augenbraue.


„Sie ist achtzehn. Und sie hat Vielsafttrank benutzt, und ich kann dir nicht viel weiter sagen, denn mehr weiß ich auch nicht.“

 

„Bist du… nicht stinksauer?“, entfuhr es Pansy verwirrt. „Und was? Vielsafttrank? Was bei Merlin-?“

 

„-lange Geschichte“, sagte Granger bloß. „Und ja, ich war sauer, aber… ich weiß nicht, ob… es zu ändern ist.“ Pansy war erschüttert.

 

„Das… das tut mir wirklich leid. Ich… bin mir sicher, er will dich. Nicht sie“, sagte sie tatsächlich ehrlich. Granger schenkte ihr fast ein Lächeln.

 

„Mag sein“, sagte sie. „Aber es wird nichts ändern.“

 

„Astoria ist schwanger? Wie furchtbar“, sagte Pansy kopfschüttelnd. „Merlin. Da wird Lucius begeistert sein“, murmelte sie. „Dann findet Draco ja auf den Weg der Tugend zurück“, erkannte sie betrübt. Aber Granger lächelte nun wieder.


„Das denke ich nicht“, widersprach die Heldin vor ihr fast versonnen. „Zumindest werde ich alles daran setzen, dass das nicht passiert“, ergänzte sie vielsagend. Pansy verstand nicht wirklich, aber… ihre Gedanken wanderten bereits. Armer Draco. Das hatte sie ihm wirklich nicht gegönnt. „Ich muss weiter machen“, verabschiedete sich Granger von ihr, und sogar Granger tat ihr plötzlich leid.

 

Irgendwo, in den Tiefen ihrer Kartons, befand sich ein schwarzes Ensemble an Dessous, welches Blaise ihr, samt Strumpfhaltern geschenkt hatte, um… die Sache spannender zu machen. Pansy nahm an, ein Versuch würde nicht schaden.

 

Und sie hatte heute nichts weiter zu tun. Außer natürlich an Draco zu denken, und an die vielen falschen Entscheidungen, die ihr ehemals guter Freund traf.

 

~*~

 

Pansys Mantel war mit einem Heizzauber belegt. Sie nahm an, sie würde sonst wahrscheinlich sterben vor Kälte. „Das tue ich nur für dich“, murmelte sie ihrem Unterleib zu, ehe sie die alte Klingel betätigte. Dumpf hörte sie das Läuten oben und wartete. Die Tür unten sprang auf, und sie betrat den hintern Flur. Eine gläserne Tür ging zum Scherzartikelladen ab, der bereits geschlossen hatte, und sie machte sich daran, die vielen Stufen nach oben zu nehmen.

 

Es war ein steiler Weg für ihre hohen schwarzen Schuhe, und zu ihrer Panik vernahm sie mehrere Stimmen oben.

 

„Ginny?“, hörte sie eine fremde Stimme rufen, und dann erschien Potters Kopf über dem Geländer. „Oh“, entfuhr es ihm, als er sie erkannte.

 

„Wer ist es?“, hörte sie Weasleys Stimme, und fast wollte sie auf der Stelle umkehren. Sie verharrte unschlüssig. Dann trat Weasley neben Potter.

 

„Wie wäre es, wenn ich unten auf Ginny warte?“, sagte Potter schließlich.

 

„Das muss du nicht“, entkam es Weasley kalt. „Ich habe nicht vor-“

 

„-ja, ich denke, ich warte unten“, beschloss Potter kurzerhand, griff sich seinen Mantel und kam schnell die Stufen runter. Als er sie auf der schmalen Treppe passierte, schenkte er ihr ein knappes Lächeln. „Viel Glück“, raunte er ihr zu, und sie schluckte schwer.

 

„Kann… kann ich hoch kommen?“, wollte sie wissen, und Weasley verzog den Mund.

 

„Warum?“, entfuhr es ihm kalt.

 

„Ich wollte… mich entschuldigen“, log sie teilweise. Er runzelte die Stirn. Sie hatte angenommen, dass es seinem Ego gefallen würde. Und anscheinend hatte sie Recht.

 

„Zwei Minuten“, warnte er sie. „Ich habe noch Besseres zu tun.“ Sie schluckte ihren Stolz runter, und es war bitter genug. Sie erreichte die Tür oben und betrat das kleine Apartment. Nein, hier würde sie nicht leben können, stellte sie lediglich fest. Wieso lebte ein Kriegsheld mit einer immensen Abfindung in einem Ein-Zimmer-Apartment?! Aber sie sagte gar nichts und begann in ihren magisch vergrößerten Jackentaschen zu kramen. Sie holte mit beiden Händen das kleine Grammophon hervor, platzierte es auf dem vollen Tisch und erweckte es stumm zum Leben. Leise spielte es Jazz, und Weasley runzelte die Stirn. Dann stellte sie zwei Gläser auf den Tisch, zog die Flasche Odgen’s aus der Tasche und stellte sie ebenfalls daneben. Dann zog sie in nur einer Bewegung ihren Mantel aus, und war nicht gewöhnt, dass ein Mann sie nicht direkt wollte. Bei Blaise war es einfacher gewesen.

 

Weasleys kalter Ausdruck geriet etwas schief, verblasste merklich, und sie sah ihn abwartend an. „Ich dachte“, begann sie zitternd, „wir probieren es noch mal“, schlug sie still vor. Sein Mund öffnete sich, und sein Blick wanderte ziellos über ihren Körper, schien sich nicht mehr auf ihr Gesicht konzentrieren zu können.

 

„Wa-was noch mal?“, wiederholte er zusammenhanglos ihre Worte.

 

„Mir wurde gesagt, ich wäre ziemlich talentiert im Schlafzimmer“, erklärte sie dann, und sein Blick hob sich zügig zu ihrem Gesicht. „Und vielleicht brauche ich einfach… ein Schlafzimmer, um meine Fähigkeiten demonstrieren zu können“, schloss sie auffordernd, stemmte die Hände in die bloßen Hüften und sah ihn schlucken. „Zwar qualifiziert sich dieser Abstellraum, der wohl Wohn-Schlaf-Küche in einem ist, kaum als Schlafzimmer, aber besser als die Toiletten in einem lauten Club wird es sein. Zumindest… privater“, schloss sie, und ihre langen Ohrringe berührten kühl ihre bloßen Schultern, als sie herausfordernd das Kinn vorstreckte und ihn erwartungsvoll ansah. Zumindest besaß sie noch denselben Körper. Noch immer dieselbe ausgezeichnete Figur, die sie gewöhnt war. Und solange es so war, sollte sie wohl besser alle Register ihres Könnens nutzen. Sie hoffte nur, Granger lag richtig. 

 

„Was… versprichst du dir davon?“, fragte er sie, aber seine Stimme klang nicht mehr abweisend. Merlin, er klang nicht mal mehr im Ansatz wütend.

 

„Gar nichts“, log sie blind. „Ich lasse mir nicht sagen, ich wäre schlecht im Bett, Weasley“, antwortete sie stolz. „Und was hast du zu verlieren? Einen langweiligen Abend mit Potter und deiner Schwester?“ Provozierend atmete sie tief ein und ihre Brust hob sich entsprechend einladend.

 

„Ich weiß, was du tust“, sagte er beinahe heiser. „Du denkst, du könntest mich an dich binden, indem du dir sexuelle Mühe gibst“, durchschaute er sie tonlos.

 

„Möglich“, räumte sie achselzuckend ein. „Oder ich möchte zur Abwechslung einfach mal etwas Spaß haben. Immerhin bin ich eine verstoßene Reinblüterin. Und all das nur für dein Kind“, erklärte sie eindeutig. Sie sah ihn schlucken. „Aber du musst mich heute nicht als Pansy Parkinson sehen, Ronald Weasley“, fuhr sie mit sanfter Stimme fort und schlenderte näher auf ihn zu. Er blieb reglos stehen. „Sieh mich einfach als die eine Eroberung, die sie so nett ist, sich ein zweites Mal auf dich einzulassen. Wieder glitt sein Blick abwesend über ihren Körper. „Darf ich dir ein Glas Feuerwhiskey anbieten?“, wollte sie rau wissen, als sie direkt vor ihm stand, und sich seine Hand langsam hob, um über das seidige Material ihres BH zu streichen. Kurz hielt sie die Luft an, als seine Berührung stille Schauer über ihren Rücken schickte. Seine Finger glitten ihre Seite entlang, und dann ruhte seine Hand auf ihrem Becken.

 

„Du gibst dir verdammt viel Mühe“, entkam es ihm abgelenkt.

 

„Nicht wirklich, Weasley“, raunte sie. „So sehe ich immer aus, wenn ich keine Klamotten trage“, ergänzte sie, mit Absicht eingebildet. Seine blauen Augen hoben sich zu ihrem Gesicht. Er war sehr groß, selbst in ihren hohen Schuhen war sie einen ganzen Kopf kleiner als er. Sie fand es unglaublich anziehend.

 

„Es ändert gar nichts“, sagte er tonlos, und sie ließ ihm diese Illusion, als sie die Augen schloss, während sein Kopf sich langsam senkte. Er küsste sie. Und es war kein verhaltener Kuss. Nein, sein Arm glitt direkt um ihre bloße Taille, und dass ein Weasley solche Gefühle in ihr auslösen konnte, war direkt pervers! Ihr Herz schlug unfassbar schnell. Ihre Hände griffen in seinen Nacken, spürten die welligen Spitzen seiner dichten Haare, und ihr Mund öffnete sich, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Sie presste ihren beinahe nackten Körper gegen seinen und spürte seine Erektion bereits.

 

Bevor sie sich verlieren würde, stieß sie ihn von sich, ließ ihn zurücktaumeln, folgte, stieß ihm erneut vor die Brust, und er fiel mit einem überraschten Laut auf das durchgesessene Sofa. Sofort stieg sie über ihn. Das Höschen besaß im Schritt keinen Stoff – was durchaus praktisch war. Sie öffnete seine Hose, und ließ ihn nicht aus den Augen.

 

„Wie wäre es, wenn du dich einfach entspannen würdest und mir die Arbeit überlässt?“, schlug sie mit einem Engelslächeln vor, und sein Mundwinkel hob sich begeistert.

 

„Du… gibst dir verdammt viel Mühe“, wiederholte er wieder, aber seine Stimme war nur noch ein Krächzen. Und wieder schenkte sie ihm ein Lächeln.

 

„Nicht wirklich, Weasley“, wiederholte auch sie. „Das könntest du haben, wann immer du es willst“, lockte sie ihn mit einem frechen Zwinkern, und diesmal schlang er ungeduldig die Hand um ihren Hals, schloss den Abstand, und wilde Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. Er schien sie zu wollen! Dabei hatte sie noch gar nicht losgelegt!

 

Sie war begeistert, wie einfach er zu manipulieren war! Und sie war begeistert, wie wenig es ihr ausmachte. Sein Blick allein ließ sie ungeduldig auf mehr werden!

 

Das heute war eine gute Entscheidung gewesen.

Absolut perfekt!

 

 

45. away

 

Als es an der Tür klopfte, war die Dämmerung bereits hereingebrochen. Sie saß mit einem Buch auf einem hohen Hocker in der Küche, während Arthur den Weg zur Haustür überwand. Molly rührte mit stoischer Geduld in einem der vielen Töpfe, die einen einladenden Geruch verströmten.

 

„Erwartest du Ginny und Harry?“, erkundigte sich Hermine bei Molly, welche die Stirn runzelte.

 

„Nein, heute nicht. Vielleicht ist es Mr. Reeves, der uns wieder ein paar seiner Schweine verkaufen will“, mutmaßte Molly grimmig. Hermine hatte es schon mitbekommen. Anscheinend besaß Mr. Reeves nicht genug Gold, um alle Tiere durch den Winter zu bringen, aber Molly hatte kein Herz für Schweine. Es war ein Trauerspiel. Aber so spät war Mr. Reeves noch nie hier aufgetaucht.

 

Arthur kehrte schließlich zurück.

 

„Und?“, wandte seine Frau gespannt den Kopf. „Schon wieder Reeves? Ich hoffe, du hast ihm klar gemacht, dass die Hühner keinen Quadratzentimeter mit seinen Schweinen teilen wollen?“, warnte Molly ihn direkt, und Arthur schenkte ihr ein Lächeln.

 

„Glasklar, Liebes“, bestätigte er, und fast musste Hermine lächeln. Diese beiden… „Wie kommt das Essen voran?“, wechselte Arthur das Thema, und Molly schenkte ihm einen knappen Blick.

 

„Schneller, wenn du mir zur Hand gehen würdest. Hermine muss lernen“, rechtfertigte sie sie direkt, bevor Arthur es wohl hatte zur Sprache bringen können.

 

„Aber sicher doch“, erwiderte er bloß. „Hermine“, sagte er, „würdest du mir meine Brille holen?“ Es war eine eigenartige Bitte. „Ich habe sie im Wohnzimmer liegen lassen.“

 

„Wieso holst du sie nicht selbst?“, wollte Molly direkt wissen, aber Hermine verstand und erhob sich sofort.


„Kein Problem. Ich wollte ohnehin hoch“, log sie schnell, denn sie nahm an, es war nicht Mr. Reeves gewesen. Zügig verließ sie die Küche, das Buch fest in der Hand, nur um das Wohnzimmer leer vorzufinden. Tatsächlich lag Arthurs Brille auf dem schmalen Couchtisch, darunter ein gefalteter Zettel, der ihren Namen trug. Hermine legte das Buch beiseite, griff sich die Brille und entfaltete die Notiz.

 

‚Pack deine Tasche und triff mich hinterm Haus.

Zieh dich warm an.

Vernichte diese Nachricht.‘

 

Sie schluckte. Die Nachricht ließ ihr nicht viel Spielraum. Ja, sie könnte wohl rausgehen und sagen, dass sie nicht vorhatte, mitzukommen, aber… allein die Tatsache, dass Draco hier her kam, Arthur eine Nachricht übergab und draußen wartete, ließ ihr Herz höher schlagen. Unpassenderweise.

Und ihr Verstand arbeitete. Schnell. Zu schnell. Wiedermal. Dass er sie heute Abend noch sehen musste, ließ sie annehmen, dass das Treffen mit Astoria und ihren Eltern nicht sonderlich glatt verlaufen war – zumindest nicht gut genug, als dass er ein freier Mann sein würde.

 

Und sie ging stark davon aus, dass ihn Verzweiflung handeln ließ. Sie nahm an, die Greengrasses erpressten ihn, und da Astoria schwanger war und jung genug, um unschuldig zu wirken, zog Draco den Kürzeren in diesem Spiel. Er fügte sich, oder er würde verhaftet werden. Das würde es sein, was er ihr mitzuteilen hatte.

 

Und wenn er sich fügen musste, dann… wollte sie ihn sehen. Sie musste ihn sehen.

 

Mit zitternden Fingern warf sie die Notiz in das kleine Feuer, und die Flammen verschlangen das Papier innerhalb von Sekunden. Dann ging sie zurück in die Küche und überreichte Arthur seine Brille.

 

„Molly, Arthur, ich… werde mich oben hinlegen. Ich bin nicht hungrig. Einfach nur erschöpft“, sagte sie mit Überzeugung.

 

„Hermine, du musst essen!“, widersprach Molly sofort.


„Ich bringe ihr was hoch“, bot Arthur ihr vielsagend an.

 

„Da halte ich wenig von“, mischte sich Molly wieder ein. „Sie ist ohnehin zu viel alleine. Sie sollte-“

 

„-sie wird es schon wissen, Liebes. Lass sie ruhig“, unterbrach er seine Frau beinahe sanft. „Hermine, ich bringe es dir hoch.“ Anscheinend war Arthur in Dracos Plan eingeweiht, und anscheinend war Arthur kein so großer Feind, wie Molly es war. Molly hatte bereits geschworen, den ‚Malfoy-Jungen‘ zurück nach Wiltshire zu fluchen, sollte er sich auch nur zehn Meter gegen den Wind nähern. Und Hermine schenkte Arthur ein dankbares Lächeln.


„Danke“, flüsterte sie warm.

 

„Kein Problem. Und schlaf gut“, ergänzte er zwinkernd, und als sie die Küche eilig verließ, hörte sie noch, wie Molly sich beschwerte und Arthur sie beschwichtigte. Sie nahm zwei Stufen auf einmal, und wusste nicht mal, wofür sie packen sollte. Wie lange es dauern würde. Aber sie hatten morgen zur Arbeit zu erscheinen, also ging sie davon aus, dass es nicht weit weg sein würde, und dass sie wohl nur eine Nacht bleiben würden.

 

Sie verhexte ihre Umhängetasche, warf alles Mögliche ins Innere – Klamotten, Ersatzuniform, ein paar Bücher, Schlafsachen, ihre Kulturtasche… und nach kurzem Zögern ihr Alibikleid und ein Paar hohe Schuhe. Zwar war sie sich sicher, dass sie es nicht brauchen würde – aber… es nahm nicht viel Platz ein. Dann zog sie sich ihre warmen Stiefel über, und so leise, wie es ihr möglich war, stieg sie die Stufen wieder runter. Von der Garderobe griff sie sich ihren Ersatzmantel. Der andere war vorne, und dieser würde reichen müssen. Sie hörte, dass in der Küche mittlerweile Musik lief. Wahrscheinlich hatte Arthur mitgedacht, und sie lächelte leicht, als sie fast lautlos den hinteren Flur betrat und die Tür zum Garten leise aufzog. Sie klickte hinter ihr sanft ins Schloss und sie sah sich im düsteren Garten um. Am Rand um das Haus steckten selbstentflammende Ewigfackeln, die ein orangenes Licht verströmten, und sie erstarrte, als sie in der hinteren Ecke des Gartens, etwas leuchtendes erkannte. Es strahlte praktisch durch die Dunkelheit, war hoch, und sie schluckte schwer, als es aus den Schatten trat.

 

Lautlos trat der Donnervogel näher, und er war bildschön.

 

Draco.

 

Mit zügigen Schritten kam er näher, und als er auf ihrer Höhe war, neigte er den Kopf. Automatisch hob sich ihre Hand, berührte den weichen Hals, und seidig schmiegten sich die Federn gegen ihre Handfläche. Dann ruckte er mit dem schönen Kopf und ging in die Knie.

Sie sollte aufsteigen, ging ihr dumpf auf. Sie würden fliegen. Kurz öffnete sich ihr Mund. Kurz wollte sie ihn fragen, wo sie hin wollten, aber sie verwarf den Gedanken. Es wäre zu kompliziert. Zu laut. Sie überwand ihre Höheangst und stieg auf den massiven Rücken des Tieres. Es fühlte sich nicht an wie en Pferderücken – sie wusste keinen Vergleich. Es war… wohl eher als würde man einen Drachen mit Feder reiten – aber auch da wusste sie nicht, wie es sich anfühlte. Es war einfach nur unfassbar!

 

Und schon spannte er die Flügel, schlug sie mit immenser Kraft nieder, und sie hoben ab, stiegen empor, und die kalte Luft raubte ihr kurz den Atem. Sie griff eilig in ihre Manteltasche und zog die Wollmütze hervor, um sie hastig aufzusetzen. So war es besser. Er stieg höher, und bald wirkte der Fuchsbau nicht viel größer, als ein Spielzeughaus. 

Die sechs Flügel ließen sie durch die Nacht sausen, und sie ließen das Dorf sehr schnell hinter sich. Sie flogen über Wiltshire, was angrenzte, und es ging nach Norden. Schottland erstreckte sich bereits in der Ferne, und Hermine bestaunte die Sterne, die vielen Lichter sehr tief unten, und hielt sich angsterfüllt an seinem Gefieder fest. Das Gold der Lichter und Zivilisation schnitt sich durch die nachtschwarze Landschaft, und als ihre Finger eisig kalt geworden waren, erreichten sie das schottische Hochland.

Er sank tiefer, ließ die Lichter des letzten Dorfes zurück. Sie erkannte die Brücke von Skye in der Ferne, aber sie landeten nicht im Zentrum. Fast streiften sie die Baumwipfel, und dann erkannte sie ein Anwesen in unweiter Ferne.

 

Sie hatte keine Ahnung, ob es größer war, als Malfoy Manor. Jedenfalls hatte sie noch nie ein so großes Haus gesehen. Mit kräftigen Flügelschlägen überwand er die hohen Mauern, die es umgaben, und es war hell erleuchtet im Innern. Sie überflogen ein Oberlicht und es offenbarte ihr Einblick in eine riesige Halle, aber schon hatten sie das andere Ende des Hauses erreicht.

 

Er setzte zur Landung an, und tatsächlich landete er so sanft, wie er aufgestiegen war. Mit wackligen Beinen kletterte sie von seinem Rücken und stand einigermaßen erfroren im Gras. Im Ansatz einer Drehung verwandelte er sich zurück, gleißend hell erstrahlte sein Gefieder, bevor es scheinbar zu goldenen Funken zerfiel, und seine Gestalt zurückblieb. In Uniform.

 

„Hey“, begrüßte er sie rau, und sie beobachtete die goldenen Funken in seinem Haar.

 

„Hey“, erwiderte sie, und er ergriff ihre Hand. „Wo- wo sind wir?“, fragte sie, als sie ihm zitternd folgte.

 

„Ein Ferienhaus der Familie“, erklärte er knapp.

 

„Ok“, war alles, was sie ratlos erwiderte. „Wieso ist alles hell erleuchtet?“, fragte sie weiter, während sie Mühe hatte, mit seinem Stechschritt mitzuhalten.

 

„Weil wir erwartet werden“, sagte er schlicht, und sie blickte ehrfürchtig an der riesigen gläsernen Pforte empor. Und sie war mehr als überrascht, als er Zauberer öffnete. Kein Hauself.

 

„Mr. Malfoy, Sir“, wurde er begrüßt, und der Zauberer ließ sie eintreten.

 

„Roland“, erwiderte Malfoy nickend. „Das ist mein Gast heute Abend“, stellte er sie lediglich vor, und Roland nickte ergeben.

 

„Sehr wohl“, sagte der Zauberer. „Werden Sie zu Abend essen wollen, Sir?“ Kurz tauschte Draco einen Blick mit ihr, aber Hermine war zu überfordert, um überhaupt zu reagieren. Draco übernahm das Gespräch wieder.


„Essen klingt gut. Bitte im privaten Salon“, ergänzte er dann, und Hermine konnte nur zuhören, während ihre Augen bereits den Reichtum aufsogen. Die Wände waren übersät mit Gemälden jeder Art. Magisch, Muggel – und es war nicht irgendwelche Kunst, nein. Es war teure, unfassbar teure, Kunst. Kunstvoll gearbeitete Kamine, Stuckverzierungen und Bodenmosaike säumten die lange Halle, und sie spähte fassungslos die Weite hinab.

 

„Sehr wohl, Sir. Madam“, verabschiedete sich wohl der Zauberer von ihnen, und Draco drückte kurz ihre Hand.

 

„Komm mit“, sagte er still, und sie folgte ihm ungläubig.

 

„Ferienhaus?“, wiederholte sie. „Weißt du, was normale Menschen unter einem Ferienhaus verstehen?“, fragte sie zischend. „Und wieso herrscht hier Betrieb?“, entkam es ihr entgeistert, als sie zwei Hexen in schwarzer Uniform im nächsten Zimmer ausmachen konnte, die gerade die Blumen herrichteten.

 

„Weil ich mich angekündigt habe“, antwortete er zumindest auf eine ihrer Fragen.

 

„Aha?“, machte sie, während sie sich den Hals verrenkte, als sie ein offenes Zimmer mit Flügeltüren passierten, aber alles, was sie erkennen konnte, war ein gläserner Flügel inmitten der riesigen Halle mit dem Oberlicht, das sie von draußen gesehen hatte, umringt von Sitzgelegenheiten und einem glänzenden Parkettboden. Manchmal vergaß sie, wer die Malfoys waren. Das ganze Todesser-Brimborium überschattete, was diese Familie wohl einst wirklich ausgemacht hatte – und das war unermesslicher Reichtum. Es schickte ein ohnmächtiges Gefühl durch ihren Körper.


„Weiß… weiß dein Vater – oder deine Mutter, dass du hier-?“ Er unterbrach sie.

 

„-nein, wissen sie nicht“, schloss er bloß.

 

„Aber… all der Aufwand, all das…-“ Sie unterbrach sich und deutete auf das Haus um sich. Er zuckte lediglich die Achseln.

 

„Ich brauchte für heute eine Unterkunft, und das hier erschien mir privat genug“, schloss er, als sie begonnen hatte, eine ausladende Marmortreppe emporzusteigen.

 

„Privat genug?“, wiederholte sie bloß. „Die gesamte Schülerschaft von Hogwarts könnte hier untergebracht werden“, entkam es ihr kopfschüttelnd.

 

„Ein Hotel wäre zu auffällig gewesen“, sagte er bloß. „Und ich will mich heute nicht verstecken“, ergänzte er. Sie gingen geradeaus. Mittig lag wohl ein riesiges Erkerzimmer, ebenfalls mit Flügeltüren versehen. Sie besaßen aufwendige Schnitzereien und die Vertiefungen im Holz waren mit schimmerndem Gold gefüllt. „Ignorier… einfach alles“, deutete er ihren Blick augenverdrehend.


„Ha ha“, machte sie unangenehm berührt. Ohne Zögern öffnete er die beeindruckenden Türen, und vor ihr erstreckte sich ein Zimmer, wohl so groß wie die Halle unten. Wahrscheinlich nicht, aber es kam ihr so vor. Auch auf diesem Tisch standen frische Rosen, und große Panoramafenster überblickten die Rückseite des Hauses. Sie erkannte lediglich dunkle Bäume und weiter unten eine beleuchtete Fontäne. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs ließ er jedoch die Vorhänge zu sausen, und der Blick nach draußen wart ihr verwehrt. Es grenzten zwei Türen an den großen Raum, und im Kamin brannte bereits ein hohes Feuer.

 

„Wenn du magst, kannst du ablegen. Oder dort hinten ist das Schlafzimmer“, bot er ihr an, und sie hob den Blick zu seinem Gesicht. Fast wäre es ihr lieber, sie wären in die WG zurückgekehrt, und hätten Penelope hier hin ausquartiert, dachte sie dumpf. „Was?“, fragte er sie, als er ihren Blick bemerkte.

 

„Nichts“, log sie eilig. Er runzelte die Stirn. „Wirklich, ich dachte nur-“, begann sie, aber die Türen öffneten sich nach einem kurzen Klopfen.


„Mr. Malfoy, Sir“, wurde er von einer jungen Hexe begrüßt, die einen Tablettwagen schob, und Hermine schwieg abrupt. Die Hexe deckte stillschweigend den Tisch, und Hermine hatte noch nie gerochen, was sie gerade roch. „Der Koch hat Ihre Leibspeise zubereitet. Dazu gibt es Soufflee und Rotwein“, erklärte die Hexe ergeben. Wie angewurzelt blieb Hermine, wo sie war.

 

„Danke“, sagte Draco schlicht, und die Hexe beeilte sich mit einer knappen Verbeugung, den Wagen wieder aus der Tür zu schieben. „Das wäre alles für heute“, sagte er bloß.

 

„Sehr wohl, Sir. Madam“, wurde Hermine wieder verabschiedet, und sie konnte nur annehmen, dass Draco in der Gunst seiner Eltern wieder gestiegen war, da er scheinbar hier willkommen geheißen wurde, als hätte es nie ein Zerwürfnis gegeben.

 

„Tut mir leid, wenn du das Essen nicht mögen solltest. Ich habe… nicht Bescheid gegeben, was gekocht werden soll. Fasan ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber im Grunde nicht anders als Hühnchen“, versuchte er ihren Schock wohl zu lindern. „Ich werde mich eben umziehen“, sagte er und deutete auf die Uniform. „Nicht sonderlich bequem zum Essen.“ Dann verharrte er, bevor er das Zimmer wohl Richtung Schlafzimmer verlassen wollte. „Und bitte lauf nicht weg“, bat er sie mit knappem Blick. Sie lachte freudlos auf.

 

„Ich wüsste nicht mal, wie ich hier raus käme, Malfoy. Keine Sorge“, sagte sie eindeutig, und seine Mundwinkel zuckten.

 

„Gib mir eine Minute, ok?“ Damit verschwand er durch die angrenzende Tür, und Hermine stand überfordert in dem riesigen Raum.

 

Ja. Astoria war besser für ihn geeignet, erkannte sie mit einem Mal. Und wie gut er sich hier einfügte. Wie hervorragend er hier zurechtkam. Wieso sollte ein junger Mann als das hier aufgeben? Sie hätte sehr wahrscheinlich fünfmal überlegt, bevor sie diese Art von Reichtum hinter sich lassen würde.

 

Vorsichtig trat sie an das riesige Fenster zurück. Es erinnerte sie an die langen Fenster, die man wohl auf einem Sonnendeck eines Kreuzfahrtschiffes finden würde, Sanft zog sie die Vorhänge einen Spalt zurück und blickte hinab in den gepflegten, ausladenden Garten.

Weiter hinten vermutete sie ein angelegtes Labyrinth aus immergrünen Hecken, eine Badelandschaft, aber sie vermochte es nicht genau zu erkennen. Und der Sternenhimmel war so unglaublich eindrucksvoll. Sie stand eine ganze Weile reglos, bis sie die Tür wieder aufgehen hörte. Sie wandte sich allerdings nicht um, zog es vor, noch einen Moment die stille Nacht zu bewundern.

 

„Du hast nicht abgelegt“, vernahm sie seine Stimme hinter sich und drehte sich um.

 

„Nein, ich… war… abgelenkt“, erklärte sie, während sie stirnrunzelnd seine Aufmachung betrachtete.


„Ich habe nichts anderes hier“, erklärte er augenverdrehend seinen Aufzug. Er trug eine helle Hose, ein dunkles Hemd und ein tiefblaues Jackett, mit eingenähten goldenen Akzenten. Seine Füße steckten in Lederschuhen, und Reichtum stand ihm unverschämt gut. Merlin, sah er gut aus. Seine Haare lagen noch etwas wild, und sie widerstand dem Drang, sie zu bändigen. Sie musste aussehen, wie eine Vogelscheuche, nahm sie an. Mit Mollys selbstgestrickter pinker Mütze auf ihren buschigen Haaren und dem alten Mantel.

 

„Hast du Hunger?“, fragte er, und immerhin schien er sich auch nicht völlig wohl zu fühlen.

 

„Nicht… nicht wirklich“, gestand sie ein. Er nickte langsam. „Draco“, begann sie, aber als wäre es ihm jetzt erst eingefallen, schloss er den Abstand umstandslos. Er griff in ihren Mantel und zog sie näher, bis sie praktisch gegen ihn fiel. Sein Kopf senkte sich sofort und er küsste ihre Lippen. Seine Nähe war berauschend, sein Duft unfassbar betörend, und sie erwiderte den Kuss, legte die Arme um seinen Nacken, und das Jackett fühlte sich unglaublich weich an. Er zog sie enger an sich, und seine Zunge glitt mühelos zwischen ihre Lippen, focht mit ihrer, und seufzend griff sie in seine dichten Haare, öffnete die Lippen weit für ihn, und wollte gar nicht wirklich denken.

Aber langsam wurde ihr warm in ihrem Mantel, unter der Mütze und sanft machte sie sich von ihm los, beendete den Kuss, und er sah hinab in ihr Gesicht.

 

Sie hatte das Gefühl, als wäre er kurz davor, ihr zu gestehen, dass er sie vermisst hatte, sie liebte – sein Ausdruck war so… erheblich. Aber er sagte gar nichts. Sah sie lediglich an. Sie schluckte schwer. „Draco“, begann sie erneut, als sie einen Meter Abstand zwischen sich und ihn gebracht hatte.

 

„Mh?“, erwiderte er ruhig, und sie fürchtete sich vor diesem Gespräch.

 

„Warum sind wir hier? Warum an… diesem besonderen Ort?“, wollte sie still wissen. „Ist… ist das der Abschied?“, entkam es ihr. „Das letzte-“


„-was?“ unterbrach er sie dann.

 

„Ich meine-“, begann sie ratlos, aber er schüttelte den Kopf.

 

„-es gibt mehrere Möglichkeiten“, räumte er schließlich ein.

 

„Du heiratest Astoria?“, nahm sie bitter an, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja, das wäre eine Möglichkeit. Ich heirate Astoria, wohne mit ihr im Herrenhaus und lebe unglücklich, bis zum Ende meiner Tage“, bestätigte er neutral. Unglücklich sah sie ihn an. „Oder ich heirate sie nicht“, schloss er dann.

 

„Gibt es diese Option?“, entkam es ihr fast hoffnungsvoll.

 

„Sicher gibt es diese Option. Das ist die einzige Option“, schloss er mit gerunzelter Stirn.

 

„Die einzige-?“, wiederholte sie ungläubig. „Aber du…? Die Strafverfolgung?“

 

„Es würde zur Verhandlung kommen, und sehr wahrscheinlich würde ich verhaftet werden“, bestätigte er ernst. Ihre Augen weiteten sich.


„Dann ist es keine Option!“, widersprach sie gereizt.


„Granger-“

 

„-nein! Es steht nicht zur Diskussion, Draco!“

 

„Ich werde sie nicht heiraten“, erklärte er ernst.

 

„Aber du willst ins Gefängnis kommen, ja?“, fuhr sie ihn an. Sein Blick fiel entnervt.

 

„Beide Optionen sind nicht ideal“, räumte er schließlich ein, und sie schnaubte sarkastisch auf. Und sie wusste, es würde nicht anders gehen.

 

„Du musst sie heiraten“, sagte sie dumpf.

 

„Ich will sie nicht heiraten.“

 

„Dann hast du deine Zukunft verwirkt.“

 

„Meine Zukunft ist so oder so verwirkt!“, fuhr er sie an. Sie sahen sich an.

 

„Draco-“, sagte sie wieder, und er schüttelte den Kopf.  

 

„-Hermine, ich kann nicht einwilligen, sie zu heiraten. Ich will sie nicht.“ Eindringlich war sein Blick.

 

„Und ich will nicht, dass du nach Askaban kommst. Da ist es mir lieber, ich… sehe dich bis zu deiner Hochzeit – heimlich, irgendwo! – aber ich will dich nicht in Askaban besuchen müssen!“ Unglücklich sah sie ihn an. „Und… dein Kind wird dich ebenfalls sehen wollen. Es wird dich brauchen, und-“

 

„-nicht“, unterbrach er sie kopfschüttelnd.

 

„Draco-!“

 

„-ich will darüber jetzt nicht nachdenken, Hermine“, warnte er sie.

 

„Das wirst du unweigerlich müssen“, sagte sie bloß.

 

„Ich kann nicht fassen, dass du willst, dass ich sie heirate“, entkam es ihm schockiert.

 

„Natürlich will ich das nicht!“, fuhr sie ihn an. „Natürlich nicht, Malfoy!“, knurrte sie. „Aber du gehörst nicht ins Gefängnis! Und wegen mir musst du garantiert nicht dieses Schicksal auf dich nehmen!“, fuhr sie fort. „Und außerdem wird sich ein Ausweg finden. Ansonsten-“


„-ansonsten was?“, unterbrach er sie ernst.

 

„-ich weiß es nicht, ok?“

 

„Ich weiß nicht, ob ich einen Ausweg finde“, räumte er gebrochen ein.


„Das ist ok“, sagte sie bloß.

 

„Das ist nicht ok“, widersprach er gepresst.

 

„Wenn der erste Ausweg der ist, dass du mit ihr verlobt sein musst, um nicht ins Gefängnis zu kommen – dann ist das der Ausweg. Für den Moment.“

 

„Ich würde lieber nach Askaban, als auch nur eine Sekunde-“

 

„-aber ich will das nicht!“, rief sie wütend. „Malfoy, ich will es verdammt noch mal nicht!“ Ihr Atem ging schnell. „Ich will dich sehen. Ich will bei dir sein. Und es ist scheiße, es ist falsch – und wahrscheinlich führt es zu nichts, aber ich weigere mich, aufzugeben!“ Sein Blick fiel. „Also“, bemühte sie sich um Ruhe, „wir werden heute einfach feiern, dass du nicht verhaftet wirst. Und Astoria ist dumm“, ergänzte sie, und sein Blick hob sich. „Sie wird… Fehler machen. Irgendwann wird sich ein Ausweg zeigen, ich bin mir sicher.“ Sie war sich nicht sicher. Sie wollte nicht mehr an die Prophezeiung denken, aber es drängte sich ihr auf, dass der einzige Fehler der sein würde, dass sie nicht von ihm fernbleiben konnte, und an seiner Hochzeit sterben würde. Aber sie hatte das eigenartige Gefühl, dass seine Heirat der richtige Weg war. Nicht Askaban.

 

Alles Weitere würde sich zeigen.

 

„Möchtest du mir sagen, was der Seher gesagt hat?“, fragte er sie direkt, und sofort – wirklich sofort – ging sie in die Abwehr. Denn das würde sie nicht.

 

„Nein“, sagte sie entschieden. „Du hast Recht“, ergänzte sie lediglich, zuckte die Achseln, mutiger, als sie war. „Ich bestimme meine Zukunft.“

 

„Seit wann bin ich deine Zukunft?“, wagte er knapp zu fragen, und fast hoben sich ihre Mundwinkel.

 

„Seit… seit einer Weile, schätze ich“, erklärte sie, minimal rot.

 

„Ok“, sagte er, ein wenig überrumpelt. „Dann… werde ich tun, was ich muss, um… in deiner Nähe zu bleiben“, schloss er ernst.

 

„Das würde ich begrüßen“, erwiderte sie, mit Hitze in den Wangen. „Ich… werde mich eben… umziehen. Ich nehme an, das Bad ist diese Tür?“, deutete sie nach links, auf die Tür, die er nicht benutzt hatte. Er nickte bloß. „Gut. Bis gleich. Und… bitte lauf nicht weg“, wiederholte sie seine Worte, und er schüttelte den Kopf.

 

„Du bist hier. Wo sollte ich hin?“, fragte er offen, und mit klopfendem Herzen verschwand sie ins Bad.

 

 

46. the suspect

 

Er wartete ungeduldig. Er wusste, es war etwas zu extravagant. Er war sich auch nicht sicher, ob seine Eltern von seinem kleinen Ausflug hier erfahren würden. Er nahm an, spätestens mit der Zusatzrechnung der Gehälter der Angestellten für diesen kleinen Spaß hier, heute Abend. Aber er nahm nicht an, dass er Probleme bekommen würde. Er hatte unterschrieben. Bis Juli hatte er also seine Schuldigkeit geleistet. Und er wollte nicht. Innerlich hatte er sich abgefunden, hatte sich mit Askaban auseinandersetzt und war bereit gewesen, sein Leben zu verwirken, für die nächsten zehn Jahre.

 

Aber natürlich schmerzte es. Natürlich wollte er seine Freiheit nicht aufgeben, aber so, wie er es sah, konnte er seine Freiheit auch noch im Juli aufgeben. Vom Vertrag zurücktreten. Er sah sich nicht an Astorias Seite. Er sah sich nicht als Sklave des Reinblütertums. Wahrscheinlich würde Granger ihn irgendwann nicht mehr wollen. Auch dieser Gedanke schmerzte ihn.

Deshalb war dieser Abend jetzt so unfassbar wichtig. Egal, was passierte – diesen Abend heute wollte er mit ihr verbringen.

Er hasste den Luxus hier, hatte gesehen, wie sehr es sie irritierte, wie sie ihre Wahrnehmung von ihm wohl wieder und wieder überdacht hatte.

Er war so aufgewachsen, war es gewöhnt, hatte sich selten beschwert – aber der Punkt war, dass er es nicht brauchte.

Aber er hatte heute Abend nicht in ihrer WG sitzen wollen, Penelope wütend nebenan. Es war nicht… was sie verdiente, nicht, was er sich vorstellte.

 

Es war so unfassbar ungerecht, dass man nicht alles haben konnte. Nicht alles gleichzeitig. Er würde ihr gerne ein Luxusleben schenken. – Ohne seine Eltern. Er wäre gerne klüger, gerne konsequenter, und er wünschte sich jeden Tag, dass er verhütet hätte. Mit Astoria. – Dass er einfach gar nicht die Tür aufgemacht hätte! Das Wünschen half nichts, sicher, aber es war besser, als im Selbstmitleid zu versinken.

 

Die Tür öffnete sich endlich wieder, und er musste zweimal hinsehen. Sie trug das Kleid. Das blaue. Blitze zuckten durch seine Erinnerung. In diesem Kleid hatte er sie auf dem Tisch im Club genommen, bei Blaise im Apartment. Dieses verdammte Kleid war ihm so häufig zum Verhängnis geworden, und er machte sich die mentale Notiz, ihr ein neues Kleid zu schenken. Eines, was nicht mit derartig schmutzigen Erinnerungen belastet war. Er hatte sogar eine Zeichnung von ihr in diesem Kleid angefertigt. Er wusste nicht, was sie dazu sagen würde, dass er sie heimlich zeichnete. Sie würde ihn höchstwahrscheinlich auslachen – oder verfluchen. Er traute ihr mittlerweile beides zu.

 

„Weißt du, was du tust?“, fragte er sie direkt, als sie näher kam. Sie trug verboten hohe Schuhe, stellte er fest. Verdammt.

 

„Was?“, entkam es ihr. „Ich meine, es sieht mir danach aus, als wäre es ein Anlass für ein Kleid“, räumte sie lediglich ein und deutete um sich.


„Du weißt, was passiert, wenn du dieses Kleid anhast“, erläuterte er ruhig. Diese Röte in ihren Wangen war unfassbar erregend. Ob es ihn jemals kalt lassen würde, fragte er sich dumpf, als er sich erhob – gar nicht anders konnte, als sich zu erheben, den Abstand zu ihr zu schließen, als wären sie Magneten, die unweigerlich vom anderen Pol angezogen würden.

 

„Ich glaube kaum, dass es am Kleid liegt“, flüsterte sie beinahe, als sie sich nicht mehr rührte, und ihn abwartend fixierte. Er überlegte kurz, bewegte den Kiefer, bevor er lächelte.

 

„40 Prozent“, räumte er dann rauer ein, erreichte sie, und der Duft ihre Parfums stieg ihm in die Nase. „Hunger?“, erkundigte er sich einsilbig bei ihr, und sah sie schlucken.

 

„Noch… noch nicht.“ Sie war tapfer. So viel konnte er bestätigen. Und offen gesagt, war ihm das Essen gerade auch absolut egal. Langsam zog er das Jackett wieder aus, hing es blind über den Stuhl, ließ sie nicht aus den Augen. Er wusste nicht, wie sie es anstellte – wie sie ihn komplett willenlos machen konnte. Jetzt, wo es deutlich war, dass er sie – offiziell – niemals würde haben können, war es noch unerträglicher als ohnehin schon. Er kam auf sie zu, und obwohl sie es zu verbergen versuchte, flachte ihre Atmung ab. Er kannte sich nicht aus, wusste nicht wirklich, welchen Effekt er auf sie – oder Frauen im Allgemeinen – hatte, aber mittlerweile nahm er an, er war zumindest in dieser Hinsicht einigermaßen begabt. Dabei tat er gar nichts. Er konnte nur nicht unterdrücken oder überspielen, was er wollte.

 

Und er wollte ehrlich mit ihr sein. Dieses Mal. Hier, heute Abend.

 

„Granger“, begann er rau, und sie hob ertappt den Blick zu seinem Gesicht, schien sehr kurz von seiner Erscheinung abgelenkt gewesen zu sein, „ich war mit Blaise in Italien. In… meinem Zwangsurlaub.“ Sie runzelte die Stirn, ihr Mund öffnete sich einigermaßen ratlos. „Wir… wir waren in einem Hotel und dort… waren einige… willige Hexen“, rang er sich die Worte ab. Verschlossen sah sie ihn an.

 

„So viel habe ich angenommen“, entfuhr es ihr. „Du… du musst nicht-“, begann sie mit aufsteigender Röte, und halbherziger Vehemenz, und er nickte schlicht.

 

„-ich weiß, aber ich möchte es“, unterbrach er ihre Worte. Er wusste, er musste sich nicht rechtfertigen, er musste nicht erklären. Aber er hatte genug. Er sah jetzt klar. Ironischerweise. „Ich möchte, dass du weißt, dass…- egal, wo ich bin, mit wem – oder was ich tue“, führte er ernsthaft aus, „meine Gedanken sind bei dir.“

 

„Draco“, sagte sie stiller, schüttelte sachte den Kopf.

 

„Ich weiß, wir sind… kein Paar, nicht versprochen – wir sind nicht viel mehr, als…“ Er zögerte. Er wusste kein Wort, für das, was sie waren. „Egal, was wir sind“, fuhr er rigoros fort, „es ist alles, was ich brauche.“ Und fast erkannte er die sanfte Nachsicht in ihrem Blick. „Auch wenn du mir jetzt nicht glaubst“, ergänzte er fast lächelnd. Er schloss den Abstand zu ihr. Seine Hände hoben sich zu ihren Schultern, legten sich um ihre Oberarme, und er senkte den Kopf. Sie hielt die Luft an, er spürte es, und dann schloss er den Abstand, küsste sie sanft, behutsam, beherrscht, und sie löste ihre Arme aus seinem Griff, und blind fand sie die Knöpfe seines Hemds, öffnete sie, ohne den Kuss zu unterbrechen, und mit seinen Lippen öffnete er ihre. Quälend langsam drang seine Zunge vor, und endlich schnappte sie nach Luft, als er sachte stöhnte.

Sie befreite ihn von seinem Hemd, zog es seine Schultern hinab, und er schüttelte es von den Armen.

Sie schien ihr Kleid ausziehen zu wollen, aber er unterbrach den intensiven Kuss.

 

„Lass es an“, raunte er heiser, und spürte ihr Lächeln gegen seine Lippen. „Zieh deine Unterwäsche aus“, ergänzte er bloß, und ihr Lächeln wurde breiter.

 

„Ich trage keine, Malfoy“, eröffnete sie ihm, und grollend schloss er den Abstand zu ihren Lippen, küsste sie verlangender, und seufzend legten sich ihre Arme um seinen Nacken. Er konnte nicht ertragen, sie nicht zu spüren. Er hatte viel zu lange auf diesen Moment gewartet, und seine Hände wanderten ungeduldig ihren Körper hinab, glitten hart über ihre Brüste unter dem seidigen Stoff des Kleides, bevor sie tiefer wanderten, den Rock des Kleides hochrafften, und er mit den Fingern ihren cremig weichen Oberschenkel berühren konnte. Seine Hand glitt zwischen ihre Beine, wo sich die Hitze staute, und voller Begeisterung stellte er fest, dass sie die Wahrheit sagte. Seine Finger trafen auf ihren verräterisch feuchten Eingang, und ihr Körper beugte sich im Hohlkreuz seinen Avancen entgegen. Er musste die Augen öffnen, sich von ihren Lippen lösen und betrachtete voller Hunger ihr Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Kopf fiel zurück, sie biss sich auf die Lippe, schien ungeduldig zu warten, und langsam stieß er zwei Finger in sie, tief, tiefer, bis sich ihr Mund tonlos öffnete. Seine Erektion war längst erwacht, und er zog seine Finger zurück, nur um sie erneut in ihrer Enge verschwinden zu lassen. Ihr Becken kreiste mittlerweile, und als er sich das nächste Mal zurückzog, bugsierte er sie zur Tischkante des langen Esstisches. Mit wenig Muskelkraft setzte er sie auf die Tischkante, störte sich nicht, dass die penibel glatte Decke verrutschte und die Vase zu seiner linken in die Mitte kippte. Auch Granger schien es verdammt egal zu sein.

 

Sie saß aufrecht, fixierte ihn mit hochroten Wangen, und seine Hand öffnete die Gürtelschnalle geräuschvoll, danach den Reißverschluss, und mit wenigen Handgriffen befreite er seine harte Erektion. Wieder griff er blind zwischen ihre Körper, schob den Rock des Kleides achtlos höher, legte seine Hand über ihre heiße Scham, und sein Daumen rieb hart über ihre Klitoris. Sie sog die Luft hörbar ein, und er stieß drei Finger voran.


„Draco!“, entkam es ihr keuchend, und mit seinem Gewicht drückte er sie sanft nach hinten, so dass ihr Körper auf dem Tisch zu liegen kam. Sein Daumen rieb beharrliche Kreise, und ihre Hand griff neben sich in das Tischtuch, fand lediglich das noch unbenutzte Geschirr und fegte es lieblos zur Seite. Der Teller rutschte zu Boden und zerbrach mit einem dumpfen Klirren auf dem lächerlich teuren Perserteppich, aber er registrierte es kaum. Ihre Finger umkrallten das Tischtuch jetzt, während er voller Lust ihren Körper beobachtete, spürte, wie sie ihrem Orgasmus entgegenrollte, und hart stieß er seine Finger erneut in sie, gab ihr, was sie wollte, während sein Schwanz härter pulsierte.

Und als sie kam, als er die Sensationen ihrer Muskeln um seine Finger spüren konnte, entzog er sie ihrer feuchten Hitze, nur um sofort über sie zu steigen, unter ihren Po zu greifen, und seine Finger durch seinen Schwanz zu ersetzen, den er zur Gänze in sie rammte, in harten, erbarmungslosen Zügen. Wieder und wieder. Er verlängerte ihren Orgasmus, Schweiß trat auf seine Stirn, aber er wollte es so lange wie möglich hinauszögern! Lustvoll stöhnte sie, ihr Rücken bog sich durch, während sie ihm begegnete.

 

Er stützte sich jetzt mit beiden Händen neben ihrem Körper ab, und ihre Beine schlangen sich um seine Hüfte, während er kraftvoll nach vorne bockte, die Luft anhielt, bis er endlich spürte, wie ihre Beine zitterten, um seinen Körper nachgaben, und ihr fabelhafter Orgasmus nach einer gelungenen Ewigkeit sein Ende fand. Sein Atem ging schnell, er konnte kaum denken, und ihre Augen öffneten sich langsam. Nebel der Lust verhing ihren verträumten Blick, und siegessicher sah er auf sie hinab.

 

„Wow“, hauchte sie bloß, bevor sie nach wenigen Sekunden blinzelte. „Bist du auch…?“, erkundigte sie sich, und er verneinte stumm, konnte nicht sprechen, sonst würde er wahrscheinlich doch in ihr explodieren, und er wollte noch nicht, wollte es hinauszögern. Sie richtete sich auf, die Wangen rot, aber vollkommene Entschlossenheit auf den hübschen Zügen. Sie schob ihn von sich, zwang ihn, sich zu entfernen, und kaum stand er auf seinen Beinen, rutschte sie vom Tisch und ging vor ihm auf die Knie. Seine Atmung spannte sich an, er schluckte hart, wollte den Kopf schütteln, denn allein der Gedanke, dass sie-

 

Aber er konnte nichts Entsprechendes mehr formulieren, denn ohne ihn aus dem Blick zu lassen, hatte sie seinen Schwanz umfasst, und ihre perfekten Lippen umschlossen verlangend seine Spitze, saugten ihn tief in ihren heißen Mund, und er fluchte gepresst, als er ihre Zunge spürte, spürte, wie sie seine Länge massierte, und sein Atem beschleunigte sich rapide. Blind griff seine Hand hinter sich nach der Stuhllehne, denn er musste sich halten, um nicht einfach umzukippen, als sie ihn tiefer aufnahm. Sie bewegte ihre Lippen, bewegte ihren Kopf, begann, härter zu saugen, und – fuck! Er bockte vor, stieß gegen ihre Kehle, hörte nicht, ob es zu tief war, ob sie würgen musste, aber Sterne tanzten vor seinen geschlossenen Augen, als er kam, als er sich zäh ergoss, und sie schluckte.

 

Fast zitterten seine Knie, als er seinen halbschlaffen Schwanz zurückzog, sich kurz an den Stuhl lehnen musste, und er begriff, wie dringend er diese Frau haben wollte. Er verschnaufte für einige Sekunden, musste sich sammeln, bevor er sich zusammenriss. Er wollte diesen Abend auskosten! Verdammt noch mal jede Sekunde.

 

„Draco?“, fragte sie, beunruhigt ob seines Zustandes, aber er schüttelte bloß den Kopf.

 

„Zieh das Kleid aus“, befahl er rau, und sie blinzelte überrascht.

 

„Jetzt… sofort?“, wollte sie verwirrt wissen, aber er wollte nicht unnötig diskutieren.


„Jetzt sofort“, knurrte er, und mit knallroten Wangen kam sie seiner Forderung nach. 

 

 ~*~

 

Seine Zunge glitt tiefer in sie, und alles in ihrem Innern zog sich zusammen, als der Orgasmus über sie kam, wellenartig mit geballter Kraft.

Sie presste ihren Unterkörper gegen sein Gesicht, konnte nicht genug von ihm bekommen, und er verwehrte ihr die Befriedigung nicht, beendete seine süße Qual erst, nachdem sie erschöpft zusammengebrochen war.

 

Er sank neben sie, und sie glaubte nicht, jemals so viele Orgasmen erlebt zu haben. Nacheinander.

 

„Merlin, war das gut“, entkam es ihr erschöpft.

 

„Gleichfalls“, entkam es ihm, bevor er ein paar Schlucke aus dem Wasserglas neben sich trank. Irgendwann hatten sie ins Schlafzimmer gewechselt, ohne das Essen überhaupt angerührt zu haben. Kurz hingen sie ihren Gedanken nach, und ihr beider Atem war das einzige Geräusch, das die Stille füllte. Sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen, diesen faszinierenden Mann neben sich, der so viele Fehler besaß, so viele Eigenschaften, von denen sie niemals geglaubt hätte, dass sie damit leben könnte. Er desillusionierte das Mal nicht mehr, war ihr aufgefallen. Sie ignorierte es die meiste Zeit. Und wenn sie das tat, dann war er einfach Draco. Einfach der schöne Mann, dem sie zu gerne ihren Körper schenkte.

 

Aber wieder einmal dachte sie über die Situation nach. Über die Prophezeiung, über alles, was bevorstand, was schlecht war. Für sie zumindest. Vielleicht wäre es für ihn überhaupt nicht schlimm. Auf Dauer.

 

„Was?“, fragte er sie plötzlich, wandte den Blick, und das Silber seiner Augen schien zu leuchten. Merlin, er war schön. Und sein Animagus war ebenso einzigartig. Sie lächelte nichtssagend.


„Es war ein einzigartiger Flug hierher“, sagte sie schließlich. „Machst du das öfters?“, wollte sie wissen, und er runzelte knapp die Stirn.

 

„Nein. Nicht oft genug. Und im Winter aus guten Gründen nicht“, beantwortete er schließlich ihre Frage. Er wirkte angespannt. Sie fühlte sich angespannt. Sie glaubte, es war nie anders gewesen. Wenn etwas unter einem schlechten Stern stand, dann war es eigentlich jedes ihrer Zusammentreffen, was nicht um Arbeit ging. Und selbst diese Treffen waren nicht einfach.

Sie rückte näher an ihn, wagte gar nicht, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Dinge einfacher wären. Es war fast so, als ginge es nicht, wäre gar nicht möglich, und gleichzeitig fragte sie sich, wie lange sie diesen Stress, diesen Schmerz, aushalten würde. Sie legte den Kopf in seine Armbeuge, er zog sie näher an sich, und seine Lippen hauchten einen Kuss auf ihre Locken. Sie war ihm nahe, aber sie fühlte sich sehr weit entfernt.

 

Und sie hörte es zunächst aus der Ferne. Beinahe dumpf. Nicht wirklich existent, aber beharrlich näherte sich das Geräusch. Dumpfe Schritte auf dem Teppich, die lauter wurden. Und sie glaubte nicht, dass es Bedienstete waren. Die Schritte klangen um einiges zu… rücksichtslos. Sie merkte, wie auch er sich versteifte, wie er ruhiger wurde. Und als die Tür im Nebenzimmer, ohne ein höfliches Anklopfen geöffnet wurde, wappnete sie sich bereits. Jemand schloss den Abstand zu ihrer Tür. Sie blieb ruhig in seinem Arm, hielt sich beinahe an ihm fest, und er bewegte sich nicht.

 

„Ich gebe dir fünf Minuten, dich anzuziehen. Dein Gast kann bleiben, aber du kommst mit nach Hause“, vernahm sie Lucius‘ Stimme durch das Holz.

 

Sie rührten sich nicht, und Draco atmete erschlagen aus. Hermine schloss die Augen. Lucius schien gemerkt zu haben, dass Draco gegangen war, und wahrscheinlich war es für ihn nicht zu schwer gewesen, zu erraten, wohin sein Sohn verschwunden war. Hermine hasste es. Tränen füllten ihre Augen, und sie wollte nicht, dass er ging. Dass dieser Abend vorbei war. Sie wollte nicht!

 

Sie erhob sich übergangslos, und Draco reagierte sofort, setzte sich auf, und machte Anstalten, Sie zurückzuhalten.

 

„Hermine!“, sagte er gepresst, aber sie hatte das Laken fest um ihren bloßen Körper gewickelt, und ließ ihm wenig Handlungsraum, als sie einfach die Tür zum Salon öffnete. Lucius stand einige Meter abseits, und kurz glitt sein Blick über ihre Erscheinung. Es war ihr egal, dass sie nackt war, wie unordentlich ihre Haare lagen, und dass es offensichtlich sein musste, was sie seit drei Stunden taten. Lucius trug den schwarzen Gehrock, die Haare streng gebunden, und einen angespannten Ausdruck um die Mundwinkel. Aber er war zumindest völlig gefasst, als er sprach.


„Miss Granger“, begrüßte er sie, ohne den Hauch von Überraschung in der Stimme. Draco trat neben sie, ebenfalls eine Decke um die Hüften geschlungen, und sie fixierte Lucius.

 

„Wieso lassen Sie ihn nicht in Ruhe?“, wollte sie bitter wissen. „Was ändert diese eine Nacht?“, ergänzte sie gereizt. „Geht es ums Prinzip? Geht es um Macht? Um was geht es?“, fuhr sie ihn an. Lucius‘ Kiefer spannte sich knapp an. Ehe Draco reagieren konnte, sprach Lucius, beinahe beherrscht.

 

„Draco ist seit heute verlobt, und es zeigt nicht unbedingt charakterliche Stärke oder den Willen, diese Verbindung zu akzeptieren, wenn er sich bei der nächstbesten Gelegenheit aus dem Staub macht, Miss Granger.“

 

„Das könnte daran liegen, dass ich kein ehrliches Interesse an dieser Verbindung habe“, sagte Draco dunkel.

 

„Warum kann er nicht morgen zurückkommen?“, wollte sie wütend wissen.


„Wenn er heute nicht zurückkommt – wieso sollte er es morgen tun?“, fuhr Lucius sie nun an, sanfter Zorn in den grauen Augen. „Draco muss lernen, dass jede Entscheidung Konsequenzen mit sich bringt. Jede.“

 

„Das ist mir bewusst!“, knurrte Draco, und sein Vater fixierte ihn zornig.


„Wirklich? Ist das so?“ Beide sahen sich wütend entgegen.

 

„Mr. Malfoy-“, begann sie, aber Lucius machte einen Schritt vor.


„-Miss Granger, denken Sie, es macht mir Spaß? Denken Sie, ich habe nichts Besseres zu tun, als hier her zu kommen?“, wollte er direkt von ihr wissen. „Ich habe einen erwachsenen Sohn, dem ich immer noch hinterherlaufen muss, als wäre er ein Kind!“, fuhr er fort. Draco begann, zu protestieren, aber Lucius ignorierte ihn. „Und wenn Sie nicht wollen, dass er ins Gefängnis kommt, sollten Sie vielleicht auch beginnen, bessere Entscheidungen zu treffen!“ Kurz überkam sie der Anflug eines schlechten Gewissens.

 

„Hermine ist meine Zukunft, Vater! Nichts sonst!“, sagte Draco, beinahe ruhig.

 

„Im Moment sieht es so aus, als wäre Askaban deine Zukunft, Draco“, korrigierte Lucius ihn kalt.

 

„Du verstehst nicht-“

 

„-ich verstehe, Draco!“, donnerte die Stimme seines Vaters. „Ich verstehe es, verdammt noch mal besser als du!“, rief Lucius außer sich. „Und wenn...“, begann er, versuchte, sich wieder zu fassen, sich zu sammeln, „wenn diese Frau das Ziel sein soll“, ergänzte er, mit Blick auf sie, „dann bringt es dir nichts, dich ausgerechnet jetzt querzustellen!“ Hermine blinzelte verblüfft. Denn was sollte das heißen? Auch Draco sah ihn zweifelnd an.

 

„Was?“, entkam es Draco misstrauisch, und Lucius ballte die Hände zu Fäusten.

 

„Nach… nach der Hochzeit“, sagte Lucius dann mit eigenartig gefasster Stimme, „hat Astorias Vorbehalt rechtlich keine Wirkung mehr“, schloss er dann. Hermine verstand nicht ganz, ihr fehlten Informationen des vorangegangenen Tages, um diese Worte zu begreifen, aber Draco hatte die Stirn gerunzelt.

 

„Was soll das bedeuten?“

 

„Ich denke nicht, dass ich es buchstabieren muss“, entfuhr es Lucius bitter.

 

„Ich denke schon, denn für mich klingt es so, als ob du vorschlägst, dass ich Astoria zum Schein heiraten soll, um keine strafrechtlichen Konsequenzen zu fürchten, wenn ich sie anschließend wieder verlasse“, erklärte Draco, und Hermine fixierte Lucius. Ihre Gedanken rasten. War er schuld? War er der Täter? Lockte er Draco in einen Trugschluss? Würde er Draco dazu bringen, zu heiraten, mit dem Versprechen, er könne Astoria für sie verlassen, nur um sie noch direkt am Tage der Hochzeit loszuwerden? Es machte Sinn, oder nicht? Es ergab den meisten Sinn bisher! Lucius mochte sie nicht, wollte sie nicht auf der Bildfläche haben!

 

„Draco-“, entkam es ihr kopfschüttelnd, aber er ignorierte sie.

 

„Ist es das, was du sagst?“, wollte er erbarmungslos von seinem Vater wissen.

 

„Ich gebe dir lediglich eine Information“, schloss Lucius.


„Draco, ich glaube nicht, dass er ehrlich ist“, entkam es ihr kurzatmiger. Lucius fixierte sie stumm.

 

„Es hat kaum mit Ehrlichkeit zu tun. Ich will meinen Sohn nicht im Gefängnis sehen, will diese Schande nicht auch noch erleben. Also teile ich ihm mit, was ihm jeder fähiger Rechtsmagier ebenfalls erläutern könnte“, sagte Lucius dann.

 

„Um dann die nächste Schande in Kauf zu nehmen?“, wollte sie kalt von ihm wissen, und Lucius‘ Lippen kräuselten sich.


„Miss Granger, bei allem Respekt“, begann er, und sie machte sich darauf gefasst, dass seine nächsten Worte garantiert alles Mögliche wären, aber bestimmt nicht respektvoll, „sofern ich Draco aus dem Gefängnis und unseren Namen aus der Presse fernhalten kann, ist mir absolut gleichgültig, was er nach seinem Verstoß aus der Gesellschaft anstellt, wenn er denn dumm genug ist, seine weitere Zukunft für eine niedere Kandidatin aufs Spiel zu setzen.“

 

Sie glaubte ihm nicht. Es war eine Ahnung, ein Gefühl. Wahrscheinlich sagte er die Wahrheit, aber sie glaubte nicht wirklich, dass Lucius seinen Sohn tatsächlich kampflos aufgeben würde. Sie erkannte die Zusammenhänge. Sie wusste, Draco würde diesen Weg wählen, würde ihn als kleines Übel empfinden, würde blind darauf vertrauen, dass es funktionieren würde. Sie merkte, wie er neben ihr zornig wurde, wie er wohl versuchen würde, ihre Ehre zu verteidigen, und sie tat das einzige, was im Moment Sinn ergab. Sie tat, was ihr womöglich ein wenig Zeit kaufte.

 

Sie nahm an, Lucius würde einige Längen gehen müssen, um sie loszuwerden. Sie traute es ihm zu, aber sie traute ihm nicht zu, dass er sich selber die Hände schmutzig machte. Sie wollte es Draco irgendwie kommunizieren, wollte ihm klarmachen, dass Lucius sehr wahrscheinlich dunkle Pläne hatte, dass er sich dummen Handlangern bedienen würde, aber das hier war nicht der Moment.

 

„Nicht“, sagte sie bloß, hielt ihn am Arm zurück, und ihr Blick fiel. „Geh, Draco“, sagte sie bloß. „Geh mit ihm“, forderte sie ihn auf.


„Hermine“, sagte er dann, aber sie schüttelte den Kopf.


„Was er sagt, macht Sinn und klingt nach einem möglichen Ausweg“, sagte sie leere Worte. Draco zögerte tatsächlich. „Ich will nicht, dass du ins Gefängnis musst, also mach es mir leichter“, forderte sie ihn stiller auf. „Bitte“, ergänzte sie tonlos, und tatsächlich bewegte er sich, griff sich seine Sachen, die im Zimmer verteilt lagen, um ins Badezimmer zu gehen, um sich anzuziehen. Sie verblieb, wo sie war.

 

„Eine kluge Entscheidung“, bemerkte Lucius schlicht. Und sie sagte gar nichts, hütete sich, irgendwelche unbedachten Worte zu äußern. Wie ging sie es am besten an? Sie musterte Lucius ausdruckslos. Sein Pokerface war undurchsichtig. Es bestand die Möglichkeit, dass sie sich irrte. Aber… wie oft irrte sie sich wirklich? Und auf diese Weise, wenn sie jetzt mitspielte, kaufte es ihr zumindest Zeit bis Juli. „Und bitte“, ergänzte er mit einiger Herablassung, während er ihre Erscheinung bedachte, „denken Sie daran, zu verhüten. Ich habe genug von der Klatschpresse“, schloss er bitter, und sie verkniff sich jede patzige Antwort. Als wäre sie scharf auf einen weiteren Skandal!

 

Sie sahen einander achtsam an, bis Draco mit zornigen Schritten wiederkehrte.

Ehe sie ihn hatte aufhalten können, schloss er den Abstand zu ihr, zog sie gegen seinen Körper, und der Kuss war verzehrend, und sie vergaß, sich zu wehren, genoss die wenigen Sekunden seiner Nähe noch, bevor er den Kopf zurückzog. Mit roten Wangen senkte sie den Blick, und Lucius‘ Ausdruck war säuerlicher geworden.

 

„Wir gehen“, informierte Lucius ihn zähneknirschend. Er schenkte ihr keinen weiteren Blick mehr, und Dracos Augen versprachen ihr, dass er sie morgen finden würde, morgen mit ihr reden würde, und sie brauchte einen Plan.  

Natürlich würde sie hier nicht bleiben, aber sie würde noch einen Moment lang ihre Gedanken sortieren.

 

47. the engagement

 

Er fühlte sich gefangen. Und er hasste das. Die Woche über hatte er kaum geschafft, mit ihr in Kontakt zu treten. Verbotene Blicke, kurze Momente vor den Spinden, waren alles gewesen, was er sich hatte erlauben können, um dem Donnerwetter zu entgehen. Einen geheimen Kuss zwischen zwei Trainingseinheiten hatte er erobern können, als er sie einfach gegen die Flurwand gepresst hatte, und stöhnend hatte sie sich an ihn gekrallt.

Sein Vater hatte seine Bluthunde auf ihn angesetzt. Kleine Spitzel und Spione, die Draco noch aus Kindertagen kannte, deren Anwesenheit er sogar dunkel in seiner Hogwarts-Zeit in Erinnerung hatte, wenn sie zu Quidditch-Spielen, anstelle seines Vaters erschienen waren oder sich in Hogsmeade zwielichtig in Gassen versteckt gehalten hatten, wann immer er mit Blaise und Pansy draußen unterwegs gewesen war.

 

Dieselben Männer, jetzt mit grauen Haaren, lauerten in der Kantine, in den Aufzügen, einer hatte sogar Zutritt zur Abteilung bekommen, und Draco wusste nicht, wen er dafür hatte schmieren müssen.

 

Er fühlte sich beobachtet, den gesamten Tag lang. Und es kotzte ihn an. Wie ein Tiger im Käfig rannte er durch das Herrenhaus, mal in den einen Salon, mal in den nächsten, schaute gereizt aus den Erkerfenstern in den kahlen, weiten Garten und hasste jede Sekunde hier mit seinen Eltern. Es war Samstagvormittag, und er wusste, würde er verschwinden, würde ihm garantiert ein finster aussehender Zauberer folgen, der bereits vor den Toren des Anwesens Schmiere stand.

 

Die Kaminverbindung wurde überwacht, sein Eulenverkehr ebenfalls.

 

„Draco, möchtest du dich nicht setzen?“, wollte seine Mutter sehr eindeutig von ihm wissen, als er sie das dritte Mal passierte, während seiner ruhelosen Runden durch das verdammte Haus seiner Kindheit, was ihm Albträume bescherte.

 

„Sehe ich so aus?“, fragte er sie, ohne sie anzusehen. „Wo ist Lucius?“, ergänzte er, ohne eine Antwort abzuwarten.

 

„Unterwegs, Merlin, noch mal“, entfuhr es ihr ernsthaft gereizt. Wieso hatte sein Vater an einem Samstag unterwegs zu sein? Es war nicht wirklich so, dass er sich jemals irgendwo engagiert oder totgearbeitet hatte.

 

„Unterwegs wohin?“ Draco erkannte die Fallen mittlerweile. Er glaubte seinem Vater auch genauso wenig, wie Granger es tat, denn die hilfreiche Informationen, nicht mit Astoria verheiratet sein zu müssen, kam ein wenig zu passend, wie er fand. Allerdings konnte es auch sein, dass sein Vater an seinen moralischen Kompass appellieren wollte, oder etwas ähnlich Dummes, und annahm, Draco wäre bis zur Hochzeit so in der Familie investiert, dass es ihm im Traum nicht einfallen würde, die Ehe zu annullieren. Oder es ging um etwas anderes.

 

Aber er hatte Sorge. Er wollte Granger nicht in Gefahr bringen, nicht riskieren, die kurze Zeit, die er vielleicht jetzt mit ihr noch hatte, zu gefährden, dadurch, dass er rücksichtslos apparierte, sich zum einfachen Ziel machte, Lucius den Anlass gab, Astorias Eltern nahezulegen, die Aussage zurückzuziehen, um ihn doch noch vom Fleck weg verhaften zu lassen, weil es ihm gerade so in den Kram passte. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Lucius begeistert wäre, wenn Draco nach der Hochzeit verschwand.

 

Er traute Lucius vieles zu – aber nicht, dass sein Vater zähneknirschend akzeptierte, dass er seine Herkunft für Hermine Granger aufgab. Ob vor oder nach einer Hochzeit.

 

„Draco, wieso setzt du dich nicht und trinkst einen Tee mit mir?“, schlug seine Mutter knapp vor, bedachte ihn mit einem Blick reinster Anstrengung, und er ruckte mit dem Kopf. Was dachte seine Mutter? Sie war so unglaublich frustrierend. Narzissa nahm an, er hätte sich abgefunden, oder sie redete es sich ein. Dass er jetzt hier wohnen würde, sich freute über die neue Verbindung – sie war so unfassbar unmöglich!

 

„Mir steht nicht der Sinn nach Tee“, informierte er Narzissa angespannt. Dann hörte er endlich die Haustür. Sofort setzte er sich in Bewegung, hörte seine Mutter noch resignierend seufzen, und er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal seinen Vater von der Tür abgeholt hatte. Wahrscheinlich war er vier gewesen.

 

Lucius hatte die lange Halle mit schnellen Schritten betreten und zog sich die schwarzen Handschuhe von den Händen, während er seinen Stock unter den Arm geklemmt hatte und sein Gehrock achtlos über der Garderobe lag. „Draco“, begrüßte Lucius ihn mäßig neutral.

 

„Wo warst du?“, verzichtete Draco auf die sinnlose Begrüßung.

 

„Unterwegs“, gab ihm sein Vater die ätzende Antwort, und widerwillig folgte Draco ihm in den Salon, denn Lucius schien nicht für ihn anhalten zu wollen. Seine Mutter hatte sich erhoben und wirkte einigermaßen gespannt.

 

„Und?“, fragte sie, und Draco hasste, dass er nicht informiert wurde. Dass er anscheinend richtig lag, und Lucius irgendetwas getan hatte, von dem er, Draco, garantiert hätte informiert werden müssen.

 

„Alles vorbereitet“, schien Lucius zu bestätigen, und seine Mutter lächelte. Sie lächelte. Es konnte nichts Gutes heißen. Absolut nicht.

 

„Was ist vorbereitet?“ Draco kam sich vor wie ein Kind an Heiligabend. Nur war es kein schöner Heiligabend, sondern die schlimmste Version davon.

 

„Zerbrich dir nicht den Kopf. Mr. Gordon wird bald hier sein, und ich möchte, dass du dich benimmst.“ Es war wie jeden Winter, den er noch hier gewohnt hatte, stellte er mit Schrecken fest. Mr. Gordon war der Schneider aus Hogsmeade, den seine Mutter bemühen würde, bis er noch vor Altersschwäche zusammenbrach.

 

„Was?“, entkam es ihm, denn er brauchte keinen maßgeschneiderten Unsinn.

 

„Du hast heute nichts weiter vor, Draco“, sagte sein Vater, und es war keine Frage, nein. Es war eine Feststellung, eine Mahnung, fast. Es fiel Draco so endlos schwer. So schwer, ruhig und rational zu bleiben.

 

„Ich habe genug zu tun“, entschied er sich zu sagen, was wohl stimmte. Er musste lernen, hatte die Prüfungen praktisch vor der Tür stehen, aber Lucius lächelte lediglich.

 

„Dafür ist morgen auch noch Zeit.“

 

„Was auch immer ihr vorhabt“, begann Draco kopfschüttelnd, „ich werde nicht Teil davon sein.“

 

„Warum musst du so widerspenstig sein, Draco?“, wollte seine Mutter verzweifelt wissen, und er konnte sie nur ungläubig anstarren.

 

„Warum?“, wiederholte er fassungslos. „Weil mich ein verzogenes Miststück erpresst und meine Eltern einen Scheißdreck tun, um es zu verhindern, Merlin noch mal!“, fuhr er sie tatsächlich an. Es kotzte ihn so sehr an.

 

„Wir haben alles getan!“, schnitt die Stimme seines Vaters dazwischen. Aber Draco war keine vier mehr. Er mochte seinen Vater fürchten, aber er war nicht feige. Er hatte keine Angst vor Streit.

 

„Ihr habt mich verraten und verkauft. Das habt ihr getan.“ Seine Mutter wirkte persönlich verletzt, so grenzenlos enttäuscht, und Draco verstand sie nicht. Er hatte seine Mutter noch nie wirklich verstanden, aber jetzt fühlte er sich meilenweit entfernt von ihr.

 

„Du hast mit ihr geschlafen“, erinnerte ihn sein Vater scharf. „Du musstest-!“

 

„-das habe ich nicht!“, widersprach er, atmete aber zornig aus. „Das habe ich nicht gewollt! Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass mir diese eine Sache vorgeworfen werden kann, die ich nicht mal-!“

 

„-Draco!“, sagte sein Vater jetzt zornig. „Werd erwachsen, verdammt noch mal!“

 

„Ich bin erwachsen“, sagte er, fühlte aber direkt, dass sich ein erwachsener Mann wohl kaum mit seinen Eltern über Ausgehverbote streiten würde. Aber was würde ein erwachsener Mann tun? Würde er freiwillig nach Askaban gehen, weil er das Mädchen, was er aus Versehen geschwängert hatte, nicht heiraten wollte? War es das? Aber dann würde er das Mädchen nicht sehen, was er eigentlich haben wollte! Was war die verdammt erwachsene Entscheidung? Er wusste, was rational vernünftig und richtig war. Es wäre vernünftig, Astoria zu heiraten, sie der sprichwörtlichen Schande zu entziehen, eine Familie mit einer Frau seines Standes zu haben, sicher. Natürlich wäre es rational betrachtet eine gute Entscheidung. Er wusste das. Aber erwachsen zu sein, bedeutete nicht, immer die rationalen Entscheidungen zu treffen, um auf seine bekloppte Familie Rücksicht zu nehmen. Er hatte es lange genug getan! Viel zu lange. Er schloss die Augen, musste kurz Ruhe finden.

 

Mit dem Kopf durch die Wand. Es schien das zu sein, was er tat. Immer mit dem Kopf durch die Wand. Immer für sich entscheiden, nie für andere. Er erkannte das Muster. Verwöhnt. Verzogen. Grangers Worte hallten in den Ecken seines Bewusstseins wider. Keine echten Probleme.

 

Vielleicht waren es keine echten Probleme. Aber es waren Probleme.

Die er sich machte, weil er mit dem Kopf durch die Wand musste.

Anstatt eine Tür zu finden.

 

Er wollte Granger. Aber der direkte Weg schien der falsche zu sein.

Seine Eltern hassten, ihn nicht steuern, ihn nicht kontrollieren zu können. Er begriff so viel. Und wäre es nicht verdammt nett, wenn alles hübsch und einfach wäre? Das Reinblüter-Glück, das Blaise so verzweifelt zu suchen schien? Er dachte an Pansy, an Pansys Worte, während er seinen Eltern wie ein Feind gegenüber stand, während sie sich beäugten wie wilde Tiere, die sich jede Sekunde angreifen könnten.

 

Das Sicherheitsnetz. Draco war nie so weit gegangen, es sich mit seinen Eltern zu verscherzen. Nicht mal jetzt, wo er finanziell keine Unterstützung erhielt, schaffte er es, sich abzunabeln. Er war hier. Hörte auf seinen Vater, tat, wozu er gezwungen wurde.

 

Es ging nicht beides. Wie konnte Pansy das begriffen haben?

 

Wie konnte Draco es schaffen, sich von seinen Eltern zu lösen, die Verbindung zu Astoria zu beenden – ohne, dass er verhaftet wurde?

 

Er musste klüger sein, als sein Vater. Er musste klug sein, wie Granger.

Unmöglich. Sie hatte versucht, sich fernzuhalten, und er… war mit dem Kopf durch die Wand hinter ihr her.

 

Er öffnete die Augen und sein Blick glitt fort von seinen Eltern, durch den Salon, über den Reichtum, die Fesseln des Hauses in das er geboren wurde, und kurz löste er sein Bewusstsein von dem Gewicht des Namens, den er trug.

Wie löste man dieses Problem? Würde er gehen, würde er verhaftet werden. So funktionierte der Reinblüterstolz. Die Greengrasses würden nicht ruhen bis er weggesperrt worden war, und seine Familie wäre durch die Etikette gebunden und würde ihm nicht helfen.

Das Ministerium würde ihn verhaften, weil er ein Malfoy war, weil er keiner Verteidigung bedurfte, weil man ihm sowieso nicht glaubte. Aber… er besaß ein Druckmittel. Das Ministerium wollte Lucius. Deshalb hatte man ihn eingestellt, oder nicht? Und er hatte in diesem Haus gelebt, hatte die Steuerung des Krieges aus erster Hand begleitet. Sein Vater hatte relevante Funktionen gehabt.

Nur Draco hatte keinen Zugriff mehr auf diese Erinnerungen. Aber… jemand anders hatte das!

 

Er musste die Kontrolle aufgeben. Er musste tun, was Pansy getan hatte. Er musste sein Sicherheitsnetz zurücklassen und zerstören. So wie er es Blaise vor vielen Wochen noch großkotzig gepredigt hatte. Sein Mund verzog sich bitter in ahnungsschwerer Vorhersehung.

 

„Okay“, sagte er schließlich sehr formlos in diesen erlauchten Hallen, und war sich bewusst, was mit seiner Entscheidung einherging. Er brauchte Freiheit, um Granger bekommen zu können. Und Freiheit bekam er nur dadurch, dass er Granger aufgab. Für den Moment. Und wenn er Glück hatte…- würde er sie wiederbekommen.

 

Einen anderen Weg gab es nicht.

Das war der erwachsene Weg. Fuck. Und war das nicht einfach zum Kotzen…?

 

„Okay?“, wiederholte Lucius mit gerunzelter Stirn.

 

„Ich kann morgen lernen. Wann kommt Mr. Gordon?“, wandte er sich an seine Mutter, die etwas neben der Spur wirkte.

 

„Er… er kommt in einer Stunde“, sagte sie perplex.

 

„Ich bin oben“, verabschiedete er sich, denn er würde die Stunde nutzen, Granger zu zeichnen. Ein letztes Mal. Ihm war bewusst, dass seine Eltern ihm misstrauisch hinterher sahen.

 

~*~

 

Sie wusste, dass ihre Schwester verachtungsvoll im Türrahmen lehnte. Tori bemühte sich, das gehaltvolle Frühstück in ihrem Magen zu behalten, denn diese Schwangerschaft hatte einen üblen Start genommen. Ihr war konstant schlecht. Daphne hatte bereits vorgeschlagen, dass es ein kosmisches Gewissen gab, was sie bereits jetzt bestrafte.

 

„Pink ist nicht deine Farbe“, sagte ihre Schwester glatt, und schien ihr kurzes Kleid zu mustern.

 

„Es ist nicht pink“, rang sich Tori gereizt ab. „Die Farbe heißt Magenta und passt zu meinen Haaren, meiner Hautfarbe – sie komplementiert perfekt.“

 

„Weil deine Haare und deine Haut pink sind?“, vermutete Daphne trocken. Tori wandte sich wütend um.

 

„Was möchtest du? Spuck’s einfach aus, denn ich habe keine Zeit, ok?“ Sie war übermäßig gereizt. Sie wusste, dass sie sehr wahrscheinlich alleine in ihrer Schwangerschaft wäre, denn Draco wirkte nicht entgegenkommend, absolut nicht begeistert. Es war ihr klar gewesen, aber Theorie war immer etwas anderes als die Praxis. Ihre Hormone stellten sich um, und sie hasste das.

 

„Tatsächlich stimmt das“, räumte Daphne achselzuckend ein. „Du solltest für die Abschlussprüfungen lernen, anstatt Hausfrau mit den Malfoys zu spielen. Astoria, wieso ziehst du das durch?“ Verständnislos sah Daphne sie an. Tori hasste auch ihre Schwester. Vernünftige Daphne, begabte Daphne, unabhängige Daphne. Wieso musste sie sich rechtfertigen, weil sie die Traditionen fortführen wollte?

 

„Nicht, dass es dich irgendetwas angeht – aber ich komme zurecht. Ich bin gut in der Zeit“, machte sie es deutlich. Als ob ihre Leistungen leiden würden! Tori hatte ihre Pläne nicht erst gestern geschmiedet.

 

„Ich hoffe, du erwartest nicht, dass ich bei deiner lächerlichen Vendetta Brautjungfer spiele“, bemerkte ihre Schwester dann naserümpfend, und Tori hatte auch daran nicht einen Gedanken verschwendet.

 

„Ich verfüge über genügend Freundinnen, Daphne. Keine Sorge, du bist die allerletzte auf meiner sehr langen Liste.“ Je länger sie sich im Spiegel betrachtete, umso genervter war sie selber von ihrem blöden Kleid, was sie aussehen ließ, als wäre sie dreizehn. „Offen gesagt, musst du heute auch nicht zu meiner Feier kommen, wenn es dir so zuwider ist.“

 

„Oh, dieses Schauspiel werde ich garantiert nicht verpassen. Du weißt doch, das schönste Leid ist das selbst auferlegte. Und du scheinst ja gar nicht genug davon bekommen zu können. Mach dich ruhig lächerlich, Tori“, verabschiedete sich Daphne von ihr, und Tori nahm an, der einzige Sinn, dass ihre Schwester zurzeit zuhause war, war der, dass sie sie, Tori, fertig machen konnte.

Sie atmete lange aus, um sich zu beruhigen. Ihr war schlecht. Am liebsten würde sie sich ihren Schlafanzug anziehen und sich im Bett vergraben, als komplett geschminkt und frisiert und aufgestylt in den dämlichen Club zu gehen. Aber wann würde sie Draco sonst sehen? Er würde sie nicht in Hogsmeade besuchen kommen. Es waren Kleinmädchen-Träume, die sie sich nicht mal erlaubte, zu spinnen.

Und das brauchte sie auch nicht. Sie musste einfach durchhalten. Die Hochzeit würde kommen, dann kam das Kind – und bis dahin… würde er sich schon gewöhnt haben. Und am besten gewöhnte er sich freiwillig. Ungerne würde sie nachhelfen….

 

Und wenn er sich nicht gewöhnte, war das sein verdammtes Pech. Allerdings war sie arrogant genug zu glauben, dass sich ihr kein Mann für immer verwehren würde. – Sofern sie dieses bescheuerte Kleid loswurde, dachte sie zornig, während sie die pinke Schleife in ihrem Rücken wieder löste, um sich nicht komplett lächerlich zu machen.

 

 

Irgendwann waren sie tatsächlich appariert, und schon von außen erkannte sie die weißen Lampions, die geschmackvolle Dekoration, und ihr blieb nur zu hoffen, dass Draco keine Szene veranstaltet hatte und tatsächlich hier auftauchte.

Es war ihre offizielle Verlobungsparty, und wo könnte sie besser feiern, als hier im Club unter gleichgesinnten? Hier würde sie schließlich die meiste Zeit verbringen und am besten freundete sie sich schon mit den neuen Müttern an.

 

McGonagall hatte ihr mit äußerst eisiger Miene gestattet diese Feierlichkeit zu besuchen, aber Tori stellte keine Fragen, denn es interessierte sie nicht, warum sie jemand nicht leiden konnte. Sie nahm aber an, dass McGonagall auf Hermines Seite stand. Nicht auf ihrer. Aber auch das war ihr egal.

 

Sie betraten den Club und Kellner kamen mit Tabletts zu ihnen geeilt und reichten ihnen langstielige Gläser mit sprudelnder Flüssigkeit. Nur Astorias Flüssigkeit war nicht golden, sondern orange. Sie war ohnehin kein großer Freund von Alkohol.

 

„Mr. Greengrass, Mrs Greengrass“, wurden ihre Eltern begrüßt, und ausdruckslos nahm auch sie die Glückwünsche entgegen. Ihre Augen suchten die Räumlichkeiten ab, und tatsächlich stutzte sie kurz, als sie die Malfoys weiter hinten erkannten. Alle drei. Zusammen. Dracos Anzug schimmerte dunkelblau, ging fast ins dunkle violett, und seine Haare lagen wellig über seinen Kopf nach hinten. Ein Look, der ihm ausgesprochen gut stand. Dann wiederum stand diesem Mann alles sehr gut, dachte sie ein wenig atemlos. Immerhin passte ihr Kleid jetzt besser zu seinem Outfit, denn sie hatte sich für Burgunder entschieden, und das Rot des Kleides war so dunkel, dass es fast schwarz erschien. Es ließ sie doch um einiges älter und reifer wirken, als das pinke Modell mit der Schleife im Rücken. Ihre schwarzen Schuhe waren schmal und verboten hoch, und so würde sie es vorziehen, solange sie es noch konnte.

 

Fast war sie nervös. Draco hatte sie noch nicht entdeckt. Sie bezweifelte, dass er sie hier anschreien würde. Dann wiederum… konnte sie ihn nicht wirklich einschätzen.

 

„Kommt“, befahl ihr Vater ihnen steif, und die Familie setzte sich in Bewegung. Ihr Vater hatte gesagt, es wäre notwendig, Draco auf kurze Distanz zu halten, ihn immer wieder daran zu erinnern, dass er ein Versprechen abgegeben, einen bindenden Vertrag unterzeichnet hatte. Aber sie nahm an, Draco wollte nicht ins Gefängnis. Deshalb würde er sich fügen – ob er das nun wollte, oder eben nicht.

 

„Malfoys“, begrüßte ihr Vater die hübsche Familie, und Narzissas betörende Schönheit raubte Astoria jedes Mal den Atem.

 

„Arthur, Allegra, Daphne! Wie schön euch zu sehen. Astoria, du bist eine wahre Augenweide!“, rief Narzissa aus. „Ist sie das nicht, Draco?“, richtete seine Mutter das Wort sofort an ihn.

 

„Du siehst sehr schön aus“, sagte er tatsächlich, und Toris falsches Lächeln geriet mit einem Mal schief. Was? Er sah sie an, sehr kühl, sehr unnahbar – aber… nicht unfreundlich. Was zum…?! Sie hatte mit ernsthaftem Widerwillen gerechnet. Verdattert stand sie vor ihm.

 

„Astoria, vielleicht möchtest du Draco begrüßen?“, legte ihre Mutter ihr mit einem schmerzhaften Kniff in die Seite näher.

 

„Da-danke, Draco. Du siehst ebenfalls sehr gut aus“, fielen die Worte steif aus ihrem Mund.

 

„Draco“, begrüßte Daphne nun ihren Verlobten, mit gewisser Abschätzung.

 

„Daphne, schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?“, fiel er sofort in ein zwanglos höfliches Gespräch mit ihrer Schwester, und fast war Tori dankbar.

 

„Ich nehme an, besser als euch“, bemerkte Daphne fast mit einem ungläubigen Grinsen, aber auch sie wurde von ihrer Mutter unsanft gestoßen.

 

„Daphne brauchte schon immer etwas länger, um sich an neue Begebenheiten zu gewöhnen. Und eine Hochzeit steht für meine Älteste noch nicht in den Sternen, also ist ihr ein wenig Missgunst nicht nachzutragen, Draco“, mischte sich ihre Mutter mit freundlicher Stimme ein, und Daphnes Ausdruck wurde säuerlich.

 

„Manch einer braucht keinen Mann, um seinen Wert zu erkennen, Mutter. Dankeschön“, sagte Daphne bitter.

 

„Daphne, Liebes, heute ist Astorias Tag“, ermahnte ihre Mutter sie streng.


„Ist nicht jeder Tag Astorias Tag?“, erkundigte sich Daphne mehr als belustigt. Astoria war viel zu verwirrt, um sich zu beschweren oder sich beleidigt zu fühlen, denn sie beobachtete, wie Draco höflich den Blick senkte, den Worten ihrer Schwester kaum Aufmerksamkeit schenkte, nur um sie dann zu fixieren. Ihr stockte praktisch der Atem.

 

„Wie geht es dir? Alles in Ordnung?“ Kurz fiel sein Blick auf ihren Unterleib, und fast wollte sie weinen, weil er sich von sich aus erkundigte. Auch seine Eltern schienen mehr als verwundert zu sein.

 

„Ahem – ja. Alles… ok“, wagte sie zu antworten, wollte nicht riskieren, in eine höfliche Falle zu tappen und doch noch von ihm beleidigt und angeschrien zu werden.

 

„Hast du Lust, mich zu begleiten? Ich wollte Blaise begrüßen“, informierte er sie auffordernd – und das wäre die Falle! Wenn sie alleine wären, würde er sie beleidigen, sie zum Weinen bringen, damit sie ging. Aber sie war einfach erbärmlich und freute sich über seine Aufmerksamkeit.

 

„Gerne“, entkam es ihr fast tonlos.

 

„Wie nett“, rief ihre Mutter aus. „Daphne, vielleicht lernst du hier heute einen netten jungen Mann kennen, hm?“ Und fast wollte Astoria lächeln, verkniff es sich aber, als Daphne laut aufschnaubte. Sie ging neben Draco – nicht hinter ihm. Er achtete tatsächlich auf ihr Tempo.

 

„Was… was wird das?“, fragte sie vorsichtig. Sein Blick traf sie neutral.

 

„Was wird was?“, erkundigte er sich. Sein Blick verließ ihre Augen nicht.

 

„Du bist… nett zu mir.“ Es klang bitter in ihren Ohren. Aber es war verwunderlich.

 

„Du bist schwanger mit meinem Kind“, war alles, was er sagte. „Ich denke, das garantiert, dass ich nett zu dir bin, Astoria.“ Klang er ehrlich? Log er so gut? Vielleicht. Sie wusste es nicht.

 

„Oh“, machte sie ratlos. Fremde Blicke folgten ihnen, einige neidvoll, andere mitleidig. Sie konnte kaum drauf achten.

 

„Malfoy!“, rief Blaise Zabini aus einiger Entfernung und kam zu ihnen. „Astoria, meine Glückwünsche“, begrüßte sie der hochgewachsene hübsche Mann mit den olivfarbenen Zügen, und dem bestechend weißen Lächeln.

 

„Danke, Blaise“, erwiderte sie.

 

„Ihr seid ein attraktives Paar“, bemerkte der ehemalige Slytherin charmant.

 

„Danke, Zabini“, erwiderte Draco augenverdrehend.

 

„Angenehme Party. Etwas früh für meinen Geschmack, nicht genügend Alkohol“, ergänzte Blaise mit einem Zwinkern.

 

„Astoria muss zeitig zurück in Hogwarts sein. Sonntags sind die Vertrauensschülertreffen, richtig?“, schien sich Draco mühelos zu erinnern, und sie sah ihn misstrauisch an.

 

„Richtig“, bestätigte sie knapp. „Kann… kann ich dich kurz sprechen? Allein?“, ergänzte sie stiller, und Blaise grinste still.

 

„Am besten nutzt ihr die Zeit“, sagte er prostend, hob provozierend die Augenbrauen, und Draco schenkte ihm einen ablehnenden Blick. Dann sah er sie stirnrunzelnd an.

 

„Sicher“, räumte er ein und bedeutete ihr, zu folgen. Sie kamen in einen der privaten Bereiche, und ihr Herz schlug schnell. Sie stellte ihr Glas auf einen der Tische und Draco sah sie abwartend an.

 

„Wieso bist du nett zu mir?“, wollte sie misstrauisch wissen.

 

„Was?“ Er runzelte die Stirn. „Ich habe dir schon gesagt, dass-“

 

„-ich weiß, ich bin schwanger, es ist dein Kind – schon klar“, wiegelte sie ab. „Aber es war letzte Woche auch dein Kind. Du-“

 

„-ich hatte Gelegenheit, nachzudenken“, kürzte er das Gespräch achselzuckend ab.


„Ach ja? Und jetzt… ist es alles kein Problem mehr?“ Sie sah ihn fragend an. Dann atmete er aus.

 

„Kannst du nicht einfach akzeptieren, dass ich dich respektvoll behandele? Ist das nicht ungefähr, was dir vorschweben sollte?“, wollte er entgeistert von ihr wissen, und es gefiel ihr nicht. Absolut nicht. Sie war nicht so dumm.

 

„Du hasst mich. Das hast du sehr deutlich gemacht. Und auf einmal… ist das nicht mehr so? Was ist mit Hermine?“ Kurz glaubte sie, dass sein Ausdruck flackerte, dass sich irgendetwas in seinem Blick verdunkelte, aber der Moment war vorbei, bevor sie überhaupt darüber nachdenken konnte.

 

„Ich bin hier. Nicht bei Hermine. Auf unserer Verlobungsparty, Astoria“, warnte er sie, die schöne Stimme um einige Grad kühler als zuvor.

 

„Du bist hier“, bestätigte sie grimmig. „Aber du bist nicht wirklich hier, oder? In deinen Gedanken? Du würdest mich nicht küssen, du würdest niemals-!“ Beinahe grob hatte er sich in Bewegung gesetzt, den Abstand übergangslos zu ihr geschlossen, und hart lagen seine Hände auf ihrer Taille, als er sie an sich zog. Sein Kopf hatte sich gesenkt und seine warmen Lippen verschlossen ihren offenen Mund. Sie verstummte schockiert, blinzelte überfordert, und als seine Zunge in ihren Mund glitt, schlossen sich ihre Augen.

 

Merlin, was?! Vielleicht war Plan B überhaupt nicht notwendig, dachte sie abwesend, als ihre Hände zitternd in seinen Nacken griffen. Sie küsste Draco Malfoy, und ihr Märchen wurde wahr!

 

Als sie sich enger an ihn presste und dabei war, sich zu verlieren, löste er sich sanft, verließ ihre Lippen, und fast stolperte sie vorwärts, als er zurückwich, so benommen war sie noch. Sein Blick hatte sich verdunkelt.

 

„Wir sollten zurück zur Party. Es wäre unhöflich, hier zu bleiben“, entkam es ihm rau. Sie nickte atemlos. Er hob den Arm in einer starren Geste der Höflichkeit, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie wankte ein wenig auf den hohen Schuhen und ihr Herz schlug noch schneller, als vorher.

 

Er folgte ihr, hatte die Hände zu schmerzhaften Fäusten geballt, so dass die Knöchel weiß hervortraten, aber das entging ihr vollends.

 

 

48. fearless

 

Sie hatte das Wochenende mit Lernen verbracht. Am Freitag hatte sie Prüfungen, und sie hatte auch nicht wirklich damit gerechnet, dass Draco sie aufsuchen würde. Sie wusste, er wurde überwacht, und der ganze Druck übte sich nicht gut auf ihre Psyche aus. Sie war also mit ihren Gedanken zunächst übereingekommen, dass Abwarten die beste Methode wäre. Jeder machte Fehler, und unter Umständen könnte sich Draco nach der Hochzeit von Astoria lösen.

 

Ab und an überkamen sie schlechte Gedanken. Sie könnte an Astorias Stelle stehen, sie könnte schwanger mit Dracos Kind sein. Aber es waren dumme Gedanken. Mitledige, dumme, kurzsichtige Gedanken. Denn sie wollte kein Kind, wollte nicht seine Frau werden und garantiert nicht in seine kranke Familie einheiraten.

Aber… Astoria wollte das. Astoria war bereit, alles in Kauf zu nehmen, und Draco müsste sich nicht großartig verändern, könnte… sein Leben fortführen. Bequem und reich. Und manchmal glaubte sie, es wäre besser, sie würde… aufgeben. Zurücktreten. Den Platz räumen. Aber sie war leider zu egoistisch. Vielleicht war sie Astoria nicht unähnlich.

Und es störte sie nur halb so sehr, wie sie angenommen hatte, dass Leute ihr eindeutige Blicke zuwarfen, wann immer sie und Malfoy zusammen waren. Sie schämte sich nicht. Dafür fühlte es sich zu richtig an. Und das war das eigenartige. Es war wirklich falsch, aber… so fühlte es sich nicht an.

 

„Was tust du?“ Penelope stand neben ihr, die Stirn gerunzelt, schwer bepackt mit Büchern, und Hermine hörte auf, blind in ihren Spind zu starren und verschloss die Tür mit einem Knall.

 

„Gar nichts“, entgegnete Hermine kopfschüttelnd. „Wir sollten… gehen“, schloss sie, hatte kurz überlegt, sich noch einen Tee zu holen, aber dann würden sie hetzen müssen.

 

Sie hatten Training mit den Zweiern, das letzte Mal diese Woche. Alles war verschoben worden, wegen der Prüfungen, und am Donnerstag hatten die Dreier ihre Zwischenprüfung. Die Trainingseinheiten hingen am schwarzen Brett aus, und fast war sie aufgeregt, dass sie ihn gleich sehen würde.

In den Fluren hatte sie ihn noch nicht entdeckt, er war noch nicht an seinem Spind gewesen, und erwartungsvoll setzte sie sich in Bewegung. Penelope folgte ihr grummelnd, denn ihre Mitbewohnerin hatte Angst vor den Prüfungen. Hermine fühlte sich sicher genug, aber sie hatte genügend andere Sorgen. Sie war gespannt, ob Harry es am Donnerstag packen würde – aber sie ging davon aus. Sonst würde Kingsley seinen Hintern wohl persönlich durch die Prüfung tragen, denn das Ministerium wollte Harry Potter haben.

 

Die große Halle war bereits auf, und Einer und Zweier strömten ins Innere. Hermine fasste niemanden genau ins Auge, hielt nach ihm Ausschau, und tatsächlich war er bereits anwesend, saß hinten auf den Bänken, mit Cage und einigen anderen Zweiern – nicht mit Sam. Er sah nicht auf, war in ein Gespräch vertieft, und sie hatte ihn vermisst, sog seinen Anblick auf, und dass sie wusste, wie sich sein Gesicht unter ihren Fingern anfühlte, schickte Stromstöße durch ihren Körper. Auf den Fluren schlich ab und an eine finster dreinblickende Gestalt unablässige Runden, wahrscheinlich von Lucius angeheuert, und aus Gründen, die Hermine nicht nachvollziehen konnte, von Kingsley geduldet. Wahrscheinlich war eine Menge Gold bezahlt worden, und die Einheit sagte leider viel zu selten Nein zu monetären Bestechungen, war Hermine zähneknirschend aufgefallen.

 

Aber deshalb mied sie den direkten Kontakt zu Draco. Auch jetzt. Sie wusste, die Situation war angespannt genug. Seine Freiheit hing in der Schwebe, und sie wollte nicht riskieren, ihn an Askaban zu verlieren. Sie konnte nicht.

 

„Hey, also, ich glaube, ich brauche heute noch eine Runde Extra-Training“, meldete sich Dean schwer atmend zu Wort, als er sich zu ihnen gesellte.


„Das trifft sich wirklich gut!“, rief Penelope unglücklich aus. „Hermine weigert sich, mir irgendwelche Auskünfte zu geben. Ich denke, wir können die Halle später bestimmt nutzen!“ Hermine folgte dem Gespräch halbherzig.

 

„Ich glaube, ich kann die Basis-Zauber, aber… alles darüber hinaus wird wirklich ein Problem. Wie soll man alles beherrschen können?“, beschwerte sich Dean entnervt. Hermine zuckte unverbindlich die Achseln, und dann betrat Caine die Halle.


„Einer, Zweier, aufstellen, bitte!“, rief er, ohne Begrüßung, ohne seine morgendliche Übellaunigkeit zu verbergen. Sie gehorchten, und die Zweier schälten sich ebenfalls müde von den Bänken. „Ich möchte, dass ihr mischt. Einer gegen Zweier im Wechsel, sucht euch einen Partner!“, knurrte Caine, und Hermine verabschiedete sich von Penelope und Dean. Keiner war sonderlich wählerisch, und nach wenigen Sekunden stand sie Cage gegenüber. Sie nickte ihm ausdruckslos zu, und hatte aber erwartet, dass Draco sie finden würde. Vielleicht würde er das noch tun.

 

„Angriff und Verteidigung, bitte. Entsprechend eurer Textbücher zunächst aktive Zauber, und wir werden ein Punkte basiertes Training führen, also strengt euch an. Die besten werden am Ende gegeneinander antreten – aber es gibt keine Schulterklopfer, keine goldenen Sterne. Es ist reines Training! Diejenigen mit den wenigsten Punkten sollten sich allerdings Gedanken darüber machen, ob sie überhaupt für diese Ausbildung geeignet sind“, ergänzte Caine mit eindeutiger Ablehnung, und Hermine ging in Position, vergaß ihre persönlichen Probleme, denn sie liebte den Wettbewerb und die Herausforderung. „Los!“, rief Caine laut über die Köpfe hinweg, und die Flüche donnerten schlagartig durch die Halle.

 

„Stupor!“, bellte ihr Cage einfallslos entgegen, und Hermine blockte stumm.

 

„Dimminur!“, sagte Hermine mit stiller Präzision, und es handelte sich um einen fortgeschrittenen aktiven Angriff – den Cage allerdings beherrschen und blocken können sollte. Was er aber nicht konnte. Er flog heftig zurück, während sein (verbotener passiver) Expelliarmus dem Zerschmetterungs-Fluch gar nichts anhaben konnte. Aus den Augenwinkeln, sah Hermine, wie sich eine goldene Eins aus strahlenden Funken über ihrem Kopf formte. Einige Zweier lagen bereits mit drei Punkten in Führung. So auch Draco Malfoy, wie sie überrascht feststellte. Cage kam keuchend auf die Beine, nickte ihr grimmig zu, und Hermine wechselte den Partner. Jane stand ihr gegenüber. Ebenfalls eine leuchtende Drei über dem Kopf. Bevor Hermine sie jedoch bewundern konnte, verfluchte das Mädchen sie stumm. Hermine analysierte den Angriff unbewusst. Die Zauberstabbewegung deutete einen aggressiven offenen Aktivzauber an, bei dem der Anwendende jedoch für einen kurzen Zeitraum ungeschützt blieb. Sie nutzte die Gunst der kurzen Sekunde und schickte ihre Verteidigung dirket in Janes Brust. Der Depulsio erwischte Jane heftig, und auch sie fiel zurück, keuchte heftig, und Hermine Eins wandelte sich in eine goldene Zwei. Jane war bei weitem nicht so höflich wie Cage, fluchte ungehemmt und ließ Hermine verärgert stehen.

 

Sam Black war die nächste Person, die sie sich aussuchte. Er hatte ebenfalls eine goldene Zwei über seinem Kopf, und als er sie erkannte, glitt etwas sehr Verschlossenes über seine Züge. Aber tatsächlich griff er nicht an, wartete auf ihre Reaktion, aber sie hatte nicht vor, nett zu sein. Es galt, sich zu beweisen.

 

„Alligo!“, rief sie, denn der Fesselzauber war zu schwer, als dass sie ihn stumm äußern könnte. Sam reagierte schnell.

 

„Sectio!“, entkam es ihm gepresst, und die roten Fesseln aus Hermines Zauberstab wurden in der Luft zerschnitten. Sie gab nicht auf, aber Sam war schneller.

 

„Voluto!“, sagte er, und glücklicherweise kannte sie den Lawinen-Zauber bereits.

 

„Reddio!“, reagierte sie schnell, und nicht nur wurde sie vor der magischen Lawine geschützt, nein, sie gab sie direkt zurück, und bevor Sam sich verteidgen konnte, erdrückte ihn die Magie und er stürzte zu Boden. Hermine atmete schnell, wartete, bis sich ihre Zwei in eine Drei geformt hatte, und Sam kam schließlich hustend auf die Beine. Seine Mundwinkel zuckten und er nickte ihr fast wohlwollend zu. Ja, sie war gut. Und sie verschonte ihn nicht. Aber es schien ihm nicht viel auszumachen.

 

Ein Pfiff ertönte. „Nur die Kandidatenmit drei Punkten und höher machen weiter. Alle anderen können sich schämen gehen. Zumindest die aus dem zweiten Jahrgang“, rief Caine laut über die Köpfe hinweg, und Hermine nutzt die kurze Verschnaufpause. Eine goldene fünf blitzte über Malfoys Kopf, und sie musste an Tempo gewinnen, stellte sie überrascht fest. Seit wann war er so gut?!

 

Wieder Jane, stellte sie etwas geschwitzt fest, zögerte diesmal aber nicht. „Amentus!“, rief sie ihr entgegen, zielte auf Janes Füße, und Jane verpasste den Verteidigungsmoment. Triumphierend hatte Hermine sie mit einem goldenen Schub vom Boden gerissen, und wieder fluchte Jane.

 

„Fairlane ist raus!“, donnerte Caine, und Jane fluchte noch mehr. „Winter, King und Parker – ebenfalls raus!“, ergänzte er, während er die Niederlagen überblickte. Das Meer an AIT lichtete sich langsam aber sich, und dann stand sie Sam Shepard gegenüber, von dem sie lediglich wusste, dass er wohl geschickt mit seinen Fingern war – um Penelope zu zitieren.

 

Sie zielte stumm, Shepard blockte, dann griff er an, und sie schickte ihn mit durchschlagender Verteidigung zu Boden.

 

„Shepard, raus!“, rief Caine wieder. „Baxter und Evett, raus!“, ergänzte er.

 

Sie sah, wie Malfoy stumm einen anderen Zweier zu Boden schickte, Caine seinen Gegner rauspfiff, und Malfoy dann in geschmeidiger Drehung vor ihr zum Halten kam. Sein Blick traf sie kurz, aber es lag nichts Bedeutsames in seinem-

 

-fast hätte sie seinen Fluch nicht blocken können, hatte nur aus den Augenwinkeln die geschlossen aktive Bewegung wahrgenommen und instinktiv geblockt. Okay. Malfoy wollte kämpfen.

 

„Guinnies, raus!“, vernahm sie abwesend Caines Stimme, und sie griff ihn an. Sie tat es stumm, damit sie ihn vielleicht aus der Reserve locken könnte, denn die goldene Sieben schüchterte sie tatsächlich etwas ein.

 

Aber seine Verteidigung kam präzise und stark, aber sie ließ sich nicht auf den Boden schocken und schickte den nächsten Zauber direkt in Richtung seines Kopfes. In einer schnellen Umdrehung hatte er auch diesen Angriff geblockt, und erst jetzt ging ihr auf, dass sie freie Bewegung in der Halle hatten – denn… sie waren die letzten. Ihr Atem ging schnell, als sie den Lava-Fluch erkannte, der sie zweifelsohne verbrennen würde, würde sie nicht einen Kälte-Zauber entgegensetzen, aber mit einer Drehung seines Zauberstabes entging er der einfrierenden Nebenwirkung.

 

Er war gut. Verdammt. Die Erschöpfung nagte an ihr. Ihr gingen die erlaubten Flüche aus, und weitere Exoten kannte sie nicht. Sie war in die Verteidigung übergangen, denn seine Vielzahl an aktiven Angriffszaubern traf sie nun salvenartig. Sein Blick wirkte entschlossen und angespannt. Zwischendurch schickte sie einen Stupor in seine Richtung, aber achtlos wehrte er ihn ab. Dann hob er den Zauberstab, und sie erkannte die Drehung, noch bevor er begonnen hatte, und dieses Mal nutzte er seine Stimme. Der Modifizierte Cruciatus! Und wäre sie nicht nahe den Grenzen der Erschöpfung, würde sie es episch und eindrucksvoll finden, dass Malfoy sie mit ihren eigenen Waffen schlug, und dass er nun vom Schüler zum Lehrer mutiert war.

Sie nahm an, Caine würde ein Auge zudrücken, dass dies ein aktiver Zauber war, denn eine passive Verteidigungen verlangte, denn, Merlin, sie waren alle Flüche und Verteidigungen bereits durchgegangen.

 

Persönlich war sie noch nicht mit dem Fluch belegt worden, ging ihr auf. Sie hatte nur gelernt, ihn in Perfektion anzuwenden. Geblockt hatte sie ihn noch –

 

-massiv überrollte sie der Fluch des Schmerzes, selbst in seiner abgeschwächten Form. Sie spürte, wie er Besitz von ihrem müden Geist ergriff, denn ihre Schwachstelle schien jetzt gerade ihre absolute Ideenlosigkeit und Erschöpfung zu sein, und sie glaubte, ihre Kopf würde bersten, als sie hilflos den Expelliarmus ausführte – es aber bedauerlicherweise nicht schaffte.

 

Sie hatte das Gefühl, dass ihre Augen explodierten, und mit einem überraschten Schrei verlor sie den Halt, sank auf die Knie, ließ den Zauberstab achtlos fallen und schlug sich die Hände vors Gesicht, während sie keuchend atmete.

Merlin! Malfoys Kraft war unfassbar beeindruckend. Und verdammt schmerzhaft!

 

„Granger, raus!“, rief Caine überflüssigerweise, und gerne hätte sie etwas entsprechend Giftiges erwidert, aber Blut floss aus ihrer Nase, und blind suchte sie nach ihrem Zauberstab. Sie heilte sich selbst, bevor sich irgendwer gehalten fühlen konnte, es für sie zu tun. Noch immer saß sie auf den Knien am Boden, und ihr Atem ging schnell. Der pochende Schmerz in ihrem Kopf beruhigte sich, und sie hob langsam den Blick zu seinem Gesicht. Immerhin war er außer Atem.

 

Er kam langsam näher, steckte den Zauberstab zurück und reichte ihr auffordernd die Hand. Sie überwand ihre Schmerzen, griff nach seiner warmen Hand, ließ sich nach oben ziehen, und sein Daumen strich kurz über ihren Handrücken, bevor er sie losließ.

 

„Malfoy gewinnt die Runde“, sagte Caine anerkennend. „Kurze Pause für euch, denn machen wir weiter mit passiver Verteidigung“, ergänzte er mitleidlos, und Hermine mochte nicht, zu versagen. Aber sie nahm, sie hatte sich gut gehalten. Malfoy jedoch hatte sich bereits abgewandt, und Hermine ging zurück zu Penelope und Dean.

 

„Das war eindrucksvoll“, sagte Dean anerkennend.

 

„Seid ihr verstritten?“, wollte Penelope interessiert wissen, natürlich ohne Hermine zu loben. Sie runzelte die Stirn. „Ich meine, der hat dich eiskalt zu Boden geschickt.“

 

Das hatte er wohl, ging ihr auf. Geschont hatte er sie nicht. Die Frage war nur, ob sie das erwartet hatte, oder ob sie erwartete, dass er hier gute Leistungen ablieferte? Ja, vielleicht hatte sie etwas mehr Rücksicht erwartet, aber… unterm Strich war sie stolz auf ihn. Er machte sich hervorragend. 

 

„Ich brauche keine Sonderbehandlung“, erklärte sie Penelope also ernsthaft. „Von keinem.“ Und das wollte sie auch wirklich so meinen.

 

~*~

 

Seine Schritte trugen ihn tiefer den Flur hinab. Müdigkeit steckte ihm in den Gliedern, aber heute hatte er exzellente Leistungen abgeliefert, und das war der Grund, warum Shacklebolt ihm ohne weiteres gestattet hatte, in die Mysteriumsabteilung zu gehen. Er hatte darauf gehofft, dass Caine und die übrigen Trainer seine guten Leistungen weiter trugen – und genau das war passiert. Shacklebolt war die Brust geschwollen vor Stolz über seine fabelhafte Entscheidung einen Todesser-Underdog hier einzuschleusen.

 

Dracos erster Weg war der offensichtliche. Der, weshalb er vorgegeben hatte, überhaupt hier runter zu kommen. Und es war wichtig, dass er es tat. Er begegnete niemandem, keine Tür stand offen, und als er die Verwaltung erreichte, blickte ihm eine schmucklose pechschwarze Tür entgegen.

Er klopfte fast verhalten, wartete, und dann rief jemand, dass er eintreten sollte.

 

Er drehte den sehr kühlen Knauf und drückte die Tür nach innen auf. Der Geruch von Mahagoni erschlug ihn, und lange dunkle Vorhänge verhingen die künstlichen Fenster. Spärlich fiel das Licht ins Innere, und Arthur Greengrass saß gebeugt über einer – wie es schien – leuchtenden Akte. Auf seiner Nase saß eine eigenartige Brille, die ihn kaum besser sehen ließ, denn die Gläser waren geschliffen und schimmerten violett im Licht, das von der Akte ausging.

Er hob den Blick, und überrascht zog er sich die Brille von der Nase.

 

„Draco?“, sagte er gänzlich verwundert, und Draco wartete, bis Arthur zügig die Akte vor seinen Augen verbarg und mit einem Zauberstabschlenker die Vorhänge zurückschnellen ließ. „Das ist eine unerwartete Überraschung“, bemerkte der Mann misstrauisch, als er sich erhob.

 

„Entschuldigen Sie den Überfall“, sagte Draco dann.

 

„Was verschafft mir deinen Besuch?“, erkundigte sich Arthur prüfend bei ihm, und Arthur war ähnlich groß wie er selbst. Er trug die Robe der Abteilung und wirkte mäßig wichtig.

 

„Ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich meine Zeit der Ausbildung widme und meine Leistungen über dem Durschnitt liegen. Ich möchte, dass Sie wissen, dass mir ein Wechsel in Ihre Abteilung wichtiger ist, als bei den Auroren gut dazustehen, Sir“, sagte er mit ernster Miene und unterbrach den Blickkontakt keinen Augenblick. Arthur öffnete perplex den Mund.

 

„Das… das ist wirklich löblich, Draco.“

 

„Sofern Ihr Angebot noch steht. Ich meine, Astoria hatte mir gesagt-“

 

„-mein Angebot steht, Draco“, unterbrach der Mann ihn mit gerunzelter Stirn. „Woher kommt dieser plötzliche Umschwung? Dieser Sinneswandel?“

 

„Sir, manchmal verliert man den Fokus“, erklärte Draco unbehaglich. „Manchmal denkt man, was man in einem Moment empfindet überschattet alles, was künftig noch kommen mag“, fuhr er fort, und Arthur lauschte seinen Worten. „Alles, was wichtiger ist“, schloss er nachdenklich.

 

„Du hast meine Zusicherung, dass einem Wechsel in diese Abteilung nichts entgegensteht. Und mit einem hervorragenden Abschluss werden sich dir alle Türen öffnen, allerdings… ist das nicht zwingend notwendig, Draco“, erklärte Arthur mehr als deutlich. „Ein Quereinstieg wäre genauso machbar, wie-“

 

„-nein, ich möchte abschließen und auf Grund meiner Leistung genommen werden“, widersprach Draco kopfschüttelnd. „Ich will nur nicht, dass Sie denken, ich würde die niedere Arbeit eines Auroren vorziehen. Ich schließe einfach nur gerne Dinge ab, die ich begonnen habe“, versicherte er dem Mann.

 

„In Ordnung“, entkam es Arthur überrascht.

 

„Das wäre alles, Sir“, erklärte Draco und hielt seinen Blick.

 

„Ich danke dir“, erwiderte Arthur nickend. Als Dracos ich abwandte, sprach sein zukünftiger Schwiegervater. „Draco, komm doch am Freitag zu Besuch. Ich… kann Astoria abholen lassen“, bot er stiller an, und Draco wandte sich um.

 

„Wäre… wäre das ohne weiteres möglich?“, fragte er stirnrunzelnd.


„Das Mädchen ist Schulsprecherin, beste des Jahrgangs, also warum nicht, hm?“, erwiderte Arthur gönnerhaft.

 

„Ich würde mich sehr freuen“, sagte er aufrichtig. „Danke, Sir.“

Er drehte sich um und verschwand, während seine Mundwinkel abartig tief sanken, und sich seine Oberlippe kräuselte. Sein Weg führte ihn weiter, denn er hatte zu tun. Der Flur war lang, den er sich hinwagte, und vor einer weißen Tür hielt er inne. Er las das Namensschild und klopfte dreimal. Ihm wurde persönlich geöffnet.

 

„Mr. Malfoy“, entkam es dem Mann ruhig, aber sein Blick war fragend.

 

„Goodwin“, erwiderte er die Begrüßung mehr oder weniger freundlich. „Hätten Sie kurz Zeit für mich.“

 

„Jetzt gerade ist es schlecht“, sagte der Seher direkt.


„Wann haben Sie Zeit?“ Draco ließ sich nicht abschütteln. Garantiert von irgendeinem Stümper, der seine Zeit über Kristallkugeln gebeugt verbrachte.

 

„Heute gar nicht mehr.“

 

„Gar nicht mehr? Haben Sie keinen Feierabend? Sind Sie die ganze nachtlang beschäftigt?“ Draco ließ nicht locker, und dann sah Goodwin ihn direkt an, seine Augen schienen ihn zu durchbohren.

 

„Geht es um das Training, was Mr. Shacklebolt angeordnet hatte, Mr. Malfoy?“ Und Draco zögerte kurz. Wie sollte es darum gehen, fragte er sich. Es war abgeschlossen, er war nicht mehr – und dann begriff er, dass Goodwin nicht alleine war.

 

„Mr. Shacklebolt sagte, Sie wären informiert“, griff Draco die Lüge mühelos auf, und Goodwin sprach laut.

 

„Es tut mir leid, aber heute habe ich keine Zeit mehr, Ihre Frage zu beantworten.“ Dann fiel seine Stimme. „Acht Uhr, Atrium“, verließ es wie ein Hauch die Lippen des Sehers. Draco nickte knapp.

 

„Dann werde ich mit Mr. Shacklebolt einen neuen Termin vereinbaren“, verabschiedete er sich ebenfalls lauter von ihm und die Tür schloss sich übergangslos. Dracos Kiefer bewegte sich, bevor er Kehrt machte. Er hatte noch ein weiteres Ziel. Der lange Flur war magisch vergrößert, beherbergte knapp 80 Büros, und weit am Ende fand er, wonach er suchte.

 

Sein Name stand mit weiteren an den Flügeltüren, die magisch gesichert waren. Er klopfte laut an. Es rumorte im Innern.

 

„Platz!“, vernahm er eine zornige Stimme. „Keine Bewegung!“, warnte die Stimme jetzt, und laute Schritte näherten sich den Türen, der Bann wurde aufgehoben und dann flog die linke Tür mit einem Ruck auf. William Beck sah ihm entgegen. Seine Stirn legte sich in Falten.

 

„Malfoy“, erkannte er ihn. „Wir bist du hier runter gekommen?“, erkundigte er sich direkt.


„Gute Führung“, erwiderte Draco knapp. „Kann ich Sie sprechen?“

 

„Wir sind mitten im Versuch, aber… komm rein“, bot er ihm mit erhobener Braue an. Draco stockte kurz, als er Lorrie und einen weiteren Mann erkannte, die ein Rudel Wölfe im Schach hielten, auf sehr kurzer Distanz, die Zauberstäbe ausgestreckt.

 

„Mr. Malfoy“, begrüßte Lorrie ihn verwundert. Draco beobachtete die Szene in dem sehr weitläufigen Raum.

 

„Was tun Sie hier?“, entkam es ihm, obwohl er nicht hatte fragen wollen. Die Wölfe erschienen ihm abartig groß.

 

„Ein kleines Experiment, was Auroren im Training einen feuchten Dreck angeht“, antwortete der dritte Zauberer weitaus weniger freundlich.

 

„Malfoy, du erinnerst dich an Marcus Welsh?“, stellte Beck ihn vor, und Draco runzelte die Stirn.

 

„Nein, sollte ich?“, fragte er misstrauisch, aber sofort sprach er weiter. „Das ist der Grund, weshalb ich hier bin, Mr. Beck“, ergänzte er eilig, während er genügend Abstand zu den geifernden Wölfen hielt.

 

„Ach was?“, entkam es Beck mäßig interessiert, während er seine Position wieder einzunehmen schien.

 

„Sie müssen mir helfen“, sagte Draco dann.

 

„Ich muss gar nichts, Junge, und ich bezweifle, dass ich dir helfen kann“, antwortete er ruhig, während die Zauberer die Zauberstäbe langsam senkten.


„Ich finde nicht gut, dass Außenstehende hier sind, Beck“, beschwerte sich der Mann namens Welsh, und Draco fasste ihn ins Auge. Er war jünger als die anderen. Nicht ganz sein Alter, aber höchstens zehn Jahre älter als er.

Seine Haare waren kurz und dunkel, sein Gesicht blass mit markanten Zügen. Die Augen ähnlich schiefergrau wie seine eigenen, aber eine lange Narbe zierte seine Wange, über seinen Kiefer hinaus, den Hals runter, bis sie in seinem Hemdkragen verschwand. Die Zauberer trugen keine Roben. Beck machte ein abschätzendes Geräusch.

 

„Mr. Malfoy, was ist Ihr Anliegen?“, erkundigte sich Lorrie jetzt interessiert, und Draco hatte keine Lust, zu lange mit diesen riesigen Wölfen in einem Raum zu sein.

 

„Mein Gedächtnis ist lückenhaft und ich wollte Mr. Beck fragen, mir zu helfen, einige Lücken zu schließen.“ Welsh sah ihn schließlich einigermaßen verächtlich an.

 

„Wozu bei Salazar solltest du das wollen, Malfoy? Sei froh, dass du nichts mehr weißt“, antwortete Welsh bitter, und Draco runzelte die Stirn.

 

„Wieso kennen wir uns?“, fragte er, und er versuchte, diesen jungen Mann irgendeinem Szenario zuzuordnen. Aber Welsh tat ihm keine Gefallen.

 

„Wozu willst du dich erinnern?“, fragte auch Beck ihn, ohne ihn anzusehen, als er irgendeinen Abstraktionszauber auf den Wolf losließ und sich dieser winselnd wandte. Draco wich instinktiv zurück.

 

„Ich denke, es ist natürlich, dass man Erinnerungslücken schließen will“, sagte Lorrie schließlich und belegte den Wolf mit einem Lautlos-Zauber, so dass das Winseln nicht zu hören war.

 

„Was sind das für Wölfe?“, entkam es Draco. „Sie sind größer, als normale Tiere, sie sind wesentlich-“ Unbewusst war er näher gekommen, aber ein größeres Exemplar schien auf ihn zu reagieren, fletschte bösartig die langen Fänge, und Lorrie hob den Zauberstab.


„Mr. Malfoy, Ihr Animagus triggert die Tiere.“


„Mein Animagus?“, entfuhr es ihm.

 

„Sie können den Donnervogel riechen“, erklärte Beck freudlos. „Am besten ergänzt du das zu den Notizen, Lorrie“, wandte er sich an seinen Kollegen.

 

„Es sind keine Werwölfe“, stellte Draco entgeistert fest, „aber sie… sehen so aus.“

 

„Es sind Prototypen“, erklärte Beck leichthin. Dracos Augenbrauen hoben sich ungläubig.


„Das reicht!“, sagte Welsh schließlich. Und plötzlich kam Draco eine blasse Erinnerung.


„Du hattest keine Narbe, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, oder nicht?“, entfuhr es ihm langsam. Welsh schenkte ihm einen ätzenden Blick.

 

„Menschen werden nicht mit Narben geboren, Malfoy, also ist das sehr wahrscheinlich. Wir sind hier beschäftigt. Am besten-“

 

„-du hast etwas gestohlen“, sagte Draco plötzlich, ohne dass er Welsh zuhörte. Er erinnerte sich. Dunkel, sehr dunkel. Und Welsh verzog den Mund. Beck musste grinsen.

 

„Uh-oh, Marcus, der Junge zerschießt dir dein uraltes Alibi“, sagte Beck zufrieden.

 

„Ich habe überhaupt nichts getan!“, fuhr Welsh ihn an, aber er log, bekam bereits rote Flecken am Hals, und Draco versuchte krampfhaft, seine Hirnwindungen zu aktivieren. „Am besten lässt du es gut sein, Malfoy!“, warnte der Mann ihn scharf.

 

„Ich brauche Hilfe. Ich muss mich erinnern“, sagte er mit mehr Nachdruck, aber auch Mr. Beck schüttelte entschuldigend den Kopf.

 

„Malfoy, Marcus und ich werden dir nicht helfen“, erklärte er sehr sachlich, und Draco verzog den Mund.

 

„Schon klar“, sagte er dann. „Keiner will sich selbst belasten, nicht wahr?“, entkam es ihm bitter. Becks Ausdruck verhärtete sich minimal.

 

„Junge“, sagte Beck nachsichtig, „dein Vater hat dir den halben Verstand aus dem Kopf geprügelt, aber… der einzige Vorteil, der dir hier bleibt, mit der Strafverfolgung im Nacken, ist, dass Lucius clever genug war, die entscheidenden Erinnerungen aus deinem Kopf zu löschen“, schloss er hart. „Du suchst deine Erinnerungen? Sobald du dich erinnerst, belastest du dich mit der Beihilfe an verschiedenen düsteren Machenschaften.“ Aber Draco fürchtete sich davor nicht wirklich. Wirklich nicht. Ihm war klar, dass er nicht zufällig bestimmte Stunden – sogar Tage – vergessen hatte, immer wenn es Lucius in den Kram gepasst hatte. Aber er hatte verstanden.

 

„Ich war ein Kind, Mr. Beck. Und diese Drohung macht mir keine Angst“, räumte er lediglich ein. Beck fixierte ihn grimmig.

 

„Dann viel Glück, Malfoy. Keiner wird dumm genug sein, dir auf die Sprünge zu helfen, das kannst du mir glauben“, versicherte Beck ihm.

Aber Draco nahm an, er kannte eine Person, die regelrecht Feuer und Flamme wäre, das zu tun. Deshalb lächelte er, als er sich abwandte.

 

„Danke für Ihre Zeit“, verabschiedete er sich neutral und verließ den Raum mit den furchterregenden Wölfen wieder, und er wusste, er würde nirgendwo arbeiten, wo Monster-Wölfe gezüchtet wurden.

 

Heute Abend würde er einen Weg finden müssen, Goodwin zu sehen.

Und morgen würde sich ein hoffentlich ergiebiges Gespräch mit Eugenia Belvadour einschieben lassen. Wenn jemand darauf brannte, dass er sich strafbar machen könnte – dann sehr wahrscheinlich die Leitung der Strafverfolgung.

 

 

49. the last time

 

Shacklebolts Teetasse sank langsam in seiner Hand, und die Lachfalten um seinen Mund verblassten zusehends, bis er ihn gänzlich ungläubig anstarrte. „Entschuldige bitte – du möchtest was?!“ Er fixierte ihn aus dunklen, inquisitorischen Augen. Draco hatte wenig und schlecht geschlafen. Nicht nur war sein Treffen mit Goodwin gestern Abend nicht unbemerkt geblieben, weil der verdammte Totengräber von Spitzel seines Vaters hinter ihm hergeschlichen war – nein! Goodwin hatte die unfassbare Dreistigkeit besessen, ihm – nur unter Androhung von Gewalt – zu verraten, dass er Grangers Tod vorhergesehen hatte!

 

Draco war, milde gesagt, verflucht wild vor Zorn.

 

„Ich will ein Gespräch mit Eugenia, und ich will es bald. Ich meine, der einzige Grund, mich auszubilden war doch der, dass ihr eine billige Arbeitskraft bekommt, die kleine Animagus-Zaubetricks vollführen kann und eine Horde unbegabter Idioten ausbildet, oder nicht?“, wollte Draco recht kompromisslos wissen. Shacklebolts Mund öffnete sich in sanfter Abwehr. „Außerdem wollte Eugenia einen Lockvogel, nicht wahr?“ Das war noch etwas, was der verdammte Seher ihm gestern im Nebensatz erklärt hatte. Shacklebolt wirkte minimal fassungslos, aber es war Draco scheiß egal. „Also bitte. Ich biete meine Dienste an“, eröffnete er kalt.

 

„Draco“, begann Shacklebolt kopfschüttelnd, aber Draco hob die Hand.

 

„Ich brauche keine Erklärung, keine Entschuldigung, es ist mir wirklich absolut egal. Einmal Todesser – immer Todesser, alle Nachfahren ebenfalls, richtig? So läuft diese Einrichtung hier. Das sind keine sonderlich großen Neuigkeiten für mich, Kingsley“, benutzte er den Vornamen des Mannes, wie Granger es ständig tat. Draco fühlte, er hatte das Recht, das zu tun.

 

„Draco, du musst wissen, dass-“


„-was?“, fragte er direkt. „Habe ich irgendwas vergessen? Irgendwas ausgelassen? Es ist mir egal“, betonte er erneut. „Die Absichten dieser Abteilung, die korrupten Machenschaften – die sich, nebenbei bemerkt, nicht sonderlich von denen der dunklen Seite unterscheiden – belasten mich nicht. Ich kooperiere. Vollständig“, schloss er achselzuckend.

 

„Du bist begabt. Du lieferst großartige Leistungen ab. Ich mag zu Beginn nicht überzeugt gewesen sein, aber du bist kein Sohn eines Todessers für mich, Draco. Du bist einer von uns, du-“

 

„-das bin ich nicht. Das werde ich auch niemals sein. Und offen gesagt möchte ich das auch nicht. Was ich möchte, ist, meinen Vater ausliefern. Und ich denke, das sollte doch eine gemeinsame Zielführung sein, oder nicht?“ Shacklebolt schwieg.

 

„Ich kann keinen Zauberer der Mysteriumsabteilung mit Veritaserum dazu zwingen, sich und andere zu belasten, um einen Ehemaligen festzunehmen, Draco“, erklärte Shacklebolt es ruhig.

 

„Aber es ist in Ordnung, dass dort Werwolf-Prototypen gezüchtet und zu Kampfmaschinen ausgebildet werden?“, erkundigte sich Draco ungläubig.

 

„Welche Projekte unten laufen, unterliegen der Außenverteidigungspolitik und haben nichts mit unserer Riege zu tun. Ich kann dir aber versichern, dass garantiert nicht mit Werwolfgenetik experimentiert wird.“

 

„Sah für mich anders aus“, bemerkte er.

 

„Woher nimmst du das Fachwissen, Draco?“, wollte Shacklebolt nachsichtig wissen.


„Malfoy Manor diente der Rekrutierung und Überwachung von Greybacks Kandidaten. Ich weiß, dass Beck und Marcus Welsh Teil der Gruppe waren, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, welche Funktion sie belegt haben.“ Shacklebolt senkte den Blick.


„Wir stellen Ehemalige ein, weil sie dann und wann über ein hohes Maß an dunklem Wissen und verloren gegangenen Zaubern verfügen. Natürlich kommt all das mit der Kehrseite, dass es sich um strafanfällige Zauberer gehandelt hat“, sagte Shacklebolt angespannt.

 

„Sie lassen Mörder hier arbeiten?“, wollte Draco finster wissen, und Shacklebolt hob beide Hände.


„Nein. Natürlich nicht!“

 

„Alle, die in Malfoy Manor ein und ausgegangen sind, haben im Namen Voldemorts getötet“, beharrte er.

 

„Kannst du das beweisen?“, wollte Shacklebolt sofort wissen. Dracos Kiefermuskel spannte sich an.

 

„Nein, kann ich nicht. Aber niemand, der Voldemort nicht einen eindeutigen Vertrauensbeweis geliefert hatte, durfte in Malfoy Manor auftauchen.“

 

„Hat Lucius außerhalb des Kampfes, ohne Einfluss des Imperius‘, getötet?“, fuhr Shacklebolt fort.

 

„Mit Sicherheit. Und Lucius stand nie unter dem Imperius“, ergänzte er bitter. Shacklebolt atmete aus.

 

„Das ist nicht gut genug. Das reicht nicht aus, um in die persönlichen Rechte der Angestellten einzugreifen, Draco. Das wird dir Eugenia auch nur bestätigen können. Was du da versuchst, ist ehrenhaft – keine Frage! Aber es ist auch sehr gefährlich, Draco!“

 

„Das ist mir egal!“

 

„Wenn dich jemand erwischt, wenn jemand erfährt, was du planst – es wird Konsequenzen nach sich ziehen. Ich traue keinem dieser Ehemaligen, deren Vergangenheiten wir nicht vollständig aufklären konnten – aber wir brauchen die Expertise. Sie leisten wertvolle Arbeit!“

 

„Sie züchten Werfwölfe, die keine Menschen sein müssen, Kingsley!“, entfuhr es Draco ungehalten.

 

„Das ist absurd!“, gab Shacklebolt entnervt zurück. „Ok!“, korrigierte er sich selbst, um Ruhe bemüht. „Ich lasse das Projekt überwachen – aber nur – wirklich nur – weil du – illegalerweise – Kenntnis genommen hast von einem möglichen Weisungsbruch. Es ist eine reine Vorsichtsinspektion, nichts weiter!“, warnte er ihn.

 

„Und wenn ich recht habe?“, wollte Draco wissen. Shacklebolt dachte angespannt nach.


„Solltest du recht haben, gibt das möglicherweise Anlass, die persönlichen Akten überprüfen zu lassen und – unter Umständen, ganz vielleicht – einige Lücken im Lebenslauf unter Anwendung von Veritaserum, zu schließen.“

 

„Okay“, sagte Draco dann.

 

„Das heißt gar nichts! Wenn da unten alles nach Vorschrift und Siegel verläuft – stehe ich da wie der letzte Idiot, Malfoy“, entkam es Shacklebolt scharf. „In der Zwischenzeit, hältst du dich bedeckt, verstanden? Und verschaff dir Alibis zu jeder verdammten Minuten jedes weiteren Tages – vor allem nachts, hast du das verstanden?“, fuhr er ihn an.

 

„Ja, Sir“, bestätigte er dann. Shacklebolt erhob sich schließlich, um zu einem der Aktenschränke zu gehen und einen besonders dicken Ordner hervorzuholen.

 

„Du residierst zurzeit in Malfoy Manor?“, erkundigte er sich, aber es war nicht wirklich eine Frage.

 

„Ja?“, bestätigte Draco langsam.

 

„Hier sind Listen von schwarzmagischen Artefakten, die Lucius angegeben hat, besessen zu haben. Teilweise konfisziert, teilweise verschwunden. Vielleicht… lässt sich noch etwas darüber hinaus finden?“, machte Shacklebolt mit erhobenen Augenbrauen deutlich. Draco nahm die Dokumente wortlos entgegen. „Das hier ist der Lageplan, die Baustruktur des Anwesens. Bei der letzten Durchsuchung hat die Einheit nichts weiter entdeckt, aber ich persönlich gehe davon aus, dass gewisse Räumlichkeiten nicht in den Blaupausen enthalten sind, wenn du verstehst, was ich meine?“, ergänzte er, und Dracos Blick fiel auf die ausführliche Zeichnung der Wohn- und Außenflächen des Herrenhauses. Er hatte als Kind nicht alle Bereiche erkunden dürfen, hatte auch nie das Bedürfnis danach verspürt, aber… er würde die Augen offen halten können. Sein Vater sammelte gerne Andenken, aber er nahm nicht an, dass Lucius dumm genug war, bösartige Artefakte im Haus zu behalten, wenn er jederzeit mit einer Durchsuchung rechnen konnte.

 

„Ich verstehe“, erwiderte Draco schlicht. „Ich sehe mich um“, versprach er dann, mit wenig Hoffnung.

 

„Das ist alles, was du tun wirst!“, wiederholte Shacklebolt mit Nachdruck. „Keine weiteren Expeditionen im Ministerium auf eigene Faust, habe ich mich deutlich ausgedrückt? Und ein Treffen mit Eugenia verschieben wir, bis handfeste Beweise eingegangen sind. Wenn du klug bist, hast du so wenig Kontakt mit der Leitung der Strafverfolgung wie nur irgend möglich!“, machte er es mehr als deutlich, und Draco nickte einmal. „Und jetzt raus hier. Dieses Gespräch hat nicht stattgefunden, ich war nicht hier, du warst in der verdammten Kantine, verstanden?“

 

„Ja, Sir“, räumte Draco ein, aber Shacklebolt schüttelte den Kopf.

 

„Ich kann dich nicht hören, ich bin nicht hier – raus!“, wiederholte er streng, und Draco verließ das Büro mit zügigen Schritten. Es war immerhin ein Fortschritt. Und jetzt würde Granger Ärger bekommen.

 

Das letzte Mal.

 

~*~

 

Es war erst Dienstag und sie war ausgelaugt. Nahezu komplett. Die erste Einheit, wo sie sämtliche Heilungszauber an den verletzten Dummies hatte anwenden müssen, hatte sie sehr gefordert. Aber keiner der Dummies war ‚verstorben‘, also war es eine gute Übung gewesen. Jetzt hatten sie eigentlich eine Freistunde, aber sie nahm ja am Animagus-Training teil – und das wollte sie auch, denn… dann sah sie Draco. Heute Morgen hatte sie ihn noch nicht entdecken können, aber im Flur zu den Spinden lungerte der Spion seines Vaters, der sie dann und wann musterte.

 

Penelope plante mit Dean bereits ein ausgedehntes zweites Frühstück, als Hermine laute, selbstbewusste Schritte auf dem Boden vernahm. Und bevor irgendwer reagieren konnte, erkannte sie Draco, aber er kam nicht zu ihr, schloss den Abstand zu dem Auftragsspitzel seines Vaters, und in immenser Geschwindigkeit hatte er den Zauberstab gezogen und den hünenhaften Mann mit einem stummen Stupor in die Bewusstlosigkeit geschickt. Es ging alles sehr schnell, und alle hatten nur schockiert zusehen können.

 

Draco ließ den wuchtigen Mann mit dem Levicorpus schweben, bugsierte ihn zu den Umkleiden und ließ ihn in einer freien Kabine unsanft auf den Boden plumpsen. Hermine starrte ihn an.

 

„Was zur-?“

 

„-du kommst mit“, sagte er nur, und er wirkte nicht freundlich, nicht begeistert – nein, er wirkte ziemlich sauer. Er hatte den Spitzel seines Vaters ausgeschaltet, um mit ihr zu reden? Aber bevor sie sich einen Reim darauf hatte machen, hatte er sie mit sich gezogen, und alle übrigen AIT starrten ihnen perplex hinterher. Aber sie nahm an, niemand würde sich daran stören, dass der lästige Spion erstmal flach lag.

 

Er zog sie nicht weit, und bevor sie gegen seine Gewalt protestieren konnte, hatte er wahllos die Tür zum Equipmentraum aufgestoßen und bugsierte sie hinein.

 

„Malfoy!“, entrüstete sie sich, aber er schüttelte den Kopf und warf die Tür ins Schloss.

 

„Du wirst nicht wegen mir sterben!“ Seine Stimme klang zornig, und gleichzeitig war es eine Warnung.


„Was?“ Sie sah ihn überfordert an.

 

„Goodwin hat es mir gesagt“, erklärte er unwirsch. Ihr Mund öffnete sich ratlos. „Wieso hast du es mir nicht erzählt?“

 

„Malfoy-“, begann sie überfordert, aber er schnaubte auf.

 

„-ich meine, das wäre tatsächlich eine hilfreiche Info gewesen, Granger!“, fuhr er sie an. „Es hätte alles verdammt einfach gemacht!“, knurrte er praktisch.


„Was?“, wiederholte sie wieder.


„Du hattest Abstand gesucht – und den hätte ich dir gegeben!“

 

„Du… hast gesagt, er wäre ein Quacksalber, der-“

 

„-ist er auch! Merlin, verdammt, natürlich ist er das! Aber es war keine dämliche, vage Prophezeiung, die man so oder so auslegen kann, es war-“

 

„-das habe ich dir gesagt!“, entrüstete sie sich.


„Etwas deutlicher wäre super gewesen!“, spuckte er ihr entgegen.


„Ich habe dich verflucht, dir gesagt, dass deine Nähe mich umbringt, ich habe das Ministerium nicht mehr betreten – du bist mir gefolgt, du hast mich gefunden! Ich habe nicht-“

 

„-ich weiß“, unterbrach er sie, ruhiger als vorher. Gefasster als vorher. „Und das hätte ich wahrscheinlich auch getan, wenn-“ Er unterbrach sich. „Wichtig ist, dass ich es jetzt weiß.“


„Malfoy, im Moment ist der Plan, dass wir-“

 

„-es gibt kein wir“, entkam es ihm mehr oder weniger gnadenlos. Sie verstummte abrupt. „Du tust gar nichts mehr. Nicht für mich, nicht für uns.“

 

„Was… was soll das bedeuten?“, fragte sie, beinahe vorsichtig, aber sie wusste, was es bedeutet.

 

„Das war’s, Granger“, erwiderte er freudlos. „Es ist vorbei. Ernsthaft. Endgültig“, ergänzte er, und jedes einzelne Wort schmerzte. Sie hasste, wie schwach ihre Stimme klang, als sie sprach.


„Bis… bis zur Hochzeit?“, entkamen ihr die Worte tonlos, und er schüttelte den Kopf.

 

„Nein. Natürlich nicht“, rammte er ihr den Dolch noch tiefer in die Brust. „Was wäre ich für ein Mensch? Deine Sicherheit geht über alles, Hermine. Über verdammt noch mal alles – und vor allem über mein dämliches Schicksal, über meine langweilige Zukunft!“

 

„Draco-“

 

„-wenn ich die nächsten Monate so handele, als warte ich nur darauf, dass die Hochzeit vorbei ist, riskiere ich dein Leben. Und das weißt du!“, machte er es deutlich, aber ihr Kopf schüttelte sich unbewusst.

 

„Ich will aber nicht, dass-“

 

„-dann hast du verdammtes Pech gehabt!“, unterbrach er sie, wieder ansatzweise wütend.

 

„Aber… was wirst du tun?“, wollte sie verzweifelt wissen.

 

„Was ich tun muss, und halt dich einfach raus, Hermine. Du wirst nichts mehr mit diesen Problemen zu tun haben. Und ich schwöre dir, dass ich dich nicht mehr beachten werde, dass ich keinen Fetzen meiner Aufmerksamkeit mehr an dich verschwende.“ Sie spürte die heißen Tränen auf ihren Wangen.

 

„Bis wann?“, verlangte sie unter Tränen von ihm zu wissen. „Bis es sicher ist, dass mir nichts passiert? Bis alle Gefahren gebannt sind? Bis… bis wann, Draco?“ Sie schluckte schwer.

 

„Nicht“, sagte er still und schüttelte den Kopf.


„Dann gib mir eine Antwort!“, schluchzte sie. Wieder schüttelte er den Kopf. „Das war es dann?“, entfuhr es ihr wütend. „Du hast Angst, und deshalb willst du nichts mehr mit mir zu tun haben?“

 

„Für deine Sicherheit-!“, begann er wieder gepresst, aber sie rastete aus.


„-meine Sicherheit ist mir scheiß egal! Ich will dich!“, fuhr sie ihn an.

 

„Du kannst mich aber nicht haben!“, donnerte seine Stimme jetzt aufgebracht, und mit bebender Brust schloss sie den Abstand zu ihm, denn bisher hatte sie ihn immer haben können! Sie zog ihn zu sich, und ihre Lippen legten sich über seine, aber sofort zog er den Kopf zurück. „Nein!“, flüsterte er bestimmt, aber sie presste sich an ihn, küsste seinen Hals, und seine Hände legten sich hart um ihre Schultern, schoben sie mit Kraft zurück. „Granger, lass es!“, schien er sie zu warnen, aber achtlos griff sie zwischen ihre Körper und presste ihre Hand ohne Scham gegen die harte Beule in seinem Schritt, und keuchend atmete er ein. Flach ging sein Atem, als er ihr Handgelenk hart umfing, aber wieder legte sie den Kopf in den Nacken und fand seine geöffneten Lippen. Sie schob ihre Zunge in seinen Mund, und der Druck um ihr Handgelenk wurde stärker.

 

Mit einem Mal erwiderte er den Kuss, ließ ihr Handgelenk los und hart lag sein Arm um ihre Taille, zog sie an sich, und stöhnend verlor sie sich in diesem Kuss. Ihre Finger griffen in seine Haare, und sie wollte ihn spüren, wollte seine verdammte Uniform ausziehen, aber wieder zog er den Kopf zurück. Diesmal sanfter, schloss seine Lippen, küsste sie noch ein letztes Mal, und ließ von ihr ab, machte einen Schritt zurück. Sie wollte ihm folgen, hasste die Kälte zwischen ihren Körpern, aber er hob die Hand.

 

„Nicht“, sagte er rau.

 

„Bis wann willst du das durchziehen?“, verlangte sie wieder zu wissen, und es war ihr egal, wie lächerlich sie sich machte. Es war ihr scheiß egal!

 

„Frag mich das nicht“, bat er sie tatsächlich.

 

„Sechs Monate?“, schlug sie bitter vor. „Ein Jahr? Zwei? Zehn? Bis wann?“ Sie ließ nicht locker, entließ ihn nicht aus ihrem Blick. Sein Kiefer malte, und dann brach er den Blickkontakt. „Für immer?“, war ihr letzter Vorschlag, und ihre Stimme zitterte wieder. Er sah sie noch immer nicht an. „Wenn du mir sagst, dass du mich für immer aus deinem Leben haben willst, dass du mich nie wieder-“

 

„-nicht für immer“, unterbrach er sie jetzt wütend. „Fuck, Granger!“, fuhr er sie zornig an. „Du sollst… nicht auf mich warten! Du sollst einfach-“

 

„-fick dich, Draco“, sagte sie schlicht, und er schwieg abrupt. „Du willst keinen Druck – fein!“, spuckte sie ihm jetzt entgegen.

 

„Ich will einfach keine Gefühle von dir! Begreifst du das nicht, du dumme Gans?“ Echter Zorn stand wieder in seinen grauen Augen.

 

„Ich fürchte, das kannst du dir nicht aussuchen!“, informierte sie ihn verächtlich. Wieder fiel sein Blick. Sie wusste, was er tat, und sie hasste es. Sie hasste, dass er die vernünftige Entscheidung traf – und sie hasste, dass sie nicht in der Lage dazu sein würde. Er machte Schluss mit ihr, gab sie auf, um sie zu retten. Es war so lächerlich heroisch, dass sie wieder weinen wollte. „Weißt du was?“, rang sie sich bitter ab, „sofern ich noch zu haben sein sollte, wenn dein verdammter ‚Kreuzzug‘ vorbei ist, versuch mich zu finden und versuch dein Glück. Aber Erfolg kann ich dir nicht garantieren, Malfoy.“

 

Er machte mit ihr Schluss. Und sie machte mit ihm Schluss. Ganz einfach. Zu dumm, dass sie log. Wirklich zu dumm. Sie nahm an, sie würde wie ein Idiot auf ihn warten, bis er wiederkommen würde. Aber das musste sie ihm nicht auf die Nase binden.

 

Und wehe, er fand sie nicht, wenn die dämliche Hochzeit vorbei war und sie noch lebte! Wehe, er würde nur eine Sekunde lang zögern!

So viel lag in seinem Blick, so viel Gefühl, so viele unausgesprochene Worte, aber er sagte gar nichts.

Und fast hatte sie ein wenig Angst. Angst, dass sie mehr Gefühle investierte, als er. Angst, dass es alles anders kommen würde, dass er sie nicht finden würde, dass er… einen anderen Weg wählte.

 

„Wenn du wen anders findest, warte nicht auf mich“, war, was er schließlich sagte, und sie hasste ihn. Selbstloses Arschloch.

 

„Hau ab, bevor ich dich schlage, Draco“, warnte sie ihn, während wieder Tränen in ihren Augen brannten. Er streckte den Rücken durch, und mit einem Mal verschwand gruseligerweise jedes Gefühl, jeder Ausdruck von seinem Gesicht. Er schloss ab. Jetzt gerade. Er hatte sich verabschiedet. Und bei Merlin, sie hatte keine Ahnung, wie er es konnte.

 

Ob er es überhaupt konnte. Oder ob es nur Show war. Für sie. Wenn dies der Fall war, dann war er verdammt gut. Besser als sie. Und wieder bekam sie Angst, denn es würde der schlimmste Liebeskummer ihres bisherigen Lebens werden….

 

50. father and son

 

Es war, als liefe alles ohne Emotionen, positive oder negative. Es waren Bewegungsabläufe, die vor seinen Augen passierten, von denen er einfach Teil war.

Seine Gefühle hatten immense Probleme seinem Gehirn zu folgen, und er hatte das Gefühl, abwesend zu sein.

Mechanisch hatte er seinen Unterricht geleitet, und jedes Mal, wenn sein Blick über Hermine Granger geglitten war, hatte sich ein taubes Gefühl in seinen Gliedmaßen breit gemacht, und beinahe unbewusst, hatte er den Abstand zu ihr jedes Mal vergrößert. Sein Körper machte ernst.

 

Sie zu schützen, bedeutete, komplette Isolation von Nähe und seinen Gefühlen ihr gegenüber. Stoisch tat er, was er zu tun hatte.

 

Seine Prüfungen hatte er konzentriert, ohne Fehler hinter sich gebracht, aber es hatte sich kein Gefühl von Freude oder Stolz über diese Leistungen eingestellt.

Wann immer er zu lange auf Gängen im Ministerium verweilte, zu lange, ohne Gesellschaft, riss er sich zusammen, Kontakt zu suchen. Auf Toiletten, in Umkleiden, in der Kantine, und wenn es nichts mehr für ihn zu tun gab, zwang er sich, zu seinen Eltern zu apparieren.

 

Die Tage vergingen zäh und jede Sekunde schien sich in hundertfach gnadenlose Längen zu ziehen. Bei seinen Eltern durchwanderte er die Flure des weitläufigen Anwesens, spähte in die vielen Zimmer, die unbenutzt als fadenscheinige Gästezimmer und Abstellräume dienten, aber das einzige, was sich als tatsächlich interessant und spionagewürdig darstellte, war der Dachboden.

Es gab keine Zeichnung der Räumlichkeiten, nur eine vage Darstellung – und wesentlich interessanter war: es gab keinen Aufgang. Keine Treppe, keine Luke, und in all seinen Jahren als Quasi-Gefangener dieses Hauses konnte er sich nicht erinnern, den Dachboden jemals persönlich betreten zu haben.

 

Er nahm an, die Elfen wussten, hinauf zu kommen. Viele waren nicht mehr übrig, denn im Zuge der neuen Verordnungen hatte seine Mutter dem Großteil der Elfen Kleidung schenken müssen, inklusive einer schmerzhaft hohen Abfindung, wie sie sagte. So wie er es verstanden hatte, waren nur noch zwei Elfen für die Wäsche da und für grundsätzliche Reinigungsarbeiten, denn zwei Hauselfen waren die absolute Beschäftigungsgrenze in Privathaushalten – und sie erhielten Bezahlung.

 

Nicht, dass ihn diese Details sonderlich interessiert hatten, aber er wollte weder seine Mutter, noch seinen Vater nach dem Aufgang zum Dachboden fragen. Keiner der beiden traute ihm zurzeit wirklich über den Weg.

Er traute sich selber kaum mehr.

Abends saß er tatsächlich im Salon mit seinen Eltern, dem lieben Alibi wegen, und gab vor, zu lesen. Allerdings las er meist nur die eine Zeile wieder und wieder, während seine Gedanken blank lagen und er praktisch die Tage zählte.

Auch wenn er ihr gesagt hatte, er würde die Distanz nicht nur bis zur Hochzeit suchen – war das genau, was er tat. Bis zur Hochzeit und keine Sekunde länger würde Draco diese Selbstgeißelung mitmachen.

Es war einfacher, einen Lichtblick an seinem schwarzen Horizont zu haben, als lediglich permanente Dunkelheit.

 

Heute hatte er noch keinen der Elfen erwischt, aber morgen würde sich eine Möglichkeit ergeben. Gleich war er bei den Greengrasses eingeladen. Nicht wirklich ein Lichtblick, aber für ein Alibi würde es reichen.

 

Leer betrachtete er sein Spiegelbild, während er eines der neuen Jacketts überzog, die der Schneider in Windeseile für ihn angefertigt hatte. Er besaß eine komplett neue Garderobe. Seine Eltern scheute keine Kosten für das fragwürdige Image.

 

„Draco“, sagte sein Vater vom Türrahmen aus, und Draco war so in seine Bitterkeit versunken gewesen, dass er ihn nicht einmal kommen gehört hatte. Er verschloss seine Tür nicht. Ließ sie immer angelehnt, damit niemand auf die Idee käme, seine Absichten wären etwas anderes, als aufrichtig. Er wandte sich um, ernst und mäßig antriebsarm.

 

„Ja?“ Er konnte sich nicht vorstellen, was Lucius wollte, machte sich sein Vater auch sonst nie die Mühe, ihn persönlich aufzusuchen. Er hielt einen Brief in der Hand. Geöffnet. Natürlich. Privatsphäre gab es in diesem Hause nicht. Und das war wahrscheinlich im Moment nur gut für ihn.

 

„Die Ergebnisse deiner Zwischenprüfung“, sagte sein Vater, und Draco ging stark davon aus, dass Lucius nur persönlich kam, weil die Ergebnisse tadellos waren.

 

„Danke“, entkam es Draco monoton. „Du kannst sie auf den Tisch legen. Ich muss los“, verabschiedete er sich nickend, aber Lucius bewegte sich nicht.

 

„Mit Auszeichnung“, sagte sein Vater zusammenhanglos. „Du hast die Prüfung mit Auszeichnung bestanden“, wiederholte er, und Draco nickte wieder.

 

„Das war meine Absicht.“ Lucius nickte ebenfalls.

 

„Arthur hat mir erzählt, du hast ihn besucht? In der Abteilung? Und du willst die Ausbildung beenden, bevor du wechselst?“, gab Lucius das falsche Gespräch wieder, und Draco ruckte mit dem Kopf. „Ich bin froh, dass du diesen Weg wählst.“ Die Worte spülten leer über ihn hinweg.

 

„Sicher. Es ist einfacher“, gab er achselzuckend zurück. „Astoria wartet“, ergänzte er, denn er wollte dieses Gespräch beenden. Er brauchte seine Energie für den heutigen Abend.

 

„Natürlich“, sagte Lucius dann. „Draco“, fuhr er aber fort, als Draco ihn passierte, „keine dieser Entscheidungen ist einfach“, erklärte sein Vater.

 

Doch, Vater. Sich nicht um Veränderungen zu bemühen, immer nur mit dem Rücken zur Wand zu handeln und sich unterdrücken zu lassen, ist einfacher, als nur einmal für etwas einzustehen, für das es sich lohnt, zu kämpfen. Das dachte er. Er sagte aber etwas anderes.

 

„Ich weiß, Vater. Danke.“ Kurz regte sich eine milde Spitze Bosheit in ihm, aber schnell überkamen ihn die Wellen der nichtssagenden Gleichgültigkeit wieder, denn er dachte an Granger. Granger schützen. Das war alles, was er musste.

 

„Es ist kein großes Opfer, Draco“, unterbrach sein Vater seine Gedanken, aber Draco war weit davon entfernt, sich auf eine Diskussion einzulassen.

 

„Ich weiß, Vater“, wiederholte er, reservierter als zuvor.

 

„Astoria ist eine-“

 

„-sie ist eine wunderhübsche, intelligente Frau, wir werden wünderschöne Kinder haben, und ich gehe davon aus, dass sie die Rolle als künftige Hausherrin sehr gut meistern wird“, räumte er offen ein.

 

Er mochte vieles sein. Leichtsinnig, wankelmütig, rücksichtlos – von ihm aus auch untreu. Aber eines war nicht. Er war kein dummer Junge. Er wusste, was Lucius von ihm hören wollte, hatte es immer gewusst. Aber jetzt wirkte es fast so, als wäre sein Vater selber nicht mehr völlig von seiner ewigen Maxime überzeugt. Er bekam einen grimmigen Zug um das spitze Kinn.

 

„Sehr wahrscheinlich“, entkam es Lucius mehr als sparsam.

 

„Sind wir fertig?“, wollte Draco dann wissen. „Ich möchte nicht zu spät kommen.“ Denn diese Unterhaltung wollte er garantiert nicht fortsetzen.

 

„Die Option, über die wir gesprochen haben“, fuhr sein Vater recht umstandslos und ohne Zögern fort, „ist immer noch eine Option.“ Draco verharrte im Türrahmen seines Jugendzimmers, von dem er nicht im Traum geglaubt hatte, es jemals wieder bewohnen zu müssen, wie ein Teenager. Er hob den Blick ausdruckslos, denn natürlich wusste er, wovon sein Vater sprach, wusste aber nicht, was er dazu sagen sollte. Sanfte Defensive kroch in seine Körperhaltung, denn Lucius hatte nicht über ihn und Granger zu sprechen. Hatte er einfach nicht! Und was genau sollte das heißen?

 

„Wieso sagst du mir das?“ Draco konnte nicht anders. Konnte nicht anders, als den Unglauben seiner Stimme nachklingen zu lassen. Sein Vater fuhr sich in einer eigenartig unsicheren Geste über das Kinn.

 

„Du hast den Großteil deines Lebens damit zugebracht, mir zuwiderzuhandeln, Draco“, erklärte sein Vater schlicht. „Mit jeder Entscheidung. Und auf einmal endet es? Auf einmal gehorchst du? Auf einmal hast du verstanden, was wir dir für Werte vermitteln wollen? Welche Bürde du zu tragen hast?“

 

„Ich habe dir bei der Vertragsunterzeichnung zugehört“, brachte er angespannt über die Lippen.

 

„Seit wann beeinflusst das irgendeine deiner-?“

 

„-ist es nicht das, was du wolltest?“, unterbrach Draco ihn ungeduldig. „Was passt dir jetzt nicht, Vater?“ Er benutzte das Wort sehr ungern. Wirklich ungern. „Ich übernehme Verantwortung für das unschuldige Leben, das durch meinen Fehler allein auf dieser Erde sein wird. Ich trage die Konsequenz meines Handelns. Ich wohne hier, stelle mich gut mit den Schwiegereltern – was möchtest du von mir?“ Lucius fixierte ihn genau. „Was ist es? Verhalte ich mich nicht entsprechend? Ist mein Umgangston nicht genehm? Wie viel besser können meine Leistungen sein? Ich habe verstanden“, entkam es ihm demütig. „Ich war lange fort, bin gerannt von diesem Leben, von dieser Verantwortung. Aber letztendlich“, sagte er beinahe erschöpft, „letztendlich ist es egal, wohin ich renne, man kann seiner Haut nicht entkommen. Und das Ziel wird wohl kaum ein Schlammblut sein.“ Die Worte waren aufrichtig. Aufrichtig genug für Lucius zumindest. Er persönlich könnte kotzen.

 

„Um meinetwillen musst du sie nicht beleidigen“, sagte Lucius lediglich. Draco zuckte die Achseln.

 

„Es ist einerlei“, entgegnete er gleichmütig. „Ich habe es beendet, und ich hege keine Intention zurückzukehren. Es führt zu nichts, und das, was ich hier habe, ist etwas, wofür andere töten würden“, erkannte er. „Du kannst mir glauben, du kannst es lassen – aber ich werde jetzt zu Astoria gehen, denn ich will sie sehen.“ Und Draco hatte nicht die leiseste Ahnung, ob Lucius ihm glaubte. Aber er schien fürs erste entlassen zu sein.

 

„Mein Kamin ist offen“, räumte Lucius neutral ein.

 

„Danke“, verabschiedete sich Draco, und er nahm an, seine weitere Show des Abends würde nicht mehr sonderlich gut laufen, denn er hatte sich beinahe völlig verausgabt. Er hasste seinen Vater.

 

~*~

 

„Draco, wenn du mir folgen möchtest?“, bot Arthur ihm an, als er ihm zu seinen herausragenden Leistungen gratuliert hatte. Alle Herrenhäuser waren gleich, fiel ihm gelangweilt auf. Alle Patriarchen besaßen ein weitläufiges, sinnloses Büro, von dem sie durch den Kamin entfliehen konnten, wann immer sie wollten. Überall hing dieselbe nichtssagende Kunst an den Wänden, geparrt mit so vielen Reinblut-Devotionalien, dass Draco übel wurde. Zahllose Familienportraits, Depktationen von irgendwelchen magischen Schlachten mit Urahnen im Kampfe abgebildet, den pechschwarzen Ahnenstab der Greengrasses schwingend über dem Haupte, während irgendwelche jämmerlichen Kreaturen abgeschlachtet wurden.

 

Prunk und Reichtum an jeder Ecke, und Draco fragte sich, wie lange er bleiben musste. Die Familie wartete in einem der dreitausend Salons – die sich auch alle ähnelten. Lange Kamine, gedeckte Tafeln, schweigsame Bedienstete in den Ecken. Er könnte sich betrinken und sich von einem seiner Diener abholen lassen. Immerhin hatte er Anlass zum Feiern. Garantiert nicht die rechte Stimmung, aber Anlass hatte er genug.

 

„Es muss nichts aufwendiges sein!“, hörte er Allegras gepresste Stimme. „Einfach ein anderes Kleid!“

 

„Mutter, ich bin gerade zur Tür herein. Ich habe verdammt viel zu lernen, und mir steht nicht der Sinn nach einer endlosen Modenshow, wenn-“

 

„-Draco!“, begrüßte Allegra ihn übergangslos, und sein Blick fiel auf Astoria, die wohl auch erst kurz vor ihm eingetroffen war, denn sie trug noch die Uniform. Kein Makeup, kein Anzeichen von hochnäsigkeit, denn ihre Haare steckten unordnetlich in einem Pferdexchwanz, und ihre Bluse war mit Tintensprotzern übersät.

Fast überkamen ihn nostalgische Gefühle. Nicht, dass er jemals ausgiebig gelernt hätte. „Du musst Astoria entschuldigen. Sie weigert sich heute, angemessen auszusehen.“ Dracos Mundwinkel zuckten.


„Sie sieht perfekt aus, in meinen Augen“, bemerkte er achselzuckend. Astorias Blick fiel mäßig beschämt.

 

„Tut sie nicht, aber es ist nett von dir“, sprach ihre Mutter schließlich. „Dann setzen wir uns. Wenn Astoria bockig ist, hilft ohnehin nicht viel.“

 

„Ich bin kein Kind, Mutter“, sagte Astoria dann, als sie alle gezwungen wurden, zu sitzen.

 

„Wirklich? Ich erkenne keinen Unterschied“, sagte ihre Mutter lächelnd. Draco mischte sich nicht ein. Er hatte seine eigenen Kämpfe Zuhause. Eigentlich überall.

 

„Draco hat seine Zwischenprüfungen mit Auszeichnung bestanden“, wechselte Arthur das Gesprächsthme.

 

„Wie wunderbar! Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber!“, rief Allegra begeistert. „Astoria, hörst du das?“ Und tatsächlich hatte Astoria nur einen giftigen Blick für den Tisch übrig.

 

„Ich bestehe meine Prüfungen allesamt mit Ausziechnung, Mutter. Weshalb ich heute auch zu spät bin. Weil ich nicht damit aufhören werde“, ergänzte sie gereizt.

 

„Astoria, Kind, du bist schwanger“, erklärte Allegra. „Du musst dir keine große Mühe mehr geben, ich denke, dein Hauptziel hast du erreicht“, sagte Allegra mit einem wohlwollenden Lächeln in seine Richtung. Und er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Astoria die Serviette auf den Tisch knallen und aufstehen würde.

 

„Ich habe keinen Appetit mehr. Entschuldigt mich, ich bin auf meinem Zimmer.“ Damit war sie gegangen und ignorierte die Proteste ihrer Mutter, die ihr gefolgt war, ohne zurückzublicken.

 

„Es tut mir über alle Maßen leid, Draco“, sagte Arthur mehr als zerknirscht.

 

„Sie steht unter Stress“, sagte er, was er annehmen konnte.

 

„Es ist keine Art und Weise für eine Dame unserer Gesellschaft.“ Bevor Draco darauf antworten konnte, kam Allegra wieder.

 

„Es tut mir leid, Draco. Astoria ist unpässlich heute. Die Schwangerschaft nimmt sie etwas mit. Sie… scheint sich schwer zu tun.“

 

„Verständlich“, war alles, was Draco sagte, um diesem unangenehmen Thema zu entkommen.

 

„Hast du Hunger?“, wollte Allegra schließlich wissen, und es war ihm egal, in welchem schrecklichen Herrenhaus er zu Abend essen musste. Er konnte genauso gut hier sein und Arthur Honig um den Mund schmieren, anstatt dies zu Hause bei seinen eigenen Eltern tun zu müssen.

 

„Ich sterbe vor Hunger“, log er also, und ließ sich das Drei-Gänge-Menü klaglos auftischen und verzehrte das meiste der teuren Speisen.

Der Abend gestaltete sich als interessanter, als er angenommen hatte. Arthur erzählte viel von der Abteilung, beantwortete Dracos Fragen geduldig und professionell, und Draco erinnerte sich wieder, warum er dort hatte arbeiten wollen. Es war spannend. Es war Magie in ihrer reinsten Form. Es war… herausfordernd. Herausfordernder, als Gliedmaßen wieder anzuhexen und AIT beizubringen, sich in Vögel zu verwandeln, das stand fest.

 

Aber ihm fiel seine Rolle bald wieder ein, nachdem Allegra ihm den zweiten Whiskey einschenken ließ. Er hasste Scotch, trank aber gehorsam das sündhaft teure Getränk.

 

„Dürfte… ich Astoria noch Gesellschaft leisten?“, fragte er schlielich, und Allegra rümpfte die Nase.

 

„Sofern du daran Interesse hast“, bemerkte sie. „Aber ich nehme an, sie wird oben sitzen, mit der Nase in irgendeinem Buch.“ Das war nicht so unattrakttiv, wie Allegra es wohl finden musste, gestand Draco sich ein.

 

„Das macht mir nichts“, versprach er lächelnd. „Ich würde auch nicht mehr lange bleiben.“

 

„Es ist kurz nach neun“, sagte Arthur dann. „Bleib solange du möchtest.“

 

Draco nickte dankbar. Es würde nicht sonderlich lange sein.

 

„Ich führe dich“, bot Allegra ihm an, und schwerfällig erhob er sich. Eineinhalb Stunden hatte er hier gesessen und gegessen. Reinblüter waren gesellig, keine Frage. Das Herrenhaus war überschauberer als Malfoy Manor. Fast war es angenehm. Es gab nur eine Treppe, nur zwei Stockwerke, geschätzt auch nur zwanzig Zimmer. Wesentlich angenehmer als sein momentanes Zuhause. „Die letzte Tür“, sagte Allegra, bevor sie ihn lächelnd zurückließ.

 

Astorias Tür war verschlossen, als er das Ende des Gangs erreicht hatte. Er klopfte nichtsdestotrotz.

 

„Was?“, vernahm er die gereizte Stimme. Knapp atmete er aus.

 

„Ich bin’s“, rief er lediglich, und nach einigen Sekunden entriegelte sie die Tür. Sie öffnete sie allerdings nur einen Spalt. Sie hatte sich nicht umgezogen, trug noch immer die Farben Slytherins, und Draco blickte in ihr müdes Gesicht hinab.

 

„Falls du dich obligatorisch von mir verabschieden möchtest, kannst du-“

 

„-eigentlcih wollte ich Zeit mit dir verbringen“, unterbrach er sie lediglihc. Sie blinzelte ungläubig.

 

„Du willst was?“ Sie blickte zur Seite, anscheinend auf eine Uhr an ihrer Wand. „Es ist nach neun“, bemerkte sie.

 

„Es ist Freitag“, entgegnete er lediglich. „Wann gehst du ins Bett?“

 

„Seitdem ich schwanger bin und mich um meine Vornoten sorgen muss, gegen halb zehn“, schien sie wahrheitsgemäß zu erwidern.

 

„Das… ist früh“, sagte er schließlich. „Und bei allem Respekt, dass du schwanger bist, ist deine eigene Schuld. Was die Vornoten angeht, glaube ich nicht, dass du dir großartig Sorgen machen musst.“

 

„Verwandlung is hart“, ging sie nicht auf seine Worte ein. „McGonagall mag mich nicht sonderlich. Ein Ohnegleichen bekommt man nicht geschenkt.“ Wieder musste er lächeln.

 

„McGonagall ist eine Gryffindor. Natürlich mag sie dich nicht. UAch das liegt in der Natur der Sache.“ Astoria schien nicht begeiszert von seinen Worten. „Heißt das, ich kann noch eine halbe Stunde reinkommen, oder nicht?“, erkundigte er sich, und sie starrte ihn an.

 

„Erlaubt das meine Mutter?“

 

„Deine Mutter hat mir den Weg gezeigt“, bemerkte er achslezuckend. „Was soll passieren? Schwanger werden kannst du nicht noch mal“, ergänzte er.

 

„Witzig“, sagte sie, bevor sie die Tür aber weiter öffnete.

 

„Du magst mich nicht mehr sonderlich?“, vermutete er, fast ein wenig überrascht.

 

„Wenn ich die Vornoten versaue, versaue ich mir den Ohnegleichen-Schnitt – den ich zu halten gedenke“, sagte sie achtlos und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch - der um einiges größer war als seiner, und fast brach, mit unzähligen Wälzern auf dem teuren Holt ausgebreitet.

 

„Wofür brauchst du den Schnitt noch? Du willst doch ohnehin nicht arbeiten?“, sagte er, und setzte sich auf einen sehr unbequemen modischen Sessel, der neben dem Schreibtisch stand.

 

„Sagt wer?“, entkam es ihr, als sie ein Lesezeichen in ein schmales Buch steckte.


„Sagst du“, erwiderte er ungläubig. „Kindererziehung, Gartenarbeit“, zählte er ihre lächerlich Planung auf. „Wolltest du nicht mit mir verreisen?“, entkam es ihm belsutigt, und sie sah ihn bitter an.

 

„Du willst arbeiten. Was soll ich alleine zuhause?“, fragte sie ihn.

 

„Neue Töne“, war alles, was er dazu sagte.

 

„Die Kinderrziehung dauert vier Jahre. Am besten weiß ich anschließend, was ich mit meinem Leben anfangen möchte“, erwiderte sie abgelenkt, während sie irgendwelche Notizen nachhielt. Dazu konnte er nicht viel beitragen. Plötzlich hob sie den Blick. „Wir werden auf Malfoy Manor wohnen.“ Sagte sie das? Fragte sie das? Sein Mund öffnete sich ratlos. „Dann sollte ich schon mal eine Liste mit den Dingen zusammenstellen, die ich mitnehmen werde“, sagte sie abwesend und zog ein weiteres leeres Pergament hervor. Er nahm an, es hatte etwas mit den Schwangerschaftshormonen zu tun. Daran musste es liegen.

 

„Vielleicht… reden wir das nächste Mal, wenn du hier bist“, bemerkte er, und versuchte, sein Alibi in die Länge zu ziehen. Ihr Blick hob sich.

 

„Es tut mir leid“, sagte sie dann. „Es ist… sehr stressig im Moment. Alles ist…“ Sie unterbrach sich. „Aber das interessiert dich nicht.“

 

„Es interessiert mich nicht?“, wiederholte er, mäßig entrüstet. „Ich bin hier, habe zwei Stunden mit deinen Eltern zu Abend gegessen, also-“

 

„-ja, das meine ich nicht wirklich.“ Mädchen waren anstrengend, stellte er wieder fest.

 

„Was meinst du dann?“, wollte er nachsichtig wissen.

 

„Es interessiert niemanden, wie anstrengend die Prüfungen sind, wie anstrengend die körperlichen Veränderungen sein können, wie es ist mit der Übelkeit und den hormonellen Veränderungen zu kämpfen – und das ganz allein.“

 

„Astoria“, begann er wieder, schüttelte den Kopf, „du-“

 

„-ich weiß, ich wollte es so“, unterbrach sie ihn bitter. „Schon klar.“

 

„Ich verstehe nicht, was-“

 

„-die Theorie ist einfacher“, entkam es ihr erschöpft.

 

„Davon gehe ich aus“, entkam es ihm kalt. „Es war komplett deine Entscheidung. Es zu bekommen – es zu behalten. Komplett deine Entscheidung.“

 

„Es ist auch deins!“, fuhr sie ihn plötzlich an. Sein Mund öffnete sich. Dann erhob er sich.

 

„Das weiß ich“, sagte er schließlich. „Und ich bin hier, um zu erfahren, wie es dir geht, ob du Hilfe brauchst, ob es irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann. Ich kann dir dein auferlegtes Leid nicht abnehmen, aber ich möchte, dass es für dich so angenehm wie möglich wird, denn du trägst mein Kind in dir, und idealerweise geht es ihm in deinem Unterleib hervorragend und es muss sich um nichts sorgen“, schloss er ernst.

 

„Ist… ist das dein Ernst?“, entkam es ihr ungläubig.

 

„Natürlich ist das mein Ernst. Wir werden für immer verbunden sein. Du wirst meine Ehefrau und die Mutter meines Kindes. Was für eine Frage ist das?“

 

„Was ist mit Hermine?“, flüsterte sie, und er atmete lange aus.

 

„Was soll mit ihr sein?“ Seine Stimme kühlte merklich ab. „Sie ist nicht meine Verlobte. Sie ist nicht mit meinem Kind schwanger, also ehrlich gesagt verstehe ich nicht, weshalb du über sie reden willst. Sie hat nichts mit uns zu tun.“ Astorias Blick wurde glasig, und Draco betete zu allen Göttern, dass sie nicht anfangen würde zu heulen. Alles, nur das nicht. Und das tat sie nicht. Sie blinzelte und erhob sich.

 

„Ok“, sagte sie anschließend. „Interessiert dich das Geschlecht? Ich konnte nicht abwarten und habe einen Zauber angewandt.“

 

„Ich hoffe, einen ungefährlichen?“, entkam es ihm, und sie verdrehte die Augen.

 

„Ja. Sicher einen ungefährlichen.“ Kurz dachte er nach. Nein, er wollte es nicht wissen. Aus Gründen, die er nicht näher hinterfragen wollte. Aber… letztlich würde es sich ohnehin nicht verändern lassen, dass er wusste, was es werden würde.

 

„Was wird es?“, fragte er, die Stimme bei weitem nicht mehr so unnahbar, wie er es gerne hätte. Ihre Mundwinkel hoben sich.

 

„Es wird ein Junge.“

 

Ein Junge. Er schluckte schwer. Ein Junge. Das Reinblüter-Glück. Ein Erbe. Zusammenreißen. Weitermachen. Komm schon, Draco.

 

„Das… ist perfekt!“, schaffte er, atemlos zu sagen. Und ihre Lippen teilten sich zu einem schönen Lächeln.

 

„Ja, nicht wahr?“, sagte sie glücklich, und mit einem Mal war es unangenehm. „Ich… ich hatte Gelegenheit in die Analen von Hogwarts zu blicken. Ich habe Zugriff zu den Aufnahmelisten. Auch den ersten Listen“, ergänzte sie vielsagend. „Und der erste Malfoy, der im Jahre 1102 HOgwarts besuchte, war Illyrus Scorpius Hyperion Malfoy.“ Sie sagte es, als wäre es eine besonders große Überraschung.

 

„Ahem…“, entkam es ihm, denn er hatte von seinem Stammbaum ungefähr so viel Ahnung wie ein Kröter von Zaubertränke. Erstaunlich wenig.

 

„Und ich dachte…, Scorpius wäre ein… schöner Name, findest du nicht? Traditionsbewusst, edel…“ Seine Züge entglitten ihm zusehends.

 

„Scorpius?“, wiederholte er. „Du… willst, dass er Scorpius heißt?“ er starrte sie an.


„Nun, er wird einen Namen brauchen“, erwiderte sie. „Und deine Mutter wäre begeistert, nehme ich an“, ergänzte sie, und er atmete lange aus.

 

„Du bist die perfekte Braut“, entkam es ihm mit einem ungläubigen Kopfschütteln.

 

„Ich weiß“, bestätigte sie, einigermaßen stolz.

 

„Wenn… wenn du das willst. Ich meine, du trägst ihn in dir, du musst ihn gebären – du bist sicher, dass es ein Junge wird?“, wiederholte er, fixierte sie genau.

 

„Absolut sicher. Ist… ist das ok für dich?“

 

„Ok für mich?“ Es war eine befremdliche Frage. Nein, es war nicht ok für ihn. Aber es war auch nicht zu ändern, also war die Frage absolut unnötig. „Was soll ich dazu sagen?“, entkam es ihm.

 

„Na ja, du wirst Vater von einem Sohn“, sprach sie feierliche Worte. Schlimme Blitze der Vorahnung zuckten durch seinen Geist. Er würde sein wie sein eigener Vater. Nur schlimmer. Er würde die Mutter seines Kindes verlassen, und sein Sohn würde ihn verabscheuen dafür. Für immer. Er würde die Reinblut-Ehre beschmutzen, und kurz wurde ihm schwindelig. Er machte einige Schritte rückwärts, bis er an ihrem Bett angekommen war und setzte sich hastig. Sie folgte ihm direkt.


„Draco?“, vergewisserte sie sich und er schloss die Augen kurz, musste sich besinnen und spürte dann ihr Gewicht neben seinem.

 

„Merlin, Astoria“, entkam es ihm mit geschlossenen Augen, mäßig zornig.


„Was, Draco?“, fragte sie sofort, und er öffnete die Augen, um sie anzusehen.

 

„Wieso? Wieso hast du mich gewählt?“, fuhr er sie an. „Du hast keine Ahnung, was-!“

 

„-ich liebe dich!“, beteuerte er sie heftig, er verzog den Mund.

 

„Du hast keine Ahnung, was Liebe ist!“, knurrte er.

 

„Ich weiß, was ich will!“, behauptete sie, und er fixierte das junge Mädchen neben sich.

 

„Das hoffe ich für dich. Du bist jetzt nicht mehr alleine“, erinnerte er sie bitter, mit Blick auf ihrem Unterleib.

 

„Das weiß ich“, entkam es ihr stiller. Kopfschüttelnd blickte er zur Seite. Dieses unfassbar dumme Mädchen! Schwanger mit seinem Kind! Ein Junge. Ein Sohn! „Und ich habe dich“, ergänzte sie sanfter. Seine Mundwinkel hoben sich sehr freudlos. Wenn das nur so wäre. Sie hatte einen Scheißdreck. Als er sie ansehen wollte, hatte sie sich vorgelehnt, den Abstand geschlossen, und überraschend fest lagen ihre Lippen auf seinen. Er wich zurück.

 

„Astoria“, begann er, aber ihm fiel kein guter Grund ein, sie abzuweisen, dieses Alibi auszuschlagen.

 

„Ja?“ Erwartungsvoll sah sie ihn an. Das war das Leben, das er zurzeit gewählt hatte. Der Ort, an dem er zu sein hatte. Die Frau, die seine ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen sollte. Denn irgendwer aus seinem nächsten Umfeld war dafür verantwortlich, dass Hermines Tod vorhergesagt werden konnte. Irgendwer wartete nur darauf, dass er einen Fehler beging.

 

„Das ist das Haus deiner Eltern“, entkam es ihm fast lahm.

 

„Entweder wir sind hier oder im Haus deiner Eltern“, erwiderte sie rauer. „Wo ist der Unterschied?“

 

Es gab keinen. Am liebsten hätte er die Augen verdreht. Aber er ließ es bleiben. Fuck. „Draco, wenn du nicht willst-“ Es war keine Frage von wollen, dachte er blind, als er die Gefühle abschaltete. Als er näher rückte, als er die Hand um ihren Nacken schlang. Und als er Astoria küsste, die Augen schloss, sah er wen anders vor seinem inneren Auge. Wen völlig anderes. Ihr Geruch machte es schwerer, das Gefühl ihrer Lippen war ihm fremd. Aber er war ein Mann. Er hatte einige ohne Gefühl geküsst. Einige gehabt, ohne dass es ihm groß etwas ausgemacht hatte. Dass es für Astoria echt sein mochte, war ehrliches Pech, und fast genoss er es, das Miststück zu bestrafen dafür, dass er jetzt auf Granger warten musste, dass er seinen Körper dafür nutzen musste, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Sie wollte die Mutter seines Kindes sein? Sie wollte von ihm benutzt werden?

 

Von ihm aus, konnte sie das haben. Er würde sie benutzen, wie es ihm gefiel. Vielleicht lernte sie irgendetwas daraus. Er beendete den Kuss.

 

„Verstehst du irgendetwas von Oralsex?“, fragte er sie mit dunklem Blick, und Röte trat in ihre Wangen, als sie ihn mit großen Augen ansah.

 

„Ich… bin fähig, zu lernen“, gab sie kleinlaut zurück, und sein Mundwinkel wanderte höher. Davon war er ausgegangen. Er konnte ein Schwein sein, keine Frage. „Was soll ich tun?“

 

„Ich würde mich freuen, wenn du auf die Knie gehen würdest, Astoria“, erwiderte er, als er seine Hose öffnete. Sie erhob sich und tat ihm den Gefallen. Er ignoriete, dass sie achtzehn war, dass sie über fünf Jahre trennten.

Vielleicht war nicht sonderlich fair, was er tat. Weder Astoria noch Hermine gegenüber. Aber in seinen Gedanken war er nicht untreu, auch wenn die Realität wohl anders aussah. Aber er empfand keinen Spaß – wem auch immer damit geholfen war.

 

 

51. the family-game

 

Ginny hatte gewartet, bis die Zwischenprüfungen vorbei waren. Aber sie war fast drei Wochen zu früh dran. Harry hatte sie benachrichtigt, sobald sie im Mungo eingetroffen waren, und Hermine hastete durch die Stadt. Sie war sich nicht sicher, warum es ihr so wichtig war, aber sie wollte nicht mit leeren Händen auftauchen, wollte als Patentante nicht direkt am Anfang versagen, und kein passendes Geschenk haben. Das Geschlecht des Kindes hatte Ginny nicht wissen wollen, was das ganze doppelt so schwierig machte – und Pansy war keine Hilfe!

 

„Ernsthaft, renn noch schneller, Granger!“, rief das Mädchen ihr gereizt nach, und Hermine war nur deshalb auf Pansy hängen geblieben, weil Ron zu George in den Laden hatte rennen müssen, um auch ihm Bescheid zu geben. Denn Harry hatte sich auch bei Ron gemeldet, der sich ebenfalls auch sofort bei ihr gemeldet hatte. Und Hermine war dankbar dafür, dass Ron noch mit ihr sprach – aber sie hatte nicht erwartet, dass es Ron und Pansy ab jetzt nur noch im lästigen Doppelpack gab….

 

„Wir haben nicht viel Zeit“, blaffte Hermine über die Schulter zurück, als sie die Tür zum Fachgeschäft aufgestoßen hatte und von pink und blau erschlagen wurde.

 

„Wir haben endlos viel Zeit, Granger“, widersprach Pansy ihr augenverdrehend. Grangers Blick wanderte über die vielen magischen Lernspielzeuge, die kognitiv die Zauberstabbewegungen förderten und wusste nicht, ob ein einfacher Teddy Bär nicht wesentlich zielführender war.

 

„Offen gesagt, Pansy-“, begann sie ihre Beleidigung entnervt, aber sie vergaß jedes weitere Wort.

 

„Es muss ja nicht alles blau sein.“ Sie hatte Astoria entdeckt, bevor sie gesprochen hatte. Hermines Herz sank tiefer.

 

„Ich bin auch eher für grün, wenn ich ehrlich bin“, erwiderte Narzissa, die mit spitzen Fingern eine weiche Decke zurücklegte.

 

„Sie haben alle Farben hier“, erwiderte Astoria, und Hermine schluckte schwer. Sie wollte hier weg. Schnell. „Draco?“ Hermines Augen weiteten sich. Er war hier?! Er war… mit? Sie fing sich zügig, als Pansy neben sie trat. Denn ja, wahrscheinlich tat er, was er tun musste. Er fügte sich, er spielte mit. Aber das machte es nicht besser.


„Oh nein“, entkam es Pansy. „Sollen wir gehen?“ So viel Weitsicht hatte sie Pansy kaum zugetraut. Blind griff Hermine nach einem weichen Spielzeug.

 

„Ja“, erwiderte sie sehr knapp. Draco bog aus einem der Gänge, und ihre Augen sogen seinen Anblick auf. Seine Lackschuhe machten bezeichnende Geräusche auf dem polierten Holzboden, das Jackett, was er trug, schien neu zu sein, und es glänzte im künstlichen Licht mattblau. Er sah gut aus. So wie immer.

Und er erkannte sie, fand sie inmitten der bunten Gänge fast mühelos, als hätte sie seinen Namen geschrien. Der Kinder-Rennbesen sank in seinen Händen. Er nickte ihr ansatzweise zu, bevor er zu Astoria zurückkehrte.

 

„Pansy und Hermine sind hier“, informierte er Astoria tatsächlich augenblicklich, und das Mädchen hob den Blick. Und tatsächlich lächelte das hübsche Mädchen ihr zu.

 

„Sollen wir Hallo sagen?“, schlug sie vor, und Draco ruckte mit dem Kopf. Narzissa bedachte sie mit einem abschätzenden Blick, und dann kam das junge Familienglück auf sie zu. Pansy schien näher zu ihr zu rücken, was Hermine auf eine seltsame Art tröstlich empfand. „Hallo Hermine, Pansy“, sagte Astoria mit einem bezaubernden Lächeln, und Hermine hatte keine Worte, aber Astoria wandte sich direkt an Pansy. „Du bist auch schwanger, nicht wahr? Suchst du auch schon Spielzeug aus?“ Hermine konnte nicht anders, als ihn anzusehen, während er fast souverän den Spielzeugbesen in den Händen hielt. Er ignorierte sie, sah ebenfalls in Pansys Richtung.

 

„Nein, das… ist noch nicht wirklich nötig. Draco, Narzissa“, sagte Pansy kühl, aber Narzissa ignorierte sie gänzlich. Pansy war verstoßen, und sie selber war… na ja – was Hermine eben war.

 

„Wie geht’s dir?“, fragte Draco Pansy dann, und Pansy schenkte ihm ein knappes Lächeln.

 

„Ich habe mein Glück über die Familienehre gestellt – also, danke, gut, Draco.“ Dracos Ausdruck blieb unverändert.

 

„Das ist schön. Wo ist Weasley?“

 

„Überbringt die frohe Kunde seinem Bruder. Ginny Potter bekommt das Kind“, erklärte Pansy kalt. Jetzt traf sie sein Blick wieder.

 

„Das ist aufregend“, sagte er schließlich zu ihr, als wären sie flüchtige Bekannte, nicht weiter mit einander vertraut. „Richte meine Glückwünsche aus. Wie lief deine Prüfung?“, erkundigte er sich höflich bei ihr, und sie musste in ihrem Vokabular erst nach angemessenen Worten für eine so künstliche Unterhaltung suchen.

 

„Gut“, entkam es ihr also überfordert. Sie hatte jedoch schon von seiner Glanzleistung gehört. Die Trainer hatten über Malfoys tadellose Leistung gesprochen. Es machte ihn nicht gerade weniger sexy.

 

„Dir auch meinen Glückwunsch zu deiner Auszeichnung“, sagte sie, bevor sie noch in der einsilbigen Unterhaltung hängen blieb. Kurz fiel sein Blick.

 

„Nicht der Rede wert“, wehrte er ab. Bescheiden und nonchalant. Es war eine Qual, ihn zu sehen. Und dann schien Astoria genug vom Smalltalk zu haben.

 

„Draco, was hältst du von grün? Narzissa und ich hatten überlegt, dass blau nicht wirklich die beste Farbe ist“, führte Astoria das Gespräch nahtlos weiter.

 

„Grün ist gut“, räumte er achselzuckend ein. „Sie haben Kinder-Rennbesen!“, sagte er eindeutig und hielt den Besen in die Höhe. Astoria schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Du denkst, er kann einen Rennbesen fliegen, sobald er zur Welt kommt, ja?“ Es waren viele Informationen. Astoria schien Ausgang von Hogwarts bekommen zu haben, Malfoy fügte sich perfekt in das Familienglück ein, und anscheinend bekam Astoria einen begehrten Erben.

 

„Lass uns gehen“, sagte Pansy mit Nachdruck. „Komm, Hermine“, benutzte sie sogar ihren Vornamen. Und Hermine nickte steif.

 

„Macht’s gut ihr beiden!“, ergriff Astoria die Gelegenheit und verabschiedete sich lächelnd von ihnen, und Hermine kostete es alle Kraft neutral zu nicken.

 

„Bis nächste Woche“, verabschiedete sich Draco ebenfalls von ihr, kurz und schmerzlos, wie es schien. „Vielleicht haben sie auch grüne Besen“, ergänzte er begeistert, ergriff Astorias Hand und zog sie mit sich, tiefer in den Laden, und Tränen traten in Hermines Augen, als sie Astorias Lachen hörte. Narzissa verabschiedete sich nicht mal von ihnen, während sie zufrieden ihrem Sohn und ihrer künftigen Schwiegertochter folgte.

 

Pansy neben ihr schnaubte jedoch lediglich auf. „Sieht für mich so aus, als wäre es Show“, sagte sie tatsächlich.


„Was?“, entkam es ihr heiser.

 

„Ich kenne Draco“, erwiderte Pansy mit verengten Augen. „Er spielt mit ihr.“ Und Pansy sagte diese Worte mit so bitterer Überzeugung, dass Hermines Tränen ausblieben. Dann zuckte Pansy die Achseln. „Das zumindest ist meine Meinung. Lass uns gehen.“

 

Malfoy war gut. Er war wirklich überzeugend, dachte sie, und ihr Herz brach ein weiteres Stück. Und er leistete verdammt gute Arbeit. Astoria sah sie nicht mehr als Bedrohung. Dumpf fragte sie sich, was Draco dafür hatte alles tun müssen – und wie viel Überwindung es ihn tatsächlich gekostet hatte. Aber wahrscheinlich durfte sie so nicht denken.

Sie gaben ein hübsches Paar ab. Wesentlich überzeugender, als er und sie es jemals konnten.

 

Und mit diesen finsteren Gedanken, gingen sie zur Kasse, und Hermine bezahlte abwesend das blaue Lama. Pansy kommentierte es nicht weiter.

Und Hermine war dankbar dafür.

 

~*~

 

In dem anstrengenden Treiben, was herrschte, gelang es Draco einen der Elfen zur Seite zu nehmen. Seine Mutter und Astoria dekorierten mit Hilfe der Angestellten bereits eines der renovierten Zimmer zu einem furchteinflößenden Kinderzimmer. Ihm war bereits übel geworden, bei den tausend Spielsachen, dem Gitterbett, der winzigen Kleidung…. Er schob die Gedanken beiseite.

Er hatte angenommen gehabt, dass seine Show aufgeflogen war. Im Geschäft hatte er sich nicht mehr konzentrieren können, und auch jetzt fiel es ihm schwer. Sie war da gewesen. Und er konnte nicht sagen, wie viel lieber er jetzt mit ihr im Mungo sitzen würde, auf Potters Brut warten wollte, anstatt hier gefangen zu sein, mit den Reinblut-Idioten.

 

Sie war wunderschön gewesen. Und es hatte sie aus der Bahn geworfen, ihn zu sehen. Er hatte ihr vergewissern wollen, dass nichts so war, wie es den Anschein machte, aber er hoffte, das wusste sie auch so.

 

Zu sehen, dass sie ihr Leben lebte, sogar mit Pansy unterwegs war, gab ihm allerdings den Ansporn, den er brauchte. Und mit Glück war sie über ihn hinweg, wenn die Zeit gekommen war. Das wäre bitter für ihn, aber besser für Granger. Besser für ihr Wohlergehen. Aber so selbstlos würde er wohl nicht sein können. Er hatte die Elfe in einen Flur bugsiert.

 

„Master, Draco, Lowyn versteht nicht-“

 

„-wo ist der Aufgang zum Dachboden?“, verlangte er still zu wissen.

 

„Was? Was meint-“

 

„-der Aufgang. Die Treppe, die Luke – wie kommt man hoch?“ Aber die Elfe enttäuschte ihn.


„Lowyn weiß es nicht, Master Draco.“

 

„Könntest du es herausfinden?“, bat er das Geschöpf stiller, und Lowyn sah ihn mit großen Augen an.


„Ja, Master Draco. Lowyn wird es herausfinden!“

 

„Kein Wort – zu keinem, Lowyn. Hast du verstanden?“, vergewisserte er sich, und er hörte Schritte. „Verschwinde!“, befahl er knapp, und das Geschöpf löste sich hastig auf, als Astoria um die Kurve bog.

 

„Hast du keine Lust mehr?“, erkundigte sie sich, und sein Ausdruck musste unsortiert wirken, ein wenig ertappt. „Das ist ok. Es war ein langer Tag.“

 

„Das… ist kein Problem. Ich habe-“


„-danke, dass du dabei warst, Draco“, sagte sie, und es war garantiert nicht seine Idee gewesen, aber das sagte er nicht laut.

 

„Alles, was du brauchst“, erwiderte er stattdessen, einigermaßen hohl. Es war Narzissas Idee gewesen, und bevor er überhaupt den Mund hätte verziehen können, hatte sich Narzissa bereits vor den Kamin gehangen, um ein Treffen mit Astoria zu arrangieren. Und jetzt waren sie hier, seine Mutter völlig in ihrem bekloppten Element, das Haus zu renovieren. Astoria schloss den Abstand zu ihm, und er atmete durch die Nase aus, wappnete sich, und es fiel ihm einigermaßen schwer. Er war gestern nicht mehr lange bei ihr geblieben, nachdem sie ihn tatsächlich oral befriedigt hatte – er hatte den Gefallen nicht mal erwidert, aber es schien dem Mädchen vor ihm wenig auszumachen. Ihre Hände schoben ihn zurück, bis er die Wand im Rücken hatte.

 

„Astoria, nicht hier-“, begann er, aber sie zog ihn am Hemdkragen zu sich. Ihr Körper presste sich gegen seinen, und er ließ den Kuss über sich ergehen. Sie zog sich wieder zurück.

 

„Ich will mit dir schlafen, Draco“, informierte sie ihn, und sein Mund öffnete sich unbehaglich.

 

„Hier?“, erkundigte er sich, mehr oder weniger, um Zeit zu schinden. Sie lächelte.

 

„Nicht auf dem Flur, nein, aber… warum nicht hier, im Haus?“ Draco hatte viele Antworten auf diese Frage. Er hielt sich davon ab, entnervt zu seufzen.

 

„Meine Mutter ist nebenan, und… ich denke, sie erwartet deine Unterstützung.“

 

„Dann werde ich ihr sagen, dass ich mich kurz ausruhen möchte“, erklärte Astoria mit eindeutigem Blick. Dracos Kiefer malte. Merlin. Kurz blickte er zur Seite, dachte nach, aber er ging nicht davon aus, dass es hilfreich war, sie zu vertrösten. Außerdem war er einigermaßen frustriert und sexuell angespannt, weil er Granger heute gesehen hatte. Wenn er ihr Gesicht nicht sehen musste, dachte er, wie es nur ein Arschloch konnte, würde es schon gehen. Er seufzte auf.

 

„Ok“, sagte er, wenig überzeugt, aber Astoria strahlte.

 

„Ich treffe dich in deinem Zimmer!“, versprach sie ihm und ließ ihn allein. Super. Verdammt großartig. Er war froh, dass er eine Flasche Feuerschnaps hinter seinem Regal versteckt hatte.

Er ging vor, hasste sich selbst und zählte die Sekunden.

 

Sein Zimmer war ordentlich, sein Bett gemacht. Und als es verhalten klopfte, hatte er bereits mehrere tiefe Schlucke aus der Flasche getrunken. Er hielt sie noch immer in der Hand, als Astoria ungefragt öffnete.

 

„Hey – oh“, entkam es ihr, und ihr Lächeln verblasste. „Du… betrinkst dich?“, wollte sie misstrauisch wissen.

 

„Hat nichts mit dir zu tun“, log er konsequent. „Mehr mit der Umgebung, in der wir uns befinden“, bemerkte er, und das war nicht mal wirklich gelogen. Sie schien nicht begeistert zu sein.

 

„Das… tut mir leid.“

 

„Stört es dich?“, wollte er wissen, ohne wirklich an ihrer Antwort interessiert zu sein. Der Alkohol berauschte ihn angenehm. Ja, so würde es einfacher sein. Und ja, es störte sie. Er sah es in ihrem Blick.

 

„Wenn… du das brauchst“, sagte sie jedoch nur, und er lächelte ohne weitere Worte. Ja, Miststück. Genau das brauchte er.

 

„Danke, für dein Verständnis.“ Fast fürchtete er, dass er nicht ganz so aufrichtig klang, wie er wollte.

 

„Ok“, sagte sie dann, etwas scheuer als zuvor.

 

„Ok“, wiederholte er selbstbewusst. „Was genau möchtest du tun?“ Er sah sie direkt an. „Dein erstes Mal war nicht sonderlich… ehrlich“, bemerkte er bitter. „Nicht dir gegenüber, oder mir gegenüber…“

 

„Draco, ich-“

 

„-ich meine, was stellst du dir vor? Irgendwas Romantisches – obwohl das hier in dieser Hölle schwer umsetzbar sein wird – oder… was Härteres? Ich meine, ich habe keine Ahnung, was du willst“, fielen sehr viele Worte aus seinem Mund, und keines klang sonderlich aufbauend.

 

„Es tut mir leid“, sagte sie dann, fast trotzig.

 

„Was genau?“

 

„Ich hatte dich nicht… belügen wollen.“

 

Er atmete lange aus. „Du hast weit mehr als das getan, Astoria.“

 

„Zu deinem besseren Wohl, Draco! Ich-“


„-das entscheidest nicht du!“ Er war lauter geworden. Lauter als beabsichtigt. Sie verstummte erschrocken.

 

„Wieso bist du so?“, wollte sie sehr still, sehr aufmerksam von ihm wissen.

 

„Ich – es ist gar nichts“, rang er um Beherrschung. „Ich hasse es, wenn ich auf diese Art betrogen werde. Ich kenne nichts anderes von meinen Eltern, und dass du mir auf diese Tour kommst, ist-“

 

„-ich habe gesagt, es tut mir leid!“

 

Zornig malten seine Kiefer aufeinander. Sie verstand es nicht. Und natürlich nicht. Es half nichts, dass es ihr leid tat. Dass sie sich entschuldigte. Sie zwang ihn trotzdem! Sie blieb weiterhin schwanger – für immer an ihn gebunden! 

Alkohol war eine absolut dumme Idee gewesen.

 

„Wenn du nicht in der Stimmung bist, dann-“

 

„-ich gebe mein Bestes, Astoria, verdammt“, knurrte er haltlos. „Ich brauche etwas mehr Zeit. Etwas mehr als das. Ich bemühe mich, ok?“

 

„Das sehe ich!“, beteuerte sie eilig. „Ich glaube dir, dass du es versuchen willst. Und ich verstehe deine Wut.“ Wieder schoss er ihr einen zornigen Blick zu. „Auch“, fuhr sie eilig fort, „auch, wenn es für dich nicht den Anschein macht, als ob ich es verstehe. Ich will dich. Ich liebe nur dich. Und mir ist egal, wie viel Zeit du brauchst – Hauptsache, du bist da! Hauptsache, du siehst mich an! Hauptsache, wir-“

 

„-oh halt die Klappe!“, entkam es ihm wütend, als er den Abstand schloss. Ihr dummes Gefasel nervte fast noch mehr, als ihre dämlichen Entschuldigungen. Er zog sie an sich, wollte es hinter sich bringen. Es war nur Sex. Immerhin glaubte sie ihm seine Show. Und warum auch nicht? Er machte seinen Job gut, erfüllte seinen Teil.

 

Seufzend sank sie gegen seine Lippen, und sie machte es ihm wirklich verdammt einfach. So einfach, dass es ihn nicht reizte, und leider – leider – konnte er diesen Teil nicht spielen.

 

Entnervt ließ er von ihr ab.

 

„Was?“, fragte sie sofort. Er schüttelte den Kopf, fuhr sich durch die Haare, und sie kam näher. „Was… was ist es? Was ist los?“

 

„Ich… habe keine-…, ich kann nicht-“ Er unterbrach sich gereizt, aber sie verstand.

 

„Oh. Wegen… wegen dem Streit? Oder… weil du mich nicht willst?“ Und mit einmal Mal flog der Schalter um, und all die reiche Schönheit, die Astoria umgab wandelte sich in komplett hormonellen Wahnsinn…. „Du willst sie, richtig? Du… du zwingst dich! Du tust nur so, als würdest du mich wollen, um mich dann abzuschieben! Wenn du bekommen hast, was du willst! Du… du willst mich bloß in Sicherheit wiegen, willst keinen Stress haben! Du-“

 

„-Astoria“, warnte er sie eindringlich, denn ihre Worte kratzten ihm etwas zu gefährlich nahe an der Wahrheit, wenn er ehrlich war. „Ich hätte niemals mit dir geschlafen, weil du mir zu jung gewesen bist. Du bist immer noch zu jung, und ich bin nervös.“ Es war eine passable Lüge. Sie sah ihn außer Atem an. „Wir sind im Haus meiner Eltern, was ich bis vor kurzem immer gemieden habe, da ich hier gefangen gehalten und täglich verprügelt worden bin“, machte er es noch deutlicher.


„Von… von wem?“ Beinahe war ihre Fassungslosigkeit entwaffnend.

 

„Von den Hauselfen, Astoria“, knurrte er trocken. „Von meinem Vater, verdammt.“ Schockiert sah sie ihn an.

 

„Wieso sollte er das tun?“

 

Merlin. Diese Frau machte ihn fertig.

 

„Vergiss es“, sagte er knapp, dankbar, dass sie das Thema gewechselt hatten. Sie wirkte vollkommen schockiert. „Reinblüter sind scheiße“, ergänzte er vielsagend.

 

„Es tut mir so leid.“

 

„Für diesen speziellen Umstand kannst du nichts“, erwiderte er bitter. „Und du musst keine Gedanken an Granger verschwenden“, machte er es sehr deutlich. „Ich bin hier bei dir. Nicht bei ihr. Verstehst du das?“

 

„Ja“, sagte sie. „Ich verstehe. Ich…- du trinkst, weil du dich hier unwohl fühlst?“, flüsterte sie dann. „Wir… müssen hier nicht wohnen!“, sagte sie dann. „Wir müssen überhaupt gar nichts von diesen Dingen tun, Draco!“, beteuerte sie dann hastig. Er atmete lange aus.

 

„Wo willst du wohnen? Du brauchst Personal, und du kannst nicht mit der Tradition brechen, ohne verdammt große Unannehmlichkeiten.“

„Das ist mir egal“, sagte sie dann, und seine Stirn runzelte sich. „Ich will dich, und wenn ich eine verdammte Berghütte in Skye dafür kaufen muss, dann nehme ich den Zorn in Kauf.“

 

„Narzissa würde ausrasten. Du wirst Herrin dieses Hauses, und kannst nicht einfach-“

 

„-was sollen sie machen?“

 

„Dich enterben und dich vor die Tür setzen“, sagte er sehr sachlich. Denn genau das machte er gerade durch. Nicht wirklich im Moment, aber so wie er es sah, handelte es sich jetzt gerade um eine bittere Pause, die er einlegte – die ihm immer nur deutlicher zeigte, wie dringend er diese Welt verlassen musste. „Wie sie es mit Pansy gemacht haben“, entschied er schließlich zu sagen, denn Pansy fiel ihm ebenfalls ein.

 

„Pansy bekommt das Kind eines Blutsverräters.“ Draco verzog bei diesen Worten den Mund, aber Astoria verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir benutzen andere Worte, Draco, aber ich weiß, dass du Weasley auch nicht leiden kannst.“

 

„Du kannst ihn scheinbar nicht leiden, weil er nicht deinen Standard von Reinblut erfüllt. Ich kann ihn nicht leiden, weil er ein Arschloch ist“, erklärte er knapp. „Du wirst nicht mit unseren Eltern brechen können, Astoria. Aus diesem Holz bist du nicht gemacht.“

 

„Dann was?“, entfuhr es ihr kleinlaut.

 

„Dann… wirst du damit leben müssen, dass ich mich hier unwohl fühle“, schloss er achselzuckend.

 

„Und dass du niemals eine Erektion bekommst, wenn ich hier mit dir schlafen will? Nein, danke!“ Das sagte sie tatsächlich. „Es gibt immer einen Mittelweg. Einen Kompromiss. Selbst unter Reinblütern.“

 

„Dann fordere ich dich heraus, diesen Mittelweg zu finden – und ihn meinen Eltern aufzuzeigen“, ergänzte er lächelnd.

 

„Wir werden hier nicht wohnen. Ich finde einen Weg“, versprach sie, ohne Zögern. Seine Mundwinkel hoben sich tatsächlich, ob ihres Ehrgeizes.

 

„Sieh mal einer an, du hast Eier, Greengrass“, erkannte er, milde beeindruckt.

 

„Ich habe noch wesentlich mehr als das“, behauptete sie, stieß ihn vor die Brust, und er wankte nach hinten, bis er das Bett in den Kniekehlen spürte, und sie stieß ihn erneut, so dass er fiel. Mit schnellen Griffen hatte sie ihr Kleid geöffnet, und ihm ging auf – sie hatte das geplant, denn keusche Unterwäsche war etwas anderes. Das schwarze Ensemble war glänzende Seide, betonte ihre Figur unfassbar aufreizend, presste ihre Brüste höher, und die gebundene Korsage endete kurz über ihrem Bauchnabel. Merlin. Schlecht sah sie nicht aus.

 

Sie stieg über ihn, saß rittlings auf seinem Schritt, und widerwillig merkte er, dass es ihn nicht kalt ließ, was sie tat. Dass sie die Führung übernahm war leider nicht besonders schlimm.

 

„Ich habe keine Erfahrung, aber ich denke, ich kann erraten worauf du stehst, Malfoy.“

 

Er stand definitiv darauf, dass sie seinen Nachnamen sagte. Fuck. Sie lehnte sich tiefer, und ihr Dekolleté war einladend. „Fick mich, Malfoy, solange meine Figur es noch erlaubt“, raunte sie in sein Ohr, und er schluckte schwer, als seine Erektion erwachte. Er war wieder da. Merlin sei Dank. Dann konnte er seinen Verstand und seine Gefühle abschalten, und das verrückte Miststück vögeln. Wenn sie es so dringend wollte. Hart griff er in ihre Hüfte, warf sie auf ihren Rücken und war über ihr. Sie kam ihm entgegen, als er sie willig küsste, und fast fiel es ihm nicht schwer.

 

Er war ein dummes Arschloch und bat Hermine in Gedanken eintausend Mal um Vergebung, denn in seinen Gedanken existierte nur eine Frau. Egal, welche andere gerade unter ihm liegen mochte.

 

 

52. hate you, too

 

„Geh“, forderte Ginny sie gereizt auf. „Du kommst zu spät.“ Hermine stand unschlüssig im Flur. Sie war bei Ginny und Harry geblieben am Wochenende. Ginny hatte das Kind nicht bekommen, es waren nur Scheinwehen gewesen. Ganz natürlich, hatte der Heiler gemeint.

 

„Geht es dir gut?“

 

„Es wird noch dauern, Hermine. Harry ist da, keine Sorge“, versprach Ginny ihr lächelnd. „Los, mach mich stolz, Hermine. Mach sie fertig. Noch drei Wochen, dann hast du frei, dann kommt das Kind an Weihnachten – und wir machen uns schöne Tage. Also, los!“ Hermine riss sich von ihrer besten Freundin los. Harry hatte keine Trainigseinheiten mehr dieses Jahr. Die Dreier hatten keine Prüfungen mehr, und Harrys Ausbildung ging erst wieder im Januar weiter, wo er die letzten drei Monate nur noch für seine Abschlussprüfung lernen musste. Harry war so gut wie fertig. Sie begriff, wie weit am Anfang sie noch war.

 

„Ok. Ich komme direkt wieder hier hin, ja?“, sagte sie, und Ginny nickte.

 

„Natürlich, ich hatte nichts anderes erwartet, du Glucke.“ Hermine riss sich los, und apparierte draußen. Es war ansonsten ein finsteres Wochenende gewesen. Sie hatte nicht verhindern können, an Draco zu denken, und an das Mädchen, das ihn ihr gestohlen hatte. Schamlos und sehr erfolgreich.

 

Sie spülte sich ins Atrium und kam noch gerade zur letzten Stoßzeit, wo sich alle Mitarbeiter einfanden. Sie beeilte sich, nach unten zu kommen. In den letzten drei Wochen wurden die relevanten Materialien verteilt, die sie für ihre erste Abschlussprüfung im Frühling brauchen würden. Sie musste lernen, sie musste fokussiert handeln, sie konnte nicht in Selbstmitleid und Liebeskummer schwelgen. Das war nicht die Zeit.

 

Als sie unten im Gang zu den Spinden angekommen war, gönnte ihr das Leben keine echte Pause. Die Trainer umringten Malfoy, redeten auf ihn ein, und seine angenehme Stimme vibrierte durch den Gang.

 

„Kein Problem, ich kann länger bleiben. Aber dann brauche ich jemanden hier“, ergänzte er. „Alleine bleibe ich nicht hier unten“, sagte er seltsame Worte. Irgendetwas wurde erwidert, bevor die Trainer sich verabschiedeten.

 

„Und Shacklebolt erwartet dich in der Mittagspause“, ergänzte Caine noch in seine Richtung, und Draco nickte wortlos. Sie war fast zu spät zu ihrem Theorie-Kurs mit Eleanor, aber sie kam auch nicht in die Verlegenheit, mit ihm alleine zu sein, denn Cage schien auf ihn gewartet zu haben.

 

„Wir kommen zu spät“, schien ihn dieser ungeduldig zu informieren, und kurz trafen sich ihre Blicke, als sie an den Männern vorbei musste, um zu ihrem Spind zu gelangen. „Hey“, begrüßte Cage sie spontan, und Hermine nickte stumm.

 

„Geh vor“, sagte Malfoy tatsächlich knapp zu seinem Begleiter, und Cage ging widerwillig. Hermines Herz schlug schneller, aber sie beendete ihren Weg zu ihrem Spind.

 

„Hat- ist es da?“, fragte Malfoy sie, folgte ihr, stellte sich neben sie, als sie ihren Spind öffnete. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht. „Potters Kind“, ergänzte er dann. Irgendetwas lag in seinem Blick. Irgendetwas, was ihr nicht gefiel. Sie erinnerte sich, dass Pansy ihm erzählt hatte, sie wären unterwegs ins Mungo.

 

„Nein“, sagte sie ruhig. „Es war… falscher Alarm.“

 

„Oh“, sagte er, ein wenig abwesend. Das ist… gut? Oder schlecht?“, ergänzte er mit gerunzelter Stirn und suchte ihren Blick.

 

„Das ist wohl normal“, erwiderte sie, und hasste diese belanglosen Gespräche, obwohl sie dringendere Fragen an ihn hatte.

 

„Gut. Dann… bis dann“, verabschiedete er sich, und es nervte sie, dass er nur nach Harry gefragt hatte.

 

„Malfoy“, rief sie ihm nach, und widerwillig hielt er inne.

 

„Hm?“ Ungeduldig sah er zurück.

 

„Wie… wie geht es Astoria?“, fragte sie also. „Du weißt doch gut Bescheid?“

 

„Nicht deine Sorge, Granger“, war alles, was er sagte.

 

„Ihr verbringt viel Zeit zusammen“, ergänzte sie, entließ ihn nicht aus ihrem Blick. „Ist es nett?“

 

„Nicht deine Sorge“, wiederholte er angespannter. Schuld. Sie erkannte seinen Blick deutlich. Malfoy hatte Schuldgefühle. Arschloch.

 

„Hast du mit ihr geschlafen?“, fragte sie ihn direkt, und das auch nur, weil sie alleine waren. Sie war offiziell zu spät. Sein Blick war verschlossen, und er wollte gehen. „Ich meine, noch mal“, sagte sie boshaft. „Ein erfolgreiches erstes Mal hat ja bereits stattgefunden“, ergänzte sie tonloser.

 

„Lass es“, warnte er sie bloß.

 

„Also ja?“, nahm sie es als Zugeständnis.

 

„Sie ist meine Verlobte“, sagte er bloß, und jedes seiner Worte brannte irgendwo.

 

„Also ja“, flüsterte sie nickend.

 

„Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig“, entgegnete er abwehrend, zuckte die Achseln. Sie hasste ihn. Er brauchte sie nicht suchen, wenn es vorbei war. Ehrlich gesagt hoffte sie, sie wurde doch noch umgebracht. Dieses verdammte Arschloch! Sie hasste ihn, sie hasste ihn!

 

Sie wusste, was er tat.

 

Und deshalb…- deshalb hasste sie ihn nicht. Scheiße. Sie kämpfte mit den Tränen.

 

Sein Blick glitt nach rechts, fixierte kurz etwas, und sie nahm an, sie waren nicht mehr allein. Sie nahm an, sein Schatten folgte ihm wieder einmal.

 

„Malfoy“, sagte sie also, und als er sie ansah, hob sie ihre Hand, so dass nur er es sehen konnte, und kreuzte Mittel- und Zeigefinger. Kurz runzelte sich seine Stirn. „Ich hasse dich“, sagte sie fast neutral, und biss sich auf die Unterlippe. Denn sie tat es nicht. Nicht mal im Ansatz. Sie wusste nicht, ob er die Bedeutung der gekreuzten Finger kannte, aber sein Verfolger konnte es zumindest nicht sehen, er konnte nur ihre Beteuerung hören.

 

Aber sie sah ihn schlucken.

 

„Ja“, bestätigte er ausdruckslos. „Ich dich auch. Ich dich mehr, Granger.“ Eine Träne rollte über ihre Wange. Er verstand es also. Damit wandte er sich ab, und sie brachte Kontrolle in ihre Körpersprache. Langsam marschierte der verdammte Spitzel durch den Flur, ließ seinen Blick kurz über sie wandern, und sie schenkte ihm einen hasserfüllten Blick. Er lächelte bösartig, und fast empfand sie so etwas wie Triumpf. Was er Lucius später berichten würde, wäre ein Streitgespräch zwischen ihr und Draco. Und das war perfekt.

 

Sie wollte sie alle umbringen. Lucius, Astoria – und sämtliche Handlanger der Malfoys.

 

Heute war der Tag gekommen, wo sie weitermachen würde.

Ohne Malfoy.

Sie ließ ihn gehen. Für den Moment. Sie musste diese Schlacht aufgeben, wenn sie den Krieg gewinnen wollte, nahm sie an. Sie musste dort weitermachen, wo sie aufgehört hatte. So wie er.

 

Zeit, dass sie erwachsen wurde. Es wurde dringend Zeit.

 

~*~

 

~Christmas~

 

Es war der letzte Tag der Ausbildung in diesem Jahr. Die Potters hatten sich bei Molly einquartiert, und Ginnys Geburt stand jetzt dringend vor der Tür. Mehr als das. Sie war fast zwei Wochen über ihrem Termin und würde magisch eingeleitet werden, wenn nicht bis spätestens morgen Abend etwas passiert wäre.

Deshalb war Hermine abgelenkt.

 

„Hast du gehört?“, wiederholte Penelope bloß. Hermine wandte den Blick. Penelope sortierte ihre Bücher aus ihrem Spind, und Hermine versuchte, zuzuhören.

 

„Entschuldige, was?“

 

„Shepards Eltern? Sie haben mich eingeladen.“ Penelope war höchst erfreut. „Deshalb kann ich deine Einladung für Weihnachten ausschlagen“, ergänzte sie entschuldigend.

 

„Wow. Das… läuft gut mit euch, hm?“

 

„Ziemlich. Ich bin gespannt, was er mir schenken wird“, schwärmte Penelope jetzt. „Ich habe ihm einige Hinweise gegeben, sogar das Armband bei ‚Starlings‘ reserviert“, sagte sie eindeutig.

 

„Ist… ist er reich?“, wollte Hermine bloß wissen, aber Penelope verzog den Mund.

 

„Es sind keine Diamanten“, war alles, was sie dazu sagte. Hermine lächelte dann.

 

„Angenehm, wie bescheiden du bist, Penny“, sagte sie, und Penelope grinste wieder.

 

„Ich freue mich so!“ Hermine freute sich direkt für sie mit. „Und außerdem, bei den sündhaft teuren Quidditchhandschuhen, die ich besorgt habe, beeindruckt er mich besser mit dem verdammten Armband!“, ergänzte sie warnend. „Ist das Baby eigentlich da?“

 

„Heute oder morgen“, sagte Hermine aufgeregt.

 

„Wahnsinn!“ Einige Einer räumten ebenfalls ihre Spinde aus. „Hey, bist nächstes Jahr, Franklin, Curver“, verabschiedete sich Penelope schon mal, aber Hermine hatte noch nicht frei. Sie hatte noch ein letztes Zweier-Training, und sie hatte keine Lust. „Sam und Sam!“, rief Penelope aus, und seit einer ganzen Weile, steckten Sam und Sam zusammen, waren eng befreundet.

 

„Penny!“, rief Sam Shepard und küsste seine Freundin unverhohlen. „Noch einmal scheiß Animagus-Training, und das war’s für dieses Jahr!“ Hermine hätte es so nicht direkt ausgedrückt, aber das war, was sie ebenfalls dachte.

 

„Wollen wir zusammen los?“, fragte Sam Black sie direkt, und sie schenkte ihm ein Lächeln. Es funktionierte einigermaßen, das gab sie zu.

 

„Gerne. Was sind deine Pläne für Weihnachten?“, wollte sie unverfangen wissen.

 

„Oh, ich bleibe gemütlich in meiner WG und werde einen trashigen Filme-Marathon starten“, erwiderte er bereitwillig.

 

„Du gehst nicht nach Hause? Zu deinen Eltern?“ Sam verzog lediglich den Mund.

 

„Dieses Jahr nicht“, verneinte er, aber Hermine musste ihn so fragend ansehen, dass er lächelte. „Meine Eltern sind auf einer Kreuzfahrt. Verdienterweise, wie ich sagen muss. Und ich wollte nicht mit. Auf keinen Fall mit meinen Eltern mit, wie ein kleiner Junge, der nicht für sich sorgen kann“, erklärte er eindeutig.

 

„Wieso kommst du dann nicht mit in den Fuchsbau?“, fragte sie direkt, und bereute es sofort. Auch Penelope und Sam Shepard sahen sie kurz verblüfft an. „Und… das nehme ich wieder zurück“, ergänzte Hermine hastig, ein wenig beschämt. „Sorry, meine erste Reaktion, wenn jemand an Heiligabend alleine ist, ist ihn den Weasleys aufzudrängen“, entschuldigte sie sich kleinlaut.

 

„Absolut verständlich“, sagte Sam grinsend. „Vielleicht komme ich auf dein Angebot zurück, Hermine“, ergänzte er tatsächlich, und überrascht hob sich ihr Blick.

 

„Wirklich?“, wollte sie wissen.

 

„Falls da ein Heiligabend dann stattfindet? Ginny Potter bekommt doch das Baby“, schien er sich zu erinnern, und Hermine nickte bloß.

 

„Ja, aber Molly hat schon gesagt, Weihnachten wird nicht ausfallen, wegen einer Geburt. Sie ist da… wohl härter im Nehmen.“ Davon ging Hermine aus, Molly hatte sieben Kinder geboren, und laut ihrer Aussage, hatte Weihnachten jedes Mal stattgefunden.

 

„Gut zu wissen“, bemerkte Sam.

 

„Wir müssen los. Malfoy ist so ein Arschloch, wenn man zu spät kommt“, sagte Sam Shepard gequält, und Sam musste wieder grinsen.

 

„Nur weil du keinen Patrons-Wechsel hinkriegst, du Lappen“, ärgerte er Shepard lachend, und Shepard versicherte Penelope, dass er heute Nachmittag bereit wäre, sie abzuholen. Shepards Eltern hatten ein nettes, großes Haus im Grünen. Hermine beneidete Penelope ein bisschen um ihre Romanze und um die Ruhe, die sie wahrscheinlich haben würde. Denn wie es aussah, gab es im Fuchsbau dieses Jahr großen Tumult. Harry, Ginny und das neue Baby, Ron und seine schwangere, missgelaunte Freundin, George und Angelina, Percy samt Frau und Zwillingen – und dann noch sie. Allein, verlassen. Ohne Aussicht auf ein angenehmes Fest. Sie schluckte die bitteren Gedanken runter, denn Shepard hatte nicht Unrecht – Malfoy war ein Arschloch, wenn man zu spät kam.

 

Sie erreichten die Halle, bevor die Türen sich schließen konnten, und sie schlüpften noch gerade so hinein.

 

„Dann sind wir vollzählig?“, blaffte Malfoy schlecht gelaunt zu ihnen herüber, bevor die Hallentüren zuschlugen. Sie beeilten sich, die anderen zu erreichen und antworteten wohlweislich nicht auf die rhetorische Frage. „Aufstellen, und wer es schafft, beschwört seinen neuen Patronus, wer nicht, wechselt bitte zügig und fließend!“, rief er. Hermine hatte kein Problem damit, den Drachen zu beschwören, sogar stumm, und ziemlich perfekt. Malfoy drehte seine Runden, korrigierte hier, korrigierte da, meckerte, beschwerte sich über die Unfähigkeit, und hatte die Trainerrolle hier unten bis ins Mark nahtlos übernommen.

 

Er erreichte sie, kontrollierte ihre Drachen, der träge Kreise zog, wirkte aber nicht begeistert. „Zu klein“, wagte er tatsächlich in ihre Richtung zu sagen und wollte weitergehen.

 

„Er ist nicht zu klein“, erwiderte sie sofort.

 

„Er ist zu klein“, war alles, was er ihr entgegenzusetzen hatte, und sie starrte ihn an.

 

„Wie kannst du das behaupten?“, fragte sie gereizt. „Woher willst du wissen, ob mein Drache zu klein ist?“

 

„Ist das dein Ernst?“, entkam es ihm gereizt. „Fein. Weil ich es sage, deshalb“, gab er ihr die unbefriedigende Antwort, und ihr Mund öffnete sich ungläubig.

 

„Weil du es – wow!“, fuhr sie ihn an. „Verdammt erwachsen“, knurrte sie, ließ den Patronus verschwinden, und er stellte sich neben sie.

 

„Dein Patronus gleicht meinem, korrekt? Wir haben dieselbe Drachenform. Wenn also mein Drache – der die korrekte Form besitzt – größer ist, wird mir dann geglaubt? Denn das letzte Mal, als ich mich informiert hatte, bin ich Trainer, nicht du, Granger.“ Gott, er war so absolut ätzend. Er zog warnend den Zauberstab. Merlin, er war zum Kotzen. Stumm beschwor er den Patronus, und sofort erkannte sie, dass er sehr wahrscheinlich Recht hatte. Sein Drache war um einiges voluminöser. Die Flügel länger, und sie atmeten gereizt aus. „Los“, forderte er sie lediglich auf.

 

„Ich habe verstanden“, sagte sie grimmig, ohne ihn anzusehen.

 

„Ich möchte, dass du es dem Rest der Gruppe zeigst, Granger“, triezte er sie gereizt. „Du wirst daran arbeiten müssen. Wenn du deinen Patronus nicht absolut fehlerfrei-“

 

„-ich weiß, Malfoy!“, unterbrach sie ihn wütend. Sie wusste es alles. Sie war nicht dumm.

 

„Die Verwandlung wird dann nicht funktionieren. Ich habe euch das eintausend Mal gesagt“, warnte er die gesamte Runde. „Geht nur ein Molekül fehl, bleibt ihr im schlimmsten Fall das Tier in das ihr euch verwandelt, habt ihr das verstanden?“, fuhr er sie an, und alle nickten knapp. „Und jetzt“, wandte er sich wieder an sie, eisige Wut auf seinen Zügen, „beschwör deinen verdammten Patronus, Granger.“

 

Sie schluckte ihren Zorn. Ihre Gefühle für diesen Mistkerl hatten sich Merlin sei Dank in den letzten Wochen rapide abgekühlt. Zornig schwang sie den Zauberstab, und eine kleinere Version seines Drachen brach leuchtend aus der Spitze hervor.

 

„Wie ich sagte“, fuhr er oberlehrerhaft fort, und sie verdrehte die Augen, „muss der Wechsel bis Februar sitzen. Ich schlage euch vor, ihr übt die Ferien über, ansonsten müsst ihr nächstes Jahr von vorne anfangen. Wir werden ab Februar mit der Verwandlungsphase beginnen, nächsten November ist nämlich die Prüfung, und anscheinend erwartet Shacklebolt reine Wunder von seiner jämmerlichen Riege hier“, bemerkte er abschätzend. „Und Granger“, ergänzte er in ihre Richtung, das rechte Maß an Abschätzung auf den arroganten Zügen, „vielleicht orientierst du dich an Quinns Patronus. Sie hat den Wechsel bis ins letzte Detail geschafft“, schloss er säuerlich und ließ sie stehen.

 

Arschloch. Ihr Blick glitt zu dem Mädchen namens Quinn, die nicht nur einen verdammten Albino-Patronus hatte – nein. Sie hatte jetzt einen scheiß Albino-Drachen, der eindrucksvoll seine glänzenden Kreise zog.

 

Es war eine letzte scheiß Stunde, und Draco Malfoy war… Draco Malfoy. Und offen gesagt, war sie froh, ihn die nächste Zeit über nicht mehr sehen zu müssen.

Es klopfte schließlich, und ohne abzuwarten öffnete sich eine der Türen. Shacklebolt kam persönlich, begrüßte niemanden, fand Malfoy und zog ihn beiseite. Die Männer sprachen verhalten, und Hermine versuchte unauffällig, zu verstehen, was sie sagten. Aber anscheinend war etwas Positives passiert, denn Malfoys Mundwinkel hoben sich minimal, bevor er nickte.

 

Selbstgerecht kehrte er zu ihnen zurück, nachdem Shacklebolt still und leise wieder verschwunden war, und ließ sie den Wechsel gefühlt noch achtzig Mal wiederholen. Er schien plötzlich verdammt gute Laune zu haben.

 

~*~

 

„Wir werden es kurz und knapp machen, Malfoy“, informierte Kingsley ihn, bevor er weiter Runden tigerte. Er hatte ihn nicht aufgefordert, sich zu setzen, wollte nicht, dass Draco länger als nötig blieb, und Draco war damit sehr einverstanden. „Ich leite das Verfahren in den nächsten Tagen ein, noch vor dem neuen Jahr.“ Draco hatte Recht behalten. Die Experimente unten waren nicht erlaubt gewesen, und es war mit Werwolfgenetik gearbeitet worden. Artenübergreifende Zauber auf gelistete schwarzmagische Tiere waren strengstens untersagt, und es mangelte an der entsprechenden offiziellen Erlaubnis. Lorrie war freigesprochen worden, denn er hatte keine Information diesbezüglich gehabt, Beck und Welsh hingegen mussten sich verantworten. Und das passte Draco hervorragend in den Kram. Wirklich hervorragend.

 

„Wie wir das laufen?“, wollte er wissen.

 

„Noch keine Ahnung. Ich spreche mich mit Eugenia ab, sie wird besser einschätzen können, wie wir zum Erfolg kommen. Ich denke, präzise Fragen, eine entsprechende Ära betreffend sollten ausreichen. Sobald dabei rauskommt, dass Beck außerhalb des Kampfes getötet hat, kann das Verfahren ausgeweitet werden, dann werden wir in Erfahrung bringen, warum er dich kennt und was da vorgefallen ist. Bist du weiter gekommen mit der verdammten Tür?“, fuhr er nahtlos fort, denn der Durchsuchungsbefehl für Malfoy Manor brannte derzeit noch ein Loch in Shacklebolts Schublade. Draco hatte mit Lowyns Hilfe den Aufgang gefunden, und das war schwer genug gewesen, denn er befand sich nicht mehr dort, wo er einst gewesen war. Lucius hatte ihn verlegt, mit einem komplizierten Lokations-Zauber – und dummerweise befand sich der Aufgang jetzt im Arbeitszimmer seines Vaters, und es war jedes Mal sehr gutes Timing erforderlich, damit Draco nach oben konnte, denn alles war alarmgesichert. Und weitläufig war das Dach mit Gerümpel vollgestellt, abgesehen von einer schweren, eisenbeschlagenen Tür, die magisch so verriegelt war, dass Draco sie nicht zu öffnen vermochte. Er war bisher viermal oben gewesen und kein Zauber, kein Fluch hatte es geschafft.

 

„Noch nicht“, räumte er zerknirscht ein.

 

„Du brauchst Hilfe.“

 

„Es ist schon unmöglich, alleine da hoch zu kommen! Unmöglich kann ich noch wen anderes mitnehmen. Ich weiß nicht mal, wie-“

 

„-nimm Granger“, schlug Shacklebolt vor, und sein Mund öffnete sich.

 

„Ha ha“, entkam es ihm grimmig.

 

„Ich meine das ernst. Granger hat im Krieg mehr verschlossene Türen aufbekommen, als irgendwer sonst. Sie wird zumindest die Basis des Zaubers erkennen. Ich würde dir wen anders empfehlen, wenn ich glauben würde, dass es jemand anderes besser wüsste – aber vor allem ist Granger-“

 

„-ich habe nichts mit ihr zu tun!“, entkam es ihm harsch. „Das ist vorbei. Ich kann nicht einfach… zu ihr gehen und-“

 

„-wenn der Durchsuchungsbefehl raus soll, dann muss die verdammte Tür auf sein, Malfoy“, unterbrach Shacklebolt ihn. „Und wenn du alleine zu unfähig bist, den Zauber zu finden, dann-“

 

„-nicht Granger!“, wiederholte er bitter.

 

„Dann finde wen anders!“, knurrte Shacklebolt. „Wir sind nahe dran, aber ich garantiere dir, sobald die Sache mit Beck und Welsh an die Öffentlichkeit gerät, wird Lucius handeln, und dann nehme ich stark an, dass die ominöse Tür auf dem Dachboden verschwinden wird.“ Draco war überzeugt, alles, was Lucius noch irgendetwas anhaben konnte, befand sich hinter der verdammten Tür. Und ja, er hatte bereits daran gedacht, Granger zu fragen – aber wie konnte er? Alles, was er tat, war, sie zu schützen, sich zu distanzieren. Und er tat es gut. Sie sah ihn nicht mal mehr an. Nur… mit Ablehnung. Seine Kiefer malten.

„Du hast eine Woche. Maximal“, informierte Shacklebolt ihn entschuldigend.

 

Fuck. Wie sollte er Granger dazu bringen? Wie sollte er sie nach Malfoy Manor bekommen? Ohne, dass es jemand merkte? Wie sollte es klappen, dass Lucius ausgerechnet an den Feiertagen sein Arbeitszimmer unbewacht ließ? Dass Granger so schnell handeln konnte, dass niemand es bemerken würde? Ahrg. Er hasste es, nicht klug genug zu sein. Hasste es!

 

„Okay“, sagte Draco resignierend. „Eine Woche reicht.“ Das würde es müssen.

 

„Ich zähle auf dich, Malfoy“, warnte Shacklebolt ihn wieder. „Ich will den blonden Wichser am besten vorgestern nach Askaban bringen.“ Draco schenkte ihm ein freudloses Lächeln. Oh, das wollte er auch. Das wollte er definitiv auch. Vor allem, wenn Lucius der Grund war, weshalb Granger sterben sollte.

 

Vor allem dann.

 

 

53. distractions

 

„Los, los, los – worauf warten wir hier?“, rief Harry, vollkommen nervös, während er die Krankenhaustasche mit sich schleppte. „Molly?“, rief er, und Molly rückte noch die letzten Teller zurecht. Hermine hatte sich angeboten, hier zu bleiben, auf den Braten zu achten, während Mollys Muttergefühle nicht anders konnten, als ihrer Tochter die Hand zu halten. „Molly!“, donnerte Harrys Stimme durch das Wohnzimmer.

 

„Komme!“, sagte Molly hastig. „Hermine, in einer halben Stunde musst du den Vogel wenden. Du musst die Hitze kontrollieren, und wenn wir wieder kommen-“

 

„-dürfte es längst morgen sein“, bemerkte Arthur knapp, und auch Hermine glaubte nicht, dass es eine Sturzgeburt werden würde. Molly sah ihn bitter an.

 

„Sorg dafür, dass alles trotzdem perfekt ist, ja?“, bat sie Hermine, und diese nickte heftig.

 

„Natürlich, Molly. Und jetzt beeilst du dich besser, bevor Harry einen Zusammenbruch hat“, ergänzte sie, denn die Paramagier warteten draußen mit der Kutsche, und es war Glück, dass es lediglich kalt war, aber nicht schneite. Angekündigt war es nämlich.

 

„Gut. Wir-“

 

„-Molly!“, rief Harry erneut, und schon hastete die Frau aus dem Wohnzimmer.

 

„Hermine, kümmer dich um den Besuch!“, rief sie über die Schulter, nachdem Harry sie nach draußen gezogen hatte, und Hermine verwirrt zur Tür blickte. Sam stand im Türrahmen, eine Flasche Wein in der Hand, die andere Hand zum Gruß gehoben.

 

„Sam!“, rief Hermine überrascht.

 

„Hey, es geht los, wie ich sehe?“, fragte er gespannt, als die Paramagier-Kutsche den Hof verließ.

 

„Ja, aber das soll uns nicht hindern, Heiligabend zu genießen. Komm rein, Junge“, sagte Arthur, bugsierte ihn ins Warme, und Ron kam näher.

 

„Ron Weasley“, stellte sich Ron knapp vor. „Du bist… Hermines Dates für den Abend?“, erkundigte er sich brüderlich, und Hermine verzog den Mund.


„Er verbringt einfach den Abend hier, Ron“, erklärte sie beschämt.

 

„Jaah“, bestätigte Sam. „Ich bringe Alkohol“, ergänzte er, und Ron nahm die Flasche lächelnd entgegen.

 

„Perfekt. Ich denke, das dürfte Wunder wirken, während wir warten“, sagte Ron achselzuckend. Hermine war auch sehr nervös.

 

„Nicht für alle“, sagte Pansy, die ebenfalls zur Begrüßung näher kam, Sam die Hand schüttelte, und langsam erkannte man die Wölbung durch ihr weites Kleid.

 

„Nicht für alle“, bestätigte Ron, beinahe liebevoll, strich über Pansys Bauch, und kurz zuckten Pansys Mundwinkel.

 

„Hermine, du weißt, was du zu tun hast?“, wollte Pansy dann warnend wissen. „Ich sterbe nämlich vor Hunger! Vor allem wenn ich an Ginnys Schmerzen denken muss“, ergänzte sie. Hermine wusste, ihr Platz würde sich nun für die nächste Stunde in der Küche befinden.

 

„Sam, wieso leistest du nicht den anderen Gesellschaft, trinkt etwas, und ich… melde mich mit dem Essen zurück?“, schlug Hermine schließlich vor, und Sam nahm die Aufforderung dankend entgegen, schien nicht zu beabsichtigen, den Abend mit ihr in der Küche zu verbringen, und das hatte Hermine auch nicht erwartet. Wahrscheinlich hatte er ihre Einladung einfach angenommen, um nicht alleine sein zu müssen. Und das war in Ordnung. Absolut in Ordnung.

 

„Kommst du zurecht?“, wollte Arthur wissen, der nervös seine Pfeife in der Hand drehte, und Hermine nahm an, er wollte erst mal in den Schuppen, etwas paffen gehen, denn sein kleines Mädchen bekam heute ihr Baby. Hermine war auch aufgeregt, aber es half ihr besser, sich abzulenken, als sich Sorgen zu machen.

 

„Alles bestens. Ich gebe dir Bescheid!“, versprach sie und verschwand in der Küche. Sie hörte Gelächter von drüben, heitere Geschichten von George und Angelina, während Percys maßregelnde Stimme immer wieder dazwischen schnitt, weil die Zwillinge im Nebenzimmer schliefen. Hermine konnte nicht erwarten, Ginnys und Harrys Baby zu sehen. Sie hoffte, sie kämen direkt morgen früh wieder!

Es klopfte sachte an der Scheibe zur Tür nach draußen, und fast wäre sie aufgesprungen vor Schreck.

 

Malfoy. Malfoy war hier! Sie sah sich um, aber die Küchentür war zu, niemand war in der Nähe, und sie ging mit schnellen Schritten zur Tür. Was zur Hölle tat er hier?! Sie öffnete sie lautlos, erlaubte Malfoy aber nicht, einzutreten.

 

„Was tust du hier?“, flüsterte sie in die Kälte, und ihr Atem kondensierte augenblicklich.

 

„Hi, frohe Weihnachten, Granger“, begrüßte er sie eisig, aber sie schüttelte nur den Kopf.

 

„Es ist noch nicht Weihnachten, das Haus ist voll, Arthur ist draußen – du kannst jederzeit entdeckt werden, Malfoy“, zischte sie, und ihr Herz klopfte wütend.

 

„Ich brauche deine Hilfe“, gab er die höflichen Floskeln auf.

 

„Meine Hilfe?“, vergewisserte sie sich.

 

„Darf ich reinkommen?“, fragte er, und sie schüttelte vehement den Kopf.


„Reinkom- nein, Malfoy! Du darfst nicht reinkommen! Das ist nicht mein Haus! Ich bin hier nicht allein!“

 

„Black wurde einfach reingelassen“, bemerkte er, und Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. Sie biss die Zähne zusammen.


„Das… war- seit wann bist du da draußen?“, knurrte sie jetzt, und er atmete gereizt aus.


„Seitdem die verdammten Paramagier hier so einen Aufriss veranstaltet haben“, bemerkte er knapp. Sie atmete aus und schüttelte wieder den Kopf.


„Wie kannst du überhaupt hier sein? Hast du keine… vorehelichen Verpflichtungen?“, wollte sie gepresst von ihm wissen, und er schenkte ihr einen eisigen Blick.

 

„Es ist kompliziert. Und nein, heute Abend habe ich lediglich die Verpflichtung meinen scheiß Eltern in den Arsch zu kriechen, das aber erst in einer halben Stunde, danke der Nachfrage.“

 

„Malfoy, du-“, begann sie, aber er schien keine Geduld für diesen Streit zu haben.

 

„-ich brauche deine Hilfe. Und am besten so schnell wie möglich. Am besten noch heute.“

 

„Ich werde dir nicht helfen“, entschied sie kategorisch.


„Ich würde dich nicht fragen, wenn du nicht die letzte Option wärst“, räumte er sauer ein, und sie sah ihn finster an.


„Wow, stolper nicht über die Komplimente, du aufgeblasenes Arschloch!“, knurrte sie, und sie hatte nicht mit seinem breiten Grinsen gerechnet.

 

„Ich vermisse dich auch, du unverbesserliches Miststück“, gab er die Beleidigung direkt zurück, aber es stach bei weitem nicht so, wie sein verdammtes Lächeln. Dann wurde er ernst. „Es geht um einen Durchsuchungsbefehl, den ich nur bekomme, wenn ich eine verdammte Tür im Herrenhaus aufbekomme, und Shacklebolt hat mir nahegelegt, dich um Hilfe zu bitten, da du… dich mit Türen auszukennen scheinst“, schloss er schließlich, und ihr Mund öffnete sich.

 

„Durchsuchungsbefehl?“, entkam es ihr, und seine Geduld verlor sich gänzlich.


„Ich weiß, es mag dir entgangen sein, aber ich spiele garantiert nicht Heile-Reinblüter-Welt, weil es mir verfluchten Spaß macht, Hermine“, benutzte er ihren Vornamen das erste Mal seit… seit Wochen.

 

„Ich… verstehe nicht im Geringsten wovon du sprichst, aber ich habe keine Zeit. Ich kann hier nicht weg.“

 

„Was ist mit später?“, fragte er sofort, entließ sie nicht aus seinem Blick.


„Später? Später wann?“, wollte sie entgeistert wissen, und er verdrehte die Augen.

 

„Bist du achtzig Jahre alt und musst um zehn ins Bett? Oder hast du anderweitige Verpflichtungen mit Sam Black, die sich durch die Nacht ziehen werden?“, wollte er grimmig von ihr wissen, und sie stemmte die Hände in die Hüften.


„Komm mir nicht so! Du und Astoria-“

 

„-lass es!“, sagte er sofort, wie er es immer tat, wenn sie sich diesem Thema näherte.

 

„Es ist mir egal! Schlaf mit ihr! Heirate das Biest! Du kannst machen, was du-“

 

„-natürlich heirate ich sie, Granger. Das ist Sinn der Übung“, knurrte er. „Und alles weitere“, fuhr er fort, aber sie hob die Hand.


„-du kannst machen, was du willst – ich kann machen, was ich will!“, sagte sie scharf.

 

„Ja“, bestätigte er gepresst. „Aber könntest du zwischen deinem Mitleidsfick mit dem Black-Arschloch und der Geburt von Potters Brut fünf Minuten für mich einschieben?“ Er war so unfassbar scheiße! Aber sie würde nicht auf dieses Niveau sinken! Würde sie nicht!

 

„Ich kann nicht!“, sagte sie also wieder. „Und wieso sollte ich dir-?“

 

„-Granger, ich erwarte dich, in exakt sieben Stunden. Das Tor wird offen stehen. Zweite Etage, fünftes Fenster von rechts. Mach keine Fehler, komm nicht zu spät“, warnte er sie.

 

„Fick dich, Malfoy“, entkam es ihr kopfschüttelnd. Er schloss den Abstand, brachte die Kälte näher, und sie zitterte unwillkürlich.


„Du wirst da sein!“, knurrte er. „Lucius muss verurteilt und verhaftet werden. Ohne diesen Schritt kann ich nicht sicher sein, dass ich ihn als mögliche Gefahrenquelle für deine Sicherheit eliminiert habe. Beck droht die Verhandlung wegen Mordes, und sobald Lucius davon Wind bekommt, wird er alle nostalgischen Beweise vernichten, die vielleicht noch auf Malfoy Manor rumfliegen, hast du verstanden?“, entfuhr es ihm. Sie ging davon aus, dass er nur für sie so handelte, wie er handelte. Dass er tatsächlich aktiv dabei war, eine Lösung zu finden, Leute verhaften zu lassen, dass er tatsächlich so weit ging… trieb ihr fast die Tränen in die Augen. „Wehe, du fängst an zu weinen, Granger“, warnte er sie jedoch ruhiger, und schüttelte den Kopf. „Das ist keine nächtliche Zusammenkunft, es ist kein Date!“, spuckte er praktisch. „Zurzeit bin ich über dich hinweg, der Sex mit Astoria ist erträglich und ich möchte mich nicht jede Sekunde umbringen. Und diesen Zustand möchte ich halten, solange es möglich ist!“ Sie schluckte, denn es tat weh. Alles, was er sagte, tat immer nur weh. Und ja, sie arbeitete selber dran, über ihn hinweg zu sein. Sie dachte nicht mehr jede Sekunde an ihn – aber wenn er hier auftauchte, wenn er sich hier hin stellte, und ihre Hilfe brauchte, seinen Vater zu verhaften, weil er nur um ihre Sicherheit besorgt war, dann fiel es ihr verdammt schwer.

 

Eine Träne fiel auf ihre Wange, und sein Kiefer spannte sich hart an. Sanft schüttelte er den Kopf. „Du sollst verdammt noch mal nicht weinen.“ Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Unglücklich hob sie den Blick, und er atmete gepresst durch die Nase aus, sodass seine Nasenflügel regelrecht bebten.

 

„Ich hasse dich, Malfoy“, sagte sie beinahe sanft, und er entspannte sich kurz.

 

„Ich hasse dich mehr, Hermine“, versprach er ihr ruhig, und sie lenkte ein.

 

„Ich werde da sein“, räumte sie still ein. „Für eine halbe Stunde. Dann muss ich zurück.“ Er nickte knapp, bevor er sich ohne Worte abwandte und in der Dunkelheit verschwand.

 

Scheiße. So viel zu ihren guten Vorsätzen, Malfoy dieses Jahr nicht mehr zu sehen. Sie fürchtete den Ausgang dieser Nacht. Aber was sollte passieren, dachte sie dumpf. Er war zurzeit mit Astoria zusammen. Verlobt. Mit der künftigen Mutter seines Kindes. Wie es zu sein hatte. Verdammte Scheiße.

 

Sie blickte auf die Uhr. In sieben Stunden war es zwei Uhr. Sie hoffte, bis dahin konnte sie unbemerkt verschwinden. Und sie hoffte, es würde nur eine halbe Stunde dauern. Aber sie wusste auch, verschlossene Türen interessierte es nicht, wie dringend man wieder verschwinden wollte.

Sie hasste ihr Leben zurzeit.

 

„Granger, wieso stehst du in der Kälte in der offenen Tür? Was macht der Braten?“, wollte Pansy barsch wissen, und hastig schloss Hermine die Tür.

 

„Es dauert noch, Pansy“, rang sie sich kopfschüttelnd ab.

 

„Dann verbringe ich die Zeit lieber hier, als den trinkenden Idioten drüben zuzuhören. Weasley fühlt deinem Freund da draußen auf den Zahn, und es ist unangenehm.“ Hermine sah sie seufzend an.

 

„Er ist nicht mein Freund.“

 

„Er sieht nicht schlecht aus“, sagte Pansy bloß.


„Er ist mein Exfreund, Pansy. Das ist vorbei.“

 

„Sieht für mich nicht so aus. Warum sollte er hier auftauchen, wenn es vorbei ist?“

 

Weil ständig Männer hier auftauchten, obwohl es vorbei war, dachte sie dumpf. Und es war nie vorbei. Nervös fiel ihr Blick wieder auf die Uhr. Es würde den gesamten Abend so sein, nahm sie an. Aber eine seltsame Aufregung machte sich in ihrem Körper breit. Sie würde Draco wiedersehen. Sie war wirklich erbärmlich. Über ihn hinwegkommen sollte sie! Nichts anderes!

 

~*~

 

Mehr oder weniger widerwillig hatte sie auf Alkohol verzichtet. Sie sagte, sie tat es aus Solidarität zu Pansy und zu Angelina, die noch apparieren musste, und immerhin Pansy freute dieser Verzicht. Aber sie würde ebenfalls nicht betrunken apparieren. Percy und Audrey waren seit einer Weile ins Bett verschwunden, schliefen bei den Zwillingen, und auch Arthur sagte um elf Uhr gute Nacht. Sie verblieb mit Pansy, Ron, George, Angelina und Sam.

 

„Wann hat sich Molly das letzte Mal gemeldet?“, fragte George wieder, und Hermine fixierte erneut die Uhr.

 

„Vor einer halben Stunde.“

 

„Ich denke, das wird noch einige Zeit dauern“, sagte Angelina. „Meine Schwester hat 30 Stunden in den Wehen gelegen“, ergänzte sie vielsagend.

 

„Verflucht“, entkam es Pansy schockiert. „Auf gar keinen Fall mache ich das 30 Stunden mit!“, beteuerte sie jetzt und schoss Ron einen zornigen Blick zu.

 

„Es ist auch eher selten“, sagte Angelina sofort.

 

„Können wir bitte das Thema wechseln?“, bat Pansy unbehaglich.

 

„Sollen wir hoch?“, wollte Ron stiller von ihr wissen, während sich seine Hand sanft über Pansys legte. Sie waren überraschend zärtlich miteinander, hatte Hermine festgestellt. Wer hätte das gedacht…. Pansy schien weicher zu werden.

 

„Ich bin auch ziemlich müde“, sagte sie lächelnd. Es machte nicht den Anschein, als hätte ihr Exfreund Nummer 1 die Absicht nur zu schlafen, dachte sie bitter. „Danke fürs Kochen, Hermine“, verabschiedete sie sich lächelnd von ihr.

 

„Gerne“, sagte Hermine bloß. „Gute Nacht“, ergänzte sie vielsagend in Pansys Richtung.

 

„Da waren’s nur noch vier“, sagte George zwinkernd, aber Angelina gähnte verhalten.

 

„Ich denke, wir können den Abend beenden. Ihr könnt hier alle die Ruhe gebrauchen, bevor Familie Potter wiederkommt“, sagte Sam, ihr Exfreund Nummer 2, schließlich. „Vielen Dank, dass ihr mich aufgenommen habt.“ Aber sein Blick galt Hermine.


„Überhaupt kein Problem. Ein Freund von Hermine ist immer ein Freund von uns“, erwiderte George sehr jovial. „Und du bist in Ordnung, Black.“

 

„Das hörte ich“, bemerkte Sam schmunzelnd. Alle erhoben sich schließlich, und Ron und Pansy waren Hand in Hand nach oben verschwunden. Im Flur entstand eine kurze schweigsame Pause, während sich alle anzogen, und Hermine als letzter Hausbewohner verblieb.

 

„Wir sehen uns morgen“, versprach Angelina und drückte sie fest an sich. „Im Mungo oder hier. Je nachdem wie es läuft!“ Hermine nickte voller Erwartung.

 

„Mach’s gut, Hermine!“, sagte George, und Angelina zog ihn praktisch nach draußen, anscheinend, um ihr einen letzten unangenehmen Moment mit Sam zu schenken. Merlin.

 

„Tja“, sagte Sam unsicher, als sie alleine im Eingang standen.

 

„Kannst du noch apparieren?“, wollte Hermine knapp von ihm wissen. Sie hatte seinen Alkoholkonsum nicht wirklich beobachtet.

 

„Kein Problem, ich hatte nicht viel.“ Sie kommentierte nicht, dass man besser nüchtern zu apparieren hatte. Sam war erwachsen.

 

„Ok“, sagte sie dann. Er schenkte ihr ein ebenmäßiges Lächeln, und ihr fiel auf, wie lange sie sich selber verboten hatte, ihn anzusehen, an ihn zu denken. Sie hatte ihm wehgetan. Es tat ihr wirklich leid.


„Danke. Für die Einladung, für das Essen. Ich hatte wirklich Spaß.“

 

„Gut“, entkam es ihr hastig. „Wirklich gerne. Danke, dass du aufgetaucht bist.“ Sie war schlecht in solchen Situationen. Wirklich schlecht. Dann schien ihm etwas einzufallen.

 

„Oh, hier!“, sagte er, und zog ein schmales Päckchen aus seiner Manteltasche. „Man soll ja nicht mit leeren Händen auftauchen.“

 

„Was?“ Sie starrte auf das Päckchen. „Du… du hast Wein mitgebracht, du brauchst nicht-“

 

„-schon gut. Ich… hatte es noch“, sagte er dann. „Ich hatte es damals für dich besorgt gehabt, und… offen gesagt, kann ich nichts damit anfangen.“

 

„Sam“, begann sie unglücklich.

 

„Keine Sorge, Hermine“, erwiderte er freundlich. „Ich bin hier ohne große Erwartungen aufgetaucht.“ Sie konnte ihn nur anstarren.

 

„Aber… schon mit Erwartungen?“, entkam es ihr tonlos. Sein Mundwinkel hob sich.

 

„Nein“, sagte er dann. „Aber es war wirklich nett“, schloss er still, und dann kam er näher. „Danke für den schönen Abend.“ Er senkte den Kopf, und ohne nachzudenken, küsste sie den hübschen Mann, der ihr Geschenke mitgebracht hatte. Seine Lippen waren warm und weich und einladend. Sie hatte das Gefühl, so lange enthaltsam gewesen zu sein, dass es regelrecht loderte in ihrem Innern. Malfoy gesehen zu haben versetzte sie immer in einen Status völliger Unruhe, und natürlich wusste sie, dass sie einen Fehler beging. Aber das tat Malfoy auch!

 

Aber… Sam verdiente wieder einmal etwas Besseres. Deshalb löste sie sich schnell wieder. „Ich – tut mir leid“, flüsterte sie außer Atem, und auch seine Brust hob und senkte sich schneller.


„Wirklich ok“, erwiderte er rau.

 

„Nein, ich meine…- ich kann nicht…! Ich will diese Situation nicht ausnutzen, nur weil ich… zurzeit…“

 

„Schon ok, Hermine. Ich will nichts Ernstes von dir“, versprach er ihr. „Alles, was du mir geben kannst“, ergänzte er, und die angestaute Frustration entlud sich mit einem Mal, als sie ihn seufzend an sich zog. Sein Geschenk entglitt ihren Fingern, und er schlang die Arme um sie. Es tat so gut! So verdammt gut, Malfoy ihre Schmerzen mit seinen eigenen Waffen heimzuzahlen, und es fühlte sich verdammt gut an. So wie sie es in Erinnerung hatte. Sie zog ihm den Mantel wieder von den Schultern, und er ließ sich von ihr zurück ins Wohnzimmer bugsieren.

 

„Wo gehen wir hin?“, fragte er zwischen zwei Küssen, und sie zog ihn weiter.

 

„Hoch“, war alles, was sie verlangend keuchen konnte, und grinsend küsste Sam sie wieder, während er ihr nur zu gerne Folge leistete.

 

 

Sie lagen im schmalen Gästebett, und Hermine schielte zum Wecker auf ihrem Nachttisch. Es war kurz nach eins. Sie musste Sam nach Hause schicken. Es wurde Zeit. Sie lag in seinem Arm, und sie bereute diese Nacht auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall.

 

„Hey“, sagte sie in die Dunkelheit und genoss seine Nähe noch einen Moment.

 

„Hey“, erwiderte er neben ihr, und sie lag in seinem Arm, während sein Daumen sanft über ihre Haut strich. „Das war… wirklich unglaublich. Der beste Heiligabend.“

 

„Auf jeden Fall“, bestätigte sie lächelnd. „Aber“, begann sie wieder, doch er lachte rau.

 

„Keine Angst. Ich werde nicht um deine Hand anhalten, oder so einen Quatsch“, versprach er ihr lächelnd. „Es war, was es war, Hermine.“

 

„Danke, Sam“, erwiderte sie erleichtert. Und Merlin sei Dank, sprach er es von selber an.

 

„Ich sollte gehen. Bevor es morgen früh zu schwierigen Fragen kommt“, schlug er vor.

 

„Gute Idee“, entgegnete sie, schon jetzt erschlagen und erschöpft.

 

„Ohne… dreist zu sein“, begann er, als er die Umarmung löste, sich aufsetzte und nach seiner Unterwäsche kramte, „was machst du an Silvester?“ Sie hörte sein Lächeln. Sie hatte nicht wirklich Pläne.

 

„Ich denke, ich werde meine Rolle als Patentante erfüllen, und Ginny und Harry entlasten“, erwiderte sie lächelnd.


„Richtig“, sagte er nachdenklich. „Vielleicht… bekommst du zwischendurch Hunger, und ich bringe was vorbei?“, schlug er scheinheilig vor. Sie sah ihn demonstrativ an. „Und es bedeutet gar nichts, ok?“

 

„Na dann“, sagte sie kopfschüttelnd.

 

„Also… hättest du theoretisch Hunger?“, fragte er lauernd.


„Theoretisch, bestimmt“, sagte sie seufzend.

 

„Sehr enthusiastisch, aber ich nehme das mal als Ja“, sagte er, erhob sich und zog sich den Rest seiner Kleidung an. Sie tat es ihm gleich, musste sich langsam aber sicher beeilen, und würde sich viel lieber einrollen und einschlafen. „Du musst mich nicht bringen. Ich finde die Tür“, behauptete er lächelnd, aber natürlich kam sie mit.


„So ein Quatsch. Ich will mich verabschieden, Sam“, erwiderte sie kopfschüttelnd. Schweigend gingen sie nach unten, versuchten, leise zu sein, und an der Tür angekommen, griff er sich seinen Mantel und sein vergessenes Geschenk vom Boden, um es ihr erneut zu überreichen.

 

„Oh, danke“, sagte sie verlegen.

 

„Keine Angst, es ist nichts Wildes“, versprach er wieder. Dann zog er die Tür auf, und die Kälte war unangenehm. „Schlaf gut, Hermine“, verabschiedete er sich, lehnte sich näher, und sie küsste ihn sanft auf die Lippen.

 

„Du auch, Sam“, erwiderte sie, und mit einem Nicken war er in der Nacht verschwunden. Sie schloss die Tür, nur um langsam ihre eignen dicken Sachen anzuziehen. Es war halb zwei. Besser sie kam zu früh, als zu spät.

Zu neugierig, um zu warten, wickelte sie das Glanzpapier von der Schachtel, und öffnete die schwarze Kiste. Es war eine Kette. Schlicht, silbern, und mit verengten Augen erkannte, sie dass der Anhänger ein filigraner Otter war. Sie musste unwillkürlich lächeln. Sie entfaltete die kleine Notiz.

 

‚Ich musste an dich denken, als ich die Kette gesehen habe.

Damit du ihn nicht vergisst…

Sam‘

 

Es war ein wunderschönes Geschenk. Sie stellte die Schachtel vorerst auf die schmale Kommode zurück. Sie hatte gar nichts für ihn gehabt. Und sie hoffte, er meinte ernst, was er sagte, und wollte keine erneute Beziehung.

Sie würde es wirklich hassen, ihm erneut wehtun zu müssen.

Dazu war dieser Abend zu schön gewesen.

Aber er war nicht in ihrem Herzen. Immer noch nicht. Leider.

 

Sie brauchte einen Moment, ehe sie den Zauberstab parat hatte, ihre Mütze auf dem Kopf, und verhalten gähnte sie. Der Abend hätte hier und jetzt enden können und wäre perfekt gewesen. Aber nein. Sie musste sich ja freiwillig kreuzunglücklich machen gehen.

 

 

54. last encounter

 

Seine Eltern schliefen. Der Muffliato lag auf der Tür ihres Schlafzimmers, und er hatte gefühlte hundert Stunden, sinnlose Konversation halten müssen. Seine Eltern waren beide unfassbar langweilige Menschen, jetzt wo sie keine bösartigen Todesser mehr waren, dachte er entnervt.

Immerhin vertrauten sie ihm genug, dass sie garantiert nicht von ihm erwarteten, mitten in der Nacht Hermine Granger zu beherbergen. Auch den Zauberstab seines Vater hatte er griffbereit, und er musste sich nicht mal die Mühe machen, ihn in das Schlafzimmer zurückzubringen, denn Lucius war betrunken genug gewesen, ihn tatsächlich im Salon vergessen zu haben.

 

Es verlief nach Plan. Soweit so gut. Um kurz vor zwei betrat er sein Zimmer, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass sich niemand sonst im Haus befand, und dass sein Vater keine heimliche Nachtpatrouille engagiert hatte, die frei über Floh anreisen durfte.

 

Fast erschrak er, als er die Gestalt erkannte, die sich abmühte, durch sein halboffenes Fenster zu steigen. Er beeilte sich, das große Fenster weit zu öffnen.

„Du bist früh“, begrüßte er sie, und unwillig sprang sie ins Innere seines Zimmers. Sie war noch nie hier gewesen, ging ihm auf.

 

„Es ist nicht mehr früh“, widersprach sie. Ihre Wangen waren vor Kälte gerötet, und sie zog den Mantel aus. Sie trug, was sie vorher getragen hatte. Den dunklen Rock, die blaue Bluse, andere Schuhe, und ihren bunten Schal. Sie wurde auch Mütze und Schal los, schüttelte ihre wilden Haare auf, und er runzelte die Stirn.

Aftershave. Sie roch… verdächtig nach Aftershave. Er nahm an, würde er näher kommen, wäre der Geruch noch wesentlich präsenter.

 

„Wie lange ist Black noch geblieben?“, fragte er also, konnte seine Stimme kaum beherrschen, und sie hob sehr ertappt den Blick. Sieh mich nicht so an, dachte er bloß. Hab den Anstand und lüg wenigstens. Aber er wusste, er hatte kein Recht. Nicht das geringste. Eigentlich dürfte er sie überhaupt nie wieder ansehen, nie wieder an sie denken! Eigentlich war er das Arschloch, und soweit es ihn betreffen sollte, sollte er sich darüber freuen, dass sie wieder ein Leben hatte. Ohne ihn. Verdammt noch mal ohne ihn.

Er hätte wen anders finden sollen, ging ihm auf. Er hätte niemals zu ihr kommen dürfen. Es wurde ihm augenblicklich klar. „Weißt du“, fuhr er fort, ohne ihre Antwort abzuwarten, „ich werde es ohne dich schaffen“, sagte er, bemüht neutral. Aber zornig verschränkte sie die Arme vor der Brust.


„Du willst meine Hilfe nicht mehr, weil ich mit Sam geschlafen habe?“, fuhr sie ihn scharf an, und Merlin, wünschte er sich, dass sie ihn belügen würde! Die Eifersucht überkam ihn wie beißend scharfe Lava in seinem Körper.

 

„Nein, ich…“ Er musste sich beherrschen. Er musste. Um ihretwillen. Um seinetwillen. Es war genau, was er gewollt hatte. Natürlich nicht wirklich! Nichts von alledem hier, war, was er jemals gewollt hatte! Aber wenn er so dumm und faul und feige war, bis zur letzten Sekunde zu warten, aus diesem scheiß Leben zu entkommen, war er selber schuld. Er hätte vor Jahren handeln müssen, und jetzt hatte er so lange gewartet, so lange Scheiße gebaut, bis er Grangers Leben ernsthaft gefährdete, und sie war besser dran mit Sam Black. Mit Ronald Weasley. Mit Harry scheiß Potter, wenn er ehrlich mit sich war. „Ich…“ Sie wartete. Worauf, wusste er nicht. Auf seinen Ausbruch, auf seinen Zorn. Auf seine Gleichgültigkeit. Sie wurde wütender.


„Ich bin durch die Nacht gereist, habe keinen Alkohol trinken können – und glaub mir, nachdem ich dich gesehen habe, hätte ich den ein oder anderen Schnaps vertragen können, Malfoy! Jetzt bin ich in deinem scheiß Haus, und du hältst mir den doppelten Standard vor? Warum? Weil ich eine Frau bin? Weil ich mir keine Ablenkungen suchen darf? Weil ich-“

 

„-es tut mir leid“, unterbrach er sie ruhig.

 

„Das ist mir scheiß egal! Ich darf schlafen mit wem ich will!“, warnte sie ihn jetzt.

 

„Ja, wahrscheinlich“, schaffte er es nicht, neutral zu antworten, denn seine Stimme klang grenzwertig zornig.

 

„Nein, definitiv. Du hast mich abgesägt. Du hast gewollt, dass ich-“

 

„-ja, und es ist super!“, knurrte er. „Glückwunsch, Granger. Ich freue mich für dein Sexleben!“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und er hätte selber trinken sollen heute Abend.

 

„Ja, super!“, gab sie zurück. „Jetzt würde ich diese Scheiße gerne hinter mich bringen, auch wenn ich glaube, dass es ziemlich sinnlos ist, denn wir gehören nicht zusammen. Ich denke, du hast genau die richtige Wahl mit Astoria getroffen, und ich… ich komme schon zurecht.“

 

Merlin, sie wollte ihn heute verletzen, nahm er bitter an, und er konnte kaum denken, vor Wut.

 

„Dann geh! Dann hau ab!“, verlangte er ungehalten. „Soll Lucius die scheiß Beweise vernichten!“, blaffte er. „Dann kümmere ich mich nicht mehr!“

 

„Du brauchst dich nicht kümmern!“, entgegnete sie zornig. „Ich bin keine Jungfrau in Nöten! Und ich verzichte auf deine Hilfe, auf dein verdammt großes Opfer, bei dem deine größte Selbstaufgabe ist, mit Astoria Greengrass zu schlafen!“ Er biss die Zähne zusammen.

 

„Geh, bevor ich dich verfluche!“, befahl er, kochend vor Zorn.

 

„Das möchte ich sehen“, wagte sie tatsächlich zu erwidern. „Du schaffst es ja nicht mal eine simple Tür zu öffnen!“, schloss sie tatsächlich, und er hasste, wie sie es konnte! Wie sie ihn innerhalb von fünf Minuten von innen nach außen kehrte!

Merlin, wollte er sie verletzen! Merlin, wollte er sie zerbrechen! Er schaffte es nicht. Nicht mal im Ansatz.

 

Und beinahe krachten sie mit voller Wucht ineinander, denn auch sie hatte jeden Zorn, jede Wut verloren, und ihre Lippen trafen sich mit einigermaßen viel Schwung. Ihre Finger griffen in seine Haare, und hart, so dass ihr die Luft wegblieb und sie keuchen musste, riss er ihren Körper an seinen.

 

Verdammt noch mal scheiß egal!

 

Seine Zunge drang tief zwischen ihre Lippen, brutal küsste er sie, atmete sie ein, würde sie nicht wieder gehen lassen, und dass ein anderer Mann sie gehabt hatte, brachte ihn noch um den Verstand. Der Geruch eines anderen hatte nicht an  ihrem Körper zu haften! Grob zerriss er ihre Bluse, und sie stöhnte in seinen Mund. Hart biss er auf ihre Unterlippe, und sie schauderte unter ihm, zog an seinem Hemd, und er half ihr zu willig.

 

Er machte sich nicht die Mühe ihren scheiß Rock auszuziehen, zog sie zu seinem Bett, musste sie sofort haben – ohne Vorspiel, ohne irgendwelche Liebesbeweise – er wollte diese Frau! Immer! Verdammt noch mal jede Sekunde an jedem scheiß Tag, an dem er so tun musste, als wäre er ein Reinblüter-Arschloch! Fuck!

 

Hastig schob er den Rock höher, erkannte die Strumpfhose, die sie trug, und achtlos zerrissen seine Hände das Nylon, und sie keuchte wieder auf, als seine Hände unsanft ihre heißen, bloßen Schenkel berührten, sie grob spreizten, und er blind seinen Reißverschluss öffnete.

 

Granger. Granger. Etwas anderes existierte nicht mehr in seinen Synapsen. Alles andere war scheiß egal! Seine Erektion lag hart und bereit in seiner Hand, beinahe störend groß. Und er wollte sich einfach nur vergraben, sie einfach nur besitzen – denn sie war seins. Sie gehörte niemandem sonst! Und wenn das alleine die Lektion war, die sie heute lernte – dann fein! Dann war das gut genug.

Blind schob er ihren Slip beiseite, als er sich positionierte, zwischen ihre Beine glitt, und tief sank sein Schwanz in ihre Enge – und es war nicht zu vergleichen! Mit Astoria fühlte er sich schmutzig und widerlich, aber mit Granger…! Mit Granger fühlte er sich lebendig und berechtigt, das hier zu tun!

 

Er küsste sie wieder, hart, erbarmungslos, während seine Hand ihre Brust durch ihren BH massierte, und sie seinen Rhythmus schnell erwiderte, ihm wild begegnete, und er rammte sich in sie. Härter und härter, bis er manisch wurde, nur noch ihr beider Keuchen vernahm und langsam, sehr langsam überkam ihn Erleichterung. Die Anspannung fiel, seine Stöße wurden weniger erratisch, weniger triebgesteuert, sondern beherrschter, kraftvoller, und sie löste den Kuss, als ihr Kopf zurückfiel, als sie stöhnend kam, und sein Name auf ihren Lippen, riss ihn mit. Er kam, wollte sie aber wieder küssen, holte ihren Kopf zurück, küsste sie innig, absolut verzehrend, und als es vorbei war lagen sie zitternd ineinander. Sein Schwindel, den der Orgasmus ihm hinterlassen hatte, klang langsam ab, und langsam entfernte er sich, setzte sich erschöpft auf seine Bettkante, und mühsam erhob sie sich ebenfalls, rückte neben ihn, und er starrte erschüttert auf den zerrissenen Stoff ihrer Bluse, die Fetzen ihrer Strumpfhose, die ihre Beine hinab hingen, die roten Striemen seiner Finger auf ihren Schenkeln, und er hatte sie nicht verletzen wollen. Sein Blick hob sich zu ihrem Gesicht, und sein Mund öffnete sich, als er erkannte, dass ihre Unterlippe blutete.

 

„Fuck, es tut mir so-“, begann er heiser, aber sie griff in sein halboffenes Hemd und zog ihn für einen weiteren Kuss zu sich. Seine Augen schlossen sich, und es beruhigte seinen kranken Kopf, wieder sich selber auf ihrer Haut riechen zu können. Als würde er sonst ertrinken, zog er sie wieder an sich, klammerte sich praktisch an ihr fest, und er könnte sie direkt noch einmal haben. Noch einmal nehmen. Komplett in ihr versinken, ihrer natürlichen Magie verfallen.

Mit vielen kleinen Küssen, beendete sie diesen Moment, rückte wieder von ihm ab, und er hatte versagt. Hatte nicht geschafft, sie in Ruhe zu lassen, sie zu vergessen, ihr Glück voran zu stellen.

 

„Es tut mir so unfassbar leid!“, murmelte er dennoch, und sie schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Mir nicht“, sagte sie lediglich. Er atmete erschöpft aus.

 

„Ich hätte nicht zu dir kommen dürfen heute. Ich hätte…“ Er suchte nach Auswegen, Entschuldigungen, aber sie griff nach seiner Hand. Unglücklich sah er in ihr Gesicht. „Du machst mit deinem Leben weiter, und ich… ich…“ Er hatte keine Worte für seine Scheiße, die er veranstaltete. „Ich halte dich auf“, schloss er bitter, aber sie lachte traurig.


„Malfoy“, sagte sie freudlos, „mein Leben geht nur weiter, wenn du da bist. Und in der Zwischenzeit… warte ich nur auf dich. Alles andere ist… ein billiger Ersatz.“

 

„Hermine“, widersprach er nur.

 

„Ich weiß, was du tust“, versicherte sie ihm. „Du bist… unbeschreiblich, und ich weiß, wie hart es ist. Wie furchtbar es sein muss. Und ich hoffe, Astoria ist wenigstens eine nette Abwechslung, damit es nicht immer nur Scheiße ist.“ Sofort sah er sie an. Es war nicht, wie sie dachte! Er hatte keinen Spaß mit- „Es ist ok!“, schien sie seine Gedanken zu lesen. „Wirklich“, versprach sie ihm.

 

„Es ist nicht ok!“, widersprach er nur.

 

„Astoria ist, was Sam ist“, sagte sie dann.

 

„Nein“, sagte er heftig. „Sam ist… der Richtige für dich. Sam ist das, auf das du dich konzentrieren solltest! Er ist es, der besser zu dir passt.“

 

„Ja“, sagte sie schlicht. „So wie Astoria für dich.“ Sein Mund schloss sich.

 

„Ist sie nicht!“, sagte er sofort. „Sie passt nicht! Sie ist-“

 

„-sie ist, wie du. Sie ist schön und klug, sie lebt in dieser Welt, in der du bist, und es wäre so viel einfacher, würdest du sie lieben.“ Und er sagte es, ohne nachgedacht zu haben.

 

„Ich liebe dich. Nur dich.“ Er hatte es nicht sagen wollen, aber offen gesagt, gab es keinen Grund, so zu tun, als würde es nicht stimmen. Und sie schluckte schwer und nickte dann.

 

„Und genau aus diesem Grund, passt Sam nicht“, wisperte sie mit glasigem Blick. „Und Astoria auch nicht.“ Sein Herz ging schnell. „Ich liebe dich auch“, flüsterte sie zitternd, und er küsste sie. Die Frau, die er liebte. Mehr als sich.

Aber sie schob ihn von sich. „Und jetzt öffnen wir die Tür, Malfoy.“

 

„Jetzt öffnen wir die Tür“, bestätigte er rau. Fast hatte er daran keinen Gedanken mehr verschwendet. Er sah ihr zu. Wie sie behelfsmäßig ihre Kleidung reparierte. Merlin, er war so scheiße, aber sie kommentierte es nicht weiter, wartete an der Tür auf ihn, und hastig verschloss er seine Hose, sein Hemd, und folgte ihr; mittlerweile wieder hellwach.

 

Gerne hätte er mehr mit ihr geredet, mehr erfahren, mehr erzählt, aber es ging nicht. Es war nicht die richtige Zeit. Schon dieses verbotene Intermezzo war zu viel gewesen!

 

Mit stummen Handzeichen gab er die Richtung an, führte sie so, dass keine Dielen knarzen würden, und sie überwanden die vielen Flure bis nach unten. Die Portraits schliefen in ihren Rahmen, schnarchten verhalten, und dann erreichten sie das Arbeitszimmer seines Vaters. Er kam nie gerne hier her. Nie.

Er öffnete die Tür lautlos, entfachte das schwache Licht auf dem Schreibtisch, und zog den Zauberstab seines Vaters aus der Tasche.

 

Stumm öffnete er die Luke mit dem entsprechenden Spruch, nur um diesen Spruch direkt mit seinem eigenen Zauberstab wieder zu löschen, falls sein paranoider Vater auf die Idee käme, zu überprüfen, welches der letzte Zauber gewesen war, der mit seinem Stab gesprochen wurde. Er traute es Lucius zu. Er traute Lucius alles zu. Die Luke erschien schmucklos in der Decke über ihnen, und eine Leiter klappte runter und offenbarte den Blick nach oben in den Dachstuhl.

 

„Lokations-Zauber“, entfuhr es Granger sofort. Sie war klug, die Frau seines Lebens, aber das wusste er bereits. Er ließ ihr den Vortritt, nur um ihr direkt zu folgen. Beide entfachten sie den Lumos-Zauber, als sie oben waren, und ihr Lichtkegel wanderte über den angesammelten Müll der Familie. Alte Skier, kaputte Bilderrahmen, Kisten über Kisten mit Bildern, Kleidung, Dekoration – alten Möbeln, neuen Möbeln, einer ganze Kollektion an Sesseln und Stühlen, die seine Mutter über die Jahrzehnte eingemottet hatte, aber Draco führte sie weiter, tiefer in die ewige Weite des stillen Dachbodens.

 

Dann erreichten sie die Tür. Schwer und schwarz, beschlagen und verzaubert. Rot glänzte die Magie, und Granger warf einen – wirklich nur einen sehr knappen –Blick auf das Holz. „Blut-Zauber“, sagte sie schlicht.


„Was?“, entkam es ihm ungläubig, und sie zuckte die Achseln.

 

„Rot ist das Zeichen für Blut. Dein Blut sollte reichen“, merkte sie an. Zwei Sekunden. Granger brauchte tatsächlich zwei verdammte Sekunden, um auf so einen Gedanken zu kommen? Wehe, es funktionierte, dachte er frustriert, als er sich mit dem Zauberstab die Handfläche aufschnitt und sie gegen das Holz presste. Er ignorierte den stechenden Schmerz, denn er kannte schlimmere Schmerzen, als diese.

 

Und unfassbarerweise erlosch der rote Schimmer.

 

„Das ist ein Witz“, murmelte er gereizt.

 

„Nein. Das heftige kommt erst“, bemerkte sie, als sie näher trat. „Es liegt eine Sicherung auf der Tür. Es wird nicht so einfach sein, die Tür zu öffnen. Sie wird eine Art Alarm auszulösen. Im schlimmsten Fall wird alles im Inneren zerstört.“

 

„Was? Woher-?“ Aber sie unterbrach ihn, deutete auf den Türspalt, der nun sichtbar war, und er erkannte die bebenden Funken im Innern. Eine Sicherung, Tatsache. Er trat zurück, als sie den Zauberstab zog, den Türspalt entlang fuhr und unbekannte Worte murmelte. Aber nichts geschah. Der Zauber blieb.

 

„Hat dein Vater bevorzugte Methoden?“, fragte sie, und Draco sah sie an. „Mag er lieber Flüche auf Feuer basierend, auf Eis? Aktiv, passiv? Irgendeinen Anhaltspunkt?“ Draco hatte keine Ahnung. Sie kannten sich nicht gut genug, als dass er so etwas wissen konnte.

 

„Dunkel“, sagte er knapp. Granger verdrehte die Augen.

 

„Die meisten dunklen Flüche sind aktiv, beruhen auf Schmerz. Am schmerzhaften ist Feuer“, fuhr sie gedankenverloren fort. Plötzlich schlug sie ihren Zauberstab mit lodernder Kraft gegen die Tür, und kurz breitete sich eine Art Kraftfeld über dem Holz aus, erfasste die Funken des Türspalts, aber kurz danach war alles unverändert. „Keine Feuer“, schloss Granger. „Dann wird es kälter sein.“ Wieder schlug sie ihren Zauberstab nieder, nur dieses Mal knackte das Holz vor Kälte und ein eisiger Schimmer glitzerte über die sehr feinen Schnitzereien der Tür. Die Funken im Spalt schienen zu knistern, ehe sie erloschen.

 

„Merlin!“, entkam es ihm. „Granger, verdammt“, fügte er anerkennend hinzu.

 

„Ich bin ein kluges Mädchen“, entgegnete sie achselzuckend. Das konnte er nur bestätigen und er griff nach dem Knauf. Die Tür war leichtgängig, schwang nach innen auf, und er erkannte einige Kisten, ordentlich gestapelt.

Aber etwas wesentlich wichtigeres erregte seine gesamte Aufmerksamkeit. Er hatte es Jahre nicht mehr gesehen. Er näherte sich, aber natürlich war es leer.

Das Denkarium seines Vaters stand leer und ungenutzt in der Mitte des Raumes.

 

„Irgendwo hier müssen Erinnerungen sein“, überlegte er dumpf.

 

„Das wäre töricht“, erwiderte Granger dann.


„Wozu hat er sonst eine geheime Tür auf einem versteckten Dachboden?“, sagte Draco dann, aber in keiner der Kisten offenbarte sich, was er suchte.

 

„Was sind das für Unterlagen?“, wollte sie wissen, aber er begann bereits, alles klein zu hexen, und seiner Tasche zu verstauen.

 

„Keine Ahnung, aber das kommt alles mit“, sagte er bloß. Er hatte nicht vor, wieder zu kommen. Das Denkarium ließ er derweil schon schweben. Das würde auch mitkommen. Hoch hob Granger den Zauberstab über den Kopf, leuchtete bis zu den Wänden, aber das war alles. Kein gestohlenes Gold, schwarzmagische Artefakte, verwesende Skelette. Einfach nur einige Kisten und ein leeres Denkarium. Sehr enttäuschend. Sie verließen die Kammer wieder, und Granger verriegelte die Tür sorgfältig, legte die Zauber wieder auf das Holz, und erneut musste er die Tür mit seinem Blut verschließen. Granger half ihm mit dem Spruch. Sie verließen den kalten Dachboden wieder, und unten angekommen, ließ Draco die Luke verschwinden, brachte Lucius‘ Zauberstab mit schnellen Schritten in den Salon zurück, und dann brachte er Granger zurück in sein Zimmer. Von hier aus würde er das Tor verschließen können, sobald sie appariert war.

 

„Das… ist gut gelaufen“, sagte sie etwas abwesend, als sie ihren Mantel wieder anzog, gefolgt von Mütze und Schal.

 

„Fandest du?“, entkam es ihm mit erhobenen Augenbrauen. Ein trauriges Lächeln zog an ihren Mundwinkeln. Ihre Unterlippe blutete nicht mehr, aber eine rote Stelle war geblieben.

 

„Na ja, ich fühle mich nicht sonderlich keusch und unschuldig, wenn ich meinen Abend überblicke“, bemerkte sie beinahe bitter, „aber dann wiederum ist es beinahe nostalgisch, dass ich nichts mit Sam haben kann, ohne dass…“

 

„Ohne dass was?“, wollte er lauernd von ihr wissen.

 

„Ohne dass du ihn übertrumpfen musst, Malfoy“, schloss sie fast nachtragend. Fast. Er betrachtete sie dunkel, denn er kannte sie besser, wusste, dass sie garantiert nicht nachtragend war, weil er sie nach allen Maßstäben hervorragend befriedigt hatte.

 

„Kann mich nicht erinnern, dass du Nein gesagt hättest, Granger“, erinnerte er sie bloß. „Und keusch und unschuldig ist auch nichts für mich“, ergänzte er achselzuckend. Sie verharrten voreinander, und er fand, die Frage, wann sie sich wiedersehen würden, hing praktisch zwischen ihnen in der Luft. Wiedersehen, mit Händen und Lippen, mit ihren Körpern ineinander verschlungen, aber er nahm an, das war eine sehr seltene, verbotene Ausnahme gewesen. Mit verdammten Liebesgeständnissen. Er schloss den Abstand zu ihr, denn jede Sekunde würde sie wieder gehen, ihn verlassen, verschwinden, für wusste Merlin wie viele Wochen und Monate.

 

Seine Hände schlangen sich sanft um ihren Hals, bogen ihren Kopf höher, und er küsste ihre Lippen. Sie umfasste seine Handgelenke, hielt seine Hände in Position, erwiderte den Kuss, und wehmütig löste er sich schließlich von ihr.

 

„Frohe Weihnachten, bis bald, Draco.“ Ihre Augen glänzten verdächtig.

 

„Frohe Weihnachten, Hermine.“

 

Sie verzichteten auf Liebeserklärungen, aber sein Herz schlug verräterisch schnell. Dann verschwand sie in der Nacht, so still wie sie gekommen war, und er verriegelte aus der Distanz die Tore des Anwesens, nachdem sie gegangen war. Es war ihm vorgekommen, wie der sprichwörtliche Abschied, den man erst wirklich begreift, wenn es zu spät ist.

 

Bevor er traurig wurde, in Selbstmitleid verging, weil er sie vermisste und nie wieder gehen lassen wollte, widmete er sich den gefundenen Dokumenten, die jetzt gerade wenig vielversprechend aussahen.

 

 

55. the fall of the family

 

Sie zwang sich, aufzustehen, auch wenn sie sich wie gerädert fühlte.

Es war acht Uhr. Ginny hatte mit Sicherheit entbunden! Ihre Gedanken hingen der Nacht nach. Fast war es unwirklich, dass sie hier mit Sam geschlafen hatte. Und Merlin, dass sie danach mit Draco Sex gehabt hatte! Sie kam sich fast schäbig vor, aber gleichzeitig… auch nicht.

Sie liebte Draco. Er liebte sie. Aber sie konnte ihn nicht haben. Es kam ihr alles schon wieder so sinnlos vor. Aber alleine wegen Dracos Aufwand, würde sie nichts riskieren. Sie würde ihn nicht mehr sehen.

 

Und sie fragte sich, was passieren würde, wenn er etwas gegen seinen Vater fand. Wenn Lucius noch dieses Jahr verhaftet werden würde. Änderte das dann etwas an der Vorhersage?

 

Sie hatte sich oben im kleinen Bad rasend schnell geduscht, sich angezogen – die Sachen von gestern könnte sie in die Tonne werfen, dacht sie noch beschämt – und trocknete ihre Haare mit dem Zauberstab. Sie verließ das Schlafzimmer und begegnete Ron auf der engen Treppe.

 

„Hey, du bist ja spät dran“, erkannte er überrascht. „Hätte gedacht, du wärst seit sechs Uhr wach“, ergänzte er gähnend. Wäre sie wahrscheinlich gewesen, wäre ihre Nacht nicht so ereignisreich verlaufen.

 

„Ich war müde“, räumte sie bloß ein.

 

„Ja? Wie lange war Sam noch hier?“, fragte er, wie es Draco auch getan hatte, und wieder wurde sie knallrot, aber eher, weil sie daran dachte, was mit Draco passiert war. Nicht wirklich mit Sam. „Oh“, bemerkte Ron vielsagend, und Hermine verdrehte die Augen.

 

„Ich werde nicht mit dir darüber reden, Ron.“

 

„Brauchst du nicht, Liebes. Wirklich nicht“, erwiderte Ron lächelnd. Sie schüttelte den Kopf über ihn.

 

„Ist Pansy wach?“, wechselte sie das Thema energisch.

 

„Machst du Witze? Pansy scheint gefühlt achtzehn Stunden zu schlafen“, erwiderte er prustend.

 

„Es läuft gut mit Pansy?“, fragte sie, und kurz schien er nachzudenken.


„Es läuft gut mit Pansy“, bestätigte er, fast überrascht. Sie schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Ich bin stolz auf dich“, sagte sie dann.

 

„Danke“, entgegnete er offen, und sie erreichten das Erdgeschoss, bogen ab zur Küche, und Arthur hatte bereits Frühstück vorbereitet.

 

„Morgen, Kinder“, begrüßte er sie fast feierlich. Und Ron und sie sahen ihn erwartungsvoll an. „Das Baby ist da!“, platzte es aus ihm raus. „Vor zwei Stunden gekommen, und… die Eltern und das Baby ruhen sich jetzt aus, wie auch meine liebe Frau“, ergänzte er zufrieden.

 

„Ist alles gut gegangen?“, fragte sie sofort.

 

„Was ist es?“, wollte Ron wissen.

 

„Alles ist gut gegangen, alle sind gesund. Es ist ein Junge“, eröffnete Arthur ihnen glücklich.

 

„Ja!“, entkam es Ron triumphierend. „Ich wusste es!“ Abwesend war Hermine dankbar, dass sie ein dummes blaues Lama gekauft hatte. Sie strahlte glücklich, umarmte Arthur und Ron, und konnte es nicht erwarten, das Baby zu sehen.

 

„Er heißt James Sirius Potter“, schloss Arthur. Das hatte Hermine bereits gewusst. Ginny hatte ihr schon gesagt, welche Namen sie ausgesucht hatten, und es gefiel ihr über alle Maßen gut.

Auch Percy und Audrey mit den Zwillingen auf den Armen, betraten die Küche, und Arthur konnte mit den guten Neuigkeiten nicht an sich halten. Begeisterung brach los, es wurde sich erneut umarmt, und dann wurden die alten Babystühle rausgeholt und es fand ein gemütliches Frühstück statt, ohne Pansy, die ihren Murmeltierschlaf hielt.

Erst gegen zehn tauchte sie auf, und Hermine fand es immer noch eigenartig, Pansy hier zu sehen, zu denken, dass sie… jetzt einfach hier war. Hier mit ihnen existierte. Dass sie ihre Vergangenheit aufgegeben hatte. Für… Ron. Ron war keine schlechte Wahl, ein guter Mensch, aber er lag doch weit aus Pansys Spektrum entfernt, fand Hermine abwesend. Sie nahm an, es war auch für Pansy schwer, aber Pansy schien einen Charakter zu besitzen, der sich Kummer und Schmerz nicht anmerken zu lassen schien. Ähnlich wie bei Draco. Sie waren sich ähnlich, diese Reinblüter. Als bekämen sie es beigebracht, dass unnötige Emotionen unangemessen waren.

 

Gerne würde sich Hermine irgendwem anvertrauen, aber sie wusste nicht, wem. Und tatsächlich käme im Moment nur Pansy für sie in Frage. Aber es war keine gute Idee, und es war kein guter Zeitpunkt.

 

Gegen Mittags verließen Arthur und Ron den Fuchsbau, um den Rest der Familie abzuholen, denn wie Molly sie über Floh informiert hatte, durften Ginny und das Baby das Mungo verlassen.

Alle waren damit beschäftigt, aufzuräumen, bereits das Essen vorzubereiten und die Geschenke unter den Baum zu legen (die meisten waren allerdings für das Baby, wie Hermine am Papier erkannte). Harry, Ginny und das Baby würden noch einige Tage hier bleiben, ehe sie zurück nach Godric’s Hollow gingen. Ron und George hatten jedoch eine Wette am Laufen, dass die Potters es nicht schaffen, würden, noch dieses Jahr zurückzugehen. Hermine hatte sich an dieser Wette nicht beteiligt, nahm aber auch an, dass Ginny besser hier aufgehoben wäre.

 

Und dann ging alles ziemlich schnell.

Die Kutsche kam an, gerade als die ersten Flocken zu fallen begonnen hatten. Hermine begriff, dass Baby James an Heiligabend geboren worden war, und sie ging stark davon aus, dass ihm das später überhaupt nicht gefallen würde. Aber heute war es einfach das Weihnachtswunder, auf das sie gewartet hatte.

George und Angelina waren bereits wieder hier, die Zwillinge quengelten in ihrem Laufstall, weil auch sie schon wussten, dass etwas außergewöhnliches passierte, und dann öffnete Arthur die Haustür und Ron und George halfen mit den verschiedenen Kleinigkeiten, die Ginny wohl im Mungo geschenkt bekommen hatte. Immerhin war sie Mrs Potter, und über Harrys künftiges Baby war schon in sämtlichen magischen Zeitungen berichtet worden.

 

Und tatsächlich war Pansy die erste, die Ginny gratulierte, sie umarmte, Tränen vergoss, als sie das winzige Baby erkannte, und Hermine wartete höflich und verhalten im Hintergrund, als auch Angelina und Audrey zunächst den Weg zu Ginny fand und anschließend ihre Brüder.

Mit glänzenden Augen suchte Ginny dann ihren Blick, und Hermine wagte es, näher zu kommen. James war winzigklein. Viel zu klein! Er war in dicke Decken gewickelt und schlief mit tiefen Atemzügen und schweren Augenlidern. Er war perfekt. Er sah aus wie Ginny. Er sah aus wie Harry. Hermine konnte sich gar nicht entscheiden.

 

„Er ist perfekt“, hauchte sie glücklich, drückte Ginny vorsichtig, und Ginny erwiderte das Lächeln müde.

 

„Alles gut bei dir?“, fragte sie dann, und Hermine winkte ab.

 

„Sicher ist alles gut, Ginny! Was für eine Frage!“ Ginny lehnte sich näher zu ihr.

 

„Ron hat erwähnt, Sam ist über nacht geblieben?“, flüsterte sie vielsagend, und Hermine verdrehte die Augen. Dass Ron seine Schwester nicht einfach einmal nicht mit dummen Details nerven konnte! Dass Ginny dafür überhaupt Intersse aufbringen konnte.


„Wir können darüber noch in den nächsten Tagen sprechen“, sagte Hermine eindeutig. „Ich glaube, es gibt wichtigeres!“, sagte sie still, während sie wieder James betrachtete.

 

„Du bist genauso wichtig. Immer, Hermine“, erwiderte Ginny liebevoll. Hermine drückte sie noch mal.


„Ich möchte nur noch über James sprechen, dieses Jahr. Erzähl mir alles“, bat sie, zog Ginny mit sich zur Couch, damit sie es sich bequem machen konnte. Die Zwillinge standen auf ihren Stummelbeinchen wackelig am Gitter des Laufstahls und versuchten ebenfalls, das Baby zu sehen. Anscheinend hatten sie reges Interesse am Neuankömmling.

 

Molly hatte wohl noch mit den Kutschern gesprochen, denn jetzt kam auch sie, begrüßte die anderen, räumte mit einer Hand auf, während sie mit der anderen ihrem Mann gestikulierend bedeutete, frischen Tee aufzusetzen, während Ron die neuen Sachen oben ins Gästezimmer zu bringen hatte, wo Ginny sich gleich ausruhen sollte. Wenn das Baby schlief, hatte Ginny ebenfalls zu schlafen.

 

Der Kommando-Ton der Mrs Weasley hatte etwas tröstliches, und Hermine froh, dass Molly wieder da war. Sie wurde von ihr auch kurz gedrückt, zu ihrer Rolle als Patentante beglückwünscht, und ebenfalls Pansy bekam einen Schwung Liebe mit ab. Die Frauen sollten ihr dann helfen, den Tisch fertig zu decken, denn nach dem Essen, sobald Ginny und das Baby wieder wach waren, würde es Bescherung geben – ohne Widerworte.

 

Harry stand völlig neben sich, konnte seinen Blick kaum vom Baby wenden, und Ron und George schlugen ihm kameradschaftlich auf die Schulter, während Arthur für Harry ein Glas Scotch vorbereitete, zur Feier, wie er meinte.

 

Der Trubel, der herrschte, war Hermine doch angenehmer, als sie angenommen hatte. Sie vergaß ihre eigenen Sorgen und Probleme vollständig, und es war ein perfekter Tag. Wirklich perfekt. Sam und Draco kamen ihr keine Sekunde in den Sinn.

 

~*~

 

„Frohe Weihnachten! Schön, euch zu sehen!“, begrüßte seine Mutter die Greengrasses, die Weihnachten hier verbrachten. Alles war geschmückt, bis ins letzte Detail dekoriert, und der Bratenduft erfüllte das gesamte untere Stockwerk. Lange hatte nicht mehr so ein oppulentes Fest gefeiert, hatte seine Eltern das letzte Jahr nicht mal besucht.

 

Alle begrüßten sich, nicht sonderlich herzlich, nicht sehr emotional, aber Astoria schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Wir sind gleich da“, versprach er dann, ergriff ihr Hand und zog sie mit sich.


„Nicht zu lange, Draco!“, warnte Narzissa ihn, aber er hörte, sie meinte es eher halbherzig, schien sich sehr darüber zu freuen, dass er Interesse an Astoria hatte – und das tat Astoria auch.


„Hey“, sagte sie. „Langsam. Ich habe dich auch vermisst, Draco“, sagte sie, und er hatte tatsächlich zu gute Laune nach gestern Nacht, als dass er die Augen verdrehen wollte. Stattdessen wandte er sich um, zog Astoria kurz an sich und küsste sie verlangend auf die Lippen. Er gewöhnte sich an das Mädchen, aber es stellten sich keine großartigen Gefühle ein. Fast tat es ihm ehrlich leid. Aber wirklich nur fast. Überrascht sah sie zu ihm auf, denn selten ergriff er ungefragt die Initiative.

 

„Hey“, begrüßte er sie freundlich. Ihr Blick wurde glasig.


„Du siehst gut aus“, hauchte sie glücklich.

 

„Ich muss mit dir reden“, sagte er ernster, zog sie weiter, und er wusste, es war absolut entscheidend, dass er Astoria von dem Plan überzeugte. Dass sie weiterhin auf seiner Seite war.

 

„Ok?“, sagte sie, die Freude etwas gedämpft.

 

„Ich habe dir etwas verschwiegen, und ich möchte dich gerne einweihen, weil… du meine Verlobte bist. Weil wir eine Familie sein werden, und weil ich auf deine Unterstützung hoffe“, erklärte er, als er wahllos eines der Lesezimmer betrat, die sich im Erdgeschoss befanden.

 

„Du machst mir Angst, Draco“, sagte sie ehrlich, und er führte sie zu einer Couch. Sie setzte sich erwartungsvoll.

 

„Es war mir möglich, Material zu finden, dass Lucius ernsthaft belasten kann“, eröffnete er mit stiller Stimme. Ihre Augen wurden langsam groß. „Ich habe keine gute Beziehung zu meinen Eltern, Astoria. Ich nehme aber an, das war dir klar? Es hat allerdings nichts mit dir zu tun. Und da diese Entscheidung unser Zusammenleben maßgeblich beeinflusst, will ich es vorher mit dir besprechen.“ Sie starrte ihn an.

 

„Was heißt das? Ernsthaft belasten?“, wollte sie verstört wissen.

 

„Askaban“, erklärte er tonlos, und seine Stimme zitterte vor stiller Vorfreude. Denn er hatte Lucius am Arsch! Zumindest hatte er genug gefunden, um ihm zumindest Betrug und Steuerhinterziehung vorwerfen lassen zu können, und das würde Lucius nicht mit einem Bußgeld lösen können. Es würde Draco zumindest einige Jahre Zeit verschaffen, und wusste Merlin, was nach Becks Geständnis noch an Jahren in Askaban dazu kam!

 

„Askaban?“, wiederholte sie entrüstet. „Du willst deinen eigenen Vater nach Askaban bringen?“ Sie verabscheute ihn jetzt gerade.

 

„Vorgestern“, bestätigte er jedoch lediglich, ohne mit der Wimper zu zucken.

 

„Draco“, sagte warnend, im Begriff sich zu erheben.

 

„Ich werde es mit oder ohne deine Unterstützung tun, Astoria“, erwiderte er.

 

„Das ist nicht dein ernst!“ Sie stand wütend auf. „Und damit willst du jetzt Weihnachten verderben?!“ Er wusste ehrlich nicht, was es hier noch zu verderben gab, und sah sie einfach nur an.

 

„Es hat nichts mit mir-“, wiederholte er bloß, aber sie lachte freudlos auf.

 

„-nichts mit mir zu tun? Ich soll Herrin dieses Hauses werden, werde in die Gesellschaft aufgenommen – und du willst Lucius Malfoy, den Vorsitz des Clubs nach Askaban bringen? Euer Status-!“, fuhr sie fort, aber er hob die Hand.

 

„-es hätte keinerlei Einfluss auf irgendeinen Status, Astoria“, knurrte er. „Wenn, dann würde es dem Familiennamen gut tun, dass Lucius eine zeitlang weg vom Fenster wäre“, ergänzte er bitter. „Was das Vermögen angeht, die Anlagen, die Immobilien, die Fonds, die Verliese – die dreitausend anderen Dinge – dem würde nichts passieren!“, beteuerte er. „Mit Lucius in Askaban fällt alles auf meine…“ Er unterbrach sich, bevor er weitersprach. Denn nein. Es fiel nicht auf seine Mutter, und das wusste Astoria wohl auch.

 

„Nein, Draco. Verfügung über die Konten, alle Vollmächte hat der, der den Titel trägt.“ Ja, er wusste das. Oder hatte das irgendwann mal gewusst. Sein Mund schloss sich. Er trug den Titel nicht. Es hatte nie Anlass bestanden, den Titel seines Vaters zu übernehmen. Er hatte darauf verzichtet, aus offensichtlichen Gründen. Gab es keinen Titelträger in der Familie, würden die Konten und alles Weitere eingefroren werden, bis Lucius Askaban verließ.

 

„Okay“, sagte er dann blind.

 

„Okay?“, wiederholte Astoria ungläubig.

 

„Es ist eine Formalität. Ein… nettes Weihnachtsgeschenk.“

 

„Damit bist du verpflichtet, die Familiengeschäfte fortzuführen, das Vermögen-“

 

„-das ist mir klar, Astoria“, unterbrach er sie.


„Wie willst du das als AIT machen? Du hast keine Zeit, dich vollumfänglich dem Malfoy-Vermögen zu widmen.“ Draco sah zur Seite. Die einfache Möglichkeit wäre, alles einfrieren zu lassen. Lucius verhaften zu lassen – und dann könnte seine Mutter sehen, wo sie bleibt. Die Frage war, was Astoria tun würde. Er sah sie an.

 

„Willst du mein Gold oder willst du mich?“, fragte er sie jetzt direkt.


„Was?“ Sie starrte ihn ungläubig an.

 

„Ohne Titel bin ich das wert, was jetzt vor dir steht.“

 

„Ohne Titel wird mein Vater diese Geschichte so schnell annullieren lassen, dass du nicht mal gucken kannst“, informierte sie ihn tonlos.

 

„Dann ging es dir um Gold?“, entkam es ihm scharf.

 

„Mir? Nein! Mir ging es um…- ich hatte keine Ahnung, dass du deinen eigenen Vater verhaften lassen wolltest!“

 

„Ich würde mal behaupten, dass hattest nicht die geringste Ahnung, wer ich bin oder was ich wollte. Aber das ist es jetzt. Ich stelle dich vor diese Wahl.“

 

„Ich bin schwanger! Wie kannst du mir das antun?“, wollte sie empört von ihm wissen.


„Ich dir? Wie kannst du es mir antun? Du hast das getan – es entschieden, für uns beide, Astoria!“ rief er jetzt, und sie rang um Fassung. „Du wolltest doch meinen Eltern eröffnen, dass wir nicht hier wohnen werden!“

 

„Das ist wohl noch mal eine ganz andere Hausnummer, als das, was du heute vorhast!“, fuhr sie ihn an, und er atmete schließlich aus.

 

„Gut, dann spielen wir es durch. Ich lasse Lucius verhaften, ohne Titel, ohne alles. Dein Vater löst unsere Verlobung – und dann?“ Wütend sah er sie an.

 

„Dann lasse ich dich wegen Vergewaltigung verhaften“, schloss sie, als wäre es simpel. „Denk ja nicht, dass du so einfach davon kommst, Draco“, warnte sie ihn jetzt, die Stimme eisig kalt. „Glaub ja nicht, dass ich dir vertraue“, ergänzte sie scharf. Enttäuscht atmete er wieder aus.

 

„Und wenn ich den Titel habe?“

 

„Was soll das heißen?“

 

„Wenn ich Vollmacht habe – vollumfänglich, stehst du dann zu mir? Oder muss ich dann immer noch Angst haben, dass du gehst?“, wollte er wissen.


„Seit wann hast du Angst, dass ich gehe?“ Misstrauisch sah sie ihn an.

 

„Astoria, ich bespreche es alles mit dir. Vorher. Nicht hinterher. Weil ich wissen muss, was du denkst. Weil es mich kümmert, verstehst du das? Du bist die Mutter meines Kindes. Ich will nicht, dass es dir an verdammt noch mal irgendetwas fehlt! Weil ich bereit bin, den scheiß Titel zu tragen, damit das hier weiterlaufen kann“, sagte er zornig. „Und wenn du mich willst, dann wirst du damit zurechtkommen müssen, dass ich meinem Vater die gerechte Strafe zuteilwerden lassen möchte!“

 

Unglücklich sah sie ihn an. „Das hier ist keine Heile-Welt, falls du das geglaubt hast. Bevor du in meinem Leben warst, hatte ich dieselben Pläne. Und wenn du mich abschießen willst dafür, wenn du zu jung bist, wenn das alles zu viel für dich ist – dann… lass mich verhaften.“ Es war das letzte Ultimatum, und sein Herz schlug schneller.

 

„Du… würdest das alles tun und bei mir bleiben?“, fragte sie ihn schließlich.

 

„Natürlich. Es wäre für dich gesorgt. Was für eine Frage soll das sein?“

 

„Wie willst du alles schaffen? Die Ausbildung? Arbeiten in der Mysteriumsabteilung, das Unternehmen deines Vaters leiten? Die ganzen Anlagen?“

 

„Es wäre nicht deine Sorge.“

 

„Draco-“

 

„-es ist nicht deine Sorge, Astoria. Wenn ich dir sage, ich schaffe das, dann schaffe ich das.“

 

„Meine Eltern… würden ausrasten“, flüsterte sie.


„Und?“, war alles, was er dazu sagte. Er war sich nicht völlig sicher, was er ihr versprach. Sollte sie all sein Gold bekommen, das war ihm einerlei. Er nahm an, im schlimmsten Fall sprachen ihre Eltern nicht mehr mit ihr, und sobald er konnte sobald sicher war, dass Granger nicht sterben würde, würde er sie fallen lassen. Am besten seinen Sohn noch mitnehmen…. Aber wahrscheinlich funktionierte es nicht ganz so einfach. Aber dann wiederum… war es ihm grundsätzlich auch egal, was mit ihr passierte. Sie würde genügend Gold haben, um sich abzusichern, nie mehr zu arbeiten – sie würde mit dem Begriff ‚Hungertuch‘ nie etwas anfangen können. Das sollte reichen, dachte er grimmig. Alles Weitere betraf ihn nicht.

„Dann rasten sie halt aus“, provozierte er sie lediglich, ließ sie nicht aus den Augen. Er sah ihre Angst deutlich. Sie hatte ihren Eltern wohl noch nie zuwider gehandelt, hatte – neben ihrer saublöden Idee von ihm schwanger zu werden – wohl noch nie die Regeln gebrochen. Es war ein großer Schritt für sie.

 

Dumm, dass Liebe so unfassbar blind machte, dachte er, als sie unbewegt mit dem Kopf nickte.

 

„Ich bleibe bei dir, Draco“, brachte sie ihm ihr persönliches Opfer, und seine Mundwinkel hoben sich. Braves Mädchen, dachte er bitter. Dummes, braves Mädchen.

 

„Du machst mich zum glücklichsten Mann, Astoria!“, versprach er ihr lächelnd, und scheu erwiderte sie das Lächeln, die Augen vor Angst noch immer weit. Er küsste sie, denn immerhin war es Weihnachten.

 

 

56. auld lang syne

 

Es war… nach allen Maßstäben unfassbar, was innerhalb einer Woche passieren konnte. Hermine kam überhaupt nicht dazu, etwas anderes zu tun, als zu lesen und sich um das Baby zu kümmern.

So auch Harry. Auch Ginny saß stillend auf der Couch, absolut selbstvergessen, während James an ihrer Brust längst eingeschlafen war, und Ginny den ellenlangen Artikel über die Verhaftung von Lucius Malfoy verschlang.

 

„Wie hat er das geschafft?“, murmelte Harry ihr zu, während er die Still-und-Leise-Raketen aus Georges Laden im Wandschrank unterbrachte.

Harry und Ginny hatten es noch vor Neujahr nach Hause geschafft, und heute Abend würden sie mit Pansy und Ron Silvester bei den Potters feiern. Mit Feuerwerk, das keinen Laut machen würde – nur eine wunderschöne Show.

 

„Keine Ahnung“, erwiderte sie wahrheitsgemäß.

 

„Und dazu noch die Ministeriumsverhandlung mit den Mitarbeitern der Mysteriumsabteilung? Viele Zufälle, findest du nicht?“ Ja, für einen Außenstehenden mochte es tatsächlich so wirken, nahm sie ausdruckslos an.

 

„Sehr viele“, bestätigte sie also. Harry fixierte sie näher.

 

„Wie… geht es dir? Ich meine, ich denke nicht, dass er wieder kommen wird, wenn er… die Familiengeschäfte übernehmen muss“, sagte er nachdenklich. „Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er seine Verlobung aufrecht erhält.“

 

„Mir geht es gut“, sagte sie schlicht. „Ich bin drüber weg, Harry. Wir haben alle unser eigenes Leben, und… ich bin hier sehr gut ausgelastet“, log sie einfach, denn was sollte sie Harry sonst erzählen? Er hatte bewiesen, dass kein Geheimnis bei ihm sicher war – also gab es für sie keinen Grund, ihm zu vertrauen.

 

„Es ist traurig“, erwiderte er kopfschüttelnd.


„Nicht wirklich. Diese Verbindung war ohnehin unwahrscheinlich“, schloss sie das Thema ab. „Vielleicht solltest du James in sein Bett bringen und deine Frau entlasten“, schlug sie lächelnd vor, und Harry nickte ihr glücklich zu. Er liebte James. Hermine fand es wunderschön, Harrys väterliche Zuneigung beobachten zu können. Ron wirkte mittlerweile auch schon vollkommen ungeduldig, schien nur auf Pansys Entbindung zu warten. Sie sahen sich bereits Häuser in Godric’s Hollow an, wie Pansy ihr erzählt hatte.

 

Hermines Traum. Das war ihr Leben gewesen, was Pansy jetzt lebte. Genau wie es ihr Leben hätte sein können, das Astoria jetzt führte. Hätte sie nur nicht… immer einen Verhütungszauber benutzt. Aber… sie wollte beide Leben nicht führen. Malfoys Schicksal schien immer aussichtsloser zu werden.

Sie hatte gelesen, er hatte seinen Titel beantragt, und würde wie sein Vater Lord Malfoy sein. Sie wusste nicht, wie sie es finden sollte. Wie sie überhaupt darauf zu reagieren hatte, dass er jetzt vollumfänglich über das Vermögen verfügte.

 

Es musste unfassbar schwer für ihn sein. Und heute endete dieses Jahr. Ihr erstes Jahr mit Draco Malfoy. Vielleicht ihr letztes Jahr mit Draco Malfoy, je nachdem, ob sie es am Ende tatsächlich schafften – oder ob sie nicht doch noch sterben würde. Noch war Goodwin nicht zu ihr gekommen, hatte ihr gesagt, dass sich ihr Schicksal magisch geändert hatte. Noch war nichts passiert. Sie schienen alle genau auf dieses Schicksal hinzuarbeiten, und manchmal lag sie nachts wach und fürchtete sich.

 

Aber das sagte sie keinem. Ihre Finger spielten abwesend mit der Otterkette, die sie begonnen hatte, täglich zu tragen.

 

Malfoy war ein Lord, verlobt, dabei, Vater zu werden, steinreich, hatte seinen Vater verhaften lassen – oder war im Begriff, dies zu tun, je nachdem, wie lange diese Verhandlung dauern würde.

Harry und Ginny waren Eltern, Ron und Pansy würden Eltern werden, ein Haus in der Nachbarschaft kaufen – und sie? Was hatte sie? Eine Morddrohung – die sich allem Anschein nach erfüllen würde. Sinnlose Affären, die zu nichts führten.

 

Draco würde das jetzt durchziehen, begriff sie. Und wie hoch standen die Chancen, dass er Astoria tatsächlich verlassen würde? Nach all dem?

 

Sie wusste es nicht zu sagen. Sie seufzte tief.

 

Am liebsten würde sie im Ministerium sein, den Verhandlungen beiwohnen, wissen, was Draco tat, wo er war, was er sagte – wie gefährlich es sein würde. Alles. Sie wäre so gerne für ihn da, würde ihn unterstützen wollen, und bitter hoffte sie, dass Astoria wenigstens einen ansatzweise guten Job leisten würde, dies zu tun.

Es war so kompliziert.

 

Sie musste abschalten. Sie musste einfach. Heute war Silvester. Ron und Pansy kämen in einer Stunde – sie würde sich jetzt umziehen, sich schick machen, ein letztes Mal dieses Jahr.

 

Und vielleicht käme Sam heute Abend? Sie wusste nicht, wie sie verblieben waren. Noch eine weitere Baustelle, bei der sie nicht sicher war, wohin es führen würde. Zeit, dass das Jahr zu Ende war, dachte sie seufzend.

 

~*~

 

Sein Kopf schmerzte. Er hatte die letzten Tage wenig geschlafen. Neben den dreihundert Zauberern, die das Herrenhaus Kopf stellten, hauptsächlich auf der Suche nach den fehlenden Erinnerungen, hatte er sich noch mit einem Dutzend Ministeriumsangestellten rumzuärgern, die seine Unterschrift für sämtliche Konten benötigten, die Lucius geführt hatte – und gleich, nachdem er die Not-Hauptversammlung der Firma verlassen würde, konnte er zurück ins Ministerium, denn heute wurden Beck und Welsh erneut mit Veritaserum befragt.

 

„Mr. Malfoy“, fuhr der Finanzwalter fort, und Draco hatte in den letzten Tagen nur grob erfassen können, dass die Malfoy Group diese Tage überwiegend in magische Absicherung und Versicherungen investierte, „ich lege Ihnen nahe, das Konzept nicht großartig zu ändern. Der Betrug Ihres Vaters hatte nichts mit dem Unternehmen als solches zu tun, ein kompletter Belegschaftswechsel wäre fatal“, schloss er dann. Draco hatte keine Ahnung. Draco hatte vor allem keine Lust. Was er wusste, war, dass sein Vater irgendwelche Informanten geschmiert hatte – mit Unsummen an Gold, und dass er dieses wiederum steuerlich abgesetzt hatte, als Spesenausgaben. Wohl einerseits um zu sparen, andererseits um die Geschäfte zu verdecken.

 

„Das hätte auch noch Zeit“, räumte er seufzend ein. „Es geht mir auch nicht um eine Neubesetzung“, ergänzte er. „Ich will einfach wissen, wie sicher die Investitionen sind – und wenn möglich wie korrupt und angreifbar“, ergänzte er, und erntete schockierte Blicke, die er augenverdrehend abtat.

 

„Mr. Malfoy“, begann der Finanzwalter namens Hobbes erneut, „nichts, was hier stattfindet ist in irgendeiner Wieie korrupt.“ Allein diese Aussage klang für ihn schon grenzwertig.

 

„Die Versicherungen sind für Reinblüter. Ausschließlich“, ergänzte er vielsagend.

 

„Nun, andere Mitglieder der magischen Gesellschaft würden nichts mit einer Vermögensversicherung anzufangen wissen“, erklärte Hobbes eindeutig.


„Das hört auf“, sagte er nur. Hobbes‘ Augen weiteten sich.


„Mr. Malfoy, Sir, bei allem Respekt-“

 

„-bei allem Respekt“, wiederholte er ernster, „es ist jetzt meine Firma, und ich verbiete einseitige Versicherungspolicen, die nur Reinblüter bevorteilen, Mr. Hobbes. Ich denke, davon wird das Unternehmen nicht zusammenbrechen, oder irre ich mich?“

 

„Die Dividenden würden zumindest-“

 

„-Merlin, wir sind alle reich genug“, informierte er den Mann mit den grauen Haaren vor sich entnervt. „Genug mit Reinblüter-Übervorteilung. Ist das angekommen?“, fragte er in die Runde.

 

„Wir werden Ihnen den neuen Plan im neuen Jahr vorlegen, Mr. Malfoy, Sir“, beendete Hobbes schließlich die Sitzung, den Blick gesenkt, und Draco schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Er erhob sich, und mit ihm der gesamte Raum.


„Ich wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr, und… es tut mir leid, dass Sie jetzt mit mir vorlieb nehmen müssen“, verabschiedete er sich knapp und verließ den Raum. Aus den Augenwinkeln erkannte er das Büro der Geschäftsführung, was noch den Namen seines Vaters trug. Aber bald würde dort sein Name stehen. Er hoffte nur, er konnte irgendeinen Vertreter schicken. Er hoffte es sehr.

 

„Mylord“, wurde er draußen mit einer Verbeugung begrüßt, und er zog den Mantel enger um seinen Körper.

 

„Halt ja deine Schnauze“, warnte er Blaise, den er aber erwartet hatte. Blaise schenkte ihm ein dreistes Grinsen.

 

„Und wie lief der erste Stabssitzung, vorsitzender Geschäftsführer, Lord Malfoy?“, ärgerte er ihn erneut, und Dracos Mundwinkel erreichten einen neuen Tiefpunkt.

 

„Ich muss es tun. Astoria-“

 

„-ja, ja. Das Reinblüter-Glück…“ Blaise strahlte ihm entgegen.

 

„Ich werde dich schlagen“, informierte Draco ihn abwesend.

 

„Malfoy, Malfoy. Was für Talente in dir schlummern. Dass du den Alten tatsächlich verhaften lässt!“

 

„Mal sehen für wie lange“, bemerkte Draco. Denn bisher belief sich die Haftstrafe lediglich auf ein Jahr mit Bewährung, wenn nicht noch weitere Beweise gefunden wurden. Dazu kam eine siebenstellige Goldstrafe. Und das war allein die Strafe der Finanzabteilung. Wofür das Gold benutzt worden war, und wer warum hatte geschmiert werden müssen – das war noch nicht raus.

Aber Shacklebolt verbrachte Tag und Nacht mit der Lösung dieses Problems.

 

„Ich bin beeindruckt.“

 

„Brauchst du nicht zu sein“, versicherte Draco ihm bloß, während sie zügig durch die Winkelgasse marschierten. Einige Reporter hatten sich bereits an ihre Fersen geheftet.

 

„Ich wollte dich heute zum Feiern einladen, aber wahrscheinlich… bist du gebunden?“ Die Aussicht, das Herrenhaus nicht sehen zu müssen, war Grund genug, dass er den Blick hob.

 

„Ich nehme dankend an“, sagte Draco erleichtert. „Meine Verlobte und ich kommen gern“, ergänzte er dann. Blaise schnalzte mit der Zunge.


„Du machst wirklich ernst. Ich muss sagen…, du hast den ultimativen Jackpot abgeräumt. Der Tyrann aus dem Haus, und deine Verlobte ist eine-“

 

„-eine was?“, unterbrach er seinen besten Freund, auch wenn Astorias Ehre ihm am Arsch vorbei ging. Aber er war Draco Malfoy, und niemand beleidigte, was zurzeit ihm gehörte. Dazu zählte er Astoria. Sie trug sein Kind in sich. Das war alles, was wichtig war.

 

„Eine reizende junge Dame“, fing Blaise sich grinsend, und Draco nickte knapp.

 

„Vielen Dank für deine Gastfreundschaft“, sagte Draco schließlich, und Blaise schüttelte grinsend den Kopf, während sie zurück ins Ministerium gingen. Blaise war heute sein moralischer Beistand, da seine Mutter ihm bereits geschworen hatte, kein Wort mehr mit ihm zu reden. Das immerhin hatte es sehr einfach gemacht, durchzusetzen, dass er und Astoria ein eigenes Haus erwerben würden. Und das war praktisch, denn dann hatte Astoria ein Anwesen für sich allein, wenn er sie verlassen würde.

 

Sein Leben war ihm zu anstrengend geworden. Praktisch über Nacht.

 

~*~

 

Kingsley wusste, im Moment galt es, nicht nachlässig zu werden. Es war ein wichtiger Zeitpunkt innerhalb der Ermittlungen. Dass Lucius überhaupt in der Verwahrung saß, war ein immenser Schritt, allerdings war dieser Zustand nur solange wertvoll, sofern sie in der Lage wären, darauf aufzubauen. Malfoy Manor wurde durchkämmt, aber neben einigen weiteren schwarzmagischen Artefakten gab es wenig, um Lucius zu belasten. Ein geheimer Raum allein half ihnen nicht.

Der Zorn der Finanzabteilung war Lucius sicher, das war immerhin eine Erleichterung, aber im Kontext war die Steuerhinterziehung wohl eher ein Kavaliersdelikt für Lucius Malfoy. Und nicht mal da gab es einen Anhaltspunkt, mit wem die Geschäfte gemacht worden waren. Sicher, sie wären in der Lage die komplette Malfoy Group zu verhören, Vorladungen zu schicken – aber… letztendlich wäre vielleicht nichts weiter als irgendeine Mantelgesellschaft geschmiert worden, die nicht einmal das war, was sie zu sein schien, und dann war unnötig Aufwand betrieben worden.

 

Als er den Raum zum Verhör betrat, war Draco bereits anwesend. Sie begannen mit Beck, und fast empfand Kingsley etwas wie Schuld. Es war ein alter Kollege, jemand, der seine Strafe dem Grunde nach bekommen hatte. Allerdings unterlagen sie alle denselben Weisungen. Und er ging ganz stark davon aus, dass kein Ehemaliger, der jetzt hier angestellt war, die ganze komplette Wahrheit über sich offenbart hatte, am Tage der Einstellung.

 

„William“, begrüßte er den Mann dennoch, der in magisch unauffälligen Ketten auf dem Stuhl saß. Aber Beck wirkte nicht, als habe er vor, zu rennen.

 

„Kingsley“, erwiderte er bitter. Kingsley wusste, es galt, die richtigen Fragen zu stellen. Es war nicht seine erste Verhaftung, sein erstes ‚großes Ding‘, seine erste Vernehmung. Zwar hatte er damit nur am Rande zu tun, immer nur, wenn es um Ehemalige ging, und das war seit einer Weile nicht mehr vorgekommen, aber er hatte mit Eugenia besprochen, dass er verantwortlich sein wollte, anstelle der Strafverfolgung. Den Kollegen dort fehlte das Gespür, der Feinsinn für die wichtigen Fragen. Für das entscheidende Detail.

Veritaserum war kein Freifahrtschein, er sagte das immer wieder. Es half einem nur bedingt. Sicher, derjenige, der es trank, musste die Wahrheit sagen, allerdings half einem das nicht, wenn man nicht wusste, welche Frage man zu stellen hatte. Denn es oblag den Verdächtigen nicht, ins Detail zu gehen, etwas zu beantworten, was nicht gefragt worden war. Wäre sein Verhör also nicht präzise, wären sie am Ende so schlau wie zuvor. Er war sich sicher, wahrscheinlich war es so hilfreich, wie es schädlich war, dass Draco bei ihnen saß. Er glaubte nicht, dass Beck irgendetwas Positives zu berichten hätte – egal, in welche Richtung das Verhör gehen würde.

 

„Dann beginnen wir“, bemerkte Kingsley aber lediglich in Richtung des Gerichtsbeamten, der mit dem schmalen Flakon näher trat. Wortlos wurde er Beck an die Lippen gesetzt und unter erhobenem Zauberstab musste dieser trinken, jeden letzten Tropfen. „Mr. Beck, Sie stehen unter Eid und sind magisch an Ihr Wort gebunden“, führte Kingsley aus. Knapp fiel sein Blick auf Draco, welcher Beck prüfend beäugte. Kingsley hatte den Tagespropheten gelesen, war im Bilde, und im Moment war Draco bis auf Weiteres vom Aurorentraining freigestellt worden, mit besonderer Erlaubnis der obersten Riege. Zwar hatte Draco ihm klar gemacht, dass er darauf keine Lust hatte, aber Kingsley nahm auch an, mit Lust hatte es wenig zu tun. Draco würde das Pensum einfach nicht schaffen. Allein das Animagus-Training verblieb unter Dracos Führung.

 

„Mr. Beck, woher kannten Sie Draco Malfoy?“, begann Kingsley das Verhör beinahe unverfänglich und bedeutete dem Beamten, das Gespräch mit der magischen Feder aufzuzeichnen. Diese kratzte still über das Pergament.

 

„Er ist Lucius‘ Sohn und ich habe ihn auf Malfoy Manor zum ersten Mal gesehen“, antwortete Beck monoton, die Haltung entspannt. Das Serum wirkte bereits.

 

„Wie alt war Draco Malfoy da?“, konkretisierte Kingsley die Frage.

 

„Er war sieben oder acht Jahre alt“, versuchte Beck, wahrheitsgemäß zu antworten, und sein Blick glitt ausdruckslos über Dracos Gesicht. Draco bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl.

 

„Warum hatten Sie mit Draco Malfoy zu tun? Welche Funktion hat Ihre Anwesenheit erfüllt?“ Hier wurde es nämlich kritisch mit dem Wahrheitsserum, denn wenn Kingley jetzt nicht auf die Wortwahl achtete, würde das Gespräch nirgendwohin führen. Und bei jedem normalen Verhör würde der Verdächtige nun zögern, und, soweit er geständig wäre, würde er jetzt so etwas wie ein Gewissen verspüren – dieser Effekt blieb bei Veritaserum aus. Beck antwortete zügig, fließend, ohne Skrupel.

 

„Ich habe ihn am Boden gehalten, während Lucius ihn gefoltert hat und, sofern die Folter alleine nicht ausreichte, habe ich Vergessenszauber angewandt.“ Kingsley blieb ruhig, ballte lediglich die Fäuste an seinen Seiten. Einen sieben Jahre alten Jungen zu foltern, ihn festzuhalten, ihm irgendetwas anzutun – es reizte alle seine Instinkte. Aber Draco blieb sehr ruhig. Es schien etwas in ihm zu regen, und Kingsley musste sich konzentrieren.

 

„Vergessenszauber für was?“, entkam es Kingley nicht mehr ganz so neutral, nicht mehr ganz so freundlich.

 

„Für alles, was der Junge nicht hatte sehen sollen“, antwortete Beck sehr vage.

 

„Zum Beispiel?“, hakte Kingsley direkt nach.

 

„Treffen mit dem Dunklen Lord, Klärung der Agenda, Fluchtversuche des Jungen, die Sache mit Tessa Tate“, zählte Beck wahllos auf, und das klang tatsächlich vielversprechend.

 

„Was war mit Tessa Tate?“ Die Frage klang beiläufig, war sie aber ganz und gar nicht.

 

„Sie wurde getötet“, erklärte Beck neutral.

 

„Auf Malfoy Manor?“

 

„Ja.“

 

„Waren Sie dabei, Mr. Beck?“, fragte Kingsley ausgewählt ruhig.


„Ja.“

 

„Wer hat sie getötet?“

 

„Ich habe sie getötet.“ Aber Kingsley stellte eine weitere Frage.

 

„Auf wessen Geheiß?“

 

„Lucius Malfoys“, schloss Beck eintönig. Dracos Atmung ging flacher. Es war nicht viel, aber es war immerhin Anstiftung, vielleicht Mittäterschaft in Lucius‘ Fall. Das würde die Haftstrafe höher treiben. Mit Glück.

 

„Was passierte mit dem Körper?“, wollte Kingsley möglichst entspannt wissen.

 

„Verbrannt.“

 

„Und dann?“

 

„Die Asche wurde vergraben.“

 

„Auf dem Grundstück?“

 

„Ja.“

 

„Durch wen?“

 

Welsh, Peters, Morgan und Nottingham waren zuständig für die Außenarbeit.“ Es brachte Kingsley direkt zu seiner nächsten Frage.

 

„Wurden mehr verbrannt?“

 

„Ja“, bestätigte Beck neutral.

 

„Wie viele?“

 

„Zehn, zwanzig Frauen und Männer.“

 

„Wurden alle auf Malfoy Manor getötet?“

 

„Ja“, sagte Beck fast gelangweilt.

 

„Durch Lucius Malfoy?“, wagte Kingsley zu fragen.


„Nein“, verneinte Beck ausdruckslos. Verdammter Mistkerl. Hatte sich Lucius also tatsächlich die Finger nicht selber schmutzig gemacht. Nicht, dass es das besser machte.

 

„Wissen Sie die Namen der Frauen und Männer?“, fragte Kingsley schließlich, und Beck zählte die Namen auf, an die sein Verstand sich erinnerte. Draco war bleich geworden. Kingsley hatte genug gehört. „Danke, Mr. Beck. Sie sind fertig, das Verhör ist beendet.“ Knapp bedeutete er den Beamten ihn vom Stuhl zu befreien und ihn mitzunehmen. Eugenia wäre begeistert, nahm er an. „Bringt Welsh rein“, ergänzte er in Richtung der Wachen an der Tür. Kurz waren sie jetzt allein. Er überlegte, Draco nach Hause zu schicken, wenn er gleich noch Welsh vernehmen würde. Er konnte darauf verzichten, dass Draco von irgendwelchen Männern erfuhr, dass er als Kind gefoltert wurde. Dann wiederum nahm Kingsley an, Draco wusste es aber so oder so.

 

„Alles ok?“, fragte er lediglich in Dracos Richtung, und dieser atmete knapp aus, ohne den Kopf zu drehen.

 

„Ja“, sagte er, ohne es ernstzumeinen.


„Du musst nicht bleiben. Ich-“

 

„-ich möchte bleiben, Kingsley“, erklärt er erschöpft.

 

„Es wird reichen für eine Anzeige vorm Strafgericht. Nach Askaban kommt Lucius in jedem Fall“, versicherte Kingsley ihm grimmig.

 

„Ich bin kein Kind mehr“, erklärte Draco lediglich. „Ich kann ertragen, was diese Schweine von sich geben“, bemühte sich Draco, ruhig zu erwidern.

 

„Wie du willst“, bemerkte Kingsley dann, als sich die Tür erneut öffnete. Und Welsh wehrte sich vehement gegen die grobe Behandlung der Beamten. Kingsley nahm an, Welshs Details wären um einiges hilfreicher, alte Asche auf Malfoy Manor aufzustöbern, um Lucius noch heute Abend der Beihilfe zum Mord an unschuldigen Muggeln und der Justizvereitelung anzuklagen. Ein guter Tag für Kingsley. Ein wahrlich guter Tag.

 

~*~

 

Es war fast… gemütlich. Fast angenehm. Pansy und Ron waren da, und Ginny und Pansy wirkten wie unzertrennliche Freundinnen, sprachen seit Stunden über Babybettchen, bessere Stillmethoden, die magische Kombination von Einschlafhilfen und Beruhigungszaubern, und wie sich diese auf die frühkindliche Psyche auswirkten. Dann ging es um Babykleidung, um motorische Lernspiele, um das Für und Wider von Kinderzauberstäben – mit und ohne Magie – und Hermine war nach einer halben Stunde bereits nicht mehr in der psychischen Lage gewesen, zuzuhören.

 

Ron und Harry redeten ebenfalls unablässig, beteuerten ihre unsterbliche Freundschaft mit einigen Feuerwhiskeys zu viel, und Hermine saß etwas abseits auf der Couch. Aber sie war nicht allein. Nein, Sam war hier, erzählte von seinen Eltern, erzählte von Narzissa Malfoys Einladung in die Gesellschaft, und Hermine hörte höflich mit halbem Ohr zu, äußerte Bedenken, gab hilfreiche Tipps.

 

James war irgendwann selig eingeschlafen und sie hatten sich alle am Fon Due sattgegessen, sprachen über die Zukunft, und Ron und Pansy eröffneten, ein perfektes Haus gefunden zu haben.

Dann und wann legte sich Sams Hand über ihre, aber immer wieder entzog Hermine ihre Hand der vertrauten Wärme. Sam schien es nicht übelzunehmen, und gegen elf Uhr war sie ruhelos geworden. Ginny gähnte immer häufiger, so auch Pansy, die durch ihre Schwangerschaft auch schneller müde wurde.

 

Harry und Ron waren perfekte Partner, boten an, das Feuerwerk vorzuverlegen, und nach einigem Hin und Her stimmten Ginny und Pansy zu.

Es war alles ein wenig seltsam, denn draußen war es noch zu früh, der Himmel war noch dunkel, nur vereinzelt erkannte sie helle Raketenschwärme in der klaren Nacht.

Es rauschte alles an ihr vorbei, und um Viertel nach elf schossen die stummen Raketen in die Luft, zerfielen in goldene Schauer, in blitzende Funken, schossen in bunten Schwärmen durch die Luft, und ohne den Krach war es wirklich angenehm. Ginny und Harry würden den Lärmschutz auf das Haus legen, für James, und Ron und Pansy würden im Gästezimmer schlafen, Hermine unten auf der Couch zum Ausziehen in Harrys Arbeitszimmer. Sam war nicht eingeplant, und er hatte auch nicht viel getrunken. Hermine auch nicht, aber sie hatte keine Lust in ihre WG zurückzugehen und sie hatte auch keine Lust, wieder im Fuchsbau aufzuschlagen. Sie würde wohl oder übel hier bleiben.

 

Und dann war ihr persönliches Silvester auch vorbei. Pansy und Ron küssten sich innig, so auch Harry und Ginny, und Hermine schenkte Sam ein schmales Lächeln. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und verkündete, nach Hause zu apparieren, bevor es gefährlich wurde, und mitleidvoll verabschiedeten sich die anderen von ihm. Sie hatten wohl gehofft. Hermine würde sich wieder für ihn erwärmen, würde das perfekte Paar mit ihm spielen, und sie wünschte es sich fast. Sie wollte es gerne. Aber… er war nicht der richtige. Nicht für sie.

 

Unschlüssig erklärte sie, sie wolle noch ein wenig länger draußen bleiben, warten, bis Silvester für den Rest von England begann, und Harry bot an, bei ihr zu bleiben, aber sie entließ ihn dieser Pflicht, bekundete ihr Verständnis, dass James bald wieder wach werden würde, und dass sie sich ausruhen sollten.

 

Und schnell war sie alleine draußen.

 

Alleine im Garten der Potters, und sie wusste, sie hatte ihre Chance auf eine ruhige, normale Beziehung vor einer Stunde verspielt. Sam wäre bereit gewesen, nahm sie an. Aber… sie war es nicht.

Sie fragte sich, wo Malfoy jetzt war. In Malfoy Manor wahrscheinlich nicht. Bei Astorias Eltern? Wahrscheinlich. Oder war er bei Blaise? Sie wusste, ihr Handeln war dumm. Sie verließ den Garten, ging nicht ins Haus zurück und nutzte die Gelegenheit, dass sie warm angezogen war. Sie apparierte zurück in die Stadt.

Wäre er bei Blaise wäre sie in der Lage, es zu erkennen.

 

Sie landete auf der mäßig vollen Winkelgasse, wo Leute ebenfalls feierten, vor den Clubs standen, darauf warteten, dass es los ging, aber sie war nahe ans Ende appariert, wo die hippen und schicken Apartmentkomplexe standen. Sie ging zügig, aber sie rannte nicht. Und tatsächlich fiel die gläserne Tür zu Blaises Apartment gerade zu, als sie ankam, und hastig hielt Hermine sie offen, um hinein zu schlüpfen. Eilig durchwanderte sie die Lobby, die wohl zurzeit unbesetzt war, um am Ende durch eine weitere Tür in den Innenhof zu gelangen. Hier war alles beleuchtet, wahrscheinlich dem Anlass entsprechend geschmückt, und Lampions leuchteten verhalten in den hübschen Zierbäumen, die eine Grünfläche säumten. Sie blickte weit nach oben, dort wo sie Blaises Apartment vermutete. Sie hielt sich allerdings am Rand verborgen, denn bereits einige Bewohner standen auf den ausladenden Balkonen, blickten über die weite Stadt, und auf der gegenüberliegenden Seite vermutete sie Blaises Balkon. Mit verengten Augen erkannte sie drei Menschen, nahe der Ballustrade. Zwei Männer, eine Frau. Sie war sich nicht sicher, ob sie richtig gezählt hatte, ob es der richtige Balkon war, aber wenn, dann war Malfoy hier mit Astoria.

 

Sie atmete ergeben aus, war sich nicht mal sicher, was sie hier tat, und machte eilig wieder Kehrt. Es war spät. Es war kalt, und dass sie wie ein Stalker in einem fremden Innenhof stand, half ihrer Situation auch nicht wirklich.

 

Aber anscheinend hatte sie sich geirrt. „Archie, irgendwas angekommen?“, vergewisserte sich Blaise Zabini gerade beim Concierge, der wohl von seiner Pause zurückgekehrt war. Sie verblieb hastig im schmalen Flur zum Hinterausgang, während der Concierge wohl die Postfächer überprüfte.

 

„Hier sind noch einige Briefe für Mr. Malfoy, Sir“, erwiderte der Mann namens Archie gewissenhaft.

 

„Ich nehme sie direkt mit“, hörte sie die zweite Stimme. Draco! Er war hier. Sie hielt die Luft an. Aber Archie wandte den Blick, hatte sie im Flur entdeckt, und Hermines Augen weiteten sich panisch.

 

„Hey! Miss, was tun Sie da?“, fragte er direkt, und Hermine sprang in Bewegung, nahm an, dass es wesentlich auffälliger wäre, würde sie versuchen, sich zu verstecken oder wieder nach draußen zu flüchten. Auch Blaise wandte den Blick, und langsam trat sie ins Sichtfeld der Lobby.

 

„Ich, äh…“ Sie war um eine ehrliche Ausrede verlegen, als sie erkannte, dass Blaise und Draco alleine waren. Dracos Augen fanden ihre. Er wirkte unfassbar erschlagen. Es zerrte an ihr.

 

„Sie wartete auf uns“, nahm Blaise ihr die Antwort ab. Schneller Slytherin, dachte sie fast dankbar.

 

„Miss, es ist Nicht-Bewohnern nicht gestattet, die Innenhöfe aufzusuchen“, maßregelte Arschie sie direkt. „Wann sind Sie eingetroffen? Sie haben sich zu-“

 

„-Archie, es ist schon gut“, beruhigte Blaise den Concierge fast belustigt. „Draco, ich gehe vor. Lass dir nicht zu viel Zeit, ich nehme an, Astoria wacht gleich auf“, ergänzte er vielsagend in ihre Richtung, und Hermines Blick folgte Blaise, der zu den Treppen verschwand. Draco öffnete den Mund, aber der Concierge beobachtete sie missgelaunt.

 

„Komm“, raunte Draco und bewegte sich zu den Haupttüren. Hermine folgte ihm dankbar. „Was tust du hier?“, fragte er sie direkt, als sie draußen waren, aber er blieb nicht stehen, führte sie weg von den schmalen Menschenmengen auf der Straße, um den Komplex herum in eine verborgene Seitengasse, wo lediglich eine einsame Laterne brannte. Langsam begann das Feuerwerk über ihr.

 

„Ich… keine Ahnung“, entkam es ihr zitternd. Sie war jetzt seit einer ganzen Weile draußen. „Ich dachte, vielleicht bist du bei Blaise.“

 

„Ich bin bei Blaise. Mit Astoria“, ergänzte er ausdruckslos.

 

„Habe ich gehört“, erwiderte sie.

 

„Und ich muss rein“, sagte er dann.

 

„Draco“, begann sie hastig, und sein Blick hob sich unentschlossen, „wie… wie geht es dir? Merlin, ich habe… den Propheten gelesen! Ich habe… gesehen, Lucius wurde in Gewahrsam genommen. Ist… ist alles ok?“ Sie wollte so viel mehr fragen. Er wirkte allerdings nicht in Plauderstimmung.

 

„Du hättest nicht kommen dürfen“, sagte er kopfschüttelnd.

 

„Ich weiß, aber-“

 

„-es ist nicht Lucius“, brachte er schließlich hervor.

 

„Was?“

 

„Wir… wir hatten doch angenommen, Lucius ist verantwortlich. Der 20. Juli“, ergänzte er lautlos. Und sie blinzelte verblüfft. „Aber… bis dahin wird er verhaftet sein. Also kann er es nicht sein“, ergänzte er eindeutig. Sie begriff langsam. „Und das heißt, jeder ist verdächtig. Auch Blaise“, entfuhr es ihm scharf.

 

„Draco-“

 

„-ich möchte, dass du gehst. Sofort, Hermine“, verlangte er, und es war keine Kompromissbereitschaft in seinem Blick zu erkennen.

 

„Ich werde gehen“, versprach sie kleinlaut. „Ich wollte… dich einfach nur sehen, das ist alles, ich-“

 

„-ich kann dich nicht sehen. Es ist zu gefährlich, verstehst du das?“, wollte er von ihr wissen, als wäre sie ein Kind.

 

„Ja, ich-“

 

„-geh“, sagte er wieder. Eine Schwere hing seiner Stimme nach, eine Alarmbereitschaft, eine überwältigende Müdigkeit. „Ich kann dich im Moment nicht beschützen. Ich kann nichts weiter tun, als diese Dinge abzuschließen, die ich begonnen habe. Die Ausbildung ist pausiert, und ich bitte dich, mich nicht aufzusuchen, keinen Kontakt zu mir zu haben, der über das Animagus-Training hinausgeht, verstanden? Bis Juli“, ergänzte er knapp. Ihre Augen weiteten sich. Was?! Aber er schien ihre Entrüstung zu erkennen. „Stand Goodwin vor deiner Tür? Hat er gesagt, seine Vision erfüllt sich nicht?“ Und nein, das hatte er nicht getan. Alles war wie vorher. So, wie sie es befürchtet hatte. „Deshalb musst du gehen. Jetzt. Wartet Sam auf dich?“, wollte er fast geschäftig wissen. Sie sah ihn einfach nur an. „Wenn ja, dann geh zu ihm! Bleib einfach bei ihm.“

 

„Malfoy“, sagte sie, fast gereizt, aber er hob die Hand. Sie begriff, sie war nicht diejenige, die ihn trösten durfte, die jetzt hier sein durfte. Bei ihm. Und sie wünschte sich, er würde ihr sagen, dass er sie liebte, dass er sie brauchte, aber das tat er nicht.

 

„Mach’s gut, Granger“, verabschiedete er sich beinahe halbherzig von ihr, hatte sich abgewandt, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, und wie ein verstoßener Hund blieb sie bewegungslos in der Seitengasse stehen, starrte auf die Stelle, wo er gerade noch gewesen war und hasste das Selbstmitleid, dass sie empfand.

 

So endete ihr Jahr.

Eine Hoffnungslosigkeit erfüllte sie, die sie frösteln ließ.

Sie war allein.

 

 

57. a little white lie

 

~Februar~

 

Auf dem weiten Flur schlug die Standuhr. Es war halb acht. Er verließ sein Büro, die Dokumente noch in der Hand, die er gleich brauchen würde. Sie waren sortiert, nummeriert, idiotensicher verfasst.

 

„Draco?“

 

„Ich muss los!“, rief er lediglich zurück, stellte seine Aktentasche neben die Garderobe, überprüfte seine Krawatte, seine Jackettaufschläge und seine schwarzen Schuhe im Spiegel, bevor er sich mit der freien Hand über die Haare fuhr, bis sie perfekt lagen, wie er es wollte. Er zog sich die Lederhandschuhe über, wechselte die Dokumente von der einen in die andere Hand, und sie trat auf den Flur. Der Bademantel schloss kaum über ihrem Bauch.

 

„Du musst fühlen, wie er tritt!“, verlangte sie mit glänzenden Augen. Er tat einen beruhigenden Atemzug, sagte sich mental, dass eine Minute Verspätung nicht schaden würde, ehe er sich ihr zuwandte.

Er legte die Hand über ihren Bauch, aber sie verdrehte die Augen.

 

„Du musst die Handschuhe ausziehen, sonst spürst du es nicht!“, sagte sie nachsichtig, und mit einem weiteren stillen Atemzug, zog er sich den Handschuh mit den Zähnen von den Fingern und ließ ihn auf die Garderobe fallen. Seine Hand legte sich erneut über die Seide des Bademantels.

 

Er spürte nichts. Ihr Lächelnd verschwand. „Oh, er tritt nicht mehr“, entkam es ihr enttäuscht. Mit einem dritten Atemzug, verhinderte er, gereizt aufzustöhnen, bevor er sich hastig den Handschuh wieder überstreifte.

 

„Ich muss los“, sagte er wieder.

 

„Wann kommst du wieder?“, fragte sie sofort. „Miss Allen kommt heute“, ergänzte sie. „Wir entscheiden heute, welchen Saal wir nehmen.“ Nichts könnte ihm egaler sein, als die dämliche Hochzeitsplanerin.

 

„Mach es ohne mich“, erwiderte er achselzuckend.


„Draco-“, begann Astoria warnend, aber er winkte ab.

 

„Ich habe heute Training, dann Besprechungen bis vierzehn Uhr, danach die Konferenz mit dem Versicherungsbüro – ich habe es dir gesagt. Vor achtzehn Uhr bin ich nicht da!“, wiederholte er, was er seit Wochen sagte. Zorn schimmerte in ihren Augen.

 

„Es ist auch deine Hochzeit, Draco!“

 

„Der Saal ist mir egal. Such dir einen aus, ok?“

 

„Dir ist alles egal!“, behauptete sie gereizt.

 

„Astoria, die Hochzeitsplanung interessiert mich nicht. Ich habe zu tun“, entfuhr es ihm wütend.


„Verschieb die Konferenz mit der Versicherung!“

 

„Ich kann sie nicht verschieben. Die Policen müssen nächste Woche raus. Wenn wir nicht mit Winkle und Winkle abschließen, haben wir nicht genügend Kostendeckung, Merlin noch mal!“

 

„Um achtzehn Uhr muss ich längst auf Hogwarts sein!“, entkam es ihr gepresst. Draco verdrehte die Augen gen Himmel.

 

„Astoria, was möchtest du von mir?“, fragte er ehrlich entnervt.

 

„Dass du vielleicht eine halbe Stunde deiner Zeit in unsere Zukunft investierst?“, warf sie ihm vor. „Du bist nur auf der Arbeit! Eine Arbeit, die du gar nicht machen wolltest!“

 

„Komm mir bloß nicht so!“, warnte er sie scharf. „Du hast gesagt, du brauchst das Gold, ansonsten wärst du weg – also beschaffe ich dir Gold, Astoria! Ich habe dir ein scheiß Haus gekauft, ich bezahle deine verdammte Hochzeitsplanerin – das einzige, was ich von dir erwarte, ist, dass du mich mit der unnötigen Scheiße in Ruhe lässt!“

 

„Unnötige Scheiße?“, fuhr sie ihn an. „Es ist unsere Hochzeit, Draco!“

 

„Nein, es ist die Planung unserer Hochzeit, Astoria!“, blaffte er, und sanfter Kopfschmerz bahnte sich an.

 

„Dann geh!“, sagte sie bitter. Wieder atmete er aus.

 

„Ich sehe dich Donnerstag“, erwiderte er beherrschter. Sie sagte gar nichts, ruckte lediglich mit dem Kopf. „Astoria“, ergänzte er nachsichtig.

 

„Ja, meinetwegen“, gab sie bockig zurück.

 

„Ich muss das tun“, versicherte er ihr. „Es tut mir leid, aber wir wussten, dass es anstrengend wird“, schloss er kopfschüttelnd.

 

„Du liebst mich nicht“, warf sie ihm stiller vor.

 

„Das ist Quatsch“, widersprach er still.

 

„Du schläfst nicht mehr mit mir“, fuhr sie kopfschüttelnd fort, und er atmete wieder aus.

 

„Astoria, ich habe einfach viel zu tun. Es ist ein neues Wirtschaftsjahr, und ich habe keine Ahnung von der Materie. Ich muss es mir selber beibringen, weil es sonst keiner tut, und ich-“

 

„-vergiss es“, würgte sie ihn ab. „Du kommst zu spät“, ergänzte sie tonlos.

 

„Selbst wenn ich die Konferenz verschiebe muss ich heute ins Ministerium. Das Urteil wird heute verkündet.“

 

„Heute?“, vergewisserte sie sich und kurz vergaß sie wütend zu sein. „Wie… wie lange wird er kriegen?“

 

„Headley meinte zehn bis zwanzig Jahre“, erwiderte er grimmig. Nicht lange genug.

 

„Wird Narzissa da sein?“, wollte sie wissen.


„Wahrscheinlich.“

 

„Werdet ihr… reden?“, wollte sie vorsichtig wissen.

 

„Ich denke nicht. Es gibt nichts zu reden.“ Astorias Blick fiel. „Du kannst mit ihr reden, wenn du willst“, ergänzte Draco dann. „Es macht mir nichts.“

 

„Mal sehen. Ich… weiß noch nicht.“

 

„Ok.“

 

„Ok.“ Sie hatten das Ende des Gesprächs erreicht. Er streckte den Rücken durch und nickte ihr zum Abschied zu. „Kriege ich keinen Abschiedskuss?“, fragte sie fast scheu, und seine Stirn runzelte sich. „Heute ist der 14.“, sagte sie, ohne, dass er verstand. Aber er wollte es gar nicht wissen. Wollte gar nicht erst fragen. Er schloss den Abstand, senkte den Kopf, und sie kam ihm entgegen, küsste seine Lippen, und als er sich lösen wollte, schlangen sich ihre Arme um seinen Nacken. Sie drängte sich an ihn, ihr gewölbter Bauch war im Weg, und er versuchte, sich ihrem Kuss zu entziehen. Sie ließ ihn nicht los, und er gab auf, als sich ihre Zunge zwischen seine Lippen schob. Er erwiderte den Kuss, seine Zunge kämpfte mit ihrer, und irgendwann löste sich ihre Hand von seinem Nacken, um sie gegen seinen Schritt zu pressen.

Seine Erektion erwachte träge unter ihrer rüden Geste, aber hastig umfasste er ihr Handgelenk.

 

„Ich muss los“, raunte er gegen ihre Lippen. „Donnerstag“, versprach er ihr atemlos, und sie wich zurück. Enttäuschung stand ihr deutlich im Gesicht.

 

„Fein“, räumte sie missgelaunt ein und wandte sich ab.

 

Sein Ausdruck kühlte merklich ab. Sofern er nicht zwingend musste, würde er sie nicht mehr anrühren. Er hatte mehr als genug von ihr.

Mehr als genug!

 

~*~

 

Das einzige, was Draco Malfoy noch leitete, war das Animagus-Training. Er kam jeden Dienstag, und einige Male hatte sie das Training bereits mit Absicht ausfallen lassen, weil es schmerzhaft war, ihn zu sehen. Aber es war schmerzhafter, dass er sie ignorierte, ihre Arbeit nicht mal kommentierte, ihre Fortschritt nicht lobte, und sie nahm an, es war ihm tatsächlich egal, ob sie fehlte oder nicht.

Heute hatte sie nach zweimal fehlen beschlossen, wieder teilzunehmen. Sie machte gute Fortschritte, war gleichauf mit den Besten des Kurses, aber sie wollte keinen Ärger mit den Trainern bekommen.

Sie und Sam waren stillschweigend übereingekommen, Freunde zu bleiben, auch wenn sich ihr Umgang miteinander merklich abgekühlt hatte und über gewöhnliche Floskeln nicht mehr hinausging.

 

„Schön, dass du auftauchst“, bemerkte Sam lächelnd, als sie sich neben ihn stellte, und unangenehm von einem Standbein auf das andere wechselte.

 

„Ja, nach dreimal fehlen, werden die Trainer benachrichtigt – also…“, machte sie achselzuckend deutlich, und er lächelte wieder mitfühlend.

 

„So schlimm ist es nicht“, sagte er freundlich.

 

„Mh“, machte sie unverbindlich, und dann betrat er die Halle. Er trug die Uniform, und seine Haare waren lang geworden. Nicht lang genug für einen Zopf, aber er konnte sie hinter die Ohren zurückstecken. Er wirkte ziemlich abgelenkt, sah den Kurs nicht mal wirklich an, bevor er sich vorne aufstellte.

 

„Aufstellen“, rief er neutral. „Patronusbeschwörung, bitte. Beschwörung mit Wechsel für diejenigen, die noch nicht soweit sind, aber ich bitte drum, dass die direkte Beschwörung bis nächste Woche sitzt“, erklärte er warnend.

Sie zogen die Zauberstäbe, und nur zwei AIT mussten noch den Wechsel machen, da sie noch nicht sicher genug waren.

Sie beschwor den Drachen, ohne Zögern, ohne Fehler, und Malfoy machte die Runde, begutachtete die Patroni, kritisierte hier und da – für ihren Drachen hatte er kein Wort und keinen Blick übrig, und sie starrte nach vorne, als er sie passiert hatte, hielt praktisch die Luft an, wollte seinen Duft nicht mal erahnen können.

Sams Patronus war ebenfalls fehlerlos, und sie begriff, dass sie bald anfangen würden, den Basistrank zu brauen.

 

Bald fanden die Prüfungen statt, und sie glaubte nicht, dass Malfoy teilnehmen konnte. Die Stunde verging quälend langsam. Sie mussten viele Vertrauensübungen machen, Stärkekämpfe, und sie gab zu, dass man ein sehr gutes Gefühl für seinen Patronus, seine Stärken und Schwächen bekam. Malfoy war kein schlechter Trainer. Tatsächlich nicht.

Die letzte Viertelstunde studierten sie den Donnervogel, und Malfoy verwandelte sich. Es war immer noch spektakuläre und die Mädchen drängten sich näher an ihn, als die Jungen, aber Hermine hielt sich zurück, machte sich ihre Notizen von den Bänken aus, und saß ziemlich einsam.

Malfoy stieg in die Luft, ließ sie seinen Flugapparat studieren, zeichnen, betrachten, und noch glaubte Hermine nicht, dass sie alle die Verwandlung schaffen würden. Er zog einen majestätischen Kreis über der Halle, fiel in den Sturzflug und kurz zuckten Blitze über die Hallendecke, sanfter Donner ertönte, und er erntete milden Applaus, wie jedes Mal. Er landete, ob beabsichtigt oder nicht, direkt vor ihrer Bank. Kurz hielt sie den Atem an. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, denn er war wirklich groß. Seine Augen erwiderten ihren Blick, er schlug noch einmal mit den Flügeln, wie um sie zu entspannen, bevor er sie über seinem Rücken faltete. Er verweilte noch einen Moment länger, sein stechender Blick auf ihr, bevor er den Kopf senkte, und auf seinen Krallen zu den anderen zurücktrabte. Wieder wurde er umringt, und als er sich zurückverwandelte, den Glanz aus den Haaren schüttelte, die Stunde einigermaßen zufrieden beendete, blieb sie zurück. Langsam packte sie die Sachen wieder ein, denn sie war nicht scharf auf ein belangloses Gespräch mit Sam, wo er ihr berichtete, viel Zeit im Club zu verbringen und seine restliche Familie kennenzulernen. Sie war kein Fan der Blacks.

Bevor Malfoy als letzter die Halle verließ, verharrte er an den Türen und wandte sich ihr zu. Sie sah es aus den Augenwinkeln genau. Vorsichtig hob sich ihr Blick.

 

Kurz sah es so aus, als wolle er sprechen, aber… bevor ihre Hoffnungen geweckt wurden, hatte er sich zügig abgewandt und verließ die Halle ebenfalls. Ihre Schultern sanken.

Sie wusste, er hatte es vor zwei Monaten mehr als deutlich gemacht. Sie wusste auch, er stand unter Zeitdruck, musste zurück in das Familienunternehmen, was er nun leitete, und offen gesagt hasste sie, wie gut er zurechtkam. Und wie schwer sie sich tat! Sie bemitleidete sich noch weitere fünf Minuten, verpasste den Anfang von Theoretischer Fluchlehre bei Eleaonre, aber alles, was Eleanore von sich gab, wusste Hermine auch schon bereits.

Sie schulterte hart ihre Tasche, verließ die verdammte Halle, nur um den gesamten Trainingsbereich hinter sich zu lassen. Tatsächlich wartete er vor den Fahrstuhltüren, hatte sich wohl noch umgezogen, und ihr Herz schlug schneller. Das hatte sie zwar nicht beabsichtigt, aber ignorieren konnte sie ihn ebenso gut, wie er sie.

 

Sie stellte sich neben ihn, den Blick auf die Aufzugtüren geheftet, und knapp fiel sein Blick auf sie. Sie sagte nichts, wartete lediglich, und schließlich schwangen die Türen auf. Vielleicht wollte er sie fragen, ob sie nicht noch Unterricht hatte, wohin sie fuhr, aber blind betrat sie den Fahrstuhl, ließ ihn das Atrium auswählen, bevor sie die unterste Taste betätigte. Die Mysteriumsabteilung. Wieder fiel sein Blick auf sie. Der Fahrstuhl tat ihr den Gefallen und fuhr zunächst nach unten. Sie streckte die Schultern durch und wartete die fünf Sekunden, die es dauerte.

 

„Mysteriumsabteilung“, verkündete die kalte Stimme, und die Türen öffneten sich. Sie verließ den Fahrstuhl, ohne Abschied, ohne einen letzten Blick, denn sie-

 

„-wo gehst du hin?“, wollte er tatsächlich wissen, und fast erschrocken wandte sie den Blick zurück. Mit der Hand hatte er die Türen aufgehalten. Und kurz zögerte sie. Kurz wollte sie nichts sagen oder wollte lügen, denn ihn interessierte ihr Leben seit Monaten nicht mehr, während sie jeden Fetzen an Informationen verfolgte, dem sie habhaft werden konnte. Sie wusste, heute wäre Lucius Inhaftierung. Das Urteil war gestern gesprochen worden, und sie hatte Kingsley belagert, hatte ihn gezwungen, ihr Auskunft zu geben, und sie wusste, Lucius würde für zehn Jahre weggesperrt werden. Gerne hätte sie ihn dazu beglückwünscht, aber sie hatte gar nichts getan.

 

„Was interessiert es dich?“, fragte sie also, verletzter als sie klingen wollte. Sein Ausdruck gab nichts preis. Aber sie nahm, es war offensichtlich, wohin sie wollte. Was konnte sie hier schon wollen? Aber sie hatte keine Geduld mehr, sie wollte Informationen haben. Und er schien es erraten zu haben.

 

„Du willst zu Goodwin?“, fragte er sie schließlich, und sie hasste, wie neutral er klang, wie einfach es ihm fiel, mit ihr zu reden! In seinem scheiß schwarzen Umhang aus teurem Pelz, in seinem scheiß teuren Anzug, mit den glänzenden Reinblüterschuhen, den Manschettenknöpfen – und trotzig schob sie das Kinn vor.

 

„Geh zurück zur Arbeit, Lord Malfoy“, sagte sie also, so abschätzend, wie sie konnte, und tatsächlich verzog er den Mund. Er zog die behandschuhte Hand zurück, und die Türen schlossen sich, verschwanden, und mit klopfendem Herzen wandte sich Hermine den Türen zu, musste sich konzentrieren, die richtige im Wirbel zu erkennen, aber sie einige Male hier unten gewesen, und wusste, welche ihr Zauberstab finden musste. Hastig hielt sie den Wirbel an, wäre beinahe gestolpert und öffnete die dunkle Tür, mit den glänzenden Beschlägen.

Es war der Verwaltungsbereich, und kaum war sie eingetreten und hatte die Tür losgelassen, schloss sich eine Hand plötzlich um das Holz und Malfoy öffnete die Tür erneut, sanfte Wut auf seinen Zügen. Ihr Mund hatte sich überrascht geöffnet, aber er kommentierte sein Auftauchen nicht, schritt voran, und sie hielt zornig mit ihm Schritt. Sie wollte hier sein! Es war ihre Angelegenheit, garantiert nicht seine!

 

Und schnell hatten sie das Büro erreicht, aber Malfoy ließ ihr keine Zeit, selber zu klopfen, aber… es schien nicht nötig zu sein, denn Goodwin öffnete, bevor Malfoy die Faust gehoben hatte.

 

„Miss Granger, Mr. Malfoy“, begrüßte er sie, und Hermine fand ihn unheimlich. Wie immer. Nur ging ihr Herz jetzt wesentlich schneller. „Kommen Sie doch rein. Ich hatte Sie erwartet.“

 

„Hatten Sie nicht“, knurrte Malfoy gereizt, aber Goodwin schenkte ihm ein beinahe freundliches Lächeln.

 

„Ich habe alle meine Termine notiert, Mr. Malfoy“, behauptete Goodwin schlicht, griff sich ein ledernes Buch von seinem Tisch, und blätterte bis zum Lesezeichen. Es war ein Kalender, stellte Hermine fest, und wie es aussah, war er bereits bis zum Ende des Jahres befüllt – und es war Februar. ‚14. Februar – Treffen mit Malfoy und Granger‘ stand dort in leserlicher Schrift, und Hermines Mund öffnete sich. Sie hasste Seher.

 

„Ja?“, entkam es Malfoy provozierend, und Goodwin verblieb mechanisch freundlich. „Und was besprechen wir heute?“, wollte er grimmig von Goodwin wissen, und dieser lächelte wieder.

 

„Ich nehme an, wie sich alles gefügt hat“, bemerkte der Seher bloß.

 

„Wie sich…?“ Malfoy starrte ihn jetzt an, und Hermine ergriff das Wort.


„Was meinen Sie damit? Gefügt?“, wiederholte sie.

 

„Nun, es dürfte Ihnen doch klar sein, dass Sie Ihren frühzeitigen Tod abgewendet haben, nicht wahr?“, fragte der Mann tatsächlich, und sie spürte, wie sich etwas Schmerzhaftes um ihre Brust beinahe lockerte.

 

„Was?“, entkam es ihr heiser.

 

„Was soll das heißen?“, mischte sich Malfoy ein. „Wegen… wegen Lucius? Sie-“

 

„-Ihr Vater hatte nichts damit zu tun“, widersprach Goodwin kopfschüttelnd. „Sie haben Wege eingeschlagen, die jede Gefahr für Miss Granger eliminiert. Verbleiben Sie auf diesem Weg, wird Miss Granger überhaupt nichts passieren. Ich nahm an, dass Sie beide-“

 

„-Stopp! Moment, jetzt warten Sie verdammt noch mal!“, unterbrach Malfoy ihn zornig. „Wir… wir haben keine Wege eingeschlagen, wir…- das… das ist temporär!“, rang er sich zornig ab.

 

„Wieso sind Sie nicht zu mir gekommen?“, mischte sie sich jetzt ein. „Wenn Sie wussten, dass ich nicht mehr sterben würde? Wieso waren Sie nicht da?“

 

„Ich nahm an, eine Zukunft mit Mr. Malfoy wäre keine akute Sache mehr. Ihr Tod stand in direkter Verbindung mit Mr. Malfoy. Und jetzt…-“

 

„-jetzt was?“, wollte sie atemlos wissen.

 

„Was auch immer Sie jetzt gerade tun, garantiert Ihr Überleben, Miss Granger. Ich sehe ein langes Leben“, versprach er ihr, und ihre Mundwinkel sanken.

 

„Ohne mich?“, entkam es Malfoy neben ihr fast ausdruckslos, und Goodwin runzelte die Stirn.

 

„Mr. Malfoy, ich… sehe nicht, dass Sie Astoria Greengrass verlassen werden“, bemerkte der Seher mit einem sachten Kopfrucken. Malfoys Mund öffnete sich langsam. Es war wie ein eigenartiger Schlag in den Magen. Zwar hatte sie sich jetzt seit Wochen abgefunden, auch mit der Tatsache, dass Malfoy unweigerlich Vater von Astorias Kind sein würde, aber tief in ihrem Innern hatte sie immer geglaubt, dass… dass… er zurück käme. Dass er sein Wort halten würde.

 

„Dann sind Sie blind!“, spuckte Malfoy ihm praktisch entgegen und kochend vor Zorn verließ er das Büro des Sehers wieder. Hermine hatte keine Worte mehr übrig und folgte Malfoy mit einem hasserfüllten letzten Blick auf Goodwin.

 

~*~

 

Goodwin atmete lange aus. Es war eigenartig, welche Spiele die Zukunft manchmal zu spielen schien. Er hatte geahnt, dass es ein unwahrscheinlich kompliziertes Unterfangen werden würde, in den Lauf der Dinge einzugreifen. Er wusste, der junge Malfoy besaß eine gewisse Furcht vor Vorsehungen, hatte ihn seine eigene doch jahrelang im Schach gehalten. Doch er hatte sich schließlich davon befreit, hatte seinen Vater bekämpft und versuchte, seinem Herzen zu folgen.

Goodwin nahm an, in diesem Fall, musste er einfach nachhelfen, dem Schicksal einen kleinen Wink verpassen.

 

Mr. Malfoy würde Miss Greengrass tatsächlich nicht heiraten, aber wahrscheinlich nur, wenn er einen kleinen Anstoß bekam. Die Zukunft von Miss Granger und Mr. Malfoy schien sich jeden Tag ein klein wenig zu wandeln. Tatsächlich stand Miss Grangers Tod noch unweigerlich im Raum, näherte sich mit jedem weiteren Tag, allerdings verschwamm auch dieses Bild ab dem 20. Juli. Goodwin war sich nicht sicher, ob die Hochzeit für den Tod verantwortlich wäre und der Grund, dass sie doch überlebte. Vielleicht war es ein riskantes Pokerspiel, was er spielte, aber er glaubte, dem jungen Malfoy die Aussicht auf eine verhasste Zukunft zu geben, würde sich letztlich zu seinen Gunsten auswirken.

Zu schnell vergaßen Menschen, was sie sich vorgenommen hatten.

 

Und zumindest würde es Miss Granger ein wenig Angst nehmen, dachte er ernst. Er wusste nicht, wie es sich anfühlte, mit der konstanten Angst seines bevorstehenden Todes zu leben, wenn man nicht wusste, wie es geschah.

 

Sein eigener Tod war bereits geplant, alles war vorbereitet, und zwölf Jahre waren noch eine ausreichend lange Zeit.

 

Es mochte ein Fluch sein, aber Goodwin selbst empfand es als Segen. Als… warmes Licht im kalten Chaos der Menschen.

Er hoffte lediglich, sein kleines Pokerspiel würde sich letztlich auszahlen.

Aber offen gesagt, war er sehr von sich überzeugt.

 

 

58. valentine’s day blues

 

Zornig stand er auf dem Flur, und sie war nicht sicher, ob er auf sie wartete, oder sich einfach noch nicht sammeln konnte. Sie fühlte sich erschlagen. Die Erleichterung, dass ihr Tod nicht eintraf, sofern sie sich von Malfoy fernhielt… wollte sich nicht einstellen.

 

„Er irrt sich“, sagte er. Ob zu ihr oder sich selbst, wusste sie nicht mit Sicherheit.

 

„Malfoy“, entkam es ihr erschöpft, aber eigentlich hatte sie nichts zu sagen, nichts Hilfreiches – gar nichts, was nötig wäre. Aber er wandte sich ihr zu, blanke Erschöpfung in den eisgrauen Augen.

 

„Er irrt sich!“, wiederholte er bloß. Schnell schien die Hoffnungslosigkeit in seine Haltung zu kriechen, seine Hand fand den Weg zu seinem Gesicht, fuhr über seine Augen, kämmte die Haare zurück.

 

„Ok“, sagte sie ruhig, fast zur Bestätigung, und er schluckte schwer.

 

„Ich… ich muss gehen“, erkannte er mit grenzenloser Resignation. Sein Blick fiel auf sie.

 

„Ich verstehe“, entkam es ihr, und wenn sie vollkommen ehrlich war, sah sie es ebenfalls nicht. Er würde sie nicht verlassen. Er würde Astoria heiraten. Und seine Panik betraf sehr wahrscheinlich nicht sie, sondern sein eigenes Schicksal. Seit zwei Monaten dachte sie an ihn, mal war es mehr, mal weniger schmerzhaft. Allein mit ihm zu sein, sei es auch nur auf dem Flur der Mysteriumsverwaltung, war fast unerträglich, vor allem, da er sich so sehr verändert hatte.

Sie erkannte ihn nicht wieder. Der Blick hinter seinen Augen galt kaum ihr, sein Verstand schien ruhelos zu arbeiten. Sie kam sich vor wie eine unnötige Last. Sie passte nicht ins Bild. Sie war nicht Rons perfekter Partner gewesen und sie gehörte auch nicht zu Draco. „Geh“, sagte sie, fast nachdrücklich, als könne er sich sonst nicht losreißen. Bevor sie die Aufforderung wiederholen konnte, löste sich sein Blick von ihr und Kälte blieb zurück. Sie fror innerlich. Mit zügigen Schritten, ohne Verabschiedung war er verschwunden.

 

Sie sah ihm nach, bis er verschwunden war, den Flur verlassen hatte, und irgendwo öffnete sich eine Tür. Ihr war nicht danach, sich vor irgendwem zu verstecken. Und scheinbar kannte man sie. „Miss Granger?“ Aber sie erkannte die Stimme ebenfalls.

 

„Lorrie?“ Sie wandte sich um, und James Lorrie schenkte ihr ein Lächeln.

 

„Was für eine Überraschung“, stellte er fest und reichte ihr die Hand. Hermine erwiderte die Begrüßung, und ihr Lächeln ging schwergängig. Er musterte sie knapp. „Alles gut bei Ihnen? Sie… sind ein wenig bleich um die Nase.“

 

„Alles gut“, erwiderte sie mechanisch. „Und bei Ihnen?“

 

„Kann mich nicht beklagen“, entgegnete er ebenso unverfänglich. „Was bringt Sie hier her. Haben Sie… kein Training?“, fragte er, mit Blick auf ihre Uniform.

 

„Schon“, räumte sie ein. „Aber…“ Sie verlor sich in ihren Gedanken.

 

„Aber… Sie hatten andere Dinge zu tun?“, bot er ihr ein mögliches Ende an, und Hermine fokussierte wieder.

 

„So in etwa“, bestätigte sie.

 

„Ich… habe die Malfoy-Sache verfolgt“, sagte er plötzlich, und sie wurde ernster. „Ziemlich spannend. Wer hätte das geglaubt? Man munkelt, seine Ausbildung ist pausiert?“

 

„Ja“, bestätigte sie. „Er kommt für das Animagus-Training noch her, aber ansonsten…“

 

„Ansonsten ist er in Lucius‘ Fußstapfen getreten?“, vermutete Lorrie knapp, und sie ruckte mit dem Kopf. „Alles kommt mit einem Preis, nicht wahr?“, ergänzte er mit einem schmalen Lächeln.

 

„Das stimmt wohl“, entkamen ihr leere Worte.

 

„Kann… ich Ihnen irgendwie helfen?“, wollte er dann von ihr wissen, und ihr Mund öffnete sich überrascht.

 

„Mir… mir helfen? Nein, nein vielen Dank, Lorrie. Ich… brauche keine Hilfe. Offen gesagt, habe ich hier auch nichts mehr zu tun“, entgegnete sie seufzend. „Ich sollte wieder hoch“, ergänzte sie resignierend. Er nickte freundlich.

 

„Kopf hoch, Miss Granger“, sagte er recht unwillkürlich. „Es wird schon werden“, versprach er ihr blind, und anscheinend musste sie so eine Grabesstimmung ausstrahlen, dass er sich gehalten fühlte, ihr irgendetwas Positives zu versichern.

 

„Danke, Lorrie“, erwiderte sie still.

 

„Einen schönen Valentinstag“, verabschiedete er sie, und ihre Laune blieb mäßig finster, denn ja, heute war Valentinstag. Nicht, dass es irgendwas bedeutete, aber sie hatte ihn am Valentinstag gesehen, zum ersten Mal in diesem Jahr mit ihm gesprochen, und dass es ausgerechnet an einem romantischen Tag sein musste, machte es nicht wirklich besser. Sie hob die Hand zum Abschied und verließ den Flur, bis sie die schimmernde Tür erreichte. Sie ließ die Mysteriumsabteilung hinter sich, einigermaßen froh, hier nicht arbeiten zu müssen, und fuhr im einsamen Fahrstuhl nach oben. Sie hatte nur noch Fluchlehre heute vormittag und verzichtete darauf, mit gutem Gewissen. Ihr stand der Sinn nach Tee. Sie stieg bei den Trainingseinheiten aus, zog sich spontan um, denn sie hatte keine Lust, vier Stunden in Uniform zu verbringen und fuhr dann hoch in die Kantine. Und hatte sie es vorher nicht bemerkt, so bemerkte sie es jetzt.

 

Denn hier war entsprechend dekoriert. Pinke verzauberte Vögel flogen an der Decke, es rieselte herzfarbenes Konfetti und kleine, fette Engel mit Pfeil und Bogen zielten wackelig auf Ministeriumsmitarbeiter, die zu zweit hier waren oder den vagen Anschein vermittelten, als Paar aufgetaucht zu sein.

Es gab sogar einen anonymen Rosenversand. Ob dieser sich aufs Haus beschränkte, fragte sie sich unwillkürlich und rieb sich den Nacken, als sie einen kleinen Zwick verspürt hatte. Ihr Blick fuhr herum, und einer der kleinen fetten Engel schien seine Langeweile damit bekämpft zu haben, sie abzuschießen. Sie schenkte ihm einen eisigen Blick und er verzog sich mit hastigen Flügeschlägen an die Decke. Es war ein sehr milder Euphoria-Zauber, den sie verspürte und mit ein wenig federnden Schritten marschierte sie zum Rosenversand.

 

Die Hexe mit den roten Locken war über alle Maßen fröhlich und strahlte ihr praktisch entgegen. „Interesse eine Rose an einen Freund oder einen heimlichen Schwamr zu verschicken?“, fragte sie übertrieben munter, und Hermine verzog den Mund.

 

„Nein, aber liefern Sie auch außer Haus?“, tat sie die kitschigen Worte ab, und das Lächeln der Hexe vertiefte sich.

 

„Unsere Cupidos liefern, wohin Sie es wünschen“, erklärte sie, mit liebevollem Blick azf die fetten kleinen Engel, die sie frech von weiter oben betrachteten.

 

„Interessant“, erwiderte sie, und wahrscheinlich benebelte sie der Euphoria-Zauber ein gutes Stück weit, denn sie ergriff sich eine der pinken Federn und eine Karte.

 

‚Malfoy, ich wünsche Dir einen schönen Valentinstag, auch wenn es keine Freude oder Bereicherung war, Dich heute hatte sehen zu müssen.

Aber ich hoffe, dass ich diesen Tag als Anstoß nehmen kann von jetzt an nicht mehr an Dich denken zu müssen.

Nur das Beste für Dich,

H.G.‘

 

Sie reichte der Hexe zufrieden die rosafarbene Karte zurück, und ihr Lächeln gefror, als sie beiläufig die Zeilen las.

 

„Sicher, dass das Ihre Botschaft sein soll?“, entkam es ihr fast säuerlich, und Hermine erlaubte sich ein Lächeln.

 

„Definitiv. Oh, das geht an die Malfoy Group“, ergänzte sie weiterhin euphorisch, und die Hexe schien sie nicht sonderlich leiden zu können. Hermine schob weiterhin lächelnd einige Sickel über den Tresen, und die Hexe schürzte die Lippen.

 

„Vielleicht noch eine etwas… freundlichere Karte an eine Schwester oder… eine Freundin?“, bot sie an, aber Hermine zuckte die Achseln.

 

„Nein, danke. Nur diese bitte“, schloss sie und wandte sich zufrieden ab.

 

Dass es eine absolut kreuzdämliche Entscheidung gewesen war, die Karte zu verfassen, würde ihr erst weit später am Tag klar werden. Und erst viel später würde sie darüber nachdenken, der Verwaltung einen saftigen Beschwerdebrief über Berauschungs-Zauber am Arbeitsplatz zukommen zu lassen.

 

~*~

 

Mit absoluter Missbilligung war sein Blick auf die goldene Namensplakette neben seiner Tür gefallen. „Brinkley, was, verdammt noch mal, soll das?“, knurrte er praktisch, als sein Assistent neben ihn trat, mit irgendwelchen schwindelerregend langen Tabellen auf ellenlangen Pergamentrollen. Ängstlich hob sich sein Blick.

 

„Sir?“, entkam es ihm zitternd, und Draco fixierte die goldene Scheußlichkeit.

 

„Das Schild“, machte er es deutlich, und der schwitzende Mr. Brinkley schluckte schwer.

 

„Ein Fehler?“, hauchte er besorgt, und Draco bemühte sich, ruhig zu atmen. Heute war nicht der beste Tag. Garantiert nicht. „Ich kann keinen-“, begann sein Assistent besänftigend, aber Draco unterbrach ihn.

 

„-ich will keinen scheiß Titel auf dem scheiß Schild haben“, knurrte er bösartig. „Und keinen zweiten Namen“, ergänzte er rau.

 

„Mr. Malfoy, Sir, ich denke, man wollte einfach nur-“


„-dann hat man sich eben geirrt!“, unterbrach er ihn barsch.

 

„Natürlich, Sir, gar kein Problem, Sir. Ich werde eine Änderung veranlassen.“

 

„Heute“, warnte Draco ihn kalt.

 

„Natürlich, selbstverständlich. Wollen wir… über die Budgetplanung sprechen, bevor Winkle und Winkle kommen, Mr. Malfoy, Sir?“, schlug sein Assistent schwitzend vor, und Dracos Nasenflügel bebten. Er war noch ein ‚Mr. Malfoy, Sir‘ davon entfernt, Brinkleys Nase zu brechen.

 

„Am besten, ja. Damit ich überhaupt eine Ahnung habe, was ich diesen aufgeblasenen Reinblüter-Vollidioten sagen muss!“, fluchte er ungehalten, betrat das verdammt große Büro und hasste alles.

 

Sie heute gesehen zu haben, versaute ihm seinen Tag. Fast hatte er gehofft, sie würde heute wieder seinen Unterricht schwänzen. Dann hätte er nicht an sie gedacht. Warum er ihr gefolgt war, wusste er ebenfalls nicht – und dieser verdammte Quacksalber von Seher hatte ihm heute den Rest gegeben. Er sah nicht, dass er Astoria verlassen würde! Dieses hirnverbrannte Arschloch! Am liebsten hätte Draco ihm die Fresse gehörig poliert. Als wäre es alles nicht schon nervtötend genug. Diese Monate auszuhalten, war das schwerste! Und wenn er sich vorstellte, das durchzuziehen, bis… bis…- sein Sohn vielleicht achtzehn war, dann würde er sich den nächstbesten Strick nehmen können! Denn auf gar keinen Fall, machte er dieses Theater länger als nötig mit! Aber sie würde nicht mehr sterben.

 

Sie würde leben. Ohne ihn.

 

Eigentlich war das alles, was zählte. Alles, was wichtig war. Und er sah schon seine grauenhafte Zukunft vor sich. Dass er es für sie tat. Für Hermine. Aus Sicherheit bei Astoria blieb, damit Hermine lebte.

Aber er könnte nicht. Selbst, wenn er von Hermine fernbleiben musste, würde er nicht sein Leben im Reinblüter-Käfig verbringen. Er war drüber weg.

 

„Sir?“ Brinkley riss ihn aus seinen Gedanken. Draco versuchte sich auf die Materie zu konzentrieren, setzte sich in seinen Stuhl, und der eifrige Mr. Brinkley – das einzige Halbblut der Firma – mühte sich ab, ihm den komplexen Finanzhaushalt des Unternehmens zu erläutern, so dass Draco ansatzweise einen Prozent verstand. Er hasste Zahlen.

 

Die Damen am Empfang gaben sehr plötzlich seltsam entzückte Laute von sich, und sein Kopf hob sich irritiert.

 

„Wo will er hin?“, hörte er eine Hexe rufen, und fast griff er mechanisch nach seinem Zauberstab, als etwas kleines, kompaktes in sein offenes Büro segelte.

 

„Was zur…?“, entkam es ihm, als er den fleischig rosafarbenen Klopf erkannte, der mit einigem Gewirbel eine rosa Karte auf seinen Schreibtisch warf, so dass ordentlich Glitter in die Höhe stob. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten, und der klein Klops schoss anschließend einen Pfeil in seine Richtung, den Draco gerade ebenso geistesgegenwärtig mit dem Kassenreport zur Seite schlug, der neben ihm lag. Beleidigt, flatterte der nackte Klopf mit den schwer belasteten Flügeln und flog wankend aus dem Büro davon, erntete noch mal entzückte Ausrufe der Hexen, und Dracos Blick fiel übefordert auf die scheußliche Karte.

 

„Bestimmt eine Aufmerksamkeit Ihrer Verlobten?“, bemerkte Brinkley mit dem Hauch von Sehnucht in der Stimme. Draco konnte sich nicht entsinnen, ob er Astoria kannte, oder ob Brinkley einfach hoffnungslos und romantisch nicht ausgelastet war – und es interessierte ihn beides nicht. Aber sein entgeisterter Blick schien Brinkely dazu zu bewegen, seine Worte zu erläutern. „Valentinstag, Sir?“, ergänzte er, und Draco atmete entnervt aus.

 

„Ah“, machte er in Ermangelung einer besseren Reaktion. Mit spitzen Fingern schob er die kleine Karte von sich und pustete gereizt den Glitter von der Schreibtischoerfläche.

 

„Wollen Sie die Karte lesen?“ Fast wollte Draco es Brinkley selber anbieten, denn er schien wesentlich versessener darauf zu sein.

 

„Nein, nicht wirklich“, erwiderte er, aber Brinkleys Blick war nun verstört auf ihn gefallen. Draco atmete knapp aus. „Später, ich… muss mich konzentrieren.“ Und das schien der junge Mann – der wohl trotzdem fünf Jahre älter war, als er selber – nachvollziehen zu können.

 

„Natürlich, Mr. Malfoy, Sir“, sagte sein Assistent sofort, und Draco biss die Zähne fest zusammen.

 

„Mr. Brinkley“, erwiderte er, mit bemühter Geduld.

 

„Ja, Sir?“

 

„Noch ein ‚Sir‘ aus Ihrem Mund, und ich stecke Ihnen den rosa Pfeil dorthin, wo es garantiert weh tun wird“, warnte er ihn tonlos, mit Blick auf den kleinen spitzen Pfeil, der auf der Schreibtischkante schwankte, und Brinkleys Augen weiteten sich knapp.

 

„Verstanden, Mr. Malfoy, S-“, er unterbrach sich hastig. „Mr. Malfoy“, schloss er zitternd.

 

„Wunderbar“, knurrte Draco, und dieser Tag wurde einfach nur ätzender. Valentinstag. Er konnte sich nicht vorstellen, was ihm egaler war, als Valentinstag.

 

Der weitere Tag tropfte zäh dahin. Brinkley hatte bereits rote Wangen bekommen, nachdem er ihm fast vierzig Minuten versucht hatte zu erklären, warum es wichtig war, die Dividenden dieses Jahr über zehn Prozent zu ziehen, und warum sich Draco mit Winkle und Winkle als auch mit Bangle und Greene gut zu stellen hatte. Zwei widerliche Reinblüter-Organisationen, mit denen er eigentlich nichts zu tun haben wollte, aber wohl oder übel musste.

 

Und dann betraten die beiden Brüder bereits sein Büro, geführt von einer der Empfangshexen.

 

„Mr. Malfoy, Mr. Winkle und Mr. Winkle”, sagte sie überflüssigerweise, un Draco erhob sich, knöpfte das Jackett zu, und die beiden Männer waren sehr wahrschenlich fünfzig, Zwillinge, alleinstehend – das komplette Gegenteil von ihm.

 

„Lord Malfoy“, begrüßte ihn der wohl forschere der beiden.

 

„Mr. Winkle“, nahm er den Titel zähneknirschend zur Kenntnis, schüttelte die angebotenen Hände, stellte Brinkley vor, musste sich anhören, wie schrecklich es wohl sein musste, den eigenen Vater ins Gefängnis bringen zu müssen wegen Veruntreuung, und dass es aber löblich von ihm war, der Ehre des Unternehmens voran zu stellen. Bla, bla, bla.

 

„Hatten Sie Gelegenheit, sich unser Angebot anzusehen? Wir wären durchaus bereit, mit 40 Prozent zu investieren.“ Draco wusste, Brinkley riet dringend zu 60 Prozent, aber leider war Draco nicht wirklich begabt in dreister, schamloser Verhandlung.

 

„Das ist… ein… wirklich gutes Angebot, allerdings hatte ich mich gefragt, ob es nicht möglich wäre, eine kleine Änderung vorzunehmen“, begann er also.

 

„Änderung?“, mischte sich der andere Bruder ein.

 

„Ich bin sicher, wir kommen auf einen gemeinsamen Nenner, Gentlemen?“, erwiderte er vielsagend.

 

„Was hatten Sie sich vorgestellt?“ Beide wirkte merklich verschlossener.

 

„Um Großes zu erreichen, muss man dann und wann größere Opfer bringen“, sagte er sinnlose Worte, aber keiner der Herren wirkte geneigt, etwas zu erwidern. Er musste nachdenken. Er waren schmierige Reinblüter, so schwer konnte es nicht sein. „Gentlemen“, fuhr er also fort, „wann war das letzte Mal, dass Sie ausgegangen sind? Ich schlage vor, wir verhandeln die letzten Details im Club“, schlug er jovial vor. Beide tauschten einen knappen Blick. „Ich bin dort ohnehin verabredet“, ergänzte er, während ihm langsam wärmer wurde. Anscheinend reichte die Aussicht auf Whiskey nicht aus, ging ihm auf. „Ich hoffe, Ihnen macht die Gesellschaft einiger Freundinnen meiner Verlobten nichts aus, ich hatte versprochen, mich zu kümmern“, ergänzte er knapp, log ins Blaue, und die Männer sahen ihn knapp an.

 

„Ihrer Verlobten?“, hakte der forsche Mr. Winkle nach, und Draco nickte hastig.

 

„Ja, Bekannte ihrer Familie, vielleicht etwas jung, aber angenehme Gesellschaft.“ Er nahm an, alte Reinblüter-Männer waren unterm Strich allesamt gleich eklig.

 

„Wirklich?“, sagte nun der andere, und Draco nickte wieder. „Nun, es wäre unhöflich, würden Sie die Damen enttäuschen“, fuhr er nachdenklich fort. „Wann wäre Ihre Verabredung dort?“

 

Er dachte schnell nach, während Brinkley ihn anstarrte. So schnell wie möglich, hatte Brinkley gesagt. So schnell wie möglich, müsse er den Deal klar machen. Er war zwar bis sechs gebunden, aber danach…- Zwischendurch würde er die beliebten Bordelle seines Vaters abklappern müssen, um zu sehen, welche Mädchen heute spontan Zeit hätten und wie viele Galleonen es kosten würde, dass sie eine gute Show ablieferten, aber sicherlich wäre es irgendwie machbar. Er hatte schon jetzt keine Lust. Außerdem würde er den privaten Bereich des Clubs reservieren lassen müssen. Merlin, war es alles anstrengend.

 

„Heute Abend, sieben Uhr“, entschied er spontan. „Brinkley begleitet uns“, ergänzte er in seine Richtung, und Brinkleys Mund öffnete sich überfordert, aber er widersprach nicht.

 

„Es klingt nach einem guten Plan, Malfoy“, entschied der erste Mr. Winkle, und Draco atmete innerlich auf. „Alles Weitere besprechen wir später“, ergänzte er, beinahe wohlwollend.

 

„Wunderbar“, entkam es ihm, aber das falsche Lächeln verbarg seine Bitterkeit einigermaßen gekonnt. Die Herren verließen sein Büro wieder, und Draco sank zurück in seinen Stuhl.

 

„Wir… treffen die Freundinnen Ihrer Verlobten?“, flüsterte Brinkley verwirrt, und Draco schenkte ihm einen eindeutigen Blick.

 

„So werden wir sie zumindest bezeichnen. Besorgen Sie mir die Adressen der besten Bordelle der Stadt und erkundigen Sie sich, in welchen mein Vater am häufigsten verkehrt hatte“, ergänzte er eindeutig, und Brinkleys gefasster Ausdruck stürzte ihm praktisch aus dem Gesicht.

 

„Mr. Malfoy“, begann Brinkley mit hochroten Wangen, aber Draco winkte ab.

 

„Seien Sie so gut und machen Sie einfach, was ich Ihnen sage, Brinkley“, knurrte er dann. „Und seien Sie nicht so naiv“, ergänzte er kopfschüttelnd. Vollkommen erschüttert verließ er sein Büro. Draco würde im Club Bescheid sagen müssen. Er nahm an, sein Vater wäre sehr stolz – wenn er ihn nicht gerade hassen würde. Gleich hatte er die Konferenz, dann kam die Versicherung und dann musste er zur Urteilsverkündung. Und dann anscheinend verbrachte er den Abend mit ekligen Reinblütern und einer Handvoll Prostituierten.

Blaise würde es einen normalen Abend nennen, nahm er finster an.

 

Während er aufstand, um Flohpulver in den Kamin zu werfen, und die Club-Verwaltung anzuflohen, griff er gelangweilt nach der hässlichen Karte. Astoria gab nicht auf. Das konnte er immerhin bestätigen.

 

„Rose und Crown, Clubverwaltung, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Hexe aufgesetzt höflich, aber Dracos Augen fixierten die Zeilen vor sich.

 

Das… war jetzt nicht ihr verdammter Ernst?!

 

~*~

 

Er war über alle Maßen abgelenkt, Kingsley hatte ihn bereits zweimal ansprechen müssen. Innerlich kochte er. Was fiel ihr ein? Was dachte sie? Dass es ihn interessierte? Dass sie es sich erlauben konnte? Er ging immer auf Nummer sicher, Vorsicht war an erster Stelle! Und sie?! Sie entschied, dass sie ihm eine verdammt öffentliche Karte schickte, wo sie ihm nicht sonderlich subtil mitteilte, nicht mehr an ihn denken zu wollen? Was, verdammt noch mal, sollte er damit anfangen?

Was sollte ihm das sagen? Wollte sie ihn reizen?!

 

Der Raum füllte sich, unter anderem mit seiner Mutter, mit ihrem Haus-Rechtsmagier, und als diese ihn erfolgreich ignorierte hatten und mit eisigem Schweigen straften, nachdem sie sich sehr weit auf die andere Seite gesetzt hatten, folgte der Richter, als auch zwei Beamte der Verwahrung, die Lucius in den Saal führten. Auch sein Vater hatte keinen Blick für ihn übrig, aber sein Auftauchen lenkte Draco immerhin einigermaßen von seinen Gedanken ab. Von ihr.

 

„Nehmen Sie Platz“, erklärte der Richter in die Runde, und Draco sah, Eugenia Belvadour hatte ein besonders breites Lächeln auf den übertrieben geschminkten Zügen. Welsh und Beck hatten bereits ihre Verhandlung bekommen. Lucius war der letzte heute, so sagte Kingsley. Draco musste keine Aussage machen, musste nichts weiter tun, als hier zu sitzen und zu genießen. Aber ein gutes Gefühl wollte sich nicht einstellen.

 

„Der Angeklagte möge sich erheben und die Formalitäten bestätigen“, sagte der Richter, und selbst in der schlichten, grauen Kleidung der Amtsverwahrung vermittelte Lucius einen angsteinflößenden Eindruck – oder es ging lediglich Draco so. Er versteifte sich auf seinem Stuhl und wollte plötzlich nicht, dass sein Vater ihn ansah. „Name“, fuhr der Richter fort, nachdem sein Vater stand. Groß, einnehmend, die Hände in den magischen Ketten vor dem Körper gefaltet, nach außen völlig gefasst. Draco wusste nicht, wie er es konnte. Ob es diese verdammte Erziehung war, das selbstgerechte Reinblütertum, das sein Vater nicht mal aufgeben wollte, selbst hier. Kurz bevor sie ihn verschifften.

 

„Lucius Malfoy“, sagte sein Vater, als wäre der Name gottgegeben, als wäre es das reinste Privileg. Er hörte seine Mutter schniefen, oder er glaubte es, denn als sein blick kurz zu ihr glitt, saß sie aufrecht und gefasst.

 

„Zauberstab“, fuhr der Richter teilnahmslos fort.

 

„Ulmenholz mit Drachenfaser“, erwiderte Lucius neutral. Der Richter kontrollierte den Zauberstab, und es war eigenartig, den Zauberstab seines Vaters nicht in dem diamatenbesetzten Gehstock zu sehen. Fast… war es unnatürlich.

 

„Mr. Malfoy, Ihnen ist bewusst, dass Sie mit der Urteilsverkündung der Strafe zustimmen, ohne Möglichkeit auf Widerspruch, Berufung oder Verkürzung der Strafe“, leierte er das rechtliche Brimborium herunter, und Draco beobachtete seinen Vater. Aber der Malfoy-Stolz machte keinen Halt, nicht mal vor Askaban.

 

„Ja“, war alles, was Lucius sagte. Draco atmete die angehaltene Luft hörbar aus, und Kingsley sah ihn knapp von der Seite an.

 

„Alles ok?“, fragte ihn der Mann, der ihn aus der Finanzabteilung geholt hatte, gezwungen hatte, die Aurorenausbildung zu machen, ihn mit Granger zusammen gesteckt hatte, ihm geholfen hatte, die Verbindung des Mals zu brechen – der dafür verantwortlich war, dass er Granger liebte. Granger. Draco biss die Zähne zusammen.

 

Unbewegt nickte Draco, und Kingsley richtete den Blick wieder nach vorne.

 

„Der Vorwurf umfasst“, begann der Richter und schlug eine dunkle Mappe auf, „die Teilnahme an Kriegsverbrechen, in Form der Anstiftung und der Beihilfe zum Mord tateinheitlich zumindest in einem bewiesenen Fall“, las der Richter ablehnend vor, und Draco hatte bereits erfahren, dass der Fund der Asche auf Malfoy Manor nicht eindeutig zu verwerten gewesen war – lediglich in einem Fall. Das war nicht viel, aber es war alles, was sie hatten. „Die Körperverletzung, als auch die versuchte Körperverletzung Schutzbefohlener, unter Missachtung der magischen Garantenpflichten des zweiten Gremiums im Rahmen der Elterlichen Fürsorge in besonders schwerem Fall“, fuhr der Richter bitter fort, und Draco schluckte wieder schwer. Sein Vater wurde bestraft, weil er ihn gefoltert hatte. Es war nett, aber eine ehrliche Entschuldigung würde Draco um Längen besser gefallen. Aber man musste sich mit dem begnügen, was man bekam, nahm er an. „Ferner besteht der Vorwurf des Versicherungsbetruges, des Steuerbetrugs, der Hinterziehung, in Höhe von 7,5 Millionen Galleonen, im Sinne magischer verbotener Machenschaften. Das allgemeine Strafmaß beläuft sich auf zwanzig Jahre Askaban, ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Bewährung, mittlerer Schweregrad, keine Einzelhaft, kein Kuss der Dementoren. Die Verteidigung des Angeklagten führt die Verjährungsklausel an sowie die Begleichung der Steuerschuld, als auch die interne Missachtung dienstlicher Vorgaben und den Tatbestand der Prozessverleumdung. In Anbetracht der Tatsache, dass Kriegsverbrechen zwar nicht verjähren können, aber Mr. Malfoy nur der Teilnahme an einer Tat bezichtigt werden kann, als auch dass Elterliche Fürsorgepflichten nicht der üblichen Strafmaßordnung unterliegen, hat lediglich der Vorwurf der Weisungspflichtverletzung vollumfänglich Bestand, was nach Abstimmung mit der Verteidigung zu einem Erlass von zwölf Jahren und acht Monaten führt.“

 

Kingsleys Mundwinkel sanken bitter, und Draco hasste interne Kleinigkeiten wie dumme Formfehler. Es war wirklich eine absolut glimpfliche Strafe. Das Rechtssystem versagte, wie es immer versagte. Aber das hatten sie vorher gewusst. Seine Eltern hatten einen fabelhaften Rechtsmagier. Zwanzig Jahre wären verdient gewesen.

 

„Mr. Malfoy hat gemäß den Unterlagen den Versicherungsschaden beglichen, und ich verkünde somit das abschließende Urteil von sieben Jahren und vier Monaten Gruppenhaft in Askaban, Sicherheitsstufe 2. Keine weiteren Einwende.“

 

Das war es also. Das äußerte, was Lucius Malfoy nachgewiesen werden konnte. Es war ein minimaler Sieg, aber allein die Geste schien Eugenia auszureichen, denn ihr Lächeln wankte nicht. Sein Vater blickte dem Richter entgegen.

 

„Mr. Malfoy, die Strafe ist von Ihnen umgehend anzutreten. Ihre Haft beginnt heute um 18 Uhr und endet taggenau in sieben Jahren und vier Monaten am 14. Juni um 18 Uhr. Das Gericht beendet die Sitzung, das magische Protokoll gilt als gewahrt. Einen schönen Abend noch“, verabschiedete sich der Richter, ohne großartige Gefühlsregung, erhob sich, wie der Rest des Kabinetts, und verließ anschließend, mit Lucius‘ Zauberstab den Saal.

 

Lucius rührte sich nicht, wartete, bis sich die Beamten erhoben, und auch seine Mutter rannte nicht zu ihm, bekundete ihm ihr Leid, ihr Mitgefühl, dass sie ihn vermissen, ihn besuchen würde – es passierte gar nichts. Der Rechtsmagier erhob sich, sprach kurz mit Narzissa, bevor er zu Lucius schritt, knappe Worte mit ihm wechselte, die Draco nicht verstehen konnte, und er erhob sich, als Kingsley es tat.

 

„Tja, tut mir leid, Junge“, bemerkte Kingsley ruppig.

 

„Schon ok“, entfuhr es Draco tonlos, während er praktisch darauf wartete, dass sich Lucius umwandte, ihn ansah – irgendetwas tat.

 

Der Rechtsmagier hob den Blick, sah ihn an, und Draco wappnete sich einigermaßen abrupt, als der Mann unverwandt auf ihn zukam. Kingsley ging ebenfalls in die Verteidigung, verblieb neben ihm, und der Rechtsmagier neigte knapp den Kopf zur Begrüßung.

 

„Mr. Malfoy“, sagte er angespannt, öffnete seine Tasche und zog eine schmale schwarze Kiste hervor. Sie war in Leder beschlagen. „Auf Wunsch Ihres Vaters“, ergänzte er, hielt Draco die Box entggen, und misstrauisch ergriff Draco das eigentümliche Artefakt.

 

„Und das wäre was?“, wollte Kingsley fast ungeduldig wissen, aber der Rechtsmagier lächelte glatt.

 

„Ich bin lediglich der Bote, Mr. Shacklebolt, und mit Verlaub“, ergänzte er herablassend, „es geht Sie nichts an“, schloss er, immer noch das Lächeln auf den Zügen. „Mr. Malfoy“, verabschiedete er sich kurz angebunden, und Draco nickte bloß, hatte keine Worte übrig. Er wog die Kiste in der Hand. Schwer war sie nicht, sonderlich wertvoll schien sie ebenfalls nicht zu sein. Sein Blick hob sich, als der Rechtsmagier wieder bei seinem Vater angekommen war, wohl noch die letzten Dokumente unterzeichnet wurden, und sinnlos wartete Draco, wollte seinen Vater mit schierer Geisteskraft nötigen, ihn anzusehen, aber irgendwann räusperte sich Kingsley neben ihm.

 

„Es wird Zeit, Draco. Zeit, zu gehen“, ergänzte er, legte ihm tatsächlich die schwere Hand auf die Schulter, und automatisch streckte Draco den Rücken durch, als ginge es darum, Form zu wahren, Haltung zu zeigen. Seine Eltern sahen ihn nicht mehr an. Er bekämpfte den Drang, den Namen seines Vaters zu rufen, sich vielleicht zu entschuldigen für dieses Schicksal, was er ihm zugefügt hatte, denn er hatte es nicht getan. Lucius hatte es getan. Blind klappte er den Deckel der Box auf und sein Blick fiel auf den Inhalt, den gläsernen Flakon, in schwarzen Samt geschlagen.

 

„Eine Erinnerung?“, mutmaßte Kingsley interessiert, und Draco ruckte mit dem Kopf. Er wusste, was es war. Hatte sie zwar selber nie gesehen, nie Wort für Wort gehört, aber er kannte sie dennoch auswendig. Es war seine Vorhersehung. Und passenderweise schien sein Vater seine Enttäuschung ihm gegenüber nicht anders zum Ausdruck bringen zu wollen, als ihm die missratene Vorhersehung zu überreichen. Kurz verweilte Dracos Blick auf dem eingravierten Datum, was im Schliff des Glanzes in allen Farben schimmerte. Sein Geburtstag.

 

Er klappte den Deckel wieder zu, ohne das Interesse, die Box wieder zu öffnen.

 

„Zeit, zu gehen“, wiederholte er Kingsleys Worte, fast neutral, und blickte nicht zurück, als er an der Seite des Leiters der Auroren den Saal verließ.

 

Es war, als verließ er das ewige Dunkel, von dem er nicht gedacht hätte, jemals entfliehen zu können. Aber… fast war es leicht.

 

Und es war wieder Platz in seinen Gedanken. Und nur zu leicht dachte er wieder an sie. An ihre unfassbare Dummheit. Ihre dummen Worte. Und er war verletzt. Ernsthaft verletzt.

 

Dafür würde Granger zahlen.

 

Aber sein Tag war noch nicht vorbei, hatte er sich doch um das dumme Geschäftstreffen im Club zu kümmern. Sein Leben kam ihm endlos vor.

Endlos und undankbar und einsam.

 

 

59. track of a storm

 

„Wieso regst du dich so auf?“, fragte Ginny verständnislos, aber Hermine wusste, sie hörte nur mit halbem Ohr zu. James war ziemlich schwierig heute, weinte unablässig und nichts schien ihn besänftigen zu können.

 

„Weil es verantwortungslos ist, deshalb!“, schäumte Hermine wieder.

 

„Verantwortungslos? Du – wir sprechen von den kleinen Cupido-Putten, richtig? Mit den kleinen Pfeilen?“, vergewisserte sie sich abgelenkt. Und Hermine atmete aus.

 

„Ja! Ja, es ist gemeingefährlich.“

 

„Gemeingefährlich?“, wiederholte Ginny, während sie James von den rechten auf den linken Arm wechselte, versuchte, ihn auf der anderen Seite zu stillen, während Hermine nicht zu genau hinsah und weiter ihre wütenden Runden wanderte. „Dann hast du ihm eben eine Karte geschickt – was ist so schlimm daran?“

 

„So schlimm?“, wiederholte Hermine jetzt, konnte nicht fassen, wie dumm sie gewesen war, aber es jagte sie schon den ganzen Nachmittag. „Es… es war einfach dumm! Ich hätte niemals – du verstehst das nicht“, unterbrach sie sich unglücklich.

 

„Nicht wirklich“, bestätigte Ginny entschuldigend, und anscheinend war jetzt irgendetwas besser, denn James hatte sich wieder beruhigt und trank endlich. Ginny seufzte erleichtert. „Du bist sauer, weil du eine Dosis Euphoria-Serum bekommen hast und dann eine Karte an Malfoys Firma geschickt hast, richtig?“

 

„Nein“, widersprach Hermine verzweifelt. „Ich – nein, darum geht es nicht“, stöhnte sie auf.

 

„Ok?“, sagte Ginny etwas verstört.

 

„Ich, ja. Natürlich. Darum geht es auch, aber wir reden nicht mehr. Das ist… alles vorbei! Schon lange!“, ergänzte sie unglücklich. „Und jetzt… jetzt habe ich diesen blöden Fehler gemacht und es sieht so aus, als…“

 

„Ich dachte, du hättest ihm geschrieben, dass… es vorbei ist, dass du… nichts von ihm willst, dass du…?“ Ginny verstand nicht.

 

„Ja, aber… es sollte nicht mal mehr im Raum stehen!“, entfuhr es Hermine verzweifelt. „Ich sollte… stärker sein, besser sein als das. Ich meine, er lebt sein Leben, tut andere Dinge – und ich… ich bin der letzte Vollidiot, der ihm eine dämliche Valentinskarte schickt!“

 

„Keine romantische“, gab Ginny zu bedenken, aber Hermine verzog den Mund.

 

„Vollkommen egal. Es war… so dumm von mir“, jammerte sie. „Und gefährlich“, entfuhr es ihr dann, und Ginny runzelte die Stirn.

 

„Warum gefährlich?“ Und Hermine vergaß für einen Moment, dass sie alleine ihr Geheimnis wusste und niemand sonst in diesem Haus.

 

„Wenn Astoria es erfahren würde, dann-“ Aber Ginny unterbrach sie.

 

„-Astoria ist in der Schule“, bemerkte sie abfällig. „Seine nicht sonderlich alte Verlobte sitzt in Hogwarts. Und wenn schon? Was soll sie schon machen?“ Hermine schwieg. Richtig. Für Ginny war es alles nicht weiter dramatisch. Die Haustür schloss sich, Harry kündigte sich an. Er hatte Feuerholz besorgt. Genügend davon. Und er brachte einen Strauß Rosen.

 

„Fröhlichen Valentinstag“, rief er grinsend und schloss den Abstand zu Ginny auf der Couch und küsste sie kurz auf die Lippen, bevor er James einen Kuss auf die Stirn drückte. „Oh, Hermine, entschuldige, an dich habe ich gar nicht gedacht!“, schien ihm bedrückt aufzufallen.

 

„Und dafür bin ich mehr als dankbar! Dieser verdammte Tag gehört ausgelöscht!“, regte sie sich wieder auf. Harry runzelte die Stirn.

 

„Frag besser nicht“, riet Ginny ihm lächelnd.

 

„O-k“, erwiderte Harry betont freundlich. „Fühl dich einfach wertgeschätzt, Hermine“, ergänzte er dann.

 

„Danke, Harry“, erwiderte sie grimmig.

 

„Schon acht Uhr, will er nicht langsam schlafen?“, erkundigte er sich bei seiner Frau, und Ginny seufzte auf.

 

„Wir haben schon alles probiert. Der Junge hat Hunger“, schloss sie achselzuckend.

 

„Kann ich verstehen. Ich denke, ich koche uns eine Kleinigkeit“, schlug Harry dann vor. Hermine war gar nicht darauf gekommen, fiel ihr beschämt auf. Sie hatte Ginny einfach nur mit ihren Sorgen terrorisiert.

 

Und dann läutete es an der Tür.

 

„Wollte Ron vorbeikommen?“, erkundigte sich Ginny. „Kann mir nicht vorstellen, dass Pansy ihn heute gehen lässt?“, ergänzte sie vielsagend.

 

„Nein, wollte er nicht“, entgegnete Harry auf halbem Weg durch den Flur. Hermine hieß die Ablenkung willkommen. Vielleicht waren es George und Angelina, vielleicht kam Molly vorbei. Einfach irgendeine Ablenkung. Aber sie hörte nicht, wie Harry irgendwen begrüßte. Es war merklich still im Flur, und sie tauschte einen fragenden Blick mit Ginny, ehe sie sich zur Tür schlich, um in den Flur zu spähen. Ihr Atem gefror.

 

Malfoy. Malfoy war hier. Hier!

 

Harry schien ihn anzustarren. Und dann traf sein zorniger, grauer Blick ihren.

 

„Was fällt dir ein?“, vernahm sie seine zornige Stimme jetzt. Und scheinbar dankbar wich Harry zurück, gab den Blick auf ihn frei, und Hermine sah, seine Krawatte saß recht locker, so auch sein Hemdkragen, seine Haare lagen wild, und mit verengten Augen erkannte sie… Lippenstift auf seinem Hals?! Unwillkürlich kam sie näher.

 

„Bitte keine Szene“, ermahnte Harry sie knapp, ehe er wohl zurück zu Ginny ging. Hermine schluckte schwer.

 

„Was?“, wandte sie sich mit schwacher Stimme an Malfoy, dessen Auftauchen sie gänzlich überrascht hatte. Sie hatte nicht mit einem Wiedersehen gerechnet. Gar nicht. Nicht in nächster Zeit. Nicht außerhalb des Trainings, aber… jetzt stand er hier.

 

„Du schickst mir eine verdammte Karte?“, fuhr er sie tatsächlich an. Roch sie… Champagner? Hatte er getrunken? Wie sah er überhaupt aus?

 

„Was… tust du hier?“, entfuhr es ihr ungläubig. „Und… wo kommst du her?“ Sein Blick sprühte zornige Funken.

 

„Von der scheiß Arbeit.“

 

„Du riechst…“ Unwillkürlich atmete sie ihn ein. „Nach… Zigarren, nach Alkohol, nach…“

 

„Es war ein Geschäftstreffen, Merlin noch mal! Leider habe ich nicht den Luxus, sofort aufzuspringen und zu tun und zu lassen, was ich möchte, wann ich es möchte!“ Sie hatte keine Ahnung, ob es eine Anspielung auf ihr Leben sein sollte, wenn ja, verstand sie es nicht.

 

„Was-?“

 

„-weißt du, wie absolut dumm und gefährlich das war?“, schnauzte er sie an. „Und dann schickst du dieses Ding in mein Büro? Weißt du, dass es reines Glück ist, dass ich sie geöffnet habe und nicht irgendwer sonst?“, fuhr er sie nahtlos an, und ja, sie wusste das.

 

„Es war nicht…- ich habe nicht freiwillig-“, begann sie lahm, aber seine Augen weiteten sich.

 

„-nicht freiwillig?“, schrie er jetzt. „Nein? Wer hat dich gezwungen, Hermine? Penelope? Sam?“, wollte er barsch wissen, und ihr Blick fiel. „Das war wirklich-“

 

„-es tut mir leid!“, warf sie ein.

 

„Super! Das nächste Mal, wenn du mir so eine Scheiße mitteilen willst, bitte ich dich, nachzudenken, und es zu lassen! Und vor allem – was soll das? Du willst nicht mehr an mich denken?“, zitierte er grenzenlos zornig ihre Worte, und sie spürte die Röte in ihren Wangen. „Dafür schickst du mir so einen Müll?“

 

„Malfoy-“, versuchte sie zu widersprechen, aber scheinbar hatte sich sehr viel Wut gestaut.

 

„-schön, dass du leben wirst!“, zischte er, so leise, dass nur sie es hören konnte. „Aber ich brauche keine verdammte Erinnerung daran, dass mein Leben die Hölle ist, hast du das verstanden? Anscheinend bist du drüber weg – und das ist schön für dich – aber so habe ich es nicht geplant, ok?“

 

„Du wirst sie nicht verlassen!“, rief sie jetzt bitter aus.


„Denkst du das?“

 

„Er hat gesagt-“


„-es interessiert mich nicht, was dieser Wichser von sich gibt. Glaub mir, ich verlasse sie, sobald ich kann. Sobald es möglich ist! Noch schneller, wenn es geht!“, knurrte er. „Und es wäre nett, wenn du mich zumindest in dem Glauben lassen würdest, dass ich irgendeine Aussicht darauf habe, dass… dass…“ Er unterbrach sich, und es kostete ihn wohl einiges, nicht wieder zu schreien.

 

„Dass was?“, flüsterte sie praktisch, konnte den Blick nicht von ihm wenden.

 

„Vergiss es einfach“, spuckte er ihr entgegen. „Schick mir keine scheiß Karten, Granger!“, informierte seine raue Stimme sie, sein Blick dunkel, und die Wut ging in heißen Schüben von ihm aus, so kam es ihr vor. „Und behalt für dich, dass du mich hasst“, ergänzte er, fast tonlos. Er war so unfassbar scheiße! So absolut…! Sie zitterte ebenfalls vor Wut.

 

„Dann hau ab!“, zischte sie unter Tränen. „Verschwinde! Damit dich ja niemand sieht, Malfoy!“

 

„Keine Sorge, ich bin weg“, erwiderte er kalt, machte Kehrt und sie warf die Tür hinter ihm ins Schloss. Ihr Atem ging schnell. Mit verschwommenem Blick starrte sie auf das dunkle Holz, und alles war taub in ihrem Innern.

Alles war falsch. Und es schmerzte so viel mehr, ihn nicht zu sehen, als von ihm angeschrien zu werden.

 

Es ging nicht. Leider ging es nicht.

 

Sie zog die Tür auf und auf Socken lief sie die Stufen runter. Es hatte zu regnen begonnen, und sie sah, wie er den Zauberstab zog, wie er apparieren wollte, und im Laufschritt erreichte sie ihn, griff nach seinem Arm, und er schien sie nicht gehört zu haben, sie nicht zu erwarten, denn erschrocken fuhr er herum, als sie seinen Arm zu fassen bekam. Sein glasiger Blick traf ihren überrascht, und sie wusste nichts zu sagen. Sie griff in seinen Mantel, zog ihn an sich, und er verschloss ihre Lippen übergangslos. Sie öffnete seinen Mund mit ihrem, und erlösend heiß stieß seine Zunge nach vorne, traf ihre, und sie schlang die Arme um seinen Hals.

 

Zu lange war es her!

 

Er hielt sie so fest, als hätte er Angst, irgendwer würde sie ihm nehmen, so kam es ihr vor. Seine Arme lagen um ihre Taille, und es war ihr egal. Es war ihr egal, wer sie sah, wer was wusste – sollte Astoria doch hier sein, sollte sie es einfach sehen. Und ihretwegen konnte sich die Vorhersehung erfüllen. Sollte sie ruhig hier und jetzt in seinen Armen sterben, denn ohne ihn hatte sie ohnehin keine Lust, irgendetwas zu tun. Ihre Socken waren schnell durchnässt, sie fror am ganzen Leib, aber auch das nahm sie nicht wirklich wahr.

 

Er verteilte sanfte Küsse auf ihren Lippen, bevor er den Kopf zurückzog.

 

„Es… regnet. Du wirst nass“, murmelte er rau, und sie schüttelte einfach den Kopf.

 

„Mir egal. Ich… gehe nirgendwo ohne dich hin“, sagte sie ihm trotzig, und sie sah ihn lächeln. Zum ersten Mal seit… seit…- sie wusste es nicht mehr.

 

„Komm“, sagte er, und seine Wut schien verraucht. Er ergriff ihre Hand, zog sie zurück, zurück zu Harrys Haus, und erst, als er die Tür hinter ihnen schloss, merkte sie, wie kalt ihr war. Harry kam ihnen mehr oder weniger gereizt entgegen, zwei große Handtücher im Arm.

 

„So viel zu ‚keine Szene machen‘“, murmelte er bitter, bevor er ausatmete. „Eine heiße Dusche könnte helfen“, bemerkte er knapp in ihre Richtung, ehe er an Malfoy hinab blickte. „Ich habe… Sachen, die dir vielleicht passen könnten“, mutmaßte er abfällig. Draco blinzelte kurz. „Ich nehme an, du bleibst?“, ergänzte Harry abwartend, und Dracos Mund öffnete sich überfordert. Er war genauso nass wie sie, genauso planlos, und dann sah er sie an.

 

„Ich… bleibe“, entkam es ihm einigermaßen überrascht und tonlos, aber seine grauen Augen wurden dunkel, und ihr wurde wieder heiß.

 

„Super“, entfuhr es Harry augenverdrehend. „Es wird nicht mehr geschrien“, ermahnte er sie beide. „Ich leg dir frische Sachen nach oben“, ergänzte er dann, sah sie noch mal an und reichte ihr die beiden Handtücher. Die Röte sprengte ihre Wangen, und dann ließ Harry sie allein.

 

„Hättest du… Lust zu duschen?“, fragte sie ihn scheu, aber sein Blick sagte ihr sehr eindeutig, er hatte wohl Lust auf wesentlich mehr als das. Sie schluckte schwer. „Oder…?“ Wieder ergriff er wortlos ihre Hand. „Ok.“ Ihr Mund formte die Worte nur, denn ihre Stimme hatte nachgegeben.

 

Sie führte ihn nach oben, und ihre Knie waren weich wie Pudding.

 

~*~

 

Er wusste, es war absolut falsch. Er wusste, er hatte hier nicht zu sein – wollte auch nicht bei Potter sein. Durfte es auch nicht. Wäre er hier, würde er das hier wieder anfangen, dann… wäre sie direkt wieder in Gefahr. Weil er… nicht anders konnte. Weil seine Beherrschung lachhaft war! Zweieinhalb Monate hielt er aus, und dann? Und es machte es nicht besser, dass sie bereits begann, sich auszuziehen. Sein Atem ging so unfassbar schnell.

Er wollte sprechen, wollte ihren Namen sagen, wollte anfangen, zu erklären, wollte sich entschuldigen, hergekommen zu sein – wie schon so oft in ihrer gemeinsamen Geschichte. Seine Augen folgten ihr schamlos, während sie aus der nassen Hose stieg, den Pullover über den Kopf zog. Ihre nassen Haare hingen lang und schwer, die Locken waren fast verschwunden, und sie sah ihn an. Die dunklen Augen warm, unsicher, Merlin, sie war perfekt. Er erkannte ihre Brustwarzen unter dem weißen Trägershirt, und er wusste, wie weich sich ihre Oberschenkel unter seinen Fingern anfühlen würden.

 

„Bleibst du… angezogen?“, fragte sie ihn, fast scheu, und er liebte die seltenen Momente, in denen sie sich tatsächlich schämte. Wusste Merlin, wieso.

Die Wochen waren so anstrengend gewesen, er hatte blind gearbeitet, von morgens früh bis abends spät. Hatte an nichts weiter angedacht – und vor allem nicht an sie. Aber anstatt zu antworten, lächelte er schließlich.

 

Er war so verdammt weit gekommen. Er hatte geplant, sauer auf sie zu sein, aber… wie könnte er?

 

„Geh ohne mich“, sagte er vollkommen neutral. Sie blinzelte verblüfft.

 

„Ohne…?“, wiederholte sie verstört. „Draco, ich will nicht ohne dich gehen“, flüsterte sie fast, als wäre es unanständig. Als wäre es neu. Als hätten sie sich noch nie nackt gesehen. Stummer Vorwurf lag nun in ihren großen, hübschen Augen. Aber sie war so perfekt, dass er nicht wagen würde, sie irgendwie zu gefährden. Er würde es nicht tun. Konnte es nicht.

 

„Ich bin hier, wenn du wieder kommst“, versprach er ihr. Ihr Mund öffnete sich verwirrt.

 

„Du… bist durchnässt, du-“


„-ich habe einen Zauberstab. Es ist ok.“ Es überraschte ihn, wie ruhig er blieb, wie zufrieden er war, einfach nur, weil er sie sehen konnte. Er sah sie schlucken, sah, wie sie sich schwer tat, aber sie kam auf ihn zu. Er beobachtete sie, sein Körper reagierte darauf, aber er blieb einfach stehen.

 

„Ich… möchte nicht mehr… warten“, sagte sie mutig, sah ihn weiterhin direkt an, als könne sie ihn mit ihrem Blick verzaubern. Und sie war nicht weit entfernt, das gab er zu.

 

„Hermine“, erwiderte er kopfschüttelnd, hielt sich mit Mühe davon ab, die Hand zu heben, um ihre Wange zu umfangen, denn er wusste, Körperkontakt war die größte Falle. „Dein Leben ist das Warten wert“, sagte er ernst. Ihr Mund öffnete sich unglücklich. „Wenn ich sie jetzt verlasse, dann wird sie die Drohung wahrmachen. Sie wird mich wegen Vergewaltigung anzeigen, und-“

 

„-aber es ist gelogen!“, entfuhr es ihr verzweifelt.

 

„Hermine, es macht keinen Unterschied“, versuchte er, ruhig zu vermitteln.

 

„Nein!“, widersprach sie jedoch blind. „Mit Veritaserum-“

 

„-Veritaserum ist kein Grund, jemanden nicht zu verhaften. Es ist nicht prozesstauglich. Beck hat im Detail gestanden, wie ich gefoltert wurde, unter Anwendung des Tranks, und es dient lediglich der Beweisführung. Es ist kaum mehr als das.“ Er sah, sie verdaute diese Informationen irgendwo, speicherte sie im Granger-Gedächtnis ab, denn jetzt gerade lag ihr Fokus woanders.

 

„Aber ihre Aussage-!“, fuhr sie fort, und er hob die Hände.

 

„-wenn ich sie manipuliert hätte, wäre ihre Aussage auch dieselbe, es ist nicht gut genug, es wäre-“

 

„-sie hat Vielsafttrank genommen! Damit du mit ihr schläfst!“, rief sie haltlos, und Draco atmete lange aus.

 

„Es wird niemanden interessieren. Und sie wird gut genug lügen können. Sie wird irgendwelche Ausflüchte finden, und ich denke, der Strafkammer ist es egal, wie viele Malfoys sie diesen Monat verhaften. Mein Name steht nicht unbedingt für ehrenhafte Taten, verstehst du das? Und ich riskiere keine fünf Jahre Haft, allein, weil eine schmale Chance besteht, dass Astoria scheitert. Für was? Nach der Hochzeit kann ich sie verlassen. Rechtlich sicher, ohne ein Problem.“

 

„Das reicht mir nicht“, entkam es ihr traurig. „Es ist nicht richtig, Draco! Du kannst-“

 

„-und selbst das wäre mir egal!“, unterbrach er sie ernsthaft. „Das Risiko allein wäre mir gleichgültig. Natürlich wäre es das, wenn es bedeutet, ich könnte dich haben, sofort, ohne andere Probleme. Aber es gibt andere Probleme, verstehst du nicht? Willst du in vier Monaten sterben, nur um Sex mit mir zu haben?“, fragte er sie ernsthaft und kurz huschte Wut und gleichzeitig Verlegenheit über ihr Gesicht. Sie atmete aus.

 

„Was passiert danach?“, entkam es ihr plötzlich merklich ruhiger.

 

„Was?“

 

„Danach. Nach der Hochzeit? Was genau macht dieses Ereignis so besonders, dass wir uns bis dahin nicht… sehen können?“, fragte sie ihn direkt. Er zog die Stirn in Falten.

 

„Der 20. ist der Tag der Hochzeit. Der Tag, den die Vorhersehung bestimmt. Was genau-?“

 

„-ich glaube, es hängt damit nicht zusammen“, sagte sie mit gerunzelter Stirn.

 

„Was hängt damit nicht zusammen?“, wiederholte er verwirrt.

 

„Ich denke, in der Vorhersehung war es tatsächlich der Tag der Hochzeit, aber… vielleicht spielt die Hochzeit nur eine… untergeordnete Rolle?“ Er verzog den Mund.

 

„Na und?“, entkam es ihm. „Was macht das für einen Unterschied?“

 

„Warum sollte ich plötzlich nicht mehr sterben können? Die Hochzeit ist allein wichtig, damit du rechtlich unbeschadet aus der Ehe kommst. Die Hochzeit kann nicht für meinen Tod verantwortlich sein. Es ist allein der Tag, der verantwortlich ist.“

 

„Hermine“, begann er kopfschüttelnd, denn er wollte es gar nicht diskutieren. Er lebte alleine bis zum 20. Juli in dieser Hölle. Danach wäre er geschieden und Granger wäre sicher. Das war alles, woran er dachte. Für ihn hing es zusammen.

 

„Falls du planst, sie zu verlassen“, ignorierte sie ihn, und er schenkte ihr einen finsteren Ausdruck, „was du ja behauptest“, ergänzte sie nachdrücklich, „um bei mir zu sein – dann…“

 

„Dann?“, lauerte er auf ihre Antwort.

 

„Dann ändert sich gar nichts und Goodwin hat… gelogen?“, entfuhr es ihr fast verwundert.

 

„Gelogen? Wieso sollte er-“

 

„-ich weiß es nicht. Um…- keine Ahnung. Vielleicht weiß er irgendwas, und-“

 

„-wirklich? Und du denkst, der Seher lügt, riskiert dein Leben, um was zu tun? Die Sache ein bisschen aufzumischen? Um zu sehen, was passiert?“

 

„Vielleicht“, sagte sie bloß. „Es hängt nicht mit der Hochzeit zusammen“, sagte sie sehr überzeugt.

 

„Das weißt du nicht.“

 

„Es macht so oder so keinen Sinn. Die Hochzeit war nur ein Umstand. Weil… was sollte mir an deiner Hochzeit passieren, Draco? Ich werde nicht teilnehmen, ich werde nicht da sein – und garantiert würde ich mich in keine Gefahr begeben, gerade wenn vorhergesagt wird, dass-“

 

„-ja, aber das sind Vorhersehungen! Sie haben nichts mit Logik zu tun! Es hat nichts damit zu tun, dass du dich in einem Turm verbarrikadierst – es hat damit zu tun, dass es bestimmt ist. Egal, welche Vorkehrungen du triffst.“

„Eben“, bestätigte sie sehr überrascht. „Es ist egal, was ich tue…“, entfuhr es ihr langsam.

 

„Was?“ Er verlor den Überblick.

 

„Egal, was ich tue, ich kann es nicht verhindern. Merlin, es ist genau das, was McGonagall gesagt hat. Ich kann mich verstecken, oder… ich tue es nicht.“

 

„Granger, noch ist es nur deine persönliche Meinung, dass Goodwin gelogen hat!“, merkte er warnend an.

 

„Er hat gelogen“, entfuhr es ihr, absolut überzeugt.

 

„Granger, du-“

 

„-verlass sie“, sagte sie schlicht. Er starrte sie jetzt an. „Wenn alles zusammen hängt, wenn ich wegen dir sterbe“, fuhr sie fort, und es schmerzte in seiner Brust, „dann bist du am 20. bei mir“, entfuhr es ihr. „Wenn es mit dir zusammenhängt, kannst du nicht im Gefängnis sein“, flüsterte sie. Er runzelte die Stirn. Irgendetwas dieser Worte ergab Sinn. Nicht viel davon, aber…-

 

„Granger, das ist reine Vermutung“, erwiderte er.

 

„Dann riskieren wir das.“

 

„Bist du wahnsinnig?“, fragte er sie offen.


„Ich glaube, ich sehe das erste Mal klar. Du wirst nicht nach Askaban kommen, Draco. Du wirst sie nicht heiraten. Und wenn wir die Welt am 20. aus den Angeln heben müssen, um das Schicksal zu ändern – dann tun wir das. Wir wissen, was passiert. Zwar nicht im Detail, aber wir kennen das Ende. Ich sterbe, und weil wir es wissen, wird es nicht passieren“, schloss sie, und Draco sah sie an, die Abwägung kroch in seine Gedanken.

 

„Das nennt man Pokern, Granger“, klärte er sie warnend auf. „Mit keinem guten Blatt“, ergänzte er. „Du vermutest das, ins Blaue hinein“, ergänzte er deutlich.

 

„Was ist das schlimmste, was passieren kann?“

 

„Oh, lass mich nachdenken, Darling“, knurrte er gereizt. „Richtig – ich komme nach Askaban – und du stirbst!“, donnerte er jetzt.

 

„Vertrau mir“, sagte sie mit Nachdruck.

 

„Dir vertrauen? Weil du eine fixe Idee hast?“

 

„Ich habe keine fixen Ideen, Draco!“, rief sie, immer noch komplett überzeugt. „In meinem Leben habe ich noch nie auf Grund fixer Ideen gehandelt. Ich habe Recht. Du musst das spüren! Du weißt, ich habe Recht“, flüsterte sie. Und er spürte es nicht. Teilweise wusste er, ihre Worte machten irgendwo Sinn, aber es wäre Wahnsinn, sich darauf zu verlassen.

 

„Die Vorhersehung hat-“

 

„-seit wann bist du Verfechter davon?“, unterbrach sie ihn scharf. „Du hast mir gesagt, ich bestimme mein Schicksal.“

 

„Das ist schön und gut, wenn der Ausgang ein Beinbruch ist, aber-“

 

„-so kann man nicht leben. Du sagst, du gibst keinen Knut auf solche Dinge, wie Prophezeiungen oder Vorhersagen, aber… du tust es doch!“

 

„Granger“, widersprach er verzweifelt.

 

„Vielleicht kannst du nicht aus deiner Haut, aber dann glaub mir, wenn ich dir sage, ich bestimme mein Schicksal allein. Und ich ändere es meinetwegen auch allein. Aber vertrau mir, Draco!“

 

„So einfach ist es nicht“, schloss er erschöpft. „Ich vertraue dir immer, Hermine“, räumte er ein. „Aber liegst du nur um ein Detail falsch, bist du nicht mehr da.“ Aber sie schien das kalkuliert zu haben.

 

„Ich glaube, ich habe keine Wahl. Ich will auch nicht, dass sich dieses Schicksal erfüllt, aber ich kann so nicht leben. Ich denke, verstecke ich mich und handele ich nicht so, wie ich es will – dann erfüllt sich dieses Schicksal ebenfalls. Nicht am 20., aber vielleicht am 21. oder in zehn Jahren – und es wäre nicht besser.“ Er atmete aus. Lange. „Vertrau mir!“, bat sie ihn erneut. Seine Augen schlossen sich, und er verstand. Er handelte auch nicht so, wie er es wollte. Er tat genau das, was er eigentlich nicht mehr hatte tun wollen. Er versteckte sich. Beugte sich Prophezeiungen, deren Wahrheit oder Richtigkeit er nicht mal bestätigen konnte. Sicher, seine eigene Prophezeiung hatte die Abtrünnigkeit und einen einsamen Pfad vorhergesagt, aber… nur aus der Perspektive heraus, dass er nicht mehr unter der Fuchtel seiner Eltern stand. Dass er dem Reinblütertum den Rücken kehrte – und er tat es leidenschaftlich gerne! Er sah keinen Fehler in seinem Plan.

 

Granger hatte Recht, ging ihm atemlos auf. Goodwin hatte gelogen. Vielleicht, um es voranzutreiben, irgendeine Änderung zu bewirken, und Merlin, das hatte er wohl geschafft.

 

Dracos Gedanken rissen allerdings ab, denn Granger hatte ihr Trägershirt herausfordernd über den Kopf gezogen.

 

„Was wird es sein, Malfoy?“, fragte sie ihn unverwandt, und seine Erektion verriet ihn schamlos, erwachte augenblicklich. Die Aussicht, Granger jeden Tag so zu haben… entschied mit einem Mal über jedes noch so schlimme Schicksal.

Worauf genau wartete er eigentlich? Er hatte Recht. Er hatte nichts getan. Sicher, ein Mädchen war schwanger, aber nicht, weil er sie gezwungen hatte.

Das Rechtssystem hatte bei Lucius nicht funktioniert, aber plötzlich hatte Draco keine Angst mehr.

 

Es wurde Zeit. Askaban machte ihm keine Angst mehr. Und er erkannte, nichts hätte ihm jemals Angst machen dürfen.

Wieder einmal lernte er spät, aber… immerhin lernte er. Ein paar Leute schuldeten ihm ein paar Gefallen. Zeit, diese einzufordern, nahm er bitter an.

 

Er streifte den Mantel von seinen Schultern, öffnete sein Jackett, begann sein Hemd aufzuknöpfen, und ihre Brust hob sich schneller.

 

Und irgendwo in London, fuhr der Seher namens Goodwin aus seinem unruhigen Schlaf. Orientierungslos suchte er blind nach dem Zauberstab auf seinem Nachttisch, während ihm kalter Schweiß auf der Stirn stand.

Kurzatmig wurde er sich der lauten Schnabelschläge gegen seine Fensterscheibe gewahr. Ein schwarzer Raubvogel blickte ihm durch den Regenschleier aus schwarzen Augen böse entgegen. Er kämpfte sich aus dem Bett, den Lumos wankend aufs Fenster gerichtet, er öffnete die Scheibe, und der kalte Wind ließ ihn frösteln. Er löste das pechschwarze Pergament vom Bein des Vogels, bevor sich die Omenerscheinung in dunkles Pulver auflöste, der Vogel war verschwunden. Das nachtschwarze Pergament wog schwer in seinen Händen.

 

Der Rat der Seher schrieb nicht ohne Grund, nahm er atemlos an. Und nach seinem Traum konnte er sich sehr gut ausmalen, was ihm blühen würde.

Kraftlos sank er auf die Bettkante zurück, den Zauberstab in der einen, die Vorladung in der anderen Hand.

 

Nicht im Traum hätte er jemals geglaubt, einen anderen Menschen umzubringen.

 

Lange atmete er aus. Er musste mit Kingsley reden. Und mit dem Mann aus seinem Traum. Mit dem Mann namens Harry Potter.

Seltsam, wie mit einem Mal alles anders wurde. Das Schicksal musste mächtig sauer mit ihm sein.

 

 

60. the right path

 

Ihre Augen öffneten sich, aber sie hatte das Gefühl, die Schwerkraft drückte sie in die Kissen zurück. Sie blinzelte, kämpfte gegen den Schlaf, und sah seinen Umriss im Zimmer. „Draco?“, murmelte sie träge, und er kam näher.

 

„Schlaf weiter, es ist früh“, sagte er sanft, fuhr ihr über die Locken, bevor er den Kopf neigte. Er hauchte einen Kuss auf ihre Stirn, aber sie griff eilig in sein Jackett, zog ihn tiefer, und lächelnd kam er ihr entgegen, küsste ihre Lippen beherrscht, und sie wollte ihn unter die Decke ziehen. Alles schmerzte, stellte sie fest. Sie hatte unfassbaren Muskelkater vom Sex in der Dusche, vom Sex im Bett – und sie glaubte, sie hatte noch nie so viele Höhepunkte in einer Nacht erlebt – und wann sie eingeschlafen waren, wusste sie nicht zu schätzen, aber sie glaubte, die Sonne war bereits aufgegangen, und sie glaubte, Draco hatte gar nicht erst geschlafen.

 

„Komm ins Bett“, flüsterte sie verlangend, erahnte das Grinsen in seinem Gesicht, denn sie erkannte seine weißen Zähne, und er löste ihre Arme von seinem Nacken. Sie machte einen enttäuschten Laut und ließ ihn los.

 

„Ich muss zurück, mich umziehen“, erklärte er still, strich ihr wieder über die Locken, und unzufrieden kämpfte sie sich hoch. „Du musst nicht aufstehen.“

 

„Doch, ich muss aufstehen. Wann sehe ich dich sonst wieder?“, wollte sie wissen, und er lächelte.

 

„So bald wie möglich. Sehr wahrscheinlich heute Abend.“

 

„Ja, das sind Versprechungen, auf die lasse ich mich nicht ein“, beschwerte sie sich, und sie würde jede Sekunde mit ihm genießen, war sie war sich nicht sicher, ob sie gestern tatsächlich entschieden hatten… zusammen zu sein. Denn… es bedeutete sehr viel Drama. Und ihren Tod. Vielleicht. Sie war wieder wach, folgte ihm, als er von der Bettkante aufstand und zog ihren Bademantel über, den sie dauerhaft bei Harry und Ginny geparkt hatte. Sie wohnte jetzt seit Wochen im Gästezimmer.

„Wie viel Uhr ist es?“, wollte sie mit schmalen Augen wissen, als sie in den kalten Flur traten. Wie konnte er angezogen sein, frisch aussehen?

 

„Gleich fünf“, erwiderte er.

 

„Das ist nicht dein Ernst?“, entkam es ihr schockiert.

 

„Ich habe einen langen Tag, Baby“, erklärte er lächelnd, und sie verzog den Mund, nicht sicher, ob sie diesen Kosenamen gut finden sollte. Nein, sie mochte ihn nicht. Draco grinste wieder. „Ich finde einen besseren Namen“, versprach er, und sie ergriff seine Hand. Sie gingen zusammen die Treppe runter. Jeder Schritt schmerzte. Merlin, war sie wund.

 

„Mein Vorname wäre ideal“, erwiderte sie mürrisch. Sie betraten die Küche, und Harry hob gähnend den Blick. James lag friedlich in seinem Arm, während Harry ihn mit der abgepumpten Milch fütterte. Er tat es für Ginny, entlastete sie, wie nur Harry Potter es konnte.

 

„Morgen“, begrüßte er sie mit mehr oder weniger eindeutigen Blicken, aber anstatt Dracos Hand loszulassen, legte Hermine auch noch ihre zweite Hand über seine.

 

„Morgen, Harry“, sagte sie lächelnd.

 

„Dann habt ihr euch vertragen?“, vermutete ihr bester Freund interessiert.

 

„So ungefähr“, wich Draco seinen Worten aus. „Danke, für…“ Er führte es nicht wirklich aus, und Harry ruckte abwehrend mit dem Kopf.

 

„Passt schon. Du bist nicht meine erste Wahl, Malfoy, aber… das geht mich wenig an, nicht wahr?“

 

„Das stimmt“, mischte sich Hermine gähnend ein.

 

„Tee steht auf der Theke“, bemerkte Harry sanft, um James nicht zu stören.

 

„Ich werde ausziehen“, informierte Hermine ihn freundlich. „Ich werde weiterhin kommen, wann immer ich kann, aber-“

 

„-Hermine“, begann Harry, aber sie unterbrach ihn.

 

„-ich wäre sowieso irgendwann gegangen“, sagte sie mit Nachdruck.

 

„Was… ist euer Plan?“, wollte Harry jetzt wissen, und Hermines Blick fiel auf den besitzergreifenden Griff, den sie um Dracos Hand hatte.

 

„Ich trenne mich von Astoria, ich werde vor Gericht müssen, und sofern ich nicht nach Askaban komme wegen Vergewaltigung… sehen wir weiter“, erklärte Draco dann.

 

„Und dein Job?“, wollte Harry wissen, fragte nicht mal genau nach, war nicht mal wirklich schockiert. „Im Unternehmen?“, ergänzte er vorsichtig.

 

„Mal sehen. Den wird wer anders machen können. Ich… werde Gold brauchen für… Astoria, für… das Kind, aber…“ Er schien nachzudenken.

 

„Ok“, sagte Harry schlicht. „Verfügst du nicht über Massen an Gold? Jetzt?“

 

„Ich habe ein bequemes Polster, ja“, umschrieb Draco die Millionen an Galleonen, die er nun besaß, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ich muss den Titel behalten, sonst frieren die Konten ein“, erklärte er knapp, „zumindest bis zur Geburt meines Sohnes. Dann kann ich den Titel aufgeben, und der Junge wird Stammhalter.“

 

„Dann gehört das Gold Astoria?“, vermutete Harry spitzfindig, und Draco zögerte knapp.

 

„So ist der Plan“, räumte er schließlich ein.

 

„Wird sie mitspielen?“ Harry stellte die pragmatischen Fragen, die Hermine gestern versäumt hatte zu stellen.

 

„Auf keinen Fall, nein. Aber… das ist nicht ihre Entscheidung, und es ist mir auch egal. Ich werde versuchen, den Jungen zu bekommen, sobald er da ist, mal sehen, ob es funktionieren wird.“

 

„Du willst ihn haben?“, entfuhr es Harry überrascht.

 

„Sicher will ich ihn haben, er ist mein Sohn.“ Das waren Informationen, die Hermine mit weiten Augen aufnahm. Draco wollte seinen Sohn. Sie war sich nicht ganz sicher, welche Rolle sie dann spielen sollte, aber sie hütete sich, ausgerechnet jetzt diese Fragen zu stellen. „Ich würde ihn ungerne in Astorias Obhut oder der meiner Mutter lassen“, merkte er knapp an. „Astoria ist… sehr jung.“ Harry schien nachzudenken.

 

„Das wird… eine schwierige Zeit werden, Malfoy“, sagte er schlicht.

 

„Ich bin nichts anderes gewöhnt, Potter“, erwiderte er bloß. „Danke für… das Asyl gestern Nacht“, merkte er schließlich an. „Ich muss los“, ergänzte er in ihre Richtung.

 

„Du hast nichts gegessen, nichts getrunken“, sagte sie hastig, wollte zum Tresen, aber er hielt ihre Hand fest.

 

„Ich brauche nichts, ich kümmere mich später um Nahrung“, versprach er ihr. „Wo kann ich dich erreichen?“

 

„Ich…- ich bin im Ministerium bis voraussichtlich drei und dann werde ich in der WG sein. Meine Sachen erst mal dorthin bringen, oder…- mal sehen“, schloss sie ratlos, nicht sicher, wie sie fortfahren sollte.

 

„Ok“, erwiderte er, wohl zufrieden mit ihrer Antwort. „Ich finde dich“, versprach er ihr dann.

 

„Ok“, entkam es ihr atemlos.

 

„Hermine, ich liebe dich“, sagte er, schien ihr alles versprechen zu wollen, und sie schluckte schwer, nahm zur Kenntnis, dass er diese Worte vor Harry sagte, und sie schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Ich liebe dich auch, Draco“, flüsterte sie fast, und er senkte den Kopf, verschloss ihre Lippen zum hundertsten Mal in den letzten Stunden, und ihre Augen schlossen sich automatisch, genossen die Nähe, seinen Duft.

 

„Ich finde dich“, wiederholte er dann eindringlich, und sie nickte blind. Er nickte Harry noch mal zu, löste seine Hand aus ihrem Griff und verließ die Küche lautlos, und genauso lautlos verschwand er im Morgengrauen. Leise klickte die Haustür ins Schloss.

 

Harrys Blick ruhte auf ihr, und unangenehm berührt fanden ihre Arme den Weg in eine defensiv schützende Geste, verschränkt über ihrer Brust. Sie wappnete sich schon mal für das folgende Gespräch. Das unweigerlich folgende Gespräch.

„Hast du dir das gut überlegt?“, wollte ihr bester Freund ernst wissen.

 

„Harry“, begann sie erschöpft.

 

„Ich meine, es besteht eine gute Chance, dass er diese wahrscheinliche Verhandlung nicht unversehrt übersteht, Hermine“, fuhr er fort.

 

„Das Problem gehen wir an, wenn es soweit ist“, sagte sie nur.

 

„Ja? Was habt ihr besprochen? Wie seid ihr verblieben? Dass er dich ‚findet‘ kann ja wohl kaum das Ausmaß allens sein“, erwiderte er fragend.

 

„Harry“, sagte sie wieder, „es ist kompliziert“, merkte sie bitter an, hasste, dass es kompliziert war.

 

„Ist es nicht immer kompliziert?“, wollte er wissen.

 

„Wir können nur einen Schritt nach dem anderen angehen, ok? Und jetzt wird er Astoria verlassen, danach… sehen wir weiter.“ Harry wirkte nicht zufrieden.

 

„James ist fertig“, bemerkte er, stellte die Flasche auf den Tisch zurück. „Ich werde mich noch hinlegen. Sehe ich dich im Ministerium?“, fragte er knapp, schien erst mal mit seinen Fragen fertig zu sein, und Hermine nickte stumm. „Ok. Wir reden später, befassen uns später mit… den Folgen. Und du musst nicht ausziehen“, ergänzte er, als er sich erhob, während James wieder selig schlief.

 

„Ich muss ausziehen“, erklärte sie seufzend. „Es wird Zeit. Aber danke!“, sagte sie lächelnd. Harry schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln, und als er zu ihr kam, küsste sie James warme Stirn.

 

„Drück Ginny von mir“, sagte sie liebevoll, und Harry nickte.

 

„Bis später“, versprach er ihr, und sie nickte. Sie hoffte es. Sie hoffte, alles klärte sich später.

 

~*~

 

Er bereute die Entscheidung, einen Anzug zu tragen, Krawatte und Lederschuhe. Er würde auffallen, so ziemlich sofort. Aber wahrscheinlich würde er so oder so auffallen, nahm er finster an.

Er war nicht direkt vor die Tore appariert, nutzte das gute Wetter aus, um zu Fuß zu gehen – und seine Schuhe im Gras zu ruinieren, während er den hügeligen Hang hoch Richtung Schloss marschierte. Er hatte McGonagall erreicht, hatte erklärt, er müsse seine Verlobte sprechen, und McGonagall hatte ihm gestattet zur Pause nach Hogwarts zu kommen. Seine Gedanken rasten, aber die Furcht hielt sich in Grenzen. Er hatte bereits mehrere Treffen vereinbart, mit potentiellen Nachfolgern, die sich heute im Unternehmen bewerben würden. Mr. Brinkley litt an einem furchtbaren Kater, aber tatsächlich hatte sein Assistent einen sehr guten Abend gehabt gestern – wie auch die alten Herren Winkle und Winkle. Draco nahm an, er musste zügig Ersatz finden, denn Astoria würde vorhersehbar handeln. Sie würde ausrasten und ihren Eltern sehr wahrscheinlich nahtlos Bescheid geben.

 

Und dann… lag es alles nicht mehr wirklich in seiner Hand, nahm er an. Er hatte bereits heute Morgen mit der Sekretärin von Harlem MacCray gesprochen, dem berüchtigten Advokaten, der mehr als zwei Dutzend Ehemalige erfolgreich nach Askaban geschickt hatte, und er hoffte auf einen Termin, auf die Chance, genau diesen Rechtsmagier zu bekommen, der vielleicht Mitleid mit ihm hatte – und vielleicht sogar mildes Interesse am Fall besaß, denn immerhin hatte Draco seinen eigenen Vater verhaften lassen.

 

Und dann war er da. Das Tor war offen, wie McGonagall gesagt hatte, und es fühlte sich unfassbar furchtbar an, wieder hier zu sein. Wirklich furchtbar. Er war zu früh. Niemand war draußen unterwegs, die Ländereien wirkten verschlafen, lagen ruhig vor ihm, und Draco hatte nicht wirklich geglaubt, jemals wieder hier her zu kommen – was unsinnig war, denn wenn er Kinder hätte, würden diese wohl auch nach Hogwarts gehen, und… er würde zumindest sehr bald ein Kind haben. Kurz befiel ihn absolute Panik, und für den Bruchteil einer Sekunde, wollte er umkehren. Aber wirklich nur für eine Sekunde.

Dann atmete er durch. Und er wusste, er funktionierte sowieso nur noch auf Autopilot, denn jede seiner bewussten Entscheidungen war zum Scheitern verdammt. Jede. Er tat jetzt, was sein Instinkt ihm riet – seit Monaten – und er würde die Sache mit Astoria beenden, egal, wie viele lose Enden unterm Strich überblieben. Egal, was ihm blühen würde.

Das war das, was er tun musste.

 

Er erreichte das große Tor, was ihm heute kleiner vorkam, als noch vor fünf Jahren. Er zog es auf, betrat den stillen Eingang und spähte rechts und links den weiten Flur entlang. Der Geruch erschlug ihn beinahe mit Nostalgie. Faszinierend. Er erinnerte sich an sein erstes Jahr, viel zu deutlich. Und dann läutete es dumpf durch die Schlossmauern. Pause. Türen öffneten sich, Schüler strömten aus verschiedenen Klassenräumen, säumten den Flur zur Großen Halle, liefen an ihm vorbei, viele ignorierten ihn, vor allem die jüngeren Schüler, die älteren schenkten ihm neugierige Blicke, und aus den Kellern kamen die Slytherins nach oben. Nicht Astorias Jahrgang, stellte er fest, denn sie waren zu jung. Sein Blick fiel auf die Uniformen, und er kam sich vor wie ein Tier im Scheinwerferlicht. Jeder ohne Uniform fiel auf. Sofort, überall. Die Schüler musterten ihn allesamt, und er stand unfähig auf dem Flur.

 

„Mr. Malfoy, was für eine Überraschung!“, hörte er eine raue Stimme, und er hob den Blick. Jemand kannte ihn.

 

„Professor Slughorn“, begrüßte er den Lehrer verblüfft. Slughorn arbeitete hier noch. Wahrscheinlich hatte Astoria es ihm erzählt, aber er hörte dem Mädchen nie zu, also… konnte er es nicht wissen.

 

„Was verschaffst uns die Ehre?“, wollte Slughorn wissen, reichte ihm die Hand zum Gruß, und Draco schüttelte sie fest.

 

„Ich wollte… meine Verlobte besuchen“, brachte Draco die Worte über die Lippen, und Slughorn schenkte ihm einen verständnisvollen Blick.

 

„Das gute Reinblütertum…, ich muss sagen, ich habe nichts gegen die alte Etikette, gegen die arrangierten Hochzeiten – es ist… märchenhaft, nicht wahr?“ Draco konnte sich gerade so daran hindern, den Mund zu verziehen. Es mochte vieles sein, aber märchenhaft war nicht das richtige Wort.

 

„Hm“, machte Draco stattdessen, zog seine Hand zurück, und der versonnene Professor seufzte schwer.

 

„Möchten Sie McGonagall begrüßen?“, wollte er wissen, und Draco wollte nicht, würde aber wohl nicht drum herum kommen.

 

„Sicher“, sagte er also, ließ sich von dem alternden Professor führen, und er ging direkt in die Halle. Aber Merlin sei Dank nicht bis ganz nach hinten, McGonagall schien ihn zu erwarten. Aber trotzdem verrenkten sich die Hälse der Schülerschaft – von der er niemanden mehr mit Namen benennen konnte. Die unteren Jahrgänge waren… nicht seine Zielgruppe gewesen, dachte er bitter.

 

„Ich bringe Ihnen Mr. Malfoy“, sagte Slughorn begeistert, und McGonagall schenkte ihm ein altes Lächeln. Fast war es beruhigend. Fast erinnerte er sich deutlich.

 

„Mr. Malfoy“, begrüßte sie ihn nickend.

 

„Madame Direktorin“, sagte er wohlwollend, und sie verdrehte die Augen.

 

„Professor ist weiterhin ausreichend, Lord Malfoy“, schien sie ihn aufzuziehen, und seine Mundwinkel zuckten knapp. „Gehen wir ein Stück“, schien sie ihn aufzufordern. „Ich habe Miss Greengrass bereits unterrichtet und sie wartet in meinem Büro“, ergänzte sie. „Ich dachte mir, es soll kein Spektakel werden, nicht wahr?“, ergänzte sie, und Dracos Stirn runzelte sich. Er verabschiedete sich von Slughorn, versprach, sich per Floh zu melden und folgte der Schulleiterin durch die allmählich wieder ruhigen Flure. „Sagen Sie, ich hörte von der Verhandlung. Ihr Vater… hat seine Haftstrafe angetreten?“, vergewisserte sie sich dann mit hohen Augenbrauen, und Draco nickte knapp.

 

„Ja, Professor“, bestätigte er.

 

„Gut. Das… ist lange überfällig.“

 

„Ja“, wiederholte er dumpf.

 

„Und… Sie sind hier, weil Sie Ihre Verlobte vermissen und nicht bis Donnerstag warten konnten?“, vermutete sie dann, während sie die Treppen nach oben stiegen.

 

„So… in etwa“, sagte er gedehnt.

 

„In etwa?“, griff sie seine Worte abwartend auf. Unentschlossen öffnete sich sein Mund. „Wissen Sie, Hermine war hier. Vor… einer ganzen Weile“, schien sie ihm berichten zu wollen.

 

„Ja, ich… ich weiß.“ Oh, er wusste es. Er erinnerte sich lebhaft an diesen Tag, würde sich immer lebhaft an diesen Tag erinnern.

 

„Wie geht es Hermine?“, erkundigte sie sich dann. „Sie hatte… gewisse Sorgen, als sie mit mir gesprochen hatte“, fuhr die Schulleiterin fort, und Draco konnte nur lange ausatmen.

 

„Ich denke, es geht ihr… besser. Jetzt“, ergänzte er stumpfsinnig.

 

„Mr. Malfoy“, sagte die Schulleiterin, als sie im Flur zu ihrem Büro angekommen waren, „ich war nie begeisterter Anhänger Ihrer Familie“, eröffnete sie ihm überraschend ehrlich.

 

„Das… hatte ich auch nicht angenommen.“

 

„Ihr Vater war… ein ungehöriger Junge, ein nachlässiger Schulsprecher, ein übler Kandidat, der wohl in Voldemorts Rängen seinen guten Nutzen gehabt hatte“, ergänzte sie bitter. „Und Sie“, fuhr sie fort, und Draco schluckte beinahe schwer, als sie ihn über die geschliffenen Brillengläser hinweg mit scharfen Augen musterte, „Sie haben Ihre Machtspielchen hier gespielt, haben vom Einfluss Ihres Vaters profitiert, sich in Teams einkaufen lassen, und haben durch Ihre unglückliche Verbindung ebenfalls die Stellung eines nichtsnutzigen Schulsprechers übernehmen dürfen“, schloss sie knapp. Draco war kurz davor den Kopf einzuziehen, die Schultern hängen zu lassen. „Und jetzt sehen Sie sich an!“, entkam es ihr beinahe still. Draco hielt die Luft an. „Ein Animagus erster Güte, die Aurorenausbildung so gut wie in der Tasche, das Unternehmen Ihres Vaters, umgekrempelt, bis aufs Letzte und Lucius selber hinter Gitter gebracht. Draco, ich bin beeindruckt.“ Fast verschluckte er sich, als er die angehaltene Luft ausatmete.

 

„Professor-“

 

„-und Hermine Granger an Ihrer Seite. Mein Junge, ich würde sagen, mehr kann man nicht bekommen, nicht wahr?“ Er schwieg knapp. „Und dann wäre da natürlich noch die schwangere Schulsprecherin“, ergänzte sie gedämpfter.

 

„Professor-“, aber wieder unterbrach sie ihn.

 

„-Draco, lassen Sie mich ehrlich sein, denn… wenn Sie gekommen sind, um zu tun, was ich denke, dass Sie tun wollen, wäre es besser, wenn Sie so wenig wie möglich sagen.“ Und mit einem Mal schwieg er. „Ich habe mir erlaubt, einige Kollegen zu instruieren, nicht Slughorn“, ergänzte sie vielsagend. „Wir haben einen jungen Lehrer-Anwärter in der Ausbildung hier. Sein Anerkennungsjahr, wenn man so will, und er ist zurzeit verantwortlich für die Gewächshäuser, als auch für die Trankherstellung für das Fach Zaubertränke sowie für den Bedarf des Krankenflügels“, fuhr sie fort, und Dracos Stirn runzelte sich.

 

„Professor, was-?“

 

„-Sie sagen so wenig wie möglich, Draco“, erinnerte ihn die Schulleiterin schlicht. „Zufälligerweise war der junge Mann an dem Tag für die Inventur in Slughorns Vorratszimmer zuständig, als es dort zu einer… sagen wir… Entwendung kam. Leider ein wenig bestechlich, meldete mir der junge Kollege den Vorfall zu spät, allerdings wäre er durchaus bereit, eine Aussage zu machen, für den Fall, dass Sie heute hergekommen sind, um Ihrer reizenden Verlobten den Laufpass zu geben…“

 

Draco starrte sie an.

 

„Was?“, entkam es ihm, gänzlich aus der Bahn geworfen.

 

„Mit Verlaub, ich kenne Miss Greengrass, habe lange gehadert, ob sie die rechte Kandidatin für das hohe Amt der Schülerschaft war, und letztendlich täuscht sich auch der klügste Kopf dann und wann“, tat sie es achselzuckend ab, „aber so gut ihre Noten auch sein mögen“, ergänzte sie vielsagend, „es fehlt ihr an Weitsicht, an Erfahrung, an der rechten… Intelligenz – von der sie scheinbar genügend besitzt, aber dann doch nicht ausreichend genug.“ Draco starrte sie jetzt an. „Ich gehe davon aus, Miss Greengrass wird einiges daran setzen, Sie für gewisse Verbrechen nach Askaban zu bringen, von denen ich annehme, dass sie ausnahmslos ausgedacht sind?“ Draco hatte keine Worte übrig. Keines. „Und ich möchte Sie warnen, Astorias Temperament ist unberechenbar, allerdings halte ich es für Ihre Pflicht, das Mädchen in die Schranken zu weisen und ihr wenn möglich das arme, ungeborene Kind abzunehmen, sobald Sie es können, Draco“, ergänzte sie deutlich. „Hermine berichtete mir von einer dunklen Vorhersage, und ich nehme an, Sie werden sich erschlossen haben, dass Astoria diejenige welche sein wird, die Hermine ans Leben will?“ Dracos Mund öffnete sich gänzlich überfordert.


„Astoria?“, wiederholte er perplex. „Nein, sie würde-“

 

„-Mr. Malfoy, niemand sonst hat ein geeignetes Motiv, nicht wahr?“ McGonagall sah ihn abwartend an. „Und wenn ich Sie mit den rechten Mitteln unterstütze, um einen hässlichen Ausgang Ihres Verfahrens abzuwenden, werden Sie sich auf einen entscheidenden Gegenschlag gefasst machen müssen. Haben Sie ausreichend darüber nachgedacht?“ Herausfordernd sah sie ihn an.

 

„Nein“, entkam es ihm fast tonlos. „Ich…“

 

„Astoria hat Sie mit Vielsafttrank verführt, Ihnen ein Kind untergejubelt, um Ihren Namen, den Titel, Ihr Vermögen zu erhalten“, erläuterte McGonagall nachsichtig. „Denken Sie, dort wird Sie Halt machen? Denken Sie, sobald Sie Ihr die Zukunft nehmen, wird sie ruhig abwarten, das Kind bekommen, in Schande leben?“ Dracos Kiefer lockerte sich vollkommen schockiert. „Oder wird sie versuchen wollen, Sie zu treffen, Draco? Dort, wo es am meisten weh tut?“, wollte McGonagall mit effektreicher Pause von ihm wissen, und Draco konnte nicht fassen, was sie ihm sagte. Dachte sie das wirklich? Astoria? Ernsthaft? „Es ist Ihre Welt, Draco. Sie kennen sich unter Reinblütern besser aus, als ich es könnte. Was denken Sie?“, fuhr sie fort, sah ihn abwartend an, und Dracos Haltung versteifte sich.

 

„Was… was soll ich tun?“, entfuhr es ihm. „Ich kann Hermine nicht gefährden, durch-“

 

„-gefährdet wird sie so oder so“, unterbrach ihn die Schulleiterin abwinkend. „Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber… alle Vorhersagen haben ihren Grund, ihren Zweck. Und diese Vorhersage möchte ich aus persönlichen Gründen lieber nicht erfüllt wissen“, erklärte sie mit Nachdruck. „Möchten Sie meine Hilfe in Anspruch nehmen?“ Er dachte nicht sonderlich lange darüber nach.

 

„Ja, Professor. Ja, ich… liebend gern“, schloss er dann. „Danke.“

 

„Madame Pomfrey wird sich auf den Weg hierhin machen, sobald ich Bescheid gebe. Astoria wird Trost brauchen, vielleicht den ein oder anderen Aufbautrank, nachdem Sie erledigt haben, was getan werden muss“, fasste sie geschäftig zusammen. „Danach möchte Sie bitten, zu den Gewächshäusern zu gehen. Unser Anwärter wartet dort auf Sie. Besprechen Sie das weitere Vorgehen. Haben Sie einen Rechtsmagier?“ Draco verarbeitete die Informationen so schnell er konnte.

 

„Ich…- MacCray, ich versuche-“

 

„-eine gute Wahl. Ich werde Harlem direkt über Floh anrufen. Gryffindors tun einander gerne Gefallen, denke ich. Wir sehen uns wieder, Mr. Malfoy“, verabschiedete sie ihn dann förmlich und sprach das Passwort für den Wasserspeier. Sofort erwachte der Stein zum Leben, bewegte sich und gab die Treppe preis. Er atmete knapp aus. „Und bitte“, ergänzte sie, ehe sie sich abwandte, „machen Sie keinen Fehler, gehen Sie kein dummes Risiko ein“, schloss sie ernsthaft, nickte ihm ein letztes Mal zu, und dann trat er den Weg nach oben an. Astoria… Astoria würde Hermine umbringen? Draco glaubte daran nicht. Niemals im Leben. Niemals. Oder? Und war es nicht ein dummes Risiko, Astoria zu verlassen? Wahrscheinlich nicht. Es war das einzig richtige. Er hasste es alles.

Aber es zählte nur Hermine. Hermine allein. Und ja, er durfte keinen Fehler mehr machen.

 

Die wenigen Stufen kamen ihm vor wie eine halbe Ewigkeit. Er überlegte, zu klopfen, entschied sich aber dagegen. Fast beruhigte es ihn, das Holz des Zauberstabs an seinem Oberschenkel zu spüren. Er öffnete die Tür.

 

„Draco!“, rief sie, als sie ihn erkannte. „Was… was ist los?“ Er erkannte ihre Sorge, aber gleichzeitig sah er das Misstrauen, die ewigen Hintergedanken der Slytherins. Sie kam zu ihm, schloss den Abstand, und sie schien zu testen, schien herausfinden zu wollen, was er hier wollte, sie lehnte sich ihm entgegen, aber er senkte den Kopf nicht, schloss nicht den Abstand, küsste sie nicht, und ihre Augen verengten sich. „Draco, was tust du hier?“ Und er wusste nicht, ob sie es antizipierte, ob sie jeden Tag darauf wartete. Ob sie es unbewusst immer ahnte, ob sie deshalb so besitzergreifend und dominierend war – ob sie seine folgenden Worte nur deshalb so absolut bereit aufnahm.

 

„Astoria, es ist vorbei“, sagte er die Worte ruhig, gefasst, beinahe erlösend. Kurz weiteten sich ihre Augen. „Ich löse die Verlobung.“ Und sehr schnell fand sie sich ab, verarbeitete seine Worte hinter ihren kühlen Augen.

 

„Wegen ihr?“, entkam es ihr, und es gab Draco die Information, die er noch brauchte, die letzte Überzeugung, die ihm noch fehlte, McGonagalls Worten Glauben zu schenken. Es war Astoria. Er war überzeugt.

 

„Es ist unwichtig“, brachte er gepresst hervor, aber seine geballten Fäuste verrieten ihn, nahm er an.

 

„Du Arschloch!“, flüsterte sie lediglich, und er rechnete fast mit ihrer Ohrfeige, mit irgendeiner Form von Gewalt, aber sie sah ihn lediglich an, Tränen in den weiten Augen. „Wenn du glaubst, du bekommst auch nur den Hauch einer Chance, an ihrer Seite zu sein, anstatt an meiner, dann irrst du dich! Am besten besorgst du dir jede legale Unterstützung, die du finden kannst, du Blutsverräter!“, warf sie ihm heiser vor. „Wie kannst du es wagen? Du schwängerst mich! Du gefährdest mein Wohl, das Wohl des Kindes! Du stürzt mich in diesen Abgrund, hinterlässt nichts als Leid und Chaos! Kein Richter wird dich unterstützen – und dann kannst du deinem scheiß Vater Gesellschaft leisten! Das scheint es zu sein, was du so unbedingt willst!“ Er ließ sie reden. Er hielt es aus. Irgendwo trafen ihre Worte. Und er wusste, er fügte dem ungeborenen Kind Stress zu, aber er konnte es nicht verhindern, und er schwor sich, er würde es wieder gut machen! Irgendwie. Irgendwann. Sobald er es konnte!

 

Keinen Fehler machen. Er durfte nicht schreien, durfte nichts tun, was es schlimmer machte. „Sag was, du scheiß Mistkerl!“, forderte sie ihn auf, wartete wohl nur darauf, dass er sie anschrie, aber er beherrschte sich. Dann öffnete sich die Tür wieder, und Madame Pomfrey kam ins Büro. Astoria schrie übertrieben theatralisch auf, hielt sich den runden Bauch, und immerhin Madame Pomfrey schoss ihm wütende Blicke zu. „Schaffen Sie ihn weg, Madame Pomfrey!“, jammerte Astoria jetzt überzeugend echt. „Sonst verliere ich mein Baby!“, weinte sie bitterlich, und Draco glaubte fast, die Krankenschwester würde ihn tatsächlich verfluchen, und er setzte sich in Bewegung.

 

Runter zu den Gewächshäusern. Wer war dieser verdammte Anwärter, von dessen Gunst er abhing? Er hoffte sehr, dass McGonagall MacCray überzeugen konnte. Jetzt gerade fühlte er sich elend und erschöpft, nicht so, als hätte er jemals in seinem Leben auch nur eine richtige Entscheidung getroffen.

 

Aber… er war frei. Für ein paar Momente. Bis zum nächsten Gerichtstermin wäre er frei. Und sehr kurz regte sich etwas in ihm. Ein Funke Hoffnung bahnte sich den Weg aus dem ewigen Dunkel, das ihn beherrschte.

 

Er wollte den Tag hinter sich bringen. Und dann wollte er zu ihr!

 

 

61. the hero of the story

 

Das Gespräch mit Kingsley Shacklebolt war kurz und schmerzlos verlaufen. Nach fast 78 Jahren hatte Goodwin seine Stelle gekündigt, seine weiteren Dienste dem Ministerium versagt und würde in vier Monaten nicht mehr arbeiten. Kingsley hatte viele Fragen gestellt, da noch kein Seher des Ministeriums vorzeitig seine Stelle verlassen hatte, und Goodwin tat es nicht gerne, allerdings stellte sich nicht die Wahl.

Er hatte die Frage vage beantwortet und dem Leiter der Auroren einen versiegelten Brief für Harry Potter dagelassen. Mehr verblieb ihm kaum zu tun.

 

Außer diese eine Sache.

 

Jedes Jahr kam er hier her. Auf den grünen Hügel. Jedes Jahr tagte der Rat der Seher, aber dieses Jahr war er vorzeitig gerufen worden. Er war nie anders als die anderen gewesen, hatte sich nie sonderlich um das Schicksal der Menschen geschert, hatte dem Ministerium seinerzeit vor dem Großen Krieg gerne seine Dienste angeboten, hatte er die letzten fünfzig Jahre davor lediglich auf Märkten für einen Hungerlohn die Zukunft für willige Kunden vorhergesagt.

 

Schon damals war es vom alten Rat nicht gerne gesehen worden, wenn die Seher ihre Fähigkeiten der Allgemeinheit im Rahmen billiger Tricks verkauften, aber er war nie einer der Problemfälle gewesen. Er war nicht Lastorburgh oder Gravenhearst. Das waren die Fälle, die der Rat, trotz ihres Verstoßes, unter enger Bewachung gehalten hatte, hatte sich der erste der dunklen magischen Elite angeschlossen und 1880 einen Putsch angezettelt, der das magische England in eine halbe Zerstörung geführt hatte. Seine Exekution war erst Jahrzehnte später durchgesetzt worden. Und der zweite hatte als Seher in Voldemorts Diensten grausame Verbrechen begangen. Er saß jetzt in Askaban, Einzelhaft, bis zu seinem entfernten Ende.

 

Er hatte die Spitze des Berges erreicht, trug nicht mehr als den dunklen Zauberstab unter seiner Robe, und der Zauber erkannte ihn. Der Schleier, der Muggel und gewöhnliche Zauberer abschirmte, öffnete sich für ihn und groß tat sich die Burg vor ihm auf. Sein Kopf lag in seinem Nacken, und die dunklen Raubvögel, die Boten der Seher, kreisten träge um die hohen Turmspitzen.

Er erreichte die Tore, und zwei Bedienstete warteten bereits, führten ihn ins Innere. Ab und an hatte er darauf spekuliert, irgendwann auch im Rat der Seher zu sitzen. Natürlich war er nicht alt genug, wäre es niemals gewesen, aber vielleicht hätte man ja eine Ausnahme für ihn gemacht? Diese Hoffnung hatte sich nun endgültig zerschlagen.

 

Sie führten ihn durch die verhangenen Gänge. Die Luft war kühl. Vor dem großen Saal blieben sie stehen, bedeuteten ihm, einzutreten, und knapp atmete er aus.

 

Tatsächlich waren die Ältesten bereits anwesend, saßen an der langen Tafel, dampfende Tassen Tee in den alten Händen.

 

„Avanagh“, begrüßte ihn der Ratälteste mit seinem Vornamen, den Goodwin lange abgelegt hatte, und den kein normal sterblicher Zauberer mehr kannte.

 

„Freveghol“, erwiderte er die Begrüßung, neigte den Kopf vor Freveghol Magnus, dem obersten Seher. Goodwin senkte den Blick.

 

„Du hättest nicht eingreifen dürfen“, begann Magnus beinahe voller Nachsicht, schüttelte den vierhundert Jahre alten Kopf über ihn, als wäre Goodwin ein dummes Kind.

 

„Ja“, räumte Goodwin verständig ein.

 

„Begreifst du dein Handeln?“, fuhr Magnus fort, und Goodwin nickte bewegungslos.

 

„Ja“, bestätigte er wieder.

 

„Welchen Weg wirst du gehen, Avanagh?“, fragte er ihn offen, und Goodwin hob den Blick.

 

„Du weißt, welchen Weg. Ansonsten wäre ich nicht hier, Freveghol“, sagte er tatsächlich seufzend. Kurz beriet sich Magnus mit den übrigen Sehern, die er nicht kannte, nicht mochte, nicht kennen wollte. Sie existierten alle nebeneinander, waren sich ihrem Schicksal alle marginal gewahr. Seher waren keine Freunde, keine Vertrauten, dafür war ihr Geschäft ein zu finsteres.

 

„Lass dem Schicksal seinen Lauf“, schien ihm Magnus anzubieten. Goodwin atmete lange aus.

 

„Das kann ich nicht tun.“

 

„Ihre Zeit ist gekommen, Avanagh. Dein Zutun ändert die Zukunft.“

 

„Es ist nicht richtig“, sagte er törichte Worte.

 

„Nicht richtig?“, wiederholte Magnus mit gerunzelter Stirn. „Ob etwas rechtens ist, liegt außerhalb unserer Fähigkeit, zu entscheiden. Wir sehen das Schicksal, ahnen die Zukunft, und es steht uns nicht zu, zu richten. Zu urteilen. Zu ändern“, schloss er mit einer dunklen Mahnung. „Widersprichst du unserem Codex, entscheidest du dich für den abtrünnigen Weg, fern unserer Bruderschaft, bist du ausgestoßen.“

 

„Es macht keinen Unterschied“, widersprach er, dem Gespräch müde.

 

„Vielleicht bist du zu lange im Ministerium beschäftigt, Avanagh. Vielleicht vergisst du langsam aber sicher die Prinzipen der Seherschaft?“, wollte er mahnend wissen. „Das Schicksal des Einzelnen steht niemals über dem Schicksal aller.“

 

„Sie ist eine Heldin.“

 

„Helden sterben“, bemerkte Magnus kalt. „So ist es seit jeher. Wir mischen uns nicht in die Welt der Sterblichen ein. Es führt zu Chaos. Zu Chaos allein“, schloss Maguns warnend. „Das Mädchen ist nicht deine Angelegenheit.“

 

„Dann mache ich sie zu meiner Angelegenheit“, sagte er schlicht. Er selber hatte sich bereits abgefunden.

 

„Der Junge ist Nachfahre von Mordred Black“, sagte Magnus mit Bedacht, als wisse es Goodwin nicht. Der Mann namens Draco Malfoy war schon vor seiner Geburt reges Thema des Rates gewesen.

 

„Das weiß ich“, antwortete er dennoch ruhig.

 

„Der Nachfahre des Mannes, der deinen Vater tötete“, machte Magnus es noch deutlicher. „Du willst der sterblichen Sippschaft helfen, die für die Auslöschung deiner Familie verantwortlich ist?“

 

„Der Junge hat nichts damit zu tun“, sagte Goodwin, was er sagen konnte.

 

„Sie haben alle miteinander zu tun. Der Junge ist kein Held der Zauberer. Er ist es kaum wert, auf dieser Erde zu existieren, hat seine Familie seit Generationen nichts als Schaden angerichtet und Leid gebracht. Seien es die Malcolms, die Blacks, die Malfoys. Sie sind eine Plage. Sie gehören nicht gerettet, nicht gehuldigt.“

 

„Ich huldige niemandem“, widersprach Goodwin finster.

 

„Es wird Kreise ziehen, Avanagh“, sagte Magnus zornig. „Sie wird ein Kind gebären“, fuhr Magnus ihn an, und Goodwin hatte die Vorahnung in ihren Umrissen gesehen. Den Malfoy-Erben mit Heldenblut. „Ein Kind von politischem Ausmaß, welches du billigst, welches du forcierst!“, fuhr er ihn an.

 

„Das steht nicht fest“, wich Goodwin ihm aus. Magnus sah angestrengt zur Seite, unterdrückte seinen Ärger.

 

„Nichts steht jemals fest. Die Handlungen der Menschen verdichten die Gewissheit – und du hast dich nicht einzumischen!“

 

„Ein politischer Umbruch kommt immer, egal, wer den Anstoß liefert. Die Menschen wiederholen ihre Taten, stets und ständig. Malfoys Söhne sind keine Ausnahme. Sie sind die Regel, Freveghol!“

 

„Du bist nicht hier, damit wir über dich richten, Avanagh!“, beendete der Älteste den Disput. „Du bist hier, damit wir dich ins Licht bringen, dir die Weisheit und Weitsicht geben, deine Entscheidung zu korrigieren.“ Goodwin wusste, worum es ging. Im Ansatz.

 

„Weil der Malfoy-Erbe mit Heldenblut den Rat der Seher bedroht?“

 

„Kein Mensch ist eine Bedrohung für uns!“, konnte sich Magnus wohl nicht halten, nur um danach zornig auszuatmen. „Du bist verantwortlich für dein Handeln, Avanagh“, ergänzte Magnus gefasster. „Du willst dein kurzes Leben geben für einen Wimpernschlag der Menschenzeit – dann tu das. Rette das Heldengeschlecht. Aber niemand wird sich an dich erinnern, deinen Namen kennen. Du wirst vergessen werden, wie der Rest deiner Familie.“

 

„Freveghol, ich sterbe bald“, entfuhr es Goodwin müde. „Du möchtest, dass ich meine Zeit friste, nichts ändere, und ich denke, das ist ein Fehler. Uns wird eine Aufgabe zuteil, ein Geschenk. Wir sind die einzigen, die Dinge ändern können.“

 

„Nein“, widersprach Magnus kalt. „Wir sind das Sprachrohr. Wir sehen“, betonte er das Wort. „Die Sterblichen handeln, wir stehen weit darüber.“

 

„Wir sind verknüpft mit den Sterblichen unserer Zeit. Wenn wir ihnen nicht helfen, wofür sind wir sonst gut?“, verlangte er erschöpft zu wissen, aber Magnus winkte ab.

 

„Genug. Ich sehe, du bist unbelehrbar. Du bist nicht der einzige, nicht der erste, nicht der letzte, der die Bruderschaft verlässt, Avanagh. Nicht jeder, mit unserer Fähigkeit ist ihrer würdig, nicht wahr? Du denkst an dich und unterwirfst dich den Menschen. Für das fragwürdige Schicksal einer dunklen Zeit“, warf er ihm vor. „Aber wir werden überdauern, wie wir es immer tun. Und Avanagh Goodwin wird ein Staubkorn sein, in unserer Geschichte der Ewigkeit. Hiermit bist du der Ratswürde enthoben. Sofern sich jemand gegen dich wendet, dich aufhalten möchte – ist dies nun dein Problem. Der Rat verteidigt nicht länger deine Entscheidungen. Oder dein Schicksal.“

 

„Damit habe ich gerechnet“, erwiderte er und verneigte sich knapp. „Ich wünsche der Bruderschaft ein langes Bestehen und bedanke mich für zweihundert Jahre gemeinsame Zeit“, verabschiedete er sich steif, während ihm die übrigen Mitglieder herablassende Blicke schenkten.

 

Er nahm an, sein Name würde mit denen der Verräter über einen Kamm geschoren werden. Aber so sei es dann. Es kümmerte ihn kaum. Sollte sein Leben enden, weil er es wagte, dem Schicksal die Stirn zu bieten. Es war weitaus prosaischer, als an einer unheilbaren Krankheit jahrelang zu Grunde zu gehen.

 

Er verließ die Hallen, die Burg des Rates, und er war ab heute nicht mehr berechtigt, zurückzukehren. Wie schon so viele vor ihm, entschied er, gegen den Rat zu arbeiten, als ein Teil des Ganzen zu sein. Zwar hätte er nicht geglaubt, dass dieser Tag käme, aber das Schicksal schien nun andere Pläne mit ihm zu haben.

 

~*~

 

Die Mittagspause war vorbei, der Unterricht hatte wieder begonnen, und Draco war allein auf dem Gelände unterwegs. Die Dächer der Gewächshäuser glänzten im schwachen Licht der Sonne, und er hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Er hatte keine Ahnung, was die Auswirkungen seines Handelns wären und inwieweit McGonagall seine Verhaftung verhindern konnte. Und sehr dringend wollte er diesen Tag hinter sich bringen.

 

Am ersten Gewächshaus war die Tür angelehnt und er schob sie nach innen auf. „Hallo?“, rief er, und der massige Pflanzenwuchs schluckte seine Stimme praktisch. Er sah nichts, außer Grün. Die Luft war reich an Feuchtigkeit und von irgendwoher wehte eine blumige Frische.

 

„Malfoy“, vernahm er die Stimme, unweit neben sich. Er drehte den Kopf, und fast hatte er sowas geahnt.

 

„Longbottom“, gab er die Begrüßung sparsam zurück. Das war der Anwärter hier. Er trug eine dunkle Robe und die schmutzig braunen Haare waren lang geworden, fielen fast auf seine Schultern und verliehen ihm sehr kurz eine gewisse Ähnlichkeit zu Severus Snape. Draco schloss den Abstand, und vergrub die Hände in den Taschen seines Mantels. Es war nicht viel wärmer hier drin, als es draußen war. „McGonagall sagt, du… kannst mir helfen?“, fasste er sein Leid zusammen, und Longbottom senkte kurz den Blick.

 

„Malfoy, ich… weiß, sie… ist deine Verlobte. Und… ich wollte nicht – ich hätte nie-!“, begann der unscheinbare Junge vor ihm zu stammeln, und Draco verengte die Augen.

 

„-was ist passiert?“, unterbrach er ihn schlicht, und Longbottom wurde rot.

 

„Sie… Astoria hat… mich schwören lassen, nichts zu sagen. Sie…- und der Kuss war nicht-“

 

„-sie hat dich geküsst?“, entkam es ihm, eher interessehalber, denn nichts könnte ihm tatsächlich egaler sein.

 

„Ich wollte nicht, sie…- aber sie…“ Schuldbewusst ließ Longbottom den Kopf wieder hängen.

 

„Das ist mir egal. Astoria ist nicht mehr meine Verlobte. Hauptsache, du hast hilfreiche Informationen für mich“, sagte Draco abwartend, und Longbottoms Blick hob sich wieder.

 

„Ich… weiß nicht, um was es geht, aber… ja, ich kann bezeugen, dass Astoria den fertigen Vielsafttrank entwendet hat, den ich gebraut habe“, bestätigte er dann aufgewühlt. „Warum ist es wichtig? Was hat-“

 

„-alles zu seiner Zeit, denke ich. Rede nicht mehr mit ihr, mit Astoria“, warnte Draco ihn. „Wenn sie zu dir kommen sollte. Lass dich nicht überreden – zu gar nichts, hörst du? Es geht um Hermine, verstehst du? Jedes falsche Wort bedeutet Gefahr für Hermine“, sagte er fest. Longbottom starrte ihn an.

 

„Hermine? Hermine Granger?“, wiederholte er. „Was hast du mit Hermine zu tun?“ Eine gewisse Verurteilung war in Longbottoms Stimme gekrochen, und der eigenartige Gryffindorstolz schien auch in diesem schlaksigen Häufchen Elend vor ihm zu erwachen, denn mit einem Mal fand er, dass Longbottom doch recht groß gewachsen war, als sich dessen Rücken durchstreckte.

 

„Lange Geschichte. Komplizierte Geschichte.“

 

„Bringst du Hermine in Gefahr?“, wollte Longbottom mit fester Stimme von ihm wissen, und Draco verzog den Mund.

 

„Ich… versuche, es mit aller Macht zu verhindern. Das… verspreche ich dir. Wirst du mir helfen?“, fragte er wieder, und fast glaubte er, Longbottom würde ablehnen, so kalt blickte er ihm entgegen.

 

„Für Hermine tue ich alles, Malfoy. Ich werde nicht mit Astoria reden“, versprach er dann. „Für was brauchst du meine Bezeugung?“, wollte der Junge wissen, und Draco dachte knapp nach.

 

„Es wird… zu einer Verhandlung vor Gericht kommen. Sehr bald, nehme ich an. McGonagall wird mit dir die weiteren Details besprechen.“ Longbottom fragte nicht weiter nach.

 

„Ich werde da sein“, entkam es Longbottom schließlich.

 

„Gut. Das ist wirklich gut. Danke“, ergänzte er, etwas hohl.

 

„Für Hermine“, schloss Longbottom, als klärten diese beiden Worte jeden Zweifel. Und Draco konnte ihm nur beipflichten.

 

„Ja. Für Hermine.“ Ein unangenehmes Schweigen trat ein, und Draco glaubte, die Blätter wachsen zu hören. „Ich… muss los“, verabschiedete er sich also. Longbottom nickte lediglich, bevor er sich abwandte. Draco atmete aus, und merkte erst jetzt, wie angespannt er gewesen war.

 

Es war noch relativ früh. Er könnte zurück und im Unternehmen noch Kandidaten empfangen, die einen wesentlich besseren Job machen würden, als er es jemals könnte. Es würde ihn auf jeden Fall von seiner immensen Furcht ablenken.

 

tbc…