Kapitel
Kapitel 1 , Kapitel
2 , Kapitel
3 , Kapitel
4 , Kapitel
5 , Kapitel
6 ,
Kapitel 7 , Kapitel
8 , Kapitel
9 , Kapitel
10 , Kapitel
11 , Kapitel
12 ,
Kapitel
13 , Kapitel
14 , Kapitel
15 , Kapitel
16 , Kapitel
17 , Kapitel
18 ,
Kapitel 19 , Kapitel
20 , Kapitel
21 , Kapitel
22 , Kapitel
23 , Kapitel
24 ,
Kapitel 25 , Kapitel
26 , Kapitel
27 , Kapitel
28 , Kapitel
29 , Kapitel
30 ,
Kapitel 31 , Kapitel
32 , Kapitel
33 , Kapitel
34 , Kapitel
35 , Kapitel
36 ,
Kapitel 37 , Kapitel
38 , Kapitel
39 , Kapitel 40 , Kapitel
41 , Kapitel
42 ,
Kapitel 43 , Kapitel
44 , Kapitel
45 , Kapitel
46 , Kapitel
47
1. The Way We Were
„In a way, he was like the country he
lived in. Everything came too easily to him,
but at least he knew it. About once a
month he worried that he was a fraud.
But then most everyone he knew was more fraudulent.
Sometimes he felt he was... there's really no reason for us to change.
But of course by then, they were too lost or too lazy. It had always
been too easy.“
Katie Morosky
Er war wie
der Wind, der durch tote Blätter wehte. Ihnen noch ein letztes Mal das Gefühl
von Sommer einhauchte, ehe sie gen Boden sinken würden. Wie die frische Brise,
die die abgestandene Luft in einem Haus ersetzte, was lange Zeit leer gestanden
hatte.
Wie der
Frühling, der dem kalten Winter seinen Einzug erklärte.
Es war die
Art, wie er einen angesehen hatte, und wie einem dadurch die Luft zum Atmen
einfach wegblieb, als würde die Lunge nicht mehr wissen, was zu tun war.
Er war wie
der sprichwörtliche Moment im Leben, der alles veränderte. Man sieht es diesen
Momenten nicht an. Man weiß nicht vorher, wann es passiert. Und danach ist
alles anders, und man kann nicht mehr zurück.
Er war immer
unfassbar stur. So arrogant, als könne er es sich leisten. Und sie würde lügen,
würde sie sagen, er war ihr nicht sofort am ersten Tag aufgefallen. Seine
Präsenz war so offensichtlich, dass es fast schon lächerlich war, überhaupt auf
ihn zu reagieren.
Sein Lachen
war unverschämt laut. Er sprach, ohne Rücksicht auf Verluste, egal, wen er mit
seinen Worten verletzte. Und verletzen konnte er wirklich gut.
Er war
anders, und dennoch ähnelte er all den anderen gerade eben noch so, dass sie
ihn akzeptieren konnte. Er trank die richtigen Getränke, er hatte die gleiche
nichtssagende politische Reinblütermeinung, wenn er musste, er bevorzugte
denselben Typ Mädchen, den alle bevorzugten. Den gutaussehenden Typ Mädchen.
Sie war
dieser Typ Mädchen.
Er war diese
Art von Mensch, vor dem einen die eigene Mutter in diesen Gesprächen über Sex
und Jungfräulichkeit und sämtlichen Tugenden stets warnte, wie die
Muggel-Mutter im Märchen Rotkäppchen vor dem Wolf. Es war das einzige
Muggel-Märchen, was sie bezeichnenderweise kannte. Es hatte etwas Magisches an
sich.
Man denkt
nicht mehr klar in diesen Momenten, und sie hatte keine Ahnung, worin der
Zauber lag. In seiner Art und Weise, immer behauptet zu haben, er hätte den
Durchblick? Den großen Plan? Vielleicht in der stillen Ahnung, dass ihn ein
Hauch der Art von Freiheit umgab, nach der alle anderen ihrer Gruppe immer
regelrecht gelechzt hatten?
Aber wie
der Wind weiterzieht, so war auch er immer ruhelos, immer auf der Suche.
Er hatte
immer ein einnehmendes Wesen gehabt, und so wie alle Jungen ihm noch mit
dreizehn bedingungslos gefolgt waren, so hatten sie sich mit sechzehn zum
großen Teil gegen ihn gewandt. Schnell wurde der Freund zum Feind, wenn es um
Rivalitäten ging, um Reviere, um schlichtes Testosteron. Es war, als hätte
seine Herde begriffen.
Er war zwar
der Anführer, und ihn umgab immer etwas Mächtiges, etwas, das allen Anführern
innewohnte, aber er war noch jung gewesen, hatte nicht gewusst, mit dieser
Macht umzugehen, und so verlor er viele Freunde, denn selbst die Mädchen, die
seine Freunde still, mit jungenhafter Ehrfurcht, ins Auge gefasst hatten,
eroberte er fast zu leicht.
Sie war
eine davon gewesen. Sie hätte wahrscheinlich glücklicher mit einem anderen
Kandidaten sein können, wenn auch nur oberflächlich glücklicher, denn… ihr Herz
hätte weiterhin ihm gehört.
Es war wie
ein Geschenk. Sein Charme, seine Ausdauer, mit der er etwas verfolgte.
Aber es war
auch ein Fluch, denn nie trat er einen Rückzug an. Nie gab er nach. Nie ließ er
zu, dass er auf den zweiten Platz zurückfallen könnte.
Aber an der
Spitze ist es einsam, so heißt es. Und einsam war er wohl immer. Vielleicht war
es auch das, was ihn so attraktiv erscheinen ließ. Er war einsam, unabhängig,
schien sich nicht um Werte und Moral, um Trends und die Meinung der Masse zu
scheren.
Alles
schien ihm einfach zugeflogen zu sein. Seine Größe, seine hellblonden dichten
Haare, sein Humor, seine greifbare Menschlichkeit, die es schwer machte, den
Blick von seinem Gesicht zu wenden. Er hatte noch nie perfekt ausgesehen. Seine
Züge waren nicht vollendet symmetrisch. Aber es ist so, dass das Imperfekte die
wahre Schönheit in sich birgt. Sein Lächeln war nie vollkommen ebenmäßig, und
doch ist es gerade das, was einen am meisten faszinierte. Und er mochte immer
all das gewesen. All das, was das Herz eines Mädchens in diesem Alter höher
schlagen ließ. All das.
Aber
dennoch war er unerreichbar gewesen. Selbst wenn er direkt neben einem stand,
so war er emotional nicht zu erreichen gewesen. Und mochte alles in seinem
Blick gelegen haben, was die eigenen Knie in Pudding verwandelte, so war er nie
freundlich gewesen.
Als hätte
er es nicht gelernt. Als wären Empathie und Wertschätzung Dinge, zu denen er
keinen Zugang hatte. Als hätte es ihm niemand gezeigt, als hätte er es nie
gesehen.
Und
seltsamerweise ist dies auch eine Eigenschaft, die sie scheinbar nur zu gerne
in Kauf genommen hat. Man hat es ihm nicht übel genommen – nicht übel nehmen
können. Es ging nicht. Und war er auch der unausstehlichste Mensch auf dem
Planeten in der einen Sekunde, so war er verlockend geheimnisvoll und
unwiderstehlich in der nächsten.
Man mag es
Schwarmintelligenz nennen, welche weder eine zuverlässige, noch aussagkräftige Form
der Intelligenz ist, denn die Masse ist dumm und irrt sich häufig, und ist
lediglich deckungsgleich mit den äußersten Punkten einer objektiven Meinung,
aber diese Schwarmintelligenz hatte überwogen. Und sie hatten sich scheinbar
alle in ihren Gefühlen getäuscht.
Ja, es gab
einen Draco Malfoy in ihre Leben. Und sie nahm an, auf jeder magischen Schule
auf der Welt gab es ein junges Äquivalent zu einem Draco Malfoy. In jeder
Stadt, in jedem Dorf. Überall auf der Welt gab es Draco Malfoys, die nur darauf
wartete, Herzen zu brechen.
Pansy
liebte Draco. Und sie nahm an, er hatte es nie getan. Nein, sie wusste es.
Jetzt waren
sie nicht mehr in der Schule. Sie waren nicht mehr jung. Die Zeit tickte
weiter.
Und selbst
sie war letztendlich an der Grenze angekommen. An ihrem persönlichen Limit.
Sie wusste,
wie tief sie gesunken war. Sie wusste es selber. Aber zu einem gewissen Teil,
war es gar nicht ihre Schuld. Und sie wusste, niemand außer ihm kam in Frage.
Und sie war
in ihrem Kopf schon so weit, dass er es nicht einmal wissen musste. Nicht
einmal das war ihr noch wichtig.
Pansy war
verzweifelt. Und sie war unglücklich verliebt. Sie glaubte nicht, dass es etwas
Schlimmeres gab. Sie weinte schon wieder. Selbst jetzt, in diesem Moment.
Er war
neben ihr eingeschlafen. Sie holte vollkommen lautlos ihren Zauberstab aus der
Nachttischschublade. Sie zog die Nase hoch und lauschte in die Stille seines
Apartments.
Sein Atem
ging ruhig. Er war schon vor Stunden eingeschlafen.
Seit zwei
Tagen war sie 31 Jahre alt. Und sie hörte es. Sie spürte es, tief in ihrem
Innern, aber sie hörte es sogar.
Ihre Zeit
lief ab. Ihre innere Uhr tickte mittlerweile so laut, dass sie sich wunderte,
wie er überhaupt schlafen konnte bei dem Lärm.
Er hatte
ihr eine bombastische Party geschmissen vor zwei Tagen. Alle Freunde von damals
waren dort gewesen. Und Pansy hatte nur zu schmerzlich eingesehen, dass die
meisten ihrer Freundinnen verheiratet waren. Mit Kindern. Mit Aussichten. Mit
einem Leben.
Nur sie
lebte neben Draco in den Tag hinein und wartete. Auf was auch immer sie
wartete. Denn auch, wenn er ihr schillernden Schmuck schenkte, sie die Nächte
durchtanzten, mit Champagner, auf goldenen Schuhen – der Glanz und Glitzer auf
ihrer Beziehung, schaffte es nie ganz, Pansy zu überzeugen.
Es war
nicht genug. Es würde nie genug sein. Denn sie war nicht genug für ihn.
Sie
vollführte stumm einen schwachen Lumos. Lautlos erhob sie sich von der weichen
Matratze. Sie schlief nie gut auf zu weichen Matratzen, aber er bestand darauf.
Deshalb tat sie es. Deshalb passte sie sich an. Sie schlich auf Zehenspitzen zu
ihrer Handtasche und holte den präparierten Becher hervor. Er war gekühlt, und
die magische Kühlung hielt exakt zwei Tage. Ein halber Tag war schon
verstrichen.
Sie kehrte
zum Bett zurück und betrachtete sein schlafendes Profil im dämmrigen Licht des
Zauberstabs. Sie stellte den gekühlten Becher auf ihre Bettdecke. Dann atmete
sie aus.
Sie hatte
sich entschieden. Das war es jetzt. Nervös steckte sie die kurzen schwarzen
Haare hinter ihr Ohr.
„Soporis!“, flüsterte sie und sah, wie
sich ein sanfter Nebel von der Spitze ihres Zauberstabs löste und auf ihn
niedersank. Mit seinem nächsten Atemzug verschwand der Nebel in seiner Nase und
seinem leicht geöffneten Mund.
„Ich liebe dich,
Draco“, sagte sie mit gewöhnlicher Stimme. „Draco?“, wiederholte sie lauter. Er
reagierte nicht. Die Luft entwich angespannt ihren Lungen. Gut, der Zauber
hatte gewirkt. Er schlief tief und fest. Denn sie sagten es nie. Sie sagte nie
laut, dass sie ihn liebte. Er hatte es aus ihrem Mund noch nie gehört, genauso
wenig wie sie es aus seinem je gehört hatte.
Ob er diese
Worte jemals zu irgendwem sagen würde? Sie bezweifelte es.
Sie
entzündete das Licht ihrer Nachttischlampe, legte den Zauberstab daneben und
mit schweren Schritten, begann sie, ihre Sachen zusammen zu suchen. Sie zog
sich sein Shirt über den Kopf, in dem er sie großzügigerweise schlafen ließ,
zog den BH wieder an, ihre Bluse, ihre Hose, selbst ihre Schuhe streifte sie
über.
Dann sah
sie sich um. Ihren Schmuck steckte sie in die Handtasche. Ihr war jetzt nicht danach, ihn anzulegen. Sie hatte dieses Mal
wenig mitgebracht. Sie wollte hiernach schnell verschwinden. Nein, sie wollte es eigentlich nicht. Aber sie
musste es dennoch tun.
Als sie
sich vergewissert hatte, dass sie nichts würde zurücklassen, wenn sie gleich
ging, setzte sie sich zurück auf das breite Bett. Sie schlug sanft seine Decke
zurück und griff mit erfahrenen Händen in seine Shorts.
Sein Penis
pulsierte leicht. Sie nahm an, das war nicht verwunderlich, hatte sie sich doch
heute darum gekümmert, dass sie keinen Sex gehabt hatten. Und sie hatte sich
gewünscht, dass er darüber trauriger gewesen wäre, als er es war. Denn er hatte
sie nicht einmal darauf angesprochen, nicht einmal gedrängt, dass sie ihn
anfasste. Nichts.
Und es
hatte ihr gesagt, dass es höchste Zeit wurde. Denn sie wusste, bald war die
Frist abgelaufen. Er würde nicht ewig mit ihr zusammen sein wollen und würde er
sie erst einmal verlassen, würde sie nie mehr die Chance hierzu bekommen. Sie
blinzelte die Tränen aus den Augen fort, denn jetzt musste sie sich
konzentrieren.
Sie biss
die Zähne zusammen, als sie begann an seiner Länge auf und ab zu pumpen. Ihr
Blick hob sich immer wieder zu seinem Gesicht, aber der Zauber wirkte wahre
Wunder. Er wachte nicht auf, aber seine Erektion wurde härter, mit jeder
Bewegung. Sie wusste, wie sie ihn anfassen musste. Sie tat seit zehn Jahren
nichts anderes als das. Sie kannte ihn gut. Besser als sich selbst. Sie liebte
ihn mehr als sich selbst. Und mehr als er sie je lieben würde.
Und es war
ein bitterer Gedanke. Ein trauriger Gedanke. Und sie spürte die Tränen in den
Augen, als sie härter pumpte. Als sie spürte, wie er unbewusst aufbockte.
Geistesgegenwärtig griff sie nach dem kühlen Becher und drückte seinen Penis
runter, als er kam. Sein heißes Sperma traf den Becher, füllte den Boden, und
sie wusste, es sollte genug sein. Hastig verschloss sie den Becher, versiegelte
ihn sorgfältig und stellte ihn anschließend auf den Nachttisch.
Sie wischte
die Hände vorsintflutlich an der Bettdecke ab, obwohl kein Tropfen
danebengegangen war. Sie sah auf ihn hinab. Er schlief immer noch ruhig, als
wäre nichts geschehen. Sie zog den Bund seiner Shorts über seinen schlaffen
Penis, deckte ihn wieder zu, und wischte sich mit dem Handrücken ihre Nase, als
sie schniefen musste. Er war so schön.
Er war so
perfekt. Nur liebte er sie nicht. Nur wollte er sie nicht. Nicht als seine
feste Freundin, nicht als seine Lebensgefährtin. Nicht als seine Frau. Und sie
hasste ihn fast dafür. Hasste seinen Vater dafür, dass er ihn so erzogen hatte.
Dass Draco innerlich so kaputt war, dass ihn
Beziehungen nur abschreckten.
Und bevor
Draco bald ins Mungo ging, um seinen Plan zu
verwirklichen, seine Spermien unwiderruflich unfruchtbar zu machen, hatte sie
handeln müssen. Denn… es war Verschwendung. Es durfte nicht sein! Der Mann, der
sie nicht liebte, sollte sein wunderbares Erbgut nicht ausschlagen.
Draco war
ein guter Mann, sie wusste das. Unter all der Schicht der Unnahbarkeit, unter
all seinen Halbwahrheiten, seinen leeren Worten, seiner Unabhängigkeit, war er
anders. Sie wusste das. Und deshalb musste sie gehen.
„Ich liebe
dich“, wiederholte sie heiser die Worte, die sie ihm nie ins Gesicht sagen
konnte, die er niemals erwidern würde, und strich über seine unrasierte Wange.
Die hellen blonden Bartstoppeln vergötterte sie ebenso wie seine samten weiche
Haut darunter. Seine Lippen waren voll und kein anzügliches oder freudloses
Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln. Er wirkte jetzt so ehrlich, wie sie ihn
noch nie gesehen hatte. Nicht besorgt um seinen Ruf, nicht besorgt um sein
Vermögen. Er war einfach nur… ein Mann. Ein junger Mann, der selig schlief.
Wovon er wohl träumte?
Sie atmete
aus. „Leb wohl“, flüsterte sie.
Denn sobald
sie ihren Plan beendet hatte, würde sie ihn nicht mehr wiedersehen. Sie
erlaubte es sich nicht. Und sie wusste, ihm würde es nicht viel ausmachen. Und
sie wusste, was die anderen sagen würden. Was ihre Freunde sagen würden. Was
ihre Mutter sagen würde, wenn sie noch lebte. Sie wusste es.
Das hier
war der Punkt. Das war der tiefste Punkt in ihrem Leben. Pansy hatte ihren
Tiefpunkt erreicht.
Sie erhob
sich, steckte den Becher sicher in ihre Handtasche, griff sich den Zauberstab, entfachte
den Lumos lautlos und löschte das
Licht der Lampe.
Sanft
glühte der Zauberstab. „Finite Incantatem!“,
flüsterte sie. Kurz bewegte er sich im Schlaf, machte ein unverbindliches
Geräusch und drehte sich anschließend auf die andere Seite. Sein Gesicht war
nun von ihr abgewandt, und sie widerstand der Versuchung, noch ein weiteres
Wort zu ihm zu sagen, denn würde er aufwachen, würde sie nicht gehen können.
Sie glaubte
nicht, dass ihn jemand so sehr lieben würde, wie sie es immer getan hatte.
Es war nicht
möglich. Und vielleicht war das auch besser so. Denn man sah sich nur, wohin
sie diese Liebe getrieben hatte!
Sie wandte
sich ab, schritt lautlos über den weichen Teppich, zog die Tür auf und blickte
nicht mehr zurück.
Und er
würde ihr nicht vergeben dafür. Das wusste sie auch. Deswegen gab es auch kein
Zurück mehr. Sie hatte sich entschieden. Sein Sex reichte ihr nicht mehr. Aber
mehr hatte er ihr nicht zu geben. Und das war es jetzt. Sie nahm sich, was ihr
nach zehn Jahren zustand. Sie nahm sich den Schadensersatz für all die Mädchen,
mit denen er sie betrogen hatte. Sie nahm sich, was eine liebende und treue
Frau nach zehn Jahren des Wartens und Verhandelns, des Bangen und Hoffens,
endlich nehmen durfte:
Sie nahm
sich ihr Baby.
Die erste
Träne fiel auf ihre Wange, aber sie hielt nicht inne. Sie verließ sein Haus.
Sie verließ
sein Leben. Sie verließ Draco Malfoy.
~*~
„Haben Sie
einen Termin?“ Millicent Bullstrode betrachtete ihre frisch manikürten
Fingernägel, mit denen sie nicht vollkommen zufrieden war. Sie schimmerten
rosa, und das hatte sie explizit nicht gewünscht gehabt. Sie war doch keine
kleine Puppe! Sie war eine erwachsene Frau, und sie wollte den richtigen
Eindruck vermitteln. Missgelaunt hob sie den Blick zu dem Mann, der wartend vor
ihr stand.
Er hatte
einen Becher dabei. Einer von diesen Männern, dachte sie leicht angewidert. Sie
hatte nie verstehen können, wieso ein Mann seine Spermien in einem Becher
herbrachte, damit andere Frauen künstlich befruchtet werden konnten.
Sie würde –
egal, wie aussichtslos ihre Chancen auf eine Familie auch sein würden – niemals
so weit gehen und eine künstliche Befruchtung vorziehen.
Ihre Mutter
war schwanger geworden in ihrer Hochzeitsnacht, und soweit es Millicent betraf,
würde dies bei ihr genauso sein. Sollte sie in der nächsten Zeit endlich einen
Freund finden, der sie würde heiraten wollen.
Der Mann
besaß die Dreistigkeit die Augen zu verdrehen.
„Mills!“, knurrte er gereizt, und sie verengte die Augen. Kannte sie diesen
Mann etwa? Seine Haare waren schmutzig blond, nichts Besonderes. Er hatte auch
keine besondere Figur, kein besonderes Gesicht und war bestimmt nicht größer
als sie.
„Ja?“,
entfuhr es ihr fragend, denn vielleicht kannte sie ihn von der Schule?
„Merlin noch
mal, ich bin es!“, zischte der Mann und sah sie so genervt an, dass Millicents
Mund sich öffnete.
„Oh,
Pans?“, flüsterte sie, denn sie hatte völlig vergessen, dass Pansy ja als Mann
hatte kommen wollen.
„Wer sonst, du Idiot?“, giftete Pansy, und es beunruhigte Millicent, dass sie
Pansys Zorn auch in einem Männerkörper erkennen könnte. – Und es beunruhigte
sie zu gleichen Teilen.
„Wo hast du
denn ihn her?“, fragte Millicent gespannt, denn dieser Mann gehörte wohl auch
nicht zu Pansys bevorzugtem Schema. Wenn Pansy denn überhaupt ein Schema hatte,
was Männer anging, denn Millicent hatte sie noch nie mit jemand anderem als
Draco Malfoy gesehen, hatte Pansy noch nie über einen anderen Mann als Draco
Malfoy sprechen hören, und es machte nur Sinn, dass Pansy so etwas Verrücktes
tat, wie Draco Malfoys Sperma abzuzapfen – wie auch immer sie das geschafft
hatte!
„Das ist
unwichtig, oder?“, knurrte Pansy. „Komm endlich! Der Vielsafttrank wirkt auch
nur eine gewisse Zeit lang“, ergänzte Pansy und blickte sich um, aber niemand
hörte ihnen zu. Das Mungo war ohnehin voll und die
Patienten hatten alle andere Sorgen. Millicent erhob sich, immer noch
beeindruckt von Pansys Hartnäckigkeit.
„Wenn Sie
mir folgen wollen?“, sagte Millicent laut, denn das Wartezimmer war immer noch
voll. Die beiden Heiler, die heute Bereitschaft
hatten, hatten alle Hände voll zu tun.
Sie führte
Pansy in das leere Schwesternzimmer. Sie war heute als einzige Schwester
eingeteilt. So war es auch mit Pansy abgesprochen. Pansy verlor ein wenig an
Anspannung – oder vielmehr der Mann, dessen Aussehen Pansy angenommen hatte –
als Millicent die Tür geschlossen hatte.
„Also hast du es bekommen?“, fragte Millicent lauernd. Pansy – oder der Mann –
hob eine Augenbraue.
„Was denkst
du Mills? Und es ist keine limitierte Handtasche, Merlin noch mal. Ich habe es
nicht ersteigert, verdammt.“ Pansy war nervös. Und Millicent konnte ihr
ansehen, dass sie rauchen wollte. Pansy rauchte immer, wenn sie nervös war.
Aber das hatte sie sich jetzt ja abgewöhnen wollen. Verständlicherweise.
„Ja, schon
gut. Und du hast den Becher gut versiegelt?“, wollte sie wissen, denn der
Becher selber kühlte nur, bei ständiger Versiegelung.
„Ich bin
nicht blöd“, sagte Pansy und atmete aus.
„Gut, dann
sortiere ich ihn ein. Ich habe bereits eine Akte erstellt“, informierte sie
Pansy, die gar nicht begeistert wirkte.
„Schön, dass du dabei Spaß empfindest“, informierte Pansy Millicent bitter.
Millicents Lächeln verschwand betreten.
„Ich, nein!
Ich…“ Sie empfand keinen Spaß dabei, aber… sie hatte sich gar keine Gedanken
darüber gemacht, dass es für Pansy so schwer war. Jetzt konnte sie sich auch
nicht mehr entschuldigen. Sie räusperte sich also. „Ich habe ihn Dwayne Miller
genannt“, erklärte Millicent, als wäre es ein Geniestreich. Sie hatte lange
überlegt, wie sie Dracos Initialen beibehalten konnte. Und fast war sie
beleidigt, dass Pansy es nicht würdigte. Aber laut sagte sie es nicht.
„Mir egal,
wie du ihn nennst, solange sein Name hiernach verschwindet“, murmelte Pansy,
während ihr Blick in den Spiegel fiel. Mit Missfallen schien sie den Körper zu
betrachten. „Merlin, bin ich froh, dass ich nicht er bin“, ergänzte sie
kopfschüttelnd.
„Du
müsstest mir noch ein paar Details geben“, erwiderte Millicent, als sei mit spitzen
Fingern den Becher entgegennahm. Mit dem Zauberstab versah sie das blanke
Etikett mit dem Namen Dwayne Miller.
„Details?“,
wiederholte Pansy lustlos. „Was weiß ich? Mach ihn so unattraktiv und
langweilig, wie du nur kannst.“
„Soll er…
muggelgebürtig sein?“, erkundigte sich Millicent mit einem leisen Lachen, aber
Pansy war nicht nach Scherzen zumute, wie es schien.
„Meinetwegen kann er von Trollen abstanden! Ich muss gehen, denn ich will mich
nicht im Wartezimmer zurückverwandeln, während mir seine Kleidung von Körper
fällt, ok?“ Ja, ok. Millicent verstand. Mit Pansy war nicht gut Kirschen essen
zurzeit.
„Weißt du,
du musst das auch nicht machen“, versuchte es Millicent erneut. Der Blick aus
den Augen des fremden Mannes war Millicent genauso unangenehm, wie der Blick
aus Pansys Augen. „Schon gut“, berichtigte sich Millicent mit gesenktem Blick.
„Kein Wort!
Zu keinem! Ich komme morgen vorbei“, fügte Pansy hinzu, und die Stimme des
Mannes klang resignierend. Millicent nickte und öffnete die Tür des Schwesterzimmers
wieder.
„In Ordnung, Mr. Miller. Vielen Dank und gute Nacht!“, verabschiedete sie Pansy
laut genug, dass es die anderen Patienten hören konnten, und Pansy verdrehte
die Augen.
„Halt
einfach den Mund“, knurrte sie zum Abschied.
„When I'm alone
With only dreams of you
That won't come true
What'll I do?“
Irving Berlin
Hermine
blätterte unpassend interessiert durch den Katalog. Ginny stand mit
verschränkten Armen neben ihr.
„Wir können
gerne noch mal darüber sprechen“, schlug sie mit ihrer sanftesten Heiler-Stimme
vor, denn sie wollte wirklich nicht, dass Hermine zu ihren Patientinnen gehören
würde. Interessiert blätterte Hermine weiter.
„Hier, der
hier ist Quidditchspieler. Hauptberuflich… Hat nicht mal seine Schulnoten hinzugefügt“,
bemerkte sie langsam.
„Ich
glaube, Schulnoten interessieren die wenigstens Frauen hier“, informierte Ginny
sie. Und allein diese Tatsache fand sie schon abschreckend genug. Sie setzte
sich neben Hermine. „Du weißt, wenn ich Harry sagen würde, dass du schon wieder
die Kataloge durchsiehst, dann würde er-“
„-das ist
mir egal, Ginny“, unterbrach Hermine sie mit einem aufrichtigen Blick und
klappte den Katalog seufzend wieder zu. „Weißt du, es ist ja nicht so, als hätte
ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Ron ist verheiratet, du bist
verheiratet, George ist verheiratet, Bill und sogar Percy!“, zählte sie auf.
„Und so sehr ich mich für euch freue, weiß ich, dass ich bestimmt keine weiße
Hochzeit möchte“, erklärte sie achselzuckend.
„Cormac war
doch-“
„-und ich
möchte auch gar nicht mehr über Cormac reden“, sagte Hermine kopfschüttelnd.
„Es sollte niemals eine lange Beziehung sein – war es ja auch nicht“, erklärte
sie achselzuckend. „Wir wussten beide, dass er am Ende des Jahres zurück nach
Rumänien muss“, schloss sie still. „Und ich glaube, ich brauche nicht unbedingt
einen Ehemann“, ergänzte sie. „Ich hatte einen Ehemann“, schloss sie still.
Ginny
schwieg für einen Moment. Sie sprachen nicht mehr darüber, denn es tat weh. Ihr
und Hermine genauso. Cedric war vor vier Jahren nach einem Einsatzunfall ums
Leben gekommen. Und erst seit einem Jahr trug Hermine wieder ihren
Mädchennamen.
„Hermine,
weißt du, ich sehe genug alleinstehende Mütter. Jeden Tag“, erklärte Ginny mit
Nachdruck. „Und glaub mir, schwanger werden und das Kind zu bekommen – das ist
nicht der harte Teil“, fuhr sie fort. „Du musst dir auch klar machen, was es
bedeutet. Und ich meine, was es alles bedeutet.“
Hermine
legte den Katalog gespannt zur Seite. „Bitte, dann erklär mir, was es
bedeutet“, forderte Hermine offen. Ginny atmete aus. „Nein, ich meine es ernst,
Ginny“, beharrte Hermine jetzt. „Die Therapie war schön und gut, aber sie hat
mir nicht geholfen! Ich bin müde, Ginny“, erklärte Hermine angestrengt. „Und
ich kann nicht mehr darauf warten und hoffen, dass alles gut wird“, fuhr sie
fort.
Ginny
erinnerte sich noch genau, als Hermine das erste Mal schwanger gewesen war. Es
war einen Monat vor ihrer eigenen Schwangerschaft gewesen. Das war vor vier
Jahren. Cedric starb einen Monat nach dem Ginny bei Hermine die Schwangerschaft
festgestellt hatte. Durch die Depression, die Trauer und psychische
Anstrengung, verlor Hermine das Kind, keinen Monat danach.
Und es gab
nichts, was Hermine hatte trösten können. Nichts und niemanden.
Cormac
hatte sie vor einigen Monaten als ersten Mann akzeptiert, nach vier Jahren.
Aber auch nur für die wenigen Monate, ehe er wieder zurück nach Rumänien
musste. Er arbeitete wie Bill für Gringotts. Über Bill hatten sie sich auch
näher kennengelernt. Gekannt hatten sie sich ja schon in Hogwarts. Und es war
gut gelaufen für die kurze Zeit.
Aber Ginny
wusste es selber. Hermine war noch nicht soweit. Aber anscheinend weit genug,
um sich wieder die Kataloge für magische Befruchtungen anzusehen.
„Dein Leben
dreht sich dann um dein Kind. Und du hast keinen Partner, Hermine. Du kennst
nicht mal den Vater!“, erklärte Ginny ernsthaft. „Du bist dann allein, und
niemand übernimmt die Nachtschichten, wenn dein Kind Hunger hat. Niemand geht
mit dir auf Elternabende, zum Kinderheiler, du bist allein. Ganz zu schweigen
von der abschreckende Tatsache, dass du dann eine Mutter bist, und kein
Singlemann sich ohne Weiteres darauf einlassen würde.“
„Ginny, du
begreifst es nicht, oder?“ Hermines Stimme hatte ein wenig an Geduld verloren.
„Ich suche keinen Mann. Ich will nur ein Baby. Ich fühle mich bereit
dafür, und heutzutage braucht man nicht mal mehr einen Mann dafür. Und mein Job
ist gut! Ich verdiene genug!“
„Das sage
ich doch gar nicht, Hermine!“, widersprach Ginny sofort.
„Ich
bekomme bezahlten Mutterschaftsurlaub, und-“
„Hermine,
mir geht es doch nicht um deine finanzielle Situation!“
„Nein, dir
geht es um die Tatsache, dass eine Familie aus Vater und Mutter und Kind bestehen
sollte, und dass eine Frau, die ein Kind freiwillig von einem wildfremden
bekommt, in deinen Augen verzweifelt ist.“
Ginnys Mund
öffnete sich und schloss sich ärgerlich wieder.
„Nein, du
solltest mich besser kennen als das! Dann wäre ich ja jedes Mal eine
Heuchlerin, wenn ich einer Hexe fremde Spermien in ihre Eizelle setze! Und das
stimmt einfach nicht! Ich möchte nur nicht, dass du unüberlegt… und aus der
Trauer heraus-“
„-ich weiß
nicht, was du von mir verlangst! Ich versuche es doch!“, rechtfertigte sich
Hermine. „Nicht alle überwinden mit einem neuen Mann, Ginny. Ich will keinen
neuen Mann, verstehst du das? Es gibt keinen Ersatz. Ich hatte einen Mann.“
Wieder schwiegen sie kurz.
„Aber was,
wenn du doch…“Ginny sprach nicht weiter. Sie wusste, sie verhielt sich nicht
professionell. Absolut nicht. Sie wollte hilfreich sein, aber sie wusste, sie
war es nicht. „Ich will nur, dass du mich verstehst, ok?“, schloss sie ruhiger.
„Ja, Ginny.
Ich verstehe dich. Aber ich habe darüber nachgedacht, und vielleicht bin ich
nicht so traditionell wie andere. Es macht mir nichts aus, das alleine zu
machen. Ich komme mir nicht schäbig oder unvollständig vor, wenn ich mich
künstlich befruchten lassen will. Auch nicht verzweifelt oder seltsam!“,
ergänzte sie, denn Ginny wusste, so hatte es ihre Mutter ausgedrückt. Molly war
natürlich vollkommen dagegen. Und Ginny bekam Mollys Unmut natürlich ab, denn
sie war schließlich die Heilerin, die bei zweihundert Frauen jährlich eine
künstliche Befruchtung durchführte.
„Es geht
mir auch nicht um mögliche Krankheiten, die ich hierdurch ausschließen will
oder Angst vor Sex oder einer Bindung zu einem anderen Mann“, fuhr Hermine fast
ungeduldig fort. „Ich bin eben ein Mensch, der diese Möglichkeit nicht gleich
zum Teufel jagt“, erklärte sie achselzuckend. „Ich finde es auch nicht schlimm,
und es gibt hier wunderbare Kandidaten! Molly hat unrecht,
wenn sie sagt, dass sich in diesen Katalogen nur Schweine und Mittellose finden
lassen“, bemerkte Hermine spöttisch.
„Natürlich
hat sie Unrecht, Hermine! Aber meine Mutter gehört zu einer anderen
Generation“, erklärte Ginny mit wegwerfender Handbewegung. Ginny kannte sogar
einige der Heiler, die anonym ihre Samenspende hier verzeichnet hatten. Auch viele magische Genies waren vertreten, meist
wirklich Akademiker, manche sogar mit Rang und Namen.
Es war
keine Auffangstelle für Versager, ganz und gar nicht. Natürlich tauchten auch
die üblichen Verdächtigen auf. In Ungnade gefallene Reinblüter, die für Gold
ihre Spermien hatten verkaufen müssen. Eine hübsche Charaktereigenschaft für
ein Kind, überlegte Ginny stets. Aber natürlich könnte sie es – unter der Hand
quasi – einrichten, dass Hermine die klügste Samenprobe aus der gesamten
Samenbank bekam, das war nicht das Problem.
Aber was
Ginny Hermine nicht sagen konnte, war, dass sie befürchtete, dass Hermine an
Wärme und Herz eingebüßt hatte. Denn es klang furchtbar. Und es war auch
vollkommen natürlich, wenn man den eigenen Ehemann verlor. Und Ginny würde
nicht wagen, Hermine zu sagen, dass sie sich in Trauer steigerte, dass sie
nicht mal darüber nachdenken konnte, einen anderen Mann als Vater ihres Kindes
in Erwägung zu ziehen. Es war so, als hätte sich Hermine abgefunden, dass es
für sie kein passendes Gegenstück mehr gab, aber dass sie ein Kind haben
sollte, und Merlin sei Dank ging das ja mittlerweile ohne einen Mann.
Es ging
Hermine nicht um Hormonschwankungen, schlaflose Nächte oder die Bürde, das Kind
alleine bekommen zu müssen – nein, aber es ging Ginny um die Sorge, dass
Hermine dann noch weniger empfänglich für Zweisamkeit und Partnerschaft und
Liebe sein würde.
Und ja,
natürlich konnte ein vernünftiger Elternteil alleine ein gesundes, normales
Kind erziehen. Aber Ginny wusste, irgendwann würde Hermine aufwachen. Und dann…
hatte sie ein Kind.
„Ginny“,
begann Hermine wieder ruhiger, „ich weiß, du teilst meine Ansicht nicht. Und
ich respektiere das. Aber als meine beste Freundin solltest du auch meine
Entscheidungen akzeptieren oder nicht?“ Ginny hasste es, wenn Hermine ihr auf
diese Schiene kam. „Die Welt geht nicht unter von einer Schwangerschaft. Und
außerdem hat James dann einen Spielgefährten und ich wäre überhaupt nicht
allein“, beharrte Hermine eisern. Und natürlich stimmte das auch. Aber das
waren Nebensächlichkeiten.
„Und ich
weiß, ich würde es bereuen, wenn ich mich dagegen entscheide, denn ich kenne
mich. Ich weiß, du kennst mich auch, und ich respektiere, wenn du überzeugt
bist, dass ich einen Fehler mache, aber…“ Hermine machte eine knappe Pause,
„…aber, was wenn es niemals aufhört? Wenn der Schmerz… niemals geht?“
Ginny
schwieg daraufhin. Natürlich hatte sie keine Garantie für ihre These, dass es
ein Fehler war. Nein, sie wusste, sie hatte Recht, sie wusste nur nicht, wie
lange Hermine würde warten müssen, bis auch sie es sah, das stimmte schon.
Schließlich
atmete Ginny aus.
„Ok“, sagte
sie nur.
„Ok?“,
wiederholte Hermine verdutzt, und Ginny nickte.
„Ja, ich
werde… deinen Wünschen entsprechen. Unter einer Bedingung“, ergänzte sie jedoch.
Hermine atmete bereits kopfschüttelnd aus, denn sie wusste, was Ginny sagen
würde. „Sprich mit Harry und Ron darüber. Und wenn den beiden kein Argument
einfällt, was dich vielleicht überzeugt, zu warten, dann können wir nächste
Woche deine Befruchtung durchführen.“
„Nächste
Woche?“, entfuhr es Hermine plötzlich überrascht.
„Sicher. Du
willst doch nicht länger warten, oder?“ Ginny ging zu ihrem Schreibtisch
zurück. „Und hier“, ergänzte sie, während sie einen neuen Katalog aus der
Schublade holte. „Wir haben bereits fünfzig Spender mehr in diesem Katalog.
Nimm eine Kopie mit, vielleicht findest du jemand passendes?“
Hermine
nahm den Katalog verblüfft entgegen. „Aber sprich mit Harry und Ron“, ermahnte
Ginny sie, und sie war fast sicher, dass Harry und Ron gemeinsam bestimmt mit
sehr vielen Argumenten gegen Hermines Entscheidung vorgehen würden.
„Na gut.
Danke, Ginny“, entschied sich Hermine zuversichtlich zu sagen. Ginny machte
sich nichts vor. Wenn Hermine es unbedingt wollte, würden selbst Harry und Ron
sie nicht aufhalten können. Nicht mal mit dem stärksten Klammerfluch, den sie
kannten.
Hermine
verließ das Beratungszimmer. Und Ginny hatte eine sichere Befürchtung, aber
auch die hatte sie nicht laut geäußert. Aber das musste sie nicht mal. Sie hatte
es im Gespür, sie wusste nicht mal, warum. Aber sie glaubte, Hermine gut genug
zu kennen. Sie würde es bereuen. Zwar behauptete Hermine das Gegenteil, aber
Ginny war sich sicher, Hermine würde es bereuen. Und dann gab es kein Zurück
mehr und sie wollte ungerne die Person sein, die die entscheidenden Worte zu
ihrer besten Freundin sagte. Denn anstatt diese Worte letztendlich sagen zu
müssen, wäre es ihr lieber, dass Hermine zur Vernunft käme. Denn Ginny würde
sagen: Ich hab’s dir gleich gesagt.
Sie konnte
die Worte schon praktisch auf ihrer Zunge schmecken, hörte es schon in ihren
Ohren und wollte nicht mal richtig liegen. Als beste Freundin sollte man
nämlich eigentlich die Fähigkeit besitzen, Hermine aufhalten zu können. Sie
seufzte nachdenklich.
Sie hatte
mit Hermine ihre gesamte Pause verbracht, stellte sie erschrocken fest, denn es
klopfte bereits wieder an der Tür. Jetzt hatte sie doch nicht gegessen. Aber
sie war auch viel zu aufgewühlt dafür. Millicent Bullstrode, die Schwester der
Abteilung, steckte den blonden Kopf hinein.
„Heilerin
Potter? Ihre nächste Patientin ist hier“, erklärte sie freundlich, wie immer.
Millicent war dumm aber fleißig, das konnte Ginny über sie sagen.
„Danke
Millicent“, erwiderte Ginny und zog sich ein frisches Paar Handschuhe über. Sie
warf einen Blick in ihren Terminplaner, damit sie den Namen der nächsten –
„Guten
Tag“, begrüßte Pansy Parkinson sie neutral, als sie das Zimmer betrat. Richtig,
sie hatte den Termin wieder verdrängt gehabt. Gewundert hatte sie sich schon
letzte Woche, als Pansy den Termin wohl vereinbart hatte. Sie sah gut aus,
bemerkte Ginny fast überrascht.
Ginny fiel
allerdings nur auf, dass sie gut aussah, weil die meisten gutaussehenden Frauen
eben doch noch darauf verzichteten, sich künstlich befruchteten zu lassen. Aber
vielleicht sprach sich auch Pansy Parkinson der eher traditionellen Richtung
ab. Bei einer Reinblüterin hatte sie es kaum erwartet. Aber wer war sie schon,
so etwas zu behaupten? Sie war Reinblüterin und führte diese Anwendungen durch!
Ginny knöpfte den Kittel zu und schloss den Abstand.
„Miss
Parkinson“, begrüßte sie ihre Gegenüber. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
Pansy hatte
einen kurzen schwarzen Pagenschnitt. Ihr Haar warf eine weiche Innenwelle. Sie trug
lange silberne Ohrringe, die länger als ihre Haare auf ihre Schultern fielen.
Das Silber klimperte leise als sie sich auf den dargebotenen Stuhl setzte. Auch
Pansys Ausdruck war… freundlich. Sie wirkte alles in allem recht… - tja, Ginny
fiel wirklich kein anderes Wort ein – freundlich. Sie lächelte nachsichtig.
„Meine
Steuererklärung hatte ich nicht vor hier zu machen“, erwiderte Pansy, und trotz
der offensichtlich sarkastischen Worte hatte sie etwas sehr angenehmes an sich,
stellte Ginny verblüfft fest, als sie sich durch Pansys Worte überhaupt nicht
beleidigt fühlte. „Ich interessiere mich für eine künstliche Befruchtung und
habe gehört, ihre Einrichtung hier hat die besten Voraussetzungen“, fuhr Pansy
lächelnd fort. Ginny nickte langsam.
„Das kann ich
nicht beurteilen, aber dafür haben wir die umfassendste Samenbank, ja“, räumte
sie ein. „Würden Sie sich gerne einen Katalog ansehen?“, fragte Ginny
schließlich.
„Ja, sehr
gerne.“
„Vorher
würde ich schnell eine Blutprobe entnehmen. Nur um irgendwelche
gesundheitlichen Schwierigkeiten Ihrerseits ausschließen zu können, es sei
denn, Sie können mir die Arbeit ersparen, sollten Sie über Ungewöhnlichkeiten
Bescheid wissen?“ Wie selbstverständlich krempelte Pansy den Ärmel ihrer langen
Angorastrickjacke nach oben und schüttelte.
„Nicht, dass ich wüsste, also bitte. Vergewissern Sie sich.“ Sie streckte ihr
ihren glatten Unterarm entgegen. Sie trug auch hier feinen filigranen
Silberschmuck. Hauchdünne Bände lagen um ihr Handgelenk, zwei Ringe steckten
auf ihrem Mittel- und Ringfinger, aber keiner davon sah aus wie ein Verlobungs-
oder Ehering, stellte Ginny fest. Aber das hätte sie auch verwundert.
Ginny
desinfizierte den Zauberstab mit einem schnellen Schlenker. Er glänzte kurz,
ehe sie die Spitze in Pansys Armbeuge drückte, vollkommen vasiv. Sie durchdrang
nicht mal die Haut, der Zauber kopierte einfach nur eine Zelle. Ginny hielt sie
in der Luft, brachte sie zum Mikroskop, was auf dem Schreibtisch stand und
setzte sie auf die frische Glasplatte.
Sie blickte
durch das Okular hinab auf die Probe, und musste nicht besonders lange durch
die Lupe schauen. Besondere Krankheiten, vor allem aber Krankheiten, die einer
erfolgreichen Befruchtung im Wege stehen könnten, wurden ihr sofort aufgezeigt.
Bei Pansys Probe regte sich nichts. „Alles scheint in bester Ordnung zu sein,
Miss Parkinson. Wenn Sie sich denn sicher sind, hole ich ein Formular für Sie,
und Sie können sich den Katalog ansehen, Sie können ihn auch mitnehmen, wenn
Sie möchten. Ich bin gleich zurück“, versprach Ginny schließlich und überließ
Pansy Parkinson sich selbst, nachdem sie ihr eine Kopie des Katalogs überreicht
hatte.
Millicent
stand neben dem Patiententresen und blätterte durch einige Akten als Ginny zu
ihr kam.
„Ich
bräuchte ein Bestätigungsformular“, informierte Ginny sie. Das Wartezimmer war
voll, wie immer, erkannte sie, als sie ihren Blick seufzend über die vielen
Frauen wandern ließ. Sie konnte gar nicht mehr zählen wie viele Frauen Dean und
sie berieten. Aber nur die Hälfte entschied sich anschließend, eine magische
Befruchtung durchführen zu lassen.
Millicent
beeilte sich, ihrem Wunsch nachzukommen. Bei Pansy war sich Ginny nicht sicher.
Sie wirkte nicht verzweifelt. Schon hatte Millicent das Formular aus dem
Schreibtisch geholt. Vielleicht ließen sich auch nicht alle Frauen in
verzweifelt oder karriereorientiert einteilen, überlegte Ginny. Oder die Frauen
verbargen ihre Beweggründe eben gut.
„Bitte
sehr, Heilerin Potter. Voll heute, hm?“, bemerkte sie leise. Ginny nickte. Sie
wusste, Millicent verachtete alle Frauen, die nicht in der Hochzeitsnacht flach
auf dem Rücken, praktisch ungewollt, schwanger wurden. Der eine war so, der
anderen eben nicht….
Sie ging
wieder ins Beratungszimmer.
„Ich habe
das Formular, Miss Parkinson. Wenn Sie nichts dagegen haben, fülle ich es für
Sie aus, wir hatten schon so viele Schwierigkeiten“, erklärte sie belanglos,
ohne es näher zu erläutern. Aber wenn man Menschen ein Blankett-Formular gab
konnte so unglaublich viel schiefgehen. Ginny hätte ein Buch alleine darüber
schreiben können.
„In
Ordnung“, erwiderte Pansy, während sie nicht aufsah, sondern durch den Katalog
blätterte.
„Voller
Name?“, begann Ginny und zückte die schwarze Feder.
„Pansy Ophelia
Parkinson“, erwiderte Pansy, während ihre grünen Augen über die Seite flogen.
Sie erinnerten Ginny an Harrys Augen. Sie wollte zwar mit Pansy Parkinson
nichts Angenehmes verbinden, denn eigentlich verband sie nichts derartiges,
aber sie konnte nicht verhindern, dass Pansy Sympathie-Punkte erntete. Sei es
auch nur wegen offener Freundlichkeit und Harrys Augenfarbe.
„Hermine
Granger überlegt es sich auch?“, fragte Pansy plötzlich, ohne aufzusehen. „Eine
Befruchtung meine ich“, erläuterte sie, als Ginny die Stirn runzelte. „Ich habe
sie gerade gehen sehen“, ergänzte sie und hob schließlich doch den Blick. Ginny
wunderte sich gar nicht erst, dass Pansy nicht vorgab, sie alle nicht zu
kennen. Es war natürlich auch sinnlos und wäre ohnehin nur zu Schau. Man kannte
sich eben einfach. Daran gab es nichts zu rütteln, nichts zu beschönigen.
„Ich… nein. Nein, sie interessiert sich dafür nicht. Sie besucht mich manchmal
in der Pause“, sagte Ginny tatsächlich. Sie hätte sagen können, dass sie keine
Informationen preisgeben durfte. Aber stattdessen log sie, als wäre es etwas
Schlechtes, dass Hermine darüber nachdachte. Als würde es durch eine Lüge
ungeschehen zu machen sein. Ginny würde ihr Verhalten bei Gelegenheit näher
ergründen müssen, überlegte sie besorgt.
„Ja, macht
Sinn“, entgegnete Pansy mit einem Nicken. „Sie sind ja befreundet“, ergänzte
sie, wohl mehr sich selbst gegenüber.
„Ich
bräuchte jetzt noch Angaben über Ihren Familienstand, Ihren Beruf, einige
Versicherungsnummern und Einkommensnachweise“, fuhr Ginny ernster fort.
„Ich bin ledig, arbeite in der Galerie Dubois als Kuratorin, Winkelgasse 722
und meine Versicherungsnummern gebe ich Ihnen gleich. Was das Einkommen angeht,
so ist das Einkommen in der Galerie zwar ausreichend, jedoch habe ich bei meinem…
Hintergrund genügend Rücklagen, wenn es darum geht.“
„Ja, es
geht um die Bonität, die ich bei Ihnen auch nicht anzweifeln möchte, aber
schicken Sie uns per Eule einfach Ihre letzten Einkommensbescheide. Das sollte
genügen. Sie sind Kuratorin?“, griff Ginny jetzt beeindruckt ihre Worte auf.
Vielleicht dann doch karriereorientiert…? Pansy hob den funkelnden grünen
Blick.
„Wieso? Dachten Sie, ich arbeite ehrenamtlich im Rose-Club der
Reinblüter-Gemeinschaft und organisiere Teepartys und Spenden-Galas im Rahmen
des magischen Reitsports?“, erkundigte sie sich beinahe trocken bei ihr. Ginny
ruckte nur mit dem Kopf. Sie hatte nicht gedacht, dass Pansy wirklich
arbeitete, nein. Aber laut würde sie es nicht sagen.
„Es sollte
so nicht klingen, Miss Parkinson“, versicherte sie wieder mit höflicher
Professionalität. „Wo haben Sie studiert?“, erkundigte sich Ginny zwanglos,
während sie das Formular weiter ausfüllte.
„Paris. Ich
war dort für vier Jahre, aber es hat mich wieder nach Hause gezogen“, schloss
sie und klang beinahe wehmütig dabei. Ginny musterte sie aus den Augenwinkeln.
Für gewöhnlich heirateten Reinblüter reich und untereinander und bekamen
reinblütige Kinder. Und wenn sie Pansy objektiv betrachtete, dann konnte sie
sich kaum vorstellen, dass sie noch keine passenden Angebote bekommen hatte.
Aber Ginny ersparte sich, auch hier einzugreifen. Fremde Patientinnen konnten
machen, was sie wollten. Wahrscheinlich konnten auch alle anderen Patienten
machen, was sie wollten, überlegte Ginny ärgerlich.
„Wenn Sie
den Katalog gerne mitnehmen-“
„-ich habe mich entschieden“, erklärte Pansy bereits lächelnd. Ginnys Blick hob
sich überrascht. Tatsächlich?! Pansy erhob sich elegant und die fließende Jacke
fiel um ihre Beine, der Schmuck klimperte wieder dezent. Ihr Lächeln wirkte
neutral und aufrichtig als sie zu Ginny kam. Aus einer unauffälligen Handtasche
zog Pansy einen magischen Ausweis hervor, mit all den wichtigen Daten, die
Ginny mit dem Zauberstab in das Formular kopierte. Pansys kurzer schwarzer Pony
fiel ihr bis zu den Augenbrauen. Sie sah nicht schlecht aus, nein. Richtig
modebewusst. Und außerdem sehr überzeugt, was ihre Zukunft hier anging.
Aber mit
gewisser Neugierde begutachtete Ginny anschließend, welchen Kandidaten Pansy
ausgewählt hatte. Sie kannte natürlich nicht alle Nummern auswendig, aber die
wichtigsten hatte sie sich gemerkt.
Und
Jackpot! Tatsächlich hatte sich Pansy den erfolgreichsten Heiler des Mungo
ausgesucht, der sich früh dazu entschieden hatte, Frauen eher als Sport zu
betrachteten, aber seine arroganten Gene doch wenigstens zur Verbreitung hatte
freistellen wollen, ohne jemals Alimente zahlen zu müssen. Ginny verstand sich
nicht mit ihm. Ganz und gar nicht. Er war Unfall-Heiler mit gewagten Methoden.
Und einem Ego, größer als die Schlange in der Kantine an einem Montagmittag.
„Sie können
es sich wirklich länger überlegen, Miss Parkinson“, erklärte Ginny nun doch.
„Glauben
Sie mir, ich habe sehr lange darüber nachgedacht, Heilerin Potter“, erwiderte
sie. Ginny wusste nicht, woran es lag, aber Reinblüter schienen in der Schule
absolut ätzend zu sein und irgendwann im Laufe des Erwachsenwerdens eine totale
Wandlung zu durchleben und Manieren mit dem Zauberstab injiziert zu bekommen.
Sie erinnerte sich, dass Pansy früher nicht ganz so umgänglich gewesen war. Und
das war noch eine Untertreibung!
„In
Ordnung“, erwiderte Ginny etwas machtlos. Das war schnell gegangen. Erstaunlich
schnell! Manche waren sich wohl doch sehr sicher.
„Kann ich
einen Termin vereinbaren?“, wollte Pansy schließlich wissen.
„Sicher.“ Ginny griff sich ihren Terminplaner. „Wenn Ihnen nichts dazwischen
kommt, keine Erkrankung, kein Trauerfall oder sonstiges, können wir – sobald
alle Unterlagen denn hier sind – einen Termin für… nächsten Mittwoch
vereinbaren?“, schlug Ginny jetzt vor.
„Das passt
mir gut“, erwiderte Pansy nach einem Blick in ihr kleines Buch. „Vielen Dank
für Ihre Hilfe, Heilerin Potter. Millicent sagte mir, sie darf bei der
Befruchtung assistieren?“
Ginny
nickte, etwas verwirrt über diese Frage, aber es machte wohl Sinn. Pansy und
Millicent mussten sich ja noch kennen, nahm Ginny an. „Ja, wir erlauben den
Schwestern zuzusehen. Ich nehme an, damit sind Sie einverstanden?“ Pansy
nickte.
„Ja, wir
sind solange befreundet, wissen Sie? Und sie ist ohnehin schon abgeneigt, dass
ich nicht heirate und anschließend schwanger werde, also…“ Pansy lächelte
entschuldigend.
„Nein, ich verstehe. Ich kann einrichten, dass Millicent mir assistiert“,
erklärte Ginny und konnte Millicent sogar ein wenig verstehen. Sie hatte schon
die größte Sorge mit Hermine. Denn eigentlich hatte Ginny sich vorgestellt, von
Hermine zum Kaffee eingeladen zu werden, wenn sie erfuhr, dass sie Patentante
von Hermines Kind werden würde. Aber es sah so aus, als ob Ginny sogar die
Person wäre, die dafür sorgen würde, dass Hermine schwanger wurde.
Und sie
vertrat die Ansicht, dass es so nicht sein sollte. Sie mochte Überraschungen
nämlich, im Gegensatz zu scheinbar allen anderen Leuten.
„Dann bis nächste Woche, Heilerin Potter. Meine Unterlagen erhalten Sie noch im
Laufe dieses Tages.“ Ginny verabschiedete sich sogar sehr freundlich von Pansy.
Leider konnte sie es nicht über sich bringen, Schulfeindschaften aufrecht zu
erhalten. Leider war Pansy Parkinson zu nett dafür.
„When
the warm wind chills my bones,
I reach
for mother Mary
And I
shall not walk alone.”
Blind
Boys of Alabama
„Friedenschor?“,
las Ron laut, mit offensichtlicher Abneigung in der Stimme. „Was soll das bitte
für ein Kriterium sein?“, wollte er jetzt wissen.
„Na ja, er
wäre dann… menschenfreundlich?“, schlug Harry ratlos vor und zuckte mit den
Achseln. „Hast du gesehen, dass das hier ein Quidditchspieler ist?“
Zuerst waren
Harry und Ron ziemlich wütend gewesen, aber Hermine hatte ihnen einfach den
Katalog vor die Nase gelegt, und jetzt amüsierten sie sich seit zwei Stunden
über die Kandidaten.
„Harry,
weiter vorne steht sogar ein Mountain-Climber, der Survival-Training ohne
Zauberstab macht“, erwiderte Ron. „Wir sollten unsere Spermien auch abgegeben,
quasi als Kriegshelden!“, fuhr er jetzt fort.
„Oh,
Lavender wird begeistert sein, hm?“, bemerkte Harry spöttisch, und Ron verzog
geschlagen den Mund. „Und meine… äh… Probe gehört allein Ginny.“ Auch daraufhin
verzog Ron den Mund.
„Zu viele
Information, Harry!“, murmelte Ron und schüttelte den Kopf. „Hermine, wieso
willst du das machen?“, wollte er wissen.
„Es ist nichts Schlimmes, Ronald“, erklärte sie daraufhin.
„Nein,
aber… es ist so unnötig, oder? Du bist nicht hässlich, oder so“, führte er
achselzuckend aus und deutete auf ihr Gesicht.
„Vielen
Dank, Ronald. Wirklich“, entgegnete sie trocken. Ron hob die Hände.
„Du weißt
schon, was ich meine. Wenn du ein Kind willst, such dir einen Zauberer und
heirate den. Dann könnt ihr zusammen Kinder bekommen.“ Hermine atmete aus.
„Ron, das
habe ich schon getan. Ich will keinen Mann mehr und keine Heirat“, erklärte
Hermine, betont ruhig. „Ich will ein Kind.“
Und auch
auf Rons Gesicht trat ein schuldbewusster Ausdruck. „Jaah, ich weiß, Hermine“,
räumte er stiller ein. „Ich meine nur… üblicherweise
hat man dafür einen Mann gebraucht“, murrte er und schüttelte wieder den Kopf,
während er im Katalog weiterblätterte.
„Ich find
es einfach nur… eklig?“, sagte Harry schließlich, als er sich am Tisch
zurückgelehnt hatte. Sie saßen in der fast leeren Kantine des Ministeriums.
Harry und Ron trugen noch ihre Auroren-Uniform.
„Wieso ist
es eklig?“, wollte Hermine entnervt wissen.
„Na ja… das ist das Zeug von irgendwem, Hermine“, gab Harry leiser zu bedenken.
„Es werden
keine Massenmörder sein, Harry“, erklärte Hermine streng. „Alle Proben werden
vorher untersucht und geprüft“, erklärte sie missbilligend.
„Also
früher hätte es das nicht gegeben!“, mischte sich Ron wieder ein.
„Ja, Grandpa, ich weiß“, bemerkte Hermine
spitz, und Ron streckte ihr die Zunge raus. „Vielleicht werde ich dann auch
noch an den Pranger gestellt und muss den scharlachroten Buchstaben für ein
Jahr auf meinem Blazer tragen, hm?“, fuhr sie fort, und Harry verdrehte die
Augen.
„Du willst
das wirklich tun?“
„Harry, es
ist nichts Schlimmes. Manche Frauen werden schwanger, ohne sich je Gedanken
darüber gemacht zu haben, oder sie wurden gezwungen und wollen es gar nicht.
Und ich habe mir Gedanken gemacht. Ich bin bereit dafür. Ich… war schon vor
vier Jahren bereit dafür, ich…“ Sie hasste es, es immer wieder erklären zu
müssen.
„Ich weiß,
dass du alles schaffst, Hermine“, sagte Harry sofort. „Darum geht es ja gar
nicht.“
„Ich muss
wissen, dass ihr damit einverstanden seid. Dass ihr mich noch weiterhin leiden
könnt und euch um euer kleines Patenkind kümmern werdet“, sagte sie streng zu
beiden. Harry und Ron sahen sie gequält an.
„Aber
natürlich mögen wir dich!“, erwiderte Harry. „Wie kannst du glauben, dass wir
das nicht mehr tun würden? Nur weil es… vielleicht eklig ist? Wir können dir
ohnehin nichts vorschreiben.“ Er warf Ron einen eindeutigen Blick zu, woraufhin
dieser die Augen verdrehte. „Und wir unterstützen dich immer“, schloss er
schließlich. Hermine war dankbar über die Worte.
„Ich dachte
vielleicht Seite siebzehn, Kandidat Nummer 2“, sagte sie schließlich, beinahe
etwas kleinlaut, und sah zu, wie Harry eilig durch den Katalog blätterte, Ron
dicht neben ihm mit gesenktem Blick. Aber es war ja nicht so, als würde sie
einen potentiellen Freund vorstellen, maßregelte sie sich innerlich. Es war
eben nur passendes Erbgut. Erbgut, das sie für passend hielt – und das nichts
mit Quidditch zu tun hatte!
„Geschöpfenforscher?“,
entfuhr es Ron ungläubig. „Ernsthaft, jetzt?“
„Ich finde
es lobenswert!“, erwiderte sie kühl.
„Ja sicher.
Ich meine, der Typ verbringt seine Zeit bestimmt nicht ohne Grund unterirdisch
und in Höhlen. Wer weiß, wie er aussieht!“, bemerkte Ron angewidert.
„Seine
Größe und sein Gewicht sind hier angegeben, Ronald“, erwiderte Hermine, wieder
gereizt. Und wütend, dass sie sich überhaupt auf eine Diskussion mit ihm
einließ. Was Ron betraf, war sie meistens wütend. Er regte sie öfters auf, als
dass sie sich verstanden.
„Ja, aber
vielleicht hat er eine Hasenscharte? Oder braucht Brillengläser, dick wie
Flaschenböden?“, schlug er vor. Hermine verdrehte die Augen.
„Er hat
keine Sehschwäche und keine Auffälligkeiten im Gesicht. Es steht doch hier!“
„Pah!“,
entfuhr es Ron. „Da kann man doch schreiben, was man will!“, behauptete er.
Hermine verdrehte die Augen.
„Uh-oh.
Jetzt gibt’s Ärger“, bemerkte Harry plötzlich mit einem bitteren Ausdruck. Die
Türen der Kantine waren aufgestoben. Hermine hatte mit diesem Ärger bereits vor
Tagen gerechnet. Ihr Boss erreichte den Tisch atemlos und krebsrot im Gesicht.
„Hermine,
sagen Sie mir, dass das ein Scherz sein soll?“, verlangte er zu wissen, ohne
Harry und Ron zu beachten.
„Über Gold
macht man keine Scherze, Mr. Conner“, erwiderte sie ernst.
„Aber
Hermine!“, entfuhr es ihm kopfschüttelnd. „Die gesamte Vereinigung wird sich
dagegen stellen! Teresa Zabini wird mir das Büro einrennen“, murmelte er
verzweifelt. „Ich habe Ihnen doch ausdrücklich gesagt, dass Sie Ihre Finger von
der Berechnung der Apanage lassen sollen!“
„Die
Beträge sind zu hoch, Mr. Conner!“, entrüstete sich Hermine und versuchte, sich
zu beherrschen. „Diese lächerliche Vereinigung hat-“
„-das ist
mir gleichgültig!“, widersprach er fassungslos. „Ich lege mich bestimmt nicht
mit dem Vorstand an, Hermine!“, beharrte er außer sich.
„Aber
Lucius Malfoy-“ Er unterbrach sie so scharf, dass Hermine schwieg.
„-Lucius Malfoy spielt in einer anderen Liga, Hermine! Lucius Malfoy ist
niemand, dem wir tatsächlich entgegentreten mit etwas absurdem wie einer
rückwirkenden Verfügung, Merlin noch mal! Wissen Sie eigentlich, was Sie da
verlangen?“, fuhr er hysterisch fort.
„Die 200
Millionen wurden ungerechtfertigt ausgezahlt und-“
„-Schluss damit! Das ist mein letztes Wort, haben Sie verstanden?“ Hermines
Mund schloss sich zornig.
„Mr.
Conner-“
„-ob Sie
mich verstanden haben?“, wiederholte er streng. Und obwohl alles in ihrem
Innern sich sträubte, überwand sie den Widerwillen. Denn sie musste. Denn sie
hatte keine Wahl.
„Ja, Sir.
Ich habe verstanden.“ Mr. Conner tupfte sich die schweißnasse Stirn mit einem
weißen Stofftaschentuch ab.
„Die
Apanage kürzen… bei Merlin…“, murmelte er kopfschüttelnd, als er sich vom Tisch
entfernte.
„Ziemlich
mutig“, bemerkte Harry mit Anerkennung im Blick.
„Ziemlich
blöde, würde ich meinen“, korrigierte Ron ihn grinsend, aber Hermines böser
Blick brachte ihn zum Stutzen. „Ich meine, hey-!“, beschwerte er sich sofort.
„Du willst den Reinblütern 200 Millionen wegnehmen? Viel Spaß dabei“,
rechtfertigte er sich lachend.
„Sie haben
sie nur durch Sklaverei und unbillige Geschäfte bekommen“, zischte Hermine
böse. Sie wollte nur Gerechtigkeit walten lassen! Sie wollte nur bekommen, was
sie verdiente. Und sie wusste genau, was das war. Und sie bemerkte, wie sich
Harrys Blick änderte. Wie er sich räusperte. Dann war der Moment vorbei.
„Also, du
willst den Höhlenmenschen?“, wechselte Harry das Thema, und Hermine atmete aus.
„Geschöpfenforscher, Harry. Und ja. Er erscheint mir aufrichtig, loyal und-“
„-er könnte
auch ein Troll sein“, unterbrach Ron sie scheinheilig. „Ich meine ja nur“,
fügte er stiller hinzu, als Harry und Hermine ihm gereizte Blicke zuwarfen.
~*~
„Hast du
das Pansy gesagt?“, fragte Blaise abwesend, während er seinen Cognac schwenkte.
Draco blickte nach draußen in den Garten.
„Was? Dass
ich gehe? Sicher“, erwiderte er, wusste aber nicht, ob er es wirklich getan
hatte.
„Ja?“,
erkundigte sich Blaise erneut, und ehe Draco fragen konnte, weshalb es seinen
Freund so wahnsinnig interessierte, öffnete Astoria die Türen zum Wintergarten.
„Liebling, deine Mutter ist im Kamin.“ Und sie klang so, wie man eben klang,
wenn man wohl schon eine ganze Weile mit Teresa Zabini hatte reden müssen.
Draco erinnerte sich noch gut an Blaises Mutter. Unverbesserlich, unnachgiebig
und unmöglich zu überzeugen. Furchtbar. Blaise wirkte ähnlich abgeneigt.
„Was will
sie?“, wollte er wissen, in seiner Stimme schwang bereits seine Abneigung mit.
Astoria wechselte den Säugling auf den anderen Arm und atmete langsam aus. „Es
geht um das Schreiben? Vom Ministerium?“, ergänzte sie kurz angebunden, und
Blaise erhob sich resignierend. Er verschloss sein Jackett.
„Entschuldige
mich kurz, Draco.“
„Bitte, ich
habe Zeit“, erklärte Draco grinsend. Astoria blieb noch im Türrahmen stehen.
„Ich habe gehört, du gehst nach Amerika?“, fragte sie, während das Baby auf
ihrem Arm eingeschlafen war. Sie war bereits zum zweiten Mal Mutter geworden.
Man begann es zu sehen, dachte er unwillkürlich. Sie hatte noch einen recht
beachtlichen Bauchumfang.
„Ja,
nächsten Monat“, erwiderte er.
„Und Pansy?“
Was war los
mit den Leuten?!
„Pansy arbeitet
hier“, erklärte er also, als wäre Astoria zurückgeblieben.
„Das weiß ich, Draco“, erwiderte sie. „Dann… ist das also vorbei mit euch?“
„Vorbei mit uns?“, wiederholte er verständnislos. Astoria lächelte plötzlich.
„Oh, ok. Schon gut, Draco Malfoy. Sei kryptisch, leg dich niemals auf
irgendetwas fest. Ich verstehe schon. Du und Pansy, ihr wart zehn Jahre lang
einfach nur… Gelegenheitsbekanntschaften, richtig?“ Draco runzelte die Stirn.
„Ich weiß
nicht, wovon du sprichst“, entgegnete er.
„Ich bin
sehr froh, dich nicht geheiratet zu haben“, sagte sie plötzlich. Draco hob eine
Augenbraue in die Höhe.
„Ich wusste nicht, dass das jemals zur Debatte gestanden hätte, aber ja, froh
bin ich auch“, erwiderte er mit einem schiefen Grinsen.
„Wieso bist
du froh darüber?“ Sie fragte, als
könne er sich glücklich schätzen, wäre sie seine Frau geworden. Als wäre er
derjenige, der den Kürzeren gezogen hätte. Aber Draco wusste es besser. Er
zuckte also unverbindlich die Achseln.
„Aus keinem
bestimmten Grund“, log er einfach.
„Und
dann?“, wechselte sie wohl das Thema, und er nahm noch einen Schluck Cognac zu
sich.
„Dann?“,
wiederholte er verständnislos.
„Wie lange
willst du fortbleiben?“ Draco begriff und zuckte die Achseln erneut.
„Solange es
Spaß macht“, gab er zurück und lächelte. Astoria erwiderte das Lächeln nicht.
Nein, sie schien wohl entschieden zu haben, nicht mehr mit ihm sprechen zu
wollen.
„Dann
wünsche ich dir eine gute Reise, sollten wir uns nicht mehr sehen“,
verabschiedete sie sich kühl und war aus dem Wintergarten verschwunden. Ja,
Draco konnte es kaum erwarten.
Er glaubte
nicht, dass London ihm noch viel zu bieten hatte.
Blaise
kehrte zurück und wirkte wie erschlagen.
„Bitte,
bring mich bei Gelegenheit einfach um. Meine Mutter ist unglaublich“, murmelte
er, nahm sich wieder das Glas und setzte sich in den Korbsessel zurück.
„Oh jaah“,
erwiderte Draco mitleidig.
„Lass uns
über deine Abschiedsparty sprechen“, sagte Blaise schließlich. „Legst du Wert
auf gute alte Stripperinnen oder exotische Tänzerinnen?“, wollte er wissen.
Draco blickte wieder lächelnd in den Garten hinaus.
„Wie
exotisch sind die Tänzerinnen?“, wollte er neugierig wissen. Blaise musste
lachen.
„Ist dir
Hawaii exotisch genug, Malfoy?“, wollte er wissen, und Draco musste zugeben, es
klang verdammt vielversprechend….
~*~
Es
herrschte eine solche Grabesstille, als hätte sie verkündet, in den nächsten
Monaten der Kriselkrätze zum Opfer zu fallen. Eine Spur verärgert stach sie in
die zu harten Kartoffeln ein, die ihre Mutter stets zu kurz kochen ließ.
„Liebling,
es ist nicht, dass wir… dass wir…“ Hilfesuchend wandte sich Rose an ihren Mann.
Ihr Vater
verzog lediglich den Mund. Wie Harry schien er die Idee einer magischen
Befruchtung abstoßend zu finden.
„Wie heißt
der Bursche?“, wollte er also wissen. Und Hermine schluckte stur den Bissen
runter, ehe sie trocken antworte.
„Kandidat
Nummer 1702“, sagte sie. Ihr Vater nickte ironisch.
„Guter
Name. Nicht so häufig vorhanden, nicht wahr?“
„Jack!“,
rief ihre Mutter kopfschüttelnd aus.
„Was?“,
beschwerte sich ihr Vater, tatsächlich verblüfft. „Mein Gott, Rose, das Kind
ist erwachsen, also wenn sie unbedingt… ein künstliches was-weiß-ich machen
möchte, dann… bin ich froh, wenn ich nichts weiter davon wissen muss, außer,
wann ich mein Enkelkind auf den Armen halten darf“, schloss er gereizt.
„Es heißt
MIAR. Magische in vitro assistierte Reproduktion“, verbessert sie ihren Vater
konsterniert, als wäre es eine Antwort aus dem Lehrbuch, für die sie zehn
Punkte für Gryffindor bekommen würde. Ihre Mutter sah sie an, als hätte sie
soeben am Tisch geflucht.
Schweigend
aß ihre Mutter weiter und schien den Kartoffeln stumm ihr Leid zu klagen.
„Und wann passiert
es? Das äh… assistierte in vitro Ding?“, ergänzte ihr Vater kauend, und Hermine
schüttelte sanft den Kopf.
„Ihr seid
beides Mediziner, Dad“, informierte sie ihren Vater ungläubig.
„Glaub mir,
Engel, mit künstlicher Befruchtung habe ich mich an der Universität bei Gott
nicht beschäftigt“, erwiderte er lächelnd.
„Nächsten
Mittwoch“, antwortete Hermine also, und war froh, dass ihre Eltern nun Bescheid
wussten.
„Nächsten
Mittwoch“, wiederholte ihre Mutter unglücklich. „Wie schrecklich“, flüsterte sie,
aber Hermine ignorierte sie und trank eines ihrer letzten Gläser Wein, bevor
ihr Leben endlich wieder einen neuen Sinn bekommen würde.
„Engel,
deine Mutter wird noch einen Schock bekommen, wenn du das Thema nicht
wechselst“, merkte ihr Vater an.
„Ok“, ließ
sich Hermine auf seine Worte ein. „Letzte Woche habe ich den Reinblütern 200
Millionen Galleonen in Abzug gestellt“, schloss sie kurzerhand. Ihre Mutter sah
sie an.
„Kannst du
das?“, fragte sie verunsichert.
„Ich kann
es versuchen, ja“, schloss sie.
„Und… wieso
tust du das?“ Schon wieder sah ihre Mutter sie an wie eine Geistesgestörte.
„Wieso ich
das tue?“, wiederholte Hermine fassungslos. „Vielleicht weil sie ihr Gold damit
verdient haben, Hauselfen auszunutzen und Muggel umzubringen?“, schloss sie
gereizt, und ihre Mutter verzog den Mund.
„Du sollst
dieses Wort nicht an unserem Tisch benutzen, Hermine“, ermahnte ihre Mutter
sie, wie schon so häufig. Hermine verdrehte die Augen.
„Nicht-magische
Menschen, Mum. Besser?“, erkundigte sie sich kopfschüttelnd.
„Ja. Ist es
so schwer?“, wollte ihre Mutter wissen. „Und man kann menschliches Leid also
mit 200 Millionen bemessen? Wieso lässt du Harry nicht ein Machtwort
sprechen?“, fuhr ihre Mutter schlechtgelaunt fort.
„Weil Harry
nicht der König der Welt ist, Mum“, knirschte Hermine durch zusammengebissene
Zähne. Ihre Mutter sah die Zaubererwelt anders, als normale Menschen sie sahen.
Ihre Mutter glaubte, Harry wäre so etwas wie der Präsident, weil er ein Held
war.
Allerdings war
Harry leider nicht in der Lage, ein Machtwort zu sprechen, dem sich alle
Reinblüter beugen würden.
„Also musst
du dich mit diesen… diesen Leuten anlegen?“, wollte ihre Mutter unglücklich
wissen.
„Ich lege
mich nicht an. Nächste Woche werde ich zur Malfoy
Group gehen und eine friedliche Demo veranstalten“, erzählte sie im
Plauderton. Ihr Boss würde ausrasten. Hermine wusste es schon.
„Und bist
du dann schon… äh infiltriert?“, erkundigte sich ihr Vater lächelnd, und
Hermine atmete aus. Sie würde ihn nicht korrigieren.
„Ja, Dad“,
erwiderte sie also ergeben. Er nickte bloß.
„Was? Du…
lässt das am Mittwoch machen und darfst dann schon… wieder aufstehen?“, entfuhr
es ihrer Mutter schockiert. Hermine runzelte die Stirn.
„Mum, sie
stecken mich nicht mit einem Zuchtbullen in einen Raum, Merlin noch mal!“,
entfuhr es Hermine angewidert. Ihre Mutter verzog den Mund, bei dem mentalen
Bild, was sie nun bekommen musste.
„Das… ist
gut zu wissen, Hermine. Also… du-“ Bevor das Gespräch noch weiter in eine
Richtung ging, die Hermine Albträume bescheren würde, kürzte sie es ab.
„-Ginny
wird es machen“, erklärte sie erschöpft. Ihre Mutter verzog den Mund. „Sie ist
meine Heilerin, Mum“, erinnerte Hermine ihre Mutter, die schon wieder die Stirn
in Falten gelegt hatte.
„Na, das
wird eine spannende Woche für dich werden, was, Engel?“, wollte ihr Vater
freundlich wissen, und Hermine nickte müde. Nein. Sie hatte spannende Wochen im
Krieg erlebt. Das hier war furchteinflößend. Sie gab es nicht laut zu, aber…
sie hatte Angst.
Seitdem
Cedric nicht mehr da war hatte sie nur noch Angst. Und das musste sich einfach
ändern. Sie zweifelte jede Entscheidung an, war immer extra vorsichtig, aber…
sie wollte langsam wieder leben. Merlin, sie hatte es nicht mal geschafft,
Cormac ebenfalls zu sagen, dass sie in ihn verliebt gewesen war.
Sie hatte
es nicht gekonnt, hatte sich gefühlt, als würde sie Cedric betrügen, sollte sie
sich irgendwelche Gefühle eingestehen.
Und zum
ersten Mal seit einer Weile hatte sie wieder eine unfassbare Angst in ihrem
Herzen, aber dieses Mal wusste sie, dass es eine richtige Entscheidung war.
Denn es gab einen feinen Unterschied zwischen Angst und Vorfreude. Es fühlte
sich gleich an, aber bei der Vorfreude wachte man schließlich auf und bekam
genau das, was man sich vorgestellt hatte.
Bei der
Angst war es das genaue Gegenteil.
„I've seen the world
Done it all
Had my cake now
Diamonds, brilliant
And Bel Air now.“
Lana Del Rey
Ihre Hände
lagen ruhig um die heiße Teetasse.
Sie hatte
mitgezählt. Fünf Tage hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Hatte nicht
mehr an sie gedacht, während sie innerlich vor Schmerz vergangen war.
Ihre
Zigarette dampfte im magischen Aschenbecher unangetastet, während der Zauber
den Rauch absorbierte und neutralisierte. Pansy hatte ein einziges Mal an ihr
gezogen und seitdem brannte sie unberührt im Aschenbecher. Es war ihr letzter
Zug gewesen.
Jetzt
leuchtete die Anfrage in ihrem Kamin hellblau, während Draco versuchte, die
Verbindung aufzubauen. Aber Pansy rührte sich nicht, starrte in ihre Tasse,
denn heute war Mittwoch. Heute passierte es. In fünfzehn Minuten machte sie
sich auf den Weg zum Mungo. Und ihn zu ignorieren war etwas, was sie noch nie
gekonnt hatte. Ihre Finger zitterten und waren trotz des wärmenden Getränks
eiskalt.
Er hatte
fünf Tage gebraucht, um zu merken, dass sie fort war. Es wunderte sie nicht.
Nicht wirklich, zumindest. Es tat weh, aber es war keine Überraschung mehr, von
Draco mit Gleichgültigkeit vergessen zu werden. Und es war besser, den Kontakt
jetzt einzustellen, bevor er merkte, was geschehen war. Denn das sollte er
nicht merken. Und sie kannte ihn. Er war selbstbezogen genug, um es nicht zu
merken. Niemals würde er auf die Idee kommen, dass er der Vater ihres Kindes
sein würde.
Sie sah gut
aus. Sie hatte sich heute Mühe gegeben. Es gab nicht wirklich einen Grund dazu,
denn sie würde heute niemandem auffallen. Die Behandlung würde nicht lange
dauern, aber selbst währenddessen trug sie nur die Kleidung des Mungos. Den
Rest des Tages musste sie ausruhen, damit die Befruchtung nicht gestört werden
würde. Dann würde Dracos Erbgut in ihrem Körper wachsen, bis sie irgendwann die
Entschädigung für all die investierte Zeit bekommen würde. Aber es war ein
erheblicher Tag gewesen. Es war wie der Tag, an dem sie mit Draco zusammen
gekommen war. Pansy hatte das Datum nie vergessen gehabt, während er sich nie
die Mühe gemacht hatte, es sich überhaupt zu merken. Und an diesem Tag hatte
sie sich auch immer schick angezogen, auch wenn er nie gewusst hatte, warum.
Und heute
war ebenfalls so ein Tag. Heute wäre der Tag, an dem sie schwanger geworden
war, mit seinem Kind.
Ein guter
Grund, sich schick anzuziehen.
Sie hatte
der Versuchung widerstanden, sich mit Millicent noch einmal in Kontakt zu
setzen. Sie hatte mit ihr am Wochenende in der Stadt Kaffee getrunken, denn das
taten sie ab und an, aber Millicent verachtete zumindest diesen Teil ihrer
Arbeit, und Pansy wusste, sie würde mit Millicent sowieso nicht offen darüber
reden können. Sie würde sich nur darauf verlassen müssen, dass sie ihren Job
gut erledigte, dass es tatsächlich niemals auffallen würde, und dass alles
glatt lief.
Ihre größte
Sorge war, dass es nicht funktionierte. Dass ihr Körper die Samenzelle abstieß.
Dass alles umsonst war und Draco nächsten Monat unfruchtbar sein würde. Sie
seufzte schwer.
Endlich
färbte sich das Feuer im Kamin wieder gelb. Draco hatte aufgegeben, sie zu
erreichen. Eine Träne rann unwillkürlich ihre Wange hinab. Hastig wischte Pansy
sie weg, denn sie wollte nicht, dass ihr Makeup verschmierte, auch wenn es
niemand bemerken würde.
Sie musste
heute nicht in die Galerie. Sie hatte sich frei genommen. Und sie vermisste
ihn. Sie vermisste seine Stimme, seinen Körper über ihrem, wenn er sie liebte,
sie vermisste alles. Selbst sein Apartment, was er nur genommen hatte, um
seinen Vater zu ärgern. Selbst die Abendessen mit den Malfoys vermisste sie.
Sie wäre die richtige gewesen. Die eine, die würdig gewesen wäre, den Namen zu
tragen.
Sie
schüttelte sachte den Kopf. Sie ertrank in Selbstmitleid. Es war erbärmlich.
Wäre sie jemand anderes, dann würde sie diese Person auslachen, dachte sie nur.
Sie musste endlich drüber hinweg kommen. Sie musste beginnen, mit dem zufrieden
zu sein, was sie hatte – was sie haben würde! Es würde genug sein. Sie wusste,
sie würde das Kind lieben, denn es wäre seins. Und sie hätte für einen Teil von
ihm, den er ihr niemals würde nehmen können. Es wäre etwas, dass sie mit Fug
und Recht ihr Eigen nennen könnte. Und das war alles, was sie wollte. Von ihm.
Denn mehr bekam sie ohnehin nicht.
Ganz ruhig,
Pansy, sagte sie sich, atmete tief ein, schloss die Augen und genoss die
Stille, bereitete sich auf ihren Entzug von Zigaretten und Cocktails vor, und versuchte,
eine Vorfreude zu entwickeln, so unmöglich das auch sein mochte.
Noch war
ihr Apartment steril. Noch deutete nichts daraufhin, dass sie eine werdende
Mutter sein würde. Pansy hielt zwar nichts von Aberglauben, aber sie nahm an,
würde sie vorsintflutlich die komplette Baby-Einrichtung kaufen gehen, wäre es
vielleicht ein schlechtes Zeichen.
Und es gab
noch eine wichtige Sache, die sie würde tun müssen. Bevor es soweit war. Bevor
man es sehen konnte. Sie hatte nichts dagegen, dass Ginny Potter und Millicent
die Wahrheit wussten, denn diese beiden würden ihr Geheimnis bewahren müssen,
aber ihrer Mutter musste sie eine andere Geschichte erzählen, als die, dass sie
künstlich befruchtet worden war. Sie brauchte einen One Night Stand. Sei es nun
ein echter oder sei es ein erfundener.
Sie
brauchte eine weitere Variable in ihrem Leben, damit Draco nicht doch
tatsächlich auf die Idee käme, sie wäre von ihm schwanger. Sie brauchte eine
Art Alibi-Vater. Am besten einen erfundenen. Und sollte sie doch einen hübschen
jungen Spanier finden, der nicht über die Konsequenzen nach einer Nacht der
Leidenschaft nachdachte, dann wäre das auch in Ordnung.
Die
Prospekte lagen bereits auf ihrer Kommode. Drei Wochen Spanien. Nur sie
alleine, im Corazon, dem teuersten magischen Hotel Barcelonas. Es herrschte
dort genug Trubel, so dass sie nicht auffallen würde. Es wäre ein geeignetes
Alibi für sie. Gebucht hatte sie vor fünf Tagen. Ihre Reisedaten wurden
bestätigt, und in einer Woche reiste sie ab. Niemand wusste davon. Ihrer Mutter
würde sie aus Spanien Bescheid geben, damit sie nicht noch einen Grund fand,
Pansy davon abzubringen.
Ihre Eltern
hatten sich schon daran gewöhnt, dass sie wohl niemals würde heiraten wollen.
Und nicht, dass sie nicht gewollt hatte. Aber bei Draco war es nie zur Sprache
gekommen. Natürlich nahmen ihre Eltern auch an, sie würde für immer mit Draco
zusammen sein.
Immerhin
war sie bei ihren Eltern an dem Punkt angelangt, an dem sie Pansy gewähren
ließen, sie nicht mehr zwangen, das Leben einer Reinblüterin mit allen
Konsequenzen zu leben. Sie wohnte immerhin allein, arbeitete unabhängig, und es
wäre bestimmt ein Leichtes, ihre Eltern zu überzeugen, dass sie auch alleine
ein Kind aufziehen konnte.
Wie sie es
drehte und wendete, es war keine schöne Geschichte. Immerhin könnte sie ihrer
Mutter erzählen, dass sie im Urlaub in Spanien von einem unbekannten Grafen
geschwängert worden sei. Zumindest ihrer Mutter würde sogar diese Geschichte
besser gefallen, als dass sie Dracos Sperma gestohlen hatte, um sich künstlich
befruchten zu lassen, ohne dass er es jemals erfahren würde.
Und Draco?
Für ihn wäre sie nur noch eine flüchtige Erinnerung, die ihm die besten Jahre
ihres Körpers geschenkt hatte.
Es wurde
Zeit, und sie war überhaupt nicht mehr entspannt.
Gar nicht
mehr. Aber sie war schon immer eine gute Schauspielerin gewesen.
~*~
Mit einer
zornigen Bewegung ihres Zauberstabs brachte sie den surrenden Kamin zum
Verstummen. So viele Reinblüter hatten ihre Verbindung rausbekommen! Und die
nervten sie nun seit Tagen! Sie aß ihr Müsli hastig im Gehen, während sie eilig
Schuhe und Mantel zusammen suchte.
Die scheiß
Vereinigung der beknackten Reinblüter. Alle waren sie dumm und blind und
besessen von Gold. Endlich fand sie ihren Schuh hinter der Couch.
Denn es
wurde Zeit. Es war Mittwoch, und heute wäre es soweit. Es war nicht so, dass
sie unglücklich war, aber es würde sie mehr freuen, wenn es Cedrics Baby wäre,
welches sie bekommen würde. Sie hatte immer wieder über diesen Punkt
nachgedacht. Und sie wusste, das war unmöglich. Eine Weile lang hatte sie sich
so gefühlt, als würde sie Cedric mit dieser Entscheidung betrügen, aber
letztendlich hatte sie ihre Meinung geändert.
Sie betrog
ihn nicht. Sie schlief nicht einmal mit einem anderen Mann – und selbst das
hatte sie bereits getan. Aber es hatte sich nicht angefühlt, als ob sie Cedric
betrügen würde, selbst als Cormac sie gefragt hatte, ob sie sich mit ihm
wohlfühlen würde. Nein, nur als sie gedacht hatte, in Cormac verliebt zu sein
und es ihm zu sagen. Das war nicht gegangen. Es waren solche Dinge, die sie
einfach nicht schaffte.
Hermine
atmete lange aus. Dieses Baby wäre permanent. Und es wäre permanent nicht
Cedrics. Sie wusste ja, dass sie nichts mehr hatte, was sie ewig an Cedric
würde binden können. Sie hatte das winzige Haus, was sie zusammen gekauft
hatten. Aber seine Sachen hatte sie größtenteils aussortiert. Die meisten hatte
sie seinen Eltern zurückgegeben. Nur seinen guten Anzug hatte sie als
Erinnerung behalten, sowie seinen hellen Wollpullover, den sie in
hundertstündiger Arbeit für ihn gestrickt hatte, nach Mollys Anleitung, mit den
kompliziertesten Zopfmustern auf Merlins Erde.
Sie wusste
gar nicht, woher die nagenden Zweifel kamen, aber sie waren da. Sie hatte keine
Angst vor der Prozedur. Sie zweifelte auch nicht an Ginnys Künsten. Sie
zweifelte nur an sich selbst. Ja, es wäre ein Baby von einem Fremden, den sie
niemals kennenlernen würde. Den das Baby niemals kennenlernen würde. Und selbst
das war nicht wirklich das Problem.
Was, wenn
es aussah wie ein fremdes Baby? Würde sie sich identifizieren können mit einem
fremden Baby?
Sie
schüttelte den Kopf.
„Das ist so
ein Unsinn“, murmelte sie dem Garderobenspiegel zu, als sie sich kauend den
Mantel überzog. Natürlich wäre es kein fremdes Baby. Es wäre ihr Baby. Und sie
wusste auch, wie sie Ginnys Frage beantworten würde. Denn sie durfte sich das
Geschlecht aussuchen, wenn sie wollte. Und das wollte sie.
Und sie
wusste, Cedric hätte nichts dagegen. Wahrscheinlich wäre Cedric eher dafür,
dass sie den Geschöpfenforscher gleich heiraten würde, aber das wollte sie
nicht. Sie wollte niemanden mehr so lieben, dass es unerträglich wäre, würde er
gehen. Zwar würde sie ihr Baby so lieben, aber ihr Baby würde nicht
verschwinden. Es würde sie sogar überleben!
Wieder
surrte der Kamin laut auf, bat um die Erwiderung des Anrufs, aber Hermine sah
sich außer Stande, einen weiteren Streit mit Lord Wusste-Merlin-Wer zu führen.
Der Club der Reinblüter sprach einzeln bei ihr vor, um sie mit den blumigsten Worten
zu beleidigen. Es war anstrengend. Aber jetzt würde sie es erst recht
durchziehen. Sie hatte überlegt, nachzugeben, den Betrag runter zu setzen, aber
jetzt hatten die Reinblüter Pech gehabt. Sie würde bis vors Ministeriumsgericht
gehen, um ihre Forderung durchzubringen!
Heute würde
sie ausruhen müssen, aber morgen würde sie mit dem Drachen der Vereinigung
persönlich reden. Teresa Zabini machte ihr keine Angst. Und Lucius Malfoy erst
recht nicht. Zwar kannte sie ihn nicht, aber er würde sie noch kennenlernen.
Und wie er das würde!
Zwar wollte
sie nicht zornig ihre Wohnung verlassen, aber sie schaffte es nicht, sich zu
beruhigen. Sie würde ein so energiegeladenes, rechtschaffenes Baby bekommen.
Kind von Hermine Granger, Muggel-Aktivistin, und Geschöpfenforscher Nummer
1702. Die besten Voraussetzungen für einen würdigen Nachfolger, überlegte sie
eine Spur versonnen.
Ihre
Tochter würde ein guter Mensch werden. Der beste auf diesem Planeten.
~*~
„Ja, ich
bereite alles vor, Heilerin Potter“, rief Millicent eine Spur nervös. Sie hatte
sich den Kittel übergezogen und die Tür des Labors verschlossen. Es war
wichtig, dass sie nichts durcheinander brachte. Mrs Welsh, Miss Greenwall, Miss
Buckley, und dann Pansy und Hermine Granger. Es waren fünf Damen, und Millicent
musste die Präparate vorbeireiten.
Nur bei
Pansys Behandlung durfte sie assistieren. Sie war nämlich noch nicht so gut
ausgebildet, aber es war Pansys Wunsch, also hatte Heilerin Potter sie heute
dazu befähigt.
Konzentriert
studierte sie die Patientenbögen. Kandiat 4858, Kandidat 2467, Kandiadat 1733,
Kandidat 1904 und Kandidat 1702. Kandidat 1904 war Pansys Wahl gewesen.
Natürlich besaß Millicent Einblick in die persönlichen Daten der Spender. Ein
teures Präparat. Millicent wusste, es war die Probe von Preston McGraw,
Chef-Heiler der Fluch-Chirurgie. Er sah fantastisch aus und war viel zu schade
dafür, anonym in einer Samenbank zu liegen. Wirklich. Und dann musste sie
bedenken, dass sie dieses Präparat nicht einmal für Pansy verwenden durfte. Sie
hatte die Daten von Preston geändert, hatte die falsche Angabe gemacht, dass
Preston McGraw gleich zwei Spenden abgegeben hatte.
Damit
konnte sie Dracos Probe umbenennen, und Prestons Original-Präparat bliebe
unangetastet und stünde wenigstens für eine andere Dame zu Verfügung.
Dafür, dass
sie nicht viel von dieser Prozedur hielt, war sie ziemlich clever vorgegangen,
überlegte sie zufrieden.
Sie wusste,
es war gefährlich, es war verboten, und sie würde ihre Stelle verlieren, wenn es
rauskam. Aber es war ein sicherer Plan, denn sie war nicht dumm. Draco Malfoy –
oder besser gesagt Dwayne Miller – hatte sie als neuen Kandidaten 1999 ins
System aufgenommen. Alles hatte seine Richtigkeit. Selbst dieser Betrug hier
hatte seine Richtigkeit.
Und nun
verhexte sie die Beschriftung auf den Behältern. Mit einem kurzen Schlenker des
Zauberstabs änderte sich Dwayne Miller zu Preston McGraw. Nun gab es zwei
Behälter für den attraktiven Heiler. Den einen musste sie wieder zurückstellen.
Den echten, damit sie-
„-Schwester
Millicent?“
Millicent
zuckte zusammen vor Schreck. Ginny Potter hatte den Kopf zum Labor hinein
gesteckt. In ihren Fingern zitterten die Behälter vor Schreck. „Alles in
Ordnung?“, erkundigte sich die Heilerin stirnrunzelnd bei ihr.
„Ja. Ja,
alles in Ordnung“, erwiderte Millicent hastig. Merlin, sie hatte niemanden
erwartet.
„Kleine
Änderung im Plan. Mrs Welsh kann erst später, wir beginnen mit 1733, 1702, 1904
und dann Welsh und Greenwall.“ Millicent starrte Ginny an. Zu viele Zahlen.
Millicent war noch nie gut mit vielen Zahlen gewesen. „Nein, erst Greenwall,
dann Welsh“, korrigierte Ginny sich auch noch, und Millicent versuchte, zu
lächeln. 1904 war Pansy. Das waren die einzigen vier Zahlen, die sie wissen
musste.
„Also… erst
Granger, Parkinson, dann Buckley, Greenwall und Welsh?“, fragte Millicent
verwirrt nach. Ginny schien kurz nachzudenken.
„Nein,
zuerst Buckley, dann Parkinson, Granger, Welsh und Greenwall“, wiederholte sie
nachdenklich. Millicent schüttelte den Kopf.
„Greenwall
und dann Welsh“, korrigierte sie ihre Heilerin nun selber, und Ginny nickte
langsam.
„Richtig.
Greenwall und Welsh zuletzt.“ Ginny wandte sich wieder ab. „Und Beeilung, Miss
Buckley ist bereits in der Vorbereitung.“ Millicent sollte sich die Namen
aufschreiben. Was fiel diesen Damen ein, die Termine umzulegen? Sie hatte schon
genug Schwierigkeiten, ohne exzentrische Terminplanungen!
Die
Labortür schwang wieder zu, und Millicent starrte in kurzer Panik auf den
Becher in ihrer Hand.
Hatte sie gerade
den echten Preston in der Hand?
Nein. Sie
hatte Dwayne Miller zu Preston McGraw geändert. Sie nahm den echten Preston in
die andere Hand und stellte ihn eilig zurück. Buckley, Parkinson, Granger,
Greenwall, Welsh.
Und kurz
stutzte sie. 1733, 1904, 1702, 2467, 4858. Kurz war sie sich sicher, dass Ginny
Buckley, Granger, Parkinson aufgezählt hatte, nicht umgekehrt. Pansy war 1904.
Sie würde
noch einmal fragen. Bloß keine Missverständnisse. Bloß keine Fehler! Sie wollte
sich gar nicht ausmalen, was ein solcher Fehler für Kosten nach sich ziehen
würde. Ganz zu schweigen von ihrer Kündigung. Pansy hatte sie ohnehin nur zu
diesem Unsinn überredet bekommen, weil sie ihr für den Winter das Chalet als
Bestechung angeboten hatte. Und Millicent liebte das Chalet der
Parkinsons in Südfrankreich. Früher waren sie als Kinder dort gewesen. Und sie
hatte schon den rechten Mann im Auge, den sie dieses Jahr dorthin einladen
würde. Der Reinblüter wusste noch nichts von seinem Glück, aber Millicent
plante bereits ihren subtilen Angriff.
Gregory
Goyle würde sich mit ihr wirklich glücklich schätzen können, dachte sie
lächelnd. Er hatte die Geschäfte seines Vaters übernommen und war nun leitender
Geschäftsführer der Futterherstellung für Hippogreife und weiterer Flügeltiere.
Goyle Animalfood war führend an der ganzen südwestlichen Küste Englands.
Zwar hatte
sie ihn immer nur auf Partys von Pansy und Draco getroffen und das Gespräch war
schleppend vorangegangen, aber sie nahm an, der schüchterne Mr. Goyle würde vor
einem warmen Kamin in Südfrankreich auftauen.
Er war ein
geeigneter Kandidat.
„Millicent!“,
hörte sie Ginnys Stimme von draußen und nahm hastig das Tablett auf den Arm,
was sie leicht angewidert vor sich trug. Buckley, Parkinson, Granger,
Greenwall, Welsh.
Und noch
mal nachfragen!
~*~
Hermine
hatte den Mantel abgelegt. Ohne wirklich zu lesen, blätterte sie durch die
Zeitschriften vor sich. Irgendwas mit Inneneinrichtung. Ihre Augen blieben an
hübschen Rosengestecken und Tagesdecken hängen, ohne sie wahrzunehmen.
Die Tür zum
Wartezimmer öffnete sich erneut. Sie hob den Blick.
Pansy
Parkinson. Ihre Augen verengten sich. Pansy bemerkte sie ebenfalls.
„Hallo,
Miss Granger“, begrüßte Pansy sie, ohne vorzutäuschen, ihren Namen vielleicht
nicht zu kennen.
„Hallo“,
erwiderte Hermine den Gruß, denn was sollte sie tun? Pansy ignorieren? Zuerst
hatte sie gedacht, die Reinblüter suchten sich nun auch im Wartezimmer heim, um
sich zu beschweren, aber Pansy tat das nicht. Sie hing ihren schicken Mantel
auf und setzte sich sogar neben sie. Ein interessierter Blick lag auf dem
hübschen Gesicht. Sie hatte kurze, dunkle Haare, eine moderne Frisur, und
Hermine war kurz verwirrt. War Pansy hier, weil…?
Und sie
schien ihre Gedanken zu erraten.
„Wir werden
am selben Tag schwanger werden?“, fragte Pansy direkt, ein Lächeln auf den
Lippen. Hermine fühlte sich kurz überrumpelt, aber es war ja kein Geheimnis.
Sie hatte ja keine Dummheit angestellt, die sie zu vertuschen versuchte. Es war
ein offener Termin, ein offenes Wartezimmer. Und Pansy sprach in Hermines
Schweigen hinein.
„Entschuldigung,
ich hatte letzte Woche nach Ihnen einen Termin bei Heilerin Potter und habe Sie
gehen sehen. Mrs Potter hat keine Schweigepflichten gebrochen, ich nahm es
lediglich an“, fuhr Pansy freundlich fort.
„Oh“, war
alles, was Hermine sagte. Pansy ließ sich tatsächlich auch befruchten? Hermine
hatte nicht angenommen, dass das etwas so Gewöhnliches war, was sogar Pansy
Parkinson in Erwägung zog.
„Ich wollte
nicht neugierig wirken“, entschuldigte sie sich erneut, und Hermine gab sich
innerlich einen Ruck.
„Nein, ich…
dachte…- ich habe zurzeit andere Probleme mit Reinblütern“, wich sie Pansys
Worten aus.
„Ja, ich
weiß. Meine Mutter unterrichtete mich bereits von dem kühnen Unterfangen, uns
200 Millionen wegzunehmen. Das war eine Aufregung! Vor allem, da diese 200
Millionen bereits in Hors d‘oeuvre zur alljährlichen Magischen Jagd investiert
worden sind.“ Pansy lächelte daraufhin, was Hermine annehmen ließ, Pansy hielt
ebenfalls wenig von ihren Traditionen, aber… konnte das sein? Eine
Reinblüterin, die keine echte war?
„Hm“,
machte Hermine vorsichtshalber, „Miss Parkinson, ich-“
„-bitte,
ich glaube, wir können uns duzen, oder? Immerhin weißt du jetzt schon mehr über
mich als meine Mutter“, gab Pansy nachdenklich zu bedenken und griff sich mit
manikürten Fingern ebenfalls wahllos eine der Zeitschriften. Allerdings griff
sie direkt nach ‚Magisches Mutterglück‘. Hermine begriff.
„Du… hast
es deiner Mutter nicht gesagt?“ Zwar hatte sie mit Pansy lieber über die 200
Millionen reden wollen und über nichts persönliches, aber jetzt gerade konnte
Hermine sogar Pansys Problem verstehen.
„Nein.
Meine Mutter ist… eher altmodisch?“ Sie schenkte Hermine einen eindeutigen
Blick. „Vor allem, wo jetzt gerade das Problem die Gemeinschaft erschüttert,
dass Hermine Granger uns Gold wegnehmen will. Da will ich sie nicht direkt ins
Mungo befördern mit der Neuigkeit, dass ihre einzige Tochter nicht in der
Hochzeitsnacht schwanger werden wird.“ Hermine musste über Pansys trockenen
Humor lächeln. Tatsächlich.
Und Hermine
verstand noch etwas. Pansy Parkinson wäre nun die einzige Person, die ebenfalls
den Weg ging, den Hermine bestritt. Und Pansy wirkte merklich abgeklärt,
zufrieden fast.
„Hast… du“,
begann sie langsam, wusste aber nicht, ob sie Pansy danach würde fragen können.
Sie kannten sich nicht. Und sie glaubte nicht, dass man eine innige
Freundschaft innerhalb einiger Minuten in einem Wartezimmer aufbauen konnte.
Sie bezweifelte es.
„Was?“,
wollte Pansy jedoch neutral wissen. Hermine wusste sie nicht einzuordnen, aber
Pansy schien ihre Gedanken regelrecht zu lesen. „Ich habe keine Angst“,
erklärte sie achselzuckend. „Ich bin sehr bereit, Mutter zu werden.“
Hermine
konnte nicht umhin, beeindruckt zu sein.
„Tatsächlich?“,
entfuhr es ihr, ein wenig neidisch. Und Pansy lächelte plötzlich.
„Du nicht?“
Und Hermine fühlte sich ein wenig in die Ecke gedrängt.
„Doch,
ich…- doch, ich bin auch sehr bereit. Sonst wäre ich nicht hier. Es ist nur, na
ja… man kennt den Kandidaten ja nicht wirklich“, räumte sie leiser ein, dabei
waren sie allein im Wartezimmer. „Man kann sich nicht bei ihm beschweren, wenn
die Wehen kommen“, machte sie einen anschließenden Scherz und verdrehte die
Augen. Und kurz huschte etwas wie Verständnis über Pansys Züge.
„Nein, das
kann man nicht“, bestätigte Pansy fast wehmütig. Ein seltsamer Ausdruck war auf
ihr Gesicht getreten. „Man kann sich nur selber die Schuld geben“, schloss sie
schließlich, zuckte die Achseln und wirkte wieder ausgeglichen.
„Du bist
netter als ich dachte“, entfuhr es Hermine, ohne dass sie nachgedacht hatte.
Pansy musste lächeln.
„Das sagen
viele“, bestätigte sie kryptisch.
„Und du
hast keinen Freund oder Verlobten?“, fragte Hermine nun doch, und Pansy zuckte
erneut die Achseln.
„Ich habe
keine Zeit dafür, auf unreife Männer zu warten, die sich nicht entscheiden
können. Da nehme ich es lieber selber in den Hand. Denn ich bin eine Mutter“,
sagte sie nur. „Eine Mutter, aber noch leider ohne Kind.“
Hermine
nickte langsam. Dann öffnete sich die Tür des Wartezimmers wieder.
Millicent
führte eine weitere Dame hinein.
„Setzen Sie
sich noch einen Augenblick, bitte.“ Pansy tauschte mit Millicent einen Blick
und beide nickten sich knapp zu.
Die beiden
kannten sich von der Schule, ging Hermine auf. So wie
Ginny und sie sich auch kannten. Pansys Blick fiel wieder in ihre Zeitschrift.
Immerhin wirkte diese neue Frau so nervös, wie Hermine sich fühlte.
In diesem
Wartezimmer saßen also drei Personen, die keinen Mann haben würden, dem sie die
Schuld für ihre Schmerzen in neun Monaten würden geben können.
Was für ein
Zufall.
„Sometimes it’s the choices we make over and
over that define us,
But more often it’s the choices we don’t make.“
Megan Hart
Millicent blickte
abwartend durch die Fensterscheibe des Sterilisationsraums, der zwischen Labor
und Behandlungszimmer lag. Heilerin Potter hatte die Behandlung beinahe
abgeschlossen. Miss Buckley stand unter magischer Betäubung. Der Zauber
schimmerte golden um ihren Kopf, während Ginny zwischen ihren Beinen stand.
Millicent hatte die Zauberstabbewegungen nun schon so häufig beobachtet, dass
sie fast auswendig sagen konnte, wie Ginny das umschlossene Sperma in die
Gebärmutter manövrierte. Sie bewegte den Zauberstab langsam über die
Bauchdecke, und hell schimmerte das konservierte Sperma durch die Haut der
Patientin und folgte der Zauberstabbewegung. Beides war aneinander gekoppelt.
Und sobald
Ginny fertig war, würde sich Millicent noch einmal vergewissern, ob gleich Pansy
an die Reihe käme.
Und schon
war die Prozedur vorüber. Die Patientin war erfolgreich befruchtet. Ginny
überließ einer anderen Schwester den Zauberstab zur Desinfektion, auch wenn er
niemals das Innere einer Patientin berührte. Sie zog sich die Handschuhe und
den Mundschutz aus, ließ dann die Patientin in den Aufwachraum bringen, und die
Schwester reinigte den Behandlungsstuhl.
Das würde
Millicent gleich tun dürfen. Sie war aufgeregt. Sehr aufgeregt.
Sie passte
Ginny gekonnt ab und öffnete wie beiläufig die Tür zum Zwischenflur.
„Heilerin
Potter?“, hielt sie Ginny auf, die bereits die nächste Akte in den Händen
hielt. Ginny wandte sich geschäftig um.
„Ja?“ Ginny
sah sie auffordernd an.
„Ist Pansy
an der Reihe?“ Ihr Herz schlug schnell. Sie wusste, nichts würde schiefgehen.
Sie war ja nicht erst seit gestern hier.
„Nein,
zuerst Miss Granger“, berichtigte Ginny, was Millicent bereits angenommen
hatte. „Aber wie wäre es, wenn du mir trotzdem hilfst? Als Übung?“, bot ihr
Ginny freundlich an, und Millicent nickte begeistert. Sie mochte zwar nicht,
was die Frauen dort mit sich tun ließen, aber sie mochte ihre Arbeit gerne.
„Natürlich,
Heilerin Potter“, erwiderte sie ehrfürchtig und wandte sich ab. Zurück im
Sterilisationsraum stand sie vor dem Tablett mit den gekühlten Präparaten. Sie
waren in der richtigen Reihenfolge sortiert. Alles war gut.
„Schwester
Millicent“, begrüßte sie der zweite behandelnde Heiler, der überraschend aus
dem Labor gekommen war. Sie zuckte wieder vor Schreck zusammen.
„Heiler
Thomas“, sagte sie hastig. Dean band sich seinen Mundschutz um. „Ich dachte,
Sie hätten heute Ihren freien Tag?“, wandte sie ein, denn eigentlich war er
mittwochs selten auf der Station zu sehen.
„Das Wetter
war zu schlecht zum Fischen“, sagte er, während er sich die Hände im Becken
wusch. „Ich helfe mit, dann geht es schneller.“ Er schritt zum Tablett, prüfte
die Proben und spähte dann noch einmal in die Akten. Ginny kam ebenfalls in den
Sterilisationsraum. Sie wusch sich erneut die Hände.
„Du nimmst
Zimmer 1?“, erkundigte sie sich.
„Ja, ich
kann Schwester Millicent bei der Prozedur einarbeiten“, schlug er vor. Ginny
nickte. Er wandte sich direkt an sie. „Seit wann sind Sie bei uns, Schwester
Millicent?“, wollte er von ihr wissen.
„Äh… seit
vier Monaten, Heiler Thomas“, erinnerte sich Millicent. Vorher war sie bei
Magischen Krankheiten und Fluchschäden als Schwester tätig gewesen. Aber es war
ihr manchmal doch ein wenig zu blutig geworden. Und diese Stelle hier war
intern ausgeschrieben gewesen. Ginny duzte sie, denn sie gab nicht vor,
Millicent vielleicht nicht mehr zu kennen. Aber Dean Thomas siezte sie, so wie
es das Regelwerk des Mungos verlangte.
„Na, dann
wird es Zeit“, bemerkte er zwinkernd.
„Dann
übernimmst du Parkinson und Greenwall“, mischte sich Ginny gleichmütig ein.
Soweit so gut, Millicent blieb Pansys Assistenz-Schwester. Es konnte nichts
schiefgehen.
„1904?
Preston wäre begeistert“, merkte Dean spöttisch an, als er den Kandidaten
erkannt hatte.
„Dean!“,
maßregelte ihn Ginny sofort. „Kein Wort zu irgendwem. Die Patientinnen haben-“
„-Moment“,
unterbrach Dean seine Kollegin, und Millicents Herz klopfte unwillkürlich
schneller. „Zufällig weiß ich, dass Kandidat 1904 keine zweite Probe abgegeben
hat“, sagte er dann.
Oh nein.
Millicents technischer Trick war aufgeflogen.
„Sicher?
Hier steht es doch“, meinte nun Ginny, die sich ebenfalls über die Akte gebeugt
hatte.
„Ginny,
Preston und ich besprechen alles in der Sauna, und es war ihm ein Anliegen,
dass es nur einen würdigen Nachfolger gibt“, erwiderte Dean vielsagend, den
Spott allgegenwärtig auf den Lippen. „Wahrscheinlich gab es wieder eine
willkürliche Verdopplung.“ Und bevor Millicent etwas tun konnte, griff sich
Dean die Probe.
„Revelato!“, sprach er die Formel, und
Millicent hielt die Luft an. „Siehst du!“, sagte er triumphierend. „Das wäre
ein Dilemma geworden. Pansy Parkinson kommt hier her für den Hauptgewinn und
bekommt – Dwayne Miller?“, schloss er lachend, während er mit dem Zauberstab
einen prüfenden Blick ins Aktensystem warf. Ginny wirkte kurz fassungslos.
„Wie kann
das denn passieren?“, entfuhr es ihr, und sie wandte sich tatsächlich an
Millicent.
„Das
passiert, wenn die Behälter mit schlechten Zaubern belegt sind“, antwortete
Dean statt ihrer. Er strich die zweite Probe aus McGraws Akte. Dann reichte er
ihr den falschen Becher. „Tauschen Sie die Präparate bitte aus, Schwester
Millicent“, bat er sie freundlich. Aber Ginny drückte ihr das Tablett in die
Hand.
„Am besten
prüfst du alle übrigen Präparate noch mal“, befahl sie streng. Millicent nickte
nur und wandte sich ab, um zurück ins Labor zu gehen.
Etwas
panisch stand sie vor den Kühlregalen. Und was jetzt? Würde Heiler Thomas den
Zauber gleich noch einmal anwenden, wenn sie den Namen ändern würde? Und was,
wenn wieder Dwayne Mille auf dem Becher stand?
Millicent
kannte keinen permanenten Zauber zum Ändern der Becher! Sie hatte in der
Ausbildung nicht genug aufgepasst dafür. Mist!
So ein
Mist! Sie musste Pansy Bescheid geben! Denn diese würde den Kopf verlieren,
wenn ein Fehler passierte! Millicent kaute angestrengt auf ihrer Unterlippe.
Vorsichtig nahm sie das echte Präparat 1904 aus dem Regal und stellte es zu den
übrigen vier auf das Tablett.
Sie
brauchte diesen Behälter.
Das war
alles. Sie brauchte einfach nur diesen Behälter!
Die Nummern
der Kandidaten waren mit den Behältern fest verbunden. Ihr Blick hob sich
langsam und starrte ins Leere.
Sie könnte
die Original-Probe vernichten, denn die würde nicht mehr gebraucht werden.
Dann könnte
sie Dracos Probe umfüllen. Und das musste schnell gehen! Schon oft hatte sie
Proben aus möglicherweise schadhaften Bechern umgefüllt. Hier wusste sie
immerhin, was sie tun musste.
Die Tür
öffnete sich. „Miss Parkinson ist bereit. Ich erwarte Sie in einer Minute im
Behandlungsraum, Schwester Millicent“, sagte Dean, und sie nickte hastig. Die
Tür schwang zu, und sie griff sich hastig den linken Becher und schraubte den
Deckel ab.
Mit einem
Anti-Schmutz-Zauber entfernte sie das gekühlte Sperma restlos. Preston McGraw
würde kein Kind mehr bekommen, dachte sie dumpf, ein wenig wehmütig, aber es
war egal. Sie stellte den sauberen Becher links ab.
In der
Mitte stand Dwayne Miller. Eilig öffnete sie den Deckel, ließ die gefrorene
Substanz mit einem Starrzauber schweben, platzierte sie in dem linken, sauberen
Becher und entsorgte Dwayne Millers Behälter anschließend, nachdem sie den
Namen provisorisch gelöscht hatte. Sie würde nur noch die Akte vernichten
müssen, die ohnehin nicht echt war.
„Millicent?“
Dean hatte den Kopf wieder zur Tür reingesteckt, und Millicent griff sich den
linken Behälter. Draco Malfoy alias Preston McGraw!
„Alles
bereit“, sagte sie atemlos. Er nahm ihr den Behälter ab. Sein Blick fiel auf
die Nummer. Er schüttelte knapp den Kopf.
„Falscher
Becher“, sagte er, während er zum Tablett marschierte. Sie blinzelte knapp.
Was?! „Etwas aufregend für Sie heute, was? Erstes Mal im OP, nicht wahr?“,
erkundigte er sich, während sie ihm nicht zuhörte.
Was?!?
Falscher Becher? Das konnte nicht sein! Sie hatte-
Er war zum
Tablett gegangen und griff sich den rechten Becher. Kurz hielt er ihn vor ihr
Gesicht.
„Alles in
Ordnung! Sie müssen nicht so blass um die Nase werden. Die Becher sehen alle
gleich aus. Das passiert schon mal“, beruhigte er sie freundlich.
Ja. 1904,
da war der Becher! Na, Merlin sei Dank. Dann hatte sie ihn wohl rechts
abgestellt. Nicht links, dachte sie erleichtert. Kurz hatte sie befürchtet,
Dracos Sperma entsorgt zu haben.
Aber…?
Moment… - sie hatte doch den linken Becher geleert? Oder nicht…?
Die Tür
öffnete sich wieder.
„Alles
geprüft?“, wollte Ginny wissen, und Millicent nickte überfordert. Ginny griff
sich den Behälter, den Dean zurückgestellt hatte. 1702. Millicent blinzelte
ratlos. „Der Zauber liegt?“, fragte Ginny im Fachjargon der Heiler, und
Millicent sah sie verwirrt an. Dann schnappte sie aus der Starre.
„1702 ist
auf die weiblichen Merkmale geeicht, ja“, bestätigte sie hastig. Denn Hermine
Granger wollte ein Mädchen. Sie hatte die Becher schon heute Morgen geeicht.
„Dann viel
Spaß“, wünschte ihr Ginny nickend. Millicent folgte Dean verwirrt.
Der rechte
Becher war Prestons Becher?
Sie war
etwas verwundert. Es war tatsächlich schnell gegangen. Sie hatte nur rechts und
links vertauscht. Dwayne Miller war im richtigen Becher. So viel stand fest.
„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Dean, als
er ihr einen Mundschutz reichte, und Millicent ihn wortlos entgegennahm.
Aber… sie
hatte das Sperma in den linken Becher gefüllt. Oder nicht? Hatte sie es nur
geglaubt? Es könnte ja gar nicht sein. Wäre der linke Becher der falsche
gewesen, hätte sie ja das Sperma von 1702 vernichtet! Und nicht das von
Preston. Nein, und das war nicht passiert.
War sie
sich sicher?
Ja. Sie
hatte Preston aus der Kühlung genommen und ihn abgestellt. Ob links oder rechts
machte keinen Unterschied. Dean war gekommen, hatte ihr Bescheid gegeben, dass
Pansy bereit war, und dann hatte sie Prestons Sperma vernichtet.
Kurz fragte
sie sich, ob sie den Behälter noch einmal kontrolliert hatte. Nur kurz einen
winzigen Blick riskiert hatte, um absolut sicher zu gehen.
Ja?
Nein?
Sie wusste
es nicht mehr. Aber bestimmt hatte sie! Es war nicht ihr erster Tag, Merlin
noch mal! Und vor allem schloss sich die OP-Tür bereits.
Dean
öffnete die Probe. „Dann eichen wir jetzt die Preston-Probe“, sagte er
lächelnd. „Männlich, richtig?“, vergewisserte er sich, und Millicent nickte,
immer noch etwas abwesend. Ja, Pansy, wollte einen Jungen. Und auch diese Probe
hatte sie bereits geeicht. Denn es handelte sich ja um Dracos Probe. Kurz
wunderte sie sich, weshalb Dean nicht bemerkte, dass sie die Probe bereits
geeicht hatte. Kurz war sie beleidigt. Unterstellte er ihr, dass sie es nicht
konnte? Aber er lenkte sie von ihren Gedanken ab. „Bereit?“
Sie zwang
sich zur Ruhe. Es war gut. Alles war gut gelaufen. Nichts war schiefgegangen.
Dann erst
begriff sie. Pansy saß schlafend auf dem Behandlungsstuhl, gekleidet in dem
schlichten Operationshemd des Mungo, was über Pansys
Unterkörper offen hing. Selbst das triste hellgrün stand Pansy gut, dachte
Millicent dumpf. Und gespannt beobachtete sie, wie Heiler Thomas die Probe
schweben ließ. Mit dem richtigen Maß an Druck beförderte er sie in den
Geburtskanal und geleitete den leuchtenden Funken über Pansys Bauchdecke in die
Gebärmutter.
Millicent
reichte ihm den magischen Temperaturmesser, schrieb den Vorgang nieder, und
alles lief problemlos.
Und fast
musste sie lächeln, so eklig sie es auch fand. Nichts wollte Pansy lieber, als Mutter
werden. Und Millicent war dabei gewesen, als dieser Wunsch in Erfüllung
gegangen war.
„Das war
es. Vielen Dank, Schwester Millicent. Zauberstab reinigen, Stuhl
desinfizieren“, schloss er freundlich und verließ den Behandlungsraum, nachdem
eine andere Schwester Pansy im Schwebezustand in den Aufwachraum brachte.
Und das war
es tatsächlich schon. Manche Wunder gingen schnell, überlegte sie mit
klopfendem Herzen.
~*~
Hermine
blinzelte verschlafen und musste sich räuspern. Ihr Hals war trocken. Sie sah
sich um. Pansy stand bereits und knöpfte ihre Bluse zu. Das Zimmer verfügte
über drei Betten. Ihre Sachen lagen ordentlich auf dem Stuhl neben ihrem Bett.
Sie war halb zugedeckt. Pansy wandte sich um, als sie Hermine hörte.
„Das
war‘s“, sagte Pansy lächelnd. Und Hermine berührte mit den Händen ihren flachen
Bauch. Ja, das war’s. Und sofort spürte sie, wie ihr übel wurde. Ginny hatte
ihr gesagt, manche Frauen spürten keinen Unterschied, andere waren sensibler.
Eigentlich hätte sie gedacht, sie wäre nicht so sensibel. Sie hatte das Gefühl,
gerade eben erst betäubt worden zu sein. Und eine Sekunde später hatte sie die
Augen wieder aufgeschlagen.
„Jaah“,
erwiderte Hermine ein wenig neben sich.
„Es geht
wirklich schnell. Man könnte es öfters machen“, sagte Pansy zwinkernd. Pansy
Parkinson hatte Humor, stellte Hermine wieder fest. Und dann schien Pansy eine
weitere Idee zu haben. „Weißt du, unsere Kinder werden wahrscheinlich ungefähr
zur selben Zeit geboren werden“, fiel ihr auf. Hermine nickte langsam. Ja, das
stimmte wohl. „Wir könnten… na ja… einige der Kurse zusammen machen, da wir ja
keine Männer haben, die wir zwingen können.“
„Kurse?“,
wiederholte Hermine benommen.
„Ja?
Atmung, magische Geburtsübungen – all das?“, schlug Pansy vor, und Hermine
dachte kurz nach.
„Ok. Warum
nicht“, gab sie nach, denn ihr fiel kein guter Grund ein, weshalb sie ablehnen
sollte. Allein, dass Pansy Reinblüterin war, schien ihr selber nicht mal
ausreichend begründet. Und die Kurse wären nur einmal die Woche. Und Hermine
kannte keine der werdenden Mütter. Pansy wäre vielleicht ohnehin da.
„Gut“,
sagte Pansy glücklich. „Wie wäre es, wenn wir unsere Schwangerschaft feiern
gehen? Eine Tasse Kakao in der Alten Eule?“, schlug sie jetzt vor, und Hermine
erhob sich langsam. Die nächste Patientin wurde schlafend ins Zimmer befördert
und Hermine stieg eilig in ihre Jeans. Immerhin trug sie ihr Höschen wieder,
stellte sie nebenher fest. Ginny war also so nett gewesen. Peinlich. Das war es
auch noch! Pansy ging mit dieser Situation mit weniger Berührungsschwierigkeit
um als sie, stellte Hermine verdutzt fest.
Es war, als
wüsste Pansy bereits jetzt, dass alles einfach herrlich werden würde. Woher
nahm sie diesen Optimismus? Hermine war tatsächlich ein wenig flau im Magen.
„Alles
ok?“, flüsterte Pansy, um die nächste Patientin nicht aufzuwecken. Hermine
nickte knapp.
„Mir ist…
etwas übel“, gab sie zurück.
„Lass uns
frische Luft schnappen!“, bot Pansy ihr freundlich an. Hatte sich Hermine über
all die Jahre getäuscht? Spielte ihre Erinnerung ihr böse
Streiche, indem sie ihr vorgaukelte, Pansy wäre eine selbstbezogene
Reinblüter-Ziege gewesen, die sich mit nichts anderem befasst hatte als ihrem
Status und Draco Malfoy?
Die
Erinnerung konnte sich also tatsächlich täuschen.
Hermine war
wirklich schlecht. Wirklich schlecht! Fing Morgenübelkeit so schnell an?
Das fand
sie wirklich nicht gerecht. Vor allem, wo Pansy scheinbar Bäume ausreißen
konnte!
Sie hatte peinlich berührt ihr Krankenhemd
über den Kopf gezogen, den Rücken zu Pansy gewandt, und zog den BH an, ihr
Trägershirt mit weißer Spitze und den Pullover, ehe sie eilig nach ihrem Mantel
griff.
Was für ein
Tag, dachte sie, und hielt sich den rebellierenden Magen.
Sie würde
mit Ginny später sprechen. Sie glaubte auch nicht, dass ein Kakao das richtige
war. Ein Magenbitter, das wäre das richtige, dachte sie dumpf.
Aber kein
Alkohol mehr. Gar nichts mehr. Für eine lange Zeit.
Wahrscheinlich
würde sie sich noch freuen, wenn erst mal die Übelkeit vorüber wäre, dachte sie
verzweifelt, während Pansy bereits ihre liebsten Babynamen durchging, die alle
klangen wie lateinische Schimpfworte.
„There
are two tragedies in life.
One is to lose your heart’s desire.
The other is to gain it.“
George Bernard Shaw
Es klopfte
sachte gegen ihre Tür. Sie glaubte jedoch nicht, dass sie den Weg von der Couch
zur Tür so einfach schaffen würde. Wäre sie oben im Schlafzimmer, würde sie
nicht einmal überlegen, aufzustehen.
Den heißen
Kakao, den sie mit Pansy einige Stunden zuvor getrunken hatte, hatte ebenfalls
den Weg zurück gefunden, wie auch die trockenen Scheiben Toast, der Magentee –
und eigentlich alles, was sie bisher versuchte hatte, runterzubekommen.
Sie war
schon fast so weit, zu Ginny zu gehen und sie zu bitten, es rückgängig zu
machen.
Wie ein
Kriegsverwundeter schleppte sie sich leidend zur Tür, den Oberkörper gekrümmt
und leichenblass, wie sie mit einem entsetzten Blick in den Garderobenspiegel
feststellte.
Merlin, sie
vertrug diese Schwangerschaft überhaupt nicht!
Sie öffnete
die Tür einen vorsichtigen Spalt.
„Ja?“,
wollte sie gequält wissen, aber ihre Freunde drückten die Tür weiter auf,
schoben sich ins Haus, und Hermine wurde schlecht bei der bunten Farbe der
Luftballons, die magisch ins Haus schwebten und die Farben auch noch
wechselten.
„Überraschung!“,
riefen ihre Freunde, aber schnell verloren ihre Gesichter die Begeisterung, als
Hermine das Gesicht verzog.
„Was ist
los?“, wollte Ginny wissen, die sich den Mantel auszog, während Lavender Ron
besorgt etwas ins Ohr flüsterte.
„Vielleicht
ist ihr schlecht vor Freude?“, überlegte Ron dumpf, als auch er und Harry sich
die Jacken auszogen.
„Ich weiß
nicht. Mir ist schlecht seit der Behandlung“, fasste Hermine lustlos ihren
Gesundheitszustand zusammen. Ginny bugsierte sie zur Couch zurück, nachdem sie
Harry beauftragt hatte, die mitgebrachten Snacks in die Küche zu bringen und
vorzubereiten.
Gewissenhaft
untersuchte Ginny Hermines Augen, ihren Hals, drückte Punkte auf ihrem
Unterkörper, und Hermine ließ es über sich ergehen. Dann zog Ginny den
Zauberstab, sprach stumm eine Formel, und nickte schließlich.
„Also, mit
der Schwangerschaft ist alles in Ordnung. Das Ei ist befruchtet, der Samen
sitzt fest. Manchmal verträgt es der Körper nicht besonders gut. Vor allem,
wenn die Herren die Probe von Zuhause mitbringen“, ergänzte sie mit
beruhigender Heilerstimme. „Dann müssen die Becher einen recht aggressiven
eigenen Zauber anwenden, um die Probe überhaupt verwendbar zu halten. Es kann
also lediglich sein, dass du die magischen Umstände nicht besonders gut
verarbeiten kannst.“
„Aber das
ist nicht schlimm?“, wollte Harry wissen, der mit einem befüllten Tablett aus
der Küche zurückkam und nun Ron half, den Banner über dem Kamin zu befestigen,
wie Hermine aus den Augenwinkeln merkte.
„Das ist
überhaupt nicht schlimm. In weniger als zwei Tagen sollten die Beschwerden
abgeklungen sein.“
„Zwei
Tage?“, jammerte Hermine. „Ginny kannst du nicht… irgendeinen Zauber anwenden?“
„Nein, das
ist nicht zu empfehlen. Durch die Behandlung ist dein Körper innerhalb der
nächsten 48 Stunden in der Gefahr, die Schwangerschaft abzustoßen, wenn andere
Zauber in deinen Organismus eingreifen. Deswegen hast du ja auch die Broschüre
bekommen“, erinnerte sie, die Mahnung in der Stimme. „Keine Schlankheitszauber
während der gesamten Schwangerschaft, keine milden Hexereien fürs Wohlbefinden
in den ersten zwei Tagen – tut mir leid, da musst du für noch höchstens einen
Tag durch, meine Liebe“, informierte Ginny sie mitfühlend.
Hermine
verzog schlecht gelaunt den Mund, während ihr Blick die pinken Worte auf dem
Banner studierte.
„‘Glückwunsch,
es ist ein Höhlenmensch‘?“, las sie und schenkte Harry und Ron einen entsprechenden
Blick. „Ernsthaft?!“
„Es ist
witzig!“, rechtfertigte sich Ron innerhalb einer Sekunde abwehrend. Lavender
wirkte wie immer, als fände sie alles um sich herum schrecklich albern und
unter ihrer Würde, und dennoch kam sie immer mit, wenn Harry, Ron und Ginny sie
besuchten. Man konnte sich mit ihr arrangieren. Allerdings nicht, wenn man
sterbenskrank auf der Couch lag und schwanger war.
„Wo ist
James?“, wechselte Hermine seufzend das Thema und sank auf die Couch zurück, wo
sie sich wie ein sterbendes Tier einrollte. Harry füllte die übrigen
mitgebrachten Plastikbecher mit Butterbier.
„Bei Mum“,
antwortete Ginny, die ihren Zauberstab einsteckte. „Ich dachte mir, das wären
zu viele Fragen, die ich nicht beantworten wollen würde“, bemerkte sie, mit
Blick auf den Banner. Hermine nickte nur, nicht
willig, sich zu streiten.
„Kann es
sein, dass sie und dieser Höhlenmensch nicht zusammen passen?“, erkundigte sich
Lavender, mit einem vielsagenden Blick auf Hermines gekrümmten Körper, und
einer Feinfühligkeit eines knallrümpfigen Kröters.
„Er ist
Geschöpfenforscher“, korrigierte Ginny Lavender knapp, denn auch Ginny ertrug
Lavender eigentlich nur aus der Distanz oder vollkommen betrunken, wie auf Rons
und Lavenders Hochzeit. „Und nein. Eigentlich sind Übelkeit und Unwohlsein
immer nur auf den angewandten Zauber zurückzuführen.“
„Und wenn
er ein Reinblut ist?“, fuhr Lavender unverfänglich fort und biss in ein
Pastetchen, das Ron ihr kopfschüttelnd gereicht hatte. Alle sahen sie jetzt an.
Hermine verzog den Mund.
„Und was
soll das heißen, Lavender?”, knurrte sie von der Couch aus in Richtung Sessel,
wo Lavender Platz genommen hatte. Kurz wirkte Lavender verwundert, aber die
Taktlosigkeit ihrer Worte ging ihr natürlich nicht auf. Hermine nahm an, sie
musste eine Kanone im Bett sein, denn ansonsten konnte sie Rons Geschmack beim
besten Willen nicht nachvollziehen.
„Na ja“,
begann Lavender ausweichend, aber Hermine verengte böse die Augen.
„Dass mein
Muggelkörper vom Reinblütersamen abgestoßen wird?“, zischte sie zornig, aber
ihr wurde schon wieder schlecht und sie schloss die Augen.
„Merlin, es
war doch nur eine Idee!“, rechtfertigte sich Lavender sofort, und Ginny atmete
langsam aus und antwortete, um Ruhe bemüht.
„Das hier
ist keine artenübergreifende Befruchtung gewesen“, sagte sie konsterniert. „Es
macht keinen Unterschied, ob Reinblut, Halbblut oder Muggel“, fuhr sie gepresst
fort. „Hermine fühlt sich unwohl, weil ihr herrlicher Körper diesen unnatürlichen
Weg der Schwangerschaft eben nicht gut verkraftet. Und nebenbei, er ist kein
Reinblut“, fasste Ginny knapp zusammen.
„Nicht?“,
entfuhr es Hermine hoffnungsvoll, und Ginny schüttelte den Kopf. „Merlin sei
Dank.“
„Hey!“,
mischte sich Ron ein. „Nicht alle Reinblüter sind… - wie Lavender!“, sagte er
beleidigt, und Lavender sah ihn wütend an.
„Merlin, es
war eine Theorie! Es war überhaupt nicht böse gemeint!“ Und schon wieder war
Lavender beleidigt. Immerhin würde sie für den Rest des Tages kein Wort mehr
sagen.
Die bunten
Ballons schwebten still unter der Decke und wechselten fleißig die Farbe.
„Und
Pansy?“, wechselte Ginny das Thema erneut. „Ihr geht es gut, nicht wahr?“
Hermine nahm an, Ginny hatte sie und Pansy das Mungo gemeinsam verlassen sehen.
Sie nickte.
„Ja, ihr
geht es herrlich“, murrte sie beleidigt.
„Keine
Sorge“, munterte Ginny sie auf. „Noch ein Tag, und es wird dir auch wunderbar
gehen. Hast du dir überlegt, wann wir das Kinderzimmer streichen wollen?“
„Hmpf“,
machte Hermine, schloss die Augen und hielt sich ihren rumorenden Unterleib.
„Ich will einen Tag nur schlafen“, beschwerte sie sich leidend.
„Also, die
Party kommt nur schwer in Gang“, bemerkte Harry trocken und schielte bereits zum
Schrank. „Wollen wir Fernsehen gucken?“, schlug er scheinheilig vor, und Ron
klatschte in die Hände.
„Oh ja!
Fernsehen!“ Wie Kinder sahen sie Hermine an. Hermine hatte es nicht über sich
gebracht, alle Muggelrituale zu verbannen, deshalb verfügte sie über
Satellitenfernsehen, in ihrem kleinen Haus. Seitdem Cedric nicht mehr da war,
fand sie es manchmal äußerst angenehm, fernzusehen.
„Meinetwegen“,
knirschte sie, und Ron sprang bereits von der kleineren Couch, um den Schrank
zu öffnen und sich die Fernbedienung zu sichern.
„Das war nicht die Party, die ich mir vorgestellt hatte“, sagte Ginny nur,
während Harry und Ron debattierten, ob sie Motorsport oder MTV sehen wollten.
„Oder
Mythbusters!“, rief Ron begeistert und Harry lenkte ein, denn sobald etwas in
die Luft flog, waren Harry und Ron Feuer und Flamme.
Hermine
schloss die Augen, während Ginny ihr mitfühlend die Haare zurückstrich.
Was für ein
blöder Tag!
~*~
„Was für
ein großartiger Tag!“, rief Blaise aus, dem der Elf gerade das Glas neu gefüllt
hatte. „Ich beglückwünsche dich zu deiner neuen Stelle! Und ich freue mich, für
deinen Termin morgen früh!“
Draco
musste grinsen. Ja, es würde großartig werden. Amerika wäre ein Abenteuer, was
er nur zu gerne antreten wollte. Die Party war in vollem Gang. Bildhübsche
Mädchen schoben sich an ihm vorbei, zwinkerten ihm zu, und er konnte sich
vorstellen, zumindest zwei von ihnen heute Nacht mit nach Hause zu nehmen.
„Danke“,
erwiderte er lächelnd. Er musste sich nur noch seinen Vater vom Hals halten, der
ihm noch immer einen Platz in seiner Firma warmhielt. Aber Draco würde vieles
lieber tun, als für seinen Vater zu arbeiten. Er würde lieber nach China, ans
andere Ende Welt gehen, bevor er das tat.
„Malfoy“,
begrüßte ihn der Mann, der ihm morgen seinen Wunsch erfüllen würde. Und er
trank bezeichnenderweise nur Wasser. Besser so. Ein Heiler hatte nüchtern zu
sein, wenn er an Dracos bestem Stück rumwerkeln wollte.
„Preston“, erwiderte Draco. Er kannte Preston nur über Blaise. Dieser kannte
ihn von seinen Sommerferien damals. Preston war auf die Beauxbatons-Schule
gegangen und nach seinem Abschluss nach London gekommen. Seine Mutter war eine
alleinstehende Französin, die schon mehr Männer überlebt hatte, als jede
Schwarze Witwe. Draco nahm an, Prestons Mutter hatte ihre Mittel und Wegen,
unliebsame Männer loszuwerden und ihr Vermögen einzustreichen.
Preston
schüttelte seine Hand. Er war so groß wie er, hatte dunklere Haare, strahlend
blaue Augen und ein schmutziges Lächeln. Er hatte keine Freundin. Nie. Er ließ
sich nicht binden. Auch das gefiel Draco. Er war wie er. Nur war Preston dazu
verdammt, Heiler im Mungo zu sein, und er, Draco, konnte in wenigen Wochen nach
Amerika gehen.
Endlich
London verlassen! Und bis dahin hatte Preston ihn unfruchtbar gemacht, so dass
es niemals soweit kommen würde, dass er sein Vermögen mit irgendwem würde
teilen müssen!
„Hey.“
Gregory stellte sich unauffällig neben ihn.
„Was ist
los?“, wollte Draco lächelnd wissen, denn Gregory schien sich hinter ihm
verstecken zu wollen, dabei war Gregory doppelt zu breit wie er.
„Millicent
verfolgt mich“, flüsterte Gregory besorgt. Draco hob den Blick.
„Seit wann das?“
„Keine
Ahnung, aber ich habe Angst vor ihr! Sie erzählt mir was von Feuer und Kaminen
und Bärenfelldecken!“, flüsterte Gregory panisch. Draco grinste schief. Und
erst dann fiel ihm Pansy wieder ein. Richtig, sie schien nicht hier zu sein,
auf seiner Abschiedsparty. Das fand er ziemlich dreist von ihr. Aber eigentlich
war er dankbar, denn so konnte er sich ungestört die Mädchen aussuchen, die in
die Gunst seiner Aufmerksamkeit kommen würden, ohne dass sich Pansy
irgendwelche besitzergreifenden Gesten anmaßte.
Vielleicht
hatte Pansy endlich begriffen, wie ihre Beziehung funktionierte, wenn man es
denn überhaupt so nennen konnte.
„Tja, du
bist ein guter Fang“, neckte er Gregory, während er einer exotischen Schönheit
zunickte, die ihn bereits mit ihren Blicken auszog. Gregory wirkte gequält. Und
er sprach aus, woran Draco eben gedacht hatte.
„Wo ist
Pansy? Wäre Pansy hier, dann würde Millicent immerhin nicht mit mir reden!“,
beschwerte sich Gregory kleinlaut, und Draco ruckte mit dem Kopf.
„Ich
glaube, Pansy Parkinson ist über mich hinweg“, erklärte Draco mit einem
spöttischen Grinsen. „Sie wird nicht kommen, und du kannst deine Schlachten
kämpfen, wie ein Mann. Sag Millicent, dass du sie nicht willst, Greg. Ganz
einfach. Pansy hat es auch endlich verstanden. Sei nonchalant wie ich“, schlug
er Gregory überheblich vor, aber Gregory wirkte gequält.
„Scheiße, sie
hat mich gefunden!“ Und mit diesen Worten verschwand er hastig in der Menge.
„Parkinson?“,
vergewisserte sich Preston bei ihm und nippte an seinem Wasser, als wäre es
Elfen-Champagner. „Wie Geoffrey Parkinson?“, wiederholte er.
Draco
nickte, beim Klang des Namens von Pansys Vater. Preston lächelte schmal.
„Du kennst
ihn?“, vermutete Draco, ohne großes Interesse.
„Ja, aus
zweierlei Gründen“, gab Preston zu verstehen. „Wir sind in derselben
Jaggesellschaft, und Geoffrey Parkinson kommt dann und wann in meine Station,
um sich die ein oder andere lästige Geschlechtskrankheit heilen zu lassen.“
Draco hob den Blick.
„Ist das
so?“ Er nahm an, jeder Mann war innerlich ein mieser Hund. So gehörte es sich
wohl. „Sag mal, war mein Vater jemals bei dir?“, wollte er fast unverfänglich
wissen, aber Preston lächelte geheimnisvoll.
„Nicht,
dass ich wüsste“, erwiderte er, aber Draco konnte nicht sagen, ob er log. Dann
runzelte er die Stirn.
„Von was
für einer Jagdgesellschaft sprichst du? Ich weiß, Parkinson beteiligt sich an
der Hippogreifzucht, aber…“ Nicht, dass er viel über die Parkinsons wusste. Er
wusste, wie er Geoffreys Tochter regelmäßig zum Orgasmus hatte bringen können.
Aber ansonsten…?
„Es ist
eine etwas andere Jagdgesellschaft“, erwiderte Preston mit einem Blick, den
Draco nicht wirklich deuten konnte. „Bevor du England verlässt, solltest du
vorbeikommen, Malfoy“, schlug Preston geheimnisvoll vor. „Ich werde dir morgen
unsere Karte geben, nachdem wir dich von zukünftigen Verantwortungen befreit
haben“, schloss er grinsend. „Und jetzt“, fuhr er fort, und Draco sah, er
fasste seine exotische Schönheit ins Auge, „entschuldige mich. Vor meinen
Eingriffen ertüchtige ich mich sportlich gerne noch ein paar Stunden.“
Und mit
diesen Worten hatte er Draco stehen gelassen und den Abstand zu Dracos
geplantem Zeitvertreib geschlossen. Tja, dann würde er sich wohl ein anderes
Mädchen suchen. Eifersucht war nichts, was ihm schlaflose Nächte bereitete. Er
war so nicht gestrickt. Es gab Mädchen, wie es Sand am Meer gab. Tausendfach,
und sie alle ähnelten einander. Es gab keine Unterschiede, und das machte das
ganze herrlich vorhersehbar. Er trank noch einen tiefen Schluck. Aber er
interessierte sich für diese Jagdgesellschaft, von der Preston sprach, und er
hatte das Gefühl, mit Jagd hatte es verdammt wenig zu tun.
Blaise
hatte ihn wiedergefunden.
„Mein
Freund, die Lounge wartet“, sagte er leise. „Wenn wir jetzt gehen, dann
bekommen wir eine private Show, ohne dass es jemand merkt. Wie ich höre tanzen
die Damen gerne nackt“, fuhr Blaise grinsend fort. Draco hatte keine Ahnung,
was Blaise seiner Frau für Juwelen schenken mochte, damit sie ihn alleine eine
solche Party besuchen ließ, aber Draco glaubte auch nicht, dass Blaise Astoria
betrog, denn Blaise hatte verdammte Angst vor seiner eigenen Frau. Draco war
dankbar, niemals in diese Situation kommen zu müssen.
Zwar wusste
er, dass nur ein einziges Sandkorn, wenn es den Weg in eine Auster fand, zur
Perle reifen konnte, allerdings – wäre er die Auster in dieser lächerlichen
Metapher – dann wäre seine Schale für immer dicht verschlossen.
Kein
Sandkorn wäre besonders genug, den Weg zu finden. Aber tanzen konnten die viele
Körner sehr gerne für ihn.
Er glaubte
nicht, dass sein Leben besser werden konnte, als es jetzt gerade war. Aber das
wäre eigentlich traurig, wenn er jetzt schon am Höhepunkt angekommen wäre.
Aber dann
wiederum, fing das Abenteuer jetzt gerade erst an. Was er suchte, war eine neue
Perfektion, jeden Tag. Und so sehr London ihn einst fasziniert hatte, so war es
wie mit jeder Frau. Es wurde langweilig mit der Zeit. Und sobald Gewohnheit
ihren Einzug fand, wurde es Zeit, die Koffer zu packen und das Bekannte hinter
sich zu lassen. Und jetzt wurde es Zeit, seinem Ruf alle Ehre zu machen. Nicht,
dass es bei nackten Tänzerinnen eine besondere Herausforderung war. Aber
eigentlich war es nie eine Herausforderung, bei keiner Frau auf dieser Erde.
Amerika war
nur eine weitere Eroberung, bis es ihn weiterzog. Er wollte niemals
stillstehen, niemals zur Ruhe kommen, denn er sah es bei seinem Vater, bei
Blaise und all den anderen.
Würde er
bleiben und stillstehen, dann würden ihn die Langeweile, die Gewohnheit,
Verantwortung und Pflichtbewusstsein, langsam aber sich umbringen. Und dafür
liebte er sich selbst zu sehr, um das wirklich passieren zu lassen.
„In life, the monsters win.“
George R.R. Martin, A Game of Thrones
Seine Hand
lag nachdenklich über seinem Mund, während sein Blick Teresa Zabini folgte, die
Kreise durch sein Büro tigerte und sich über das Ministerium und die Menschen,
die darin arbeiteten, aufregte. Sein Tag hätte gemütlich sein können, aber
nein. Und wenn er ehrlich mit sich war, dann waren seine Tage eher selten gemütlich.
„Und wie in
Merlins Namen sollen wir denn weiter wohltätig sein, wenn uns unser Vermögen
streitig gemacht wird? Von einer-! Von dieser… dieser Person!“, spuckte sie ihm
außer sich entgegen. Es war so, dass Teresa sich über eine Sache solange
ergehen konnte, bis selbst sie vergessen hatte, worüber sie gerade
philosophierte. „Lucius!“, verlangte sie erbarmungslos seine Aufmerksamkeit.
Lucius war keine vierzig mehr. Merlin, er wäre in zwei Monaten keine fünfzig
mehr, und die Zeit machte für ihn keine Ausnahmen.
Es gab
keine Ausnahmen mehr für ihn.
„Mh“,
machte er also.
„Ist das
alles, was du zu sagen hast?“, wollte Teresa gefährlich ruhig von ihm wissen.
„Ich-“,
begann er ausgewählt bedächtig, aber Terese hatte bereits den nächsten Dorn im
Auge.
„-und wo
ist er? Wo ist dein fabelhafter Sohn? Wie lange soll das Büro noch leer stehen?
Ich meine, ich habe einen Neffen, Lucius. Er ist begabt, hat seine
Aufmerksamkeit ganz und gar der Vereinigung versprochen und wäre-“
„-er
kommt“, unterbrach Lucius sie beschwichtigend, mit Worten, dessen Wahrheit er
nicht bestätigen konnte.
„Wann?“, wollte Teresa ungnädig wissen. Lucius atmete müde aus.
„Bald“,
versprach er erneut vollkommen gelassen.
„Lucius,
wenn dir die Arbeit zu schwierig wird, musst du nur ein Wort sagen. Nur einen
Ton, und wir finden einen Ersatz für-“
„-Teresa,
deine Sorgen sind unbegründet. Niemand, nicht einmal Miss Granger, wird uns vor
das Ministeriumsgericht bekommen. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Sie
wird einen solchen Betrag nicht einziehen können, und erst recht nicht
rückwirkend.“
„Ich habe
diese Menge an Gold nicht einfach so herum liegen, Lucius!“, entrüstete sie
sich.
„Wie ich
schon sagte, das ist auch nicht nötig“, wiederholte er gepresst.
„Wenn, dann
kannst es auf dich nehmen. Ich meine, diese Art von Gold ist schließlich bei
den Malfoys zu suchen, wohl kaum bei den Zabinis!“, griff sie ihn direkt an.
Lucius musterte sie.
„Was soll
das bedeuten?“
„Das soll
bedeuten, dass Narzissa und du euch bedeckt haltet. Ihr spendet nicht, was ihr
könntet, ihr geht an keine finanziellen Grenzen, ihr-“
„-lass dir
gesagt sein, dass auch wir keine 200 Millionen unter der Matratze liegen
haben“, unterbrach er sie rigoros.
„Nein, aber
200 Millionen würden eurem Verlies wenig ausmachen, oder nicht?“, fragte sie
direkt. Und so ungerne Lucius Fragen über die Vergangenheit beantwortete, so
ungerne beantwortete er Fragen über sein Gold.
„Ich denke,
dieses Gespräch hat sein Ende gefunden, Teresa?“, erwiderte er eindeutig. Sie
wirkte nicht zufrieden. „Es wird nicht soweit kommen“, versprach er erneut, und
wie zur Bestätigung hörte er plötzlich laute Stimmen vor dem Fenster auf dem
Platz. Teresa hatte sich abgewandt und war zu den langen getönten Fenstern
marschiert.
„Gut zu wissen“, entfuhr es ihr kalt. „Wirklich gut zu wissen, Lucius. Wieso
sagst du es den Demonstranten nicht direkt?“, ergänzte sie mit einem freudlosen
Lächeln und deutete auffordernd nach draußen.
Das durfte
doch wohl nicht-! Er hatte sich erhoben und schritt ebenfalls zu den Fenstern.
Er atmete entnervt aus. Eine kleine Menschenmenge hatte sich tatsächlich mit
magischen Bannern vor dem Gebäude versammelt, prangerte das Reinblütertum an,
die fragwürdigen Machenschaften der Vereinigung und seinen Namen allgemein.
Er ging
zurück zum Kamin hinter seinem Schreibtisch, warf eine Handvoll Pulver in die
Flammen und der Kopf seiner Sekretärin erschien keine Sekunde später.
„Mr.
Malfoy, Sir?“
„Was wird
das da draußen?“, erkundigte er sich ungeduldig. Die Dame räusperte sich.
„Sir, ich
nehme an, es handelt sich um eine Demonstration“, antwortete sie höflich.
„Sein Sie
so gut und zerschlagen Sie diese, Miss Hester“, knurrte er.
„Sehr wohl,
Mr. Malfoy, Sir“, erwiderte sie eilig und ihr Kopf verschwand aus den Flammen.
Er rieb sich über die Stirn.
„Und? Sind
meine Sorgen noch immer unbegründet?“, unterbrach Teresas scheinheilige Stimme
seine Gedanken.
„Declan!“,
rief er Richtung Flur, und sein Sicherheitszauberer betrat anschließend sein
Büro.
„Ja, Sir?“
Er trug einen schwarzen unauffälligen Anzug, den Zauberstab griffbereit im
Gürtel.
„Finden Sie
heraus, wer Kopf dieser Demonstration ist und nehmen Sie diese Person in
Untersuchungshaft. Ein widerrechtliches Betreten des Grundstücks ist untersagt.
Sagen Sie meinem Sohn Bescheid, dass ich Wert auf seine Anwesenheit bei der
Verhandlung lege!“, befahl er knapp, und Declan nickte ungerührt.
„Sehr wohl Mr. Malfoy, Sir“, verabschiedete sich der Mann und verließ das Büro
wieder.
„Wenn ich
sage, du brauchst dir keine Gedanken machen, dann meine ich jedes Wort ernst,
Teresa. Und wenn ich dich jetzt bitten dürfte, mein Büro zu verlassen? Manche
von uns arbeiten nämlich tatsächlich und planen nicht nur Teepartys“, gab er zu
bedenken, und sie schenkte ihm noch einen tödlichen Blick.
„Es ist
eine Dinnerparty, Lucius. Zur Unterstützung der magischen Jagdgesellschaft
gegen die Überpopulation der Knurr-Rehe, damit sie keine Gefahr für diese
undankbaren Muggel darstellen!“, spuckte sie ihm entgegen. „Und das
eingenommene Spendengold geht direkt an das magische Krankenhaus für
Kinder-Im-… äh, Kinder-“
Er konnte
gerade so verhindern, dass seine Augenbraue spöttisch in die Höhe wanderte.
„Kinder-Impetigo?“, schlug er ihr das Wort vor, weswegen sich die Vereinigung
nun seit Wochen traf. Und ihre Mundwinkel zogen sich bitter nach unten.
„Ja“,
zischte sie zornig.
„Du findest
den Weg?“, erwiderte er abschätzend, und mit zornigen Schritten verließ sie
sein Büro. Merlin, irgendwann würde er noch eine Eingangskontrolle aufstellen,
und alles, was Zabini hieß, hatte gefälligst draußen zu bleiben!
~*~
So weit
Männerfreundschaften gingen, so schnell endeten sie auch. Draco legte nicht
besonders viel Wert auf diese Art von Freundschaften, denn andere Alphatiere
waren ihm bloß im Weg. Sie waren nichts weiter als Konkurrenz, denn soweit es
ihn betraf, rammte ihm jeder Konkurrent irgendwann das Messer in den Rücken.
Zum Trinken waren Männer die bessere Gesellschaft. Für tiefschürfende
Gespräche, sollte er jemals das Bedürfnis haben, ein solches zu führen, würde
er auch männliche Gesellschaft bevorzugen.
Aber im
Moment waren die einzigen männlichen Neigungen seine eigenen, die er ertragen
konnte.
Er hatte
auf ein morgendliches Heiler-Gespräch mit Preston verzichtet, der ihn bereits
im Mungo empfangen, begrüßt und mit Earl Grey versorgt hatte. Denn er war froh,
nach dieser Nacht, aufgestanden zu sein. Diese Tänzerinnen waren wirklich
ausdauernd gewesen. Auf die beste Art und Weise.
Und heute
ging er sicher, niemals Nachkommen zu zeugen.
„Mr.
Malfoy, wir wären soweit“, empfing ihn eine Schwester, und er erhob sich aus
dem bequemen Sessel. Eigentlich war Preston für Innere Fluchschäden zuständig,
aber für die richtigen Kunden machte er die richtige Ausnahme. Und Draco zahlte
gutes Gold.
Er folgte
der Schwester in ein Behandlungszimmer, ließ sich den Mantel abnehmen und
öffnete müde die Knöpfe seines Hemds.
„Wunderbaren
guten Morgen, Mr. Malfoy“, begrüßte ihn Preston munter und viel zu gut gelaunt.
„Lange Nacht gehabt?“, fing er unverfänglich das Gespräch an, während er seinen
Zauberstab vorbereitete. „Das Hemd können Sie anlassen, die Hose ebenfalls. Es
ist ein schneller Zauber. Permanent, aber absolut komfortabel.“
„Selber
ausprobiert?“, wollte Draco knapp wissen, während seine Stimme reibeisenrau
klang.
„Aber
natürlich. Allerdings habe ich die Evolution nicht um meine Samen beraubt,
sondern eine Probe abgegeben.“ Er zwinkerte bei seinen Worten. „Quasi der
Hauptgewinn für eine reiche Patientin, wenn sie denn klug genug ist.“ Draco
begriff nicht wirklich.
„Was?“,
entfuhr es ihm weniger intelligent zu so früher Stunde.
„Samenspende“,
erläuterte Preston lächelnd, als wäre es nicht halb so eklig, wie es klang.
Draco verzog angewidert den Mund. „Kann ich Sie dafür begeistern?“, fuhr
Preston fort, aber Draco schüttelte hastig den Kopf.
„Auf gar
keinen Fall. Niemals.“ Das wäre ja noch schlimmer! Seinen kostbaren Samen
verschenken, ohne dass eine Frau überhaupt etwas dafür tun müsste!
„Wie Sie
wollen. Dann setzen Sie sich, lehnen Sie sich zurück, es dauert keine Minute.“
Preston
händigte ihm einige Formulare aus, damit er das Mungo nicht verklagen würde,
wenn er sich seine Meinung anders überlegen sollte. Er unterschrieb sie blind
und gerne. Seine Meinung änderte er so gut wie nie. Es tat nicht gut,
wankelmütig zu sein. Es half auch keinem, ständig anderer Meinung zu sein. Er
glaubte auch nicht daran, dass reiferes Alter ihn zu neuen Einsichten bringen
würde. Er war sich sicher, er hatte seine Prioritäten in bester Ordnung
sortiert.
„Dann
wollen wir mal“, bestätigte Preston und zog den Zauberstab. Draco schloss die
Augen, denn er brauchte dringend Ruhe. Und dann würde er sein Apartment
verkaufen. Vielleicht sogar mit lukrativem Gewinn. Sein Vater hatte heute
versucht, ihn zu erreichen, aber er hatte kein Interesse an jedwedem Kontakt
gehabt. Schlimm genug, dass er am Wochenende zum Essen auftauchen musste.
Das
Unternehmen seines Vaters war das geeignete Sprungbrett gewesen, aber Draco war
darüber hinaus gewachsen. Schon vor einer Ewigkeit. Er war für Besseres
geschaffen, für Höheres geeignet. Die Vereinigung zu beraten war nichts, was er
tun wollte, geschweige denn, wofür er die besten Jahre seines Lebens hingeben
würde.
Er hatte
studiert, hatte mit Auszeichnung abgeschlossen, und es befielen ihn regelrecht
Albträume, wenn er daran dachte, sein Dasein, wie sein Vater, in der Malfoy
Group fristen zu müssen. Amerika wartete auf ihn. Weit weg von seinen Eltern,
weit weg von allen Konventionen. Und er wusste, sein Vater hielt die Position
im Unternehmen weiterhin offen. Er wollte ihn, Draco, dort sitzen haben. Aber
Draco hatte ihm bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht bleiben
würde. Auch nicht für die Familie. Erst recht nicht dafür!
Und Draco
ließ sich nicht zwingen, nicht festhalten, nicht durch gutes Zureden und
Vernunftgesprächen dazu bewegen, etwas zu tun, was er nicht tun wollte. Es
engte ihn ein. Der ganze Reinblüter-Quatsch langweilte ihn zu Tode. Das Gold war
nett. Und es war seins. Er hatte seinen festen Anteil, der unumstößlich sein
Eigentum sein würde.
Und der
Vertrag war aufgesetzt. Er war Partner der magischen Kanzlei.
Sie hatte
ihren Hauptsitz in New York, unterstützte magische Investoren auf der ganzen
Welt, und Draco konnte dem kleinbürgerlichen Reichtum endlich Lebewohl sagen
und bei ‚Burgh & Baine‘ eine echte Karriere beginnen. Und sie wollten ihn.
Sein Name besaß einen urbanen Reiz. Ländlicher, magischer Adel. Und er war
ungebunden, er war kaum noch zu halten.
Nur im
Moment war er wirklich, wirklich müde.
~*~
Und
tatsächlich machte es ihr der Zauber nicht einfacher. Auch heute war ihr so
übel, als befände sie sich auf einem Kreuzfahrtschiff, mitten auf dem Ozean bei
Windstärke Zwölf, ohne Aussicht auf Land in Sicht. Sie war völlig bereit, ihr
Leben zu veräußern, für nur fünf Minuten ohne Schwindel in ihrem Kopf.
Es klopfte
hart gegen ihre Tür. Sie hatte sich krank gemeldet, und für gewöhnlich klopften
die Eulen nicht, wenn sie Pakete brachten. Hermine band sich den Bademantel
fester um den Körper und wankte zur Tür. Vielleicht war es Neville, der sie zur
Demo abholen wollte. Natürlich würde sie so nicht teilnehmen können. Sie wollte
mit keinem reden. Sie wollte sich zusammenrollen und sterben. Mehr nicht.
Sie öffnete
die Tür und musste sich am Türrahmen abstützen. Und kurz öffnete sich ihr Mund.
Es
herrschte ein kurzer Moment unangenehmer Stille, und sie hätte sich am liebsten
direkt übergeben.
„Miss
Granger“, begrüßte sie ihr gegenüber kühl und konsterniert, während ein
Leibeigener anscheinend seinen Koffer trug und der andere an ihre Tür
geschlagen haben musste.
„Was wollen
Sie?“, kürzte Hermine die karge Begrüßung ab, hielt sich ihren Bauch und konnte
mit dieser Situation gerade nicht wirklich umgehen. Lucius Malfoy schien ihre
nichtvorhandene Hochachtung gegenüber seiner Gestalt weder ernstzunehmen, noch
überhaupt weiter zu beachten. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien. Er
brauchte überhaupt nicht so auszusehen, als verdiene er einen roten Teppich
ausgelegt, während alle Bürgerlichen vor ihm auf die Knie fielen, wo auch immer
er lang flanierte!
Es regte
Hermine einfach schon auf, ihn zu sehen! An die Vereinigung der beknackten
Reinblüter zu denken, regte sie schon auf! Und er verhielt sich jedes Mal so
schrecklich arrogant! Er behandelte alles und jeden, der nicht mit unverdientem
Gold geboren worden war von oben herab. Und sie hasste es. Diese Heucheleien
dieser verdammten Gesellschaft! Und gerne würde sie diese Worte laut sagen,
aber sie konnte nicht. Ihr Körper ließ es heute leider nicht zu.
Er war
flankiert von seinem Personal erschienen, und ganz kurz leuchtete in ihrem Kopf
eine schwache Erinnerung. Lucius erinnerte sie an seinen Sohn, denn auch dieser
war im Schloss immer nur flankiert von seiner Leibgarde auftaucht. Sie dachte
daran nur, weil sie es als Kind schon immer lächerlich und seltsam gefunden
hatte. Gott, sie hasste diese Leute! Sie konnte nur annehmen, Lucius hatte mit
Draco Malfoy eine genauso feige Kopie von sich selbst erzogen, und Hermines
Fingerspitzen kribbelten heiß bei seinem reichen, verlogenen Anblick.
„Ich
dachte, ich informiere Sie persönlich darüber, dass drei Ihrer Mitstreiter in
Untersuchungshaft im Ministerium sitzen“, erklärte er ruhig. Sie blinzelte
kurz. Er hatte sie unsanft aus ihren bösen Gedanken gerissen.
„Was?“
„Sie sind
es doch, die verantwortlich für diese lächerliche Demonstration heute war?
Zumindest steht Ihr Name auf den Anträgen“, fuhr er fort, ohne ihrem Zustand
besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Sie krümmte sich vornüber.
Mist! Die Demo war vorbei? Und die Leute hatten ihr nicht Bescheid gegeben. Na,
das würde noch ein Donnerwetter geben.
„Au –
wissen Sie“, begann sie mühsam. „Ich muss gerade mal weg!“, würgte sie knapp
hervor, ehe sie in Richtung Gästebad rannte. Sie hatte die Tür einen Spalt
offen gelassen. Es war ihr egal, ob Lucius Malfoy nun in ihrem Haus ein
Mahnfeuer zünden würde oder alles in die Luft jagte! Sie erreichte das Bad,
knallte die kleine Tür zu und schaffte es noch gerade ebenso sich auf die
Fliesen zu werfen. Den Klodeckel hatte sie gar nicht erst runter geklappt.
Sie erbrach
ihr nicht gegessenes Frühstück. Immerhin ging es schnell, denn eigentlich gab
es in ihrem Körper nichts, was sie loswerden müsste. Mit geschlossenen Augen
verharrte sie über der Kloschüssel. Es hätten fünf Minuten vergangen sein
können oder auch zehn.
Sie erhob
sich nach einer Ewigkeit, taumelte zum Waschbecken und spülte sich langsam den
Mund aus.
„Wieso tust
du mir das an?“, wollte sie anklagend von ihrem Unterleib wissen, den sie
mitgenommen im Spiegel fixierte. „Was habe ich dir je getan?“, flüsterte sie
schwach, ehe sie den Bademantel straffer zog und die Toilette wieder verließ.
Sie zuckte
zusammen vor Schreck, denn Lucius und seine Lakaien standen mittlerweile in
ihrem Flur.
„Ist es,
was auch immer Sie haben, ansteckend?“, wollte er eine Spur angewidert wissen, und
sie nahm seine Gestalt völlig auf. Er trug schwarz. Sein schimmernder Anzug war
protzig und angeberisch. Und sie wollte ihn nicht in ihrem Haus haben.
„Das kann
ich mir nicht denken“, erwiderte sie trocken, aber er musterte sie
misstrauisch. „Verlassen Sie mein Haus“, ergänzte sie zorniger.
„Sehr
gerne. Sie müssen nur unterschreiben.“ Sie starrte ihn an. Was? Ein dritter
Mann betrat unaufgefordert ihr Haus.
„Hallo,
ach, gut, dass Sie alle hier sind“, sagte der fremde Mann und trat sich
immerhin die Füße ab. „Bennett, mein Name, Miss Granger“, stellte er sich vor.
„Das hier ist eine einstweilige Verfügung, die Ihnen verbietet, Demonstrationen
auf dem Grundstück der Malfoy Group
durchzuführen. Wären Sie so gut?“ Er hielt ihr ein Blatt Pergament unter die
Nase, eine Feder in der anderen Hand.
„Sagen Sie,
was fällt Ihnen allen eigentlich ein, mein Haus unaufgefordert zu betreten?“,
donnerte sie jetzt, ohne Höflichkeit oder Geduld. „Und wenn ich nicht
unterschreibe?“, fuhr sie zornig fort und fixierte den dritten Mann. „Was
passiert dann? Bringen Sie mich dann um und lassen das Dunkle Mal über meinem
Haus leuchten?“, schnappte sie bitter, und der Mann namens Bennett wirkte
äußerst betroffen.
In
arroganter Manie schenkte ihr Lucius ein nachsichtiges Lächeln. Oh, er hielt
sich für so liberal, für so unschuldig! Grrr! Am liebsten würde sie-
„-na-natürlich
würden wir nichts dergleichen tun?“, erwiderte der Mann unsicher, mit einem
hilfesuchenden Blick in die Richtung von Lucius Malfoy.
„Glauben
Sie mir, ich möchte hier nicht sein. Wirklich nicht“, betonte Lucius ernsthaft,
und Hermine spürte, wie sich ihre Oberlippe kräuselte.
„Ich habe Recht. Und das wissen Sie!“, informierte sie ihn boshaft.
„Haben Sie
das?“, ging er mit spöttisch erhobenen Augenbrauen auf ihre Worte ein.
„Ja! Sie
verdienen keine 200 Millionen Galleonen. Für was, frage ich mich, benötigen die
Reichen der Gesellschaft so viel Gold? Ich frage sie ernsthaft, Mr. Malfoy!“,
knurrte sie. Aber er machte eine abschätzende Geste.
„Wissen Sie,
das sind komplizierte Gesetze von denen Sie, mit Verlaub, nicht die geringste
Ahnung haben. Und ich denke, heute ist nicht der richtige Anlass, darüber zu
diskutieren“, wiegelte er ihre Worte ab. „In Ihrem Zustand, in diesem Haus“,
beleidigte er sie glatt, und sie ballte die Hände zu Fäusten.
„Sie und
Ihre Gesellschaft sind Gift für normale Menschen!“, zischte sie, und Lucius
betrachtete sie fast mitleidig, als wäre sie eine verrückte Furie.
„Vielleicht…
äh… würden Sie unterschreiben, Miss Granger?“, versuchte der Rechtsmagier
erneut sein Glück. Sie wandte sich kochend an ihn. Sie wollte wissen, wer in
Untersuchungshaft saß. Bestimmt arme, dumme Weltverbesserer, die sie auch noch
angestiftet hatte.
„Was
passiert mit den Leuten in Untersuchungshaft?“
„Mit Ihrer
Unterschrift dürfen diese gehen“, sagte der Rechtsmagier, erleichtert, dass sie
ihn zur Kenntnis nahm. Aber sie merkte schon, sie würde heute keinen Kampfgeist
aufrechterhalten können. Aber er bemerkte ihr Zögern. „Miss Granger, es hindert
Sie nicht, vor dem Ministeriumsgericht zu sprechen, es dient lediglich-“
„-ok, fein.
Schon gut!“, lenkte sie ein, denn der Schwindel kehrte zurück. Sie musste sich
am Türrahmen zum Wohnzimmer abstützen. Ihre Hand hielt ihren Unterleib, und mit
der rechten Hand zeichnete sie ihren Namen unter das Pergament. Ungerne und
nicht besonders leserlich.
„Das… ging
schneller als erwartet“, bemerkte der Rechtsmagier verblüfft. Normalerweise
unterschrieb sie nie. Gar nichts. Für niemanden. Aber es gab immer ein erstes
Mal, nahm sie an. „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich der Rechtsmagier
besorgt.
„Alles
bestens“, murrte sie. „Und jetzt verschwinden Sie!“, zischte sie, an alle
Anwesenden gewandt.
Und Mr.
Bennett beeilte sich, danach folgten die Lakaien, und Lucius schenkte ihr einen
knappen Blick aus grauen Augen. Die blonden Haare waren zum Zopf gebunden, aber
bereits mit Grau durchzogen. Er überragte sie einen unangenehmen Kopf weit.
Sie
bemerkte, sein Blick ging kurz über ihren Kopf hinaus. Im Wohnzimmer schwebten
die Ballons mittlerweile müde ein wenig unterhalb der Decke und wechselten die
Farben nicht mehr.
Auch den
pinken Banner hatte sie nicht entfernt, denn gestern war sie froh gewesen, als
sie endlich eingeschlafen war. Und sie nahm an, er kombinierte messerscharf.
Aber selbst ein Troll würde wohl zum richtigen Schluss kommen.
„Kieselbacherde“,
sagte er schließlich, und Hermine hob verwirrt den Blick zu seinem
ausdruckslosen Gesicht. Merlin, sie hasste diesen Mann. Und wieso stand er noch
immer hier? „Das hat meiner Frau in den ersten Wochen geholfen“, schloss er und
hatte sich abgewandt.
Ihre Tür
fiel hinter ihm leise ins Schloss.
Sie war
sich nicht sicher, ob sie es dreist und unpassend von ihm fand, ihr solche
Ratschläge zu geben, oder ob er einfach nur ein Mann war, der überall seinen
Senf dazugeben musste. Sie brauchte seine Ratschläge jedenfalls nicht! Sie
hasste seine Art. Sie hasste alle Reinblüter. Und sie würde lieber nackt ein
Bad in Kieselbacherde nehmen, als dass sie diese tatsächlich in einem Tee
einnehmen würde! Nicht dass Lucius Malfoy womöglich auch noch Recht haben
könnte! Da litt sie lieber noch zwei Tage!
Couch.
Couch klang wirklich super. Sie hoffte nur, die armen Mitstreiter kamen schnell
aus der Untersuchungshaft raus. Und sie hoffte, sie würden nicht sofort zu ihr
kommen, denn sie wollte nur noch liegen. Nie mehr
aufstehen!
„A Snitch is not touched by bare skin before it
is released,
not even by the maker, who wears gloves.“
Harry Potter
„Wie war die
Party?“, fragte Pansy höchst unverfänglich, während Millicent Kandis in ihren
Tee häufte.
„Es war ein
Desaster. Ich hatte das Gefühl, Gregory ist vor mir davon gelaufen!“, rief sie
aus. Millicent schien darüber dringend reden zu wollen. „Und die Mädchen haben
nach dir gefragt, natürlich“, ergänzte sie mit wegwerfender Handbewegung. Nur
die Mädchen, fragte sich Pansy unwillkürlich, aber sie sagte nichts dazu.
„Weißt du, ich finde Gregory stellt sich an. Ich war nichts weiter, als höflich
und direkt.“
Pansy
konnte es sich lebhaft vorstellen, wie lebhaft und direkt Millicent war.
„Und wie
geht es dir?“, schien Millicent plötzlich einzufallen, und Pansy wusste
bereits, dass Millicent so viel Takt wie eine Elchkuh besaß.
„Gut,
danke. Keine Beschwerden“, antwortete Pansy.
„Bist du
aufgeregt? Hast du es deinen Eltern erzählt?“ Pansy schüttelte hastig den Kopf.
„Merlin,
nein! Und du wirst das auch nicht tun!“, warnte sie Millicent leise. Diese
nickte hastig.
„Hatte ich
nicht vor!“, rechtfertigte sie sich sofort. „Wann… reist du ab?“
„Übermorgen“,
erwiderte Pansy, die sich nicht wirklich auf ihren Barcelona-Urlaub freute. Sie
würde allein sein und zu viel Zeit zum Nachdenken haben.
„Dann…
schick mir eine Karte“, sagte Millicent, und Pansy hörte, sie wirkte eine Spur
beleidigt, dass Pansy sie nicht eingeladen hatte. Aber darauf ging sie gar
nicht ein. Sie seufzte schließlich auf.
„Und Draco?
Wie geht es ihm?“ Sie musste einfach fragen.
„Oh, mit
Draco habe ich gar nicht gesprochen“, fiel Millicent scheinbar auf. „Er sah
sehr gut aus. Hatte viele Mädchen um sich geschart und
hat viel Zeit mit Preston McGraw verbracht“, bemerkte Millicent fast
schwärmerisch. „Der wäre eine gute Partie, wäre er nicht ein selbtbezogener,
egoistischer Heiler, der für immer einsam bleiben will!“, knurrte Millicent
kopfschüttelnd. Pansys Mundwinkel sanken.
„Ich kenne
Preston, Mills. Halte dich fern von dem. Er und mein Vater haben Kontakt, und
keinen guten“, erwiderte sie. Sie nahm manchmal an, dass ihr Vater abends nicht
wirklich länger arbeiten musste. Ihr kam es so vor, als… betrüge er ihre Mutter
aus reinem Sport. Aber ihre Mutter wollte davon nichts wissen, also fing Pansy
gar nicht erst davon an.
„Denkst du,
die Gerüchte stimmen?“, fragte Millicent sie gespannt.
„Welche Gerüchte?“,
wollte Pansy bitter wissen. „Die über den Club?“, beantwortete sie Millicents
Frage mit erhobener Augenbraue. Diese nickte eifrig. „Weißt du, jede reiche
Gesellschaft hat ihre beknackten Clubs, Mills. Und dass es in unsere
Gesellschaft noch einen dämlichen, geheimen Reinblüter-Club geben soll, der nur
den Männern vorbehalten ist, wo sie sich selbst beweihräuchern, Frauen
objektifizieren und demütigen erscheint mir nicht weit hergeholt“, erklärte sie
gereizt. Wenn es denn so einen geheimen Club gab, dann nahm sie an, war ihr
Vater ein Teil davon.
„Aber
vielleicht machen sie dort ganz andere Sachen!“, erwiderte Millicent entrüstet.
„Und was
soll das sein? Kamillentee trinken und stricken?“, konterte Pansy kopfschüttelnd.
„Ich glaube nicht, dass Preston McGraw der Kopf eines Strick-Clubs ist“, endete
sie trocken.
Millicent
wirkte ihrer romantischen Träume beraubt.
„Also… wenn
ich einen Club hätte…“, begann sie schwärmerisch, „dann einen Hochzeits-Club,
wo nur verheiratete, glückliche Frauen hinkämen. Und wir würden Rezepte
austauschen und über die Erziehung reden, über die herrschaftliche
Haushaltsführung und Zucht und Ordnung in Bezug auf Hauselfen.“ Sie sah Pansy
aufmunternd an. Pansy könnte alleine beim Gedanken an solch einen Club vor
Langeweile sterben.
„Tja“,
bemerkte sie schließlich bitter, „dann wären weder du noch ich Mitglieder
deines Clubs“, schloss sie. Millicent zog die Stirn in Falten.
„Ja, ja.
Noch nicht!“, beteuerte sie.
„Mills“,
begann Pansy müde, aber überlegte es sich dann anders. Sie brauchte mit
Millicent nicht zu diskutieren. Es würde nicht helfen. „Ach, schon gut.“
„Wann ist
deine nächste Untersuchung?“, wollte Millicent plötzlich von ihr wissen. Ihr Blick hatte etwas Wachsames angenommen.
Pansy hätte nicht gedacht, dass Millicent sich tatsächlich für sie und ihren
Umstand interessierte, interessierte sie sich doch sonst auch nur
ausschließlich für sich selbst.
„Nach
meinem Urlaub. Aber ich denke, es sollte zu keinen Komplikationen kommen.“
„Nein,
natürlich nicht“, beteuerte Millicent sofort. „Und… und du hast jetzt Kontakt
zu Hermine Granger?“, wollte sie fast ungläubig wissen.
„Warum
nicht?“, gab Pansy lediglich zurück. „Sie wird auch alleinstehende Mutter
sein.“
„Das ist
doch kein Grund“, beschwerte sich Millicent kopfschüttelnd. „Sie ist so… so… -
Sie ist eine Muggel!“, sprach Millicent nun das Wort, was sie hasste,
unzufrieden aus.
„Und?“, war
alles, was Pansy dazu vorbringen konnte.
„Und?!“,
wiederholte Millicent entrüstet. „Und sie will uns Gold wegnehmen. Meine Mutter
hat mir alles darüber erzählt! Teresa Zabini hat-“
„-Teresa Zabini hat einen Schaden, Mills“, unterbrach Pansy sie eindeutig.
Millicent sah sie an, als hätte sie Hochverrat begangen.
„Hermine Granger
ist eine Kriegsheldin, Merlin noch mal! Sie hasst uns alle! Und sie bekommt
auch noch das Kind eines Aktivisten! Was soll dabei nur rauskommen!“ Pansy
lächelte freudlos.
„Es ist
nett zu sehen, wie du dein Verschwiegenheitsgelübde einhältst, Mills,
wirklich.“ Millicent schlug sich vor Schreck die Hand vor den Mund.
„Oh Merlin,
richtig. Vergiss, was ich gesagt habe! Jedenfalls finde ich sie nervig und
unmöglich – und sie gehört einfach nicht zu uns.“
„Immerhin
dürften wir alle drei nicht in deinen Club“, bemerkte Pansy lächelnd. Millicent
bekam etwas mehr Farbe in den Wangen.
„Ihr
vielleicht nicht. Ich schon!“, behauptete sie und häufte noch einen Löffel
Kandis in ihren ekelhaft süßen Tee.
~*~
Er drehte
die Karte in seinen Händen. Preston hatte sie ihm nach der Behandlung
zugesteckt, gezwinkert und gemeint, heute Abend um sieben Uhr sollte er sich
bei Lust die Karte näher ansehen. Draco hatte damit gerechnet, irgendwelche
Schmerzen zu verspüren, nach der Behandlung heute, aber so schnell es gegangen
war, so wenig spürte er es auch.
Fast war er
enttäuscht. Er fühlte sich um die Erheblichkeit betrogen. Viele Patienten
durften Wochen im Bett liegen, nach minderschweren Behandlungen.
Aber es war
ihm Recht, denn es war kurz vor sieben, und er saß auf seiner Ledercouch,
bereit, Abenteuer zu erleben. Sein Kater war abgeklungen und er dankte Merlin
und allen Göttern dieser Welt, für die Fähigkeit, sich schnell von Saufgelagen
zu erholen.
Er kannte
die Gerüchte. Zu Voldemorts Zeiten hatte es einen Dinnerclub gegeben. Der
freundliche Name hatte allerdings getäuscht. Es war ein Club gewesen, der sein
Dasein damit begründet hatte, Muggelmädchen zu fangen, mit dem Imperius zu
belegen und sie somit willig und gefügig zu machen, sie reihum weiterzureichen,
und nach einem Abend voller schmutziger Erniedrigungen mit einem
Vergessenszauber zu belegen und im Wald auszusetzen – und das war für das
Mädchen noch ein wünschenswerter Ausgang gewesen.
Sein Vater
war kein Mitglied gewesen, denn wer Muggel gejagt hatte, der verspürte nicht
unbedingt Lust, eine von ihnen zu vergewaltigen, hatte Lucius ihm damals
erklärt.
Zwar konnte
sich Draco nicht vorstellen, dass es sich bei Prestons Club um eine ähnliche
Agenda handeln könnte, aber er konnte sich vorstellen, dass andere fragwürdige
Dinge auf der Tagesordnung standen.
Die Karte
war aus festem Papier, rechteckig, mit abgerundeten Ecken. In der Mitte prangte
ein keltisches Symbol. Die schwarzen Linien waren mit dunkler Tinte gemalt.
Keine Adresse, kein Name. Er nahm an, es lag ein Erkennungszauber auf dieser
Karte. Der erste, der sie hielt, der war auch zugelassen. Es war eine nette
Kindersicherung, nahm er an. Aber es garantierte auch, dass Leute, die sie
zufällig fanden, keinen Nutzen aus ihr ziehen konnten.
Und als seine
Standuhr neben dem Kamin verhalten zur vollen Stunde schlug, sah er einen
winzigen roten Punkt in der Mitte des Symbols aufglühen. Dezent, sanft. Und
wenn man nicht damit rechnete, würde man ihn nicht bemerken.
Er hatte
sich ehrlich gesagt keine Gedanken über einen Dresscode gemacht, trug dieselben
Sachen wie heute Morgen, aber er zog seinen Zauberstab.
Mit
geweckter Neugierde berührte er mit der Spitze sanft den Punkt. Sofort wirkte
der Zauber und eine massive Kraft zog ihn praktisch aus seinem Sessel und
schleuderte ihn ins Nichts.
Elfenzauber,
dachte er atemlos, als er durch die Nacht apparierte. Nur Elfenzauber
durchbrachen den Schutzzuber der eigenen vier Wände.
Schon
landete er in einem unbekannten Zimmer. Es war groß, das Parkett glänzte dunkel,
und er konnte seinen Schwung gerade noch abfangen, sonst wäre er mitten in die
Vitrine gelaufen. Es wirkte wie ein Vorzimmer.
Ein Elf
erschien keine Sekunde später. Er zuckte zusammen, aber der Elf war von seinem
Erscheinen nicht beeindruckt.
„Mr.
Malfoy“, begrüßte er ihn feierlich, ließ ein hohes Kristallglas mit sprudelnder
Flüssigkeit erscheinen, und es schwebte ihm entgegen. Er ruckte mit dem Kopf.
„Ich trinke
keinen Champagner“, sagte er ablehnend. Das Glas verschwand wieder.
„Darf es
etwas anderes sein?“, erkundigte sich der Elf. „Während Sie warten?“
Worauf
wartete er? Draco fragte jedoch nicht, schüttelte nur den Kopf.
„Nein,
danke.“ Er beschloss, lieber nüchtern zu sein.
„Sehr
wohl.“ Der Elf verschwand so still wie er erschienen war. Er sah sich um. Die
Vorhänge waren zugezogen. Sie waren aus schwerem, dunklem Samt, und es schien
das Zimmer eines Herrenhauses zu sein. War es wohl Privatbesitz? Prestons Haus?
Draco konnte nur raten. Er schritt durch den großen Raum, aber es hingen weder
Bilder an den Wänden, noch standen Bücher in den hohen Regalen. Kristallgläser
und Karaffen reihten sich aneinander. Weiter hinten stand eine kleine Sitzecke
um einen gläsernen Tisch. Es wirkte wie kein Zimmer, was tatsächlich als
Aufenthaltsraum genutzt wurde. Es diente wohl lediglich der Ankunft, schloss er
nachdenklich, durchschritt das Zimmer bis zur verschlossenen Tür und fragte
sich, auf was er wohl wartete.
Überraschungen
waren nichts, was er bevorzugte. Aber Angst hatte er keine.
Dann
öffnete sich die Tür. Ein Mädchen erschien im Türrahmen. Er nahm an, sie war
eine Angestellte, denn sie trug eine Schürze über ihrem schwarzen kurzen Rock.
„Einen
schönen guten Abend, Mr. Malfoy. Den Zauberstab können Sie wegstecken“,
begrüßte sie ihn. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er ihn noch in der Hand
hielt, ging ihm auf. Langsam steckte er ihn in seinen Hosenbund. „Wenn Sie mir
folgen wollen?“
„Wie heißen
Sie?“, fragte er, einfach nur, um irgendwelche Informationen zu erlangen.
„Ich bin
Francine“, erwiderte das blonde Mädchen freundlich.
„Wem gehört
das Haus?“, fragte er, nachdem sie auf den Flur traten, und er erkennen konnte,
dass es sich um ein herrschaftliches Anwesen handelte.
„Verzeihung,
aber es steht mir nicht zu, darauf zu antworten“, erwiderte sie mit einem
entschuldigenden Lächeln.
„Wie viele
sind noch hier?“, fragte er stattdessen. Sie schien nachzudenken.
„Mit Ihnen
sind es zehn Herren heute Abend, Mr. Malfoy“, antwortete sie, und er bemühte
sich gar nicht erst, nach ihren Namen zu fragen. Wahrscheinlich durfte sie es
nicht sagen, und er würde es ja ohnehin gleich sehen, nahm er an.
„Und was
passiert jetzt?“, entfuhr es ihm, fast gereizt, denn sie führte ihn unverwandt
durch viele Korridore, viele Treppen hinab, ohne innezuhalten.
Und dann
stoppte sie vor zwei eleganten Flügeltüren.
„Jetzt
beginnt das Dinner, Mr. Malfoy.“
Dinner? War
es doch ein Dinnerclub, fragte er sich insgeheim, und er hielt unbewusst die
Luft an, als die Türen sich öffneten.
Und fast
war es, als wäre er in den Slytheringemeinschaftsraum geplatzt. Zwar kannte er
keinen der Männer persönlich, aber älter als er waren sie alle nicht. Er hatte
angenommnen, vielleicht Geoffrey Parkinson zu sehen, allerdings war er heute
wohl nicht anwesend.
Aber er war
nicht underdressed. Er trug eine helle Hose, einen blauen Pullover und darunter
ein Hemd. Überwiegend trugen die Männer hier keine Anzüge. Außer Preston und
ein weiterer junger Mann.
„Setzen Sie
sich“, rief ihm Preston zu. Draco schritt zum letzten leeren Platz, direkt
neben Preston und ignorierte die Blicke der fremden Männer. Es war nicht seine
Art, sich zu unterwerfen.
„Und was
tun wir hier?“, fragte er direkt. „Wir essen?“, wollte er eine Spur ungläubig wissen.
„Jeder gute
Abend beginnt mit einem guten Mahl“, entgegnete Preston, hob sein Glas, und
alle übrigen taten es ihm gleich und prosteten ihm zu. Und Draco merkte schon
jetzt, dass ihm die Gesellschaft der jungen Männer seines Alters missfiel. Sie
musterten ihn fast provozierend auffällig.
Er sagte
nichts mehr, setzte sich, und tatsächlich kam der erste Gang fast
augenblicklich. Hübsche Mädchen trugen Teller und Tabletts herbei, stellten
Suppen und Salate ab, Häppchen und Brot, Wein und Champagner. Er mochte weder
das eine, noch das andere Getränke und beschränkte sich auf Wasser, was ihm
schräge Blicke der anderen einbrachte, die er ignorierte.
Er aß
misstrauisch. Ein wenig Suppe, ein wenig Salat. Es folgte die glasierte Ente
mit tausend Beilagen und zum Abschluss ein süßer Nachtisch, den er stehen ließ.
Er zelebrierte Essen selten. Es war für ihn kein Entertainment, sondern nur
etwas, was man notwendigerweise zum Leben brauchte. Die Herren sprachen über
Gold, die Finanzen, keiner sprach ihn direkt an, aber er spürte die Blicke jede
Minute neu auf sich ruhen.
Endlich war
das Essen beendet. Merlin, endlich! Die Teller verschwanden magisch und der
Tisch blieb leer und sauber zurück, mit nur den gefüllten Gläsern.
„Irgendetwas
Besonderes zu trinken für Sie, Malfoy?“, fragte Preston lächelnd, aber Draco
schüttelte noch immer den Kopf.
„Wasser
reicht“, erwiderte er, gespannt, was nun folgte.
„Bereit?“,
fragte Preston ihn demonstrativ, und Draco ruckte unverbindlich mit dem Kopf.
Dann klatschte sein Gegenüber laut in die Hände. „Bringt die Muggel rein!“,
rief er mit klarer Stimme, und Dracos Mund öffnete sich entgeistert. Meinte er
das ernst?!
Aber
nachdem nichts passierte schenkte ihm Preston ein spöttisches Lächeln. „Kleiner
Scherz am Rande“, schloss er amüsiert. Draco merkte, er hatte die Luft
angehalten und atmete schließlich angespannt wieder aus.
Die jungen
Männer lachten verhalten. „Wenn ich vorstellen darf“, begann Preston jetzt
feierlich, „Edward Goode, James Nott, Grayson McNair, William Hunting, Thomas
Lemming, Cedric Rackharrow, Jaspar Greengrass und Charles Black-Montgomery.
Gentlemen, Draco Malfoy muss ich Ihnen allen bestimmt nicht vorstellen.“ Die
Männer nickten teilweise wohlwollend, teilweise reagierten sie gar nicht.
Er kannte
die Hälfte aus der Vereinigung. Arrogante Jungspunde, die weit nach ihm nach
Hogwarts gekommen waren, ihn jedoch noch für einige wenige Jahre hatten
bewundern können. Schade, dass Blaise nicht hier war.
„Ist
Geoffrey Parkinson nicht Mitglied?“, fragte er jetzt, denn er würde den Männern
keine Wertschätzung zuteilwerden lassen. Er kannte sie nicht und sie
interessierten ihn nicht sonderlich.
„Zu
Anlässen wie heute ist er nicht eingeladen“, antwortete Preston geheimnisvoll.
„Anlässe
wie heute?“, wiederholte Draco, aber James Nott antwortete.
„Ganz
genau. Heute trifft sich die Jagdgesellschaft, Malfoy. Und wenn Sie Interesse
haben, Teil davon zu werden, schlage ich vor, Sie bestehen die
Aufnahme-Prüfung.“ Draco musterte den jungen Mann. Er kannte seinen Vater
flüchtig. Kein angenehmer Zeitgenosse.
„Ich biete
mich als Team-Partner an!“, rief der erste Mann, zu Prestons linken.
„Goode,
Goode, abwarten“, unterbrach Preston ihn lächelnd.
„Was jagt
ihr hier?“, stellte Draco die Frage, die sich aufdrängte. Preston lächelte, als
freue er sich über seine Frage.
„Wir… jagen
Schätze“, antwortete er und hob sein Glas erneut. Die anderen taten es ihm
gleich. Dracos Augenbraue wanderte spöttisch in die Höhe. „Rackharrow, bring
das heutige Ziel.“ Der junge Mann erhob sich augenblicklich und verließ den
Raum. Draco wartete mäßig gespannt. Rackharrow kam zurück, eine schmale Kiste
in seiner Hand. Sie war quadratisch und mattschwarz. Preston bedeutete
Rackharrow sie vor Draco abzustellen. „Sie können sie öffnen.“ Preston nickte
ihm auffordernd zu, ein neuer Glanz in den blauen Augen.
Langsam hob
sie Draco an. Sie war nicht schwer. Dann klappte er den Deckel zurück.
In
schwarzem Samt gebettet erkannte er sofort, was sich im Innern befand. Sein Blick
hob sich automatisch zu Prestons Gesicht.
„Ein
Schnatz?“, kommentierte er den kleinen goldenen Ball, der verzweifelt mit den
Flügeln gegen die schmalen Bänder schlug, die ihn in der Kiste hielten. Preston
lächelte.
„Nicht
irgendein Schnatz, Malfoy“, sagte er verschwörerisch. Dracos Blick fiel wieder
auf den Schnatz. Er sah aus wie ein gewöhnlicher Schnatz. „Denken Sie scharf
nach“, forderte ihn Preston schließlich auf. Dracos Augenbraue schob sich in
die Höhe. Er saß an einer Tafel mit jungen Männern, die sich sehr gespannt nach
vorne gelehnt hatten und ihn beäugten und sich scheinbar vorkamen, wie Merlins
erlauchtester Club.
„Was?“,
erwiderte er also konsterniert, aber Preston nickte.
„Welches
ist wohl der berühmteste Schnatz auf der Welt?“
Draco
atmete lange durch die Nase aus, ehe sein Blick langsam zurück auf die Kiste in
seiner Hand fiel. Er wusste, er hätte seinen Abend angenehmer verbringen
können.
„Ich öffne
mich zum Schluss“, half ihm Preston auf die Sprünge, und Dracos Blick gefror.
Das war nicht sein Ernst…. Die Kiste sank sehr plötzlich in seiner Hand, und er
schob sie über den Tisch zurück, als wäre sie mit einem Fluch belegt. Ungläubig
starrte er Preston an.
„Potters
Schnatz?“, entfuhr es ihm leiser.
„Exakt“,
bestätigte Preston. „Wie gesagt, wie jagen gerne Schätze.“
„Ihr…?“
Draco beendete den Satz nicht.
„Und
anschließend bringen wir sie zurück“, schloss Preston. „Willkommen zu Ihrer
heutigen Aufgabe, Malfoy. Ihre Aufnahmeprüfung ist sogar recht simpel.“ Draco
starrte ihn an. Das konnte nicht –
„-bringen
Sie Potters Schnatz zurück.“
„Vergiss
es“, glitt Draco direkt ins Du. Preston lächelte.
„Es ist
natürlich vollkommen freiwillig“, räumte er ein. „Nur ein Wort von Ihnen, wir
vergessen den Abend, führen Sie zurück, Sie apparieren nach Hause und wir
verlieren kein Wort mehr hierüber.“ Draco fand, dieser Satz klang nach einem
bitteren Aber.
„Aber“,
fuhr Preston jetzt fort, „entgeht Ihnen dann auch der Kick und natürlich die
exklusive Mitgliedschaft.“
„Und was soll
das sein? Die exklusive Mitgliedschaft? Und wer hat ihn überhaupt bei Potter
gestohlen?“ Er konnte sich kaum vorstellen, dass irgendwer ungesehen in das
Haus des leitenden Aurors des Ministeriums rein, geschweige denn wieder rauskam
– ungesehen und lebendig!
„Stehlen
ist ein hartes Wort“, korrigierte ihn Preston lächelnd. „Wir… borgen nur ein
bisschen.“
„Borgen?“,
wiederholte Draco kopfschüttelnd. Er wusste, die reichen waren exzentrisch,
aber-
„-und eine
exklusive Mitgliedschaft bedeutet, dass Ihnen nichts verweigert wird“, erklärte
Preston. Draco sah ihn an.
„Mit wird selten etwas verweigert“, entgegnete Draco, eine Spur selbstgerechter
als beabsichtigt.
„Gewiss, hier, in London. Sie sagten, Sie gingen nach Amerika? Zu Burgh und
Bane?“, erkundigte er sich knapp. „Burgh und Bane zählen ebenfalls zu unseren
Mitgliedern“, erklärte er lächelnd. „Sie werden sich hervorragend verstehen. Es
macht Spaß. Es bringt Ablenkung, ein wenig Abenteuer im langweiligen Alltag.“
Draco
verzog den Mund.
„Ich habe ihn
geborgt“, mischte sich der Mann namens Goode ins Gespräch ein. „Und ich würde
mich gerne bereit erklären, ihn mit Ihnen zurückzubringen.“
Draco
begriff kaum, weshalb die Männer so viel Spaß empfanden. Sie stahlen Dinge, die
nahezu wertlos waren – materiell betrachtet – nur, um sie wieder
zurückzubringen?
„Wenn Sie
sich entscheiden, die Herausforderung anzunehmen, dürfen Sie die nächste
Prüfung wählen. Was Sie wollen. Es gehört zum Ehrenkodex, dass eine Aufgabe
nicht verweigert werden darf.“
„Ist das so?“,
wollte Draco nachdenklich wissen. Das wiederum klang schon besser. Oh, er
könnte einige von den Idioten hier richtig auffliegen lassen. Es wäre einen
Versuch wert. Er nahm an, er wäre besser bei diesem Spiel als all die anderen.
„Oh ja. Und
natürlich gäbe es dazu den heutigen Preis. Emilia?“, rief Preston, und die
Flügeltüren öffneten sich lautlos. Dracos Kiefer lockerte sich eine winzige
Spur, als eine dunkelhaarige Schönheit ins Zimmer kam, mit nichts weiter
bekleidet als einem schwarzen, durchsichtigen Kimono. Verdammt. Ihre dunklen
Augen schienen ihm zuzuzwinkern. „Emilia kommt aus Bulgarien. Sie ist unser
heutiger Preis, allerdings nur für den Kandidaten, der sich als würdig erachtet
und nur für eine einzige Nacht. Sie ist die Tochter des magischen
Parlaments-Vize-Präsidenten und hat sich mir auf ihrer kurzen Durchreise
vorgestellt. Sie wollte meinen Club kennenlernen.“ Preston klang wie der
großzügige Pächter eines Edel-Bordells, überlegte Draco, während sein Mund
trocken wurde. Verdammt!
Sie war
eine reiche, wunderschöne Gelegenheit, die sich im Rahmen eines dummen
Abenteuers bot.
„Und wenn
es nicht gelingt?“, wollte er wissen, ohne den Blick von Emilia zu wenden.
Diese schenkte ihm ein feines Lächeln.
„Wenn Potter
Sie erwischt, wie Sie in sein Haus eindringen und sein vergessenes Heldenmahl
zurückbringen?“, vergewisserte sich Preston nachdenklich. Draco nickte knapp.
„Tja, dann ist die Aufnahme gescheitert, Sie werden den Club mit keinem Wort
erwähnen, leben mit den Konsequenzen und bekommen natürlich keinen Preis.“
Die Tochter
des bulgarischen Vize-Präsidenten? Es würde sich nett auf seiner Liste machen,
nahm er an. Er wandte sich an Goode.
„Wie sicher
ist das Haus?“, erkundigte er sich glatt.
„Dafür dass
Potter Auror ist, erstaunlich unsicher.“
Draco
lächelte zuvorkommend, als er sich erhob und den Abstand zu Emilia schloss.
„Ich nehme
an“, erklärte er charmant, ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihre
Fingerknöchel. Emilia lächelte verboten aufreizend.
„Ich bin gerne Ihr Preis für eine Nacht, Mr. Malfoy.“
Ach, wäre
das Leben nur immer so einfach, überlegte er lächelnd. Obwohl er sich sicher
war, überhaupt keinen so großen Aufwand betreiben zu müssen, um diesen Preis zu
erhalten. Aber ein dummes Abenteuer kam seiner Langeweile gerade recht.
„Hervorragend.
Gute Form, Malfoy“, rief Preston aus. „Möge die Jagd beginnen!“
„A hunter from the darkest wild
will make you feel just like a child.“
Jumanji
„Merlin,
und er war in deinem Haus?“, erkundigte sich Harry kauend, während Hermine über
ihrem Kieselbacherdentee saß. Schon die Dämpfe beruhigten ihren Schwindel
ungemein. Sie verfluchte Lucius Malfoy dafür, dass er Recht behalten hatte,
aber sie war froh, über ihren Schatten gesprungen zu sein, und Ginny und Harry
aufgesucht zu haben.
Ginny
verfügte über ein ganzes Sammelsurium an ekelhaften Teesorten. Manche
tatsächlich ausgesprochen nützlich. Sie hatte natürlich nicht erwähnt, dass
Lucius ihr den Tipp persönlich gegeben hatte.
„Ja, es war
furchtbar. Ich musste mich direkt übergeben gehen“, erklärte sie, während Harry
grinsen musste.
„Verständlich“,
bemerkte er gönnerhaft. Hermine verdrehte die Augen.
„Nicht wegen
ihm. Aber – wenn man es so sieht… - bestimmt auch ein bisschen wegen ihm.
Danke, dass ich hier schlafen darf“, ergänzte sie, denn Ginny hatte es ihr
angeboten.
„Kein
Problem! Du bist noch krankgeschrieben, wir haben hundert Zimmer“, sagte Ginny
abwehrend und begann den Tisch abzuräumen.
„Und die
Gefangenen?“, wollte Harry besorgt wissen.
„Soweit ich
gehört habe, sind Ernie, Neville und John wieder Zuhause. Es war nur eine
Formalie, wie Lucius‘ Rechtsmagier es genannt haben“, bemerkte sie mit gerunzelter
Stirn.
„Neville
ist viel zu impulsiv“, bestätigte Harry kopfschüttelnd. „Ein Wunder, dass sie
ihn nicht gleich verschifft haben, bei seinen radikalen Methoden.“
„Neville
hat völlig recht!“, widersprach Hermine.
„Sicher,
aber er muss lernen, kontrollierter zu handeln. Du siehst ja, was es den Leuten
bringt. Gar nichts“, sagte Harry ernst. James schien das Gespräch entschieden
zu langweilen, stellte Hermine fest, denn er versuchte seit einer Weile ihre
Aufmerksamkeit zu erregen. Sie wandte sich ihm lächelnd zu.
„Tante
Mine?“, unterbrach James das Gespräch nun endlich, während er sich müde die
Augen rieb.
„Ja?“ Sie
konnte nicht umhin bei seiner kleinen müden, verstrubbelten Gestalt zu lächeln.
Er sah aus wie Harry, wenn dieser müde war.
„Liest du
mir noch was vor?“, fragte er und konnte kaum noch die Augen offenhalten.
„Aber
sicher“, versprach sie, ganz die Patentante, die sie war. „Mach dich fertig,
und ich bin in fünf Minuten bei dir.“ James rutschte von seinem Stuhl, gab
seinen Eltern einen Gutenachtkuss und schlurfte gähnend nach oben. „Welche
Geschichte hat er am liebsten?“
Sie merkte
schon wie Harrys Brust vor Stolz anschwoll. „Am liebsten hat er ‚Harry Potter –
Mythos und Legende‘ natürlich“, erklärte Harry ohne Umschweife, während Ginny die
Augen verdrehte.
„Ich denke,
heute reicht ‚Der Zauberer und die Kuh‘ völlig aus. Das haben wir neu“,
bemerkte Ginny vielversprechend, mit einem entsprechenden Blick auf Harry, der
enttäuscht wirkte.
„Der Zauberer
und die Kuh“, wiederholte er beleidigt. „Ein richtiger Epos“, knurrte er
praktisch. Hermine musste grinsen und war froh, dass es ihr endlich besser
ging.
„Klingt
nach genug Abenteuer für mich heute“, sagte sie und erhob sich ebenfalls.
„Lies die
Geschichte und ich mache dir das Bett im Gästezimmer zurecht“, versicherte
Ginny. „Und ‚Mythos und Legende‘ hier neben mir kann das Geschirr sauberhexen“,
befahl sie mit erhobener Augenbraue und einem abschätzenden Blick auf ihren
Mann. Murrend erhob sich Harry und tat aber wie ihm geheißen.
„Gute
Nacht, Harry“, verabschiedete sich Hermine grinsend, und Harry winkte ihr zum
Abschied, während er in seinen nicht vorhandenen Bart meckerte.
Es war zwar
erst neun Uhr, aber sie war unfassbar müde. Schwanger sein war unheimlich
anstrengend, fand sie.
Als sie den
ersten Stock erreicht hatte, hörte sie James bereits in sein Bett klettern.
Sie
streckte sich müde und folgte dem Jungen in sein Zimmer. Es war vollgestellt,
teilweise mit magischem Spielzeug, teilweise aber auch mit Plastikdinosauriern,
Muggelsoldaten, einem Chemiebausatz, und im Regal stapelten sich einhundert
Bücher, müsste sie schätzen.
Sein
Nachtlicht leuchtete magisch, in hübschen beruhigenden Farben und das Zimmer
duftete nach Lavendel. Kurz wurde sie nostalgisch, denn sie wusste, sie würde
bald auch ihr Kinderzimmer einrichten müssen für ihr eigenes Kind.
‚Der
Zauberer und die Kuh‘ lag bereits oben auf. Es war ein schlichtes Buch, mit nur
dem Titel auf dem Einband. Sie kannte das Märchen nicht, aber es klang nicht
wirklich vielversprechend. James konnte seit einem Jahr lesen. Noch nicht
besonders gut, deshalb sah er sich lieber die Bilder an.
„Ok, bist
du soweit? Zugedeckt und in Märchenstimmung?“ Er zog sich die Decke bis zum
Kinn und nickte ehrfürchtig. „Dann legen wir los“, sagte sie und schlug die
erste Seite auf.
„Es war
einmal, in einem uralten Land zu Merlins Zeit, ein junger Zaubererprinz“,
begann sie lächelnd, „der kam auf seinem Ausritt an einem blauen See vorbei.
Dort entdeckte er ein wunderhübsches Mädchen“, fuhr sie fort.
„-was macht
die an dem See?“, fragte James sofort. Hermine hob den Blick von der Seite.
„Ich nehme
an, sie badet“, erwiderte sie achselzuckend. James nickte, mit Erkenntnis im
Blick. „Jedenfalls steigt er von seinem Pferd und stellt sich dem Mädchen vor,
bittet sie, mit auf sein Schloss zu kommen. Sie willigt ein-“ Hermine
unterbrach sich selbst. „-sie willigt ein? Einfach so?“, murmelte sie dem Buch
stirnrunzelnd zu, aber James schien damit weniger ein Problem zu haben.
„Na klar,
er ist ein Zaubererprinz, und sie wohnt an dem See!“, rief er aus. Hermine
schüttelte den Kopf.
„Sie wohnt
ganz bestimmt nicht da. Sie badet ja nur, Merlin noch mal. Kann ein Mädchen
nicht in Ruhe baden, ohne direkt von einem Prinzen aufgefordert zu werden,
mitzukommen?“ James sah sie verwirrt an. Ginny steckte den Kopf ins
Kinderzimmer.
„Na,
Hermine?“, neckte sie sie. „Ist das Märchen nicht real genug für deinen
Geschmack?“ Hermine verdrehte die Augen.
„Es ist nur…
ein bisschen plötzlich, wie da alles ins Rollen kommt“, beschwerte sich Hermine
kleinlaut.
„Mir
gefällt’s“, behauptete James, mit kleinen verschränkten Armen, und Hermine las
seufzend weiter, während Ginny lachend das Zimmer verließ, nachdem sie James
noch einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte.
„Nacht
Hermine“, verabschiedete sich Ginny noch von ihr, aber Hermine konzentrierte
sich wieder auf die Geschichte.
„Also, das
Mädchen willigt ein, unter einer Bedingung“, fuhr sie fort. „Der Prinz dürfe nie
mehr zu diesem See zurückkehren, unter keinen Umständen. Zuerst ist der Prinz
verwundert über diese Bitte, aber er gibt ihr sein Versprechen.“ Wieder hoben
sich Hermines Augen, um in James‘ unschuldiges Gesicht zu blicken.
„Als ob“,
entfuhr es ihr kopfschüttelnd. „Da hält der sich doch nie dran!“, murmelte sie
böse. „Das Mädchen ist so naiv!“
„Tante
Mine, lies weiter!“, meckerte James jetzt, und Hermine riss sich zusammen.
„Auf dem
Schloss angekommen, heiraten beide – natürlich“, ergänzte sie spöttisch,
während James schon grinsen musste, über ihre Ausbrüche. „Aber – oh Wunder –
den Prinzen lockt die Neugierde, und eines Nachts reitet er heimlich zum blauen
See zurück, nur um sich zu vergewissern, dass ihm nichts entgeht. Was soll ihm
entgehen, Merlin noch mal? Es ist ein langweiliger See!“, entrüstete sie sich,
während James kichern musste.
„Tante
Mine!“, lachte er, und Hermine verzog den Mund, ehe sie weiterlas.
„Und als er
am See ankam, traute er seinen Augen kaum. Am Ufer stand eine Kuh, und sie
wirkte wie aus purem Gold gemacht.“ Hermine runzelte die Stirn. „Ernsthaft?“
James kringelte sich in seinem Bettchen.
„Tante
Mine, komm schon“, befahl er grinsend. Hermine schüttelte den Kopf und seufzte
theatralisch auf.
„Ok, da ist
er also und da steht diese Kuh aus Gold“, fuhr sie fort, während James noch
mehr lachen musste. Ihre Mundwinkel zuckten, ehe sie wieder ernst wurde. „Er
näherte sich dem Tier unbemerkt – und tatsächlich – die Kuh schimmerte golden
im Mondlicht. Der Prinz beschloss, die Kuh einzufangen, um sich ein Mantel aus
ihrem Fell zu machen.“ Jetzt sank das Buch in ihren Händen. James grinste schon
wieder.
„Was?“,
wollte er herausfordernd wissen, während seine Füße unter der Bettdecke vor
Spannung wackelten.
„Wenn du
mir jetzt sagst, dass du den Prinzen nicht unfassbar blöd findest, dann lese
ich nicht weiter“, antwortete sie trocken, und James prustete los.
„Ja, ok! Der Prinz ist echt blöd! Lies weiter!“, bat er jetzt. Hermine bemerkte
nicht, wie Harry und Ginny am Türspalt lehnten und lauschten.
„Ok, na
gut, also, es kommt jetzt natürlich alles vollkommen unvorhergesehen, James.
Der Prinz versuchte sein Glück, aber die dumme Kuh war natürlich schneller als er
seinen Zauberstab ziehen konnte – Kühe haben das so an sich, musst du wissen.
Kühe sind wahnsinnig schnelle Raubtiere“, fuhr sie abschätzend fort, während
James vor sich hin kicherte. „Völlig erschöpft –natürlich, denn eine Kuh um den
See zu jagen, muss für einen dummen Prinzen erschöpfend sein – reitet der Prinz
nach Hause und beschließt, einen Jagdtrupp zu organisieren, um die Kuh zu
fangen. Merlin, einer halt mich fest! Die Spannung ist nicht auszuhalten.“
James zog
sich vor Lachen die Decke über den Kopf, während Hermine umblätterte.
„Jedenfalls
ist auch das Mädchen nicht vollkommen zurückgeblieben und erkundigt sich bei
ihrem Liebsten, wo er denn die Nacht über gewesen ist, und natürlich ist sie
ein wenig verblüfft, als der Prinz keine passende Ausrede parat hat und ihr
auch noch fadenscheinige Gründe liefert, weshalb er diese Nacht noch mal mit
einer ganzen Jagdgesellschaft aufbrechen möchte“, sagte Hermine, während James
lachend unter der Decke hervorkam.
„Das steht
da nicht!“, behauptete er mit rotem Gesicht, und Hermine riss sich zusammen.
„Das
Mädchen legt ihm nahe, sich auf jeden Fall vom See fernzuhalten, was der Prinz
ihr erneut verspricht. Später am Abend macht sich der Prinz jedoch ungeachtet
seines Versprechens mit seinem Trupp auf den Weg, zurück zum See. Wieder sah er
die goldene Kuh und dieses Mal gelang es ihm mit seinen Männern sie
einzufangen. Die Kuh schrie lauthals und wehrte sich, versuchte, zu entkommen,
aber mit einem eisernen Zauber führten die Männer sie zurück zum Schloss.“
Hermine
blätterte um. „Am nächsten Morgen verbreitete sich die Geschichte der goldenen
Kuh wie ein Lauffeuer im Palast. Nur das Mädchen war nicht aufzufinden. Der
Prinz war ganz froh darüber, so würde sie vielleicht nicht davon erfahren, dass
er die Kuh am blauen See gefangen hatte. Kurzerhand wurde die Kuh mit einem
Zauber des Prinzen getötet und-“ Hermine machte eine dramatische Pause und sah
James in das verblüffte Gesicht, „verwandelte sich in das hübsche Mädchen.“
„Echt?“,
hauchte James, während Hermine über so viel Unschuld und kindliche Naivität die
Augen verdrehen musste.
„Echt“,
bestätigte sie. „Das Mädchen lag sterbend vor dem Prinzen, welcher untröstlich
an ihre Seite gesunken war. ‚Ich war die goldene Kuh‘, sagte das Mädchen
unglücklich zum Prinzen. ‚Mein Vater hat mich mit einem Zauber belegt, der mich
jeden Abend in die goldene Kuh verwandelt, so dass ich am Tage diese schöne
Gestalt behalten kann‘, erklärte sie mit letztem Atem. ‚Und jetzt trifft dich
der Fluch, und dein Leben endet mit meinem.‘ Und mit
diesen Worten starb das Mädchen und an ihrer Stelle erschien ein normales,
weißes Kalb.“ Hermines Augenbraue wanderte entsprechend in die Höhe.
Sie atmete
lange ein, ehe sie fortfuhr. „Und der Prinz reute seine böse Tat, zog das Kalb
auf, ließ es im Palaste wohnen und speisen, behandelte es besser als sich
selbst, und als die Kuh eines späten Tages alt und krank geworden war, führte
der Prinz sie zurück an den blauen See, legte sich mit ihr darnieder an das
schöne Ufer und tat mit der Kuh seinen letzten Atemzug und war froh, mit ihr
gehen zu können, denn ohne sie hätte er nicht mehr sein wollen.“
Das Buch
sank in ihren Händen und ungläubig schüttelte sie den Kopf, während James
losprusten musste bei ihrem Anblick. „Also, das war der größte Unsinn, den ich
bisher gelesen habe, und glaube mir, ich habe eine Menge Unsinn gelesen“,
versicherte sie ihm und dachte an die Trollschlachten, von denen Professor
Binns stets hellauf begeistert gewesen war.
„Fabelhaft,
wie du den Jungen zum Schlafen bringst“, bemerkte Ginny vom Türrahmen aus und
ertappt wandte Hermine den Blick, während James quietschte vor Lachen.
„Also
wirklich, das war eine so blöde Geschichte, das kann James nicht ernstnehmen“,
bemerkte Hermine. Ginny versuchte mittlerweile, ihr Grinsen zu unterdrücken.
„Hm, in
Ordnung. Wie wäre es, wenn du es Lavender bei ihrem nächsten Besuch sagen
würdest? Es war ihr erster Versuch an einem Kindermärchen“, fuhr Ginny grinsend
fort. Hermines Mundwinkel sanken. „Es war ihr Geburtstagsgeschenk für James.“
„Oh?“,
sagte sie nur, während auch Harry das Lachen hinter der Hand verbergen musste.
„Wieso
sagst du es mir nicht vorher? Sie kann mich ohnehin schon nicht leiden!“,
knirschte Hermine hervor.
„Ich sage doch,
‚Legende und Mythos‘ wären tausendmal besser gewesen“, behauptete Harry, und
Ginny deckte James fester zu.
„So, mein
lieber. Jetzt wird geschlafen, müde oder nicht.“
„Kann Tante
Mine noch so ein Märchen vorlesen?“, bat James untröstlich, aber Ginny
schüttelte den Kopf.
„Deine
Tante hat nicht genügend Ernst dafür. Tante Lavender wird es nächstes Mal
machen“, versprach Ginny zwinkernd. James verzog den Mund.
„Oh nein!“,
rief er aus. „Tante Lavender ist nicht so lustig wie Tante Mine!“, beschwerte
er sich, und Hermine fühlte sich sehr geschmeichelt.
„Sag ihr
das bloß nicht“, warnte ihn Ginny kopfschüttelnd. „Gute Nacht, Großer.“
Hermine
zerwuschelte James das dunkle Haar, ehe sie Ginny und Harry folgt, die leise
die Tür schlossen.
„Du
könntest mit ab und an was vorlesen. Du bist unheimlich gut“, bemerkte Harry
anerkennend. „Habe James noch nie vor Lachen schreien hören“, fuhr er fort.
Hermine ärgerte sich über sich selbst. Das bedeutete wieder einmal zwei Jahre
Streit mit Lavender, wenn James es ihr erzählen sollte – was er würde.
Herrlich. Vielleicht würde Ron sie ja für eine Kuh verlassen, überlegte
Hermine, während sie sich verabschiedete.
Es war halb
zehn. Zeit, für die langweiligen Menschen, schlafen zu gehen. Sie freute sich
schon darauf, ein langweiliges Leben zu haben. Mit einem Baby, ihrem Job und
einer ruhigen Zukunft.
Endlich
konnte sie anfangen, sich zu freuen. Jetzt wo die Übelkeit vorbei war, sah
alles gleich viel angenehmer aus.
~*~
Er hatte
langsam genug davon, zu warten. Er wollte es hinter sich bringen, um einen
fabelhaften Abend mit Emilia genießen zu können. Edward Goode neben ihm maß
dieser Aktion etwas zu viel Ernst bei, überlegte er besorgt.
Es war kurz
nach elf, und sie waren etwas außerhalb von London angekommen. Er hatte noch
nie darüber nachgedacht, wo Potter wohnte, aber immerhin schien Goode Bescheid
zu wissen.
Draco war
auch noch nie irgendwo eingebrochen, wenn er darüber nachdachte. Ein wenig kam
es ihm wie ein Jungenstreich vor. Ein dummer, aber immerhin ein Streich. Kaum
ernst zu nehmen.
„Wir sind
da“, eröffnete ihm Goode und blieb vor einem kleinen Haus am Rand der Straße
stehen. Es lag dunkel vor ihnen, ein kleiner Garten erstreckte sich vor ihnen, der
um das Haus führte. Sie belegten sich vorsichtshalber mit
Desillusionierungszaubern, damit sie keiner sah. Potter hatte keinen Wachhund,
stellte Draco erleichtert fest, als sie das angelehnte Tor aufgeschoben hatten.
Sie schlichen an den dunklen Fenstern im Erdgeschoss vorbei, und Draco war
dankbar, dass Potter und seine Frau arbeiteten und verdammt früh ins Bett
gingen.
„Hier oben
ist es!“, behauptete Goode, deutete mit der Hand in den ersten Stock, und Draco
sah ihn knapp an.
„Wie kommen
wir da hoch?“ Er bräuchte einen Besen, oder-
„-Weinranke!“,
sagte Goode, und Draco nahm an, Goode war gute sieben Jahre jünger als er. So
sah er zumindest aus.
„Das ist
dein Ernst?“, erkundigte sich Draco, aber Goode nickte heftig.
„Es geht
leicht. Potter bewahrt alte Trophäen in diesem Zimmer auf.“
„Das hast
du bei deinem letzten Einbruch festgestellt?“, wollte Draco ungläubig wissen.
Aber Goode nickte naiv.
„Ja. Ich
musste eine Weile suchen“, gab er zu bedenken. Merlin, diese dummen
Reinblüter-Jungen.
„Und in dem
Zimmer ist keiner?“, vergewisserte sich Draco, ehe er sich der kräftigen Ranke
näherte.
„Nein.
Keiner“, versprach Goode.
„Dann mache
ich es alleine“, erwiderte Draco. Er würde hochklettern, das Fenster öffnen,
schnell rein, den Schnatz ins Regal legen und wieder abhauen. Potter verfügte
über kein Alarmsystem, sagte Goode, über keinen Hund – er hatte eine Frau und
einen kleinen Sohn. Und alle schliefen.
Kinderspiel,
sagte er sich. Ein wenig Nervenkitzel. Dann wandte er sich um.
„Was liegt
anstelle des Schnatzes im Zimmer? Oder liegt nichts an seiner Stelle?“ Und
jetzt grinste Goode triumphierend, als wäre es ein Geniestreich von ihm.
„Ein
goldener Tischtennisball“, sagte er fröhlich. Draco runzelte die Stirn. Potter
war nicht der hellste, nahm er an. Oder ihn interessierte der alte Schnatz
nicht mehr wirklich. Das konnte auch sein. Gut, das hieß, er kam nicht oft in
dieses Zimmer.
„Los
geht’s“, murmelte Draco, eher um sich selbst zu unterstützen, aber Goode reckte
einen Daumen in die Höhe. Dann griff er nach der Ranke, stellte den Fuß in eine
Gabelung und zog sich lautlos in die Höhe. So ging er Meter um Meter vor, bis
seine Finger sich endlich um den Fenstersims schlossen.
Und er
hatte auch noch Glück, denn das Fenster war angelehnt. Er schob es leise auf
und zog die Gardinen vorsichtig zur Seite. Mondlicht fiel in das Zimmer. In
einer Ecke stand ein ungemachtes Bett. Schlief hier doch jemand? Er lauschte in
die Dunkelheit. Er hörte keinen Ton. Er zog seinen Zauberstab und entfachte ihn
stumm. Das Bett war leer. Vielleicht war es ein Gästezimmer? In der anderen
Ecke standen Regale. Hinter Glas erkannte er Quiddtichauszeichnungen,
Ehrenurkunden, Medaillen des Ministeriums für besondere Verdienste, bla bla…
das übliche Getue eben, für den Helden, den keiner leiden konnte, dachte Draco
entnervt, während er sich über den Fenstersims ins Innere zog. Seine Füße
machten kein Geräusch auf dem weichen Teppich.
Er schritt
zu einem weiteren Regal, wo keine offiziellen Ehrungen lagen, sondern Potters
private Erinnerungen, nahm er an. Bilder von ihm und seinen Freunden standen in
alten Bilderrahmen nebeneinander. Schulnotizen, alte Briefe und aller möglicher
Kram lagen dort verteilt. Draco zog eilig die Kiste aus seiner Tasche und fand
die Kopie. Die identische Box stand aufgeklappt in der Mitte und auf ihrem Bett
aus Samt thronte der goldene Tennisball.
Draco
musste lächeln. Es war ein netter Streich. Schade, dass Potter nichts davon
erfahren würde. Er griff nach der falschen Kiste, um-
„-keine
Bewegung, oder ich benutze den Stupor!“, hörte er eine weibliche Stimme hinter
sich.
Fuck, dachte er und schloss entnervt die Augen. Er
hatte verdammtes Pech.
„Clever as the devil and twice as
pretty.“
Holly Black
Scheiße.
Verdammte Scheiße, dachte er zornig, blieb aber ruhig. Und was jetzt? Merlin,
so ein verfluchter Mist. War es Potters Frau? Schlief sie in dem verdammten
Bett? Hatten sie sich gestritten? Musste das gerade heute Nacht passieren?
Verdammt.
„Das wird nicht
nötig sein“, erwiderte er schließlich zerknirscht. Gab es einen Weg, sich aus
der Sache rauszumogeln? Bei Blutsverrätern, mit denen er sich noch nie
verstanden hatte? Es würde immerhin für herrliche Schlagzeilen sorgen. Sein
Vater wäre begeistert, nahm er bitter an.
„Runter mit
dem Zauberstab!“, befahl die weibliche Stimme kalt. Er hatte das Regal vor sich
beleuchtet und widerwillig warf er den Zauberstab neben sich zu Boden. Er
hörte, wie sie ihn mit dem Accio zu
sich holte. Verdammt, dachte er nur wieder. Unten wartete Goode auf ihn. Der
würde auch noch Ärger bekommen, nahm er an. Wäre er doch einfach Zuhause
geblieben. Er und sein verdammter Penis, dachte er böse mit sich selbst.
Er hörte,
wie die Frau über den Boden schritt, Richtung Tür. Was jetzt? Wollte sie Potter
holen? Großartig. Verflucht großartig.
„Was
wolltest du? Harrys Medaillen stehlen?“, fragte sie ihn zornig, betätigte den
Lichtschalter, und das helle Petroleum blendete ihn kurz, als das Deckenlicht
magisch entfacht wurde.
Er blinzelte
und verzog den Mund. Scheiße.
„Mal-?
Malfoy?“, entfuhr es der Frau ungläubig, und Hermine Granger stand ihm barfuß
im Schlafanzug gegenüber. Die Haare standen auf ihrem Kopf wie ein zotteliger
Mob in alle Richtungen ab, und Unglaube zierte ihre blassen Züge. Ihre Augen
stachen besonders dunkel aus ihrem hellen Gesicht hervor und Sommersprossen
übersäten ihre Wangen.
Aber den
Zauberstab hielt sie unverwandt und starr auf ihn gerichtet.
Super.
„Hallo“,
sagte er schließlich, denn – was in Salazars Namen sollte er sonst tun? Wie
hoch standen die Chancen, dass er dieses Zimmer heute Nacht verlassen würde,
ohne dass Granger petzen würde? Wahrscheinlich schlecht bis ganz schlecht, wenn
er den besserwisserischen Bücherwurm vor sich richtig in Erinnerung hatte. Sie
war verliebt in Regeln gewesen, erinnerte er sich. Ein Wunder, dass ihn die
dämliche Muggel nicht schon längst verpfiffen und
Alarm geschlagen hatte. So etwas traute er ihr zu. Anscheinend bestand ihr
ganzer Lebensinhalt auch jetzt noch darin, Reinblüter zu belästigen. Ihm war zu
Ohren gekommen, dass sie versuchte, der Vereinigung Gold streitig zu machen.
Zumindest hatte Blaise es beim Essen erzählt.
„Was zur
Hölle tust du hier?“, entfuhr es ihr fassungslos. „Was ist das?“, erfasste ihr
Blick schnell die Box in seiner Hand. Er dachte kurz nach. Bestimmt hatte Goode
das Licht im Zimmer längst bemerkt und war wie ein guter, feiger Reinblüter
abgehauen.
„Das?“,
wiederholte er mit gespielter Ahnungslosigkeit, während sein Blick auf die
Kiste fiel, als sähe er sie zum ersten Mal.
„Gib es
mir!“, befahl sie plötzlich harsch.
„Ich-“,
begann er, aber sie schien keine Geduld zu haben.
„-Accio Kiste!“, rief sie knapp, und sie
entglitt seinen Fingern, um in ihre ausgetreckte Hand zu segeln. Seinen
Zauberstab hatte sie eingesteckt. Sie öffnete sie mit einer Hand, und ihr Blick
fiel auf den echten Schnatz. „Du stiehlst Harrys Schnatz?“, flüsterte voller
Unverstand. Wie sollte sie es auch verstehen? Es ging um eine Nacht aufregenden
Sex. Er glaubte nicht, dass dieses unansehnliche Mädchen vor ihm überhaupt
jemals eine Nacht aufregenden Sex gehabt hatte.
Aber er
glaubte auch nicht, dass sie seine Ausführungen darüber jetzt gerade
interessieren durften.
„Nicht…
direkt“, erwiderte er ratlos.
„Ach nein?“
„Nein“,
antwortete er, und war relativ dankbar, dass sie sich tatsächlich in ein
Gespräch verwickeln ließ. „Ich bringe ihn zurück.“ Sie blinzelte erneut, schien
ihm kein Wort zu glauben. Langsam wandte er sich um und griff sich die falsche
Box. „Das hier ist ein Tennisball“, erklärte er, ehe sie noch einen Fluch
abfeuern würde. Ihr Blick fiel von der Box in ihrer Hand auf die in seiner.
Müdigkeit
zerrte an ihren Mundwinkel, ebenso wie Ungeduld.
„Was soll das?“,
wollte sie barsch wissen.
„Es ist ein Spiel“, erklärte er geduldig, vielleicht ein wenig zu nachsichtig,
denn ihre dunklen Augen verengten sich böse.
„Ein
Reinblüter-Spiel?“, entfuhr es ihr gehässiger und berechnender, als er es ihr
überhaupt zugetraut hatte. Tatsächlich hatte sich ihre linke Augenbraue gehoben
und grub eine gebogene Falte in ihre glatte, sommersprossige Stirn. Ihre Lippen
hatten sich abschätzend geschürzt. „Faszinierend finde ich persönlich, dass ich
heute dich und deinen Vater sehe“, murmelte sie kopfschüttelnd, aber ihr
Zauberstab sank tatsächlich, während sie sich müde mit dem Handrücken über ihre
Augen fuhr. „Es muss ein Unglückstag sein“, schloss sie still.
Er sagte
gar nichts, ließ sie reden und wunderte sich, weshalb sie seinen Vater gesehen
hatte. Wahrscheinlich um sich bei ihm über Gold zu beschweren. Was sollte sie
sonst tun?
„Können wir
das außerhalb des Ministeriums regeln?“, kürzte er das unangenehme Gespräch ab,
denn er wollte gehen. Vielleicht konnte er den Tennisball mitnehmen. Vielleicht
ließ sie ihn gehen. Sie sah ihn entsprechend entnervt an.
„Hast du
vor, mir eine Bestechung anzubieten?“, wollte sie ungläubig wissen, und er
ruckte mit dem Kopf. Nein, er hatte an etwas weniger Drastisches gedacht. „Du
bist hier eingebrochen, Malfoy“, sagte sie jetzt empört, als er nicht
antwortete.
„Das ist
nicht ganz richtig. Das Fenster war offen“, rechtfertigte er sich sofort.
„Ja, und
das bedeutet was? Dass du dir die Freiheit nehmen kannst, die Hauswand
hochzuklettern und hier einzusteigen? Hausfriedensbruch ist-“
„-was willst du?“, unterbrach er sie kurzerhand. Ihr Mund verzog sich
angewidert.
„Es gibt
nichts, was irgendein Malfoy mir bieten könnte.“ Er verdrehte die Augen bei so
viel Melodrama.
„Ok, dann
was?“, entfuhr es ihm entnervt. „Du weckst den Helden, ihr ruft die
Strafverfolgung, die Affen des Ministeriums kommen, nehmen mich mit, müssen
mich gehen lassen, weil mein Vater sonst einen Ausraster bekommt – und dann?“
Auffordernd sah er sie an.
„Du denkst
doch wohl nicht, ich lasse dich einfach wieder verschwinden, oder?“
Daraufhin
schenkte er ihr einen knappen Blick aus wachsamen Augen.
„Nein? Was
hast du vor mit mir?“, wollte er mit genau der richtigen Mischung an
Zweideutigkeit und Unglaube wissen, so dass sie kurz stockte, bevor sie
blinzeln musste.
„Was?“,
entfuhr es ihr etwas verwirrter. „Nein, ich…“, begann sie kopfschüttelnd,
während sie etwas mehr Farbe in den Wangen bekam.
„Willst du
mich fesseln? Ans Bett binden? Was genau schwebt dir vor? Und wieso denkst du,
würde ich mich darauf einlassen?“ Ja, sein gewagter Schritt hatte die richtige
Konsequenz erwischt. Es war ihr tatsächlich peinlich, was er sagte. Das hatte
er schon lange nicht mehr erlebt. Scheinbar waren die Frauen, mit denen er
verkehrte weniger… prüde, nahm er an und verbarg sein Lächeln, in dem er seinen
Kiefer anspannte.
„Ich –
nein!“, sagte sie heftig. „Wenn du deinen widerlichen Mund nicht hältst, dann
werde ich Harry-“ Aber er unterbrach ihre nichtssagenden Beleidigungen. Das Spiel
wurde langweilig.
„Muss
Potter nicht arbeiten? Hat er wirklich Zeit für so etwas?“
„Du hast
scheinbar jede Menge Zeit für so etwas!“, griff sie seine Worte ungläubig und
entrüstet auf, aber scheinbar dankbar, dass er das Thema gewechselt hatte. „Und
unterschätz Harry nicht. Ich denke, ihn interessiert es, dass mitten in der
Nacht Todesser in seinem Hause ein und aus spazieren!“, fuhr sie ihn an, biss
sich aber wohl gleichzeitig auf die Lippe.
Ah...
tatsächlich? Das war es, was sie dachte? Muggelaktivistin Granger zog die
Todesserkarte. Seine Oberlippe kräuselte sich kurz. Charmant.
„Ehemalige Todesser“, korrigierte sie
sich widerwillig, ohne großartig schuldbewusst dabei zu klingen. Merlin, war
sie anstrengend! Und nachtragend scheinbar auch. Typisch Muggel!
„Schön“,
sagte er achselzuckend. „Geh und weck den Helden“, bot er ihr an, um sie zu
testen. Dann sollte sie doch! Sein Abend war sowieso verdorben.
„Du kommst
mit!“, sagte sie nur und hob den Zauberstab wieder. Er runzelte die Stirn.
„In Potters
Schlafzimmer? Nein, danke.“ Was tat sie überhaupt hier? War die kleine Weasley
nicht Potters Frau? Er hatte sich nie wirklich für die Klatschpresse in der
Hexenwoche interessiert, ging ihm auf. Betrog Potter seine Frau mit diesem
zotteligen Waschbären hier?
Aber sie
hielt den Zauberstab erbarmungslos auf ihn gerichtet.
„Beweg
dich“, sagte sie nur und deutete zur Tür. Großartig. Scheiße. Er folgte, denn,
was in Salazars Namen blieb ihm schon übrig? Er stieß die Tür zum Flur auf und
konnte sich schon auf das Gespräch freuen, was er mit seinem Vater mitten in
der Nacht führen durfte, weil er in Potters Haus eingestiegen war. Scheiße. Sie
betätigte den Lichtschalter für den Flur und tauchte auch diesen Weg in
gleißend helles Licht. „Letzte Tür“, fuhr sie fort, und Draco schritt lustlos
weiter. Wahrscheinlich würde es in der Zeitung stehen. Blaise würde aus dem
Lachen nicht mehr rauskommen, vermutete er bitter, versunken in trübe Gedanken.
Sie stand
neben ihm. Er überragte sie weit. Sie war recht klein. Es war ihm nie
aufgefallen, aber er glaubte, auch noch nie so nahe neben ihr gestanden zu
haben. Ihre buschigen Hare berührten fast seine Schulter. Ihr Zauberstab zeigte
immer noch auf ihn. Dämliche Kriegshelden, ständig kampfbereit, dachte er
missmutig.
Sie hob die
Hand, als er von drinnen leises Frauenlachen vernahm.
„Harry!“,
hörte er dumpf eine Stimme flöten. „Es ist mitten in der Nacht!“, lachte
Potters Frau, und Granger neben ihm verharrte in der Bewegung. Dracos
Mundwinkel zuckten. Der Schwerenöter Potter schien es seiner Frau noch einmal
besorgen zu wollen.
Wie
praktisch, dass Granger eine prüde Nuss war.
Er hörte
Geraschel aus dem Innern des Zimmers, hörte, wie Potter raue Worte sprach,
erneutes Lachen und recht eindeutige Geräusche.
Röte war in
ihre Wangen getreten. Er musste lächeln. Dann räusperte er sich vernehmlich,
und ihre Augen schossen wütend zu ihm hoch. Ihre Wangen färbten sich noch
röter. Er schenkte ihr einen entsprechenden Blick. Hastig wandte sie sich ab,
und dirigierte ihn mit hochrotem Kopf nach unten, eine Treppe tiefer ins
Erdgeschoss.
Auch hier
entfachte sie das Licht. Sie fuhr sich durch die unordentlichen Locken, schien
nachzudenken.
„Und jetzt?
Weißt du, ich habe noch Dinge zu erledigen“, sagte er knapp, und ihr ätzender
Blick traf ihn zornig. Dann griff sie sich einen Notizzettel von der Anrichte
und fixierte ihn böse.
„Es ist
mitten in der Nacht. Was für Dinge sollen das sein?“, schnappte sie gereizt,
und er schürzte die Lippen, während er nachdachte.
„Also, was
Potter gerade macht, ist tatsächlich eine Aussicht, die-“
„-Gott,
halt die Klappe!“, fuhr sie ihn an, während ein erneuter Schwall Röte in ihre
Wangen stieg. „Halt einfach den Mund“, wiederholte sie, ohne ihn anzusehen. Er
schob die Hände in die Taschen seiner Jacke, aber ihr Zauberstab zuckte in die
Höhe. „Keine Bewegung, oder ich lähme dich und lege dich vor Harrys
Schlafzimmertür ab!“, drohte sie ziemlich ernsthaft, und überrascht zuckten
seine Mundwinkel. Sie schrieb eilig einige Worte auf das Papier. Er versuchte
sie kopfüber zu lesen, aber sie hatte eine echte Sauklaue.
Dann schob
sie ihm Zettel samt Reisefeder zu. Angestrengt entzifferte er ihre Worte.
„Ich, Draco
Malfoy, bin in das Haus der Potters eingebrochen.“ Schon hier machte er eine Pause,
und hob sehr langsam den Blick, bis er in ihre braunen Augen sah. Sanfte Ringe
lagen um ihre weiten Augen. Nein, er war es gewöhnt, Frauen mit Makeup um sich
zu haben. Es war nicht ganz so real, wie diese furchtbare Erscheinung vor ihm.
„Was?“,
entfuhr es ihr herausfordernd. Als ob er so etwas freiwillig unterschrieb! Aber
er las nach einer entsprechend ungläubigen Pause weiter. „Hiermit erkenne ich
meine Schuld an“, las er und schenkte ihr den nächsten knappen Blick, aber ihre
Augen blieben eisern, „und schulde Hermine Granger einen Gefallen, egal in
welcher Höhe, egal zu welcher Zeit, einzufordern durch magisches Bündnis“,
schloss er kopfschüttelnd. „Vergiss es“, ergänzte er knapp. „Da störe ich
Potter lieber höchstpersönlich, bevor ich dein Lustsklave sein darf“, schloss
er freudlos, während er beinahe die Sekunden hatte zählen können, ehe ihre
Wangen wieder eine knallrote Farbe angenommen hatten. Fast war es witzig. Fast.
Denn jetzt gerade war er praktisch eine Geisel in Potters verdammtem Haus.
Sie schien
nachzudenken und sah ihn wohl zur Strafe nicht mal mehr an. Er nahm an, sie
wollte sich seinen Namen zu Nutze machen. Wer wollte das nicht, dachte er nur.
„Und wenn
ich den ersten Satz streiche?“, schlug sie vor und schien in einer
verhandelbaren Stimmung zu sein, stellte er fassungslos fest.
„Nein“,
erwiderte er schlicht.
„Und wenn
ich den Gefallen begrenze?“, ließ sie nicht locker.
„Vergiss
es. Wenn du vorhast, Gold von der Vereinigung zu klauen, dann mach es alleine.
Ich habe damit nichts zu tun“, sagte er nur, und sie sah ihn zornig an.
„Darum geht
es nicht, und im Gegensatz zu dir, habe ich es nicht nötig zu stehlen!“, fuhr
sie ihn an.
„Was willst
du?“, knurrte er, denn es wurde ihm zu bunt. Sie war nicht so höflich und
zuvorkommend wie die Frauen, deren Gesellschaft er üblicherweise um diese Zeit
gewöhnt war.
„Ich weiß
es noch nicht, aber ein Gefallen von einem eurer Sippe erscheint mir praktisch
zu sein.“ Sie sahen sich kurz an. „Es könnte für dich sehr unangenehm werden“,
erinnerte sie ihn.
„Warum?“,
wollte er trocken wissen. „Weil du mich die ganze Nacht lang mit deinem Anblick
foltern wirst, bis Potter sich begnügt von seiner Frau zu klettern, damit du
petzen kannst?“ Sie verzog den Mund, scheinbar etwas aus der Bahn geworfen von
seinen schnellen Retourkutschen. Er war Draco Malfoy. Die Worte Angst und
Kapitulation kamen in seinem Vokabular nicht vor.
„Ich denke
nicht, dass dein Vater noch öfter in der Presse stehen möchte. Erst recht
nicht, weil sein Sohn in das Haus von Harry Potter einbricht, um wertlose
Erinnerungsstücke zu stehlen, weil es Aufgabe eines dummen Reinblüter-Spiels
war! Außerdem habe ich gehört, dass Teresa Zabini mit Reinblüter-Krisen nicht
besonders gut umgehen kann“, schloss sie, ein wenig zu überheblich für seinen
Geschmack.
Er mochte
sie nicht. Wirklich nicht!
„Du
unterstellst mir mehr Macht, als ich habe, Granger“, benutzte er ihren
Nachnamen das erste Mal, seit… seit – noch nie, ging ihm auf. „Ich habe keinen
Einfluss auf-“
„-ich bin
mir sicher, du kannst mir auf deine eigene eingeschränkte Weise behilflich
sein“, unterbrach sie ihn gereizt, und er fühlte sich beleidigt von ihr. Von
einer Muggel! Unfassbar! Seine Augen verengten sich bitter.
„Das ‚egal
was und egal wann‘ kannst du vergessen!“, knurrte er schließlich, denn er sah
seine Freiheit näher rücken, wenn er ihr ein lächerliches Versprechen geben
konnte, was ihn nicht viel kosten würde.
„Innerhalb
eines Monats“, schlug sie ihm vor, aber er lehnte sich vor, strich ihre Worte
mit der Feder durch und drehte das Blatt um.
„Eine
Woche“, widersprach er, ohne aufzusehen, während er schrieb.
„Zwei!“,
sagte sie sofort, und er hielt inne.
„Zehn
Tage“, machte er sein letztes Angebot, und nach kurzem Zögern nickte sie.
„Ok, zehn
Tage!“ Sie vergaß mittlerweile, ihn zu bedrohen und verschränkte die Arme vor
der Brust. Er erkannte jetzt erst die unpassenden Schafe auf ihrem Schlafanzug.
Er senkte kopfschüttelnd den Blick zurück auf das Papier. Eine Sexgöttin war
sie nicht. „Innerhalb von zehn Tagen, schuldest du mir einen Gefallen, die
Vereinigung betreffend“, schloss sie, aber er schüttelte den Kopf, ohne
aufzusehen.
„Die
Parteien des magischen Bündnisses“, las er ausdruckslos, wie er es von seiner
Arbeit gewöhnt war, „hier Versprechender, Draco Malfoy, und Begünstigte,
Hermine Granger, einigen sich auf eine Erfüllung einer nicht weiter benannten
Verbindlichkeit, die innerhalb von zehn Tagen vom Versprechenden zu leisten
ist. Ausgeschlossen sind strafbare Handlungen, gemäß der Ministeriumsgesetze
oder verbotene Handlungen im Rahmen des Interessenschutzes der Magischen
Vereinigung der Reinblüter. Überdies darf ein finanzieller Rahmen von 200
Galleonen nicht überschritten sowie keine persönlich unmöglichen Handlungen vom
Versprechenden verlangt werden, physisch wie moralisch“, fuhr er fort, während
seine Hand eilig die Zeilen niederschrieb. Ihr schräger Blick entging ihm
nicht.
„Was bist
du? Rechtsmagier?“, entfuhr es ihr knapp, und er hob den Blick.
„Ja“,
entgegnete er schlicht. Sie hatte wohl nicht mit seiner ehrlichen Antwort
gerechnet und wirkte etwas überrumpelt.
„Und welche
Verbindlichkeiten bleiben dann noch übrig, Malfoy?“, wollte sie empört von ihm
wissen.
„Ziemlich
viele“, entgegnete er, wohlwissend, dass dies nicht so war. „Natürlich keine
sexuellen, denn das fällt unter physische wie moralische Unmöglichkeit“,
bemerkte er ungeniert an. Sie schenkte ihm einen ätzenden Blick.
„Du bist
widerlich. Wirklich krank und widerlich“, entfuhr es ihr schockiert. „Was
sollen diese sexuellen Anspielungen? Bist du noch in der Pubertät und hältst
dich für großartig, oder so?“, wollte sie angewidert wissen. Gerne hätte er
geantwortet, aber sie gab ihm nicht die Zeit. Es schien ihr schon wieder
peinlich zu sein. Merlin, wäre ihm so viel peinlich wie ihr, dann könnte er
sein Leben gleich in einer Kiste verbringen.
„Wenn du
Rechtsmagier bist, weiß du wohl, dass Hausfriedensbruch mit einer weitaus
höheren Strafe als 200 Galleonen geahndet wird“, bemerkte sie knapp, und er verzog
den Mund. Kurzerhand strich er die Zahl durch.
„500“, bot
er knapp an.
„2.000“,
erwiderte sie kalt. Er hob den Blick.
„2.000
Galleonen? Ich-“
„-2.000
Galleonen. Tu nicht so, als ob es dir finanziell irgendwelche Schwierigkeiten
bereitet!“, unterbrach sie ihn nur. Er schluckte seinen Zorn runter.
„Du hast
keine Ahnung, was mir finanzielle Schwierigkeiten bereitet. Einer dreisten
Muggel 2.000 Galleonen praktisch zu schenken für absolut gar nichts, bereitet
mir verdammt noch mal keine Freude!“, presste er zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor.
„Praktisch
zu schenken?“, wiederholte sie außer sich. „Du bist hier eingebrochen!“
Aber bevor
er sich über technische Feinheiten wie Einbruch und Hausfriedensbruch mit
Potters Wachhexe streiten musste, gab er lieber nach. Merlin, noch mal!
„Fein.
2.000 Galleonen, Goldgräberin“, entgegnete er unwirsch und trug den Wert ein.
„Das war es?“, wollte er spöttisch von ihr wissen.
„Denk ja
nicht, dass mir in diesem Rahmen nicht etwas Geeignetes einfallen wird,
Malfoy“, schien sie ihn zu warnen und ihr Blick hatte etwas Beunruhigendes an
sich, fand er, auch wenn dieses Bündnis sie mit merklich wenig Möglichkeiten
ausstattete.
Er
unterschrieb. Eher widerwillig als freiwillig, aber die Freiheit war so
greifbar nah.
Dann schob
er ihr den Zettel zu. Sie tat es ihm gleich. Sie musste bemerken, wie sauber
seine Schrift war, nahm er an, denn ihr Namenszug wirkte wie von einem
besoffenen Troll gekrakelt.
„Du bist
Linkshänder“, stellte sie ohne jeden Zusammenhang fest, und tatsächlich war er
kurz aus der Bahn geworfen.
„Ja?“, kam
es fast ein wenig angriffslustig über seine Lippen, obwohl er sich nicht sicher
war, warum. „Den hier werde ich mitnehmen“, bemerkte er knapp und nahm sich die
falsche Box mit dem Tennisball von der Anrichte.
„Wenn du
das nächste Mal einbrichst, kommst du nicht so leicht davon“, gab sie zu
bedenken, während sie ihm zur Tür folgte. Er hob freudlos eine Augenbraue.
„Das nennst
du leicht?“, entfuhr es ihm gereizt. „Und was soll das heißen? Dass du in jedem
Haus, in das ich vielleicht oder vielleicht auch nicht einbrechen werde, Wache
halten wirst? Eine seltsame Drohung, findest du nicht?“
Merlin, sie
war tatsächlich genervt von ihm, stellte er amüsiert fest, denn ihr Blick hatte
wieder etwas Fassungsloses angenommen.
„Hörst du
dich selber reden?“, fragte sie tatsächlich erschüttert. „Oder magst du einfach
nur den Klang deiner Stimme?“ Er zuckte die Achseln.
„Sicher, so
wie alle anderen auch.“ Er lächelte arrogant, einfach nur, um sie noch etwas zu
reizen.
„Ich hätte
dich Harry zum Fraß vorwerfen sollen“, murmelte sie, ohne ihn weiter zu
beachten.
„Nächstes
Mal“, ging er auf ihre Worte, mit dem gewissen Maß an überheblicher Würze ein,
die ihm wieder einen bösen Blick aus ihren dunklen Augen bescherte. Es hatte
angefangen zu regnen, stellte er fest, als sie die Tür entriegelt hatte und sie
in die Nacht öffnete. Er zog die Kapuze seiner Jacke über seinen Kopf. Er
wandte sich ihr zu und senkte den Blick. Sie war sehr klein. „Zauberstab?“,
bemerkte er knapp, und widerwillig zog sie ihn aus der Tasche.
„Nebenbei“, schloss er, während er sich
anschließend von ihr abgewandt hatte, „netter Liebestöter, den du anhast. Eine
echte Femme Fatale. Konnte mich gerade noch davon abhalten, aus deinem
knallharten Vertrag keinen Ehevertrag zu machen.“ Er war ein wenig zu
euphorisch, stellte er fest. Gleich würde sie wahrscheinlich doch noch Potter
holen gehen, um ihre Ehre zu verteidigen. Zeit, zu gehen!
„Oh, hau
endlich ab, du… du…!“ Ihr schien netterweise keine Beleidigung einzufallen, was
sie wohl noch mehr aufregte. Merlin, Granger war richtig komisch. Auf eine
mitleidserregende Weise.
„Ach, und
ich ziehe in den nächsten Tagen um, also am besten beeilst du dich mit deinem
lächerlichen Gefallen“, schloss er und zog ihr den Zauberstab aus der Hand. In
zehn Tagen wäre er längst weg.
„Und du
wechselst den Kontinent, oder weshalb ist diese Information für mich wichtig?“,
wollte sie zornig wissen, aber er nickte schlicht. Sie sah ihn ausdruckslos an.
„Ich ziehe
nach Amerika. Und nach dieser Nacht nur umso dringender“, schloss er spöttisch
und war in die Nacht verschwunden. Noch einen Moment lang sah er den warmen
Schein des Lichtes seinen Weg beleuchten, ehe Granger die Tür unsanft ins
Schloss warf.
Immerhin.
Er hatte den Tennisball. Und er war nicht aufgeflogen. Zumindest nicht
wirklich.
Ein halber
Triumpf. Er war Draco Malfoy. Und er hatte es bisher immer geschafft, sich aus
brenzligen Situationen unbeschadet rauszumanövrieren. Er war fast überrascht,
Edward Goode neben dem Gartentor stehen zu sehen. Ungläubig starrte dieser ihn
an.
„Sie… sie
haben dich einfach gehen lassen?“
Als
‚einfach‘ würde Draco diese Nacht nicht bezeichnen, immerhin hatte es ihn eine
Unterhaltung mit einer Schreckschraube und 2.000 Galleonen gekostet, nur damit
sie Potter nicht weckte und er die Nacht im Ministeriumsgefängnis versauern
musste, bis sein Vater sich bequemte, die Sache zu übernehmen. Aber das war es
wohl oder übel wert gewesen.
„Sicher“,
erwiderte er also, nicht ohne die Mundwinkel spöttisch zu heben. „Ich bin Draco
Malfoy“, sagte er nur.
„Hast du den Tischtennisball?“, wollte Goode gespannt wissen, und Draco zog die
Box aus der Tasche. „Großartig!“, rief Goode anerkennend aus. „So was habe ich
noch nicht erlebt!“, rief der junge Mann aufgeregt und schlug ihm auf die
Schulter. „Du hast die Prüfung bestanden!“
Es gab
keine Prüfung, die Draco Malfoy nicht bestand. Und immerhin war die Nacht nicht
völlig vergeudet, denn er brannte darauf, seinen Preis einzufordern.
Vielleicht
konnte er auf diese Weise Verbindungen mit dem ungarischen Parlament
herstellen. Es konnte nur praktisch sein, überall einen Fuß in der Tür zu
haben, wenn man noch nicht wusste, wohin einen das Leben führen würde, dachte
er lächelnd, während ihm Goode wieder und wieder gratulierte.
„Single women have a dreadful
propensity for being poor...
which is one very strong argument in
favour of matrimony...“
Jane
Austen
Hermine
hatte Harry und Ginny nichts weiter von dem nächtlichen Zwischenfall erzählt.
Das war die Abmachung gewesen, obwohl sie so wütend auf Malfoy war. Und auf
sich selbst! Sie war nicht schlagfertig genug gewesen! Es schockierte sie immer
noch, dass er so… so… - dass er so ein Arschloch war! Sie hatte sich
anschließend noch Harrys Trophäenregal angesehen und nicht begreifen können,
warum dämliche Reinblüter seinen Schnatz stehlen wollten, nur um ihn wieder zu
bringen.
Sie glaubte
nicht, dass sie diese Art von Club-Dynamik begriff. Und auch Draco Malfoy
begriff sie nicht. Sie wusste nicht, ob es ein schrecklicher Zufall gewesen
war, beide Malfoys an einem Tag zu treffen. Glück war es bestimmt nicht
gewesen. Eher eine Prüfung des Schicksals. Sie hatte an die Schulzeit
zurückgedacht, hatte versucht, sich zu erinnern. Aber nur an seinen Haaren
hätte sie ihn vielleicht erkannt, denn sie waren so unnatürlich blond. Sie
hatte sich sein Gesicht nie eingeprägt gehabt. Es war ihr nie in den Sinn gekommen.
Sie hatte an den großen, blassen Draco Malfoy keinen Gedanken verschwendet.
Und sie
hätte nie gedacht, dass er Teil einer Gruppe wäre, die es nötig hatte, irgendwo
einzubrechen. Aber das war der Punkt, oder nicht? Sie hatten es nicht nötig! Sie
taten es aus Spaß. Sie hatte mit sich gehadert, es Harry zu sagen. Immerhin
hatten sich fremde Menschen, scheinbar ohne großes Aufsehen, in seinem Haus
aufgehalten.
Aber dann
wiederum war der Schnatz wieder an Ort und Stelle, und sie nahm an, dass es jetzt
sowieso keiner mehr wagen würde, herzukommen. Sie nahm es zumindest an.
Und sie
zerbrach sich den Kopf über seinen Vertrag, den er aufgesetzt hatte.
Er war also
Rechtsmagier. Eigentlich hatte sie ihm nur Angst machen wollen. Sie hatte nicht
wirklich einen guten Plan gehabt. Sie wollte ihn nur dazu bringen, in ihrer
Schuld zu stehen. Sei es auch nur, damit er sich unter Druck gesetzt fühlte. Es
wunderte sie nicht, dass Lucius seinen Sohn wahrscheinlich gezwungen hatte,
Rechtsmagier zu werden. Die Reinblüter brauchten jede Hilfe, die sie kriegen
konnten, nahm sie an.
Sie hatte
keine Ahnung, was sie von ihm wissen wollte. Sie konnte ihn nicht nach dem
Vermögen der einzelnen Familien fragen, denn das widersprach dem Gesetz. Und er
würde es ihr ohnehin nicht sagen. Und es brachte ihr auch nicht wirklich etwas.
Sie war sich sicher, alle Reinblüterfamilien besaßen genügend Gold, um die 200
Millionen ohne weiteres zu erstatten, aber keine würde es tun, und sie würden
sich mit Händen und Füßen wehren.
Da würde
Malfoy nicht viel helfen können.
Sie saß auf
ihrer Couch und genoss tatsächlich ihren freien Tag. Es war mal ganz angenehm,
einfach nur zu Hause zu sein. Sie hatte schon eine Idee. Zwar sollte sie wohl
besser abwarten, bis Ginny ihr nach ihrer Untersuchung sagte, dass es zu keinem
Verlust des Babys mehr kommen könnte, wenn Hermine sich körperlich anstrengte,
aber wann wäre ihr nächster freier Tag? Bestimmt nicht, bis sie dann
tatsächlich irgendwann nicht mehr arbeiten konnte.
Sie erhob
sich also und ging nach oben, in das geplante Kinderzimmer.
Noch sah es
so nicht aus.
Noch hatte
sie gar nichts verändert, denn sie hatte nicht gekonnt. Sie hatte sich gefühlt,
als betrüge sie Cedric um seine Erinnerung, wenn sie sein Büro veränderte. Aber
sie wusste, es ging nicht anders. Sie wollte über ihn hinweg kommen. Sie musste
ihn ja nicht vergessen. Das würde sie auch nie. Aber… sie musste sich selber
damit helfen. Soviel hatte sie in der Therapie begriffen.
Seufzend
marschierte sie zum Kamin. Mit dem Zauberstab entfachte sie das Feuer, griff
sich eine Hand voll Flohpulver und kniete sich auf den Teppich. Sie warf das
Pulver in die Flammen, bis diese grün loderten.
„Auskunft“,
sagte sie und steckte ihren Kopf in das kühle Feuer.
Keine
Sekunde später sah sie sich einer Dame der Flohauskunft gegenüber.
„Was kann
ich für Sie tun?“, fragte diese leicht desinteressiert, wie Hermine es schon
gewöhnt war.
„Ich
bräuchte eine Verbindung zu einem Abholer in London?“, erwiderte sie. Die Frau
antwortete nicht mal, sondern leitete sie direkt weiter. Ein Abholer war ein
magischer Sperrmüll-Dienst. Er kam und holte ab, was man nicht mehr brauchte.
Es kostete nicht viel. Und Hermine hatte beschlossen, dass dies die beste
Methode war, einen sauberen Schnitt zu machen, zu ihrer Vergangenheit, die sie
nicht loslassen würde.
Schon wurde
ihr Anruf entgegengenommen. Ein Mann, mit Stulle in der Hand, hatte sich ihr
kauend zugewandt.
„Ja?“,
fragte er knapp, und sie wollte so schnell wie möglich dieses Gespräch beenden,
denn ihre Knie taten mittlerweile weh.
„Hätten Sie
heute Zeit, vorbeizukommen und einige Dinge abzuholen?“, fragte sie direkt, und
der Mann ruckte mit dem Kopf, während er sich am Bauch kratzte.
„Ich kann
in einer Stunde da sein?“, bot er missmutig an. Eine Stunde? Hermine war sich
nicht sicher, ob sie es so schnell schaffen würde. Sie müsste es wohl oder übel
tun.
„Ok“, sagte
sie also.
„Wie viele
Sachen?“, fragte er dann und legte die Stulle bei Seite, um es zu notieren.
„Ein
Schreibtisch, vier Regale, zwei Stühle“, zählte sie auf, was sie loswerden
wollte.
„Adresse?“,
entgegnete er ruppig.
„Rosings
412, Godrics Hollow“, gab sie ihm die Adresse.
„Liegt
außerhalb. Das kostet einen Aufschlag von 50 Galleonen“, bemerkte er, ohne
aufzublicken. Hermine nickte nur.
„Meinetwegen.“
„Gut, bis
dann“, beendete er das Gespräch, und sie zog den Kopf erleichtert aus den
Flammen. Das wäre also erledigt.
Sie kam
wieder auf die Beine und schritt um den Schreibtisch, um sich auf Cedrics Stuhl
zu setzen. Es war ein schwerer Lederstuhl, und den wollte sie auch loswerden.
Cedric war neben dem Aurorendienst auch für die Verwaltung und Beschwerden
zuständig gewesen. Er hatte gesagt, er kümmerte sich gerne um das Wohl seiner
Kollegen.
Er war gut
gewesen. Ein wirklich guter Mensch. Organisiert, durchgeplant. Alles hatte
immer noch seine Ordnung hier. Sie hatte nichts bewegt. Alphabetisch waren die
Akten geordnet gewesen, aber sie hatte diese dem neuen zuständigen Mitarbeiter
zukommen lassen müssen und somit waren die Ordner jetzt leer. Aber seine
persönlichen Notizen waren immer noch chronologisch geordnet in den Ablagen.
Seine
Terminplaner, seine verschiedenen Federn, die bunten Memos, welche unverhext
und unangetastet in der Schublade lagen.
All das
würde sie heute aufgeben. Sie musste es. Auf seinem Schreibtisch stand ein Bild
von ihnen. Es war schon zehn Jahre alt. Sie standen Arm in Arm auf der Kirmes
am Heston Platz. Er lachte glücklich, und Hermine konnte sich nicht mehr
erinnern, wann sie das letzte Mal so zufrieden gewirkt hatte, wie auf diesem
Bild. Es musste eine Ewigkeit her sein.
Sie nahm
an, wenn das Baby kam, dann wäre sie wieder glücklich. Wenn sie ihre Tochter
bekommen würde, dann wäre wieder alles einigermaßen gut.
Sie verließ
das Zimmer wieder, um die fertigen Kisten zu holen. Sie würde die Regale und
den Schreibtisch leerräumen und dann kleinhexen.
Und das tat
sie auch.
Ohne Zögern
räumte sie Schubladen leer, packte die Kisten voll, ohne näher hinzusehen, ohne
seine Handschrift näher zu betrachten, denn dann würde sie weinen, nahm sie
traurig an. Er hatte eine schöne Handschrift gehabt. Sie hatte tatsächlich
gestern daran denken müssen, als sie Malfoy zugesehen hatte. Cedric war auch
Linkshänder gewesen. Und er hatte eine wunderschöne Handschrift gehabt. Malfoys
Handschrift war schöner als ihre, aber nicht so akkurat wie Cedrics gewesen war.
Seufzend
packte sie weiter, leerte Schublade um Schublade, bis auch die letzte Kiste
voll war. Und sie glaubte nicht, dass sie es ohne weiteres geschafft hätte,
würde sie nicht eine Deadline von einer Stunde haben, bis der Abholer kam.
Es wirkte
leerer, unbewohnter. Aber das war es nun schon seit so vielen Jahren, dachte
sie unglücklich, als sie die letzte Kiste verschloss.
Im Flur
öffnete sie die Bodenluke und ließ die Kisten magisch hinauf schweben. Ihr war
ziemlich heiß geworden. Zurück im Büro verkleinerte sie die Möbel. Dieser
Zauber hielt nicht besonders lange an. Zwar konnte man Sachen verkleinern,
allerdings wurden sie irgendwann wieder groß. Auf ihrer Flucht, als Krieg
geherrscht hatte, hatte sie den Handtaschenzauber jeden Tag wiederholen müssen.
Und das war auch nur möglich gewesen, weil es kleine Dinge waren.
Aber große
Dinge ließen sich nicht für immer kleinhexen. Es war die Natur der Sache.
Außerdem wollte sie die Sachen aus dem Haus schaffen. Es wurde einfach Zeit.
Sie
veränderte das Gewicht, denn selbst klein wogen die Möbel immer noch ihr
ursprüngliches Gewicht, und trug sie nach draußen.
Sie hatte
noch zehn Minuten, bis der Abholer kam. Und es war gut, dass sie für solche
Fälle bares Gold im Glas auf dem Kühlschrank verwahrte. Sie nahm nicht an, dass
es mehr als einhundert Galleonen kosten würde. Mehr hatte sie bar auch nicht.
Gerade als
sie das Gold geholt und die Möbel rausgebracht hatte, apparierte der
übergewichtige Zauberer vor ihr Tor.
„Macht 99
Galleonen“, sagte er, ohne jede Begrüßung, als er sich die Möbel betrachtet
hatte und sie in seiner weiten Manteltasche verschwinden ließ. Hermine erkannte
noch vielerlei Dinge mehr in den Tiefen seiner verhexten Tasche. Sie gab ihm
einhundert.
„Behalten
Sie den Rest“, meinte sie nur, denn eine Galleone wollte sie auch nicht
rumliegen haben.
„Schönen
Dank“, erwiderte er, den Sarkasmus deutlich in der Stimme. Hermine hätte am
liebsten die Augen verdreht, bei so viel Dreistigkeit, aber sie sagte nichts.
Es war schlimm genug, dass sie die Sachen so einfach fortgegeben hatte. Als
wäre es nichts weiter.
Aber
vielleicht war es gut. Denn das war es gewesen. Als hätte sie ein Pflaster von
ihrer Haut gezogen, was seit so vielen Jahren dort klebte. Es tat weh. Aber je
schneller es dann verschwand, umso schneller schwand der Schmerz.
Sie stand
alleine im Vorgarten ihres Hauses.
„Jetzt bist
du fort“, sagte sie still. Zwar war nur sein Büro leer, aber niemand, der zu
Besuch kommen würde, würde jetzt noch auf die Idee kommen, das einst eine
weitere Person in diesem Haus gewohnt hatte. Sie fragte sich, warum es so war.
Warum manche Menschen so etwas Wichtiges verlieren mussten, und weshalb
ausgerechnet sie es verdient hatte? Ihre Hand legte sich ruhig auf ihren
Unterleib.
Vielleicht
hatte sie etwas so wichtiges verlieren müssen, um nun etwas anderes wichtiges
zu bekommen? Noch spürte sie keine Veränderung. Noch zeigte ihr Körper keine
Spur einer Veränderung. Aber sie wusste es. Und sie war aufgeregt. Sie freute
sich tatsächlich.
„Ich
wünschte, du würdest sie kennenlernen“, flüsterte sie gen Himmel, aber sie nahm
an, Cedric konnte sie nicht hören.
Nicht dort,
wo er war. Sie nahm an, wenn es so etwas gab wie eine Entscheidung, nachdem man
gestorben war, ob man bleiben wollte oder weiterging, dann nahm sie an, war er
längst weitergegangen.
Sie schloss
die Augen und atmete die Herbstluft ein. Sie hatte genug getrauert, hatte lange
genug gewartet. Und sie würde keine Pause mehr machen, würde sich nicht
erlauben, Dinge aufzuschieben. Sie hatte in Cedrics Büro Platz geschaffen für
ein neues Leben.
Und sie
würde an ihrem neuen Plan festhalten.
Und sie
hatte eine Idee. Sie wollte ohnehin in die Stadt. Den Laden von Pricilla
Perkins besuchen. Dort gab es schöne Einrichtungsmöbel für Kinderzimmer. Und
sie hatte schon eine ziemlich genaue Ahnung, wer dafür bezahlen würde.
~*~
Er streckte
sich genüsslich in seinem Kingsize Bett, während Emilia aus dem Badezimmer
zurück ins Bett gekrochen kam, nachdem sie heute Morgen erneut das Vergnügen
gehabt hatte, von ihm befriedigt worden zu sein.
Ihre Haut
war himmlisch weich, und er musste zugeben, sie war alle Strapazen der
gestrigen Nacht wert gewesen. Er hatte immer angenommen, dass brünette Frauen
hielten, was sie versprachen – und oh, hatte Emilia ihr Versprechen gehalten!
Mehrfach…
„Guten
Morgen“, begrüßte sie ihn. Es war das erste Mal, dass sie sprachen, denn als
sie aufwachten, hatte Draco sie ohne Worte auf den Rücken gedreht, und da
weitergemacht, wo sie gestern Nacht aufgehört hatten.
„Morgen“,
erwiderte er rau. Tee wäre gut. Es war sehr hell draußen. Ein Blick auf die Uhr
sagte ihm, dass es nach eins war. „Lust auf Frühstück?“, fragte er knapp als er
nackt aufstand und sich lediglich seinen weißen Bademantel überzog.
„Nein,
danke. Ich muss weiter“, erklärte sie vom Bett aus.
„Keine Zeit
für Tee?“, vergewisserte er sich und wackelte mit den Augenbrauen.
„Nein“,
entgegnete sie mit einem bedauernden Kopfschütteln. „Ich war ohnehin viel zu
lange hier. Mein Vater wird mich erwarten.“
„Grüß
deinen Vater von mir“, sagte er sofort.
„Das werde ich
tun“, versprach sie lächelnd. „Falls du nach Bulgarien kommst, sag vorher
Bescheid.“ Sie streckte sich ein letztes Mal in seinen Laken, ehe sie sich
ebenfalls erhob.
„Die Elfen
könnten sich um ein schnelles Frühstück kümmern“, bot er an, aber sie lehnte
ab.
„Ich habe
gehört, du hältst deine Bekanntschaften lieber kurz und unpersönlich“,
erwiderte sie mit einem Lächeln.
„Ist das
so?“, entfuhr es ihm entsprechend. Sein Ruf eilte ihm weit voraus. Es war
angenehm.
„Und so
halte ich es auch. Es war eine wunderbare Nacht, Draco Malfoy.“ Sie erhob sich
ungeniert, zog sich an, während er ihr dabei zusah, denn ihr Körper war
exquisit. Sie hauchte ihm anschließend einen Kuss auf seine unrasierte Wange
und schenkte ihm ein letztes Lächeln. „Lebwohl“, flüsterte sie, ehe sie sein
Schlafzimmer verließ. Er hörte die Tür keine Minute später.
Schon war
sie fort. So könnte es immer sein. Unkompliziert, keine bösen Nachwirkungen.
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Eine Elfe erschien in seinem Zimmer.
„Frühstück,
Mr. Malfoy?“, fragte sie eilig. Er nickte nur. „Und… und ein Brief für Mr.
Malfoy, Sir.“ Er nahm ihren kleinen Fingern den Brief ab.
Er runzelte
die Stirn. Eigentlich erwartete er immer noch eine Art Entschuldigungsbrief von
Pansy, die ihn scheinbar tatsächlich hatte sitzen lassen. Es war eine seltsame
Erfahrung für ihn. Nicht wirklich unangenehm, aber… seltsam-
Seine
Gedanken rissen ab.
„Was?“,
entfuhr es ihm perplex, denn er hielt eine Rechnung in seinen Händen. Für 1.995
Galleonen bei Perkins Kinder-Paradies. Er blinzelte knapp. Er überflog die
Zeilen, denn es konnte nur ein Missverständnis sein, dass –
„Gordics
Hollow?“, las er ungläubig die Adresse, die sich ihm präsentierte. Die Rechnung
sank in seinen Händen. Er musste zugeben, sie war verdammt schnell. Und es
verwirrte ihn. Er hatte geglaubt, sie wolle ihn zwingen, die tiefsten
Geheimnisse der endlos langweiligen Vereinigung zu verraten. Er hatte nicht
damit gerechnet, dass er scheinbar für ein gesamtes Kinderzimmer zahlen sollte.
Er verzog
den Mund. Scheinbar hatte sie ein Kind? Ansonsten begriff er diese Rechnung
nicht.
Er
überlegte, ob es den Aufwand wert wäre, nicht zu bezahlen. Den Vertrag anders
auszulegen, Granger zu zwingen, etwas anderes zu fordern. Aber er hatte die Chance,
die Sache hiermit zu beenden und nie mehr wieder sein Augenmerk auf die
furchtbare Muggel richten zu müssen.
Eine
schwere Entscheidung, da ihm Gold fast genauso sehr am Herzen lag wie eine
unbeschwerte Zeit, ohne nervige Muggel. Wahrscheinlich gewann die
Bequemlichkeit, er würde die lästige Rechnung bezahlen und die Sache wäre aus
der Welt.
Mit Gold
ließen sich alle Dinge regeln. Er begriff die Menschen nicht, die behaupteten,
Gold könne nicht alles kaufen. Doch. Gold konnte alles kaufen. Selbst die
Verschwiegenheit von Potters kleiner Schoß-Muggel.
Draco
liebte die Macht von Gold.
Und 2.000
Galleonen würden ihm nicht mal wehtun. Er würde es nicht mal merken.
Es war nur
ein winziger dunkler Schatten an seinem gleißend weißen Horizont.
Er registrierte
aus den Augenwinkeln verpasste Anrufe von Malfoy Manor. Ja, er musste heute bei
seinen Eltern auf der Matte stehen, zum allwöchentlichen Abendessen, um welches
er nicht herum kam.
Das Leben
könnte herrlich sein, aber leider verpasst es ihm immer noch kleine Dämpfer.
Aber nicht mehr lange. Morgen würde er umziehen. Endlich.
Und weil er
sich in einer gönnerhaften Stimmung befand, schritt er zum Kamin und warf ein
wenig Flohpulver in die Flammen.
Granger
hatte noch fünf Galleonen gut.
„Perkins
Kinder-Paradies“, rief er spöttisch in die Flammen. Das Feuer öffnete den Blick
für ihn in den vollgestellten Verkaufsraum des Ladens. Eine übergewichtige Dame
kam zum Kamin gehastet.
„Ja?“,
fragte sie, kurz verwirrt, während sie ihn betrachtete, wie er in seinem
Bademantel vor dem Kamin stand.
„Draco
Malfoy, Sie haben mir eine Rechnung über 1.995 Galleonen geschickt?“, erinnerte
er die Frau, und Mrs Perkins schien kurz nachzudenken.
„Ja?“,
wiederholte sie skeptisch, denn vielleicht erwartete sie, dass er sich weigern
wollte, die Rechnung zu bezahlen, aber er versuchte, irgendwelche Dinge in
ihrem Laden zu erkennen.
„Haben Sie
noch etwas für fünf Galleonen?“, fragte er stattdessen. „Ich möchte die 2.000
gerne vollmachen.“ Nur für den Fall. Nicht, dass Granger noch irgendwann
irgendetwas verlangen würde.
„Ahem…“ Die
Frau sah sich überfordert um. „Decken mit persönlichen Motiven?“, schloss sie
schließlich achselzuckend. „Teddybären, fliegende Plüschdrachen?“
„Decken?“ Er
dachte kurz nach. Und musste grinsen. „Ok, ich nehme eine personalisierte
Decke.“ Und er wusste schon, welches Motiv er auf der Decke haben wollte. Warum
nicht ein wenig Salz in Grangers Suppe streuen, wenn sie schon so gütig war,
ihm zu verraten, wo sie seine Galleonen gelassen hatte…?
„It's late, I'm drunk and I'm running
on empty tonight
Baby, I'm chasing my shadow around
Like smoke cigarettes I inhale these regrets
I can't change what I've become
There's pain and there's glory, but this is my story.“
Matt McAndrews
Pansy lag
auf dem Hotelbett. Es war riesig, und sie verspürte nicht die Muße aufzustehen.
Eine Eule
von Zuhause hatte sie bereits erreicht. Allerdings nicht von Draco, sondern von
ihrer Mutter. Und die war außer sich.
Wie es
Pansy einfallen konnte, alleine zu verreisen, weshalb sie ihre Mutter nicht
mitgenommen hatte, warum sie ausgerechnet alleine unterwegs war und nicht mit
Draco. All diese Fragen, die Pansy nicht beantworten wollte, stellte ihre
Mutter unentwegt.
Aber sie
war glücklich. Zumindest redete sie es sich ein sooft sie nur konnte, denn wenn
sie darüber nachdachte, noch neun Monate zu warten, ehe sie Dracos Kind bekam,
dann wurde sie wahnsinnig. Es war nicht alles perfekt. Sie fühlte sich nicht
glücklich und ausgefüllt, nur bei dem Gedanken daran, sein Kind zu bekommen.
Sie hatte es sich anders vorgestellt. Sie hatte ihr Bedürfnis nach
Aufmerksamkeit erheblich unterschätzt.
Schon hier
hatte sie sich ertappt, mit den Spaniern geflirtet zu haben.
Schamlos.
Und immer wieder vergaß sie ihre Schwangerschaft. Niemand wusste davon, man sah
es nicht, und sie vergaß es selber.
Sie hatte eigentlich gedacht, von nun an beseelt zu sein, nichts weiter zu
wollen, aber scheinbar stimmte das nicht. Diese Theorie war auf sie nicht
anwendbar. Sie langweilte sich alleine in Spanien, und so dringend sie ein Kind
gewollt hatte, so dringend brauchte sie jetzt auch jemand, dem sie davon
erzählen konnte, dem sie berichten konnte, wie großartig es sein würde, wenn es
erst mal so weit wäre. Jemand, der sich ehrlich für sie freute.
Aber so
jemanden gab es nicht. Niemand interessierte sich für eine alleinstehende,
starke junge Frau, die einfach so schwanger wurde.
Jetzt war
sie einen Tag hier, und sie verging vor Heimweh. Das Wetter war zu warm, die
Leute waren zu fröhlich. Selbst Millicent wäre gute Gesellschaft. Und Millicent
war meistens unerträglich. Niemals hätte Pansy geglaubt, dass ihr englischer
Charakter ihr jemals ein Verhängnis sein würde, aber hier, in der Hitze, bei den
temperamentvollen Leuten – ja. Sie war ein englischer Trostkloß.
Und sie
vermisste Draco. Aber der vermisste sie nicht. Wahrscheinlich wusste er nicht
mal mehr wie sie hieß. Pansy? Pansy – wer?
Träge
setzte sie sich auf.
Essen. Essen
musste sie sowieso.
Ach, es war
alles eine Qual. Sie hatte sich geirrt. Alleine war sie nicht so stark, wie sie
geglaubt hatte, und neun Monate Einsamkeit waren eine lange Zeit.
Es dauerte
noch, bis Alerio da wäre und ihr Gesellschaft leisten würde und jede Leere
ausfüllte, die sie verspürte.
Großartig,
der Junge würde mit dem schlimmsten Mama-Komplex der Welt aufwachsen, aber so
ungewöhnlich war das bei verkorksten Reinblütern nicht.
Sie dachte an Hermine, und eine stille Furcht
befiel sie, wenn sie daran dachte, dass sie tatsächlich das Kind eines ihr völlig Unbekannten bekam. Wie schrecklich das sein
musste. Pansy konnte es sich gar nicht vorstellen.
Sie sollte
sich bei Hermine melden, sobald sie aus dem Urlaub zurück war. Hermine würde
sie besser verstehen können.
Hermine war
immerhin auch alleine.
Aber Pansy
wusste auch, warum. Die Zeitungen waren damals voll gewesen mit dem tragischen
Tod von Cedric Diggory. Und sie wollte sich nicht ausmalen, wie schrecklich es
war, seinen Ehemann durch einen Unfall zu verlieren. Ja, Hermine tat ihr leid.
Pansy tat sich selber auch leid, aber Hermine gewann dieses
Kopf-an-Kopf-Rennen, entschied Pansy.
Sie
schleppte sich deprimiert zur Tür.
Ob Draco
gerade auch an sie dachte?
Vielleicht
nur ein winzig kleines Bisschen?
Sie steckte
den Schlüssel ein und verließ ihr Zimmer.
Ihre Laune
sank noch tiefer. So ein Mist.
„Pansy?“,
entfuhr es Melissa Carter so verlogen fröhlich, dass Pansy am liebsten Kehrt
gemacht hätte. Sie kannten sich von Hogwarts. Kannten war übertrieben. Sie
sahen sich ab und an im Club, wenn Pansys Mutter Erfolg damit hatte, sie so
lange zu quälen, bis Pansy die Aussicht, zwei Stunden im Club zu verbringen
besser vorkam, als noch weitere zwei Minuten ihrer Mutter zuhören zu müssen.
„Melissa“,
begrüßte Pansy das Mädchen weniger begeistert.
„Was tust
du hier?“, wollte Melissa völlig ungläubig wissen, als ob Pansy niemals
irgendwo alleine auftauchte. „Ist Draco mit?“ Autsch. Und Melissa sah sie an,
als wisse sie, dass dies nicht so war. Pansy biss die Zähne zusammen.
„Nein, ich
bin alleine hier“, erklärte sie und kam sich schrecklich vor. Melissa war
furchtbar. Blondes Miststück, was Pansy noch nie hatte leiden können.
„Oh, wie
schade“, bekundete Melissa falsches Mitleid, begleitet von einem
Schulterzucken. „Aber du kannst gerne an unserem Tisch sitzen, wenn du magst?“
Pansy wollte gar nicht wissen, mit wem Melissa hier war, aber die Tür von
gegenüber öffnete sich, und Pansy verzog knapp den Mund. „Nicht wahr, Preston?“
„Hm, was?“
Preston McGraw hob den Blick. Pansy kannte auch ihn nur vom Sehen und von
seinen weniger eindrucksvollen Geschichten. „Parkinson, richtig?“, sagte er
jetzt überrascht.
„Mein Name
ist Pansy. Und ich muss weiter“, verabschiedete sie sich kühler.
„Willst du
nicht mit uns essen, wo du ganz alleine hier bist?“, hielt Melissas Stimme sie
zuckersüß auf. Eher würde Pansy alle ihre Schuhe essen, als mit diesen beiden
Vorzeige-Reinblüter-Kandidaten essen zu gehen.
„Ich habe
keinen Hunger. Guten Appetit“, verabschiedete sie sich, und es war unfassbar,
dass sie im abgelegensten Hotel ausgerechnet Leute kennen musste. Leute, die
sie nicht leiden konnte.
Vielleicht
konnte sie das Hotel noch wechseln?
~*~
Er
betätigte den goldenen Türklopfer tatsächlich das zweite Mal. Ihm kam es schon
vor, als wäre er vor die Türen eines gewöhnlichen Hauses appariert. Und
tatsächlich öffnete seine Mutter!
„Diese
verflixten Elfen“, begrüßte sie ihn zornig. „Ich weiß nicht, wo sie sich
rumtreiben, aber putzen und die Türe öffnen tun sie heute anscheinend nicht
mehr!“, entrüstete sie sich. Sie hatte sich abgewandt und lief den Flur wieder
zurück. Draco folgte ihr seufzend.
„Hallo,
Mutter, auch schön, dich zu sehen“, murmelte er, als er den langen Weg durch
den Säulengang beendete. Sein Vater war nicht in der Halle, aber das Feuer
loderte warm. Er setzte sich auf die ausladende Ledercouch, ohne dass ihm
jemand Gesellschaft leistete. Er fragte sich, weshalb er immer wieder kam. Wenn
er nachdachte, dann verband er wenige schöne Erinnerungen mit diesem Haus.
Eigentlich keine.
Die
Standuhr tickte laut.
„Ein Drink
wäre super“, sagte er, aber kein Elf erschien, seine Mutter war auch wieder
verschwunden, also erhob er sich müde, um selber zur Bar zu gehen, die in die
Wand eingelassen war. Unschlüssig füllte er Tonic und Eis in ein hohes Glas,
noch nicht sicher, welcher Alkohol passte. Er war zu müde zum Trinken, fiel ihm
auf. Es waren lange Tage gewesen.
Er beließ
es bei Tonic und Eis. Alles andere war ihm zu gefährlich heute.
Er setzte
sich in die Stille der Halle zurück. Nur das Feuer machte vertraute Geräusche.
Er blickte starr in die Flammen.
Er dachte
an Emilia, an die perfekte Nacht. Und er musste lächeln. Das war jede Müdigkeit
wert gewesen. Zu Schulzeiten wäre er niemals am nächsten Tag schlapp gewesen,
dachte er unwillkürlich. Sein Körper ließ ihn langsam aber sicher im Stich,
fiel ihm auf.
Merlin, er
war müde. Hogwarts. Es lag weit entfernt im Nebel der Vergangenheit zurück. Er
hatte Partys und Spaß wie ein Magnet angezogen, erinnerte er sich. Es war eine
witzige Zeit gewesen. Bis zum Krieg zumindest. Er glaubte, er war beliebt
gewesen. Zumindest war es ihm von vielen versichert worden.
Er war
umringt gewesen von angeblichen Freunden, von Mädchen, die Gefallen an seinem
Aussehen gehabt hatten. Sein Freundeskreis hatte sich nicht großartig
verändert, ging ihm auf. Er sah immer noch dieselben Menschen, tat dieselben
Dinge, und er merkte nur noch deutlicher, es wurde Zeit für eine Veränderung.
Es war angenehm gewesen, aber es brachte Eintönigkeit. Wahrscheinlich hatte
jeder Vorteil seinen Preis, nahm er an.
Ihm fielen
seltsamerweise Pansys Worte ein. Sie hatte ihm vor Ewigkeiten einmal gesagt,
dass er es leid sein würde, seine Rolle zu spielen. So hatte sie es genannt. Er
wusste nicht, ob sich diese Prophezeiung erfüllt hatte. Und wenn, was war seine
Rolle gewesen? Ein entspanntes, unverbindliches, aufregendes Leben zu führen?
War er es leid? Nein. Er brauchte lediglich einen Tapetenwechsel. Wieso dachte
er so viel nach? Er schüttelte sachte den Kopf, um die Gedanken zu
verscheuchen.
„Guten
Abend“, begrüßte ihn sein Vater, der wohl unbemerkt aus seinem Studierzimmer in
die Halle gekommen war.
„Hey“,
erwiderte Draco den Gruß formloser. Sein Vater mixte sich ebenfalls einen Drink
und setzte sich anschließend neben ihn. Er war alt geworden, fiel Draco auf.
Immer wieder, wenn er ihn sah. Er trug immer noch seinen Anzug, hatte noch
keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Die Haare lang, mit Grau durchzogen, und
sein Blick traf ihn.
„Sonst
irgendwelche Neuigkeiten?“, wollte Lucius wissen, und Draco wusste, er musste
es wohl oder übel irgendwann zur Sprache bringen.
„Ich hatte
eine Vasektomie“, erwiderte er schließlich, trank einen Schluck Tonic, und
Lucius blickte stumm ins Feuer. „Vor zwei Tagen“, ergänzte Draco, um die Stille
zu füllen.
„Du… du
bist unfruchtbar?“, wollte sein Vater von ihm ausdruckslos wissen, und Draco
nickte vage. Es war keine gute Nachricht in diesem Haus, ging ihm plötzlich
auf. Nicht für seine Eltern. „Deine Mutter wird untröstlich sein“, fuhr Lucius
langsam fort, trank einen bitteren Schluck und sah Draco nicht mehr an.
Draco hatte
nicht darüber nachgedacht, dass es seinen Eltern wie eine Strafe vorkommen
musste. Eigentlich dachte er nicht wirklich an seine Eltern, wenn er solche
Entscheidungen traf. „Das hätte ich nicht gedacht“, sagte sein Vater, ehrlich
verblüfft.
„Was? Was
hättest du dann gedacht?“, fragte Draco tatsächlich. „Dass ich heirate, das
Anwesen übernehme? Im Unternehmen arbeite? Die Tradition fortsetze?“ Und ihm
wurde klar, damit hatte Lucius wohl gerechnet. Sie führten das Gespräch fast
jede Woche. Deshalb kam Draco auch so ungerne ins Haus seiner Eltern.
„Ich
glaube, die Generation des Krieges macht nichts, was von ihr erwartet wird“,
schloss Lucius grimmig.
„Ich
erfülle meine eigenen Erwartungen“, widersprach Draco fast trotzig, und Lucius‘
Blick traf ihn hart.
„Gut, dass
du wenigstens an dich denkst“, war alles, was Lucius dazu noch sagte. Draco
würde sich nicht rechtfertigen, sich nicht entschuldigen. Seine Eltern konnten
froh sein, dass er hier jede Woche aufgetaucht war, zu einem gezwungenen Essen.
Seine
Mutter kam ins Wohnzimmer und brachte herrlichen Duft aus der Küche mit.
„Und? Schon
alles für Amerika gepackt?“ Auch sie klang nicht begeistert, aber immerhin tat
sie so, und täuschte ein Lächeln vor. Draco nickte. Sein Apartment war nie
völlig möbliert gewesen. Er hatte sich nie etwas vorgemacht. Er war nie
irgendwo, um dort lange zu bleiben. Es lag nicht in seiner Natur.
„Ja“,
antwortete er.
„Ich hoffe,
du kommst jeden Monat einmal vorbei?“, fragte sie hoffnungsvoll, während sie
ihn und Lucius ins Esszimmer gestikulierte.
„Mal
sehen“, wich er einer Antwort aus. Das hoffte er nicht. Er glaubte nicht, dass
Lucius seiner Mutter von der Vasektomie erzählen würde. Wahrscheinlich würden
ihn dann bittere Briefe erwarten, mit Vorhaltungen und Vorwürfen, nicht an
seine Eltern zu denken.
Er tat es
nicht, um seine Eltern zu bestrafen. Er tat gar nichts für irgendwen. Das war
schon die ganze Wahrheit. Er kam damit wunderbar zurecht.
Stumm
setzten sie sich an die gedeckte Tafel.
„Wie… wie
geht es Pansy, Draco?“, wechselte Narzissa das Thema. Tja, das würde Draco auch
gerne wissen. Aber eigentlich nicht! Eigentlich interessierte es ihn nicht
wirklich. Sie hatte endlich eingesehen, dass es nicht soweit kommen würde, dass
sie zusammen ziehen oder heiraten würden. Das war gut.
„Ich weiß
es nicht, Mutter“, erwiderte er neutral.
„Oh, habt
ihr… keinen Kontakt mehr?“, wollte sie vorsichtig von ihm wissen, und Draco
konnte nur annehmen, es war ihre verquere Art zu fragen, ob Draco noch Sex mit
Pansy hatte oder nicht.
„Nein, wir…
waren ohnehin nur Bekannte.“
„Ach was?“,
mischte sich Lucius ein. „Es kam mir immer anders vor, wenn ich das Vergnügen
hatte, mit ihr zu sprechen.“
„Pansy hat
eine etwas andere Wahrnehmung als ich.“
„Ich
verstehe“, entfuhr es seinem Vater gänzlich freudlos. „Eine funktionierende
Beziehung passt natürlich auch nicht in deine egoistische Zukunft, nicht wahr?“
„Lucius!“,
maßregelte ihn Narzissa, und Draco war dankbar dafür. Er hatte keine Lust auf
Streit.
„Ich reise
morgen Früh ab“, verkündete Draco schließlich, als der Tisch sich magisch mit
dem duftenden Abendessen gefüllt hatte.
„Morgen?“,
wiederholte seine Mutter. „Dann schlaf heute hier, ja? Ein letztes Mal?“
Immerhin seine Mutter mochte ihn. Noch. Draco stach missmutig in das Fleisch
auf seinem Teller.
„Tut mir
leid, aber ich muss früh los, und…“ Er suchte nach einer guten Ausrede, „ich
habe keine Sachen zum Wechseln hier.“ Seine Mutter wirkte tieftraurig, aber
Draco wollte nicht länger als nötig hier sein.
„Ist gut,
Liebling“, lenkt seine Mutter schließlich ein, und schweigend aßen sie weiter.
Es wurde Zeit, dass er London verließ.
~*~
„Misty muss
kommen und helfen!“, maßregelte die ältere Elfe die jüngere, denn es gab
genügend Arbeit in der Küche zu tun, und Lowyn wollte nicht von der Misses
bestraft werden, wenn die Teller nicht schnell genug abgeräumt waren.
„Aber Misty
hat etwas entdeckt!“, flüsterte die junge Elfe aufgeregt und deutete auf den
Wandteppich. „Etwas Gutes!“, beteuerte sie.
„Misty muss
mitkommen“, wiederholte Lowyn ungeduldig, aus Angst vor der Strafe, die sie
alle bekommen würden, wenn sie nicht arbeiteten.
„Aber Lowyn
muss gucken!“, rief die Elfe aus. „Der Baum bewegt sich!“
„Das geht
uns nichts an“, sagte Lowyn und kam näher, um die junge Elfe am Arm zu ziehen.
„Sie wird uns bestrafen! Sie wird Misty und Lowyn bestrafen!“
„Hier!“,
flüsterte Misty unbeeindruckt und Lowyns dunkle Elfenaugen blickten kurz zu dem
Stammbaum der schrecklichen Familie empor.
„Misty muss
kommen!“, beharrte Lowyn, während sie sehen konnte, wie ein kleiner Ast über
den Teppich wuchs. Beständig webte das Garn magisch über den Wandteppich. Es
zeichnete kleine Blätter und aus schwarzem Garn flocht sich ein Name. Lowyn
konnte nicht lesen. Misty konnte nicht lesen. Aber sie wusste, der uralte Stoff
des Baumes hatte sich seit 30 Jahren nicht verändert.
„Misty,
komm!“, zischte die ältere Elfe, aber sie hörten bereits die zornigen Schritte
der Misses. Die Misses war meistens zornig.
„Muss ich
euch erst Kleidung schenken, damit ihr euch in Bewegung setzt, Merlin noch
mal?“, rief die Misses böse aus und stand im Türrahmen. „Raus mit euch und ab
in die Küche!“
„Misses!“,
rief Misty, und Lowyn hätte die dumme Elfe am liebsten verzaubert.
„Elfe, es
gibt Arbeit in der Küche!“, sagte die Herrin jetzt kühler. Lowyn wusste, Misty
würde später bestraft werden. Die arme Misty.
„Aber
Misses, Ihr müsst schauen!“, ereiferte sich die Elfe.
„Elfe!“,
zerschnitt die Stimme der Herrin das Bitten von Misty. „In die Küche!“
Und Mistys
Blick senkte sich enttäuscht. Endlich folgte sie Lowyn und beide verschwanden
und erschienen gleichzeitig wieder in der Küche. „Die Misses hört nicht!“,
beschwerte sich Misty, während sie lustlos die Teller sauber hexte. Lowyn
schüttelte den Kopf.
„Du bist
eine dumme Elfe, Misty. Die Herrin und der Herr hören nie auf uns.“
Misty war
tieftraurig und sprach nicht mehr. Sollte sie auch nicht. Es brachte ihnen nur
Ärger. Aber Lowyn glaubte, zu wissen, was geschah. Jemand bekam ein Menschenkind.
Der junge Master? Aber ob der junge Master nun ein Baby bekam, hatte die Elfen
nicht zu interessieren. Lowyn hoffte, Misty würde es schnell vergessen. Es wäre
auch nur ein weiterer Malfoy-Mensch, dem sie würden dienen müssen. Und Lowyn
hielt ohnehin nicht allzu viel von den Menschen.
~*~
Sie hatte
sich einen Tee gekocht, und saß völlig fertig an ihrem Hocker vor ihrem
Küchentresen. Hermine war mit Farbklecksen übersät. Sie hatte sich für Gelb
entschieden.
Es wurde
dunkel draußen, aber immerhin war das Zimmer komplett gestrichen. Sie musste
sagen, sie leistete gute Arbeit. Sie überwand mit jedem Pinselstrich ihre
Verluste.
Und erst
jetzt bemerkte sie auf dem Fenstersims das Päckchen.
Was war es?
Seit wann lag es da? Hastig öffnete sie das Küchenfenster, wo die Eulen auch
die meisten ihrer Briefe liegen ließen. Eulen waren nicht immer zuverlässig.
Von Madame
Perkins? Hatte sie noch etwas im Laden vergessen. Sie wischte sich eine Strähne
aus dem Gesicht und schlug das Papier zur Seite.
Was war
das? Es war weich und – eine Decke? Hatte sie eine Decke gekauft? Sie glaubte
nicht. Vielleicht war es ein Versehen? Aber sie war weiß und sehr weich. Sie
schlug sie auseinander, und dann öffnete sich ihr Mund perplex.
Nicht
wirklich. Sie starrte auf die weiche Babydecke hinab. Sie wusste nicht, wie er
es angestellt hatte, aber sie nahm an, er hatte die Rechnung des Geschäfts
bekommen. Sie verzog den Mund. Der Rand der Decke war grün und silber
gestreift, in der Mitte prangte ein goldener Schnatz, und darunter stand
schwarz gestickt: Ein Geschenk von Draco Malfoy.
Kopfschüttelnd
faltete sie die Decke zusammen.
Ihr Kind
würde niemals in dieser Decke liegen. Niemals. Nicht in den Farben von
Slytherin, nicht mit einer Widmung von Malfoy persönlich. Er fand sich wohl
unheimlich witzig.
Sie fand
ihn unheimlich kindisch.
„On the green they watched their sons
Playing till too dark to see,
As their fathers watched them once,
As my father once watched me“
Edmund Blunden
Nachdenklich
blickte Pansy aus dem Fenster. Sie hatte keine Ahnung, wie drei Wochen so
schnell vergangen waren, aber immerhin konnte sie behaupten, sie hatte kaum an
Draco gedacht.
Aus einem
simplen Grund.
Und sie war
nicht stolz auf sich. Überhaupt nicht stolz.
„Morgen“,
begrüßte Preston sie, als er die Lobby des Hotels aus den Aufzügen betrat. Er
war allein, denn Melissa war schon letzte Woche abgereist. Pansys Koffer stand
gepackt neben ihr. Es war Abreisetag. Sie hatte den Blick zu seinem gebräunten
Gesicht gehoben. Und sie schämte sich. Tatsächlich. „Bekomme ich nicht mal
jetzt ein Guten Morgen von dir zu hören?“
Nein. Pansy
wollte nicht mit ihm reden. Es war schlimm genug, dass sie Sex mit ihm gehabt
hatte. Es war eine dumme Entscheidung gewesen, die sie niemals getroffen hätte,
wäre sie nicht nüchtern und deprimiert gewesen. Aber sie hatte Preston und
Melissa letzte Woche am Strand getroffen, hatte sich überreden lassen, den Tag
mit ihnen zu verbringen, denn sie hatten Orte besichtigt, die Pansy ohnehin
besichtigt hätte.
Und eines
hatte zum anderen geführt, Merlin noch mal! Ein teures Restaurant hier,
alkoholfreie Cocktails an der Strandbar da, ein Tanz-Festival in der Stadt. Und
irgendwie war es dazu gekommen, dass Preston sie um einen Tanz gebeten hatte.
Und irgendwie hatte sie nicht Nein gesagt.
Und dann
hatte sie mit ihm getanzt, und es hatte sich gut angefühlt. Sie hatte Spaß
gehabt. Seit einer Ewigkeit hatte sie Spaß gehabt. Sei es auch mit diesem
arroganten Schöning gewesen.
Und
irgendwie – Pansy wusste nicht mal mehr, warum genau – war es zu einem
seltsamen Moment gekommen. Sie hatten sich angesehen, sie war unpassenderweise
in seinen blauen Augen versunken, und dann… dann hatte er die Hand um ihren
Nacken geschlungen!
Mitten auf
dem Platz in Barcelona unter tausend Leuten!
Merlin,
Pansy schämte sich so! Denn sie glaubte auch noch, sie war diejenige gewesen,
die ihn zuerst geküsst hatte, ihm zuerst entgegen gekommen war! Diejenige, die
ihn praktisch aufgefordert hatte! Es war einfach furchtbar gewesen. Melissa
hatte eine Szene veranstaltet, die den Spaniern durchaus gefallen hatte,
während Pansy am liebsten gestorben wäre! Melissa ist noch am selben Abend
abgereist, und Preston hatte die Dreistigkeit besessen, keine halbe Stunde später
mit Champagner vor ihrer Tür zu stehen. Alkohol, den sie nicht mal trinken
durfte! Und auch nicht getrunken hatte!
Und wusste
Merlin, weshalb sie ihre Tür überhaupt geöffnet hatte! Wusste Merlin, weshalb
sie ihn reingebeten hatte! Wusste Merlin, weshalb sie so schwach und dumm
gewesen war, nüchtern eine solche Entscheidung zu treffen – aber es war
passiert. Sie hatten sich wieder geküsst, und schon hatte er ihr Kleid
ausgezogen gehabt! Und Pansy wusste, im hellen Tageslicht war es nicht
romantisch. Nein. Es war einfach nur erbärmlich und bemitleidenswert, wie sie
auf ein Kompliment von einem Idioten ansprang.
Sie war unglaublich! Sie wollte Dracos Kind haben, wollte ihm in Gedanken stets
treu sein, aber sie war verkommen und verdorben, bis ins Mark. Sie schaffte es
nicht einmal einen Monat alleine auszukommen, sich nicht schlecht zu fühlen,
nicht irgendwo anders von irgendwem Bestätigung suchen zu müssen! Und dann
ausgerechnet dieses Exemplar von Mann, bei dem ihre Mutter vor Begeisterung in
die Hände klatschen würde.
Uuhägh!
Preston McGraw! Bei Merlin, er war der letzte, den sie wollte!
Sie konnte
nur hoffen, Preston hielt seinen Mund, würde nicht prahlen oder angeben in
seinem scheiß Club – und sie hoffte, Draco würde nicht davon erfahren. Nicht,
dass sie wirklich noch auf Chancen mit Draco hoffte, aber in ihrem dummen Kopf
war es so, dass sie immer noch glaubte, würde er – wie auch immer – von ihrer
Schwangerschaft erfahren, eine Kehrtwendung vollziehen und zu ihr zurückkommen,
sie vom Fleck weg heiraten und alles wäre gut.
Natürlich
würde es nicht so kommen. Und schon gar nicht, wenn Pansy damit beschäftigt
war, sich durch die Reinblüter-Schickeria von London zu vögeln! Merlin, sie war
schwanger und tat so etwas Schamloses! Sie hoffte nur, ihr Sohn bekam davon
noch nichts mit! Hätte Preston das gewusst, hätte er bestimmt nicht mit ihr
geschlafen. Merlin, Pansy war schwanger von Draco und hatte Sex mit einem
anderen.
Ganz hatte
sie die Reinblüter-Erziehung ihrer schrecklichen Mutter noch nicht abgelegt,
stellte sie gereizt fest. Sie fühlte sich tatsächlich schuldig, dabei wusste
Draco nicht mal, dass sie schwanger war! Sie hatte nicht mal Sex mit ihm
gehabt, um schwanger zu werden, Merlin noch mal!
„Ok“, fuhr
Preston lächelnd fort, „du hast mich ganze sieben Tage lang ignoriert, aber
mach mir keinen Vorwurf.“ Er setzte sich tatsächlich neben sie und entfaltete
eine Ausgabe des Tagespropheten – wo
auch immer er ihn herhatte!
Verbissen
wandte Pansy wieder den Blick. Und wenn sie noch drei Wochen auf ihren
verdammten Elf würde warten müssen, der ihr Gepäck holte, sie würde kein Wort
mit diesem Mann reden. Sie würde ihr Bestes geben, ihn nie wieder zu sehen. Sie
war so vorhersehbar. Als wäre der eine reiche Reinblüter mit dem nächstbesten
zu ersetzen. Sie könnte heulen über ihre Dummheit.
Hoffentlich
erfuhr ihre Mutter nichts davon. Aber sie glaubte, den Kandidaten von Mann vor
sich gut genug einschätzen zu können, um zu sagen, dass auch er wusste, wie man
eine Affäre geheim hielt. Denn sie nahm an, Preston McGraw war noch nicht so
weit, sich vom Markt zu begeben. Er würde sie vergessen, wie sie ihn vergessen
würde. Und das wäre das.
Merlin,
schämte sie sich.
Wo blieb
dieser verdammte Elf?
Sie spannte
den Kiefer gereizt an, während Preston neben ihr zufrieden summend durch den Propheten blätterte.
„Wusstest
du, dass du nach dem Orgasmus praktisch anfängst zu schnurren?“, wollte er von
ihr wissen, ohne sie anzusehen, und sie konnte nicht fassen, dass er
tatsächlich darüber sprach. Aber sie wandte den Blick in seine Richtung, als
sie endlich ihren Elfen auf sich zukommen sah.
„Ich glaube
nicht, dass du das beurteilen kannst. Mein Orgasmus war vorgetäuscht. Sonst
wärst du nie zu einem Ende gelangt“, spottete sie böse, und er sah sie an.
„Du lügst“,
stellte er sachlich fest. „Ok“, sagte er nickend. „Wenn du das brauchst, um
deinen Stolz aufrechtzuerhalten.“ Und er besaß die Dreistigkeit zu lächeln.
Zornig schritt sie zu ihrem Elfen und drückte ihm ihren Koffer in die kleinen
Arme. Er verschwand ächzend, und Pansy hasste die Tatsache, dass sie
tatsächlich gelogen hatte. Denn leider hatte sie ihren Orgasmus nicht
vortäuschen müssen. Wäre sie einfach niemals hierhergekommen und wäre sie
einfach vor Sehnsucht zu Hause in ihrem Bett vergangen!
Sie war so
unfassbar blöd.
Merlin,
hasste sie sich gerade.
Morgen
würde alles wieder normal werden. Und sie würde Preston nie wieder sehen.
~*~
„Bereit?“,
erkundigte sich Ginny lächelnd bei ihr, und Hermine saß unruhig auf dem
Behandlungsstuhl. Sie hatte sich in den letzten Wochen nicht einmal unwohl
gefühlt, hatte keine Übelkeit empfunden, und alles verlief einfach geradezu
problemlos. Sie hatte Sorge, dass sie das Kind vielleicht verloren hatte, aber
sie sagte nichts.
Sie nickte
nur und rang sich ein Lächeln ab.
„Keine
Sorge“, deutete Ginny ihre Gedanken richtig. „Es ist reine Routine. Ich schaue
nach, ob alle Vitalfunktionen normal sind, und dann kannst du schon wieder
gehen.“ Hermine nickte erneut und hielt den Atem an, als Ginny stumm die Formel
sprach und feiner weißer Rauch sich von Hermines Bauchdecke hob, sich kräuselte
und sanft verpuffte.
Aber Ginnys
Stirn hatte sich gerunzelt.
„Was?“,
fragte Hermine sofort alarmiert, denn sie konnte mit simplen Rauchzeichen
nichts anfangen.
„Nichts, es
ist nur…“, begann Ginny verwirrt und wiederholte den Zauber. Hermines
Herzschlag beschleunigte sich.
„Was? Was ist? Ist es… weg? Ist es krank? Was?“, entfuhr es ihr hysterischer.
Ginny hob den Blick.
„Nein,
nein. Der Rauch ist beruhigt, die Wellen sind beständig, der Herzschlag ist
kräftig, es ist nur…“ Hermines Augen wurden groß. Nicht, dass sie glauben
konnte, dass man durch simple Rauchzeichen den Herzschlag lesen konnte, von
einem Embryo, der nicht größer als ein Kirschkern sein konnte, aber sie sagte
nichts dazu.
„Also was?“
Denn Ginny wirkte noch immer höchst verwirrt, als sie zum Schreibtisch ging und
ihre Akte durchsah.
„Eine
Sekunde“, entschuldigte sich Ginny, und Hermine kannte ihren Tonfall. Sie war
ruhig und gefasst, so wie wenn sie mit ihrer Mutter sprach. Und meistens sprach
sie mit ihrer Mutter so, wenn es mal wieder schlimme Neuigkeiten gab. Wenn sich
James einen Zahn ausgeschlagen hatte oder irgendeine Kinderkrankheit ihn davon
abhielt, das Wochenende über mit Molly und Arthur zu verbringen. Das war Ginnys
Stimme. Ginny hatte das Behandlungszimmer verlassen, und Hermine wurde langsam
panisch.
Aber bevor
sie aufstehen und Ginny folgen konnte, kam diese mit Dean im Schlepptau zurück.
„Hey, Hermine“,
begrüßte Dean sie, der einen Mundschutz und Handschuhe trug. Hatte ihn Ginny
aus einer OP geholt?! „Du erlaubst?“, erkundigte sich Dean freundlich und
wiederholte den Zauber, den Ginny angewandt hatte, nachdem Hermine überfordert
genickt hatte.
Es
passierte dasselbe. Weißer Rauch kringelte sich ruhig gen Decke.
„Sieht
alles gut aus.“
„Dean“,
sagte Ginny bestimmt und zeigte ihm Hermines Akte. Dean las und hob den Blick.
„Ja?“
Ratlosigkeit stand in seinen Augen geschrieben.
„Erste
Zeile“, entgegnete Ginny mit mehr Nachdruck, und Dean senkte den Blick langsam
erneut auf die Akte.
„Oh“, sagte
er dann.
„Was? Was
soll das heißen?“, entfuhr es Hermine, die vor Spannung platzte. „Was ist?
Bekomme ich eine Eule und kein Kind mehr?“, rief sie zornig aus. „Wieso sagt
ihr mir nicht, was los ist?“
„Dürfte ich
noch einmal, Hermine?“, ignorierte Dean ihre Fragen und wiederholte den Zauber,
so wie Ginny es auch getan hatte. Hermine atmete verärgert aus. „Tja“, bemerkte
Dean vielsagend und sah Ginny wieder an.
„Was?!“,
rief Hermine wieder. Dann sah Ginny sie etwas blasser an.
„Hermine,
da… scheint ein Fehler passiert zu sein.“
Hermines
Augen wurden groß. „Was für ein Fehler? Bekomme ich Drillinge? Denn wenn du mir
gleich nicht irgendeine Antwort gibst, fange ich an zu schreien, Ginny!“,
drohte sie atemlos.
„Der Rauch
ist weiß“, sagte Dean statt Ginny, die untröstlich wirkte.
„Was heißt
das?“, entfuhr es Hermine, am Ende jeder Geduld.
„Schwarz heißt,
es wird ein Mädchen“, erläuterte Dean schließlich. Er sah Ginny wieder an.
Hermines Mund hatte sich perplex geöffnet.
„Und Weiß
heißt“, begann Ginny erschüttert, „du bekommst einen Jungen.“
Hermine
blinzelte überrascht. „Ich dachte… ich dachte, ihr hättet die Proben… geeicht,
oder was auch immer?“, entfuhr es ihr überfordert.
„Das hatten
wir“, bestätigte Ginny. „Ich habe keine Ahnung, wie das hatte passieren
können“, murmelte sie kopfschüttelnd. „Es tut mir… so leid, Hermine.“ Hermine
sank auf dem Stuhl zurück. „Millicent muss da ein Fehler passiert sein. Sie war
neu auf der Station, ich dachte, sie….“ Aber Ginny schüttelte schließlich den
Kopf.
„Es ist
meine Verantwortung, und ich bin wirklich, wirklich erschüttert, und ich weiß,
du bist bestimmt-“
„-gut, dass
ich das Zimmer gelb und nicht pink gestrichen habe“, entfuhr es Hermine tonlos,
während ihr Blick ins Leere gegangen war. Ginny unterbrach sich selbst.
„Was?“,
fragte ihre beste Freundin verwirrt.
„Es… geht
ihm gut? Alles ist in Ordnung?“, wollte Hermine ruhiger wissen.
„Alles ist
in bester Ordnung“, antwortete ihr Dean. „Ich lasse euch alleine“,
verabschiedete er sich wieder, und Ginny sah Hermine untröstlich an.
„Hermine,
ich muss mich wirklich entschuldigen, ich-“
„-weißt du,
für gewöhnlich hat man den Luxus gar nicht, dass man sich das Geschlecht
aussuchen kann, und es ist mir im Grunde egal“, gab Hermine nach, die mehr als
erleichtert war, dass es dem Baby gut ging.
„Aber
Hermine, ich-“
„-es ist
wirklich schon ok. Dann… wird es eben ein Junge“, sagte Hermine, und musste
lächeln. Wenn das einzige Problem das Geschlecht war, dann würde sie schon
damit zurecht kommen. Andere hatten gar kein Kind.
Dann bekam sie halt einen Jungen. Wo war schon der Unterschied? Es wäre ihr
Junge, und sie würde ihn genauso lieb haben wie ein Mädchen.
„Wirklich?“,
entfuhr es Ginny, und Hermine begriff, dass Ginny wohl andere Patientinnen
gewöhnt war, mit klareren Vorstellungen und Prinzipien, was ihre ungeborenen
Kinder betraf.
„Ja,
wirklich“, erwiderte Hermine erleichtert. „Solange es keine Eule ist“, ergänzte
sie, und Ginny wirkte tatsächlich merklich erleichtert. „Es kann passieren“,
schloss Hermine beruhigend.
„Danke,
Hermine“, erwiderte Ginny aufrichtig.
Endlich
beruhigte sich ihr Herzschlag wieder.
~*~
Ginny
schloss die Tür zum Labor hinter sich. Niemand war hier, außer ihr und
Millicent.
„Millicent“,
begann sie, ruhiger, als sie wirklich war. Diese wandte sich erschrocken um.
„Heilerin
Potter, Sie haben mich erschreckt!“, entgegnete diese und setzte ein Lächeln
auf. „Was kann ich für Sie tun? Haben Sie nicht Dienstschluss?“
„Ja, aber…
es gab einen Vorfall“, begann Ginny, denn was Hermine sagte, stimmte nicht
wirklich. Es konnte nicht passieren. Denn alle Proben waren weiblich. Der Kühlungszauber
der Becher hatte diese Wirkung, denn auch bei einer normalen Befruchtung war
jeder Embryo zunächst weiblich. Das Testosteron der Spermazelle beeinflusste
letztendlich die nächste Entwicklung.
Und diese
Phase wurde durch den Zauber blockiert. Zur Sicherheit waren alle Präparate
weiblich geeicht, damit eben solche Verwechslungen nicht passieren konnten. Nur
durch die magische Änderung wurden sie männlich.
Und das
bedeutete schlicht und ergreifend nur eine einzige Sache. Millicent hatte die
Probe männlich eichen müssen. Und das war etwas, was laut Akte und
Patientenwunsch in diesem Fall nicht vorgesehen war.
„Was für
einen Vorfall?“, wollte Milicent besorgt wissen. „Ich dachte, die Befruchtungen
heute sind reibungslos verlaufen?“ Millicent wirkte ernsthaft überrascht.
„Es geht
nicht um die Befruchtungen heute“, widersprach Ginny ihr, und sie konnte nicht
verhindern, wütend zu klingen. Millicent merkte es, denn sie senkte den Blick.
„Um was
geht es?“, wollte sie vorsichtig wissen.
„Es geht um
Hermine Granger. Laut Akte, wollte sie ein Mädchen. Allerdings bekommt sie nun
einen Jungen. Und in der Akte steht, dass Sie behandelnde Assistenz gewesen
sind. Sie waren für die Präparate verantwortlich.“ Und Millicents Blick hob
sich langsam, völlig ausdruckslos.
„Und ich
habe die Probe weiblich geeicht!“, beteuerte Millicent heftig. „Sie ist ja
ohnehin weiblich, und ich habe den Bestätigungszauber durchgeführt, so wie
jedes Mal! Es ist alles dokumentiert!“, versprach sie hastig.
„Ja, das
sehe ich“, erwiderte Ginny mit Blick in die Akte. „Wie kommt es dann, dass
Hermine einen Jungen bekommt?“
Und
Millicents Mund stand vor Verblüffung offen.
„Ich… ich
weiß es nicht. Es kann nicht sein.“
„Wir hatten
fünf Patientinnen an diesem Tag. Ich habe nachgesehen. Und bei allen anderen
ist alles in Ordnung. Wie kommt es, dass ausgerechnet bei Hermine ein Fehler
passiert ist?“, donnerte ihre Stimme, und Ginny wusste, sie nahm es erst recht
persönlich, gerade weil es um Hermine ging. Millicent war wieder zusammen
gezuckt.
„Es tut mir wirklich leid!“, sagte sie eilig. „Wird Miss Granger-?“
„-Hermine
sagt, ihr ist auch ein Sohn recht“, unterbrach Ginny sie missmutig. „Das,
Millicent, ist ein Fehler, der nicht passieren darf. Und das
Mungo wäre haftbar in solchen Fällen, in denen wir eine wasserdichte Garantie
dafür geben, dass so ein Fehler niemals passiert! Betrachten Sie es als
Warnung!“, knurrte Ginny. „Sie befinden sich wieder auf Probe in dieser
Abteilung. Wenn nur noch eine Kleinigkeit passiert, sind Sie raus aus dem
Mungo“, ermahnte Ginny sie. „Und sei es nur, dass sich eine Patientin darüber
beschwert, dass das Thermometer zu kalt ist! Haben Sie das verstanden,
Schwester Millicent?“
Und
Millicent schluckte, den Tränen sehr nahe.
„Ja,
Heilerin Potter“, flüsterte sie ehrfürchtig und zutiefst beschämt. „Ich habe
verstanden.“
„Und morgen
erwarte ich von Ihnen eine Erklärung hierfür. Und sie werden sich bei Miss
Granger entschuldigen. Und jetzt dürfen Sie Überstunden machen, und die Daten
in der Akte ändern, denn jetzt bekommt sie einen Jungen.“ Und damit knallte ihr
Ginny die Akte auf den polierten Stahltisch und rauschte aus dem Labor.
~*~
Millicent
schluchzte, während sie die Daten änderte. Sie hatte das nicht nötig! Sie hatte
nicht nötig, so behandelt zu werden! Denn es war nicht ihr erster Tag! Und sie
musste hier nicht einmal arbeiten. Sie tat es nur, um aus dem Haus zu kommen.
Sie brauchte das mickrige Gehalt hier nicht! Sie könnte auch einfach ihre Tage
im Club verbringen. Sie brauchte nicht arbeiten!
Und sie
brauchte sich von niemandem so behandeln zu lassen, erst recht nicht von Ginny
Potter!
Heute
Mittag war alles gut gewesen! Pansy war aus Barcelona zurück, hatte Farbe
bekommen und hatte ihr widerwillig vom Urlaub berichtet. Viel erzählt hatte sie
nicht. Dann hatte Pansy ihre erste Routineuntersuchung gehabt, und alles war
gut gelaufen.
Niemand
hatte sich bei ihr, Millicent, beschwert! Sie machte solche Fehler nicht!
Natürlich hatte sie die Probe geeicht! Sie hatte alles richtig gemacht.
Und sie
erinnerte sich an diesen Tag. Es war alles sowieso kompliziert genug gewesen,
mit der ganzen Austauscherei der Proben! Sie hatte genug zu tun gehabt, und
alle sollten froh sein, dass sie überhaupt solch gute Arbeit verrichtete!
Sie
erinnerte sich noch genau an Hermine Grangers Probe.
Und sie
erinnerte sich, dass sie die doppelte Probe beseitigt hatte, die gar nicht
doppelt gewesen war. Sie hatte Prestons Probe vernichtet und gegen Dracos
getauscht.
Und Hermine
Granger hatte den Geschöpfenforscher bekommen. Und diese Probe war weiblich
gewesen! Als ob es Millicent nicht mehr wüsste!
Ihre Hand,
mit der sie die Daten änderte, stockte plötzlich.
Sie
erinnerte sich, dass Dean Pansys Probe männlich geeicht hatte.
Aber… das
hatte sie doch eigentlich schon getan gehabt. Schon vorher. Denn Pansy hatte ja
nicht Prestons Probe erhalten, sondern Dracos. Theoretisch.
Oh… nein.
Langsam
hob sich Millicents Blick. Das konnte doch nicht sein. Hatte sie… vielleicht
doch die Becher vertauscht? Hatte sie den Geschöpfenforscher letztendlich
verschwinden lassen, und hatte somit Hermine Granger das Präparat von… von…-
-Oh
Merlin! Das konnte nicht sein! Oh nein! Was sollte sie tun? Was sollt sie jetzt
tun? Gab es irgendeine Möglichkeit, wie sie es herausfinden konnte? Und wollte
sie das überhaupt? Wenn es für sie keine Möglichkeit gab, dann gab es auch für
Hermine Granger keine Möglichkeit. Und auch keinen Bedarf! Denn wie sollte
Hermine Granger jemals darauf kommen, dass sie vielleicht nicht den Samen eines
unbekannten Geschöpfenforschers in sich trug, sondern… das Erbgut, was Pansy
unbedingt haben wollte?
Es
musste auch gar nicht stimmen! Vielleicht war Millicent tatsächlich ein Fehler
passiert. Sie war menschlich, und Fehler passierten ab und an, beruhigte sie
ihr rasendes Herz.
Und
niemand würde es herausfinden! Niemand könnte es jemals wissen! Millicent würde
sich eine Ausrede einfallen lassen, sagen, sie wäre inkompetent gewesen, auch
wenn das so nicht richtig war, und dann… dann wäre es eben so. Pansy musste nichts
davon erfahren. Hermine Granger musste nichts davon erfahren.
Millicent
wurde schlecht bei dem Gedanken daran.
Und
wenn… der Geschöpfenforscher vernichtet war, und Dean Pansys Präparat hatte
eichen müssen, hieß das dann nicht, dass… dass… Pansys tatsächlich Prestons
Probe erwischt hatte? War das Ironie? Millicent war sich nicht sicher. Sie
hatte Ironie noch nie begriffen.
Aber
sie glaubte, das hier kam dem ganzen Konzept von Ironie recht nahe.
Sie
kaute abwesend auf ihren Fingernägeln.
Sie
würde schweigen. Wie Merlins Grab! Denn sie konnte sich nur ansatzweise
vorstellen, was Pansy ihr antun würde, wenn sie das rausbekäme! Und das Chateau
der Parkinsons konnte Millicent dann auch vergessen!
Und gerade jetzt, wo sie tatsächlich schon Kontakt zu Gregory Goyle aufgebaut
hatte! Sei es auch nur, dass er vor ihr auf der Party weggelaufen war. Sie war
in seinem Leben, und sie konnte nicht riskieren, ihre Chancen zu verlieren.
Niemand
würde es je erfahren.
Niemand,
schwor sie sich.
Merlin.
Es wäre Londons größtes Geheimnis. Und sie würde es wissen. Ihr wurde direkt
schlecht.
~*~
Er
war noch nie so schnell nach Hause appariert wie heute Nachmittag. Vielleicht
einmal, damals, als Draco den alten Rennbesen von der Wand genommen hatte und
im Garten von Malfoy Manor seinen ersten Flugunfall gehabt hatte und ins Mungo hatte gebracht werden müssen. Er war fünf gewesen.
Sein
Bein war gebrochen gewesen, und die Nacht mit Skelewachs war die schlimmste
Nacht in Lucius‘ Leben gewesen. Nicht nur, weil Draco die ganze Nacht geweint
hatte, sondern, weil Narzissa vor Angst fast gestorben war.
Und
heute war er so schnell aus dem Vereinigungshaus nach Malfoy Manor appariert,
dass ihm noch immer schwindelig war, als er an den Elfen vorbei ins Innere
stob.
„Was
ist passiert?“, keuchte er, während die Elfen neben ihm herliefen. Er erreichte
die Treppe und hastete nach oben.
„Die
Misses!“, berichtete eine kleinere Elfe aufgelöst. „Sie weint und schreit und…
weint!“ Lucius‘ Blick fiel misstrauisch auf die Elfe.
„Wirklich?“,
wollte er ungläubig wissen, aber das Geschöpf nickte heftig.
„Der
Baum!“, sagte sie mit feierlicher Stimme. „Der Baum, er blüht! Misty wusste
es!“, wiederholte sie so ernsthaft, dass Lucius die Stirn in Falten legen
musste.
„Welcher
Baum?“, entfuhr es ihm perplex, während er den zweiten Stock endlich erreicht
hatte. „Narzissa?“ Die kleine Elfe war ängstlich zurück geblieben.
Wahrscheinlich aus Angst vor Narzissa. Narzissa konnte wirklich schrecklich zu
den Geschöpfen sein, auch wenn sie es meistens nicht so meinte.
Und
tatsächlich hörte er ein Schluchzen. Es kam aus einem der Gästezimmer.
„Narzissa?“, wiederholte er und näherte sich dem verdächtigen Geräusch.
Er
schob sachte die Tür nach innen auf. Und Narzissa stand…- vor dem Stammbaum der
Familie. Was tat sie da? War wieder irgendein Verwandter gestorben, und der
Baum zeigte es an? So was passierte bei magischen Stammbäumen. Man sah es,
bevor die Verwandten Zeit hatten, über Floh anzurufen. Magische Stammbäume
hatten eben auch schlechte Seiten.
„Was
ist passiert?“, fragte er sofort, kam näher und überflog die Namen der Ahnen
und Verwandten, die vielleicht noch sterben konnten und es noch nicht längst
hinter sich hatten. Viele waren ohnehin nicht mehr übrig, fiel
ihm bitter auf. „Ist es Onkel Basil?“, schloss er und prüfte die Daten des
Mannes, den er ohnehin nur flüchtig kennengelernt hatte.
„Lucius!“,
entfuhr es Narzissa so aufgelöst, dass es ihm tatsächlich an die Nieren ging.
Er hasste es, seine Frau so zu sehen. „Er hat… er hat…“ Sie sprach nicht
weiter. Lucius konnte es nicht mehr ertragen.
„Was?
Wer hat was? Sprich mit mir, oder ich…“ Er wusste nicht, was er tun würde, wenn
sie nicht sprach. Sie wirkte so völlig verstört, dass er nicht mal genau sagen
konnte, was ihm solche Angst machte. Sie wirkte nicht krank oder untröstlich.
Sie wirkte…- Merlin, er konnte seinen Finger nicht auf das Wort legen, was er
suchte. Es beunruhigte ihn jedoch.
„Draco!“,
sagte sie schließlich mit tonloser Stimme. Sofort schoss sein Blick zu dem
Namen seines Sohnes. Was war passiert? Draco war doch nicht – er war doch wohl
nicht-! Er hatte sich zwar in den letzten Wochen nicht aus Amerika
zurückgemeldet, aber Lucius hatte angenommen, er sei beschäftigt und egoistisch
gewesen, so wie immer. War ihm etwas zugestoßen? Sagte ihnen der dämliche Baum
nun, dass sie ihren einzigen Sohn-
Seine
Gedanken fanden ein plötzliches Ende.
„Was?“,
entfuhr es ihm, fast bestürzt. Draco lebte noch. Nur sein Geburtsdatum stand in
schwarz gestickt unter seinem Namen, aber… ein gewundener Zweig schlängelte
sich nach rechts. Lucius‘ Mund hatte sich geöffnet. Der Name Hermine Granger
stand dort so leserlich, als wäre es ein Witz. Es fehlten die Ringe, die
zwischen allen anderen Paaren über den Zweigen thronten, aber von der Mitte des
Zweiges führte ein Trieb nach unten. Bei Merlins Bart! „Was?!“, entkam es
seinen Lippen erneut, denn er konnte nicht begreifen. Hatte Draco nicht… nicht
gesagt, er wäre unfruchtbar?
Wie
konnte…?!
„Sag
mir, was es bedeuten soll?“, verlangte Narzissa plötzlich von ihm, immer noch
aufgelöst vor Schock.
„Ich…?“
Lucius verengte die Augen, blinzelte, denn vielleicht täuschte er sich, aber
der Name blieb derselbe. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass…“
„Sie
ist schwanger“, flüsterte Narzissa tonlos, was Lucius selber aufgefallen war.
„Das
sehe ich. Vielleicht irrt sich der Baum?“, schlug er fassungslos vor. „Ich kann
mir nicht vorstellen, dass er… dass Draco…“ Aber Lucius schwieg. Nein, er
konnte es sich nicht vorstellen. Denn dann hätte Draco mit ihr…-
„Der
Baum hat sich noch nie geirrt!“, zischte Narzissa jetzt. „Hast du auch nur die
geringste Ahnung, wer sie ist?“, fuhr Narzissa ihn an. Lucius erwiderte ihren
Blick. Ja. Hatte er. Er war erst vor einigen Wochen bei ihr gewesen und hatte
sie gezwungen, eine einstweilige Verfügung zu unterschreiben, die sie davon
abhielt, der Vereinigung zu nahe zu-
„Oh
Merlin!“, entfuhr es ihm plötzlich. „Sie ist schwanger“, schloss er, denn er
wusste es ja!
„Weißt
du das sicher? Woher weißt du es?“, wollte Narzissa fast enttäuscht wissen, als
hätte sie selber geglaubt, der Baum würde sich irren.
„Weil
ich ihr geraten habe, ihre Übelkeit mit Kieselbacherde zu bekämpfen“, entfuhr
es ihm, überrascht über die Tatsache, dass er tatsächlich solche Dinge über
diese lästige, wildfremde Person wusste. Und so ähnlich sah Narzissa ihn auch
an.
„Was?!“
Sie starrte ihn an. „Wie in Merlins Namen kommst du dazu?“
„Ich…
habe durchgesetzt, dass sie sich der Malfoy
Group nicht näher als fünfzig Schritte nähern darf“, erwiderte er trocken,
während sein Blick wieder auf dem Stammbaum ruhte. „Das war… natürlich bevor
ich wusste, dass sie die Mutter unseres… Enkels ist.“
Merlin.
Wie falsch diese Worte klangen.
„Meinst
du, Draco hat es uns mit Absicht nicht gesagt?“ Lucius hatte keine Antwort auf
diese Frage. Er wusste nicht mal, dass sein Sohn Kontakt zu magisch-demokraten
Persönlichkeiten hatte, wegen denen ehemalige Todesser wie sie es waren,
denkbar schlecht im Licht der Gesellschaft standen. „Meinst du, er weiß es?“
Jetzt war sein Blick nachsichtiger mit seiner Frau.
„Dass
er Sex mit ihr gehabt hat? Narzissa, ich denke, er wird nicht-“
„-nein,
Merlin! Mir ist schon klar, was er getan haben muss, damit… damit…!“ Selbst
seiner Frau schien es schwer zu fallen, die Worte auszusprechen. Merlin, es
fiel ihm schon schwer, die Worte überhaupt auch nur zu denken! „Ich meine,
vielleicht hat sie ihm nicht erzählt, dass sie… dass sie…?“
Lucius
atmete aus. „Was sollen wir jetzt tun?“, verließen die Worte ehrlich seinen
Mund. Narzissas Augen weiteten sich.
„Ich…
weiß es nicht“, antwortete sie unglücklich. „Ich meine…- müssen wir sie…
einladen?“ Narzissa wirkte nicht glücklich über diese Aussicht.
„Einladen?“,
wiederholte Lucius.
„Ich
meine, sie bekommt einen Malfoy, oder nicht?“ Narzissa klang heillos
überfordert.
„Es
scheint so“, sagte er, während er ungläubig den Stammbaum betrachtete, dem er
noch nie in seinem Leben so viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
„Aber…
Draco wohnt in Amerika. Ich verstehe nicht, wieso… sie…?“ Lucius atmete aus. Er
verstand es auch nicht. Er verstand wenig von dem, was Draco tat. Er wollte
nicht im Unternehmen arbeiten, er wollte keine Verantwortung hierfür übernehmen
– denn so sah es doch aus, oder nicht?
„Wir
müssen mit ihm reden.“
Ja.
Das klang sicherer, denn mit ihr wollte Lucius nicht reden. Und… vor allem,
Hermine Granger musste doch Bescheid wissen! Er wusste nicht, mit wie vielen
Gentlemen die junge Miss Granger verkehrte, aber er konnte sich nicht vorstellen,
dass es so vielen waren, dass sie sich nicht ausrechnen konnte, von wem ihr
Kind nun war.
Aber…
sie hatte es ihm, Lucius, nicht gesagt, als er da gewesen war. Wollte sie es
geheim halten? Es wäre doch ohnehin irgendwann rausgekommen. Irgendwann hätten
sie den Stammbaum ins Auge gefasst!
„Gut.
Wir… wir reden mit ihm. Heute Abend. Direkt heute Abend. Dann ist es mittags
bei ihm.“ Er wusste, Narzissa sprach, um sich abzulenken. Es waren Neuigkeiten.
Neuigkeiten, die er nicht ganz begreifen konnte. „Wir werden Großeltern!“,
entfuhr es Narzissa plötzlich, allerdings fehlte dir Freude in ihren Worten.
„Die Großeltern eines… Halbbluts….“
Tränen
stiegen wieder in ihren Augen empor. „Lucius, ich muss mich setzen“, flüsterte
sie mit erstickter Stimme, abwesend zog er ihr einen Stuhl heran.
Und
er glaubte, er musste sich ebenfalls setzen. Zwar war es ihm gerade vollkommen
egal, welchen Blutstatus dieses Kind haben würde, aber… er konnte nicht
begreifen, was sich Draco dabei gedacht hatte!
„Deep
down you already know the truth.“
Unknown
Er
war hart im Nehmen, aber dieses verdammte Jetlag! Er gähnte herzhaft, denn er
war nur noch müde. Und egal, was die Leute behaupteten, es legte sich nicht
nach einigen Tagen! Er war seit vier Wochen hier, und er fühlte sich
beschissen.
Aber
seltsamerweise passte New York zu seiner Stimmung. Die Leute hier schienen
überwiegend schlechte Laune zu haben. Die gesamte Zeit! Kein Jetlag von Nöten!
„Draco?“,
begrüßte ihn seine Kollegin Penelope Beaks mit einem allgegenwärtigen Grinsen
auf den Lippen. Sie arbeitete auch bei ‚Burgh und Baine‘. Und ihre Methoden
mochten fragwürdig sein, allerdings machte ihr Aussehen jede ihrer noch so
unmoralischen Entscheidungen wett.
„Hm?“,
knurrte er, denn das Jetlag hatte ihm tatsächlich jede
seiner Touren mit ihr vermiest, denn er war abends einfach zu fertig, um
überhaupt in Erwägung zu ziehen, seine Suite zu verlassen. Außerdem nervten ihn
die Leute, die immer und immer wieder seinen Akzent zur Sprache brachten, als wäre
er ein Grindfuchtel-Kobold aus dem magischen Zirkus, zu Besuch in New York.
„Deine
schlechte Laune ist sexy, aber der nächste Klient wartet“, flötete sie verboten
fröhlich, und in seinem Kopf hatte er verschiedene Ideen, wie er ihr diesen
Frohsinn austreiben konnte. Aber leider war er zu müde, um auch nur eine dieser
Ideen in nächster Zeit zu verwirklichen.
„Hm“,
knurrte er schläfrig, denn er hatte um sechs Uhr gestern Abend die Augen
zugemacht, war um ein Uhr morgens hellwach gewesen, und hielt sich mit sehr
viel Kaffee über Wasser, denn mittlerweile war er seit dreizehn Stunden auf den
Beinen, und englischer Tee schien ein Ding der Unmöglichkeit in Amerika zu
sein, hatte er festgestellt.
Und
er hatte festgestellt, dass er Kaffee verabscheute. Er hasste ihn mit Milch,
mit Sirup und ohne alles. Und er trank ihn mittlerweile nur noch schwarz, denn
er schmeckte immer gleich bitter und widerwärtig.
Und
auch, wenn es nicht in seinen Kram passte, vermisste er England. Zumindest
vermisste er seine gewohnten Uhrzeiten und seinen verfluchten Tee.
Und
er hatte die Akte in der Suite liegen lassen, die er jetzt gerade brauchte. Er
wurde nicht unbedingt wie ein König hier behandelt. Nein, eher wie das gemeine
Volk, das bereits nach vier Wochen verdammten Ärger bekam, wenn es Fehler
machte. Fuck. Er würde improvisieren müssen.
Und
fast war er dankbar, dass sein Kamin aufleuchtete. Dann hatte er noch eine
Gnadenminute, ehe er irgendwelchen aufgedrehten magischen Maklern erklären
konnte, warum er gerade heute zu keinem Schluss würde kommen können – denn er
wusste nicht, um was es ging. Er wollte schlafen. Und er wusste, er pflegte
seinen Teufelskreis mit echter Hingabe, denn würde er um halb sechs das scheiß Büro
verlassen, würde er um sechs eingeschlafen sein, um dann um ein Uhr morgens
aufzustehen und den ganzen Scheiß von vorne zu beginnen. Er wollte sterben.
Er
erstickte förmlich in Gold und verschlief jede Gelegenheit, es auszugeben,
Merlin noch mal!
Mit
einer müden Bewegung seines Zauberstabs nahm er das Gespräch entgegen. Übersee,
ging ihm auf, als die Verbindung eine Weile brauchte, um klar zu werden. Und er
blinzelte verblüfft.
„Ja?“,
fragte er, und musste wieder gähnen, als er seine Eltern erkannte, die wohl im
Wohnzimmer auf der Couch vor dem Kamin saßen. Es war dunkel. Es war abends in
England. Zeit, zu schlafen, dachte er dumpf.
„Hallo
Draco“, begrüßte ihn seine Mutter, mehr als förmlich, stellte er am Rande fest.
„Wie
ist die Arbeit?“, mischte sich Lucius ebenso ernst mit ein, und Draco ruckte
mit dem Kopf.
„Super“,
entgegnete er trocken und spürte, wie seine Mundwinkel sanken.
„Du
hast dich die letzten Wochen nicht gemeldet“, fuhr seine Mutter tadelnd fort.
„Ich…
ja. Ich…“ Er war so müde, ihm fiel nicht mal eine adäquate Ausrede ein,
verdammt. „Keine Zeit gehabt“, wiegelte er ab.
„Draco,
wir müssen reden“, begann Lucius jetzt, und Draco hatte keine Lust. Es ging
bestimmt wieder um irgendwelche kleinbürgerliche Reinblüterscheiße, auf die er keinen
Bock hatte. Wirklich nicht.
„Mr.
Malfoy-“, unterbrach seine Sekretärin das Gespräch, als sie ohne zu klopfen
seine Tür geöffnet hatte. „Oh, Verzeihung!“, unterbrach sie sich selbst, klang
aber nicht wirklich so, als ob sie die Worte ernst meinte. „Ich sage Mr.
Bendle, dass Sie gleich da sind. Kann ich Ihnen etwas bringen?“, flüsterte sie,
und Draco ruckte gähnend mit dem Kopf.
„Kaffee.
Stark. Stärker als vorher“, knurrte er und fuhr sich über die Schläfe.
„Draco?“,
schien sein Vater zu wiederholen, und Draco richtete seine Aufmerksamkeit
wieder auf die Flammen.
„Hm?“,
antwortete er auch hier nur noch einsilbig.
„Also
wir… deine Mutter und ich…“, sagte Lucius, und Draco verzog den Mund. Was? Was,
Merlin noch mal? Spuck es einfach aus! Seine Geduld war auch nicht mehr
vorhanden. Seit vier Wochen war ihm jeder Charme abhandengekommen. Aber noch
würde er nicht zugeben, dass er sich mit dieser Wahl an Freiheit ein klein
wenig übernommen hatte.
„Hm?!“,
sagte er mit mehr Nachdruck, aber seine Eltern wirkten… seltsam ernst.
„Irgendwer gestorben?“, entfuhr es ihm jetzt doch, aber Lucius schüttelte nur
den Kopf.
„Es
geht um… Hermine Granger“, fing seine Mutter jetzt an. Draco runzelte die
Stirn. Was?
„Was?“,
wiederholte er seine Gedanken.
„Sie…
sie ist…“ Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, weshalb seine
Eltern ihn auf der Arbeit störten und von irgendeiner Muggel faselten. „Sie ist
schwanger“, sagte seine Mutter jetzt, mit eigenartiger Fassung in der Stimme.
Und Draco wusste mit dieser Information wenig anzufangen, aber langsam nickte
er.
„Hm“,
machte er wieder, denn weniger sprechen ließ ihn nicht so schnell müde werden.
„Ist
das alles, was du dazu sagst?“, wollte seine Mutter von ihm wissen.
Vielleicht
hatte er missverstanden?
„Wer?“,
fragte er also vorsichtshalber, und die Nasenflügel seiner Mutter blähten sich
gefährlich, als sie antwortete.
„Hermine
Granger“, wiederholte sie. Er hatte also richtig gehört. Und er glaubte, das
wusste er bereits. Weshalb hatte sie sonst Kindermöbel bestellt? Und er war zu
müde, um zu streiten, um sich über dieses absurde Gesprächsthema zu beschweren,
und er beschloss, einfach zu antworten. Würde er schreien, würde er verlangen,
zu wissen, weshalb ihn seine Eltern mit trivialer Scheiße nervten, würde er
noch am Schreibtisch zusammenbrechen.
„Ja,
ich weiß“, sagte er dann, und kurz wirkten beide seine Eltern mehr als
überrascht.
„Du…
du weißt es?“, wiederholte Lucius jetzt konsterniert.
„Ja.
Ich habe ihr schließlich das scheiß Kinderzimmer finanziert“, entfuhr es ihm
schlecht gelaunt, aber er riss sich sofort wieder zusammen. Das war sein
Geheimnis. Und es war eine unwichtige Information. Seine Eltern wirkten
erschüttert. Die Tür öffnete sich und seine Sekretärin brachte eilig den
dampfenden ekelhaften Kaffee.
„Mr.
Bendle wartet“, erinnerte sie ihn leise, und Draco schoss ihr einen zornigen
Blick zu.
„Sofort“,
erwiderte er kalt, und sie verschwand beleidigt wieder.
„Also…“,
begann seine Mutter fassungslos. „Also…!“
„Wisst
ihr, ich habe viel zu tun?“, unterbrach er sie eindeutig, und sie und Lucius
tauschten einen knappen Blick.
„Wir
müssen darüber reden. Hast du dir überhaupt Gedanken gemacht, wie es weiter
geht?“, schien sein Vater das Thema schließlich zu wechseln.
„Was?
Ich bin seit vier Wochen hier!“, brauste er auf. „Ich denke, ich gebe mein
Bestes, und irgendwann werde ich nicht mehr mitten in der Nacht-“ Aber er riss
sich zusammen. Nein. Nicht schreien, Draco.
„Draco,
ich weiß, du arbeitest viel, aber es erlöst dich nicht von deinen
Verpflichtungen“, begann sein Vater jetzt. Was?! Er war so furchtbar verwirrt
und müde. Hatte er wieder das Thema gewechselt?
„Meine-?“,
begann er, aber Narzissa nickte bereits
„-ja!
Ich finde es schon ein starkes Stück, dass wir es nicht einmal persönlich von
dir erfahren, sondern dass die Elfen es schon eher wissen, als wir!“, fuhr sie
ihn tatsächlich an, und er konnte nicht verhindern, dass sein Kiefer nachgab.
Was zur…?
„Darum
geht es aber nicht wirklich“, widersprach sein Vater eindringlicher. Dracos
Mund stand einfach offen. „Du lässt keinen an deinem Leben teilhaben, und
jetzt-! Jetzt wissen wir nicht, was dein Plan diesbezüglich ist! Es gibt Dinge,
die lassen sich nicht totschweigen! Finden deine Mutter und ich es schwierig,
uns an diese Situation anzupassen?“, stellte er die nächste rhetorische Frage,
die an Draco gänzlich vorbeiging. „Ja! Natürlich ist es schwierig! Merlin, ich
habe die Verfügung schließlich erst vor einem Monat erwirkt, die sie vom
Unternehmen fernhält! Und wie sieht es aus, wenn… wenn… nun alles anders
wird?!“, wollte er zornig wissen.
Draco
schwieg verwirrt. Musste er antworten? War das überhaupt eine Frage an ihn
gewesen? Brauchten seine Eltern ihn für dieses Gespräch? Er nahm an, das war
nicht der Fall. Er wollte gehen. Er trank einen erlösenden Schluck Koffein –
und blinzelte, denn… das war wirklich starker Kaffee.
„Es
ist nicht so, dass ich es einfach so im Club erzählen könnte!“, ging seine
Mutter dazwischen.
„Was-?“,
begann er perplex, aber sie unterbrach ihn herrisch.
„Und
denkst du, mit Gold ist deine Verpflichtung auf der Welt geschafft?“ Er atmete
ruhiger aus. Merlin, war er schon so verwirrt? Er musste Burgh und Baine
Millionen kosten, bei seiner geringen Aufmerksamkeitsspanne. „Willst du nicht,
dass es jemand erfährt? Dass wir es erfahren? Soll es… ein Geheimnis bleiben?“
„Was?“,
entgegnete er verwirrt, denn scheinbar stellte seine Mutter ihm tatsächlich
diese Fragen. „Ich - was?!“
„Hast
du mit ihr gesprochen? Wie seid ihr verblieben? Ich meine… oder sprecht ihr nicht? War es einfach nur – was du eben tust?
Und warum in Merlins Namen ausgerechnet sie?“, jammerte seine Mutter plötzlich.
Und Dracos Mund öffnete sich erneut.
„Was?
Wer spricht nicht? Ich verstehe kein einziges Wort“, gab er erschöpft zu.
„Hermine
Granger!“, wiederholte seine Mutter außer sich.
„Ob
wir sprechen?“, wiederholte er so fassungslos, dass seine Eltern ihn langsam
verwirrter betrachteten. „Oh nein“, entfuhr es ihm kopfschüttelnd. „Geht es um
die Nacht?“ War es rausgekommen? Hatte sie es doch erzählt? Draco war verwirrt.
Wirklich.
„Die
Nacht? Uns interessiert wirklich nicht, wie es passiert ist!“, mischte sich
Lucius ein. „Aber es geht nicht, dass man sich einfach aus dem Staub macht,
nach einer solch lebensverändernden Situation, und es geht nicht nur dich etwas
an!“, schloss sein Vater böse.
„Was?
Der Schnatz ist doch wieder im Haus! Es ist absolut nichts passiert“, sagte
Draco jetzt ungläubig, während seine Eltern ihn mittlerweile anstarrten, als
wäre er nicht mehr ganz dicht. „Darum geht es doch, oder nicht?“, ergänzte er,
einen Hauch unsicherer.
„Ist
das irgendeine Sportmetapher, die rechtfertigen soll, dass du dich aus dem
Staub gemacht hast?“, wollte seine Mutter aufbrausend wissen, und Draco
schüttelte hochgradig verwirrt den Kopf. Wer hatte sich aus dem Staub gemacht?!
Sie
schwiegen alle drei, mehr oder weniger betroffen. Draco hatte noch nicht mal
verstanden, weshalb seine Eltern anriefen.
„War…
war das alles?“, wollte er vorsichtig wissen, dem Nervenzusammenbruch
mittlerweile sehr nahe.
„Wirst
du dich bei ihr melden?“, wollte seine Mutter zornig wissen. „Oder müssen wir
deine Drecksarbeit erledigen?“
„Meine
was?“ Er war aufgestanden, denn er musste dieses Gespräch beenden. Er wurde
nämlich verrückt.
„Irgendwer
wird es erfahren!“, prophezeite seine Mutter aufgebracht. „Und dann? Dann wird
es in der Presse stehen. Merlin, was für eine Schlagzeile! Und die Konsequenz,
Draco? Hast du kein Problem damit? Ist es mit deinem Gewissen einfach so
vereinbar, dass es ein Halbblut sein wird? Ich meine, gut, Blut scheint
heutzutage keinen Wert mehr in eurer Gesellschaft zu besitzen, allerdings
hatten dein Vater und ich ganz andere Hoffnungen für unsere Familie!“
Draco
stand vor den Flammen, vollkommen überfordert. „Ich… ich muss jetzt weiter
machen?“, entfuhr es ihm sehr erschöpft. Es kam als Frage über seine Lippen,
als vorsichtige Frage, denn er wollte nichts Verwirrendes mehr hören. „Ist das
ok?“, vergewisserte er sich ernster.
„Wenn
es für dich keine weitere Bedeutung hat“, erwiderte seine Mutter, obwohl er
diese Antwort nicht verstand.
„O-k“,
bestätigte er trotzdem nickend, denn sie entließen ihn scheinbar aus diesem
seltsamen Kreuzverhör, aus dem er nicht schlau wurde.
„Dann
behalten wir es für uns?“, wollte seine Mutter provozierend wissen, und Draco
nickte vorsintflutlich.
„Sicher.
Sicher, tun wir das – was noch mal?“, entkam es ihm müde.
„Dass
sie schwanger ist?“, wiederholte sie, die Worte messerscharf. Dracos Verstand
war wieder abgedriftet.
„Wer?“
Aber er unterbrach seine Mutter, ehe sie wieder schreien würde. „Granger?“,
riet er hastig und nickte wieder. „Ja, behalten wir das für uns.“ Vielleicht
wurden seine Eltern langsam verrückt?
„Sie
wird Gold verlangen“, schien ihn sein Vater zu warnen, aber Draco winkte ab.
„Wir
haben ein Bündnis geschlossen. Sie wird kein weiteres Gold verlangen“,
erwiderte er, dankbar, dass er diesmal dem Gespräch hatte folgen können.
„Du
hast sie ausgezahlt?“, entfuhr es seinem Vater mehr als verwirrt.
„Ja,
schon“, bestätigte Draco Worte, die er so nicht gewählt hätte. „Es… war nur
eine Lappalie. Nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen müsste“, ergänzte
er, denn scheinbar nahm es seine Eltern mit, dass ihn ein schwangeres
Schlammblut beim Hausfriedensbruch erwischt hatte. Aber seine Eltern waren
immer etwas seltsam gewesen, nahm er an.
„Lappalie?“,
wiederholte sein Vater reserviert. „So kann man es auch nennen.“
„Was,
wenn sie den Namen will?“, mischte sich seine Mutter ein. Draco hatte den
Zauberstab in der Hand, bereit die Verbindung zu beenden.
„Welchen
Namen?“, fragte er, obwohl er nicht gewollt hatte und obwohl er wusste, dass
seine Mutter wieder schreien würde.
„Unseren!“,
entfuhr es ihr zornig, als wäre er zu dumm für dieses Gespräch.
„Wieso
sollte sie?“, entfuhr es ihm wirklich ungläubig.
„Er
hat recht“, sagte Lucius schließlich, und Draco nickte wieder überfordert. „Es
wird für sie genauso unangenehm sein, wie für uns, sonst hätte sie es mir doch
wohl schon gesagt gehabt, als wir uns getroffen hatten“, belehrte er Narzissa
mit mehr Nachdruck.
„Ich
muss los“, verabschiedete sich Draco, als seine Sekretärin mehr als genervt in
der Tür wartete.
„Draco-!“,
rief seine Mutter, aber er winkte zum Abschied und unterbrach die Verbindung.
Er fuhr sich erschöpft durch die Haare. Es war eines der seltsamsten Gespräche,
die er jemals geführt hatte. Seine Eltern hatten einen Schaden!
Gähnend
folgte er der ebenso wütenden Sekretärin. Merlin, würde das ein Tag werden….
~*~
Pansy
hatte nicht gewollt, aber ihre Mutter hatte sie vor die Wahl gestellt,
gemütlich Zuhause zu sein, ihr von dem Urlaub zu erzählen, oder mit in den Club
zu kommen, wo die Chance bestand, dass sie sich verstecken konnte.
Sie
drückte sich zwischen den langweiligen Damen herum, die sie nicht kannte, damit
ihre Mutter sie nicht wahnsinnig machen würde.
Ihre
Untersuchung war gut gelaufen, der Junge war gesund, und Pansy hatte ihren
kleinen Schwächeanfall überwunden. Sie hatte keinen weiteren Gedanken mehr an
Preston verschwendet, und er hatte sich auch nicht bei ihr gemeldet. Sie war
Melissa aus dem Weg gegangen, die sie im anderen Zimmer der Vereinigung bereits
gesehen hatte, und zog sich langsam aber sicher weiter zurück, bis sie den
Wintergarten erreicht hatte.
Narzissa
und Marjorie Goyle waren leise ins Gespräch vertieft, und Narzissa schenkte
Pansy einen besonders mitleidigen Blick.
„Pansy,
zurück aus Barcelona?“, fragte Narzissa, verabschiedete sich von Marjorie, die
schließlich den Wintergarten verließ, und kam zu ihr. „Wie gut, dich zu sehen!“
„Ja“,
bestätigte Pansy knapp.
„War
es schön?“, wollte Narzissa mit einem milden Lächeln wissen. Pansy fiel auf,
dass sie Narzissa lange nicht gesehen hatte. Und… waren ihre Augen glasig?
Weinte sie etwa? Pansys Mund öffnete sich, als Narzissa aufschluchzte. „Es tut
mir so leid!“, sagte die Frau vor ihr hastig, wischte sich über die Wangen und
blickte zur Seite. „Es muss ja so schwer für dich sein, dass Draco fort ist.
Und ich nehme an, du weißt es bereits?“, flüsterte sie verschwörerisch, und
Pansy überlegte langsam, ob sie nicht doch mit ihrer Mutter hätte Zuhause
bleiben sollen.
„Was
weiß ich?“, ignorierte Pansy Narzissas Frage, bezüglich des Verlusts von Draco
und sah sich nach einem Fluchtweg um.
„Dass
Hermine Granger schwanger ist?“, flüsterte Narzissa mit großen Augen.
Überrascht öffnete sich Pansys Mund. Und das war… eine Schande? Sie wunderte
sich, dass Narzissa so etwas überhaupt wusste, aber Pansy nickte langsam.
„Ich…
ja? Ich wusste das“, bestätigte Pansy langsam.
„Es
ist zu schade“, erwiderte Narzissa mit einem traurigen Lächeln. „Du warst
perfekt an Dracos Seite“, wechselte sie das Thema wieder. Und ja. Pansy wusste
das selber. „Du hättest mit Würde sein Kind bekommen“, fuhr Narzissa fort. Und
Pansy nickte steif. Das tat sie. Oh, das tat sie, auch wenn sie nicht mehr mit
ihm zusammen war.
Immerhin
vermisste Narzissa sie, stellte Pansy bitter fest. Auch wenn Draco das nicht
tat.
„Deswegen
ist Draco auch fort“, flüsterte Narzissa untröstlich. „Und mich lässt er hier
mit dieser Bürde zurück!“ Und Pansy glaubte nicht, dass sie verstand. Von
welcher Bürde sprach Narzissa?
Es
herrschte eine seltsame Unruhe im Club. Pansy wollte wieder verschwinden.
„Narzissa,
es war schön, dich zu sehen, aber ich bin immer noch ziemlich geschafft von der
Reise, und ich würde mich gerne ausruhen“, versuchte Pansy, höflich zu bleiben,
während sie Abstand zwischen sich und Narzissa brachte. Diese nickte
untröstlich.
„Natürlich,
meine Liebe. Und… es tut mir wirklich leid. Ich hätte dich gerne in der Familie
gehabt und deinen Namen im Stammbaum gelesen“, beteuerte sie aufrichtig. Pansy
nickte nur und wandte sich ab.
Sie
verschwand eilig durch die vielen Zimmer, relativ unbemerkt. Einigen Damen
nickte sie zu, schlängelte sich an ihrer plappernden Mutter vorbei, bis sie
endlich von einem Butler die Türen aufgezogen bekam und in die frische Luft
verschwinden konnte.
Sie
blieb vor dem Vereinigungshaus stehen.
Der
Stammbaum!
Sie
hatte Dracos Probe nicht anonymisiert, ging ihr plötzlich auf! Natürlich nicht.
Da war sie überhaupt nicht drauf gekommen. Merlin, der Stammbaum der Malfoys
müsste ihren Namen–
-was?
Was meinte Narzissa damit, sie hätte gerne ihren
Namen im Stammbaum gelesen?
Welchen
Namen sollte sie sonst…-
Der
Wind schien plötzlich merklich kälter geworden zu sein, als Pansys Herzschlag
sich beschleunigte. Nackte Angst erfasste sie, obwohl sie nicht genau wusste,
warum.
Nein.
Nein…. Das konnte nicht sein.
Oh
nein. Es machte keinen Sinn! Wie sollte so etwas passieren? Pansy hatte die
Probe ins Mungo gebracht! Pansy war mit dieser Probe
befruchtet worden!
Und
ja, Hermine Granger war schwanger, aber… es konnte nicht sein! Pansy war mit
Dracos Kind schwanger, denn so sollte es sein! So musste es sein! Ihr Name
stand im Stammbaum der Malfoys, nicht… nicht…-
Pansys
Blick fokussierte, und sie biss die Zähne zusammen.
Millicent.
„Babies don't need fathers, but mothers do.
Someone who is taking care of a baby needs to
be taken care of.“
Amy Heckerling
„Draco?“
Er vernahm eine weibliche Stimme, nahe an seinem Ohr. Er atmete langsam aus und
öffnete seine Augen. „So habe ich mir den Abend nicht wirklich vorgestellt“,
bemerkte Penelope neben ihm. Er blinzelte träge. Scheinbar war sein Kopf auf
ihre Schulter gesunken. Hastig setzte er sich auf. Richtig. Er hatte sie
eingeladen. Zu sich in seine Suite. Er hatte den Wein eingegossen, einen
Schluck getrunken und war scheinbar… eingeschlafen.
„Entschuldige“,
sagte er hastig und setzte sich gerade hin.
„Der
Tag war anstrengend, nicht wahr? Der Termin im Unternehmen von diesen
Verrückten, dann Dinner mit den Parker-Brüdern, die denken, Gold wächst auf
Bäumen?“, säuselte sie, und lehnte sich näher zu ihm. Er hielt sich mit aller
Macht davon ab, zu gähnen.
„Mhm“,
machte er und hielt den Mund geschlossen.
„Ich
finde, du machst das großartig“, sagte sie jetzt und klimperte aufreizend mit
ihren Wimpern. Draco war zu müde für Vorspiel. Er war zu müde für die große
Show. Er glaubte, Sex wäre genau das, was ihn vielleicht noch für eine halbe
Stunde wach halten würde.
Und
er folgte dieser Eingebung. Er wusste schon nicht mehr, was sie gerade gesagt
hatte, diese blonde Barbie neben ihm. Er lehnte sich zu ihr, schloss den
Abstand und verschloss ihre Lippen. Sie roch himmlisch. Zuerst dachte er, sie
würde sich wehren, würde sich beschweren, wie dreist und plump er war, aber
dann schlang sie seufzend die Arme um seinen Nacken. Seine Hände fuhren ihre
schlanke Taille hinab, pressten sie enger an sich, und er dachte nicht darüber
nach, dass es vielleicht ein Fehler war, eine Affäre am Arbeitsplatz
anzufangen. Ihr Akzent war schrecklich, aber… wenn sie den Mund hielt, war sie
das Risiko wert.
Und
dann ergriff sie urplötzlich die Initiative, löste sich von seinen Lippen,
öffnete selber ihr Kleid, erhob sich und ließ es ihren Körper hinab fallen. Sie
trug weder BH, noch Höschen, was Draco äußerst löblich fand. Verdammt.
„Ich
halte auch nichts von Vorspiel“, erläuterte sie lächelnd, und er musste nichts
sagen, denn setzte sich nackt auf die Couch zurück, nur noch die hohen roten
Schuhe an, während sie sein Hemd öffnete, dann seinen Gürtel, und ihn zwang
aufzustehen, damit sie seine Hose und Shorts seine Beine hinab ziehen konnte.
Schon schubste sie ihn zurück, lehnte sich gegen ihn, so dass er mit dem Rücken
auf der Couch lag, und sie kletterte über ihn.
Ja,
das ging… schnell.
Wow.
Sie vergeudete keine Sekunde, stellte er fest, als sie einfach nach seinem
Schwanz griff, seine harte Länge in ihrer Hand umschloss, ehe sie ihn unter
sich positionierte und Draco ein Stöhnen nicht unterdrücken konnte, als sie
seinen Schwanz einfach in sich aufnahm, tiefer glitt und anfing, ihn zu reiten.
Merlin!
So
schnell war er noch nie zur Sache gekommen!
Sein
Kamin flammte auf. Scheiße. Scheiß egal. Seine Hände lagen um ihre Hüften, und
ihre Bewegungen waren wild und ungebändigt. Er würde nicht lange aushalten, bei
dem Tempo, dass sie vorgab. Es war nichts Romantisches dabei. Nicht mal
leidenschaftlich war es. Es war eher… ein Sport, den sie vollzogen. Er berührte
sie nirgendwo außer an den Hüften, ihre Fingernägel kratzten über seine Brust,
während ihre Bewegungen immer schneller wurden.
Der
Kamin flackerte heller, und er nahm entnervt an, dass es wieder einmal seine
verrückten Eltern sein mussten. Aber er hatte das seltsame Gespräch vor zwei
Tagen nicht vergessen, und würde ganz bestimmt nicht noch einmal den Fehler
machen, und ein Gespräch über Floh annehmen, ohne zu wissen, wer es war!
Hart
stieß er nach oben in ihre Hitze, und schreiend fiel ihr Kopf in den Nacken,
als sie kam.
Er
sammelte seine letzten Reserven, setzte sich auf, schlang den Arm um ihren
Körper, rammte sich härter in sie, und glaubte auch, seit einem Jahrzehnt nicht
mehr so schnell gekommen zu sein. Für gewöhnlich ließ er sich mehr Zeit, zeigte
den Damen seine Talente, aber bei dieser hier, schien es alles völlig unwichtig
zu sein. Sie drehte sogar den Kopf zur Seite, als er sie küssen wollte, aber es
war egal.
Er
beendete, was er begonnen hatte, mit einem letzten Grollen in seiner Kehle.
Sein
Atem ging schnell, als sein Kopf auf ihre nackte Schulter gesunken war, aber
sie ließ ihm nicht mal so viel Zeit. Sie schob ihn von sich, und er fiel
erschöpft zurück auf die Couch.
Wow.
Das war… schnell. Sie war von ihm gestiegen, kurz im Bad verschwunden und kam
bereits keine Minute später wieder raus, um eilig in ihr Kleid zu steigen. Sie
setzte sich nicht mal zurück zu ihm, leerte nur noch ihr Glas Wein, und ächzend
lehnte er sich auf seine Ellbogen, während sein Hemd offen hing und ab und an
Blut durch seinen schlaffen Penis pumpte.
„Es
war mir ein Vergnügen, Draco“, sagte sie lächelnd. „Gut, dass wir das getan
haben. Wir sehen uns morgen auf der Arbeit“, verabschiedete sie sich prompt.
Sie winkte ihm an der Tür noch zu, während sein Kamin schon wieder
aufleuchtete.
Kurz
überlegte er, ob er ihr noch etwas anbieten sollte, sie bitten sollte zu
bleiben, aber… dann war sie schon verschwunden. Es gab jemanden auf der Welt,
der Sex tatsächlich als Sport betrachtete? Neben ihm? Und fast glaubte er, er
musste sich keine Sorgen machen, dass es auf der Arbeit unangenehm werden
würde, denn er glaubte nicht, dass sie ihn noch einmal darauf ansprechen würde,
geschweige denn, es noch einmal würde tun wollen.
Er
wusste nicht, wie er das fand. Aber er glaubte, ähnlich zu fühlen.
Hell
flackerte das Feuer. Merlin, was zur Hölle wollten seine Eltern von ihm? Er war
zu müde für solche Gespräche, in denen ihn seine Mutter fragte, ob Granger
seinen Namen wollte.
Er
verschloss die Hose und erhob sich müde. Er würde sofort schlafen. Egal, ob es
sieben Uhr war, oder nicht. War es nicht nach Mitternacht in England, fragte er
sich dumpf, und wollte gar nicht wissen, was für eine Krise es jetzt gab.
Seinen
Namen…
Auf
dem Weg ins Schlafzimmer hielt er kurz inne und wandte den Blick langsam zum Kamin
um.
Und
Draco glaubte, der schnelle Sex hatte für ihn kurz ein waches Fenster geöffnet.
Es
wäre ein Halbblut? Was wäre ein Halbblut?! Seine Stirn runzelte sich langsam.
Ob er sie ausgezahlt hatte? Was würde in der Presse stehen?
All
die Worte, die er gestern verdrängt hatte, fanden langsam den Weg in seine
Gedanken. Seine Mundwinkel zuckten sehr kurz, denn es klang fast so, als
wollten ihm seine Eltern unterstellen, er hätte mit dem Schlammblut Sex gehabt
– und hätte sie geschwängert.
Fast
war es witzig. Wie kamen seine Eltern auf so etwas?
Er
schüttelte sachte den Kopf. Vielleicht erlaubte sich die dumme Muggel auch
einen Scherz? Aber er konnte es sich nicht denken. Seine Eltern waren einfach
verrückt. Bei Gelegenheit würde er ihnen das vorwerfen.
Gähnend
verschwand er in seinem Schlafzimmer. Und wenn er ehrlich war, dann mochte er
es nicht, in einem Hotel zu wohnen. Und auch der Sex in Amerika gefiel ihm
nicht.
Alles
war schnell und unpersönlich. Nicht, dass er viel Wert auf Zärtlichkeit und Intimität
legte, aber… auf vielleicht fünf Minuten Ruhe danach. Ohne dass jemand
aufsprang und ging.
Es
gefiel ihm nicht. Nichts gefiel ihm hier. Nicht mal das Wetter. Fast vermisste
er den Regen. Vielleicht war er auch verrückt.
~*~
Es
war nicht gut, in einem Krankenhaus Hilfeschreie zu hören. Ginnys Füße trugen
sie so schnell durch die Station, dass sie fast stolperte. Und die Hilfeschreie
kamen aus ihrer Praxis!
Sie
stürmte ins Labor, wo sie bereits Dean vorfand, der sich schützend vor
Millicent gestellt hatte.
„Was
geht hier vor?“, wollte Ginny völlig überfordert wissen, als sie die Situation
näher erfasste. Pansy Parkinson schien sich Zutritt zum Labor verschafft zu
haben, den Zauberstab hoch erhoben. Er war auf Dean gerichtet.
„Weg
von ihr!“, sagte Pansy mehr als zornig. Dean schüttelte den Kopf.
„Miss Parkinson, wirklich, was-?“ Aber Pansy unterbrach ihn.
„-ich
möchte Millicent umbringen!“, rief sie aus.
„Was
ist los?“, mischte sich Ginny ein, kam ohne Zögern näher und stellte sich
direkt vor Pansy. Pansys Blick war wild und wütend. Dabei war sie vor einigen
Tagen hier gewesen, und alles hatte gut ausgesehen.
„Willst
du es ihr sagen?“, knurrte Pansy außer sich, und Millicent zitterte hinter Dean
regelrecht.
„Was
sagen?“, wollte Ginny wissen, deren erste Priorität es war, Pansys Zauberstab
zu bekommen – denn ihr eigener lag im Büro. War sie verrückt geworden? Was war
in sie gefahren?
„Na
los! Sag es ihr, du dummes Miststück!“, fluchte Pansy außer sich. Millicent
wimmerte bereits. „Und fang bloß nicht an zu heulen!“, rief Pansy zornig. „Ich
kann nicht fassen, wie dumm du bist, Millicent!“, schrie Pansy schließlich.
„Geben
Sie mir den Zauberstab“, verlangte Ginny ruhig. Pansy sah sie endlich an.
„Was
wollen Sie mit meinem Zauberstab?“, entgegnete Pansy zornig. „Sichergehen, dass
ich ihn nicht benutze, um diese dumme Hexe endgültig zu erledigen? Bitte!“,
schrie Pansy, schleuderte den Zauberstab auf den Boden, und Ginny konnte Pansy
nur geschockt ansehen.
„Was
passiert hier?“, wiederholte Ginny gereizt. „Was fällt Ihnen ein, hier
reinzustürmen und eine unserer Schwester zu bedrohen?“ Aber Pansys Ausdruck
sagte Ginny, dass Pansy keinerlei Furcht verspürte.
„Na
los“, forderte Pansy sie kalt auf. „Sag Heilerin Potter, was du gemacht hast!
Ich bin sicher, sie wird begeistert sein!“, spuckte ihr Pansy kalt entgegen,
während Millicent heftig schluchzte.
„Es…
es… war ein Versehen!“, jammerte Millicent. „Pansy, du weißt, es war ein
Versehen! Es waren so… viele! An diesem Tag! Ich… ich hätte nie…!“
„Was
hast du gemacht?“, griff Ginny vorsichtig Pansys Worte auf und wandte sich an
Millicent.
„Ich..
ich war nicht alleine! Pansy hat… Pansy hat sie mitgebracht!“, rechtfertigte
sich Millicent augenblicklich, die Augen verquollen und verweint.
„Oh,
versuch bloß nicht, mir die Schuld zu geben, du dumme Gans!“, fuhr Pansy sie
an.
„Ich
will sofort wissen, um was es geht! Ich werde euch beide hier rauswerfen!“,
drohte Ginny jetzt, während Dean Pansys Zauberstab vom Boden aufgehoben hatte.
Pansy hatte die Hände vor der Brust verschränkt, und Ginny dachte unwillkürlich
an das erste Zusammentreffen mit Pansy Parkinson, von dem sie geglaubt hatte,
eine ausgeglichene, junge, erfolgreiche Hexe kennengelernt zu haben. Aber jetzt
gerade wirkte Pansy so unfassbar sauer, so böse, dass sogar Ginny Angst bekam.
„Ich…
ich habe…“, begann Millicent schluchzend, und Ginny wollte es plötzlich gar
nicht mehr wissen, „…die Proben vertauscht“, schloss sie heiser. Pansy stürmte
bereits los.
„Diese
dumme Kuh hat die Proben vertauscht! Sie hat die verdammten Proben-!“ Aber Dean
hielt Pansy auf, und Pansy wehrte sich in seinem Griff. „Lass mich!“, schrie
sie. „Ich will sie erwürgen! Ich will sie einfach nur noch erwürgen!“, donnerte
Pansys Stimme durch die gesamte Praxis, und Ginny hatte sich umgewandt.
„Ruhe!“, rief sie schockiert. „Sofort! Das hier ist eine Praxis, nicht der
Schulhof!“
Und
sie fixierte Millicent jetzt. „Wovon sprichst du, Millicent?“, fragte Ginny
betont vorsichtig. „Du… hast nichts vertauscht, oder?“ Und Millicent wirkte so
verloren. Ginnys schlimmste Ängste sahen sich mit einem Schlag bestätigt.
„Ich
habe… zwei Proben vertauscht. Ehrlich, nur zwei!“, schwor sie hastig, aber
Ginnys Mund öffnete sich überfordert.
„Und
welche, Mills?“, lachte Pansy praktisch hysterisch. „Merlin, wie ich dich
hasse!“, schrie sie wieder.
„Pansys
Probe!“, rief Millicent mit geschlossenen Augen. „Und… Hermine Grangers Probe.“
Ginnys
Augen schlossen sich. Oh nein. Hermine hatte Prestons Probe bekommen? Nicht den
Geschöpfenforscher? Ginny konnte nicht fassen, dass so ein Fehler passiert war!
In ihrer Praxis!
„Ich
werde dich umbringen. Aber Merlin sei Dank, werde ich wahrscheinlich nicht die
erste sein!“, schrie Pansy. „Ich denke, Narzissa steht in der Schlange ganz vorn!“
„Ich
verlange, dass hier Ruhe herrscht!“, wiederholte Ginny verzweifelt. „So kommen
wir nicht weiter! Ist es überhaupt sicher? Ich meine, woher willst du wissen,
dass sie die Proben vertauscht hat? Wir können-“
Aber
Pansy hatte sich umgewandt. Und Ginny verstummte plötzlich. Pansys Blick war…
so sicher, so unerschütterlich sicher, dass Ginny schlucken musste.
„Weil
ich so dumm war und einen furchtbaren Fehler gemacht habe“, knurrte Pansy.
„Weil ich ernsthaft dachte, dass diese kröterdumme Hexe irgendetwas richtig
machen kann!“
„Ich
verstehe nicht-“, begann Ginny, aber Pansy sprach weiter.
„-ich
habe meine eigene Probe mitgebracht“, sagte sie, als wäre es das normalste der
Welt. Ginny blinzelte.
„Was?“,
entfuhr es ihr, während Dean einfach nur geschockt daneben stand. „Das… das ist
nicht möglich“, flüsterte Ginny kopfschüttelnd.
„Oh,
doch. Wenn man einen Idioten hier einstellt, der dumme Handlangertätigkeiten
tatsächlich beherrschen würde, wäre es sogar kinderleicht. Aber die liebe
Millicent ist leider ein unfähiger Idiot“, schloss sie bitter.
Aber
Ginny war Millicent gerade schrecklich egal. Wirklich schrecklich egal! Dean
wollte gerade anfangen, zu sprechen, da unterbrach ihn Ginny kurzerhand.
„Wem gehört die Probe?“, wollte sie fast zu tonlos wissen, und Pansys
Mundwinkel kräuselten sich zu einem bitterbösen Lächeln.
„Millicent,
wieso verrätst du es nicht der Spitzenheilerin?“, entkam es eiskalt Pansys
Lippen. Millicent schüttelte es vor Tränen, während sie wie ein Häufchen Elend
an einem der stahlpolierten Tische lehnte. Sie schüttelte den Kopf. „Denkst du,
dein Fehler wäre niemals aufgeflogen, du dumme Ziege?“, fuhr Pansy sie wütend
an. „Denkst du das?“, schrie Pansy wieder, und Ginny wurde es zu bunt. Sie kam
auf Millicent zu.
„Wem
gehört die Probe, Millicent?“, wiederholte sie eindringlicher.
Millicent
hob den traurigen Blick. Ihre Unterlippe bebte, als sie sprach.
„Dra-…
Draco Malfoy“, flüsterte sie schließlich, und Ginny hatte sich verhört.
„Was?“
Aber Millicent wiederholte es nicht noch einmal, und Ginny spürte, wie alle
Farbe aus ihrem Körper weichen musste, denn ihr war plötzlich unheimlich
schlecht.
„Ist
das nicht einfach fabelhaft?“, unterbrach Pansy Ginnys Schock, aber Ginny zwang
sich zur Ruhe.
„Es
muss nicht stimmen!“, sagte sie rigoros. „Es braucht Magie und Erfahrung, eine
Probe Zuhause zu konservieren!“, schloss sie kopfschüttelnd.
„Ich…
habe Pansy einen Becher mitgegeben“, meldete sich Millicent zu Wort. Ginny fuhr
herum.
„Das
ist verboten! Diese Becher verlassen niemals das
Mungo! Niemals!“, brachte Ginny gepresst hervor. Aber sie atmete ruhiger,
während Dean die Hand über die Augen gelegt hatte. „Und es heißt nicht, dass es
funktioniert hat! Es-“
„-und
warum steht ihr Name dann auf dem verdammten Stammbaum der Malfoys?“,
unterbrach Pansys dröhnende Stimme sie, und Ginnys Mund öffnete sich perplex.
„Es hat herrlich funktioniert“, flüsterte Pansy plötzlich, ohne Ginny wirklich
anzusehen. „Millicent hat den Becherzauber richtig gemacht, ich habe die Probe
fehlerfrei abgefüllt. Und Hermine Granger ist tatsächlich schwanger geworden.“
Pansy
lachte lautlos auf. „Ich fasse es nicht“, sagte sie freudlos.
„Das
ist strafbar“, meldete sich Dean erschüttert zu Wort. Millicent schluchzte auf,
aber Pansy fuhr zu ihm herum.
„Ich
denke, das ist uns allen klar“, erwiderte sie tatsächlich recht ruhig. Und dann
sah Pansy Ginny wieder an. „Sie kann es entfernen, richtig?“ Sie klang ein
wenig panisch bei diesen Worten. „Das ist es, was sie tun wird, oder? Du wirst
es ihr sagen? Das musst du doch!“, fuhr Pansy auffordernd fort, aber Ginny
konnte sie nur anstarren. „Richtig?“, wiederholte Pansy mit mehr Nachdruck, und
Millicent schluchzte wieder.
„Nein“,
sagte Ginny ungläubig. „Es kann nicht entfernt werden“, stellte sie klar. Pansy
starrte sie an.
„Was?
Natürlich! Es sind noch keine zwei Monate, und-“
„-das
läuft so nicht bei magischen Befruchtungen! Keine magische Befruchtung darf
entfernt werden. Sobald die Eizelle das Spermium angenommen hat, ist das
bindend. Es ist von keinem Gesetz erlaubt.“
Pansy
wirkte fast erleichtert. „Ja, ja. Aber schwarzmagisch geht es!“, rief sie aus.
„Das
ist verboten. Hermine würde das nicht machen!“, behauptete sie, aber Pansys
Blick sprach Bände.
„Würde sie nicht?“, stellte Pansy die entsprechende Gegenfrage, mit dem Maß an
Skepsis, die auch Ginny verspürte. Ginny musste kurz die Augen schließen.
„Und
jetzt?“, entkam es Dean ratlos. Ginny atmete aus.
„Millicent,
du bist gefeuert“, informierte sie die schluchzende Hexe hinter sich. „Und das
gibt Schadensersatzklagen!“
„Gold
ist kein Problem!“, rief Millicent eilig aus. „Muss… muss ich nach Askaban?“,
flüsterte sie panisch, und Ginny wünschte, das wäre der Fall. Aber leider –
leider – war das magische Gericht nicht besonders progressiv, was Fehler bei
magischen Befruchtungen anging. Denn das Gericht hielt davon ebenso wenig, wie
Ginnys Mutter es tat. Und somit endete eine Komplikation, ein Fehler, ein
Verlust jedes Mal nur in Goldstrafen. Und selbst wenn dieses Mal die Welt
praktisch unterging.
„Nein“,
knurrte Ginny dann, „du musst nicht nach Askaban.“
„Das
solltest du! Dafür, dass ich zusehen kann, wie ich ein Kind von einem dämlichen
Geschöpfenforscher schwarzmagisch entfernen lasse!“, beschwerte sich Pansy
haltlos. Ginny sah sie an. Millicent hatte es erzählt? Sie war so was von
gefeuert!
„Aber…“,
rief Millicent plötzlich, „aber das stimmt gar nicht! Oh Pansy, es ist gar
nicht so schlimm! Ich habe den Geschöpfenforscher aus Versehen vernichtet!“,
rief sie fast erleichtert aus, während Ginny und Dean fassungslos den Kopf
schüttelten. „Pansy, du wolltest Draco, aber du hast das nächstbeste
bekommen!“, beteuerte Millicent heftig. Ginny und Dean tauschten einen knappen
Blick. So viel war wirklich noch niemals schief gegangen. Noch nie.
„Deine
Probe war tatsächlich von Preston! Preston McGraw!“
Und
es verging ein kurzer Moment in schrecklicher Stille, ehe sich eine Art Kampfschrei
aus Pansys Kehle rang und sie auf Millicent losstürmte. Sie schubste Ginny
einfach aus dem Weg, aber Millicent war sehr schnell zur Seite gewichen. Pansy
war ins Straucheln gekommen, rutschte auf den Fliesen aus und klatschte
unspektakulär nach hinten.
Mit
dem Kopf schlug sie auf und blinzelte noch kurz ins Licht, ehe ihre Augen nach
hinten rollten und sie das Bewusstsein verlor.
„Meine
Güte, sie übertreibt einfach ein bisschen“, entkam es Millicent zitternd.
Ginny
und Dean gingen sofort auf die Knie. „Soll… soll ich helfen?“, fragte Millicent
und kam vorsichtiger Näher. Ginny und Dean schossen ihr beide einen wütenden
Blick zu.
„Du
bist entlassen, und am besten verlässt du diese Praxis auf der Stelle!“, fuhr
Dean sie an. „Ginny, gib unten Bescheid. Wir behalten Pansy besser hier. Das
ganze klingt nach… posttraumatischem…- na ja, zumindest… irgendetwas
Traumatisches“, murmelte er kopfschüttelnd. „Ginny?“, sagte er wieder, und
Ginny riss sich aus ihrer Starre.
Sie
bewegte sich mechanisch. Millicent war heulend aus der Praxis gelaufen. Die
Patienten im Wartezimmer standen bereits alle, gespannt, was nun passierte,
aber Ginny wandte monoton den Blick in die Richtung des Wartezimmers.
„Die…
die Termine fallen heute aus. Bitte, verlegen Sie alle Ihre Termine. Danke“,
sagte sie nur, und ignorierte alle Proteste und Fragen. Die Hexe am Empfang
wirkte ebenfalls überfordert, aber Ginny erklärte nichts, verließ die Station
und hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte.
Wie
sagte man so etwas? Wie sollte sie Hermine so etwas erklären?!
„And though our kids are blessed
Their parents let them shoulder all the blame“
Brand
New
Es
musste so etwas wie ein Zufall sein. Hermines Blick folgte der Frau, die sich
in anschmiegsamen Erdtönen gekleidet hatte. Es war das dritte Mal, dass sie
Narzissa Malfoy diese Woche sah. Heute war sie im Ministerium aufgetaucht. Die
letzten beiden Male hatte Hermine sie in der Winkelgasse angetroffen. Sie war
sich nicht sicher, seit wann sie in denselben Kreisen verkehrten. Und für
gewöhnlich dachte sie auch nicht weiter darüber nach.
Aber
es war doch vielleicht etwas auffällig, denn die Frau schien sie zu beobachten,
bis Hermine den Blick zufällig in ihre Richtung wandte. Ab dann blickte die
blonde Frau nicht mehr zurück. Und Hermine fragte sich, ob irgendwann der
unangenehme Zeitpunkt kam, wo Narzissa Malfoy tatsächlich zu ihr käme, um mit
ihr zu sprechen.
Aber
es schien heute auch nicht der Fall zu sein, denn nur noch kurz hielt sich
Narzissa in der Kantine auf, schien sich etwas ruhelos umzusehen, ehe sie
Richtung Ausgang verschwand. Hermines Blick folgte der eleganten Erscheinung,
und ihre Stirn runzelte sich langsam.
War
es Zufall? Wahrscheinlich. Musste es ja. Lucius Malfoy arbeitete zwar nicht im
Ministerium, aber… vielleicht hatte seine Frau hier Dinge zu erledigen.
Reinblüter-Dinge, von denen Hermine nichts wissen wollte.
Ihre
Gedanken fanden ein Ende, als Harry und Ron zu ihr kamen. Sie hatten ebenfalls
Pause.
Aber
sie wirkten… schrecklich ernst, fiel ihr auf.
„Was
ist los?“, fragte sie sofort, als die Männer sich zu ihr an den langen Tisch
setzten. In der Kantine herrschten lautes Treiben und muntere Gespräche, so
dass sie ihren Kopf nach vorne neigen musste.
„Wir
müssen reden“, begann Harry noch ernster, als es sein Ausdruck vermuten ließ.
„Reden?“,
wiederholte Hermine. Kurz zuckten ihre Mundwinkel. „Habe ich was
ausgefressen?“, wollte sie scherzhaft wissen. „Hat euch mein Chef geschickt?“,
machte sie den nächsten Witz, aber Harry reagierte gar nicht darauf. Hermine
wurde augenblicklich aufmerksamer. „Ist was passiert? Mit der Familie?“,
entfuhr es ihr besorgt.
„Ginny
möchte mit dir reden“, mischte sich Ron jetzt ein. Hermine sah sie verstört an.
Sie war doch erst vor ein paar Tagen in der Praxis gewesen. War etwas bei der
magischen Probe aufgefallen?
„Was
ist los? Ist irgendetwas mit dem Baby?“, wollte sie übergangslos wissen.
„Wir…
wir wissen nichts Genaues“, erwiderte Ron unschlüssig. „Nur dass… nur dass…“
Hermine Augen wurden groß. Bei Merlin! Sie hoffte, es war alles in Ordnung!
„Was
wisst ihr?“, drängte sie die Männer, und Harry verzog den Mund.
„Ginny
will mit dir reden. Und es ist wohl ernst, aber das Baby ist gesund. Sie hat
uns Bescheid gegeben, dass du sofort ins Mungo kommen sollst.“ Hermines Mund
öffnete sich langsam.
„Aber…
was?!“ Sie starrte beide an.
„Sie
hat uns nichts weiter gesagt“, beteuerte Ron und tauschte einen Blick mit
Harry.
„Na
ja…“, entkam es Harry schließlich, und Ron schüttelte kaum merklich den Kopf.
Hermine war sofort alarmiert.
„Na
ja was?“, fuhr Hermine sofort dazwischen. Ihre Augen hingen an Harrys Lippen,
der wieder einen Blick mit Ron wechselte. „Harry!“, ergänzte sie atemlos.
„Ok,
hör zu“, begann dieser eindringlicher, „wir haben keine Ahnung, was es
bedeutet, und es ist bestimmt nicht wirklich schlimm“, fuhr er fort, aber
Hermine hatte die Luft angehalten. „Alles, was Ginny meinte, war, dass… dass es
wahrscheinlich zu einer Verwechslung gekommen ist“, schloss er unangenehm
berührt, während Ron ausatmete und den Kopf wieder schüttelte.
„Was?“,
fragte sie, ehrlich verwirrt, die Stirn in Falten gelegt.
„Ginny
meinte, sie müsste dich erneut untersuchen, denn… wahrscheinlich wurden bei der
Befruchtung einige Proben an diesem Tag vertauscht. Aber-“, unterbrach Harry
sie, ehe sie sprechen konnte, „-du bist schließlich immer noch schwanger,
richtig? Zwar mit einem Jungen, so viel wir verstanden haben, aber immerhin
immer noch mit einem Kandidaten, der vorher getestet und für würdig befunden
würde, in der seltsamen Samenbank aufgenommen zu werden“, bestätigte er hastig.
„Mann,
Ginny hat gesagt, wir sollen es nicht sagen“, entfuhr es Ron gepresst, während
er sich unauffällig umsah. Hermine starrte sie geschockt an.
„Was?“,
flüsterte sie tonlos, mit weiten Augen. „Was… was soll das heißen?“
„Ginny
wollte, dass wir dich beruhigen. Es… es…“ Selbst Harry schien mit diesem Befehl
seiner Frau nicht richtig umgehen zu können. „Weißt du, es ist ja ohnehin ein
anonymer Kandidat?“, versuchte er es erneut. Ron schüttelte wieder den Kopf.
„Das
ist ein Irrtum, oder? Ihr irrt euch!“, sagte sie fest. „Ginny irrt sich.“
„Das
kann sein. Dafür sollst du kommen. Und deshalb bringen wir dich hin.“
Erst
jetzt fiel ihr auf, dass Harry und Ron nicht in Uniform zu ihr gekommen waren.
Sie trugen normale Kleidung. Es war an ihr vorbeigegangen.
„Ok?“,
vergewisserte sich Ron unsicher. „Hermine, lass uns gehen. Wir finden das raus,
und-“ Hermine erhob sich fassungslos.
„Das
kann nicht sein“, murmelte sie entschlossen. „Ich meine, das kann einfach nicht
sein!“ Ron beeilte sich, seine Hand auf ihren Rücken zu legen, und sie mit
sanfter Gewalt aus der Kantine zu führen, ehe sie noch schreien würde oder was
er eben dachte.
Scheinbar
dankbar seufzte er auf, als sie über die Kamine nach draußen gelangt waren.
Zwischen Harry und Ron fühlte sie sich fast wie einer der
Untersuchungshäftlinge, mit denen die beiden üblicherweise zu tun hatten. Sie
schüttelte wieder den Kopf.
„Ich
schaffe den Weg alleine!“, informierte sie beide wütend, aber Harry und Ron
gingen neben ihr, bis beide ihr die Arme zum Apparieren boten, als sie eine
ruhigere Ecke der Innenstadt erreicht hatten.
„Wir
haben Befehle“, bemerkte Ron lediglich. Beide hatten ihre Schwangerschaft
ohnehin nie ernst genommen. Hermine konnte nicht fassen, was sie ihr erzählt
hatten. Eine Verwechslung? Die Proben vertauscht? Wen hatte sie dann bitteschön
bekommen? Was sollte das bedeuten? Wie konnte so ein Fehler überhaupt
passieren? Und vielleicht irrten sie sich! Sie mussten sich irren!
„Du
hältst dich tapfer“, sagte Harry aufmunternd, und Hermine hätte beide am
liebsten geboxt. Unfassbar! Und sie war gerade einfach nur zu schockiert, um
irgendetwas zu erwidern.
~*~
Pansy
schlug träge die Augen auf. Die Magie, die sie beruhigte, war langsam
abgeklungen. Sie blinzelte ins helle Tageslicht. Sie bemerkte die Schwester
erst jetzt neben ihrem Bett, die nach ihrem Arm griff, um ihren Puls mit dem
Zauberstab zu messen.
„Wie
geht es Ihnen, Miss Parkinson?“, wollte sie freundlich wissen. „Sie haben sich
eine ordentliche Beule geholt.“ Pansy hatte sich noch etwas ganz anderes
geholt! Aber jetzt, wo es die Schwester sagte, spürte sie den pochenden Schmerz
in ihrem Hinterkopf erst wirklich.
„Eine
Heilerin wird gleich zu Ihnen kommen“, versicherte die Schwester schließlich,
nachdem sie sich wohl damit abgefunden hatte, dass Pansy nicht antwortete, und
verschwand aus ihrem Zimmer.
Pansy
lag einfach nur stumm im Bett.
Wie
hatte das passieren können? Merlin, wie sollte es nur weitergehen? Alles war
umsonst gewesen. All ihre Bemühungen, sogar ihr Verzicht auf ihre große Liebe.
Und nicht nur würde er sie hassen, weil das schlimmste aller schlimmen Dinge
passiert war – nein, der Schmerz seiner Abwesenheit würde nicht einmal durch
sein Baby kompensiert werden, was sie nun nicht bekam!
Ihre
Augen füllten sich mit heißen Tränen. Was hatte sie nur getan? War das die
Strafe, die sie bekam? Aber wofür wurde sie bestraft? Dass sie die Dinge selber
in die Hand genommen hatte? Es war nicht gerecht! Es war alles nicht gerecht.
Stumm
liefen die Tränen ihre Wangen hinab.
Die
Tür öffnete sich, aber Pansy sah nicht einmal auf.
„Miss
Parkinson, ich bin froh, dass Sie wach sind. Mein Name ist Heilerin Carvill,
und ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Ginny Potter hat mir bereits
erklärt, was vorgefallen ist“, schloss sie, zog sich den Stuhl näher und setzte
sich ungefragt neben das Bett. Unaufgefordert griff sie nach einer Box mit
Wegwerftüchern und reichte sie Pansy. Ohne die Heilerin anzusehen, zog Pansy
ein Tuch aus der Box und schniefte herzhaft.
„Sie
wissen, wir müssen die Strafverfolgung einschalten“, erinnerte die Heilerin sie
bedauernd. „Aber ich bezweifele, dass Sie sich mit einer Verhandlung seitens
Miss Granger auseinandersetzen müssen.“
Pansy
hob den verweinten Blick. „Was?“, flüsterte sie.
„Nun,
Miss Granger hat – wie Sie – eine Durchschrift unterschrieben, welche eine
Klausel beinhaltet, dass gewisse kosmetische Fehler dem Mungo nicht vorgehalten
werden können.“ Pansys Stirn zog sich in krause Falten. „Dies bedarf einer
weiten Auslegung, in diesem Fall, aber… darüber müssen Sie sich dann keine
Sorgen machen.“
Der
Blick der Heilerin wurde ernst, ehe Pansy sauer werden konnte und ausführte,
dass Hermine Granger sich ja wohl auch verflucht glücklich schätzen konnte,
Dracos Kind zu gebären! Wen gab es denn bitteschön als besseren Kandidaten?
Niemanden!
„Worüber
Sie sich Gedanken machen sollten, ist die Familie Malfoy.“
Pansy
schluckte schwer. Das wusste sie selber! Was dachte sich die Heilerin? Wieder
musste sie weinen. „Aber für dieses Problem wir der Rechtsmagier Ihrer Familie
zuständig sein. Ich habe Ihre Mutter informiert.“ Pansy schluchzte nun auf.
Nicht auch noch ihre Mutter! Oh Merlin! Sie schämte sich fast noch mehr, als
dass sie sauer war. „Ich möchte mich alleine mit ihrer Psyche befassen. Reden
Sie ruhig mit mir. Ich bin hier, um Sie nicht zu verurteilen.“
Aber
es klang nach einem Urteil, fand Pansy. Es klang erschreckend danach. Sie
wandte den Blick von der strengen Heilerin ab und weinte weiter in ihr Tuch.
Und sie würde nie mehr aufhören zu weinen. Draco würde sie hassen. Für immer
hassen. Denn sie war Schuld, dass ein Schlammblut seinen Sohn bekam.
Und
sie hasste sich selber am allermeisten.
Sie
hasste Ironie. Und sie hasste sie vor allem in diesem Zusammenhang.
Wortlos
reichte ihr die Heilerin ein weiteres Taschentuch.
~*~
Hermine
wusste nicht, ob sich Ginny extra viel Zeit ließ, nachdem Hermine auf dem
Behandlungsstuhl Platz genommen hatte, oder ob es viel zu tun gab. Wie dem auch
sei, fand es Hermine unfassbar dreist! Doch bevor sie kurzentschlossen wieder
aufstehen und in Ginnys Büro gehen konnte, öffnete sich die Tür und ihre
schuldbewusste beste Freundin kam im weißen Kittel herein.
„Sag
mir, dass es nicht stimmt“, verlangte Hermine von ihr, die Stimme unsicher und
zögernd.
„Ich
muss einen simplen Test machen, und dann wissen wir Bescheid“, erwiderte Ginny,
ohne Begrüßung, ohne Entschuldigung, aber der Schmerz in ihren Augen sprach
Bände. Hermine schüttelte unglücklich den Kopf.
„Wie…
wie konnte das passieren?“, flüsterte sie, Tränen in den Augen.
„Menschliches
Versagen“, erwiderte Ginny unglücklich. „Hermine, es tut mir so leid, wenn es
wirklich… wirklich zu einer Verwechslung gekommen ist.“ Hermine nahm an, Harry
hatte seiner Frau gebeichtet, dass er ihr bereits verraten hatte, weshalb sie
hier saß.
Hermine
fasste sie fest ins Auge.
„Welches
sind die anderen Kandidaten? Ich meine, keine Frau wird sich doch wohl
irgendeinen Meuchelmörder ausgesucht haben?“, versuchte sie, das Schlimmste
abzumildern, aber Ginny verzog nur gequält den Mund.
„Nein,
kein Meuchelmörder“, bestätigte sie nur kleinlaut. „Machen wir den Test.“
Hermine
sah ihr mit angehaltenem Atem zu. Ginny hatte den Zauberstab gezogen, schob
Hermines Oberteil ein Stück weit ihren Bauch nach oben und entnahm eine feine
Gewebeprobe, die fast durchsichtig schimmerte, ehe sie diese am Tisch auf eine
winzige Glasfläche legte, welche sie unter das magische Mikroskop schob.
Es
verging so unglaublich viel Zeit, dass Hermine spürte, wie ihre Handflächen
feucht wurden. Ginny starrte bereits seit einer ganzen Weile durch das Okular.
Was zur Hölle sah sie denn da so kompliziertes, dass sie nicht sprechen konnte?
War es doch eine Eule, dachte sie mit einem Anflug von leiser Panik.
„Also?“,
rang sich Hermine zitternd ab. Und Ginny seufzte.
„Es
ist nicht dein Geschöpfenforscher, Hermine“, sagte Ginny, ohne den Blick vom
Mikroskop zu heben.
„Und
wer ist es?“, entfuhr es Hermine gereizt. „Ich meine, das wird man doch wohl
erkennen können! Oder handelt es sich auch wieder um menschliches Versagen?“,
entfuhr es Hermine nervöser als beabsichtigt. Sie hatte vorgehabt, souverän mit
dieser Sache umzugehen. Sie kannte die Risiken, sie wusste, sie hatte ein
Formular unterschrieben, das Ginny aus der Haftung solcher Dinge entband, aber
jetzt gerade war sie einfach nur verzweifelt und wütend. „Willst du mir nicht
auch noch versichern, dass mein Höhlenmensch vielleicht ein schlechter Mensch
war, so wie Ron es getan hat?“
Aber
Ginny sprang auf ihre irrationale Wut gar nicht an. „Ginny!“, fuhr Hermine sie
schließlich an. „Sag mir irgendetwas! Ich meine…“, begann Hermine verzweifelt,
„ich kannte ja den Geschöpfenforscher gar nicht, und… vielleicht ist dieser
neue… Kandidat ja ebenso… engagiert“, flüsterte sie, denn sie hatte keine
Ahnung, wie sie sich auf die Schnelle mit dieser Veränderung vertraut machen
sollte. Sie hatte ein Mädchen gewollt. Das hatte Ginny ihr versprochen, aber
nun bekam sie einen Jungen. Und es war ok. Sie hatte sich abfinden müssen,
obwohl es nicht so geplant war.
Sie
hatte das Kind eines guten Menschen, eines Weltverbesserers gewollt. Eines
Menschen, der sich für unterdrückte Geschöpfe einsetzte – und fein! Das hatte
anscheinend auch nicht funktioniert, aber sie war nicht bereit, alle ihre guten
Vorsätze aufzugeben.
Denn
unterm Strich hatte sie ein Kind gewollt. Und unterm Strich – wenn sie von all
den Dingen einmal absah – dann war es doch grundsätzlich egal, wessen Kind es
war, solange es ein relativ guter Mensch war, mit vielleicht ansatzweise
erstrebenswerten Idealen. Hermine hatte es nie so genau genommen. Jeder Mensch
hatte irgendwo einen guten Kern.
Und
mehr gut zureden konnte sie sich im Moment nicht.
Denn
Ginnys Schweigen war… so beunruhigend, dass Hermine am liebsten aufgestanden
wäre, um hin und her zu laufen.
Und
dann, nach einer weiteren kleinen Ewigkeit, kam Ginny zu ihr und setzte sich
auf den Stuhl. Sie sah sie lange an.
„Hermine,
ich… - es tut mir leid“, sagte sie mit Grabesstimme, und Hermine sah erst
jetzt, wie blass sie geworden war. „Wirklich. Es tut mir leid.“
„Ok?“,
wagte Hermine zu erwidern. „Was heißt-?“ Aber Ginny sprach mit Bedauern weiter.
„-du
weißt, wir können es nicht mehr entfernen?“, erinnerte sie Hermine, und diese
nickte langsam.
„Das…
das ist mir klar. Ich meine, ich… habe den gesamten Vertrag gelesen, Ginny.
Ich… hatte zwar nicht mit einer solchen Komplikation gerechnet, aber…“ Hermine
sprach, damit die Panik nicht Überhand gewann.
„Ich
sage dir, wer es ist. Ich würde es gerne nicht tun, verstehst du? Aber… leider…
muss ich es tun. Denn es handelt sich um keine freiwillige Probe“, schloss sie,
und Hermines Mund öffnete sich.
„Keine
freiwillige-? Was soll das heißen?“, flüsterte Hermine verständnislos. Und
Ginny atmete schwer aus.
„Das
soll heißen, dass es jemand geschafft hat, eine Probe hier einzuschleusen.“
In
Hermines Kopf spielten sich haarsträubende Geschichten ab.
„Einzuschleusen?“,
wiederholte sie mit großen Augen. „Was heißt das? Redest du von einem
Komplott?“, entfuhr es ihr. „Sind es diese Aktivisten, die versuchen, zu
beweisen, dass diese Art der Fortpflanzung widerlich ist?“, zitierte sie, was
sie in einem Artikel gelesen hatte. „Sind es die Aktivisten, die am liebsten
mit Kriselkrätze verseuchte Proben in die-“
„-Merlin,
Hermine, nein!“, unterbrach Ginny sie schockiert. „Du hast keine infizierte
Probe, oder etwas Ähnliches!“, sagte Ginny sofort, und Hermines Panik legte
sich augenblicklich. „Dein Kind ist kerngesund, alles wird normal verlaufen,
Merlin, noch mal. Es ist aber…“
„Es
ist aber was?“ Hermine konnte sich kaum noch auf dem Stuhl halten. Immerhin
musste sie nicht in einer denkbar unwürdigen Position dort sitzen. Ginny hatte
die Bügel für die Füße runtergeklappt. Hermine saß lediglich auf dem unbequemen
Stuhl, bereit, das Schlimmste zu hören.
„Ok,
hör zu“, begann Ginny wieder, aber Hermine atmete entnervt aus.
„Ginny,
was ist das Problem? Du sagst, es wird ein gesundes Kind. Dann ist es eben
nicht er Geschöpfenforscher.“ Langsam aber sicher war sie Ginnys
Herumdruckserei leid.
„Das
Problem ist, wenn du weißt, wer es ist, wirst du mich umbringen wollen“,
antwortete Ginny fast schon sachlich. Hermines Stirn runzelte sich.
„Ist
das dein Ernst?“, entfuhr es ihr fast entgeistert. „Ich meine, ich bringe dich
jetzt auch nicht um. Ich denke, die schlimmste Nachricht war, dass es eine
Verwechslung gab. Und ich will mich nicht loben, aber ich finde, ich bin damit
mehr als fair umgegangen.“
Und
Ginny wirkte so gequält. „Ok, dann… behalt diese Worte im Gedächtnis, ok?“ Und
Ginny atmete aus, auf eine resignierende Weise, als würde ohnehin kein Weg an
den nächsten Worten vorbeiführen.
„Pansy
hat… eine Probe in unsere Praxis geschmuggelt. Ihre verrückten Beweggründe mal
völlig außer Acht gelassen. Und wegen eines unfassbaren Fehlers kam es an
diesem Tag zu einer Verwechslung der Präparate. Und glaub mir, könnten wir es
ändern, dann würden wir es ändern.“ Hermine hatte den Atem wieder angehalten.
„Aber leider ist es passiert, deine Eizelle wurde befruchtet, du bist weit über
einen Monat schwanger, und das Gesetz verbietet uns jeden weiteren Eingriff“,
schloss sie. „Ich schlage vor, wir machen das beste aus der ganzen Sache“,
schloss Ginny nickend, und es kam Hermine vor, als spräche sie mit sich selbst.
„Wo das gesagt ist und ich die Gewebeprobe noch einmal untersucht habe, kann
ich dir nun – im Namen unserer Praxis – sagen, dass… du Draco Malfoys Kind
bekommen wirst.“
Hermine
sah Ginny ausdruckslos an. Ginnys Blick wirkte auffordernd, und sie schien auf
irgendeine Reaktion zu warten. Ginny saß angespannt auf dem Stuhl, wohl bereit,
weitere Maßnahmen zu ergreifen, aber Hermine verzog den Mund.
„Ha
ha?“, war das erste, was sie sagte. „Ist das dein Ernst?“, wollte Hermine
ungläubig wissen, denn… das klang absurder als alles andere, was sie bisher
gehört hatte. Und Ginny atmete aus.
„Mein
voller Ernst“, bestätigte Ginny mit Nachdruck. „Du… verstehst, was ich sage,
oder?“, vergewisserte sie sich, als Hermine nicht anders konnte, als zu
grinsen.
„Du
willst mir sagen, Pansy schmuggelt eine Probe in eure Praxis, ihr vertauscht
sie, und jetzt bin ich von Draco Malfoy schwanger?“ Und Hermine musste fast
lachen.
„Oh
Hermine, ich bitte dich inständig, werd jetzt nicht verrückt“, flehte Ginny
besorgt. „Zwing dein Gehirn, diese Worte zu verstehen, ok? Es ist kein Scherz.
Es ist nicht lustig. Ich meine es vollkommen ernst, und ich bin mir sicher, es
wird zu einer Auseinandersetzung kommen“, versuchte Ginny ihr ruhiger zu
erläutern. Hermine musste immer noch grinsen.
„Auseinandersetzung?
Es klingt absolut lächerlich, Ginny“, fing Hermine wieder kopfschüttelnd an,
während sie nun doch lachen musste. „Und völlig absurd!“, ergänzte sie
lächelnd.
„Hermine,
ich bin darüber informiert worden, dass Draco Malfoy erst vor einigen Wochen
hier im Mungo eine Vasektomie bekommen hat, und deshalb ganz sicher nicht mit
einer Vaterschaft rechnet. Abgesehen davon hat Pansy sein Präparat gegen seinen
Willen erlangt und verwendet“, fuhr Ginny verzweifelt fort.
„Vasektomie?“,
wiederholte Hermine, während ihr Lächeln sehr langsam verflog. „Langsam glaube
ich, du meinst das wirklich ernst“, bemerkte Hermine ungläubiger.
„Hermine,
ich meine das sehr ernst. Natürlich wird gegen dich nicht vorgegangen – oder
wahrscheinlich schon. Aber gegen dich kann überhaupt keine Klage erhoben
werden. Nur gegen Pansy können-“
-was?“
Und Hermine sah sie plötzlich mit großen Augen an. „Klage erheben? Warum sollte
jemand Klage erheben?“, entfuhr es ihr verstört.
„Weil
du… Draco Malfoys Kind bekommst?“, wiederholte Ginny still, vielleicht ein
wenig vorsichtiger. „Hermine?“, ergänzte Ginny, als Hermine in eine Art
Schockstarre gefallen war.
Der
Schock war sehr plötzlich gekommen.
Und…
Hermine glaubte mittlerweile nicht mehr, dass Ginny einen Scherz machte. Aber…
das würde bedeuten, dass-
„-Hermine?“,
wiederholte Ginny verunsichert. „Rede mit mir“, verlangte sie nervös. „Sag
irgendetwas, Hermine. Egal, was!“
Langsam
schüttelte Hermine den Kopf und erhob sich vom Behandlungsstuhl.
„Hermine?“,
sagte Ginny wieder und erhob sich ebenfalls. Hermine bedeutete ihr, stehen zu
bleiben und nicht näher zu kommen. Es konnte nicht sein, oder? So etwas
passierte doch nicht wirklich! Und es war, als wäre eine Bombe völlig lautlos
in ihrem Kopf detoniert, als ihr Verstand für eine Millisekunde versucht hatte,
das Ausmaß zu begreifen.
Es
stimmte nicht. Es stimmte einfach nicht. Alles, aber das nicht!
„Hermine!“,
rief Ginny ihr nach, aber Hermine hatte das Behandlungszimmer verlassen, und
auf dem Flur erhoben sich Harry und Ron gleichzeitig. Sie hatten auf sie
gewartet.
„Hermine,
was ist los? Hast du jetzt wen anderes bekommen, oder nicht?“, wollte Ron
gespannt wissen, aber Hermine hörte ihm gar nicht zu. Denn es konnte nicht
sein.
„Hermine?“,
fragte jetzt auch Harry, aber Hermine verließ die Station wortlos. Sie hörte,
wie Ginny ebenfalls in den Flur gekommen war und hastige Worte mit Ron und
Harry wechselte, aber die Aufzugtüren schlossen sich bereits hinter ihr, bevor
sie Ginny, Ron oder Harry im Aufzug noch erreichen konnten.
Und
ihr Kopf schüttelte sich praktisch von selbst, während sie alleine in die
Eingangshalle des Mungo fuhr. Sie trat aus den
Aufzügen, und die Menschen um sie herum verhielten sich, als läge die Welt
gerade nicht in endlos vielen Scherben.
Und
sie blieb plötzlich stehen.
Denn
der Zufall wiederholte sich ein viertes Mal. Ihr wurde plötzlich unfassbar
heiß.
Narzissa
war mit schnellen Schritten näher gekommen, im Gespräch mit einer anderen Frau
vertieft, die Pansy ziemlich ähnlich sah, mit den dunklen Haaren. Beide sahen
sie zur gleichen Zeit und unterbrachen ihr Gespräch. Hermines Mund öffnete sich
überfordert und atemlos.
Oh
Gott. War es ein Zufall, dass sie Narzissa Malfoy überall traf? Es war Zufall.
Es musste ein Zufall sein, denn woher sollte Narzissa…? Woher sollte… - wie
konnte…? Sie weigerte sich, weiterzudenken – überhaupt diese Gedanken
abzuschließen, denn es stimmte nicht! Hermines Gehirn schickte wieder genügend
Impulse in ihre Beine, damit sie sich endlich in Bewegung setzte. Und jetzt
rannte sie.
Sie
rannte plötzlich so schnell, als ginge es um Leben und Tod.
Sie
musste nur raus hier! Sie konnte nicht mehr atmen, hier drin!
„Your name, which I played with so
carelessly, so easily,
has somehow become sacred to my lips.
A name I won’t throw around lightheartedly
or repeat without deep thought.“
Coco J. Ginger
Er
tat, was er immer tat. Er gähnte herzhaft, und stützte sein Gesicht in seine
Hände, während der Nachmittag kein Ende finden wollte. Er hatte keine Lust
gehabt, mit Penelope überhaupt noch ein Gespräch zu führen. Er hatte das Gefühl,
sie hatten beide bekommen, was sie gewollt hatten, und damit war es auch
vorbei.
Er
erschrak zutiefst, als die morgendliche Taube gegen sein Fenster hämmerte. Mit
ihrem Schnabel hackte sie praktisch schon ein Loch durch die Scheibe. Er erhob
sich hastig und öffnete das große Fenster. Er mochte Tauben nicht wirklich.
Hier in New York waren sie die gängige Form der Postübermittlung. Fast kam ihm
der Gedanke an die Eulen aus England schon nostalgisch vor.
Unter
hektischem Geflatter schüttelte sie die Post von ihrem
Bein. Heute waren es nur ein Dutzend schmale Briefe, stellte er entnervt fest.
Schon öffnete Lou Burgh seine Tür.
„Malfoy,
wunderbarer Tag. Mögen Sie mir vielleicht erklären, wie es zu dieser
Misskalkulation kommen konnte?“, wurde er vom Senior Partner direkt mit dem
nächsten Problem bombardiert. Er blätterte simultan durch die neue Post und
warf einen Blick auf die Akte, die Burgh ihm präsentierte.
„Miller.
Die Architekten, richtig?“, riet er unmotiviert.
„Falsch. Die Architekten sind Mansfield. Miller ist das Unternehmen meines
Schwiegervaters, Malfoy? Und Sie stellen ihnen 200 Milliarden in Rechnung?“,
fuhr sein Boss weniger freundlich fort.
„Und
es waren eigentlich…?“, sagte Draco hoffnungsvoll und hoffte, sein Dackelblick
half ihm auch bei Burgh weiter.
„200.000“,
korrigierte ihn der Mann ungehalten. Draco verzog den Mund. Gut, da hatte er
sich etwas vertan. Minimal.
„Tut
mir leid, Lou. Kleine Fehler passieren“, entschuldigte er sich achselzuckend,
während er seufzend einen Brief öffnete, der ihm besonders ins Auge stach. Er
kam vom Mungo Hospital. Bekam er eine weitere Rechnung für die Vasektomie? Nur
wegen Preston ließ ihm Burgh ab und an noch Fehler durchgehen. Draco würde auch
noch mal bezahlen, dachte er dumpf.
„Das
ist kein kleiner Fehler, Malfoy“, brachte Burgh gepresst hervor. „Mein
Schwiegervater tobt im Dreieck. Und ich kann es ausbaden, muss endlose Stunden
in der Sauna mit ihm schwitzen, und glauben Sie mir, mit diesem Mann möchten
Sie nicht schwitzen!“, maßregelte sein Boss ihn ungnädig.
Aber
Dracos Mund hatte sich geöffnet. Er las die Zeilen erneut. Und noch einmal. Und
noch einmal, um völlig sicher zu sein, dass er nicht gerade träumte.
„Malfoy?“,
unterbrach sein Boss ihn ungeduldig. „Was gedenken Sie zu tun?“ Draco hob den
Blick. Das Gähnen war ihm urplötzlich vergangen.
„Ich…
ich muss nach England“, entfuhr es ihm tonlos.
„Sie
– was?“ Burgh schien für einen Moment aus der Bahn geworfen. „England? Wir
befinden uns in einer heißen Phase. Sie können nicht nach England.“
Aber
Draco hörte ihm nicht zu. Erst jetzt ergab das stumpfsinnige Gespräch mit
seinen Eltern über Floh Sinn. Nicht, dass es wirklich Sinn ergab, denn diesem
Schreiben zufolge war Hermine Granger schwanger mit seinem Kind! Was völlig
unmöglich war. Das Mungo bot ihm die Gelegenheit zum
Widerspruch. Gegen was auch immer er widersprechen sollte!
„Lou,
ich… muss nach England“, wiederholte er langsam. Wahrscheinlich… musste er das
nicht. Denn wahrscheinlich handelte es sich hier um ein seltsames Missverständnis.
Aber er wollte. Er wollte nach England, ging ihm plötzlich sehr dringend auf.
„Malfoy!
Was denken Sie, was ich ihr führe? Einen Freizeit-Park, in dem Sie nach
Gutdünken schalten und walten können? In dem Sie ungeschoren davonkommen, wenn
Sie meinen Schwiegervater auf mich hetzen? Und sie glauben, Sie dürften nach
England zurück, einfach nur, weil sie es wollen?“ Draco sah ihn an, hörte aber
nicht wirklich zu.
„Ja“,
bestätigte er nur. Er runzelte die Stirn. Er hatte nicht mit Granger
geschlafen!
…
- oder hatte er?!
Er
war kurz mehr als verwirrt. Nein. Er hatte sich mit ihr gestritten, nachdem sie
ihn in Potters Haus erwischt hatte. Sie hatten ein Bündnis geschlossen – und er
war gegangen. Mehr war nicht passiert. Merlin, noch mal!
„Sie
arbeiten hier, weil ich von Ihrem Talent gehört habe. Allerdings bleibt mir
diese Erkenntnis bisher verwehrt“, knurrte Burgh zornig. „Ihre Fehler zu Beginn
habe ich großzügig übersehen, weil Preston McGraw ein gutes Wort eingelegt,
Malfoy“, ermahnte er ihn. „Aber wenn Sie jetzt abreisen – ohne einen guten
Grund, dann sehe ich keinen Grund, weshalb Sie wiederkommen sollten.“
Burgh
sah ihn herausfordernd an, und Draco ergriff die Gelegenheit beim sich
bietenden Schopfe, denn ehrlich gesagt, hatte er gar kein Interesse mehr,
wiederzukommen. Seine Hörner waren sowas von abgestoßen. Er war fertig mit
Amerika. Es war laut, anstrengend, der Sex war kalt und emotionslos, und es gab
keine Eulen!
„Ich
muss zurück. Danke, für die Gelegenheit, Lou“, verabschiedete er sich schlicht
und war dankbar, die restlichen Beschwerdebriefe gar nicht erst öffnen zu
müssen.
„Malfoy!“,
rief ihm Burgh nach, als Draco das Büro verließ, ohne sich umzudrehen.
Persönliche Dinge hatte er hier sowieso nicht. Und es gab dringendere Probleme.
Irgendein Schlammblut behauptete von ihm schwanger zu sein, soweit er
irgendetwas richtig verstand?!
~*~
Pansy konnte behaupten eine wirklich
schreckliche Woche hinter sich zu haben. Denn kaum, dass sie das Mungo
verlassen durfte, war sie auf dem Weg ins Ministeriumsgericht. Ihre Mutter saß
in der Kutsche neben ihr, ohne überhaupt noch ein Wort mit ihr zu sprechen.
Pansy
hatte sich geweigert, Heilerin Carvill Rede und Antwort zu stehen, hatte sich
geweigert, über ihre Beweggründe und Gefühle zu philosophieren, denn sie wusste
schließlich, warum sie es getan hatte! Und es sollte niemals jemand erfahren!
Es war nicht so, dass ihr Plan gewesen war, Hermine Granger mit diesem Präparat
zu schwängern, Merlin noch mal!
Es
war so peinlich. Es war so furchtbar, und ihre Mutter war mit Narzissa im
Schlepptau ins Mungo gekommen, um sie tatsächlich
anzuschreien!
Ein
Gutes hatte jede Tragödie, nahm sie bitter an. Immerhin sprach ihre Mutter
nicht mehr mit ihr. Sie wusste nicht, wo ihr Vater steckte, aber sie nahm nicht
an, dass er darauf brannte, Teil dieser Farce zu sein. Pansy wünschte sich, sie
könnte den Schadensersatz einfach nach Gringotts bringen und müsste kein
dämliches Verfahren über sich ergehen lassen.
Ihre
Mutter hatte die Lippen so zornig aufeinander gepresst, dass es aussah, als
hätte sie gar keinen Mund mehr. Pansy hätte am liebsten die Augen verdrehte,
aber sie sah davon ab. Sie nahm an, sie hatte sich geirrt. Ihr Tiefpunkt war
bei weitem nicht erreicht gewesen, als sie Draco betäubt und ihn seines Spermas
beraubt hatte.
Nein.
Das war ihr Tiefpunkt, definitiv. Merlin, sein verdammtes Sperma würde sie
Millionen kosten. Sie nahm an, ihr Erbteil stand hier auf dem Spiel. Sie würde
ihn verlieren, und sie kannte ihre Mutter. Sie würde so nachtragend sein, dass
sie nie wieder auch nur ein Wort mit ihr wechseln würde – was nicht das
Schlimmste war, was sich Pansy gerade vorstellen konnte.
Endlich
– Merlin endlich! – erreichten sie das Ministerium. Die Kutsche war mit einem
Desillusionierungszauber belegt, so dass sie den dummen Muggeln nicht auffallen
würde. Pansy und ihre Mutter verließen die Kutsche unbesehen und der Kutscher
wartete in einer Seitenstraße, von Muggeln unbemerkt. Nicht, dass Pansy mit
ihrer Mutter wieder zurückfahren würde!
Sie
hatte eine leichte Gehirnerschütterung von ihrem Sturz davon getragen. Es tat
noch weh, aber immerhin hatte Millicent ihre Stelle verloren. Millicents Eltern
wären bestimmt ebenso begeistert. Vielleicht konnte Pansy Millicent im
Anschluss der Verhandlung verprügeln.
Aber
Pansys größte Sorge war eine andere Person. Sie war sich nicht sicher, ob Draco
persönlich erscheinen würde. Ihres Wissens nach war er in Amerika. Und sie
wusste nicht, ob er tatsächlich dafür nach England kommen würde.
Und
so hatte sie sich ein Wiedersehen nicht vorgestellt. Merlin, sie hätte sich
heute Morgen betrinken sollen, als sie noch die Chance gehabt hatte. Nicht,
dass sie es noch durfte.
Sie
betraten die enge Telefonzelle, und ihre Mutter wählte zornig die 62443, wählte
anschließend die acht und es fielen zwei Anstecker in das Münzfach. Dann
verschluckte sie der Zauber und sie traten aus dem Kamin ins Atrium des
Ministeriums. Es war fiel los, aber Pansy erkannte Ginny Potter und ihren Mann
auch aus dieser Entfernung.
Oh
je. Hermine Granger stand daneben, mehr als aufgelöst, verheult und blass wie
der Tod selbst. Pansys Mund verzog sich bitter. Hermine hatte, was sie wollte –
und tat so als wäre es die Strafe Merlins!
„Komm
endlich“, knurrte ihre Mutter böse. Pansy folgte ihr seufzend, bis sie vor der
kleinen Gruppe ankam. In gewissem Abstand. Das musste die Hölle der Muggel
sein, nahm Pansy an, als sie alle voreinander standen. Ein Angestellter des
Ministeriums ging zwischen die beiden Parteien und begann mit ihrer Mutter über
Förmlichkeiten zu diskutieren. Ihre Mutter antwortete knapp und bösartig. Wie
immer also. Dann gesellte sich der Rechtsmagier der Familie zu ihnen.
„Mrs
Parkinson, Miss Parkinson, ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Keine Sorge, wir
werden einen guten Vergleich erzielen“, versprach er zwinkernd.
„Das
hoffe ich, Mr. Hazleplum. Das hoffe ich sehr!“, sagte ihre Mutter gepresst.
„Haben Sie mit dem Rechtsmagier der Malfoys korrespondiert?“, wollte sie knapp
wissen. Mr. Hazleplum machte eine vage Handbewegung.
„Nicht
mit so vielen Worten, nein, Madame“, verneinte er nervös die Frage.
Eine
Frau in schwarzer langer Robe kam direkt auf sie zu. Die Richterin. Sie
erreichte die Gruppe.
„Schönen
guten Tag, mein Name ist Hester Gray. Dann wollen wir mal. Malfoy-Granger gegen
Parkinson-Bullstrode-Potter“, zählte sie munter auf und nickte Ginny Potter zu.
„Sie wissen, mich persönlich heitern solche Fälle immer sehr auf, Mrs Potter“,
bemerkte sie spöttisch. Ihre Hochsteckfrisur war so stramm, dass Pansy sich gut
erklären konnte, warum die Frau lächelte. Die komplette Haut ihres Gesichts
wirkte gestrafft. Die kleine Gruppe folgte ihr, während Pansy sich unauffällig
umsah. Wo waren die Malfoys?
Sie
gingen durch mehrere Flure, direkt in einen der vielen kleineren Gerichtssäle. Das
Publikum war bei Familienangelegenheiten immerhin ausgeschlossen, hatte sie der
Rechtsmagier informiert. Zu schade, dachte Pansy trocken.
Quadratisch
waren die Tische aufgebaut, und Ginny Potter, samt Hermine und Mann nahmen an
einer Seite Platz, ihre Mutter bugsierte sie zur nächsten Seite, und so saßen
sie und warteten. Aber lange dauerte es nicht. Millicent kam nervös wie ein
Hippgreif mit ihrem Vater in den Saal. Sie durfte nicht mit Pansy sprechen,
aber das schien sie nicht mal zu wollen, denn mit einem ängstlichen Blick nahm
sie an der äußeren Seite Platz. Die Mitte blieb für die Malfoys.
Es
folgten der Rechtsmagier der Malfoys, Mr. Bennett, scheinbar ein weiterer
Advokat des Ministeriums, der Hermine und Ginny Potter vertreten würde sowie
der Rechtsmagier der Bullstrodes. Mr. Hazleplum gesellte sich munter zu ihnen,
und leise besprachen die Rechtsmagier wohl den Fall mit der Richterin, nachdem
sie die wenigen Stufen zu ihrem Podest erklommen hatten.
Die
Türen öffneten sich ein letztes Mal, und Pansys Herz klopfte schneller. Draco
kam mit seinen Eltern. Sie stellte fest, die Familie trug Trauer heute. Sie
biss die Zähne zusammen. Es war übertrieben, in schwarz aufzutauchen, nahm sie
an.
Es
war absolut furchtbar. Millicent weinte, Hermine weinte, Narzissa hatte
scheinbar geweint. Nur Ginny Potter wirkte ähnlich sauer, wie Pansy es war. Bei
wem konnte sie sich eigentlich beschweren? Sie war schließlich ebenfalls
schwanger mit einem Kind, dass sie nicht wollte! Nicht so! Auf gar keinen Fall
so! Aber nein. Sie hatte keine Rechte mehr.
„Dann
sind wir wohl alle vollzählig?“, stellte die Richterin die rhetorische Frage,
und die Rechtsmagier fanden sich wieder an ihren Tischen ein. Endlich sah Draco
sie an. Er sah so gut aus. Pansy hatte es schon wieder vergessen, hatte seinen
Namen lange nicht mehr wirklich bewusst gedacht, und sie schluckte schwer, denn
wacher Zorn lag in seinen hellen Augen. Er wusste Bescheid.
„Wir
verhandeln heute die magische Befruchtung von Hermine Jean Granger, wenn Sie
aufstehen würden?“, begann die Richterin, mit etwas zu guter Laune, fand Pansy.
Schwach erhob sich Hermine, das Taschentuch zitterte in ihrer Hand. Merlin…!
„Sie waren in Behandlung von Heilerin Ginevra Potter und behaupten, dass Sie
niemals die Absicht gehegt hatten, ein Kind von Draco Malfoy zu bekommen?“
Hermine
weinte noch einige weitere Tränen, und Pansy konnte nicht verhindern,
theatralisch auszuatmen, aber ihre Mutter schenkte ihr einen unfassbar wütenden
Blick.
„N-nein“,
flüsterte Hermine am Boden zerstört. Pansy würde Milllicent einfach umbringen.
Dann würde sie sich zumindest etwas besser fühlen. Und dieses Mal würde sie
nicht stürzen!
„Mr.
Draco Lucius Malfoy, wenn Sie sich erheben möchten?“ Draco tat wie ihm
geheißen, und sein Kiefermuskel spannte sich an. „Sie behaupten, niemals ein
Samenpräparat in der Obhut des Ministeriums gelassen zu haben, alleine für den
Zweck der anonymen Befruchtung?“, erkundigte sich die Richterin fröhlich.
„Natürlich
nicht“, knurrte er, und Pansy hörte förmlich, wie müde er war. Sie sah es auch,
denn seine Augen lagen in tiefen Falten. Er war wohl erst kürzlich aus den
Staaten zurückgekehrt. Sie nahm an, er hasste sie so sehr, wie Millicent es
tat.
„Wunderbar,
Sie können sich beide setzen. Miss Parkinson“, sagte die Richterin
anschließend, und es fehlte nur noch, dass sie sich erwartungsvoll die Hände
rieb. „Beginnen wir mit der Anklage. Ist es zutreffend, dass Sie sich ohne Mr.
Malfoys Einverständnis, seines Samens bemächtigt haben?“ Dieses Mal war das
Grinsen der Richterin unpassend breit.
„Vielleicht
könnten Sie diese Sache mit mehr Ernsthaftigkeit behandeln?“, mischte sich
Narzissa eisig ein. Die Richterin wandte sich ohne jede Freundlichkeit an
Narzissa.
„Mrs
Malfoy, habe ich Sie aufgefordert zu sprechen?“, fragte sie streng.
„Nein,
aber Sie-“
„-nein,
ganz recht. Habe ich nicht. Ich verbitte mir jede Unterbrechung, oder ich werde
Sie des Saals verweisen“, schloss sie sehr kühl. Dann galt ihr Blick wieder Pansy,
und das Grinsen kehrte zurück. „Miss Parkinson?“ Immerhin musste Pansy nicht
aufstehen.
„Ja“,
kürzte sie das ganze Thema ab. Sie sah der Richterin nicht in die Augen, als
sie sprach.
„Würden
Sie das bitte näher erläutern?“, erkundigte sich die Richterin munter. Die
Schreibe-Feder neben der Richterin kommentierte jedes Wort, sauste praktisch
durch die Luft.
Pansy
atmete aus. „Draco hat geschlafen“, begann sie, und ihre Mutter stöhnte
verhalten auf. „Ich habe ihn mit dem Tiefschlaf-Zauber belegt und habe… nun…“
Pansy wurde nicht rot. Wurde sie nie. Aber es war nicht unbedingt ihre beste
Anekdote. „Ich habe ihn mit der Hand befriedigt und anschließend seinen Samen
im vorgesehenen Becher des Mungo versiegelt.“ Die
Richterin lächelte immer noch. Pansy mied jeden Blick auf Draco.
„Darf
ich fragen, wie Sie in den Besitz eines solchen Bechers gelangen konnten?“ Die
Richterin schien echte Freude zu empfinden. Pansy blickte auf die Tischplatte
vor sich.
„Millicent
gab ihn mir, auf mein Bitten hin.“ So. Damit hatte sie die gute Millicent mit
hineingezogen. Und Pansy tat es gerne.
„Ich
danke Ihnen. Miss Bullstrode“, fuhr die Richterin fort, und Millicent erhob
sich schluchzend. „Danke, Sie dürfen sitzen bleiben. Ist es richtig, dass Sie
vorsätzlich, gegen ihren Eid und das bessere Wissen, Miss Parkinson den
besagten Becher zur Verfügung gestellt haben, obwohl sie sehr genau wussten,
für welche Zwecke Miss Parkinson ihn missbrauchen würde?“
Und
zuerst glaubte Pansy, Millicent würde widersprechen, aber keine Sekunde später
brach Millicent in ein jämmerliches Geheule aus.
„Pansy
war so verzweifelt! Wirklich, ich wusste mir gar nicht anders zu helfen! Wissen
Sie, Pansy wollte unbedingt ein Kind von Draco haben!“, schluchzte Millicent
lauthals los, und Pansy schloss die Augen, ehe sie das Gesicht mit der Hand
bedeckte. Das lief ganz wunderbar, dachte sie entnervt.
„Sie
gestehen also, Pansy Parkinson den Becher gegeben zu haben, um eine illegale
Samenprobe zu erlangen, für deren Verwendung Sie später verantwortlich waren?“
Und Millicent schwieg betroffen auf die Frage hin. Letztendlich nickte sie
knapp. „Heißt das Ja?“, wollte die Richterin lächelnd wissen.
„Ja“,
bestätigte Millicent und putzte sich die Nase. „Es hätte je nie herauskommen
sollen!“, murmelte sie noch. Die Richterin versteckte das offene Lachen hinter
ihrer Hand.
„Gut,
da hatten wir ja geständige Angeklagte. Mrs Potter, ich nehme an, Sie hatten
keine Ahnung von diesem… Komplott?“, wählte die Richterin das Wort mit
spöttischem Bedacht.
„Nein,
Euer Ehren“, bestätigte Ginny schlecht gelaunt.
„Wie
Sie wissen, sind uns für eine magische Abtreibung die Hände gebunden. Miss
Granger muss sich mit diesem Schicksal abfinden. Zur Beobachtung wird für sie
sowie für Miss Parkinson die Auflage zur Austragung auferlegt, unter Ihrer
Bewachung, Mrs Potter“, schloss die Richterin, und Pansy hatte den Blick
gehoben. Die Richterin sah von ihr zu Hermine. „Das bedeutet, meine Damen, Sie
werden Ihre Kinder bekommen. Keine schwarzmagische Abtreibung. Jede Woche
kommen Sie zur Untersuchung zu Mrs Potter. Sie haben dieses Schicksal so
gewählt.“
Und
Hermine stand als erste auf den Beinen.
„Ich
habe dieses Schicksal nicht so gewählt!“, rief sie aufgebracht. Die Richterin
überflog müßig die Anklageschrift.
„Sie
haben zugestimmt, dass Mungo nicht für kosmetische Fehler in Regress zu
nehmen?“, erkundigte sie sich rhetorisch, und Pansy sah, wie Hermine die Zähne
fest zusammenbiss.
„Wenn
man es denn so nennen kann!“, knurrte Hermine, die Tränen vollkommen vergessen.
„Die
gängige magische Rechtsprechung tut dies, Miss Granger“, antwortete sie, immer
noch lächelnd. Das ging Pansy mächtig gegen den Strich. Jetzt musste sie das
Balg auch noch bekommen! Von diesem Affen! Unglaublich. „Bitte, setzen Sie
sich. Mr. Bennett. Welchen Betrag hat sich die Familie vorgestellt?“, fuhr die
Richterin fort, und Pansys Mutter hatte sich merklich neben ihr versteift.
Der
Rechtsmagier räusperte sich verhalten.
„Die
Malfoys plädieren auf hinterhältige magische Machenschaft und verlangen den
hypothetischen Betrag, den die Erziehung des Kindes kosten würde, und Ersatz
des Namensverlustes“, erklärte er zufrieden. Pansy verdrehte die Augen.
Natürlich taten die Malfoys das, dachte sie grimmig.
„Was
soll das heißen?“
Und
Pansy wandte den Blick. Hermine stand schon wieder auf den Beinen.
„Entschuldigen
Sie, Miss Granger, aber-“, begann die Richterin die Maßregelung, aber Hermine
war schneller.
„-was
heißt das, Namensverlust?“, griff Hermine das Wort auf, was ihr wohl am meisten
gegen den Strich ging. Die Richterin unterbrach die Maßregelung und wandte sich
an den Malfoy-Advokaten.
„Mr.
Bennett, wären Sie so gütig?“, forderte ihn die Richterin, mit gewisser
Spannung in der Stimme, auf. Und Mr. Bennett lockerte seinen Kragen mit dem
Zeigefinger.
„Nun…
ähm, sicher. Das… äh… bedeutet, dass der traditionelle Familienname Malfoy nun
verbunden ist mit… äh…-“
„-meinem
Namen?“, beendete Hermine lauernd den Satz, und ihre Augen sprühten regelrechte
Funken. Pansy begann diese Unterhaltung mit mehr Interesse zu verfolgen. Sie
stützte sich sogar gespannt auf die Ellbogen. „Und mit wie viel Abertausenden
an Galleonen kann ich kompensieren, dass mein Name von nun mit dieser Familie
in Verbindung gebracht wird?“, wollte sie ohne jedes Zögern von der Richterin
wissen, welche lächeln musste.
„Eine
gute Frage. Mr. Bennett?“, wandte sie sich wieder an den Advokaten, der zu
schwitzen begonnen hatte.
„Miss
Granger, die Familie Malfoy hat-“
„-ja?
Wenn Sie auch nur wagen, das Wort Reinblut, Tradition oder Zwangsheirat zu
erwähnen, steige ich über die Bank und erwürge Sie mit bloßen Händen, Lloyd“,
erklärte Hermine ohne die Spur von offener Furcht. Die Richterin verbarg ihr
Grinsen wieder hinter der Hand.
„Das…
das war eine Drohung, Euer Ehren!“, rief Mr. Bennett augenblicklich.
„Stattgegeben“,
antwortete die Richterin zufrieden. „Sehen Sie, Mr. Bennett, ich kann Ihnen
nicht ohne weiteres gestatten, zu Lasten Miss Grangers, einen
Namensverlustbetrag anzusetzen. Denn es macht den Anschein, als befände die
Familie es als Last, ein Kind von Hermine Granger in der Familie zu haben.“ Der
Advokat öffnete perplex den Mund.
Lucius
und Narzissa tauschten einen abgeklärten Blick. „Und ich denke, nach der Gleichberechtigungsreform
wäre das… ein fataler Schachzug, nicht wahr?“, fuhr die Richterin lächelnd
fort, aber bei weitem nicht mehr so amüsiert.
„Der
Namensverlust wird zurückgezogen“, räumte Mr. Bennett kleinlaut ein. Und
scheinbar kannte Hermine den Advokaten der Malfoys, stellte Pansy fast
beeindruckt fest. Aber sie hatte ja schon gewusst, dass sich die kleine
Schlange darauf spezialisiert hatte, den Reinblütern Gold wegzunehmen. „Damit
beläuft sich die Summe, die sich die Bullstrodes und Parkinsons zu teilen haben
auf… 300 Millionen“, schloss er, nach einem kurzen Blick auf sein Pergament.
Pansy lachte tatsächlich auf.
„Was
für eine hypothetische Kindererziehung wird hier bezifftert, Lucius?“,
erkundigte sich nun Pansys Mutter süffisant bei Lucius Malfoy, der sie kaum mit
einem Blick bedachte.
„Die,
die für Kinder unserer Familien angemessen ist.“
„Wir
sprechen von einem hypotethischen Betrag. Es ist nicht der Fall, dass ihr
tatsächlich für das Kind aufkommen müsstest.“
„Das
ist unerheblich!“, rief Narzissa aufgebracht. „Dieses Kind wird ein halber
Malfoy! Und die Kosten für-“ Aber Hermine war wieder aufgesprungen.
„-oh,
glauben Sie mir, ich verlange überhaupt nichts von Ihnen! Ich bin an keinem
müden Sickel Ihrer Familie interessiert, das können Sie mir-!“
„-Ruhe!“,
rief die Richterin zornig über die Stimmen hinweg. „Ich verbitte mir solche
Ausbrüche! Miss Granger, da es sich rein grundsätzlich in Ihrem Fall um keine
anonyme Befruchtung handelt, steht Mr. Malfoy ein Anrecht zu, sein zukünftiges
Kind zu-“
„-was?“,
unterbrach Hermine die Richterin kochend vor Wut. „Sie wollen mir doch wohl
nicht sagen, dass ich eine anonyme Befruchtung verlange und plötzlich – mir
nichts dir nichts – am Ende mit diesen Wahnsinnigen belastet bin?“, entfuhr es
ihr ungläubig, mit Blick auf die Malfoys.
„Miss
Granger!“, warnte die Richterin sie knapp. „Das Gesetz steht der magischen
Befruchtung ohnehin skeptisch gegenüber, und technisch – rein technisch gesehen
– handelte es sich nicht um eine anonyme Befruchtung!“, wiederholte die
Richterin. Pansy wollte sich nicht mehr anhören müssen, wie bockig Hermine
Granger war. Allerdings überstiegen 300 Millionen ihren Erbanteil um ein
beträchtliches Maß. Deshalb würde sie noch bleiben müssen.
„Was
soll das heißen? Dass… dass er ein Recht hat…?“ Sie beendete den Satz nicht.
„Ich
verzichte“, meldete sich Draco das erste Mal wieder zu Wort. „Dankend und
gerne“, ergänzte er, aber Narzissas Blick sprühte Funken.
„Das
tust du nicht!“, rief sie außer sich. „Das Kind wird ein Malfoy!“
„Auf
den Anspruch zu verzichten ist auch nicht ganz so einfach, Mr. Malfoy“,
bestätigte die Richterin. „Mr. Malfoy ist an dieselbe Verantwortung gebunden
wie Miss Granger, und es entsteht eine Unterhaltspflicht, ob die Parteien es
nun wollen oder nicht“, fuhr die Richterin zufrieden fort.
„Was?“,
rief Hermine wieder aus und schüttelte vehement den Kopf. „Ich werde kein Gold
von diesen Leuten akzeptieren!“
„Sie
werden es bekommen, es steht Ihnen zu“, widersprach die Richterin
unbeeindruckt.
„Dann
werde ich es verbrennen!“, knurrte Hermine.
„Und
wenn Sie es mit Sirup zum Frühstück verspeisen, Miss Granger“, entgegnete die
Richterin am Ende ihrer Geduld, „Sie werden den gesetzlichen Unterhalt
bekommen. Und wenn Mr. Malfoy sein Kind sehen will, hat er ebenfalls schlicht
und einfach den Anspruch darauf!“
Alle
Parteien schwiegen betroffen.
„Und
deshalb wird das Kind nach Aberleigh auf die magische Vorschule gehen, so wie
alle Malfoys zuvor!“, bestätigte Narzissa schließlich, und Hermines Mund
klappte auf.
„Wird
es nicht!“, widersprach sie mit krebsroten Wangen.
„Oh,
das wird es, Miss Granger!“, sagte Narzissa selbstgefällig.
„Mein
Kind wird nirgendwohin gehen, wo es überholte, reaktionäre, unglaublich
radikale und kröterdumme Werte beigebracht bekommt, die es später direkt nach
Askaban bringen werden!“, rief Hermine aus.
„Das
nehmen Sie zurück!“, schrie Narzissa praktisch.
„Zwingen Sie mich, Sie alte-“
„-Ruhe!“,
rief die Richterin außer sich. „Setzen Sie sich, allesamt!“
Narzissa
setzte sich widerwillig, und auch erst, nachdem sich Hermine gesetzt hatte.
Beide Frauen beäugten sich mit verhassten Blicken. Wahnsinn. Pansy hatte mit
dieser Show nicht gerechnet. Draco wirkte fast desinteressiert.
„Ich
werde mich hier nicht mit Ihnen über die Erziehung oder Weiterbildung des
Kindes auseinander setzen. Wir verhandeln über den Schadensersatzbetrag und
nichts weiter als das!“, warnte die Richterin die Parteien gefährlich ruhig.
„300
Millionen“, beharrte Narzissa.
„Nein“,
mischte sich ihre Mutter ein. „Wie viel habt ihr für Draco bezahlt?“, wollte
sie stattdessen wissen. „Pansy hat uns samt Studium zwanzig Millionen gekostet,
keinen Sickel mehr“, bezifferte ihre Mutter sie leichthin mit einem beliebigen
Wert. Narzissa stieß die Luft aus.
„Unser
Name bedeutet weitaus mehr als eurer“, entgegnete sie arrogant. Draco blickte
entnervt zur Seite und fing ihren Blick auf. Und als wäre es ein dummer
Kinderstreich, schüttelte er sachte den Kopf, leichter Unglaube auf den Zügen,
als hätte sie sich einen Scherz erlaubt, der nach hinten losgegangen war. Und
sie biss sich von innen auf die Unterlippe. Vielleicht würde er doch noch mit
ihr sprechen, hier nach? Konnte sie darauf hoffen? Es vielleicht versuchen?
Sie
liebte ihn immerhin. Von ganzem Herzen.
„Wir
zahlen 20 Millionen“, beharrte ihre Mutter. Passenderweise war das Pansys
Erbteil. Sie mochte ihre Mutter nicht wirklich leiden. Hermine hatte ein Glück,
dass ihre Mutter nicht hier saß.
„Absolut
inakzeptabel!“, erwiderte Narzissa.
„Narzissa“,
mischte sich Lucius gepresst ein.
„Nein!
Erst wird uns diese Last aufgebürgt, und jetzt sollen wir uns mit einer
Klimpersumme zufrieden geben?“, brauste sie auf. „Nein, Lucius! Das sehe ich
nicht ein!“
„40
Millionen. Zwanzig, zwanzig“, mischte sich Millicents Vater kurzerhand ruppig
ein.
„Wir
nehmen an“, antwortete Lucius, scheinbar mit eindeutigem Kopfschütteln über
Narzissas Verhalten.
„Lucius!“,
rief Narzissa schockiert.
„Ausgezeichnet.
Ich halte das fest!“, rief die Richterin erleichtert.
„Nein!“,
rief Narzissa unglücklich, aber die Richterin ignorierte sie.
„Wenn
es hier noch weitere Unstimmigkeiten gibt“, fuhr die Richterin fort, den Blick
abwechselnd auf Narzissa und Hermine gerichtet, „schlage ich vor, beauftragen
Sie das magische Familiengericht.“
„Verlassen
Sie sich darauf, das werden wir tun!“, bestätigte Narzissa herausfordernd.
Pansy
sah, wie Hermine unglücklich den Kopf in den Händen vergrub.
Die
Richterin beendete mit dem Zauberstab die Verhandlung, alle unterschrieben, und
als erste verließ Hermine stocksauer den Gerichtssaal, dicht gefolgt von Ginny
und ihrem Mann.
Hermines
letzter Blick galt ihr persönlich, und wären sie noch auf der Schule, nahm
Pansy an, würde Hermine ihr in einem der Korridore auflauern, um sie mit Potter
und seiner Frau zu verfluchen.
Pansy
verblieb auf ihrem Stuhl, während ihre Mutter sich nun lauthals mit Narzissa
stritt. Draco schlenderte fast zu ihr hinüber. Der schwarze maßgeschneiderte
Anzug saß perfekt. Alles an ihm saß perfekt. Selbst die betonte
Gleichgültigkeit auf seinen feinen Gesichtszügen.
„So
sieht man sich wieder.“ Begrüßte er sie, wie man seinen Widersacher begrüßen
würde. Es war kein schöner Moment.
Und
würde sie rot werden, wäre das hier wohl der erste Moment, an dem das passieren
würde. Sein Blick war müde, aber eindeutig. Die Stimme klang rau und angenehm.
„Hätte nicht gedacht, dass du mir ein Kind anhängst“, bemerkte er bitter. „Und
nicht mal deins“, ergänzte er, fast beeindruckt.
„Draco-“,
begann sie entschuldigend, aber er schüttelte nur den Kopf.
„-wäre
es deins gewesen, dann…“ Er schien kurz nachzudenken, und ihr Herz setzte aus.
Was wollte er damit sagen? Dass – wäre sie mit seinem Kind schwanger – er über
eine Beziehung mit ihr nachdenken würde? Hatte er nicht immer gesagt, er wäre
sofort verschwunden, wäre sie schwanger? „Aber… das ist ja unerheblich. Du bist
ja bereits schwanger, wie ich hörte“, schloss er, den ewigen Spott auf den
Lippen, nur um zu verletzen. Sie schluckte die Tränen runter. „Ich hoffe, du
hast ein gutes Leben, Pansy“, sagte er und wandte sich ab.
Er
ging ohne seine Eltern aus dem Gerichtssaal, die sich immer noch lauthals mit
den Bullstrodes und ihrer Mutter stritten.
Nein,
dachte sie schließlich voller Trauer. Draco würde nie mehr eine Beziehung mit
ihr führen.
Und
ihr Erbe war fort. Einfach so. Ein Fehler hatte sie zwanzig Millionen Galleonen
kostet.
Sie
hörte die wüsten Beleidigungen nicht mehr, die ihre Mutter rief. Pansys Körper
war wie taub. Und leer. Abgesehen von dem Baby. Was sie nicht mehr wollte und
nun doch bekommen musste.
Fast
war es ironisch, oder nicht? Denn dasselbe musste Hermine Granger doch gerade
auch denken? Beide hatten sie ein Kind gewollt – bis zum heutigen Tag.
Und
jetzt war alles anders gekommen. Unglücklich schloss sie die Augen. Es
war ein schwarzer Tag.
„Yes, life could
be better. But it could also be worse.
Don’t believe
me? Allow me introduce you to my mother-in-law.“
Jarod
Kintz
Die
Klageschrift der Malfoys lag in pompöser Ausführung auf ihrem Wohnzimmertisch.
Hermine
hatte die ersten fünf Seiten geschafft, ehe sie zornig schreiend das Wohnzimmer
hatte verlassen müssen! Nicht nur waren Kindergarten, Vorschule und magische
Ausbildung genauestens dokumentiert –nein! Auch der Name war bereits
ausgesucht!
Zu
dumm, dass sie nicht trinken durfte! Zu dumm!
Es
klopfte fast vorsichtig an ihre Tür, und mit zornigen Schritten hatte sie den
Flur durchwandert und zog die Tür wütend auf.
„Hey“,
begrüßte Ginny sie schuldbewusst. „Oh“, ergänzte sie, nachdem sie Hermines
Ausdruck bemerkt hatte.
„Ja.
Oh trifft es!“, erwiderte Hermine gepresst. „Diese… diese Frau!“, schaffte sie
zu sagen.
„Wer?“,
wollte Ginny wissen, aber Hermine ging ins Wohnzimmer und griff sich die
hundertseitige Klageschrift der Malfoys, um sie Ginny vor die Brust zu drücken.
„Oh“, wiederholte Ginny schließlich resignierend, als sie die erste Seite
überflogen hatte.
„Sie
wollen ihn sehen!“, ereiferte sich Hermine. „Jede Woche! Jede gottverdammte
Woche, Ginny! Er ist noch nicht mal da, und sie wollen ihn freitags und
samstags ab drei Uhr sehen!“, fuhr sie ihre beste Freundin an, die
verantwortlich für das Fiasko war.
„Hermine-“,
begann Ginny voller Reue.
„-und
nicht nur das! Stell dir vor, Scorpius Draco soll er heißen!“, fuhr Hermine
hysterisch fort. Ginnys Mund klappte zu. „Scorpius, Ginny!“, wiederholte
Hermine fassungslos. „Und in einen Reinblüter-Elite-Kindergarten muss er gehen,
magische Früherziehung soll er bekommen, der kleine Scorpius Psycho Malfoy!“
Und Hermine bekam heiße Wangen vor Zorn, als sie freudlos auflachte. „Ach ja,
und Malfoy soll er auch noch heißen!“, donnerte sie aufgebracht. „Ich brauche
Alkohol“, flüsterte sie panisch.
„Nein,
Hermine. Keinen Alkohol“, widersprach Ginny ruhig.
„Ich
kann das nicht!“, sagte Hermine
verzweifelt.
„Ich
weiß nicht genau, wie es ist mit einer verrückten Schwiegermutter, aber-“ Und
Hermine nahm an, Dampfwolken stoben aus ihren Ohren, weshalb Ginny sich
unterbrach.
„Sie
ist NICHT meine Schwiegermutter!“, knurrte Hermine jetzt.
„Hermine,
es tut mir so leid“, beteuerte Ginny hilflos. „So leid“, wiederholte sie, und
Hermine hätte schreien können vor Wut. Na ja, sie schrie bereits vor Wut. Oh,
sie wollte die Malfoys alle mit einem Vergessenszauber belegen – und sich
selber gleich mit!
Und
dann sank sie auf die Couch, den Blick verzweifelt ins Leere geheftet.
„Hermine,
glaub mir, ich werde… alles für dich tun, ok? Ich werde dir helfen, wo ich
kann. Ich verspreche es dir“, sagte Ginny und setzte sich neben sie. Sie
ergriff ihre kalte Hand. Ginnys Finger waren warm. „Es wird nicht schlimm
werden, ok?“
Hermine
wusste nicht, ob Ginny nur sprach, um sie zu beruhigen, oder ob sie die Worte
ernst meinte, die sie sagte. Hermine konnte sie nicht ernstnehmen. Hermine
hatte nicht mal genug Zeit gehabt, alle Informationen zu verarbeiten. Von einem
Mann schwanger zu sein, den man nicht kannte, den man noch nie gesehen hatte
und niemals sehen musste, war etwas anderes, als von einem Mann schwanger zu
sein, den man kannte, den man verabscheute, und mit dem man niemals – in keiner
wachen Sekunde seines Lebens – Sex haben würde.
Und
das war das Paradoxe. Sie bekam sein Kind! Sie bekam das Kind von Draco Malfoy,
ohne überhaupt jemals mehr als fünf Sätze mit ihm gesprochen zu haben! Und
seine Familie bekam sie gleich mit! Wurde sie bestraft, fragte sie sich
unwillkürlich. Und wofür? Dafür, dass Cedric nicht mehr da war? Dafür, dass sie
gewagt hatte, ihrem eigen Glück einen Schritt entgegen zu gehen? Konnte sie das
Kind einfach… den Malfoys überlassen, fragte sie sich? War es all das wert? Sie
kannte das Kind ja nicht. Und wollte sie überhaupt das Kind eines Malfoys
bekommen?
Nein,
wollte sie nicht. Aber… würde sie ihr Kind aufgeben können? War es das, was die
Malfoys letztendlich anstrebten?
Sie
schloss unglücklich die Augen.
Und
Ginny zog sie in die Arme. Sie streichelte ihren Rücken, und Hermine wusste
nicht, was sie tun sollte.
Aber
erst mal erlaubte sie ihrer besten Freundin, sie zu halten, während Hermine
stumme Tränen an ihre Schulter weinte. Sie war nämlich nicht stark. Ohne Cedric
war sie nicht wirklich stark. Nicht einen ganzen Tag lang.
Sie
hatte Angst. Viel zu viel Angst. Sie würde es nicht schaffen.
Und
davor hatte sie Angst.
Es
war noch Zeit. Vielleicht würde die Zeit einfach nicht vergehen?
~*~
Am
liebsten hätte sich Draco gerne demonstrativ beide Zeigefinger in die Ohren
gesteckt, während seine Mutter unablässig faselte.
„-und
es ist wichtig! Die richtige Erziehung in den ersten beiden Jahren ist der
erste Meilenstein! Und wie soll ein Schlammblut überhaupt ein Kind erziehen
können?“, ereiferte sie sich und sah sich um, um Bestätigung von Lucius zu
bekommen, der kaum noch zuhörte, während er den Wirtschaftsteil des Tagespropheten studierte. „Zwei Tage
sind zu wenig! Ich verlange, dass wir mehr Tage Zeit in der Woche bekommen. Sag
Lloyd noch einmal Bescheid!“
„Mutter,
es ist überhaupt noch kein Kind geboren, und ich-“
„-es
ist mir gleich!“, unterbrach sie ihn zornig, als wäre es auch noch seine
Schuld, dass das Miststück überhaupt schwanger war. Dabei war es nicht seine
Schuld! Er hatte die hässliche Wachtel nicht mal angerührt! Er hatte rein gar
nichts damit zu tun, nur leider – leider – sah es seine Mutter ein klein wenig anders.
Falsch. Sie sah es falsch, aber auf dem Ohr war sie taub! „Ich will dieses Kind
dauerhaft in unserem Haus haben!“
Draco
schloss die Augen. „Auf welcher Grundlage?“, fragte er müde, ohne sie
anzusehen.
„Wenn
du sie heiraten würdest-!“, begann sie jetzt, aber er schüttelte nur den Kopf.
„-nein!“,
sagte er nur. „Auf gar keinen Fall. Wie wäre es, wenn du dich mit ihr
anfreundest?“, schlug er scheinheilig vor. „Dann könnt ihr euch jeden Tag sehen
und das schreiende Blag austauschen?“
Seine
Mutter schnaubte auf.
„Am
liebsten hätte ich das Kind, ohne die lästige Mutter“, sagte sie schließlich.
„Können wir es nicht… adoptieren?“, schlug sie ratlos vor.
„Das
Kind hat eine Mutter“, erinnerte Draco sie müde.
„Ja,
aber eine unfähige, arme, unwürdige Mutter“, erläuterte Narzissa unglücklich.
„Wir sind so viel besser als sie.“
Draco
erhob sich angestrengt. „Ich werde jetzt schlafen gehen. Dann suche ich mir
eine neue Wohnung“, murmelte er abwesend.
„Du
kannst hier wohnen“, sagte seine Mutter sofort.
„Nein,
danke“, erwiderte Draco nur. Seine Mutter sah ihn beleidigt an.
„Dein
Sohn würde bestimmt gerne hier wohnen!“, rief sie ihm nach, als er sich winkend
abgewandt hatte.
„Frag
ihn doch“, rief Draco über die Schulter zurück.
„Du
bist ein unmöglicher Sohn!“, sagte sie böse, aber er schlurfte die Stufen nach
oben, und hoffte, dass er einen Großteil dieser Misere lediglich geträumt
hatte, in Amerika aufwachte, und nichts hiervon tatsächlich passiert war.
Er
war so fertig. Er wollte schlafen und alles vergessen.
Er
war müde genug, um zu denken, dass er bedauerte, nicht bemerkt zu haben, als
Pansy ihn das letzte Mal befriedigt hatte. Aber dieses Miststück wollte er auch
nicht noch mal sehen. Alles war furchtbar geworden. Innerhalb eines Tages.
Er
wurde Vater, obwohl er unfruchtbar war, obwohl er mit dieser Person keinen Sex
gehabt hatte, obwohl er niemals Vater sein wollte.
Und
es gab keinen Ausweg. Und anstatt dass seine Eltern den komfortablen Weg
wählten, sich mit seiner Entscheidung abfanden, und dieses Drama vergaßen –
nein! Es musste ein Fass aufgemacht werden, weil Granger ein scheiß Kind bekam!
Seine Mutter wollte Kontakt, man stelle es sich vor! Mit einem unreinen
Halbblut! Und er hatte sich noch keine Gedanken gemacht, welche Rolle er
überhaupt spielte.
Wahrscheinlich
keine, denn seine Mutter übernahm scheinbar seinen Part in diesem fantastischen
Märchen. Das Reinblut und das Schlammblut, was für eine Story, dachte er müde.
Wie
sollte er das Blaise erklären? Wie sollte es irgendwer ernst nehmen? Und wo
sollte er arbeiten? Was sollte er jetzt tun? Sein Instinkt riet ihm, London so
schnell wie möglich zu verlassen. Er sprach ein paar Brocken Französisch. Er
war lange nicht mehr in Paris gewesen. Er könnte wegziehen, sich absetzen, nie
mehr wieder kommen, seinen Namen ändern, und die Sache wäre gegessen.
Wieso
bestrafte ihn das Schicksal? War er so ein schlechter Mensch? War es schlecht,
einfach in Ruhe zu leben? Was hatte er getan, um diese Strafe zu verdienen?
Hatte er zu gute Noten gehabt? Zu viel Quidditch gespielt? War er nicht nett
genug zu Potter gewesen?
Merlin,
was?! Er würde alles ändern, er wollte einfach nur, dass das Schlammblut kein
Kind bekam. Obwohl, wenn er alles ändern würde, dann würde er sicher gehen,
niemals mit Pansy zusammen zu kommen. Das wäre Schritt eins.
Er
war zu jung, zu reich, zu gutaussehend um Vater zu werden.
Er
hatte alle Vorkehrungen getroffen, um exakt diese Zukunft zu vermeiden! Er
hatte alles getan. Er vermisste sogar schon den emotionslosen Sex, den Amerika
zu bieten hatte. Alles war besser als das.
Sein
einziger Trost war, dass Granger das Kind verlieren würde, einen Weg fand, es
loszuwerden – irgendetwas!
Und
es war noch Zeit, sagte er sich. In acht Monaten konnte viel passieren.
Vielleicht
würden seine Wünsche in Erfüllung gehen. Er war nie ein schlechter Mensch
gewesen. Er war beliebt, er war in Ordnung. Vielleicht richtete sich alles
noch? Er hoffte es. Inständig und mit all seiner Kraft.
Es
war noch Zeit. Zeit heilte doch bekanntlich alle Wunden, oder? Vielleicht
geschah ein Wunder, und seine Eltern wussten bis dahin nicht mal mehr den Namen
der Schreckschraube? Seine Mutter würde normal werden. Sie würde sich abfinden.
Granger würde schneller in Vergessenheit geraten, als die dumme Entscheidung
der Reinblüter, auf Voldemorts Seite gestanden zu haben.
Es
gab Wunder, sagte er sich. Es bestand zumindest die Chance.
~*~
~Drei
Monate später~
Sie
schüttelte den Kopf zum hundertsten Mal, stemmte die Hände in ihren Rücken,
denn er schmerzte heute besonders.
„Ich
denke, wir sollten dasselbe Kinderbett haben. Er soll sich doch gewöhnen!“,
bemerkte Narzissa, und Hermine verzog den Mund.
Immer
wieder fragte sie sich, wie es hatte passieren können. Eines Tages hatte sie
die Tür geöffnet, und Narzissa Malfoy hatte vor ihr gestanden, hatte ein
Ultimatum vorgeschlagen, was kein echtes Ultimatum gewesen war. Denn sie hatte
lediglich behauptet, sie, Hermine, und die Malfoys wären nun auf ewig
miteinander verknüpft, und es wäre an der Zeit, mehr Zeit miteinander zu
verbringen. Ha! Was für Aussichten!
Der
nächste Gerichtstermin vor dem magischen Familiengericht war in vier Monaten
angesetzt. Dann wäre sie im achten Monat schwanger. Und sie würde diesen Termin
wahrnehmen, egal wie entgegenkommend Narzissa glaubte zu sein.
Soweit
sie gehört hatte, war Malfoy nach Frankreich gezogen, arbeitete dort und lebte
ein entspanntes Leben, ohne seine Eltern. Zumindest ließ Narzissa so etwas ab
und an durchklingen. Gesehen hatte sie ihn vor zwei Monaten das letzte Mal, ehe
er umgezogen war. Und Narzissa ging seitdem in ihrem Haus ein und aus, wenn sie
es nicht rechtzeitig verhindern konnte.
Und
sie mischte sich ein. Andauernd. Und nach einer ganzen Weile gab es keine
Argumente mehr. Narzissa Malfoy brachte es fertig einen ganzen Streit
auseinanderzunehmen, bis man so verwirrt war, dass man nach einer Stunde
aufgab.
Heute
mussten sie ein Kinderbett kaufen. Sie mussten! Es gab keinen anderen Weg. Und
nicht irgendein Kinderbett, nein! Es musste das teuerste sein. Das beste, das größte. Und es war gänzlich unerheblich, dass
Hermine bereits ein Kinderbett bei Madame Perkins gekauft hatte. Und sie hatte
geschrien, hatte ihren Standpunkt verteidigt, aber gegen Narzissa war sie
machtlos gewesen. Absolut machtlos! Sie war immer noch heiser, wenn sie sprach,
so sehr hatte sie sich heute mit dieser Frau gestritten!
„Ich
brauche kein Bett“, murrte sie wieder missmutig neben der blonden Frau, von der
sie viel zu viel sah. Und es klang trotzig, was sie sagte, denn sie war schon
längst besiegt. Sie marschierte längst neben Narzissa durch das überteuerte
Möbelhaus, und ihre Füße schmerzten unablässig, neben Narzissas Stechschritt.
„Aber
natürlich brauchst du das! Ich lasse meinen Enkelsohn ganz bestimmt nicht in minderwertiger
Ware schlafen! Was, wenn das Holz splittert? Was wenn er sich verletzt, an
einer Sepsis stirbt, bevor ein Heiler etwas unternehmen kann?“, fuhr sie
Hermine erneut an, und Hermines Mund öffnete sich überfordert. Sie – was?!
„Wie
oft ist das jemals passiert?“, wollte Hermine ungläubig wissen.
„Ich
werde es nicht darauf ankommen lassen, Hermine!“, ermahnte Narzissa sie, und
Hermine wäre es fast lieber, würde Narzissa sie ‚Schlammblut‘ nennen, dachte
sie immer wieder, denn ihr Vorname aus dem Mund dieser Person klang wie eine
ganz eigene Beleidigung. „Du musst an das Kind denken! Es geht nicht mehr nur
um dich und deinen Wunsch, mir eins auszuwischen!“, schloss die Frau bitter.
Ihr
eins-? Es war Hermine nie darum gegangen! Sie wollte einfach in Ruhe in
gelassen werden! Narzissa Malfoy bedeutete ihr rein gar nichts! Sie dachte
nicht mal an sie! Was sollte das überhaupt heißen? Als hätte sie tatsächlich
mit ihrem Sohn geschlafen! Als…- Ahrg!
„Ich
habe nie-“, begann sie müde, aber Narzissa fasste sie nun schärfer ins Auge.
„-und
ich möchte mit dir über deinen Umgang reden“, fuhr Narzissa strenger fort,
während sie eine Verkäuferin nebenbei beauftragte, mehr Stoffproben zu bringen,
die zum Himmel über dem Bettchen passen würden, was wahrscheinlich nicht einmal
durch ihre Haustür passte.
„Meinen
Umgang?“, wiederholte Hermine genervt, sauer, dass sie so schwach war und
überhaupt nachgegeben hatte, als Narzissa sie heute heimgesucht hatte, um mit
ihr ein grauenhaftes Bettchen kaufen zu gehen.
„Ja.
Ich spreche von dem Herrenbesuch, den du empfängst?“, erläuterte die Frau
schamlos, und Hermines Mund öffnete sich einen Spalt breit. Dann begriff sie.
„Das
geht dich überhaupt nichts an!“, entfuhr es ihr, mit einem Hauch Röte in den
Wangen. „Und woher weißt du überhaupt-?“
„-ich
habe meine Augen und Ohren überall, Hermine.“ Hermine knirschte mit den Zähnen,
beim Klang ihres Namens aus Narzissas Mund. Her-mine. Es klang sogar falsch,
wie sie es sagte! „Und ich will dir sagen, es gefällt mir nicht.“
„Pech
für dich“, knurrte Hermine böse. Narzissa Blick war so maßregelnd, als würde
sie mit einem Kind sprechen, nicht mit einer nahezu fremden Frau.
„Weiß
er, dass du schwanger bist? Mit Dracos Kind?“, setzte sie Hermines Albtraumsatz
noch hinterher, und Hermine war so sauer, dass sie vergaß, die Frau zu
ignorieren.
„Natürlich
weiß er, dass ich schwanger bin!“, gab sie gepresst zurück. Sie hatte keine
Ahnung, wie Narzissa es herausgefunden hatte! Und eigentlich interessierte es
sie auch nicht. Es war ihre Sache, mit wem sie ausging und mit wem nicht. Und
Harry hatte ihr Alec sehr spontan vor drei Wochen vorgestellt und noch war es
nichts Festes. Er arbeitete für Gringotts, war viel unterwegs und hatte viele
Abenteuer erlebt. Und sie war erst ein paar Mal mit ihm essen gewesen. Aber sie
konnte schon jetzt sagen, dass sie sehr an ihm interessiert war. Er war wie der
Geschöpfenforscher, den sie nicht bekommen hatte!
„Was
für ein Mann geht mit einer alleinstehenden, schwangeren Frau aus?“, erkundigte
sich Narzissa, als die Verkäuferin mit Stoffproben zurückgekehrt war, welche
Hermine einen schockierten Blick schenkte. Hermine biss die Zähne fest
zusammen. „Ein Reinblüter kann es nicht sein“, ergänzte sie schmunzelnd.
„Weißt
du, es ist ganz allein meine Sache, mit wem ich ausgehe!“ Und tatsächlich war
Alec Reinblüter, aber er sprach nicht darüber, und Narzissa ging es einen
feuchten Eulendreck an! Hermine ballte die Hände zu Fäusten, ehe sie sich doch
noch dazu herabließ, ihre Beziehungen zu erörtern.
Narzissa
sah sie entsprechend an. „Und wenn das Kind da ist? Soll ich dann akzeptieren,
dass irgendein Gentleman vorgibt, der Vater des Kindes zu sein, obwohl das
nicht der Fall ist?“ Hermine konnte die Frau nur anstarren. Und sie wurde
wütend. Narzissa Malfoy machte sie unfassbar wütend!
„Ja!
Wenn es denn so weit kommt, und er nicht schon vorher die Flucht ergreift, weil
er dich kennenlernt, dann – ja! Denn es steht nicht fest, dass du meinen Sohn
jede Woche sehen wirst, wenn-“, begann Hermine wieder, und Narzissa wirkte
tödlich beleidigt und holte zum Gegenschlag aus.
„-Draco
hat ein Anrecht!“, unterbrach Narzissa sie sofort.
„Auf
welches er bereits vor Monaten verzichtet hat!“, trumpfte Hermine auf. Narzissa
verzog den Mund.
„Der
Verzicht ist weder bindend, noch legitim. Wir beharren auf unserem Recht!“
Natürlich. Hermine hörte seit Monaten nichts anderes mehr! Nur noch von
Narzissa und dem scheiß Recht der Malfoys an ihrem armen ungeborenen Kind!
„Er
wohnt nicht mal hier! Er wohnt in Frankreich!“, fuhr Hermine die Frau an, und
mittlerweile lauschte der Laden ihnen neugierig. Merlin, sie würde auch gerne
in Frankreich wohnen! Weit weg von dieser Person! Malfoy hatte einen klugen
Schachzug getan!
„Unerheblich.
Sobald Scorpius geboren ist, wohnt er wieder hier“, tat Narzissa das Argumente
lächelnd ab.
Scorpius!
Über Hermines Leiche würde er so heißen! Ahrg!! Und sie lieferte sich mit
Narzissa wieder mal ein Blickduell, was sie verlieren würde. Alles prallte an
Narzissa ab! Alles! Dann fiel ihr Blick auf den Stoff.
„Nein!“,
entfuhr es Hermine sofort kopfschüttelnd. „Nicht grün!“, presste sie hervor.
Die Verkäuferin tauschte einen fragenden Blick mit Narzissa, als wäre Hermine
ein entmündigtes schwer erziehbares Kind, dem man nicht trauen konnte.
„Natürlich
grün“, widersprach Narzissa lächelnd.
„Nein!“,
sagte Hermine verzweifelt. „Mein Kind wird keine Gehirnwäsche bekommen, damit
die Farbe Grün seine Lieblingsfarbe wird!“
Narzissa
belächelte sie, als wäre Hermine albern. Sie glaubte nicht, dass sie das hier
überleben würde, bis ihr Sohn da wäre. Und Angst überkam sie. Was wenn er
tatsächlich nach Slytherin ging? Was, wenn er so viel schlechte Erbmasse
bekommen würde, die seinen Weg bereits vorbestimmte? Oh nein!
„Blond
passt herrlich zu grün“, fuhr Narzissa schlicht fort. „Wir nehmen grün“,
informierte sie die Verkäuferin nickend.
„Er
wird nicht blond“, knurrte Hermine, obwohl sie nicht wusste, welche Haarfarbe
er bekommen würde. Aber sie hoffte, nicht blond! Sie wollte, dass er braune
Locken bekam, so wie sie welche hatte. Er sollte keine nahezu weißen Haare
haben und damit wie ein bunter Hund überall hervorstechen! Narzissa schien
langsam die Geduld mit ihr zu verlieren, denn der Zorn trat deutlich in ihre
hellen Augen.
„Weißt
du, Hermine, ich gebe mir viel Mühe, und du bist einfach nur undankbar!“,
maßregelte Narzissa sie kopfschüttelnd. Hermines Mund öffnete sich sprachlos.
Das war doch wohl die Höhe! „Immerhin muss ich mir dann keine Sorgen darüber
machen, dass dein neuer Bekannter allzu lange bei dir bleiben wird. Harpyien
möchte kein Mann lange als Gesellschaft um sich haben“, bemerkte sie spöttisch,
während sie zur Kasse marschierte.
Hermine
hasste diese Frau! Sie biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtat.
„Don’t know why I’m still afraid,
If you weren’t real I would make you up now.“
Joseph Arthur
„Juliette?“,
rief er, denn wieder einmal hatte er sie verloren. Seine Freundin wurde von
Boutiquen sowie Juwelieren magisch angezogen, hatte er festgestellt. Er
entdeckte sie vor dem Schaufenster einer Boutique mit besonders hässlichen
Kleidern.
„Es
sieht –errlisch aus, Draco!“, rief sie entzückt, den Blick auf ein pinkes,
kurzes Kleid geheftet.
„Könnten
wir… das später machen?“, wollte er knapp von ihr wissen, denn er wollte die
Geburtstagsfeier seiner Mutter hinter sich bringen, bevor er so tat, als würde
er den Aufenthalt in England genießen. Juliette zog eine herzzerreißende
Schnute mit ihren vollen Lippen. Aber er grinste nur. „Erst die Arbeit“, sagte
er ihr knapp. Sie seufzte und folgte ihm schließlich.
„Wo
ist diese Part-ie?“, fragte sie eine Spur schlechter gelaunt.
„Im
Club“, erwiderte er nur. „Ich muss vorher kurz zu Gringotts, und dann
apparieren wir. Der Club wird dir gefallen. Er ist wie der Étoile-Club in
Paris“, ergänzte er. Sie wirkte nicht vollends überzeugt, aber sie begleitete
ihn. Französinnen waren schwierig, keine Frage. Launisch, wankelmütig, aber sie
waren Wildkatzen im Bett, und dieses Exemplar hatte lange Beine, blonde Haare
und zwei Brüste zum Niederknien! Draco vertrieb sich mit Juliette seit einem
Monat die Zeit in Frankreich. Sie machte den langweiligen Job wett und besserte
sein Französisch wieder auf. In Frankreich ging es ruhiger zu. Er hatte nicht
halb so viel zu tun und erschien erst gegen zehn in der neuen magischen
Kanzlei. Und dort durfte er unfreundlich zu den Klienten sein und Fehler
machen.
Frankreich
war wohl seine Stadt, nahm er lächelnd an. Voller arroganter Reinblüter. Wie
Juliette auch eine war.
Gringotts
war voll heute. Er stellte sich mit Juliette an, und seine Freundin könnte kaum
genervter aussehen. „Isch kann diese kleinen Zwerge nischt ausstehen“,
flüsterte sie ihm zu, mit Blick auf die Kobolde, die sie ähnlich angewidert
betrachteten. Draco zog die Stirn in Falten.
„Diese
Zwerge, wie du sie nennst, kümmern
sich um mein Gold, also habe ich nichts gegen sie“, erwiderte er gelangweilt
und deutlich leiser als sie. Ein gutes Gespräch konnte er mit ihr nicht haben,
aber dafür hatte er sie ehrlich gesagt auch nicht an seiner Seite, dachte er
lächelnd.
„Isch
mag sie nischt. Sie machen misch nervös“, flüsterte sie wieder. „Was sie wohl
denken?“ Draco war es ziemlich egal, was die Kobolde dachten. „Vielleischt könnten
wir auch surück ins Hotel, Draco?“, flötete sie. „Und isch verwöhne disch
dort?“ Sie klimperte mit den langen Wimpern, und Dracos Mundwinkel zuckten
kurz, ehe er sich umsah, denn Juliette sprach nicht mehr wirklich leise. Aber
es störte ihn kaum.
„Später“,
vertröstete er seine liebeshungrige Freundin, die wieder eine Schnute zog.
„Draco
Malfoy?“, erkundigte sich plötzlich der Mann, der wohl an ihm vorbei wollte und
stehen geblieben war. Draco durchsuchte sein Gedächtnis, aber dieser Mann kam
ihm nicht bekannt vor. Er hatte einen prall gefüllten Sack über der Schulter
und schien für Gringotts zu arbeiten. Sein Gesicht war von der Sonne gebräunt,
seine Haare wild und dunkel, und er schien sich einige Tage nicht rasiert zu
haben. Juliette neben ihm verzog ungeniert den Mund. „Verzeihung, ich habe
Ihren Namen gehört, und dachte mir, es gibt wenige Menschen mit diesem Vornamen
in London“, erklärte er, ehe er ihm eine staubige Hand zum Gruß darbot. „Alec“,
stellte er sich lächelnd vor. „Alec Dermont.“ Draco kannte ihn nicht.
„Draco
Malfoy“, erwiderte er jedoch wachsam die Begrüßung und schüttelte misstrauisch
die starke Hand.
„Ich
bin ein… Bekannter von Hermine Granger“, stellte sich der Fremde äußerst vage
vor, aber soweit Draco es beurteilen konnte, waren solche Männer selten die
Bekannten von irgendwelchen Frauen. Er kam ihm eher vor wie ein verwegener
Schwerenöter, ein Casanova der schlimmsten Sorte. Draco fühlte sich auf einem
instinktiven, primitiven Niveau herausgefordert, denn vor sich hatte er ein
weiteres Alphatier. Der Fremde war groß, einnehmend, und die Art und Weise, wie
er behauptete, ein Bekannter von Granger zu sein, ließ ihn wissen, dass er
scheinbar Bescheid wusste, über das dämliche Kind, das sie erwartete. Es ließ
ihn auf einer weiteren Ebene erahnen, dass dieser Fremde Sex mit Granger zu
haben schien. Männer merkten es. Es war nichts, was er benennen konnte. Es war…
nur ein sicheres Wissen, was Männer untereinander fühlten.
Und
Draco hatte an Granger seit einer ganzen Weile keinen wachen Gedanken mehr
verschwendet. Auch keinen unbewussten, wenn er ehrlich war, denn ihr Schicksal
interessierte ihn mehr als herzlich wenig. So wie jedes Schicksal einer
willkürlich erbärmlichen Frau, die keinen Mann finden konnte und sich magisch
befruchten ließ.
„Aha“,
entfuhr es ihm schließlich, denn er verspürte keine große Lust, über ein
Schlammblut zu reden, was sein Leben praktisch ruiniert hatte, vor allem nicht
vor Juliette.
„Ich
will mich wirklich nicht aufdrängen“, entschuldige sich der Mann mit einem
rauen Lachen. „Es ist nur interessant, ein Gesicht zum Namen zu haben“, schloss
er, und Draco mochte den Mann nicht.
„Hm“,
machte Draco unverbindlich. Der Fremde nickte.
„Noch
einen schönen Tag“, verabschiedete sich der Fremde, ohne weitere Umstände, und
Draco schwante Übles. Definitiv zu viele Menschen wussten Bescheid.
Außer
Juliette. Und dass sollte auch so bleiben. Aber ihr Blick traf ihn
misstrauisch. Wahrscheinlich zu misstrauisch.
„-Ermine?“,
fragte sie mit gerunzelter Stirn. „Wer ist diese –Ermine?“, wollte sie nahe am
Rande der Eifersucht wissen.
„Niemand
weiter“, wiegelte er ab, auch wenn Juliette nicht zufrieden wirkte. Sie sah dem
fremden Mann argwöhnisch nach.
Der
Fremde verschwand hinter den polierten Tresen und wurde von einem Kobold tiefer
nach Gringotts geführt. Draco bekam ein unangenehmes Gefühl in seiner
Magengegend. Er ignorierte seine Mutter überwiegend, vor allem seit den letzten
Monaten, wo sie ihm jede Woche vier Briefe schickte, um ihn an seine Pflichten
und seine Verantwortung zu erinnern. Die Briefe warf er, nachdem er sie grob
überflogen hatte, stets ins Feuer. Aber er nahm an, Narzissa würde ihn heute
nicht verschonen, bei ihren Plänen praktisch bei Granger einzuziehen, wenn
diese erst mal geworfen hatte.
Narzissa
wollte auch, dass er zurück nach London zog. Wegen des ungeborenen Balgs, was
ihn nicht weniger interessieren konnte. Er hatte Spaß in Frankreich und würde
bleiben, solange es ihm gefiel. Sein Blick fiel auf seine kurvenreiche,
eifersüchtige Freundin.
Noch
war er sie nicht leid. Noch reizte ihn ihr Anblick und
die Dinge, die sie mit ihm anstellte, wenn sie alleine waren. Und wie sehr
wünschte er sich, dass der Tag vorüber war, und er zurück nach Frankreich
durfte.
Und
für eine Sekunde verlor sich sein Blick. Seine Mutter würde bestimmt keine
Gelegenheit auslassen, ihm ins Gewissen zu reden, heute. Und dann würde
Juliette erfahren, was er ihr beharrlich verschwiegen hatte. Und dann würde sie
schreien, ihm eine Ohrfeige verpassen und verschwinden.
Er
war kein Hellseher, aber er nahm an, ungefähr so könnte dieser Tag verlaufen.
Und er wusste, er konnte die Geburtstagsfeier seiner Mutter nicht ignorieren.
Denn dann dürfte er sich mit seinem Vater auseinander setzen, und der war auch
nicht gut auf ihn zu sprechen.
Alles
wegen eines Schlammbluts, das er nicht mal angerührt hatte! Wut kribbelte in
seinen Fingerspitzen.
„Draco,
was ist los?“, fragte Juliette besorgt. Und Draco ergriff ihre Hand und verließ
die lange Schlange.
„Komm,
wir gehen noch mal ins Hotel“, raunte er, denn wenn er richtig lag, und seine
nette französische Liaison heute ein jähes Ende fand, dann wollte er es noch
mal auskosten. Wieso hatte er sie nur mitgebracht? Weil sie darauf bestanden
hatte, beantwortete er sich seine Frage dumpf.
„Was?
Du –ast doch gesagt, wir müssen sofort su der Part-ie?“, rief sie verwirrt,
ließ sich aber von ihm mitziehen.
„Hab’s
mir anders überlegt“, erwiderte er knapp, und ihr Lächeln war süffisant genug,
um ihn schneller laufen zu lassen.
~*~
„Warum?“,
wollte sie verzweifelt wissen. „Warum hast du ihr zugesagt, Alec?“ Sie hatte
die Arme so gut es ging vor ihrem Babybauch verschränkt. „Weißt du, es belastet
mich schon genug, jede Woche Pansy Parkinson ignorieren zu müssen, anstatt sie
zu verfluchen, wenn ich ins Mungo muss! Und du hast
nichts Besseres zu tun, als Narzissa Malfoy zu sagen, dass ich zu ihrer Party
komme?“
Roch
er die Falle nicht? Hermine erkannte die Lunte kilometerweit entfernt!
Alec
war zu ihr gekommen, nachdem er sich nach der Arbeit geduscht und umgezogen
hatte. Er hatte seine Reisetasche dabei. Schon wieder musste er fort. Er lebte
in winzigen Apartments in London und lebte das Leben, was sie einst
erstrebenswert gefunden hatte. Nie am selben Ort, immer unterwegs, das nächste
Abenteuer nicht weit entfernt.
Sie
hatten nie darüber gesprochen, ob er einziehen wollte, ob er überhaupt
Interesse an einer Beziehung hatte, wenn ihr Kind da wäre, ob… ob… - egal was,
sie hatten nicht darüber gesprochen. Und heute musste er schon wieder nach
Bulgarien. Und sie nahm an, für ihn war es… nichts Ernstes.
Und
Hermine wusste nicht, ob sie sich an seine Anwesenheit gewöhnen sollte, denn
jetzt war sie im sechsten Monat schwanger, und seit drei Monaten kannte sie
ihn. Langsam nahm ihr Bauch mächtige Formen an, und langsam war es ihr
unangenehm, mit ihm Sex zu haben. Aber das hatte sie ihm noch nicht gesagt.
Aber sie nahm an, er hatte es bereits gemerkt, denn sie schlief höchstens nur
noch einmal die Woche mit ihm.
Und
das Schlimme war, das erste Mal seit Cedrics Tod wollte sie sich gewöhnen. Sie
wollte sich festlegen, denn sie bekam tatsächlich ein wenig Panik, denn sie
würde Mutter werden. Und wenn sie bis dahin niemanden gefunden hatte, dann
glaubte sie nicht, dass es überhaupt noch passieren würde. Zumindest die ersten
Jahre nicht. Und vielleicht wäre es ihr doch zu einsam allein.
Und
Alec war jetzt hier. Er bekam ihre Schwangerschaft mit, identifizierte sich
vielleicht sogar mit ihrem Kind? Sie wusste es nicht. Aber vielleicht war das
der Fall? Oder nicht?
Noch
konnte sie mit dieser Beziehung nicht viel anfangen. Sie hatten noch nicht über
Gefühle gesprochen. Und wie auch? Er war ständig unterwegs, sie bekam das Kind
eines anderen, und seine gesamte Familie gleich mit.
Und
sie ignorierte, wie kompliziert es war.
Sie
ignorierte, dass sich Narzissa weiterhin einmischte, dass sie Narzissa nicht
loswurde, und dass Narzissa anscheinend Kontakt mit Alec hatte, der sich auch
nicht verwehren konnte. Nein, der ihr sogar zustimmte!
„Weil
sie die Großmutter deines Kindes wird?“, erwiderte er, als wäre es auch nur
ansatzweise ein Grund, das Haus der Malfoys unbewaffnet zu betreten.
„Es ist eine Falle, Alec“, ermahnte Hermine ihn, und er kam näher, das
nachsichtige Grinsen auf den Lippen, das er stets für sie parat hatte.
Er
stellte sich vor sie, so dass sie den Kopf in den Nacken legen musste. Dann
küsste er ihren Haaransatz. „Hermine, ich weiß, es geht mich alles nichts an“,
begann er sanft, „aber ich denke, es könnte nicht schaden, wenn dein Kind kein
gestörtes Verhältnis zu seiner Familie hat“, schloss er lächelnd, und sie
verzog den Mund.
Sie
wollte, dass es ihn etwas anging. Aber war heute der richtige Moment, diese
Büchse der Pandora zu öffnen? Denn was, wenn sie ihn damit nur verschreckte?
„Alec-“,
begann sie, aber er neigte den Kopf und verschloss ihren Mund mit seinen
Lippen. Es war ein schöner Kuss, und Hermine fühlte das bekannte Kribbeln sanft
in ihrem Bauch. Sie mochte Alec. Sie mochte ihn tatsächlich. Er löste sich von
ihr, ein strahlendes Leuchten in den dunklen Augen.
„Ich
muss los“, verabschiedete er sich seufzend.
„Wann
kommst du wieder?“, fragte sie, vielleicht zu hoffnungsvoll, und er grinste.
„Vermisst
du mich schon jetzt?“, wollte er zwinkernd wissen – und ja, das tat sie
wirklich. „Ich weiß es nicht. Die Expedition wird einige Wochen dauern.“
Einige
Wochen? Sie schluckte schwer.
„Oh.
Ok.“ War das ein endgültiger Abschied? „Aber… du kommst wieder?“, wollte sie
fast vorsichtig wissen. Kurz hatte sie Angst vor seiner Antwort.
„Ja“,
sagte er schließlich. „Ich komme wieder“, versprach er dann. Am liebsten wollte
sie sich an ihn klammern.
„Dann…
sei vorsichtig, ja?“, versicherte sie sich bei ihm und wusste nicht, welchen
Ton sie anschlagen sollte. Aber sein Blick ließ sie rot werden.
„Miss
Granger, machen Sie sich etwa Sorgen um mich?“, wollte er scherzhaft wissen.
Und sie verdrehte die Augen.
„Ja.
Ich…- Natürlich mache ich mir Sorgen, du Idiot!“, informierte sie ihn
beleidigt. Dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände.
„Ok,
dann hör mir zu“, sagte er voller Ernsthaftigkeit. „Ich habe mit meinem Chef
gesprochen“, erklärte er. „Und ich habe mich erkundigt, ob ich nicht Vollzeit
hier für Gringotts arbeiten kann.“
„Hier?“,
entkam es ihr tonlos.
„Ja,
in London.“
„Oh?“,
piepste sie mit klopfendem Herzen.
„Wäre
das etwas, was dir gefallen könnte?“, wollte er lächelnd wissen. Und sie
schluckte, um ihr rasendes Herz zu beruhigen und sich mehr Zeit zu verschaffen.
„Ja!“,
entfuhr es ihr jedoch hastig. „Ich meine“, wiegelte sie lahm ab, „sicher, das
klingt…“ Aber er grinste schon wieder.
„Gut“,
unterbrach er sie zufrieden. Dann schien ihm etwas einzufallen. „Ich war heute
in Gringotts an meinem Verlies“, fuhr er verschwörerisch fort. Er zog ein
kleines Päckchen aus seiner Tasche. „Und wenn ich wiederkomme, darfst du dieses
Geschenk aufmachen“, erläuterte er und reichte ihr das Päckchen. Sie biss sich
gespannt auf die Lippe. Es war eine quadratische Box in rotem Geschenkpapier,
gerade groß genug, um auf ihre Handfläche zu passen, und ihr dummes Herz war
überzeugt, es befand sich eine Ringschatulle unter dem Papier.
„Wie-
wieso nimmst du es nicht mit und gibst es mir dann?“, wollte sie tonlos wissen.
„Weil
es ein Familienerbstück ist, und ich nicht möchte, dass es unterwegs verloren
geht, und sich bulgarische Bergtrolle eine schöne Zeit damit machen“, erklärte
er vielsagend. Sie sah ihn mit großen Augen an.
„Oh“,
sagte sie wieder, mittlerweile mit roten Wangen, so aufgeregt war sie.
„Also…“,
verabschiedete er sich langsam, mit einem erwartungsvollen Blick. „Dann gibt es
viel zu besprechen, wenn ich wiederkomme“, bemerkte er mit einem Nicken. Sie
erwiderte das Nicken heftig. „Und noch etwas“, sagte er, und lehnte sich wieder
näher zu ihr. „Ich denke, ich bin seit einer Weile in dich verliebt“, sagte er
mit so viel Überzeugung, dass ihr Herz kurz stehen blieb.
„Oh?“,
wiederholte sie wieder so einfältig wie vorher.
„Oh?“,
ahmte er sie nach und legte den Kopf schräg. „Ich hatte… etwas mehr Gefühl
erwartet“, neckte er sie. Sie wurde noch röter.
„Alec,
ich…- wow! Ich hatte nicht mit… so einem Geständnis gerechnet! Und dass du…
dass du dir überhaupt Gedanken über die Zukunft gemacht hast, und-“
Er
unterbrach sie, in dem er ihre Hand, die das kleine Päckchen hielt, mit seinen
warmen Händen umschloss.
„Ich
denke, wir wissen beide, welche Frage ich dir stellen werde, wenn ich wieder
komme?“, wollte er mit Blick auf ihre Hand wissen, die fest in seiner lag. Oh
Merlin! Er meinte das ernst! Hermines Herz flatterte wie wild in ihrer Brust.
Sie öffnete den Mund, aber er schloss den Abstand und küsste ihre Lippen
erneut, ganz sanft, ehe er sich von ihr löste.
„Nein,
sag jetzt gar nichts, ok?“, verlangte er sanft. „Überleg es dir, bis ich
wiederkomme. Ich schicke dir eine Eule, wenn ich angekommen bin“, versprach er
lächelnd und wandte sich von ihr ab.
„Und
vertrag dich mit Narzissa Malfoy. Ich habe gehört, sie kann sehr verbissen
sein, mit Dingen, die sie will!“, rief er zwinkernd über die Schulter zurück,
und sie wusste gar nichts mehr zu sagen. Er winkte ihr zum Abschied, ehe er die
Tür zuzog und verschwunden war.
Endlich
reagierte sie, hastete zur Tür, zog sie auf und folgte ihm im langsamsten
Laufschritt den Weg zum Gartentor hinab. Er wandte sich überrascht um, als er
sie hörte, aber sie fiel ihm mit Tränen in den Augen um den Hals, die kleine
Box fest in ihrer Hand.
„Sei…
sei bitte vorsichtig!“, flüsterte sie, küsste seinen Nacken, seine Wange und
schließlich seine Lippen. Sie spürte, wie er unter dem Kuss lächelte, und am
liebsten würde sie sofort Ja sagen! Auf alle seine Fragen! Und sie würde alles
tun, was er wollte! Sogar einen Waffenstillstand mit Narzissa Malfoy einlegen!
„Versprochen“,
sagte er, als sie ihn endlich losgelassen hatte. Und so eng wie sie wollte,
konnte sie ihn gar nicht halten, denn ihr Bauch war im Weg. „Du auch!“,
ermahnte er sie, mit Blick auf ihren runden Bauch. „Ärger dich nicht zu viel,
und mach dir nicht zu viele Sorgen um mich! Ich bin wieder da, bevor er kommt“,
versprach er lächelnd und seine Hand strich sanft über ihren Bauch. Er
zwinkerte erneut zum Abschied, und sie mochte, wenn er das tat. Sie nickte mit
glasigem Blick, und dann schritt er durch ihr Gartentor, apparierte und sie war
allein. Ihre Hand lag ruhig auf ihrem Bauch, die kleine Box in ihrer anderen
Hand.
„Ich
glaube, wir haben den richtigen gefunden“, flüsterte sie ihrem Bauch selig zu.
Sie glaubte, auch das Kind freute sich in ihrem Innern. Und schnell fiel das
Lächeln von ihr ab, denn sie würde wohl oder übel seinem Befehl folgte leisten,
und Narzissa besuchen müssen. Und die Sonne ging unter, und sie würde sich noch
umziehen müssen.
Und
vorher würde sie Ginny über Floh anrufen! Sie musste es ihr einfach erzählen!
Sie wollte es in die Welt hinausschreien! Nach so vielen Jahren war der
Richtige endlich vor ihrer Tür erschienen!
Und
sie wusste, ihre Mutter wäre mehr als sauer. Sie war nicht nur sauer, wegen der
künstlichen Befruchtung, nein, sie war auch sauer, dass ein Fehler passiert
war, und nachdem, was Hermine über die Malfoys erzählt hatte, wollte ihre
Mutter die Malfoys erst recht nicht kennenlernen. Alec hatte Hermine über
Weihnachten mit zu ihren Eltern geschleppt, und ihn mochte ihre Mutter, Gott
sei Dank.
Aber
sie hatte Hermine bereits zu verstehen gegeben, wie dumm sie gewesen, auf
dieser künstlichen Befruchtung zu beharren, nachdem sie nur Monate später den
Richtigen gefunden hatte.
Ja.
Hermine wusste es selber. Aber noch stand nichts fest.
Aber
ihr Herz klopfte lauter, als sie die kleine Box wieder fester umschloss.
Eigentlich
stand jetzt so ziemlich alles fest.
Und
ja. Sie war auch in Alec verliebt.
War
es nicht einfach wunderbar?
„Sooner or later, you will discover which kind of father you are,
and at that moment you will, with perfect horror,
recognize the type.
You are the kind who teases and deceives and
toys with his children
and subjects them to displays of rich and manifold
sarcasm
when--as is always the case--sarcasm is the last
thing they need.“
Michael Chabon
Draco
war lange nicht mehr da gewesen. Jetzt saß er Blaise gegenüber in den
unbequemen Ledersesseln, die im Salon überall verteilt standen. Juliette
unterhielt sich angeregt mit irgendwelchen Mädchen, die ebenfalls im Club
waren. Merlin sei Dank am anderen Ende des Raumes. Der Sex, den er heute gehabt
hatte, war grandios gewesen. Er hatte ihre Vorteile allesamt noch einmal
ausgekostet. Er könnte schwärmen von ihren Blowjobs und wie er sie vermissen
würde! Seine Laune war nicht gut. Wirklich nicht.
Er
meinte sich zu erinnern, irgendwo mal gehört zu haben, Lügen zahlten sich nicht
aus. Ein dämliches Sprichwort. Aber leider wahr, nahm er an.
„Du
bist sowas von tot, mein Freund“, bemerkte Blaise lächelnd, während er seinen
Scotch genoss. Draco verzog den Mund. „Wenn deine Mutter erst einmal anfängt
deinem französischen Spielzeug zu erzählen, wie Granger mutmaßlich bei ihr
einziehen wird, dann ist London in Not“, fuhr er kopfschüttelnd fort.
„Wieso
werde ich das Gefühl nicht los, dass du Spaß dabei empfindest?“, entfuhr es
Draco kalt. Aber Blaise konnte das Grinsen nicht verbergen.
„Draco,
Hermine Granger bekommt dein Kind. Obwohl ihr noch nie Kontakt hattet. Ich
denke, das dürfte die Geschichte des Jahrhunderts sein“, lachte er. „Ich werde
niemals aufhören, daran Spaß zu haben!“, versprach sein blöder bester Freund
schadenfroh. Draco leerte sein eigenes Glas sehr zügig, aber die Wirkung des
Alkohols wollte ihn nicht beruhigen. Ganz im Gegenteil. Sein Glück war es, dass
seine Mutter voll und ganz von ihren dämlichen Freundinnen in Anspruch genommen
wurde.
Und
dann schien Blaise etwas einzufallen. Begeistert lehnte er sich vor. „Siehst du
unseren Freund da hinten?“, flüsterte er plötzlich, und Draco folgte seinem
Blick unauffällig. Preston McGraw. Draco hoffte nur, er musste mit ihm nicht
auch noch reden! Preston war ein anstrengender Charakter. Aber er bemerkte, wie
Preston den Weg zu Juliette eingeschlagen hatte. Eine wunderbare Verbindung,
dachte er mürrisch.
„Was
ist mit ihm?“, erkundigte sich Draco schlecht gelaunt.
„Ein
Vögelchen hat mir gezwitschert, dass auch Preston das Vaterglück erwartet“,
informierte ihn Blaise vielsagend. Draco runzelte die Stirn.
„Was?
Preston ist ebenfalls unfruchtbar“, entgegnete er und bereute, dass er zu viel
wusste. Blaise lehnte sich noch näher zu ihm.
„Goyle
hat es mir erzählt“, berichtete Blaise verschwörerisch. „Und er weiß es von
Millicent.“ Draco zog die Stirn in Falten. Millicent Bullstrode gehörte mit zu
den Personen auf seiner Hassliste. Dämliche Hexe. Und Blaises Grinsen wurde
breiter. „Der Fehler, der Millicent mit Granger passiert ist?“, erläuterte er,
und Draco spürte, wie seine Zähne ungewollt knirschten. „Der Fehler ist ihr
auch mit Pansy passiert“, schloss er zufrieden.
Dracos
Stirn runzelte sich. „Preston?“ Richtig, Preston hatte ihm erzählt, er hatte
seine Samenprobe gespendet. „Pansy ist von Preston schwanger?“, kombinierte
Draco schließlich, und Blaise nickte begeistert. „Weiß sie das?“, fuhr er fort.
Nicht, dass es ihn wirklich interessierte, was diese dämliche Schlampe tat oder
nicht! Wegen ihr war er in dieser verdammten Situation!
„Oh
ja, Pansy weiß es. Aber Preston nicht“, schloss Blaise, glücklich wie ein
Schneekönig. Draco bedeutete einem Elfen kurzerhand, sein Glas zu füllen. Er
leerte auch dieses Glas in einem Rutsch, und Blaises Grinsen verblasste. „Was
hast du vor?“, entfuhr es ihm, als Draco sich erhob. „Draco!“, zischte Blaise
gepresst. Draco wandte sich lächelnd um.
„Vergeltung,
Blaise. Ein klein wenig Vergeltung.“
Blaise
erhob sich schwerfällig. „Hey! Das war im Vertrauen erzählt!“, flüsterte
Blaise, der ihm folgte.
„Mir
egal“, erwiderte Draco achselzuckend und stellte das leere Glas auf einem der
Tische ab. „Ich sage ihm schon nicht, woher ich es weiß.“ Blaise blieb zornig
stehen, hielt ihn aber nicht auf.
„Das
hoffe ich!“, zischte er ihm aber noch nach. Und heute überbrachte Draco gerne
schlechte Nachrichten, denn er sah seine Eltern den Salon betreten. Und
bestimmt stand es ganz oben auf der Liste seiner Mutter, ihn zu bestrafen, und
sein französisches, leichtes Leben zu zerstören.
Er
erreichte Preston, der bereits ein Gespräch mit Juliette begonnen hatte.
Natürlich hatte er das. Juliette dürfte in Prestons Beuteschema passen.
„Ah,
Draco!“, begrüßte ihn der Heiler mit einem glatten Lächeln. „Ich habe gerade
von dir erzählt.“ Juliette wirkte eine Spur verwirrt, aber noch war wohl keine
schlimme Wahrheit ans Licht gekommen. Draco nahm einem der Elfen ein Glas
Champagner vom Tablett.
„Wirklich?“,
erkundigte sich Draco desinteressiert. „Preston, ich habe wunderbare
Neuigkeiten für dich“, sagte er mit einem falschen Grinsen und trank einen
großen Schluck widerlichen Champagner. Prestons Lächeln schwand langsam.
„Ach
ja? Deinen Erfolg bei ‚Baine und Burgh‘ wirst du damit wohl nicht meinen?“,
neckte er ihn, und Draco mochte Preston nicht. Er war sich sicher. Und er
machte es ihm wirklich einfach, die nächsten Worte zu sagen.
„Das
Kind, was Pansy Parkinson bekommt?“, erinnerte ihn Draco mit einem kühlen
Lächeln. „Glückwunsch“, ergänzte er und prostete dem argwöhnischen Preston zu,
„man munkelt, es ist deins.“ Preston schien diese Neuigkeit nicht wirklich zu
begreifen.
„Was?“,
fragte er stattdessen, und Draco gefiel es gut, diesem Mann seinen Tag zu
versauen.
„Oh
ja!“, bestätigte er zufrieden. „Ich meine, klar, deine Samenspende war anonym
und all das, aber – hey!“, rief er jovial. „Ich dachte, ich lasse dich an den
guten Neuigkeiten teilhaben. Samenproben werden auf dieser Station scheinbar in
aller Öffentlichkeit verschachert, wie Elfen auf dem Wochenmarkt“, schloss er,
und endlich merkte er den Alkohol. Merlin, endlich!
„Woher
weißt du das?“ Alles Falsche war von Preston abgefallen.
„Glaub
mir, ich weiß es“, war alles, was Draco sagte. Preston verschwand, ohne ein
weiteres Wort. Ein herrlicher Tag.
„Was
sollte das bedeuten?“, wollte Juliette verständnislos von ihm wissen. Draco
seufzte schwer bei ihrem Anblick, schloss den Abstand und küsste sie schamlos
auf die Lippen. Sofort wich sie vor ihm zurück. „Uh, du bist ja betrunken!“,
zischte sie angewidert. Am liebsten würde Draco sie hier und jetzt noch einmal
nehmen.
„Draco,
wie schön dich zu sehen!“, hörte er die Stimme seiner Mutter, und hastig leerte
er den Champagner, als sie näher kam, nur um sich ein weiteres Glas zu angeln.
Der Blick seiner Mutter fiel auf Juliette. „Und Sie sind?“, wollte sie mehr als
distanziert wissen. Seine Mutter mochte sie nicht, so viel stand fest.
„Juliette
Rochard“, stellte sie sich arrogant vor, und seine Mutter bedachte sie mit
einem eindeutigen Blick.
„Wie…
nett“, erwiderte Narzissa spitz. „Ich nehme an, Draco hat Sie in Paris
kennengelernt?“, wollte sie überfreundlich wissen.
„Oui“,
bestätigte Juliette mit einem feinen Lächeln. „Wir sind sehr glücklisch
susammen“, fuhr sie mit Nachdruck fort, und Draco nippte wieder an seinem Glas.
Merlin, er wollte gehen.
„Wie
schön“, bemerkte seine Mutter bitter. „Ich bin sicher, er hat Ihnen erzählt,
dass er in zwei Monaten zurück nach England geht?“, flötete seine Mutter mit
falschem Lächeln, und Draco atmete entnervt aus.
„Mutter“,
begann er warnend, aber Juliette unterbrach ihn.
„Surück?
Nach England? Stimmt das? Wann wolltest du mir davon erzählen, Draco?“, wollte
sie gepresst wissen. Dracos Mund öffnete sich, aber Narzissa sprach weiter.
„Nun,
zum Sommeranfang kommt Dracos Sohn zur Welt, und ab dann ist seine wilde Zeit
vorbei. Jetzt mag er vielleicht noch all den französischen Spaß haben, den er
will, aber-“
„-was?“,
zischte Juliette fassungslos. Sie starrte ihn an. Großartig.
„Es
ist gar nichts“, beschwichtigte er sie sofort, während seine Zunge schwerer in
seinem Mund lag.
„Deine
Mutter sagt, du bekommst ein Kind? Von wem, wenn isch fragen darf?“, entfuhr es
ihr mehr als zornig. „Oder ist das auch nischt wischtig, Draco?“
„Juliette“,
begann er ruhig, „es war alles ein Missverständnis. Und ich habe damit nichts
zu tun“, versprach er ihr. Er lallte mittlerweile, fiel ihm auf.
„Was?“,
wiederholte sie gereizt. „Was spielst du für ein Spiel?“
„Gar
kein Spiel! Hör mir zu“, befahl er ihr und zwang sie, ihn anzusehen, „ein
Mädchen ist schwanger von mir, aber ich habe sie nie angerührt!“, beteuerte er,
und selbst in seinen Ohren klang es bescheuert. Die darauffolgende schallende,
französische Ohrfeige nahm ihm kurz die Sicht. Oh ja… er hatte es ja
befürchtet.
„Schwein!“,
rief Juliette aufgebracht und war mit wehenden Haaren aus dem Salon marschiert.
Sein Vater gesellte sich zu ihnen. Lauerndes Schweigen hatte sich im Salon
breit gemacht.
„Na,
habt ihr Spaß?“, erkundigte sich Lucius teilnahmslos, und Draco schenkte seiner
Mutter einen säuerlichen Blick. Narzissa wirkte unpassend zufrieden mit sich.
„Zu
schade, Lucius. Du hast Dracos kleine Freundin gerade verpasst. Ich nehme an,
wir werden leider nicht mehr viel von ihr sehen“, fuhr sie kopfschüttelnd fort.
Draco schüttelte voller Abscheu den Kopf.
„Musste
das sein?“, fragte er sie, und sein Kiefer schien noch Nachbeben durch seinen
Schädel zu senden. „Bist du jetzt zufrieden?“, knurrte er, ohne sich um die
Blicke der anderen zu scheren. „Ist erst alles in Ordnung, wenn es allen
anderen beschissen geht, Narzissa?“, fuhr er sie an, aber seine Mutter war
unfassbar! Völlig unbeeindruckt sah sie ihn an.
„Aber
Draco, ich kann nichts dafür, dass du ein fremdes Mädchen hierher bringst. Ich
dachte, sie wäre bereits informiert. Sie ist ja immerhin deine Freundin, nicht
wahr? Oder sie war es zumindest.“
„Ich
werde nicht nach England ziehen“, erinnerte er seine Mutter gepresst. „Ganz
bestimmt nicht!“
„Oh
doch, das wirst du“, widersprach sie mit einem erschlagenden Lächeln. „Das
wirst du, und wenn ich dich persönlich an deinen Füßen herschleifen muss“,
ergänzte sie zuckersüß.
„Das
glaubst du nicht wirklich, oder?“, entfuhr es Draco fassungslos, aber Narzissas
Ausdruck wurde praktisch zu Stein, innerhalb einer Sekunde.
„Wenn
du nicht hier bist, wenn das Kind geboren wird, dann verlieren wir das Anrecht,
ihn zu sehen!“, informierte sie ihn sehr sachlich. „Und meinetwegen kannst du
dich wie der undankbarste Sohn auf Merlins Erde aufführen! Meinetwegen kannst
du dich unfruchtbar machen lassen und uns für alle Zeiten ignorieren, Draco!
Aber du bringst mich nicht um meinen Enkelsohn, hast du das verstanden?“,
brachte sie eisig hervor, um sich schließlich umzudrehen, und ihn mit offenen
Mund zurückzulassen. „Abigail, meine Liebe, wie schön, dass ihr gekommen
seid!“, begrüßte sie eine weitere nichtssagende Hexe und ihren übergewichtigen
Ehemann mit perfekt aufgesetztem Lächeln.
Draco
leerte sein Glas. Seine Mutter war eine Freak-Show!
„Was
macht die Arbeit?“, wollte sein Vater kalt wissen, und Draco hielt wohlweislich
seine Klappe, denn er wusste sehr wohl, sein Vater wartete auch nur darauf, im
Vorhaltungen zu machen, dass Draco nicht ins Familienunternehmen einsteigen
wollte. Ja, das wäre herrlich. Dann könnte ihm sein Vater jeden Tag
Vorhaltungen machen, was für eine Enttäuschung er war!
Er
brauchte mehr Alkohol! Einfach mehr! Vielleicht ließ sich die Sache mit
Juliette noch regeln? Er befürchtete fast, dass seine Mutter alle seine Chancen
verspielt hatte.
Gut,
dass er heute noch Sex gehabt hatte, dachte er dumpf.
Er
würde verschwinden. Und seine Mutter würde sich noch wundern! Auf der
Gerichtsverhandlung würde er mit Pauken und Trompeten diesen ganzen Unsinn für
alle Zeiten beenden! Narzissa würde sich noch wundern!
~*~
Sie
stand vor dem Gebäude, das sie noch nie betreten hatte und auch niemals
betreten würde. Es war ein Reinblüter-Club. Es war genau das, wogegen sie noch
einige Monate zuvor vorgegangen war. Leidenschaftlich! Und nun war sie als Gast
hierhin eingeladen worden.
Sie
hatte schon ein blondes Mädchen unter Tränen raus rennen sehen. Sie glaubte
nicht, dass es angenehm dort drinnen war. Und sie stand wie bestellt und nicht
abgeholt auf dem langen Weg, der zu den Flügeltüren führte. Die beiden
Türsteher in lächerlichen weißen Anzügen beobachteten sie gespannt, wie sie mit
sich zu hadern schien, nervös hin und her schritt und sich nicht dazu bringen
konnte, hineinzugehen.
Sie
war nicht so lebensmüde. Nicht wirklich. Und vielleicht konnte sie Alec nicht
jeden Gefallen erfüllen. Was sollte sie auf Narzissas Geburtstag überhaupt? Sie
hatte nicht mal ein Geschenk, ging ihr schließlich auf. Aber sie nahm an, ihre
Schwangerschaft war Geschenk genug.
Und
die Türen öffneten sich ein weiteres Mal.
Und
sie verzog unglücklich den Mund. Alles, bloß das nicht.
Malfoy
schien sie nicht mal wahrzunehmen, zog sich seinen dunklen Mantel im
Laufschritt über, während er die ausladenden Marmorstufen hinabeilte.
Sein
Blick traf sie im Vorbeigehen, und es war der Blick eines völlig Fremden, der
zufällig einen anderen Menschen ansah. Merlin, wie wenig sie sich kannten, aber
sie sah aus den Augenwinkeln, wie er langsamer wurde, ehe er tatsächlich inne
hielt. Hoffentlich würde er nicht mit ihr –
Aber
schon wandte er sich langsam um. Er stand fünf Meter von ihr entfernt, und sein
Blick glitt über ihre Erscheinung, als wäre sie der Trostpreis eines
Preisausschreibens. Sie schluckte den unterschwelligen Zorn herunter. Kurz
musterte er ihren runden Bauch, und fast, als wäre es unziemlich, als wäre es
ihr peinlich, zog sie ihren Mantel fester um sich, versuchte, ihren Bauch zu
verdecken.
Aber
sie hatte nichts falsch gemacht! Er sah sie nur so an, als wäre es ihre Schuld!
Aber sie hasste ihn wesentlich mehr, als er es sich jemals vorstellen könnte!
Und
der Moment war so unfassbar unwirklich. Jetzt erst ging ihr auf, dass er es
war, der die Möbel für das Kinderzimmer bezahlt hatte. Der ihr diese
scheußliche Decke geschenkt hatte.
Erst
jetzt dachte sie daran, dass dieser Mann der Vater ihres Sohnes sein würde.
Oh
Gott. Und sie wusste nicht, welche Gedanken durch seinen Kopf gehen mussten.
Aber ihr wurde regelrecht schlecht bei dem Gedanken an die Zukunft. Und sie
hatte nicht mal mit ihm geschlafen! Wieso fühlte sie sich dann so schmutzig und
elend, als hätte sie es getan?
Dann
fiel sein Blick. Und sie hatten kein Wort gewechselt. Kopfschüttelnd setzte er
seinen Weg fort, nur um einige Meter später wieder innezuhalten. Und dann
drehte er sich wieder um. Und als hätte sich in seinem Kopf plötzlich ein
Schalter umgelegt, war Zorn auf seinen Zügen erschienen.
„Weißt
du was?“, fuhr er sie ohne Vorwarnung an, und kam die wenigen Schritte wieder
zurück. Oh nein! Meinte er das ernst? Er fing an, mit ihr zu reden? Es war
schlimm genug, dass Narzissa weder Grenzen noch Hemmschwellen kannte, aber das
sollte bei ihm nicht genauso sein! Und genau wie er verzichtete sie auf jede
Form der Höflichkeit, auf jede lächerliche Begrüßung, die sie ohnehin niemals
ernst meinte!
„Was?“,
entgegnete sie genauso angriffslustig und schlecht gelaunt. Kurz schien er
verwundert, schien überrascht, dass nicht nur er schlechte Laune hatte, aber
was dachte er? Dass sie verdammten Spaß an ihrem Leben hatte? Jetzt gerade? In
diesem Moment? Wo der Mann ihrer Träume sie praktisch genötigt hatte, hier
aufzutauchen, weil Alec ein viel besserer Mensch war als sie, und sich dafür
einsetzte, dass sie ihrem Kind die Chance gab, seine Familie kennenzulernen? Er
überwand seine Verwunderung schließlich.
Sie
erinnerte sich nur noch dunkel an die Nacht, als sie ihn bei Harry erwischt
hatte. Heute sah er anders aus als damals. Nicht, dass sie sich irgendetwas an
ihm eingeprägt hatte! Oder es überhaupt wollte!
„Weißt
du eigentlich, was du getan hast?“, wollte er zornig von ihr wissen, und ihre
Augen weiteten sich. Er war so ein opportunistischer, blöder Scheißkerl! Gott,
wie wenig sie ihn leiden konnte! Sie erinnerte sich noch, wie tief ihre Meinung
von ihm gewesen! Wie erbärmlich sie es fand, dass er in fremde Häuser einbrach
– einfach nur aus Spaß!
Und
jetzt besaß er tatsächlich die Dreistigkeit, sie zu fragen, was sie getan
hatte?! Fast wünschte sie sich, dass sie Sex mit ihm gehabt hatte, und dass er
hieran wenigstens teilweise Schuld war! Aber… wenn sie es genau nahm, dann war
er schuld, weil er Pansy Parkinson dazu gebracht hatte! Weil er einfach nicht
Mann genug war, Pansy zu heiraten und mit ihr einfach ein Kind gezeugt hatte!
Grrr!
Und am liebsten hätte sie diese Gedanken laut gesagt, aber sie tat es nicht!
„Ich
hoffe, das ist nicht dein verdammter Ernst?“, fuhr sie ihn stattdessen fast
noch beherrscht an, und sie fand es unglaublich, dass das das erste ernsthafte
Gespräch mit dem Vater ihres Kindes war. Unfassbar!
„Und
ob ich das ernst meine!“, knurrte er praktisch. Gott! Sie würde ihn am liebsten
umbringen! Mit bloßen Händen erwürgen wollte sie ihn! Ihn, der nicht das
kleinste Bisschen Verantwortung übernahm, und nicht den leisesten Anstand
besaß, ihr wenigstens seine Mutter vom Leib zu halten!
„Ich
habe gar nichts getan, falls es dir entgangen ist!“, rief sie aufgebracht.
„Ach nein?“, fuhr er sie an, und sie roch den feinen Hauch Alkohol in der Luft.
Er war betrunken. Großartig! „Wer ist denn so verdammt erbärmlich und lässt
sich künstlich befruchten? Ich bin es ganz bestimmt nicht, Merlin noch mal!“,
entfuhr es ihm ungehalten, und ihre Augen weiteten sich ungläubig.
„Es
geht dich einen feuchten Dreck an, was ich mit meinem Leben mache, welche
magischen Prozeduren ich vornehmen lasse! Es ist meine Sache!“, schrie sie
jetzt.
„Das
kommt mir verdammt noch mal nicht so vor! Meine Mutter befindet sich in diesem
Gebäude!“, schrie er zornig. „Und jetzt gerade zerstört sie mein Leben? Und
wofür? Dafür, dass ich kein Schlammblut geschwängert habe?
Ernsthaft? Du trägst sowas von die Schuld an dieser Scheiße!“
Und
sie war so sauer! Sie konnte nicht fassen, dass er dieses Wort gesagt hatte!
Ausgerechnet jetzt! Und sie spürte, die Zeit tickte davon. Das Zeitfenster der
verdienten Ohrfeige schloss sich wieder, denn sie hatte gezögert. Fünf
Sekunden, sechs Sekunden – vorbei.
„Du
bist ein widerliches Arschloch“, spuckte sie ihm stattdessen entgegen, und
glaubte nicht, jemals in ihrem Leben irgendwen so genannt zu haben! Noch nie!
Ihre Stimme zitterte sogar. Sein Atem ging so schnell wie ihrer. Sie hasste,
dass sie hergekommen war, dass sie ihn getroffen hatte, dass sie wusste, es war
Narzissas Geburtstag, dass sie mit der Tatsache leben musste, dass sie etwas
mit dieser grauenhaften Familie verband. „Geh nach Frankreich, Malfoy“,
ergänzte sie kalt. „Verschwinde einfach und komm nicht mehr zurück!“, sagte sie
kopfschüttelnd.
Etwas
flackerte in seinem Blick.
„Sei
dir sicher, ich habe ganz bestimmt nicht vor, Familie mit dir zu spielen,
Granger“, informierte er sie, so kalt, so böse, dass sie die Zähne fest
zusammen biss, als er sich näher zu ihr lehnte. „Du
willst unbedingt mein Kind bekommen?“, fragte er sie, und es war rhetorisch,
aber am liebsten hätte sie hysterisch aufgelacht, denn – nein! Wollte sie
nicht! Hatte sie nie gewollt! Sie hatte nur jetzt nicht mehr wirklich eine
Wahl! Arschloch! Jeder andere wäre anders damit umgegangen! Wäre vielleicht
sogar höflich gewesen! Hätte irgendeinen Ausweg gefunden! Aber nein! Sie bekam
die kranke Familie ab! Die schlimmste von allen!
Und
was hatte sie erwartet? Dass er seine Meinung für sich behalten würde?
Nein.
Nicht wirklich. Aber sie hatte erwartet, dass er sie nicht beleidigen würde,
dass er… eigentlich… nicht. Sie hatte gar nichts von ihm erwartet. Und das hier
– diese Reaktion war die unterste Schublade! Und genau da gehörte er rein!
„Dann
musst du mit den verdammten Konsequenzen leben!“, schloss er bitter und sah sie
an wie etwas Widerwärtiges.
„Du
bist so primitiv und unreif! Am liebsten würde ich dieses Kind bekommen und
verschenken und nie mehr daran denken müssen, dass es jemals eine Zeit gab, in
der die Malfoys irgendeine Rolle in meinem Leben gespielt haben!“, fuhr sie ihn
mit zitternder Stimme an, und bereute die Worte, sobald sie ihre Lippen
verlassen hatten, denn selbst wenn sie die Familie Malfoy hasste – sie hasste
ihr Kind nicht! Würde sie niemals tun! Sie hatte sich gewöhnt, sie freute sich
beinahe, wenn sie alles andere ausblendete! Sie war schwanger, sie bekam das
Kind, was sie gewollt hatte – und wen interessierte schon, dass der Vater ein
widerwärtiges Mann-Kind war, was noch niemals das Wort Verantwortung in den
Mund genommen hatte?! Sie interessierte es nicht!
„Ich
bin unreif?“, griff er ihre Worte fast belustigt auf. „Ist das dein Ernst? Dein
Ehemann stirbt, und die nächstbeste Idee, die du hast, ist, ins
Mungo zu rennen und dich befruchten zu lassen? Wow!“ Ihr Mund hatte sich
aufgelöst geöffnet. „Und wenn das nichts wird? Was dann?“, fuhr er sie an.
„Wirst du dann alle Reinblüter in eine Zuchtanstalt stecken und auf Muggelart
bestrafen, um dich besser zu fühlen?“ Sie starrte ihn nur noch an. Völlig
ungläubig und fassungslos.
Und
ärgerlich schloss er den Mund. Wohl verärgert über sich selbst, ein wenig neben
sich, und mit beiden Händen, kämmte er seine hellen Haare nach hinten, legte
den Kopf in den Nacken und atmete angestrengt aus.
Aber
er hatte ihn erwähnt. Er hatte Cedric erwähnt, und sie wollte nicht mehr mit
ihm reden.
Zu
viel. Es war das Bisschen zu viel, was sie nicht mal ihren besten Freunden
zugestand! Und ihm schon gleich gar nicht! Draco Malfoy war niemand, der es
wagen durfte, über Cedric zu reden! Als hätte er ihn gekannt! Als hätte er
irgendeine Art von Durchblick, der ihr verwehrt geblieben war!
Er
hatte nicht das Recht! Sie spürte die Tränen der Wut bereits hinter ihren Augen
brennen.
Sie
konnte nicht…- sie…
Ihr
Blick wurde glasig, und sie stürmte an ihm vorbei – so wie eine Frau im
sechsten Monat eben noch stürmen konnte.
~*~
Es
war wieder einmal Freitag, und mochte man es glauben? Sie war Narzissa eine
ganze Woche aus dem Weg gegangen! Hermine konnte unerreichbar sein, wenn sie es
nur wollte! Es war wie ein Urlaub! Wie die Freiheit, die sie verdiente. Alec
hatte ihr vor zwei Tagen endlich die erste Eule geschickt. Sie war ganz
zerzaust gewesen und wohl zu klein für die weite Reise, deswegen war sie so
spät gekommen. Er arbeitete tief in bulgarischen Mienen auf der Suche nach
seltenen Mineralien und Edelsteinen. Sie hatte ihm befohlen, jeden dritten Tag
ein Lebenszeichen zu senden. So nannten sie die Briefe scherzhaft.
Und
er hatte ihr ein klein wenig feinen Goldstaub dazu geschickt, damit, wenn sie
den Staub mit den Fingern berührte, sie denselben Goldstaub in den Händen
gehalten hätten.
Und
sie hatte ihm nicht von dem Gespräch mit Malfoy erzählt.
Sie
hatte niemandem von dem Gespräch mit Malfoy erzählt, und nahm an, wenn sie es
nur gut genug verdrängte, dann wäre es auch gar nicht passiert.
Sie
hatte eine Nacht nicht geschlafen vor Zorn. Und so viel Zorn war ein einzelner
Vollidiot gar nicht wert! Aber… sie war noch genauso wütend.
Und
die Tür zum Wartezimmer der Praxis öffnete sich. Hermine hob den Blick, und
Zorn zuckte kurz über ihr Gesicht, denn Pansy hatte ebenfalls den Termin heute.
Sie
ignorierten sich beide. Wie jedes Mal. Wie seit Monaten jeden Freitag. Hermine
wog jedes Mal ab, ob es einen Ausbruch wert wäre. Und manchmal dachte sie, ja,
sie sollte Pansy verfluchen, damit sie sich besser fühlte, aber ihre rationale
Seite überzeugte sie meist davon, es nicht zu tun.
Oh
wie sie Pansy Parkinson hasste! Aber ironischerweise schien Pansy sie ebenfalls
zu hassen. Es war unfassbar!
Aber
sie zwang sich zur Ruhe. Pansy verdiente ihre Aufmerksamkeit gar nicht erst.
Und Hermine empfand trotzige Freude dabei, dass Pansy verging vor Wut und Neid
auf sie. Nicht, dass Hermine in irgendeiner Weise Stolz empfand dabei,
ausgerechnet von Malfoy schwanger zu sein, bei Gott nicht, aber es machte ihr
Spaß, Pansy mit dieser Tatsache zum Rande des unausgesprochenen Wahnsinns zu
bringen, ohne dass sie etwas tun musste.
Und
die Tür öffnete sich erneut. Und dieses Mal betrat ein Mann die Praxis, den
Hermine nicht kannte. Instinktiv beurteilte ihr weibliches Unterbewusstsein ihn
als objektiv gutaussehend. Aber gleichzeitig nahm sie an, er war ein arroganter
Schönling. Er trug einen weißen Kittel, war demnach Heiler hier. Ob er neu in
dieser Station war? Aber ihre Gedanken wurden unterbrochen, als er
schnurstracks auf Pansy zuschritt, die die Arme zornig vor der Brust
verschränkte und den Mann ignorierte.
„Pansy“,
sagte er gereizt, „ich will, dass du mit mir redest!“, befahl er ihr. Pansys
Blick war so abweisend, und Hermine überlegte, ob sie so höflich sein sollte,
das Wartezimmer zu verlassen, aber sie überlegte es sich anders. Warum sollte
sie höflich sein? „Komm mit mir nach draußen“, bat er sie.
„Verschwinde,
Preston“, erwiderte Pansy lediglich. Preston? Oh mein Gott! War das Preston
McGraw, der Heiler, von dem Ginny ständig erzählte? Wütende Geschichten über
seine gefährlichen Methoden und seine überhebliche Art, Patienten zu
bevorzugen, die mehr Gold besaßen? Und Hermine konnte nicht verhindern,
gespannt zuzusehen.
„Wir
müssen reden“, beharrte der Mann ernst auf seine Worte. Pansy sah ihn endlich
an.
„Alles,
was du musst, ist, mir aus dem Weg zu gehen!“, knurrte sie böse.
„Ich
bin der Vater, Pansy!“, erwiderte er ungehalten.
„Anonymer
Vater. Und demnach geht es dich also nichts an!“, konterte Pansy eisig. Hermine
blinzelte überrascht. Aha? Pansys Blick fiel entnervt auf Hermine, aber Hermine
besaß nicht einmal den Takt, wegzusehen oder so zu tun, als würde sie das
Gespräch überhören. „Und wir reden nicht hier darüber!“, presste sie hervor.
„Wenn
nicht hier, wo dann, Merlin noch mal? Du ignorierst meine Nachrichten, blockst
meine Anrufe über Floh – du reagierst auf gar nichts, Pansy!“
„Ja,
und was sagt dir das, Preston?“, rief sie ungehalten und war aufgestanden. Auch
Pansys Babybauch war beachtlich.
„Ich
habe ein Anrecht!“, sagte er jetzt aufgebracht, und dieses Wort alleine löste
in Hermine kalte Wut aus. Es war wie eine neue Konditionierung, die sie
empfand. Dem Pawlowschen Hund lief das Wasser im Mund zusammen, Hermine
schäumte praktisch vor Wut! Sie hatte nicht mal bemerkt, dass sie aufgestanden
war, Merlin noch mal! Pansys Mund öffnete sich, aber Hermine sprach, ohne jede
Aufforderung.
„Das
hier ist ein Wartezimmer, Heiler McGraw?“, informierte sie ihn distanziert.
„Und Miss Parkinson und ich brauchen keinen zusätzlichen Stress. Wir sind
schwanger, falls es Ihnen entgangen ist, und vielleicht wäre es angebracht,
wenn sie ihren Verstand benutzen würden und einsehen, dass der richtige Weg
wahrscheinlich nicht der ist, jemanden heimzusuchen und in eine Ecke zu
drängen, um ein Ultimatum durchzusetzen?“ Und sie hätte ebenso mit Narzissa
sprechen können. Sie glaubte, sie hatte bereits so mit Narzissa gesprochen.
Und
Preston sah sie verdattert an.
„Ich…
äh?“ Und es war nett, wie überfordert er wirkte.
„Wenn
Sie jetzt gehen würden? Ich bin sicher, es gibt bessere Zeitpunkte für dieses
Gespräch?“, forderte ihn Hermine unverblümt auf, und Preston kratzte sich am
Kopf, ehe er widerwillig nachgab.
„Das
ist noch nicht vorbei, Pansy“, schien er Pansy mit einem intensiven Blick
versichern zu wollen, aber dann verschwand er, ohne ein weiteres Wort.
Hermine
schlug demonstrativ ein Magazin auf, als wieder Stille eingekehrt war.
„Ich-“,
begann Pansy schließlich, aber Hermine schüttelte starr den Kopf.
„-bedank
dich bloß nicht bei mir!“, warnte sie Pansy gefährlich ruhig. Und sie glaubte,
Pansy aus den Augenwinkeln lächeln zu sehen.
„Wieso
hilfst du mir?“, wollte Pansy schließlich argwöhnisch von ihr wissen. Hermines
Blick hob sich langsam von der Zeitschrift und fixierte keinen bestimmten
Punkt.
„Weil
ich nicht mehr hören kann, wie irgendwer behauptet, er hätte ein Anrecht an
unseren ungeborenen Kindern“, brachte sie zornig hervor. Und Pansy nickte
langsam.
„Weißt
du, es… tut mir leid“, entgegnete Pansy nach einer Weile. „Für dich. Ich…- für
mich wäre es… der schönste Traum, würde ich Dracos Kind bekommen, aber…“ Sie
schien kurz nachzudenken und der selige Blick fiel von ihr ab. „Aber ich weiß, für
dich muss es ein Albtraum sein“, schloss sie bitter. Ha ha. Das war noch die
Untertreibung des Jahrhunderts! „Glaub mir, ich… wollte nie, dass es dazu
kommt“, sprach sie weiterer Worte, ohne Hermine anzusehen. Hermine bemerkte
erst jetzt, wie müde und bleich Pansy war.
„Ich
wollte ohnehin nie, dass es überhaupt so weit kommt, dass ich einen Mann
betäube und sein Sperma stehle!“, flüsterte Pansy plötzlich erschüttert. Ihr
Blick wurde glasig, und Hermine hatte keine Ahnung, was sie tun oder sagen
sollte.
„Ich
liebe ihn so sehr“, flüsterte Pansy unter Tränen. „Niemals hätte ich gedacht…
dass ich mein Leben wegwerfen würde, für… für… jemanden, der mich ganz klar
nicht liebt, aber… ich konnte gar nicht anders“, schloss sie mit geschlossenen
Augen, während eine Träne über ihre Wange rann. Hermine seufzte lange auf. Und
sie verstand es überhaupt nicht. Sie verstand es nicht! Malfoy war so ein
Arschloch! Ihr ganzer Körper kribbelte vor Ablehnung, wenn sie auch nur an
seinen Namen dachte!
„Ok“,
sagte sie schließlich. Pansy sah sie überrascht an.
„Ok?“,
wiederholte sie heiser, und Hermine nickte.
„Ich
nehme deine Entschuldigung an. Und es muss furchtbar sein. Für dich“, ergänzte
sie. „Mein Mann ist gestorben, bevor wir… wir schwanger werden konnten“, hörte
sich Hermine sagen, und sie wusste nicht, warum sie sprach. Wahrscheinlich
hatte sie Mitleid mit Pansy, obwohl Pansy ihr Mitleid bestimmt nicht verdiente!
Seit Malfoy Cedric erwähnt hatte, dachte Hermine unablässig über ihn nach. Und
sie mochte nicht, dass Malfoy daran Schuld trug. Und sie war schwanger gewesen.
Ganz kurz, ehe sie es vor Trauer verloren hatte. Und es tat weh, daran zu
denken. „Und… manchmal denke ich, ich würde alles tun, wenn… Cedric mich
einfach nur verlassen hätte. Wenn er wenigstens noch da wäre. Irgendwo. Wenn
ich mich mit meinen Freundinnen in einer Bar darüber aufregen könnte, was für
ein Idiot er ist, weil er mich nicht wollte.“ Pansy schwieg auf ihre Worte hin.
„Das
Gefühl ist ein ähnliches, nehme ich an“, schloss Hermine schließlich, dankbar,
den Faden wiedergefunden zu haben. „Zuerst war es so, als hätte er mich für
eine andere Frau verlassen. Der Schmerz jemanden zu verlieren, den man liebt,
egal auf welche Weise, ist etwas, das man niemandem wünscht“, sagte sie still.
„Es
war dumm von mir“, sagte Pansy ruhig.
„Ja“,
bestätigte Hermine nur.
„Man
macht dumme Sachen, wenn man verliebt ist“, ergänzte Pansy achselzuckend. „Ich
denke, würde ich sein Kind bekommen, wäre ich genauso unglücklich.“
„So
wie ich es jetzt bin?“, erkundigte sich Hermine trocken, und tatsächlich
schenkte Pansy ihr ein Lächeln. Es war schmal, aber es war ein Lächeln. „Glaub
mir, ich würde sofort mit dir tauschen!“, bemerkte sie.
„Nein,
Preston McGraw ist keine bessere Wahl“, sagte Pansy kopfschüttelnd.
„Na
ja, er ist Heiler“, betonte Hermine das einzig Positive, was sie bis jetzt über
ihn zu sagen wusste.
Beide
Frauen schwiegen. Es war das erste Gespräch seit fünf Monaten.
Dann
wurde Hermine aufgerufen. Pansy nickte ihr zum Abschied zu, und Hermine fällte
einen Entschluss.
Sie
wusste nicht, ob es dumm war. Aber… sie beschloss, auf Pansy zu warten, wenn
sie fertig war. Denn im Moment kannte sie keinen, der ihre Angst teilte. Außer
vielleicht die Person, die überhaupt Schuld an dieser ganzen Sache war.
Und
sie glaubte mittlerweile, dass es Pansy um einiges mehr leid
tat als ihr.
Und
Malfoy und Preston war beide gleich bescheuert. Vielleicht mussten Pansy und
sie zusammenhalten? Immerhin hatte Hermine Alec! Oh wie sehr sie sich wünschte,
dass er schnell wiederkam!
„One day you will do things for me that you hate.
That is what it
means to be family.“
Jonathan Safran Foer
Sie war
nicht schnell genug gewesen. Alles Gute fand irgendwann ein Ende. Es war das,
was sie fluchend dachte, nachdem es fünfhundertmal an ihre Tür geklopft hatte.
Dabei hatte sie die Schuhe schon an! Und sie war wirklich gut geworden, dass
Haus so schnell wie möglich zu verlassen.
Aber nicht
heute. Mist.
Resignierend
schritt sie zur Tür, wie nach einem Endkampf besiegt. Sie zog die Tür auf. Und
Narzissa wirkte so überrascht, als wäre es nur ein Besuch auf gut Glück gewesen. Als hätte sie niemals damit gerechnet,
dass Hermine ihr noch überhaupt jemals wieder öffnen würde.
„Oh“, war
auch tatsächlich das erste, was Narzissa sagte. „Ich… hatte gedacht, du wärst
schon verschwunden“, entfuhr es ihr, und zum ersten Mal wirkte Narzissa ein
wenig unvorbereitet.
„Nein, ich
bin noch hier. Was willst du?“, kürzte Hermine das Gespräch ab, denn wenn sie
Narzissa sah, dann dachte sie an Malfoy, und dann kribbelte ihr Körper vor Wut.
Und Narzissa blinzelte überrascht.
„Ich… äh…“
Narzissa wirkte ein wenig neben sich. Hermine atmete langsam aus, denn sie
wusste, wenn sie Narzissa nur reden ließ, vielleicht könnte sie dann so schnell
wie möglich zur Arbeit? „Ich wollte dich einladen“, schloss die blonde Frau
schließlich, ein wenig kleinlaut.
„Einladen?“, wiederholte Hermine argwöhnisch. „Wohin?“ Vor
ihrem inneren Auge sah sie schon, wie Narzissa versuchen wollte, sie nach
Malfoy Manor zu schleppen.
„Nun, ich
dachte mir, es könnte nicht schaden, wenn… wenn wir uns etwas besser
kennenlernen? Vor allem, wo du nicht auf meiner Geburtstagsfeier gewesen bist?“
Hermine wusste nicht, wie diese Frau es schaffte, aber tatsächlich fühlte sich
Hermine für eine Sekunde schlecht. Aber nur für eine lächerliche Sekunde.
„Ich habe
keine Zeit“, schloss Hermine. „Ich werde noch arbeiten, so lange ich kann“,
erwiderte sie, so unfreundlich sie konnte.
„Ich… habe
schon mit Mr. Connor gesprochen“, rückte Narzissa mit der Sprache raus. „Und
ich habe ihm gesagt, dass es langsam an der Zeit wird, dass dein Mutterschutz
anfängt“, schloss sie. Hermines Mund öffnete sich langsam. Narzissa hatte was…?! Das war nicht ihr Ernst?!
„Nein!“,
entfuhr es Hermine tonlos.
„Oh doch“,
bestätigte Narzissa besorgt. „Ich meine, dein Bauch ist riesig, es wird für
dich immer schwerer, ins Ministerium zu gelangen, und außerdem darfst du ab
nächste Woche nicht mehr apparieren!“, maßregelte sie Hermine.
„Du
sprichst hinter meinem Rücken mit meinem Boss? Du-“ Hermine musste sich sammeln
vor Wut. „-das geht nicht! Das ist ganz und gar nicht ok!“, brachte sie
zitternd hervor.
„Wie ich
hörte ist dein – Freund – zurzeit auf Reisen, und deshalb dachte ich,
könntest du eine kleine Pause gut gebrauchen“, erwiderte Narzissa, und hatte
das Wort Freund sehr vorsichtig betont. Wie sie hörte?! Wahrscheinlich hatte
sie ihre Elfen auf sie angesetzt!
„Nein,
brauche ich nicht! Und ganz bestimmt werde ich mich nicht von dir irgendwohin
einladen lassen!“, fuhr Hermine sie fassungslos an.
„Es ist
alles gebucht!“, rief Narzissa aus. Hermine wusste nicht weiter. Hermine hatte
keine Ahnung, wie sie es dieser Frau klar machen sollte! Und sie wollte nicht
wissen, was Narzissa ‚gebucht‘ hatte, aber sie nahm an, letztendlich diente es
nur der Demütigung.
„Narzissa!“,
begann sie aufgelöst. „Ich kann das nicht mehr!“, sagte sie wieder einmal.
Narzissa wirkte schon wieder nachsichtig mit ihr, aber Hermine schüttelte den Kopf.
„Du bist nicht meine Schwiegermutter, verstehst du? Wir haben nichts
miteinander zu tun!“
„Und das
möchte ich ändern!“, sagte Narzissa schlicht.
„Aber ich
nicht!“, rief Hermine verzweifelt. Narzissa Ausdruck wirkte verschlossen.
„Aber es
geht nicht mehr nur um dich“, informierte sie Hermine kühl, vielleicht ein
wenig beleidigt. Hermine war nicht in der Stimmung für vorsichtige Worte. Dafür
war sie zu wütend auf Malfoy! Und auf Narzissa!
„Es geht
auch nicht immer nur um dich! Weißt du, warum dein Sohn dich nicht leiden
kann?“, verlangte Hermine von der Frau zu wissen, und kurz bröckelte Narzissas
Fassade. „Weil du keinen ehrlichen Knochen im Leib hast!“, warf Hermine ihr
zornig vor. „Dich interessiert es doch überhaupt nicht, ob ich arbeiten gehe, ob
ich appariere, ob ich schlafe oder eine Pause mache!“, rief Hermine wütend.
„Für dich bin ich nur eine Gebärmutter auf Beinen! Ich bin die lästige
Tatsache, um die du nicht herumkommst!“, spuckte sie der Frau entgegen.
„Ich weiß,
was ihr Leute von mir haltet! In eurem
Reinblüter-Club! Dein Mann hatte eine Verfügung gegen mich erwirkt! Und ich
nehme an, wenn du könntest, würdest du mich nach der Geburt direkt entmündigen,
und das Kind an dich reißen!“, ereiferte sich Hermine nur noch mehr.
„Ich-“,
begann Narzissa überfordert, aber Hermine war noch nicht fertig!
„-nein!
Weißt du was?“, wollte sie freudlos von der Frau wissen, und Narzissa schwieg
abrupt. „Wenn du dir wenigstens einmal – nur einmal – Mühe gegeben hättest,
irgendetwas über mich herauszufinden, mir nur einmal eine persönliche Frage
gestellt hättest, anstatt mir deine Meinung aufzuzwängen – dann wäre es
vielleicht anders gekommen!“, warf sie ihr vor. „Aber das hast du nicht“,
schloss Hermine bitter, und ihr Atem ging unregelmäßig.
„Das… das ist
nicht gerecht von dir!“, erwiderte Narzissa tonlos.
„Nicht
gerecht von mir?“, wiederholte Hermine belustigt. „Ich bin nicht diejenige, die
an sich arbeiten muss, Narzissa! Ich muss mich nicht ändern! Ich bin nicht
diejenige, die ein Problem mit dem ‚Schlammblut‘ hat!“
„Das – ich
habe überhaupt kein Problem damit!“, entfuhr es Narzissa.
„Warum
lügst du mich an?“, wollte Hermine erschöpft wissen. „Warum bist du nicht
wenigstens ehrlich?“ Und Narzissa wirkte zum ersten Mal unglücklich.
„Weil… weil
ich meinen Enkelsohn sehen will, wenn er geboren ist!“, entfuhr es der Frau
verzweifelt. „Weil… es ungerecht ist,
dass Draco kein Interesse an dir hat, und ich diejenige bin, die gestraft ist!
Und es ist nicht nur deine Herkunft! Es ist alles! Deine Einstellungen, deine
Vorstellungen von Werten und Erziehung! Wie willst du ein vernünftiges
Lebewesen erziehen bei deinen… deinen Voraussetzungen?“, schloss sie
aufgebracht und war ganz bleich geworden.
Aber
Hermine war fast dankbar. Dankbar über diese Ehrlichkeit aus ihrem Mund, nach
all den Monaten voller Lügen. Und sie nickte schließlich.
„Nur gut,
dass du so einen ausgeglichenen, höflichen, beispiellos gut erzogenen Sohn
hast. Vielleicht kann ich mir da ein, zwei Sachen abschauen? Schick doch deine
Elfen vorbei, die mich bespitzeln, dann können sie mir vielleicht sagen, wie
man einen faschistischen Reinblüter erzieht?“, schlug Hermine ihr kalt vor.
Narzissas Mund öffnete sich schockiert.
„Und jetzt
verlass mein Grundstück, bevor ich mich vergesse!“, knurrte Hermine, und
Narzissa schien begriffen zu haben, dass sie ihre Chancen verspielt hatte.
Und
tatsächlich passierte, womit Hermine schon nicht mehr gerechnet hatte. Narzissa
ging. Es war, als hätte Hermine das Monster in die Flucht geschlagen.
Sie war ein
wenig verblüfft. Und stolz auf sich selbst! Und sie war gerade so richtig in
Schwung, stellte sie fest. Das sollte sie ausnutzen. Auf der Arbeit gab es
hundert Idioten, denen sie noch nie die Meinung gesagt hatte!
~*~
„Was soll
das heißen?“, wollte Narzissa fast schon wütend von ihm wissen, während er wie
ein Idiot auf der Willkommen-Matte stand.
„Erklär es
mir noch mal“, forderte er seine Frau gefährlich ruhig auf, die ganz klar den
Verstand verloren hatte. Narzissa richtete ihre Bluse, zupfte noch mal an ihrem
Rock, schob dann seinen Krawattenknoten höher, und dann betätigte sie das
seltsam erleuchtete Schild, was einen Glockenklang von sich gab, der im Innern
zu hören war.
„Wir werden
uns mit ihnen bekannt machen. Wir werden dafür sorgen, dass wir dieses Kind zu
Gesicht bekommen, komme was da wolle!“, brachte sie gepresst hervor.
Lucius
schüttelte nur resignierend den Kopf. Was er nicht alles tat! Für seine
wahnsinnige Frau.
Ein Mann
öffnete kurze Zeit später, graue, wilde Haare auf dem Kopf, eine Pfeife im
Mund, die Zeitung unterm Arm, und er könnte nicht verblüffter wirken.
„Wir…
kaufen nichts?“, fühlte sich der Mann wohl gehalten sie zu informieren, mit
einem misstrauischen Blick aus den braunen Augen, nachdem er seine und
Narzissas Erscheinung gemustert hatte. Narzissa tauschte mit ihm, Lucius, einen
kurzen ratlosen Blick. Lucius atmete entnervt aus. Natürlich überließ es
Narzissa ihm, zu reden.
„Guten Tag,
Mr. Granger.“ Lucius nahm einfach mal an, dass es sich bei diesem Exemplar von
Muggel nicht um den Hausdiener handelte. Und es war ihm noch nicht passiert,
dass jemand nicht wusste, wer er war. Und zum ersten Mal stellte er sich
tatsächlich irgendwo vor. „Lucius Malfoy, und das ist meine Frau Narzissa.
Verzeihen Sie, den Überfall, aber… wir wussten nicht, wie wir einen Termin mit
Ihnen ausmachen sollten“, informierte er den Mann in braunen Cordhosen mit
ausgewählter Höflichkeit. Rauch paffte verblüfft aus der Pfeife des Mannes.
„Malfoy?“,
wiederholte er den Namen, als hätte er ihn schon mal gehört. Lucius wartete,
bis eine Art Wiedererkennung in seinen Blick getreten war. „Das… sollte
interessant werden“, bemerkte er anerkennend. „Rose?“, rief er über die
Schulter zurück, vielleicht ein wenig schadenfroh.
„Was ist
denn? Wer war das an der Tür? Wieder die Zeugen?“, ertönte eine Frauenstimme
aus dem Wohnzimmer. Wieder tauschte Lucius einen Blick mit Narzissa.
„Nein. Die
Malfoys sind hier“, antwortete er, nicht sicher, was er wohl mit dieser
Information anfangen sollte.
„Wer?“, kam
kurze Zeit später die verständnislose Antwort, ehe die Frau ebenfalls im
schmalen Korridor erschien. „Oh“, schloss die Frau, als sie neben ihrem Mann
stand. Sie trug eine verwaschene Jeans und eine über Bauch geknotete helle
Bluse. Lucius stellte fest, er und Narzissa waren entschieden overdressed.
Wunderbar.
„Ähm“,
begann die Frau ratlos und räusperte sich. „Ich nehme an, Sie… wollen
reinkommen?“ Es klang nicht wie eine Einladung, aber mehr brauchte Narzissa auch
nicht.
„Gerne,
vielen Dank“, sagte sie mit einem falschen Lächeln. Lucius nahm an, es würde
unangenehm werden. Schon standen sie im engen Flur des kleinen Hauses. „Sie
haben ein wunderschönes Haus!“ Narzissa hatte viele Persönlichkeiten, Lucius
gab es zu. Und überrascht sah er sich im engen Flur um. Dieses falsche
Kompliment wäre ihm nun nicht unbedingt als erstes in den Sinn gekommen.
„Danke“,
erwiderte Mrs Granger verwirrt. „Geben Sie mir Ihre Mäntel“, sagte Mrs Granger
kopfschüttelnd. „Tee?“
„Tee wäre
herrlich“, bestätigte Narzissa und folgte Mrs Granger. Für Lucius war es schon
ein seltsames Konzept, einem Menschen seinen Mantel zu geben. Er sah sich
verstohlen um, aber kein einziger Elf erschien aus dem Nichts. Wie kamen Muggel
nur zurecht? Mr. Granger bedeutete
Lucius ebenfalls ins Wohnzimmer zu gehen. Alles hier war winzig klein. Er kam
sich fast vor wie ein Riese.
Und keine
Minute später saßen sie auf einer sehr bunten Couch. Sie war gerade groß genug
für zwei. Scheinbar hatten die Grangers den Tee schon
beendet, denn zwei leere Tassen standen auf dem Tisch, aber Lucius hörte
bereits den Teekessel aus einiger Entfernung wieder leise pfeifen.
Mr. Granger
paffte noch einen Zug aus seiner Pfeife, und stumm saßen sie zu dritt im
Wohnzimmer. Lucius Blick war auf eine schwarze, rechteckige Scheibe gefallen,
die seltsam präsent auf einem Wagen im Wohnzimmer stand. Er hatte das Gefühl,
die Einrichtung war auf diese schwarze Scheibe ausgerichtet.
War es
Kunst? Er legte den Kopf etwas schräg, und erkannte sich und Narzissa in der
Spiegelung. Schlichte Kunst, vielleicht? Narzissa neben ihm lächelte unentwegt,
ließ den Blick ebenfalls schweifen.
Ein paar
Bücherregale, ein Esstisch mit vier Stühlen, eine weitere Couch – und das war
das Wohnzimmer gewesen. Lucius erkannte eine ähnliche Kunst wie das schwarze
Fenster auf dem Esstisch. Es war ein kleineres schwarzes Fenster. Es stand
scheinbar aufgeklappt, aber er konnte die untere Seite nicht wirklich
ausmachen. Kleine Plättchen sammelten sich vor der kleineren schwarzen Scheibe.
Er nahm an,
es handelte sich um Muggelgeräte. Merlin, er hatte keine Ahnung. Er beschloss,
den Blick wieder auf Mr. Granger zu richten. Ihm fiel auf, wie befremdlich er
sie betrachtete, die Pfeife immer noch schief im Mund. Die dunklen Augen
erinnerten Lucius an seine Tochter.
Endlich kam
seine Frau zurück, vier Tassen auf dem Tablett und setzte sich neben ihren Mann
auf die andere Couch, nachdem sie die Tassen verteilt hatte. Lucius erkannte
den Geruch von Earl Grey und fühlte sich zumindest ein wenig an Zuhause
erinnert.
„Warum sind
Sie hier?“, begann nun Mrs Granger das Gespräch. Sie hatte den Blick wachsam
auf ihn gerichtet. Vielleicht kam ihr Narzissa zu übertrieben freundlich vor.
Lucius konnte das nachvollziehen. Um liebsten hätte er seine Frau in die Seite
geknufft.
„Es… es
geht um die Schwangerschaft ihrer Tochter“, sagte er einfach, was nicht schön
zu reden war.
„Das haben
wir angenommen“, mischte sich Mr. Granger mit sanftem Spott ein.
Lucius war
sich nicht sicher, ob er sich angegriffen fühlen musste. Merlin, er war sich
nicht mal sicher, ob sie hier überhaupt sein sollten.
„Meiner
Frau ist es ein Anliegen-“, aber er unterbrach sich knapp. „Mir und meiner Frau
ist es ein Anliegen, dass…“ Und er wusste nicht, wie er es sagen sollte. Diese
Leute wirkten nicht besonders angetan von ihrem Auftauchen, und letztendlich
wäre es für ihn, Lucius, auch kein Problem, diese Sache – diese Schwangerschaft
– zu ignorieren, wenn es denn nicht anders ging. Dann würden sie ein Tuch über
den Stammbaum hängen, und damit wäre diese Sache vorüber. Aber Narzissa wandte
langsam den Blick, und hinter ihrer aufgesetzten Freundlichkeit erkannte er
sehr wohl die Verzweiflung.
Und sie
hatte ihm gesagt, über die Tochter kämen sie nicht weiter. Und wenn sie das
Kind zu sehen bekäme, dann nur über die Eltern von Hermine Granger, weshalb
eine Bindung aufgebaut werden müsste. Am liebsten hätte er aufgestöhnt. Und
Narzissa hatte ihm geraten, zu lügen, höflich zu sein – so wie er es auf seiner
Arbeit und im Umgang mit Teresa Zabini gewöhnt war, aber er nahm nicht an, dass
das der richtige Weg war.
„Unsere
Kinder können sich nicht leiden“, sagte er also schlicht, und Narzissa Kopf
schoss zu ihm herum.
„Lucius!
Das ist wohl etwas hart ausgedrückt! Draco hat-“
„-sie
können sich wirklich nicht leiden“, beharrte Lucius auf seiner Aussage, und er
konnte es verstehen. Wirklich verstehen.
„Das ist
uns zu Ohren gekommen“, sagte Mrs Granger, ehe Mr. Granger seinen Spott in den
Augen in adäquate Worte hatte fassen können.
„Meine Frau
hat versucht, zu Ihrer Tochter Kontakt aufzunehmen, ihr klarzumachen, wie gerne
wir ein Teil im Leben ihres Sohnes sein möchten, und nicht nur durch die
finanzielle Unterstützung“, schloss er, so sachlich er konnte.
„Hermine
hat uns von dem ersten Termin erzählt“, räumte Mrs Granger nachdenklich ein.
„Von wie
viel Geld sprechen wir eigentlich?“, mischte sich Mr. Granger interessehalber
ein.
„George“,
entfuhr es seiner Frau gepresst.
„Was denn?
Man darf doch fragen?“, rechtfertigte er sich paffend.
„Der Betrag
des Unterhalts, den wir erstritten haben, beläuft sich auf 40 Millionen
Galleonen. Das ist allerdings nur der Schadensersatz den wir verlangt haben“,
bemerkte Lucius. Die Grangers sahen ihn verblüfft an.
„Ist eure
Währung in der Umrechnung zu Pfund eher geringer im Wert, oder…?“ Mr. Granger
schien den Wert nicht ganz begreifen zu können, aber Lucius schüttelte den
Kopf.
„Unsere
Währung sind Abstufungen von Gold, wohingegen Pfundnoten sich dem Wert von
Kupfererz und Sterling Silber beugen, nicht wahr?“ Lucius kannte sich mit
Muggeln nicht aus, aber Währungen waren etwas, mit denen selbst er etwas
anfangen konnte.
„Ach was?“
Das schien für Mr. Granger völlig neue Dimensionen zu eröffnen. Narzissa war
durchaus gelangweilt von diesem Gespräch.
„Was heißt
das, Schadensersatz?“, mischte sich Mrs Granger ein. Lucius antwortete, ehe
Narzissa es unbedarft tat.
„Draco ist
der Vater des Kindes, was ihn mit dem Unterhalt belastet. Und… nun, da es sich hierbei
um eine… unverschuldete Schwangerschaft handelt… stand uns ein Schadensersatz
zu.“
„Hermine
sagt uns, sie will nichts von Ihrer Familie annehmen“, erwiderte Mrs Granger
streng.
„Das ist
sehr löblich“, entschied Lucius zu erwidern, „aber durchaus unnötig“, schloss
er dann mit ernstem Blick.
„Wir zahlen
gern!“, sagte Narzissa sofort. „Sehr gerne!“
„Damit Sie
das Kind sehen können?“, schloss Mrs Granger sofort und fixierte Narzissa
schließlich. Diese tauschte wiederum mit ihm einen unsicheren Blick.
„Wir wollen
nicht… dafür bezahlen, dass wir es sehen können!“, versuchte es Narzissa
erneut. „Wir… wollen es einfach sehen“, endete sie stiller. Und Mr. Granger
kratzte sich verblüfft am Hinterkopf.
„Wenn Ihr
Sohn der Vater ist, dann… besteht doch kein Problem, oder nicht?“, wollte er
wissen, und wieder sah Narzissa ihn unglücklich an.
„Draco wird
ablehnen“, antwortete Lucius ruhig.
„Was wird
er ablehnen?“, wollte Mrs Granger wissen, aber Lucius stellte fest, dass die
Tochter der Grangers ebenfalls nicht besonders erpicht darauf war, ein Gespräch
mit ihren Eltern über den Ablauf der Dinge zu führen.
„Die Rechte
der Vaterschaft.“
„So was ist
möglich?“, entfuhr es Mrs Granger ungläubig.
„Sicher. Es
war eine unverschuldete Schwangerschaft“, wiederholte Lucius erneut. „Und
natürlich besteht – unter beiderseitigem Beschluss – die Möglichkeit, ein
Elternteil auszuschließen.“ Merlin, Lucius kam sich vor, wie bei besonders
unangenehmen Geschäftsverhandlungen.
„Er will nichts
mit dem Kind zu tun haben“, fasste Mr. Granger zusammen.
„Ja“,
bestätigte Lucius, und Narzissa schoss ihm einen bösen Blick zu.
„Weil wir Muggel sind?“, erkundigte sich Mrs
Granger und betonte das Wort äußerst abfällig. Er sah aus den Augenwinkeln, wie
Narzissa die Augen schloss, aber Lucius schüttelte den Kopf.
„Nein, das
ist tatsächlich nicht der Grund“, widersprach Lucius. „Unser Sohn hält nichts
von Verantwortung, die er übernehmen muss, und-“
„-Lucius!“,
rief Narzissa empört, aber Lucius ließ sich nicht beirren.
„Und er
wird niemals mehr tun als das, was er muss“, endete er bitter. „Für ihn ist
diese Schwangerschaft… ein Ärgernis – aber… das wäre wohl jede Schwangerschaft
für ihn.“
Die
Grangers sahen sie
an.
„Für uns
nicht!“, beteuerte Narzissa sofort. „Wir wollen einen Enkel! Wir wollen
einen!“, wiederholte sie gepresst.
„Und was
wollen Sie von uns?“, fragte Mr. Granger schließlich, und Narzissa rutschte bis
an die Kante der Couch.
„Bitte,
reden Sie mit Ihrer Tochter. Ich habe alles versucht, damit wir uns besser
verstehen, damit wir uns näher kommen! Ich will nicht viel. Ich würde einfach
nur gerne… teilhaben“, flehte Narzissa nun praktisch. Lucius nahm an, Narzissa
hatte bei weitem noch nicht alles getan. Aber er wusste auch, wie schwer sich
Narzissa tat. Und Narzissa versuchte es über die Mitleidstour. „Und… wenigstens
zu seinem Geburtstag würden wir ihn so gerne sehen!“
Und Mrs
Granger atmete aus. „Ach, du meine Güte! Hermine wird nicht so kaltherzig sein!
Wieso sollten Sie Ihren Enkelsohn nicht sehen?“, fragte sie Narzissa
kopfschüttelnd. Aber Lucius musste unwillkürlich freudlos lächeln.
„Weil Ihre
Tochter uns auch nicht leiden kann“, schloss er kopfschüttelnd. Mr. Granger
musste tatsächlich grinsen.
„Sagen Sie,
sind Sie so was wie die Bösewichte der Zauberer?“, wollte Mr. Granger fast
amüsiert wissen, uns Narzissas Mund klappte auf. Lucius runzelte die Stirn.
„Nein!“,
beteuerte Narzissa. „Nein, wir sind keine… Bösewichte!“, rief sie aus.
„Sagen wir
einfach, wir und Ihre Tochter standen auf recht verschiedenen Seiten“, schloss
Lucius knapp.
„Und das
tun Sie nicht mehr?“, wollte Mrs Granger wissen.
„Nein. Der
Krieg ist vorbei. Wir…“ Er unterbrach sich, atmete langsam aus. „Sicher ist es
nicht einfach!“, sagte Lucius jetzt entnervt. „Aber…“
„Aber ein
Kind von zwei verschiedenen Enden der Gesellschaft ändert die Dinge jetzt?“,
wollte Mrs Granger herausfordernd wissen, und Narzissa nickte überstürzt.
„Ja! Das
tut es!“
Lucius
atmete aus. Er erwartete schon, dass sie nun vom Hof gejagt wurden. Aber… einen
Hof gab es nicht. Es gab einen kleinen Vorgarten. Vielleicht konnten sie von
dem gejagt werden?
„Wir würden
Ihrer Tochter nichts verweigern. Sie kann sich alles von uns wünschen, was Ihr
Herz begehrt. Wir würden weder Kosten, noch Mühen scheuen, unserem Enkelkind
alles zu geben, was es braucht“, sagte Lucius jetzt. Kurz fing er Narzissas
Blick auf, aber sie konnten nicht alles nur über das Kind verhandeln. Sie
mussten die Mutter akzeptieren. Sie gehörte dazu. „Auch wenn unser Sohn die
Verantwortung ablehnt. Wir würden sie gerne übernehmen“, schloss er ernst.
„Sie wollen
Hermine kaufen?“, folgerte Mrs Granger schließlich.
„Nein!“,
widersprach Narzissa, ehe er es tun konnte. „Wir wollen…, dass sie und das Kind
sich wohlfühlen!“ Und zum ersten Mal war Narzissa wieder sie selbst, stellte er
beruhigt fest. „Wir wollen einfach nur eine Chance“, entfuhr es Narzissa müde.
„Nur eine Chance!“
Mrs Granger
tauschte mit ihrem Mann einen Blick, und dieser zuckte offen mit den Achseln.
Dann atmete die Frau resignierend aus.
„Mein Name
ist Rose“, stellte sie sich schließlich freundlicher vor. „Das ist mein Mann
George“, fuhr sie fort. „Wissen Sie, wir haben nicht die Hälfte von dem
verstanden, was uns Hermine erzählt. Und glauben Sie mir, ich war von
vornherein gegen diese magische was-weiß-ich Prozedur gewesen!“, fuhr sie mit
erhobenen Brauen fort. „Und ich finde, es ist wie eine gute Fügung – oder
vielleicht aus Hermines Sicht eine schlechte – dass zu dem Kind, was sie
bekommen wird, nun doch ein Vater passt, der nicht unbekannt aus einem Katalog
ausgesucht wurde.“
Narzissa
hatte neben ihm den Atem angehalten.
„Aber meine
Tochter hat uns vor zwei Monaten ihren neuen Freund vorgestellt. Und ich weiß
nicht, wie es alles noch zusammen passen soll, wenn-“
„-vergessen
Sie unseren Sohn“, unterbrach Lucius die Frau schließlich. Narzissa sah ihn
bestürzt an. „Er hat kein Interesse an dieser Verbindung, aber wir haben das“,
beteuerte er sanft. „Ihre Tochter kann gerne einen anderen Mann heiraten, Mrs
Granger. Dieser Mann kann gerne das Kind adoptieren, wenn er möchte. Wir
wollen…“ Und es behagte ihm nicht, bei anderen Leuten zu betteln, aber Narzissa
schien endlich auf die magischen Zauberworte gekommen zu sein.
„Aber wir
wollen Großeltern sein“, sagte sie leise, und Mrs Granger schien aufzutauen.
„Meine
Güte, als ob Sie uns um Erlaubnis fragen müssen!“, bemerkte Mrs Granger
peinlich berührt. „Sie sind doch ohnehin Großeltern. Und wir sind Großeltern!“,
schien ihr einzufallen. „Und ich sehe kein Problem darin, wenn wir eine Einheit
bilden, nicht wahr, George?“ Aber Mr. Granger hatte mittlerweile seine Zeitung
aufgeschlagen.
„Sicher“,
bestätigte er lächelnd. „Wenn Hermine uns dann nicht auch noch aus ihrem Leben
streicht, wo sollte das Problem sein?“, wollte er spöttisch wissen, und Lucius
nahm an, das war wohl etwas, was passieren könnte, würde Miss Granger von
dieser neuen Verbindung erfahren. Und dann hob Mr. Granger den Blick zu Lucius‘
Gesicht. „Wie schwer war dieser Gang für Sie zwei wirklich?“, erkundigte sich,
echtes Interesse auf den Zügen.
Und Lucius
Mundwinkel entspannten sich, während er sich auf der hässlichen Couch
zurücklehnte und endlich nach seinem kalten Tee griff.
„Es war der
schwerste Gang unseres Leben“, gab er schlicht zu. Der Tee war kalt, stellte er
mit spitzen Lippen fest. „Sagen Sie“, begann er langsam, „haben Sie etwas
Stärkeres als das?“
Und er und
Mr. Granger tauschten einen Blick. Und es war ein Blick des Einverständnisses.
Er hörte
Mrs Granger unterdrückt aufstöhnen.
„Lucius,
nicht wahr?“, vergewisserte sich Mr. Granger mit erhobener Braue, und Lucius
nickte. „Kennen Sie sich mit schottischem Whiskey aus?“, wollte er wissen, als
handele es sich um eine Fangfrage.
„Oh
Merlin“, entfuhr es Narzissa kopfschüttelnd. Die Herren erhoben sich
gleichzeitig.
„Was haben
Sie anzubieten? Single Malt, Single Grain oder Blended? Dann sage ich Ihnen, ob
er gut ist oder nicht“, bemerkte Lucius, und Mr. Granger lächelte versonnen. Es
war eine Sprache, die scheinbar kulturübergreifend war. Die Sprache des
Whiskeys. Aber Lucius entgingen die Worte seiner Frau nicht.
„Männer“,
brachte sie gepresst hervor. „Ich hasse Whiskey“, murmelte Narzissa.
„Ja“,
bestätigte Mrs Granger knapp. „Ich auch, ich auch.“
Er und Mr.
Granger verließen das Wohnzimmer, um zu einer Vitrine in einem anderen Zimmer
zu gelangen. „Und ist… ist das Ihre echte Haarfarbe oder… ist das gefärbt?“,
erkundigte sich der Mann vor ihm mit echtem Interesse, als er die Glastüren
öffnete um eine sehr kleine Flasche Macallan hervorzuholen. Lucius bevorzugte
Macallan persönlich. Allerdings nahm er nicht an, dass es sich bei Mr. Grangers
Macallan um einen sonderlich teuren Jahrgang handeln konnte. Aber er schätzte
den Geschmack des Mannes. Und allein deshalb beschloss Lucius, diese Frage
einfach überhört zu haben.
22. Into the Deep
„When they halted for a moment, they heard
nothing at all,
unless it were occasionally a faint trickle and drip of unseen water.
Yet
Frodo began to hear, or to imagine that he heard something else:
like the faint fall of soft bare feet.“
Lord of the Rings
Es
war Harrys freier Tag. Und es war ein wunderbarer freier Tag.
Es
war sogar erheiternd, denn wieder einmal boten er und Ginny Hermine
Unterschlupf, fast Asyl. Hermine hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sich
Narzissa Malfoy zumindest bis zur Gerichtsverhandlung vom Hals zu halten,
obwohl Harry annahm, nach dem letzten Gespräch zwischen ihr und Hermine, müsste
sich Hermine nicht allzu viele Sorgen machen.
Und
nun saßen sie am Wohnzimmertisch, hatten die fünfzehnte Runde Snape explodiert
beendet, und Harry war noch immer ungekrönter Champion. Zu schade. Eine Krone
würde ihm gut stehen, dachte er lächelnd, während Ginny sich noch immer
aufregte, in Folge Verlierer zu sein.
Hermine
hatte wieder mal eine Anekdote von Narzissa Malfoy zum Besten gegeben, die
Ginny dazu brachte, unablässig den Kopf zu schütteln.
Harry
ließ den Blick nach draußen wandern und sah seinem Sohn gedankenverloren zu,
wie er im Garten hinter den Doxys hinterher jagte, um sie zu fangen. Die Doxys
waren noch müde vom Winterschlaf und entwischten seinen kleinen Hände nur mit
müden Flügelschlägen. Und er glaubte, er würde auch ein bisschen wahnsinnig
werden, wenn er wüsste, dass er seinen Sohn verlieren würde. So wahnsinnig wie
Narzissa Malfoy war, weil sie wohl nichts mit ihrem Enkelsohn zu tun haben
würde, wäre er erst geboren.
Aber
das sagte er Hermine nicht. Er nahm an, sie wäre nicht gut auf Alternativen zu
sprechen. Und auch Harry bestand nicht wirklich auf näheren Kontakt zu den
Malfoys.
„Na ja, du musst du sie nur noch sechs Wochen
vermeiden, dann ist die Verhandlung, und mit Glück musst du keinen Malfoy
wiedersehen, und vielleicht kann dann schon das Adoptivverfahren losgehen?“
Harry sah sie mit aufforderndem Blick an.
„Harry,
wir haben darüber noch nicht gesprochen“, informierte ihn Hermine mit
entschieden roten Wangen. Harry musste fast grinsen.
„Ach
Hermine! Er wird dir einen Antrag machen, du wirst Ja sagen, was soll einer
Adoption im Weg stehen?“, wollte Harry eindeutig wissen, aber Hermines Wangen
wurden immer röter. Und Unsicherheit war auf ihr Gesicht getreten.
„Harry,
lass sie bitte in Ruhe! Noch steht gar nichts fest“, maßregelte ihn Ginny jetzt
lachend. „Bring sie nicht in Verlegenheit! Es ist nur gut, dass du jemanden an
deiner Seite hast, der dich mag, der dein Kind mag. Ich denke, es hat sich
alles doch noch zum Guten gewendet. Und du bist auch noch mit Pansy
befreundet!“, bemerkte Ginny anerkennend.
„Noch
ist noch nichts passiert“, wiegelte Hermine ab. „Und wir sind nicht befreundet,
wir waren einen Tee trinken“, stritt Hermine nun ab. „Ich denke nicht, dass ich
wirklich mit Pansy befreundet sein kann.“
„Weil
sie verrückt ist?“, vermutete Harry lächelnd.
„Weil
sie… weil sie Pansy ist“, korrigierte ihn Hermine seufzend.
„Hermine?“,
sagte Harry jetzt feierlich, und Hermine sah ihn mit großen Augen an.
„Ja?“,
entfuhr es ihr überrascht.
„Weißt
du, du hast das Leuchten. Diesen mütterlichen Schein? Diese gesunde Farbe? Die
Schwangerschaft steht dir sehr gut“, bemerkte er zufrieden. Hermine verdrehte
die Augen.
„Du
bist so ein Schleimer“, informierte sie ihn lachend.
„Immer
gerne“, bestätigte er. Und es war angenehm, wie leicht alles war. Zuerst hatte
er angenommen, sie würden niemals über die Tatsache hinwegkommen, dass Hermine
tatsächlich das Kind von Draco Malfoy bekam, aber wahrscheinlich, wäre das nur
noch eine Formalie. Wahrscheinlich würden sie es schaffen, das Kind gänzlich
von dieser Familie fernzuhalten. Harry wünschte es sich zumindest. Und er war
froh, dass er Hermine Alec vorgestellt hatte.
Er
hatte es im Gespür gehabt, dass es funktionieren würde. Zwar hatte er
angenommen, Hermine würde nicht unbedingt die verwegenen Abenteurer bevorzugen,
aber er hatte sich anscheinend geirrt. Er hatte gedacht, nach Cormac McLaggen,
der ebenfalls für Gringotts arbeitete, hatte Hermine genug von Mienengräbern,
aber sein Gespür hatte ihn letztendlich doch nicht getäuscht.
Ein
heller Glockenschlag unterbrach seine Gedanken. Er seufzte auf, als er sich
erhob. Wer wagte es, seinen freien Tag zu stören?
„Es
wäre auch zu schön gewesen“, murrte er. Es war der Kamin in seinem
Arbeitszimmer. Es war nicht wirklich sein Arbeitszimmer. Mehr ein begehbarer
Kleiderschrank, wo er seine Uniformen aufbewahrte und nette kleine Waffen von
Weasleys Zauberhafte Zauberscherze.
„Kommen
sie nicht einen Tag ohne dich aus?“, neckte Ginny ihn lächelnd.
„Ich
bin der Leiter der Abteilung“, brüskierte er sich stolz. „Natürlich nicht!“
Seit
seiner Beförderung konnte er sich solche Sprüche erlauben.
Und
meistens waren es Kleinigkeiten. Bürokratischer Unsinn, den er entscheiden
sollte.
Aber
manchmal – manchmal – da waren es auch andere Dinge, über die er in Kenntnis
gesetzt wurde.
Mit
dem Zauberstab entriegelte er die Tür. Gut, dass James draußen spielte. Für
gewöhnlich lauerte er wie ein kleines wildes Tier vor seinem Arbeitszimmer,
weil er unbedingt Harrys Uniform anprobieren wollte. Und vor allem wollte er
die Heuler-Granaten ausprobieren.
Aber
bisher war Harry seinem Sohn immer zuvor gekommen.
Er
verschloss die Tür hinter sich und sprach die Rückrufformel, während er vor dem
Kamin wartete. Und kurz war er überrascht, als Rons Gesicht in den Flammen
sichtbar wurde. Harry ging sofort in die Hocke.
„Hey,
was ist los?“ Ron hatte heute nämlich keinen freien Tag. Er war eingeteilt zur
lästigen Bereitschaft, die keiner aus seiner Abteilung gerne machte. Und sein
Ausdruck verhieß nichts Gutes, so viel konnte Harry sagen.
„Hey
Harry. Tut mir leid, aber du musst heute noch rein kommen“, erwiderte Ron
gepresst.
„Was
ist los?“ Es war die Art, wie Ron seinen Blick mied. Ron trug seine Uniform.
Wenn er arbeitete, dann verhielt er sich anders. Seriöser. Es machte Harry
immer etwas Angst, wie Ron zu einem erwachseneren Menschen wurde, wenn er die
Uniform trug.
„Wir
haben die Anfrage nach einem Suchtrupp bekommen“, erklärte Ron und sah ihn
endlich an. „Es gab ein Unglück, und die Leute vor Ort brauchen Hilfe.“
Und
für gewöhnlich würde Harry fragen, warum nicht die anderen Auroren gehen
konnten. Er würde fragen, was vorgefallen war und wo. Für gewöhnlich würde er
an seinem freien Tag solche Aufgaben nicht übernehmen, die er nicht als
Überstunden abrechnen konnte und die Ginny als zu gefährlich einstufen würde.
Für
gewöhnlich. Aber Rons Blick hatte etwas Seltsames angenommen.
„Komm
schnell, Harry“, sagte Ron tonlos, „und sag den Mädchen nichts“, ergänzte er
gezwungen ruhiger, und Harry brach die Verbindung sofort. Denn egal, was
passiert war, es war schlimm. Wenn Ron nicht wollte, dass Ginny und Hermine
etwas erfuhren, dann war es schlimm. Mit einem Schlenker wechselte er die
Kleidung, trug keine Sekunde später die enge, mit Schutzzaubern vollgehexte
Uniform, packte wahllos Gadgets ein, die ihm vielleicht helfen könnten,
magische Lichtkugeln, Granaten, Wasserlöcher – egal was, er packte alles ein.
Er
konnte direkt durch seinen Kamin. Er hatte die interne Verbindung von seinem Haus
ins Ministerium nämlich geöffnet für solche Notfälle. Und er schob seine Tür
einen Spalt auf. „Ginny, ich muss noch mal los. Warte nicht mit dem Essen auf
mich“, rief er, die Stimme gewöhnlich. Aber Ginny ließ sich selten austricksen.
„Was
ist los?“, fragte sie sofort, und er hörte sie näher kommen.
„Ich
muss dringend noch mal weg“, sagte er vage, und sie kam um die Ecke.
„In
Uniform?“, wollte sie misstrauisch wissen.
„Ja.
Ich versuche, mich zu beeilen, ok?“ Und sie kam zu ihm, küsste ihn kurz auf die
Lippen und nickte. Sie schien zu spüren, dass etwas Ernstes vor sich ging.
„In
Ordnung. Sei vorsichtig“, erwiderte sie, und Harry schloss die Tür wieder, um
durch den Kamin zu verschwinden. Er warf das Pulver in die Flammen, die grün
loderten.
„Ministerium, Aurorenabteilung“, sagte er fest und betrat das
Rost.
~*~
Als
er ankam, strauchelte er ein wenig, als er aus den Flammen trat. Die Uniform
war schwer von all den fluchsicheren Garnen und Zaubern. Und nicht nur Ron
wartete. Die ganze Auroren-Bereitschaft wartete, scheinbar bereit zu
apparieren. Nur die Auroren hatten eine offene Zone im Ministerium, denn
manchmal war es wichtig, schnell an andere Orte zu kommen.
„Mr.
Potter, es handelt sich um einen Auslandseinsatz“, informierte ihn ein
besonders schlecht gelaunter Auror, dessen Anwesenheit Harry für gewöhnlich
mied, denn Henry Honeycutt hatte sich vor einem halben Jahr ebenfalls für die
Position als Abteilungsleiter beworben, allerdings war Harry mit Abstand
bevorzugt worden. Und seitdem mochte ihn Henry nicht mehr sonderlich. Er hatte
es den Potter-Vorzug genannt, nur weil Harry so etwas Banales getan hatte, wie
die magische Welt vor dem bösesten Zauberer aller Zeiten zu bewahren. Harry
mochte Henry auch nicht sonderlich. „Und Mr. Weasley hat unseren Einsatz
zugesagt“, ergänzte Henry eindeutig. Harry runzelte die Stirn.
Es
war ein Eil-Memo aus Bulgarien. Was hatten englische Auroren in Bulgarien
verloren, fragte er sich direkt.
„Warum
übernehmen die Kollegen nicht?“, erkundigte sich Harry, und erntete Rons
eindringlichen Blick.
„Lies
das Memo“, befahl Ron ihm gepresst, und Harrys Blick senkte sich.
„Mr.
Weasley hat die Zuständigkeit an sich gerissen“, fuhr Henry beflissen fort,
aber Harrys Augen lasen mit Schrecken die Zeilen. Und ja, die Zuständigkeit lag
in London, denn… derjenige, der vermisst wurde, war ein englischer Angestellter
von Gringotts, und Harry spürte, wie etwas Dumpfes in seinen Magen sank. Denn
der Gringotts-Angestellte Alec Dermont war heute in den Mienen abgestürzt, ohne
dass die anwesenden Kollegen ihn hatten finden oder bergen können.
….
Und
Harry schaltete ab.
Er
wechselte den Modus und war Leiter der Auroren.
„Wir
brechen sofort auf“, informierte er die Truppe. „Ich denke, zehn Leute sollten
genügen. „Frey, Hale, ihr bleibt hier, haltet die Stellung. Ich melde mich“,
befahl Harry streng.
„In
Ordnung, Mr. Potter“, erwiderte Ed Frey eilig.
„Los
geht’s“, sagte Harry an die anderen gewandt, und im Laufschritt ging es zur
Zone, zum Apparieren. Und niemand zweifelte seine Worte an. Sie folgten ihm,
wie man einem Anführer folgte.
Die
Mannschaft an Auroren apparierte praktisch unisono, und es dauerte keine halbe
Minute, ehe Harry sandigen Boden unter den Füßen spürte. Es war Nachmittag,
aber es war deutlich wärmer als in England. Harry überprüfte, ob alle Auroren
die Reise überstanden hatten, ehe er ihnen bedeutete, ihm zu folgen. Ron holte
auf und sie liefen auf selber Höhe in Richtung des riesigen Steinbruchs vor
ihnen.
„Wahrscheinlich
hat er seinen Sturz noch gebremst“, fing Ron gepresst ein Gespräch an.
„Wahrscheinlich“,
bestätigte Harry, der nicht wusste, ob das der Fall war, und er wollte nicht
darüber nachdenken, denn wenn er das tat, dann musste er unweigerlich an Cedric
denken, und das wollte er nicht.
„Weshalb
hätten sie ihn sonst nicht bergen sollen? Nur wenn er seinen Zauberstab noch
hat, können sie ihn nicht-“ Harry unterbrach Rons Worte nervös.
„-ja,
ich verstehe, Ron. Lass uns erst mal ankommen“, brachte er mit klopfendem
Herzen hervor. Die Auroreneinheit erreichte den muggelgeschützten Bergpass und
einige bulgarische Zauberer traten aus der Desillusionierung. Sie sprachen in
gebrochenem Englisch auf Harry ein, während Harry seiner Einheit bedeutete, den
Bulgaren zu folgen, hoch in die Mienen.
Sie
fuhren in verschiedenen magischen Wagons bis nach oben, dort wo die Arbeiter
damit beschäftigt waren, Mineralien zu bergen und die Schienen vor dem Abgrund
endeten. Aber im Moment arbeitete keiner von ihnen.
„Hey!“,
wurde er von einem englischen Zauberer begrüßt, der ihn wohl erkannt hatte.
„Wir haben versucht, seinen Körper zu finden, ihn zu orten“, begann er sofort,
das Gesicht von Erz und Ruß verschmiert. „Aber runter haben wir uns nicht
getraut“, erklärte er sofort.
„Kein
Problem“, sagte Harry nur und verbannte jede Emotion. „Was ist passiert?“,
wollte er wissen, und der Mann dachte unglücklich nach.
„Alec
hing dort an der Seite“, erklärte er hastig und deutete auf die andere Wand, wo
ein großer Teil des Berges fehlte. „Und er war gesichert“, ergänzte er, aber er
muss wohl an eine lose Stelle im Berg gekommen sein, und…“ Kurz zögerte der
Mann. „Und die Sicherung ist aus dem Stein gebrochen. Wir… wir haben versucht,
ihn magisch zu halten!“, versicherte er sofort. „Aber es ging zu schnell“, schloss
er erschüttert. Harry nickte nur.
„Ron,
Johnny? Wir gehen runter, die anderen warten noch!“ Für Einsätze wie diesen gab
es Gleiter. Sie alle trugen einen an der Uniform, magisch verkleinert. Harry
zog ihn vom Gürtel, vergrößerte ihn und schwang sein Bein über den silbernen
Stab. Der Gleiter war wie ein Besenstiel geformt, nur ohne Reisig am Ende. Die
anderen bestiegen die Gleiter und kaum hoben sie ab, entzündete sich vorne das
ewige Licht des Lumos Maximus. Sie sanken tiefer, während die anderen Auroren
die steilen Felswände mit dem Lumos erleuchteten, so tief sie kamen.
„Augen
offenhalten!“, befahl Harry angespannt, aber noch konnte er weder Alec, noch
seine Sicherungsleine irgendwo erkennen. Die Luft wurde kälter, je tiefer sie
kamen. Er wusste, ab einem gewissen Punkt wurde es wärmer im Innern der Erde,
aber von diesem Punkt waren sie noch kilometerweit entfernt.
Harrys
Atem kondensierte abgehackt vor seinem Gesicht und Stille kam über sie, so
plötzlich, als wären sie vom Rest der Welt verschluckt. Merlin, es ging
wirklich tief runter, stellte Harry besorgt fest.
„Wir
befinden uns tausend Meter unterm Nullpunkt“, las Johnny von seinem Gleiter ab.
„Noch 1000 Meter und die Temperatur wird wieder wärmer“, versprach er, aber
Harry hoffte, sie würden nicht noch einen Kilometer tiefer müssen. Die Wände
des Abgrunds wirkten unberührt, und seine Augen suchten aufmerksam jede Kante
und jeden Vorsprung ab.
Lautlos
sanken die Gleiter tiefer, tauchten den Schacht in unwirkliches Licht. Ab und
an hörte Harry, wie kleine Tiere in den Felsspalten dem Licht eilig entkamen,
ansonsten blieb es ruhig.
„Alec?“,
rief Harry schließlich, und die Enge und die Dunkelheit schluckten seine Stimme
nahezu augenblicklich. Er wusste, der Accio
oder der Levicorpus der anderen
Zauberer würde Alec niemals aus solchen Tiefen holen können. Die Reichweite der
Zauberstäbe würde niemals ausreichen.
Sie
sanken lautlos tiefer, ohne eine Spur des vermissten Mannes.
„Kein
Blut, kein gar nichts“, murmelte Ron neben ihm, und er klang fast erleichtert.
Harry wusste, Alec hatte seinen Zauberstab nutzen können, wenn er ihn nicht
fallen gelassen hatte. Aber das glaubte er nicht. Alec war ein erfahrener
Mienengräber.
„Harry!“,
sagte Ron plötzlich, und Harry bremste den Gleiter ab, unter ihnen spiegelte
sich das ewige Licht. „Wasser!“, flüsterte Ron aufgeregt.
„1500
Meter tief“, bestätigte Johnny. „Wasservorkommnisse sind möglich“, ergänzte er
fast verblüfft. „Aber das Wasser dürfte ziemlich kalt sein“, fuhr er fort. Die
Oberfläche des Mienensees war spiegelglatt, nichts bewegte sich unter Wasser.
„Gibt
es eine seichte Stelle?“, fragte Harry jetzt, und die anderen sahen sich eilig
um.
„Da!“,
rief Johnny. „Ein Gang geht hier ab!“ Tatsächlich lichtete sich das Gewässer
zur hinteren Seite des Schachtes und führte in einen schwarzen Gang.
Sie
landeten auf dem steinigen Untergrund, keinen Meter vom Wasser entfernt. Harry
wusste, stille Wasser mussten nicht unbedingt freundlich sein. Er hatte noch
immer Albträume von seinem Ausflug mit Dumbledore zur Höhle, als sie den
falschen Horkrux gefunden hatten, und die Armee von Inferi sie in die Tiefe
hatte ziehen wollen.
„Homenum Revelio!“, sprach Harry und
wusste, dass weder Tiere, noch Inferi angezeigt werden würden. Die anderen
warteten gespannt neben ihm. Nichts. Er spürte nichts. Im Wasser jedenfalls
befand sich kein weiteres menschliches Wesen, weder tot noch lebendig.
„Merlin
sei Dank“, murmelte Ron jetzt. „Er muss in den Gang gegangen sein.“
Harry
nahm den Blick nicht von der glatten Wasseroberfläche. „Kommt. Wir sollten
nicht zu lange hier stehen bleiben“, flüsterte er. Ron und Johnny begutachteten
die Wasseroberfläche nun ebenfalls misstrauisch. Und Ron war der erste, der in
den Gang eilte. Wahrscheinlich hatte er schon grauenhafte Vorstellungen von
riesigen Wasserspinnen und Echsen in seinem Kopf, nahm Harry an. Auch Johnny
beeilte sich. Die Gleiter noch immer fest in den Händen, beleuchteten sie den
niedrigen Gang.
„Was
ist das hier?“, murmelte Johnny, denn der Gang wirkte nicht wie von Menschen
angelegt.
„Sieht
so aus, als hätten sich mächtige Klauen durch den Fels geschlagen“, murmelte
Ron, ein wenig hysterischer als zuvor.
„Klauen?“,
wiederholte Johnny, der ungefähr in ihrem Alter war und nicht minder ängstlich
als Ron. Er beleuchtete die Wände des Gangs. „Was hat so große Klauen?“,
flüsterte er tonlos.
Harry
wusste, es gab in ihrer Welt fantastische Bestien, eine schrecklicher als die
nächste, von denen er wirklich keine mit eigenen Augen sehen wollte.
„Meint
ihr, es wohnt jetzt im See?“, wollte Johnny ängstlich wissen, und Ron
schauderte, sah sich immer wieder um, aber die Stille war auch hier erdrückend.
Ab und an zogen sie die Zauberstäbe, um sich mit Sauerstoff zu versorgen, denn
die Luft war dünn und schwer zu atmen. Harry blieb plötzlich stehen.
„Was?“,
wollte Ron direkt hinter ihm sofort wissen. „Harry, Merlin noch mal, was?!“,
wiederholte er gepresst und Harry deutete vor sich. Der Gang hatte ein Ende
gefunden. Lose Felsbrocken versperrten jeden weiteren Durchgang. „Oh“, entfuhr
es Ron erleichtert, aber Harrys Lichtkegel sank tiefer.
„Was
in Merlins Namen ist das?“, wollte Johnny atemlos wissen, als er Harrys Blick
folgte.
„Es
sieht aus wie… ein Bein einer Krabbe“, erwiderte Harry langsam, während Ron
einen erstickten Laut von sich gab.
„Ha
ha!“, entfuhr es seinem besten Freund krächzend. „Von was für einer Krabbe
sprechen wir? Einer Mutanten-Riesenkrabbe, die uns alle mit einem Bein
erschlagen könnte?“, entkam es ihm zitternd, aber Harry antwortete nicht.
„Dieser
Gang wurde zum Einsturz gebracht“, bemerkte er stiller und beleuchtete die
Wände. „Das Geröll hier sollte… das Wesen bestimmt aufhalten“, schloss er aus
diesem Szenario.
„Du
meinst…“, begann Ron atemlos, und Harry richtete den Lichtkegel auf den
unebenen Boden.
„Hier!“,
rief Harry leise aus. „Die dunklen Spuren dürften das Blut des Tieres sein“,
ergänzte er. Für menschliches Blut war es zu braun.
„Aha“,
entgegnete Ron, weniger begeistert. „Harry, die Spur führt zurück zum See“,
fuhr er resignierend fort. Aber Harry schloss diesen Gedanken nicht ab.
„Alec
ist gestürzt, hat seinen Fall wahrscheinlich verlangsamt und ist in den
Mienensee gefallen“, fasste er die möglichen Geschehnisse zusammen. „Dabei hat
er… diese Riesenkrabbe geweckt, konnte sich in den Gang retten und hat die
Decke zum Einsturz gebracht und konnte entkommen!“, entfuhr es ihm
triumphierend, ehe seine Mundwinkel bitter zuckten. „Im besten Fall zumindest.“
„Und
jetzt?“, wollte Johnny wissen.
„Jetzt
vernichten wir das Geröll und folgen Alec!“, erwiderte Harry sofort.
„Ok?“,
bestätigte Johny unschlüssig, während Rons Blick wieder auf das lange
Krabbenbein gefallen war.
„Wieso
nimmst du an, dass wir gleich nicht ebenfalls von diesem Vieh überrascht
werden?“, flüsterte Ron knapp. „Wenn wir anfangen, die Höhle mit dem Redukto
auseinander zu fluchen, dann wird es wach – wenn es überhaupt schläft!“,
flüsterte er. „Einer sollte draußen Wache halten.“
„Gute
Idee, Ron“, erwiderte Harry auffordernd, und Ron wurde eine Spur bleicher, den
Mut, den ihm die Uniform verlieh, verlierend.
„W-was?“,
stotterte er. „N-nein, ich meinte-“
„-oder
hast du Angst?“, wollte Harry direkt wissen, und Rons Stolz gewann noch gerade
ebenso ein letztes Mal die Oberhand gegenüber seiner Angst.
„N-nein?“,
entgegnete er nicht überzeugt und wandte sich ab. Harry hörte ihn verzweifelt
murmeln und musste grinsen. Es war der Nervenkitzel. Er liebte diesen Job. Er liebte
jedes Abenteuer. Und er war sich sicher, sie würden Alec finden und nach Hause
bringen! Irgendwie!
Johnny
wirkte nicht begeistert.
„Selbst
wenn das Vieh noch lebt und aus dem Wasser kommt – ich denke, dass drei
ausgebildete Auroren es betäuben können“, flüsterte Harry aufmunternd, aber
auch Johnny war blasser geworden. Feiglinge, allesamt, dachte Harry
kopfschüttelnd, während er tatsächlich den Zauberstab auf das Geröll richtete.
„Redukto!“, sagte er sanft, übte nur
milde Kraft aus, doch selbst der schwache Zauber brachte den Gang zum Beben.
„Ok“, murmelte Harry, während die kleinen Steinchen auf dem Boden
unheilschwanger vibrierten. „Schlechte Idee“, schloss er, als sich tiefe Risse
in der Decke abzeichneten und das leise Grollen zu einem Erdbeben wurde. „Raus
hier!“, rief Harry, bestieg den Gleiter, und Johnny tat es ihm gleich. „Raus,
raus, raus!“, rief er, als sie wieder am Rand des Sees angekommen waren, und
Ron ebenfalls fluchend den Gleiter bestieg.
„Scheiße,
scheiße, scheiße!“, hörte er Ron panisch unter sich rufen, während der ganze
Gang zusammenbrach und sie nur mühsam in die Höhe stiegen. Der Lärm war
ohrenbetäubend, und dann hörten sie wie sich die Wassermassen, keine zehn Meter
tiefer, bewegten.
Und
ein markerschütterndes Geräusch erfüllte den schwarzen Schacht, und sie hielten
in der Luft inne. Unter ihnen war nur noch weißer Staub auszumachen, aber das
Geräusch war der Laut eines sehr, sehr großen Tieres, nahm Harry schaudernd an.
Rons
Augen waren weit aufgerissen und in die Tiefe gerichtet. Mit einem wehklagenden
Schrei verstummte das Monster aus der Tiefe und die Miene schien unter ihnen
einzustürzen. Steinmassen schienen sich zu verschieben, und nach einigen
Sekunden herrschte bereits wieder gähnende Stille. Harry wedelte den Staub mit
der Hand zur Seite und ließ sich tiefer sinken. Mit Glück war nur ein Teil des
Gangs eingestürzt, nahm er an.
„Harry!“,
zischte Ron ängstlich, folgte ihm aber nach kurzem Zögern.
Aber
der See war nicht mehr da. Geröll hatte das Wasser aufgefüllt. Mist. Auch der
Gang war durch den Einsturz völlig verschwunden. Dunkles, zähes Blut quoll
durch die Ritzen der Steine hervor.
„Uägh!“,
entfuhr es Ron angewidert. „Und jetzt?“, wollte er wissen, und Johnny
schüttelte voller Ekel den Kopf.
„Jetzt
hoffen wir, dass Alec im Gang schon so weit gekommen ist, dass ihm die Decke
nicht mehr auf den Kopf fallen konnte.“ Harry sah die beiden anderen an. „Und
wenn dieses Tier einen Weg hier rein gegraben hat, dann muss es noch einen
Ausgang geben“, sagte er.
„Wir
müssen ihn als verschollen melden“, folgerte Ron abwesend, wesentlich
erleichterter, wohl weil das Riesenvieh tot war. Doch dann schien Ron die Worte
zu begreifen, und sein von Staub weißes Gesicht sah Harry unglücklich an. Aber
Harry nickte nur unwirsch. Denn ja, das mussten sie wohl. Und Harry und Ron
sahen sich noch einen weiteren Moment lang an, ehe sich Harry räusperte.
„Er
lebt“, sagte Harry kurzerhand, mit Nachdruck in der Stimme.
„Sicher
lebt er!“, griff Ron sofort seine Worte, denn Harry wusste, weder er noch Ron
wollten Hermine diese Nachrichten überbringen.
„In
einer Woche wird er zurück in England sein, mit einem gemütlichen
Schreibtischjob“, entgegnete Harry, während sie eilig höher stiegen.
„Wenn
wir ihn finden, Mr. Potter“, erinnerte ihn Johnny stiller.
„Wir
finden ihn!“, sagte Harry, vielleicht etwas angriffslustiger als beabsichtigt.
„Ok?“,
antwortete Johnny überrascht und mied Harrys Blick entschieden.
„Harry?“,
vernahm er die anderen Auroren, die langsam in sein Sichtfeld rückten.
„Was
ist passiert?“
„Alles
in Ordnung?“
„Was
war das für ein furchtbares Geräusch?“
„Wir
haben die Monster-Krabbe getötet!“, informierte Ron die Auroren, als wäre er
der Held ihrer Expedition geworden. Harry verdrehte die Augen und wandte sich
an die Mienengräber.
„Dort
unten ist ein Gang eingestürzt, und wir glauben, Alec wollte durch ihn wieder
raus“, erklärte Harry jetzt. Die Arbeiter sahen ihn bestürzt an, wahrscheinlich
weil er gänzlich in Steinstaub eingehüllt war und wie eine schneeweiße
Erscheinung wirkte. „Gibt es einen Plan dieser Mienen?“
„Sie
glauben, er hat überlebt?“, fragte ihn ein Mann hoffnungsvoll, mit gebrochenem
Akzent.
„Das
hoffen wir. Der Gang ist nur zum Teil eingestürzt. Vielleicht ist er soweit
gekommen, dass er davon nichts mitbekommen hat“, ergänzte Harry.
„Ok“,
rief ein anderer Gräber, fast erleichtert. „Wir haben die Pläne draußen im
Vorzelt“, erläuterte er.
„Gut“,
bestätigte Harry erleichtert. „Wir sehen, was wir heute noch erreichen können,
und morgen geht es weiter!“
„I have to remind myself to breathe –
Almost to remind my heart to beat!“
Emily Brontë
„Hermine?“
Es
war nicht so, dass sie wartete. Sie stand nur länger vor dem Fenster, sah
öfters in den Abendhimmel und glaubte, jede Eule würde ihr eine Nachricht
bringen.
„Hermine?“
Sie
war nicht mehr im Ministerium gewesen, war vorzeitig in Mutterschutz gegangen,
und sie tat, was sie tun musste. Sie stürzte sich in Ratgeber-Bücher. Die
einfachste Geburt, die beste Atemtechnik, die ersten Nächte des Babys, das
sichere Haus.
Und
seit vier Tagen galt er als vermisst.
„Hermine?“,
wiederholte Ginny jetzt deutlicher, und Hermine hob den Blick. „Vielleicht… hättest
du Lust, zu duschen?“, schlug sie sanft vor, aber Hermine senkte den Blick
wieder in ihren Ratgeber. „Oder… ein schönes, heißes Bad? Wie wäre das?“
Sie
musste einfach ruhig bleiben. Es war ein großer Berg, hatte Harry gesagt. Es
konnte durchaus einige Tage dauern, sagte sie sich, während sie stoisch die
Seite umblätterte. Vielleicht sollte sie sich Karteikarten schreiben und
auswendig lernen?
„Hermine?“,
sagte Ginny wieder ruhiger. „Wir sollten uns Gedanken über Glückszauber
machen“, begann Ginny wieder besorgt, aber Hermine wollte nicht. Sie wollte
keine Tabletten bekommen, die all ihre Instinkte unterdrücken würden,
vollgepumpt mit magischen Blockern, damit sie bloß keinen Zusammenbruch bekam!
Sie würde keinen bekommen. Ihr ging es ausgezeichnet. Sie wollte nur nicht
reden. Nur nicht essen. Sie wollte nicht duschen, sie wollte nicht schlafen.
Sie wollte nicht getröstet werden, sie wollte nicht mal nachdenken.
Und
Ginny gab es wohl für heute auf, griff sich selber eines der Bücher und saß
ihre Schicht ab, bis Ron kommen würde, manchmal mit Lavender, manchmal ohne,
bis ihre Eltern kommen würden. Alle wechselten sich ab, versuchten, sie zu
trösten, ihr Gesellschaft zu leisten, und Hermine wünschte sich fast, dass sie
es nicht täten.
Denn
sie wollte nicht! Sie wollte nicht begreifen, was es bedeutete! Sie wusste, was
es bedeutete, aber… sie hatte jetzt keine Kraft, sich damit auseinander zu
setzen! Sie konnte nicht! Denn… wenn sie das tat, wenn sie nur eine Sekunde zu
lange nachdachte, dann… dann würde sie sterben vor Schmerz.
Also
ignorierte sie ihre Freunde, sie wollte es nicht hören! Sie wollte sich nicht
auseinandersetzen müssen, mit Dingen, die überhaupt nicht wahr waren. Denn
Harry würde ihn finden. Harry fand Leute, Harry rettete Leute – es war das, was
Harry tat!
Und
jede Sekunde, die verstrich, schnürte ihre Kehle zu. Denn manchmal schweiften
ihre Gedanken ab. Manchmal fragte sie sich, wie lange man ohne Wasser in einem
riesigen Bergstollen überleben konnte. Sie erinnerte sich, als Harry und Ron zu
ihr gekommen waren, vor vier Tagen.
Es
war schon dunkel gewesen, sie hatte gespült und aufgeräumt. Sie hatte
belanglose Dinge getan, die ihr dennoch klar im Gedächtnis geblieben waren. Man
erinnerte sich immer an die belanglosen Dinge, die man getan hatte, wenn man
eine schlechte Nachricht bekam. Oh ja. Sie erinnerte sich gut.
Und
dann hatten sie es erzählt. Sie wären in Bulgarien gewesen. Es hätte ein
Mienenunglück gegeben.
Und
Alec wäre abgestürzt und in einen Mienensee gefallen, 1000 Meter unter der
Erde. Er hätte sich in einen Gang gerettet, der verschüttet war und suchte nun
seinen Weg in die Freiheit.
Vielleicht
gab es dort Wasser? Vielleicht gab es dort kleine Tiere, die er essen konnte?
Und
Harry und Ron hatten wohl erwartet, dass sie einen Nervenzusammenbruch bekommen
würde. Aber sie hatte zugehört, hatte genickt, hatte sich gesetzt und war in
einen seltsamen Zustand verfallen. Katatonisch, fast. Es war, als würde die
Schwangerschaft ihrem Körper verbieten, Panik zu empfinden, Angst oder Schmerz.
Es war, als hätte sie diese Information abgespeichert, und alle Gefühle, die
damit in Verbindung standen, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Und
alle sahen sie an, wie eine Zeitbombe. Wie einen emotionalen Krüppel, der jede
Sekunde drohte, in die Luft zu gehen. Sie wusste, wie Ginny sie ansah.
Aber
Hermine wusste, wie sich ein Verlust anfühlte. Hermine hatte es schon erlebt.
Hermine wusste, Unfälle passierten. Aber sie wusste auch, dass es Wunder gab.
Sie, Harry und Ron hatten einen Krieg überlebt, hatten sich ein Jahr lang von
Maden und Pilzen ernährt – und sie wusste, es war möglich, aus
Extremsituationen rauszukommen. Es war möglich.
Und
sie wusste, es war, als wiederhole sich das Schicksal.
Und
ihr Körper hatte scheinbar gelernt, jedes Bisschen an Schmerz und Trauer
abzuschalten. Denn dieses Baby würde sie nicht verlieren! Dieses nicht! Egal,
woher es kam, egal, was es für ein Mensch werden würde! Dieses Baby würde sie
nicht verlieren!
Denn
das letzte Mal… hatte sie ihre Trauer vollkommen ausgelebt.
Und
sie gab zu, es war anders, dieses Mal. Nicht, dass sie tatsächlich glaubte,
dass Alec etwas passiert war. Nein, sie hatte ein Gefühl, dass es nicht so war.
Fast spürte sie, dass es ihm gut ging – oder sie wollte es spüren.
Aber…
er war nicht Cedric. Cedric war ihr Ehemann gewesen. Ihr Partner für fast zehn
Jahre.
Und
damals war Cedric eher da gewesen. Dieses Mal war das Baby eher da gewesen, als
Alec.
Und
Hermine konnte nichts anderes tun, als abzuwarten.
„Irgendwann
musst du sprechen?“, erinnerte sie Ginny sanft, aber Hermine hörte ihr nicht
zu. Sie musste ihre Gedanken klar strukturieren und ordnen. Begriff Ginny
nicht, dass Hermine gerade alles andere lieber tat, als sich ausgerechnet mit
dieser Situation auseinanderzusetzen? Und deshalb schwieg Hermine beharrlich,
studierte Seite um Seite der bekloppten Ratgeber, nur um nicht nachzudenken!
Einfach
nicht nachzudenken.
Denn
wenn sie nachdachte, dann würde sie noch glauben, dass alles ihre Schuld war.
Und
seit Tagen lag sie nachts wach und fixierte die kleine Schachtel in rotem
Geschenkpapier auf ihrem Nachttisch. Er würde wiederkommen.
Er
würde wiederkommen und ihr einen Antrag machen.
Und
dann würde sie Ja sagen.
Fast
hatte sie keine Angst, denn sie wusste, es ging ihm gut. Natürlich ging es ihm
gut! All die Abenteuer von denen er berichtet hatte! Dieses würde nur ein
weiteres sein, wie er eine Woche durch die dunklen Mienen gewandert war, ehe er
den Ausgang gefunden hatte und ihn die Auroren fanden und nach Hause brachten.
Es
wäre nur das nächste Abenteuer.
‚…achten
Sie darauf, das Baby niemals alleine auf dem Wickeltisch liegen zu lassen, wenn
Sie die Sicherungszauber nicht gesprochen haben…“, lasen Hermines Augen
gebannt, und sie ignorierte Ginnys fürsorgliche Blicke.
~*~
„Na,
wie geht es dir heute?“, wollte ihre Mutter vorsichtig wissen. Sie hatte einen
Schlüssel zum Haus.
Hermine
sah aus dem Fenster, eine Schüssel Suppe auf dem Schoß. Sie war in eine Decke
gehüllt, und langsam begann die Natur draußen zu erwachen. Sie hatte wieder
nicht geschlafen. Und sie wusste, sie musste. Sie weigerte sich, die Zauber von
Ginny anzunehmen. Und sie hatte seit Tagen nicht mehr gesprochen. Und es wurde
schwer. Es wurde wirklich schwer, sich darauf zu konzentrieren, nicht panisch
zu werden, nicht manisch zu werden, die Trauer nicht durchzulassen.
Ginny
war so wütend mit ihr, dass sie schon kaum noch mit ihr sprechen konnte, denn
Ginny war der Ansicht, Hermines sture Tour schadete dem Baby genauso, wie eine
Depression.
Auf
dem Tisch neben ihr stand die kleine Box. Manchmal verlor sich ihr Blick in dem
roten Samtpapier. War es möglich, dass es wieder passierte? Dass sie den Mann
an ihrer Seite verlor? Wo war er bloß? Wieso tauchte er nicht auf? Wieso fand
Harry ihn nicht endlich? Wann war dieses Spiel vorbei? Langsam bekam Hermine
ein ungutes Gefühl.
Ihre
Lider waren schwer, aber sie schlossen sich nie lange genug, um einzuschlafen.
Bei jedem Geräusch, was Hermine nachts hörte, lauschte sie angestrengt.
Vielleicht kam er nach Hause? Vielleicht klopfte eine Eule leise mit dem
Schnabel gegen ihre Scheibe, brachte feinen Goldstaub, brachte ein
Überlebenszeichen von Alec.
Denn
wenn sie schlief, könnte sie diese wichtige Nachricht verpassen. Oder nicht…?
„Ich…
habe heute Besuch mitgebracht, Hermine? Wir machen uns Sorgen, verstehst du
Liebling? Du musst schlafen! Und du musst essen. Und vielleicht duschen?“,
schlug ihre Mutter mit zitternder Stimme vor. „Liebling, es hilft nichts, dich
vor den Tatsache zu verschließen“, fuhr ihre Mutter unglücklich fort. „Und wir
meinen es nur gut, Hermine?“
Ihre
Mutter schien zu warten. „Hermine?“
Aber
Hermines Blick war nun in die Ferne ihres kleinen Gartens gerichtet. Alec würde
wiederkommen. Er würde hier einziehen. Hier, wo sie einst glücklich gewesen
war. Er würde die Sträucher im Garten stutzen, die Hecke trimmen, er würde sich
um die Doxynester und Maulwurfhügel kümmern.
Es
waren sieben Tage vergangen. Sieben Tage, ohne eine Spur. Aber es musste nichts
heißen. Nicht wahr? Es hieß nichts.
„Hermine?“,
wiederholte ihre Mutter unschlüssig. „Nun, du… kennst Narzissa?“
Hermine
kannte Narzissa.
Langsam
hob sich ihr Blick, als sie der fremden Person in ihrem Haus gewahr wurde. An
den Rändern ihres Fokus‘ verschwamm das Bild. Vielleicht spielte ihr die
Müdigkeit einen Streich? Kurz regte sich etwas in ihrem Körper. Zorn. Sehr viel
Zorn auf einmal. Aber es reichte nicht aus. Nicht einmal Narzissas
unerwünschter Anblick in ihrem Haus, reichte aus, um Hermine aus ihrer Leere zu
holen.
„Ich
lasse euch alleine“, murmelte ihre Mutter, und Narzissa kam langsam zu ihr,
setzte sich auf den Besucherstuhl. So empfand Hermine diesen Stuhl. Und die
Frau sah sie lange an.
„Wie
geht es dir?“, wollte Narzissa wissen. Diese Stimme, die Hermine verabscheute.
Es ging Narzissa nichts an. Ihre Gedanken drifteten ab. Alec hatte gewollt,
dass sich Hermine mit ihr verstand. War das nun die Strafe, weil sie nicht auf
die Geburtstagsfeier gegangen war? War es die Strafe, weil sie Narzissa ihre
Meinung kundgetan hatte?
War
es eine Strafe, fragte sie sich in stummer Verzweiflung.
„Ich
weiß, du willst mich bestimmt nicht sehen“, begann Narzissa das Gespräch. „Und
ich will gar nicht so tun, als wäre ich nur hier, wegen deines Seelenheils,
Hermine“, sagte die Frau, die ihren Namen so scheußlich betonte. Hermines Blick
war wieder in den Garten geglitten.
„Hermine,
ich möchte, dass du mich ansiehst“, sagte die fremde Frau, vor der Hermine
ständig geflohen war. Die Frau, die es wagte, hier einzudringen. „Hermine!“,
dröhnte Narzissas Stimme in ihr Bewusstsein. Langsam blinzelte Hermine, und ihr
Kopf wandte sich in Narzissas Richtung. „Gut“, antwortete Narzissa auf ihre Reaktion
hin. Hermines Kopf füllte sich mit purem Hass auf diese Person. „Du trägst
meinen Enkelsohn unter deinem Herzen, Hermine“, ermahnte Narzissa sie. „Und ich
werde nicht zulassen, dass du ihn durch dein rücksichtloses Verhalten
gefährdest. Deine Familie und deine Freunde mögen vielleicht nicht die Kraft
oder nötige Distanz haben, mit dir umzugehen, aber damit habe ich kein
Problem.“
Hermine
hörte der Frau nicht zu. Warum schleppte ihre Mutter diese Person hier an? Und
wovon sprach Narzissa?
Hermine
wollte in Ruhe gelassen werden. Sie hatte alle Ratgeber schon zweimal gelesen,
wusste aber bei weitem noch nicht alles auswendig.
Narzissa
hatte sich erhoben und kam zu ihr.
„Aufstehen“,
befahl sie schlicht. Hermines Blick glitt zur Seite. Und Narzissa griff nach
ihren Oberarmen und zog sie in die Höhe. Mit sanfter Gewalt, aber doch ohne
Gnade. Kurz musste Hermine blinzeln vor Schreck. Die Suppenschüssel war aus
ihrer Hand geglitten. Sie hatte sie ohnehin nicht angerührt. Und Narzissa
schenkte der Sauerei keinerlei Beachtung. Ginny hatte sie ihr heute Morgen auf
den Schoß gestellt.
Hermines
Beine zitterten, und zum ersten Mal nahm sie Narzissa vor sich tatsächlich
wahr. Sie wand sich in dem harten Griff. „Sehr gut“, bemerkte Narzissa ernst.
„Wachst du jetzt auf, Hermine? Wie viele Tage sind es jetzt?“, fragte sie, aber
Hermine antwortete nicht. „Sieben Tage gilt dein Freund als vermisst? Sieben
Tage lebst du wie ein Einsiedler, isst nicht, schläfst nicht? Wäscht dich
scheinbar nicht?“, ergänzte Narzissa mit einem knappen Blick auf ihre
Erscheinung, aber Hermine wollte nicht-
-und
Narzissas Ohrfeige traf sie präzise auf die linke Wange.
„Au!“,
rief Hermine heiser aus, ihre Stimmbänder unbenutzt und rau. Tränen traten
augenblicklich in ihre Augen, während Narzissas andere Hand sie immer noch
erbarmungslos am Oberarm festhielt. „Ver- verschwinde aus m-meinem Haus!“,
brachte Hermine heiser hervor.
„Nein“,
widersprach Narzissa schlicht, und Hermine blinzelte die Tränen aus ihren
Augen. „Es reicht, Hermine.“
Das
war es, was sie sagte.
Und
Hermine wandte ihre letzten Reserven an Kraft auf. Mit aller Macht hob sie die
Hände, und stieß Narzissa hart von sich. Die Frau fiel tatsächlich zurück,
strauchelte, aber stürzte nicht. Hermine war völlig bereit, dieser Person
wehzutun.
„Raus!“,
schrie Hermine, die ihre Stimme wiedergefunden hatte. Narzissa schüttelte den
Kopf, den grauen Blick auf sie geheftet.
„Nein“,
wiederholte die Frau, und Hermine machte einen schwachen Schritt auf sie zu.
„Dann
zwinge ich dich!“, flüsterte Hermine und griff nach Narzissas Arm, versuchte,
sie aus dem Wohnzimmer zu ziehen, aber Narzissa wehrte sich. Hermine zog
härter, begann nach Narzissa zu schlagen, sie zu beleidigen, und Narzissa
schien geduldig abzuwarten, schien sie gewähren zu lassen, während Hermine mit
zausigen Haaren, ihrem dreckigen Schlafanzug, der ihr kaum noch passte, mit
einer Decke über den Schultern, immer wieder versuchte, Narzissa aus ihrem Haus
zu befördern.
Wann
sie angefangen hatte zu weinen, wusste Hermine nicht.
Und
es vergingen zähe Minuten, in denen Hermine schrie und weinte, Narzissa
schreckliche Gewalt androhte, ehe ihre Beine zitternd nachgaben, und Hermine zu
Boden sank. Narzissa folgte ihr, fing sie praktisch auf, saß auf dem Boden vor
ihr, während ihre blonden Haare in Strähnen aus ihrer Frisur gezogen waren.
Narzissas Atem ging schnell.
Hermine
schloss verzweifelt die Augen. „Ich hasse dich!“, flüsterte sie unter Tränen.
„Du bist eine widerliche Person!“ Es schüttelte Hermine vor Tränen.
„Shh…
es ist ok“, murmelte Narzissa, während Hermines Körper von Schluchzern
geschüttelt wurde.
„Du
verdienst es nicht, Großmutter zu sein!“, rief sie heiser.
Und
sie sank nach vorne, zu schwach und müde, und dann fingen sie warme Arme auf, umschlossen
ihren Körper, und Narzissas Hand strich sanft über ihren Rücken, während alle
Tränen, die Hermine verdrängt hatte, aus ihr flossen, wie böses Gift, das ihren
Körper verließ.
„Ich
weiß“, flüsterte Narzissa mit belegter Stimme. „Ich weiß.“
Und
alles passierte wie in Trance. Hermine ließ Narzissa nicht mehr los, spürte nur
den Schwebezauber, den die Frau schließlich anwandte, um sie nach oben zu
befördern. Narzissa verließ ihre Seite nicht, als sie die Wanne mit heißen
Wasser füllte, Hermine den Schlafanzug auszog und sie mit dem Schwebezauber in
die Wanne sinken ließ.
Hermines
Tränen ebbten ab, als die warmen Dämpfe sie benebelten. Und sie spürte zum
ersten Mal, wie das Baby in ihrem Innern trat. Ihre Augen öffneten sich müde.
Sie war zu erschöpft, um sich zu schämen, vor Narzissa nackt zu sein.
„Er…
er tritt…“, flüsterte sie fast erleichtert, während Narzissa den Schwamm in die
Wanne tauchte und sanft Hermines Rücken wusch. Und wieder traten Tränen in
Hermines Augen. Eine Woche lang hatte sie das Baby nicht mehr gespürt, und
endlich… endlich spürte sie es wieder. Und wie sie ihn spürte! Dumpf nahm sie
an, dass ihm das Bad gefiel.
Immer
wieder schlossen sich ihre Lider. Und Narzisas Berührungen und die Wärme
hüllten sie in einen angenehmen Nebel.
Sie
war so… müde….
~*~
Seine
Mutter konnte viele Dinge.
Sie
sprach scheinbar sogar Französisch, war alles, was sich dumpf in seinem Kopf
herauskristallisierte.
Er
hatte den Schreck seines Lebens bekommen, als er heute Morgen sein Büro
betreten hatte. Er hatte die Tür geöffnet, nichtsahnend seinen Tee in der Hand,
und war von seinen Kollegen erschrocken worden.
„Surprise!“,
hatten sie allesamt unisono gerufen, und Dracos Tee war übergeschwappt. Ein blauer Banner schwebte magisch im Raum. ‚C’est un garçon!‘, stand auf dem Banner, und Draco war vollkommen
überfordert gewesen. Für geschlagene zwei Minuten hatte er stumm die Hände
seiner Kollegen geschüttelt, die Glückwünsche perplex angenommen, bis er
überhaupt begriffen hatte, was vor sich ging.
Scheinbar
hatte seine Mutter seinem Vorgesetzten Bescheid gegeben, dass er der Vater
eines Kindes wurde, welches er weder gezeugt, noch überhaupt bewusst in seinem
Gedächtnis hatte. Nun hielt er ein Glas französischen Champagner in den Händen,
während seine Kollegen feierten und sich freuten, einen weiteren Grund zu
haben, die Arbeit liegen zu lassen.
„Betrachten
Sie Ihren Urlaub als eingereischt!“, informierte ihn sein Vorgesetzter Mr.
Beaumont, großzügig.
„Meinen-?“,
wiederholte Draco perplex, und musste erst mal einen Schluck trinken. Der
Alkohol weckte seine müden Sinne, aber seine Hände zitterten unwillkürlich.
„Mr. Beaumont, ich… ich will keinen Urlaub einreichen. Das ist nicht nötig!“,
antwortete er, sogar auf Englisch, denn er war so geschockt, dass er vergaß, wo
sie waren.
„Ah,
ah!“, entgegnete Mr. Beaumont kopfschüttelnd, mit einem wissenden Grinsen.
„Ihre Mutter –at misch bereits informiert, dass Sie das sagen würden!“
Hatte
sie? Natürlich hatte sie.
„Und
davon möschte isch nischts –ören, Draco!“, schloss er in einem ätzenden
Sing-Sang.
„Aber…
ich habe wirklich nicht-“
„-Sie
sind bescheiden, Draco!“, rief der Mann seinen Kollegen auffordernd zu, von
denen wohl jeder einzelne die Aufforderung, Urlaub zu machen, innerhalb von
drei Sekunden annehmen würde.
„Nein,
Sir, ich brauche leidglich nicht-“
„-solange
getrennt von Ihrem ungeborenen Kind. Ihre Mutter –at misch unterrischtet, dass
es zwischen Ihnen und… ah… Ihrer Exfreundnin zu einem Zerwürfnis kam? Aber isch
bitte Sie, gehen Sie nach England, gehen Sie ins Krankenhaus! Heißen Sie Ihren
Sohn in der Welt willkommen, Draco!“
Dracos
Mund öffnete sich. Ach? Es war zu einem Zerwürfnis gekommen?
„Sie
möschten doch nischt, dass ich denke, Sie seien eine kalte, britische Fisch?“,
wollte sein Vorgesetzter direkt wissen, und Dracos Mund öffnete sich perplex.
„Isch halte Familie wirklisch sehr -och, Mr. Malfoy“, betonte Mr. Beuamont
tadelnd. „Und isch möschte misch nischt in Ihnen getäuscht -aben!“, warnte er
ihn scheinbar.
„Sie
wollen, dass ich gehe?“, vergewisserte sich Draco tonlos. Aber Mr. Beaumont
nickte heftig.
„Naturalement!“,
rief er mit Nachdruck aus. „Sie verbringen Zeit mit Ihrem Baby, und dann kommen
Sie wieder. Es ist alles geklärt! Es ist ja nischt so, als hätten wir die Arbeit
wirklisch nötisch, n’est-ce pas?“, lachte er das Lachen eines reichen
Reinblüters, und Draco fühlte sich verraten und verkauft. Er atmete langsam
aus, leerte sein Glas, und musste sich zwingen, ruhiger zu atmen.
„Mh“,
machte Draco wieder, und jeder seiner Muskeln war angespannt, als er sich ein
zweites Glas vom Schreibtisch nahm. Überall blitzte Magie, zauberte kleine
Babys in Windeln in die Luft, die fröhlich durch die Luft krabbelten, während
seine Laune immer schlechter wurde.
Langsam
gingen ihm die Länder aus, dachte er dumpf. Er bekam das leise Gefühl, zu lange
hier gewesen zu sein. Leute versuchten, an seinem Leben teilzuhaben, mischten
sich ein, bevormundeten ihn, und es gefiel ihm nicht.
Vielleicht
musste er nach Neuseeland. Vielleicht würde er dort in Ruhe leben können?
Und
er wollte sie nicht sehen! Seine Oberlippe kräuselte sich schon beim Gedanken
an sie! An das Mädchen, was ihn beleidigt hatte, ihn unreif schimpfte und dann
auch noch vor ihm weggelaufen war! Sie und ihr immenser Babybauch, der ihn mehr
abschreckte als sonst etwas! Wie weit musste er fortgehen, um es vergessen zu
können?
Dachten
die Leute, es machte ihm Spaß? Immer und immer wieder erinnert zu werden?
Würde
es so sein? Immer? Würde er immer irgendwohin kommen, selbst wenn ein Ozean
dazwischen lag, und würden die Leute ihn darauf ansprechen? Würde es immer so
sein, dass er mit ihr in Verbindung gebracht werden würde?
Draco
wusste nicht, was es war, aber er nahm an, es war Panik. Es war Angst. Es war
etwas, was er nicht leiden konnte, womit er nicht umgehen konnte, an seinem
besten und kältesten Tag nicht!
Ihm
wurde schlecht. Er musste hier raus.
Er
verabschiedete sich nicht, aber die Leute waren damit beschäftigt auf ihn
anzustoßen! Auf was? Dass er unverschuldet Vater wurde? Mit dem Zeigefinger
fuhr er sich durch den Rand des Kragens, lockerte seine Krawatte, und seine
Schritte wurden schneller, er flog die Stufen praktisch hinab, ignorierte die
Empfangshexen und stob durch die beiden verspiegelten Flügeltüren nach draußen.
Die
Luft schlug ihm kalt ins Gesicht, und er konnte nicht atmen. Er konnte nicht
richtig denken, und seine Schritte trugen ihn weiter, trugen ihn an das Ufer
der Seine, und seine Hände legten sich um das glatte, kalte Geländer oberhalb
des Flusses, und er schloss die Augen.
Wind
blies ihm ins Gesicht, während er spürte, wie die Wärme seinen Körper verließ,
wie die Übelkeit langsam aus seinem Magen schwand. Langsam atmete er ein,
versuchte, an gar nichts zu denken. Der Wind spielte mit seinen Haaren, zerzauste
sie, schlug sie ihm zurück in die Stirn, und er konzentrierte sich auf dieses
Gefühl.
Ihm
fehlte die Verbindung. Und er konnte sie nicht vortäuschen, indem er sich
vormachte, irgendetwas mit einem Wesen zu tun zu haben, was weder geboren war
oder an dessen Zeugung er auch nur im Entferntesten beteiligt war.
Und
er stellte sich hier und jetzt – am Ufer der Seine – weit weg von Zuhause, eine
Frage, die seit Wochen an ihm nagte: War es wichtig? Würde es in zehn Jahren
noch wichtig sein?
Und
wenn es das nicht war, wieso konnte er nicht? Er konnte sich nicht erwärmen für
diesen Gedanken. Er war kein Vater! Von niemandem! Wieso wollten ihn seine
Eltern zwingen? Nicht einmal Granger zwang ihn! Fest presste er die Augen
zusammen.
War
es sein Recht? War es sein Recht, wenn er nichts damit zu tun hatte? Wenn er
nichts damit zu tun haben wollte?
Er
würde einen Sohn haben. Einen Jungen, mit seinem Gesicht, mit seinen
genetischen Merkmalen, oder nicht? Dracos Augen öffneten sich, und er blickte
über das Flussufer hinaus.
Und
er würde einen Sohn haben, völlig egal, ob sein Schwanz zu keinem einzigen
Zeitpunkt auch nur in die kleinste Nähe von Hermine Granger gekommen war. War
es nicht unfair? War nicht wenigstens das die einzige Sache, die ihn dazu
bringen könnte, eine Schwangerschaft zu akzeptieren? War es nicht so etwas wie
die Strafe nach der Sünde? Hatte man nicht Sex, und dann wurde man bestraft
dafür, wenn das Mädchen schwanger wurde?
Er
wusste, manche wurden schwanger mit Absicht. Aber diese Absicht existierte in
seinem Leben nicht. Und dafür hatte er Sorge getragen! Und dann war er
ausgetrickst worden. Jetzt wurde er bestraft, ohne dass er sich wehren konnte!
Mit einem Sohn.
Und
es war seltsam. Seit wann… dachte er an dieses Wort?
Sohn.
Sein wacher Verstand schlang sich förmlich um dieses Wort, wenn Draco ihn ließ.
Dann schwebte das Wort in seinem Unterbewusstsein, und Draco glaubte,
wahnsinnig zu werden. Und er war sich sicher, bisher nicht über ein Gewissen
verfügt zu haben. Er hatte nie geglaubt, dass ihn diese eine Tatsache zerstören
konnte. Dass er einen Kontinent nach dem nächsten hinter sich lassen würde, nur
um… zu vergessen? Etwas zu finden?
Er
war schon so verwirrt, dass er nicht mal mehr wusste, wonach er überhaupt
suchte, aber er war sich langsam sicher – hier würde er es auch nicht finden.
Und
sein Gewissen – oder was auch immer es war – es war da. Er wartete irgendwo in
seinem Kopf, irgendwo in der Dunkelheit. Über sechs Monate hatte er es
fortgeschickt, es verdrängt, es abgelenkt mit neuen Städten, mit neuen Frauen.
Und es kam immer wieder.
Ob
er es wollte oder nicht. Er wurde Vater. Er bekam einen Sohn. Und er bekam ihn
bald.
Und
wenn er sich entschied, alles abzulehnen – würde es nicht jemand irgendwann
sagen? Würde dieser Junge nicht irgendwann laufen und denken und sprechen
können? Und würde nicht irgendjemand irgendwann einmal sagen… wer sein Vater
war?
Draco
schluckte schwer.
Ok.
Das war es also. Das war seine feine Grenze. Das war sein Limit.
Dann
musste er sich wohl entscheiden, ohne dass ihm jemand dabei helfen konnte.
Wann
hatte es begonnen, dass es ihn alles so belastete? Dass es ihn tatsächlich
belastete, fragte er sich hilflos.
Er
hasste die Dinge, die er tun musste. Er hatte sie immer gehasst. Er hatte
gehasst, ein Reinblut zu sein, wenn es nur bedeutete, dass man ihm nach dem
Krieg immer vorhalten würde, auf der falschen Seite gestanden zu haben. Er
hatte gehasste, im Quidditch gegen Harry Potter zu verlieren.
Es
war nur Sport gewesen, aber war es im Krieg nicht ähnlich? War Krieg nicht eine
Art Sport? Hätte er es da nicht schon ahnen können? Er hasste es, sich dem
Willen seiner Eltern zu beugen, und dagegen hatte er sich gewehrt, so gut er
konnte! Er war nicht mehr in der Nähe seiner Eltern, wohnte nicht mehr in dem
lächerlichen Schloss, das seine Ahnen erbaut hatten, um Macht zu demonstrieren.
Er
ging nicht mit den Mädchen aus, die seine Mutter für würdig hielt. Er machte
nicht den Job, den sein Vater von ihm erwartete.
Er
war erwachsen und versuchte, seinen Genen zu entkommen, so gut es ging! Und er
hatte sie nie weitervererben wollen! Niemals!
Er
hatte Pansy verlassen, er hatte England verlassen. Er hatte alles getan, um all
dem zu entkommen, was er weder haben, noch sein wollte.
Wäre
er ein Vater… würde er dann nicht genauso werden, wie alle Väter vor ihm? Würde
er nicht wie Lucius sein? Der Gedanke schauderte ihn. Seine Kindheit war nicht
gut gewesen. Wirklich nicht gut. Vielleicht waren seine Eltern handzahm
geworden, biederten sich an, aber das bedeutete nicht, dass er alles vergessen
hatte!
Dass
er erwachsen war, bedeutete nicht, dass er alt genug war, um einen Sohn zu
bekommen.
Und
doch… genau danach sah es aus, oder nicht?
Und
egal wie viele theoretische Vaterschaften er ablehnen würde in seinem Leben –
diese eine Vaterschaft würde bleiben. Und er war bestimmt nicht geflohen, um
irgendjemanden zu ärgern, um schwierig zu sein, wie seine Mutter es stets
nannte.
Er
floh vor sich selbst. Aber vielleicht war es sinnlos? War es nicht zu spät?
War
diese Erkenntnis die Verantwortung, die er so fürchtete?
Kälte
kroch mittlerweile seinen Körper empor. Er vergrub die kalten Hände in seinen
Manteltaschen, legte den Kopf in den Nacken, blickte in den grauen Himmel
empor, und für gewöhnlich tat er sich nicht schwer, mit Entscheidungen.
Er
entschied einfach. Blind.
Und
vielleicht war das der einzige Weg? Er würde sich entscheiden, und dann würde
er es durchziehen. So tun, als wäre es pure Absicht! Pansy hatte ihm früher mit
leiser Enttäuschung in der Stimme gesagt, er träfe blind die Entscheidung, die
am vorteilhaftesten für ihn sei. Er hatte es als persönliches Kompliment
empfunden, aber mittlerweile wusste er nicht mehr, ob es noch so war.
Seine
Hand schloss plötzlich sich um etwas unerwartet hartes,
rundes im Innern seiner Tasche. Er zog die Hand aus der Tasche hervor. Eine
vergessene Galleone lag in seiner Hand, schimmerte golden, und er drehte sie
zwischen seinen Fingern.
Und
achtlos schnippte er sie in die Luft, und sie wirbelte um die eigene Achse.
Kopf und Zahl wechselten sich ab, und dann landete sie auf seiner Handfläche
und er schloss instinktiv die Finger um das Gold.
Kopf
oder Zahl?
Kopf,
und er würde nicht zurückgehen. Er würde nicht den Fehler machen, und
Verantwortung übernehmen. Er würde mit seinen Eltern brechen, nie mehr mit
ihnen reden, er würde seine eigenen Entscheidungen treffen.
Kopf,
und er wäre frei.
Langsam
öffnete er die steifen Finger und blickte auf seine Handfläche hinab.
Der
Wind zerrte wieder an seinen Haaren, schien ihn antreiben wollen, zu gehen.
Und
er nahm an, soweit er es seinem selbsterwählten Schicksal überließ,
Entscheidungen zu treffen, so war die Entscheidung gefallen.
Und
er holte weit aus, und mit voller Wucht schleuderte er die Münze von sich, weit
über das Geländer hinaus, und er sah wie sie fiel und schließlich im grauen
Wasser versank.
Zahl,
und er ging zurück nach England und würde Vater werden, als wäre es pure
Absicht.
„It's a little bit funny, this feeling inside
I'm not one of those who can easily hide
I don't have much money, but boy if I did
I'd buy a big house where we both could live.“
Elton
John
Müde
schlug sie die Augen auf. War es vorbei? Hatte sie das Kind bekommen? Sie
blickte hoffnungsvoll an sich hinab.
Nein,
stellte sie enttäuscht fest. Ihr Bauch war immer noch immens. Sie saß relativ
aufrecht in einem Bett. Nicht ihrem Bett, wie sie panisch feststellte.
Wo
war sie?
Aber
die Tür zu ihrem fremden Zimmer öffnete sich augenblicklich.
„Guten
Morgen“, begrüßte Ginny sie freundlich. „Du hast sehr lange geschlafen. Wie
fühlst du dich?“, fragte Ginny. Und Hermines Mundwinkel sanken, und ihr Herz
schlug schneller. Sie war im Mungo, ging ihr auf. Aber es gab wichtigere
Sachen!
„Ist
er wieder da? Hat Harry ihn gefunden?“, fragte sie sofort nach Alec, und Ginnys
gute Laune schwand.
„Noch
nicht, Hermine“, erwiderte ihre beste Freundin traurig. „Noch nicht. Aber sie
finden ihn bestimmt“, ergänzte sie sanfter. „Weißt du noch… wie du
hierhergekommen bist?“, wollte Ginny schließlich wissen, und Hermine dachte
nach. Sie wollte weiter über Alec reden, über die Fortschritte, die Harry und
Ron hoffentlich machten, aber dann fiel ihr etwas ein, von dem sie dachte, dass
sie es nur geträumt hatte.
„Narzissa?“,
entfuhr es ihr ungläubig. „Narzissa hat… mir geholfen?“ Und Ginny nickte.
„Ja.
Sie und deine Mutter warten übrigens draußen. Möchtest du sie sehen?“,
erkundigte sich Ginny ruhig, und Hermine runzelte die Stirn. Dann hob sich ihr
Blick.
„Du
hast Zauber angewandt?“, vermutete Hermine, und Ginny wirkte etwas
schuldbewusst. Denn Hermine hatte nicht das Gefühl in ein schwarzes Loch der
Trauer zu fallen. Nein, sie fühlte sich… fast normal. Fast ausgeglichen. Und
sie konnte nicht dagegen ankämpfen.
„Nur
ein paar winzige Zauber, Hermine. Es sind allerdings wichtige Zauber, damit…
damit dem Baby nichts passieren wird.“ Hermine wollte keine Zauber in der
Schwangerschaft. Sie verzog den Mund. „Und du kannst später mit Heilerin
Carvill über deine Gedanken und Gefühle bezüglich Alec sprechen“, fuhr Ginny
sanfter fort. Hermine schüttelte langsam den Kopf. Und warum nicht mit Ginny?
Warum konnte sie mit keinem ihrer Freunde reden, jetzt, wo sie es vielleicht
wollte? Und wie sollte sie mit der dummen Heilerin über Gefühle reden, wenn
Ginny es erfolgreich geschafft hatte, alle ihre Gefühle zu unterdrücken?!
„Carvill? Die Heilerin mit der ich damals über Cedric reden musste? Nein,
danke“, entgegnete Hermine kopfschüttelnd. „Alec ist nicht tot. Er wird
lediglich vermisst“, stellte sie mit Nachdruck klar, und Ginny nickte seufzend,
als lebe Hermine bereits jetzt in einer Illusion. Aber das war nicht so!
Hermine spürte, dass Alec am Leben war! Sie wusste es einfach. Auch wenn Ginny
es nicht glaubte oder nicht hören wollte!
„Na gut, wie du willst. Aber die Heilerin wird immer ein offenes Ohr für dich
haben, ok? Falls du mit jemandem außerhalb von Familie und Freunden sprechen
willst“, erinnerte sie Ginny. Nein, Hermine hätte am liebsten mit Ginny
gesprochen. Aber nicht über den Verlust. Noch war nichts verloren. Noch…- und
Hermine erinnerte sich plötzlich und schämte sich augenblicklich, denn sie
glaubte, sie hatte Narzissa einige gemeine Sachen an den Kopf geworfen, und sie
glaubte, Narzissa hatte sie… gebadet? Oh Merlin.
Ginny
räusperte sich schließlich, als sie Hermines Vitalfunktionen überprüft hatte.
„Gut, soll ich… Narzissa und Rose reinschicken?“
Hermine
ruckte unschlüssig mit dem Kopf. Hatte sie eine große Wahl? Sie war hier
praktisch ans Bett gefesselt, oder nicht? Und was war das überhaupt für eine
neue Verbindung? Und musste sie Narzissa jetzt dankbar sein, oder so etwas?
Aber
Ginny hatte das Zimmer verlassen, und Hermine hörte sie draußen auf dem Flur
sprechen. Nahezu gleichzeitig betraten ihre Mutter und Narzissa ihr Zimmer.
„Liebling!“,
rief ihre Mutter dankbar aus „Geht es dir gut? Und dem Baby auch?“ Hermine
nickte langsam, ehe ihr Blick auf Narzissa fiel. Diese schwieg, sah sie
aufmerksam an, und Hermine erinnerte sich, dass Narzissa ihr eine Ohrfeige
verpasst hatte. Aber sie glaubte, sie hatte Narzissa danach geschubst und
geschlagen. Merlin, sie kam sich vor, als wäre sie eine Woche in einem
bewusstseinsverändernden Zustand gewesen. „Wirken die Medikamente?“, wollte
ihre Mutter besorgt wissen. „Du sprichst ja immer noch nicht!“, rief sie panisch.
„Alles…
alles gut, Mum“, sagte Hermine endlich, ohne Narzissa aus dem Blick zu lassen.
„Na,
Gott sei Dank! Wir hatten uns solche Sorgen gemacht!“
Sie?
Ihre Mutter und Narzissa? Was waren sie jetzt? So was wie seltsame beste
Freundinnen?
„Wo
ist Dad?“, wollte Hermine schließlich wissen.
„In
der Praxis, Liebling. Heute haben wir so viele Patienten, einer musste arbeiten
gehen.“
„Natürlich“,
räumte Hermine ein. Sie war völlig weltvergessen geworden. Und sie war froh,
dass ihre Mutter ins Mungo gedurft hatte. Als Muggel.
Deswegen war Narzissa wohl auch dabei. Ohne eine magische Person wäre ihre
Mutter nie ins Innere gelangt.
„Leider
gibt es keine Neuigkeiten. Wegen Alec“, ergänzte ihre Mutter vorsichtig.
Hermine nickte schließlich.
„Ja, Ginny hat es mir bereits gesagt.“ Und ihre Mutter schien endlos dankbar,
dass Hermine darüber sprechen konnte, ohne in Schockstarre zu verfallen. Aber
Alec war auch nicht tot! Ganz einfach, sagte sich Hermine frustriert. Schade,
dass sie diese Gefühle nur denken konnte, dank Ginny.
„Hermine,
es ist nicht dasselbe, wie… wie mit Cedric“, fuhr ihre Mutter fort. „Bitte werd
nicht wieder so wie damals“, flehte ihre Mutter fast. Hermine hob verstört den
Blick.
„Oh,
ich werde es versuchen, Mum“, brachte sie gepresst hervor. Ihre Mutter war
unmöglich, wirklich!
„Rose“,
mischte sich Narzissa ruhig ein, „könnte ich kurz…?“ Sie ließ die Frage
unbeendet, aber Rose tätschelte tatsächlich Narzissa Arm und wandte sich mit
einem traurigen Lächeln ab.
„Aber
sicher“, murmelte sie und verließ daraufhin das Zimmer. Hermine fasste die
blonde Frau näher ins Auge.
„Hast
du meine Mutter verhext?“, wollte sie knapp wissen, aber Narzissa setzte sich
lächelnd zu ihr auf die Bettkante und tat etwas äußerst befremdliches. Sie hob
die Hand und strich Hermine eine Strähne aus dem Auge, um sie hinter ihr Ohr zu
stecken. Hermine bekam ein seltsames Gefühl in ihrem Innern. Sie schluckte
schwer, als sich ihre Kehle etwas zuschnürte.
„Wie
geht es dir?“, wollte Narzissa wissen, und Hermine stellte mit Schrecken fest,
nichts war mehr übrig geblieben von der Frau, die sie wegen eines
Kinderbettchens angeschrien hatte. Hermine nickte unwirsch.
„Ganz
gut, denke ich“, erwiderte sie, unsicher, wie sie mit Narzissa umgehen sollte.
„Das
freut mich.“ Narzissas Blick fiel auf die Wolldecke zu Hermines Füßen. „Ich war
so frei, diese aus deinem Haus mitzunehmen“, bemerkte sie knapp. Hermine folgte
ihrem Blick. Oh nein! Es war die scheußliche Decke, die Malfoy ihr geschenkt
hatte. Aber dumpf erinnerte sie sich, dass sie diese Decke an dem Tag aus dem
Schrank geholt hatte, um sich einzuwickeln. Sie wusste nur nicht mehr, warum.
„Oh“,
sagte Hermine nur.
„Und
noch etwas, Hermine“, fuhr Narzissa fort, und Hermine fiel auf, dass sie ihren
Namen nicht mehr so streng betonte.
„Ja?“
Hermine hatte ernsthaft Angst, unhöflich zu sein, zu der Frau, die sie gebadet
hatte.
„Ich
habe Draco Bescheid gegeben. Ich denke, er wird nun nach England kommen.“
„Weshalb?“,
wollte Hermine ehrlich verwirrt wissen, denn sie war zu müde, Narzissa deswegen
zu maßregeln. Außerdem glaubte sie nicht, dass Malfoy irgendein Interesse daran
hatte, ihren Bauch zu sehen. Und der Gerichtstermin war doch noch gar nicht,
oder?
„Weil
du in sechs Wochen ein Kind bekommst“, schloss sie. „Und weil du alleine bist“,
ergänzte sie eine Spur sanfter.
Bestürzt
stellte Hermine fest, dass Alec nun zwei Wochen vermisst wurde. Wo war die Zeit
geblieben? Wie lange lag sie hier schon? Was war alles geschehen? Und Hermine
zog es vor, Narzissas Worte nicht zu kommentieren. Was sollte Malfoy tun? An
ihrer Seite sitzen und ihre Hand halten? Ja, das war genau das, was sie ihm
schon immer zugetraut hatte, dachte sie dumpf.
Und
sie sah Narzissa traurig an. „Wieso kommt er nicht wieder?“, flüsterte sie, als
wäre es verboten, darüber zu laut zu reden. Und Narzissa schien zu verstehen.
Schien zu verstehen, dass Hermine garantiert nicht über Malfoy sprach.
Und
die elegante Frau auf ihrer Bettkante bekam einen wehmütigen Ausdruck in ihren
hellen Augen.
„Vielleicht
kommt er nicht mehr wieder, Hermine“, sagte Narzissa sehr ruhig, und Hermine
biss die Zähne fest zusammen, als Narzissa ihre warme Hand auf ihre legte. „Ich
habe dich sehr gern, Hermine“, sagte die ältere Frau schließlich. Und Hermine
wusste nicht, ob sie weinte, weil Narzissa in Aussicht gestellt hatte, dass
Alec nicht mehr wiederkommen würde, oder weil sie sagte, dass sie sie gern
hatte. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beiden Dingen. Narzissa schien
von ihrem Geständnis selber etwas überrascht.
„Was…
was soll ich nur tun, wenn er nicht wiederkommt?“, wollte Hermine leise wissen,
während Narzissa mit ihrem Seidentaschentuch Hermines Tränen von ihrer Wange
wischte.
„Dann
hast du uns“, war alles, was die Frau sagte, die scheinbar selber gerade
Probleme damit hatte, nicht zu weinen.
Niemand
wollte mit ihr darüber sprechen. Selbst Ginny wollte sie wieder an diese
unfähige Heilerin abschieben. Nur Narzissa sprach wirklich mit ihr.
Und
Hermine wusste, warum. Die anderen hatten alle Angst. Angst, dass Hermine
wieder seltsam werden würde. Traurig, zurückgezogen, allein. Und deshalb hatten
sie alle schon eine Schonhaltung eingenommen. Nur Narzissa nicht.
Und
dann lächelte Narzissa ein schmales Lächeln. „Es tut mir leid, Hermine“, sagte
sie traurig.
Ja.
Hermine tat es auch leid. Alles tat ihr schrecklich leid. Und Narzissa wohl
auch.
~*~
Pansy
saß alleine im Wartezimmer. Hermine war heute aus dem Mungo entlassen worden.
Pansy wollte nicht in Hermines Haut stecken. Nicht, dass ihre eigene zurzeit
besonders bequem war, aber Hermine tat ihr mehr als leid. Aber seltsamerweise
hatte sie sich wohl mit Narzissa angefreundet. Und das war bemerkenswert, fand
Pansy, während sie gelangweilt durch eine der Zeitschriften blätterte.
In
der Zeitung hatten sie nichts weiter von Alec Dermont erwähnt, dem
Mienengräber, der wohl Hermines Fast-Verlobter geworden war. Pansy konnte sich
nicht vorstellen, was Hermine durchmachen musste. Sie hatte ihren Ehemann
verloren und hatte wohl nun ihren Freund verloren? Pansy machte sich da keine
großen Hoffnungen. Wer sollte einen Mienenabsturz überlebt haben, wenn er nach
zwei Wochen noch immer nicht gefunden war? Aber das hatte sie Hermine natürlich
nicht so gesagt. Sie würden bald Mütter werden, und Pansy war selber zurzeit
sehr nahe an jedem Wasser gebaut.
Sie
hatte mit Preston nicht mehr gesprochen. Auch seine Anrufe über Floh hatten
nachgelassen. Vielleicht hatte er endlich begriffen, dass sie ihn nicht sehen
wollte?
Aber
fast vermisste Pansy die Aufmerksamkeit, die sie von ihm bekommen hatte.
Ach,
es war zum Verrücktwerden mit ihr.
Die
Tür zum Wartezimmer öffnete sich. Kam Hermine doch noch zur-
Starr
vor Schreck sah Pansy zur Tür.
Träumte
sie? Fing sie jetzt an, zu halluzinieren? Gehörte das zur Schwangerschaft wie
die Morgenübelkeit?
„Hey
Pans“, begrüßte er sie, mit einem feinen Lächeln auf den schönen Lippen, was
sehr schnell wieder verschwand. „Dachte mir, dass ich dich hier finde“, schloss
er, kam zu ihr geschlendert und setzte sich neben sie, als wäre es etwas, was
sie immer taten. Als käme er jede Woche hier her. Das Blond seiner Haare fing
jeden Lichtfunken des Raumes auf, und Pansy wusste noch genau, wie sich seine
Haare unter ihren Fingern anfühlten.
„Draco?“,
flüsterte sie, denn sie konnte nicht glauben, dass er tatsächlich hier war.
„Wie
geht es dir?“, fragte er, und Wachsamkeit ruhte in seinem grauen Blick. Sie
konnte nicht fassen, dass er hier war und ihr eine nicht selbstbezogene Frage
stellte.
„Gut?“,
erwiderte sie stocksteif vor Schreck.
„Ja?
Du bist ziemlich rund geworden“, stellte er sachlich fest. Ihr Ausdruck fiel
von ihrem Gesicht, aber die Bedeutung seiner Worte schienen ihm aufzugehen.
„Das war nur eine Feststellung“, ergänzte er. „Du siehst gut aus“, schloss er
abschließend, als hätte sie ihn danach gefragt. Und sie schüttelte nur den
Kopf, bevor sie anfing zu weinen.
„Draco“,
flüsterte sie, und er tat, was sie nie mehr für möglich gehalten hatte! Er nahm
sie zaghaft in den Arm! Sie klammerte sich an ihn, als wäre er Jahre fort
gewesen. So kam es ihr vor.
„Sachte,
sachte!“, brachte er abgehackt hervor, aber Pansy ließ ihn nicht los.
„Es… tu mir… so leid, Draco!“, brachte sie schluchzend stoßweise hervor.
„Ja,
das… kann ich mir denken, Pansy“, erwiderte er gepresst. „Keine-Luft-mehr!“,
informierte er sie erstickt, und sie ließ langsam von ihm ab. Er war es
wirklich. Ihr Draco!
„Wieso
bist du hier? Vergibst du mir? Wo bist du nur gewesen?“
Und
er verdrehte die Augen auf die Art und Weise, die sie liebte. Auch wenn er
genervt wirkte von ihren Worten. „Meinetwegen, ja. Ich vergebe dir“, sagte er
dann, mit einem langen Blick, den sie nicht deuten konnte. Und sie merkte, dass
er anders wirkte. Sie konnte nur nicht genau sagen, was es war.
„Draco!“,
schluchzte sie, nur weil sie unbedingt noch einmal seinen Namen auf ihren
Lippen schmecken wollte, und er wirkte etwas peinlich berührt von ihrem
Ausbruch. Aber sie konnte sich nicht helfen.
„Vielleicht
solltest du dir deine Gefühle für Preston aufheben?“, erkundigte er sich
ernster.
„Preston?“,
flüsterte Pansy, und langsam dämmerte ihr, dass Draco nicht hier war, um zu ihr
zurückzukommen.
„Er
ist der Vater, oder nicht?“ Pansys Mundwinkel sanken und sie wischte sich die
Tränen von der Wange.
„Ja.
Leider“, murmelte sie, und Dracos Mundwinkel zuckten kurz. Zu kurz, als das ein Lächeln sein Gesicht erhellen konnte, und plötzlich
wusste sie, was anders war. Seine Sorglosigkeit, seine unerschütterliche
Überzeugung von sich selbst, waren verschwunden. Er lächelte nicht mehr. Er
wirkte fast schwermütig. Was war aus ihm geworden? Hatte Amerika das mit ihm
gemacht? Hatte es ihn gebrochen, wie man den Willen eines Wildpferdes bricht,
um es gefügig zu machen? Um es zu zähmen?
„Preston
ist ein reicher Mann“, war alles, was er sagte, und er streckte die Beine auf
dem Wartezimmerstuhl aus. Schien Entspannung zu suchen, aber hier nicht finden
zu können, stellte sie mit einem Blick in sein verschlossenes Gesicht fest.
Wo
kam er überhaupt her, fragte sie sich, und hatte beinahe Angst zu fragen. Sie
hatte schon Angst, einen Scherz über Preston zu machen. Und deshalb musterte
sie ihn beunruhigt.
Aber
sie musste wohl oder übel fragen – wenn er denn nicht hier war, um ihren
ehrlosen Hintern nach Hause zu schleppen, um für immer mit ihr zusammen zu
sein. Sie machte sich da nicht viel vor.
„Was…
tust du hier?“, fragte sie ihn und konnte ihn nur ansehen. Konnte nur in sein
schönes Gesicht blicken, das ihr solange verwehrt geblieben war, auch wenn sie
keine Freude darauf erkennen konnte. Und er wand sich ein wenig auf dem Stuhl.
„Ich
bin zurück“, sagte er nur, als wäre es ein herber Schicksalsschlag. Er wirkte
so verändert. Er wirkte so anders. Auf eine befremdliche Art beherrscht und…
was war es? Er wirkte… erwachsen, dachte sie unwillkürlich. Und sie wusste es
nicht, weshalb sie es in Bezug auf Draco mit etwas Schlechtem in Verbindung
setzte. Vielleicht, weil es ihm nicht stand? Vielleicht stand ihm der Rebell
besser zu Gesicht?
„Aus…?
Wo warst du noch mal überall?“, wollte sie nonchalant wissen, aber ihre Stimme
zitterte immer noch zu stark und verriet, dass dieses Aufeinandertreffen für
sie mehr als normal war.
„Hier
und da“, wich er ihrer Frage aus. Er erzählte nicht von sich, ging ihr
plötzlich erschrocken auf. Draco Malfoy führte ein Gespräch, ohne über sich
selbst zu reden. Pansy starrte ihn immer noch an wie eine Erscheinung.
„Warum
bist du hier? Hier im Mungo?“, flüsterte sie, denn sie hatte Angst, würde sie
zu laut sprechen, würde sie ihn verscheuchen – oder sie würde aufwachen.
„Ich
war bei Blaise“, antwortete er gleichmütig. So völlig anders, als sie ihn in
Erinnerung hatte. „Und er meinte, du wärst hier jeden Freitag um zwölf zur
Vorsorge“, schloss er, aber Pansy spürte, das war nicht das Ende des Satzes.
„Und Granger auch“, schloss er, fast etwas zu belanglos, zu tonlos, zu…- es
machte sie fast wütend, wie er sprach!
„Granger?“,
wiederholte sie langsam, etwas stockend. Und sie fasste ihn genau ins Auge.
Konnte es sein? War der Stier gezähmt? Waren die Hörner abgestoßen? War er
tatsächlich hier, um… Hermine zu sehen? Und es schmerzte an Stellen, die Pansy
gar nicht mehr wahrgenommen hatte. Ihr Herz schmerzte kurz. Was war das, was
Draco hier von sich preis gab? War es ein Hauch der seltenen Verantwortung, die
er für sie nie übrig gehabt hatte?
Und
wo kam sie her? Sie glaubte, so etwas wie ein Bewusstsein nie in seinem Blick
gesehen zu haben. Aber sie konnte es praktisch spüren. Es ruhte in ihm. Eine
seltsame Ausstrahlung, die ihr deutlich zeigte, dass er hier war, um zu
bleiben.
Der
Prinz war zurückgekehrt, um König zu werden. Es war wie eine seltsame
Verwandlung. Es war wie ein unerwartetes Erwachsenwerden. Die Zeit der leichten
Lebenslust schien vorüber, dachte sie mit bitterem Wehmut. Und sie hatte das
bewirkt? Alles wegen ihres Fehlers? Sie hatte letztendlich seinen starken
Willen gebrochen? Sie war dafür verantwortlich, dass er ernst und unglücklich
vor ihr saß?
„Du
bist zurückgekommen, wegen Hermine?“, flüsterte sie schockiert, und niemals
hätte sie jemand auf seine Antwort vorbereiten können. Niemand!
„Ich
bin zurückgekommen, wegen meines Sohnes.“
Und
Pansy musste schlucken. Pansy musste… aufstehen!
Und
das tat sie auch. Ruckartig hatte sie sich erhoben. Es stach und brannte hinter
ihren Augen. Wäre es ihr Kind, dann… wäre er jetzt hier für sie! Alles, was es
brauchte war ein Ultimatum, was man Draco Malfoy stellte? Wozu man ihn zwang,
und dann war er fähig, all seine Werte und seine Vorstellungen zu überwinden
und die Herausforderung anzunehmen? Auch wenn er seinen gesamten Charakter
dafür einbüßte? Dann wäre er bereit, Vater zu sein! Das konnte nicht sein! Es
konnte nicht!
„Pans“,
entfuhr es ihm auch noch beschwichtigend, als hätte er ihre Reaktion
antizipiert! Seit wann tat er so etwas? Früher hatte er nicht einmal gewusst, wann
ihr Geburtstag war, wenn sie es ihm nicht regelrecht in den Kopf geflucht
hatte! Er hatte sie laufend vergessen, stehen gelassen, sich nie entschuldigt
für gar nichts! Aber sie konnte gerade nicht rational sein. Sie konnte gerade
nicht die Freundin sein, die er vielleicht brauchte – oder auch nicht, denn für
sie war er ja gar nicht hier! Sie konnte auch Hermine gerade keine Freundin
sein. Jetzt gerade konnte sie nur Pansy sein. Jetzt gerade war nur Platz für
sie in ihrem Kopf.
Sie
schüttelte stumm den Kopf. Ihr Draco war nicht mehr ihr Draco. Er würde es nie
mehr sein. Eine Träne fiel auf ihre Wange, so heiß, als wäre sie gerade aus der
eisigen Kälte ins Warme gekommen, und ihr Körper wäre noch taub und kalt.
Ginny
öffnete die Tür zum Behandlungszimmer.
„Pansy,
wir können jetzt- oh“, unterbrach sich Ginny verblüfft. Sie blinzelte mehrfach,
als sie Draco erblickte. Und Pansy wischte sich zornig die Träne von der Wange.
Die dumme Träne, die wagte, der Welt zu zeigen, dass sie verletzt war.
„Ich
muss gehen“, informierte Pansy Ginny steif. „Verschieben wir den Termin bitte
auf Montag“, flüsterte sie beherrschter, und Ginny nickte perplex. Dann wandte
sich Pansy eilig ab.
„Pansy!“,
rief ihr Draco nach, und sie wollte nie mehr ihren Namen aus seinem Mund hören!
Sie wollte nicht, dass er noch jemals an sie dachte! Er hatte sie um ihren
Erbetil gebracht, nur um dann doch aufzutauchen, und bei Hermine zu sein! Pansy
wusste, sie verhielt sich kindisch. Sie verhielt sich absolut falsch. Und sie
wusste in ihrem Innern, dass Hermine bestimmt nicht auf diesen Tag gewartet
hatte! Zwar war Draco nicht mehr der echte Draco, aber jeder Draco wäre Pansy
immer noch recht gewesen! Aber dennoch verging Pansy vor Eifersucht, und sie
musste gehen.
Dorthin,
wo man ihr Beachtung schenkte. Zu der Person, die in
den letzten Wochen ihre Aufmerksamkeit vergeblich gesucht hatte.
Sie
wollte jetzt Wertschätzung und Beachtung! Jetzt, wo sie nahe dran war, zu
zerbrechen, wollte sie zu ihm. Was fiel Preston ein, sich ausgerechnet jetzt nicht
mehr bei ihr zu melden, dachte sie aufgebracht, während sie das Mungo verließ.
~*~
Sie
hasste die Kutschfahrt. Aber im Mungo hatte sie auch nicht bleiben wollen.
Nachher musste sie noch sechs Wochen dort bleiben! Ginny hatte ihr die
Tabletten mitgegebn. Es waren sieben hochdosierte magische Pillen. Magische
Tabletten waren sehr hübsch anzusehen. Sie schimmerten in allen
Regenbogenfarben, und lösten nach dem Runterschlucken den Zauber aus, der in
Hermines Fall alle Schmerzrezeptoren und Synapsen, die ihre Trauer steuerten,
in normalem Maße hielt.
Antidepressiva
nannte Hermine es, aber Glückszauber gefiel Ginny um einiges besser. Und
Hermine durfte nur eine siebenfache Dosierung einnehmen, denn das schadete dem
Baby nicht. Hermine kam sich zwar vor, wie ein emotionsloser Zombie, aber es
schadete dem Baby nicht!
Sie
war endlich wieder angekommen, hatte auf Narzissas Angebot verzichtet, nach
Malfoy Manor zu kommen, und wollte auch nicht, dass ihre Mutter sich Urlaub
nahm und bei ihr einzog, bis die Schwangerschaft vorbei wäre.
Bei
Gott nicht! Eigentlich war sie dankbar, dass die Tabletten ihr halfen, sich auf
das Wesentliche zu konzentrieren. Obwohl sie eigentlich das Wesentliche
verdrängten, wurde Hermine klar. Der Kutscher half ihr aus der Kutsche. Merlin,
war sie dick geworden.
„Danke“,
murmelte sie beschämt, er tippte sich an die Kappe, und Hermine mochte, dass das Mungo die lange Fahrt bezahlt hatte. Denn Kleingeld
hatte sie nun wirklich nicht zur Hand.
Sie
war Zuhause, und die Sonne schien das erste Mal vom blauen Himmel. Es war April
geworden. Und es war schön draußen. Schnell waren die Kutsche und die
Thestrale, die sie zogen, in der Desillusionierung verschwunden. Schöne Tiere,
dachte Hermine. Leider nur so traurig. Sie seufzte schwer und stellte fest,
dass ihr Gartentor offen stand.
Stirnrunzelnd
ging sie den Weg zu ihrer Haustür entlang. Das Gras war so lang geworden. Wann
war das passiert?
Irgendwann
war es Frühling geworden, fiel ihr verblüfft auf.
Und
sie hielt inne.
Sehr
plötzlich.
Denn
jemand saß auf ihrer kleinen Bank neben der Haustür.
Sie
starrte ihn an, wie eine Erscheinung. Er hatte die Arme auf die Lehne hinter
sich gelehnt, den Kopf zurückgelegt, und die Sonne beschien sein Gesicht. Sein
Mantel lag neben ihm, und er saß tatsächlich in Jeans und beigen Pullover auf
ihrer Bank. Sie kam ungläubig näher, hatte für eine winzige Sekunde gedacht,
ihr Verstand spiele ihr einen Streich.
Sie
hatte für eine Sekunde geglaubt, es wäre Alec, der auf sie wartete.
Sie
hatte es wirklich gedacht! Aber auf den zweiten Blick hatte sie gesehen, dass
es nicht so war.
Denn
Alec war nicht blond.
Jetzt
stand sie zwei Meter vor ihrer Bank und konnte es immer noch nicht wirklich
fassen.
Aber…
was tat er hier? Und als er die Augen blinzelnd öffnete, den Kopf hob und sie
ansah, wäre sie fast erschrocken zusammen gezuckt. Nein, sie träumte nicht. Es
waren keine Nebenwirkungen der Tabletten, stellte sie fest.
Er
hob die Hand zu seinem Gesicht, schirmte seine Augen ab, und dann sah er sie an.
„Hey“,
begrüßte Draco Malfoy sie von ihrer Bank aus, mit ruhiger, sonorer Stimme, so
als hätte er sie erwartet. Aber er saß auf ihrer Bank, also… musste er auf sie
gewartet haben…? Er hatte die Ärmel des hellen Pullovers hochgeschoben, und der
Arm, den er gehoben hatte, um seine Augen abzuschirmen, war sein linker, und
sie erkannte das schwarze Mal auf seinem Unterarm.
Wenn
sie noch Zweifel gehabt hätte, dann hatten sich diese nun bitter zerschlagen.
Er
war es tatsächlich. Und immer noch saß er dreist auf ihrer Bank.
Und
was genau tat er hier? Der Gerichtstermin war erst in zwei Wochen.
Wieso
saß er auf ihrer Bank? Diese Frage war in ihrem Kopf sehr, sehr wichtig
geworden.
Und
sie nahm an, nichts Gutes würde an diesem Tag passieren.
Es
war so ein Gefühl, was sie hatte.
Ein
schlechtes Gefühl, bei dem Anblick von einem beängstigend selbstbewussten Draco
Malfoy auf ihrer Gartenbank.
„Curiosity. You're going to want it:
A chance to be admired,
and gain the rewards that follow. You
won't be able to resist.
You're going to want to know... what it tastes like.“
Dead Man’s Chest
Als
sie noch immer kein Wort herausgebracht hatte, erhob sich Malfoy von ihrer
Bank. Er überragte sie nun, und automatisch legte sich ihr Kopf in ihren
Nacken, während sie ihn weiterhin nur vollkommen entgeistert ansehen konnte.
Aller Zorn, den sie vielleicht empfand, konnte sie praktischerweise nicht in
Worte fassen.
„Hättest
du etwas Zeit?“, fragte er sie, und ihr Mund öffnete sich überfordert, denn das
hier war doch derselbe Mann, mit dem sie sich vor Monaten gestritten hatte,
oder nicht? Derselbe Mann, der sie beleidigt hatte, der ihr Vorwürfe gemacht
hatte? Der unreife, verzogene, arrogante Malfoy, den sie vor dem
Reinblüter-Club hatte stehen lassen, weil er ein Arschloch war?
„Zeit?“,
fand sie endlich ihre Stimme wieder. „Zeit für… was?“, brachte sie argwöhnisch
und immer noch etwas neben sich hervor. Was zur Hölle tat er hier?! Und er sah
sie anders an, stellte sie unbehaglich fest. Wo war der Zorn in seinen Augen,
den er für sie bereithielt, wann immer er sie bisher getroffen hatte? Seit
ihrer Schwangerschaft waren es nur zwei Male gewesen, die sie sich gesehen
hatten, aber keines dieser Treffen war irgendwie positiv verlaufen, erinnerte
sie sich schwach.
„Zeit,
zu reden“, antwortete er schlicht. Da war nichts in seinen Augen. Kein Gefühl,
was sie definieren konnte.
Ob
sie Zeit hatte? Was war das für eine Frage? Nein. Sie bereitete sich vor, ins
Weltall zu fliegen! Was dachte er? Aber wieso machte er sich die Mühe, ihr so
eine rhetorisch höfliche Frage zu stellen? Worauf wollte er hinaus? Was wollte
er von ihr?
„Du…
du willst in mein Haus kommen?“, schloss sie also aus seiner Frage, äußerst
ungläubig. Und seine Mundwinkel hoben sich sanft, als er nickte.
„Das
war der Plan“, bestätigte er nickend. Er war so… sie wusste nicht, was es war?
Neutral? War das das Wort? Und sie wollte nicht wirklich, dass er in ihr Haus kam.
Halb schüttelte sie also den Kopf, halb nickte sie. Kurz runzelte sich seine
Stirn.
„Ich…
was möchtest du von mir?“, fragte sie ihn also verschlossen und musterte ihn,
wie man den Feind musterte.
„Ich
würde mit dir gerne über die Gerichtsverhandlung sprechen. Und über ein paar
andere Dinge“, erwiderte er geduldig auf ihre Frage. Wog er sie in falscher
Sicherheit? Wieso war er hier? Was wollte er besprechen? Was gab es da zu
besprechen? Aber sie sah sich außerstande, sich mit ihm zu duellieren, oder sich
noch großartig anzustrengen. Langsam wurde ihr warm. Und langsam taten ihre
Füße weh, vom Stehen.
Also
ergab sie sich. Aber nur, weil ihr Körper müde wurde. „Fein, meinetwegen. Fünf
Minuten“, räumte sie ihm ein und glaubte tatsächlich, selber schuld zu sein,
wenn sie ihn in ihr Haus ließ. Kopfschüttelnd schloss sie ihre Tür auf, und er
folgte ihr in das relativ kühle Haus. Ihre Tasche hatte sie bei Ginny gelassen.
Sie würde sie später aus dem Mungo mitbringen. Wahrscheinlich wäre Hermine der
Arm vor Erschöpfung abgefallen, hätte sie ihre Sachen auch noch tragen müssen.
Er
folgte ihr tatsächlich ins Wohnzimmer. „Setz dich“, sagte sie also, mehr als
widerwillig, während ihr Atem schwerer ging. Und wortlos setzte er sich ihr
gegenüber auf ihren Sessel, in dem sie eine Woche zuvor ihre depressive Phase
ausgelebt hatte. Ihr ging auf, dass jemand die verschüttete Suppe beseitigt
hatte. Generell war es erstaunlich ordentlich hier. So ordentlich wie früher
ihr Kinderzimmer gewesen war, wenn ihre Mutter unauffällig nach Hermines
Geheimnissen gestöbert hatte – oder wonach Mütter heimlich suchten, wenn sie so
taten, als würden sie das Zimmer aufräumen! Aber ihre Gedanken schweiften ab,
stellte sie verärgert fest. Merlin, er musste noch denken, sie wäre so unbeteiligt
wie er!
Und
jetzt saß sie mit Draco Malfoy in ihrem Wohnzimmer. Und er wirkte hier so fehl
am Platz wie ein Kröter im pinken Tutu wirken würde.
Voller
Argwohn betrachtete sie ihn. Sie betrachtete sein Gesicht, das sie kaum kannte,
seine Nase besaß eine leichte Krümmung, und seine Nasenflügel waren sehr kantig
geschnitten. Er besaß hohe Wangenknochen, ein fast symmetrisches Gesicht. Über
seiner Oberlippe hatte er links ein winziges Muttermal. Wenn er sprach konnte
sie die Grübchen in seinen Wangen erahnen. Ihr Kopf scannte all diese Dinge,
fragte sich unwillkürlich, was wohl vererbt werden würde, bis ihr aufging, dass
vor ihr tatsächlich der Vater ihres Kindes saß.
Merlin….
Sie hatte sich noch keine Gedanken gemacht, wie ihr Kind aussehen würde, denn
so genau hatte sie Draco Malfoy nie ins Auge gefasst. Aber der Tag rückte
näher, und egal, wie gut sie die Tatsache verdrängte – sie nahm an, ihr Sohn
würde irgendwie so ähnlich wie dieser Mann aussehen, den sie nicht kannte.
Er
war groß. In einer Menschenmenge wohl schwer zu übersehen. Seine Beine waren
lang, sein Oberkörper war weder schmal, noch schmächtig. Er war nicht breit
gebaut, aber definitiv zeichnete sich sein Bizeps durch den Pullover ab, und
sie nahm ebenfalls an, dass er keinen Schmähbauch besaß. Seine Hände hatte er
auf seinem Schoß gefaltet. Auch seine Finger waren lang und schlank. Ihr Blick
wanderte wieder zu seinem Gesicht. Besaß er Geheimratsecken, fragte sie sich
ein wenig abwesend. Aber es sah nicht so aus. Seine Haare wirkten voll und noch
vollständig auf seinem Kopf vorhanden. Nur leider waren sie so absurd
hellblond. Sie nahm an, würde sie mit ihren Fingern durch die Strähnen fahren,
würden sie sich angenehm dicht anfühlen.
Seine
Augen waren fast schon bemerkenswert blau. Gar nicht mehr blau, dachte sie
plötzlich, als sie genauer hinsah. Sie waren grau wie Schiefer. Wie Narzissas
Augen, ging ihr verblüfft auf. Aber die Form war-
„-suchst
du irgendetwas Bestimmtes?“, unterbrach seine Stimme ihre kleine mentale
Wanderung über sein Äußeres ein wenig unbehaglich. Sie schluckte ertappt. Und
schüttelte den Kopf.
„Nein!“,
behauptete sie nur. „Also, was willst du besprechen?“, entfuhr es ihr unsicher.
Sie war es nicht gewöhnt, mit ihm zu reden, geschweige denn, mit ihm irgendwo
alleine zu sein. Mit Absicht. Und er war so merkwürdig gefasst. So seltsam
vorbereitet. Er wirkte nicht so jähzornig oder betrunken wie das letzte Mal. Er
wirkte ernster. Er wirkte… fast vorsichtig, fast wachsam. Und sie hasste die
Wirkung ihrer Tabletten, denn sie kam sich selber vor wie in eigenartiger
Trance.
Eine
Trance, die ihr erlaubte, Draco Malfoys Gesicht zu studieren, als wäre es
irgendwie wichtig!
„Ich…
habe den Gerichtstermin abgesagt“, sagte er schließlich, und riss sie aus ihren
sinnlosen Gedanken. Es waren wenige Worte, aber ihr Mund öffnete sich langsam,
voller Unverstand.
„Du hast…?“, wiederholte sie, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken.
„Ich habe den Termin abgesagt“, bestätigte er ruhig. Zu ruhig! Was zur Hölle
sollte das, dachte sie panisch. Aber sie zwang sich, zu antworten. Ruhig und
langsam. Aber anders würde sie ihm auch nicht antworten können, dachte sie
wütend.
„Wieso?“
Aber ihre Stimme war einige Lagen höher gerutscht.
„Ich
habe… es mir anders überlegt“, antwortete er mit Bedacht, und sie glaubte
nicht, dass sie verstand, was er sagte.
„Was
hast du dir anders überlegt?“, wollte sie vorsichtig wissen. Und sein grauer
Blick traf sie so sicher, so unerschütterlich, dass sich ihr Mund langsam
öffnete. Spielten ihr die Tabletten einen Streich? Träumte sie gerade?
„Ich
werde die Vaterschaft annehmen, und deshalb sehe ich davon ab, einen lästigen
Termin vor Gericht einzuhalten“, erklärte er, ohne ihrem Blick auszuweichen. Es
war unangenehm. Und… was? Sie musste den Blick als erstes abwenden, denn seine
intensiven Augen waren ihr unangenehm, wenn sie sich zu lange darauf
konzentrierte.
„Was
meinst du damit?“, fragte sie verstört, obwohl sie wusste, was er wohl damit
meinte.
„Ich
möchte diese Vaterschaft annehmen“, erklärte er erneut, immer noch vollkommen
gefasst. Und sehr ernst. Als hätte er erklärt, er würde sich mit dem Verlauf
einer schlimmen Krankheit abfinden. Ja, so kam er ihr vor.
„Malfoy,
du hast gesagt-“, aber er unterbrach sie, und ein wenig von dem Malfoy, den sie
geglaubt hatte, zu kennen, kam zum Vorschein.
„-ich
weiß, was ich gesagt habe“, entgegnete er barsch, aber er fing sich wieder.
„Aber ich habe es mir anders überlegt.“
„Wieso?“,
wollte sie fast verzweifelt wissen, denn das war ganz und gar nicht, was sie
geplant hatte.
„Wieso?“,
wiederholte er, ein wenig verblüfft, aber dann ging er auf ihre Frage ein.
„Weil ich Verantwortung für meinen Sohn übernehmen will“, erklärte er, wie ein
erwachsener Mensch. Hermine schüttelte langsam den Kopf, denn es klang so
unfassbar falsch und aufgesetzt. Ach, wenn sie doch nur schreien könnte!
„Aber…“
Und sie sah ihn kopfschüttelnd an. „Wozu?“, wollte sie leise wissen. Alec würde
ihren Sohn adoptieren, wenn er zurückkäme. Aber das wollte sie Malfoy nicht
sagen. Sie wollte ihm nicht sagen, dass sie und Alec heiraten würden, denn
vielleicht wusste er von Alecs Verschwinden. Und vielleicht würde er sagen, was
Narzissa gesagt hatte. Und deshalb konnte sie ihn nur fassungslos ansehen. Und
leider nicht schreien.
Und
er sagte, was sie noch weniger nachvollziehen konnte.
„Weil
man für gewisse Dinge die Verantwortung übernehmen muss“, schloss er, sichtlich
ungeduldiger.
„Aber
nicht dafür!“, sagte sie kopfschüttelnd. „Wir… hatten… du hast mir gesagt, du
willst nicht mit mir Familie spielen?“, wiederholte sie seine ätzenden Worte,
die ihr sehr wohl im Gedächtnis geblieben waren.
„Das war damals“, sagte er einfach nur gepresst, und sie spürte, wie die
Medikamente ihre Gefühle davon abhielten, übermächtig zu werden.
Hermine
sah ihn wieder verständnislos an. Wieso wollte er das?
„Du
musst keine Verantwortung übernehmen, Malfoy“, versuchte sie es erneut. Und er
nickte! Er nickte tatsächlich!
„Ich
weiß, dass ich es nicht muss. Ich möchte es“, korrigierte er sie nun, und sie
wusste nicht, was sie sagen sollte. Aber er sah definitiv nicht so aus, als ob
er es wollte! Er wirkte so… Gott, sie konnte es nicht mal benennen! „Weil es
das vernünftige ist“, schloss er knapp. Das Vernünftige? Merlin, er tat so, als
lebten sie in den fünfziger Jahren, und er hätte sie geschwängert und wollte
den Fehler wieder gut machen!
„Malfoy-“,
begann sie aufgelöst, aber er schenkte ihr wieder einen dieser intensiven Blicke.
„-es
ist kein großer Akt“, behauptete er jetzt achselzuckend. „Ich meine, ich bitte
dich nicht um deine Hand, ich möchte nicht in dein Leben eingreifen, ich werde
nicht in dein Haus ziehen. Das Kind wäre meines, ob ich nun auftauchen würde
oder nicht“, informierte er sie, aber es kam ihr vor, als spräche er zu sich
selbst.
„Was
willst du mit einem Kind?“, schaffte sie ungläubig zu fragen. „Was hast du dir
bitteschön vorgestellt?“
Merlin,
endlich ließ die Wirkung nach. Und sie war froh, dass sie nicht in Trauer
versinken musste! Stattdessen konnte sie endlich mal wütend werden. Es war eine
willkommene Abwechslung. Er schien den leisen Stimmungswandel zu merken, ging
ihr auf, denn sein Blick wurde wachsamer. Und tatsächlich schien sie auf eine
Schwachstelle gestoßen zu sein, denn er sah nicht gerade danach aus, als hätte
er den perfekten Plan.
„Ich
bin der Vater“, wiederholte er, als wäre es ein wildfremdes Konzept, mit dem er
sich erst vertraut machen müsste. „Und das heißt, ich bekomme die Hälfte.“
„Die
Hälfte?“, wiederholte sie ungläubig. „Die Hälfte von was? Willst du einen Arm
und ein Bein von-“ Aber er unterbrach sie, konnte sich scheinbar nur schlecht
auf dem Sessel halten, aber er blieb dennoch sitzen, schien sich anstrengen zu
wollen, zivilisiert zu bleiben, für was auch immer, denn hätte sie nicht gerade
die Ausmaße eines Nilpferdes, sie würde längst auf den Beinen stehen!
„-nein!“,
knurrte er. „Ich will ihn jeden zweiten Tag. Ich werde ihn genauso oft sehen
wie du“, informierte er sie, als wäre das Kind ein Spielzeug, was sie sich
teilen könnten. Gott, war sie wütend! Und endlich, endlich kam es raus!
„Oh,
natürlich! Das ist kein Problem! Ich gebe dir einfach jeden zweiten Tag meine
Brüste mit nach Malfoy Manor!“, rief sie aufgebracht, und er blinzelte
verstört.
„Ich
wohne nicht in…- und was soll das heißen?“, wollte er entnervt wissen. Hermines
Mund öffnete sich über so viel Unverstand.
„Ein Baby wird gestillt, Malfoy? Es ist kein Stofftier, es braucht Nahrung?“,
fuhr sie ihn an, und gleich würde sie aufstehen!
„Das
weiß ich selber!“, erwiderte er ungehalten. „Man kann Muttermilch abfüllen!“,
schien er sein Halbwissen mehr oder weniger angewidert preiszugeben. Und
Hermine kamen die dummen Passagen aus den Babybüchern in den Sinn.
„Nicht,
dass ich darüber mit dir diskutieren müsste, aber es wird nicht empfohlen, das
Kind zu schnell an die Flasche zu gewöhnen. Jeder Ratgeber rät Müttern davon
ab. Denn es kann zu Milchstau kommen, und-“ Sein Gesicht hatte eine besonders
angewiderte Note angenommen, und sie verdrehte gereizt die Augen. „Jedenfalls
werde ich mich auf diesen Deal nicht einlassen!“, informierte sie ihn. Und er
sah sie abschätzend an. Es war schon furchtbar genug, dass sie mit ihm
überhaupt darüber diskutieren musste!
„Dann
bist du eben dabei. Aber ich verzichte auf keinen Tag, der mir zusteht!“, sagte
er barsch.
„Warum,
Merlin noch mal?! Und was lässt dich annehmen, dass ich dich jeden zweiten Tag
sehen will?“, fuhr sie ihn erschüttert an, und konnte nicht fassen, wie wütend
sie war. Und sie erhoben sich nahezu gleichzeitig, auch wenn Hermine dafür
etwas länger brauchte.
„Oh,
glaub mir, ich will dich auch nicht sehen, aber es ist wie es ist, Granger!“,
benutzte er zum ersten Mal ihren Nachnamen, und immerhin war Zorn überhaupt ein
Gefühl, war er zeigte.
„Es
ist wie es ist? Du hast dich das letzte halbe Jahr einen Scheiß interessiert,
Malfoy!“, gab sie ihm zu bedenken. „Das hier“, sie deutete vollumfänglich auf
ihren Bauch, „ist kein Basar! Du kannst nicht kommen, wenn du gerade Lust hast!
Man ist dabei oder man ist es nicht!“; fuhr sie ihn an.
Und
innerlich kochte sie. Und unfassbarerweise wirkte er ebenso wütend, aber er
hatte überhaupt kein Recht! Was zur Hölle lief hier falsch? Sie hatte ihn nie
dabei haben wollen! Er hatte es nie gewollt! Und jetzt hatte sie das ganze
Narzissa-Fiasko halbwegs überwunden, fand sich mit der Tatsache ab, dass
Narzissa Malfoy wohl vielleicht doch eine größere Rolle in ihrem Leben spielen
würde, aber das hier?! Das würde nicht passieren! Was war in ihn gefahren?!
~*~
Sie
musste ruhiger atmen, denn sie war nervös. Sie hatte sich noch nie die Mühe
gemacht, herauszufinden, wo Preston wohnte. Und jetzt hatte sie eine Stunde in
einer Kutsche sitzen müssen, um überhaupt anzukommen. Selbst wenn sie es sich
letztendlich anders überlegt hätte, würde sie nicht unverrichteter Dinge wieder
verschwinden, denn es war viel zu viel Aufwand.
Und
mit fahrigen Fingern hatte sie den Türklopfer betätigt.
Sie
war sich nicht völlig sicher, ob das das Haus seiner Eltern war.
Ein
Elf öffnete, so wie es immer der Fall war. Er betrachtete sie unbeeindruckt.
„Ja,
was möchten Sie?“, fragte er, und sein Akzent lag irgendwo im gälischen
Bereich.
„Ist
Preston da?“, fragte sie ein wenig atemlos. „Pansy Parkinson“, stellte sie sich
eilig vor.
„Einen
Moment“, sagte der Elf, bedeutete ihr, im Korridor zu warten und wandte sich
ab. Langsam fiel die Tür hinter Pansy zu, und als der Elf mit einem Plopp
verschwand, überlegte sie, einfach wieder zu verschwinden. Der Korridor war
kathedralenförmig. Die Decke war hoch und rund, sehr gotisch. Sie betrachtete
die uralten Rüstungen, die den Gang säumten, und es erinnerte sie an ein
gotisches Hogwarts. Nein. Sie könnte sich nicht vorstellen, hier zu leben. Da
gefiel ihr das Haus ihrer Eltern sogar besser, und selbst das konnte sie nicht
unbedingt leiden.
Sollte
sie gehen? Sollte sie bleiben? Der Weg war sehr weit gewesen….
Ach,
es waren zu viele Gedanken, dachte sie erschöpft. Und dann vernahm sie schnelle
Schritte, die von den hohen Steinwänden widerhallten.
Prestons
Gestalt trat um eine Kurve, und er stand im Korridor. Sie hatte ihn eine Weile
nicht mehr gesehen. Und damit hatte sich auch erledigt, ob sie gehen oder
bleiben würde, dachte sie dumpf. Er kam schnell auf sie zu, die Schritte zu
schnell, als dass ihm ihr Auftauchen egal war. Und er sah gut aus, in seiner
Anzughose und dem hellen Hemd. Warum trug er nie eine Jogginghose? Einen
Pyjama? Wieso sah er immer so gut aus, als könne die Queen persönlich in sein
Haus kommen? Ihr kam es vor, als könne sie ihn nicht wirklich überraschen.
„Pansy?“,
entfuhr es ihm, als er vor ihr stehen blieb. Aber scheinbar war er überrascht.
Dass sie ihn nackt gesehen hatte war schon so lange her, fiel ihr plötzlich
ein. Ein halbes Jahr. Länger noch! Dass sie ihn überhaupt nackt gesehen hatte!
Sie hasste ihre Gedanken gerade. „Was… was tust du hier?“, entfuhr es ihm
ungläubig, aber nicht abweisend. Wahrscheinlich würde sie losheulen, wenn er
sie jetzt nach Hause schicken würde.
„Du…
du hast nicht mehr geschrieben“, sagte sie das erste, was ihr einfiel. Seine
Stirn runzelte sich verblüfft.
„Was?“
„Und
über Floh hast du auch nicht mehr angerufen“, fuhr sie fort, und spürte, sie
würde doch noch heulen.
„Du…
was? Du hast keinen meiner Briefe geöffnet! Sie kamen alle wieder zurück. Und
meine Anrufe hast du geblockt!“, informierte er sie perplex.
„Ja,
aber… aber… jetzt, wo es ernst wird, bräuchte ich sie am meisten“, murmelte sie
beschämt. Und Preston starrte sie an.
„Was?“,
wiederholte er vollkommen verwirrt.
„Ich
meine“, begann Pansy, „du hast so getan, als wäre es von Interesse für dich!
Als würdest du… als…“
„-es
ist von Interesse für mich!“, unterbrach er sie ungläubig. „Das habe ich dir
eintausend Mal gesagt! Du hast mich fortgejagt, Pansy! Du wolltest mich nicht
um dich haben!“
Und
sie schwieg beleidigt. Konnte er sie nicht verstehen? Wahrscheinlich nicht. Sie
verstand sich selber kaum noch.
„Ist
das jetzt anders?“, wollte er plötzlich wissen, die blauen Augen auf sie
geheftet.
„Was?“,
entkam es ihr erschöpft.
„Willst
du mich jetzt um dich haben? Kommst du hierher, um mir zu sagen, dass du es dir
anders überlegt hast?“, fragte er sie, so direkt, dass es ihr unangenehm war.
„Nein“,
beteuerte sie hastig. „Ich… es ist nur…“ Er war groß. Groß genug, das sie in
seiner Umarmung versinken könnte, dachte sie schließlich. Sie hatte mit ihm Sex
gehabt, weil er… passend da gewesen war. Weil er… so arrogant war, dass es sie
tatsächlich angesprochen hatte. Sie war krank, stellte sie besorgt fest. Was
war er? Ihr Draco-Ersatz? Und plötzlich bekam sie Angst. „Ich glaube, ich
sollte gehen“, sagte sie mit schmaler Stimme. „Es war ein Fehler, dass ich
hergekommen bin. Ich-“
„-Pansy!“,
hielt Preston sie kopfschüttelnd auf, folgte ihr, bis sie die Tür im Rücken
hatte, und sie schüttelte schwach den Kopf.
„Nein,
Preston! Es tut mir so leid! Ich bin nur hier, um dich auszunutzen!“, flüsterte
sie traurig. Aber Prestons Mundwinkel hob sich einseitig.
„Ich
glaube, das… finde ich nicht schlimm“, antwortete er, nachdem er nachgedacht
hatte. Pansy musste blinzeln.
„Nein! Du verstehst nicht! Draco ist… wieder da, und ich… habe einen mächtigen
Fehler gemacht, und du… du warst so nett, und ich bin so…“
„Pansy“,
sagte er ruhiger, schloss den Abstand zu ihr, was schwierig war, denn ihr Bauch
war immer und überall im Weg. „Du bekommst mein Kind“, fuhr er ruhiger fort.
„Und ich habe immer geglaubt, dass ich keine Frau finden würde, von der ich mir
vorstellen könnte, dass sie zu mir passt. Aber du bist… unmöglich und
manipulativ, du bist umwerfend schön, und… ehrlich. So ehrlich, wie man es von
Reinblütern nicht gewöhnt ist“, sprudelten die Worte aus ihm raus. Sie
schüttelte mit offenem Mund den Kopf.
„Und
dass ich dich in Barcelona getroffen habe, schlecht gelaunt und unglücklich,
bereit, jede Dummheit zu begehen, die in deinen Weg kommt – du hast mich
verzaubert, Pansy“, schloss er sanfter. „Ich meine, ich bin Anführer des Clubs
der Dummheiten, aber du… bist die wahre Königin der Dummheiten“, schloss er
lächelnd.
Sie
fühlte sich extrem beleidigt. Und gleichzeitig waren ihr seine Komplimente im
Ohr geblieben. Umwerfend schön und ehrlich. Ja, wieso sahen es die anderen
nicht so?
„Ich
muss gehen“, flüsterte sie wieder, denn, was sie tat war wieder einmal falsch.
Aber
er reagierte schnell, hatte die Hand um ihren Nacken geschlungen, seinen Körper
gegen ihren gepresst, und sie spürte das Baby treten, wie immer, wenn etwas den
prallen Bauch berührte, und dann verschlossen seine Lippen ihren zitternden
Mund. Denn sie hatte sprechen wollen, hatte ihn wegschieben wollen, aber ihre
Augen schlossen sich für eine Sekunde.
Und
sie genoss es fast, dass er sie wollte. Sie spürte all das Gefühl, was er in
diesen Kuss legte, spürte, wie dringend er sie hatte küssen wollen, und sie
erlaubte es ihm, für fünf Sekunden, ehe sie ihren Kopf sanft seiner Gewalt
entzog.
Sein
Atem hatte sich beschleunigt, seine blauen Augen waren dunkler geworden, und
sein Dreitagebart störte sie nicht mal, obwohl ihr Kinn ein wenig juckte.
„Es
tut mir leid“, sagte sie wieder, und eine Träne rollte wieder aus ihren dummen
Augen.
„Pansy“, begann er wieder, „gib mir eine Chance“, bat er rau, aber sie
schüttelte vehement den Kopf. Es wäre falsch. Sie meinte es doch nicht ernst!
Sie war einfach nur… schwach geworden! Es war eine temporäre
Unzurechnungsfähigkeit! Das war alles!
„Es…
tut mir leid“, wiederholte sie wieder, machte sich von ihm los, öffnete die Tür
und war wieder verschwunden, eilte die steinernen Stufen runter. Sie ging so
schnell zu ihrer Kutsche zurück, wie sie nur konnte. Und Merlin sei Dank folgte
er ihr nicht! Merlin, war sie dumm! Sie machte nur Fehler! Aber wieso fühlte es
sich so falsch an, jetzt wegzugehen? Weil sie schwach und blöd war, sagte sie
sich. Preston wollte das vielleicht jetzt! Und sie war keine Königin der
Dummheiten! Sie wusste, was sie tat! Die meiste Zeit über. Sie spürte seinen
Lippen noch auf ihren, und als sie endlich wieder im Dunkel der Kutsche saß,
erlaubte sie es sich, richtig zu weinen.
Er
würde das Interesse an ihr verlieren, sobald ein schreiendes Kind auf der Welt
war, was ihn davon abhielt, egoistisch zu sein, seinen dummen Club anzuführen,
sobald er mehr tun musste, als sie mit Komplimenten einzuwickeln! Nein, sie
fiel nicht auf ihn rein!
Aber
Merlin… für eine Sekunde hatte sie es gerne gewollt.
Sie
war dumm. Wirklich dumm.
~*~
Sie
hatte das Gefühl, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich mit Draco
Malfoy in ihrem Wohnzimmer prügeln würde. Denn so sah es aus. Sie beäugten sich
misstrauisch, argwöhnisch und sehr gewaltbereit. Vielleicht kam es nur ihr so
vor, aber ihre Finger juckten schon praktisch, völlig bereit, ihm eine Ohrfeige
zu verpassen für seine Dreistigkeit, hier aufzutauchen!
„Ich
will den Gerichtstermin!“, beschloss sie, zu sagen, und er schüttelte den Kopf,
belächelte sie fast.
„Dann
wirst du noch schlechter wegkommen, als mit meinem Angebot.“
„Dein
Angebot?“, lachte sie hysterisch auf. „Dass du mir jeden zweiten Tag deine
Gesellschaft aufzwingen willst? Als ob ein Neugeborenes überhaupt kognitiv in
der Lage ist, dich widerzuerkennen!“, fuhr sie ihn an. „Und willst du darüber
Buch führen, damit du dich auch ja nicht vertust? Was willst du deinem Sohn
eigentlich sagen, wenn er irgendwann fragt, weshalb du nur jeden zweiten Tag da
bist, wenn er sprechen kann? Und was ist mit Hogwarts? Willst du jeden zweiten
Tag dort auftauchen, wenn er-“
„-er
wird es verstehen, denn immerhin muss er deine Gesellschaft noch öfter
ertragen!“, fuhr er sie an. „Du solltest dankbar sein, dass ich es dir
überhaupt anbiete!“, ergänzte er zähneknirschend.
„Dankbar?“, entfuhr es ihr freudlos. „Oh Malfoy!“, rief sie gespielt
euphorisch. „Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als dass du auf einmal in
deiner einzigartigen Güte beschließt, hier aufzutauchen und mir gönnerhaft
anbietest, jeden zweiten Tag mein Leben zu ruinieren! Es ist ja nicht so, als
ob ich dafür nicht schon deine Mutter hätte!“, knurrte sie und würde ihn gerne
schubsen.
Und
er besaß die Frechheit, sich erschöpft durch seine Haare zu fahren, als wäre
sie das Problem! Und sie versuchte, ruhiger zu werden – aber es ging nicht.
„Du
magst mich nicht“, informierte sie ihn gepresst.
„Wow.
Du musst mentale Fähigkeiten besitzen, Granger“, kommentierte er ihre Worte
trocken, und sie biss die Zähne fest zusammen.
„Und
ich mag dich ebenso wenig. Denkst du nicht, dass es für das Kind überhaupt
nicht zuträglich ist, wenn sich die… Eltern pausenlos streiten?“ Und Malfoy
schien noch eine beklopptere Idee zu verfolgen, denn sein grauer Blick erhellte
sich plötzlich.
„Dann
teilen wir. Du die ersten fünf Jahre, ich die zweiten fünf Jahre.“
Hermines
Mund öffnete sich völlig entgeistert.
„Nein!“,
fuhr sie ihn an. „Bist du völlig verrückt?“ Gott, er war so… so…! sie hasste
ihn! Dass er so etwas überhaupt vorschlug. Wieso war er so versessen darauf?
Wieso, Merlin, wieso?! Und ihr fiel etwas ein. „Ab wann soll dein Deal
beginnen, Malfoy?“, wollte sie lauernd wissen. „Hattest du auch vor, die Geburt
mitzuverfolgen, oder darf ich das alleine tun?“
„Das
darfst du alleine tun“, bemerkte er, wieder eine Spur angewidert, mit Blick auf
ihren Bauch.
„Ist
das dein Ernst?“, wollte sie entgeistert wissen. Und nicht, dass sie ihn auch
nur auf eine Meile in ihrer Nähe haben wollte, wenn es soweit war, aber… es war
ungerecht. „Weißt du, wie viel Zeit ich in diese Schwangerschaft gesteckt
habe?“, erkundigte sie sich gefährlich ruhig und rhetorisch bei ihm, und er verzog
knapp den Mund. „Acht Monate, Malfoy!“, gab sie ihm schließlich die Antwort.
„Und wie viel Zeit hast du investiert? Richtig! Nicht mal die zwei Minuten, die
es dich kostet, Sex mit einer Frau zu haben! Nicht mal diese Zeit hast du
investiert!“
„Ok.
Wir können gerne darüber reden, ob ich fantastisch im Bett bin und ob meine
Performance in Minuten zu bewerten ist, Granger“, gab er bitter zurück. „Aber
ich denke, das gehört hier nicht hin“, schloss er ätzend überheblich. „Und was
möchtest du von mir? Es ist nicht so, als hättest du mich um Erlaubnis gefragt,
als du meinen Samen-“
„-Gott,
ich wollte deinen Samen nie haben! Ich hatte den perfekten Kandidaten
ausgewählt, was mich daran erinnert, dass ich Pansy doch noch umbringen
sollte!“, schrie sie außer sich, denn sie hasste Pansy dafür! Dafür, dass sie
jetzt dieses Gespräch hier führen musste, was nirgendwo hin führte!
„Willst
du von mir Schadensersatz haben, dass ich acht Monate lang damit zu tun hatte,
die Tatsache zu überwinden, dass ein Schlammb-“
„-oh
ich warne dich!“ Sie war sogar näher gekommen. „Wenn du glaubst, ich habe
frohlockt, bei dem Gedanken, dass ich das Kind eines widerlichen Todessers
bekomme, der in seiner Freizeit nichts Besseres zu tun hat, als in fremde
Häuser einzubrechen, dann hast du dich geirrt, du dämlicher, blonder Lackaffe!“
Seine
Augen hatten sich geweitet.
„Wir
können es sehr leicht einrichten, dass dir dein Sorgerecht entzogen wird!“,
drohte er ihr jetzt. „Wenn du weiterhin so stur und uneinsichtig bist, mich
beleidigst und-“
„-Malfoy!
Du hast überhaupt angefangen mit… mit…“ Und sie schwieg abrupt, keinen Meter
vor ihm, und plötzlich musste sie heftiger atmen.
Und
er sah sie argwöhnisch an. „Was ist jetzt?“, wollte er gereizt wissen.
„Auuu“,
rief sie schließlich aus und musste die Augen schließen, als ein stechender
Schmerz von ihrem Unterleib ausging. Und als sie die Augen öffnete, war er
instinktiv und angewidert zurückgewichen.
„Was
tust du?“, wollte er überfordert von ihr wissen. Gott, sie wollte ihn
verfluchen, aber jetzt gerade konnte sie nicht.
„Ruf…
im… Mungo an…“, brachte sie gepresst hervor. Seine Augen weiteten sich.
„Was?“,
entfuhr es ihm überfordert.
„Es… es fühlt sich an wie Wehen! Einen Monat zu früh, und nur, weil du wie ein Wahnsinniger
hier auftauchen musstest, um mir zu drohen, mir mein Kind wegzunehmen!“,
schnauzte sie ihn verzweifelt an.
„Ich
habe nie-!“, begann er sich tatsächlich auf den nächsten Streit einzulassen,
aber Merlin sei Dank kam der nächste Schmerz, um sie davon zu verschonen!
„-Auuuu!“,
entfuhr es ihr wieder. „Geh zum Kamin, ruf im Mungo an, Merlin noch mal!“,
knurrte sie, und er schien tatsächlich mit sich zu kämpfen. Ob er stur sein
sollte, oder ob dieser Streit tatsächlich verschoben werden konnte.
„Das
machst du mit Absicht“, sagte er schließlich ablehnend, als würde sie das hier
steuern können und war tatsächlich sauer auf sie! Sie atmete schneller und ließ
sich wieder auf die Couch sinken. Sie hasste ihn! Sie kannte ihn kaum, aber sie
hasste ihn!
Und
der Schmerz raubte ihr die Wahrnehmung. Sie sah ihn am Kamin stehen, sah wie er
Pulver in die entzündeten Flammen warf und tatsächlich mit den Para-Magiern des
Mungos sprach.
Und
sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, ruhiger zu atmen.
Es
tut mir so leid, kleines Kind, dachte sie verzweifelt. Wenn jetzt irgendetwas
passiert, dann war es ihre Schuld. Und seine! Definitiv seine! Und sie hatte
Recht gehabt, ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Es war ein
schlechter Tag!
„The past beats inside me like a second heart.“
John Banville
Die
Para-Magier waren verschwunden. Draco war sich nicht sicher, warum, aber noch
immer befand er sich etwas unschlüssig in ihrem Haus. Und sie hatten ihn
gefragt. Die Para-Magier hatten ihn gefragt, ob er mit ins
Mungo wollte. Allerdings war ihm das einen Hauch zu real gewesen.
Bisher
hatte er sich damit abgefunden, dass er Vater sein wollte. Allerdings wollte er
weder dabei sein, wenn Granger schreiend, mit hässlich rotem Kopf das Kind
rauspresste, noch wollte er in irgendeinem Wartezimmer sitzen, falls es keine
Wehen waren.
Dann
müsste er sie womöglich noch nach Hause bringen?
Und
deshalb hatte er den Para-Magiern gesagt, er hätte kein Interesse, mit ins Mungo zu kommen. Und er nahm an, das war es auch, was
Granger bevorzugte – dass er nicht mitkam.
Allerdings
war er noch nicht verschwunden. Er hätte seit fünfzehn Minuten das Haus
verlassen können, denn wenn er wirklich ehrlich war – dann wollte er nicht
länger hier bleiben. Er wollte schon nicht hier sein, wenn Granger da war. Ohne
sie… gab es überhaupt keinen Grund, weshalb er in ihrem Wohnzimmer stehen
sollte.
Es
war aufregend gewesen heute. Und es reichte erst mal an gezwungenem Kontakt zu der
Frau, die seinen Sohn bekommen würde. Sicher, er hatte es sich anders
vorgestellt. Er hatte sich vorgestellt, sie würde ihm zu Füßen sinken, sich
glücklich schätzen, dass er sich dazu herabließ, ein Teil davon zu sein. Denn
er glaubte immer noch, er wäre ein verdammt guter Fang. Zwar nicht wortwörtlich
in diesem Sinne für Granger, denn wenn er alleine ihre Gestalt sah, kribbelte
es ihn vor Ekel in den Fingern.
Sie
war nicht unbedingt seine Vorstellung einer Traumfrau. Klar, sie war wirklich
fett. Aber er nahm an, wenn er sich richtig erinnerte, war sie für gewöhnlich
sehr dünn. Also… wenn sie nicht gerade schwanger war. Aber dennoch war sie
nicht sein Typ. Überhaupt nicht. Er bevorzugte… den gutaussehenden Typ.
Unschlüssig
sah er sich. Wanderte zum einen Fenster, dann zum anderen. Knipste einige
Lampen an, dann schlenderte er zurück zu ihrer Couch, wo sie gesessen hatte,
und der Streit klingelte noch in seinen Ohren.
Er
war zuvorkommend gewesen, und sie war eine Schreckschraube.
Tee.
Er hatte Lust auf Tee, dachte er plötzlich und ging in ihre kleine Küche. Sie
wohnte wirklich beengt, fiel ihm stirnrunzelnd auf. Konnten sich Kriegshelden
kein größeres Haus leisten? Oder gefiel es ihr so beengt? Aber er verwarf seine
Gedanken, denn es interessierte ihn nicht wirklich, ob die Schreckschraube
gerne im kleinsten Haus der Welt wohnen wollte.
Er
öffnete beiläufig die Türen, fand eine Teekanne und tatsächlich schrecklich
gewöhnliche Teebeutel, anstatt löslichem Tee. Merlin, wie lebte sie eigentlich?
Teebeutel! Nagte sie bereits jetzt am Hungertuch? Er schüttelte sanft den Kopf,
als er Feuer auf dem Herd entfachte und einen Kessel mit Wasser aufsetzte.
Er
lehnte sich gegen die Küchentheke und lauschte in die Stille. Er gab zu, es war
nicht ganz so übel. Godric’s Hollow war ruhig. Es gab keinen Straßenlärm, den
die Muggel verursachten, es gab nicht so viele Flugeulen mit ständigen Pakten
und Briefen. Es war fast… erholsam. Nicht dass er darauf Wert legen würde! Er
mochte es laut und wild. Er brauchte Leben!
Granger
konnte auf einem Friedhof wohnen, wenn sie wollte.
Er
sah sich um, bedachte ihre verschiedenen bunten Tassen argwöhnisch und fragte
sich, ob sie kein passend zusammenhängendes Service hatte. Er würde seinen Tee
wohl aus einer unförmigen, hässlichen Ministeriumstasse trinken müssen.
Dass
sie nicht mal Auror war, dachte er kopfschüttelnd, als er sich eine der Tassen
vom Haken nahm. Abteilung für Öffentliche Arbeit und Einrichtungen. Er würde
einschlafen, müsste er dort arbeiten. Was tat sie den ganzen Tag? Nahm sie
tatsächlich nur den Reinblütern das Gold weg und steckte es in die öffentliche
Elfenrechte-Organisationsanstalt oder so etwas?
Und
er wusste, er würde früher oder später seinen Eltern sagen müssen, dass er
wieder in England war, fiel ihm nachdenklich ein.
Er
wollte nicht. Sein Vater würde wollen, dass er endlich für die Vereinigung
arbeitete, worauf es hinauslaufen würde, würde er beschließen, hier zu bleiben,
denn etwas Lukrativeres bot sich ihm nicht.
Und
wo würde er wohnen? Nicht auf Malfoy Manor, soviel stand fest. Würde er weiter
in Hotels leben oder würde er sich ein Haus kaufen müssen? Für sich und das
Kind, wenn es ihn jeden zweiten Tag besuchte. Oder von ihm aus jeden dritten,
wenn Granger von dem unappetitlichen Thema ihrer Brüste anfing.
Ja,
er hatte keine Ahnung von Babys. Aber er nahm an, das hatte sie auch nicht. Und
eigentlich wusste er nicht, was er wirklich wollte.
Aber
es reichte für ihn erst mal, dass er Vater sein wollte. Was auch immer das
bedeutete…!
Der
Kessel pfiff, und er goss heißes Wasser über seinen schrecklichen Teebeutel.
Aber es würde erst mal ausreichen müssen. Er schaltete den Herd aus und stellte
stirnrunzelnd fest, dass sie einen Kühlschrank besaß. Keinen magischen, nein.
Einen Muggelkühlschrank. Granger verfügte über erstaunlich viel Strom in einem
Haus in einem reinmagischen Dorf.
Aber
er zog die Tür auf und schmunzelte über das Licht, das die Glühbirne
verströmte. So künstlich. Aber die Temperatur war angenehm. Nicht so schwankend
wie bei magischen Kühlungen, bei denen man alle paar Stunden nachsehen musste,
ob die Lebensmittel tatsächlich nicht verdarben.
Stirnrunzelnd
stellte er fest, dass einige durchsichtige Dosen im Kühlschrank standen, mit
kleinen Notizzetteln.
‚Wärm
dir die Frühlingsrollen auf. Ich dachte mir, du wirst Hunger haben, wenn du aus
dem Krankenhaus kommst. – Mum‘
Draco
öffnete die quadratische Dose, und tatsächlich lagen dort einige
Frühlingsrollen, die verführerisch dufteten. Er hatte Hunger. Verdammt großen
Hunger. In der nächsten Dose befand sich eine scharfe
Soße, und in der letzten weitere asiatische Spezialitäten, die er allesamt auf
einen Teller packte und mit dem Zauberstab erhitzte.
Zu
trinken hatte sie nichts, stellte er kopfschüttelnd fest. Und Elfen hatten sie
anscheinend auch keine. Er füllte sich zu seinem Tee noch ein Glas mit
Leitungswasser und setzte sich an ihren Küchentresen.
Während
er das – tatsächlich unglaublich leckere – Essen aß hob er den Blick zum
offenen Regal über sich. Er saß auf einem hohen Hocker und konnte das Regal mit
einem Griff erreichen. Er zog sich ein seltsames Buch hervor. Es wirkte wie ein
Kochbuch, aber der Einband war aus Stoff.
Und
er stellte kauend fest, dass es sich um ein Fotoalbum handelte. Er blätterte
die erste Seite um. Und er verzog den Mund, als er Diggory erkannte. Es war
anscheinend ein Hochzeitsalbum. Merlin, er hasste diesen Kitsch! Überall
lachten und winkten ihm Potter und Weasley entgegen. Er blätterte gereizt
weiter, bis sein Blick an einem Bild von ihr hängen blieb. Sie stand vor einem
Spiegel, und die kleine Weasely hatte das Foto gemacht, denn er erkannte sie im
Spiegel, mit der Kamera in der Hand.
Grangers
Spiegelbild lächelte im zu. Sie trug scheinbar ihr Hochzeitskleid, aber es war
kein traditionelles Kleid, wie er sie von Reinblüter-Hochzeiten kannte. Es war
kurz, ging ihr nur bis zu den Knien, und es war wohl Sommer, denn er ihre Haut
wirkte dunkel gebräunt.
Ihre
Haare lockten sich tief ihren Rücken hinab. So lang waren sie jetzt nicht mehr,
dachte er abwesend. Und ihre Figur in dem Kleid war… relativ ansprechend. Ihre
Augen waren dunkel geschminkt, und ihre Lippen leuchteten rot.
Er
blätterte knapp weiter, ehe er zu lange starrte. Er stach sich Gemüse auf die
Gabel und betrachtete die belebten Fotos von Grangers Hochzeit. Sie und Diggory
wirkten… fast lächerlich glücklich. Es folgten Bilder der langweiligen Torte,
Bilder von den langweiligen Gästen, und Draco klappte das Buch zu. Er schielte
nach oben, und tatsächlich entdeckte er im nächsten Fach ein weiteres
Fotoalbum.
Kurz
fühlte er sich etwas schlecht dabei, hier rumzustöbern, aber dennoch schlug er
das nächste Album gespannt auf.
Er
runzelte die Stirn und fuhr sanft mit dem Finger über das Foto. Es wirkte
kaputt, denn niemand bewegte sich in diesem Bild. Es war völlig starr. Und es
zeigte ein kleines Mädchen mit einem Wust an braunen Locken auf dem Kopf, das
in einer Sandkiste saß.
Er
nahm an, es waren Grangers Kinderfotos. Muggelfotos,
die sich nicht bewegten.
Seine
Mundwinkel zuckten ab und, wenn er Babyfotos von ihr sah, wo sie in Windeln
durch einen fremden Garten marschierte.
Es
folgten eine Menge Fotos von Hogwarts, von einem pickligen Weasley und einem
schmalen Potter. Draco musste grinsen. Ja, so haben die Helden ausgesehen.
Genussvoll aß er alle Frühlingsrollen auf, sah sich alle Fotos an, auch die von
Granger und der kleinen Weasley, als sie wohl im Schlafsaal Modenschau gespielt
hatten, und furchtbare Röcke und Kleider trugen.
Die
Alben stapelten sich langsam auf dem Tresen, denn er hatte sich ein weiteres
gegriffen.
Diese
Fotos waren wieder magisch. Scheinbar zeigten sie wie Granger und Diggory das
Haus hier renoviert hatten. Granger trug eine Latzhose. Nicht sehr vorteilhaft.
Und überall waren Farbklekse auf ihrem Gesicht verteilt. Draco schob den leeren
Teller beiseite, stützte sich entspannt auf den Ellbogen auf und blätterte
weiter.
Und
gespannt zog er seinen Zauberstab, denn er entdeckte ein aktives Foto. Er
tippte es an, und die magische Vision zeigte sich vor seinen Augen, hob sich
aus dem Album hervor, schwebte praktisch darüber.
Diggory
schien diese Vision von Granger aufgenommen zu haben, denn er schlich sich
langsam heran, während sie auf mühsame Muggelart ein Zimmer oben zu streichen
schien.
‚Und
hast du Spaß?‘, fragte die männliche Stimme in der
Vision. Es klang schon ein wenig verzerrt, als hätte jemand diese Vision schon
tausend Mal angesehen. Granger wandte sich erschrocken um. Sie trug in dieser
Vision eine weite Hotpants, ein helles Trägershirt und über den Locken eine
Kappe der Sheffield Shooters. Wahrscheinlich Diggorys. Draco nahm nicht an,
dass Granger ein Quidditchfan war.
‚Erschreck
mich nicht, hilf lieber!“, lachte Granger jetzt, klang sorglos und schien nicht
aufhören können zu lächeln. Draco konnte helle Farbklekse auf ihren bloßen
Oberschenkeln ausmachen. Diggory kam mit der Kamera näher, richtete sie direkt
auf Grangers Gesicht.
‚Meine
schöne Frau kann es besser alleine‘, hörte Draco Diggory sagen, und Grangers
Gesicht lag halb unter der Kappe verborgen. ‚Ich bin sehr ungeschickt‘, fuhr
Diggory lachend fort, als Granger mit der Farbrolle ausholte. Ein Farbklecks
traf die Linse. Draco sah ihn vor sich. ‚Das bedeutet Rache!“, lachte Diggory,
stellte die Kamera mit einem Ruck ab und kam ins Bild. Draco sah ihn nur von
hinten. Er tauchte beide Hände in den Farbeimer, und Granger quietschte auf,
als er ihr folgte. Schon an der Tür hatte Diggory sie eingeholt, und Draco
wandte den Blick nicht, als Diggory sie in seine Arme zog, gegen den Türrahmen
lehnte, und sie küsste, während seine Hände ihr Oberteil in Farbe tränkten.
Die
Vision war vorbei, flackerte kurz, und dann starrte Draco nur noch ins Leere.
Er
blätterte weiter. Irgendwann war das Haus fertig, und es folgten Gartenbilder.
Granger in der Hängematte, Granger beim Kräuterpflanzen. Granger, Potter und
Weasley im Garten beim Kartenspielen. Etliche Bilder von Granger und Digggory
zusammen, aber Draco hielt immer nur inne bei Bildern von ihr. Es war bemerkenswert
wie anders sie heute aussah.
Er
glaubte nicht, dass sie noch lachte. Er hatte es noch nicht erlebt.
Ein
Bild erregte besonders seine Aufmerksamkeit, denn Granger trug nichts weiter
als einen knallroten Bikini. Scheinbar waren sie und Diggory irgendwo in Urlaub
am Meer.
Verdammt.
Das war ein netter Anblick. Draco wunderte es nicht, dass Diggory davon ein
Foto hatte haben wollen. Granger lachte, steckte ihre Locken immer wieder
zurück und drehte sich im Kreis. Ja, definitiv nicht übel.
Dann
hatte Granger wohl ihre Haare geschnitten. Sie waren wesentlich kürzer als
jetzt, aber sie wirkte direkt jünger. Auf den Fotos gingen sie ihr bis zum
Kinn. Die Locken wirkten noch wilder. Draco erinnerte sich, heute waren sie ihr
bis knapp über die Schulter gegangen.
Es
folgten einige Bilder von Granger und Diggory zusammen mit einem Kind. Potters
Kind, nahm Draco scharfsinnig an. Es hatte genauso dunkle Haare.
Und
dann waren die Seiten leer. Draco blätterte noch einige Seiten weiter, und ein
paar lose Bilder fielen auf den Tresen. Sie waren neuer.
Und
er erkannte Potters Haus. Granger saß im Wintermantel neben dem Mann, den Draco
bei Gringotts getroffen hatte. Wie hieß er? Dermont? Das war dann wohl Grangers
neuer Typ, dachte er und verzog den Mund. Er betrachtete sich das nächste Bild.
Granger hatte sich wohl selber fotografiert vor dem Spiegel. Und sie trug nur
Jeans und BH und besaß bereits einen beachtlichen Babybauch. Sie lächelte,
streichelte über ihren runden Bauch, und Draco legte die Bilder wieder zurück.
Kurz
kam er sich so vor als dränge er in ein Leben ein, wo er nichts verloren hatte.
Aber
das stimmte ja nicht. Es war sein Kind. Es war sein Leben.
Er
stellte seufzend die Alben zurück, und sein wohlwollender Blick stieß auf eine
bauchige Flasche Schnaps auf dem Regalbrett. Es war wohl immer so, dass jeder
irgendwo irgendwelchen Alkohol bunkerte. Und er empfand kaum Reue als er ihn
hervorzog und das Etikett las, was um den Hals der bauchigen Flasche hing.
‚Fröhliche
Weihnachten! Selbstgebrannter Weasley Wiesenschnaps! Nach der Schwangerschaft
kannst du ihn probieren! Molly Weasley‘
Draco
entkorkte den Deckel und roch vorsichtig an dem Getränk. Es roch würzig und
verdammt verführerisch. Und ja, Granger war schwanger und durfte ihn ohnehin
nicht trinken.
Er
angelte sich ein Glas aus dem Schrank rechts von ihm und goss es sich halb
voll.
Nach
dem ersten Tropfen schüttelte er den Kopf, denn es war schärfer als er gedacht
hatte, aber es war nicht unangenehm. Er nahm noch einen tiefen Schluck und
nickte dem Glas zu. Es war verflucht lecker. Er kippte es sich erneut halbvoll
und schritt damit durch das Erdgeschoss, zurück durch den Flur und schließlich
die Stufen nach oben.
Oben
waren zwei Zimmer und ein Bad. Erneut fragte er sich kopfschüttelnd, wie
Granger und Diggory zusammen in diesem winzigen Haus hatten leben können. Unten
hatte er zwar noch eine Art Bücherzimmer ausgemacht, aber das war es auch
schon. Und er schritt den Flur hinab und stieß die angelehnte Tür auf. Auch
hier entfachte er das Licht.
Sein
Blick wanderte über das Kinderbettchen, über den bunten Teppich, die gelben
Wände, die Kuscheltiere, die schon vorsorglich in den Regalen warteten, und er
betrachtete den Schaukelstuhl, der mit weichen Kissen gepolstert war.
Hier
würde das Kind wohl wohnen. Gut, Granger hatte sich ein Zimmer mehr Gedanken
gemacht als er, stellte er mürrisch fest, während er noch einen Schluck
Wiesenschnaps trank. Seine Finger fuhren das Geländer des Kinderbetts entlang.
Aber
ihn überkam ein beklemmendes Gefühl, wenn er darüber nachdachte, dass dieses
Bettchen nicht für immer leer sein würde, und er beeilte sich, das Zimmer zu
verlassen.
Er
schritt weiter ins Schlafzimmer. Alles war so ordentlich hier, wie er es von Granger
erwartete. Das Bett war akkurat gemacht. Es war groß und verfügte über zwei
Kopfkissen und zwei Bettdecken. Wahrscheinlich schlief dieser Dermont
mittlerweile hier, überlegte Draco knapp. Super. Sein Kind würde mit dem
perversen Verständnis von zwei Vätern aufwachsen, nahm er dumpf an.
Er
schlenderte zu ihrer Seite, setzte sich auf die Bettkante und betrachtete ihren
Nachttisch, wo sich endlos viele Krimis stapelten. Erkannte er da eine
Vorliebe? Mit gerunzelter Stirn nahm er eine Box in die Hand. Sie war verpackt
wie ein Geschenk. Und er nahm an, es lag an Mrs Weasleys Wiesenschnaps, dass
ihn keine Hemmungen überkamen, als er die Box auspackte. Er war interessiert,
und das Haus war ansonsten ziemlich langweilig.
Es
war eine rote Samtbox. War es ein Geschenk von Dermont an Granger? Er klappte
achtlos den Deckel hoch. Seine Augen weiteten sich kurz. Das war ein verdammt
großer Diamant. War das ein Verlobungsring, fragte er sich unwillkürlich, und
betrachtete den filigranen Ring mit dem immensen Stein anerkennend. Wieso hatte
Granger die Box noch nicht ausgepackt?
Interessiert
öffnete er ihre Schulblade. Er war in Stöberlaune. So rechtfertigte zumindest
sein Unterbewusstsein sein Verhalten. Er musste schließlich wissen, was die Frau,
die sein Kind bekam, so trieb. In ihrer Nachttischschulblade befand sich eine
Mappe mit Zeitungsberichten.
Draco
überflog das Datum. Es war ein Zeitungsausschnitt von vor fünf Jahren. ‚Auror
bei Außeneinsatz ums Leben gekommen. Ehemalige locken Auroren in Hinterhalt!‘
Ja,
er erinnerte sich dunkel. Irgendwelche ehemaligen Todesser hatten ein altes
Lager in die Luft gejagt, nach dem sie einen Trupp Auroren des Ministeriums auf
eine falsche Fährte geführt hatten. Granger hatte scheinbar alle Zeitungsartikel
von diesem Unglück aufgehoben. Er legte die Mappe zurück und erkannte ein
neueres Exemplar des Tagespropheten
zusammengerollt auf dem Boden der Schublade.
Er
holte es hervor und überflog den Artikel, der aufgeschlagen war.
Merlin,
konnte das sein?
‚Mienengräber
und englischer Angestellter von Gringotts bei Grabungen in Bulgarien abgestürzt
– gilt als verschollen! Harry Potter persönlich auf der Suche!‘
Die
Zeitung sank in seinen Händen. Er erinnerte sich, dass Granger den Para-Magiern
gesagt hatte, sie wäre heute aus dem Mungo gekommen und hätte bis vorhin unter
Einfluss von Glückszaubern gestanden. Kombinierte sein Verstand hier richtig?
War Dermont abgestürzt und galt als verschollen?
Und
selbst er musste zugeben, dass das… relativ furchtbar war. Wenn man denn
bedachte, dass Granger schon einmal einen Mann verloren hatte. Und bestand die
Chance, dass Potter ihn fand?
Draco
legte die Zeitung seufzend zurück. Das war ihm etwas zu viel Drama, gab er zu.
Fast tat es ihm leid, dass er die Box augepackt hatte. Und fast tat es ihm
leid, dass er sich heute mit ihr gestritten hatte – aber nur fast, denn
schließlich ging es auch um sein Leben.
Er
stellte enttäuscht fest, dass sein Schnaps alle war. Er erhob sich seufzend von
ihrem Bett.
Beim
Rausgehen spähte er noch in ihren begehbaren Kleiderschrank. Aber er konnte
weder den roten Bikini, noch ihr kurzes, enges Hochzeitskleid entdecken.
Schade. Sonst hätte er ihr bei Gelegenheit vorschlagen können, diese Sachen zu
tragen, wenn sie sich mit ihm stritt. Denn dann hätte er wenigstens etwas
Nettes zum Ansehen, während sie ihm kostbare Minuten seines Lebens raubte.
~*~
Erleichterung
kroch über Ginnys Gesicht, nachdem sie Hermine gründlich untersucht hatte und
diese vor Schmerzen fast vergangen war. Fast ängstlich saß Hermine auf dem
Behandlungsstuhl, und sie konnte nicht fassen, schon wieder im Mungo zu sein.
„Schwangerschaftswehen“,
klärte sie Hermine schließlich mit einem beruhigenden Lächeln auf. „Die meisten
Frauen bemerken sie gar nicht. Es fühlt sich an wie Wehen, aber… es ist
falscher Alarm. Alles ist in Ordnung“, schloss Ginny, und Hermine würde ihr
gerne erklären, dass absolut gar nichts in Ordnung war!
Und
das begann schon damit, dass Draco Malfoy ihr erklärt hatte, dass er Vater sein
wollte.
„Ok?“,
erwiderte Hermine, und ihre Hand lag immer noch auf ihrem Unterleib.
„Wirklich,
Hermine. Alles in Ordnung“, bestätigte Ginny erneut. „Vielleicht regst du dich
ein bisschen weniger auf. Weißt du, dagegen helfen die Glückszauber nämlich-“
„-nein!“,
fuhr Hermine sie an. „Keine Drogen mehr, Ginny!“, sagte sie barsch. Sie atmete
langsam aus. Gott, sie wollte da nicht raus. Und Ginny schien es ihr anzusehen.
„Draco
Malfoy ist also… wieder da?“, bemerkte Ginny, während sie den Zauberstab
desinfizierte, alles wieder aufräumte und schließlich Hermine direkt ansah.
„Hm“,
machte Hermine unglücklich, denn sie wusste nichts anderes zu sagen. Malfoy
wollte ihr Kind wegnehmen. Alle zwei Tage am besten. Sie bekam Kopfschmerzen.
„Was soll ich nur tun?“, flüsterte Hermine.
„Na
ja, du darfst jetzt gerne wieder nach Hause gehen. Und beim kleinsten Anzeichen
von Depressionen oder Traurigkeit empfehle ich dir dennoch die Glückstabletten.
Auch wenn du zu wütend wirst. Denn Stress ist deiner Schwangerschaft nicht
zuträglich, Hermine“, ermahnte Ginny sie. Oh wirklich? Als hätte sich Hermine
den Stress ausgesucht.
„Und
die Schmerzen kommen nicht mehr wieder?“, vergewisserte sich Hermine, als sie
sich erhob.
„Ich
habe sie jetzt mit einem Zauber gehemmt. Es kann sein, dass du wieder
Schwangerschaftswehen spürst, aber dann ist es höchstwahrscheinlich wieder
falscher Alarm. Aber zur Sicherheit kommst du dann zu mir“, schloss Ginny
freundlich.
„Ok“,
murmelte Hermine erschöpft.
„Willst
du bei Harry und mir übernachten?“, schlug Ginny ihr dann vor, aber Hermine
schüttelte den Kopf.
„Nein,
schon gut. Ich will nach Hause.“
„Die
Kutsche wird dich bringen“, versprach Ginny. „Und wenn irgendetwas ist, meld
dich einfach.“ Ginny zog sich den Kittel aus, und Hermine quälte sich wieder in
ihren Mantel. „Leider habe ich noch ein
wenig Papierkram zu erledigen. Du kannst auch warten, dann komme ich mit und
bringe ich dich“, bot Ginny ihr an.
„Nein,
nein. Ich schaffe es schon. Aber morgen könnten wir vielleicht noch etwas Zeit
verbringen?“, fragte sie hoffnungsvoll, denn sie wollte nicht alleine sein. Und
sie wollte zu Ginny und Harry, denn sie wollte ihn fragen, ob sie schon
irgendwelche Hinweise gefunden hatten. Sie wusste nicht, ob Ginny ihre
Hintergdanken erraten konnte, aber immerhin tat sie so, als könne sie es nicht.
„Aber
natürlich! Und hier, schaffst du das?“ Ginny holte eine Tasche hervor. Hermine
erkannte ihre Sachen und die Wolldecke, die sie mit im Mungo hatte.
„Klar“,
sagte Hermine nur, und Ginny drückte sie zum Abschied.
„Du bist ganz tapfer. Noch einen kleinen Monat, und dein Baby ist da“,
versprach Ginny ihr lächelnd, und Hermine fiel auf, dass sie seit einer Weile
nichts mehr zu lächeln hatte. Und heute war keine Ausnahme davon gewesen.
„Ja,
ich weiß“, erwiderte Hermine.
„Geh
runter, ich bestellte schon mal die Kutsche“, verabschiedete sich Ginny von
ihr, und Hermine verließ wieder einmal Ginnys Station.
~*~
Es
kam ihr vor, als wäre eine Endlosigkeit vergangen, bis die Kutsche heute schon
zum zweiten Mal vor ihrem Vorgarten anhielt. Sie gähnte beim Aussteigen, und
konnte nicht erwarten, einzuschlafen.
Sie
wunderte sich mäßig darüber, dass Licht brannte. Hatte Ginny ihrer Mutter
Bescheid gegeben? Oder Narzissa? Denn außer ihrer Mutter besaß niemand einen
Schlüssel zu ihrem Haus. Es war so ein anstrengender Tag. Hermine konnte gar
nicht fassen, dass all das heute an einem Tag passiert war, als sie ihre Tür
aufschloss.
Merlin,
es brannte ja fast jedes Licht!
„Hallo?“,
rief sie in die Stille des Hauses. „Mum?“
Sie
sah sich im Flur um, hing ihre Jacke auf und trug die Mungo-Tasche ins
Wohnzimmer. Sie würde ihre Wäsche schon mal aussortieren können. Vielleicht
übernahm das ihre Mutter. Sie räumte doch scheinbar so gerne hier-
Hermine
hatte ihr Wohnzimmer betreten und erkannte zwei Füße, die über ihre Sofalehne
hingen. Viel zu große Füße, als dass sie ihrer Mutter gehören konnten!
Sie
hatte die Hand am Zauberstab liegen, aber… vielleicht… war es Alec?
Sie
kam eilig näher und spähte über die Sofalehne.
Nein.
Es
war… nicht Alec, stellte sie mit offenem Mund fest. Ihre Stirn runzelte sich.
Auf ihrer Couch lag Draco Malfoy. Seine Schuhe lagen unordentlich davor, und
seine Beine waren zu lang, deshalb lugten seine Füße in dunklen Strümpfen über
ihre Armlehne. Auf ihrem Couchtisch stand der Wiesenschnaps, den Molly zu
Weihnachten gebraut hatte. Allerdings war er… so ziemlich leer. Sie roch
asiatisches Essen, stellte sie verwirrt fest und erkannte auf dem Küchentresen
leere Tupper Dosen ihrer Mutter.
Malfoy
hatte ihr Essen gegessen?! Viel wichtiger – Malfoy war nicht gegangen, nachdem
er sie den Para-Magiern übergeben hatte?!
Ihr
Mund öffnete sich, als sie erkannte, dass er mit ihrem Fotoalbum eingeschlafen
war!
Was
hatte er hier getrieben? Er hatte ihr Haus durchsucht und alles gegessen, was
er gefunden hatte? Sie hatte immerhin nicht wirklich Hunger, stellte sie müde
fest. Also war das das kleinere Problem.
Sie
kam langsam um die Couch herum. Er schlief mit tiefen Atemzügen.
„Malfoy?“,
sagte sie fast ruhig. Obwohl sie wütend war. Aber sie war heute einfach zu
müde. Er reagierte nicht. „Malfoy“, wiederholte sie und bückte sich etwas
tiefer. Sein Mund bewegte sich im Schlaf.
„Mh“,
machte er, aber sie glaubte nicht, dass er tatsächlich wach war.
„Was
tust du hier?“, fragte sie ihn ruhig.
„Mh“,
machte er wieder, ohne die Augen zu öffnen. Dann drehte er sich auf der
schmalen Couch zur Seite, und sein Atem ging wieder tief.
Meine
Güte! Sie war nicht mehr in der Lage, zu schreien. Kopfschüttelnd löschte sie
nur noch das Licht und die niedrigen Flammen im Kamin und ließ ihn, wo er war.
Ihr Fotoalbum zog sie ihm allerdings noch aus den Händen und legte es auf den
Couchtisch. Vielleicht wachte er morgen Früh beschämt auf und verließ ihr Haus
stumm und leise. Merlin, dass ihn da liegen ließ! Unfassbar. Aber sie wollte
ihn schon gar nicht anrühren und wecken! Und sie wollte nicht mehr mit ihm
reden heute. Oder irgendwann.
Sie
schlurfte in den Flur, löschte das Licht ebenfalls und ging nach oben. Sie
machte Licht in ihrem Schlafzimmer, und bemerkte, dass er wohl auf ihrem Bett
gesessen hatte, denn ihr –
Sie
starrte auf ihren Nachttisch. Er hatte ihre Box geöffnet! Der Mistkerl hatte
ihre Box geöffnet! Wie konnte er es wagen?! Sie eilte zu ihrem Nachttisch, wo
das rote Papier lag, daneben ihre Box. Und ihr Atem ging schneller vor Wut. Was
erlaubte er sich eigentlich?
Und
müde hin oder her! Das war genug! Sie griff sich zornig ihre Box und entfachte
wieder Licht im Flur als sie die Treppe runterging – vorsichtig, denn sie
konnte ihre Füße schon lange nicht mehr erkennen. Im Wohnzimmer machte sie auch
wieder Licht, ging um die Couch und rüttelte ihn unsanft an der Schulter wach.
Und er besaß die Frechheit, nicht zu reagieren!
„Malfoy!“,
rief sie laut und wütend. Er regte sich. „Wach auf, du Mistkerl!“, ergänzte
sie, und er träge blinzelte er, als er wohl endlich aufwachte.
„Mh-
Granger?“, entkam es ihm rau und deutlich angetrunken, stellte sie entnervt
fest.
„Was
zur Hölle tust du hier? Was fällt dir ein, mein Haus zu durchsuchen, mein Essen
zu essen – und was erlaubst du dir, in mein Schlafzimmer zu gehen und meine
Sachen auszupacken?“, schrie sie ihn nun an und hielt ihm die Box vor die Nase,
die er blinzelnd zu betrachten schien. Und er schien ihr nicht wirklich
zuzuhören, schien nicht einmal sonderlich beeindruckt von ihren Worten zu sein.
„Mh…
Potter wird ihn schon finden“, murmelte er tatsächlich, und seine Augen
schlossen sich wieder.
„Was?“,
entkam es ihr tonlos.
„Potter…
findet alles“, sagte er abwesend und war wieder eingeschlafen, sein Gesicht
völlig entspannt. Und sie wusste nicht, was es war, aber seine Worte – die
Worte von diesem Mega-Mistkerl – hatten etwas Tröstliches an sich.
Selbst
Malfoy glaubte, Harry würde ihn finden. Und Hermine ignorierte irgendwie, dass
Malfoy ihre Sachen durchstöberte hatte – warum auch immer. Und scheinbar in
ihrem Schlafzimmer ihre Zeitungsausschnitte gefunden hatte.
Und
sie beschloss, die Box einfach wegzustellen. Sie wollte nicht hineinsehen. Und
sie würde ignorieren, dass Malfoy das getan hatte. Und auch, wenn er es nicht
wusste, aber diese eine Sache hielt sie ihm tatsächlich zu gute. Er glaubte
nicht, dass er tot war.
Sagten
Betrunkene nicht immer die Wahrheit?
Und
weil sie müde war, und weil er vielleicht ein einziges Mal etwas Nettes von
sich gegeben hatte, überwand sie ihren Zorn und Abscheu. Sie griff in die
Mungo-Tasche und zog seine Decke hervor. Es war… ein wenig ironisch, oder
nicht?
Denn
mit der weichen Babydecke deckte sie ihn zu. Er regte sich nicht mehr, atmete
tief und entspannt, und es wirkte so passend, wie er da lag, die furchtbare
Slytherindecke über sich ausgebreitet.
Sie
hatte die kleine Box in ihrer Hand fest umschlossen.
„Warum
bist du nur hier?“, flüsterte sie, während sie ihn ansah. Gab es irgendeinen
Grund, warum Draco Malfoy in ihr Leben gekommen war, fragte sie sich, und müde
wandte sie sich ab, löschte alle Lichter erneut und ging zurück nach oben.
In
ihrem Schlafzimmer versteckte sie die Box tief in ihrer Bettlakenschublade.
Sie
wollte heute nicht mehr daran denken. Es machte sie zu traurig. Nicht dass es
besonders erheiternd war, dass ein betrunkener Malfoy auf ihrer Couch schlief,
und sich einen Spaß daraus gemacht hatte, ihr Haus zu durchsuchen.
Aber
sie fiel praktisch ins Bett. Zähneputzen war ein zu schwieriges Konzept heute
Abend, dachte sie gähnend, zog lediglich ihren Pullover und ihre Hose aus und
kuschelte sich in beide Bettdecken. Sie konnte mit ihrem riesigen Bauch nur
noch auf der Seite schlafen. Aber sie hatte sich gewöhnt. Man gewöhnte sich an
alles, dachte sie dumpf.
Und
dann war sie eingeschlafen.
„For the two of us, home isn't a
place.
It is a person. And we are finally home.“
Stephanie Perkins
Sie
hatte einen seltsamen Traum gehabt. Es war ein guter Traum gewesen, und sie
wusste nicht, ob sie von Cedric oder Alec geträumt hatte, aber einer von beiden
war es gewesen.
Und
sie wachte auf, als die Sonne schon hoch stand. Und ein warmes, angenehmes
Gefühl erfüllte sie. Es war wie ein Ruf aus der Vergangenheit. Ein Moment, eine
Kleinigkeit, die sie längst vergessen hatte.
Und
sie rieb sich die Augen, setzte sich ächzend auf, denn sie wog einiges mehr,
und sie strich sanft über ihren Bauch, so wie jeden Morgen.
Und
dann hielt sie den Atem an, denn was sie roch konnte unmöglich da sein. Sie
hatte es das letzte Mal vor vielen Jahren gerochen.
Es
roch wie…?
Sie
schwang die Beine aus dem Bett. Sie verzichtete darauf, sich anzuziehen. Sie
zog lediglich den Bademantel über und verließ barfuß ihr Schlafzimmer, stieg
vorsichtig die Treppe runter, und sie hatte es fast vergessen.
Sie
hatte ihn beinahe verdrängt. Sie stand barfuß im Türrahmen zum Wohnzimmer und
blickte bis hinten zur Küche durch den Raum. Und sie hatte richtig gerochen.
Es
roch nach… Rührei. Es roch nach Orangensaft, nach frischen Brötchen und
Croissants. Es roch nach Frühstück, Merlin noch mal! Und sie war kurz so
überrascht, dass sie gar nichts sagen konnte. Denn sie wusste, ihr Kühlschrank
gab dieses Festmahl nicht her, was Malfoy scheinbar vorbereitet hatte? Er stand
in der Küche, die Haare unordentlich, briet scheinbar weitere Eier, und
Hermines Mund öffnete sich perplex.
Sie
tat einige vorsichtige Schritte in ihr Wohnzimmer. Und dann zuckte sie
zusammen.
„Miss?“,
vernahm sie eine hohe Stimme hinter sich und wandte sich erschrocken um. „Darf
Misty vorbei?“ Eine Elfe schob sich ungefragt an ihr vorbei, ein Sammelsurium
an Tassen und Tellern auf den kleinen Armen, die sie dann auf Hermines Esstisch
schweben ließ. Malfoy hatte sich umgewandt.
„Morgen“,
begrüßte er sie tatsächlich gleichmütig. Als wäre es normal. Als wäre es
häufiger als einmal passiert, dass sie jemals einen gemeinsamen Morgen
verbracht hätten! Und Hermine war viel zu schockiert über den Anblick einer
Elfe in ihrem Haus, das sie mit dem Finger auf das Geschöpf zeigen musste.
„Was…
was tut sie hier?“, wagte sie heiser zu fragen. Malfoy folgte ihrem Blick ein
wenig verständnislos.
„Die
Elfe?“, vergewisserte er sich ratlos.
„Ja!
Die Elfe, Merlin noch mal!“ Und egal, was sie ihm gestern Abend hatte
durchgehen lassen – heute hasste sie ihn wieder!
„Sie
ist aus Malfoy Manor, und ich habe ihr aufgetragen, Lebensmittel und
vernünftiges Geschirr herzubringen“, klärte er sie überheblich auf.
„Was?“,
zischte Hermine, kurz abgelenkt. „Ich habe vernünftiges Geschirr!“, informierte
sie ihn wütend.
„Nein.
Du hast ein Sammelsurium an unpassenden Tassen aus der Ministeriumskantine“,
gab er knapp zurück. Sie starrte ihn an. „Oh, und das Hochzeitsgeschirr im
Schrank“, ergänzte er mit erhobener Augenbraue, während er Gewürze in die
Pfanne streute.
„Und
was denkst du, tust du hier?“, wechselte sie das Thema, denn ja, im Schrank
befand sich Geschirr, was sie noch niemals ausgepackt hatte, denn sie hatte es
von Cedrics Mutter bekommen – und sie hatte Cedrics Mutter noch nie ausstehen
können. Aber es ging Malfoy nichts an, und es war vollkommen nebensächlich!
„Ich
mache Frühstück. Ich dachte, die Pfanne und die Eier hätten mich verraten, aber
anscheinend-“
„-Malfoy!“, unterbrach sie ihn fassungslos. Und er nahm die Pfanne vom Herd –
nicht dass sie ihm überhaupt zugetraut hätte, irgendeine Begabung in der Küche
zu haben, aber sie ignorierte auch das. Er kam zum Esstisch, sortierte Tassen
und Teller und deckte tatsächlich für zwei! Er verteilte Ei und gebratenen
Schinken, Croissants und goss Saft ein.
„Setz
dich“, sagte er knapp. „Tee ist sofort fertig“, ergänzte er nur, und sie traute
ihm nicht. Kein Stück! Keinen Meter weit!
Er
sprach kurz mit der Elfe, und dann schickte er sie fort. Neugierig hatte die
Elfe sie noch gemustert, und dann war sie verschwunden. Malfoy kam zu ihr,
brachte die letzten Reste an herrlich duftenden Früchten und die Teekannte mit
und setzte sich an den Tisch.
„Setz
dich“, wiederholte er mit gerunzelter Stirn, und Hermine atmete aus. Was sollte
sie tun? Stehen bleiben? Außerdem knurrte ihr Magen schrecklich laut. Ihr Sohn
hatte Hunger.
„Wieso
tust du das? Wieso bist du immer noch hier? Und was hast du der Elfe gesagt?“,
wollte sie schlecht gelaunt von ihm wissen, während er tatsächlich ansatzweise
so etwas wie Manieren zeigte und ihr Tee eingoss.
„Ich
habe der Elfe gesagt, dass sie zurück nach Malfoy Manor soll und meiner Mutter
nicht verraten darf, wo ich mich befinde. Ich bin noch hier, weil ich gestern
vielleicht ein wenig die Grenzen der nichtvorhandenen Gastfreundschaft
überschritten habe, und ich tue das, weil ich ernsthaft nicht vorhatte, dein
Essen zu essen, deinen Alkohol zu trinken und ganz bestimmt wollte ich nicht
auf deiner Couch einschlafen“, erklärte er, während er sich selber Tee eingoss
und begann, sein Croissant mit Konfitüre zu bestreichen.
„Wird
Narzissa nicht merken, dass du praktisch ihren gesamten Aufschnitt hier her
hast bringen lassen?“, wollte sie kurzzeitig abgelenkt von ihm wissen, aber er
ruckte mit dem Kopf.
„Meine
Mutter war noch nie in der Küche. Die Elfen bereiten das Frühstück vor. Und
außerdem fällt es nicht auf. Warst du schon mal dort? Es gibt immer Essen im
Überfluss.“
„Nein“,
sagte sie schlicht. Er hob den Blick. „Ich war noch nicht dort.“ Er schien
seine Frage zu begreifen.
„Nein,
wahrscheinlich nicht“, bestätigte er nickend. Ihr war aufgefallen, dass er sich
noch nicht wirklich wortwörtlich entschuldigt hatte. Aber er lenkte sie mit der
nächsten Frage ab. „Alles in Ordnung mit dem Kind?“, fragte er tatsächlich, den
Hauch von Interesse in den grauen Augen, die ihr mittlerweile immer vertrauter
vorkamen. Sie nickte langsam, während sie am Tee nippte. Er war gut. Besser als
ihrer, stellte sie fest.
„Es
waren Schwangerschaftswehen“, antwortete sie, denn… wahrscheinlich ging ihn
diese Information etwas an?
„Aha“,
erwiderte er.
„Ähm…
es fühlt sich an wie echte Wehen, aber es war falscher Alarm“, schloss sie, und
es war ihr unangenehm mit ihm zu reden. Und ihr fiel wieder ein, warum sie so
wütend war.
„Du
hast meine Box ausgepackt“, ergänzte sie bitter. Er hob den Blick von seinem
Teller.
„Die
Box?“, wiederholte er, ehe es ihm wohl wieder einfiel. „Oh. Ja, richtig“, sagte
er nur. Und sie wartete, sah ihm fest in die Augen, und langsam hob sich ihre
Augenbraue, und sie sah, es bereitete ihm mehr als nur Schwierigkeiten. Er
senkte sogar das Messer. Und dann atmete er knapp aus. „Tut mir leid“, rang er
sich ab, als wäre es nicht seine Schuld. Aber sie nahm an, sie war selber
schuld, denn sie hatte ihm ja schließlich gestern ihre Tür aufgemacht!
Wahrscheinlich hätte sie ahnen müssen, dass so etwas passieren würde, nahm sie
bitter an.
„Ich
will nicht wissen, was drin ist“, informierte sie ihn bloß, schon sauer, dass
sie es überhaupt tun musste. Er hob erneut den Blick.
„Du
weißt nicht, was drin ist?“, erkundigte er sich ungläubig.
„Das
habe ich nicht gesagt“, korrigierte sie ihn gefährlich ruhig.
Es
entstand eine von diesen furchtbaren Pausen, wo er sie einfach nur ansah, als
wüsste er alles besser. Und dann sprach er darüber. Als wäre es gerade etwas,
was die Welt bewegte. Als wäre es normal, eine Meinung zu haben und diese ihr
gegenüber zu äußern.
„Seit
wann ist er verschollen?“, wollte er fast gleichmütig wissen. Es raubte ihr
kurz den Atem. Sie sah ihn an. Es tat weh, dass er darüber sprach. „Ich
meine…“, fuhr er etwas ratloser fort, „es ist schon eine Weile her, oder
nicht?“
„Malfoy,
ich habe nicht meinen Schal verloren. Und ich denke nicht, dass das ein
passendes Gesprächsthema ist“, gab sie gepresst zurück. Und er runzelte knapp
die Stirn.
„Ok“,
sagte er dann achselzuckend. Und sie war immer noch wütend.
„Wieso hast du meine Fotoalben angesehen?“, stellte sie ihm die nächste Frage.
Dass Essen hatte sie noch nicht angerührt. Sie konnte irgendwie nicht. Sie
wollte nicht mit ihm an einem Tisch sitzen. Und kurz wirkte er zumindest ein
wenig beschämt. Aber nur sehr kurz. Merlin, ihm war wohl gar nichts peinlich!
„Ich
habe sie aus Versehen gefunden, und…“ Er zuckte die Achseln.
„Und
du dachtest, es wäre ok für dich, durch meine Sachen zu wühlen?“, schloss sie
und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich
habe gesagt, es tut mir leid“, erwiderte er. Merlin, er machte sie einfach
wütend. „Wir hatten einen schlechten Start“, merkte er lapidar an.
„Wir
hatten überhaupt gar keinen Start, Malfoy. Und mir wäre es recht, wenn es auch
gar nicht dazu kommt“, ergänzte sie. Und er biss genüsslich in sein nächstes
Brötchen.
„Ja,
das wird nicht funktionieren“, bemerkte er kauend. „Iss endlich was“, ergänzte
er auffordernd. Und sie verzog den Mund, als ihr Magen ziemlich laut knurrte.
Widerwillig stach sie ein wenig Rührei auf die Gabel und schob es sich in den
Mund.
Merlin,
schmeckte das gut! Es war seltsam, einen Mann im Haus zu haben, dachte sie
unwillkürlich, aber er ließ ihr keine Zeit, um nachzudenken, denn er sprach
schon wieder. „Ich habe nachgedacht“, fuhr er schließlich fort. Und sie kaute
schnell, denn sie glaubte, dass ihr gleich schlecht werden würde. Denn sie
glaubte nicht, dass seine Gedanken für sie positiv sein könnten.
„Worüber?“,
wollte sie unwillig wissen. Denn sie wollte es nicht hören. Und er sah sie
wieder so intensiv an, dass sie zur Seite blicken musste.
„Du
hast ein Gästezimmer“, sagte er schlicht.
„Ich
habe…?“, wiederholte sie perplex, und er nickte schließlich. „Was?“, wollte sie
entgeistert wissen, denn sie glaubte nicht, dass sie den Zusammenhang begriffen
hatte.
„Ich
habe mir überlegt“, begann er, befehlsgewohnt, „dass es praktisch ist, dass du
in deinem Haus ein Gästezimmer hast“, wiederholte er wieder. Sie schüttelte
langsam den Kopf.
„Es
ist kein Gästezimmer, es ist ein Lesezimmer“, sagte sie, die Stimme tonlos, und
sie fürchtete sich vor seinen nächsten Worten.
„Wie
dem auch sei, es ist ein freies Zimmer in deinem Haus“, schloss er und hob
entsprechend die Augenbraue.
„Frei
für…?“, wollte sie vorsichtig wissen, darauf bedacht, noch nicht zu schreien,
denn sie wollte nicht schon wieder die falschen Wehen bekommen.
„Für
mich“, sagte er die grauenhaften Worte selber ein wenig zögerlich, von denen
sie nicht wirklich geglaubt hatte, dass er sie laut sagen würde.
„Für… dich?“, wiederholte sie auch diese Worte, und er nickte kauend.
„Malfoy-“, begann sie, aber er nickte dann.
„-du
hast ein Kinderzimmer eingerichtet, und das bedeutet, ich muss kein zweites
Kinderzimmer für ihn haben. Und klar, dieses Dorf bietet nicht unbedingt die
Art von Leben, die ich mir vorstelle, aber für ein paar Tage die Woche wird es
zu ertragen sein“, schloss er achselzuckend. Sie konnte ihn nur anstarren.
„Gestern
wolltest du, dass ich das Kind fünf Jahre habe und du die nächsten fünf. Heute
willst du… in mein Haus ziehen? Bist du verrückt geworden?“, flüsterte sie
fassungslos, aber er ruckte mit dem Kopf, tat diesen Streit scheinbar mit
Leichtigkeit ab.
„Ich
habe nicht vor, in dein Haus zu ziehen“, widersprach er belustigt. „Ich habe
nur vor, vielleicht zwei-, dreimal die Woche hier zu übernachten. Es ist ein
guter Deal“, legte er ihr nachsichtig nahe. „Und gestern habe ich dich sogar
gerettet, Granger. Ich habe-“
„-alles,
was du getan hast, war, Feuer im Kamin zu machen, Malfoy!“, unterbrach sie ihn
wütend.
„Ich
habe weitaus mehr getan als das“, erwiderte er, immer noch vollkommen von
seinen Worten überzeugt.
„Ja“,
bestätigte sie grimmig, „du hast das Essen meiner Mutter gegessen und Molly
Weasleys Schnaps ausgetrunken. Seltsam, dass du dich an überhaupt etwas
erinnerst“, knurrte sie. „Außerdem habe ich einen Freund. Was soll er denken,
wenn er wiederkommt, und dich hier findet?“
„Dein
Freund ist zurzeit verschollen“, erwiderte er mit Bedacht. Sie atmete die Luft
durch die Nase hörbar ein. Sie würde dieses Thema nicht vertiefen! Auf gar
keinen Fall! Sie musste sagen, sie hielt sich sehr tapfer. Sehr tapfer. Und er
aß seelenruhig weiter, schenkte ihr aber wieder einen nachsichtigen Blick.
„Und
es kostet mich auch Überwindung, Granger“, versicherte er ihr, mit leiser
Ungeduld. „Du solltest langsam über deinen Wunsch hinweg kommen, mich
ausschließen zu wollen.“
„Und
das soll ich innerhalb eines Tages tun? Warum?“, entfuhr es ihr so verzweifelt,
dass sie glaubte, gleich weinen zu müssen.
„Weil
es das richtige ist“, antwortete er so sachlich, als würde jeder Mensch zu
diesem logischen Schluss kommen. So eine vollkommen schwachsinnige,
altruistische Aussage! Und ihm traute sie diese Worte erst recht nicht zu! Und
seine ganze Ruhe machte sie fertig.
„Wie
kann es sein, dass du mir das vollkommen abgeklärt vorschlagen kannst? Denn ich
hasse dich. Nach wie vor. Obwohl, nein!“, widersprach sie sich kopfschüttelnd.
„Hass ist ein zu starkes Wort. Ich will einfach nicht dieselbe Luft amen wie
du! Ist das zu viel verlangt?“
Und
langsam kroch der bekannte Zorn über sein Gesicht, was sie mittlerweile
verabscheute.
„Du
hast die Wahl! Du kannst einfach wieder abhauen, Malfoy! Du musst damit
überhaupt nichts zu tun haben! Du kannst einfach gehen!“, teilte sie ihm
überdeutlich mit, falls er glaubte, sie wollte ihm diese Wahl irgendwie
absprechen. Und er verlor ebenfalls die Geduld.
„Nein,
das kann ich nicht!“, erklärte er gepresst, als würde sie immer noch nicht
verstehen. „Denn es ist mein Sohn, Granger.“ Seine Stimme flachte ab. Und sie
wusste, sie würde irgendwann vor Verzweiflung platzen.
„Aber…
deshalb musst du unsere Leben nicht verbinden“, sagte sie tonlos, um Ruhe
bemüht, und freudlos schüttelte er den Kopf.
„Siehst
du es nicht?“, fragte er sie ernsthaft, und sie sah ihn ausdruckslos an. „Das
sind sie doch längst.“ Ja. Wahrscheinlich waren sie verbunden. Und Narzissa war
bestimmt nicht unschuldig daran. Aber in erster Linie war das Kind in ihrem
Bauch schuld daran. „Ich will einfach nur Zeit mit meinem Kind verbringen“,
sagte er.
„In
meinem Haus!“, erwiderte sie eindringlich. „Wo ich wohne!“
„Das
ist nun mal unumgänglich, oder nicht?“
Gott.
Es war eine schreckliche Wahrheit. Und sie fand es weiterhin ungerecht. Und sie
kaufte es ihm nicht ab. Sie wollte die Wahrheit.
„Warum?
Warum ausgerechnet jetzt? Jetzt, wo ich mich daran gewöhnt habe, dass ich trotz
allem mein Kind für mich gehabt hätte?“, wollte sie von ihm wissen. „Und komm
mir nicht mit irgendeinem moralischen Schwachsinn“, ergänzte sie kalt. Und er
atmete langsam aus. Und scheinbar wusste auch er, dass er, ohne etwas
Ehrlichkeit, mit seiner glatten Art gar nichts erreichen würde. Und fast
bereute sie ihre Worte. Denn seine verhandelbare Stimmung schien zu kippen. Und
sie glaubte, dass sie seine Gründe gar nicht wissen wollte. Denn für gewöhnlich
war gegen Ehrlichkeit kaum ein Kraut gewachsen. Und sie hatte Angst, dass sie
keine guten Argumente mehr haben würde.
„Weil
ich davon geträumt habe, Granger!“, sagte er jetzt freudlos und äußerst
angespannt, denn es schien ihm keinen Spaß zu machen, darüber zu reden. „Weil
es mich monatelang verfolgt hat. Weil ich mich gefragt habe, ob es ein Fehler
war, mich unfruchtbar machen zu lassen. Weil ich irgendwann nicht anders konnte.
Weil ich kein kaltes Monster bin!“, sagte er aufgebracht, und sie zuckte
zusammen, als er seine Gabel zornig auf den Esstisch warf. „Glaub mir, ich habe
es wirklich versucht“, versicherte er ihr kühl. „Ich war in vielen Ländern,
habe es verdrängt, so gut ich es verdammt noch mal konnte!“, knurrte er
gepresst. „Und irgendwann war selbst die Tatsache, dass du diejenige sein
wirst, mit der ich auf ewig verbunden bin, nicht mehr gut genug, dass ich nicht
zurückkomme. Irgendwann hat mich selbst der Fakt, dass ich von einer
besserwisserischen Gryffindor, die vollkommen wahnsinnig ist, einen Sohn
bekomme, nicht mehr aufgehalten!“
Und
ihr Blick fiel auf ihren Teller. Nein, sie bereute, dass sie gefragt hatte.
„Und
ich will dich nicht bitten müssen“, sagte er erschöpft. „Merlin, ich musste
noch nie irgendwen um irgendetwas bitten, Granger!“, ergänzte er angespannter.
„Und ich weiß nicht, wie es geht. Ich weiß nicht, was du hören willst. Ich weiß
nicht mal, was ich sagen sollte! Wenn es dir nicht reicht, dass ich meinen Sohn
haben will, dann habe ich keine anderen Worte. Und ich würde dir gerne
versichern, dass ich in Frankreich an der Seine stand und eine verdammte Münze
geworfen habe! Dass ich mein Schicksal abgegeben habe, es eine scheiß Galleone
habe entscheiden lassen! Und das habe ich!“, informierte er sie gereizt. „Aber
ich sage dir, ich hätte sie solange in die Luft geworfen, bis verdammt noch mal
Zahl auf meiner Hand gelegen hätte!“
Und
eine Träne rollte ihre Wange hinab, fast ganz unbemerkt. Er machte sie fertig.
„Und
unterschätz mich nicht, Granger! Ich hatte nicht vor, dich jemals
wiederzusehen, als wir in Potters Haus aufeinander getroffen sind, und du mir
bewiesen hast, dass du ein prüdes, für Spaß unempfängliches Miststück bist. Und
ich habe bestimmt nicht vor, mein Leben mit dir zu verbringen!“, sagte er
plötzlich. „Ich weiß, dein Mann ist gestorben, und dein Freund ist in den
Mienen abgestürzt“, informierte er sie, als wisse sie es noch nicht. „Und ich
bin nicht hier, um irgendeine Leere zu ersetzen, ich werde keinen epischen
Platz an deiner Seite einnehmen. Ich bin nur hier für meinen Sohn“, sagte er
mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie wollte nicht, dass er darüber sprach. Sie
wollte es einfach nicht hören. „Ich habe nicht vor, Zimmer mit dir zu
streichen, in einem Bett mit dir zu schlafen, Merlin, von mir aus, brauchst
mich überhaupt nicht zu beachten! Ich will nur meinen Sohn! Und du brauchst
nicht so zu tun, als richte sich auch nur eine Unze meiner Aufmerksamkeit auf
deine Person!“
Und
sie biss die Zähne so fest zusammen, denn ansonsten würde sie explodieren! Denn
wie konnte er das sagen? Wie konnte er das behaupten? Sich hier alleine in
ihrem Haus zu verschanzen, ihre Fotos anzusehen, hatte alles mit ihr zu tun!
Bestimmt nicht mit dem Kind, was sie in sich trug! Sie wischte sich zornig die
verräterische Träne von der Wange, die er weder beachtete, noch kommentierte.
Aber
er schien sich langsam wieder zu beruhigen, während sie nur noch Rot sah!
„Und
wenn er wiederkommt – dein Freund – dann soll er bitte hier einziehen, damit du
nicht denkst, ich wäre hier wegen dir! Ihr könnt liebend gerne heiraten und du
kannst ein noch kürzeres Kleid tragen, und du-!“
„-was?“,
wollte sie plötzlich wissen, und sah ihn an. Und es musste wohl daran liegen, dass
ihre Stimme lauernd und ruhig klang, dass er kurz verstummte. „Was soll das
heißen, ein noch kürzeres Kleid?“, wollte sie eisig von ihm wissen. Er schwieg
daraufhin noch immer. „Du hast also auch meine Hochzeitsfotos angesehen?“,
schloss sie bitter. Kurz mied er gereizt ihren Blick, und sie wusste, sie
konnte nicht mehr! Sie konnte ihn nicht mehr ertragen! Er hatte die letzte
feine Grenze überschritten. „Gott, du bist so…!“ Sie schüttelte den Kopf und
stand auf, ohne den Satz zu beenden. Er erhob sich gleichzeitig mit ihr und
schnitt ihr den Weg ab.
„Nein“,
sagte er fest, als er sich in ihren Weg stellte und ihren Weg abschnitt.
„Lass
mich durch“, verlangte sie gepresst.
„Wir
werden das jetzt klären, Granger“, informierte er sie ungeduldig. Und er machte
sie so wütend! Mit seiner ganzen unverschämten Art und seiner ausgewählten
Begriffsstutzigkeit, wenn es ihm gerade in den Kram passte. Und die Worte
hatten ihren Mund schneller verlassen, als sie darüber nachgedacht hatte.
„Fick
dich, Malfoy!“, spuckte sie ihm zornig entgegen, und wollte an ihm vorbei, aber
er hielt sie auf, umfasste hart ihre Schultern, und es war das erste Mal dass
er sie berührte. Ihr Blick hob sich automatisch, und sie hatte sich geirrt –
das hier war die letzte Grenze, die er deutlich überschritt. Und ihr Herz
schlug schneller, denn noch nie hatte sie jemanden so beleidigt. Sein Ausdruck
war hart geworden. Sie wehrte sich erfolglos in seinem Griff. „Ich will nichts
mit dir klären! Lass mich los!“, zischte sie böse, aber er ignorierte ihre
Proteste.
„Bist
du fertig?“, erkundigte er sich kalt.
„Fertig?!“,
wiederholte sie empört. „Nein, Malfoy! Ich bin noch lange nicht fertig, dir zu
erklären, was für ein unfassbares Arschloch du bist! Du denkst, ich lasse dich
in meinem Haus schlafen, wann du es möchtest? In deinen Träumen vielleicht!“,
rief sie hysterischer und wollte weg von ihm, weg aus seiner direkten Nähe.
„Und mein Privatleben geht dich einen Scheißdreck an! Wen ich heirate und was
ich für Kleider trage, haben dich nicht zu interessieren, verstehst du das?“,
fuhr sie ihn an und gab es auf, seinem Griff zu entkommen. Stattdessen hatte
sie nun vor, das eisige Blickduell mit ihm zu gewinnen.
„Glaub
mir, es interessiert mich nicht, Granger!“, informierte er sie abschätzend. „Du
kannst dich glücklich schätzen, überhaupt meine Aufmerksamkeit zu bekommen!
Andere Frauen-“
„-wenn
du denkst, dein Gold und dein Name haben eine überzeugende Wirkung auf mich,
dann hast du dich getäuscht!“, unterbrach sie ihn rigoros. Er war wohl
wahnsinnig! „Du warst ein unmöglicher Junge in Hogwarts, und du bist immer noch
ein unmöglicher Mann! Du brichst in Häuser ein, zum Spaß! Du verletzt fremde
Privatsphären, weil dir langweilig ist, Malfoy! Du willst einen Sohn haben? Ist
das deine neue fixe Idee, weil dir sonst zu langweilig wird und du nicht weißt,
wie du deine millionenschweren Tage füllen kannst?“
Sie
wusste nicht, welcher Nerv es war, aber sie hatte definitiv einen getroffen,
denn unbewusst verstärkte sich sein schmerzhafter Griff um ihre Schultern, und
sie verzog den Mund.
„Meine
Millionen werden meinem Sohn Türen öffnen, von denen du nur träumen kannst!“,
beantwortete er ihre Frage einfach mal überhaupt nicht! Und er war einfach nur
verlogen! Das war es, was er war!
„Ach
ja? Soweit ich verstanden habe, wohnst du lieber Kontinente entfernt von deinen
Eltern, von deinem Haus, von dem Unternehmen deines Vaters! Welche Türen willst
du-“
„-halt
den Mund!“, fuhr er sie an und sie zuckte zusammen. „Bist du ernsthaft so
verbohrt, dass du nicht mal einsehen möchtest, dass ich diesem Kind mehr zu
bieten habe als du?“, rief er ungläubig aus, und sie bäumte sich gegen ihn auf,
stieß ihm die Hände vor die Brust, und endlich fielen seine Hände von ihr ab.
Schwer
atmend sahen sie sich beide an, und er blinzelte kurz, scheinbar ein wenig
neben sich und kämmte sich abwesend die unordentlichen Haare nach hinten über
seinen Kopf, bevor er die Augen schloss und ausatmete. Seine Hand legte sich
unbewusst über seinen Mund, und mit geschlossenen Augen schüttelte er knapp den
Kopf. „Ich klinge wie mein Vater“, murmelte er erschöpft und scheinbar
fassungslos über sich selbst. Er öffnete die Augen wieder und der dunkle Sturm
in seinen eisigen Augen hatte sich etwas gelegt. Blonde Strähnen fielen ihm
zurück in die Stirn, und nur sehr kurz verfing sich ihr Blick an seinem
Unterarm, der das hässliche Mal trug.
Er
blickte knapp zur Seite, kaute abwesend auf seiner Unterlippe, ehe er den Blick
wieder auf ihr Gesicht richtete. Sie hatte immer das Gefühl, ihr Haltung zu
korrigieren, wann immer sie seinen intensiven Blick spürte, und sie wusste
nicht, warum. Vielleicht wirkte er immer kampfbereit. Vielleicht nahm er immer
eine aristokratisch überlegene Haltung ein, ohne dass er es merkte. Vielleicht
verströmte seine Erscheinung etwas, was ihre Unterlegenheit rauskitzeln wollte,
auch wenn sie nicht unterlegen war.
Seine
Größe und seine Überzeugung, seine Eloquenz, waren starke unbewusste Waffen,
die er erfolgreich einsetzte, ob er das nun mit Absicht tat oder eben nicht.
Und es machte sie fast wahnsinnig, dass sie auf seine Körpersprache ansprang,
ihm praktisch in seine unterbewussten Hände spielte, indem sie jetzt nicht
einmal davonstürmte, praktisch darauf lauerte, was er als nächste sagen würde.
Sie
würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass sie es genoss mit Draco Malfoy zu
streiten, ganz und gar nicht. Es war eine sanfte Neugierde – wenn überhaupt.
Vielleicht
schimmerten Brocken seiner unmöglichen Erziehung durch, aber sie nahm an
Narzissa und Lucius hatten das getan, wozu zwei wahnsinnige Reinblüter eben
fähig waren. Sie war schon völlig verblüfft, dass er überhaupt in der Lage war,
sich gerade selber zu reflektieren. Und sie nahm an, seine Selbstbezogenheit,
seine Arroganz waren Teil seiner jahrelangen Erziehung gewesen. Er mied keine
Konfrontation, er versuchte, jeden Blickkontakt zu gewinnen, und er gab nicht
nach.
Der
zweite Platz oder gar eine Niederlage, schienen keine Worte in seinem Vokabular
zu sein. Und sie würde nicht behaupten, dass sie verstand, warum er all das
tat. Nein! Ganz und gar nicht. Sie wollte überhaupt nicht so viel Zeit
investieren, Draco Malfoys Psyche zu verstehen, aber sie kam nicht umhin,
anzunehmen, dass er jetzt so verbissen kämpfte, weil er gewinnen wollte. Egal,
was es ihm abverlangte.
Und
fast unwillkürlich musterte sie ihn schärfer, fasste ihn näher ins Auge. Was
war es, was eine so unabhängige, erfolgreiche Frau wie Pansy in Draco Malfoy
gesehen hatte? Was zur Hölle hatte sie dazu bewogen, sein Erbgut auf jeden Fall
austragen zu wollen? War er so gut im Bett? Denn umgänglich und freundlich war
er schon mal nicht.
Oder
war es das? War es diese Art? Streiten war kein Volkssport, den Hermine mit
Hingabe betrieb, aber sie war in ihrem Element. Und auch, wenn sie ihm keine
gute Eigenschaft zusprechen wollte, so kam sie nicht umhin, zuzugeben, dass
sie, seitdem er aufgetaucht war, keine Zeit damit zugebracht hatte, traurig zu
sein. Er brachte ihr Leben ordentlich durcheinander und brauchte dafür exakt
zwei Tage.
Und
sie wusste, was sich in der Box befand. Und Malfoy wusste, was sich in ihrer
Box befand. Der Unterschied war nur, dass Malfoy sie zwang, sich damit
auseinander zu setzen. Malfoy zwang sie generell, sich mit ihrem Leben
auseinander zu setzen. Und Hermine wusste, was das Problem sein würde. – Was
ultimativ immer ein Problem sein würde.
Sie
war ebenfalls kein Monster. Aber sie war rational. Und sie hielt es ihm vor.
Sie würde es ihm immer vorhalten, denn so ungerne sie es auch zugab, sie war
nachtragend.
Denn
er war nicht aufgetaucht bist jetzt, hatte sich nicht interessiert bis jetzt.
Und
daran änderten auch zwei Tage voller Chaos nichts. Und sie war sich vollkommen
sicher, dass er wieder verschwinden würde, denn das war es doch, was er tat?
Das hatte sie selber erlebt, das hatte Narzissa unbewusst in jedem Gespräch
durchklingen lassen.
Und
es ging bestimmt nicht darum, dass sie sich gewöhnen würde. Es ging darum, dass
das Kind sich gewöhnen würde. Zwar wäre es dann sehr einfach, zu beschließen,
dass er kein Teil mehr vom Leben ihres Kindes sein würde, wenn er abgehauen
war, aber bis dahin hätte sich das Kind vielleicht gewöhnt. Und sie wollte es
vermeiden. Sie wollte einen Draco Malfoy im Leben ihres Kindes vermeiden. Einen
so schlechten Einfluss, dass sie nicht einmal einen einzigen guten Grund in
ihrem Kopf fand, sein ganzes Verhalten irgendwie zu rechtfertigen.
Und
sie wollte nicht nachgeben, nicht schon wieder einmal der bessere Mensch sein.
Sie war es leid. Sie würde ihm doch nur dabei zusehen, wie er versagen würde.
Langsam atmete sie aus. Sie hatten so lange geschwiegen, dass es bedrückend
still geworden war. Die Stille war so laut, dass es sie nervös machte.
Seine
Worte hatten sie teilweise beeindruckt. Nur teilweise. Denn scheinbar war er
zumindest zu diesem Zeitpunkt davon überzeugt, hier sein zu wollen.
Merlin,
sie wünschte, sie wäre ein schlechter Mensch.
Aber
leider war sie das nicht.
„Ok“,
sagte sie schließlich mit offenen Handflächen, völlig erschöpft, als wären sie
einen Marathon durchs Haus gelaufen.
„Ok?“,
wiederholte er unsicher. „Ok was?“ Er wunderte sich bestimmt, dass sie ihn
nicht mehr auf das Schlimmste beleidigte. Sie war schockiert über sich selbst
gewesen.
„Du
bekommst dein Gästezimmer“, informierte sie ihn zerknirscht, aber bittere
Kompromissbereitschaft war in ihre Stimme getreten. Denn sie überließ nichts
einem ehemaligen Todesser kampflos. Absolut gar nichts. „Aber es gibt Regeln, Malfoy.“
Er
wirkte so endlos überrascht, dass seine angespannten Gesichtszüge nachgaben.
Verblüfft musterte sie, als hätte er begonnen zu träumen.
„Du
willst ein Teil hiervon sein?“, erkundigte sie sich, ohne eine Antwort
abzuwarten. „Dann bist du ein Teil hiervon. Du wirst die Bücher lesen, über
Babynahrung, das richtige Wickeln, das Zubettbringen, Kinderkrankheiten – über
einfach alles, denn das habe ich bereits getan!“ Er starrte sie noch immer
perplex an. „Keine Mädchen, Malfoy. Weder in meinem Haus, noch irgendwo, wo sie
irgendwer sehen kann“, ergänzte sie kalt. „Und da ich mich die letzten acht
Monate um das Kind gekümmert habe, wirst du nicht weit weggehen in den letzten
vier Wochen, denn du wirst hierherkommen, wenn ich nach dir rufe. Du wirst mir
bringen, was ich will, sei es auch mitten in der Nacht. Du wirst die
Besorgungen machen, die ich nicht machen kann, du wirst im Mungo sitzen, wenn
die Geburt beginnt, und ich will keinen Mucks der Beschwerde von dir hören.
Denn das gehört dazu, und das schuldest du deinem Sohn, den du so unbedingt
willst!“, schloss sie, zufrieden mit sich selbst, denn sie nahm an, er würde
sie ungefähr jetzt beschimpfen und hoffentlich aus ihrem Haus stürmen.
Denn
das waren ihre Bedingungen, und sie hatte nicht vor, auch nur eine einzige zu
ändern.
Aber
tatsächlich verzog er nur den Mund. Sie wusste nicht, ob es Ironie war, als er
sprach, aber er sprach. „War das alles?“, erkundigte er sich glatt, und sie
schüttelte den Kopf.
„Nein“,
erwiderte sie mit einem schmalen Lächeln. „Keinen Alkohol mehr für dich. Und
ich möchte meinen Schnaps ersetzt haben, Malfoy“, warnte sie ihn still. „Und
wenn das Kind da ist, wirst du Nachtschichten einlegen. Du wirst hart arbeiten,
denn das hier ist kein Spiel. Familie spielt man nämlich nicht“, griff sie
seine Worte von vor einer Ewigkeit auf. „Familie bedeutet verdammt viel
Arbeit!“ Sie sah seinen Kiefermuskel arbeiten. Na? Dachte der arrogante Draco
Malfoy schon über den nächsten Streit nach? Denn sie würde nicht mehr
nachgeben. Sie war ihm entgegengekommen! Immens entgegengekommen.
„Willst
du das alles schriftlich haben?“, wollte er gedehnt von ihr wissen. „Mich in
Ketten nach Askaban schicken, wenn ich Alkohol trinke, wenn mich ein Mädchen
auf der Straße anspricht?“ Seine Stimme hatte sich merklich abgekühlt.
„Malfoy,
du-“
„-und
was genau wirst du mitten in der Nacht von mir wollen, Granger?“, fiel ihm mit
erhobener Augenbraue ein, und sein Ton hatte etwas Widerwärtiges angenommen.
„Denn Gefallen sexueller Natur kosten extra“, bemerkte er eisig. Sie verzog
angewidert den Mund.
„Weißt
du was? Du kannst-“, fuhr sie ihn wütend an, aber er unterbrach sie.
„-dann
haben wir uns ja verstanden“, ergänzte er mit ätzender Nachsicht. „Ich bin
dabei, Granger“, schloss er gleichmütig. Ihr Mund klappte zu. „Unter einer
Bedingung“, sagte er nun, und seine Mundwinkel zuckten freudlos. Er war nicht
in der Position, Bedingungen zu stellen! Das würde sie ihm jetzt klar machen!
Vor allem hätte sie niemals mit seiner Zustimmung gerechnet! Merlin, noch mal!
„Du sagst es meiner Mutter“, eröffnete er ihr, mit gewisser Genugtuung in der
Stimme.
Hermine
starrte ihn an.
Nein.
Narzissa hatte sie vollkommen vergessen. Ihr Mund öffnete sich im Protest, aber
er nickte ihr zu.
„Ich
werde im ‚Crowns Hotel‘ wohnen“, informierte er sie spöttisch. „Damit du weißt,
wo du mich finden kannst, wenn du mich nachts brauchst“, schloss er mit
erhobener Augenbraue. Und ihr kam der Gedanke, dass sie vielleicht einen Fehler
gemacht hatte. Ja, sie hatte letztendlich nachgegeben. Aber mit ihm zu
streiten, bekam ihr nicht. Sie war kurz davor gewesen, in Tränen auszubrechen.
Und außerdem bestand die Chance, dass er nicht länger als eine Woche aushalten
würde. Und sie würde ihn nerven. Er konnte sich sicher sein, das würde sie.
Und
er ging einfach so.
So
schnell, wie er gekommen war. Wie ein unwillkommener Geist.
Endlich
fiel ihre Tür ins Schloss. Aber erst mal hatte sie jetzt verdammten Hunger.
Dann
konnte sie immer noch überlegen, ob es nicht sicherer wäre, umzuziehen.
„And the danger is that in this move
toward new horizons and far directions,
that I may lose what I have now, and not
find anything except loneliness.“
Sylvia
Plath
Er war sich nicht
vollends sicher, was ihn antrieb. Vielleicht ihr Umschwung. Vielleicht seine
neue Aufgabe. Vielleicht auch die nagende Angst, dass er unausweichlich in ihr
Haus zurückkehren würde. Was ihm aber nicht völlig offenbarte, weshalb er nun
ausgerechnet dieses Haus hier aufsuchte. Zuerst glaubte er, es nicht finden zu können,
aber nach einem kurzen Fußmarsch über ein leeres Feld, ragte es windschief vor
ihm in die Höhe.
Er klopfte laut an die
Tür, so dass die Hühner in seiner nächsten Umgebung verschreckt davon liefen.
Er hörte Stimmen im Innern. Schritte näherten sich der maroden Tür. Er wappnete
sich, streckte den Rücken durch und wusste nicht, ob seine immer-imposante
Erscheinung hier Wellen schlagen würde.
„-Mum, ich habe dir
gesagt, ich repariere hier überhaupt nichts, wenn ich komme, ich-“ Weasley
hatte die Tür aufgezogen, ohne näher hinzusehen. „Harry, du-“ Er unterbrach
sich vollends verwirrt und fasste ihn näher ins Auge. „Du bist nicht Harry“,
schloss er verblüfft und hatte das Offensichtliche festgestellt.
„Nein“, erwiderte Draco. „Ist deine Mutter da?“, beschloss er, zumindest dieses
Gespräch kurz zu halten, aber Weasleys Mund öffnete sich überfordert.
„Meine Mutter?“,
wiederholte er fassungslos. „Was… was hast du mit meiner Mutter zu tun?“
Draco glaubte, Ronald
Weasley das letzte Mal bei der Ehrfeier der trostlosen Helden vor vierzehn
Jahren gesehen zu haben. Er hatte sich nicht großartig verändert. Er war um den
Bauch vielleicht etwas runder geworden. Die roten Haare wirkten dünner, und
sein Gesicht wirkte leicht schmutzig, als hätte er seinen Tag heute unter der
Erde verbracht. Aber er nahm an, das hatte er vielleicht, denn er gehörte
bestimmt zu Potters kleinem Suchtrupp.
„Liebling, wer ist es
denn?“, mischte sich Molly Weasley ein und kam ebenfalls zur Tür. „Oh“, rief
sie verwundert aus, schien ihn nicht direkt zuordnen zu können. Und Draco
beschloss, einfach auf seiner neuen Schiene weiterzufahren. Mit Dreistigkeit
erreichte man viel heutzutage, hatte er festgestellt.
„Mrs Weasley, Draco Malfoy. Darf ich reinkommen?“, erkundigte er sich höflich,
wie es ihm von den Elfen beigebracht worden war. Auch wenn er Höflichkeit in
diesem Hühnerstall nicht unbedingt angebracht fand.
„Aber sicher. Draco
Malfoy!“, rief sie lächelnd aus. „Merlin, bist du groß geworden! Hast du
Hermine schon besucht?“ Weasley warf seiner Mutter einen erschütterten Blick
zu.
„Mum, ich denke nicht,
dass er-“
„-ich war gestern bei
ihr, und wir sind uns über das Sorgerecht einig geworden“, erläuterte er der
fremden Frau vage, die ihn reingestikulierte. Scheinbar erzählte Granger
fremden Leuten einfach alles.
„Na dann werden wir bestimmt öfter was von dir haben?“, wollte sie immer noch
lächelnd wissen, und Malfoy fand sie befremdlich. Und er hoffte, das wäre
überdies nicht der Fall. Er wäre auch nicht so zuvorkommend gegenüber fremden
Leuten. Weasley hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
„Mum! Nein!“, jammerte er
fast, und Draco hörte ihn murmeln, dass er, Draco, verflucht gehörte.
„Mrs Weasley“, begann er
und übte ihren Namen kurz mental, ehe er ihn aussprach, „Hermine schickt mich.
Sie lässt fragen, ob noch eine Flasche Ihres Schnapses vorhanden ist. Da wir
gestern den Abend zusammen verbracht haben, habe ich mich etwas… gehen lassen“,
begann er mit einem falschen Lächeln, aber die ältere Frau fraß ihm förmlich
aus der Hand. Es war ein Phänomen, was er schon kannte.
„Ihr habt getrunken?“,
entfuhr es Weasley fassungslos.
„Nein“, widersprach Draco mit falscher Freundlichkeit. „Sie ist schwanger. Ich
habe getrunken.“ Aber Weasley sah ihn verstört an.
„In… in ihrem Haus?“,
wiederholte er kopfschüttelnd. „Warum?“, flüsterte er fast, wohl immer noch
unentschlossen, ob er ihn nicht aus dem Haus seiner Eltern werfen konnte.
„Ach Ronald, jetzt hör
schon auf! Ginny hat schon erzählt, dass Draco wieder in England ist. Ich
dachte mir, dass-“
„-Mum!“, beschwerte sich
Weasley kläglich. „Nenn ihn nicht so!“, bat er sie ungläubig.
„Unsinn!“, rief seine
Mutter aus. „Und natürlich habe ich noch eine Flasche. Ich hole sie aus dem
Keller, mein Lieber.“ Mein Lieber. So schnell war Draco noch nirgendwo
willkommen geheißen worden. Weasley beäugte ihn argwöhnisch. Und Draco schenkte
ihm ein dreistes Lächeln. Und er beschloss, ihn zu ärgern, denn es schien viel
zu leicht.
„Hat sie es dir noch
nicht erzählt?“, neckte er ihn jetzt, und Weasley sah ihn angewidert an.
„Was erzählt?“, wollte er
fast ängstlich wissen. Und es bereitete ihm fast Vergnügen, Weasleys Tag zu
versauen.
„Ich ziehe ein“,
erläuterte Draco zufrieden und streckte die Wahrheit ein gutes Stück. Ein sehr
gutes Stück.
„Wo?“, entfuhr es Weasley tonlos. Und Dracos Lächeln vertiefte sich.
„In ihr Haus“, erklärte
er zu gerne. Weasleys Mund öffnete sich schockiert.
„Nein“, flüsterte er
kopfschüttelnd. „Nein, tust du nicht!“, sagte er dumpf.
„Frag sie doch nächstes
Mal einfach“, schlug er ihm spöttisch vor, und Mrs Weasly kam nach oben zurück.
Und er wusste, warum ihm die Idee gefiel. Denn er wusste, er würde
zurückkehren, in ihr Haus. Und er wusste, es würde dazu kommen, dass sie dieses
Verhalten an den Tag legte, regelrecht darum bettelte, einen Streit mit ihm zu
haben.
Denn das war es, was er
ziemlich gut konnte. Dass war es bisher immer gewesen, was alle Frauen
wahnsinnig gemacht hatte. Er fand zu gerne Schwachstellen in seinem Gegenüber
und kitzelte das Feuer aus ihnen heraus. Und so ungern er es zugab – Granger
besaß ein Feuer, was ihn fast manisch anzog. Aber das würde er nicht zugeben.
Niemals laut. Gegenüber niemandem. Es war lediglich gut zu wissen.
„Hier, bitte sehr. Es
freut mich ja, dass es dir geschmeckt hat“, merkte sie freundlich an. Draco
konnte sich an diese Verhältnisse gewöhnen, dachte er belustigt.
„Es war zu köstlich, und
vielen Dank, Mrs Weasley“, verabschiedete er sich wieder. „Ich sollte gehen. Es
gibt viel zu tun“, bemerkte er mit einem Blick auf Weasley, der ihn wohl gleich
verfluchen würde, stellte er eine Spur amüsierter fest. Ja, es gab viel zu tun.
Vielleicht könnte er Granger ja noch ihren Stock aus ihrem prüden Hintern entfernen,
dachte er lächelnd.
„Bitte, nenn mich Molly.
Du willst schon gehen?“, wollte sie wissen, und Draco hätte am liebsten
gelacht. Weasley wirkte, als träume er schlecht.
„Ich muss“, entgegnete
Draco entschuldigend. Denn ja. Heute musste er sich bedauerlicherweise um noch
ein paar weitere Dinge kümmern. Granger stand nämlich nicht alleine oben auf
der Liste der Leute, die ihn zu gerne anschrien, dachte er missmutig. Sein
Vater dürfte auch schon ungeduldig warten.
„Mum, ich muss auch
gehen“, mischte sich Weasley hastig ein. Dracos Mundwinkel zuckten. Er nahm an,
Weasley würde Potter holen, damit sie einen Plan entwerfen könnten, wie sie
ihn, Draco, schnellstmöglich loswurden.
„Ron!“, warf Mrs Weasley
überrascht ein. „Du bist gerade gekommen. Du wolltest dir den Dachstuhl ansehen
und-“
„-Mum, ich muss weg!“,
unterbrach er seine Mutter und folgte ihm nach draußen, wo sich ihre Wege in
erdrückender Stille trennten.
~*~
Es
klopfte praktisch Sturm an ihrer Haustür, und sie beeilte sich in den Flur zu
kommen. Sie zog die Tür kopfschüttelnd auf. Was konnte so dringend sein? Und
wie die Artillerie standen sie vor ihrer Haustür.
„Was
soll das heißen, Malfoy zieht bei dir ein?“, wollte Ron, eine Spur rot im
Gesicht von ihr wissen und betrat ohne jede Begrüßung mit Harry zusammen ihr
Haus.
„Ron-“,
begann sie entnervt, aber Ron war wie angewurzelt stehen geblieben.
„-Hermine, was ist das?“, entfuhr es ihm tonlos und sein Blick war auf die
kleinen Geschöpfe gefallen, die ihn ignorierten und Gegenstände in ihr
Lesezimmer schweben ließen.
„Elfen“,
erklärte sie schlecht gelaunt.
„Seit
wann beschäftigst du Elfen?“, wollte Harry mit gerunzelter Stirn von ihr
wissen.
„Tue
ich nicht“, bemerkte sie und verzog den Mund. „Es sind Malfoys Elfen. Sie
schleppen dreitausend Sachen an, die er unterbringen will“, knurrte sie
praktisch.
„Gütiger
Merlin, es stimmt also?“, wollte Ron schockiert von ihr wissen, und Hermine
atmete erschöpft aus.
„Nein, Ron. Er zieht nicht bei mir ein! Und Merlin, woher wisst ihr überhaupt
davon?“, entfuhr es ihr überrascht, und dann sah sie in Harrys schmutziges
Gesicht. Er kam aus Bulgarien. „Und irgendein Zeichen?“, wollte sie
hoffnungsvoll wissen, und sie konnte Harry gar nicht sagen, wie dankbar sie ihm
war, dass er nicht aufgab.
„Wir
haben eine Spur gefunden. Es könnte allerdings auch die Spur eines Wanderers
sein. Wir werden noch ein oder zwei Tage brauchen, bis wir sicher sind.“ Harry
sprach die Worte ohne große Zuversicht. Sie wusste, er wurde langsam unruhig.
Aber sie glaubte immer noch, dass er Alec finden würde. Sie nickte dann.
„Gut,
das klingt gut. Er wird es sein. Ich bin mir sicher!“, sagte sie, aber Ron
schien gerade andere Probleme besprechen zu wollen.
„Dein
Mitbewohner war heute im Fuchsbau, Hermine“, begann er von neuem.
„Er
ist nicht mein- was?“ Sie unterbrach sich selber.
„Oh
ja. Er wollte eine neue Flasche Schnaps von meiner Mutter haben, da ihr gestern
so viel Spaß hattet, beim Trinken!“, knirschte er tiefverletzt hervor. Hermines
Augen wurden groß.
„Ich habe meinen gestrigen Tag im Mungo mit deiner Schwester verbracht“,
informierte sie Ron kopfschüttelnd. „Und Malfoy hat sich selber hierher
eingeladen und besaß die Dreistigkeit, nicht mehr zu gehen und stattdessen
meinen Schnaps auszutrinken, um besoffen auf meiner Couch einzuschlafen“, fuhr
sie wütend fort. Merlin, ihr fiel wieder ein, wie sauer sie eigentlich noch auf
ihn war.
„Und
zur Strafe darf er jetzt hier einziehen?“, vermutete Harry mit erhobener
Augenbraue.
„Nein“,
korrigierte ihn Hermine gereizt. „Ach, es ist kompliziert, Harry“, schnappte
sie beleidigt.
„Ich
bin ein kluger Kopf, Hermine. Versuch wenigstens, es mir zu erklären“, bemerkte
er spöttisch, während er sich um die arbeitenden Elfen herummanövrierte, um ins
Wohnzimmer zu gehen. Ron folgte ihm kopfschüttelnd. Schön. Also hatten sich
ihre besten Freunde scheinbar zu ihr eingeladen. Hermine folgte ihnen
ebenfalls, mit einem bösen Blick auf die Elfen, die seltsame Möbel und
Gerätschaften in ihr Lesezimmer stopften, während sie ihre Bücher alle
kleinzauberten und in Kisten packten.
„Wenn nur eines davon verschwindet oder kaputt geht, dann reiße ich eurem Herrn
seinen verdammten Kopf ab!“, informierte sie die Geschöpfe, die sie immer noch
nicht beachteten. Aber sie hatte verstanden, dass die Elfen, die Bücher
lediglich ein Stockwerk höher beförderten. Aber auch damit war Hermine nicht
wirklich einverstanden. Aber sie wollte nicht mit zehn kleinen Elfen
diskutieren. Sie betrat ebenfalls wieder das Wohnzimmer, und Harry und Ron
standen wie die englische Inquisition vor ihrem Kamin.
„Also?“,
entfuhr es Ron ungläubig, und auch Harry schien zu warten.
„Er
will das Kind“, schloss Hermine bitter.
„So
wie… Rumpelstilzchen das Kind wollte?“, erkundigte sich Harry knapp, und
Hermine atmete gereizt aus.
„Wer
ist das schon wieder?“, fuhr Ron dazwischen, und Hermine hatte keine Lust,
dieses Märchen zu erklären.
„Die
Königin bekommt ein Kind, und Rumpelstilzchen ist ein böser Zwerg, der das
erstgeborene der Königin haben möchte, um es zu essen“, klärte Harry seinen
besten Freund auf, aber Hermine schüttelte ungeduldig den Kopf, während Ron
Harry mit offenem Mund anstarrte.
„Er
will es nicht essen, er will es für seinen Zauber- ach, es ist doch völlig
egal!“, maßregelte sie sich selber, denn Ron wirkte noch verwirrter. „Malfoy
sagt, er will Vater sein und er will sein Kind sehen, und offengesagt haben mir
irgendwann die Argumente gefehlt, warum ich es ihm verweigern sollte“, schloss
sie achselzuckend. Es war eine Halbwahrheit, aber so ungefähr konnte sie Harry
und Ron die Geschichte verkaufen.
„Dir
haben die Argumente gefehlt?“, entfuhr es Ron fassungslos. „Dann rufst du das
nächste Mal über Floh an, Hermine! Dann schickst du mir einen verdammten Brief
per Eule, denn Merlin, glaub mir, mir wären die verfluchten Argumente nicht für
eine Sekunde ausgegangen!“, rief Ron ungläubig aus.
„Ron“, versuchte Harry ihn zu beruhigen, aber Ron reagierte gar nicht.
„Er
ist ein Arschloch! Er ist ein widerlicher Reinblüter, der Elfen beauftragt,
seine Möbel hier her zu schaffen! Er hat sich die ganze Zeit nicht
interessiert! Er hat kein Recht, Hermine! Er ist einfach nur-“
„-Ron!“,
wiederholte Harry wieder kopfschüttelnd.
„Was?“ fuhr Ron ihn jetzt fassungslos an. „Du gibst ihr doch wohl nicht Recht?“,
wollte er empört wissen.
„Ich gebe keinem Recht. Ich bin sicher, Hermine hat keine Luftsprünge vor
Begeisterung gemacht, als Malfoy aufgetaucht ist“, informierte Harry Ron
gepresst. „Aber überleg doch mal! Malfoy ist der Vater, und wenn er-“
„-und
wenn er selber das Kind bekommen würde!“, unterbrach ihn Ron hysterisch. „Dann
würde ich es ihm trotzdem wegnehmen, weil er Malfoy ist!“
„Ron“,
begann Hermine wieder, und Ron fuhr sich durch die orangenen Haare auf seinem
Kopf, die immer wüster lagen. „Er wird es schon nicht durchhalten“, versprach
sie ihm ruhiger.
„Was?“
Ron sah sie an.
„Ich
habe ihm klargemacht, dass er hier zu sein hat, wenn ich ihn brauche. Tag und
Nacht, wenn ich will. Ich habe ihm gesagt, dass es nicht funktioniert, wenn das
eine fixe Idee von ihm ist, wenn er die Lust verliert oder wenn er Scheiße
baut. Glaub mir, es ist für mich nicht angenehm, aber wahrscheinlich wird das
Kind… irgendwie mit den Malfoys verbunden sein. Narzissa wird ständig hier
sein“, räumte sie ein, und Rons Augen weiteten sich.
„Was?“,
wiederholte er, diesmal tonlos, scheinbar seinem nächsten Albtraum ausgesetzt.
„Merlin,
Ron, du tust so, als wüssten wir nicht, von wem ihr Kind ist!“, fuhr Harry ihn
übertrieben offensichtlich an.
„Nein,
ich weiß das, Harry!“, beschwerte sich Ron. „Aber bisher war er weg! Es hat
sich nicht die Frage gestellt, ob wir herkommen müssen, um seinen Hintern aus
Hermines Haus zu fluchen!“
„Das
wird niemand tun“, unterbrach Hermine ihn streng. Gut, sie würde es eventuell
irgendwann tun, wenn er es nicht mehr schaffte, ein Vater zu sein.
„Als
ob er hier auftauchen wird, wenn du ihn rufst! Das glaubst du doch selber
nicht“, merkte Ron bitter an. Und Hermine ging recht zielstrebig zum Kamin.
Zwar wollte sie ihn nicht schon wieder sehen, aber sie musste wohl oder übel
ihren Standpunkt verteidigen. „Was tust du?“, wollte Ron alarmiert wissen, und
sie hörte Harry seufzen.
„Ron,
du hast Hermine herausgefordert“, schloss dieser gleichmütig. Hermine warf das
Pulver in die Flammen.
„Winkelgasse,
Crown Hotel, Suite 12“, rief sie deutlich, was Malfoy ihr aufgeschrieben hatte.
Es verging ein kurzer Moment, in dem sie in die leeren Flammen starrte, während
die Verbindung hergestellt wurde. Dann klärte sich das Feuer.
Malfoy
erschien flimmernd in ihrem Sichtfeld. Er aß scheinbar. Kauend kam er näher.
„Mh?“,
wollte er kauend von ihr wissen, und sie fuhr sich unschlüssig über die Stirn.
„Äh…
könntest du… vorbeikommen?“, wollte sie wissen und hasste, dass sie fragte,
denn sie wollte ihn nicht schon wieder hier haben. Sie hasste Ron sehr kurz
dafür, dass er sie praktisch dazu zwang.
„Sofort?“,
erkundigte sich Malfoy ein wenig ungläubig, aber sie ruckte unverbindlich mit
dem Kopf.
„Ja“,
bestätigte sie kleinlaut, und er biss erneut in das riesige belegte Sandwich.
„Mh-kay“,
erwiderte er kauend und unterbrach die Verbindung. Sie stand vor den
gewöhnlichen Flammen und atmete resignierend aus. Unfassbar. Vor zwei Tagen
hatte sie nicht gewusst, wo er war und jetzt rief sie ihn an und bat ihn,
vorbeizukommen.
„Bemerkenswert“,
entfuhr es Harry mit falscher Anerkennung.
„Noch
ist er nicht da“, widersprach Ron patzig. „Kunststück! Anrufen können hätte ich
ihn auch. Das heißt noch lange nicht, dass er-“
Es
klopfte an ihrer Tür. Merlin, er war schnell. Das gab Hermine zu.
Sie
ging mit einem entsprechenden Blick auf Ron zurück in ihren Flur, an den Elfen
vorbei, die sie noch immer ignorierten, und öffnete die Tür. Er stand im
Türrahmen, sein Sandwich noch immer in der Hand. Er hatte sich umgezogen, trug
tatsächlich einen schicken schwarzen Anzug, ein strahlend weißes Hemd und eine
ungebundene Fliege um den Hals. Geduscht hatte er auch, denn sie roch sein
frisches Duschgel sowie sein sehr präsentes Aftershave. Es roch herb, aber es
roch gut. Sie schüttelte verwirrt den Kopf.
„Kommst
du rein?“, fragte sie und hasste sich dafür, dass sie ihn auch noch rein bat!
„Dauert
es lange?“, erkundigte er sich, während er wieder einmal ihr Haus betrat.
„Nein“,
knirschte sie hervor. „Und wenn du deine kleinen Geschöpfe hier bald abziehen
könntest, das wäre super“, murmelte sie knapp.
„Stören
sie dich?“, erkundigte er sich tatsächlich nahezu höflich, noch immer kauend.
„Ich habe sie beauftragt, dich nicht zu nerven“, ergänzte er. Hermine fand ihn
unfassbar.
„Sie nerven nicht. Ich finde es nur nicht richtig, dass sie deine Aufgaben
übernehmen. Außerdem brauchst du nicht so viele Sache hier, für zwei Nächte die
Woche!“, informierte sie ihn gepresst, ehe sie ihn ins Wohnzimmer
gestikulierte. Sein Blick fiel einigermaßen verblüfft auf Harry und Ron.
„Hi?“,
begrüßte er beide, ein wenig misstrauisch, ehe er sie wieder ansah. „Du
wolltest, dass ich Potter und Weasley begrüße?“, erkundigte er sich direkt bei ihr,
und sie sah nicht ein, zu lügen. Deshalb verschränkte sie die Arme vor ihrem
sehr schwangeren Bauch und schüttelte den Kopf.
„Nein.
Dein Kind wollte das“, erklärte sie mit einem feinen Lächeln, und einem
erwartenden Ausdruck auf den Zügen. Er schenkte ihr einen kurzen ungläubigen
Blick.
„Das
sind die Aufgaben, die ich wahrnehmen werde?“, wollte er von ihr wissen und aß
den Rest seines Sandwiches.
„Das
ist noch gar nichts, Malfoy“, gab sie ruhig zurück. Dann wandte sie den Blick
wieder an Harry und Ron. „Zufrieden?“
Ron
stand neben Harry wie ein bockiges Kind, das man ausgetrickst hatte. Malfoy
wirkte sehr elegant in seinem schwarzen Anzug und der Fliege, während Harry und
Ron schmutzige Uniformen trugen und sie noch immer nicht aus ihrem Bademantel
rausgekommen war.
„War
es das?“, wollte Malfoy unschlüssig von ihr wissen, nachdem sich alle drei
Männer mehr oder weniger gleichmütig angestarrt hatten.
„Ich
denke schon“, erwiderte sie letztendlich peinlich berührt, denn das war nun
wirklich ein sinnloses Zusammentreffen gewesen. Aber es ging ums Prinzip!
„Fabelhaft“,
gab er mit einem eindeutigen Kopfschüttelnd zurück. „Kannst du mir die Fliege
binden?“, warf er sie direkt aus der Bahn, als er sich ihr zuwandte. Und Harry
und Ron sahen sie einfach nur an. Unschlüssig blickte Hermine von seinem
Gesicht auf die ungebundene schwarze Seidenfliege um seinen Nacken.
Es
gab nur zwei Antworten, und irgendwie sah sie sich außerstande, zu behaupten,
sie wüsste nicht, wie man eine Fliege band. Sie hatte es von ihrem Vater damals
als zwölfjährige beigebracht bekommen, als er auf eine Zahnärztemesse gegangen
war, denn er hatte behauptet, dass eine Frau so etwas irgendwann einmal können
müsse. Cedrics Fliege hatte sie an ihrem Hochzeitstag für ihn gebunden, ehe sie
ihr Kleid angezogen hatte. Das wäre dann das dritte Mal, dass sie es tat.
Sie
nickte unwirsch und hob die Hände zu seinem Hals. Merlin, was war in sie
gefahren?
Sie
hätte vielleicht doch nein sagen sollen, denn Harry und Ron schienen jede ihrer
Bewegungen zu beobachten und zu verurteilen. Die Stille war unerträglich. Und
auch sein Blick war nicht gerade hilfreich, denn fast beobachtete er sie ein
bisschen zu demonstrativ, ließ sie praktisch nicht aus den Augen.
„Wo…
wo gehst du hin?“, wollte sie knapp von ihm wissen, um wenigstens irgendetwas
zu sagen.
„Keine
Sorge“, bemerkte er mit einem schmalen Lächeln, während sie sich darauf
konzentrierte, nicht in sein Gesicht zu sehen, als sie den seidigen Stoff
verknotete. „Ich hätte dir die Adresse zukommen lassen“, ergänzte er knapp. Der
Stoff schmiegte sich um seinen Nacken, verschloss das wohl sündhaft teure Hemd,
als wäre er dafür gemacht, um ihn gut aussehen zu lassen, und sie hob endlich
den Blick zu seinen grauen Augen.
„Aha“,
entkam es ihr peinlich berührt. Hätte er? Er meinte es wohl ernst, dass sie ihn
würde erreichen können, ging ihr auf. Sie hoffte, sie wurde nicht rot oder so
etwas. Es war ihr peinlich genug, dass er überhaupt aufgetaucht war.
„Ich
habe einen Termin bei der Vereinigung. Es geht um eine öffentliche Demütigung
vor meinem Vater und einigen anderen reichen Schnöseln“, fuhr er fort, und
endlich fielen ihre Hände von seinem Nacken, als die Fliege richtig saß. Und
sie begriff.
„Du willst da arbeiten?“ Die Worte entkamen ihrem Mund eher neutral. Und er
ruckte mit dem Kopf.
„Es
macht am meisten Sinn“, entfuhr es ihm fast resignierend.
Und
sie konnte nicht fassen, dass er mit ihr sprach, als täten sie das! Als hätten
sie sich bisher nicht immer nur gestritten! Was sollten Ron und Harry
eigentlich denken? Dass sie miteinander auskamen? Sie wusste nicht, warum er
jetzt so gesittet und manierlich tat! Es war einfach der Vorführeffekt, nahm
sie an. Es sah einfach schrecklich aus, wie sie sich beide anscheinend herrlich
verstanden!
„Hm“,
machte sie bloß. Sie hasste die Vereinigung. Und die Vereinigung hasste sie.
„Wenn
noch was ist, das ist die Adresse.“ Nonchalant reichte er ihr eine kleine
Karte. Sie brauchte diese Information nicht. Sie kannte die Adresse, dachte sie
dumpf. Sie hatte sich oft genug bei der Vereinigung beschwert. Hatte sogar
Hausverbot und eine einstweilige Verfügung von seinem Vater persönlich
aufgedrückt bekommen. Merlin, wie hatten sich die Zeiten doch geändert, stellte
sie verwundert fest.
Und
er wirkte ebenfalls nicht begeistert von diesen Plänen, die die Vereinigung
betrafen.
„Jungs“,
verabschiedete er sich eine Spur herablassend von Harry und Ron und hatte sich
abgewandt, nur der exorbitante Duft seines Parfums hing noch für einige
Sekunden im Wohnzimmer. Auf dem Flur hörte sie seine Stimme.
„Schluss
für heute“, informierte er die Elfen. „Zurück mit euch nach Malfoy Manor, und
kein Wort zur Herrin“, befahl er den Elfen, die seinem Befehl wortlos folgten
und allesamt mit einem Plopp verschwanden.
Dann
fiel ihre Tür ins Schloss. In aller Stille war sie den eindeutigen Blicken
ihrer Freunde ausgesetzt. Sie knete unschlüssig die Hände vor ihrem Bauch.
„Merlin,
was?!“, fuhr sie schließlich Ron an, der sie besonders auffällig musterte. „Du hast
bezweifelt, dass er herkommt – bitte! Er kommt, wenn ich ihn rufe.“
„Ja?
Was tut er sonst noch, wenn du ihn rufst?“, wollte Ron sehr argwöhnisch von ihr
wissen, und ihr Mund öffnete sich perplex.
„Was
genau, willst du damit sagen?“, entfuhr es ihr tonlos, mit sehr großen Augen.
Aber Ron sah sie verbissen an.
„Wofür
suchen wir überhaupt noch nach Alec, wenn du doch so einen fabelhaften Ersatz
gefunden hast?“, gab er bitter zurück. Hermines Mund öffnete sich empört.
„Das
nimmst du zurück, Ronald!“, erwiderte sie scharf. Ihr Kopf brannte mittlerweile
vor Hitze. Wie konnte er so etwas sagen? Wie konnte er so etwas überhaupt auch
nur mit reinem Gewissen denken?
„Kannst
du mir die Fliege binden?“, äffte Ron ihn außer sich nach. „Ernsthaft,
Hermine?“, fuhr er sie jetzt dann, denn anscheinend sah er irgendetwas, was
vollkommen absurd war!
„Weißt du was, solche Anschuldigungen muss ich mir nicht anhören. Wie wäre es,
wenn du gehst und darüber nachdenkst, was du mir eigentlich vorwirfst, Ron!“,
entgegnete sie zornig und kühl. Und Ron nickte nur, ließ es sich scheinbar
nicht zweimal sagen und war aus dem Wohnzimmer gerauscht. Hermine fuhr sich
über das Gesicht, als ihre Tür mit einem lauten Rums ins Schloss fiel. Dann sah
sie Harry an.
„Und?
Möchtest du mir auch noch irgendetwas völlig Abwegiges unterstellen?“,
erkundigte sie sich erschöpft bei ihm, aber Harry seufzte langsam auf. Dann
schüttelte er den Kopf.
„Ron…
macht sich nur Sorgen“, sagte er schließlich. Hermine verzog den Mund.
„Es wäre schön, wenn er vorher ein einziges Mal nachdenken würde, ehe er seinen
großen Mund aufmacht“, beschwerte sie sich beleidigt.
„Weißt
du“, begann Harry nachdenklich, lächelte dann jedoch und schien seine Gedanken
zu verwerfen, „ach nichts“, schloss er lahm, und klopfte ein wenig Schmutz von
seiner Uniform.
„Was?“,
wollte sie kleinlaut wissen, und er sah sie lange an, ehe er antwortete.
„Ich…
habe nur gedacht, wenn wir ihn nicht finden, dann-“
„-ihr
werdet ihn finden“, unterbrach sie Harry, ehe auch er noch irgendetwas
Abwegiges sagen könnte.
„Jaah“,
bestätigte er langsam. „Ich meine nur, wenn nicht, dann-“
„-nein,
Harry“, verhinderte sie erneut, dass er sprach. Etwas in ihrem Herzen zog sich
schmerzhaft zusammen. „Du wirst ihn finden. Versprich es mir“, bat sie ihn leise.
Harry sah sie gequält an.
„Hermine-“
„-versprich
es deinem Patensohn“, unterbrach sie ihn fast flehend, und sie wusste, sie
setzte ihn emotional unter Druck, verlangte ihm ein Versprechen ab, was er
vielleicht niemals würde erfüllen können. Aber er seufzte schließlich.
„Ich verspreche es euch“, sagte er dann. „Wenn er da draußen ist, dann werde
ich ihn finden. Und ich bringe ihn nach Hause“, sagte er. „Aber lässt du mich
jetzt sagen, was ich sagen wollte?“, griff er seine Worte wieder auf, und sie
nickte nach einer Endlosigkeit.
„Falls
ich… das Versprechen nicht halten kann, dann ist es gut, dass du nicht alleine
sein wirst.“
Hermine
verzichtete darauf, Harry zu erklären, dass Malfoy kein Ersatz für irgendetwas
war. Sie verzichtete darauf, Harry zu sagen, dass sie glaubte, dass Malfoy
ohnehin nach vier Wochen wieder verschwinden würde, wenn er erst mal begriffen
hatte, wie zeitaufwändig ein Kind war. Sie ruckte einfach mit dem Kopf.
„Hör
mal, ich werde mal Ron nach apparieren und ihn zur Vernunft bringen. Er hat nur
Angst, ok? Nimm ihn nicht zu ernst. Er wird sich schon entschuldigen kommen“,
versicherte ihr Harry mit einer wegwerfenden Handbewegung. Hermine nahm das
auch an. Aber jetzt war sie erst mal sauer.
„Mh“,
machte sie nur.
„Mach’s
gut“, verabschiedete sich Harry, und Hermine winkte ihm zum Abschied.
Endlich
hatte sie ihr Haus wieder für sich. Dennoch siegte ihre Neugierde, als Harry
das Haus verlassen hatte, und sie ging so gleichmütig wie sie konnte zu ihrem
Lesezimmer.
Und
ihr Mund öffnete sich leicht. An der Wand stand ein übertrieben großes
Kingsize-Bett, was nahezu das Zimmer schon fast ausfüllte. Ein schmaler
Kleiderschrank war in die Ecke gequetscht, und an ihren Wänden hing nun
seltsame magische Kunst, die sie nicht begriff. Es waren ein Haufen an Farben,
die magisch verliefen, die Farbe wechselten – und das in einer Tour. Malfoy
hatte tatsächlich vor, sich hier häuslich einzurichten, wurde ihr bewusst, als
ihr die Langhantel unter dem Bett auffiel.
Kopfschüttelnd
verließ sie ihr einst wunderschönes Lesezimmer.
„Sheldon: All right. Next question.
Kirk or Picard?
Leonard: Oh, uh,
well, that's tricky. Um, Original Series
over Next Generation, but Picard over Kirk.
Sheldon: Correct. You've
passed the first barrier to room-mate-hood.
You may
enter.“
The Big Bang
Theory
Gemütlich
streckte sie sich auf ihrer Couch. Sie hatte ihren Pyjama angezogen, die
hässliche Schnatz-Decke bis zu ihrem Kinn gezogen und blätterte nun selber bei
einer Tasse Tee durch ihr Hochzeitsalbum.
Malfoy
hatte sie irgendwie darauf gebracht. Ihr Kleid war tatsächlich etwas kurz
gewesen, stellte sie fest. Aber es hatte ihr damals so gut gefallen, und diese
langen Hochzeitskleider, die Ballkleider waren, hatten ihr noch nie zugesagt.
Und ihrem Mann hatte es auch besser gefallen. Ihre Finger fuhren liebevoll über
die Bilder von Cedric in seinem schicken Anzug. Er sah so attraktiv aus. Oder
das hatte er zumindest getan, dachte sie schwermütig.
Sie
seufzte schwer. Wenn doch Alec wenigstens nach Hause kommen würde. Sie wusste,
es mochte vielleicht für andere albern klingen, aber sie hatte immer noch das
Gefühl, dass er lebte. Und keine Spur von seinem toten Körper war ein gutes
Zeichen, sagte sie sich. Denn seinen Körper hätte Harry doch nun schon längst
finden müssen!
Liebevoll
strich sie über ihren Bauch. „Keine Sorge“, murmelte sie. „Du wirst nicht ohne
Alec aufwachsen müssen“, versprach sie ihrem Bauch. Manchmal fragte sie sich,
ob sie ihn in ihrem Kopf perfekter machte, als er war, aber sie glaubte, Alec
war einfach perfekt gewesen.
Und
es klopfte. Kurz wunderte sie sich. Wer störte sie schon wieder? War es Ginny?
War es Ron, der sich endlich entschuldigen wollte? Aber es war nach neun. Sie
schwang die Beine von der Couch, wickelte sich die Decke um die Schultern und
schlurfte zur Tür. Sie spähte durch den Spion, aber ihr Verandalicht gab nicht
wirklich viel preis.
„Wer
ist da?“, rief sie also durch die geschlossene Tür, aber unterbewusst hatte sie
sich schon abgefunden.
„Rate“,
vernahm sie Malfoys schnarrende Stimme. Sie blinzelte verblüfft. Was tat er
wieder hier? Dachte er, er könne nach heute Nachmittag hier ein und aus
spazieren?
„Ich…
ich habe dich nicht gerufen!“, rief sie fast verzweifelt.
„Mach
die Tür auf“, erwiderte er nur dumpf, und missmutig löste sie die Kette und
öffnete die Tür. Sie gab sie allerdings nicht aus der Hand, musterte ihn
lediglich. Er hatte eine Papiertüte dabei, von der ein verlockender Duft
ausging.
„Hunger?“,
erkundigte er sich, während die Fliege mittlerweile wieder lose um seinen Hals
hing. Sie starrte ihn perplex an. „Irgendwelche verrückten Gelüste? Ich habe
Hähnchenflügel, einige asiatische Sachen und Burger aus den Drei Besen dabei“,
zählte er auf.
„Ich…
ich habe keinen Hunger?“, murmelte sie ungläubig.
„Dann
bleibt mehr für mich“, erwiderte er und wollte rein, aber sie rührte sich
nicht.
„Warum…
warum bist du hier?“, entkam es ihr fast verzweifelt.
„Zum
einen hatte ich deinen Schnaps heute Nachmittag vergessen“, informierte er sie
und lüftete sein Jackett, damit sie in seiner Innentasche eine bauchige Flasche
mit Mollys Etikett erkennen konnte, „und andererseits dachte ich mir, weihe ich
mein neues Zimmer ein“, erklärte er achselzuckend. Sie sah ihn fassungslos an.
„Aber…
ich…-“
„-Granger,
ich hatte ein dreistündiges Katastrophengespräch mit diesen Vollidioten der
bekloppten Vereinigung. Außerdem wird mein Vater alles brühwarm meiner Mutter
berichtet haben, und ich habe kein Interesse daran, dass sie mein Hotelzimmer
belagert“, fuhr er ungeduldiger fort. „Bitte, lass mich rein“, bat er
schließlich, und sie wusste nicht, warum sie denselben Fehler erneut beging.
Wahrscheinlich weil er sie mäßig mit seine Anwesenheit überraschte. Sie wich
zur Seite, um ihn reinzulassen. Und sie hasste sich dafür. Wirklich. Es war
fast… kompulsiv. Sie war absolut erbärmlich, denn fast musste sie annehmen, sie
war… neugierig.
Neugierig
auf Draco Malfoy, Merlin noch mal! Auf Malfoy, der nicht locker ließ.
Es
war so falsch. Sie fand, es war einfach falsch, dass sie Malfoy in ihr Haus
ließ. Wieder einmal. Und sie fand es falsch, dass er es darauf anlegte. Und
dass sie dieses Spiel anscheinend verlor.
Schwangerschaftshormone.
Sie schob es darauf. Damit war sie bestimmt auf der sicheren Seite. Ron wäre
begeistert.
Und
er betrat ihr Haus schon völlig ohne Skrupel, ohne zu zögern. Es war einfach
falsch. Er spähte in sein Zimmer.
Was
nicht sein Zimmer war, unterbrach sie ihre Gedanken zornig!
„Etwas
klein, aber es wird erst mal gehen“, bemerkte er knapp, eh er in ihr Wohnzimmer
verschwand. Erst mal? Was zur Hölle meinte er mit erst mal, fragte sie sich
panisch, als sie ihm folgte. „Nette Decke, übrigens“, bemerkte er spöttisch, nach
dem er sich auf ihr Sofa setze. Da, wo sie vorhin gelegen hatte! Er packte die
dampfenden, verpackten Speisen aus, und vielleicht hatte sie doch etwas Hunger.
Mürrisch setzte sie sich auf ihren Sessel und ließ seinen Kommentar
unkommentiert. Die Decke war immerhin flauschig.
Ungefragt
griff sie sich einen der verpackten Burger. Er schenkte ihr einen eindeutigen
Blick, als hätte er es gewusst.
„Darf
ich mir ein Glas von deinem Schnaps nehmen?“, fragte er, obwohl sie annahm,
dass er es nur aus Höflichkeit tat, denn er war bereits aufgestanden, um sich
ein Glas zu holen. Auch wenn sie wusste, dass Höflichkeit nicht wirklich etwas
war, über das er Bescheid wusste. Er tat nur so.
„Mh.
Wieso fragst du überhaupt? Ansonsten rennst du einfach wieder zu Molly und
nutzt deinen nicht vorhandenen Charme, um noch mehr Alkohol zu bekommen“,
murrte sie, während er sich grinsend setzte, die Flasche entkorkte und sich das
Glas vollgoss.
Sie
konnte nicht fassen, dass das ihr Leben sein sollte. Draco Malfoy auf ihrer Couch,
in ihrem Haus, in ihrem Leben.
War
es nicht genau das, was er nicht hatte tun wollen, fragte sie sich dumpf?
Weshalb war er hier?
Er schien die Fotoalben bemerkt zu haben, die auf dem Tisch lagen, sagte aber
nichts dazu. Sie aßen stumm, und sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich
eine Frage auf den Lippen hatte, die sie ihm stellen wollte.
„Wie…
wie ist das Gespräch verlaufen?“, wollte sie tatsächlich wissen. Er hob den
Blick, um sie anzusehen.
„Schlecht“,
erwiderte er achselzuckend. „Je nach dem. Es lief ok, wenn man meint, für die
Vereinigung zu arbeiten sei gut“, bemerkte er bitter. Sie runzelte die Stirn.
„Du
bist seltsam“, informierte sie ihn fast unbewusst. Er sah sie schließlich an.
„Wieso?“,
wollte er tatsächlich verblüfft wissen. Merlin, er war wirklich… seltsam. Wieso
war er hier? Wieso tat er das alles? Kam es ihm nicht… seltsam vor?
Wahrscheinlich dachte er nie über die Dinge nach, die er tat, nahm sie abwesend
an. Oder er tat es und war ihr einen Schritt voraus. Sie wusste es noch nicht.
„Du
kannst für deinen Vater arbeiten“, schloss sie achselzuckend.
„Und
das heißt was? Dass ich vor Freude im Dreieck springen sollte?“, deutete er
ihre Worte mit tiefen Falten auf der sonst glatten Stirn.
„Keine
Ahnung“, erwidere sie mürrisch. „Ja? Läuft das nicht so bei euch Reinblütern?
Funktioniert euer Netzwerk nicht so?“, fragte sie ihn bitter, und er lächelte
tatsächlich. Sie vergaß kurz zu kauen, während sie seinem Gesicht dabei zusah,
wie es… heller wurde, als sich seine Mundwinkel hoben. So kam es ihr
seltsamerweise vor. Er strahlte etwas Seltsames aus, wenn er lächelte. Sie
wandte leicht den Blick.
„Keine
Ahnung, Granger. Ich habe stets versucht, so wenig wie möglich mit diesem
‚Netzwerk‘ zu tun zu haben“, griff er ihre Worte mit besonderer Betonung auf.
Sie schüttelte nur den Kopf.
„Du
spielst mit Preston Burgh in seinem Club. Ganz so weit entfernt, wie du denkst,
bist du von all den Reinblütersachen nicht“, bemerkte sie. Er schien kurz
amüsiert über ihre Wortwahl zu sein.
„Ich spiele mit Preston?“, wiederholte er grinsend. „Das ist ewig her. Mir war
langweilig“, gab er achselzuckend zu, während er scheinbar immerzu essen
konnte, ohne zuzunehmen, ging ihr auf. „Außerdem bist du selber nicht mehr weit
von all den Reinblütersachen entfernt“, bemerkte er mit Blick auf ihren Bauch.
Kurz schockierte sie seine Aussage.
„Er wird ein Halbblut“, rechtfertigte sie ihren Sohn, halbwegs überzeugt. Er
lächelte bloß daraufhin. Merlin, er machte ihr Angst. Aber das tat er, seitdem
er hier aufgetaucht war.
„Was…
was erwartest du, was jetzt passiert?“, erkundigte sie sich vage bei ihm. Er
wischte sich anschließend die Hände an einer Papierserviette aus der Tüte ab.
„Passiert?“,
wiederholte er verwundert. Sie nickte unwirsch. „Heute Nacht?“, vergewisserte
er sich, und sie nickte erneut. „Keine Ahnung, Granger. Hast du Pläne?“, wollte
er spöttisch von ihr wissen, und sie wandte den Blick wieder zur Seite. Gott,
er war so blöd. Und sie schien ihre Fallen mittlerweile selber aufzubauen,
wurde ihr resignierend bewusst.
„Wie
wäre es, wenn du mich hier duschen lässt und ich in mein Gästezimmer
verschwinde?“, schlug er ihr schließlich diplomatisch vor und erhob sich
zufrieden von ihrer Couch. „Dann kannst du dein Glöckchen nach mir läuten, wenn
dir irgendein Wunsch auf der Seele brennt.“ Sie mochte seinen Spott nicht.
Wirklich nicht. Fast glaubte sie, er wollte sie provozieren. Aber es klang
hervorragend, dass er vorhatte, sich in ihrem Lesezimmer einzuschließen, um sie
nicht mehr zu nerven.
Seufzend
erhob sie sich also.
„Komm
mit, ich zeige dir, wo das Bad ist“, murmelte sie kopfschüttelnd. Sie hatte
heute Nachmittag den Eindruck gehabt, dass er bereits geduscht hatte, aber nach
drei Stunden mit einem der Malfoys würde sie auch noch einmal duschen wollen,
dachte sie dumpf. Sie nahm an, er wusste es bereits, hatte er ihr Haus doch
zuvor schon durchsucht, wie es seine herrliche Art war, dachte sie bitter. Aber
er sagte nichts, folgte ihr die Treppe nach oben, und sie ging in ihr Bad.
„Da
hinten sind frische Handtücher, du kannst das Duschgel in der Dusche benutzen,
ansonsten… rühr bitte nichts an“, ergänzte sie knapp.
„In
Ordnung, Wärterin Granger“, bemerkte er spöttisch. Sie verdrehte die Augen und
verließ ihr Badezimmer wieder. Sie schloss die Tür hinter sich und hörte, wie
er sich auszog. Sie ging langsam wieder runter, hörte, wie er das Wasser
andrehte, und in ihrem Wohnzimmer lauschte sie der weiteren Person in ihrem
Haus.
Er
schien keine Scheu oder Hemmungen zu haben, dachte sie unschlüssig. Sie fand es
immer etwas einsam, ganz alleine. Und selbst solche winzigen Kleinigkeiten, wie
jemanden duschen zu hören, erfüllten sie mit… einer seltsamen Ruhe. Sie legte
sich wieder auf ihre Couch, griff sich ihr Fotoalbum und stahl sich einen Hähnchenflügel
aus der Box, um diesen genüsslich zu verspeisen. Es gefiel ihr, dass er Essen
in ihr Haus brachte.
Ansonsten
gefiel ihr nichts an ihm.
Allerdings
konnte sie sich nicht wirklich auf ihre Bilder konzentrieren, denn sie lauschte
den Geräuschen, die er machte. Irgendwann stellte er das Wasser ab. Sie hörte,
wie er wohl aus der Dusche kam, hörte ihn sogar pfeifen, stellte sie
mucksmäuschenstill fest.
Dann
öffnete er die Tür und eilig vertiefte sie sich in ihr Album. Ihr Blick war
starr auf ein Bild ihrer Hochzeitstorte geheftet, als er die knarrenden Stufen
hinab kam. Und aus den Augenwinkeln nahm sie seinen Körper war. Er war nackt.
Nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt. Langsam hob sich ihr Blick als sie
von der Couch aus in den Flur blicken konnte und sah, wie er nur mit Handtuch
bekleidet barfuß in ihr Lesezimmer ging und die Tür hinter sich schloss.
Ihr
Herz schlug minimal schneller. Ok. Es war ein Mann in ihrem Haus, der scheinbar
keine Scheu besaß, relativ nackt hier rumzulaufen. Oh, sie wollte nicht hören,
was Ron dazu zu sagen hätte!
Sie
lauschte den Geräuschen, die aus dem Gästezimmer kamen, und nahm an, er besaß
bereits Kleidung in seinem Kleiderschrank. Und es war spannender als ihre
Fotos. Sie klappte das Album zu, stützte sich auf der Sofalehnte ab und
fixierte die geschlossene Tür.
Sie
hörte, wie er seine Langhantel vom Boden aufnahm, hörte die metallischen
Geräusche der Gewichte, wann immer er sie absetzte, und sie sah seinen Schatten
unter der Türritze. Merlin, ihr Leben war auf einmal verflucht spannend
geworden, stellte sie fest.
Sie
war wie ein seltsamer Stalker. Irgendwann schien er mit seinem Training fertig
zu sein, und sie hörte, wie sein Bett knarzte, als er sich wohl hinlegte.
Dann
herrschte Stille.
Und
leise schwang sie die Beine von der Couch und schlich aus dem Wohnzimmer in den
Flur, um an der Tür zu lauschen. Das Licht brannte noch, und ab und an hörte
sie, wie er sich wohl räusperte.
Und
langsam hob sie die Hand. Sie war einfach ein Idiot. Das war sie. Sie biss sich
auf die Lippe, als sie unschlüssig und zaghaft an die Tür klopfte. Er sagte
nichts. Sie wartete einige unangenehme Sekunden, ehe sie sich selber räusperte.
„Malfoy?“,
fragte sie tatsächlich, und sie hörte seine eindeutig belustigte Stimme.
„Wieso kommst du nicht rein?“
Sie
öffnete die Tür. Er lag auf seinem Bett, trug eine schwarze Sporthose und ein
helles Shirt, während er wohl eines ihrer Bücher angefangen hatte zu lesen, was
noch in einer der Kisten gelegen hatte, die die Elfen nicht weggeräumt haben.
Nur nebenbei sah sie, dass es sich tatsächlich um einen der Elternratgeber
handelte. Angeberischer Bastard, dachte sie böse.
„Du
hast nicht Herein gesagt“, rechtfertigte sie sich beleidigt.
„Das
ist dein Haus“, stellte er mit erhobener Augenbraue fest.
„Na
und? Vielleicht… wärst du…- du hättest auch… nackt sein können, Merlin noch
mal!“, fuhr sie ihn jetzt wütend an. Grinsend legte er das Buch beiseite.
„Wäre dir das lieber?“, fragte er sie direkt, und ahrg! Sie hätte nicht klopfen
sollen. Sie hätte gar nicht in den Flur gehen sollen, Merlin noch mal. Und
wieder kam es ihr so vor, als tat er das mit Absicht. Oder sie wurde langsam
ein Experte für Steilvorlagen, die sie ihm selber freiwillig lieferte.
„Vergiss es“, sagte sie knapp und wandte sich ab.
„Wolltest
du irgendwas Bestimmtes?“, hakte er belustigt nach, und im Türrahmen atmete sie
energisch aus.
„Ich wollte wissen, wie es morgen weiter geht“, erwiderte sie gereizt.
„Wie
was weitergeht?“, wollte er verständnislos wissen.
„Malfoy,
du schläfst jetzt das zweite Mal in Folge in meinem Haus!“, sagte sie
ungläubig. „Soll das jetzt Gewohnheit werden? Ich verstehe nicht wirklich,
was-“
-und
er erhob sich vom Bett, und ihr wäre es lieber, wenn er das nicht tun würde,
sondern soweit wie möglich von ihr weg bliebe. Vor ihr blieb er stehen. Er roch
wieder so unfassbar frisch, trotz seines unpassenden Hanteltrainings. Aber sie
erkannte ihr Duschgel an ihm, was sie noch mehr verwirrte.
„Du
hast gesagt, ich soll Tag und Nacht auf Abruf stehen. Hast du erwartet, dass
ich das nicht tun würde?“, erkundigte er sich ein wenig verblüfft, aber ein
gewisses Maß an Berechnung klang in seiner Stimme mit, so dass sie ihm seine
Verblüffung nicht vollends abkaufte.
„Ich-
nein“, beschloss sie zu sagen, denn sie wusste nicht, was die richtige Antwort
war. Bei ihm war sie vorsichtig. Er war gefährlich. Sie verlor zu schnell ihre
Kontenance, warum auch immer. Er lehnte sich in den Türrahmen, und unbewusst
wich sie einen Schritt zurück.
„Störe
ich dich? Bin ich zu laut?“, wollte er dann geduldig wissen, und sie verdrehte
die Augen.
„Nein,
du bist nicht zu laut, Malfoy“, räumte sie gepresst ein. „Aber…“
„Aber?“,
griff er ihre Worte auf und sah sie herausfordernd an.
Aber
sie war es nicht mehr gewöhnt, irgendwen hier zu haben. Alec war nie länger als
eine Nacht am Stück geblieben. Und nicht, dass sie Malfoy mit Alec vergleichen
wollte! Es war etwas völlig anderes. Dieser Waffenstillstand, der zwischen
ihnen herrschte, war etwas, das Hermine nicht vollständig begriff. Denn es kam
ihr so vor, als wäre es nur eine Tarnung. Sie nahm an, der nächste Streit lag
nur Worte entfernt.
Und
besser, sie fragte ihn gar nichts. Besser, sie ignorierte ihn. Besser, sie fand
irgendwelche sinnlosen Aufgaben für ihn, die ihn verscheuchen würden.
„Ich
gehe jetzt schlafen“, informierte sie ihn schließlich, denn sie wollte nicht
mehr reden. Das machte alles nur noch schlimmer.
„Ok?“,
erwidert er mit leiser Belustigung in der Stimme. „Gute Nacht, Granger“,
verabschiedete er sich.
„Gute
Nacht, Malfoy“, wiederholte sie seine Worte ebenso spöttisch, und völlig
überfordert mit diesem Mann in ihrem Haus wandte sie sich ab und löschte die Lichter
im Wohnzimmer, verschloss die Haustür und schlurfte kopfschüttelnd nach oben.
Seine
Tür hatte sich wieder geschlossen, und sie wusste schon jetzt, sie würde kein
Auge zu tun können.
„You must remember this
A kiss is just a kiss, a sigh is just a sigh
The fundamental things apply
As time goes by.“
Louis Armstrong
Er
wachte auf, als er das Geräusch von Glas hörte, das zersprang. Er entfachte
sein Licht, und hatte den Zauberstab griffbereit in der Hand. Brach jemand ein?
War das so ein Haus, wo das passierte? Vielleicht war es so auf dem Land,
dachte er schlaftrunken, während er lautlos aus dem Bett schlüpfte und leise
seine Zimmertür öffnete. Zutrauen würde es dieser unterbelichteten Bevölkerung
von Godric’s Hollow. Sie verdienten es fast, ausgeraubt zu werden.
Er
schlüpfte auf den dunklen Flur. Die Geräusche schienen aus dem Wohnzimmer zu
kommen. War jemand durch die Hintertür eingestiegen? Er kniff die Augen
zusammen, schlich ins Wohnzimmer und hatte den Zauberstab erhoben. Er hoffte es
fast, damit er Granger von ihrem hohen Ross holen konnte, indem er ihr bewies,
dass sie alleine nicht zurecht kam, und er sogar
nebenbei ihr Leben rettete.
Jemand
hockte in der Küche auf dem Boden. Das Mondlicht schien durch eines der
Fenster.
„Keine
Bewegung!“, rief er herrisch, und die Gestalt zuckte zusammen. Die Scherben
fielen ihr erneut aus der Hand und zersplitterten noch mal. „Lumos!“, rief er dann, und Granger
blinzelte unter dem grellen Küchenlicht. Verwirrt runzelte er die Stirn. „Was…
was tust du?“, wollte er verständnislos wissen und ließ den Zauberstab sinken.
Sanfter Zorn funkelte aus ihren Augen.
„Ich
komme immer nachts runter und schmeiße meine Gläser kaputt, Malfoy!“, fuhr sie
ihn zornig an, aber der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Merlin,
musst du mich so erschrecken?“, wollte sie dann böse wissen, und er hob die
Arme.
„Was treibst du hier, mitten in der Nacht im Stockdunkeln?“
„Mein
Gott, was denkst du? Ich hatte Durst, Himmel noch mal!“, fuhr sie ihn an,
nachdem sie sich erneut nach den Scherben auf dem Küchenboden gebückt hatte.
„Ich konnte nicht schlafen und wollte kein Licht machen. Ich wollte mir eine
Tasse Tee- au!“, rief sie plötzlich aus. „Verdammt“, zischte sie, und er kam
gähnend näher. Sie war ungeschickt. Temperamentvoll und sehr ungeschickt.
„Wieso
machst du das mit den Händen? Wofür hast du deinen Zauberstab?“, wollte er
verständnislos wissen, kniete sich vor sie, nahm ihr die Scherben aus der Hand
und warf sie in ihren Müll, ehe er sich wieder hinkniete. Sie hatte sich in den
Finger geschnitten. „Halt still“, sagte er, aber bevor er ihre Hand ergreifen
konnte, zog sie die Finger zurück. Sie schien generell vor ihm zurückzuweichen,
es war ihm abends schon aufgefallen.
„Ich kann es selber heilen“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen, aber er
verdrehte die Augen und ergriff ihre Hand. Zickig war sie auch.
„Du
hast keinen Zauberstab, also halt einfach still und stell dich nicht so an“,
sagte er und heilte den winzigen Schnitt mit einer stummen Formel. Die Wunde
schloss sich in Sekunden, und er bemerkte erst jetzt, dass er tatsächlich ihre
Hand hielt. Sie war sehr warm. Schon hatte sie ihm ihre Finger entzogen. Ihr
Verhalten entging ihm nicht.
Kurz
nahm er an, dass sie die Spannung vielleicht ebenfalls spürte, aber dann
wiederum glaubte er nicht, dass Granger bewusst empfänglich dafür war.
Sie
erhob sich, ohne sich zu bedanken. Das hatte er auch nicht wirklich erwartet.
Sie war eher in der Stimmung ihn unausstehlich zu finden. Er musterte sie. Sie
wirkte müde, ein wenig zu übermüdet.
„Du
hast noch nicht geschlafen?“, stellte er eine kaum ernstgemeinte Frage.
Wieder
einmal zog sie es vor, ihn zu ignorieren. Es machte ihn wahnsinnig, wenn er
ehrlich war. Sie griff sich eine weitere Ministeriumstasse und warf einen
Teebeutel hinein. Und widerwillig rang er sich die Frage ab.
„Brauchst
du… irgendetwas?“, wollte er unschlüssig von ihr wissen, denn tatsächlich war
er ja hier, um dafür zu sorgen, dass sein Sohn alles bekam, was er wollte. Das
war der Deal. Und da sie zurzeit auf seinen Sohn quasi aufpasste, musste er ihr wohl diese Gefallen tun. Bisher hatte er zwar lediglich hier her
apparieren müssen, um Potter und Weasley Hallo zu sagen, aber vielleicht würde
sein Job irgendwann größere Herausforderungen von ihm verlangen, dachte er
dumpf.
„Nein“,
sagte sie nur, ohne ihn anzusehen. „Ich… bin keine Gäste gewohnt. Das ist
alles.“
Fast
wollte er sagen, er wäre kein Gast, aber irgendetwas in ihm hielt ihn auf, das
zu tun.
Er
war schon kein Gast alleine aus dem Grund, dass sie ihn nicht gebeten hatte,
hier zu sein. Gäste waren für gewöhnlich willkommen, zumindest in den besten
Fällen. Und er wusste, er war ganz bestimmt nicht hier, weil sie es wollte. Er
wusste, warum er hier war.
Und
es war etwas Neues. Denn für gewöhnlich wohnte er mit keiner Frau einfach nur
zusammen. Für gewöhnlich war auch keine Frau mit seinem Sohn schwanger, fiel
ihm abwesend ein.
Unwillkürlich
betrachtete er sie. Ihr Bauch war sehr rund und wölbte sich unter ihrem
Schlafanzugoberteil Er konnte sich beim besten Willen kaum noch ins Gedächtnis
rufen, wie sie ausgesehen hatte, als sie ihn bei Potter erwischt hatte. Aber er
wusste, auch da hatte sie einen scheußlichen Liebestöter getragen. Fast wollte
er schmunzeln über seinen mentalen Scherz, aber seine Gedanken sponnen sich
weiter.
Er
hatte ihre Fotos gesehen. Und wenn sie nicht diese absolut figurunfreundlichen
Sachen trug, dann besaß sie tatsächlich einen ansehnlichen Körper. Aber das war
es nicht wirklich, was ihn abgeschreckt hatte. Nichts, was sie tragen konnte,
war es auch noch so abscheulich konnte einen Mann wirklich abschrecken. So
waren Männer nicht gestrickt. Kleidung war oberflächlich. Kleidung wurde man
eventuell los. Es ging tiefer als das.
Sie
war so… reserviert. So… zugeknöpft, als müsse sie sich selber beweisen, wie
zurückhaltend sie war. Er hatte sie so unfassbar langweilig gefunden, dass er
hätte einschlafen können. Allerdings… konnte sie auch anders.
Und
das hatte er erst acht Monate später hier in ihrem Haus erfahren. Und er war
nicht stolz darauf. Nein, er gab es zu. Aber er war ein neugieriger Mann.
Männer waren so, überlegte er mit einem nahezu unsichtbaren Schmunzeln.
„-was?“, wollte sie plötzlich von ihm wissen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass
sie ihn irgendwann auch angesehen hatte. Er schnappte aus seiner Starre.
„Nichts.
Lass mich das machen“, lenkte er seinen Verstand ab, und nahm ihr den Teekessel
aus der Hand.
„Ich
kann das alleine“, erklärte sie ihm missmutig, und er sah sie an. Merlin, ihre
kleine Mauer stand unerschütterlich um sie herum. Seine Mundwinkel zuckten
wieder kurz. Er nahm an, das könne er ändern. Er war ein Meister im Mauern
überzwingen.
„Das
ist mir bewusst, Granger“, entgegnete er mit Bedacht, aber sie schien
aufmerksamer zu werden. „Ich weiß, dass du alles alleine kannst“, fuhr er
nickend fort. „Du kannst sogar alleine schwanger werden“, entfuhr es ihm, mit
unverhohlenem Spott. Sie sah ihn an aus großen, dunklen Augen, schien erst
einmal abzuwarten. „Aber jetzt gerade bin ich hier“, informierte er sie
achselzuckend. „Und ich dachte, du hast mir deutlich gemacht, dass ich hier
Aufgaben übernehmen soll?“, schloss er mit dem richtigen Maß an Nachsicht, um
zu erkennen, dass ihre Augen dunkler vor Wut wurden, während er Wasser in den
Kessel füllte und den Herd entfachte.
„Malfoy-“,
begann sie, aber er wandte sich um.
„-was?“,
unterbrach er sie gespannt. Sie blickte entnervt zur Seite. Das war tatsächlich
etwas, das er nicht kannte. Er kannte, dass Frauen zornig wurden und schrien,
sicher. Das antizipierte er ja auch. Aber dass sie tatsächlich genervt von ihm
war, das war etwas Neues. Beinahe faszinierte ihn ihre Ablehnung schon zu sehr.
„Ich
will keinen Tee mehr“, eröffnete sie ihm, fast trotzig. Und er verdrehte die
Augen, als er den Kessel vom Herd nahm und das Feuer wieder löschte. Sie wollte
spielen? Er konnte spielen!
„Ok“,
sagte er achselzuckend und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie rührte sich
nicht, sah ihn einfach nur an. Er spürte es. Ihre Schwächen waren fast zu
leicht zu durchschauen. „Du bist anstrengend“, sagte er schließlich, fast mit
einem Lächeln auf den Lippen.
„Bin
ich nicht!“, entkam es überrascht und defensiv ihren Lippen.
„Doch,
Granger“, bestätigte er die offensichtliche Tatsache. „Du bist absolut
schrullig“, fuhr er kopfschüttelnd fort.
„Ich bin was?“, rief sie empört, und er zuckte die Achseln.
„Das
ist nicht ungewöhnlich. Du bist seit Jahren Single, lebst alleine, hast
niemanden um dich, der-“
„-ich bin kein Single! Und woher nimmst du deine Weisheiten, Malfoy? Soweit ich
weiß, hast du auch keine Verlobte oder eine Frau!“, fuhr sie ihn böse an. Er lächelte
schlicht. Er hatte sie. Sie lief ihm in die Falle. Sehenden Auges. Arme Granger.
„Ich
befinde mich immer in Gesellschaft von Frauen, damit ich mir auf gar keinen
Fall solche Symptome aneigne“, bemerkte er mit einem entsprechenden Blick auf
ihre Gestalt.
„Und welche Symptome sollen das sein?“, wollte sie lauernd wissen, und es
machte Spaß, er gab es zu. Sich mit jemandem zu streiten, der sich geistig auf
seinem Niveau befand, war mal etwas Neues. Es machte mehr Spaß, als er je
gedacht hatte.
„Och,
du weißt schon“, antwortete er achselzuckend, ein Lächeln auf den Lippen, „das
Eremiten-Dasein, soziophobe Verhaltensformen, nichts teilen wollen“, fuhr er
spöttisch fort, dachte sich die Dinge praktisch beim Sprechen aus dem Stegreif
aus. Sie sah ihn böse an.
„Ich
bin nicht soziophob!“, knirschte sie.
„Du
hast nicht mal Sex, um schwanger zu werden“, bemerkte er eindeutig, und ihr
Mund klappte auf und wieder zu, ehe sie wütend wurde.
„Na
und?“, wollte sie provozierend wissen. „Du hast anscheinend nur Sex, mit
niemals der Absicht, eine Familie zu gründen!“
„Ich
bin ja auch nicht wahnsinnig“, bemerkte er knapp. Finster sah sie ihn an. „Oder
ich war zumindest nie so wahnsinnig“, korrigierte er sich mit einem Blick auf
ihren Bauch.
„Ich
bin nicht wahnsinnig!“, klärte sie ihn beherrscht auf. Und er nahm an, dass
sich Granger in Beziehungen wohl nie gestritten hatte. Sie wirkte wirklich
unerfahren auf dem Gebiet. Sie nahm einfach alles ernst, verteidigte alles bis
aufs Blut. Aber er nahm an, Diggory war ein Waschlappen gewesen. Und dieser
verschollene Dermont? Ihn kannte er nicht wirklich. Aber wenn Granger einen Typ
besaß, dann waren es wohl die einfach gestrickten, nahm er grinsend an.
„Wieso
grinst du?“, wollte sie gefährlich ruhig wissen. Es war herrlich, wie sie
praktisch kochte vor Wut, nur weil sie glaubte, er belächelte sie.
„Kein
besonderer Grund“, neckte er sie, reizte er sie noch ein bisschen mehr, denn
sie bekam bereits rote Flecken vor Wut. Er nahm an, Granger liebte ihre
verquere einsame Ordnung in ihrer Welt. Wie nett, dass er nicht vorhatte, ihre
Ordnung einzuhalten. Sie war so prüde und langweilig, es machte Spaß, ihren
verschlafenen Kampfgeist aus der Reserve zu locken. „Ich habe nur überlegt,
dass mir klar geworden ist, weshalb aus Weasley und dir nie ein Paar geworden
ist“, stellte er fest, während er sich nonchalant an die Tresenkante lehnte.
Ihr
Mund öffnete sich verblüfft einen Spalt, ehe sie ihn ungläubig ansah.
„Bitte?“,
entfuhr es ihr vollkommen fassungslos, und er ruckte mit dem Kopf.
„Ich
meine, du warst doch mit beiden unterwegs einen Krieg gewinnen?“, griff er die
alte Geschichte wieder auf, und sie schien nur darauf zu lauern ihn
anzuschreien. „Und na ja…“, bemerkte er eindeutig. „Man sollte meinen,
zumindest einer schafft es am Ende, das Mädchen zu erobern“, schloss er
schlicht. Sie schüttelte wohl fassungslos den Kopf. „Aber mir ist jetzt klar,
warum.“ Er stieß sich von der Kante ab und schritt an ihr vorbei. Fast zählte
er die Sekunden in seinem Kopf, denn er wusste, sie würde anbeißen.
Drei,
zwei, eins…-
„-ach
ja?“, ertönte ihre Stimme. „Und warum?“, wollte sie eisig wissen. Mit einem
feinen Lächeln wandte er sich um.
„Potter
ist ein tragischer Held und jenseits jeder Liga“, stellte er achselzuckend fest.
„Und Weasley käme meines Erachtens in Frage“, bemerkte er, während er sie
entsprechend musterte. „Allerdings… hat er eine Meinung“, schloss er, und sein
Lächelnd vertiefte sich. Ausdruckslos sah sie ihn an.
„Er hat eine Meinung? Was soll das für ein bescheuerter Grund sein, Malfoy?“,
fuhr sie ihn verständnislos an.
„Ich
denke mir, du willst keinen Mann, der eine eigene Meinung hat, der es
tatsächlich wagt, mit dir zu streiten. Dem du nicht einfach alles aufzwingen
kannst, und der sich nicht einmal darüber beschwert.“ Wow. Das hatte gesessen.
Sie sah ihn so entgeistert an. Es war, als fühle sie all diese Sachen zum
ersten Mal. Die Entgeisterung wich dem endlosen Zorn, den er bereits kannte. Es
war faszinierend, was er alles zum Vorschein bringen konnte. Er sah ihr zu
gerne dabei zu, wie sie förmlich explodierte.
Denn
wenn er ein Talent besaß, dann war es das. Er brachte es fertig, die Menschen
dazu zu bringen, ihre wahren Gefühle zu zeigen. Das war vor Gericht ein Vorteil
für ihn, und privat…? Da machte es das Feuer in jeder Beziehung aus.
„Du
bist einfach nur ein Idiot!“, konnte sie sich wohl scheinbar nicht mal
beherrschen. Aber er wusste ja, das konnte sie besser. Sie hatte ihn schon
durchaus schlimmer beleidigt, erinnerte er sich und konnte nicht aufhören, zu
lächeln.
„Also
habe ich recht?“, erkundigte er sich zufrieden und ihr Atem hatte sich
beschleunigt, als sie näher kam.
„Nein!“,
rief sie böse. „Und es geht dich auch überhaupt nichts an, weshalb ich weder
mit Harry noch mit Ron zusammen gekommen bin!“, entkam es ihren Lippen,
zitternd vor Zorn. „Und nur, weil ich mit dir streite, heißt es nicht, dass…
dass…“ Kurz schien sie den Faden zu verlieren, vor Wut. „Wie kannst du es
wagen, solche Behauptungen über mich aufzustellen?“, brauste sie jetzt auf.
„Hast
du dich mit deinem Mann gestritten?“, wollte er jetzt mit erhobener Braue
wissen, und warf sie aus der Bahn mit dieser Frage. Ihre Augen weiteten sich
wieder. „Einmal? Ein richtiger Streit, Granger? Denn mir kommt es so vor, als
hättest du das noch nie getan!“, fuhr er belustigt fort.
„Nur
weil du damit deine Galleonen verdienst, Malfoy, heißt es nicht, dass andere
weniger wert sind, die es nicht tun! Und glaub mir, ich streite mich! Auf
meiner Arbeit habe ich regelmäßig mit Vollidioten wie dir zu tun, wegen denen
ich mich mehr als aufrege!“, erklärte sie ihm mit roten Wangen.
„Ich
rede nicht von sinnlosen Debatten mit der Vereinigung, der du Gold wegnehmen
möchtest, Granger. Ich rede von privaten Streits. Echte Streits“, ergänzte er,
hob die Arme und musste wieder lächeln. „Streits, die das Feuer in der
Beziehung ausmachen“, fuhr er fort.
„Normale Menschen müssen das nicht tun!“, fuhr sie ihn zitternd an. „Normale
Menschen brauchen das nicht, Malfoy. Ich habe das nötig! Denn ich habe meine
Partner geliebt. Und wenn man sich liebt, dann streitet man nicht!“, endete sie
und war so nahe gekommen, dass er glaubte, gleich würde sie ihn schlagen.
„Bullshit,
Granger“, erwiderte ernst, vielleicht ein wenig atemloser. „Streiten gehört
dazu, wie die Luft zum Atmen“, klärte er sie auf. Merlin, er und Juliette
hatten sich praktisch jeden Tag gestritten. Und es war immer die beste Zeit.
Denn der Funke ist praktisch immer dann übergesprungen, wenn sie beide damit
gedroht hatten, den anderen umzubringen. Er dachte an die Streite mit Pansy –
Merlin… Pansy hatte schreien können. Zwar hatte sie nie Grangers Niveau
erreicht, aber es war unterhaltsam gewesen. „Und weißt du was?“, provozierte er
sie noch ein klein wenig mehr.
„Was?“,
knurrte sie gepresst, die Hände zornig in ihre Hüften gestemmt.
„Du
kannst mir nicht sagen, dass dir das nicht gefällt“, bemerkte er lächelnd.
„Was,
Malfoy? Dass du mir den letzten Nerv raubst, mit deinen bescheuerten Ansichten
und deiner nervtötenden Anwesenheit?“
„Ja“,
bestätigte er ruhig. „Seitdem ich hier bin, verfällst du in keine Depression,
Granger. Wahrscheinlich bin ich das Beste, was dir überhaupt in den letzten
Jahren passiert ist“, behauptete er zufrieden. Ihre Hände hatten sich zu
Fäusten geballt.
„Hörst du dich eigentlich reden?“, wollte sie hysterisch wissen. „Es gefällt
mir nicht, Malfoy!“, rief sie verzweifelt. „Ich kann schon nicht mehr schlafen,
weil ich nicht weiß, wie ich die Zeit mit dir überstehen soll! Ich hasse es, dass du hier bist! Und ich hasse, dass ich es meinen
Freunden erklären muss! Ich hasse, dass du überhaupt ein Anrecht an diesem Kind
hast, und es schlägt mir auf den Magen, dass ich immer damit rechnen muss, dass
wir aneinander geraten, einfach weil du ein Arschloch bist!“
Und
lächelnd schloss er den Abstand. Er liebte das Spiel. Zwar hätte er nicht
gedacht, dass er es mit Granger jemals irgendwann spielen würde, aber er konnte
gar nicht anders, hatte er festgestellt. Er wollte sie nur ein wenig ärgern. Er
wollte ihr nur zeigen, dass sie nicht anders war als all die anderen, von denen
sie dachte, sie stünden unter ihr.
Er
war schon immer ein Gönner gewesen, dachte er selbstgerecht. Er öffnete ihr
gerne die Augen für das, was sie verpasste.
„Du
kannst mir später danken“, erwiderte er mit anzüglichem Blick auf ihr Gesicht,
und ihre Augen sprühten zornige Funken.
„Ich
werde dir niemals danken, Malfoy!“, zischte sie ungehalten. Ihr ganzer Körper
bebte vor Zorn. „Für gar nichts!“
„Präg
dir dieses Gefühl ein, Granger“, erwiderte er sanft, hielt ihren Blick
gefangen, „genau das hier“, ergänzte er, während sein Blick über ihre
Sommersprossen wanderte, über den sanften Schwung ihrer Lippen. „Versuch dich
zu erinnern, wie das Blut in deinen Ohren rauscht, dein Herz dir bis zum Hals
schlägt, weil dein Gegenüber tatsächlich alles von dir abverlangt, weil du
deine Meinung so unbedingt vertreten willst. Wie dich tatsächlich jemand
herausfordert, von dem du weißt, dass er nicht nachgeben wird“, flüsterte er
jetzt. „Das Gefühl, wenn man sich selber in Frage stellt? Und das alles nur,
wegen einer einzigen Person“, schloss er, und seine Mundwinkel zuckten. „Und
meiner Ansicht nach, sollte jede gesunde Beziehung so funktionieren, Granger.“
Ihr
Kiefermuskel hatte sanft nachgegeben, und ihre Lippen hatten sich einige
Millimeter geteilt, während sie seinen Blick erwiderte. „Und ich bin hier, habe
ein Zimmer in deinem Haus, aus einem simplen Grund“, fuhr er mit einem
anzüglichen Schmunzeln fort. Ihre Augen wanderten kurz zu seinen Lippen, nur um
ihn noch hasserfüllter anzustarren. „Du warst neugierig, Granger“, sagte er
zufrieden.
Sein
Herzschlag hatte sich unwillkürlich beschleunigt.
Und
sie hatte ausgeholt, aber seine Reflexe waren besser als ihre, und er fing ihr
Handgelenk ab, umschloss es fest mit seinen Fingern, zog an ihrem Arm, und sie
stolperte praktisch gegen ihn.
Er
hatte sich vollkommen um Sinn und Verstand geredet, stellte er schließlich
fest, während sie vor ihm in Flammen stand. Und es war eine echte
Verschwendung, dachte er träge. So viel angestaute Energie und sexuelle
Spannung zu vergeuden. Sein Herzschlag hatte sich durch die plötzliche Nähe und
ihrem wachen Hass in den Augen verdreifacht.
Und
er wollte gerne noch etwas Schlagfertiges sagen, aber wahrscheinlich würde es
den Moment ruinieren. Es war ein perfekter Moment, nach all seinen Maßstäben.
Und sie könnte ihm später wirklich danken, überlegte er dumpf. Er wollte… nur
einmal probieren, wie es war, nur einmal… kosten….
Und
bevor der Moment vorüber gehen würde, schlang er seine freie Hand um ihren
schlanken Nacken, und der Hass in ihren Augen schien kurz zu gefrieren, als sie
wohl begriff, was er tun würde.
Die
letzte Sekunde verging so langsam, als passierte es in Zeitlupe, als wolle die
Zeit für eine Sekunde innehalten, ihm die Chance geben zu begreifen, was für
ein massiver Fehler das war, in den er sich manövriert hatte. Aber es war
gerade ziemlich sinnlos, und die Sekunde tickte weiter.
Und
er spürte, wie sie unter ihm zitterte, als er den Abstand schloss.
Und
es war wie ein mächtiger Schlag, als sich ihre Lippen trafen. Er konnte
überhaupt nicht vermitteln, wie dringend er das hier jetzt tun musste, wie
wichtig es war, denn sonst würde er wirklich explodieren. Er hatte noch nie
erlebt, dass es ihm solchen Spaß gemacht hatte, ein Mädchen derart zu
provozieren, dass sie praktisch Gewalt anwenden wollte, um ihm zu begegnen.
Und
es war seinem Körper scheiß egal, dass er niemals wirklich vorgehabt hatte,
seinen Instinkten nachzugeben und ausgerechnet dieses Mädchen tatsächlich
anrührte! Es war seinem Körper herrlich egal! Denn es fühlte sich
unbeschreiblich an. Diese angestaute Wut, dieser Kick, den es ihm verpasste,
sie zu berühren. Es war wie jedes Mal, wenn er es tat, und doch war es völlig
neu.
Und
er hatte es gestern schon gespürt, denn sie reizte etwas in ihm. Etwas Dunkles
und Primitives, was sie wahrscheinlich in jedem Mann reizen konnte, was aber
kein Mann wirklich auskostete.
Und
sie war kein Troll. Unter dieser unschönen Schwangerschaft verbarg sich eine verdammt
ansehnliche Figur, auch wenn sie alles tat, um sie zu verstecken.
Ihre
Lippen bewegten sich unter seinen, und mit seinen Lippen öffnete er ihren Mund,
seine Zunge musste praktisch die ihre berühren, es ging gar nicht anders! Er
würde sonst verbrennen, wenn er sich keine Erleichterung verschaffen konnte! Er
war schuld. Er hatte sein verdammtes Spiel zu weit getrieben, und er brauchte
das hier jetzt!
Und
sie ließ es zu! Er meinte, sich einzureden, sie käme ihm sogar entgegen!
Verflucht! Es war wie der Auftakt zu etwas großartigem, als jedes bisschen Luft
zwischen ihnen verschwand, und er grollend und immer noch unfassbar geladen vor
Anspannung, seine Zunge in ihren Mund drängte, sich nicht halten konnte, sie
spüren musste, sie schmecken musste.
Es
war, als würde die Zeit selber den Atem anhalten. Denn ihm war zumindest
unterbewusst klar, dass er hier in ihrem Haus schon einige Grenzen
überschritten hatte – aber das hier… das konnte er nicht zurücknehmen. Das war
etwas, mit dem er sich später auseinander setzen würde. Später, riet ihm seine
pochende Erektion.
Und
ihre Zunge war heiß! So unfassbar heiß. Und sie stieß gegen seine, und sein
Kopf legte sich automatisch sanft zur Seite, er schlang seinen Arm um sie,
während herrliche Gefühle seinen Schwanz belebten, und seine Zunge mit ihrer
focht, und das unglaubliche Gefühl ihn praktisch um den Verstand brachte! Ein
guter Streit war das beste Aphrodisiakum, er wusste es. Und Merlin, ihr Bauch
war praktisch unüberwindbar! Er war es nicht gewöhnt, so dicke Frauen zu-
-und
dann spürte er es…
Und
es verscheuchte alles, was er gedacht hatte. Alle kindischen Spiele, die er mit
ihr gespielt hatte.
Es
trat!
Das
Baby trat mit mächtigen kleinen Tritten gegen ihren Unterleib! Und er spürte es
durch ihr Oberteil. Sein Körper spürte es. Und fast sanft löste er sich von
ihr, beendete den Kuss früher als geplant, denn er musste. Er entfernte sich
nicht weit, aber weit genug, dass er spürte, wie sie nach Luft schnappte. Ihre
Augen öffneten sich blinzelnd und schwer. Und er war ihr so nahe, dass er die
goldenen Funken in ihrer Iris erkennen konnte, unter dem hellen Licht der
Lampe. Ihre Wangen waren so verflucht rot, ihre Lippen geschwollen, und er war
ihr so nah, dass er es immer noch spüren konnte.
Er
konnte es spüren!
Es
war absoluter Wahnsinn. Sein Herz schlug so schnell, und er musste es sagen. Er
musste!
„Er…
tritt“, flüsterte er mit rauer Stimme, hielt sie immer noch gegen sich
gedrückt, und sie wirkte so völlig überfordert, noch nicht ganz von ihrem Trip
zurückgekehrt, den er ihr beschert hatte. Und er musste es wieder fühlen,
konnte sich kaum abhalten, denn er trat! Er war echt, er war real!
Abwesend
ließ ihr ihr Handgelenk los, was er fest umschlossen hatte, um beide Hände auf
ihren Bauch zu legen. Er begriff überhaupt nicht, was er tat. Und es war
gleichermaßen schrecklich, wie es unfassbar war….
Er
hatte abstrakte Gedanken von diesem Kind gehabt. Er hatte Granger niemals
wirklich als die Frau gesehen, die… die sein Kind bekam. Es war eher ein weit
entferntes Konzept gewesen. Sie war eine dicke Frau, und er war der sportliche,
gönnerhafte Vater, der ein paar Mal die Woche einen Säugling besuchen würde –
so ungefähr hatte er es sich vorgestellt. So funktionierte doch das scheiß Pflichtgefühl,
was er sich auferlegt hatte. So funktionierten alle seine Entscheidungen für
gewöhnlich. Er zwang sich, Dinge zu tun, die er nicht wollte, und irgendwie
funktionierte es für eine gewisse Zeit.
Atemlos
fixierte er ihren Unterleib, der sich tatsächlich sanft bewegte unter jedem
kleinen Tritt. Und innerhalb einer Sekunde war alles real geworden.
Und
es war nichts mehr, was er noch steuern konnte. Er war gekommen aus falschem
Pflichtgefühl, er hatte mit ihr spielen wollen, weil sie so unverbesserlich gewesen
war, und jetzt…?
Jetzt
änderte das Kind seine ganze Taktik mit nur einem einzigen Tritt.
Es
traf ihn so schnell in sein Herz. Ein scharfer, unbekannter Schmerz. Aber ein
unglaublicher Schmerz. Denn er wusste
plötzlich, das hier war sein Sohn.
Und
er wusste nicht, was es für ein Gefühl war! Er wollte nur nicht, dass es wieder
fort ging!
Denn,
Merlin, er war derjenige, der angebissen hatte! Fast war es wie Ironie. Fast
kam es ihm vor wie eine Falle, die Granger für ihn aufgestellt hatte. Und wie der
letzte Idiot war er hineingelaufen. Wie wahrscheinlich jeder Vater vor ihm
auch….
Granger…,
fiel seinem trägen Verstand wieder ein! Und er hob den Blick, um sie anzusehen.
Denn er musste wissen, ob sie ihn jetzt hassen würde.
Und
mit fast absoluter Sicherheit… nahm er das an.
„He stepped down, trying not to look
long at her,
as if she were the sun, yet he saw
her,
like the sun, even without looking.“
Leo
Tolstoy
Und
wow – sie nahm an, es mussten Schwangerschaftshormone sein, denn ihr Unterleib
kribbelte plötzlich unter seinem intensiven Blick. Sie war so aufgewühlt, und
seine Finger hatten ihr Handgelenk effektiv umschlossen. Ihre Lippen hatten
sich sanft geteilt, vielleicht vor Verwunderung oder Überraschung, und der seltsame
Umschwung war nicht an ihr vorüber gegangen, und kurz fiel sein Blick auf ihren
Mund. Hermine bemerkte es. Neben all der Wut, neben dem Zorn, bemerkte sie es.
Das
Kribbeln wurde übermächtig.
Eine
Sekunde, zwei Sekunden – Zeit, zu gehen, Hermine, dachte sie mit klopfendem
Herzen. Zumindest sollte sie den nötigen Schritt Abstand zwischen sich und ihn
bringen, erinnerte ihr Verstand sie dumpf. Denn… sie war nicht neugierig! Sie
war unfassbar wütend auf ihn!
Ihr
Atem ging schwerer, und oh Gott, antizipierte sie etwa, was folgen würde? Ihr
dummer Körper schien regelrecht darauf zu warten, schien so sehr darauf
anzuspringen. Und es passierte tatsächlich so plötzlich, dass ihre weiteren
Gedanken ein jähes Ende fanden.
Seine
Lippen trafen auf ihre, innerhalb eines Herzschlags, schneller als dass sie es
überhaupt hatte begreifen können.
Völlig
regungslos verharrte sie unter seinem Kuss, während ihre Mitte förmlich
explodierte vor Gefühlen, und nur sehr vage rekapitulierte ihr Verstand den
vorangegangenen Streit und dass sie ihn verabscheute. Seine unfassbar warme
Hand umfasste ihr Gesicht in einer besitzergreifenden Bewegung, und sie spürte
wie seine Lippen ihren Mund öffneten, wie sich seine samtene Zunge verlangend
in ihren Mund schob, und wie sie einfach nur reagieren konnte.
Ihre
Zunge traf überfordert auf seine, und unterdrückt stöhnte er in ihren Mund. Es
jagte ihr Millionen Schauer über ihren Rücken, und ihr Sohn trat mit wacher
Vehemenz in ihrem Unterleib.
Merlin,
sie war nicht mal mehr zornig! Sie wusste, es war so falsch, was sie tat, aber
sie war nicht mal mehr wütend auf ihn! Sein Arm schlang sich um ihre Hüften,
und hart presste er sie an seinen Körper. Abgehackt seufzte sie auf, denn all
die angestaute Wut, die angestauten Hormone strömten aus ihr heraus, fanden
scheinbar ein perfektes Ventil. Ein schamloses, primitives Ventil, dachte sie
verzweifelt, während sich das elektrisierende Gefühl in ihrer Mitte verstärkte.
Und
nur am Rande fiel ihr auf, wie dringend ihr Körper diese Art von Nähe begehrte.
Merlin, verraten von ihrem eigenen Körper! Fast wollte sie weinen vor Scham und
Verlangen.
Es
war als wäre nicht genug Sauerstoff in ihrem Gehirn, so leicht fühlte sie sich.
Ihre freie Hand ruhte auf seinen Unterarmen, und sie wusste nicht mal, warum.
Sie-
-aber
er schien es zu spüren. Er schien ihn zu spüren, denn er verharrte abrupt über
ihr. Ihr Herz schlug so schnell, als wäre sie gerannt. Und sanft löste er sich
von ihr.
„Er…
tritt“, entfuhr es ihm rau und heiser, und seine grauen Augen wirkten so
dunkel, dass es ihr den Atem raubte, als sie ihn blinzelnd ansah. Und er ließ
ihr Handgelenk los, um die Hände auf ihren Bauch zu legen. Sie spürte die Wärme
seiner Handflächen durch ihr Schlafanzugoberteil, und er war so nahe, dass,
würde er den Kopf nur einen Zentimeter senken, er ihre Stirn berühren könnte.
Eine
seltene jungenhafte Faszination war in seinen Blick getreten, während er nicht
fassen konnte, was in ihrem Unterleib passierte. Und sie nahm dumpf an, dass
ihr Baby all diese herrlichen Gefühle in ihrem Innern
zum Anlass genommen hatte, wach zu sein, und seinem Vater Hallo zu sagen.
Merlin.
Sie
hatte ihn geküsst!
Sie
hatte den Vater ihres Kindes geküsst! Und es war kein unschuldiger Schmatzer
auf die Wange gewesen, Merlin, nein! Was sollte sie jetzt tun? Was zur Hölle
sollte sie jetzt tun?!
Und
instinktiv wich sie vor ihm zurück. Einen Schritt, noch einen Schritt. Und
etwas fiel von seinem Gesicht. Die Faszination verschwand und machte der
ängstlichen Erwartung Platz. Sie atmete mit geöffnetem Mund und konnte nicht
fassen, dass es passiert war. Wie war das passiert?
Sie
musste nachdenken. Er hatte gesagt, sie wäre seltsame! Sie wäre schrullig! Sie
wäre soziophob! Er hatte sie provoziert! Und sie… sie… war darauf reingefallen,
als wäre sie ein Teenager!
Er
atmete flach und abgehackt wie sie, aber etwas Neues war in seinen Blick
getreten. Es war wie… eine seltsame Sehnsucht, als… wollte er ihren Bauch
erneut berühren, als wolle er noch einmal näher kommen! Aber sie unterband
solche Gedanken, in dem sie noch einen Schritt zurückmachte und ihre Couch im
Rücken spürte.
Und
keiner sagte etwas. Wieso sagte keiner etwas? Wieso erfand er nicht
irgendwelche Ausreden? Wieso schrie sie ihn nicht an?! Nur ihr beider Atem
erfüllte die Stille.
Und…
oh Gott!
Sie…
hatte Alec betrogen! Hatte sie? Ja, hatte sie, ging ihr mit Panik auf! Und
Tränen füllten ihre dummen Augen. Gott, sie war so dumm! Sie setzte sich in
Bewegung, und er reagierte sofort, schloss den Abstand, und umfasste ihre
Schultern.
„Granger“,
sagte er rau, und sie schüttelte den Kopf.
„Lass…
mich los!“, schluchzte sie tonlos, schloss die Augen, und konnte nicht fassen,
was sie getan hatte!
„Nein,
hör mir zu!“, befahl er ihr. „Sie mich an! Du-“
„-lass
mich los!“, flüsterte sie unter Tränen, aber er tat ihr den Gefallen nicht.
„Lass mich los, du… Arschloch!“, fuhr sie ihn an, und fast erkannte sie
Erschütterung in seinem Blick, als sie unter Tränen die Augen wieder öffnete.
„Ich…
wollte nicht…“, aber er beendete den Satz nicht einmal! Sie schniefte, wehrte
sich gegen seinen Griff, aber sie hatte nicht genug Kraft. Was wollte er nicht,
Merlin noch mal?! Was sollte das heißen? Sie hatte ihn wohl kaum zu irgendetwas
gezwungen, dachte sie verzweifelt. „Granger!“, ermahnte er sie wieder, hielt
sie ruhig, und mit aller Macht stieß sie ihm die Hände vor die Brust. Endlich
kam sie frei, taumelte knapp zurück und sie schüttelte den Kopf, als er näher
kam.
„Du hast kein Recht!“, flüsterte sie erstickt. „Ich… liebe Alec!“, rief sie
verzweifelte Worte, die sie noch nicht einmal zu Alec laut gesagt hatte. „Und
jetzt?“, entfuhr es ihr verzweifelt. „Jetzt habe ich dich geküsst! Was soll ich
ihm sagen, wenn er wiederkommt?“, flüsterte sie unter Tränen, und Malfoy wirkte
so endlos überfordert. Aber er hatte kein Recht, überfordert zu sein. Und er
kam näher, und sie konnte ihn nicht aufhalten, und sein Gesicht hatte einen
resignierenden Ausdruck angenommen.
„Granger,
er-“
„-nein!“,
unterbrach sie ihn atemlos, denn sie wollte es nicht hören! Sie wollte es nicht
schon wieder hören, und erst recht nicht von ihm! Aber auch diesen Gefallen tat
er ihr nicht. Ernst lag auf seinen Zügen. Und er schien für einen Moment seine
eigene Panik, seine eigene Überforderung mit dieser selbstverschuldeten
Situation zurückzustellen, um sie fester anzusehen.
„Er
kommt nicht wieder“, sagte er fast ruhig, fast vollkommen überzeugt, und ihr
Atem ging unregelmäßig. Und es war so schwer. Es war so endlos schwer, diesen
Kampf fortzuführen, immer wieder zu beteuern, dass er wiederkommen würde. Und
sie wollte nicht mit Malfoy dieses Gespräch führen! „Du hast niemanden
betrogen“, griff er tonlos ihre Worte auf, und für einen Moment glaubte sie, er
sagte es, um sich selber besser zu fühlen! Als Bestätigung, dass er nichts
falsch gemacht hatte.
Und
zornig sah sie ihn an. „Er kommt wieder, Malfoy!“, warnte sie ihn. Und sein
grauer Blick fing ihren auf. „Er kommt wieder“, wiederholte sie schwach.
„Malfoy“, sagte sie mit mehr Nachdruck, ohne genau zu wissen, warum. „Er… wird
wiederkommen“, flüsterte sie nickend. Denn das hier war nicht ihr Leben! So
wollte sie nicht sein. Die Träne rollte einsam über ihre heiße Wange, und sie
schloss die Augen. Mit den Händen bedeckte sie ihr Gesicht, und sie spürte ihn
praktisch näher kommen. Es war, als erfülle es ihren Körper mit einer neuen
Hitze, wenn sie seine Nähe unterbewusst spürte.
Und
überraschend stark umfingen sie seine Arme, hielten sie ruhig, während sie
automatisch ihre Handflächen gegen ihn stemmte, versuchte, wenn auch mit
minimaler Kraft, aus seinem Griff zu entkommen, und sie weinte an seiner
Schulter, durchnässte sein Shirt, und seine Hand strich unbeholfen über ihren
Rücken, und sie wusste nicht, wie lange sie in ihrem Wohnzimmer standen.
Irgendwann
wehrte sie sich nicht mehr gegen seine Umarmung, irgendwann ließ sie sich von
ihm halten. Und er sagte gar nichts, hielt sie einfach nur, und sie wusste nicht,
was sie tun sollte. Da war zu viel Schmerz. Und es war nicht gut. Es war gar
nicht gut. Und es war nicht gut, dass er sie hielt.
Er
löste sich von ihr, legte den Arm um ihre Taille, löschte das Licht mit dem
Zauberstab und führte sie über den dunklen Flur. Sie ließ es über sich ergehen,
ließ zu, dass er eine seltsame Führung übernahm, aber vor seinem Zimmer hielt
sie stockend inne. Sein Zimmer.
Es
war nicht sein Zimmer, dachte sie müde. Das warme Licht des Zimmers beleuchtete
ihn schwach.
„Was
tust du?“, flüsterte sie, beschämt über sich selbst, über ihre seltsame
Schwäche, und er seufzte überfordert.
„Willst du… alleine schlafen?“, fragte er sie rau, und sie hob den Blick
überrascht zu seinem Gesicht. Das war es, was sie immer tat! Sie schlief immer alleine.
Und
wieso nur waren seine Arme so tröstend? Wieso war seine ganze Anwesenheit
überhaupt nur minimal beruhigend? Sie wusste es nicht! Und sie wollte nicht.
Sie wollte nicht in dieses Zimmer mit ihm!
Und
für eine Sekunde versank sie in seinem Blick, in seinen grauen Augen, die hell
im Licht schimmerten. Für eine Sekunde dachte sie, er würde sie wieder küssen,
denn es zog in ihrer Mitte, als sein Blick für den Bruchteil eines nicht
vorhandenen Momentes auf ihren Lippen lag.
Und
für einen Moment wollte sie, dass er es tat. Aber der Moment verflog so
schnell, wie er gekommen war. Und der Scham schaffte es diesmal nicht, auf sie
hereinzubrechen, denn Merlin sei Dank war der Moment wieder vorbei!
Und
sie glaubte, es waren ihre Hormone, die ihm letztendlich antworteten, und er
wirkte überraschter als sie es wohl war.
Sie
schüttelte nur den Kopf. Denn nein. Sie wollte nicht alleine schlafen.
Er
hatte immer noch den Arm um sie gelegt, als sie in sein Zimmer gingen, und sie
war sich nicht sicher, was passieren würde, wie sie mit dieser Situation
umgehen sollte. Und sie vermisste Alec, und sie wollte aber nicht gehen. Sie
war Alec böse, dass er sie soweit trieb, dass sie mit Malfoy ein Zimmer teilen
würde.
Kurz
ließ er sie los, um seine Decke zurückzuschlagen und ihr zu bedeuten, ins Bett
zu steigen. Und zögerlich gehorchte sie. Sie setzte sich auf die Bettkante,
wartete, bis er auf der anderen Seite ins Bett stieg, und ungewollt rollten die
Tränen wieder über ihr Gesicht.
Und
es war so unwahrscheinlich. Nichts war unwahrscheinlicher, als dass
ausgerechnet Malfoy sie tröstete. Aber er löschte das Licht, und sie spürte,
wie er näher kam. Und sanft zog er sie zurück, drückte sie in die Kissen,
während er wieder den Arm um sie legte.
Es
war so seltsam intim und doch so fremd, dass sie den Atem anhielt, als sie
seinen Duft einatmete. Sie war ihm so nahe, lag in seinem Arm, den Kopf auf
seiner Schulterbeuge, spürte seinen Herzschlag durch sein Shirt, und sein
Körper strahlte eine beruhigende Wärme aus.
Sie
lag völlig ruhig an seinem Körper, die Augen weit in der Dunkelheit geöffnet.
Er atmete ruhiger, aber sie wusste, er schlief noch nicht, hatte wahrscheinlich
die Augen ebenfalls geöffnet.
Er
war kein Freund. Also warum ließ sie zu, dass er sie tröstete?
Weil
er da war, war die einfach Antwort darauf, stellte sie müde fest. Er war hier.
Und
sie sagten gar nichts. Und sie wollte ihn fragen, was es bedeutete, was es
heißen würde. Morgen. Wenn sie aufwachten, wenn die Sonne schien, und sie
dieser Frage nicht mehr ausweichen konnten.
Und
sie bereute, dass sie jetzt hier war, dass sie hier in seinen Armen lag.
Sein
Geruch wurde immer vertrauter. Nur einmal. Nur einmal würde sie das hier tun,
würde sich gehen lassen. Nur diese eine Nacht, versprach sie sich, als ihre
Augen langsam zufielen vor Müdigkeit.
Seine
Wärme erfüllte sie schneller, als es ihr lieb war, und sie driftete ab, in
einen traumlosen Schlaf.
Und
seit Jahren hatte sie nicht mehr so gut geschlafen….
~*~
Es
klopfte laut.
Und
dann klopfte es wieder. Sie hob den Kopf müde, um sich umzusehen.
Merlin,
wo war sie?!
Wieso
war-
-ihr
Blick fiel auf seine schlafende Gestalt neben ihr.
Malfoy…!
Sie
hatte… Malfoy geküsst!
Es
waren alles Dinge, die ihr portionsweise wieder einfielen! Mit Schrecken hatten
sich ihre Augen geweitet. Und sie war nicht aufgewacht, hatte tatsächlich
durchgeschlafen, und sein Wecker verriet ihr, es war bereits halb elf!
„Hermine!“,
vernahm sie dumpf durch die Haustür bis in das Zimmer die eine Stimme, die
alles nur noch schlimmer machte.
Narzissa.
Er
wachte auf, denn er bewegte sich neben ihr. Sie überlegte, ob sie es schaffen
würde, das Bett zu verlassen, ehe er die Augen-
-er
hob blinzelnd den Kopf aus seinem Kissen.
Mist.
Sie würde es nicht mehr schaffen. Sie sahen sich an.
„Hermine,
ich weiß, dass du da bist! Und wenn du nicht aufmachst, dann hexe ich die Tür
aus ihren verflixten Angeln!“, drohte Narzissa lautstark durch das Holz, und
Hermine musste jetzt eine Entscheidung treffen.
Sie
kam sich vor wie ein junges Mädchen, was einen dummen Fehler gemacht hatte. Als
würde sie dabei gerade erwischt werden. Und er wirkte so unfassbar verwirrt,
runzelte die Stirn, und sie konnte praktisch dabei zusehen, wie seine
Erinnerung zurückkehrte.
„Hermine!“,
donnerte die Stimme seiner Mutter ein letztes Mal unheilschwanger durch die
scheinbar unfassbar dünnen Wände ihres Hauses. Seine Lippen teilten sich in
stummer Verwunderung, denn auch er schien die Stimme erkannt zu haben.
Er
fuhr sich müde über die Stirn, kämmte unwirsch die hellen Strähnen nach hinten
und schlug die Decke zurück.
„Wa-was
tust du?“, war das erste, was sie zu ihm sagte. Es waren die ersten rauen
Worte, die sie heute sprach. Und der Klang ihrer Stimme schien etwas in ihm
wach zu rütteln, denn er wirkte irgendwie schuldbewusst.
„Oh,
sie wird die Tür aus den Angeln hexen. Also am besten öffnest du“, antwortete
er, genauso rau.
„Aber…“
Sie folgte ihm strampelte sich unter der warmen Decke hervor und kroch aus dem
Bett, „…du bist hier!“, flüsterte sie praktisch. Und tatsächlich schenkte er
ihr einen fast spöttischen Blick.
„Das
wird sie bereits wissen, Granger“, bemerkte er neutral. Sie konnte ihn nicht
lesen. Sie wusste nicht, was er dachte. Er hatte sie zumindest nicht mehr
berührt, sah ihr kaum direkt in die Augen, und sie wusste nicht, wo sie
standen.
Es
hämmerte nun gegen die Tür, und Hermine beschloss, später mit ihm zu reden –
wenn überhaupt! Denn wenn er jetzt alles ignorierte, dann wäre es ihr
eigentlich recht, denn es war peinlich genug. Er zog sich ohne Scham und Reue
sein Shirt über den Kopf. Sein nackter, muskulöser Rücken reichte ihr
vollkommen, um sein Zimmer mit hochrotem Kopf zügig zu verlassen. Sie
betrachtete sich hastig im Flurspiegel, und kämmte ihre widerspenstigen Locken
mit ihren Fingern. Und sie glaubte nicht, dass Narzissa es wusste. Aber
vielleicht kannte er sie besser?
Dann
ging sie Richtung Tür, gegen die Narzissa noch immer hämmerte, und versuchte,
ruhiger zu atmen. Nicht nachdenken. Nur nicht nachdenken, sagte sie sich
bestimmt.
Dann
entriegelte sie die Tür und zog sie auf. Narzissa hielt in der Bewegung inne.
Ihr Blick fiel auf ihren Pyjama.
„Du… warst im Bett?“, entfuhr es Narzissa ein wenig perplex. „Ist alles in
Ordnung? Bist du krank?“, wollte sie sofort wissen, aber Hermine ruckte mit dem
Kopf.
„War nur… müde“, sagte sie, und Narzissa schien sie misstrauisch zu betrachten.
Erst jetzt erkannte sie hinter Narzissa eine Elfe, die einen riesigen Korb
schweben ließ.
„Ich habe Frühstück mitgebracht. Wir müssen reden“, erklärte Narzissa nur und
betrat ihr Haus, so wie es alle Malfoys es einfach und ständig taten. Sie sah
sich in ihrem Vorgarten um. Lucius hatte sie scheinbar nicht mitgebracht.
Sie
folgte Narzissa resignierend, und sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Narzissa
war schnurstracks ins Wohnzimmer gegangen und ließ ihren Esstisch decken.
Hermine stand hilflos im Flur und lautlos hatte Malfoy seine Tür geöffnet. Er
trug Jeans und einen blauen Pullover, aber keine Socken, fuhr sich ebenfalls
über die Haare, und ehe Hermine auch nur darüber nachdenken konnte, ihn still
und heimlich aus dem Haus zu schleusen war Narzissa zurück in den Flur gekommen.
Und
sie nahm ihren Sohn mit angespanntem Mund zur Kenntnis. Dann traf ihr Blick
Hermine. Und Hermine glaubte, noch nie so schnell so rot geworden zu sein.
„Draco“,
sagte Narzissa schließlich, aber ihre Stimme war nur ein Hauch. „Du… hast hier
geschlafen?“, wollte sie fast gleichmütig wissen, und Malfoy blickte gen Boden
und fuhr sich durch die unordentlichen Haare.
„Ich…-
ja?“, entschied er, ein wenig herausfordernd zu sagen. Und Narzissa nickte
steif.
„Dann…
kannst du mit uns frühstücken“, schloss sie streng und verschwand wieder ins
Wohnzimmer. Sie trug ein Pokerface, mit dem Hermine nicht umgehen konnte.
Sie hob den Blick zu seinem Gesicht. Merlin, sie hatte ihn geküsst, dachte sie
wieder und wieder. Und sein Ausdruck war so verschlossen und gereizt. Und er
hatte recht gehabt. Narzissa musste es gewusst haben, denn die Elfe hatte für
drei gedeckt.
„Ihr dürft reinkommen!“, rief Narzissa ihnen überdeutlich zu, und Hermine sah
kein Entkommen. Malfoy folgte ihr, und es war eine unglaublich peinliche
Situation. Die kleine Elfe sah betreten zu Boden, als Malfoy an ihr
vorbeischritt, und Hermine und Malfoy setzten sich rechts und links neben
Narzissa.
Das
Schweigen war unangenehm. Wirklich unangenehm. Sie sah ihn nicht mehr an. Das
tat er ja auch nicht mehr.
„Seit
wann wohnst du hier?“, wollte Narzissa schließlich wissen. Malfoy hob den
Blick.
„Ich
wohne hier nicht“, widersprach er, statt zu antworten, während Hermine mit
knallroten Wangen auf ihren Teller starrte.
„Ach
nein? Die Elfen sagen mir, du hast dein eigenes Zimmer hier?“, fuhr Narzissa
fort, während sie ihnen den mitgebrachten Tee einschenkte.
„Mutter-“,
begann er dann gepresst, aber Narzissa fixierte ihn zornig.
„-und
du schleppst Fastfood in ihr Haus? Das kann nicht gesund sein!“, stellte seine
Mutter mit einem angewiderten Blick auf den Wohnzimmertisch fest, wo noch der
Müll von gestern lag. „Ich habe nichts dagegen, dass du Verantwortung
übernimmst, Draco. Aber ich erwarte, informiert zu werden!“, sagte sie streng.
„Mutter,
es hat nichts mit-“
„-das
ist nicht zu viel verlangt!“, unterbrach sie ihn erneut. Hermine sah, wie sein
Kiefermuskel angespannt zuckte.
„Ich muss gleich sowieso zurück ins Hotel“,
schloss er genervt. Narzissa schürzte die Lippen.
„Ich
erwarte euch heute Abend in Malfoy Manor“, eröffnete sie ihnen streng. Hermine
sah sie schockiert an. „Wir werden zusammen essen“, würzte sie diese Drohung
noch etwas.
„Narzissa-“,
begann Hermine kopfschüttelnd, aber Narzissas Blick war erbarmungslos.
„-Mutter,
ich glaube nicht, dass-“
„-Hermine,
ich dachte, unsere Beziehung hätte sich verbessert? Ich hatte gehofft, du
würdest meiner Einladung entsprechen?“, entfuhr es der blonden Frau mit großen
Augen. Grauen Augen. Dracos Augen, dachte Hermine unwillkürlich.
„Ich…“,
begann Hermine überfordert, aber Narzissa wandte sich an ihren Sohn.
„Und
du wirst zu uns kommen. Dein Vater hat noch einige Dinge zu besprechen, die ich
zwar für weniger wichtig halte, aber ich verlasse mich auf euch!“, sagte sie dann.
Sie
schwiegen beide daraufhin. Narzissa bedachte sie erneut mit einem
eindringlichen Blick. „Hermine, du wirst kommen? Sieben Uhr?“, fragte sie, so
hoffnungsvoll, dass Hermine aufseufzte.
„Mhm“,
machte sie gequält.
„Wunderbar,
wir freuen uns.“ Und scheinbar hatte Narzissa nie die Absicht gehabt, zum
Frühstück zu bleiben, schien nur eine Absicherung haben zu wollen, dass sie
beide heute in Malfoy Manor zum Angucken auftauchten, ging Hermine dumpf auf.
„Draco,
sieben Uhr“, wiederholte sie mit mehr Nachdruck.
„Ja,
Mutter“, knurrte er praktisch, als seine Mutter aufstand, nach der Elfe
schnippte, und beide das Haus wieder verließen.
Der
Duft der französischen Pasteten, des Tees und der Konfitüren brachten Hermines
Magen zum Knurren. Kurz wirkte er so, als wolle er sprechen, schien es sich
aber anders zu überlegen. Merlin, sie hoffte, er wollte nichts sagen.
Sie
hatte ihn geküsst. Er hatte sie geküsst.
Das
war alles, was sie denken konnte. Das war alles, was sie nur noch denken würde.
Vielleicht
würde er gehen, wenn sie ihn nur nicht mehr ansah.
Er
bestrich sich ein Brötchen, und sie tat es ihm zögernd
gleich. Sie goss sich den frischgepressten Orangensaft ein, den Narzissa auch
mitgebracht hatte und trank gierig, denn sie hatte Durst. Schrecklichen Durst.
Nach all den Streitereien und den Tränen und…- den anderen Dingen.
Er
griff sich den zusammengerollten Tagespropheten
aus Narzissas Korb und überflog die Leitartikel, ohne den Blick noch einmal zu
heben.
Und
wäre es nicht eine so unfassbare unangenehme Stille, dann könnte man denken,
hier saßen zwei Menschen am Frühstückstisch, die sich kannten, die sich
vielleicht mochten. Die zusammen wohnten. Die zusammen ein Kind bekamen.
Aber
so war es nicht. So einfach lagen die Dinge nie.
Und
Hermine aß ihr Brötchen, trank ihren Saft und erhob
sich still. Sein Blick rührte sich nicht, las ungerührt die Zeilen, und kurz
war sie versucht, zu sprechen.
Fast
wollte sie sagen, sie wolle duschen, wolle sich anziehen, aber wozu? Er sagte,
er müsse ins Hotel, und sie war froh, dass er ging. Sie wollte nicht reden.
Worte machten es nur umso präsenter, was geschehen war.
Es
war ohnehin wie ein bunter Hippogreif im Raum! In dem Raum, in dem sie ihn
geküsst hatte! Merlin! Sie würde niemals darüber wegkommen.
Sie
sprachen nicht darüber. Das war gut. Vielleicht könnten sie so tun, als wäre
dieser schreckliche Kuss nie passiert. Und dann könnten sie auch gleichzeitig
so tun, als hätte sie nie in seinen Armen geweint und in seinem Bett
geschlafen, wie ein dummes, verzweifeltes Mädchen!
Das
waren ihre wütenden Gedanken als sie ihr Wohnzimmer verließ. Und heute Morgen
schien er nicht so versessen darauf zu sein, ihren Bauch zu berühren! Oder er
war ein guter Schauspieler. Ihre Schultern sanken, als sie durch den Flur zur
Treppe schritt, denn… sie würde ihn heute Abend wiedersehen müssen.
Vielleicht
würden sie ja nie mehr sprechen? Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt, dachte
sie grimmig.
„Those wide and heavy beds: shut in, some of them, with doors of oak;
shaded, others, with
wrought old-English hangings crusted with thick work,
portraying effigies of
strange flowers, and stranger birds,
and strangest human
beings,--all which would have looked strange,
indeed, by the pallid
gleam of moonlight.“
Jane Eyre
Pansy
war überrascht gewesen. Mehr als das.
Hermine
hatte verlegen vor ihrer Apartmenttür gestanden, und jetzt saßen sie in ihrem
kleinen Salon, während sie still an ihrem Tee nippten, denn der Gesprächsstoff
war ihnen ausgegangen, nachdem sie sich gegenseitig versichert hatten, mit
ihren Babys sei alles in Ordnung.
Pansy
räusperte sich schließlich. „Ich… hätte nicht gedacht, dass du mich besuchen
kommen würdest“, entfuhr es ihr. „Ich hätte schon längst zu dir kommen sollen,
oder?“, kam es ihr mit schlechtem Gewissen in den Sinn. Sie war damit
beschäftigt gewesen, sauer auf Draco und Preston zu sein, dass sie gar nicht
mehr an die Beziehung zu Hermine gedacht hatte, ging ihr beschämt auf.
Und
Hermines Ausdruck wurde unglücklicher. Pansy blinzelte überrascht.
„Es…
ist etwas vorgefallen“, entfuhr es Hermine mit Grabesstimme und weiten Augen,
und Pansys Mund öffnete sich, leicht überfordert. Und sie wusste innerhalb
einer Sekunde, dass Hermine ganz bestimmt nicht von ihrem verschollenen Freund
sprach. Pansys Atem ging schneller, und sie musste schlucken, denn ihr Mund war
trocken geworden. Vielleicht war sie paranoid, aber sie war sich sicher, es
ging um Draco.
„Oh?“,
war alles, was Pansy zu sagen wusste. Und sie wollte nicht, dass Hermine
sprechen würde. Sie begriff, dass sie scheinbar zu einer vertrauensvolle Quelle
in Hermines Augen wachsen würde, und das wollte sie fast nicht einmal. Aber
dann sagte das hübsche Mädchen, mit den wilden Haaren, den Sommersprossen, der
niedrigen Größe, die Draco wahrscheinlich sogar ansprechend fand, ebenso wie
ihre weiten Augen und ihr mehr als unschuldiges Gesicht, die furchtbare Worte.
„Ich
habe ihn geküsst.“
Fast
spürte Pansy, wie bereits Tränen in ihren Augen brannten. Hermine war anders.
Sie behauptete nicht einmal, Draco hätte sie gegen ihren Willen geküsst. Nein,
sie war selbst bei solch einem schmeichelhaften Vorfall – zumindest für Pansy
wäre es schmeichelhaft – ehrlich. Und Pansy erkannte erst jetzt, dass Hermine
viel geweint haben musste. Wieso war es ihr vorher nicht aufgefallen? War sie
so selbstbezogen, dass sie diese simplen, verräterischen Dinge nicht mehr
bemerkte. Und das selbstsichere, hübsche Mädchen vor ihr wirkte so verstört und
enttäuscht von sich selbst, dass Pansys Wut allmählich schon verblasste, ehe
sie überhaupt ausgebrochen war.
Denn
es war so offensichtlich wie ein Sonnenbrand an einem heißen Sommertag –
Hermine bereute, dass es passiert war. Es war nicht diese vorgetäuschte Reue,
die man der Form halber empfand, nein. Es war waschechte Reue, die Pansy nicht
einmal nachvollziehen konnte. Pansy würde auf Wolke 35 schweben, nahm sie dumpf
an.
„Was
soll ich tun?“, fragte Hermine ehrlich hilflos, und Pansy fragte sich für eine
kurze Sekunde, ob sie jedes Mal so ausgesehen hatte, wenn sie unglücklich mit
Draco gewesen war. Und woher sollte sie wissen, was Hermine tun sollte? Fast
wollte sie Hermine anblaffen, fast wollte sie sie aus ihrem Apartment werfen!
Pansy wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie begriff, dass ihre Zeit
mit Draco einfach vorbei war, aber anscheinend hatte sie es noch nicht völlig
verarbeitet. Und Hermine schien nicht einmal ganz begriffen zu haben, dass ihre
Zeit mit Draco erst angefangen hatte.
Und
außerdem hätte sie wohl niemals erwartet, dass Draco das wirklich tun würde!
Dass es ihn nicht abschreckte, wie dick Hermine war! Wie viel Verantwortung sie
mit sich brachte! Dass es ihn nicht einfach wie eine Schocktherpaie heilte, sie
alleine anzusehen! So pervers es war, für eine Sekunde war sie neidisch.
„Pansy?“,
wagte Hermine zu fragen und sah sie unglücklich an. Pansy stellte ihre Tasse
auf den Teewagen zurück. Und fast war es so, als spräche sie einfach nur mit einem
weiteren Mädchen, mit dem Draco sie betrogen hatte, denn so kam es ihr immer
noch vor. Auch wenn es albern war. Draco war ganz klar über sie hinweg.
„Keine
Sorge. Er meint es nicht ernst“, sagte sie also die Worte, von denen sie
überzeugt war, und die eigentlich bisher immer zutreffend gewesen waren.
Hermine blinzelte verblüfft und sah sie an. „Glaub mir“, versicherte ihr Pansy,
„ich muss es wissen“, schloss sie bitter. „Was auch immer er für ein Spiel
spielt, ihm wird langweilig werden, Hermine, also mach dir nicht zu viele
Hoffnungen.“ Die letzten Worte sagte Pansy eher, um Hermine zu testen, sie
vielleicht ein wenig zu ärgern.
Und
Hermines Augen verengten sich.
„Hoffnungen?“,
wiederholte sie ungläubig. „Ich mache mir keine Hoffnungen! Das war… der
schlimmste Fehler, den ich mir jemals geleistet habe“, flüsterte sie
aufgebracht. Und Pansy ersparte sich, zu fragen, ob Hermine nicht glaubte, dass
Dracos Küsse die besten auf der Welt waren, denn ganz klar empfand es Hermine
nicht so.
Oder
sie log. Pansy war sich nicht sicher, aber sie wusste, Draco bekam sie alle. Er
bekam jedes Mädchen, selbst die heilige Hermine Granger, wenn er scheinbar nur
wollte. Fast war es lustig, denn Hermine schien Draco nicht einmal wirklich
leiden zu können.
Merlin,
Hermine war fast niedlich, dachte Pansy gereizt.
„Na
dann“, erwiderte Pansy verschlossen. Und Hermine schien gereizt zu werden.
„Ich
will von dir wissen, ob ich es Alec sagen sollte, wenn er wiederkommt, nicht ob
Malfoy irgendetwas ernstmeint, was er sagt oder tut!“, sagte Hermine dann mit
fester Stimme. Pansy sah sie verblüfft an. Wer war Alec? Oh! Ihr verschollener
Freund? Hermine glaubte tatsächlich, dass er wiederkäme? Pansy beschloss, ihr
diese Hoffnung nicht auch noch zu nehmen, und schüttelte den Kopf.
„Nein.
Du solltest das keinem deiner Partner erzählen. Männer haben die Eigenschaft,
ziemlich wütend zu werden, wenn Draco Malfoy schon mal die Finger an ihrem
Mädchen hatte“, bemerkte Pansy eindeutig. Hermine blinzelte, und ihr Mund
öffnete sich fragend, ehe er sich wieder schloss.
„Ok?“,
sagte sie einfach nur, und Hermine schien ihr nachsichtiger Blick nicht
entgangen zu sein.
„Ich
mache mir keine Hoffnungen, Pansy!“, wiederholte sie streng. „Glaub mir, ich
hätte niemals ein Kind von ihm haben wollen! Er war einfach nur…- er hat mich
überrascht, das ist alles!“, brachte sie wütend hervor. Und Pansy war nicht
entgangen, wie ihre Hände vor Wut zitterten, wenn sie über ihn sprach.
„Ihr
habt euch gestritten?“, folgerte sie mit einem sanften Lächeln des völligen
Verständnisses, und Hermine besaß den Anstand, sogar rot zu werden.
„Nein“,
log sie schlicht, und Pansy seufzte auf.
„Gut,
dann lass mich dir einen Rat geben, Hermine.“ Pansy hatte sich vorgelehnt, und
Hermine sah sie besorgt an. „Verbring so wenig Zeit wie möglich mit ihm. Lass
ihn nicht rein, in deine Gedanken. Denn sobald er einmal drin ist, wird er
bleiben“, warnte sie ihre neue Freundin streng. Hermine nickte nur. Pansy glaubte
plötzlich nicht mehr, dass Hermine den Hauch einer Chance besaß, wenn Draco es
tatsächlich wider Erwarten darauf anlegte mit ihr zu spielen. Egal, wie wenig
es Hermine wollte. Und plötzlich hoffte Pansy, dieser Alec würde wirklich
wiederkommen. Denn ganz klar wandte sich Hermine nur an Draco, weil sie einsam
war. Aber das wollte sie Hermine auch nicht auf die Nase binden. Es war eine
Sache mit der Diplomatie, die Pansy schon immer gestört hatte.
Es
war ein gryffindorischer Charakterzug, den kein Slytherin verstand. Und Draco
schon gar nicht! Sie nahm nicht an, dass er Hermines
Gefühle jemals von seiner brutalen Meinung verschonte. Und auch Pansy fühlte
sich ganz elend, bei der ganzen Mundhalterei, die sie hier vollzog. Gerne würde
sie Hermine ein paar ehrliche Worte vor den Kopf werfen, aber sie hielt sich
zurück. Denn Gryffindors waren nicht nur diplomatisch, sie waren dazu auch noch
nachtragend. Also hielt Pansy den Mund.
Und
Draco erlaubte sich einen seltsamen Spaß, nahm sie an. Und zornig mit sich selbst
atmete Pansy schließlich aus.
„Ich
habe Preston geküsst“, gab sie schließlich ihr Geheimnis zu und nahm die
Teetasse wieder auf. Hermine sah sie an. Und Pansy wählte Hermines Worte, denn
das Selbstbewusstsein dahinter gefiel ihr nicht schlecht.
„Du
hast…? Oh!“, entfuhr es Hermine jetzt verblüfft, fast dankbar über den
Themenwechsel. „Ist das gut?“, wollte sie verstört wissen. „Werdet ihr-?“
„-nein!“,
sagte Pansy fester. „Ich dachte, du hast mir dein Geheimnis erzählt, dann
erzähle ich dir meins. Wie es aussieht, haben wir also beide zum ersten Mal die
Väter unserer Kinder geküsst“, fiel Pansy mit einem bitteren Lächeln auf. Aber
ihr Lächeln gefror. „Obwohl…“, sagte sie, und Hermines Augenbrauen hoben sich.
„Ja?“,
wollte sie wissen, und Pansy bemerkte, es gefiel Hermine, nicht über sich reden
zu müssen. Und Pansy hatte lange niemanden mehr um sich gehabt, der sich für
ihre Geschichten interessierte, seitdem Draco nicht mehr in ihrem Leben war,
also lächelte sie.
„Ich
habe mit Preston bereits geschlafen, bevor ich wusste, dass… die Proben
vertauscht worden sind“, beichtete sie Hermine, und diese starrte sie mit
offenem Mund an.
„Nein!“, sagte sie ungläubig.
„Ja“,
bestätigte Pansy.
„Und?“, wollte Hermine sofort wissen, und Pansy hatte noch nicht erlebt, dass
ein Mädchen nicht über Draco Malfoy reden wollte. Vielleicht tat sie Hermine
Unrecht? Vielleicht war es nicht Hermine, die zerbrechen würde. Vielleicht
würde sich zum ersten Mal in seinem Leben, ihr dämlicher Exfreund an Hermine
seine schönen Zähne ausbeißen? Das wäre etwas, was sie ihm gönnen würde, dachte
sie lächelnd.
„Es
war nicht schlecht“, sagte Pansy plötzlich, und wurde selber einen Hauch rot.
Obwohl sie das nie wurde! Hermine sah sie fassungslos an. „Es war sogar…
ziemlich gut“, gab Pansy verblüfft über sich selber zu.
„Aha?“,
machte Hermine, und zum ersten Mal zuckten ihre Mundwinkel. „Man stelle sich
vor, wie abwegig es wäre, würdest du tatsächlich noch mit dem Vater deines
Kindes zusammenkommen“, neckte Hermine sie lächelnd, und Pansy erwiderte das
Lächeln und machte eine wegwerfende Handbewegung. Und Pansy verzichtete darauf,
dieselben Worte zu wiederholen, die aber unweigerlich zwischen ihnen schwebten,
fast greifbar.
„Nein, solche kranken Sachen mache ich nicht, Hermine!“, rief sie aus.
Und
beide mussten tatsächlich lachen. Und kopfschüttelnd gefror Hermines Lachen
langsam aber sicher. Ihr schien etwas einzufallen.
„Gott,
heute müssen wir nach Malfoy Manor, ein schreckliches Essen zusammen verbringen“,
murmelte sie erschüttert. „Ich will alles, nur das nicht!“, fuhr sie fort.
Pansy hatte Malfoy Manor geliebt. Hermine war ihr ein Rätsel.
„Wird
Draco da sein?“, wollte Pansy verschwörerisch wissen, und Hermine nickte
unglücklich. „Na, dann wollen wir ihm was zum Zähneausbeißen bieten“, schloss
sie zufrieden, erhob sich und verließ das Zimmer, um Hermine ein paar
Designersachen aus ihrer Umstandskollektion zu leihen.
Hermine
sah ihr völlig verständnislos nach, aber Pansys Neugierde war geweckt. Sie
hatte noch mit keinem Mädchen zu tun gehabt, was sich nicht zu Draco hingezogen
fühlte. Und sie hatte Lust, zu experimentieren, dachte sie lächelnd, während
ihr Blick auf ihre schwarzglänzenden hochhackigen Pumps fiel, die Draco stets
unwiderstehlich gefunden hatte, wenn sie sich nicht völlig irrte.
~*~
Er
hatte wieder einen Anzug ausgewählt für heute. Nicht, weil er für seine Eltern
besonders schick aussehen wollte. Nein, er nahm an, es war das neutralste, was
er tragen könnte. Er wollte nicht, dass seine Mutter dachte, er würde sich in
ihrem Haus so wohl fühlen, dass er in Jeans auftauchte. Er nahm an, seine
Mutter hatte noch nie Jenas getragen, und sein Vater? Sein Vater besaß keine
Hosen aus Jeansstoff.
Er
konnte sich vorstellen, wie schrecklich dieses Gespräch verlaufen würde. Wie
alle grauenhaften Abende in Malfoy Manor eben verliefen.
Und
nicht nur seine Eltern wären da, nein! Auch Granger würde ihm seinen Abend
verderben, in dem sie ihn ignorierte, so tat, als wäre er ein liebeshungriges
Monster, was sie mit bloßen Blicken ausziehen würde.
So
hatte sie heute Morgen getan! Als wäre er diese Art von Mann! Und Merlin, er
hatte keine Ahnung, was ihn geritten hatte! Vielleicht hatte er einen
verrückten sentimentalen Moment erlebt! Weil sein Sohn getreten hatte, weil sie
geheult hatte, weil er nicht gewollt hatte, dass ihre Stimmungsschwankungen
seinem Sohn irgendwie schaden würden.
Und
noch nie hatte ein Mädchen in seinem Bett geschlafen, ohne nackt und befriedigt
aufgewacht zu sein! Und ganz bestimmt hatte er noch kein Mädchen die gesamte
Nacht lang gehalten! Ihm schmerzte seine Schulter noch immer, denn Merlin, sie
war nicht gerade ein fünfzig Kilo leichtes Badeanzug-Model. Nein, Granger war
eine ziemliche Tonne.
Am
besten sprach er nicht mehr über diesen Abend. Er hatte sie lediglich reizen
wollen! Er hatte sich nicht auf sie stürzen wollen! Er hatte geahnt, dass er es
bereuen wurde, und das tat er tatsächlich. Denn nun konnte er auf die Frage, ob
er die Mutter seines Kindes nicht angerührt hätte, nicht mehr seelenruhig mit
einem dicken, fetten Nein antworten!
Und
das war ihm eigentlich wichtig gewesen, denn nicht nur war sie die ehrlose
Tochter von Muggeln, nein, sie besaß nicht einmal den Hauch von Respekt ihm
gegenüber.
Er
hatte ein gutes Spiel gespielt. Aber sie musste alles verderben, in dem sie es
wahrscheinlich tot analysierte. Außerdem wäre sie mittlerweile bestimmt
unsterblich in ihn verliebt. Er kannte die Frauen doch! Gab man ihnen den
kleinen Finger-
„-Mr.
Malfoy, Sir, wir sind da“, erinnerte ihn der Kutscher. Er war heute Kutsche
gefahren. Apparieren bekam dem Anzugstoff gar nicht, hatte er festgestellt. Und
vielleicht hätte er sie auf einem Weg einsammeln können, aber er hatte davon
abgesehen. Er musste seine unangenehmen Situationen nicht auch noch selber
herbeiführen.
Sie
würde ohnehin wie ein Häufchen Elend am Tisch seiner Eltern sitzen, während er
den Bösen spielen konnte. Heute Morgen hatte er sich verboten, sie anzusehen,
vielleicht wieder in dieselbe Falle zu fallen, wie gestern Nacht, denn er
wusste nicht sicher, was er gefühlt hatte. Er wollte seinen Sohn, das wusste er
jetzt, aber sie sollte kein Teil dieses Wunsches werden! Bei Merlin nicht!
Super.
Mit diesen finsteren Gedanken lief er die Marmorstufen nach oben und klopfte
hart gegen die breite Tür. Das war eine Tür! Die Tür vom Fuchsbau sollte mal
hier vorbeischauen, und sich eine echte Tür ansehen, dachte er dumpf, als der
alte Elf öffnete.
„Master Draco“, begrüßte er ihn und ließ ihn eintreten. Der uralte Geruch von
Unterdrückung und Gold erschlug ihn praktisch, als er eintrat. Merlin, er
hasste dieses Haus.
Er
schritt durch den stillen Säulengang, bis er vom großen Salon aus, muntere
Stimmen hörten.
Und
für gewöhnlich musste die Stunde für muntere Gespräche in diesem Haus weit
fortgeschritten sein, denn man brauchte Massen an Alkohol, um sich hier nicht
völlig beklemmt zu fühlen, überlegte er überrascht, und bog um den nächsten
Pfeiler.
Verblüfft
hielt er inne. Granger war schon hier. Und sie trug… mal keinen Pyjama, wie er
nahezu fassungslos feststellte. Sie trug einen kurzen, fließend schwarzen Rock,
hohe schwarze Schuhe und eine dunkle Bluse, die in sanfter Seide über ihren
gewölbten Bauch fiel. Ihre Haare glänzten, wirkten gebändigt, und die Locken
leuchteten in allen Goldtönen des Feuers, das sich in ihnen spiegelte.
Oh,
bitte, ermahnte ihn sein Verstand zornig. Hör auf, so eine komplette Scheiße zu
denken. Und er kam nicht umhin, den Rock irgendwoher zu kennen. Er sah aus wie…
Pansys Rock? Und die Schuhe…? Seltsame sentimentale Regungen erwachten in
seinen Synapsen. Das war es, was er dachte, als er näher kam. Er konnte sich
ungefähr erinnern, wie sich dieser Stoff unter seinen Fingern anfühlte, wenn er
ihn ihre Beine hochschieben würde.
Merlin,
reiß dich mal zusammen! Sein Verstand zog ihm erneut eins über, und seine
Eltern erhoben sich, als sie ihn erkannten.
„Pünktlich!“,
rief Narzissa überrascht aus und zwang ihm eine kurze Umarmung auf. „Ein
Wunder“, ergänzte sie verblüfft. Als wäre er nie pünktlich! Als wäre er
Künstler oder Anstreicher, der auftauchte, wann es ihm passte. Er war von den
Elfen zur Pünktlichkeit erzogen worden und war noch nie in seinem Leben zu
irgendetwas zu spät gekommen, dachte er missgelaunt. Natürlich, wenn die kleine
Miss Sonnenschein eine halbe Stunde eher auftauchte, dann wirkte der
pünktlichste Mann der Welt unpünktlich, kamen ihm grimmige Gedanken.
„Draco“,
begrüßte ihn sein eigener Vater so steif, als kannten sie sich nur
oberflächlich, Merlin noch mal. Er war hier jeden Freitag seines erwachsenen
Lebens zum Essen gewesen. Er war nicht Onkel Schlag-Mich-Tot aus Sussex, der
nur alle Jubeljahre zum Essen kam!
„Hermine
kennst du“, fuhr sein Vater überflüssigerweise fort. Merlin. Wahrscheinlich
hatte sein Vater nur den gesamten Abend darauf gewartet, irgendwem beweisen zu
können, dass er ihren Vornamen kannte.
Ja.
Ich weiß, wie sie heißt. Ich weiß sogar, wie sich ihre verdammten Lippen
anfühlen, Dad, hätte er am liebsten erwidert, aber er beherrschte sich, so wie
er es wohl von nun an immer würde tun müssen. Wieso, Salazar noch mal,
versprühte Granger eine so ausgewählt gute Laune? War ihre Welt nicht noch in
den frühen Morgenstunden zusammengebrochen, als er ihr bewiesen hatte, dass sie
ihm nicht widerstehen konnte? Als sie sich selber gehasst hatte? Was lief hier?
Was trank sie überhaupt? Alkohol konnte es wohl kaum sein.
Und
Merlin, sie schenkte ihm sogar ein kurzes Lächeln, ehe sie sich wieder an
Narzissa wandte.
„Könnte ich noch einen bekommen? Es ist köstlich!“
Solange
sich keine vier Finger breit Alkohol in ihrem Glas befanden, bezweifelte Draco
das ernsthaft.
„Ein
Virgin Sidecar, kommt sofort“, flötete seine Mutter. „Darling, Gin?“, wandte
sie sich scheinbar an ihn. Draco überlegte knapp. Hatte er jemals Gin
getrunken? Wahrscheinlich nicht.
„Scotch“,
sagte er nur einsilbig. „Doppelt“, ergänzte er, und er freute sich darauf. Guter
Scotch konnte jeden schlechten Abend verbessern. Für gewöhnlich trank er nicht
gerne, aber scheinbar machte er in letzter Zeit Ausnahmen von seiner Regel. Von
all seinen Regeln. Was war ein Virgin Sidecar? Wahrscheinlich nur Ginger Ale
mit einer Olive? Igitt.
„Setz
dich doch“, bot ihm sein Vater an. Drinks, Abendessen, noch mehr Drinks, und er
wäre erlöst. So sah es aus. Das war sein Mantra jeden
Freitag gewesen. Granger trug Makeup, fiel ihm beiläufig auf, als er so nahe
neben ihr saß. Merlin, sie war geschminkt. Ihre Augen waren dunkel betont, ihre
Haut schimmerte praktisch golden! Was war in sie gefahren? Und sie ignorierte
ihn. Aber auf ätzende Weise, denn fast wollte er, dass sie ihn ansah.
Damit
hatte er nicht gerechnet. Er dachte, eine verheulte, strohbürstige Granger in
ihrem hässlichen Schlafanzug mit Schafen würde auf der Chaiselongue seiner
Eltern sitzen und ihren zitternden, anklagenden Finger auf ihn richten, sobald
er sein Gesicht hier zeigte. Scheinbar… nicht?
Nein.
Sie lachte über irgendetwas, was sein Vater gesagt hatte. Und sein Vater war
unpassenderweise mehr als angetan von ihr. Draco konnte kaum verhindern, dass
sein Mund einen Spalt offenstand, während er sie beobachtete und feststellte,
dass Granger hervorragend Smalltalk betreiben konnte.
Es
war unfassbar, wie zwei Leute, die verschiedener nicht sein konnten, sich über
Politik einig wurden. Draco hatte nur Wortfetzen aufgeschnappt, denn er war
damit beschäftigt gewesen, seinen Scotch seine Kehle hinabzustürzen.
„Ich
sterbe vor Hunger, Narzissa“, sagte Granger jetzt, mit einem gewinnenden
Lächeln, und Narzissa war ganz verzückt.
„Natürlich,
Liebes.“
Liebes?
Dracos Stirn legte sich in tausend Falten. War er im richtigen Haus? In der
richtigen zeitlichen Dimension? Er hatte mitbekommen, dass Granger und seine
Mutter eine Art Friedensvertrag geschlossen hatten, aber ihm war wohl
entgangen, dass das bedeutete, dass beide nun praktisch wie Schwestern
aneinanderklebten.
Die
Frauen hatten sich mit ihren Getränken erhoben, und Narzissa führte Granger ins
Esszimmer, während Granger ihn nicht mehr beachtete und Narzissa versicherte,
was für ein wunderschönes Haus sie doch hatte.
Lucius
erhob sich ebenfalls und schien wohl anstandshalber auf ihn zu warten. Draco
goss sich noch einmal sein Glas halbvoll, und wusste nicht, was er mit diesem
Abend anfangen sollte.
„Warum
sind wir hier, Lucius?“, fragte er also, ein wenig unbehaglich in diesen
steinernen Wänden, und Lucius stellte sich neben ihn, füllte sein eigenes Glas
ebenfalls neu und schwenkte es sanft in der Hand.
„Ich
nehme an, deine Mutter möchte einige Details klären“, sagte er. „Und ich habe
einen Vertrag für dich ausgearbeitet, der die genügend Freiräume lässt, dich um
dein Kind zu kümmern.
„Teresa
Zabini wird begeistert sein?“, nahm Draco spöttisch an, und wollte gar keine
Freiräume haben.
„Immer“,
erwiderte sein Vater trocken. „Und Narzissa wird… über den Namen sprechen
wollen.“
„Den
Namen?“, wiederholte Draco, aber er begriff. Der Name des Kindes. Ein Detail,
was unwichtiger kaum sein konnte, ergänzte er in Gedanken. Wahrscheinlich würde
Granger jedoch vielleicht nicht mehr ganz so ausgeglichen tun.
„Ja“,
bestätigte Lucius langsam. „Ich muss sagen“, begann sein Vater dann ungefragt, „ihr
steht diese Schwangerschaft gar nicht schlecht.“
„Was
ist? Wirst du sentimental?“, wollte Draco schlecht gelaunt wissen, wandte sich
kopfschüttelnd ab und folgte den Frauen ins Esszimmer, wo die Elfen sich
scheinbar selbst übertroffen hatten, denn der Tisch bog sich vor Kristall und
Gold, vor Braten und Puddings und Beilagen.
„Erwarten
wir den königlichen Hofstaat?“, erkundigte sich Draco knapp. „Oder kommen
Granger und ich hiernach auf den elektrischen Stuhl?“, schloss er mit erhobener
Augenbraue, aber seine Mutter rümpfte die Nase, zeigte ihm deutlich, wie
unangebracht sie sein Verhalten fand, und Granger tat, was sie heute wohl am
besten konnte, und ging gar nicht erst auf ihn ein.
„Es
sieht fantastisch aus, Narzissa“, lobte sie seine Mutter erneut, obwohl Draco
einiges an Gold gewettet hätte, dass seine Mutter nicht einmal wusste, wo die
Dessertlöffel lagen. Merlin, er war ziemlich trotzig, fiel ihm auf.
Aber
immerhin begann das Essen ziemlich schnell, und niemand musste gezwungene
Konversation betreiben.
Irgendwann
war er satt, fast schon überfressen, und Granger hatte wieder ihren munteren
Smalltalk mit seiner Mutter begonnen, allerdings kam das Gespräch schnell zu
den brenzligen Themen. Er lehnte sich gespannt zurück, als seine Mutter sich
den Mund abtupfte und den Elfen stumm bedeutete das Geschirr verschwinden zu
lassen. Und Draco entging nicht, dass Granger dieses Verhalten mehr als nur
verurteilte. Ihre perfekte Maske wies Schwächen auf. Immerhin. Er musste
aufhören, sie anzusehen, fiel ihm wieder gereizt ein.
„Hermine“,
begann Narzissa jetzt, „ich weiß, wir haben dieses Gespräch schon dutzende Male
geführt, aber noch hast du dich für keinen Namen entschieden“, erinnerte
Narzissa sie scheinbar vorsichtig. Granger verschränkte die Hände auf dem
Leinentischtuch und schien nachzudenken. Sie trug keinen Schmuck, fiel ihm
sinnloserweise auf. Keinen Ring. Natürlich nicht. Auch nicht Dermonts Ring.
Aber sie ignorierte die Existenz dieses Geschenkes ja auch.
Sie
war eher schlicht, schien kein Geschmeide zu brauchen, um Schönheit
vorzutäuschen. Sie setzte auf natürliche Schönheit. Noch etwas, was Draco
generell unbekannt war, aber immer wieder verlor sich sein Blick in ihrer
gesamten Erscheinung. Es war sinnlos, sie nicht anzusehen. Es verschaffte seinem
Belohnungszentrum eine unsinnige Befriedigung. Vielleicht war er erleichtert,
nicht vollkommen verändert zu sein, denn Granger war hübsch. Hübsch genug für
ihn.
Mehr.
Alkohol.
Er
brauchte mehr. Definitiv.
„Ich
finde Scorpius noch immer… gewöhnungsbedürftig.“
„Scorpius?“,
schaltete sich Draco endlich in ein Gespräch ein, verschluckte sich fast, und
schenkte Narzissa einen entsprechenden Blick. „Du hast tatsächlich einen Namen
gefunden, der schlimmer ist als meiner? Ich bin beeindruckt“, räumte er spöttisch
ein, aber seine Mutter streckte beleidigt den Rücken durch.
„Es ist ein Familienname, Draco. Ebenso wie deiner, ebenso wie Lucius‘ Name
einer ist. Ich dachte, es wäre nett, diese Tradition fortzuführen.“ Und Draco
beschloss, breiter zu grinsen.
„Jaah,
weil zu Granger einfach alles wunderbar passt. Scorpius Granger. Klingt wie ein
vernarbter inhaftierter Ehemaliger“, bemerkte er anerkennend.
„Tut
es nicht“, schloss seine Mutter tonlos. „Und natürlich sollten wir über den
Nachnamen sprechen, Liebes“, wandte sie sich erneut an Granger, die ihm einen
kurzen scheelen Blick zugeworfen hatte.
„Was
gibt es da zu besprechen?“, wollte Granger seufzend wissen. „Ihr wollt, dass er
Malfoy heißt, ich will es nicht“, ergänzte sie achselzuckend.
„Ja,
aber bald bleibt nicht mehr viel Zeit für diese Diskussion. Hast du es dir gut
überlegt?“
„Wenn
er Malfoy heißt, dann habe ich mit dem Kind nichts zu tun“, sagte sie schlicht.
Narzissa schien darüber nachzudenken. Draco fand das Thema albern. Äußerst albern.
Aber es hatte ein Gutes!
„Ich
sehe kein Problem“, bemerkte er und leerte seinen dritten Scotch. „Wenn er
Malfoy heißt, kann sie sich den Namen aussuchen, wenn er Granger heißt, heißt
er Scorpius“, schloss er. Still war er vergnügt. Dann wäre er nicht mehr der
letzte Idiot mit dem beklopptesten Namen aller Zeiten. Narzissa wirkte
verstört.
„Ich
weiß nicht“, sagte sie, nicht überzeugt.
„Ich
könnte ihn Johnny Malfoy nennen?“, wollte Granger dann sanft von Lucius wissen,
und Lucius wirkte nicht mehr ganz so angetan von ihr.
„Ahem…
ich hoffe nicht“, war alles, was sein Vater wortkarg sagte.
Dann
schwieg die Runde. Draco drehte das leere Kristallglas in seinen Händen.
„Nun
gut, vielleicht machst du dir deine Gedanken und schläfst eine Nacht drüber?“,
schlug Narzissa ihr vor, und Granger nickte abwesend. „Wir wollen dir noch
etwas zeigen“, fuhr Narzissa lächelnd fort und erhob sich. Schwerfällig tat es
Granger ihr gleich. Die hohen Schuhe wirkten ungewohnt für sie. „Draco, kommst
du mit?“
Ah.
Da war er! Der Verkupplungsversuch der Narzissa Malfoy. Er hatte schon darauf
gewartet. Er hatte bereits angenommen, seine Mutter hatte einen Freudentanz
vollführt, als die kleinen verräterischen Elfen, ihr brühwarm berichtete
hatten, dass er in Grangers Haus schlief. Sie plante bestimmt schon die
Hochzeit, und wahrscheinlich alleine aus dem Grund, dass der Junge Malfoy
heißen sollte.
„Nein,
ich denke, ich werde mir den Vertrag ansehen“, lehnte er entschieden ab. Aber
es schien keine echte Option für ihn zu sein. Sein Vater sah ihn nicht mal an.
„Draco!“,
ermahnte ihn Narzissa mit einem Lächeln aus Eis. „Komm einfach mit“, ergänzte
sie zuckersüß. Er verdrehte die Augen und folgte den Frauen. Narzissa führte
sie in den ersten Stock zu den Gästezimmern. Ihm entgingen Grangers
unverhohlene Blick auf die Reichtümer der Familie nicht, die sich in allen
Fluren und Gängen häuften, wie in einer verdammten Schatzkammer. Seine Eltern
hatte nie viel von großer Bescheidenheit gehalten.
Und
Narzissa öffnete eines der Zimmer.
Und
das war neu. Es war… ein brandneues Kinderzimmer, stellte er entgeistert fest.
Die Wände waren mit heller Seide bespannt, während sich kunstvoll gemalte bunte
Vögel über die Tapete bewegten. Dasselbe Kinderbett, das Granger besaß stand in
der Mitte des Raums, und hundert Kuscheltiere saßen ordentlich in den neuen
Regalen. Narzissa marschierte durch bis zur anderen Wand.
Das
Stammbaumzimmer war nun das Kinderzimmer. Wie passend, kam es Draco
kopfschüttelnd in den Sinn, und er und Granger folgten Narzissa zur Wand.
„Willkommen
im Stammbaum, Hermine“, sagte Narzissa feierlich, und tatsächlich. Grangers
Name stand in feiner Seide gewoben neben seinem, und sie waren durch einen
filigranen Ast verbunden. Ein neuer Zweig wob sich nach unten, schien nur noch
auf das neue Kind zu warten. Draco hatte immer angenommen, der Baum würde mit
ihm letztendlich sterben, aber… scheinbar nicht. Früher als Kind, da hatte er
noch vor sich hin gesponnen, welches Mädchen einst neben seinem Namen Platz
finden würde, aber irgendwann hatte er darüber nicht mehr nachgedacht.
Cassandra Catrice, fiel ihm abwesend wieder ein. Sie hatte er in der magischen
Vorschule gemocht. Und ihm hatte gefallen, dass ihr Vorname und ihr Nachname
mit demselben Buchstaben begonnen.
Daran
hatte er lange nicht mehr gedacht. Und irgendwann hatte er auch aufgehört über
so etwas nachzudenken.
Es
wirkte so… permanent. Und Granger starrte verblüfft auf den massiven Stammbaum,
mit seinen unzähligen verschnörkelten Wegen und Urahnen, die sich mit
scheußlichen Namen auf der Wand häuften. Der Name Scorpius würde sich wie ein
Fisch ins Wasser fügen, nahm er bitter an.
„Ich
lasse euch kurz alleine“, verkündete Narzissa mit entschieden zu belegter
Stimme und war aus dem Kinderzimmer verschwunden, ehe er diese Falle überhaupt
hatte zuschnappen sehen können! Wozu sollte das nun gut sein, fragte er sich,
aber Grangers Blick war immer noch wie gebannt auf den hässlichen Stammbaum
gerichtet.
Die
Stille war unangenehm. Und endlich, vielleicht das zweite Mal heute Abend hob
sie den Blick zu seinem Gesicht. Sie sah so anders aus mit all der künstlichen
Farbe, der aufgemalten Schönheit im Gesicht. Dann sah sie sich plötzlich um.
„Hier
wird mein Sohn schlafen“, murmelte sie. Und auch Draco fand es befremdlich,
dass wieder ein Kind auf Malfoy Manor wohnen sollte, wenn auch nur
zwischendurch. Und sie wandte sich nachdenklich an ihn. Aber dann wiederum
hatten seine Eltern seit dreißig Jahren kein Kind mehr verderben können.
Vielleicht hatten sie dazu gelernt? Und plötzlich wurde sie ernst. „Er wird
lieber hier sein als in meinem Haus“, entfuhr es ihr bitter.
Und
kurz betrachtete er sie verstört. Er sprach, obwohl er es nicht vorgehabt
hatte. Denn Draco konnte sich kaum vorstellen, dass selbst seine Eltern
wirklich gerne in diesem Haus lebten. Geschweige denn ein Kind!
„Wieso?“,
entfuhr es ihm unüberlegt. Sie sah ihn wieder an, schien selber verblüfft, dass
er gesprochen hatte. Aber sie wirkte so ätzend selbstbewusst wie immer. Als
hätte sie nie schwach und hilflos in seinen Armen gelegen, dachte er dumpf.
„Weil
es ein Schloss ist“, schien sie gereizt das Offensichtliche zu erläutern. Er
musste sich beherrschen, ihren Anblick nicht zu genau in sich aufzunehmen, denn
sonst würde er noch zu der Überzeugung gelangen, dass sie tatsächlich zu hübsch
war. Und das half ihm gar nicht. Und scheinbar war jetzt der Zeitpunkt für
absolut dumme Worte gekommen, dachte er entnervt, als sein Mund schon wieder
gesprochen hatte.
„Ich
war nicht gerne hier“, erwiderte er achselzuckend. Und kurz traf ihn ihr
ungläubiger Blick, aber sie schien sich plötzlich zu ermahnen, wegzusehen.
Fast, als wolle sie ihn ebenfalls nicht zu genau betrachten, fiel ihm
überrascht auf. War es das, was sie tat? Sein Verstand analysierte ihr
Verhalten ziemlich schnell. Spielte sie mit ihm?! Trug sie… diese Sachen, die
sie nicht ausschließlich nur dick aussehen ließen, um ihn zu ärgern? Um ihm zu
beweisen, dass sie nicht hilflos und abhängig war? Trug sie diese verdammten
Schuhe aus Spaß am Ärgern?
„Ja,
sicher“, erwiderte sie äußerst spöttisch.
Er
musste sich kurz besinnen, um was dieses leere Gespräch gegangen war. Ihr Blick
traf ihn erneut, aber zu kurz, als dass er in ihren Augen irgendeine Regung
erkennen konnte.
Und
fast wollte er schon nicht mehr, dass sie ihn ansah. Er hatte es den ganzen
Abend über gewollt, aber jetzt… wäre es ihm lieber, sie würde ihn wieder
ignorieren. Sie trug zu feinen Stoff, es umschmeichelte ihre Figur an den
richtigen Stellen, und er konnte nur darüber nachdenken, dass er ihren Bauch
noch einmal berühren wollte, um das Wunder noch einmal zu erleben.
Er
war so ein Vollidiot! Merlin!
Und
er wunderte sich, dass er noch nicht angefangen hatte, mit ihr zu streiten,
aber es fiel ihm schwer, wo sie heute so unwiderstehlich aussah.
Grrr.
Er war ein absoluter Vollidiot.
„Wie
könnte es irgendwem hier nicht gefallen?“, murmelte sie verloren, wartete keine
Antwort ab, und ihr Blick glitt wehmütig aus dem Fenster über den in Dunkelheit
getauchten Garten, der sich endlos weit erstreckte. Ab und an funkelten die
hellen Lichter der magischen Dekoration in den Zieranlagen. Und bitter
verschränkte er die Arme vor der Brust. Granger schien zu viele Virgin Sidecars
getrunken zu haben.
„Weil es das Haus von Todessern ist“, antwortete er tatsächlich, ohne sich
abhalten zu können. Und er stellte sich neben sie ans Fenster und blickte
ebenfalls hinaus in den Garten.
Und
es fiel ihm ein. Es war ein Dezembertag vor so vielen Jahren. Voldemort hatte
Malfoy Manor als Hauptquartier eingerichtet. Er war in den Ferien hier gewesen,
obwohl er lieber unter Aufsicht der Carrow Geschwister in Hogwarts gefoltert
worden wäre.
Und
die Greifer hatten drei Gefangene gemacht, an diesem kalten Tag.
Es
war vierzehn Jahre her. Vierzehn Jahre und vier Monate. Und sein Blick fiel auf
ihre Gestalt.
„Du
warst schon mal hier“, sagte er dann langsam, und erinnerte sich an ihre Worte,
noch nie hier gewesen zu sein, erinnerte sich selber nach so vielen Jahren erst
wieder an diesen Tag. Und tatsächlich lächelte sie ein schwaches Lächeln, ohne
ihn anzusehen.
„Das
weiß ich, Malfoy“, sagte sie nur, fast gleichmütig. „Aber ich war noch nie hier
als Gast“, erklärte sie dann. „Ich kenne deine Eltern auch anders, glaub mir“,
erinnerte sie ihn, ohne den Blick von den dunklen Wäldern zu wenden.
Es
lag alles lange zurück, wurde ihm klar. Sehr lange. Und kurz hatte er das
Bedürfnis, sich für die Vergangenheit zu entschuldigen, aber… er tat es nicht.
Und dann sah sie ihn an.
„Ich
möchte nicht, dass er davon erfährt“, entschied sie wohl plötzlich zu sagen,
und seine Stirn legte sich in sanfte Falten.
„Wer?“,
entkam es ihm verständnislos, aber er glaubte, er wusste wer.
„Scorpius“,
antwortete sie dann. Und kurz blinzelte er.
„Scorpius?“,
wiederholte er dann verwirrt. Sie wollte ihn so nennen?
„Ja“,
bestätigte sie ruhig, und ihr Blick war ihm fast unangenehm. „Ich will nicht,
dass… er seine Großeltern deshalb verurteilt“, schloss sie. Dracos Mund öffnete
sich völlig entgeistert.
„Granger,
ich sage es dir nicht gern, aber du bist in der fabelhaften Position,
nachtragend zu sein, und es wäre auch noch sozial adäquat und angemessen“,
erklärte er nachsichtig. Aber sie ruckte mit dem Kopf.
„Glaub
mir, ich habe gute Gründe, weshalb ich Lucius‘ Entscheidungen, was das
Ministerium angeht, nicht befürworte, und ich kann nicht leiden, dass Narzissa
sich in mein Leben eingeladen hat, aber… Harry, Ron und ich haben vor langer
Zeit einen Pakt geschlossen.“ Draco war zu gespannt, um sie zu unterbrechen.
„Wir haben beschlossen, den Ehemaligen ihren Handlungen unter Voldemorts Gewalt
nicht mehr nachzutragen.“
Gryffindors,
dachte Draco unwillkürlich, mit echtem Unglaube auf den Zügen. So etwas konnten
nur Gryffindors entscheiden! Dumme, selbstlose Gryffindors. Er musste freudlos
lächeln.
„Ihr
seid unglaublich“, murmelte er, fast genervt von so viel Großmut. Und kurz
lächelte sie.
„Eigentlich
war es Cedrics Idee“, flüsterte sie fast. „Harry und Ron hätten zu gerne noch
ein wenig Rache geübt, aber… sie haben dann eingesehen, dass Rache auch nicht
glücklich macht.“
Draco
konnte nur den Kopf schütteln.
„Und
deshalb möchte ich nicht, dass er diese Dinge erfährt.“
Und
Draco mochte nicht, wie ernst dieses Gespräch geworden war. Wie ernst die
Zukunft werden würde.
„Ich
trage das Mal, Granger“, erinnerte er sie, mit gewissem Bedacht.
„Ich
weiß“, entfuhr es ihr schneller, als er geglaubt hatte. Und dann sah sie ihn
an. „Und tut es dir leid?“, wollte sie fast argwöhnisch von ihm wissen. Sein
Blick fiel auf ihr offenes Gesicht.
„Leid?“,
wiederholte er verwundert. „Ob es mir leid tut, dass ich es trage?“ Sie ruckte
mit dem Kopf. „Nein“, sagte er dann kopfschüttelnd. Ihr Ausdruck wurde
steinern. „Aber nicht aus den Gründen, die dir vorschweben“, ergänzte er dann.
„Es tut mir nicht leid, denn es ist wichtig, dass ich mich erinnere“, schloss
er knapp. „Wenn…“, begann er, und er konnte nicht fassen, dass er mit ihr
darüber sprach, „wenn ich ins Gericht gehe, und vor der Entscheidung stehe, ein
Plädoyer zu halten, gegen jemanden, den ich nach Askaban bringen will, dann
treffe ich eine bessere Entscheidung, wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, dass
ich ein Symbol auf meinem Arm trage, dass mich schneller in die Todeszelle
hätte bringen können, als ich das Wort Muggel überhaupt denke könnte. Wäre ich
nur ein wenig älter gewesen, hätte ich nur einmal vor der Wahl stehen müssen,
einen Muggel zu foltern oder nicht, dann wäre meine Zukunft eine andere
geworden.“
Und
er spürte ihren Blick, aber er sah sie nicht an, verlor sich in den dunklen
Wäldern. „Und nein“, beantwortete er die Frage, die ihr auf der Seele zu
brennen schien. Er spürte es förmlich und senkte den Blick zurück auf ihr
Gesicht. „Ich war mir nie vollkommen sicher, welche Leichen Lucius im Keller
versteckt, aber ich hatte nie im Leben das Bedürfnis, einen Muggel zu foltern“,
schloss er mit entsprechend erhobener Augenbraue.
Er
erahnte die sanfte Röte auf ihren Wangen. Sie nickte dann.
„Scorpius?“,
wiederholte er schließlich, um das lästige andere Thema zu beenden, und sie hob
verwirrt den Blick. „Du weißt, wenn man Dingen einen Namen gibt, muss man sie
behalten?“, erinnerte er sie, fast spöttisch, und ihre Mundwinkel zuckten.
„Draco?“,
sagte sie plötzlich, und fast hätte er sich verschluckt, denn er glaubte nicht,
dass sie ihn jemals so genannt hatte. Aber er war so verwundert, dass er sie
nur ansehen konnte.
„Ja?“,
wollte er wissen, und sie atmete aus.
„Scorpius
passt nicht zu Granger“, räumte sie ein. „Wäre es ein Problem für dich, wenn er
Malfoy heißen würde?“ Er musste blinzeln. Was?! Sie gab ihren Namen einfach so
auf? Wie kam sie dazu? Er runzelte die Stirn, denn er verstand nicht. Er war
kaum darüber hinweg, dass sie seinen Vornamen benutzt hatte. „Denn…“, fuhr sie
unsicher fort, „ich werde ja auch nicht immer Granger heißen, und…“
Oh.
Dracos Schultern fielen. Sie glaubte, ihr Typ käme zurück und sie würde ihn
heiraten? Merlin, sie war so naiv. Sie war so unerschütterlich optimistisch,
dass er fast Bauchschmerzen bekam. Und fast kam es ihm so vor, als würde sie
ihr Kind aufgeben. Hatte sie nicht vorhin gesagt, würde das Kind Malfoy heißen,
hätte es nichts mehr mit ihr zu tun? Er atmete angestrengt aus.
Und
er wollte sie fragen. Er wollte fragen, was, wenn er nicht zurückkäme? Was dann?
Aber
ihr Blick verriet ihr, dass sie darüber nicht verhandeln würde, nicht einmal
diskutieren wollte. Und er gab nach. Unfassbarerweise gab er nach! Es musste an
ihrem Aussehen heute liegen. Er konnte sich nicht einmal mit ihr streiten.
„Scorpius
Malfoy?“, sagte er also ungläubig. „Es klingt wie ein Fluch“, murmelte er
abwesend. Seine Mutter würde einen Anfall kriegen. Denn eigentlich bekam nur
Narzissa, was sie wollte, ging ihm dumpf auf. Wie eigentlich immer.
„Ich
werde runter gehen“, verabschiedete sie sich dann plötzlich von ihm und schritt
an ihm vorbei. Ihre Hüften schwangen auf den hohen Schuhen, und ihm ging auf,
als sein Blick ihr unbewusst folgte, dass Granger eine von den Frauen war,
denen man die Schwangerschaft von hinten nicht ansah. Sein Blick verfing sich
an ihrem relativ festen Hintern, der in diesem verdammten Rock zu gut aussah
und sein Kiefermuskel spannte sich an.
Merlin.
Sie hatte hier in diesem Zimmer ein hartes Spiel gespielt. Er hatte sein
Innerstes nach außen gekehrt, dabei hatte er sie den Abend über ignorieren
wollen! In seinen Kopf hatte sich die Idee geschlichen, dass er nicht würde
ertragen können, heute in seinem Hotel zu schlafen.
Er
wollte mehr erfahren über das Mädchen, was zustimmte, seinen Sohn Scorpius
Malfoy zu nennen. Über das Mädchen, was so viel aufgab, nicht einmal wollte,
dass seine Eltern, die Todesser schlechthin, nicht schlecht vor ihrem Enkelsohn
dastanden.
Es
schmeichelte ihm beinahe, dass sie dem Kind, was sie immer gewollt hatte, und
das nichts mit ihm zu tun haben sollte, nun seinen Namen schenkte.
Es
war so unfassbar trivial. Er fiel auf ein gutes Herz herein. Er wusste, warum
er sich von diesen Mädchen sein Leben über ferngehalten hatte. Oder war es
immer andersrum gewesen?
Er
war einigermaßen fasziniert von ihrer Taktik, sollte sie überhaupt so gerissen
sein, eine Taktik anzuwenden. Wahrscheinlich war es ihre natürliche Art.
Leider
hatte er angebissen, dachte er entnervt und kämmte sich die Haare nach hinten
über den Kopf. Es waren so neue Gefühle. Und diese verdammt lästige Stimme in
seinem Kopf nervte ihn mit dem nagenden Wunsch, dass sie doch noch einmal sein
Bett teilen könnte.
Potter
und Weasley mussten während des Kriegs schwul gewesen sein, dachte er
erschöpft. Denn wenn er schon eine schwangere Granger nicht aus seinem scheiß
Kopf bekam, dann begriff er beim besten Willen nicht, wie es diese zwei
pubertierenden Idioten geschafft hatten, sie nicht anzurühren, als sie
verdammte siebzehn gewesen waren.
Scheiße.
War er so berechenbar, fragte er sich unwillkürlich? War Granger vorher von
irgendwem ausgebildet worden, um ihn auf den Pfad der scheiß Tugend zu
schicken, wo er einer Muggelgeborenen hinterherlief?
Und
er hoffte selber schon, dieser scheiß Dermont-Typ würde wiederkommen, um ihn von
schlimmerem abzuhalten!
„In life, a person will come and go from many homes.
We may leave a house, a town, a room,
but that does not mean those places leave us.
Once entered, we never entirely depart the homes
we make for ourselves in the world.
They follow us, like shadows, until we come upon them
again,
waiting for us in the mist.“
Ari Berk
Sie
war nervös gewesen. Zuerst als Pansy sie überredet hatte, diese Sachen
anzuziehen, diese hohen Schuhe, und dann auch noch Makeup zu tragen. Sie hatte
ihr versichert, Draco wäre kein Problem, würde sie so auftauchen. Er würde
höchstwahrscheinlich den Abend über starren, und sie hätte alle Fäden in der
Hand.
Es
war schwer gewesen, Smalltalk mit Lucius zu betreiben, wenn sie ihn am liebsten
beschuldigen wollte, ihrer Abteilung besonders schwere Steine in den Weg zu
legen. Sie hatte versucht, sich zu erinnern, wie Malfoy Manor damals ausgesehen
hatte, wie es ihr mit siebzehn vorgekommen war, aber sie hatte sich nicht
einmal mehr erinnern können. Ihr Körper hatte diese schmerzhafte Erfahrung, und
alles, was damit zusammenhing, erfolgreich verdrängt.
Sie
hatte mit Draco alleine im neuen Kinderzimmer gestanden und sich gefühlt wie
eine wohlhabende Frau, denn das war es, was einem dieses Märchenschloss
vermittelte. Und er war… so seltsam ehrlich gewesen. Er hatte mit ihr offen
gesprochen, hatte nichts beschönigt, und es war eine spontane Idee gewesen,
dass ihr Sohn tatsächlich einen Namen tragen sollte, der einem solchen Anwesen
würdig war.
Sie
hatte nachgegeben. Sie hatte sich selber zurückgestellt.
Und
sie gab es nicht gerne zu. Sie wollte nicht denken, dass ein gewisser Zauber
dieser Familie innewohnte. Dass ihr Sohn die Gene einer der ältesten
Zaubererfamilien in sich tragen würde, dass er wahrscheinlich unfassbar
magiebegabt sein würde, und dass er wahrscheinlich niemals in seinem Leben die
kleinste Geldsorge haben würde.
Und
sie hatte nicht kühl und abweisend zu Malfoy sein können.
Zuerst
hatte sie sich so schlecht und schäbig gefühlt, als er gesagt hatte, es täte
ihm nicht leid, das Mal zu tragen. Und dann hatte er gesprochen, hatte ihr
gesagt, dass er es brauchen würde, dass ihn die bloße Anwesenheit des Mals
daran erinnerte, eine gerechtere Entscheidung zu treffen.
Und
Hermine war nicht blind. Draco war ein schöner Mann. Aber er hatte es
tatsächlich geschafft, sie glauben zu lassen, dass sein Inneres nicht völlig
schwarz und weiß gestrickt war. Sie hatte ihm so viel Tiefe nicht zugetraut.
Und
sie hatte nicht gewusst, wie sie damit umgehen sollte. Und sie wusste aber
sicher, dass sie nicht wollte, dass ihr Sohn mit schlechten Gedanken über seine
Großeltern aufwuchs. Er würde viele Dinge noch früh genug erfahren. Und sie kam
nicht umhin, Draco zu betrachten, ihn den restlichen Abend über anzusehen.
Und
manchmal fing er ihren Blick auf. Dann senkte sie ihren hastig, tat so als
schenke sie Narzissa ihre Aufmerksamkeit, und Hermine hatte zunächst noch
darauf verzichtet, Narzissa zu eröffnen, dass sie sich entschieden hatte, ihren
Wünschen zu entsprechen, und ihr Sohn Scorpius Malfoy heißen würde.
Scorpius.
Und fast zuckten ihre Mundwinkel. Der Name war so besonders, kein anderes Kind
würde ihn haben. Und Hermine gefiel das, denn auch kein weiteres Mädchen hatte
jemals ihren Namen gehabt.
Und
der Abend näherte sich dem Ende. Und es war ein vorsichtiges Herantasten
gewesen. Lucius hatte wenig von sich gegeben, eher zugesehen, und Draco war
irgendwann verschwunden, seinen neuen Vertrag unterschreiben, und Hermine hatte
neben Narzissa gesessen, und plötzlich fand sich Hermine auf der großen Couch
wieder, ein Fotoalbum in ihren Händen, wo sie einen ersten Eindruck bekommen
würde, wie ihr Sohn aussehen könnte, denn es war ein Babyalbum von Draco.
Draco.
Sie hatte ihn bei seinem Vornamen genannt, und sie glaubte, gesehen zu haben,
wie er den Atem angehalten hatte, als sie es getan hatte. Sie hatte es in dem
Moment als vernünftig empfunden. Immerhin war er der Vater ihres Kindes.
Ihr
Blick fiel auf ein Bild, das Lucius und Draco zeigte. Draco war klein,
vielleicht fünfzehn Monate alt. Er konnte wohl gerade laufen. Lucius hockte vor
seinem Sohn, und Draco stützte sich mit seiner kleinen Hand auf Lucius‘ Knie
ab. Und er war ein hübsches Kind. Genauso hellblonde Haare wie heute noch. Er
zeigte triumphierend mit der anderen Hand auf die Kamera und strahlte ein
Kinderlächeln, relativ zahnlos, während Lucius lächelnd nickte.
Draco
kam mit seinem Vater zurück in den Salon. Er schien das Album zu erkennen,
neigte sich ein wenig vor, und schüttelte den Kopf.
„Mutter“,
sagte er peinlich berührt, „muss das sein?“
„Ich
kann es kaum erwarten, Draco!“, flüsterte Narzissa mit glasigem Blick, und
Hermine erhob sich, denn es wirkte wie ein Abschied.
„Spar
dir die Bilder auf dem Einhornfell für den nächsten Besuch auf“, bemerkte Draco
spöttisch mit Blick auf Narzissa, und Hermines Augen weiteten sich. Und er tat
etwas Seltsames. Er zwinkerte ihr zu, als hätte er einen Scherz gemacht.
„Draco, also wirklich! Es ist kein Einhornfell!“, beteuerte Narzissa sofort
sehr bestürzt. Hermines Mund öffnete sich überfordert.
„Sollen
wir die Kutsche teilen? Ich setze dich ab“, schlug Draco ihr kurzerhand vor,
und Hermine war etwas überrumpelt mit diesem Vorschlag. Denn ihr Verstand sagte
ihr ganz klar Nein! Eine Kutschfahrt mit Draco Malfoy klang nicht wirklich
sicher. Aber ihr Verstand hatte nicht wirklich das Sagen.
„Ja
gut. Danke“, antwortete sie stattdessen, und auch er wirkte minimal überrascht,
aber er ließ es sich kaum anmerken. Es war alles ok. Er durfte nur nicht in
ihrem Haus schlafen, das war alles.
„Es
war schön, dass ihr hier wart“, verabschiedete sich Narzissa. „Und sag
Bescheid, wenn du etwas brauchst, Hermine. Es ist ja bald soweit.“
Hermine
nickte nur, während sie verhalten gähnte.
„Ja,
es ist spät“, bestätigte Lucius, kurz angebunden. Er schenkte ihr jedoch ein
sehr schmales Lächeln. Es schien sogar seine grauen Augen zu erreichen. „Danke
für deinen Besuch, Hermine“, verabschiedete auch er sich von ihr.
„Nichts
zu danken“, erwiderte sie tatsächlich, denn es war gar nicht zu schlimm
gewesen. Und Draco war schneller und half ihr sogar in ihren Mantel. Na ja,
Pansys Mantel, wenn sie ehrlich war. So schick hatte sie sich seit Jahren nicht
mehr gemacht. Das letzte Mal auf dem Ministeriumsball, wo sie noch mit Cedric
hingegangen war. Es war lange her.
Und
sie versuchte zu ignorieren, wie zuvorkommend Draco gerade war. Denn es machte
ihr nur Angst. Aber sie hielt sich an Pansys Ratschlag. Nicht mit ihm streiten.
Ihn nicht in ihre Gedanken lassen. Aber das war schwer. Vor allem hätte sie
nicht damit gerechnet, dass sie ihn fast nett fand, wenn sie nicht stritten.
Die
schwere Tür von Malfoy Manor schloss sich hinter ihnen, und seine Kutsche
wartete tatsächlich noch vor dem Haus. Der Kutscher sprang vom Bock und half
ihr ins Innere. Draco folgte ihr, und wieder siegte die Nervosität. Sie wusste
nicht, was sie sagen sollte, wo sie ihre Hände lassen sollte, ob sie überhaupt
sprechen musste.
Besser
nicht. Sie blickte aus dem Fenster, ließ den weiten beleuchteten Garten an sich
vorüberziehen, und ignorierte, dass er vor ihr saß. Sie fragte ihn gar nicht
erst, weswegen er ihr anbot, sie abzusetzen. Sie nahm an, seine Antwort wäre
entweder furchtbar direkt und zweideutig oder sie würde sich danach dumm
fühlen. Sie wusste nicht, ob er nicht jede ihrer Fragen zum Anlass nehmen
würde, etwas Spöttisches oder Herablassendes zu sagen.
„Es
wird wärmer“, sagte er schließlich, und sie konnte kaum fassen, dass er über
das Wetter sprach!
„Mhm“,
erwiderte sie bloß, ein wenig überfordert, und knetete ihre Finger in ihrem
Schoß. Sie war froh, dass sie Narzissas Essen vertragen hatte, dass ihre Füße
in den Schuhen nicht um das Doppelte angeschwollen waren, und sie war froh,
wenn sie ihn nicht direkt ansehen musste.
Sie
hatten nicht mehr darüber gesprochen. Kein Wort über gestern Nacht oder dass
sie im selben Bett geschlafen hatten.
Der
Rest der Fahrt verlief wider Erwarten stumm. Allerdings schlug ihr Herz
schneller, mit jedem Meter, dem sie Godric’s Hollow näher kamen.
Dann
hielt die Kutsche. Sie waren da. Der Kutscher sprang erneut vom Bock, öffnete
ihr die Tür, half ihr raus, und Malfoy folgte ihr.
„Ich
bringe dich zur Tür“, informierte er sie, und sie verzichtete darauf, zu
fragen, weshalb. Die Frage war zu gefährlich. Sie würde es hinnehmen, sie würde
sich bedanken, sie würde in ihr Haus gehen und die Tür dreimal abschließen. Das
war der Plan. Und von diesem Plan würde sie nicht abweichen.
Sie
war wieder nervös. Schrecklich nervös. Obwohl sie glaubte, sie hatte sich gut
geschlagen heute. Er schritt neben ihr, öffnete ihr Gartentor, und sie folgte
ihm mit durchgestrecktem Rücken, obwohl sie nicht erwarten konnte, die Schuhe
und die unbequeme Bluse loszuwerden.
Nebeneinander
gingen sie den dunklen Kiesweg entlang, nur der Mond beleuchtete schwach ihren
winzigen Garten, der mit Malfoy Manor nicht zu vergleichen war. Nichts war
damit zu vergleichen!
Gott,
ihre Finger kribbelten. Sie wusste nicht einmal, warum!
Vor
ihrer Haustür angekommen zog sie den Schlüssel aus ihrer Handtasche und Draco
nahm ihn ihr ab, wie sie es nur aus alten Filmen her kannte. Kurzerhand öffnete
er ihre Tür und trat zur Seite.
Und
ihr Herz schlug schnell, als sie sich endlich erlaubte den Blick zu seinem
Gesicht zu heben. Er reichte ihr den Schlüssel, und sie hob ihre Hand, damit er
ihn ihr geben konnte. Sie achtete darauf, dass sich ihre Hände nicht berührten.
Sie wusste nicht, ob sie sich für die Fahrt bedanken musste, ob sie irgendetwas
sagen musste. Und selbst im Halbdunkeln erkannte sie sein Gesicht.
„Wenn…“,
begann er und räusperte sich, fuhr sich mit der Hand in einer befremdlich
unsicheren Geste über die hellen Haare, „wenn du Sorge hast oder… ich bleiben
soll, dann…“ Er tat sich schwer mit den Worten. Das war neu.
„Sorge?“,
wiederholte sie tatsächlich atemlos.
„Wenn
du… denkst, du wärst allein“, erläuterte er, dankbar, dass sie gesprochen
hatte, so kam es ihr vor. Und sie runzelte die Stirn unter seinen Worten.
„Wenn
ich es denke? Ich… bin immer allein“, antwortete sie, und erst als sie es laut
sagte, verstand sie die Worte überhaupt. Und ja. Sie klangen traurig, stellte
sie überrascht fest. Jedoch schüttelte er den Kopf. Sie sah ihn mit großen
Augen an. Wieso schüttelte er den Kopf.
„Du
bist nicht allein“, stellte er klar.
„Nicht?“,
entfuhr es ihr verwirrt, und er sah sie schrecklich ehrlich an. Am liebsten
würde sie wegsehen. Er ruckte nur mit dem Kopf. Und es war wie das Ende eines
Dates, dachte sie unwillkürlich. Es war nur so unwirklich, denn es handelte
sich um Draco Malfoy. Und noch nie hatte sie sich so gefühlt. Sie war so
zerrissen. Sie hatte sich seit langer Zeit auf niemanden mehr wirklich
verlassen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Draco jemand war, auf den
sie sich verlassen konnte.
Aber…
es war verlockend. Ihr Herz schlug viel zu schnell.
„Du…
hast meine Adresse“, sagte er schließlich, und mit einem letzten Blick wandte
er sich ab, schritt den Weg wieder zurück, und sie wusste nicht, was es war,
aber sie sah ihm nach.
„Malfoy!“,
hielt ihn ihre Stimme plötzlich auf, und sie zitterte beim Sprechen. Er wandte
sich auf halbem Weg um. Das Mondlicht tanzte silbern auf seinen Haaren. Fragend
sah er sie an, stand einige Meter weg von ihr, und sie wusste nur eins. Wenn er
hier war, dann dachte sie nicht an Alec und wie sehr sie ihn vermisste, wenn
sie alleine war.
Und
ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie konnte nicht mehr sprechen. Ihr Mund
hatte sich geöffnet und ihr Atem hatte sich minimal beschleunigt.
Sie
hatte keine Ahnung von diesen irrationalen Dingen. Sie kannte sich mit Logik
und Vernunft aus. Aber nicht damit! Sie kannte es nicht, dass ihr Herz raste,
dass ihre Fingerspitzend heiß wurden. Sie war zu gefangen, und es half nicht,
dass sie bereits wusste, wie es sich anfühlte, wenn… wenn…
-und
als er sich plötzlich in Bewegung setzte war es wie ein Stromschlag der durch
ihren Körper fuhr und Millionen Schauer ihren Rücken hinab jagte. Er kam zurück,
mit selbstbewussten Schritten, mit hungrigen grauen Augen, die bis in ihre
Seele hinabsahen, und dann stand er vor ihr, so nahe, dass sie seine Wärme
spüren konnte.
„Sag,
dass ich bleiben soll“, entfuhr es ihm rau und angespannt, und ihr Puls dröhnte
in ihren Ohren, so aufgeregt war sie.
Und
sie konnte es nicht mehr kontrollieren.
„Bleib“, flüsterte sie nahezu tonlos, und er bedeutete dem Kutscher blind, zu
fahren. Die Thestrale setzte sich gleichzeitig in Bewegung, und die Kutsche verschwand
in der Desillusionierung. Und bevor sie beide wohl ausgiebig Zeit zum
Nachdenken hatten, bevor sie beide begriffen, dass es ein Fehler war, schloss
er den Abstand, schlang den Arm um ihre Taille, und vor ihrer Tür kam sie ihm
zu einem unglaublich nötigen Kuss entgegen.
Hart
trafen seine Lippen auf ihren Mund, und ihre Augen schlossen sich, als sich
ihre Arme wie von selbst um seinen Nacken legten. Merlin, sie hatte wohl ihren
Verstand verloren. Und er gleich mit, nahm sie an, während sie sich wie
schwerelos unter seinem Kuss fühlte. Seine Hand vergrub sich in ihren Haaren,
seine Zunge erkundete forschend ihren Mund, und verlangend presste er sich
gegen sie, und Scorpius schien wieder einmal wach zu werden, bewegte sich, und
kurz verharrte der unfassbar sinnliche Mann über ihr in der Bewegung, nur um
schließlich ungehalten in ihren Mund zu stöhnen, und alles in ihrem Körper
kribbelte, bis hin in ihre Zehenspitzen!
Rückwärts
betraten sie das Haus, stießen gegen die Kommode, die Garderobe und endlich
gegen die Flurwand, und er warf die Tür unwillig ins Schloss, während er danach
zwei Anläufe brauchte, um den Lichtschalter zu finden. Das Petroleum erhellte
den Flur, und er hielt sie mit seinem Körper an der Wand, während seine Hände
verlangend die Seiten ihres Bauches entlang fuhren.
Und
sie wusste nicht, was in sie gefahren war, aber ihre Hormone erwachten
schlagartig und mit fahrigen Fingern öffnete sie seine Fliege mit nur einer
Bewegung, zog sie aus dem Hemdkragen, und er tat es ihr gleich, als seine
Finger die Mitte ihrer Bluse fand, und die Seide mit einer unwilligen Geste,
ohne die Knöpfe überhaupt zu suchen, zerriss.
Pansy
würde wütend sein, nahm Hermine dumpf an, aber es interessierte sie überhaupt
nicht! Ihre Brüste waren größer geworden, hatte sie festgestellt. Ihre BHs
passten ihr nicht mehr, deshalb trug sie heute nur ein Spitzenhemd aus Seide,
was eng über ihrem Oberkörper lag. Und seine Hände fuhren verlangend über ihre
Brüste, und ihre Brustwarzen richteten sich unter der Seide auf, während sie
seiner Zunge manisch mit ihrer begegnete.
Ihre
Finger öffneten immerhin die Knöpfe seines Hemds, und er half ihr, schüttelte
sein Jackett von den Schultern und zerrte sich dann das halboffene Hemd über
den Kopf. Dafür musste er den Kuss unterbrechen, und abwesend biss sie sich auf
ihre Unterlippe, als sie seinen muskulösen Brustkorb im Licht betrachtete, und
sie sah das Spiel seiner Oberarmmuskeln, als er wieder den Arm um sie schlang,
während sein Mund es diesmal auf die Linie ihres Kiefers abgesehen hatte, und
ihr Kopf seufzend nach hinten fiel, als er ihren Hals küsste, dann tiefer über
den seidigen Stoff, bis er zu ihren Brustwarzen kam, und sie schon durch den
Stoff unfassbare Sensationen in ihrem Innern spürte.
Ihr
Sohn trat heftig, reagierte auf all ihren Höhen und ihre Lust, und Draco
unterbrach seine süße Qual, um sie anzusehen.
„Ist…
ist er ok?“, fragte er abgehackt, und Hermine öffnete blinzelnd die Augen und
sah ihn schwer atmend.
„Es
geht ihm perfekt“, versicherte sie ihm rau, und mit hungrigem Blick griffen
seine Hände nach der Spitze der Bluse und zogen sie über ihren Kopf.
Mit
nackten Oberkörper, nur noch in Rock und Pumps stand sie vor ihm. Und er machte
weiter, wo er aufgehört hatte, und es war so unfassbar! Er senkte seinen Kopf,
nahm eine ihrer Brustwarzen in seinen Mund, und ihre Finger gruben sich in
seine Haare, kratzte über seine Kopfhaut, und sie glaubte, gleich ohnmächtig zu
werden, so gut fühlte es sich an.
Was
hatte sie sich vorgemacht?
Sie
nahm an, sie hatte gewusst, dass er nicht in sein Hotel zurückgehen würde,
nachdem sie zugestimmt hatte, die Kutsche mit ihm zu teilen. Schon da hatte sie
das Ziehen in ihrer Mitte gespürt, aber vorerst ignoriert.
Und
ihre Hände strichen über seinen Nacken, seinen breiten Rücken, aber er fiel auf
die Knie. Atemlos sah sie ihm zu, wie seine Hände ihren Unterleib liebkosten,
wie er die winzigen Füße, die sich dann und wann abzeichneten, mit den Fingern
nachfuhr und winzige Küsse auf ihren gewölbten Bauch hauchte.
Es
war… fast zu schön, dachte sie plötzlich. Denn bisher liebte nur sie das
winzige Geschöpf in ihrem Innern, aber… es machte den Anschein, als wäre auch
Draco nur zu angetan. Und seine Hände wanderten plötzlich tiefer, ihre
Oberschenkel hinab, nur um den Rock ihre Beine empor zu schieben.
Oh
Gott! Seine Daumen strichen hart über die Innenseite ihrer Oberschenkel, und
sie war schamlos feucht. Fast schämte sie sich, als seine Finger auf die
verräterische Nässe ihres Höschens trafen, und er sie von unten aus ansah.
Merlin…
dieser Blick alleine ließ sie fast schon kommen.
Und
Neugierde und Ungeduld waren in seinen Blick getreten, und langsam stand er
wieder auf, überragte sie wieder, und er öffnete seinen schwarzen Gürtel, und
sie musste schlucken vor Anspannung und Erregung.
Und
es war so falsch, aber es fühlte sich so richtig an, dachte sie verzweifelt,
als er ihre Hand ergriff und sie in ihr altes Lesezimmer führte. Sein Zimmer.
Und nur dort wollte sie sein. Nicht oben, nicht ihrem ehemaligen
Eheschlafzimmer! Nicht dort!
Er
entfachte das Licht hier ebenfalls, und sie schämte sich nicht mal, als er
seine Hose auszog und seine Shorts folgte. Seine Erektion stach beachtlich in
die Höhe, und sie spürte die Röte in ihren Wangen sofort. Und sie schämte sich,
dass sie nur daran denken konnte, wie er sich in ihr anfühlen würde!
Und
sie tat es ihm gleich, öffnete den verborgen Knopf des Rocks und er fiel weich ihre Beine hinab. Nur in einem schwarzen Höschen
stand sie vor ihm, und ihre Brust hob und senkte sich erwartungsvoll unter
seinem Blick.
Sie
kam näher, und wie von selbst hob sich ihre Hand, griff um seinen Schaft, und
er zog scharf die Luft ein, während seine Augen dunkler wurden. Er schloss den
Abstand, während sie sanft begann an seiner Länge auf und ab zu pumpen, und er
küsste sie hungrig, voller Verlangen, und sie verlor sich in diesem Gefühl, und
fast kam er ihr etwas scheu vor, also zog sie ihn mit zu seinem Bett und spürte
sein Lächeln gegen ihre Lippen.
Sie
sank auf das Bett, zog sich zurück und wartete, dass er folgen würde.
Und
es kostete ihn eine Sekunde, ehe er das tat. Geschmeidig bewegten sich seine
Muskeln, als er ihr folgte, sich auf den Händen über ihr abstützte, und sie ihn
sein Gesicht aufsehen musste, als er halb über ihr lag. Und kurz trat Sorge in
seinen Blick.
„Wird
er-?“, begann er, aber sie unterbrach ihn.
„-das ist völlig ok. Ich kann… nur nicht… unten liegen“, brachte sie fast
verlegen hervor, und sofort schloss er den Abstand, küsste sie verlangend, und
sie verlor sich praktisch in seiner Lust. Sie hatte das Gefühl, seine Hände
waren so erfahren, wussten genau, was sie berühren mussten, um bunte Sterne vor
ihren Augen tanzen zu lassen, und es war unglaublich. Er verließ ihre Lippen
und hauchte ein Kuss auf die sensible Stelle unterhalb ihres Ohrläppchens.
„Dreh
dich um“, murmelte er rau gegen ihre Haut, so dass sie eine Gänsehaut bekam.
Und sie folgte ihm, drehte sich auf die Seite, und bisher hatte sie geglaubt,
die Löffelchenstellung könne niemals erotisch sein, aber Draco schaffte alleine
durch seine festen, fordernden, erfahrenen Berührungen, dass sie sich praktisch
wie eine Jungfrau fühlte. Und dass obwohl sie schwanger mit seinem Kind war!
Merlin!
Sie würde das erste Mal Sex mit dem Vater des –
„-Ohhh“,
entfuhr es ihr plötzlich und ihre Augen schlossen sich, als er sich hinter ihr
positionierte hatte, und ohne Zögern ihr Bein leicht anhob, um sich in nur
einer einzigen Bewegung mit seiner gesamten Länge in ihr zu vergraben, und
Gott! Es fühlte sich unfassbar an!
Er
fühlte sie aus, dehnte sie, und ihr Rücken bog sich durch, ihm entgegen,
während seine Hand fest auf ihrer Hüfte lag, während er sich entfernte, nur um
wieder in sie zu stoßen.
Und
Merlin, es war ihr nicht unangenehm! Nein! Dass sie schwanger war, störte sie
perverserweise bei Draco nicht, dabei war er fremd! Aber… er war der Vater des
Kindes. Warum es sich ausgerechnet bei ihm so richtig anfühlte, konnte sie
nicht sagen. Seine Lippen küssten ihren heißen Nacken, ihre Schulterblätter,
und wieder und wieder rammte er sich in sie, und seine Hand fand den Weg nach
vorne zwischen ihre Beine, und schon bevor er ihren empfindlichen Punkt berührt
hatte, kam sie zitternd, wie schon so lange nicht mehr, und von hinten stieß er
kräftiger in sie, beschleunigte den Rhythmus, und sie stöhnte lutsvoll auf, bis
die bunten Punkte vor ihren Augen nicht mehr tanzten.
Sie
atmete mit offenem Mund, und er verharrte in ihr, küsste ihre Halsbeuge, und
ihr Herz jagte.
„Alles
ok?“, fragte er heiser, zog seine Länge sanft aus ihr zurück, und sie konnte
nur nicken. Merlin, sie war schamlos. Und es war so gut gewesen! „Willst du…
noch mal?“, wollte er rauer wissen, und sie begriff, er war noch nicht
gekommen. Und mit Anstrengung wandte sie sich um, und ihr gewölbter Bauch war
gegen seinen gepresst.
Und
sie wollte mehr. „Leg dich auf deinen Rücken, wenn ich dir nicht zu schwer
bin“, flüsterte sie voller Verlangen, und nahezu sofort folgte er ihren Worten.
Und vorsichtig setzte sie sich auf, stieg rittlings über ihn, und positionierte
seinen Penis unter sich, und seine Augen waren auf sie geheftet, als sie sich
tiefer sinken ließ, als ihre Wärme sich um seinen Schaft schloss, und er
schluckte hart, als sie ihn ganz aufgenommen hatte. Sie stützte sich auf seiner
Brust ab, und seine Hände lagen um ihre Hüften.
Sanft
hob sie ihr Becken an, es ging schwerer, denn sie wog einige Kilo mehr, aber er
half ihr, und dann ließ sie sich sinken, nahm ihn hart wieder auf, und seine
Augen schlossen sich mit geöffnetem Mund.
„Granger,
fuck!“, stöhnte er, als er ihr begegnete, und ihr Kopf fiel in ihren Nacken,
als sie es schon wieder spürte! Sie war noch nie so schnell gekommen! Und noch
niemals zweimal nacheinander! Und ein sanfter Film Schweiß trat auf ihre Stirn,
und ihr Atem ging schneller, als sie sich tiefer auf ihn presste, mit jeder
Bewegung.
Er
bockte höher, begegnete ihr genauso wild, und die Lichter gingen an in ihrem
Kopf, sie schrie seinen Namen – zumindest glaubte sie es. Sie war zu weit
entfernt, und sie spürte, wie er kam, wie sich seine Finger in ihre Hüften
gruben, wie er ungehalten stöhnte, und dann lagen ihre Hände nur noch auf
seiner Brust, übten keinen Druck mehr aus, und sie kam langsam wieder zu
Bewusstsein.
Sie
kletterte träge von ihm runter, fiel neben ihn auf ihre Seite und konnte ihn
nur ansehen.
Nach
einer Ewigkeit wandte er den Kopf in ihre Richtung.
Seine
Mundwinkel hoben sich zu einem schiefen Lächeln. „Ich… hatte noch Sex mit
einer…“, er unterbrach sich kurz, und sie wusste, was er sagen wollte, aber er
sprach weiter, „mit einer Gryffindor“, schloss er rau, und sie musste ebenfalls
lächeln. Ha ha.
„Und?“,
wollte sie fast spöttisch wissen, und sein Lächeln vertiefte sich.
„Ich
hatte ja keine Ahnung, was mir entgeht“, murmelte er, und er lehnte sich zu
ihr, küsste ihre geschwollenen Lippen, und seine Hand fand den Weg zu ihrem
Bauch. Er löste sich von ihr und sah sie wieder an. „Und es geht ihm gut?“
Aber
fast augenblicklich trat ihr Sohn gegen seine Berührung, und die neue
Faszination trat wieder in seinen Blick. Und er sagte, was sie längst gedacht
hatte.
„Du
hattest Sex mit mir“, flüsterte er. „Mit dem Vater deines Kindes“, ergänzte er
verblüfft. Und sie nickte sanft.
„Ja“,
bestätigte sie tonlos. Zumindest ihre Mutter brauchte sich nun nicht mehr über
die künstliche Befruchtung aufzuregen, nahm sie dumpf an. Und sie fühlte sich
nicht mal schlecht. Seine Hand fuhr sanft über ihre Wange, und sie schloss die
Augen.
Nein,
sie fühlte sich wirklich gut. Das erste Mal seit… einer Ewigkeit fühlte sie
sich – konnte man es glauben? Sie fühlte sich… Zuhause.
„I was a fool to believe,
A fool to believe.
It all ends today.
Yes, it all ends today.“
Moulin Rouge
Er
wachte auf. Seine Hand fuhr über das Laken, aber er war allein. Die linke Seite
seines Bettes war kalt. Hatte er es nur geträumt? Er öffnete blinzelnd die
Augen. Nein, er lag in seinem Bett in ihrem Haus. Er setzte sich auf. Er
lauschte in die Stille des Hauses, und er hörte sie.
Sie
musste in der Küche sein, denn er vernahm das Geräusch von Geschirr. Er war es
gewöhnt, eher wach zu sein. Normalerweise hatte er die Zeit, sich an den
Anblick einer Frau in seinem Bett zu gewöhnen, hatte Zeit, zu überlegen, wie
sie hieß, wie sie hier gelandet waren, und ob der Sex gut genug gewesen war,
dass er noch einen Quickie vor dem Frühstück einschieben konnte.
Aber
Granger hatte diese Tradition durchkreuzt. Sie war nicht mehr in seinem Bett.
Und
wie gelähmt lag er unter der Decke. Er spürte, er war noch nackt. Und er hatte
keine Ahnung, was jetzt passieren würde. Merlin, er hatte sich gehen lassen! Er
konnte sich nicht mal mehr genau entsinnen, wie eines zum anderen gekommen war!
Er wusste, er hatte sie nach Hause gebracht, war zur Tür gegangen, und er
wollte das Vernünftige tun, hatte gehen wollen, und dann hatte sie ihn
aufgehalten! Und er hatte es in ihrem Blick förmlich spüren können. Und er
glaubte, er hatte ihr die Chance gegeben. Er glaubte wirklich, hätte sie es
nicht gewollt, dann hätte sie es sagen können!
Aber
das hatte sie nicht. Und ab da… war alles nur noch ein Nebel aus Lust und
unfassbar gutem Sex. Merlin, schwangere Frauen waren… definitiv aktiver als er
erwartet hatte.
Und
die Zeit lief ab, nahm er an. Vielleicht könnte er noch eine Weile hier liegen,
aber irgendwann würde er aufstehen müssen. Irgendwann würde sie sich bestimmt
auseinandersetzen wollen, würde alles tot analysieren wollen, wie sie es immer
tat.
Merlin,
dass er schon wusste, was sie immer
tat!
Und
er nahm nicht an, dass sie ihm gleich nackt Frühstück ans Bett bringen würde.
In seiner Utopie war es eine mögliche Wahrscheinlichkeit, aber in Wahrheit
standen die Chancen eher schlecht bis ganz schlecht.
Vor
allem wollte er nicht, dass es passierte. Dass sein Verstand weiter dachte,
dass er die letzte Nacht als den Fehler begriff, der er unweigerlich war, denn
was sollte jetzt passieren?
Er
war sich nicht mal sicher, was er wollte, das geschah. Für gewöhnlich wollte
er, was ihm sein Schwanz riet. Und eigentlich würde es ihm gefallen,
aufregenden Sex mit Granger zu haben. Sie reizte ihn. Aber er kannte sich.
Und
die Dinge, die ihn reizten, verloren mit der Zeit an Schönheit. Er war es gewöhnt,
zu bekommen, was er wollte. Und er benutzte die Dinge, bis sie kaputt waren.
Und er glaubte, er könne dieses Mal nicht den Weg des geringeren Widerstands
einschlagen. Er glaubte, es würde sich rächen. Normalerweise dachte er so
nicht, aber Granger war schwanger. Und alles endete nicht mit der Geburt. Alles
fing erst an. Und wenn er jetzt weitermachte, die schlechte Beziehung, die sie
ohnehin auf einer nichtsexuellen Ebene hatten, ruinierte, dann konnte er sich
ziemlich genau vorstellen, wie seine Zukunft mit seinem Sohn aussehen würde –
dunkel. Verflucht noch mal ziemlich schwarz.
Und
nein. Das Offensichtliche, was sich aufdrängte, konnte er nicht in Erwägung
ziehen. Er war dafür nicht gemacht. Er bekam schon Beklemmungen bei dem
Gedanken, vielleicht ernsthaft zu versuchen, eine Beziehung zu führen. Auf
Dauer.
Auf
Dauer… -die Worte waren schrecklich in seinen Ohren. Sie waren so ähnlich wie
die Worte ‚für immer‘. Genauso schlimm.
Er
musste retten, was er retten konnte. Er musste abwägen, und er glaubte, sein
Sohn wäre ihm wichtiger als Sex mit Granger. Egal, wie gut der Sex im
vorgekommen war. Egal, wie ansprechend er ihren Körper fand – trotz ihrer
Schwangerschaft! Vielleicht spielte die Komponente mit rein, dass es sein Kind
war, das sie in sich trug, und dass er besitzergreifende Gefühle bekam, wann er
immer sie sah. Aber das passierte alles so tief unter seiner Oberfläche, dass
er sich lieber nicht damit auseinandersetzen wollte.
Und
er seufzte schwer. Wann immer die Leute damals von Erwachsenwerden gesprochen
hatten, hatte er es schon gefürchtet, denn als Kind hatte er schon geahnt,
nichts Gutes konnte damit einhergehen. Alle guten Dinge endeten nämlich mit dem
scheiß Erwachsensein.
Er
schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Dann griff er sich seine Shorts
vom Boden, zog sie über, stand auf und ging zu seinem Schrank, um sich ein
frisches Shirt zu holen.
Seine
letzte frische Jeans, die er hier hatte, zog er ebenfalls an.
Gut.
Soweit so gut. Und er dann verließ er das Zimmer. Er schritt durch den Flur,
bereits schlecht gelaunt, denn er versuchte, das Richtige zu tun, ins
Wohnzimmer und erkannte sie in der Küche, während sie Wasser aufsetzte.
Sie
hatte schon geduscht, ging ihm auf. Sie trug einen weißen Bademantel, und ihre
Haare waren noch feucht. Sie hob den Blick, als sie ihn erkannte. Er kam näher.
Fast
war er nervös. Aber nur fast, denn er war nie nervös. Die Erinnerungen brachen
wieder auf in rein, als er in ihr Gesicht blickte. Ihre Wangen färbten sich
sanft rot, und er erinnerte sich, wie weich und verführerisch sich ihre Haut
unter seinen Lippen angefühlt hatte.
Ok.
Hör auf damit, sagte er sich. Hör auf, zu denken. Und wahrscheinlich bot sich
hier die Chance, die Sache anders anzugehen. Kurz erkannte er in ihren Augen
einen Hauch der Granger von letzter Nacht.
Aber
er bekämpfte jeden seiner Instinkte.
„Hey“,
begrüßte er sie, und verzichtete auf etwas Netteres, auf etwas Persönlicheres,
wie ein ‚Guten Morgen‘ oder ein ‚Hast du gut geschlafen‘ oder ‚Wie geht es dem
Baby‘. Er wollte ihr so wenig Zuneigung wie möglich entgegenbringen. Nicht,
dass er sonst großartig emotional gegenüber seinen Bettgefährtinnen war, aber
hier wollte er erst recht keinen Fehler machen.
Und
er fürchtete, dass sie in ihn verliebt war. Das waren sie immer nach der ersten
Nacht.
„Hey“,
erwiderte sie und ohne Makeup kam sie ihm direkt vertrauter vor. Sie nahm den
pfeifenden Kessel vom Herd. Und er wartete. Ungeduldig, ein wenig peinlich
berührt. Würde sie reden wollen? Würde sie die Worte gleich sagen? ‚Wir sollten
reden‘. War es nicht einer dieser Momente. Draco konnte die Worte praktisch vor
sich in der Luft spüren.
Auch
sie fragte ihn nicht, wie er geschlafen hatte. Es war nicht nötig. Er hatte wie
ein Stein geschlafen. Wie ein sexuell zufriedener Stein. Sein Magen schmerzte
praktisch vor Spannung.
Merlin,
dieses Gespräch musste weitergehen, oder nicht? Oder begrüßten sie sich wie
unfähige Teenager mit dem Wort ‚Hey‘ und das war es dann?
„Willst
du reden?“, sprudelte es praktisch aus ihm hervor. Scheinbar war er es, der
sich nicht mehr beherrschen konnte. Und sie schenkte ihm einen gequälten Blick.
Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Merlin, sie machte ihn verrückt.
„Granger?“, ergänzte er, sprach sie direkt an, falls sie dachte, er sprach mit
dem Teekessel in ihrer Hand.
„Ich…“,
begann sie, verlor sich aber im Satz und goss den Tee konzentriert auf.
Konzentrierter als nötig, denn er nahm an, ein halbwegs intelligenter Gorilla
konnte Tee aufgießen.
„Granger“,
sagte er wieder, denn er musste. Er musste ihren Namen sagen. Er konnte gar
nicht anders. Sie hob endlich wieder den Blick. Es vergingen weitere zähe
Sekunden.
Sag
es. Sag es, dachte er fast schon wütend. Sag irgendetwas, Merlin noch mal!
„Es
tut mir leid“, sagte sie dann.
Und
fuck. Was? Er musste sie vollkommen verwirrt anstarren.
„Ich…
habe dich praktisch gezwungen, hierzubleiben. Ich war voller… Hormone und ich
wollte es so unbedingt! Aber es tut mir leid, und ich hätte dich nie dazu
nötigen sollen.“
Was?!
Ihn zwingen? Sie dachte, sie hätte ihn gezwungen? Er war kurz verwirrt. Für
gewöhnlich war er derjenige, der sich entschuldigte. Er war derjenige, der die
Mädchen vertröstete. Und wieso zog sie sich diesen Schuh an? Hatte sie vergessen,
dass er nicht gerade unschuldig an dem Ausgang des Abends gewesen war? Sie
hatte ihn nicht gezwungen, Merlin, er hatte sich schon im Haus seiner Eltern
kaum zusammenreißen können!
Sein
Mund öffnete sich, ein wenig perplex.
„Ok?“,
sagte er, gedehnt, sehr langsam. Ja, es war unbequem auf der emotionalen
Metaebene.
„Und
es war nur Sex. Nichts weiter“, schloss sie, den Blick wieder auf den Tee
geheftet, und ihr Finger ließen das Teeei nicht in Ruhe. Es machte ihn
wahnsinnig.
Nur
Sex. Nichts weiter. Die Worte klangen in seinen Ohren nach.
Richtig….
Als ob Frauen wirklich dazu in der Lage wären, Liebe und Sex zu trennen. Er
glaubte, das war ein Mythos.
„Aber
damit hast du ja Erfahrung“, ergänzte sie nach einem kurzen Moment. Was sollte das
sein? Salz in seiner nicht vorhandenen Wunde? Eine Beleidigung? Kurz war er
äußerst verwirrt. Und er war nicht zufrieden mit ihrem Kommentar.
„Mh“,
machte er unverbindlich.
„Es
wird einfach nicht wieder passieren“, sagte sie, mehr an sich gewandt. Tja. Er
hatte ehrlich gesagt mit mehr gerechnet. Mit mehr Drama, mit Vorwürfen, mit
ihrer seltsamen Schuldfrage, ob sie oder ob sie nicht ihren wahrscheinlich
toten Freund betrogen hatte. Irgendetwas in der Richtung. Und Tränen. Er hatte
mit vielen Tränen gerechnet und nicht mit kalter Abgeklärtheit.
„Mh“,
wiederholte er ein wenig schlicht.
„War
es das?“, fragte sie ihn dann direkt. „Hast du dir so ein Gespräch
vorgestellt?“, wollte sie ein wenig ungeduldig von ihm wissen, denn ihr schien
seine Wortkargheit nicht zu gefallen.
Nein.
Wenn er ehrlich war. Ganz so nicht wirklich. Er hatte all diese Dinge sagen
wollen.
Und
außerdem war sein Stolz mäßig enttäuscht. Er hatte erwartet, dass sie ihm
erklären würde, wie gut es für sie gewesen war, dass er ein verdammt guter
Liebhaber war, dass er…- irgendwas eben! Sein Ego brauchte solche
Streicheleinheiten. Und er würde ihr dann sagen, dass sie keine Affäre mit ihm
haben wollte, er würde ihr von sich abraten, wäre der bessere Mensch. Er
brauchte ihre aufgesetzte Abweisung nicht! Für ihn brach keine scheiß Welt
zusammen, nur weil er keinen Sex mit ihr haben würde!
Granger
ließ es trivial erscheinen, dabei war er wahrscheinlich das Aufregendste, was
ihr in ihrem ganzen keuschen Leben passiert sein musste! Es war ihr Verlust und
garantiert nicht seiner! Und das war alles, was er ihr hatte sagen wollen. Aber
er war ja schon alleine aufgewacht. Er hätte sich denken können, dass bei
Granger alles anders funktionierte. Sie spielte den Mann.
„Malfoy?“
Hatte sie ihn nicht gestern schon Draco genannt? War diese Phase ebenfalls
vorbei, fragte er sich unwillkürlich. Und schön! Wenn sie es so wollte, dann
bitte. Er hätte ihr noch einen Abschieds-Fick gegönnt. Aber sie wollte
Eis-Prinzessin Granger mit ihm spielen?
Sie
wollte ihren Stolz beschützen und die letzte Nacht als irrelevanten Ausrutscher
abtun?
Ok.
Dann ersparte sie ihm die Arbeit, dachte er grimmig.
„Ja,
das hatte ich mir vorgestellt“, erwiderte er kalt und bitter. Böser Spott kroch
in seine Mundwinkel. „Gut, dass wir uns einig sind. Es war ohnehin eher
Mitleid, was ich empfunden hatte“, log er schlicht, beobachtete, wie sanfte
Verletztheit in ihre Augen kroch und wie sie es zu verbergen versuchte.
„Schwangere alleinstehende Frauen strahlen es ja praktisch aus“, fuhr er
lächelnd fort.
Ihre
Hände zitterten. „Ich muss los“, schloss er. Eine weitere Lüge, die er aber zu
gerne in ihr Gesicht spuckte, denn so hätte es nicht laufen müssen. So nicht,
Granger. Zu gerne hätte er sie noch einmal berührt. Zu gerne hätte er ihre Worte
Lügen gestraft, aber sie tat so als wäre sie unnahbar und unabhängig.
Und
fast war sein egozentrischer Stolz sicher, dass sie noch einmal angekrochen
kommen würde. Und dann wäre er derjenige, der sie abwies. Denn sie hatte ihn
gewollt. Und er nahm an, sie wollte ihn wahrscheinlich noch immer. Denn wieso
sollten sich ihre Gefühle von seinen unterscheiden? Und er bemerkte, dass er
projiziert, aber er ignorierte es!
„Gut“,
erwiderte sie. Scharf. Kalt.
Zu
schade, dachte er knapp. Und keiner von ihnen hatte gesagt, dass es verflucht
epischer, großartiger Sex gewesen war. Wirklich zu schade. Denn das war es, was
die letzte Nacht gewesen war – verflucht episch! Es war kein Fehler. Aber jetzt
war er weit davon entfernt, ihr das auf die Nase zu binden.
Zu
dumm, wenn man stolz war, dachte er abwesend. Stolz war ein zweischneidiges
Schwert. Und er war nicht wirklich besser als sie. Aber das war ihr Pech!
Er
verließ das Wohnzimmer, ging zurück in sein Zimmer, wo er ihr Parfüm noch immer
sanft in der Luft riechen konnte, und fast seufzte er schwermütig. Was hatte er
geglaubt? Dass es einfach sein würde? Dass Granger ihre kleine Mauer aufgab?
Dass sie irgendeine Schwäche tatsächlich zugab? Nein, nicht wirklich. Er zog
sich die Schuhe an, und im Flur wartete sie neben der Tür.
Wollte
sie sichergehen, dass er ging? Oh, er ging! Merlin, er ging!
Ihre
Hand lag zitternd auf der Klinke. Er gönnte ihr noch einen letzten Blick.
„Ich
würde mich ja bedanken, aber… es war schließlich nur Sex“, griff er ihre Worte
auf, und mit einem Ruck zog sie die Tür auf. Ihr Blick bohrte sich kurz in
seinen. Er erinnerte sich, sie gegen diese Wand hier gepresst zu haben, als
seine Zunge wie von Sinnen mit ihrer eigenen gefochten hatte.
„Hermine?“
Überrascht
war sie zusammengezuckt, und auch sein Blick wandte sich zur offenen Tür.
Weasley.
Er
stand vor der Tür, wohl die Hand zum Klopfen gehoben, und wirkte verwirrt. Er
trug die Uniform, sein Gesicht stand vor Schmutz, und Granger wurde wieder rot.
„Ron“,
entfuhr es ihr fast ertappt, und Draco genoss fast, wie unangenehm es ihr war.
Oh ja. Er hoffte, Granger dachte gerade darüber nach, dass er seinen Schwanz
gestern Nacht in ihr vergraben hatte, während sie Weasley anlog. Weasleys Blick
wanderte misstrauisch über ihn, und Granger sprach sofort weiter „Er wollte
gerade gehen. Er hat nur…“
-nur
deine Sinne aus deinem Körper gevögelt, sonst nichts, beendete er in Gedanken
den Satz und sie wurde röter unter seinem Blick.
„Er hat mir Gesellschaft geleistet gestern“, wiegelte sie ab. So konnte man es
auch sagen, dachte Draco mit bitterem Vergnügen.
„Ok?“,
vernahm er Weasleys argwöhnische Stimme, aber ihm war nicht danach, den
schmutzigen Auroren aufzuklären. Außerdem nahm er an, selbst Weasley glaubte
ihr nicht. Denn so sah er nicht aus. Wenn Draco ehrlich war, dann wirkte
Weasley eher aufgelöst.
„Was…
was tust du hier?“, entfuhr es Granger dann mit gerunzelter Stirn, als sie wohl
mit ihrer Rechtfertigung fertig war.
Und
endlich riss Weasley den Blick von ihm los. Er ließ Dracos Anwesenheit
unkommentiert.
„Hermine“,
begann er tonlos, „wir… haben ihn gefunden“, entfuhr es ihm atemloser.
Er
spürte praktisch, wie sich alles in nur einer Sekunde änderte. Es war, als
kippte die Welt.
Ihm
war völlig klar, wen sie gefunden haben mussten. Potter musste eine verdammt
gute Nase haben. Und endlos viel Geduld. Sie hatten ihren Typen gefunden. Und
das seltsame Gefühl in Dracos Brust verstärkte sich augenblicklich. Er
erinnerte sich plötzlich an die winzigen Füße, die er durch ihre samtene Haut
gespürt hatte. Er empfand Verlustgefühle.
Und
wenn ihr Typ wiederkäme, dann…- was war dann mit ihm?
Keine
Sekunde dachte er an sie oder an Dermont, nein, er gab es zu.
Und
egal, wie großartig diese Neuigkeit für sie sein musste – er fand es
beschissen. Schon jetzt.
Denn
jetzt würde sie bestimmt nicht auf Knien flehend zu ihm kommen.
Fuck.
Und
fast selbervergessen nahm er an, dass es bei einer Mondschein-Affäre bleiben
würde. Und jetzt bereute er, dass er sie nicht einfach zurück ins Bett
gezwungen hatte.
Hätte
er sich einfach entsprechend verhalten. Hätte er sie einfach noch mal zum
Kommen gebracht. Wieso musste Potter verflucht noch mal alles finden?!
Und
ihr Gehirn schien die Information endlich zu verarbeiten.
„Ihr…?“
Sie starrte Weasley an, schien völlig vergessen zu haben, in welcher Situation
sie sich befanden. „Ihr habt ihn… gefunden?“, wiederholte sie tonlos, und
Weasley nickte feierlich.
„Ja,
wir-“
„-geht
es ihm gut? Was ist passiert? Kann ich ihn sehen? Liegt er im Mungo?“, wollte
sie sofort wissen, und keine Rechtfertigung verließ mehr ihre Lippen. Draco
verschränkte die Arme vor der Brust. Sie schien ihn völlig vergessen zu haben.
„Er
– ja“, rang sich Weasley schließlich ab. „Aber… er ist dehydriert, sein
Zauberstab war nach dem Sturz in den Mienensee hinüber, nachdem er die Wand zum
Einsturz gebracht hatte. Und… er hat sich gerade so am Leben gehalten.“
Granger
sah ihn begierig an. „Wo? Wo habt ihr ihn gefunden, Ron?“, wollte sie mehr als
ungeduldig wissen, und kurz nur wechselte Weasley einen Blick mit ihm, aber
Granger schien völlig vergessen zu haben, dass noch jemand außer ihr ebenfalls
im Flur stand, dass er derjenige war, dessen Namen sie gestern noch geschrien
hatte.
„In
einem Bergpass, nahe der… der…- irgendwelcher Berge“, sagte er, schien den Ort
nicht mehr zu wissen. „Du… du willst ihn sehen?“, nahm Weasley jetzt vorsichtig
an, aber Granger überschlug sich fast, als sie heftig nickte, dachte Draco
gereizt.
„Was? Bist du verrückt?! Natürlich! Ich sage euch die ganze Zeit, dass er lebt!
Und ich hatte Recht! Ich wusste es!“, rief sie unter Tränen aus. „Und natürlich
will ich ihn sehen!“, entkam es ihr überglücklich.
Herrlich,
dachte Draco grimmig. Da war ihr scheiß Ausweg, nahm er bitter an. Oder das
redete sie sich zumindest ein.
„Er liegt auf der Intensivstation und ist
nicht wach, er-“, wollte Weasley sie aufhalten, aber Granger war nicht mehr
aufzuhalten. Draco hätte sich auch einfach in Luft auflösen können.
„-mir
egal! Ich will da sein, wenn er aufwacht!“, rief sie und lief durch den Flur
zurück, die Treppe nach oben. „Warte hier, ok? Ich ziehe mich eben an! Ruf eine
Kutsche, Ron!“, rief sie ihm von der Treppe zu, und dann waren sie nur noch
zwei, dachte Draco, mit erhobener Augenbraue. Weasley wirkte ähnlich
überfordert.
Aber
schnell hatte der Rothaarige seine Bestürzung überwunden, hatte sich mit seiner
Anwesenheit wohl abgefunden, und er fixierte ihn nun mit einer stillen Warnung
in den blauen Augen.
„Am
besten verschwindest du aus ihrem Leben, Malfoy“, warnte ihn Weasley jetzt
gepresst. „Das wirklich Gute an dieser Sache ist, dass du nicht mehr in ihr
Haus kommst, wenn sie alleine ist!“, knurrte der hünenhafte Weasley vor ihm,
und Draco verzog den Mund. Scheinbar war Weasley sensibler für die Dinge, die
vorgingen, als er angenommen hatte.
Seine
Mundwinkel zuckten. Und er sagte, wofür ihn sein Unterbewusstsein direkt
erschlug.
„Das
werden wir sehen“, erwiderte er glatt und schob sich an Weasley vorbei, ohne
sich noch einmal umzudrehen. Merlin, er wurde zum wandelnden Klischee, fiel ihm
ironischerweise auf.
Und
er hatte nicht mehr auf sie gewartet. Wozu sollte er sich verabschieden? Er war
ohnehin nicht mehr willkommen. Und es gefiel ihm alles nicht.
Aber
er wusste, er war nicht ersetzt. Niemand ersetzte ihn.
Niemand
sagte ihm, dass es nur Sex war! Dass es ein Fehler war! Er sagte diese Dinge!
Nur er! Und er wäre nicht verschwunden. Auch wenn es sich alle wünschten. Denn
es war sein Kind.
Und
er hasste Granger plötzlich.
Aber
wahrscheinlich hasste er sich selbst ein klein wenig mehr. Denn scheiße.
Tief
in seinem Unterbewusstsein, was er ignorieren würde, vermisste er ihre Nähe
schon jetzt.
~*~
Sie
war so nervös, hatte sich zweimal umgezogen, hatte seine Box zuerst
mitgenommen, wieder zurückgepackt, aber letztendlich hatte sie sie doch
mitgenommen. Es war wie eine Art Glücksbringer, jetzt, wo er wieder da war!
Und
mit Ron hatte sie das Haus verlassen und sie schwiegen in der Kutsche. Hermines
Gedanken rasten, und sie stellte sich vor, wie er aussehen würde, wie es ihm
ging, ob er ansprechbar war, ob er-
„-ist
gegangen“, unterbrach Rons Stimme ihre Gedanken. Sie wandte den Blick.
„Was?“,
wollte sie verstört wissen.
„Ich
sagte, Malfoy ist vorhin gegangen“, wiederholte er scheinbar, mit wachsamen
Blick.
„Oh“,
machte sie nur. „Gut“, schloss sie dann nickend. „War er bei Bewusstsein, als
ihr ihn gefunden habt?“, wechselte sie das Thema schnell, und Ron sah sie
unschlüssig an.
„Ich…-
Harry hat ihn gefunden“, räumte er ein. „Aber ich glaube, ja.“ Er klang nicht
wirklich gut gelaunt. „Hermine, wieso-“
„-Gott,
ich kann es gar nicht fassen!“, murmelte Hermine plötzlich kopfschüttelnd. „Ich
wusste immer, dass er am Leben war, Ron!“, ignorierte sie ihn wieder, denn ihre
Gedanken rasten um Alec. Bestimmt nicht um Malfoy.
„Hermine“,
ermahnte Ron sie freudlos. Sie sah ihn endlich wieder an.
„Ja?“,
wollte sie erleichtert wissen, und alle Albträume waren verschwunden. Alles war
wieder-
„-wieso
war er die Nacht über bei dir?“, wollte er eisig wissen. Ja. Alles war gut,
außer das. Sie schüttelte sofort den Kopf.
„Oh
Ron, ich sagte doch, er hat mir Gesellschaft geleistet“, wiederholte sie, ohne
ihn anzusehen. Und sie ignorierte, dass sie sich mit Ron erst neulich
gestritten hatte. Über genau dieses Thema.
„Wieso
sagst du nicht einem von uns Bescheid, wenn du Gesellschaft brauchst? Ich-“
„-ihr
seid verheiratet, Ron“, sagte sie nur. „Ich dränge mich keinem auf“, bemerkte
sie knapp.
„Hermine-“,
widersprach er, aber sie winkte ab.
„-außerdem
ist Alec wieder da. Du brauchst dir keine Sorgen mehr um Malfoy machen!“,
versicherte sie ihm, obwohl sie es eher sich selber versicherte. Sie musste das
jetzt ignorieren. Sie konnte darüber nicht nachdenken. Nur Alec war noch
wichtig. Malfoy hatte ihr gesagt, er hätte es aus Mitleid getan. Malfoy war
einfach nur ein Arschloch, auf das sie tatsächlich reingefallen war! Bei dem
sie sich auch noch entschuldigt hatte! Und sie bereute es. Es würde nie mehr
passieren. Niemand musste mehr ein Wort darüber verlieren.
„Läuft
da was?“, wollte Ron so ablehnend mit so einem intensiven Blick von ihr wissen,
dass sie kurz schlucken musste. Und nein. Es war nichts, was Ron etwas anging.
Es war ein einmaliger Fehler, einfach weil sie alleine war, weil ihre Hormone
verrückt gespielt hatten, einfach weil… Malfoy da war.
Und
jetzt war es vorbei. Jetzt käme sie nicht mehr in Versuchung, und sie würde es
verdrängen! Und sie sah Ron so aufrichtig an, wie sie konnte.
„Nein,
Ron“, sagte sie mit voller Überzeugung. Merlin, sie log ihren besten Freund an.
Aber soweit es sie betraf, lief von nun nichts mehr mit Malfoy! Es war auch nie
wirklich etwas gewesen! Es war einfach nur ein kleiner Fehler. Und sie dürfte
nicht zu lange nachdenken, über diesen winzigen Fehler, denn sie sonst würde
sie wieder rot werden, wenn sie an seine Hände dachte, an seine Zunge, an seine
Worte, an seinen-
„-gut“,
bestätigte Ron, aber er wirkte nicht vollends zufrieden, aber Hermine musste es
reichen.
Sie durfte nicht daran denken, wie es sich angefühlt hatte. Es war nicht echt
gewesen! Es war nichts Richtiges gewesen! Es war keine Beziehung! Malfoy war…
einfach nur gerade da gewesen. Ihm war langweilig gewesen, nichts weiter. Er
hatte… Mitleid gehabt.
Nur
zu dumm, dass Malfoy der Vater war. Traurig schlug Hermines Herz in ihrer
Brust, denn es würde wahrscheinlich nicht passieren, dass er einfach fort war.
Er würde wiederkommen, und sie hatte fast etwas Angst. Sie wollte, dass Alec
schnell bei ihr einziehen würde.
Aber
sie sagte sich, es war nur ein Ausrutscher gewesen, und jetzt war alles wieder
gut, schwor sie sich. Sie würde nie mehr einen solchen Gedanken an Malfoy
verschwenden. Sie liebte Alec. Sie hatte sich nur aus Angst in Malfoys Nähe
geflüchtet, und sie würde einfach nicht mehr darüber nachdenken.
„She went around with a broken heart,
and she wasn't sure who'd broken it.
She thought it was herself, mostly.“
Ann Brashares
Harry
war mehr oder weniger genervt. Der Tag hatte nicht vielversprechend begonnen.
Er war mit seiner Einheit einer Spur tief einen Bergpass hinab gefolgt, nachdem
sich die Spur des einsamen Wanderers vor Tagen verlaufen hatte. Und heute
hatten sie diese neue Spur entdeckt.
Und
sie waren tiefer gewandert, und keiner seiner Kollegen hatte etwas sagen
wollen, aber Harry wusste, sie hatten ihm alle vorwerfen wollen, dass er
befangen war, dass er aus dieser Angelegenheit eine persönliche Vendetta
machte. Dass es ihm mehr darum ging, ein Phantom zu jagen, für seine Freundin
Hermine, als tatsächlich Menschen zu helfen.
Und
dann hatten sie den Mann gesehen. Zusammengesunken an den Felsen, dürr,
zerschunden, kaum noch am Leben, neben ihm die stinkenden Überreste eines
bunten Bergmaders, den er wohl nach allen Regeln der Überlebenskunst
ausgenommen und versucht hatte, zu essen.
Und
Harry war gerannt, hatte den letzten Abstand überwunden, und unfassbarerweise
hatte er es geschafft. Er hatte ihn gefunden! Nach Wochen der eintönigen
erfolglosen Suche! Der Mann war kaum noch geistig anwesend gewesen, als Harry
sanft seine Hand vor die Augen des Mannes gehalten hatte.
Er
hatte die Para-Magier angefordert, hatte sich darum gekümmert, dass Alec
Dermont auf dem schnellsten Wege ins Mungo kam, nachdem eine magische
Notversorgung vorgenommen worden war, und jetzt?
Jetzt
sprach Ron kein Wort mehr, Hermine durfte nicht zu Alec, und Ginny hatte sich
auch schon mit ihm angelegt. Hatte ihn gefragt, ob er denn komplett umnachtet
sei, einer hochschwangeren Frau die frohe Kunde zu bringen, er hätte ihren
totgeglaubten, dem Hungertod nahen, Freund gefunden!
Hermine
hatte Ginny versichert, es ginge ihr gut, woraufhin Ron irgendetwas gemurmelt
hatte, wofür Hermine ihm einen bösen Blick verpasst hatte.
Und
keiner dankte ihm. Keiner sagte ihm, was er für einen guten Job geleistet
hatte! Nein, er bekam auch noch Ärger, und wusste nicht mal, warum!
„-weil
ich es nicht erlaube!“, unterbrach Ginny seine Gedanken ungehalten, während sie
nun wieder mit Hermine schimpfte.
„Ginny,
ich will ihn sehen! Ich glaube, dieses Gespräch jetzt mit dir regt mich mehr
auf, als alles andere sonst!“, fuhr sie Ginny an, und wieder schenkte ihm seine
Frau einen zornigen Blick, der ihm wohl bedeuten sollte, es wäre seine Schuld!
„Hermine-“
„-ich
will ihn sehen. Jetzt“, knurrte Hermine praktisch, und Ginny gab seufzend nach.
„Gut
gemacht, Harry“, sagte sie sogar. „Ich muss wieder runter. Wir reden später,
Hermine!“, warnte sie nun Hermine, aber Hermine stand bereits vor der Tür zum
intensiven Bereich und ignorierte Ginny. Auch Harry beschloss, nicht mehr auf
seine Frau einzugehen.
„Alles
ok, Hermine?“, vergewisserte er sich letztendlich doch, aber Hermine nickte nur
unwirsch, während Ron beleidigt neben ihnen stand. „Ron, ist bei dir alles-?“
„-alles
bestens!“, knurrte Ron mürrisch, und Hermine ignorierte ihn dieses Mal. Ok?
Harry würde das später hinterfragen. Er hatte ja geglaubt, Ron mit dem Auftrag
zu Hermine zu schicken, ihr zu sagen, Alec wäre am Leben, würde den Streit der
beiden endlich begraben, aber was hatte Harry nur gedacht?! Dass ein
unfassbares Wunder einen unmöglichen, unwichtigen Streit beenden konnte? Nein.
Bei diesen beiden Sturköpfen nicht.
Endlich
wurden sie rein gelassen.
Sie
gingen durch einen sterilen Gang, dann wurden sie magisch desinfiziert und
geschützt, ehe sie in das geschützte Zimmer kamen.
„Oh“,
entfuhr es Hermine dann, und Harry musste zugeben, Alec hing an einer offenen
Magiezufuhr, wirkte in dem weißen Bett verloren und schmächtig, unterernährt
und knöchern, und vielleicht hätte er einige Tage mit der frohen Nachricht
warten können. „Er sieht… schrecklich aus“, flüsterte Hermine bestürzt, kam
unschlüssig näher zu ihm und beugte sich über das Bett. „Aber… er wird
aufwachen, nicht wahr?“, wandte sie sich an eine Intensiv-Schwester, die die
Zufuhr überwachte.
„Das
ist anzunehmen“, bestätigte diese. „Er bekommt die nötige Magie, um zu
überleben. Seine Organe werden wieder versorgt, und wir tun unser Bestes, um
seine Muskeln wieder aufzubauen. Natürlich können wir nicht garantieren, dass
er geistig derselbe sein wird“, schloss sie dann. „Nach solchen traumatischen
Unfälle kann es sein, dass sich das Wesen der Patienten ändert.“
Hermine
zog die Stirn in Falten.
„Das
hoffe ich nicht. Und ich glaube es auch nicht“, beteuerte sie dann. Die
Schwester ruckte mit dem Kopf. „Kann… kann ich hier bleiben?“, fragte Hermine
dann.
„Er
wird noch lange schlafen“, erklärte sie ungerührt.
„Das…
das ist mir egal. Wissen Sie, ich… liebe ihn“, entkam es Hermines Lippen scheu,
und Harry fand, er hatte gute Arbeit geleistet.
„Eine
Stunde, Hermine“, erlaubte Harry ihr, denn Hermine war hochschwanger. Aber
immerhin war sie direkt schon im Mungo, falls die Wehen einsetzen würden.
„Ok“,
erwiderte Hermine nickend, und die Schwester ruckte erneut mit dem Kopf. Ihr
schien so ziemlich alles egal zu sein. Der Tagesprophet
würde ihn wie einen Helden feiern, nahm Harry zufrieden an. Und dann umarmte
ihn Hermine noch einmal heftig, und Harry musste lächeln. „Danke Harry! Tausend
Dank!“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen, und Harry winkte ab.
„Ich
hab es doch versprochen“, entgegnete er zufrieden. Dann setzte sich Hermine auf
den Stuhl neben das Bett und betrachtete Alec vollkommen erleichtert.
Und
er und Ron verließen die Intensivstation.
„Harry“,
sagte Ron unglücklich, und Harry wandte überrascht den Blick, „wir müssen reden“,
schloss Ron unheilschwanger, und Harry wollte nicht, dass seine gute Stimmung
ein Ende fand! Merlin, er verdiente wenigstens einen Tag eine Parade oder so
etwas! Er war der Held! Er hatte gefunden, wonach alle gesucht hatten. Er war
Harry Potter – der Mann der Stunde!
„Was
ist, Ron?“, wollte er unwirsch wissen und sie betraten den Fahrstuhl. Scheinbar
fuhren sie runter zur Kantine, stellte Harry stirnrunzelnd fest. Und dann sah
Ron ihm direkt ins Gesicht.
„Hermine
hat was mit Malfoy“, sagte er mit Grabesstime.
Harrys
Mund öffnete sich. Und schloss sich wieder. Und er hasste, dass Ron wieder
damit anfing. Er war der Held, er hatte etwas Gutes vollbracht! Er hatte
Hermines Prinzen gefunden! Nein! Er wollte das nicht hören!
„Ron,
das erzählst du jetzt seit-“
„-ich
habe sie heute überrascht“, entfuhr es Ron zerknirscht. Harry starrte ihn an.
„Was?“
Harrys Stimme klang regelrecht kläglich. Nein. Das konnte nicht sein, sagte er
sich panisch. Ron irrte sich. Er musste. Denn das… wären schreckliche
Neuigkeiten!
„Als
ich bei ihr war, war er da.“ Harry verzog den Mund. Vielleicht spielte Rons
Fantasie nur verrückt.
„Na
und? Wir wissen doch, dass er in ihrem Haus-“
„-sie hatten Sex“, unterbrach Ron ihn gequält.
Harry
starrte ihn erschüttert an. Selbst für Ron klang das nicht nach einer
Geschichte, die er sich freiwillig ausdachte. „Hast du… das gesehen?“, wollte
er angewidert wissen, und Ron schüttelte heftig den Kopf.
„Bevor
ich geklopft habe, hat er die Tür aufgemacht und gesagt…“ Ron zögerte kurz.
Harry starrte ihn mit großen Augen an. „Dass… dass er sich ja bedanken würde,
aber… es wäre ja nur Sex gewesen.“
Harry
starrte ihn weiterhin an.
„Was?“,
wiederholte er tonlos, und der Aufzug hielt, und einige Personen aus dem
zweiten Stock stiegen ein. Und Harry schwieg betroffen. Dann verließen alle auf
Höhe der Kantine den Aufzug. Er und Ron fielen zurück. „Nein. Er hat bestimmt…
etwas anderes-!“
„-sie
war im Bademantel, und sie war ziemlich wütend“, murmelte Ron gepresst.
Ron
wirkte unglücklich. Harry verzog erneut den Mund. Wieso versauten alle seinen
großen Tag?!
„Hast
du sie darauf angesprochen?“, wollte Harry wissen.
„Ja“,
erwiderte er Ron mürrisch. „Sie hat gesagt, da wäre nichts.“
„Vielleicht
stimmt das, und du hast es missverstanden.“
„Nein“,
widersprach Ron bitter. „Ich habe Malfoy, als Hermine sich umgezogen hat,
bedeutet, dass er verschwinden und nie mehr wiederkommen soll“, fuhr er böse
fort. „Aber ich glaube, das wird er nicht, Harry“, warnte ihn Ron gequält.
„Wieso
erzählst du mir das?“, fuhr Harry ihn enttäuscht an. „Ich will das nicht hören!
Nicht heute, Merlin noch mal!“ Harry war beleidigt, aber Ron wirkte ähnlich
begeistert.
„Weil
ich diese Sache ganz bestimmt nicht nur alleine wissen möchte, Harry!“, murrte
Ron und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie
erreichten die Kantine. Harrys Glücksgefühle hatten ein Ende gefunden.
So
ein verdammter…- wie konnte das bitteschön sein? Hermine und Malfoy? Es klang
völlig… absurd!
„Und
was ist mit Alec?“, wollte er müde wissen. Müde und gereizt, denn das trieb
einen mächtigen Keil in seine Pläne, nicht wahr?
„Ich
denke nicht, dass sie vorhat, es ihm zu sagen“, bemerkte Ron bitter. „Wir
hätten das Frettchen aus ihrem Haus fluchen sollen, als wir noch die Chance
dazu hatten“, knurrte Ron anschließend. Sie reihten sich in die Kaffee-Schlange
ein.
„Wir
warten ab. Vielleicht… vielleicht… hatte sie nur Mitleid mit Malfoy, oder so?“,
schlug Harry hoffnungsvoll vor, und Ron schenkte ihm einen ungläubigen Blick.
„Mitleid
mit Malfoy? Wer hat schon Mitleid mit Malfoy?“, murrte er kopfschüttelnd. Auf
Rons Stirn zeichneten sich tiefe Falten der Sorge ab. „Ich habe es doch
gesagt!“, nuschelte er unverständlich. Dann sah er Harry wieder an. „Harry, kann
sie nicht bei einem von uns einziehen?“, erkundigte er sich, als wären sie
zwölf Jahre alt. Harry atmete lange aus, als er seine Ministeriumskarte der
Tresen-Hexe reichte und sie mit dem Zauberstab Kantinen-Coins abzog.
„Ich
bin sicher, Lavender würde sich freuen“, begann er mit erhobenen Augenbrauen.
„Und dann will ich dich sehen, wie du Hermine über deine Schulter wirfst und
sie zwingst“, schloss er ruhiger und sie schritten mit den heißen Bechern zu
einem der leeren Tische. Harry spürte die Blicke auf sich, wie damals in der
Schule.
Aber
jetzt empfand er gerade keinen Triumpf mehr dabei.
Vielleicht…
hatte Ron sich geirrt. Oder vielleicht… war es ein One-Night-Stand, und nichts
weiter würde passieren. Alec war zurück! Hermine war viel zu glücklich darüber.
Selbst wenn sie Sex mit Malfoy hatte, sie würde doch bestimmt Alec vorziehen!
Harry war sich sicher.
Zumindest
fast.
~*~
Hermine
saß eine Stunde später in der Mungo Kantine und trank einen sehr dünnen Kräutertee.
Sie war eine Stunde an Alecs Bett gewesen, hatte ihn betrachtete und nicht
fassen können, dass er zurück war. Endlich! Nach so einer langen Zeit!
„Alles
ok?“, fragte Ginny zum hundertsten Mal, und Hermine nickte nur.
„Jaah“,
sagte sie. „Es ist nur…“
„Etwas
viel?“, beendete Ginny den Satz für sie. „Das wusste ich! Und Stress ist
wirklich genau das, was du jetzt nicht gebrauchen kannst! Du solltest-“
„-nein.
Ich… freue mich, Ginny, wirklich!“, sagte Hermine. Sie hatte nur gehofft, Alec
wäre wach. „Wann… wacht er wohl auf?“, fragte sie hoffnungsvoll, und Ginny
verzog den Mund.
„Die
magische Zufuhr wird morgen beendet, dann wird er wohl aufwachen. Aber Hermine,
er ist wirklich schwach und braucht Ruhe. Er wird noch bestimmt eine Woche hier
bleiben müssen, bis sein normales Gewicht wieder hergestellt ist.“
„Ja,
ich verstehe.“ Hermine seufzte auf.
„Und“,
wechselte Ginny dann das Thema, „wie läuft es mit Narzissa und dem Rest der
Malfoys?“ Hermine wollte nicht darüber reden.
„Gut“,
erwiderte sie einsilbig.
„Ok“,
antwortete Ginny mit gerunzelter Stirn. „Und bist du noch mit Pansy
befreundet?“
„Ja“,
bestätigte Hermine auch das kurz und knapp, denn sie wollte gerade über nichts
anderes nachdenken, als Alec.
„Hermine,
willst du heute bei uns übernachten?“, erkundigte sich Ginny, und Hermine hob
den Blick. Und eigentlich wollte sie es gerne. Aber nicht, wenn Ginny so viele
Fragen stellen wollte.
„Nein,
ist schon gut. Ich schlafe bei mir und morgen Früh komme ich direkt wieder ins
Mungo“, versicherte sie Ginny. Diese wirkte nicht begeistert.
„Das
ist viel Stress, Hermine“, gab sie zu Bedenken.
„Ginny,
ich will bei Alec sein!“, versicherte Hermine ihr ernsthaft. „Außerdem ziehe ich
die Kutsche ja nicht! Ich sitze nur drin, und was soll ich sonst machen? Ich
könnte unmöglich einfach zu Hause auf der Couch sitzen!“ Und Ginny gab seufzend
nach.
„In
Ordnung“, sagte sie dann. „Aber du regst dich nicht auf, ok?“
„Ok“,
versprach Hermine mit einem leisen Lächeln. Aber irgendwie konnte sie nicht
lächeln. Sie fühlte sich zu schäbig, denn jedes Mal, wenn sie schwieg und
nachdachte, dann dachte sie nur an eine einzige Sache. Und an die durfte sie
nicht mehr denken. Nie mehr denken.
Und
sie konnte es Ginny nicht erzählen. Sie konnte einfach nicht. Es war schlimm
genug, dass Ron schon misstrauisch war. Niemand konnte erfahren, was sie getan
hatte, während ihr Freund einsam und verlassen durch Gebirgstäler gewanderte
war, halb verhungert, wahrscheinlich mit seinen Gedanken nur bei ihr, während
sie seinen Verlobungsring versteckte und sich mit Draco Malfoy die Zeit
vertrieben hatte.
Sie
spürte wie sie rot wurde, und versteckte sich praktisch in ihrer Teetasse, als
sie einen weiteren ekligen Schluck trank.
„Da
hinten ist Preston“, fiel Ginny auf. „Er wird sich um Alecs Therapie kümmern“,
informierte sie Hermine. Sie hob den Blick. Sie dachte an Pansys Worte. Hermine
glaubte, Pansy mochte Preston mehr, als sie eigentlich zugab.
„Ach
ja?“, entkam es ihr, halb interessiert, halb abwesend.
„Ja.
Mal sehen, ob seine Methoden schneller zum Erfolg führen. Aber Alec ist ein
reicher Reinblüter, deshalb übernimmt Preston die Aufgabe gerne.“
Richtig.
Es fiel Hermine wieder ein. Alec war auch Reinblüter.
Sie
betrachtete Preston und dachte an Pansy. Arme Pansy. Hermine hatte nicht
geschafft, unnahbar zu sein und Draco Malfoy in die Flucht zu schlagen, dachte
sie dumpf. Nicht mal im Ansatz! Hermine wurde direkt schlecht. Sie war ein
grauenhafter Mensch, ging ihr auf. Wieder versteckte sie sich praktisch in
ihrer Teetasse.
Es
tat ihr alles so leid! Aber sie schwor sich, sie würde nie mehr an ihn denken.
Nie mehr! Malfoy war aus ihrem Kopf verbannt! Für immer! Zumindest auf diese
Art…. Denn… er war ja immer noch der Vater.
Unglücklich
blickte sie zur Seite.
Sie
hatte keine Ahnung, wie sie das alles regeln sollte.
Wieso war sie so dumm gewesen? Wieso hatte sie ihn in ihr Haus gelassen? Wohnen
konnte er dort nicht mehr! Das würde er nicht wagen, dachte sie panisch. Nein,
er konnte in sein Hotel ziehen! Aber sie glaubte auch nicht, dass er nach dem
Streit noch mal vorhatte, wiederzukommen!
Und
auch der Streit lag ihr schwer im Magen. Er hatte Mitleid gehabt. Er war so ein
Arschloch! Böse starrte sie in ihre Tasse hinab und hörte Ginny nur mit halbem
Ohr zu, während sie überlegte, was sie Malfoy gerne alles an den Hals wünschen
würde!
~*~
Blaise
musterte ihn. „Ich bin ja froh, dass du mich besuchst, aber bessere Laune wäre wünschenswert“,
bemerkte er knapp, während der Säugling auf Blaises Arm eingeschlafen war.
Astoria hatte geworfen, und Draco konnte nun mit ansehen, wie anstrengend
Kinder waren.
„Mh“,
machte Draco unwirsch.
„Und?
Wie läuft es?“, wollte Blaise wissen. „Abgesehen davon, dass dieser Dermont
wieder aufgetaucht ist? Ziemlich starke Aktion von Potter, muss ich sagen“,
schloss Blaise anerkennend. Draco sah ihn gereizt an. „Die Zeitungen sind heute
voll davon!“
„Ja,
der Wunderknabe lässt die Toten nicht tot sein“, beschwerte sich Draco nur.
Blaise
musterte ihn. „Na ja, dann musst du immerhin nicht mehr in ihrem Haus wohnen“,
bemerkte Blaise argwöhnisch. „Ich meine, das hast du doch nur getan, weil du
sicher gehen wolltest, dass sie das Kind nicht aus Depression verliert, oder?“
Draco
dachte darüber nach. „Sicher“, sagte er nur. „Genau deshalb“, bestätigte er
grimmig.
„Na
dann“, erwiderte Blaise achselzuckend. „Draco, warum bist du schlecht
gelaunt?“, wollte er wissen. „Hast du deine Meinung geändert? Willst du doch
kein Vater sein? Oder liegt es an der Vereinigung?“
Draco
blickte aus dem Fenster des Anwesend der Zabinis. Er konnte sich kaum noch
vorstellen, dass er vor zwei Tagen mit Granger auf Malfoy Manor war.
Er
hatte gestern im Hotel geschlafen, und die halbe Nacht hatte er sich von der
einen Seite auf die andere gewälzt, während er sauer auf Granger war, die ihn
sang- und klanglos abserviert hatte für einen Typen, der nicht ansprechbar im
Mungo lag! Sicher, sie hatten sich gestritten, allerdings nervte es ihn
trotzdem. Es störte ihn, verflucht noch mal. Und er hasste, dass es das tat. Er
hasste es wirklich, denn sie war ihm egal. Sie war einfach nur ein Spielzeug,
mit dem er allerdings noch nicht fertig gespielt hatte, dachte er verärgert.
„Draco?“,
erkundigte sich Blaise vorsichtig, und Draco sah ihn an.
„Vereinigung“,
spuckte er das letzte Wort aus, was ihm noch im Gedächtnis geblieben war.
Blaise ruckte mit dem Kopf.
„Es
ist kein schlechter Job“, bemerkte er, und Astoria betrat den Salon. Draco hatte
keine Lust auf sie.
„Ich wollte euch nur informieren, dass ich für später Gäste eingeladen habe,
und da Draco es sich ja ständig mit allen Leuten verscherzt, wäre es vielleicht
angebracht, wenn er nicht hier ist?“, schlug sie eisig vor, und Draco würde ihr
gerne vorwerfen, dass sie nach dem hundertsten Kind ihrer nichtvorhandenen
Figur Lebwohl sagen könnte, aber er beherrschte sich.
„Astoria!“,
entfuhr es Blaise, wenn auch nicht besonders laut, denn er war dankbar, dass der
Schreihals auf seinem Arm eingeschlafen war.
„Es
kommen Pansy und Preston McGraw, neben anderen Gästen der Gesellschaft“, sagte
sie nur bestimmt.
„Pansy
und Preston? Seit wann verbringt Pansy Zeit mit ihm?“, wollte Blaise verwundert
wissen.
„Tut sie nicht“, bemerkte Astoria zufrieden. „Aber das werde ich ändern“,
schloss sie achselzuckend.
„Du
hast kein Talent dafür, Leute zu verkuppeln, Astoria“, entgegnete Draco
ungerührt, und Astoria verzog wütend den Mund.
„Nur
weil du Pansy verschmäht hast, bedeutet das nicht, dass Preston das genauso
sieht, Draco“, informierte sie ihn ätzend überlegen. Er verdrehte die Augen.
„Mir
egal“, knurrte er.
„Wie
dem auch sei – vielleicht bist du später einfach nicht mehr hier, wenn die
Gäste kommen?“, gab sie ihm eindeutig zu verstehen, und Blaise sah unglücklich
zu seiner Frau.
„Ich
will nicht, dass er geht!“, beschwerte er sich gepresst.
„Dann hast du Pech gehabt, nicht wahr?“ Astoria lächelte ein widerliches
Lächeln, und verschwand. Blaise wirkte besiegt.
„Heirate
niemals eine Reinblüterin, Draco“, knurrte Blaise wütend. „Die tricksen dich
aus, und am Ende mögen sie deine Freunde nicht und dekorieren alles in
Eierschal! Das ist keine Farbe, Merlin noch mal! Alles ist beige!“
Draco
lehnte sich schlecht gelaunt zurück. Er hatte nicht vor, hier zu sein, wenn
Pansy oder Preston oder irgendwelche Vollidioten aus dem Club hier waren. Er
kannte die Leute. Er hatte keine Lust.
Er
heiratete niemanden! Kurz dachte er an Juliette, aber nicht mal die Gedanken an
seine französische Liaison konnten ihn ablenken, denn er dachte eigentlich nur
noch an sie.
An
Granger, die sein Kind bekam. An seine Finger, die über ihren Bauch fuhren,
wenn sein Sohn trat, weil er ihn erkannte.
Und
heute war sie wieder vereint mit ihrem Idioten. Und wahrscheinlich gab sie ihm
auch noch die Schuld an allem, was passiert war! Und wahrscheinlich war es
seine Schuld, weil er ein sexsüchtiges Arschloch war, was nicht einmal vor der
Mutter seines Kindes Halt machte, weshalb er sein Kind wahrscheinlich – wenn
überhaupt – nur noch am Wochenende sehen würde.
Scheiße.
Wieso hatte er das gemacht? Wieso war er in ihr Haus gegangen? Wieso hatte er
das böse Arschloch spielen müssen? Wieso? Wieso hatte er sie nur angerührt?!
„An
was denkst du?“, wollte Blaise deprimiert wissen.
„An
nichts“, gab Draco ebenso deprimiert zurück.
Fuck.
Er würde schon drüber wegkommen! Er war Draco Malfoy. Es ging nur um seinen
Sohn. Nicht um sie. Garantiert nie um sie!
~*~
Sie
hatte nicht geschlafen.
Sie
war sauer auf ihr ehemaliges Lesezimmer gewesen, das sie nicht mehr betreten
hatte. Sie war sauer auf sich selbst gewesen. Und gestern war sie die erste
Nacht wieder alleine in ihrem Haus gewesen. Ohne Malfoy.
Aber
dafür hatte sie von ihm geträumt, als sie versucht hatte, einzuschlafen. Und
deshalb hatte sie es sein gelassen! Sie war einfach wach geblieben.
Und
jetzt wartete sie gähnend vor einem der Zimmer im Mungo. Dort lag Alec, aber
Preston war noch drin, besprach mit ihm wohl bereits die Therapie, und manchmal
glaubte Hermine, seine Stimme zu hören.
Und
endlich kam Preston raus! Endlich konnte Hermine mit ihm reden! Endlich!
„Miss
Granger“, begrüßte Preston sie, aber Hermine nickte nur und schob sich ins
Zimmer. Ginny wollte sie mittags wieder abholen, damit Hermine sich ausruhen
konnte, damit Alec sich ausruhen konnte. Eben alle!
Und
vorsichtig betrat sie das Zimmer. Und er saß aufrecht im Bett, viele Kissen in
seinem Rücken.
„Hey“,
begrüßte sie ihn zögernd, und war so unendlich froh, dass er wach war, dass er
lebte. Und er hob müde den Blick. Erkenntnis war in seinen Blick getreten.
Merlin, er war so dünn! Es tat ihr weh, ihn so zu sehen. Und sie hatte sich
gestern an ihm gar nicht sattsehen können, hatte immer gedacht, es wäre vielleicht
nur ein Traum. Und jetzt sah er sie an, mit seinen schönen Augen.
„Hermine“,
erwiderte er mit einem schwachen Nicken.
„Wie…
wie geht es dir? Ich… war gestern schon hier! Also… nicht hier, sondern ein
Stockwerk tiefer, auf der Intensivstation, aber du warst noch nicht wach und-“
Sie unterbrach sich, denn sie begriff, er konnte ihr nicht folgen. „Ich bin so
froh, dass du wieder da bist! Ich wusste, Harry würde dich finden, Alec. Ich
habe dich so vermisst, ich-“
„-Hermine“, unterbrach Alec sie schwach, „ich… bin wirklich müde“, murmelte er,
und Hermine schloss den Mund.
„Oh.
Sicher, ich… wollte dich nur… sehen. Kurz mit dir… reden“, sagte sie
vorsichtig.
Er
nickte nur, lehnte sich zurück, und sie glaubte, er war bereits wieder
eingeschlafen.
Ok.
Sie hatte… irgendwie gehofft, dass dieses Treffen anders verlaufen würde?
Vielleicht… irgendwie… persönlicher? Vielleicht hätte er sagen können, er war
froh wieder da zu sein? Sie zu sehen?
Aber
er war wochenlang verschollen gewesen, ohne richtige Nahrung oder etwas
Richtiges zu trinken, abgesehen von bunten Bergmadern, wie festgestellt wurde.
Vielleicht wurde man anders, wenn man nur Bergmader aß? Und ein wenig verloren
stand sie in dem Krankenzimmer, wo der Mann lag, den sie liebte.
Vielleicht…
würde er morgen mit ihr reden? Vielleicht wäre das besser.
Und
sie versuchte, die Enttäuschung zu verdrängen. Er war einfach noch zu schwach,
sagte sie sich.
Morgen.
Morgen wäre er wieder ihr Alec! Ihr perfekter Alec, der ihr sagen würde, wie
sehr sie ihm gefehlt hatte, und dass nur der Gedanke an sie ihn angetrieben
hatte, zu überleben.
So
etwas würde er sagen. Sie hoffte es, während sie stumm über ihren Bauch fuhr.
„Death, taxes and childbirth!
There's never any convenient time
for any of them.“
Gone
with the Wind
Pansy hatte nicht
gewusst, dass Preston bei den Zabinis sein würde. Hätte sie es gewusst, wäre
sie nicht aufgetaucht. Und sie bemerkte seine Seitenblicke ab und zu. Noch
immer bekam sie von der Frauen der Gesellschaft abschätzende Blicke zugeworfen.
Und natürlich wäre sie nicht gekommen, hätte sie gewusst, dass Astoria gelogen
hatte und gar nicht Blaise, sondern sie sie eingeladen hatte – und das aus nur
dem einen Grund. Um sie und Preston zusammenzubringen.
Noch immer verurteilten
sie alle für ihre künstliche Befruchtung, die nach hinten losgegangen war. Aber
sie hatte keine Zeit, sich wirklich daran zu stören. Würde sie sich über alle
blöden Kühe aufregen, dann hätte sie den ganzen Tag zu tun, dachte sie bitter.
Astoria versuchte sie
seit einer Weile zu bewegen, zu Preston zu gehen, mit ihm zu sprechen, aber
Pansy wollte nicht. Das letzte Mal hatte sie ihn geküsst, und das war gar nicht
gut gewesen. Sie hielt sich tapfer, aber sie war auch nur ein Mensch. Und heute
ging es ihr nicht besonders gut.
Alerio war unruhig heute.
Sie hatte schon regelrecht Bauchschmerzen, weil er sich so sehr bewegte. Und
sie war mit ihrer Namenswahl nicht mehr wirklich zufrieden. Darüber hatte sie
auch schon nachgedacht. Wäre es Dracos Kind gewesen, dann… wäre es ihre erste
Wahl. Sie hatte Alerio mit einem hübschen blonden Jungen in Verbindung
gebracht. Aber bei ihrem Pech bekäme er Prestons nichtssagende Haarfarbe oder
ihre dunkle Haarfarbe.
Und sie hatte sich noch
keine neuen Gedanken gemacht.
Sie trank ihr Wasser
lustlos und sehnte sich die Tage herbei, an denen sie endlich wieder ein Glas
Wein trinken konnte!
„Na?“ Blaise setzte sich
neben sie. Er wirkte völlig erschlagen.
„Blaise, wieso macht
deine Frau diese furchtbaren Partys?“, wollte sie schlecht gelaunt von ihrem
ehemaligen Schulkollegen wissen, aber Blaise wirkte ähnlich grimmig.
„Sie will uns quälen“, bemerkte er still, damit es Astoria nicht hören konnte.
„Sie hat Draco rausgeworfen.“
„Klug von ihr“,
beschwerte sich Pansy und verzog den Mund.
„Alles ok?“, wollte Blaise besorgt wissen, und sie ruckte mit dem Kopf.
„Der Junge hat einen
schlechten Tag“, sagte sie nur.
„Wann… wann ist es
soweit?“
Sie rechnete nach, aber
das brauchte sie kaum noch. Sie wusste es immer. Sie hatte es jeden Tag ihrer
Schwangerschaft gewusst. Sie hatte zwar Dracos Kind haben wollen, aber sie
hatte sich schnell an das fremde Kind in ihrem Uterus gewöhnt. Man tat es wohl
einfach. Mutterinstinkte ließen sich nicht aufhalten, nur weil der Vater der
falsche war.
„Sieben Tage“, sagte sie,
ein wenig ehrfürchtig. Merlin, der Tag war gekommen. Es war so schnell
gegangen, dachte sie unwillkürlich.
„Wow, das ist nicht mehr
lange.“
„Nein“, bestätigte sie
und betrachtete Astorias Kinderelfe, die alle Hände mit dem neuen Schreihals
der Zabinis zu tun hatte. Astoria hatte verlangt, dass das Baby an der Party
teilnahm. Es würde ihren Charakter prägen, hatte sie behauptet. Pansy musste
lächeln. Es würde einen scheußlichen Charakter bekommen, wenn Astoria nicht
aufhörte, es in die falsche Gesellschaft eingliedern zu wollen.
„Und, wie viele Kinder
wirst du noch zeugen, Blaise?“, erkundigte sie sich lächelnd, und Blaise
schüttelte heftig den Kopf.
„Keines, Parkinson“, erwiderte
er hastig. „Ich habe mit Preston schon einen Termin vereinbart. Ich werde noch
diesen Monat meine Fruchtbarkeit aufgeben“, antwortete er, und Pansy musste
grinsen. Blaise hatte vier Kinder. Merlin, ihr war schon jetzt eines zu viel,
und es war noch nicht mal da!
Und Pansys Grinsen
verblasste jedoch, als Preston langsam zu ihnen geschlendert kam.
„Hocken die Slytherins
zusammen an ihrem Tisch?“, erkundigte er sich lächelnd bei Blaise, und Blaise
nickte erschöpft.
„Astoria macht mich
wahnsinnig“, sagte er ehrlich. Pansy ignorierte Preston einfach.
„Du wolltest sie heiraten“, bemerkte sie spitz. Blaise schüttelte den Kopf.
„Nein, meine Mutter
wollte, dass ich sie heirate“, entfuhr es ihm seufzend. Pansy verschränkte die
Arme vor der Brust.
„Oh wirklich? Ich kann mich noch gut an deine stümperhaften Liebesbriefe
erinnern, die du ihr geschrieben hast, und denen sie keinerlei Beachtung
geschenkt hat, erst als Draco für dich das Werben übernommen hat!“, erklärte
sie lächelnd.
Blaise verdrehte die Augen.
„Ach, hör schon auf. Ich war ein guter Casanova in der Schule.“
„Oh, ich bitte dich! Du
warst kurz davor, schwul zu werden, Zabini“, merkte Pansy an. „Und wie bitter
wäre es für deine Frau, wenn sie wüsste, dass der eingerahmte Liebesbrief in
ihrem Ankleidezimmer nicht von dir, sondern von Draco stammt? Von Draco, den
sie sogar ihrer Party verwiesen hat? Du kannst so froh sein, dass Draco kein
echtes Interesse an Reinblüterinnen hat, Blaise“, lachte sie jetzt.
„Na da bist du mein
lebender Beweis, Pansy!“, neckte er sie beleidigt, und fast war es wirklich
traurig. Pansy hatte immer gewusst, dass Draco das Leben als Reinblüter
anödete. Und sie war nichts anderes. Sie gehörte eben in diese Welt. Nicht in
die aufregende Welt, jenseits des Tellerrands.
„Er hat einfach keine
Ahnung von echter Klasse“, mischte sich Preston wie beiläufig ein, ohne sie
anzusehen und setzte sich an den Tisch. Blaise musterte beide.
„Ist das jetzt der
Moment, wo ich aufstehen muss, damit ihr euch näher kommen könnt? Ich habe Astorias
Instruktionen über das Kindergeplärre nicht vollends begriffen“, räumte er ein.
„Nein, du kannst bleiben.
Bitte“, ergänzte Pansy mit Nachdruck.
„Ich kann Pansy auch
näher kommen, wenn du dabei bist. Ich laufe nicht Gefahr, schwul zu werden“, bestätigte
Preston und Pansy verdrehte die Augen. Sie sah ihn dann schließlich an.
„Du bist nicht witzig“,
erklärte sie und trank einen weiteren Schluck Wasser und stellte sich vor, es
wäre Martini.
„Ich bin ziemlich witzig“,
korrigierte er sie mit offenem Blick. Sie mochte nicht, wie er sie ansah. Als
hätte er sie durchschaut, als wäre er der einzige mit einem Plan.
„Ich war nie schwul!“,
rechtfertigte sich Blaise gereizt. „Pansy, erzähl so was nicht ständig!“, beschwerte
er sich beleidigt. „Und wehe, Astoria erfährt von dem Briefe!“, zischte er
jetzt kopfschüttelnd, aber Preston ignorierte Blaise bereits und wandte seine
Aufmerksamkeit ganz ihr zu.
„Wie geht es dir?“,
wollte Preston von ihr wissen, und Pansy wollte nicht antworten. Aber sie
verzog den Mund und beschloss, falsche Höflichkeit an den Tag zu legen. So wie
es Reinblüter eben taten.
„Danke der Nachfrage,
Preston. Es geht mir –au!“, entfuhr es ihr, und ihre Hände legten sich
überrascht über ihren Bauch, während sich ihre Augen weiteten. Preston war
alarmiert aufgestanden.
„Was ist los?“, wollte er
wissen, kam um den runden Tisch und kniete sich vor sie.
„Gar nichts. Es ist
nichts!“, wiegelte Pansy etwas atemloser ab. „Ich habe den ganzen Tag schon
Bauchschmerzen. Der Junge ist nervös heute.“
Aber Preston schaltete
um, so schnell, dass sie es praktisch fühlen konnte. Und er sah sie an als
Heiler. Nicht mehr als arroganter Reinblüter.
„Wie viel Tage noch?
Neun?“, schätzte er, aber sie schüttelte den Kopf, überrasch dass er sehr nah
dran war.
„Sieben“, flüsterte sie,
als sie ein sanftes Stechen und Pochen spürte. „Es kann noch nicht soweit
sein“, ergänzte sie, eher um sich selber zu beruhigen. Auch Blaise hatte sich
unruhig erhoben.
„Pansy, soll ich die Para-Magier
rufen?“, fragte Blaise leicht panisch. „Astoria hat immer-“
„-es ist nichts, Blaise“,
sagte Pansy gereizt, aber Preston zog seinen Zauberstab. Pansy erstarrte.
„Was… was tust du?“, wollte sie ängstlich wissen, aber Preston berührte ihren
Unterleib sanft mit der Spitze, murmelte eine Formel, die Pansy unverständlich
war, und sanft vibrierte sein Zauberstab. Er hob den Blick.
„Pansy, es ist soweit“,
sagte er nur.
Sie starrte ihn an.
„Was?“, entfuhr es ihr ungläubig. „Wie kommst du darauf?“, wollte sie ungläubig
wissen. Er runzelte die Stirn.
„Ich bin kein Bäcker, ich
bin Heiler, Pansy“, erinnerte er sie gleichmütig. Sie atmete gereizt aus.
„Das weiß ich selber, Preston“, knurrte sie. „Aber du bist Heiler für Fluchschäden,
nicht für Geburten!“, beschwerte sie sich. Er lächelte ein arrogantes Lächeln.
„Fluchschäden sind auch
die wahre Kunst der Magie, wohingegen Gynäkologie eher zu den untersten
Disziplinen gehört. Ein Muggel kann es lernen“, spottete er. Sie verengte die
Augen, und er kam zum Thema zurück. „Und deshalb kann ich dir sagen, es ist
Zeit. Er ist gedreht, er will in den Geburtenkanal, und wir müssen jetzt los“,
schloss er, fast sanft. Sie schüttelte den Kopf.
„Aber… es ist zu früh!“,
entfuhr es ihr.
„Manchmal kommen
künstliche Kinder zu früh“, bemerkte er. „Der Befruchtungszeitpunkt ist nur
simuliert, und-“
„-er ist nicht künstlich!“, knurrte sie. Und er lächelte.
„Nein. Mein Sohn ist
natürlich nicht künstlich“, korrigierte er sich, und sie wusste nicht, was sie
denken sollte. „Ich werde dich ins Mungo bringen“, versicherte er ihr, und sie
mochte nicht, dass sie seine Art beruhigte. Seine Stärke, seine Eloquenz, seine
Kompetenz. Aber fast war sie froh, dass Preston hier war. Er würde mit ihr gehen.
Der Vater ihres Kindes wäre bei ihr. Und sie hatte sich nicht anders als gemein
ihm gegenüber verhalten. Sie spürte die Tränen kommen.
Oh nein! Nicht schon
wieder einer dieser Gefühlsausbrüche! Das konnte sie gar nicht gebrauchen.
Langsam aber sicher breitete sich unter den Leute im Hause der Zabinis Unruhe
aus, als Preston die Para-Magier im Kamin informierte.
Alle Aufmerksamkeit
richtete sich auf sie. Super.
Das konnte sie jetzt
überhaupt nicht – au!!!! Nicht schon wieder! Sie schloss die Augen und atmete
schneller ein und aus. Der Junge war viel zu früh dran! Sie hatte sich noch
keinen neuen Namen überlegt, Merlin noch mal! Er musste noch drin bleiben! Er
musste!
~*~
Er würde seine Zähne noch
zu Staub mahlen, überlegte er grimmig, während Teresa Zabini ihm einen
fünfzehnminütigen Vortrag über das korrekte Auftreten innerhalb der Vereinigung
erläuterte. Ab und an schenkte er seinem Vater einen zornigen Blick, der
überhaupt nicht reagierte, Teresa Zabini scheinbar nicht einmal mehr hören
konnte. Vielleicht lernte man es mit den Jahren.
„-und deshalb ist es
wichtig, dass wir uns zu jeder Zeit einig sind, hast du das begriffen, Draco?“,
erkundigte sie sich nachsichtig, wie man sich bei einem Kleinkind erkundigte,
ob es begriffen hatte, weshalb man den Kleber nicht essen durfte.
Merlin. Sein Kiefermuskel
war kurz davor sich zu verkrampfen.
„Mhm“, machte er
gepresst, bevor er sich noch zu einem kleinen Ausraster hinreißen ließ, und
Teresa Zabini ihm den nächsten Vortrag hielt. Blaise hatte seine Mutter geheiratet,
war Draco innerhalb der fünfzehn Todesminuten aufgefallen. Astoria stand dieser
Furie in gar nichts nach!
„Na gut. Dann wünsche ich
euch weiterhin gutes Gelingen. Und Draco?“, erinnerte sie ihn mit zuckersüßer
Stimme, während ihr Parfüm die Übelkeit in ihm weckte. „Ich möchte nicht, dass
wir uns in dir getäuscht haben“, säuselte sie, ehe sie das Büro verließ.
Er wartete exakt noch
zehn Sekunden, ehe er aufstöhnte.
„Verfluchter Hippogreif, was
läuft falsch bei dieser unfassbar dämlichen, intriganten, unerträglichen
Reinblüter-Ziege?“, brachte er außer Atem hervor. „Wie kannst du da einfach
ruhig sitzen?“, wollte er außer sich von Lucius wissen. Und Lucius hob den
Blick.
„Du wirst lernen müssen,
dein Temperament zu kontrollieren.“
„Mhmh“, erwiderte Draco
kopfschüttelnd. „So viel Vodka könnte ich nicht mal trinken, bis ich an deinem
Punkt völliger Gleichgültigkeit angekommen wäre!“, rief er aus. Er musste
annehmen, Lucius war betrunken. „Dieser unglaubliche Reinblüterzirkus, den alle
veranstalten! Merlin, es ist nicht auszuhalten!“, brauste er auf, kämmte sich
mit der Hand zornig die Haare nach hinten, und Lucius speiste ihn mit
wortkarger Konversation ab.
„Nervös?“, erkundigte er
sich glatt, und Draco wandte sich zornig um.
„Nein. Ich bin wütend,
Vater“, korrigierte er ihn aufgebracht.
„Es ist unpassend. Und es
werden noch einige weitere – wie du sie nennst – Reinblüter-Ziegen hier
auftauchen, also würde ich es begrüßen, wenn du wieder runter kommen würdest.“
Und Lucius‘ Stimme nahm
langsam an Gereiztheit zu.
„Verfluch mich einfach“,
murmelte Draco nur kopfschüttelnd. Lucius erhob sich. Und er wirkte so altklug,
dass Draco schon jetzt kotzen könnte.
„Wenn du ein Problem
hast, solltest du es angehen, anstatt deine verdammte Wut hier mit
hinzubringen, Draco“, sagte er, während er seine Unterlagen sortierte.
„Ich habe kein Problem“,
knurrte Draco nur, kampfbereit und trotzig.
„Aha?“, entgegnete sein
Vater spöttisch und wandte sich um. „Und ich nehme an, die Rückkehr von Alec
Dermont hat auch nichts mit deiner Laune zu tun?“, fuhr er fort, und Draco
lachte freudlos auf.
„Mit könnte nichts egaler
sein, als dieser tragische Mienenarbeiter, Lucius. Ich habe absolut nichts mit
ihm zu tun, und er interessiert mich einen verfluchten Scheiß!“, gab Draco
zurück, froh, endlich seine Wut rauslassen zu können. Sei es auch nur an seinem
Vater. Der wahrscheinlich nichts dafür konnte, aber das war verflucht egal!
„Vielleicht solltest du
beginnen, dich für ihn zu interessieren. Immerhin ist er der Freund von
Hermine. Und ich nehme an, er wird ein Teil ihres Lebens sein?“ Draco hatte
wieder begonnen, seine Zähne zu zermalmen.
Ahrg! Er hasste das
alles.
„Es ist mir egal“,
knurrte er wieder gepresst.
„Wie geht es überhaupt
weiter? Wer wird bei der Geburt dabei sein?“, wollte er wissen. „Er oder-“
„-ich?“, beendete Draco
völlig entgeistert die Frage. „Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich
vorhabe, bei der Geburt dabei zu sein!“ Granger würde ihn außerdem kopfüber aus
dem Zimmer fluchen, so viel stand fest. „Ich nehme an, du hast dich auch im
Wartezimmer aufgehalten, als ich zur Welt kam, hast Brandy und Zigarren
verteilt, oder noch ein oder zwei von Voldemorts Handlangertätigkeiten
ausgeführt“, schloss er bitter. Lucius verzog den Mund.
„Ich denke, du hast für
heute genug Zeit hier verbracht“, kürzte Lucius das Gespräch ab und deutete zur
Tür.
„Lucius-“, begann Draco
gereizt, aber sein Vater schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, was dein
Problem ist, aber – um ehrlich zu sein – wusste ich das noch nie wirklich! Es
ist ja immer irgendetwas. Und im Moment kann ich nur annehmen, dass dir wieder
einmal irgendetwas nicht passt! Also schlage ich dir vor, hör auf dich wie ein
Kleinkind zu benehmen, und rede mit ihr!“, brachte Lucius angespannt über die
Lippen.
Zornig griff sich Draco
seinen Mantel von der Garderobe. Fein! Er wollte sowieso nicht hier sein!
„Und ich war da“, hielt
ihn die Stimme seines Vaters knapp auf. Draco wandte den Kopf halb zurück. „Ich
habe keine Sekunde deiner Geburt verpasst, du undankbarer, grenzenlos
egoistischer Besserwisser“, beleidigte er ihn anschließend. „Voldemorts
Handlangertätigkeiten konnte ich auch abends erledigen", schloss er voller
bitterer Ironie, die Draco ihm kaum zugetraut hatte. Er atmete tief aus, aber
er entschuldige sich nicht.
Ihm war nicht danach. Ihm
war nach Rebellion zumute.
„Grüß die
Reinblüter-Ziegen von mir“, verabschiedete sich Draco missmutig und verließ die
Malfoy Group.
Er wollte die dämlichen
Reinblüter nicht repräsentieren. Sein Vater war schon völlig abgestumpft, und
Draco rollten sich praktisch die Zehennägel auf, wenn er nur an die dumme
Gesellschaft dachte.
Und
er wusste nichts mit sich anzufangen. Er war schon fast so weit, Blaise wieder
heimzusuchen, auch wenn er Astoria am Kopf nicht aushielt!
„Mr.
Malfoy“, hielt ihn eine der Empfangshexen auf, ehe er das Gebäude verlassen
konnte. „Blaise Zabini hat Ihnen eine Nachricht zukommen lassen.“
Was
für ein Zufall, dachte er dumpf. Die Frau schien es sich notiert zu haben.
„Pansy Parkinson ist im Mungo, Zimmer 212, Etage 2. Sie bekommt ihr Kind“, las
die Hexe vor, und Draco blinzelte verblüfft.
„Was?“,
entfuhr es ihm und er vergaß tatsächlich seinen Zorn.
„Mr.
Zabini sagt, Sie sollten vorbeikommen“, erläuterte die Hexe freundlich, und
Draco nickt abwesend. Wenn es bei Pansy soweit war… war es dann bei Granger
auch soweit?
Immerhin
hatte er jetzt einen Ort, wo er sein wollte! Er setzte sich sofort in Bewegung,
verließ das Gebäude und apparierte draußen zum Mungo.
~*~
Sie
war darauf nicht vorbereitet. Aber die Wehen kamen mittlerweile alle zehn
Minuten, und sie hatte nicht mal die Zeit gehabt, ihre Mutter anzurufen. Und
Ginny Potter kam ab und an zu ihr, prüfte, wie weit der Muttermund gedehnt war,
aber noch war es nicht Zeit.
Aber
bald, wurde ihr seit vier Stunden versichert. Sie trug bereits eines der
unschönen Mungo-Nachthemden, während Preston bei ihr war, ohne dass er heute
überhaupt Dienst hatte. Blaise war vor einer Weile runter in die Kantine
gegangen.
Langsam
aber sicher wurde Pansy heiß. Die Wehen wurden immer schmerzhafter, und sie
hatte keine Ahnung, wann es soweit sein würde, dass Ginny Potter den Blick
heben würde, um zu sagen, sie wäre soweit.
Zwar
war es viel zu früh, aber mittlerweile war es ihr egal. Das unangenehme Gefühl
sollte nur endlich aufhören. Dann kam es eben eine Woche zu früh! Auch wenn das
nicht unnormal bei künstlichen Befruchtungen war, wie ihr nun auch Ginny
versichert hatte.
„Wie
soll er heißen?“, wollte Preston von ihr wissen, während er an ihrem Bett saß,
ihre Hand hielt, wann immer eine Wehe sie erschütterte, und sie ignorierte, wie
sehr es ihr gefiel, dass er hier war.
„Keine
Ahnung! Ich habe mir nichts überlegt!“, log sie gepresst, denn sie spürte die
nächste Wehe anrollen. Merlin, sie hasste das!
„Nicht?“,
erkundigte er sich, und sie schoss ihm einen wütenden Blick zu.
„Mach
du es doch einfach! Ich habe hier zu tun!“, fuhr sie ihn an, und fast tat es
ihr leid. Aber jetzt gerade dachte sie nur an sich und ihr Kind.
„Aaaaauuuuuuuuuu!!“,
schrie sie auf, schloss die Augen und spürte, wie Preston ihre Hand fest in
seine nahm.
„Ich
bin hier! Alles ist gut, ok? Ich bleibe hier, Pansy!“, versicherte er ihr
wieder, und schwer atmend fiel ihr Kopf zurück. Aber sie schüttelte seine Hand
nicht ab. Seine warme, starke Hand. Sie sah ihn blinzelnd an, ein sanfter
Schweißfilm lag auf ihrer Stirn. Sie wollte nicht mehr.
„Es
soll endlich kommen“, murmelte sie erschöpft.
„Ich
weiß“, bestätigte er. „Ich kann es kaum erwarten“, fuhr er lächelnd fort. Es
war so seltsam. Er war so seltsam. Seine blauen Augen waren so ehrlich. Es
machte ihr fast Angst. „William“, sagte er plötzlich.
„Was?“,
murmelte sie, und sie hielt seine Hand noch immer in ihrer.
„Wie
gefällt dir William?“, wiederholte er. „Als Name für unseren Sohn?“
Unseren Sohn, sagte er. Und die Worte erfüllten Pansy mit einer plötzlichen
Traurigkeit. Er würde da sein, ging ihr auf. Er wollte da sein. „William
Parkinson“, sagte er dann mit einem Lächeln. Und sie musste feststellen,
irgendwann zwischen den letzten Wehen war ihr Herz weich geworden.
„William
Preston Parkinson“, korrigierte sie ihn still. Und sie erwiderte seinen Blick.
Wow, er hatte wirklich schöne Augen. Ein schönes Gesicht. Und Preston lehnte
sich näher zu ihr, und Pansy schloss die Augen für einen winzigen Moment, aber
bevor seine Lippen ihren Mund berühren konnten, öffnete sich die Tür, ohne zu
klopfen.
Pansy
öffnete die Augen wieder und setzte sich aufrechter hin, während Preston ihre
Hand losließ.
Ein
wenig atemlos stand Draco in ihrem Zimmer. Sie war überrascht. Ernsthaft
überrascht, dass er hier tatsächlich auftauchte. Preston lehnte sich wieder
zurück, aber Draco schien begriffen zu haben. Sein Blick wanderte von ihm zu
ihr.
„Hey“,
brachte Draco hervor. „Es ist noch nicht soweit?“, erkundigte er sich dann, mit
einem entsprechenden Blick auf ihren riesigen Bauch, und Pansy verzog den Mund.
Aber ihr Herz schlug schnell, und sie fühlte sich von ihm ertappt. War das der
Moment? Wo sie begriff, dass sie über Draco hinweg war? Denn sie fühlte gar
nichts mehr, als sie ihn ansah. Gerade bereute sie nur, dass es zu keinem Kuss
mit Preston gekommen war.
„Nein“,
bestätigte sie heiser. „Und ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich dir
Bescheid gesagt hätte“, brachte sie etwas atemloser hervor. Und sie und Draco
teilten einen ernsten Blick. Merlin, die Hälfte ihres erwachsenen Lebens war
sie Dracos Freundin gewesen. Und sie war zum ersten Mal dankbar, dass er nicht
der Vater ihres Kindes sein würde. Und hätte Millicent den Fehler nicht
gemacht, dann… hätte es sehr leicht sein können, dass Draco der Vater geworden
wäre, und Pansy hätte es auch noch… bereut.
Preston
erhob sich schließlich.
„Malfoy“,
begrüßte er ihn nickend. „Pansy, ich hole dir ein paar Eiswürfel“,
entschuldigte sich Preston und verließ das Zimmer. Scheinbar besaß er genug
Takt, Pansy sogar mit ihrem Exfreund allein zu lassen. Gut, vielleicht war
Preston ein Prinz, überlegte sie dumpf.
Und
sie spürte immer noch die sanfte Enttäuschung, nach dem sie seine Lippen nicht
hatte berühren können.
„Pansy,
ich hol dir ein paar Eiswürfel“, ahmte Draco ihn mit leisem Spott nach, ehe er
sich auf den freie Stuhl setzte, und die Arme auf das Gitter des Bettes stützte,
um sie zu betrachten.
„Du
bist so ein Idiot“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd.
„Tut
mir leid, ich wollte deinen Freund nicht verscheuchen“, bemerkte er knapp.
„Er
ist… nicht mein Freund“, brachte Pansy mühsam hervor. „Wieso bist du hier?“, schaffte
sie zu fragen. Aber für einen Moment gefiel ihr die Idee. Preston als ihr
Freund… - sie musste sich zusammenreißen.
„Blaise
hat mir Bescheid gegeben. Und ich… dachte…“ Er sprach nicht weiter. „Wir sind
Freunde, oder nicht?“, wagte er die Frage tatsächlich, und Pansys Augen
weiteten sich tatsächlich überrascht.
„Seit
wann hast du weibliche Freunde, Draco?“, wollte sie fast nachsichtig wissen.
„Seitdem
sie mir heimlich meinen Samen klauen und doch nicht von mir schwanger werden?“,
erwiderte mit erhobenen Augenbrauen und gespielter Ahnungslosigkeit. Ja, ja. Er
würde es ihr ewig vorhalten, nahm sie an.
„Ok“,
sagte sie nur, und sah ihn nicht mehr an. Dann… waren sie wohl Freunde? Sie
konnte sich nicht allzu viele Gedanken machen, denn jetzt gerade hatte sie
wirklich wichtigeres in ihrem Leben, was sie auf Trab hielt.
„Wie
läuft es mit Hermine?“, wechselte sie also das Thema, und sein Blick bekam eine
angespanntere Note.
„Wunderbar“,
antwortete er, mehr als nur sarkastisch.
„Beißt
du dir schon die Zähne an ihr aus?“, wollte sie mit Genugtuung wissen, und er
hob eine Augenbraue.
„Was?“,
entgegnete er ehrlich überrascht.
„Ich
hoffe, das tust du, Draco“, fuhr sie ruhiger fort. Und kurz glaubte sie, er
hätte sie verstanden. Kurz glaubte sie, er wisse genau, wovon sie sprach, aber
der Moment war schnell vorbei.
„Hast
du Kontakt mit ihr?“, fragte er dann, und sie schloss die Augen, um sich zu
sammeln. Sie spürte die nächste Wehe. Wann war es endlich soweit? Wo blieb
Ginny? Sie sollte noch einmal schauen, Pansy wusste, es war soweit! Wie lange
sollte es noch dauern?
„Nicht
seit… seitdem ich ihr meine Kleidung geliehen habe“, entfuhr es Pansy
erschöpft.
„Deine…?“
Er sah sie blinzelnd an. „Also doch“, murmelte er nickend. Sie hob den Blick.
„Wieso
fragst du?“, lenkte sie ihn wieder ab. „Ich weiß nicht, ob sie ebenfalls schon
Wehen hat, wenn es darum geht“, deutete sie seine Frage wohl richtig, denn er
nickte langsam. Und dann wurde er wieder ernst.
„Tut
es weh?“, fragte er, ehrlich interessiert.
„Es
tut scheiß weh, Malfoy“, brachte sie ungläubig hervor. „Was denkst du? Dass ich
hier aus Spaß liege?“
Er
schüttelte den Kopf. „Pansy, es… tut mir leid“, sagte er dann. „Dass ich nicht
der Richtige war“, schloss er nach einer Weile.
Merlin.
Pansy hatte keine Ahnung, ob es an Hermine lag, ob es Hermines Einfluss war,
der so etwas bewirken konnte, aber… diese Worte hätte sie niemals geglaubt aus
seinem Mund zu hören. Draco Malfoy entschuldigte sich? Tatsächlich?
„Äh…
danke?“, entfuhr es ihr, etwas überfordert. Aber sie gönnte ihm keinen Triumpf.
„Aber… ich bin drüber weg“, entschied sie, zu sagen.
„Gut“,
sagte er nur nickend, und erhob sich wieder. „Das ist… wirklich gut. Ich… warte
draußen, ok?“, versprach er ihr dann, und sie atmete schneller, und pünktlich
erschien Preston wieder in der Tür. Er eilte zu ihr, stellte den Becher mit
Eiswürfeln neben sie auf den Nachttisch und hielt wieder eisern ihre Hand.
Draco
nickte ihm knapp zu, ehe er sich noch einmal an sie wandte.
„Und
um deine Frage zu beantworten, Pansy“, sagte er schließlich, schien noch einmal
auf ihre Worte einzugehen, „ich beiße mir an gar nichts meine Zähne aus“,
schloss er mit einem vielsagenden Blick. „Nicht mein Stil“, ergänzte er mit
einem schmalen Lächeln und ließ sie wieder mit Preston alleine.
Und
Pansy erfüllte stumme Erleichterung. Sie sah Preston an, der sich mitfühlend
über sie gebeugt hatte, wie beiläufig ihre Strähne hinter ihr Ohr steckte, und
sie musste lächeln, ehe die nächste Wehe kam.
„Ich
bin so froh, dass du es bist. Und nicht er“, murmelte sie fast tonlos, von sich
selber mehr als überrascht, aber es musste an dem Baby liegen. Ihr Herz stand
sperrangelweit offen. Wie seltsam. Aber Preston schien verstanden zu haben. Er
hob ihre Hand zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerknöchel.
Und
die nächste Wehe war fast überhaupt nicht mehr so schlimm, dachte sie, als sie
die Augen schloss.
„We all have someone we think shines so much more than
we do
that we are not even a moon to their sun,
but a dead little rock floating in space
next to their gold and their blaze.“
Catherynne M. Valente
Wieder
saß sie neben ihm. Hermine war natürlich sofort nach dem Frühstück ins Mungo gekommen. Es war ein neuer Tag, und er trank gerade
den magischen Trunk, der ihm dabei half, Körperfett und Muskeln aufzubauen. Es
war ein ekelhaftes Zeug. Es roch seltsam, seine Konsistenz war zähflüssig, und
sie würde keinen Tropfen runterbringen, nahm sie an. Aber Alec sah bereits
besser aus. Aber sprechen tat er nicht wirklich mit ihr.
Und
es fiel ihr unangenehm deutlich auf.
Endlich
war er fertig mit dem riesigen Glas, von denen er am Tag fünf Stück
runterwürgen musste. Und sie knetete unschlüssig ihre Finger in ihrem Schoß.
Sie wusste schon nicht mal, ob es überhaupt in Ordnung war, dass sie hier war.
Dass sie hier saß. Denn er zeigte diesbezüglich keine Reaktion, ließ sie nicht
teilhaben, an den Dingen, die in ihm vorgingen.
Und
sie sah ihn an, wartete, dass er den Blick erwiderte. Irgendwann, als es ihr
schon so unangenehm war, dass sie wegsehen sollte, hob er den Blick. Die Farbe
in seinen Wangen war langsam zurückgekehrt.
„Alec“,
begann sie unsicher, und er hörte ihr zu, „soll ich gehen?“,
fragte sie also vorsichtig, und er betrachtete sie lange, ehe er den
Kopf schüttelte. Fast war sie erleichtert, aber besser würde es ihr gefallen,
wenn er sprechen würde. Dann senkte sich sein Blick.
Und
dann sprach er, ohne sie anzusehen.
„Ich
dachte, ich müsste sterben“, sagte er schließlich, die Stimme noch immer rau.
Sie schluckte schwer. „Diese Katakomben. Die Stille“, fuhr er leiser fort und
schüttelte den Kopf. Und sie wusste nicht wirklich, ob er mit ihr gesprochen
hatte, oder ob er einfach nur sprach. Aber sie fühlte sich gehalten, zu antworten,
ihm zu versichern, dass jetzt alles gut war! Sie waren zusammen!
„Aber…
du bist nicht gestorben“, sagte sie, ein wenig mutiger. „Alec, ich-“
„-ich
danke dir, dass du hier bist, Hermine“, unterbrach er sie dann. „Aber-“
Aber?
Was
meinte er mit aber?! Hermine hielt die Luft an, ihr Herz zog sich zusammen,
denn er würde sie wegschicken, dachte sie plötzlich. Sie war ihm zu viel. Er
war noch nicht soweit, er würde-
„-aber
ich glaube…“ Und sie wartete angespannt. Gott, wieso sprach er nicht weiter?
Sie verging noch vor Angst auf dem Besucherstuhl! Sie betrachtete den Mann im
Krankenbett fast verzweifelt. Wieso sprach er nicht weiter? Es brachte sie um,
diese leeren Sätze.
„Du
brauchst mehr Zeit?“, bot sie ihm ein Ende des Satzes an. „Du willst dich die Woche
ausruhen und mich nicht sehen?“, flüsterte sie, und hoffnungsvoll sah sie ihn
an. „Und wenn du rauskommst, dann reden wir?“
Und
je länger sie sprach, je mehr Worte sie sagte, umso klarer wurde ihr, dass es das
nicht sein würde, was in ihm vorging. Es war einer dieser Momente, wo man die
schlechte Nachricht schon gespürt hatte, bevor sie laut geäußert wurde, und es
war wie eine furchtbare Zeitlupe, in der ihr Herz aus Angst schneller schlug.
Mitleid trat tatsächlich in seinen Blick.
„Ich
brauche mehr Zeit als das“, sagte er dann.
„Mehr
Zeit als was?“, flüsterte sie starr vor Angst. Aber sie wusste es. Mehr als
eine Woche. Das hatte sie ihm angeboten. Also meinte er, mehr Zeit als eine
Woche. Und dann sagte er es.
Einfach
so. Und er riss sie entzwei.
„Hermine…
kann ich zurücknehmen, was ich dir gesagt habe?“, wollte er wissen, und ihr
Herz blieb praktisch stehen, so weh tat es plötzlich.
Und
sie würde gerne fragen, was er meinte, aber… sie wusste, was er meinte. Er
wollte zurücknehmen, dass er ihr gesagt hatte, er wäre in sie verliebt. Er
würde Gringotts nicht um einen Schreibtischjob bitten, zumindest nicht um
ihretwillen. Er würde nicht bei ihr sein.
Sie
schluckte schwer, und etwas Schweres fiel in ihren Magen.
„Es
ist… alles anders. Und ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, und du bringst so
viele weitere Probleme mit, die im Moment zu schwer für mich sind.“ Sein Blick
war fast unfreiwillig auf ihren Bauch gefallen. Ihr Mund öffnete sich tonlos.
So viele… weitere Probleme?
Sie
hatte so auf ihn gebaut! Sie hatte all ihr Vertrauen in ihn gesetzt! Und sie
wusste nicht, wie sie ohne ihn weiter machen sollte! Das dachte sie gerade. Und
sie wollte nicht akzeptieren, was er sagte. Sie wollte weinen, wollte flehen,
wollte alles, nur nicht, dass er zurücknahm, was er gesagt hatte. Sie wollte hm
versichern, es wäre nur der erste Schock. Sie wollte ihm sagen, er würde seine
Meinung bestimmt wieder ändern!
Wieso
hatte sie ihm nicht direkt gesagt, dass sie ebenfalls in ihn verliebt war?
War
es das, woran es lag? Vertraute er ihr nicht genug? Hätte sie sich öffnen
müssen? Hätte sie… hätte sie…- was hätte sie tun müssen?!
Ihr
Herz schlug schmerzhaft in ihrer Brust.
Aber
sie bettelte nicht. Sie flehte nicht. Sie entschuldigte sich nicht. Sie hatte
es noch nie getan, und sie wusste nicht wirklich, wie es ging. Und es tat ihr
weh. Sie hatte auf ihn gewartet, hatte ihn nicht aus den Augen verloren, hatte
sich so schlecht gefühlt, als würde sie ihn betrügen, und er kam nach Hause und
sagte ihr, sie brachte zu viele Probleme mit sich? Und dabei wusste er nicht
mal, dass sie ihn tatsächlich betrogen hatte.
Und
mit fahrigen Fingern griff sie in ihre Handtasche. Sie holte die Box hervor und
stellte sie auf seinen Nachttisch. Ihre Glückbringer. Der Mann, der ihr in
Aussicht gestellt hatte, er würde bei ihr sein wollen, er würde sie heiraten
wollen, er würde ein Vater für ihren Sohn sein – nahm alles zurück, und sie
konnte die Box nicht mehr behalten, auch wenn sie noch nicht hineingesehen
hatte.
„Das
willst du dann wohl wiederhaben“, flüsterte sie mit belegter Stimme und erhob
sich schwer aus dem Stuhl. War das derselbe Mann, der ihr gesagt hatte, er
wollte bei ihr sein? Sie wusste es nicht. Und sie wusste nicht, wem es half,
das sie so tat, als trüge sie die Dinge mit Fassung, denn Fassung war gerade
das letztes, was in ihr steckte. Aber… sie hatte es schon so oft tun müssen.
Vor dem Krieg, während des Kriegs, auf Cedrics Beerdigung.
Und
es war schwer, ihren Stolz auszuschalten.
Die
Tränen stachen hinter ihren Augen.
„Vielleicht
zu einer anderen Zeit, Hermine.“
Und
es waren leere Worte, denn in einer Woche würde sie ein Baby haben, und Alec
würde dann bestimmt nicht mit offenen Armen auftauchen. Und sie hatte ihm
vertraut. Sie war gestorben vor Angst, hatte bestimmt fast ihr Baby verloren
aus Angst um ihn! Und was wäre, wenn das passiert wäre, fragte sie sich
plötzlich, und ein wenig Zorn brodelte in ihrem Inneren, als er die Box
unkommentiert in seiner Schublade verschwinden ließ. Was wäre, wenn sie ihr
Kind verloren hätte? Dann würde er auch sagen, sie käme mit zu vielen
Problemen!
Und
gerne hätte sie ihm vorgeworfen, wie er nur so sein konnte, aber… sie konnte
nicht. Sie wusste nicht, ob sie es nicht genauso verdiente? Hätte sie doch
gesagt, sie würde ihn auch lieben. Hätte sie es doch einfach gesagt! Wäre sie
doch wärmer gewesen, offener, netter. Hätte sie doch mehr Sex mit ihm gehabt!
Hätte sie ihm doch die Leidenschaft zugeteilt, die Draco abbekommen hatte! Alec
hätte sie verdient gehabt!
Ihre
Unterlippe bebte kurz und sie senkte den Blick. Denn er sah sie nicht einmal
mehr an. Der dumme Reinblüter in seinem Krankenbett hob nicht einmal mehr den
Blick, als wäre sie gefährlich, als wäre sie plötzlich giftig, als würde sie es
schwerer machen!
War
das die Wesensveränderung von der die Schwester gesprochen hatte? Wenn es so
war, dann erkannte sie ihn nicht mehr wieder. Dann war er nicht mehr da!
Er
war derjenige gewesen, den sie gewollt hatte. Er war der Eine. Und er wollte sie
nicht mehr. Er wollte sie nicht mehr….
Und
sie wandte sich ab, ohne all die Worte zu sagen, die ihr noch auf der Seele
brannten. Die Entschuldigungen, die sie sagen wollte, von denen ihr eigener
Stolz sie abhielt.
Aber
fast hatte sie das Gefühl, sie würde ihr Kind verleugnen, wenn sie das tun
würde. Denn sie war nicht alleine! Sie entschied nicht mehr für sich selbst.
Alles, was sie tat, betraf nun auch ihren Sohn. Und wenn sie zu Kreuze kroch
vor einem Mann, der ihren Sohn als Problem bezeichnete, dann würde sie sich
nicht entschuldigen!
Denn
egal, ob sie Alec liebte, ob sie seine Frau sein wollte, seine Geliebte, die
Frau, die immer gewusst hatte, dass er lebte, die nur kurz das Wesentliche aus
den Augen verloren hatte, weil sie eben nicht perfekt war – sie wusste, das
Baby verdiente nur einen Mann an ihrer Seite, der sein Vater sein wollte.
Und
nichts sonst.
Sie
verließ mit schwerem Herzen das Zimmer, wusste nicht mal mehr, wie sie noch
stehen konnte, denn sie wusste nicht mehr, was sie jetzt tun sollte.
Und
Ginny kam gerade, um sie abzuholen, denn sie hatte ihr nicht länger als eine
Stunde gestattet.
„Herm-“,
wollte Ginny sie begrüßen, aber sofort unterbrach sie sich, und Hermine konnte
die Tränen nicht mal zurückhalten. „Hermine!“, rief Ginny fast panisch aus.
„Was ist passiert?“, wollte sie sofort wissen, aber Hermine fiel praktisch in
ihre Arme und weinte an der Schulter der Jüngeren und durchnässte Ginnys weißen
Kittel an der Schulter. Und Ginny hatte ein seltsames Gespür.
„Was
hat er gesagt? Hermine?“, wollte sie wissen, während sie Hermine hielt, ihren
Rücken streichelte, und sie dann mit sanfter Gewalt zwang, sie anzusehen. „Ich
bringe ihn dann persönlich um!“, fuhr Ginny fort, denn Ginny schien praktisch
damit gerechnet zu haben, ging Hermine untröstlich auf.
„Nein. Nein, bitte nicht“, flüsterte Hermine unter Tränen.
„Hermine,
was ist passiert?“
„Er…-
Alec will mich nicht“, hauchte Hermine nur, und Ginnys Mund öffnete sich
ungläubig, ehe sie Hermine wieder in ihre Arme zog.
„Was
für ein Arschloch“, murmelte Ginny fassungslos, und Hermine weinte nur noch
mehr, weil sie nicht ertragen konnte, dass Ginny ihn beleidigte, wo es
wahrscheinlich doch alles Hermines Schuld war. „Harry sucht ihn wochenlang,
bringt ihn nach Hause, und du? Du wärst fast depressiv geworden, wegen diesem
inkonsequenten Idioten!“, fluchte sie aufgebracht. Hermine hoffte nur, Alec
würde es nicht hören.
„Wir
verschwinden hier. Ich muss nur noch einmal nach Pansy sehen, dann übernimmt
Dean meine restliche Schicht.“ Und Hermine hob den Kopf von Ginnys Schulter.
„Pansy?“,
flüsterte sie heiser. Und Ginny sah sie wieder an, als fiele es ihr gerade ein.
„Pansy
bekommt ihr Kind. Wahrscheinlich noch heute!“, klärte Ginny sie auf. Hermine
fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augen.
„Was?“,
flüsterte sie aufgelöst, und Ginny nickte.
„Ja,
ihre Wehen haben vor fünf Stunden eingesetzt“, erwiderte Ginny. „Aber wir
können einfach gehen, wenn-“
„-ich
will sie sehen“, sagte Hermine, und ihre Tränen versiegten. Sie wollte Pansy
sehen.
Das
wollte sie jetzt! Denn sie und Pansy saßen im selben Boot!
~*~
Und
sie lief neben Ginny. Und sie dachte nicht nach. Sie fühlte sich so leer. Sie
fühlte sich so alleine, wie nach Cedrics Tod. So verloren und so schrecklich
einsam. Aber sie dachte an ihr Baby. Sie wusste, sie wäre nicht mehr lange
allein. Und sie dachte an Pansy, und sie wusste nicht, woher die warmen Gefühle
kamen, aber sie fühlte sich Pansy verbunden. Schrecklich verbunden. Denn auch
Pansy war allein.
Sie
erreichten den zweiten Stock, und fast wäre Hermine langsamer geworden. Denn
vor dem Raum auf dem Flur, lehnte er an der Wand, ins Gespräch mit Blaise
vertieft. Beide tranken irgendein Heißgetränk, und Hermine hörte das muntere
Gespräch, die gute Laune, die von ihnen ausging. War sie echt, fragte sie sich
unwillkürlich, aber sie musste nun tapfer sein.
Und
Ginny schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, und Hermine zwang sich, ihn nicht anzusehen.
Malfoy hatte nur Mitleid mit ihr gehabt. Alec hatte sich ebenfalls getäuscht,
und sie wollte es nicht mehr hören. Die Männer konnten ihr gestohlen bleiben.
All die falschen Entscheidungen brauchte sie nicht mehr.
Und
sie sah ihn nicht einmal an, als Ginny klopfte, die Tür öffnete und Hermine
einfach in das Zimmer schritt. Ihr Herz schlug schneller, aber sie hatte den
Blick nicht gehoben, ihm kein bisschen Aufmerksamkeit geschenkt. Als wäre er
Luft. Als wäre er nicht mehr als Luft und könnte ihr niemals etwas anhaben.
Denn
so war es jetzt. Es zählte nur noch ihr Kind. Sie zählte nicht mehr. Ihre
Gefühle waren nebensächlich. Zeit, nicht mehr egoistisch zu sein.
Ihr
Blick fiel auf das Bett, in dem Pansy schwer atmete, mit roten Wangen und
verschwitzten Strähnen, während Preston ihre Hand hielt. Sie erkannte Pansys
Mutter, die sie im Gericht schon gesehen hatte, neben zwei weiteren Frauen, die
sich angeregt unterhielten, und Hermine aus den Augenwinkeln musterten, aber es
störte sie nicht.
„Pansy“,
sagte Hermine mit weiten Augen und kam näher. Pansy schien sie erst jetzt zu
erkennen, während ihre Atmung abflachte.
„Hermine!“,
sagte sie heiser. „Was… was ist los?“ Pansy schien zu sehen, dass Hermine
geweint hatte. Aber Hermine zwang ein Lächeln auf ihre Züge und kam näher.
„Gar
nichts. Es ist soweit?“, fragte sie lieber, und Preston machte ihr tatsächlich
Platz. Pansy sah sie müde an.
„Ja,
und ich sage dir, ich will gar nicht mehr“, murmelte sie.
„Oh,
nein!“, sagte Hermine. „Es wird wunderbar sein, Pansy. Heute Abend wirst du
dein Baby haben. Dann bist du nicht mehr allein!“ Und ihr Blick auf Preston.
„Aber… das bist du scheinbar ohnehin nicht mehr“, ergänzte sie mit einem
Lächeln. Pansys versuchte zu lachen, aber scheinbar überkamen sie die Schmerzen,
und sie schrie so markerschütternd, dass es Hermine mit der Angst zu tun bekam.
Nein, solche Schmerzen empfand sie definitiv noch nicht. Es war alles
unangenehm und unbequem, aber das…- nein. Das hätte sie gemerkt!
Die
Wehe schien zu vergehen, und erschöpft fiel Pansys Kopf zurück, während Preston
ihr einen Eiswürfel auf die Zunge legte, den Pansy nur zu gerne zu lutschen
schien.
„Ich
bin ein Weichei“, entschuldige sich Pansy schwer atmend bei ihr, während Ginny
Pansy still untersuchte. Und dann nickte Ginny.
„Pansy,
es ist soweit. Zehn Zentimeter geöffnet“, bestätigte sie. Pansy wirkte fast
überrascht. Ginny schickte ein Memo an die Schwestern und an Dean, und es
flatterte mit papiernen Flügeln und immenser Geschwindigkeit aus dem Zimmer.
„Alle bitte das Zimmer verlassen, außer der Coach“, sagte Ginny. Und Hermine
nahm an, Pansy wollte, dass Preston blieb. Zumindest wirkte Preston so, als
würde er nicht gehen. Nie mehr. Nirgendwohin. Fast war es nett, dachte Hermine.
So musste der Vater sein.
„Hermine“,
sagte Pansy eilig, ehe Hermine gehen konnte. Sie beugte sich näher zu Pansy
hinab. Und Pansys Augen wirkten so offen und weit und ehrlich und traurig
zugleich.
„Es
tut mir so leid“, flüsterte sie, so dass nur Hermine sie verstehen konnte. „Es
tut mir leid, dass ich…- alles, was ich getan habe“, flüsterte sie unter
Tränen. Und Hermine spürte ihre Tränen erneut. Teilweise wegen Pansys
Ehrlichkeit, teilweise, weil es endlich soweit war, dass eine von ihnen das
Kind bekam. Teilweise, weil Alec ihr Herz gebrochen hatte.
Und
Hermine beugte sich hinab, umarmte Pansy fest, und sie wusste plötzlich, sie
wollte Pansy als ihre Freundin in ihrem Leben haben.
„Du
musst dich für gar nichts entschuldigen“, erwiderte Hermine unter Tränen. „Es
ist alles gut, Pansy.“
Und
Pansy drückte sie dankbar, ehe Ginny sie mit sanfter Strenge ermahnte, das
Zimmer zu verlassen. Hermine versicherte ihr an der Tür, dass Ginny für die
Geburt bleiben sollte, und dass sie, Hermine, ebenfalls bleiben würde. Sie
wollte das Baby sehen, wenn es da war.
Und
dann verließ sie mit Pansys Mutter und den anderen Frauen das Zimmer. Blaise
und Draco hatten aufgehört zu reden, standen erwartungsvoll an der Wand, und
Hermine machte den Fehler ihn anzusehen. Sein Ausdruck änderte sich sofort.
Alle Gelassenheit fiel augenblicklich von ihm ab, und hastig blickte sie zur
Seite.
„Hermine,
alles in Ordnung mit Pansy?“, fragte Blaise sie dann, und sie glaubte nicht,
schon mal mit Blaise Zabini jemals gesprochen zu haben, es sei denn in
Zaubertränke, wenn sie ihn nach irgendwelchen Zutaten gefragt hatte. Und auch
das war höchst unwahrscheinlich.
„Mit…?“,
wiederholte sie und nickte dann. „Ja, es geht los. Sie… bekommt jetzt das
Kind“, sagte Hermine und wischte sich eilig die verräterischen Tränen von der
Wange. „Preston ist bei ihr. Ich bin bloß… ein wenig emotional“, flüsterte sie
dann. Und Blaise wirkte schrecklich überfordert.
„Oh.
Ok. Also… sind es gute Tränen?“, vergewisserte er sich, und Hermine lächelte
für Pansy.
„Ja“,
bestätigte sie, und Blaise atmete aus.
„Gut.
Wirklich…gut- oh, Blaise Zabini, wir… kennen uns aus Hogwarts. Wenn auch… nicht
direkt persönlich, äh…?“ Er wandte sich fast hilfesuchend an Draco, aber
Hermine nickte dann.
„Ich
kenne dich, Blaise“, räumte sie dann ein. Man kannte sich eben, wenn man im
selben Jahrgang war.
„Ahem…“
Blaise schien es alles schrecklich unangenehm zu sein. „Die Sache mit dem
Krieg, äh…“ Wieder sah er Draco an, dessen Augenbraue mittlerweile in die Höhe
gewandert war. „Meine Eltern haben nie einen Muggel gefoltert oder getötet!“,
sagte er schnell. „Mein Vater ist ohnehin schon tot!“, ergänzte er hastig, mit
einem gekünstelten Lachen, das ihm fast im Halse stecken blieb, und schluckte
dann, wusste scheinbar nicht, wo er hinsehen sollte, und Hermines Mund öffnete
sich perplex.
„Äh,
ok?“, erwiderte sie langsam.
„Wow“,
entfuhr es Draco tatsächlich, und er schien von Blaises Talent, Sachen noch
unangenehmer zu machen, ehrlich beeindruckt. Er nickte anerkennend. „Du warst
aber schon mal unter Menschen?“, vergewisserte sich Draco mit gerunzelter
Stirn.
Blaise
verdrehte die Augen. „Hey, ich will nur nicht, dass sie denkt, ich wäre… ich
wäre… einer von diesen Reinblütern!“, sagte er schnell. „Immerhin… ist sie… sie
bekommt… dein… also…?“
Und
fast musste Hermine lächeln über so viele soziale Umgangsschwächen.
Draco
schüttelte bestürzt den Kopf. „Hör auf zu reden“, sagte er nur. Und sie
sprachen nicht miteinander, ging Hermine auf, sie sprachen nur mit Blaise.
„Und…
du bleibst hier?“, wollte Blaise mittlerweile mit knallroten Wangen wissen, und
sie nickte.
„Ja,
ich denke, es dauert noch eine Weile. Bleibst du auch?“
Blaise
seufzte schwer. „Nein, ich habe selber einen Schreihals zu Hause“, antwortete
er. „Vier, um genau zu sein“, korrigierte er sich angespannt. „Astoria zieht
mir die Ohren lang, wenn ich auch noch Zeit im Mungo verbringe, um zuzusehen,
wie Pansy ihren Schreihals bekommt.“ Hermine musste ein wenig bestürzt
aussehen, denn hastig ruderte er zurück. „Ich meine, ich liebe Kinder! Vor
allem meine, Merlin, versteh mich nicht falsch!“, sagte er hastig. „Es ist nur…
Astoria ist- und ich liebe Astoria!“, beteuerte er ebenfalls sofort, aber er
seufzte danach schwer.
„Ich verstehe schon“, räumte Hermine ein, obwohl sie sich nicht sicher war,
dass sie es tat.
„Ich
besuche Pansy, wenn das Kind da ist“, beantwortete Blaise dann lächelnd ihre
Frage. „Ich bin sowieso viel zu spät dran“, fiel ihm wohl mit Schrecken auf,
als er auf seine Uhr hinabblickte. „Du… bist auch bald soweit?“, vergewisserte
er sich etwas plump bei Hermine, mit knappem Blick auf ihren Bauch.
Diese
nickte nur. Blaise war ein seltsamer Charakter, dachte sie verwirrt. Und Blaise
wandte sich dann an Draco. „Bleibst du auch, oder…?“ Er ließ die Frage offen im
Raum stehen. Draco mied ihren Blick, aber dann antwortete er.
„Ich
muss auch los. Geh ruhig vor. Wir haben ohnehin verschiedene Wege.“ Und seine
Worte ließen Hermine annehmen, er würde noch einen Moment länger hier bleiben.
Sie wusste nur nicht, warum, und ihr Herz schlug jetzt schon schneller. Und
Hermine sah ihn an. Und vielleicht war es eine Strafe des Universums, dachte
sie. Hätte sie nicht mit ihm geschlafen, vielleicht hätte Alec sie dann ja
gewollt. Vielleicht waren es alles kosmische Fügungen.
Und
tatsächlich herrschte eine unangenehme Stille, bis Blaise um die nächste Kurve
gebogen war. Sie waren allein. Pansys Mutter und ihre Bekannten waren wohl in
die Kantine gegangen oder nach Hause. Hermine wusste nicht, ob Pansys Mutter
tatsächlich blieb und wartete. Sie war ihr nicht besonders nett vorgekommen.
Und Hermine setzte sich vor den schallgeschützten Raum auf den unbequemen
Stuhl, denn es war noch schlimmer sprachlos vor Draco zu stehen. Außerdem tat
ihr Rücken langsam weh, vom Stehen.
„Du
hast geweint“, sagte er schließlich, ohne jede Warnung. Langsam hob sie den
Blick zu seinem Gesicht, denn es wäre albern, so zu tun, als wäre er nicht da.
„War
das… eine Frage?“, wollte sie dann wissen, aber es klang wie eine Feststellung,
denn seine Stimme war am Ende des Satzes nicht hoch gegangen.
„Nein“,
bestätigte er nur, und sie mied seinen Blick wieder.
„Ich
sagte schon, Pansys Schwangerschaft hat-“
„-davor“,
unterbrach er sie ernst. Und dann schwieg sie wieder. Davor? Wovor? Bevor sie
zu Pansy reingegangen war? Hatte er sie so genau angesehen?! Und was sollte sie
darauf sagen?
„Ich
weiß nicht, wovon du redest“, stritt sie seine Worte ab, und hörte ihn
ausatmen.
„Und?“ Er
klang abgehackter, er klang kälter. „Wie geht es deinem Traumtypen?“, wollte er
abfällig wissen, während er die Arme vor der Brust verschränkte. Und sie risss
ich innerlich zusammen, denn Draco ging es überhaupt nichts an! Nichts ging ihn
mehr irgendetwas an, was ihr Gefühlsleben betraf!
„Es geht
ihm besser“, sagte sie also.
„Super“,
erwiderte er lakonisch. „Hochzeit schon geplant?“, ergänzte er knapp, und sie
hob den Blick wieder zu seinem Gesicht, um zu erkennen, dass sich seine
Oberlippe leicht gekräuselt hatte.
„Geht dich
das irgendetwas an?“, wollte sie zorniger wissen, und er nickte dann
selbstgerecht.
„Offen
gesagt frage ich nur, um zu erfahren, ob ich aus der Pflicht entlassen bin“,
erwiderte er dann, und ihre Stirn runzelte sich wütend.
„Und welche Pflicht sollte das sein, Malfoy?“, erkundigte sie sich bissig, denn
sie hasste seine nonchalante Art gerade.
„Na ja, das
was Preston gerade bei Pansy veranstaltet“, bemerkte er mit einem Kopfrucken
Richtung Krankenzimmer. Hermines Mund öffnete sich kurz perplex. „Händchen
halten, gut zureden, Eiswürfel besorgen und wie der letzte Idiot warten, dass
es soweit ist?“
„Du glaubst
doch wohl nicht ernsthaft, dass ich jemanden wie dich bei der Geburt meines
Kindes dabei haben möchte?“, entfuhr es ihr fast empört, aber etwas an diesen
Worten versetzte ihr einen kurzen Stich. Einen sehr kurzen. Fast war es…
Enttäuschung? War es das? Nein. Wahrscheinlich nicht wirklich.
Ein
Schatten schien sich kurz über sein Gesicht zu legen, und Kälte erreichte seine
eisgrauen schneller, als sie angenommen hatte.
„Ich bin
der Letzte, der dabei sein will, aber wenn dein Traumtyp ohnehin hier
residiert, wird er wohl den kurzen Abstecher machen können“, antwortete er. Und
sie war so wütend. Und sie wollte nicht darüber nachdenken, dass sie Draco
gerade anlog, dass sie und Alec keinen Kontakt mehr haben würden, denn auch
Alec wollte sie nicht mehr. Und sie wollte erst recht weinen, weil sie alleine
ihr Kind bekommen würde – denn das war sowieso so geplant gewesen! Sie war so
schrecklich emotional geworden! Sie bekam es alleine. Warum auch nicht, Merlin
noch mal? So war es geplant gewesen, so würde es eben sein.
„War das
alles, was du wolltest?“, wollte sie scharf von ihm wissen, und er nickte
verächtlich.
„Das war
alles.“
Und
er sah sie nicht mehr an, wandte sich ab und verließ den Flur.
„Jetzt sind wir allein“, murmelte sie leise. Und eine einsame Träne rollte über
ihre Wange, als sie ihre Hände über ihre Bauchwölbung legte, fast liebevoll.
„Wir warten auf Pansys Baby. Vielleicht… werdet ihr ja die besten Freunde?“,
flüsterte sie mit stockendem Atem, aber jedes Lächeln verursachte noch mehr
Tränen. „Wäre das nicht super?“, flüsterte sie. Ihr seid noch nicht ganz da,
aber vielleicht ist es ja kosmisch vorherbestimmt, Scorpius?“, flüsterte sie
stumm.
Es
würde ihr gefallen, wenn es so kommen würde, dachte sie und schloss die Augen,
um nicht mehr nachzudenken.
~*~
Sie
war längst eingeschlafen, als es endlich soweit war. Sanft wurde sie wach
gestupst. Sie öffnete blinzelnd die Augen.
„Ist…
ist er da?“, fragte sie Ginny eilig und blinzelte in das künstliche Licht auf
dem Krankenhausflur. Ginny trug schon keinen Kittel mehr.
„Ja“,
bestätigte sie leise, mit einem Lächeln. „Ein gesunder, kleiner Junge.“ Hermine
lächelte erleichtert. „Aber Pansy ist bereits eingeschlafen. Wir besuchen sie
wann anders, ok?“, ergänzte Ginny sanft.
„Wie…
heißt er?“, wollte Hermine wissen, als Ginny ihr aus dem unbequemen Stuhl half.
„Willam
Preston Parkinson“, sagte Ginny feierlich, und Hermine musste lächeln. Ja. Das
war ein schöner Name. Sie hatte sich mit dem Namen Scorpius nicht angefreundet.
Noch überhaupt nicht. Sie hatte Sorge, dass es nicht sein Name sein würde,
würde sie ihn erst einmal zu Gesicht bekommen. Aber sie verdrängte diese Sorge
erst mal.
„Wie
spät ist es?“, fragte sie Ginny, während diese den Arm um sie gelegt hatte und
sie Richtung Aufzüge gingen.
„Fünf
nach acht“, sagte diese. Es war noch gar nicht so spät, aber Hermine war
hundemüde. „Und ich habe die Kutsche gerufen, und heute schläfst du bei uns!
Harry hat gekocht“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. Hermine lehnte sich
gegen ihre beste Freundin und hatte überhaupt nichts dagegen. Sie wollte heute
nicht alleine sein.
Heute
noch nicht.
„Do one thing every day that scares you.“
Eleanor Roosevelt
Er
hatte wieder lange wach gelegen. Und sein Hotelzimmer schien ihm mittlerweile
viel zu klein, dabei war er bereits in die Suite umgezogen. Seitdem er in ihrem
Haus gewohnt hatte, erschien ihm vieles zu klein.
Und
sie hatte gestern geweint, als sie zu Pansys Zimmer gekommen war. Er hatte es
gesehen, ob sie es abstritt oder nicht. Irgendetwas war passiert. Aber es war
nicht sein Problem. Es war nie seins gewesen. Jemanden wie ihn.
Jemanden
wie ihn wollte sie nicht dabeihaben.
Nein.
Natürlich nicht, dachte er bitter.
Und
dann würde ihr Traumtyp an ihrem Bett stehen, zuhören, wie sie sich die Seele
aus dem Leib schrie und sein Kind in seinen Armen halten, wenn es zur Welt kam.
Kein
Wunder, dass er lange wach gelegen hatte! Diese Gedanken waren einfach nur
frustrierend! Einfach nur erschütternd.
Was
sie wohl tat? Was sie wohl dachte? War sie wohl allein? Aber wer sollte in
ihrem Haus sein. Ihr Typ bekam noch eine Therapie, wenn er den Artikel richtig
in Erinnerung hatte. Der Tagesprophet
hatte natürlich alles lang und breit getreten, mit einem zweiseitigen Interview
mit Potter persönlich. Merlin, wen interessierte es? Draco war so gereizt
gewesen, dass er den Propheten nach
nur einer Seite weggeworfen hatte.
Er
würde Pansy irgendwann die Tage besuchen. Aber er war gespannt auf das neue
Leben, was Pansy geschaffen hatte. Er konnte es nicht leugnen.
Er
saß alleine über seinem langweiligen Frühstück, beobachtete den kleinen Zeiger
der Uhr, der von fünf auf sechs zuging, und dachte nach. Über die Zukunft, über
sein Leben, über seine Rolle. Aber was für eine Rolle spielte er schon? Der
Traumtyp würde in ihrem Haus wohnen. Und sein Sohn würde wahrscheinlich denken,
er sei der Vater.
Und
nicht er, Draco. Und würde Granger es richtig stellen? Würde sie? Draco war
sich da nicht mehr so sicher.
Sie
hatte sich nicht gemeldet. Sie hatte sich bei ihm melden wollen, wenn sie etwas
brauchte, aber er nahm, selbst wenn es so war, selbst wenn er der letzte Mensch
auf dieser Welt war, der ihr diese Sache beschaffen könnte, würde sie lieber
schweigen, als mit ihm zu reden.
Es
schlug ihm auf den Magen. Und er war sich nicht einmal sicher, warum. Er hatte
Angst. Er hatte tatsächlich irgendwo tief in seinem Inneren Angst, dass er
unbedeutend sein würde. Dass er all seine Gewohnheiten geändert hatte, und dass
es vollkommen sinnlos war. Letztendlich.
Und
er wusste nicht, warum es so beängstigend war. Dann… würde er gehen. Er würde
neu anfangen. Wenn das hier doch nicht die richtige Entscheidung war, würde er
die nächste Münze werfen. Die nächste Entscheidung treffen.
Was
konnte er schon tun? Wenn sie Wehen bekäme, würde sie ihm Bescheid sagen? Er
wusste, das würde sie nicht. Er würde sitzen, warten, und vielleicht teilte ihm
Narzissa sogar die frohe Kunde mit.
Wer
würde ihm schon Bescheid sagen? Ihre Freunde? Mit Sicherheit nicht! Potter
sprach nicht mit ihm, Weasley stritt sich lieber mit ihm – Potters Frau? Das
bezweifelte er auch stark. Pansy? Nicht mal Pansy traute er noch zu, dass sie
ihn informierte. Sie war seine Exfreundin, und sie hatte ihm wahrscheinlich gar
nichts mitzuteilen, wenn er denn ignorierte, dass Granger nur wegen Pansy sein
Kind bekam.
Und
es fiel ihm zum ersten Mal auf. Zum aller ersten Mal in seinem gesamten Leben.
Er
war allein. Er war immer allein gewesen. Er hatte niemandem genug vertraut, um
seine Schwächen zu zeigen. Es war alles immer nur eine große Show. Die
Malfoy-Show. Es gab eine große Einlage zu Beginn, er überzeugte durch heiße
Luft, und der Mittelteil war schon das Ende. Es gab keine großen Wendungen,
kein überraschendes Ende, nein.
Es
war immer gleich. Er nahm sich, was er wollte, und sobald irgendetwas auch nur
ansatzweise ernster wurde, stieg er aus.
Er
packte seine Koffer und verschwand. Und würde es dieses Mal anders sein? Was
machte er sich vor? Dass das Kind ihn jedes Mal wieder erkannte? Und was, wenn
er einen Monat nicht kam? Konnte er es sich dann nicht gleich sparen?
Und
was, wenn? Was, wenn er ging? Granger interessierte es nicht! Seine Eltern dann
wahrscheinlich auch nicht mehr, denn dann hätten sie ihn mit einem frischen,
neuen Kind ersetzt, dass sie formen und erziehen konnten.
Niemand
brauchte ihn wirklich. Pansy hatte ihn nie wirklich gebraucht! Merlin, sie war
sogar ohne ihn schwanger geworden! Er hatte nie irgendetwas beigetragen. Zu gar
nichts. Nur zu diesem Kind. Zu Grangers Kind. Und er war von Anfang an
ungewollt gewesen. Sie hatte ihn nicht dabei haben wollen.
Und
jetzt saß er alleine in den frühen Morgenstunden in der größten Suite in ganz
London und hatte sich noch sie so beklommen und eingeengt gefühlt.
Manchmal
lag hinter all den Dingen kein großer Zauber, kein Moment, der alles änderte.
Draco
war nur heiße Luft hinter seiner Fassade. Er schloss die Augen.
Und
nicht mal für sich selbst konnte er wirklich sorgen. Er lebte nicht gesund, er
lebte nicht bewusst, er achtete auf nichts. Und wenn Granger ihn abwies, dann
konnte er nicht einmal auf das Kind achten. Und er wusste auch nicht, ob er
nicht zu müde war, noch einen Versuch zu starten, sich noch einmal aufdrängen
sollte, denn irgendwann begann selbst das größte Ego von allen zu bröckeln.
Selbst sein endloser Vorrat an blauäugiger Selbstsucht schien sich dem Ende
zuzuneigen.
Verflucht
episch, nicht wahr, dachte er bitter und musste sich selber belächeln.
Musste
er selber erst in irgendwelchen Mienen verloren gehen, um Beachtung zu
erlangen? Damit die Zeitungen über ihn schrieben? Damit sich irgendein Mädchen
verzehrte vor Sehnsucht?
Musste
er gehen, um wiederkommen zu können?
War
er nie wirklich fort gewesen? War man erst fort, wenn man gar nicht gehen
wollte? War das der Trick? Konnte man sich erst selber finden und sich selber
begreifen, wenn man aufhörte, davonzulaufen, und einfach begann, zu suchen?
Er
wusste es nicht. Er wusste eigentlich gar nichts.
Er
würde seine Sachen aus ihrem Haus holen. Oder holen lassen. Das wäre vielleicht
sicherer. Er hatte es versaut. Er war so weit gegangen, wie er gehen konnte,
wie er immer gegangen war. Und wenn er aussteigen wollte, dann wäre es jetzt
verdammte Eisenbahn, denn jeden Tag könnte sie das Kind bekommen. Sie hatte
doch alles gesehen, was er zu bieten hatte. Und sie sprach nicht mehr mit ihm!
Und
wie viel war es wert? Was war es wert, dass er das Leben in ihr gespürt hatte?
Er
stützte den Kopf in seine Hände. Er war gut für absolut gar nichts. Und er
begriff, was Granger wahrscheinlich schon vor neun Monaten begriffen hatte….
Das
Kind wäre ohne ihn besser dran, als es mit ihm jemals sein könnte.
Sollte
es einen anderen Vater haben. Einen Vater der ums Überleben gekämpft hatte, nur
um wieder bei ihr zu sein. Bei Granger. Denn Draco nahm an, dass das seine
Gedanken gewesen sein mussten. Wäre er verloren gegangen, dann…
Dann?
Er
hob verstört den Kopf. Dann hätte er nur zurück gefunden, weil der Gedanke an
Granger ihn am Leben gehalten hätte? Nein, wahrscheinlich nicht, dachte er
verstört. Aber es war das Bild, was er von ihrem verwegenen Traumtypen hatte.
Selbstlos, unverwundbar, und er würde sie lieben.
Denn
er wusste, darauf kam es an. Und er könnte es nicht. Er wusste nicht mal, ob er
das Kind lieben konnte, Merlin noch mal! Er hatte es noch nie versucht, und er
hatte zu viel Angst, es zu versuchen. Und selbst er fand Grangers Geschichte
traurig. Denn sie hatte ihren Partner gefunden gehabt. Sie hatte das, wonach
Draco vergeblich suchte.
Und
vielleicht bekam sie mit ihrem Typen eine neue Chance.
Und
er wollte nicht derjenige sein, der es zerstörte, dachte er unwillkürlich. Sie
hatte wochenlange gewartet, dass der totgeglaubte Kerl wiederkam. Und Merlin,
tatsächlich kam er das. Und nur eine einzige Person störte das glückliche Bild.
Und
das war er.
Und
er wollte nicht. Und es ging nicht mal um ihn. Es ging nicht mal darum, dass es
ihn zerriss, wenn er daran dachte, was gespürt hatte, wenn er ihren Unterleib
berührt hatte! Nein, es ging darum, dass er nicht mehr wollte, dass sie weinte.
Warum auch immer sie gestern geweint hatte, er nahm an, er war in ihren
Gedanken nicht weit entfernt von diesem Grund gewesen.
Es
war ein bitterer Geschmack. Selbstlos sein war nichts für ihn. Vielleicht für
Potter. Oder ihren Typen. Aber es schmeckte ihm nicht gut.
Und
vielleicht war die richtig Entscheidung nicht, für das Kind da zu sein.
Vielleicht
war die einzig richtige Entscheidung von Anfang an gewesen, Granger verflucht
noch mal von seiner Anwesenheit zu verschonen?
Denn
er brachte kein Glück. Er brachte nur Tränen und Wut.
Und
es wurde Zeit, zu gehen. Nicht, weil er wollte. Zum ersten Mal nicht, weil er
es wollte.
Nein.
Sondern weil sie glücklich sein sollte. Weil Hermine glücklich sein sollte.
Und
wenn Draco einen letzten Gang antrat, dann würde er zu ihrem Typen gehen und
ihm klarmachen, dass er zumindest der bessere Mann für Granger sein sollte.
Wenn Draco es schon nicht konnte.
~*~
„Was
soll das heißen?“, wollte Ginny plötzlich merklich kleinlaut wissen.
„Was
ich gesagt habe“, murmelte Ron dem Küchentresen entgegen. Hermine war noch
nicht wach, und Ginny, Ron und er führten ein Krisengespräch. Aber Harry war
noch nicht über die schlimmste Nachricht hinweg.
„Alec
will sie nicht? Hat er das gesagt?“, wollte er ungläubig wissen, und Ginny
nickte.
„Hermine
war so erschüttert“, erwiderte Ginny kopfschüttelnd, bevor sie sich wieder an
Ron wandte. „Ich kann das nicht glauben, Ron!“, sagte sie wieder. „Hermine und…
Malfoy?“, entfuhr es ihr, mit gerunzelter Stirn und einem Blick, der ihnen
bedeutete, wie absolut abwegig sie es fand.
„Na
ja“, begann Harry etwas ratlos, „vielleicht-“ Aber, Merlin, nein! Er konnte
nicht. Er konnte es nicht sagen. Er konnte es nicht mal denken! Aber…
eigentlich hatte er es Hermine schon damals gesagt. Wenn Alec nicht mehr
wiederkäme, wäre wenigstens Malfoy da.
Aber
das… konnte er nicht laut sagen. Er konnte nicht.
„Was?“,
wollte Ron skeptisch wissen, und Harry schüttelte den Kopf.
„Ach
nichts“, sagte er dann. Aber Ginny schien ihn zu verstehen.
„Hermine
und Malfoy“, sagte sie wieder. „Du meinst…“
„Nein!“,
sagte Ron sofort. „Auf gar keinen Fall!“, sagte er, mit fester Stimme.
„Wenn
sie… ihn mag?“, versuchte es Ginny, aber angewidert verzog sich ihr Mund.
„Merlin, Malfoy?“, wiederholte sie ungläubig, und Ron blickte wieder
unglücklich nach unten. „Es wäre… sehr
praktisch. Rein theoretisch“, ergänzte sie eilig.
„Wieso?
Nur weil er der Vater ist?“, entgegnete Ron, und wieder sah er ihn unglücklich
an. „Harry, das siehst du nicht auch so, oder?“
„Ich…-
keine Ahnung, Ron. Wenn er sie mag?“
„Er
sie mag?“, wiederholte Ron. „Nein, tut er nicht!“
„Man
hat doch keinen Sex, wenn man den anderen nicht mag“, entfuhr es Ginny sofort. „Also
wird da irgendetwas sein“, sagt sie bestimmt. „Etwas, was wir nicht sehen. Oder
irgendjemand sonst“, schloss sie abwesend.
„Und
jetzt?“ Ron sah wieder hilflos auf. „Jetzt will Alec Hermine nicht, und wir
greifen auf das nächstbeste zurück, was nicht wirklich das Nächstbeste ist?“ Er
sah sie an.
„Wir
greifen nicht darauf zurück. Vielleicht ist es… einfach da?“
„Wieso
tut Alec das?“ Harry kam nicht darüber hinweg. „Als ich mit ihm gesprochen
habe, war er Feuer und Flamme für Hermine. Er hat mir gesagt, sie sei die eine.
Ich begreife es nicht.“
„Katastrophen
können Menschen ändern“, bemerkte Ginny achselzuckend.
„Ginny,
wir sind in einer Katastrophe aufgewachsen“,
erinnerte er sie mit entsprechend erhobenen Augenbrauen, „falls du es
verdrängst. Und ich habe nie-“
„-du
hast mich verlassen, Harry Potter!“, unterbrach sie ihn eisig.
„Um
dich zu beschützen!“, rechtfertigte er sich sofort.
„Vielleicht
tut Alec dasselbe?“, mutmaßte Ron. „Vielleicht hat er nur Angst!“
„Aber
wieso?“ Ginny schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht.“
„Wie
kommt ein Mann, der drei Wochen alleine durch einen Bergstollen wandert, zu dem
Schluss, doch nicht das Mädchen heiraten zu wollen, was er angeblich liebt?“
„Vielleicht
ist er ein Arschloch?“, vermutete Ron zornig. „All die Zeit! All die Zeit, die
wir geopfert haben!“
„Aber
das haben wir nicht getan, unter dem Versprechen, dass er bei Hermine bleibt“,
erinnerte ihn Harry streng. Ron verzog den Mund.
„Ich
schon“, erwiderte er grimmig.
„Ich
begreife es auch nicht“, bestätigte Ginny.
Sie
hörten die Treppenstufen, und nach einer halben Minute stand Hermine in der
Tür. Es war gerade mal acht Uhr.
„Hey,
morgen“, begrüßte sie sie. Ginny kam sofort zu ihr, umarmte sie, begrüßte ihren
riesigen Bauch, und Hermine setzte sich gähnend zu ihnen.
„Worüber
reden wir?“, wollte Hermine wissen, und Ron tauschte einen Blick mit ihm und
Ginny.
„Über
nichts“, murmelte Ron dann grimmig. Hermine blickte von ihm zu Ron.
„Ok?“,
sagte sie, verzog den Mund, und ihre Hand legte sich auf ihren prallen Bauch.
„Wie
geht es dir?“, wechselte Harry erleichtert das Thema. Hermine seufzte auf.
„Alles
tut weh. Mein Rücken, meine Füße. Es wird langsam unbequem“, sagte sie dann.
„Also,
du jammerst wesentlich weniger rum als Ginny“, bemerkte Ron schließlich mit
erhobenen Augenbrauen. Ginny verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ach
wirklich, Ron?“, wollte seine Frau gefährlich ruhig wissen. „Lass mich meinen
Zauberstab holen und dir einen Uterus verpassen. Mal sehen, wie sehr du lachen
würdest, wenn-“
„-uägh!“,
entfuhr es Ron. „Wag es bloß nicht, du-“
„-Kinder,
es reicht!“, mischte sich Harry nachsichtig ein. Ginny und Ron stritten sich
immer noch wie vor zwanzig Jahren. Missmutige Stille trat unter den
Geschwistern ein, und Hermine bestrich sich ein Brot. Harry überlegte, ob es
angebracht wäre, Hermine auf Alec anzusprechen, aber er wollte nicht, dass sie
traurig wurde.
Wenn
sie es nicht ansprach, dann würde es Harry auch nicht tun.
„Wir
könnten gleich eine Runde drehen? Es würde helfen, deine Schwangerschaft ein
wenig zu verküzen, das Baby in die richtige Psotion bringen?“, schlug Ginny
schließlich vor. Hermine nickte lächelnd.
„Wieso
nimmst du nicht den Zauberstab und hext es raus? Keine Schmerzen, keine ekligen
Flüssigkeiten?“ Ron sah seine Schwester auffordernd an.
„Ja.
Mum hätte es so mit dir machen sollen, du Primatenhirn“, merkte sie
kopfschüttelnd an.
„Hey!
Es war ein guter Vorschlag, um ihr Schmerzen zu ersparen!“, rechtfertigte sich
Ron. „Selber Primatenhirn!“, ergänzte er dann beleidigt.
„Die
Schmerzen sind wichtig, Ron! Der Weg durch den Geburtenkanal bereitet das Kind
auf-“
„-Igitt!
Hör auf, ins Detail zu gehen, ok?“, rief Ron wütend. „Ich wollte doch nur-!“
„-Leute!“,
unterbrach Harry beide wieder. Ginny und Ron sahen ihn schuldbewusst an. „Ron,
vielleicht kommst du nicht mehr vorbei, wenn Ginny noch nicht ihre zweite Tasse
Tee getrunken hat“, schlug er kopfschüttelnd vor. Ginny schenkte ihm einen
bösen Blick.
„Witzig,
Liebling“, zischte sie.
„Spazieren
klingt gut!“, mischte sich Hermine betont munter ein. Anscheinend gefiel ihr
die normale Weasley-Stimmung um einiges besser als ihre eigene, stellte Harry
beruhigt fest.
„Wir
gehen spazieren?“, plärrte James, der wohl endlich wach geworden war und im
Pyjama die Treppe runter gesprungen kam. „Tante Mine, du bist so dick
geworden!“, lachte der Junge fröhlich, bevor er Hermine mit weiten Armen
umarmte.
„Danke,
James“, erwiderte sie mit einem trockenen Lächeln und fuhr ihm durch die
unordentlichen Haare.
„Der
Charme kommt von der Weasley-Seite der Familie“, murmelte Harry
bedeutungsschwer in seinen Tee, und erntete von Ginny und Ron gleichermaßen
feurige Blicke. Aber Hermine musste lachen. Und das war die Hauptsache.
Zumindest für ihn.
~*~
Es
war ihm nie aufgefallen, wie oft er sich aus dem Staub gemacht hatte. Nie
bewusst. Und fast hatte es ihn Überwindung gekostet, den Brief an seinen Vater
mit dem Kauz abzuschicken. Nur fast. Er hatte den Job gekündigt, ohne eine
umfassende Erklärung, ohne sich zu rechtfertigen. Sein Vater hielt ohnehin das
wenigste von ihm.
Er
hatte sogar schon das Hotelzimmer verlassen, und nichts hielt ihn mehr hier.
Gar nichts. Und er wusste noch nicht, wohin er wollte. Es führte ihn
nirgendwohin.
Er
wollte bleiben, aber er wusste, er durfte nicht, denn er brachte nur Unglück.
Wo war er noch nicht gewesen, überlegte er, während er das
Mungo betrat.
Bangkok?
Neuseeland? Dehli?
Und
missmutig schritt er durch die Halle des Hospitals. Krankenhäuser hatten ihm
noch nie zugesagt. Zu viele Kranke. Er blickte hinab auf die Marke, die er
bekommen hatte. Siebter Stock, Zimmer 702. Sollte nicht schwer zu finden sein,
nahm er an, während er den Aufzug betrat. Er hatte keine Ahnung, warum er das
hier tat. Vielleicht wollte er ihn noch mal sehen, sich noch mal vergewissern,
dass Dermont besser für sie geeignet war, als er. Vielleicht wollte er ihm
verdeutlichen, dass er es ihm gestattete, seinen Platz einzunehmen.
Denn
etwas anderes war es für Draco nicht. Denn es war sein Anrecht. Es war sein
Platz. Er war der Vater des Kindes. Und wenn dieser Typ schon nicht um
Erlaubnis fragte, dann würde Draco ihm aber deutlich machen, dass es das
eigentlich sein müsste, was er zu tun hätte.
Der
Aufzug hielt, und Draco betrat den nächsten weißen Flur, der nach Ammoniak und
scharfen Flüchen roch. Er trug relativ legere Kleidung, denn er wollte keinen
Anzug zum Reisen tragen. Also trug er Jeans, ein dunkles Shirt und ein
schlichtes Jackett. Es wurde langsam wärmer. Seine übrigen Sachen waren
eingelagert bei Wendel’s & Brook’s.
Zur Sicherheit.
Natürlich
hatte er noch sein Apartment in Paris. Aber dorthin wollte er nicht zurück.
Er
würde es bei Gelegenheit auflösen.
Schon
stand er vor der verhängnisvollen Tür. Und Draco nahm an, Granger hatte ihrem
Traumtypen nichts von ihrer gemeinsamen Nacht erzählt. Und Draco würde es ihm
gerne auf die Nase binden, ihn praktisch ins offene Messer laufen lassen, aber
ihretwegen würde er es nicht tun. Merlin, er war weich geworden.
Er
klopfte zweimal. Mehr gönnte er ihm nicht.
„Ja?“,
vernahm er dumpf die Stimme aus dem Innern. Und dann öffnete er die Tür mit
einem Ruck, denn er wollte dieses unangenehme Treffen hinter sich bringen, was
er sich selber auferlegt hatte.
Dermont
lag in einem Einzelzimmer, in einem deprimierend weißen Bett, und Überraschung
zeichnete seine Züge. Fast hatte Draco erwartet, Granger hier vorzufinden. Und
fast war er enttäuscht, dass er sie nicht noch einmal sah.
„Hey“,
rang sich Draco schließlich ab. „Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, ich-“
„-Draco
Malfoy“, bestätigte der Mann schließlich nickend. Und Draco hatte beschlossen,
ihn zu duzen. Immerhin würde dieser Mann sich um seinen Sohn kümmern. Dracos
Mundwinkel zuckte kurz vor Bitterkeit.
„Ja“,
erwiderte Draco dann. Und er fuhr sich unschlüssig über die Haare. Sollte er
ihn fragen, wie es ihm ging? Interessierte es ihn wirklich? Nein. Tat es nicht.
„Es… es geht um Gr- es geht um Hermine“, korrigierte er sich dann, und der Name
schmeckte seltsam auf seiner Zunge. Dermonts Stirn kräuselte sich leicht. Noch
immer wirkte er ein wenig blass, ein wenig abgemagert, aber Draco nahm an, in
wenigen Tagen hätte die Magie ihn wieder hergestellt.
„Hör
zu, wenn es darum geht, was ich gesagt habe, dann-“, begann Dermont abwehrend,
aber Draco wollte nicht, dass er sprach.
„-ich
will dir lediglich mitteilen, dass ich nicht in eurem Weg stehen werde. Dass
ich… gehe“, sagte er mit fester Stimme. „Denn das ist es, was sie will.“ Und
irgendwie erwartete er von diesem Mann den Hauch von Ehrfurcht und Dankbarkeit
über seine Worte, aber Ratlosigkeit zeichnete seine Züge.
„Ok?“,
erwiderte Dermont schließlich unschlüssig. „Ahem…“, machte er dann und setzte
sich weiter in seinem Bett auf. „Allerdings…“, fuhr er ein wenig zögerlich
fort, und Draco gefiel es nicht, wie unbeteiligt dieser Typ war. Ja sicher, er
war verschollen gewesen, hatte sich durch Todesängste gekämpft, aber wenn Draco
Malfoy einem eröffnete, dass er den Rückzug antrat, dann war das ein epischer
Moment, und kein Moment, den man mit Stottern zubrachte.
„Was?“,
schnappte Draco also, ein wenig zu scharf.
„Ich…
bin nicht mehr mit ihr zusammen“, erklärte Dermont dann ruhig. Dracos Mund
öffnete sich leicht überfordert, und – was?!
„Du…?“
Er starrte ihn an. Was? Das hatte Granger ihm nicht gesagt! „Was?!“ Er konnte
keinen zusammenhängenden Satz formulieren, denn er begriff nicht ganz.
„Ich
weiß nicht, inwiefern dich das etwas angeht, aber sie und ich… sind nicht mehr
zusammen. Also…“
„Aber…
der Ring“, entfuhr es Draco perplex, und Dermonts Stirn runzelte sich noch
mehr.
„Woher
weißt du davon?“, wollte er misstrauisch wissen, aber Draco ging darauf nicht
ein.
„Du
hast ihr einen Ring gegeben, oder nicht?“, wiederholte er ungläubig.
„Ja,
aber… ich habe meine Meinung geändert.“ Dermont schien nicht weiter über dieses
Thema reden zu wollen, denn er wirkte merklich verschlossen.
„Du
hast deine…?“ Draco starrte den Mann lediglich an. Er hatte seine Meinung
geändert? Und das hatte er einer hochschwangeren Frau so gesagt? Deshalb hatte
sie geweint, ging Draco plötzlich auf! Deshalb war sie so… völlig neben sich
gewesen! Und Draco konnte die nächsten Worte nicht verhindern, denn Granger war
vor scheiß Schuldgefühlen vergangen! Und alles für gar nichts! „Du bist ein
Arschloch“, entfuhr es Draco kopfschüttelnd, fast tonlos. Seine Fäuste hatten
sich geballt, denn er war kurz davor, diesem Arschloch die Faust ins Gesicht zu
schlagen! Dermont sah ihn zornig an.
„Was
willst du eigentlich von mir?“, fuhr er ihn plötzlich an. „Seit wann muss ich
mich vor wildfremden Menschen rechtfertigen? Es ist nicht deine Entscheidung,
ok?“
„Nicht
meine-?“, wiederholte Draco freudlos, unterbrach sich aber und kam näher.
„Nein, verdammte Scheiße! Es ist nicht meine Entscheidung! Wäre es meine
verfluchte Entscheidung gewesen, dann hätte ich mir Hermine genommen, und sie
verdammt noch mal behalten, anstatt mir auch noch Vorwürfe zu machen, wie ein
kompletter Vollidiot! Wegen eines Arschlochs wie dir!“, knurrte er fassungslos.
„Du
solltest verschwinden!“, informierte ihn Dermont, der nach seinem Zauberstab
greifen wollte, der auf dem Nachttisch lag.
„Du
willst mich verfluchen, ist das dein Ernst?“, fuhr Draco ihn wütend an, und er
hasste diesen Typen!
„Verpiss
dich!“, rief Dermont aus, während er den Zauberstab umklammerte und die
schwache Hand auf ihn richtete.
„Nur
zu gerne, Arschloch“, gab Draco kalt zurück. „Und komm ihr ja nicht mehr zu
nahe, hast du mich verstanden?“, ergänzte er, und wusste, er verhielt sich
ziemlich besitzergreifend dafür, dass er vor fünf Minuten noch das Land hatte
verlassen wollen. Dafür, dass er und Granger kein Wort sprachen und sie ihn
wahrscheinlich hasste. Aber das war ihm gerade scheiß egal, denn wenn er
darüber nachdachte, dass dieses Arschloch ihr wehgetan hatte, dann würde er
noch den Kopf verlieren.
Inkonsequenter
Wichser. Das war Alec Dermont. Und für so einen Mistkerl hatte Draco den Platz
räumen wollen?! Unfassbar! Und wieso hatte es Granger ihm nicht gesagt?
Wahrscheinlich,
weil er sie als Mitleids-Fick bezeichnet hatte, teilte ihm sein
Unterbewusstsein schmerzhaft bitter mit.
Und
dann wandte er sich ab.
Es
war alles egal. Er wollte zu ihr.
Und
sei es nur, um sich anschreien zu lassen! Sei es nur deshalb. Sei es nur, um
sie zu ärgern, um sie aufzuregen, bis sie rote Wangen vor Wut bekam.
Und
fast war ihm leicht ums Herz, als er überlegte, dass er seinen Sohn nicht
aufgeben würde! Dass er nicht fortmusste, um wiederzukommen! Dass er einfach
ein letztes Mal seine scheiß Grenzen überschreiten würde. Auch wenn sie ihn
jetzt gerade verabscheute.
Kein
anderer Mann stand in seinem scheiß Weg! Das war eigentlich alles, was er
wissen musste, bevor er zu ihr ging.
Er
knallte die Tür hinter sich ins Schloss und verließ mit schnellen Schritten das
Hospital.
39. The
second Baby
„He didn't know why, but seeing her
made him feel like a man.
She was something out of a dream –
a dream in which he was not a spoiled
young prince, but a king.“
Sarah J. Maas
Fast
war es kindisch von ihr gewesen, aber sie hatte so sehr gehofft, dass auf dem
Spaziergang mit Harry und Ron und Ginny ihre Wehen einsetzen würden. Dann
hätten ihre Freunde sie ins Mungo bringen können,
wären bei ihr geblieben, und alles wäre so, wie es sein sollte.
Aber
so war es nicht gekommen. Ihre Wehen ließen weiterhin auf sich warten. Und ja,
es waren noch ein paar Tage Zeit, aber Pansy hatte Glück gehabt und hatte ihr
Baby eher bekommen! Wieso hatte Hermine dieses Glück nicht, fragte sie sich
verzweifelt. Worauf wartete das Baby denn noch?
Und
sie hatte keine Kraft mehr gehabt, noch einmal ins
Mungo zu gehen, Pansy zu besuchen. Sie würde es verschieben müssen, denn
Müdigkeit hatte sie nach dem Spaziergang erfasst, so massiv, dass sie im Stehen
hätte einschlafen können.
Und
als sie gehört hatte, dass Lavender sich zum Nachmittag im Hause der Potters
angekündigt hatte, hatte sich Hermine kurz dazu entschlossen, die Kutsche nach
Hause zu bestellen, denn sie hatte keine Lust auf Lavender, auch wenn er Rons
Frau gegenüber höchstwahrscheinlich unfair war.
Aber
sie durfte sich ihre Meinung leisten, denn sie war hochschwanger. Und sie war
allein.
Allerdings
hatte Harry ihr den Befehl erteilt, beim kleinsten Hinweis auf die Geburt, die
Paramagier zu rufen, und sich ins Mungo befördern zu
lassen.
Und
sie hatte sich aus dem Innern der Kutsche gehievt und schlurfte nun den Weg
zurück zu ihrem kleinen Haus, während eine Hand beruhigend über ihren Bauch
fuhr.
Sie
hielt vor der Haustür inne. Würde sie wohl traurig werden, wenn sie jetzt in
die Einsamkeit zurückkehrte? Sie hatte keinen Alec mehr. Und sie hatte lieber
hier sein wollen, als in der Gesellschaft ihrer verheirateten Freunde. Und
selbst Pansy war nicht mehr allein. Nur sie war noch allein.
Und
sie seufzte leise auf. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten sie ungemein. Der
Frühling war längst gekommen. Das Gras müsste gemäht werden, stellte sie
beschämt fest. Und kurz überlegte sie, ob sie ihre Eltern anrufen sollten, ob
sie sagen sollte, sie wollte nicht alleine sein. Aber war es nicht so, dass sie
es beweisen musste? Hatte sie ihren Eltern nicht vor all diesen Monaten einen
Vortrag darüber gehalten, wie gut sie alleine sein konnte?
Und
wenn ihre Mutter dann erfuhr, dass Alec sie nicht wollte…. Nein. Hermine könnte
das jetzt nicht erklären. Sie wusste ja selber nicht, warum er sie nicht
wollte.
Und
mit schwerem Herzen betrat sie ihr Haus allein.
Alles
war, wie sie es zurückgelassen hatte. Niemand war hier. Obwohl…
…
sie schritt langsam den Flur hinab, denn sie hörte Geräusche aus seinem Zimmer.
War er hier? Aber wie sollte er? Er hatte keinen Schlüssel! Kurz erschrak sie,
als ein kleines Geschöpf vor der Tür entlangwuselte.
Elfen.
Die Elfen waren hier und packten seine Sachen zurück in Kisten. Ihr Mund öffnete
sich langsam. Die Elfen schenkten ihr kaum Beachtung, setzten ihre Arbeite
fort, und Hermine wunderte es nicht wirklich. Aber dennoch machte es sie
wütend.
„Was
tut ihr da?“, fuhr sie die kleinen Geschöpfe an. „Wie seid ihr hier
reingekommen?“, wollte sie böse wissen, und die Geschöpfe zuckten zusammen.
Hastig
verneigten sich ein paar vor ihr, was ihr unangenehm war.
„Wir
wollen nicht stören, Miss! Wollen nur die Sachen vom Master holen, Miss! Tun
nichts Böses!“, erklärte eine Elfe hastig, aber Hermine verzog den Mund. Sie
hasste es, dass in diesem Haus die Leute ständig ein und aus marschierten.
Und
sie wandte sich ab, denn sie wollte garantiert nicht hier sitzen und zusehen,
wie die Elfen sein Zimmer leerräumten! Und es war nicht sein Zimmer! Ahrg!!
Wütend
hatte sie sich abgewandt und zog ihre Haustür wieder auf. So etwas erlaubten
sich auch nur die Elfen der Malfoys! Brachen einfach bei ihr ein, um –
-Malfoy!
Er
schien eben appariert zu sein, und kam auf ihr Gartentor zu, aber sie hatte jetzt
keine Lust! Was tat er hier? Wollte er sie wieder anfahren, wegen irgendetwas?
Und er wusste ja nicht, dass sie nicht mehr mit Alec zusammen war.
Also
durfte er sowieso nicht mehr hier hinkommen! So schnell sie ihre Füße trugen
stürmte sie Richtung Gartentor und verließ ihr Grundstück zornig.
„Granger!“,
rief er und folgte ihr, aber sie hielt nicht an. „Wo läufst du hin, verdammt?“
Aber sie hielt nicht an, aber nur zu schnell hatte er sie eingeholt, versperrte
ihr den Weg und widerwillig hielt sie inne. „Granger, was-?“
„-deine
verdammten Elfen kommen in mein Haus, wann immer sie wollen?“, unterbrach sie
ihn, wütender als beabsichtig. „Du kannst nicht mal deine Sachen selber
abholen?“, fuhr sie ihn an, und kurz huschte Verwirrung über seine Züge.
„Wäre
dir das lieber gewesen?“, fragte er sie direkt, und sie war selber in diese
Falle getappt. Nein, wäre es ihr nicht. Darum ging es auch überhaupt nicht,
dachte sie wütend. Sie würde ihn den Spieß nicht umdrehen lassen! Er trug ein
Jackett. Er wirkte recht schick, fiel ihm am Rande auf.
„Ich-
nein!“, erwiderte sie ein wenig überrumpelt. „Das meine ich nicht! Ich will
nicht, dass ständig irgendwer in meinem Haus ist, der da nichts zu suchen hat!“
„Warum?
Weil du gerade alles für die Rückkehr deines Traumprinzen vorbereitest?“,
wollte er fast schnippisch von ihr wissen. Und sie biss die Zähne zusammen.
„Das geht dich überhaupt nichts an.“ Sie wollte um ihn herum marschieren, aber
er spiegelte ihre Bewegungen, und frustriert stöhnte sie auf. „Malfoy!“, rief
sie wütend. „Was willst du hier? Lass mich einfach in Ruhe!“
„Solltest
du in deinem Zustand überhaupt noch irgendwo rumlaufen?“, wollte er
misstrauisch von ihr wissen, und sie stemmte die Hände in die Hüften.
„In
meinem Zustand?“, wiederholte sie außer sich. „Wäre es dir lieber, wenn ich
irgendwo im Dunkeln liegen würde und auf mein Schicksal warte? Ich kann machen,
was ich möchte!“, informierte sie ihn zornig.
„Du
weißt genau, was ich meine“, knirschte er jetzt zwischen zusammen gebissenen
Zähnen hervor.
„Nein,
weiß ich nicht“, log sie bockig. „Außerdem interessiert es dich doch sowieso
nicht. Denn dein Platz ist doch ersetzt!“ Und kurz erkannte sie feinen Triumpf
auf seinen Zügen.
„Du
merkst dir sehr genau, was ich sage, oder?“
Und
sie wurde wieder wütend. „Halt die Klappe, und lass mich durch!“ Aber natürlich
rührte er sich nicht.
„Wann
hattest du vor, es mir zu erzählen?“, erkundigte er sich jetzt spöttisch bei
ihr.
„Was?“
Sie starrte ihn an. „Wieso sollte ihr dir irgendetwas erzählen? Damit du noch
mehr Mitleid bekommen kannst, Malfoy?“ Merlin, sie war wirklich wütend, stellte
sie fest.
„Was
soll das heißen?“, wollte er ungeduldig von ihr wissen. Sie wusste selber nicht
genau, was sie damit sagen wollte, aber sie wollte nicht mehr mit ihm reden!
„Es
ist egal. Also lass mich in Ruhe“, versuchte sie es erneut und wollte an ihm
vorbei, aber er stellte sich erneut in ihren Weg.
„Ich
war bei Dermont“, sagte er dann, und all ihre Proteste erstarben, „vorhin“,
ergänzte er knapp. Sie spürte wie sich der Scham in ihre Wangen stahl und ihr
heißer wurde.
„Wieso
warst du da?“, flüsterte sie praktisch, und sein Blick war erbarmungslos.
„Ich
wollte tun, worum du mich gebeten hast, Granger. Ich wollte gehen, dich für
immer in Ruhe lassen. Ich wollte aus deinem Leben verschwinden, damit du eine
faire Chance mit dieser Witzfigur von Mann haben kannst“, knurrte er praktisch.
Sie schluckte schwer.
„Du…
wolltest gehen?“, entfuhr es ihr. „Nach allem, was-?“
„-ja!“,
unterbrach er sie und fixierte sie fast böse. „Ja, ich wollte zum ersten Mal
das Richtige tun!“
„Das
Richtige?“, wiederholte sie schwach. „Aber du-“
„-aber
ich habe meine Meinung geändert, nachdem du so zuvorkommend warst, mir nicht zu
sagen, dass dein fabelhafter Mistkerl dich abserviert hat“, schloss er.
„Ach
ja?“, entkam es ihren Lippen tonlos. „Und was wird das jetzt? Dein letzter
Abstecher? Wolltest du mich auslachen kommen? Wolltest du mir zeigen, wie
schadenfroh du bist, weil keiner mich will? Weil alle gehen? Weißt du was, von
mir aus! Bring es einfach zu Ende, Malfoy! Lach mich aus! Tu, wofür du gekommen
bist, und dann verschwinde einfach, du-!“
„-du
bist so dumm“, widersprach er kopfschüttelnd. „Du bist so stur und so unfassbar
dumm.“ Seine Stimme war ruhiger geworden. Und sie spürte die Tränen in sich
aufsteigen.
„Ich
bin dumm? Wenn dann nur, weil ich ernsthaft gedacht habe, dass du-“ Aber er
ließ sie nicht weiter sprechen, hatte den Abstand geschlossen, die Hand um
ihren Nacken geschlungen, und seine Lippen verschlossen ihren geöffneten Mund.
Stille
fiel über sie beide, und sie konnte nicht fassen, dass er das gerade tat. Ihr
Herz raste, und sie verstand nicht, was es bedeuten sollte. Ruhig lagen seine
Lippen auf ihren, und fast wollte sie nicht, dass der Kuss aufhörte, denn
innerlich war sie manchmal ein dummes Mädchen, aber sie musste wissen, was er
tat! Und wieso er es tat!
Also
lehnte sie sich zurück, beendete den Kuss, aber er wich nicht weit von ihr
zurück.
„Was…?“
Sie starrte ihn mit weiten Augen an.
„Halt
den Mund, Granger“, murmelte er, aber bevor er den Abstand wieder schließen
konnte, legten sich ihre Hände flach über seine warme Brust, die sie durch den
dünnen Stoff seines dunkles Shirts unter dem Jackett spüren konnte.
„Malfoy“,
entfuhr es ihr ungläubig, und fast sanft fuhr sein Daumen über ihre Wange, „du
hast gesagt, du wolltest gehen, du-“
„-ich
gehe nirgendwohin“, unterbrach er sie rau. Und wieder musste sie sprechen, denn
sie begriff es nicht.
„Du
hast gesagt, du hattest Mitleid“, erwiderte sie, und konnte nicht verhindern,
verletzt zu klingen.
„Und
du konntest mich nicht schnell genug loswerden, nur weil Weasley dir die frohe
Kunde gebracht hat“, konterte er ungerührt, während er immer noch viel zu nah
war und ihr Herz viel zu schnell schlug.
„Ich-
was?“, fragte sie schwach, aber er schüttelte ungeduldig den Kopf.
„Ich
will dich“, eröffnete er ihr plötzlich, während eine dunkle Verheißung in
seinen Blick trat, die ihre Knie weich werden ließ.
„Du…
willst mich-?“
„-ich will dich, Hermine“, bestätigte er heiser. Ihr Herz machte einen
gefährlichen Satz. Und sie wollte ihm sagen, dass er doch eigentlich nur seinen
Sohn wollte, aber sie konnte nicht mehr sprechen, denn sie glaubte, sie würde
nur noch stottern.
„Wenn
du mich bei dir haben willst“, ergänzte er dann rauer, und sie schluckte
schwer.
Wenn
sie ihn bei sich haben wollte? Oh Merlin…Ihr Herz klopfte so laut, dass er es
hören müsste.
„Aber…
wieso?“, flüsterte sie nur erschrocken über sein Geständnis. Es passierte alles
so schnell! Heute Morgen hatte sie noch geglaubt, für immer alleine zu sein.
Und jetzt…? Und er sah sie an, nahm ihr Gesicht sanft in seine Hände.
„Ich
habe mich noch nie mit jemandem so sehr gestritten“, schien ihm mit einem verblüfften
Lächeln aufzufallen. „Noch nie so sehr wie mit dir.“ Fast war es Anerkennung,
mit der er sie musterte. Sie schluckte schwer. Sein Lächeln war atemberaubend
schön.
„Streiten
ist… überhaupt nicht gut“, murmelte sie, fast schon in seinen verdammten Augen
versunken. Er war viel zu nah, und sie konnte dagegen gerade mal überhaupt
nichts tun.
„Streiten
ist ok“, widersprach er fast sanft. Oh Merlin, sie musste sich von ihm
losmachen! Gott, er hatte so eine verdammt sexuelle Ausstrahlung, es war kaum
auszuhalten.
„Wir
müssen… reden!“, beteuerte er sie schwach. „Wir können nicht einfach… nur weil
wir… wir können nicht einfach….“ Sie wusste nicht mal, was sie eigentlich sagen
wollte, aber ging das alles gerade nicht viel zu einfach? Viel zu schnell?
Und
sie sah es in seinem Blick. In der sanften Verständnislosigkeit, die sein
Gesicht zeichnete, seit der Sekunde, in der sie ihm nicht zugestimmt hatte.
Sie
waren so verschieden, wie sie es noch nie erlebt hatte. Bis sie Draco Malfoy
kennengelernt hatte, hatte sie angenommen, ein netter, umgänglicher Mensch zu
sein. Solange man sie leben ließ, solange man ein einigermaßen anständiger
Mensch war.
Und
er war so anders.
„Dann
rede mit mir, Hermine“, verlangte er fast ungeduldig. Wieder ihr Vorname. Fast
tat es gut, ihn aus seinem Mund zu hören, aber das musste sie erst mal
ignorieren!
„Du
wolltest… das alles nicht“, sagte sie nur, fast trotzig. „Und du hast gesagt,
du wolltest für immer verschwinden“, griff sie hastig seine Worte wieder auf.
Und ihre Lippen brannten immer noch unpassenderweise von seinem Kuss.
„Um
wiederkommen zu können“, erwiderte er sofort, mit mehr Nachdruck und schloss
den Abstand wieder, um ihre Schultern sanft zu umfassen. „Nur um
wiederzukommen“, versicherte er. „Deswegen beschließt man doch solche großen
Gesten, oder nicht?“
Was?
Er redete so viel Unsinn, ging ihr auf. Männer begriffen nie irgendetwas.
Sie
hatte das Gefühl, als hätte sie Sport betrieben, so schnell schlug ihr Herz
noch.
„Und
du sagst, ich wäre unfassbar dumm?“, erkundigte sie sich und fast musste sie
lächeln. Und er merkte es sofort, denn sein Mundwinkel zuckte kurz.
„Du
nennst mich dumm?“, wollte er dann von ihr wissen, und mit roten Wangen senkte
sie den Blick.
„Vielleicht“,
räumte sie leise ein. Und sie spürte, wie er den Abstand wieder schloss.
„Das
einzige, was dumm ist, ist dass wir das nicht schon getan haben, als du mich
bei Potter erwischt hast“, knurrte er, vergrub seine Hand in ihren Locken und
zog sie zu seinem erneuten Kuss heran. Mit angehaltenem Atem schlossen sich
ihre Augen, und sie kam ihm den letzten Zentimeter sogar entgegen.
Und
gerade als sie aufgeben, sich ergeben, wollte, als sie die Arme seufzend um
seinen Nacken schlingen wollte, um diesen Wahnsinn praktisch die Hand zu geben,
spürte sie es.
Denn
ihr Sohn schien ganz eigen auf dieses neue Zusammentreffen reagieren zu wollen.
„Auuu!“, entfuhr es ihr, als sie sich hastig
von seinen Lippen gelöst hatte, und schmerzhaft kniff sie ihre Augen zusammen.
„Oh verflucht!“ Sie hielt sich ihren Bauch, denn sie hatte einen plötzlichen
Krampf bekommen.
„Granger?“
Alarmiert sah er sie an. „Was ist los?“ Fast wirkte er völlig verständnislos.
Sie atmete heftiger.-
„Oh,
keine Ahnung, Malfoy, ich glaube, ich habe was Schlechtes gegessen“, brachte
sie gepresst hervor. „Oder nein“, knurrte sie ironisch, „ich glaube, das ist
das Baby in meinem Bauch!“ Seine Augen weiteten sich.
„Jetzt?
Es ist… jetzt soweit?“ Er wirkte mehr als überfordert.
„Es…
scheint so“, flüsterte sie unter abgehackten Atemzügen.
„Ins
Haus!“, rief er und zog sie vorsichtig mit sich. „Wir müssen ins Haus, wir
müssen im Mungo Bescheid geben!“
Oh
Merlin! Sie glaubte fast, sie wollte das Kind doch nicht schon jetzt bekommen.
Sie wollte ein paar Tage Schonzeit haben, vor allem… wo es danach aussah, dass
sie… mit dem Vater ihres Sohnes zusammen sein würde…? War das jetzt geklärt?
Wollte er sie immer noch? Auch mit Wehen…?
~*~
Er
hatte den Kamin erreicht, entfachte fahrig das Feuer mit seinem Zauberstab,
griff mit zitternder Hand in ihre Flohpulverkiste und warf den Staub in die
Flammen. Nett zu sehen, dass er nicht in jeder Lebenslage ein arroganter
Charmeur war, dachte sie, während sie anfing zu hecheln, wie sie es gelernt
hatte. „Mungo, Notaufnahme“, sagte er hastig, dann wandte er sich um, als die
Verbindung aufgebaut wurde. „Was soll ich sagen?“, entfuhr es ihm, völlig
überfordert.
„Oh,
ich weiß nicht!“, fuhr ihn Hermine zornig an, nachdem sie ihre Atemübung
unterbrochen hatte. „Wieso erzählst du ihnen nicht von deinem Tag, von deinen
Gefühlen?“, sagte sie unter Schmerzen, und tatsächlich war er genervt.
„Vergiss es!“, knurrte er mit erhobener Augenbraue zur Antwort, und endlich
erschien eine Hexe in den Flammen.
„Notaufnahme,
um was für einen Vorfall handelt es sich?“, wollte die Frau freundlich wissen,
und Malfoy fuhr sich durch die Haare.
„Ahem… hier ist… eine schwangere Frau. Und… sie bekommt… das Kind?“, entfuhr es
ihm so ratlos, als würde Hermine schlechte Pantomime spielen. Er war unfassbar!
Sie kam ächzend näher zum Kamin.
„In
Ordnung“, bestätigte die Frau. „Dann sind es Wehen?“, vergewisserte sie sich
neutral, und Hermine schob ihn zur Seite.
„Ja,
das nehme ich an?“, gab sie gepresst zurück, denn wieder überkam sie ein
schrecklicher Schmerz, und Malfoy neben ihr verlor die gespielte Geduld
endgültig.
„Hören Sie“, brachte er wütend hervor, „schicken Sie einen verdammten
Para-Magier vorbei! Es ist bestimmt nicht nötig, dass wir vorher einen
Fragebogen ausfüllen, welche Symptome wann und wie häufig in Frage kommen,
Merlin noch mal!“
„Adresse,
bitte?“, wollte die Hexe eintönig wissen, und Hermine schloss die Augen, als
sie sprach.
„Granger,
Godric’s Hollow, Godric’s Gardens 26“, sagte sie erschöpft und öffnete die
Augen wieder. Die Hexe nickte nur.
„Ich
schicke jemanden“, sagte sie und beendete die Verbindung.
„Und
jetzt?“, fuhr Malfoy sie an, als würde sich Hermine mit Absicht vor Schmerzen
krümmen. Und sie sah ihn schwer atmend an.
„Keine
Ahnung! Raste doch noch ein bisschen aus, schrei mich noch eine Weile an! Ich
bin sicher, das macht alles besser, Malfoy!“, brachte sie wütend hervor. Er
öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder.
„Vielleicht
solltest du dich hinsetzen?“, schlug er ihr gereizt vor.
„Vielleicht solltest du die Klappe halten?“, erwiderte sie, eine Spur
fassungsloser.
„Merlin,
ich habe keine Ahnung, was zu tun ist! Du bist schwanger, nicht ich!“,
entgegnete er überfordert.
„Woher
soll ich wissen, was ich tun muss? Es ist das erste Mal, dass ich ein Kind
bekomme!“, murmelte sie, bevor sie wieder vor Schmerzen aufschrie.
„Ok,
hör auf zu schreien!“, fuhr er sie an und zog sich völlig bereit sein Jackett
aus. Sie starrte ihn an.
„Was
wird das?“, wollte sie fast verständnislos wissen. Er sah sie an.
„Falls
es kommt!“, fuhr er sie an. Fast ging er in die Hocke.
„Und
dann was? Dann schießt es aus mir raus, und du fängst es wie eine
angeschnittenen Baseball?“, erkundigte sie sich, fast belustigt.
„Ha
ha“, machte er nur und fuhr sich nervös über die Stirn. „Setz dich einfach
hin!“
„Ich will nicht sitzen!“, rief sie verzweifelt, und er schenkte ihr einen
Blick, als wäre sie ein schwieriges Kind, was sein Gemüse nicht essen wollte.
„Du
willst stehen und schreien?“, erkundigte er sich dann, zur Sicherheit halber,
und sie verdrehte die Augen.
„Ja,
ich will stehen und-“
Sie
schnappte nach Luft. „Auuuuu!“, entfuhr es ihr schmerzerfüllt, und Tränen
traten in ihre Augen. „Ok… ich setz mich hin“, flüsterte sie tonlos. Und
unbeholfen kam er näher, half ihr, sich zu setzen, und dann begann er auf und
ab zuwandern.
„Merlin, wie lange brauchen diese Wichser?“, knurrte er. „Wehe, du bekommst das
Kind jetzt!“, informierte er sie am Rande, und sie versuchte, ruhig zu atmen.
„Ich habe noch nicht alle Bücher gelesen.“
„Malfoy, wenn du nicht hier wärst – ich wüsste nicht, ob ich es überstehen
würde!“, sagte sie heiser, voller Sarkasmus. Und er hörte auf, zu wandern. „Oh
Gott, es tut wirklich weh“, flüsterte sie, und Malfoy kniete sich vor sie.
„Soll
ich… irgendetwas tun?“, wollte er beherrscht wissen, dieses Mal echte
Ratlosigkeit in den grauen Augen, und Hermine wollte ihn nicht mehr ansehen.
Sie schüttelte nur den Kopf. Eigentlich wollte sie nicht, dass sie sich jetzt
gerade stritten oder anschrien, aber sie konnte es nicht verhindern. „Granger“,
beharrte er. „Ist dir heiß oder kalt? Hast du… Durst… oder-?“
„-ich
habe einfach Schmerzen, Malfoy!“, informierte sie ihn über das Offensichtliche.
„Ok“, sagte er. „Dann lenk dich ab! Ignorier es einfach“, schlug er ihr vor.
Sie sah ihn wütend an.
„Ignorier
es einfach?“, wiederholte sie knurrend, und schloss die Augen, als ihr Atem
wieder schneller wurde. Gott, sie wollte nicht das Kind bekommen! Sie wollte
nicht! „Gott, du bist so absolut – au!“, unterbrach sie sich und zog hart die
Luft ein.
„Was
ist die Hauptstadt von Finnland?“, fragte er sie plötzlich, und ihre Lider
flatterten auf. Sie sah ihn an, als wäre er verrückt geworden.
„Fragst du mich das ernsthaft?“, brachte sie abgehackt hervor, und er nickte
nur. „Ich kann nicht-!“
„-was
ist die Hauptstadt von Finnland, oder weißt du es nicht?“, wiederholte er. Sie
atmete zornig aus.
„Helsinki ist die Hauptstadt von Finnland, du Idiot!“, antwortete sie
unbeherrscht. „Und das seit 1917“, ergänzte sie unnützes Schulwissen, und er
nickte, scheinbar gleichgültig, ob es stimmte oder nicht.
„Aus
welchen Basen besteht der Basenzauber?“ Er fuhr fort, den Quizmaster zu
spielen, und sie spürte, den feinen Schweiß im Nacken.
„Malfoy“,
sagte sie kopfschüttelnd, aber er kniete noch immer vor ihr und fixierte sie.
„Es
beginnt mit Quay, Oxem-“, begann er langsam, und sie unterbrach ihn.
„-Urbis,
Squam und Beet“, beendete sie seine Aufzählung, ganz einfach, weil sie nicht
anders konnte. „Wie heißen die drei Hexen aus dem Brunnen des wahren Glücks?“,
stellte nun sie ihm eine sinnlose Frage, und seine Stirn runzelte sich.
„Was?“ Er sah sie an.
„Oh,
du darfst mir dumme Fragen stellen, die ich beantworten muss?“, rechtfertigte
sie sich und versuchte, ruhiger zu atmen. Er schien kurz nachzudenken.
„Die Hexen hatten keine Namen“, entschied er sich schließlich, etwas verwirrt,
zu antworten.
„Ach nein? Asha, Altheda-“
„-Amata!“,
schien ihm plötzlich wieder einzufallen. Und dann schwiegen sie, tauschten
einen Blick, und sie sah, er schwitzte ebenfalls, denn seine Stirn glänzte
bereits. „Tut es weh?“, wollte er vorsichtig wissen, und Hermine horchte in
ihren Bauch.
„Jetzt…
gerade nicht“, murmelte sie. Er nickte, fixierte keinen bestimmten Punkt.
„Zähl
alle Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste auf, die wir hatten“,
befahl er ihr, eine Spur von Herausforderung auf den Lippen. Und tatsächlich
ließ sie sich auf das Spiel ein, denn es lenkte sie von den Schmerzen ab.
„Äh… Quirrel, Lockhart, Lupin“, begann sie, und biss sich auf die Unterlippe,
als sie nachdenken musste, „Alastor Moody, aber eigentlich Barty Crouch Jr.“,
fuhr sie nachdenklich fort. „Umbridge, Snape und im letzten Jahr war ich nicht
da“, endete sie.
„Amycus
Carrow – und du hast nichts verpasst“, bemerkte er knapp und dachte wohl
kopfschüttelnd an die Zeit zurück.
„Nein,
ich schätze nicht“, bemerkte sie nur, und wieder sahen sie sich an. Und sie
spürte den Schmerz erneut, und sie schluckte schwer. „Frag mich noch was“,
flüsterte sie, und kurz wirkte er überrascht, aber schnell dachte er nach, als
sie die Zähne zusammenbeißen musste.
„Soll
er wirklich Scorpius heißen?“, überraschte sie seine Frage, und sie sah ihn
unter flachen Atemzügen an.
„Ich…-
ja?“, bestätigte sie.
„Und
einen zweiten Namen?“, fuhr er fort, und sie hatte darüber nicht nachgedacht.
„Ich
weiß nicht“, murmelte sie, und seine Hand legte sich auf ihre. Der Schmerz kam
ohne Ankündigung wieder. „Auu!“, rief sie und schloss die Augen. Sie spürte,
wie er näher rückte.
„Sieh
mich an“, befahl er ihr sanft. „Granger, sieh mich an“, wiederholte er, und sie
hob schwer atmend den Blick. „Ich bin hier, ok?“
„Ok“,
erwiderte sie. Und er lehnte sich vor und hauchte einen Kuss auf ihren
schmerzenden Unterleib, und sie spürte die Wärme seiner Lippen auch durch ihr
Oberteil. „Ich… ich dachte, das wäre nichts für dich?“, wollte sie erschöpft
wissen, aber ihre Mundwinkel zuckten. „Händchen halten, Eiswürfel besorgen und
warten?“
Und
er hob eine Augenbraue. „Vielleicht ändere ich meine Meinung doch noch“,
erwiderte er sanft, und sie war so dankbar dass er hier war. So unendlich
dankbar. Und nicht, weil sie nicht alleine sein wollte. Nein. Sie war froh,
dass Draco Malfoy wieder in ihrem Haus war. War das nicht verrückt…? Und noch
war sie sich gar nicht völlig sicher, wo sie standen. Ihr Sohn hatte das Ende
dieses Gesprächs verhindert.
„Sie
kommen!“, stellte er mit einem erleichterten Blick aus dem Fenster fest. Und
Hermine nickte nur. Sie war bereit.
„Give me my Romeo. And when I
shall die,
Take him and cut him out in little stars,
And he will make the face of heaven so fine
That all the world will be in love with night.“
Romeo & Juliet
Alles
war sehr schnell gegangen. Alles war erschreckend nah gerückt. Er war sich
nicht einmal sicher, wie lange es noch dauern würde. Und er hatte eigentlich
bisher nur geplant, zu ihr zu gehen, zu reden, Dinge zu erklären. Ihr
klarzumachen, dass er bleiben würde – ob sie es wollte oder eben nicht! Aber…
irgendwie war diese Schwangerschaft ihm dazwischen geraten.
Oder
nein. Es war das Ende der Schwangerschaft. Heute würde es enden, oder nicht?
Heute
käme sein Sohn zur Welt!
Und
wie der letzte Idiot stand er am Rand.
Sie
lag in dem weißen Bett, in dem hellen Zimmer im Mungo, während Heiler ein und
ausmarschierten, sie begutachteten, ihre Vitalfunktionen prüften, und magische
Zauber über ihrem Bauch ausgeführt wurden, um die Schmerzen zu lindern.
Potters
Frau war vor einigen Minuten im Zimmer angekommen, sprach beruhigend auf
Granger ein, ohne ihn großartig zu beachten. Und das war etwas, was absolut
niemand tat.
Es
war seltsam. Er stand nicht im Mittelpunkt dieser Aktion, stellte er verblüfft
fest.
Und
er war gänzlich überfordert. Wie in Trance kämmten seine Finger seine Strähnen
zurück, seine Hand fuhr über seine untere Gesichtspartie, sein Atem ging wie in
Zeitlupe, während er nicht wusste, was er tun sollte.
Sollte
er näher kommen? Sollte er den Preston machen, sich neben sie auf den
Besucherstuhl kauern und sie abwartend ansehen, wie ein verdammtes Orakel, was
seine Zukunft ausspucken würde? Wollte sie das? Brauchte sie das?
Er
vernahm am Rande, dass Potters Frau Potter und Weasley Bescheid gesagt hatte.
Großartig. Dann würden die beiden Idioten gleich auch antanzen, nahm er an.
Er
war nervös, ließ Granger kaum aus den Augen, denn sie atmete schwer und
schnell. Schweiß war auf ihre Stirn getreten, und ihre Locken lockten sich noch
ein weniges mehr.
Ihm
kam lächerlicherweise ihr Fotoalbum in den Sinn, mit all ihren Erinnerungen,
die er, wie ein Räuber, durchstöbert hatte. Er hatte sie noch nie schöner
gefunden als jetzt, dachte er atemlos. Granger trug Potters Frau noch weitere
Dinge auf, hörte er. Sie sprach zu leise, als dass er sie genau verstehen
konnte, aber er begriff. Sie beauftragte Potters Frau. Und nicht ihn.
War
das ok? Musste es so sein? Was hatten sie überhaupt geklärt? War jetzt der
richtige Zeitpunkt?
Er
wurde immer nervöser.
Und
plötzlich kam einer der Heilpfleger direkt auf ihn zu. Und er stellte ihm die
simpelste Frage.
„Sind
Sie der Vater?“
Und
wie um sich zu vergewissern, ob eine Antwort – egal welche – ok wäre, sah er
sie an. Und sie schien es zu spüren, denn sie erwiderte seinen Blick. Sie
wirkte schon jetzt vollkommen erschöpft. Und er wartete auf ihr
unmissverständliches Signal, denn es kam ihm so vor, als wäre nicht er
derjenige, der diese Frage beantworten durfte.
Und
ihm kam es so vor, als bewegte sich ihr Kopf mikroskopisch, wie um ihm zu
bedeuten, dass er antworten konnte.
„Ja?“,
krächzte seine Stimme, die er kaum erkannte.
„Ok“,
fuhr der Heilpfleger geschäftig fort, und hielt ihm einen Kittel entgegen.
„Wollen Sie bleiben? Als Coach?“, ergänzte er, und Dracos Mund öffnete sich in
heilloser Überforderung, bis sein Blick wieder ihren fand. Und er konnte nicht
antworten.
„Ich-äh…
einen Moment“, erwiderte er und kam unschlüssig näher zu ihr. Ihre Atmung
flachte ab, und sie sah ihn erwartungsvoll an.
„Ja?“,
entfuhr es ihr. Halb gereizt, halb erschöpft.
„Ich…
- soll ich bleiben?“, fragte er, dumm wie ein Kind, denn er wusste es nicht.
Und sie schien nicht in der Stimmung für weltbewegende Diskussionen zu sein.
„Keine
Ahnung, Malfoy. Willst du bleiben?“, fuhr sie ihn gepresst an, und er würde
diese Frage nicht beantworten. Wenn sie ihn nicht hier haben wollte, dann würde
er auch nicht bleiben! Merlin, sie war diejenige, die diese Entscheidungen
traf!
„Willst
du, dass ich bleibe?“, antwortete er also mit einer Gegenfrage, und sanfter
Unmut blitzte in ihren dunklen Augen.
Und
was würde sie sagen? Ja? Sie wollte, dass er blieb? Würde sie das sagen? Sie
tanzten um die Antwort herum, es war ihm klar. Und wer gab jetzt nach? Wollte
er bleiben? Er hatte darüber nicht wirklich nachgedacht. Und wenn sie ihm jetzt
sagte, sie wollte, dass er blieb? Dann würde er natürlich bleiben.
„Tu
doch einfach, was du willst“, schnappte sie eine Spur zorniger, während sie die
Augen schloss und heftiger atmete. Eine erneute Wehe schüttelte ihren Körper,
die Pfleger schoben ihn zur Seite, beruhigten die Wehen mit dem Zauberstab, und
verdammt.
Was
sollte er tun?
Es
zerriss ihn praktisch, sie unter Schmerzen zu sehen.
Die
Tür öffnete sich wieder und Potters Frau kam mit zügigen Schritten zum Bett,
vor dem er nutzlos und überfordert wartete.
„Du
bleibst?“, fragte nun auch sie, und der Pfleger mit dem Extra-Kittel kam wieder
näher. Und Draco schluckte schwer.
„Ich…
weiß es nicht“, antwortet er also, während sich Grangers Atmung wieder
beruhigte. Potters Frau schien ungeduldig zu sein.
„Hermine?
Bleibt er, oder nicht?“, wollte sie wissen, und unbewusst wandte Draco den
Blick zurück. Gut. Sie sollte die Entscheidung treffen. Nicht er. Er wusste
nicht. Er konnte nicht!
„Ginny,
ist das jetzt wirklich wichtig?“, keifte Granger schwer atmend, und damit war
die Entscheidung wohl gefallen.
„Alle
raus! Wir beginnen!“, sagte sie nur, und die Pfleger verließen einer nach dem anderen
das Zimmer, außer zwei. Sie sah ihn auffordernd an. „Raus, Malfoy. Wenn du kein
Coach bist, dann musst du draußen warten“, fertigte sie ihn ab, und die übrigen
Pfleger schoben ihn nach draußen.
Und
immer noch war er überfordert, ließ sich schieben, wandte den Blick zurück, und
sie sah ihn nicht mehr an.
War
das die falsche Entscheidung? Er wollte nicht gehen, ging ihm auf, aber keine
Sekunde später stand er auf dem Flur, war nach draußen befördert worden, und
die Tür schloss sich hinter ihm.
Und
nein. Hier draußen war es nicht besser, als dort drinnen.
Er
hörte die Massen anrollen. Die Massen an Menschen, die teilhaben wollten.
Seine
Mutter stürmte vorne weg um die Kurve, gefolgt von einer weiteren Frau, die
Draco vage als Grangers Mutter einordnen würde, denn ihre Haare waren ähnlich
dunkel, die Augen ähnlich temperamentvoll. Es folgten Potter und Weasley und
ein Mann mit wilden grauen Locken.
„Draco!“,
rief seine Mutter, und Fragen aller Beteiligten prasselten auf ihn nieder.
Potter und Weasley wollten wissen, was er hier tat, was passiert war, wann es
los ging, und seine Mutter machte ihm Vorwürfe, weswegen er überhaupt gekündigt
hatte, und der Mann mit den grauen Locken bahnte sich einen Weg zu ihm. Draco
sah ihm überfordert ins Gesicht und erkannte Grangers Augen.
„Sie
sind also der Vater von Hermines Baby?“, wollte er emotionslos wissen, und
Draco hatte nicht gewusst, dass heute der Tag war, an dem er Grangers Eltern
kennenlernen würde.
„Mr.
Granger“, sagte er rau, und sein Mund öffnete sich überfordert.
„Oh
George, nun lass ihn in Ruhe! Geht es ihr gut?“, wollte Grangers Mutter besorgt
wissen, und Potter und Weasley wirkten eher abgeneigt, ihn zu sehen.
Wow.
Wie wenig er hier draußen stehen wollte.
Und
er tat das einzige, was Sinn ergab. In seinem Kopf. Bevor seine Mutter ihn noch
weiter mit Fragen bombardierte. Er murmelte einige unverständliche Worte, wich
entschuldigend zurück, öffnete die Tür
wieder, verschwand im Innern, und schloss die Tür hinter sich.
Die
Entscheidung war sehr einfach. Er wollte lieber bei ihr sein. Immer lieber bei
ihr als in anderer Gesellschaft. So einfach war es.
Potters
Frau wandte den Kopf.
„Malfoy,
was-?“
„-ich
bin Coach“, sagte er mit fester Stimme, griff sich den Kittel vom Stuhl, zog
ihn über, zog sich den Stuhl heran an ihr Bett und sah ihr nicht ins Gesicht,
während er sich neben ihr Bett setzte.
„Du
hast… keine Ahnung… wie man Coach ist…“, keuchte Granger verwirrt, aber er
streckte den Rücken durch und sah sie an.
„Ich
bin der Vater. Ich will hier sein, wenn er kommt“, sagte er tonlos, und war
sich nicht sicher, ob er jedes Wort so meinte, wie er es sagte, aber schon
wurde er von Potters Frau magisch desinfiziert und beobachtete, wie das Bett
hochklappte, und Granger eine sitzende Position einnahm.
„Hermine,
ich möchte jetzt, dass du anfängst zu pressen, ok?“, sagte Ginny Potter sehr
sanft. „Der Muttermund ist ausreichend gedehnt, und wir werden jetzt beginnen“,
fuhr sie fort.
Draco
hatte keine Ahnung, wie lange so etwas dauerte, aber er hoffte, es ging
schnell. Er war viel zu nervös. Ihm war bewusst, dass Granger neben ihm unter
dem Laken teilweise nackt war, und im Begriff, seinen Sohn zu bekommen. Ihre
Beine steckten weit gespreizt in den Bügeln, aber sie kam ihm jetzt schon viel zu
erschöpft vor.
Hoffentlich
ging es schnell!
~*~
Träge
öffnete sie die Augen. Es waren Stunden vergangen. Die Zauber wirkten, als wäre
sie wie in Watte gehüllt. Sie nahm alles nur verschwommen war. Draco tauchte in
ihrem Blickfeld auf, sprach aber wütend mit den Heilern. Es waren mehrere als
noch zuvor. Sie schnappte nur vereinzelte Worte auf.
Irgendetwas
mit ‚zu lange‘ und ‚warum niemand etwas tat‘. Sie blinzelte langsamer, so kam
es ihr vor. Ginny rückte ebenfalls näher.
„Hermine,
hörst du mich?“, erkundigte sich Ginny sanft. Hermine wandte den Blick,
reagierte aber nicht wirklich. „Es bewegt sich nicht, Hermine“, erläuterte
Ginny ihr. „Wir werden den magischen Schnitt machen, denn das ist
ungefährlicher, als mit weiteren Zaubern nachzuhelfen. Wie es aussieht liegt
die Nabelschnur um seinen Hals und er sitzt einfach fest. Kein Grund zur
Sorge!“, beteuerte Ginny, während Draco neben ihr förmlich explodierte und die
Heiler anschrie.
Blinzelnd
schlossen sich ihre Augen wieder.
Wovon
sprach Ginny überhaupt? Welche Nabelschnur?
Merlin,
diese Zauber waren nette kleine Drogenschübe, stellte sie zufrieden fest. Sie
hatte schon fast vergessen, wo sie überhaupt war.
„Hermine,
wir beginnen mit der Schmerzunterdrückung. Du wirst einschlafen, ok? Also keine
Panik!“
Panik?
Wieso? Hermine war ohnehin hundemüde.
„-Granger?“,
hörte sie Draco nahe neben ihrem Ohr. Blinzelnd sah sie ihn an. Gott, war er
schön. Sah er wirklich so gut aus? Oder war das der Nebel, in dem sie sich
befand.
„-siehst
so gut aus, Draco!“, hörte sie sich murmeln, und sie wusste nicht, ob sie
wirklich gesprochen hatte.
Aber
sie spürte, wie sie selig lächeln musste. Und sein Mund öffnete sich leicht,
fast überrascht. Sie hatte mit ihm geschlafen. Sie war kurz stolz auf sich,
denn sie hatte da einen wirklich guten Fang gemacht.
„-Sex
war so gut!“, lallte sie verschlafen. Und kurz glaubte sie, dass sich die Farbe
seiner Wangen änderte. „Als du von hinten-“
„-ok!“,
unterbrach er sie laut, die Stimme etwas rauer. „Ich denke, ihr könnt mit dem
Zauber beginnen!“, sagte er gepresst. Hermine spürte, wie sie breiter lächeln
musste. Sie hob ein wenig unkoordiniert ihre Hand, um über seine Wange zu
streichen, was er beinahe schockiert über sich ergehen ließ.
„…geh
nicht mehr weg, ja?“, murmelte sie, während sie spürte, wie der nächste
Magieschub sie einhüllte wie eine warme Decke. „Ohne dich bin ich….“
-ihre
Augen fielen erschöpft zu.
Merlin,
sie war so müde. So unendlich müde….
…
Wach!
Sie war wirklich wach! Sie schlug die Augen blinzelnd auf, als die Magie abrupt
nachließ. Es war dunkel, stellte sie fest, denn durch die Vorhänge fiel kein
Licht mehr.
Wie
lange hatte sie geschlafen? Was war passiert. Sie setzte sich im Bett auf.
Sie
war… im Mungo! Was?!
Sie
rieb sich die Schläfe, denn noch war der Zauber nicht ganz abgeklungen.
Und
sie merkte es fast in derselben Sekunde.
Ihr
Bauch… war fort!
Der
kugelrunde Koloss, den sie seit fünf Monaten mit sich rumschleppte war… weg!
Ihre
Hände fuhren ungläubig über das Oberteil, was sie trug. Ihr Bauch war so flach,
als hätte sie nur geträumt, schwanger zu sein! Vielleicht ein wenig
ausgeleiert. Zumindest kam es ihr gerade so vor.
Sie
war allein in dem Zimmer. Die Lampen brannten in einem warmen orange, aber
niemand war da. Mäntel lagen über dem Besucherstuhl, aber niemand war hier. Sie
sah sich müde um, setzte sich weiter auf, und sie wollte ihr Baby.
Wo
war es?
Wer
hatte es mitgenommen? Wann hatte sie es überhaupt zur Welt gebracht? Sie nahm
an, es war keine natürliche Geburt gewesen. Bestimmt hatte es Komplikationen
gegeben, und sie war mit Zaubern in einen Schlaf versetzt worden. Sie konnte
sich an gar nichts mehr erinnern. An keine Schmerzen, an keine Gesichter, an
gar nichts mehr!
Hastig
zog sie sich das Oberteil ein Stück ihren Bauch empor.
Tatsächlich!
Sie erkannte noch schwach die Narbe, die bereits verheilte. Magie war eine
feine Sache. Aber der lange Schnitt schimmerte noch hellweiß auf ihrer
Bauchdecke. In einer Stunde wäre er wohl verschwunden, nahm sie an.
Gerade
als sie aufstehen wollte, bewegte sich die Türklinke. Sie verharrte in der
Bewegung, beobachtete die Tür, und mit Vorsicht wurde diese geöffnet. Ginny
steckte den Kopf herein.
„Oh,
hey!“, begrüßte Ginny Hermine überrascht. „Du bist schon wach?“, kommentierte
sie Hermines Zustand und kam näher. „Alles gut überstanden oder verspürst du
Übelkeit?“, erkundigte sie sich sofort, zog den Zauberstab, schloss den Abstand
zu ihr und prüfte ihren Körper ab. Hermine sah sie ungeduldig an.
„Was
ist mit dem Baby?“, wollte Hermine sofort wissen. Ginny beendete ihre Kontrolle
und lächelte dann.
„Du
hast einen gesunden, kleinen Jungen bekommen, Hermine. Er liegt auf der
Säuglingsstation und bekommt seine natürlichen Abwehrzauber.“ Hermine atmete so
erleichtert auf, dass sie bereits Tränen hinter ihren Augen spürte.
„Und
wenn dir danach ist, können wir dorthin gehen“, ergänzte Ginny lächelnd.
Hermine hob den Blick. Sie durfte schon aufstehen? Aber sie fühlte sich gut.
Magie war eine tolle Sache, stellte sie immer wieder fest.
Muggelschwangerschaften waren um einiges komplizierter.
Vorsichtig
erhob sie sich, aber ihr war nicht schlecht, ihr tat kaum etwas weh, und Ginny
holte ihr den weißen Bademantel aus dem Schrank.
Hermine
bewegte sich zwar wie auf Eierschalen, aber sie war nur vorsichtig.
„Alles
hat problemlos funktioniert. Wir haben den Schnitt gemacht, ihn rausgeholt, und
die Narbe sollte bis heute Nacht verheilt sein“, versprach Ginny. „Du solltest
dich allerdings noch etwas schonen. Ein oder zwei Wochen, würde ich sagen.
Keinen wilden Sex“, ergänzte Ginny mit erhobener Augenbraue, und Hermines Mund
öffnete sich verblüfft.
„Was?“,
entfuhr es ihr verstört, aber sie glaubte, sich an irgendetwas zu erinnern, was
sie im Delirium gemurmelt hatte, als Draco noch neben ihr gesessen hatte.
Übergangslos spürte sie die Scham in sich aufsteigen.
„Du
bist reichlich gesprächig unter starken Zaubern“, entgegnete Ginny fast
belustigt.
Oh
Gott. Wie peinlich!
„Wo…
wo ist er? Draco?“, wechselte Hermine unangenehm berührt das Thema. Und Ginny
lächelte noch breiter.
„Ja,
das ist noch so ein Problem. Ich glaube, wir werden Malfoy aus der
Säuglingsstation mit Gewalt entfernen müssen, denn er hat die Schwestern
bestochen und befindet sich seit drei Stunden vor dem Bettchen eures Kindes und
scheint nicht mehr gehen zu wollen“, erwiderte Ginny zwinkernd. Hermine war
völlig verblüfft. Es waren so ganz andere Seiten, die sie von ihm noch nicht
wirklich gewöhnt war.
Aber
ihr Herz schlug schneller. Sie fuhren in den sechsten Stock. Es war sehr ruhig
hier. Der Gang, dem sie folgten, war mit bewegten Bildern, kindlicher Kunst und
bunten Farben verziert, und Hermine wollte am liebsten noch schneller gehen,
aber sie traute sich noch nicht. Alles fühlte sich noch etwas wackelig an.
Sie
erreichten die breite Glasscheibe neben dem Stationszimmer, und Hermines Blick
fiel auf die Dutzend Bettchen, aber sie erkannte das Bettchen sofort, denn
Draco kniete wie hypnotisiert davor, die Arme abgestützt, und er blickte, der
Realität völlig entrückt, zufrieden hinab auf das schlafende Baby. Hermine ging
näher an die Scheibe.
Dort
lag ihr Sohn. Er schlief seelenruhig, die kleinen Fäuste geschlossen und in
eine weiche Decke gehüllt. Und sie erkannte schon jetzt einen sanften
hellblonden Flaum auf seinem Köpfchen. Sein Gesicht war noch etwas rötlich,
aber ansonsten schien er einfach nur erschöpft zu sein, von der anstrengenden
Reise durch ihren Körper.
„Er
ist perfekt“, flüsterte sie verzaubert. Ginny nickte glücklich.
„Ja,
ist er“, bestätigte sie.
Hermine
verengte die Augen, betrachtete ihn so genau sie konnte, und plötzlich zuckte
ihr Sohn in seinem Bettchen zusammen. Hermines Hände hoben sich automatisch
gegen die Scheibe, und ihr Herz klopfte schneller.
„Was hat er?“, flüsterte sie panisch, aber Ginnys Hand legte sich auf ihren
Rücken.
„Keine
Sorge, das ist normal für Schnitt-Kinder. Sie haben noch ein leichtes
Lichttrauma, denn wenn wir sie per Schnitt holen, dann trifft sie das Licht
sofort, und dieser Schock bleibt für ein oder zwei Tage.“ Hermine tat ihr
kleiner Sohn sofort unfassbar leid. Er musste sich so sehr über das Licht
erschrocken haben! Armer, kleiner Scorpius!
Scorpius…
ja. Er war ein Scorpius. Es passte. Sie spürte es.
„Armer
Scorpius“, flüsterte sie voller Mitgefühl. Ginny atmete nickend aus.
„Er
wird sich daran nicht mehr erinnern. Keine Angst. Möchtest du… rein? Eigentlich
ist es nicht erlaubt, aber ich würde für dich eine Ausnahme machen. Vor allem,
weil Malfoy auch drin ist“, ergänzte sie kopfschüttelnd, aber Hermine
schüttelte nur den Kopf.
„Nein,
ich… bleibe hier.“ Sie verspürte zu viel Ehrfurcht vor dem Leben ihres Sohnes.
Sie glaubte, sie würde anfangen zu weinen. Sie wollte ihn einfach noch ein
wenig ansehen. Aus der Ferne.
„Weißt
du, wie er heißt?“, erkundigte sich Ginny schließlich, und Hermine wandte
verwundert den Blick.
„Nicht
Scorpius?“, wollte Hermine fast besorgt wissen, aber Ginny nickte.
„Doch.
Er heißt Scorpius. Aber er hat noch einen zweiten Namen.“ Und Hermine nahm an,
Draco musste ihn ausgesucht haben, denn sie hatte noch keinen zweiten Namen
parat gehabt. Sie hielt den Atem gespannt an. „Er heißt Scorpius Cedric
Malfoy“, sagte Ginny lächelnd.
Cedric….
Oh.
Hermine
biss die Zähne fest zusammen. Das war… wirklich schön. Draco war… wirklich
wunderbar, stellte sie überrascht fest. Sie hoffte, Cedric konnte spüren, dass
sie gerade an ihn dachte. Sie hoffte, er freute sich für sie. Aber das tat er
ganz bestimmt, wo auch immer er gerade war. Ihr Herz wurde warm, wenn sie Draco
betrachtete, wie er vor dem Bettchen kauerte, sich nicht rührte und einfach nur
seinen Sohn versonnen betrachtete.
„Ich
lasse dich kurz allein“, sagte Ginny dann und Hermine nickte dankbar. Sie
wollte unbedingt einen stillen Moment, indem sie einfach nur froh sein konnte,
dass ihr Sohn wohlauf war. Sie stand ruhig vor der Scheibe und betrachtete
ihren Sohn und seinen Vater.
Und
nach einer Minute nahm sie einen Schatten wahr.
„Hey“,
begrüßte sie eine vertraute Stimme. Sie wandte überrascht den Blick.
Ihr
Mund öffnete sich überfordert.
Alec
kam langsam näher, auf einen Stock gestützt, ebenfalls im Bademantel, den er
über dem Pyjama trug. Er hatte einen Dreitagebart, und sie wusste nicht, was
sie tun sollte.
„Hey“,
erwiderte sie also tonlos, obwohl sie eigentlich nichts hatte sagen wollen.
„Ich…
habe gehört, du… hast dein Kind bekommen?“, sagte er und stellte sich ungefragt
neben sie. Sie nahm an, er konnte ebenfalls erraten, welches Kind es war. Draco
hatte weder sie noch Alec bemerkt, war immer noch versunken. Sie antwortete
nicht. Wollte gar nicht wissen, woher er es wusste. Sie verschränkte die Arme
vor ihrem Bauch und blickte ebenfalls wieder durch die Scheibe.
„Hermine“,
begann er jetzt, und sie sah ihn noch immer nicht an, „ich…- es tut mir leid,
dass ich…“ Und er sprach nicht weiter, aber das wollte sie nicht mal.
„Das
ist schon gut“, sagte sie also, ohne ihn anzusehen. „Mir geht es gut“, ergänzte
sie und wunderte sich fast, dass es stimmte. Ihr Blick verfing sich an Draco.
„Gut.
Das ist wirklich… gut“, bestätigte Alec zögernd. „Du… hast mich scheinbar
ersetzt?“, fragte er dann und ruckte mit dem Kopf in Richtung Draco. Und
Hermine schüttelte langsam den Kopf.
„Nein“,
sagte sie ruhig. „Das war deine Entscheidung. Ich habe gar nichts getan. Und
Draco… er wird nicht gehen“, schloss sie, denn sie wusste es mit Sicherheit.
„Und weißt du, ich glaube, ich wäre jetzt gerne wieder alleine und möchte
diesen Moment genießen“, informierte sie ihn. Sie hob den Blick und sah ihn an.
Ernst und ohne jedes Bedauern.
Es
war, als sähe sie erst jetzt wirklich klar. In Alecs Augen hatte immer eine
leichte Sorge gelegen. Immer ein sanftes Unwohlsein. Er war nicht beständig. Er
war zu unabhängig dafür. Ganz anders als Draco, von dem sie zuerst gedacht
hätte, er wäre der einsame Wolf. Aber das stimmte überhaupt nicht. Draco schien
niemals einsam sein wollen. Er war es einfach nur gewesen. Bei Alec war es eine
freie Entscheidung.
„Ok“,
räumte Alec schließlich ein. „Dann…“
„…leb
wohl“, verabschiedete sich Hermine, ohne jedes Gefühl. Alec nickte und wandte
sich ab. Er humpelte den leeren Gang zurück, und Hermine blickte ihm nach, bis
er um die Kurve verschwunden war. Wie ein Geist verschwand er aus ihrem Leben.
So plötzlich wie er gekommen war.
Und
es tat nicht weh. Es tat gar nichts.
Und
sie konnte gar nicht anders, als den Blick wieder zur Scheibe zu wenden.
Draco
hatte von dem Treffen nichts mitbekommen. Und fast fühlte sie sich so, als
störe sie gerade einen intimen Moment zwischen Vater und Sohn.
Aber
es war zu schön, mitanzusehen.
Und
so verweilte sie noch eine ganze Weile vor der Scheibe, betrachtete lächelnd
ihr Glück, bis Ginny wieder kam, und ihr versprach, morgen würde sie Scorpius
in ihren Armen halten dürfen.
Die
Müdigkeit überkam Hermine, und sie protestierte nicht mal, als sie Ginny
gähnend zurück in ihr Zimmer folgte.
„Ich
verpasse dir noch einen traumlosen Tiefschlaf-Zauber. Dann kannst du morgen
unbeschwert mit deinen Besuchern fertig werden“, informierte Ginny sie
anschließend, als Hermine wieder in ihr Bett gekrochen war. Am liebsten wollte
Hermine protestieren, wollte Ginny sagen, dass sie von Scorpius träumen wollte,
aber Ginny hatte sie bereits zugedeckt und die Spitze des Zauberstabs sanft
bewegt.
Der
sanfte Nebel waberte aus der Spitze, und bevor Hermine noch irgendeinen
Gedanken abschließen konnte, war ihr Kopf tonnenschwer, und sie sank in die
weichen Kissen zurück und war tief und fest eingeschlafen.
Ginny
küsste liebevoll ihre Stirn, löschte das Licht und süße Entspannung hüllte
Hermine vollends ein.
„In my memory her love shimmers,
glimmers,
and glitters the way light on black
water reflects like diamonds,
the treasure that was us.“
Jarod Kintz
Er
war sich nicht sicher, was ihn weckte, aber er war sich sicher, dass sein
Nacken hart wie Stein geworden war. Schmerzhaft verzog sich sein Mund, als er
den Kopf bewegte. Er war auf dem Besucherstuhl zusammengesunken, nachdem er
sich in Grangers Zimmer zurückgeschlichen hatte, nachdem sie eingeschlafen war.
Und er hatte wach bleiben wollen, hatte warten wollen, ob sie noch mal
aufwachen würde, um mit ihr zu sprechen, aber scheinbar war er irgendwann
eingeschlafen.
Wow.
Was für ein unfassbar dummer Fehler das gewesen war. Er ließ seinen Kopf von
rechts nach links kreisen, bis die letzten Wirbel in seinem Nacken hässlich
knackten, und der Schmerz mit einem Mal abebbte.
Er
stöhnte leise und setzte sich gerade auf den unbequemen Stuhl, ehe er vor
Schreck zusammenzuckte, und der lästige Schmerz mit einem Mal wiederkehrte.
Aber
er hatte nicht damit gerechnet.
Er
hatte nicht mit einer weiteren Person in Grangers Zimmer gerechnet. Vielleicht
mit einem Heiler. Vielleicht mit einer Schwester. Aber bestimmt nicht mit
seinem Vater.
Aber
Lucius beachtete ihn überhaupt nicht. Denn Draco bemerkte, dass ein
Glasbettchen ins Zimmer gerollt worden war. Und mit einem ziemlich zufriedenen
Ausdruck blickte Lucius wie gefangen auf das Baby hinab. Draco streckte sich
erneut, rieb sich seinen schmerzenden Nacken, ehe er sich wankend aus dem
verflixten Stuhl erhob.
„Hey“,
begrüßte er Lucius mit einem rauen Flüstern. Sein Vater sah ihn schließlich an,
und siedend heiß fiel Draco der Brief wieder ein, den er verfasst hatte, als er
noch vorgehabt hatte, das Land zu verlassen. Er konnte es nicht richtig
einordnen, aber er würde behaupten, er fühlte leise Schuld. „Hör zu-“, fuhr er
flüsternd fort, falls sein Vater vorhatte zu schreien.
„-er
ist wunderbar“, erwiderte Lucius schlicht, genauso
leise wie er, ehe sein Blick wieder zufrieden auf Scorpius fiel, der ruhig
schlief. Seine kleine Brust hob und senkte sich in kurzen Atemzügen, und Draco
bemerkte, wie er selber wieder zu starren begann. Merlin, er hatte sich gestern
schon nicht sattsehen können, stellte sich neben Lucius, und spürte, wie
seltsamer Stolz ihn beim Anblick seines Sohnes erfüllte.
„Er
sieht aus wie du“, ergänzte sein Vater ruhig, fast erstaunt, und schüttelte
lächelnd den Kopf, als könne er es gar nicht glauben. Aber Draco biss sich
abwesend auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.
„Nein,
er ist wunderschön. Er ist voll und ganz Hermine“, murmelte er, und wünschte
sich, sein Sohn würde die Augen aufmachen, würde aufwachen und ihn ansehen, ihn
vielleicht schon wiedererkennen. Er würde ihn so sehr lieben, wie nichts sonst
auf der Welt, schwor er sich plötzlich. Der schräge Blick seines Vaters ging
gänzlich unbemerkt an ihm vorbei. Lucius würde ihn wohl nicht anschreien, ging
ihm auf. Scorpius hatte ihn vor Schlimmerem bewahrt.
„Wo
ist Narzissa?“, fragte er dann ruhig, und Lucius Finger legten sich sanft um
den Glasrand des Bettchens.
„Unten.
Sie besorgt Tee in der Kantine, da man ihr verboten hat, die Elfen mit ins
Zimmer zu bringen.“ Lucius‘ Stimme verriet ihm, dass Narzissa anscheinend kein
Problem damit hatte, sich in Merlins Frühe mit dem Krankenhauspersonal
anzulegen. „Sie kommt gleich“, schloss Lucius mit eindeutigem Blick. Dann
wandte er den Kopf Richtung Hermine.
„Sie
muss sehr erschöpft sein“, stellte er leise fest. Draco ruckte mit dem Kopf.
Das
nahm er auch an. „Ja, es hat lange gedauert“, bestätigte er. Merlin, wann
wachte Scorpius endlich auf? Fast musste Draco über seine eigene Ungeduld
lächeln.
„Wir
sind so stolz“, sagte Lucius dann. „Und Scorpius ist ein perfekter Name.“
Darüber ließ sich streiten, fand Draco, aber er sagte nichts. „Wirst du sie
fragen?“, fuhr Lucius nahtlos fort, und Draco hob langsam den Blick.
„Was
fragen?“
„Ob
sie dich heiraten will“, antwortete Lucius mit erhobener Augenbraue. Als wäre
es offensichtlich. Als wäre es Allgemeinwissen. Als wäre es, was man tat! Als
wäre es nicht plötzlich ein Schlag aus dem Nichts.
Es
war wie ein seltsamer Schock, der ihn traf. Wie ein Tier, das man unerwartet
nachts im Wald mit dem Lumos anstrahlte.
Draco
spürte, wie er schlucken musste, wie seine Kehle trocken wurde. Er starrte
seinen Vater an. „Ich meine, der Junge heißt ohnehin Malfoy. Und ich gehe wohl
recht in der Annahme, dass ihr beiden vorhabt, zusammen zu sein?“, fuhr er
fort, und Draco spürte, wie ihm heißer wurde, denn es ging seinen Vater nicht
wirklich etwas an, oder? Sah nur er das so? War es nur ihm nicht in den Sinn
gekommen, Granger zu heiraten? Merlin, das wollte er nicht! Erwartete sie das?!
Er war überfordert. Kurz war er von dem kleinen Wunder vor sich abgelenkt.
Und
dann holte sein Vater eine schwarze Samtkiste aus seiner Hosentasche. Er
reichte sie Draco in einer fast lächerlich feierlichen Geste. „Hier. Er gehörte
deiner Urgroßmutter Cecilia. Es sind Kanariendiamanten in einer Fassung aus
weißem Elfengold“, erläuterte zufrieden, ohne dass Draco die Box öffnete. Sein
Vater drückte sie ihm in seine zitternde Hand.
„Vater-“,
begann Draco tonlos, und Lucius sah ihn glücklich an.
„-und
deinen Brief vergessen wir hier und heute einfach, in Ordnung, Draco?“,
unterbrach er ihn väterlich und legte ihm die Hand auf die Schulter. Draco kam
es vor, als wöge die kleine Schachtel in seiner Hand eine Millionen
Kilo und wollte ihn hinab ziehen in ein schwarzes Loch, aus dem er nie mehr
herauskommen würde.
„Lucius-“,
versuchte es Draco erneut, aber dann öffnete sich leise die Tür.
„-Draco!“,
rief seine Mutter flüsternd und kam näher, um ihn zu umarmen. Fest zog sie ihn
in ihre Arme, und Draco glaubte, seit fünfzehn Jahren nicht mehr so von ihr
umarmt worden zu sein. „Wir sind so glücklich!“, fuhr sie tränenschwer fort,
löste sich von ihm und bemerkte die Schachtel in seiner kalten Hand. „Und du
hast den Ring! Ist es nicht ein perfektes Geschenk, was du Hermine machen
kannst? Ich könnte mir kein besseres Geschenk zur Geburt eures Sohnes
vorstellen!“, flüsterte sie überschwänglich, und Draco folgerte daraus, dass es
wohl auch ein Brauch war, der Mutter zur Geburt etwas zu schenken?!
Aber
nicht das! Keinen Ring, Merlin noch mal!
„Meinst
du, wir können Hermine wecken?“, fuhr sie überglücklich fort, und Draco
schüttelte hastig den Kopf, fast ängstlich.
„Ich
– nein. Sie sollte schlafen, sie… sollte sich ausruhen. Hör zu, ich… muss
einmal kurz… ich komme gleich wieder!“, sagte er hastig und verließ mit langen
Schritten das Zimmer, gerade als die Krankenschwester die Tür öffnete, und vier
Teetassen auf einem Tablett balancierte. Draco nahm an, nur seine Mutter war in
der Lage das Personal zu bestechen, damit sie hier bedient wurde. Aber er wich
der Schwester geschickt aus und stand auf dem Flur.
Er
fuhr sich durch die wirren Haare, und hatte keine Ahnung, was er jetzt tun
sollte.
Er
wollte, dass seine Eltern verschwanden, dass sie ihn und Granger in Ruhe
ließen, denn er konnte unmöglich mit seinen Eltern darauf warten, dass sie wach
wurde, nur damit seine Mutter irgendwelche Anspielungen machte, und ihn dann
direkt fragte, warum er Granger keinen Heiratsantrag machte, nur damit Granger
in Tränen ausbrach, weil sie genau das erwartete!
Seine
Füße trugen ihn panisch Richtung Fahrstuhl.
Nein!
Nein, sagte er sich streng. Das wollte Granger ganz bestimmt auch nicht!
Aber…
sie hatte diesen Dermont-Clown doch auch direkt heiraten wollen, oder nicht?
Ja.
Aber den Dermont-Clown hatte sie auch angeblich geliebt, oder nicht?
Oder
nicht?! Draco war verwirrt. Liebte sie ihn?
Im
Fahrstuhl angekommen, lehnte er sich gegen den kühlen polierten Stahl und
schloss die Augen, während seine Finger die kleine Schachtel umkrampften.
Das
war eine weitere Frage, die er noch nicht bereit war, sich selber zu stellen.
Was
sollte er tun?
Er
sollte nicht panisch werden. Das war das erste, was er tun sollte, sagte er
sich, beruhigte sich mit langen Atemzügen und wartete, dass der Fahrstuhl unten
ankam.
Seine
Eltern waren unfassbar unmöglich! Wie konnten sie so etwas ernsthaft erwarten?
Reinblüter waren einfach nur krank!
Raus.
Er wollte raus! Die Sonne schien mit warmen Strahlen durch die magisch
illusionierten Fenster. Er konnte das Parkgelände überblicken, und seine Füße
trugen ihn zu den großen Glastüren auf der anderen Seite der Halle. Er brauchte
frische Luft, er brauchte etwas Bewegung, denn sein Nacken schmerzte wieder
ungemein.
Merlin,
er hasste seine Eltern. Kein Wunder, dass er so war, wie er war!
Und
er hasste sich selber. Wieso hatte er sie nicht einfach konfrontiert? Wieso
hatte er seinen Eltern nicht gesagt, wie dreist er diesen idiotischen Vorschlag
von ihnen fand?
Und
in seinem klaren Moment war er sich sicher, dass Granger ganz bestimmt nicht
vorhatte, einen Heiratsantrag von ihm anzunehmen! Sie waren ja praktisch noch
weit davon entfernt, überhaupt ein Paar zu sein!
Sie
kannten sich überhaupt nicht!
Er
musste sie erst einmal kennenlernen. Wieso hatte er das nicht einfach seinen
Eltern gesagt, anstatt abzuhauen?
Weil
er abhauen noch immer am besten konnte, sagte ihm die kleine Stimme in seinem
Hinterkopf, die er ebenfalls hasste. Sein Mund hatte sich bitter verzogen, als
er die Türen aufstieß, und die warme Sonne auf sein Gesicht hinab schien.
Erst
mal durchatmen. Und dann würde er den Mund aufmachen.
~*~
Fast
war sie nervös. Fast kam sie sich vor, wie bei ihrem ersten Schultag auf
Hogwarts. Sie hatte keine Ahnung, was sie erwartete. Sie war aufgewacht, und
eine Schwester hatte neben ihrem Bett gestanden, über einen Glaskasten gebeugt.
Hermines Herz hatte begonnen schneller zu schlagen.
Die
Schwester hatte ihr erklärt, dass ihr Sohn bereit war, zu trinken.
Hermines
Mund war trocken geworden, und sie hatte sich aufgesetzt. Sie hatte traumlos
geschlafen, hatte vergessen, wo sie war, was gestern passiert war, und sie war
nun umso aufgeregter. Ausgeruhter, aber aufgeregter. Die Schwester informierte
sie beiläufig darüber, dass Lucius und Narzissa hier gewesen waren, aber sie
letztendlich haben schlafen lassen. Sie würden später wiederkommen, und Hermine
bekam zum ersten Mal ihren winzigen Sohn in ihre Arme gedrückt.
Müde
blinzelte er ihr entgegen, und ihr Mund öffnete sich vor Verwunderung.
Er
war da.
Das
war ihr Sohn!
Und
sie hielt ihn im Arm. Es war nicht schwer! Nein, die Schwester hatte ihn ihr gegeben,
und Hermine hielt ihn, als hätte sie nie etwas anderes in ihrem Leben getan.
„Hi“,
flüsterte sie ihm entgegen, vollkommen ehrfürchtig, vor dem kleinen Leben, was
in ihren Armen lag, so völlig hilflos, so leicht und so wunderschön! Seine
Augen waren dunkelblau. Heller Flaum lag auf seinem kleinen Köpfchen, und fast
fand sie unglaublich, wie hell seine Haare waren. Aber seine Augen waren nicht
so hell wie Dracos, stellte sie fest. Liebevoll betrachtete sie ihn, während
sich seine kleinen Hände und Füße unbewusst bewegten.
„Herzlichen
Glückwunsch“, sagte die Schwester nun lächelnd. „Er ist der Star auf der
Station“, bemerkte sie mit einem Zwinkern. „Er ist ein wirklich süßer Junge,
und er hat noch kein einziges Mal geweint“, fuhr sie fort. Hermine lächelte
breiter.
„Dann
bist du wohl zufrieden, hm?“, fragte sie leise.
„Soweit
wir es beurteilen können“, bestätigte die Schwester lächelnd. „Sind Sie bereit,
ihn zu stillen?“, erkundigte sie sich, und Hermine nickte unsicher.
„Ja?“,
erwiderte sie, und die Schwester half ihr, das Oberteil weit genug zu öffnen,
dass sie ihre Brust in die richtige Position bringen konnte. Hermine war zu
aufgeregt. Gespannt beobachtete sie ihren Sohn. Ihre Hand stabilisierte
automatisch seinen kleinen Kopf.
„Dass
Sie aufgeregt sind, ist ein großer Vorteil“, bemerkte die Schwester, als sie
ihr half und Scorpius richtig positionierte. „Es stimuliert den Milchfluss“,
ergänzte sie zuversichtlich, und Hermine presste die Lippen aufeinander, als
sie plötzlich spürte, dass Scorpius die Hilfe annahm, ihre Brustwarze wie von
selbst aufnahm, und reflexartig die Muttermilch schluckte, die wohl tatsächlich
alleine durch seine Anwesenheit aktiviert worden war.
„Oh
mein Gott“, flüsterte Hermine, und ihre Mundwinkel hoben sich weit. „Das ist
das unglaublichste, was ich jemals gefühlt habe!“, beteuerte sie heiser.
„Ja,
nicht wahr“, erwiderte die Schwester lächelnd. „Ich schlage vor, sie stillen
Ihren Sohn, und dann bringe ich Ihnen das Frühstück, Miss Granger“, schloss sie
und ließ Hermine und Scorpius allein.
Merlin,
auf einmal war alles real. Auf einmal hatte sie einen Sohn. Auf einmal war sie
erwachsen, hatte ein Kind und stillte es, wie Generationen von Müttern vor ihr.
Es waren uralte Rituale, uralte Traditionen, die ewig fortleben würde, dachte
sie stumm, voller Ehrfurcht.
„Du
bist unglaublich“, murmelte sie ihrem Sohn zu. Sanft fuhr ihr Daumen über
seinen flaumigen Hinterkopf. Es klopfte sanft an der Tür und sie öffnete sich
auch prompt. Ginny schob den Kopf hinein.
„Entschuldige,
ich konnte nicht länger warten“, entschuldigte sich Ginny und schlüpfte voller
Erwartung durch die Tür. Sie trug den weißen Kittel, die roten Haare hoch in
einem Pferdeschwanz, und mit einem breiten Grinsen kam sie leise näher, um
Scorpius nicht zu erschrecken. „Oh, er trinkt sofort! Das ist wirklich gut!“,
flüsterte sie vergnügt. „Es fühlt sich verrückt an, nicht wahr?“, wollte Ginny
begierig von ihr wissen, und Hermine nickte glücklich.
Vorsichtig
setzte sich Ginny auf die Bettkante. „Ich hoffe, ich störe dich nicht“, sagte
ihre beste Freundin und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Hermine
schüttelte den Kopf, wagte aber nicht, sich zu bewegen.
„Nein“,
sagte sie lächelnd.
„Er
ist wirklich niedlich“, sagte Ginny, und dann hielt Scorpius inne, blinzelte
kurz, und nahm Ginny wahr.
„Er
sieht dich an“, entfuhr es Hermine grinsend. Ginny schüttelte den Kopf.
„Unser
kleiner Freund hier sieht noch gar nichts wirklich an. Weißt du, Babys gewöhnen
sich erst nach einigen Wochen an das, was sie sehen. Was sie sehen, trifft erst
einmal verkehrt herum auf ihre Hornhaut. Das Gehirn brauchte eine Weile, um die
Bilder umzudrehen. Im Moment sieht Scorpius alles über Kopf“, murmelte sie.
„Oh“,
entfuhr es Hermine. „Das muss… verwirrend sein.“ Sie beobachtete Scorpius. Sein
Blick fokussierte noch nicht wirklich. Babys waren faszinierend.
„Und
weiß du was?“, fuhr Ginny zufrieden fort.
„Was?“,
wollte Hermine selig wissen, als Scorpius wieder zu saugen anfing und sich
nicht mehr stören ließ.
„Seine
Augen werden braun“, entgegnete Ginny. Hermines Blick hob sich wieder.
„Was?
Wirklich? Sie sind aber blau“, widersprach sie mit gerunzelter Stirn.
„Ja,
noch. Alle Babyaugen sind blau. Aber ich habe oben bei den Schwestern
nachgefragt. Seine Haare sind blond, aber seine Augen werden in den nächsten
Monaten dunkel werden.“ Hermine konnte nicht anders, als sich darüber zu
freuen.
„Wirklich?
Das finde ich großartig!“, sagte sie, denn dann hatte er etwas von ihr!
„Ja,
freu dich nicht zu früh. Ich habe auch schlechte Nachrichten. Er ist nämlich
gegen Nüsse allergisch“, schloss Ginny mit einem Zwinkern. Hermine nahm an, das
hatte sie auch aus seiner Akte erfahren.
„Oh?“
Hermine blickte hinab auf ihren Sohn. „Der arme. Aber das ist Ron auch, soweit
ich weiß, und er lebt ein ganz angenehmes Leben, auch ohne Nüsse“, fuhr sie
fort, und sie wusste, sie würde gut auf dieses kleine Wesen in ihren Armen Acht
geben.
Ihm
würde niemals etwas zustoßen; das versprach sie ihm und sich selbst heute stumm
und feierlich.
„Das
ist wahr. Zu angenehm“, bestätigte Ginny. „Hast du eigentlich schon mit Malfoy
gesprochen?“, schien Ginny schließlich einzufallen, und ihn hatte Hermine
völlig vergessen, bei all den neuen Eindrücken heute Morgen.
„Nein?“,
erwiderte sie.
„Nicht?
Er hat die ganze Nacht hier verbracht“, erwiderte Ginny verwundert.
„Was?
Wo? Im Mungo?“
„Hier,
in deinem Zimmer. Die Schwestern sagen, er hat auf dem Besucherstuhl
geschlafen.“
Hermine
war schwer beeindruckt. Er war tatsächlich da. Er hielt, was er versprochen
hatte. Wahrscheinlich war er gerade draußen, vertrat sich die Beine,
frühstückte, tat irgendetwas, und saß nicht immer noch hier. Merlin, es war ihr
fast unangenehm, zu denken, dass Draco die ganze Nacht lang neben ihr gesessen
hatte. Aber nur fast.
Und
Ginnys Ausdruck wurde ernster, interessierter. „Und? Was… passiert jetzt
eigentlich mit euch?“ Hermine hob ertappt den Blick, während Scorpius völlig
unbeeindruckt weitertrank.
Ihn
schien die Beziehung zwischen ihr und seinem Vater nicht im Geringsten zu
interessieren.
„Was…
was meinst du?“, mimte Hermine Ahnungslosigkeit, was wohl ein wenig sinnlos
war, bedachte man, dass sie Ginny im Delirium praktisch auf die Nase gebunden
hatte, dass sie mit ihm geschlafen hatte.
Und
Ginny schenkte ihr einen eindeutigen Blick. „Hm, was könnte ich wohl meinen?“,
neckte Ginny sie und zwickte sanft in Scorpius‘ Fuß. „Ich nehme mal an, du
magst ihn?“, vermutete sie jetzt.
„Ich…
ja?“, erwiderte Hermine unsicher, denn sie war sich nicht sicher, was passieren
würde.
„Ist
das eine Frage?“, entgegnete Ginny grinsend.
„Oh
Gott, Ginny, ich… keine Ahnung. Wir haben noch nicht gesprochen seit… den
Wehen“, bemerkte sie mit einem Blick auf Scorpius.
„Ja,
ich verstehe. Ich habe auch erst wilden Sex und ein Kind, ehe ich die Sache
langsam angehe“, bestätigte Ginny spöttisch. Hermine spürte die Röte in den
Wangen deutlich.
„Oh
Ginny, es ist kompliziert“, versuchte Hermine es erneut. „Ich weiß gar nicht,
was er denkt.“
„Er
bleibt die ganze Nacht bei dir“, bemerkte Ginny eindeutig. Ja. Das stimmte.
Und
fast vermisste Hermine seine Anwesenheit. Fast wollte sie, dass er wiederkam.
Dass er seinen Sohn betrachtete, und dass sie einfach alle drei zusammen in
einem Zimmer waren. Vater, Mutter und Kind zusammen. Es war ein epischer
Gedanke.
Und
es war so unfassbar seltsam.
Sie
und Draco. Zusammen. Und gestern hatten sie sich noch geküsst. Ihr Bauch zog
sich angenehm zusammen, beim Gedanken daran.
„Ich…
mag ihn“, flüsterte sie schließlich, mit einem schmalen Lächeln, und Ginnys
Mundwinkel hoben sich.
„Oh
Hermine, das freut mich für dich“, erwiderte Ginny und legte den Arm um sie.
Scorpius drehte den kleinen Kopf angestrengt zur Seite. „Ich glaube, er hat
genug fürs Erste“, bemerkte Ginny. „Zeit für sein erstes Bäuerchen“, schloss
sie aufgeregt, und Hermine sah sich der nächsten Herausforderung gegenüber
gestellt.
~*~
Er
saß draußen an einem der steinernen Tische. Sie waren magisch und konnten zum
Schachspiel aktiviert werden. Es war noch nicht viel los, aber die Sonne stahl
sich immer höher, schickte angenehme Wärme durch seinen Körper, und sein Blick
ruhte versunken auf der Samtschachtel, die vor ihm auf der grau weiß melierten
Steinplatte stand, und einen kurzen Schatten warf.
Er
war noch nicht wieder reingegangen, hatte sich nur seinen trägen Gedanken
hingegeben, und wusste, viel länger würde er nicht mehr hier sitzen können.
Denn
er vermisste ihn. Scorpius.
Und
er vermisste sie. Er vermisste sie tatsächlich, wollte endlich mit ihr reden,
wollte wissen, was sie dachte. Denn heute durfte sie nach Hause gehen. Mit ihm,
fragte er sich dumpf und atmete unschlüssig aus.
Er
wollte bei ihr sein. Er hatte nur keine Lust auf seine Eltern.
Er
blinzelte, denn plötzlich fiel ein Schatten auf die sonnige Steinplatte, und er
hob den Blick gegen die Sonne. War das-?
„Noch
Pläne heute?“, erkundigte sich Potter direkt bei ihm und nahm ihm gegenüber
Platz. Draco spürte, wie sich sein Herzschlag unwillkürlich beschleunigte, als
Potter sich ungefragt die Box griff und öffnete.
Draco
war viel zu verblüfft über die Tatsache, dass sich Potter einfach zu ihm
setzte, einfach mit ihm sprach, als täten sie das! Als hätten sie das jemals
getan! Anerkennend nickte Potter dem Ring zu, schloss die Box wieder und
stellte sie zurück auf die Platte. Draco war überfordert.
„Nett“,
bestätigte Potter dann. „Wahrscheinlich wäre es fair, wenn ich diesen Ring
gegen einen aus einem Schokoladen-Doxy-Ei austauschen würde“, bemerkte er dann,
und Draco runzelte die Stirn. „Oder gegen einen… Tischtennisball?“, ergänzte
Potter mit einem fragenden Blick, und Dracos Mund öffnete sich verblüfft.
„Was?“,
entfuhr es ihm, aber Potter verschränkte die Arme vor der Brust.
„Denkst
du wirklich, ich merke nicht, wenn jemand meinen Schnatz austauscht, Malfoy?“,
erkundigte er sich bei ihm und Dracos Kiefermuskel gab nun tatsächlich nach.
Was…?! Das konnte nicht sein!
„Das…
das…!“, begann er abwehrend, denn er wollte sagen, dass er damit nicht begonnen
hatte, dass er ganz bestimmt nicht…- aber Potter lächelte dann.
„Ich
frage mich aber ehrlich, warum Hermine dich hat laufen lassen“, fuhr Potter
kopfschüttelnd fort. Draco war fast erschüttert. „Ich bin nicht so eingerostet,
wie ihr Reinblüter vielleicht denken mögt“, schloss Potter eindeutig. Dracos
Mund schloss sich wieder, und er schüttelte nur den Kopf.
„Du
bist verrückt“, sagte er dann.
„Ich
bin Harry Potter“, widersprach Potter nur und ruckte mit dem Kopf. Und Draco
fand dieses Gespräch schon jetzt unangenehm. Und gerne würde er, wer auch immer
Potters Schnatz damals gestohlen hatte, diesem Jemand vorhalten, dass er die
Prüfung nicht bestanden hatte, denn Potter hatte es sehr wohl gemerkt! Aber
wahrscheinlich war das mittlerweile relativ nebensächlich. Preston würde
wahrscheinlich alles abstreiten, weil Pansy nichts von solchen Clubs hielt,
wenn sich Draco richtig erinnerte.
Und
Potter wurde ernster. „Glückwunsch zum Sohn“, sagte er dann, und es überraschte
Draco tatsächlich.
„Danke“,
entfuhr es ihm unüberlegt. Aber was sollte er sonst dazu sagen?
„Dann…
bleibst du… bei ihr?“, wollte Potter etwas ungelenk wissen. Draco ruckte mit
dem Kopf. Diese Frage spukte seit Stunden durch seinen Kopf, und die Antwort
war relativ simpel. Wenn sie ihn wollte, dann… würde er nicht anders können.
Denn er konnte schon nicht mal mehr daran denken, das Land zu verlassen. Es
bereitete ihm Schmerzen, wenn er überlegte, wegzugehen. Weg von ihr. Weg von
Scorpius. „Ich meine, einen Ring hast du auch bereits“, kommentierte Potter,
was schmerzhaft offensichtlich war.
„Nicht
meiner“, sagte Draco nur kopfschüttelnd.
„Nicht?“
Und Potters Blick sprach endlose Bände. Potters Worte klangen fast schon
besitzergreifend, denn was musste der Wunderknabe denken? Dass der Wichser, der
verschollen war, Hermine einen Ring hatte geben wollen, und es hatte nicht
funktioniert. Und jetzt fand Potter ihn hier draußen, ebenfalls mit einem
scheiß Ring? Draco entging die Ironie nicht. Ihm entging selten irgendetwas.
Und Potter scheinbar ebenfalls nicht.
Draco
atmete langsam aus. Er wollte dieses Gespräch nicht führen. Nicht mit seinen
Eltern, und erst recht nicht mit Potter. Aber er musste es gar nicht laut
sagen. Scheinbar gingen auch seine unausgesprochenen Gedanken nicht an Potter
vorbei. „Geht mich wahrscheinlich auch nichts an“, bestätigte Potter
schließlich selbst.
Und
Draco nahm an, Potter hatte noch eine ganze Menge mehr zu sagen, aber er schien
davon abzusehen. Er räusperte sich und wechselte konsequent das Thema. „Ich bin
auf dem Weg zu Hermine“, fuhr er fort. Und dann tat Potter etwas sehr
Potter-mäßiges, in dessen Genuss Draco nie angenommen hatte zu kommen.
Aufforderung trat in Potters Blick. „Kommst du mit?“
Draco
hob den Blick.
Richtig.
Hermine gab es wohl nur im Trio, zusammen mit dem Helden und seinem rothaarigen
Sidekick. Er hatte es beinahe verdrängt. Und es verpasste ihm einen sanften
Dämpfer, denn niemals in seinem Leben hätte er damit gerechnet, irgendetwas mit
Potter zu tun zu haben. Kurz fragte er sich, wie unwahrscheinlich es eigentlich
war, dass er darüber nachdachte, sein Leben mit Granger zu verbringen, aber er
war so verrückt, dass ihm das mittlerweile nicht mal mehr so abwegig erschien.
Aber
Potter…?
„Was
wird das?“, wollte Draco ungläubig von ihm wissen. „Freundest du dich gerade
mit mir an?“ Draco konnte nicht verhindern, dass seine Worte mehr als
misstrauisch klangen. Potter verzog den Mund.
„Nein,
sicher nicht“, sagte er dann kopfschüttelnd. „Aber… man wird sich bestimmt ab
und an sehen?“, fuhr er nachdenklich fort, und wahrscheinlich hatte er Recht.
Denn Draco würde Hermine nicht aufgeben, selbst wenn er mit ihr das
Potter-Weasley-Standard-Paket in Kauf nehmen musste.
Und
er atmete aus, erhob sich schweren Herzens und ließ den Ring in seine
Hosentasche gleiten. Denn er konnte nicht mehr warten. Er wollte sie sehen.
Seine kleine Familie.
Seine
Familie. Verrückt. Wie verrückt es war! Auf einmal hatte er eine neue, kleine
Familie! Bisher war er immer der Sohn seiner Eltern gewesen, und auf einmal war
er selber der Vater eines Sohnes. Ob Granger auch schon solche pathetischen
Gedanken durchlebt hatte, fragte er sich, während seine Mundwinkel zuckten. Oh
ja. Er vermisste sie. Die Geburt seines Sohnes hatte daran nichts geändert.
Nein, wahrscheinlich verstärkte es das Gefühl nur um ein tausendfaches, ging
ihm lächelnd auf.
Und
er glaubte, es war das erste Mal, dass er auf gleicher Höhe mit Harry Potter
war. Es war noch einer von diesen ersten Momenten. Momente, die er nie für
möglich gehalten hatte. Und fast fand er es unfassbar nervtötend und so
unglaublich vorhersehbar, dass Potter die ganze Zeit über gewusst hatte, dass
sein Schnatz ausgetauscht gewesen war, dass er am liebsten den Kopf schüttelnd
würde, über so viel Gryffindor-Überheblichkeit.
„Was?“,
kommentierte Potter sein Starren sehr skeptisch, und Draco riss den Blick von
ihm los.
„Nichts“,
erwiderte er gleichmütig. „Gar nichts, Potter“, schloss Draco, aber das Lächeln
wollte nicht von seinen Lippen verschwinden, denn nicht mal die Anwesenheit von
Harry Potter störte ihn tatsächlich. Und war das nicht seltsam?
„That is what learning is.
You suddenly understand something
you've understood all your life,
but in a new way.“
Doris
Lessing
Er
schluckte schwer, als Potter ihm den Vortritt ließ, an ihre Tür zu klopfen. Es
kam ihm vor, als wäre er Jahre draußen gewesen. Sein Mund war unglaublich
trocken, und seine Finger zitterten fast. Nur fast.
Er
klopfte einmal der Höflichkeit halber und öffnete dann ihre Tür.
Und
sein Kiefermuskel gab nach, als er sie sah. Sie saß aufrecht im weißen Bett,
ihr Baby im Arm, und er sah, wie sich die kleinen Hände und Füße unkontrolliert
bewegten. Vorsichtig, als könnte jede schnelle Bewegung, jedes zu laute
Geräusch, diesen Anblick zerstören, kam er näher, ohne Potter noch weiter zu
beachten. Er bemerkte, ihr Blick glitt kurz über Potters Gestalt, und ihre
Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, aber dann galt ihr Blick ihm.
Und
sie wirkte nicht halb so nervös, wie er sich fühlte.
„Hey“,
flüsterte Draco, als er neben ihrem Bett zum Halten kam.
„Hey“,
erwiderte sie die Begrüßung. Und wie von selbst setzte er sich zu ihr an die
Bettkante. Sein Blick fiel auf das winzige Geschöpf in ihren Armen. Wachsame
Augen blickten ihn an. Seine Augen waren groß und offen und sehr dunkelblau.
Goldener Flaum lag auf seinem Kopf, und Draco konnte nur starren. Sein Blick
verfing sich an den kleinen Finger, die sich dehnten und zusammenrollten. Er
hob seinen Finger, um die Finger des Babys zu berühren, und sein Herz machte
einen Satz, als der Junge seine winzigen Finger erstaunlich fest um seinen
Zeigefinger legte.
Übergangslos
musste er lächeln.
„Er
ist wach“, flüsterte er dann, obwohl es offensichtlich war.
„Er
hat gegessen und ist jetzt wach“, bestätigte sie neben ihm. „Willst du ihn
halten?“, fragte sie jetzt aufgeregter, und er schluckte erneut.
„Ich
weiß nicht“, erwiderte er überfordert, aber sie hob den Jungen bereits an, der
gespannt sein Umfeld zu beobachten schien, und Dracos Arme hoben sich
ungeschickt, und er ließ sie den Jungen in seinen Armen positionieren, so dass
er ihn nur Halten musste.
„Stütz
seinen Nacken ab“, ergänzte Granger dann lächelnd, und Draco tat mechanisch,
wie ihm geheißen.
„Er
ist so leicht“, entkam es ihm überrascht. „Wird er noch größer?“, sprach sein
Mund idiotische Worte.
„Nein,
er bleibt so winzig“, kommentierte sie mit einem feinen Lächeln seine dummen
Worte. Und es war ihm egal. Er lächelte sogar.
„Wow“,
sagte er kopfschüttelnd und konnte sich nicht sattsehen.
„Glückwunsch“,
mischte sich Potter nun ins Gespräch ein, kam zum Bett und umarmte sie fest.
Oh.
Das wäre etwas, was Draco hätte tun können, schoss es in seinen Kopf. Merlin,
Potter und Granger fiel es so leicht, belanglose Zuneigungen auszutauschen.
Draco konnte kaum seinen eigenen Sohn halten.
Seinen
Sohn….
„Was
sind die Pläne?“, wollte Potter dann wissen, und als wäre es kinderleicht, strich
seine Hand über den weichen Kopf des Babys. „Hey, Kleiner! Ich bin dein Onkel
Harry“, stellte er sich vor, und dem Baby stand der Mund leicht offen, während
es sachte mit den Beinen in Dracos Griff strampelte. Es schien ihm zu gefallen,
gehalten zu werden.
„Pläne?“,
ging Granger auf Potters Frage ein.
„Geht
ihr… nach Hause? Willst du zu uns?“, wagte er zu fragen, und Draco hob den
Blick zum ersten Mal von seinem Sohn, um Potter anzusehen.
Und
er sagte Worte, die sich wohl einfacher sagen ließen, als dass man sie wirklich
überdenken konnten.
„Wir
gehen nach Hause.“
Und
so sah Granger ihn auch an. Denn kaum hatte er die Worte voller Ernsthaftigkeit
ausgesprochen, ging ihm auch übergangslos die Tragweite dieser Worte auf. Sie
gingen nach Hause? Allein? Mit einem Kind?
Und
das war es wohl. So war es jetzt. Und unsicher wandte Granger den Blick zurück
auf Potter, dem die Skepsis ins Gesicht geschrieben stand.
„Äh…
wir gehen… wohl nach Hause?“, wiederholte sie.
Und
es lag so viel in ihrem Blick, aber größtenteils wohl Angst und stumme
Erwartung. Er ging mit Granger nach Hause.
„Ok“,
bemerkte Potter langsam. „Dann lasst uns wissen, wenn ihr irgendetwas braucht“,
schloss er.
Was
sollten sie schon brauchen, dachte Draco fast ein wenig genervt. Was sollte
Potter schon haben, was sie unbedingt brauchten?
~*~
Die
Gurte der Taschen schnitten bereits Schwielen in seine Hände. Endlich waren sie
angekommen. Granger hatte den Jungen auf dem Arm, während er Taschen schleppte,
mit Dingen, die anscheinend überlebenswichtig waren und die Ginny Potter ihnen
praktisch aufgezwungen hatte.
Das
und dreitausend Windeln, wie er festgestellt hatte. Zumindest kam es ihm so
vor.
Und
gemächlich öffnete sie die Tür zu ihrem Haus, in das er erst kürzlich die Elfen
geschickt hatte, um das Zimmer leer zu räumen. Es war unangenehm, keine Frage,
und sie hatten wenig bis gar nicht gesprochen, was auch nicht nötig gewesen
war, denn das Baby hatte geschlafen, und sie hatten es nicht wecken wollen.
Und
sie betraten das Haus. Sie lief an seinem Zimmer vorbei, ohne ihm Beachtung zu
schenken. Draco folgte ihr, und sein Blick überflog das leere Zimmer knapp, ehe
sie die Treppe nach oben gingen, in das neue Kinderzimmer.
Und
dort konnte er endlich die vielen Taschen fallen lassen. Erschöpft lehnte er
sich ächzend an die Wand, und sie schoss ihm tatsächlich einen mahnenden Blick
zu, denn das Baby schlief noch immer seelenruhig auf ihrem Arm.
Aber
sie maßregelte ihn nicht, wie er es fast erwartet hatte.
„Kommst
du zurecht?“, flüsterte sie schließlich, und seine Stirn runzelte sich. Aber
sie fuhr fort, ehe er eine Frage stellen konnte. „Er schläft, und… und wenn das
Baby schläft, dann hätte ich Zeit, um zu duschen oder… oder ein Bad zu
nehmen?“, brachte sie ein wenig beschämt hervor. Und Draco begriff.
„Oh-
klar“, entkam es ihm, überfordert, und kurz ärgerte er sich, dass er es nicht
angeboten hatte, dass er… keine Ahnung hatte, wie man sich verhalten musste.
„Du kannst…- geh ruhig“, schloss er lahm, denn er wusste nichts Besseres zu
sagen. Sie legte den schlafenden Jungen in das hübsche Kinderbettchen mit dem
hohen Gitter und verließ dann mit einem schmalen Lächeln das Zimmer.
Etwas
unbeholfen stand er nun im Raum. Was tat er jetzt?
Er
hörte, wie sie im Schlafzimmer einige Schubladen aufzog und einige Sekunden
später im Badezimmer verschwand.
Baden.
Wie lange dauerte ein Bad, fragte er sich, während er hörte, wie sie die Hähne
in der Wanne aufzudrehen schien. Was tat er, wenn er aufwachen würde? Wie lange
schlief ein Baby am Stück? Eine halbe Stunde? Eine Stunde? Er wusste es nicht.
Und dann was? Dann klopfte er wie ein Idiot an ihre Tür und verlangte, dass sie
aus der Wanne kam, nachdem sie stundenlang Wehen hatte ertragen müssen, um sein
Kind zur Welt zu bringen? Nein. Das klang noch egoistischer, als zu überlegen,
seine Mutter zu holen.
Ein
wenig ängstlich lugte er auf den Zehenspitzen in das Kinderbett. Dann vergrub
er die Hände in den Taschen seiner Stoffhose und wartete. Er lauschte ihren
Geräuschen nebenan, hörte Wasserplätschern, und dann sanftes Tröpfeln, als sie
die Hähne zudrehte.
Stille
trat ein, denn sie schien nun in der Wanne zu liegen und zu entspannen.
Unschlüssig
setzte er sich auf den Schaukelstuhl im Zimmer und wartete nur auf das leiseste
Geräusch seines Sohnes, bereit, aufzuspringen.
Aber
es passierte gar nichts. Das Baby schlief. Ab und an hörte er wie sie sich in
der Wanne bewegte, wie ihre Haut die Emaille berührte.
Er
angelte sich einen der Ratgeber aus Ginny Potters Taschen und überflog mit
geschürzten Lippen ein Kapitel über Muttermilch. Er fand das Konzept ein wenig
eklig, aber er würde es Granger nicht laut ins Gesicht sagen. Er konnte es sich
einfach nur nicht vorstellen. Als Mann. Er blätterte weiter, überflog das
nächste Kapitel, bis er mit Schrecken las, wann und wie viele Zähne Babys
bekamen, und wie man die schlaflosen Nächte bekämpfen konnte.
Sein
Blick hob sich langsam, aber sein Sohn schlief noch immer tief und fest.
Kapitel
um Kapitel las er mit mehr oder weniger Interesse, immer noch äußerst
angespannt.
War
sie eingeschlafen, fragte er sich schließlich, eine halbe Stunde später,
nachdem er kein weiteres Geräusch gehört hatte. Das war doch gefährlich, oder-
-er
bewegte sich!
Draco
war mit einem Ruck aus dem Schaukelstuhl aufgesprungen und schlich sich an das
Kinderbett. Merlin, er war wach!
Unruhig
strampelte der Junge mit Armen und Beinen, und schien nicht mehr völlig
gelassen zu sein. Sein kleiner Mund verzog sich und er machte winzige Geräusche
des Unmuts.
Ok.
Und jetzt?
Er
wandte sich ab, um ein weiteres Buch aus der Tasche zu holen, welches mit
‚Früher Stillzeit‘ betitelt war, und wo einem die Autorin alle Nase nach
vorschlug, das Kind auf den Arm zu nehmen und frühen Kontakt aufzubauen.
Auf
den Arm nehmen.
Draco
warf das Buch geöffnet auf den Schaukelstuhl.
Ok.
Er
krempelte sich die Ärmel des Pullovers hoch. Auf den Arm nehmen konnte er ihn
wohl.
Seine
Atmung ging flacher, angespannter, als er sich über das Bettchen beugte und von
dem Jungen unfokussiert wahrgenommen wurde. Langsam griff er in das Bett,
umfasste den winzigen Körper mit schlanken, vorsichtigen Fingern, darauf
bedacht, den Nacken abzustützen, als er ihn hochhob, und mit angehaltenem Atem
hob er ihn höher, bis er ihn einen halben Meter von sich gestreckt halten
konnte.
Der
Junge verstummte abrupt, blickte blinzelnd um sich, und Draco ließ die
angehaltene Luft angespannt seinen Lungen entweichen.
„Und
jetzt?“, murmelte er dem Jungen zu, der nicht antwortete.
Und
seine Nase kräuselte sich kurz. Was… war das? Es roch wie….-
-oh
nein!
Ernsthaft
jetzt?! War es schon so weit, das zu tun?
Fast
ein wenig angewidert trug er den Jungen zu dem nagelneuen Wickeltisch und legte
ihn vorsichtig ab. Jetzt strampelte der Junge wieder, machte unwillige
Geräusche, und Draco wandte sich blitzschnell um, fixierte das Baby immer noch
aus den Augenwinkeln und griff sich eine verschlossene Windel aus einer
weiteren Tasche. Er riss die Packung auf, und viele winzige Stoffquadrate
stoben in alle Richtungen.
Und
leider stand keine Anleitung auf der Verpackung, stellte er entnervt fest. Es
konnte nicht schwer sein, sagte er sich bloß. Es ging hier nicht um einen
basiskomplexen Doppelfluch, es ging lediglich um Stoffwechselendprodukte.
Er
legte die Windel neben das Baby und begann, die winzigen Knöpfe des Stramplers
zu öffnen. Es war ein Kraftakt, denn sein Sohn wehrte sich so gut er konnte,
und Draco war nass geschwitzt, als er den Jungen aus dem Strampler geschält
hatte. Nie mehr würde er ihm dieses Ding anziehen!
Und
mit gerunzelter Stirn begutachtete er, wie die Windel gewickelt war, die der
Junge jetzt gerade trug. Kompliziert, war alles, was er dachte. Aber machbar.
Wieder
wandte er sich blitzschnell um, um das Wickelbuch aus der anderen Tasche zu
ziehen. Er kehrte hastig zurück, und mit einer Hand, hielt er das Baby
vorsichtig auf dem Wickeltisch, während er mit der anderen unwirsch und
ungelenk blätterte.
„Alte
Windel wegwerfen“, las er langsam. „Ok“, fuhr er bestätigend fort, legte das
Buch neben die neue Windel und öffnete mit spitzen Fingern die Klebestreifen an
den Seiten. Kein Problem.
Merlin!
Der
Geruch, der ihm entgegenschlug war unfassbar widerlich. Sofort hielt er sich
die Nase zu, als er kurzerhand die Füße des Babys in die Höhe hob, um das
stinkende Stück Stoff zusammenknüllen zu können. Mit angehaltenem Atem ließ er
seine Nase los und knüllte die alte Windel zusammen und sah sich um.
Wohin?
Wohin damit?!
Er
hatte nur eine Möglichkeit. Er legte sie auf den Boden und kickte sie mit dem
Fuß soweit, dass sie aus dem Kinderzimmer rutschte und mitten im Flur liegen
blieb. Immerhin hielt sie der Klebeverschluss verschlossen.
Gut.
Gefahr gebannt, sagte er sich. Der Junge strampelte nun nackt vor ihm.
Wow.
Der Penis war winzig, war, was er als nächstes dachte. Wirklich winzig! Er
hoffte, er würde noch wachsen. Wirklich!
Er
griff sich das Buch. Sauber machen. Mit feuchten Tüchern. Mit dem Fuß zog er die
Kiste mit den übrigen Windeln näher, um eine Packung mit Magischen Maxi
Feuchttüchern zu finden. Zornig brach er fast den Deckel ab, weil das dämliche
Ding sich nicht öffnen ließ und zerrte gleich drei riesige Feuchttücher raus.
Ungelenk
wischte er über den Po des Jungen, die Beine hinab, nur um sicher zu gehen, und
spähte dann wieder ins Buch, was aufgeschlagen am Rand des Tisches lehnte.
„Pudern
und das Geschlechtsorgan nach unten positionieren, um Nässe zu vermeiden.“ Er
las den Satz mit gerunzelter Stirn erneut. Den Puder hatte er schnell gefunden
und schüttelte die Dose, bis der Po seines Sohnes mit einer weißen Schicht
bedeckt war. „Ok?“, kommentierte er sein bisheriges Werk, während er den Jungen
immer noch an den Füßen nach oben hielt. Sanfter Puderstaub stob durch die
Luft.
„Geschlechtsorgan
nach unten…“, fuhr er dann fort, legte die Beine des
Jungen ab, und betrachtete sich das Geschlechtsorgan. Erst mal musste er
überlegen, wie man eine Windel band. Er zog das Stück Stoff auseinander. Seufzend
schob er es mehr schlecht als recht unter den Babykörper. Hier ein Stück
dazwischen, da die Beine drüber, und… es hielt nicht.
Ärgerlich
wiederholte er es, löste die magischen Klebepunkte, und der Kleber aktivierte
sich, breitete sich aus, und er drückte die Seiten nach unten.
Es
sah in Ordnung aus, überlegte er, und legte die Hände wieder unter seinen Sohn,
um ihn hochzuheben. Langsam rutschte die Windel, und er atmete gereizt aus,
während er das Baby wieder ablegen musste. Gereizt zog er seinen Zauberstab aus
seinem Gürtel und versetzte der Windel einen stummen Klebespruch, klebte die
gesamte obere Hälfte zusammen, während er still fluchte, wann immer sich das
Baby bewegte.
„Ha!“,
rief er triumphierend aus, nachdem er ihn erneut hochgehoben hatte und gar
nichts mehr locker war. „Oh“, schloss er, als ihm aufging, dass er die Windel
am Babybauch festgeklebt hatte.
„Du
kommst zurecht?“, riss sie ihn spöttisch aus seiner Panik, und erschrocken hob
er den Blick zum Türrahmen. Sie stand dort, die alte Windel in der Hand und
einen eindeutig ungläubigen Blick auf den Zügen.
Sie
kam ins Zimmer, zog eine Art Wäschekorb hervor und klappte den Deckel hoch.
„Für die alten Windeln“, erläuterte sie eindeutig, ließ das widerliche Etwas
fallen, und der Deckel schnappte sofort luftdicht zu. Sie kam näher und nahm
ihm wortlos das Baby ab, um es auf den Wickeltisch zu legen. Sie duftete nach
Sommer und Blüten, während er bemerkte, dass sie nur einen kurzen Bademantel
trug. Tropfen hingen in ihren Haarspitzen, die in einem hohen Zopf steckten,
während sich feine Strähnen in ihre Stirn lockten.
Gebannt
sah er ihr zu, während sie seinen Zauberstab nahm, um den Klebezauber zu lösen.
Sie warf die völlig zerstörte Windel zur Seite, griff sich eine neue vom Stapel
auf dem Boden und blickte tatsächlich ebenfalls in das Buch, das er auch zur
Hilfe genommen hatte.
„Was
hattest du vor? Wolltest du ihn backen?“, wollte sie knapp wissen, als der
Puder in Schwaden von dem Babykörper fiel, aber er antwortete gar nicht, sah
ihr bloß zu. Und sie las tatsächlich die Anweisungen, positionierte den
größeren Teil der Windel unter dem Baby, klappte die Laschen geviertelt um,
klebte hier, klebte da, und als wäre es einfach, hielt die dämliche Windel, wie
festgeklebt.
„Wie
hast du das gemacht?“, entfuhr es ihm, während sie dem Baby auch noch den
Strampler ohne Probleme wieder anzog.
„Wie
es die Anleitung beschreibt“, erklärte sie so absolut Gryffindor, dass er den
Mund verzog.
„So
was funktioniert nicht nach Anleitung“, beschwerte er sich halb beleidigt bei
ihr, aber sie schenkte ihm einen nachsichtigen Blick.
„Anscheinend
schon“, bemerkte sie knapp, als sie den zufriedenen Jungen wieder auf den Arm
hob. „Du bist voller Puder“, informierte sie ihn dann, und ihre Mundwinkel
zuckten.
Sein
Blick fiel auf seinen Pullover, und ja, sie hatte recht.
Er sah tatsächlich aus, als hätte er gebacken. Er wusste nicht, woher sie all
das konnte, und er weigerte sich zu glauben, dass man tatsächlich alles nach
Anleitung lernen konnte. Sollte man zumindest nicht!
„Und
danke“, ergänzte sie dann stiller. „Dass du… aufgepasst hast.“ Es war wieder
ein unangenehmer Moment.
„Kein
Problem. War… war dein Bad entspannend?“, wollte er dann wissen, obwohl es ganz
danach aussah.
„Sehr“,
bestätigte sie lächelnd. Und erst jetzt fiel ihm auf, wie viel dünner sie war.
Sie war regelrecht schlank, und er hatte es kaum mehr in Erinnerung, wie sie
ausgesehen hatte, wenn sie nicht schwanger war. Aber… sie sah gut aus. „Kannst
du ihn nehmen, dann… ziehe ich mich an.“
Und
immer noch ungeschickt nahm er ihr das Baby ab. „Gleich muss ich ihn stillen“,
informierte sie ihn, als sie sich abgewandt hatte. Ok. Also hatte dieses Baby
alle zwei Stunden Hunger? Wievielmal musste man es dann wickeln? Ihm schwirrte
bereits jetzt schon der Kopf.
Sanft
strampelte der Junge in seinem Arm, und Draco gefiel, dass der Junge sich an
ihn gewöhnte. Dass er nicht weinte, dass er sich nicht unwohl fühlte. Es war
nett.
Nach
einer Minute kam sie wieder, und jetzt konnte er ihre Figur wirklich erkennen.
Um den Bauch herum war sie noch ein wenig runder, aber das war wohl nur
natürlich nach der Geburt, aber sie war wieder schlank. Sie trug eine Jeans und
eine relativ enges, helles Oberteil. Es war sehr weit ausgeschnitten, hatte
einen lockeren, tiefen Kragen, und ihm ging auf, dass sie keinen BH trug.
Natürlich nicht.
„Soll
ich… gehen?“, entfuhr es ihm peinlich berührt, als sie ihm den Jungen abnahm,
um sich auf den Schaukelstuhl zu setzen, nachdem sie das Buch, was er dort
hingeworfen hatte, zur Seite gelegt hatte.
„Nein,
du… musst nicht… gehen“, entschied sie zu sagen. Und er sah überall hin, nur
nicht auf ihren Ausschnitt, als sie ihre Brust befreite. Aber selbst aus den
Augenwinkeln sah er, wie groß ihre Brust wirkte. Er wusste, schwangere Frauen
hatten größere Brüste wegen der Milch, aber – Merlin! Er sah es selbst aus den
Augenwinkeln. Er war ein Schwein.
„Er
trinkt“, informierte sie ihn irgendwann mit sanfter Stimme, und sein Blick fiel
automatisch wieder auf seinen Sohn, der Grangers Brustwarze scheinbar gefunden
hatte. Merlin, sie war beim besten Willen nicht mehr zu übersehen gewesen,
dachte er dumpf. Unbewusst kam er näher. Und er konnte nicht anders, als zu
denken, dass es ein schönes Bild abgab, wie Granger seinen Sohn stillte. Er
spürte, wie sich seine Mundwinkel hoben. „Was?“, wollte sie misstrauisch
wissen.
„Du
bist wunderschön“, erwiderte er, ohne nachzudenken, ehe er sich beschämt
räusperte. „Also… ich meine, es ist…- das hier ist so…- das ist wunderschön.
Wie du… wie du ihn-“
„-danke“,
unterbrach sie lächelnd sein Gestammel, und er würde am liebsten einen
Kopfsprung in den Windeleimer machen. Merlin, er war so ein Idiot! „Ich lege
ihn gleich hin. Wenn du willst, könnten wir… was essen?“, schlug sie vor.
„Meine Mutter hat mir gesagt, sie hat Auflauf in den Kühlschrank gestellt. Ich
könnte ihn im Ofen aufwärmen?“
Er
nickte wie betäubt. Ok. Essen klang gut. Es klang nach einem Plan. Es klang
fast wie… ein Date? Alleine mit ihr essen? Es war ein dummer Gedanke, aber… es
kam ihm so vor.
Sie
würde reden wollen. Ganz bestimmt. Es gab so viel zu reden. Merlin, er hatte
keine Ahnung, wo er beginnen sollte. Und er hatte fast schon Angst vor ihren
Worten. Draco Malfoy war ernsthaft nervös.
„It is our choices, Harry,
that show wat we truly are,
far more than our abilities.“
J.K.
Rowling – Chamber of Secrets
Versonnen
und versunken stand Pansy vor dem Kinderbett, in dem ihr Sohn ruhig schlief.
Sie hatte sich zwar heute so sehr mit Preston gestritten, dass sie drauf und
dran gewesen war, ihn aus ihrem Leben zu verbannen, aber beim Anblick ihres
Sohnes hatte sie all den Streit vergessen.
Zumindest
bereitete es ihr kein schlechtes Gefühl mehr. Es klopfte an die Tür des
Kinderzimmers. „Pansy?“, vernahm sie Prestons Stimme, und sie hörte noch immer,
wie gereizt er klang. Er öffnete, nachdem sie nichts erwidert hatte, denn sie
wollte ihren Sohn nicht wecken. Sie wollte William nicht wecken.
Er
steckte den Kopf durch den Türspalt, vielleicht ein wenig ängstlich, vielleicht
bedacht darauf, dass sie irgendeinen scharfen Gegenstand nach ihm schleudern
konnte. Sie hatte vorhin im Wohnzimmer daran gedacht, aber sie hatte es nicht
getan. Das zählte, dachte sie dumpf.
Und
Preston schwieg, als er sah, dass William schlief. Er kam ins Zimmer, wieder
etwas mutiger.
„Du
willst nicht mal darüber nachdenken?“, flüsterte er jetzt neben ihr, und Pansy
blickte stur hinab auf ihren wunderschönen Jungen. Er wirkte so erschöpft. Aber
sie nahm an, die Geburt war für ihn genauso anstrengend gewesen, wie für sie.
Auch wenn die Magie alle äußeren Anstrengungen geheilt hatte, war sie wirklich
erschöpft.
„Nein“,
gab sie ihm deutlich zu verstehen, ohne ihn anzusehen.
Es
ging seit Stunden um dasselbe Thema. Preston wollte, dass sie aus ihrer
‚winzigen Wohnung‘, wie er ihr Apartment nannte, auszog, um in sein Haus zu
ziehen. Mit all ihren Sachen und mit ihrem Kind.
„Warum
nicht?“, gab er keine Ruhe, und sie spürte, wie angespannt er war. Der hübsche
Vater ihres hübschen Sohnes verstand nicht, warum sie es nicht konnte. Warum
sie keinem vertraute, warum sie keinen so großen Schritt machen wollte, so früh
in ihrer zerbrechlichen Beziehung. „Worauf wartest du?“, zischte er
verständnislos.
„Ich
habe gesagt, ich will darüber nicht mehr sprechen, Preston“, fertigte sie ihn
ab, ohne ihn anzusehen.
„Wir
müssen darüber sprechen.“
„Warum?“,
wollte sie wissen, und es fiel ihr schwer, leise zu flüstern, bei seiner
Verbohrtheit.
„Weil
wir so nicht leben können!“, knurrte er fast. „Hier ist kein Platz für mich.“
Und
sie schwieg, in Gedanken versunken. „Willst du keinen Platz für mich machen,
Pansy?“, fragte er sie, und sie hatte festgestellt, dass ihre Gefühle, die so
heiß gebrannt hatten, auf eine kleine Flamme zurückgegangen waren. So waren
Slytherins. So war sie eben, stellte sie fest. In einer Notsituation klammerte
sie sich an Preston, wusste, wie sehr sie ihn brauchte, aber… nachdem die Krise
überstanden war, wusste sie nicht mehr zu schätzen, was sie an ihm hatte. Sie
war stur, sie wusste es ja. „Pansy?“, wiederholte er mit Nachdruck ihren Namen.
Endlich sah sie ihn an. Aber sie sagte nichts. Wusste nicht, was sie sagen
konnte, ohne zu viel zu sagen.
Er
atmete gepresst aus. Und sie tat es ihm gleich, ehe sie antwortete.
„Ich
weiß nicht, ob wir füreinander geschaffen sind, Preston. Ich weiß nicht, wie
lange du es aushältst oder ich! Ich weiß nicht, ob ich Hals über Kopf diese
Entscheidung treffen kann, weil ich einen Sohn habe, um den ich mich kümmern
muss.“
Preston
sah sie so offen verletzt an, als hätte sie ihn geschlagen. Als wären ihre
Worte wirklich so furchtbar verletzend.
„Und
was willst du, dass ich jetzt tue?“, fragte er sie tatsächlich fast ruhig. Kurz
blinzelte sie verblüfft. War es nicht offensichtlich, was man dann tat? Man
schrie! Man stritt sich! Man stürmte aus dem Zimmer. Sie und Draco hatten
eintausend Streits gehabt, und so lief es doch! Man fand keinen gemeinsamen
Nenner, keiner gab nach, und man blieb alleine zurück, nicht willig, von seinem
Standpunkt abzurücken. Das kannte Pansy. Damit konnte sie umgehen. Das hatte
sie gelernt. Ehe man seine Ängste teilte, verteidigte man lieber bis aufs Blut
einen dämlichen Standpunkt, nur um sich keine Blöße geben zu müssen.
Verstand
Preston denn nicht?! Er war doch ein Reinblut!
„Du
könntest schreien und gehen?“, schlug sie ihm eindeutig vor. Aber er sah sie
ernst an. Dann schüttelte er den Kopf über sie. Ihre Augen weiteten sich fast
ein wenig gekränkt.
„Werd
erwachsen, Pansy“, sagte er lediglich. Und dann schenkte er ihr ein Lächeln.
Sie war so verblüfft, dass sich ihr Mund leicht öffnete, als er sich vorlehnte
und sanft ihre Lippen küsste. Und plötzlich brannte wieder neues Verlangen in
ihr, aber sie hielt sich zurück, ihn an sich zu ziehen. Denn das würde ihren
Standpunkt garantiert nicht festigen! Und schon war er zurückgewichen, ließ sie
mit der brennenden Lust nach mehr einfach zurück.
„Du
weißt, wo du mich findest“, schloss er mit einem eindeutigen Blick und wandte
sich ab.
Was?!
Er
ging?! War das sein Ernst? Jetzt ging er? Jetzt?!
Und
was sollte das heißen? Na ja, sie wusste, was es hieß, aber… - super.
Jetzt
sollte sie diese Entscheidung treffen, als wüsste er, was bereits die richtige
Antwort war!
Bei
ihm einzuziehen war nicht die beste Lösung! Ja, ihr Apartment war klein. Und
ja, sie wollte bei ihm sein. Und er würde ein Vater für William sein und sie
wäre nicht allein.
Aber
dann wäre es ernst! Dann wäre es fest abgemacht.
Und
sie könnte nicht…- was? Sie könnte dann nicht mehr… weglaufen?
Manchmal
reflektierte Pansy sich selbst. Selten, äußerst selten, denn wenn sie es
wirklich tat, dann kam sie zu dem Schluss, dass sie ziemlich verkorkst war. Von
oben bis unten. Innen wie außen. Anstatt mit Draco zu reden hatte sie die
Sperma-Aktion gewagt, hatte es einfach in die Hand genommen. Und es war
symptomatisch, nahm sie an. Bevor sie den Schritt wagte und Preston vertraute,
ihrem Sohn eine sichere Umgebung bot, hielt sie sich lieber alle möglichen
Fluchtwege offen.
Sie
war gestört.
Ihr
Sohn zuckte unruhig im Schlaf.
Es
war nicht leicht, Pansy Parkinson zu sein. Es war überhaupt nicht leicht,
stellte sie immer wieder fest. Und wie sollte sie nun vor Preston stehen, ohne
so auszusehen, als hätte sie nachgegeben? Als hätte er gewonnen? Vielleicht
würde sie in Erwägung ziehen, bei ihm zu wohnen, wenn er damit drohte,
tatsächlich zu gehen. Aber sie wollte nicht, dass er glaubte, sie würde es tun,
weil er es wollte!
Würde
sie Hermine ihre Gedankengänge erzählen, nahm sie an, Hermine würde ihr klar
machen, dass sie nicht mehr alle Latten am Zaun hatte.
Aber
es hatte mit Stolz zu tun.
Und
Pansy hatte eine Idee, wie sie ihren Stolz nicht verlieren konnte.
Alles,
was sie wollte, war, dass Preston nur noch einmal bettelte. Sie hätte schon
irgendwann ja gesagt, Merlin noch mal! Sie wollte umworben werden. Sie würde
nachhelfen.
Sie
würde Ginny Potter noch einmal fragen müssen, wann man wieder Sex haben
durfte….
Sie
würde überzeugende Hilfsmittel brauchen, um Preston dazu zu bekommen, zu
betteln.
~*~
Es
war das schlimmste Date in der Geschichte aller Dates, stellte sie mit flauem
Gefühl im Magen fest. Der Auflauf ihrer Mutter schmeckte in Stille bei weitem
nicht so gut wie sonst.
Jeder
Bissen würgte sie in ihrer Kehle, denn keiner von ihnen sprach. Das Geräusch der
Gabeln auf ihren Tellern war das einzige Geräusch – neben dem statischen Summen
ihres Zauberstabs, der aus dem Tresen lag, und die Geräusche ihres Sohnes
übertragen würde, sollte er wach werden und weinen.
Und
es war nicht so, dass es nichts zu reden geben würde! Sie hatte Fragen. Sie
hatte tausend Fragen. Mehr noch. Blieb er jetzt bei ihr? Für wie lange? Und wo
standen sie jetzt? Waren sie… zusammen? Oder… probierten sie nur, Eltern zu
sein? War nicht einfach zu viel vorgefallen? Sie hatte Angst, den Mund
aufzumachen. Denn sie befürchtete, sich nur wieder mit ihm zu streiten, so wie
sie sich immer stritten, wenn nur einer von ihnen den Mund aufmachte.
Und
sie wollte so dringend, dass er sprach. Keine bösen Worte. Einfach nur…
irgendwas.
Er
sollte einfach... anfangen.
Sie
würde ihm nicht den Kopf abbeißen. Wahrscheinlich nicht.
Aber
sie aßen stumm. Und ihm schien alles genauso unangenehm zu sein. Es war alles,
aber nicht vertraut, stellte sie fest. Es gab so viele Dinge, die sie von ihm
nicht wusste. Es gab so vieles, was zwischen ihnen stand, seine Eltern mal
außen vor gelassen! Und das war schon ein großes Hindernis. Sie verstand sich
weder mit Lucius, noch mit Narzissa wirklich gut.
Sie
hatte davon gehört, dass man sich mit den Schwiegereltern nie verstand – und es
waren nicht mal ihre Schwiegereltern! Aber… würden sie es sein? Würde es…
soweit kommen?
Was
hatte er vor? Und je länger Hermine nachdachte, umso mehr kam sie sich schon
wie Pansy vor. Wie sie ihn musterte! Als hätte er eine ungewöhnliche Macht,
gegen die sie nicht ankäme. Es war nur Malfoy. Sie hatte ihn erlebt! Er war
arrogant und verzogen, und eigentlich nichts, wovor man Angst haben müssten.
Und
vielleicht war es so.
Vielleicht
ging der Einstieg nicht sanft, nicht geplant und behutsam. Vorsichtig, wie sie
es gerne hätte. Vielleicht lief es bei ihm einfach nicht so.
Und
so hatten sie sich auch nicht kennengelernt! Nein. Sie hatte ihn mit erhobenem
Zauberstab gestellt, als er irgendeine Dummheit begangen hatte.
Und
sie legte die Gabel zur Seite. Mehr schaffte sie einfach nicht, von dem
unangenehmen Auflauf. Ihr Rücken streckte sich automatisch durch. Sie hatte es
oben schon gemerkt. Höflich miteinander umzugehen war einfach… keine Option.
Zumindest jetzt gerade noch nicht. Denn er schien es nicht zu begreifen, schien
es überhaupt nicht von ihr zu kennen. Wenn sie nachdachte, dann kannte er sie
wirklich nur von ihrer besonders schlechten Schokoladenseite. Hermine dachte
gerne, dass alle ihre Seiten irgendwie gut waren und eine Daseinsberechtigung
hatten, aber… na ja. Nett war sie zu Draco wohl eher… weniger gewesen. Scheu
und schüchtern wohl auch eher… nicht.
Kein
Wunder, dass er jetzt mit ihrer Zurückhaltung nicht zurechtkam. Er zwang sie
tatsächlich dazu, ein ehrlicher Mensch zu sein, der seine Gefühlen nicht
hinterm Berg hielt.
Sie
erinnerte sich, dass er gesagt hatte, streiten wäre ok. Sie nahm an, er meinte
nicht Streiten. Er meinte einfach… seine Meinung sagen, seinen Standpunkt
vertreten. Es war nicht wirklich ein Streit, aber scheinbar hatte er nie anders
gelernt, damit umzugehen.
Also
würde sie einfach darauf verzichten, höflich und bescheiden und schüchtern zu
sein. Sie nahm an, sie brauchte es bei ihm nicht zu sein. Denn wahrscheinlich
war sie weder das eine, noch die anderen Dinge. Vor allem nicht schüchtern,
dachte sie fast beschämt, wenn sie ihn ansah und daran dachte, was sie im
Delirium von sich gegeben hatte. Und sanftes Interesse trat in seinen Blick,
denn sie sah ihn tatsächlich länger als drei Sekunden am Stück an.
Und
Hermine Granger überwand ihre Angst vor Draco Malfoy.
„Was
du gesagt hast“, begann sie, und beschloss, keine Angst zu haben, „bevor ich
ins Mungo gekommen bin…“, fuhr sie fort, und seine Aufmerksamkeit galt ihr
völlig.
„Ja?“,
erwiderte er tatsächlich gedehnt, bedeutete ihr mit erhobenen Brauen
weiterzusprechen.
Oh
nein. Sie würde einknicken. Hätte er doch kein Pokerface und wäre einfach zu
lesen! Aber sie zwang sich, ihn unverwandt anzusehen.
„Gilt
das noch?“, erkundigte sie sich fast neutral. Und er blinzelte verblüfft.
„Ob…
es noch gilt?“ Er wiederholte es langsam, als würde er nicht ganz verstehen.
Er
sah sie an, schien ebenfalls zu versuchen, sie zu lesen, und sie hoffte, sie
machte es ihm ebenso schwer. „Was konkret?“, wich er ihrer Frage aus, floh sich
in eine sinnlose Gegenfrage, und sie atmete gereizt aus.
Ernsthaft?
Er wollte, dass sie es sagte? Ok!
„Willst
du immer noch bei mir bleiben?“, fragte sie also.
Und
er grinste.
Er
war unfassbar! Sie erhob sich mit einem Ruck vom Tisch, griff stoisch nach der
Auflaufform, um sie in den kalten Ofen zu stellen, und sie hörte, wie er
ebenfalls den Stuhl zurückschob, um aufzustehen. Merlin, sie war wütend. Er war
so ein Idiot.
Sie
hörte, wie er die Teller zusammenstellte und sie neben ihr auf die Theke
stellte.
„Weißt
du“, begann er, und sie hörte das Grinsen aus seinen Worten noch immer, „ich
finde es fast niedlich, wenn du dich schämst“, bemerkte er überheblich.
Sie
stellte sich wieder gerade hin. „Ich schäme mich nicht“, erwiderte sie trotzig.
„Wieso sollte ich? Du bist du doch hierhin gekommen, nachdem deine kleinen
Handlanger dein Zimmer leergeräumt haben, und hast mich angefleht, dich
zurückzunehmen!“
„Ich
habe nicht gefleht“, bemerkte er kopfschüttelnd, noch immer ein Lächeln auf den
Lippen.
„Du
hast gefleht“, beharrte sie böse. Und er wechselte das Thema.
„Dass
du mich fragst, heißt das, du willst, dass ich bleibe?“, drehte er alles um,
und ihr Mund öffnete sich.
„Nein,
ich habe… nur so gefragt“, wich sie seinem stechenden Blick aus. „Ich will ja
nicht, dass du irgendetwas aus Mitleid tust“, warf sie ihm eindeutig vor,
während sie nach den Tellern griff, die Reste in den Müll warf und sie dann in
die Spüle stellte. Und er lehnte am Tresen. Mit verschränkten Armen vor der
Brust. Noch immer klebten Puderreste an seinem Pullover. Unwillig,
näherzukommen, blieb sie einen Meter vor ihm stehen.
Er
betrachtete sie, während sein Kiefermuskel arbeitete. Dann stieß er sich von
der Kante ab und schloss den Abstand in Seelenruhe. Er kam vor ihr zum Stehen,
und ihr Kopf legte sich automatisch in den Nacken.
„Du
riechst gut“, stellte er schließlich mit ruhiger Stimme fest.
„-was
hat das mit-?“, begann sie nervös, aber er ruckte mit dem Kopf.
„-gar
nichts“, beantwortete er ihre ungestellte Frage rau. „Du solltest öfters
baden“, neckte er sie mit einem schwachen Grinsen. Sie verdrehte vor ihm die
Augen, und seine grauen Augen durchleuchteten sie. Der Zauberstab surrte sanft,
und verzerrt vernahm sie die undeutlichen Geräusche des Babys. Er war wieder
wach. Und dann fing er an zu weinen. Ihre Mutterinstinkte hatten sofort
Mitleid. Sie wischte sich die Hände an einem Tuch ab.
„Dein
Sohn ist schwierig“, sagte sie, einfach nur, um zu sagen, dass es sein Sohn
war. Bisher hatte Scorpius noch keine Zeit gehabt, zu zeigen, wie schwierig er
war. Und Draco lächelte plötzlich.
„Ist
er das? Dann lass mich diese Runde übernehmen, Hermine“, zog er sie zwinkernd
auf, aber unpassenderweise beschleunigte sich ihr Herzschlag, beim Klang ihres
Namens aus seinem Mund. Sie verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass er
wahrscheinlich wieder Hunger hatte. Draco würde es schon merken, wenn er ihn
nicht beruhigen könnte.
Und
ehe er ging, hob sich seine Hand zu ihrer Wange, und sanft neigte er den Kopf,
um einen Kuss auf ihre Stirn zu hauchen. Es ging so schnell, und schon war es
vorbei.
„Das
wollte ich noch tun“, murmelte er sanft. Die Stelle, wo er sie berührt hatte,
brannte verheißungsvoll, nachdem er sich abgewandt hatte.
Und
sie wusste, er würde bleiben. Mit einem Mal wusste sie es. Und sie konnte kaum
erwarten, sich das nächste Mal mit ihm zu streiten. Ihr Herz klopfte
verräterisch in ihrer Brust. Bevor sie noch nervöser wurde, setzte sie sich in
Bewegung, nahm seine Jacke von der Couch und wollte sie im Flur aufhängen. Sie
wollte irgendetwas tun, um sich abzulenken. Merlin, sie hatte ihn schon nackt
gesehen! Sie kannte ihn doch schon auf diese Weise.
Und
trotzdem war sie nervös. Trotzdem war alles neu und aufregend.
Und
sie hoffte-
Ihre
Gedanken unterbrachen sich, als ihr etwas Sperriges in seiner Jackentasche
auffiel, nachdem sie an der Garderobe hing. Gedankenverloren griff sie hinein
und holte eine kleine Schachtel hervor.
Was…?
Sie
drehte die Samtschachtel in ihren Fingern. War das…? Nein. Es konnte nicht. Das
wäre…- nein. Und gespannt öffnete sie die Schachtel und schnappte nach Luft.
Der
Ring im Innern funkelte in so vielen Farben, und sie konnte nicht fassen, dass
er tatsächlich einen Ring in seiner Tasche hatte!
Wieso
hatte er einen Ring dabei? Für wen war er? Für wen konnte er schon sein?! Er
hatte einen Ring für sie?! Wollte er sie fragen, ob…?
Sie
kam sich furchtbar vor, steckte die Schachtel eilig zurück in seine
Jackentasche und wich zurück, als hätte sie sich daran verbrannt, hielt ihre
Hände panisch verschränkt vor der Brust.
Nein!
Das konnte er nicht ernstmeinen! Er wäre der zweite Mann, der eine
Ringschachtel in ihr Haus brachte! Aber Alec hatte es zurückgenommen. Und für
sie und Draco war es viel zu früh, um überhaupt so etwas in Erwägung zu ziehen!
Bei Merlin, sie hatte nicht eine Sekunde lang darüber nachgedacht! Und er war
so wortkarg gewesen! Wenn er solche Pläne hatte, sollte er dann nicht irgendwie
mutiger sein? Und nein! Sie konnte nicht! Wie sollte sie ihm sagen, dass sie
das nicht konnte?
Angst
kroch in ihr empor. Es ging zu schnell! Viel zu schnell!
„Wir
bräuchten dich!“, riss sie seine Stimme aus ihren Gedanken. Er rief von oben,
und sie war zusammengezuckt. „Leider reiche ich deinem Sohn nicht.“
„Ich…
ich komme“, rief sie fast schon hysterisch und musste versuchen, ihren
schnellen Atem zu beruhigen.
Draco
wollte sie heiraten, und sie wusste noch nicht mal, wie sie normal mit ihm zu
reden hatte! Oh Gott! Wie sollte sie ihm nur gegenübertreten? Liebte er sie?
Mit
flauem Gefühl ging sie nach oben, wo Scorpius herzzerreißend weinte.
Sie
schluckte schwer. Liebte sie ihn?
Sie
hatte sich keine Gedanken gemacht.
Sie
hatte viel zu große Angst. Würde er wieder gehen, wenn sie seinen Antrag nicht
annahm? Das würde er, oder nicht?
Mit
steifen Bewegungen ging sie die Treppe nach oben. Was sollte sie nur tun?
„The truth is that everyone is bored,
and devotes himself to cultivating
habits.“
Albert
Camus
Ihm
war aufgefallen, dass Narzissa nervös mit ihrem Ehering spielte. Aus den
Augenwinkeln über den Wirtschaftsteil des
Tagespropheten hinweg sah er es. Seit einer Weile schien sie gedankenverloren
aus dem Erkerfenster über den Garten zu blicken, während er las, den frühen
Abend genoss, während die Sonne hinter den Wäldern versank.
„Narzissa?“,
fragte er schließlich, ein wenig ratlos, denn er war sich nicht sicher, was ihr
solche nagenden Sorgen bereiten könnte. Aber sie reagierte nicht einmal, schien
in Gedanken versunken. „Darling“, ergänzte er etwas lauter, und sie schrak aus
ihrer apathischen Starre.
„Was?“,
wollte sie verwirrt wissen, und er legte die Zeitung beiseite.
„Was
ist los? Worüber denkst du nach?“
„Über…
nichts“, log sie kopfschüttelnd, und bevor ihr Blick wieder ins Leere gleiten
konnte, sah er sie ernst an.
„Nichts,
hm? Ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass es nicht stimmt. Was
bedrückt dich?“, erwiderte er nur, und sie atmete unschlüssig aus.
„Es
ist nicht richtig“, sagte sie lediglich. Und Lucius nahm vage an, dass es
wieder einmal um Draco gehen musste, oder das Kind.
„Was
ist nicht richtig, Narzissa?“ Merlin, manchmal musste er ihr die Dinge
regelrecht aus der Nase ziehen.
„Draco
muss Hermine heiraten.“ Sie sagte es, als wäre es eine Kleinigkeit.
„Wir
haben darüber gesprochen. Auch mit ihm. Er will nicht“, erklärte er es ihr
erneut, ein wenig gereizter als zuvor. Es war ein leidiges, lästiges Thema.
„Wir werden den Jungen so oft sehen, wie wir es wünschen, Narzissa. Hermine hat
es bereits garantiert.“
„Es
ist kein Leben für ein Kind, wenn die Eltern nicht verheiratet sind!“, bemerkte
Narzissa bitter.
„Unsinn“,
hörte sich Lucius tatsächlich unwirsch sagen, obwohl er nicht geglaubt hatte,
dass gerade er die langjährige Tradition der Zwangsheirat, welcher selbst er
und Narzissa noch unterworfen worden waren, einfach abtat, als wäre es ein
überholter Gedanke.
So
sah Narzissa ihn auch an. „Sie ist muggelgebürtig. Die Zeiten haben sich
geändert“, ergänzte er schließlich. „Außerdem“, fuhr er langsamer fort, „ist
sie nicht wirklich angetan von unserer Familie, Narzissa.“
„Wir
hatten einen schwierigen Start, aber die Dinge haben sich geändert“, beharrte
Narzissa stur auf ihren Worten. „Was ist so schlimm daran? Wieso sollte sie
nicht ein Teil dieser Familie sein wollen?“
Lucius
Augen weiteten sich automatisch. Fast ungläubig sah er seine Frau an. Aber
Narzissa blickte ihm trotzig entgegen, fast als wisse sie sehr genau, weshalb
Hermine Granger es wohl bestimmt nicht wollen würde. Aber er musste es
überhaupt nicht laut sagen. Denn es gab noch einen wichtigeren Grund.
„Draco
hat nicht vor, sie zu heiraten. Es wundert mich schon, dass…“ Aber er
unterbrach sich.
„Was?
Was wundert dich?“, bemerkte Narzissa ein wenig defensiv.
„Nun,
es wundert mich, dass er überhaupt noch in England ist. Ich meine, es sah ganz
danach aus, als hatte er vor, zu verschwinden. So wie er es immer tut. Er hat
gekündigt“, erinnerte er sie wieder. Narzissa machte eine wegwerfende
Handbewegung.
„Er
hatte Angst“, erwiderte sie lediglich. „Und er ist nicht gegangen. Er wird für
dich arbeiten. Er wird bei ihr bleiben.“ Narzissa klang so seltsam überzeugt.
„Ich
weiß nicht. Und ich glaube nicht, dass es auch nur einem von uns gut tun wird,
Draco zu zwingen, zu heiraten“, schloss er streng.
„Draco
ist unfruchtbar, Lucius. Ein weiteres Enkelkind werden wir nicht bekommen. Und
Draco würde es gut tun, zu heiraten“, sagte seine Frau mit mehr Nachdruck in der
sonst sanften Stimme.
„Wieso?“,
stellte er sich konsequent quer, denn Narzissas Idee war hirnrissig.
„Weil
er dann nicht auf die Idee kommen könnte, wieder zu verschwinden!“, rief sie
aus.
„Eine
Heirat wird ihn davon nicht abhalten. Wenn er wieder gehen will, dann wird er
wieder gehen. Ob er verheiratet ist oder nicht. Du gehst das Problem von einer
falschen Seite an“, entschied er, zu sagen, und Narzissa wirkte unglücklich.
„Er muss diese Entscheidung selber treffen. Wir können ihn nicht zwingen.“
„Von
welcher Seite soll ich es bitteschön angehen? Ich bin froh, dass Hermine mich
nicht mehr aus dem Haus wirft, Lucius. Ich habe keine andere Seite von der ich
es angehen könnte!“, ereiferte sie sich jetzt verzweifelt.
„Dann
hab etwas Vertrauen. Es sieht nicht danach aus, als ob Hermine uns unser
Enkelkind verwehren wird.“ Er verstand Narzissa Sorge. Ja, er verstand. Er
konnte seinen Sohn selber nicht einschätzen, wusste nicht, was er dachte, was
er vorhatte – ob er nächstes Jahr noch mit ihnen reden würde. Aber er konnte es
nicht ändern. Und er wusste, dass, würden sie eingreifen, würde sie
Zwangsmaßnahmen treffen, wäre Draco schneller weg, als sie gucken konnten.
Und
sie wirkte nicht zufriedener als vorher. Nein, sie wirkte noch geknickter.
„Wieso
mögen sie uns nicht?“, flüsterte sie schließlich, die Stimme voller
Traurigkeit. „Haben wir… es verdient?“, wollte sie plötzlich unsicher wissen,
und er hatte auf diese Frage keine Antwort. Vielleicht. Vielleicht verdienten
sie die Ablehnung, die Draco ihnen zuteilwerden ließ
Vielleicht
musste es so sein.
„Hab
ein wenig Geduld“, wich er einer möglichen verehrenden Antwort erst einmal aus.
„Wann
werden sie wohl mit dem Jungen kommen?“, fragte sie die nächste ungewisse
Frage, die er nicht beantworten konnte.
„Bald“,
sagte er nur. „Ganz bestimmt bald.“ Es waren leere Worte. Es waren beruhigende
Worte. Er konnte sich keine kompliziertere Verbindung vorstellen, als zwischen
sich und seiner Familie mit einer Muggelgeborenen. Und er nahm an, sie würden
hart an einem guten Verhältnis arbeiten müssen. Und hart arbeiten war ein
Konzept was sowohl ihm als auch Narzissa sehr fremd war. Sie hatte nie für
etwas wirklich arbeiten müssen.
Deshalb
erschien es jetzt umso schwerer.
Und
er war skeptisch. Noch konnte er sich die beiden nicht als Paar vorstellen.
Draco war so… und Hermine war… vollkommen anders. Er konnte sich Draco kaum als
Vater vorstellen.
Es
würde sich zeigen. Vielleicht würde noch ein Wunder geschehen.
Bis
dahin hoffte er, dass Narzissa sich zurückhielt und keine Dummheit beging, die
nur einen größeren Keil zwischen sie und die Kinder trieb.
Und
dann murmelte seine Frau verhaltene Worte, während sie sich erhob, um
tatsächlich selber die Teetassen wegzubringen. Das hatte Lucius auch noch nicht
erlebt. Waren die Elfen krank?
„Was
hast du gesagt?“, vergewisserte er sich langsam, denn er glaubte, er hatte sich
verhört. Aber Narzissa schenkte ihm einen furchtbar vorwurfsvollen Blick.
„Ich
habe gesagt, dass es nicht schaden könnte, wenn du die 200 Millionen einfach
zahlen würdest, Lucius!“, wiederholte sie ernst und wandte sich kopfschüttelnd
von ihm ab, während er ihr mit großen Augen nachblickte. Was?! Narzissa war
unfassbar! Und er sollte…! Er sollte…! Er spürte, wie sich sein Mund bitter
verzog.
200
Millionen wuchsen nicht auf Bäumen, wie es Narzissa scheinbar denken musste.
Und
er wurde zorniger, denn seine Teetasse war überhaupt noch nicht leer gewesen!
~*~
Sie
verhielt sich merkwürdig.
Sehr
merkwürdig. Er hatte geglaubt, das Eis würde langsam auftauen, zwischen sich
und ihr. Er hatte geglaubt, unten hätte sich etwas getan. Aber kaum war sie
oben angekommen, hatte sie merklich distanziert gewirkt, fast ängstlich. Und
sie stillte Scorpius im Schlafzimmer, nicht hier im Kinderzimmer. Und er hatte
es als stille Aufforderung gesehen, ihr nicht zu folgen.
Und
nun war sie seit einer Viertelstunde verschwunden.
Er
wusste nicht genau, wie lange es dauerte, das Kind zu stillen, aber er wurde
langsam ungeduldig.
Unschlüssig
betrat er den Flur, ging langsam den neuen Weg zum Schlafzimmer, der für ihn
noch nicht bekannt war, und klopfte sanft gegen den Türrahmen, denn die Tür war
offen, und sie saß angezogen auf dem Bett, das Kind in ihren Armen,
offensichtlich fertig mit Stillen.
„Alles…
ok?“, vergewisserte er sich unsicher und kam sich vor, als hätten sie wieder
einen Anfang erreicht. Sie hob ertappt den Blick.
Ja…
ich…- alles in Ordnung“, versicherte sie ihm und wich seinem Blick aus.
„Möchtest
du… ihn mit nach unten nehmen?“, fragte er so verdammt unsicher, dass er kotzen
könnte. Er konnte es nicht. Er konnte nicht unsicher und höflich und umsichtig
sein. Er wusste nicht, wie, denn er begriff nicht, was er tun sollte.
„Ok?“,
erwiderte sie, und es nervte ihn fast, wie scheu sie auf einmal war.
Und
sie stand auf, das Kind auf den Armen, schritt an ihm vorbei, und er folgte
ihr, wie ein treudoofer Hund. Dieses ätzende Schweigen. Er hasste diese Stille.
Es war unangenehm.
Sie
kamen unten an, und er seufzte auf.
„Ist…
irgendwas?“, wollte er schließlich wissen, und er konnte es nicht. Er konnte es
noch nicht.
„Hm?“
Sie setzte sich auf die Couch, und er stand ein wenig unschlüssig davor.
„Ich
meine…- was ist los?“, wollte er dann ein wenig ungeduldiger wissen.
Und
tatsächlich blickte sie zur Seite, schien zu überlegen, sah ihn nicht mehr an,
ehe sie schließlich ausatmete.
„Draco“,
begann sie mit schwerer Stimme, und es war immer ein feierlicher Moment, wenn
sie seinen Vornamen benutzte. Fast unbewusst hielt er die Luft an. „Ich habe
ihn gefunden“, sagte sie dann, fast nachsichtig.
„Was
gefunden?“, wiederholte er verständnislos.
„In
deiner Tasche?“, entfuhr es ihr fast beschämt. Er runzelte die Stirn und sah
sie an.
„Ich
habe keine Ahnung, wovon du gerade sprichst“, entgegnete er entgeistert.
„Der
Ring“, brachte sie gepresst über die Lippen.
„Welcher
Ring?“, fragte er tatsächlich. Und erst ihr eindeutiger Blick erinnerte ihn
erst wieder an den verdammten Familienring, den ihm seine dämliche Mutter
gegeben hatte, damit er so etwas unfassbar blödes tun konnte, wie Granger um
ihre Hand zu bitten. „Oh“, schloss er dann, weniger intelligent. „Oh!“,
wiederholte er dann, als er begriff, was sie denken musste.
„Das…
das hat nichts-“
„-und
es ist sehr nett, wirklich!“, unterbrach sie ihn beteuernd. „Wirklich, ich…-
aber ich kann nicht, Draco“, ergänzte sie schwach. „Ich will dich nicht
heiraten“, entkam es ihr kopfschüttelnd.
„Ich…-“
Er unterbrach sich.
Sie…
wollte ihn nicht heiraten? Das war
mal etwas Neues. Für gewöhnlich konnten sich die Frauen nicht beherrschen und
sprachen nach einer Woche bereits von der Möglichkeit, dass man ja für immer
zusammen bleiben und heiraten könnte. Pansy hatte andauernd davon gesprochen,
so auch Juliette. Für gewöhnlich reichte sein Name aus, um die Frauen gefügig
zu machen. Für gewöhnlich war sein Aussehen ein Katalysator. Für gewöhnlich
verkaufte er sich, ohne großartig Werbung machen zu müssen!
Und
Granger war einfach… so anders. Sie wollte ihn nicht heiraten? Wirklich?
Und
er wusste, er wollte sie auch nicht heiraten, aber… dass sie ihm das direkt ins
Gesicht sagte! Dass sie tatsächlich so arrogant war, anzunehmen, dass er sie
fragen wollte, nur weil sie sein Kind bekommen hatte! Merlin, sie war unfassbar
dreist! Sie war überzeugter von sich, als er es von sich selber war.
„Versteh
mich nicht falsch“, begann sie hastig, „es ist wirklich eine große Geste und
ein schöner Ring, aber-“
„-Granger“,
unterbrach er sie fast gereizt, denn er wollte es richtig stellen, denn bei
Merlin, er wollte ganz bestimmt nicht als ein Idiot dastehen, der ins Blaue
hinein dämliche Heiratsanträge machte! Und bestimmt wollte er nicht, dass
irgendwer dachte, er würde dann auch noch einen Korb bekommen! Von einer Frau,
die er gar nicht heiraten wollte!
„Ich
will dich einfach nur nicht heiraten“, unterbrach sie ihn erneut, und Mitleid
trat in ihren Blick. Sein Mund öffnete sich fast entrüstet. Sie wollte ihn
einfach nur nicht heiraten?
„Wieso
nicht?“ Und die Worte entkamen seinem Mund einfach so, und es war eher
Neugierde und verletzter Stolz, als wirklich eine intelligente Frage. Aber es
interessierte ihn fast. Es interessierte ihn, weshalb die einzige Frau, die ihn
nicht gewollt hatte, ihn letztendlich nicht einmal heiraten wollte.
Denn
nein. Er hatte nicht darüber nachgedacht, sie zu fragen, aber… er würde hier
bleiben, oder nicht? Sie würden zusammen sein, oder irgendetwas in der Art,
oder nicht? Denn darum ging es doch! Er blieb. Weil er es wollte. Weil er sie
wollte. Und ja, es stand nicht im Raum, zu heiraten. Nicht jetzt zumindest. Und
vielleicht auch gar nicht, aber… Merlin, wieso wusste sie es so genau? Wieso
wusste sie es jetzt verdammt noch mal schon so sicher, dass sie ihn nie
heiraten würde, wo sie bei einem verschollenen Arschloch sogar Ja gesagt hatte,
obwohl er sie nie offiziell gefragt hatte?! Das nervte ihn.
Es
nervte ihn. Und fast wirkte sie überrascht.
„Wieso?“,
wiederholte sie ein wenig verblüfft. „Ich meine… wir kennen uns kaum. Wir… sind
gerade dabei, uns kennenzulernen, Eltern zu sein, und…“
„Das
weiß ich, aber… du würdest mich niemals heiraten wollen?“, erwiderte er und
fixierte sie genauer. „Niemals?“, ergänzte er, fast beleidigt. Ihr Mund öffnete
sich ratlos.
„Ich…
habe darüber nicht wirklich nachgedacht, nein“, gab sie zu. Kurz blickte er zur
Seite. Scorpius bewegte sich unruhig in ihren Armen. Und ihn nervte eine
Tatsache ganz entschieden – sie log. Ganz schlicht und einfach. Er konnte es
ihr ansehen! Aber er hatte keine Lust mehr. Er hatte gar nicht fragen wollen.
„Ok“,
sagte er dann. „Gut zu wissen.“
„Bist
du… sauer?“, fragte sie tatsächlich. „Denn ich-“
„-nein“,
unterbrach er sie knapp, ein wenig barsch. Er war nicht sauer. Er war
stinksauer. „Wahrscheinlich muss man einfach nur ein dummes Arschloch sein, was
seine Meinung doch wieder ändert, damit du Ja sagst, oder?“
Und
ein Schatten legte sich über ihr Gesicht.
„Du
änderst deine Meinung ständig, Malfoy“, erinnerte sie ihn bitter.
„Dann
müsste ich ja der perfekte Kandidat sein, oder?“ Seine Stimme hatte sich
merklich abgekühlt. Ihre Stirn runzelte sich langsam.
„Was
ist los mit dir?“, wollte sie dann gereizter wissen. „Ich wusste nicht mal,
dass du überhaupt jemals heiraten wolltest!“
„Will
ich auch nicht! Und dich schon gar nicht, Granger, glaub mir!“, fuhr er sie
wütend an. „Den verdammten Ring hat meine Mutter mir zugeschoben, denn sie ist
eigentlich diejenige, die dich in der Familie haben will, nicht ich, ok?“,
spuckte er ihr entgegen. Trotzig, kindisch und von der Wahrheit so weit
entfernt, dass es schon wehtat. Ihr Mund öffnete sich betroffen. „Aber ich
finde es interessant, dass ich nicht mal im Ansatz in Erwägung komme, bedenkt
man, dass wir ja jetzt anscheinend zusammen sind!“, knurrte er.
„Sind
wir das?“, entgegnete sie abwehrend, ein wenig herausfordernd.
„Sind
wir das nicht?“, stellte er ungehalten die Gegenfrage, und ja. So sprachen sie
miteinander. In Missverständnissen und Rätseln.
„Keine
Ahnung. Wenn du nicht einmal vorhattest, mich zu fragen, wie kannst du dann
jetzt sauer sein, dass ich Nein sagen würde?“, rief sie ungläubig, und Scorpius
zappelte unruhig. Sie beruhigte ihn, indem sie aufstand und zornige kleine
Runden ging.
Er
fuhr sich erschöpft durch die Haare.
„Bin
ich nicht!“, behauptete er wütend. „Es ist mir scheiß egal, ob du mich heiraten
willst, oder nicht!“
„Gut!“,
knurrte sie.
„Gut!“,
bestätigte er grimmig. Sie sahen sich beide abschätzend an.
„Gott,
du bist so…“ Sie schien zornig nach einem passenden Wort zu suchen, schien aber
keins zu finden.
„Was?“,
griff er herausfordernd ihre Worte auf.
„Kindisch“,
schloss sie bitter, und sein Mund klappte zu.
„Bin
ich nicht“, widersprach er knapp.
„Doch“,
beharrte sie kopfschüttelnd. „Du bist unfassbar! Wie kannst du ein Problem aus
einer Sache machen, die überhaupt nicht vorhanden ist?“
„Wie
kannst du meine Sachen durchwühlen, einen Ring finden und glauben, er wäre für
dich?“, stellte er ihr gepresst die Gegenfrage, und ihr Mund öffnete sich
empört.
„Für
wen sollte er sonst sein? Hast du noch irgendwelche Liebschaften nebenher,
Malfoy?“, wollte sie entrüstet wissen, und er lachte freudlos auf.
„Ich habe beide Hände voll mit diesem scheiß Drama hier zu tun, Granger. Glaub
mir, ich wäre tot, würde ich mich auch noch außerhalb deiner Nähe um
irgendwelche Mädchen bemühen!“
„Wenn
ich so anstrengend bin, weshalb bist du dann hier?“, fuhr sie ihn wütend an.
„Weil
du mein Kind bekommen hast!“, schrie er außer sich, und Scorpius brach in
markerschütterndes Geschrei aus, dass Draco die Augen zusammen kniff und den
Mund verzog.
„Wirklich
super, Malfoy!“, rief sie über das Geschrei hinweg und verließ wütend das
Wohnzimmer wieder. Merlin, konnte der Junge brüllen!
Wieder
raufte er sich die Haare und begriff nicht, wie es dazu hatte kommen können,
dass er und Granger sich anschrien, anstatt Wein zu trinken und sich
auszuziehen!
Und
in seinem Hinterkopf gab er ganz entschieden seiner Mutter die Schuld daran. Denn
seine Mutter trug meistens die Schuld an diesen Dingen! Seine Mutter hatte das
scheiß Ring-Fiasko überhaupt begonnen!
~*~
„Zehn
Tage?“, vergewisserte sich Pansy äußerst enttäuscht, nachdem sie Ginny Potter
am Ausgang des Mungo abgefangen hatte, bevor diese hatte gehen können.
Und
für einen Moment hatte sich Pansy fast geschämt, zu fragen. Allerdings nur
fast, denn sie schämte sich selten für die wenigsten Dinge. Ginny Potter
schenkte ihr ein eindeutiges Lächeln und nickte dann.
„Jap,
Pansy. In zehn Wochen ist Geschlechtsverkehr ohne jede Komplikation möglich.
Gib deinem Körper wenigstens kurz die Chance zu heilen?“, merkte sie spöttisch
an, und Pansy wechselte das Baby auf ihren anderen Arm. William schlief. Gerne
und überwiegend. Und sie war sich nicht sicher, ob es Ginny unangenehm war, auf
diese Frage zwischen Tür und Angel zu antworten – allerdings sah es ganz danach
aus.
„Toll“,
murmelte Pansy, an niemand bestimmten gewandt. Was sollte sie dann tun, um
Preston zu überzeugen? Sie wusste es nicht. Wie konnte sie einen Mann sonst
überzeugen, zu betteln? Merlin, sie musste noch weitere Register ihres Könnens
ziehen, wie es schien, denn zehn Tage konnte sie unmöglich warten.
„Ähm…
war es das?“, wollte Ginny peinlich berührt wissen, und Pansy ruckte mit dem
Kopf.
„Ja,
ich denke schon“, seufzte sie.
„Er
ist wirklich anbetungswürdig“, merkte Ginny mit einem Lächeln an und
betrachtete das schlafende Baby auf ihrem Arm. Pansy hob den Blick.
„Danke“,
erwiderte sie und fühlte sich für den winzigsten Moment schlecht, weil sie
Ginny nach Sex gefragt hatte, obwohl sie ein Baby hatte und sich wohl um
wichtigeres zu kümmern hatte, als ausgerechnet jemanden zu verführen. „Ich tue
das für ihn“, ergänzte sie eilig mit einem Blick auf William.
„Ich
bin mir sicher, das tust du“, bestätigte Ginny nickend.
„Wirklich“,
beteuerte Pansy. „Ich…“ Und Pansy wusste nicht, warum sie es sagte.
Ausgerechnet zu Ginny Potter. „Ich… bin nur nicht gut im Überzeugen, wenn… ich
keine altbewährten Mittel einsetzen kann.“
Und
Ginny sah sie kurz gleichmütig an. „Das glaube ich nicht, Pansy“, sagte sie
nur. „Du traust dir zu wenig zu.“ Und Pansy ruckte nur mit Kopf, gab Ginnys Weg
frei und nach einem weiteren Moment unangenehmer Stille, verabschiedete sich
Ginny von ihr, und Pansy beschloss, nach Hause zu gehen.
Dorthin,
wo der Mann war, den sie eigentlich wollte. Auch wenn sie keine Tricks im Ärmel
hatte. Nur sich selber.
Merlin,
sie hatte sich verändert, ging ihr auf.
Und
sie erkannte einen Mann, auf einen Stock gestützt, eine Tasche in der anderen
Hand. Und sie kannte ihn nur aus der Zeitung. Kannte sein Bild lediglich von
der Titelseite. Und ihre Augen folgten ihm, bis er zwar humpelnd aber mit
schnellem Gang das Mungo verlassen hatte.
Es
war der Mann, den Harry Potter vor einer Woche gefunden hatte. Er sah besser
aus als noch auf dem Foto, was von ihm gemacht worden war. Sie fragte sich
unwillkürlich, wohin Alec Dermont wollte. Nach Hause?
Sie
war sich nicht sicher, wie diese Geschichte mit Hermine ausgegangen war, aber
wenn sie ihrer Mutter glauben konnte, dann war Draco in Hermines Haus gezogen.
Das jedenfalls hatte Narzissa erzählt. Sie musste mit Hermine sprechen. Es
wurde Zeit. Sie wollte Hermines Baby sehen, wollte sowieso mehr Zeit mit
Hermine verbringen.
Vielleicht
war es gar nicht mehr wirklich wichtig, Menschen zu manipulieren. Menschen zu
zwingen, etwas einzugestehen, was gar nicht nötig war. Sondern vielleicht war
es einfach wichtig, dass man ab und an über seinen Schatten sprang. Dinge tat, die man für gewöhnlich nicht tat. Und vielleicht tat
sie die meisten Dinge wirklich einfach nur für sich und nicht für William.
Ihre
Arme schlossen sich sanfter um das Baby. Ihre Kutsche wartete draußen. Und ganz
vielleicht brauchte sie keinen Fluchtweg mehr. Worauf wartete sie wirklich?
Wollte
sie so sein wie Dermont, der alleine das Mungo
verließ, weil ihn niemand abholte? Wollte sie wirklich riskieren, Preston zu
verlieren, weil sie auf irgendeine große Geste wartete?
War
das nicht dumm?
„Tut
mir leid, dass ich so blöd bin“, entschuldigte sie sich leise bei William. „Ich
lerne noch“, schloss sie seufzend. „Wollen wir deinen Daddy besuchen?“ Sie
lächelte hinab auf ihren winzigen Sohn. „Wollen wir einfach eine Familie sein,
mein Schatz?“
Und
es war ganz einfach. Wenn man einfach für eine Sekunde keine Angst hatte,
stellte sie verblüfft fest und verließ eilig das
Mungo, um mal etwas richtig zu machen. Aber nicht mehr heute Abend. Sie würde
eine gute Entscheidung lieber am helllichten Tag treffen. Es fühlte sich besser
an, als eine Nacht und Nebel Aktion.
Heute
Abend würde sie… packen.
45.
Something Old, Something New
„In one aspect, yes, I believe in
ghosts,
but we create them. We haunt ourselves.“
Laurie Halse Anderson
Als
er aufwachte war es still geworden. Er blinzelte ins Tageslicht und stellte
fest, Scorpius schrie nicht mehr. Er war auf ihrer Couch eingeschlafen, ihr
Fotoalbum wieder einmal neben sich, noch immer in der Kleidung von gestern. Es schien
eine seltsame Angewohnheit zu werden, ihre Fotos anzusehen, stellte er
verwundert fest. Ein Glas Wein stand neben ihm. Er hatte es nicht mal
ausgetrunken. Scheinbar hatte sich irgendeine ihrer Mütter um Wein gekümmert.
Und
es war wohl noch zu früh, als dass Hermine oder sein Sohn aufgewacht waren.
Er
hatte keine Ahnung mehr, wie lange Scorpius geweint hatte. Es war lang gewesen,
und Draco hatte mit sich gehadert, nach oben zu gehen, ihr zu helfen, aber sie
hatte das Wohnzimmer so zornig verlassen, dass er davon abgesehen hatte. Er
hatte überlegt, ins Hotel zu fliehen, aber fast trotzig hatte er sich dagegen
entschieden.
Nein.
Er floh nicht mehr. Sie konnte sich jetzt mit der Tatsache rumärgern, dass er
blieb. Auch wenn sie ihn nicht heiraten wollte! Es ärgerte ihn immer noch,
stellte er verblüfft fest. Dabei hatten sie beide gestern etabliert, dass weder
der eine noch der andere heiraten wollte.
Er
streckte sich und spürte, wie sein Rücken wehtat. Merlin, wurde er alt? Wann
war er das letzte Mal joggen gewesen? Er konnte sich kaum erinnern. Vielleicht
nutzte er diese frühen Morgenstunden einfach, um mal etwas Sonne zu tanken. Um
einfach mal Sport zu machen. Er kam sich vor, als hätte er Tage seines Lebens
im Mungo Hospital verbracht, um sich Sorgen zu machen.
Er
schritt zum Kamin, griff sich seinen Zauberstab vom Tisch und rief in Malfoy
Manor durch. Die Elfen standen in der großen Küche, bereits schwitzend über
Töpfe und Pfannen gebeugt,
als
sie ihn erkannten. Einige sprangen von den hohen Schemeln, kamen eilig zum
Kamin in der Küche, um sich tief zu verneigen, aber Draco unterband die Demut
eilig.
„Guten
Morgen“, begrüßte er die Elfen wohl zum ersten Mal in dieser Form. Sie
tauschten einen entsetzten Blick. „Könntet ihr… meine Sachen wieder in Hermine
Granger Haus bringen?“, erkundigte er sich fast beschämt.
„Master
Draco, sicher, Master Draco, Sir!“, rief eine kleine Elfe äußerst begeistert.
„Sofort Master Draco!“ Einige Geschöpfe folgten der anderen Elfe und Draco
nickte langsam.
„Gut,
das wäre schon alles“, erklärte er dem verdatterten Rest. „Weitermachen“,
ergänzte er ratlos und unterbrach die Verbindung. Keine Minute später ploppten
die Elfen in Grangers Wohnzimmer, mit seinen verhexten Kisten, die wohl noch
keiner wieder ausgepackt hatte.
Das
war ihm nur recht. Er brauchte nur ein paar Klamotten. Er schritt hinter den
Geschöpfen her, die ihm angenehmerweise alle Arbeit abnahmen, und er würde nie
begreifen, weshalb Granger diesem Konzept so abgeneigt gegenüber stand. Die
Elfen liebten es, es zu tun. Zwar nur, weil sie jahrhundertelange Sklaverei
dazu genötigt hatte, aber… was funktionierte sollte man nicht kaputt machen,
dachte er bei sich.
Schon
öffnete er in seinem ziemlich leeren Gästezimmer eine Kiste und fand immerhin
eine Trainingshose und ein altes Slytherinshirt.
Es
würde reichen. Es sah warm aus draußen. Es juckte ihn in den Fingern, sich
physisch zu betätigen, um sich danach wieder in den Ring zu begeben, um die
nächste Runde Malfoy gegen Granger anzutreten – die er dieses Mal zu gewinnen
gedachte.
~*~
Es
war das erste Mal seit Monaten, dass sie einfach frei apparieren konnte. Es war
herrlich, an einem Ort nach zwei Sekunden anzukommen, anstatt eine Stunde mit
der Kutsche durch die Desillusionierung zu fahren.
Prestons
Anwesen lag in Stille, aber es war auch ein Sonntag. Ein sehr früher
Sonntagmorgen. Und sie nahm lediglich an, dass ein Mann wie Preston wusste, wie
man es vermied, am Sonntag im Mungo auf der Matte zu stehen. Er war leitender
Heiler.
Ja,
er war ein vielversprechender Mann. Ein vielversprechender Vater.
Wahrscheinlich vielversprechender als Draco vom Wesen her. Und Pansy befand
sich nicht in ihrem Element, denn sie trug nicht, wie geplant, ein kurzes Kleid
– keines ihrer kurzen Kleider passte ihr zurzeit, denn ihr Bauch war immer noch
etwas runder. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, sich zu bemühen, dieses Fett
wieder zu verlieren.
Sie
war unsicher. Denn sie trug nicht einmal hohe Schuhe. Sie trug nicht einmal
Makeup.
Sie
hatte keine Masken, um sich zu verstecken, und ihr Körper war gerade auch kein
Ass, was sie im Ärmel versteckte. Sie war nur Pansy.
Und
sie war besorgt, denn sie hatte sich die Kinderelfe ihrer Mutter geborgt. Sie
wusste, Elfen waren hervorragend für die Kindererziehung geeignet, aber dennoch
hatte sie William noch nie so lange alleine gelassen. Zwar plante sie, nur eine
Stunde hier zu sein, aber trotzdem. Es war eine lange Zeit. Und überwiegend
kreisten ihre Gedanken um William – und nicht um sich selbst.
Das
war ein Fortschritt. Ein immenser Fortschritt, fand sie.
Und
schon stand sie vor der schweren Tür. Sie erinnerte sich an das letzte Mal,
dass sie da war. Sie hatte gewollt, dass er sie küsste. Es war schwer, von den
Manipulationen loszukommen. Aber jetzt hatte sie keine Wahl. Ihre Wohnung war
vollständig in Kisten verpackt. Sie hatte nie werden wollen wie ihre Mutter.
Aber sie nahm an, würde sie in Prestons Haus ziehen… dann wäre sie von ihrer
Mutter kaum zu unterscheiden.
Und
sie kam nicht umhin, unrealistische Wunschvorstellungen zu haben. Ein kleiner
Teil in ihrem Innern glaubte, dass Preston ihren Vater eingeladen hatte, dass
er bei ihm um ihre Hand angehalten hatte. Dass im Innern dieses Anwesens eine
Verlobungsparty auf sie wartete. Dass all ihre Freunde bereits Bescheid wussten,
da waren und warteten.
Ein
dummer, kindischer Teil in ihrem Innern dachte das. Sie würde klopfen, aber die
Tür wäre bereits auf, sie würde ins Dunkel gehen, ehe Millionen Lichter den
Saal erhellten, und Preston im nachtschwarzen Anzug auf die Knie fallen würde,
um ihr seine ewige Liebe zu gestehen.
Jaah.
Das
passierte niemals.
Es
scheiterte schon daran, dass sie klopfte, und die Tür verschlossen war.
Der
alte Elf brauchte so früh am Morgen länger und sah sogar noch verzaust aus, als
er die Tür öffnete.
„Ja?“,
kam es fragend und misstrauisch mit schwerem, schlaftrunkenem Akzent über seine
alten, faltigen Lippen.
„Pansy
Parkinson, ich hätte Preston gerne gesprochen?“ Und zuerst glaubte sie, der Elf
würde sich nicht bewegen.
„Einen
Moment“, erwiderte der Elf kühl und schloss die Tür mit einem Wumms wieder in
Pansys Gesicht. Pansys Augen weiteten sich. Jetzt stand sie wieder vor
verschlossener Tür. Ja, das lief alles super, dachte sie bitter. Keine Party,
kein Ring, kein kitschiger Mädchentraum, von dem sie gar nicht wusste, dass sie
überhaupt dazu fähig war.
Die
Frau, die ihrem Exfreund Sperma in seinem Schlaf gestohlen hatte. Man wollte es
nicht für möglich halten. Sie konnte nur gerade so an sich halten, nicht an
ihren Nägeln zu knabbern. Jetzt eine Zigarette, dachte sie nervös. Sie hatte
lange nicht mehr daran gedacht. Aber heute… heute würde sie zu gerne.
Es
verging noch eine weitere Minute, in der sie einfach wie eine Salzsäule vor der
Türe wartete. Wurde sie vergessen? Hatte der Elf sie abgewiesen?
Nein,
es war nicht so, wie sie sich vorgestellt hatte.
Nach
einer weiteren Minute, war sie bereit, zu gehen. Sie machte einen unsicheren
Schritt zurück, steckte die Hände unschlüssig in die Taschen ihrer Jeans und
drehte sich dann seufzend um. Das hatte noch schlechter funktioniert, als sie
es sich ausgemalt hatte.
Und
dann öffnete sich die Tür, gerade als sie die erste Stufe hinab gegangen war.
„Pansy?“,
hörte sie seine raue Stimme, verschlafen und träge. Sie wandte sich um. Er schlief
noch? Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, hatte ihr Leben in Kisten
verstaut – und er schlief? Er stellte ihr dieses dämliche Ultimatum – und
schlief?!
Sie
war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, aber bestimmt nicht so viel
Realität auf einmal.
„Wo
ist William?“, fragte er sofort. Das war seine erste Frage. Und fast wollte sie
beleidigt sein, aber sie sagte sich, sie trug keine hohen Schuhe, kein
umwerfendes Kleid, kein Makeup. Wahrscheinlich sah sie einfach aus wie eine
gestresste Mum. Und deshalb nahm sie es ihm wohl nicht übel. Und definitiv
wartete keine Party im Innern auf sie. Nicht ihr Vater, der sie mit Tränen in
den Augen Preston übergeben würde, wie den Hauptgewinn.
„Bei
der Kinderelfe“, antwortete sie also neutral.
„Oh,
ok?“ Er rieb sich verschlafen die Augen. Seine Haare standen unordentlich zu
seiner Seite ab. Wohl die Seite, auf der er geschlafen hatte. Seine Füße waren
barfuß. Er trug eine karierte Pyjamahose in blau, dazu ein weißes Shirt und
könnte nicht gewöhnlicher aussehen, an einem Sonntagmorgen.
Selbst
sie wirkte schicker, dabei trug sie nur Jeans, Sneakers und eine Bluse, die
nicht zu eng um ihre Hüften saß. Dementsprechend hässlich war sie auch, denn es
war ein Stück ihrer Mutter, was sie letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hatte
und seitdem verdrängte. Denn auf der Bluse waren goldene Schmetterlinge
eingewebt. Sie sah wirklich nicht gut aus.
Und
wahrscheinlich war alle wilde Romantik vorbei. Nicht, dass Pansy auch nur den
Hauch einer Ahnung von wilder Romantik besaß. Mit Draco war sie eher Ablehnung
gewöhnt gewesen. Alles war immer ein Problem. Und bei Preston? Sie hatte mit
ihm vor hundert Jahren in Barcelona Sex gehabt. Wow. Nein. Sie hatte keine
Ahnung von irgendeiner Romantik. Sie hatte jetzt ein Kind. Und sie hatte keine
Zeit mehr für Spiele.
„Äh,
also… ich habe meine Sachen gepackt und… wir würden dann bei dir einziehen.
Heute, wenn… es geht?“, sagte sie also, verzichtete auf Begrüßungen, auf nette
Worte. Verzichtete darauf, ihn zum Betteln zu bewegen. Nein, Pansy sagte
einfach, was sie gekommen war, zu sagen. Es war so unfassbar schlicht. Kein
Drama. Kein gar nichts.
Und
kurz gab sein Kiefermuskel nach und seine Augen weiteten sich.
„Heute?“,
vergewisserte er sich. „Du willst… heute einziehen?“, wiederholte er fast
schockiert. Sie zuckte lediglich die Achseln.
„Ja.
Das wolltest du doch, oder nicht?“ Und fast war sie beleidigt. Keine Freude
sprach aus seinem Blick. Er wirkte einfach nur verstört.
„Heute…
ist es eigentlich eher schlecht“, wagte er tatsächlich in ihr Gesicht zu sagen.
Und jetzt war es an ihr, ihn mit großen Augen anzusehen.
„Heute
ist es eher schlecht?“, wiederholte sie, am Rande der Hysterie. „Ist das dein
Ernst?“ Und er bat sie nicht rein! Dieser Bastard bat sie nicht einmal in sein
Haus, um sie abzuservieren. Nein, er machte das direkt zwischen Tür und Angel,
damit es noch demütigender war!
„Ich…
habe heute Abend ein Clubtreffen hier. Also… ja, heute ist eher schlecht“, bestätigte
er achselzuckend. Und sie zwang sich, ruhig zu atmen.
„Ein
Clubtreffen? Was für ein- ?“ Aber sie unterbrach sich. „Oh wirklich? Du hast
immer noch dämliche Clubs, Preston?“, wollte sie herausfordernd wissen.
„Vielleicht solltest du langsam mal erwachsen werden, und nicht ich!“, knurrte
sie zornig.
„Tut
mir leid, Pansy. Ich dachte, du meintest, du wüsstest nicht, ob wir füreinander
geschaffen wären“, wiederholte er ihre dämlichen Worte, die sie bloß aus Panik
gesagt hatte. Ihr Mund schloss sich beleidigt und enttäuscht.
„Gut.
Dann… hab viel Spaß bei deinem bescheuerten Treffen!“, rief sie tiefverletzt
und machte auf dem Absatz kehrt. Tränen nahmen ihr jede Sicht.
Nein!
Es war definitiv kein Mädchentraum wahrgeworden heute!
Seufzend
schloss Preston die Tür und lehnte sich schwer atmend dagegen.
„Wirklich
gut“, bemerkte Astoria hinter ihm, mit milder Überraschung auf den künstlichen
Zügen. Prestons Mundwinkel sanken nach unten.
„Wirklich
gut?“, wiederholte er gereizt. „Sie hasst mich jetzt. Sie hasste mich
wirklich.“
„Unsinn.
Ich sage dir, sie wird heute Abend kommen. Und sie würde tausendmal wütender
sein, wenn ihre Verlobungsparty durch Umzugskartons und Babygeschrei gestört
werden würde“, prophezeite Astoria vielsagend.
In
seinem Haus werkelten die Elfen seit Stunden, nachdem Astoria ihn gestern Abend
noch überfallen hatte mit der Idee, Pansy einen Antrag zu machen, um sie zu
überzeugen, einzuziehen. Und war es nicht fast ironisch? Jetzt wollte Pansy
einziehen, und er sagte ihr, er hätte keine Zeit für sie, nur um sich den
Aufwand zu machen, den er nie hatte machen wollen?
Er
sah Astoria missmutig an.
„Wehe
sie kommt nicht“, murrte er, schlecht gelaunt, denn Pansy hatte nicht so
ausgesehen, als ob sie ihn jemals wieder ansehen wollte. Und er vermisste sie.
Und er vermisste William.
„Keine
Bange“, versprach Astoria gelassen.
Und
kurz glaubte er, es wäre besser gewesen, auf Blaise Zabini zu hören, der ihm
gestern Abend mit einem sanften Kopfrucken, welches von Astoria unbemerkt
geblieben war, davon abgeraten hatte, Astorias Plan zuzustimmen.
Blaise
war heute Morgen bereits unterwegs mit spontanen Einladungen, und er, Preston,
durfte gleich den beschämenden Gang zu Geoffrey Parkinson wagen, dem er vor
Monaten noch geschworen hatte, für immer Single zu bleiben, auf einem der etwas
wilderen Clubtreffen.
Und
plötzlich hegte er Zweifel, dass ein Antrag wirklich das war, was Pansy von ihm
wollte. Am liebsten hätte er sie gerade einfach an sich gezogen und Astoria aus
seinem Haus geworfen.
Er
schloss erschöpft die Augen. Es war viel zu anstrengend.
~*~
Dieser
Vorort war bemerkenswert, stellte er beim Laufen fest. Sein Atem ging
regelmäßig, und das Dorf schlief noch tief und fest, im sanften Nebel, der vom
Tau in den Vorgärten hing. Godric’s Hollow besaß keinen Bäcker. Zumindest
konnte er keinen ausmachen. Keine Läden, nicht mal ein magisches Kiosk.
Er
folgte dem schmalen Bürgersteig, die Straße hinab. Es war idyllisch. Zu
idyllisch, fand er fast. Er dachte zurück an seine wilde Zeit. Die Zeit in
Amerika, in Paris. Er war nie stehen geblieben, hatte sich nie die Zeit für
irgendetwas genommen. Und vielleicht war es nicht schlecht, damit am stillsten
Ort der Welt zu beginnen.
Und
er erkannte in der Ferne ein eingezäuntes grünes Gebiet.
Das
Dorf besaß nichts, aber einen Friedhof. Natürlich. Und sein Blick blieb beim
Laufen an einem Monument hängen, was in sein Sichtfeld flackerte. Es war
magisch, stellte er fest. Nur Zauberer konnten es sehen. Der Zauber auf der
Statue musste seinen Zauberstab aufgespürt haben. Er hob den Blick.
Er
joggte langsamer weiter, denn es war tatsächlich eine Gedenkstatue für die
Potters. Ein mulmiges Gefühl befiel ihn. Kannte Potter die Statue von sich
selber als Baby, im Arm seiner Eltern? Bestimmt, nahm Draco an. Und so wie er
Potter einschätzte, war es ihm unangenehm.
Und
mit langen, flachen Atemzügen fand er sich vor dem schäbigen Tor des Friedhofs
wieder. Friedhöfe waren seltsam. Er war es gewöhnt, dass Familien Mausoleen auf
ihren Grundstücken besaßen. Beisetzungen wurden im reichen Kreis gehalten, es
gab viel Gold und Edelsteine. Und hier sammelten sich einhundert tote Menschen
auf einem grünen Platz.
Draco
besaß keine Verwandten auf magischen Friedhöfen.
Er
öffnete das Tor, und mit einem Quietschen schwang es auf. Auch hier waberte der
Nebel sanft um seine Beine, hüllte seine Hose in kaltes Nass. Er wusste, oft
waren Geister auf Friedhöfen vertreten, suchten den Weg zurück ins Leben, und
er versuchte, den Nebel von anderen Gestalten zu unterscheiden.
Die
Steine waren teilweise sehr verwittert. Er konnte kaum entziffern, was auf
ihnen stand, aber ein Name stach ihm besonders ins Auge.
Dumbledore.
Die Dumbledores hatten ihr gelebt? Er hatte es wohl wieder verdrängt. Kendra
und Ariana lagen hier beerdigt. Er schritt weiter zu einem neueren Teil. Einige
Namen kamen ihm vage aus der Winkelgasse bekannt vor. Nachnamen von Wirten und
Verkäufern. Die Welt war scheinbar klein und traf in Godric’s Hollow zusammen.
Kurz,
bevor die neuen Reihen an Steinen begonnen, erkannte er das Potter-Grab. Es war
ein schlichter Stein. Beide waren zusammen beigesetzt worden. Aber es häuften
sich frische Blumen und Karten auf dem Grab. Er wandte sich ab und schritt
ziellos weiter.
Und
weiter hinten, nahe den Fichten, erkannte er tatsächlich eine weiße Gestalt. Es
schien ein Mädchen zu sein. Sie war recht klein. Sie hüpfte lautlos zwischen
den Steinen umher spielte mit dem Nebel, und Draco wusste, Geister waren
ungefährlich. Und meist recht scheu. Sie erkannte ihn, verharrte in ihrem
Spiel, und verschmolz dann mit dem weißen Nebel und verschwand.
Es
war traurig und doch war es schön. Er konnte keine weiteren Geister ausmachen.
Aber er wusste, weshalb ihn seine Neugierde hergebracht hatte.
Es
war der weiße Stein in der Mitte, der seine Aufmerksamkeit mäßig erregte.
Cedric
Diggory lag hier. Es war fast sechs Jahre her. Auch an seinem Grab stand ein
Strauß frischer Pfingstrosen. Und Draco erinnerte sich an ein Foto aus Grangers
Album. Ihr Hochzeitsstrauß war aus Pfingstrosen gewesen. Wann hatte sie Zeit
gehabt, Blumen an sein Grab zu stellen, fragte er sich. Oder war sie es nicht
gewesen? Vielleicht Cedrics Eltern?
Kälte
kroch in seine erhitzten Glieder. Die Stille auf dem Friedhof war angenehm.
Und
er hätte es ihr gegönnt. Ein glückliches Leben mit Diggory, dem schönsten und
beliebtesten Jungen, der jemals auf Hogwarts gewesen war. Er war auch
Schulsprecher gewesen, erinnere sich Draco dunkel. Ein Jahr über ihm. Er war
unauffällig gewesen. Rechtschaffen. Jemand, der so nervtötend gut gewesen war,
dass man nur den Kopf schütteln konnte. So wie Potter, aber nicht einmal Potter
war so freundlich und nett.
Es
passte zu ihr. Vielleicht. Draco runzelte die Stirn. Eigentlich dachte er das
nicht wirklich. Glatte Perfektion passte nicht wirklich zu Hermine. Seine
Mundwinkel hoben sich sanft. Ecken und Kanten passten zu ihr.
Mit
ihm würde sie Ecken und Kanten haben. Zu viele, nahm er lächelnd an.
„Ich
werde nicht gehen“, fühlte er sich plötzlich gehalten, dem Grabstein mit rauer
Stimme zu versichern. Natürlich antwortete er ihm nicht. Es war als lastete
plötzlich ein großer Druck auf ihm. Erwartete sie wohl, dass er Cedric Diggory
das Wasser reichen konnte? Hatte sie so hohe Hoffnungen auch bei ihm? Denn
Draco war kein Auror, der sich selbstlos für seine Kollegen in einem dämlichen
Fluchwechsel mit ehemaligen Todessern opferte. Er verzog den Mund. Er war nicht
einmal selbstlos. Er konnte nur versuchen, so gut wie möglich zu sein.
Und
er konnte nur versuchen, sie zu lieben, wie Diggory es getan hatte, auch wenn
Draco keinerlei Erfahrung damit hatte.
Die
Sonne stand mittlerweile höher. Bestimmt war sie schon wach und verfluchte ihn,
weil sie glaubte, er wäre abgehauen. Oder sie schrie die kleinen Elfen an.
Obwohl – das konnte er sich nicht denken. Mit einem Nicken wandte er sich vom
Grabstein ab und joggte den Weg über die alten Steinplatten zurück zum Tor.
Hinter einem der Bäume erkannte er wieder den kleinen Geist. Es war tatsächlich
ein Mädchen. Sie schien ihn zu beobachten. Sie trug durchsichtige Zöpfe, ein
hübsches Kleid und versteckte sich sofort hinter dem Baumstamm, als sie ihn
bemerkte.
Sie
kam ihm vor wie eine Nebelgestalt, hier perfekt getarnt. Mit einem Lächeln verließ
er den Friedhof wieder.
Er
beschleunigte sein Tempo für den letzten Kilometer, um seinen Kreislauf
wenigstens etwas in Schwung zu bringen, bog um die Ecke und bremste abrupt, als
er eine Gestalt vor ihrem Gartentor erkannte.
Er
kniff die Augen zusammen und wich in den Schatten einer Hecke zurück, kurz vor
ihrem Grundstück. Sein Kopf war zunächst die üblichen Verdächtigen
durchgegangen. Potter, Weasley, Potters Frau. Vielleicht sogar Pansy.
Allerdings war es ein Mann. Er trug einen Reiseumhang und neben ihm stand ein
altmodischer Koffer.
Sein
Kopf spielte ihm zuerst einen Streich, und er hatte Angst, dass es Diggorys
Geist war – oder etwas ähnlich Absurdes. So absurd, wie es in ihrer Welt eben
sein konnte.
Aber
dieser Mann kam ihm zu real vor.
Und
plötzlich richtete sich Draco auf. Ein grimmiger Zug um den Mund verdunkelte
sein Gesicht. Was wollte das Arschloch hier, fragte er sich und ballte die
Hände zu zornigen Fäusten, während er aus dem Schatten der Hecke trat und die
wenigen Meter zu Grangers Grundstück überwand.
46.
Something Borrowed, Something Blue
„When you’re in love, sometimes you
have to swallow your pride,
and sometimes you have to keep your
pride. It’s a balance.
But when the relationship is right, you find the balance.“
Emily Giffin
Fast
vorsichtig war Hermine mit dem Baby auf dem Arm die Treppe runter gegangen. Sie
hatte seltsame Geräusche gehört. Wie ein Schieben und Kratzen, was vom
Erdgeschoss kam. Den Zauberstab hielt sie in der anderen Hand, bereit ihr Kind
zu verteidigen.
Und
wo war Draco überhaupt?! Wenn Einbrecher an einem Sonntagmorgen in ihrem Haus
verweilten, sollte er doch derjenige sein, der sie in die Flucht schlug! Dafür
war er doch da, oder nicht? Oder war er wieder verschwunden? Leise überwand sie
die letzte Stufe, und hielt erstaunt inne, als aus ihrem leeren Lesezimmer eine
Elfe über den Flur huschte, um eine Kiste aus dem Wohnzimmer schweben zu
lassen.
Anscheinend
hatte er die Elfen bestellt, um wieder einzuziehen. Sie verzog den Mund.
Das
war doch nicht sein Ernst! Konnte er gar nichts alleine machen?! Sie war leicht
zornig, während Scorpius auf ihrem Arm zufrieden strampelte. Wo war Draco? Sie
wollte duschen! Er wollte doch so gerne Vater spielen! Ihr Blick fiel auf ihren
winzigen Sohn, von dem sie noch gar nicht vollends begriffen hatte, dass es nun
ihrer war. Ihr eigenes kleines Baby.
„Na?“,
fragte sie sanft, und das Baby blinzelte beim Klang ihrer Stimme, den es noch
nicht ganz zuordnen konnte. „Wo ist dein Vater?“ Und die Worte hatten etwas
seltsam Tröstendes an sich. Und wieder wusste sie nicht wirklich, warum sie
gestritten hatten. Sie hatte das Gefühl gehabt, als wären sie sich einig
gewesen. Aber irgendwie auch nicht.
Sie
schritt ins Wohnzimmer, nur um zu sehen, dass er wohl auf der Couch geschlafen
hatte, denn auf dem Tisch stand ein benutztes Weinglas sowie wieder einmal ihr
altes Fotoalbum. Und fast musste sie schmunzeln, aber nur fast, denn sie war
sauer auf ihn.
Aber
ihr Blick verfing sich am Fenster. Mit zügigen Schritten war sie dort
angekommen.
Was…?!
Sie
verengte ungläubig die Augen. Es war eindeutig Draco. Sie erkannte seine hellen
Haare. Er schien joggen gewesen zu sein, seiner Kleidung nach zu urteilen. Und
der andere Mann…? War das… Alec? Ihr Mund hatte sich überfordert geöffnet. Und
es schien kein freundliches Gespräch zu sein, was beide führten. Alec sah fast
wieder aus, wie sie ihn gewohnt war, ehe er als vermisst gegolten hatte. Aber
nur fast. Noch immer wirkte er ein wenig hager, und er schien immer noch einen
Stock zu benötigen.
Aber
was tat er hier? Hatte Hermine ihm nicht deutlich klar gemacht, dass sie nichts
mehr mit ihm zu tun haben wollte? Merlin, sie hoffte, Draco beging keine blöde
Dummheit!
Und
eilig verließ sie das Wohnzimmer, war schon im Flur, und es störte sie nicht,
dass sie barfuß war und ihren Schlafanzug anhatte. Denn es durfte nicht
eskalieren!
Fast
wäre sie über die kleine Elfe gestolpert, die vor der Tür gestanden hatte, und
magisch Dracos Mäntel an die Garderobe schweben ließ. Mit großen Augen
betrachtete die Elfe das Baby auf Hermines Armen. Ihr Blick hob sich scheu zu
Hermines Gesicht.
„Darf…
Misty schauen?“, fragte das Geschöpf zögerlich, und Hermine vergaß für eine
Sekunde ihre Hast. Langsam ging Hermine in die Hocke. Die kleine Elfe stand,
ihre winzigen Hände festumschlungen, andächtig auf Zehenspitzen und lugte über
Hermines Arme auf Scorpius. „Ein winziger Master“, flüsterte sie, voller
Zuneigung.
„Kein
Master“, korrigierte Hermine die Elfe eilig. „Das ist Scorpius“, sagte sie
entschieden. Es würde keine Misses und keinen Master geben. Sie war es leid mit
diesen Elfen! Diese ständige Unterwerfungssucht! Und Hermine kam ein Gedanke.
„Misty, richtig?“, vergewisserte sie sich, und die kleine Elfe nickte so
heftig, dass ihre drahtigen, kleinen Locken wippten. „Meinst du, du kannst
aufpassen? Ich muss nach draußen“, erklärte sie der Elfe sehr ruhig, und Mistys
Augen wurden noch kugelrunder.
„Misty
soll den kleinen Master halten?“, fragte sie aufgeregt.
„Scorpius“,
korrigierte Hermine sie wieder eindringlich. „Und ja. Ginge das?“ Sie bemerkte,
wie die anderen Elfen neidisch um die Ecke des Lesezimmers linsten.
„Oh
ja, Misses! Misty kann helfen! Misty kann den Scorpius-Master halten!“,
flüsterte die Elfe voller Ehrfurcht, mit großen Tränen der Rührung in den
Augen. Und Hermine beschloss, den Elfen später zu erklären, was Demokratie und
ein freier Wille war. Wenn sie Draco ins Haus geholt hatte!
Und
Hermine dachte, dass dies wohl der erste magische Moment für Scorpius sein
musste. Und fast sträubte sich etwas in ihr gegen diese Tradition, den Säugling
eines Menschen in die Obhut einer Elfe zu geben, obwohl sie wusste, dass es
unter den alten Zauberfamilien Tradition besaß, dass sich die Elfen kümmerten.
Cedric hatte erzählt, dass auch er von einer Elfe großgezogen worden war.
Und
sie legte Scorpius in die Arme der gespannten Elfe, die immer noch Tränen
weinte. Und als wäre er aus Glas, noch kostbarer als die seltensten Edelsteine,
hielt ihn die Elfe in ihren schlanken, kleinen Händen.
„Misty
sagt Willkommen“, flüsterte die Elfe gerührt, den weiten Blick auf Scorpius
geheftet. Und Hermine stellte sich wieder aufrecht hin.
„Ich…
komme gleich zurück“, murmelte sie, aber die kleine Elfe beachtete sie schon
gar nicht mehr, war vollkommen von Scorpius gefangen, und Scorpius schien sich
vollkommen wohl in den Armen der Elfe zu fühlen. Und Hermine bemerkte, wie sich
die anderen Geschöpfe vorsichtig aus dem Gästezimmer schoben, sich um Misty
scharten und keine sagte ein Wort. Alle starrten mit offenen Mündern und großen
Augen auf das Baby.
Unsicher
zog Hermine die Tür auf. Aber sie hatte das beständige Gefühl, dass die kleine
Elfe ihrem Sohn niemals etwas zustoßen lassen würde, so seltsam dieses Gefühl
auch war.
„-ich
will nur mit ihr reden!“, platzte sie direkt in die Auseinandersetzung, die die
beiden Männer zu führen schienen, und Alec wirkte genauso wütend wie Malfoy es
wohl war.
„Und
ich habe gesagt, du sollst ver-“ Draco unterbrach sich, als er sie erkannte,
wie sie nur im Pyjama nach draußen kam.
Sie fixierte Alec und kam näher. Und sie spürte die Enttäuschung noch
stärker, wenn sie ihn sah.
„Was
tust du hier?“, wollte sie gepresst von ihm wissen. „Und schreit hier nicht so
rum! Meine Nachbarn rufen sonst noch die Strafverfolgung!“, ergänzte sie böse,
mit Blick auf Draco.
Und
er sah so aus, als wolle er ihr hier und jetzt die Meinung sagen, aber er
verzog nur grimmig den Mund und sah sie auffordernd an, fast, als erwarte er,
dass sie Alec von ihrem Grundstück warf. Sie wandte den Blick wieder an Alec.
„Was
tust du hier?“, wiederholte sie ihre Frage. Sie ignorierte den Schmerz, den sie
bei seinem Anblick empfand, den Verlust, den sie gespürt hatte.
„Ich
wollte… dich nur sehen“, räumte er ein, das Gesicht so offen, wie sie es in
Erinnerung hatte, bevor er verschwunden war. Er sah sie jetzt sogar an. Offen,
direkt. Wich ihr nicht mehr aus und wirkte nicht mehr so… distanziert. Aber das
war sein Pech, oder nicht?
„Du
hast sie gesehen. Jetzt kannst du verschwinden“, knurrte Draco anstatt ihrer,
die Arme vor der Brust verschränkt, und er schien keinen besonderen Hehl aus
seiner Abneigung zu machen. Und es war Hermine unangenehm.
„Das
ist ihre Entscheidung, und nicht deine“, entgegnete Alec nicht minder
unfreundlich und wandte sich wieder an sie. Seine hellen Augen forschend und
besorgt.
„Warum
willst du mich sehen?“, wollte sie ungläubig wissen, fast ein wenig ängstlich.
Sie bemerkte den Koffer neben ihm. „Du gehst?“, fragte sie anschließend, und
sie sah, wie Dracos Kiefermuskel sich anspannte.
„Ja,
ich… hätte gerne noch einmal mit dir gesprochen, Hermine“, bat er sie
eindringlich.
„Das
ist ein verdammter Scherz von dir, richtig?“, wollte Draco mit eisigem Spott
von ihm wissen. Hermine schenkte Draco einen ungläubigen Blick.
„Ich
kann für mich selber sprechen“, erinnerte sie Draco streng, und dieser sah sie
wieder wütend an. Und er wandte den Blick nicht, als wieder sprach.
„Wenn
du was zu sagen hast, dann schlage ich vor, dass du es zu Ende bringst,
Dermont.“
„Hermine-“,
begann Alec, aber Hermine war es unangenehm.
„-Alec,
ich verstehe nicht, was du hier willst? Wir haben bereits im Mungo
gesprochen!“, erinnerte sie ihn, und Draco sah sie wieder empört an.
„Ich
weiß“, erwiderte Alec stiller. „Und glaub mir, ich bin sofort weg, wenn… wenn-“
„-wenn
was?“, fuhr ihm Draco zornig dazwischen, die Fäuste bereits geballt.
„Bist
du glücklich mit ihm, Hermine?“, fragte Alec sie direkt und ignorierte Draco,
dessen Mund ungläubig aufklappte. „Denn wenn du es nicht bist, wenn… wenn du
Zweifel hast, dann… bitte glaub mir, dass ich…- ich bereue meine Worte. Ich…
würde es wieder gut machen wollen, wenn du ihn nicht willst. Ich meine, du hast
mir gesagt, was für ein schlechter Mensch er ist, wie sehr du seine Familie
hasst. Und ich hatte Angst. Ich war… nicht ich selbst. Und-“
Und
bevor Alec weiterreden konnte, hatte sich Draco nach vorne geworfen, und seine
Faust traf Alecs Unterkiefer so hart, dass Hermine das Knirschen regelrecht
hören konnte. In Schock weiteten sich Hermines Augen, und sie wollte
eingreifen, als Alec zur Verteidigung überging, Draco ebenfalls einen Schlag
verpasste und Hermine die Augen instinktiv schloss.
Sie
hörte ein dumpfes Geräusch, öffnete die Augen wieder, und Draco hatte Alec zu
Boden geschickt, während er warmes Blut auf den Gehweg spuckte, denn Alec hatte
ihn an der Unterlippe erwischt.
„Hör
auf!“, rief Hermine verzweifelt, als Draco wieder einen Schritt auf Alec
zumachte, der versuchte, sich vom Boden zu rappeln. Dracos Blick war so zornig,
so kalt und wild, dass sie Angst bekam. Und ganz klar empfand er es als
Beleidigung, dass sie ihn aufhielt.
„Lass
mich los, Hermine“, knurrte er böse. „Oder stimmt es? Stimmt es, was der
Wichser sagt?“, knurrte Draco und fixierte sie mit zornigen grauen Augen. Seine
Augen flogen über ihr Gesicht, und sie war den Tränen nahe. Sie hielt seinen
Arm noch immer fest, atmete schnell, und Alec kam wieder auf die Beine, klopfte
sich den Staub von der Jacke und hustete gepresst.
„Er
war im Koma, Draco!“, fuhr sie ihn zornig an. „Wie kannst du ihn schlagen?“
„Weil
er hier vorbei kommt, als hätte er irgendein Recht dazu!“, schrie er außer
sich.
„Geh!“,
erwiderte sie mit zitternde Stimme. Draco starrte sie an.
„Was?“, entkam es ihm absolut versteinert, und sie deutete auf das Haus.
„Geh
rein, bevor ich euch verfluche!“, flüsterte sie, und mit einem letzten
tiefverletzten Blick riss er sich los und marschierte Richtung Haus, riss die
Tür auf und schlug sie wieder zu. Der Knall ging ihr durch Mark und Bein. Dann
sah sie Alec wieder an.
„Du
blutest“, flüsterte sie zitternd.
„Hermine“,
sagte er entschuldigend, kam näher, wollte sie wohl umarmen, aber sie wich zurück.
Sie schüttelte den Kopf. „Was…? Er ist gewalttätig!“, rief Alec aus. „Du kannst
unmöglich mit ihm-“
„-das
ist meine Sorge, nicht deine“, sagte sie schwach.
„Zwingt
er dich zu-“
„-er zwingt mich zu gar nichts, Alec!“, unterbrach sie ihn ungeduldig.
„Du
hast ihn gehasst, Hermine. Ich verstehe nicht, wie-“
„-es
tut mir leid. Du hattest deine Chance. Ich habe auf dich gewartet, und-“
„-ich
war nicht ich selbst! Ich will mich entschuldigen, und du ziehst es vor, unter
der Gewalt dieses Todessers zu leben?“, fuhr er sie an, wischte sich beiläufig
das Blut aus dem Gesicht und schien sie nicht begreifen zu können. „Hermine,
nur weil er der Vater ist, hat er kein Recht, dich so zu behandeln! Nur weil du
Angst vor ihm hast, brauchst du nicht-“
Und
sie sagte, wovon sie sich nicht abhalten konnte.
„-ich habe keine Angst vor ihm!“
„Oh
Hermine, er ist-“
„-er
liebt seinen Sohn! Und ich… ich…“ Sie beendete den Satz nicht.
„Sag
mir, dass du keine Gefühle mehr für mich hast, dass du ihn liebst, und ich werde
gehen, Hermine“, erwiderte Alec rau. „Sag mir, dass er der Mann ist, von dem du
geträumt hast, dass er derjenige ist, mit dem du dein Leben verbringen willst,
und ich bin weg.“ Und für einen Moment wusste sie es nicht.
Natürlich
hatte sie Gefühle für Alec! Natürlich tat es weh, ihn zu sehen. Und natürlich
war es eine Genugtuung, dass er seine Meinung geändert hatte. Und nein. Draco
war nicht das, wovon sie geträumt hatte.
Aber
das war Alec auch nicht! Keiner von ihnen war Cedric! Und keiner würde es jemals
sein!
„Nein“,
brachte sie zitternd hervor. „Aber du hast mich kurz vor der Geburt meines
Sohnes abgeschoben. Ich habe kein Vertrauen zu dir.“
„Aber
du hast Vertrauen zu ihm?“, wollte Alec ungläubig wissen und deutete unwirsch hinter
sie auf das Haus.
Und
gegen jede Wahrscheinlichkeit kamen ihr die Tränen, und sie nickte einmal.
„Ja“,
hauchte sie. Sie hatte Vertrauen in Draco. Und sie konnte es nicht ändern,
aber… jetzt gerade, in diesem Moment – wenn vielleicht auch nicht für den Rest
ihres Lebens, weil sie ihn vielleicht nicht halten konnte – wollte sie ihn.
Draco.
Und
wie besiegt nickte Alec schroff.
„Dann
war es das“, sagte er. Es war keine Frage. Und sie nickte wieder, wischte sich
die Tränen vom Gesicht, und er bückte sich nach seinem Koffer, den Stock unter
dem Arm.
„Lebwohl,
Hermine“, sprach nun er die Worte, drehte sich um sich selbst und war
verschwunden.
Einfach
so.
Sie
wandte sich um und ging mit eiligen Schritten zum Haus. Sie nahm an, die
Nachbarn hatten allesamt die Ohren gegen die Scheiben gepresst gehalten.
Sie
schloss die Haustür hinter sich, fuhr sich durch die wilden Locken und wünschte
sich, dass all das Chaos und die vielen Gefühle endlich aufhörten. Sie hörte,
wie er wohl seine Sachen zornig in eine Kiste zurückwarf, aber er hatte sie
gehört. Wütend kam er auf den Flur. Er sah sie so zornig an, als hätte sie ihn
verraten.
„Er
ist weg“, sagte sie und spürte, wie sie müde war, wütend zu werden.
„Ach
ja? Holt er seine Sachen? Tauscht du die Männer in deinem Leben wieder aus?“,
erkundigte er sich bitter, und am liebsten hätte sie ihn geschlagen. Das Blut
an seinem Mundwinkel hatte er unwirsch weggewischt. Es klebte getrocknet auf
seiner Wange.
„Halt
doch einfach mal den Mund, Malfoy!“, fuhr sie ihn erschöpft an, aber seine
Augen weiteten sich.
„Nein,
Granger! Ich will wissen, woran ich bin! Ich will wissen, wann du mich mit dem
nächstbesten Idioten ersetzt! Er hat kein Recht! Und du schickst mich weg! Ich
bin-“
„-ich
habe dich weggeschickt, damit du ihn nicht bewusstlos schlägst!“, fuhr sie ihn
wütend an.
„Es
wäre mein gutes Recht!“, schnauzte er.
„Wäre
es nicht! Merlin noch mal, du bist so unfassbar bescheuert!“, rief sie
verzweifelt aus. Sie schloss die Augen und wollte nicht mehr.
„Bescheuert?“,
wiederholte er kalt, und sie hörte, er war näher gekommen. Sie spürte es
regelrecht. Die Wut schien in heißen Schüben von ihm auszugehen. „Ich bin
bescheuert? Warum, weil ich dachte, du wolltest, dass ich bei dir bleibe? Weil
ich mir sicher war, du würdest mich nicht gegen das Arschloch eintauschen, was
dich abgesetzt hat, weil du schwanger warst?“ Sie öffnete die Augen wieder.
„Malfoy“,
begann sie ruhig, „du hast mich gehasst. Du warst selber ein Arschloch, was
mich nicht wollte, weil ich schwanger war“, erinnerte sie ihn dunkel. Kurz
blinzelte er bei ihren Worten, aber eine Regung war ihm nicht anzumerken. „Und
glaub mir, ich weiß nicht, warum, aber Alec ist nicht weg, um seine Sachen zu
holen. Er kommt nicht wieder“, eröffnete sie ihm leiser. „Und ich kann dir
sagen, wieso ich dich nicht heiraten will“, schloss sie, und sein Blick war
plötzlich verschlossen und kühl.
„Das
brauchst du nicht, ich habe dich auch nie gefragt, ob du das willst“, erwiderte
er kalt. Sie hörte, er war verletzt. Sie hörte es so deutlich, sah es ihm so
deutlich an! „Ich bin nicht Diggory, Granger“, entfuhr es ihm dann
kopfschüttelnd, fast ein wenig zu schnell, ein wenig zu aggressiv. Ihr Mund
öffnete sich. „Wenn das der Grund ist. Wenn du mich nicht heiraten willst, weil
ich nicht Diggory bin, dann kannst du es dir sparen. Das werde ich nie sein“,
erinnerte er sie mit fester Stimme.
Und
traurig musste sie lächeln. Er war dumm.
„Das
weiß ich. Merlin, denkst du, das ist mir nicht bewusst? Du bist das vollkommene
Gegenteil von Cedric, ich verstehe nicht, wie du überhaupt darauf kommst, mich
auch noch darauf hinweisen zu müssen“, erwiderte sie, fast verblüfft. „Du
brichst in fremde Häuser ein, Draco. Du bist vor jeder Konfrontation
weggelaufen. Du hast ziemlich klar gemacht, dass du für immer alleine sein
willst, keine Familie haben möchtest. Du hast nahezu jede Brücke zwischen uns
zerstört! Und dann…“ Sie unterbrach sich kurz, als sie ungläubig den Kopf
schütteln musste.
„Und
dann?“, griff er ihre Worte fast unbewusst auf.
„Und
dann bist du einfach eingezogen, hast all deine Worte Lügen gestraft, einfach
das Gegenteil getan“, schloss sie, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Er
runzelte die Stirn über ihre Worte. „Und es war als… wäre ich wieder lebendig“,
flüsterte sie, ohne ihn anzusehen. „Du bist so vollkommen anders, als alles,
was ich kenne. Anders als Harry oder Ron oder Cedric oder Alec.“ Sein Ausdruck
verfinsterte sich wieder langsam.
Und
dann lächelte sie ein schmales Lächeln. „Und ich will dich nicht heiraten, weil
ich nicht will, dass… dass du gehst“, sagte sie dann. Und sein Mund öffnete
sich einen Spalt, während jeder Ausdruck von seinem Gesicht verschwand. „Ich
weiß nicht, warum, aber… ich gewöhne mich an dich, Draco, und… es ist… schön“,
sagte sie fast, ein wenig überrascht von sich selbst. „Und was ich von dir
gehört habe… von Narzissa und Pansy, sagt mir, dass du gehst, wenn Dinge…
kompliziert werden. Merlin, ich denke schon jetzt, dass du jede Sekunde gehen
wirst!“, ergänzte sie kopfschüttelnd.
Und
schließlich seufzte sie resignierend auf. „Und… ich will nicht, dass du gehst.“
Denn
das wollte sie nicht. So abwegig es auch war. Sie wollte, dass er blieb. Ihr
Herz klopfte schnell. Und sie sah ihn schlucken, sah, wie sich sein Adamsapfel
bewegte. Sein Blick änderte sich. Das Grau wurde dunkler in seinen Augen, wich
einem Sturm.
„Ich
bleibe“, sagte er rau, ehe er näher kam. „Glaub mir, ich bleibe.“ Ehe er den
Abstand schloss, ehe seine Hände sich fest um ihre Taille legten, ehe er
unbeherrscht den Kopf senkte und sie an sich zog.
Und
ihr Bauch schlug Purzelbäume, Schmetterlinge flatterten heftig in ihrem Innern,
und sie küsste ihn hungrig und merkte, wie er kurz zusammenzuckte, weil ihn
wohl sein Unterkiefer schmerzte, aber dann war es ihm wohl egal. Sie schmeckte
noch den entfernten metallischen Geschmack von Blut auf seiner Haut, aber seine
Zunge schob sich heiß in ihren Mund, presste sie gegen das Holz der Haustür,
küsste sie verlangender, und sie erinnerte sich, wie sie schon einmal hier im
Flur einen unfassbar sinnlichen Kuss geteilt hatten. Hart zogen seine Hände sie
fester an seinen Körper, konnten sie gar nicht mehr loslassen, und sie seufzte
gegen seine Lippen, ließ sich von seiner Leidenschaft mitreißen, und auch wenn
sie sich noch nie mit jemandem so sehr gestritten hatte, so hatte sie auch noch
nie so ein Verlangen gefühlt.
Ging
es einher?
Vielleicht.
Egal.
Ihre
Finger fuhren durch seine blonden Strähnen, kratzten über seine Kopfhaut, und er
löste sich so plötzlich von ihren Lippen, dass sie fast enttäuscht aufstöhnen
wollte. Sein Atem ging flacher und er sah sie eindeutig an.
„Wann…
wann darfst du…?“, brachte er abgehackt hervor, und sie verstand. Enttäuschung
stieg in ihr empor.
„In
zwei Wochen“, wiederholte sie missmutig, was Ginny ihr gesagt hatte, und er
nickte traurig. Noch immer stand er unfassbar nahe vor ihr. Noch immer lag sein
Arm um ihre Taille. Noch immer brannten ihre Wangen und ihre Mitte zog
angenehm.
Und
sie hatte die Elfen fast völlig vergessen. Sie hörte die Geschöpfe im
Wohnzimmer. Fast wurde sie rot. Sie mussten sich zusammenreißen. Scorpius
machte bereits kleine Laute, die sie erinnerten, dass er Hunger haben musste.
„Wir
sollten… das verschieben“, murmelte sie beschämt, aber mit einem Grollen küsste
er sie erneut, und sie quietschte gegen seine Lippen. Und widerwillig beendete
er den Kuss.
Ohne
sie aus dem Blick zu lassen, ging er mit ihr ins Wohnzimmer, wo die kleinen
Elfen immer noch um Scorpius und Misty versammelt standen, wie um eine
Zirkusattraktion. Und sie bemerkte Dracos spöttischen Blick.
„Man
könnte meinen, du wärst eine echte Reinblüterin“, neckte er sie rau. „Hast
unser Kind direkt in Elfenobhut abgeschoben“, schloss er mit ironischer
Anerkennung. Sie wurde wieder rot.
„Nur…
für eine paar Minuten!“, rechtfertigte sie sich beschämt. „Äh… Misty?“, wagte
sie, zu sagen, und die Elfe sah sie überglücklich an. „Ich müsste… -er hat
Hunger“, sagte sie nur.
„Oh!
Sicher Misses! Misty weiß!“, rief sie aus, watschelte auf Hermine zu und
überreichte ihr Scorpius wie ein königliches Geschenk. Draco stand neben ihr,
den Arm um ihre Taille gelegt.
Und
sie sah ihn an, ihren schönen Draco. Und sie nahm an, der nächste Streit war
nicht weit entfernt. Aber fast freute sie sich schon auf das angenehme Gefühl,
was dann in ihrer Mitte ausbrach, wann immer dieses Feuer in seinem Blick
regelrecht loderte.
„Was?“,
fragte er spöttisch, und sie schüttelte lächelnd den Kopf.
„Gar
nichts“, log sie leichthin und setzte sich anschließend mit Scorpius auf die
Couch, um ihn zu stillen, während Draco den Tisch deckte, und den Elfen
halbherzig verbot, zu helfen. Allerdings schlichen die Elfen hinter ihm her,
beäugten was er tat, bevor er gereizt aufgab, und die Elfen mit unfassbarer Freude
und Elan das Frühstück vorbereiteten.
Es
war keine Minute später, dass das Feuer im Kamin hell aufloderte. Es war Draco,
der den Anruf annahm. Die Flammen wurden transparent und das strahlende Gesicht
ihres Chefs erschien in den Flammen. Und sofort wurde dieser knallrot, als er
begriff, dass Hermine gerade stillte.
„Oh-
ich… Hermine, ich wollte nicht-“
„-Mr.
Conner, es ist in Ordnung. Kein Grund zur Scham“, sagte sie lediglich mit einem
feinen Lächeln. Ihr Boss sah überall hin, nur nicht direkt auf sie, als er sich
schließlich räusperte.
„Nun,
Sie glauben ja nicht, was heute passiert ist!“, sagte er dann, immer noch
beschämt, aber Hermine war neugierig.
„Was
ist passiert?“
„Unsere
Abteilung für Öffentliche Arbeit und Einrichtungen hat heute eine Rückzahlung
erhalten!“, rückte er mit der Sprache heraus. Hermine runzelte verblüfft die
Stirn.
„Ist
das so? Von wem?“ Sie konnte sich nicht erklären, welcher Betrag von solcher
Wichtigkeit war, dass Donald persönlich anrief.
„Von
Lucius Malfoy!“, brachte er strahlend über die Lippen und vergaß sogar, sich zu
schämen, bei ihrem Anblick.
„Von
meinem Vater?“, mischte sich Draco verblüfft ein, und Donald schien ihn erst
jetzt zu erkennen.
„Oh.
Ja. Guten Tag, Mr. Malfoy“, rang er sich hastig ab, aber Hermines Augen waren
groß geworden.
„Wie
hoch soll diese Rückzahlung sein?“
„Soweit
ich es verstanden habe, aber das dürfte Ihnen dann ja bekannt sein“, bemerkte
er, mit Blick auf Draco, „hat Lucius Malfoy seine Stellung in der Malfoy Group alleine seinem Sohn
vermacht“, erklärte er, wartete darauf, dass Draco das bestätigte, aber dieser
starrte ihn mit großen Augen an.
„Er
hat was?“, flüsterte Draco praktisch, und Donald nickte, fast begeistert, dass
er doch derjenige sein würde, der die großen Neuigkeiten verkündete.
„Ja!
Und die Abfindung, die mit der Aufgabe seiner Position einhergeht, hat er als
Rückzahlung dotiert!“, rief er aus.
„Das…
das ist unmöglich“, entfuhr es Draco ungläubig.
„Nein!
Hermine, Sie haben die 200 Millionen Galleonen bekommen!“, schloss Donald mit
einem breiten Grinsen. Hermine konnte kaum begreifen, was er sagte.
„Mein
Vater… arbeitet nicht mehr?“, wiederholte Draco vollkommen fassungslos. Donald
wirkte ein wenig verblüfft.
„Nein,
in seinem Schreiben hat er uns informiert, dass Sie alles besten im Griff haben
würden.“
Und
Hermine musste fast schmunzeln, über Dracos Erschütterung. Hatte sein Vater ja
wohl doch Vertrauen in seinen Sohn, dachte sie zufrieden.
„Ich
muss… mal eben zum anderen Kamin“, bemerkte Draco heiser in ihre Richtung und
verschwand eilig.
„Danke,
für die gute Nachricht, Donald“, bemerkte Hermine lächelnd, und Donald wurde
wieder einmal knallrot, als er seine Aufmerksamkeit wieder ihr zuwandte.
~*~
Er
hob den Blick, als er merkte, dass sie ihn beobachtete. Fragend wanderte seine
Augenbraue im Spiegel nach oben, und er wandte sich von dem Spiegel seines
Schrankes ab, der nun im Gästezimmer stand. In seinem Zimmer, was er wieder
bezogen hatte.
Und
er hatte sich einigermaßen beruhigt, hatte sich einigermaßen im Griff, nach dem
befremdlichen Gespräch, was er mit seinem Vater geführt hatte, in welchem
dieser die Phrasen, den ‚Doxy bei den Ohren‘ packen und ‚besser ein ganzer als
ein halber Zauber‘ aufgegriffen hatte.
Scheinbar
hatte sein Vater überhaupt gar kein Problem, Draco die Führung zu überlassen.
Die Verantwortung, das Familienunternehmen.
Und
mit einem fast erleichterten Lächeln hatte sein Vater ihm schwere Worte mit auf
den Weg gegeben. Er hatte gesagt, er wünsche ihm viel Spaß dabei, das Geschäft
Scorpius aufs Auge zu drücken, wenn die Zeit gekommen wäre. Und Draco bekam
lebhafte Vorstellungen davon, was sein Vater durchgemacht hatte und was ihn
selber auch noch treffen würde.
Aber
er würde erst morgen dort auftauchen müssen. Erst morgen würde er sich Gedanken
machen und feststellen, dass er von Arbeit, die ihm alles abverlangte, keine
Ahnung hatte. Aber fast war es… ein aufregendes Gefühl.
Und
jetzt wandte er ihr seine Aufmerksamkeit zu, denn sie betrachtete ihn noch
immer.
„Ja?“,
stellte er die entsprechende Frage. Sie war noch im Bademantel, gerade aus der
Dusche gekommen.
„Nichts“,
erwiderte sie lächelnd, und er glaubte ihr nicht. Er schob den Krawattenknoten
höher. Perfekt.
„Nichts?“,
wiederholte er langsam, blieb vor ihr stehen, und ihm gefiel, wie sie den Kopf
in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. „So siehst du mich nicht an.“
„Du
siehst… gut aus“, erwiderte sie schließlich achselzuckend. Er hob beide
Augenbrauen.
„Ok“,
antwortete er mit einem spöttischen Lächeln und beobachtete wie die Röte in
ihre Wangen kroch.
„Der
Anzug sieht wirklich… gut aus“, wiederholte sie und wandte sich von ihm ab. Er
folgte ihr. Er trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine schmale, schwarze
Krawatte. Durchaus angemessen für Pansys geheime Verlobungsparty, von der Pansy
keinen Schimmer hatte.
„Ich
bin sicher, du wirst gleich auch… gut aussehen, Granger“, entgegnete er
charmant. Er hörte sie seufzen.
„Ich
bin mir gar nicht sicher, ob ich ein angemessenes Kleid für so ein Event
besitze“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd.
„Dann
bleib so“, forderte er sie auf und deutete auf ihren weichen Bademantel.
„Ha
ha“, war alles, was sie sagte. Neben dem nervenaufreibenden Gespräch mit Lucius
war der Tag träge vorüber gegangen. Sie hatten Scorpius gefüttert, gewickelt,
gefüttert, gewickelt, gebadet, gefüttert und jetzt gerade schlief er, während
zehn kleine Elfen aufpassten. Irgendwann hatten sie eine Nachricht von Blaise
erhalten, mit der Einladung zu Pansys geheimer Verlobungsparty in Prestons
Anwesen, heute Abend. Es wäre die erste Veranstaltung, die er und Hermine
zusammen besuchen würden.
„Mir
gefällt es“, behauptete er grinsend und setzte sich auf ihr breites Bett,
während sie zum Kleiderschrank gegangen war.
„Was
wird das?“, fragte sie ihn ungläubig. „Hast du vor, zuzusehen, wie ich mich
umziehe. Und er antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Ja.“
Und
kurz sah er, wie sie seine Antwort überraschte, ehe sie wieder rot wurde.
„Ich
glaube nicht“, wich sie seinem Blick aus und zog ein grünschimmerndes Kleid aus
dem Schrank. „Was ist damit?“, wollte sie unsicher wissen. Er verzog knapp den
Mund.
„Schön,
aber nicht unbedingt meine Farbe.“ Sie sah ihn mit großen Augen an.
„Grün
ist nicht deine Farbe? Ich dachte, Slytherins werden einer Gehirnwäsche
unterzogen, und dann mögen sie keine andere Farbe mehr?“, ärgerte sie ihn
spöttisch, und er zuckte die Achseln.
„Meine
Lieblingsfarbe ist rot“, erwiderte er lediglich.
„Tatsächlich?“
Sie suchte eine ganze Weile, schob die Oberteile auf den Bügeln hin und her,
ehe sie triumphierend ein kurzes Kleid aus dem Schrank zog. „Vielleicht passt
es noch“, murmelte sie, mehr an sich selbst gewandt. Er erhob sich, um das
Kleid zu inspizieren.
„Wow.
Das ist… kurz“, entfuhr es ihm, und er konnte sich verdammt gut vorstellen, wie
sie in diesem Kleid aussehen würde.
„Zu
kurz?“, wollte sie ein wenig besorgt wissen, aber er ruckte unwirsch mit dem
Kopf.
„Nein.
Sexy kurz“, sagte er lächelnd. Sie wirkte nicht überzeugt. „Zieh es an“, bat er
sie. „Aber vorher“, ergänzte er, und sanft lösten seine Finger den Knoten ihres
Bademantels, „ziehen wir dich aus.“
„Draco!“,
entkam es ihr beschämt. „Ginny hat gesagt-“
„-ich
habe nicht vor, mit dir zu schlafen“, unterbrach er sie ruhig, und hastig gab
sie der Schlafzimmertür einen Stoß, denn gegenüber standen die Elfen im
Kinderzimmer. Draco bezweifelte, dass es die Elfen interessierte, aber Granger
war so herrlich leicht zu blamieren.
„Was
hast du dann-“ Aber sie unterbrach sich, als er den Knoten gelöst hatte und den
Bademantel ihre Schultern hinab gleiten ließ. Es störte ihn nicht, dass sie
nach der Schwangerschaft noch eine sanfte Bauchrundung hatte. Sie stand
herrlich nackt vor ihm, duftete nach ihrer fruchtigen Lotion, und sah ihn ein
wenig überfordert aus großen dunklen Augen an.
„Du
bist wunderschön“, sagte er, ohne sich halten zu können. „Verflucht schön“,
wiederholte er, als er sanft eine ihrer vollen Brüste in die Hand nahm. Ihre
Brustwarzen richteten sich augenblicklich auf.
„Draco!“,
zischte sie wieder. „Die Elfen!“
„Die
sind beschäftigt“, knurrte er, während er näher kam, den Arm um sie legte und
die andere Hand auf die Rundung ihres Pos legte. „Leg dich hin“, befahl er ihr
gefährlich ruhig, und ihre Wangen flammten regelrecht auf.
„Wa-warum?“,
entkam es ihr fast erregend naiv. Und über ihre tatsächliche Unschuld musste er
schmunzeln.
„Ich
will etwas für dich tun, Hermine“, erwiderte er nonchalant, und sie schluckte
jetzt.
„Etwas…
tun?“
Und
sein Lächeln vertiefte sich anschließend. Ihr überraschter Blick traf seinen,
und ihr Mund öffnete sich.
„Jetzt?
Ich weiß nicht, ob-“
„-leg
dich hin“, wiederholte er knapp, und er führte sie rückwärts zum Bett, und nach
kurzem Zögern setzte sie sich und rutschte weiter nach hinten über die
Matratze. Er folgte ihr, kniete auf dem Bett und sanft lockerte sie den Knoten
seiner Krawatte. „Was tust du?“, fragte er alarmiert, aber dieses Mal lächelte
sie.
„Du
siehst viel zu förmlich aus“, murmelte sie, und sein Mundwinkel hob sich, als
sie es geschafft hatte, die Krawatte zu öffnen und aus seinem Kragen zu ziehen.
Er schälte sich aus dem dunklen Jackett und ließ es auf den Boden fallen.
„Besser?“,
erkundigte er sich, und sie nickte nur. „Ok.“
Er
lehnte sich langsam vor, atmete ihren herrlichen Duft ein und küsste ihre
Lippen. Seine Augen schlossen sich, und seine Erektion drückte schmerzhaft
gegen den teuren Stoff seiner Hose. Was für eine Schande, dass sie noch nicht
durften. Wirklich. Dann drückte er sie auf die Matratze und begann, sich seinen
Weg mit heißen Küssen ihren Körper hinabzubahnen. Er umzirkelte ihre
Brustwarzen, was sie sofort stöhnen ließ, und seine Hände fuhren die Seiten
ihres Körpers entlang, bis hin zu ihrer Mitte.
Sein
Daumen beschrieb harte Kreise über ihren empfindlichen Punkt, und sie warf
ihren Kopf von rechts nach links, während ihr Atem abflachte. Er küsste ihren
Bauchnabel, und seine Zunge leckte eine heiße Spur hinab zwischen ihre Beine.
Sie zog scharf die Luft ein, als sein Kopf zwischen ihren Beinen lag, und er
mit den Händen ihre Oberschenkel zur Seite drückte.
Sie
stützte sich auf ihre Ellbogen, und sie sah einfach anbetungswürdig aus, wie
sie ihn mit hochroten Wangen ansah. Und ehe sie vielleicht noch aus Scham
protestieren würde, senkte er den Kopf, leckte über ihre Perle, und ein abgehackter Luft verließ ihre Kehle. Aus den
Augenwinkeln sah er, wie ihr Kopf in ihren Nacken fiel und sanft biss er zu.
Wieder
schnappte sie nach Luft, und er nahm seine Hände zur Hilfe. Sanft stieß er zwei
Finger in sie, während seine Zunge weiter hart Kreise beschrieb. Sie bewegte
unbewusst ihr Becken, und er sah aus den Augenwinkeln, wie sich ihre Finger in
das Laken krallten. Jetzt beschrieb er mit seinem Daumen sanfte Kreise und
seine Zunge ersetzte seine Finger in nur einem Atemzug.
Und
jetzt konnte sie nicht anders, als aufzustöhnen, und er musste lächeln. Er
stieß seine Zunge übermütig in sie, und sein Name kam seufzend über ihre
Lippen, als sie unter ihm erzitterte. Merlin, er war so unfassbar hart! Er
schmeckte ihre Säfte und es gab ihm einen regelrechten Kick! Er stemmte sich
wieder hoch, legte sich neben sie, und sie atmete mit geöffnetem Mund, ein
sanfter Schleier in ihrem Blick.
„Wow“,
flüsterte sie zufrieden. „Das war… wow!“
„Vielen
Dank“, erwiderte er selbstgerecht, und dann biss sie sich auf die Lippe.
„Und…
was ist mit dir?“, erkundigte sie sich außer Atem, und er verzog den Mund.
„Ich
bin ok“, behauptete er, aber seine Erektion war mittlerweile steinhart. Und
tatsächlich fiel ihr Blick auf die Beule unterhalb seines Reißverschlusses.
„Sieht
nicht so aus“, bemerkte sie, und ein Funkeln trat in ihren Blick. Sie hatte
sich aufgesetzt. Es war fantastisch, dass sie nackt war, fand er. Und ihre Hände
griffen ungeniert nach seiner Gürtelschnalle.
„Hermine,
wir müssen gleich los-“, begann er, denn wäre sein Schwanz erst mal frei,
konnte er nicht garantieren, dass er sie nicht einfach doch nehmen würde!
„-halt den Mund, Draco“, unterbrach sie ihn nur, und er sah ihr dabei zu, wie
sie seinen Gürtel und den Reißverschluss öffnete, nur um in seine Shorts zu
greifen und ihre schlanke Hand um seinen harten Schaft zu legen. Er biss die
Zähne fest zusammen, um nicht direkt in ihrer Hand zu kommen. Sie befreite
seinen Schwanz und mit einem letzten Blick in sein Gesicht, neigte sie ihren
Kopf langsam aber sicher seinem Schwanz entgegen.
Nein!
Oh! Er hatte damit nicht gerechnet, hatte es nicht mal erwartet! Er hatte nur
etwas für sie tun wollen, dass sie sich gut fühlte! Sie hätte nicht…! Sie
musste nicht…!
„Du…
musst nicht…!“, brachte er seine Gedanken noch ansatzweise über die Lippen,
aber er sah sie lächeln.
„Halt
den Mund, Draco“, wiederholte sie sanft, und dann legten sich ihre Lippen um
seine Eichel, und er fluchte unterdrückt, als ihn die Hitze ihres Mund fast
wahnsinnig machte. Wow! Das fühlte sich so verdammt gut an! Ihre Zunge fuhr
über die Spitze, und seine Atmung ging flacher. Wesentlich flacher. Ok. Das war
gut. So würde er nicht zu schnell-
-fuck!
Sie
nahm ihn tiefer auf! Er glaubte zu sterben, als er ihren Gaumen spürte.
Verzweifelt schloss er die Augen, als ihre süße Qual weiterging, sie ihn tief
in ihren Mund saugte, ihre Hand stetig pumpte, während ihre Zähne genau im
richtigen Maße über seine Haut kratzten und ihre Zunge seine Spitze verwöhnte,
wann immer sie den Kopf wieder zurücknahm.
„Granger!“,
brachte er rau hervor. „Hör auf, oder ich-“
Aber
wie zum Ansporn nahm sie ihn ein letztes Mal tief auf, saugte hart, und er
stöhnte erlösend auf. War es ihr Name? War es ein Fluch? Scheiß egal! Heiß kam
er, spritzte zähe Fäden, und spürte sie schlucken, und fast raubte es ihm das
Bewusstsein! Hätte er geahnt, was für Talente sie besaß! Merlin, fuck! Er
glaubte, noch nie so hart bei einem Blowjob gekommen zu sein! Fuck, sie war
verdammt gut!
Erschöpft
war er zurück auf das Bett gefallen.
„Besser?“,
erkundigte sie sich schnippisch, und ihre Stimme drang nur dumpf in sein
Nervenzentrum. Er schlug wieder blinzelnd die Augen auf. Fast konnte er ihren
Ausdruck als frech bezeichnen. Er stützte sich auf den Ellbogen, um die andere
Hand um ihren Nacken zu schlingen. Er zog sie zu einem Kuss heran, und es
störte ihn nicht, sich selber zu schmecken. Merlin, er hatte keine Lust zu
Pansy blöder Party zu gehen! Er wollte hier bleiben! Zwei Wochen Oralsex mit
ihr haben und sie dann nur noch vögeln, bis er starb!
Das
waren in etwa seine Gedanken. Sie löste sich von ihm, beendete den Kuss, und
fast spürte er die Enttäuschung und den Verlust sofort. Ihre Augen strahlten
eine unglaubliche Wärme aus, ihre fast trockenen Locken umrahmten ihr Gesicht,
und am liebsten hätte er jede ihrer Sommersprossen geküsst.
„Ich-“
liebe dich.
Er
biss sich selber auf die Zunge. Er hielt sich noch gerade so davon ab, es zu sagen.
Aber
wirklich nur gerade so.
„Ja?“
Sie sah fragend auf ihn hinab. Er unterdrückte diese Worte, rollte sie über
seine Zunge und schluckte sie runter.
„Ich
denke, wir sollten uns fertig machen“, beendete er rau den Satz, und sie schenkte
ihm ein Lächeln.
„Ok.“
Merlin, kam ihm ihr Lächeln einfach nur verrucht vor, oder war es das wirklich?
Mit diesem Lächeln würde er sie verdammt gerne wieder gegen die Tür pressen und
gegen das Holz nehmen. Sie erhob sich, und sein Herz schlug noch immer verdammt
schnell. Nicht wegen des Orgasmus‘. Nein. Eher wegen der Worte, die beinahe
über seine Lippen gekommen waren, ohne dass er nachgedacht hatte!
Was
war los mit ihm? Dieses Mädchen wäre noch sein Verderben, dachte er dumpf. Wie
besitzergreifend er heute Morgen gewesen war, ohne es verhindern zu können. Er
hätte Dermont umgebracht, wäre er noch länger geblieben.
Eifersucht
war ihm ein gänzlich fremdes Konzept gewesen. Bis heute. Es machte ihm fast
Angst.
~*~
Sie
erkannte Pansys Mutter. Der Mann neben ihr musste ihr Vater sein. Er war groß,
sah überhaupt nicht aus wie Pansy und wirkte wie ein sehr ernster Mann. Nicht
wirklich freundlich. Hermine wollte gar nicht erst mit ihm sprechen. Sie blieb
bei Draco und bei Blaise.
Preston
lief wie ein nervöser Tiger in Kreisen durch den unfassbar schön geschmückten
Saal. Überall flatterten magische Tauben, Ballons aus Kristall schwebten unter
der Decke, und alle paar Meter gab es Champagner und Häppchen.
„Glaubst
du, Pansy kommt?“, wandte sie sich leise an Blaise, und dieser kratzte sich am
Kopf, während er wohl nach Astoria Ausschau hielt.
„Keine
Ahnung“, gab er offen zu. „Ich hoffe das. Denn sonst bekomme ich den Ärger zu
Hause.“
„Wieso
du?“, wollte sie verwirrt wissen.
„Ach, keine Ahnung. Astoria braucht keinen Grund. Pansy ist meine Freundin, und
wahrscheinlich bin ich dafür verantwortlich, wenn sie nicht auftaucht“,
jammerte Blaise gepresst. Draco musste lächeln, nippte an seinem Champagner und
sah sich anerkennend um.
Er
sah unfassbar gut aus, fand Hermine. So verboten gut, dass sie ihn gar nicht zu
lange ansah. Ansonsten dachte sie nur wieder daran, wie er sie zwischen ihren
Beinen angegrinst hatte. Aber auch er bedachte sie mit einem besonderen Blick.
Fast hungrig. Und auch das machte sie mehr als nervös.
Und
würden sie so weiter machen, würden sie auch keine zwei Wochen durchhalten,
ohne übereinander herzufallen. Die Elfen waren höflich genug gewesen, so zu
tun, als wäre nichts vorgefallen, nachdem sie beide aus dem Schlafzimmer ins
Kinderzimmer gekommen waren, aber Hermine schämte sich dennoch. Misty war
mitgekommen und kümmerte sich gerade um Scorpius im Nebenzimmer. Hermine war
sich nicht sicher, ob es ihr gefiel. Aber sie nahm an, Elfen waren sehr
kinderliebe Geschöpfe.
Draco
hatte ihr gesagt, dass es wie eine königliche Beförderung für eine Elfe war,
zur Kinderelfe zu werden. Hermine hatte von dieser Rangordnung keine Ahnung.
Und er meinte, Misty würde an der Verantwortung wachsen, und sie solle sich
keine Gedanken machen.
Draco
kämmte sich durch seine dichten Haare.
„Sie
wird das hier lieben“, entfuhr es ihm lächelnd.
„Meinst
du?“, vergewisserte sich Blaise.
„Oh
ja. Pansy liebt alles, was glänzt“, bestätigte er, nippte erneut an seinem
Glas, und Hermine musste zugeben, es wirkte alles unglaublich schick und
elegant. Und wahrscheinlich müsste Draco ja wissen, was Pansy gefiel. Und
Hermine ging auf, auf diese Party hatte Pansy ihr Leben lang gewartet. Nur
hatte Pansy von Draco einen Antrag gewollt. Sie hoffte, Pansy wusste, wie gut
sie es mit Preston hatte. Hermine glaubte ernsthaft, dass Preston Pansy
wirklich mochte, vielleicht sogar liebte.
Wieder
musterte sie Draco verstohlen. Gott, je länger sie ihn ansah, umso sicherer war
sie sich, dass sie sich verliebte. Sie konnte kaum anders. Er verließ ihre
Seite keine einzige Sekunde lang. Und sie mochte es.
Preston
stöhnte in der Mitte des Saals auf.
„Wo
bleibt sie?“, wandte er sich an Astoria.
„Keine
Sorge. Ich habe sie benachrichtigt“, erwiderte Astoria mit einem erschlagenden
Lächeln, aber Preston schüttelte den Kopf.
„Sie
sollte längst hier sein!“, blaffte er sie an, aber Astoria wirkte
unerschütterlich.
„Preston,
ich sagte doch, mach dir keine Gedanken“, wiederholte sie strenger. „Pansy wird
nicht widerstehen können.“
Ihr
Lächeln machte Hermine ein wenig Sorge. Auch Preston hörte auf, wilde Kreise zu
laufen und sah Astoria an.
„Wieso
bist du dir so sicher?“, wollte er fast behutsam wissen.
„Oh,
ich habe Pansy eine Einladung für dein heutiges Clubtreffen zukommen lassen“,
beantwortete sie gelassen seine Frage, und Preston wirkte verständnislos.
„Es
gibt kein Treffen, Astoria“ knurrte er fast.
„Nein.
Aber ich musste doch dafür garantieren, dass Pansy vergeht vor Eifersucht“, schloss
Astoria mit einem königlichen Lächeln. Preston verlor alle Farbe.
„Was?“,
kam es ihm schwach über die Lippen.
„‘Leichte
Damen, leichter Spaß‘ ist das Motto“, erläuterte sie ihm gewinnend, und sein
Mund klappte auf.
„Was?!“
Fassungslos sah er Astoria an. „Sie wird mich umbringen!“, rief er verzweifelt.
„Unsinn.“
„Sie
wird fuchsteufelswild sein!“, widersprach er panisch.
„Ja,
das wird sie“, bestätigte Astoria, als wäre es genau das, was Preston gewollt
hatte. Hermine biss sich auf die Unterlippe. Das könnte böse enden.
Und
als wäre es das perfekte Timing, klopfte es laut an der Tür.
„Oh
Merlin“, entfuhr es Preston noch nervöser. Und sein Blick traf Blaise. „Ich
bringe dich um“, ergänzte er nur still, stellte sich in Position, und die Elfen
löschten die Lichter im Saal.
„Wieso
mich?!“, zischte Blaise verzweifelt.
„Deine
Frau“, antwortete Draco leise neben ihr.
„Oh
Mann“, entgegnete Blaise schwach. „Dann soll er sie umbringen“, flüsterte er so
leise, dass Hermine es nur gerade so verstehen konnte, als sie Pansys wütende
Stimme im Flur hörte.
„Preston!“,
rief sie, und Hermine hatte keine Lust, in Prestons Haut zu stecken, so wütend,
wie Pansy klang. „Wo bist du, du widerlicher Mistkerl? Denkst du ernsthaft, das
ist witzig?“ Ihre Stimme näherte sich dem Saal. „Weißt du, wenn es dir alles so
wenig bedeutet, dann brauchst du mir kein schlechtes Gewissen machen, du
Arschloch!“
Sie
kam um die Ecke, und die Elfen entfachten das Licht.
Allerdings
traute sich keiner ‚Überraschung‘ zu rufen. Nicht mal Astoria, die sich
merklich still aus dem Staub gemacht hatte und mittlerweile hinter Blaise
wartete. Pansy war vor Schreck verstummt, während sie entgeistert die
Dekoration wahrnahm, die Gäste und Preston in der Mitte, im schicken Anzug.
Und
ganz klar war Pansy auf diesen Abend nicht vorbereitet, denn sie trug Jeans und
eine weite Strickjacke über einem weißen Top. Fassungslos hatte sich ihr Mund
geöffnet.
„Was…?“,
brachte sie verwirrt hervor, und Preston kam vorsichtig einen Schritt näher.
„Was soll das?“, fragte sie dann ungläubig, als sie wohl mit Schrecken die
Anwesenheit ihrer Eltern wahrgenommen hatte.
„Ich
dachte, es wäre eine gute Idee, dich zu überraschen“, sagte Blaise endlich, ein
wenig kleinlaut.
„Was
für ein Clubtreffen soll das bitteschön sein?“, entkam es ihr, als sie jetzt
Hermine und Draco erkannte.
„Kein
Treffen. Ich…- Überraschung, Pansy“, schloss Preston mit einem schwachen
Lächeln. Und Pansys Augen wurden groß.
„Aber…?“
Verwirrt sah sie Preston an. Und dieser tat wohl das einzig Richtige und kniete
sich vor sie.
„Pansy,
willst du mich heiraten?“, fragte er, und der ganze Saal hielt den Atem an,
während Pansy noch immer wirkte, als hätte sie keine Ahnung, was passierte.
Preston zog einen Ring aus seiner Tasche, und Hermine erkannte die Größe des
Steins auch von hier aus. Merlin!
Pansy
starrte vom Ring zu Preston, wieder auf den Ring.
Dann
atmete sie aus. „Du bist so ein Idiot“, flüsterte sie kopfschüttelnd, aber
Hermine erkannte, dass sie bereits weinte.
„Ist
das… ein Ja?“, wollte Preston vorsichtig wissen, und Pansy schluchzte auf.
„Ja!
Ja, ich will dich heiraten“, sagte sie, und Preston ergriff ihre Hand und schob
den Ring auf ihren Ringerfinger. Dann erhob er sich und Pansy schlang bereits
die Arme um seinen Hals.
Und
es war als machte der Saal einen kollektiven Seufzer der Erleichterung, ehe
sich alle sicher genug fühlten, um zu klatschen. Hermine spürte selber die
Tränen in den Augen.
„Merlin
sei Dank“, murmelte Blaise neben ihnen, und Hermine sah, ihm stand der
Angstschweiß noch auf der Stirn.
„“Have you thought of an
ending?"
"Yes, several, and all are dark and unpleasant."
"Oh, that won't do! Books ought to have good endings.
How would this do: and they all
settled down
and lived together happily ever
after?"“
The
Fellowship of the Ring
Hermine lehnte den Kopf
zurück. Sie saß, wo sie vor Jahren schon immer gesessen hatte, wenn die Sonne
im Garten einen angenehmen Punkt erreicht hatte. Der Geruch der Grillkohle war
fast nostalgisch in ihrer Nase, ebenso wie der Duft des frisch gemähten Grases.
Mit der Hand schirmte sie
die Sonne ab und betrachtete die Terrasse einige Meter in der Ferne. Lucius und
ihr Vater standen fachmännisch über den Grill gebeugt, auch wenn Hermine wusste,
Grillen war nichts, was Lucius und Narzissa für gewöhnlich taten. Draco hatte
erst gestern unter viel Gefluche den Efeu zurückgeschnitten, und ihr kleines
Haus kam ihr wunderschön vor.
Auf der Terrasse stand
ihr ausgezogener Tisch, und er füllte die gesamte Terrasse bereits aus.
Narzissa und ihre Mutter deckten den Tisch mit vielen Tellern und Gläsern, mit
Soßen, Brot und Dips, Wein und gekühltem Bier.
Auf Narzissas Arm saß
Scorpius und die Sonne schimmerte golden auf seinen hellen Locken. Narzissa
hielt seine kleine Hand, sprach viele Worte auf ihn ein, die er wohl weder
verstand, noch bemerkte. Er war jetzt etwas älter als ein Jahr. Hermine musste
lächeln, als Scorpius interessiert eine blonde Strähne seiner Großmutter aus
ihrem kunstvollen Zopf zog, und Narzissa sanft versuchte, ihn abzuhalten.
Draco kam aus der
Hintertür, ein Bier und eine Limonade in der Hand, und schritt gelassen auf sie
zu. Er trug eine helle Shorts, ein weißes Shirt und eine sexy Sonnenbrille, die
golden verspiegelt war. Grinsend wartete sie auf ihn. Er beugte sich zu ihr und
reichte ihr die kalte Flasche.
„Bequem?“, fragte er und
stieß mit ihr an. Sie nickte lediglich, lächelte breit, und er atmete tief ein.
„Ich glaube, unsere Väter
werden scheitern“, bemerkte er, nachdem er einen Schluck getrunken hatte.
Hermine zuckte die Achseln.
„Sie sollen es ruhig
versuchen“, bemerkte sie gönnerhaft. Sie hörte das Gartentor. Und mit einem
großen Gebell rannte Rufus, Rons riesiger weißer Kuvasz, in den Garten, direkt
auf sie und Draco zu. Draco ging in die Hocke, kraulte den riesigen Hund, der
heftig mit dem Schwanz wedelte, und schritt Ron und Lavender entgegen.
Ron und Lavender hatten
sich Rufus aus dem Tierheim geholt, nachdem klar war, dass Lavender keine
Kinder bekommen würde. Hermine hob die Hand zum Gruß, zu faul, um aufzustehen.
Ihre Mutter umarmte Ron, und so tat es auch Narzissa. Wenig später folgten
Harry, James und Ginny, der man die Schwangerschaft bereits ansehen konnte. James
hatte Ginnys Hand gehalten, löste sich aber, um lachend zu Ron zu laufen. Die
anderen beiden kamen als erstes zu ihr.
„Wie die Königin auf
ihrem Thron“, bemerkte Harry spöttisch, und Hermine grinste nur zufrieden.
„Ich glaube, die anderen
haben alles im Griff“, bemerkte Hermine. Die Terrasse füllte sich langsam. Ihre
Mutter reichte ihrem Vater bereits den Teller mit Fleisch, und Rufus tänzelte
hechelnd um den Grill, nur um von Lucius Ärger zu bekommen.
„Harry!“, rief Ron vom
Tisch. „Bier?“ Harry hob geschlagen die Arme.
„Ladies, entschuldigt
mich“, verabschiedete er sich.
„Harry, bring mir einen
Liegestuhl, bevor du und Ron nicht mehr ansprechbar seid!“, rief ihm Ginny
nach, und Harry reckte den Daumen in die Höhe.
Hermine war barfuß und
sie vergrub die Zehen in den kurzen, kühlen Grashalmen, während Ginny es sich
schließlich auf dem Liegestuhl neben ihr bequem machte, den Harry eilig
gebracht hatte.
Hermine hörte das
Gartentor erneut, und diesmal kam als erstes William wie ein winziger
Betrunkener in den Garten getorkelt.
„Schatz, nicht so
schnell!“, hörte sie Pansys herrische Stimme. „Hey, ihr zwei!“, rief sie ihr
und Ginny zu, und kam zu ihnen, nachdem Preston hinter William hergehechtet
war, um ihn auf den Arm zu heben, bevor Rufus ihn noch umrannte. Blaise und
Astoria folgten, heute mal nur mit zwei Kindern, wie Hermine amüsiert
feststellte. Sie winkten Hermine lediglich von weitem.
Pansy beugte sich hinab
zu Hermine, und Hermine hob die Arme, um Pansy fest zu umarmen.
„Na, alles gut?“, wollte
Pansy grinsend wissen und legte ihre Hand liebevoll auf Hermines sehr runden
Bauch. Hermine schenkte ihr ein breites Grinsen.
„Es ist herrlich, wenn
alle anderen die Arbeit tun“, bemerkte sie zufrieden, streckte ihre bloßen
Beine aus, und Pansy schirmte ebenfalls ihre Augen ab und betrachtete die volle
Terrasse. „Werden wir in Schichten essen?“, erkundigte sie sich spöttisch. Und
Hermine verdrehte die Augen.
„Ich weiß, bei euch
können zehntausend Leute am Tisch sitzen, Lady McGraw“, erwiderte sie
kopfschüttelnd.
„Unsinn“, sagte Pansy nur
lächelnd.
Hermine richtete sich
unter Anstrengung auf und erhob sich aus dem bequemen Liegestuhl.
„Ich glaube, wir sind
alle da?“, fuhr Hermine fort und ihr Blick glitt über die Anwesenden. „Du,
Preston, Ginny, Harry, Ron, Lavender, Blaise, Astoria und die Kinder, unsere
Eltern…“ Sie überlegte knapp.
„Milly und Greg?“, sagte
Pansy dann.
„Oh, richtig.“ Hermine
verzog den Mund. Millicent war sie nicht mehr losgeworden, nachdem sie als
Sekretärin im Ministerium angefangen hatte, um nicht den gesamten Tag in ihrem
Anwesen sitzen zu müssen, während ihr Bauch runder wurde. Sie hatte sich bei Hermine
so oft für die damalige Verwechslung entschuldigt, bis Hermine ihr voll und
ganz vergeben hatte. Pansy hatte Hermine ausgelacht, und sie vorgewarnt, dass
sie Millicent für immer an der Backe hätte. Aber Hermine brachte es auch nicht
über sich, Millicent nicht mehr zu beachten.
Mittlerweile arbeitete
Millicent nicht mehr und hatte Zwillinge bekommen. Zwei sehr dicke Jungen.
Devon und Dyke. Sie kamen Hermine vor wie zwei sehr große Kugeln, aber dennoch
sehr süß.
Und kaum war Hermine mit
langsamen Schritt durch den Garten zurück zur Terrasse gewandert, kamen schon
eine strahlende Millicent und ein schwitzender Gregory nach hinten in den
Garten. Gregory musste beide Zwillinge auf den Armen tragen.
„Hey, Hermine“, begrüßte
er sie außer Atem, während Millicent sie und Pansy fest an sich drückte. „Hallo
Pans!“
„Hallo
Milly“, begrüßte Hermine sie, und ihr Vater verkündete, dass die ersten Steaks
fertig wären. Der Tisch bog sich praktisch, und sie war fast dankbar, dass
Molly und Arthur zurzeit bei Charlie in Ägypten Urlaub machten. „Misty?“, rief
Hermine ins kühle Wohnzimmer, und die Elfe kam nach draußen. „Isst du mit den
Kindern?“, fragte sie, und Misty nickte wie immer demütig, hexte den kleinen
Kindertisch samt Stühlen auf den Rasen, aber immerhin saß sie mit den Kindern
und aß selber.
Es
hatte Monate gedauert, bis sie überhaupt eine der Galleonen angenommen hatte,
die Hermine ihr praktisch aufgedrängt hatte, aber mittlerweile nahm sich Misty
sogar sonntags frei, besuchte die Elfen in Malfoy Manor, denn Misty wohnte
jetzt bei ihnen. Sie hatte sogar ein eigenes kleines Bett im Kinderzimmer.
Und
es war unglaublich praktisch. Gekonnt ließ sie alle Kinder schweben, die nicht
laufen konnten, was nur die dicken Goyle-Zwillinge betraf, fixierte sie magisch
auf den kleinen Stühlen und bedeutete den anderen Kindern, ihre Hintern sofort
auf die Stühle zu pflanzen. Scorpius und William taumelten beide vergnügt über
den Rasen auf Misty zu, und James beschwerte sich wieder einmal, am Kindertisch
sitzen zu müssen. Blaise und Astorias Kinder waren so seltsam höflich, dass
Hermine manchmal Angst vor ihnen hatte.
Aber
Misty hatte das übrige Geschrei am Kindertisch gut unter Kontrolle.
Harry
und Ron beschwerten sich bereits wieder über die Abteilung der Vereinigung am
Tisch, und Blaise und Draco wetterten dagegen. Gregory Goyle hörte vergnügt zu,
denn er sagte immer, er sei froh, nur noch Eulenfutter zu verkaufen und sich
nicht mehr mit Status und Politik rumärgern zu müssen. Lucius belächelte das
Thema nur, wollte sich mal wieder nicht äußern, während Narzissa und ihre
Mutter mit Millicent darüber diskutierten, ob die Zwillinge magisch-vegetarisch
erzogen werden sollten – wobei Narzissa und ihre Mutter dagegen waren.
Hermines
Vater fragte Blaise, wohin er und Pansy nächste Woche reisen würden, und Pansy
verdrehte neben Hermine bereits die Augen.
Preston
erzählte, dass er nächste Woche auf einem Heiler-Kongress in Hawaii sprechen
würde.
„Viel
zu heiß“, flüsterte ihr Pansy zwinkernd zu. Danach würden sie nach Texas fahren
und von da aus weiter nach Neuseeland.
Preston
hatte praktisch Wunderheiler-Status erlangt nachdem er aus der aktiven
Heilerarbeit verschwunden war, seinen leitenden Posten abgegeben hatte, um sich
der Familie und der Forschung zu widmen. Die beanspruchte nämlich nicht all
seine Zeit. Das war zumindest der Plan gewesen.
Und
dann hatte er als erster Heiler einen Weg gefunden, die magische Neutralisation
– die gewollte Unfruchtbarkeit der Männer – rückgängig zu machen. Ein Zauber,
der bisher nicht umkehrbar gewesen war. Ein Zauber, den er hundertfach
ausgeführt hatte.
Jetzt
war er beschäftigter als vorher, aber immerhin konnte er Pansy überall mit
hinnehmen, und sie konnte seltene und exotische Kunst sammeln, wo immer sie
hinkamen.
Es
war ein durchschlagender Erfolg geworden, mit Draco als Prestons erstem
Versuchsobjekt. Die magische Welt war nun verrückt nach Preston McGraws
Wunderheilung.
Obwohl
Preston sich selber wieder geheilt hatte und ebenfalls fruchtbar war, war Pansy
bisher kein weiteres Mal schwanger geworden. Wenn sie und Hermine unter sich
waren, sagte sie ihr allerdings, dass sie es gar nicht tragisch fand. William
würde als Einzelkind schon verwöhnt genug werden. Zwei davon könne sie gar
nicht ertragen.
Hermines
Hand lag ruhig auf ihrem Bauch. Sie war im neunten Monat schwanger mit ihrem
zweiten Kind. Und diesmal würde es ein Mädchen werden. Ginny hatte es ihr vor
acht Monaten freudestrahlend beim ersten magischen Ultraschall eröffnet.
„Mummy“,
rief Scorpius, als er über das Gras auf sie zutaumelte, nachdem Misty ihn wohl
satt bekommen hatte. Vor ihr angekommen, streckte er die kleinen Arme in die
Höhe und Hermine bückte sich schwerfällig nach ihrem Sohn, der sie mit seinen
ersten fünf Zähnen anstrahlte.
„Mummy
muss essen, Großer“, sagte Draco, stand auf und kam um den Tisch herum. „Komm
her“, ergänzte er und nahm ihn ihr wieder ab. Hoch oben thronte Scorpius auf
den Armen seines Vaters, Lachfalten um seine hellbraunen Augen.
Draco
senkte den Blick auf sie. Die Sonnenbrille trug er nicht mehr. Und er schenkte
ihr ein umwerfendes Lächeln. Es war ansteckend, und sie konnte nicht anders,
als ebenfalls zu lächeln.
„Hermine
und ich haben Neuigkeiten“, begann er dann, nach dem stillen Moment des
Einvernehmens, und die Runde hob den Blick. Erwartungsvoll schwiegen sogar
Millicent und Gregory, obwohl Millicent immer einen Grund zum Reden fand.
„Hermine
ist schwanger!“, brach Ron das Schweigen mit ironischer Überraschung, und die
übrigen lachten verhalten.
„Ja,
das auch“, erwiderte Draco, und ergriff dann mit der freien Hand die ihre.
„Aber viel wichtiger als das“, fuhr er lächelnd fort, „sie hat endlich Ja
gesagt!“, schloss er mit einem breiten Grinsen.
Und
vor allem bei ihren Eltern brach der größte Jubel aus, ehe sich Pansy und Ginny
wieder erhoben, um sich einen engen Weg zu ihr zu bahnen, um sie fest zu
umarmen. Die Männer beglückwünschten Draco herzlich, stießen mit ihm erneut an,
und Draco fand am anderen Ende des Tisches wieder ihren Blick, nachdem Harry,
Ron und Blaise ihn in die Mitte gezerrt hatten, um anzustoßen.
Pansy
begutachtete sofort den Ring an Hermines Finger, der bisher noch keinem
aufgefallen war, weil Hermine noch kein Aufheben davon gemacht hatte. Heute
Morgen hatte Draco sie gefragt. Zum dritten Mal in diesem Jahr. Und er fragte
sie mittlerweile nur noch aus Spaß, nahm gar nicht mehr an, dass sie überhaupt
noch Ja sagen würde, aber heute Morgen hatte sie kurz überlegt, und er hatte
sich schon gewundert, dass sie nicht wie immer lachend verneinte.
„Hermine?“,
hatte er besorgt nachgehakt, als sie ihn gemustert hatte, ehe sich ihre Lippen
zu einem Lächeln geteilt hatten. Und dann hatte sie einfach Ja gesagt.
Und
völlig verblüfft hatte er geschwiegen, ehe er begriff, dass es ihr Ernst
gewesen war. Den halben Morgen hatte er damit zugebracht, den Ring
wiederzufinden, den er schon solange aufbewahrte.
Und
nur zu Sicherheit hatte er sie dann heute Nachmittag, bevor ihre Eltern kamen,
noch einmal gefragt, aber sie hatte gelacht und ihm gesagt, dass sie keinen
Witz gemacht habe, und es wirklich todernst meinte.
Es
war ehrliche Freude, die sie empfand. Es war aufrichtige Liebe, die sie fühlte.
Und
sie wusste, das tat er auch.
~*~
Es
war spät. Die Kinder schliefen alle. Selbst James war auf Harrys Armen
eingeschlafen.
„Morgen
Quidditch?“, fragte Harry ihn leise, und Draco nickte grinsend.
„Klar“,
bestätigte Draco, und Harry schlug ihm freundschaftlich die Hand auf die
Schulter, ehe er sich auch von Hermine verabschiedete. Narzissa und Rose hatten
aufgeräumt, während Pansy und Millicent gespült hatten. George und Lucius
hatten sogar abgetrocknet, was Draco mit einem nur schwer zurückgehaltenen
Lachanfall beobachtet hatte.
Unbezahlbar.
Er hätte ein Foto davon machen sollen.
Blaise
und Astoria verabschiedeten sich auch. Astoria hatte heute getrunken und Blaise
musste apparieren. Wie jedes Mal, wenn sie ausgingen. Aber Draco kommentierte
auch das nicht. Millicent und Goyle waren mit der Kutsche hier, denn die
Zwillinge waren noch zu klein, zum Seit-an-Seit apparieren. Der Abschied
passierte ungewöhnlich leise, weil alle Kinder bereits schlafend in den Armen
ihrer Eltern hingen.
Auch
Scorpius war bereits tief und fest auf Hermines Armen eingeschlafen.
Nach
und nach verließen ihre Freunde den Garten, und zum Schluss verabschiedeten
sich Narzissa und Rose von ihnen.
„Macht’s
gut, ihr beiden“, flüsterte Narzissa, küsste Scorpius sachte auf die Stirn,
ohne dass er aufwachte, drückte dann vorsichtig Hermine und ihn, und Rose
wiederholte diese Prozedur. Auch Hermine lehnte sich gähnend an ihn, und er
winkte noch ein letztes Mal, bevor alle verschwunden waren.
„Nächstes
Mal gehen wir zu Pansy und Preston“, murmelte Hermine an seiner Schulter.
„Nächstes
Mal bleiben wir zu Hause“, korrigierte Draco sie kopfschüttelnd.
„Ok“,
gähnte sie, wohl zu müde, um zu streiten. „Ich mache mich schon mal fertig“,
verabschiedete sie sich von ihm. „Bringst du ihn ins Bett?“, murmelte sie und
gab ihm den Jungen zurück, ohne dass er wach wurde. Draco nickte nur. „Und mach
die Lichter aus, ja?“
Es
waren rhetorische Fragen. Er lächelte nur. Dann lehnte er sich zu ihr und
verschloss ihre Lippen mit einem Kuss. Es war jedes Mal wie das erste Mal, fand
er. Noch immer bekam er dieses herrliche Gefühl in seinem Bauch, wann immer er
ihre Lippen küsste.
Noch
immer wirkte sie ein wenig atemlos, wenn er sich von ihren Lippen löste.
„Ich
liebe dich, Hermine“, sagte er warm, und sie lächelte ein wunderschönes
Lächeln. Er ging sicher, dass er es ihr jeden Tag sagte. Denn er wollte, dass
sie es wusste und niemals vergaß.
„Ich
liebe dich, Draco“, erwiderte sie leise, hauchte ihm noch einen Handkuss zu und
verschwand ins Haus.
Er
überblickte ihren hübschen, kleinen Garten, der immerhin groß genug war, um für
zwanzig Leute Platz zu finden. Glühwürmchen tanzten nahe dem Boden, und er
blickte zufrieden gen Himmel. Die Nacht war klar, und die Sterne funkelten in
voller Pracht. Sein Sohn atmete ruhig auf seinem Arm.
Er
nahm an, er wusste, warum er heute so besonders großes Glück gehabt hatte.
Warum sie heute Ja gesagt hatte. Sie glaubte, er wusste nicht, weshalb sie
jedes Jahr das große Grillen veranstaltete. Letztes Jahr hatte er es
unkommentiert gelassen, aber dieses Jahr war ihm das Datum doch wieder
besonders aufgefallen. Es war der siebte Juli. Cedrics Geburtstag.
Und
er hatte sein Glück mit ihr heute noch einmal versucht, hatte sie aus einer
Eingebung heraus noch einmal gebeten, ihn zu heiraten. Und tatsächlich hatte er
Glück gehabt! Tatsächlich hatte sie Ja gesagt.
„Happy
Birthday, mein Freund“, wünschte er der schönen Sommernacht, wo auch immer
Cedric gerade war.
Er
verschloss die Verandatüren, löschte die Lichter und trug seinen vierzehn Kilo
schweren Sohn die Treppe rauf. Er war ein kleiner Rollmops geworden. Und klein
war er auch nicht mehr. Im Kinderzimmer lag die Elfe bereits schlafend in ihrem
Bett. Das Nachtlicht brannte in warmen Farben, spielte eine leise Musik, und er
legte Scorpius ins Bettchen, hexte ihm seinen kleinen Schlafsack an, und strich
ihm die wirren Locken aus der Stirn.
Merlin,
wie sehr er ihn liebte. Am schönsten waren seine braunen Augen. Überhaupt sein
Gesicht, denn er sah aus wie sie. Wie Hermine. Ein Lächeln stahl sich auf
Dracos Züge.
„Gute
Nacht, kleiner Prinz“, murmelte er und tätschelte auch Mistys Kopf, als er ihr
Bettchen passierte und zog ihre kleine Decke gerade, damit sie nicht fror. Dann
schloss er die Tür leise hinter sich und ging ins Schlafzimmer.
Die
Tasche stand schon gepackt an der Tür. Jeden Tag war es soweit. Die Wehen
sollten bald kommen. Er wäre bereit. Hermine war schon eingeschlafen, hatte
wohl auf ihn warten wollen, aber ihr Atem ging bereits ruhig und gleichmäßig.
Er
zog sich um, putzte die Zähne und löschte auch das Licht im Schlafzimmer, um
sich lautlos zu ihr zu legen. Sanft küsste er ihre Wange, aber sie wurde nicht
mehr wach. Den letzten Kuss hauchte er auf ihren runden Bauch.
„Gute
Nacht, Viola“, flüsterte er. Sie hatten sich heute für einen Namen entschieden.
Viola
Narzissa Rose Malfoy. Damit keine der Großmütter böse werden würde. Es war
natürlich Hermines diplomatische Idee gewesen.
Zufrieden
schloss er die Augen. Er war froh, nicht mehr ohne sie aufwachen zu müssen. Er
war froh, nicht einen Atemzug mehr ohne sie zu tun.
Er
hatte eine Familie. Wer hätte gedacht, dass es das war, was einem jedem zum
Glück fehlte? Er war der glücklichste Mann der Welt. Das wusste er mit
Sicherheit.
– The End –