Chapter

Chapter 1 , Chapter 2 , Chapter 3 , Chapter 4 , Chapter 5 , Chapter 6 ,

Chapter 7 , Chapter 8 , Chapter 9 , Chapter 10 , Chapter 11 , Chapter 12 ,

Chapter 13 , Chapter 14 , Chapter 15 , Chapter 16 , Chapter 17 , Chapter 18 ,

Chapter 19 , Chapter 20 , Chapter 21 , Chapter 22 , Chapter 23 , Chapter 24 ,

Chapter 25 , Chapter 26 , Chapter 27 , Chapter 28 , Chapter 29 , Chapter 30 ,

Chapter 31 , Chapter 32 , Chapter 33 , Chapter 34 , Chapter 35 , Chapter 36 ,

Chapter 37 , Chapter 38 , Chapter 39 , Chapter 40 , Chapter 41 , Chapter 42 ,

Chapter 43 , Chapter 44 , Chapter 45 , Chapter 46 , Chapter 47 , Chapter 48

 

Epilogue

Chapter 1 , Chapter 2 , Chapter 3 , Chapter 4 , Chapter 5 , Chapter 6 ,

Chapter 7 , Chapter 8 , Chapter 9 , Chapter 10 , Chapter 11 , Chapter 12 ,

Chapter 13

 

~Chapter One~



Samstag Morgen


Draco

[7am.]

Autsch. Stöhn. Doppel Autsch.

Obwohl, machen wir drei Autschs daraus.

Wo zum Teufel bin ich, und wieso fühlt sich mein Kopf an als hätten es zwei brünstige Hippogreife die ganze Nacht lang darin getrieben?

Argh. Nein. Zu viele Gedanken. Schmerzen wegschlafen.

Schon wieder betrunken.

Offensichtlich.


[8am.]

 

Nein! Dummes Gehirn! Schlaf wieder ein.

 

Das Licht kommt durch die Vorhänge. Das ist gut. Das heißt, ich bin drinnen. Das letzte Mal bin ich im Rinnstein eingeschlafen. Hat Tage gedauert den Geruch weg zu kriegen. Ziemlich beschissene Sache.

Ich muss verflucht dringend pissen.

Aber noch dringender muss ich schlafen.

Seltsamerweise fühl ich mich ziemlich wohl. Warm hier…

 

Die Laken riechen nach Teerose und Vanille… und nach noch etwas anderem.

 

Nett.

 

Braves Gehirn. Licht aus.

 

**




Hermine


[8.30am]

Heilige Mutter Maria.

Alles tut weh. Überall.

Meine Augenlider sind mit meinem Gesicht verschmolzen.

Jetzt schlafen. Zusammenfügen und analysieren später.

Ah. Braves Gehirn.


[10.30am]

Wasser.

Jemand. Irgendjemand. Würde töten für ein Glas Wasser.

Kopf tut weh. Nacken verspannt. Beine fühlen sich an wie Pudding.

Schrecklicher Muskelkater…

An Stellen die eigentlich nicht beansprucht werden sollten.

Oh Gott..

Abschlussparty.…

 

**

 

 

Draco wachte als erstes auf.

Er lehnte sich gegen die Kissen und öffnete seine trüben, blutunterlaufenen, grauen Augen. Er blinzelte einige Male und leckte sich über die extrem trockenen Lippen. Sein Mund schmeckte nach Sandpapier. Mit einem Kater nach einer Party aufzuwachen war nichts Neues für ihn. Schließlich war er 18, gutaussehend, beliebt und besaß einiges an Gold und Anteile an nicht wenigen Kneipen in Britannien (und drei oder vier in Frankreich).


Aus diesem Grund war ein schwerer schmerzender Kopf bei einem Kater keine neue Erfahrung für ihn.

Drei Dinge wurden ihm nahezu augenblicklich klar.

Erstens, er war in einem Hotelzimmer, und nicht gerade in einem unbedingt besonders luxuriösen noch dazu. Die Vorhänge – Gott sei Dank geschlossen -  hatten einen grellen Grünstich, der Teppich war ein schmutziger Läufer von einem unbestimmt langweiligen Braun. Die wenigen Möbelstücke im Zimmer waren entweder aus Plastik, Spanholz oder irgendeinem schrecklichen Gemisch von Beidem.

Zweitens, es konnte ihm nicht entgehen, dass das Zimmer im völligen Chaos unterging. Ein Stuhl lag umgekippt in der Ecke, ein Bein fast vollständig abgebrochen. Die staubige Zugluft der Klimaanlage an der Decke ließ das Stuhlbein bedrohlich schwanken.

Eine leere Flasche Ogdens lag neben dem Nachttisch und ein nasser Fleck trocknete langsam unter ihr. Klamotten lagen überall wild verstreut, wie Opfer eines wüsten Wäschemarathons. Die festliche Robe, die er an dem denkwürdigen Abend getragen hatte, lag zusammengeknüllt in der Ecke, das grün silberne Slytherinwappen in den Falten zu erkennen.

Es lagen noch andere Kleidungsstücke herum - nicht seine - bemerkte er mit erhobener Augenbraue. Eine tiefblaue Robe hing, das Innere nach außen gekehrt, über dem Bettpfosten.

Ein spitzenbesetzter pfirsichfarbener BH hing über der Türklinke zum Badezimmer. Seine eigene Unterwäsche hing über einem recht schiefen Lampenschirm.

 

Tja. Das war ja gar nicht so übel, überlegte Draco, während er sich zurück in die Kissen lehnte. Sein Kopf fühlte sich zwar an wie ein Kilo geschmolzenes Blei, aber hey, ein Fick war ein Fick. Und wenn man ein gesunder, junger Zauberer war, war ein Fick, egal welcher Art, ein Grund sich zu freuen.

Nachdem er seinen Blick von dem betrunkenen aber doch erfolgreichen Chaos abwandte, machte er die dritte Entdeckung.

Verfluchte. Hölle. Nein.

 

Hermine Granger, unbeirrbare Schulsprecherin von Hogwarts,  Verantwortliche für hunderte von Strafarbeiten, Königin der bösen Blicke, der nachdrücklichen Warnungen und der arg mitgenommen Hauselfen überall in der Welt, lag neben ihm zusammengerollt im selben Bett, anscheinend fest am Schlafen und so ziemlich nackt.

Und das war noch nicht alles. Als sein Verstand und seine Sensibilität wieder in seinen Körper zurückkamen, bemerkte Draco die Tatsache, dass Grangers Hand auf seinem ebenfalls nackten Oberschenkel ruhte und das in einer geradezu unmissverständlich vertrauten Geste.

Nun, Draco hielt sich selbst für einen mondänen weltgewandten jungen Mann. Er hatte seine Erfahrungen mit One-Night-Stands, Affären und noch anderen unterhaltsamen Ablenkungen außerhalb der Schule, aber diese Situation in der er sich jetzt befand, überwältigte ihn doch für ganze zehn Minuten.

Erst als die große goldene Uhr an der Wand laut tickend zwanzig vor Elf erreichte, wurde Draco in vollem Maße die schmutzige Tatsache bewusst, dass er soeben sexuellen Verkehr mit seiner Klassenkameradin gehabt hatte. Auf ihrer gemeinsamen Abschlussfeier. Und nicht bloß irgendeinen Blümchensex, nein. Anscheinend hatten sie sich beide den Verstand aus dem Kopf gevögelt, auf den vielsagenden Zustand ihres Zimmers zu schließen.

Er ignorierte das späte Erwachen seines Penis’ (und auch alle anderen rationalen Gedanken) und betrachtete das schlafende Mädchen neben ihm mit beinahe gottloser Faszination.

Granger lag auf ihrer Seite, ihm gegenüber. Ihre Haare waren ein Wust weicher, cognacfabrener Locken, die teilweise ihr Gesicht verdeckten. Das Laken war halb um ihren Oberschenkel geschlungen. Der Rest des Lakens befand sich unter ihrer Wange und diente ihr als Kissen. Tatsächlich hatte sie das gesamte Laken für sich, während er alle Kissen auf seiner Seite hatte.

Bei Merlins lackierten Zehennägeln. Wenn auch nur ein Wort davon bekannt wurde, dass er sexuellen Kontakt mit dem muggelgeborenen Fluch von Hogwarts hatte, würden ihn seine Slytherin Kameraden wahrscheinlich mit schimmelnden Früchten zu Tode schmeißen, wenn er nach Hogwarts zurückkam.
Schließlich hatten sie jetzt erst den Abschlussball hinter sich. Es waren immer noch zwei Wochen bis das Jahr offiziell zu Ende sein würde.

 

Dann wiederum würde es sich vielleicht doch nicht als ein so furchtbarer Fehler herausstellen, mit Granger geschlafen zu haben, überlegte Draco. Er könnte es als letzte Herausforderung ansehen. Er hätte der nicht genügsamen Besserwisserin einen ordentlichen Dämpfer verpasst.

Er hatte ihren großen weißen Sockel erklommen und sich mit seinem unwiderstehlichen Charme durch ihre schwer bewachten mit Perlen besetzten Eingangspforten manövriert.

 

Verflucht, wenn er sich doch bloß daran erinnern könnte, wie es passiert ist.


Jetzt, hier, in diesem Motel in Britannien, war sich Draco sicher, dass er völlig neben sich gestanden haben musste. Es war nicht so, dass Granger ein Troll war, nein. Sie war recht passabel. Jeder männliche Hogwartsschüler im letzten Jahr, der die Vorliebe des anderen Geschlechts entdeckt hatte, hatte dies nach dem vierten Schuljahr realisiert. Aber neben ihrem bedauerlichen Pech als Schlammblut geboren worden zu sein, hatte sie außerdem noch die nervtötendste, über alle Maßen verkorkste Persönlichkeit, die je einer einzelnen Person zuteilwerden konnte.

Sie besuchten eine gemischte Schule, welches natürlich bedeutete, dass ein gesundes Maß an schmutzigen Teenager Träumen die Luft in den Schlafräumen, Klassenzimmern und Fluren erfüllte. Draco konnte nicht abstreiten, dass es Momente gegeben hatte, wo er versucht war Granger einfach über ihren Kessel zu beugen um ihr einen kräftigen Klaps auf den Hintern zu geben, in der Hoffnung den infernalischen Stock, der ihr im Hintern stecken musste etwas zu lockern.

Aber niemals hätte er es in Betracht gezogen diese Träumereien zu verwirklichen. Neben der Tatsache, dass sie eine Harpyie war, bestand immer noch die Tatsache, dass sie ihn, ohne großes Federlesen, entmannt hätte, hätte er es auch nur gewagt sie in einem vollen Korridor anzurempeln.

Und dennoch: Sie hatte mit ihm geschlafen. Und wenn es, wie es schien, keinen Imperiusfluch gebraucht hatte, war sie ihr Höschen doch anscheinend recht willig losgeworden.

Ein Teil von ihm wollte nichts dringender, als einfach aus diesem grauenhaften Loch von Zimmer weg zu Apparieren und diese skandalöse Eskapade seinen Klassenkameraden zu berichten. Ein anderer Teil von ihm jedoch begann sich zu erinnern.

 

Und mit diesen trüben Bruchstücken kehrte seine Erregung zurück. Rasend schnell sogar.


Draco war sich sehr wohl bewusst, dass er noch immer berauscht war von dem nächtlichen Komasaufen und anderen Begebenheiten. Er gab dem teuflischen Gebräu ebenfalls die Schuld daran, dass er seine Hand auf ihre Schulter legte, mit dem Wunsch, sich wieder daran erinnern zu können, wie es gewesen war Grangers helle, mit Sommersprossen übersäte Haut berührt zu haben. Das Berühren ihrer Schulter hatte die Auswirkung, dass sie sich noch dichter an ihn schmiegte. Sie presste ihren halbgeöffneten Mund an seinen empfindlichen Schenkel, seufzte auf und ließ Dracos sowieso schon angeschlagenes Gehirn einen Looping schlagen.

Seine Erektion drückte beinahe schmerzhaft gegen seinen Unterleib, mit dem Wunsch nach Aufmerksamkeit, wie jeden Morgen.


So vorsichtig wie möglich, zog er seine Hand zurück und schloss sie ergeben um seine Erektion. Ein spezieller Griff linderte sofort die ungeduldigen Schmerzen in seinen Hoden. Ein weiterer Griff intensivierte sie wieder. Die Haut seines Penis’ brannte unter seinen Fingern. Sie war rau und nichts war von ihrer gewöhnlichen Geschmeidigkeit geblieben. Die Signale seines Körpers waren unmissverständlich.

 

Sie hatten ziemlich definitiv miteinander geschlafen und das mehr als ein Mal.

 

Granger machte einen unwilligen Laut, als der Kontakt zu Dracos Haut verschwunden war. Mit unverständlichen Worten (sie nörgelte sogar im Schlaf!!!), schob sie ihr linkes Bein über ihn und presste so die Hälfte ihres Körpers gegen seine Haut.

Ein wohlerzogener Zauberer mit den besten Manieren hätte sich wahrscheinlich an diesem Punkt als Gentlemen erwiesen und das Mädchen aufgeweckt. Aber Draco war Abschaum und dessen war er sich wohl bewusst. Mit einem großen Maß an Ungeduld, rutschte er im Bett tiefer und schob ihr Bein vorsichtig über seine Hüfte. Es war nicht unbedingt eine natürliche Position oder gar sehr Schlafzuträglich, aber sie schlief trotzdem weiter.

Obwohl sie anfing leise, ziemlich gereizte Geräusche von sich zugeben.

 

Jedes warme Ausatmen ihrerseits wurde von ihm gespürt. Ab diesem Punkt war es egal, wer sie waren oder wo sie waren. Es war egal, dass er sie sieben Jahre lang, auf einer normalen Tages-Basis, vollkommen abstoßend gefunden hatte. Alles, was zählte war, dass Granger ein weiches warmes Mädchen in seinem Bett war und dass der ziemlich fordernde Teil seiner Anatomie geradezu um eine Zugabe bettelte. Mit einer Hand auf ihrem Hintern, brachte er sie näher zu sich und beinahe zögernd presste er die Spitze seines rauen Penis’ gegen ihren Unterleib.

Grangers Haut war angenehm kühl im Vergleich zu seinem Schwanz und unglaublich weich. Sie runzelte ihre Augenbrauen im Schlaf und ihre Mundwinkel kräuselten sich leicht. Ihre rechte Hand lag immer noch zwischen ihren Gesichtern, zur Faust geballt. Sie wirkte so unschuldig im Schlaf und dieser Gedanke sandte eine frische Welle der Erregung durch Dracos Körper.
Pussy war Pussy, sagte Draco sich und von dem dringenden Wunsch seines Schwanzes zu schließen, sich in ihr zu vergraben, schien diese Pussy ziemlich gut zu sein.
Das Aneinanderreiben ihrer beider Hüften, hatte Grangers Laken verschoben und gewährte Draco nun einen ersten (nüchternen) Blick auf ihre Brüste. Sie waren nicht übermäßig groß, wenn er ehrlich war. Eher klein, was eine Schande war, fand er.

Er war sich vage bewusst, das seine kleine Stimme in seinem Unterbewusstsein seit einer Weile nun schon schrie: “Hey! Du guckst dir Grangers Titten an!“

Ja, willkommen zurück, Gehirn. Wo warst du vor sechs Stunden, verdammt?

 

Er konnte nicht widerstehen, nahm ihre rechte Brust in seine Hand und begann sie sanft zu massieren. Mit Interesse beobachtete er, wie ihre hellrosanen Nippel langsam hart wurden. Der plötzliche Wechsel von Geradesitzen zu auf-der-Seite-liegen verursachte einen kurzen Anfall von Übelkeit in seinem Kopf. Draco bekämpfte dem Drang der Übelkeit nachzugeben. Der schale Geschmack von Zigaretten und altem Teppich in seinem Mund war nicht unbedingt hilfreich dabei. Ohne noch weiter darüber nachzudenken, schloss er die Augen und presste Nase und Mund gegen ihren Haaransatz und atmete ihren Duft ein. Es war Etwas oder zumindest Irgendetwas, das seine Gedanken von seinem rebellierenden Magen ablenkte.

 

Da war es wieder, Vanille und Teerose. Aber da war auch etwas Süßes, der unverwechselbare Geruch von Sex. Mit wachsender Bestärkung zog Draco ihr Bein noch weiter über seine Hüfte. Vorsichtig griff er zwischen ihre Körper und platzierte seinen Penis zwischen Grangers Beine. Das Gefühl, was seine eigene Hand verursachte war nichts gegen die Sensation, die er empfand als, sein Schwanz zwischen ihren dunklen Locken verschwand.

Sie war mehr als bereit für ihn; klebrig, benetzt mit ihrer eigenen Flüssigkeit, und etwas, was Draco als seinen früheren Beitrag vermutete. All dies war nur zu seinem Vorteil denn er glitt direkt in ihre feuchte Hitze.

 

Und sie schlief.


Dracos Augen rollten zurück in seinen Kopf als er leise aufstöhnte. All die dummen, geschmacklosen Worte, die er in Verbindung mit der weiblichen Sexualität jemals gehört hatte, rauschten wie ein Singsang durch seinen Kopf. Granger fühlte sich unglaublich geschwollen an und sie war so eng, jeder Beschreibung trotzend. Wie für seinen Schwanz gemacht, samten, gemütlich und doch fest, erregend, reibend. Alles traf zu.


Ein weiterer Schwall an Erinnerungen traf ihn. Grangers unterdrücktes Lachen gegen seine Schulter als sie mit schnellen Schritten von den Festivitäten der großen Halle flohen und dem Pfad folgten, der nach Hogsmeade führte. Granger nannte ihn engstirnig, eine Verschwendung an magischem Talent und schob sich an ihm vorbei. Weitere verschwommene Schatten, das Gefühl von Triumph nach einem erwiderten Kuss, gefolgt von erregter Ungeduld.

 

Ein „Popp“ nach dem bekannten Gefühl des Apparierens; ein unbestimmtes Gefühl von Gefahr und gleichzeitiger Aufregung. Eine weitere Erinnerung löste sich in seinem Kopf, weitaus detailreicher als der Rest. Granger saß rittlings auf dem Stuhl, welchem nun das Bein nahezu fehlte. Ihre Locken wippten auf und ab. Sie ritt ihn. Seine Hand griff in ihre Haare und zog sie zu einem Kuss hinab. Ein Kuss voller Verlangen. Ein Verlangen, was er Mädchen bei einem schlichten One-Night-Stand für gewöhnlich nicht zuteilwerden ließ.

 

Genau dieses Bild brachte es fertig, Dracos Verstand von seinem Körper zu trennen. Für einen Augenblick lang zumindest und seine Hüften nutzen diese Gelegenheit um mit immer kräftigeren Stößen in Granger einzudringen. Kraftvoll genug um sie auf den Rücken zu drehen.

„Au…“, wisperte sie mit heiserer Stimme, ihre Augenbrauen nun zusammengezogen. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen. Ihre Augen bewegten sich sehr schnell unter ihren geschlossenen Lidern. Unter ständiger Beobachtung ihres Gesichts, stieß Draco noch härter in sie.


"Uhh." Falten erschienen jetzt auf ihrer glatten Stirn. Sie wachte anscheinend auf. Aus einem unbekannten Grund, über den er jetzt auch nicht nachdenken wollte, nicht in diesem Moment, ertönte die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf.

„Diese Affären mit den hübschen, jungen Hexen, die du haben wirst, werden nicht von Dauer sein.“ Narzissa Malfoy hatte ihm dies letzten Sommer gesagt. „Diese Phase wird vorbei sein, wenn du eine Hexe deines Standards findest die deiner würdig ist.“

Gut. Dann war es am besten, er würde den ersten Teil hinter sich bringen, beschloss Draco jetzt, den anbahnenden höllischen Kopfschmerz ignorierend. Er stieß seinen Schwanz noch einen Zentimeter tiefer in sie und es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung nicht einfach auf sie drauf zu fallen, ihren Mund mit seiner Hand zu verschließen und sie zu ficken bis er schließlich explodierte. Die Muskeln seines Bizepses fühlten sich langsam an wie Gelee und es kostete ihn Kraft das Zittern seiner Arme zu unterdrücken.


Sie fühlte sich berauschend warm an. Wie tausend seidige Fäden, mal fester mal leichter über seiner gesamten Länge in ihr. Diese Wärme zu verlassen wäre nahezu kriminell. Ihn einfach rauszuziehen wäre absolut schwul. Er war auch nur ein Mann und er war völlig hilflos gegenüber diesem uralten Tanz der Geschlechter.


Er entfernte sich und stieß wieder hart in ihre Hitze. Gott, verfluchte Scheiße, es war absolut großartig.


Sein Unterleib war zu müde, um noch einem festen Rhythmus zu folgen. Es war nicht anmutig, aber es war trotzdem bittersüß. Zwei weitere tiefe Stöße waren alles, was es noch brauchte. Draco biss sich hart auf die Unterlippe und pumpte Wundersamerweise noch mehr von ihm in ihre willkommene Wärme.

 

In diesem präzisen Moment flogen Hermine Grangers braune Augen auf.

 

~Chapter Two~

 

 

„Geh runter von mir!“, krächzte Grangers Stimme jetzt. Ihre Augen waren so weit aufgerissen, dass Draco in der Lage war, kleine goldene Flecken auf ihrer dunklen Iris zu erkennen.

„Ich bin sowieso fertig.“, erwiderte Draco taktlos und hätte sich darauf am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst.

 

Nicht, dass ihm besonders wichtig war höflich zu sein. Das hätte  ihn wahrscheinlich zu viel Energie gekostet. Im Moment litt er an einer akuten post-erregten Lethargie, die ihm jede verbale Auseinandersetzung mit einer zornigen Hermine Granger völlig unmöglich machte.

Vielleicht würde sie ja in Erwägung ziehen, noch einmal für eine oder zwei Stunden weiter zu schlafen?

 

Sie versteifte sich unter ihm. Es fühlte sich an, als hätte er einen leblosen Dummy unter sich liegen, mit denen sie im sechsten Jahr Wiederbelebungszauber geübt hatten. Die willkommene Behaglichkeit war fort, aber die Hitze war immer noch da. Tatsächlich färbten sich ihre Wagen so tief rot als stände sie kurz davor in Flammen aufzugehen.

 

„Geh runter. Jetzt.”, wiederholte sie ihre Worte diesmal um einiges energischer. Ihr versteinerter Hauselfen-Blick war verschwunden und durch den gewöhnlichen Schulsprecherinnen Blick ersetzt worden.

 

Draco seufzte. Wahrscheinlich würde sie das nicht.

Ihre Fingernägel hatten sich in seine Schultern gekrallt. Vielleicht hätte er sich darüber beschwert, aber alles, was er zustande brachte, war ein entnervtes Kopfrucken. Bei Circes Nippeln, sie war vielleicht eine Furie, aber sie war ein verflucht guter Fick. Er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so fertig gefühlt zu haben. Sein Schwanz hatte sich wieder erschlafft, obwohl ihre recht zwecklosen Windungen unter ihm, ein angenehmes Gefühl verursachten. Leise fluchend rollte er schließlich schwer atmend von ihr runter, neben sie auf die Matratze

Er nahm an, er schuldete ihr eine Erklärung. Das einzige Problem war, dass er nahezu keine Idee hatte, was nach dem Moment, nachdem sie die Abschlussfeier verlassen hatten, bis zu dem Punkt an dem er mit einem fürchterlichen Kater und einer steinharten Erektion aufgewacht war, passiert war. Abgesehen von kurzen bruchstückhaften Erinnerungen, die ihn auf eine ziemlich perfekte Nacht voller Sex schließen ließen, war nichts außer einer riesigen Lücke in seinem alkoholvernebelten Gedächtnis zu finden. Vielleicht hatten all die Nächte, die er mit Goyle und seinen Leuten unterwegs gewesen war um seine körperliche Toleranzgrenze in Verbindung mit Alkohol zu testen, schließlich doch einen Komplettschaden an seinen Gehirnzellen angerichtet.

Draco mochte es gar nicht, sich nicht erinnern zu können. Es beunruhigte ihn.

 

„Granger, ich nehme nicht an, dass du-“

Er sprach nur noch mit der Luft. Er sah wie ihr bloßes Bein hinter der Badezimmertür verschwand, bevor diese besagte Tür mit einer solchen Wucht zugeschlagen wurde, dass die schrecklichen Vorhänge auf der anderen Seite des Raumes erzitterten Nach wenigen Sekunden öffnete sich die Tür erneut und eine Hand griff hastig nach dem BH, der über dem Türgriff hing. Dann wurde sie genauso laut wieder geschlossen.

Nicht im Geringsten beunruhigt, zog Draco das etwas mitgenommene Laken (ugh… Nylon?) über seinen Unterleib und schloss die Augen als er hörte, wie die Dusche angestellt wurde.

**

 


Hermine tat ihr Bestes, um den großen, herzförmigen Spiegel über dem Waschbecken zu ignorieren. Die Dusche lief nun schon eine Weile lang, aber sie stand noch nicht unter dem heißen Strahl. Sie wartete bis sich der komplette Raum mit heißem Dampf gefüllt hatte und strich mit ihrer flachen Hand über das beschlagene Spiegelglas.

 

Sie starrte ihrem Spiegelbild entgegen.

 

Ihre Augen betrachteten müde die dunklen Ringe unter ihren Augen. Ihr aschfahles Gesicht wirkte seltsam weiß im Vergleich zu ihren roten Lippen. Ihre Lippen waren von natur aus voll, aber heute Morgen schienen sie zu ihrer doppelten Fülle angeschwollen zu sein. Sie sog ihre Unterlippe in ihren Mund und spürte die feinen Risse und den salzigen Geschmack der Tränen. Um ihre Mundwinkel und unter ihrem rechten Ohrläppchen war ihre Haut gerötet, wohl von Drei-Tage-Bart Spuren. Mit zitternder Hand fuhr sie über den Knutschfleck an ihrem Hals und schob sich das, vom Wasserdampf nasse Haar, aus dem Gesicht. Ihr Make-Up war verschmiert. Der Mascara ließ ihre Augenringe noch dunkler erscheinen und jede Spur von Lippenstift war verschwunden. Anscheinend hatte sie auch einen ihrer Perlenohrringe verloren.
 Hermine befand ihre Augen sahen dümmer aus als sonst, aber sonst hatten sie auch nicht diese lebhafte Farbe. Ihrer Meinung nach waren braune Augen utilitaristisch. Nicht zu vergleichen mit Harrys stechenden atemberaubenden grünen oder Rons chamäleonartigen Haselnussfarbenen oder Malfoys eisig Silberne.

 

Malfoy.


Sie stöhnte auf und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Er erinnerte sich nicht mehr, realisierte sie jetzt, mit mildem Unglaube. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich jetzt beleidigt oder erleichtert fühlen sollte. Dieser Bastard schien sich ja sogar noch gut genug gefühlt zu haben um sie noch ein weiteres… ein weiteres Mal…-

Uhhhä. Sie konnte sich nicht mal dazu bringen, es auch nur zu denken, obwohl sie sich in ziemlich genauen Details daran erinnern konnte, was sie vor fünf oder sechs Stunden von ihm gewollt hatte. Und er hatte es ihr auch gegeben…. Muskeln, von denen sie nicht einmal wusste, dass sie sie hatte, erwachten zu neuem Leben, jetzt da sie wach war. Es war wie ein dumpfer Krampf in ihrem Unterleib, nicht unähnlich den Krämpfen, die sie während ihrer Periode bekam, und doch völlig anders.

 

Es war ein Jammer, dass sie nicht das Glück hatte nach Sex an partiellem Gedächtnisverlust zu leiden. Hermine trank nicht oft und war bloß zwei oder drei Mal überhaupt betrunken gewesen, mit den Jungs und einmal auf einer Silvesterfeier mit ihren Cousins. Dann kamen die befürchteten Nachwirkungen eines Katers und das nachträgliche Übergeben nachdem sie mit einem wohlmeinenden Harry und Ron eine Flasche Tequila Tapatio geteilt hatte. Aber wenn es um das Erinnern ging, hatte sie keine Probleme damit.

Sie war ein systematischer Denker. Wann immer sie es mit einem Dilemma zu tun hatte, war ihre Lösung meist die Spur des Problem bis zu seinem logischen Ursprung zurück zu verfolgen. Ihr Gehirn schrie förmlich danach genau das zu tun, die Tatsache berücksichtigend, dass Schlafen mit Malfoy durchaus als mehr als großes Dilemma-Schrägstrich-Problem angesehen werden konnte.

„Abschlussfeier.“, wisperte sie ihrem Spiegelbild vorwurfsvoll zu. Ihr Gesicht blickte mit einem leidenden Ausdruck zurück. Die Abschlussfeier, Alkohol und Euphorie hatten sich zu einem tödlichen Gemisch vereint und ihr sonst so nüchternes Beurteilungsvermögen so durcheinander gebracht, dass sie ähnliche Reue empfand wie damals, als sie sich in ihrem zweiten Jahr, in Milicent Bulstrodes Katze verwandelt hatte.

Warum die Abschlussfeier ihre Sorgenskala nahezu gelöscht hatte war ihr immer noch ein komplettes Rätsel. Es gab nichts zu feiern. Voldemort war immer noch auf der Höhe seiner Macht. Todesser griffen immer noch sporadisch die Zaubererhaushalte an, Dutzende von Auroren wurden gegen die Bekämpfung benötigt und die Sicherheitsvorkehrungen waren noch nie so hoch gewesen.

 

Es hätte eine angemessen feierliche Festivität sein sollen und nicht das, was es jetzt war.

 

Sie erinnerte sich, dass sie ganz apathisch ihre Festrobe angezogen hatte, bevor sie sich um ihre letzten Aufgaben als noch-Schulsprecherin gekümmert hatte. Als sie schließlich 30 Minuten nach Beginn der Feier die große Halle betreten hatte, waren die Festlichkeiten bereits in vollem Gange.

 

Die Stimmung war regelrecht ansteckend gewesen. Überall tanzten Schüler miteinander, lachten oder waren in Tiefschürfende Gespräche versunken, den Gesichtszügen nach zu urteilen.

 

Ihre NEWTs waren vorbei und sie mussten sich keine Gedanken mehr machen. Keine Klausuren, kein  wirklicher Unterricht mehr. Keine Kämpfe mehr gegen böse, psychotische Zauberer führen und am nächsten Morgen dann einen Arthmantiktest schreiben müssen In zwei Wochen würde sie den Ort verlassen, den sie „Zuhause“ genannt hatte. Für sieben lange Jahre lang. Es gab kein Zurück mehr. Sie hatte in Hogwarts so viel erreicht, Dinge, von denen sie nicht mal geträumt hatte.

 

Und dennoch spürte sie Bedauern. Weswegen war sie sich nicht ganz sicher.

 

Sie hatte darüber nachgedacht, was sie am meisten an Hogwarts vermissen würde. Umso mehr sie ihre Klassenkameraden beobachtete, umso unruhiger wurde sie. Plötzlich kam ihr der Gedanke, ihre Sachen aus dem Schulsprecher Zimmer zu packen und zurück nach Hause zu ihren Eltern zu fahren, furchtbar bedrückend vor.

Vielleicht lag es daran, dass sie Harry anblickte und ihn zum ersten Mal seit Wochen lächeln sah, während sich eine hübsche blonde Hufflepuff näher zu ihm beugte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Oder Seamus Finnigan, der mutig Rons Zorn riskierte, indem er sich mit Ginny ziemlich eindeutig hinter der Dekoration vergnügte.
Parvati gab den Worten „Mit Glück erfüllt“ eine völlig neue Bedeutung als sie durch die Halle stolzierte und jedem, der es sehen wollte ihren neuen Verlobungsring zeigte. Auch wenn sie und Justin Finch-Fletchley in diesem Jahr bereits viermal  Schluss gemacht und wieder zusammen gekommen waren. Selbst die Slytherins waren ungewohnt loyal. Gregory Goyle hatte eine lachende Pansy Parkinson auf seinem Schoß sitzen. Auch Blaise Zabini hatte seine übliche Schulsprecher Maske lang genug abgelegt, um eine grinsende Ravenclaw zum Tanzen aufzufordern.

 

Hermine sah ihnen zu. Benebelt durch Nostalgie und einer seltsamen Melancholie. Obwohl sie von mehr als hundert Klassenkameraden umringt war, stand sie hier doch vollkommen allein.

 

Sie bahnte sich einen Weg zu den Getränken und dort blieb sie auch für die nächsten zwei Stunden.

 

Drei oder vier Drinks später bemerkte sie Draco Malfoy.

Ihr nicht gerade beliebter Vertrauensschüler lehnte am anderen Ende der Halle lässig in der Tür. Er beobachtete die Menge mit einem Ausdruck, den Hermine nicht deuten konnte, die Arme vor seiner Brust verschränkt. Auch er trug eine formelle Robe, taktvoll in schwarz, die alles Kerzenlicht in sich aufzusaugen schien.

In einer romantischen Version der Geschichte, hätten sich ihre Blicke vielleicht über die Menge hinweg getroffen und sie hätten einen stummen, aber bedeutungsvollen Blick gewechselt, der die sexuelle Spannung, die zwischen ihnen seit Jahren zu herrschen schien, noch verdeutlichte. Aber es handelte sich um Draco Malfoy und Draco Malfoy war einfach nicht romantisch. Sein Blick ruhte auf der Menge und Hermines Blick ruhte auf ihm.

 

Sie beobachtete ihn eine ganze Zeit lang. Jeder beobachtete Draco Malfoy. Es fiel auch nicht schwer, das zu tun. Er war Vertrauensschüler und Kapitän und Sucher der Slytherin Quidditch Mannschaft. Akademisch betrachtet, rangierte er unter den Top Five der Schule. Besser als Padma Patil von Ravenclaw und 3 ½  Punkte schlechter als sie selbst. Aber er war auch nicht der bescheidenste Slytherin. Stolzierte herum, als würde ihm die ganze Welt zu Füßen liegen.

Noch dazu war er eine wirklich hoffnungslos unausstehliche Person.

 

Über all die Jahre hatte Draco Malfoys Persönlichkeit sich nicht verändert, aber hatte sich in anderer Art und Weise verändert.

 

Es gab keinen logischen Grund, weshalb Hermine sich ausgerechnet in diese Nacht, ein leichtes physikalisches Interesse an Malfoy erlaubt hatte. Wahrscheinlich war sie eben doch nur ein Mädchen, einfach nur ein Teenager dessen Hormone sich einfach mal erlaubt hatten, sie in diese Richtung zu ziehen. –Erfolgreich. Für gewöhnlich hielt sie diese Art Impulse immer gut unter Kontrolle. Ihre Gefühle gegenüber Malfoy waren jedoch noch immer unverändert. Trotzdem fand sie es bemerkenswert, dass man eine Person so unglaublich attraktiv und gleichzeitig so unausstehlich finden konnte.

Zu ihrem großen Erstaunen, hatte sie bemerkt, wie sie tatsächlich einen Fuß vor den anderen gesetzt hatte, als sie durch die Große Halle auf ihn zumarschiert war. In ihren Händen zwei Gläser Punsch. Sie hatte keine Ahnung wo auf einmal dieser Mut hergekommen war.
Außerdem bemerkte sie die leichte Ausbeulung in seiner Hose auf der linken Seite. Irgendwo in ihrem Kopf, fragte sie sich wie dieser Teil seines Körpers wohl aussehen mochte. Wahrscheinlich blass, wie Rest seines Körpers, abgesehen von der hellen Spitze. Sie fragte sich, wie er sich wohl anfühlen würde. Die Hitze, das Gewicht, die Sensation, wenn sie ihren Daumen über die Spitze reiben würde. Er würde die Augen schließen und sein Mund würde ein stummes „Ah“ formen.

Aber bestimmt würde Draco Malfoy nicht eine einzige Emotion preisgeben, so wie er es auch sonst niemals tat. Selbst an ihrer Abschlussfeier war sein Gesicht komplett verschlossen. Als Vertrauensschülerin und Schulsprecherin war ihr der uneingeschränkte Zutritt zu Gemeinschaftsräumen, Schlupfwinkeln und anderen Verstecken erlaubt. Ihr waren die Worte natürlich zu Ohren gekommen. Wenn man der Gerüchte verbreitenden Überpopulation an weiblichen Siebtklässlerinnen Glauben schenken konnte, war Draco Malfoy, Familienverhältnissen außer Acht gelassen, ein echter Fang.

Ihr Mund war übergangslos trocken geworden als sie schließlich vor ihm stand. Ihr rationaler Verstand schien sie verlassen zu haben. Ihr Unterleib jedoch durchlebte unbekannte neue Sensationen, völlig berauscht von den Nacheffekten des recht alkoholreichen Früchtecocktails.


Ihre Augen trafen sich. Für einen kurzen Moment hielt sie den Blickkontakt, bevor sein anmaßender Blick ihren Körper hinab wanderte.
Dann begannen sie zu sprechen. Damit angefangen, dass sie die gewöhnlichen Beleidigungen hinter geistreichen Scherzen versteckten. Sieben Jahre Übung hatten sie zu absoluten Profis gemacht. Das Gespräch schlug nun eine andere Richtung ein und sie sprachen über Vertrauensschülertätigkeiten. Er spielte mit seinem Zauberstab, drehte in lässig zwischen seinen schlanken Fingern, während er sprach. Erst als sie ihn nach seinen Zukunftsplänen fragte, wurde ihm klar, dass dies hier nicht nur ein Gespräch über ihre Pflichten als Vertrauensschüler war. –Von denen er wohl, außer ihr, der einzige war, der sich nicht komplett lächerlich machte, nur weil ihm diese Party eine Entschuldigung bot.

Für einen Moment blickte er sie ungläubig an. Sie konnte das vollkommen nachvollziehen, da sie in jeder anderen Situation wahrscheinlich seine Gesellschaft gemieden hätte.

 

Ihr Selbstvertrauen schwand mit jedem Herzschlag etwas mehr.

Er sah sie an, seine grauen Augen nahmen jedes Detail auf und analysierten es mit großer Geschwindigkeit. Er hatte die Stirn gerunzelt und musterte sie mit einem Blick aus Misstrauen und Belustigung auf seinen feinen Zügen. Dann lächelte er. Nicht selbstgefällig, nicht anzüglich, nicht schadenfroh. Nein, es war ein feines, wissendes Lächeln, das seine Vampirfänge zu verbergen wusste.

 

Er atmete langsam ein und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er war fast zwei Köpfe größer als sie.
„Wollen wir irgendwo hingehen, wo es etwas… ruhiger ist?”, fragte er jetzt, völlig ausdruckslos. Seine Stimme hatte sich verändert. Von gelangweilt und hochnäsig zu etwas völlig neuem. Sie hatte Draco vorher noch nie so zu jemandem sprechen hören, obwohl sie sich sicher war, dass er dieses Talent zu seinem großen Vorteil nutzte.

Wieder dachte Hermine, dass diese Art von denken illegal sein müsste. Sie war Harrys Arglosigkeit gewöhnt, oder Rons vertrauten Charme. Unter ihrer Robe verwandelten sich ihre Knie in Pudding. Sie stand jetzt direkt vor der „Moralisches-Dilemma“ Kreuzung.

 

Alles, was jetzt noch gefehlt hätte, überlegte sie jetzt trocken, wäre der Kommentar gewesen:

Hinter Tür Nummer eins, Miss Granger, befinden sich ungefährliche, semi-erotische Träume in Ihrem eigenen Bett und der nächste Morgen, an dem Sie mit ihren Freundinnen darüber lachen, dass Sie beinahe eingewilligt hätten, Draco Malfoy zu begleiten!

Aber hinter Tür Nummer zwei, wenn Sie so mutig sind und es wagen, befindet sich ein One-Way-Ticket direkt in die Hölle! Heiß? Ja. Zermürbend. Höchst wahrscheinlich. Aber der Teufel Augen von ozeanblauer Farbe und die wunderbarsten Hände der Welt. Und obwohl Sie ihn hassen und alles wofür er steht, ist nur er in der Lage, alle Ihre Bedürfnisse zu erfüllen…

Malfoy, verfluchter Gedankenleser der er war, erlaubte ihr diese Sorte Zweifel. Er wartete geduldig und stumm, bis sich ihr besorgter Gesichtsausdruck verflüchtigte, bevor er ihr seinen Arm dar bot. Er war immer noch derselbe arrogante Sohn eines Todessers, der er schon in der ersten Klasse gewesen war und dennoch hatte er jetzt eine Reife entwickelt, die ihm erlaubte alle anderen Jungen weit hinter ihm zurückzulassen. Draco war ein Mann, der sich in seiner Haut völlig wohl fühlte.

Vielleicht lag es einfach an der Kleidung. Ein Material mit dem Wert eines ganzen Monatseinkommens, reichte vielleicht aus um stolpern, zappeln und stammeln erfolgreich zu eliminieren.

 

Vielleicht hatte sie höchsten NEWTs in diesem Jahrhundert erreicht, aber sie war sich sicher, dass nirgendwo ein größerer Idiot als sie frei herum lief. Sie blendete ihre Erinnerungen aus, betrat die Dusche des heruntergekommenen Badezimmers und ließ das siedend heiße Wasser auf sie hinter prasseln. Sie wimmerte kurz auf, als das Wasser auf all die vielen schmerzenden Stellen an ihrem Körper traf. Sie griff nach der Seife und einem Gesichtshandtuch um die letzten Erinnerungen dieser Nacht von ihrem Körper zu waschen. Besonders hart schrubbte sie an einer Stelle über ihrem Hüftknochen

Dies zu tun war völlig sinnlos, denn ein Hochzeitstattoo würde sich nicht einfach abwaschen lassen.

 

 

 

 

Chapter Three




Draco war wach als Hermine endlich das Badezimmer verließ.

 

Er lag auf dem Bett, die Hände hinter seinem Kopf gefaltet, den käsefarbigen Fleck an der Decke betrachtend. Er schien auf etwas Feuchtem zu liegen, doch er war zu faul um sich zu bewegen. Er drehte den Kopf zur Seite und beobachtete wie sie den Gürtel des pinken Bademantels etwas fester zog.

 

Zur gleichen Zeit war sich Hermine ihres nassen Haares, ihrer geschwollenen Augen und ihrer zitternden Unterlippe unangenehm bewusst. Schnell sog sie sie in den Mund. Nichts, was er jetzt zu ihr sagen konnte, war schlimmer als ihr eigener Hass den sie für sich selbst empfand. Aber wie üblich war Draco Malfoy nicht zu unterschätzen…

 

„Vermisst du es?“

 

„Vermisse ich was?“, fragte Hermine, während die Wut erneut in ihr aufflammte.

 

Sie hörte das Lachen in seiner Stimme. „Den Stock, den ich tatsächlich aus deinem Hintern entfernt habe.“

 

Sie hatte vorgehabt, ihm die schlechten Neuigkeiten zivilisiert beizubringen, aber sie verwarf diese Idee jetzt.

„Du bist eine erbärmliche und völlig überflüssige Zeitverschwendung.“, entgegnete sie ihm mit zusammengebissenen Zähnen.

 

Er schob das Laken zur Seite und stand auf. Hermine spürte wie all ihre Überlegenheit von ihr abfiel. Gott, war er groß. Es war schwer die eigene Ausgeglichenheit unter Kontrolle zu kriegen, wenn man im selben Raum war, wie dieser nervtötende, sarkastische und hünenhaft große Sohn eines Todessers.

 

Und musste er so nackt sein? Sie waren beide nüchtern, um Himmels Willen. Und es war… helllichter Tag.


Hermine zwang sich zur Ruhe und erwartete seinen Ausraster. Er tat gar nichts. Er sah sie nicht einmal an. Er schien damit beschäftigt all seine Sachen zusammen zu suchen.

 

Aus einem unbestimmten Grund störte sie das noch viel mehr.


„Komm von deinem hohen Ross runter, Granger.“, sagte er jetzt müde, als er seine Schuhe unter dem Bett hervorzog und sie neben die Kommode stellte. „In der normalen Welt, selbst in der magischen Welt, haben die Leute Sex. So machen wir kleine Hexen und Zauberer, weißt du.“

 

Die Haare auf seiner rechten Seite standen nach oben ab, wahrscheinlich hatte er auf dieser Seite geschlafen.


Alles in allem hatte sie ihn wahrscheinlich noch nie so zerzaust gesehen, aber das trug nur dazu bei, dass er ihr noch irritierender vorkam. Die Fassade der reinblütigen Manieren war verschwunden. Alles was geblieben war, war Draco Malfoy und seine grauenhafte Persönlichkeit.

Ein Teil von ihr freute sich schon darauf, es ihm zu erzählen.

 

Sie fixierte einen Fleck auf dem Teppich und atmete tief ein.

 

Sie schob den Bademantel ein Stück zur Seite und entblößte ihr rechtes Bein. Von den Zehen bis zur Hüfte.

„Malfoy.”, begann sie mit wachsender Nervosität. „Da gibt es etwas, dass du wissen solltest.“

 

Er betrachtete seine zerknitterte Robe mit einer Spur Ekel. „Und was sollte das wohl sein?“ Endlich hob er seinen Blick zu ihren Augen. Seine Augen weiteten sich kaum merklich, während sein Blick ihr Bein hoch wanderte. Doch sie verengten sich genauso schnell wieder zu Schlitzen als er sah, was sie ihm zeigen wollte.

 

Draco Malfoy war ein ziemlich weltgewandter Junge, aber jetzt verlor er den Rest Farbe aus seinem blassen Gesicht. Und das innerhalb eines einzigen Herzschlages.

 

“Oh, nein.”, entgegnete er bloß und seine Kleidung glitt geräuschlos zu Boden.

 

Oh ja!, dachte Hermine mit einem Anflug sadistischer Genugtuung. Willkommen in meiner Welt.

Sie hätte ihren Plan, den sie sich in der Dusche zurecht gelegt hatte, wohl weiter erläutert, hätte er sich nicht plötzlich in einen absoluten Psychopathen verwandelt. Malfoy packte sie an der Vorderseite des Bademantels und zog sie hart an sich. Sie biss die Zähne aufeinander und ließ ihn nicht aus den Augen. Sie begann zu fluchen und versuchte sich zu winden, aber damit erreicht sie nur, dass er sie fester hielt und sie verlor sogar den  Boden unter ihren Füßen.

“Wie? Wann?”, forderte er eine Antwort, seine sonst so eloquente Gelassenheit völlig vergessend.


“Lass mich los, du Wichser!”, zischte sie als Antwort. „Es war nicht unsere Idee. Nachdem wir Hogwarts verlassen haben, sind wir in einen Pub in der Winkelgasse gegangen.“

 

“Der tropfende Kessel?”

Sie verdrehte genervt die Augen. „Ja, Malfoy. Wir sind in den Tropfenden Kessel gegangen, wo jeder weiß, wer wir sind und uns Glück für unser erstes Date gewünscht hat.“
Sie bekam keine Antwort auf ihren Sarkasmus, aber er stellte sie wieder auf ihre Füße. Sein grimmiger Gesichtsausdruck machte dem von Viktor Krum alle Ehre.

„Dann waren wir bei Snake and Stone?“

 

Sie nickte, während sie sich ihren Nacken rieb. Der Bademantel hatte sich schmerzend in ihre Haut gegraben. „Dort gab es einen Tätowierer im zweiten Stock. Du wolltest ihn dir ansehen. Wir sind hochgegangen und ich bin mir nicht ganz sicher, was dann passiert ist, aber schließlich haben wir…

Er blickte sie misstrauisch an. „Hast du mich unter Drogen gesetzt?“

 

Sie schnappte so schockiert nach Luft, dass es wahrscheinlich in der gesamten Winkelgasse zu hören war. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, dazu bereit ihm ins Gesicht zu schlagen, oder, wenn das nicht klappte, ihn auf irgendeine andere Art und Weise schmerzhaft zu verletzen. Ihre flache Hand berührte fast seine Haut als er ihr Handgelenk umfing.

 

„Du bist vielleicht damit davongekommen als wir Kinder waren, Granger. Aber schlag mich jetzt und ich werde dir deine Finger brechen. Hast du mich verstanden?“ Sie glaubte seiner Drohung unbesehen.


Unvermittelt hob sie den rechten Fuß und ließ ihn hart vor sein Schienbein krachen. Er stöhnte schmerzhaft auf und drehte ihren gefangenen Arm auf den Rücken. Seine immense Kraft, die gestern noch ihre Knie hatte überraschend weich werden lassen, schickte nun eine wachsende Panik durch ihren Körper.

Ihren Arm immer noch gefangen haltend drückte er sie, mit dem Kopf voran auf das Bett. Den Saum des Bademantels schob er grob nach oben und ihre entwürdigenden Proteste wurden durch die Matratze gedämpft.
Erst als sie seine warmen Finger auf ihrer Hüfte spürte, sträubte sie sich nicht mehr gegen seinen festen Griff. Er fluchte unterdrückt in mindestens drei verschiedenen Sprachen.

 

Draco war vorübergehend sprachlos.

Dort war ein Drache in ihre Hüfte eintätowiert. Kein westlicher Drache, aber ein schlanker, schlangenartiger orientalischer Drache, in heller silberner Tinte. Natürlich verhext, sodass er wie Diamantenstaub auf ihrer Haut schimmerte. Es war auch kein kleines, unansehnliches Tattoo. Der elegante Kopf des Drachens begann direkt unter ihrem rechten Hüftknochen, ging über in den geschmeidigen Körper und gipfelte in dem dünnen, langen Schwanz, welcher sich um ihren Oberschenkel zu schlingen schien und schien dort zu verschwinden, wo ihr Oberkörper aufhörte und ihr Bein begann.

Das Tattoo vermittelte den Eindruck als würde sich die Kreatur langsam ihren Körper hochwinden.

 

Es war ein gottverdammtes Hochzeitstattoo. Ein seltenes Ritual aus längst vergangen Zeiten. Aber es wurde immer noch von Paaren getragen, die sich mehr als bloß Treueschwüre geben wollten, um ihre Zugehörigkeit zu beweisen. Er konnte selber den Zauber an sich spüren, nachdem er ihr Tattoo gesehen hatte. Er fühlte es in seinen Nervenenden, wie ein beständiges Summen, ein Vibrieren an seiner Wirbelsäule, ein beständiges Kitzeln auf der Haut seines Rückens.

Dennoch war es recht beeindruckend. Der junge, immer noch kindliche Teil von ihm, der sich immer wieder von der Magie überraschen ließ, horchte auf und war wie gefangen.

Von all den Dingen, die sie betrunken und außerhalb Hogwarts hätten machen können, sind sie doch tatsächlich in eine kleine schmutzige Taverne in der Dunkelgasse gegangen, haben während einer kurzen Hochzeitszeremonie geheiratet und eine wesentliche längere Zeit damit verbracht  sich Tinte in die Haut stechen zu lassen.

Draco war sich sicher, dass irgendeine Gottheit auf irgendeiner Wolke brüllen musste vor Lachen, während er sie hier beobachtete.

Dieser verfluchte Zauber würde einiges an guter Magie brauchen, um ihn aufzuheben. Selbstverständlich war er kein Experte, was „Unglaublich Dumme Zaubersprüche“ anbelangte. Aber das, was er über diese Hochzeitstattoos wusste, war, dass sie auf Blutzaubersprüchen basierten und deshalb waren sie dementsprechend schwer zu entfernen.

 

Nicht unähnlich dem Dunklen Mal, überlegte er mit einem Seufzen. Bloß zwei Todessern ist es gelungen das Dunkle Mal vollständig zu entfernen, aber nur einer hat überlebt um davon zu erzählen.

Sie würden die Hochzeit annullieren sobald es möglich sein würde und niemand musste es erfahren. Keine Köpfe würden rollen müssen. Keiner müsste mit einem strategischen Plan aus einem hohen Fenster geworfen werden, um ihn vom Reden abzuhalten. Natürlich würde Geld die Situation um einiges vereinfachen. Selbst die größten Fehler konnten mit der richtigen Menge an Geld und rücksichtslosem Vorgehen beseitigt werden…

Unter ihm, wurde sich Granger der Tatsache bewusst, dass er abgelenkt zu sein schien und versuchte ihren Ellbogen in seine Eier zu rammen.

„Oh, nein, das wirst du nicht tun!“, schalt er sie sanft und beobachtete wie sie ihren Rücken  beugte, um den Druck auf ihren Sehnen zu verringern. Ihm wurde klar, dass er ihr wahrscheinlich Schmerzen zufügte und lockerte seinen Griff ein Stück.

Und Wundersamerweise, ganz abgesehen vom Ernst der Situation, wurde er hart. Draco fuhr fort ihr Tattoo zu inspizieren, aber diesmal mit mehr Neugierde als Furcht. Seine Finger fuhren sachte über das Muster auf ihrer weichen Haut, über ihren Oberschenkel. Mit ihrer Kehrseite in der Luft, hatte er einen ziemlich guten Blick auf Dinge, die er wahrscheinlich niemals aus dieser Nähe gesehen hätte.

Es war bloß ein reiner ästhetischer Genuss, sagte er sich. Grangers Haut war leicht rosa, sauber und noch etwas nass vom Duschen. Wahrscheinlich besaß sie auch die besten Proportionen, die er je an einem Mädchen gesehen hatte. Und eine schöne Pussy, nach seiner autoritären Meinung zu schließen. Er griff mit einer Hand um ihre eine Pobacke und fuhr mit dem Daumen außen entlang, bis zu ihrem inneren Oberschenkel. Dort war ein hässlicher blauer Fleck. Direkt wo der spitze, dornige Drachenschwanz endete. Draco legte seinen Daumen über den Fleck. Es passte. Es überraschte ihn keineswegs, dass der Sex mit Granger völlig unberechenbar war. Es gab nicht Beruhigendes oder Nettes über ihre generelle Beziehung zu sagen. Weder im Bett noch außerhalb davon.

Und erst als er seine Fingerknöchel gegen die dunklen Locken zwischen ihren Beinen presste, flog ihr Kopf herum und sie funkelte ihn zornig an. Ihre hellen Oberschenkel waren nun gerötet und egal wie sanft er mit seinem Finger darüber fuhr, er hinter ließ eine feine rote Spur.

 

„Bist du fertig?“ Ihre Stimme hätte selbst Feuerwhiskey zum Gefrieren bringen können.

Fertig… Ja, Draco musste resignierend einsehen, dass er tatsächlich fertig war mit seinen Erkundungen. Und zurück zu unserer Morgenvorstellung “Ich bin verheiratet neben  einem Schlammblut aufgewacht und alles was ich bekommen habe, war ein blödes Tattoo”.


Hastig stieg er von ihr hinunter und machte sich auf die Suche nach seinen Kleidungsstücken. Granger setzte sich auf die Bettkante, völlig bewegungslos, bis er seinen Zauberstab in die Hand nahm und wieder auf sie zukam. Mit einem ängstlichen Blick schob sie sich weiter nach hinten auf das Bett.

 

Draco verdrehte die Augen.

“Ich habe  bisher noch keinen Todesfluch ausgesprochen und du bildest dir etwas zu viel ein, wenn du denkst ich würde ihn an dir testen.”, sagte er jetzt ruhig, während er seinen Hosenstall verschloss.


Aber es war so dass sie ihm gar keine Beachtung schenkte. Ihre Augen fixierten den Spiegel hinter ihm und schließlich hob sie den Blick zu seinen Augen. Er hätte ihren Blick möglicherweise als selbstgefällig beschrieben, aber das war sehr un-Grangerhaft. Er fühlte bereits eine unangenehme Gänsehaut auf seinen Armen, als er sich langsam zum Spiegel umwandte.

 

“Verfluchte Hölle.”, flüsterte er jetzt während er ein paar dunkle Flügel berührte, die sich über seinen Rücken spannten. Sie umwickelten ihn beinahe. Die tätowierten Federn endeten mit seinen Rippen. Ein Flügel war allerdings gebrochen und war leicht eingefaltet. Es könnte wirklich ein beeindruckendes Werk sein,  würde es nicht etwas repräsentieren, was ihm grausame Übelkeit verursachte.

Hermine beobachtete Dracos geschockten Gesichtsausdruck, während er sich langsam dem Spiegel näherte um einen besseren Blick auf seinen Rücken zu haben. Sie hatte gedacht, sein Tattoo wäre – Zauberspruchbedingt - wunderschön geworden, aber jetzt wollte sie sich bloß noch verstecken und solange schreien, bis ihre Stimme versagte.

Die momentane Situation außer Acht gelassen, wunderte sich die interessierte Hexe in ihr, dass Malfoy ein Paar Flügel auf seinem Rücken hatte, wenn auch einen gebrochenen, und sie mit einem Drachen auf ihrem Unterleib gekennzeichnet worden war. Zu ihrem wachsenden Unmut war ihr Wissen über magische Tattoos bloß minimal. Das war natürlich nachvollziehbar, auf Grund des dunklen Schattens, den Voldemorts dunkles Mal auf die ganze Angelegenheit warf. Jedes Interesse in diesem Bereich der Magie, wurde mit einem ordentlichen Maß an Skepsis begleitet.

“Wir werden es entfernen lassen.“ Draco schluckte bei diesen Worten. „So bald wie möglich.“

Durch den Spiegel versetzte sie ihm einen Blick, der ihm deutlich machte wie offensichtlich seine Worte waren.

„Natürlich musst du dich dann nicht mit einem Vergessenszauber belegen, wenn du nicht willst. Ich kann verstehen, wenn du ein paar Erinnerungen dieser Nacht behalten willst:“ Er grinste ihr unverschämt entgegen.

„Es wundert mich nicht im Geringsten, dass du so von dir überzeugt bist. Aber es ist doch bestimmt nichts Neues für dich, dass ich dich verabscheue, Malfoy. Die letzte Nacht war ein Fehler und das weißt du selber verdammt gut.“

Sie hätte ihm vielleicht sogar ins Gesicht gespuckt, wäre sie ihm näher gewesen. Leider hatte sie sich im dritten Jahr gegen die Projektil-Spuckwettbewerbe entschieden, die Ron, Harry und Dean Thomas im Nord Turm geleitet hatten…

So wie die Dinge jetzt standen, schien Malfoy nicht in der Stimmung für ein freundliches Geplänkel zu sein, denn eine Vene auf seiner rechten Schläfe zuckte verdächtig. Mit einem recht endgültigen Gesichtsausdruck zog er sie an der Vorderseite ihres Bademantels auf die Füße, und schob sie vor sich, so dass sie sich im Spiegel sehen konnte.

Ein starker Arm war nun um ihre Taille geschlungen. Es war ein weitaus sanfterer Griff im Vergleich zu den anderen, die sie heute Morgen schon erlebt hatte. Trotzdem schaffte sie es nicht sich aus seinem Arm zu winden.

 

“Du bist eine gottverdammte Lügnerin, Granger.”, flüsterte er gegen ihren Nacken. „Und ich hasse Lügner.“ Mit seinem Fuß schob er ihre Knöchel auseinander. Als er ihre Beine erfolgreich gespreizt hatte, öffnete er ihren Bademantel und fuhr mit der Hand über ihren flachen Bauch. Hermine blinzelte heftig und hoffte das Bild würde im Spiegel verschwimmen. Es war als würde sie einem Autounfall zu gucken. Es war unmöglich es sich anzusehen, auch deshalb weil es gerade ihr passierte.

Aber sie konnte ihren Blick ebenfalls nicht abwenden.

 

Er machte ein zufriedenes Geräusch als ihr zwei Finger zwischen ihre Beine gleiten ließ. Vielleicht war es auch ein Geräusch der Rechtfertigung. Bei Malfoy war dies schwer zu sagen.

 

Sie war nicht wirklich feucht. Die Nässe kam immer noch von der Dusche, aber es waren seine Bewegungen, die sie verstummen ließen. Sie war völlig gedemütigt. Jemand, der mehr Erfahrung hatte, hätte vielleicht gekontert und ihn auf die nun ebenfalls angeschwollene Beule unter seiner Robe aufmerksam gemacht, aber Hermine blieb stumm. Die Augen reuevoll gesenkt.

 

Ein unheimlicher Verdacht kam Draco in diesem Moment, aber er verwarf ihn.

 

Keiner hätte ihm einen solchen Blowjob verpassen können, wie Granger es getan hatte, wenn er ein Anfänger wäre. Sie lernte recht schnell, zugegeben, aber so schnell konnte sie so etwas auch nicht erlernen. Seltsamerweise wunderte er sich mit wem sie vorher geübt hatte. Potter? Unwahrscheinlich. Vielleicht war er der Bezwinger aller magischen Bösewichte auf der Welt, aber wahrscheinlich hatte er Angst vor dem Schatten, den seine eigene Erektion warf. Krum? Möglicherweise. Aber wahrscheinlich eher Weasley. Wer hätte das gedacht? Aber Draco hatte sich schon gewundert, was mehr hinter dieser sommersprossigen, immerzu grinsenden Visage dieses verblödeten Idioten steckte.

“Du bist abstoßend.”, informierte ihn Granger und am liebsten hätte er ihr applaudiert zu der Variation des Wortes “widerlich”, was langsam etwas abgenutzt wirkte.

“Oh, red nur weiter und ich zeige dir wie abstoßend ich wirklich sein kann.”, versprach er ihr ruhig während er seine Finger aus ihr entfernte und sie unter großem Aufwand an ihrem Bademantel abwischte. „Es gibt keinen Grund für deine Überlegenheit in dieser Situation. Ja, du wurdest königlich flachgelegt von meiner reinblütigen Person. Ja, es hat dir sogar gefallen, aber nein, ich habe nicht zu wiederholen, was letzte Nacht passiert ist.” Und an diesem Morgen, fügte sein glückliches Gedächtnis hinzu. „Also, kannst du aufhören dich in deinen Bademantel zu krallen als wäre es ein Keuschheitszauber.“
Wahrscheinlich brachte es sie um, dass sie sich nicht zur Wehr setzen konnte. Weder mit Logik noch mit Worten. Das waren ihre Stärken, bemerkte Draco jetzt. Wenn man es aus dieser Sicht betrachtete waren sie vielleicht gar nicht so verschieden. Er machte auch Gebrauch von Worten. Nur mit einem viel größeren Effekt.

Ein kurzer Blick auf die Uhr an der Wand, sagte ihm, dass es fast Mittag war. Sie hatten genug Zeit verschwendet. Wenn sie eine diskrete, effektive und höchstwahrscheinlich sehr teure Lösung finden wollten, um ihr Problem zu beheben, brauchten sie Hilfe.

 

Es war an der Zeit, sich an die Großen zu wenden, wie man so schön sagte.

 

Er ließ sie los. „Zieh dich an. Wir verschwinden.”

Ihr Ausdruck war eine perfekte Mischung aus Skepsis und Hoffnung. „Warum? Wo gehen wir hin?“

Dracos Blick war reine Furcht gepaart mit der Macht des Unvermeidbaren.

 

„Zu meinem Vater.“

 

Chapter Four




Es herrschte ein leicht gedrückte Stimmung am Morgen nach der Abschlussfeier der Siebtklässler. Es gehörte auch zur Tradition, wenn auch zum großen Missfallen Madame Pomfreys, dass sich eine wartende Schlange zum Krankenflügel gebildet hatte, mit dem dringenden Wunsch nach einem Anti-Kopfschmerz Trank.

Einige der Sechst- und Siebtklässler hatten das Frühstück sausen lassen, für ein paar Stunden mehr Schlaf. Die wenigen, die es geschafft hatten zu duschen, sich anzuziehen und mehr oder weniger munter zum Frühstück erschienen waren, hielten sich ihren schmerzenden Kopf oder ihren rebellierenden Magen.

Ron Weasley war noch gar nicht im Bett gewesen und hatte mittlerweile die zweifache tödliche Dosis an schwarzem Kaffee getrunken. Demnach zufolge hatte er zwar dunkle Ringe unter seinen Augen, aber er war sehr gesprächig und kaute hastig auf einem Stück Toast herum, während er sprach.

„Erektionsprobleme, Panik davor es zu tun, ängstlicher Willy- hundert verschiedene Bezeichnungen, Harry. Wirklich, du solltest dich nicht zu schlecht fühlen. Passiert jedem von uns mal ab und an.“

Harry Potter hatte sich einfach auf den Tisch gelehnt, die Arme als Kopfkissen nutzend. Sein Haar schien sich besondere Mühe zu geben heute noch verstrubbelter auszusehen als sonst.     -Und auch sein Haar wirkte müde und schlaff. Auf den ersten Blick, sah es so aus, als würde er schlafen. Aber ab und zu entfuhr ihm ein jämmerliches Stöhnen.

„Trinken ist da auch ein zusätzlicher Faktor.“, fuhr Ron fort, während er einen großzügigen Klecks Blaubeermarmelade auf sein Brot strich. „Ständig muss man zum Klo, in den unpassendsten Momenten; du schläfst einfach ein; außerdem musst du deinen kleinen Freund praktisch dazu zwingen endlich wach zu werden, um wenigstens für ein paar Minuten…“

„Ron, wenn du dich schon so obszön äußern musst, kannst du es nicht wenigstens vorher ankündigen? Andere wollen hier essen.“, murrte Ginny, als sie den Blick von ihrem Porridge hob. Ginnys pfirsichfarbene und weiche Haut war heute genauso grau wie ihr Frühstück. Selbst ihre Sommersprossen wirkten ausgeblichen. Dazu kam noch, dass sie alle zwei Sekunden ihr Gähnen mit der Hand bedeckte und ihre Augen einen trüben, glasigen Blick annahmen.

“Sorry.” Ron grinste über die Übelkeit seiner Schwester. Er griff nach einer Feder aus seiner Tasche und verbrachte die nächsten zwei Minuten damit stumm und schadenfroh eine Servierte Vollzukritzeln.

„Reich das mal an Harry weiter.“

Zornig griff Ginny nach der Servierte und knallte sie Harry vor die Nase.

„Keine Sorge, Harry.“, sagte Ron jetzt und schnitt sein Brot in zwei Hälften. „Ich bin sicher, Alice gehört zu den verständnisvollen Mädchen.“

“Ich bin ruiniert.”, beharrte Harry jetzt. Er drehte die Servierte in seinen Händen mit einem wehleidigen Gesichtsausdruck. „Vollkommen runiert. Ich werde nie wieder trinken.“

Jeder andere in Hörweite nickte feierlich bei dieser Aussage. Ginny brachte es sogar fertig, Harry freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen. Und sie meinte es so. Sie hatte nämlich die böse Wirkung von Champagner Cocktails erfahren müssen und hatte die exakt gleiche Aussage nur wenige Minuten zuvor gemacht.

Sobald die post-betrunkene Phase der Party überwunden worden war, wurde der Dialog zwischen den Schülern wieder Standard.

„Ich bezweifle sogar, dass Alice es überhaupt bemerkt hat.“, versicherte Ron ihm jetzt. „Harry, kannst du mir mal die Eier reichen… Ja, so gefällt mir das. Ich mag mein Frühstück flüssig.“

Ginny schluckte schwer ihren Bissen hinunter und legte den Löffel zur Seite.

Etwas neben sich, stellte Harry den Teller mit den Spiegeleiern vor Ron ab. „Oh, sie weiß es, ok? Ich meine, wir hatten wirklich nicht vor, etwas passieren zu lassen, aber… Oh, Gott, diese Neuigkeiten haben sich sicher schon im gesamten Hufflepuff Gemeinschaftsraum verbreitet.“

Ron öffnete seinen Mund, dazu bereit eine weitere Beschwichtigung vom Stapel zu lassen, wurde aber unsanft von Seamus Finnigan unterbrochen.

„Morgen!”, strahlte  Seamus jetzt in die Runde und ließ sich neben seinen Klassenkameraden nieder. Der Siebtklässler hatte eine leicht orangefarbene Hautfarbe. Ein Indikator dafür, dass er von Madame Pomfrey bereits mit Kopfschmerz Trank versorgt worden war. Das war auch der Grund für seine so offensichtlich gute Laune. Um das beste Resultat zu erzielen, wurde der Trank meist noch mit einem Aufheiterungszauber versehen.

Ginny zuckte unter dem Geräusch zusammen und murmelte etwas in ihr Frühstück, das verdächtig nach verfluchte, laute Iren klang. Trotzdem freute sich über die Ankunft ihres „mehr oder weniger“ Freundes.

„Fabelhafter Tag!”, verkündete Seamus den anderen, während er nach einer Scheibe Toast aus dem Korb griff. Er begutachtete die verkaterten Gesichter seiner Freunde. „Wo ist eure Abschluss-Freude?“, erkundigte er sich, bevor er anfing gutgelaunt die Schulhymne zu summen. Er lud sich Massen an Schinken, Speck, Rührei und Marmelade auf seinen Teller. Ginny verzog den Mund.

„Diese Freude liegt so lange flach, bis ich meine Abschlussprüfungen hinter mir habe.”, murrte Ginny jetzt. „Fang an zu singen, Finnigan und ich schwöre bei Merlin, ich bin nicht mehr verantwortlich für das, was ich dir antun werde!“ Mit tödlicher Absicht griff sie nach ihrem Buttermesser.

Aber Seamus hatte bereits aufgehört zu lächeln. Er hatte nun Neville entdeckt, der bis jetzt still schweigend sein Porridge gegessen hatte. Er schien hinter einer riesigen Schüssel voller Früchte zu verschwinden.

„Das war ziemlich krass, was du dir da gestern geleistet hast, Longbottom.“

Neville sah man es an, dass er sich extrem unwohl fühlte. „Seamus, du weißt, das war keine Absicht.“

„Worum geht’s?“, mischte sich jetzt Ron mit ein und starrte von Seamus‘ wütendem Gesicht in das glühend rote von Neville.

Seamus faltete seine Arme vor der Brust. „Unser Neville hier hat gestern seine Hüllen fallen lassen. Vor Ginny und Susan Bones.“ Harrys Kopf erhob sich und seine eigenen Peinlichkeiten waren für einen Moment vergessen. „Neville hat was getan?“

Neville schüttelte hastig den Kopf. „Nicht mit Absicht! Es… es war ein Notfall. Ich musste wirklich ganz dringend. Naja, es war niemand in der Nähe also bin ich in die Büsche. Ihr kennt das doch. Ich hatte gedacht, ich wär allein, aber…“

Harry musste lachen, während Ron immer noch zwischen Mitleid und Ärger schwankte. „Neville, du bist ein toter Mann! Das ist meine Schwester!“

Ginny verdrehte die Augen. „Welch schockierende Drohung, Ron. Ich habe sechs Brüder. Es ist nicht so als hätte ich noch nie einen …“ Ron hatte ihr eilig die Hand auf den Mund gepresst.
„Du sollst unschuldig und rein sein, verstanden? Mum würde mir den Kopf abreißen und… du hast unter gar keinen Umständen schon einmal einen gesehen!“, fügte er nachdrücklich hinzu, als ob die exakte Betonung seine Worte wahr machen könnte. „Und du wirst auch keinen sehen bis… bis du mindestens dreißig bist!“

Ginny schob den Arm ihres Bruders beiseite, während dieser wieder Neville fixierte.

Harry hatte während dessen das erste Lächeln des Tages auf seinen Lippen. „Es tut gut zu sehen, dass ich nicht der einzige bin, der diesen Morgen Probleme hat.“

Kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen, endete die trügerische Ruhe.

„Ah, der große Potter, unser unumstrittener Held!”, rief Dean Thomas quer durch die große Halle. Und wie Seamus hatte er einen Organen Glanz auf der Haut.

Ron schüttelte warnend den Kopf.

„Die Fahnen sollen wehen! Mutig hat er sich hinter die Hufflepuffgrenzen gewagt, um ihre Prinzessin zu stehlen!“

Ginny prustete in ihren Saft.

„Die Flagge gehisst, Erfolg auf ganzer Linie!”

Neville stöhnte auf.

Harrys Gesichtsfarbe machte nun Rons Haaren Konkurrenz. „HALT DIE KLAPPE, THOMAS! Es gab keine wehenden Fahnen und die verfluchte Flagge hat den Boden auch nicht verlassen!“

An den anderen Tischen blickten nun die restlichen Schüler mit interessierten Blicken auf. Dean schaute einen Moment lang recht verblüfft drein. Dann grinste er dreckig. „Was ist dann passiert?“

Harry seufzte. „Ich denke, du wirst noch früh genug davon hören.“

Die Freunde wandten gleichzeitig ihren Blick nach hinten zum Hufflepufftisch, wo die sehr attraktive Alice Crowley, Harrys fehlgeschlagene Eroberung, ziemlich intensiv mit Susan Bones tuschelte. Zu allem Überfluss schienen die Blicke der Hufflepuff Jungen Harry und Neville erdolchen zu wollen.

“Reizend.”, sagte Neville mit einer tapferen Resignation, die er sich in sieben Jahren Zaubertränke mit Snape angeeignet hatte. „Wenn wir Montag noch am Leben sind, dann ist das bloß einem Wunder zu verdanken.“

Ginny kicherte. „Hermine wird dich schon beschützen, Neville. Es ist immer gut, die Schulsprecherin zu kenne. Und Alice ist ein nettes Mädchen. Nicht alles, was sie erzählt ist Klatsch. “

“Wo ist Hermine überhaupt?”, warf Harry jetzt ein und spähte durch die Große Halle. Natürlich war es nicht verwunderlich für Hermine, dass sie nicht am Frühstück teilnahm. Das Mädchen war oft eine Stunde früher wach als alle anderen. Aber es war Wochenende und für gewöhnlich frühstückten sie da zusammen.

Ron schob sich gerade ein paar warme Kekse in den Mund. Zwei auf einmal. „Sie ift bei ihrer Mutter, überf Wochenende. Brief kam form Frühftück.“ Beim Reden flogen einige Kekskrümel über den Tisch und Dean wich ihnen geschickt aus. Aus dem Nichts erschien ein akkurat gefalteter Brief  auf dem Tisch und Ron schob ihn weiter an Harry.

“So viel zum Thema beschützen.”, erwiderte Ginny jetzt, mit einem Blick auf Tim Gaggleby, der seine fleischige Faust gegen seine flache Hand schlug, während er Neville beäugte.

„Kommt.“ Ron erhob sich schwerfällig und brach in ein lautes Gähnen aus. „Kein Grund, sich Sorgen zu machen wegen ´nem kleinen Strip, Neville. Die Schule ist aus und neben Voldemort und der lästigen Akne ist das Leben doch schön.“

 

 

**



Das Leben hatte die grauenhafte Angewohnheit einem Steine in den Weg zu legen, wenn man es überhaupt nicht erwartet hätte.

 

Vor einem Jahr war sie durch und durch ausgelastet gewesen im Kampf gegen das Böse, ZAGs, ihren Freunden und den Aufgaben, die ihr als Schulsprecherin zu Teil wurden.

 

Vor einem Tag war sie glücklich, teilweise sorgenfrei und vor allem war sie Single.

Vor einer Stunde war sie zuversichtlich, dass sie wenigstens den Tag überleben würde.

 

Hermine war sich jetzt gar nicht mehr so sicher.

Neugierde tötete wahrscheinlich die Katze, aber sie sollte verdammt sein, wenn sie kampflos aufgeben würde.

 

Sie saß Malfoy gegenüber in der Pferdelosen Kutsche, die sie in fünfzehn Minuten nach Thimble Creek nach Malfoy Manor bringen sollte. Die Abreise aus dem schmutzigen Muggelmotel war eine stille und heimliche Angelegenheit gewesen. Die sture Stille zwischen ihnen war am Anfang vielleicht noch recht willkommen gewesen, aber jetzt trug sie nur dazu bei, die Spannung zu steigern.

 

Und Gott, sie konnte die Spannung beinahe greifen.

Sie hatten einen Stopp in der Winkelgasse eingelegt, damit Hermine bei der Post exakte zwanzig Minuten damit zugebracht hatte Briefe an Ron und Harry ( „…bloß eben zu meiner Mum gefahren bis morgen…“) und  Professor McGonagall ( „… verbringe das Wochenende mit meiner Familie. Entschuldigen Sie die späte Ankündigung.“) zu schreiben.

 

Sie war nicht besonders gut im Lügen, obwohl sie die Zeit mit Ron und Harry in einen Lügenbaron hätte verwandeln sollen, so oft, wie sie die Wahrheit verdrehen hatten müssen…

Die Jungs waren Meister in unschuldigen Blicken, wo sie hingegen versagte und eher verwirrt drein blickte und immer schnell das Thema wechselte.

Diese Taktik wirkte eigentlich immer recht gut bei Filch, der sie dann schließlich aus Wut entließ, so aber nicht bei Snape, der nicht so leicht zu beeindrucken war.

Harry und die anderen lagen jetzt gerade wahrscheinlich am See und genossen die Sonne. Sie würden Snape explodiert spielen, Zaubererschach und danach würden sie Hagrid besuchen. Ginny wäre voll auf damit beschäftigt ihre künstliche Ruhe bei ihrem schusseligen Freund zu bewahren und Neville würde höchstwahrscheinlich im Gewächshaus mit Professor Sprout zusammen an seinem Kräuterkundeprojekt arbeiten. Blaise Zabini, der sehr verantwortungsvolle Schulsprecher aus Slytherin, würde sich durch ihre Abwesenheit nicht beirren lassen und auch ohne sie alle Notwendigkeiten akkurat erledigen.

Hermine überlegte gerade, dass sie wohl mehr als 400 Meilen von Hogwarts entfernt sein musste. Eine Distanz, die natürlich für einen lizenzierten Apparierer keine Entfernung darstellte. Trotzdem fühlte es sich so an, als wäre sie ans andere Ende der Welt katapultiert worden.

Ihre bloße Existenz hatte sich noch nie so fehl am Platze gefühlt.

 

Und natürlich war der schlechtgelaunte, große Zauberer, der ihr gegenüber saß nicht unbeteiligt an diesem Gefühlszustand. Sie hatte kontinuierlich darauf verzichtete seinem Blick zu begegnen seitdem sie in die Kutsche gestiegen waren. Stattdessen hatte sie den Blick in die andere Richtung gewandt und starrte jetzt aus dem Fenster. Die auf und ab wippenden ländlichen Felder verursachten eine Reisekrankheit bei ihr, aber sie hielt den Blick nach draußen gerichtet.

Ihr kurzer Trip durch die Winkelgasse war sogar recht amüsant gewesen. Hermine war froh, dass sie noch nicht so panisch war, dass ihr die durchaus komischen Details ihrer Situation entgingen. Malfoy war die gesamte Zeit über immer fünf Schritte vor ihr gegangen, die Kapuze seines Reiseumhangs tief ins blasse Gesicht gezogen um bloß zu vermeiden, dass irgendjemand mitbekam, dass eine recht zerzaust aussehende Schulsprecherin von Gryffindor zu ihm gehörte.

Oder besser gesagt, hinter ihm her hastete, diesem selbstbezogenen Ekel.

Zweimal hatte sie es sogar geschafft in zu verlieren. Und zweimal war er zurückgekommen, und hatte sie ziemlich genervt grob am Umhang gepackt und mitgezogen, bevor er schließlich wieder vor ihr her marschiert war. Hermine war die neugierigen Blicke der Leute zwar schon gewöhnt, aber Malfoy brachte es fertig sie anzusehen als wäre sie ein Seuchenopfer, welches im höchsten Grad ansteckend war. Es wäre einige Mal wirklich so verlockend gewesen einen losen Stein aus dem Kopfsteinpflaster nach ihm zu werfen, dass sie ihre Hände in ihren Taschen zu Fäusten hatte ballen müssen, um sich zurück zu halten.

Er hatte sie fast mit Gewalt in das Postgebäude geschoben, ihr vier Sickel in die Hand gedrückt und sie angefahren, dass sie sich beeilen sollte. Hermine hatte ihn mit einem Blick angesehen, der wie sie hoffte, ihre ganze Verachtung gut zur Geltung gebracht hatte und hatte ihm schließlich sein Geld an den Kopf geworfen. Danach hatte sie sich alle Zeit der Welt genommen, um ihre Lügen auf das Papier zu bringen.

Sie hatte das Gebäude verlassen und sah, wie er die Straße schon zur Hälfte hinter sich gelassen hatte. Wahrscheinlich auf dem Weg zu dem ans Flohnetzwerk angeschlossenen Kamin. Mit zusammen gebissenen Zähnen war sie ihm in die Drei Besen gefolgt. Wie ein dummes Schaf einem Hirten.

Und von da an machten sie jetzt ihre Reise nach Thimble Creek, welches südlich der Malfoy Residenz lag.

Hermine war schon immer von der Geschichte der reichen magischen Bevölkerung von England fasziniert gewesen. Sie schluckte die Tatsache hinunter, muggelgebürtig zu sein und ignorierte die Gänsehaut, die sie bekam, wenn sie daran dachte, dass man den Stammbaum einer reichen Familie bis weit über tausend Jahre zurückverfolgen konnte.

Es würde definitiv zu einem großen Ego verhelfen, wenn man in einem Buch über Magische Geschichte unzählige Erwähnungen seines nahezu hoheitlichen Hauses finden konnte. Nicht nur die Häuser erzählten eine alte Geschichte. Meist war die ganze Familie in den Erwähnungen untergebracht.

Um Thimble Creek als Beispiel zu nehmen: Vor knapp vierhundert Jahren waren die Bauern vom kleinen Thimble Creek Angestellte der Lords von Malfoy gewesen. Sie hatten Ställe für die unzähligen Pferde gebaut, groß angelegte Parks, Orchideen und Weingebiete angelegt - mit einem Dienstbotengehalt. Alas, damals eine kleine Industriestadt schien nahezu menschenleer, nachdem sie und Malfoy aus dem Kamin gestiegen waren um die Kutschfahrt anzutreten. Die älteren Zauberer, die ungerührt an der Theke lehnen geblieben waren hatten Draco alles andere als freundliche Blicke zugeworfen. Für einen panischen Moment hatte Hermine befürchtet, sie würde Eier und verrottete Früchte nach ihnen werfen. Oder sogar Flüche.

Aber die Dorfbewohner hatten nichts dergleichen getan und so erreichten sie die Grenzen zu Malfoy Manor unbelästigt. Sie hatte bestimmt hundert Fragen auf den Lippen, aber keine einzige schien es wert zu sein deswegen die Stille zwischen ihnen zu unterbrechen.

Sie würde es bestimmt bereuen, würde sie ihrer Neugierde nachgeben.

 

Vieles hatte sich geändert im letzten Jahr. Vor allem für die Todesser. Das Vermögen der Malfoys hatte einen schweren Schlag verkraften müssen, nachdem Lucius sich ziemlich öffentlich als Todesser geoutet hatte.

Als Cornelius Fugde von seinem Posten entfernt worden war, den nun Arthur Weasley innehatte, war es nur noch eine Frage der Zeit, gewesen bis das Thema Malfoy auf den Tisch kam. Bei den Ministerwahlen gab es nicht einmal eine Nominierung. Niemand war so recht bereit dazu in dieser momentanen Schreckensphase Minister sein zu wollen. Bevor Arthurs Name dann offiziell ausgesprochen wurde, hatte er schon hunderte neuer Gesetze abgesegnet und betrieb den Posten des Ministers schon lange bevor sein Name in die Tür gearbeitet worden war.

Und jetzt war die einzige Möglichkeit Malfoy Manor zu erreichen nur noch mit der Kutsche. Es wurde vom Flohnetzwerk getrennt, auf dem Gelände durfte nicht mehr appariert werden. Auf Grund der mehr oder weniger hilfreichen Informationen, die Lucius Malfoy dem Ministerium hatte zukommen lassen, konnten ein Dutzend Todesser verhaftet werden.

Lucius Malfoy war eine Strafe von 16 Jahren Haft auferlegt worden  Dafür aber im eigenen Haus. Kein Zauberstab, keine Zauberei, keine Freunde und ein ziemlich widerlicher Fluch würde seinen Kopf abtrennen, würde er versuchen seinen Kopf aus dem Fenster zu stecken, um nach dem Zustand seiner Begonien sehen. Auch andere Todesser, hatten eine lebenslängliche Haftstrafe gegen all ihre Informationen getauscht. Im Ministerium nannte man dieses Prinzip „Arthurs Gesetz“.

Einige höher stehende Zauberer haben angedeutet, dass dieses Verfahren wohl kaum effizient sein würde, aber Askaban war schlicht und ergreifend überfüllt und wesentlich schwerer zu bewachen, nun da die Dementoren verschwunden waren. Ein zweites Gefängnis war in Planung. Allerdings war der Premierminister der Muggel nur zu interessiert daran, ob Muggelgeborenen nicht ebenfalls in die Zauberergesellschaft aufgenommen werden könnten, um Voldemort Angst zu machen.

 

Und trotz des großen Andrangs junger Zauberer, die in die Neugegründete Minister Garde  (oder wie Ron sie nannte die Auror Elite) eintreten wollten, gab es doch in vielen Abteilungen des Ministeriums eine anhaltende Unterbesetzung. Jeder Knut wurde für die Sicherung der Gesellschaft verwendet. Schutzzauber, Präventionen und Aurorenwissen gesteckt. Denn Schutz war wertvoller als Angriffswaffen.

So war Lucius in seinem goldenen Käfig eingesperrt. Hermine vermutete, dass Harry eine ganze Menge dagegen vorzubringen hatte, aber letzt endlich war er doch froh, dass er die Schule beenden konnte, ohne das ein Dutzend Todesser nach seinem Leben trachteten und in die Schule einbrachen.

Nachdem die Konten ihres Mannes auf Eis gelegt worden waren, hatte Narcissa Malfoy ihre Sachen gepackt und war ausgezogen und lebte nun bei einer Cousine in der Schweiz. Nur wenig war über Narcissas Privatleben bekannt, aber die Zeitung sagte, sie wäre eine unterwürfige Frau, welche jedoch ein unbestechliches Talent für falsche Vorwände und Täuschungen hatte. Sie war eine großzügige Gastgeberin und den Fotos nach zu urteilen, immer noch unglaublich schön anzusehen.

Sie hat mit sich genommen, wessen sie habhaft werden konnte, aber ihr einziges Kind hatte sie in der Obhut eines Mannes gelassen, welcher nicht zu selten Monster geschimpft wurde.

 

Hermine empfand fast etwas wie Mitgefühl für Malfoy. Obwohl er wahrscheinlich mehr Mitgefühl bekommen würde, würde er nicht durch die Schule stolzieren, dass Kinn in der Luft, ein allgegenwärtiges Grinsen auf den Lippen und einen bösen Blick für jeden, der es wagte, die Situation seiner Familie anzusprechen. Abgesehen von der bösen Auseinandersetzung mit Harry am Ende ihres fünften Jahrs, hatte er Lucius dem Trio gegenüber nie wieder erwähnt.

Dracos Vorschlag zu seinem Vater zu fahren hatte Hermine ungläubig zur Kenntnis genommen. Es war schwer zu vergessen, was dieser Mann den armen muggelgeborenen Kinder auf der Quidditsch Weltmeisterschaft angetan hatte. Nicht zu vergessen, die beinahe zum Tode geführte Besessenheit Ginnys im zweiten Jahr.

Das war derselbe Mann, der direkt hinter Voldemort gestanden hatte, als dieser versucht hatte einen vierzehn jährigen Harry umzubringen, nachdem er bereits Cedric Diggory beseitigt hatte.

Er war derselbe Zauberer, der den Befehl gegeben hatte sie zu töten, als sie in der Mysteriumsabteilung im Ministerium waren.

Das einzige, was Hermine von Lucius Malfoy wollte, war eine gerahmte Einladung zu seiner Beerdigung, auf der sie –eingehakt mit Ginny- einen Foxtrott auf seinem Grab tanzen würde, während sie verrückte Lügen über ihn verbreiten würde.

Sie hatte Draco angeschrien, sie hatte getobt vor Wut und schließlich hatte sie sauer geschwiegen, als sich der rationale Gedanke, nicht mehr verdrängen ließ. Er hatte einen guten Punkt. Wenn sie eine schnelle und saubere Lösung für ihr Problem wollten, dann war es nur wahrscheinlich dass Dracos schleimiger, mit guten Verbindungen ausgestatteter Vater fähig war ihnen zu helfen.

Nicht dass Hermine ohne Vorkehrungen oder Vorsicht in der Kutsche saß. Sie hatte nicht sieben Jahre mit Ron und Harry überlebt, weil sie alle drei solche Glückspilze waren. Der ältere Malfoy war zwar so gut wie keine Gefahr für sie, aber es gab immer ein Risiko. Draco war Gott sei Dank unwissend, aber wäre er einfach mit ihr ins Postgebäude gegangen, hätte er gesehen, dass sie einen weiteren Brief geschrieben hatte. Dieser sollte an Dumbledore geschickt werden, wäre sie in drei Tagen nicht zurück, um ihn abzuholen.

 

Natürlich konnte in drei Tagen viel passieren. Hermine überlegte, dass die wenige Menge an Vertrauen, die sie Draco hatte zuteil werden lassen, nachdem sie ihm gestattet hatte, sie aus der Schule zu führen, sich jetzt noch etwas vergrößert hatte, denn jetzt nahm er sie sogar mit nach Hause. Er hätte sie schon längst aus dem Weg räumen können, aber Hermine vertraute darauf, dass er, obwohl er ein Wichser war, keine völlig wahnsinnigen Attentate auf sie ausüben würde.

So auch nicht sein Vater. Lucius war ein Opportunist mit wenig Achtung für Moral. Es war schwer solche Leute einzuschätzen. Vertrauenswürdigkeit und Malfoys vertrugen sich nicht. Und darin lag auch Hermines Sorge. Mit Kerlen wie Crabbe und Goyle, würde eine satte Beleidigung von Ron ausreichen um einen Kampf herauszufordern. Als Ron Draco beleidigt hatte, hatte es Wochen gedauert, bevor auch nur irgendjemand angenommen hätte, Rons plötzlicher und hartnäckiger Pustelbefall hätte auch nur im Entferntesten etwas mit der kurzen Auseinandersetzung mit Draco Malfoy zu tun gehabt, die vor einem Monat Thema gewesen war.

Als sie den neuerlichen Hass auf Draco wieder aufkommen spürte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und starrte nun direkt in sein ausdrucksloses Gesicht.

Er hatte die Beine überschlagen und seine Hände ruhten auf seinen Knien. An jedem anderen Jungen hätte diese Pose einfach aufgesetzt gewirkt. Bei Draco wirkte sie einfach bloß gefasst.

Warzen, entschied Hermine jetzt, mit einem gedachten Kopfnicken. Es wäre wirklich einfacher ihn zu verabscheuen, wenn er nicht so attraktiv wäre. Alles was er brauchte, waren ein paar gut platzierte Warzen hier und da. Eine runterhängende Augenbraue und eine dicke Kartoffelnase.

Aber natürlich hatte Malfoy keine Warzen oder Flecken oder irgendeine andere physische Missbildung. Sie wusste das, da sie ja ausgiebig Zeit gehabt hatte seinen Körper zu erforschen. Er war 1,90m groß und absolut makellos. Mit einer Haut, die sich anfühlte wie weiche Seide im Feuerschein. Perfekte Haut über festen, ansehnlichen Muskeln.

Irgendwann im vorletzten Jahr, hatte Draco Malfoy die Äußerlichkeiten eines Jungen hinter sich gelassen und war nun ein Mann. Oh, natürlich  galt das nicht für sein Verhalten. Das Verziehen der Unterlippe, zum Beispiel, oder das Glühen seiner Wangen, wenn er sich physisch anstrengte. Sein Haar war über die Jahre auch nicht dunkler geworden, wie bei den meisten blonden Jungen. Es war immer noch so hell, dass es Platinblond gefärbt sein könnte.

Auch andere Teile von ihm, waren definitiv die eines Erwachsenen. Hermine wäre vielleicht  beeindruckt gewesen, von der Art und Weise, wie er mit intimen Situationen umging, aber sie hatte nichts anderes von ihm erwartet. Auch wenn er erst 18 war. Es gab nicht Gewöhnliches über Malfoy zu sagen und es war zu ihrem größten Bedauern, dass ausgerechnet diese Charaktereigenschaft von ihr Besitz ergriffen hatte und sich nun als schlimmstes Erlebnis in ihrem jungen Leben qualifizierte.


Die Stille im Innern der Kutsche bereitete ihr nun schon fast physische Schmerzen. Hermine überlegte, dass, wenn sie noch heftiger durchgeschaukelt wurde, eine Hornhaut auf ihrem Hintern entstehen müsste. Malfoy hatte sich seitdem sie eingestiegen waren kaum bewegt. Vielleicht war er ja aus Granit, dachte sie jetzt böse.

 

Ein ziemlich großes Schlagloch, zwang sie, sich noch etwas aufrechter hinzusetzen. Ihr war heiß, sie fühlte sich eingeengt und sie würde noch verrückt werden.

 

Nein. Die Stille half ihr hier ganz und gar nicht.

 

„Wie lange ist es her, seitdem du zu Hause warst?”, fragte sie jetzt und die Worte sprudelten nur so über ihre Lippen.
Zuerst sah es so aus, als wolle er sie weiterhin ignorieren, aber schließlich antwortete er.

„Seit Halloween.“ Sein Blick blieb trotzdem starr nach draußen gerichtet.

 

„Das sind fast acht Monate.“

 

“Das Schlammblut kann rechnen. Es gibt immer noch Wunder.”

 

Hermine war sich nicht sicher, ob sie sich beleidigt fühlen sollte, weil er dieses verhasste Wort benutzte oder weil er so wenig Anteilnahme in diese Sache legte. Er hatte dieses Wort nun schon seit einigen Jahren nicht mehr benutzt. Es hatte auch nie den Effekt auf sie gemacht, den es auf Ron machte. Und auf Effekt legte Malfoy besonderen Wert.

 

Sie seufzte jetzt. „Ich hab mich schon gefragt, wann ich dieses Wort wieder höre.“

“Wenn du es nicht hören willst, dann gib mir keinen Grund es gebrauchen zu müssen.”, erwiderte er. „Wenn wir schon dabei sind, ich rate dir deinen Mund geschlossen zu halten, während wir bei meinem Vater sind. Ich übernehme das Reden. Sprich nur, wenn du aufgefordert wirst. Und sieh ihn nicht direkt an. Ich weiß, es bringt dich wahrscheinlich um, aber stell keine Fragen. Sei respektvoll und wir werden sicher keine Probleme haben.“

Hermine schnaubte auf. Das war beleidigend. „Und ich dachte, der Papst residiert im Vatikan.”

 

Endlich wandte er den Blick in ihre Richtung. Der Windhauch, der durch das offene Fenster hineinwehte, wirbelte eine blonde Strähne in seine Stirn. Ungeduldig strich er sie zurück.

„Was hast du gesagt?“ Seine Augen verengten sich zornig.

Nichts. Nichts, wovon du etwas verstehst.”, murmelte sie abwesend.

 

„Ich weiß, was der verfluchte Vatikan ist.“, knurrte er jetzt. Seine Laune hatte in einer Sekunde von desinteressiert zu rasend vor Wut gewechselt.

Hermine fühlte sich nun noch um einiges unbehaglicher, als der kalte Blick sie nun zu durchbohren schien. Durstig und extrem nervös befeuchtete sie ihre Lippen. Seine Augen huschten für einen Moment zu ihrem Mund, bevor sie wieder ihren Blick trafen.

„Musst du es wirklich noch schlimmer machen, als es sowieso schon ist?“, fragte sie ihn jetzt ruhig.

„Es wird zur Hölle noch mal hundert Mal schlimmer, bevor es besser wird. Also schlage ich vor, du gewöhnst dich dran.“, erwiderte er kalt, doch sie wich seinem Blick nicht aus.

“Denkst du, dein Vater kennt jemanden, der den Zauber zurück nehmen kann?“

 

Sie hätte auch fragen können, ob Schlösser aus Stein gemacht wurden. Oder ob Quidditsch auf Besen gespielt wurde. „Nein, Granger. Wir fahren zu meinem Vater, um ihn auf eine Tasse Tee und Biscuittörtchen zu besuchen. Er bekommt so selten Besuch, seitdem er ein Gefangener in seinem eigenen Hause ist.“

Hermine verzog jetzt grimmig den Mund. „Ich möchte ja bloß gerne wissen, warum du denkst, dass es eine so gute Idee ist, es deinem Vater zu erzählen.”

 

“Oh, ich weiß nicht. Mal sehen….”, schnappte er jetzt wütend. “Vielleicht weil er, abgesehen von Voldemort persönlich, mehr über die dunklen Künste weiß als jeder andere lebende Zauberer. Oder vielleicht weil seine Liste an Kontakten so unendlich lang ist, und er als Voldemorts ehemalige rechte Hand Dinge getan hat, die du dir nicht einmal vorstellen könntest. Er muss bloß in seinem Haus sitzen. Hat das Ministerium überzeugen können, ihm nicht seine Seele aus dem Mund saugen zu lassen.“


“Wir sind auch keine völligen Idioten, weißt du?”, konterte sie jetzt, was Malfoy seine Augen verdrehen ließ. Dieser Satz qualifizierte sich wohl als das erste Kompliment (und wohl auch das letzte), das sie ihm gegenüber jemals geäußert hatte.

 

„Hältst du es wirklich für eine so gute Idee in der Schule rumzuschnüffeln, auf der Suche danach, wie man illegal magische Tattoos wieder los wird?” Sein Blick war knapp und scharf. „Obwohl ich ja weiß, Leute wie du haben mehr Freiheiten als wir anderen.“

 

Hermine machte ein ärgerliches Geräusch. „Ich darf auch nicht alles, wenn es das ist, was du sagen willst.“

„Genau wie ich, ganz abgesehen von meiner enthusiastischen Kampagne, mit der ich seit zwei Jahren jeden überzeugen will, dass ich meinen Vater hasse und alles wofür er steht.”

 

Das war insoweit richtig. Was auch immer über Draco Malfoy gesagt wurde, seit den Problemen seines Vaters mit dem Ministerium, machte er seinen Standpunkt mehr als deutlich. Er wollte nichts mit Voldemort-bezogenen Dingen zu tun haben. Er wollte nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Natürlich vermuteten einige, dass dies die einzig wirksame Taktik war, die er wählen konnte, um den Title als Erben für das Malfoyvermögen zu behalten.

Das Ministerium hatte sich bereits selbst geholfen und einen recht großen Teil des Familienvermögens zur Seite geschafft, aus Schadensersatzgründen. Aber es gab immer noch mehrere Treuhandfonds, Urlaubsresidenzen, ein großes Erbe von seiner Mutter und seinem Großvater und natürlich Malfoy Manor selbst…
Verblüfft realisierte Hermine, dass sie wirklich aufhören musste, die Hexenwoche zu lesen.

Aber Malfoy hatte natürlich Recht. Sie mussten es still und diskret regeln. Sie bezweifelte, dass sie etwas Passendes in Hogwarts finden würden. Der Gegenfluch würde höchstwahrscheinlich etwas selbst Gebasteltes und ziemlich Illegales sein.

 

„Ich nehme an, es handelt sich dann nicht unbedingt um eine glückliche Zusammenkunft für dich und deinen Vater? Keine Vater-Sohn Picknicke beim Ententeich?“

Sie könnte sich kaum weniger scheren, ob Draco Probleme Zuhause hatte, oder nicht. Aber das Thema „Sein Vater“ schien ein sehr sensibles Thema zu sein. Hermine fühlte, dass sie ihm ein, zwei Seitenhiebe schuldig war.

Er sah nun wieder aufgebracht aus. Er schlug seine Beine wieder auseinander und lehnte sich ihr  gefährlich nahe entgegen. „Du hältst dein Maul, Granger, oder ich werde dir in im exakten Detail erklären, wozu dein kleiner Mund fähig ist, wenn er nicht gerade Unsinn von sich gibt.“

Es erstaunte sie immer wieder, wie schnell er von kalt und gelassen auf angsteinflößend wechseln konnte. Innerhalb eines Herzschlags. Hermine kochte innerlich. Niemand sprach zu ihr in solch einer Art und Weise. Nicht einmal die anderen Slytherins wagten es, die Schulsprecherin anzugreifen. Aber sie waren ja auch nicht in Hogwarts. Und sie war auch nicht in greifbarer Nähe ihrer Freunde. Und obwohl Malfoy sie wie Abschaum behandelte, konnte sie nicht umhin sich zu fragen, ob seine schlechte Laune nicht auch damit zusammen hing, dass er höchstwahrscheinlich einiges mehr von seinem Vater zu fürchten hatte als sie.

Deshalb biss sie sich von innen auf ihre Wangen und hielt ihre Zunge ab jetzt unter Kontrolle.

 

Die Kutsche klapperte weiter die Straße entlang, bis die dunklen Mauern von Malfoy Manor in Sicht kamen. Hermine stieß heftig die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte. Sie war völlig gefangen von dem Anblick des alten Hauses.

Sie hatte schon Bilder des Hauses gesehen, sicher. Jeder hatte das. Als die Todesser-Ausräucherung begonnen hatte, hatte es einen Drei-Seiten Spezial über die Todesser Residenzen gegeben.

Malfoy Manor war sogar ziemlich interessant, wenn man bedachte, dass es das zweitälteste Zaubererhaus in Britannien war. Das Herrenhaus besaß außerdem die weltweit größte Sammlung an schwarzmagischen Artefakten in ganz Europa. Jedenfalls laut der Liste, auf der sie zusammengestellt und katalogisiert worden sind. Die eher verdächtigen Gegenstände wurden zerstört, während die gefährlichsten von ihnen sicher im Ministerium verwahrt wurden, bis man sicher war, wie man sie unschädlich machen konnte. Die Siebtklässler in Hogwarts befassten sich mit gerade dieser besagten Sammlung an beschlagnahmten schwarzmagischen Objekten, wobei den Schülern eine Tour gewährt wurde, um sie näher betrachten zu können. Es war eine recht brauchbare Übung, denn so  konnten sie sich einen Überblick über die verrückten Leute machen, mit denen sie es zu tun hatten.

Hermine bemerkte, dass der Hausarrest, den Lucius zu erdulden hatte, mächtigen Einfluss auf das Anwesen genommen hatte. Ohne den erlaubten Einsatz von Magie bei einem solchen massiven Gebäude, schien alles langsam aber sicher zu verwildern. Hohe, dichte Weinstöcke, die einst wohl dekorativ ausgesehen haben mögen, wucherten nun mit Efeu um die Wette und verdeckten nahezu die gesamte Front. Tote, verrottende Blätter bedeckten den Vorgarten nahezu völlig. Die zuvor luxuriöse dicht bewachsene Rasenfläche war mittlerweile gelbstichig durch die Sonne und hoch genug, um ein kleines Kind darin verbergen zu können.

 

Das Herrenhaus wirkte dunkel, gothisch und recht ominös, aber Hermine fand es wunderschön. Es erinnerte sie an die Häuser in New Orleans, die sie letzten Sommer mit ihren Eltern besichtigt hatte. Das Haus von Dracos Ahnen, war noch bestimmt 25 Jahre davon entfernt als baufällig zu gelten, aber selbst dann würde es noch seinen Charme versprühen, überlegte Hermine.

Es war nicht schwer, sich Lucius, Narzissa oder Draco hier vorstellen zu können. Sicher, kein Zauberer der Schlichtheit oder Gemütlichkeit vorzog, konnte sich in so einer Umgebung wohl fühlen. In ihrem Kopf hörte sie sich selbst panisch Lachen, würde sie durch die Türen treten und kurz danach wieder ausgespuckt werden. Als wäre sie als lockige, dunkelhaarige, nicht-reinblütige Person, die sie war, in diesem Hause nicht erlaubt.

Die Kombination aus Interesse, Angst und schwitzigen Handflächen schien ihre Zunge automatisch zu lösen. Und obwohl Malfoy ihr befohlen hatte zu schweigen, wandte sie sich jetzt zu ihm um.

Seine Stirn legte sich in feine Falten. Seine Hände, die er zuvor in seinem Schoss gefaltet hatte, fingerten nun abwesend an den Knöpfen seiner Sommerrobe rum. Er sah besorgt aus. Besorgt genug, um Hermines ängstliche Vorhersehungen noch etwas zu verschlimmern. Ihr Herzschlag beschleunigte sich automatisch.

Silberne Augen trafen auf braune und ein kurzer Blick des stummen einvernehmlichen Verständnisses wurde geteilt.

Es war zu schade, dass er so ein unnachgiebiger Wichser war, überlegte Hermine gerade, als die Kutsche zu einem jähen, staubigen Halt vor den Eingangstoren des Herrenhauses kam.

 

Denn sonst hätte sie vielleicht seine Hand ergriffen.

 

Chapter Five



Er würde Bubotubler-Eiter spuckende Heuler entgegen nehmen. Er würde sich in ein Feld voller knallrümpfiger Kröter werfen lassen. Man könnte ihm ruhig einen norwegischen Stachelbuckel auf den Leib hetzen, mit einer notorischen Übellaunigkeit und einer Vorliebe für Reinblüter über einem Feuer, scharf gegrillt.

Zur Hölle, er würde sogar für zwei grauenvolle Wochen Longbottoms persönlicher Sklave sein.

Er wollte nur nicht nach Hause.

Etwas spät für eine Meinungsänderung, nicht wahr?

Ja, pflichtete Draco seiner inneren Stimme bei. Viel zu spät. Insbesondere seitdem Granger und er in finsterem Schweigen neben einander standen und warteten. Auf der Türschwelle von Malfoy Manor.

Draco wippte auf seinen Fersen, seine klammen Hände tief in den Taschen seiner Robe vergraben. Für einen wilden Moment lang, hatte er die Fantasie gehegt zu klingeln, Granger auf der Schwelle zurückzulassen und einen wahnsinnig schnellen Abgang hinzulegen, während er wieder in die Kutsche sprang und auf die Haupttore des Anwesens zugaloppierte.

Und als ob sie seine Gedanken lesen könnte, bemerkte er, wie Granger langsam ihren lockigen Kopf wandte und ihn mit einem unergründlichen Blick fixierte, bevor sie unmerklich näher kam.

Wenn sie wirklich Angst hatte, dann leistete sie hier aber einen verflucht guten Job, um es zu verbergen. Abgesehen von dem Allessagenden Zittern ihrer Hände, von dem er wusste, dass es typisch für sie war wenn sie aufgeregt oder nervös war, wirkte ihre Erscheinung äußerlich ziemlich ruhig.

Ihre kurze Reise zur Winkelgasse war unspektakulär verlaufen. Sie schien besser mit den Dingen klar zu kommen, als er es erwartet hätte. Draco hatte Tränen und Gestammel erwartet, was auch der Grund war, warum er einen festen Abstand zu ihr eingehalten hatte. Deswegen und natürlich wegen ihres scheinbar unendlichen Vorrats an bohrenden, nervtötenden Fragen.

Und Merlin, sie hatte Fragen.

An einem Punkt, wäre er fast geneigt gewesen, sie mit ihrer eigenen pfirsichfarbenen Unterwäsche zu fesseln. Er hatte sie unter einem Kissen im Motelzimmer entdeckt und hatte es bequemerweise vergessen zu erwähnen. Dafür hatte er aber dreißig Minuten lang ihre amüsante Suchaktion beobachtete. Er hätte ihr den Slip vielleicht gegeben, hätte sie zugegeben, dass er ihr fehlte.

Es war fast Mittag gewesen, als sie schließlich in die Winkelgasse appariert sind. Während seine Abwesenheit in der Schule, wohl bloß für ein paar gehobene Augenbrauen im eigenen Haus gesorgt hätte, würde Grangers Fehlen wahrscheinlich eine milde Panik auslösen. Also war es sein Vorschlag gewesen, dass sie ihren zwei stumpfsinnigen Nachläufern, die sie Freunde nannte und Professor McGonagall schreiben sollte. Die stellvertretende Hogwarts Direktorin würde es ohne Zweifel sofort riechen, wenn sich ihre Schulsprecherin in Schwierigkeiten befand.

Und Draco nahm an, dass sein Bett wohl unter “Schwierigkeiten” zu zählen war.

Als sie am Postgebäude angekommen waren, hatte er sich spendabel genug gefühlt um ihr ein paar Sickel Wechselgeld zu geben. Aber die undankbare, strubbelhaarige Besserwisserin hatte ihm daraufhin einen Blick verpasst, der ihm die Haare vom Kopf hätte weg brennen können. Und mit einem höchst empörten Schnauben hatte sie ihm schließlich das Geld mitten ins Gesicht geschmissen. Daraufhin war sie schließlich ins Gebäude gestürmt und hatte sein amüsiertes Grinsen nur um Sekunden verpasst.

Das Mädchen hatte die Eier eines Gryffindors in der Hose. Das musste er ihr lassen.

Er hatte sie von draußen beobachtet, für den Fall, dass sie etwas Dummes tat, wie ohne Vorwarnung loszuheulen, inmitten der Menge. Für ihn hatte sie bloß Grimassen, die gerunzelte Stirn und tödliche Blicke übrig. Aber für den fröhlichen, Postmeister mit Halbglatze hatte sie wohl all ihre Höflichkeitsfloskeln und strahlenden Lächeln reserviert. Immerhin hatte sie mehrere Gefühlsregungen. Ganz im Gegensatz zu Ron Weasley, der Gutmütigkeit zu einem völlig neuen nervtötenden Level katapultiert hatte.


Draco beobachtete wie sie die Spitze einer Feder mit ihrer kleinen pinken Zunge anleckte. Es war warm im Gebäude und Granger hatte sich die Kapuze vom Kopf gezogen. Der Wust an Locken hing über ihre linke Schulter und sie drehte gedankenverloren eine Locke zwischen den Nagelgekauten Fingern.

Für ein Mädchen, das keine zwei Knuts für ihr Äußeres geben würde, fiel Draco auf, dass sie überraschend feminin war. Es war nicht schwer den leichtfüßigen Gang zu übersehen oder das gewöhnliche Schwingen ihrer Hüfte, wenn sie durch die Gänge von Hogwarts hastete, bücherbeladen und schlecht gelaunt.

Wirklich, sie sollte besser ausgewählte Kleidung tragen. Die Lumpen, die sie trug wenn sie nicht in der Schuluniform steckte, waren nicht viel besser als Kartoffelsäcke mit Löchern für die Arme. Rau, weit, figurlos und völlig uninspirierend.

Draco verstand viel von Kleidung. Neben einer heimlichen Vorliebe für Kräutershampoos (seine bevorzugte Wahl diesen Monat waren Rosmarin und Hawafena), hatte ihm dies seine Mutter vererbt. Seltsamerweise bemaßen seine Augen Granger und steckten sie anschließend in teure, dunkle Roben. Tief ausgeschnitten, um die weiche Haut zwischen ihren Brüsten zu zeigen.

Er blinzelte. Besser wäre natürlich, High-Heels und eine silberne schwere Kette um ihren linken Knöchel. Das Mädchen sah zum Teufel noch mal, noch besser aus, wenn sie überhaupt gar keine Kleidung trug. Je mehr Kleidung Granger trug umso nerviger fand er sie.

 

Oder vielleicht war es so, je weniger Kleidung sie trug, umso abgelenkter war er.

Ja. Daran lag es wahrscheinlich.

Er fragte sich, ob der gestrige Abend, den sie zusammen verbracht hatten ihre jungfräulichen Ansichten wohl etwas aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Es wäre eine Schande, wenn ein solch leidenschaftliches Mädchen wieder zu der frigiden Seite wechseln würde. Granger brauchte keine Kristallkugel um in ihre Zukunft zu blicken. Alles was sie tun musste, war der Hauslehrerin alles gleich zu tun. Minerva McGonagall war eine ausnahmslos fabelhafte stellvertretende Schulleiterin, aber sie besaß dennoch die sexuellen Reize eines Flubberwurms. Das war ziemlich unpraktisch, wenn man bedachte, dass Hexen länger lebten als Zauberer und ihr sexuelles Hoch erst später im Alter erreichten.

Wenn Granger sich die Mühe machen würde, ab und zu außerhalb ihrer Schlusprecherinnen Pflichten zu leben, hätte sie gemerkt, dass es noch angenehmere Ablenkungen außerhalb Hogwarts gibt, neben dem auf und ab marschieren in den Gängen der Schule, wie ein wesentlich hübscherer und besser riechender Argus Filch

Wie zum Beispiel einen mittelmäßigen Blowjob von Pansy Parkinson hinter den Gewächshäusern zu bekommen. Oder mit Maria Appleby und ihrer furchtbaren Stimme unter den Quidditchtribünen rumzumachen.

Oder war ihr vielleicht aufgefallen, was sie alles verpasste? Das würde ihr plötzliches Interesse an seiner Person erklären

Ein sehr interessanter Gedanke. Vielleicht war die Gryffindor Prinzessin nach allem doch bloß ein korruptes Miststück.

 

“Ahem, Malfoy.” Mit einem Flüstern unterbrach Granger seine Gedankengänge. Er streckte den Rücken durch und blickte sie von der Seite an.

Ihre braunen Augen wirkten schwer vor Sorge. „Ich glaube, niemand kommt um zu öffnen.“ Sie griff ein zweites Mal nach der geflochtenen silbernen Klingel, als er sie mit erhobener Hand aufhielt.

Im selben Moment hörte er ein sanftes Schaben auf der anderen Seite der dicken Eichentür. Sie schwang unvermittelt auf und ein runzliger alter Hauself, gekleidet in einem rosanen geflickten Teewärmer stand nun im Türrahmen und blinzelte in die Höhe.

Die Augen der kleinen Kreatur schienen sich mit Tränen zu füllen und mit einem herzzerreißenden Laut warf er sich gegen Dracos Beine und umschlang sie heftig.

 

„Master Draco ist zurückgekehrt! Oh, Toolip freut sich so sehr!“

Draco zog eine Grimasse und schritt (mit der Hauselfe an den Beinen klebend) vorwärts in das dunkle Anwesen.

„Gut, dich zu sehen, Toolip.“, erwiderte er jetzt und nicht in unfreundlichem Ton. Er gab der kleinen Kreatur einen Klaps auf den Kopf, während seine Augen sich wachsam im Foyer umsahen. Drinnen war es kühl, dunkel und etwas unheimlich. Genau wie es Draco in Erinnerung hatte. Das Sonnenlicht versuchte beinahe verzweifelt durch die überwucherten Fenster zu dringen. Einige verirrte Strahlen fielen auf den schwarz gefliesten Boden, der das Licht sofort wieder zu schlucken schien. Feiner Staub lag in der Luft und bewegte sich im Sonnenlicht. Keine Möbel standen mehr hier, dafür aber viele hölzerne Kisten, die fast den Weg zur hölzernen, ausladenden Treppe versperrten.

„Master Draco hat eine junge Miss mitgebracht!“ Toolip wandte sich an Granger, die immer noch ziemlich beschäftigt zu sein schien, das Foyer mit großen Augen zu mustern.

Die Hauselfe sank in einen perfekten Knicks, das gewöhnliche Malfoy-Misstrauen vergessend. „Willkommen in Malfoy Manor, Miss.“

Jetzt senkte sich Grangers Blick auf die winzige Kreatur. Draco verdrehte die Augen. Je schneller sie aufhören würde zu starren und sich wieder wie ein normaler Mensch verhielt, umso schneller konnte sie mit ihrem Anliegen Lucius aufsuchen.

„Das Haus wird dich schon nicht beißen.“, sagte Draco schließlich und überreichte Toolip nun seinen Reiseumhang. Hermine schien sich lange genug wieder gefangen zu haben, um ihm einen finsteren Blick zu zuwerfen.
„Obwohl es dich vielleicht ausspucken könnte.“, fügte er mit einem humorlosen Lachen hinzu. Wieder blickte sie eingeschüchtert drein, aber sie schaffte es, den Korridor zu verlassen und schritt nun langsam durch das Foyer.

„Wo ist mein Vater?“, erkundigte sich Draco nun bei Toolip. Im Moment war die Hauselfe abgelenkt, während er mit Missfallen die zerknitterte Robe betrachtete.

„Master Lucius ist in seinem Büro.“, informiert Toolip ihn jetzt, ihre hohe Stimme klang jetzt noch etwas höher. „Wünschen Sie ihn jetzt zu sehen?“

„Ja. Warum das Unvermeidbare hinausziehen?“ Draco warf Hermione ein sadistisches Lächeln zu, bevor er ihr seinen Arm bot. Sie ignorierte ihn kalt.

Toolip ging voran. Draco folgte ihr und ihm entging nicht, dass Granger diesmal keine Einwände zu haben schien einige Meter hinter ihm zu gehen.




**



Es gab einfach keine reinblütigen Zauberer wie Lucius mehr.

Es ging weniger um die erschreckend vielen Halbblüter, als mehr darum, dass alle alten Normen und Werte einfach verdrängt wurden. Das Züchtigen mit der Peitsche zu Hause, das Predigen des Familienkodex, das Erlernen des Stammbaums. Wie man auf einem Pferd reitet, bis zum Verärgern der Ehefrau. Diese Dinge eben.

Den älteren Malfoy umgab eine unausgesprochene Eleganz, die Draco noch nicht völlig erreicht hatte. Lucius ähnelte Snape in vielerlei Dingen. Im besten Sinne. Was auch immer man über den Zaubertränkelehrer sagen mochte, er bewegte sich geschmeidig wie ein Panter.

Lucius war ihm ähnlich, natürlich vitaler und gefährlicher. Außerdem stand die Tatsache im Raum, dass Snapes Entscheidungen ab und an doppelsinnig waren, die Lucius’ hingegen aber mörderisch und abscheulich. Und nun wusste dies auch die magische Welt. Obwohl Lucius Malfoy, wenn auch ohne Zauberstab, besser bewacht wurde als jede Prostituierte in der Nokturn Gasse, war er kein Mann mit dem man leichtfertig seine Späße treiben sollte.

Auftritt Hermine Granger, die in die wohl älteste Zaubererfamilie eingeheiratet hatte und durchaus als Ärgernis bezeichnet werden konnte. Vor allem, wenn sie nicht in die Annullierung einwilligen würde, bevor sie nicht eine nette kleine Goldsumme als Abfindung eingestrichen hatte. Obwohl Draco sich eingestand, sie wohl gut genug zu kennen, um diese Möglichkeit auszuschließen.

Granger interessierte sich nicht für Geld. Sie verhielt sich seltsam in dieser Angelegenheit.

Über die letzten Jahre war es Draco gewesen der die Galleonen hatte springen lassen müssen, für Essen und andere Notwendigkeiten auf Malfoy Manor. Lucius mochte vielleicht keinen einzelnen Knut besitzen, aber Draco war weit davon entfernt. Draco bekam jeden Monat einen großen Betrag seines Erbes ausgezahlt, welches sein Großvater Julius ihm vermacht hatte. Dazu erhielt er von seiner Mutter einen nicht nennenswerten Betrag an Geld. Sie war nie sehr mütterlich gewesen. Ihre Wärme war mit einem arktischen Sturm zu vergleichen, aber Draco hatte sie sowieso mehr als hübsche Bekannte in Erinnerung, nicht als Mutter.

Geld war deswegen nie ein Problem. Der Sicherheitsfluch der über dem Haus lag und die Angestellten, die verständlicherweise nicht ohne Zauberstab arbeiten wollten, waren ein herber Schlag gewesen. Sein Geld konnte ihm nicht einmal helfen, das Haus in Ordnung zu halten. 300 Hektar Land waren für einen Zauberer und vier alte Hauselfen unmöglich zu bewerkstelligen.

Draco bezweifelte, dass sein Vater ihm Schuld an seiner Situation gab. Reue wiederum war etwas völlig anderes. Lucius war kein verrückter Mann ohne jegliche Art von Moral. Allerdings haben die Einsamkeit, die Verzweiflung und der teure Brandy über die letzten drei Jahre das Schlimmste in ihm zum Vorschein gebracht.

Es gab eine winzige Chance, dass Lucius die Nachricht der Hochzeit als Entschuldigung sehen könnte, um endlich durchzudrehen. Würde er durchdrehen, wäre er nicht der erste inhaftierte Zauberer dem dies passierte. Erst einen Monat zuvor hatte Cadmus Avery etwas wie ein Möbelmassaker in seinem eigenen Haus veranstaltet. Dann hatte er seine drei Hauselfen mit einem Samurai Schwert geköpft, bevor die Auroren ihn endlich niedergekämpft hatten. Ähnliche Alarmgegenstände waren auch über Malfoy Manor verteilt. Zauber wurden direkt in die Wände gesetzt. Das kleinste Zeichen schwarzer Magie würde die Auroren in Scharen in das Haus treiben.

Es wäre nicht besonders clever, würde sich sein Vater dazu entscheiden, Granger mit seinem schweren Briefbeschwerer zu Tode zu prügeln. Aber das wäre höchst unwahrscheinlich. Grausiger Mord war nicht der Stil seines Vaters. Wahrscheinlich würde die Aussicht, Grangers Blut auf seinem unbezahlbaren Aubusson Teppich zu haben, ihn von dieser Idee abbringen.

Draco stand nun auf dem eben besagten Teppich und hatte seinen Vater nun gerade darüber informiert, dass er tätowiert, verheiratet – und das mit einer muggelgeborenen Gryffindor - war, welche neben ihm zur Salzsäule erstarrt war.

Wenn die Hölle aufbrechen sollte, würde sie das in den nächsten Sekunden tun.

Auf den ersten Blick machte es den Anschein, als würde sein Vater die Neuigkeiten über ihren betrunkenen Ausrutscher besser als erwartet auffassen. Obwohl erste Eindrücke bei Lucius oft täuschten.

„Wie?“, fragte Lucius jetzt und schaffte es Ekel, Schrecken und eiskalte Wut in einer einzigen Silbe zu vermitteln. Der ältere Zauberer stand in der Mitte seines Büros, noch gekleidet in seinen roten seidenen Morgenrock und er schien es zu hassen, dass es erst drei Uhr nachmittags war. Eine leere Kristallkaraffe und ein Schwenker, halb gefüllt mit Cognac, standen auf seinem Schreibtisch. Sein Haar hing ihm lang und ungekämmt über die Schultern und eine Vene zuckte beständig über seiner linken Schläfe.

Kein guter Anfang, überlegte Draco gerade, aber es gab wenig, um etwas daran zu ändern.

Er musste Granger zu Gute halten, dass Granger sich so gut wie nicht bewegt hatte, als er die Begebenheiten der letzten Nacht schnell und mit monotoner Stimme wieder gegeben hatte. Wahrscheinlich würde sie nur zu gerne ihre Meinung sagen, aber sie hielt es wohl auch für das Beste, dass Lucius leise und knapp informiert wurde.

Draco hatte die Erzählung mit ihrer Flucht von der Abschlussfeier begonnen, erzählte dann von ihrem Ausflug zu Snake und Stone, fasste die Tattoogeschichte mit der folgenden Hochzeit schnell zusammen und endete mit dem Erwachen am nächsten Morgen im dem Motel in London.

Es überraschte ihn in keinster Weise, dass sein Vater sie nicht ein einziges Mal angesehen hatte. Nicht von dem Moment an als Toolip sie in das Büro geführt hatte, bis zu dem Punkt der Geschichte, die von den Tattoos handelte. Sie könnt ebenso gut unsichtbar sein, der Aufmerksamkeit nach zu folgern, die Lucius ihr widmete.

Eine schrecklich lange Stille folgte der Erzählung. Das einzige Geräusch machten die toten Blätter, die der Wind draußen über die Grünflache jagte. Und natürlich das besorgte Murmeln von Toolip. Lucius schien es vorzuziehen stumm zu bleiben. Mit einer so langsamen Geste, die die Anspannung im Raum nur noch zu steigern schien, strich er sich eine lange blonde Strähne über seine Schulter zurück und griff nach seinem Schwenker.

„Der Zauber heißt, wenn ich mich nicht irre, Fida Mia.“, erklärte Lucius nun mit so leiser Stimme, dass Draco ihn fast überhörte, hätte nicht jeder im Raum seinen Atem angehalten.

Er wusste, Granger würde diesen präzisen Moment für eines ihrer unzähligen „Aber ist nicht…“ Argumente nutzen. Er behielt Recht.

„Aber ist Fida Mia in Brittannien nicht verboten?“, fragte das Gehirn von Hogwarts jetzt in die Stille hinein. „Gerade weil man den Zauber nicht zurück nehmen kann? Ich meine, es wurde ja als Aufspürzauber verwendet, die paranoide Zauberer ihren Sklaven auferlegt haben, in Form eines Brandmarks, damit sie nicht fortlaufen konnte…“

Draco schritt bereits zu den gegenüberliegenden hohen Bücherregalen. „Oh, es gibt einen Gegenspruch, da kannst du sicher sein.“, erwiderte er. „Ich glaube sogar, hier steht ein Text über alte…“

 

Lucius bewegte sich wie ein Lichtstrahl auf Eis. Hermine hatte nicht einmal die Zeit überrascht zu schreien, bevor sein Vater ihn grob zurückzog, und mit unglaublicher Kraft in einen gläsernen Tisch warf, auf dem sein unangetastetes Mittagessen stand. Der Tisch, sowie das Porzellan zerbrachen in winzige Splitter und Draco zog scharf die Luft ein.

Toolip schrie auf und versteckte das Gesicht in ihren Händen und ihr Murmeln wurde zu einem hohen Keuchen. Hermine hatte ihre Hand ausgestreckt, um Dracos Fall aufzuhalten, aber sie hatte es nicht geschafft. Stattdessen war sie selber gestürzt und das Porzellan splitterte noch mehr.

Ihr geschockter Blick als sie Draco aufhelfen wollte, war ein perfektes Gegenteil zu dem kalten Angriff seines Vaters.

„Nicht.“, zischte Draco ihr zu und zog sich von ihr zurück. Ohne Worte, fielen ihre Hände schlaff zu ihren Seiten ab und sie versetzte Lucius einen Blick voller Abscheu und Hass.

„Wie viel Leid muss ich noch erdulden?“, fragte Lucius nun mit einem verächtlichem Blick auf seinen Sohn.
„Du weißt doch, Erdulden ist Stärke.“, entgegnete Draco jetzt und erhob sich wieder. Seine Finger presste er gegen seinen Mundwinkel der durch den Sturz aufgeplatzt war. „Das hast du mir doch gesagt.“, fügte er kalt hinzu.

Die Antipathien im Raum waren nahezu greifbar. Hass lag in der Luft wie der Geruch des schweren Holzes der Wände.

Lucius machte dem jetzt ein Ende. „Toolip, du wirst meinen Sohn in seine Gemächer bringen. Ich wünsche allein mit Ms Granger zu sprechen.“

„Nein.“, war alles, was Draco dazu sagte.

„In Ordnung.“, erwidert Hermine in derselben Sekunde.

Draco hatte sich zornig zu ihr herum gedreht. Hermine war so blass, dass die wenigen Sommersprossen beinahe krass hervor standen. Er versetzte Lucius einen Blick, den sie nicht einmal wagte zu deuten, bevor er mit raschen Schritten den Raum mit der Hauselfe verließ und die Türen hinter ihm ins Schloss knallte.

 

**


Lucius hatte sich hinter seinem Schreibtisch nieder gelassen schrie eilig einige Zeilen auf ein dickes Stück Pergament. „Ich werde Ihnen 15 Minuten meiner Zeit opfern, Miss Granger. Danach werden Sie in einem der Gästezimmer untergebracht. Bevor Sie morgen nach Hogwarts zurückkehren, werde ich eine Lösung für Ihr kleines Problem gefunden haben. Es wird dann an Ihnen und meinem Sohn liegen, dass sie sich um die besagte Lösung mit der erforderlichen Sorgfalt kümmern.“

Er hielt kurz inne und hob seinen Blick zu ihren Augen. Er bemerkte ihre Furcht, wie ihre zitternden Hände.

„Ich sehe, Sie stimmen mit meiner Disziplin nicht überein.“ Er sprach mit gewöhnlicher Stimme als ginge es um das Wetter. Dennoch klang seine Stimme nicht völlig klar. Aus einem bestimmten Grund, linderte dies ihren Hass auf diesen Mann etwas. Er war betrunken. Das entschuldigte natürlich nicht, was er getan hatte, aber sie hoffte inständig, dass er ein besserer Vater war wenn er nicht aufgelöst vor Wut war.

„Sie missbrauchen Ihre Position als Elternteil. Und wenn Sie dies tun, erniedrigen Sie sich selbst, ihren Sohn und den Namen Ihrer Familie. Aber der letztere Teil ist ja sowieso irrelevant, nicht wahr?“

„Ich habe erdenklich wenig zu verlieren, Ms Granger.“

Es war direkt unheimlich wie sehr er Draco ähnelte. Aber er war attraktiver als Draco, wenn so etwas tatsächlich möglich war. Lucius sah aus wie ein Gemälde von Goya, überlegte Hermine. Verwirrend den Inhalt betreffend, aber exquisit in der Erscheinung. Es war eine scharfe, rohe Art von Schönheit.

Dracos Züge hingegen, waren mehr maskulin. Er hatte vielleicht die stechende Augenfarbe seines Vaters geerbt, aber er besaß ebenfalls die markanten Züge der Blacks. Lange, feine Züge. Geschwungene Lippen und die gleichen breiten Schultern, die Sirius so ausgezeichnet hatten. Ein Teil von Hermine wollte fort von hier. So schnell sie ihre wackligen Beine tragen konnten. Ein anderer, weniger intelligenter Teil, wollte einfach sitzen bleiben und Lucius anstarren, wie eine gereizte Wildkatze im Zoo. Mit dem einzigen Unterschied, dass das, was sie von ihm fernhielt nur ein Schreibtisch aus Kirschholz war.

Oh Gott. Ihr wurde wieder übel.

„Meine Fehler sind meine Sache.“, erklärte sie mit fester Stimme. „Selbst wenn ich es meinen Eltern sagen würde, bezweifle ich, dass sie mir auch nur ein Haar krümmen würden.“

„Mein Sohn ist kein Findelkind, Ms Granger. Ich mische mich nicht in seine Angelegenheiten. Aber wenn er so dumm war seine Eroberung zu heiraten, nun…“ Lucius lächelte jetzt. „Dann wird es zu meiner Pflicht ihm meine väterlichen Abneigungen deutlich zu machen. Aber lassen Sie uns zum Punkt kommen. Sie sind offensichtlich eine intelligente junge Frau, also drängt sich die Frage praktisch auf.“ Er verschränkte jetzt seine Arme. „Wie viel?“

„Für Draco?“, fragte sie verwirrt und beleidigt. „Sie können ihn für einen Schokofrosch haben. Wenn Sie so etwas nicht besitzen, wie wäre es dann mit der illegalen, aber unbezahlbaren Sammlung an ägyptischen Flüchen, von denen es heißt, dass Sie sie versteckt hielten?“, schlug sie jetzt vor, mit getäuschter Plauderstimme. „Oh, nein, warten Sie. All diese Dinge hat das Ministerium ja konfisziert, nicht wahr? Dann muss ich doch bei dem Schokofrosch bleiben.“

Nun. Das war wirklich nicht übel gewesen. Wäre Ron zugegen gewesen, hätte er wahrscheinlich anerkennend gepfiffen und sich vor lachen auf den Schenkel geschlagen. Es war amüsant zu sehen, dass Lucius sie für eine schamlose Goldgräberin hielt. Naja, die Wahrheit war ungleich schlimmer.

Wenn es auf Draco zu sprechen kam, war sie wirklich als mehr als schamlos zu bezeichnen.

Ein Muskel in Lucius’ ansonsten ausdruckslosem Gesicht zuckte drohend. Wenn Blicke unverzeihliche Flüche wären, würde sie schon längst unter Todesqualen auf dem Boden liegen, überlegte Hermine jetzt.

„Stell mich nicht auf die Probe, Mädchen.“, knurrte Lucius jetzt und lehnte sich ihr entgegen. „Niemand sonst weiß, dass du hier bist. Daran muss ich ja wohl nicht erinnern.“

Das war nicht besonders klug von ihm. Hermine war enttäuscht. Sie hatte mehr erwartet.

„Ich will Ihr Geld nicht. Ich will nur raus aus dieser Ehe. Je schneller Sie uns eine Lösung bieten, umso schneller kann ich gehen.“

Lucius schwieg für einen Moment und studierte ihr Gesicht. Er trommelte mit seinen langen Fingern auf dem Tisch.

„Gut. Ich gebe Ihnen den Namen eines Kontaktmannes. Ein Experte auf dem Gebiet der dunklen Zaubersprüche, welcher in der Lage sein sollte, den Fida Mia Spruch aufzuheben. Da ich dieses Haus nicht verlassen kann, liegt es an Ihnen und meinem Sohn, diese Heirat so schnell wie möglich zu annullieren.“

**




Es bedurfte nicht viel Fantasie zu wissen, dass Draco vor der Tür warten würde.

Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, schloss sie die Türen fest hinter sich. Sie lehnte sich erschöpft gegen das schwere Mahagoni. Sie hatte kaum Zeit ihren Puls unter Kontrolle zu kriegen, da umfing Draco grob ihren Arm und zog sie mit sich, den Korridor entlang.

Er hatte eine extrem schnelle Dusche hinter sich, fiel ihr auf. Sein Haar tropfte auf den weißen Kragen seines Hemds. Er trug Jeans und sein Gesicht war von einem ziemlich besorgten Ausdruck gezeichnet.

Überraschenderweise hatte sie ihn in all den sieben Jahren des Internatlebens noch nie in etwas anderem gesehen, als in seiner Schuluniform, Quidditchklamotten oder Festroben. Es verstörte sie etwas zu sehen, dass Draco Malfoy ein Jeans besaß und sogar trug. Wie ein ganz normaler Teenager.

„Was hat er gesagt?“, forderte Draco jetzt. Der Duft von Rosmarin stieg ihr in die Nase. Es musste sein Shampoo sein. Ihr fiel auf, dass die letzten Knöpfe seines Hemds falsch geknöpft waren.

„Sag es!“, schnappte er wütend, als sie ihm nicht sofort geantwortet hatte.

Hermine seufzte langsam und begann ihre Schläfen zu massieren. Sie konnte die Kopfschmerzen bereits fühlen. Sie wollte nichts weiter als über einer dampfenden Tasse Tee zu entspannen, am besten in ihrem eigenen Zimmer in Hogwarts. Nicht wenige ihrer brillanten Ideen waren über einem dampfenden Becher gesüßten, schwarzen Tee entstanden.

Da sie sich diesen Luxus wohl nicht gönnen konnte, nahm sie Vorlieb mit dem nächst Besten, was sich bot. Einen zornigen Draco Malfoy ärgern.


„Dein Vater hat mir einen Schokofrosch und eine Fluchanleitung zum Austausch gegen dich angeboten. Ich denke, ich komme besser bei diesem Deal besser weg.“

Oh ja, sie verbrachte definitiv zu viel Zeit mit ihm. Seine scharfe Zunge färbte langsam auf sie ab.

Für einen kurzen Moment lang wirkte er völlig verdutzt und überraschte sie dann, indem er hart um ihre Schultern griff und sie gegen die Portrait gesäumte Wand presste.

 

„Aufpassen, da unten!“, murrte ein verschlafener Zauberer im nächsten Bild. „Keinen Grund einen zu wecken.“

Hermine blinzelte vor Schmerz und ihr Kopf berührte nun den scharfkantigen Bilderrahmen. Zur selben Zeit rauschte ein unbekanntes Gefühl durch ihren Körper. Es prickelte auf der Haut ihrer Hüfte und ihres rechten Oberschenkels. Es kribbelte bis in ihre Zehenspitzen. Entweder hatte sich ihr Bein entschieden taub zu werden, oder der Drachen darauf erwachte gerade zum Leben.

Das Letztere machte ihr zu viel Angst. Vor allem ohne eine Bücherei auf deren Wissen sie zugreifen konnte.

„Kannst du keine Konversation führen, ohne mich in irgendeine Art Wrestlinggriff zu stecken?“, spuckte sie ihm jetzt entgegen und grub ihre Fingernägel in seinen Unterarm.

Draco griff nach ihrem Kinn, um sie zu zwingen ihn anzusehen. Er war ihr nicht mehr so nahe gewesen, seit dem Morgen im Motelzimmer. Sie starrte in blaue Augen, klar wie eine Bergquelle, die ihr mit reiner Gehässigkeit entgegen funkelten.

„Hör zu, du verfluchtes Miststück“, begann er, ihr frivoles Verhalten ignorierend, „in zwei Wochen erhalte ich genug Geld von meinem Großvater, um nie wieder in dieses Haus zurückkehren zu müssen. Ich gebe zu, dass du nicht vollkommen allein für diese Katastrophe hier zuständig bist, aber wenn du dich zwischen mich und mein rechtliches Erbe stellst, wird es dir mehr als Leid tun.“

Das waren tatsächlich Neuigkeiten. Hermine starrte ihn an. Ihr Gehirn arbeitete schnell, um diese Informationen zu verarbeiten. „Mein Gott, du hasst Lucius genauso wie alle anderen.“

Eine steile Falte entstand zwischen seinen Augenbrauen und für eine Sekunde wirkte er nervös. „Du hast keine Ahnung, was es heißt zu hassen, Granger. Wahrer Hass bringt dein Blut zum Kochen und du siehst AK grün.“

„Ich hasse dich.“, erwiderte sie leise und wunderte sich fast, dass sie es tatsächlich so meinte.


Draco legte seinen Kopf zur Seite und bedachte sie mit einem prüfenden Blick. „Nein.“, sagte er jetzt entschieden. „Nicht wirklich.” Und dann lächelte er. Ein breites Lächeln, das all seine weißen, geraden Zähne entblößte. Das Lächeln, welches er ihr geschenkt hatte, als sie sein Angebot akzeptiert hatte, die Feier zu verlassen. Sofort war sie misstrauisch.

Es war, als wäre sie in einer windigen Brise gefangen. Heftig und aufbrausend, aber alles in allem nicht unangenehm.

Besonders nicht, wenn man diese Art von Wetter mochte.

Aber schließlich passierte etwas Seltsames. Sein Blick wurde stechender und sie nahm die plötzliche Hitze wahr, die durch das dünne Material seines Hemds strömte. Die Wärme in seinen Augen war etwas völlig Neues, etwas das Hermine von ihm nicht gewöhnt war.

Völlig gefangen und neugierig hob sie langsam ihre Hand und berührte seinen linken Mundwinkel, der etwas dick und rot war, von seinem Sturz. Sie zitterte als sie ihren Daumen über den kleinen Schnitt streichen ließ und schließlich ihren Blick zu seinen Augen hob, nicht sicher, warum sie so dringend das Bedürfnis hatte, sich für seine Verletzung zu entschuldigen.

Seine Wimpern senkten sich leicht und es machte den Anschein als würde er tiefer einatmen als vorher. Er ließ ihr Kinn los, um mit seinen Knöcheln über ihre Wange zu streichen. Es schien ihr unmöglich, dass er noch näher kommen könnte, aber er tat es.

Es war Sommer und es war heiß, sicher, aber plötzlich wurde die Hitze zwischen ihnen völlig unerträglich. Die obere Hälfte seines Hemds war feucht von seinen Haaren und klebte an seinem Oberkörper. Das Material war durchscheinend, fast transparent und zeigt nur zu deutlich die Muskeln seines Brustkorbs.

Hermines Herz hämmerte in ihrer Brust und sie fixierte seine verletzten Lippen, die sich langsam teilten, Zenitmeter von ihrem Gesicht entfernt.

Was auch immer gleich passieren würde, beide würden es später bestimmt bereuen. Nicht zu vergessen, dass sie sich beide in der unmittelbaren Nähe eines ziemlich zornigen, momentan unzurechnungsfähigen Lucius Malfoy befanden. Nur eine winzige Bewegung ihres Kopfes oder das Atmen von Luft, die sie nur all zu bald brauchen würde, wäre in der Lage den Abstand zwischen ihrer beider Lippen zu schließen.

„Master Draco.“ Die hohe Stimme von Toolip unterbrach die Situation. Die Elfe stand keine zwei Schritte weit entfernt von ihnen. „Ich soll die Miss zu ihrem Zimmer bringen.“

Draco versteifte sich und Hermine glaubte nicht, dass er sie loslassen würde, aber schließlich nickte er knapp. Diese Bewegung markierte klar das Ende ihres seltsamen Intermezzos.

„Ich garantiere dir, dass du mich hassen wirst, sobald wir fertig sind.“, versprach er ihr mit einem Flüstern.

Bis auf den Boden gedemütigt, folgte ihm ihr Blick, bis sein doppeldeutiger Blick, sein warmer Körper und der Kuss, der nicht hatte sein sollen den Flur entlang schritten.

„Du bist ein elender Mistkerl.“, erklärte sie jetzt mit vorgeschobenem Kinn.

„Es gibt viele Arten von elenden Mistkerlen, Granger. Mein Vater gehört zur schlimmsten Sorte. Also, pass auf deine Worte auf, bis wir zurück in Hogwarts sind.“ Drohend hob er den Zeigefinger, als wäre sie ein kleines Kind. „Ich werde es dir nicht noch einmal sagen.“

Hermine blieb gegen die Wand gelehnt stehen, bis Draco an das Büro seines Vaters klopfte und hinter den Türen verschwand.

Oh, Draco Malfoy war definitiv ein elender Mistkerl, aber Hermine war sich noch nicht sicher in welche Kategorie er fallen würde.

**



Den Rest des Tages lotste Toolip Hermine zum Gästetrakt, welcher sich im Ostflügel befand. Dort würde sie bleiben, bis sie nach Hogwarts aufbrechen würden. Die Elfe erzählte von den architektonischen Begebenheiten des Hauses, wie man sich nicht verlief und natürlich erwähnte sie alle nennenswerten geschichtlichen Details.

 

Das Gästeschlafzimmer war überraschend karg eingerichtet, aber dennoch wirkte es prunkvoll, soweit sie das beurteilen konnte. Ihre Augen huschten über die schweren Thikmöbel und den meterlangen violetten Stoff, der über dem Bett hing und als Himmel diente. Es war wohl ein Gästezimmer für Mädchen, fiel ihr auf. Auf die Pastelltöne und pinken Seidenlaken zu schließen. Sie vermutete, dass die Räume für die Männer in schlichten Braun und Burgunda gehalten worden waren. Mit abgetrennten Hippogreif-Köpfen an der Wand und Streitäxten, für den Fall jemand wolle sich als dramatischer Todesser aufspielen…

„Gibt es sonst noch etwas, das Sie brauchen, Miss?“, fragte die Elfe nach und riss Hermine aus ihren Gedanken. Sie schüttelte leicht den Kopf und ließ sich auf die Matratze sinken. Dann erst bemerkte sie den kleinen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit. Es musste ein Zaubertrank sein.

 

„Was ist das?“, erkundigte sie sich und erhob sich wieder um das Gebräu näher zu inspizieren.


Toolip war gerade damit beschäftig zwei enorm große Kissen vom Bett zu ziehen. „Sie müssen es trinken, bevor sie zu Abendessen.“, erklärte die Elfe jetzt bedächtig.

 

„Ja, aber was ist es?“

 

„Es ist für das danach, Miss.“, sagte Toolip jetzt etwas leiser.

 

Hermine runzelte die Stirn und hob schließlich den Becher hoch, um an dem Gebräu zu riechen. Lucius musste sie für ziemlich bescheuert halten, wenn er glaubte, sie würde irgendeinen Zaubertrank trinken, den er in seinem Haus gebraut hatte.

 

“Das Danach?”, hakte sie jetzt nach. „Ich verstehe nicht.“

 

„Sie sind doch mit meinem Master Draco zusammen, oder sind Sie es nicht?“ Toolip sagte dies in besonders höflichem Ton und die Erkenntnis traf Hermine mit einem saftigen Schlag.

Die alte Elfe kam näher und tätschelte sachte ihren Arm. „am besten nehmen Sie es heute. Wenn Sie einen Tag verpassen, schmeckt der Trank von morgen nur noch schlimmer.“ Toolip runzelte die faltige Stirn.

 

Hermine starrte hinab in die brodelnde Flüssigkeit, welche ihr freundlich entgegen zu winken schien.

“Toolip hat es gemacht. Ist nichts falsch mit dem Trank.” Mit diesen Worten nahm sie den Becher und nahm selber einen Schluck zu sich. „Es schmeckt wie Asche, natürlich, aber ich habe etwas Honig für Sie hinein getan.“

Floh Asche, Lotus, Mallobark und Senna Blume, mit Honig für den Geschmack. Auch bekannt als der „Old School“  Verhütungstrank, den alle Fünftklässler erlernen. Viele Hexen und Zauberer benutzen heutzutage Magie, aber Hermine war sich nahezu sicher, dass weder sie noch Draco in der Lage gewesen waren den Contraceptus Zauber anzuwenden.

Sie stöhnte auf. Was war bloß los mit ihr? Nicht einmal an Verhütung zu denken? Gott, sie würde niemals jemals auch nur wieder einen kleinen Schluck trinken. Alkohol war böse. Es verzerrte das Bewusstsein und setzte alle moralischen Grenzen außer Kraft. Aber wenn sie im Kopf jetzt ihren monatlichen Zyklus errechnete, war es recht unwahrscheinlich, dass etwas passiert war. Aber sie war wirklich dankbar für diesen Trank. Vielleicht hatte sich Lucius im Arbeitszimmer furchtbar verhalten, aber immerhin war er noch so klar im Kopf gewesen Toolip zu sagen, dass sie einen Trank brauen sollte.

Hermine dankte der Elfe und trank langsam den widerlichen Trank.

 

„Arbeitest du schon lange hier?“, fragte sie schließlich und fühlte sich langsam unwohl, als die Elfe immer noch nicht fertig war, dass Zimmer herzurichten. Offensichtlich hatte Lucius die klare Instruktion gegeben, dass Toolip bis zum letzten Tropfen des Tranks hier blieb.

„Oh, ja.“ Toolip nickte. “Ich arbeite hier lange. Ich bin Master Dracos Nanny.”

 

Hermine verschluckte sich an ihrem zweiten Schluck. „Seine Nanny? Ich meine, du bist immer noch seine…?“

 

Toolip zuckte die Achseln, aber ein amüsiertes Funkeln erschien in ihren Augen. „Er braucht keine Nanny, nicht mehr, nein. Aber er macht trotzdem, was ich sage.“

 

„Keine Frage.”, erwiderte Hermine mit einem Lächeln.

Als Toolip das Zimmer mit dem leeren Becher verlassen hatte, ließ sich Hermine wieder auf das Bett sinken. Sie war sich nicht sicher, ob sie laufen oder sitzen wollte. Die stummen Tränen folgten erst vierzig Minuten später.

Nach langen drei Stunden voller Zweifel und Angst, gab sie ihrem Körper nach und kuschelte sich in die lila Seide des Bettes. Auch wenn alles in Kopf sich weigerte, irgendwelche Art von Komfort und Wärme anzunehmen, die von Lucius Malfoy kam.

Der Schlaf erlaubte ihr vielleicht eine kurze Verschnaufpause vom richtigen Leben, aber Hermine war sich der Tatsache, dass die nächsten zwei Wochen die Hölle werden würden, schmerzlich bewusst.

Besonders, wenn sie darüber nachdachte, wie sie es den Jungs erzählen sollte.

 

 

**

 

Chapter Six




Severus Snape litt an chronischer Schlaflosigkeit. Falls der Fall eintreten sollte, dass er wirklich einschlief, dann war sein Schlaf nur von kurzer Dauer und plagte seinen Geist mit der Art von Träumen, die die meisten Menschen lethargisch und für mehrere Stunden unansprechbar werden ließen. Tiefer, ruhiger Schlaf war etwas, was er nicht kannte. Es schien wie Ironie, dass der Zaubertränkelehrer unfähig, eher unwillig, war, einen Zaubertrank zu brauen, der ihn traumlos und sofort schlafen lassen würde.

 

Oh, es gab Tränke, natürlich. Dunkle, brodelnde, finstere Gebräue, die ihm jeden bewussten Gedanken, jede Erinnerung für so lange stehlen würden, wie er es wollte. Er braute sie niemals für sich selbst. Wahrscheinlich lag es an seiner sadistischen Veranlagung, überlegte er. Es gab wahrscheinlich bloß ein paar Menschen auf dieser Erde, denen ein solcher Schlaf zu gönnen wäre. Und er war sich sicher – er war bestimmt nicht einer von ihnen.

 

Ganz abgesehen davon, dass es völlig sinnlos war, war Snape schon recht früh zu Bett gegangen. Er ignorierte selbst die eher kümmerlichen Versuche, die seine Schüler als Hausaufgabe abgegeben hatten. Das Alter holte ihn langsam ein und er schaffte es nicht mehr bis in die frühen Morgenstunden zerfetzende Kommentare mit der Feder aufs Papier zu bringen, ohne dass ihm die Sinnlosigkeit des Ganzen aufging. Die Kälte der Kerker kroch ihm nun viel leichter in die Knochen. Und die Kerkerräume waren kalt, ohne Frage. Es schien als wären die warmen Gedanken, der gute Humor, die absolute Natürlichkeit des Schlosses ausschließlich in den gemütlichen oberen Stockwerken geblieben.


Er würde einen Arm und ein Bein dafür geben, wie ein Hufflepuff im ersten Jahr zu schlafen.

 

Das knisternde Feuer im angrenzenden Schlafzimmer ließ ihn die Brauen heben. Langsam erhob er sich wieder und griff nach seinem Zauberstab von seinem Nachttisch und der unausgesprochene Lumoszauber tauchte das Schlafzimmer in sanftes Licht. Es war weit nach Mitternacht, aber von den Geräuschen her zu schließen bekam er gerade eine Nachricht via Flohpulver. 

 

Als Snape sein Büro betrat wartete der nächtlicher Gesprächspartner bereits ungeduldig in den kalten grünen Flammen des Kamins.

Lucius Malfoys Augen betrachteten ihn missmutig von den langen schwarzen Haaren bis zu den dunkellilanen Pantoffeln. „Für gewöhnlich schläfst du nicht so früh.“, entgegnete Lucius und verzichtete somit auf eine Begrüßung.

 

Snapes Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich und Furcht machte sich in ihm breit. Es würde also eine von diesen Nächten werden.


„Zusätzlich zu dem Bewerten - völlig unkorrekter und gefährlicher Zaubertrankproben, die mir die Idioten von Erstklässlern angedreht haben, musste ich auch noch Lupin diesen Nachmittag vertreten.“, erwiderte Snape jetzt. Er beschloss dem Wunsch nach schwarzem Kaffee nachzugeben. Schlaf zu finden würde diesen Abend wohl eine unerfüllte Hoffnung bleiben.

 

„Ah.“ Lucius lächelte. Sein Blick glitt zur Seite. Wohl um aus dem Fenster zu blicken. „Mir war nicht bewusst, dass der hoffnungslose Werwolf wieder zurückgekehrt ist. Ist es denn Vollmond heute Nacht?“, erkundigte sich Lucius in höflichem Plauderton. „Ist mir nicht aufgefallen.“

 

Snape braute sich einen starken Kaffee in der kleinen Küchenzeile, die er noch nicht in ein Zaubertranklabor verwandelt hatte. Er mochte seinen Kaffee so stark, dass er ein Loch in die steinerne Küchenzeile brennen könnte und er bevorzugte es, ihn magielos zu kochen.

 

„Gestern Nacht war Vollmond. Heute erholt er sich bloß.“

 

„Du siehst furchtbar aus, Severus.”

 

„Danke, Lucius.“ Snape ließ seinen Kiefer kreisen. Er hatte sich angewöhnt mit den Zähnen zu knirschen, wenn er versuchte sich zum Einschlafen zu bewegen. „Ich sehe, deine Inhaftierung hat an deinen Manieren nicht viel geändert.“


Lucius hob eine weißblonde Augenbraue. Wenn man nicht genau hinblickte, war der Unterschied zwischen Lucius und seinem Sohn nicht zu erkennen. Die Ähnlichkeit war, wie immer, gerade zu unheimlich.

„Sollte es dann denn?“

 

„Nein, ich denke nicht.“ Snape seufzte. „Langweiliges Geplänkel war noch nie einer deiner Stärken gewesen. Lucius, ich gehe recht in der Annahme, dass du meine Ruhe für etwas Wichtiges unterbrochen hast? Der Gebrauch von Flohpulver in deinem Haus beschränkt sich auf eine Stunde die Woche. Du solltest dich also lieber kurz fassen und mir sagen, was du von mir willst.“

 

Es gab Zeiten in denen eine solche Bemerkung Snapes Lucius zum Toben gebracht hätte. Aber diese Zeiten waren vorbei. Vorbei aber nicht vergessen, wenn er auf den eisigen Blick in Lucius’ Augen schloss. Der jetzige Lucius Malfoy war ein Hurricane, gefangen in einer winzigen Stahlbox. Der Zauberer, der einst Angst und Schrecken verbreitet hatte war dabei langsam zu verschwinden. Schicksal und Konsequenz hatten ihn zur Aufgabe seines Zauberstabes und seines Willen gezwungen. Ohne beides war Lucius Malfoy nur noch ein einst respektheischender Name.

 

Snape hätte Lucius’ Schicksal vielleicht amüsant gefunden, vielleicht sogar verdient, aber ihre gemeinsame Geschichte war zu dicht miteinander verbunden, als dass er sich eine moralische Überlegenheit hätte leisten können.

Vor allem nicht, wenn diese Geschichte so bleibende Narben hinterlassen hatte.

Lucius gut aussehender Kopf hatte sich nach oben gereckt und er schien unsicher zu sein, was er als nächstes sagen sollte. Snape war plötzlich sehr interessiert. Der ältere Malfoy war selten unsicher, selbst wenn er offensichtlich Unrecht hatte. Das war es, was ihn zu einer solch starken Persönlichkeit machte. Nicht jeder war fähig so unabdingbar und völlig unpassend von sich selbst überzeugt zu sein.


Und nur Lucius konnte Unrecht so gut aussehen lassen.

 

„Draco.“, sagte Lucius jetzt schlicht.

 

„Ich verstehe.“, erwiderte Snape jetzt betont langsam. „Aber ich fürchte, du musst etwas deutlicher werden.“

 

Lucius antwortete indem er seine Hand hob und mit dem langen Zeigefinger gegen sein Ohr deutete.

 

Die Geste war klar. Dies war eine Konversation die bloß für Snapes Ohren bestimmt war. Diese Bitte war nahezu unmöglich zu erfüllen, da Lucius Flohnetzwerkverbindungen überwacht wurden. Trotzdem gab es Wege die Privatsphäre zu garantieren. Es würde ihn einen Bericht für Dumbledore kosten, aber dies war einer der Vorteile, wenn man als Doppelagent tätig war. Die beruflichen Freiheiten.

 

Snape zog seinen Zauberstab und murmelte den Zauber. „Desino subausculto

 

„Hat er dir erzählt, dass er über das Wochenende vorbei kommen wollte?“, fuhr Lucius jetzt fort, mit einer entschlosseneren Stimme.

 

Snape nickte und schien zu resignieren. „Dein Sohn hat mich bloß darüber informiert, wann er wieder kommt. Seine Abwesenheit hat eine leichte Panik unter seinen Freunden verursacht, die Sturm an meine Tür geklopft haben. Davon überzeugt, dass dein geschätzter Sohn völlig sturzbetrunken in ein bis jetzt unentdecktes schwarzes Loch im Schloss gestürzt ist.“

 

„Ich habe vergessen wie groß er ist, wie schnell er wächst.“ Lucius blickte jetzt fast wehmütig drein, welches ebenfalls eine Eigenschaft war, die man an ihm nicht oft betrachten konnte. Snape wusste, was das leise Lallen in Lucius’ Stimme verriet.

 

Definitiv ein Abend für das Denkarium, mutmaßte Snape. Er zog seine Brauen zusammen. „Ich würde es begrüßen, wenn du schnell zum Ende kommen würdest. Für mich gehört es nicht zum Alltag mit verurteilten Todessern zu völlig gottlosen Zeiten zu plaudern. Nicht gut für den Ruf, wenn du verstehst.“

 

Lucius Blick war tödlich. „Du bist ein Bastard.“

 

Mit Lucius’ Missmut gestraft, fühlte er sich fast etwas schuldbewusst, da er diese Situation fast genoss. Sein Gesichtsausdruck blieb jedoch unverändert kühl. „Nur ein Bastard kann einen anderen erkennen…“

 

„Es liegt eine Situation vor, welche vielleicht deine Beihilfe benötigt.“, antwortete Lucius jetzt scharf. Er klang bereits genervt. „Draco ist in Schwierigkeiten.“

 

Snape schnaubte auf. „Wann ist die lästige Frucht deiner Lenden mal nicht in Schwierigkeiten?” Er nahm einen tiefen Schluck der schwarzen Flüssigkeit und sank in seinen Lehnstuhl. Der Stuhl hatte einst Dumbledore gehört und war bestimmt schon acht Jahre über seiner Zeit.

Lucius verengte seine Augen. „Die Art von Schwierigkeiten, die nur Emmanuel Borgin beheben kann, du großer, überheblicher Schleimbeutel.“

 

Das erweckte Snapes völlige Aufmerksamkeit. Er setzte mit einem lauten Klong wieder ab und erhob sich. Der Ausdruck in seinem Gesicht hätte die Erstklässler wahrscheinlich dazu gezwungen sich hinter ihren Kesseln zu verstecken. „Lucius, was in Merlins Namen hast du getan?“

 

Lucius blickte beleidigt zu ihm auf. „Es ist nichts, was ich getan habe.“

 

„Auf was hat sich mein verflixter Patensohn dann eingelassen, wenn die fragwürdige Hilfe von Borgin beansprucht werden soll?“

Aus einem bestimmten Grund verursachte diese Frage einen amüsierten Ausdruck auf Lucius’ Zügen. „Hermine Granger, allem Anschein nach.“

 

Snape blinzelte. „Sag das noch einmal.”

 

„Sie sind verheiratet. Sie haben sich dem Fida Mia unterzogen. Draco hat das Mädchen mitgebracht, um mich zu informieren. Ich muss gestehen, ich hätte…besser mit der Situation umgehen können.“ Lucius seufzte auf. Er betrachtete nun den geflochtenen Teppich auf Snapes Boden.

 

Lucius hatte Recht. Es war tatsächlich eine kleine Katastrophe. „Dieser Idiot…“ Snape biss die Zähne zusammen. „Von all den idiotischen Dingen…!“ Er schaffte es Lucius nicht zu fragen, was er seinem Jungen denn angetan hatte. Snape zwang sich Dracos Bild in seinen Kopf zu rufen, als er vor einigen Stunden bei ihm gewesen war und von seiner Rückkehr aus Malfoy Manor berichtet hatte. Draco hatte müde ausgesehen, aber ansonsten unversehrt.

 

„Es ist bloß eine Sache von schlechtem Urteilsvermögen gewesen und wir werden es schnell bereinigen.“, versicherte Lucius jetzt.

 

Snape atmete langsam ein. Wie wenig Lucius doch von der Person wusste, die Draco geworden war. Wie verzweifelt er diesen Jungen doch zu lieben schien. Es gab bloß einen plausiblen  Grund, warum Draco das prekäre Risiko auf sich genommen hatte, seinen Vater wegen der Sache aufzusuchen und nicht ihn.

 

Wenn Draco Lucius’ volle Aufmerksamkeit hatte erreichen wollen, dann ist ihm das wohl gelungen.

 

Und er hatte Hermine Granger unbemerkt auf diese Fahrt mitgenommen.

 

Junge, was hast du bloß getan?

 

„Lucius, das ist mehr als bloß schlechtes Urteilsvermögen. Fida Mia ist unumkehrbar! Und du bist dazu bereit ihn zu Borgin zu schicken um einen Gegenfluch einzusetzen?“

 

„Au contraire, Severus.“ Lucius verschränkte die Arme vor der Brust, einen scharfen Blick auf den eleganten Zügen. „Es gibt Wege und es gibt Wege.“

 

Snapes Augenbrauen zogen sich zusammen. „Schwarze Magie?“ Er schnaubte auf. „Ich bezweifle, dass Granger sich darauf einlässt.”

 

Lucius jedoch blieb zuversichtlich. “Ich habe mit dem Mädchen gesprochen. Sie wird tun, was sie tun muss um diesen monumentalen Fehler auszumerzen und für den richtigen Preis wird Borgin ihnen helfen.”

 

„Zwei Dinge…“, begann Snape und schritt langsam sein Büro ab. Lucius verdrehte die Augen, mit einer harschen Geste, dass Snape fortfahren sollte.

 

„Technisch gesehen ist ein Gegenfluch für Fida Mia möglich, aber damit die Beschwörung wirkt, müssen beide Parteien vollkommen einverstanden damit sein, den ehelichen Bund zu lösen. Und wenn man die Komplexität berücksichtigt und die…“ Snape hielt kurz inne, einen unsicheren Blick auf den Zügen. „…Intimität dieses alten Rituals, nehme ich an, dass weder Draco noch Miss Granger unter Zwang tätowiert worden sind?“

 

„Das soll heißen?“, schnappte Lucius bitter, obwohl sein Unterton Snape deutlich mitteilte, dass er die Antwort bereits wusste.

 

„Draco ist ihr nicht abgeneigt.“, entgegnete Snape und ignorierte Lucius’ überzogenes Keuchen. „Wenn sie vorhaben den Gegenfluch zu benutzen, sollten sie es tun, bevor Draco selbst sich dieser Tatsache bewusst wird.“

 

Lucius blickt voller Wehmut zu ihm auf. „Ja, es ist mir aufgefallen. Er schien anzunehmen, dass ich vorhatte sie zu beseitigen.“

 

Snape wollte nach seiner Kaffeetasse greifen, hielt jedoch kurz inne. „Hatte er Recht damit?“

 

„Ich nehme an, viel hat nicht gefehlt.“ Lucius ruckte mit dem Kopf als würden sie belanglose Themen wie das Wetter abhandeln und nicht vorsätzlichen Mord an lästigen Kindern.


„Ich habe keinen Sinn für deinen Humor.“, bemerkte Snape knapp. „Du hast ihm natürlich versichert, dass deine Muggelkinder-mordenden Zeiten vorbei sind, richtig?“

 

Lucius lächelte und machte eine wegwerfende Handbewegung. Den Blick, den er Snape zuteilwerden ließ, konnte als absichtliche Bosheit bezeichnet werden. Es war typisch Lucius und es war lächerlich charmant. „Wie du siehst, Severus, fehlt es mir nicht an guten Motiven, aber das ist ein anderes Thema. Was ist die zweite Sache, die dich beunruhigt?“

 

Es war wahrscheinlich nicht clever es ihm zu erzählen, mutmaßte Snape, aber jetzt gab es schwerlich etwas, was es noch ändern konnte. „Der Orden hegt die Vermutung, dass Voldemorts Rekrutierungskampagne in Hogwarts anlaufen wird.“, eröffnete Snape schlicht.

 

Auf diese dunkle Offenbarung folgte ein langes Schweigen. Lucius’ Blick war nicht zu deuten, genauso wenig wie Snapes. Beide Männer schienen tief in Gedanken versunken und beide waren sich dieser Tatsache bewusst.

 

Snape ließ sich viel Zeit um den Becher erneut an die Lippen zu setzen.

 

„Draco ist weder ein Anführer, noch befolgt er Befehle.“, sagte Lucius schließlich sehr bedacht auf seine Worte.

 

„Er wird nicht teilnehmen, noch wird er wirkliche Versuchung verspüren es irgendwann zu tun.“, bestätigte Snape jetzt ebenfalls. Er war zufrieden über Lucius’ Ansicht. „Aber diese Rekrutierung wird die Angelegenheiten noch komplizieren. Dein Sohn ist ein beliebtes Objekt. Gewisse… Fraktionen werden nicht besonders beeindruckt davon sein, dass er Lord Voldemorts Absichten zwiespältig gegenüber steht. Es wird über ihn geredet werden. Vor allem wenn seine Heirat mit Granger ans Licht kommt.“

 

Lucius Augen verengten sich. “Dann wird sie nicht ans Licht kommen.”

 

„Borgin wird eine Herausforderung sein.“, fuhr Snape fort. „Und eine zeitliche obendrein. Wenn Draco mit Granger beschäftigt ist, werden ihn die rekrutierenden Todesser womöglich abfangen. Aus den Augen aus dem Sinn, wie man so schön sagt. Der Junge hat eine ungesunde Neugierde, die ihn öfter in Schwierigkeiten bringt als ich es sagen kann. Ich kann nicht glauben, dass diese Worte meine Lippen verlassen, aber Granger könnte sich als recht guter Einfluss auf Draco erweisen.“

 

„Guter Einfluss?“ Lucius schnaubte empört. „Das Mädchen ist mutig, das lass ich ihr. Aber sie ist hoffnungslos naiv. Sie hat die Angewohnheit ihre Meinung an den unpassendsten Gelegenheiten kund zu tun.“

 

Snapes Mundwinkel hoben sich leicht. „Du würdest überrascht sein, wie süchtig Ehrlichkeit machen kann, wenn man es erst einmal probiert hat.“

 

„Ich glaube, es ist an dir zu sagen, was du damit wirklich meinst.“

Snape war zu erleichtert ihm da zu widersprechen. „Wann wirst du ihm von seiner Mutter erzählen?“, fragte er jetzt mit sanfter Stimme.

 

„Und was hättest du gerne, dass ich ihm sage? Dass ich mich geweigert habe, ihn Narzissa zu überlassen und dass diese verrückte Frau es mir auf die dümmste Weise zurückgezahlt hat?“ Lucius schnappte nach Luft.

„Bei Merlin, Lucius!“, entgegnete Snape zornig. „Seine Mutter wurde nicht von schlichter Verbannung dahin gerafft. Sie hatte so viel Opium im Blut, dass es einen Zentaur hätte umbringen können. Sie ist nun seit Monaten tot. Du musst es ihm sagen!“

 

Lucius’ Antwort war ein Flüstern. „Er muss es noch nicht wissen.“

 

„Draco ist kein Dummkopf. Wenn er Narzissas so genannte monatliche Beiträge zurückverfolgen wird, wird er wissen, dass sie von mir kommen. Seine Mutter ist tot, Lucius. Egal auf welchem Wege, er wird es erfahren. Du musst es dem Jungen erzählen, oder du riskierst es, das bisschen was du von ihm hast ganz zu verlieren.

 

„Und wäre das so schlimm?“, fragte Lucius fast herausfordernd. „Für ihn?“, fügte er kalt hinzu und sein Blick ruhte auf Snape.

 

Snape sah es nicht ein, seine Worte abzuschwächen. „Nein.“, gab er zu. „Er würde dich nicht vermissen. Und Lucius, du tätest gut daran, der momentanen Gottheit, die du in deiner Blasphemie anbetest zu danken, dass dein Sohn so viel mehr ist als du und so viel weniger zur selben Zeit. Lucius mied seinen Blick und zu Snapes Überraschung wurde sein Blick trübe. „Er hätte unser sein sollen, Sev. Dein und meins…”

 

Snape lachte verhalten, aber das Geräusch war eher trocken und völlig freudlos. „Selbst wenn moderne Magie einen Weg finden würde gleichgeschlechtliche Fortpflanzung zu unterstützen, denke ich, dass er ein grauenhaft entstelltes Monster geworden wäre. Sei dankbar, dass er Narzissas Grazie geerbt hat.“

„Ja“, bestätigte Lucius jetzt, den Blick immer noch gesenkt. „Du warst schon immer ein großer, dummer Depp.“

 

Es war eine alte, vertraute Beleidigung zwischen ihnen. Eine, die für viele Jahre nicht gebraucht worden war.

 

Snape blickte in Lucius’ Gesicht, dessen Blick sich immer noch irgendwo in der Leere verlor. Aber hinter dem verklärten Blick, von dem vielen Alkohol noch verstärkt, war Snape tatsächlich in der Lage den Mann zu erkennen, dem er ohne Zweifel völlig bedingungslos vor mehr als zwanzig Jahren gefolgt war. Manchmal war es seltsam Draco in seiner Klasse sitzen zu sehen, während er interessiert seinen Erläuterungen lauschte oder einfach ins Leere starrte mit Lucius’ deutlichen Zeichen auf Dracos jungen Zügen.

So sehr wie sein Vater, dachte Snape jetzt. Es war ein beunruhigender Gedanke. Aber zum Glück für Draco, wurden die Ambitionen die Lucius in den Wahn der Obligation geführt hatten von Narzissas fehlender Persönlichkeit wettgemacht. Natürlich war Draco fies und manchmal wirklich bösartig. Aber der Junge würde sich selbst niemals erlauben als die Klinge von jemand anderem benutzt zu werden. Wie seine Mutter, war er viel zu selbstgerecht dafür.


Nicht dass Snape ein Unbekannter in Bezug auf das Folgen anderer war, ohne Logik oder Sinn, doch er hatte durch den dunklen Lord gelitten, wahre Schmerzen verspürt. Schon im Alter von siebzehn. Er erinnerte sich wie er auf Lucius’ Hochzeit in der Menge gestanden hatte und beobachtet hatte, wie Lucius seine Lippen auf die kühlen roten Narzissa Blacks gepresst hatte. Er erinnerte sich an den suchenden Blick Lucius’, der ihm gegolten hatte. Ein kurzes, schmererfülltes Lächeln.

“Ich habe plötzlich das Verlangen jemanden umzubringen.”, sagte Lucius knapp. In diesem Moment sah er tatsächlich aus wie der 41-jährige Mann, der er war. Und wie ein besorgter Vater.

 

„Das erinnert mich, Lucius” Snape hob seinen Blick und brachte einen Hauch Kälte in seine Stimme zurück. „Verletzte deinen Sohn nur noch ein weiteres Mal und das nächste Treffen mit ihm wird in Askaban stattfinden. Verwechsle meine Hilfe nicht mit Freundschaft.“
Lucius’ Lächeln wirkte beunruhigend. „Ah, Severus, das würde ich nicht tun. Nicht noch einmal.“

 

Snape musste nicht auf seine Taschenuhr blicken, um zu wissen, dass die Stunde der Flohkommunikation sich dem Ende neigte. Die grünen Flammen begannen im Rauch zu verschwinden.

 

Lucius bemerkte es ebenfalls. „Ich hoffe darauf, dass du mich informierst? Informationen von Draco zu verlangen ist genauso wie Lumos unter Wasser anwenden zu wollen…“

Snape verstand. Und er war plötzlich dankbar nicht selbst ein Vater sein zu müssen. Draco gab dem Wort stur eine völlig neue Bedeutung. „Meine Loyalität liegt bei meinem Patensohn, aber ich werde dich informieren.“

 

„Meinen Dank, Severus.“

 

„Oh und Lucius, da ist noch eine weitere Sache.“

 

„Ja?“

 

Lucius starrte ihn an.

 

„Halt es für eine morbide Frage, aber würdest du sie beantworten?“

 

„Was würdest du tun, wenn du deine Freiheit wieder hättest?“, fragte Snape jetzt.

 

Kein Zögern und keine Lüge lag in Lucius’ Stimme als er sprach, was ebenso beunruhigend war, wie seine Worte.

 

„Meinen Sohn nehmen, ob er will oder nicht und weglaufen.“, erwiderte der ehemalige Todesser nun.

„Du würdest ihn wirklich zu einer solchen Existenz zwingen?“, fragte Snape jetzt. „Eine Existenz, bei der er jede Person hinter sich lassen muss, die er gekannt hat, immer auf der Flucht, immer versteckt?“

 

Die Flammen waren einer grünen Wolke gewichen und Lucius’ Gesicht verschwamm langsam im Nebel. „Das würde ich.“, erwiderte er. Seine Stimme verklang bereits. „Innerhalb eines Herzschlags.”

 

 

Die Flohnetzübertragung endete so abrupt als hätte man eine Kerze ausgeblasen.

 

Alles was von der vergangen Konversation geblieben war, war ein schwerer Geruch von Flohpulver im Kamin und die Tatsache, dass Snape hell wach war. Alarmiert und besorgter als er es zugeben wollte.

 

Er schritt hinüber zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Es war ein schöner Schreibtisch. Eines der wenigen Dinge in seinem Leben, zu dem er eine sentimentale Verbindung hatte. Äußerlich hätte der Betrachter vier gleich große Schubladen entdeckt. Zwei an jedem Ende. Aber als Snape mit seinem Zauberstab sachte gegen die Mitte des Tisches klopfte und eine leise Beschwörung murmelte, erschien eine fünfte viel kleinere Schublade aus dem Nichts.

 

Die versteckte Lade sprang auf und ein kleiner Beutel aus grünem Samt kam zum Vorschein. Snape betrachtete den Beutel einen Moment lang, bevor er ihn aus seinem Versteck hob. Er spürte, dass seine Hände im Begriff waren zu zittern, aber als Meister der Zaubertränke konnte er sich eine solche Unprofessionalität nicht erlauben.

 

Vorsichtig stülpte er den Beutel nach außen. Im Material eingenäht befand sich ein winziger heller, goldener Schlüssel.

 

Chapter Seven

 

Fida Mia: Ein Zauber der Ehre, von Nathaniel Fitzwarren Tallowstub



Hermine fuhr mit dem Zeigefinger den vergilbten Rand der Seite entlang. Sie hatte dieses Exemplar in der letzten Ecke der Hogwartsbibliothek gefunden. Unter Altertümliche und abgenutzte Magie. Abgegriffen, aber immerhin vorhanden. Ihre Augen verengten sich als sie sich die Einführung des Buches durchlas. Es war eine sehr substanzielle Abteilung der Bibliothek gewesen. Sie wusste, die Bücher im Westflügel der Bibliothek waren eigentlich nur mit viel Wartezeit zu bekommen, denn sie schienen interessanterweise doch sehr beliebt zu sein.

 

Altertümliche und abgenutzte Magie. Sie musste schmunzeln. Die älteren Schüler nahmen sich immer die besonders fragwürdigen Zauber vor, wenn sie ihr Thema für den Essay frei entscheiden konnten. Aber eine bayrische Hexe, die sich selbst die Haut vom Körper geschält hat (dieser Zauber wurde eigentlich nur für Geflügel verwendet) war bei weitem spannender als etwas Langweiliges wie die Doxyplage nachzuforschen.

 

„Miss Granger, wenn Sie hier keine weitere Hilfe benötigen, bin ich in meinem Büro und genehmige mir eine Tasse Tee.“, informierte sie Madame Pince jetzt. Sie war sehr damit beschäftigt gewesen, die Bücher, die Hermine wieder abgewählt hatte zurück in die Regale zu räumen.

 

Es hatte ihre kombinierte Anstrengung gekostet, bis sie den Fida Mia Zauber endlich finden konnten. Laut Pince war Tallowstubs Buch das einzige, welches sich mit diesem expliziten Zauber beschäftigen würde. Vor allem das Einzige in dreihundert Jahren. Zu Hermines Ärger las es sich auch mehr wie eine Anzahl an Anekdoten und sachlichen Beobachtungen, als dass es wirklich eine hilfreiche Nachforschungsquelle war. Von der dicken Staubschicht, die auf dem in purpurnen Leder eingebundenen Buch lag zu schließen, hatten die vorherigen Schüler dieses Thema wohl nicht als spannend genug empfunden, und hatten sich lieber etwas mehr makabre Themen ausgesucht.

 

„Nein, ich denke ich komme zurecht.“ Hermine lächelte zu der Bibliothekarin auf. Ein dicker Silberfisch versuchte verzweifelt aus dem alten Buch zu entkommen. Hermine schnippte ihn sanft vom Tisch und beobachtete resignierend wie Madame Pince ihn unter ihrer Schuhsole einfach zerquetschte. Mit einem knappen mm-hmpf des Missmuts machte sie sich auf den Weg zu ihrem Büro.

 

Madame Pince, neben Dumbledore und Remus Lupin, war wohl mit die einzige, die wenigstens ansatzweise wusste, was Harry, Ron und Hermine ab und an trieben. Man könnte sogar sagen, die Bibliothekarin  von Hogwarts hielt sämtliche Beweise für ihre alljährlichen Umtriebe in der Hand.

 

Wenn der allzu neugierige Snape nur in Ausleihlisten der Bibliothek geguckt hätte, hätte er wahrscheinlich all die vernichtenden Beweise gehabt, die er über die Jahre so dringend gesucht hatte. Die Liste beinhaltete nämlich eine Was-Ist-Was Anleitung der kompliziertesten und meist verbotenen Tränke oder Zaubersprüchen. Harrys und Rons Liste hingegen war im Vergleich langweilig. Aber sie hatte den Jungs immer aufgetragen mit dem Tarnumhang auf ihren Namen auszuleihen. Obwohl Die Pflege deines Tarnumhangs, von Cora Dodd auf Harrys Liste wohl ein Stirnrunzeln bei jedem suchenden Lehrer ausgelöst hätte.

Glücklicherweise schien Madame Pince einer Art Bibliothekaren-Kodex zu folgen, der höchstwahrscheinlich lautet „du sollst nicht die Bücherliste deines Schülers prüfen, außer der zornige Zaubertranklehrer hat es befohlen“. Sie bekam vielleicht einen wirklich sehenswerten Wutanfall wenn ein Schüler ein Buch auch nur falsch hochhob, aber dennoch hatten Hermine und Pince sich zusammen zu einer Art Allianz zusammen gerauft. Vielleicht machte es der ernsten Bibliothekarin ja Spaß herauszufinden, was das Trio als nächstes geplant hatte. Unter den Augen des Direktoriums. Vielleicht lebte Pince durch die semi-illegalen Taten der drei Freunde. Der letzte Gedanke brachte Hermine zum Lächeln. Aber egal was es nun war, Hermine war dankbar für die Bibliothekarin-stellt-keine-Fragen-Methode. Die Frage nach Hilfe auf der Suche nach dem Fida Mia Spruch hatte lediglich in einer hochgezogenen Augenbraue gegipfelt. Und nichts weiter.

 

Hermine bewegte ihre Schultern, um die Verkrampftheit loszuwerden und blickte sich prüfend in der Bibliothek um. Der besagte Text lag jetzt vor ihr und beschäftigte sie fast schon die gesamte Mittagspause. Ihn bloß anzusehen, verursachte bei ihr schwitzige Handflächen und das unangenehme Zusammenziehen ihres Magens vor Nervosität.

 

Abgesehen von ein paar Drittklässlern aus Ravenclaw, die hastig einige Zeilen auf ihr Pergament kritzelten war Hermine allein in der Bibliothek. Sie saß geschützt in einer kleinen Nische mit einem Erkerfenster, mit Blick nach draußen auf die Schlossgründe, welche sie über die Jahre hinweg ihr eigen genannt hatte. Dieser Platz war ihr Stammplatz in der Bibliothek und ausgezeichnet dafür geeignet ungestört zu forschen. Es war ihr unmöglich die vielen Begebenheiten zu zählen, an denen sie hier mit Harry, Ron und Ginny gesessen hatte, über dicke Wälzer gebeugt, leise flüsternd, dass niemand es mitbekommen konnte…

Sie wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu und schüttelte die momentane Post-Abschlussfeier-Nostalgie einfach ab, wie Wasser von einem nassen Regenmantel und setzte ihre Studie fort.



Kapitel Drei: Die Entstehung

 

Sie fand des seltsam, dass Fida Mia eigentlich dafür verwendet wurde Loyalität zu beweisen. Ein Zauber der Ehre, bei dem Küchentuch von meiner Tante Gertie. Blödsinn. Sie schnaubte leise auf. Dieser Zauber war schwer als gutartig zu bezeichnen. Wie das Chinesische Flüstern hatte sich Fida Mia über die Jahre verändert und umgestaltet, wurde immer zweckentsprechender deformiert und dem Nutzer anderweitig angepasst. Das war ein Schicksal, welches den meisten Zaubersprüchen passierte, wie Professor Binns ihnen schon oft erklärt hatte. Viele Zauberer hatten sich über die Jahrhunderte mit dem Deformieren alter Zaubersprüche und Banne beschäftigt. Es gab kaum noch Beschwörungen in der heutigen Zeit, die in der Entstehung nicht für etwas völlig anderes gedacht gewesen waren.

 

Hermine machte sich hastige Notizen, während ihre Augen über die Zeilen von Tallowstubs Aufzeichnungen flogen. Die Eselsohrbelasteten Seiten ihres alten Notizblocks füllten sich schnell. Sie hielt inne und las sich ihren letzten Eintrag noch einmal durch.

 

- Die Beteiligten unterziehen sich Fida Mia, oder sie initiieren Fida Mia. Meist ist einer der Beteiligten der dominante Part (Master), der andere ist der devote Part (Slave)
- Die Unterzogenen werden mit einem freiwilligen Symbol gekennzeichnet, dass den dominante Part auszeichnet (möglicherweise Tattoo oder Brandmarke)
- Die Symbole beziehen sich nicht auf Familientraditionen oder eigene Wahl, der Zauber scheint eher ein intuitives Symbol auszusuchen (Assoziation des jeweiligen Partners)

 

Es verursachte ihrem Verstand praktisch Schmerzen, dass sich eine Person tatsächlich dazu bereit erklären konnte sich durch Magie physische Schmerzen zu verursachen, um sich einem anderen Menschen zu verschreiben. Und doch schien dieses Buch genau um ausschließlich dieses Thema zu gehen. Bilder von drallen Mägden zierten die Seiten, die sich ihren Meistern zu Füßen geworfen hatten. Angst und Vergewaltigung zierten ihre Züge, dunkle Striemen und blaue Flecken hatten sich auf die Haut von Gesicht und Schultern gezeichnet. Ebenso auf die Handgelenke und auf Seite hundertsiebzehn auch auf das Gesäß.

 

Mit einem angewiderten Blick drehte Hermine die Seite etwas zu hastig um. Sie riss oberhalb ein und erschrocken hob sich ihr Blick, fast so, als erwartete sie, dass Madame Pince mit erhobenen Fäusten aus ihrem Büro stürmen würde, aber nichts geschah.

 

Sah man von den romantischen Motiven ab (wahrscheinlich musste man erst von einem Klatscher getroffen werden, um Fida Mia romantisch zu finden), war der Zauber recht abstoßend. Nicht so ruchlos und schrecklich wie ein Unverzeihlicher, aber er troff nur so von schwarzer Magie. Es war ein Spruch, der entwickelt worden war, als es noch keine so große Grenze zwischen Gut und Böse gegeben hatte. Wenn Hermine drüber nachdachte, war sie sich sicher, dass ein Hauch Imperius in dem Spruch enthalten war. Gute alte Gedankenkontrolle mit Hilfe einer physischen Verbindung. Das gab dem „Master“ immer die Gewissheit, dass sein „Slave” nicht einfach fliehen konnte. Es war unmöglich.

 

Falls jemand überhaupt fliehen wollte. Das amüsierte Mädchen auf Seite hundertsiebzehn sah jedenfalls nicht danach aus, als ob sie es besonders eilig hätte davon zu laufen.

 

- Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Fida Mia höchst populär und wurde bei jeder Art von Sklavenhaltung verwendet. Zur selben Zeit wuchs die Beliebtheit Hauselfen zu halten, anstatt menschlicher Sklaven
- 1762 erhielt der dänische Zauberexperte und berühmte Polygamist Lars Hendricks das Verbot vom Ministerium seine fünf Geliebten zu heiraten, die er mit dem Selbstpatentierten Hochzeitsritual an sich gebunden hatte. Nebenbei: Lars wurde später verfolgt und festgenommen wegen Misshandlung einer Ziege (eigene Notiz: Im Vergleich zu Aberforth Dumbledore nachschlagen)

-1800. Fida Mia, das Hochzeitsritual, wurde von der Hendricks Familie entwickelt (etwa vierunddreißig Familienmitglieder) und als Modezauber unter die magische Bevölkerung gebracht, als Zusatz des Eheschwurs

 

Und weniger als hundert Jahre später wurde der Zauber in Britannien als illegal erklärt, wurde aber immer noch in Teilen von Osteuropa als legal bindend praktiziert.

Mit einer erhobenen Augenbraue blätterte Hermine zum nächsten Kapitel, den Stift bereits wieder auf dem Papier.


Kapitel Vier: Effekte und Nebenwirkungen

 

- Die Fida Mia Unterzogenen erleben oft kurze erotische Perioden…

 

Erotische? Sie stöhnte, aber sie war fair genug einen Freudschen Versprecher hinzunehmen, wenn sie einen niederschrieb. Sie leckte kurz über die Spitze der Feder und berichtigte hastig den Fehler.

 

- Die Fida Mia Unterzogenen erleben oft kurze euphorische Periode direkt nach dem Vollzug des Rituals. Dieser Zustand kann Stunden bis auch Wochen lang anhalten

Von dem, was sie bis jetzt aufgeschrieben hatte, erkannte sie, dass die Magie sich in ihr befand, seit dem ersten Stich der Nadel in ihren und Dracos Körper. Ob es nun rücksichtlose Leichtsinnigkeit oder einfach eine schlichte betrunkene Suche nach Nervenkitzel gewesen war, sie hatten sich tatsächlich einem magisch bindenden Ritual unterzogen. Fida Mia war unumkehrbar sobald es ausgeführt worden war.

 

Dracos Tattoo war bei Weitem das komplexere der beiden. Bereits zweimal hatte Hermine es schon versucht aufzuzeichnen. Und beide Male hatte sie ihre Zeichnungen zerknüllt und weggeworfen. Nicht ihre Unbegabtheit fürs Zeichnen war der Grund ihrer Frustration gewesen. Es war schlicht die Tatsache, dass Dracos Flügel auf Papier einfach nicht so aussahen, wie sie es in Wahrheit taten. Keine aufwendigen Schattierungen mit dem Kohlestift schienen daran etwas zu ändern.

 

Auf dem Papier wirkten die schwarzen, tintenen, leblosen Flügel völlig… nun, falsch.

 

Vielleicht erinnerte sie sich auch einfach nicht akkurat an ihr Aussehen.

 

Sie rief sich wieder ins Gedächtnis wie Draco auf dem Bauch auf der Liege gelegen hatte. Nur mit seinen teuren, schwarzen maßgeschneiderten Hosen. Die Hose war so schwarz gewesen, dass seine helle Haut geleuchtet zu haben schien, in dem dunklen mit Kerzen beleuchteten Raum.

 

Er hatte die Flasche Odgen’s halb geleert, bevor sie zu Dblinksys Tattoo Studio gegangen waren. Dann hatte er sie großzügigerweise Hermine zur Aufbewahrung überlassen, mit der Anweisung, dass sie wenigstens ein Drittel des Inhalts trinken musste, bevor sie unter die Nadel kam.

 

„Gegen den Schmerz.“, hatte er knapp erklärt, mit einer großen Menge an Ungeduld.

 

Abgesehen von der Tatsache, dass er zu diesem Zeitpunkt wirklich mehr als dicht war, war seine Zunge immer noch ungewöhnlich scharf. Er hatte den Mund verzogen, als er den schmierigen Zustands des Studios unter Augenschein genommen hatte, hatte die sterilen Instrumente in Frage gestellt und Vorsehungen über die vielen Splitter gemacht, die er sich einziehen würde, wenn er sich mit nacktem Oberkörper auf die alte Liege legen würde.


Die bucklige alte Tätowiererin war stumm geblieben, hatte aber ein zahnloses, gruseliges Grinsen gezeigt, als Draco schließlich mehrer Galleonen in die Hände der Frau geschüttet hatte. Wie sich herausgestellt hatte, sprach sie weder Englisch noch Französisch oder Deutsch, Latein, Italienisch, Spanisch, Koboldogack oder irgendetwas anderes was sie versuchten.


Das angenehme Geräusch von fallenden Galleonen jedoch, schien jede kommunikativen Barrieren zu überwinden.

 

Die Alte hatte Hermine mit ihrem gruseligen zahnlosen Grinsen zu einer alten Couch geschoben, um sich mit sichtlicher Schadenfreude wieder Draco zu widmen. Ohne Zweifel war es eine lohnende Ausbeute einen so flüssigen und reinblütigen Kunden auf der Liege zu haben.

Was nun folgte lag zugegebenermaßen etwas im Dunkeln. Hermine meinte, sich zu erinnern, dass sie sich auf der Couch zurück gelehnt hatte und eingenickt war. Als sie wieder aufgewacht, hatte sie die Flasche Ogden’s zurück gelassen und war durch den Raum auf Draco zugewankt, um seinen Fortschritt zu begutachten. Das viele Blut, was die Tätowiererin ab und an von Dracos Rücken wischte, hätte alarmierend für sie sein sollen. Aber sie hatte die rote Flüssigkeit auf seinem Rücken seltsam erregend gefunden. Sie hatte den Atem angehalten als sie sich näher zu ihm gebeugt hatte. Sie wollte weder das Ritual unterbrechen, noch für irgendwelche Fehler verantwortlich sein.

 

„Wo’s der Whiskey?“, hatte Draco in einem rauen Ton gefragt. Er schien zu wissen, dass sie hinter ihm stand, ohne dass er sie gesehen hatte.

„Alles getrunken.“, log sie in dem Glauben, dass sie extrem lustig war. Draco schien ihre Gedanken zu teilen.

 

Er öffnete seine Augen, schenkte ihr einen trüben Blick und ein schiefes Lächeln, bevor er seine Finger in ihrem dichten Haar vergrub und sie zu einem innigen Kuss zu ihm zog. Wenn man ihn ansah, oder ihn auch kannte, hätte man sich nicht vorstellen können, dass er zu so einem Kuss fähig wäre. Es war eine komplette Antithese. Warm, willkommen, ehrlich und extrem zärtlich.

 

Es war die Art von Kuss gewesen, der die Knie eines jeden Mädchens für Stunden schwach machte und Logik und Intellekt einfach auszuschalten schien.

 

Der Schmutz im Tattoo Studio schien wie weggeschmolzen und das flackernde Feuer tauchte den kleinen Raum in drückenden, verführerischen Nebel. Es hing mehr als betrunkene Wolllust und Teenager bedingte Blödheit in der Luft. Hermine überlegte, dass der Spruch jede nur noch so kleine Neigung zwischen ihnen auf das zehnfache vergrößert hatte, so dass es völlig unmöglich war etwas anderes wahrzunehmen als die raue, immer mehr anschwellende Anziehung zwischen ihnen.

 

Das Verlangen war wie ein lebendiges Tier. Hermines Sinne schienen sich mit der Hitze aufzuheizen. Alles was sie berührte oder ansah brachte eine ganz neue Faszination mit sich. Ganz besonders Draco. Als das Tattoo langsam Gestalt annahm, wollte Hermine am liebsten in seine Haut kriechen, nur um zu wissen, wie es sich wohl anfühlen würde. Sie wollte ihn am liebsten von der Liege ziehen und seinen langen, muskulösen Körper mit ihren Händen entlang fahren.

 

„Süß.“, hatte er ihr zugeflüstert und fuhr mit Daumen über ihre Wange. Seine sonst so wortgewandte Zunge stand unter Hiatus, während des Tätowierens. Aber sie verstand ihn. Es war süß gewesen. So süß und erregend, dass sie das erste Motel genommen hatten, dass sich ihnen offenbart hatte und wo sie das getan hatten, was als einziges völlig natürlich war nach so einer Aktion. Die Vereinigung feiern. Mehrere und noch mehrere Male.


Draco war nicht er selbst gewesen, während die alte Frau ihn mit der Nadel gepeinigt hatte. Und Hermine war es auch nicht. Es war genauso wie es Tallowstub in seinem Buch beschrieb – eine Periode aus irrationaler Euphorie, die ihren gewöhnlichen Verstand auf die Hälfte reduziert hatte und sie in rammelnde Hasen verwandelt hatte.

 

Sie hatten sich im Moment verloren. Verzaubert und eingelullt durch den Jahrhundert alten Zauber.

 

Das Problem war bloß, dass Momente nun einmal nicht nur für sich selbst existierten. Jeder einzelne war unausweichlich und ohne Ausnahme mit dem nächsten verbunden.

 

Und jetzt saß sie hier. Tage später, versucht, den Schaden zu begrenzen. Mit einem Hauch Selbstekel blätterte Hermine durch die Seiten bis zum letzten Kapitel.




Kapitel Sechs: Wirkung

 


Zehn Minuten später las sie sich ihre Zusammenfassung dieses knappen Kapitels noch einmal durch und es war nicht gerade zuversichtlich.

 

- Zauber ist groß und ganz unwiderrufbar, erst kurz vor Tod der Beteiligten ist Entfernen des Symbols und der Verbindung möglich

- Örtlichen Praktiker für mehr Informationen um Rat fragen

 

Großartig. Einfach großartig.

Hermine streckte den Rücken in dem harten Stuhl durch und war sich der tiefen Röte ihrer Wangen wohl bewusst. Das galt auch für die plötzliche Wärme in ihren Fingern, die Steifheit ihrer Schulbluse und der Stoff der ihre weiche Haut berührte.

 

Seltsamerweise fragte sie sich, ob Draco gerade ähnliche Erfahrungen wie sie durchlitt. Wenn er es tat, dann war der Mistkerl verdammt gut darin es zu verbergen. Er schlenderte wieder mit einer selbstverständlichen Gelassenheit durch die Gänge der Schule, als könnte ihm die ganze Welt nicht egaler sein. Er teilte immer noch das Meer an Schülern wenn er in der Großen Halle zum Essen auftauchte. Er ging auch immer noch seinen Pflichten als Vertrauensschüler nach als wäre nichts geschehen. Und jedes Mal wenn sich ihre Blicke trafen und er aufstehen wollte um zu ihr zu gehen, war sie schnell genug auf dem Absatz kehrt zu machen und unter einer fadenscheinigen Ausrede für Harry und Ron zu verschwinden.

Es gab außerdem noch die großartige Möglichkeit den Vertrauensschülern zu sagen, was es zu tun gab über das Vertrauensschüler-Brett.

 

Hermine erlaubte sich ein feines Lächeln, denn sie wusste deshalb, dass Draco die Viertklässler beim nachsitzen beaufsichtigen musste. Eine besonders verhasste Aufgabe der Vetrauensschüler.

Kurz gesagt, leistete sie einen verdammt guten Job mit dem aus dem Weg gehen, seitdem sie zur Schule zurückgekehrt waren. Es war außerdem eine große Hilfe, dass sie keine Klasse zusammen hatten, mit der Ausnahme von Arithmatik für Fortgeschrittene, Montag morgens. Aber Professor Vector war freundlich genug ihren Beinahe-Abgängern die letzten Stunden frei zu geben. Und mit Professor McGonagalls Erlaubnis war Hermine in der Winkelgasse gewesen und hatte den Brief, den sie vorsorglich geschrieben hatte, selbst abgeholt.

 

Sie konnte Dracos Ärger über ihre ständige Abwesenheit praktisch schmecken. Dies stellte sich als lästiger Nebeneffekt des Zaubers heraus. Je mehr Abstand sie zu ihm hatte, umso besser war es wohl, mutmaßte sie. Laut Tallowstub schienen die Auswirkungen von Fida Mia sich nur zu verstärken wenn die Unterzogenen engen Kontakt zueinander hatten.

Zuerst war der einzige Effekt gewesen, dass ihre Haut seltsam gekribbelt hatte. Es war nicht wirklich unangenehm. Es könnte eher als leichte Gänsehaut beschrieben werden, die sich über ihre Hüfte und ihren Oberschenkel zog. Aber es gab auch andere Entdeckungen, die sie wirklich nicht gebrauchen konnte. Nicht ein kleines bisschen.

 

Am letzten Morgen zum Beispiel ist sie mit der seltsamsten Entdeckung aufgewacht. Erst als sich der Schwanz des Drachen nach innen über ihren Oberschenkel geschlängelt hatte, um nach etwas zu tasten, was gewiss nicht da war, hatte sie eine mittlere Panik erlitten.

 

Sie hatte das Phantom der „morgendlichen Erleuchtung“ erlitten und schlimmer als das, es war schon fast physisch schmerzhaft. Hermine konnte nicht sagen, was schlimmer war. Eine kalte Dusche zu nehmen, um dieses Gefühl loszuwerden oder zu wissen, dass Draco einige Stockwerke tiefer in seiner Shorts einiges mehr an Glück haben würde.

 

Es reicht um in jeder Frau eine Panikattacke zu verursachen.

 

Es gab natürlich noch andere Kleinigkeiten, keine von ihnen war willkommen: sporadischer Zorn und Gereiztheit, die für sie sehr untypisch waren. Sie hatte den armen Neville zusammen geschrieen, als er es wieder einmal geschafft hatte, seinen Fuß in der Trickstufe einzuklemmen und die ungeduldige Menge an Schülern hinter ihm aufgehalten hatte. Sie hatte Lavender fast eine Ohrfeige verpasst, als diese sich über ihre Schulter gelehnt hatte, um in der Zeitung mitzulesen. Hermine mochte es nicht, wenn Leute über der Schulter mitlasen, meist deswegen, weil sie viel schneller las als andere und aus Höflichkeit eine Minute wartete bevor sie die Seite schließlich umblätterte. Während sie normalerweise diese Unterbrechung toleriert hätte, war sie an diesem Morgen komplett ausgetickt. Zum Glück schien es weit mehr zu brauchen, um Lavender ernsthaft zu verstören, deshalb hatte ihr diese bloß einen seltsamen Blick zugeworfen und hatte sich wieder ihrem Frühstück zugewandt.

 


Ehrlich, es war ein Schicksal schlimmer als der Tod. Sie nahm Draco Malfoys schlimmste persönliche Eigenschaften an.

 

Dann waren da noch Ron und Harry und natürlich Ginny. Alle behandelten sie etwas freundlicher seit Sonntag. Ohne Zweifel schrieben sie Hermines momentane Stimmungsschwankungen den letzten Tagen Schule zu. Vielen Siebtklässlern ging es im Moment so. Zu ihrem Glück lag eine ansteckende Übellaunigkeit in der Luft. Da fiel sie selber gar nicht mehr so auf. Sie würde es den Jungs so gerne erzählen. In einem dramatischen Tagtraum war sie auf die Knie gefallen, hatten einen hysterischen Weinkrampf bekommen und sie um Vergebung angefleht.

Aber sie brachte es ganz einfach nicht über sich. Nicht jetzt und höchstwahrscheinlich auch nicht irgendwann später.
Die Scham und das Bedauern waren leicht zu verstehen. Von sich selbst enttäuscht zu sein, war etwas recht neues für sie. Und es stellte sich als sehr große umständliche und schwere Last heraus, die sie zu tragen hatte. Tatsache war – das hatte sie am Wochenende herausgefunden -, sie war eigentlich immer zufrieden mit sich gewesen und hatte auch nicht schlecht über sich gedacht. Bis zu diesem Zwischenfall.

Es war fast ein Schock gewesen, dass sie, Hermine Granger, genauso fehlerhaft und unvollkommen war wie jeder andere auch.

 

Oh, die Mächtige ist gefallen.

 

Mehr als deprimiert ließ Hermine den Kopf auf ihre Arme sinken und seufzte laut genug, dass sich eine Seite ihre Notizblocks von selbst umblätterte.

 

Sicher konnte sie Draco nicht für immer aus dem Weg gehen. Es war notwenig, dass sie ihm den Brief zeigt, den sie für Lucius’ Kontaktmann entworfen hatte. Aber bis zu diesem Augenblick gab es wirklich keinen Grund, warum sie ihn öfters sehen sollte als im Moment.


Und im Moment sah sie ihn für gewöhnlich fünf Minuten, wenn sich die Vertrauensschüler und Schulsprecher zu ihrem Treffen trafen.

 

Das war ihre Schule, zum Teufel. Sie war immer noch Schulsprecherin und es gefiel ihr überhaupt nicht sich in Ecken rumdrücken zu müssen, jedes Mal wenn der eingebildete blonde Idiot vorbeistolzierte. Bei Merlin, es gab bereits genug kleine Mädchen, die sich in seiner Gegenwart wie dumme Gänse verhielten.

 

Wenn sie doch nur mehr Zeit hätten, wenn er doch nur zustimmen würde an dem Problem nach der Schule weiter zu arbeiten, wenn er doch nur nicht irritierend gut aussehen würde, wenn doch nur….

 

„Was auch immer es ist, du siehst aufgebracht genug aus, um mir die Aufsicht des Sechstklässler Nachsitzens abzunehmen.”, sagte eine angenehme männliche Stimme.

 

Blaise Zabini näherte sich ihrem Tisch. Seine dunklen Mandelförmigen Augen leuchteten warm und amüsiert zu ihr hinab und die Schulsprecher Nadel reflektierte das Sonnenlicht, das durch die dicken Scheiben fiel. Hermine fragte sich für einen kurzen Moment, ob er sie genauso polierte, wie es Percy Weasley getan hatte.

 

Sie blinzelte zu ihm hoch, war aber schnell genug ihr Buch zu schließen, in der Hoffnung, es sah nicht verdächtig aus.

„Wie lange stehst du schon hier?“

 

„Kommt drauf an.“, entgegnete er. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. „Seit wann schießt du schon Dolche auf das Buch?“

 

„Ich sehe alle Bücher so an.“, erwiderte sie müde. Sie zog einen Stuhl für ihn zurück. „Du bist gar nicht beim Essen?“

 

Blaise lehnte den Stuhl ab und lehnte sich stattdessen an den Kopf des Tisches und verschränkte seine Knöchel, während er ihr zusah, wie sie ihre Notizen zusammen packte. „Ich wollte dich vor dem Unterricht noch erwischen. Du hast vergessen den Plan für nächste Woche zu unterzeichnen. Weasley war freundlich genug mir eine Antwort entgegen zu spucken, als ich ihn beim Essen gestört hatte. Anscheinend war ich nicht der einzige, der dich gesucht hat.“

„Mist.“ Hermine fuhr sich gedankenverloren über die Stirn als sie das Papier, das Blaise ihr entgegen hielt unterzeichnete. „Entschuldige, ich hab’s total vergessen. Und ich übernehm die Aufsicht heut Abend, wenn du Besseres zu tun hast.“

Blaise ließ ihren Schriftzug trockenen, bevor er das Pergament zusammen faltete und in der Tasche verschwinden ließ. „Ich würde es überleben, aber ich hab immer Besseres zu tun als Dennis Creevey dabei zu beobachten wie er mit Roberta Carstairs anschmachtet. Und außerdem ist mir das Fehlen ab und zu erlaubt, wo die Schule doch bald sowieso vorbei ist.“

 


Hermien beobachtete ihn aus den Augenwinkeln und fragte sich ob wohl alle Slytherin Jungen mit einem so ausgeprägten Gen für Grazie geboren worden waren. Oder wurden sie alle mit zwölf zur Seite genommen und ein Mentor hatte ihnen beigebracht so zu reden und sich entsprechend zu bewegen. Oder vielleicht auch nicht. Vincent Crabbe und Gregory Goyle waren vielleicht auch Ausnahmen, die die Regel bestätigte. Unförmig und schwerfällig als Gegenteil zu grazil und fließend.

 

Blaise war ungefähr so groß wie sie selbst, vielleicht etwas größer. Er war geschmeidig und ausgelassen. Draco gar nicht so unähnlich. Aber Draco glich wohl eher einem Panter und nicht einem Rennpferd.

 

Sie hatte Blaise in den letzten Jahren gut kennen gelernt. Sie arbeitete gern mit ihm zusammen. McGonagall hatte sie nach drei Monaten Zusammenarbeit zum effizientesten Team in Hogwarts erklärt, was sich hier seit Molly und Arthur Weasley je zusammen gefunden hatte. Blaise war auch nicht schlecht anzusehen. Das gab Hermine zu. Er hatte die warme und goldene Haut seiner maltesischen Mutter geerbt. In einer Schule, die eigentlich eher von den Angelsächsischen Wurzeln dominiert wurde, sorgte sein Aussehen ab und an für bewundernde Blicke. Die Mädchen bedachten Blaise mit ähnlicher Ehrbietung wie Draco Malfoy.

 

Kein Wunder, dass das Ego dieser Jungs sich selbst längst schon weit hinter sich gelassen hatte.

 

Da gab es auch den großen Unterschied zwischen diesen beiden Jungen. Blaise war immer ein verlässlicher Partner, wenn nicht sogar ein Freund für sie. Wenn sie schon völlig betrunken das Bett mit einem Slytherin hatte teilen müssen, wäre Blaise Zabini wahrscheinlich immer die bessere Wahl gewesen. Sie hätte wesentlich schlechtere Entscheidungen treffen können.

Nun, das hatte sie ja schließlich auch.

 

„Also, Verteidigung mit Lupin.“, erinnerte er sie jetzt. „Wir hätten später noch eine grandiose freie Phase, würde Snape nur ein einziges Mal nicht so streng sein.“ Sie hörte den Unmut in seiner Stimme.

 

Das war keine Überraschung. Die meisten Lehrer hatten eine eher entspanntere Einstellung gegenüber den letzten Stunden. So nicht Snape. Er schien die Mission zu verfolgen die Siebtklässler noch so lange mit Wissen zu quälen, bis sie zusammenbrachen.

 

Hermine verdrehte die Augen. „Nicht so streng sein? Wenn schon dann hat uns Lupin ebenfalls doppelt so hart arbeiten lassen, seit Voldemorts drohendem Aufstieg.”

 

Es gab viele Gründe Hogwarts formidablen Zaubertrankmeister nicht zu mögen, aber Hermine hatte immer Partei für ihn ergriffen. Es war ihr innerer Gerechtigkeits-Detektor, wie Ron es gerne nannte. Das Problem war nur, dass Snape seinen Ruf als Mistkerl nur zu gerne aufrechterhalten wollte. Hermien verstand, was es bedeutete als Doppelagent tätig zu sein, aber musste dieser Mann denn immer so unausstehlich sein?

 

Und seltsamerweise schien die einzige Person, die mit Snape auszukommen schien Harry zu sein. Die Erlebnisse nach dem fünften Jahr, hatten eine bleibende Erinnerung hinterlassen. Aber das vor allem bei Harry. Aus einem unbestimmten Grund, war Lupin in die Rolle von Sirius gefallen und stand Harry nun zur Seite. Und aus eigenen Gründen, schien Dumbledore dazu auch nichts weiter sagen zu wollen.

 

Stattdessen hatte Dumbledore Harry dazu bewegt wieder Okklumentik bei Snape zu nehmen. Abgesehen von der einen Auseinandersetzung, die die beiden hatten, übten die beiden nun schon über ein Jahr zusammen. Harry erzählte nie viel über die Stunden, die er mit Snape verbrachte. Harry schien es einfach zu gefallen, dass es da noch eine Person gab, die aus der Generation seines Vaters stammte, die ihn nicht tot sehen wollte und sich um ihn kümmerte. Mehr oder weniger.

 

Der Gedanke, dass Snape eine Art Vaterfigur für Harry spielen sollte, war bizarre, aber Harry beschwerte sich nicht mehr über Snape.

 

Blaise trommelte mit den Fingern auf den Tisch. „Ich denke, die exakten Worte Lupins waren „unwissende, Windeltragende Babies“. Wir müssen heute Laborarbeiten machen.“, informierte sie der zweite Schulsprecher mit genug Unwillen um sie zum Lächeln zu bringen. „Auch nach einem Jahr, hab ich es noch nicht verdaut, dass Lupin ein Werwolf ist. Die Zeiten verändern sich. Das jedenfalls ist sicher.“

 

„Zum Besseren.”, versicherte Hermine jetzt als sie ihre Büchertasche abnahm, die Blaise ihr entgegen hielt.

 

So. Mittwochnachmittag, Verteidigung gegen die Dunklen Künste mit den Slytherin.

 

Es war Zeit sich ihren Dämonen zu stellen. Oder eher dem großen, blonden Dämon, der momentan die Macht hatte ihren kompletten Ruf zu ruinieren.

Zusammen mit ihrer Moral.

 

Chapter Eight

 

Hermine Granger war eine kleine clevere Schlampe.

Natürlich waren dies nicht unbedingt Neuigkeiten für Draco, aber er war in den letzten drei Tagen in den völligen Genuss gekommen wie gerissen dieses Gryffindor Miststück war.

 

Schulsprecher und Vertrauensschüler waren sehr beschäftigte Leute, sicher. Vor allem in den letzten Wochen der Schulzeit, wenn es eine scheinbar endlos lange Liste an Dingen gab, die noch erledigt werden mussten, bevor Hogwarts für den Sommer schloss. Schulsprecher Blaise Zabini zum Beispiel war bloß noch ein dunkelhaariger verschwommener Haarschopf. Er schien nur so durch die Gänge und Klassen zu flitzen, ohne jemals anzuhalten. Er war für gewöhnlich der erste der in Slytherin morgens aufstand und mit Ausnahme von Professor Snape der letzte der abends ins Bett ging.

 

Jedoch war die Schule nicht so groß, als dass zwei Schüler es nicht geschafft hätten eine knappe Unterhaltung in den vielen hundert Schlupfwinkeln der Schule zu führen. Dennoch war es Draco in diesen Tagen nicht einmal ansatzweise gelungen sie zu erwischen. Er kam nicht einmal nah genug an Granger ran um ihr eine Beleidigung ins Ohr zu zischen.

 

Wirklich, dieses Mädchen bewies, dass sie genauso unauffindbar sein konnte wie Crabbe und Goyle während Spinat Quiche als Abendessen.

In den letzten drei Tagen hatte Granger ihre Essen entweder in ihrem Zimmer eingenommen oder während sie unterwegs war. Draco wusste das, weil er runter in die Küche gegangen war und die Hauselfen gefragt hatte.

 

Und wenn er eine Chance hätte mit ihr zu sprechen war sie niemals allein. Wenn nicht Potter und Weasley sie von Unterricht zu Unterricht begleiteten dann war es Ginny Weasley, die ihr nicht von der Seite wich. Von den glücklichen ausgelassenen Gesichtern ihrer Freunde zu schließen, nahm Draco an, dass sie alle völlig ahnungslos waren, was das verflixte letzte Wochenende betraf.

 

Nun, gut.

 


Das letzte, was Draco gebrauchen konnte war ein dunkellilafarbener Ron Weasley, der ihn zu einem Duell in der Großen Halle herausforderte, während Potter endlich Freundschaft mit seiner eigenen dunklen angsteinflößenden Seite machte und Draco vor der gesamten Schule in einen kleinen Haufen Asche verwandeln würde. Immerhin wäre es für die anderen ein amüsantes Spektakel, überlegte er. Snape würde Potter natürlich umbringen müssen und würde ohne Verzögerung direkt nach Askaban geschickt werden. Weasley würde begeistert sein, sich jetzt um die früh verwitwete Granger kümmern zu können und Filch würde in die Halle gerufen werden um Dracos verkohlte Überreste wegzufegen.

 

Draco fragte sich, ob sie überhaupt vorhatte, es ihren Freunden zu erzählen. Sie selbst schien sich ja für die Tugend in Person zu halten. Ihr glattes, sauberes Image läge buchstäblich in Scherben, wenn auch nur ein Wort davon bekannt werden würde. Es waren immer stille Mädchen, wie Pansy es oft sagte. Mädchen wie Granger hatten immer ein paar Leichen im Keller. Draco wusste nicht genau warum, aber der Gedanke eine dieser Leichen zu sein, behagte ihm überhaupt nicht. Seiner Meinung nach war er skrupellos genug um wenigstens als gutgläubiges Kellermonster durch gehen zu können.

 

Wenn das ganze Chaos erst mal vorbei war dann wollte er, dass sich Granger um jeden Preis daran erinnerte. Wenn sie alt und runzlig war, mit einem mittelmäßigen Ehemann, drei Satansbraten als Kindern, die ihre gesamte Zeit in Anspruch nahmen, dann wollte er, dass sie nachts wach lag und sich daran erinnerte, wie sie an ihn gebunden war. Ihn, Draco Malfoy, selbst wenn es nur für zwei Wochen gewesen war.

 

Es war wohl seine sadistische Seite, überlegte er. Er hatte sich längst damit abgefunden, dass er eine hatte. Es war wahrscheinlich unvermeidbar wenn man ein Malfoy war.

 

Sie sah nicht einmal besonders erschüttert aus, seitdem sie aus Malfoy Manor wiedergekehrt waren. Blass, ja, und ihr Lächeln war immer eine Spur zu breit, als dass es natürlich aussähe. Ihre schreckliche Kleidung und das ständige Besserwissen hatten sich nicht geändert, aber es war auch eher unwahrscheinlich, dass eine Nacht Sex mit ihm solche grundlegende Dinge veränderte. Stil konnte wahrscheinlich nicht durch Sex übertragen werden. Außer das Fehlen bei den Mahlzeiten deutete nichts daraufhin, dass irgendetwas anders war als sonst.

Er hätte sie gestern fast erwischt.

 

Das Mittagessen war fast vorbei und wie erwartet saß sie nicht neben Narbengesicht, dem Bekloppten und all seinen Untergebenen. Draco hatte allerdings bemerkt, dass Ginny Weasley die Große Halle betrat mit zwei leeren Tabletts.

 

Ah-hah.

 

Edward Knox, ein Sechstklässler, hatte Draco den Weg auf seiner Suche nach Granger versperrt. So etwas gehörte zu den misslichen Dingen, mit denen man sich abfinden musste wenn man so gefragt war wie er.

 

„Malfoy, kann ich vielleicht eine Kopie von deinem Zauberkunstprojekt aus dem sechsten Jahr kriegen?“

 

„Das könntest du. Wenn das neue Besenpflegeset, dass dein Vater dir zu Weihnachten geschenkt hat zufällig seinen Weg in meinen Schlafsaal findet.“

 

„Ahem…“

 

„Ich habe einhundertzwanzig Prozent bei diesem Projekt erreicht, Knox.“, erinnerte ihn Draco.

 

„Gut. Schön.“

Es war ein angenehmer Tag draußen. Etwas zu warm, aber Gott sei Dank dauerte es nicht lange, bis er sie entdeckt hatte.

 

Granger lag auf dem Rücken auf einer der Steinbänke beim See. Ohne Zweifel hatte der Granit die Wärme der Sonne aufgesogen. Sie hatte ein Buch, Zauberkunst für Fortgeschrittene, über ihr Gesicht gedeckt, um es vor der Sonne zu schützen. Ihrem Atem nach zu schließen war sie extrem entspannt oder kurz vorm Einschlafen.

 

Er wusste, was er sehen würde, wenn er das Buch von ihrem Gesicht zog. Dunkle Ringe würden sich unter ihren Augen abzeichnen, mit kleinen winzigen blauen Venen, weil sie wieder eher wach war als alle anderen. Die blasse Haut in ihrem Gesicht und der weiche geschwungene Mund. Würde er sie wecken, würde sie panisch aufspringen und ihn verwirrt anstarren.

 

Vielleicht würde sie sich über die Lippen lecken.

 

Draco seufzte.

 

Er wusste, wie hart es manchmal war Schlaf zu finden. Und die wenigen Momente die man tagsüber dann Zeit dafür fand waren absolut kostbar. Die Hälfte der Schüler in Hogwarts litt an Schlafmangel.

 

Er hatte seinen Mund bereits geöffnet, schloss ihn aber schließlich wieder, schickte noch einen entnervten Blick Richtung Himmel, bevor er sich schließlich wortlos abwandte und zurück zum Schloss lief. Seine Stimmung war noch schlechter als vorher gewesen.

 

Was er wirklich gewollt hatte, war sie zu schütteln, bis sie mit einem Schrei aufgewacht wäre und dann hätte er sie gezwungen über den Plan zu sprechen, wann und wie sie zu Emmanuel Borgin kommen wollten. Borgin war ein beschäftigter Mann und es wäre unvermeidbar vorher einen geeigneten Termin auszumachen. Es war keine sonderlich große Überraschung gewesen, dass Lucius Borgin ausgesucht hatte. Der Mann hatte die besten Kontakte und wusste wahrscheinlich mehr über illegale Zauber als es dem Ministerium lieb war.

 

Und es war nicht so als hätte er all die Zeit der Welt um hinter Granger herzujagen. Slytherin lag im Chaos und er, Blaise und Pansy mussten alles dran setzen, damit die jüngeren Schüler etwas mehr Verantwortung übernahmen. Der Gemeinschaftsraum war schmutzig, Schüler schmuggelten allerhand illegales Zeug ins Schloss und die totale Blamage des gesamten Haus war es, dass sieben Slytherins beschlossen hatten einen illegalen Duellierclub zu gründen.

 

Seit dem Wochenende, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war den jüngeren Schülern solche Angst ein zu jagen, dass sie sich in ihre Roben machten, erledigte Draco noch sämtliche Nachforschungen, die er schaffte, um alles über Fida Mia raus zu finden. Nach dem ganzen Ärger in Malfoy Manor, hatte der ältere Malfoy Draco schließlich die Kopie des Buchs von Tallowstub „Fida Mia: Ein Zauber der Ehre“ ausgehändigt.

 

All der Aufwand einer aufgerissenen Lippe wäre es vielleicht Wert gewesen, wäre dieses Buch nicht eine komplette Zeitverschwendung gewesen. Es gab, laut Autor, keinen Gegenspruch. Keine Heilung. Nicht mal einen möglichen Vorschlag zur Rückgängigmachung. Obwohl es einige interessante Bilder gegeben hatte. Besonders auf Seite hundertsiebzehn…

 

Was informativ war, war das Kapitel über die Effekte. Wenn es nicht so oft passieren würde, hätte Draco darüber Buch geführt. Grangers verfluchter Duft verfolgte ihn. Überall. Zuerst war er dumm genug zu glauben, dass es Pansy oder Millicent waren, die gerade den nächsten Duft an sich ausprobiert hatten.

 

Er hatte sie sogar einmal vor dem Mittagessen gefragt.

 

„Rose?“, hatte Pansy ungläubig wiederholt und den Kopf geschüttelt. „Schnüffelst du deswegen den ganzen Morgen in der Luft herum, als würdest du nach Stinkbomben suchen?”

 

„Ja, Rose. Teerose, um genau zu sein. Ich würde es begrüßen, wenn du nicht in diesem Zeug baden würdest. Es gibt zu viele offene Feuer im Schloss. Wahrscheinlich würdest du lichterloh in Flammen stehen.“

 

Pansy hatte ihn verwirrt angesehen. „Nun, es ist nicht mein Parfum. Teerose ist etwas zu antik für mich, findest du nicht auch?“, sagte sie jetzt und klang sogar etwas beleidigt, dass er sie damit in Verbindung bringen konnte.

 

„Richtig. Millicent wahrscheinlich…” 

 

„Nein. Millicent benutzt August Winthorps ekelhaftes Cologne. Sie gehen jetzt zusammen. Wirklich Draco, du bist so was von hinterher, was den Schloss Tratsch betrifft.“

 

Dann war es Granger. Dieser Duft war das Heftigste, was er jemals wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich war der Morgen die Tageszeit, wo sie es auftrug. Was auch immer sie für ein Produkt benutzte.

 

Und dann waren da natürlich noch diese zufälligen, unerklärbaren Entgleisungen von…

 

Gott, er konnte das Wort nicht einmal in seinem Kopf denken.

 

Freundlichkeit.

 

Da. Es war übelerregend.

 

Zuerst dieser Zwischenfall am See, wo er die perfekte Gelegenheit Granger wach zu schütteln hatte einfach verstreichen lassen. Dann früh am nächsten Morgen war eine Erstklässlerin aus Gryffindor die Stufen hoch gestürmt und schließlich gestürzt. Sie hatte so laut geschrien, dass sie sogar Peeves Konkurrenz machte. Sicher, ihr Kratzer am Knie war ziemlich hässlich, aber an jedem anderen Tag, wäre Draco einfach über sie hinweg gestiegen, um eine Viertklässlerin aus Hufflepuff zu maßregeln, weil sie die Wand mit einem Muggelstift vollschmierte.

„Ich nehme an, du kannst dieses grauenvolle Geschreie nicht unterdrücken?“, hatte er das Mädchen unfreundlich angeknurrt.

 

Zehn Minuten später hatte er sie zum Krankenflügel begleitet.

 

Er schaffte es nicht mal, ihr seine sonst so gefürchteten Beleidigungen entgegen zu schmettern. Er nannte sie eine Heulsuse und verweichlicht, aber nicht mal im selben Satz also zählte das nicht.

 

Granger war in seinem Kopf, in seinen Gedanken und sie war nicht mal taktvoll genug ihn auch nur eine Sekunde am Tag in ruhe zu lassen. Früher oder später mussten sie miteinander reden. Er sollte verflucht sein, würde er warten bis die verflixte Schule vorbei war um diese Sache aus der Welt zu schaffen. Sein Vater war viel zu undurchschaubar als dass er sich auf das Risiko eingelassen hätte, alles zu verlieren, was er vor dem Ministerium als seins deklariert hatte, bloß weil seine „Frau“ gerade an einer plötzlichen Verleumdungsphase litt.

 

Der letzte Schlag kam am vorigen Abend, als er gerade das Vertrauensschüler-Brett überprüfte und feststellen musste, dass er zur Aufsicht zum Nachsitzen der Viertklässler eingeteilt worden war.

 

Es war unglaublich. Vertrauensschüler im siebten Jahr übernahmen niemals Aufsicht für die Viertklässler. Das hätten sie vielleicht, wenn die Viertklässler nicht immer so nervtötend wären. Schüler im ersten bis zum dritten Jahr waren regelrecht dumm und ließen sich leicht Angst und Respekt einflößen. Sie konnten bis zu einer Stunde allein gelassen werden, ohne dass man prüfen musste, ob sie Unsinn anstellten. Filch liebte die Arbeit mit den jungen Schülern und zwang sie zur Handarbeit, ließ sie schrubben und putzen, bis sie vor Müdigkeit fast zusammen brachen.

 

Ab dem fünften Jahr waren die Schüler viel zu sehr mit Lernen beschäftigt, als dass sie sich Nachsitzen einhandeln würden. Lehrer übernahmen dieses Nachsitzen dann selbst und gestatteten den Schülern zu Lernen und Hausaufgaben zu machen.

 

Nicht so die Viertklässler. Und die Schlimmsten Unruhestifter waren in den vierten Klassen. Die beiden Schlimmsten waren zwei Jungen aus Ravenclaw, die beim Kampf erwischt worden waren (mit den Fäusten auch noch). Dazu kam natürlich noch ein Mädchen aus Slytherin wegen dem dieser Kampf wohl stattgefunden zu haben schien.

 

Draco saß lässig am Lehrerpult in einem Klassenraum im zweiten Stock und hatte die Beine hochgelegt. Er las gelangweilt in einem „Gentlman’s“ Muggel Magazin, das er in einem Schülerpult gefunden hatte.

 

Die beiden Jungen waren damit beschäftigt dieses Schülerpult sauber zu bekommen, während das Mädchen alte Notizen vom Brett im hinteren Teil des Klassenzimmers entfernte. Trotz des Kältezaubers den Draco heraufbeschworen hatte, war es unnatürlich heiß im Schloss.

„Singh, sei ein guter Junge und öffne doch mal das Fenster.“

 

Der Junge hob missmutig den Blick und warf seinen Lappen zur Seite. Während er profane Kleinigkeiten vor sich hinmurmelte, schlurfte auf Dracos Worte hin zum Fenster.


„Wie lange müssen wir das noch tun?“, murrte der andere Junge jetzt. Draco konnte sich an seinen Namen nicht mehr erinnern. Winston oder Wimple. Oder so ähnlich.

 

„Ihr werdet hier so lange bleiben, bis ich sage, es ist genug. Wenn genug Zeit ist, werdet ihr auch noch die Schränke sauber machen.“

 

„Das kannst du uns nicht tun lassen!“, protestierte Singh jetzt und wagte es, seine Stimme zu heben. „Professor Flitwick hat gesagt, wir müssen bloß die Tische sauber machen.“

 

„Ich kann machen, was ich verflucht noch mal machen will, verstanden? Und jetzt zurück an die Arbeit oder ich verwandel dich in einen von diesen schmutzigen Hockern.“ Singh warf ihm einen verhassten Blick zu, aber die Drohung nahm ihm seinen Wind aus den Segeln.

Draco warf einen Blick durch den Klassenraum. “Gute Arbeit, Carmen. Du kannst jetzt aufhören.”

 

Der andere Junge blickte auf. „Was? Sie hat kaum etwas gemacht! Und zu spät gekommen ist sie auch noch!”

 

„Ich bin netter zu Mädchen, wie du wohl merkst. Slytherin Mädchen, im Besonderen. Und der einzige Grund warum sie hier ist, ist weil ihr dumm genug wart ihren Namen bei Flitwick auszuspucken.“

 

„Weißt du, ich würde gerne wissen, wen von uns beiden sie nun aussucht, um ihren Urlaub zu verbringen. Wir warten seit Monaten. Ich muss meinen Eltern nämlich langsam mal Bescheid sagen.“, wimmerte Winston/Wimple.

 

Das war anscheinend der Grund für diese ganze Farce.

 

Der Junge hatte einen guten Punkt, überlegte Draco. „Na fein, also Carmen, mit welchem unserer Jungs willst du den Sommer verbringen?“

 

Carmen schien einen Moment nachzudenken. „Karpel.“, sagte sie jetzt und schenkte Singh ein breites Grinsen.

 

Singh strahlte seinen Kameraden an. Draco hatte einige Minuten Ruhe und blätterte durch die Seiten, bevor das Mädchen sich auf sein Pult setzte.

„Was lesen Sie da?“, fragte sie jetzt und senkte den Blick. Sie streckte ihm ihre nicht existente Brust entgegen und klimperte verboten heftig mit ihren falschen Wimpern.

 

„Muggel Schund, Carmen. Nichts, was dich interessieren könnte.“

 

Sie nickte schließlich. Slytherin Mädchen waren nicht leicht zu schocken. „Mein älterer Bruder hatte mal so etwas, aber Mutter sagte, es wäre Dreck und er musste es wegschmeißen.“

 

„Ich kenne deinen Bruder. Ich muss sagen, er hatte weit aus Schlimmeres unter seinem Bett versteckt.“

 

„Stimmt es, was sie sagen?“, fuhr Carmen fort und senkte ihre Stimme. „Dass Sie Ihr Erbe bekommen, obwohl Ihr Vater noch lebt? Ich hab gehört, wie Pansy Parkinson es Millicent Bullstrode erzählt hat.“

 

Draco bewunderte ihre Dreistigkeit. „Diese beiden Mädchen neigen zum Tratsch. Ich würde nicht die Hälfte von dem glauben, was sie erzählen.“

 

„Zweifellos brauchen Sie noch eine Misses für Malfoy Manor. Die Ihnen hilft. Es gibt keinen magischen Lord unter dreißig, der nicht verheiratet ist. Nun, es sei denn Sie zählen Enrod Higgs.“ Carmen blickte ihn nun verschworen an. „Er hat…“

 

„Eine Vorliebe für Karomuster und einen Termin bei Maurice in der Winkelgasse, jeden zweiten Samstag?“

 

Sie kicherte. „Ja.”

„Die Lady kann warten, denke ich.“, erwiderte Draco jetzt, um auf Carmens erfrischende Anfrage einzugehen. „Und wegen der Hilfe… da kosten Angestellte unterm Strich weitaus weniger.“

 

„Und was wird Ihr Vater tun, wenn seine Strafe vorbei ist? Ich habe gehört, er ist ein grauenhafter Tyrann.“

 

Dracos Ausdruck wurde eine Spur kälter. „ Du bist ziemlich neugierig, Carmen.“

 

Sie zuckte die Schultern, war aber intelligent genug beschämt auszusehen. „Ich weiß gerne Bescheid. Und Hogwarts wird ohne Sie nicht mehr dasselbe sein, wissen Sie?“

 

Singh versuchte bereits seit zwei Minuten Dracos Aufmerksamkeit zu erregen. Aber da der Junge ihn bei seinem Vornamen rief und nicht bei Mr Malfoy (welches er vor dem Nachsitzen direkt befohlen hatte), hatte Draco kein Problem damit ihn zu ignorieren.

 

Mr Malfoy.“, sagte Singh schließlich und ballte seine Hände zu Fäusten. „Es hat bereits geläutet. Können wir gehen?“

 

„Das könnt ihr. Wenn du mir sagst, was ihr heute gelernt habt.”

Er blinzelte. „Das es keine Faustkämpfe in der Schule geben soll.”

 

Draco seufzte. „Was haben wir gelernt, Carmen?“

 

Die junge Slytherin enttäuschte ihn nicht. „Das man sich nicht bei Faustkämpfen erwischen lassen sollte.“

 

Draco lächelte. „Sehr gut. Jetzt könnt ihr gehen.”

Die Jungen warteten bis Draco endlich ihre Strafformulare unterschrieben hatte und rannten aus dem Raum als wäre ihnen der Dunkle Lord selbst persönlich auf den Fersen. Carmen hielt Draco an der Tür auf, damit er ihren Zettel unterschrieb. Als er fertig war schob sie ihm einen grünen Apfel zu.

 

„Für dich.“, sagte sie leise. „Weil du das Mittagessen verpasst hast, um uns zu beaufsichtigen.“

 

Draco liebte grüne Äpfel und steckte ihn dankbar ein. Er hatte jetzt Verteidigung mit Lupin und seinem Fanclub bei den Gewächshäusern. Eine Unterrichtsstunde in freier Natur.

 

Granger würde da sein und sie war besser gut vorbereitet, für das, was er vorhatte zu sagen.

 

~ Chapter Nine ~

  

Eine Menge an Schülern wartete bereits vor den Gewächshäusern als Hermine und Blaise endlich eintrafen. Es war kein idealer Tag für Draußenunterricht, aber genau aus diesem Grund war die Klasse hier.

 

Die Luftfeuchtigkeit lag irgendwo bei hundert Prozent und die grauen Wolken über dem Schloss hingen wie dunkle Tücher in der Luft. Nur darauf wartend endlich dichte Wassermassen hinab zu schicken. Die Luft war ruhig und lastete schwer auf den Gemütern. Der See, der ungewöhnlich ruhig dalag, schimmerte wie dunkles Glas und spiegelte den trügerischen Himmel.

 

Libellen und allerlei Gewittertierchen schwirrten interessiert um die schwitzenden, missgelaunten Schüler herum. Kein Luftfächeln konnte an der Hitze etwas ändern und selbst der Kraken war es Leid in den Tiefen des Sees auf den kühlen Regen zu warten und hatte sich unter großen Anstrengungen an Land gehievt und wartete nun im seichten Wasser auf eine kühle Brise.

 

Wie gewöhnlich hatte sich die Klasse bereits in Gruppen geteilt. Die Gryffindors hatten sich, trotz der Hitze, eng zusammen gestellt und hatten sich der Schuluniform soweit entledigt, wie Professor McGonagall es wohl erlauben würde, würde sie zufällig vorbei kommen. Die Ärmel waren hochgekrempelt und die obersten Knöpfe standen offen.

 

Die Slytherin jedoch standen ungerührt auf den Schlossgründen, die Uniform unangetastet und warteten auf ihren Lehrer.

“Da ist sie ja.”, sagte Harry schließlich und wandte den Kopf in Hermines Richtung. Harry war heute erstaunlicherweise gut gelaunt, was auf das großartige Quidditchtrainig vom frühen Mittag her zu schließen war. Es war Harrys Ziel, Gryffindor solange er noch hier war, zur besten Kondition zu zwingen. Das Team gab sich die größte Mühe und war wahrscheinlich noch nie so gut in Form, wie nach den patentierten Potter-Trainingsmethoden. Dazu kam, dass sie eine neue Treiberin aus dem fünften Jahr eingearbeitet hatte. Sie hatte bedauerlicherweise den unpassenden Namen Emma Snotscotter, aber den Klatscher schlug sie mit solcher Wucht übers Feld, wie es nur die Weasleys zustande gebracht hatten.

Mit einem breiten Grinsen winkte er Hermine zu und bedeutete ihr, sich ebenfalls unter den Schatten der Bäume zu stellen.

 

„Du hast schon wieder das Mittagessen verpasst. Wir wollten schon jemanden losschicken, um dich zu suchen.“ Harry warf Seamus einen kurzen Blick zu, welcher Ron finster betrachtete.

 

Seamus schien wieder einmal eine Unstimmigkeit mit Ron zu haben. Eine Tatsache, welche immer häufiger zur Tagesordnung wurde, seitdem Seamus seine Absichten mit Ginny deutlich gemacht hatte.

 

„Mit losschicken, meinten sie, dass ich durch das Schloss rennen sollte, während ich deinen Namen schreie.“, sagte Seamus finster. „Und das in dieser Hitze.“, fügte er noch missmutiger hinzu.

 

Ron scheuchte ein Gewittertierchen weg. „Wenn du clever gewesen wärst, hättest du mit der Bücherei angefangen. Aber das bist du ja nicht. Das Wetter ist aber wirklich schlimm. Da widerspreche ich nicht. Mein Shirt ist transparent, zum Teufel.“ Sein Blick glitt hinüber zu Lavender, die mittlerweile den zweiten Knopf ihrer Bluse geöffnet hatte und sich Luft zufächelte. Ron starrte begierig auf den kleinen Streifen an BH, den ihre Bluse nun offenbarte.

 

Lavender machte einen angewiderten Laut und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

Harry und Hermine tauschten einen eindeutigen Blick miteinander. Es hatte Hermine einiges an Zeit gekostet den Ron-das-sexuelle-Monster neben dem Ron-der-verlässliche-gutgläubige-Freund zu akzeptieren. Es war nicht so, dass er nicht mehr verlässlich oder freundlich war. Nur wenn weibliche Schüler in der Nähe waren, verhielt er sich immer mehr wie ein Affe, als wie ein Mensch.

“Ja, es ist drückend heute.”, bestätigte Hermine mit Nachdruck.

 

Dean Thomas starrte gen Himmel. „Es sieht nach Regen aus. Wenn Lupin nicht gleich kommt, dann werden wir höchst wahrscheinlich eine kräftige Dusche abbekommen.”

In diesem Moment kam Lupin mit weiten Schritten über das Gelände auf sie zu. Die feuchte Luft hatte den Holzrahmen des unbenutzten Gewächshauses aufquellen lassen, was es etwas schwierig machte, die gesamte Klasse dort hineinzuzwängen.

 

„Es klemmt etwas.“, erklärte er, während er sich gegen die Türe warf. Harry hustete einmal und mehrere Slytherins begannen zu flüstern. Noch immer war es ein großes Gesprächsthema, dass Lupin ein Werwolf war. Es verursachte Kopfschütteln und Stirnrunzeln bei vielen Schülern, außer bei Dean und Seamus. Diese bettelten Lupin jedes Mal um eine Vorstellung seiner Kräfte an mit Rufen „verbiegen Sie das mal, Professor!“ oder „Wie weit können Sie das hier werfen?“

 

Hermine hatte Lupin erst einmal in Aktion gesehen. Er hatte einen ausgewachsenen Todesser als wöge er nichts durch eine Glasscheibe geworfen. Sie hatte nicht den Drang noch einmal etwas Derartiges zu sehen.

 

Abgesehen von seinen unmenschlichen Kräften gehörte Lupin zu den beliebtesten Lehrern und das nicht ohne Grund. Er hatte, wie Dumbledore es nannte, den Goldenen Ton, wenn es um Anweisungen ging. Selbst die Slytherins sprachen sehr respektvoll mit ihm. Dies war eine Ehre, die eigentlich nur Snape zuteilwurde. Aber Lupin wurde diese Ehre zuteil, ohne die wöchentliche Androhung von Gift im Kürbissaft, um zu sehen, ob ihre Gegengifte auch ordentlich wirkten.

 

Die Tür gab schließlich unter dem Brechen von Holz nach. Lupin wischte sich die Stirn an einem Taschentuch trocken und schob die Klasse eilig hinein.

 

„Also gut.“ Er blickte entschuldigend in die Runde. “Ich weiß, es ist heiß hier draußen, aber Professor Sprout hat mir ein Problem mitgeteilt und ich habe uns freiwillig für diese Aufgabe eingetragen.” Lupins braune Augen blickten glücklich in die Runde, bis sie bei Harry stoppten, der auf seinen Fersen vor und zurück wippte.

 

„Wer fehlt heute?“

 

Tatsächlich fehlten drei Schüler heute. Neville, der Professor Sprout auf einen Ausflug zum Utensilienkauf begleitete, als Teil seines Projekts, Vincent Crabbe, der von seinen Eltern aus der Schule genommen worden ist, nachdem er sein einziges UTZ Examen abgelegt hatte und Draco, der zu Hermines großer Erleichterung fehlte, auch wenn er keinen erkennbaren Grund dafür hatte.

 

“Aber das ist kein Problem. Wir sollten trotzdem innerhalb einer Stunde fertig werden.“ Lupin hob den Blick zu den Wolken. „Es sei denn, es fängt noch in den nächsten fünf Minuten an zu regnen.“

 

Eine riesige Kiste wartete vor dem Gewächshaus, während Lupin der Klasse die Anweisungen gab. „Hier ist das Problem. Professor Sprout hatte sich bereit erklärt eine Lieferung an Fadenkraut anzunehmen. Unglücklicherweise hatte die Zustellereule einen Zusammenstoß mit einem… nun, sie hatte einen Unfall südlich vom Schloss. Das Paket ging verloren und das was wir finden konnten, hat sie nun wegen der Hitze recht schnell hinter dem Wald ausgebreitet. Einige Hogsmeadebewohner haben sich schon wegen schweren Stichen beschwert.“

 

„Was ist mit der Zustellereule passiert, Sir?“, fragte Dean Thomas mit einem breiten Grinsen.

 

Natürlich wusste bereits jeder was mit dem armen Vogel passiert worden war, der extra von Burma gekommen war. Es gab nur wenig zu lachen während der UTZ Examen und die Schüler waren dankbar für Ablenkung.

 

Hagrid schoss bereits seit zwei Monaten auf die Parasitengleichen Vampirfledermäuse um aus ihnen dann wenigstens noch einen Mantel machen zu können, wenn sie schon für sonst nichts zu gebrauchen waren. Dieser Mantel war für Olympe Maxime bestimmt. Dementsprechend brauchte es eine Menge an Fledermäusen.

 

Lupin brachte ein teilnahmsloses Gesicht zustande. „Er ist gestorben, Dean.“

 

„Wie ist es gestorben, Sir?“, fragte jetzt Gregory Goyle.

 

Nun, vielleicht wusste es nicht jeder.

 

„Wie er gestorben ist, ist nicht wichtig.“, sagte Lupin jetzt  ungeduldig. „Was wichtig ist, ist wie wir mit dem Problem umzugehen haben. Das Fadenkraut wird unsere Beschäftigung für den Nachmittag sein.“ Er öffnete die Kiste schwungvoll.

 

Die Schüler starrten bloß, ohne sich zu bewegen.


Die kombinierte Hitze von siebzehn Schülern und einem Werwolf war kaum auszuhalten. Harry wischte sich seine Brille an seinem nassen Ärmel ab. Hermine versuchte ihre Haare zu bändigen, aber die Locken sprangen sofort wieder über die Schulter zurück. Harry war auf einen Schlag weniger motiviert. Der Sommer seines dritten Jahres hatte er damit zugebracht, die Hecke im Ligusterweg Nummer 14 zu stutzen und der Inhalt in der Kiste erfüllte ihn nicht gerade mit Freude.

 

„Wir sollen Unkraut jäten?“, fragte er mit einem angewiderten Blick auf die Handschuhe und Heckenscheren, die in der Kiste warteten. „In wie weit ist das Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Sir?“

 

„Vielleicht ist es böses Unkraut. So wie die Teufelsschlinge.“, schlug Lavender jetzt vor.

 

„Fadenkraut ist nicht unbedingt ein Kraut.“, erwiderte Blaise jetzt und versetzte Lavender einen kurzen Blick. „Es ist ein Tier, welches bloß einer Pflanze ähnelt. Es wurde fälschlicher weise dieser Gattung zugeordnet.”

 

Lupin nickte. “Sehr gut Blaise. Das stimmt auffallend. Bevor wir anfangen, möchte ich euch bitten euch zu zweit in euren zugeteilten Teams zusammen zu finden und euch ein paar Handschuhe, einen Eimer und eine Schere zu greifen.”

 

Es war nur Lupins guter Verhandlungstaktik und Diplomatie zu verdanken, dass sich die Schüler nur wenig gegen das Prinzip des zugeteilten Partners gewährt hatten. Jungen mit Mädchen, Gryffindors mit Slytherins. Er war die volle Zeit damit beschäftigt die Grenzen zwischen den Häusern einfach zu eliminieren. Dumbledore unterstützte ihn hierbei. Nicht so die Professoren Snape und McGonagall, die es nur als Ablenkung ansahen, wenn Jungen und Mädchen zusammen arbeiteten.

 

Hermine hatte es als angenehme Abwechslung empfunden, mal nicht Nevilles ständigen Blick über die Schulter zu spüren, wenn sie Unterricht hatten. Obwohl Crabbes Hygiene manchmal zu wünschen übrig ließ

 

Auch Neville hätte es schlimmer treffen können als mit einem Partner wie Malfoy. Neben den ganzen Sticheleien, die Neville ertragen musste, schafften es die beiden trotzdem sich zusammen zu reißen. Denn Lupin bewertete nur das Team, nicht den Einzelnen. Aber mit dem Fehlen der beiden und dem wohl dauerhaften Fehlen von Vincent Crabbe, blieb Hermine allein.

Sie erreichte Lupin, der gerade die Handschuhe austeilte.

 

Er hielt inne und ein Lächeln erschien auf seinen Zügen. Allerdings verblasste es, noch bevor es seine Augen erreichen konnte. Für einen Moment kam es ihr so vor, als zog er die Luft zwischen ihnen beiden in die Nase.

 

„Ahem, Professor?“

 

„Hermine.“, begann er nun und schüttelte den Kopf, wie um einen lästigen Gedanken loszuwerden. Verständnis erhellte jetzt seine Züge und immer noch blickte er sie an. „Oh, ja. Das hatte ich vergessen. Crabbe ist ja nicht mehr bei uns. Du musst dich wohl mit mir als Partner zufrieden geben.”

Hermine hielt dies für eine ausgezeichnete Idee. Sie ergriff gerade die Handschuhe als die Temperatur plötzlich merklich kälter wurde und sich eine Gänsehaut über ihren gesamten Körper zog.

 

Sie fühlte Malfoy einen winzigen Moment bevor sie ihn sah.

 

Sie hatten sich nicht so nahe gegenüber gestanden, seit dem Tag an dem sie das Schloss wieder erreicht hatten und er sie vor den Türen stehen gelassen hatte. Ganz plötzlich und zu ihrer größten Beunruhigung konnte sie alles an ihm fühlen. Es war, als würde sie in seinen Körper gleiten können. Nur einen Moment lang und dann glitt sie wieder hinaus.

Malfoy war verschwitzt, hungrig und ziemlich müde. Aber dort war auch eine ruhelose Ungeduld in seinem Gesicht.

 

Hermine ließ ihren Blick nicht lange auf ihm verweilen und wandte sich ihren verschränkten Armen zu.

 

„Meine Entschuldigung.“, sagte Draco jetzt zu Lupin, etwas außer Atem. „Ich wurde leider unabkömmlich von meinen Pflichten aufgehalten.“

 

„Das ist schon in Ordnung, Draco.“, erwiderte Lupin freundlich. „Wollen wir mal sehen…“

Hermine biss die Zähne zusammen. Oh, nein. Bitte nicht. Jeden, nur nicht ihn.

 

„Gut. Hermine fehlt heute der Partner.”

 

Draco gönnte ihr kaum einen Blick. „Eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu Neville.“, sagte er jetzt, während er seine Tasche schulterte und zu ihr hinüber schritt. „Was tun wir?“

 

„Wir jäten Unkraut.“, antwortete Lupin fröhlich, mit dem Versuch diese Aufgabe auf erdenkliche Weise nach einer Herausforderung klingen zu lassen.

Draco seufzte schwer. „Natürlich tun wir das.”

 

„Bevor wir anfangen, sollten wir noch mal über die Besonderheiten von Fadenkraut sprechen. Ja, Blaise, ich weiß, das taten wir bereits das letzte Jahr, aber etwas Wiederholung kann nicht schaden. Die Stiche können ziemlich schmerzhaft sein, wenn ihr euch wirklich welche zuzieht.“

Die Klasse schaute Lupin zu, währen er ein Stück Pergament aus der Kiste zog, es mit seinem Zauberstab entrollte und auf das Diagramm zeigte, auf welchem ein Zauberer das Fadenkraut mit einer Axt bearbeitete.

 

„Ist diese Zeichnung dem Maße entsprechend?”, fragte Ron beunruhigt und Hermine fand, es war eine gute Frage. Das Fadenkraut auf dem Bild war in etwa zweimal so hoch wie der Zauberer.

 

„Ja, das ist es. Aber das Fadenkraut welches wir zu entfernen versuchen ist erst ein paar Tage alt, also sind sie nicht besonders groß. Ein schneller Griff sollte es lösen können, aber meidet ihre Stacheln.“, erklärte Lupin jetzt. „Es hilft sich ihnen leise zu nähern. Sie verbringen die meiste Zeit des Tages schlafend und werden sehr leicht aggressiv wenn man sie weckt. Faszinierende Kreaturen.“, bemerkte er beeindruckt während er den Zauberer in der Skizze betrachtete, der gerade eben vom Fadenkraut gepackt worden war und nun von seinen Knöcheln hinab baumelte.

 

Der Rest der Klasse teilte Lupins Enthusiasmus nicht unbedingt. Millicent griff sich mit einem angewiderten Laut ein paar Handschuhe und ließ sie wieder in die Kiste fallen.

 

„Weasley.“, sagte sie jetzt mit harscher Stimme und schubste Ron zu der Kiste. „Du kannst das Rausziehen übernehmen.”

Ron verdrehte die Augen und begann ihre Utensilien zusammen zu suchen. Er warf Hermine noch einen mitleidigen Blick zu, bevor er mit Millicent verschwand.


“Hermine, wenn du es gerne hättest, dass deinem neuen Partner ein mysteriöser Unfall passiert, musst du es nur sagen.“, bot ihr Ron jetzt an. Dieser Kommentar war offensichtlich an Draco gerichtet, der Ron anstarrte, als wäre er Schmutz auf seinem Ärmel.

 

„Schade, dass du bloß zu spät warst. Aber es wäre auch zu viel der Hoffnung gewesen, dass du den Unterricht diese Woche ausfallen lassen würdest.“, flüsterte Hermine ihrem Partner zu als Lupin begann Fragen zu beantworten.

 

„Viertklässler.“, war alles, was Draco dazu sagte.

 

Hermine wartete darauf, dass er seine Tasche ablegte.

 

Er griff sich ein Paar Handschuhe und eine Schere aus der Kiste. „Du bist dafür verantwortlich, dass ich meine Mittagspause für diese Kleinkinder opfern musste, nicht wahr?“

 

Sie schenkte ihm ein überlegenes Lächeln. „Das ist richtig.“

 

„Und du meidest meine Anwesenheit.“, fügte er leise hinzu. Er traf ihren Blick und wie üblich fühlte Hermine, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte.

 

„Das ist dir erst jetzt aufgefallen? Ich vermeide deine Anwesenheit seit Jahren, Malfoy.“

 

„Sicher.”, gestand er jetzt ein und senkte seine Stimme, als er ihr und den anderen Schülern über das Gelände folgte. „Für die Schulsprecherin bist du ziemlich schwer zu finden, wenn man dich sucht. Ich wäre eigentlich sauer, da du mir Aufgaben auferlegst, gegen die sich sogar Vertrauensschüleranfänger wehren würden, aber es gab eine unerwartet nette Unterhaltung.“

 

„Die wäre?“, hörte sie sich fragen,  obwohl sie eigentlich den Mund hatte halten wollen.

 

„Carmen Meliflua.“, erklärte Draco jetzt mit einem dreckigen Grinsen. „Eine versaute, aber dennoch sehr interessante Slytherin. Mir sehr ähnlich, in diesem Alter.“

 

Wirklich angewidert, öffnete Hermine den Mund, aber Lupin blickte zu ihnen hinüber. „Mehr arbeiten, weniger reden, Draco.“, sagte Lupin gereizt, während er Pansy erklärte, dass sie mitarbeiten mussten, egal wie spät die Entschuldigung ihrer Mutter eingetroffen sei, laut der sie Gewächse jeglicher Art nicht mal ansehen durfte.

 

„Aber sicher, Professor.“, versprach Draco jetzt mit einem gewinnenden Lächeln, wie das eines Zauberstabverkäufers. Er starrte hinab auf die Drachhauthandschuhe in seinen Händen, als wäre ihm erst jetzt aufgefallen, dass er sie trug. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war nahezu komisch.

 

„Granger, ich denke, du übernimmst das Rausziehen.“

 

Chapter Ten



Sie mussten nördlich vom Schloss arbeiten. Mit Ron und Millicent schritten sie den steilen Weg entlang.

 

Draco und Millicent gingen gemeinsam voraus und unterhielten sich recht angeregt. Hermine schnappte Fetzen wie „die neue Mode der Saison“, „Urlaub auf St. Barthelemy’s” und irgendwas über Millicents zweifelhaften Geschmack, was Jungs betraf auf.

 

„Unglaublich wie sie mit vielen Worten gar nichts sagen können.“, murmelte Ron jetzt.

 

„Es ist Begabung.“, erwiderte Hermine.

 

„Alles klar bei dir?“, fragte Ron leise.

 

Hermine nickte. „Sicher. Wieso?”

 

“Naja zum einen fehlst du ständig bei den Mahlzeiten. Und Lavender hat erzählt, dass du gestern dreimal geduscht hast. Harry meint, es liegt an der Hitze. Oder Frauenkram. Ginny ist immer doppelt so nervig, wenn sie diesen Frauenkram hat.”

 

„Es ist die Hitze.“, erwiderte Hermine eilig. „Mir geht es gut. Bin nur etwas ausgelaugt.“

 

Sie erreichten den Waldrand, wo sich ein kleiner Pfad zwischen den Bäumen verlor. Es war weniger ein Pfad, als eine Schneise, die Hagrid und Fang hinter sich ließen, jedes Mal wenn sie den Wald betraten. Hagrid hatte die Zustellereule nicht weit von hier erschossen.

 

„Wir teilen uns auf. Ihr nehmt den Anfang des Pfads. Weasley und ich bleiben am Ende.”, bellte Millicent in Richtung Hermine und Ron. „Irgendwelche Einwände?“ Es war nicht wirklich so als ließe sie ihnen eine Wahl.

 

Also gab es auch keine Einwände. Ron warf ihr noch einen vielsagenden Blick zu und Malfoy beschritt nun ihren Weg. Es kostete sie bloß zehn Minuten um den ersten Strang Fadenkraut ausfindig zu machen.

Malfoy war stumm neben ihr hergelaufen, ohne Zweifel deshalb, weil er warten wollte, bis sie wirklich alleine waren. Sie befanden sich relativ tief im Verbotenen Wald. Tiefer als andere Schüler jemals hier hin vorgedrungen waren.

 

Mit viel Glück würde ein weiblicher Zentaur aus dem Dickicht auftauchen und Malfoy für einen widerlichen, bösen Mann erklären und mit sich schleppen. Dieser Gedanke war sogar wirklich erheiternd und sie unterdrückte ein amüsiertes Grinsen, während Malfoy sie skeptisch beäugte.

 

Sie ignorierte ihn. Das Fadenkraut war ihre einzige Sorge im Moment.

 

Neben seinem Wunsch nach einem heißen Klima schien das Fadenkraut Sonne im Allgemeinen nicht besonders anziehend zu finden. Saftige, fette Tentakel lagen ruhig auf dem Boden, aber kaum näherte sie sich ihnen wichen diese zischend zurück und schnellten in die Höhe. Ohne Zweifel hatten die Tentakel ihre Schritte gespürt.

Diese Kreatur war einem Kaktus nicht unähnlich. Sie war nahezu überall dunkellila, mit vielen Stacheln, die beunruhigende Geräusche von sich gaben.

 

Es war noch eine recht junge Pflanze und Hermine hatte kein Problem damit den Stängel zu packen und sie schließlich zu entwurzeln. Das Winden der Kreatur in ihrer behandschuhten Hand war recht unangenehm und sie verzog angewidert das Gesicht.

„Hast du Borgin schon geschrieben?“ Schließlich begann er zu reden. Er hatte sich gegen einen Baum gelehnt und beobachtete den letzten Todeskampf des Fadenkrauts mit abgeklärtem Blick.

Und es ging los…

 

„Das werde ich. Bald. Ich bin bloß… ich muss noch etwas mehr dafür planen. Ich habe mich in die Materie eingelesen.“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme kleinlaut und gepresst.

Malfoy machte ein entnervtes, dramatisches Geräusch.

 

„Was?“, schnappte sie zornig.

 

„Gib mir einfach die verfluchte Adresse und ich regele es selbst. Dann haben wir diesen Zauber nach einer Sitzung gelöst und zahlen bloß die Hälfte.“

 

„Ich werde dir nicht die Adresse geben, Malfoy. Dein Vater hat sie mir gegeben, wahrscheinlich gerade weil er kein Vertrauen in deine Initiative hat. Du würdest es bloß versauen.“ Das Fadenkraut hatte den Kampf aufgegeben und Hermine warf es dankbar in den Eimer.

 

Malfoy schien einige, bisher noch unentdeckte Reserven an Geduld gefunden zu haben. Er klang sogar beinahe höflich als er die nächsten Worte sprach. „Nur weil mein Vater weiß, dass Slytherins im Allgemeinen bekannt dafür sind, über alles und jeden Bescheid zu wissen. Erpressung ist der älteste Trick den es gibt. Selbst die Erstklässler wissen das. Meine Situation ist schon prekär genug, auch ohne dass ich irgendwelchen Klassenkameraden Grund gebe Gerüchte zu verbreiten.“

Hermine dankte Gott für den Abend an dem sie in ein Haus geteilt worden war, wo die Fünftklässler sich ausschließlich darum kümmerten, dass ihre Stinkbomben korrekt landeten statt sich um ihre hausinternen Machtspielchen zu sorgen.

 

„Ich habe einen Entwurf angefertigt.“, gab sie letztendlich zu. Sie hatte ungefähr ein Dutzend Entwürfe angefertigt, aber das würde sie ihm nicht unter die Nase reiben.


Er griff sich an die Brust mit gespielter Überraschung. Hermine bemerkte, dass er nicht die Handschuhe trug, wie es Lupin ihnen aufgetragen hatte.

 

Wahrscheinlich weil er nicht vorhatte auch nur das kleinste Bisschen zu helfen, dieser Wichser.

 

„Du meine Güte, einen Entwurf. Tust du eigentlich irgendwas ohne es vorher bis zum bitteren Ende durchzuplanen?“

 

„Verschwinde, Malfoy.“

 

Er hörte auf zu grinsen. Jetzt schien er nachzudenken und das war weitaus schlimmer. „Ganz ehrlich, Granger. Bereust du wirklich was passiert ist?“ Sie erkannte das Funkeln in seinen Augen, mit dem er sie zu ködern versuchte.

 

Hermine errötete bis zu den Haarwurzeln. Ihre Scham wurde etwas von seiner nagenden Angst gedämpft. Sie war tief in ihm versteckt. Irgendwo weit hinter seinem kolossalen Ego. Sie hätte ihm am liebsten vor den Kopf geschlagen, in der Hoffnung etwas von dem Anstand und dem Mitgefühl loszulösen, von dem sie genau wusste, dass es irgendwo in ihm schlummerte. Wirklich, er verwandelte sie in eine gewalttätige, schizophrene Person. Müde und ausgelaugt in der einen – zornig und aufgebracht in der anderen Minute.

„Ja.“, sagte sie jetzt, als sie sich wieder daran erinnerte, dass er eine Frage gestellt hatte.

 

„Ich sagte, ehrlich.“

 

„Und ehrlich: Ja! Ich bereue jede widerliche, Übelkeit erregende Minute von all dem.“ Sie hatte nicht laut werden wollen.

 

Aus einem unerklärlichen Grund wirkte er ziemlich zufrieden mit ihrem Ausbruch an Wut. Er nickte. „Gib mir deinen Entwurf. Meine Eule kann Borgin schneller erreichen, als jeder Vogel der Schule.”

 

„Fein. Aber wenn auch nur ein Wort davon rauskommt und Morgen alles im Tagespropheten steht, dann sei dir versichert, Malfoy, meine Rache wird dich grausam umbringen.“

 

„Ach komm schon. Es war doch nicht alles schlecht. Wo bleibt deine natürliche Neugierde, Granger? Es war doch wie ein großartiges Experiment.“ Er wackelte suggestiv mit den blonden Augenbrauen. Es hätte lächerlich charmant gewirkt, wäre sie nicht um einiges klüger geworden in den letzten Tagen.

 

„Und was ist mit den krummen Geschäften, die wir mit deinem Vater machen mussten? Und nicht zu vergessen das Beschuldigen und Misshandeln von dir in irgendwelchen dunklen Korridoren? Ich hatte nicht die beste Zeit.“, spuckte sie ihm jetzt entgegen.

 

Malfoy setzte einen unschuldigen Blick auf. „Mein Tattoo macht in letzter Zeit ziemlich seltsame Dinge.“, informierte er sie jetzt leiser. Er ließ sich auf einer moosbedeckten Wurzel nieder und zog einen glänzenden, grünen Apfel aus seiner Tasche. Hermine fiel wieder ein, dass er das Mittagessen verpasst hatte.

 

Nun. Das geschah ihm nur recht.

 

„Wie seltsam?“, fragte sie ihn, skeptisch und neugierig zugleich.

Er sah aus als würde er für ein Foto posieren. Sarkastischer, böser, quälender Idiot, der einen Apfel isst.

Hermine konnte nicht anders. Sie war müde und irritiert. Ihr Blick ließ sich nicht mehr kontrollieren und ihre Augen wanderten zu seinen Lippen. Dort wo die Wurzel seiner gemeinen, bissigen Kommentare lag. Die sanfte Kurve seiner Lippe, war allzeit zu dem überlegenen Grinsen bereit. Er biss hart in den Apfel und entblößte eine obere Reihe schneeweißer Zähne. Etwas Apfelsaft rann ihm den Mundwinkel hinab und er leckte ihn schnell mit der Zungenspitze fort.

 

Sieh endlich weg, du Idiotin

 

Plötzlich tat es ihr auf einmal leid, dass er wegen der Aufsicht das Mittagessen verpasst hatte. Wer hätte schon geahnt, dass es so ein Spektakel werden würde, wenn Draco Malfoy einen Apfel aß. Sie kam sich schon vor wie Lavender und Parvati, die hinter allem eine sexuelle Absicht vermuteten. Und er genoss ihre Aufmerksamkeit. Dämlicher, grinsender Idiot mit dieser perfekten Zunge, die…

 

Oh…

 

„Mach das noch mal.“, forderte er jetzt. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sie genauso perplex angesehen hatte, wie sie ihn.

 

Sie blinzelte. „Was?”

 

„Sieh auf meinen Mund. Du tust es recht häufig.”

 

Sie machte ein abwertendes Geräusch, mittlerweile dankbar für die Hitze, die wieder einmal die Röte in ihre Wangen schickte. „Du bist ja völlig verrückt. Ich habe bestimmt nicht deinen verdammten Mund angestarrt, Malfoy. Wir sind mitten im Unterricht, falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Pass also lieber auf, bevor sich die Leute noch fragen, warum du nach sieben Jahren der Beleidigungen und Verachtung auf einmal mit mir sprichst.“

 

Verflucht seien ihre Augen, die anscheinend einen eigenen Willen besaßen. Wieder blickten sie hinab zu seinem Mund. Es blieb nur ein Wunschtraum, dass ein riesiges Apfelstück zwischen seinen Zähnen stecken würde. Nein, sein Lächeln war strahlend weiß.

 

Und nervtötend, vergiss nicht nervtötend. Sie schüttelte die Gedanken an ihn ab.

 

„Hmm…“, sagte er jetzt langsam. „Der linke Flügel hat sich gerade bewegt.“ Er klang nicht weniger amüsiert als fasziniert. Hätte er ein Notizbuch dabei gehabt, wäre sich Hermine sicher, dass er es dort eintragen würde. Er war Draco, der Einserschüler, mit dem sie besser zurecht kam als mit Draco, der verzogene Snob. Er konnte sogar recht amüsant sein, trotzdem würde sie eher ihr Schulsprecher Abzeichen verschlucken, als es ihm gegenüber zuzugeben.

 

„Willst du damit sagen, dass sich die Flügel bewegen?“, fragte sie schockiert.

 

„Es ist mehr wie eine Sensation an Bewegungen. Winzig kleine, scharfe Stiche.“, erklärte er begeistert. „Ziemlich angenehm.“

 

Hermine verdrehte die Augen. „Du scheinst ja an allem irgendein krankes Vergnügen zu finden.“

 

Er ignorierte ihren Spott. „Dazu kommt, dass ich Linkshänder bin. Vielleicht hat es etwas damit zu tun.”, fügte er hinzu und bewegte die Finger seiner Hand.

 

Es war völlig ungerecht, dass er dazu auch noch vollkommen perfekte Hände hatte, dachte Hermine gerade als er seine Hand auf seinem Knie ruhen ließ. Seine Fingerspitzen strichen gerade ein Blatt von seinem Oberschenkel und ihre verfluchten Augen folgten abermals seinen Bewegungen.


Jetzt ist es offiziell, überlegte sie gerade mit Verzweiflung. Ich habe völlig vergessen um was es geht.

 

„Oh.“, sagte er plötzlich und deutete auf einen Punkt hinter ihren Kopf. Mit Überwindung wandte sie sich um.

 

Ein ziemlich aggressiver Tentakel des Fadenkrauts hatte sich aus dem Dickicht erhoben.

 

„Der ist riesig.“, verkündete er. „Zieh ihn raus. Ich will nicht unbedingt von Millicent und Weasley gerettet werden müssen.“ Das wollte sie ebenso wenig. Seufzend griff sie nach dem Eimer.

Dieser zweite Strang an Fadenkraut erwies sich als widerstandsfähiger als der erste. Sie näherte sich ihm stumm und griff hastig nach dem längsten Tentakel und zog so hart sie konnte. Es war als würde sie einen Hammer schwingen.

 

Die Wurzeln gaben schneller nach als sie gedacht hatte und eine große Menge an Dreck flog mit den Wurzeln durch die Luft und landete auf Malfoy und seinem verflixten grünen Apfel.

 

Der selbstzufriedene Blick war ihm vom Gesicht gewischt.


Hermine lachte verhalten mit grimmiger Zufriedenheit. Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass sie sich ehrlich erheitert fühlte, seitdem sie nach Hogwarts zurückgekommen war.

 

Er war nicht böse, nein, er blickte sie eher mit dem Blick an, den sie von Ron und Harry kannte, kurz bevor sie sie durch die Flure jagten, um ihr Sirup in die Haare zu schmieren oder sie zu kitzeln bis sie umfiel vor lachen. Die Idee, dass Draco Malfoy so etwas tun könnte, ging schon weit über das Lächerliche hinaus.

Dennoch würde sie nichts riskieren. Sie verkniff sich das Lachen, griff nach dem Eimer und schritt den Weg weiter hinunter.

 

Malfoy folgte ihr nicht sofort und sie konnte einige friedliche Minuten allein verbringen und nach weiterem Fadenkraut Ausschau halten. Es gab keins. Sie blickte die hohen Bäume hinauf. Der Wald war nun dichter bewachsen als zuvor und es war unwahrscheinlich, dass sich noch mehr flüchtige Auswüchse hier befanden.

Sie schritt den Weg wieder zurück und entdeckte zu ihrer rechten eine kleine Lichtung mit einer beachtlichen Ansammlung an Champignons. Und dazwischen befand sich ein ausgewachsenes Fadenkrautgewächs.

Eilig schloss sie zu der Kreatur auf und bückte sich nach dem Tentakel, der wahrscheinlich der Größte im ganzen Wald sein musste. Schnell ging ihr auf, dass sich diese Wurzeln nicht so leicht entfernen ließen wie die vorherigen. Das ausgewachsene Fadenkraut gab zornige Geräusche von sich. Laut genug um die Bowtruckles aus den Bäumen zu vertreiben.

 

Hermine stemmte den Fuß in den Boden, um mehr Halt zu haben. Sie würde nicht zulassen dass eine Pflanze, korrekt oder auch nicht korrekt klassifiziert, stärker sein würde als sie. Mit der linken Hand hatte sie den Tentakel immer noch fest im Griff, während sie mit der anderen zu ihrer Tasche fuhr um nach ihrem Zauberstab zu greifen. Ein bisschen Impedimenta sollte es eigentlich dann tun.

Einer der Tentakel ging zum Angriff über, zerrte den Handschuh von ihrer freien Hand und versenkte nun die spitzen Dornen in die weiche Haut ihres Handrückens. Aus Reflex zog sie die Hand zurück und die Dornen brachen von der Pflanze und steckten nun in ihrer Haut.

 

Es war als würden sie ein Dutzend Bienen an derselben Stelle stechen. Hermine keuchte vor Schmerz und murmelte harsche Flüche, während sie mit dem Fuß aufstampfte. Das Fadenkraut hatte sich zwischenzeitlich mit den Tentakeln zurück in die Erde gebohrt.

 

Es entstand eine kurze Pause des Kampfes.

 

Der kurze Aufruhr führte Draco natürlich zu der Stelle, wo sie nun fluchend vor sich hin murmelte. Er trug nicht weniger als vier Fadenkrautsetzlinge über dem Arm. Sie bemerkte, dass er seine Handschuhe nicht anhatte, dafür aber den Zauberstab bereit in der Hand hielt.

Er hielt sich offensichtlich an den Ich arbeite nicht hart, ich arbeite smart Slogan der Schule. Zufälligerweise gehörte Ron ebenfalls dazu.


„Beruhige dich.“ Er hatte sie erreicht und wirkte abgelenkt. „Das passiert eben, wenn du dich alleine auf den Weg machst.”

 

Es war gar nicht so schlimm. Ein Dutzend kleiner Stiche zierten ihren Handrücken, allerdings gab es auch zwei dicke Stacheln, die wohl Gift enthalten hatten. Ihr Handrücken begann langsam anzuschwellen.

 

 

Malfoy ließ seine Sachen achtlos zu Boden fallen und griff nach ihrem Handgelenk um sich die Verletzung anzusehen. Er fixierte die Stiche. „Blute mich an, Granger, und es wird dir leidtun.“

 

Hermine konnte den Apfelduft riechen, wenn er sprach. Sie blickte hinab auf ihre schmale Hand, die er nun in seiner viel größeren hielt. Sie trug einen lilafarbenen Ring an ihrem Zeigefinger, den ihr jüngerer Cousin ihr am Anfang des Jahres geschenkt hatte. Es war nichts Besonderes, aber sie mochte diesen Ring wirklich gern. Allerdings war er ihr jetzt peinlich. Genauso wie ihre mit Tinte verschmierten gekauten Fingernägel.

 

Sofort war sie sauer auf sich selbst, dass sie sich für diese Dinge schämte.


„Diese Handschuhe sind völlig nutzlos. Man sollte denken, die ganzen Spenden für die Schule sollten ausreichen, um sich bessere Ausstattung zu besorgen.“, sagte Malfoy jetzt. Er zog die letzten Stacheln aus der Haut und verdrehte die Augen, als sie kurz jammerte.

 

Als sie den Blick wieder zu seinen Augen hob, betrachtete er sie mit wachem Interesse. Als wäre sie ein Projekt, was wirklich gut zu laufen schien. Er hatte immer noch einen Flecken Erde im Gesicht. Direkt über dem Wangenknochen und auf dem Nasenrücken. Es ließ ihn  nicht weniger elegant aussehen. Wenn, dann unterstrich es noch seine feinen Züge und die helle Farbe seiner Augen. Hermine unterdrückte den Drang, den Dreck fortzuwischen. Es war derselbe Instinkt, der sie kurz zuvor gezwungen hatte, Harrys Haar glatt zu streichen. Natürlich hatte es sich wieder zerstrubbelt, aber der Unterschied war, dass sie bei Harry nicht das Gefühl bekam, als hätte sie ein Doxynest in ihrem Magen.

 

„Besser?“, fragte Malfoy jetzt sanft und so nah, dass sie die hellen blauen Flecken um seine Iris hätte zählen können.

 

„Ja, danke.“ Hermine entzog ihm ihre Hand. Sie schmerzte immer noch etwas.

 

Sie entdeckte die Begierde in seinem Blick, als würde ihm etwas angeboten werden, womit er wenig Erfahrung hatte, aber erpicht darauf war, es in die Finger zu bekommen. Es war wie der seltsame Zwischenfall in Malfoy Manor, nur blickte er sie jetzt herausfordernder an. Und dieses Mal würde Toolip nicht kommen, um Hilfe anzubieten.

 

Oh, nein. Nicht noch mal.

 

„Nein.“, sagte Hermine sofort, und wich etwas zurück, nicht wissend, was sie ihm eigentlich verwehrte. Sie wollte diese Ablehnung nur in Worte fassen, bevor er tat, was auch immer er da gerade tun wollte.

 

„Malfoy.”, sagte sie jetzt lauter und diesmal schüttelte er sanft den Kopf, als würde er ihren Worten keinen Glauben schenken. Sie machte ein protestierendes Geräusch. Leiser als sie es eigentlich vorhatte.

 

Er zog sie an sich und es war, als würde sie gegen eine Zementmauer gedrückt. „Bloß eine kleine Erinnerung.”, flüsterte er. Es klang wie eine Überredung.  Hermine hatte keine Ahnung ob diese Worte ihr oder ihm selber galten.

 

Großer Gott. Er küsste sie. Es war ein tiefer, inniger Kuss. So, als ob er versuchen würde, die verschwommen Erinnerungen wieder zu finden; etwas mehr Kontrolle über sie zu bekommen.

 

Er hasste es, wenn er sich nicht erinnerte. Hermine wusste diese Sache von ihm.

Sie fühlte sich tollpatschig und etwas verwirrt. Seine Nase stieß gegen ihre und seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen. Er schmeckte nach Büchern, nach Apfel, nach Holz… Seine Hände, die sie fest an sich gepresst gehalten hatten, wanderten nun langsam nach oben und er umfasste ihren Hinterkopf, um ihren Kopf zu fixieren. Als er von ihren Lippen abließ, damit sie nach Luft schnappen konnte, wanderte er mit seinen Mund ihren Kiefer entlang um den sensiblen Punkt direkt unter ihrem Ohr zu küssen.

 

Schrei, befahl ihr ihr Gehirn. Stoß ihn weg und lauf zu den Gewächshäusern.

 

Ein beständiges Rauschen füllte ihre Ohren, was wahrscheinlich das Blut war, das in ihren Kopf geschossen war. Sie hatte die feuchten Hände in seinen Rücken gekrallt.

Beinahe abrupt wich er von ihr zurück. Seine Pupillen waren geweitet und seine Augen waren nun so dunkel, wie die Regenwolken, die über den Schlossgründen hingen. Sie hielt sich an ihm fest. Wahrscheinlich würden ihre Knie einfach nachgeben, würde sie ihn loslassen. Den Blick den er ihr versetzte war beunruhigend und sie fühlte die Spannung zwischen ihnen. Doch trotzdem wirkte er verärgert. Für einen kurzen Moment verstärkte er seinen Griff um ihre Schultern und lehnte seine Stirn gegen die ihre. Beide schnappten immer noch atemlos nach Luft. Er zitterte. Ganz leicht, fiel ihr auf. Hermine konnte nur über die immensen Ausmaße staunen, mit denen der Zauber auf ihre beiden Nervensysteme wirkte.

Er machte einen Schritt von ihr weg und diesmal folgte sie ihm nicht.

 

„Granger, ich denke, du bist Hogwarts’ bestgehütetes Geheimnis.“, informierte er sie leise mit einer leichten Härte in seiner Stimme, die die Hitze und die Intensität des Kusses endlich durchbrach. Er richtete seine Hose, ohne sie aus den Augen zu lassen, darauf wartend, dass sie sich schämen würde.

Sie traf seinen Blick und ließ ihren grenzenlosen Hass in seine Augen fließen. Alles was er tat wirkte berechnend. Seine vorgetäuschte Zivilisiertheit und der Kuss der gefolgt war, kamen ihr nun wie ein geplantes Experiment vor, nichts weiter. Bloß eine winzige Flucht aus seinem langweiligen Alltag. Hermine war sich sicher, dass, auch wenn sie die nächsten zehn Jahre mit Draco Malfoy verbringen würde, er sie trotzdem immer wieder überraschen würde.

 

Sie sprachen kein Wort auf dem Rückweg zum Schloss, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Sie wunderte sich kurz, warum er es sich entgehen ließ, sie noch etwas mehr zu demütigen, aber ein Blick in sein Gesicht zeigte ihr den Missmut und das Unbehagen, das jede weitere Frage überflüssig machte.

 

Passend zu ihrer Stimmung hingen die dunklen Wolken jetzt noch tiefer und es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis der Schauer losbrach. Die Luft roch stark nach Regen als sie endlich die Gewächshäuser erreicht hatten, wo ein schlechtgelaunter Ron und Millicent mit ihrem kleinen Häufchen Fadenkraut bereits warteten.

 

 

Ron schien bereits auf den Regen zu warten, der ihn von der schrecklichen Hitze erlösen würde. Er grinste ihr entgegen, legte den Kopf in den Nacken und wartete auf den kommenden Schauer. Seine Freude war beinahe ansteckend.

 

Doch kaum hatte sie die Hand zum Gruß gehoben, verlor Ron jegliche Farbe aus seinem Gesicht und starrte mit stummem Schrecken über die Baumwipfel hinter ihr hinweg. Hermine nahm aus den Augenwinkeln war, wie Millicent panisch aufschrie und zum Schloss hoch stürmte.

 

Die Haare in ihrem standen ihr zu Berge und langsam wandte sie sich um. Doch schon hatte Malfoy sie gepackt und raubte ihr den Atem. So wie auch Ron, wie es schien. Er zog sie beide mit sich.

 

„Malfoy, wa…”

 

„Granger, beweg dich.”, schrie er jetzt. Er war genauso weiß wie Ron.

 

Der Grund für diese Hetzerei war ihr nur zu bald völlig klar. Hinter den Bäumen wuchs langsam und beständig das Dunkle Mal in den Himmel. Hermine spürte wie ihr das Blut in den Adern gefror.

 

Es breitete sich über den Baumwipfeln aus und glühte in einem unheimlichen Silber. Eine rauchige Schlange wand sich aus dem offenen Mund des Schädels und machte die ganze Erscheinung nur noch wirklicher, nahezu greifbar. Das Mal schien zu surren und zu summen, die Luft vibrierte gefährlich über ihnen.



Sie konnten unmöglich die Einzigen sein, die es bemerkt hatten. Das Mal stand hoch genug um von dem aller hintersten Bewohner von Hogsmeade entdeckt zu werden.

 

Aus der Entfernung konnte sie sehen, wie Lupin den anderen Schülern Anweisungen zu brüllte. Schüler rannten im Sprint hoch zum Schloss. Eine kleiner Gruppe und Lupin selber rannte ihnen nun entgegen.

 

Lupins Zauberstab sprühte rote Funken als er ankam. Er hatte offenbar das ganze Schloss alarmiert. „Seid ihr ok?“, fragte er hastig und musterte sie alle von oben bis unten.

 

„Uns geht es gut.“, erwiderte Hermine atemlos. „Sind die anderen alle zurück?“, fügte sie jetzt hastig hinzu mit der Sorge einer Schulsprecherin.

 

„Ja. Du, Draco, Ron und Millicent seid die letzten.“, informierte Lupin sie und führte die Gruppe weiter vom Waldrand fort, mit besonderer Aufmerksamkeit auf Harry, der dort bleiben zu wollen schien, wo er war. Ron blieb eisern bei ihm.

 

Lupin wirkte völlig aufgelöst. „Jeder geht zurück ins Schloss. Meldet euch auf der Stelle bei eurem Hauslehrer oder ihr könnt euch mit meinem Zorn auseinander setzen. Habt ihr verstanden? Harry!“

 

Harry fixierte Hermine. „Hast du was gesehen? Irgendwas?”, fragte er jetzt. Sie konnte bloß den Kopf schütteln.

 

„Oh, mein Gott. Seht doch…“, keuchte Parvati jetzt und deutete auf das Dunkle Mal hinter ihnen.

 

Es veränderte sich. Das dumpfe Silber des Schädels verschwand langsam, bevor es sich in ein helles, leuchtendes Grün verwandelte und die Schlange schien größer zu werden. Ihr wuchsen Flügel und klauenartige Füße. Der flache Kopf der Schlange wurde zur Schnauze. Die gespaltene Zunge blieb jedoch gleich.

 

Die Schlange war zum Drachen geworden.

Hermine spürte den scharfen, schmerzhaften Ausbruch der Panik in Malfoy. Es war, als würde sie gerade in den Magen getreten werden. Unmöglich sich zurück zu halten griff sie sich an den eigenen Magen und wäre wahrscheinlich zurück getaumelt, hätte Malfoy nicht ihre Schultern gepackt und sie gerade gehalten.

 

„Es fängt wieder an.“, flüsterte Blaise jetzt, seine dunklen Augen auf den Himmel gerichtet. Der Regen ergoss sich nun aus den Wolken und verwischte das Mal etwas. Es war als würde man eine Wasserspiegelung betrachten.

 

Lavender klammerte sich mit beiden Händen an Parvatis Arm. „Professor Lupin, was passiert hier?“, wisperte sie panisch.

Harry war derjenige der antwortete. Die Züge hart wie Granit.

 

„Das ist Lucius Malfoys Zeichen. Er ist frei.“

 

 

 

Chapter Eleven

Es brauchte nur knapp zwanzig Minuten, bis alle Schüler in der Großen Halle versammelt waren. Das war den Lehrern und Vertrauensschülern zu verdanken. Zwei Jahre Übung mit Übungsalarmen jeglicher Art hatte alle prädestiniert. „Kampf Alarm“, nannte Arthur Weasley sie. Obwohl Molly angemerkt hatte, dass der Name allein schon mehr Angst machte als die eigentliche Übung.

 

Die verzauberte Decke der Großen Halle spiegelte die milde Panik all der Anwesenden wieder, ganz zu schweigen von dem furchtbaren Wetter draußen. Der Regen trommelte nun hart auf die Erde. Es klang wie eine Millionen Hauselfen, die einen Stepptanz aufführten. Die Leute schrieen, um sich Gehör zu verschaffen. Am meisten die Schulsprecher und Hauslehrer.

Ausgenommen Professor Snape, der erst jetzt angekommen war. Die anderen Hauslehrer waren bereits dabei ihre Schüler zu zählen und sich zu vergewissern, dass sie nicht auf dem Klo und beim Nachsitzen waren. Blaise Zabini hatte sich den Slytherinschülern angenommen und wirkte leicht hysterisch als er die Namen in die Runde bellte. Minuten später wehte Snape in die Halle, sein schwarzer Umhang peitschte hinter ihm her. Er wirkte grimmiger denn je. Seine dunklen Augen scannten den Raum und fanden schließlich Dracos blonden Schopf in der Menge.

Harry konnte erkennen, dass der Hauslehrer von Slytherin seinen Kopf leicht beugte, eine fast unerkennbare Geste, welche trotzdem Dracos Aufmerksamkeit erregte. Draco entwand sich Pansys unendlichen Fragen und schritt direkt in die Richtung des Lehrers.

 

„Was denkst du, wird Malfoy passieren?“, flüsterte Ron nun in seine Richtung. Professor McGonagall hatte gerade einen Haken hinter ihre beiden Namen gemacht und rief nun nach „Xavier, Cathrine!“

 

„Wenn Lucius einen Weg gefunden hat, zu entkommen, dann nehme ich an, dass das Ministerium daraus schließen wird, Draco weiß darüber Bescheid. Harry bemerkte, dass seine Stimme immer noch völlig ruhig klang. Dennoch waren seine Hände immer kalt und feucht vor Schreck.

 

Es passierte nicht jeden Tag, dass man das Dunkle Mal aus solcher Nähe sah. Zweimal in drei Tagen war genug, danke sehr.

 

Ron starrte über die Menge hinweg Richtung Malfoy. „Er sieht aus, als hätte er einen Liter Abführmittel geschluckt.“

 

„Woher weißt du das?“, fragte Seamus jetzt, der ebenfalls in Malfoys Richtung spähte. „Er ist doch immer so blass.“


„Ja, eigentlich richtig…“

 

Hermine bahnte sich einen Weg durch eine Gruppe von Ravenclaw Erstklässlern, die sich eng aneinander pressten, während sie zuhörten, was Professor Flitwick ihnen auftrug. Lupin folgte ihr.

 

„Ron.“ Sie hatte schließlich erreicht. „Dumbledore und dein Dad wollen uns sehen.“ Sie schrie fast, um sich Gehör zu verschaffen, so viel Chaos herrschte in der Großen Halle.

„Mein Dad ist schon hier?“ Ron war tatsächlich überrascht.

Harry lud seine Schulsachen in Deans Armen ab. “Gut. Ich komme auch mit.”

 

„Du bleibst hier.”, entgegnete Lupin jetzt. Er schien nicht in der Stimmung zu sein, darüber zu diskutieren. „Ihr zwei geht hoch zu Dumbledores Büro.“, befahl er jetzt Ron und Hermine. „Wartet da, bis er da ist. Ich muss Professor Snape Bescheid geben, dass Millicent Bullstrode ebenfalls hoch kommen soll.“

 

„Wenn Dumbledore Zeugen will, dann sollte ich auch mit. Ich hab das Mal auch gesehen.“, bestand Harry auf seine Anwesenheit.

 

„Ich hab gesagt, du bleibst hier. Das geht dich im Moment nichts an, Harry.“

 

Das war ganz klar das falsche Argument. Denn Harry fand, es betraf ihn ganz entschieden und langsam wurde er wütend. Sofort konterte er auf Lupins Worte.

 

„Natürlich geht es mich etwas an! Alles, was mit Voldemort zu tun hat geht mich etwas an. Haben Sie das noch nicht bemerkt? Ich hatte genug von ihm im fünften Jahr. Warum sind Sie sonst überhaupt hier? Warum sind wir alle hier, wenn nicht deswegen, weil wir etwas gegen Voldemort ausrichten wollen?“

 

„Ich bin hier, um auf dich aufzupassen, Harry.“ Lupins topasfarbene Augen blickten kurz über die Gruppe. „Um auf euch alle aufzupassen.“

 

Harry Züge wurden härter. Hermine bemerkte resignierend, dass er diesen Blick beunruhigend häufig dieses Jahr aufsetzte. „Ja? Sie passen auf mich auf`? Sind Sie sicher? Selbst Snape war mir eine größere Hilfe als Sie, nachdem was im fünften Jahr passiert ist. Jeder weiß, Sie haben bloß zugestimmt hier zu unterrichten, weil niemand sonst die Stelle wollte und Sie sonst sowieso nirgendwo hätten arbeiten können.”

 

„Harry!“, protestierte Hermine, völlig erstaunt wegen seiner brutalen Ehrlichkeit. Neben ihr schnappte Ron geschockt nach Luft.

 

Snape und McGonagall waren ebenfalls verstummt und blickten nun in die Richtung des Streits. Harry fiel jetzt auf, dass der Lärm in der Großen Halle einem leisen Flüstern gewichen war. Das wilde Wetter draußen hatte sich ebenfalls beruhigt. Oder es war auf Pause gestellt.

Jeder blickte zu Harry und Lupin.

 

„Das ist weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort.“, zischte Hermine Harry zu. „Los Ron, wir gehen jetzt.“

 

Lupin nickte, als würde ihre Aussage ihn ebenfalls betreffen. Sein Ausdruck war kühl als er wieder sprach. „Wir reden darüber später. Du bleibst ion der Großen Halle oder ich ziehe dreißig Punkt von Gryffindor ab. Ich spiele hier nicht, Harry.“ Es war der kälteste Befehl, den irgendjemand ihn hatte jemals sagen hören.

 

Damit verschwand Lupin um mit Snape zu sprechen.

Wenige Sekunden später kam Ginny auf Seamus und Harry zu. Die drei beobachteten in einer unangenehmen Stille, wie Snape und Lupin hastig sprachen, bevor sie Draco und eine blasse Millicent Bullstrode aus der Großen Halle geleiteten.

 

„Erzählt mir jetzt endlich jemand, was los ist? Wir hatten gerade Zauberkunst als Ernie McMillan rein kam und erzählt hat, Lucius Malfoy hätte Draco im Wald angegriffen.“ Begann jetzt eine leicht aufgelöste Ginny zu erzählen. „Wenn es nicht jemand wie Ernie erzählt hätte, hätte ich mir ernsthafte Sorgen gemacht…“

Harry antwortete nicht, sondern stürmte zu den Türen der Großen Halle und verließ sie mit einem finsteren Gesicht.

 

Seamus, der immer noch Harry Sachen trug ließ sich mit einem langen leidenden Blick am Gryffindortisch sinken und seufzte in seinen Pony.


**


Snape sprach nicht sofort und Draco drang auch nicht auf ihn ein.

 

Schon oft hatte er Draco erzählt es gäbe nur drei sichere Orte um eine Konversation zu führen. Der eine war Dumbledores Büro, der andere war Snapes Quartier und der letzte war der Raum der Wünsche.

 

Der Zaubertrankmeister wartete jedoch mit Draco im zweiten Stock vor dem Eingang zu Dumbledores Büro. Hermine, Ron und Millicent waren bereits drinnen und wurden befragt.

 

Draco fand es seltsam, die Schulkorridore mitten am Tag so verlassen zu sehen. Nach sieben Jahren war er es gewohnt, Schüler durch die Flure stürmen zu sehen. Die Aktivität in der Großen Halle schien von den Wänden widerzuhallen und Murmeln und flüstern schien von den Wänden zu kommen, fast so, als wären sie selbst zum Leben erwacht und würden miteinander flüstern.

Filch kam an ihnen vorbei, währen der die oberen Stockwerke überprüfte. Er versetzte Snape ein Nicken und Draco ein Grinsen, aber um fair zu sein, es war schwer zu sagen, was Filch damit sagen wollte, denn sein Gesichtausdruck war immer etwas säuerlich.

Die Abneigung des Hausmeisters ihm gegenüber war Draco allerdings nicht neu. Draco war es gewohnt, dass die Leute weniger als nett zu ihm waren. Wie er schon oft Crabbe und Goyle erzählt, gab er allerdings einen feuchten Scheißdreck darauf, was die Leute von ihm hielten, solange sie ihn in Ruhe ließen. Das war das gute am Vertrauensschüler sein. Ein privates Zimmer und die Möglichkeit vorlauten Kindern Nachsitzen zu verpassen, wenn sie ihn falsch anblickten.

Im Moment allerdings hing die Wolke des Verdachts wieder über seinem Kopf, die er seit dem fünften Jahr ständig mit sich herumzutragen schien. Sie erinnerte wieder mal an seine mehr als prekäre Lage. Es war nicht so als hätte er den Ruf zu beschützen, viel mehr schützte er sich selber vor seinem Ruf.

 

Er fühlte sich auf einmal  mehr als unwohl, nun da ihm klar wurde, dass die Flucht aus dem Wald einen bitteren, eisigen Nachgeschmack der nackten Furcht hinterließ.

 

Ein Seitenblick auf Snape offenbarte ihm, eine missgelaunten aber keinen ängstlichen Snape. Nichts Ungewöhnliches also. Draco war sich recht sicher, dass eine panischer Snape das Ende der Wellt bedeuten konnte.

Er hatte aber Grund beunruhigt zu sein, Draco wusste das. Das Dunkle Mal war kein Grund um Witze zu reißen. In der Vergangenheit wurden sie verbreitet als Warnungen gebraucht, um Angst und Schrecken zu verbreiten und natürlich um einen Mord anzukündigen, der im Namen Voldemorts ausgeführt worden war. Der Inhalt dieser Nachricht war eigentlich:

 

Unbekannter Todesser war hier: Fühlt euch frei, ech in die Hosen zu machen.


Letztlich jedoch, wurden die Male in den Himmel gebrannt, während die Todesser angriffen. So wie eine übermäßig makabre, Angst einflößende Werbung.

Ganz klar war Voldemorts PR Kampagne nicht mehr das, was es einmal war.

 

Einige der jüngeren Slytherinschüler wagten es sogar seinen Namen laut auszusprechen. Nichts war merh übrig von dem Der-dessen-Name-nicht-genannt-werdem-darf Mist, mit dem seine Generation aufgewachsen war. Hatte Granger nicht so etwas einige Male rumposaunt? Die Angst vor einem Namen steigert nur die Angst vor der Sache an sich, oder so ähnlich?

Gottverdammte Granger. Es war eine scheiß Woche gewesen, er hasste sie und bis jetzt das ganze verdammte Jahr.

 

Im Wald war sein erster Instinkt gewesen, nach Malfoy Manier so schnell zu laufen wie es ging, um sich selbst zu schützen. Er hätte damit Millicent Konkurrenz gemacht.

 

Aber Draco wusste, das war nicht die Wahrheit, obwohl er es gedacht hatte.

 

Eigentlich war sein erster Gedanke gewesen, Granger zu packen. Und diese Realisation an sich hatte ihn einen kribbligen Weg hinunter geschickt den er in dieser Asekunde ganz bestimmt nicht hatte gehen wollen. Er bezweifelte ernsthaft, dass sein Leben noch viel mehr komplizierter werden konnte, als es jetzt im Moment schon war.

So weit er es beurteilen konnte, war es vielleicht möglich, dass ich ein paar Todesser in den Büschen versteckt hatten, um das Mal an den Himmel zu zaubern, nachdem sie der Schulsprecherin und besten Freundin von Potter noch einen Unverzeihlichen an den Kopf geschleudert hatten. Oder vielleicht noch besser, nachdem sie den Sohn des meist verhassten ehemaligen Todessers umgebracht hatten, der erst kürzlich mit diesem Mädchen geschlafen hatte, das Potters beste Freundin war.

Es war nicht heldenhaft, nein. Er war die letzte Person auf Granger sich verlassen konnte, wenn es um selbstlosen Mut ging.

 

Und oh, ja! Was für ein Held Weasley doch war. Wenn sie beschließen würden Awards zu vergeben für Mit überlegener Anstrengung dazustehen wie ein kompletter Vollidiot, würde Weasley bestimmt alle Preise abräumen.

Eine Szene schob sich immer wieder in seine Gedanken. Verflucht sei seine perverse Fantasie. Es kostete ihn einiges an Kraft das Bild einer leblosen Granger loszuwerden, deren kalter Körper im Gras lag, ihre großen braunen Augen weit geöffnet und leer nach dem Avada-Kedavra, ihre normalerweise geschwollenen, roten Lippen blau vpor Kälte. Verschwunden war der hass-mich-nicht-weil-ich-weiß-was-gut-für-dich-ist-Blick, der ihr so viel lächerlichen Stolz verlieh und geblieben war lediglich die stumme Anschuldigung in ihrem Gesicht.

 

Du hättest mich retten können.

 

Das Gewicht dieses Gedankens lag ihm immer schwerer im Magen und seine Hände stellten beunruhigende Dinge mit seiner völlig verknitterten Krawatte an.

 

Er starrte immer noch auf die Wasserspeierfigur, bevor er seinem Paten einen ungeduldigen und leicht verzweifelten Blick zuwarf. Wenn der Mann nicht in den nächsten Sekunden den Mund aufmachen würde, dann würde Draco ihn erwürgen.

 

„Es ist nicht dein Vater.“, sagte Snape jetzt, denn er schien Dracos Wut zu spüren. Seine Augen glitten über den Streifen Dreck, der immer noch im Gesicht seines Patensohns klebte. Er zog ein weißes Taschentuch aus dem Innern seiner Robe und reichte es Draco.

 

„Säubere dein Gesicht.“, sagte Snape und blickte direkt auf den Dreck.

 

Draco hatte die Luft angehalten und stieß nun erleichtert die Luft wieder aus und lehnte gegen die Wand. Eine große Erleichterung durchflutete seinen Körper. Er wischte sich beinahe abwesend über das Gesicht. „Wer ist sonst noch da drin? Weasley hat noch keinen Stimmbruch, also nehme ich der Bariton gehört jemand anderem?

Snape nickte. „Kingsley Shacklebolt ist hier, außerdem Nymphodora Tonks, Arthur Weasley, Alastor Moody und Horatio Coon.“

 

Draco blickte auf und Erkenntnis zeichnete sich auf seinen Zügen ab. „Coon ist der Berater, der meine Angelegenheiten mit dem Ministerium geregelt hat.“

„Geregelt ist etwas zu freundlich ausgedrückt, um es zu beschreiben.“, entgegnete Snape, seine Stimme zitterte vor Wut. „Es hätt mich nicht gewundert, hätten sie angezweifelt, dass du der Erstgeborene bist.“

 

„Wenn ich dennoch das bekomme was mir zusteht, hätten Sie es von mir aus anzweifeln können.“, erwiderte Draco mit einem freudlosen Lachen. Er machte einen schwachen Versuch von Sarkasmus, aber Snape durchschaute seine wacklige Grundlage.

 

Draco hatte sechzehn Lebensjahre eingetauscht, damit sein Vater in Malfoy Manor seine Strafe absitzen konnte. Als Gegenleistung Draco würde das bekommen, was seiner Familie einst zustand, obwohl es bei ehemaligen Todessern eigentlich das Ministerium war, das dies entscheidet. Dieser Vertrag war legal bindend und völlig unanfechtbar im magischen Brittannien, gäbe es nicht „Arthurs Gesetz“.

 

Der ganze Vertrag war ein Heuchlerischer Scherz. Der Deal wurde vielleicht von einem Minister mit dem Herz am rechten Fleck besiegelt, aber ebenfalls ein Minister, der nach blutiger Rache verlangte.

Das Ministerium, weder das alte Regime, noch das neue, konnten schwerlich als gleichberechtigtes magisches System bezeichnet werden. Jedoch war es eine Sache, volljährige Zauberer zu hintergehen, eine ganze andere war es eine Minderheit zu quälen und zu misshandeln und es dann „Gesetz“ zu nennen.


Berücksichtigt man, dass der amtierende Minister das Ziel verfolgte, die magische Gesellschaft besser zu integrieren, schien es sehr verlogen, dass Arthur es für richtig hielt einen potenziellen, aufstrebenden jungen Mann wie Draco Malfoy für eine Tat verantwortlich machte, für die nicht nur jegliche Beweise fehlten, sondern auch jedes Motiv.

In den richtigen Händen war der Junge verlässlich und durchaus brauchbar.

 

„Das dauert zu lang.“, murmelte Draco. Tatsächlich warteten sie erst seit sieben Minuten, und trotzdem fühlte es sich bereits an wie eine Stunde.

 

„Sie wissen, was dort draußen passiert ist, oder?“, fragte Draco jetzt leise. Er war es gewohnt, dass Snape über alle Bescheid wusste. Nicht dass Snape auf Abruf Auskünfte gab. Draco war kein Narr. Er verstand durchaus, dass man manchmal ignorant sein musste, um andere zu schützen.

 

Snape sagte nichts, aber das leichte verengen seiner Augen sprach Bände.

 

Natürlich weiß ich, was passiert ist, du impertinenter Welpe. Aber das heißt nicht, dass ich es sage.

 

Alle Slytherins waren sich bewusst, dass ihr Hauslehrer einen etwas dubiosen Ruf vertrat. Vielleicht besaß er kein so sauberes Image wie Minerva McGonagall oder Filius Flitwick, aber er hatte eine dunkle beeinflussende Persönlichkeit, die niemand anzuzweifeln wagte. Seine Methoden waren unorthodox, sicher, aber wenn ein Schüler ein wirklich so ernstes Problem hatte, dass er damit zu Snape kam, dann fand er auch immer eine Lösung dafür.

„Können Sie mir dann wenigstens erklären, wie Mosmorde den Malfoy Drachen hervorgerufen hat?“, verlangte Draco jetzt.

 

Unglücklicherweise war es ihm nicht vergönnt zu erfahren, ob sein Pate ihm diese Information offenbart hätte, denn in dieser Sekunde öffnete sich die Tür und Ron und Hermine verließen Dumbledores Büro. Lupin kam ebenfalls die Treppen hinunter, eine verwirrte Millicent stützend, die immer noch mitgenommen aussah.

 

Millicent blickte kurz in Dracos Gesicht, bevor sie in Tränen ausbrach.

 

„Mill…“, begann Draco. Das Mädchen hatte eine Tante, einen Onkel und zwei weibliche Cousinen, während eines Todesserfluchtversuches im letzten Jahr verloren und hatte es seitdem noch nicht fertig gebracht ihre gewohnte Hochnäsigkeit wieder zu erlangen.


„Ich bringe Millicent nach unten, Severus.“, sagte Lupin leise. „Du folgst Draco. Sie wollen ihn jetzt sprechen.”

 

Granger schien während dessen völlig zu vergessen, dass es unhöflich war zu starren und Draco schaffte es, durch sei hindurch zu sehen.

 

Ich bin keine deiner verloren Entlein. Spiel ruhig weiter die Mutter für Weasley.

 

Sie blinzelte und eine steile Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. Draco blickte schnell hinab zu ihrer verletzten Hand und bemerkte, dass ihr jemand ein Taschentuch gegeben hatte. Lupin wahrscheinlich. Oder Dumbledore. Es war unwahrscheinlich, dass es Weasley gewesen war, denn der kümmerte sich eigentlich immer recht wenig um seine Umwelt.

“Weasley griff nun nach ihrem Arm und zog sie mit sich. Er schien es ziemlich eilig zu haben hier zu verschwinden, und Draco konnte es ihm nicht einmal übel nehmen.

 

„Lass uns gehen.“, murmelte er und zog an ihrem Arm mit neuer Dringlichkeit. Draco vermutete, dass Granger es Weasley wohl übel nehmen würde, als Packesel behandelt zu werden, aber sie erlaubte es ihm tatsächlich sie fort zu zerren.

 

Es konnte natürlich bloß seine Fantasie gewesen sein, aber Draco glaubte, dass er etwas anderes, etwas komplett Neues in Weasleys Augen entdeckt hatte als das Gryffindor Miststück in angesehen hatte. Da war Hass und Misstrauen, natürlich. Das war nichts Neues. Weasley blickte ihn immer so an, als wären Höflichkeit und gute Manieren eine ansteckende, tödliche Krankheit.

 

Aber heute hatte er die Furcht in Weasleys Augen gesehen.

 

 

Chapter Twelve


Der große runde Raum, den Dumbledore sein Büro nannte, hatte sich nicht verändert, seit dem letzten Mal als Draco hier war. Es war voll gestellt, aber Draco hatte es immer als gemütlich empfunden. Das Décor sprach von einem Mann mit viel Lebenserfahrung und vielen Erinnerung, die er bewahrt hatte. Fawkes der Phönix war seltsamerweise abwesend, fiel ihm auf. Der sprechende Hut lag auf dem Regal hinter Dumbledore und Dumbledores klauenfüßiger Schreibtisch schien sich unter dem Gewicht an Dokumenten und Pergamentstapeln zu biegen. Zu Dracos Linken, beäugte ihn das Portrait von Phineas Black ziemlich misstrauisch.

„Du siehst deinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher, Junge.“, sagte das Portrait des ehemaligen Schulsprechers laut.

 

„Danke sehr.“, erwiderte Draco, der mittlerweile an diesen Kommentar gewöhnt war.

 

Fünf Menschen betrachteten ihn mit ernsten Gesichtern. Dumbledore schien etwas gereizt zu sein, dennoch schenkte er ihm ein aufmunterndes Lächeln. Alastor Moody und Horatio Coon sahen aus, als befänden sie sich gerade in der Mitte einer Diskussion, während Arthur Weasley müde wirkte und etwas weiter abseits stand.

 

Dort stand auch eine junge Frau. Ein Auror, wahrscheinlich, vermutete Draco, wenn er sie mit den bleichgesichtigen, überarbeiteten, unzufriedenen Ministeriumsangestellten verglich. Sie unterschied sich von den anderen nicht nur dadurch, dass sie eine Frau war, sondern auch, weil sie ziemlich sportlich aussah, mit hüftlangem lilafarbenem Haar. Draco erinnerte sich, wie Snape vorher einen weiteren Namen genannt hatte. Er wünschte, er hätte besser aufgepasst.

„Setzen Sie sich Draco, Severus.“, forderte Dumbledore sie freundlich auf. Der Schuldirektor griff tief in eine Schublade seines Schreibtisches und zog ein unverschlossenes Glas hervor. „Ein Toffee vielleicht?“, bot er nun den Anwesenden an.

 

Jeder lehnte höflich ab, abgesehen von der Frau. Sie nahm sich ein recht großes Toffee und kaute es mit einem  breiten Grinsen.

 

„Ich kann mir denken, dass Sie selbst einige Fragen haben, Draco, aber ich halte es für das Beste wenn wir mit der erstmaligen Befragung fortfahren, einverstanden?“ Dumbledore setzte seine Halbmondbrille auf seine krumme Nase.

 

„Sicher.”

Dumbledore nickte und zeitgleich zog Moody ein altes verknittertes Notizbuch hervor und begann mit seiner Befragung.

 

„Granger hat uns erzählt, Sie beide waren wahrscheinlich diejenigen, die sich am nächsten am Ort des Vorfalls befunden hatten. Das Mal erschien kurz vor Schluss der Unterrichtsstunde mit Professor Lupin heute Nachmittag, ist das korrekt?“

 

Draco versuchte stark, nicht Moodys wirbelndes Auge zu beachten, als ihn von oben bis unten zu durchleuchten schien. „Ja.“

 

„Granger und Weasley haben hier, wie Sie auf der Karte sehen können, die exakte Stelle beschrieben, wo sie gestanden haben.” Moody deutete auf die Karte auf Dumbledores Schreibtisch. „Ist das ebenfalls korrekt?“

 

Draco lehnte sich in seinem Sitz etwas nach vorne um ein besseren Blick zu haben und ignorierte den Geruch von Mottenkugeln, der von Moodys Umhang zu kommen schien. Granger hatte nicht nur die Stelle markiert, an der sie gestanden hatten, als das Mal erschienen war, sie hatte sogar, sie schien mit einem Loaklisierungszauber eine Linie auf das Papier gezaubert zu haben, die ihren exakten Weg beschrieben hatte. In den Wald und wieder zurück. Kurz hob er die Braue.

 

„Ja, das ist ebenfalls korrekt.”, bestätigte er erneut.

 

Moody schritt wieder zurück. Er schien zufrieden. Coon übernahm ab hier. „Haben Sie etwas Seltsames bemerkt oder gehört, als Sie sich im Wald aufgehalten haben?“

 

„Abgesehen von der Tatsache, dass Schüler die Arbeiten des Wildhüters erledigten, nein, habe ich nicht.“, erwiderte er in einem scharfen Ton, den er bei Moody nicht gebraucht hatte.

 

„Es wäre besser für Sie, Ihre Zunge im Zaum zu halten, Malfoy.“, warnte ihn Coon jetzt.

 

Der glatzköpfige, schwitzige kleine Troll hatte sich kaum verändert seit Draco ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er war offensichtlich befördert worden, da er den Minister auf seinen Ausflügen begleiten durfte. Lucius hatte gesagt, dass diese Ministeriums Arschkriecher immer leicht toleriert wurden, weil sie irgendwann einen besonderen Nutzen haben würden. Zu schade, dass Arthur Weasley bei diesem hier falsch lag.

 

Er ist ein Troll und ein Wichser, überlegte Draco jetzt still, als Coon sich neben stellte und mit dem Kopf kaum dessen schief hängende Schulter erreichte.

 

„Beruhige dich, Coon. Du weißt doch, er benimmt sich so wie immer.“, verkündete die Frau jetzt.


Draco musterte sie kalt. „Verzeihung, wer sind Sie doch gleich?”

 

Sie lachte auf, was die Spannung, die in der Luft merklich zu lockern schien. „Mein Name ist Tonks. Nymphodora Tonks, wenn du es wissen musst, und ehrlich, ich hoffe, das musst du nicht. Nenn mich einfach Tonks. Wir sind verwandt, Draco. Ich bin deine Cousine. Mütterlicherseits.”

Großer Gott. Sie war Andromedas Tochter. Verrückte Tante Andromeda, der ewige Horror ihrer Schwester Narcissa, die fort gegangen war und einen Muggel geheiratet hatte, bevor ihr Vater die Gelegenheit gehabt hatte, eine anständige Hochzeit für seine älteste und wohl vielversprechendste Tochter zu arrangieren. Lucius hatte ihren Namen vielleicht bloß ein oder zweimal erwähnt, erinnerte sich Draco. Und es war bloß zwischen einigen Beleidigungen, bösen Worten und Spekulationen über Blutsverrat.

 

Draco beobachtete mit neuem Interesse wie seine Cousine zwei Finger in den Mund schob, um anscheinend eine  Toffeerest zwischen ihren Zähnen zu entfernen, bevor sie ihn von den Fingerspitzen dann wieder in den Mund saugte.

Nun. Familie war Familie.

 

„Nett, dich schließlich kennen zu lernen.“, erwiderte Draco.

 

„Gleichfalls.“ Tonks nickte ihm zu.

 

„Wenn wir jetzt wieder zur Anhörung zurückkehren könnten?“, unterbrach sie Coon recht ungeduldig.

 

Snape räusperte sich. „Ganz recht. Ich glaube, Sie haben Mr Malfoy einige Antworten versprochen. Sie fangen am besten damit an, wie das dunkle Mal überhaupt nach Hogsmeade gekommen ist.“

 

Coon befolgte Snapes Einwurf. „Keine Sorge, Draco, Ihr Vater befindet sich immer noch auf malfoy Manor. Es gab einen Einbruch im Ministerium. Der Einbruch fand in zwei Beweisbunkern statt. Unter den gestohlenen Objekten befanden sich konfiszierte Portschlüssel, verschiedne schwarzmagische Artefakte und ein Zauberstab.“ Coon machte eine Pause. „Der Zauberstab Ihres Vaters um genau zu sein. Wir glauben, er wurde gestohlen um Mosmorde durchzuführen, was Sie bedauerlicherweise heute Nachmittag mitbekommen haben.“

„Warum mit dem Symbol meiner Familie?“, fragte Draco jetzt. „Warum hat das Mal die Form angenommen? Ich kann nicht gerade sagen, dass es besonders gut für mein Image ist.“

 

Snape verdrehte die Augen.

 

Dumbledore übernahm. „Ich denke, Alastor wäre der Beste, der das erklären kann, wenn man bedenkt, dass es sein Zauber ist.”

 

Coon machte ein belustigtes Geräusch. „Direktor, mit allem nötigen Respekt, aber hier handelt es sich um klassifizierte Informationen des Ministeriums. Dieser Junge ist nicht autorisiert…“

 

„Er wird es nach dem Ende dieses Treffens sein.“, unterbrach ich Dumbledore ernst und versetzte ihm einen kühlen Blick. „Ich erteile ihm die Befugnis.“ Sein sanfter Ton wurde durch unbekannte Härte ersetzt. „Arthur? Irgendwelche Einsprüche?“

 

Der Minister schüttelte seinen Kopf.


Moody wirkte nun ebenfalls ungeduldig. „Flitwick hat mir erzählt, du bist gut in Zauberkunst, also werde ich es für dich nicht vereinfachen, Junge.“

 

„Einverstanden.“, erwiderte Draco trocken.

 

„Wie du weißt, ist es sogut wie unmöglich einen Standard Aufspür-Zauber an eine Person zu binden. Feste, unbewegliche Objekte, wie Kleidung und Besitztümer kann man binden, das ist kein Problem, aber es ist anders bei beweglichen Dingen.“ Moody kratzte sich am Kinn. „Klappt auch nicht bei Nässe, wie du siehst.“

 

Draco sah es nicht. „Bei Nässe?“

„Wasser, Junge. Wasser. Der menschliche Körper besteht zum größten Teil aus Wasser. Du kannst keine Welle binden und genauso wenig den menschlichen Körper, mit dem Zauber den wir nutzen.“

 

„Sie haben einen weg gefunden, Zauberstäbe zu binden, nicht wahr?“, fragte Draco sofort und runzelte die Stirn. In seinem siebten Jahr hatte er sein erweitertes Zauberkunst Projekt potentiellen Sensorenzaubern gewidmet. Die Aufgabe der Klasse war, sich auf die Zauber zu fixieren, die bei der magischen Geburtenkontrolle angewendet wurden, aber Moodys Konzept war einfacher.

Moody grunzte zur Antwort. „Es ist eher so, dass wir in der Lage sind, manche Sprüche zu lokalisieren. Die Eierköpfe aus der Forschung haben mir erzählt, dass manche Zauber eine stärkere Spur hinterlassen als andere. Die Verfolgung wirkt nicht bei Lumos oder Alohomora, aber bei den Unverzeihlichen, oder Gedächtnis verändernde Sprüche. Sowie auch bei…

 

„Mosmorde.“, schlug Draco vor.

 

„Jap.” Moody nickte. “Ich hatte den Zauberstab deines Dads als Prototyp vorgeschlagen, seit wir wissen, dass er eine… ahem… recht potentielle Geschichte an dunklen Zaubersprüchen hinter sich hat. Natürlich haben wir das Malfoy Symbol als Testzeichen gewählt. Der Bindungszauber war immer noch wirksam als der Zauberstab entwendet wurde.“ Moody lehnte sich nun gegen Dumbledores Schreibtisch. „Wir müssen nicht unbedingt wissen, wem ein Zauberstab gehört, bevor wir ihn binden. Wir müssen bloß nah genug rankommen…“

 

Es war offensichtlich, dass es bei diesem Treffen um etwas Wichtiges ging.

 

Draco runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht? Sie wollen Voldemorts Zauberstab binden?”

 

Moody schnaubte laut. „Junge, wenn auch nur irgendein Auror, der seine Bezeichnung wert ist, nahe genug an ihn rankommen würde, würden wir eine ganze Menge mehr tun, als einen bescheuerten Bindungszauber auf den Zauberstab dieses Bastards zu legen.“

„Wir berücksichtigen, dass Voldemort langsam schlampig wird und demnach hoffen wir, ihn durch zweite Quellen finden zu können.”, fügte Coon hinzu.

 

Snape schien schneller zu begreifen. Der Hauslehrer von Slytherin war so schnell auf den Beinen, dass sein Stuhl ein hässliches Geräusch machte, als er über den Boden rutschte. „Nein. Auf gar keinen Fall. Und Sie, Coon, sollten der letzte Zauberer sein, von dem irgendjemand Befehle entgegen nimmt.

 

„Was für Befehle?“, fragte Draco jetzt und erhob sich ebenfalls, aber Snape drückte ihn zurück in seinen Sitz.

 

„Kommen Sie, Professor. So viel anders kann es nicht sein, als der Anführer einer Bande zu sein, wie es gleich… Das Inquisitions-Kommando?“ Coon schenkte Draco einen verächtlichen Blick. „Dolores Umbrigdes’ Befehle haben Sie ja auch allzu bereitwillig entgegen genommen.“

 

Draco wurde ähnlich zornig wie Snape. „Es waren auch einfache Befehle. Schüler zu terrorisieren war weder neu für mich, noch war es besonders schwierig. Außerdem war es da schon klar, dass ihre Leitung von Hogwarts dem Ende zuging.“
„Und Sie empfinden nicht das kleinste bisschen Reue für ihr Verhalten? Ich habe gehört, Sie haben sogar Schüler unter Umbrigdes’ Anweisung hin gequält.“

 

Draco lächelte ein feines Lächeln. „Mr Coon, wenn ich das getan hätte, dann wären Sie die letzte Person, der ich es erzählen würde.“

 

Tonks unterdrückte ein Lachen.

 

„Wir bitten Sie nicht darum, für uns zu spionieren, Draco.“, machte Arthur Weasley jetzt deutlich.

 

„Um was genau bitten Sie mich dann?“, entgegnete Draco.

 

Keinem schien es seltsam vorzukommen, dass Snape es übernahm, diese Angelegenheit zu erklären. Er sprach ohne den Blick von Arthur Weasley zu wenden. „Es erscheint mir mehr als verwunderlich, dass der viel beschäftigte Minister sich die Zeit nimmt, eine Aurorenteam zu begleiten, wo es sich doch bloß um eine einfache Befragung handelt.“ Snapes Ausdruck war herablassend als er sprach.

„Sie sind nicht alle hier, um über den Vorfall in Hogsmeade zu sprechen, Draco. Ich kann es nur vermuten, aber es scheint so, als wolle man dich als Spitzel zur einseitigen Information einsetzen, um heraus zu finden, wer von deinen Klassenkameraden wohl am ehesten dazu bereit wäre, sich auf Voldemort einzulassen.“

 

„Oh.“, sagte Draco, da ihm für einen Moment die Worte fehlten. Und dann, recht plötzlich, wurde er wütend.

 

Arthur blickte ihn mitfühlend an. „Junger Mann, ich weiß, dass ihre Beziehung zum Ministerium etwas problematisch gewesen ist, aber wir geben Ihnen hier eine Gelegenheit.“

 

„Um was zu tun? Mich freizukaufen?“, unterbrach ihn Draco zornig, die Stimme schwer von Sarkasmus. „Den Namen Malfoy vor weiterer Ungnade bewahren? Meinen Sie das?“ Seine Augen verengten sich und seine Stimme nahm einen bitteren Ton an. Er starrte in Arthur Weasleys Gesicht. „Denken Sie, jemand würde ihrem Sohn ein ähnliches Angebot machen?“

 

Arthur traf diese beiläufige Erwähnung von Percys Namen völlig unvorbereitet und für einen Moment drohte seine Maske von Autorität zu entgleisen. Er räusperte sich laut.

 

„Pass lieber auf, was du sagst, Junge.“, knurrte Moody jetzt.

 

„Ich glaube nicht, dass er logisch darüber nachgedacht hat.“, murmelte Coon jetzt in Dumbledores Richtung.

 

Dieser Kommentar ließ Snape die Augenbrauen heben. „Sie haben Lucius Malfoy mit acht weiteren Todessern im Ministerium gefunden, ihn festgenommen und für zwei Monate nach Askaban geschickt. Und wo ist er jetzt? Zuhause!, Ich denke, es ist nicht Dracos Urteilungsvermögen, das Sie anzweifeln sollten:”

„Warum fragen Sie nicht Potter?“, schlug Draco jetzt kalt vor. „Er hat schon lange niemanden mehr gerettet und auch keinen umgebracht. Die Mord und Totschlag Szenerie ist etwas still geworden, finden Sie nicht? Wahrscheinlichwürde er sich auf die Gelegenheit stürzen, den Held zu spielen.“

 

„Wie können Sie es wagen, sich mit Harry Potter zu vergleichen?“, spuckte Coon ihm entgegen.

 

„Das würde ich nicht wagen, schon alleine weil er bloß über die emotionale Reife einer gewöhnlichen Sumpfschildkröte verfügt.“, schnappte Draco. „Sie entschuldigen meine Wortwahl, aber dafür dass Harry Potter auf der Seite des Guten und des Lichts arbeitet, ist er weder glücklich, noch völlig normal. Ihr Ministeriumsleute habt ein Händchen dafür, eure Helden völlig zu zerstören.“ Draco konnte es sich eingebildet haben, aber er glaubte, wie er Dumbledores Augen rasch zu denen Snapes huschen sah.

Coons Gesicht nahm eine dunkellilanen Farbe an. „Ihr Vater hat eine großzügige Geste des Ministeriums nicht so schnell in den Wind geschossen.“

 

Das reicht, dachte Draco, als er seine Kiefermuskeln spannte. Er würde diesen verblödeten kleinen Idioten in den Boden stampfen. Scheiß auf die Konsequenzen.

 

„Genug.“, befahl Dumbledore ruhig. Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern, aber sie hatte die Intensität eins Blitzeinschlags.

 

Arthur Weasley blickte blass und recht unglücklich drein. Sein Blick jedoch hatte etwas Endgültiges. „es tut mir Leid, Albus, aber die anderen haben hierbei zugestimmt.“

 

Es war Draco bisher nicht aufgegangen, dass Dumbledore diesen Befehl zu seinem Wohl bereits abgelehnt haben könnte. Es schien mehr eine Sache zu sein, die er vielleicht für Potter getan hätte.

 

„Und wie genau, wollen Sie in dazu bringen, die nötigen Informationen zu besorgen, bevor der Spruch gesprochen worden ist?“, schnarrte Snape jetzt und ignorierte den vielsagenden Blick, den sich der Minister und der Direktor zuwarfen. „Wollen Sie, dass er seine Klassenkameraden fragt, ob sie gerade zufällig planen, in naher Zukunft auf Voldemorts Seite überzulaufen?“

 

„Er soll unsere Augen und Ohren in Slytherin sein.“, antwortete ihm Coon. „Das ist alles, was wir von ihm wollen. Er soll berichten, wenn etwas Ungewöhnliches in der letzten Woche passiert und noch wichtiger, wenn etwas im Sommer vorfällt.“

 

Snape war allerdings noch nicht fertig. „Das Haus Slytherin ist nicht mehr, was es einmal war. Es ist zersplittert, geteilt. Allianzen oder Freundschaften sind sehr selten, wenn es sie überhaupt noch gibt. Was Sie von dem Jungen verlange, ist so gut wie völlig unmöglich!“

„Was bekomme ich als Gegenleistung?“ Draco fragte dies so leise, dass Coon für einen Moment so aussah, als hätte er sich verhört.

 

„Ihr Vater wird an einen anderen Ort gebracht, um seine Strafe abzusitzen. Sie können frei in Malfoy Manor residieren. Ihr Vertrag mit dem Ministerium bleibt erhalten. Ihr Vater wird immer noch seinen Titel an Sie weiter geben, wenn Sie nächste Woche die Schule verlassen und Sie werden erben, was Ihnen ihr Großvater vermacht hat.“

 

Draco wirkte unentschlossen. „Mein Vater würde eher sterben, als noch einmal einen Fuß nach Askaban zu setzen. Und wenn ich mich nicht irre, hat er ein Formular unterschreiben, was dieses Schicksal auch verhindern soll.“

 

„Es wird nicht Askaban sein.“, erklärte Coon jetzt. „Wir besorgen ihm eine sichere, recht komfortable Unterbringung außerhalb von Brittannien-.“

 

Oh, ja. Darüber würde sich Lucius sicher freuen.

 

„- Es wird ihm erlaubt sein, Basismagie zu verwenden, aber ich wage zu bezweifeln, dass sich seine Existenz wirklich verbessert.“

Es entstand eine sehr lange Pause, die bloß von den surrenden Geräuschen von Dumbledores Gerätschaften unterbrochen wurde.

 

„Außerhalb von Brittannien, sagen Sie?“, fragte Draco schließlich.

 

Snape starrte ihn an, als hätte er seinen Verstand verloren.

 

Chapter Thirteen



Es wurde Hermine erst klar, als sie durch das Gryffindorportraitloch kletterte und beinahe über eine Teppichfalte stolperte, dass sie ihre Lust für das Herumschnüffeln im Schloss bei nachtschlafender Zeit aufgegeben hatte, seitdem sie Schulsprecherin geworden war.

Erstmal war da auch die Tatsache, dass ihr Lumos, egal wie leise es geflüstert war, so hell leuchtete, dass es gut drei Meter weit leuchtete. Harry hatte das letztes Jahr ihr gegenüber mit großem Bedauern erwähnt. Damals hatte es lange gedauert einen guten Lumos hervorzubringen, der nicht einfach nach einigen Minuten wieder erlosch.

Herumschnüffeln im Schloss war auch durchaus leichter, wenn man sich auf das gute Gedächtnis verlassen konnte, dass sich hier im Schloss auch blind zurecht fand. Statue von Amor auf der linken Seite, knarrende Diele, alter Wandbehang zur rechten, vier Meter weiter begann die Treppe und auf der zehnten Stufe hatte irgendein hellsichtiges Individuum seine Quidditchstiefel vergessen.

Gott sei Dank schien der Vollmond durch die hohen Fenster auf den Korridor und deshalb konnte Hermine es vermeiden über die vergessenen Schuhe zu stolpern. Am Geländer lehnend, erlaubte sie es sich ein paar Sekunden zu verschnaufen – mit dem halb amüsierten Gedanken, dass einige Schüler wohl einen Schock kriegen würden, würden sie sie am Morgen am Treppenabsatz vorfinden. Eine Hufflepuff Erstklässlerin würde sie wahrscheinlich entdecken und dann schreien zu ihrem Haus zurück laufen, um von der Schulsprecherin zu berichten, die tot auf dem Boden lag, die rosanen Slipper immer noch an den Füßen.

Dazu kamen noch ihr ausgeleiertes Kermit, der Frosch Shirt und das paar zu lange alte Pyjamahosen, die einst ihrem Vater gehört hatten und nicht gerade die idealen Bedingungen fürs Rumschnüffeln boten. Sie hatte die Säume hochkrempeln müssen, um nicht noch sinnlos zu stolpern.

Mit einem ziemlichen Krach, den sie machte, war sie ein leichtes Opfer für die Auroren, die um das Schloss wanderten und patrouillierten. Es gab sechs Auroren. Drei weitere waren in Hogsmeade stationiert, wo sie bis zum Schuljahresende auch bleiben würden.

Nachdem sie die bohrenden Fragen Dumbledores hatten beantworten müssen, wurden Hermione, Ron und Millicent von Professor Lupin wieder in die Große Halle geleitet, wo die gesamte Schule bereits auf Neuigkeiten von Dumbledore wartete. Hermine hatte vermutet, dass sie nur all zu leicht von der Panik ihrer Mitschüler hätte angesteckt werden können, aber sie hatte sich ins Gedächtnis gerufen, dass sie solche ähnlichen Katastrophen schon einmal erlebt hatte. Todesser Erfahrungen waren dankenswerterweise selten, aber dennoch kamen sie vor und wurden bis ins kleinste Detail festgehalten. Arthur Weasley distanzierte sich soweit es nur eben ging von Fugdes  “Wenn wir den Mund halten, dann wird es schon wieder gut” Politik. Die Presse berichtete mittlerweile über jedes Vorkommnis. Ein Drittel davon war meist aufgeblähter Unsinn, aber was zählte, war, dass es dokumentiert wurde. Selbst die kleinsten Kinder wussten, was bei einer Todesserattacke zu tun war. Rennen, falls es möglich war und verstecken, wenn es dies nicht mehr war.

Alle lernten dazu, entschied Hermine, Dumbledore ebenfalls.

Natürlich hatte der alte Mann noch genug Geheimnisse auf Lager, um die schulischen Ermittler für ein ganzes Jahrhundert auf Trab zu halten, aber er praktizierte nicht mehr länger das “muss alles wissen” Prinzip, welches er bei Harry ersten Jahren in Hogwarts verfolgt hatte. Harry respektierte ihn deswegen noch um einiges mehr, aber Hermine konnte nachvollziehen, dass blindes Vertrauen nun nicht mehr auf Platz Nummer eins stand. Nicht seit Sirius Tod.

In der großen Halle, an diesem ungünstigen Mittwochnachmittag, lauschten tausend neugierige Schüler Dumbledores Worten, als er ihnen die Begebenheiten auf den Schlossgründen näher erläuterte. Es gab knapp fünfzig unterschiedliche Versionen der Geschichte mit dem Dunklen Mal, jede noch lächerliche als die vorherige. Die Wahrheit schien jedoch nicht weniger beeindruckend und die Schüler spekulierten nun über den Verbleib von Lucius Malfoys (mittlerweile berühmten) gestohlenen Zauberstabs.

Am Ende waren die meisten – auch die Lehrer – beruhigt, dass zur Zeit nur ein Malfoy in Hogwarts weilt und dass dieser nicht Lucius war.

Der Unterricht und alle anderen Aktivitäten waren für diesen Tag abgesagt worden. Hermine hatte Draco nicht mehr gesehen. Erst am nächsten Tag beim Abendessen.

Er sah ok aus. Kein Zeichen von Stress oder Angst. Jedes Haar auf seinem blonden Kopf schien genau so zu liegen, wie es liegen sollte. Der immer währende kühle Ausdruck, obwohl etwas Schärfe hinzugekommen war. Es war derselbe herausfordernde Blick, den er aufgesetzt hatte, als Lucius das erste Mal inhaftiert worden war.

Seine Klassenkameraden waren freundlich, aber reserviert. Nichts Ungewöhnliches für Slytherins. Gregory Goyles Beinbruch von einem Fehlgelenkten Klatscher, letzte Woche beim Quidditchtrainig, war soweit geheilt, dass er wieder mit seinen Freunden essen konnte. Nur Goyle schien wirklich aufrichtig froh zu sein, Draco wieder zu sehen und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Diese spontane Geste wirkte auf alle restlichen Slytherins. Pansy Parkinsons Grinsen war nicht mehr ganz so steif und nach der Begrüßung Goyles wandten sich alle wieder ihrem Essen zu. Blaise Zabini warf sogar einen finsteren Blick in die Halle, als ob er allen befehlen wollte, sich endlich wieder um den eigenen Kram zu scheren.

Das taten sie. Und sehr enthusiastisch. Natürlich war das Abendessen um eine Stunde verschoben worden. Deswegen waren alle müde, hungrig, durstig und erhitzt.

Draco blickte während des Essens nicht einmal in ihre Richtung, aber das war Hermine nur recht. Sie hatte andere Dinge, um die sie sich sorgen musste. Obwohl ihr Abendessen da nicht unbedingt zugehörte. Ihr Appetit war seitdem Wochenende verschwunden, und ihr fiel bereits auf, dass ihre Säume um die Hüfte allesamt anfingen zu schlabbern. Außerdem stellte sich ein konstant lethargisches Gefühl in ihrem Körper ein. Ihre Konzentrationsspanne war auch nicht unbedingt die längste. Sie schob ein Stück Kartoffel durch ihre Bohnen, und bekam überhaupt nicht mit, dass Harry wegen den dreißig Punkten Abzug, wegen des Streits mit Lupin, von den anderen Gryffindors übel angepöbelt wurde.

Es war seltsam genug, dass Lavender schließlich diejenige war, die dem ein Ende setzte.

„Ich denke, wir haben andere Dinge, um die wir Sorgen machen sollten, als blöde Hauspunkte.“, hatte Lavender gesagt und dabei schrecklich erwachsen geklungen.

Der Hauspatriot aus der fünften Klasse, der den Streit angefangen hatte, hatte dem recht wenig entgegen zu setzen.

Nach dem Essen war der Schlaf langsam überfällig. Für alle. Wie schon so oft wurden die Schüler von den Lehrern und erfahrenen Vertrauensschülern in ihre Häuser begleitet. Die Schüler marschierten recht zügig durch die Korridore, flankiert von Blaise und Hermine.

Draco folgte. Er war zwei Köpfe größer als die Viertklässler vor ihm. Goyle lief  (mit einem auffälligen Humpeln) vor Draco. Die jüngeren Schüler gähnten bereits und freuten sich auf ihr warmes Bett. Hermine nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass Blaise sie ermahnte, nicht zu drängeln.

Das Ende der begleitenden Schüler kam zu einem Stillstand und Draco kam neben ihr zum Stehen. Er stöhnte ungeduldig, ob der anhaltenden Verzögerung.

Hermine war auf einmal sehr unruhig geworden. Denn auf einmal war sie sich seiner Nähe bewusst geworden. Seine Größe, seines Körpers und des sauberen, männlichen, sanften Dufts, der ihn instinktiv ausmachte. Es war die exakt gleiche Erfahrung, die sie im Wald gemacht hatte, als der Fida Mia Zauber seinen hässlichen Kopf in die Höhe gereckt hatte. Sie verfluchte die Tatsache, dass sie einfach nicht mehr in der Lage war sich normal in der Nähe von Draco Malfoy zu verhalten.

Auf Grund des neuen Ereignisses in ihrer Beziehung (die es nun mal war), fühlte Hermine, dass sie irgendetwas sagen musste. Etwas Tröstendes, etwas Unterstützendes, nachdem, was sie im Wald erlebt hatten. Sie erinnerte sich, dass sie manchmal Harrys oder Rons Arm drückte, um ihnen zu zeigen, dass sie da war und dass alles ok war. Ginny legte ihren Arm immer um Hermines Schulter, wenn Harry sich wieder einmal in irgendwelche Besorgniserregenden Dinge verwickelte hatte und Hermine voller Sorge war…

Es war etwas, das Freunde für einander taten. Aber nicht für Draco. Oh nein. Er machte eine solche Aktion recht unmöglich. Egal welche Demonstration von Unterstützung, noch so platonisch oder vertraut, würde wahrscheinlich das nervtötende, wissende Funkeln in seinen Augen wecken. Er las zu viel in solche Dinge. Es war geradezu ironisch, überlegte Hermine. Nach all den Jahren, in denen sie sich über die Unsensibilität der Jungen beschwert hatte, hatte sie nun ein Exemplar vor sich, dass Intuitivität als Waffe missbrauchte.

„Tritt auf meinen Fuß, Trampel, und ich box dir in den Bauch.“, schnappte Draco recht müde gegenüber eines Drittklässlers aus Slytherin, der sich neben ihn drängte. Hermines Blick verfinsterte sich. Es war kein gewöhnlicher Tag in Hogwarts, wenn Malfoy nicht wenigstens einen Schüler rot vor Scham oder Wut werden ließ.

Er schob sich an ihr vorbei und in dem Moment fühlte sie, wie er etwas in ihre Handfläche schob. Ein kleines Stück Pergament. Instinktiv hatte sie ihre Faust darum geschlossen und hoffte stark, dass ihr Ausdruck ihre Überraschung nicht preis gab. Der momentane Stau (verursacht durch Goyle) war nun vorbei und die Menge bewegte sich wieder weiter nach vorne.

Nach einem schnellen letzten Gespräch mit Blaise und McGonagall war Hermine in ihr Zimmer geeilt, um die Nachricht zu lesen. Es kam ihr nicht einmal seltsam vor, dass sie seine Handschrift sofort erkannte. Sie hatte die feine, kursive Schrift oft genug auf der Tafel gesehen, in den letzten sieben Jahren.

Er hatte die Handschrift eines Mädchens, sie konnte nicht anders, als bei diesem Gedanken zu grinsen.

 

Wir werden den Brief heute Nacht schicken. Triff mich in der Eulerei nach der zweiten Patrouille. Bring Eulenkekse mit..

Oh, wie genau-auf-den-Punkt gebracht. Sie war leicht beeindruckt wie schnell er diese Fida Mia Sache zu Ende bringen wollte. Gott wusste, er hatte genug andere Sorgen, mit denen er sich beschäftigen musste.

 

Als also die erste Auroren Patrouille in die zweite runde ging, verließ Hermine um zwei Uhr morgens den Gryffindorturm. Zehn Minuten später, als sie nur knapp dem Treppen-Desaster entgangen war, erreichte sie schließlich die Eulerei oben im Westturm.

 

Die hohe, etwas morsche Tür der Eulerei stand leicht offen. Mit Vorsicht drückte Hermine sie auf. Halb rechnete sie schon damit, dass sie aus den Angeln brechen würde. Die Tür schob unten den Eulenmist vor sich her, öffnete sich aber dankenswerterweise ohne ein Geräusch zu verursachen.

Als sie erst einmal drinnen war, wurde sie auch schon von dem vertrauten Geruch begrüßt. Neben den gewöhnlichen Briefen, die sie ihren Eltern schickte mit Hedwig oder einer Schuleule, betrat sie die Eulerei nicht sehr häufig. Harry und Ron waren alle zwei Tage hier und kümmerten sich um ihre Eulen. Die Dunkelheit ließ Hermine ziemlich ahnungslos umher tappen und sie wanderte langsam durch den langen, hohen Raum. Ihre Schritte wurden von den quietschenden und schmatzenden Geräuschen unter ihren Füßen begleitet und sie war froh, dass sie bereits die Säume ihres Pyjamas hochgekrempelt hatte.

 

„Igitt…”, rief sie leise aus, als sie auf etwas besonders Weiches und Feuchtes trat.

 

„Du hast schon so viel Lärm gemacht als du den Korridor runter gegangen bist, bitte hör jetzt bloß nicht damit auf.“, zischte Draco hinter ihr.

 

Verflucht sei er. Er war praktisch aus den Schatten aufgetaucht. Hermine konnte nicht anders, sie erschrak für einen Moment und einige Eulen klackerten mit den Schnäbeln und raschelten mit ihren Flügeln.

„Shh!”, raunte er und sah fast so aus, als würde er gleich seine Hand auf ihren Mund pressen.

 

Sie wich zurück. „Das ist, was passiert, wenn du dich an Leute anschleichst!”

 

„Du bist schon etwas zu alt, um noch Angst im Dunkeln zu haben, oder?“, erwiderte er trocken.

 

Es gab eigentlich mehr Licht in der Eulerei als draußen. Wahrscheinlich wegen des fehlenden Dachs. Der Mond schien direkt in den runden Raum. Hermine konnte nun die hunderte an Eulen zählen, die sie nun mit wachsamem Interesse beobachteten. Jede Eulenart (und einige spezielle Züchtungen) waren vertreten: Schleiereule, Schneeeule, Zwergohreule, Käuzchen, Kreischeulen und Adler. Als nachtaktive Tiere waren sie ständig in Bewegung und es herrschte ein reges Kommen Gehen in der Eulerei. Sie entdeckte Hedwig sofort. Harrys kluge Schneeeule putzte sich gerade. Etwas, das aussah wie eine (wenigstens noch vor kurzem) haarige Waldkreatur, war in ihren festen Klauengriff gefangen. Kein Zeichen von dem aufgeregten Pigwidgeon und wenn Hermine über den Krach nachdachte, den er zu machen pflegte, war sie recht dankbar.

 

„Hast du Futter mitgebracht?“

 

„Ja.“, sagte sie und zog die kleine Tüte mit Eulenkeksen aus der Tasche. Es waren Lavenders. Die Tüte hatte die Aufschrift Maus & Käse aromatisiert getragen, mit einem Logo, dass die beunruhigende Form dieser beiden Dinge beinhaltete.

Draco trug seine Schuluniform, was etwas seltsam war, denn es war bereits weit nach der vorgeschriebenen Schlafenszeit. Hermine sagte sich, dass Slytherins wohl andere Bettzeiten verfolgten. Das, oder er trug vielleicht ungerne Pyjamas wenn er schlief und  ansonsten wäre dann wohl…

 

Was?, wollte ihr Gehirn von ihr mit einem mentalen „Hmmm?“ von ihr wissen. Ihre Fantasie war willig in diese Richtung zu wandern, aber sie verdrängte diese Bild bevor es klarere Umrisse annehmen konnte. Jetzt war nicht die Zeit ein Teenager zu sein.

Sie reichte ihm die Kekse und sah ihm dabei zu, wie er sie auf eine Art sehr festem Lederhandschuh schüttete. Selbst in der Dunkelheit erkannte sie die Macken und Rillen auf dem Leder. Aus Erfahrung wusste sie von den Kratzern, die Hedwig Harry ab und zu bescherte. Draco ließ einen leisen Pfiff ertönen und streckte den behandschuhten Arm aus. Von ganz oben aus dem Gebälk, wo auch Hedwig saß stürzte sich eine Eule in die Tiefe.

 

Hermine hatte den Vogel schon einmal gesehen, natürlich. Morgens brachte er Draco die Post und den Propheten. Doch von Nahem betrachtet war Dracos Adler Eule schon etwas Besonderes.

 

Sie war ziemlich groß, sehr maskulin, mit einem geschwungenen Schnabel und den Zügen eines Raubvogels. Der Schnabel sah gefährlich genug aus um Draco ein glattes Loch in die Hand zu schlagen. Ob jetzt mit Handschuh oder ohne. Sie sah majestätisch aus, erhaben, auf eine unheimliche, räuberische Art und Weise. Es war…

 

„Pete.“, sagte Draco und streichelte den hübschen Kopf des Vogels.

 

Die Eule antwortete mit einem freundlichen, „Hooot.“

 

Große Güte, der Vogel war ein Bariton.

 

Hermine starrte ihn an. Sie wich einen weiteren Schritt zurück. „Du nennst deine Eule Pete?“

 

Er war damit beschäftigt die Eule zu füttern. „Ein Vogel braucht einen Namen, Granger.“

 

Ja. Das stimmte. Obwohl, sie hatte mit wenigstens vier Silben gerechnet und einen Namen, der eine Hommage an ein Familienmitglied Schrägstrich lang verstorbenes Reinblut Schrägstrich Held Schrägstrich mythologische Figur der Antike war.

Draco blickte sie über seine Nase hinweg an. Er versuchte anscheinend ihre Gedanken zu lesen. „Es ist kurz für Pietro, wenn du es wissen musst.“

 

„Hoot.“, erwiderte Pete jetzt, auf die Erwähnung seines Namens.

 

„Kümmer dich nicht um sie.“, erklärte Draco seinem Freund, als er Petes eleganten Kopf kraulte. „Sie hat lieber einen verkommenen, krummbeinigen, alten Fellball als eine Eule.“

 

Hermine warf ihm einen finsteren Blick zu. „Krummbein ist kein verkommener alter Fellball. Er ist brillant.“

 

„Aber so gelenkig wie Königin Annes Anziehkommode.“, fügte Draco, beinahe belustigt, hinzu. Dann schien er sich jedoch daran zu erinnern, dass sei nicht hergekommen sind um Spaß zu haben. Egal in welcher Form. Es war eine recht todernste Sache. „Gib mir den Brief.” Er hatte sich entschieden wieder unfreundlich zu sein. Hermine war tatsächlich erfreut über diesen Wandel.

Sie gab ihm den schmalen Streifen Pergament. Er hielt ihn unter einen Strahl Mondlicht, las ihn und riss ihn dann, zu ihrer Überraschung, in winzig kleine Fetzen.

 

„Es ist sinnlos ein Pseudonym zu benutzen. Borgin kennt Pete.“, erklärte er jetzt.

 

Sie versetzte ihm einen entnervten Blick. „Und? Hast du eine Feder und ein neues Blatt Pergament mitgebracht?“

 

“Das sollte es auch tun.”, verkündete er knapp und zog seine eigene Version des Briefs aus seinem Umhang.

 

Hermine war kurz davor ihn zu fragen, was dieser ganze Stress dann überhaupt sollte, wenn er sowieso seinen eigenen blöden Brief abschicken wollte. Dann hätte er keine heimlichen Treffen mit ihr mitten in der Nacht ausmachen müssen, oder?

 

Also warum war sie dann hier? Hermine versetzte ihm einen argwöhnischen Blick.

 

„Ich verstehe nicht, warum wir keine einfache Schuleule benutzen können. Etwas, dass nicht so direkt… hervorsticht.“

 

Er schenkte ihr den „Bist-du-total-bescheuert?“ Blick. Hermine kannte ihn gut genug. Er war auch sehr gut in, „Ich-habe-keine-Zeit-dir-das-zu-erklären!“, „Wie-sehr-Gryffindor“ und „Aus-dem-Weg-bevor-ich-dich-verhexe!“

 

„Pete ist so sicher wie es eben nur geht. Er wurde dafür gezüchtet. Schuleulen sind verlässlich, ja, aber sie sind leichte Ziele. Sie könne abgeschossen werden, oder abgefangen, gequält oder fehlgeleitet werden. Pete kann das nicht.“

Stolz schwang in seiner Stimme mit.

Wie schrecklich. Hermine konnte nicht anders als darüber nachzudenken, was einer Eule alles passieren konnte. Sie hatte gedacht, die einfachste Art eine Eule abzufangen wäre, sie zu erschießen (ganz wie bei Professor Sprouts armem Überbringer). Doch konnte sie sich an kein vorangegangenes Ereignis erinnern, wobei einer Eule ein so schmachvolles Ende gefunden hatte. Wenn sie die Zeit finden würde neben all den Dingen wie, Professor Dumbledore zu helfen, einen Krieg zu bewältigen, auf Jobsuche sein und ihre versehentliche Hochzeit mit Malfoy rückgängig zu machen, dann würde sie vielleicht eine Eulen-Rettungskampagne ins Leben rufen. Und sie würden dann für eine bessere Behandlung der armen Tiere sorgen.

Draco befestigte die Nachricht vorsichtig an Petes Bein in einer kleinen metallischen Röhre und fütterte ihm noch ein paar Eulenkekse. Pete konnte drei auf einmal schlucken.

„Einen sicheren Flug.“, flüsterte er, bevor der Vogel sich eindrucksvoll in die Lüfte erhob.
 Die Flügelspannweite des Vogels war beeindruckend. Genau wie seine Schönheit. Er drehte noch einen letzten Kreis über der Eulerei, bevor er lautlos aus der Sicht verschwand. Sie standen in vollkommener Stille nebeneinander und lauschten noch einen Moment lang den nächtlichen Geräuschen und dem Pfeifen des Windes in der Ferne.

„Was soll dass heißen, Rainbow Connection? “, fragte Draco jetzt, nachdem er seinen Handschuh abgelegt hatte. Er fuhr mit dem Finger die verblichen Schrift über dem Shirt nach und berührte dabei kurz ihren Nabel. Hermine fiel jetzt auf, dass sie unterm demselben Strahl Mondlicht stand, unter dem er den Brief vorher gelesen hatte. Halb amüsiert betrachtete er Kermit den Frosch, der auf einem lilanen Fleck unter dem farbenfrohen Regenbogen saß.

Für einen kurzen Moment war Hermine sprachlos. Wie erklärte man einem Zauberer wer Kermit der Frosch war? Die Antwort war recht einfach: Man tat es einfach nicht.

„Das ist eine Muggelsache. “, erklärte sie hastig und kam sich seltsam vor. Es wäre wahrscheinlich völlig verrückt gewesen, die Muppets einem Draco Malfoy erklären zu wollen. Vor allem um halb drei in der Früh, während man sich vor einem Team von zehn Auroren versteckt hielt, die einen höchstwahrscheinlich erst versteinerten, bevor sie Fragen stellten.

„Und deswegen ist es nicht nötig es jemandem zu erklären, der kein Muggel ist? “ Draco hob eine Augenbraue und blickt ziemlich verärgert drein.

„Das... hab ich nicht... ich...Nein!“

„Es ist genau wie diese Papstsache in der Kutsche unterwegs zu meinem Vater.“, murmelte er jetzt.

 

Sie vermutete, dass sie ihn einfach missverstanden hatte. „Papstsache?“

„Du hast Bezug auf den Papst genommen und als ich dich gefragt hatte, was du mit deiner sarkastischen Anspielung auf meinen Vater sagen wolltest, hast du angenommen, ich würde nicht wissen, wer der Papst sei.“

 

Hermine konnte diese Wandlung in ihrer Unterhaltung, so fern es eine war, kaum nachvollziehen. Es war fast so, wie eine dieser Unterhaltungen, die sie öfters mit Harry hatte und sich am Ende schrecklich mit ihm fetzte. Aber dann wiederum waren Harrys Konter bei weitem nicht so niederschmetternd. "Du magst es nicht abgefertigt zu werden, nicht wahr?"

„Sag bloß?“, erwiderte er und tippte ihr sachte gegen die Stirn. „Hast du das ganz alleine rausgekriegt?"

Sie machte einen sehr frustrierten Laut. „Mein Gott, man kann mit dir wirklich nicht zurecht kommen.“

 

Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie an. „Warum? Hast du es versucht?“

 

Es war eine Fangfrage. Er war exzellent in Fangfragen. Und in strategischem Themenwechseln. Nun, das konnte man auch zu zweit spielen. Sie ließ zehn Sekunden verstreichen, ohne zu antworten.

 

„Weißt du, ich bin froh, dass Dumbledore gestern erzählt hat, was wirklich vorgefallen ist.“

 

„Ist das so?“, erwiderte er trocken. Er flüsterte jetzt wieder.


Hermine wunderte sich, warum es ihr noch nicht aufgefallen war, wie nahe sie beieinander standen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich als er eine Feder von ihrem Schlüsselbein strich. Der Drachen auf ihrem Oberschenkel schien sich zu winden. Es war ein bizarres Gefühl an das man sich vielleicht auch nach Jahren nicht gewöhnen konnte.

 

„Wenn er nichts erklärt hätte, wenn du nicht da gewesen wärst, hättest du dann gedacht ich hätte das Mal in den Himmel geschickt?“ Da war eine ganz andere Frage hinter seiner Frage. er betrachtete sie als wäre er ein Pirat und sie eine irregeführt Jungfrau.

„Nein. Ich ziehe keine voreiligen Schlüsse.“, schoss sie beinahe augenblicklich zurück, auch wenn ihre Stimme etwas zitterte. Verfluchte Dunkelheit. Sie konnte seinen Ausdruck nicht ausmachen. Er benutzte wahrscheinlich den Wie-sehr-Gryffindor-Blick.

 

„Gryffindors sind vielleicht gute Märtyrer, aber sie sind schreckliche Lügner. Zuviel steht in deinen Augen.“

„Ich bezweifel, dass du meine Augen in der Dunkelheit erkennen kannst, Malfoy.“

„Zu dumm.“, antwortete er und Hermine fiel auf, dass sie, obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste, dass er lächelte. Sie konnte es an der Stimme erkennen. „Ich weiß es nur, weil sie einen angenehmen Braunen Schimmer annehmen, jedes Mal wenn du zornig bist, was in meiner Nähe recht häufig passiert.“, fügte er schienheilig hinzu.

 

Hermine fragte sich unwillkürlich wie eine Schneeballschlacht in der Hölle aussehen musste. Sie hatte keinen Zweifel mehr daran, dass es möglich sein könnte, denn Draco Malfoy hatte ihr soeben ein Kompliment gemacht.

„Wir sollten wirklich los.“, sagte sie jetzt hektisch und verließ die Eulerei. "Die Auroren schließen die Eulerei in ihre Rundgänge mit ein."

 

Es dauerte nur einige Sekunden, bis Hermine die restlichen Eulekekse in die gemeinschaftliche Futterschale gestreut hatte. Sofort kamen einige Vögel zu ihnen hinab geflogen. Draco wartete auf sie und er flüsterte etwas.

 

Wahrscheinlich fluchte er, vermutete sie, aber sie konnte es nicht verstehen. Sie trennten sich an der Tür.

 

„Bitte versuch, auf dem Rückweg nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Ich bin nicht besonders scharf drauf entdeckt zu werden, nur weil du keine fünf Stufen leise rauf laufen kannst.“

Hermine nahm an, dass sie diese Aussage als „Gute Nacht und viel Glück!“ durchgehen lassen konnte.

 

 

Chapter Fourteen

 


Peter Pettigrew war kein Naturfreund. Die vielen Jahre, die er als Animagus hatte verbringen müssen, hatten beträchtlich dazu beigetragen. Peter hielt es für eine Schande, dass all die Aufregung und Spannung, der Lebensmut für immer auf und davon zu sein schienen, wenn man verdammt dazu war, für mehr als zehn Jahre in Gestalt einer der niederen Kreaturen dahin zu vegetieren.

Er hatte genug davon dicht an der Erde zu leben, sich zu verstecken, im Dreck zu scharren und all die anderen unerfreulichen und widerlichen dinge zu tun, die eine Ratte eben tun musste, um zu überleben. In diesen Tagen zog er es immer vor überall aufrecht hin zu laufen, wo auch immer er hinwollte. "Scharren" war seit langen ein Schimpfwort.

Also lief er. Wann immer es möglich war. Es war nie ein wirklich aufrechter, eiliger Marsch, eher ein langsamer, lässiger Gang, der, Peters Meinung nach, durch und durch menschlich war. es gab aber gewisse Eigenarten des Rattendaseins, die sich nicht mehr umkehren ließen, war ihm zu seinem großen Bedauern aufgefallen. Da war das leichte einziehen seiner Schultern, das nervtötende Nasewackeln, wann immer er nervös wurde und die Tatsache, dass seine Fingernägel niemals wieder den gelben Schimmer verlieren würde oder ihr klauenhaftes Aussehen.

 

Mit diesen Dingen konnte er aber leben.

 

Was ihn jetzt beunruhigte war, der Blick auf Hogwarts, welcher ihn zwang vornüber gebeugt zu gehen, nervös zu zucken und zu seinem persönlichen Ärger, zu scharren.

 

Alte Gewohnheiten waren schwer loszuwerden und es lag auf der Hand, dass die Schule zu viele Erinnerungen trug.

Peter drückte sich am Waldrand herum und machte mit seinen menschlichen ungeschickten Füßen bedeutend mehr Lärm als mit denen der Ratte. Die Transformation hätte ihm diese Aufgabe hier bedeutend einfacher gemacht, aber er war nicht in der Stimmung dafür. Heute war er zu stur.

 

Er stolperte über eine Wurzel. Dies war unvermeidbar wenn man sich im Halbdunkeln herumdrückte. Er würde mit dem Zauberstab kein Licht machen, es sei denn, er war sich wirklich sicher, vor jedem menschlichen Wesen in Sicherheit zu sein. Peters Rattensinne, die immer abrufbereit neben seinen menschlichen (und nebenbei bemerkt, recht nutzlosen) Sinnen vorhanden waren, waren zum Zerreißen gespannt. Seine Nase roch den entfernten Geruch von Fleisch auf dem Grill irgendwo in Hogsmeade und sein Magen, der in den letzten Tagen keine Begegnung mit vernünftiger Nahrung hatte machen dürfen, knurrte laut zu seinem Missfallen.

Der abgesprochene Platz des Treffpunkts sah genauso aus, wie Peter ihn in Erinnerung hatte. Es war eine junge Eiche, mit kleinen Flächen voller weißer Blumen und roten Beeren, die etwas heller waren als altes Blut. Der gewöhnliche Betrachter hätte es für einen völlig herkömmlichen Baum des Waldes gehalten.

 

Aber Peter war nicht kein gewöhnlicher Besucher des Waldes und wusste, wieso dieser Baum etwas Besonderes war.

Die Esche war eines von Tom Riddles frühen Experimenten gewesen.

 

Der Baum war magisch, natürlich. Peters Rattensinn erkant den unmissverständlichen Geruch, der von ihm ausging; der sich in der Luft wie unsichtbare Rauch zu kleinen Wolken verschleierte und unwillkommene Tiere fernhielt. Es war keine dunkle oder helle Magie, welche immer einen metallischen Geruch in seiner Nase verursachte, sondern alte Magie, deren Geruch nur schwer zu beschreiben war.

Der Samen aus dem der Baum gewachsen war, hatte Tom Riddle in seinem dritten Jahr gesät. Einiges an Verschleierungszaubern, Ortungszaubern und Arithmatik waren nötig gewesen um den idealen Fleck im Wald an dem idealsten Tag zu finden. Wenn dieser schnell wachsende Baum ein Kräuterkunde-Projekt gewesen wäre, hätte Tom Riddle wahrscheinlich die volle Punktzahl und eine Auszeichnung erhalten.

Das Projekt wurde aber düsterer mit der Zeit, als Riddle begann dem Baum regelmäßige Blutspenden zu versetzen. Die seines eigenen Blutes natürlich. Mitten auf den Grund,. Wo sich die Wurzeln fest verankert hatten. Zauberschicht über Zauberschicht lagen auf dem Baum, wie Reben, der sich beständig seinen Weg nach oben bahnte und alles verschlang, was in seinen Weg kam. Die Zauber reiften mit den Jahren. Man konnte sagen, der Baum war Riddles Verwandlung. So wie die Ratte Peters Verwandlung geworden war.

Es hatte viel Kraft und Arbeit gekostet, den Baum wieder zu hegen und zu pflegen, und Voldemort hatte keine Versprechen äußern können, ob der Baum immer noch in Takt sein würde. Der Baum wuchs nun schon seit fast vierzig Jahren unentdeckt vor sich hin und besaß die Kraft von drei ausgewachsenen Männern. Voldemort hatte die alten Banne neu aufleben lassen. Der Baum erfüllte jedenfalls seinen Zweck, an einem schattigen Platz zwei Meilen vom Schloss entfernt.

 

So weit so gut.

 

Jeder, der das Dunkle Mal auf seiner Haut trug konnte sich gegen den Baum lehnen und eine ganze Hand voll Auroren hätten an dem Baum vorbei laufen können, ohne auch beim genaueren Betrachten entdeckt zu werden. Sie würden nur einen im Vergleich recht jungen Baum sehen, inmitten von hundert Jahre alten Bäumen.

Der Trick war, die Schulgründe von Hogwarts unbemerkt zu betreten. Der Baum lag vielleicht einen zehn Minuten Marsch vom Quidditchfeld entfernt, aber er lag immer noch in der erreichbaren Distanz eines patrouillierenden Aurors.

Am Ziel seiner Suche angekommen, fühlte sich Peter endlich mutig genug die Spitze seines Zauberstabes zu heben und spärliches Licht in die Dunkelheit hinaus zuschicken. Er erschrak, als er bemerkte, dass der Rekrut bereits da war.

Der Satansbraten lehnte an besagtem Baum. Vielleicht war es seine Fantasie, die ihm diesen streich spielte, aber er hatte das Gefühl als würde der Baum diese Geste mit unheimlich knarrenden Holz erwidern.

 

 

„Du kommst spät, Wurmschwanz.“, sagte das Kind, dessen Gesicht halb im Mondlicht lag.

 

Peters Puls beschleunigte sich unwillkürlich als er die so bekannte und beunruhigende Gestalt von Harry Potter wahrnahm. Seine grünen Augen waren unheimlich erleuchtet durch den gelben Schimmer von Peters Zauberstab. Das verstrubbelte schwarze Haar lag wüst auf seinem Kopf und die vom Quidditch stark beanspruchten Hände, die die Esche beinahe zärtlich streichelten, waren größer und stärker geworden.

„Ich vertraue darauf, dass du das Schloss unbemerkt verlassen hast?”, fragte Peter jetzt. Es gab Regeln bei diesen Treffen, egal ob es dem Kind passte oder nicht.

 

„Wenn man bedenkt, dass ich damit das ganze Jahr über keine Probleme hatte… Natürlich habe ich es unbemerkt verlassen.“ Peter hörte die leise Gereiztheit in seiner Stimme.

Peter war sofort schlecht gelaunt. Er hasste den Potterjungen mit Leidenschaft und wurde nur ungerne an ihn erinnert. Auch wenn er so viele Jahre in der Obhut verschiedner Weasley verbracht hatte, war er nicht besonders Kinderlieb. Teenager mochte er schon gar nicht. Und Potter repräsentierte alles, was er nur hassen konnte. Denn all das wäre er in seinem Alter gerne gewesen. Hass und Neid waren mittlerweile enge Bekannte für ihn geworden, stellte Peter beunruhigt fest.

„Der Dunkle Lord entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten im Verboten Wald.“, wiederholte Peter die Worte seines Meisters.

Der Stansbraten schnaubte höhnisch. “Das sollte er auch. Nett, mir einen verseuchten Zauberstab zu geben! Ich nehme an, die Person, die den verhexten Zauberstab an erster Stelle gestohlen hat, ist bereits bestraft worden? Ich denke, unser Meister wird in dieser Angelegenheit keine Gnade zeigen, oder? Das Dunkle Mal besudelt mit dem Zeichen der Malfoy-Feiglinge…“

„Die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaft gezogen, ja.”, stimmte Peter mit ihm überein. Die Verantwortlichen waren wirklich absolute Idioten…

Die zwei Idioten waren der lebende Beweis, warum neues Blut so dringend gebraucht wurde. Ihnen wurde aufgetragen gestohlene Zauberstäbe sicherzustellen, komme was wolle. Der gammelige Ministeriumsbunker hätte ein leichtes Ziel darstellen können. – Für jeden mit einem Hauch von Verstand.

 

Es war schon schlimm genug, dass Ollivander plötzlich beschlossen hatte einfach zu verschwinden. Verlassene Zauberstäbe waren ein schwieriges Ziel. Secondhand-Zauberstäbe wurden nun genau bewacht und überprüft und es war wahrscheinlich einfach einen Zauberstab einfach zu stehlen, als sich durch den ganzen rechtlichen Papierkram zu kämpfen, um einen zu bekommen. Mit dem neuen Minister, der ad hoc Priori Incantatem veranlasste, bei jeder kleinen Unruhe, musste man wirklich vorsichtig sein, für was man seinen eigenen Zauberstab verwandte.

Es war auf jeden Fall vorteilhaft, dass die Auroren nicht viel weiter mit Zauberstab-Ortung gekommen sind, wie der Dunkle Lord selbst. Aber wozu die Auroren fähig waren, war, dass ein Zauberstab sofort losging und seinen Aufenthalt preisgab, sobald ein schwarzer Zauber gesprochen wurde.

Dass der gestohlene Zauberstab Lucius Malfoy gehörte war wirklich ironisch. Die Tatsache verwehrte sich keinem. Es war entweder Ironie oder Schicksal, und letzteres war kein Wort, dass man Voldemort gegenüber laut aussprach, wenn man noch vorhatte seine eigene Zunge zu behalten.

Falls es zu Malfoy durchdringen würde, was mit seinem Zauberstab passiert sei, dann würde der Verräter sich vermutlich vor Lachen kringeln.

Aber so weit hatte der kleine Rekrut gute Arbeit geleistet und sämtliche Spuren nach diesem kleinen Zwischenfall verwischt. Sie konnten sich keine Fehler leisten. Nicht, wenn es nur noch ein Woche war, bevor die momentanen Todesser-Kandidaten zu weit weg sein würden, um sich darum kümmern zu können.

„Machen wir dann genauso weiter wie immer?“, fragte ihn der Satansbraten jetzt. "Ich nehme an, deswegen hat unser Meister dieses Treffen vereinbart."

 

Peter machte keinen Hehl aus dieser Sache. „Es gab Grund zur Besorgnis. Bist du fähig den Plan weiter zu führen auch wenn sich die Aurorenanwesenheit um das Schloss verstärkt hat?“

 

Die grünen Augen verengten sich. „Die ganze Angelegenheit mit dem Dunklen Mal und dass es sich in Lucius verfluchtes Zeichen verwandelt hatte, hat sich nur zu unserem Vorteil ausgewirkt, Pettigrew. Nicht nur hatte es den gewünschten Effekt auf die Leute, nein, jetzt sind alle Augen sogar auch noch auf Draco Malfoy gerichtet.“ Das Kind schenkte ihm ein katzengleiches Grinsen. „Die Hälfte der Schule denkt immer noch, er hat etwas damit zu tun. Die andere Hälfte bemitleidet ihn.“

„Eine glückliche Fügung.“, begann Peter. „Aber ich wurde geschickt, um zu sehen, ob du immer noch frei von Verdacht bist. Unsere Rekrutierungsarbeit wäre ruiniert, würdest du versagen.“

 

Das Kind grinste. „Oh, Würmchen, ich wusste nicht, dass du so besorgt bist. Die Rekrutierungsarbeit unseres Meisters wird gut verlaufen, das versichere ich dir. Sag ihm, dass er sich nicht sorgen soll. Er hat mich und wir beide wissen, das ist alles, was zählt.“

Das war zum Teil wahr. Ihre Seite konnte einige neue Monsters in spe gebrauchen, so wie jetzt eines vor Peter stand. Außerdem bestand die Tatsache, dass Metamorphmagi unersetzbar waren.

Peter reichte dem Satansbraten einen vollen Beutel. „Hier sind die Portschlüssel, wie vereinbart. Es sind drei Stück, die dem Ministerium gestohlen worden sind.“ Dem unbehaglichen Blick des Kindes ausgesetzt, fügte Peter schnell hinzu: „Diese wurden gecheckt und noch einmal gecheckt. Alle Portschlüssel sind frei von Markierungen.“

 

Mit einem nun zufriedenen Blick wühlte sich der Satansbraten durch den Beutel. „Ausgezeichnet. Ich mag es, wenn du mir Spielsachen bringst, Würmchen.“

„Das sind die Portale des Todes. Gefüllt mit Drachenblut.“ Er machte eine Grimasse als das Kind eines der Portale des Todes in die Luft warf und wieder auffing.

 

„Ich muss dich ja nicht daran erinnern, dass du extra vorsichtig mit ihnen sein musst!“

 

Der Satansbraten grinste ihm entgegen und hielt das erwähnte Portal dem Sonnenlicht entgegen. Es war ein gläserner Ball, gerade die Größe einer Orange. Im inneren der Kugel befand sich dunkle, böse Flüssigkeit. Drachenblut. Eine silberne Münze schwamm in der Mitte.

 

Er ließ ein sanftes Seufzen voller Wertschätzung ertönen. „Wunderschön. Wir haben nur von ihnen gelesen, versteht sich. Wirklich eins in meiner Hand zu halten ist etwas völlig anderes...“

„Da ist noch etwas.“, fügte Peter hinzu. Zu seiner Erleichterung legte sein junger Mitstreiter den Portschlüssel wieder zurück.

 

„Ja?“

 

„Unser Meister verlangt ein Geschenk, wenn du in der Lage bist, es fertig zu bringen. Deine Zukunft in dem Neuen Orden wird sofort bestätigt wenn du uns Lucius' Sohn beschaffst. Lebend.“

Peter war nicht auf den plötzlichen Wutanfall vorbereitet. „Es gibt nichts, nichts, dass ich euch nicht genauso bieten kann, wie Draco Malfoy! Was dieser verfluchte Blutsverräter tun kann, kann und werde ich besser machen. Sicher plant unser Meister nicht immer noch, ihn auf unsere Seite zu bringen!“

„Die Absichten unseres Meisters gehen dich nichts an. Hätte er vor, es dir leichter zu machen, würde er es dich wissen lassen.“ Peter konnte nicht widerstehen seine Worte mit einem hässlichen Grinsen zu unterstreichen. Die Entwürdigung die Rekrutierung einem Welpen zu überlassen, der nur halb so alt war wie Peter, nahm er Voldemort immer noch sehr übel.

 

Er beneidete das Kind. Wenn auch nur ein wenig.

Der Satansbraten wirkte immer noch skeptisch und blickte ihn argwöhnisch an. "Wieso nicht mehr Potter? Ich bin nahe genug dran um einen Versuch zu wagen." Das Gesicht von Harry Potter, mit seinem markanten Keifer und bemerkenswerten Wangenknochen schien sich anzuspannen und begann Wellen zu werfen, wie die Oberfläche eines unruhigen Sees. An seinen Platz trat nun ein herzförmiges Gesicht, mit dichten, langen Wimpern und einem kleinen geschwungen Schmollmund.

 

Peter starrte Hermine Granger an, und ihm fiel auf, dass nicht nur Potter um einiges reifer geworden war in den letzten zwei Jahren.

„Du wirst Potter in Ruhe lassen. Wir haben andere Pläne für ihn.“

 

Das Kind nickte. „Ich mg diesen verbesserten Dunklen Lord. Diese ganze "schnappt Potter" Besessenheit war völlig unattraktiv. Die Welt besteht aus mehr als einem Jungen.“


Peter stimmte völlig mit ihm überein.

 

 

Chapter Fifteen

 

Samstag Morgen.

„Hast du vor das zu essen?“

Hermine merkte nicht sofort, dass Ginny soeben gesprochen hatte, bis sie sie leicht am Arm berührte. „Geht’s dir gut?“

Gute Frage, überlegte Hermine. „Sorry, Ginny. Ich war grad meilenweit entfernt.“

Ginny lächelte freundlich. „Da bist du nicht die einzige. Sieh dich um. Jeder scheint bloß ein seinem Essen rumzustochern.“

Das stimmte tatsächlich. Die meisten Schüler sahen so fertig aus wie ihr Porrigde. Obwohl einige Hufflepuffschüler noch viel schlimmer aussahen. Nämlich die, die gestern Abend noch eine spontane und vor allem nicht gestattete Party gefiert hatten.

Solche Veranstaltungen waren nämlich ohne die Zustimmung der Schulsprecher strengstens verboten, aber Hermine und Blaise hatten darüber hinweg gesehen, denn Ernie MacMillan hatte versprochen, alles unter Kontrolle zu behalten. Abgesehen von einem kaputten Stuhl und einem Viertklässler im Krankenflügel (ihm war ein Rattenschwanz gewachsen) war wirklich alles ruhig verlaufen.

„Seit wann gibt es eigentlich Pfannkuchen an einem normalen Wochenende?“, erkundigte sich Ginny.

„Noch nie.“, erwiderte Hermione, beklagend dass sie ihr Essen nicht genießen konnte. Sie liebte Pfannkuchen für gewöhnlich. „Muss eine Ausnahme sein, weil es Jahresende ist, nehme ich an.“ Sie schob ihren Teller Ginny zu und beobachtete amüsiert, wie Ginny sich auf die Pfannkuchen stürzte.

„Sicher, dass du sie nicht willst?“, vergewisserte sich ginny noch einmal.

Hermine schüttelte den Kopf. „Bedien dich. Ich glaube, meine Augen waren größer als der Magen.”

Vielleicht bekam sie auch die Grippe. Der Virus ging nämlich um. Ron hatte bereits angefangen zu schniefen, während sich Ginny sich von ihrem rauen Hals erholte. Weil Husten und Erkältungen die Schüler quälten und dieses Schuljahr zwar besorgniserregend, aber dennoch recht langweilig war, war die Stimmung im Schloss zweigeteilt.

Ein Drittel der Schüler waren bereits abgereist. Und das nicht wegen der Grippe. Einige Eltern, der magischen Bevölkerung natürlich, sahen keinen Sinn darin ihre Kinder in solch einer gefährlichen Zeit nicht bei sich zu haben. So war es seit dem fünften Jahr. Andere jedoch überließen ihre Kinder der Sicherheit in Hogwarts, so lange wie es eben nur ging, wohl wissend, dass hogwarts der sicherste Platz für ihre Kinder war, so lange Albus Dumbledore hier Direktor war.

Hermine warf einen Blick den Tisch entlang. Wie immer waren Parvati und ihre Zwillingsschwester aus Ravenclaw längst abgeholt worden. Lavender schien recht gelangweilt, während sie über der neuesten Ausgabe der Hexenwoche brütete und ab und an ein lautes Gähnen vernehmen ließ. Von ihrem Jahrgang waren hier noch Seamus, Dean, Neville, Ron, Harry und sie selbst. Die Streitigkeiten zwischen Harry und Seamus waren noch immer nicht ganz begraben, aber sie gaben sich Mühe zivilisiert zu bleiben. Nur Ginny wegen. Diese hatte sich geweigert auch nur ein Wort mit Seamus zu sprechen, wenn er sich nicht bei Harry entschuldigen würde, um die Streitigkeiten zu begraben. Zu Rons großem Ärger hatte Seamus auch genau das getan.

Ron hatte bis jetzt noch nie etwas von Ginnys Verehrern gehalten. Aber er hielt auch alle Männer, sich ebenfalls, für perversen Abschaum.

Weiter hinten am Tisch saß Luna. Sie saß wieder einmal am Gryffindortisch. Sie war in ein Gespräch vertieft mit einem ziemlich ängstlich drein blickenden Neville. Hermine gelang es allerdings einige Wortfetzen wie „…aber nur wenn es dunkel ist…“ und „…niemals auf nüchternen Magen…“ aufzuschnappen.

Selig ist unsere Luna, dachte Hermine mit einem feinen Lächeln. Das Mädchen hatte niemals aufgehört sich nach DA Treffen zu erkundigen, obwohl die Gruppe der Mitglieder stark ausgedünnt war.

Eigentlich hatte sich vieles verschlechtert, wenn sie an das fünfte Jahr zurückdachte.

Die monatlichen Treffen des Ordens am Grimmauld Platz waren diesen Monat eingestellt worden. Dumbledores ständige Unterstützung des Zauberergamots und die vielen verschiedenen Ministeriums bezogenen Treffen, die der Minister Arthur Weasley veranlasste, machten den Direktor zu einem viel beschäftigten Mann. Er war auch diesen Morgen nicht da. Genauso wie Professor Lupin, obwohl die gesamte Schule in diesem Fall wusste, dass es mit dem Vollmond zu tun hatte, der seit Donnerstagabend zu sehen war.

„Ich weiß, du denkst, was ich auch denke.“, flüsterte Ron Hermine mit dem Mund voll Pfannkuchen zu. Sie saßen einander gegenüber. So wie auch Harry und Ginny.

„Hmm…“, erwiderte Hermine. Zum einen war sie froh, dass Harry damit beschäftigt war, Ginny für die letzten Quidditchereignisse begeistern zu können. „Aber wir werden es nicht sagen, Ronald. Es zu denken ist schon schlimm genug.“

„Harry wundert sich doch bestimmt auch. Dafür wette ich.”, beharrte Ron auf seinen Worten. Seine Augenbrauen zogen sch beim Stirn runzeln zusammen. „Ist dir nicht aufgefallen, wie sogar die Lehrer Panik gekriegt haben, nachdem sie das Dunkle Mal gesehen haben? Ich kann dir sagen, was ich gedacht habe: Nämlich egal welchen widerlichen Schlag Voldemort geplant hat, dort im Wald wäre der Moment gekommen an dem wir um unser Leben hätten rennen müssen…“

Ron fuhr fort. „Dieses Jahr wäre schließlich das erste Jahr in dem Harry mal nicht… naja, du weißt schon.“

„Gegen die Kräfte des Bösen kämpfen müsste?“, antwortete Hermine kühl.

„Jaah.“


„Das ist aber eine gute Sache, Ron.“ Sie beobachtete ihn wie er mehr Sirup über seine Pfannkuchen kippte. „Langweilig und ereignislos sind die Wörter mit denen ich Ereignisse am liebsten beschreibe. Das bedeutet nämlich, dass ich mich um euch beide nicht sorgen muss. Harry verdient etwas Ruhe und Frieden und ich denke nicht, dass Dumbledore ihm das verweigern wird.“

„Egal was passiert, ich glaube heute wird es interessant…”, erwiderte Ron plötzlich mit einem bösen Blick über ihre Schulter.

„Wieso sagst du das?“

Er nickte dem Slytherintisch zu. „Dreh dich um und sieh selbst. Malfoy kommt rüber.“

Das tat er tatsächlich. Er lief direkt auf sie zu und jeder beobachtete ihn dabei. Was tat er denn da? Sie hätte ihre Aufmerksamkeit am liebsten wieder ihrem Frühstück zugewandt, aber das hatte sie ja Ginny überlassen.

„Morgen.“, sagte Draco mit einer überaus freundlichen Stimme und beugte leicht den Kopf in höflicher Manier, was Hermine sofort argwöhnisch die Augenbrauen heben ließ. Er stand hinter ihr, die Aufmerksamkeit auf Harry gerichtet. „Potter, ist es möglich eine kurze Unterredung mit dir zu führen?

Irgendetwas war im Busch. In diesem Moment fiel Hermine auf, dass die Ravenclaw Kapitänin Lisa Turpin und Hufflepuff Kapitän Zacharias Smith im Eingang standen. Beide fixierten Harry; beide wirkten ziemlich aufgeregt.

Draco setzte sich. Harry schien diese Geste für völlig absurd zu halten. Seine Hand erstarrte in der Luft und der Löffel mit Müsli schwebte nun vor seinem Mund.

„Es ist üblich,“ erklärte Draco, während er mit den langen Fingern auf dem Tisch trommelte, „entweder: Ja, aber sicher, Malfoy, zu sagen oder mir zu sagen, dass ich mich verpissen soll.“

„Verbiff bich, Malfoy.“, folgte Harry seiner Anweisung mit dem Mund voll Müsli.

Ungerührt warf Draco Hermine einen kurzen Seitenblick zu, während er darauf wartete, dass Harry seinen Bissen runterschluckte. „Granger, du siehst heute Morgen besonders wild aus. Ist deine Harrbürste wieder mal am streiken?”

Ist es zu frph am Morgen um jemanden einen Fluch auf den Hals zu jagen?”, unterbrach Ginny jetzt die Stille und drehte ihren Zauberstab zwischen den Fingern.

„Ah, die kleine Weasley.“ Draco grinste ihr zu. „Du siehst ziemlich fit aus. Ich muss sagen, meine Mannschaft hat deine morgendlichen Joggingrunden um das Feld sehr genossen. Es ist der einzige Grund, warum ich sie um sieben Uhr morgens aus dem Bett holen kann.“

Rons Gesichtfarbe wechselte schlagartig zu einem gefährlichen Rot. Das war genau die Art  perverser Abschaum, vor der er Ginny immer warnte. „Malfoy, hör auf meine Schwester anzustarren. Ich prügel dir dein Gesicht grün und blau.“

„Du meinst, sonst prügelst du mein Gesicht grün und blau.“, korrigierte ihn Draco hilfsbereit.

Hermine verdrehte die Augen. Wie immer kam jetzt der Punkt, an dem Malfoy die Dinge aus dem Ruder liefen. Die anderen Schüler starrten bereits zu ihnen rüber. „Ron, halt die Klappe. Malfoy, wenn du Harry etwas sagen willst, dann spuck es endlich aus. Und um deine Frage zu beantworten, Ginny, nein, ich denke es ist niemals zu früh jemanden zu verhexen wenn er es wirklich verdient hat.“

Draco schenkte allen ein breites Lächeln. „Ich bin gekommen um Potter und seine Gefolge an Quidditch Idioten zu fragen, ob sie Interesse an einem Freundschaftsspiel hätten.“

„Gegen wen?“, fragte Harry jetzt, neugierig genug, um Malfoy den Idioten-Kommentar durchgehen zu lassen. „Die Saison ist vorbei.“

„Gegen die Auroren.“, erwiderte Draco und wirkte ehrlich erwartungsvoll. Der Rest des Tisches war in hektisches Geflüster ausgebrochen. „Turpin und Smith wurde es heute Morgen bereits erzählt. Hooch sagt, wir können ein normales Spiel für Mittwoch organisieren, wenn alle Kapitäne bis heute zugesagt haben.“ Draco betrachtete die vor Sirup verklebte Tischplatte und zog seine Arme mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zurück. „Anscheinend sind die letzten Schultage so depressiv, dass die Schulleitung beschlossen hat, uns etwas Spaß zu gönnen…“

„Darüber beschwer ich mich nicht.“, warf Neville jetzt ein.

Draco Blick glitt beiläufig den Tisch entlang. Er musterte Neville wie einen Flubberwurm, der sich gerade aus der Erde gegraben hatte und nun zwischen den restlichen Flubberwürmen des Gryffindortisches saß. „Wir treffen und nach dem Frühstück ins Hoochs Büro.“, sagte Draco schließlich zu Harry. „Und bring die Aufstellung mit.“

Er erhob sich und machte eine übertrieben Show daraus, sich seinen Umhang sauber zu klopfen, aber nicht bevor er etwas Kleines in Hermines Schoss hatte fallen lassen.

Sie war so überrascht, dass sie fast ihre Teetasse hatte fallen gelassen.

Glücklicherweise waren alle anderen so von den neuen Informationen überrannt worden, dass es niemandem aufgefallen war, wie Draco Malfoy Hermine wieder mal eine Nachricht unter allen Augen hatte zukommen lassen.

**



Freundschaft und Quidditch gehörten nicht wirklich in denselben Satz.

 

Die vier Kapitäne hatten sich in Madame Hochs Büro eingefunden und alle waren sich dieser Tatsache bewusst. Das Spiel diente mehr zur Unterhaltung als wirklich als Wettbewerb. Aber die Tatsache, dass die Auroren einmal selbst Quidditch gespielt hatten, war das Schloss in reger Erwartung.

 

„Es ist ja so aufregend!“, sagte Lisa Turpin.

 

Es war aufregend. Und wirklich lustig. Draco fiel auf, das ser in der letzten Zeit die Bedeutung dieser Worte fast vergessen hatte.

Turpin und Smith studierten die Liste der Auroren, die spielen würden, mit großer Ernsthaftigkeit.

 

„Es heißt, Henry Williamson wird als Treiber spielen. Meine Schwester hat mit erzählt, dass er es jedes Jahr geschafft hatte, wenigstens einmal dem Hüter die Nase zu brechen.“, informierte Turpin die anderen jetzt beinahe ehrfürchtig.

Smith wirkte besorgt. „Mein Hüter und der Ersatzhüter sind weg.“

 

Madame Hooch hatte alle Quidditchspieler der Schule ausgewählt, für ein faires Spiel. Alle Namen befanden sich in einem Hut und jede Position sollte mit drei Spielern abgesichert sein. Allerdings waren einige von ihnen schon nach Hause geholt worden.

„Lisa, stimmt es, dass Beth Pennywise zu krank zum spielen ist?“, fragte Hooch jetzt.

 

Turpin nickte. „Sie ist wirklich fertig deswegen, aber Madame Pomfrey hat ihr Bettruhe befohlen.“

 

Auch Goyle konnte nicht spielen. Sein gebrochenes Bein heilte schnell, aber bis Mittwoch würde es bestimmt nicht in Ordnung sein.

„Also gut.“ Hooch seufzte. “Anscheinend verlieren wir unsere Spieler, während wir sprechen… also, ihr vier werdet eure Namen einwerfen und wir überlegen uns die Positionen.”

 

Nach dem Ziehen also, war Smith ein Jäger und Turpin ein Treiber. Draco und Harry jedoch spielten dieselbe Position.

 

„Wir brauchen bloß einen Sucher.“, sagte Turpin und klang zerschlagen.

 

„Vielen Dank, Lisa. Nach sechs Jahren Quidditch und nach zwei Jahren Kapitän sein habe ich diese Tatsache komplett vergessen.“, erwiderte Draco trocken.

Turpin verengte die Augen und murmelte etwas Abfälliges, das Draco nicht verstehen konnte. Harry schnaubte bestätigend. Jedoch wusste Harry nicht, dass keine echte Feindschaft zwischen den beiden herrschte, denn Draco hatte eine recht kurze, wenn auch zufrieden stellende Zusammenkunft mit der reizenden Turpin im letzten Jahr.

Abgesehen von ihrem Haus, fand Draco sie so intellektuell stimulierend wie ein Sack voller Kröten, aber er gab zu, dass sie eines der physisch aktivsten Mädchen war, mit der er jemals aus gewesen war.

Für einen kurzen Moment, schweifte Dracos Aufmerksamkeit, die für gewöhnlich bei Thema Quidditch immer bei der Sache blieb, etwas ab. Bis Harry anfing sich über etwas zu beschweren. Das war immer unterhaltsam und Draco zwang sich wieder zur Konzentration.

 

„Madame Hooch, bitte sagen Sie es nicht.“

 

Hooch blickte ihn mitleidig an. „Es tut mir leid, Harry, aber du bist vom Spiel gesperrt.“

 

„WAS!“, bellte Harry jetzt.

 

„Wer hat das veranlasst?“, fragte Draco jetzt wirklich interessiert.

 

„Professor Snape hat es vorgeschlagen. Ich fürchte, der Schuldirektor teilt seine Meinung.“

 

Harry begann durch das kleine Büro zu schreiten. „Ich kann es nicht glauben! Wissen Sie, wie langweilig es im Moment ist? Dieses Spiel wird absolut brillant werden und ich darf nicht spielen! Wenn es gefährlich sein soll, dann nur in Snapes Fantasie.“

 

Professor Snape.“, korrigierte ihn Draco, der aussah, als wäre Weihnachten vorverlegt worden.

 

„Ahem…“, unterbrach Smith die beiden. „Harry, diese ganze Sache mit Lucius Malfoys’ Zauberstab im Wald… Dumbledore hat gesagt, er wurde von Todessern gestohlen, für welchen dunklen Plan auch immer.“

 

„Ja, aber ich bin nicht in Gefahr!“, erklärte Harry mit einem wutverzerrten Blick. „Für mich war das gesamte Jahr völlig ereignislos!“

 

Draco stimmte mit ihm überein. „Madame Hooch, nicht, dass ich mich beschweren möchte, aber wenn Sie sich sorgen um Potter machen, was ist dann mit dem Rest von uns, der durch den Himmel fliegt. Sind wir zum opfern gut genug?“

 

„Ja!“, erwiderte Harry und wandte seine Aufmerksamkeit Draco zu. „Du bist wirklich viel leichter in der Luft auszumachen, Malfoy. Du bist bloß ein blonder, großer, nervtötender…“ Er überlegte wirklich hart einen passenden Vergleich zu finden. „…Papagei! Du kannst nicht mal richtig fliegen.“

 

Draco machte ein finsteres Gesicht. Es war zwar keine bekannte Tatsache, aber die leichteste Art ihn aufzuregen, war, seine Quidditchfähigkeiten anzuzweifeln. Seine Augen verdunkelten sich.


„Wenn einer ein verfluchter Papagei ist, dann bist du es Potter.“

 

Harry grinste auf eine Snape-ähnliche Art. „Oh, ja…gib’s mir, Malfoy.“

 

„Jungs, bitte!“, bat Madame Hooch um Ernsthaftigkeit. „Das hilft uns nicht.“

 

Doch Harry war noch nicht fertig. „Ich bitte Sie, es war schließlich nicht mein Schlangending, dass irgendwelche Verrenkungen um das Dunkle Mal gemacht hat. Wenn einer gesperrt werden sollte, dann er!“

Ein Muskel zuckte verdächtig in Dracos Kiefer. „Es ist ein Drachen und keine Schlange, du dämlicher Idiot. Und hast du Dumbledores Ankündigung am Mittwoch nicht mitbekommen? Der Teil in dem er gesagt hat, DASS ES NICHT MEIN GOTTVERDAMMTER FEHLER WAR!“

 

Würde die Diskussion nicht gerade um Quidditch gehen, wäre es wahrscheinlich ein amüsanter Anblick gewesen, wie Madame Hooch die Liste der Spieler zusammen rollte und Draco damit auf den Arm schlug.

 

Es verursachte ein verhältnismäßig lautes Geräusch. „Mr Malfoy, fünfzehn Punkte Abzug auf Grund ihrer Sprache!“

„Verpiss dich und fick dich, du Wichser.“, zischte Harry Draco in Parsel zu. Den Effekt, den es auf den Raum hatte, war eindrucksvoll. Turpin und Smith blickten sich unangenehm berührt an. Madame hooch wurde nun noch wütender.

 

Draco hatte keine Ahnung, was Harry gerade gesagt hatte, aber es brauchte nicht besonders viel Fantasie, um es zu erraten. „Du zuerst, Narbengesicht!“, spuckte Draco jetzt zurück in Koboldogack, was wesentlich komischer Klang, ohne jeglichen dunklen Effekt.

 

„Und fünfzehn Punkte von Gryffindor, Mr Potter!“ Madame hooch warf beiden einen grimmigen Blick zu. Sie erlaubte ihren Quidditchkapitänen einiges, aber sie zog die Linie bei unangemessener Sprache, wenn es außerhalb eines Spiels geschah.

„Es werden gleich noch einmal zwanzig Punkte werden, wenn ich keine Entschuldigung von Ihnen beiden höre! Also wirklich, nach sieben hätte ich erwartet, Sie würden wenigsten so tun, als ob Sie sich verstehen würden.“

Harry sah aus, als würde er lieber auf einer Glasscherbe kauen, aber er brachte ein zerknirschtes „Sorry” über die Lippen.“

 

„Ich bitte um Entschuldigung, Madame Hooch.”, sagte jetzt auch Draco, der genauso unwillig klang.

Turpin begann gereizt auf ihrer Unterlippe zu kauen. „Können wir jetzt endlich den Sucher wählen und gehen, Madame Hooch? Harry hat eine von sieben Chancen, um für das Spiel in Frage zu kommen, oder?“, fragte sie jetzt. „Lassen Sie und einfach einen Namen ziehen und sehen, was es bringt.“

 

Madame Hooch war wütend genug um zu nicken. Mit einem ungeduldigen Schnauben griff sie in den alten Bowler und zog einen Zettel hervor.

 

„Unser Sucher ist-“ Die vier Kapitäne wartete gespannt, während sie den Zettel auseinander faltete. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht als sie stumm den Namen las, konnte als langes Leiden bezeichnet werden.

 

„-Draco Malfoy.“

Ein wohlwollender Gewinner zu sein, war keine Stärke der Slytherins und es wurde überaus deutlich bei Dracos enormen Seufzer der Befriedigung.

 

Chapter Sixteen


Draco Malfoy war ein seltsamer Junge. Es hatte den Anschein, als hatte er ihr eine Walnuss gegeben.

In der Stille ihrer Alte Runen Stunde starrte Hermine entgeistert auf die kleine Nuss, bis ihr irgendwann aufging, dass es sich um einen verwandelten Brief handelte.

Also… wirklich, Granger, konnte sie in Gedanken seine Stimme hören und sah wie er die Augen verdrehte.

Professor Flores hatte den Siebtklässlern von Slytherin und Gryffindor das neuste Rätsel vom monatlichen Runen Konntest mitgebracht, um sie zu beschäftigen. Hermine hatte die Zeilen überflogen und war froh, bereits nach einer halben Stunde fertig zu sein.

Kurz vergewisserte sie sich, dass der Rest der Klasse noch schwer mit dem Rätsel beschäftigt war, bevor sie die Walnuss in ihrem Schoss platzierte und sie in den Normalzustand zurück transfigurierte.

Der Brief von Malfoy enthielt folgende Zeilen:

Pete ist heute Morgen mit einer Antwort zurückgekommen. Es hat in London anscheinend geregnet. Der verfluchte Vogel hat was gegen Regen und hat DTEE in den Finger gebissen. Pete hat Glück, dass kein Blut geflossen ist, aber Bisswunden brennen teuflisch unter der Dusche.

DTEE? Mit gerunzelter Stirn las Hermine dieselbe Zeile noch einmal, um sicher zu gehen, dass sie es verstanden hatte. Wer oder was zur Hölle war DTEE?

Unser Kontaktmann hat ein Treffen in London vorgeschlagen. Nächsten Samstag treffen wir dann einen Experten, der sich unser kleines Problem ansehen wird. Ein teurer Experte, ohne Zweifel. Keine Sorge. ICH werde bezahlen.

Dieser herablassende Arsch. Dachte er wirklich sie wäre eine arme Kirchenmaus und hätte kein Geld?

Werde dich noch einmal in den nächsten Tagen kontaktieren.

Auf bald,                                                                                                                                     

Dein treu ergebener Ehemann

Ihre Lippen zuckten amüsiert. Das war also D.T.E.E.

Es ging noch eine Zeile weiter.

P.S.                                                                                                                                           

 Weasley starrt wieder mal auf deine Brust.

Hermine musste angestrengt ihr lächeln unterdrücken. Das auf die Brust starren war nichts neues. Seit neustem war Ron mehr daran interessiert mit den Brüsten der Mädchen zu sprechen, als mit den Mädchen selbst. Aber Hermine war sich sicher, dass dies ein völlig normales Verhalten für einen siebzehnjährigen Jungen war.

Normalität war gut. Es war ein sicheres Gefühl.

Malfoy wiederum war kein normaler Junge. Er war regelrecht bizarr. Jedoch war es fast peinlich, dass er den Faux Pars von Ron gewahr wurde. Sie musste wohl ein ernstes Wort mit ihrem besten Freund reden.

Blaise, der ein Tisch weiter vorne saß, drehte sich in seinem Stuhl zu ihr um. Er betrachtete sie mit einem prüfenden Blick. „Hast du es schon gelöst?“, fragte er nun. Auf seinem Tisch häufte sich ein Berg an zerknülltem Papier, aber sein Wörterbuch war immer noch in seiner Tasche. Wie auch Hermine selbst, benutzte er es nur ungerne. Es sei denn, es ließ sich nicht vermeiden.

„Ja.“, erwiderte sie, denn sie wusste genau, dass er keine Hilfe wollte. Blaise nahm nie Hilfe an und brauchte seltsamerweise auch nie welche.

„Ich hasse Elder Futhark.“, beschwerte er sich. “Diese kryptischen Rätsel machen mich wahnsinnig.”

„Ich mag die Rätsel.“ Hermine zuckte die Achseln. Sie entschuldigte sich nie für ihren Intellekt und jetzt würde sie auch nicht damit anfangen.

Blaise schnaubte auf. „Du stehst auf Fragen, Granger. Du bist immer sofort dabei, wenn bloß ein Fragzeichen am Ende eines Satzes steht.”

Das war eine recht interessante Beobachtung. Vor allem, da Hermine bei ihr sofort an Malfoy denken musste.

Es war nur, dass sie ihn manchmal einfach nicht verstand. Man nehme bloß die letzte Nachricht. Malfoy hatte oft genug bewiesen, dass er tatsächlich gemein und bösartig sein konnte, wie es alle von ihm annahmen. Aber dann gab es da noch diese Intelligenz, diese Arroganz, die genauso charmant wie destruktiv war und den beneidenswerten, gut ausgeprägten Sinn für Humor, der, ohne es zu leugnen, die größte Überraschung war.

Das machte ihn allerdings nicht zu einer guten Person, ermahnte sich Hermine. Noch machte es seine letzten Fehler ungeschehen. Nicht mal im Entferntesten.

**


Der Gemeinschaftsraum der Slytherins platzte fast an diesem Samstagabend. Und nicht nur weil ein paar Erstklässler es geschafft hatten Weasleys fabelhafte Wunderfliegen ins Schloss geschmuggelt hatten. Die Neuigkeiten eines Freundschaftsspiels wurden im Schloss sehr begeistert aufgenommen. Freundliche Vermutungen wurden angestellt, mögliche Gewinner gewählt, der mögliche Endstand wurde diskutiert, das Level der Verletzungen und die Anzahl an Fouls. Eine Viertklässlerin aus Ravenclaw hatte sogar Rekord schlagende sechzig Galleonen auf einen Heimsieg gewettet.

Draco saß auf dem Teppich vor dem Kamin, mir gekreuzten Beinen und seinen Kopf hinter der neuen Ausgabe des Tagespropheten versteckt. Drachenblut war im Preis gestiegen, wegen eines ziemlich waghalsigen Überfalls einer ungarischen Lieferung.

Er hatte Probleme sich auf die restlichen finanziellen Neuigkeiten auf Seite dreiundzwanzig zu konzentrieren, denn Pansy tippte ihn ständig an und bat ihn zu wiederholen, was die anderen bereits „Die öffentliche Kastration von Harry Potter“ nannten. Die jüngeren Slytherin versammelten sich ebenfalls und gaben ihren Senf dazu. Die einzigen Zwei Slytherins die nicht mit dem Thema Quidditch beschäftigt waren, waren Blaise und ein missmutig drein blickender Goyle. Die beiden standen abgeschirmt von den anderen in einer Ecke und waren tief in ein Gespräch versunken.

„Kastration ist etwas hart, oder nicht?“, sagte Carmen Meliflua jetzt. „Es ist eher so, als würde Potter die Flügel abgeschnitten.“

Dodders, ein kleiner, knopfäugiger Junge aus dem dritten Jahr war schon dabei zu antworten. Er arbeitete sich außerdem schnell seinen Weg durch eine Packung Kekse. „Trotzdem, bei einem Spiel wie diesem auf die Bank geschickt zu werden… Sie haben ihn und jeden anderen Quidditch spielen lassen, als die Kammer des Schreckens geöffnet worden war.“

„Wie willst du das denn wissen, Kaulquappe?“, fragte Carmen ihn kühl. Sie war nicht unbedingt ein Menschenfreund. Dazu kam noch die unangenehme Tatsache, dass Tandish Dodders schon seit seiner ersten Woche von Draco gebrandmarkt worden war. Dodders hatte ihn einmal damit konfrontiert, warum er ihn denn nicht leiden könnte.

Draco, in charakteristischer Draco-Manie, hatte ihn informiert, dass er eine unheimliche Ähnlichkeit zu Froschlaich aufweisen würde.

Es hatte weniger als einen Tag gebraucht um den Spitznamen Kaulquappe zu etablieren.

„Mein Name…“, schrie Dodders jetzt Carmen an, während sich ein Strahl zerkauter Kekse auf Dracos Zeitung verteilte, „IST TANDISH!“

Draco blickte abgelenkt von seiner Zeitung auf. „Mein Gott, Kaulquappe, wenn du mich noch einmal mit deinen Krümeln duscht, dann nehm ich dich mit und stecke deinen Kopf in die nächstbeste Toilette.“

Was als nächstes passierte überraschte jeden. Dodders am meisten von allen. Der Junge blinzelte bevor er sich langsam erhob. Er war schon früher von Draco angeschnauzt worden. Einmal bereits schon diese Woche in der großen Halle. Und drei Jahre endlose Quälerei schienen sein Fass genau heute zum überlaufen zu bringen.

Er richtete einen speckigen Finger auf Draco. „Du machst mir keine Angst, Malfoy. Nicht mehr. Es ist mir egal, wer du bist. Du bist nicht mal viel länger ein Vertrauensschüler. Also, warum verpisst du dich nicht und lässt den Rest von uns in Frieden!” Mit einem Ausdruck großer Würde, schritt er an einer glotzenden Carmen vorbei und verschwand in den Schlafsälen der Jungen.

„Tja.“, erklärte Carmen, nachdem sich die Türen zum Schlafsaal geschlossen hatten. „Seine Tage sind vor ihn an gezählt.“

Die Stille im Gemeinschaftsraum war so drückend, dass man selbst einige Stockwerke höher die Hufflepuffs hören konnte, wie sie sich bettfertig machten.

Draco faltete die Zeitung zusammen und fragte sich, was zur Hölle gerade passiert war. Ein Drittklässler hatte keine Angst mehr vor ihm? Sicher war so etwas völlig unmöglich?

In Slytherin aufzuwachsen war genauso wie in einem Rudel Wölfe aufzuwachsen. Das Alpha Tier gab vor was gut schlecht, akzeptabel und unakzeptabel war. Jeder Slytherins dem das Leben lieb war, wusste das. Bei Draco hatte ihm sein Vermögen sehr geholfen seinen heutigen Status zu erlangen, sein Aussehen war immer ein Bonus, und seine Schlagfertigkeit war bemerkenswert. Aber es war immer sein Nachname gewesen, der ihm die Sicherheit als Kopf der Gruppe garantiert hatte.

Jetzt war Lucius’ Name für alle genauso Angst einflößend wie ein paar ungleiche Socken und jedes Zeichen von Schwäche wurde nur zu gerne von irgendwelchen jungen , ambitionierten Spunden ausgenutzt um dann über seinen kalten, entzückenden toten Körper zu steigen.

So etwas war, selbst als Lucius eingesperrt worden war, nur selten passiert.

Es hatte ein Monate gekostet seinen Ruf wieder herzustellen. Strategisch teuflische Hilfe von Crabbe und Goyle hat dabei natürlich geholfen. Und natürlich Pansy. Pansy wusste über jedes schmutzige Gerücht über egal wen an der Schule genaustens Bescheid. Sie wusste, dass Blaise’ Vater nicht nein zu Jungs sagte, die im selben Alter wie Blaise selber waren; sie wusste, dass Elena Longerbridge in ihrem fünften sechs anstatt nur fünf Zehen besessen hatte (was auch der Grund dafür war, dass sie niemals offene Sandalen getragen hatte); und sie wusste, dass der Schulabschließende Alex Montague einen korrupten, bürokratischen Großvater hatte, der von jedem erpresst worden war, der Einfluss auf das Ministerium hatte.

Es war Pansy, die dem Abend ein Ende setzte. Ihre Stimme klang angespannt als sie sprach.

„Ins Bett mich euch. Euch allen.”

„Was? Sogar ich?”, fragte Blaise verdutzt. Er saß weit hinten mit Goyle.

„Ja, du auch, Schulsprecher.“, befahl Pansy scharf. „Du brauchst deinen Schönheitsschlaf.“

Die Schüler verstreuten sich langsam, aber meckernd. Als der letzte Schüler die Tür hinter sich geschlossen hatte, setzte sich Pansy neben Draco auf den Boden.

Er blickte ziemlich unangenehm drein.

„Was ist los mit dir?“, schnappte sie wütend. „Wenn Dodders das einen Monat vorher gesagt hätte, hättest du ihm seine Schuhe in den Mund gestopft.“

Draco zog seine Knie an und lehnte seine Stirn dagegen. Die feinen, blonden Strähnen seines Haars hoben sich weiß von der schwarzen Farbe seiner Schuluniform ab. Seine Stimme klang dumpf als er sprach. „Ich bin einfach müde, Pansy. Ich werde älter. Ich bin keine fünfzehn mehr. Ich bin fast achtzehn, was nicht mehr weit von zwanzig entfernt ist. Mit einundzwanzig werde ich schon längst im Himmel sitzen.“

„Oh, halt deine Klappe.“, rief sie genervt. „Geht zurzeit irgendetwas vor, von dem du mir nicht erzählt hast?“

Draco fiel auf, dass er wirklich dazu geneigt war auszupacken.

Ja, da gehen einige Dinge vor zurzeit. Wo soll ich anfangen?

Mein  Vater wird langsam verrückt in unserem riesigen, verrottenden Herrenhaus und ich denke, er befindet sich in der sicheren Gefahr komplett durchzudrehen. Ich erwarte jeden Tag davon zu lesen, wie er versucht  hat mit dem verbleibenden Hauself einen Fluchtplan zu entwerfen, der Escargo-Zzungen und ein Knäuel Wolle beinhaltet. Dazu kommt das da ein Spruch-freudige,r Voldemort-Unterstützer irgendwo nahe Hogwarts hockt, bereit dazu eine Masse an Idioten zu rekrutieren, bevor das Jahr um ist. Deswegen will das Ministerium, dass ich meine Freunde ausspioniere, damit ich meine Hände auf das legen darf, was von Geburtswegen sowieso so mein Eigentum ist. Oh, wenn dich das nicht schockiert, Pansy Liebling, ich habe außerdem Hermine Granger letztes Wochenende gefickt und geheiratet und nun ist dieses Mädchen buchstäblich unter meiner Haut, obwohl ich in letzter wünschte, sie wäre eher in meiner Hose. Ja, Pansy, ich bin das Opfer von Magie, Glück und vielen Hormonen. Ich kann nicht aufhören an diese wallemähnige Harpyie zu denken. Ich will mit ihr reden, sie berühren, ihre Sommersprossen anstarren, wenn sie unter der Sonne sichtbar werden. Ich will mich um ihre blöde Katze kümmern, ich will sie zum Lachen bringen, will ihr zusehen wie sie weiche Pfannkuchen auf ihrem Teller hin und her schiebt…

„Nein, es gibt nichts zu erzählen.“, erwiderte Draco, mit etwas gepresster Stimme. Pansy verengte ihre blauen Augen.

Sie fuhr sich mit der Hand durch ihren perfekt gekämmten Bob. Das hieß bei ihr so viel wie, dass die Frustration bald beginnen würde. „Fein. Behalte deine Geheimnisse für dich, Malfoy. Du weißt, am Ende finde ich es doch irgendwie heraus.”

Draco schnaubte. „Ja, erzähl mir etwas, dass ich noch nicht weiß.“ Er setzte sich auf das nächste Sofa, lockerte seine Krawatte, streckte sich auf dem Leder und hielt sich wieder demonstrativ die Zeitung vors Gesicht. Auf der Titelseite ging es um ein geplatztes Wasserrohr in der Winkelgasse. Der haarige Besitzer des Ladens, schien damit beschäftigt zu seine Frettchen raus zu jagen, dazu eine Boa Constrictor  und eine Schulter voller Eule aus dem überfluteten Laden zu retten.

„Ich ja erst seit dem zweiten Jahr völlig in dich verliebt, Draco.”, war Pansy späte Antwort.

Jetzt lastete die Stille einige Moment länger im Raum, bevor Draco den Mund Öffnete.

„Nun,… fuck.“

Pansy verdrehte die Augen. „Keine Sorge, ich habe keine blumige Erwiderung erwartet.“

“Das willst du auch nicht, Pansy. Ich würde dich betrügen. Ich wäre gemein und hinterhältig, und du würdest mich für immer hassen.“

Sie schien nicht überrascht oder peinlich berührt von seinen Worten zu sein. „Ich weiß. Aber nur weil du mich nicht liebst. Nicht auf diese Art.”

“Du und ich, wir sind keine Leute die so etwas tun. Wir schließen Verträge ab, keine schwülstigen, unendlichen Liebesschwüre. Ich bete dich wirklich an, aber ich würde über dein kleines, geldgieriges Herz trampeln.“, erklärte er jetzt.

Sie hob ihr Kinn. Draco konnte nicht anders als zu denken, dass ihre Nase so noch kürzer aussah. „Wer sagt, ich wäre geldgierig?“

Er hob seine elegante blonde Augenbraue als Antwort.

„Fein.“, schniefte Pansy.

„Ich habe nichts, was ich überhaupt irgendjemandem geben könnte.”, fügte er ehrlich hinzu. „Wir leben mit Nachteilen, seitdem unsere Väter sich den Todessern angeschlossen hatten. Wenn wir Kinder bekommen, dann würden sie nichts anders kennen als, Misstrauen, Argwohn und Furcht. Er ist Schuld, Pansy. Voldemort ist Schuld, weil er seine große Vision nicht durchführen konnte. Er ist ein verlorener Fall. Ich bin froh, dass ich das eingesehen habe, bevor ich noch so ende wie mein Vater… verbannt, verrückt und dennoch fähig in einem Morgenmantel gut auszusehen.“ Dracos Stimme hatte eine tödlich trockene Note.

„ Ja, aber du hast deinen Besitz und wahrscheinlich auch deinen Titel noch!”, beharrte Pansy. „Meine Familie andererseits, hat alles verloren, wofür es sich zu Leben lohnt. Wir leben zur Miete, um Merlins Willen! Die Parkinsons sind Mittelschicht. Ich habe nichts weiter zu verlieren, außer dir, Draco, und seien wir ehrlich” – sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken, damit er ihr ins Gesicht sehen musste „- ich hatte nie wirklich.“

„Pansy...”

Sie unterbrach ihn mit erhobener Hand. „Ich mache dir keine Vorhaltungen. Ich mag bloß keine Veränderungen. Ich mochte das Leben so wie es war, als wir das erste Mal hier her gekommen sind. Ich mochte es schöne Dinge und Geld zu besitzen. Eine Familiengeschichte, die in dieser Welt etwas bedeutet hat. Ich mochte dich so wie du warst.“

Draco versetzte ihr einen müden Blick. „Sei nicht albern. Ich bin immer noch dieselbe Person.“

“Das bestätigt dir Tandish Dodders sicher gerne.”, konterte sie berechnend.

„Du kannst unmöglich wollen, dass ich derselbe Idiot bin, der ich war, als ich hier zum ersten Mal herkam! Ich habe mich mit dem Alter verbessert, in jeder Art und Weise. Auf jeden Fall kann ich die Zeit nicht zurück drehen!“

„Nein, das kannst du nicht.“, bestätigte sie. Sie lächelte freundlich, küsste ihn auf die Wange und erhob sich, was auf ihre Art und Weise bedeutete, dass sie nicht mehr diskutieren wollte. „Ich freue mich schon auf das Spiel am Mittwoch. Fang bloß den Schnatz, Draco. Ich hasse Auroren und nichts würde mich in dieser letzten Woche mehr freuen, als diese Ministeriums Volltrottel als die letzten Loser vom Platz marschieren zu sehen.”

Draco beobachtete, mehr als verblüfft, wie Pansy ihre Tasche schulterte und in Richtung ihres Raums verschwand. Seine silbernen Augen waren dunkel wie die Regenwolken, die in dieser Woche über dem schottischen Himmel ge hangen hatten. Zum ersten Mal nach dem Treffen in Dumbledores Büro am Mittwoch, fühlte er das Gewicht des Handels, den er mit Arthur Weasley abgeschlossen hatte, das jetzt bleischwer auf ihm lastete.

„Alles für das Mädchen, dass mich liebt.”, sagte er und fühlte sich plötzlich so allein wie er sich noch nie in seinem jungen Leben gefühlt hatte.

**

 

 

 

Chapter Seventeen



Mittwoch

Ginny Weasley war davon überzeugt, dass kein Gesetz der Welt – ob von Muggeln oder Zauberern – sie würde aufhalten könne, Malfoy mit etwas hartem und schwerem eins über den Kopf zu ziehen.

 

Er war absolut unmöglich.

 

Diesen Nachmittag beinhielt die meiste Zeit, die sie jemals mit ihm zutun gehabt hatte. Seine Blondheit (wie Ron angefangen hatte ihn zu nennen, neben vielen anderen Dingen…) hatte beschlossen den Kapitän der Hogwartsseite zu spielen. Gut, er war der einzige von ihnen der wirklich Kapitän war, das gab ihm allerdings trotzdem nicht das Recht den Hufflepuff Treiber Horace Summerby als eine riesige, fliegende Feldermaus zu beschimpfen, die Westen nicht einmal finden würde, selbst wenn man sie auf die Nadel eines großen Kompass aufspießen würde.

Und das waren bloß die ersten zehn Minuten Training.

Die Lehrer hatten den Spielern den Nachmittag über freigegeben um sich zu treffen und noch einmal die Strategie durchzugehen. Dem Auroren Team war so etwas nicht gegönnt, denn diese mussten ihre Schicht zu Ende machen. Allerdings schien es die Auroren nicht zu stören. Sie wirkten völlig gelassen, selbst als kleine Erstklässler auf sie zustürmten, um Autogramme zu holen. Tonks hingegen fand all dies sehr amüsant und ärgerte ihre Teamkollegen ohne Ende.

 

Der Rest der Schule musste unglücklicherweise mit dem Unterricht weiter machen. Jedem war heiß, langweilig und alle waren missgelaunt, während sie während der langen Unterrichtsstunden aus dem Fenster starrten. Das traf vor allem auf Harry zu. Er hatte sich direkt nahe des Fensters hingesetzt und in Verwandlung nahm er überhaupt gar keine Notiz von Professor McGonagall, die eifrig erklärte, wie man akademische Karriere in diesem Fach beginnen könnte (Hermine hatte gefragt).

Aber um fair zu sein, die Hauslehrerin von Gryffindor, schien selbst nicht unbedingt voll und ganz bei der Sache zu sein. Sie maßregelte Harry ein Mal, aber jeder konnte sagen, dass sie nicht mit vollem Herzen dabei war, denn ihre Augen huschten immer wieder nach draußen über die Schlossgründe.

Bevor sie übten, saß das heilige Hogwarts Team in der Umkleidekabine und diskutierte über die Spielzüge. Ginny hatte Eiskrem und Bahnenscheiben mitgebracht, weil sie damit rechnete das Mittagessen zu verpassen. Malfoy war bewaffnet mit einer kleinen Tafel, Kreide und einem Quidditchbuch über trickreiche Manöver aufgetaucht. Dazu trug er Drachenhaut Quidditchhosen, die sicher schon bessere Tage gesehen hatten. Die Hosen waren eng und abgetragen und zwangen die Slytherinsucherin Sharon Pucey dazu, jedes Mal ihren hochroten Kopf zu senken, wenn Malfoy nur wenige Zentimeter wild gestikulierend an ihr vorbei schritt.


Die Spannung wurde schließlich etwas aufgelockert als das Team schließlich auf dem Feld war und die Besen bestieg.

 

Ron, der etwas neben sich stand, weil er der ausgewählte Hüter war, hatte sich fast auf einen handfesten Streit mit Malfoy eingelassen, als es zu der geplanten Strategie kam.

 

Diplomatie siegte allerdings und sie würden eventuell davon triumphieren, dass die Auroren dachten, sie würden ein defensives Spiel vorlegen, was auch der Grund war, warum sie, vom ersten Blasen der Pfeife in die Offensive gehen wollten.


Sharon Pucey führte die Treiber und Ron durch eine gewöhnliche passen-und-schlagen  Aufwärmung, während Ginny und Malfoy hoch oben über das Feld flogen.

 

„Wie lange, werden wir dieses offensive Spiel durchziehen?”, fragte Ginny schließlich. Sie hatte gewartet, bis Malfoy fertig war Ravenclaws Anne Takamara anzuschreien. Er beharrte darauf, dass Frauen keine guten Treiber waren. Als Antwort hatte Anne, die fast zweimal so groß wie Malfoy war, einen Klatscher direkt auf ihn zu getrieben, der sein Ohr nur Millimeter verfehlt hatte.

 

Er ignorierte ihren offensichtlichen Versuch sein Leben zu bedrohen und flog nun neben Ginny.

 

„Wie dein Bruder so hilfreich eingeworfen hat, werden sie von uns erwarten, dass wir vollkommen bei der Sache sind. Und dieses Gefühl werden wir ihnen auch geben.“, erklärte Draco. „Es ist ein Freundschaftsspiel, also werden sie wahrscheinlich freundlich sein. Am Anfang. Dann werden sie aufholen und wir haben bis dahin hoffentlich schon ein paar Tore ergattert. Sie werden dann erfahren warum Hogwarts den Weltrekord für die meisten Quidditch bezogenen Schulunfälle hält.“

„Halten wir wirklich diesen Rekord?”, fragte Ron jetzt. Er hatte die sonderbare Angewohnheit plötzlich überall aufzutauchen, wenn Malfoy Anstalten machte mit seiner Schwester zu reden.

Draco lächelte ein gruseliges Lächeln. „Wir haben Durmstrang mit sechs gebrochenen Nasen, zwei zersplitterten Oberschenkelknochen und Goyles schlimm gebrochenen Bein geschlagen.“

 

„Ouch.“ Ginny verzog den Mund. “Ich bin nicht sicher, ob ich stolz oder schockiert sein soll.”

 

Malfoy stellte den rechten Schuh auf den Besenstiel um seinen Schuh fester zu binden und behielt trotz allem die perfekte Balance. Eine feine Röte zog sich über seinen  hohen Wangen, noch vom vorherigen Training. Sein haar hatte er zurück gestrichen und es lag so perfekt als hätte er Stunden damit zugebracht.


Über ihnen war der Himmel bewölkt und es hatte den Anschein als würde sich jede Bewegung, jeder Schatten in seinen grauen, klaren Augen widerspiegeln.

 

Er folg sehr wie Harry, fiel Ginny auf, was auch Sinn machte, denn beide waren Sucher und ähnlich gebaut. Der Unterschied war, dass Harry mit seinem Herzen spielte und seinem Instinkt vertraute, wenn er ein spektakuläres Manöver hinlegte. Malfoy spielte mit dem Kopf. Er war kühl und berechnend. Zweimal, während der Übung, war er dem Schnatz hinterher geflogen, nur um nach der halben Strecke wieder umzukehren, denn er hatte keine Chance mit dem kleinen, goldenen Ball mitzuhalten, wenn er nicht schmerzhaft auf das Feld krachen wollte. Harry wäre weiter geflogen. Zur Hölle mit der gebrochenen Schulter, dem kaputten Schlüsselbein, das ihn möglicherweise am Ende erwartet hätte

„Nett.“, sagte Ron unvermittelt. Er blies in eine imaginäre Pfeife und deutete auf die Torringe. Sharon Pucey übte an einem Schwung, der den Quaffel mit einem leichten Bogen durch den mittleren Ring befördern sollte.

„Ugandanischer Schleuderwurf.”, erklärte Ron begeistert. Scheinbar mussten Hüter über jeden Trick bescheid wissen. „Sie macht es gar nicht mal so übel. Aquch wenn sie aus Slytherin kommt. Ich versuche, ob ich ihn halten kann.” Er flog hastig zu Sharon und forderte ein schnelles Übungstraining.

„Ich meine mich zu erinnern, dass dieses Manöver nicht unbedingt gut funktioniert hat, bei eurem letzten Spiel gegen uns, Malfoy.”, sagte Ginny jetzt grinsend. Malfoy brachte anscheinend das schlimmste in ihr zum Vorschein. Sie fragte sich, ob er diesen Effekt bei jedem verursachte.

Der Blick, den Malfoy ihr versetzte, war zu einem böse und zu zwei Teilen amüsiert. „Das war, weil Potter geschummelt hat.“

 

„Harry schummelt nicht!“

 

„Oh, doch, tut er.“, erwiderte er. „Ich könnte mir vorstellen, wie schockiert du sein würdest, wenn ich dir erzählen würde, dass Sharon das Ziel nur verpasst hat, weil Potter ihr vorher seinen verfluchten Besen in die Seite gerammt hatte, als sie gerade den Quaffel abgegeben hatte. Und ich rede hier nicht von der Art von Stoß, den die gute Sharon vorgezogen hätte.“

 

„Oh, halt die Klappe, Malfoy. Das war ein Unfall.“

 

„Ja, und ich bin noch Jungfrau.“

 

Ginnys Wangen färbten sich leicht. „Du hörst dich an, als würdest du niemals einen Fehler auf dem Feld machen.“ Sie sah, dass Malfoy Ron beobachtete während dieser einen sehr eindrucksvollen Salto rückwärts hinlegte um den Quaffel zu fangen.

„Im Gegenteil, kleine Weasley, ich mache andauernd Fehler.“

 

„Die da wären?“, konterte sie prompt.

 

Draco bedachte sie mit mildem Argwohn. „Mal abgesehen davon, dass Gryffindor den Pokal dieses Jahr bereits gewonnen hat, kann ich dir wohl ohne Sorge verraten, dass ich den Schnatz niemals mit Links fangen kann.“

Ginnys Augen weiteten sich überrascht. „Das ist Unsinn. Ich habe dich das sicher schon einmal tun sehen.“

 

Draco schenkte ihr geheimnisvolles Lächeln. „Was du gesehen hast, kleine Weasley, war, wie ich mich auf die linke Seite gerollt habe, um ihn mit der rechten Hand zu fangen.“ Er machte es ihr vor.

 

„Warum kannst du ihn nicht mit links fangen?“, fragte Ginny jetzt. Sie musste zugeben, dass er sein Handicap ziemlich gut verstecken konnte. Die anderen Teams hätten ein kleines Vermögen für eine solche Information gezahlt.

er beobachtete immer noch Ron, während er antwortete. „Weil ich meine linke Schulter bereits über sechzehn mal ausgekugelt habe.”

 

Sie verzog den Mund. „Das ist ja grauenhaft. Wie?”

 

„Mein erste Freundin war eine Halbriesin.“, informierte er sie in einem nüchternen Ton. „So wie Hagrid. Es war Liebe auf den ersten Blick, wirklich.”

 

„Sehr witzig.” Ginny verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt ernsthaft, es kann nichts normales sein, denn dann hätte es Madame Pomfrey heilen können.“

„Ich werde dir nicht sagen, wieso, kleine Weasley.” Er lehnte sich zur Verdeutlichung  weiter vor und Ginny stellte entnervt fest, dass seine Haut auch von nahem so perfekt aussah, wie von weitem. „Du hast nur ein bisschen aus mir herausbekommen, weil du viel netter bist, als dein Bruder, der große, orangene Affe.“

Ginny seufzte. Sie würde ihn vielleicht mehr mögen, wenn er einen ehrlichen Versuch machte, mit ihr zu flirten. Das würde wenigstens charmant sein. Sie war daran gewähnt, dass Jungs in ihrer Nähe aufdringlich wurden. Aber Malfoy machte einen Sport daraus sie einfach nur zu reizen.

Seine Aufmerksamkeit galt dem bevorstehenden Spiel, was eine gute Sache war.

 

Sie deutete auf den Spielfeldrand. „Ich denke, du hast einen Besucher.“

 

Draco drehte sich auf dem Besen um und sah wie Carmen Meliflua zu ihm hoch winkte. Mittlerweile hatten auch die anderen frei und füllten bereits die ersten Bänke. Carmen umklammerte einen Notizblock und sprang immer wieder auf derselben Stelle. Draco hatte ihr und Pansy gestattet über das gegnerische Team alles an Schmutz und Gerüchten herauszufinden. Und das durch die geprüfte Methode des Schnüffelns.

 

„Gerade richtig.“, sagte er. Er sammelte den Rest des Teams ein und schickte sie zu den Umkleiden. Sie hatten weniger als fünfzehn Minuten um sich fertig zu machen.

 

Ron nahm an, dass Draco den Mädchen streng geheime Informationen hatte zukommen lassen.

Draco blätterte hastig durch die besagten Notizen. „Wir haben hier einiges an Material, das uns vielleicht von Nutzen sein könnte…”

 

Ron stellte fest, dass er teilweise richtig lag.

“Anscheinend hat diese Huggins Frau etwas für einen deiner älteren Brüder übrig, Weasley. Ja, ich weiß, sie hat absolut keinen Geschmack, aber sollte sie versuchen den Quaffel an dir vorbei zu kriegen, dann… ich weiß nicht…“ Er überlegte einen Moment, „zwinker ihr zu oder so, würdest du das tun? Tu es jedoch nicht beim ersten Mal, sonst kommt sie dir auf die Schliche.“ Draco nickte schließlich und wirkte zufrieden.

Es gab einen kurzen Moment der Stille, während dem Rons Mund weit offen stand.

 

„Und versuch nicht immer so verwirrt auszusehen. Es lässt dich dumm aussehen.“, fügte Draco ungeduldig hinzu.

 

Ginny und Anne Takamara mussten Ron davon abhalten sich auf Malfoy zu stürzen. Malfoy schien es nicht zu bemerken. Seine Blondheit war im Kapitäns-Modus.

„Also, ein Typ namens Rufus Quatermaine ist ihr Jäger. Vielleicht erinnert ihr euch an ihn. Er hatte die Schicht am Eingang letzte Woche. Nicht der hellste Stern, dieser Kerl. Einer unser Zweitklässler hat es tatsächlich geschafft ein paar Stunkbomben an ihm vorbei zu schmuggeln. Er hat ihm gesagt, es wären Fruchtbarkeits Kugeln…“

 

Sharon kicherte. „Ah. Ist das nicht der, der  gestern diesen Unfall in der verbotenen Abteilung hatte?“

 

Draco nickte. „Laut unserer guten Carmen, hat Mr Quatermaine es fertig gebracht sich von einer Ausgabe von Hagrids Monsterbuch in die Hand beißen zu lassen.“

 

„Das gibt es immer noch?“, fragte Ginny. „Niemand benutzt es mehr, seit unserm zweiten Jahr.“

„Naja, letztes Jahr musste eine Hufflepuff Siebtklässlerin als Mutprobe besorgen.”, korrigierte sie Anne Takamara jetzt.

 

Draco schnaubte auf. „Wenn du mit benutzen meinst, sich den Finger abbeißen und sich bewusstlos schlagen lassen dann hast du recht. Es wird nicht mehr benutzt.“

„En verletzter Hüter sind gute Neuigkeiten. Wenn Quatermaine Probleme mit seiner rechten Hand hat, dann sollten die Jäger sich auf dieses Ziel konzentrieren.“, schlug Sharon vor. Sie war Dracos vor geplante Strategien bereits gewöhnt.

 

„Oh, Moment.” Draco las noch einige weitere Zeilen. Er spielt beidhändig?“, fragte er nun Carmen, die an der Tür zu den Umkleidekabinen lehnte.

 

„Ja, ist er.“, bestätigte sie.

 

„Verflucht.“

Carmen setzte ein gewinnendes Lächeln auf „Allerdings haben die Treiber Bligh und diese Astrid Huggins angefangen auszugehen. Vielleicht hilft uns das weiter?“

Draco wandte sich den weiblichen Spielern zu. Da war ein Funkeln in seinen Augen. Sharon Pucey würde es Inspiration nennen. Ginny nannte es extreme Hingabe.

 

„Ich weiß nicht…”, begann er. „Würden die Mädchen bereit sein etwas Haut zu zeigen?“

 

Anne Takamara machte einen angewiderten Laut, nahm ihren Besen und stolzierte wieder hinaus auf das Feld.

 

Das ist der Rest deiner Strategie?“, fragte Ron zornig.

 

Die cleverste Idee, die Harry jemals hatte, war die Gryffindors aufzufordern, mit dem Rücken zur Sonne zu fliegen, um die Gegner zu blenden. Und bei den Weasley Zwillingen galt nicht einmal das als wirklich clever.

Draco steckte die Handschuhe in den Bund seiner Hose und hielt die Umkleidetüren offen, damit der Rest des Teams raus gehen konnte. Das Geräusch der Leute draußen, worunter sich auch Hogsmeade Bewohner und Familienmitglieder befanden, wuchs stetig an.

 

Sein Grinsen war teuflisch. „Ja, Weasley. Das und Gewinnen.”

 

Chapter Eighteen

 

Es fing an zu regnen, noch zehn Minuten bevor Beginn des Spiels. Es war kein schwerer Regen, mehr ein Schauer, den die Wolken kurz ausschütteten. Nicht, dass dies irgendetwas am Enthusiasmus der Menge änderte. Sie waren das manchmal unvorhersehbare schottische Wetter gewöhnt und hatten bereits ihre Schirme mitgenommen, transparente Planen, Regenmäntel und die älteren Schüler hatten setzten bereits Wasser abweisende Zauber ein.

Nachdem dreißig Minuten vergangen waren, stand es sechzig zu vierzig für die Auroren. Das Auroren Team jedoch, hatte sich noch nicht damit abgefunden, dass das Hogwarts Teams tatsächlich nach dem do-or-die Prinzip spielte und auf jeglichen Freundschaft verzichtete. Es wurde auch klar, dass weder das eine noch das andere Team je in dieser Besetzung gespielt hatte. Es gab mehrere Zusammenstöße, fallen gelassene Quaffel, verfehlte Klatscher und im Fall von Sharon Pucey das Vergessen, dass Ginny und sie auf derselben Seite spielten.

Ginny war eine gute Sportlerin und reckte beide Daumen in Richtung Sharon n die Höhe, um ihr zu signalisieren, dass der Kratzer auf ihrer Stirn nicht weiter schlimm war. Ron währenddessen machte sich ausgezeichnet und hielt eine ganze Attacke von Würfen der Jäger des Auroren Teams. Er schaffte sogar ein fröhliches Grinsen mit einem „Guter Versuch!“ als die Jägerin Astrid Huggins einen der guten Würfe versiebte.

Aus undurchsichtigen Gründen wurde die Zahl der Klatscher nach diesem Zwischenfall fast alle in Rons Richtung geschickt und der Treiber Donald Bligh wurde zusehend gereizter. Keiner in Dracos Team war übermäßig überrascht über diese Entwicklung.

Nach vierzig Minuten und ohne jedes Zeichen des Schnatzes, wurde ein Time-out einberufen, was mit einem Zwischenfall zwischen Draco und dem gegnerischen Sucher Guy Tanner zu tun hatte.

„Das ist eine Qual.”, murmelte Harry. Er benutzt eines von Nevilles Omnigläsern und hatte schnell vergessen, dass er es eigentlich hatte teilen wollen.

Madame Hooch befand sich nun zwischen einem angriffslustigen Malfoy und schnippt ihre Finger vor den etwas verdutzten Augen von Tanner.

„Beziehst du dich auf Lunas Kommentar?”, fragte Lavender jetzt. Sie freute sich eine Entschuldigung zu haben, ihren neuen pinken Regenmantel anziehen zu können und erzählte jedem de res nicht hören wollte seit Minuten von dem Fabrikat.

„Was stimmt mit ihren Kommentaren nicht?“, entgegnete Hermine. Sie und Neville teilten sich einen verbogenen, rostigen schwarzen Regenschirm, der auch schon bessere Tage gesehen hatte (in den Siebzigern höchstwahrscheinlich). „Luna ist immerhin der Grund, warum die Hälfte der Leute hier überhaupt hinkommt.“

Das stimmte. Neben den gewöhnlichen Ursachen wie Blut und Schweiß, Fouls und anderen regulären Quidditchzwischenfällen, gab es auch noch Lunas oft hysterische Ansagen, auf die man sich ebenfalls freute. Der Schulleiter war ein großer Fan.

Lavender schenkte ihr einen abschätzenden Blick. „Ich bin überrascht, dass du deine Fingernägel lang genug aus Harry Unterarm raus gezogen hast, um ihren Kommentar zu verstehen.“

„Oh.“, erwiderte Hermine etwas überrascht und warf einen kurzen Blick auf Harrys linken Arm. Sie bemerkte die vier rotten Abdrücke ihrer Nägel. „Entschuldige, Harry.“

Harry war es recht egal. Erst einmal erlöst von Hermines Todesgriff, hatte er sich über das Geländer gelehnt, so dass er fast vornüber fiel. Hermine wollte ihn gerade auffordern mit dem Unsinn aufzuhören und sich zu setzen, aber Dean war schneller. Der Junge griff hart in Harrys Shirt und grinste.

Hermine hätte Dean vielleicht gedankt, hätte dieser es sich nicht plötzlich anders überlegt und sich auch vor gelehnt. „Harry, wenn wir dich weiter runter lassen, denkst du, du kannst hören was Hooch sagt?“

„Geht nicht.“, sagte Harry abgelenkt. „Beschäftigt.“ Er schien eher den Rand des Waldes zu fixieren als das Quidditchfeld. Es hatte aufgehört zu regnen und die Sicht war nahezu wieder uneingeschränkt. Es war genau das Wetter von dem man eigentlich einen Regenbogen erwartete, der sich im Himmel über den schreienden, blutenden und zermackten Spielern abzeichnete.

„Harry, kannst du dich jetzt endlich wieder hinsetzen? Das machst mich völlig nervös.“, murmelte Hermine besorgt.

„Was um Himmels starrst du denn an? Das Spielt findet dort statt.“, erinnerte Lavender ihn und deutete in den Himmel. Madame Hooch hat es gerade wieder angepfiffen. Tanner war anscheinend bei Bewusstsein, ohne irgendeine schlimme Nachwirkung.

„Ich sehe mich nach einem Beweis dafür um, dass Snape Recht hatte, mich nicht fliegen zu lassen.“, war Harrys schlichte Antwort.

„Naja, du bist nicht der einzige der sich Sorgen macht. Hermine ist wohl genauso schlimm.“, erwiderte Lavender lächelnd.

„Hermine macht sich überhaupt keine Sorgen, vielen Dank.“, schnappte Hermine wütend, während sie Lavender und ihren pinken Regenmantel immer und immer weniger ertragen konnte.

Dean piff. „Da ist jemand aber mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden.“

„Oh, sei still, Dean:”


Ihr Verhalten diesen Nachmittag hatte sie schon beunruhigt, aber Hermine kam es vor als könnte sie sich kaum weniger scheren. Es war offiziell; Malfoy war Schuld. Sie war nun böse. Das Bestätigungszertifikat war bereits  mit der Post unterwegs.

Lavender hatte jedoch Recht. Sie machte sich genauso viele Sorgen wie Harry. Mehr noch und nicht bloß wegen der immer allgegenwärtigen Anwesenheit von Gefahr. Sie zitterte leicht. Eine Tatsache, die sie verstecken konnte, wenn sie die Beine übereinander schlug. Ihre Hände waren feucht und auch wenn eine angenehme Brise durch die Tribünen wehte, klebte ihre Bluse an ihrem Körper. Sie fühlte sich krank. Es kam ihr vor als müsste ihre UTZE noch einmal schreiben.

Der Grund für dieses Gefühl war seltsam.

Ihr Magen, wenn auch leer, war anscheinend verlinkt mit dem Malfoys und allem was er auf seinem Besen veranstaltete. Wenn er abtauchte, so tat sie das auch. Wenn er hart aufwärts flog, tat sie es auch. Wenn er Pirouetten in den Himmel drehte, um der wütenden Anne Takamara auszuweichen, die viel zu sehr bei der Sache war, dann drehte sich Hermin mit ihm.

Das Gefühl, dass jedes Tor Leben und Tod bedeuten konnte war eine völlig neue Erfahrung für sie.

Also das war es, was Harry versucht hatte zu beschreiben. Schade, dass Harry nicht so gut mit Worten konnte um zu sagen: Quidditch war Leben.

„Es ist als willst du alle zwei Minuten kotzen und dir ist es völlig egal.“, rief sie sich seine Worte in Erinnerung. Ihre Antwort darauf war ungefähr so etwas wie ein lang gezogenes: „Ewww“ gewesen.

Wirklich, es wäre besser, wenn Malfoy einfach still in der Luft sitzen würde, für länger als eine Sekunde, aber Hermine nahm an, darum ging es im Quidditch nicht.

Lustig, dass diese speziellen Nebenwirkungen nicht in Tallowstubs Buch erwähnt wurden. Schlecht gelaunt, überlegte Hermine, dass sie ein Post-It zum Kapitel Effekte hinzufügen sollte. Etwa so: Unter den Auswirkungen von Fida Mia kann eine Person jedes blöde, verrückte, selbstmöderrische, bekloppte Quidditch Manöver des anderen Partners miterleben.

Malfoy war kein übermütiger Flieger, das musste Hermine sich eingestehen. Sie hatte ihn über die Jahre oft genug gesehen und wusste, dass er unleugbar gut war.

Gott, sie hasste fliegen. Die Tatsache das sie lausig darin war, war nicht einmal der letztendliche Grund. Nun, ok – ein bisschen. Es lief alles auf die erste Flugstunde in der ersten Klasse zurück. Sie hatte Harrys Besen zugesehen, der wie ein kleiner Hund auf Harrys Befehl reagiert hatte. Ron hatte länger gebraucht, aber dennoch war er wirklich gut. Zu wissen, dass es etwas gab, dass sie nicht von vornherein beherrschte, war wirklich schockierend gewesen. Oft fragte sie sich, ob es was damit zu tun hatte, dass sie muggelstämmig war. Aber wie erklärte dies dann Harrys Talent auf dem Besen?

Ihr Ego bevorzugte diese Erklärung zu vergessen, obwohl sie wusste, dass Harry ein absoluter Draußen-Freak war, aber das zählte nicht.


Der schnellste Weg von Punkt A zu Punkt B war gehen, befand Hermine. Natürlich gab es auch das Fahrrad. Wenn man darauf bestehen würde, dann gab es auch den Bus, den Zug, das Taxi, nicht zu vergessen Flohpulver und Apparieren.

Warum ein Besen, wenn man sich aussuchen konnte zu überleben?

“Honig geröstet Cashews?”, fragte Neville sie und stieß sie in den Arm mit einer braunen Papiertüte. Hermine wandte den Kopf um zu blinzeln. Sein warmes beruhigendes Lächeln half ihre Nerven zu beruhigen. „Meine Großmutter röstet sie selbst.“

Sie murmelte ein „Danke“ und griff in die Tüte. Die Cashews gaben ihr einen Grund, ihre Hände zu beschäftigen. Gott sei Dank waren alle anderen viel zu sehr vom Spiel mitgerissen, als darauf zu achten, dass Hermine ein Drittel des Spiels mit geschlossenen Augen verbrachte.

**


Professor McGonagall fühlte sich nur ein bisschen, dass Blaise Zabini als Co-Kommentator kaum zu Wort gekommen war. Die Menge liebte Luna Lovegoods Kommentare, aber manchmal war es notwenig, dass sie etwas beruhigt wurde. Für gewöhnlich bevorzugte Professor McGonagall hierbei einen Knuff in die Seite, aber es war ja ein Freundschaftsspiel und deshalb hatte sie diese Aufgabe Zabini zu teil werden lassen, der genauso spielbewusst wie jeder der Spieler war. Es war eine Schande, dass der Schulleiter nach London ins Ministerium hatte fahren müssen. Er wäre bestimmt gerne da gewesen.

In diesem Moment fiel ihr auf, dass der normalerweise ruhige Schulsprecher nur zwei Sekunden davon entfernt schien Miss Lovegood zu erwürgen.

 

„Ein weiteres Tor von Ginny Weasley! Sie hat es an dem riesigen Typen vorbei gekriegt, mit dem ausgedünnten Haar und dem Schrankbreiten Oberschenkeln. Das sind nun sechzig Punkte für Gryffindor und ich muss sagen, Ron leistet einen guten Job in all der Aufregung. Nicht ein bisschen nervös, oder angeschlagen oder grün im Gesicht! Oooh! Cleveres kleines Dreh-Ding von Hogwarts Sharon Pustly! Das hat sie gut gemacht, nicht wahr?“

 

“Pucey.”, korrigierte sie Blaise mit unendlicher Geduld. „Sharon Pucey. Das ist der Ugandische Schleuderwurf.”

„I-u-gandischer Schleuderwurf, meine Damen und Herren. Ich wurde informiert durch meinen sehr intelligenten Co-Kommentator Mr Zabini, der in seinem schwarzen Regenmantel absolute hinreißend aussieht. Das Slytherinzeichen passt zu seinen Haaren und Augen.“

Drüben in den Hufflepuff Tribünen, die am nächsten waren, riefen einige ältere Jungs einige eindeutige Beleidigungen zu ihm rüber. Blaise tat sein bestes sich nicht  davon ärgern zu lassen und versetzte ihnen tödliche Blicke.

 

„Immer noch kein Zeichen vom Schnatz. Beide, Malfoy und Tanner tun ihr Bestes. Ich denke, er wird bald auftauchen. Oh, seht mal! Neville Longbottom winkt mir. Und er hat diese leckeren Cashew Nüsse. Ich habe eine vor dem Spiel probiert und sie sind wirklich zum sterben lecker. DANKE FÜR DIE NÜSSE, NEVILLE!” Luna winkte zurück.

Einige Leute lachten in der Menge. Hermine tätschelte Nevilles Schulter mit einem schiefen Lächeln als er die Finger um die Tüte schloss und versuchte in seinem Sitz zu verschwinden. Währenddessen schoss einer der Auroren ein Tor dass Ron auch nicht halten konnte, indem er sich seitwärts von seinem Besen hängen ließ.

 

Blaise biss wütend die Zähne zusammen. „Lovegood, ich schwöre-“

Luna sah es auch. „Weasley hat es gehalten!”

 

„NEIN, HAT ER NICHT!“, unterbrach sie Blaise mit funkelndem Blick. „Passt du endlich mal auf!“

 

Ein kurzer Streit entfachte in der Kommentatorenbox, der von der entnervten Professor McGonagall schließlich beendet werden musste.

 

 

Chapter Nineteen

 

Draco musste es seinen Spielern zugestehen. Sie spielten unglaublich gut, wenn man bedachte, dass sie zum ersten Mal in dieser Formation spielten.

Ginny und Sharon zielten zum siebten Mal auf die Ringe der gegnerischen Seiten und lieferten sich einen Wahnsinns Quaffel-Pass-Spiel.

Draco verweilte bei den Gryffindor Ringen lange genug, um noch mit Ron zu sprechen, der gerade von einem Klatscher ans Bein getroffen worden war.

„Dieser Schnatz zeigt sich besser schnell.“, grummelte Ron, während er seinen Schenkel massierte. „Ich glaube, Bligh versucht mich umzubringen.“

„Das haben Treiber so an sich, Weasley. Du kennst doch Crabbe und Goyle, oder?“, fragte Draco trocken. Er atmete knapp durch die Zähne als Astrid Huggins beinahe einen gewagten, ziemlich hohen Pass zwischen Sharon und Ginny ab gefangen hätte.

„Jaah, aber bei denen denke ich, handelt es sich um generellen Hass auf alle Gryffindors. Blighs Mission ist eher persönlich.“

Draco wandte sich mit einem sardonischen Lächeln an Ron. „Quidditch ist immer persönlich.“

Ron wedelte ungeduldig mit der Hand. „Hol dir einfach den Schnatz, in Ordnung? Ich weiß nicht, wie lange ich das hier noch durchhalte. Ein Hüter sollte sich nur Sorgen um den Quaffel machen. Nicht auch noch Ausschau nach monströsen Klatschern Ausschau halten. Übrigens, dieser andere Sucher, Tanner? Ist das sein Name? Leg falsche Fährten, ich wette, er folgt dir. Er ist nicht besonders erpicht auf eigene Arbeit, falls es dir aufgefallen ist.“, schlug Ron ihm vor.

Es war Draco bereits aufgefallen. Sucher und Hüter schienen das Glück zu haben, auf solche Sachen achten zu können. Tanner schien es zu beabsichtigen ihm zu folgen, wenn er hoch über dem Feld einen besseren Blick suchte. Draco hielt ihn sowieso für einen unpassenden Sucher. Seine Statur glich eher dem eines Treibers, aber dennoch war er unglaublich schnell.

„Fährten legen, lenkt mich von meinem Ziel ab. Zu riskant. Der Typ ist faul, nicht blind.“

“Wieso ist es riskant? Wegen deines Handicaps?”, fragte Ron, sein nervtötendes Sommersprossengesicht in geübter Unschuldsmiene.

„Ich sehe schon, sie hat es dir erzählt.“

„Pah. Meine Schwester erzählt mir alles.“

Draco grinste. „Weasley, du armer, naiver Tölpel.“

Ron zog eine Grimasse. “Vertrau mir bei Tanner. Der wird dein Siamesischer Zwilling sein, wenn er denkt, du weißt, wo der Schnatz ist. Wenn du das Ding vor ihm findest, schick ihn einfach in die Wüste.

„Wenn du damit falsch liegst, Weasley, werde ich heute Nacht eines deiner Geschlechtsteile entwenden.“

„Das ist Quidditch.“, erwiderte Ron in dem exakt gleichen Tonfall, wie Draco es zuvor getan hatte. „Das ist ein fairer Tausch.“

Genau in dem Moment brach die Menge in Buhrufe aus, als Sharon von Huggins fast vom Besen gesto0ßen worden war. Sharon hatte auf die Torringe gezielt , aber Quatermaine hatte nun ohne Aufwand den Ball gehalten. Das Ergebnis blieb also immer noch gleich.

„Viel Glück.“, rief Draco als er weiter nach oben stieg.

„Dir auch.“, rief Ron ihm nach.

Das Warten auf den Schnatz war schnell vorbei. Als alle Aufmerksamkeit schließlich auf Ron lastete, sah Draco den Schnatz. Er wirbelte zehn Meter weiter unter ihm. Ein kurzer Blick zu Tanner verriet ihm, dass dieser ihn noch nicht entdeckt hatte.

Draco machte einen großen Aufwand sich umzudrehen und seinen Besen plötzlich nach vorne schnellen ließ. Die Zuschauer bemerkten es und buchstäblich hunderte von Leuten hielten gleichzeitig den Atem an und suchten nach dem goldenen Glanz. Das war alles was nötig war, damit Tanner in die falsche Richtung sauste.

Zeit das hier zu beenden, dachte Draco mit einem feinen Grinsen. Das war für gewöhnlich der Punkt wo das Spiel in den Hintergrund gedrängt wurde und er nur noch den Schnatz in seinem Kopf sah.

Leicht bewegte Draco die Spitze seines Besens und raste dann schräg nach unten. Der Schnatz brach plötzlich los. Selbst nach hunderten von Spielen war es immer noch unmöglich dem Schnatz irgendeine Berechnung anzumerken. Draco flog schneller und als er Spitze an Spitze mit dem Schnatz flog sah er den Boden schnell auf sich zurasen. Scharf legte er sich nach links, streckte die Hand aus und schloss endlich die Finger um sein persönliches Ziel.

Tanner war immer noch außer Sichtweite, aber so nicht Bligh. Draco hörte den Treiber kommen, noch bevor er ihn sehen konnte.

„Verfluchter Todesser, elender Hurensohn!“

Blighs Worte waren nicht überraschend, so aber der Tritt den er Draco verpasste. Es traf ihn zwischen den Schulterblättern und hätte ihn eigentlich von seinem Besen werfen müssen, aber Draco reagierte schnell genug und klammerte sich an seinen Besen. Er wirbelte mehrere Meter weit durch die Luft, bevor er in der Lage war den Besen rumzureißen und nicht auf den Boden aufzuschlagen.

Der Schnatz war jedoch verloren. Und Tanner hatte es gesehen.

Diese Tatsache raubte ihm den Atem. Draco durchlebte die vertraut grauenhafte Sensation wie er Luft holen wollte, aber nicht in der Lage dazu war. Nur am Rande nahm er wahr wie Ron Weasley und Horace Sommerby sich gegenseitig anschrieen. Sommerby hatte eine beeindruckende Auswahl an Schimpfwörtern, die kein Hufflepuff jemals hören sollte.

Bevor es Draco erlaubt war, den Himmel von dem grünen Gras zu unterscheiden, ignorierte Bligh Madame hoochs Pfiff und rammte Draco seinen Besenstiel hart ins Gesicht. Danach schrie er Tanner an, er solle endlich den Schnatz fangen, der nicht besonders weit weg sein konnte.

Ginny war als erste unten. Der relativ unbeeindruckte Gesichtsausdruck zeigte, dass ihr Gewalt und unfaires Spiel im Quidditch nicht unbekannt waren.

Draco legte den Kopf zurück und versuchte mit seinem rechten Ärmel das Bluten seiner Nase zu unterbinden. Ginny warf ihm einen knappen Blick zu. „Malfoy, ich denke, deine Schulter ist ausgekugelt.“

Ah, das war es also. Das erklärte auch den blinden Schmerz. Seine Nase ignorierende taste Draco nun nach seiner Schulter.

„Ahem, vielleicht solltest du das auf dem Boden tun, nicht auf dem Besen. Wir holen Madame Hooch und…“

Er hatte seine Schulter oft genug einrenken müssen. Er wusste, wie er atmen musste, wie er drücken musste und wie er den blendenden Schmerz ignorieren musste, der sich wie eine kochend heiße Eisenstange anfühlte, die ihm erbarmungslos in den Rücken gerammt wurde.

Ginny verzog die Nase. „Bei Merlins bunten Zehennägeln, Malfoy! Du musst wirklich nicht so übertrieben Hardcore sein.“

Kaum ein paar Meter weiter, hatte eine wütenden Madame Hooch Bligh endlich zum Absteigen gezwungen und bedeutete nur mit rüden Gesten an ihn des Platzes zu verweisen.

Ginny war davon überzeugt, dass Draco kurz davor war ohnmächtig zu werden. Seine Schulter war zwar wieder am richtigen Platz, aber er sah so blass aus, wie sie es noch nie gesehen hatte. Er nahm einen tiefen Atemzug und entspannte sich langsam.

Draco wollte etwas Cleveres sagen, etwas schneidendes, aber er war überzeugt, dass wenn er seinen Mund öffnen würde, nur etwas Unverständliches dabei rauskommen würde.

Und sein Vater war immer sehr präzise gewesen. Malfoys sind niemals Unverständlich,

„Da! Der Schnatz!“, schrie Ginny plötzlich, genauso klingend wie die verrückte Pygmäen Eule ihres Bruders beim Frühstück. Das kleine goldene Ding, drehte sich unkontrolliert über ihren Köpfen. Als hätte es gemerkt, dass es entdeckt worden war, schoss es senkrecht nach oben, ähnlich Grangers Arm in Zauberkunst, wenn er zum hundertsten Mal in die Höhe schoss.

„Verdammt.“, fluchte Draco leise. Er war zu erschöpft um etwas Besseres hervor zu bringen. Der helle, weiße, verschwommene Schmerz in seinem Arm legte sich nur langsam. Es fühlte sich an, als wäre er kurz davor abzufallen, würde er ihn bewegen und doch wusste er, dass er es musste.

„Hol ihn dir!“, schrie Ginny, mit einem unnatürlich grellen Quidditch Funkeln in den Augen. „Hol ihn, Malfoy!“

Draco musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass Tanner sie gehört hatte und nun wie ein Muggel Feuerwerkskörper auf sie zugerast kam. Die Raunen und Zischen der Menge war nun nicht merhj zu überhören.

Der Punktestand war gleich. Wenn Draco den Schnatz jetzt fangen würde, dann hätte Hogwarts gewonnen.

Er tat es.

**

 

Es war definitive ein Vorteil ein Hogwarts Vertrauensschüler zu sein. Wenn man ein Weasley und ein Vertrauensschüler war, brachte es einem Molly Weasleys grenzenlose Bewunderung und extra Leckereien an Weihnachten. Die netten Vertrauensschüler waren sich bewusst und dankbar für ihr Glück und benutzten ihre Macht nur für Gute Sachen.

Die nicht so netten Vertrauensschüler andererseits – und es gab eigentlich nur zwei – waren eher ambivalent als korrupt. Hermine und Blaise hatten einziemlich strenges Regime aufgebaut, das sie selber befolgten und somit Vorbilder für den Rest der Schule waren.

Ein anderes Beispiel, warum es gut war ein Vertrauensschüler zu sein war, dass man nicht an Bettgehzeiten gebunden war oder auch in die Verbotene Abteilung der Bibliothek durfte. Vertrauensschüler durften abwesend sein, ohne dass sie großartig jemand fragte aus welchem Grund. Dumbledore erlaubte seinen Vetrauensschüler viel Autonomität. Das war riskant, aber der momentane Krieg hatte einen großen Effekt auf die Schüler und keiner verhielt sich unangebracht.

Vertrauensschüler waren außerdem gesegnet mit ihrem eigenen Badezimmer. Und das war ein Badezimmer…

Vom Boden bis zur Decke glänzend weiße Fliesen, die Echos zurückwarfen und jeden Wassertropfen so klingen ließen als besäße man seine eigene persönliche Grotte. Die Kuppelförmige Decke war passend in jeder Jahreszeit. Es war nie zu heiß oder zu kalt. Die enorme Wanne in der Mitte war schnell zu füllen und konnte bestimme zwei Crabbe und Goyle große Quidditchmannschaften fassen. Das Sprungbrett war im sechsten Jahr abgebaut worden, denn es wurde nicht benutzt. Stattdessen war es durch eine Bar ersetzt worden, in der jedes Teenager Getränk zu finden war, dessen Verzehr sich lohnen würde. Alkohol war streng verboten und McGonagall hatte ordentliche Strafen vorgesehen, sollte jemand betrunken im Bad erwischt werden.

Nach dem Spiel hatte Ginny ihr vorgeschlagen ein Bad zu nehmen, um das zu heilen, an was Hermine auch immer litt.

„Du siehst fertig aus.”, erklärte sie der Schulsprecherin. „Und dein sieht aus, als ob es nur zu gerne gewaschen werden würde.“

Dankenswerter weise hielt Ginny nichts von Höflichkeiten und sie unterdrückte den drang durch ihre unordentlichen Haare zu fahren. Es gab ihr jedenfalls eine Entschuldigung nicht an dem munteren Treiben teilnehmen zu müssen. Ron glühte, Ginny hatte rosige Wangen, Harry war neidisch und gönnte keinem den Sieg und alle Gryffindors stanken nach nassem Hund.

Die Tatsache berücksichtigend, dass ihre Sinne im Moment auf Alarmbereitschaft fungierten, ergriff sie die Chance, murmelte Entschuldigungen und ließ ihre Klassenkameraden allein.

Das Badezimmer der Vertrauensschüler erschien ihr fast wie ein magischer Zufluchtsort.

Es gab bestimmt offensichtliche Gründe, warum die Wanne so groß war, dass mehrere Schüler darin Platz finden konnten, aber dieser mögliche Gebrauch wurde in der Öffentlichkeit niemals laut beratschlagt. Ron war für gewöhnlich nicht höflich und hatte schon oftmals laut ausgesprochen was andere dachten.

„Glaubst du, da hat schon mal jemand drin gevögelt?“, hatte er während einer Verwandlungsstunde in ihrem sechsten Jahr geflüstert.

„Hast du das schon gemacht?“, fragte Seamus Finnegan sofort und hatte mit seinen dunkelblonden Augenbrauen gewackelt. Es war eine ziemlich indiskrete Frage, darauf bezogen, dass Ron Vertrauensschüler war. Hermine konnte nicht mehr sagen, was Ron geantwortete hatte. Und dafür war sie dankbar. Es gab eine Zeit, wo, mit Ron auszugehen eine logische Konsequenz gewesen wäre, aber die Dinge hatten sich in ihrem sechsten Jahr entscheidend geändert. Es wäre… nun ja… eine einfache Entscheidung gewesen. Zusammen zu kommen wäre keine große Herausforderung gewesen. Aber Hermine wusste, dass Ron neben seiner leichtes-Leben Einstellung absolute nicht einfach war. Es amüsierte sie, über seinen neuen Status als angesehener Hogwarts Junggeselle nachzudenken, aber dass er tatsächlich kein Problem damit hatte Mädchen in einer Badewanne zu verführen, machte ihn nicht gerade zu einem ihrer bevorzugten Ideale.

Es ekelte sie beinahe an, um ehrlich zu sein.

Er liebte sie, davon war Hermine überzeugt, aber ob er wirklich in sie verliebt war, das heraus zu finden, dazu war sie nie in der Lage gewesen. Seit dem vierten Jahr hatte sie Angst zu fragen, in ständiger Angst, dass die Antwort Ja sein würde.

Der Unterschied zwischen jemanden lieben und in jemanden verliebt sein war enorm, hatte Ginny ihr versichert. Hermine musste dem jungen Mädchen die Gunst des Zweifels geben, denn sie hatte niemals so für irgendwen gefühlt.

Als sie erst sicher im Bad eingeschlossen war, mit dem „Nicht-Stören“ Schild an der Tür, kniete sie sich neben einen der vielen bunten Hähne der Wanne und beschloss, dass ein frisches Bad eine gute Idee war. Das nasskalte Wetter schrie förmlich danach.

Sie drehte eine Reihe an grünen Hähnen auf und atmete den überwältigen Duft von Nadelhölzern ein. Die Blasen war groß und fest, so wie sie es mochte. Ihr langes Haar antwortete automatisch auf die feuchte Hitze und begann sich in feine Locken zu drehen.

Als das Wasser die perfekte Temperatur erreicht hatte, löste Hermine die Spangen aus ihrem Haar, legte die Uniform ab und ließ sich in die Wanne gleiten. Drei Schwimmzüge durchs Wasser und sie hatte das andere Ende der Wanne erreicht, wo sie so lange einweichen würde, bis der Sankt Nimmerleinstag gekommen war, schwor sie sich mit geschlossenen Augen.

**



Hogwarts Krankenflügel

„Mr Malfoy! Muss ich Sie in Ihrem Bett festbinden, um mir Ihre Schulter anzusehen?“, fragte Madame Pomfrey harsch. Sie hatte genug, von dem dickköpfigen, unfreundlichen Jungen, der offensichtlich ziemlich große Schmerzen hatte und es dennoch nicht zugeben wollte. Die problematische Schulter, war bei ihm schon immer Anlass zur Sorge gewesen.

Malfoy saß ziemlich steif auf dem Rand des Bettes. Wahrscheinlich hätte er sogar etwas Unanständiges erwidert, aber sein Mund war lediglich eine dünne Linie des Schmerzes. Er sah furchtbar aus, aber er war immer noch in der Lage, sie mit einem Bösen Blick zu strafen.

Das Parkinson Mädchen war auch da, ihn stützend, wie eine Pinguin Mutter ihr verletztes Junges. „Madame Pomfrey, ich kann mich um ihn kümmern.“, versicherte sie. „Ich bringe ihn zurück in den Gemeinschaftsraum. Sie haben dort eine Feier zu seinen ehren vorbereitet. Er muss einfach da sein.“

Poppy versetzte dem Mädchen einen tödlichen Blick. „Er muss unter gar keinen Umständen irgendwo sein, Miss Parkinson, es sei denn ich erkläre ihn gesund genug dazu.“ Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Malfoy. „Lassen Sie mich ihnen wenigstens eine Salbe verabreichen. Sie können sie für eine Stunde einziehen lassen, während Sie sich ausruhen.“

„Dann tun wir eben das.“, erwidert Pansy und schnappte sich die salbe aus Madame Pomfreys Hand. Pomfrey betrachtete Malfoy noch einmal prüfend. Er war immer noch in voller Quidditchmontour. Wahrscheinlich hatte er zu viele Schmerzen, um sich davon zu befreien.

„Komm schon, Draco, die Schüler erwarten dich.“, zischte Pansy, ungerührt von Madame Pomfreys bösem Blick.

Es war offensichtlich, dass Malfoy diese Party ungerührt seines Gesundheitszustandes besuchen wollte. Pomfrey hätte vielleicht mit der Zunge geschnalzt, aber das gehörte sich nicht. Slytherin Stolz war manchmal eine recht selbstzerstörerische Angelegenheit. Fast so schlimm wie rücksichtslose Gryffindor Courage.

„Mr Malfoy, ich befürchte, ich muss darauf bestehen, dass Sie sich behandeln lassen. Wenn nicht, sehe ich mich gezwungen, Sie Professor Snape zu melden.“

Das erregte seine Aufmerksamkeit. Wenn alles andere versagt, brauchte man nur eine weise Person, die Snape gegenüber einem sturen Schüler erwähnt. „Was schlagen Sie vor?“, flüsterte er durch zusammen gebissene Zähne. Seine eisgrauen Augen waren kühl, so wie immer, aber hinter ihnen verbarg sich der Triumph einer Herausforderung. Er wusste, sie bot ihm ein Ventil und er war neugierig, ob sie es schaffen würde.

„Ein Bad.”, verkündete sie mit gewohnter Autorität. „Wenn Sie mich schon nicht selber nachsehen lassen wollen, dann lassen Sie die Salbe wenigstens einwirken, bevor sie sich etwas in der Wanne entspannen. Die Zusammensetzung lässt sich wunderbar mit warmen Wasser kombinieren.“

Er sah sie kurz an. „Gut, dann werde ich das tun.“

„Aber Draco-“, begann Pansy erschüttert.

„Geh du zu der Party und entschuldige mich. Sie werden das schon verstehen.“, erwiderte er. Die Veränderung in seiner Stimme war recht beeindruckend. Es war eine Mischung aus geschmolzener Butter und warmem Honig. Der Schmerz Schalter war wieder umgelegt worden.


Parkinson antwortete prompt. Sie seufzte. „Wenn du es so willst…“

„Das tu ich.“

Sie ignorierte Madame Pomfrey als sie ihn noch ein letztes Mal flehend ansah. Dann drückte sie ihm das Glas mit dem Balsam in die Hand und wandte sich um. Es war offensichtlich wie gerne sie selber wieder zum Gemeinschaftsraum gehen würde um bei der Party dabei zu sein.

„Ist ein Bad wirklich gut oder sind Sie bloß hilfreich?“, fragte er, während er den Deckel der Dose aufdrehte und daran roch. Er legte den Kopf schräg und betrachtete Madame Pomfrey halb amüsiert, halb interessiert.

In diesem Moment sah er genau wie sein Vater aus. Poppy musste sich zwingen, nicht erschrocken einen Schritt zurück zu machen.

„Es ist meine Aufgabe hilfreich zu sein.“, erwiderte sie und ihre Stimme klang strenger als gewöhnlich. Sein unheimlicher Charme würde bei ihr nicht wirken. „Und ja, ein Bad ist gut. Am besten wirkt die Salbe eben bei Hitze. Ihr Hersteller, Professor Snape, hat es mir versichert.

„Wenn Professor Snape sie gemacht hat, muss es die Beste sein.“, kommentierte er trocken ihre Worte und drehte den Verschluss wieder zu. „Ich danke Ihnen.“ Er erhob sich langsam. Er sah immer noch so aus als hätte ihm jemand mit immenser Kraft eine Brechstange auf seinem Arm zerschlagen.

Madame Pomfrey hielt ihn auf, als er an der Tür stand. Weiß Merlin, warum sie es tat. Vielleicht weil es das Ende der Schulzeit für ihn war oder das letzte Mal, dass sie ihn alleine sah. Vielleicht auch, weil es einfach getan werden musste.

„Sie wissen, Draco, Sie müssen nicht immer das tun, was die Leute von Ihnen erwarten.“

Er wirkte nicht aufgebracht oder angegriffen bei ihren Worten. Eher schien er zu resignieren. „Wenn ich irgendetwas anderes tun würde, Madame Pomfrey, dann würde sich die Welt aus ihren Angeln heben.“

 

**


Draco machte sich auf den weg zu dem einzigen Ort, wo er genug Privatsphäre besaß, um ein entspannendes Bad zu nehmen. Das Badezimmer der Vertrauensschüler. Den Gemeinschaftsraum vermeidend, also wohlwollende Klapse auf die Schulter und gute Worte und Komplimente von Mädchen die die viel zu jung waren vermeidend, schlug er sich durch die Gänge. Der Schmerz in seiner Schulter ließ langsam völlig nach, aber noch konnte er sie nicht bewegen. Er spürte jeden Schritt, jede Treppenstufe und jeden Herzschlag wenn sein Herz frisches Blut durch seine Körper pumpte. Als er den fünften Stock erreicht und an Boris dem Bekloppten vorbei war, wollte er nichts anderes als einfach in seinem warmen Bad zu versinken und über die grauenhafte Rache an Donald Bligh nachzudenken.

 

„Was issn los?“, murmelte Boris unwirsch. Boris schien sich auch in diesem Jahrhundert zu weigern ein bisschen klüger zu werden.

„Nichts, du verrückter, alter Bastard. Lass mich in Ruhe.“

 

„Warte, du kannst da nicht rein.“

 

„Warum zur Hölle wohl nicht?“

 

„Weil da schon jemand ist.“

 

Da über der Türklinke hing tatsächlich ein „Nicht-Stören“ Schild. Wenn er genau hinhörte konnte er das Geräusch von rauschendem Wasser ausmachen.

VERFLUCHT NOCH MAL. Draco ließ seine Stirn gegen die Tür sinken und schloss die Augen. Der verfluchte Raum war doch wohl nicht tatsächlich besetzt? Wer zur Hölle nahm ausgerechnet jetzt ein Bad! Jeder normale Schüler war gerade in Feierlaune in den Gemeinschaftsräumen. Draco wollte gerade einen halbherzigen Schritt zurück machen, als ich etwas inne halten ließ.

 

Sein Zorn wurde mit einem Mal weggewischt. Er presste seine Handflächen und seine Wange sanft gegen die Tür.

 

„Granger.“, flüsterte er sehr leise. Die Gewissheit, sie hinter dieser Tür zu wissen, war alles andere als eine Beruhigung für seine Nerven, aber für einen kurzen Moment lang, war der Schmerz in seiner Schulter vergessen.

 

Woah. Krankes Zeug, dieser Fide Mia Zauber.

 

Sie war also dort drüben. Allein. Und er stand hier, mit nichts als einer Tür zwischen ihnen. Und noch besser war, alle anderen waren gerade mit etwas völlig anderem beschäftigt.

Der gerade Weg führt zu Problemen, erinnerte ihn der rationale Teil seines Gehirns. Wahrscheinlich mehr als nur eine Art von Problem. Besser wieder in die Keller zurückgehen, wo Pansy und die anderen ein kühles Butterbier bereithalten.

Ich will kein Butterbier, widersprach der Böse Bastard Teil seines Gehirns. Ich will bei dem Mädchen sein, das mich den Schmerz vergessen lässt.

 

So wie es den Anschein machte, war der rationale Teil seines Gehirns so willensstark wie ein Kaninchen, das im Karottenfeld ausgesetzt worden war.

 

Naja, wenn du es so ausdrückst…

 


„Curmudgeons.“, flüstere Draco und die Tür öffnete sich leise nach dem genannten Passwort. Er war dabei seine Böse Bastard Quote für diesen Monat noch etwas aufzustocken.

 

Es hatte Vorteile ein Vertrauensschüler zu sein.

 

 

Chapter Twenty



Der Raum war unglaublich voll von Dampf. Wenn Draco seine Augen schließen würde, dann konnte er sich tatsächlich vorstellen durch eine warme, weiche Wolke zu treten. Er fühlte sich positiv an das Türkische Badehaus erinnert, das er während seines Istanbul Urlaubs besucht hatte.

 

Draco hob seine Hand vor sein Gesicht und erwartete fast eine kaum zu erkennende Bewegung durch die dicke Luft zu sehen. In der Luft lag ein erfrischender und heilender Duft, was seinen Aufenthalt hier auch sinnvoll machte.

 

Oh, sie wird  mich hassen.

 

Er fühlte eine Enge in seiner Brust, die beim Eintreten noch nicht da gewesen war. Es war ein seltsames Gefühl. Zu milde um Schuld zu sein und zu unangenehm um als Ungeduld ausgelegt werden zu können. Was auch immer es war, es störte ihn und er wünschte, es würde verschwinden.

 

Sie saß kinntief im Wasser als er sie entdeckte.- Wahrscheinlich saß sie auf einer der unteren Stufen am anderen Ende der Wanne. Ihre Augen waren geschlossen und sie wirkte so vollkommen entspannt, dass er schon eifersüchtig war. Das Badezimmer hätte seins sein sollen, wenigstens für diesen Nachmittag. Er brauchte ein wenig Abstand von der richtigen Welt. Aber er konnte natürlich darauf vertrauen, dass Granger ihm seine Pläne zu Nichte machte.

Sein Blick durchs Badezimmer zeigte ihm, dass ihre Sachen zusammen gefaltet über der Handtuchstange hingen. Ihre Schuhe standen darunter. Immer vorbildlich, überlegte er und verdrehte die Augen. Dann wiederum aber vielleicht auch nicht immer. Sie war nicht sehr ordentlich gewesen, als sie sich im Motelzimmer ausgezogen hatte. Sie hatten dort mehrere Knöpfe verloren, Draco war sich sicher. Sein Reißverschluss hatte auch nicht mehr funktioniert. Er hatte die gesamte Kutschfahrt nach Hause (an den kleinen Ausflug zur Post in der Winkelgasse gar nicht zu denken) mit offenem Hosenstall.

Die Hose war aber vom Herrenhaus mit brandneuem Reißverschluss geschickt worden. Toolip hatte sich wohl darum gekümmert. Er war dankbar dafür, dass er keine Hose mit Knöpfen getragen hatte. Sie hatten sich fast manisch nach dem Tattoo stechen verhalten. Als wäre jede Sekunde ohne Berührungen die absolute Qual für sie beide gewesen. Knöpfe hätten Granger wahrscheinlich nur zornig gemacht. Er erinnerte sich, dass sie kaum noch eine gerade Linie hatte laufen können. Sie war so wacklig auf den Beinen gewesen, dass Draco sie hatte tragen müssen. Granger war nicht besonders elegant wenn sie betrunken war, aber sie war wesentlich unterhaltsamer als sonst. Er würde sogar soweit gehen und behaupten, sie hatte in dieser Nacht mehr gelacht als in den sieben Jahren zuvor.

Wenn er jemals in das Unglück kommen sollte, eigene Kinder zu haben, würde er ihnen sagen, dass es niemals gut war mit Magie herum zu spielen, von denen sie keine Ahnung hatten. Er könnte sich vorstellen, dann diese Geschichte zu erzählen, wie er unpassenderweise mit einem Schlammblut in einem Motelzimmer aufgewacht war und auch noch verheiratet war. Nur weil er dumm genug gewesen war, keinen Respekt vor alter Magie zu haben.

Natürlich würde er den Teil auslassen, in dem er absolut grandiosen Sex mit diesem Schlammblut gehabt hatte. Das machte aber auch die folgenden Turbulenzen nicht wett.

Der Beweis – also das Tattoo – wäre bald verschwunden, aber immerhin hätte er wenigstens ein Souvenir: Grangers pfirsichfarbenes Höschen lag gut versteckt auf dem Boden seines Koffers. Er schämte sich jedes Mal wenn er es anstarrte, wenn er sich eigentlich nur ein frisches paar Socken holen wollte.

Ja, ich bin immer noch hier. Und ich gehe auch nicht weg, bis du mich wegwirfst, schien es sagen zu wollen, gut versteckt zwischen zwei grauenhaften Paar wollenen Socken, die Millicent ihm vergangenes Weihnachten geschenkt hatte.

Es war ein interessanter Subtext in diesem Gedanken verborgen, aber Draco hatte keine Lust lange darüber nachzudenken, was es bedeuteten konnte. Es gab andere, wichtigere Sorgen in seinem Leben neben Granger. Das war bloße Übung dieses Mädchen aus seinem Kopf zu kriegen, damit er sich der Aufgabe widmen konnte, die ihm das Ministerium auferlegt hatte.


Ablenkung war nicht gerade gut, wenn man spionieren wollte. Er wusste genug über Betrug, um zu sagen, dass es half einen klaren Kopf zu haben, ohne Sorgen und einen gesunden Körper, ohne Rückenschmerzen und ohne die ständigen Gedanken an lange dunkle Locken und einen wohlgeformten Hinten.

Sein Gehirn war überzeugt, dass ein nachmittäglicher Verkehr mit Granger eine definitive Heilung wäre. Die Nacht in London war im noch im Gedächtnis  und er hatte gar nicht gewusst, dass es so schwierig sein würde, sie loszuwerden.

Dann wäre er in der Lage sie in Ruhe zu lassen. Natürlich wäre es.

Draco ging langsam (ziemlich behutsam) zu einer hölzernen Bank in der Ecke, setzte sich und zog seine Handschuhe aus. Mit den Händen funktionierte es nicht, also zog er sie mit den Zähnen aus und ließ sie achtlos auf den Boden fallen. Das Geräusch des Leders auf den Fliesen verursachte ein Echo.

Granger hätte sich fast den Kopf am Rand gestoßen vor Schreck, aber sie ging für eine Sekunde unter und kam prustend wieder nach oben. Es wunderte ihn nicht, dass ihre Tugendhaftigkeit auf Alarmbereitschaft war, und sie ihre Arme hastig um ihren Oberkörper schlang. Sie duckte sich ins Wasser, bis ihr Gesicht fast vollkommen vom Schaum verdeckt wurde. Sie war nur noch ein dunkler Fleck, fast wie ein haariger Frosch.

Er hob kurz die Hand, um ihr zu winken.

„Malfoy!“ Sie verschluckte sich erneut und begann zu husten. Das Schaumbad schien nicht besonders gut zu schmecken. Sie wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht. „Was zur Hölle tust du hier?“

Er begann, seine Quidditchstiefel auszuziehen und bereute es, dass er seine Knoten immer vollkommen unlösbar schnürte.

„Man sollte denken, das wäre offensichtlich. Ich bin dabei ein Bad zu nehmen.“ Es war wahrscheinlich dumm, so fröhlich zu klingen, aber er konnte nicht anders. Sie zu ärgern verschaffte ihm ein großes Vergnügen.

Er zog den linken Stiefel aus und der rechte folgte um einiges schneller. Draco schob sie zur Seite. Seine grauen Wollsocken kamen als nächstes dran.

Grangers Augen sahen aus, als ob sie gleich aus ihren Höhlen fallen würden. „Ein Bad?“, wiederholte sie, und sah Weasley besonders ähnlich, wenn er gerade verwirrt war. Eine Traube von Seifenblasen hing in ihren Haaren. Ihre Wangen waren nass und rosa und sie wurden immer dunkler. Sie hatte schöne Wangenknochen, bemerkte Draco. Fein, aber dennoch so gut ausgeprägt, dass sie dort keine Falten bekommen würde. Und ihre volle Unterlippe würde auch niemals hässlich aussehen können.

„Ja, Granger. Ein Bad. Etwas, das Wasser involviert, Seife, eine Wanne und wenn man Glück hat…“, er machte eine Pause für den bösen Effekt, „… Gesellschaft.“

Sie befeuchtete ihre Lippen. Ihr verwirrter Blick schwand langsam. Sie begann zu verstehen. Und sofort verwandelte sich die Verwirrung in grenzenlose Wut. Solche Wut, dass sie vergaß, ihre Hände schützend vor ihren Körper zu pressen. Ihre Fäuste hatten sich wahrscheinlich unter Wasser geballt. Draco musste zugeben, dass sie ziemlich gut darin war, ihm böse Blicke zuzuwerfen.

Es war wahrscheinlich Blaises Einfluss.

Aus irgendeinem Grund gefiel Draco diese Idee gar nicht, dass sie diese Eigenschaften von attraktiven Slytherins übernahm. Er hätte lieber, dass sie sowas von ihm übernahm. Er hatte genug Eigenschaften, die er weitergeben konnte. Jedenfalls, stand ihr Wut (so nackt wie sie in der Wanne saß, ihre Haut heiß und glänzend). Scheiß drauf, was der Rest der Schule über sie dachte. Sie war eine attraktive Harpyie. Eine hübsche Streberin. Draco gab zu, dass sie nicht schlecht anzusehen war. Was auch immer zwischen Jetzt und dem Abschluss passierte, Draco war sich sicher, dass, sollte er die Zeit überleben, er ab jetzt immer langbeinige, Brünetten mit Locken bevorzugen würde, mit großen Augen und dem Hang alles besser wissen zu wollen.

Und dann war da noch die Sache mit dem Verstand. Tja, die Geschichten mit den dummen, blonden, gutbestückten Kellnerinnen waren wohl zu Ende.

Der Schmerz in seiner Schulter, reichte offensichtlich nicht aus, um seine Erektion zu beeinflussen. Er musste vorsichtig sein, wenn er seine Hose auszog. Sie würde ihn sonst wohl sofort verhexen, wenn sie es sah. Am späten Nachmittag wüssten potter und Weasley Bescheid und er hätte schwere Verletzungen bis zum Abendbrot.

Sie sagte jetzt irgendwas. Es war erstaunlich, wie sie so eine schrille Stimme haben konnte. Granger sprach für gewöhnlich ruhig und beherrscht, fast sanft, aber trotzdem herrisch, nervig und weinerlich auf einmal.

„Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, Malfoy, aber das Badezimmer ist im Moment besetzt! Warte, bis du dran bist! Und verschwinde auf der Stelle, sonst werde ich…“

„Was? Eine Beschwerde einreichen? Ein Schüler-Bewertungsbogen ausfüllen und ihn in die Beschwerdebox werfen? Schreien? Keiner wird dich hören.“

Sie knurrte. Ja, sie knurrte. Es war süß. „Das wirst du nicht tun, du Bastard. Ich spiele nicht diese Spiele mit dir! Wir hatten eine Abmachung!” Sie war so wütend, dass sie das Wasser schlug. Leider erinnerte sie das daran, dass ihre Brüste mittlerweile kaum noch vom Schaum bedeckt wurden.

Bei Merlin. Wie war es möglich, dass der Rest der Schule niemals bemerkt hatte, dass du Schulsprecherin so einen verflucht ansprechenden Vorbau aufzuweisen hatte? Klein, aber perfekte Proportionen, mit kleinen harten Nippeln, die auf seine Hände und seinen Mund reagierten und sich färbten wie es ihre Wangen taten. Sie war schlank, aber mit der Andeutung von Kurven und weichem Fleisch an den richtigen Stellen. Die meisten dieser hervorragenden Attribute waren unter ihren furchtbaren Sachen versteckt. Jogginghosen im Winter, weite T-Shirts im Sommer.

Vielleicht war es besser so. Sie würde sich sonst noch was denken, wenn jeder Idiot in der Schule anfing sie zu begaffen.

Dass es Ron Weasley bereits tat, war schlimm genug.

Seine Erinnerung an London war immer noch schemenhaft, aber diese Tatsache störte ich nicht mehr so, wie noch am ersten Tag. Er erinnerte sich dafür an das Gefühl, sie zu berühren besser, als er es wirklich vor Augen hatte. Sie erinnerte sich, wie sie sich unter seinen Händen angefühlt hatte. Die vage Erinnerung, wie ihre Brüste perfekt in seine Hände gepasst hatten. Ihre weiche Haut, die sanften Kurven ihrer Schultern und das Gefühl ihres Schlüsselbeins unter seinem Kuss.

Sie hatte es bewusst gar nicht mehr wahrgenommen, wie er sie berührt hatte. Sie hatte ihm vollkommen vertraut, dank ihrer blinden Trunkenheit. Und ehrlich, wenn sie seins wäre, würde er den Alkohol versteckt und verschlossen halten. Für immer. Für den Fall, dass irgendein Typ auf die Idee kam, diese Achillesferse an ihr anzuwenden. So wie er es getan hatte.

Neben der Tatsache, die er eine „Natürliche Lüsternheit“ nennen würde (eine Redewendung, die Crabbe öfter verwendete, wenn er von seiner Beauxbatons Freundin sprach), war da immer noch diese Unschuld, die er schrecklich interessant fand. Es war, als sehe er eine Farbe, die er vorher noch nie gesehen hatte und würde sagen, „ Oh, wie schön.“.

Sie spritzte mit Wasser nach ihm. Ziemlich viel sogar. Er genoss es. Er schob sich das nasse Haar aus der Stirn, und wischte sich das trockene Blut von der Nase. Er warf ihr einen warnenden Blick zu.

„Beruhige dich, Granger.“, informierte er sie spöttisch. „Du tust dir noch weh.”

„Ich werde dir wehtun, wenn du nicht verschwindest.“, zischte sie. Sie blickte sich verzweifelt um. Wahrscheinlich suchte sie nach einer anderen Waffe, als das Seifenwasser. Aber ihr Zauberstab war bei ihrer Kleidung und diese lag weit außerhalb ihrer Reichweite. Da war aber immer noch ein Tablett voller Seifen, Badesalz, Ölen und ein Schwamm.

Die Seifen flogen ihm um die Ohren, eine nach der anderen. Er schaffte es, sich jedes Mal zu ducken. Als die Gläser mit Badesalz folgten, hob er die Bank an und ging dahinter in Deckung. Dann kam der Schwamm, aber es war wenig beeindruckend, wie er mit einem nassen „Klatsch“ an die nächste Wand flog und eine nasse Spur hinterließ als er zu Boden glitt.

„Du widerlicher, perverser Mistkerl!“, schrie sie, während sie nach dem Tablett griff. Leider war das mit der Wanne verbunden. Sie zog ein paar Mal daran, ehe ihr aufging, dass er ihre Brüste nun vollständig sehen konnte, und duckte sich schnell zurück ins Wasser. Sie starrte ihn mit unverhohlenem Hass in die Augen.

Würde er lachen, würde sie noch wütender werden und sich bestimmt noch irgendwie weh tun. Also biss sich Draco auf die Lippe, zwang sich zur Ruhe und wich den glitzernden Scherben auf dem Boden aus. Jetzt zog er sich langsam die Weste aus.

Er fing auch an zu summen.

Seine Gelassenheit brachte sie zur Weißglut, aber dennoch müsste sie nackt und nass aus der Wanne klettern und zu ihren Sachen gehen, um zu ihrem Zauberstab zu gelangen. Es gab nicht viel anderes, was sie tun konnte.

„Ich schwöre dir, wenn du nicht sofort gehst, Malfoy, dann gehe ich direkt zu Dumbledore.“

Darauf hatte er schon gewartet. Sie sollte genau wissen, um was es ging, bevor er sie manipulieren konnte. Draco wusste, sie würde es nicht tun. Es zu sagen, würde bedeuteten, dass sie genauso Mist bauen konnte, wie alle anderen.

Außerdem… sie mochte ihn.

Obwohl er dieses mögen ein wenig zu oft testete und sie zu oft provozierte…

Aber was soll‘s. Die Jungend war eben dafür da, potentiell dumme Entscheidungen zu machen und von den Fehlern zu lernen. Er wusste, dass sie bluffte. Wenn sie wirklich einen Fehler machen sollten, der nicht rückgängig zu machen war, dann würde er wenigstens erfreulich sein.

Nachdem er die Weste aushatte, fehlte nur noch das Shirt. Er schloss die Augen vor Schmerz als er den Arm heben musste. Er warf es auf die Bank. Der Schmerz zwang ihn, ein paarmal zu blinzeln, ehe er seinen Fokus wieder gewann. Wenn er bewusstlos werden würde, würde sie ihn wahrscheinlich ertränken oder etwas ähnliches.

Er drehte sich zur Wand, für ihr beider Wohl, und begann die Hose seine Beine hinab zu schieben.

 

**

 

„DU WIRST DEINE VERFLUCHTE HOSE ANBEHALTEN, MALFOY!“

 

Sie war vollkommen panisch. Malfoy hatte also beschlossen, völlig zu ignorieren, dass das Badezimmer besetzt war. Er war einfach rein gestolpert. Obwohl stolpern nicht das richtige Wort war. Der Bastard hatte es ziemlich geschickt und leise getan. Jetzt stand er hier, hatte erklärt, was er vorhatte und erwartete, dass es sie nicht störte.

Die Tatsache, dass sie eine Vergangenheit hatten, war eine lahme Entschuldigung, ohne Zweifel.

Aber es störte sie. Es war genau die Art von Verhalten, die sie von ihm erwartete und hoffte, er würde sich dennoch nicht so verhalten. Vielleicht fanden es andere Mädchen charmant, vielleicht fanden sie ihn unvorhersehbar und verwegen, aber sie tat das nicht. Sie hasste es, wenn er es schaffte, dass sie sich prüde fühlte, als würde sie keinen Spaß verstehen.

Seine Bemerkung an dem schlimmen Wochenende, kamen ihr wieder in den Sinn:

„Vermisst du es?“

Vermisse ich was?“

„Den Stock, den ich tatsächlich aus deinem Hintern entfernt habe.“

War es wahr? War sie so verfahren, dass sie die leichten Dinge des Lebens nicht mehr sehen konnte? Was war schlimm daran einen Spruch ein wenig zu überstrapazieren? Sie war doch ganz klar willens gewesen an ihrer Abschlussparty über die Stränge zu schlagen. Brachte etwa ein alkoholisches Fiasko ihre wahren Seiten ans Licht? Und was überhaupt waren ihre wahren Seiten?

Lila, höchstwahrscheinlich, überlegt Hermine. Hatte die Sünde überhaupt eine Farbe?

Sie waren beide erwachsen. Würde sie es erlauben.. Was überhaupt erlauben? Sexuell belästigt und bedroht zu werden? Mit ihr spielen zu lassen und sie dann wegzuwerfen, wenn es ihm langweilig wurde? Es gab Dinge, mit denen sich eine Frau – ob Muggel oder Magisch – niemals beschäftigen sollte. Eines dieser Dinge war Draco Malfoy.

Die Realität, wo der Fida Mia Zauber endete und die wahren Gefühlen für ihn zum Vorschein kamen, waren eine problematische Sache. Vielleicht war wirklich etwas völlig falsch in ihrem Innern. Etwas, dass nach seinem unmöglichen Verhalten gierte. Leise, witzig und einfühlsam zum einen – kalt, berechnend und beängstigend zum anderen.

Es war dämlich. Sie war dämlich. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, deren Luftblase zum Platzen gebracht worden war. Von einem Jungen, der sich genau als das darstellte, was sie sowieso schon von ihm gedacht hatte.

Wenn er sie jetzt zum Weinen brachte, würde sie ihm das niemals verzeihen.

Eine weitere Analyse ihrer Gefühle wurde von dem vertrauten Gefühl unterbrochen, eine Gänsehaut zu bekommen. Sie fühlte die Hitze in ihrem Innern. Als hätte jemand die Hitze im Badezimmer einfach höher gestellt.

Gegen ihr besseres Wissen hob sie den Blick, um zu sehen, zu welcher Missetat er sich jetzt wieder hinreißen lassen würde. Sie starrte seinen tätowierten Rücken an und betrachtete somit genau einen der beiden Teile ihres Problems.

Da waren sie. Seine Flügel, die genauso wunderschön aussahen, wie sie sie in Erinnerung hatte. Ihm so nah zu sein, war absolut hypnotisierend. Mit jeder Bewegung schienen sich die Flügel ebenfalls zu bewegen. Er sah aus, wie eine Art verletzter Engel, der immer noch seiner Verletzungen der letzten Schlacht zu tragen hatte.

Dort, wo der linke Flügel leicht eingeknickt war, erkannte sie eine Stelle, die seine sonst makellose Haut entstellte.

„Großer Gott! Ist das von Bligh?“, wollte sie wissen und starrte vor Schrecken auf die dunkle Färbung auf seiner Haut. Jeder hatte das Foul gesehen, aber es sah nicht so ernst aus, wie es sich jetzt darstellte. Fast schwarz war die Färbung seiner Haut.

Er sah sie an, blickte dann an sich hinab und zuckte die Schultern. „Ich zahl’s ihm später heim.“

Nach dem Ausmaß seiner Verletzungen zu urteilen, musste er ziemlich heftige Schmerzen haben. Aber er zeigte es natürlich nicht. Harry war genauso. Jungs waren alle gleich verrückt.

„Pomfrey hat mir Salbe mitgegeben. Ich habe gehofft, dass du mir helfen würdest”, fügte er hinzu.

Ihr Mitleid schwand. Sie brauchte dringend etwas, um es nach ihm zu werfen. Offensichtlich war ihm klar, dass er hier nicht willkommen war dennoch war er da – und mit nacktem Oberkörper fragte er sie, ob er tatsächlich ein Bad mit ihr nehmen durfte, damit sie die versaute Krankenschwester spielen würde.

Seine Hose hatte er noch an. Vielleicht bestand hier noch Hoffnung.

 

„Dann hoffst du auf ein Wunder, Malfoy“, erwiderte sie kühl. „Geh zu Pansy, oder zu irgendeiner deiner anderen Eroberungen und lass sie es für dich tun.“

 

Er sah irritiert aus und milde verblüfft. „Pansy war niemals eine Eroberung. Wieso denkt das jeder?“

 

Vielleicht wegen deines Rufs als männliche Schlampe von Hogwarts, dachte sie bei sich, aber sie sagte es nicht laut, denn im Gegensatz zu ihm hatte sie immer noch Manieren.

 

Abweisend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Vielleicht würde er einfach verschwinden, wenn sie ihn ignorierte.

 

Aber damit schien sie kein Glück zu haben.

 

„Ich habe bereits alles von dir gesehen, Granger. Und du von mir. Aus nächster Nähe, wenn du dich erinnerst,”, sagte er jetzt. Was folgte, war das vertraute Geräusch eines Reißverschlusses, der geöffnet wurde. Wirklich, niemand brauchte dafür so lange. Er war absolut nervtötend.

 

„Unglücklicherweise erinnere ich mich, ja“, murmelte sie, unglücklich darüber, dass sie nun überall errötete. Nach einem kurzen Blick wusste sie, dass die Handtücher und Bademäntel zu weit entfernt lagen. Nur ein kleiner Waschlappen lag neben ihr am Rand.

 

Wenn sie doch nur den zauberstablosen Accio beherrschen würde. Harry konnte ihn.

 

„Ich werde jetzt bis fünf zählen, du widerlicher Spanner. Wenn du dann nicht verschwunden bist, werde ich dich verstümmeln.“ Sie wusste, Drohungen wirkten bei ihm nicht, also legte sie so viel Kälte wie sie konnte in ihre Stimme. „Eins… Zwei…“

 

„Du bist wunderschön“, sagte er leise. Und dieses Mal hörte sie keinen Spott in seiner Stimme. Er war jetzt höchstwahrscheinlich nackt. „Ich glaube nicht, dass ich dir das schon gesagt habe. Ich werde hart, wenn ich nur an dich denke.“

 

Hermines Mund wurde übergangslos trocken. Seine Stimme änderte sich immer ein bisschen, wenn er das Wort sagte, was sie niemals sagen würde. Eben die Dinge, die er manchmal sagte. Sie glaubte nicht, dass sie sich jemals an seine Worte gewöhnen könnte, selbst wenn sie schon dreißig Jahre verheiratet wären. Er hatte den Hang, sie immer wieder zu schocken.

 

„Du bist ein Lügner und ein Bastard, und ich war dumm genug, mit dir zu schlafen. Da hast du’s.“

 

„Hab ein Herz”, flehte er.

 

Er war mittlerweile im Wasser. Hermine hörte das sanfte Eintauchen und spürte die Wellen an ihrem Körper. Sie stieß ungläubig die Luft aus. „Hab etwas Sinn für Anstand! Vier!”

 

Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter und registrierte, dass er auf “seiner” Seite der Wanne blieb. Er lehnte sich an den Rand und schloss die Augen. Selbst aus dieser Distanz konnte sie seine nassen vollen Wimpern auf seinen weichen Wangenknochen ruhen sehen. Er hatte einen hässlichen Kratzer, der sich über seinen Kiefer zog. Er sah aus, als müsse er zielich wehtun. Sie sah auch Spuren von getrocknetem Blut unter seiner Nase und auf seinem Kinn.

 

Er sah ziemlich angeschlagen und mitgenommen aus, und abgesehen von der Tatsache, dass er Teufel war, konnte sie nicht anders als ein wenig Mitleid zu empfinden.

 

Etwa eine Minute verging. Sie war zufrieden, dass er blieb, wo er war. Sie war bereit aus der Wanne zu klettern. Sollte er sie wirklich ansehen wollen, dann sollte er eben.

 

„Wo willst du hin?“, fragte er genauso schnell wie sie es sich überlegt hatte.

 

Sie starrte ihn an, als hätte er soeben gefragt, ob Hosen zwei oder drei Löcher für die Beine hätten. „Weg von dir. Nimm dein Bad. Der Raum gehört dir.”

 

„Bleib”, sagte er bloß. Nu reine winzige Spur des Flehens lag in seiner Stimme. Es war kaum zu hören, aber es war hypnotisch. Hermine war sich sicher, dass Malfoy eher der Typ Mensch war, der sich die Zunge abbeißen würde, ehe er irgendjemanden um etwas anflehte.

 

„Draco, du bist vollkommen übergeschnappt, weißt du das?” Er musste das wirklich von ihr hören.

 

„Bleib.“ Dieses Mal lag nichts Nettes in seiner Stimme als er sprach. Es war als er sie damals vor dem Büro seines Vaters bedrängt hatte. Damals hatte er einfach nur kalt klar gemacht, was er wollte. Eben der Draco, der alles bekam, was er wollte. „Bleib, oder ich erzähle Potter und Weasley, dass wir es letztes Wochenende wie die Karnickel getrieben haben und dass du mir den besten Blowjobs meines Lebens verpasst hast.“ Da war die vertraute Boshaftigkeit in seiner Stimme. Es hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass er wusste, dass ihr Ruf einer ihrer wenigen wunden Punkte war.

 

Hermine spürte, wie das Blut aus ihren Wangen wich. „Das würdest du nicht tun“, provozierte sie ihn. „Du hast genauso  viel zu verlieren wie ich.“

 

„Nicht wirklich“, informierte er sie jetzt und hob gleichgültig seine gesunde Schulter. Erst jetzt fiel ihr auf, dass seine Augen die Farbe geändert hatten. Es war relativ dunkel im Badezimmer und die Farbe seiner Augen war von dem hellen silbergrau plötzlich zu einem stählernen Ton gewichen. Er stieß sich von der Kante ab und griff nach ihrer Hand. Sie wehrte sich nicht sofort und er nutzte die Gelegenheit, ihre Hand fester zu greifen und ihre feinen Knöchel zu massieren.

 

„Potter und Weasley machen vielleicht den lahmen Versuch, mich zu verprügeln, aber damit kann ich leben“, erklärte er, während er immer noch ihre Hand streichelte. Die Sensation, die seine Finger in ihrem Inneren verursachten, waren berauschend. „Mein Vater wird auch drüber hinweg kommen. Er braucht mich. Er weiß, dass ich letztendlich übernehmen muss. Und wenn Lucius entscheiden sollte, sich gegen seine Auflagen des Ministeriums zu wehren, werde ich Professor Snape darauf ansetzen.“

 

Sie hatte das Bedürfnis ihn an den Schultern zu packen und ihn so lange zu schütteln, bis die Logik wieder in sein Blickfeld rutschen würde. „Vor einer Woche warst du noch genauso angewidert, wie ich es war!“, beharrte sie.

 

„Ich hatte Zeit über die Vor- und Nachteile nachzudenken. Und wenn überhaupt, dann bedeutet, dich flachzulegen nur, dass sich mein Ruf verbessern wird.“ Er lächelte plötzlich.  „Du könntest der weiße Elefant für Ahab sein.“

 

“Das ist der weiße Wal, du verrückter Perversling.” Er hatte offensichtlich keine Ahnung, wie Moby Dick endete. Fast wollte sie ihm erzählen, dass Kapitän Ahab eines grausamen Todes gestorben war, den er selber verschuldet hatte und eine Woche auf seinem blöden Schiff zu Tode geblutet war.

 

Sie zitterte vor Wut und vor anderen unaussprechlichen Emotionen. Es war eine plötzliche Traurigkeit. Enttäuschung wäre ein zu triviales Wort gewesen. „Es läuft jetzt also auf Erpressung hinaus, ja?“ Sie verfluchte ihre Stimme dafür, so zu zittern. Sie zog stur an ihrer Hand, die er immer noch genauso stur festhielt.

 

Kurz herrschte Stille, in der sich beide betrachteten. Hermine fand es erstaunlich, dass er ihr immer noch in die Augen sehen konnte, nach all dem, was er soeben von sich gegeben hatte.

 

„Könntest du einfach die blöde Salbe auf meiner Schulter verteilen?“, knurrte er wütend und klang zum ersten Mal ungeduldig, seit er das Badezimmer betreten hatte. Er verknotete seine Finger mit den ihren. „Bitte. Das ist alles, was ich will.”

 

„Wieso?”

 

“Weil die Schmerzen mich umbringen”, erwiderte er trocken. Er griff nach der Salbe am Wannenrand. Hermine sah ihm zu, als er den Deckel öffnete, eine Hand voll Salbe raus holte und sie in ihre Hand drückte. Unter Wasser hatte er sein Bein um ihren Unterschenkel gelegt. Sein Haar Kitzelte ihr Bein. Jetzt brachte er sie näher an sich, so nah, dass sich sein Penis gegen ihren Bauch drückte. Das reine Gefühl ließ ihr schwindelig vor Augen werden und ein Schwall Hitze breitete sich in ihrem Unterleib aus. Dort wo vorher die Schmetterlinge gewesen waren.

 

Dieser Junge besaß nicht den Hauch von Bescheidenheit. Er wurde nicht einmal rot.

 

„Du siehst, ich habe keine Geheimnisse vor dir.“ Er steckte eine ihrer Locken hinter ihre Ohren und sah amüsiert aus, als sich die Locke um seinen Finger wickelte.

 

Ihr Haar war ein solcher Verräter. Sie hätte ihren Kopf vor dem Sommer rasieren sollen. Vielleicht würde sie das jetzt noch tun.

 

„Nein, hast du verflucht noch mal nicht“, gab sie ironisch zurück. Es störte sie, dass sie nicht allzu viel von ihm wusste. „Was hat dir Dumbledore letzte Woche in seinem Büro erzählt? Und was stimmt nicht mit deiner Schulter, dass Madame Pomfrey es nicht beheben kann? Und was hat Snape mit den Stimmungen deines Vaters zu tun? Sind sie alte Freunde vom Todesser Sommercamp oder so was?“

 

Er hob eine Augenbraue. „Oder so was. So viele Fragen. Fang an mich einzureiben und vielleicht erzähle ich es dir.”

 

Gegen ihr besseres Wissen und gegen jeden ihrer Instinkte, tat sie, was er verlangte. Wenn auch nur, weil sie neugierig war. Das sagte sie sich jedenfalls selbst. Sie verteilte die Salbe auf ihren Fingern und begann seine Haut einzureiben. Es roch nach Eukalyptus und weitere bekannte Düfte. Zuerst war sie nicht besonders einfühlsam und er knurrte nach jeder Berührung. Sie konnte nicht leugnen, sie würde die vielen Verspannungen und Knoten in seiner Schulter nicht spüren. Aber sie spürte Genugtuung, dass er die nächsten Tage wohl einige Schmerzen haben würde.

 

Er beschwerte sich jedoch nicht. Auch hielt er sie nicht auf. Er sah sie einfach nur ausdruckslos an. Sie konnte beinahe fühlen, wie er ihre roten Wangen in sich aufsog. Sein Blick wanderte tiefer zu ihren Lippen. Sie hatte das plötzliche Verlangen ihr Haar vor ihr Gesicht fallen zu lassen.

 

„Granger, ich könnte schwören, dass ich die Hitze fühle, die dein Gesicht abstrahlt. Hast du dich noch nie um deinen kranken Geschwister oder dein Haustier gekümmert?“

 

Sie ließ sich nicht beirren. „Crookshanks wird nicht krank. Und ich bin Einzelkind. Ich dachte, ihr Todesser wisst über so was bescheid?”

 

„Ich bin sicher, dass Todesser so etwas tun. Aber ich bin kein Todesser. Ich weiß es also nicht“, erwiderte er knapp. Wahrscheinlich hasste er diese Assoziation. Schließlich fügte er seinen harschen Worten etwas sanftere hinzu. „Ich wusste nicht, dass du Einzelkind bist. Du verhältst dich nicht so.”

 

Aus irgendeinem Grund, gefiel ihm wohl ihr Ohr und ihr Ohrläppchen besonders gut. Aber auch die Linie ihres Kiefers. Er berührte sie kaum. Leicht ließ er seine Fingerknöchel ihren Kiefer hinaus wander und hielt an ihren Lippen inne.

 

„Wie verhalte ich mich dann?“, wollte sie wissen. Sie fuhr mit den Daumen über die dunkelste Stelle seiner Verletzung und drückte leicht zu.

 

Er stöhnte leise. „Mütterlich. Du verhältst dich, als sorgst du dich ständig nur um hilflose, dumme Menschen und Tiere in deinem Leben.”

 

Sie schnaubte auf. „Harry und Ron würde das bestimmt zu gerne hören.“

 

Harry hat einen Märtyrerkomplex, ist absolute fatalistisch, hat das Borderline Syndrom und verweigert Autorität, weil er sich tief im Innern besser als der Rest der Welt fühlt. Ron hingegen leidet unter dem Unterdrück-Mich-Syndrom. Er hat wahrscheinlich mehr Talent, als er glaubt. Er ist so daran gewöhnt nur Zweiter zu werden, dass es ihm ausreicht. Zu gewinnen allerdings ängstigt ihn so sehr, dass er seine Quidditchspiele  immer nur knapp über dem Durchschnitt spielt. Er verehrt Potter nur ein wenig mehr, als dass er ihn beneidet und er ist natürlich in dich verliebt, aber verbietet sich selber, dich zu haben.“

 

Draco fing einen Tropfen Wasser von ihrer Nasenspitze als er fertig war.

Hermine schnappte nach Luft. Jede schmutzige, gemeine, häßliche Sache, die sie jemals über die Jungs in den letzten sieben Jahren gedacht hatte, wurde hier von Draco in ein paar knappen Sätzen in Worte gefasst.

 

„Du bist nicht die einzige, die zusieht und lernt.”, erklärte er. Er zog sie in seine Arme. Es war eine emotionale und physische Offenbarung und sie war für einen Moment erstaunt.

 

Der Spruch verdoppelte und verdreifachte jedes bisschen an Emotionen in ihr. Hass und Furcht wurden größer, aber auch die anderen Gefühle, die sie für ihn hegte. Sie fühlte sich leicht und ihr Herz schlug schnell. Es machte sie krank. Sie wollte ihre Arme um ihn legen, bis alles Schlechte der Welt verschwunden war, vor allem, da sie überzeugt war, dass vieles Schlechte in seinem Innern war

 

 „Du hättest im Krankenflügel bleiben sollen.“, sagte sie schließlich. Weiß Gott, was ihre Augen eigentlich sagten. Zu viel wahrscheinlich. Es war ihr egal.

 

„Ja, hätte ich.“, erwiderte er nun völlig ernst. Draco sah sogar ziemlich besorgt aus. Er sah aus, als wollte er sie küssen. Er sah tatsächlich genauso aus, wie im Wald, eine Woche zuvor als er sie geküsst hatte.

 

„Bitte, fass mich nicht an“, flüsterte sie und zitterte, trotz der Hitze.

 

„Glaub mir, ich versuche, es nicht zu tun“, antwortete er mit rauer Stimme. Sie flüsterten beide.

 

Oh Gott oh Gott oh Gott oh Gott… er war bloß ein Junge. Sie würde damit schon fertig werden.

 

„Verflucht, Granger. Ich verspreche, ich werde dir nicht wehtun.“

 

Lügner, dachte sie traurig. Und dann küsste sie ihn.

 

Chapter Twenty-One



Es war, als wäre ein Damm gebrochen, als ob jemand mit den Fingern geschnippt hätte und ein glatter, ruhiger See wurde ein reißender Strom – ohne jegliche Art von Warnung.

Grangers Beine legten sich unter Wasser um seine Hüfte, und seine Hände legten sich um ihren Po, um ihr mehr Halt zu geben. Das Gefühl von Haut an Haut war phänomenal. Er war überrascht, dass die Hitze, die ihre Tattoos ausstrahlten das Wasser nicht zum Kochen brachte. Natürlich war es nicht direkte Hitze, sondern konzentrierte Reibung, wo sich ihre Fingerspitzen und ihre Haut berührten. Es war, als besäße er doppelt so viele Nervenden wie zuvor.

Dracos letzter zusammenhängender Gedanke war, dass er noch ein Buch aus der Bibliothek hatte, das überfällig war. Madame Pince würde ihn wahrscheinlich die Augen ausstechen, würde sie erfahren, dass er es vor einem Monat in eine Schlammpfütze in Hogsmeade hatte fallen lassen.

Ich werde verrückt, wurde ihm plötzlich klar, aber das war ihm recht egal.

Ihre Küsse waren ihr sehr ähnlich. Es herrschte eine Konzentration. Als würde sie sich sehr genau damit befassen, alles aufzunehmen, was um sie herum passierte, als müsse sie seinen Geschmack, seine Berührungen aufsaugen und selber wiedergeben. Vielleicht würde es später noch einen Test darüber geben. Er lächelte gegen ihre Lippen bei diesem Gedanken und fühlte eine Mischung aus Zufriedenheit und weißer, heißer Lust.

Es gab keine überschwängliche, schlampige Technik bei ihr. Die meisten Mädchen dachten nämlich, dass es ihn scharf machen würde, würden sie einfach sein Gesicht packen und ihn mit Küssen ersticken. Er war zufrieden damit, Hermine zu halten und sich von ihrer eigenen Art verbrennen zu lassen. Sie war lächerlich zärtlich. Er wollte ihr sagen, dass er es aushalten würde, wenn sie ihn verletzen wollte. Das würde er auch vielleicht tun, wenn er sich von ihren Lippen lösen wollte.

Die Anspannung, der Schmerz, der halb durchdachte Plan Donald Bligh Abführmittel in den morgendlichen Tee zu kippen – alles löste sich langsam in seinem Kopf auf. Mit einer Hand umfing er nun ihre Brust und war sich bewusst, dass er nicht besonders viel Zeit auf eine bessere Technik verschwand, als den alleinigen Gedanken, sie einfach überall zu berühren. Der Kontrast zwischen ihrer beeindruckenden Haut und seinen zerschunden Fingern war fantastisch.

Als ihre zärtliche Zuneigung nicht mehr ausreichend war, nahm er ihr Kinn zwischen seine Finger, drehte ihren Kopf zur Seite und übernahm die Führung. Sein Lohn für die ausgedehnte Geduld, war ein Seufzer von Hermine. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern, führte sie dann hoch zu seinem Nacken und noch weiter hinauf zu seinen Haaren. Ihre Brüste pressten sich gegen seine eigene Brust. Zu gerne hätte er sie mit seinem Mund liebkost, aber das würde bedeuten, er müsse sie für einen Moment loslassen. Er glaubte wirklich nicht, dass er das schaffen würde.

Schließlich war es Granger, die sich zurück zog, wahrscheinlich um sich besser zu positionieren. Sie versuchte ihn näher an sich zu bringen, beinahe an ihm hinauf zu klettern so sehr steigerte sie sich in ihre Versuche. Immer wenn sie wieder ins Wasser glitt, hatte er die Möglichkeit sie anzusehen, um sicher zu gehen, dass es tatsächlich immer noch Granger war, die sich an ihn presste.

Nein. Es war Hermine. Das Mädchen von dem Motel; mit all der bekannten Zuneigung und Leidenschaft für ihn, die von ihr ausstrahlten. Das beengende Gefühl, sie nach Hause zu nehmen und sie wegzuschließen ergriff kurz wieder von ihm Besitz. Nur zu besonderen Anlässen würde er sie wieder hervorholen.

Draco hielt nicht viel von Religion, aber er erinnerte sich an eine Muggelgeborene Verrückte, die behauptet hatte, Gott hatte die Menschen so entworfen, dass sie in Paaren kamen. Jedes Individuum hatte ein passendes Gegenstück.  Vielleicht in größeren Dimensionen betrachtet, war sie dafür ausgelegt sein Gegenstück zu sein.

Die Definition von gefährlich, begann sein Gehirn, wie mit einem brutalen Stich in die Seite, ist, wenn ein Mädchen die Fähigkeit besitzt, über deinen Schöpfer nachzudenken.

Er presste den Mund gegen die weiche Haut unter ihrem Ohr und saugte leicht daran. Es war ein gutes Gefühl, die Hitze ihres Blutes direkt unter ihrer Haut spüren zu können. Er zog den Kopf zurück und betrachtete den roten Fleck, den er verursacht hatte. Merlin steh ihm bei, er wollte tatsächlich noch mehr Stellen kennzeichnen. Er wollte sie in der Schule durch die Korridore wandern sehen, während sie diskret an ihrem Kragen zupfen würde, um die Kratzer und Flecken zu verbergen, von denen nur er wusste, dass sie da waren.

Schließlich ließ er Hermine von ihm ab, um zu Atem zu kommen. Beide standen etwas wacklig im hohen Wasser, aber nur sie brauchte ein paar Atemzüge, um ihre Nervosität zu beruhigen. Aber ihr suefzerartiges Ausatmen gab ihm mehr Selbstvertrauen. So dunkel ihre Augen auch waren, er erkannte, dass sich ihre Pupillen geweitet hatten. Sie hatte rote Flecken im Gesicht und sah mehr aus abgelenkt aus. Er ließ zu, dass sie feine Küsse auf seinen Mundwinkeln und Wangenknochen verteilte. Auf seiner Nase, seinen geschlossenen Lidern. Mit der Zungenspitze sammelte sie die feinen Wassertropfen in seinem Gesicht auf.

Draco sagte irgendwas. Er wusste nicht genau, was es war. Wahrscheinlich ein Fluchwort, dicht gefolgt von dem Wort “Gott”.

Und er tat es noch einmal. Das war nicht gut.

Seine Hand fand ihren Weg zu ihrer Hüfte und berührte das Tattoo. Er konnte sich beinahe vorstellen, wie er allein durch den Kontakt zu dem silbernen Drachen mit seiner Hand, winzig kleine Stromstöße erzeugte.

Beide wichen beinahe auseinander vom Schock der Berührung.

Der Spruch mochte vielleicht unsichtbar im Tattoo unter ihrer Haut verborgen sein, aber der Effekt war ziemlich deutlich. Hermine wirkte genauso desorientiert wie Draco. Sein Kopf ruhte nun auf ihrer Schulter. Sie fühlte sich leichter als ein Schmetterling in seinen Armen.

Er wollte nicht aufhören. Der Spruch verlangte von ihnen, dass sie nicht aufhörten. Seine jugendliche Libido war anscheinend mit dem Fida Mia Spruch verbunden, und schrie in seinem Innern nach Befriedigung.

Er dachte an nichts anderes mehr, als an zu Beenden, womit er hier angefangen hatte, und umfasste seinen Schwanz, während er ihn zu ihrer Mitte führte. Es war nicht einfach, wenn man berücksichtigte, dass er größer war und sie überall glatt und schwer zu halten.

Sie schauderte, als er seinen Kopf gegen ihre Stirn lehnte, ihren Namen stöhnte und seinen Schwanz bis zu einer Winzigkeit in ihr versenkte.

Er dachte wirklich, er wäre nicht in der Lage aufzuhören, selbst wenn das Schloss um ihn herum zusammen brechen würde. Er wollte mehr. Er wollte alles von ihr. Jetzt. Es würden noch weitere Male folgen, versprach er sich und küsste sie zwischen die Augenbrauen. Er würde es wieder gut machen und sich auf Dutzend verschiedenen Arten ihren gelüsten widmen.

Aber eben nur nicht jetzt.

Er hielt anscheinend für zu lange inne, denn ihre Augen waren weit geöffnet. Sie sah miut solcher Beängstigung an, die sich für schuldfreies Vögeln eigentlich nicht gehörte. Er stieß ein wenig weiter nach vorne und starb innerlich ob der sanften, engen Hitze, die ihn zu umfangen drohte. Das Wasser war zwar warm, aber eiskalt im Vergleich dazu, in ihr versunken zu sein.

„Warte. Warte kurz“, sagte sie mit gerunzelter Stirn. Zwar gebot sie ihm nicht aufzuhören, aber sie gab ihm auch keine zwei enthusiastischen Dauemn nach oben, um weiter zu machen. Sie zog sich zurück.

Absolut verflucht noch mal unglaublich. Bei allem was heilig war, das war doch wohl nicht die Art und Weise, wie sie ihm sagen wollte, aufzuhören, oder?

Vor allem war es dieselbe Hand, die ihn jetzt von sich wies, die vor keiner Minute noch einen seinen Haaren vergraben war.

„Ich glaube, ich will das nicht wirklich tun“, erklärte sie atemlos und verängstigt. Der helle Schimmer in ihren Augen war mehr als nur die reine Wasserreflexion.

Draco wurde klar, dass er ziemlich bescheuert aussehen musste, sie mit offenem Mund anzustarren, keuchend als hätte er gerade einen Hosgmeade Wettlauf unter zehn Sekunden hingelegt. Tatsächlich ignorierte sie irgendwie die Tatsache, dass er halb vergraben in ihr war.

Hermine Granger war eine absolute Qual, die jetzt ihre verrückte Meinung ändert, befand Draco.

Also ließ er von ihr ab und wich ebenfalls komplett zurück. Was zum Teufel sollte denn sonst schon tun? Der Blick eines eingekreisten Tieres, den sie so gut drauf hatte, ließ ihn die Enge in seiner Brust wieder spüren.

Draco war plötzlich wütend. Ziemlich wütend sogar. Die spannende Jagd war nur spannend, wenn er am Ende auch sein Ziel erreichte, und bekam, was er wollte. Und Draco bekam immer, was er wollte. Immer. Was war den bitteschön so schrecklich an ihm, dass sie nicht einmal ein bisschen harmlosen Sex vertragen konnte? Er war nicht hässlich, er stank nicht, er war gut in dem was er tat und er war nicht verrückt.

Er war der Sohn eines mörderischen Todessers.

Versuch das mal wegzuschrubben. Das wird wohl kaum mit Badewasser verschwinden.

Es war kein Selbstzweifel, aber wohl ihr Schaudern, al er versuchte sie zu berühren. Sie zuckte tatsächlich zusammen als wäre sie von ihm angewidert.

„Hat deine Mutter dir nie gesagt, dass es gemein ist, andere zu ärgern?“, zischte er in einem böseren Ton, als er es vorgesehen hatte. Es war nur, dass sich seine Stimme anfühlte, als hätte er sie eine Woche nicht mehr benutzt. Er war außerdem nicht in der Stimmung ein frigides, verklemmtes Mädchen einzulullen, die die Macht hatte, ihn durch sämtliche reifen dieser Welt springen zu lassen.

Um die Sache noch schlimmer zu machen tat seine Schulter mehr weh als vorher und sein Schwanz war nicht gerade im besten Zustand. Absolut unbefriedigt. Sie betrachtete ihn mit nervtötender Geduld. Er hätte Entrüstung bevorzugt.

 

**




„Meine Mutter hat mich gelehrt eine Person mit moralischen Grundsätzen zu sein“, erwiderte sie leise. „Ich denke, deine Mutter hat diese Weisheiten bei dir übersprungen.“ Sie wollte gar nicht unfreundlich sein. Es war einfach notwendig mit Malfoy offen zu sprechen. Sie musste ihm klar machen, weshalb sie nicht durchziehen konnten, womit sie begonnen hatten.

 

Und es wwar so knapp gewesen.

 

Sie wäre ein nervöses Wrack gewesen. Man konnte sie Selbstsüchtig nennen, aber Hermine war es wichtig, dass nicht verrückt sein, Priorität Nummer eins bleiben sollte.

 

„Oh, ich habe genug gelernt“, gab er schnarrend zurück. „Narzissa hat mir viele nützliche Dinge beigebracht.“ Er machte es deutlich, dass Moralpredigten bei den Malfoys nicht zur Tagesordnung gehörten.

 

„Es überrascht mich, dass sie überhaupt Zeit gefunden hat, dich zu erziehen, oder dir irgendetwas beizubringen. Deine Mum schien es ziemlich eilig zu haben beim ersten Zeichen von Problemen abzuhauen, mit etwas Bargeld und dem Silberbesteck. Das nenne ich kaum ein elterliches Vorbild.“ Hermine wusste, dass sie sich teuflisch verhielt, aber sie musste Draco zu Gute halten, dass er nicht einmal mit den Wimpern zuckte.

 

„Granger, ich glaube, ich färbe auf dich ab“, sagte er eine Spur zu freundlich. Es war gruselig. „Und jetzt entschuldige dich.”

 

Sie schürzte die Lippen. „Von wegen, du Mistkerl! Du entschuldigst dich zuerst.”

 

„Ah, jetzt scheinen wir zu reden.“ Schnell wie der Blitz, packte er sie an den Oberarmen und presste sie an den Wannenrand. Wasser schwappte über den Rand und über den glatten Boden.

 

„Du denkst, ich wäre schlecht erzogen?“ Du denkst, ich wäre brutal? Du denkst, du wärst zu gut für mich?“, flüsterte er.

 

Sie versuchte ihm in den Schritt zu treten, aber er fing ihre Beine mit seinen eigenen ab. Ihre Bemühungen waren unsinnig, wie an dem Morgen im Motelzimmer. Hier kannten sie sich ja aus. Machtkämpfe. Hermine dachte, dass es ein Rätsel war, weshalb sie ihn zur Weißglut bringen konnte. Er war nicht wirklich dafür bekannt, seine Coolness sehr schnell zu verlieren. Er gehörte eher zu der heimtückischen Sorte.

 

„Taten sprechen lauter als Worte“, informierte sie ihn. Sie sah ruhig aus, abgesehen vom Zittern in ihrer Stimme. Der Drachen auf ihrer Hüfte brannte sich in ihre Haut. Vielleicht war die Tinte ja langsam wirkendes Gift, welches ihre Rationalität einfach verschwinden ließ. Sie wollte ihm den überlegenen Blick am liebsten aus dem Gesicht schlagen.

 

„Tun sie“, stimmte er ihr zu. „Ich denke, ich schulde dir eine Demonstration.“

 

Oh je. Hermine blickte sehnsüchtig in Richtung der Badezimmertür.

 

Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. „Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass es wichtig ist, zu Ende zu bringen, was man angefangen hat. Ich war ein ganz bezauberndes Kind und hatte meine Hände immer überall und war immer abgelenkt. Ähnlich wie du, nehme ich an.“ Er legte den Arm um sie, um den Druck zu nehmen, als er sich gegen sie presste. „Du, Miss Granger, wirst beenden, was du angefangen hast.“

 

Was sie angefangen hatte? Also ehrlich! Malfoy schien alles zu verdrängen! Es sei denn, er meinte, was sie auf der Abschlussparty angefangen hatte. Da hatte sie angefangen. Meinte er etwa das? Sie beruhigte sich selbst. „Wenn ich dir vorschlagen würde, dich ins Knie zu ficken, würdest du es tun?“

 

Sein Lächeln war fast freundlich. „Das könnte, aber Gesellschaft ist ungleich besser.“

 

Als sein griff schwächer wurde, befreite sie ihre Hand, legte sie auf seine Schulter und fixierte seine Verletzung. Er zuckte nicht mit der Wimper. Er hielt sie nicht auf.

 

Er war nicht blöd. Er wusste, was sie ihm drohte zu tun. Sie wussten beide, wo er am Moment am verletzlichsten war.

 

Sie musste nur fest zudrücken, das war alles.

 

Hermine wusste nicht, was beunruhigender war. Die Tatsache, dass sie bereit war, ihm Schmerzen zuzufügen, oder die Tatsache, dass er dafür vollkommen bereit zu sein schien.


„Tu es doch”, provozierte er sie. Ungeduldig, resignierend, erwartungsvoll.

 

„Du bist so verrückt wie dein Vater“, erwiderte sie mit geweiteten Augen.

 

„Tu es.“ Hart grub er seinen Daumen in ihr gefangenes Handgelenk, um seinen Befehl zu verstärken.

 

Zum Teufel mit ihm. Wenn er Schmerzen wollte, dann konnte sie ihm die auch geben. Ihr Hand strich grob über die blaue Stelle. Sie konnte sie nicht am Zittern hindern und drückte nun leicht zu. Er war bereit für weitere Schmerzen. Sein gesamter Körper spannte sich in Erwartung an. Seine Lippen waren schmaler geworden. Ihre blassen Finger standen  in schrecklichem Kontrast zu seinem Fleck.

 

Eine schreckliche Erkenntnis überkam sie, und ihre Hand fiel von ihm ab.

 

„Was ist los mit dir?”, zischte er. Seine Augen versprachen jede Art von Gewalt, die sie vorher noch nicht ausgesprochen hatten. „Tu es endlich, du verklemmtes Miststück. TU ES!“

 

 

Sie tat es nicht und wandte ihr Gesicht von ihm ab. Sie wollte seinen Ausdruck nicht sehen. Er musste es nicht wissen.

 

„Hermine!“ Er nahm ihr Kinn zwischen seine Finger und zwang sie, ihn anzusehen.

 

„Ich kann nicht…“, sagte sie und hasste, wie schwach und erbärmlich sie sich benahm, wenn etwas ihn betraf. „Ich kann nicht!“

 

„Wieso nicht?”, fragte er fordernd. Seine Augen suchten jeden Zentimeter ihres Gesichts nach einer Erklärung ab. Hermine wusste, er wollte am liebsten die eine Erklärung hören, die ihn nur noch wütender machen würde.

 

„Weil ich dich nicht verletzen kann! Ist das so schrecklich?“, rief sie nun aus.

 

Das war anscheinend definitiv der Fall. Wenn sie gedacht hätte, sie hätte alle seine Seiten gesehen, dann merkte sie jetzt ihren Irrtum. Das einzig Positive war, dass der Ärger aus seinem Gesicht schwand. Was übrig blieb war jedoch schlimmer.

 

Er schüttelte den Kopf, als ob Verdrängung ein Art Schutz wäre. „Es war ein Fehler von mir heute herzukommen. Ich… ich entschuldige mich dafür.“

 

Hermine starrte ihn an als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen.

 

„Ich sehe keinen Grund, dass wir uns sehen, ehe wir nach London müssen“, sagte er kalt. „ich lasse dich wissen, wann wir gehen müssen. Geh einfach nur sicher, dass du eine gute Entschuldigung hast.“ Es war wie der Abschluss eines Geschäftstreffens. Er ließ sie so abrupt los, dass sie zurück gegen den Rand sackte.

 

Draco sah sie kein weiteres Mal mehr an, als er hastig seine Kleidung anzog und tropfnass das Badezimmer verließ, als ob das Feuer der Hölle an seinen Fersen lecken würde.


Chapter Twenty-Two



Harry lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nippte langsam an seinem heißen Tee. Er versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass sein Kopf sich anfühlte, als wäre er mit einem Mörser bearbeitet worden.

 

„Zucker?“, fragte Snape, mit kaum vorhandener Verwirrung. Was er wirklich hatte sagen wollen, war, „Warum bist du immer noch hier?“

 

„Nein, danke“, gab Harry still zurück. Nach einem drei Stunden langen Okklumentik Examen, tat Sprechen weh. Auch Tee trinken tat weh. Er stellte seine Tasse auf einem Stapel Bücher ab, die älter aussahen als Dumbledore und dachte an das kommende Wochenende.

 

Unglücklicherweise tat Denken auch weh.

 

Aber Harry würde es Snape bestimmt nicht erzählen. Zu viel Gelegenheit für Snape, ihn zu beleidigen.

 

Es war ihre letzte Stunde dieses Jahr gewesen und Snape hatte Harry wöchentlich unterrichtet und sich Notizen gemacht, wie Dumbledore es angetragen hatte. Snapes Beitrag zu dieser Aufgabe waren ab und an ein böses Grinsen gewesen und bedeutungsschwangeres Räuspern, wenn Harry seinen Fokus verlor und einen Fehler gemacht hatte.

 

Diese Fehler unterliefen ihm selten mit viel Abstand zwischen jedem Einzelnen, worüber beide überrascht waren. Alles in allem hatte Harry diesen Unterricht bemerkenswert gemeistert. Und sie beide wussten das.

 

Nicht, dass Snape vorhatte Worte des Lobs zu äußern. Harry nahm an, es war schon genug Lob, dass der Mann ihn nicht jedes Mal bis aufs Blut beleidigte. Nach drei Jahren des privaten Unterrichts, hatten sie sich still schweigend geeinigt. Harry würde ihn keinen missmutigen, alten Mistkerl schimpfen, oder etwas wie Fledermaus im Kerker, während Snape dauerhaft den Namen James Potter vermied.

 

Bis jetzt stand es drei zu achtzehn. Snape führte ganz klar mit den Beleidigungen. Es brachte Harry zum Lächeln, wenn er darüber nachdachte, selbst wenn es unwichtig und kindisch war.

 

„Das nächste Mal schlage ich vor, dass Sie einen Kopfschmerztrank anwenden, ehe Sie beginnen. Ich vertraue darauf, dass sich auf mich hören“, schnappte Snape gereizt. Er veranstaltete etwas Lautes an seinem Pult. Atmen, nahm Harry an.

 

Nicht mal das konnte Harry vertragen. Sein Gehirn fühlte sich an, wie ein ausgewrungener Waschlappen.

 

„Ich vertrage Kopfschmerztränke nicht. Sie beeinträchtigen meine Konzentration“, war seine Antwort darauf, obwohl es eher ein Stöhnen war, als wirkliche Worte.

 

Snape ließ seine Feder sinken. „Potter, ein Floh, der vom Rücken eines räudigen Hundes in einer Straße in Kalkutta springen würde, würde Ihre Konzentration beeinträchtigen. Trotz allem hat sich Ihre Kontrolle verbessert. Es war besser als letzte Woche.“

 

Nicht das schon wieder, dachte Harry. Dieser Mann konnte es nicht sein lassen. Harrys Ungehorsam gegenüber Lupin nach diesem bedeutungsschweren Mittwoch im Wald, hatte für zwei Tage für Gesprächsstoff in der gesamten Schule gesorgt, aber nur Hermine und Snape nervten ihn immer noch damit.

 

Und jetzt stand es drei zu neunzehn. Sollte er nur weiter machen.

 

„Diese Sache mit Lupin, geht Sie nichts an, Professor. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie aufhören würden, es zu erwähnen.“

 

Da. Niemand sollte sagen, dass er nicht wusste, wie man höflich gegenüber seinen Feinden war.

 

„Denken Sie noch mal scharf nach“, fing Snape an. Harry konnte den Monolog schon kommen hören.

 

„Es geht mich sehr wohl etwas an als ihr Okklumentiklehrer, wenn man bedenkt, wie solche Dinge Ihre Konzentration beeinträchtigen können. Ihr Privatleben könnte mich kaum weniger interessieren, aber Sie sollten Wege finden, wie Sie diese arme-verletzte-Seele Gedanken, jedes Mal, wenn Sie einen kleinen Streit mit jemandem haben, in Ihrem Kopf behalten. Für jeden, der Legelimens einigermaßen beherrscht, wären Sie mit diesen schwachen Barrieren, ein gefundenes Fressen.“

 

Die alte Fledermaus hatte, unglücklicherweise, Recht. Das war doch immer das Problem. Die Tatsache, dass Voldemort einmal in der Lage gewesen war, Harry seine widerliche, haftende Präsenz einzupflanzen und einen langen Blick in seinen Kopf hatte werfen können.

 

Es war mentale Vergewaltigung. Einfach und rein, und Harry würde den Bastard dafür umbringen.

 

Er würde den Bastard auch für knapp dreiundsechzig andere Gründe umbringen. Es war gut, die Übersicht bei solchen Dingen zu behalten. Es machte das Konzept der Vendetta interessanter, Harrys Meinung nach.

 

Snape war anscheinend mit dem Marker-Massaker fertig, das er in den Hausaufgaben seiner Zweitklässler veranstaltet hatte. Er verließ sein Pult und begann seine Gläser und Flakons neu zu sortieren.

 

Es war bemerkenswert, wie Snape eine andere Person dazu bringen konnte, sich völlig unsichtbar zu fühlen, während er nur zu deutlich werden ließ, wie unwillkommen diese Person jetzt gerade war.

 

Harrys Blick war verschwommen und er versuchte die Aufkleber auf Snapes Gläsern zu entziffern, aber sein Kopf schmerzte beim bloßen Versuch und er hatte keine Lust, seine Brille wieder aufzusetzen. Gerüchten zufolge, brauchte Snape heimlich schwarzmagische Liebestränke für den Schwarzmarkt, um ein wenig Extrageld zu verdienen. Er verdiente wirklich nicht viel, wie Harry seine spartanische Existenz beurteilte. Wie sonst konnte er seine drei Dutzend Qualitätsroben in zwölf verschiedenen Schwarztönen bezahlen? Gute Roben waren teuer, wie Draco Malfoy, das Arschloch, immer wieder verlauten ließ, wenn Ron in der Nähe war.

 

Der Gedanke, dass Snape voller Konzentration über einen Liebestrank gebeugt war, war immer wieder einen Schenkelklopfer wert.

 

„Bringen Sie die Sache mit Lupin wieder in Ordnung, oder tragen Sie Seinen Schutzhelm, der sie davor bewahrt, dass Ihre Gefühle in Ihrem Kopf die Oberhand gewinnen.“

 

Harry hob eine Augenbraue, und hoffte, dass Snape nicht versucht hatte, seine Gedanken zu lesen.

 

„Hm, würde der Schutzanzug helfen?“

 

„Bei Ihren Harren wird gar nichts helfen“, erwiderte Snape so trocken, dass seine Stimme förmlich knisterte. Er füllte, was auch immer er gerade gemixt hatte, ihn ein Glas und reichte es ihm wortlos. Der Inhalt sah genauso aus, wie etwas, dass man von einem Teller kratzte, der schon seit Jahren in der Spüle lag.

 

„Trinken Sie, es ist für Ihren Kopf.“

 

Harry trank die graue, düstere Flüssigkeit und war sich nicht sicher, was es gewesen war, das er getrunken hatte. „Was ist das?“, fragte er und er war nicht fähig, das Misstrauen aus seiner Stimme zu verbannen.

 

Snape verdrehte die Augen. „Wenn ich Sie umbringen wollte, Sie undankbare Heulsuse, hätte ich es bereits getan, und das mit weitaus weniger Aufwand.“

 

Harry nickte und in seinem Kopf korrigierte er die Beleidigungs-Rate. Drei zu Zwanzig. „Das hat Hermine auch gesagt.“

 

Ihren Namen zu erwähnen, ließ Snape seine Stirn noch mehr runzeln als sonst. Als wäre sie eine Art Problem, über das Snape nachdenken würde, seit Harry es an diesem Abend erwähnt hatte.

 

Er hätte Snape vielleicht eine entsprechende Frage gestellt, aber es klopfte an der Tür.

 

Es war Lupin, der seinen Kopf zur Tür hereinsteckte und sein gewöhnliches Lächeln auf den Lippen trug. „Guten Abend, Severus. Ich habe mich gefragt, ob ich kurz mit Ihnen sprechen könnte.“ Er erkannte Harry im Stuhl und es schien ihn nicht zu überraschen, ihn hier zu sehen.

 

„Hallo Harry. Wie läuft Okklumentik?“

 

„Ja, es geht”, erwiderte er mit einem steifen Grinsen. Er konnte nicht begreifen, weshalb er immer noch sauer auf Lupin war. Vor allem war es unmöglich, diesen Mann wütend zu machen. Aber, warum er ihn wütend machen wollte, das hätte er nicht sagen können.

 

„Sicher, gehen Sie, Potter“, sagte Snape müde.

 

Harry fühlte bereits, wie der Trank zu wirken begann. Der Schmerz in seinem Kopf ließ nach und er fühlte sich nur noch angenehm müde. Und hungrig. Vielleicht machte er einen Umweg durch die Küche…

 

„Wann werde ich erfahren, wie ich abgeschnitten?”, fragte er jetzt. Er wollte, dass Snape Dumbledore einen guten Report vorlegte, in dem er von Harrys stetig verbesserten Okklumentik Stunden schwärmte.

 

Snape blickte über seine Nase in Harrys Gesicht. „Wenn ich es für angemessen halte. Gute Nacht, Potter.”

 

„Nacht”, erwiderte Harry nur, während er kaum seine Lider offen halten konnte. Er rempelte sogar Lupin auf seinem Weg nach draußen an.

 

Lupin wartete, bis er verschwunden war, wartete noch eine Weile und trat dann ebenfalls raus in den Flur, blickte durch den Gang und reckte seine Nase in die Luft.

 

Snape verschränkte die Arme vor Brust. „Darf ich fragen, was du da tust?“

 

„Harry hat den Tarnumhang seines Vaters, wusstest du das?“, war Lupins kryptische Antwort. „Jetzt, wo Harry beinahe fertig mit Hogwarts ist, kann ich es dir sagen.“

 

„Ja. Der Schulleiter hat mich über diese nützliche Kleinigkeit am Anfang des Jahres informiert, während er außerdem gesagt hat, ein Schüler könnte für die Taten eines ehemaligen Schülers nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Aber ich hatte es im Gefühl, deshalb habe ich, wann immer ich mich beobachtet fühlte, Flüche durch die Gänge geschossen.“

 

Es hätte ein Scherz sein können. Aber es war Snape, der es sagte. Lupins Augen warfen amüsierte Falten und er setzte sich auf den Stuhl, auf dem Harry vorher gesessen hatte. „Wirklich?“

 

Snape sah ihn an. „Ich denke, die kurze Unterhaltung ist vorbei. Was kann ich sonst für dich tun, Lupin?“

 

„Macht es dich nicht müde, immer so furchtbar schlecht gelaunt zu sein?“

 

„Nicht im Geringsten“, erwiderte Snape sanft. „Es ist weniger anstrengende als ewig gut gelaunt und freundlich zu sein. Ich bin sicher, du stimmst mit mir darüber ein.“

 

Lupin schien sich davon nicht angegriffen zu fühlen. Wie Harry, war er an Snapes bittere Seitenhiebe gewöhnt. „Ein Glas oder zwei von deinem exzellenten Cognac, den du in deinem Pult unter Verschluss hältst, könnte deine schlechte Laune lindern.“

 

Beinahe reglos holte Snape den Cognac aus seinem Pult und kippte den Rest, der davon übrig war in zwei Schwenker, die er ebenfalls aus der Schublade holte. Er reichte Lupin das eine Glas, in derselben Manie, in der er Harry zuvor seins gereicht hatte.

 

Der Professor für Verteidigung roch genussvoll an dem Glas. „Ich bin wegen Draco Malfoy und Hermine Granger gekommen.“ Er lehnte sich ein Stück weiter vor und sah Snape beinahe prüfend an. „Und ich habe das Gefühl, dass du genau weißt, wovon ich rede.“

 

Snapes Lippen wurden schmal. Lupin wusste es also. Und Lucius, Borgin und der Tätowierer. Das brachte es auf sieben Leute.

 

„Es ist der Fida Mia. Sie haben sich dem Spruch in der Nacht ihrer Abschlussfeier unterzogen.“

 

„Verfluchte Hölle!“, rief Lupin ungehalten aus und verschüttet einen Schluck Brandy auf seiner Hose. „Unter all den dummen Dingen, die sie hätten tun können!“

 

„Es ist nicht völlig unwiderruflich“, fügte Snape jetzt hinzu.

 

„Ach nein? Ist Fida Mia nicht gerade für seine ewige Haltwertzeit bekannt?“

 

„Es gibt Wege. Keine angenehmen. Sie waren am Wochenende auf Malfoy Manor, um Lucius zu sehen.”

 

Lupins Kopf ruckte hoch. „Du machst Witze! Hermine ist freiwillig in Lucius Malfoys Haus gegangen?

 

Snape ignorierte die Frage, denn sie war rein rhetorisch. „Das Haus gehört jetzt Draco. Jedenfalls gehört es ihm eher als seinem Vater. Lucius hat ihnen geraten, sich Hilfe von Borgin zu besorgen.“

 

„Borgin? Großer Gott. Das wird ja besser und besser.” Lupin seufzte. Er sank zurück auf den Stuhl. Die beiden Männer tranken ihren Cognac in düsterer Stille, für einen Moment.

 

„Ich nehme an, du beobachtest sie?“, fragte Lupin schließlich.


„Ja.“

 

„Weiß der alte Mann Bescheid?“

 

„Nein.“

 

Lupin trommelte mit dem Finger auf den Rand seines Schwenkers. „Ich denke, es ist sicher, anzunehmen, dass er es nicht weiß. Er war schließlich für ein paar Wochen außer Haus.“

 

Snape schnaubte aus. „Das ist ja wohl untertrieben. Fawkes ist bereits aus der Asche auferstanden.“

 

„Das ist wirklich das Letzte, was Hermine jetzt gebrauchen kann“, erwiderte Lupin.

 

„Ich versichere dir, dass diese neue Entwicklung auch nicht gerade ideal für meinen Patensohn ist. Vor allem, wenn du Arthur Weasleys verrückte Idee berücksichtigst, die ihn zum Spion machen soll“, entgegnete Snape gereizt.

 

Lupin schüttelte müde den Kopf. „Ich habe wirklich keine Ahnung, was kürzlich in Arthur gefahren ist.“

 

Snape schürzte spöttisch die Lippen. „Wenn ich nachhelfen darf? Es nennt sich Macht.“

 

„Ja, es ist immer noch Arthur Weasley über den wir hier reden. Ich bin geneigt zu glauben, dass diese Strategie eher auf schlechte Ratschläge als auf einen schlechten Minister zu schieben ist.“

 

„Es ist genau dasselbe. Der Parasit Coon ist der letzte in einer sehr langen Reihe von schlechten Entscheidungen.“

 

Wieder entstand ein längerer Moment der Stille, während beide Männer über schlechte magische Politik nachdachten.

 

Jetzt war es Snape, der die Stille brach.

 

„Lupin, woher weißt du es?“

 

„Das über unsere verhinderten Turteltauben?“ Lupin verdrehte die Augen. Es war eine alte Eigenschaft von ihm, Snape kannte ihn dafür gut genug. „Abgesehen von der Tatsache, dass sich beide seit dem letzten Jahr schmachtende Blicke zuwerfen?

 

„Abgesehen davon, ja.“

 

2Ich konnte die Magie an ihnen riechen, Severus“, gestand Lupin. „Das klingt völlig seltsam, aber es ist wahr. Denk dran, dass ich mit ihnen dutzende Male im Gewächshaus gearbeitet habe. Das ist ein ziemlich starker Zauber, mit dem die beiden da gespielt haben.“

 

Spielen war hier wohl nicht das passende Wort. Lupin räusperte sich und wirkte leicht amüsiert. Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas. Sein Ausdruck wäre wohl am besten als resignierend zu beschreiben gewesen.

 

„Hermine und Draco, hm?“ Lupin schüttelte langsam den Kopf, als würde er dadurch versuchen, etwas Logisches in diese Sache bringen zu wollen. „Ich kann nicht bestreiten, dass sie nicht ein hübsches Paar abgeben. Streitsüchtig, aber hübsch.“

 

„Sie geben ein entschieden gefährliches Paar ab“, korrigierte ihn der Zaubertrankmeister.

 

„Gefährlich für wen genau?“

 

Snape entschied, dass dies eine dumme Frage war, die ein kluger Mann stellen konnte. „Für sich selbst. Für die, die Einfluss auf ihr Schicksal haben. Für Potter, der sich auf die Besserwisserin mehr als auf alles andere verlässt. Für Ihn, dessen Namen nicht genannt werden darf, der am allerwenigstens erfreut wäre über eine Verbindung zwischen altem Blut und neuem.“

 

„Ich müsste noch das Scheitern junger Liebe  hinzufügen. Ein Grund mehr, warum ich diesen Mistkerl erwürgen möchte“, erklärte Lupin, in weniger Typischer Manie. Harry würde der Mund offen stehen, wäre er noch hier. Lupin trank den Rest seines Brandys und schob Snape das leere Glas zu.

 

„Danke für den Schlummertrunk.“

 

„Ist ja nicht der erste. Keiner von uns kann die vielen Male noch zählen”, erwiderte Snape und wirkte etwas abwesend.

 

Lupin lächelte, bevor er die Tür hinter sich schloss. „Oh, du wärst überrascht.“



**

 

Chapter Twenty-Three




[Eine Notiz hing an den schwarzen Brettern der vier Häuser.]

Lieber Schüler

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Schul-Klatscher am Freitag ihrer jährlichen Inspektion unterzogen werden, zwischen acht und vierzehn Uhr. Das Betreten des Quidditchfeldes ist in diesem Zeitraum den Schülern untersagt. Nur die eingetragenen Vertrauensschüler haben Zugang. Die Kapitäne der Hausmannschaft sind verantwortlich, ihren Teamkameraden von dieser Beschränkung zu berichten. Jeder Schüler, der in der Nähe des Feldes entdeckt wird, erhält einen Strafabzug von zwanzig Punkten.

Danke für Ihre Kooperation,

Madam Hooch.

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[Eulenpost, Donnerstagmorgen, vor Entschlüsselung] -


An: Gertrude Merrybones
Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei

Meine liebe Gertrude,

 

es tut mir leid, von deiner andauernden Krankheit zu hören. Wie gewünscht, habe ich Großmutters Rezept beigefügt. Ich hoffe, es erzielt die gewünschte Wirkung. Schreib mir bald und erzähl mir, wie es läuft.

 

Umarmung und Küsse, deine Schwester,

 

Prudence




[Großmutter Merrybones’ niemals versagendes Muffinrezept, nach der Entschlüsselung] -

Draco,

Danke für Ihre Nachricht. Ich entschuldige mich für die späte Antwort, aber Ihr Verschlüsselungszauber hat mich ein paar Tage Zeit gekostet.

 

Der Spruch ist ein Meisterwerk. Sie sollten wirklich darüber nachdenken, einen Entwurf an das magische Patentbüro zu schicken, falls das mit Ihrem Erbe nicht das Wahre sein sollte.

 

Aber zur Sache, denn ich habe einige Nachforschungen angestellt und ein Individuum gefunden, welches eine Lösung zur Verfügung stellen könnte. Natürlich zu einem gewissen Preis. Diese Angelegenheit streng vertraulich zu behandeln war nicht leicht, wenn man an die legalen Schwierigkeiten denkt. Ich habe einen geschätzten Betrag des laut Expertenmeinung beigefügt. Bitte lassen Sie es mich so schnell wie möglich wissen, sollten diese Bedingungen nicht Ihren Wünschen entsprechen.

 

Wir werden uns am Cubblestone Inn in der Knockturn Gasse am Samstagabend treffen. Ich würde Ihnen nahe legen, einen Raumunter dem Namen Mr und Mrs Merrybone im Inn zu mieten. Ich werde Sie dort zu genannter Zeit abholen.

 

Mit freundlichen Grüßen,


E. R. Borgin.

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Donnerstagabend.

Es war der ideale Abend für einen Spaziergang, entschied Tonks. Ihr Schicht, die sich auf eine eher langweilige Zeit bezog, in der sie die Strecke Hogwarts-Hogsmeade kontrollieren musste, war zehn Minuten eher beendet als erwartet. Weitere zehn Minuten hatte sie schon damit verbracht, mit dem ebenfalls gelangweilten Rufus Quartermaine zu plaudern, der zu ihrer Ablöse gekommen war.

 

Tonks hatte die Möglichkeit, Hagrid in den Drei Besen auf ein Glas zu treffen oder sie ging zu Lupin, um sich einen weiteren Muggel Krimi auszuleihen (Lupins geheime Leidenschaft). Allerdings hatte sie sich doch für den Spaziergang entschieden.

 

Hogwarts mochte vielleicht so alt sein, wie die Berge, die es umgaben, aber es gab doch jedes Mal etwas Neues zu entdecken. So etwas waren zum Beispiel die vielen summenden Hydrangea Büsche, die Professor Sprout vergangenen Frühling gepflanzt hatte. Es hatte Tonks bestimmt zwei, drei Tage gekostet, ehe sie begriffen hatte, dass das leise Summen von den Büschen kam und nicht von der Verletzung in ihrem Kopf, die sie sich zugezogen hatte, als sie sich einmal in der Bücherei den Kopf an einem Regal gestoßen hatte. Es gab auch noch andere Sachen, wie die wechselnden Räume im Schloss, oder das berühmte Erfrischungstablett im Badezimmer der Vertrauensschüler.


Andere Dinge waren nicht ganz so harmlos, unglücklicherweise.

 

Das Team der Auroren in Hogwarts traf sich früher am Abend, um die Themen in ihren Reporten zu besprechen. Das Problem war nämlich, es gab keine Themen-. Moody hatte daraufhin angemerkt, dass er sicher war, der Rekrut sei in Hogwarts, aber seit dem letzten Mittwoch, an dem das Mal über Hogsmeade erscheinen ist, sei eben nichts Böses mehr passiert. Das letzte Quidditchspiel zwischen Auroren und Schülern war demnach also eine sehr willkommene Ablenkung gewesen. Dennoch blieb das Gefühl, das etwas ganz und gar nicht stimmte. Quartermain behauptete, dass er zu einem Siebtel Seherfähigkeiten geerbt hatte und spüren konnte, dass etwas Hässliches passieren würde. Trelawney stimmte mit ihm überein, aber das war weder etwas Neues, noch etwas, das besonders erwähnt werden musste.

 

Jeder fühlte es. Die Nervosität grenzte an Furcht. Das Ende eines Jahres in Hogwarts war nie ruhig und langweilig gewesen. Also, wieso sollte es dieses Mal anders sein?

 

Weil wir dieses Mal bereit sein, deshalb, dachte Tonks.

 

Albus Dumbledore würde sich eher selber die Hand abschlagen, als einen von ihnen zu erlauben, die offensichtlichen Fallen des Dunklen Lords zu beachten. Und es waren Fallen. Es gab immer eine Handvoll Schüler auf der Beobachten-Liste. Schüler, die etwas anderes waren, als die anderen. Hoffnungslos, antriebsarm und sehr, sehr wütend auf die Welt.

 

Zurzeit gab es vier aus Slytherin, drei aus Ravenclaw und ein Gryffindor. Professor Sprout war sehr erleichtert gewesen, dass kein Schüler aus ihrem Haus verdächtig genug war, um auf die Liste zu kommen. Sie war nicht froh, weil es eine Art Bestätigung für sie war, dass sie eine gute Hauslehrerin war – oh nein! Vielmehr war sie erleichtert, denn würde sich ein Hufflepuff anschließen wollen, dann konnte Voldemort sich sehr glücklich schätzen. Hufflepuffs waren nämlich ziemlich grausame und blutsüchtige Berserker, sollten sie sich denn entschließen, einen loyalen Eid abzulegen. Ein Hufflepuff Todesser weniger war ein Segen für die Auroren.

 

Sie fühlte sich erregt durch ihre trüben Gedanken und beschleunigte ihre Schritte. Unter ihren Füßen machte der Boden ächzende Geräusche. Neben sich hatte sie die summenden Hydragenas und zu ihrer rechten den Wald.  Sie nahm einen kleinen Seitenweg, der automatisch den Weg zu dem Gebiet von Donald Bligh markeierte. Oder war es das Gebiet von Astrid Huggins? Moody war immer sauer, wenn sie sich nicht merken konnte, welcher Auror für welches Gebiet verantwortlich war.

 

Es war Blighs Gebiet. Sie wusste es, denn sie stolperte fast in ihn hinein.

 

Es gab anscheinend ein Problem. Bligh sprach mit einer Person, die im Schatten verborgen lag und seine Stimme klang gereizt.

 

„Lumos“, sagte Tonks und beleuchtete die Szene. „Don, kann ich dir helfen?“, fragte sie und stellte sich neben ihren Kollegen.

 

Sie war überrascht, dass es sich um Draco Malfoy handelte, mit dem Bligh gerade sprach. Das Licht zeigte ihn jetzt deutlich. Ihr Cousin ersten Grades trug dunkle Jeans, Turnschuhe und ein dunkles langärmeliges Shirt. Der Junge sah aus, als wolle er spionieren.

 

Es überraschte sie kaum, dass manche Schüler die Gefahr so außer Acht ließen. Erst gestern hatte sie einen Ravenclaw dabei erwischt, wie er nach der auferlegten Bettzeit noch in die Bibliothek geschlichen war. Hogwarts war ihr Zuhause und es war niemals leicht, einem Teenager zu erklären, dass er in seinem Zimmer zu bleiben hatte.

 

Ihr Kollege wirkte etwas neben sich. „Ich habe diesen hier im Dunklen gefunden. Er sagt, er plant sich hier mit einem Mädchen zu treffen.“

 

Höchstwahrscheinlich wollte Bligh Malfoy einen über braten, weil er nach der Sperrzeit draußen war. Tonks seufzte. Alle Streite, die auf Quidditch beruhten, dauerten länger als gewöhnliche Auseinandersetzungen.

 

„Es gibt natürlich Punkteabzug, Malfoy“, sagte Bligh mit unprofessioneller Schadenfreude. Er zog sein Notizbuch hervor, schrieb hastig etwas nieder und widmete seine Aufmerksamkeit wieder seinem Opfer.

 

Malfoy blieb völlig ruhig. Er sah fast gelangweilt aus. „Schön”, erwiderte er und streckte seinen Arm aus. „Auf die Finger hauen, Punkte abziehen und dann kann ich wieder gehen?“

 

In diesem Moment wurden Tonks drei Dinge klar. Wären sie ihr nicht klar geworden, dann wäre dieses Zusammentreffen auf dramatische Weise anders ausgegangen.

Erstens gab Malfoy nicht zu erkennen, dass sie sich kannten, obwohl sie einander als Cousin und Cousine letzte Woche vorgestellt worden waren. Die zweite Sache war, dass sie von Draco Malfoy eigentlich erwartet hatte, seine Ehre zu verteidigen. Dass er von seinem göttlichen Recht sprechen würde, dass er überall sein durfte, wo auch immer er sein wollte.

 

Sie hatte sich schon fast auf seine Rechtfertigung gefreut.

 

Und das führte zu dem dritten Punkt. Sie hatte nämlich das alarmierende Gefühl überhaupt nicht mit Draco Malfoy zu sprechen. Da war etwas an ihm, was ungefähr so glaubhaft war, wie ein Orangensaft Milchshake. Nämlich eigentlich gar nichts.

 

Sie entschloss sich, den Bluff zu aufzudecken. Während Bligh weiter darüber meckerte, dass er nur bezahlte würde, um Babys zu hüten, richtete Tonks den Zauberstab auf den angeblichen Draco Malfoy.

 

„Du wirst schön stehen bleiben“, befahl sie dem Fremden und richtete den Zauberstab direkt auf seine Brust.

 

„Tonks… was tust du da?“, fragte Bligh und sah sehr unsicher aus.

 

„Ich glaube nicht, dass das Malfoy ist“, informierte sie ihren Kollegen, ohne ihn anzusehen.

 

„Grundgütiger“, murmelte Bligh. Er war vielleicht etwas grob und bekam schnell einen heißen Kopf, aber sie zählte darauf, dass er nicht schwer von Begriff war. Er reagierte nicht sofort. Er hob jetzt seinen Zauberstab, brachte ihn auf Tonks Höhe und zwei Lumos Zauber trafen den falschen Malfoy.

 

„Ich nehme an, du wirst es wissen“, erwiderte er langsam.


„Wir werden es sehen.“ Die Spitze ihres Zauberstabs berührte die Brust des Fremden. „Wer bist du?“

 

Der Fremde lächelte. Es war Dracos Halblächeln. Sie kannte es, und dennoch wirkte es fremd. Als würde es ein völlig Fremder lächeln. Und Tonks bemerkte, dass Draco niemals so viele Zähne zeigte.

Damit sie eine bessere Kontrolle über den Fremden hatte, schritt sie um ihn herum und überließ es Bligh, den Betrüger zu entwaffnen. Sie war drei Schritte hinter ihm bereit ihn zu schocken, wenn nötig.

 

„Wer sollte ich sein, wenn nicht Draco Malfoy?“, fragte der Junge ruhig.

 

Dieselbe gedehnte Stimme, dieselbe Wortwahl. Es war fast gruselig. Und sehr gut gemacht.

 

„Tonks?“, wandte sich Bligh jetzt fordernd an sie. „Ich will mir wirklich nicht zweimal Ärger einhandeln, weil ich denselben Schüler auf und außerhalb des Quidditchfeldes beleidige.“

 

Tonks legte den Kopf schief und betrachtete ihren nicht-Cousin von hinten. „Er ist nicht Malfoy“, sagte sie nach einer Weile. „Ergreif ihn.“

 

“Wenn du einen Zauberstab bei dir hast, dann lass ihn jetzt fallen!”, schrie Bligh.

 

Der Betrüger griff in seine Tasche, zog den Zauberstab hervor und warf ihn Bligh zu, während er dreckig grinste.

 

„Du machst eine ziemlich furchtbaren Fehler, Auror“, erwiderte der Betrüger. „Denk lieber noch mal nach, bevor du etwas tust, was du noch bereuen wirst.“

 

Bligh hob den Zauberstab, um ihn direkt auf sein Gesicht zu richten. Ein direkter Stupor auf den Kopf, war bekannt dafür, irreparable Schäden zu verursachen. „Auf den Boden, oder es wird unangenehm für dich. Und ich werde es nicht noch einmal sagen.“

 

Das seltsame Grinsen verschwand nicht für eine Sekunde. „Hast du jemals jemanden verloren, der dir wichtig war, Auror?“

 

„Auf den Boden, du kleine Ratte, bevor ich dir die Zähne austrete“, knurrte Bligh.

 

„Ein Freund, Elternteil, Geschwister? Einen Partner, vielleicht?“, fuhr der falsche Draco fort.

 

Tonks nahm eine etwas andere Art von Problem wahr. „Er will dich nur ablenken, Don. Fessel den Jungen und wir sind hier fertig. Ich werde ein Signal senden.“

 

Der Fremde war einen Blick über seine Schulter auf Tonks, als würde er erst jetzt bemerken, dass sie hinter ihm stand. „Huggins. Ist das nicht der Name seiner Freundin? Eine hübsche, blonde Aurorin. Feine blaue Augen. ZIemlich gute Jägerin?”

 

Ein kurzer Blick auf Bligh bestätigte dem Fremden, dass seine Anspielung ihr Ziel nicht verfehlte.

 

„Astrid, das war der Name“, fuhr der Betrüger fort und dieses Mal sprach er direkt mit Bligh. „Hübscher Name für ein hübsches Mädchen. Sie muss heute auch patrouillieren, richtig? Ich wette, ihr zwei trefft euch danach auf eine Drink.“

 

Und dann war das finstere Lächeln verschwunden. Sein Platz wurde von Bosheit eingenommen. Der gewöhnliche Klang der Stimme war ebenfalls verschwunden. Was übrig blieb erinnerte in keinster Weise mehr an Draco Malfoy.

 

„Wenn du jetzt verschwindest, Auror, werde ich meinen Leuten sagen, sie nicht wie ein Schwein zu auszuweiden, nachdem sie sie bekommen haben. Wir würden ihre Überbleibsel wie Konfetti in die Bäume hängen. Es würde dich Wochen kosten, all ihre Teile zu finden. Kannst du dir den Schaden vorstellen, den fünf verdorbene Individuen anrichten können? Bei zu einem zerbrechlichen Geschöpf?“

 

Das war alles, was es brauchte. Es war unwichtig, ob die Drohung leer war oder nicht. Blaise hatte elf Jahre an Training hinter sich, was bedeutet hätte, dass er es besser wissen müsste.

 

„Donald, nein!“, rief Tonks, aber zu spät.

 

Mit einem Schrei stürzte sich Bligh auf den Betrüger, nur eine Sekunde eher, bevor Tonks den Schockzauber losgelassen hatte. Er umfing den Körper des Betrügers und der Zauber traf einen Baum in nächster Nähe. Beide wälzten sich für einen Moment auf dem Boden, aber das war alles, was der Betrüger brauchte, um die Oberhand zu gewinnen.

 

Er rollte mit beachtlicher Geschwindigkeit von Bligh herunter, griff in seine Tasche und zog etwas hervor, das in Papier eingewickelt war. Er warf es nach Bligh. Jetzt hatte sie freie Bahn und der nächste Schockzauber traf sein Ziel. Er traf den Fremden in die Brust und er fiel rücklings in den Dreck.

 

Das Objekt, das er geworfen hatte, war nicht größer als ein fautgroßer Glasball. Bligh keuchte auf, als das Glas seinen Arm traf. Dunkle, dampfende Flüssigkeit schien sich durch seine Uniform zu brennen. Etwas Leuchtendes tropfte von dem Glas, fast in Zeitlupe. Panisch schlug der Auror nach der leuchtenden Flüssigkeit auf seinem Arm – und verschwand.

 

Tonks schrie auf. Das verfluchte Ding war ein Portschlüssel! Moody würde definitiv um sich schlagen, wenn er das herausfand.

 

Grimmig schoss sie das Signal in die Luft, ehe sie sich bückte, um den Betrüger näher in Augenschein zu nehmen. Jetzt gerade war der Gefangene der einzige Anhaltspunkt zu Blighs Aufenthalt. Der Fremde, wer auch immer er war – oder sie – lag auf der Seite. Es war, als würde sie eine Illusion anstarren.

 

Tonks war sich sicher, es handelte sich nicht um Vielsafttrank. Der Betrüger war ein Metamorphmagus, genau wie sie.

 

Und die Bedeutung dieser Tatsache war nicht unerheblich. Nein, viel mehr absolut unglaublich.

 

In wenigen Minuten, würde der Fremde seine ursprüngliche Form annehmen, denn Metamorphmagi konnten die Form während der Bewusstlosigkeit nicht beibehalten.

 

„Wer bist du?“, flüsterte Tonks. Es gab nichts weiter zu tun, als zu warten. Zu warten, dass Unterstützung kam – und sie hoffte, dass es nicht Astrid sein würde.

 

„Jemand, der ziemlich sauer sein wird, wenn er aufwacht“, sagte eine Stimme direkt hinter ihr.

 

Tonks wirbelte herum. Sie konnte noch einen Blick auf die Person werfen, die sie kurz darauf mit einem Schlag auf den Kopf zu Boden schickte.

 

Ihr letzter Gedanke, ehe sie auf den Boden schlug, war, dass Dumbledore vielleicht doch seine metaphorische Hand verlieren würde.

 

**





Freitag

Gott, er haste den Morgen. Der Tag machte sich einen Spaß daraus, sich über sein beschissenes Leben lustig zu machen. Die Sonne war viel zu fröhlich und optimistisch. Sie verteilte Wärme, die ihn nicht zu erreichen schien.

 

Draco weigerte sich, seine Augen zu öffnen. Auch wenn seine Wecker ihm sagte, dass es halb sieben war, und Zeit, sich anzuziehen und zum Frühstück zu gehen, wo ihn fünfhundert Augen anstarren würden, aus einer Vielzahl von Gründen.

 

Das gute war, dass er acht Kissen in seinem Bett hatte und keine Angst sie zu verwenden. Draco stapelte sie über seinem Kopf, damit er das Tageslicht ignorieren konnte, wenn es versuchte, durch sein Fenster ins Zimmer zu kriechen.

 

Er hörte die Fußschritte vor seiner Tür. Das war das nervige, mit dem er leben musste, dafür, dass er nicht mehr im Schlafsaal bei den anderen war. Die Vertrauensschüler des siebten Jahres hatte ihre eigenen Zimmer. Ja, das war gut. Aber die Räume lagen genau neben dem Gemeinschaftsraum, so dass jeder Zugang hatte, der die Hilfe eines Vertrauensschülers in Anspruch nehmen wollte.

 

Die lauteren, schnellen Schritte gehörten de, verhältnismäßig jüngeren Slytherins, die immer noch Aufregung in einem neuen Tag in Hogwarts fanden. Die sogar das Frühstück der Elfen besser fanden, als das, was ihre Mum kochte (auch wenn viele das nicht zugeben wollten).

 

Die langsamen Schritte gehörten den Siebtklässler, keine Frage. Slytherins waren im Allgemeinen keine Frühsaufsteher. Aber Draco nahm an, es hatte eher mit dem Alter zu tun und nicht mit der Hausverteilung.

 

Ungestörter Schlaf war ein Luxusgut, und könnte man es tauschen oder kaufen, dann hätte sich Draco einen Vorrat davon für ein ganzes Jahr gesichert. Oder gestohlen von einem Hufflepuff, der sowieso immer fröhlich und sorglos durch das Leben wanderte.

 

Eine ganze Progression an Schritten schien direkt vor seine Tür inne zu halten.


Geh weg, Pansy. Ich hab keine Interesse an Frühstück.

 

Es herrschte Aufregung auf dem Flur, was bedeutete, dass jemand gleich seinen Kopf abgebissen bekommen würde.

 

Der Griff drehte sich.


Hab ich dran gedacht abzuschließen?

Die Tür öffnete sich quietschend.

Anscheinend nicht.

„Draco!”, flüsterte eine Stimme, die nicht Pansy, Millicent, Goyle oder Blaise gehörte. Niemandem, der das Recht hatte, in diesem Raum zu sein.

 

Es war Carmen Meliflua, die Teufelin aus dem vierten Jahre, und sie würde es bereue, geboren worden zu sein.

 

„Draco, bitte! Du musst schnell kommen. Ich glaube, Tandish Dodders will sich umbringen!”

Fick dich, Welt, dachte Draco als er seine Augen mit einem tiefen Seufzen öffnete.

 

**




Ehrlich, er hatte es mit einem Haufen Affen zu tun. Vielleicht würden Bananen die gewünschte Lösung herbeiführen. Die Idioten standen alle vor seinem Raum. Einfaches Englisch schien nicht zu funktionieren.

 

Salazar Slytherin würde sich in seinem Grabe umdrehen, wüsste er, was aus dem einst illustren Haus geworden war.

 

„Wenn mir jemand nicht sofort erklärt, was hier zum Teufel vor sich geht, dann werde ich den Cruciatus verwenden“, drohte er jetzt.

 

Es war vielleicht nicht das Klügste, was er zu einer Horde nervösen Erstklässlern sagen konnte. Carmen Meliflua, der selbstsüchtigste Affe der Gruppe, fing an zu weinen.

 

Nachdem Draco eilig seine Hose und ein Shirt übergezogen hatte, das viel zu klein war, als dass es ihm jemals gehört haben könnte, schaffte es die weinende Carmen, die Geschichte zu erzählen. Aber sie erzählte sie durch die Tür, wo er sie hin verbannt hatte.

 

Zwei Taschentücher später sah die Geschichte wie folgt aus:  Der Idiot Tandish Dodders, auch bekannt unter dem Namen Kaulquappe, hatte beschlossen, die Warnungen bezüglich des Quidditchfeldes zu ignorieren. Mehr als zwölf Schulklatscher wurden von Geziefer befreit und gereinigt. Der Idiot hatte also eine Wette abgeschlossen und wollte nun von einem Ende des Feldes zum anderen rennen, während die Klatscher gesäubert wurden.

 

Draco stoppte, als er die Hose verschloss. „Warum ist das mein Problem? Wo zum Teufel ist Zabini?“

 

Carmen schluchzte schon wieder. „Er ist in einem Treffen mit McGonagall. Hermine Granger ist da auch. Sonst hätten wir ihn gefragt, ob-”

 

„Ja, ja – schon gut“, schnappte er zornig und fuhr sich durch seine Haare. Die Erwähnung, der doppelzüngigen Kröte aus Gryffindor verbesserte seine Laune nicht. Carmen räusperte sich auf die Weise, wie sich auch Granger räusperte, wenn sie ihm etwas zu sagen hatte, was er nicht leiden konnte.

 

„Lebt der Idiot noch oder nicht?“

 

„Das letzte Mal, als wir nachgesehen haben, ja“, bestätigte Carmen. „Du musst etwas tun! Das bedeutet Unmengen an Punkten, wenn die Lehrer das rausfinden. Und wir führen doch gerade“, fügte sie jammernd hinzu.

 

„Aus dem Weg.“ Er stieß seine Tür auf, schubste damit eine langsamen Slytherin zur Seite und rauschte zum Portraitloch des Gemeinschaftsraums. Er wandte sich noch einmal zu Carmen um. „Und hör auf zu heulen“, befahl er knapp.

 

Ein Slytherin machte sich schließlich nicht vor der Schule lächerlich.

 

Carmen hob ihre großen, feuchten Augen, um ihn anzusehen. Auch das erinnerte ihn an Granger. Draco überlegte, ob er nicht eine Tüte finden, und sie Carmen über ihren Kopf ziehen sollte.

 

„Es tut mir leid, aber… es ist meine Schuld, dass er das getan hat. Er… mag mich, weißt du? Und ich bin immer… schrecklich zu ihm.“

 

Was sie eigentlich sagen wollte, war, dass sie alle schrecklich ihm gegenüber waren. Carmen, Draco und der gesamte Rest von Slytherin.

 

Wenn Dodders von den Klatschern totgeschlagen wurde, dann war es die Schuld des gesamten Hauses.

 

Draco hatte das Bedürfnis, seine Hände ins Gesicht zu schlagen. Carmen war also eine Slytherin mit einem Gewissen.

 

Oh, er wusste verflucht genau, wie sich das anfühlte.

 

 

Chapter Twenty-Four

 

Hast du einen Kerker gesehen, hast du alle gesehen, war Tonks’ Meinung, auch jetzt.

 

Es gab immer die erforderliche Dunkelheit, die feuchten, kalten Steinwände, an denen anscheinend immer Wasser aus ein oder zwei kleinen Spalten tropfen musste und verrostete Gitter vor den kleinen Fenstern, direkt unter der Decke.

Dazu kamen die enorm großen, schimmeligen Holztüren, die selbst einem ausgewachsenen Troll Probleme bereiten würden und der seltsame Wächter des Kerkers.

 

Aber der Name des Mannes war nicht Igor oder etwas ähnlich klischeehaftes, nein, sein Name war Bob und schon seine Gewöhnlichkeit war fast ein wenig enttäuschend.

 

Tonks nahm an, dass sie höchstens sechs Stunden bewusstlos gewesne sein konnte, weil immer noch Sonnenlicht durch das kleine Fenster drang. Sie war erst wenige Minuten wach, aber sie konnte jetzt schon sagen, dass Bob ein Möchtegern-Todesser zu sein schien, welcher wohl noch nicht genügend Qualitäten eines Wahnsinnigen aufwies, um draußen zu arbeiten. Er beantwortete keine ihrer Fragen. Und alles, was sie in ihrem Zustand tun konnte, war wenigstens ein Paar strategisch clevere Sticheleien anzubringen.

 

„Du bist eine Hübsche“, erklärte Bob, als er ihr eine Schüssel mit Brühe durch den Schlitz unter der Tür durchschob. Sie hegte die Vermutung, dass Bob sie von ihrer Aurorenuniform befreit und in diesen Sack gesteckt hatte, den sie gerade trug. Das war gute Planung. Ihre Kidnapper wollten wohl dringend, dass sie die volle Kerkererfahrung genießen konnte.

 

„Danke“, erwiderte Tonks, griff sich die Schüssel mit Brühe, und ehe Bob sich bewegen konnte, hatte sie diese durch den höheren Schlitz in der Tür auf Bobs haarlosen Kopf entleert.

 

„Du Miststück! Warte, bis ich dich in die Finger kriege!“, war seine vorhersehbare Reaktion darauf.

 

Tonks ließ ein paar Sekunden verstreichen. Sie tippte ihren Fuß auf den Boden.

 

Sie hörte das Schlurfen auf der anderen Seite der Tür, gefolgt von gemurmelten Flüchen und weiteren Schritten. Tonks tippte ihren Fuß achtmal auf den Boden und schätzte, Bob müsste die Tür wohl erreicht haben. Schließlich verließ er den Kerker.

Acht Schritte waren nicht weit von der Freiheit entfernt, überlegte sie und speicherte diese Information.

 

„Wer hält mich hier gefangen? Wo ist Bligh?“, forderte sie zu wissen. Es war wichtig zu wissen, ob noch weitere Bobs auf der anderen Seite Wache hielten. „Er ist besser noch am Leben!“

 

Tonks trat frustriert nach der Tür. Es schien so, als wäre sie tatsächlich allein. Ihr Fuß tat weh, aber der Schmerz nahm ihr etwas von ihrer Nervosität.

Es war ihr gelungen zumindest kurzzeitig einen Blick auf den Schüler zu erhaschen, der dem Draco-Doppelgänger geholfen hatte, sie außer Gefecht zu setzen.

 

Sie hatte keine Angst.

 

Noch nicht.

 

**

 

Um es einfach zu erklären, waren Klatscher verzauberte einzelne Lederstücke, gefüllt mit Sand und Baumwolle, mit dem Spruch belegt, Spieler während eines Spieles anzupeilen.

Die Zauber, die verwendet wurden, waren denen des Schnatzes nicht unähnlich, wobei hier der Zauber darin bestand, dass er nicht gefangen werden sollte. Es handelte sich um einfache, mechanische Magie. Und es gehörte zum Allgemeinwissen, dass diese Sprüche Potential hatten nach einer gewissen Zeit missbraucht zu werden.

 

Das war auch der Grund, weshalb Madame Hooch darauf bestanden hatte, das Quidditchequipment im letzten Jahr zur Sicherheit der Spieler überprüfen zu lassen.

Fehlte die genaue Steuerung der Klatscher nämlich, so richteten sie sich gegen jeden, der sich auf dem Quidditchfeld bewegte.

 

In den vergangen Jahren war es nicht ungewöhnlich gewesen, zerquetschte Nager oder Vögel im Sand zu finden. Es war auch nicht ungewöhnlich, Hagrid im Sand zu finden, nach dem Überprüfen der Klatscher, um die Tierleichen aufzusammeln, um sie an sein Haustier des Monats zu verfüttern..

 

An diesem speziellen Morgen hatte sich eine kleine Schar an Schülern zusammen gefunden, um dem Spektakel beizuwohnen, wie Tandish Dodders, ein Slytherin aus dem vierten Jahr, versuchte, nicht von den Klatschern zermatscht zu werden.

 

Draco verließ das Schloss und fiel in einen Sprint, bis zum ersten Slytherin, den er kannte. Es handelte sich um Edward Knox aus dem sechsten Jahr. Er war Dracos bester Kunde, wenn es um den Verkauf von seinen alten Hausarbeiten ging.

 

„Berichterstattung.“

 

Knox wirkte unglaublich erleichtert, Draco zu sehen. „Ein Frühaufsteher aus Ravenclaw war der erste, der ihn gesehen hat. Und Weasley und Parkinson patrouillieren heute Morgen und sind gerade los, um Madame Hooch zu holen. Weasley hat versucht, den Klatscher in die Luft zu jagen, aber er kann nicht zielen. Ich habe den Finite Incantatem versucht, aber der funktioniert auch nicht“, schloss der Junge schließlich.

 

Draco und Knox betrachteten, wie nur zwei Slytherins es konnten, mit Faszination wie Dodders sich flach auf den Boden warf und der Klatscher nur knapp neben ihm hart in den Boden schlug.

 

„Hat ihm jemand mal vorgeschlagen, aufzuhören?“

 

„Au, das war knapp!“, rief Knox aus. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Draco zu. „Natürlich haben wir ihm gesagt, dass er aufhören soll. Er ignoriert uns aber. Außerdem hat er ein Drittel des Weges hinter sich. Wir hatten überlegt, dass immer noch die Möglichkeit besteht, dass er es schafft…“

 

Ein weiterer Klatscher sauste nur knapp an Dodders Ohr vorbei. Die Menge schnappte nach Luft und einige jüngere Mädchen bedeckten ihre Augen mit den Händen. Knox’ Einschätzung gegenüber Dodders lagen nicht völlig weit entfernt. Das Klatscher-Laufen war von einigen Idioten über die Jahre hinweg versucht worden. Aber immer nur von Sechst- oder Siebtklässlern. Dodders aber war klein, hatte kurze Beine, keine guten Ausweichmanöver und es war nicht besonders wahrscheinlich, dass er ohne Hilfe noch lange aushalten würde.

 

Knox sah sich zu den Tribünen um. „Weasley kommt.“

 

Ron joggte tatsächlich zu ihnen und sah aus wie ein wütender, mit dem Finger zeigender, Papier wedelnder Hummer. Er stoppte erst, als er mit Draco auf Augenhöhe war.

 

„Du hast Nerven, du sadistischer Arsch!“

 

Für einen kurzen Moment glaubte Draco, Granger hätte Weasley tatsächlich erzählt, was im Badezimmer der Vertrauensschüler vorgefallen war, aber dann presste der Gryffindor Vertrauensschüler ihm das Stück Papier in seinen Händen direkt gegen Dracos Brust.

 

„Ich weiß, ihr Slytherins habt eure eigenen kleinen kranken Rituale und Wege Unsinn zu verbreiten, aber das ist einfach nur falsch!“

 

Knox linste über Dracos Schulter, und die beiden Slytherins lasen die Notiz.

 

Beweise deine Stärke auf dem Quidditchfeld

Diesen Morgen.

Von einem Ende zum andern.

Kein Halten. Kein Umkehren.

Ich werde dir zusehen.

Malfoy

 

Dracos Augen hatten sich verdunkelt als er sie wieder zu Rons Gesicht hob. „Wo hast du das her?“, wollte er wissen, die Stimme gefährlich leise. Der Klang seiner Stimme ließ Rons Ausdruck von zornig zu verwirrt wechseln. Schließlich sah er ihn angewidert an.

 

„Es steckte in der Tasche des Jungen. Neben seinen Büchern“, erwiderte Ron. „Du willst mir jetzt erzählen, dass du das nicht geschrieben hast?“

 

Aber Knox beantwortete diese Frage. „Wow, ich glaube da will dich jemand drankriegen, Malfoy.“

 

„Definitiv“, bestätigte Draco und steckte den Beweis in seine Tasche. Ein weiterer Schüler gesellte sich zu ihnen. Es war Ernie Macmillan. Hufflepuffs Equvalent zu Pansy Parkinson. Und das sollte bedeuten, er war mindestens genauso eine schlimme Tratschtante.

 

„Wo zur Hölle ist Madame Hooch? Parkinson ist vor zehn Minuten losgegangen. Soll ich gehen und Professor Snape holen?“, bot Ernie an. Er starrte ebenfalls neugierig auf die Notiz.

 

„Arme Kaulquappe. Tod durch Snape wird schlimmer sein als Tod durch Klatscher“, murmelte Knox.

 

„Snape zu finden dauert zu lange“, entgegnete Ron. „Er ist… uhm… beschäftigt.“

 

Draco hob eine Augenbraue. „Woher weißt du, dass er beschäftigt ist?“

 

„Harry ist bei ihm.“

 

„Und tut was?“, fragten Knox und Draco gleichzeitig.

 

Ron wurde röter. „Harry hat mir gesagt, er hat einen Termin bei Snape heute Morgen, um irgendwelche Ergebnisse von alten Projekten zu diskutieren.“

 

„Großartig“, seufzte Draco. „Ich wollte gerade fragen, wo der Sankt Potter ist. Das ist genau seine Kragenweite.“

 

„Hey, Jungs“, unterbrach Ernie ihn. „Ich will euch ja nicht stören, aber ich glaube, der Junge überlebt die nächsten fünf Minuten nicht.“

 

Die Klatscher umkreisten Dodders und sahen aus, wie ein unförmiger Geier. Dann und wann brach einer aus der Formation und raste bedrohlich auf Dodders zu.

 

Draco rollte seine Schultern, um dann einen knappen, misstrauischen Blick gen Himmel zu werfen. „Ich regel das.“

 

Mit dem Zauberstab in der Hand und allen Augen auf sich gerichtet, wanderte er in die Mitte des Quidditchfelds, seine Laune so finster wie sein Blick. Die Klatscher wichen sichtbar auseinander, mit der Aussicht auf ein weiteres Ziel auf dem Feld.

 

„Falls du nicht wiederkommst, kann ich dann alle deine Hausarbeiten für Verwandlung dieses Jahr haben?“, rief Knox ihm zu, nur um einen bösen Blick von Ron zu kassieren.

 

Nach zehn Schritten zum Rand des Quidditchfelds hielt Draco inne, um mit der Hand seine Augen abzuschirmen. Er sah entnervt zu dem Jungen hinüber.

 

„KAULQUAPPE! DU SCHLEIMIGE, WIDERLICHE VERSCHWENDUNG AN SPERMA! DU KOMMST SOFORT HIER RÜBER ODER MERLIN HILF MIR UND ICH FLUCHE DEINEN SCHWANZ VON DEINEM KÖRPER UND SCHICKE IHN DEINER MUTTER PER EULE!“

 

Dodders war gerade dabei vor einem Klatscher wegzulaufen. Er sprang mit einem Hechtsprung in die Luft und rollte sich dann im Sand ab, nur um dem Aufprall des Klatschers um Sekunden zu entgehen. Dodders kam wieder keuchend auf die Füße. Der Junge war immer noch im Pyjama, Merlin noch mal.

 

„Du bist verrückt, Malfoy!“, schrie Dodders ihm zu. „Du bist doch derjenige, der mich herausgefordert hat!“

 

„Benutz mal deinen Kopf, du scheiß Idiot! Würde ich mit meinem verdammten Namen unterschreiben?“

 

Und endlich wirkte der Junge panisch. Draco musste es ihm lassen. Der Junge hatte Eier, neben dem offensichtlichen Fehlen von Gehirnmasse.

 

„Du meinst, du hast mir den Zettel nicht zugesteckt?“

 

„Nein. Ich habe es weder geschrieben noch zugesteckt! Soll ich die Hauselfen es dir vortanzen lassen, damit du es begreifst?“, schrie Draco zurück.

 

„AHHHH!“ Plötzlich schrie Dodders auf. Er war über aufgeworfenen Sand gestolpert. Selbst von hier konnte Draco erkennen, dass der Junge seinen Knöchel schlimm verdreht hatte.

 

„Granger, ich hoffe du siehst zu“, murmelte Draco und stürmte dann auf den heulenden Dodders zu.

 

Vier Klatscher lösten sich sofort aus dem Wust über ihm und peilten ihn an. Draco duckte sich, wich aus, blieb stehen und setzte seinen Weg dann fort. Es war wie ein Ausweichmanöver der Hölle. Sechs Jahre Suchertraining zahlten sich endlich aus, obwohl das Ausweichen ohne Besen wesentlich schwieriger war als mit. Er erreichte Dodders gerade rechtzeitig, um ihn am Kragen zu packen und wegzuziehen, bevor die Klatscher ihn geplättet hätten.

 

„Bleibt da!“, rief Ron. Er führte eine Gruppe an älteren Schülern auf das Feld. Sie gaben ihr bestes, um die Klatscher abzulenken.


„Kannst du laufen?“, knurrte Draco durch zusammengebissene Zähne. Er schlang einen Arm um Dodders Hüfte und half ihm zu stehen. Der schwerfällige Junge war beinahe ein Schwergewicht, und Dracos verletzte Schulter protestierte nahezu augenblicklich. „Versuch zu laufen, du Arsch. Wenn ich den Leviosa benutze wirst du zum fliegenden Ziel. Ich kann dich nicht tragen und die Klatscher gleichzeitig aus dem Weg räumen!“

 

„Ich versuch es…“, keuchte die Kaulquappe, während er mehr Gewicht auf das verletzte Bein legte.

 

Sie schafften es bis auf fünf Metern, wo Ron und die anderen standen. Rons Sommersprossengesicht war knallrot vor Anstrengung.

 

„Beeilt euch, ihr habt’s gleich geschafft!“

 

Gleich. Aber noch nicht jetzt.

 

Sie hätten es fast geschafft, wäre Dodders nicht schon wieder gestolpert. Draco bereute die Tatsache, dass sie innerhalb des Schulgeländes nicht apparieren konnten und riss den nutzlosen Dodders erneut in die Höhe, aber dieses Mal traf Draco der Klatscher direkt in die Kniekehle. Beide Slytherins stürzten und Dracos Zauberstab entglitt seinen Fingern. Der Klatscher krachte auf den Boden, zwei Zentimeter von Dracos Kopf entfernt und hinterließ einen Krater, so groß wie ein Kürbis im Sand.

 

„Bedeck deinen Kopf!“, befahl Draco knapp. Dodders hatte zu viel Angst, um ihm zuzuhören. Er versuchte weiterzukrabbeln, auf Ron und die anderen zu. Auf Händen und Knien. Ein zweiter Klatscher gewann an Höhe. Als er den höchsten Punkt erreicht hatte, hielt er in der Luft inne, nur um mit doppelter Geschwindigkeit zurück gen Boden zu rasen. Flüche schossen über Dracos Kopf hinweg. Er bemerkte, dass nun auch Professor Flitwick und Madame Hooch in der Menge standen. Einige der Klatscher hatten nun versteinert in der Luft inne gehalten, aber nicht der eine, der auf Dodders zugeschossen kam.

 

Draco wischte sich die Strähnen aus der Stirn und spuckte Sand und Gras auf den Boden. Sein Zauberstab lag zu weit weg. Für einen kurzen Moment überlegte er, mit einem Hechtsprung zu ihm zu gelangen.

 

Jeder, der behauptete, eine Muggelschule zu besuchen, sei gefährlich, musste dringend für eine Woche nach Hogwarts kommen, entschied Draco.

 

Bevor er überlegt hatte, ob es wirklich eine kluge Entscheidung war, kam er auf die Füße und rannte zu Dodders. Mit einem Sprung hatte er sich auf den Jungen geworfen. Kaulquappe hatte gerade das sein Frühstück über sich selbst erbrochen.

 

Draco bemerkte a Rande, dass wohl Hafergrütze Teil des Frühstücks gewesen war.

 

**

 

Hogwarts’ Schulsprecher und Schulsprecherin saßen in McGonagalls Büro und verdauten die Neuigkeiten der Attacke auf dem Gelände und dass zwei Auroren verschwunden waren. Jetzt war Dumbledore gerade bei Arthur Weasley und seinen Beratern im Ministerium. Das Schulministerium war erst jetzt informiert worden.

 

Einer der vermissten Auroren war Nymphadora Tonks.

 

Als direkte Auswirkung war die alljährliche Abschlusszeremonie für die Siebtklässler gestrichen worden. Und das wäre das zweite Mal in neunhundertjährigen Geschichte Hogwarts. Der Abschlussjahrgang würde die Zeugnisse per Post erhalten. Die Eltern waren bereits benachrichtigt worden und konnten ihre Kinder abholen, falls diese schon eher nach Hause wollten.

 

Professor McGonagall reagierte mit einem beruhigenden Nicken auf Hermines Reaktion. Hermine hatte die Finger in die Armlehne ihres Stuhls gekrallt, so dass ihre Knöchel weiß hervor traten.

 

„Wir werden wieder öffnen, Miss Granger. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme“, versicherte die Hauslehrerin von Gryffindor fest. „Es ist immerhin nicht das erste Mal, dass wir die Schließung der Schule zu befürchten hätten, und wir sind immer noch da, um davon zu erzählen.“

 

„Hermine?“ Blaise lehnte sich näher zu ihr und runzelte die Stirn, während sie immer noch abgehackt atmete. Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht, aber sie schien es nicht wahrzunehmen. Sie blinzelte schnell, schien aber nichts mehr zu sehen.

 

„Ahem… Professor, ich glaube, es geht ihr nicht gut.“

 

McGonagall schritt um ihren Schreibtisch. „Miss Granger, geht es Ihnen gut?“

 

Nein, ging es nicht. Ihr war schwindelig, sie war kurzatmig und es klingelte in ihren Ohren. Draco war etwas passiert…

 

McGonagall hätte bestimmt noch mehr Fragen gestellt, wäre die Tür zu ihrem Büro nicht gerade aufgeflogen. Ron kam kaum zu Atem, sein Hemd mit Blut getränkt. Seine Augen waren aufgerissen und er war außer sich.

 

„Professor…“, keuchte er, völlig außer Atem. „Bitte, kommen Sie schnell. Draco Malfoy ist tot!“

 

 

Chapter Twenty-Five

 

Draco befand sich in der Eingangshalle, versteckt hinter der großen Standuhr, welche soeben drei Uhr im Morgen ankündigte. Der Boden unter seinen Füßen war eiskalt, und er war barfuß. Er wartete, bis das Läuten der Uhr verstummt war und lauschte dann wieder den Stimmen, die aus der Bibliothek drangen.

 

Seine Eltern waren wach, trotz der späten Stunden, und schienen sich wieder zu streiten. Das war nichts Neues für Draco, aber das heutige Thema des Streites hatte ihn veranlasst weiter nachzuforschen. Er wusste, dass er in großen Schwierigkeiten war, würde er entdeckt werden, aber er nahm das Risiko seines Vaters Zorn auf sich zu ziehen auf sich, wenn es um George ging.

 

Für George würde er viel riskieren.

 

Es war erst als seine Mutter seinen Namen genannt hatte, dass seine Neugierde vollständig geweckt war. Er war ohnehin wach gewesen und viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Nach George zu suchen, überwog jedes andere Bedürfnis. Die arme Toolip hatte den ganzen Nachmittag mit dem jungen Malfoyerben nach dem Hund gesucht. Aber es gab keine Spur von ihm, auch wenn Draco vom Koch das beste Stück Fleisch gefordert hatte und im Garten gerufen hatte, bis seine Stimme heiser geworden war.

 

„Ich werde es nicht zulassen“, sagte sein Vater gerade. Er sprach mit leiser, finsterer Stimme, was immer bedeutete, dass er nicht mehr gereizt sondern jetzt wirklich wütend war. Es war nicht klug anwesend zu sein, wenn sein Vater so gefährlich ruhig sprach. Für gewöhnlich bekamen die Menschen Angst vor seinem Vater und traten den Rückzug an.

 

Aber seine Mutter war kein gewöhnlicher Mensch.

 

Draco kroch den Korridor entlang, unter den Portraits hindurch, während einige der Portraits ihm verschwörerisch zuzwinkerten. Er wollte zurücklächeln, aber dies war kein fröhliches Abenteuer. George war verschwunden, und seine Eltern waren böse miteinander.

 

Er hoffte, das eine hatte nichts mit dem anderen zu tun.

 

Die beiden Flügeltüren standen weit offen und Kerzenlicht kroch in die Dunkelheit des Flurs. Für Draco war es nicht ungewöhnlich, keine Angst vor der Dunkelheit zu haben. Magie bedeutete Licht, und er trug es bei sich, wo immer er hinging, so hatte es ihm seine Mutter gelehrt. Das gab ihm also keinen logischen Grund für Angst.

 

Draco wagte einen Blick hinter die Tür, und drückte sich die hellen blonden, strubbeligen Strähnen platt, damit seine Eltern kein Haar von ihm entdecken konnte, und zog schnell seine Zehen ein, weil er vermutete, auch diese wären zu sehen.

 

Seine Mutter durchschritt angespannt den Raum, und sie trug immer noch das fliederfarbenen Seidenkleid, dass sie auf der Soiree bei den Parkinsons getragen hatte. Sie hatte ihn vor sechs Stunden zu Bett gebracht und zugedeckt, und er erinnerte sich, dass sie nach Orchideen gerochen hatte. Seine Mutter roch immer sehr gut.

 

„Du bist widerlich“, erwiderte seine Mutter. Draco hatte sie noch nie in diesen Ton gegenüber ihrem Mann sprechen gehört. Er hatte plötzlich mehr Angst um sie als er um George hatte, was sehr viel Angst war, mit der ein fünfjähriger umzugehen hatte.

 

Lucius knurrte und warf zornig einen Stuhl um. Kurz schien der Stuhl in der Luft zu zögern, ehe er mit einem gedämpften Geräusch auf den Teppich fiel. Draco hatte die Hand über den gelegt, um seine Überraschung zu verbergen. Glücklicherweise waren seine Eltern mitten in ihrem Streit und hörten ihn nicht.

 

„Den Jungen zu verwöhnen ist falsch. Draco muss harte Lektionen lernen. Er ist alt genug!“

 

Die eisblauen Augen seiner Mutter verengten sich. „Er hat noch genügend Zeit, um sich auf das Leben vorzubereiten, in das er hinein geboren wurde.“

 

„Fünf ist alt genug, um zu begreifen, dass man keine unwürdigen Promenadenmischungen in dieses Haus bringt.“

 

„Bastard“, zischte seine Mutter.

 

Kurz sah es so aus, als würde sein Vater die Beleidigung ignorieren. Draco betrachtete ihn ungläubig. Niemand nannte seinen Vater einen Bastard – ein sehr, sehr böses Wort, das man nur benutzte, um zum Duell herausgefordert zu werden. Aber dann stellte sein Vater sein Brandy Glas gefasst auf den Tisch zurück, durchschritt das Zimmer zu seiner Mutter und schlug sie direkt ins Gesicht.

 

Es war das erste Mal, dass Draco seinen Vater beobachtete, wie er seine Mutter schlug. Was ihn noch mehr schockierte, war, dass seine Mutter lächelte. Es war ein wissendes Lächeln, was keine Überraschung ob dieser Behandlung zeigte. Sie sah so aus, als hätte sie den Streit gewonnen oder hätte eine vorher versteckte Wahrheit aufgedeckt.

 

Irgendwas in Draco wurde plötzlich kalt. Er merkte, dass die Spiele, die Erwachsene spielten völlig anders waren von denen, die Kinder spielten.

 

Das hier war nichts, was er sehen wollte.

 

Er hatte nicht gemerkt, was er getan hatte (seine Füße bewegten sich wie von selbst), und jetzt stand er in der Mitte der Türen zur Bibliothek, vollständig im Licht, die kleinen Hände zu Fäusten geballt, während Tränen seine Wangen hinab liefen. Sein Vater kehrte ihm den Rücken zu, so dass glücklicherweise nur Narzissa ihn sehen konnte. Überrascht blinzelte sie und schüttelte dann kaum merklich den Kopf in einer offensichtlichen Warnung. Draco fühlte sich erleichtert und fühlte sich sofort schuldig, sich erleichtert zu fühlen und kroch zurück in die Dunkelheit des Flurs. Er zitterte vor Furcht und Zorn.

 

„Vergiss nicht zu wem du sprichst!“, erklärte Lucius seiner Frau, obwohl sein Zorn verraucht zu sein schien. Er seufzte und hob schließlich die Hand, um über ihre Wange zu streichen. „Vergiss es nicht“, flüsterte Lucius fast und klang entschuldigend und noch irgendwas, was Draco nicht bestimmen konnte. Es fielen noch mehr Worte. Leise Worte, die Draco nicht verstand und auch nicht hören wollte.

 

Plötzlich fühlte er sich wie ein Eindringling. Es war ein privater, intimer Moment.

 

Seine Mutter schien es nicht zu wundern, dass die Stimmung seines Vaters umgeschwungen hatte. Oder vielleicht zeigte sie es nicht, weil sie wusste, dass ihr Sohn zusah. Sie zog sich vor ihrem Mann zurück.

 

„Ich liebe dich nicht.“

 

Lucius lachte auf. Es war ein amüsiertes Lachen. „Doch, tust du. Und du hasst dich selbst dafür.“

 

Sie schenkte ihm ein schmales Lächeln. „Severus hasst mich auch dafür.“

 

„Erwähn nicht den Namen dieses Verräters in diesem Haus!“

 

Narzissa holte sich ihre fliederfarbene Stola von der Couch. „Er wird nicht so werden wie du. Dafür werde ich sorgen.“

 

Lucius warf sein Glas voller Zorn in die Flammen, so dass diese durch den Alkohol kurz höher züngelten, aber er erwiderte nichts. Narzissa schritt zu den Türen und schloss sie leise hinter sich.

 

„Und du! Was tust du hier unten?““, wollte sie jetzt von Draco wissen und zog ihn am Ellbogen mit sich. Ihr langes, honigblondes Haar, was vorher noch kunstvoll auf ihrem Kopf gelegen hatte, fiel nun in weichen Wellen ihren Rücken hinab und kitzelte Dracos Gesicht.

 

„Ich… ich suche George“, erwiderte Draco.

 

Sie hielten nicht an, ehe Draco nicht wieder in seinem Zimmer war. Seine Mutter brachte ihn erneut ins Bett. Toolip, welche schlafend im Schaukelstuhl zusammen gesunken war, schnarchte seelenruhig weiter. Narzissa verdrehte die Augen, während sie die alte Elfe betrachtete.

 

„Es tut mir leid, dass du das sehen musstest, Liebling. Dein Vater ist heute Abend nicht in bester Stimmung.“ Sie glättete sein Haar mit ihrer Hand, was heller war als ihres und sich weniger wellte.

 

Dracos Lehrer erklärten ihm häufig, dass er einen Sinn hatte, Rätsel zu lösen. Und einen Sinn für Logik. Vielleicht ließ ihn diese Logik auch die nächste Frage stellen.

 

„Mutter“, begann Draco und wünschte sich, er wäre so clever wie Pansy oft behauptete, „hat Vater irgendetwas mit George gemacht?“

 

Der Blick aus den blauen Augen seiner Mutter wurde für einen Moment härter. Sie schien eine Entscheidung zu treffen. Dann griff sie in eine Innentasche in ihrem Kleid und zog ein schwarzes Lederhalsband hervor.

 

„Es tut mir leid.“

 

Es gab nichts, was er tun konnte. George war fort. Dracos Herz fühlte sich an wie ein schwerer Stein, der immer tiefer sank und verschwand unter den dunklen Wassern wie in den Quellen von Thimble Creek. Er ergriff das Halsband mit zitternder Hand, aber er weinte nicht. Nicht mal, als seine Mutter ihm einen Kuss auf die Stirn gab und ihm gute Nacht wünschte.

 

„Liebe niemals etwas mehr als es dich liebt, Draco“, flüsterte sie. „Werde niemals wie dein Vater.“

 

Oder wie du, wollte Draco sagen, tat es aber nicht.

 

Toolip half ihm am nächsten Tag das Halsband im Garten zu vergraben.

 

**

 

Er war nicht tot.

 

Hermine wusste das, denn alles, was sie tun musste, war, die Augen schließen, ihre Gedanken reinigen und nach ihm suchen. Er war da. Irgendwo weithinten in ihren Gedanken. Er atmete. Er lebte. Sein Herz schlug laut und stark. Allerdings schien er nicht viel zu spüren. Kein Schmerz, keinen Ärger, nicht mal dieses Phantomgefühl, welches ihre eigene Präsenz in seinem Kopf darstellte.

 

Sie schloss daraus, dass er noch bewusstlos war.

 

Ron hatte wohl in seiner Panik darauf geschlossen, dass Draco tot sein müsste, wegen dem massiven Blutverlust aus dem Schnitt auf seiner Stirn. Als Professor Flitwick und Madame Hooch die beiden verletzten Slytherins provisorisch behandelten, war Ron losgerannt, um die stellvertretende Schulleiterin zu holen. Als sich McGonagall von dem beinahe Herzinfarkt erholt hatte, war sie losgegangen, um Snape zu holen.

 

Harry war noch bei Snape, und er hatte sich nicht erinnern können, Snape jemals so zornig erlebt zu haben.

 

„Ja, abgesehen von dem Tag als er dich in seinem Denkarium entdeckt hatte“, erinnerte ihn Ron, um von seiner vorherigen, recht amüsanten, Überreaktion abzulenken.

 

Ron sagte, beide Slytherins hätten Klatscherangriffe gegen Kopf und Brust abbekommen, wobei Draco den größeren Anteil abgekriegt hatte. Die Verletzungen waren nicht tödlich, aber die Jungen würden Prellungen, blaue Flecken und in Dracos Fall eine Gehirnerschütterung davontragen.

 

Als sich die Information im Schloss rumgesprochen hatte (danke Pansy Parkinson und Ernie MacMillan), unterschieden sich die Reaktionen von Respekt bis zu großen Lachern. Und viele waren beeindruckt vom Mut des jungen Kaulquappe, dessen Name nun in Hogwarts nicht mehr vergessen werden würde. Denn nicht seit den Weasley Zwillingen hatte jemand gewagt, die Regeln so leichtsinnig zu missachten, nur um Dummheiten zu machen.

 

Der Rest des Tages verging schmerzhaft langsam, fand Hermine. Sie war immer noch nicht über die Begegnung mit Draco im Badezimmer der Vertrauensschüler hinweggekommen. Aber es hatten sich zwei Dinge für sie herauskristallisiert. Sie waren problematisch, schwer zu verdauen und nahezu unmöglich zu denken. Und sie wollte auch gar nicht daran denken.

 

Also tat sie es nicht. Sie war ein gutes Beispiel für die emotionale Hinauszögerung.

 

Aber egal, wie schlecht alles am Mittwoch ausgegangen war, konnte sie nicht länger leugnen, dass sie Gefühle für Malfoy hatte. Das Problem war, dass diese Gefühle keiner zärtlichen Natur entsprangen. Sie erzeugten keine Tagträume bei ihr, keine verzweifelten Seufzer, und sie wollte auch nicht die Buchstaben H und D in Herzen zeichnen.

 

Es eher so, dass sie sich krank fühlte, wenn sie ihn sah. Nicht nur in einer schlechten Weise, aber eine Weise, die bedeutete, dass sie sich selber vergaß. Ihr unwilliger Ehemann hatte einen gefährlichen Einfluss auf sie. Ob er es nun wollte oder nicht.

 

Und unglücklicherweise war Fida Mia keine Ausrede für alles.

 

Hermine fand es fast obszön sich um Herzenssorgen zu kümmern, wenn einer von ihnen, und zwar Tonks, wahrscheinlich in tödlicher Gefahr schwebte.

 

**

 

Es war nicht ungewöhnlich, Harry zu später Stunde in einer Ecke der Couch im Gemeinschaftsraum zu finden. Manchmal unterhielt er sich mit Ginny, die sowieso weniger Schlaf als alle anderen zu brauchen schien, oder manchmal spielte er Schach mit Ron oder Karten mit Neville.

 

An diesem Abend hatte Harry etwas zu lesen bei sich. Er sah auf, als Hermine die Treppen runterkam. „Hi.“

 

„Hi“, erwidert sie, als sie sich neben ihn setzte. Sie sah, dass er zwei verschiedene Socken anhatte und zwickte seinen großen Zeh zur Begrüßung. „Kannst du auch nicht schlafen?“

 

Er gähnte. „Das scheint eine populäre Schülerkrankheit zu sein. Ich schaue mir noch mal Snapes Notizen zu meinem Okklumentik Examen an. Wir wollten das Ergebnis heute Morgen besprechen, ehe er in den Krankenflügel gerufen wurde.“

 

„Darf ich gucken? Achtundneunzig Prozent! Harry, das ist großartig!“

 

„Schätze schon.“

 

Sie verstand seinen begrenzten Enthusiasmus. Tonks Verschwinden war den ganzen Tag lang in ihren Köpfen. Und Dumbledores Abwesenheit war ebenfalls zu spüren und alle waren alarmbereit. Schlechte Dinge passierten, wenn er nicht da war. Es gab die absurde Theorie, dass Tonks mit Donald Bligh einfach durchgebrannt war, aber wer Tonks – oder Bligh – kannte, würde diese Theorie für mehr als abwegig halten. Der Orden hatte ein Treffen für Montag veranlasst, was dann verschoben worden war. Harry war gespannt, was Moody für Schritte einleiten würde, um die die vermissten Auroren zu finden.

 

Hermine überflog still Snapes strenge, akribisch genau Notizen. Es war herrschte Stille im Gemeinschaftsraum.

 

„Wolltest du irgendwas?“, fragte Harry plötzlich.

 

„Ja.“ Hermine wusste nicht genau, wie sie es erklären sollte, also stellte sie die Frage einfach und klar. „Harry, kann ich mir deinen Tarnumhang leihen?“

 

„Du versuchst nicht, Tonks selber zu finden, oder?“

 

Sie schenkte ihm einen eindeutigen Blick. „ Natürlich nicht.“

 

„Denn du hast mir erklärt, es wäre ziemlich dumm etwas zu unternehmen, ohne vorher Dumbledores Meinung einzuholen.“

 

„Richtig.“

 

„Und wenn du alleine losziehst, würden wir uns zu Tode sorgen…“

 

„Ja, Harry, ich weiß.“

 

Er nickte. „Richtig. Ich will nur sicher gehen.“

 

Konsterniert beobachtete Hermine, wie Harry auf die Füße kam, sich streckte und ihr erklärte, zu warten. Er schritt die Stufen zu seinem Schlafsaal hoch und kam keine Minute später zurück.

 

„Ich werde dich nicht fragen, weshalb du ihn brauchst“, erklärte er direkt. „Aber ich erwarte, dass du zu mir kommst, wenn du Hilfe brauchst.“

 

Ihre Jungen waren so erwachsen, bemerkte Hermine stolz. Sie unterdrückte das Verlangen in Tränen auszubrechen.

 

Völlig gelassen klopfte ihr Harry auf die Schulter. „Er ist ein glücklicher Junge. Wer auch immer er ist.“

 

Ihr Blick hob sich sofort. „Wieso denkst du, dass es sich um so etwas handelt?“

 

Harry zuckte die Achseln, aber der Geist eines Lächelns verweilte auf seinen Zügen. „Es scheint, als brichst du nur Regeln für Jungen, die du leiden kannst.“

 

Sie hatte ehrlich noch nie so über die Sache nachgedacht.

 

 

Chapter Twenty-Six

 

**

What’s so amazing

That’s keeps us star gazing

What do we think we might see?

**

 

Freitagabend

 

Um fünf nach zwei Uhr morgens schlüpfte Hermine in ihre Hausschuhe, zog Harrys Umhang über und schlich aus dem Schlafsaal.

 

Die Lehrer patrouillierten jetzt neben den Vertrauensschülern durch die Gänge, so wie auch in Hermines zweitem Jahr nach dem Kammer-des-Schreckens-Fiasko. Anscheinend hatte sich McGonagall freiwillig angeboten, die Gänge vor dem Gryffindorturm zu kontrollieren.

Hermine hoffte, dass McGongagall heute patrouillierte, denn es wäre einfach an ihr vorbeizukommen, als an einem jungen, trainierten Auroren.

 

Nichts gegen Minerva McGonagall.

 

Dabei erwischt zu werden, zu den Bettzeiten in Hogwarts herumzuschleichen, würde mehr Ärger bedeuten, als sie gebrauchen konnte. Oder die Auroren. Oder die Lehrer. Nicht zu erwähnen, dass sie auch auf Harrys Umhang besonders Acht geben musste.

 

Es war schon lästig genug, dass die Dielen im Schloss überall knarrten und die Türen quietschten, wenn man versuchte, besonders leise zu sein. Vielleicht hatte Malfoy recht. Vielleicht fehlte ihr das Schleich-Gen. Allerdings dämpften ihre Hausschuhe ihre Schritte hervorragend. Sie musste nur um jede Ecke linsen, ehe sie weiter konnte, um zu gucken, wer Aufsicht hatte.

 

Sie hatte drei Auroren gezählt, ehe sie das Erdgeschoss erreichte. Und jetzt war sie nur noch einen Korridor vom Krankenflügel entfernt.

 

Unglücklicherweise stellte sie bei ihrer Ankunft fest, dass Professor direkt vor den geöffneten Türen des Krankenflügels stand. Er starrte in die Dunkelheit, mit einem Ausdruck, der fast herausfordernd wirkte. Hermine runzelte die Stirn.

 

Tatsächlich schien Snapes gewöhnlicher Ausdruck immer misstrauisch zu sein.

 

Mist.

 

Sie wartete, was ihr wie Stunden vorkam, dabei waren es wohl höchstens zwanzig Minuten. Sie spürte einen Krampf im rechten Fuß. Selbst der Meister der Zaubertränke musste irgendwann zur Toilette, oder nicht? Wie ein Wunder erschien Hagrid am anderen Ende des Korridors. Er trug einen monströsen Mantel und eine schwach leuchtende Laterne. Er winkte Snape zu sich. Dieser verzog fast schon obligatorisch seine Mundwinkel und verließ schließlich seinen Posten, um mit dem Wildhüter zu sprechen.

 

Hermine nutzte ihre Chance und sprintete die letzten paar Meter, bis sie es sicher in den Krankenflügel geschafft hatte. Bei Nacht war der Krankenflügel nur schwach beleuchtet und wirkte wie eine enorme langgezogene Höhle, die nicht unangenehm nach Desinfektionsmittel roch. Tagsüber war es hier dennoch angenehmer, befand Hermine.

 

Sie spürte keine Aufregung und nervösen Spannung, wie als sie das erste Mal aus dem Gryffindorturm geschlichen war, um Draco in der Eulerei zu treffen. Der Ärger war nun viel näher, und es war nicht spaßig, was sie tat.

 

Alle Betten waren leer, bis auf das, was am nächsten zum Fenster stand. Und es waren die Vorhänge komplett herumgezogen. Ein paar schwarze Lederschuhe, die zur Schuluniform gehörten waren lieblos unter das Bett geworfen worden. Ihr fiel auf, dass keine Blumen, Pralinen oder Karten auf dem Nachtisch standen, so wie es bei Harry immer der Fall gewesen war, wenn er im Krankenflügel lag.

 

Vielleicht war es in Slytherin nicht üblich den Prozess der Genesung mit Schokolade zu beschleunigen.

 

Aber irgendwie war es traurig.

 

Als sie sich vergewissert hatte, dass Snape noch nicht zurück war, zog sie die Vorhänge schließlich auf. Unsichtbar zu sein hatte seinen Vorteil.

 

Nur einen Blick, sagte Hermine sich. Sie legte den Umhang ab.

 

Malfoy schlief auf dem Bauch, eine Hand neben seinem Gesicht, die Finger zusammengerollt. Auf der rechten Seite seines Gesichts schimmerten die Reste einer Salbe. Er sah schrecklich jung aus, wenn er so entspannt vor ihr lag. Ein Riss über seiner Augenbraue war bereits magisch verheilt. Die verletzten Stellen sahen rot und etwas dick aus, aber ansonsten schien er noch heile zu sein.

Er trug die Pyjamas des Krankenflügels und sein Oberteil war so falsch zugeknöpft, dass sie annehmen musste, er hatte darauf bestanden, es selber zu machen. Sie fragte sich, ob es deshalb war, weil er nicht wollte, dass jemand Frage bezüglich des Tattoos auf seinem Rücken stellte.

Das eine Kissen auf dem Bett hatte er zu einem Ball zusammengedrückt, um wohl höher liegen zu können. Die dünne Decke lag auf dem Boden vor dem Bett. Seine Füße waren nackt, und einer hing über der Bettkante.

 

Er hatte wirklich schöne Füße.

 

Sie hatte ihn gesehen. Mehr hatte sie nicht gewollt. Aber Hermine glaubte, dass ihm kalt werden würde ohne Decke.

 

Sie ging vorher sicher, dass die Vorhänge wieder komplett geschlossen waren, ehe sie sich nach der Decke bückte. Während sie unten war, bückte sie sich nach seinen Schuhen und stellte sie ordentlich nebeneinander. Als sie sich wieder aufrichtete, erschrak sie fast, als die Hand, die gerade noch neben seinem Gesicht gelegen hatte, langsam ihre Wange berührte.

 

Er war wach und betrachtete sie mit einem besorgten, verwundbaren Blick. Sie fühlte, wie die Luft nicht mehr aus ihren Lungen weichen wollte.


„Konnte ihn nirgendwo finden“, erklärte er, nahe am Rand der Tränen. Seine Augen war nur halb geöffnet und seine Stimme durch die Medikamente noch etwas träge. Hermine entspannte sich etwas, als sie merkte wie orientierungslos er war.

 

„Er kommt immer, wenn ich rufe.“

 

Sie deckte ihn wieder zu und zögerte nur eine Sekunde, ehe sie seine Hand ergriff. „Wen konntest du nicht finden, Draco?“

 

„Braun und zottelig. Riecht nach Ententeich.“ Er lächelte wehmütig bei dieser Erinnerung. „Er ist mir vom Dorf aus gefolgt.“

 

Er sprach von irgendeinem langverlorenen Haustier, ging Hermine auf. Der Hund schien ihm viel bedeutet zu haben.

 

„Das tut mir leid“, sagte sie. Und es tat ihr wirklich leid, denn es war eine sehr private, intime Erinnerung, die er mit ihr teilte, und sie wusste, er würde sich später dafür hassen, dass er es sie hatte wissen lassen.

 

„Mein Kopf fühlt sich beschissen an“, flüsterte er und befeuchtete seine Lippen mit seiner Zunge. Er rollte sich stöhnend auf den Rücken, und Hermine unterdrückte, ihm zu sagen, dass er ruhig sein sollte. Snape müsste nur den Kopf in den Krankenflügel stecken, um zu wissen, dass sie hier war.

 

„Möchtest du ein Glas Wasser?“, fragte sie jetzt.

 

Er verzog unglücklich den Mund. Wahrscheinlich realisierte er gerade, wo er war und mit wem.

 

„Granger?“

 

„Ja, ich bin’s, Hermine. Ich bin hergeschlichen, um dich zu sehen.“ Sie fügte den letzten Teil hinzu, bevor er sich entscheiden konnte, wieder laut zu werden.

 

„Hermine…“

 

Sie musste grinsen. Er hatte Probleme ihren Namen zu sagen, und schaffte es erst beim dritten Versuche. Es war fast so schlimm wie bei Krum, überlegte sie. „Ich wollte dich nicht wecken.“

 

„Wusste, du kommst zurück“, erwiderte er mit einem bestätigenden Nicken. Er lächelte so breit, als hätte er gerade erfahren, dass der Weihnachtsmann, die Zahnfee und der Osterhase tatsächlich existierten und am Ende der Straße eine riesige Party feierten.

 

„Die andere. Granger. Sie mag mich nicht besonders. Gut, dass ich einen leichten Schlaf habe. Würde noch kommen und mich erledigen, diese Harpyie.“

 

Hermines Augen weiteten sich. Der Mann vor ihr war anscheinend voll mit Medikamenten bis hinter die Augen. Die Gehirnerschütterung musste schlimmer sein, als Ron es beschrieben hatte.

 

Das Händehalten war aber ziemlich angenehm. Er hatte einen warmen, trockenen Griff, was eher ungewöhnlich war, bei Jungen seines Alters. Ihrer Erfahrung nach waren die Hände eher schwitzig.

 

„Ich wollte sehen wie es dir geht.“

 

„Schräußlich“, informierte er sie. Sie glaubte, er wollte zuerst Schrecklich sagen und hatte seine Meinung beim Sprechen doch noch geändert.

 

„Das war sehr riskant, dass du dem Jungen geholfen hast. Alle sprechen darüber.“

 

Er grinste mit geschlossenen Augen. Es war fast niedlich. „Kaulquappe ist in Ordnung. Bräuchte etwas Gehirn, aber sonst ist er ok.“

 

Sie lachte, und unterdrückte das Geräusch sofort wieder. „Vielleicht interessiert es dich zu hören, dass Dodders Lobeshymnen auf dich singt.“

 

Er machte eine wegwerfende Handbewegung, die ihn fast dazu brachte aus dem Bett zu fallen. Hermine umfing seine Schultern und hielt ihn ruhig. „Das ist mir scheiß egal! Jemand hasst mich genug, um mich drankriegen zu wollen. Die Liste an möglichen Leuten ist lang, weißt du… Könnten viele sein. Hermine, hörst du zu?“

 

„Ich höre zu.“ Um das zu bestätigen setzte sie sich auf seine Bettkante.

 

„Mein Kopf tut weh, ich hab mein Gesicht ruiniert, und sie sagen mir, du warst nicht mal da, um es zu sehen“, fuhr er fort.

 

Hermine speicherte dieses kleine aber dafür umso wertvollere Geständnis. Sie richtete seinen Kragen, der halb in seinem Oberteil steckte. „Jedenfalls habt ihr beiden überlebt, und ich versichere dir, dein gutes Aussehen ist immer noch intakt.“

 

„Pff…“, machte er, während er sich eine Strähne aus der Stirn pustete. „Granger denkt, ich bin widerlich. Will nicht mit mir sprechen, will mich nicht anfassen. Will nicht mal mit mir schlafen, wenn wir nüchtern sind. Hat mich aber dennoch geheiratet. Das ist schon was, hm?“

 

Ihre Augen wurden noch größer. Er war wohl gerade richtig in Schwung. „Scheint so.“

 

Malfoy schien es schwer zu fallen, sie im Fokus zu behalten. Er runzelte die Stirn, verzog den Mund und befahl ihr, sich nicht immer zu verdoppeln, denn ihm würde schwindelig werden.

 

„Au“, stöhnte er.

 

Und er tat ihr leid. „Shh. Mach die Augen zu.“

 

Nichts, nicht mal ein Besuch im Krankenflügel war einfach, wenn es um Draco Malfoy ging. Aber es fühlte sich falsch an, dass es niemanden störte. Dass niemand irgendwo nicht besorgt darüber war, wie es ihm ging und dass niemand versuchte nach Ausgehverbot hierher zu schleichen.

 

„Ok“, erwiderte er. „Bleibst du?“

 

„Ja.“

 

„Kommst du ins Bett?“

 

„Ich kann nicht.“

 

„Klar kannst du. Hier ist Platz. Siehst du?“

 

Sie wusste nicht, was er erwartete, dass sie sah, denn er hatte sich keinen Millimeter bewegt.

 

Hermine schrieb es dem temporären Wahnsinn zu, dass sie ihre Schuhe auszog und sich zu ihm legte. Da war kein Platz, und sie musste Malfoy praktisch mit Gewalt zur Seite schieben, denn er war nicht in der Lage sich überhaupt zu bewegen. Er roch nach Salbe und Kampferöl, was ihr nicht gefiel, denn es überlagerte seinen natürlichen Duft.

 

„Das ist verrückt. Wenn ich erwischt werde, dann gehst du mit mir unter“, versprach sie flüsternd, nachdem sie die Decke über sie beide gedeckt hatte.

 

Malfoy grinste immer noch. „Ok“, erwiderte er wieder, ehe er sein Kinn auf ihren Kopf legte. „Wir sollten das öfter machen.“

 

Bei ihm klang es so, als würden sie sich gerade zu Tee und Gebäck treffen.

 

Hermine lag in seiner Armbeuge, den Kopf auf seiner Brust und ein Bein über seins gelegt, und es alarmierte sie fast, dass sie jetzt gerade perfekt hätte einschlafen können. Der Schlüssel gegen Schlaflosigkeit war also in keiner gemütlichen Position mit einem zugepumpten Draco Malfoy ein enges Krankenbett zu teilen, wo nach Vick Vapor Rub hoch zehn roch.

 

„Sag der Harpyie es tut mir leid, dass ich versucht habe sie in der Wanne zu vögeln. Das machst du, oder Hermine?“ Er kuschelte sich in ihren Nacken.


„Die Harpyie nimmt die Entschuldigung an“, erwiderte Hermine bitter. Die Erinnerung war immer noch frisch in ihrem Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob sie auch mit einem nüchternen, nicht unter Drogen stehenden Draco Malfoy zurecht kommen würde.

 

„Ich hätte ihr nicht wehgetan“, versicherte er und klang plötzlich sehr ernst.

 

Hermine legte den Kopf zurück, um ihn anzusehen, und er nutzte diese Gelegenheit, um seine Lippen ihre Nase streifen zu lassen. Schon allein dieser Kontakt reicht, damit es sich in ihrem Kopf zu drehen begann. Er schielte hinab auf ihre Sommersprossen. Es war zu dunkel, um zu erkennen, was seine chamäleonartigen Augen vorhatten, aber sie wettete, seine Augen waren geweitet.

 

„Du hast versucht, sie zu verletzen. Sie ist nicht dumm, weiß du?“, schaffte sie endlich zu sagen.

 

Allerdings ist sie verrückt, denn sie spricht von sich in der dritten Person…

 

„Sie ist klüger als ihr gut tut. Weniger Gedanken. Mehr Sex“, erklärte Draco feierlich. „Ich sollte das auf ein T-Shirt drucken lassen.“

 

„Ja, mach das.“ Hermine strich mit ihren Fingern durch seine Haare, um zusehen, wie sehr sein nervtötendes Gehirn beschädigt worden war.

 

„Das fühlt sich gut an“, murmelte er, während seine Finger die Haut ihrer Hüfte streichelten. Sie konnte sich vorstellen, wie das Drachentattoo sich zu strecken versuchte, um in Berührung mit seinen Finger zu kommen. Seltsam, dass diese Sensation auf ihrer Haut ihr nicht mehr fremdartig vorkam. Lediglich neu.

 

„Du trägst wieder das Shirt“, bemerkte er und betrachtete ihre Brust. Er sah aus wie Harry morgens, wenn er seine Brille nicht finden konnte. „Das mit dem Frosch. Kevin.“

 

„Kermit“, korrigierte sie ihn und lächelte in seinen Nacken.

 

„Erzählst du mir jetzt, was es mit dieser Rainbow Connection auf sich hat? Oder ist das streng geheim? Das größte Muggelgeheimnis, das ein Zauberergehirn nicht begreifen kann?“ Es lag genug Unmut in seiner Stimme, um sie daran zu erinnern, dass unter den Schwellungen, den Salben, dem Schlaftrank, dem Krankenflügel-Pyjama und dem Händehalten immer noch Draco Malfoy lauerte.

 

Sie zögerte, denn sie wusste, wohin diese Unterhaltung führte. „Na ja, das ist das Lied, das er singt.“

 

„Perfekt. Sing es.“

 

„Nein, Malfoy. Ich darf nicht mal hier sein, schon vergessen?“

 

Er schwieg. Unglaublicherweise überlegte Hermine, dass er wohl tatsächlich beleidigt war. Merlin.

 

Sie verdrehte die Augen und gab nach. Man konnte nicht sagen, dass Hermine Granger nicht ihre weichen Seiten hatte. „Wirst du schlafen, wenn ich für dich singe?“

 

Seine andere Hand fand einen Weg zu ihrem Gesicht und strich sanft über ihre andere Wange, was sie auslegte als: ja danke, das wäre wirklich nett. Sie würde ihn jetzt nicht ansehen. Es war zu intensiv. Es würden zu viele Gefühle in seinem Gesicht zu sehen sein. Sie fühlte sich wieder wie ein Gast, der unwillkommen in einen intimen Moment gestolpert war.

 

„Ok.“

 

Sie sang das Lied. Schief, denn sie konnte nicht singen, und schon gar nicht, wenn sie halb flüstern musste. Aber er hörte ihr zu, und es gab keine Beschwerden mehr.

 

Hermine glaubte, er schlief bereits, als sie zur letzten Strophe kam, aber das tat er nicht. Mit seiner Hand schlüpfte er unter den Saum ihre Shirts, legte die flache Hand über die Kurve ihres Bauches, drückte leicht zu und wanderte dann höher über ihren Brustkorb und umfasste ihre linke Brust. Er presste seine Nase gegen ihre Wange und atmete tief ein, während sein Daumen abwesend über ihren Nippel strich. Er tat dies, als hätte er es bei ihr schon hundert Mal getan.

 

Es war nicht berechnend. Bloß die schlichte Notwendigkeit. Es schien ihn zu beruhigen.

 

Es war als würde ihr gesamter Körper flüssig werden. Sie war sich sicher, sie hatte sich unter seinen Berührungen in Pudding verwandelte, hier auf seinem Bett.

 

Hermine stotterte beim Refrain. Sie spürte seinen Atem gleichmäßig an ihrem Nacken. Alles deutete hin auf einen tiefen, gesunden Schlaf. Sie wusste nicht, wann sie sich jemals wohler gefühlt hatte, oder sicherer. Und das sagte einiges. Neben der Person einzuschlafen, die man mochte, war schön, egal wer man verdammt noch mal war oder was gerade in der Welt passierte.

 

Es war schön. Es musste so sein.

 

Sie schloss die Augen. Nur für eine Minute, sagte sie sich. Nur bis sie sicher war, dass er fest schlief.

 

**

 

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Hermine die Augen öffnete. Es kostete sie eine unglaubliche Anstrengung, um den Schlaf abzuschütteln. Für gewöhnlich war sie innerhalb von zehn Minuten aus dem Bett und angezogen, aber heute… war es etwas anderes. Malfoy hatte Arme und Beine um sie geschlungen. Er füllte eigentlich das gesamte Bett aus, und sie schien lediglich im Weg zu sein, also hatte er sie komplett in sich eingebaut.

Die Decke lag wieder auf dem Boden. Ihr ging auf, dass sie die ganze Nacht auf seinem rechten Arm geschlafen hatte. Sie drehte sich zur Seite, um ihn von ihr zu lösen.

 

Er schlief wie ein Toter.

 

Und erst als sie sich aus seiner Umarmung und seinen Beinen befreit und sich aufgesetzt hatte, bemerkte sie Pansy Parkinson am Ende des Bettes, einen Strauß Narzissen in der Hand. Es war immer noch größtenteils dunkel im Krankenflügel.

 

„Guten Morgen“, bemerkte das Slytherin Mädchen äußerst kalt.

 

Hermine schob sich eilig das Haar aus dem Gesicht und erhob sich. Ihr Haargummi war nicht mehr da. „Pansy.“

 

„Ich bin gekommen, um zu sehen, ob es ihm besser, aber diesen Aufwand hätte ich mir auch sparen können, wo er doch in so guten Händen ist“, erwiderte sie spitz. Ihr Kiefer hatte sich angespannt, und Hermine sah, dass sie die Blumen etwas zu heftig drückte.

 

Gut. Das war wirklich super. Harry würde seinen Umhang sterilisieren lassen, wenn er herausfand, wo sie gewesen war. „Ich denke, ich sollte es erklären“, begann Hermine lahm. Es gab eigentlich nur eine Erklärung für das, was Pansy sah. Und es gab eigentlich auch keine Möglichkeit es schön zu reden. Sie würde Pansys Intelligenz nicht mit Leugnen beleidigen.

 

„Nicht nötig“, erwiderte Pansy lächelnd. Ron nannte diese Art von Lächeln, Mund-Dehnung. Denn mehr war es nicht. Es gab nichts Freundliches daran. „Ich hatte schon angenommen, er hat ein neues Spielzeug, aber… nicht, dass du es sein würdest.“

 

Spielzeug? Hermine nahm an, dieses Wort würde ausreichen müssen. Lieber Spielzeug als Liebhaber. Dafür würden sie ihn umbringen.

 

„Keine Sorge“, versicherte Pansy abschätzend. „Ich werde es keinem sagen. Er hat genug um die Ohren, als auch seinen Ruf verteidigen zu müssen.“

 

Hermine verschränkte ihre Arme. Ihr ging auf, dass sie beide flüsterten, um Draco nicht zu wecken. Pansys Gefühle für Draco waren kein Geheimnis, aber Hermine begriff jetzt erst, wie weit diese Gefühle zu gehen schienen.

 

„Und was soll das bedeuten?“

 

Pansy verzog spöttisch den Mund. „Tu nicht dumm. Es steht dir nicht. Du weißt alles über die Wichtigkeit des Rufs. Deiner wird nicht unbeschadet bleiben, wenn diese Sache rauskommt.“

 

„Ich bitte dich bestimmt nicht um irgendeine verdammte Sache, Parkinson“, entgegnete Hermine leise. „Wenn du beschließt, nichts zu sagen, dann tu es für Draco, nicht für mich. Du brauchst mir keine Gefallen zu erweisen.“

 

„Dann tu mir einen Gefallen, ja?“, gab Pansy zurück und schob die Blumen in Hermines Hände. „Gib ihm die. Es sieht so aus, als wäre bereit, alles zu nehmen, was du ihm gibst. Und sei vor sechs Uhr draußen, bevor Madame Pomfrey ihre erste Runde macht.“

 

Und damit warf Pansy dem schlafenden Draco noch einen letzten Blick zu, ehe sie den Krankenflügel verließ.

 

 

Chapter Twenty-Seven

 

Samstag

 

Es gab drei Dinge, die Gregory Goyle Pansy Parkinson sagen wollte.

 

Die erste Sache erschien trivial, war aber nicht weniger wahr als die anderen beiden Sachen. Sie hatte die schönsten blauen Augen, die er je gesehen hatte und sie erinnerten an die Küsten von Südirland im Südpazifik.

 

Die zweite Sache, die er ihr dringend sagen wollte, war, dass es sinnlos war, Draco Malfoy nachzutrauern, denn es war ein aussichtsloses Unterfangen, denn Draco liebte nur sich selbst. Das war eine bewiesene Tatsache, die sie selber schon zu spüren bekommen hatte.

 

Das letzte, was er so dringend loswerden wollte, was er von dem höchsten Turm Hogwarts schreien, was er auf jedes Schülerpult in jedem Klassenraum ritzen wollte, war, dass er sie liebte.

 

Pansy wusste über vieles Bescheid, aber sie schien zu ignorieren, wie Goyle für sie fühlte. Es half auch nicht, dass sie sich seit dem Kindergarten kannten und auch fast schon solange befreundet waren.

 

Mit Slytherins befreundet zu sein war anders als mit normalen Leuten befreundet zu sein. Es war wesentlich einfacher. Slytherins waren nie lange sauer aufeinander, aus Gründen der Notwendigkeit und des Überlebens und weil sie zu viel gemeinsam hatten, um sich überhaupt zu streiten.

 

Goyle würde seinen Freund Draco unterstützen, wenn dieser beschließen sollte, in die Antarktis zu ziehen, um in einem Iglo zu leben und Huskys zu züchten. Oder so etwas. Goyle würde alles in seiner möglichen Macht tun, um diesen Traum wahr werden zu lassen.

 

Wenn es aber um Pansy ging, dann war Goyle schon aus Prinzip anderer Meinung.

 

Er konnte nicht anders.

 

Vor dem Frühstück war Goyle mit Pansy zum Astronomieturm spaziert, denn sie hatte anscheinend Neuigkeiten zu erzählen, die besonders geheimer Natur waren. Und es könnte jedes mögliche Thema sein, wie, dass Millicent ihr erzählt hatte, dass sie Freitag ein knutschendes Pärchen vor den Gewächshäusern erwischt hatte, oder dass Pansys betrunkener Vater wieder das halbe Vermögen der Familie verspielt hatte.

 

Sie trafen auf Professor Flitwick, der ihnen mitteilte, dass die Türen zum Turm nur noch eine halbe Stunde offen sein würden.

 

Pansy hatte ihm erklärt, dass sie keine halbe Stunde brauchen würde, denn sie würde schnell reden können. Professor hatte Pansy seit sieben Jahren in seinem Zauberkunstkurs und wusste, dass dies stimmte. Er gab ihnen somit die Erlaubnis zu Turm hochzugehen und führte seinen Kontrollgang fort.

 

Goyle fragte sich, um was für einen Tratsch es sich handeln mochte. Sie schien nicht so versessen darauf, es zu erzählen. Sie schien wohl eher dringend die Bürde loswerden zu wollen, die sie durch ihr Wissen belastete.

 

Der Wind heulte laut um den Turm, und Goyle widerstand der Versuchung, Pansys Unterarm festzuhalten, damit sie nicht hinab geweht wurde. Sie kam immer dünner vor in den letzten Wochen. Dünn genug, um von einer Sommerbrise davon getragen zu werden. Sie hatte all ihren Babyspeck in ihrem sechsten Jahr verloren und war so dünn wie noch nie. Goyle war es egal, wie sie aussah. Er nahm an, er wäre auch vernarrt in sie, hätte sie zwei Köpfe und einen Buckel.

 

„Draco schläft mit Hermine Granger“, offenbarte sie ihm in nur einem Atemzug. Ihre Augen schimmerten mit Tränen des Zorns.

 

Goyle verschränkte die Arme vor der Brust. „Bist du sicher?“

 

„Natürlich bin ich sicher!“, schnappte sie und warf ihm sofort einen entschuldigenden Blick zu, welcher nicht minder schroff war. „Ich meine, dass sind nicht einfach nur Gerüchte, Gregory. Es sind Tatsachen. Ich habe sie im Krankenflügel gesehen. Diese dämliche Kuh sah so aus, als hätte sie die gesamte Nacht mit ihm verbracht.“

 

„Was hat Draco gemacht?“, fragte Goyle jetzt. Er hatte natürlich intelligentere Fragen in seinem Kopf, aber er war nie jemand gewesen, der solche Fragen wirklich laut äußerte. Es war besser, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, und sie stumm im eigenen Kopf zu bestätigen.

 

Pansys Kiefer spannte sich an, während sie zornig hinab auf den Waldrand starrte. „Sie gehalten als wäre sie das ultimative Heilmittel gegen jede schlechte Frisur.“

 

„Ich verstehe.“

 

Sie wandte sich blitzschnell zu ihm um. „Ja, wirklich? Tust du das? Ich verstehe es nämlich nicht! Ich meine, ich weiß, Draco ist seit dem letzten Jahr anders – aber das? Einem Schlammblut hinterher zu schmachten ist eine Sache, aber wirklich mit ihr zusammen zu sein eine völlig andere.“

 

„Sie sind zusammen?“

 

„Glaub mir, die sind zusammen“, bestätigte Pansy nickend.

 

„Wie willst du das wissen?“

 

„Er will kaum Händchenhalten mit den Mädchen, mit denen er vorher was hatte. Warum zum Teufel sollte er also mit einer sein Bett teilen, von der er unmöglich regelmäßig Sex bekommen kann?“

 

„Denkst du, Potter weiß es?“

 

Pansy sah nachdenklich aus, obwohl Goyle es eher als intrigant bezeichnet hätte. Es war ihr gewöhnlicher Ausdruck, und es war besser als wütend oder totunglücklich.

 

„Nein, das glaube ich tatsächlich nicht. Interessant.“

 

„Das wird die Dinge… komplizieren.“ Goyle trat abwesend mit dem Schuh gegen die Mauer.

 

„Nein, wird es nicht. Man kann Draco vertrauen“, erwiderte Pansy überzeugt, obwohl sie zu heftig nickte, als würde sie so selber ihre Zweifel beseitigen. „Er weiß, wem gegenüber er sich loyal verhalten muss.“

 

Goyle jedoch hatte auch seine Zweifel. Wenn er dem, was Pansy sagte, Glauben schenken konnte, dann war wohl mehr als nur Lust im Spiel. Denn wenn Draco das Mädchen wirklich mochte, dann war es für keinen weise sich auf seinen fragwürdigen gesunden Menschenverstand zu verlassen.

 

Aber man widersprach Pansy Parkinson nicht, ohne sich dabei selber in Gefahr zu bringen. Außerdem hatten sie nur noch fünfzehn Minuten Zeit, ehe der Turm geschlossen wurde, und die verbrachte man an so einem schönen Tag besser nicht mit einer wütenden Pansy.

 

Und deshalb nickte Goyle. Später war noch genug Zeit, um sich mit Draco Malfoy zu beschäftigen.

 

„Ich vertraue Draco auch. Ich vertraue ihm mit meinem Leben.“

 

Und das war keine Lüge.

 

**

 

Die Winkelgasse platzte förmlich aus ihren Nähten. Es war nicht unbedingt der beste Zeitpunkt, um einen wichtigen und geheim Termin mit Borgin und seinem Fida Mia Experten zu vereinbaren, und doch war es auch nicht der schlechteste Zeitpunkt.

 

Es war der Abend für die Versammlung der Kesselmacher. Und jeder Kesselhersteller, der vor drei Monaten genügend Verstand gehabt hatte, bereits ein Zimmer zu buchen, war heute in London unterwegs. Und wie bei jeder Versammlung der Kesselmacher seit hunderten von Jahren, bemühte sich die Bevölkerung von London, ihr Gold für Essen, Unterhaltung und Alkohol so schnell wie möglich auszugeben.

 

Die geldgierigen Geier der Winkel- und Nokturngasse rieben sich bereits die Hände und hatten alle Preise erhöht. Es gab immer betrunkene, die sich nicht störten, viel Geld auszugeben.

 

Es war also leicht, im Gewimmel unterzugehen. Ob Borgin das Treffen also mit Absicht auf diesen Tag gelegt hatte, wusste sie nicht.

 

Hexen und Zauberer und weitere magische Kreaturen, die in die Klassifizierung des Ministeriums fielen tummelten sich auf den Straßen des magischen Londons und bewegten sich Konga-artig von Bude zu Bude. Hermine atmete also tief ein, nutzte die erste freie Lücke in der Menschenschlange und ließ sich von Fleck zu Fleck schieben. Und wenn man hier bestohlen wurde, dann nur, weil man dumm genug war, seine Taschen nicht magisch zu versiegeln.

 

Wenn man das Pech hatte, unsittlich berührt zu werden, dann konnte man dem entsprechendem Individuum die Handtasche – oder was man eben greifbar hatte – über den Kopf ziehen (für gewöhnlich Regenschirme,  Taschen oder wenn man zur Kesselmacher-Gesellschaft gehörte, einen zehn Zentimeter dicken, riesigen, mit einem Preis ausgezeichneten Kessel).

 

Hermine und Draco hatten Hogwarts am frühen Nachmittag verlassen. Einen Tag nach dem Gehirnerschütterungstrauma von Dracos und Tandishs Abenteuer auf dem Quidditchfeld. Madame Pomfrey hatte einen leicht benebelten Draco Malfoy vor dem Frühstück untersucht und erklärt, dass er in keiner Verfassung wäre, aufzustehen, und deshalb Bettruhe dringend benötigte und sich ausruhen und entspannen sollte.

 

Natürlich hatte er ihr lediglich einen grimmigen Blick geschenkt, sich angezogen und den Krankenflügel in weniger als fünf Minuten verlassen gehabt.

 

Hermine hatte die Große Halle verlassen, nachdem sie Frühstück mit Harry und Ginny gehabt hatte, als ihr etwas gequält erscheinender Ehemann auf sie zumarschierte.

 

Es war noch kaum jemand übrig im Schloss. Die jüngeren Schüler waren fast alle nach Hause geholt worden, als verkündet wurde, dass zwei Auroren auf dem Gelände entführt worden waren.

 

Die einzigen Schüler, die noch anwesend waren, waren etwa ein paar Dutzend Sechst- und Siebtklässler, die Schulsprecher, sowie die Vertrauensschüler und eine Handvoll jüngerer Kinder, deren Eltern entweder auf Reisen oder Muggel waren. Hermine wappnete sich schon mal gegen die Fragen, bezüglich, was im Krankenflügel passiert war.

 

Aber dann kam Professor McGonagall die Stufen hinab, wünschte ihnen beiden einen knappes „Guten Morgen“ und betrachtete dann Draco.

 

„Wie geht es Ihrem Kopf, Mr Malfoy?“

 

„Ist immer noch dran, Professor“, war seine Antwort. Er trug ziemlich modische dunkle Jeans, dazu ein graues Shirt und sah wesentlich besser aus, als die Nacht zuvor.

 

„Ich habe gerade mit Madame Pomfrey gesprochen, die Ihre vorzeitige Entlassung aus dem Krankenflügel als verfrüht betrachtet“, informierte sie Draco förmlich.

 

„Tut sie das?“, erwiderte Draco ohne den Auch von Reue. „Das war mir nicht aufgefallen. Haben Sie Tandish Dodders schon gesehen, Professor? Geht es ihm gut?“

 

„Er lebt und ist noch in einem Stück, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe“, erwiderte die Hauslehrerin. „Obwohl er seitdem in der Obhut Ihres Hauslehrers ist. Ob er immer noch in einem Stück vorhanden ist, sei also dahingestellt.“

 

„Der arme“, murmelte Hermine.

 

McGonagalls strenger Blick richtete sich nun auf die Schulsprecherin. „Miss Granger, ich bedanke mich, dass Sie die letzten beiden Tage hier gewesen sind. Es sind nur noch zwei Dutzend Schüler da, und es ist gut, dass die Schülervertretung auch anwesend ist.“

 

„Als Schulsprecherin ist es meine Pflicht, bis zum letzten Tag des Schuljahres anwesend zu sein. Ich denke, ich spreche hier auch für Blaise“, entgegnete Hermine ernster als Draco zuvor.

 

McGonagall lächelte, legte Hermine ermutigend die Hand auf die Schulter und setzte ihren Weg fort.

 

Draco wartete bis das Geräusch ihrer Schritte nicht mehr zu hören war, und tat so, als müsse er würgen.

 

„Gut, dass ich das Frühstück versäumt habe. Diese übertrieben demütige Ergebenheit wäre mir sonst noch auf den Magen geschlagen.“

 

Hermine schenkte ihm einen sauren Blick. „Gut, dass es dir besser geht.“

 

Er sah sie an und sagte gar nichts. Erinnerte er sich denn? Er sah nicht so aus als täte er es. Sie wurde misstrauisch.


„Tut dein Kopf noch weh?“, fragte sie also vorsichtig.

 

„Was du eigentlich fragen willst, ist, ob ich mich erinnere, dass du mich gestern Nacht besucht hast?“, fragte er gedehnt und hob eine Augenbraue.

 

„Ähm…“, erwiderte sie vage.

 

„Nicht wirklich“, fuhr er schließlich fort. „Ich kann mich nicht an viel erinnern, nachdem du meinen Zustand für dich ausgenutzt hast.“

 

Sie wusste, er versuchte sie aus der Reserve zu locken, aber sie würde nicht anspringen. „Also, du erinnerst dich an nichts weiter, außer dass ich zu dir gekommen bin?“

 

Er hakte seine Daumen in die Schlaufen seiner Jeans und lehnte sich auf den Hacken nach vorne und wieder zurück. „An nichts“, erwiderte er aufgeräumt.

 

Zu aufgeräumt.

 

Hermine war nicht überzeugt, aber sie würde nicht weiter fragen. Sie hatten andere Sorgen. Je eher sie ihr Leben wieder in den Griff bekam, umso mehr Nutzen würde sie für Dumbledore und den Orden sein.

 

„Irgendwas von Borgin gehört?“

 

„Ja, habe ich“, erwiderte er. „Deswegen habe ich Neville Longbottoms grauenhaftes Morgengesicht auf den Toiletten im dritten Stock ausgehalten, um zu erfahren, wo du bist.“ Er holte ein kleingefaltetes Stück Pergament aus der hinteren Tasche seiner Jeans und reichte es ihr.

 

Das Papier war so warm wie sein Körper. Hermine verdrängt den Gedanken und faltete die Nachricht von Borgin auseinander.

 

Drei Sekunden später hob sie den Blick. „Malfoy, warum lese ich das Rezept für einen Hafer-Muffin?“

 

„Oh“, erwiderte er und klang ungeduldig. Hastig nahm er ihr den Zettel wieder ab und holte seinen Zauberstab hervor. Er murmelte einen Spruch und schüttelte anschließend das Papier, als würde er damit die Worte in die richtige Position bringen.

 

„Versuch es jetzt.“

 

Die Buchstaben hüpften übereinander und zeigten schließlich Borgins Nachricht. Sie vergewisserte sich mehrmals, dass sie die exorbitanten Worte des Fida Mia Experten auch richtig verstanden hatte, kommentierte dies jedoch nicht.

 

„Wir treffen uns vor dem Cobbletone in einer Stunde. Wirst du Probleme haben vor Potty und dem Wiesel davonzukommen, den Beschützern deiner uneingeschränkten Tugenden?“

 

Gott, er war ein Idiot. Hermine ließ sich nicht davon ablenken, den Brief weiter zu untersuchen. „Wenn meine Tugenden uneingeschränkt vorhanden wären, dann bräuchte ich auch keine Beschützer.“

 

Draco schnaubte auf. „Touché.“

 

Sie machte den Fehler, den Blick zu heben und ihm ein amüsiertes Lächeln zu schenken. Sollte man sie doch verklagen. Es war kaum ihr Fehler, dass sie mit Absicht ein freundlicher Mensch war. Er hatte sie überrascht.

 

Er mochte diesen freundlichen Moment zwischen ihnen wohl nicht. Sein Ausdruck war nicht mehr milde gereizt, er war jetzt misstrauisch. „Granger, ich weiß wie es sich anhört und anfühlt, aber wir verstehen uns nicht.“

 

Sie sah ihn an. Ihre Wimpern klimperten mit falscher Unschuld. Die neuentdeckte Fähigkeit, dass sie es schaffen konnte, dass er sich unwohl fühlte, verlieh ihr eine gewisse Macht. „Tun wir nicht?“

 

Er war sehr schnell. Er hatte sich knapp umgesehen, dass niemand sie beobachtete und hatte ihren Oberarm umfasst. Schroff zog er sie unter die Stufen der Haupttreppe. Es lag beachtlich viel Müll hier: Reste von Schokofröschen, leere Bertie Botts Bohnen Packungen, die aussahen als wären sie aus den Siebzigern, ein violettes Haargummi und ein Aufsatz über Muggelkunde von einem Fünftklässler namens William Hunt-Smith.

 

„Nein, wir sind keine Freunde.“

 

Sie zupfte ein paar Spinnenweben aus seinen Haaren und war fasziniert, dass sie keine Angst mehr vor ihm hatte.

 

Auch wenn er größer war als sie.

 

„Wenn du es sagst.“

 

„Wenn das alles hier vorbei ist, bin ich froh, dich nie wieder sehen zu müssen“, fuhr er fort.

 

Aber sie konnte fast fühlen, wie seine Augen über ihr Gesicht wanderten, sich die Details einprägten, die er sich nicht gestattete zu bemerken, wenn sie nicht alleine waren. Ihre Hand hob sich von selbst, wie eine Verräterin, und doch war sie geradedas Ehrlichste an ihr, und legte sich auf seine Hüfte. Nur wenige Zentimeter höher und sie würde die Stelle seines Shirts berühren, unter der sich das Tattoo befand.

 

Sie würde wahrscheinlich ohnmächtig werden. Wie eine, in eine Korsage eingeschnürte Heldin, deren Blutzucker zu niedrig war, nahm Hermine an.

 

„Gleichfalls“, erwiderte sie, etwas außer Atem. Der Stoff seines Shirts fühlte sich unglaublich gut an, besonders mit der Wärme und Härte seiner Hüfte darunter. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie ihn vielleicht gefragt, welchen Weichspüler er benutzte.

 

Erinnerte sich an letzte Nacht? Er hatte ihr zwar keine Anhaltspunkte diesbezüglich gegeben, aber seine Augen schrieben ganze Romane.

 

Hermine fand endlich ihre Schlagfertigkeit wieder, die sich in einer warmen Ecke ihres Magens zusammengekauert hatte. Tatsächlich verstand sie ihn. Es machte sogar Sinn.

 

Jedes Mal, wenn sie einen Moment hatten, wurde er zu einem wirklich hoffnungslosen Fall. Es war ein Verteidigungsmechanismus. Und die Angst, dass er verschwinden würde, ließ sie die Dinge auf beunruhigende Weise völlig klar erkennen.

 

„Letzte Nacht wollte ich sehen, wie es dir ging“, erklärte sie ruhig.

 

„Ich brauche dich nicht, um nach mir zu sehen“, knurrte er. Seine Hände drückten nun nicht mehr schmerzhaft auf ihre Oberarme. Sie rieben sie, drückten leicht zu, als wolle er verhindern, dass ihr kalt wurde. Als könne er sich nicht entscheiden, ob er ihr weh tun, oder sie streicheln wollte. Aber es passte immer noch ein Mensch von Goyles Größe und Umfang zwischen sie.

 

Der Abstand zwischen ihm und ihr war wohl immer noch der entscheidende Faktor.

 

„Dein Problem ist, dass du nicht weißt, was du willst, Malfoy“, schnappte sie wütend. „Du weißt nicht mal, auf welcher Seite du stehen willst. Entscheide dich endlich. Dunkle oder hell. Wir sind hier im Krieg. Du hast nicht den Luxus zwischen den Seiten zu stehen. Also hör auf uns andere zu hassen, nur weil wir wissen, wo wir stehen.“

 

Sie sah, wie sich sein Kiefer lockerte. Und unerschrocken fuhr sie fort.

 

„Du willst, dass ich dir helfe, dieses Fida Mia Problem zu lösen, aber gleichzeitig willst du mich nicht dabei haben? Du wirst wütend, wenn ich dir nicht zuhöre, aber wenn ich mich füge benimmst dich wie der allergrößte, jammernde Mistkerl, der jemals in Slytherin war.“

 

Sie fixierten sich mit heißem Zorn für einige Sekunden.

 

„Und das sagt einiges“, fügte sie hinzu.

 

Er sah aus, als wolle er sie erwürgen. Sie würden ihre Leiche wohl später zwischen regenbogenfarbenen Berties Botts Packungen und Hunt-Smiths Aufsatz „Muggel und Versicherungen: Notwendigkeit oder Paranoia?“ finden.

 

„Du dummes, kleines Mädchen“, erwiderte er höhnisch, sein Atem heiß und süß auf ihrem Gesicht. „Ich sage dir genau, was ich nicht will. Ich wollte dich nicht wirklich in der Nacht der Abschlussfeier, aber hey, du hast dich angeboten, und ich bin nicht Sankt Potter, der einen passablen Fuck abschlägt, weil ich in meinen besten Freund verliebt bin. Ich wollte nicht, dass du mir jemals wieder zu nahe kommst, nachdem du mir im Badezimmer der Vertrauensschüler klar gemacht hast, wie widerlich du mich findest. Ich brauche deine Fürsorge nicht, nachdem ich Dodders verflucht unfähigen Arsch aus dem Quidditchfeld gerettet habe. Und ich will nicht morgens aufwachen mit einer steinharten Erektion und Laken, die nach dir riechen, ohne dass du da bist und ich dir sagen kann, dass du zum Teufel noch mal verschwinden sollst!“

 

Hermine öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie glaubte nicht, dass sie ihm wirklich sagen musste, dass er verrückt war. Dieser kleine Monolog hatte dies ohne Zweifel bestätigt.

 

„Sprachlos?“, erkundigte er sich mit einem Nicken, und seine Stimme zögerte kurz. „Gut. Wir sehen uns in der Winkelgasse.“

 

Merlin, sie wusste, es waren ihr schon seltsamere Dinge in ihrem Leben passiert, aber ihr nächster Gedanke ließ all diese Dinge eine andere Perspektive annehmen.

 

Sie sah zu, wie er in Richtung der Keller verschwand.

 

Und Hermine war sich sicher, dass er gerade ihr Herz mit sich nahm.

 

 

Chapter Twenty-Eight

 

Jemand kam den Korridor hinab, und es war nicht Bob der Kerkerwächter. Tonks wusste dass, denn Bob trug Springerstiefel und trampelte viel, wenn er lief. Nein, diese neue Person war leichtfüßig und sehr, sehr leise. Tonks hörte die Ankunft des Fremden nur, weil sie diese erwartet hatte, sei dem sie hier in dieser Zelle aufgewacht war.

 

Menschen, die andere kidnappten und gefangen hielten, warfen normalerweise auch einen Blick auf ihr Hinterteil. Früher oder später, egal wie viele Handlanger und Bobs es gab, lag es in der Natur der Bösen, dass die Person, die das Sagen hatte, auftauchte und ebenfalls einen langen, ausgiebigen Blick auf sie warf.

 

Wichtig war, dass du gut aufpasst und eine Person, die das Sagen hat erkennst, wenn du sie vor dir hast.

 

Und jetzt öffnete sich der obere Teil ihrer Tür. Ein Gesicht erschien. Blass, neugierig und mit stiller Überlegenheit. Es war wie ein Schlag in die Brust, Harry Potters junges Gesicht zu erkennen, welches sie mit Interesse anstarrte, aber Tonks hatte ihre Emotionen schnell wieder unter Kontrolle.

 

Wenn das Harry war, dann war Dumbledore Madame Rosmerta in einer sehr cleveren Verkleidung.

 

„Keiner mag Angeber“, begann Tonks im Plauderton.

 

Harrys Gesicht wurde von einem wissenden Lächeln erhellt. Es war die gleiche Art von Lächeln, das Tonks schon auf dem Gesicht des falschen Dracos erkannt hatte. Also war dies die Person, die die Fäden in der Hand hielt. Aber es mussten noch andere helfen, denn diese Kerker-Sache hier war keine Nacht und Nebelaktion gewesen.

 

„Du bist die Cousine vom kleinen Malfoy? Andromedas Balg?“, erwiderte der Metamorhpmagus.


„Und du musst einen echten Hirnschaden haben, wenn du denkst, du kommst einfach so davon, wenn du zwei Auroren gefangen nimmst?“, antwortete Tonks freundlich.

 

Einen Auror“, korrigierte ihr Kidnapper sie mit einem abschätzenden Blick. „Ich halte nur einen Auror gefangen.“

 

Tonks Atem gefror. Also war Bligh wirklich tot. Sie hatte so viel schon angenommen, hatte aber dennoch gehofft, sie läge falsch. Moody würde die Hölle loslassen, um diesen Mann zu stellen, aber dafür müsste Tonks erst mal entkommen, um es Moody zu sagen. Sie versuchte nicht an Astrid Huggins zu denken, die Bligh vergöttert hatte. Oder an Blighs Mutter, deren Namen Tonks sich gerade nicht ins Gedächtnis rufen konnte, welche aber so stolz gewesen war, als Bligh als Auror von der Akademie zurückgekehrt war.

 

„Ich mag dich“, erklärte der Metamorphmagus anscheinend zufrieden, weil er sie kurzzeitig sprachlos gemacht hatte. „Du bist nicht so dumm wie die anderen Auror. Es liegt wohl Blut der Blacks.“

 

Tonks fragte sich, ob der kleine Angeber wusste, dass sie ebenfalls ein Metamorphmagus war, aber diese Informationen behielt sie vorerst besser für sich.

 

„Wer bist du?“, fragte sie. „Wieso sagst du es mir nicht? Es sieht nicht so aus, als würde ich im Moment irgendwohin gehen.“

 

Das Gesicht, das sie beobachtete wurde sehr ernst. Es war zu einem Großteil echte Hingabe und zu einem Teil schlichter Wahnsinn. Es erinnerte sie an Voldemorts Zeiten.

 

„Ich bin jemand, der nicht beachtet, abgeschrieben und zum Vorzuge anderer, die es nicht verdient haben, übersehen wurde. Aber nicht mehr für lange.“

 

Tonks nickte mit falscher Feierlichkeit. „Und du übst diese kleine Rede wie viel Mal am Tag vor deinem Spiegel?“

 

Die Worte gefielen ihrem Kidnapper nicht. Die Luke schloss sich augenblicklich wieder. Und ihr heimtückischer, leichtfüßiger, fraglich Verrückter Metamorphmagus verließ die Kerker wieder.

 

Niemand kam an diesem Tag, um nach ihr zu sehen. Und auch nicht am nächsten.

 

**

 

„Wo ist die Zeitung, wenn man sie mal braucht?“, beschwerte sich Ron bei sich selbst. Es war keine Zeitung gebracht worden, denn die meisten Schüler, die diese abonniert hatten, waren bereits abgereist. Ron hatte auch bei der Durchsuchung des Gemeinschaftsraums kein Glück. Sein Glück besserte sich allerdings, als er einen Hufflepuff entdeckte, der den Tagespropheten unter seinem Arm trug.

 

„Kann ich mir die leihen?“ Es war eine rhetorische Frage. Ron hatte die Zeitung dem Jungen bereits weggenommen.

 

Ron fand Harry am Rand des Sees, wo dieser mit Ginny auf der Steinbank saß, die Hermine immer dann aufsuchte, wenn es im Schloss zu warm war. Ron setzte sich, seufzte, öffnete die Zeitung und begann nach Neuigkeiten über Tonks zu suchen. Seine Aufmerksamkeit wurde kurz auf den Bericht über die Chudley Canons und ihren neuen Treiber gezogen, aber schuldbewusst wandte er sich kurz darauf wieder der Suche nach Hinweisen zu.

 

Es wren die ersten echten Ferien der Freunde, seit dem Tonks und Bligh verschwunden waren.

 

Sorge überschattete die Dinge meistens.

 

„Warte mal“, hielt Ginny ihn stirnrunzelnd auf. Sie nahm dem protestierenden Ron die Zeitung weg und fasste einen Artikel nahe am Ende der ersten Seite ins Auge. „Narzissa Malfoy ist tot?“

 

„Was?“, sagte Harry. „Seit wann?“

 

Ginny las den Bericht, ehe sie antwortete. „Anscheinend seit einer Weile. Sie war in der Schweiz, als es passiert ist. Ist das nicht, wo Dumbledore ist? Professor McGonagall hat gesagt, er hat dort wichtiges zu tun.“

 

Ron wunderte sich, wie er den Bericht hatte übersehen können. „Sagt der Bericht, wie sie gestorben ist?“

 

„Nein. Da steht nur, dass der Tod irgendwie versucht wurde zu verdecken und dass das Ministerium jetzt neue Untersuchungen veranlasst. Ich frage mich, was Dumbledore damit zu tun hat?“

 

„Das ist schrecklich.“ Harry schüttelte den Kopf. „Ich meine, man muss ihr zugutehalten, dass sie Lucius am Ende verlassen hat. Das war mutig. Ich glaube nicht, dass sie viel freien Willen gehabt hatte.“

 

Ginny biss sich auf die Unterlippe. „Denkt ihr, Lucius hat damit zu tun?“

 

„Wie?“, warf Ron ein. „Er kann sich nicht mal alleine den Hintern abputzen, ohne dass das Ministerium ihm das Toilettenpapier reicht.“

 

„Das ist nett, Ronald“, erwiderte Ginny und schenkte Ron einen angewiderten Ausdruck.

 

Harry sah mittlerweile jedoch besorgt aus. „Ich frage mich, ob Malfoy es weiß.“

 

„Weißt du, ich glaube, er weiß es nicht. Er war das ganze Jahr über so wie immer.“

 

„Und was wäre so wie immer?“, wollte Ron interessiert von seiner Schwester wissen.

 

„Er ist ein Ekel“, erwiderte Ginny. „Eine Verbesserung von Rassist, Tyrann und Bastard, aber immer noch ein Ekel.“

 

„Das stinkt doch nach Beeinflussung.“ Zwar war es Harry, der es sagte, jedoch dachten es alle. Dumbledore und das Ministerium waren nicht gerade direkt heraus oder überhaupt für Teamarbeit bekannt, obwohl Dumbledore schon versucht hatte, das zu ändern.

 

Das Ministerium für Zauberei jedoch, war noch eine andere Sache.

 

Ron sah sich um, als stelle erst jetzt gerade fest, dass die Meinung einer weiteren Person fehlte. „Wo ist Hermine?“

 

Ginny band sich die Schuhe neu. „Sie ist heute weg. Sie sagt, sie muss nach Gringotts.“

 

„Oh“, entgegnete Ron. „Das hätte sie mir auch sagen können. Ich wäre mit ihr gegangen. Ich brauche neues Futter für Pig. Ihm bekommt das neue Zeug, was Mom gekauft hat nicht. Er kotzt alles wieder aus“, erläuterte Ron mit verzogenem Mund.

 

Harry und Ginny teilten einen Blick, der teilweise amüsiert, teilweise bemitleidend war. „Ron, ich glaube, sie hätte deine Anwesenheit heute nicht besonders wertgeschätzt.“

 

Ron starrte seine Schwester an, dann Harry, der plötzlich ziemlich interessiert an seinen Fingernägeln war. „Mir wird gleich etwas sehr unangenehmes erzählt, oder?“

 

„Sag du es ihm“, entgegnete Ginny an Harry gewandt.

 

Harry hob den Blick. „Ich? Wieso ich?“

 

„Sag mir was?“, wollte Ron wissen und war nun wirklich besorgt. „Was ist mit Hermine?“

 

„Beruhige dich, Ron. Es ist nichts mit Hermine.“

 

„Oh ja, sicher!“, schnappte Ron. „Ich will es wissen!“

 

Ginny verdrehte die Augen. „Natürlich wussten wir, dass du überreagierst. Es ist nicht weiter schlimm, Ron. Harry und ich glauben, dass… sie einen Freund hat. Oder so…“

 

„Was soll das heißen, oder so?“

 

„Es heißt, sie hat es uns nicht gesagt. Noch nicht“, erklärte Harry jetzt.

 

„Wissen wir, wer?“

 

Ginny zog ihren Bruder am Arm, so dass er sich erneut neben sie setzte. Ihm war wohl nicht aufgefallen, dass er plötzlich auf den Füßen gestanden hatte. „Na ja, ich glaube, sie würde kein Geheimnis daraus machen, wenn sie nicht glauben würde, dass wir ihn nicht sofort… akzeptabel finden würden.“

 

Ron wurde sehr blass. „Oh mein Gott!“

 

Ginny kannte ihren Bruder gut genug, um zu wissen, was für Gedanken jetzt gerade in seinem Kopf stattfanden. „Sei nicht blöd, Ron. Es ist kein Lehrer!“

 

„Bist du sicher?“

 

„Ja! Ganz sicher, Ron!“

 

„Gut, wer ist es dann?“, wollte Ron zornig wissen.

 

Ginny warf Harry einen Blick zu, und dieser seufzte, ehe er antwortete. „Wir glauben, er ist ein Slytherin. Es ist wohl jemand, den sie in letzter Zeit besser kennen gelernt hat…“

 

„Du meinst nicht…“, begann Ron.


„Na ja, er mag sie schon ziemlich lange, oder? Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, weshalb er sie nicht schon längst gefragt hat“, erklärte Ginny. „Das Timing ist nur schlecht, bedenkt man die neuesten Entwicklungen.“

 

„Aber – aber er ist aus Slytherin!“, erwiderte Ron mit empörter Vehemenz, die er sich sonst nur für Victor Krum aufsparte.

 

„Blaise sieht gut aus, ist höflich, charmant, beliebt und hat Spitzennoten. Vielleicht ein bisschen zu clever, aber das ist Hermine auch“

 

Harry hob eine Augenbraue. „Du hattest anscheinend genügend Zeit, um über Zabini nachzudenken.“

 

Ginny tätschelte tröstend seinen Arm. „Du siehst auch gut aus, bist höflich, charmant und beliebt, Harry.“

 

„Hey, du hast clever vergessen!“, stellte Harry fest.

 

**

 

Menschen waren immer noch Menschen. Egal, ob sie mit dem Besen oder mit dem Bus zur Arbeit kamen.

 

Um es allgemein zu sagen, Männer mochten Sport. Sie mochten außerdem die Gesellschaft von anderen sportbegeisterten Männern. Wenn es heißer wurde, mochten sie es, Dinge draußen zu kochen, über die Arbeit zu sprechen, Renovierungen und bessere Rasenmäher.

 

Es war möglich, zu behaupten, dass Zauberer die gleichen Vorlieben hatten wie gewöhnliche Männer. Nur weil sie ein genetisches Extra besaßen, dass ihnen erlaubte, die Tageszeitung mit dem Zauberstab in ihre Hand schweben zu lassen (im Gegensatz zu Mr Granger, der in seinen Boxershorts aus dem Haus schlüpfte, und jedes Mal hoffte, die Nachbarn würden ihn nicht sehen), waren sie nicht zivilisierter oder besser.

 

Demnach wenn es also Bordelle und Häuser mit schlechtem Ruf in der Muggelwelt, oder wie man sie nennen möchte, gab, dann existierten diese Dinge auch in der Zaubererwelt. Und an diesen Orten drängte sich die schlechte Umgebung praktisch auf.

 

Draco war zwanzig Minuten zu spät, aber Hermine war noch nicht bereit es zuzugeben, während sie in genau dieser zwielichtigen Umgebung wartete, ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Brave Hexen liefen nämlich nicht alleine und ohne Begleitung durch die schiefen Winkel der Nokturngasse.

 

Brave Hexen gingen mit ihren braven Freunden, ihrem braven Freund oder ihren Eltern zusammen.

 

Draco Malfoy war kein braver Zauberer, der sie warten ließ in dieser… - sollte sie es sagen -  dunklen Ecke der Stadt. Aber Hermine war keine zarte Blume. Es würde sie nicht für ihr Leben schockieren, einen Tag lang Londons gefährlichen Rotlicht-Distrikt zu sehen. Sie hatte schon schlimmere Dinge gesehen – Snape, Voldemort, Hagrids Kochkunst, und so weiter, und so weiter – ohne dass sie große Schäden davon getragen hatte.

 

Es hatte sie nicht viel Zeit gekostet das Cubblestone auszumachen. Es war ein Ort, an dem Geschäfte abgewickelt wurde oder, wo Leute wegen der farbenfrohen Aufmachung hingingen.

 

Das Gasthaus sah nicht aus wie ein typischer Gasthof. Es sah eher aus, als wurde jedes Zimmer schief auf das andere drauf gesetzt. Vielleicht war es derselbe intelligente Architekt, der auch für den Bau des Fuchsbaus verantwortlich war.

 

Für so ein dunkles und skurriles Gebäude hingen dennoch viele pinke Gardienen in den Fenstern. Die Menschen, die kamen und gingen sahen sogar tatsächlich zufrieden aus. Es gab Feenlichter, die von echten Feen ausgingen. Aber bei näherem Hinsehen erkannte Hermine, dass diese Feen entweder schliefen oder betrunken waren. Daneben hing ein graues Neonschild, welches entweder noch angestellt werden musste oder es funktionierte nicht mehr.

 

Es waren auch jede Sorte an Hexen vertreten. Große, kleine, alte und junge, schlichte und über alle Maßen hübsche Hexen, die alle sehr schick und provozierend gekleidet waren, als würden sie in einem amerikanischen Westernfilm Statisten in einem Saloon sein.

 

Hermine spürte die Röte in den Wangen, als sie an einer Hexe vorbei schritt, die einen gelben Sonnenschirm in den Händen drehte, eine passende gelbe Korsage dazu trug, Seidenstrümpfe und einen dunklen Mantel, aber sie passt perfekt hierhin.

 

„Auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten, Herzchen?“, rief das Mädchen ihr nach. Ein paar andere Damen im Hintergrund lachten.

 

Dieser verfluchte, berechnende, Peroxyd-blonde Wichser wusste bestimmt ziemlich genau, was einen hier in diesem Gasthaus erwartete und wollte sie mit voller Absicht blamieren, in dem er sich auch noch draußen treffen wollte.

 

Sie würde ihm diese Genugtuung nicht geben. Sie schritt die Straße entlang, stellte sich neben einen netten, altmodischen Laternenpfahl und wartete dort.

 

Und wartete.

 

Hermine hatte sich dazu entschlossen die enthaltenen Stoffe auf der Rückseite ihres Labellos zu studieren, als sie spürte, wie jemand ihren Arm ergriff und sie vom Bürgersteig wegführte. Zuerst dachte sie, es wäre Draco, welcher genauso unhöflich wäre, aber es war jemand komplett fremdes, und sie schreckte zurück.

 

„Ich habe eine Kutsche in der nächsten Straße“, erklärte der Mann. Er war gut angezogen und nicht viel älter als sie selbst.

 

„Das ist schön für Sie“, erwiderte sie, denn ihr fiel nichts Besseres ein. Sie wünschte sich, sie würde Hagrids rosa Schirm bei sich tragen.

 

Unbeeindruckt, zog der dreiste Idiot vor ihr, eine Tasche voller Gold hervor, die er an seinen Gürtel gebunden hatte und schüttelte den Beutel, um die Münzen klingen zu lassen. „Ich zahle mehr als der Durchschnitt“, erklärte der Mann. Er hatte ein blaues Auge und ein grünes. Das war recht ungewöhnlich. Das blaue Auge zwinkerte ihr zu.

 

Oh, sie würde Malfoy den Hals umdrehen, wenn er auftauchen würde.

 

Falls er auftauchen würde! Gott, er würde doch kommen, oder?

 

„Ich stehe nicht zum Verkauf“, erklärte sie dem Mann und war wütend auf jede Frau, die glaubte ihren Körper einzusetzen, um Geld zu verdienen sei die einzige Möglichkeit.  „Nimm dein verdammtes Geld und verschwinde.“

 

„Alles hat seinen Preis“, erwiderte er und lächelte. Und dann hob er die Hand, um eine ihrer Locken anzufassen.

 

Angewidert schlug Hermine seine Hand zur Seite.

 

Weiter die Straße runter warfen ihr die Mädchen vor dem Cobbelstone feindliche Blicke zu, die meisten jedoch wirkten amüsiert.

 

Das mit dem Unauffällig bleiben klappt ja wunderbar, überlegte Hermine dumpf. Der Widerling sah sie immer noch auffordernd an.

 

„Die willst du nicht, Kumpel“, sagte jetzt eine bekannte Stimme. „Die hat deine Eier danach auf verschieden Weisen in der Hand.“

 

Der Sonnengott war endlich aufgetaucht, obwohl sein goldenes Haar durch eine Muggel-Kappe größtenteils verdeckt wurde, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Auf der Kappe Stand Nutrisoil Dünger.

 

Hermine las es erneut, nur um sicher zu gehen.

 

Nur Draco Malfoy konnte wahrscheinlich für Kuhdünger Werbung machen, und immer noch passabel aussehen.

 

Hermines beinahe-Klient stand immer noch am selben Platz, entweder zu dumm oder zu stur, um vor Malfoys tonloser Gruselstimme Angst zu haben. Sie hatte Erstklässler das Weite suchen sehen, wenn Malfoy auf diese Weise mit ihnen sprach.

 

„Hau ab, oder wir haben ein Problem.“ Sein innerer Lucius schien heute Tageslicht zu sehen.

 

Der Mann wollte wohl kein Problem. Vielleicht war er ein Zauberer, der einen Ruf zu verlieren hatte. Oder vielleicht sah er keinen Sinn in einer Konfrontation, wenn es noch mehr Damen gab, die er mitnehmen konnte. Während er Hermine noch einmal zuzwinkerte (wieder mit dem blaue Auge), steckte er den Geldbeutel zurück und schritt pfeifend die Straße entlang.

 

„Urgh!“, rief Hermine aus, mit dem Bedürfnis sofort zu duschen.

 

Draco wandte sich zu ihr um. „Hat dir deine Mutter nie beigebracht, dein Knie zu benutzen?“, erkundigte er sich wütend.

 

Sie funkelte ihn böse an. „Meine Mutter hat mir beigebracht, meinen Verstand zu benutzen.“

 

Ein Teil seines Ärgers verrauchte. „Richtig. Du kannst ihm auch deinen Kopf in den Hintern rammen. Manchmal effektiv.“

 

Hermine ignorierte den Anflug von Humor in seiner Stimme, während sie an sich hinabblickte und überlegte, ob sie gerade irgendwelche Signale von sich gegeben haben könnte, die andeuteten, dass sie für die Stunde bezahlt wurde. Sie trug einen dünnen, Rock, Sandalen und ein Spaghettiträger-Top. Ja, überlegte sie trocken. Sie war der Inbegriff einer Lady der Nacht.

 

Draco las ihre Gedanken. „Das Cobblestone bietet Frauen für alle Geschmäcker, Liebling“, bemerkte er und wackelte mit seinen Augenbrauen. „Glaub es oder nicht, manche Männer stehen auf den keuschen Jungfrauentyp.“ Er betrachtete ihre bloßen Beine auf eine Art und Weise, so dass sie sich nach einem Paar weiter Jeans sehnte.

 

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Du bist zu spät.“

 

„Ich musste mich um ein paar Last-Minute Dinge kümmern, ehe ich gehen konnte“, war alles, was er sagte. Dann umfing er ihr Handgelenk und zog sie zum Eingang des Gasthauses. „Komm, wir sehen nach, ob sie ein Zimmer frei haben.“

 

„Du meinst zwei. Zwei Zimmer“, korrigierte sie ihn. „Und hör auf, mich zu ziehen. Ich kann laufen!“ Sie hatte genug davon von unhöflichen Männern durch die Gegend gezogen zu werden.


„Dann beweg dich schneller. Die Leute gucken.“

 

„Sagte der junge Zauberer mit der Dünger-Kappe…“, murmelte sie.

 

**

 

 

Chapter Twenty-Nine

 

 

„Was soll das heißen, nur ein Zimmer und nur ein Bett?“

 

Hermine zog so subtil wie möglich an Malfoys Ärmel, um ihm zu bedeuten, wie laut und unhöflich er war.. er schob ihre Hand einfach zur Seite.

 

Einige Damen, die das Haus verließen beäugten sie mit Interesse. Die hübsche Hexe mit dem gelben Sonnenschirm war ihnen sogar ins Innere gefolgt und betrachtete Malfoy, als wäre er ein besonders nettes Paar Schuhe, welches sie sich zwar nicht leisten konnte, aber dennoch gerne anprobieren würde.


„Sehen Sie“, sagte Malfoy, während er seinen Finger gegen den abgenutzten Tresen presste, „ich habe eine Eule geschickt mit meiner Reservierung.“

 

Der Besitzer des Cobblestone schien jedoch eine fröhliche Gleichgültigkeit an den Tag zu legen.

„Das haben Sie getan, Mr Merrybones, Sir. Wir haben Ihren Brief und die Bezahlung heute Morgen erhalten. Die Sache ist, mein Sohn, wir sind seit zwei Wochen völlig ausgebucht. Diese Zauberstabmacher Messe, wissen Sie? Jedes Zimmer in der Stadt ist belegt. Ich fürchte also, das einzige, was wir noch haben, ist-“

 

Malfoy verengte die Augen und forderte den Mann praktisch dazu heraus, es zu sagen.

 

„Ein Einzelzimmer“, beendete der Besitzer den Satz, mit einem selbstgefälligen Lächeln. Malfoys Ausbruch war wohl mehr als amüsant für ihn.

 

„Nimm es endlich, ok?“, brachte Hermine gepresst hervor. „Vergiss die zwei Zimmer.“

 

Sie bereute die Worte, sobald sie ihren Mund verlassen hatten. Malfoy ließ nun ihr seinen ganzen Unmut zuteilwerden. Es war, als träfe sie ein arktischer Wind ins Gesicht. Sie wich einen Schritt vor ihm zurück.

 

Er schien einige Dinge zu verabscheuen, jetzt wo er inkognito war. Alleine die Tatsache, dass Menschen nicht demütig zu seinen Füße fielen, keine Rosenblüten bei seiner Ankunft streuten oder ihre unverheirateten Töchter zur Auswahl für Mr George Merrybones bereitstellten, sowie sie es für Mr Draco Malfoy getan hätten.

 

„Ich stelle mich für einen weiteren Tag zur Verfügung, für die Hälfte von dem, was sie verlangt“, warf die Hexe mit dem Sonnenschirm ein, während sie auf Hermine deutete.

 

Hermine warf ihr einen zornigen Blick zu und wunderte sich, wann das Mädchen die Zeit gefunden hatte, sich neben Malfoy zu schleichen, und ihren, mit Rouge hervorgehobenen, Ausschnitt gegen seinen Bizeps zu pressen. Malfoy sah an dem Mädchen herab, wie an einem übereifrigen Kätzchen, das er gerade nicht streicheln konnte, worauf er aber gerne später zurückkommen würde.

 

„Ich bin seine Frau“, stellte Hermine jetzt scharf fest. Sie fühlte praktisch, wie Malfoy innerlich seine Augenbraue bei diesem Kommentar hob.

 

Es konnte sie alle mal. Sie waren hier, um das verheiratete Paar zu spielen, oder?

 

Die Hexe grinste jetzt. „Uuhh. Und ich bin seine Mama.“


„Sally, würde es dir was ausmachen?“, bemerkte der Besitzer müde. „Ich versuche hier, ein Geschäft zu machen.“

 

„Ich auch“, erwiderte Sally die Schlampe. Aber sie bewegte sich in Richtung Tür, ohne wirklich verärgert zu sein. Sie wandte ihren Kopf noch einmal um, um Malfoy einen Handkuss zuzuwerfen. Hermine widerstand der Versuchung, den Kuss in der Luft abzufangen, und ihm der Hexe zurück ins Gesicht zu werfen.

 

„Wir können Ihnen einige Erweiterungssprüche für das Zimmer anbieten, wenn Sie wollen. Für einen minimalen Zuschlag“, erklärte der Besitzer jetzt. Er roch wohl einen möglichen Profit.

 

„Das wäre nett, Danke“, unterbrach Hermine rigoros jede zukünftige Drohung, die Malfoy dem Mann noch entgegenschleudern wollte. Malfoy schien wohl auch immer noch abgelenkt von Sally der Schlampe mit den schwingenden Hüften.

 

Der Besitzer räusperte sich, wohl erfreut, dass sie sich einig werden konnten. „Ich erstatte Ihnen eben den zweiten Raum und schreibe Ihnen eine neue Etablissement-Rechnung.“ Er griff unter den Tresen, aber Draco hielt ihn auf. Es war besser, wenn ihr Aufenthalt hier nicht schriftlich festgehalten wurde.

 

Hermine trommelte mit ihren Fingern auf dem Tresen. Eigentlich interessierte sehr, wie eine sogenannte Etablissement-Rechnung eines Bordells aussehen würde.

 

„Behalten Sie das Geld.“ Malfoy schob dem Mann nun auch noch zusätzlich einen Beutel Galleonen über den Tresen. „Für Ihre Diskretion.“

 

Anscheinend war dies keine besondere Bitte. Denn der Besitzer nickte nur knapp, und verstaute das Geld unter dem Tresen. „Diskretion ist unser Motto, Junge. Genießen Ihren Aufenthalt in unserem feinen Etablissement.“

 

Zufrieden, dass seine Pläne nicht alle den Bach runtergegangen waren, setzte Malfoy die Dünger-Kappe ab. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, damit sie nicht mehr flach lagen. Es war so eine typische Jungen-Sache, die er tat. Hermine war kurz verwundert, dass es ihr gefiel, ihm dabei zuzusehen, wie Malfoy er selbst war. Das tat er nicht sehr häufig.

 

Je mehr Zeit sie in seiner Gesellschaft verbrachte, umso mehr Dinge fielen ihr auf, die ihr gefielen. Obwohl man natürlich erst mal die vielen Schichten an aufgeblasener Arroganz und Ambivalenz runter schälen musste…

 

Er war immer noch arrogant und ambivalent, aber das war eben nicht alles an ihm. Diese ganze Geheimnistuerei hier tat ihm gut. Seine Wangen waren attraktiv gerötet, und seine Augen funkelten heute.

 

„Ich denke, ich mag die Nokturngasse“, informierte er sie mit einem lasziven Lächeln.

 

Hermine bezweifelte dies nicht. Er war ganz und gar seine Umgebung.

 

**

 

Das letzte Mal, dass sie sich ein Zimmer geteilt hatten, waren sie vollkommen betrunken gewesen, hatten die ganze Zeit gelacht, waren glücklich, frisch tätowiert und völlig außer Kontrolle durch die Magie verstärkte Lust. Dieses Mal waren sie nüchtern. Auch in ihren Köpfen.  Eine dunkle Wolke der Verantwortung schwebte über ihnen, obwohl Hermine nicht sicher war, ob Dracos Sorge lediglich seinem Vermögen galt.

 

Das ganze Spionieren war anstrengend.

 

Ihr Zimmer war das dritte auf einem schmalen langen Korridor, in einer Kurve im vierten Stock mit einer roten Tür. Sie hatten einen Schlüssel bekommen und ein Handtuch in der Größe von Hermine Handfläche. Das winzig kleine Handtuch war, zu ihrer beider Unterhaltung, mit ihren Initialen versehen. Hermine hatte still beschlossen, es als Souvenir zu behalten, um in besseren Zeiten über dieses Erlebnis zu lachen.

 

„Wir haben eine Toilette eingebaut, aber besser, man bleibt da nicht zu lange drin, sonst bricht es über einem zusammen!“, witzelte der Hausmeister, der außerdem auch der Concierge/Türsteher/Koch zu sein schien.

 

„Entzückend“, bemerkte Malfoy und blinzelte exakt zweimal. Er stieg die Treppen hoch, sehr darauf bedacht, nichts anzufassen. Nicht das Geländer, nicht die Wände, nicht die Damen, die hoch und runter kamen, um sich ja nichts einzufangen, was hier sein könnte.

 

Kurz überkam sie ein unangenehmer Moment, wenn sie das Zimmer erreichten und vor der Schwelle inne hielten. Malfoy beschäftigte sich mit einem Träger seines Rucksacks und schickte sie mit einer Handbewegung vorwärts, als die Tür offen war.

 

„Ladys First.“

 

Es war ganz natürlich, dass sie das schlimmste von ihm dachte, ehe sie überlegte, dass er einfach nur höflich sein wollte? Ein höflicher, umsichtiger Draco Malfoy war ähnlich absurd wie ein Standardtanz tanzender Harry Potter.

 

Wenn man so etwas sah, wollte man ein Foto machen.

 

Hermine lugte in das Zimmer, höchst misstrauisch. Es war nicht halb so schlimm, wie sie gedacht hatte. Es war so groß wie ihr Zimmer in Hogwarts. Das Bett war winzig, mit einem schlichten Laken, das so oft genäht worden war, dass es aussah, als bestünde es aus hundert Teilen. Aber das Kopf- und Fußteil des Betts waren poliert und alles roch sauber nach Limonen und Möbelpolitur. Neben dem winzigen Bett war eine Kommode mit einer Wasserschüssel aus Keramik, und alles wirkte rustikal. Es gab auch ein Fenster, aber die Gardinen waren zugezogen, so dass nur ein Streifen der Nachmittagssonne auf den Boden schien. Die Decke war etwas gewölbt, aber das war nur natürlich, wenn man einen Vergrößerungszauber ausführte.

 

Vielleicht wollte es jemand wie einen Unfall aussehen lassen? Vielleicht war der Vergrößerungszauber mit Absicht falsch ausgeführt? Vielleicht öffnete sich gleich eine Art Portal im Boden und spuckte sie über der Themse aus!

 

Hermine schenkte Draco einen eindeutigen Blick. „Du zuerst.“

 

Er sah sie an, runzelte die Stirn und schulterte seinen Rucksack neu. „Geh rein, Granger.“

 

„Geh du doch rein!“, schnappte sie und wurde langsam hysterisch.

 

Er öffnete seinen Mund, sah sie angewidert an, und dann, ohne jede Warnung, hob er sie auf seine Arme.

 

Hermine hatte kaum Zeit zu protestieren, bevor sie unfeierlich über die Schwelle getragen und auf das Bett geworfen wurde. Er stand über ihr und wirkte tatsächlich beleidigt.

 

„Noch am Leben? Noch in einem Stück? Alle Gliedmaßen noch dran?“

 

Sie spürte, wie sie rot wurde, sah ihn aber immer noch an. „Tut mir leid! Ich bin bloß… vorsichtig.“

 

„Wenn ich dir wirklich etwas antun wollte, hätte ich-“ Er ließ den Satz unbeendet.

 

Hermine seufzte auf. Das Bett war sogar recht bequem. „Ja, ja. Dann hättest du es schon getan.“

 

Er sah sie nicht mehr an. Er betrachtete ihr Bein. Präziser gesagt, er betrachtete ihr Drachentattoo. Ihr Rock war ein Stück weit hoch gerutscht.

 

Plötzlich fühlte sie sich wirklich unwohl und hastig schob sie ihren Rock tiefer, aber er ließ seinen Rucksack fallen und fing ihre Hand ab.

 

„Nein, lass mich sehen.“ Seine Stimme war unglaublich sanft. Es war kein Befehl. Es war nur eine Bitte. Er umfing ihr Bein unter ihrem Knie. „Es hat sich verändert.“

 

Er schob ihre Sandale vom Fuß und sie fiel fast geräuschlos zu Boden. Wahrscheinlich hörte sie es nicht, weil das Blut bereits in ihren Ohren hämmerte. Ihr bloßer Fuß stand gegen seine Brust, und sie fühlte seinen starken, gleichmüßigen Herzschlag. Sein Daumen und Zeigefinger drückte er leicht ihre Achillessehnen, bevor seine Finger über ihre glatte Wade höher wanderten. Er hielt inne, um ihr Knie zu umfangen, und dann, ohne zu Drängen, schob er ihren Rock zur Seite, so dass er der dünne blaue String ihrer Unterwäsche auf ihrer Hüfte zu sehen war. Ansonsten schien er sehr darauf bedacht, alles weitere verdeckt zu halten.

 

„Hier“, sagte er jetzt, höchst interessiert mit wachsamem Blick, „es ist nicht nur einfach Silber. Es glitzert, als… hättest du Diamantenstaub in deiner Haut“, fuhr er mit fast belegter Stimme fort. Er fuhr mit der Fingerspitze über den Drachenschwanz. „Es sieht nicht aus, als wäre es gemalt. Es sieht aus, als wäre es unter deiner Haut. Es fühlt sich sogar dicker an. Bemerkenswert.“

 

Sie schauderte, als sein Finger über dem Tattoo entlang fuhr, über ihren Hüftknochen und zurück.

 

Und dann glitt seine warme Handfläche unter ihren Oberschenkel und weiter, bis er tatsächlich die Innenseite ihres Schenkels hielt, wo der Drachenschwanz endete. Die Teile von ihr, die nicht mit ihrem Verstand verbunden waren, erwachten plötzlich schlagartig zum Leben. Sie pulsierten in ihrem Innern, schienen ihn zu brauchen. Unbewusst lehnte sie sich näher zu ihm.

 

Sollte er sie wirklich anfassen wusste sie, dass ihr nüchterner Verstand sich verabschieden würde. Und dennoch wollte sie das. Sie wollte in dieser Sensation gefangen sein, die die Zeit anzuhalten schien. Die Sensation, die sie alles andere vergessen ließ, alles, außer der Frage, wo er sie als nächstes berühren würde. Er besaß diese Eigenschaft, und deshalb war er gefährlich. Hermine fragte sich, ob er das gleiche im Bezug auf sie fühlte. Es war fast ein Schmerz in ihrem Innern geworden.  Es war, als wären sie zwei Magneten, die sich anzogen, aber dennoch versuchten, eine sichere Distanz zu wahren. Es wurde langsam ermüdend.

 

Er saß fast zwischen ihren Beinen auf dem kleinen Bett. Und das war eine äußert bedrohliche und gefährliche Position für sie. Aber sie hatte den letzten Abend neben einem gefühlvollen und offenen Draco verbracht, und deshalb war wenig Furcht in ihr übrig geblieben.

 

Oh, es gab immer noch Furcht. Aber sie war nicht mehr so überwältigend wie vorher.

 

Seine Finger verstärkten probeweise den Griff in ihr blasses weiches Fleisch, lockerten sich wieder und hinterließen einen blassen roten Abdruck.

 

„Deine Haut sieht aus wie Rosenblüten“, flüsterte er. Die unbewusst tiefere Tonlage in seiner Stimme jagte ihr gleich mehrer Schauer über den Rücken. „Dich kann man leicht verletzen.“

 

Sie sah zu ihm auf. Seine wunderschönen Augen blickten nach unten, und sie glaubte, er war so nah, dass sie jede einzelne blonde Wimper zählen konnte. Die Strähnen in seiner Stirn kitzelten ihre Nase.

 

„Wir hätten doch auf zwei Zimmer beharren sollen“, sagte sie schließlich.

 

Abrupt schüttelte er den Kopf, als wolle er den Nebel verscheuchen, der sich zwischen ihnen gebildet hatte. Er räusperte sich, erhob sich vom Bett und stellte sich ans Fenster. Er stand übertrieben lange am Fenster, während er durch die Gardinen linste und das Treiben unten beobachtete. Sein Ausdruck war nicht zu deuten. Sie schwiegen für eine qualvolle Minute.

 

„So hatte ich nicht vor, die letzten Wochen meines letzten Jahres zu verbringen.“ Es klang eine Traurigkeit in seiner Stimme mit, die nicht nur von dem Fida Mia kommen konnte, wusste Hermine.

 

Seine Worte sponnen unausgesprochene Möglichkeiten in der Luft zwischen ihnen.

 

„Es tut mir leid“, erwidert sie. Und es tat ihr wirklich leid. Es tat ihr so leid, dass sie an dem Abend der Feier so schwach gewesen war.  Dass sie kein besseres Urteilungsvermögen beiwesen hatte. Dass sie nicht besser auf sie beide aufgepasst und dieses Desaster verhindert hatte. Dass sie nicht bei Harry und den anderen war, wenn diese sie doch brauchten.

 

Es tat ihr einfach leid.

 

Ihre Schultern sanken, und zu ihrer großen Panik spürte sie, wie heiße Tränen in ihr aufstiegen.

 

Malfoy sah sie verstört an. „Komm her“, sagte er.

 

Sie kam auf ihn zu. Sie zitterte leicht. Und sie trug nur einen Schuh. Wenn wirklich das zwischen ihnen passierte, was sie dachte, dann war es ganz schlechtes Timing.

 

Es war seltsam, dass sie sich so sicher fühlte wie noch nie. Und dass sie sich ausgerechnet so sicher in seiner Umarmung fühlte, wo er doch ihr Feind gewesen war. Vielleicht konnten alle Feinde Freunde oder Liebhaber sein, wenn man ihnen nur die Chance dazu gab. Vielleicht war nichts in Stein gemeißelt, egal, wie sicher man sich war.

 

Wie immer roch er unglaublich. Waschpulver, saubere Haut. Draco. Die Beule auf seiner Stirn war fast komplett verschwunden. Sie konnte nicht anders, und versuchte gar nicht erst, sich aufzuhalten. Sie strich über die Stelle.

 

„Immer noch keine Freunde?“, fragte sie ihn.

 

Er antwortete nicht. Es war ein wunderschöner, warmer Tag draußen. Und sie mussten ein paar Stunden totschlagen, bevor sie den Termin mit dem Fida Mia Experten hatten.

 

**

 

Die Entstehung des „Fida Mia“, zusammengefasst durch Hermines Notizen zu dem Thema aus Chapter Seven.

 

- 1762 erhielt der dänische Zauberexperte und berühmte Polygamist Lars Hendricks das Verbot vom Ministerium seine fünf Geliebten zu heiraten, die er mit dem Selbstpatentierten Hochzeitsritual an sich gebunden hatte. Nebenbei: Lars wurde später verfolgt und festgenommen wegen Misshandlung einer Ziege (eigene Notiz: Im Vergleich zu Aberforth Dumbledore nachschlagen)

-1800. Fida Mia, das Hochzeitsritual, wurde von der Hendricks Familie entwickelt (etwa vierunddreißig Familienmitglieder) und als Modezauber unter die magische Bevölkerung gebracht, als Zusatz des Eheschwurs 

 

Und weniger als hundert Jahre später wurde der Zauber in Brittannien als illegal erklärt, wurde aber immer noch in Teilen von Osteuropa als legal bindend praktiziert…

 

**

 

Der junge Mann zog das Jackett aus, legte die Taschenuhr auf den Tisch, sowie seine Manschettenknöpfe. Er rollte seine Ärmel hoch, trat die Schuhe von den Füßen und öffnete die ersten beiden Knöpfe seines feinen weißen Hemds. Ein durchgesessenes Sofa stand im Raum und er fiel praktisch hinein, während er nachdenklich aussah.

 

Eine silberhaarige Frau, die jedoch weit davon entfernt war gebrechlich zu sein, trat in das Zimmer, ein Tablett mit Limonade auf den Händen.

 

Üblicherweise feierten sie einen erfolgreichen Schwindel mit einem echten Drink, aber die Gesundheit seiner Urgroßmutter war nicht mehr das, was es einmal war. Also beschränkten sie sich in diesen Tagen auf Limonade. Oder manchmal auch Wein, wenn es draußen kalt war.


„Füße vom Tisch, bitte“, sagte die alte Dame und stellte das Tablett ab. „Ich miete zwar, aber ich mag es hier.“

 

„Die Halle riecht nach totem Wiesel.“

 

Sie schürzte ablehnend die Lippen, während sie ihm en Glas einschenkte. „Also? Wie geht es unseren beiden jungen Turteltauben?“

 

Er nahm das Glas entgegen und sah zu ihr auf, mit den zwei verschiedenfarbigen Augen. Sie sahen aus wie ihre – eins grün und eins blau. Ein seltsames Erbe, dass sie beide zu einer seltsamen Familie gehören ließ. Nur ihre Augen waren müde vom Alter.

 

„Sie sind Kinder, Nana.“

 

„Pah, das sind keine Kinder! Der Junge hat mehr gesehen als du.“ Die Frau hatte eine Hand in die Hüfte gestemmt und richtete ihr Monokel. „Sie sind aber klug. Beide haben es geschafft, Tallowstubs Buch in die Finger zu bekommen. Man muss ein Lob aussprechen, wenn es angebracht ist. Es zeigt Initiative.“ Sie nickte bestätigend.

 

Der Junge Mann schnaubte auf. „Diese Stück Müll? Es ist völlig wertlos, abgesehen von dem Bild der knienden Maid auf Seite 617…“

 

„Woran denkst du?“, unterbrach ihn seine Großmutter schroff.

 

„Ich denke, du hättest bessere Kandidaten auswählen sollen. Wir könnten im Mittelpunkt des Ärgers stehen. Hast du gewusst, dass der Vater des Jungen ein Todesser ist? Und das Mädchen ist eine Freundin von Harry Potter.“

 

Nana Hendricks wedelte unbeeindruckt mit der Hand. „Ja, dieser abscheuliche Borgin hat es erwähnt. Ich habe natürlich gesagt, ich wüsste nicht, was ein Todesser ist.“

 

Der junge Mann starrte sie an. „Du machst Scherze.“

 

„Wenn es um die Familie geht, mache ich nie Scherze, Junge.“

 

„Du willst mir wahrscheinlich auch erzählen, du hast keine Augen, wer dieser Voldemort ist…“

 

Die alte Frau nickte. „Ja… dieser Name. Ich habe ihn zufällig auf der Straße getroffen, in Kopenhagen, vor vierzig Jahren. Er hat eine Wand gegossen.“

 

„Du bist eine Schwindlerin, Nana.“

 

Sie schenkte ihrem Urgroßenkel einen schelmischen Blick. „Du arbeitest noch nicht lange genug mit mir, um zu sagen, wann ich schwindele.“

 

Er machte ein frustriertes Geräusch. „Zurück zum Punkt. Ich denke, wir haben ein Problem.“

 

„Unsinn!“ Sie tätschelte sein Knie. „Es hat niemals ein Problem gegeben, und ich mache dieses Geschäft seit fast einem Jahrhundert. Du stellst dich auch viel besser an als dein Urgroßvater. Der Mann hatte ein Gesicht, das viel zu ehrlich war.“

 

Ihr Urgroßenkel schenkte ihr einen misstrauischen Blick.

 

„Das Spiel war immer dasselbe“, fuhr sie fort, mit traditionellem Stolz. „Ich, mysteriöser Weise alt, mit fraglicher Mundhygiene, verheirate die beiden.“ Sie klatschte in die Hände. „Sie wachen auf, werden panisch, wenn der Zauber zu wirken beginnt. Sie suchen überall nach einem Heilmittel, und es gibt einfach so einen Experten in der Stadt, der jede Woche vorbei schaut!  Du tauchst auf, mit einem befristeten, seltenen und teuren Heilmittel, wo sie doch geglaubt hatten, es gäbe keins. Es ist ein ertragreiches Leben, wenn ich es so sagen darf.“

 

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Abgesehen davon, dass es keine echte Heilung für einen echten Fida Mia gibt.“

 

Die alte Frau runzelte die Stirn. „Ja, ich weiß, mein Junge. Mein eigener Großvater hat den Spruch entwickelt.“

 

„Was ich sagen will, es gibt keine Heilung für dieses Paar.“

 

Die alte Dame war immer noch schnell von Begriff, entgegen ihres Alters. Ihr Monokel fiel aus dem Auge und baumelte an der Kette. „Wie bitte?“

 

„Der Spruch hat gewirkt! Dieses Mal wirklich!“

 

Sie setzte sich sprachlos neben ihn und umfasst mit faltiger Hand ihre Kehle. „Ich hab den Fida Mia in über achtzig Jahren nicht mehr erfolgreich ausgeführt.“ Sie sah mit gerunzelter Stirn zu ihm auf. „Bist du sicher? Bist du wirklich völlig sicher?“

 

„Natürlich bin ich sicher! Alleine schon neben ihnen zu stehen war, wie durch Honig zu laufen.“

 

Sie schnappte nach Luft und war mehr als verwundert. „Ja! Ja, so fühlt es sich an! Zumindest für unsereins. Wir nehmen es anders war, wir Hendricks’…“

 

„Du hast schlechte Paare zu wählen, Nana! Das ist der ganze Sinn! Das Paar wird verrückt, weil der Spruch nicht passt, und wir streichen den dicken Profit ein, wenn wir den verdammten Spruch lösen! Wir können es nicht lösen, wenn es permanent ist!“

 

„Ich habe nie behauptet, dass sie ein gutes Paar wären!“, rechtfertigte sich die Frau.

 

Der junge Mann erhob sich. „Wir sollten verschwinden. London war gut zu uns. Ich würde es hassen, hier nie mehr arbeiten zu können.“

 

Sie schüttelte den Kopf. „Oh nein. Das will ich mit meinen eigenen Augen sehen. Nenn mich sentimental, aber jedes Paar ist anders. Einzigartig. Wenn du sagst, der Spruch hat dieses Mal funktioniert und wirkt, dann will ich es mir ansehen.“

 

„Wir können ihnen keine Hilfe anbieten, begreifst du das? Und eine Schande ist es, denn der Junge ist reich wie Krösus. Wir hätten dreimal so viel verlangen wie sonst, und er hätte es gezahlt.“

 

Die alte Frau zuckte die Achseln. „Ja, aber wir können immer noch Ratschläge in Rechnung stellen, mein Junge.“

 

Ihr Urgroßenkel lächelte sie an. Im Familienbetrieb zu arbeiten hatte sich als besser herausgestellt, als er gedacht hatte. Die Hendricks’ waren schon immer eine sehr pragmatische Familie gewesen.

 

**

 

Chapter Thirty

 

Draco wurde klar, dass Borgin ein Treffen mit dem Experten am späten Nachmittag vereinbart, jedoch außerdem vorgeschlagen hatte, dass Draco ein Zimmer im Cobblestone einige Stunden früher bezog.

 

Und Draco fragte sich, wieso wohl?

 

Lucius ließ potentielle Geschäftspartner stets früh zu einem Treffen erscheinen, wobei ein zuvor bereits eingetroffener Lucius die Männer vorher schon beobachtet hatte. Sein Vater hatte gesagt, dass man viel über einen Menschen erfahren konnte, wenn er nicht glaubte, dass man ihn beobachtete. Schlechte Angewohnheiten, Triebe, was ihm gefiel und was nicht. Diese Strategie musste für seinen Vater besonders gut funktionieren, denn er war extrem erfolgreich in allen Dingen, die er anstrebte.

 

Außer seiner Ehe.  Frauen waren anscheinend die Ausnahme der Regel.

 

Wurden sie also beobachtet? Draco bezweifelte, dass es irgendetwas mit Borgin zu tun hatte. Vielleicht war es ihr mysteriöser Experte, der seine Klienten vorher ausführlich begutachtete, ehe er sie zu dem vereinbarten Treffen traf.

 

Draco mochte keine Geheimnisse.

 

Was er außerdem nicht leiden konnte, war, eine spannungsgeladen, dreistündige Überbrückungszeit mit einer nervösen Hermine Granger in einem winzig kleinen Zimmer.

 

Glücklicherweise bot ihm sein knurrender Magen eine Auszeit an, und erinnerte ihn, dass er wohl kürzlich zu viele Mahlzeiten hatte ausfallen lassen. Es würde bestimmt einige Zeit in Anspruch nehmen, ein gutes Restaurant zu finden, zu essen und wieder zurück ins Gasthaus zurück zu kommen. Ein Ausflug, um essen zu finden, könnte sogar ihn drei Stunden an Zeit kosten, wenn er es nur richtig anstellen würde.

 

Er könnte sie fragen, ob sie wollte, dass er ihr etwas mitbrachte, aber es erschien ihm zu intim, zu persönlich.

 

Sein vorangegangenes Experiment an Höflichkeit war darin gegipfelt, dass Granger in indirekt beschuldigt hatte, ihr Ableben zu planen und hat darin geendet, dass er beinahe auf ihr drauf gelegen hatte und das dumme Mädchen an dummen Stellen berührt hatte. Er würde also der vertrauten Taktik der rüden Unhöflichkeit folgen und ihr weder seine Anwesenheit, noch ein Essen anbieten.

 

Sie roch nach Rosen, jedes Mal, wenn sie nur einen Meter von ihm entfernt stand. Und alles, was er dann tun wollte, war, mit der Hand in ihre Locken zu greifen und sein Gesicht darin zu vergraben.

 

Ok, ja, er wollte noch eine Menge mehr tun, als bloß das, aber er es würde ihn Teufel holen, sollte er wirklich seinen niederen Gelüsten nachgeben. Sein Schwanz mochte vielleicht eine Abhängigkeit zu ihr entwickelt haben, aber sein Gehirn war das Organ, was die Befehlsgewalt hatte.

 

Meistens.

 

Es war, wie seine Mutter gesagt hatte, „ein Problem nach dem Anderen, Liebling. Und wenn du zu viele auf einmal hast, dann brauchst du mehr Angestellte“. Pansy war nicht mehr da, um als beruhigender Puffer zu fungieren. Crabbe war schon längst fort, Millicent gab nur gute Ratschläge, wenn sie nicht gerade von ihren Hormonen besessen war, und Goyle war nicht da, um ihm einen Testosteronschub zu geben. Zabini war…

 

Hmm. Was war Zabini? Blaise war ein Klugscheißer. Wie Granger. Und er war eine hübsche Dekoration. Aber er blieb immer etwas von ihnen entfernt. Draco hatte immer angenommen, der Junge strebte politische Positionen an, weswegen er sich immer solche Mühe, korrekt und höflich zu jedem zu sein.

 

Selbst zu Hufflepuffs.

 

Blaise wäre die bessere Wahl des Ministeriums für einen Spion gewesen. Er kam mehr herum, und er war auch beliebter als Draco es war. Und doch war es Draco gewesen, der gefragt worden war, den Rest des Jahres potentielle Voldemort-Anhänger ausfindig zu machen.

 

Draco schnaubte auf. Arthur Weasley, Dumbldore und das ganze verdammte Ministerium konnten zur Hölle fahren… schade nur, dass sein Erbe und sein Geburtsrecht auf dem Spiel standen.

 

War das aber wirklich seine Freunde wert?

 

Waren sie wirklich seine Freunde? Es war ein Kreuz mit Slytherins befreundet zu sein. Es brauchte kein Genie, um zu wissen, dass Potty und das Wiesel sich unter einen Bus geworfen hätten, würde es bedeuten, dass sie die Leute retten konnten, die ihnen etwas bedeuteten. Das war das geschmacklose Honorar vom Hause Gryffindor.

 

Slytherins waren praktischer veranlagt. Ein Slytherin würde sich vorher gelassen erkundigen, ob es nicht jemanden mit Einfluss zu bestechen, verprügeln oder zu verführen gab, ehe er sich selbst opferte.

 

Granger ist eine Person mit Einfluss. Vielleicht sollte ich sie in meinem Bett behalten und sehen, wohin es mich führt?

 

Dieser Gedanke beinhielt einen neuen und einen definitiv positiven Vorteil. Es traf ihn fast wie ein Schock, dass er noch nicht daran gedacht hatte, sie als Trittbrett zu benutzen oder als Möglichkeit mit dem Ministerium zu verhandeln, anstatt sie als Bürde zu sehen, die er loswerden musste.

 

Es war nicht typisch von ihm, den Silberstreifen an seinem besonders dunklen Horizont einfach zu ignorieren.

 

Sie saß auf der Bettkante und zog gerade  ihre Sandale wieder an, die er ihr zuvor ausgezogen hatte. Als er daran dachte, hob sich ihr Blick zu seinem Gesicht. Ihre braunen Augen waren nicht in der Lage, Boshaftigkeit zu halten. Nicht mal, wenn jemand vorher Boshaftigkeit in eine Flasche abfüllen würde und diese direkt in ihre Augen injiziert würde.

 

Es lag eine übelkeitserregende Lieblichkeit auf ihr. Sie war eine Rarität. Etwas, womit er keine Erfahrung hatte und somit gerade deshalb fasziniert von ihr war. Sie war wie Potter, denn sie besaßen beide diese unerschütterliche Unschuld. Sie waren beide die Sorten von Mensch, der  nur etwas Schlechtes in der stille seiner eigenen Gedanken über jemanden sagen würde, und selbst dann würden sie sich noch schuldig deswegen fühlen.

 

Draco seufzte. Er wusste, weshalb er es nicht konnte. Sie nicht behalten konnte. Aber es zuzugeben, war ein Schicksal, schlimmer als der Tod.

 

„Ich gehe kurz raus. Warte hier auf mich“, erklärte er schroff.


„Aha?“ Sie stand auf und sah erleichtert aus, einen Grund zum Sprechen zu haben. „Gehst du raus, um was zu essen? Dann komme ich mit dir.“

 

Nein, du dämliche Gans. Ich will nicht, dass du mit mir kommst. Du bleibst hier, erwiderte die Stimme in seinem Kopf. Wenn du mir folgst, raste ich wahrscheinlich aus.

 

„Meinetwegen, mir egal“, war, was tatsächlich aus seinem Mund kam. Er war zu hungrig, um großartig zu diskutieren.

 

Draco setzte die Nutrisoil-Kappe wieder auf und ignorierte ihr feines Lächeln, als sie ihn dabei beobachtete.

 

**

 

Es kostete sie eine halbe Stunde, um hundert Meter voran zu kommen, so voll war es in der Winkelgasse. Sie kamen an einigen Ständen vorbei, wo gegrillte Sachen an einem Stab verkauft wurden. Einigie Leute um sie herum aßen bereits das streifenartige Fleisch von den Stäben. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern verhieß nicht unbedingt etwas Gutes.

 

„Florean Fortescue ist voll“, bemerkte Hermine. Sie stand auf dem Bürgersteig auf ihren Zehenspitzen, um besser sehen zu können. „Ich glaube nicht, dass wir eine Chance haben, überhaupt in irgendeinen Pub zu kommen.“

 

„Ich esse keine Ratte am Stock“, murmelte Draco.

 

Ihre Mundwinkel zuckten kurz. „Ich denke, der Mann sagte, es sei Wachtel.“

 

„Wachteln haben keinen langen, dünnen Schwanz.“

 

Sie lachte. Es war das erste Mal, dass er sie das tun hörte, in seiner Anwesenheit. Es überraschte ihn so sehr, dass er ihr erlaubte ihn neben sie auf den Bürgersteig zu ziehen.

 

„Keine Sorge“, versicherte sie ihm, ganz die Schulsprecherin. „Wir machen es auf die Muggelart.“

 

Er verlor sie zweimal auf dem Weg zum Tropfenden Kessel. Sie war kein Zwerg, aber sie war auch nicht gewillt, ihre Ellbogen einzusetzen, um sich mehr Platz zu verschaffen. Unwillig hatte er sie vor sich geschoben, hielt sie an seiner Brust und lenkte sie nach vorne. Es kostete ihn fünf Minuten direkte Nähe zu ihr und ihr Duft stieg in seine Nase, und er war sofort hart geworden. Ein oder zweimal hatten sie anhalten müssen, und ihr Körper stand eng gepresst gegen seinen, ihr weicher Hintern, gegen seine Mitte. Sofern sie seine augenscheinliche Abneigung ihr gegenüber fühlte, hatte sie genug Takt, es nicht zu sagen.

 

Draco zog die Kappe tiefer in sein Gesicht, als sie durch den Tropfenden Kessel huschten, um in den Muggelteil von London zu gelangen.

 

Sie liefen zwanzig Minuten lang, fast bis zum Bahnhof Kings Cross. Es gab einige kleine Restaurants in der Euston Road, und sie gingen langsamer, um sich umzusehen. Draco spürte dieselbe Abneigung, die er immer spürte, wenn er Muggel Territorium betrat. Es war, als müsse man einen Schuh anziehen, der nicht passte, und man durfte sich nicht darüber beschweren. Als wäre es dunkel, und er könnte den Lumos nicht ausführen. Als wären sie verloren, und er könnte nicht den Kompass Spruch ausführen. Es war als wäre seine rechte Hand hinter seinem Rücken gefesselt.

 

Es gab Smog, und Obdachlose und Teenager, mit einem Kilo Metal durch ihre Gesichter gestochen. Außerdem rasten die Autos an ihm vorbei, aber immerhin gab es keine Ratten auf Stäben, und er hatte wieder genügend Platz. Es hing gebratene Ente im Schaufenster eines chinesischen Restaurants, aber keine Ratte.

 

„Nach was steht dir der Appetit?“, fragte sie jetzt.

 

Nach zurückgehen, wollte er sagen, tat es aber nicht.

 

Sie hatten neben einem kleinen Restaurant angehalten. Und so etwas hatte Draco noch nicht gesehen. Rote Stühle waren in den Boden geschraubt, und davor stand ein ovaler Tisch, auf dem ein Zug auf Schienen im Kreis fuhr. Er trug eine Menge an bunten Platten mit Seltsamkeiten. In der Mitte des riesigen Tisches standen zwei asiatische Männer, die das Essen zuzubereiten schienen. Sie schnitten und schoben, würfelten und rollten mit unheimlicher Präzision. Zwei Menschen nahmen sich ihr Essen von dem Zug, und die Asiaten füllten die Stellen wieder auf.

Von Tellern mit Brühe stieg ein warmer, erdiger, angenehmer Duft auf, die von einer Kellnerin herumgetragen wurden.

 

„Wir essen hier“, erwiderte er mit unverhohlener Neugierde.

 

Es war kein geschäftiger Nachmittag, bedachte man, dass es zwei Stunden nach der üblichen Mittagszeit war. Ein kleines Mädchen, keine fünf, die Hände voller klebrigen Reis, starrte Draco mit offenem Mund an, als er an ihr vorbeischritt. Sie zog dann am Ärmel ihres Vaters, um dessen Aufmerksamkeit zu bekommen.

 

„Vielleicht sollte ich die Kappe abnehmen“, schlug er vor. „Die Leute sehen mich komisch an.“ Er schenkte dem Mädchen am Tisch einen feindlichen Blick, und diese schnappte erschrocken nach Luft, um dann mit der Hand vor dem Mund ihr Kichern zu verstecken.

 

Hermine biss sich auf die Unterlippe, um ihr Lächeln zu verbergen. Das Mädchen interessierte sich nicht für die Kappe.

 

„Ich glaube nicht, dass du in der Gefahr schwebst in einer Euston Road Sushi Bar erkannt zu werden, Malfoy.“

 

Er sah dies als Bestätigung, um sich die Dünger Kappe vom Kopf zu ziehen.

 

Sie setzten sich auf zwei Stühle, die am weitesten vom Eingang entfernt waren (auf Dracos  Anraten). Eine junge Frau mit einer weiten Schürze und einem Schild, das sie als Fay, Shushi Hut, vorstellte, war in wenigen Sekunden an ihrem Tisch erschienen.

 

„Grüner Tee oder Miso?“, fragte sie automatisch, während sie Kaugummi kaute und die Blätter uaf ihrem Block nach hinten blätterte.

 

Draco hatte gerade erst den Servietten-Spender gefunden und platzierte eine Serviette in seinem Schoß. Hermine betrachtete ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Freude.

 

„Was ist Mi-so?“, fragte er, tatsächlich sogar höflich.

 

Der Kellnerin wurde wohl nicht besonders oft diese Frage gestellt. Sie hob den Blick, um Draco wie einen Touristen anzusehen, der Sushi als etwas ansah, dass er einmal, bevor er starb, gegessen haben musste. Was sie jedoch sah, war einen 1, 85m großen Mann, mit dem  Körperbau eines muskulösen Suchers, der zurzeit auf einem der roten Stühle saß. Blass, mit feinen Gesichtszügen, die wohl eher durch die traditionsreiche Familie kamen als durch ständiges Drinnensitzen. Blondes Haar, das in der Stirn zu lang war, und sich im Nacken leicht wellte. Dazu hellgraue Augen, mit feinen blauen Flecken, wenn man nur nah genug vor ihm stand, um sie zu bemerken.

 

Sie betrachtete also das Resultat aus zehn Genrerationen streng magischer Zucht, und sie hatte Hermines vollstes Verständnis.

 

In der kleinen, bescheidenen Sushi Bar wirkte Malfoy noch eleganter als sonst.

 

Hermine räusperte sich und stützte ihr Kinn auf ihre Hände. Die Kellnerin warf ihr einen erschrockenen Blick zu. Dann klärte sich ihr Blick. „Oh, um… das ist eine gekochte Paste mit Sojabohnen, Seegras und Champignons.“

 

„Wir nehmen jeder eine Tasse Tee und eine Tasse Suppe. Ist das ok?“, fragte Hermine der Höflichkeit halber.

 

„Ok“, erwiderte Draco. Er studierte das kleine, laminierte Menü mit amüsiertem Interesse.

 

Er hatte wohl schon mal Stäbchen benutzt, denn er hatte kein Problem, damit umzugehen, nachdem Hermine ihm erklärt hatte, dass er nicht ein missgebildetes großes Stäbchen bekommen hatte (er wollte schon die Kellnerin rufen, um sich zu beschweren), sondern, dass die beiden Stäbchen immer in einem großen kamen, das auseinander gebrochen werden musste.

 

„Ah“, sagte er nur. Dann griff er sich die ersten vier Teller, die in der Runde fuhren und stellte sie vor sich. Die Kellnerin kam zurück mit dem Tee und ihrer Miso.

 

Hermine verschluckte sich an dem ersten Schluck kochend heißem Tee. „Malfoy, du kannst dir nehmen, was du willst, das weißt du? Du musst nicht das erste nehmen, das kommt.“

 

Er sah zu ihr auf, das Inari recht selbstbewusst zwischen den Stäbchen. „Ich dachte, das würde ich tun?“

 

Die Menge, die er essen konnte, hätte sie für gewöhnlich verwundert, aber sie hatte Ron und Harry schon essen sehen. Genauso viel wie Malfoy. Aber sie bezweifelte, dass sie Ron dazu bringen könnte, eine Kalifornien Rolle zu essen, geschweige denn gleich drei auf einmal.

 

„Was ist das?“, fragte er jetzt und zeigte auf einen hell orangen Fischrogen in seinem Gunkansushi.

 

Sie erklärte es ihm.


„Also Kaviar“, entschied er und aß es.

 

Sie hatten einen kurzen Streit, als er eine tödliche Menge an Avocadocreme auf seinem Teller verteilte.

 

„Uh, Malfoy, das ist zu viel Wasabi.“

 

Er ignorierte ihren Einwand und begann zu essen, nur um dann einen Hustenanfall zu bekommen.

 

„Tee?“, erkundigte sie sich trocken.

 

Er riss ihr die Tasse aus der Hand, sobald sie mit einschütten fertig war und leerte sie in einem Zug.

 

Eine Stunde später standen vierzehn leere Teller neben Draco und vier neben Hermine.

 

„Ich hab kein Muggel Geld bei mir.“

 

Hermine zuckte lediglich mit den Achseln und griff in ihrer Tasche nach ihrem Portemonnaie. „Gut, ich bezahle nämlich. Du bezahlst schon für das Zimmer.“

 

Es gefiel ihm nicht, aber es gab nicht viel, was er daran ändern konnte. Also wartete er draußen und betrachtete den Verkehr, während sie drinnen bezahlte.

 

„Das war nett“, sagte er, als sie neben ihm stand.

 

Es war seine Art, ihr zu danken, das wusste sie. Plötzlich fühlte sie sich unwohl, als wäre dieses versteckte Dankeschön, zu viel, als dass sie damit umgehen konnte.

 

„Ja, war es.“

 

Sie gingen eine kleine Runde. Das erste Mal fiel er nicht in den Malfoy-Stechschritt und sie musste auch nicht neben ihm joggen, um mitzuhalten. Es schien, als wäre keiner von ihnen besonders erpicht darauf, in ihr Zimmer zurückzukehren.

 

„Kann ich dich etwas fragen?“, begann sie, als sie die Straße überquerten, wo der Eingang zum Tropfenden Kessel war.

 

Sie starrte auf den Boden. Was auch immer es war, es schien ihr peinlich zu sein.

 

„Wann hat dich jemals jemand davon abgehalten, eine Frage zu stellen?“, war seine Antwort. Es kam sarkastischer raus, als es seine Absicht gewesen war, und er spürte kurz etwas in seinem Innern, als er sah, wie ihr Ausdruck verschlossener wurde.

 

Aber sie war immer noch Granger und nahm die Worte nicht zurück.

 

„Die Nacht der Party, als ich zu dir gekommen bin… du wirktest etwas amüsiert. Was hast du gedacht?“

 

Ah, das war also ihr Ziel.

 

„Mir war langweilig. Goyle war betrunken. Parkinson war sauer auf mich wegen irgendwas, was ich nicht mehr weiß. Und du kamst spät in die Halle. Du hast geduscht oder so etwas, denn deine Haare waren noch nass und deine Haut war… pink.“ Kurz berührte er ihr Ohrläppchen, mit einem intensiven Blick aus seinen grauen Augen. „Du sahst aus, als hättest du die Party genauso satt wie ich. Ich hab mich gefragt, was du tun würdest, wenn ich dich fragen würde, ob du mit mir runter in die Keller kommst. Ich habe mir gedacht, es wäre an der Zeit, zu fragen.“

 

Sie sah ihn an. „Wirklich?“

 

Er nickte. Eine kleine Horde an Schulmädchen kam an ihnen vorbei, die sich gegenseitig in die Rippen stießen, als sie ihn anstarrten. „Wirklich.“

 

„Aber du mochtest mich nicht.“

 

Draco nickte und hatte gemerkt, dass sie mochtest anstatt magst benutzt hatte. Überhebliches Mädchen.

 

„Jemanden nicht zu mögen, hat nichts damit zu tun, dass man denjenigen nicht gerne über das nächste Pult geworfen hätte.“


Ihre Augen wurden größer. „Ich verstehe. Und seit wann hast du diese Gedanken?“

 

Draco schnaubte auf. Er hielt sie auf, ehe sie den Pub betreten konnten. „Was lässt dich glauben, ich hätte diese Gedanken immer noch?“

 

Sie schien ihre Worte lange abzuwägen. „Dein Verlangen ist… nicht gerade subtil. Ich kann sie fühlen wegen des Spruchs. Aber wahrscheinlich auch ohne Fida Mia.“

 

Sie war wieder einmal auf der Suche nach Umschreibungen. Aber sie konnte suchen, so viel sie wollte. Er würde seinen Kopf nicht für sie auf den Stein legen, damit er ihm ihretwegen abgehackt werden konnte.

 

Er verdrehte die Augen. „Im Vergleich zu Weasleys Verlangen? Der Versager mag seine Höhepunkte vielleicht unter einem Schulrock in den Büschen finden, aber ich denke, du solltest wissen, wohin meine Neigungen gehen.“ Seine Stimme hatte einen sanften, trägen Tonfall angenommen.

 

Sie errötete bis zu ihrem Haaransatz. Er konnte es erkennen, selbst im schwindenden Licht. Hermine Granger war die lächerlichste Kombination aus Sachlichkeit und kleinem Schulmädchen, die ihm bisher untergekommen war. Er wollte, dass sie noch einmal errötete.

 

„Ich versuche nur, herauszufinden, was der Spruch bewirkt hat. Wo wir aufhören und er anfängt?

 

Er beschloss,  direkt zu sein. „Du willst wissen, ob ich dich seit einer gewissen Zeit flachlegen will, oder ob es bloß der Spruch ist.“

 

Hermine sah wie versteinert zur Seite. „Ich kann nicht glauben, dass wir dieses Gespräch führen…“

 

„Hey, du hast gefragt.“

 

Sie nahm einen beruhigenden Atemzug und schoss ihm dann einen zornigen Blick zu. „Ja, aber müssen wir mit Absicht so provozierend sein, wenn wir antworten?“

 

Er musste lächeln. „Du bringst eben das schlimmste in mir zum Vorschein. Das nehme ich zur Kenntnis. Vor Fida Mia wollte ich dich in Tagträumen in Geschichte der Zauberei. Nach Fida Mia…“, fuhr er fort mit einem stechenden Blick, aus dem die meiste Wärme verschwunden war, „… nun, ich hatte immer einen Sammlerblick.“

 

„Ich verstehe“, erwiderte sie. Sie schwieg kurz, ehe sie antwortete. „Was ist passiert, als Dumbledore dich in sein Büro geholt hat, nachdem das Dunkle Mal am Himmel erschienen war?“

 

Das war das letzte, was er erwartet hatte, das sie fragen würde. Er mochte es nicht. Für eine kurze Zeit hatte er es verdrängt. Seine Augen verengten sich. „Du hast solche Fragen nicht zu stellen.“

 

„Wieso nicht? Vertraust du mir nicht?“, fragte sie jetzt. „Ich vertraue dir, egal, was du davon hältst.“

 

„Dann vertraust du zu schnell.“

 

„Wie an dem Tag im Badezimmer der Vertrauensschüler?“

 

„Das war ein Fehler, und ich habe mich bereits dafür entschuldigt!“, unterbrach er sie scharf. Dieses Gespräch entglitt seiner Führung. Sie war wie ein Bär auf der Suche nach Honig. „Bist du fertig mit deinen Fragen? Wir gehen jetzt zurück.“

 

„Warte.“

 

„Genug“, widersprach zwar sanft, aber mit einer offenen Drohung in der Stimme. Sie hatte sich vor den Eingang gestellt. „Wir kommen zu spät.“

 

Hermine stöhnte auf. „Wieso können wir nie ein Gespräch beenden, ohne dass du irgendwann zornig weglaufen willst?“

 

Er kam zornig näher. „Ich laufe niemals weg.“

 

Sie war nun sogar ziemlich wütend. Eine Hand war in ihre Hüfte gestemmt, und ihre Augen sprühten Feuer in seine Richtung. „Es ist für dich vielleicht schwer vorstellbar, aber die meisten Leute finden können mich tolerieren.“


„Du bist zu tolerieren, wenn du deinen Mund hältst“, erwiderte er. „Und ich kann mir ein paar verschiedene und angenehme Wege vorstellen, deinen Mund zu stopfen.“ Er starrte auf ihren Mund.

 

Und sie verlagerte ihr Gewicht peinlich berührt auf die andere Seite. „Hör auf damit.“

 

„Dann hör auf, mich aufzuhalten, oder ich hebe dich hoch und trage dich durch die Tür.“

 

Hermine schenkte ihm einen langen, nachdenklichen Blick. „Deine Eltern haben wirklich Applaus verdient.“

 

Draco war sich nicht völlig sicher, was sie meinte, aber er wusste, sie verdiente eine saubere Antwort, direkt unter der Gürtellinie.


„Nicht mehr als Potters.“

 

Es hatte nicht funktioniert. Sie sah nur noch bereiter aus, ihn in einen Streit zu zwingen.

 

„Harrys Eltern sind tot.“


„Meine könnten es ebenfalls sein.“

 

Granger hob die Hände in die Luft. „Draco, du musst dich durch das Leben wandern, als Selbstreflexion aller Fehler deiner Eltern. Bist du es nicht leid, dich immer selbst zu quälen? Lass ein bisschen Sonne, bevor du vertrocknest und verdammt noch mal stirbst vor Angst!“

 

Sie hatte nicht nur die Linie überschritten, sie war so weit entfernt von der verdammten Linie, dass sie sie nicht mal mehr sehen konnte. Er packte sie an den Schultern, hob sie vom Boden hoch und schüttelte sie. Ihre Füße baumelten Zentimeter über dem Boden. Ihr Ausdruck auf ihrem Gesicht forderte ihn dazu heraus, das schlimmste zu tun, aber da war immer noch ein Hauch von Furcht in ihren Augen.

 

Er war froh, es zu sehen. Er ließ sie zu unverschämt werden.

 

„Ich weiß, du bist die nervtötendste Sache, die in drei Dimensionen existiert, aber musst du es wirklich immer wieder beweisen? Du hast kein Privatrecht zu meinen Gedanken, Granger. Frag mich, was du willst, aber erwarte nicht, dass ich tief und komplex werde, nur weil ich Sex mit dir hatte. Dir gehört nicht mein Herz. Mein Herz und mein Schwanz sind zwei grundverschiedene Dinge. Ich bin nicht hier, weil ich gerne hier sein möchte. Ich bin hier, weil ich hier sein muss. Das hier ist der Anfang vom Ende, begreifst du das? Du kannst meinetwegen vergessen, wer du bist, aber vergiss nicht, wer ich bin.“ Er kochte vor Wut, und für einen Moment ließ sie der Zorn in seinem Blick verstummen.

 

Er lockerte den Griff, ließ sie runter und sie fiel gegen seine Brust. Er musste wohl etwas neben sich sein, um das zu erlauben. Dann trat er einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

 

„Und jetzt gehe ich zurück. Mit dir oder ohne dich.“

 

Es war wohl mit ihr, denn er hatte ihre Hand ergriffen und zog sie bereits hinter sich her.

 

**

 

Chapter Thirty-One

 

Blaise Zabini war acht Jahre alt, als er feststellte, dass er ein Metamorphmagus war.

 

Natürlich hatte er damals nicht den speziellen Fachbegriff gekannt oder überhaupt gewusst, dass es einen gab. Wie es bei magischen Kindern häufig der Fall ist, zeigen sich solche Fähigkeiten mehr aus Zufall. Es passierte kurz nachdem ihn seine Mutter nach Hause gerufen hatte, damit er die Haare geschnitten bekam. Er hatte seine langen Haare gemocht, aber anscheinend geziemte es sich nicht für einen jungen Mann, lange Haare zu haben, oder etwas Ähnliches hatte seine Mutter gesagt.

 

Dann waren sie ab, und Blaise war über Wochen zornig deswegen gewesen.

 

Und an einem Nachmittag, als seine Eltern Verwandte zu Besuch hatten, hatte sich Blaise im Schlafzimmer auf den Hocker vor die Spiegelkommode gestellt und hatte sein Haar gezwungen wieder nachzuwachsen.

 

Und das tat es. Innerhalb ungefähr zehn Sekunden. Das hatte er nicht erwartet und wäre fast vom Stuhl gefallen.

 

Aus Angst, was seine Mutter wohl sagen – oder fragen – würde, schnitt Blaise die Haare wieder ab und mied alle Spiegel für Wochen. Später merkte er, dass er die Gabe kontrollieren konnte. Und er wusste, dass es tatsächlich eine Gabe war.

 

Darüber waren ganze Bücher geschrieben. Und es war eine seltene Gabe. Außerdem wichtig genug, dass das Ministerium seinen Namen aufnehmen würde, würde er es sagen.

 

Und das tat er nicht.

 

Als er zehn Jahre alt war konnte er so ziemlich jeder sein, der sein wollte, vorausgesetzt, er hatte genügend Zeit mit der Person verbracht und wusste, wie sie aus allen Winkeln und Perspektiven aussah.

 

Dass er ein Metamorphmagus war, war nur eine der vielen Sachen, die niemand über Blaise Zabini wusste. Als Einzelkind gaben ihm seine Eltern viele Freiräume und waren durchweg zufrieden mit seinen hervorragenden schulischen Leistungen und Auszeichnungen. Er kam aus einer wohlhabenden und privilegierten Familie. Allerdings wohl nicht so wohlhabend wie es die Malfoys nachgesagt bekamen, oder die Parkinson, bevor Pansys Vater das gesamte Vermögen verspielt hatte.

 

Wenn er etwas zu gelassen oder zu berechnend war, dann schoben es seine Eltern lediglich auf die sehr gute Erziehung.

 

Zurzeit befand sich Blaise Zabini im Eingang einer geschlossenen Schneiderei, einige Gebäude vom Cobblestone Inn entfernt. Abgesehen von seiner Gabe, war Blaise nicht danach heute eine andere Haut anzulegen. Die Sonne war untergegangen und die Dunkelheit würde einen ausreichenden Schutz für ihn bieten.

 

Er konnte eine Verwandlung auch nie lange durchhalten, wenn er sich zu schlapp fühlte. Es war, als würde er versuchen, einen Klumpen Ton zu formen und nur seine Ellbogen benutzen. Das Resultat wäre weniger als gut. Es war eine anstrengende Woche für ihn gewesen, und er hatte sehr viel zu tun.

 

Zuvor am Tag hatte er auch noch einen Blick auf die Aurorin geworfen, den sie gefangen genommen hatten. Unabsichtlich gefangen genommen, erinnerte er sich und verzog das Gesicht. Er war gut bei dem, was er tat, aber er wurde übermütig.

 

Er hatte den Fehler begangen, sich am Donnerstagabend sehen zu lassen, als er das Schloss verlassen hatte. Aus Gründen, mit denen er sich nicht zu lange beschäftigen wollte, hatte er Dracos Gestalt angenommen. Das hatte ihm etwas Zeit gekauft, aber er hätte nicht erwartet, dass es Nymphadora Tonks sein würde, die ihn durchschauen konnte.

 

Der Tod des Auroren (was war sein Name? Bligh?) war eine unglückliche Notwendigkeit gewesen. Unglücklich in dem Sinne, dass Leute nervös wurden, wenn Auroren einfach verschwanden. Besonders Auroren, die auf dem Schulgelände verschwanden, was von dem Ministerium doch so gut bewacht wurde.

 

Dennoch war es spannend gewesen, eines der Todesportale zu nutzen, die Wurmschwanz ihm letzte Woche zur Verfügung gestellt hatte. Sie waren klein genug, von ihm transportiert zu werden, versteckt unter seiner Kleidung.

 

Wo auch immer Bligh hingegangen war, er war verschwunden. Schade, dass die Aurorin mit der scharfen Zunge, die er in den Todesser Barracken besucht hatte, ein ähnliches Schicksal erwartete. Sie war ziemlich clever und erinnerte ihn an Hermine.

 

Das einzige gute, was durch die Gefangennahme der Auroren passiert war, war, dass alle Schüler schon früher in die Ferien gefahren waren und die Nachforschungen wieder im Ministerium stattfanden. Es war nun wieder möglich, als er selbst durch Hogwarts zu wandern, ohne sich in einen Lehrer oder einen patrouillierenden Auroren verwandeln zu müssen.

 

Blaise Langeweile und Ungeduld schlugen in wachsames Interesse um, als er endlich das Objekt seiner Mission dieses Abends entdeckte. Er hatte wirklich lange genug gewartet, nachdem er Granger von Hogwarts in die Nokturngasse gefolgt war.

 

Draco trug eine Kappe und war somit schwerer zu erkennen, sollte man nur noch seinem auffallenden Haupthaar Ausschau halten. Granger fiel eher auf. Ihre lockigen Haare waren lose zusammen gebunden, aber es fiel Blaise nicht schwer, sie auszumachen. Er erkannte sogar aus dieser Entfernung, dass sie die Stirn gerunzelt hatte. Die weiche, glatte Haut zwischen ihren Augen, einen Zentimeter über ihren Sommersprossen, warf eine zarte Falte.

 

Sie tat es immer, wenn sie besorgt war, und jetzt war sie besorgt. Ohne Zweifel, war Malfoy der Grund dafür. Er zog sie die Straße entlang, hoch zum Cobblestone Inn, mit angespanntem Kiefer und extrem angespannten Zügen.

 

Es gab wenig an Hermine Granger, was Blaise über das letzte Jahr hinweg nicht bemerkt hatte. Er fand es seltsam, dass er tatsächlich jemandem, ohne es erwartet zu haben, auf diese Weise so viel Beachtung schenken konnte.

 

Sie… sie war anders, oder? Etwas, dass Jungen wie er und Malfoy zwar aus der Entfernung bewundern, aber niemals anfassen konnten. Nicht so banal, wie andere Gryffindors. Nicht so streng, wie Ravenclaws, oder ohne jede Fantasie wie die meisten Hufflepuffs. Oh ja, sie war etwas verklemmt, aber das machte sie wett mit nicht nur einer ihrer ansprechenden Eigenschaften.

 

Sie hatte einen Verstand, gemacht dafür, zu Organisieren, und mit dem richtigen Antrieb, zu führen. Es war alles in ihr. Potter vertraute ihr mit seinem Leben. Abgesehen davon, dass Dumbledore ihren Intellekt sehr schätzte, wusste er, dass es Hermine war, die Potters Hang zur Unberechenbarkeit beherrschen konnte. Potter war ein Kapitel im Geschichtsbuch. Er war eine Schokofrosch Karte. Alle seiner Leute waren verdammt dazu, in der Schlacht zu fallen, Märtyrer auf Lebenszeit. Und Potter wusste das, und liebte sein Leben so, dass er alle seine Lieben darauf vorbereiten konnte. Manchmal bewunderte Blaise den Jungen dafür.

 

Grangers Schicksal war nicht so klar. Ungewiss. Wenn Blaise das Sagen hätte – und das hatte er immer wieder – dann wäre es noch unklarer. Er hatte beschlossen, sein Interesse an ihr in den letzten Monaten kundzutun, aber es waren anstrengende Monate gewesen, und nicht jeder konnte die UTZe, die Übernahme der Schule und die Todesseranwerberei alleine auf einmal bewerkstelligen.

 

Aber er war so von ihr eingenommen, mochte Hermine so sehr, dass ihm aufgefallen war, dass sie die letzten Wochen mit jemand anderem intim zu tun hatte.

 

Nicht bloß irgendein Schüler, nein, jemand, von dem sie nicht wollte, dass es jemand erfuhr.

 

Zuerst war es das übermäßige Studieren des Fida Mia Buches in der Bibliothek gewesen. Dann hatten seine Alarmglocken geklingelt, als er verstanden hatte, worum der Spruch ging. Sie war an der Abschlussfeier für eine Nacht verschwunden, und Blaise wusste, dass die einzig andere verschwundene Person Draco Malfoy gewesen war.

 

Aber ein solcher Zusammenschluss wäre absurd.

 

Und doch stimmte es.

 

So beschützend, wie Malfoy sich ihr gegenüber aufgeführt hatte, als das Mal am Himmel erschienen war, hatte es fast bestätigt. Blaise war stolz darauf, wie leicht ihm solche Details auffielen. Und nach dem Klatscher-Unglück hatte Pansy jedem, der nicht schnell genug entkommen, erzählt, dass sie am frühen Morgen in den Krankenflügel schleichen wollte.

 

Sie war nur kurz danach aufgelöst in Tränen zurückgekommen, denn Draco hatte anscheinend bereits einen Besucher gehabt.

 

Der Vorfall mit dem Dunklen Mal hätte ein monumentaler Fehler sein können. Blaise hatte die Wurmschwanz bei ihrem letzten Treffen deutlich gemacht. Bei allen Zauberstäben, die die Todesser hätten stehlen können, hatten sie ihm ausgerechnet den Zauberstab von Lucius Malfoy zukommen lassen, der vom Ministerium gekennzeichnet war.

 

Das Mal in den Himmel zu schießen hatte ein besonderer Moment für Blaise sein sollen. Sein erster Morsmorde in seinem Dienst. Und dann verwandelte sich das dämliche Ding in das Symbol der Malfoys, direkt vor seinen Augen.

 

Warum musste sich immer alles um Draco Malfoy drehen?

 

Es war leicht genug gewesen, die Klatscher zu manipulieren. Blaise war gut darin, Fallen zu legen. Malfoy in Gefahr zu bringen, war alles, was er benötigt, um Grangers Gefühle für den Jungen zu beweisen. Unglücklicherweise einem Heiratsspruch zu unterliegen, war eine Sache. Verliebt in seinen Ehemann zu sein, eine ganz andere.

 

Blaise musste sicher gehen. Bisher hatte er nur unsichere Schlüssel gezogen.

 

Doders als Entschuldigung zu benutzen war ideal gewesen. Das Kind hatte eine handfeste Vendetta gegen Malfoy. Wäre einem von ihnen dabei ernsthaft etwas passiert, hätte niemand etwas an dem Hergang angezweifelt. Feindlichkeiten bei den Slytherins waren nichts ungewöhnliches, aber ihnen war nicht nachzusagen, dass sie kein Geheimnis daraus machen konnten.

 

Es gab viele Gründe, weshalb Malfoy nicht geeignet war, ein Todesser zu sein. Zuerst schon einmal, weil er kein Interesse in das Leben als Todesser bekundete, nachdem sein Vater in der Öffentlichkeit so ruiniert worden war. Die andere Tatsache war, dass er dazu bereit war, sein eigenes Leben in Gefahr zu bringen für einen völlig nutzlosen Klassenkameraden.

 

Blaise hatte gewusst, dass Draco so handeln würde. Er hatte sich darauf verlassen. Dieser Bastard hatte ihn nicht enttäuscht. Vielleicht war ein wenig von Potter auch in Malfoy.

 

Es war wirklich schmerzhaft für Blaise gewesen, in McGonagalls Büro zu sitzen und zuzusehen, wie Granger tatsächlich leichenblass geworden war, bei der Erkenntnis, dass ihrem Ehemann auf dem Quidditchfeld ernsthaft etwas zugestoßen sein könnte. Er wollte sie schütteln. Ihr eine Ohrfeige verpassen.

 

Er wollte diesen Blick der Sorge und Panik für sich. Nicht für Malfoy. Sein kleiner Test hatte funktioniert und seine Vermutungen hatten sich bestätigt.

 

Nach diesem Tag hatte er sich dazu bekannt, sehr gerne Malfoys Tod zu arrangieren. Dies ohne die Zustimmung des Dunklen Lords zu tun, war schwierig, aber nicht unmöglich. Sein Meister wollte den Jungen unter ihren Rängen, egal, wie viele Dutzend andere schon protestierten mit der Gewissheit, dass Malfoy nicht zu trauen sei.

 

Der Dunkle Lord wollte es nicht hören. Wenn Albus Dumbledore Harry Potter hatte, dann würde Voldemort seinen eigenen Musterschüler bekommen. Seinen Schützling. Es hätte Blaise sein sollen. Jeder mit nur ein wenig Verstand konnte sehen. Was hatte sein Meister gesagt? Die Sünden des Vaters bestimmten nicht die Zukunft des Sohnes? Oder irgendeinen ähnlichen Bullshit aus dem Riddle-Familienbuch.

 

Aber der Mann konnte erzählen, wenn man ihn ließ.

 

Voldemort. Eine größere Verschwendung an Zeit und Talent als Harry Potter. Eine so große Gefolgschaft zu haben, inspiriert durch Furcht, ein Name, den die Menschen aus Angst nicht sagen wollten, so viel Macht zu haben und sie nicht klug umzusetzen. Sein Regime würde nicht bestehen. Voldemort besaß nicht den Durchblick oder die Politik es bestehen zu lassen.

 

Blaise könnte es. Er hatte Langzeitpläne, die nicht anfingen mit dem Tod von Harry Potter und darin auch noch gipfelten. Voldemort würde nicht für immer regieren. Blaises Amibitionen waren nicht diese unklaren Visionen, die Voldemort hegte. Sie waren glasklar. Er hatte auch schon einige eingesessene Todesser von seinen Ideen überzeugt. Subtil, natürlich. Für sie war ein bloß ein aufsteigender Leutnante in den dünnen Rängen Voldemorts. Ein nützliches Werkzeug. Eine Notwendigkeit sogar.

 

Seine Zukunft unter dem Dunklen Befehl war sicher.

 

Und Ereignisse begann sich zu entfalten. Er hatte eine gefangen Aurorin, die er loswerden musste, den Sohn eines Verräters zu umgarnen und ein Mädchen zu bekommen.

 

Es war unvermeidbar, oder nicht? Die magische Welt konnte so nicht weiter machen. Verscheucht und verstoßen an die Grenzen der Zivilisation, während die Muggel immer weitere Technologien entwickelten. Die magische Welt konnte nicht für immer versteckt sein. Selbst Dumbledore wusste das. Eine neue, provozierende Führung wurde gesucht. Und Blaise würde stehlen, lügen, betrügen und morden, um diesen Platz zu bekommen und wäre es das letzte, was er tat.

 

Was waren schon ein paar Leben für das größere Wohl?

 

Aber abgesehen von diesen großen Plänen in so jungen Jahren, abgesehen von seinem unleugbaren Talenten, seinem Verstand, und der Tatsache, dass er ein Genie war, mit der richtigen Prise Paranoia, war Blaise lediglich ein achtzehnjähriger Junge, der immer feuchte Handflächen bekam, wenn er mit einem Mädchen sprach, das er mochte.

 

Jedoch war das Mädchen bei einem anderen.

 

Es musste etwas tun. Er würde nicht sitzen und warten, bis Hermine Granger wieder zu Sinnen kam.

 

**

 

Chapter Thirty-Two

 

Borgin war früh dran. Er wartete sie außerhalb des Cobblestones, und er wirkte peinlich berührt,  von der Aufmerksamkeit, die ihm die Mädchen draußen schenkten.

 

Er trug die gewöhnliche Kleidung, glatt und schwarz, die es ihm leichter machte in der Nokturngasse unterzutauchen. Eigentlich sah er noch genauso aus, wie das letzte Mal, als Draco ihn gesehen hatte, obwohl er jetzt schon weniger Haare hatte, und seine hohe Stirn jetzt noch mehr zu glänzen schien.

 

„Miss Granger, eine Ehre, Sie endlich kennen zu lernen“, sagte er weich. Er reichte ihr seine Hand, die Finger leicht gekrümmt.

 

Draco hatte ihren Namen in den Briefen nicht erwähnt, und er musste Borgin zu Gute halten, dass sich dessen Schock wohl in Grenzen hielt. Anscheinend brauchte es einiges, um Emmanuel Borgin zu überraschen, überlegte Draco.

 

„Hallo.“ Hermines Begürßung war knapp und kalt. Und sie ignorierte die ausgestreckte Hand.

 

Sie hatte Borgin bestimmt nie persönlich getroffen, aber sein Ruf war ihm bestimmt vorausgeeilt. Sie brauchten vielleicht seinen speziellen Rat, aber Granger machte keinen Hehl daraus, dass sie Borgin nicht leiden konnte.

 

„Also gut“, erwiderte Borgin, die Augen etwas schmaler, der Blick härter, nach der offensichtlichen Ablehnung. „Junger Malfoy, sollen wir fortfahren?“

 

Hermine ließ ihre erste Frage los. Draco mochte Borgin vielleicht vertrauen, aber wenn sie dachten Hermine Granger, würde einfach mitkommen, ohne Fragen zu stellen, dann wären sie verrückt.

 

„Wo genau gehen wir hin?“

 

Borgin antwortete beim Gehen. „Ich habe arrangiert, dass wir im Haus der Experten den Termin stattfinden lassen.“

 

„Wie weit ist es?“

 

„Nicht sehr weit von hier.“

 

„Wie haben Sie diesen Experten gefunden? Ich wüsste nicht, dass so jemand seine Dienste in der Lokalpresse anbietet.“

 

Borgin hielt inne und warf Draco einen Blick zu, der fragte, ist-sie-immer-so?, ehe er antwortete. „Ich habe herumgefragt, nachdem Draco mir von ihrer Situation berichtet hatte. Und wie es der Zufall wollte hatte sich erst kürzlich ein Experte hier in London nieder gelassen. Ich versichere Ihnen, dieser Mann ist ein Profi. Dafür, dass er sich entschieden hat, hier einen Laden zu eröffnen, ist sein Ruf der allerbeste.“

 

„Ja“, erwiderte Hermine trocken. „Ich habe das Zitat gelesen. Ich bin überrascht, dass er für diesen Preis nicht eine diamantbesetzte Kutsche geschickt hat. Diese Kosten sind lächerlich…“

 

„Stören Sie sich nicht daran, sie zu ignorieren, Borgin“, warf Draco ein. Er legte eine Hand auf Hermines Rücken, damit sie schneller ging. Sie hatte lange Beine für ihre Größe, aber die schlechte Angewohnheit, nie in Eile zu sein.

 

Trödeln, war das Wort, was Draco glaubte, zu suchen.

 

„Ich werde es versuchen“, murmelte Borgin so leise, dass Hermine es nicht hören konnte.

 

Es war kein langer Weg, aber er war interessant. Sie gingen an verschiedenen kleinen Gassen vorbei, die dem Ausdruck Loch in der Wand eine gänzlich neue Bedeutung gaben. Hagrid würde Probleme haben, in die meisten überhaupt hineinzukommen. Überall waren Stände, auch wenn die Sonne schon untergegangen war. Einige waren weitentwickelte Konstruktionen, an die Hausseiten gebaut, über dem Gehweg. Andere waren leidglich. Andere waren abgenutzte Planen über Streben gespannt, und alles Mögliche hing an Seilen, Haken oder war in Einmachgläser oder Käfige gesteckt.

 

Hermine bewunderte das Treiben (größtenteils illegal), das hier auf diesen Plätzen stattfand. Arthur Weasleys Ministerium dachte gerne von sich, dass es alles unter Kontrolle hatte, aber es war offensichtlich, dass dieser Handel, der seit Jahrhunderten von Statten ging, nicht über Nacht von einem gutmeinenden Minister abgeschafft werden würde.

 

Es zeigte, wie naiv Hermine doch war, was die meisten magischen Dinge anging. Es gab vieles, was sie noch nie gesehen hatte, was wohl bedeutete, dass sie (sowie auch Harry) die meisten Dinge wohl als selbstverständlich und wahr hinnahmen, die sie aus ihrer begrenzten Erfahrung kannten. Sie mochte es nicht, von sich selber als unwissend zu denken. So oft sie ihre B.Elfe.R Tage betrauerte, war sie noch weit davon entfernt, das Handtuch zu werfen.

 

Sie warf Draco einen kurzen Blick zu. Seine Gleichgültigkeit gegenüber den Dingen um sie herum, ließ sie darauf schließen, dass er bereits bekannt mit diesem Treiben war. Das war wirklich seine Welt, ging ihr auf, auch wenn es auch ihre Welt war. Sie sollte wirklich mehr als Hogwarts davon sehen, überlegte sie.

 

Draco und Borgin waren ihr voraus. Nicht, weil sie s so wollten, sondern eher weil sie hinterher hinkte, denn jedes Schaufenster und jeder Stand lenkte sie mit etwas Sonderbarem ab.

 

Eine alte Frau hatte ihren Stand neben einen Süßwarenhändler aufgebaut. Ihr Stand bestand aus einemgroßen Fass, über das ein Leinentuch geworfen worden war. Auf diesem behelfsmäßigen Stand waren verschiedene hübsche, aber billige Schmuckstücke ausgestellt.

 

Draco unterbrach sein Gespräch mit Borgin, um den Kopf zu Hermine umzudrehen. Mit wenigen Schritten war er bei ihr, und umfing grob ihre Handgelenke, bevor sie die Schmuckstücke hatte berühren können.


„Nicht anfassen“, sagte er.

 

„Warum?“

 

„Gift. Hast du nie Schneewittchen gelesen?“

 

Die alte Frau lachte. Und es war wirklich ein böses Lachen, wie das einer Märchenhexe, und Hermine starrte sie praktisch an.

 

Für ein weiteres unzähliges Mal wünschte sich Hermine, sie hätte eine Kamera dabei.

 

Sie wollte gerne fragen, weshalb irgendjemand eine vergiftete Kette kaufen wollte, aber ihr wurde klar, dass das eine dumme Frage war.

 

Draco holte wieder zu Borgin auf, und sie sprachen über Borgins Geschäft, über die Position des magischen Schwarzmarktes und den letzten Diebstahl von Drachenblut aus Ungarn, weswegen dieses jetzt nicht mehr unter dreifachem Wert zu bekommen war. Es war ein Gespräch interessant genug, dass Hermine dicht hinter Draco blieb. Dennoch musste dieser ab und zu den Kopf nach hinten wenden, um sie zu erinnern, nicht zu trödeln.

 

Es gab einfach viel zu viele Ablenkungen für ihre neugierigen Augen.

 

**

 

Das Haus des Experten war ein kompaktes zweistockwerkehohes Gebäude, mit roten Backsteinen und gelben Fensterläden. Es gab noch ein Dutzend ähnliche Häuser, mit den Hausnummern auf gelben Türen. Alle Häuser lehnten ein Stück weit nach links, so dass man fast das Bedürfnis hatte den Kopf nach rechts zu legen, um es auszugleichen. Hermine tat genau das, als Draco ihr einen knappen Blick zuwarf.

 

Kurz warteten sie vor Haus Nummer drei, als Borgin auf die Klingel drückte. Draco nahm die Kappe ab, rollte sie zusammen und steckte sie in eine Tasche.

 

Die Tür öffnete sich beinahe sofort, und ein gut angezogener Mann begrüßte sie.

 

„Sie!“, rief Hermine aus, denn sie erkannte ihn sofort als den Widerling, der sie zuvor für eine Prostituierte gehalten hatte. Ihre Hand griff fester um ihre Tasche, bereit, sie als Waffe zu benutzen.

 

Er grinste jetzt. Es war ein Grinsen, welches sie von den Weasley Zwillingen her kannte, immer, wenn einer ihrer Streiche funktioniert hatte.

 

„Entschuldigung, wegen vorhin. Ich habe Mr Borgin aufgetragen, Sie einige Zeit eher kommen zu lassen. Nur dann konnte ich Sie mir ausreichend ansehen“, erklärte der Mann.

 

Borgin murmelte etwas. Ihm schiene s wohl nicht zu gefallen, für den Plan eines anderen ausgenutzt worden zu sein.

 

„Sie wollten uns ansehen?“, widerholte Draco, der noch weniger freundlich aussah als Borgin.


„Ja, es gehört mit zu der Beratung. Ich kann es gerne erklären.“ Er blieb für einen Moment stehen und ließ sie die Neuigkeiten verdauen. „Mein Name ist übrigens Arne. Und so wie es aussieht, bin ich ihr Fida Mia Experte für den Abend.“ Er trat von der Tür zurück und vollführte eine dramatische Geste. „Kommen Sie rein.“

 

„Haben Sie auch einen Nachnamen, Arne?“, erkundigte sich Draco, als er das Haus betrat. Hermine fragte sich dasselbe, obwohl sie gedacht hatte, dass Draco mit etwas mehr Taktgefühl fragen würde. Er störte ihn wahrscheinlich immer noch, dass Arne sie beobachtet hatte.

 

Sie befanden sich in einem schmalen, mit Teppich ausgelegten, erleuchteten Flur, von dem einige Treppen nach oben in den zweiten Stock führten. Es roch angenehm nach frisch gebackenen Süßigkeiten. An einer Seite stand eine schmale Garderobe mit einer Melone am Haken und einem ebenso altmodischen, gebogenen Gehstock, der dreimal so alt aussah wie Dumbledore und mindestens genauso viel Charakter besaß.

 

„Ja, ich habe einen Nachnamen. Aber da ich annehmen kann, dass Ihrer nicht Merrybones ist, dachte ich, wir halten die Dinge formal“, erwiderte Arne mit einem weichen Lächeln.

 

Touché, dachte Hermine.

 

Von dem engen Flur aus öffnete Arne eine Tür, die zu einer Sitzecke führte. Der Tisch war gedeckt mit einer Teekaraffe, Kuchen und Gebäck, in Voraussicht ihres Besuches. „Werden Sie auch dabei sein?“ fragte Arne Borgin, der immer noch in der Haustür stand.

 

„Nein, wohl eher nicht“, erwiderte Borgin. „Wenn das alles wäre, was sie diesen Abend benötigen, dann würde ich mich jetzt zurückziehen.“ Diese Frage ging an Draco.

 

Draco nickte und steckte die Hand in eine der vielen Taschen seiner Cargo-Jeans, und zog einen weiteren Beutel mit Münzen hervor. Borgins Bezahlung, nahm Hermine an. Er warf ihm den Beutel zu.

 

Also wirklich, Malfoy musste mit einem kleinen Vermögen in seinen Hosentaschen herum laufen.

 

Hermine und Draco nahmen im Salon auf demselben grünen Samt-Sofa an entgegengesetzten Enden Platz. Es war fast so, als beobachtete man zwei Menschen bei einem Heiratstherapeuten, stellte Hermine mit einem mentalen Augenverdrehen fest.

 

Malfoy machte ebenfalls ein leises amüsiertes Geräusch, und Hermine war wieder einmal perplex, denn er schien wieder ihre Gedanken erraten zu haben. Es könnte auch einfach sein, dass sie in verschiedenen Situationen immer dasselbe dachten.


Was eigentlich fast wie Gedankenlesen war, wenn man darüber nachdachte.

 

„Tee?“, fragte Arne, der unechte Widerling. Er deutete auf die Karaffe. Es war seltsam, denn er sah nicht unbedingt wie jemand, aus, der sich besondere Mühe gab, ein Teegedeck für Kunden zu decken.

 

Draco schüttelte den Kopf und schenkte Hermine dann den kürzesten aller Blicke.

 

„Nein, danke. Wir kommen gerade vom Essen.“

 

„Also gut.“ Arne nahm in einem Lehnstuhl Platz.

 

Er war ein sehr attraktiver Mann. Hermine schätzte sein Alter auf Mitte Zwanzig. Er hatte sandfarbene Haare, geschnitten und frisiert in eine altmodische Frisur und trug immer noch das feine weiße Hemd und karierte Hosen. Eine seltsame Auswahl, bedachte man das Wetter, aber Hermine war schon aufgefallen, dass er wohl etwas exzentrisch war.

 

„Wir haben also ein Problem mit einem bindenden Heiratsspruch, nehme ich an? Bemerkenswerter Zauber, Fida Mia.“ Er sah auffallend selbstgefällig aus, während er sprach. „Ich nehme an, Sie kennen sich mit den Anfängen bereits aus?“

 

„Ja“, schnaubte Draco. „Ein verrückter dänischer Polygamist.“


Arne dehnte die Finger während er den Ellbogen auf das kariertgemusterte Knie abstützte. Er sah so aus, als würde er Kindern eine Geschichte erzählen. „Manche halten es für einen sehr eloquenten Zauber. Es gibt nicht viele, die den Stoff der Seele zu binden vermögen, ohne Schaden anzurichten. Zumindest gibt es keine legalen.“

 

Draco verzog das Gesicht. Hermine nahm an, dieser Ausdruck galt der vorangegangen Beschreibung der Seele. Und sie lag nicht völlig falsch.


„Eloquent?“, schnaubte Draco. „Es ist ein Fluch. Kein Zauber. Gewöhnliche Heirat ist schon schlimm genug, ohne diese psychische Verbindung zum Partner. Kein Wunder, dass der Zauber hier illegal ist!“, fuhr er mit unglaublichem Missfallen fort.

 

„Kein Romantiker, wie ich sehe?“, bemerkte Arne. Er schritt zu einem Sekretär auf der anderen Seite des Raumes und griff sich eine Feder und ein Stück Pergament.

 

Draco musste annehmen, die Antwort auf diese Frage sie offensichtlich genug, um nicht zu antworten. Ein überheblicher Ausdruck trat in sein Gesicht, und erblickte stur geradeaus.

 

„Stört es Sie, wenn ich mir ein paar Notizen mache, während wie sprechen?“, fragte Arne. Er betrachtete, wie sie sich gegenseitig ansahen, als er sich setzte.

 

Keine hatte Einwände.

 

„Seit wann sind Sie zusammen?“


„Sind wir nicht“, sagten beide gleichzeitig, aber Hermine konnte nicht verhindern, einen kurzen Stich zu fühlen, bei der Vehemenz, mit der Draco sprach.

 

Arne hob den Blick von seinen Notizen. „Also eine spontane Sache?“

 

Draco räusperte sich und setzte sich gerade hin. „Das könnte man so sagen.“

 

Arne schrieb etwas auf das Papier, was gut und gerne fünf lange Sätze waren. Hermine hätte es gerne gesehen.

 

„Warum müssen Sie das wissen?“ Sie konnte sich nicht abhalten zu fragen.

 

„Aus demselben Grund, weshalb ich meine Klienten vorher gerne beobachtete, ohne dass sie es wissen. Es lässt mich wissen, wie weit der Spruch fortgeschritten ist. Ihre Emotionen beeinflussen den Spruch mehr, als Sie denken. Egal welches Gegenmittel ich herstelle, es muss perfekt passen. Eine Überdosis würde nicht helfen. Sie könnte nur gefährlich werden. Es ist nützlich zu wissen, in wie weit der Spruch vorangeschritten ist, und in wie weit es bloß…“ Er zögerte, dann zuckte er die Achseln. „Sie selbst sind.“

 

Draco sah nicht so aus, als wäre er besonders begeistert darüber, dass Arne wissen wollte, in weit der Spruch sie schon beeinflusst hatte.

 

Arnes nächste Frage ließ Hermine mehrfach blinzeln. „Können Sie mir erklären, wie es war?“


„Wirklich?“, wollte Hermine wissen. „Sie müssen das wirklich wissen?“ Sie hatte nicht erwartet, ihre wachsenden Gefühle für Malfoy einem Fremden zu offenbaren, schon gar nicht, wenn Malfoy neben ihr saß.


„Er meint den Spruch, Merlin noch mal“, murmelte Draco.

 

„Oh“, erwiderte sie, während Röte in ihre Wangen stieg. „Ähm, wir waren etwas betrunken nach einer Feier, vor zwei Wochen und waren schließlich in einem Pub und haben uns tätowieren lassen. Das Resultat ist anscheinend der Fida Mia, das wurde uns gesagt.“

 

Arne pustete die Spitze der Feder an. „Wo?“

 

„Wo?“, wiederholte sie. Oh meine Güte. „Na ja, er hat ein paar schwarze Flügel auf dem Rücken, und ich habe einen silbernen Drachen auf meiner Hüfte und… äh… auf meinem Unterschenkel.“

 

Da. Das ging doch ganz gut.

 

„Ich meinte, wo ist es passiert. Den Ort.“

 

Hermine wurde wieder rot. Sie warf Draco einen hitzigen Blick zu. „Willst du bloß dasitzen oder auch etwas dazu beitragen?“

 

Er trug dazu bei, ohne sie anzusehen. „Das Snake und Stone. Ich denke, es ist ungefähr drei Straßen von dem Gasthaus entfernt, in dem wir zurzeit sind. Ungefähr zwei Blocks von der Hauptkreuzung der Winkelgasse entfernt.


„Ich kenne den Ort“, bestätigte Arne nickend. „Können Sie mir die Prozedur beschreiben, soweit Sie sich erinnern?“ Seine Augenbrauen hoben sich fragend.

 

Draco zuckte die Achseln und sah wieder Hermine an. Seine alkoholvernebelte Erinnerung würde ihnen überhaupt keine Hilfe sein.

 

Hermine nahm einen tiefen Atemzug und fing an. „Wir saßen an einem Tisch am Fenster und haben die vierte oder fünfte Runde Drinks bestellt. Ehrlich gesagt, ging es mir nicht wirklich gut, und Mr Merrybons hier hatte mir angeboten, mich auf meinem Spaziergang zu begleiten, denn er meinte, es sei nicht sicher draußen.“


„Das habe gesagt?“, wollte Draco gleichmütig wissen.

 

„Hast du“, erwiderte Hermine. Sie wartete noch, dass er etwas sagte, und fuhr fort, als er nicht weiter sprach. „Wir haben ein Schild gesehen, dass einen Tätowierer im zweiten Stock beworben hat, und er hat entschieden, dass es spannend wäre, ihn uns anzusehen. Aber das war bevor er sich dazu entschieden hatte, eine Flasche Odgens an der Theke zu kaufen.“

 

Es entstand ein kurzer Moment der Stille, als Hermine etwas besorgt aussah.

 

„Fahren Sie bitte fort“, bat Arne schließlich.

 

„Also“, begann sie. „Dann gab es eine kleine Auseinandersetzung zwischen Mr Merrybones und einem weiteren Gast, weil dieser etwas Beleidigendes geäußert hatte. Ich glaube jedenfalls, dass es darum ging. Ich stand zu weit weg.“ Ihr Tonfall ließ annehmen, der Grund für die Auseinandersetzung war noch bei weitem trivialer.

 

Dass der Gast Draco zum Beispiel bloß falsch angesehen haben musste.

 

„Nachdem Dra- ich meine Mr Merrybones dem Mann die Nase gebrochen hatte-“

 

„Das habe ich nicht getan!“

 

Sie sah ihn an. „Ich dachte, du könntest dich nicht erinnern?“

 

„Kann ich auch nicht! Das heißt aber noch lange nicht, dass ich hier ruhig neben dir sitze, während du mich beschuldigst, ich hätte irgendwem die Nase gebrochen“, beharrte er.

 

Wenn es um Argumente ging, waren seine schwächer als Haferschleim.

 

Hermine fuhr also fort. „Jedenfalls sind wir danach hoch gegangen. Ich denke, es war kurz vor Mitternacht.“ Hermine wandte sich an Draco für Bestätigung, aber erntete bloß einen kalten Blick.

 

„Frag mich nicht! Ich weiß nichts davon, schon vergessen?“

 

„Ja, das sagst du“, schnappte sie, und atmete resignierend aus. „Wir sind also in das Tattoo Studio gegangen. Und eine alte Frau war da…“

 

„Warte, also an das kann ich mich erinnern!“, warf Draco ein und lehnte sich vor. „Das alte Weib hatte eine Reihe an Zähne, die einen Troll auf zehn Meter Entfernung verscheucht hätten“

 

Hermine runzelte die Stirn bei diesem Gedanken. „Ja, es war ziemlich schlimm, nicht wahr?“

 

„Und sie roch nach Mottenkugeln. Oder nach Einbalsamierung. Ich meine, sie war wirklich alt.“

 

„Sie war bestimmt mindestens 120 Jahre alt“, erwiderte Hermine.

 

„Mindestens“, bestätigte Draco.

 

Ein dumpfes Geräusch kam von oben. Als hätte jemand den Fuß gegen die Wand getreten.

 

Draco blickte hoch zur fleckigen Decke. „Ist jemand anders hier?“

 

Arne antwortete sofort. „Meine Katze. Sie ist ziemlich alt. Muss wahrscheinlich raus.“


„Das arme Ding. Sie ist bestimmt verstört.“


„Ja, sehr. Aber ich mag sie trotzdem.“

 

Draco fand Arnes Charme mehr als irritierend. Genauso seltsam wie Hermines Antwort, bedachte man, dass sie dem Mann vorhin noch ihre Tasche gegen den Kopf schlagen wollte.

 

„Sind wir fertig mit den Fragen?“, unterbrach Draco angespannt.

 

Arne legte das Pergament beiseite. „Beinahe. Was ich jetzt gerne machen würde, ist, einen Blick auf Ihre Tattoos zu werfen.“

 

War es seine Fantasie oder sah der Mann Hermine gerade sehr gespannt an?

 

Dracos Augen verengte sich einen Spalt. „Wie wäre es, wenn Sie sich meins ansehen, und sich ihres vorstellen, was Sie wahrscheinlich sehr gut können?“ Seine Stimme war täuschend ruhig.

 

„Draco!“, rief Hermine aus und vergaß, ihn Mr Merrybons zu nennen.

 

„Ich würde mir Ihres sehr gerne ansehen“, erwiderte Arne, ohne von Draco eingeschüchtert zu sein.


Hermine seufzte. „Ist es nützlich, sie anzusehen?“

 

Arne nickte. „Es ist nicht absolut notwendig, aber es hilft, sich ein Bild über die physische Fortschreitung des Zaubers zu verschaffen. Ich nehme an, Sie haben Perioden der…“, er schien nach einem Wort zu suchen, „Gemeinsamkeit erfahren?“

 

Draco hatte noch nicht aufgehört von diesem Mann irritiert zu sein, aber die Frage lenkte ihn tatsächlich ab. „Ja“, hauchte er. „Es ist…“

 

Hermine nahm ihm die Worte ab. „Es ist, als würde ich in seiner Haut leben, für einen Moment. Ich fühle, was er fühlt. Ich denke, es passiert, wenn wir etwas besonders stark fühlen. Dann habe ich Einblicke in sein Innerstes. Bruchstücke seiner Persönlichkeit. Es ist… beängstigend.“

 

Arne schenkte ihr ein bewunderndes Nicken. „Die meisten Leute beschreiben es, wie ein grauenhaftes Kribbeln und nichts weiter.“


„Oh, da ist auch Kribbeln“, fügte Draco trocken hinzu. „Viel Kribbeln.“

 

„Gut, dann wollen wir mal sehen“, beschloss Arne, bereits auf den Beinen.

 

Draco wirkte nur ein wenig beunruhigt, aber er zog das Hemd ohne weiteres aus, den Rücken ihr zugewandt. Ihre Hand hob sich erschrocken zu ihrem Mund, als die dunklen Schwingen sich offenbarten.

 

Sie hatte Probleme damit, zu glauben, dass sie tatsächlich dasselbe Tattoo sah, was Draco so bereitwillig im Badezimmer der Vertrauensschüler gezeigt hatte. Es sah nicht mehr statisch aus. Nein, es bewegte sich, wie dunkle Wellen auf einem See. Seine glatte, samtene Haut bildete einen perfekten Untergrund. Die Federn waren so dunkel wie vorher, aber im dunklen Schwarz mischten sich weitere Farben, wie Öl auf dunklem Wasser.

 

Die Flügel wirkten unruhig, schienen Dracos Stimmung aufzunehmen. Sie sahen jetzt gerade etwas kraus aus. Das Verlangen, die Hand auszustrecken und über sie zu streichen war fast  überwältigend. Hermine hielt ihre Hände fest zusammen, bis ihre Knöchel weiß wurden.

 

Draco wandte den Kopf in ihre Richtung. „Ich habe dir gesagt, sie haben sich verändert.“

 

Es erinnerte Hermine an ihr Gespräch im Verbotenen Wald, bevor das Dunkle am Himmel erschienen war.

 

„Wo ist dein schulisches Interesse, Granger?“

 

Ja, wo war es? Es war wohl dort, wo auch ihr nüchterner Verstand hin verschwunden war.

 

Arne war damit beschäftigt, selber das Tattoo zu erkunden. Er wirkte aufgeregt. Ein besseres Wort fiel ihr nicht ein. Er schritt um Draco herum, mit etwas, das aussah wie ein Zirkel, und rief Wörter aus wie „Wunderschön“, „Bemerkenswert“ oder „Exzellente Arbeit“.

 

Hermine schauderte und stimmte mit all diesen Beschreibungen überein. Das Tattoo von Mr Merrybones ließ ihres wie einen Knutschfleck aussehen.

 

„Wieso hat er ein paar Flügel? Und ich einen Drachen?“, fragte sie.


„Haben Sie es noch nicht erraten?“, erwiderte Arne. „Ihr Zeichen ist auf Ihrem Ehemann. Seins ist auf Ihnen. So sehen Sie sich gegenseitig.“

 

Hermine hatte noch nicht einmal ansatzweise begriffen, was Arne ihr gerade erzählt hatte, aber sie erkannte eine Gelegenheit, Malfoy eins auszuwischen. „Wenn mein Tattoo zeigt, wie ich ihn sehe, warum habe ich dann nicht einen kleinen, widerlichen Gnom auf meinem Schenkel?“

 

Malfoy schenkte ihr einen sehr trockenen Blick. „Ha ha.“

 

„Das Symbol auf Ihrer Haut ist etwas sehr Persönliches. Es könnte auch unbewusst das sein, was Sie von ihrem Partner denken. Es gibt viele Sorten Drachen, wie Sie wissen. Sie könnten diesen speziellen auch nachschlagen“, schlug Arne vor.

 

„Vielen Dank, Arne. Das Geheimnis ist gelöst“, erklärte Draco. Er wandte sich um, um Hermine anzusehen. „Ich habe ein paar hässliche Flügel einer Harpyie auf meinem Rücken, denn so sehe ich dich.“

 

Hermine zeigte Malfoy den Mittelfinger, als Arne nicht hinsah.

 

„Könnten Sie die Schultern rollen?“

 

Draco tat wie ihm geheißen, und im Einklang seiner Muskeln bewegten sich die Flügel. Arne bemerkte den sichtbaren Fleck der Verletzung auf Dracos linker Schulter.

 

„Sieht böse aus. Was ist da passiert?“

 

„Quidditch Verletzung.“


„Ah, Quidditch. Auch in Dänemark sehr beliebt. Auch wenn die Dänen nicht so verrückt danach sind, wie die Engländer.“

 

Draco zuckte die Achseln. Es stimmte.

 

Die Flügel zuckten mit einer Sekunde Verzögerung. Beide, Hermine und Arne, betrachteten es.

 

„Unser Ministerium hat im Moment große Menschenaufläufe nicht so gern. Ich bin sicher, Sie wissen, wovon ich spreche.“ Arnes Stimme klang nicht mehr heiter.


„Todesser?“, fragte Draco ruhig.

 

„Nicht wirklich. Es sind wohl eher Menschen, die die Ideen von Du-weißt-schon-wem unterstützen. Ich glaube nicht, dass Ihr Voldemort die Augen auf unsere kleine Gemeinde geworfen hat. Das ist eine gute Sache.“


„Eine sehr gute Sache. Ich kann nicht glauben, dass sein Einfluss so weit verbreitet ist.“ Hermine war wütend, dass Arnes Geburtsland durch Voldemorts Ansichten ähnlich verschmutzt war.


„Sie werden feststellen, Miss, dass jeder von uns etwas von einem Bösewicht in sich hat. Es ist der Schwächere, der jedoch vom Wege abkommt. Der böse Impuls jedoch, muss vielleicht erst gesetzt werden.“


„Das ist es, was Sie denken, das Voldemort ist? Ein böser Keim?“

 

„Er ist eine Idee. Eine schlechte noch dazu. Es sind keine guten Tage. Viele in meiner Gemeinde erwarten den Krieg. So oder so. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht in zehn. Also mache ich mein Geld, und gebe es aus, wie ich möchte“, erklärte er mit einem Lächeln. „Bleibt nur zu hoffen, dass es mehr Stärkere als Schwächere gibt. Weinigere, die sich abbringen lassen.“

 

Draco warf ihm einen seltsamen Blick zu, als dienten die Worte des Mannes zum Misstrauen, als Vertrauen zu schaffen. „Wie kommt es, dass Sie so viel über Fida Mia wissen? Sie sind eine Minute älter als wir.“

 

Arne berührte leicht Dracos Haut und schien zufrieden zu sein, als die Federn wie in einer Antwort auf die Berührung zusammen zuckten, ähnliche wie die Blätter einer Mimose. „Es ist ein Nebenverdienst. Mein Partner und ich leiten ein magisches Ratgeber-Unternehmen in Kopenhagen. Ein Familienbetrieb. Fida Mia hat dänische Wurzeln, und ich nehme mir lediglich die Zeit… es zu studieren.“

 

„Wie wird der Spruch üblicherweise rückgängig gemacht?“, wollte Hermine wissen.

 

„In den meisten Fällen konstruiere ich einen Zauber, der den Platz des Betroffenen einnimmt. Sofern der Betroffene eine menschliche Seele ist. Die Magie, die während des Stechens in die Seele verwoben wurde, wird an den neuen Zauber gebunden, und der Spruch wird gelöst, so auch das Tattoo. Es ist keine einfache Magie. Und es ist auch nicht ausschließlich gute Magie, denn zur Entstehung war Blut notwendig. Somit ist Blut auch notwendig für die Heilung.“

 

„Ich verstehe“, erwiderte Hermine, die Augen groß nach dieser Information.

 

„Sie können Ihr Hemd wieder anziehen“, sagte Arne zu Draco, und Hermine spürte fast so etwas wie Enttäuschung, dass diese schönen Flügel wieder verdeckt werden mussten.

 

„Was ist die Entscheidung?“, wollte Draco wissen, nachdem er das Hemd straff gezogen hatte.

 

Arnes Antwort kam zögerlich. „Kann ich kurz unter vier Augen mit Ihnen sprechen?“ Er schenkte Hermine einen entschuldigenden Blick. „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.“

 

Hermine war sofort besorgt, aber sie nickte. „Sicher. Er bezahlt schließlich hierfür.“

 

 

Chapter Thirty-Three

 

„Mein Gehör scheint nicht ganz in Ordnung zu sein, denn es war mir so, als hätten Sie gesagt, Sie könnten uns nicht helfen.“

 

Sie waren in die Küche gegangen und hatten die Tür hinter sich geschlossen. Eine Art von Kuchen war gerade dabei, im Ofen aufzugehen. Draco sah für einen Moment zu Boden, anscheinend tief in Gedanken versunken. Wo auch immer er in seinen Gedanken gerade war, es war kein angenehmer Ort.

 

Dann sah zu Arne auf, der das Verlangen bekämpfen musste, nach seinem Zauberstab zu greifen. Borgin hatte nicht übertrieben, als er gesagt hatte, der Junge wäre leicht reizbar.

 

„Sie mich richtig verstanden“, erwiderte Arne. „Es gibt keine Heilung für das, was Sie beide haben. Es ist permanent.“

 

„Jeder weiß, dass es permanent ist!“, entgegnete Draco ungeduldig. Und dann, nachdem er sorgfältig die verschlossene Tür begutachtet hatte, fuhr er ruhiger fort. „Aber die gut informierten von uns wissen, dass es zwei Arten von permanent gibt. Es gibt die Art, die man mit Geld und schwarzer Magie heilen kann, und die Art, die nur der Tod heilen kann.“

 

„Es reicht zu sagen, dass es sich hier um die zweite Art handelt“, sagte Arne trocken.

 

„Das ist Bullshit“, spuckte ihm Draco entgegen.

 

„Es ist permanent, weil die junge, entzückende Dame nebenan, die besorgt auf Sie wartet, Sie liebt. Der Spruch ist abgeschlossen. Es gibt kein Zurück mehr.“

 

Draco machte einen Schritt zurück, als wäre er so eben ins Gesicht geschlagen worden. Er sah entsetzt aus. Und dann nur noch fuchsteufelswild.

 

„Das Mädchen liebt mich nicht.“

 

„Und das wissen Sie, weil Sie sie gefragt haben? Oder weil sie es Ihnen gesagt hat?“, erkundigte sich Arne ruhig.

 

„Woher wissen Sie, dass es Liebe ist? Woher weiß das überhaupt jemand?“ Draco wanderte in der kleinen Küche rum, wie ein eingesperrtes Raubtier.

 

Arne versuchte die Situation zu entschärfen. „Es ist unwichtig, ob Sie es wissen. Oder ob Sie sich nicht sicher sind. Der Spruch weiß es. Ich kann den Spruch lösen von einer Liebelei, einer Flüchtigkeit, einem gemeinsamen Fehler, aber es liegt außerhalb meiner Macht, den Fida Mia zu brechen, der zwei Seelen auf die rechte Art und Weise aneinander gebunden hat.“

 

Draco machte ein entnervtes Geräusch, stieß einen Stuhl um und schoss Arne dann einen tödlichen Blick zu. In dieser Sekunde sah er tatsächlich so aus, wie der furchtbare Teenager, den die anderen in ihm sahen.

 

„Gut, dann zur Hölle mit Ihnen“, sagte er schließlich, die Stimme tief vor Bitterkeit. „Was tun wir dann hier?“

 

Arne verschränkte die Arme und setzte sich auf die Kante des Küchentischs. Nana würde einen Anfall bekommen, wenn sie erkennen würde, dass einer ihrer geliebten Stühle in Mitleidenschaft gezogen worden war. „Weil Ihr Kontakt ein Treffen arrangiert hat. Weil Sie zugestimmt haben, für meine Beratung zu bezahlen. Weil ich ein Geschäftsmann bin.“

 

„Sie müssen mir sagen, wie man es lösen kann!“ Draco lehnte sich schwer atmend gegen die Spüle und sah Arne mit solch einer Leere in den Augen an, dass dieser kurz verblüfft war.

 

„Ist Ihnen aufgefallen, dass es die Dame vielleicht nicht als ein so großes Problem ansehen wird?“

 

Draco fuhr sich mit zitternden Fingern durch seine Haare. „Mit mir verheiratet zu sein ist ein Problem.“

 

„Wieso?“

 

„Wieso?“, schnaubte Draco. „Weil wir erst achtzehn sind, verflucht noch mal. Weil sie ist, wer sie ist, und ich… ich, ich bin sicher, sie wird bald ziemlich schwierige Dinge zu entscheiden haben, ohne dass sie mich als Ehemann überhaupt als einen Faktor in Erwägung gezogen hatte. Und ich will keine Ehefrau! Ich will davon erlöst sein! Es muss einen Weg geben!“, zischte er.

 

Arne fragte sich, was die schwierigen Dinge waren und ob sie wirklich so tragisch waren, dass jemand, der sich um einen sorgte tatsächlich eher eine Behinderung als eine Hilfe waren. Aber dann fiel ihm ein, dass das Mädchen eine Freundin von Harry Potter war. Seine Frage hatte sich beantwortet.

 

Wirklich schwierige Dinge.

 

„Bedenkt man die Permanenz des Spruchs, gibt es zwei Wege, ihn zu lösen“, erklärte Arne einem misstrauischen Draco. „Das wissen Sie.“

 

Draco nickte und wirkte erschlagen. „Die betroffene Haut entfernen oder der Tod.“

 

„Ja, aber bedenken Sie, dass Liebe der Katalysator dieses Spruchs ist. Durch Liebe wirkt er erst. Ohne Liebe wird der Spruch sich leicht lösen lassen. Das ist, weshalb die meisten Leute denken, sie wären durch den Spruch betroffen, sind es aber in Wahrheit gar nicht. Es muss Liebe vorhanden sein, verstehen Sie?“

 

„Dann muss ich ihre Liebe loswerden“, fasste Draco mit geschlossenen Augen zusammen.

 

Arne schnaubte auf. „Ich bin zwar, wie Sie sagten, nur eine Minute älter als Sie, aber ich weiß, es ist wesentlich leichter, sich zu verlieben, als Liebe wieder loszuwerden.“

 

„Sie wird aufhören mich zu lieben“, erklärte Draco. Er war beinahe ein Versprechen. „Ich werde sie dazu bringen, aufzuhören. Sie hätte niemals anfangen sollen, mich verdammt noch mal zu lieben.“ Er war dabei, die Küche zu verlassen, als Arne ihn aufhielt.

 

„Bevor Sie gehen, sollte ich erwähnen, dass wir passenderweise nicht über die Tatsache gesprochen haben, dass Fida Mia nur funktioniert, wenn beide Partner verliebt sind.“

 

Arne ließ die Bedeutung der Worte in der Luft hängen.

 

Dracos Hand lag auf dem Türgriff.

 

„Es gibt nichts auf der Welt, dass ich so dringend bräuchte, als dass ich nicht ohne es überleben könnte.“

 

Arne sah zu, wie er die Küche verließ, und er fühlte sich unfähig. Und zum ersten Mal seitdem  er mit Nana Hendricks arbeitete, fühlte er sich schuldig.

 

**

 

Der Fida Mia Experte sah zu, wie das Paar den Rückweg antrat. Sie gaben ein hübsches Paar ab, abgesehen von dem ganzen Drama.

 

„Ich glaube, der junge Mann ist der zornigste Person, die ich jemals kennen gelernt habe. Und bedenkt man, das Geschäft, mit dem wir uns befassen, habe ich schon einige junge, zornige Männer erlebt“, erklärte er seiner Urgroßmutter.

 

Nana Hendricks strickte gerade. Den Kuchen hatte sie aus dem Ofen geholt und er kühlte gerade auf dem Tisch ab. Sie strickte gerne, wenn sie wütend war und in der Stimmung, zu diskutieren, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Urgroßenkel den beiden Leuten die Beratung nicht in Rechnung gestellt hatte. Es waren zwei Monate Arbeit, die den Bach runter gegangen waren. Das Rumhängen in den fragwürdigen Pubs, auf Teenager warten, die ein mögliches Ziel sein könnten, das Tattoo Studio vom Land in die Stadt zu schaffen und wieder zurück. Und alles für nichts.

 

Nicht, dass sie zu lange böse mit dem Jungen sein konnte. Nein, er war wie sein Vater, zu weich besaitet, welches der Grund gewesen war, weshalb sie seinen Vater nicht mehr im Geschäft hatte haben wollen, sondern lieber ihren Urgroßenkel.

 

„Ja. Und es ist nicht mal der Spruch über den er zornig ist.“

 

„Ich mag ihn“, gestand Arne ein. „Wenn auch nur, weil er das komplette Gegenteil von mir ist.“

 

„Ich weiß.“ Sie schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Ihre Stricknadeln klickten ruhig aneinander und beruhigten sie. „Du warst so ein ruhiges, friedfertiges Kind. Möchtest du Orange in deinem Pullover haben, Liebling? Mir ist eingefallen, du kannst Orange nicht leiden.“

 

„Nana, es macht mir Sorge, was er tun wird.“ Arne beunruhigte es, dass Draco ein Nachkomme von Todessern war. Hoffentlich war dieser spezielle Apfel besonders weit vom Stamm gefallen…

 

„Es wird alles gut gehen. Ich habe noch kein Paar gesehen, was bei dem echten Fida Mia nicht alle Probleme beseitigen konnte.“

 

Arne schnaubte auf. „Ja? Und was war mit dir und Urgroßvater?“

 

Die Nadeln hielten inne. „Was ist damit?“

 

„Nun, da das eine Mal, wo du ihn vergiften wolltest, der Versuch, ihne zu ertränken. Und Vater sagt, er hat dein Haus niedergebrannt.“

 

„Ach das!“ Sie machte ein gleichgültiges Geräusch. „Das war Werben, Liebling. Wenn es nicht funktioniert hätte, dann gäbe es dich überhaupt nicht. Also, magst du Orange oder nicht?“

 

Arne war nicht völlig zufrieden. Er hatte die Furcht und den Zorn in den Augen des jungen Mannes gesehen, und er fragte sich, ob das Mädchen genügend Kraft besaß, um ihn zu beruhigen. Wenn der Fida Mia wirkte, dann tat er das mit durchschlagender Kraft.

 

„Nein. Kein Orange, danke.“

 

Sie waren verdammt klug. Beide von ihnen. Das hatte er bemerkt. Sie hatten auch viel nüchterne Vernunft. Manchmal war es besser, die Vernunft in den Wind zu schießen. Wofür war der Instinkt noch gut, wenn alle nur auf ihren Verstand hören wollten?

 

**

 

Er ignorierte die Fragen, die sie ihm stellte.

 

„Was ist los? Was hat er gesagt?“

 

Sie hatte noch nichts aus ihm rausbekommen. Nicht mal im Ansatz. Obwohl sein Ärger ihr größter Tipp von allen sein sollte. Sie betraten das Cobblestone und gingen direkt nach oben.

 

„Hältst du endlich an?“, rief sie jetzt. Aber das tat er nicht. Er trat die Tür fast auf, in seiner Eile. Als sie drinnen waren, warf er die Tür ins Schloss und zog seine Tasche hervor.

 

„Wir gehen“, sagte er. „Jetzt.“

 

Hermine konnte nicht fassen, dass er sie anschrie. Und sie glaubte nicht mal, dass es ihm auffiel.

 

„Mein Gott, so schlimm kann es nicht sein?“ Sie kam näher auf ihn zu. Es stand auch ihre Zukunft auf dem Spiel, und sie hatte es satt, immerzu von ihm übergangen zu werden. „Hör endlich auf, und sag mir, was passiert ist? Wo ist das Heilmittel? Du hast ihm kein Geld gegeben, oder? Ich habe dich nichts geben sehen, als du-“

 

Er drehte sich in einer Bewegung zu ihr herum. Erschrocken wich sie zurück, bis das Bett sie in ihren Knien stoppte. Jetzt konnte sie ihn sein Gesicht sehen. Das war kein Teenager mit Stimmungsschwankungen. Das war der echte Malfoy-Zorn. Für einen Moment dachte sie wirklich, er würde sie schlagen.


„Halt den Mund“, sagte er mit erhobenen Finger. „Halt einmal deinen Mund!“

 

Hermine wich zur Seite vor ihm aus. Sie holte den Zauberstab mit zitternden Fingern aus ihrer Tasche und richtete den Incendio Spruch auf das Bett. Die Ecke des Lakens fing an zu brennen. Draco starrte das Feuer für eine Sekunde an, bevor er den Blick lösen konnte, das Laken vom Bett riss, auf den Boden warf und das Feuer austrat.

 

Und dann starrte er sie an wie eine Wahnsinnige. „Du verrücktes Miststück…“

 

Sie hob ihren Zauberstab und zielte jetzt auf ihn. Er kam auf sie zu und zog sie grob an ihren Unterarmen.

 

„Was denkst du, was du mir bedeutest?“

 

„Was?“, kreischte sie, denn es alarmierte sie. Die Frage war so dumm, wie sie unerwartet war. Sie würde ihm jedoch antworten, wenn er sich beruhigen würde.

 

„Nimm deine Hände von mir, Malfoy.“

 

Aber er schüttelte sie, bis ihre Zähne klapperten. „Du bist nichts, begreifst du das? Du bedeutest mir nichts. Du bist eine lästige, langweilige, ermüdende Ablenkung, sonst nichts!“

 

Und dann sagte er üble Dinge. Sehr üble Dinge. Und keins von diesen Dingen war ihr Blutstatus, was ihr ganz klar sagen sollte, wo sich sein Kopf gerade befand. Er nannte sie nicht Schlammblut, aber er beschimpfte sie mit anderen Namen, aber erst, als er Harry und Ron erwähnte, rastete sie aus.

 

Der Punkt war erreicht, an dem es nicht mehr klug, möglich oder gesund war, seiner Wut zuzuhören, ohne zu reagieren. Es war abzusehen, dass auch sie eine Grenze hatte, und dass er sie gerade überschritt.

 

Es war wie das verdammte dritte Jahr.

 

Sie riss ihren Arm von ihm los und wusste, morgen würde sie einen Bluterguss bekommen. Und dann schlug sie ihn mit ihrer ganzen Kraft. Mitten ins Gesicht. Das Geräusch, dass der Schlag verursachte war sogar recht laut in dem kleinen Zimmer. Ihre Hand stach vor Schmerz, aber das war es wert gewesen.

 

Sein Kopf flog zur Seite, aber er behielt perfektes Gleichgewicht. Sie musste schaudern, bei dem Gedanken daran, wie viel Kraft Lucius in seine Schläge hatte legen müssen, um Draco von seinen Füßen zu reißen.

 

Draco wischte sich die Haare von seiner Wange und schob sie sich hinters Ohr. Die Spitze seiner Zunge leckte die dünne Linie Blut über seiner Oberlippe, wo die Haut leicht aufgeplatzt war. Sein Augen nahmen einen harten, kugelsicheren Ausdruck an.

 

„Du hättest du nicht tun sollen“, flüsterte er.

 

Lauf, jetzt. Das war die kleine warnende Stimme in ihrem Kopf. Aber sie hörte nicht zu. Die Stimme wusste nicht immer alles. Die Stimme war ihr Verstand, der sprach. Nicht ihr Herz.

 

Er zog sie an seine Brust. Dieses Mal tat es nicht weh, denn sie wehrte sich nicht.

 

„Erinnerst du dich, was ich im Motel gesagt habe, was passiert, wenn du mich noch einmal schlägst?“, fragte er sie, während sein Finger ihren Nasenrücken hinab fuhr. Seine Stimme war rau.


„Du wirst jetzt wirklich meine Hand brechen?“, forderte sie ihn fast heraus.

 

Er nahm ihre Hand, die rechte, die ihn schon zweimal geschlagen hatte seit sie sich kannten, und küsste ihre Handfläche. Sein Kinn war rau. Er müsste sich rasieren, dachte sie.

 

„Nicht deine Hand, Hermine. Ich zerbreche dich.“

 

Sie hatte kaum Zeit zu begreifen, was er gesagt hatte, da hatte er schon ihre zweite Hand genommen. Sie runzelte ihre Stirn und zog an ihren Händen, aber er hielt sie fest. Er brachte sein Bein hinter sie, drückte sie nach hinten, und sie stolperte auf das Bett.

 

Dürfen wir jetzt panisch werden?, erkundigte sich ihr Verstand wieder.

 

Noch nicht.

 

Er kroch über sie, sein Atem feucht und heiß an ihrer Kehle. Ihre Atemzüge wurden kürzer, ihr war etwas schwindelig. Sie spürte, wie eine Gänsehaut überall ausbrach, wo er sie berührte. Das raue Material seiner Hose war eine schroffe Liebkosung an ihren Beinen. Oder vielleicht waren es nur ihre Nervenenden die zu schreien begonnen hatten. Er presste seine harte Mitte gegen ihren Bauch, während er begonnen hatte, die weiche Stelle unter ihrem Ohr in seinen Mund zu saugen.

 

„Wenn ich deinen Duft in Flaschen stecken und verkaufen könnte, würde ich ein Vermögen machen.“ Seine Stimme klang benommen und weit entfernt. Sie glaubte nicht, dass er es noch merkte.

 

Dumpf stellte sie fest, dass er ihre Hände nicht mehr festhielt. Seit einer Weile nicht mehr. Sie legte sie auf seine Schultern und gab ihm probeweise einen Stoß. Er lachte (oder grollte, sie konnte es nicht sagen) gegen ihren Nacken und biss zu. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, wollte ihn küssen, ihm nahe sein, auf eine Art und Weise, von der sie wusste, dass er es nicht duldete. Aber er war clever und zog den Kopf zurück.

 

Entweder war seine Kontrolle bemerkenswert oder es gehört mit zu seiner teuflischen Verführung.

 

Oder er hatte einfach Angst.

 

Er stützte sich auf seinen Ellbogen ab und betrachtete sie fast hungrig. Seine Erektion, die sie deutlich durch seine Kleidung fühlen konnte, bohrte sich in ihren Bauch, heiß und dringend. Die Knöpfe seiner Jeans waren Eis dagegen.

 

„Ich glaube nicht, dass ich dir mein wahres Ich schon gezeigt habe“, erklärte Draco jetzt. Er küsste ihren Mundwinkel, und Hermine wusste, würde sie mit der Zunge darüber lecken, würde sie Blut schmecken.

 

Das war etwas zu real für sie. Hermine kroch nach hinten gegen das Kopfteil des Bettes, aber er ergriff ihre Knöchel und zog sie zurück nach unten. Panisch stellte sie fest, dass ihr Rock um ihre Hüfte gerutscht war. Sie hatte ihre Schuhe verloren, und wieder hielt er ihre Hände gefangen.

 

Sie hatte sich nie als schwache Person empfunden, und hatte bisher viel Zuhause und in Hogwarts ertragen, aber was für Stärken sie auch immer besaß, es war nichts, im Vergleich zu Malfoys. Die Spannung, die zwischen ihnen pulsierte, war mehr als ihre Emotionen, es war die uralte Spannung der Geschlechter.

 

„Was tust du?“, wollte sie ruhiger von ihm wissen. Es war eine unnütze Frage. Als würde sie den Briefträger fragen, was er beruflich tat.

 

„Rate“, flüsterte er gegen ihre Lippen. Er sah sie an, als versuche er, sich ihr Gesicht einzuprägen.

 

Sie öffnete den Mund, um etwas Kluges zu sagen, und er wählte diesen Moment, um anzugreifen. Er würde sie ihn nicht küssen lassen, wenn sie es wollte, ging ihr auf. Er wollte nicht ihre Zustimmung.

 

Und er küsste sie und küsste sie. Es war ein Kuss, der all die angestaute und ausgehaltene Ungeduld wert war. Er verschlang ihre Lippen, ließ seine Zunge wieder und wieder um ihre kreisen, erkundete jeden Zentimeter, den er erreichen konnte, und wenn er nicht mehr tiefer konnte, ergriff er ihren Kopf, zog ihr Kinn nach unten, nur um wieder und wieder zu beginnen. Sie keuchte auf, aber er fing ihren Atem, gab ihn ihr zurück, nur noch heißer als zuvor.

 

Es schien völlig unmöglich, dass er beide ihre Handgelenke so fest in seiner Hand halten konnte, aber er schaffte es. Er nutzte das Gewicht seines Körpers, um sie gegen die Matratze zu pinnen, und schob ihr mit der freien Hand das Top über den Kopf. Er konnte es nicht komplett ausziehen, denn das würde bedeuten, ihre Hände loslassen zu müssen. Also ließ er ihr Top über ihrem Kopf, um ihre Ellenbogen. Er hatte mehr Probleme mit ihrem BH, denn der Verschluss war auf ihrem Rücken, also schob er ihn grob nach oben.

 

Und dann tat er gar nichts.

 

Er zog die Lippen von ihrem Mund zurück, geschwollen und rot, und er sah sie auf eine solche Weise an, dass sie sofort über die Berge fliehen wollte, um einem Kloster beizutreten. Sein Blick war so still und schwer, dass sie sich alleine durch diese Intensität unter ihm winden musste. Ihre Brüste jedoch schienen die Aufmerksamkeit zu genießen, denn ihre Brustwarzen waren hart geworden.

 

Sie schien ihm schließlich leid zu tun. „Wenn du meine Gedanken die Woche über gelesen hast, dann weißt du, dass ich das seit einer Weile tun will.“

 

Sie beobachtete ihn wie ihn Trance, als er mit der Zunge ihre Brustwarze umrundete, bevor er sie in seinen Mund sog. Er nahm sich Zeit dafür, rieb sein Gesicht an ihrer Haut, atmete sie ein, um danach der anderen Brust, dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken.

 

Hermines Zehen krümmten sich. Sie warf den Kopf von einer Seite auf die anderen, bettelte darum, dass er ihre Hände freiließ. Sie wollte sie um ihn legen, aber sie war noch nicht soweit, dass sie das vor ihm zugeben würde.

 

„Du sitzt beim Frühstück, duftend und frisch geduscht…“, murmelte er und hob den Kopf, um ihre Schläfe zu küssen. „Die Dinge, die ich mir vorstelle, mit dir zu machen…“Seine Stimme war so tief. So tief, dass ihre Wirbelsäule zu vibrieren schien.

 

„Ich stelle mir vor, rüberzugehen, dich auf meinen Schoß zu setzen, deine Bluse aufzuknöpfen und mit denen hier zu spielen, während du mir mein Frühstück schneidest und mich fütterst. Was hältst du davon?“, fragte er sie, während er den Kopf senkte, um in die Haut unterhalb ihrer Brustwarze zu beißen.

 

„Das denke ich seit letztem Jahr, und hast du gewusst, dass ich so hart werde, dass ich manchmal zu spät zu Verwandlung komme, weil ich am Tisch sitze wie ein verdammter Idiot und vorgebe, Kürbissaft zu trinken, um mich wieder einzukriegen?“

 

Sie stöhnte und drehte den Kopf zur Seite, so dass er sie nicht sehen konnte.

 

„Granger“, knurrte er und fing ihr Lippen ein, so dass sie ihn für einen kurzen Kuss lang ansehen musste. Ihre Augen waren voller Tränen als sie diese wieder öffnete. „Weißt du, woher ich weiß, wann du bereit für mich bist?“ Sein Ton war sanft und trotzdem spöttisch. Und rhetorisch. Es war eine tödliche Kombination.

 

Sie schüttelte den Kopf und erntete sein glühendes Lächeln.

 

„Ich weiß es, denn du wirst heiß und feucht und machst diese vielen kleinen Geräusche. Ich kann mich nicht an alles von unserem ersten Mal erinnern, aber ich erinnere mich noch genau, wie du dich anfühlst.“

 

Sein Hand glitt ihren Körper hinab.

 

„Nicht“, flüsterte sie. „Draco, nicht so.“

 

Er antwortet, indem er seinen Finger in das Tattoo auf ihrem Oberschenkel bohrte, bis sie schrie.

 

„Nicht Draco, du Miststück. Für dich bin ich Malfoy. Immer Malfoy gewesen. Ich bin schließlich doch der Sohn meines Vaters. Du musst wissen, was für eine Sorte Mann ich bin, Granger. Welches Blut durch diese Adern fließt.“ Er rieb seine Hand provozierend gegen ihren Haut und umfasste ihren Slip. „Ich werde es dir zeigen, und dann werden wir dieses kleine Problem gelöst haben, nicht wahr?“

 

„Du bist nicht dein Vater“, flüsterte sie.

 

Seine Hand umgriff ihren Slip härter. Ihre Unterwäsche war kein Problem für ihn. Er schob das Material zur Seite. Seine Augen waren fast schwarz, so dunkel waren sie geworden. Eine Ader pochte über seiner Schläfe.

 

„Ich bin noch jung, gib mir Zeit.“

 

Draco jedoch hatte keine Ahnung, was er tat. Er hatte gedacht, er hatte eine Ahnung, aber das war zehn Minuten, drei Küsse, und einen weißen BH lang her. Der Plan war gewesen, sie in so viel Furhct zu versetzen, dass sie ihn nie wieder ansehen würde, und dass sie nichts mehr für ihn fühlen würde.

 

Er hätte es besser wissen sollen. Seine besten Pläne verwandelten sich in einen Haufen Müll, wann immer Hermine Granger in der Nähe war.

 

Vielleicht wurde es Zeit, den familiären Erwartungen zu entsprechen.

 

Er berührte sie und stöhnte auf, als sein Zeigefinger ohne Anstrengungen in sie glitt. Sie war so bereit. Sein Daumen fand ihren sensiblen Punkt, der am wichtigsten war, und er drückte und umkreiste ihn. Sie begann die Geräusche zu machen, die er mochte.

 

Sie fühlte sich eng an. Enger als er es im Kopf gehabt hatte, was ihn ermahnte, langsam vorzugehen.

 

Eher unbeholfen öffnete er seinen Reißverschluss. Für einen Moment hob er seine Hüften an, um die Hose ein Stück seine Beine hinab zu schieben. Seine Shorts folgten, und er war frei.

 

Hermine fühlte ihn zwischen sie greifen, und hätte sie jetzt nach unten gesehen, hätte sie die gesamte Länge seines Penis’ gesehen, die gegen sie preste. Er legte ihre Beine um seine Hüften.

 

„Schließ die Augen“, seine Stimme war streng.

 

„Nein.“

 

„Schließ deine verdammten Augen, oder ich drehe dich um. Du willst nicht, dass ich dich umdrehe, Hermine.“

 

„Das werde ich nicht tun!“, zischte sie. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie weinte, bis sie ihre eigenen Tränen schmeckte.

 

Er sah sie zornig an. „Wieso nicht?“

 

„Weil ich dich hiernach wahrscheinlich nie mehr wiedersehen werde, oder?“, schniefte sie. Sie wusste, er könnte ihr wirklich Gewalt antun. Sie wappnete sich innerlich und wusste, sie könnte ihm dafür nicht vergeben, sollte er es tun.

 

Aber dann sank Dracos Kopf auf ihre Brust, und er stöhnte. Ihre Hände waren frei. „Verdammt, zerbrich endlich.“

 

„Nur, wenn du mich wieder zusammenflickst“, flüsterte sie gegen seine Haare.

 

Er musste ihre seltsame Ruhe bemerkt haben, denn es machte ihn wahnsinnig. Er schüttelte sie heftig. „Ich tue das dir zuliebe, du dämliche Miststück!“

 

„Tu es mir zuliebe, aber tu es nicht so! Ich gebe mich dir hin, Draco, aber du willst mich nicht, wenn ich es tue? Warum nicht? Ich weiß, du fühlst etwas, also wieso vertraust du nicht darauf?“

 

Er sah sie an mit einem Ausdruck, der den Horror, den er fühlte zeigte, weil sie ihn verstanden hatte. Er wusste auch, wie er ihre Frage zu beantworten hatte.

 

Liebe nichts mehr, als es dich liebt, wie seine Mutter sagte.

 

Denn alles Gute ist irgendwann vorbei. Denn unerwiderte Liebe ist eine giftige, widerliche Sache. Und dann hätte er nichts. Eine große gähnende Leere. Mutterlos, ohne Freunde. So wie Malfoy Manor. Tod und leer, mit einem Vater der beides in ihm sah: Eine Bürde und eine Enttäuschung.

 

Es war weniger schmerzhaft, die Liebe nicht zu erkennen, als ihr zu erlauben, ihn Stück für Stück zu zerstören.

 

Sie liebt mich nicht…

 

Frag sie, du Idiot!

 

„Ich…“, sagte er, aber es folgten keine weiteren Worte. Er hatte keine mehr. Mit dem Wunsch sie zu zerbrechen und vor ihrer Ehe zu retten, war etwas in ihm zerbrochen. Etwas Irreparables. Wie konnte er dasselbe von ihr verlangen? Granger, die gesund und heile war, mit der Fähigkeit zu lieben?

 

Hermine erlebte gerade selber ihre Erleuchtung. Es wurde ihr klar, dass es keine wirkliche Heilung für sie gab. Nicht für das, was sie hatten. Das war es, was Arne draco unter vier Augen hatte sagen wollen. Das war der Grund, weswegen sie hatten gehen können, ohne auch nur einen Knut bezahlen zu müssen.

 

Es gab keine Heilung.

 

Er bemerkte ihre Überraschung, die plötzliche Versteifung ihres Körpers, und er fühlte sich erschlagen, wie noch nie zuvor.

 

Unsicher küsste er ihre Stirn und wollte aufstehen.

 

Aber sie hielt fest ihre Beine um seine Hüften. Und dann raffte sie den letzten Rest an Mut zusammen, hob ihr Kinn an, und küsste seinen Mund, ehe er sich zurückziehen konnte.

 

Seine Reaktion kam sofort. Seine Finger gruben sich in ihre Haare. Er stöhnte und küsste sie, und seine Heftigkeit war beides, verzweifelt und sanft. Seine Seele lag offen in diesem, betäubenden Kuss, und Hermine war benommen von der Kraft.

 

Es gab nichts weiter zu tun, als ihn zu halten. Sie fühlte sich schwach und unbedeutend, im Vergleich dazu, was in ihm freigesetzt worden war. Die verschlossene, mit Stacheldraht umwobene Festung, die sein Herz umgeben hatte, schmolz bei was Hermine als das Gefühl einordnete, was es hieß, ihn zu haben. Ihn wirklich zu haben.

 

Sie hörte die Geräusche, die sie machten. Wie sie nach Luft schnappten, weinten, stöhnten, als wäre sie nur ein Betrachter.

 

Er zog sich zurück, um zu atmen, aber sie folgte ihm, denn sie wollte die Verbindung, die sie so fest zusammen hielt, nicht lösen.

 

Er sah aus, als hätte er Schmerzen, als er sich über ihr hielt, die Muskeln seines Rückens, seiner Arme und Schultern angespannt, um sie mit seinem gewicht nicht zu belasten.

 

Sie wusste, wenn sie nicht bald sprach, würden die Mauern der Festung wieder wachsen, die Türen zuschlagen, und die Dunkelheit, an der er litt, würde ihn wieder zu sich holen.

 

„Bleib bei mir“, flüsterte sie, ohne zu fragen, ohne zu befehlen. Sie versuchte, ihn mit ihrem Blick zu überzeugen.

 

„Ich kann nicht“, keuchte er. Und immer noch sah er an ihr hinab, als wäre sie etwas Verbotenes. Seine Stimme war rau.

 

„Doch“, sagte sie fest und umfasste mit beiden Händen sein Gesicht. Sie verteilte kleine, feuchte Küsse auf seinen Lippen, seinen Mundwinkeln, wo er geblutet hatte, auf seinem Nasenrücken, seinen Wangenknochen. „Doch.“ Sie wickelte sich praktisch um ihn, zwang ihn, zu bleiben.

 

Ein dunkler Glanz schien sich von seinen Augen zu lösen. Alles, was sie an ihm in den letzten zwei Wochen entdeckt hatte, lag brach, offen und verwundbar vor ihr.

 

„Sag es“, verlanget er, während seine Augen ihr Gesicht durchsuchten. Er fing ihre Hände ab, damit ihre Berührungen ihn nicht ablenken konnten. „Sag es.“

 

Remus Lupin hatte sie nicht umsonst als klügste Hexe ihres Jahrgangs bezeichnet. Hermine erkannte die Antwort mit erschreckender Klarheit. Er hatte Angst, ihr alles zu geben, ohne zu wissen, ob sie nicht bereit war, dasselbe zu tun.

 

„Ich liebe dich, Draco. Und bei Gott, ich hatte versucht, es nicht zu sein.“ Er war fast lächerlich, wie leicht es ihr über die Lippen ging. Vor einigen Tagen noch, hätte sie jemand auf Schienen binden müssen, um dieses Geständnis aus ihr heraus zu bekommen.

 

Er zog sich ein Stück zurück, und sie glaubte für einen Moment, sie hätte nun dennoch alles verloren. Doch dann atmete er stockend aus und vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und verharrte dort eine Minute. Er tat nichts weiter als atmen. Erleichtert, glücklich und ängstlich zugleich schloss sie ihn in ihre Arme und wünschte sich, entweder längere Arme zu haben oder dass er einfach schrumpfen sollte.

 

Und dann lag er neben ihr und hielt sie fest im Arm, so dass sie sich ansahen, genauso wie an dem Morgen als sie aufgewacht waren, nach der Abschlussfeier.

 

Dieses Mal war sie hellwach.

 

Er schob sein Bein über ihre Hüfte, griff zwischen sie, um seinen Penis zu platzieren. Seine andere Hand lag sanft auf ihrem Drachen Tattoo.

 

„Wenn wir das machen, gehörst du mir“, erklärte er. „Du bist meins, verstanden? Wenn du irgendwo hingehst, jage ich dir nach und bringe dich zurück.“ Seine Stirn runzelte sich ernst. Er gab ihr eine letzte Möglichkeit, zu fliehen.

 

Und sie verdrehte ihre Augen. Er war so eine Drama-Queen. Wahrscheinlich war eine direkte Antwort am besten, wenn es um ihren sturen Ehemann ging.

 

„Malfoy, mein Gott, fick mich endlich. Bitte.“

 

„Du wirst mein Ende sein“, erwiderte er, flüsterte die Worte fast. Sie wollte ihm sagen, nicht solche Dinge zu sagen, aber als ihr Mund sich öffnete, konnte sie gar nichts mehr tun, außer scharf nach Luft zu schnappen, denn er hatte sich komplett, in seiner ganzen Länge, in sie gestoßen. Er rollte sich auf seinen Rücken und zog sie mit sich.

 

Sie saß rittlings auf ihm. Und seine gesamte, heiße Länge war in ihr. Er sagte etwas. Es war nicht englisch. Es war französisch, glaubte sie. Es klang wie ein Schimpfwort, und es war das sexieste Wort, was sie jemals gehört hatte.

 

Hermine lehnte sich nach vorne und stützte ihre Hände auf seiner Brust ab. Seine Augen waren geschlossen, und sie wünschte, er würde sie wieder öffnen. Seine Hände lagen fest auf ihren Hüften, und er brachte ihr Herz dazu, einige Schläge auszusetzen, jedes Mal wenn er sich unter ihr bewegte.

 

Und das war es. Es passte perfekt. Betrunken oder nüchtern. Sie konnte nicht leugnen, wie gut sie zusammen passten.

 

Dracos Gehirn war kurz davor, zu explodieren. Er musste die Augen schließen, alleine wegen ihrem Anblick. Es war zu viel. Ihre Augen wiederholten bloß die Worte, die sie vorher gesprochen hatte, und wenn das alleine nicht schon reichte, um ihn kommen zu lassen, dann war es das Gefühl ihrer heißen Enge um seinen Schwanz.

 

Zu spät. Er würde kommen. Merlin, sie hatte ihn in einen hirnlosen, dauergeilen, besessen, präpubertären Ejakulator verwandelt.

 

„Es tut mir leid“, keuchte er. Er stieß ein letztes Mal hart nach oben, und das war alles, was er noch tun konnte.

 

Hermine lag auf seiner Brust. Er war so still, dass sie dachte, sie hätte ihn umgebracht. Sie setzte sich auf, wischte sich die Haare mit ihrem Unterarm aus den Augen und sah auf ihn hinab.

 

„Bitte, vergiss nicht, zu atmen.“

 

Er öffnete seine Augen zur Hälfte. Sie waren ein kühles, weiches Grau und zeigten ihr nur noch seine Müdigkeit. Hermine atmete erleichtert auf.


„Werde ich nicht.“

 

**

 

 

Chapter Thirty-Four

 

Arne saß am Küchentisch und aß kalten Kürbiskuchen, während er den Tagespropheten las. Er begann gerne von hinten, las die Quidditch-Neuigkeiten, arbeitete sich weiter zum Wirtschafts- und Finanzmarkt vor und endete mit den Neuigkeiten über die verschiedensten Leute. Die Zeitung von vorne zu beginnen war deprimierend. Es fehlte an den guten Nachrichten. Aber er nahm an, gute Nachrichten waren nicht immer das, was die Leute wirklich lesen wollten.

 

Schließlich runzelte sich seine Stirn, als er vorne angekommen war. Der Bericht betraf die Nachforschung eines mysteriösen Todesfalls einer ´Narzissa Black Malfoy´. Ehefrau des zuvor bestraften ehemaligen Todessers Lucius Malfoy. Die Namen die sie trug waren so alt, wie sie berüchtigt waren. Es gab einiges an Hintergrundwissen über die Blacks und die Malfoys in diesem Bericht.

 

Laut dieses Berichts hatte die Frau Selbstmord begangen und der Tod war von der Presse bis zu diesem Zeitpunkt geheim gehalten worden. Es war anscheinend kein Selbstmord gewesen, weshalb jetzt die ausführlichen Untersuchungen des Ministeriums begonnen hatten.

 

Der Artikel erwähnte außerdem, dass Narzissa von ihrem einzigen Sohn überlebt wurde, Draco.

 

Draco.

 

Das war der Name des jungen Mann gewesen. Arnes Augen weiteten sich ein Stück, als ihm klar wurde, wer vorher in seinem Salon gesessen hatte.

 

Das Schicksal schien sich diesen jungen Mann seiner angenommen zuhaben, und hatte ein interessantes Jahr für ihn parat.

 

Es klingelte draußen an der Tür. Arne erwartete keinen Besuch oder irgendwelche Klienten, also nahm er an, es wäre Nana, zurück von ihrer Tour zu dem älteren Nachbarn, mit dem sie befreundet waren, um ihm Kuchen zu bringen. Arne war sich sicher, der alte Mann mochte seine Urgroßmutter, aber Nana behauptete, es wäre alles nur platonisch. In ihrem Alter ohnehin.

 

Er stellte sein Geschirr in die Spüle, klopfte sich über die Innentasche seines Jacketts, um zu prüfen, ob sein Zauberstab noch immer da war und schritt zur Tür.

 

Es war nicht seine Urgroßmutter auf der Türschwelle. Es war der junge Mann, Draco. Er trug die schwarze Kappe, die Arne ihn auch vor dem Cobblestone Inn hatte tragen sehen.

 

„Sie sind wieder hier“, bemerkte Arne etwas verwirrt über den Zufall.

 

Der junge Mann nickte, die silbernen Augen hell. „Ich brauch Informationen. Es ist dringend.“

 

Arne sah ihn für einen Moment lang an. „Für gewöhnlich empfange ich niemanden mehr zu dieser späten Stunde, aber ich denke, ich kann eine Ausnahme machen. Ich muss jedoch darauf bestehen, Ihnen dieses Mal eine Rechnung zu stellen.“

 

Das würde Nana gefallen. Geschäftstüchtig wie immer.

 

„Oh, ich bezahle immer“, war Dracos Antwort. Es erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht.

 

Arne zögerte einen Moment lang, aber er wusste nicht recht, wieso. Vielleicht interessierte er sich etwas zu sehr für das Leben des jungen Paares. Er hatte es überlicherweise immer geschafft, eine distanzierte Beziehung gegenüber Klienten zu pflegen, wie Nana es ihm auferlegt hatte. Er schüttelte das seltsame Gefühl ab und ließ Draco eintreten.

 

Es war nicht, bevor sich die Tür geschlossen hatte, dass Arne seinen gravierenden Fehler bemerkte.

 

Denn, wer auch immer gerade sein Haus betreten hatte, stand nicht unter dem Fida Mia Zauber. Es war sein Talent, herauszufinden, wer und wer nicht von dem Spruch betroffen war, seine Gabe sozusagen. Wo das junge Paar zuvor in einer komplexen, dichten Sphäre von Magie gewürzt mit Liebe und Lust geschwommen war, war dieser Fremde hier völlig unbefleckt.

 

Nichts war vom Fida Mia zu sehen, weil er nicht Draco war.

 

Aber diese Feststellung kam zu spät. Der junge hatte bereits seinen Spruch gesprochen. Arne fiel zu Boden, völlig gelähmt. Er sah zu, wie der junge Mann ohne Eile zurück zur Tür schritt, sie öffnete und zwei weitere Männer eintreten ließ. Einer der Männer war klein, glatzköpfig und launisch. Er warf Arne einen kurzen besorgten Blick zu. Sein Begleiter war das komplette Gegenteil, groß und streng. Beide waren ganz in schwarz gekleidet.

 

Arnes Angreifer saß nun auf dem Boden, die Beine im Schneidersitz übereinander geschlagen. „Wie ich bereits sagte, ich brauche Informationen.

 

Der Informationen, die er wollte, betraf die Frage, ob das junge Paar zuvor bei ihm gewesen war. Sie fragten besonders nach dem Jungen, Draco. Es waren keine besonders aussagekräftigen Informationen, und vom Gesichtsausdruck des Fremden zu urteilen, kannte er seine Antworten bereits.

 

„Danke“, sagte der Junge, falls es denn überhaupt ein Junge war. Jedoch schien er der Anführer hier zu sein. Die anderen beiden folgten ihm, sobald er vorangeschritten war.

 

Für einen Moment dachte Arne, sie würden verschwinden. Er hielt den Atem an.

 

„Travers, hold dir ein Souvenir von Mr Hendricks, dass wir den frisch verheirateten zeigen können.“

 

Der große Mann kam zurück und sah nicht besonders begeistert aus, aber er sah auch nicht aus, wie ein Mann, denn man durch Betteln überzeugen konnte.

 

„Was willst du haben?“, fragte er den Jungen, und seine Stimme war wie der Rest des Mannes, düster.

 

Der Junge schien zu überlegen. Er sah sich im kleinen Flur um und schien nichts Interessantes entdecken zu können. Und dann bemerkte er Arnes ungewöhnliche Augen. Er lächelte wieder, diesmal amüsiert.

 

„Etwas, an das sie sich erinnern.“

 

Was auch immer sie mit ihm machen wollten, Arne hoffte, sie würden es schnell erledigen, bevor Nana nach Hause kam. Die alte Frau war in Sicherheit solange sie nicht hier war.

 

Menschen sagen oft, das Leben ziehe an einem vorbei, wenn man stirbt. Das war Unsinn. Es sei denn, die Person hatte da Glück in Ruhe und Frieden, mit all ihren normalen, mentalen Fähigkeiten zu sterben, denn ansonsten gab es nicht die Zeit, sein Leben zu reflektieren.

Bedachte man, dass Zauberer ohnehin ein gutes Jahrhundert leben könnten, bedeutete dies auch eine lange Zusammenfassung, die man vorm Tod noch einmal erlebte, wenn man nicht schon längst senil geworden war.

 

Arne hatte armselige vierundzwanzig Jahre gelebt, also gab es verdammt noch mal nicht viel, was man noch einem wieder erleben konnte.

 

Als Travers ihn erreicht hatte, fühlte Arne neben der instinktiven Angst auch Bedauern.

 

Es war wirklich eine Schande für jeden Hendricks, wenn er nicht den wahren Fida Mia hatte erfahren dürfen.

 

Als Nana Hendricks am Abend zurück kam, fand sie die Tür offen vor. Ihr Urenkel lag tot im Flur, mit einem Beutel voller Gold neben sich, während das Dunkle Mal über dem Haus schwarz erleuchtet war.

 

**

 

[Draco]

 

Das Bett war verflucht noch mal zu klein.

 

Er wachte über ihr auf, murmelte, dass das Bett verdammt noch mal zu klein sei, und wollte wieder einschlafen, aber ihm wurde klar, dass er sie wohl zerquetschen musste.

 

Und er lag auf ihren Haaren.

 

Er versuchte, sich schnell und unbemerkt zu bewegen, wie ein Sucher eben, aber ihm fiel auf, dass er für ein solches Manöver viel zu müde war und er die Bewegungen nicht mit genügend Grazie zustande gebracht hätte, würde sein Leben davon abhängen, was es manchmal tat.

 

Merlin, aber das Mädchen schlief wie eine Tote. Ihre dunklen Wimpern bewegte sich nicht, ruhten auf ihren Wangen und ihr Atem ging tief und gleichmäßig. Sie hatte einen natürlichen Schmollmund und einen rosa Teint, wenn sie schlief. Draco spürte eine seltsame Art der Ruhe, wenn er sie ansah. Die Ruhe begann in seinem Bauch, breitete sich aus über seine Brust und dann, durch sein Blut, in den Rest seines Körpers.

 

Das Gefühl wärmte ihn. Ihm ging auf, er fühlte sich sicher, was lächerlich war. Denn er war nicht sicher. Er war nicht sicher gewesen, von dem Moment als er geboren wurde. Und Draco wurde klar, dass er diese Eigenschaft mit Potter teilen konnte.

 

Ein Mädchen. Ein zerbrechliches Muggelmädchen. Brillant, sicher, aber wer dem Ärger nicht aus dem Weg gehen konnte, nicht fertig brachte einen Besen zu fliegen, wer nicht einmal groß genug war, seine Schultern zu erreichen, würde es nicht ändern können. Sie konnte ihn nicht schützen vor den gierigen, kalten Fingern des Ministeriums oder der berechnenden Interesse Voldemorts und seinen Anhängern.

 

Sie war jetzt eine Bürde und ein Ziel. Dieser Gedanke war so eiskalt, dass er die vorangegangene Wärme komplett verscheuchte.

 

Er diente nur sich selbst, schon von Natur aus. Draco schämte sich nicht dafür, und wer auch der erste, der dies sofort zugeben würde. Es war dementsprechend schwer zu begreifen, dass er sich jetzt noch um eine weitere Person zu kümmern hatte. Die Interessen zu bedenken, die nicht seine eigenen waren.

 

Eins war vielleicht eine einsame Zahl, aber sie war leichter in alle Gleichungen unterzubringen.

 

Ihre Interessen waren nun dieselben. Dieses dumme Mädchen hatte ihm das klar gemacht, als sie ihm versichert hatte, dass sie ihn liebte. Er könnte gehen. Das wäre die selbstlose, noble und weise Geste. Es wäre das Beste für alle.

 

Es war so… Potter, oder nicht?

 

Ihr Pech, dass er eben nicht so eine Person war.

 

Alles was er tun konnte, war seine Umwelt so Granger-freundlich wie möglich zu machen. Das bedeutete, er würde das Ministerium von seinem Rücken fernhalten und unter Voldemorts Radar sichtbar bleiben. Vielleicht, wenn sie sich nur genug Mühe gaben, würde die Welt sie alleine lassen. Vielleicht lange genug, bis er begriffen hatte, was mit ihm passierte.

 

Das war aber nur Wunschdenken, er wusste das. Es würde nicht leicht werden.

 

Müde schloss Draco die Augen und wünschte sich, so tief zu schlafen, wie sie es gerade tat. „Ich verbanne euch, ihr bösen Gedanken“, flüsterte er. Er hoffte, sie war glücklich. Er sprach schon mit sich selbst. Wegen Granger war er verrückt geworden.

 

Seine Stimme störte sie. Sie wand sich unter ihm und begann weiche Bewegungen mit ihren Lippen an seiner Schulter zu machen. Sie fand sogar sein Ohr.

 

„Verflucht“, entfuhr es ihm, die Stimme schwach und klein.

 

Andere Teile von ihm waren nicht so schwach und klein.

 

Er ließ sich neben sie fallen, ohne jede Eleganz, aber er machte es wett mit seiner bestimmten Absicht. Nach einigen Manövern war er nämlich da angekommen, wo er sein wollte. In ihr. Sie atmete nicht mehr so tief.

 

Er wusste, ihr Tattoo musste kribbeln. Sie leicht wie Feenflügel. Es hatte schon vor einer Weile begonnen und gewann nun an Intensität, aber sie wäre bestimmt nur alarmiert, davon zu hören. Sie regte sich gerne auf.

 

Also sagte er, dass sie ihre Augen geschlossen halten sollte. Es war sowieso besser sie zu beobachten, ohne dass sie den Blick dabei erwiderte.

 

Die einzige, gedimmte Laterne im Zimmer versprühte nur noch einen schwachen goldenen Glanz, der ihrer Haut sehr zu gute kam. Es war stickig und heiß, denn es gab nur ein Fenster, was man nicht öffnen konnte. Eine feine feuchte Schicht bedeckte beide ihre Körper. Es ließ ihre Haut aussehen, wie von Tau bedeckt. Er presste die Lippen gegen ihre Schulter, um den salzigen Geschmack zu schmecken.

 

Das Laken rutschte hinab. Ihre Brüste machten süchtig, entschied er sich. Draco wusste, es gab gute Gründe, beim Frühstück solche Gedanken über Granger zu haben. Er hielt sie fest, während er wieder in stieß.

 

Und es war ein wahrer Genuss.

 

**

 

[Hermine]

 

Hermine hob die Hand und tastete durch das Zimmer. Es war stockdunkel. Die Laterne war aus. Irgendwo draußen auf dem Flur lachte eine Frau. Sie wollte aufstehen, nachgucken, wie viel Uhr es war, aber Draco schlang ein Bein über sie und erklärte, sie müssten weiterschlafen. Seine Stimme klang unheimlich rau.

 

Sein Vorschlag wurde aber von ihm selber untergraben, denn plötzlich strich er mit den Händen über ihren Po. Es war unglaublich heiß im Zimmer. Er hatte sie bloß mit dem Laken zugedeckt, aber selbst das war fast zu heiß, um es zu ertragen.

 

„Was ist das für ein Geruch?“, fragte sie und ihre Nase kräuselte sich. Sie passte sehr perfekt in seine Arme, aber das war ja nichts Neues.


„Das Laken“, erwiderte er gegen ihren Nacken. „Du hast es doch entzündet, schon vergessen?“

 

„Oh“, sagte sie. Sie brauchten es ohnehin nicht. Es war viel zu warm. Sie bewegte ihren Rücken, bis es sich bequemer anfühlte. „Ich denke, du musst den Schaden bezahlen“, gähnte sie.

 

Draco gab ihr einen leichten Klaps. „Ich habe dem Besitzer genug für einhundert neue Laken gegeben.“

 

Ja, ja. Er war reich. Sie hatte die Info schon im ersten Jahr bekommen. Hermine drehte sich um, um ihn anzugrinsen. Seine Augen waren geschlossen, aber sie war nicht müde.


„Draco.“

 

Er hatte keine Manieren. „Was?“

 

„Hast du einen zweiten Vornamen?“

 

Er öffnete die Augen nicht, aber sie sah ihn ungläubig die Stirn runzeln. „Das fragst du jetzt?“

 

„Meiner ist Jean“, informierte sie ihn. Eine seltsame Art von Fröhlichkeit summte in ihr, und sie würde ganz bestimmt nicht den Mund halten und schlafen.

 

„Passt nicht zu dir“, war seine knappe Antwort.

 

„Ich habe mir die Schulakten angesehen. Es sieht so aus, als hättest du das halbe Alphabet als Initialen für deine weiteren Vornamen.“

 

Für einen Moment sah es so aus, als wäre er wieder eingeschlafen, aber dann antwortete er.

„Warum hast du in meine Akte gesehen?“

 

Sie zuckte die Achseln. „Ich mag Akten.“

 

Er schnaubte auf. „Ja, das glaube ich.“

 

Stille.

 

„Also, sagst du es mir, oder nicht?“

 

Langsam öffnete er ein Auge zur Hälfte. „Lässt du mich schlafen, wenn ich es dir sage?“

 

Sie sagte, ja. Er nannte seinen vollen Namen sehr schnell. Nur um zu zeigen, wie müde er war.

 

Hermine dachte über alle fünf Namen nach, die sich zwischen Draco und Malfoy befanden. „Wie wäre es mit Merrybones? Du solltest ihn hinzu-“

 

Und schon hatte er ihr seine Zunge in den Mund geschoben, um sie zum schweigen zu bringen. Es half.

 

**

 

[Draco]

 

„Granger?“

 

„Hm?“

 

„Ich fühle mich verpflichtet, dir zu sagen, dass du perfektesten Hintern der Welt besitzt.“

 

Stille.

 

Und dann: „Was meinst du damit, du fühlst dich verpflichtet?“

 

„Ich emfpinde mich als Experte, was so etwas angeht.“

 

„Wieso? Wie viele Hintern hast du-“

 

„Shh“, unterbrach er sie. „Schlaf wieder.“

 

**

 

„Wann hast du Geburtstag?“

 

Sie legte ihr Kinn auf seine Brust und antwortete ihm. „Am 19. September, was mich neun Monate älter macht als du.“ Wusste Merlin, weshalb sie dabei überheblich klang.

 

Hermine nahm an, er wusste gar nicht wie sanft sein Lächeln war. „Nicht, wo es zählt.“

 

„Und wo zählt es?“, wollte sie wissen.

 

Seine Antwort, war sie eindeutig anzusehen.

 

„Ich nehme an, du meinst, es zählt im Sinne von der Erfahrung, die du hast, was Hintern angeht?“, erkundigte sie sich trocken.

 

„Du brauchst gar nicht so mürrisch klingen.“

 

Sie gähnte und senkte den Kopf. „Ich bin gar nicht mürrisch.“

 

Er schüttelte sie wach. Es konnten unmöglich mehr als ein paar Minuten vergangen sein, aber sie war tatsächlich eingeschlafen. Seine Brust war ein nettes Kissen, und sein Herzschlag war lächerlich beruhigend.

 

Hermine beruhigte jedoch nicht der Ausdruck auf seinem Gesicht, als sie die Augen öffnete.

 

„Granger, wer war der erste?“, fragte er plötzlich mit einem Drängen in der Stimme.

 

„Huh?“, erwiderte sie. Ginny hatte ihr mal gesagt, dass es gute zehn Minuten brauchte, bis ihr Gehirn morgens ansprang.

 

Draco sah sogar besorgt aus. „Ich glaube nicht, dass Potter dich auf diese Weise mag. Also, er kommt nicht in Frage. Ich nehme an, Weasley. Ihr hattet diese Sache, letztes Jahr.“ Er betonte das Wort Sache, wie eine Geschlechtskrankheit.

 

Und plötzlich sah er angewidert aus. „Oder war es Krum? Sag mir, dass es nicht Krum war.“

 

Ihr wurde die Richtung dieses Gesprächs sehr unangenehm. „Es wäre mir lieber, wir würden dieses Gespräch wann anders fortführen. Ich bin ziemlich müde.“ Sie musste tatsächlich gähnen.

 

Sein Blick gewann an Härte. Die Härte war verschwunden gewesen, seit sie im Bett gelegen hatten. Er setzte sich auf, schob sie fast grob von seiner Brust und besaß die Dreistigkeit ihr entgegen zu funkeln.

 

„Ich habe dir eine Frage gestellt.“

 

Sie setzte sich ebenfalls auf. „Ja. Das habe ich gehört.“

 

„Du wirst mir antworten.“

 

„Fein, da du mich so nett gefragt hast. Mein erster warst du.“

 

Er sah sie an, als hätte sie ihm gerade eröffnet, er wäre ein lang verschollen geglaubter Weasley-Bruder.

 

„Nein.“

 

Langsam wurde Hermine wütend. Was zur Hölle meinte er mit Nein? Sie versuchte das Laken mit sich zu nehmen, aber er lag mit seinem ganzen Gewicht darauf, und schien den Wink mit dem Zaunpfahl nicht zu verstehen, als sie heftig daran zog.

 

Schön. Egal. Sie suchte nach ihrem Top und ihrem Slip neben dem Bett und zog sie hastig über.

 

Er tat immer noch so, als wäre er perplex. „Du willst mir sagen, die Nacht der Party… das war dein erstes Mal?“

 

„Ja. Und mein sechstes oder siebtes Mal, wenn du Erbsen zählen möchtest“, erwiderte sie säuerlich. Es fühlte sich an, als wollte er, dass sie sich für ihre Unerfahrenheit schämte.

 

Wo waren ihr Rock und ihr BH? Sie wollte unter dem Bett nachsehen, hatte aber die Sorge, er würde sie abfangen, würde sie das versuchen.

 

„Zu deine Sachen aus, und komm wieder her“, befahl er vorhersehend.

 

Er hatte ein Thema, was sie nicht hatte behandeln wollen mit Füßen getreten. Sie würde nicht zu ihm kommen. „Verpiss dich, Malfoy.“

 

Zur Antwort hob sich seine Augenbraue, er seufzte theatralisch und erhob sich ebenfalls.

 

Ihr Herzschlag wurde schneller.

 

Großer Gott, er konnte wirklich bösartig aussehen, wenn er wollte. Sie machte ein erschrecktes Geräusch, aber mehr aus Ungeduld als aus Furcht. Natürlich hatte sie auch etwas Angst, aber es fühlte sich nicht wirklich schlecht an. Sie konnte seine Erregung spüren, dunkel unter ihrer Haut.

 

Er zwang sie still zu halten, während er sie wieder auszog, bis sie nackt war und sie wieder Richtung Bett beförderte. Die Aussicht auf seine Erektion, die gen Decke zeigte, ließ ihren Mund trocken werden. Aber sie war immer noch sauer auf ihn.

 

„Warum bist du so? Ich dachte, der Mann wäre irgendwie glücklich darüber, dass die Frau  nicht der Besen des Dorfes ist?“

 

Seine Lippen teilten sich zu einem Lächeln, nach ihrem letzten Satz. „Du gibst Blowjobs als hättest du es schon hundertmal zuvor getan. Ich habe lediglich eine Vermutung aufgestellt, eine falsche, wie es scheint. Offen gesagt, war es eine Beruhigung, dass er nicht besessen von ihren ehemaligen Liebhabern sein musste. Aber jetzt wollte er wissen, ob sie an Weasley geübt hatte. Oder an irgendwem sonst. Aber er mochte seinen Kopf, und wollte ihn nicht verlieren, nur weil er jetzt die falschen Fragen stellte.

 

„Ich gebe dir nur Blowjobs, als hätte ich es hundertmal getan“, korrigierte sie ihn mit einem feinen Lächeln. Ihr Gesicht fühlte sich heiß genug an, um Eier darauf zu braten. Sie standen wieder vor dem Bett, lagen aber noch nicht.

 

„Ich möchte dich was fragen“, sagte er ruhig, als wollte er nach der Uhrzeit fragen. Er drehte sie um, teilte ihre Beine mit seinem Fuß, und beugte sie nach vorne. Sie biss sich auf die Lippe, als er sich langsam in sie schob.

 

„War ich sanft?“, wollte er wissen, als er sich schließlich bis zum Anschlag in ihr vergraben hatte, und kein bisschen Luft mehr zwischen sie passte.

 

Es kostete sie einen Moment Zeit, ehe sie antworten konnte. „Nein, warst du nicht. Aber hätte ich sanft gewollte, dann wäre ich in dieser Nacht nicht zu dir gekommen.“

 

„Ah“, erwiderte er, durch zusammen gepresste Zähne. „Gute Antwort.“

 

**

 

Er wanderte durch das Zimmer, splitterfasernackt, während er seine Kappe und sein übriges Gold in die Tasche warf, nachdem er die Laterne wieder entzündet hatte. Er nahm das verbrannte Laken zwischen zwei Finger und warf es in eine Ecke.

 

Aber der Punkt war, dass er das alles komplett nackt tat. Dieser Mann hatte offensichtlich keine Ahnung von Scham.

 

Hermine sagte ihm das auch.

 

Er lächelte ihr entgegen. Und sie würde sich niemals an sein Repertoire an Lächeln gewöhnen können. Dieses ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen.

 

„Etwas spät, um rot zu werden, oder?“

 

Sei zog sich die Decke über den Kopf. „Ich werde immer rot werden.“

 

„Und es wird mir immer gefallen, dass du immer rot wirst“, erwiderte er, während er seine Hose wieder anzog. „Zieh dich an. Wir haben gerade genug Zeit, nach Hogwarts zurückzukehren, bevor wir tatsächlich zu spät sind.“

 

Sie schnappte aus ihrem verträumten Blick. Sie fasste ihre Haare über der Schulter zusammen. „Wirklich? Wie spät ist es?“

 

„Vier Uhr morgens“, erwiderte er, während er seinen Zauberstab in seine Tasche steckte, und Hermine ihn gerne gemaßregelt hätte, es besser nicht zu tun. Jede Woche verlor ein Zauberer so seinen Hintern, wegen Fahrlässigkeit.

 

„Das bedeutet, wir müssen das Schloss wach machen, um wieder rein zu kommen“, klagte sie. Und das bedeutete, sie mussten getrennt zurückgehen. Es bedrückte sie.

 

Er verschwand im Bad. „Nicht unbedingt“, sagte er, als er wieder raus kam. Er hatte seine Haare nass gemacht und sie glatt zurückgekämmt. Wehmütig dachte sie, dass er jetzt doppelt so gut aussah. „Ich bekomme uns schon rein.“

 

Er griff in ihre Tasche, um das kleine Handtuch zu suchen. Es war feucht.

 

„Vielleicht willst du dich frisch machen?“, sagte er, und sie sah, dass er sich unwohl fühlte.

 

Das war neues Terrain. Besonders für Draco. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie sich kopfüber in einen Whirlpool des Schicksals geworfen hatte, während er lediglich seinen Zeh ins Wasser hielt.

 

Ein warmes Handtuch war schön, aber sie brauchte ein Bad, was sie mental und physisch beruhigte.

 

„Du kannst baden, wenn wir wieder im Schloss sind“, fügte er nachdenklich hinzu, während er seine Schuhe anzog.

 

„Hör auf, meine Gedanken zu lesen“, murmelte Hermine. Sie wickelte sich in das Handtuch, und verzog schmerzhaft den Mund, denn sie war wund. Er fing sie an der Spitze des Handtuchs ab, bevor sie ins kleine Bad verschwinden konnte.

 

Alle Sorglosigkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. „Du weißt, wir haben noch immer ein Problem. Nichts ändert das.“

 

Seltsam, sie hatte angenommen, was sie jetzt getan hatte, hatte bereits alles geändert.

 

Aber er war Malfoy, und er würde Zeit brauchen, um zu dem Schluss zu kommen, den sie schon längst erreicht hatte.

 

„Ja, ich weiß“, war alles, was sie sagte. Sie musste sehr einsam klingen, denn er hatte die Arme um ihre Taille geschlungen, hob sie hoch und küsste ihre Lippen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet ihr, dass er das ohne Nachdenken getan hatte, und etwas abweisender setzte er sie wieder auf dem Boden ab.

 

Menschen verlieben sich nicht in zwei Wochen, erinnerte sie ihr Verstand, als sie allein im kleinen Badezimmer war.

 

Dieses Mal fühlte sie nicht beschämt als sie in den Spiegel blickte.

 

„Doch, ich“, sagte sie zu sich selbst und begann, ihr Gesicht zu waschen. Mit sich selbst zu sprechen, war wohl eine neue Entwicklung in ihrer ´Verliebt in Malfoy und offensichtlich verrückt´ Saga, die ihr Leben geworden war.

 

Es wäre wirklich schön gewesen, hätte er es auch gesagt, aber sie nahm an, er brauchte noch etwas mehr Zeit.

 

 

Chapter Thirty-Five

 

Als sie das Cobblestone Inn verließen betraten sie anscheinend einen Mahlstrom.

 

Draco erkannte den Besitzer, gerade als er die Treppe runter kam. Er trug den Morgenmantel einer Frau. Er war lila und ungefähr zwei Größen zu klein, mit kleinen eingesteckten Rosetten. Er hatte den Zauberstab gezogen und fluchte laut. Auf der Straße draußen riefen verbliebende Feiernde und stoben auseinander, in alle Richtungen. Der Besitzer griff sich ein Tintenfass vom Tresen und schleuderte ihm einem Mann hinterher, der so eilig lief, wie seine krummen Beine es erlaubten. Das Tintenfass verfehlte sein Ziel, hinterließ jedoch ein schiefes Ausrufezeichen auf der Straße.

 

„Du schuldest mir Geld für drei Nächte, du alter Bastard!“, rief der Mann und schwang drohend seine Faust.


„Was ist passiert?“, erkundigte sich Draco, während er dem großen Mann geschickt auswich, ehe sie zusammen stießen.

 

„Was passiert ist? Leute glauben, sie könnten die Zeche prellen, nur weil ein paar Todesser unterwegs sind. Das ist passiert“, schnaubte der Mann wütend, und durch die viele Bewegung verschob sich der Morgenmantel. Zwei dünne blasse Beine waren nun zu erkennen. „Todesser sollten sich lieber zweimal überlegen herzukommen! Verdammt schlecht fürs Geschäft!“ Sie waren draußen auf der Straße, als sie erkannten, wie die Panik sich ausbreitete.

 

Das Dunkle Mal war sichtbar, leuchtend und groß, nahezu fast über ihnen. Bei näherer Betrachtung jedoch war es aber wohl im Stadtkern an den Himmel geschossen worden.

 

Angsterfüllt starrte Hermine nach oben. „Ich fasse es nicht! Wie hatten wir das verschlafen können?“

 

Draco war blasser als sonst. Mit angespanntem Kiefer beobachtete er es für einen Moment. „Ich weiß es nicht, aber wir verschwinden sofort.“

 

Das musste er ihr nicht zweimal sagen. Hermine ergriff seine Hand und folgte ihm in Richtung Winkelgasse. Es war auch bekannteres Territorium. Andere Leute taten es ihnen gleich. Eine Gruppe an jungen Männern, die so rochen, als wären sie die ganze Nacht über in Pubs gewesen rempelten sie fast um, und kurz wurde Hermine von der Menge mitgerissen, die in die andere Richtung lief, um das Mal näher zu sehen. Wie ein Schwimmer in einer Welle, ließ sie sich mitreißen, bis sie wagen konnte, einen Fluchtversuch zu unternehmen.

 

Hermine entkam nur knapp einem Sturz in den Rinnstein, aber sie hatte engen Kontakt mit einer Steinmauer. Ein kleines Kind hielt mit beiden Armen einen Laternenpfahl umklammert und weinte aus Leibeskräften. Glücklicherweise erschien die Mutter des Kindes aus der Menge und hob das Kind schnell auf den Arm, um zu verschwinden.

 

Das war es also, dachte Hermine. Das war die Massenpanik, die Voldemort anrichten konnte Sie war fast hypnotisiert von dem Chaos um sie herum.

 

Draco bellte ihren Namen mit solcher Kraft, dass einige Leute um sie herum erschrocken zusammen zuckten. Die Anzahl an Menschen auf der Straße schien sich in fünf Minuten verdoppelt zu haben.

 

„Hier!“, antwortete sie, aber ihre Stimme war im Chaos verloren.

 

Aber er hörte sie, wusste Merlin warum. Innerhalb von Sekunden war er bei ihr, zog sie mit sich, während sie sich immer wieder umwandte und das Mal anstarren musste.

 

Sie hielten sich am Bürgersteig, immer an den Häusern entlang. Draco zog sie in die erste Gasse, die sie erreichten. Die Gasse füllte sich bereits mit Leuten, die ebenfalls in die Sicherheit ihrer eigenen Häuser apparieren wollten.

 

Er sah auf sie hinab und sah sogar recht bösartig aus in seiner Ernsthaftigkeit. „Kannst du Apparieren und musst über Floh reisen?“ Es war eine faire Frage, bedachte man, dass jemand vielleicht noch nicht in einer kritischen Situation gewesen war, in der es um Todesser ging.

 

Sie zitterte, aber sie war nicht so sehr neben sich, dass sie sich zersplittern würde. „Ich kann apparieren.“

 

Er nickte, den Zauberstab bereits in der Hand. „Kennst du den kleinen Picknick Platz, nahe dem Bahnhof in Hogsmeade?

 

Sie kannte den Fleck. Die meisten Schüler von Hogwarts, die ins Dorf durften kannten den Platz. Es war eine Lichtung hinter dem See. Nicht zu schattig, nicht zu sonnig und von Schülern sehr beliebt.

 

„Auf drei“, flüsterte sie. Er verschwand als sie bis eins gezählt hatte.

 

 

Sie kamen zusammen am vereinbarten Ort an. Draco zuerst, Hermine danach. Hogsmeade Green war einen achtminütigen Fußweg entfernt. Hogwarts wuchs vor ihnen empor, hinter dem See und der berühmten Apparier-Grenze. Instinktiv suchte Hermine den Himmel ab. Sie atmete erleichtert auf, denn sie sah nichts, außer einem Schwarm Vögel, die über die See flogen.

 

Verglichen mit der Panik und dem Chaos aus dem sie kamen, war die Stille am See fast unheimlich. Hogwarts war Zuhause, und nirgendwo auf der Welt fühlte sie sich sicherer als dort. Es war hier viel kühler als in der Nokturngasse. Hermine rieb über ihre Oberarme, um die plötzliche Kälte zu vertreiben, die genauso viel mit dem Schwarzen Mal von vorhin zu tun hatte, wie mit dem kühlen Wind, der vom See hinüber wehte.

 

Ein Blick in Dracos Gesicht sagte ihr, er dachte über mehr nach als nur das Mal. Er strich sich die Haare zurück, streckte den Rücken durch und begann zu laufen.


„Irgendwas stimmt nicht“, sagte Hermine.

 

„Abgesehen von der Tatsache, dass wie beide zweimal das Mal innerhalb von zwei Wochen gesehen haben?“, schnaubte er. „Ja, irgendwas stimmt wirklich nicht.“

 

Sie ging ein Stück voraus und war dabei, ihr Haar hochzubinden. Ihre Hände zitterten immer noch, und so brachte sie nur einen lockeren Dutt fertig, der so leicht zusammen fallen konnte, wie sie ihn gebunden hatte. Ihr Nacken lag nun bloß und zeigte die feinen Locken ihres Ansatzes. Ein winziger Schmutzfleck zeigte sich direkt über dem Träger ihres Oberteils, über dem obersten Knochen ihrer Wirbelsäule und kurz bevor ihre Schultern anfingen. Es könnte Dreck oder Staub oder jede Art von Schmutz sein, den es in der Nokturngasse gab.

 

Egal, was es war, Draco sah es nicht gern. Beinahe abwesend, leckte er über seinen Daumen und wischte den kleinen Fleck weg.

 

Hermine blieb abrupt stehen und wandte sich zu ihm um. „Das hast du jetzt gerade nicht getan?“

 

Er wirkte mehr überrascht, als sie es war und starrte hinab auf seinen Daumen, als hätte dieser ihn gerade nach dem Wetter gefragt. „Anscheinend habe ich das.“

 

Es war sicher, diesen Moment zu wählen, wo er noch relativ offen für ihre Fragen schien, entschied sie. „Du musst mir wirklich sagen, ob diese Male etwas damit zu tun haben, weswegen Dumbledore mit dir gesprochen hat. Ich glaube nicht, dass es Zufall ist.“

 

Draco machte ein amüsiertes Geräusch. „Gut, denn es gibt so etwas wie Zufall nicht. Gewöhn dich lieber dran. Alles passiert, weil es nur so passieren kann.“

 

„Ja, ist das?”, erwiderte sie herausfordernd. Es klang so, als würde er ihr gleich einen moralischen Vortrag halten.

 

„Wusstest du, dass ich der erste Schüler war, den Potter getroffen hat, bevor er nach Hogwarts gekommen ist? Ich habe nicht gewusst, wer der Idiot war. Ich habe noch mal mit ihm im Zug auf dem Weg nach Hogsmeade gesprochen, wahrscheinlich bevor ihr zwei euch kennen gelernt habt. Weißt du, was er zu mir sagte?“, wollte er in rhetorischer Manie wissen.

 

Sie schüttelte den Kopf, neugierig, worauf er hinaus wollte.

 

„Er hat gesagt, er könnte selber herausfinden, wer die richtige Art von Freund wäre. Und er hat mich angesehen als wäre ich Dreck, den er unter seinem Schuh abgekratzt hatte.“ Es klang bemerkenswert viel Bitterkeit in seiner Stimme mit. Hermine war überrascht, wie viel Bedeutung er diesem Treffen zumaß.

 

Für einen Moment war sie still. Und dann zuckte sie die Achseln. „Du hast dich wahrscheinlich wie ein Arsch verhalten.“

 

„Das ist unerheblich“, beharrte er und hob einen Finger, um seine Worte zu verstärken. „Ist ist kein Zufall, es ist Schicksal. Es ist fast lächerlich passend, dass Potter mich zuerst kennengelernt hat, um sich direkt zu entscheiden auf welchem Ende der Seite er stehen wollte. Menschen mögen Extreme, denn sie sind angenehm. Sie setzen Standards und Grenzen. Ich bin sicher, dass Potter danach in seinem kleinen Kopf entschieden hat, dass er am liebsten ganz weit am anderen Ende stehen wollte. So weit weg von mir, wie metaphorisch möglich. Er mag es so. Genauso wie Voldemort, nehme ich an.”

 

Aus bestimmten Gründen, hörte es Hermine nicht gern. Sie hatte ihn lieber im Kopf, als jemand, dem es egal war, wo die Leute standen, nur dass sie ihn nicht in eine Richutng drängten. Malfoys Version war zu fatalistisch. Vielleicht hatte er auch Blut einer Seherin in seinen Adern. Seher waren die deprimierendsten Leute, die jemand kennen konnte.

 

Abgesehen von Sybil Trelawny natürlich. Diese Frau war einfach nur verrückt.

 

„Das sehe ich anders“, sagte sie schließlich.

 

„Musst du auch nicht“, erwiderte er.

 

„Harry besitzt keine extremen Tendenzen.“ Und kaum hatte sie die Worte gesagt, merkte Hermine, dass sie nicht wahr waren.


„Wenn es dich beruhigt, so zu denken“, entgegnete Draco gelassen.

 

„Warum kannst du ihn nicht leiden?“

 

„Warum verteidigst du ihn immer?“, schnappte er, scharf genug, um sie zusammenzucken zu lassen.

 

Hermine öffnete ihren Mund, um ihm zu antworten, schloss ihn aber wieder. Sie nahm an, sie verteidigte Harry wirklich viel. Aber nur, weil Malfoy es zu seiner persönlichen Mission machte, Harry überall ausnahmslos schlecht dastehen zu lassen, wenn er nur konnte.

 

Draco verengte die Augen, als käme er zu einem langsamen Entschluss. „Du hast Gefühle für ihn.“ Es war eine Feststellung, die er nicht gerne zu machen schien.

 

„Natürlich habe ich das. Wir sind Freunde seit wir elf sind!“

 

Er schnaubte auf. „Deine Vernarrtheit wird dich nirgendwohin führen. Potter sieht dich als nichts anderes als einen Freund“, erklärte er, als würde er ihr damit den besten Ratschlag ihres Lebens geben.

 

Sie blinzelte, denn das Verständnis kam, wie immer, wenn sie mit Malfoy sprach, spät. „Warte. Wir reden nicht über dasselbe, oder? Ich bin nicht in Harry verliebt, du Idiot.“

 

Gott, sie hasste es, wenn er von ihr davon lief, immer wenn sie eine Diskussion hatten. Es war das höchste Maß an Unhöflichkeit. Den Zorn, den sie spürte, war jenseits der Erträglichkeit. Es tat weh, von ihm ignoriert zu werden.

 

„Ich hasse es, wenn du das tust“, murmelte sie. Es war eine zornige, aber private Äußerung. Er sollte es nicht hören.

 

Er hörte es jedoch. Er hörte sie immer.

 

Draco verschränkte seine Arme. „Du bist sehr unbeständig. Hass oder Liebe, Granger, was soll es sein? Vor einer halben Stunde hast mir letzteres ins Ohr geschrien.“

 

Sie würde nicht auf seine wilden Übertreibungen anspringen. Stattdessen behielt sie ihre Würde bei und sah ihn über die Nase hinweg an.

 

„Du bist so ein Vollidiot.“


„Nur weil du mich in einen verwandelt hast“, erklärte er. Er schlenderte zu ihr und zog sie in seine Arme.


„Lass mich los“, sagte Hermine und war immer noch sauer auf ihn.

 

Er lächelte. „Niemals.“

 

Und dann hob er ihr Kinn mit seinen Fingerknöcheln an und gab ihr den langsamsten, sanftesten Kuss, den sie jemals von ihm bekommen hatte. Es war alles sehr ungewöhnlich und beunruhigend. Er war kein sanfter Küsser. Weiche, federleichte Schmertterlingsküsse waren nicht wirklich Draco.  Er küsste so, wie er beleidigte; kraftvoll und ab und an gemein. Für gewöhnlich küsste er sie, als wolle er einen Abdruck auf mehr als ihrer Haut hinterlassen.

 

Es war eine angenehme Wandlung. Aber Hermine brauchte keine Schmeicheleien. Sie zitterte, wenn sich seine Zunge verlangend an ihrer rieb. Der Druck seiner Lippen wechselte von leicht und leichter, aber seine Lippen saugten und knabberten an ihren. Er stöhnte in ihren Mund, als sie das Shirt aus seiner Hose zog und ihre Handfläche über die Unterseite seines Rückens strich, die Muskeln dort massierte.

 

Hermine ruhte ihr Kinn auf seiner Brust aus und es war fast ein Triumph seinen rasenden Herzschlag in seiner Brust hämmern zu hören. Es war eine romantische und beinahe friedfertige Lösung ihres kurzen Streits. Bis zu dem Punkt, wo er seine Hose öffnete und ihre Hand in seine Shorts führte. Was folgte waren kurze Anweisungen, wie sie ihn halten sollte, berühren sollte, ihre Hand bewegen musste. Aber sie lernte schnell und bald lehnte er schwer atmend mit seiner Stirn gegen ihrer.

 

Körperliche Intimität war neu mit Draco. Er schien sich nie zu schämen, ihm war nie etwas unangenehm, was auch gut war. Denn sie schämte sich für sie beide genug.

 

Es war beängstigend, wie sehr sie ihn mochte. Diesen komplexen, launischen jungen Mann, dessen heißen Atem sie in ihren Haaren spürte. Erste Eindrücke zählten nichts, wenn es um Draco ging. Man brauchte Geduld und Ausdauer.

 

Und vielleicht eine Flasche harten Alkohol.

 

Türen, entschied sie. Das war es, woraus er bestand. Viele Türen, die alle eine andere seiner Emotionen oder Eigenschaften öffneten, die er mit aller Macht versuchte, unter Verschluss zu halten. Es war seine Art mit Dingen umzugehen. Die Türen öffneten sich, wenn sie beharrlich genug war und anschließend Wunder erlebte, wenn er zart und aufrichtig war. Aber genauso schnell fielen diese Türen wieder ins Schloss.

Alles, was Hermine wusste, war, dass sich ihr Herz nach ihm verzehrte, weil er keine glückliche Person war. Sie wusste diese Sache genauso sicher, wie sie die Farbe ihrer Augen kannte.


„Stopp“, zischte er plötzlich und schob ihre Hand beiseite. Sein leichtes Zittern sagte ihr, dass ihre Arbeit ihn nahezu über die Klippe gebracht hatte.

 

Sie beugte den Kopf, so dass sie in sein Gesicht sehen konnte. Seine Augen öffneten sich halb. „Wieso kannst du mich alle intimen Fragen der Welt fragen, und jedes Mal wenn ich es versuche, reißt du mir den Kopf ab?“

 

Er seufzte. Eine Tür öffnete sich hinter seinen Augen. „Ich bin eifersüchtig auf Potter. Und auf Weasley. Verdammt, selbst auf deinen schiefbeinigen Kater, der in deinem Schoss sitzt wäre ich eifersüchtig. Es tut mir leid, dass ich abscheulich bin, aber es wird noch öfters vorkommen. Sehr viel öfters.“

 

Was für eine beschissene Entschuldigung. Hermine verdrehte die Augen. „Du bist abscheulich für 80 Prozent der Zeit.“

 

„Und die anderen zwanzig Prozent?“, fragte er, während seine Lippen über ihre Mundwinkel strichen. Sie atmete seine Frage sein.

 

„Bist du erregt“, erklärte sie und wurde belohnt mit seinem hemmungslosen Lachen. Sie konnte es in seiner Brust rumoren hören und sog dieses wunderbare Geräusch in sich auf, wie Wüstensand Regenwasser speicherte.

 

Wie zur Hölle hatte es dazu kommen können? Sie hatte gerade noch Schicksal und Zufall abgehandelt. Keine zehn Minuten vorher.


„Frag mich, und ich verspreche dir, ich reiße dir nicht den Kopf ab.“ Seine Stimme war rau und nachsichtig.


„Malfoy, wir befinden uns in der Mitte einer Krise“, erinnerte sie ihn, und ihre Stimme war getränkt in Ungeduld. „Wir sollten zurück ins Schloss, um die Leute zu informieren.“

 

Wir sollten nicht hier rumstehen und Sex durch Worte haben.

 

Er rieb seinen Körper schamlos gegen ihre, und sie konnte seine Hitze praktisch durch vier Schichten an Stoff spüren. „Ich denke, die Krise wurde verhindert, als ich deine kleine geschickte Hand von meinem Körper entfernt habe.“

 

„Draco-“

 

„Vergiss Hogwarts für einen Moment. Unterhalte mich.“

 

Sie seufzte. „Was ist deine Lieblingsfarbe?“

 

„Ich habe keine. “

 

„Was ist dein Lieblingsessen?“

 

„Du“, erwiderte er und knabberte an ihrem Ohrläppchen.

 

„Hast du jemals mit Pansy Parkinson geschlafen?“

 

Das zerstörte die Stimmung. Er sah auf sie hinab. „Was? Ich habe dir schon gesagt, das habe ich nicht. Auf gar keinen Fall.“


„Wolltest du jemals mit ihr schlafen?“, fragte sie weiter und ließ ihn nicht aus den Augen.

 

Er brauchte eine nervtötend lange Zeit, um zu antworten. „Nicht wirklich, aber ein Mann denkt immer über die Möglichkeiten in Zeiten einer… Dürre nach.“

 

Sie zwickte ihn in den Arm, weil er so frech war und wurde aber schnell wieder nüchtern. „Was wollte das Ministerium von dir in Dumbledores Büro? Jedes Mal, wenn du es mir nicht sagst, vermute ich das Schlimmste…“

 

Draco sah sie einfach nur an. Vollkommen perplex. Denn er konnte sie nicht anlügen. Er war dazu vollkommen bereit gewesen. Zu ihrem eigenen Besten.

 

Es war nicht so, dass er keine akzeptablen Lüge im Kopf hatte, es war nur so, dass keine Lüge, die er in seinem Kopf formulierte über seine Lippen wollte. Was zum Teufel sollte er sagen? Ich kann dir nicht von dem Spionage-Job erzählen, weil du dann denken wirst, ich handele nur auf Grund selbstsüchtiger und geldgieriger Motive?

 

Und stimmte das nicht auch? War er nicht vollkommen bereit, das Vertrauen seiner Freunde zu hintergehen, um von Ministerium in Ruhe gelassen zu werden und sein Vermögen ausgezahlt bekäme?

 

Wie selten dämlich es von ihm war, dass er keine Ahnung hatte, wie er sie behalten sollte, wenn er es jetzt doch unbedingt wollte.

 

Er hatte Angst vor ihrem Urteil, so wie er um Sicherheit fürchtete, wenn er sie mit dieser Information belastete. Sie würde noch wieder zu ihren ausgezeichneten Sinnen kommen. Die Wärme in ihren braunen Augen, wenn sie ihn ansah, würde verschwinden und würde ersetzt werden durch mildes Mitleid. Etwas war falsch mit ihr, wenn sie ihn liebte. Und er hatte Angst, dass die mentale Krankheit, an der sie vorrübergehend litt, verschwinden würde, würde sie erst sein schwarzes Herz erkennen.

 

Also sagte Draco gar nichts.

 

Hermine beeindruckte es nicht, dass er kein Vertrauen zu ihr hatte. Sie schob steif seine Arme von ihrer Hüfte. „Vergiss es“, murmelte sie und schritt weiter voran. „Ich werde dich nicht mehr fragen. “

 

Er war kurz davor, nach ihr zu rufen, etwas Beruhigendes zu sagen, an eine Entschuldigung grenzend, aber er hielt sich selber auf. Ein dumpfes Klopfen und Zischen am Boden erregte seine Aufmerksamkeit.

 

Es war ein Wust an Fadenkraut, eingeklemmt zwischen zwei Steinen. Dickes, gesundes Fadenkraut, das Glück hatte, in Lupins Stunde übersehen worden zu sein. Dieses Zeug wurde nervös durch ihre Schritte.

 

Und dann fiel ihm etwas auf.


„Granger, wo würdest du sagen, ist das erste Mal erschienen? Nicht weit südlich des Gewächshauses, richtig? Wir waren südwestlich unterwegs.“

 

Hermine sah ihn an. „Ja, das habe ich auch Dumbledore gesagt.“

 

Draco schien nachzudenken. „Weasley und Millicent waren mit uns unterwegs. Und die anderen waren nahe dem Gewächshaus, weil es verdammt noch mal zu heiß war, um wirklich zu arbeiten.“

 

„Hm, außer Harry und Blaise, glaube ich. Sie sind in die Richtung der Peitschenden Weide gegangen.“

 

Draco hob seine Augenbraue bei dieser Information. „Und Sankt Potter hatte nichts weiter zu berichten?“

 

„Wenn Harry etwas gesehen hätte, hätte er es gesagt“, erwiderte Hermine stirnrunzelnd. „Genauso wie Blaise. Du hast doch den Blick auf seinem Gesicht gesehen. Eine steife Brise hätte ihn aus den Schuhen gehauen, so schockiert war er gewesen.“


„Waren sie die ganze Zeit zusammen?“

 

Sie sah ihn misstrauisch an. „Ich denke schon. Ich kann Harry fragen“, sagte sie. „Oder du fragst Blaise.“

 

„Hmm“, war alles, was er sagte. Sie kamen zum Ende des Wegs und zum Beginn einer uralten Hecke. Schon jetzt hatte der Himmel über Hogwarts eine lavendelfarbene Färbung angenommen. Mit der Aussicht auf das Schloss, zog sich ihr Magen unter nervösen Krämpfen zusammen. Sie fragte sich, ob die Neuigkeiten des zweiten Mals schon die Runde gemacht hatten.

 

„Malfoy, warte kurz.“

 

Es gab viele Dinge, die sie nicht gut beherrschten, aber Timing war wohl das erste auf der Liste. Er sah ihr zu, während sie ihren Zauberstab hervorholte und erst wieder sprach, als er ihr einen fragenden Blick zuwarf. „Wir haben nicht… äh… also, ich habe nichts getan oder genommen… vorhin.“

 

Einiges an Anspannung verließ sein Gesicht. Es war gut, dass er ihre Gedanken lesen konnte, denn unter gewöhnlichen Umständen hätten ihren mysteriösen Worte Anlass zu einigen Fragen gegeben.

 

„Du meinst Verhütung? Warum hast du… ahem… das nicht gesagt? Komm her. “

 

Sie schob seine Hand beiseite. „Ich kann es selber machen. Ich will es nur jetzt tun, bevor wir reingehen.“ Den Spruch im Schloss zu machen war ein wenig so, als würde sie ein Kondom in Haus ihrer Eltern benutzen wollen. Der Spruch war nicht schwer, aber aus emotionaler Perspektive betrachtet, war es schon eine große Sache für sie. Aber er würde sie für dumm halten, würde sie das zugeben.

 

„Gib mir den Zauberstab. Ich habe den Spruch schon vorher angewandt.“

 

Hermine hob abwehrend die Hand. „Erspar mir die Einzelheiten. Du erzählst mit wahrscheinlich, dass du so ein Experte bist, dass du deinen Zauberstab nicht mal mehr brauchst.“

 

„Nicht wirklich“, erwiderte er, und sein Mundwinkel hob sich leicht. „Du musst nicht so feindselig klingen. Halt still.“ Ehe sie protestieren konnte, ließ er den Zauberstab über ihren Unterleib wander und sagte den Spruch. Und Respekt schwang in seiner Stimme mit. Und dafür war sie dankbar. Und es überraschte sie.

 

Ein kaltes Gefühl strömte über ihren Bauch. Es war unangenehm, aber immer noch besser als der bittere Trank, den sie in Malfoy Manor hatte nehmen müssen. Und es war diskreter. Sie wüsste nicht, ob sie es über sich bringen würde, zu Madame Pomfrey zu gehen, um nach einem solchen Trank zu fragen.


„War das alles?“, fragte sie und sah an sich hinab. Die Kälte verschwand schnell.

 

„Die männliche Version dieses Spruchs ist komplizierter“, erklärte er.

 

Hermine hob eine Augenbraue. „Ja, das sagen alle Männer. Wie hast du vor, uns ins Schloss zu bekommen, ohne dass alle aufwachen? Die Türen sind verschlossen bis sechs Uhr morgens.“ Sie nahm an, sie konnten warten. Es würde nicht mehr lange dämmrig sein, und die Hecke würde ihnen genug Schutz bieten.

 

Draco linste durch die Hecke und wirkte nicht gestört durch ihre Worte. „Du vorne, am Eingang.“

 

Hermine stand auf ihren Zehenspitzen, um über seine Schulter zu blicken, um zu sehen, was er sah, versteckt in dunklen Büschen. Das war es, was ihr Leben jetzt war. Sich mit Draco Malfoy in Büschen verstecken, dachte sie dumpf.


„Es ist Snape!“ Sie hätte die Haltung dieses Mannes und seine nachtschwarzen Roben überall erkannt. Er starrte böse in die Dämmerung, fast als wolle er etwas herausfordern, zu erscheinen, was es wagte, noch bedrohlicher als er selbst zu sein. „Wusstest du, dass er die Eingangs-Patrouille heute Morgen macht?“


Er antwortete, indem er aus dem Gebüsch trat. Hermine machte den Versuch, ihn festzuhalten, verfehlte ihn aber um Zentimeter, und er grinste.

 

„Psst! Malfoy! Was tust du?” Snape würde sie noch entdecken.

 

Draco Antwort beruhigte sie nicht wirklich. Aber es waren Neuigkeiten für sie.

 

„Bleib da. Ich sage meinem Patenonkel Hallo.“

 

**

 

 

Chapter Thirty-Six

 

Snape hatte seinem Patensohn beinahe seinen verdammten Kopf von den Schultern geflucht. Für einen wilden, panischen Moment hatte er nämlich geglaubt, es wäre Lucius, der gelassen auf ihn zu käme. Sie hatten denselben Gang. Auch das Haar hatte dieselbe silberne Farbe im Morgenlicht. Aber Draco musste noch den entsprechenden Umfang seines Vaters erreichen, und er schien leichtfüßiger zu sein.

 

Außerdem kam hinzu, dass Lucius sich wohl eher umgebracht hätte, als in einem T-Shirt und alten Turnschuhen nach draußen zu gehen.

 

„Zurück, wie ich sehe“, sagte Snape. Er griff in seinen Umhang und zog eine silberne Taschenuhr hervor. „Sie sind gute fünf Stunden zu spät, Mr Malfoy. Die Erlaubnis, auszugehen, endete gestern um elf Uhr nachts. Ich nehme an, Sie haben nicht vergessen, wie eine Uhr zu lesen ist?“ Snapes gewöhnliche Tonlage konnte jedoch nicht vollständig die Panik verbergen, die jeder der vier Hauslehrer zurzeit an den Tag legte.

 

Es waren drei Erlaubnis-Scheine verteilt worden, und nur Blaise Zabini schien es geschafft zu haben, rechtzeitig vor der Einlasssperre wieder im Schloss zu sein. McGonagall würde bei Malfoy lediglich die Augen verdrehen, aber bei Hermine jedoch war es untypisch, dass sie die Regeln nicht einhielt.

 

Draco hatte noch nie viel von höflichen Wortwechseln gehalten, egal wie unerschütterlich seine Mutter versucht hatte, Manieren in ihn hineinzubekommen. „Ich komme gerade von einer zweiten Dunklen Mal Besichtigung aus der Nokturngasse“, informierte er Snape knapp.

 

Snape sah alarmiert aus, aber nicht allzu schockiert. Er klappte seine Taschenuhr mit einem scharfen Geräusch zu und steckte sie zurück in seinen Umhang. „Wir wurden eben erst informiert. Professor Lupin übernimmt nach meiner Schicht. Ich würde gerne noch mit Ihnen und Miss Granger sprechen, bevor sie schlafen gehen.“

 

Keine verbale Auspeitschung. Keine bösen Blicke oder Andeutung, dass er Strafarbeiten schreiben müsste, bis er fünfundzwanzig war. Einfach gar nichts. Außerdem bemerkte Draco den milden Ton, den Snapes Stimme angenommen hatte nicht.

 

Das lag aber wohl größtenteils am Schock.

 

Dracos Mund schien ihm bis auf die Brust gefallen zu sein, als Snape Hermines Namen beinahe gelangweilt erwähnt hatte. „Sie wissen über uns Bescheid.“

 

„Ja, das tue ich“, gab Snape entnervt zurück. „Es hatte einiges an Überredungskunst gebraucht, um Minerva McGonagall davon abzubringen, Miss Grangers Eltern einen Brief zu schicken, da sie ja ebenfalls passenderweise zu spät kommt. Wo ist das Mädchen überhaupt? Sie haben Sie doch wieder mitgebracht, oder?“

 

Schon allein durch die Frage fühlte sich Draco beleidigt. „Natürlich habe ich sie mitgebracht. Sie ist in den Büschen“, erwiderte er, als wäre dies ein sehr gewöhnlicher Ort, wo Hermine sich aufhalten würde, zu dieser Tageszeit.

 

Mit Geringschätzung begutachtete Snape die Hecke aus Farn. „Miss Granger“, rief Snape.

 

Hermine verließ ihr Versteck und wirkte scheu und angespannt. „Guten Morgen, Professor.“

 

„Nein, das ist er nicht“, schnappte er. „Sie beide werden in meinen Räumen auf mich warten. Sofort.“

 

**

 

„Das ist das erste Mal, dass ich hier drin bin“, erklärte Hermine Draco. Sie stand vor einem enormen Bücherregal. Die Titel waren außergewöhnlich genug, dass ihre Fingerspitzen kribbelten.

 

„Das will ich verdammt noch mal hoffen, denn es sind auch Snapes private Räume“, murmelte Draco.

 

Hermine wandte den Blick über ihre Schulter in seine Richtung. Es saß auf einem Lehnstuhl neben dem Kamin, ein Bein über das andere überschlagen, während seine Finger auf dem Leder der Lehne trommelten. Hermine konnte es sich sehr leicht vorstellen, dass er schon hunderte Male auf diesem Stuhl in genau dieser Haltung gesessen hatte, während Snape ihm Moralpredigten gehalten hatte. Dracos Augen hatten einen und-was-willst-du-mir-jetzt-sagen-Blick aufgelegt. Es war seltsam im Slytherin Haus zu sein. Vor allem schien das hier das Herzstück zu sein.

 

Die Schülervertretung war zwar überall erlaubt, aber für gewöhnlich beschäftigte sie sich nicht mit Slytherins. Das war selbstverständlich Blaises Aufgabe.

 

Harry war in Snapes privaten Räumen Okklumentik-Unterricht gehabt, hatte aber nie ins Detail von den Unterkünften erzählt. Er hatte sich eher über den Unterricht an sich beschwert. Snapes Wohnecke war spärlich aber dafür nett eingerichtet. Es sah aus, als bestünden seine Unterkünfte aus drei Zimmern. Der Haupteingang durch den Korridor der Slytherins führte in einen Sitzbereich mit Snapes Büro. Die beiden weiteren Zimmer, die vom mittleren Zimmer in zwei breiten Flügeltüren in entgegengesetzte Richtungen abgingen führten wohl in Snapes Schlafzimmer und sein privates Versuchslabor. Es war sehr männlich, entschied Hermine, und sehr schulisch. Aber das hatte sie erwartet.

 

Zwei Mahagonibücherschränke waren in die Wand eingelassen. Überladen und ächzend, so kam es ihr vor. Die anderen Möbel waren auch aus Mahagoni, abgesehen von einem schönen klauenfüßigen Schreibtisch aus Palisander, der relativ aufgeräumt war. Es passte nicht wirklich zum Rest der Möbel, aber die Platzierung und gute Kondition, in dem sich der Schreibtisch befand, machte das Zimmer persönlicher.

 

Sie nahm Platz in einem grünen Damaststuhl gegenüber von Draco und gähnte. Sie vergaß, wie wenig Schlaf sie diese Woche bekommen hatten. „Wieso um alles in der Welt weiß Snape von unserem Fida Mia Problem?“

 

Draco zuckte die Achseln, aber diese Sache schien ihn auch zu beschäftigen. „Wie weiß er sonst von Dingen? Er weiß es eben. Aber ich werde es rausfinden.“

 

Hermine bemerkte, dass er erschöpft war. Er stützte seine Stirn auf seiner Hand ab. Natürlich war er sowieso schon sehr weiß, aber im Moment wirkte seine Haut eher gräulich. Sie hatte mittlerweile alles von seiner Haut gesehen, also war sie in der Lage den Unterschied zu erkennen.

 

„Malfoy, geht es dir gut?“

 

Er rieb sich über sein Nasenbein. „Bin etwas fertig“, gestand er ein, schaffte es aber einen lasziven Ausdruck auf seine Züge zu zaubern, als er sie ansah. „Ich bin völlig ausgelaugt.“

 

Hermine störte sein lasziver Blick, bedachte man die ernsten Umstände. Nur Malfoy konnte gelassen bleiben, während Auroren gekidnappt wurden, Dunkle Male am Himmel standen und wusste Merlin, was noch alles passieren würde.

 

„Oh, hör auf damit. Dein Patenonkel wird jede Sekunde durch diese Tür kommen.“

 

„Ah ja, dein Blick war unbezahlbar.“ Erklang nachdenklich. „Ich dachte, die halbe Schule wüsste es mittlerweile.“

 

„Es gibt vieles, was ich nicht von dir weiß, wenn du deine Kleidung anhast“, erwiderte sie schüchtern.

 

Er lachte, lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete sie mit einem freundlicheren Gesichtsausdruck. Es könnte daran liegen, dass er gerade zu müde war um seine gewöhnliche Fassade aufrecht zu halten, aber er betrachtete sie mit ehrlicher Wärme. „Irgendwann wir dich deine Schlagfertigkeit noch-“

 

Schritte näherten sich, und Hermine blickte zur Tür. „Jemand kommt.“

 

„-um deinen frechen Kragen bringen“, endete er und wackelte mit den Augenbrauen.

 

Die Tür öffnete sich vollkommen lautlos. Und das war nahezu unmöglich wenn es zu den Türen in Hogwarts kam. Snape betrat das Zimmer und sah nicht zu ihnen auf. „Setzen Sie sich.“

 

Sie saßen bereits. „Sollen wir uns noch einmal setzen?“, warf Draco ein.

 

„Ihr Amüsement ist unpassend, Mr Malfoy.“

 

„Verzeihung.“

 

„Professor, gibt es schon Neuigkeiten wegen Nymphadora Tonks und dem anderen Auror? Gibt es Theorien, was passiert ist?“, fragte Hermine und fühlte sich schuldig, dass sie nicht schon eher gefragt hatte.

 

„Wenn es solche Informationen gebe, dann wären Sie wohl kaum berechtigt, sie zu erfahren, Miss Granger“, war die kühle Antwort.

 

Hermine blinzelte überrascht. Was für ein Unsinn! Sie war genauso ein Mitglied des Ordens wie er.

 

Ah, aber Draco war es nicht. Snape hatte daran gedacht, obwohl sie es vergessen hatte. Hermine bemerkte plötzlich, dass sie doch noch einige Geheimnisse vor Draco hatte (der gerade dabei war, sie seltsam anzusehen). Sie rieb sich über die Nase und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Snape zu.

 

„Es sieht nicht gut aus, oder?“, fragte Draco seinen Hauslehrer. Dann fiel Hermine ein, dass sie ja über seine Cousine sprachen. Das unwohle Gefühl verstärkte sich wieder.

 

Snape war merklich höflicher, als er seinem Patensohn antwortete. „Der Schulleiter lässt seine besondere Aufmerksamkeit der Situation zukommen, dass zwei Auroren auf seinem Gelände verschwunden sind. Er übernimmt die Nachforschung zusammen mit Alastor Moody.

 

„Dumbledore weiß nichts von uns, oder?“, fragte Hermine. Dass Dumbledore es wüsste wäre genauso schlimm, als wenn Harry und Ron es wüssten.

 

„Nein, weiß er nicht“, gab Snape zurück. Er wandte sich wieder Draco zu. „Ihr Vater hat zu mir Kontakt aufgenommen, als Sie und Miss Granger Malfoy Manor verlassen haben“, erläuterte er.

 

Draco war überrascht. „Sie sprechen mit ihm über Floh? Ich wusste nicht, dass ihm dieser Luxus zusteht.“

 

„Ein Luxus für ihn. Nicht unbedingt für mich“, entgegnete Snape. Hermine dachte, sie höre Belustigung in seiner Stimme, aber wahrscheinlich war das nur ihre Einbildung.

 

„Wer weiß es noch?“, wollte Draco stirnrunzelnd wissen. Das wäre auch Hermines nächste Frage gewesen.

 

Snape antwortete ohne zu zögern. „Professor Lupin. Wie Sie wissen, sind seine Sinne wesentlich feiner als die eines gewöhnlichen Menschen. Er war in der Lage den Fortschritt des Zaubers an ihnen beiden zu spüren, letzten Mittwoch im Unterricht.“

 

Der Gedanke, dass Lupin den Zauber sie tatsächlich buchstäblich hatte riechen können, war beunruhigend. „Könnte es sonst noch jemand auf diese Weise rausfinden?“

 

„Das bezweifle ich, Miss Granger.“

 

„Es war ein dummer Fehler, Sir“, sagte Hermine. „Glauben Sie mir. Unter gewöhnlichen Umständen-“

 

Snapes Hand schoss abwehrend in die Höhe. „Ich wünsche keine Erklärungen oder Rechtfertigungen. Das ist nicht der Grund, weshalb ich mit Ihnen sprechen wollte. Die dokumentierten Fehlstunden und andauernden Verstöße lassen mich annehmen, Sie halten sich beide für alt genug, um sich umbringen zu lassen. Bei Merlin, dumm genug sind Sie beide. Meine einzige Sorge ist, dass Sie sich bei den Verstößen auf die Schulzeiten beschränken, aber dieses Mal waren sie in London und ein Mord ist geschehen.“

 

Draco fluchte. Snape ignorierte es. „Das Dunkle Mal in der Nokturngasse. Es ist also wirklich jemand umgebracht worden?“

 

„Ja, Mr Malfoy“, erwiderte Snape, mit plötzlicher Geduld. „Es sei denn, Sie wüssten ein anderes Wort dafür?“

 

„Wer war es?“

 

„Die Identität des Opfers ist noch nicht bekannt. War Ihr Treffen mit dem Fida Mia Experten erfolgreich?“ Der Themenwechsel kam schnell, wenn auch nicht gerade sanft.

 

Snape brauchte auf keine Antwort warten, denn Dracos säuerlicher Ausdruck und Hermines errötende Wangen waren wohl Antwort genug.

 

„Ich verstehe, das ist wirklich unglücklich.“ Snape seufzte, faltete die Arme vor der Brust und seufzte erneut. „Es gibt… es gibt noch etwas, dass ich Ihnen sagen muss.“

 

Sie warteten.

 

Draco war sprachlos. Er hatte seinen Patenonkel noch nie um Worte verlegen gesehen. Aus den Auenwinkeln warf er Hermine einen Blick zu, nur um zu sehen, dass sie Snape auch anstarrte, als hätte er soeben verkündet, seine Lieblingsfarbe sei Pink.

 

„Draco“, begann Snape, „es geht um Ihre Mutter.“

 

Etwas Kaltes und Schweres formte sich in Dracos Innern und schien in seine Magengrube zu fallen. „Was ist mit ihr?“

 

„Es stand auf der Titelseite des Tagespropheten, aber ich nehme an, Sie hatten noch nicht die Zeit, zu lesen? Nein. Nein, natürlich hatten Sie die Zeit nicht. Es tut mir leid, dass ich derjenige bin, der es Ihnen sagen muss, Draco. Es tut mir mehr als leid.“

 

„Mir was sagen müssen?“, wollte Draco wissen.

 

„Ihre Mutter ist tot.“ Diese Ankündigung sagte er in einem sehr sachlichen Tonfall. „Sie starb vor etwa drei Monaten. Zuerst sei Suizid als Todesursache festgestellt worden, aber seitdem gab es jetzt längere Nachforschungen. Die Details werden streng geheim gehalten.“

 

Streng geheim gehalten war noch eine Untertreibung. Hermines Hand hatte sich schockiert über ihren Mund gelegt. Der Schock war enorm, aber die plötzlich Enge in ihrer Brust war es, die ihr die Luft zum Atmen raubte. Sie hatte etwas Ähnliches gespürt, als Draco von dem Klatscher in die Ohnmacht befördert worden war. Allerdings hatte sie daneben noch eine kalte Leere gespürt. Ein Anzeichen, dass ihm etwas Unvorhergesehenes passiert sein musste. Jetzt spürte sie eine Welle an dunklen Gefühlen, die von ihm ausgingen. Sie konnte die Wut nicht vom Schmerz oder Schock unterscheiden.

 

Für einen Moment spürte sie, wie ihr Sichtfeld schwarz verschwamm. Es war beinahe schmerzhaft.

 

Er sprach nicht, bewegte sich nicht. Er starrte hinab auf den Teppich vor dem Kamin. Sie wollte zu ihm gehen, seine Hand halten, aber sie fühlte sich von all den Gefühlen in ihren Stuhl gezwungen.

 

Snape runzelte die Stirn. „Draco, haben Sie gehört, was ich gesagt habe?“

 

„Ja. Was hätten Sie gerne, was ich antworte? Sie ist ohne jeden Abschied verschwunden, und jetzt ist sie für immer fort. Ich sehe keinen Unterschied.“

 

„Es gibt einen Unterschied!“

 

„Wie ist sie gestorben?“, flüsterte Hermine.

 

Snape richtete den schwarzen, intensiven Blick auf sie. „An einer Überdosis Opium, jedoch-“

 

„Haben Sie es meinem Vater gesagt?“, unterbrach ihn Draco.

 

Snape sah tatsächlich schmerzerfüllt aus, als er antwortete. „Draco, Ihr Vater weiß es. Er weiß es seit Monaten, war aber nicht in der Lage es Ihnen zu sagen.“

 

Hermine war mehr als angewidert. „Lucius Malfoy hat also eine neue Tiefe erreicht.“

 

Draco sah auf. So etwas wie Hoffnung flackerte über sein Gesicht. „Aber das Geld wurde jeden Monat auf mein Gringotts-Konto gezahlt… das sollte von Mu- Narzissa gekommen sein. Wie soll es sonst möglich sein?“

 

Snape zögerte einen Moment. „Das Geld war das meine. Ich muss Ihnen leider sagen, ich wusste es auch. Wir… haben geplant auf den rechten Moment zu warten, ehe wir es Ihnen zu sagen.“

 

„Der rechte Zeitpunkt ist also dann gekommen, wenn der Tagesprophet die Story auf die Titelseite druckt?“, erwiderte Hermine schroff. Es war fast, als spräche sie für Draco. Bei Merlin, sie fühlte seine Wut sehr deutlich. Es ließ sie alle anderen Emotionen vergessen. „Sie erzählen es ihm also lieber jetzt in der letzten Sekunde, ehe er es auf dem schlimmsten aller möglichen Wege selber herausfindet?“

 

Draco war auf die Füße gesprungen, etwas wackelig. „Sie haben es geplant?“, spuckte er. „Sie und Lucius meinen Sie? Sie haben es gewusst! Sie haben es beide gewusst und sich nicht die Mühe gemacht es mir zu sagen!“ Seine Stimme zitterte. „Ich habe über drei Monate Briefe an diese Frau geschrieben und angenommen, sie würde einfach ablehnen mir zurückzuschreiben.“

 

„Ich übernehme die volle Verantwortung“, war alles, was Snape wohl sagen wollte oder konnte, wenn die Anklage jetzt zu seinen Füßen lag. „Es war ein Fehler von mir, es Ihnen nicht eher gesagt zu haben. Es ist wichtig, dass Sie mir aber jetzt genau zuhören. Sie sind in Gefahr. Sie beide. Sie müssen über alle Maßen vorsichtig sein. Die Nachforschungen haben ergeben, dass Ihre Mutter nicht, wie angenommen, Selbstmord begangen hat. Sie ist umgebracht worden, Draco. Im Moment ist anzunehmen, dass die Todesser mit der Familie Malfoy ein Exempel statuieren wollen. Und lag Ihr Wohl am Herzen, es nicht zu sagen.“

 

Umgebracht?“ Dracos Stimme war schrecklich rau, seine Augen zu Schlitzen verengt. „Meine Mutter wurde umgebracht?“ Der schockierte Ausdruck verwandelte sich in reinen Schmerz, und dann war nichts mehr in seinem Gesicht zu lesen.

 

Draco schüttelte schließlich den Kopf und schluckte hörbar. „Es… tut mir leid, Professor“, begann Draco, die Stimme kalt wie Eis. „Aber leider fällt es mir schwer zu glauben, dass dieser Schule, dem Ministerium oder meinem Vater jemals mein Wohl am Herzen gelegen hat. Ich werde Antworten verlangen, jedoch nicht von Ihnen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich gehe zu Bett.“

 

Er machte einen Schritt zur Tür, hielt inne und streckte seine Hand nach Hermine aus. Der Blick aus seinen Augen, war das offene Flehen, ihm zu helfen, bevor er zitternd auf die Knie sank. Hermine war innerhalb keiner Sekunde bei ihm.

 

Tiefe Falten gruben sich in Snapes Stirn. „Miss Granger, ich glaube, Sie brauchen meine Hilfe.“

 

All die Ungerechtigkeit wollte Hermine vor Zorn um sich schlagen lassen. All die bösen, unfreundlichen Dinge, die sie all die Jahre über Snape gedachte hatte legte sie in diesen einen kalten Blick, den sie ihm zuteilwerden ließ. Sie legte ihren Arm um Dracos Hüfte und zusammen verließen sie das Büro.

 

„Vielen Dank, Professor. Aber ich schaffe es von hier.“

 

Und beinahe knallte sie ihm die Tür buchstäblich ins Gesicht.

 

**

 

Snape stand vor der Tür, starrte sie einige Minuten lang an. Solange bis er die Schritte des jungen Paares nicht mehr hören konnte. Abwesend sah er hinab auf seine Hand und seufzte, als er sah, dass sie zitterte.

 

Er ballte sie zur Faust und das Zittern hörte auf.

 

Letztlich war nicht besser als Lucius. Es hatte so viele Gelegenheiten gegeben. Er hatte so viele Chancen gehabt, den Jungen in sein Büro zu holen und es ihm zu sagen, aber er hatte es nicht getan.

 

Von all seinen Verpflichtungen und Verantwortungen gab es nur eine, die ihn wirklich ehrlich erfreute.

 

Und die war Draco.

 

Es war beides, Vergnügen und Schmerz, zusehen, wie der Junge langsam zum Mann wurde. Snape war ein schlechtes Beispiel eines Patenonkels. Er war ein alter, bitterer, kalter ehemaliger Todesser, der ein Spion gewesen war und jetzt eine Liste an Feinden hatte, so lang wie sein rechter Arm. Aber auch Lucius war nicht unbedingt der beste Vater. Wirklich schade, dass sich Kinder nicht die Familien aussuchen konnten, in die sie hineingeboren wurden.

 

Man musste es einfach erdulden.

 

So sehr er sich um den Jungen auch sorgte, als die Zeit gekommen war, es zu bewiesen, hatte Snape glorreich versagt. Schon zweimal hatte er Draco enttäuscht. Zum einen als das Ministerium dem Jungen die furchtbare Aufgabe auferlegt hatte, zu spionieren und zum anderen, als er die Chance hatte, ihm zu sagen, dass seine Mutter gestorben war und er es nicht getan hatte. Es war die alte Zuneigung gegenüber Lucius gewesen, die ihn zurückgehalten hatte.

 

Er hatte gewollt, dass das Mädchen da war, um Draco zu fangen. Und Granger hatte genau das getan. Mit einer Kälte, der er für gewöhnlich applaudiert hätte, wären die Umstände nicht so tragisch.

 

Snape erinnerte sich, was Draco in Dumbledores Büro gesagt hatte, als das erste Mal am Himmel erschienen war. Der Junge hatte recht. Das Ministerium belohnte ihre Helden nicht. Es benutzte sie nur. Es war eine Welt, der vollkommen egal war, dass sie die Last der Freiheit auf die Schultern eines elfjährigen Jungen legte. So hatte Harry Potter die magische Welt kennen gelernt. Und Dumbledore war daran genauso schuld wie jeder gewöhnliche Zauberer auf der Straße. Aber die Gemeinschaft war genauso schnell zur Stelle Missgunst und Misstrauen zu säen, wenn sich nur ein negativer Verdacht bestätigen sollte.

 

Draco war weise, dem Ministerium nicht zu glauben. Es gab mehr Grauschattierungen als Schwarz oder Weiß. Ein junger Snape hatte dies auch einmal gewusst. Aber anstelle den Erwartungen den Rücken zu kehren, so wie Draco es tat, tat Snape genau das Gegenteil. Er hatte eine Seite gewählt. Und dieser eine Fehler spiegelte sich in all den Dingen wieder, die er tat.

 

Snape würde bei Draco jedoch keinen Fehler machen. Er musste es schaffen, sie es auch nur, um der Welt ein wenig Balance zurückzugeben.

 

Er würde ein langes Gespräch mit Albus und Arthur Weasley führen müssen. Sie taten vielleicht so, als wären sie die Hand Gottes im Bezug auf Harry, aber er würde sie bei seinem Patensohn nicht dasselbe machen lassen.

 

**

 

Wie es schien, hatte Snape recht gehabt. Es ging Draco ganz und gar nicht gut, und Hermine brauchte tatsächlich Hilfe.

 

Draco hielt sehr plötzlich inne und sackte gegen die Wand. Seine Atmung war kurz und flach geworden. Er hob eine Hand und presste die Handflächen gegen seine Stirn, dort wo feiner Schweiß entstanden war.

 

Aus Angst, dass er vielleicht durch die Hyperventilation zusammenbrechen würde, ergriff Hermine seine Hände, legte sie auf ihre Schultern und bat ihn, sich an ihr abzustützen. Er hatte nichts mehr gesagt, seitdem sie Snapes Büro verlassen hatten. Draco hielt sie einen Moment lang fest, das Gesicht in ihren Haaren vergraben.

 

Schließlich beruhigte sich sein Atem wieder, glich sich ihrer Atmung an.

 

„Es wird alles gut“, zwang sie sich gepresst zusagen, damit sie nicht schluchzen würde. „Es wird dir wieder besser gehen.“ Es war völlig egal, was Narzissa für den Rest der Welt gewesen war. Sie war Dracos Mutter und musste ihn geliebt haben. Hermine ertrug stumm die Phantomschmerzen von Dracos Schmerz. Sie stellte fest, dass auch Phantomschmerzen unerträglich waren.

 

„Alles, was ich anfasse wird zu Staub“, flüsterte er in ihre Haare. Der Qual in seiner Stimme war herzerweichend. „Alles, was irgendwas bedeutet. Das Leben hat keinen Sinn. Meine Familie ist verflucht.“

 

Sie schüttelte heftig den Kopf und wich zurück, um ihn anzusehen. „Das ist nicht wahr, Draco.“

 

Sein Ausdruck war leer, müde und besiegt. Es machte ihr Angst. Sanft steckte er eine Locke hinter ihr Ohr und bedachte sie mit einem traurigen Blick. Hätte er die Kraft, war sie sicher, er hätte sie an den Schultern geschüttelt.

 

„Hermine, ich spiele nicht mehr. Ich kann dich nicht behalten. Snape hat recht. Was wir hier machen, es ist gefährlich. Das Gespräch in Dumbledores Büro ging um einen Auftrag. Das Ministerium will, dass ich den Slytherins hinterher spioniere. Und das soll ich den gesamten Sommer über tun, und wer weiß für wie viel länger danach!“

 

Spionieren! Das war es also, was er tun sollte. Und ohne Zweifel ließen sie eine Axt über seinem Kopf kreisen.

 

„Das können Sie nicht von dir verlangen! Besonders jetzt nicht!“

 

„Sie verlangen genauso viel von Potter“, war alles, was er erwiderte. Sein Ausdruck blieb unverändert. „Es werden Todesser rekrutiert, und wenn ich mich nicht irre, wird mir hier eine Nachricht übermittelt.“ Er verschränkte seine Finger mit den ihren. Der Blick, den er ihr schenkte ließ sie beinahe anfangen zu weinen. „Ich kann nicht auf dich aufpassen. Vor allem nicht in diesem Sommer. Du kannst bei den Wieseln bleiben, nicht wahr? Da bist du sicherer.“

 

„Das muss ich mir nicht anhören“, widersprach sie heftig. „Was sie dich zwingen zu tun ist illegal! Sie können dich nicht zwingen, zuzustimmen. Sie haben vielleicht das Leben deines Vaters in der Hand, aber nicht deins.“

 

„Ich habe eine Zustimmung unterschrieben. Es ist legal und bindend.“ Er lehnte sich wieder an die Wand und schloss die Augen. „Granger… ich glaube wirklich, dass… dass ich mich hinlegen muss. Mein Kopf tut weh.“ Sie hörte die raue Ehrlichkeit in seiner Stimme, und es beunruhigte sie sofort. Malfoy gehörte nicht zu denen, die ständig verkündeten, wenn sie sich schlecht fühlten. Er sah fast grün aus. Wie hatte sie vergessen können, dass er noch vor zwei Tagen im Krankenflügel gelegen hatte, um sich von der Gehirnerschütterung zu erholen?

 

„Wo ist dein Zimmer?“, flüsterte sie. Es war fast peinlich, dass sie nicht wusste, wo er schlief. Es war ein winziges Detail, das sie eigentlich wissen müsste. Er antwortete nicht, befeuchtete seinen Lippen und sah aus, als wolle er sich gerne übergeben. Sie berührte seine bleiche Wange.

 

„Draco?“

 

„Es ist hier drüben“, hörte sie eine sanfte Stimme. „Ich zeige es dir.“

 

Es war Pansy. Sie stand in der Dunkelheit in einem weißen Seidenpyjama, mit passenden Hausschuhen und erleuchtetem Zauberstab. „Snape hat es ihm also gesagt?“, wollte sie wissen, nickte aber, ehe Hermine antworten konnte. „Goyle und ich haben es gestern Abend in der Zeituing gelesen.“

 

Hermine war sogar froh, sie zu sehen. Die Keller von Slytherin waren fremdes Terrain für sie. „Es geht ihm nicht gut“, erklärte sie, während sie mit der Handfläche über ihre laufende Nase wischte. „Wir sollten ihn zu Madame Pomfrey bringen.“

 

Würde Draco jetzt ohnmächtig werden, gab es keine Möglichkeit für sie beide, ihn zu tragen, ohne den Leviosa anzuwenden. Hermine wusste, er würde es hassen, würde sie Snape um Hilfe bitten. Parkinson würde reichen müssen.

 

Pansy schüttelte den Kopf, Tränen in den Augen. „Ich helfe ihm. Wir brauchen die Krankenschwester nicht.“ Sie schloss den Abstand, nahm sein Gewicht auf sich, und er zuckte zusammen, als hätte jemand einen Sack Steine auf ihn fallen gelassen. Hermine war besorgt genug, entgegen Pansys Worten sofort zu Madame Pomfrey zu laufen.

 

„Pansy“, sagte er matt, „meine Mum ist tot.“ Die vertrauten Emotionen und Bekanntheit in seiner Stimme, ließen Hermine den Stich der Eifersucht deutlich spüren, aber sie schüttelte diesen Gedanken ab und war angewidert von ihren selbstsüchtigen Gedanken.

 

„Ich weiß, Darling.“

 

„Es ist zum Kotzen, Pansy.“

 

„Ich weiß. Schon gut, ok? Wir bringen dich ins Bett.“

 

Die Situation wäre angenehm gewesen, wäre es nicht so traurig. Er erlaubte es ihnen, beide einen Arm über ihren Schultern zu legen. Es war gut, dass sie beide dieselbe Größe hatten. Sein Zimmer lag am Ende des Korridors, es machte zumindest den Anschein. Hermine war bereits daran vorbeikommen. Sie wusste, Pansy würde den Weg dorthin auch im Dunkeln finden, aber sie war dankbar, dass Pansy den Lumos aufrecht hielt.

 

Dracos Zimmer war abgeschlossen, und es kostete Pansy einige Alohomora, in Verbindung mit Passwörtern und altmodischen Drehungen des Knaufs, um die Tür zu öffnen.

 

„Er ist etwas paranoid“, sagte Pansy, als sie Hermine Blick deutete.

 

Als sie im Inneren waren, erwachten mehrere Kerzen zum Leben. Es sah aus wie Hermines Zimmer, vielleicht etwas kleiner. Die Decke war auch niedriger. Sein Bett stand nicht unter dem Fenster, da der Keller keine Fenster besaß. Es stand gegenüber der Tür. Sein Schrankkoffer stand an der linken Wand, neben seinem Schreibtisch. Das Zimmer war penibel ordentlich, was eine Überraschung war. Auf dem Schreibtisch lag ein Quidditchpflege-Set, und an Bronzehaken an der Wand hing eine unglaublich teure Quidditchausrüstung.

 

Sie überwanden die letzten Schritte zum Bett, und er brach sofort darauf zusammen. Er legte eine Hand über seine Augen, rollte zur Seite und bewegte sich gar nicht mehr. Das Licht störte ihn wahrscheinlich. Hermine löschte die Kerzen wieder. Sie zog ihm schließlich die Schuhe aus, und Pansy hielt sie nicht auf. Allerdings stoppte sie Hermine, als diese in seinem Schrankkoffer nach einem Shirt suchen wollte.

 

„Lass es“, sagte das Slytherin-Mädchen. „Er schläft für gewöhnlich mit den Sachen, die er trägt oder mit gar nichts.“

 

Hermine wusste nicht, was sie mit dieser Information anfangen sollte, also sagte sie gar nichts. Sie wollte zu dem Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand, aber Pansy versperrte ihr plötzlich den Weg.

 

„Du kannst nicht hier bleiben, Granger. Das machen wir nicht. Das machen wir nie.“

 

Mit wir meinte Pansy anscheinend Slytherins. „Oh, und wie ich das werde.“, schnappte sie.

 

Pansy schüttelte den Kopf, aber es lag reine Aufrichtigkeit in ihrem Blick. „Ich meine es ernst. Es gibt Dinge, über die diskutieren wir nicht. Er wird sauer sein, wenn auch nur einer von uns heute hier bleibt.“

 

Hermine schniefte laut. Sie hatte die Nase voll von sturen Slytherins, auch wenn sie wusste, Pansy meinte es wohl eher gut als böse. Es war so etwas wie ein Slytherin-Codex. Du sollst nicht in der Öffentlichkeit weinen. Du sollst keine Hufflepuffs und andere daten. Dämlicher Codex.

 

„Ich will keine Probleme, ich glaube einfach, das ist es, was er bevorzugt. Ich sehe nach ihm nach dem Frühstück. Und danach gehört er wieder dir.“

 

Hermine strich abwesend das Haar aus seiner Stirn, und es war ihr egal, dass Pansy zusah. Es war gut dass er schlief, wusste Hermine auch nicht, wie ihm sonst zu helfen war. Sie fühlte sich nutzlos. „Ich werde morgen früh als erstes zu dir kommen“, versprach sie ihm. „Ich verspreche es.“

 

Nachdem sie ein langes Gespräch mit Harry gehabt hatte.

 

Und einige Pläne entworfen hätte.

 

„Komm, ich bring dich hoch“, sagte Pansy weich.

 

Mit einiger Anstrengung riss sich Hermine von ihrem Ehemann los und folgte Pansy. Die Tür schloss sich leise hinter ihnen.

 

„Du und ich müssen aufhören uns so zu treffen, Granger“, bemerkte Pansy trocken. Es war geradeso humorvoll wie es im Moment angemessen war. Sie durchschritten den Korridor und erreichten endlich wieder den Gemeinschaftsraum. Pansy öffnete die nächste Tür und Hermine blickte für einen Moment stumm in den dunklen Flur. Sie spürte den Druck in ihrer Kehle, der ihre Tränen unterdrückte. Pansy dagegen wirkte sehr gefangen. Hermine wusste, das Mädchen hatte zuvor fast geweint, aber ihre Nase war nicht einmal rot.

 

„Seit wann hast du diese Gefühle für ihn?“, wollte Hermine wissen.

 

„Seit ich zehn bin“, erwiderte Pansy ohne Scheu. „Sieh mich nicht so an, Granger. Ich weiß, was er die meiste Zeit über ist. Und ich glaube, du weißt, es nicht immer etwas, über das man sich beschwert. Wir hätten gut zusammen gepasst.“

 

Hermine hätte fast zugestimmt.

 

Pansy seufzte. Es war ein sanftes Geräusch. „Narzissa war eine Schlampe und hat als Mutter wirklich versagt, aber sie hatte etwas.“ Ihre Hand legte sich um den goldenen Griff der Tür. „Er hat ihre Eleganz. Und die Wangenknochen, natürlich.“

 

„Danke, Pansy“, sagte Hermine. Es musste einfach gesagt werden.

 

Das Mädchen zuckte die Achseln. „Guck nicht so traurig. Es sind nur noch ein paar von uns hier, und wir gehen alle morgen. Ich glaube nicht, dass es noch viel schlimmer werden kann.“

 

**

 

Pansy ging allein zurück zu ihrem Zimmer. Es lag in der Mitte des Flurs und war am nächsten zum Gemeinschaftsraum. Die Lage des Zimmers und die Dicke der Wände hatten ihr oft verholfen – ungewollt natürlich – Gesprächen im Gemeinschaftsraum zu lauschen.

 

Sie legte ihre Hand auf den Türgriff und erschrak, als sich die Tür von alleine öffnete.

 

„Ist er zurück? Hast du es ihm gesagt? Was hat Granger gesagt?“, fragte Goyle ungeduldig. Die Matratze war an einer Ecke eingedellt, wo er wohl gesessen hatte. Sie hatten fast die ganze Nacht gewartet, sollte Draco doch schon um elf Uhr zurückgekommen sein.

 

Pansy runzelte die Stirn, schob ihn beiseite und sprach nicht, ehe die Tür verschlossen war. „Sprich nicht so laut. Ja, sie sind zurück. Und wir hatten es nicht sagen müssen, Professor Snape hat das schon getan.“

 

Goyle verlagerte sein bemerkbares Gewicht von einem Bein aufs andere. „Wie geht es ihm?“

 

„Könnte besser sein“, seufzte Pansy. „Es geht ihm nicht gut, bedenkt man die Neuigkeiten.“ Sie schlüpfte aus ihren Hausschuhen und setzte sich aufs Bett. Ein gelber Plüschelefant saß zwischen den Kissen. Sie nahm ihn in den Arm.

 

Es entstand eine Pause.

 

„Du solltest etwas Schlaf bekommen. Es ist nach Sonnenaufgang.“

 

Sie antwortete nicht sofort, rieb aber die Ohren des Elefanten zwischen den Fingern. „Hast du Blaise gestern gesehen?“, fragte sie Goyle, ohne aufzusehen.

 

„Nein.“

 

„Ist es falsch zu hoffen, dass er eine falsche Abbiegung genommen hat und von einer Klippe in den Tod gestürzt ist?“ Ihre Stimme war flach.

 

Pansy-“

 

„Du bist ein Idiot, wenn du denkst, er lässt dich einfach aussteigen. Einmal ein Todesser, immer ein Todesser.“

 

Goyle schüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht denselben Weg wie mein Vater. Glaub mir. Ich finde einen Weg, und dann helfe ich dir und deiner Familie. Warte einfach auf mich. Das ist alles, um was ich dich bitte.“

 

Sie betrachtete ihn lange und enttäuscht. „In der gesamten Geschichte der Todesser bist du wohl der einzige, der wegen eines Rentenplans einsteigen möchte.“

 

Das war nicht richtig. Viele stiegen aus seltsamen Gründen ein. Ruhm, Gold , Ehre… der Spaß am Foltern.

 

Aber er wollte einsteigen, weil Pansys Vater ihm nicht gestattet hatte, um ihre Hand zu bitten, wenn er nicht besonders schnell ein großes Vermögen angesammelt hätte. Die Goyles waren nie besonders reich gewesen, und das, was sie hatten war denselben des Malfoys Vermögens gegangen.

 

Blaise, dem es durch sein eigenes Schaffen sehr gut ging, bot ein profitables Beispiel.

 

Böse, verrückte Überherrscher brauchten das notwendige Kapital. Immerhin brauchte auch der Dunkle Lord ein Dach über dem Kopf und wenn die Gerüchte stimmten, bevorzugte Voldemort gotische Extravaganz. Es wurden eine ganze Reihe an illegalen Unternehmen durch Todesser geführt. Der Handel von verbotenen Substanzen und Artefakten war nur die Spitze des Eisbergs. Blaise hatte verlauten lassen, dass auch in Muggelgebieten Laboratorien standen und speziell für Muggel Drogen erfunden und verkauft wurden. Viele der älteren Todesser waren beunruhigt über Voldemorts Vendetta und wie sie ausgehen mochte, und die neue Generation an Todessern, darunter auch Blaise, sahen mehr in der Bewegung der Todesser als nur den Blutstatus zu verteidigen.

 

Aber man brauchte Kraft, um eine solche Maschine in Gang zu halten. Goyle war zwar nicht der hellste, aber er wusste, wie man Menschen einschüchterte. Er wusste, wie man Hintermann war, wie man jemanden beschützte. Das hatte er sein ganzes Leben getan.

 

Es gab Geld zu machen, Macht zu bekommen. Aber Goyle war noch nie so versessen darauf gewesen. Er wollte bloß einen kleinen Vorsprung haben. Mit seinem schwarzen Familiennamen und seinen schlechten Noten waren Karriere-Chancen nahe null.

 

„Draco wäre eingestiegen, wären die Dinge anders gelaufen.“ Er nahm an, er musste das laut äußern, wo Pansy doch Inoffizielle Präsidentin des Draco Malfoy Fanclubs war.

 

Pansy schnaubte auf. „Vielleicht, aber du bist nicht Draco. Du bist alleine, wenn du mitmachst. Er ist nicht da, um auf dich aufzupassen.“

 

„Ich brauche ihn nicht!“, sagte er, vielleicht etwas zu laut, denn ihre blauen Augen weiteten sich kurz. Goyle wollte irgendetwas boxen.

 

Er brachte alles durcheinander. Alles, was er noch wollte, ehe er Hogwarts verließ, war, die Dinge mit Draco zu klären, die noch zu klären waren. Er wollte ihm Worte des Trosts anbieten, was seine Mutter betraf und sich dann von Pansy verabschieden. Er hatte überlegt, auch Millicent einen Brief zu schreiben, aber Pansy hatte ihm davon abgeraten. Nur für den Fall. Das war auch in Ordnung, denn er konnte nicht wirklich gute Briefe schreiben.

 

Er konnte die meisten Dinge nicht wirklich gut. Mit schwerem Herzen schritt er zur Tür, hielt inne und wandte sich noch zu Pansy um.

 

„Ich gehe jetzt“, sagte er knapp.

 

Dem Elefanten wurde jede Luft aus dem Körper gepresst. „Gut. Geh.“

 

Goyle machte ein Geräusch. Hätte die männliche Frustration ein bestimmtes Geräusch, dann wäre es das hier. „Merlin noch mal, Pansy! Sagst du mir auf Wiedersehen oder nicht?“

 

Pansy warf den Plüschelefanten auf das Bett und erhob sich, die Nase hoch in der Luft.

 

„Leb wohl, Gregory. Ich hoffe, dass der Tod, der dich in den nächsten Monaten treffen wird, schnell und relativ schmerzlos kommt.“

 

Er sah sie ausdruckslos an. „Relativ?“

 

Sie wedelte mit der Hand. „Ich hab aufgegeben, deine Meinung zu ändern.  Sie ein Idiot. Geh, und werde ein Todesser. Ich habe dich bestimmt schon nach einer Woche vergessen.“

 

Es war ein kleines Zimmer. Ein Schritt hatte ihn zu ihr gebracht. Ein weiterer Schritt und sie lag in seinen Armen. Und dann küsste er sie so, wie er es schon seit drei Jahren hatte tun wollen. Zuerst sträubte sie sich, schlug ihm auf den Bizeps, aber er hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Außerdem hatte er nichts mehr zu verlieren. Das gab ihm den nötigen Mut, der ihm bisher beim Werben um Pansy gefehlt hatte.

 

Nach einer Minute hatte er sie zurück aufs Bett befördert. Sie war atemlos und ihre Wangen waren rosa gefärbt. Abwesend griff sie wieder nach ihrem Elefanten.

 

Daran wirst du dich erinnern“, murmelte er rau, und dann war er verschwunden. Aus dem Zimmer. Aus ihrem Leben.

 

Pansy weinte die nächsten zwei Stunden in ihren Elefanten. Goyle hatte ihn ihr zu ihrem zwölften Geburtstag geschenkt.

 

**

 

 

Chapter Thirty-Seven

 

Seine Mutter betrachtete ihn leicht abwesend in Madame Malkins Laden, während er seine neuen Roben anprobierte. Der Saum der frisch bestellten Roben war ein Stück zu lang und war abgesteckt worden. Draco betrachtete seine Mutter im Spiegel und wünschte sich, sie wäre zuhause geblieben.

 

Goyles Vater hatte sich angeboten, die Jungen mitzunehmen, um die restlichen Sachen zu besorgen, aber Narzissa hatte darauf bestanden, Draco persönlich zu begleiten. Es war immerhin das letzte Mal, dass sie sich beide sehen würden, ehe das erste Jahr in Hogwarts begann.

 

Narzissa Malfoy war keine gute Begleitung in der Öffentlichkeit, erst recht nicht in der Winkelgasse. Goyles Vater war zwar nicht unbedingt nett anzusehen, aber er verstand den einen oder anderen Scherz, wenn es die Gelegenheit bot. Zum Beispiel explodierende Ameisen ahnungslosen Muggeln vor die Füße zu werfen. Es war leicht genug, sie zu erkennen. Es waren immer die Personen, die von absolut allem begeistert waren.

 

Narzissa jedoch sorgte sich um viel zu viele Dinge, wie, zu viel Sonne, Muggel, Menschenmassen, Leute, denen man begegnen würde, die man gar nicht sehen wollte, wie Mr und Mrs So-und-So vom letzten Sonntagstee. Dennoch hatte sie ihren Sohn begleiten wollen und lächelte ihm nun freundlich entgegen, während sie einen losen Faden von seinem Umhang zupfte.

 

Sie versteckte ihre Zuneigung durch einen scharfen Kommentar. „Du bist nicht so groß, wie es dein Vater in deinem Alter war, aber du hast noch genug Zeit zum Wachsen.“

 

Draco hoffte das auch. Es wäre inakzeptabel zwei Köpfe kleiner als Goyle zu sein und kaum einen Kopf größer als Pansy Parkinson. Kleinwüchsigkeit war seit Ewigkeiten aus der Malfoylinie verbannt worden.

 

Das und Kichern.

 

„Was steht noch aus?“, fragte seine Mutter jetzt. Draco erinnerte sich, dass er die Liste in seine Hosentasche gesteckt hatte. Er holte sie hervor und entfaltete sie.

 

Mutter und Sohn begutachteten die letzten beiden Punkte. „Ich brauche noch eine Eule und einen Zauberstab“, las Draco vor.

 

Narzissa nickte. „Um eine Eule wurde sich bereits gekümmert. Dein Vater hat sich persönlich darum gekümmert. Es ist eine exquisite Wahl. Sein Name ist Pietro.“

 

Natürlich wäre der Vogel exquisit. Lucius kannte das Wort mittelmäßig überhaupt nicht. Draco jedoch war kurz beleidigt, dass er sich seine Eule nicht selber aussuchen durfte. Kurz hatte er überlegt, lieber eine Katze zu nehmen, aber das stand natürlich außer Frage. Er brauchte eine sichere und zuverlässige Methode, um mit seinen Eltern zu kommunizieren, und ein Schulvogel wäre nicht ausreichend.

 

Dann mussten sie sich jetzt nur noch um eine Sache kümmern. Draco zog sich wieder um, während seine Mutter Madame Malkin bezahlte. Sie überquerten danach mit ihren Einkäufen die Straße, um zu Ollivanders zu gehen. Seine Mutter hielt vor dem Laden inne. Der Wind hatte einige ihrer langen blonden Strähnen aus ihrer makellosen Frisur gezerrt und sie steckte sie lose hinter ihr Ohr.

 

Seine Mutter war wahrscheinlich die schönste Hexe, die Draco jemals gesehen hatte. Nicht die offensichtliche Schönheit, die Blaises Mutter war, aber die Art von Schönheit, für die man einen Schritt zurücktreten musste, um sie vollkommen genießen zu können. Ihre Züge wirkten beinahe schlicht, einzeln betrachtete, aber insgesamt boten sie ein perfektes, makelloses Bild.

 

„Draco, komm her.“

 

Er tat wie ihm geheißen. Sie glättete seine ohnehin glatten Haare und bemühte sich den gestärkten Kragen perfekt zu formen. Ihm ging auf, dass sie nicht viel als Mutter zu tun hatte. Jede Kleinigkeit über jede Mahlzeit, die er zu sich nahm, die gefalteten Pyjamas und die abendlichen Bäder wurde von den bediensteten organisiert.

 

„Mutter…“, beschwerte er sich, als sie mit der Hand über seine Wange strich. Gott sei Dank waren die Goyles noch bei Flourish und Blotts. Er würde sich diese Szene sonst noch das ganze nächste Jahr über von Greg anhören können. Sein Gesicht war noch etwas pausbäckig. Er hasste es.

 

„Ein Zauberstab bedeutet viele Dinge“, erklärte sie atemlos. „Es bedeutet, dass du erwachsen wirst, Draco. Du wurdest als Zauberer und Malfoy geboren, aber jetzt verdienst du diese Titel. Dein Vater und ich haben sehr hohe Erwartungen, und wir sind sehr stolz auf dich.“

 

„Ich muss nur nach Slytherin kommen“, betonte er heftig. Wenn er jedes Mal eine Galleone bekommen hätte, wenn sein Vater die Häusereinteilung angesprochen hatte, wären die Malfoys mittlerweile doppelt so reich.

 

Sie hob eine Augenbraue. „Man kommt nicht nur nach Slytherin, Liebling. Man wird hinein geboren.“

 

Ihr Ton erlaubte es ihm nicht, noch weitere Ängste zu äußern. „Ja, Mutter.“

 

„Also, nachdem wir deinen Zauberstab gekauft haben, haben wir noch eine Stunde Zeit. Was möchtest du gerne tun?“

 

Dracos Laune hob sich sofort, auch wenn er sehen konnte, dass seine Mutter traurig zu sein schien. „Wirklich? Wir können alles tun? Egal was?“

 

Sie lächelte. „Egal was.“

 

„Sogar Eis essen?“ Er wusste, sie hasste die Massen in Florean Fortescues Laden an Kindern mit ihren Eltern.

 

„Ja“, erwiderte sie, „lass uns Eis essen gehen.“

 

**

 

Es passiert, dass eine Person in den ersten frühen Sekunden, in denen sie aufwacht, nicht weiß, wo sie ist, wer sie ist oder was passiert, bis sie tatsächlich die Augen aufschlägt. Draco empfand genau dieses leere Gefühl. Er öffnete die Augen und merkte, dass er sicher und warm in einem Bett lag. Und das war alles, was ihm gerade wichtig war.

 

Und dann erinnerte er sich.

 

Es war nicht Trauer. Trauer wäre der Schuld vorzuziehen gewesen, die er gerade spürte. So war das mit der Schuld. Trauer wurde nach einer gewissen Zeit stumpf, aber Schuld war hartnäckig. Draco kniff hastig die Augen zu, aber sofort spürte er das mächtige Gewicht der Realität auf sich niedersinken. Er wollte die Decke über den Kopf ziehen und im Bett bleiben, bis der Albtraum verging. Er wollte sich einreden, dass er immer noch viele Jahre hatte, um erwachsen zu werden und dass seine blöden Probleme gefälligst warten konnten, bis er erwachsen war, um sich mit ihnen zu beschäftigen.

 

Draco seufzte. Er konnte sich nicht verstecken, von den Problemen und Ängsten, die sich wie folgt darstellten:

 

Er war vom Ministerium erpresst worden, eine gefährliche Aufgabe zu übernehmen.

 

Seine Mutter war umgebracht worden.

 

Die Aurorin, die seine Cousine war, und die er vorher noch nie gesehen hatte, war gekidnappt worden, nur zwei Tage, nachdem er sie kennengelernt hatte.

 

Todesser wollte anscheinend seinen Kopf auf einem Tablett.

 

Er war mit Hermine Granger verheiratet.

 

Marcus Flint, Kapitän der Slytherins, hatte immer gesagt, Draco würde zur Höchstform auflaufen, sobald ein Spiel nicht beschissener und aussichtsloser werden konnte.

 

Und jetzt sah es nicht anders aus.

 

Er setzte sich schließlich auf und verzog den Mund, nachdem die Kopfschmerzen ihn erreicht hatten. Sein Verstand jedoch war glasklar. Die Kopfschmerzen könnte er auch mit einem Stopp im Krankenflügel beheben. Es war wichtig, weiterzumachen. Wenn er nur eine Sekunde aufhörte und darüber nachdachte, was die letzten Momente im Leben seiner Mutter gewesen waren, würde er… dann würde er….

 

Draco schluckte den schweren Kloß in seiner Kehle runter. Nein. Er würde daran nicht denken. Er konnte nicht. Es würde gefährlich werden, wenn er es tun würde. Er fühlte sich ausgelaugt. Seine Schulter schmerzte auch, was bedeutete, er hatte zu lang auf ihre gelegen. Merlin, er fühlte sich wie ein alter Mann, der dringend Urlaub brauchte, in dem ihn niemand zu etwas zwingen würde, bedrohen würde, sich in ihn verlieben würde oder umbrachte, was noch von seiner Familie übrig war.

 

Was noch übrig war, waren nur noch Lucius und Toolip, die loyale Hauselfe.

 

Ironischerweise befand sich sein Vater gerade am sichersten Ort der Welt. Toolip hatte ihren eigenen Zauber, um sich zu schützen, und es grenzte an Wahnsinn, dass Voldemort und seine Leute erraten könnten, welche engen Gefühle Draco für die Elfe hegte.

 

Blieb nur noch Granger. Sie gehört auch zur Familie, oder nicht?

 

Und die Bösen wussten bestimmt davon. Draco war überzeugt, dass sie es wussten. Er musste mit Potter sprechen. Ohne Zweifel hatte der Junge, der keine Haarbürste besaß schon von Narzissas Tod gehört. Snape hatte gesagt, es sei in der Zeitung gewesen. Wahrscheinlich wusste jeder hier schon Bescheid. Aber Draco wusste, Harry wäre bestimmt niemand, der Schadenfreude bekunden würde.

 

Das würde er sogar eigentlich vorziehen. Eine Entschuldigung, Potter ins Gesicht zu schlagen würde ihm gut tun. Aber Draco wusste, die einzige Reaktion von Harry wäre Mitleid.

 

Und damit konnte er nicht umgehen.

 

Draco fühlte, dass nicht mehr viel übrig war, was die Welt nicht wusste. Selbstmitleid war nie etwas gewesen, dem er nähere Beachtung geschenkt hatte. Und es wäre zu verlockend, würde er jetzt damit beginnen.

 

Verdammt, er brauchte Hermine. Wo zum Teufel war sie? Warum war sie nicht bei ihm geblieben? War es nicht genau das, wozu sie in der Lage sein sollte? Sich sorgen, ihn festhalten – all diese kuschelig widerlichen Dinge, die Mädchen wie sie Tag ein Tag aus vollbrachten, um Leute von ihren Schmerzen abzulenken?

 

Er kannte die Antwort bereits, als er darüber nachdachte. Wären sie nicht in Hogwarts, hätte er die Freiheit sie in sein Bett zu holen und eine Woche dort zu behalten, um seine Sorgen zu lindern. Sie würde ihn berühren, küssen und ablenken. Er würde seinen Schmerz in ihren braunen Augen sehen können, denn er war nicht in der Lage, ihn in seinen Augen zu betrachten.

 

Draco mied den Spiegel neben seinem Schrank aus genau diesem Grund. Es war der letzte offizielle Tag ihrer schulischen Ausbildung und dennoch fühlte er nichts weiter als Verwirrung und die Falten seiner nicht gebügelten Schulhose, als er sie anzog. Als nächste band er sich seine Krawatte und spürte nichts von der Feierlichkeit, es das letzte Mal zu tun. Er hatte nicht mehr viele Gefühle, die er opfern konnte.

 

Er hatte eine Entscheidung getroffen, als er gestern Snapes Büro verlassen hatte.

 

Es war keine schwere Entscheidung gewesen, aber es würde eine schwere Aufgabe sein. Draco hatte wenig Hoffnung in das Ministerium gesetzt. Er brauchte echte Gerechtigkeit. Nicht die Gerechtigkeit von Bürokraten oder des Zauberergamots, berechnet und kalkuliert. Er wollte Rache. Es war das einzige, was Sinn machte. Er würde diese letzte Sache für seine Mutter tun.

 

Verdammt, es würde schwer werden. Er hatte kein anderes Kampftraining als den Duellier-Club bekommen, und das war einfach nur lächerlich gewesen. Er hatte seinen Verstand, seine Reflexe und eine Enzyklopädie an gesammelten Zaubern und Flüchen parat. Und er war ein Malfoy. Das allein bedeutete schon, dass er in der Lage war, Grausamkeiten zu tun. Reichte das aus?

 

Es war egal. Er würde diejenigen finden, die für den Tod seiner Mutter verantwortlich waren. Er würde es alleine schaffen, auch wenn es ihn Jahre kosten würde.

 

Sie haben es gewagt seine Mutter anzurühren, dachte er mit frischer Wut. Unglaube vermischt mit Zorn. Haftstrafe war eine Sache. Ein Attentat etwas ganz anderes.

 

Es war die Schuld seines Vaters. Dieser erbärmliche Bastard hatte seine Mutter nicht davon abhalten können, ihn zu verlassen und war dann nicht mal in der Lage gewesen für ordentlichen Schutz zu sorgen.

 

Es war auch seine Schuld. Er hatte sich nicht einmal darum bemüht, sie zu besuchen, nachdem sie ausgezogen war. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, beleidigt zu sein, dass sie ihn verlassen hatte. Vielleicht hatte sie ihn gar nicht wirklich verstoßen und verlassen. Vielleicht hatte sie nur Angst um Sicherheit gehabt und hatte deshalb so viel Distanz wie nur möglich zwischen sich und ihn gebracht. Die Fehler in ihrer Beziehung waren egal. Draco hatte niemals angezweifelt, dass sie sich um ihn sorgte.

 

Um besten dachte er nicht zu viel über ihre Beweggründe nach. Er dachte keine Sekunde darüber nach, dass Narzissa vielleicht nicht wollte, dass er ihren Tod rächen würde. Diese Art von denken passte nicht zu ihnen, zu den Malfoys. Und sie war außerdem noch eine Black. Blutrache wurde praktisch erwartet. Er schuldete es der Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte.

 

Sein Vater hatte getötet, und seine Mutter hatte an seiner Seite gestanden, zugesehen, wenn nicht immer mit Verständnis oder Befürwortung, aber seine Mutter würde es ihren Sohn nicht nachtragen, wenn er sie rächen würde.

 

„Mutter, wo auch immer du bist, ich hoffe, du bist jetzt verdammt noch mal glücklicher als du es mit uns gewesen bist.“

 

Draco nahm an, Gott nahm es ihm nicht übel, dass er sein Gebet mit Blasphemie verband.

 

Gott hatte schließlich einen kranken Sinn für Humor. Er hatte ihm Hermine Granger geschickt.

 

**

 

„Also“, begann Hermine, „wollt ihr irgendwas dazu sagen?“

 

Es war nach dem Frühstück, und Hermine, Harry und Ron saßen an ihrem Lieblingsplatz in der Bücherei, dort wo niemand war. Hermine hatte es als Ort ausgewählt, um es ihnen zu sagen, denn niemand würde hier vorbeikommen, am letzten Schultag.

 

Es war ein wunderschöner Sommertag draußen. Ein guter Tag für schlechte Nachrichten, nahm sie an.

 

Ginny war immer noch beim Frühstück in der Großen Halle und hatte noch keine Ahnung. Hermine hoffte, dass es so am besten war.

 

Sie würde mit den Jungen anfangen, die sich wohl auch am meisten aufregen würden.

 

Harry starrte sie immer noch fassungslos an. Immerhin hatte sich sein offenstehender Mund wieder geschlossen. Ron tat etwas völlig anderes. Er war weggegangen, kam wieder und schritt nun vor den Tischen auf und ab, während missmutig zu Boden starrte.

 

„Ich versuche immer noch zu begreifen, dass du mit ihm an unsere Abschlussfeier abgehauen bist, aber jetzt erschlägst du mich mit der Information, dass ihr verheiratet seid“, erwiderte Harry. Er sah erschüttert aus. Hermine bemerkte, dass er seine Brille abgenommen und sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Er tat das nur, wenn er extrem beunruhigt war oder Kopfschmerzen hatte. Der Ausdruck in seinem Gesicht sagte ihr, dass es sich hierbei wohl um eine Mischung aus beiden Dingen handeln musste.

 

„Und jetzt, wo du es begriffen hast?“, fuhr sie eindringlich fort. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, als hätte sie gerade ihren Eltern erzählt, sie hätte sich nachts aus dem Haus geschlichen, um einen Jungen zu treffen, von dem beide nichts hielten. Es wäre wirklich großartig, wenn sie einfach weitermachen würden mit Oh-mein-Gott-wie-konntest-du-wir-reden-hier-von-Malfoy!

 

„Ich kann nicht fassen, dass du es zwei Wochen vor uns geheim gehalten hast!“ Harry klang sogar beeindruckt.

 

„Ich auch nicht“, gestand sie ihm ein. Rons fehlende Reaktion begann sie langsam zu sorgen. „Ich konnte nie etwas vor euch geheim halten.“ Sie richtete diesen Satz an Ron.

 

„Es wäre in diesem Fall vorzuziehen gewesen“, murmelte Ron schließlich. Immerhin lief er nicht mehr hin und her. Er zog einen Stuhl heran und sank darauf zusammen.

 

Harry trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. „Hast du es Ginny gesagt?

 

„Nein, noch nicht.“

 

„Sag es ihr nicht“, bemerkte Ron. „Sie würde sterben.“

 

Harry schnaubte auf. „Würde sie nicht. Sie wird es besser auffassen als wir. Ich sollte dir sagen, dass wir bereits vermutetet hatten, dass du mit einem Slytherin ausgehst, aber wir haben angenommen es wäre Zabini“, informierte er sie.

 

Hermines Augenbrauen verschwanden unter ihrem Pony. „Blaise? Was zur Hölle hat euch annehmen lassen, es sei Blaise?“

 

Harry klang ungläubig, als er antwortete. „Derselbe Grund weswegen wir niemals angenommen hätten, es sei Malfoy.  Du magst Blaise, und du hasst Malfoy.“

 

„Ich habe ihn nie gehasst, Harry.“

 

„Ja, die Ohrfeige, die du ihm im dritten Jahr verpasst hast, hätte uns täuschen können“, murmelte Harry.


„Es war anders damals.“

 

„In wie fern? Ich könnte Malfoy jeden Woche mindesten einmal schlagen.“

 

Hermine ignorierte diese Aussage. Sie wandte sich an Ron. „Raus mit der Sprache, Weasley.“

 

Und Ron gehorchte. „Bist du verrückt geworden?“ Seine Stimme war jetzt eine Oktave höher. „Wir reden hier von Draco Malfoy! Er ist Abschaum!“

 

Hermine seufzte. Damit hatte sie gerechnet. „Ich fasse zusammen, du bist also dagegen“.

 

„Natürlich bin ich verflucht noch mal dagegen!“, schrie er jetzt. „Hast du vergessen, dass sein Vater versucht hat uns umzubringen?“

 

„Sie ruhig!“, zischte Harry.


„Draco ist nicht sein Vater. Ich wünschte, jeder würde aufhören, das anzunehmen.“

 

„Oh, wir nennen ihn jetzt Draco, hm?“

 

„Na ja, sie sind verheiratet“, bemerkte Harry und sah aus, als wünschte er, er hätte es nicht getan.

 

Ron erhob sich. „Ich glaube, mir wir schlecht…“

 

Hermine funkelte ihn an. „Wo willst du hin? Meine Güte, setz dich einfach wieder. Da ist noch mehr.“ Kurz sah er so aus, als würde er auf der Stelle verschwinden, aber dann setzte er sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Wieso ihn?“, fragte Harry.

 

Sie wollte ihm antworten, hielt dann aber inne. Sie hatte genug Streit mit Ron, besonders wenn er sich weigerte, seinen Verstand zu benutzen. „Glaubt ihr beiden wirklich, ihr seid in der Lage euch meine Antwort darauf anzuhören? Ich bin nicht hergekommen, um von euch verurteilt zu werden. Ich bin hier, weil ich eure Hilfe brauche.“

 

„Und du wirst sie immer bekommen“, versicherte ihr Harry leiser. „Worum geht es? So wie du klingst hat es wohl nichts mit Malfoys Schlafzimmerqualitäten zu tun.“

 

Sie wurde rot. „Nein, natürlich nicht.“

 

„Bist du in Gefahr?“, fragte Harry. Seine grünen Augen, das hypnotischste an ihm, schienen sich in ihren Kopf zu bohren. Sofort schien er seine Intensität zu bemerken und brach die Verbindung ab. Hermine wusste, dass seine Okklumentik-Fähigkeiten zu Tage kamen, wenn er von anderen Antworten wollte.

 

War sie in Gefahr? Die kurze Antwort darauf wäre, ja.

 

„Ja“, flüsterte sie.

 

Ron nickte bereits zornig und war wieder aufgestanden. „Scheiß drauf, Harry! Wir müssen mit ihm reden, nicht wahr? Scheiß Dean und scheiß Seamus sind ja schon abgereist! Wen haben wir noch als Rückendeckung? Hagrid kann uns helfen! Sag Malfoy, er soll und draußen treffen, und-“

 

Harry hatte genug. Er zerrte Ron wieder auf den Stuhl. „Ron, du bereitest mir Kopfschmerzen. Setz dich einfach hin und halt die Klappe.“

 

Hermine schenkte Ron einen angewiderten Blick. „Ich nehme an, euch beiden wäre es lieber, wenn es Blaise wäre, habe ich recht?“

 

„Zabini ist etwas anderes“, unterbrach Harry. „Er ist nicht so wie der Rest von ihnen.“

 

Der Rest von ihnen? Könnt ihr euch reden hören? Genau das ist es, was den verdammten internen Häuserhass aufrecht erhält!“

 

Ron versteckte seine Ungläubigkeit hinter einem Husten. „Oh ja? Und Eltern zu haben, die Leute umbringen fördert nicht den Häuserinternen Häuser…“

 

„Interner Häuserhass“, verbesserte ihn Hermine eiskalt. „Soll ich es dir buchstabieren, Weasley?“

 

Ron wurde knallrot. „Buchstabieren hat dir wohl auch nicht geholfen, als du mit dem Sohn des Teufels ins Bett gestiegen bist, oder?“, knurrte Ron außer sich.

 

„Du musst nicht lauter werden, ich höre dich sehr gut“, erwiderte Hermine nicht minder zornig.

 

„Er behandelt dich anscheinend nicht gut. Sieh dich an!“ Ron deutete auf sie. „Du bist nur noch Haut und Knochen. Du rührst dein Essen nicht an und hast kein Wort mit uns in den letzten Tagen gesprochen!“

 

Hermine Ausdruck wurde finster. Sie sah, wie verletzt Ron war, und sie wusste, warum, aber sie waren alle alt genug, um wie erwachsene zu reden.

 

„Erzähl mir nicht, Schlammblut ist dein neuer, kleiner Kosename geworden“, schnaubte Ron.

 

„Ron!“, begann Harry warnend.

 

„Er hat es dieses Jahr nicht ein einziges Mal zu mir gesagt!“

 

Ron verdrehte die Augen. „Merlin, gebt dem Mann eine Medaille!“

 

Hermine hob abwehrend die Hände. „Ich wusste, du wärst so! Ich wusste, Harry wäre schockiert, aber du! Du würdest jede Entschuldigung nutzen, um auszurasten! Es war das gleiche, als Ginny gesagt hatte, sie würde Seamus mögen – und er ist sogar Gryffindor!“

 

„Es ist nicht dasselbe, und das weißt du! Wir wissen alles, dass Ginny mit Harry zusammen sein will, aber Harry ist nobel und will sie nicht gefährden, was mehr ist, als ich von dir und Malfoy behaupten kann, wenn ihr zusammen verschwindet zu so… unsicheren Zeiten!“

 

„Oh, ich bitte euch…“, begann Harry wieder, diesmal peinlich berührt, dass auch seine schmutzige Wäsche ans Tageslicht gebracht wurde.

 

Hermine schüttelte bloß den Kopf. „Gut gemacht Ron. Ich glaube aber, DASS ES IN HOGSMEADE BESTIMMT NOCH LEUTE GIBT, DIE DICH NICHT GEHÖRT HABEN!“

 

„Wie hast du erwartet, dass wir reagieren?“, entgegnete Ron, und er und Hermine standen nur noch eine Haaresbreite voneinander entfernt, während sie sich anschrien. „Es war schlimm genug, als wir gedacht haben, du würdest heimlich mit dem kalten Fisch Zabini Händchen halten! Ich meine, das hätte vielleicht noch Sinn gemacht. Ihr hättet über Eine Geschichte von Hogwarts sprechen können bis ihr schwarz geworden werdet. Aber das! ES GEHT HIER UM MALFOY, HERMINE! SEIN VATER HAT MENSCHEN UMGEBRACHT!“

 

„SCHREI MICH NICHT AN, RONALD!“

 

Harry bedeutete ihnen still zu sein. Er konnte Schritte hören, die näher kamen, und nahm an, dass Madame Pince vom Lärm angelockt worden war. Er sah auch, dass Hermine den Tränen nahe war. „Ron, beruhige dich wieder!“

 

Ron wandte sich hastig zu Harry um. „Nein, ich werde mich nicht beruhigen, und du, Harry, bist offensichtlich wahnsinnig, wenn du hier sitzt und dich einfach damit abfindest. Sag ihr, dass sie wieder normal sein soll!“

 

Harry erhob sich jetzt ebenfalls. „KANNST DU AUFHÖREN EIFERSÜCHTIGES ARSCHLOCH ZU SEIN UND IHR ENDLICH ZUHÖREN?“

 

„Ich kann nicht fassen, dass du das sagst…“ Ron wich vor Harry zurück als wäre er gefährlich. „Ihr seid beide verrückt. Meine beste Freundin im Bett mit einem Malfoy! Mum wird ausrasten, wenn sie davon erfährt. Wie passend, dass du mit Harry Potter und dem Sohn des Ministers zusammen bist. Das ist es, oder? Natürlich! Woher weißt du, dass er dich nicht bloß-“

 

Es war Hermines Ausdruck, der Ron verstummen ließ. Sie starrte über seine Schulter und wirkte versteinert. Tränen rannen ihre Wangen hinab. Ron wusste, er sollte sich schlecht fühlen, aber das hier ging einfach zu weit.

 

„Weasley“, sagte Draco mit einer Wärme eines arktischen Sturms im Dezember, „solltest du es wagen, diesen Satz zu beenden, bedenke bitte, dass ich mein Bestes tun werde, dich zu einem blutigen Haufen zusammen zu schlagen.“

 

Ron wirbelte herum. Er schien völlig sprachlos, jetzt wo der Grund ihres Streits direkt vor ihm stand. Dann aber trat ein hartes Funkeln in seine Augen. „Malfoy, ich würde dir mein Beileid für deine tote Mutter wünschen, aber das wäre nur aufrichtig, wenn du mir tatsächlich leidtun würdest.“

 

Harry murmelte eine Beleidigung, und Hermine schnappte nach Luft.

 

Draco lächelte.

 

„Ich danke dir vielmals“, eröffnete er. Und dann rammte er Ron die Faust ins Gesicht.

 

**

 

Chapter Thirty-Eight

 

Alles schien gleichzeitig zu passieren.

 

Harry schob praktisch den Tisch zur Seite, um entweder den Kampf zu unterbrechen oder Ron zu Hilfe zu eilen. Hermine hatte sich ebenfalls in Bewegung gesetzt, aber Harry erklärte ihr scharf, dass sie gefälligst zurück bleiben sollte, wenn sie nicht dringend einen Ellbogen im Gesicht sitzen haben wollte. Harry hätte besser selber auf seine Anweisung gehört.

 

Ron, der die Weasley Familien Schule der Geschwisterschlägerein besucht hatte,  hatte bisher nur verdattert Draco angestarrte, ehe er ihm hart vor die Brust stieß. Oder wenigstens versuchte er, dies zu  tun. Er war einen halben Kopf größer als Draco, hatte eine größere Reichweite, aber dennoch wurde schnell klar, dass er nicht so schnell war wie er.

 

Draco wich ihm aus, was bedeutete, dass Ron lediglich in die Luft stieß und gegen Harry fiel, der die volle Wucht des Stoßes abbekam.

 

„Ron, du Idiot“, keuchte Harry vom Boden aus, während er sich die Kehle massierte. Ron wandte sich knurrend um. Mit neuem Tatendrang wollte er erneut auf Draco zustürmen, um ihn zu Boden zu zwingen, aber Harry verhinderte dies, indem er den Fuß hastig ausstreckte, und Ron zu Fall brachte. Ron fiel mit wedelnden Armen und hätte sich bestimmt das Kinn auf der Tischkante aufgeschlagen, hätte Draco den Tisch nicht eilig aus dem Weg geschoben.

 

Hermine Zauberstab ruhte über dem Chaos. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie alle schocken oder eine Wasserfontäne auf sie loslassen sollte.

 

Und dann kam Madame Pince um die Ecke.

 

**

 

Nach einer halben Stunde saßen drei Jungen (zwei freiwillig, einer sehr unfreiwillig) neben Ginny in der Großen Halle, nachdem sie von Madame Pince mit großem Ärger aus der Bibliothek verwiesen worden waren. Die Große Halle war leer, abgesehen von einem Drittklässler aus Hufflepuff, der den ganzen Tag schon die Zeitung las und ein Lied von den Schrecklichen Schwestern summte. Er klammerte sich fest an seinen Tagespropheten als er Ron erkannte, denn er hatte ein anderes Exemplar bereits heute Morgen an den Vertrauensschüler verloren.

 

„Das hier ist privat. Verzieh dich“, knurrte Ron in Richtung des armen Schülers.

 

Harry schenkte dem Jungen einen bedauernden Blick, um den Jungen für die Unterbrechung zu entschädigen. Der Junge verließ die Halle, aber er lächelte halb.

 

Das war Harrys Art.

 

Ginny hörte Harry mit weit aufgerissenen Augen zu, während er ihr die Neuigkeiten berichtete, ohne jede Hilfe von einem recht gleichgültig dreinblickenden Draco. Die Jungen sahen fertig aus. Harrys Haaren lagen wie immer wild, aber er hatte die ersten Knöpfe seines Hemds geöffnet und massierte sich seinen Nacken. Dracos Krawatte hing ihm aus der Hosentasche und sah höchst zerknittert aus. Das weiße Hemd hing komplett aus seiner Hose, und einige Knöpfe fehlten. Am schlimmsten jedoch sah Ron aus, mit seinem blauen Augen, dass innere rot, der äußere Bereich dunkel lila.

 

Harry fehlte sich seltsam, während er Ginny diese intime Geschichte erzählte, während Draco ihm gegenüber saß. Malfoy hatte die Arme vor der Brust verschränkt, mit einem arroganten Lass-mal-sehen-wie-du-die-Sache-händelst-Blick, aber Harry schaffte es, die Geschichte ohne großes Zögern und Räuspern zu erzählen.

 

Die jüngste der Weasleys hörte zu, ohne zu unterbrechen. Ab und an warf sie Draco einen Blick zu, wie um sich zu vergewissern, dass er tatsächlich hier mit ihnen saß und nicht ihrer Einbildung entsprang.

 

Ron und Draco erdolchten sich immer noch mit Blicken.

 

„Wo ist Hermine jetzt?“, fragte Ginny schließlich.

 

„Runter zur Küche. Etwas Eis besorgen“, erwiderte Harry und warf Rons geschwollenem Auge einen hastigen Blick zu.

 

„Tut es weh?“, erkundigte sich Ginny bei ihrem Bruder, eher weniger mitfühlend.

 

Ron verzog grimmig das Gesicht. „Nein, denn er schlägt zu wie ein Mädchen.“

 

Ginny schnaubte auf. „Das letzte Mal, als ich dich geschlagen habe, hast du fast geweint.“

 

„Das ist drei Jahre, wenn ich dich erinnern darf, und du hast mich nicht ins Gesicht geschlagen.“

 

„Es ist unverzeihbar, was du zu ihm gesagt hast“, sagte Ginny jetzt. „Mum wäre angewidert gewesen.“

 

Das M-Wort zu benutzen war immer gefährlich. Harry sah aus, als fühlte er sich nicht wohl, Ron wirkte ebenfalls nervös, und Draco… Ginny beobachtete ihn prüfend. Draco sah gelangweilt aus. Sie fragte sich, ob gelangweilt als zornig bei ihm durchging.

 

Es hatte sie weniger Zeit gekostet als angenommen, um die Neuigkeiten zu verdauen. Natürlich wollte ein Teil von ihr, sich beide Hände vor den Mund schlagen und sofort zu Hermine rennen, um nach Details zu fragen. Harry war nicht gut mit Details, denn er erinnerte sich kaum an irgendwelche. Harry war eher für den vagen Überblick zu begeistern.

 

Ginny wusste natürlich sehr genau, zu was Malfoy in der Lage war – der Schultratsch war der sehr präzise informiert – aber es war eine vollkommen andere Neuigkeit, dass Hermine so risikofreudig war.

 

„Also, warum hast du sie geheiratet?“ Es kam ihr komisch vor, dass noch niemand diese Frage gestellt hatte, aber wahrscheinlich brauchte es dazu ein Mädchen, nahm sie an.

 

Draco schenkte ihr seinen typischen Blick des Missfallens. Dazu mischte sich außerdem eine unausgesprochene Drohung. Es war immer ein bisschen beunruhigend, wenn Malfoy jemandem direkt in die Augen sah. Und das tat er jetzt gerade definitiv. Er hatte wunderschöne Augen, aber sie erkannte, dass seine Schutzschicht nicht leicht zu durchdringen war. Aber Ginny war zu neugierig, um aufzuhören, Fragen zu stellen.

 

„Also?“, bohrte sie weiter.

 

„Ich denke, wir haben den Teil geklärt, indem wir klargestellt haben, dass wir einen Fehler gemacht haben.“

 

„Mit ihr zu schlafen ist wohl ein Fehler gewesen. Sie zu heiraten und Tattoos stechen zu lassen erscheint mir dagegen jedoch… etwas zu krass.“

 

Kurz spannte sich sein Kiefermuskel an. „Hast du die Stelle verpasst, wo wir vollkommen betrunken waren?“

 

Ron schnaubte auf. „Na und? Nachdem, was man hört, seid ihr doch jedes Wochenende so drauf. Es ist schon fast Allgemeinwissen.  Hermine verträgt keinen Tropfen Alkohol. Das müsste dir zumindest klar gewesen sein.“

 

„Willst du damit sagen, was passiert ist, war komplett meine Schuld?“ Draco schoss Ron böse Blicke zu.

 

„Natürlich war es komplett deine Schuld“, platzte es aus Harry heraus. „Du hast sie ausgenutzt!“

 

Ich habe-“, begann Draco außer sich. Er wünschte, er hätte  immer noch die Biss- und Kratzspuren auf seinem Rücken von ihrer ersten gemeinsamen Nacht, um sie den anderen zu zeigen. Ihre Freunde schienen nur zu gerne anzunehmen, Granger sei das arme Opfer in dieser schlüpfrigen Geschichte.

 

Ron sah so aus, als würde er zu gerne den Schlagabtausch mit Malfoy fortführen. „Sie ist auf jeden Fall die unschuldige von euch beiden. Hast du nicht gesagt, du hast ein paar Engelsflügel auf deinem Rücken? Engelsflügel, Malfoy?“

 

Ginnys Gesicht hellte sich auf. „Oh, kann ich es sehen?“

 

„Nein“, schnappten Harry und Ron gleichzeitig.

 

„Sie müssen nicht unbedingt Engelsflügel sein. Viele Kreaturen haben… Flügel.“ Draco wusste, er klang wie ein… Idiot, aber er konnte nicht anders.

 

„Und Hermine hat ein Drachen an einer… intimen Stelle?“, fasste Ginny zusammen. „Etwas offensichtlich, findest du nicht?“

 

„Was? Der Drachen oder die Stelle, wo er sich befindet?“ Draco konnte nicht widerstehen, zu fragen. Ihr Bruder bot eine wunderbare Imitation eines Muggel-Feuerhydranten.

 

„Ich weiß nicht, ob ich wissen will, wohin dieses Gespräch führt…“, murmelte Ron.

 

Draco musterte ihn amüsiert. „Ich glaube, dir wird auch nicht gefallen, wohin der Drachen auf Grangers Oberschenkel führt.“

 

Ron warf Harry einen stechenden Blick zu. „Harry, mach, dass er seine Klappe hält.“

 

„Ich bin es nicht, der ihn über die dämlichen Tattoos ausfragt!“

 

Ginny ignorierte Harry und Ron gleichmütig. „Wusstest du, was Fida Mia ist, bevor ihr tätowiert wurdet?“

 

Draco war kurz davor, ja zu sagen, denn er hatte eine vage Idee gehabt, aber er änderte seine Meinung. Das würde ihnen noch komischer vorkommen. Er richtete die nächsten Worte an Ron. „Ich sehe, deine Schwester ist von derselben Krankheit befallen, wie Granger.“


„Und welche Krankheit wäre das wohl?“, wollte Ron gefährlich leise von ihm wissen.

 

Fragen. Würdest ihr Weasleys euch verpissen, während ich mit Potter spreche?“

 

Ginny gefiel dieser Satz gar nicht. „Hermine ist auch meine Freundin“, beschwerte sie sich. „Ich werde bleiben.“

 

„Das ist kein Gespräch für leicht besaitete.“

 

„Ich bin nicht leicht besaitet“, konterte sie.

 

Draco lächelte freudlos. „Ich habe deinen Bruder gemeint.“

 

„Idiot“, spuckte Ron ihm entgegen.

 

„Weasley“, kam Dracos prompte Retour.

 

Ginny sah Harry hilfesuchend an. “Können wir uns beeilen, und es hinter uns bringen, bevor Hermine kommt?”

 

Harry dachte kurz nach. Nach einer Weile sprach er. „Sie kann den Sommer mit mir am Grimmauld Platz verbringen. Sie wollte ohnehin ihre Eltern besuchen.“

 

„Grimmauld Platz“, wiederholte Draco das bekannte Wort. „Wo hab ich das schon mal gehört?“

 

„Das ehemalige Haus der Blacks?“

 

„Das Haus von Sirius Black, meinst du?“

 

Harrys Augen wurden dunkler. „Ja, sein Haus.“ Harry fragte sich, ob Draco wusste, dass seine Tante Sirius getötet hatte.

 

„Verflucht noch mal, Potter. Du sagst ihr, was sie tun soll, und dann tut sie es gefälligst!“

 

Harry musterte Draco, dessen Ärger nun sichtbar war. „Vielleicht ist es dir entgangen, Malfoy, aber das Mädchen hat ihren eigene Willen?“

 

„Dieser Rekrutierungssache…“, unterbrach Ginny das Gespräch. „Was will das Ministerium genau von dir?“

 

„Wenn man bedenkt, in welchen Kreisen ich mich bewege, glaubt das Ministerium wohl, ich hätte die Chance dem Kopf dieser Sache persönlich das Handwerk zu legen, oder würde wenigstens so nahe dran kommen, die Person zu identifizieren“, erwiderte er. „Es würde auch Sinn machen, abgesehen von der Tatsache, dass ich keine Lust habe, es zu machen.

 

„Verflucht“, sagte Ron, „und du denkst, das hat etwas damit zu tun, dass Tonks verschwunden ist?“ Diese enorme Information von Draco aus schien wirklich mächtig gewesen zu sein.

 

Tonks Verschwinden ernüchterte die Gruppe wieder. „Ja,  das und die Sache mit dem Mal in der Nokturngasse gestern. Es sollte heute in den Nachrichten stehen.“

 

Ron wandte den Kopf zum Hufflepufftisch. „Verdammt! Wo ist der Junge mit der Zeitung?“

 

„Du hast ihm gesagt, er soll verschwinden, weißt du noch?“, erinnerte ihn Ginny gedehnt.

 

„Wie soll man eine Person identifizieren, wenn man keine Ahnung hat, wo man suchen soll?“

 

„Keine Ahnung, Potter“, gab Draco zu. „Aber ich hänge eine Vorschläge-Kasten in der Halle auf. Wenn dir was einfällt, werf einfach eine Notiz ein.“

 

„Mir gefällt das gar nicht. Dad muss echt verzweifelt sein, wenn er sich Hilfe bei Malfoy sucht“, sagte Ginny an Ron gewandt.

 

„Dads Entscheidung stehen hier nicht zur Diskussion“, schnitt Ron ihr das Wort ab. Das war sowieso immer eine der ewigen Streitereien.

 

„Sollten sie aber! Er wird nur solange im Amt sein, wie diese Krisensituation besteht. Es ist ein gewähltes Amt, Ron. Er hat ein Mandat in der Gemeinde.“

 

Jede weitere Diskussion wurde von Hermines Erscheinung unterbrochen. Sie wirkte gehetzt, während sie zwei Kühlpakete in den Händen trug. Sie kam auf sie zu und nickte Ginny entgegen.

 

„Hi, geht’s dir gut?“, erkundigte sich Ginny.

 

Hermine schaffte es, zu lächlen. „Mir geht’s gut. Sie haben es dir also erzählt?“

 

„Ja, haben sie“, gab Ginny sanft zurück. „Komm, setz dich.“

 

„Ja, sofort.“ Hermine betrachtete Rons zugeschwollenes Auge mit Missfallen. Sie platzierte das Kühlpaket auf der Schwellung, ohne besonders liebevoll zu sein. Draco konnte nicht hören, was die Freunde besprachen, denn sie flüsterten, aber er vernahm das Wort Idiot und danach Rons Seufzen.

 

„Aua! Vorsichtig“, zischte er Hermine zu. Er sah zu Draco während dieser nicht sanften Tortur auf. Draco gefiel es, dass der andere seinem Blick nicht lange standhalten konnte.

 

Er sah sie weiterhin an, und seine Augen verengten sich, während er Hermines Hand betrachtete, die über Rons lag, um das Kühlpaket in Position zu halten. Sie sah auf ihn hinab, wie eine entnervte Mutterglucke. Ihre Haare hatte sie nicht zusammen gebunden, und die dichte, schokoladenfarbige Lockenmasse fiel wellig nach vorne über ihre Schlutern, berührte Rons Stirn, und er machte keine Anstalten zurückzuweichen, während sie sich um ihn kümmerte.

 

Es war nicht völlig abwegig, dass Draco Eifersucht spürte. Granger und Weasley hatten eine Vergangenheit. Vergangenheit war ein dehnbarer Begriff. Dennoch konnte er das ungute Gefühl nicht abschütteln.

 

Dracos Gedanke verflüchtigten sich jedoch, als sie schließlich fertig war, und ihren Weg fortsetzte. Direkt zu ihm.

 

Sie setzte sich neben ihn, ergriff seine linke Hand, legte sie in ihren Schoß und platzierte das zweite Kühlpaket auf seinen roten Knöcheln. Er bemerkte, wie er bestimmt eine Minute auf ihre schmale Hand hinunterblickte, die seine Finger umschlossen hielt.

 

„Wie geht es dir?“, sagte er eilig, fast rau. Er wusste nicht, woher diese Frage gekommen war. Er hatte es ich gefragt und hatte es dann plötzlich laut geäußert.

 

Hermine warf ihm einen prüfenden Blick zu. Ihre Augen verheimlichten ihm nichts. Sie war lächerlich leicht zu lesen. „Ich sollte dir diese Frage stellen. Hast du genug geschlafen?“, flüsterte sie und strich mit dem Daumen über seine Knöchel.


„Ja“, log er.

 

Ron, Ginny und Harry starrten sie beide praktisch an. Ron und Harry wirkten vollkommen perplex, Ginny eher nachdenklich.

 

Hermine bewegte sich auf ihrem Platz, unangenehm berührt, denn ihr fiel jetzt erst ihr Publikum wieder ein. „Was soll das heißen, ich soll im Grimmauld Platz bleiben?“

 

„Malfoy glaubt, du wärst dort sicherer. Oder im Fuchsbau“, fügte Harry hinzu. „Und ich stimme mit ihm überein“, ergänzte er, als er ihren Schmollmund bemerkte.

 

„Das ist ungünstig“, erwiderte Hermine in ihrem Schulsprecher-Tonfall. „Ich werde euch beide besuchen, aber es steht nicht zur Debatte, dass ich im Fuchsbau oder im Grimmauld Platz eingeschlossen werde, den ganzen sommerlang.“ Sie wandte sich an Draco. „Ich werde dir helfen, ob es dir gefällt oder nicht.“

 

„Nein wirst du nicht! Du wirst dich von mir fernhalten, bis das erledigt ist!“

 

„Und wie lange schätzte du wird das wohl dauern?“, gab sie gereizt  zurück.

 

„Ich würde gerne mit Malfoy darüber reden, wenn es dir nichts ausmacht?“, unterbrach Harry sie.

 

Die anderen drei sahen ihn an. „Allein. Was bedeutet ihr Weasleys und Hermine verschwindet endlich“, erläuterte Harry streng.

 

Ginny hatte verstanden. Sie schlug Ron leicht zwischen die Schulterblätter und erhob sich. „Ok. Wir sind im Gemeinschaftsraum. Komm, Hermine.“

 

Es war deutlich, dass weder Hermine noch Ron gehen wollte, aber nach einer kurzen Pause erhoben sich beide schließlich und folgten Harrys Anweisung.

 

Nachdem sie gegangen waren wandte sich Harry an Draco. Seine grünen Augen nachdenklich.


„Komm, Malfoy. Lass uns frische Luft schnappen.“

 

**

 

Harry hat das tatsächlich wörtlich gemeint.

 

Die Schulbesen waren langsam und alt und abgegriffen an den Stielen, aber sie flogen, und das war alles, was wichtig war.

 

Harry fühlte sich sofort leichter, als seine Füße den Erdboden verlassen hatten. Ohne Frage ging es Malfoy ähnlich. Es war ein guter Tag, um draußen zu sein. Sie hielten ungefähr hundert Meter über der Erde inne, wo die Luft kühl und trocken war. Draco machte einen dreihundertsechzig Grad Rückwärtssalto, um  die Steuerung des Besens zu lockern, denn er zuckte die gesamte Zeit.

 

Harry sah ihm zu. Und wenn er seine Meinung sagen müsste, dann würde er sagen, dass Malfoy gut aussah. Es war nichts, was ein heterosexueller Junge über einen anderen laut sagte, aber Harry interessierte es, was Hermine an Malfoy anziehend fand.

 

Je länger er darüber nachdachte, umso weniger Möglichkeiten kamen in Betracht. Abgesehen davon, dass er schon gut aussah. Seltsam, Harry hätte nie angenommen, dass Hermine die Art Mädchen war, die sich von einem hübschen Gesicht beeindrucken ließ.

 

Malfoys Haare waren lang, aber nicht so lang wie Rons. Aber Rons Haare konnten am besten als ungekämmt und niedlich strähnig bezeichnet werden (so wie es eine junge Bewunderin getan hatte), und Dracos Haare hingegen waren eher elegant ungebändigt. Er musste ein Vermögen für seine Friseurbesuche ausgeben.

 

Harry verzog den Mund. Er klang schon wie eine Schlagzeile der Hexenwoche.

 

Und Malfoy wusste, wie man gut in Kleidung aussah. Sei es die Quidditchuniform oder die Schulsachen. Er trug eine gelassene Zuversicht in der Art, wie er sich präsentierte. Als würde er nicht wissen, was es bedeutete, sich unwohl bei irgendwas zu fühlen, und es störte ihn auch nicht an anderen. Es störte Harry. Malfoy war zwar ein Teenager, aber ohne die lästigen Selbstzweifel.

 

Jetzt schwang Draco ein Bein über den Besen, so dass er ihn nicht mehr ritt, sondern lediglich die Beine baumeln ließ. Sie schwebten still in der Luft.

 

Es war egal, wie gut der Bastard auf einem Besen zurechtkam. Wenn es etwas gab, dass Harry ziemlich genau wusste, dann, dass er, Harry, besser war.

 

Die Liebe zum Quidditch jedoch würde nicht ausreichen, um eine Freundschaft darauf zu gründen. Harry war sich sicher, dass er Draco niemals würde leiden können, egal wie gern Hermine ihn mochte.

 

Über manche Sachen konnte nicht hinweggesehen werden.

 

„Danke, dass du Ron vorhin geholfen hast. Ich glaube nicht, dass er gemerkt hat, dass er sich das Gesicht an dem Tisch zerschlagen würde, bevor du ihn weggezogen hast.“

 

Draco schnaubte auf. „Ja, das liegt vielleicht daran, dass der Tisch kein Paar Brüste besitzt.“

 

Harry musste grinsen. Ron würde keine Unterstützung von Harry in dieser Hinsicht erhalten. „Hm, ja, also hast du das bemerkt?“

 

„Hast du mich raus gebeten, um über Weasleys alles andere als subtile Gestarre zu reden?“

 

„Denkst du darüber nach, die Menschen zu finden, die für den deiner Mutter verantwortlich sind? Ich würde gerne helfen.“

 

„Danke, Potter. Aber ich glaube, du hast genug damit zu tun, mit Lord Volde-Fuck zu kämpfen, um deine eigene Mutter zu rächen.“

 

Malfoys Art, immer direkt zu sein, war etwas beunruhigend. Es kostete Harry einen Moment, um sein emotionales Gleichgewicht wieder zu finden. „Wenn du es so betrachtest, sind wir hinter denselben Leuten her. Es sei denn, du denkst, in deinem Fall handelt es sich nicht um Todesser.“

 

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Voldemorts Leute dafür verantwortlich sind, aber das bedeutet noch lange nicht, dass wir unsere Kräfte vereinen, oder etwas ähnlich Blumiges. Ich weiß, mir wird etwas einfallen, aber bis dahin, halt Granger von mir fern.“

 

Harry verengte die Augen. „Sie ist kein Objekt, das du ins Regal stellen kannst, wenn sie dir zu anstrengend wird, Malfoy.“

 

Draco verzog grimmig das Gesicht. Sein Besen begann zu vibrieren, und er beruhigte ihn abwesend mit der Hand. Seine Stimme hatte sich dunkler gefärbt als er sprach. „Wenn du nichts Besseres weißt, dann verpiss dich. Ich verschwende nicht noch mehr Zeit, dir die Situation zu erklären. Sie wird mich nicht von dem ablenken, was ich tun muss.“

 

„Oh, ich verstehe die Situation! Aber ich denke, du musst erst begreifen, was sie dir bedeutet, bevor du diese Aufgabe erledigst, denn wenn du erfolgreich bist, wirst du nicht derselbe sein, der zurückkommt. Und es wäre vielleicht hilfreich, wenn sie wüsste, wie lange sie warten muss.“

 

Sie muss verflucht noch mal gar nichts tun!“, zischte Draco.

 

Etwas in Dracos Augen, ließ Harrys Blut gefrieren. Sehr plötzlich wurden Harry Dracos Beweggründe klar, denn es waren auch die seinen Beweggründe. Es ging nicht darum, wann er zurückkam. Die Frage war, ob er zurückkommen würde.

 

„Du glaubst nicht, dass du wiederkommen wirst, richtig?“, erwiderte Harry, ohne seine plötzlich Einsicht zu verbergen.

 

„Dieses Gespräch ist beendet“, schloss Draco und drehte den Besen herum, um zu verschwinden.

 

Aber Harry schoss nach vorne, um ihn aufzuhalten. „Ich weiß, was du denkst. Was zur Hölle kann ich dir schon sagen? Mein eigenes Leben ist kompliziert genug.“


„Wenn du die Sache mit Alice Crowley aus Hufflepuff vergangenen Monat meinst, dann ist das eher eine Untertreibung, Potter!“

 

Harry spürte, wie er rot wurde. Er griff nach Dracos Besenstiel, als es danach aussah, als ob er abhauen wollte. „Hör zu, ich liebe Ginny. Aber mit ihr zusammen zu sein, würde sie einer Gefahr aussetzen, von der ich glaube, dass du sie auch nicht für Hermine willst. Und ich bin nicht aus Stein. Alice hatte weder Hoffnungen oder Erwartungen in unsere kurze Beziehung gesetzt. Es war sicher für mich, mit ihr etwas anzufangen.“

 

„Warum erzählst du mir all das?“, wollte Draco leise wissen.


„Weil ich gerade begriffen habe, dass du nicht ein komplett selbstsüchtige Bastard bist, wovon ich eigentlich ausgegangen war.“ Harry machte eine wirkungsvolle Pause. „Und ich glaube, das musst du auch begreifen.“

 

Harry war sich sicher, er würde gleich beleidigt oder geschubst werden. Nichts davon passierte. Malfoy schien keine Munition für Harry parat zu haben.

 

„Wenn sie dir etwas bedeutet, dann halt sie von mir fern“, erklärte Draco mit gerunzelter Stirn, ohne ihn anzusehen.

 

Und dann verschwand er.

 

**

 

~ Chapter Thirty-Nine ~

 

Goyle stand am Anfang des Korridors zu den Kerkern und wurde nagenden Zweifeln überwältigt.

 

Er sollte hier nicht sein. Nein, er sollte eigentlich drei Etagen höher befinden und ein Doxy-Nest entfernen, dass unter einem Balken gemütlich größer wurde und dessen Bewohner fragwürdigen Unrat auf Leute warfen, die das Zimmer betraten.

 

Das natürlich neben dem Beißen, was wohl eher eine typische Doxy-Eigenart war.

 

Sie waren irgendwo im Norden von Wales, in den Überbleibseln von einer römischen Burg, die später der Versuch eines Zauberer-Schlosses geworden war. Ein magisches Schloss, natürlich. Blaise hatte ihm natürlich nicht die exakten Koordinaten der Todesser-Baracke genannt, bis sie durch einen Portschlüssel aus Hogwarts diesen Sonntagmorgen angekommen waren.

 

Es gab einen Baum im Dunklen Wald, etwa zehn Minuten hinter der Apparierschutz-Grenze des Schlosses. Das seltsame war, dass Goyle direkt an der Eberesche vorbeigelaufen wäre, ohne irgendetwas Seltsames an dem Baum zu bemerken, hätte Blaise ihn nicht darauf aufmerksam gemacht.

 

„Sie ist schön, nicht wahr?“

 

Dieser Baum war das verdammt noch mal Gruseligste, was er in seinem ganzen Leben gesehen hatte.

 

Danach war es einfach unmöglich, diesen Baum nicht zu bemerken. Er stand da, voller schwarzer Magie, beinahe pulsierend vor Bösartigkeit.  An einem niedrigeren Ast hing eine eiserne Kette mit einer kleinen goldenen Münze.

 

Blaise hatte gegrinst und gesagt, dass dies der Portschlüssel zu der Todesser-Baracke sei.

 

Ah, das war also der Grund, dass Blaise einfach hin und her reisen konnte mit einer solch scheinbaren Leichtigkeit.

 

Die „Baracken“, wie Blaise sie nannte, sahen etwas trist aus, um ehrlich zu sein. Goyle hatte gefragt, wie Voldemort diesen Ort ausgemacht hatte. Gerüchten zufolge war Tom Riddle an einem schönen Sommertag in den Sechzigern direkt in die östliche Schlossmauer hineingelaufen, als der Illusionierungszauber seine Wirkung zu verlieren begann und ein zerfallenes, jedoch nützliches, Versteck offenbarte.

 

Es gab vierzehn Zimmern in der Baracke, auf drei Stockwerken verteilt. Das Gemäuer wäre bestimmt schon vor Jahren in sich zusammengefallen, wäre es nicht aus Stein. Die Wände bröckelten an manchen Stellen, und ab und zu gab es mannsgroße Löcher in den Wänden der Halle, aber es war die Art von Gebäude, von denen ältere Menschen behaupteten, so etwas würde heute nicht mehr gebaut werden.

 

Der Boden der Burg war unumstößlich.

 

Die Stufen jedoch, die in den zweiten Stock führten waren allesamt vermodert. So sehr, dass Goyle tatsächlich Angst um sein Leben gehabt hatte, als er sie das erste Mal benutzt hatte. Er hatte seinen Zauberstab nicht eine Sekunde losgelassen, für den Fall, dass ein schneller Leviosa gebraucht wurde, falls die Dielen unter seinem bedenklichen Gewicht nachgaben.

 

Ansonsten gab es noch zwei unterirdische Stockwerke. In einem waren die Kerker und außerdem ein Zaubertränke-Labor, welches aber seit den Siebzigern nicht mehr benutzt wurde.

 

Zumindest die orange-grüne Tapete ließ darauf schließen.

 

Bedauerlicherweise stellte sich der Doxy-Unrat im höchsten Stockwerk als zweihundert Jahre alte Fäkalien heraus. Es lag auf der Hand, dass die Doxy-Nester verschwinden mussten. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass Voldemort tatsächlich ihrem Versteck einen Besuch abstattete, war es undenkbar, dass er – wortwörtlich – mit Scheiße beworfen wurde.

 

Einen Nachmittag mit schlichter Hausarbeit zu verbringen war Goyle recht. Er würde jeden handwerklichen Job übernehmen, der ihm zugeteilt wurde. Er war noch nicht bereit , Jobs außerhalb zu erledigen, aber dann wiederum hatte ihm Blaise versichert, das müsse er gar nicht erst.

 

Sie würden ihn umbringen, wenn sie wüssten, was er zwischenzeitlich plante. Und auch noch an seinem ersten Tag . Und es wäre auch kein schneller, unspektakulärer Avada Kedavra. Da wäre sehr viel Schmerz. Und sehr viel Geschrei, wahrscheinlich. Es wäre die Art von widerlichem Tod, vor dem Pansy ihn gewarnt hatte.

 

Pansy.

 

Bloß an sie zu denken, ließ ihn beinahe seinen Kopf gegen die Wand schlagen und noch einmal überlegen, ob er wirklich tun sollte, was er tat.

 

Eins nach dem anderen, befahl er sich streng. Er war nicht gut mit Multi-Tasking, und er musste sich auf eine Sache konzentrieren, wenn er vorhatte, hier in einem Stück rauszukommen.

 

Goyle fuhr mit der Hand über seinen schlechten Haarschnitt (er hatte dem Frisör gesagt, er wollte die Nummer 2, aber wahrscheinlich standen alle Nummern für einen beschissenen Schnitt), bevor er zu der Zelle der Aurorin schritt.

 

Nymphadora hieß sie. Er hatte es Bob den Wärter sagen hören. Bob war nicht sein echter Name. Er war als Hilfe eingestellt worden und hatte das Unglück einen sechssilbigen Namen zu tragen, indem auch noch die Buchstaben X, L, T und C gleichermaßen unaussprechbar vorkamen.

 

Die verdammten walisischen Namen waren einfach nicht auszusprechen. Deswegen nannten sie ihn meistens Bob.

 

Die Aurorin sah nicht aus wie eine Nymphadora. Er wusste zwar nicht, wie eine solche auszusehen hatte, aber er stellte sich eine fülligere, blonde Erscheinung vor, die kicherte und viel flirtete.

 

Und sie war nicht in einer Kicher-Stimmung gewesen, das letzte Mal als Goyle sie gesehen hatte.

 

Aber das war verständlich, hatte er sie doch bewusstlos schlagen müssen. Zusammenfassend war es ein schrecklicher Donnerstagabend gewesen.

 

Goyle war zehn Minuten zu spät zu seinem Treffen mit Blaise erschienen. Der tatsächliche Plan wäre gewesen, dass Blaise Goyle zu den Baracken bringen sollte. Stattdessen kam Goyle gerade nur noch rechtzeitig, um zuzusehen, wie ein geschockter Blaise in die Obhut des Ministeriums gebracht werden sollte.

 

Nur dass Blaise zu diesem Zeitpunkt Draco gewesen war. Das hatte auch zu Goyles kompletter Verwirrung mitbeigetragen, denn er hatte noch nicht gewusst, dass Blaise ein Metamorphmagus war. Der Bastard hatte vergessen ihn aufzuklären.

 

Es hatte vorher noch ein Problem  gegeben, und der andere Auror war über den Portschlüssel direkt in seinen Tod katapultiert worden.

 

Blaise hatte ihm von diesen Dingen erzählt und war selber überrascht über seine komplette Gleichgültigkeit. Er hätte sich lieber in jemanden verwandelt, der freundlicher war, als Draco Malfoy.

 

Wenn dem so gewesen wäre, hätten ihn die Auroren vielleicht mit einer schlichten Warnung passieren lassen. Goyle war geneigt gewesen, ihm recht zu geben. Draco zu sein war so ähnlich, wie ein großes Schild mit sich rumzuschleppen, auf dem stand: HEY! HIER! SIEH MICH AN!

 

Es war nicht wirklich Dracos Fehler. Er zog die Aufmerksamkeit auf sich, egal, wohin er ging. Na ja, es war seine Schuld, wenn er negativ auffiel – was so ziemlich überall der Fall war. Aber das war der Segen und der Fluch ein Malfoy zu sein. Und Goyle hatte sich gefragt, wie oft Blaise schon mal in der Schule in einer anderen Haut umher spaziert war.

 

Es war eine schrecklich praktisch Fähigkeit, die man besitzen konnte. Kein Wunder, dass Voldemort ihn haben wollte.

 

Blaises Identität war vielleicht noch ein Geheimnis, aber die Aurorin hatte Goyles Gesicht gesehen, und es war ein zu großes Risiko gewesen, sie fliehen zu lassen. Und deshalb hatte Goyle sie nieder geschlagen und war dann in eine Panik ausgebrochen, mit der Sorge, die Frau getötet zu haben.

 

Er hatte immerhin einen ordentlichen Treiber-Schlag drauf.

 

Ein benebelter Blaise ist schließlich danach erwacht. Er war zu der Aurorin gekrochen, während seine Blick praktisch Eiswürfel in seine Richtung geschossen hatte, als wäre es Goyles verdammte schuld gewesen, dass der Plan nicht so stattgefunden hatte, wie abgesprochen. Er hatte ihn informiert, dass die Aurorin jedoch noch ziemlich am Leben wäre (was aber vielleicht bald schon nicht mehr der Fall sein würde).

 

Und so war Nymphadora Tonks von einem rekrutierenden Todesser und seinem nicht ganz so talentierten Todesser-Auszubildenden gefangen genommen worden. Die ganze Sache hätte für sie beide noch wesentlich schlimmer ausgehen können, hätte Goyle anders gehandelt.


„Deine erste Gefangene“, hatte Blaise schließlich mit einem makabren väterlichen Stolz eingeräumt.

 

Dieser Vorfall hatte Blaises vorangegangene Zweifel was Goyles Beitritt anging zerschlagen.

 

Er war nun ganz offiziell mit dabei.

 

Blaise war nach Hogwarts zurückgekehrt. Scheinbar für einen letzten Besuch. Das war gut, denn es bedeutete, Goyle hatte eine Sorge weniger. Aber dann gab es immer noch Travers und Wurmschwanz, die die Baracke für Bellatrix Lestranges Ankunft herrichteten.

 

Wurmschwanz, Travers, Bellatrix… der Dunkle Lord. Es war seltsam, diese Leute mit ihm selber in Verbindung zu bringen. Goyle war mit Geschichten über diese Leute aufgewachsen. Für einen kleinen, unwichtigen Jungen waren diesen Namen mit immenser Bedeutung gewesen.

 

Es hatte Goyle erschrocken, herauszufinden, dass Blaise nicht der einzige war, der Todesser rekrutierte. Es gab noch zwei in der Beauxbatons Akademie und dem Durmstrang Institut. Es war riskant, aber dennoch clever weitere Leute in anderen Schulen unterzubringen. Welcher Weg war besser, um weitere Kandidaten zu finden?

 

Sie erwarteten noch zwei neue Anwärter von Beauxbatons und sechs weitere von Durmstrang. Goyle fragte sich, wer für all die neuen Anwärter aus Durmstrang verantwortlich war. Die Zahl war beachtlich. Dann wiederum hatte Blaise jedoch erwähnt, dass Bellatrix dort gewesen war, um sie auszuwählen.

 

Voldemort wollte Qualität, nicht Quantität. Sie würden dem Dunklen Lord nicht vorgestellt werden, bevor Bellatrix sie nicht bewertet hatte.

 

„Was passiert, wenn sie einen von uns nicht leiden kann?“, hatte Goyle Blaise gefragt.

 

„Du stirbst.“

 

Natürlich würde man sterben. Goyle hatte sich dumm gefühlt, überhaupt gefragt zu haben. Bellatrix war nicht die Person, die Kandidaten mit einem Handschlag und den Worten „Vielen Dank für Ihre Bewerbung, aber alle Plätze sind zurzeit belegt“ wieder nach Hause schickte.

 

Goyles Zweifel währten nicht viel länger an. Er brauchte noch eine Minute, ehe er sich selber überzeugt hatte, dass niemand die Stufen hinab kam, um die Aurorin zu inspizieren. Zumindest nicht jetzt gerade. Bob war im Dorf, Lebensmittel kaufen, aber er wäre bald zurück.

 

Es hieß, jetzt oder nie.

 

Während Goyle das Knäuel an Angst runterschluckte, das sich in seiner Kehle gebildet hatte, eilte er den Korridor hinab und blieb vor der Zelle stehen. Sie war in der Zelle, die am nächsten am Ausgang lag, es war also kein weiter Weg.

 

Er öffnete vorsichtig den Schlitz und spähte ins Innere. Es war dunkel.

 

„Psst!“

 

Es kam keine Antwort. War ihr schon jetzt etwas zugestoßen? Goyle versuchte es erneut.


„Psst! Du da! Dracos Cousine!“

 

Auroren waren gut trainiert. Er hatte das unterschätzt. Eine Hand schoss aus der Dunkelheit vor dem Schlitz hervor und schloss sich um Goyles breiten Nacken.

 

Sie hatte einen beeindruckend harten Griff. Für eine Frau.

 

„Du bist derjenige, der mich geschlagen hat!“, sagte sie.

 

Er konnte ihr Gesicht teilweise durch den Schlitz erkennen. Ihre hellbraunen Augen spuckte Feuer in seine Richtung. Sie sah schlechter aus, als das letzte Mal, aber das war nur verständlich. Ihre Lippen waren leicht aufgesprungen, und ihre vorher noch blaubeerfarbenen Haare wirkten eher wie Lavendel. Sie hatten ihr weder etwas zu essen, noch zu trinken gegeben.

 

Goyle zog sich aus ihrem Griff zurück, hustete kurz und sah sie zornig an. „Ja, ich weiß. Ich bin hier, um dich zu retten!“

 

Diese Information jedoch, trug erstaunlicherweise nicht dazu bei, sie in ein dankbares Wesen zu verwandeln. Goyle wurde wieder daran erinnert, wie absolut wenig er über Frauen wusste.

 

Sie sah misstrauisch aus. „Hier sitze ich und bete für ein kleines bisschen Hilfe, und die großen Mächte schicken mir eine enorm große Zeitverschwendung. Verpiss dich, Fettie.“ Die undankbare Schlange schenkte ihm sogar noch einen abschätzenden Blick.

 

„Du verstehst es nicht! Ich bin hier, um zu helfen!“ Und er war nicht fett. Er hatte große Knochen, verdammt.

 

„Und woher soll ich wissen, dass das kein Trick ist? Wieso solltest du mir plötzlich helfen?“

 

Goyle wusste, er hätte diese Frage erwarten sollen. Offensichtlich traute sie ihm nicht. „Ich nehme an, du wirst nicht wissen, ob es ein Trick ist oder nicht. Hör zu, ich bin Dracos Freund. Du bist Dracos Cousine, und deswegen helfe ich dir, zu entkommen. Was vorher passiert ist, war unvermeidbar, aber ich bin hier, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Reicht das als Erklärung?“

 

Sie antwortete nicht sofort. „Goyle, richtig?“

 

„Ja.“

 

„Gut, dann lass mich raus.“ Sie wich vor der Tür zurück, um ihm Platz zu machen, für was auch immer er jetzt vorhatte.

 

Goyle schüttelte den Kopf. „Nein, nicht jetzt sofort. Wir können es nicht sofort machen, weil sie wissen werden, dass ich es war. Ich bin angewiesen, dich zu einer bestimmten Zeit nach oben zu bringen. Wenn es soweit ist, wirst du es so aussehen lassen, als hättest du dich gewährt und mich überwältigt. Ansonsten steht mein Leben auf dem Spiel“, fügte er hinzu, falls sie annahm, dass für ihn kein Risiko bestand.

 

Er schob einen flachen Stein durch den Schlitz. Es war dieselbe Art von Materie aus der das gesamte Schloss war. Es war also anzunehmen, dass der Stein von der Wand in ihrer Zelle gebröckelt sein konnte.

 

Sie nahm den Stein, und dann herrschte Stille. Er fragte sich, ob sie erwartete, dass er ihr noch irgendetwas gab.

 

„Was zur Hölle soll das sein?“

 

Goyle hatte angenommen, dass dies offensichtlich war. „Das ist deine Waffe, mit der du mich bewusstlos schlägst.

 

„Das ist dein Plan?“, zischte sie.

 

Er konnte nicht fassen, dass er gerade von der Person beschimpft wurde, dessen Leben er retten wollte. Waren alle Frauen verrückt? „Fällt dir etwas Besseres ein? In ein paar Stunden wird Bellatrix Lestrange dich umbringen. Wenn du dich gerne auf sie einlassen möchtest, dann bitteschön!“

 

„Du scheinst ein netter Junge zu sein. Warum bist du hier bei diesen Leuten?“

 

„Das geht dich nichts an.“

 

„Komm mit mir.“ Ihr Gesicht war wieder im Schlitz erschienen. „Ich werde dafür sorgen, dass sie Gnade walten lassen, wenn du ihnen Informationen zukommen lässt. Du weißt offensichtlich genug über diese Organisation, dass du von großem Wert für uns sein könntest.“

 

Goyle schaffte es, das erste Mal heute zu lächeln. „Oh, keine Sorge. Das wird passieren. Nur noch nicht jetzt.“

 

Die Aurorin schenkte ihm einen gereizten Blick. „Hör zu, Junge, das ist ein verdammt beschissener Job, den du gewählt hast. Was, wenn sie rausfinden, dass du mir geholfen hast? Sie werden dich umbringen!“

 

Ach wirklich. Er antwortete nicht. Die Zeit war um. Bob wäre jede Minute zurück.

 

„Ich komme später, um dich zu holen. Mach dich bereit.“

 

Vielleicht glaubte sie, dass es nicht funktionieren würde, denn sie bedankte sich nicht, als er ging.

 

Das war schon in Ordnung. Das hatte er auch nicht erwartet.

 

**

 

Hermine stand draußen neben der Hütte für Quidditch-Zubehör und wartete auf Draco. Sie lehnte an der Tür, Arme und Beine verschränkt und starrte ernst auf den Rasen vor sich. Sie musste tief in Gedanken versunken gewesen sein, denn sie registrierte ihn erst als er vor ihr stand.

 

Sie blinzelte zu ihm auf, das Licht blendete sie.

 

Die Sonne wirkte Wunder für sie, dachte Draco. Sie war kein Geschöpf, das Gewitterstürme, Regen und Tage drinnen bevorzugte, so wie er. Winter war seine liebste Jahreszeit. Es hatte etwas Besinnliches. Sommer war zu aufdringlich. Frühling zu optimistisch.

 

Die Farben, die sie trug, waren definitiv herbstlich. Und das mochte er sehr.

 

Die Sommersonne ließ ihre Haare Whiskeygolden glänzen und betonte ihre dichteren Locken. Sie hatte mehr Farbe auf den Wangen, was ihm positiv auffiel.

 

„Ich dachte, ich müsste eine ganze Weile warten“, informierte sie ihn. Sie klang schlecht gelaunt. „Harry ist also mit dir fertig.“

 

Draco fasste die Worte so auf, als dürfe er erst mit ihr reden, wenn Potter fertig mit ihm war. „Wir waren fertig, ja.“ Er legte den Besen über die Schulter und blickte bedeutungsvoll zur Tür. Sie blockierte sie.

 

„War es ein gutes Gespräch?“, fragte sie, ohne sich zu bewegen. Ihr Ton war freundlich, aber ihr Ausdruck war besorgt.

 

„Wenn du mit gut sinnlos meinst…“ Draco griff hinter sie und erreichte den Türgriff. Er war erleichtert, dass sie zur Seite wich.

 

Sie folgte ihm ins Innere und sah zu, wie er den Schulbesen an die Wand hing. Als er fertig war, sahen sie sich an, in der dunklen, engen Hütte.

 

„War da noch etwas, was du besprechen wolltest?“

 

„Noch etwas?“, wiederholte sie. „Vergib mir, wenn ich etwas paranoid werde, wenn es darum geht, dass du verschwinden willst, ohne irgendeinen Abschied oder Hinweis, wo du sein wirst. Aber ich bin nicht blöd. Ich habe eine Ahnung, was du vorhast. Wir haben… ich weiß nicht, Momente, nehme ich an. Diese winzigen Sekunden, wenn ich glaube, wir verstehen uns. Und dann hörst du diese schrecklichen Neuigkeiten von deiner Mutter“, fügte sie sanfter hinzu. „Und dann sind wir wieder direkt am Anfang, wo ich hinter dir her rennen muss, und dich bitten muss, langsamer zu laufen und wieder neben mir zu sein.“

 

Sie zögerte und verzog den Mund wegen ihrer gewählten Metapher. „Ich habe keinen Stolz mehr, Draco. Keinen! Was von meinem Stolz übrig geblieben ist, hat seine Sachen gepackt und ist an einen ruhigeren Ort verschwunden.“

 

Ihr Ausbruch hatte ihn nicht unbedingt erschrocken, aber sie wirkte verängstigt und legte eine Hand über ihre Stirn.

 

„Es tut mir leid. Ich habe es satt mir Sorgen zu machen. Um uns. Mich um dich zu sorgen ist neu  für mich.“ Ihre ehrliche Verzweiflung war liebenswert. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin der Beziehungstyp.“

 

„Das hatte ich schon vermutet“, murmelte er. „Hör mal, meine Gedanken sind zurzeit nicht die besten…“ Draco war gerade sehr ehrlich. Und sie wusste das. „Ich brauche Zeit.“

 

Hermine nickte. „Ich verstehen. Wirklich.“

 

Sie sagten nichts weiter für eine ganze Minute. Mit einem resignierenden Seufzen wandte sich Hermine von ihm ab.

 

Und irgendetwas brannte in ihm durch. Vielleicht war es irrationale Panik, weil sie ging. Blind griff er eine Handvoll ihrer Bluse und hielt sie fest.

 

Sie sahen bestimmt albern aus, wie sie einen halben Meter entfernt voneinander standen und er eine Handvoll weißer Baumwolle umklammert hielt.

 

„Hermine…“, sagte er zu ihrem Rücken.

 

„Du kannst loslassen“, erwiderte sie mit harter Stimme.

 

Er klang verzweifelt. „Ich kann nicht. Das ist mein Problem, oder nicht?“

 

Sie weigerte sich, sich zu bewegen. „Ich will, dass du dir die Zeit nimmst, die du brauchst, aber gib mir keine unterschiedlichen Zeichen mehr. Ich schwöre, Draco Malfoy, du treibst mich in den Wahnsinn!“

 

„Ich weiß. Komm her.“

 

„Nein“, schnappte sie. Aber es folgte ein hoffnungsvolleres: „Warum?“

 

Ehrlichkeit war das Prinzip der Unterdrückten, dachte Draco. „Weil ich dich küssen will.“

 

Sie hielt inne. „Und dann was?“

 

„Und dann… dann kannst du mich zwingen, dir jedes Versprechen zu geben, was du hören möchtest. Macht dich das glücklich?“

 

Gott, ja! „Ja!“, hauchte sie, und ihre Erleichterung war greifbar. Sie warf sich selber in seine Arme.

 

Draco hielt sie fest. Er genoss ihren Duft, die weichen Locken unter seiner Nase, und ihre Arme, die fest um ihn geschlungen waren. Sie zitterte und murmelte warme Worte in seinen Nacken.

 

„Ich weiß, du musst dahingehen, um zu tun, was immer du zu tun hast, aber… eine Adresse wäre nett.“

 

Er seufzte.

 

„Ein Brief die Woche wäre perfekt.“

 

„Granger, ich…“

 

„Meine Güte, ich nehme auch eine Postkarte jeden Monat, ich bin nicht wählerisch“, unterbrach sie ihn trocken.

 

Sie feuchte Hitze ihres Mundes auf seiner Haut war sehr nett. Sein Puls raste, und wie immer fühlte er die bekannte Sensation, wie immer, wenn er sie so nah an sich brachte. Sie küsste seinen Adamsapfel und begann dann sanft in die weiße Haut über seinem Schlüsselbein zu beißen.

 

„Mach so weiter, und ich verspreche dir, Potter sieht noch eines mehr als Lederhandschuhe und Besenstiele, wenn er gleich herkommt, um seinen Besen wegzubringen.“

 

Hermine fasste dies als Aufmunterung auf. Sie griff mit ihren Händen in seine Haare und zog ihn zu ihrem Mund hinab. Draco stöhnte, begegnete ihrem Mund und küsste sie stürmisch.

 

Sie gab ihm ihre Zunge freiwillig, und er entließ sie auch nicht mehr, bis er ihren Mund weiter erkundete und die sensiblen Stellen ihrer Unterlippe.

 

Sie atmeten schwer. Die Schönheit dieses Kusses löschte all ihre Vergangenheiten und Probleme. Es war diese Art von Kuss, der niemals ein Ende haben sollte. Es war wie ein Vorspiel für so viel mehr.

 

Sie waren auch nicht besonders leise. Sie sprachen ab und an Worte, die wohl dazu gedacht waren, zu beruhigen, aber sie das war das einzige, was sie nicht taten.

 

Jeder sollte wissen, wie es ist, so geküsst zu werden, dachte Hermine zitternd. Und bei diesem Gedanken überlegte sie, ob es möglich wäre, an einer übermäßigen Gänsehaut sterben zu können. Er wärmte und kühlte sie zugleich. Ihr inneres Thermometer war wohl denselben Weg wie ihr Stolz gegangen.

 

Ihr rock war irgendwo um ihre Taille. Und seine Hände waren dafür verantwortlich. Sie hatten zuerst auf ihren Hüften gelegen, waren dann zu ihrem Po gewandert und hatten schließlich den Stoff ihres Rocks achtlos nach oben geschoben. Hermine schob sich seinen Körper empor, und seine Hände legten sich für mehr Halt unter ihren Po. Sie rieb sich selber an seiner Erektion und wusste, dass sie immer noch wund war von ihrer Nacht in der Nokturn Gasse.

 

Er beendete den Kuss. Wohl zum ersten Mal. Das Verlangen eines Kusses, der zu schnell beendet wird, lässt oft noch einen tiefen Stich zurück. Aber das war jetzt nicht der Fall. Wenn der Kuss nicht weiter gehen konnte und nichts mehr von beiden verlangen konnte, hatten sie aufgehört. Dracos Atem ging schwer, und er sah auf sie hinab mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verwunderung, die ihr Herz anschwellen ließ.

 

„Das heißt nicht Leb wohl“, berichtigte sie. Für ihrer beider Wohl. Falls er vorgehabt hatte, es misszuverstehen.

 

„Nein,“ bestätigte er. Sie hatte es vielleicht noch nicht realisiert, aber in diesem Moment war er nicht fähig ihr irgendetwas abzuschlagen.

 

Hermine legte ihre Handflächen über seine Wangen. „Du wirst mir dein Wort geben, dass du daran denkst Auf Wiedersehen zu sagen. Und du wirst zumindest versuchen, uns helfen zulassen, wenn wir können, ob das Ministerium es nun weiß, oder nicht. Und du wirst, wann immer es dir möglich ist, mich wissen lassen, wo du bist, was du tust und dass du in Sicherheit bist. OK?“

 

Draco küsste ihre Nasespitze, ihre geschlossenen Augen, ihre Stirn, ihre Lippen.  Er wirkte unsicher.

 

„Verlang das nicht von mir…“

 

„Versprich es mir!“

 

„Also schön, ich verspreche es“, flüsterte er.

 

Hermine nickte. Das war erst mal genug.

 

**

 

Es war noch eine Stunde bis zum Mittagessen, und es gab immer noch so unglaublich viel, was erledigt werden müsste, bevor Hogwarts für den Sommer schloss, das Packen ihrer hunderttausend Sachen mal ausgenommen.

 

Sie würde sich nicht gestatten deswegen deprimiert zu sein. Der Schock, dass die Schule zu Ende sein würde, hatte sie bereits vor zwei Wochen getroffen. Hogwarts hatte dazu beigetragen, sie erwachsen werden zu lassen. Es wurde Zeit, dass sie alles, was sie gelernt hatte, zu Anwendung brachte. Es gab die Zukunft, der sie entgegenblicken konnte und sie war sich sicher, dass Draco eine Rolle darin spielen würde. So oder so.

 

Hermine wartete fünf keusche Minuten, nachdem Draco gegangen war, bis sie ebenfalls den Rückweg zum Schloss antrat. So wie Draco vorhergesagt hatte, tauchte Harry ebenfalls vor der Hütte auf und begleitete Hermine noch bis zum Eingang. Er erklärte, er müsse mit Snape sprechen und würde ihr später sagen, weshalb.

 

Falls Hermine leicht abwesend wirkte, fragte er immerhin nicht, warum. Es war ein schwerer Tag für jeden von ihnen gewesen.

 

Als sie durch die offenen Türen der Großen Halle schritt, erhaschte sie einen Blick auf einen der zwei Slytherins, die noch nicht abgereist waren.

 

Es war die junge Viertklässlerin, die Draco so oft nachgestellt hatte. Heute jedoch, wirkte sie fröhlich, während sie mit dem nun berühmten Tandish Dodders Schach spielte. Es war das Shirt des Mädchens, was Hermines Aufmerksamkeit erregte.

 

Es war schwarz, leicht ausgeblichen, mit einem grellen grün-gelben Logo.

Nutrisoil Dünger.

 

Hermines Neugierde war geweckt, und sie erreichte das Mädchen.

 

„Karen, richtig?“, wollte Hermine wissen.

 

Sie war ein hübsches Ding, mit einer provokanten Frisur und großen blauen Augen. Das Mädchen hob den Blick, aber sie ließ sich von Hermines Anwesenheit nicht bei ihrem Schachspiel stören. Sie strich sich das kurze schwarze Haar lässig hinter ihr Ohr und betrachtete Hermine kühl, offensichtlich nicht berührt dadurch, dass Hermine ihren Namen nicht kannte.

 

„Nein, Carmen.“

 

„Ich konnte nicht anders, als dein Shirt zu bemerken“, begann Hermine. „Du solltest die Uniform tragen.“

 

Carmens Blick wurde freundlicher, wenn auch nicht viel. Sie streckte die Brust raus und lächelte schließlich. „Es ist das neueste Geschäft meines Vaters. Du wirst mich doch am letzten Tag nicht nachsitzen lassen?“ Sie deutete mit einem Blick zum Lehrertisch, an dem Professor Flitwick und Madame Hooch Tee tranken.

 

Die haben sich auch noch nicht beschwert.“

 

Dodders hob nun auch den Blick vom Schachbrett und seinem Marmeladen-Scone. Ein verschmitzter Ausdruck zierte sein Gesicht.

 

„Dein Dad ist im Scheiß-Geschäft?“

 

Es war ein etwas heikles Thema bei Carmen. Sie wurde rot. „Ja, wir können schließlich nicht alle obszöne Summen von verstorbenen Verwandten erben, oder? Und außerdem ist es kein Geschäft, es ist ein Imperium.“

 

Dodders zuckte die Achseln. „Hey, mein Vater ist einer der letzten, die noch für sein Geld arbeiten müssen. Bei Gringotts“, fügte er hinzu, falls sie ihm nicht glauben sollten.

 

„Warum fragst du?“, stellte Carmen Hermine jetzt die nächste Frage.

 

„Oh, kein besonderer Grund. Ich dachte, ich hätte das Logo… ähm… an einem Schüler vor einigen Tagen gesehen.“ Sie glaubte nicht, dass es weise wäre, Dracos Namen zu nennen. Das Geheimnis war nun für sie gelüftet.

 

„Wirklich? Carmen brach in verzücktes Gelächter aus. „Ich verteile an einige privilegierte Kommilitonen jedes Jahr ein paar Produkte. Kein trägt sie aber.“ Sie lächelte weiterhin und deutete wohl an, dass dies zu erwartet und auch akzeptiert war.

 

„Ich hab nicht gekriegt“, bemerkte Dodders.

 

Carmen machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das war, bevor ich dich mochte.“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Hermine zu. „Ich hoffe, Madame Sprout hat das Logo gesehen. Vater versucht seit einer Weile, in Hogwarts ein Geschäft zu landen, und Hagrid besteht auf diesen minderwertigen rumänischen Drachenmist. Das Zeug kostet weniger, aber sie verwenden Dinge, die ihm alle Nährstoffe entziehen-“

 

Dodders legte seinen halb gegessenen Scone zur Seite. „Können wir aufhören, über Dünger zu sprechen? Ich frühstücke, und du  bist dran.“

 

„Das ist Brunch. Frühstück war vor einigen Stunden.“ Carmen stupste ihren Läufer fast eine Minute an, ehe dieser erwachte und den Zug machte. „Schach, Tandish.“

 

„Was? Es kann nicht schon Schach sein!“, rief Dodders. „Wir spielen erst seit acht Zügen!“

 

Während Dodders fluchte und das Brett untersuchte, wandte sich Carmen wieder an Hermine. „Übrigens, du hast den Schulsprecher nicht zufällig gesehen, oder? Er hat von mir ein Paket Stinkbomben konfisziert, und ich will es wiederhaben, ehe er abreist.“

 

Hermine runzelte die Stirn. „Nein, ich habe ihn nicht mehr gesehen seit… na ja, seit den letzten zwei Tagen.“

 

Und das war seltsam, wenn sie darüber nachdachte. Sie war sich sicher, Blaise hatte die Schule noch nicht verlassen, denn McGonagall hätte es ihr gesagt. Und Blaise hatte, nicht wie Draco, kein Problem damit, sie zu benachrichtigen, wenn er vorhatte, zu verschwinden.


„Er ist hier irgendwo“, versicherte Hermine ihr. Es war ein großes Schloss.

 

Carmen kräuselte ihre Nase. „Falls du ihn siehst, sag ihm, ich will meine Stinkbomben zurück. Ich habe drei Brüder, und der Sommer ist lang, verstehst du?“

 

Hermine Mundwinkel hob sich leicht. „Ich sag es ihm.“

 

Bevor sie in Richtung Gryffindor Turm verschwand, winkte sie noch Professor Flitwick und Madame Hooch zu, die beide den Tagespropheten mit einem grimmigen Ausdruck durchblätterten.

 

 

Chapter Forty

 

Pansy hatte Draco noch niemals so zornig gesehen.

 

Es war nicht unbedingt der Zorn selbst, der sie überraschte, nein. Es war die Art, wie er zornig wurde. Draco hatte nie viel geschrien und war kein Freund langer Tiraden. Sein Zorn war eher kalt; er bestand aus eisigen Blicken und treffenden Beleidigungen, die Klassenkameraden innerhalb von Sekunden zum Schweigen bringen konnten.

 

Er beharrte nie auf Dingen, ließ sich keine Stunden über dieselbe Sache aus. Seine Stimmung wechselte von normal zu eiskalt in Sekunden, je nachdem, was es war, dass ihn aufregte.

 

So war es heute nicht. Es hatte begonnen mit perplexem Schweigen, ehe es im Bruchteil einer Sekunde umgeschlagen war zu fuchsteufelswilder Wut.

 

Seine Wut kam über sie wie ein brennender, beißender Wind. Es brauchte einiges, um ihr Angst zu machen, aber Draco schaffte es heute ohne Probleme. Sie stotterte, während sie ihm eine Erklärung gab und zuckte jedes Mal zusammen, wenn sich sein vernichtender, glühend heißer Blick aus eisgrauen Augen in ihre brannte. Als sie fertig war, stand sie vor seinem Schreibtisch, die Finger vor ihrem Körper ineinander verknotet, weil sie sonst nicht wusste, was sie mit ihnen anfangen sollte.

 

Es folgte eine unerträglich lange Pause. Zum ersten Mal in ihrer langen, gemeinsam verbrachten Zeit hatte Pansy tatsächlich Angst vor ihm.

 

„Draco, ich weiß, ich-“

 

Sei still.

 

Der Hass in seiner Stimme trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie musste dem Verlangen widerstehen, zurückzuweichen, als er sich erhob und begann, Runden vor seinem Bett zu beschreiten. Vorher hatte er auf der Matratze gesessen, den Kopf in den Händen vergraben.

 

„Ich denke, ich verstehe das Wichtigste“, murmelte er, mehr zu sich selbst, als zu ihr. „Du wirst mir ein paar Fragen beantworten, Pansy, Liebling. Und dann wirst du so tun, als hättest ich dich nie danach gefragt.“

 

Er wartete, bis sie ihn wieder ansah, ehe er fortfuhr.

 

„Geh runter zum Abendessen. Der alte Mann ist wieder da und hat anscheinend beschlossen, dass die verbleibenden Schüler an einem Tisch gemeinsam ein letztes Mal essen.“ Er machte eine Pause, und ein kaltes Grinsen stahl sich auf seine Züge. „Wenn jemand fragt, wo ich, Goyle oder Blaise sind, wirst du sagen, dass wir das Abendessen boykottieren, in Betracht dieser neuen unakzeptablen Tischordnung. Das ist alles, was du weißt. Wenn sie jemanden schicken, um uns zu suchen, dann sollen sie ruhig. Nach dem Essen wirst du dich in deinem Zimmer einschließen, und du wirst für niemanden die Tür aufmachen, außer für mich, Professor Snape oder dem Schulleiter. Parkinson, hast du mich verstanden?“

 

„Ja.“

 

„Wenn du morgen Zuhause bist, bist du die Sorge deiner Eltern. Ich würde schätzen, sollte dein Vater es schaffen für fünf Minuten nüchtern zu sein, wird er begreifen, was für ein Idiot seine Tochter ist.“

 

An jedem anderen Tag hätte sie ihm ihre Meinung für eine solche Beleidigung gegeigt.

 

Aber nicht heute Abend. Alles, was ihre Lippen verließ war ein weiteres: „Ja.“

 

„Jetzt ein paar Fragen.“ Er setzte sich wieder und wirkte, als hätte sein Zorn ihn alle Energie gekostet.

„Wo hat Zabini Goyle hingebracht?“

 

Sie zögerte, bevor sie sprach. „Ich weiß nicht genau, wo sie hinsollten, aber ich weiß, wie Blaise dorthin gelangt.“

 

Draco betrachtete sie mit einer Mischung aus Neugierde und dunkler Vorahnung im Blick. „Und warum zur Hölle weißt du das?“

 

Pansy sah ihn nicht mehr, denn sie ertrug den eisigen Blick aus seinen Augen nicht mehr. „Goyle war nicht Blaises erste Wahl, versteht du? Ich… war die erste Wahl.“

 

„Du?“, wiederholte Draco verächtlich und lachte auf.

 

Sie war wütend genug, dass sie vergaß Angst vor ihm zu haben. „Ja, ich! Ist es so schwer zu glauben?“

 

Draco sah sie nachdenklich an. Und dann griff er vollkommen ruhig nach ihrem Arithmantik Buch, das auf ihrem Nachtisch lag und schleuderte es mit voller Wucht in den Spiegel über ihrem Schreibtisch.

Er zerbrach in tausend Scherben, die von ihrem Schreibtisch auf den Boden rieselten.

 

Sie keuchte auf und wich an ihre Tür zurück.

 

„Ist Voldemort so verzweifelt, dass er willig ist siebzehnjährige Mädchen in seinen Rängen zu haben, die nicht einmal Scherben standhalten können?“, erkundigte sich Draco sehr ruhig.

 

Pansy wischte eine Träne von ihrer Wange, die ihrer Selbstbeherrschung entwischt war. „Ich kann nicht behaupten zu wissen, was Voldemort denkt, aber Zabini hat Potential in mir gesehen.“

 

Draco schüttelte den Kopf. „Er hat jemanden gesehen, der willig war seinem Blödsinn zu lauschen. Du hast kein Potential, Pansy. Du hast die Gabe ständig beschützt werden zu müssen.“ Draco schenkte ihr einen mitleidigen Blick. „Und weißt du, was das aus dir macht?“

 

Sie schloss ihre Augen. „Ich hasse dich gerade.“

 

„Gut. Wo hat er dich hingebracht.“

 

„Da… da ist ein Baum im Verbotenen Wald. Die Todesser haben Blaise einen Portschlüssel gegeben. Ich habe nicht gesehen, was es war, aber so ist er die ganze Zeit hin und her gereist. Er hat mich dorthin gebracht, an dem Tag, als er mir das Versteck zeigen wollte. Aber ich habe meine Meinung geändert…“

 

Als Pansy ihre Augen öffnete stand Draco vor ihr. Er umfing ihre Schultern und schüttelte sie sanft. Sie hatte jetzt keine Angst, denn es lag nichts Beunruhigendes in seinem Blick.

 

„Ist dir klar, was er mit dir hätte machen können, wenn du dich weigerst, mit ihm zu gehen?“

 

„Ich hatte darüber nachgedacht, ja! Ich kann es nicht erklären, ich bin panisch geworden. Ich wollte es nicht machen. Die einzige Wahl, die ich hatte, war ihm zu zeigen, dass ich kein guter Kandidat mehr war. Dass ich möglicherweise alles für ihn ruinieren könnte, wenn ich einen Fehler mache. Er wusste, dass Goyle Gefühle für mich hatte. Und ich habe gesagt, es sollte bloß einer von uns sein. Nicht beide sollten mitmachen, denn wir würden uns nur ablenken. Draco, er hat mir geglaubt! Und jetzt ist es meine Schuld, dass Goyle anstatt meiner zu ihm gehen musste!“ Ein Schluchzer verließ ihren Mund.

 

Draco hatte wohl entschieden, dass er sie genug bestraft hatte, denn er umarmte sie jetzt. Sie schloss die Augen und lehnte an seiner Brust.

 

„Goyle wäre so oder so gegangen. Ich bezweifle, dass du seine Meinung hättest ändern können“, erwiderte er resignierend.

 

Sie sprachen über die Möglichkeit der Wahl. Oder die Illusion, eine Wahl zu haben, realisierte Pansy.

 

Manchmal war es beschissen ein Slytherin zu sein.

 

Sie entließ die lang angehaltene Luft. „Gibt es wirklich etwas, das Goyle und ich hätten anders machen können? Wenn Blaise uns genug vertraut hat, zu sagen, wer er ist, dann hat er auch Gefolgschaft von erwartet. Wer hätte uns versichern können, dass er uns nicht beide umbringt, wenn wir uns ihm widersetzen?“

 

„Wann hat dir Blaise erzählt, dass für Voldemort rekrutiert?“, fragte Draco jetzt.

 

„Eine Wochen vor dem Abschlussball. Er hat es Goyle erzählt, nachdem das Dunkle Mal in Hogsmeade gesichtet wurde.“

 

„Hat Goyle mit dir darüber gesprochen?“

 

„Nein, nicht bis Blaise ihn wohl akzeptiert hatte. Er hatte eigentlich dich gewählt, weißt du? Du solltest es von Anfang an sein. Goyle und ich waren zweite Wahl. Aber Blaise sagte, dir sei nicht zu vertrauen.“

 

Pansy konnte sein Gesicht nicht sehen, aber seine Mundwinkel waren gesunken, als er ihren Rücken streichelte.

 

„Er hat Recht.“

 

„Was sollen wir tun? Wir können es nicht Dumbeldore sagen. Greg würde sofort ins Gefängnis geschickt!“

 

„Nicht, wenn ich ihn zurückbringe.“

 

Sie sah ihn verstört an. „Was? Du willst doch wohl nicht alleine gehen!“

 

Draco kannte nun den Namen desjenigen, der die Schüler rekrutierte. Alles, was er noch zu tun hätte, wäre das Zimmer zu verlassen und im Gemeinschaftsraum über Floh zu verlangen mit Arthur Weasley zu sprechen.

 

Und dann wäre er frei. Er hätte sein Haus, sein Vermögen. Er hätte sein Leben wieder. Und er hätte die Chance auf eine Zukunft mit Hermine.

 

Aber er würde diesen Anruf jetzt noch nicht machen. Er würde erst Goyle zurückbringen. Jetzt zu sagen, dass es Blaise war, würde sich auf Pansy auswirken und könnte Goyle ins Gefängnis bringen. Wenn noch irgendetwas in seinem Leben übrig bleiben sollte, nachdem er beendet hatte, was sein Vater begann, dann wären es seine Freunde.


„Ich werde mit Blaise schon fertig.“

 

Pansy war schockiert. „Vergiss den Blaise, den du kennst. Du weißt nicht, zu was er fähig ist. Er ist unheimlich eifersüchtig auf dich. Und was, wenn Goyle nicht zurückkommen will? Du hast ihn nicht gesehen, als er gegangen ist. Er war sich absolut sicher!“

 

Draco knurrte laut. „Oh, er wird zurückkommen. Wenn ich den verdammten Bastard schocken muss und ihn zurück schweben lasse, er wird zurückkommen. Und keine Sorge wegen Zabini, er wird nicht fähig sein, mir etwas anzutun.“

 

Sie suchte in seinem Gesicht nach einer Erklärung, aber es gab keine Preis. „Was meinst du damit? Ich kann nicht erkennen, wie er dich einfach mit Goyle verschwinden lassen wird!“

 

Draco spannte die Muskeln seiner linken Schulter an. Diese sechs Jahre alte Verletzung war vielleicht das einzige Manko in seiner sonst exzellenten physischen Kondition, aber heute war er sehr dankbar, dieses Manko zu besitzen.

 

„Sagen wir einfach, er schuldet mir was.“

 

**

 

Ginny Weasley band ihre Haare zum langen Zopf, als sie den Gryffindor Turm verließ. Sie stieß fast mit Harry zusammen, der vor dem Portrait stand. Ihre Haarspange fiel ihr auf den Boden.

 

„Harry, ich dachte, du wärst schon unten, zum Essen?“

 

Harry sah sie einen momentlang an, ehe er sich bückte, um ihre Haarspange aufzuheben. „Ich wollte mit Hermine sprechen. Sie ist noch auf ihrem Zimmer, oder?“

 

„Danke.“ Ginny griff nach der Haarspange und band sich den Zopf zu Ende. „Sie packt gerade. Wartest du auf sie?“

 

„Jaah. Sie scheint länger zu brauchen.“

 

Ginny kannte Harry beinahe so gut wie sich selbst. Aber jetzt konnte sie ihn nicht deuten. Diese Erkenntnis beunruhigte sie. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie also.

 

Er war immer sehr verschlossen, wenn er sich Sorgen machte.

 

Seine Antwort war ein unverfängliches Lächeln, was ihr wohl versichern sollte, dass alles in Ordnung war. „Ich bin zurzeit nur etwas… abgelenkt.“

 

„Verständlicherweise.“

 

Zum Teil war es aus Reflex, zum anderen Teil war es, weil er so traurig aussah, aber Ginny lehnte sich vor und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen.

 

„Wofür war das?“, erkundigte sich Harry.

 

„Das war ein Dankschön für heute Nachmittag. Dafür, dass du Hermines Neuigkeiten so gut weggesteckt hast. Ron ist immer noch nicht ganz über sie hinweg, weißt du. Ich bin dankbar, dass wenigstens einer von euch über den Tellerrand hinaussehen kann. Ich hatte für Hermine dieses Jahr einfach keine Zeit. Ich kann nicht anders, als zu glauben, dass ich es hätte wissen müssen-“

 

„Es war ein anstrengendes Jahr“, unterbrach er sie neugierig.

 

Ginny sah ihn wehmütig an. „Es wird so seltsam nächste Jahr, ohne dich. Ohne Ron und Hermine. Ich weiß, wir haben gesagt, wir brauchen eine Pause, aber heute Hermine und Malfoy zu sehen… Zur Hölle Harry, wenn die beiden es versuchen wollen, wieso können wir es dann nicht?“

 

Sie konnte nicht sagen, warum er plötzlich so siegessicher aussah. Aber dieser kurze Moment war schon verschwunden, bevor sie ihn weiter hätte analysieren können. „Du und ich sind kompliziert“, erklärte Harry neutral.

 

Ginny lachte freudlos auf. „Die Untertreibung des Jahres. Ich nehme an, Alice Crowley ist nicht so kompliziert?“

 

Harry zuckte die Achseln. „Genauso wenig, wie es Finnigan für dich ist.“

 

Die Spannung, die sich zwischen ihnen bildete wurde durch die lange schweigsame Pause nicht unbedingt gemildert.

 

„Touché“, flüsterte Ginny schließlich. „Das ist eine Unterhaltung, die wir uns für einen anderen Zeitpunkt aufsparen sollten, ok?“


„Das wäre wohl am besten.“

 

Sie hielt das Portrait für ihn offen. „Also, gehst du rein, um Hermine zu holen, oder nicht?“, entfuhr es ihr, vielleicht etwas zu genervt, als er immer noch vor ihr stand. Harrys anschließendes Lächeln, war keines, was sie jemals auf seinen Zügen gesehen zu haben glaubte. Er sah aus wie eine Katze, die den Weg zur Milch gefunden hatte.

 

„Ja, ich denke, das tue ich.“

 

**

 

Wie auf der Welt konnte ein normaler Teenager über sieben Jahre so viel Mist angesammelt haben? Hermine hatte den Rest des Nachmittags damit zugebracht ihre unzähligen Habseligkeiten in die Kategorien „Bücher“, „Kleidung“, „Persönliches“ und „Verschiedenes“ aufzuteilen.

 

Bisher könnte der Bücherturm sie tatsächlich zu Tode bringen, würde er jetzt auf sie nieder stürzen, während der „Persönlich“ Stapel beschämend überschaubar war. Eine Valentinskarte von Krum lugte aus den Seiten ihres Tagebuchs hervor. Sie lächelte, als sie sie hervor zog und in einen Schuhkarton mit anderen Postkarten und Briefen und vor allem Rons unzähligen Kritzeleien aus dem Unterricht legte. Eine Kritzelei stellte Snape dar, und diese hatte sie fast alle drei Nachsitzen gekostet.

 

Sie legte gerade ihren Regenmantel zusammengefaltet auf den „Kleidung“ Stapel, als es an der Tür klopfte.

 

„Herein“, rief sie. Sie hatte keine Ahnung, wer es sein konnte, denn Ginny war gerade schon zur Großen Halle aufgebrochen, und ansonsten gab es niemanden mehr im Gryffindorgemeinschaftsraum, außer der Schulsprecherin.

 

Hermine war kurzzeitig sprachlos, als sie Draco im Türrahmen erkannte. Er füllte fast den gesamten Platz aus.

 

„Draco! Wie bist du hie reingekommen?“

 

„Potter hat mich reingelassen.“ Aus verschiedenen Gründen fand sie diese Tatsache komisch.

 

Draco im Gryffindor Turm zu sehen war fast so, wie einen Eisbären im tropischen Regenwald zu entdecken. Hermine blinzelte, um ihre Gedanken zu sortieren. Er wirkte nachdenklich und sehr feierlich, ganz in schwarz. Und er sah sehr gut aus. Er hatte sich also für das Essen schick gemacht. Der Glückliche. Sie hatte diese Zeit nicht gefunden.

 

„Ich dachte, Harry wäre schon längst unten. Die Tische sind für den letzten Abend kombiniert worden.“

 

„Habe ich gehört“, erwiderte er, und trommelte seine langen Finger gegen seinen Oberschenkel. „Bittest du mich rein, oder sollen wir dieses Gespräch weiterführen, während ich im Korridor stehe?“ Seine Stimme hatte einen neckischen Ton angenommen.

 

Hermine wurde rot. „Natürlich! Komm rein.“ Wie konnte es sein, dass selbst die simpelsten Dinge mit ihm, sich immer noch unangenehm anfühlten? Es lag wahrscheinlich daran, dass sie an streiten gewohnt waren. Und an nichts sonst. Sie machte Platz auf dem Bett, aber er sagte ihr, dass er lieber stehen würde.

 

„Ist irgendwas passiert?“, fragte sie sofort.

 

Dracos Gesicht wurde ernst. „Um ehrlich zu sein, ja.“

 

Hermine runzelte die Stirn. „Was ist es?“

 

„Liebst du mich?“

 

Sie starrte ihn schockiert an, nicht sicher, ob sie seine Frage vollständig mitbekommen hatte. „Draco?“, fragte sie vorsichtig. „Was ist los? Hat es mit deinem Versprechen zu tun?“

 

„Nichts ist los. Das ist die Stelle an der du die Worte auch zu mir sagst.“ Wäre sie nicht so aufgewühlt, wäre jetzt der Punkt gekommen, an dem sie das untypische Schmollen in seiner Stimme wahrgenommen hätte.

 

„Du hast mich überrascht. Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen, geschweige denn zu hören, was du… gerade gesagt hast.“ Sie hielt sich auf, bevor sie noch anfangen würde zu plappern. „Ich liebe dich“, flüsterte sie und senkte ihren Blick auf ihre Füße.

 

Sie konnte fühlen, wie die Röte ihre Körpertemperatur in die Höhe trieb.

 

Das Lächeln, was er ihr als Erwiderung zeigte, entblößte seine weißen Zähne. Er sah aus, als wäre er zehn Jahre alt. „Du hast keine Ahnung, wie gut es ist, diese Worte von dir zu hören.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen. „Ich würde dir gerne etwas zeigen. Komm mit mir.“

 

Hermines Augenbraue hob sich. „Jetzt? Was ist mit dem Abendessen?“

 

„Scheiß drauf. Es dauert nicht lange“, versicherte er ihr. Es war so typisch von ihm. Typisch Draco. Hermine konnte nicht anders, als zu grinsen. Sie wollte nicht zu zufrieden erscheinen, dass er sie so kurz nach ihrem Zusammentreffen heute Nachmittag aufgesucht hatte, aber sie war überwältigt vor Freude.

 

„Okay, gib mir eine Sekunde.“ Hermine versuchte, ihren Schrankkoffer zu schließen, aber die unglaubliche Menge an Kleidung machte es fast unmöglich. Sie setzte sich auf den Koffer. „Übrigens habe ich ein kleines Rätsel gelöst, heute Nachmittag.“

 

„Und was für Rätsel wäre das?“, erkundigte er sich und lehnte an der geschlossenen Tür.

 

Sie lächelte. „Der Ursprung deiner… äh… Düngemittel Werbung.“

 

Eine Sekunde verstrich. Zwei Sekunden… drei, dreieinhalb. „Ist das so?“

 

Die kurze Verzögerung seiner Antwort, war alles, was sie brauchte. Er hatte keine Ahnung von der Nutrisoil Kappe.

 

Die Tatsache, dass Hermine gerade nicht mit Draco sprach erschlug sie wie ein Klatscher in voller Fahrt. Das Blut gefror in ihren Adern. Sie hoffte, er würde nicht merken, wie die Farbe von ihrem Gesicht verschwand. Ihre Augen wanderten über seine Schulter, dort hing ihre Robe. Und sie hoffte der Blick wirkte natürlich.

 

Sie hatte ihren Zauberstab in der linken Tasche, und die hölzerne Spitze war sichtbar.

 

Harry konnte den Accio zauberstablos ausführen.

 

Schade, dass sie nicht Harry Potter war.

 

„Brauchst du damit Hilfe?“, sagte er und deutete auf den Koffer, den sie alleine nicht zubekam.

 

Verdammt. Plötzlich wünschte sie sich Lavenders Naivität oder Pansys Mauer aus Gleichgültigkeit herbei. Ihr eigenes Misstrauen würde ihr noch ihr Grab schaufeln. Sie vermied es, dem Betrüger direkt in die Augen zu sehen, denn ihre Furcht wäre das erste, was sie verraten würde.

 

Ihn zu bitten, ihr zu helfen, würde ihn aus dem direkten Weg auf ihren Zauberstab locken.

 

„Ja, bitte.“ Ihr Lächeln war nervös, aber es war immer noch ein Lächeln. „Ich wusste nicht, dass ich so lausig im Packen bin.“

 

Er kam zu ihr und beugte sich über den Koffer. Dem Betrüger so nahe zu sein, bestätigte Hermines Misstrauen. Alles an ihm schrie praktisch, dass er nicht Draco war. Es war unglaublich, wie viel von Draco sie tatsächlich fühlen konnte, denn von diesem Fremden ging absolut kein Gefühl aus.

 

Er roch auch nicht wie Draco, aber von ihm ging ein beunruhigend bekannter Duft aus, der Hermine noch zehnmal mehr Angst einjagte.

 

Klick. Der Koffer schnappte zu.

 

„Hier. Alles zu“, erklärte er.

 

Als sie irgendetwas Unverständliches murmelte und auf direktem Wege zu ihrem Zauberstab wollte, umfing er ihren Arm und zog sie an sich, um ihren Nacken zu küssen.

 

Hermine erinnerte sich wieder, wie groß Draco war. Wie viel Stärker im Vergleich zu ihr. Wie hilflos sie sich gefühlt hatte, wann immer er diese Kraft gegen sie angewandt hatte. Sie fühlte speziell daran erinnert, denn jetzt gerade war es nicht Draco Malfoy, der diese Kraft gegen sie anwandte.

 

Spiel mit oder flieg auf.

 

Sie war sicher, solange sie innerhalb der Schlossmauern blieb. Professor Lupin hatte alles in seiner Macht stehende versucht, ihnen einzutrichtern, dass – egal, was passierte – sie sich nicht an einen anderen Ort bringen lassen sollten.

 

Wo war Draco? Ging es ihm gut? Der Betrüger hatte gesagt, Harry hätte ihn reingelassen. War Harry verletzt? Es musste Vielsafttrank sein. Wer auch immer es war, es musste jemand sein, der über ihre Beziehung zu Malfoy Bescheid wusste. Wusste sie sonst nichts über den Betrüger, dann war das zumindest das einzige.

 

Hermine zwang die Steifheit aus ihren Gliedern und erlaubte ihm, sie zu halten.

 

Dadurch fühlte er sich angespornt. Zu ihrem großen Horror legte er den Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf an, um sie zu küssen.

 

Jeder Muskel in ihrem Körper war bereit zur Flucht anzusetzen, aber sie blieb vollkommen still. Nach einer Minute, nachdem er sie fast sanft geküsst hatte, fühlte sie seine Zunge vor ihren verschlossenen Lippen um Einlass bitten. Ihr Abscheu würde sie noch verraten.

 

Hermine drückte leicht seine Schultern, und hoffte, es wäre eine subtile Botschaft für ihn, aufzuhören.

 

Aber das tat er nicht.

 

Sie fühlte Dracos große Hand gegen ihren Hinterkopf gepresst, während er mehr Druck auf ihren Mund ausübte. Hatte es fragend begonnen, so war es jetzt hart und verletzend. Sie wehrte sich, versuchte ihren Kopf wegzuziehen, während sie ihre Hände gegen seine Brust presste.

 

Nein!“ Und zu ihrer Erleichterung ließ er von ihr ab.

 

Er wusste, dass sie es wusste. Der wissende Blick auf seinem Gesicht zeigte es ihr. Selbst in seiner schlimmsten Verfassung konnte Hermine sich nicht daran erinnern, dass Draco sie jemals so bösartig angesehen hatte.

 

Der Betrüger schnaubte auf, befeuchtete seine Lippen nachdenklich. „Ja, ich dachte mir schon, dass ich damit mein Glück aufs Spiel setze.“

 

„Wer bist du?“, verlangte Hermine zu wissen. Sie überlegte, ob sie seinen Geschmack ausspucken sollte, aber das würde ihn wahrscheinlich nur noch zorniger machen.

 

Er tat so als wäre er verletzt. „Ich bin der Mann, den du liebst. Oder bist du so sprunghaft, dass du das zu jedem Mann sagst, zu dem du dich hingezogen fühlst?“ Seine Stimme hatte einen säuerlichen Ton angenommen.

 

Er griff nach seinem Zauberstab.

 

Nein. Sie setzte an zum Sprint, um ihren eigen Zauberstab zu holen, aber er fing sie sehr schnell um die Hüfte ab und warf sie hart zurück aufs Bett.

 

Sie wehrte sich, auf der Suche nach einer Waffe, aber ihr Schreibtisch war zu weit weg. Der Betrüger war über ihr, ehe sie treten oder schreien konnte. Nicht, dass sie jemand gehört hätte. Seine Hand legte sich über ihren Mund und sie starrte hinauf in Dracos klare graue Augen. Es waren nicht die Augen, die sie kannte.

 

„Ich mag dich sehr, Hermine. Aber mir ist meine eigene Haut dennoch wichtiger. Und ich werde nicht zögern, dich zu verletzen, wenn ich es muss. Das verstehst du, oder? Nick einmal, wenn du es verstehst.“

 

Sie nickte… und bewegte leicht ihr rechtes Knie, um zu testen, mit wie viel Gewicht er auf ihr lag. Sie war fast erleichtert, dass er eher auf ihrem linken Bein und Hüfte lag. Ihre Hände hielt er fest, aber sie brauchte sie nicht.

 

Noch nicht.

 

Der Betrüger lächelte über ihre Akzeptanz. „Wir machen Fortschritte, denke ich.“

 

Es war unmöglich, nicht den Mund zu verziehen, als er den Kopf senkte, um einen feuchten Kuss auf ihrer Wange zu platzieren. „Du hast keine Ahnung, wie lange ich schon darauf warte, das zu tun“, raunte er heiser.

 

Dracos neckende Worte, nachdem sie bei Arne Hendricks in der Nokturn Gasse waren, kamen ihr ins Gedächtnis.

 

Hat deine Mutter dir nie beigebracht dein Knie zu benutzen?

 

Das hatte Mrs Granger auf jeden Fall getan!

 

Hermine riss ihr Knie nach oben direkt in den Schritt des Betrügers.

 

Der selbstgefällige Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand und er kippte zur Seite.

 

Sie zögerte keine weitere Sekunde, rollte ihn komplett von sich runter und sprang von ihrem Bett. Am Rande nahm sie war, dass er ihre Hand nach ihr ausgestreckt hatte, aber er verfehlte sie.

 

Nach drei Schritte zur Tür! Ihre Finger hatten sich um das vertraute Holz ihres Zauberstabs geschlossen, als sie den Befehl hörte, der sie stillstehen ließ.

 

„IMPERIO!“

 

 

 

~ Chapter Forty-One ~

 

Malfoy Manor, 1992

 

„Ich fordere dich heraus!“

 

Draco zog eine Grimasse. „Ich denke, das ist keine so gute Idee.“

 

Blaise lachte. Es war ein glockenhelles, ansteckendes Lachen, dass angenehm durch den Holzvertäfelten Saal hallte. „Das hier ist keine gute Idee mehr, seit wir die Kiste geöffnet haben, Malfoy. Was ist dein Sinn für Abenteuer?“

 

Draco hatte keine Lust Blaise zu erklären, dass sein Sinn für Abenteuer direkt mit der Distanz verknüpft war, wie weit sein Vater gerade weg war.

 

Blaise Vater, Anton, besuchte gerade das Herrenhaus, um mit seinem Vater über Geschäftliches zu sprechen. Beide Männer hockten in Lucius‘ Lieblingsstudierzimmer, während sie anscheinend über Galleonen und den Import sprachen und wie man beides am besten miteinander verbinden konnte. Narzissa war in der Küche und inspizierte das perfekt trainierte Hauselfen-Team an Köchen, die gerade das Abendessen zubereiteten. Sein Vater erwartete noch weitere Geschäftskollegen im Laufe des Abends. Pansy würde auch mit ihrem Vater kommen. Draco interessierte sich nicht an Pansys Anwesenheit, aber sie hatte ihn informiert, dass es tonnenweise Neuigkeiten gäbe, über die sie berichten wollte. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie für Neuigkeiten haben sollte, denn er bekam nicht weniger als drei Briefe pro Wochen von ihr, seitdem die Schulzeit dieses Jahr seit einem Monat vorüber war.

 

Den Jungen war aufgetragen worden, sich anderweitig zu beschäftigen.

 

Und das taten sie auch, seitdem Draco mit gewisser Überlegenheit fallen gelassen hatte, dass sich Lucius seit neuestem im Besitz eines original Salazar Slytherin Artefakts befand. Nach näheren Betrachtungen, des definitiv illegalen Artefakts, was sich zurzeit in einem der unteren Säle befand, war Blaise außer sich vor Neugierde. Sie hatten ihre Besen draußen gelassen und waren durch Dracos Schlafzimmerfenster wieder ins Haus geklettert. Blaise kicherte die gesamte Zeit über und war von Draco ein tausendmal ermahnt worden still zu sein, obwohl er sich selber kaum beherrschen konnte.

 

„Es ist abscheulich“, sagte Draco, als sie aus der Kiste geholt hatten.

 

„Ich denke, es ist ziemlich cool“, widersprach Blaise.

 

Die Jungen wanderten um das Artefakt. Es sah aus wie eine große Urne aus Ton, beinahe so groß wie Blaise und Draco, die fast dieselbe Größe besaßen. Die Urne besaß am oberen Rand vier geschnitzte Löcher. Es war unmöglich etwas im Innern zu erkennen. Es wirkte wie eine große Dunkelheit, was fast unmöglich war, denn Draco hatte seinen Zauberstab bereits an eines der Löcher gehalten, um hinein zu leuchten.

 

Nichts als finstere Dunkelheit. Dicke, schwarze gewundene Schlangen waren rund um die Urne geschnitzt. Sie zischelten mit ihren gespaltenen Zungen jedes Mal in Richtung der Jungen, wenn sie der Urne zu nahe kamen. Auch Runen waren der Urne hinzugefügt worden, aber sie waren erst im zweiten Jahr, und Alte Runen hatten sie noch nicht. Blaise hatte vorgeschlagen, ein Buch zu Hilfe zu nehmen, aber alle passenden Texte befanden sich in der westlichen Bibliothek, und um dahin zu gelangen, mussten sie an ihren Vätern vorbei.

 

„Wofür hat es Slytherin wohl gebraucht?“

 

Draco zuckte die Achseln. „Wahrscheinlich um die Sklaven von den Potentiellen zu unterscheiden.“

 

Blaise rümpfte die Nase. „Ja, ein Test, um die loyalen von den unloyalen zu unterscheiden wäre nützlich.“

 

„Nicht für die unloyalen. Ich habe gehört, es bringt dich um, wenn du versagst. Soweit ich es verstehe, steckst du deine Hand hinein. Wenn du wirklich loyal bist, passiert nichts. Wenn nicht, wird es unangenehm.“

 

„Was für eine Art von unangenehm?“, wollte Blaise interessiert wissen.

 

„Keine Ahnung. Vielleicht bekommst du rote Haare und Sommersprossen, wie ein Weasley.“

 

Blaise würgte laut. „Da ziehe ich den Tod vor.“

 

Draco musste grinsen. „Ich auch.“

 

„Ich frage mich, was im Innern ist…“

 

„Zabini, kommst du davon bitte weg? Wir dürfen überhaupt nicht hier sein! Wenn mein Vater-“

 

„Sag ihm einfach, es war meine Idee.“

 

Draco schnaubte auf. „Das kann ich wohl kaum beweisen, wenn du tot bist!“

 

Blaise schenkte ihm einen selbstsicheren Blick. „Keine Angst, ich bin loyal, mir passiert nicht.“

 

Zu Dracos Schrecken schob Blaise einen Arm durch das Loch, bis zum Ellbogen. Die Urne war dazu da, ausgewachsene Menschen zu prüfen, bestimmt nicht Jungen, aber Draco bemerkte, dass, folgte man den Regeln der Muggelphysik, Blaises Hand auf der anderen Seite der Urne wieder hätte herausragen müssen. Aber das tat sie nicht.

 

Nichts passierte innerhalb der nächsten drei Herzschläge. Und dann:

 

Blaise keuchte kurz auf und erstarrte dann.

 

Draco eilte zu ihm. „Was ist?“

 

„Ich weiß nicht. Es… fühlt sich kalt an.“


„Ok, das reicht! Hol den Arm raus, Zabini!“

 

„Warum? Es passiert überhaupt nichts. Vielleicht ist es nur ein-“

 

Blaise schaffte es nicht den Satz zu beenden. Ihm entfuhr ein Schrei, der Draco das Blut gefrieren ließ, als sein kompletter Arm plötzlich durch das Loch der Urne ins Innere gesogen wurde. Er versuchte, ihn rauszuziehen, aber es schien, als würde Blaise festgehalten. Alarmiert stürzte Draco nach vorne und hielt seinen Freund festumschlungen. Er zog so hart er konnte, schaffte es aber nicht.

 

Blaise rutschte an der Urne hinab, und nur sein gefangener Arm hielt ihn aufrecht.

 

„Was ist los? Was passiert?“, wollte Draco wissen, aber Blaise war nicht in der Verfassung, ihm zu antworten. Zu Dracos Schrecken konnte er aber sehen, was passierte. Jeder Ader in Blaises Gesicht, schien heller zu leuchten. Blaises Augen waren in den Kopf zurückgerollt. Er wirkte steif und abwesend. Die Urne schien das Leben aus ihm rauszusaugen.

 

Durch Blaises Schrei aufgeschreckt waren beide Väter ins Zimmer gestürzt.

Es war ein recht weiter Weg, und beide Männer wirkten außer Atem.

 

Lucius betrachtete die Szene vor sich und fluchte unterdrückt. Er schubste Draco aus dem Weg, griff nach einem Schüreisen aus dem Kamin und schwang es mit voller Kraft gegen die Urne. Aber nicht mal ein Haarriss erschien auf der Oberfläche. Er versuchte es erneut. Wieder nichts. Die Schlangen auf der Außenseite zischten boshaft. Lucius ließ das Schüreisen fallen und begann nun, wie Draco vorher, mit seinen eigenen Händen an Blaises Arm zu ziehen. Er hatte genauso viel Glück wie Draco. Blaises Arm schien mit der Urne verbunden zu sein. Dann sprach Lucius viele Formeln, Draco hatte Mühe sie alle zu verstehen, so schnell und leise beschwor Lucius irgendwelche magischen Kräfte. Aber nichts geschah. Und Blaise schien an der Schwelle des Todes zu stehen.

 

Anton Zabini wirkte völlig abwesend. Draco sah, dass r sich nicht bewegte und nicht einmal versuchte, sich seinem Sohn oder der Urne zu nähern.

 

„Malfoy, zur Hölle… TU ETWAS!“

 

Lucius ließ den Zauberstab sinken. „Was schlägst du vor, Anton? Du weißt genauso gut wie ich, dass es ihn nicht freigeben wird, bis es fertig ist!“

 

Beide Männer standen stumm und starrten auf die Urne. Anton keuchte auf.

 

Draco konnte es nicht fassen. Wieso standen sie einfach nur da? Wieso stellten sie es nicht ab? Ängstlich, aber mit dem Wissen, dass er etwas tun musste, bevor die Urne mit Blaise fertig war, sprang Draco nach vorne und schob seinen eigenen Arm durch eines der Löcher der Urne.

 

Er hörte den Schrei seines Vaters, und Lucius griff hart nach seinem anderen Arm.

 

Blaise hatte recht. Es war wie, seinen Arm in Eis zu stecken. Es fühlte sich an, als würde sein Arm direkt von seiner Schulter abgerissen. Er heulte auf vor Schmerz, und gerade als er dachte, dass dieses loyale Denken von ihm ein Fehler gewesen war, und er sicher war, die Urne würde nicht aufhören, spürte er Blaises Fingerspitzen an seinen eigenen. Die Hand seines Freunds fühlte sich knochig und kalt an.

 

Sobald Draco ihn richtig zu fassen bekam, hielt er ihn fest, als ginge es um Leben und Tod.

 

Augenblicklich war Blaise erlöst, und die Urne gab ihn frei. Die Kraft, die er auf Dracos Hand ausübte, kugelte ihm die Schulter sofort aus dem Gelenk.

 

Der Schmerz war unbeschreiblich.

 

**

 

Die Jungen erwachten später in einem privaten Krankenzimmer im Sankt Mungo. Es musste also wirklich schlimm gewesen sein, wenn Lucius sie hier hatte hinbringen müssen. Alle alten Familien bevorzugten den Hausheiler.

 

Eine ältere Heilerin in einem blauen Kittel kam zu ihnen, betrachtete sie und drückte sie an verschiedenen Stellen, ehe sie ankündigte, dass sie jetzt die Eltern rein schicken würde. Draco wünschte sich, sie würde das nicht tun. Er war nicht besonders scharf auf den Zorn seines Vaters.

 

Blaise setzte sich in seinem Bett auf. Er sah noch immer schrecklich aus. Sein Gesicht war noch eingefallen, und dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. Draco war sich sicher, dass er den Anblick eines Blaises, dem das Leben ausgesogen wurde nicht wirklich schnell würde vergessen können.

 

„Hey.“

 

„Hey.“

 

„Du hast mir das Leben gerettet“, informierte ihn Blaise mit heiserer Stimme.

 

Draco sah ihn grimmig an. Er war noch ziemlich sauer auf ihn. „Ja, ich habe dich vor der Lebenssaugenden Todes-Vase bewahrt. Ich hoffe, dir ist klar, wie viel Ärger ich jetzt bekommen werde.“

 

Blaise dunkle Augen wirkten noch schwärzer in dem blassen Gesicht. „Das ist eine Zauberer-Schuld, Malfoy. Ich schulde dir wirklich etwas.“

 

„Ja, ja! Ich habe fast meinen Arm wegen dir verloren, Zabini! Meinen verdammten Arm! Hast du gehört, was sie gesagt hat? Es wird nie mehr komplett heilen. Wie soll ich Quidditch mit nur einem Arm spielen, hm?“

 

Der andere Junge fand, dass es kein zu großer Preis zu zahlen war, bedachte man die Offenbarung, die Draco widerfahren war. Er hatte einen fast manischen Blick in den Augen. „Begreifst du nicht? Du hast den Test bestanden. Du bist loyal.“

 

„Oh verfluchter Hagrid, na und?“

 

„Draco?“

„Was?“ Draco war damit beschäftigt sein Kissen mit nur einer Hand aufzuschütteln. Er würd jetzt gerne seine Mutter hier haben. Niemand konnte Kissen aufschütteln so wie sie.

 

„Kannst du bitte keinem erzählen, was heute passiert ist?“

 

Als ob Draco losrennen würde und jedem von dem top geheimen Artefakt erzählen würde, dass sein Vater zuhause versteckt hielt. Aber ihn interessierten Blaises Beweggründe. „Warum nicht?“

 

Blaise sah ihn an, als ob es völlig offensichtlich wäre. „Weil ich den Test nicht bestanden habe. Weil ich nicht loyal bin, so wie du.“

 

Loyal wem oder was gegenüber, fragte sie Draco. Hätte er die Frage laut gestellt, wäre sie rhetorisch gewesen, denn er wusste, Blaise kannte die Antwort auf die Frage auch nicht.

 

Und Draco konnte sich entsinnen, dass auch nur einer der Väter versucht hatte, was er versucht hatte. Wieso nicht? Besonders Anton Zabini war noch ängstlicher gewesen. Sein einziger Sohn war im Begriff gewesen zu sterben, und er hatte Angst gehabt.

 

Draco fragte sich, ob Lucius seine Hand hinein gesteckt hätte, wäre es Draco gewesen, der gefangen gewesen war. Diese Geste anzuzweifeln, war ein erschreckender Gedanke.

 

Vielleicht testete die Urne nicht Loyalität. Sondern Vertrauen.

 

**

 

Ginnys sorgenvolle Gedanken galten Harry, als sie die Große Halle für das letzte Essen betrat. Dumbledore hatte seine Drohung wahrgemacht. Die ein Dutzend Schüler, die übrig waren, saßen nun am Slytherintisch, über dem eine diplomatisch weiße Tischdecke lag. Zuerst gab es Suppe, und die war bereits serviert. Sie nickte ihrem Bruder abwesend zu und kam zu einem jähen Halt, als sie Harry erblickte.

 

„Harry?“, entfuhr es ihr heiser. „Wann bist du… wie hast du-?“

 

Harry legte sein Brötchen zur Seite, um sie zu fragen, ob Hermine noch viel länger brauchen würde.

 

Harrys erstaunter Blick und die Tatsache, dass er noch seine zerknautschte Uniform trug, die immer noch durch das Zusammentreffen mit Ron und Draco vom Nachmittag beschädigt war, ließ sie keuchen. Sie berührte ihre Lippen leicht mit ihren Fingerspitzen, und Horror trat in ihren Blick.

 

„Ginny?“, sagte Harry erneut, und Besorgnis trat in seinen Blick. Sie antwortete ihm nicht, denn sie rannte zum Lehrertisch.

 

„Professor Dumbledore, es befindet sich ein Eindringling im Schloss!“, informierte Ginny den Schulleiter atemlos.

 

Es war still genug in der Großen Halle, dass jeder ihre Worte hören konnte. Alle Geräusche kamen zu einem jähen Ende, und Tandish Dodders ließ seinen Löffel fallen.

 

„Was meinen Sie damit, Miss Weasley?“, wollte Albus Dumbledore mit tödlicher Präzision wissen.

 

„Ich habe gerade jemanden in den Gryffindor Gemeinschaftsraum gelassen, weil ich dachte es wäre Harry. Und.. es war Harry, aber es kann nicht sein, denn Harry ist ja hier!“ Sie deutete heftig auf den verblüfften Harry am Tisch. „Professor, Hermine Granger ist noch oben!“

 

Dumbledore war sofort auf den Beinen. „Minerva, fragen Sie bitte nach Alastor Moody. Er sollte im Ministerium sein. Wenn nicht, fragen sie nach Kingsley Shacklebolt. Remus, Severus, wenn Sie mich bitte zum Gryffindor Turm begleiten würden?“

 

Snape überprüfte die anwesenden Schüler. „Wir vermissen außerdem ein paar Kapitäne unter anderem. Miss Parkinson!“, schnappte er, und seine Augen bohrten sich in die Augen der einzig anwesenden Siebtklässlerin aus Slytherin. „Wo sind Malfoy, Zabini und Gregory Goyle?“

 

Pansy starrte in ihre Erbsensuppe und seufzte.

 

**

 

Hermine…

 

Etwas lief ganz falsch. Ohne es zu wollen, hatte Draco auf dem Absatz kehrt gemacht und rannte die Schlossstufen empor, ehe er sich aufhalten konnte.

 

Was tue ich hier?

 

Er schüttelte den Kopf, um das seltsame Gefühl loszuwerden, Hermine finden zu müssen, um zu sehen, dass es ihr gut ging. Natürlich ging es ihr gut. Sie war auf Hogwarts. Dumbledore war hier. Die Auroren hatten die Schule gerade verlassen, und Potter wusste, er hatte auf sie auszupassen.

 

Sie war sicher.

 

Wieso fühlte es sich dann an, als wäre ich gerade in einen Abgrund gefallen und hätte kurz vor dem Aufprall gestoppt?

 

Verdammt, er konnte nicht mehr richtig denken.

 

Fokus, Malfoy. Der Stress holte ihn ein. Es machte Sinn, dass er sich um sie sorgte. Hermine war immer besorgniserregend, oder nicht? Je schneller er mit Goyle wiederkam, umso schneller konnte er sein Leben beginnen, ohne das Ministerium mit seinem verdammten Vertrag im Genick sitzen zu haben. Er konnte den Rest seines Lebens damit verbringen, sich in Ruhe um sie zu sorgen. Draco lächelte fast über diese Ironie.

 

Er zog erneut Pansy schlechte Version einer Karte hervor und beleuchtete sie mit dem Zauberstab. Pansy war nicht halb so präzise wie Hermine es mit der Karte von Hogsmeade gewesen war, nach dem das Dunkle Mal erschienen war. Draco atmete entnervt auf. Sollte die Karte ansatzweise im Maßstab stimmen, dann würde Hogwarts, nach Pansys Rechnung, den halben Verbotenen Wald belegen, und der See wäre nur eine lästige Pfütze neben Hogsmeade. Nach seiner Kalkulation handelte es sich um eine acht Minuten Entfernung vom Schloss. Jedenfalls bei seinem Tempo.

 

Pansy hatte fünfzehn Minuten kalkuliert. Der Kompass-Spruch bestätigte ihm, dass er ungefähr da war, wo er sein sollte.

 

Draco zog die Kapuze vom Kopf und drehte sich einmal um sich selbst. Welche verdammte Eberesche? Alles, was er sehen konnte waren Eichen und Weiden und eine ganze Menge mehr an Bäumen. Er stopfte die Karte zurück in seine Hosentasche und überlegte, was Pansy noch gesagt hatte.

 

Du wirst nicht wissen, wo es ist, bevor du da bist. Es überrascht dich irgendwie.

 

Fantastisch. Er stellte sich einen gruseligen Baum vor, der auf Zehenspitzen hinter Möchtegern Todessern hinterher schlich, die nach diesem Baum suchten.

 

Und gerade als er das dachte, passierte es. Draco entfuhr ein erschrockenes Geräusch, denn Pansy hatte recht gehabt. Er hatte diese präzise Stelle bestimmt schon dreimal betrachtete, aber der Baum musste die ganze Zeit da gewesen sein.

 

Es war tatsächlich eine Eberesche. Ein gruseliges Abbild der Peitschenden Weide.

 

Vorsichtig näherte Draco sich dem Baum und hielt Ausschau nach einem Portschlüssel. Die Äste konnte keine Portschlüssel sein, oder? Er glaubte nicht, dass es möglich wäre, ein lebendiges Wesen zu benutzen. Nach einem tiefen Atemzug legte er die Hand gegen den Stamm. Fast war er erleichtert, dass nichts passierte.

 

War es seine Einbildung, oder schien sich der Baum unter seiner Berührung gestört zu bewegen?

 

„Schon gut, netter Baum“, murmelte er und tätschelte den Stamm. Wahrscheinlich wäre es am besten, den Baum nicht aufzuregen. Die Äste wirkten stark genug, um ihn zu umschlingen und den ganzen Weg zurück zum Schloss zu werfen. Kurz zögerte er und begann schließlich den Stamm sanft zu streicheln.

 

Der Baum erschauderte und einige Blätter rauschten zu Boden. Er fragte sich, ob der Baum gegenüber jedem so reagieren würde oder nur gegenüber potentiellen Todessern. Und ihren Nachkommen, fügte er in Gedanken hinzu.

 

Gerade als er überlegte, aufzugeben, hörte er ein lautes Knacken über sich. Die obersten Äste teilten sich. Irgendetwas fing das Mondlicht ein und glitzerte hell gegen die dunkelroten Blüten. Eine dicke goldene Kette bewegte sich leicht im Wind über ihm.

 

War das eine Kette? Nein, eine Münze. Draco wusste, er hatte den Portschlüssel gefunden. Hoch, herausfordernd über ihm.

 

Der Baum schien nicht in der Stimmung zu sein, ihm die Kette anzubieten.

 

Er würde klettern müssen.

 

Und mit einem tiefen Seufzer rollte Draco seine Ärmel nach oben. Du kannst mich, Goyle. Du kannst mich kreuzweise, bis es weh tut.

 

**

 

Portschlüssel waren komplizierte Magie. Sie involvierten ein Verständnis von Perimetern und exakter Messung. Für einen Muggel-Laien bedeutete es, dass man höher Mathematik beherrschen sollte, um zu begreifen, wie stark ein Spruch dosiert werden sollte, um an der exakt berechneten Stelle auszukommen. Sehr viel Energie war dafür nötig, und deshalb wurde das Ziel möglichst nicht in stark bevölkerten Gegenden gesetzt.

 

Und mögliche Fehler variierten. Leute konnten einige Kilometer entfernt auftauchen oder eben exakt an der geplanten Stelle, ohne eine Handtasche oder einen Schuh (oder in dem einen veröffentlichen Fall sogar eine Nase). Auf Grund dieser Fehler unterlag das Erstellen von Portschlüsseln so strengen Richtlinien des Ministeriums, dass diese für den Quidditch World Cup drei Monate Zeit gebraucht haben, um alle akkuraten Landepunkte zu berechnen.

 

Draco hasste es mit Portschlüsseln zu reisen.

 

Die Vorteile überwogen schließlich, aber der große Nachteil war, dass man sich fühlte, wie an einem riesigen Haken, der alle Eingeweide sadistisch zu sich zog, und das über kilometerweite Entfernungen. Außerdem hatte es Draco noch nie geschafft elegant auf seinen Füßen zu landen.

 

Es war ihm ein Rätsel.

 

Er bewegte sich elegant genug auf seinen Beinen, noch eindrucksvoller in der Luft, aber er schaffte es jedes Mal flach auf seinem Hintern zu landen, jedes Mal wenn er einen Portschlüssel benutzte.

 

Und dieses Mal war es nicht anders. Draco fiel unspektakulär auf einen Haufen Erde zwischen vielen Bäumen. Er hätte genauso gut noch im Verbotenen Wald sein können, denn es sah hier nicht großartig anders aus. Er verzog das Gesicht und erhob sich eilig, den Zauberstab bereit. Er zog die Kapuze wieder über seine hellen Haare und ging hinter einem Baum in Deckung.

 

Die Lage war soweit sicher. Allerdings sagten ihm die vielen Fußabdrücke auf der Erde, dass dieser Weg oft benutzt wurde. Am besten verließ er diesen Trampelpfad, bevor der nächste Wanderer auftauchte.

 

Draco klopfte sich den Dreck vom Umhang und stellte fest, dass er nicht besonders weit gereist war, der Position des Mondes nach zu urteilen und der Vegetation, des Wetters und der bekannten Luft. Er stellte fest, dass nicht weit, eine Muggel Schnellstraße angelegt worden war. Außerdem eine viel befahrene. Er konnte die Geräusche jedoch nur hören, wenn der Wind sich drehte.

 

Als er sich orientiert hatte, stellte er fest, dass er sich am Fuße einer Anhöhe befand. Nach einem kurzen Fußmarsch nach oben wurde die Vegetation weniger und wandelte sich in eine steinerne Wüste. Er erkannte eine Art Schloss, vier Stockwerke hoch. Bei näherem Hinsehen musste er jedoch zugeben, dass es wohl eher ein größeres Herrenhaus abgeben konnte, als wirklich ein Schloss.

 

Draco wartete hinter den letzten Bäumen ab und beobachtete die Umgebung. Es sah nicht so aus, als ob Wachen vor dem Gemäuer formiert waren, aber er erkannte Licht hinter den oberen Fenstern.

 

Jemand war also zuhause. Er erkannte keine Bewegung hinter den Fenstern, aber das bedeutete nicht, dass die Bastarde keinen Schutz gestellt hatten. Von seiner Position aus überlegte er, welchen Spruch er anwenden konnte.

 

Fumeus Acclaro!“, flüsterte er, nach einigen Sekunden.

 

Ein leichter Nebel löste sich von der Spitze seines Zauberstabs und er hielt den Zauberstab nahe über den Boden. Der Nebel schlich weiter nach vorne zu den Steinmauern des Gebäudes. Merlin sei Dank gab es keine weiteren Hindernisse, oder der Nebel hätte davor gestoppt.

 

So weit so gut.

 

Ein Teil in ihm war komplett versteinert vor Angst. Aber  war sehr weit hinten in seinem Kopf. Still, grimmig und stoisch. Aber etwas anderes hatte von ihm Besitz ergriffen. Eine Eigenschaft, von der er wusste, dass er sie besaß, aber welche er erst zu wenigen Anlässen genutzt hatte. Wer hätte es gedacht? Vielleicht lag es ihm im Blut? Der logische Teil seines Gehirns schrie praktisch vor Gefahr, Risiko und Konsequenzen, aber der andere Teil in ihm beruhigte seinen Atem, hielt ihn wachsam und bereit und versicherte ihm, dass seine Aufgabe zu meistern war, wenn er einen kühlen Kopf behielt.

 

Er wartete bis einige Wolken sich vor den Mond schoben, bevor er einen Sprint zu der Mauer hinlegte. Er presste sich flach gegen sie und streckte die Hand aus, um den Türgriff zu erreichen.

 

Es war abgeschlossen. Ja, natürlich war es das. Nach einer Sekunde hechtete er zur anderen Seite und verbarg sich hinter einem vermoosten Stein. Es fühlte sich kalt an seiner Haut an. Selbst durch den Umhang und seine Sachen. In der Nähe schuhute eine Eule. Er hörte kratzende und knackende Geräusche aus dem nahen Wald, aber es war nichts Ungewöhnliches. Vor allem bot es Hintergrundgeräusche.

 

Er verließ sein Versteck, um die Wand hinauszusehen. Vielleicht stand noch ein Fenster offen? Wie sich herausstellte, brauchte er gar nicht so weit zu denken. Er entdeckte ein mannsgroßes Loch in der Mauer, das in einen leeren Raum führte. Selbst von hier konnte er die toten Blätter ausmachen, die auf dem Boden lagen. Wer auch immer dieses Anwesen benutzte scherte sich nicht besonders um Hausarbeiten oder überhaupt um entsprechende Sicherheit. Aber dann wiederum war es wohl die größere Aufgabe, das Anwesen überhaupt zu finden.

 

Draco wandte den Leviosa auf sich selber an, manövrierte sich in das Loch und zog den Kopf ein, während er prüfte, ob wirklich niemand im Inneren war.

 

Wo waren alle? Er hörte die Geräusche. Jemand hatte eine Tür weiter hinten geöffnet oder gerade geschlossen. Er hörte eine männliche Stimme. Eindringlich und schnell, gefolgt von raschen Schritten. Schnell betrat er das Zimmer und verzog das Gesicht, ob der Geräusche, die seine Schuhe auf dem Teppich an verdorrten Blättern hinterließen. Dankenswerterweise hatte der Wind wieder zu rauschen angefangen. Mehr Blätter wehten von draußen hinein.

 

Die Schritte kamen näher. Wer immer es auch war, war nicht gerade leichtfüßig. Aber die mächtigen Schritte kamen ihm bekannt vor. Draco duckte sich in die Dunkelheit eines gefallenen Balkens.

 

Und kam in greifbare Nähe einer Doxy-Familie. Sie freuten sich ähnlich ihn zu sehen, wie umgekehrt. Der größte von ihnen, ein muskulöses, schwarzes, haariges Ding, der der Anführer der Familie zu sein schien, wagte sich vor und knabberte probehalber an Dracos Schuhspitzen. Aber damit schien die Frustration auch schon besiegt, denn die Familie verzog sich, einige Meter höher, hinter einen weiteren Balken. Draco horchte beinahe schmerzhaft auf die sich nähernden Geräusche.

 

Es war Goyle! Es musste Goyle sein. Das kürzlich gebrochene Bein seines Freundes machte dieses schleifende Geräusch beim Gehen.

 

Und er lag richtig. Goyle tauchte auf und schien in großer Eile zu sein. Er überschritt die türlose Schwelle. Als Draco sicher war, dass sein Freund alleine auftauchte, duckte er sich unter dem Balken hervor, in den nahezu schwarzen Korridor.

 

Mehrere Treppen führten am Ende des Korridors nach oben und unten, und Goyle schien es auf eine der Treppen abgesehen zu haben.

 

Greg, du verdammter Idiot, dreh dich um!

 

Aber das tat er nicht. Er lief geradeaus weiter, im Begriff, die Treppen zu benutzen. Draco hätte fast nach ihm gerufen, beherrschte sich aber. Er fluchte still und benutzte die Treppe, die ihm am nächsten war, um Goyle im nächsten Stock anzuhalten. Er lief die ersten drei Stufen hinab, die unter seinem Gewicht nachgaben und knarzten.

 

Er stoppte auf der vierten, aber nur, weil sein Fuß direkt durch das Holz gebrochen war. Ihm stieg der Geruch von vermodertem Holz in die Nase.

 

„Oh shit!“

 

Die ganze Treppe gab nach. Hatte es vorher noch zwei Treppen gegeben, die nach unten und oben führten, so blieb jetzt nur noch ein großes, gähnendes Loch.

 

Es grenzte an ein Wunder, dass Draco noch die Zeit fand, die Augen zu verdrehen, ehe er fiel.

 

**

 

~ Chapter Forty-Two ~

 

[Ein Auszug aus Kapitel 6]

 

„Was würdest du tun, wenn du deine Freiheit wieder hättest?“, fragte Snape jetzt.

 

Kein Zögern und keine Lüge lag in Lucius’ Stimme als er sprach, was ebenso beunruhigend war, wie seine Worte.

 

„Meinen Sohn nehmen, ob er will oder nicht und weglaufen.“, erwiderte der ehemalige Todesser nun.

„Du würdest ihn wirklich zu einer solchen Existenz zwingen?“, fragte Snape jetzt. „Eine Existenz, bei der er jede Person hinter sich lassen muss, die er gekannt hat, immer auf der Flucht, immer versteckt?“

 

Die Flammen waren einer grünen Wolke gewichen und Lucius’ Gesicht verschwamm langsam im Nebel. „Das würde ich.“, erwiderte er. Seine Stimme verklang bereits. „Innerhalb eines Herzschlags.”

  

Die Flohnetzübertragung endete so abrupt als hätte man eine Kerze ausgeblasen.

 

Alles was von der vergangen Konversation geblieben war, war ein schwerer Geruch von Flohpulver im Kamin und die Tatsache, dass Snape hell wach war. Alarmiert und besorgter als er es zugeben wollte.

 

Er schritt hinüber zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Es war ein schöner Schreibtisch. Eines der wenigen Dinge in seinem Leben, zu dem er eine sentimentale Verbindung hatte. Äußerlich hätte der Betrachter vier gleich große Schubladen entdeckt. Zwei an jedem Ende. Aber als Snape mit seinem Zauberstab sachte gegen die Mitte des Tisches klopfte und eine leise Beschwörung murmelte, erschien eine fünfte viel kleinere Schublade aus dem Nichts.

Die versteckte Lade sprang auf und ein kleiner Beutel aus grünem Samt kam zum Vorschein. Snape betrachtete den Beutel einen Moment lang, bevor er ihn aus seinem Versteck hob. Er spürte, dass seine Hände im Begriff waren zu zittern, aber als Meister der Zaubertränke konnte er sich eine solche Unprofessionalität nicht erlauben.

Vorsichtig stülpte er den Beutel nach außen. Im Material eingenäht befand sich ein winziger heller, goldener Schlüssel.

 

**

 

Harry wusste nicht, ob er sitzen oder stehen sollte. Es war alles Rons Schuld, weil er nicht in Dumbledores Büro war. Ron benutzte gerade McGonagalls Privatkamin, um mit seinem Vater zu sprechen. Und eigentlich musste man Ron unter solchen Umständen beruhigen – nicht ihn. In Rons Abwesenheit war Harry nun die aufgeregteste Person im Zimmer, und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

 

Er war zu besorgt, um länger als eine Minute still zu sein und hatte schon zweimal Ärger von McGonagall wegen seines nervtötenden im-Kreis-Gehens bekommen. Er erlaubte es Ginny, ihn auf den leeren Stuhl neben sie zu ziehen und sie merkte wohl nicht mal, dass sie seine Hand so fest in ihrer hielt, dass sie die Blutzufuhr zu seinen Fingern unterbrach. Aber er war es bereits gewöhnt, nach sieben Jahren Quidditch mit Hermine. Zwar hatte sie für den Sport an sich nur Augenverdrehen und Kopfschütteln übrig, aber wenn sie Angst hatte, konnte sie einem jeden Knochen in der Hand brechen, wenn sie zudrückte.

Ron hatte ihm gesagt, während der ersten Prüfung im Trimagischen Turnier hatte sie ihm so gut wie alle Finger abgerissen.

 

„Das ist alles meine Schuld“, wisperte Ginny. Sie hatte über den gesamten Zwischenfall mit dem falschen Harry Lupin, McGonagall und Dumbledore berichtet. Die Details mochten zwar schockierend sein, aber für Ginny gab es nichts Schlimmeres, als dass sie tatsächlich Hermines Kidnapper auch noch geholfen hatte!

 

„Ich kann nicht fassen, dass du dachtest, das wäre ich“, murmelte Harry und wusste, es half nicht. „Und du hast ihn auch noch geküsst!“

 

Ginny machte ein verzweifeltes Geräusch und vergrub zum bestimmt fünften Mal in den letzten zehn Minuten den Kopf in den Händen.

 

Dumbledore war gerade damit fertig, Professor McGonagall zu berichten, was seine Untersuchungen im Gryffindorturm ergeben hatten. „Harry“, begann er, „wenn die gesamte Lehrerschaft für ein Schuljahr gedacht hatte, ein Todesser wäre Alastor Mood, dann kann ich dir versichern, dass Miss Weasleys Missverständnis durchaus nachvollziehbar ist. Denk daran, dass ich Alastor selber seit vierzig Jahren kannte.“

 

„Wo ist Alastor?“, fragte McGonagall jetzt.

 

„Er macht weitere Untersuchungen in Miss Grangers Zimmer“, erwiderte Dumbledore. Er war vollkommen ruhig. Aber es war die Ruhe einer dunklen Regenwolke an einem sonst wolkenlosen Himmel. Der drohende Ausbruch war greifbar. „Sein Team hat alle Ausgänge gesperrt. Wenn Miss Granger noch immer im Schloss ist, sollten wir sie auch hier behalten können.“

 

„Warum sollte man sie jetzt kidnappen?“, fragte Lupin in die Stille. „Wenn das schon von Anfang an der Plan war, wieso sollte man bis zum letzten Schultag warten? Es gab keine Garantie, dass sie solange bleiben würde. Die meisten haben schon ihre Koffer gepackt und sind abgereist.“

 

Ginny hob langsam den Kopf. Ihr Gesicht nahm eine kalkweiße Farbe an, als sie Harry ansah. „Oh Harry, wir müssen es ihnen sagen!“

 

„Uns was sagen?“, schnappte McGonagalls.

 

Ja. Das mussten sie wahrscheinlich. Wenn Dumbledore für irgendetwas außer der Reihe suchte, ein rotes Tuch, dann wäre Hermines und Dracos Ehe wohl qualifiziert dafür. Harry nickte unwirsch und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, aber der Schulleiter unterbrach ihn.

 

„Professor Snape hat uns… bereits über Miss Grangers… Situation informiert“, sagte Dumbledore jetzt. „In dem Lichte der neuen Tatsache hielt er es wohl für angebracht.“

 

Harry starrte ihn an. „Also wussten Sie, dass die beiden nach der Abschlussfeier geheiratet haben?“

 

Professor McGonagall jedoch schien noch nicht informiert zu sein. Sie machte ein ungläubiges Geräusch. „Wer hat geheiratet?“

 

„Ja, Harry, er weiß es“, erklärte Lupin. Er tätschelte McGonagalls Hand und begann zu erzählen, wie die Ohnegleichen-Schülerin mit dem notorischen Bösewicht der Schule nachts die Schule verlassen hat, um diesen auch noch zu heiraten. Während sie ziemlich betrunken gewesen war, fügte Lupin noch hinzu. Und dann erzählte er noch von den Tattoos und dem dazugehörigen Spruch.

 

McGongall wirkte nahe einem Schlaganfall, als Lupin geendet hatte.

 

Moody betrat Dumbledores Büro. Obwohl „betreten“ vielleicht nicht das richtige Wort dafür war. Er stürmte regelrecht hinein, flankiert von Kingsley Shacklebolt und Astrid Huggins.

 

Lupin war verwundert, sie schon so früh zurück zu sehen, wo Tonks und Bligh erst seit Kurzem verschwunden waren.

 

„Hallo, Lupin“, begrüßte sie ihn.

 

„Astrid“, gab er zurück. Sie teilten einen schmerzvollen Blick.

 

Dumbledore erhob sich. Harry war bis jetzt der fehlende Zorn des Schulleiters nicht bewusst gewesen.

 

„Alastor?“ Dumbledore schien auf die schlimmstmögliche Bestätigung zu warten. Jeder konnte wohl den Stimmungsumschwung im Raum spüren, als wäre plötzlich Elektrizität in der Luft. Harrys Nackenhaare stellten sich auf.

 

Moody sah die stumme McGonagall kurz an, ehe er begann zu sprechen. „Also, wir können sicher sein, dass das Mädchen nicht freiwillig gegangen ist.“

 

Er humpelte drei Schritte zu Dumbledores Schreibtisch und legte Hermines Zauberstab auf die Tischplatte.

 

Dumbledores Gesicht verdunkelte sich unwillkürlich. Anscheinend hatten alle gehofft, Hermine würde aus irgendeinem Grund gefangen gehalten worden, und wäre tatsächlich nicht entführt. Jedoch lag der Beweis dafür nun auf Dumbledores Schreibtisch. Und jeder, der Hermine kannte, wusste, dass sie ohne ihren Zauberstab nirgendwohin gegangen wäre.

 

Lupins Züge spannten sich an. „Also wurde sie mitgenommen.“

 

„Ja“, gab Moody grollen zurück. Er blickte auf ihren Zauberstab. „Wenn den Gerüchten über den Rekruierer in Hogwarts Glauben geschenkt wird, dann, Dumbledore, kann es sein, dass das Mädchen dieser verfluchten Missgeburt aus Versehen über den Weg gelaufen ist. Wo auch immer sie ist, ich bin mir sicher, wir finden dort auch die verlorenen gegangenen Auroren von meinem Team.“

 

„So war es auch bei der Kammer des Schreckens.“ Ginnys Stimme war nur ein Hauch.

 

Auf Moodys fragenden Blick hin, erläuterte Dumbleodre, wie Hermine im zweiten Jahr, herausgefunden hatte, dass der Basilisk für die Attacken auf die Schüler verantwortlich war, und Hermine überlebt hatte, weil sie mit einem Spiegel um die Ecken geblickt hatte, um den anderen von ihrer Theorie zu berichten.

 

Moody seufzte. „Das Mädchen ist ungesund clever. Ich muss mit ihr über eine Karriere an der Auroren-Akademie reden, sobald wir sie wieder haben.“ Harry kannte Moody nicht genug, um zu wissen, ob er gerade versuchte, die Stimmung zu heben. Aber falls es so war, war er gescheitert.

 

„Was ist mit den anderen vermissten Schülern?“, wollte Lupin wissen.

 

„Wo ist das Parkinson Mädchen? Mir wurde gesagt, sie weiß eventuell etwas über die anderen.“

 

„Professor Snape befragt sie gerade“, erwiderte Dumbledore. „Auf meinen Wunsch hin“, fügte er hinzu, als er Moodys grimmigen Ausdruck sah.

 

Moody kratzte sich am Kinn. „Armes Ding“, sagte er, ohne jede Spur von Mitgefühl. „Dann warte ich, bis ich dran bin. Es werden vier vermisst, Albus. Und drei davon sind auf einer bestimmten Liste, von der wir so tun, als würde sie nicht existieren.“

 

„Was für eine Liste?“, fragte Harry sofort.

 

„Eine Liste von Schülern, bei denen angenommen wird, dass sie sich höchstwahrscheinlich Voldemort anschließen würden“, erläuterte Dumbledore, und es war wohl ganz klar keines seiner Lieblingsthemen. „Diese Liste wurde auf den dringenden Wunsch des Ministeriums erstellt.“

 

„Blaise Zabini steh auf der Liste?“, fragte Harry, ohne seine Überraschung zu verbergen. „Wer entscheidet, welcher Schüler auf die Liste kommt?“

 

„Die Belegschaft von Hogwarts“, erwiderte Dumbledore.

 

Harry starrte ihn zornig an. „Dann müssen Sie etwas über Zabini wissen, was wir nicht wissen, denn es kommt mir so wahrscheinlich vor, dass er Voldemort folgen wird, wie als wenn Hermine es tun würde.

 

Dumbledore schenkte ihm einen abwägenden Blick. „Die Namen werden nicht halbherzig hinzugefügt, Harry.“

 

„Und was ist mit Malfoy? Mit dem, was wir über ihn wissen, ist wohl schwer zu sagen, ob er das Verlangen hat, Voldemort zu folgen, oder?“, fügte Lupin hinzu.

 

Und keiner erwähnte Goyle. Manchmal war das Offensichtliche  so schmerzhaft wie es offensichtlich war.

 

„Beschränke die Liste, Albus“, sagte Moody schließlich. „Das sind deine Kinder. Such dir einen aus. Ich will meine Auroren noch vor Ende dieser Woche wieder haben. So oder so.“

 

McGonagalls wirkte schockiert. „Du denkst eine von ihnen ist der rekrutierende Todesser, Alastor? Ein Schüler?“

 

„Tom Riddle war einst ein Schüler“, erinnerte Dumbledore den Rest.

 

Moody knurrte zornig. Er schien als einziger immun gegen Dumbledores unterschwelligen Zorn zu sein. Er sah ihn wütend an. „Ich will mit dem Parkinson Mädchen sprechen. Jetzt.“

 

„Ich habe Professor Snape beauftragt, sie zu uns zu bringen.“

 

„Wenn Sie irgendetwas herausfinden, nehmen Sie mich mit“, informierte Harry Moody jetzt.

 

Moody schnaubte auf. „Ich nehme Auroren mit, Junge.“ Er sah auf Harry hinab. „Soweit ich informiert bin, trägst du noch deine Schuluniform.“

 

Harrys Augen spuckten grünes Feuer. Er war so weit entfernt, dass er Moodys Worte nicht als Provokation wahrnahm, sondern als Ablehnung. „Mir wurde genug erzählt, um genug zu wissen.“ Diese Worte richtete er an Dumbledore und fasst nun Lupin ins Auge. „Ich bin alt genug, um etwas zu unternehmen. Ich bin nicht Sirius Black. Ich werde nicht denselben Fehler machen. Hermine hat mich eines Besseren belehrt.“

 

Lupin sah aus, als würden Harrys Worte ihm Schmerzen zufügen, aber seine braunen Augen hatten einen seltenen Glanz angenommen. „Wie du vielleicht bemerkt hast, sage ich nicht kategorisch Nein“, erwiderte er, und McGonagall lehnte sich vor, um seien Hand zu tätscheln.

 

Harrys Zorn verrauchte langsam. „Danke“, flüsterte er an Lupin gewandt.

 

„Wenn du umgebracht wirst, werde ich es dir nicht verzeihen, Harry.“

 

„Ich werde nicht umgebracht“, versprach Harry sicher.

 

Moody grunzte. „Albus, die vier vermissten Schüler sind der Hinweis, auf den wir gewartet haben. Wir holen uns die Eltern zur Befragung. Mal sehen, was wir über Zabini und Goyle rausfinden.“

 

„Was ist mit Draco?“, fragte Ginny. Sie war verwundert, dass sich niemand mit ihm beschäftigte.

 

„Was ist mit ihm?“ Moodys magisches Auge wirbelte zu Ginny herum. Die Kraft des milchig blauen Blicks war ihr unangenehm. „Ich denke, er hat sich angeschlossen. Ganz einfach. Nichts gegen deine Meinung, Lupin“, fügte er in Richtung des Lehrers für Verteidigung gegen die Dunklen Künste hinzu, „aber der Junge hat schlechte Gene. Und er ist auf der Liste.“

 

„Vergiss nicht, dass die Liste nur ein Sport des Ministeriums ist, Alastor“, erinnerte ihn Dumbledore streng. Harry war überrascht wie involviert Arthur Weasley in der Leitung Hogwarts war. Es musste Dumbledore die Wände hochjagen.

 

„Die Liste zeigt sich bisher als vollkommen korrekt“, erwiderte Moody ausdruckslos.

 

Ron kam betrat das Büro und wirkte aufgelöster, als ihn Harry jemals zuvor gesehen hatte. Er hielt inne und die Spannung war zum Greifen unangenehm. Er räusperte sich. „Dad ist unterwegs“, informierte er den Schulleiter bitter. „Sie haben die Goyles und die Zabini herbestellt, und wir… wir wissen nicht, was wir Hermines Eltern sagen sollen.“

 

„Wir müssen es ihnen sagen!“, beharrte McGonagall. „Das Mädchen wird morgen Zuhause erwartet!“

 

Dumbledore schritt um seinen Schreibtisch und nahm schweren Herzens Platz. „Überlass die Grangers mir. Währenddessen warten wir auf Severus und Miss Parkinson. Ich rechne mit Neuigkeiten, die uns weiter helfen werden.“

 

**

 

Snape stand vor dem Kamin, die Stirn gerunzelt. Seine langen Finger waren zu Fäusten geschlossen. Der Griff seine rechten Hand war besonders fest, denn in ihr hielt er den goldenen Schlüssel, den er seit drei Jahren in seinem Schreibtisch versteckt hielt.

 

Das Metall schien die Hitze seines Körpers aufzunehmen, bis seine Haut zu glühen schien. Natürlich kam es ihm nur so vor. Das war Teil der Magie. Große Magie brauchte den Glauben daran, um zu funktionieren. Glaub an die Worte, glaub an den Effekt. Er klammerte sich an das dunkle Stück Magie und war froh, daran erinnert zu werden, was er bereits alles in seinem Leben hinter sich gelassen hatte.

 

Pansy saß auf der schmalen Couch im Vorzimmer. Sie war für den Moment wie versteinert, aber die Nachwirkungen des Veritaserums würden gleich abklingen.

Es hatte nicht mehr viel Zeit, ehe er sie zu Dumbledore bringen würde, mit den gewonnen Informationen, waren sie auch erzwungen worden. Die Sturheit des Mädchens war das Resultat eines Versprechens, was sie Draco gegeben hatte. Dass der Junge eine solche Ergebenheit auslösen konnte, war nicht besonders überraschend. Was ihn allerdings überraschte, war, dass sie in seinen Patensohn verliebt war. Snape überlegte, dass er wohl alt geworden war, wenn ihm so etwas entgangen sein konnte.

 

Die Flohverbindung baute sich auf. Das Feuer knisterte lauter. Snape sah nun hinab auf die bekannte Hauselfe, die noch nie in der Lage war, seinen Namen korrekt auszusprechen.

 

„Toolip wir Master Lucius sofort holen“, sagte die Kreatur ruhig und war schnell davon getrippelt.

 

Lucius erschien innerhalb von Minuten, gekleidet in einer makellosen mitternachtsblauen Robe. Es war eine klare Verbesserung gegenüber den Seidenmorgenmänteln, die nun eigentlich zu jeder Tageszeit seine Garderobe darstellten. Er war gerannt. Snape konnte es seinen erhitzten Wangen ansehen. Entweder war er gerannt, oder er hatte wieder getrunken. Aber das war wohl unwahrscheinlich. Die quecksilberfarbenen Augen von Lucius Malfoy wirkten vollkommen klar, Himmel sei Dank. Sie wurden jedoch dunkler, als er Lucius sein Gesicht zu studieren schien.

 

„Was ist los? Ist es Draco?“, fragte er sofort.

 

Snape musste ihn nicht schonen. Lucius war es gewöhnt, besonders schlechte Neuigkeiten besonders schnell zu erhalten.

 

„Dein Sohn ist aufgebrochen, Gregory Goyle daran zu hindern, ein Todesser zu werden. Der rekrutierende Todesser wurde auch identifiziert.“

 

„Er tut WAS?!“, bellte Lucius. Die Flammen zügelten höher, ehe sie sich wieder legten.

 

Beim Zorn von Lucius hätten viele Männer bereits das Weite gesucht. Snape jedoch hatte schon schlimmeres gesehen.

 

Manchmal war er selber sogar schlimmer.

 

„Du hast mich verstanden.“

 

„Goyles Sohn? Ich kann nicht behaupten, dass es nicht vorsehbar war.“ Lucius‘ Augen verengten sich zu silbernen Schlitzen. „Wer ist der rekrutierende Todesser?“

 

„Antons Junge.“

 

Lucius hob ungläubig die Hand zu seinem Mund als er nach Luft schnappte. Vielleicht wäre dieses Bild komisch gewesen, aber die Situation war zu schlimm dafür. „Das ist nicht dein ernst!“

 

„Habe ich jemals etwas nicht ernst gemeint?“, erwiderte Snape ungeduldig.

 

„Der Junge betet Draco an!“

 

„Ja, und wir kennen ja die schmale Linie zwischen Verehrung und Neid.“ Snapes Lächeln war messerdünn und genauso scharf. „Aber da ist noch mehr. Ich glaube, Zabini hat Hermine Granger als Gefangene mitgenommen.“ Er ignorierte Lucius‘ übertriebenes Stöhnen. „Wir wissen nicht zu welchem Zweck, aber es eine ziemlich offensichtliche Komponente…“

 

„Potter“, schloss Lucius. Er atmete tief ein und hob dann das Kinn. „Aber du bist sicher, mein idiotischer Sohn ist nur hinter Goyles Sohn her? Er weiß nicht, dass das Mädchen verschwunden ist?“

 

„Wenn er es noch nicht weiß, wird er es bald herausfinden.“

 

„Du hast gesagt ‚wir‘. Was tut Dumbledore?“

Wenn er es sich in seinen, wie Snape sie nannte ‚kurzzeitigen Aussetzern‘,  erlaubte zu reflektieren, dann musste er zugeben, dass Lucius Malfoy in den unmöglichsten Situationen schonungslos pragmatisch sein konnte. Snape nahm an, dass genau diese Eigenschaft des älteren Malfoy damals Voldemorts Neugierde geweckt hatte.

 

„Er hat Moody gerufen, wie vorauszusehen war. Sie werden die Planung beginnen, sobald ich ihnen erzähle, wonach sie suchen müssen. Das Parkinson Mädchen konnte Zabini gerade noch entkommen. Ich weiß nicht, ob dein Sohn dasselbe Glück haben wird.“

 

„Nur nicht, wenn er erwischt wird“, ergänzte Lucius. Sein Gesicht zeigte Panik, gemischt mit väterlichem Stolz, den Snape äußerst unangebracht fand.

 

Aber dann wiederum, war Lucius einfach äußerst unangebracht.

 

Snape verdrehte die Augen. Er hatte damit gerechnet. „Er hatte vielleicht eine Chance gehabt, Goyle zurückzuholen, wäre die neueste Entwicklung nicht passiert.“

 

Lucius kam näher. Es war wohl ein Fenster in Malfoy Manor offen, denn Lucius‘ lange Strähnen wehten über seine Schulter, durch das magische Feuer. Würde Snape einen Schritt näher gekommen, wäre er in der Lage, die langen blonden Strähnen zu berühren.

 

„Severus, dann musst du Draco finden.“

 

„Es gibt vielleicht einen Weg Miss Granger, Goyle und deinen Sohn wiederzubekommen. Ohne… bleibende Schäden. Ich habe meine Vermutungen ob der Dunkle Lord oder ob er nicht über Zabinis momentanen Kurs informiert ist. Ich habe einen Vorschlag, Lucius, welche mich jedoch von der Aufgabe lösen wird, meinen Patensohn zu finden.“

 

Snape hatte Lucius‘ ungeteilte Aufmerksamkeit. „Was für ein Vorschlag könnte das wert sein?“, erwiderte er, mit offensichtlicher Verzweiflung. „Du kannst die Suche nicht aufgeben! Wer sonst, wenn nicht du!“

 

Als Antwort warf Snape den Schlüssel ins Feuer. Lucius fing ihn auf und verzog das Gesicht unter der Hitze des Metalls. Er starrte hinab auf den filigranen goldenen Schlüssel und hob dann den ungläubigen Blick zu Snapes Gesicht.

 

„Ich habe dir soeben deine Freiheit geschenkt, Lucius. Und du wirst sie dir jetzt verdienen.“

 

**

 

„Draco.“

 

Jemand stellte etwas sehr angenehmes mit seiner Stirn an. Es fühlte sich an wie ein Kuss. Nein, wie eine sanfte Berührung. Oder eine kühle Hand gegen seine heiße Haut. Es waren alle diese Dinge. Und er roch einen bekannten Geruch, den er mit all seinen Kindheitserinnerungen verband.

 

„Liebling, wach auf“, drängte die Stimme. Entgegen den entfernten Liebkosungen, war die Stimme glasklar. Es fühlte sich nicht an wie ein Traum, und deswegen entschied sich Draco auch zu antworten.

 

Draco sah seine Mutter an, und es kam ihm vor wie das normalste auf der Welt, dass sie jetzt gerade ausgerechnet hier war. Es gab so viel, was er sagen wollte. Er sollte mit der Entschuldigung anfangen.

 

„Wofür?“, sagte seine Mutter lächelnd. Draco bemerkte, dass sie in Weiß gekleidet war. Er wollte auflachen und ihr erklären, was für ein Klischee es war.

 

Aber dann merkte er, dass seine Augen noch geschlossen waren. Seltsam. Nicht beunruhigend, nur seltsam.

 

„Weil ich dich nicht gerettet habe“, erwiderte Draco. „Wer war es, Mutter? Wer hat dich umgebracht? Sag es mir“, flehte er.

 

„Und was willst du mit dem Namen anfangen, den ich dir nenne?“, erkundigte sie sich sanft.

 

„Denjenigen töten.“

 

Sie schüttelte den Kopf. Draco bemerkte, dass ihr Haar sich sanft in der Luft bewegte, als wäre sie unter Wasser.

 

„Nicht für mich, Liebling. Du tust es für dich und musst dann den Rest deines Lebens mit diesem Wissen leben. Du bist nicht dein Vater, Draco. Er ist in der Lage, viele schreckliche Dinge ohne Reue zu tun. Du jedoch nicht. Meine Vererbung, befürchte ich“, seufzte sie. „Sie dir meine Schwester Andromeda an. Und Sirius Black. Wir bringen manchmal den ein oder anderen Zauberer mit einem moralischen Kompass hervor, egal, wann er zum Vorschein kommt und wie unpassend es sein mag.“

 

Draco hatte seine Mutter noch nie so reden hören. Es war Narzissa, aber eine Narzissa, die er nicht kannte. Die Bitterkeit und die Distanz waren verschwunden. Alles, was er fühlen konnte, was ihre Liebe für ihn. Weil es so vollkommen ehrlich war, vertraute er auf ihre Worte.

 

„Wieso erzählst du mir all das jetzt?“

 

„Ich habe das Glück einen…“ Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen. „… einen objektiven Blick über das Kommende zu haben.“ Ihr Lächeln war fast verschmitzt.

 

„Du bist im Himmel?“, fragte er, und er konnte sich vorstellen, wie groß seine Augen bei diesen Worten sein mussten.

 

Sie lachte. Er lachte auch. Er hatte nicht so ungläubig klingen wollen.

 

„Ich soll dir sagen, dass ich nicht wirklich da bin. Dass ich nur in deinem Kopf existiere, der einiges hat einstecken müssen, diese Woche“, schloss sie bitter. „Wir haben nicht viel Zeit, also hör mir gut zu.“

 

„Ja?“

 

Sie schien sicher zu gehen, dass er ihr wirklich zuhörte, ehe sie fortfuhr. „Wenn der Zeitpunkt kommt, such nach dem Licht und lauf darauf zu. Du bist in Sicherheit, wenn du das tust. Finde es, und alles wird gut. Wenn du dich an nichts sonst erinnern kannst, erinnere dich daran.“

 

Oh großer Gott. Er würde sterben.

 

Weil sie nur ein Hirngespinst seiner Fantasie war, musste er diese Worte nicht laut äußern, damit sie sie verstand. Narzissa verdrehte die Augen. Ihr fließendes weißes Gewand schien entnervte Wellen zu schlagen.

 

„Ich habe nichts von sterben gesagt, Draco! Ehrlich, du übertreibst so wie dein Vater. Folge meinen Worten, alles wird gut.“

 

„Ok, weißes Licht bedeutet alles in Ordnung. Ich hab’s verstanden.“

 

Eine Kälte erfasste ihn. Es war die Furcht und das Wissen, dass er in seinem Unterbewusstsein verschwunden war, seit dem Moment, indem Hermine dem Imperius unterlag. Und weil er ein Gespräch mit seinem Unterbewusstsein führte, könnte er ein paar Dinge klären, von denen er gar nicht wusste, dass sie ihn wirklich störten.

 

„Mutter?“

 

„Ja? Schnell Draco.“

 

„Du hast doch deinen objektiven Blick… was ist mit Hermine passiert?“, fragte Draco. „Wieso kann ich sie nicht fühlen? Ich fühle sie immer…“ Er sah, wie er seine Brust berührte, dort wo sein Herz war, wie er einen Phantomschmerz fühlte.

 

Seine Mutter lächelte dieses Mal nicht. Aber sie wirkte immer noch so nervtötend freundlich. Draco konnte es nicht mehr leiden. Er wollte wissen, warum Hermine ihm nicht mehr antwortete.

 

„Du hast noch Zeit. Erinnere dich daran, was ich gesagt habe. Es tut mir leid, dass ich nichts Genaues sagen kann.“

 

Sie blickte über ihre Schultern, als wäre dort ein Geräusch, das er nicht hören konnte. Und dann, mit einem letzten Lächeln, verschwand sie.

 

Draco wachte auf.

 

**

 

 

~ Chapter Forty-Three ~

 

Als Draco seine Augen öffnete, erkannte er Blaise an der Wand, einen Fuß daran abgestützt. Genau wie Draco trug er schwarz. Die schwarzen Hosen der Schuluniform, die an den Knien staubig wirkten und einen helleren Kapuzenpulli. Auf seinen feinen Zügen lag ein leicht amüsierter Blick, während er an einer Zigarette zog. In der Ferne hörte Draco ein stetes Tropfen. Draco konzentrierte sich auf dieses Geräusch und schaffte es schließlich, sich vom Stupor zu erholen.

 

Er schluckte und befeuchtete seine trockenen Lippen. „Hey.“

 

Blaise nahm einen langen Zug und studierte Draco ernst, ehe er antwortete. „Hey.“

 

„Wie lange war ich bewusstlos?“

 

„Drei Stunden.“

 

Der enorme Schmerz in Dracos Schulter ebbte ab. Genug, um ihn merken zu lassen, dass die anderen kleineren Schmerzen in seinen Armen und Beinen daher rührten, dass er in Ketten an die Wand gebunden war. Es gab keine Fenster, und die Luft war feucht und abgestanden. Er konnte nur annehmen, dass er sich zurzeit in einer Art Kerker befand. Weitere Offenbarungen würde diese Vermutung bald bestätigen.

 

Seine Handgelenke und Knöchel lagen in Handschellen. Ein schneller Blick nach rechts offenbarte ihm das Zugsystem, das die Ketten wohl enger ziehen konnte. Es waren Gewichte an ein Rad gebunden und ein Hebel, der wohl einstellte, wann welche Gewicht hinzugefügt wurden. So schmerzhaft Draco wohl gerade gestreckt wurde, musste er aber annehmen, dass der Hebel erst auf der untersten Stufe eingestellt war. Draco begriff mit erstaunlicher ruhe, dass, wenn Blaise ihn auf die höchste Stufe stellen würde, dass Dracos Gliedmaßen schlicht und ergreifend von seinem Körper gerissen werden würden.

 

Definitiv die Kerker.

 

Und wäre das nicht bereits schlimm genug, lokalisierte Draco den Schmerz in seinem Oberschenkel. Ein zehn Zentimeter langer Splitter hatte sich nämlich in seinen Schenkel gerammt. Er hatte auch Schmerzen an der Stirn, und getrocknetes Blut klebte wohl auf seiner gesamten linken Gesichtshälfte.

 

Die Stufen, erinnerte sich Draco schmerzhaft. Erledigt durch ein Treppenhaus.

 

„Ich wusste nicht, dass du rauchst.“

 

„Du weißt einiges nicht über mich“, sagte Blaise.

 

„Dann bist du es also. Der rekrutierende Todesser, der das Ministerium drangsaliert.“

 

„Jaah.“ Blaise schien nun definitiv amüsiert. Er warf das Ende der Zigarette auf den Boden und trat sie aus.

 

Draco konnte nicht anders, als sich anzuspannen, als Blaise hinüber zum Hebel schritt. Glücklicherweise schien Blaise noch nicht mit dem Gedanken an einen grausamen Mord zu spielen, denn mit einem lauten, rostigen Geräusch legte er den Hebel zurück. Dracos Beine waren noch nicht bereit, gebraucht zu werden. Er glitt nutzlos an der Wand hinab, und zwei Massen an Ketten lagen nun links und rechts neben ihm. Das Blut begann wieder durch seine Körperteile zu fließen, und es war die Hölle. Blaise kam näher, kniete sich neben ihn und zerrte den Splitter grob aus Dracos Schenkel.

 

Weißer, heißer Schmerz blendete Draco kurz, aber er biss die Zähne zusammen und hielt den Blick auf Blaise geheftet. Tropf, tropf, tropf. Das Wasser tropfte in der Ferne. Er klammerte sich an das Geräusch.

 

„Ich nehme an, Pansy hat es dir gesagt?“, sagte Blaise mit gewöhnlicher Stimme. „Die dumme Schlampe konnte noch nie ein Geheimnis behalten. Nicht einmal unter der Drohung mit dem Tod, wie es scheint.“

 

„Wenn du sie anrührst, Zabini!“, presste Draco hervor.

 

Blaise lächelte. Seine weißen Zähne waren gelb wie die Fangzähne eines Wolfs im gelben Licht der Laterne. „Ich glaube, sie ist es nicht, um die du dir Sorgen machen musst. Aber vielleicht kann ich mich zu etwas Mitgefühl bewege, wo wir doch so gute Freunde sind.“

 

„Du bist nicht mein Freund, du scheiß Bastard. Voldemorts Niveau ist gesunken, wenn er sich wirklich für jemanden wie dich interessiert.“

 

„Denkst du das?“, fragte Blaise, nur war er nicht Blaise. Er war Potter. Und dann war er Hermine. Dracos Herz schien explodieren zu wollen, denn bei ihrem Anblick wurden so viele emotionale Schocks gleichzeitig ausgelöst. Er konnte das Geräusch nicht unterdrücken, das seiner Kehle entwich.

 

„Du… du bist ein Metamorphmagus!“

 

Blaise, der jetzt wieder Blaise war, grinste. „Cool, hm?“

 

„Wieso? Wieso tust du all das?“

 

Sein Grinsen verwischte. „Du bist ein kluger Junge, Draco. Das Wieso ist recht uninteressant, findest du nicht?“

 

Draco sah ihn zornig an. Er versuchte, gleichgültig auszusehen, aber er wusste, Mordgedanken mussten in seinen Augen blitzen. Wenn er seit drei Stunden weg war, dann würde es nicht lange dauern, bis Pansy über ihn befragt wurde. Falls eine Rettungsmission angeleiert wurde, dann musste er Zeit schinden, bevor Blaise ihn an Voldemort übergab.

 

„Das übliche dann? Macht, Einfluss, Reichtum, Frauen?“

 

„Nein, tatsächlich war mir langweilig“, erwiderte Blaise mit einem Kopfrucken. Er kam auf die Beine und begann Runden zu drehen.

 

„Mir war so verflucht langweilig. Hast du eine Ahnung, wie frustrierend es ist, einen Mann wie Dumbledore zu sehen, mit seiner Macht und seiner Weisheit? Und dass er alles vergeudet für so verdammt unrealistische Ziele? Ich wäre seiner Anführung gefolgt, aber der Mann hat nicht den geringsten Schimmer, was wir brauchen. Wir, die Zauberer! Wir brauchen Führung. Auf die lange Sicht.“

 

Genug Gefühl war in Dracos Gliedmaßen zurückgekehrt, um ihm kleine Bewegungen zu erlauben. So unauffällig wie möglich, versuchte er, hinter sich eine Handvoll der Kette zu fassen zu kriegen. Wenn er es schaffte, Blaise nahe genug  an sich heran zu locken, um  ihn bewusstlos schlagen zu können, hätte er einen Zauberstab.

 

„Und du glaubst, du bist jemand, der diese Führung besorgen könnte?“

 

„Ja, das tue ich“, bestätigte Blaise. „Voldemort macht sehr viel Sinn, die meiste Zeit. Ich denke, dein Vater sieht es ähnlich.  Es gibt nicht so etwas wie hell oder dunkel, Licht und Schatten. Es gibt bloß das Leben und die Macht, was wir mit ihm anstellen wollen. Die magische Welt leidet an einem Meer von Möglichkeiten, denke ich.“

 

Draco musste seinen Unglauben nicht einmal vortäuschen.  „Oh, das unterschreibe ich gerne. Du hast nur ein Problem. Voldemort hat nicht mehr alle Segel an Deck.“

 

Blaise grinste. Er hatte Dracos Schlagfertigkeit immer genossen. „Ich weiß, aber er ist fast so weit. Glaub mir. Eine jüngere, neuere Generation an Todessern wird nicht mehr wissen, wie es war, ihn wirklich zu fürchten. Sein Einfluss verschwindet. Es reicht wohl zu sagen, dass wir ständig mit Mord davon kommen.“

 

„Wie hast du ihn gefunden? Hast du eine Anzeige im Tagespropheten geschaltet? Frisch aufsteigender Soziopath sucht gleichwertigen, instabilen Dunklen Lord für bösen Unterricht?“

 

„Ich habe ihn nicht gefunden. Er hat mich gefunden. Oder eher, seine Leute haben mich gefunden. Ich habe angefangen, die richtigen Fragen im fünften Jahr zu fragen. Habe meine Sommer dort verbracht, wo du ohne bewaffneten Eskorte niemals hingehen würdest. Leute zu rekrutieren war damals nur ein Wunschgedanke. Todesser sterben aus. Sie werden älter, fetter, langsamer… aber das hat natürlich geholfen“, fügte Blaise hinzu. Er verwandelte sich in Severus Snape. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass unser verräterischer Hauslehrer so gute Verbindungen hatte. Sechs Monate zuvor habe ich einen seltsamen Mann namens Peter Pettigrew kennengelernt. Der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte. Ich habe Spaß, Draco“, ergänzte er, als wäre er selbst nur zu überrascht von dieser Tatsache.

 

„Spaß?“, wiederholte Draco abschätzend. „Zabini, du hast den Verstand verloren, wenn du denkst, du kannst Voldemort übertrumpfen.“

 

„Wieso? Ich bin sein rekrutierender Todesser“, erklärte Blaise. „Es ist gefährlich, es ist kein Selbstmord. Denkst du, ich wäre zu jung? Potter ist genauso alt wie ich, und der Rest der Welt erwartet von ihm, dass er gegen einen Zauberer kämpft, der fünfmal so viel Potential hat. Der Dunkle Lord war nur fünf Jahre jünger als du und ich, als er diesen interessanten Baum entworfen hat, er dich hergebracht hat. Er war in unserem Alter, als er die Kammer des Schreckens geöffnet hat. Alter ist nichts. Ambition ist alles, Malfoy. Das ist es, was der Dunkle Lord anpreist.“ er legte den Kopf schräg und bedachte Draco mit einem mitleidigen Ausdruck. „Du hattest immer die besten Verbindungen und die besten Voraussetzungen, mein Freund. Aber du hattest nie die Ambition. Was für ein armer Slytherin du geworden bist.“

 

„Wenn mir die Ambition fehlt, fehlt dir die Intelligenz“, knurrte Draco. „Du bist für das Dunkle Mal am Himmel von Hogsmeade verantwortlich, richtig?“

 

Blaise schien nicht allzu erpicht darauf, diese Sache zu diskutieren. „Ich war da. Potter ist losgelaufen, um Fadenkraut zu besorgen, ganz der Held. Es ist immer ein stummer Wettbewerb mit diesem Jungen. Ich sag es dir, Draco, es gibt nichts was so traurig und vorhersehbar ist, wie ein Held. Ihr Ego ist so groß, wie ihre Fantasie gering ist.“

 

„Darin stimmen wir überein“, murmelte Draco.

 

„Es war einfach, zwischen die Bäume zu treten und allen zu verkünden, die es hören wollten, dass Voldemort sie nicht vergessen hat.“ Blaises Gesicht verzog sich zu einem unattraktiven Lächeln. Es war das erste Mal, dass Draco ihn wirklich hässlich nennen konnte. „Der Zauberstab war gekennzeichnet, das Mal wurde entstellt…“

 

Dracos Lachen war so ehrlich wie es bitter war. „Ah, der gute Malfoy-Standard! Nett zu wissen, dass ich deinen großen Moment versaut habe, ohne es zu merken. Mein Vater muss vor Lachen fast erstickt sein, als er es gehört hat.“

 

Blaise wollte ein höriges Publikum, kein amüsiertes, und Draco hatte ihn die letzten Minuten über mit Absicht geärgert. Er trat vor und griff in Dracos Shirt und bohrte die Spitze seines Zauberstabs gegen Dracos Kehle.

 

Draco schnaubte auf, wenn auch etwas amüsiert, denn es kostete Blaise tatsächlich etwas mehr Kraft seine größere Statur aufrecht zu halten.

 

„Denk an deine Schuld“, erinnerte ihn Draco sanft. „Ich hätte Slytherins Artefakt das Leben aus dir raussaugen lassen können. Ich hätte deinen Vater neben mir zusehen lassen können, wie du stirbst.“

 

Blaises Gesicht war nur Zentimeter von seinem entfernt. Er starrte Draco voller Verachtung an. „Oh, ich erinnere mich.“

 

Jetzt, dachte Draco. Er war kurz davor die Ketten nach oben zu reißen, wenn Blaise vor ihm zurückwich. Verdammt! Widerwillig ließ Draco die Ketten sinken, die er vorhatte gegen Blaises Kopf zu schleudern.

 

„Du hast Dodders die Nachricht geschickt, oder? Die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt, ihn zum Klatscher Rennen aufgefordert? Was hatte er damit zu tun?“

 

Blaise blinzelte, als hätte dieses Thema rein gar nichts mit Voldemort zu tun. „Dodders war nur ein Mittel zum Zweck. Ich hatte etwas beweisen müssen.“

 

„Was?“, schnappte Draco. „Dass der Junge keine zehn Meter sprinten könnte, um sein eigenes Leben zu retten? Dass er Monogramm-Pyjamas trägt?“

 

„Geduld. Du wirst schon noch sehen.“

 

„Keine Spiele mehr, du Psychopath. Wo ist meine Cousine? Die Aurorin und ihr Partner, wo sind sie?“

 

„Vergiss deine Cousine!“, erwiderte Blaise durch zusammen gebissene Zähne. „Die familiären Verbundenheiten sind ziemlich überbewertet, wenn du mich fragst. Voldemort würde dir dasselbe sagen.“

 

Draco verharrte. „Wovon redest du?“ Er beschloss, vorsichtig zu sein. Blaise sah aus, als wäre der Moment gekommen, wo er hysterisch werden konnte. Was auch immer im Begriff war, preiszugeben, schien ihn ebenfalls mitzunehmen.

 

„Ich spreche von deiner Mutter, Draco. Meine erste Mission war, als ich das Mal beschworen habe. Ich sollte zu ihr gehen und sie bitten, zurückzukommen. Es wäre Platz für sie gewesen, weißt du? Sie wusste zu viel. Das Ministerium war dumm, sie zu vernachlässigen. Mein Herr war nicht so unvorsichtig.“

 

Draco schüttelte den Kopf, als wäre das Schlimme zu leugnen, einfacher als das, was er erfuhr.  Er sah Blaise an mit etwas, das Hoffnung glich.  Für diejenigen, die seine charakteristische Gleichgültigkeit und eiskalte Fassade gewöhnt waren, war diese Veränderung erstaunlich. Blaise, so sehr er Draco auch verabscheute, war nicht vollkommen unbeeindruckt von den rauen Gefühlen, die Draco ins Gesicht standen.

 

„Oh, Blaise, was hast du getan…“

 

„WAS ICH TUN MUSSTE!“, schrie Blaise, und seine Stimme brach. „Dachtest du, ich wollte es? Sie war es nicht, die uns verraten hatte. Es war dein Vater, aber sie hat sich gewehrt-“

 

„Weiß Bellatrix, was du ihrer Schwester angetan hast?“, spuckte Draco ihm entgegen. Seine Stimme zitterte, aber er war machtlos dagegen.

 

Blaise antwortete nicht, aber seine vorangegangene Sorge war ersetzt mit gruseligem Selbstbewusstsein. Er realisierte Narzissa Mord in seinem Kopf, überlegte Draco. Das war gut. Zweifel waren gut.

 

„Sie weiß es nicht, oder? Antworte mir!“

 

„Es war Bellatrix, die die Anweisung gab, Narzissa zu terminieren, sollte sie sich weigern zu kooperieren“, antwortete Blaise leise.

 

Das war es nicht, was er hatte hören wollen. Draco schloss die Augen. Er schlief noch immer. Das musste es sein. Vielleicht war er noch immer im Cobblestone Inn mit Hermine in seinen Armen.

 

Es war ein Albtraum, aber er würde bald erwachen. Er würde sie halten und sie würde ihn lieben. Hermine liebte ihm. Liebte ihn wirklich, egal, wer er war und wie schlimm er sie behandelt hatte.

 

Er musste nicht so tun, als wäre sie aus seinen Gedanken verschwunden. Trotz seiner stummen Verleumdungen, hatte er es begriffen, als sie es ihm gesagt hatte. Nicht nur, weil das Mädchen mehr Ehre und Integrität besaß als jeder andere, den er kannte, sondern weil er die Wahrheit selber fühlen konnte.

 

Fida Mia hatte den großen Abgrund zwischen ihnen überwunden. Es war die Verbindung, die ihm offenbart hatte, wie eine wundervolle Offenbarung, wie sie für ihn fühlte.

 

Aber er fühlte jetzt nichts davon.

 

An was er sich erinnerte waren plötzlich Überreste eines Traums, an den er sich nicht erinnern sollte. Aber er erinnerte sich dennoch. Das Wissen, dass es Hermine nicht gut ging, wurde stärker.

 

Was sollte er wissen?

 

Zuerst musste er fliehen. Er musste es wirklich.

 

Draco gewann an Fokus, legte ihn über sich, wie einen Umhang. Das war es, worin er gut war. Er sprach ruhig und gleichmütig, selbst wenn er innerlich nur schreien wollte; schreien, bis seine Stimme nachgab.

 

„Zabini.“

 

Draco sah den Freund an, mit dem er im zweiten Jahr Schach gespielt hatte, bis zum frühen Morgen, dessen Leben er gerettet hatte, als ein kindisches Spiel todernst geworden war. Er erkannte den Jungen nicht mehr, der ihn gebeten hatte dieses Geheimnis für sich zu behalten, als sie im Mungo aufgewacht waren.

 

Was er jetzt sah, war ein Monster. Ein Produkt aus all den Dingen, die so falsch waren, in ihrer Welt.

 

„Sieh mich an, Blaise.“

 

Blaise, der selber in seinen dunklen Gedanken versunken gewesen war, hob seinen Blick zu Dracos Gesicht.

 

„Du kannst damit aufhören“, erklärte Draco, nicht wirklich flehend, aber er legte all seine Überzeugung in seine Worte. „Wie viele Leute müssen noch sterben, bevor du begreifst, was du tust?“

 

Blaise kratzt sich an der Nase. „Nicht ansatzweise genug, um mich an mir selber zweifeln zu lassen. Ich weiß, was du tust, Malfoy. Wir sind zu gleich.“

 

„Du hast keine Ahnung, was du tust.“

 

„Doch, habe ich“, erwiderte Blaise sanft. „Wie ist das dumme Muggel Sprichwort? Man muss ein paar Eier zerbrechen, um ein Omelett zu machen?“

 

Draco sah ihn an mit absoluter Verblüffung. „Du hast meine Mutter getötet.“ Er betonte jedes Wort, als würden sich die Worte in Blaises Haut dadurch einbrennen können.

 

„Ich weiß“, entgegnete Blaise traurig. „Aber es wird immer erst schlimmer, bevor es besser werden kann. Sag mir, Draco, was ist dir am liebsten in der Welt?“

 

Draco öffnete den Mund, um eine schlagfertige Antwort zu geben, aber alles, was seinen Mund verließ war ein Laut voller Schmerzen. Er stolperte nach vorn und hielt sich den Bauch, als wäre er geschlagen worden. Und da wusste er es. Horror, wie er ihn nicht kannte, schien sein Blut innerhalb eines Herzschlags in Eis zu verwandeln. Er konnte einige Sekunden lang kaum denken.

 

„Wo ist sie?“, zischte Draco. Er musste aussehen, wie ein Tier, das in einen käfig gesperrt worden ist. Sein Atem ging unregelmäßig, und er fixierte Blaise mit unkontrollierter, echter Wut.

 

„Hier. Bei mir.“

 

„Wenn du sie Voldemort gibst, Zabini, schwöre ich, zu welchem Gott auch immer du betest, dass ich dir deine Wirbelsäule mit meinen bloßen Händen rausreißen werde…“

 

Blaise grinste ihm entgegen.  Ganz klar hatte er sich wieder unter Kontrolle, während Draco gerade sämtliche Kontrolle verlor. „Du und welche Armee?“

 

Draco verzog den Mund und kam in Ketten nach vorn. Er schaffte es, bis auf einen Zentimeter. Weit genug, als dass sein Atem Blaises haare bewegte. Es war eine von Blaise wohl kalkulierte Distanz.

 

„SAG MIR, WAS DU WILLST, DU PSYCHOTISCHER BASTARD!” 

 

Als Antwort schritt Blaise zu dem hölzernen Hebel und legte ihn langsam um. Die Ketten ächzten und stöhnten, als wären sie lange nicht mehr benutzt worden.

 

Das Resultat war, dass Draco wieder schmerzhaft gegen die Wand geschleudert wurde. Sein Kopf schmerzte durch den Aufprall, und kurz verschwamm sein Blickfeld. Er sah Blaise an, mit einer Mischung aus Unglauben und Zorn.

 

„Willst du mir etwas anbieten, Malfoy?“, erkundigte sich Blaise ruhig.

 

„Alles“, keuchte Draco. „Du brauchst Geld für deine Mission, oder? Alles, was ich habe, ist deins. Du willst Namen, Geheimnisse, Geheimnisse des Ministeriums, Gründe für eine Erpressung, ich kann dir alles besorgen…” Er wusste, er faselte, aber er konnte nicht aufhören. „Du willst mich rekrutieren? Bitte, tu es. Voldemort will mich haben, oder nicht? Dann soll er mir das Mal verpassen. Lass sie gehen.“

 

Blaise schnaubte auf. „Wir haben dich bereits.“

 

Draco schüttelte den Kopf. „Nein, habt ihr nicht. Ihr wollt Kooperation, die kann ich euch geben. Wenn du es so machst, dann wird dein scheiß Dunkler Lord mich nur verdammt unwillig bekommen.“

 

Blaise schien über die letzten Worte nachzudenken. Draco fühlte einen Keim Hoffnung in sich aufsteigen. „Alles, was ich in der Welt besorgen kann, ist deins“, wiederholte er heiser.

 

„Für sie als Austausch, nehme ich an? Das dreckige Schlammblut, das du zu hassen geschworen hast, seit dem Moment, als du wusstest, was sie war?“

 

„Ja“, flüsterte Draco. Er würde nicht an Hermine denken. Er würde es nicht tun. Er würde alle Kontrolle verlieren, wenn er es tat. Sie war sicher. Blaise hatte seine eigenen Interessen an ihr. Draco sah es jetzt. Wenn auch nichts sonst, dann würde sie das für den Moment retten.

 

„Alles?“

 

„Alles, was ich dir geben kann“, wiederholte Draco, während seine Stimme brach.

 

„Ausgezeichnet.“ Blaise schlug die Hände zusammen und sah ziemlich zufrieden aus, als hätte sich ein großes Drama zu seinem Wohlgefallen aufgelöst. Er kam auf Dracos schmerzhaft gestreckten Körper zu, lehnte sich vor und flüsterte in sein Ohr. Schwarzes Haar mischte sich blondem.

 

„Ich will du sein“, sagte er, mit der Art von Verzückung, die ein Kind ausstrahlt, wenn es am Weihnachtsmorgen die Treppe hinab kommt, auf dem Weg zu einem Berg an Geschenken. „Denkst du, du kannst das ermöglichen?“

 

Draco zog den Kopf zurück und starrte ihn an. Er sah ihn lange an und wusste, es würde kein Verhandeln mit Blaise geben. Es gäbe keinen Weg der Vernunft.

 

„Dass sie hier ist, ist deine Schuld. Gewöhn dich an diesen Gedanke, Malfoy. Ich gebe zu, dass ich mehr für unsere Schulsprecherin empfinde als eine vorübergehende Verliebtheit, aber es war dein Interesse an ihr, das ihr Schicksal besiegelt hat.“ Und damit griff Blaise in die Tasche und brachte eine schmale Holzkiste zum Vorschein.

 

Er öffnete sie, damit Draco hineinsehen konnte. 

 

Im Innern, auf einem blutigen Tuch, lagen zwei Augen. Eines war grün, ein anderes war blau. Sie gehörten Arne Hendricks und ihnen wohnte ein Ausdruck des Horrors inne.

 

„Und ich dachte, ihr Malfoys heiratet nie aus Liebe…“

 

Draco verlor den Kopf. Er trat und schrie und windete sich. Drei Meter Ketten wälzten sich durch die Metallringe, und jedes Mal, wenn er sich nach vorne warf, reichte die Kette nicht aus, damit er Blaise zu fassen bekam. Die Handschellen bissen und rissen an seinen Handgelenken, bis heißes Blut seine Finger hinablief.

 

„Crucio“, sagte Blaise und klang beinahe bedauernd.

 

**




Hermine war frei.

 

Zuerst kämpfte sie noch gegen den Imperius Fluch, und dann wurde alles Schwarz in ihrem Kopf, gefolgt von unglaublichen Schmerzen, während sie den Cruciatus Fluch erkannte. Sie hatte diesen Schmerz sofort erkannt.  Es hatte sie in ihren Träumen seit dem fünften Jahr verfolgt. Selbst wenn sie veranlassen würde, dass dieser Zauber aus ihrem Kopf mit dem Vergessens-Zauber entfernt werden würde, würde sich Körper immer noch erinnern können. Ihr Muskeln und Nerven vergaßen diesen Schmerz nicht.

 

Zu ihrem eigenen Ärger hatte sie Blaises Imperius nicht blocken können. Sie fragte sich, ob es an ihrer mangelnden Übung lag oder an Blaises fortgeschrittener Magie. Er hatte diesen Spruch schon vorher benutzt. So viel stand fest.

 

Die Kraft dahinter war immens gewesen. Sie hatte Harry gesehen, hatte gesehen, welche Kräfte es ihn kostete, zu widerstehen. Sie konnte es versuchen, aber so würde sie es nicht schaffen können.

 

Und jetzt, nach der Entführung aus Hogwarts, wo auch immer sie jetzt gerade war, tat sie das Beste, was sie ohne freien Willen tun konnte. Sie passte auf.

 

Die erste Sache, die ihr klar wurde, als Blaise sie gefangen genommen hatte, war die Tatsache, dass Harry nun tatsächlich in die Schlacht gezogen wurde. Das brachte sie beinahe zum Weinen.

 

Die zweite Sache war, dass Blaise wohl nicht Voldemorts Anweisungen Wort für Wort befolgte, denn sie aus Hogwarts zu entführen, direkt unter Dumbledores Nase, war wohl kaum ein Befehl gewesen.

 

Sie wusste dies, weil Blaise sie praktisch in das Versteck der Todesser hinein geschmuggelt hatte. Er kannte dieses Versteck wohl ziemlich genau. Einige Male hatten sie hinter Kurven und Ecken warten müssen, um nicht entdeckt zu werden. Zu ihrer Verwunderung hatte er sie in seine Räumlichkeiten gebracht, wie ein Kind, was sein neues Haustier vor seinen Eltern verheimlichen wollte.

 

Entweder war das gut für sie, oder es bedeutete, dass sie noch in viel größerer Gefahr war, weil Blaise sie somit nicht mehr beschützen konnte.

 

Noch etwas. Er hatte sie nicht mehr angerührt. Sie nahm an, es war ein schwacher Trost, dass Blaise sich anscheinend besser einstufte, als die anderen plündernden und vergewaltigenden Todesser, die Voldemort folgten.

 

Blaise hatte es ihr auch einige Male gesagt. Sein Ego war anscheinend gut ausgeprägt.

 

Er machte allerdings andere Dinge, die sie schaudern ließen. Während der Flucht hatte er erzählt von der Zukunft, der neuen Ordnung, dem neuen Ministerium und ihrem Rang in der Gesellschaft, die bald da sein würde. Sie würde ihn nicht für immer hassen, hatte er ihr versichert. Er sagte, dass nach einer notwendigen, blutigen Revolution, sie die Logik dahinter begreifen würde. Dass ein Talent wie ihres seinen richtigen Platz finden würde.

 

Hermine dachte, dass der richtige Platz für Blaise in der geschlossenen Abteilung des Mungos war, aber natürlich hatte sie ihm das nicht gesagt.

 

Zuletzt war ihr etwas anderes klar geworden, als Blaise sie in sein Zimmer geschoben hatte, im obersten Stock des Gebäudes. Es hämmerte an seiner Tür. Er hatte sie gegen die Wand neben die Tür gepresst und hatte sich verwandelt. Von außer Atem und nervös zu ruhig und gefasst, ehe er die Tür öffnete. Die Stimme an der Tür gehörte zu einem Mann namens Travers.

 

Sie hatten ein Problem, hatte der Mann gesagt. Draco Malfoy wäre hier. Sie hätten ihn gefangen genommen.

 

Hermine hatte sich nicht bewegt. Nicht mit der Wimper gezuckt. Innerlich war sie zusammen gebrochen.

 

Harry hatte richtig gelegen. Liebe war eine riskante Angelegenheit, während eines Kriegs. Sie musste fast lächeln. Draco hätte widersprochen. Er wollte ihre Liebe nicht. Er würde ihr sagen, dass er sie nicht bräuchte.

 

Aber er brauchte ihre Hilfe jetzt.

 

War er wegen ihr gekommen? Wusste die Schule bereits, dass sie fehlte? Das konnte nicht sein. Es war zu wenig Zeit vergangen, als dass die anderen Bescheid wissen konnten.

 

Blaise hatte sie stehen gelassen, als er losging, um die andere Errungenschaft zu begutachten. Sein letzter Blick war sogar fast zärtlich gewesen. Verrückter Wahnsinniger. Hermine wollte am liebsten sein Gesicht zerkratzen.

 

Sie war still an der Wand stehen geblieben. Für Stunden, so kam es ihr vor.  Ihr Herz raste in ihrer Brust. Sie konnte nicht schreien, nicht weinen oder einen Muskel bewegen.

 

Und dann erlebte sie den indirekten Cruciatus Fluch, durch den Fida Mia. Draco war im Gebäude und ihm wurden Schmerzen zugefügt. Ein Unverzeihlicher löste den anderen. Blaises Imperius löste sich auf, und Hermine spürte Draco mit aller Macht.

 

Mit dem Verschwinden des Fluchs, brauchte Hermine dennoch einige Minuten, um sich zu beruhigen und klar zu denken. Alles, was sie anscheinend tun konnte, war, ihr Hände ineinander zu verschränken, und Kreise zu laufen.  Sie erlaubte sich den Luxus einiger Panikattacken, und dann durchsuchte sie Blaises Zimmer nach möglichen Waffen. Es war nicht hilfreich, dass Blaise sein Zimmer vollkommen spartanisch eingerichtet hatte.

 

Hier stand nur ein Bett, ein halbleerer Schrankkoffer mit seinen Sachen – und das war’s. Wo war irgendein scharfkantiges Gerät, wenn man eins brauchte! Sie fand schließlich eine brandneue Feder am Boden seines Koffers und hätte vor Erleichterung fast gejubelt.

 

Hermine steckte die Feder in ihren Rock, bevor sie zur Tür ging, um sich den Türgriff näher anzusehen. Es war kein Wunder, dass Blaise sie eingeschlossen hatte. Es gab keine Zeit, sich einen anderen Plan zu überlegen. Was hatte sie schon für eine Wahl? Draco wurde gefoltert, und sie hatte die Macht, etwas dagegen zu unternehmen.

 

Dennoch, es war eine Sache dem möglichen Tod ins Auge zu sehen, und es war eine andere, dabei eine Frau zu sein. Es gab vielleicht schlimmeres außerhalb dieses Zimmers als Blaise Zabini.


Am Ende war es egal. Hermine hämmerte gegen die Tür und begann zu schrien.

 

Es war nicht Travers, der dieses Mal kam. Es war Pettigrew, der die Tür öffnete, sie aufzog und fast einem Schock verfiel, als er sie erkannte. Er stand vor ihr, den Mund weit offen, und er sah noch furchtbarer aus, als er es das letzte Mal getan hatte, als sie ihn gesehen hatte.

 

„Du?!“, rief Pettigrew so überrascht aus, dass Hermine wusste, sie würde es schaffen.

 

„Ich denke, du hast ein Problem Wurmschwanz“, erwiderte Hermine.

 

Es kostete ihn nicht viel Zeit, bis er zwei und zwei zusammengezählt hatte. „Zabini! Dieser kleine Idiot!“

 

„Du wusstest wirklich nichts davon?“, entgegnete sie, um seinen Ärger auf Blaise weiter anzustacheln.

 

Pettigrew schenkte ihr einen kalkulierenden Blick. „Mein Herr will den Malfoyjungen. Du hingegen könntest ein neuer Bonus sein.“

 

„Vielleicht“, räumte Hermine ein. „Aber er hat mich aus Hogwarts entführt“, informierte sie ihn. „Weg von Dumbledore und Harry Potter. Was denkst du, was das bringen wird?“

 

Pettigrew hatte daraufhin nichts zu sagen, aber sie registrierte, dass er etwas besorgt aussah.

 

„Wenn dein Herr Malfoy lebendig möchte, schlage ich vor, suchst du Zabini. Er bringt Malfoy nämlich in dieser Minute um. Geh los und such sie, wenn du mir nicht glaubst.”

 

„Was ist hier los?“ Travers hatte seinen Weg hierhin gefunden, den Zauberstab sofort gegen ihre Brust gerichtet. Sein Ausdruck war schwer zu lesen, aber mit der Zeit verwandelte er sich in ein Grinsen, während er ihre Uniform und ihre wilden Locken betrachtete. Sie konnte aber nicht sagen, ob er sie erkannt hatte oder nicht.


„Was zur Hölle tut das hier?“

 

„Pass auf sie auf“, knirschte Pettigrew. „Ich sehe nach Malfoy.“

 

„Das wäre besser. Er vor fünf Minuten aufgehört zu schreien.“

 

Hermine wurde blass bei diesen Worten, aber Travers betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen. Sie beschloss, ihre Sorge erst mal auf diese neue Situation zu konzentrieren.

**



Blaise ließ seinen Zauberstab sinken, und die Folter hörte abrupt auf. Draco hörte auf zu zucken und die Ketten hielten nun wieder sein volles Gewicht. Seine Haut lag in unheimlichen Schmerzen. Es war hundertmal schlimmer als der Schmerz in seiner Schulter, und es war überall. Es fühlte sich an, als wäre seine gesamte Haut auf einmal von seinem Körper geschält worden. Der Schmerz wiederholte und wiederholte sich. Er hatte aufgehört, sich den Tod zu wünschen, denn dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. Wenn Blaise sich während der Folter lustig gemacht hatte, dann hatte Draco das nicht gehört.

 

Einige seiner Muskeln zuckten ab und an, während der Fluch seinen Körper verließ. Aber er war jung, er war gesund und spürte, wie das Gefühl und seine Sinne zurückkehrten.

 

Er hörte Stimmen. Ein kleiner Mann war eingetreten Draco hörte wie er und Blaise sich stritten. Er sollte zuhören, über was sie sprachen, aber etwas anderes erregte jetzt seine Aufmerksamkeit.

 

„Hermine…“, krächzte er, und seine Stimme war voller Erleichterung. Sie war hier, ja. Sie hatte Angst, aber sie war sicher für den Moment. Ihr Dasein überflutete seine Sinne, eine süße Erlösung, die sich über seine Qualen legte. Er genoss diese Entdeckung, lächelte und lachte lautlos auf.

 

Wie typisch. Es brauchte Folter, um ihn akzeptieren zu lassen, wie er tatsächlich fühlte.

Blaise und der kleine Mann hörten auf zu sprechen und starrten ihn an, als hätte der Cruciatus seinen Verstand zerstört.

**


Er war allein.

 

Nein, er war nie allein. Nicht seit der Abschlussfeier. Nicht sein Fida Mia.

 

Draco hatte keine Ahnung, wie lange er hier hing. Zehn Minuten? Eine Stunde? Zehn Stunden? Sein Kopf fiel auf seine Brust, und er bewegte sich nicht.


**


Er war nicht allein.

 

Draco war jedoch fast bewusstlos und merkte nicht, wie jemand den Raum betreten hatte. Eine dunkle, hochgewachsene Person erschien in seinem Augenwinkel. Oder vielleicht war es nur seine Einbildung? Vielleicht war es wieder eine Vision von seiner Mutter, die sich endlich etwas Vernünftiges angezogen hatte, bevor sie ihm wieder einen verrückten Traumbesuch gestattete.

 

Oder vielleicht war es nur Blaise, der wieder gekommen war, um ihn zu foltern. Dracos Verstand war vielleicht noch nicht ganz wieder da, aber sein begann sich sofort in den Ketten zu wehren, bei dem Gedanken daran.

Starke Hände griffen um seine Hüfte und zogen ihn hoch. Er roch und fühlte Leder. Eine behandschuhte Hand hob seinen Kopf am Kinn an.

 

Nicht Mum, also, registrierte er. Einbildung oder nicht, sie war eine zierliche Person und würde ihn nicht heben können, als wöge er nichts.

 

Seine Augen öffneten sich und als sich sein Blick fokussierte, war Draco vollkommen verblüfft in die dunkelgrauen Augen von Lucius Malfoy zu blicken.

 

„Vater?“, wisperte er. Er könnte nicht überraschter sein, wäre Salazar Slytherin persönlich aufgetaucht, um ihn zu retten.

 

Lucius zog die Kapuze von seinem Kopf. „Dein Pate sendet seine Grüße und hofft, dass du noch solange überleben wirst, bis er dich in die Finger bekommt und dein lebensmüdes Dasein selber beenden kann.“

 

Draco wusste nicht, wie lebendig sein Vater aussehen konnte. Seine langen Haare waren in einen strengen Zopf zurückgebunden. Er trug einen schwarzen Reiseumhang und Handschuhe. Zorn lag in seinen Augen. Und es war gut, denn Draco wusste, dass sein zorn dieses Mal nicht ihm galt.

Er konnte nur vor Verblüffung starren.

 

Lucius begutachtete ihn. Er hatte wohl die Wunde an Dracos Kopf bemerkt, ehe er sich seinen Handgelenken widmete. Er zog einen Zauberstab aus der Tasche und schnitt einige Streifen Stoff von seinem Umhang. „Was hattest du gedacht zu erreichen, wenn du deine Hände abgerissen hättest?“

 

Dracos Stimme war leise, aber genauso trocken. „Ich konnte es nicht verhindern bei der Folter und allem.“

 

Lucius machte ein knappes Geräusch, als er die Bandagen wickelte.

 

„Wie bist du-“

 

„Stell deine Fragen später“, unterbrach Lucius ihn. Er machte einen Schritt zurück. „Junge, kannst du stehen?“

 

„Ich… ja.“

 

„Dann tu es.“

 

Nach einem kurzen Moment lehnte sich Draco zurück gegen sein Steinmauer und atmete aus.

 

Lucius ging zum Hebel und legte ihn wieder komplett zurück. Er schien zu wissen, was er tat. Die Ketten, die Draco gehalten hatten, lockerten sich und fielen schließlich zu Boden. Draco hatte sich wohl geirrt, denn kaum war er frei, gaben seine Beine nach. Sein Vater sprang nach vorne, um ihn aufzufangen.

 

„Das Mädchen ist zwei Stockwerke höher“, informierte ihn Lucius, als er seinen Sohn gegen die Wand zurücklehnte und seine Handschellen löste. „Benutz deine Beine. Die Taubheit wird verschwinden.“ Er klang unglaublich autoritär. Draco fragte sich, ob er wusste, wie sich der Cruciatus anfühlte oder ob Lucius selber diesen Fluch sehr häufig hatte anwenden müssen.

 

„Blaise Zabini ist der rekrutierende Todesser. Er ist kurz davor, verrückt zu werden.“ Draco versuchte seine Schultern zu rollen, um den Schmerz zu vertreiben.

 

„Das habe ich auch gehört. Hier, nimm das.“

 

Draco sah hinab auf seine bandagierte Hand, um dort einen Zauberstab zu finden. Nicht seinen Zauberstab. Nicht den seines Vaters, aber einen Zauberstab. Vielleicht würden sie hier doch lebend rauskommen.

 

„Brauchst du ihn nicht?“ Sein Vater hatte recht. Je mehr er seine Beine bewegte, umso besser wurde es.

 

„Nein“, erwiderte Lucius. Sie wussten beide, er log.

 

„Was hast du vor?“, fragte Draco.

 

„Mit deiner Tante sprechen.“

 

Er sagte es so gleichmütig. Dass ein Mann mit seiner Schwägerin sprechen wollte, klang so normal. Nur waren beide gesuchte Kriminelle, und die eine war sogar verantwortlich für den Mord an seiner Frau.

 

„Sie hat Mum umgebracht“, entfuhr es Draco. „Zabini hat den Befehl ausgeführt. Er hat es gestanden.“

 

Sein Vater schien es nicht gewusst zu haben. Etwas wie Trauer huschte über seine schönen Züge. Aber der Ausdruck war so schnell fort, wie er gekommen war. Aber da war Bedauern. Bedauern war zwar nicht wirklich ein Ausdruck, aber es schien alles zu sein, was Lucius gerade für sein Kind empfinden konnte.

 

Der ältere Malfoy ging zur Tür, um zu sehen, ob die Luft rein war.

„Je nachdem, wie es laufen wird, werde ich vielleicht nicht wiederkommen.“

 

Und was zur Hölle sollte das bedeuten? Draco fühlte sich als wäre er wieder in seinem fünften Jahr. Um das Ganze noch schlimmer zu machen spürte er seine Augen brennen. Wenn er seine Fassung verlieren würde, würde sein Vater wahrscheinlich angewidert ausatmen und gehen.

 

„Pass auf“, befahl Lucius. „Ich nehme an, sie sind alle oben, für Bellatrix‘ Ankunft, wenn sie nicht schon hier ist. Draco?“

 

Er erinnerte sich an die Worte seiner Mutter – Wir haben nicht viel Zeit, also hör mir genau zu…

 

Der Traum! Er erinnerte sich. Irgendwie war Licht wichtig…

 

„Die gefangene Aurorin erweist sich als schwierig“, sagte sein Vater. „Ich konnte nicht in die Zelle hinein. Sie ist magisch verschlossen. Du wirst einen von ihnen brauchen, um sie zu öffnen. Ich werde sie ablenken, während sie wahrscheinlich das Mädchen in die Kerker schicken, um sie oben aus dem Weg zu haben. Sei bereit, und wenn du es nicht schaffst die Aurorin zu begreifen, dann geh ohne sie. Hilfe vom Ministerium ist unterwegs, und wenn ich mich an Andromeda Tonks erinnere, dann wird ihre Tochter uns alle wahrscheinlich überleben. Geh zurück nach Hogwarts, so wie du gekommen bist. Du bist sicher, wenn du erst da bist.“

 

„Hogwarts“, wiederholte Draco lahm.

 

Sohn.“ Lucius‘ Stimme klang dringend.

 

Draco sah ihn an. Ja, ich passe auf, wollte er sagen, aber er sagte nichts, unter dem dunklen Blick seines Vaters.

 

Es entstand eine lange, emotionsgeladene Pause.

 

„Mach was du willst mit dem Herrenhaus. Es ist dein. Ich bitte dich nur mein Studierzimmer zu lassen, wie es ist. Ich hänge an dem Zimmer.“

 

Und damit war Lucius verschwunden. Um mit Bellatrix Lestrange zu sprechen. Die einzige Person, die vielleicht noch verrückter war als Blaise Zabini.

 

Es ist offiziell, überlegte Draco, als er den Flur entlang sprintete, direkte auf die Treppe zu, während seine Beine noch immer wankten.

 

Die Welt war aus ihren Fugen gesprungen.

 

**

 

~ Chapter Forty-Four ~

 

Ron trug weiße helle Turnschuhe, mit silbernen Reflektoren an der Seite. Es war sehr dunkel und das wenige Mondlicht war nun hinter den vorüberziehenden Wolken verborgen.

 

Dennoch wollte Lupin dem Jungen einen Nackenschlag verpassen.

 

„Bewegt euch mal ein bisschen“, flüsterte Lupin Harry zu, der zwischen ihm und Ron stand. Harry tat wie ihm geheißen und sah zu, wie Lupin Rons Schuhe in ein Paar schlichte schwarze Schnürstiefel verwandelte.

 

„Entschuldige, ich habe nicht nachgedacht…“, murmelte Ron, während er auf seine neuen Schuhe starrte, die immer noch so bequem waren wie seine alten Turnschuhe.

 

„Shht!“, sagte Moody von weiter vorne. „Jemand kommt.“

 

Harry zählte neun Stück. Alle trugen verschiedene dunkle Roben mit Kapuzen. Die Lautstärke mit der sie aus den Bäumen schritten, auf das alte Fort zu, ließ Harry erkennen wie sicher sie sich doch hier in ihrem Versteck fühlen müssten. Zwei von ihnen sprachen aufgeregt. Ein dritter sprach mit einem weiteren und bedachte nicht, wohin er ging auf dem unebenen Boden. Er stolperte und fiel beinahe. Es folgte Gelächter. Wenn das wirklich Todesser waren, dann waren sie anders, als Harry es in Erinnerung hatte. Er hielt sie für eine Horde dummer Krimineller, als eine kleinere Person vor ihm plötzlich innehielt, sich umwandte und die Kapuze vom Kopf zog.

 

Ihre Kapuze, korrigierte sich Harry innerlich. Die Wolken verbargen das Mondlicht nicht mehr, und es zeigte nun das bleiche Gesicht der Frau im Kontrast zu ihrer dunklen Robe und ihrem noch dunklerem Haar.

 

Bellatrix Lestrange starrte finster auf die kleine Gruppe hinter. Die Gespräche verstummten abrupt und sie folgten ihr nun vorsichtiger.

 

Harry hatte nicht bemerkt, dass er von seinem Versteck aufgestanden war, während seine Hand seinen Zauberstab so fest umklammerte, dass es ein Wunder war, dass er nicht zerbrach. Er spürte die Wut, die sich in ihm auflud und in seinen Fingerspitzen pulsierte. Einer der Auroren hinter ihm fluchte leise. Plötzlich spürte Harry Lupins feste Hand auf seiner Schulter. Eine Sekunde später zwang ihn dieselbe Hand wieder runter.

 

„Bring mich nicht dazu, zu bereuen, dass ich euch beide mitgenommen habe“, zischte Lupin.

 

Harry fühlte sich benommen und kein bisschen dumm. Er tauschte einen wissenden Blick mit Ron und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Prozession an Todessern zu, die ihren Weg ins Gebäude fortsetzten. Die Wut verschwand, nachdem er ein paar Mal geblinzelt hatte, und er sah nicht mehr Sirius‘ Gesicht, wenn er die Augen schloss.


„Was ist das für ein Ort?“, wollte Ron von Lupin wissen, als Bellatrix und ihre Gefolgschaft verschwunden waren.

 

„Eine Art Treffpunkt, nehme ich an. Es gibt eine Vielzahl von diesen in ganz Europa. Wir tun unser bestes, alle zu finden und niederzubrennen, aber Riddle hat noch ein paar unentdeckte Objekte“, erklärte Lupin. Es war beruhigend, dass Lupin immerhin so aussah, wie Harry sich fühlte. Bellatrix zu sehen hatte auch ihn ihm etwas ausgelöst.

 

Harry drehte den Kopf, um Moody zu sehen, der nun kleine weiße Wirbelwinde auf seiner Handfläche tanzen ließ. Die Winde kondensierten in blaue und weiße Sphären. Mit Bewunderung konnte Harry langsam Miniaturkontinente und Ozeane ausmachen.

 

„Was ist das?“, fragte er.


„Global Standort Zauber“, antwortete eine lächelnde Aurorin aus den Schatten hinter Moody.

 

„Der Portschlüssel in den Bäumen hat uns nach Wales gebracht, wie es aussieht“, sagte Moody. Er betrachtete mit verengten Augen den kleinen rot leuchtenden Punkt auf dem Miniaturglobus in seiner Hand. Sein magisches Auge wirbelte zweimal um sich selbst, als hätte es Probleme zu fokussieren im schwachen Licht. „Kann es nicht ganz ausmachen.“

 

Lupin betrachtete die Stelle ebenfalls. Er hatte keine Probleme in der Dunkelheit zu sehen. „Nord Wales. Sieht so aus, als wären wir in Anglesey.“

 

„Loriage!“, rief Moody aus. Die weibliche Aurorin kam nach vorne und Moody reichte ihr die rauchige Kugel, die sich immer noch still drehte. Es löste sich auf, als sie es in ihren Zauberstab sog.

 

„Bringt den Standort nach Hogwarts. Dumbledore wird immerhin froh sein, dass wir noch in der Nachbarschaft sind.“

 

„Fröhliche Jagd noch“, flüsterte Loriage ihnen zu und verschwand in die Bäume. Das leise Geräusch eines Apparierenden war einen Moment später zu hören.

 

Moody wandte sich jetzt zu seinem Team um, welches nun noch aus acht Auroren bestand, aus Remus Lupin, dem Jungen, der überlebte und dem jüngsten Sohn des Ministers für Zauberei. „Lupin und Huggins, wenn es sich ergibt, geht ihr rein. Egal, wen sie da gefangen halten, ihr bringt sie raus. Erster Stock und alles, was darunter liegt.“

 

„Was ist mit uns?“, fragte Harry.

 

„Tanner, Quartermaine. Ihr beiden nehmt die oberen Etagen. Markiert jeden Bereich, sobald er sicher ist.“

 

„Aufagbe?“, wollte Quartermaine knapp wissen. Jeder sah Moody gespannt an.

 

Moody richtete seine Antwort nun an die gesamte Gruppe. „Tötet oder rettet. Es sei denn, ihr seid der Glückliche, der Lestrange in die Finger bekommt. Es ist mir egal, wie ihr es macht, aber ihr bringt mir die Schlampe lebendig. Wenn wir sie haben, haben wir Voldemort.

 

„Was ist mit uns?“, wiederholte Harry.

 

„Was soll mit euch sein?“, konterte Moody. Er richtete anschließend weitere Befehle an Quartermaine.

 

„Wir gehen rein und suchen Hermine!“

 

Moody wandte sich mit einem Knurren an Harry. „Junge, bloß weil du weißt, wo das Ende deines Zauberstabs ist, heißt das nicht, dass ich zulasse, dass du meinen Leuten da drin in die Quere kommst. Bleibt hier und haltet die Klappe, dann gebe ich euch vielleicht etwas Nützliches zu tun.“

 

Das waren Neuigkeiten für Harry, dem erst jetzt klar wurde, wie gewohnt er es war, selber Anordnungen zu erteilen, in dem Rahmen, in dem er bisher Erfahrungen gesammelt hatte, wenn es um gefährliche Missionen ging. Es kam ihm vor wie ein kleines Wunder, dass er und Ron überhaupt hatten mitkommen können. Und mit einiger Beherrschung hielt er den Mund.

 

Lupin wandte sich zu den Jungen um, ehe er mit Astrid gehen würde. Er drückte Harrys Schulter hart genug, dass er einen blauen Fleck bekommen würde. „Ich will, dass ihr bei Moody bleibt. Verstanden? Hört mir zu, alle beide. Seid vorsichtig, egal, wen ihr seht. Selbst wenn es Malfoy ist, habt ihr gehört? “

 

„Jaah“, sagte Harry. Der Stich, den er durch Moodys Worte verspürt hatte, löste sich bei dieser neuen Sorge auf. Er hatte plötzlich das Bedürfnis, Lupin festzuhalten, so dass er nicht gehen würde. „Bitte, sei vorsichtig“, wisperte Harry. Er würde nicht blinzeln. Wenn er es tat, würde er nur wieder Sirius sehen.

 

Remus lächelte jetzt beinahe auf gruselige Weise. Harry wusste nicht, dass der Mann so viele Zähne besaß. Das Wort, an das Harry mit einem Schaudern denken musste, war Wolfszähne. „Wir kommen wieder“, war alles, was er sagte. Und dann waren er und Astrid verschwunden, verschmolzen mit der Dunkelheit.

 

Harry wandte sich Ron zu, der überraschend still geworden war.

 

„Ron?“


„Mir geht’s gut“, erwiderte Ron nickend, etwas zu hastig. „Es ist bloß… es ist wohl endlich so weit.“

 

Harry versuchte den Zorn zu unterdrücken, der nun anstelle seines Blutes durch seine Adern floss. „Es war soweit, seit dem Tag, an dem sie mich zum Waisen gemacht haben. Wenn Hermine irgendwas passiert, werde ich…“ Harry konnte kaum die Worte sprechen. „Sie ist unsere Familie, Ron.“

 

Ron sah plötzlich sehr viel älter aus als siebzehn. „Es geht ihr gut. Es muss einfach. Wenn nicht, dann holen wir uns jeden von ihnen. Egal, wie lange es dauert.“

 

**

 

Der Mann atmete laut.

 

In Blaises Zimmer der Todesserbaracke, saß Hermine auf der Bettkante und sah Travers an, der sie bewachte.

 

Der sie bewachte und atmete. Mit Glück war er ein Kettenraucher, der keine paar Treppen laufen konnte, ohne innezuhalten, um nach Luft zu schnappen. Das würde es leichter machen, ihm in die Eier zu treten und abzuhauen, überlegte Hermine.

 

Nicht, dass es überhaupt einfach sein würde. Sie war nahe dran ihre Kontenance komplett zu verlieren.

 

„Du bist das Schlammblut, oder? Potters Schlammblut.“

 

Es klang nicht wirklich wie eine Frage, und deshalb war sie froh, ihn weiter ignorieren zu können. Die Feder, die immer noch im Saum ihres Rockes steckte, kitzelte sie. Sie konzentrierte sich auf dieses Gefühl und wie wenig Sicherheit ihr diese Waffe brachte.


„Du siehst anders aus als auf den Bildern. Ich habe einige, weißt du“, erklärte er. „Ausgeschnitten. Hab sie in einem Buch. Ich bin gerne informiert, denn ich bin ja ständig unterwegs. Bin seit acht Monaten in diesem Drecksloch. Die meiste Zeit allein.“

 

Das würde erklären, weshalb er es mochte, mit sich selbst zu reden. Sein Todesser Tagebuch und Voldemorts beschissener Dienstvertrag interessierte sie nicht wirklich. Außerdem starrte er auf eine Art und Weise auf ihre Brust, die Rons Blicke fast keusch wirken ließen. Einen Moment lang überlegte sie, Blaises Decke vom Bett zu nehmen und um sich zu wickeln, aber das würde dann auch noch das Bett zu offensichtlich präsentieren, und sie wollte Travers erst recht nicht auf neue Ideen bringen.

 

„Du bist in der siebten Klasse auf Hogwarts. Dann bist du wie alt… siebzehn?“

 

Achtzehn, eigentlich. Also, warum bist du kein guter Wärter und siehst nach, wo Blaise und Pettigrew solange bleiben.

 

Laut sagte sie: „Du weißt, dass du für eine lange Zeit nach Askaban gehst, wenn sie dich fangen. Leute suchen nach mir.“

 

Er schüttelte den Kopf. Es war kein Starrsinn, was vielleicht beruhigender gewesen wäre. Es war Selbstvertrauen. Sie hoffte inständig, es handelte sich bloß um Überschätzung. „Sie werden uns nicht finden.“

 

Hermine gefiel es nicht, wie er „uns“ sagte.

 

Aber die Geräusche auf dem Flur wurden lauter. Schritte, Geschrei und Befehle. Das Geräusch von Metall, das bewegt wurde. Verschlossene Türen, die geöffnet wurden. Irgendwas passierte da draußen. Hermine fragte sich, ob tatsächlich Hilfe kam oder ob es bloß weitere Todesser waren.

 

Letzteres ließ sie schaudern.

 

Sie wusste nicht, ob sie immer noch von dem Imperius befreit war und verspürte nicht den Wunsch, Travers ihre Theorie testen zu lassen. Sollte er ruhig denken, dass sie willig und hilflos wäre. Sollte er zu nahe kommen, würde sie ihn zwischen die Beine treten und dann seinen Zauberstab nehmen. Das war zumindest der Plan.

 

Draco war irgendwo alleine da draußen.

 

Es hatte sie nicht lange gekostet, um zu wissen, dass er noch lebte, vielleicht sogar in einem Stück. Wenn sie sich konzentrierte, fühlte sie, wie ihr Herz doppelt schlug. Würde sie ihre Finger an ihren Puls legen, dann würde sie zwei Herzschläge spüren können. Wo auch immer er war, er war in Bewegung und er war nahe.

 

„Zabini wird es nicht schaffen, weißt du. Der kleine Wichser denkt, er wurde geboren für einen höheren Zweck. Wenn du an einem besseren interessiert bist, meine Chancen stehen gut.“

 

Das war interessant. Hermine schenkte dem Mann ihre volle Aufmerksamkeit, was ihn glücklicherweise zu verwirren schien. Wer hätte gedacht, dass all die Zeit, die sie investiert hatte, böse Slytherins zu verängstigen endlich Früchte trug. Oder vielleicht lag es auch an Dracos ständiger Gesellschaft. Sie hatte ohne Zweifel dazu gelernt.

 

„Und wer bist du?“

 

Er grinste und zeigte zwei Reihen an Zähne, die in eine Charles Dickens Geschichte gehörten. Das Kind von Zahnärzten kannte sich damit aus. „Ich bin derjenige, zu dem du jetzt besser nett bist, Kleine.“

 

„Lass mich hier raus und ich schwöre, ich erzähle den Auroren nicht, dass du mit dazu gehörst. Es ist noch nicht zu spät.“

 

„Du bettelst also, ja?“ Sein Grinsen sah aus, als wäre es in Stein gemeißelt.

 

Das hätte er gerne. „Das wünschst du dir.“

 

„Gut. Mir gefällt Aufsässigkeit. “

 

Hermine spürte, wie ihr Atem schneller ging.

 

Plötzlich hörte sie eine Explosion im Stockwerk über ihr. Die Wände der Burg schienen zu wackeln. Staub rieselte von den Balken. Hermine wedelte den Staub von ihrem Gesicht und sah in Richtung Tür. Travers hatte sie aufgerissen und blickte den Flur hinab.


„Merlin…“

 

„Was ist los?“, rief Hermine und hatte vergessen, ängstlich zu sein.


„Lass, hoch mit dir!“, befahl er, als er sie vorwärts mit sich zu, in den Flur hinein.

 

„Wo gehen wir hin?“, wollte sie wissen und sträubte sich, so gut es ging. Die erste Regeln, wenn man gefangen genommen wird, war, sich nicht an einen anderen Ort verschleppen zu lassen, dachte sie an Lupins Warnung. Wenn der Entführer einem etwas nicht dort antun konnte, wo man war, bedeutete es, dass diese Person plante, etwas Schlimmeres später zu tun.

 

„Wo bringst du mich hin?“

 

Hermine glaubte, er würde sie schlagen, aber er griff in ihre Haare und zerrte sie weiter. Der Schmerz ließ die Tränen in ihre Augen scheißen. „Halt den Mund und beweg dich!“

 

Travers hatte sie durch den halben Flur gezogen, als Hermine die Feder zog und das scharfe Ende in seine rechte Hand rammte. Die Kraft rammte die Spitze unterhalb seines Daumens tief ins Fleisch, und sie zog und zerrte, bis sie abbrach. Er heulte auf wie ein geschlagener Hund, und dieses Mal schlug er tatsächlich nach ihr. Sie duckte sich und versuchte in Richtung Stufen zu flüchten. Travers schiene s erwartet zu haben und stellte seinen Fuß vor sie, damit sie fallen würde. Hermine taumelte zurück, als er sie mit dem Petrificus Totalus traf. Ihre Beine gefroren unter ihr und sie hatte kaum Zeit, sich zur Seite abzurollen, ehe sie schmerzhaft auf den Boden schlug.

 

Als sie die Augen öffnete, hatte er sie grob in die Höhe gezogen und zog sie mit sich. „Das wirst du bereuen“, flüsterte er feucht in ihr Ohr. „Später.“

 

Die untere Hälfte ihres Körpers war eingefroren. Ihre Arme nicht. Hermine griff nach oben, um sein Gesicht zu zerkratzen. Hätte er Haare, hätte sie versucht, diese auszureißen.

 

„HÖR AUF!“ Er schüttelte sie brutal, bis ihre Zähne klapperten und hielt ihre Handgelenke gefangen in seiner Hand. Er drückte so fest zu, dass sie aufschrie und auf die Knie ging. „Mach das noch mal und ich brech dir dein Genick“, drohte er. „Zabini kann sich dann ein anderes Spielzeug suchen.“

 

Ohne Zweifel war er etwas panisch. Was auch immer er glaubte, was vorging, schienen keine guten Neuigkeiten für die Todesser zu sein. Der Gedanke erfüllte Hermine mit Hoffnung.

 

Er trug sie einige arg mitgenommene Treppen runter und zerrte sie weiter mit sich, bis sie die Kerker erreichten. Die Luft war modrig und feucht. Eine einzige Fackel am Ende erleuchtete den steinernen Korridor. Daneben befanden sich dicke, mit Metall beschlagene Türen. Dieser Flur vermittelte ein neues Gefühl. Die Luft fühlte sich anders an. Das Feuer der Fackel bog und formte sich auf seltsame Art.

 

Zauberei war am Werk, begriff Hermine. Anders als oben, wo alles zerstört war, schien das hier ein wichtiger Bereich zu sein. Rettungsaktion hin oder her. Sie würde niemals ihre Eltern wiedersehen. Oder Harry oder Ron.

 

Und Draco wäre allein.

 

Sie war bereit gegen ihn zu kämpfen, mit allem, was sie in sich hatte, als eine bekannte Stimme sie gefrieren ließ.

Lass sie gehen.“

 

Draco stand hinter ihnen, vielleicht zehn Meter entfernt. Es sah aus, als hätte er dort gewartet. Neben ihm war ein dickes, hölzernes Geländer. Es war der einzige Schutz, den er hatte, und Hermine wurde verrückt vor Sorge, dass Travers einen Zauber anwenden würde, bevor noch ein einziges Wort gesprochen wurde.

 

Hermine sog seinen Anblick in sich auf.

 

Blut strömte die rechte Seite seines Gesichts hinab, seine Füße standen weit auseinander, und sie sah, dass er sich mehr auf das rechte Bein lehnte, wo eine furchtbare Verletzung durch den zerrissenen Stoff seiner Hose zu erkennen war. Er sah aus, als käme er direkt aus der Hölle. Ob blutverschmiert oder nicht. Sie war so lächerlich glücklich, dass sie beinahe weinte, als sie an Travers Seite sank. Die Kraft seines Griffs raubte ihre jede Luft. Hermine hustete und würgte, als sie an seinem Arm zerrte.

 

Beide Männer hielten die Zauberstäbe aufeinander gerichtet. Der einzige Unterschied war, dass Dracos Hand merklich zitterte unter der Anstrengung. Travers war vollkommen konzentriert.

 

Draco hatte sie noch nicht angesehen, und Hermine konnte den Blick nicht abwenden.

 

**

 

Er konnte Hermine nicht ansehen, würde sie nicht ansehen. Wenn er es täte, wusste Draco, dass einfach zu dem Mann gehen würde, der sie fast erwürgte und würde ihn mit bloßen Händen zu Tode prügeln.

 

Der Cruciatus war ein böser Spruch. Die Nachwirkungen dauerten eine ganze Weile, bis sie verschwanden. Sein gesamter Körper fühlte sich an, als würde er unkontrolliert an jeder Stelle zittern. Der Abschaum eines Todessers vor ihm musste das aber nicht wissen. Draco humpelte einen Schritt nach vorne und versuchte, seine Knie am Zittern zu hindern. Frisches Blut tropfte von seinem Haaransatz auf den schwarzen Kragen seines Hemds.

 

„Lass sie gehen, bevor ich dir ein Loch in den Schädel fluche“, wiederholte Draco. Es war mehr Zischen als Reden. Und er meinte jedes Wort.

 

Travers zeigte seine Zähne. „Versuch es, du kleiner Bastard.“

 

Der Mann war nicht dumm. Er hatte keinen Schutz, wo er war und hielt Hermine vor sich, als Schild und Druckmittel. Er schleuderte den ersten Fluch.

 

Draco sprang zur Seite, presste sich flach gegen den nächsten Balken. Rote und schwarze Farben sausten über seinen Kopf. Mehrere Flüche trafen den Balken und zerstörten das Holz, wo sie trafen. Draco biss die Zähne fest zusammen. Er hatte eine Chance. Und nur die eine Chance, um es zu schaffen.

 

„Sie ist nicht Teil des Plans! Vergiss Zabini! Du weißt, er ist zu weit gegangen, dieses Mal! LASS SIE GEHEN!“, schrie Draco über die Flüche hinweg.

 

Die Flüche kamen weiterhin, aber er konnte die Attacken nicht für immer aufrecht erhalten. Nicht während er eine wehrende Hermine halten musste und gleichzeitig versuchte, die Türen zum Kerker aufzubekommen.

 

Es entstand eine Pause. Der Mann startete den Versuch. Draco konnte hören, wie die schweren Türen sich öffneten. Die Kerker waren magische verschlossen, hatte sein Vater gesagt. Es hieß, jetzt oder nie. In zehn Sekunden wäre Hermine außerhalb seiner Reichweite und ganz bestimmt außerhalb jeder Reichweite derer, die versuchten, sie gerade zu retten.

 

Und wenn das passierte, würde das Herz in seiner Brust aufhören zu schlagen.

 

Sucher waren nicht bekannt für ihre Treffsicherheit, aber es war auch ein Geheimnis, dass Draco sich zuerst für den Platz des Treibers beworben hatte. Es war nur wegen Harry, dass Draco schließlich die Sucherposition akzeptiert hatte, die Marcus Flint ihm angeboten hatte.

 

Dracos Anvisierung war sehr, sehr gut, selbst nachdem er dem Cruciatus ausgesetzt gewesen war.

 

Er richtete den Laceratus Fluch auf Travers‘ Schulter und hätte auch getroffen, hätte Travers nicht in er letzten Sekunde den Kopf gedreht, um zu sehen, wo Draco war. Zuerst dachte Draco, er hätte komplett verfehlt, aber Travers fiel plötzlich nach vorne auf die Knie. Befreit von Travers‘ Griff und dem Petrificus glitt Hermine zu Boden. Eine rote, dünne Linie zeichnete sich diagonal auf dem Hals des Mannes ab. Er keuchte auf und griff blind nach Hermine, als sein Zauberstab zu Boden fiel.

 

Die dünne Linie wurde feuerrot. Blut floss nicht, sondern spritzte förmlich aus seiner Aorta. Es war überall. Auf dem Steinboden. An den Wänden. Eine gute Portion hatte auch Hermine getroffen. Sie wich rückwärts zurück von einem dunklen Fleck, der auf dem Boden größer wurde, bereit zu würgen.

 

Dracos sanfte Berührung erschreckte sie. Kurz blickte sie zu ihm auf. Ein Blick, den er nie wieder auf ihrem Gesicht sehen wollte. Aber schnell hatte sie sich gefangen. Rationalität kehrte zurück in ihre Augen und mit Ekel wischte sie sich hastig das Blut von ihrem Gesicht.


Er wusste nicht, wo sein Umhang war, aber Draco nahm an, er lag am Fuße der kaputten Treppe. Er ignorierte den pochenden Schmerz in seinem verletzten Oberschenkel und kniete sich neben. Schnell öffnete er sein Hemd und zog es aus, um das Blut aus Hermines Gesicht zu wischen. Er hatte vergessen, wie schnell das Zeug trocknete. Es zu verschmieren machte es nur schlimmer. Er hätte nur tupfen sollen. Ungelenk tat er das jetzt.

 

Als er fertig war, ließ er das schmutzige Kleidungsstück fallen und schauderte. Er hatte einen Mann getötet.


Hermine sah benebelt aus. „Ist er tot?“, flüsterte sie und sah hinab auf den entstellten Todesser vor sich.

 

Draco schluckte angewiderte. „Sieh nicht hin.“ Sie reagierte noch immer nicht vollständig. Unsicher strich er einige ihrer Strähnen aus dem Gesicht und rieb ihre Oberarme. Er wusste nicht, wen er damit beruhigte. Sie oder sich oder sie beide.

 

Es ging ihr gut. Sie war nicht verletzt oder getötet oder Schlimmeres. Vielleicht konnte er jetzt endlich atmen. Er war sicher, seine Lungen hatten vergessen, wie es geht.

 

Granger“, krächzte Draco und fühlte sich atemlos. Sein Hand hatte sich in den Saum ihrer Bluse gekrallt, so als sie von ihm hatte gehen wollen im kleinen Quidditch Schupppen. Er begriff, er war noch nicht fertig mit ängstlich sein. So ängstlich, wie er in seinem kurzen Leben noch nie gewesen war.

 

Draco brauchte es, dass sie ihn ansah.

 

Sein offensichtliches Unwohlsein brachte sie endlich dazu aus der Lethargie zu schnappen. Immer noch auf ihren Knien kroch sie in seine Arme.

Draco hatte keine Ahnung, was er murmelte. Er war jetzt gerade nicht besonders eloquent. Immer wieder musste er sie fragen, ob sie verletzt war. Seine Wange war gegen seine bloße Brust gepresst, und er wusste, sie lauschte seinem Herzschlag. Er wollte sie am liebsten in seinen Körper ziehen, dort behalten und vor allen Gefahren beschützen. Ihre schmalen Hände hielten ihn fest, berührten sein Tattoo. Als sie die Hände wandern ließ, um seine Hand zu ergreifen, waren sie brennend heiß. Es war so angenehm.

 

Und immer noch konnte er es nicht sagen. Konnte wirklich nicht, denn er würde. Sie würde ihn bloßstellen können, mit ihrer unglaublichen, befreienden Liebe. Das, worauf er sich bei sich selbst verließ – seine Schlagfertigkeit, sein Status, sein Name und sein Vermögen – es zählte alles nichts bei Granger. Wenn er zu ihr kam, dann hatte er nur sich selbst anzubieten. Alles, was ihm beigebracht worden war, alles was gut und wichtig war, kam ihm jetzt vor wie ein Haufen Troll Gold. Es war hübsch anzusehen, aber enttäuschend in der Nachhaltigkeit.

 

Was war reines Blut schon wert, wenn das eigene Herz, seine Seele, ein dunkles, krankes Chaos war? Wie konnte ihn irgendjemand nur um seiner Willen wollen? Es war unbegreiflich.

 

Aber Granger tat es. Sie wollte ihn, und er wurde immer weniger als gewesen war, aber vielleicht war das letztendlich in Ordnung. Vielleicht war Granger mit ihrem Idealismus und Optimismus und ihrer inneren Gutmütigkeit die tatsächliche Definition von Reichtum.

 

Wenn das stimmte, war er mit ihr der reichste Mann der Welt.

 

„Ich hätte wissen sollen, dass er nicht du war. Es hat mich so viel Zeit gekostet, er zu merken“, sagte Granger. Sie klang zornig mit sich selbst.

 

Draco nahm an, sie sprach von Blaise. Ihm wurde bewusst, er war selber zornig mit ihr. „Ja, du hättest es wissen müssen.“

 

Sie sah ihn beinahe verblüfft an. „Wie bist du so schnell hierhergekommen?“

 

Er war so dankbar, dass die Furcht ihr Gesicht verlassen hatte, dass er sie auf die Stirn küssen musste. Er war so dankbar, dass sie so unerschütterlich war. „Ich erkläre es später. Wir gehen, sobald wir Tonks und Goyle gefunden haben. “

 

„Tonks!“, rief Hermine aus. „Sie lebt also?“

 

„Im Moment noch“, erwiderte Draco. „Was ist mit Goyle? Granger, hast du ihn irgendwo gesehen?“

 

Die Art, wie er fragte, sprach Bände. Es war klar, warum er es wissen musste.

 

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Es tut mir leid, habe ich nicht.“


„Okay.“ Draco fuhr sich mit der Hand durch die Haare und verzog den Mund, als er die blutverkrusteten Strähnen spürte. Er drückte sie gegen die Wand, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass jeder, der den Korridor betrat, sie würde sehen können. „Bleib nahe bei mir und bleib im Schatten. Falls etwas passiert, läufst du los. Wenn das nicht geht, versteckst du dich, bis es sicher ist, rauszukommen. Hast du verstanden?“

 

Sie funkelte ihn böse an. „Das ist nicht die Zeit, den Helden zu spielen!“, sagte sie zornig.

 

„Tu, was ich sage!“

 

„Es überrascht dich vielleicht, dass ich schon in solchen Situationen gewesen bin! Öfter als du es warst!“

 

„Es überrascht mich nicht, es macht mir Angst“, flüsterte er zurück, wesentlich sanfter.

 

Es beruhigte sie sofort. Vor nicht zu langer Zeit war sie außer sich vor Sorge um ihn. Hermine nickte, und eine Träne fiel auf ihre Wange. Draco wusste, Hermine hatte nicht begriffen, dass sie geweint hatte. Tränen waren das einzige, das zeigte, dass sie Angst gehabt hatte. Ihre braunen Augen waren nun entschlossen.

 

Das ist es, was Potter sieht, begriff Draco und spürte eine Welle von unpassender, schlecht geplanter Eifersucht.

 

„Was hast du geplant?“, fragte sie. Ihre Skepsis prickelte unangenehm auf seiner Haut. Ihr Ego war seinem nicht unähnlich.


Er war vielleicht besessen, aber er war kein Harry Potter und würde keinen unglaublich dummen Akt von Gryffindor-Mut hinlegen. So etwas, wie Blaise zu fangen, obwohl er es gerne würde. Scheiß auf das Ministerium. Die Auroren konnten Zabini fangen, wenn sie es unbedingt wollten. Er würde Hermine und seine lilahaarige Cousine hier raus holen, ob nun mit oder ohne Goyle.

 

„Mein Vater ist hier“, entschied er sich, ihr zu sagen. Es war immer noch unglaublich. Vor allem auch, dass Lucius ihn gehalten und mit ihm gesprochen hatte.

 

„WAS?“

 

„Ich weiß. Frag nicht. Ich habe keine Ahnung, wie, aber ich denke Snape hat etwas damit zu tun. Diese Explosion war wahrscheinlich die Ablenkung, die er mir versprochen hatte.“ Er nahm sie an der Hand. „Jetzt werden wir Tonks finden und dann werden wir hier verdammt noch mal verschwinden. Einverstanden?“, fragte er. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, sie um Beistand zu bitten, war einfacher, als es einfach zu verlangen.

 

Sie schloss seine Hand fest in ihre. „Einverstanden.“

 

**

 

Menschen kamen. Goyle hörte die Flüche der Zauberstäbe auch durch die verhexten Kerkertüren. Da war Geschrei. Fuckfuckfuck. Waren sie schon drinnen? Er war zu spät, er hatte zu lange gewartet, die Aurorin zu befreien. Frei war sie, so oder so. Es hatte ihn Jahre gekostet, alle Sprüche zu lösen, ohne den Alarm auszulösen. Das Niveau der Zauber war für ihn eigentlich zu hoch, aber er hatte sich alles eingeprägt, was Blaise jedes Mal getan hatte, wenn er ihn begleitet hatte. Das Passwort hatte das erste Mal nicht funktioniert, und Goyle war sicher gewesen, von einem Fluch zerquetscht zu werden, aber dann hatte er ein Zischen gehört, als wäre angestaute Luft entwichen, und die Bolzen der Tür hatten sich gelöst. Die Tür war offen.

 

Tonks Tür zu öffnen war wesentlich einfacher. Sie kam ihm praktisch entgegen geflogen.

 

„Schlage ich dich hiermit jetzt oder später?“, wollte sie trocken von ihm wissen, während sie den Stein hielt, den Goyle ihr gegeben hatte.

 

„Der Plan ist schief gelaufen“, antwortete er hastig.

 

Sie blinzelte und ließ den Stein fallen. „Ja, ich weiß. Das kann ich hören.“

 

Es wurde wahrscheinlich Zeit, es ihr zu sagen. Es würde ihr nicht gefallen.

„Hermine und Draco sind gefangen genommen worden. Ich habe es erst erfahren, als ich hier runter gekommen bin.“

 

Auroren waren zäh, dachte Gole. Tonks hatte diese bittere Information schnell verarbeitet, mit nichts weiterer als einem sauren Ausdruck. „Sind sie noch am Leben?“

 

Draco? Goyle musste schlucken. Wahrscheinlich nicht. Granger? Er wusste es nicht.

 

„Ja“, entschied er zu sagen.

 

„Ja, sicher. Also, lauf schon mal los. Ich gehe nicht ohne sie.“

 

Das war es, worauf er gehofft hatte. Zeit für die nächsten schlechten Neuigkeiten. „Bellatrix Lestrange ist auch hier mit den rekrutierenden Todessern aus Beaubaxtons und Durmstrang“, fuhr Goyle fort.

 

Ihr Mund schloss sich zu einer schmalen Linie. „Wo?“, flüsterte sie.

 

„Die rekrutierenden Todesser sind in einem Zimmer im obersten Stock. Das sollte ich auch sein. So wie ich es einschätze, war Bellatrix gerade dabei, die Interviews zu beginnen, als die Wände eingestürzt sind. Wurmschwanz fehlt.“

 

Sie dachte schnell nach. Goyle stellte fest, wie sehr sie wie Hermine Granger aussah. Ihre Stirn war gerunzelt und sie sah aus, als wäre kein Problem unlösbar, mit genug Verstand.


„Zuerst finden wir die Kinder.“

 

Goyle war verwirrt, bis er begriff, dass sie Draco und Hermine meinte. Er sprach dasselbe Passwort wie zu Anfang. Tonks stand hinter ihm, während die schweren Schlösser der Türen sich lösten und Goyle die Türen aufzog.

 

Eine weibliche Stimme keuchte auf, aber es war nicht Tonks. Goyle starrte mit Verblüffung auf Hermine Granger und Draco, welcher, Goyle war es nicht entgangen, seinen Zauberstab direkt gegen sein Gesicht gerichtet hatte.

 

**

 

~ Chapter Forty-Five ~



Draco hatte Hermine hinter sich geschoben, als er bemerkt hatte, dass sich die Tür zu den Kerkern öffnete.

 

Kurz protestierte sie gegen diese Maßnahme, ehe sie sich fügte. Stur wie sie war, wusste sie, dass er den einzigen Zauberstab besaß, ihre einzige Verteidigung.

 

„Draco“, flüsterte sie besorgt, als sich die Türen langsam öffneten.

 

„Mach dich bereit“, erwiderte er, während er mit ihr nach hinten wich.

 

Er spürte ihre harten Atemzüge an seiner bloßen Schulter. Die schweren Türen, die sich öffneten, schoben Travers leblosen Körper in Richtung Wand und dieser hinterließ eine schmierige Blutspur.

 

Draco hob den Zauberstab, den Stupor auf den Lippen.

 

Der Spruch war dabei seinen Mund zu verlassen, als erkannte, dass es sich weder um Blaise noch Bellatrix – oder noch schlimmer, um Voldemort – handelte, sondern um Goyle. Hinter ihm war Tonks, die ebenfalls wirkte, als würde sie nur zu ungerne am Rand warten und zusehen, wie Hermine hinter ihm.

 

„MERLIN SEI DANK!“ Tonks stieß Goyle praktisch aus dem Weg, um Hermine zu umarmen, aber sie hielt sich selber auf, als sie die Menge an Blut registrierte, di auf Hermines Sachen klebte.

 

„Nicht meins“, informierte Hermine sie hastig, als sie Tonks umarmte. „Mir geht es gut, dank Draco.“

 

Tonks zog sich zurück, um Draco verblüfft anzusehen. „Cousin, die Rettung ist dein Werk?“

 

Draco starrte Goyle praktisch zornig an. „Nicht am Anfang, aber jetzt ist sie es.“

 

„Und das ist aber dein Blut, nehme ich an.“ Tonks hob die Hand, um Dracos Platzwunde zu inspizieren.

 

Er duckt sich, um ihrer Hand auszuweichen. „Unglücklicherweise ja.“

 

„Er muss behandelt werden“, sagte Hermine plötzlich dringender. Ihre Augen wirkten besonders groß in ihrem bleichen Gesicht.

 

Goyle räusperte sich. „Ahem. Sorry, dass ich die glückliche Vereinigung unterbreche, aber die Rettungsaktion ist noch nicht ganz beendet. Ihr drei müsst gehen.“ Er sah Tonks ins Gesicht, ohne Erbarmen. „Jetzt.“

 

Draco sah ihn finster an. „Das wären drei, du Arsch. Du kommst mit.“

 

Tonks atmete aus. „Erspar dir das. Ich hab es schon versucht. Er will nicht mit.“

 

„Hast du den Verstand verloren, Greg?“, fragte Draco. Der Ausdruck auf seinem Gesicht sagte deutlich, dass er genau das annahm.

 

Goyle wurde rot. „Geht endlich. Es gibt keine Diskussion. Ich weiß, was ich tue, ok?“

 

„Es ist wegen Pansy, oder nicht?“ Draco lachte bitter. „Aus allen idiotischen, bescheuerten Gründen, Todesser zu werden! Ausgerechnet! Du machst dir Illusionen, mein Freund.”

 

Es war fast ein Spektakel Goyle ausrasten zu sehen. Trotz seiner Größe war nicht gewalttätig, es sei denn man legte es wirklich darauf an. Hermine hatte es natürlich schon einmal gesehen, aber nur nach Quidditchspielern in erhitzten Diskussionen mit fremden Spielern. Niemals gegenüber Draco. Nicht ein Mal. Er bewegte sich erstaunlich schnell für einen so großen Menschen, oder vielleicht lag es daran, dass Draco sich nicht bewegte. Draco wurde gegen die Wand gedrückt, und Goyle schob seinen Unterarm gegen Dracos Kinn. Beide Jungen beäugten sich gleichermaßen feindselig.

 

„Ganz ruhig“, warnte Tonks jetzt, aber sie rührte sich nicht, um die Szene zu unterbinden und hielt Hermine am Arm fest, als diese vortreten wollte.

 

„Und was, wenn ich es alles für Pansy mache? Sag mir, auf was ich mich nach Hogwarts freuen soll, Draco. Kein Geld, keine Verbindungen, keine Aussichten. Keine Zukunft.“

 

Nimm deine Hände von mir.“ Dracos Stimme war gefährlich ruhig. „Ich bin wegen dir hier, du undankbarer Bastard.“

 

Irgendetwas flackerte in Goyles dunklen Augen. Der Zorn verließ ihn und zurückblieb ein unsicherer junger Mann. „Ich danke dir. Es war dumm von dir, aber trotzdem danke.“ Er ließ Draco los und wandte sich zu Tonks und Hermine um. „Wenn ihr mir jetzt erlauben würdet, diese gute Tat ebenfalls zu erweisen, dann bringe ich euch jetzt sicher nach Hause.“

 

**


Goyle führte sie zurück zu den Treppen. Draco lehnte Goyles Hilfe ab, auch wenn er mit dem Laufen Probleme hatte. Jedoch hielt er Hermines Hand fest in seiner, Goyle befahl ihnen, am Fuße der Treppe zu warten, während er nach oben verschwand, um zu sehen, ob die Luft rein war.

 

„Wer zur Hölle ist der Kopf hinter dieser Sache?“, wollte Tonks wissen.

 

Draco antwortete. „Blaise Zabini. Er ist der rekrutierende Todesser. Der kleine Wichser ist außerdem ein Metamorphmagus.“

 

Tonks unterdrückte ihr Erstaunen nicht. „Zabini? Das hätte ich nie gedacht!“

 

„Ich glaube, das war auch der Plan.“

 

Jetzt wandte sich Tonks an Hermine. „Was zur Hölle tust du hier? Bist du mit Malfoy gekommen?“

 

Hermine schüttelte den Kopf. „Blaise hat mich hergebracht.“ Sie betrachtete dann ihren Ehemann.

 

„Falls du sagen willst, dass ich mein Versprechen gebrochen habe, dann tu es nicht. Das hatte nicht mit meiner Mutter zu tun. Ich bin hier wegen Goyle, ok?“, sagte Draco.

 

„Du bist hier auf einer Mission, ohne es mir zu sagen. Es macht also kaum einen Unterschied!“

 

„Es macht jeden Unterschied“, zischte er zornig.

 

Hermine fragte sich kurz, wann beide ihre Hände den Weg zu ihren Hüften gefunden hatten. „Spiel nicht dumm, Malfoy. Es steht dir nicht.“

 

„Im Gegensatz zu: von Geburt an dumm zu sein? Oh, ich weiß. Für das Wiesel wirkt es Wunder.“

 

Tonks sah beide nachdenklich an. „Ihr beiden seid schlimmer als Lupin und Snape. Und Draco, was, um Himmels Willen, ist mit deiner Mutter?“

 

„Sie ist tot, das ist mit ihr. Blaise hat sie vor drei Monaten umgebracht, auf Befehl von Bellatrix Lestrange.“ Dracos Stimme klang emotionslos.

 

„Nein”, entfuhr es Tonks. „Das kann nicht sein.“

 

„Sicher kann es das“, entgegnete Draco glatt. „Du kennst unsere Familien, oder nicht?“

 

„Also ist Blaise an allem schuld“, schloss Hermine grimmig. Der kluge aufmerksame Junge, mit dem sie befreundet gewesen war, war ausgelöscht. Es hatte ihn nie gegeben. Sie holte tief Luft und sah zu Tonks. „Wir müssen dem Ministerium Bescheid geben, bevor er für immer verschwindet.“

 

Der Rest der Unterhaltung wurde durch Goyles Erscheinen verschoben. „Die Luft ist rein! Kommt schnell!“

 

Tonks ging als erste, blieb aber stehen, den Draco hatte Probleme, sein verletztes Bein zu heben. Der Schmerz zeigte sich deutlich auf seinem Gesicht, als er sich am Geländer festhalten musste. Es wackelte gefährlich unter seinem Gewicht, und sie befürchteten fast, dass es komplett einstürzen würde.

 

„Verdammt“, sagte er und schloss die Augen. Seine Stimme klang gepresst. Sein rechtes Hosenbein war in Blut getränkt. „Granger, gib mir eine Minute. Geht schon mal vor.“

 

Hermine fühlte sich sofort schlecht dafür, dass sie noch eine Minute vorher mit ihm gestritten hatte. Sie sah Tonks hilflos an. „Können wir nicht irgendetwas tun?“

 

Goyle stand immer noch oben am Treppenabsatz. „Wir müssen jetzt weiter!“

 

Tonks entschied sich jetzt. Sie griff nach Dracos Arm und legte ihn sich um die Schultern und während Tonks zog und Hermine schob, hievten sie Draco die Treppe nach oben.

 

„Gib mir das“, befahl Tonks und nahm Draco den Zauberstab ab. Sie schnitt ein Stück Stoff ihrer Kleidung ab.

 

„Ich könnte einen Zauber anwenden, der dein Bein öffnet, reinigt und näht, aber dein Bein wird für zehn Minuten nicht zu gebrauchen sein, je nachdem wie tief die Wunde ist.“

 

Draco biss die Zähne fest zusammen, während Tonks sein Bein verband. „Mach es später.“

 

„Bevor oder nachdem du verblutet bist?“, wollte Tonks trocken von ihm wissen.

 

„Versteckt euch, es kommt jemand“, sagte Goyle plötzlich. Die vier wichen flach gegen die Wand zurück, versteckt vom Schatten der Treppe. Schnelle Schritte näherten sich. Sie kamen näher. Sie hatten keine Zeit, sich besser zu verstecken. Tonks kauerte sich zu Goyles Füßen und Draco zog Hermine an seine Brust. Sie war warm und zitterte und war Merlin sei Dank am Leben. Sie so nahe zu halten wirkte beinahe Wunder. Ein Seufzer der Erleichterung verließ seine Lungen, und seine Hand fiel von ihrer Hüfte, um ihren Po leicht zu drücken.

 

Hermine schnappte leise nach Luft und ihre Augen schossen hoch zu seinem Gesicht in der Dunkelheit. Nur Draco würde es halbtot noch schaffen, sie tatsächlich so zu berühren.

 

„Du hast einen Schatten, das weiß du?“

 

Er schaffte es, schwach zu lächeln. „Erst seit ich dich geheiratet habe.“

 

Hermine sah runter auf Tonks, die einen Finger auf die Lippen gelegt hatte. Tonks hob den Zauberstab und führte stumm einen Zauber aus. Hermine brauchte eine Sekunde, ehe sie begriff, dass sie nun von einem Desillusionierungszauber verdeckt wurden. Es fühlte sich an, wie eine warme Wolke. Wenn sie zu Draco auf sah, erkannte sie verschwommen die Wand durch sein Gesicht. Keiner von ihnen bewegte sich.

 

Wer auch immer so in Eile war, stürmte die Treppe nach oben, ohne sie zu bemerken.

 

Goyle wartete noch einen Moment, ehe er aus der Desillusionierung hervortrat. Der Zauber verpuffte augenblicklich.

 

„Nett“, sagte er zu Tonks.

 

„Verblüffend, was einem die Auroren Akademie alles beibringen kann, nicht wahr?“, erwiderte sie trocken. Der Witz ging an ihm vorbei.

 

„Im Westen ist der Ausgang“, sagte er und zeigte in die Richtung. „Bleibt bei den Bäumen, wenn ihr erst raus seid.“

 

Die Geräusche draußen wurden immer lauter. Es klang, als wäre eine Schlacht im Gange. Laute Geräusche und Schreie und Explosionen drangen an ihre Ohren. Die Rettung endete hier.

 

„Was passiert heute hier?“, fragte Draco Goyle mit neuem Interesse. „Ich meine, warum kommt Bellatrix überhaupt?“

 

Beide Freunde sahen sich ernst an. „Aus demselben Grund, aus dem ich gekommen bin. Bellatrix bewertet die Rekrutierten.“

 

„Die Rekruten? Sie sind jetzt alle hier?“

 

Goyle zögerte, ehe er nickte. „Ja. In diesem Stockwerk.“

 

Dracos schöne Augen wurden schmal. „Zeig sie mir.“

 

Hermine schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Zeit dafür.“ Sie sah Tonks an. Unglücklicherweise kam Tonks ihr nicht zu Hilfe.

 

Sie hatte einen ähnlichen Blick wie Draco in den Augen. „Tut mir leid, Hermine, aber ehrlich gesagt will ich sehen, wen Voldemort für würdig erachtet, den Krieg für ihn zu gewinnen. Geh vor“, sagte sie zu Goyle, aber es war mehr ein Befehl, als eine Bitte. „Schnell!“

 

Goyle gehorchte mit einem gequälten Blick. Hermine hatte keine Wahl, als zu folgen.

 

Der Raum, um den es ging, war der dritte auf ihrem Weg und er war nicht verschlossen. Sie wunderte sich, warum die jungen Männer dort blieben, aber Goyle beantwortete diese Frage.

 

„Ihre Zauberstäbe wurden ihnen abgenommen“, erklärte er, ohne sein Missfallen zu verbergen. Hätte er nicht längst Blaises Vertrauen gewonnen, wäre er ebenfalls gezwungen gewesen, in dem Zimmer auf Bellatrix zu warten. Egal, was der Grund war, gezwungen zu sein, seinen Zauberstab aufzugeben, war nie ein gutes Zeichen. Es bedeutete, dass Leute einem misstrauten oder dass Voldemort Menschen gerne in Furcht versetzte.

 

„Dumm und hilflos“, erkannte Draco kopfschüttelnd. „Bellatrix wird sich freuen.“

 

Draco bedeutete den anderen, zu warten. Hermine sah ihm missbilligend zu, als er Tonks den Zauberstab abnahm und die Tür magisch öffnete. Die anderen konnten nicht sehen, was Draco sah, aber sie wurden Zeugen einer bemerkenswerten Verwandlung. Sein Ausdruck wurde kälter, arroganter, und mit seinem gesunden Fuß trat er die Tür auf.

 

Hermine machte einen Schritt nach vorne, aber mit nur einem Blick hielt Draco sie zurück.

 

Acht junge Männer befanden sich in dem Raum, alle in Todesser-Farben gekleidet, anscheinend selber ausgesucht. Draco nahm an, das war ihr Enthusiasmus.

 

Vier oder fünf sahen nach Durmstrang-Schülern aus, wo man, wenn man nicht den richtigen Weg zu den Toiletten fand, Gefahr lief vom Hausmeister sechs Monate später erfroren in einem verhexten Besenschrank gefunden zu werden. Die Jungen waren still.

 

Zwei weitere wirkten besorgt über die Geräusche draußen und sprachen in hastigem Französisch miteinander, als Draco die Tür aufgestoßen hatte.

 

„Bien le bonjour“, erklärte Draco glatt. Hermine, Tonks und Goyle sahen ihm zu. Goyle sah so aus, als ob er gleich panisch werden würde, während Tonks ruhig wartete.

 

Im Raum schienen die Jungen Dracos blutige Erscheinung mit Schrecken wahrzunehmen. Einer der Beauxbatons-Jungen, großer und orange-haarig, war aufgestanden. Er war misstrauisch und unerschrocken, wahrscheinlich der unverkündete Anführer der Gruppe hier.

 

„ Excusez-moi...qui ętes-vous?” fragte er und runzelte das hübsche Gesicht.

 

„ Draco Malfoy, ŕ votre service”, antwortete Draco mit einer leichten Verbeugung. Wahrscheinlich wäre er ohnmächtig geworden von dieser Geste, würde er sich nicht mit einer Hand an der Tür festhalten.

 

Die Augen des Jungen wurden größer. Er wandte sich an seine Kameraden, ehe er wieder zu Draco sprach. „Malfoy! Alors vous ętes probablement, vous aussi, un nouvel adhérent ici?“

 

Dracos Antwort war ein böses, freudloses Grinsen, ganz nach Malfoy-Manie. Es war nett, erkannt zu werden. „Nicht in deinem Leben, du gälischer Wichser.“

 

Niemand im Zimmer hatte seine Worte verstanden, aber ein Durmstrang-Junge hatte die Finte schneller gerochen als die anderen. Er versuchte, zur Tür zu rennen.

 

„Willkommen in England”, endete Draco. Und damit warf er die Tür zurück ins Schloss und verschloss sie von außen. Ein scharfer Schmerz schoss durch sein Bein.

 

Auf der anderen Seite der Tür schlugen die Jungen zornig gegen das Holz. Goyle sah fast erleichtert aus, als er Dracos Arm um seine Schultern legte, um ihn zu stützen. Draco gestattete es ihm. „Eigentlich sind wir in Wales.“

 

„Gut zu wissen“, zwang sich Draco zu erwidern. Er wandte sich an Tonks. „Ein Geschenk für Moody, wenn er die Festung stürmen wird.“

 

Tonks grinste. „Oh, er wird es lieben.“

 

„Einige europäische Dörfer werden ihre Idioten vermissen, aber sie werden es wohl überleben.“

 

Hermine stöhnte gereizt auf. Vielleicht fehlte ihr dieses Gen, um Gefahr zu lieben, aber langsam wurde es albern. „Schön, wir haben sie eingesperrt. Können wir jetzt gehen?“


**


Ein Fluch schoss nur Zentimeter über ihre Köpfe hinweg. Harry wusste es, denn es streifte seinen Kopf. Er fiel zurück und fuhr mit einer Hand über seine Haare.


„Was zur-“ sagte er, als er ein Büschel steife Haare spürte, wo eigentlich ein Stück seines Schädels fehlen sollte. Oder noch schlimmer. Ein Teil seiner Haare stach hoch. Nicht, dass das etwas Neues war. Es war mehr die Tatsache, dass es nun mit Absicht zu verhext worden war.

 

„Alles klar?”, rief Ron eilig aus.

 

Hary blinzelte und stach mit dem Finger in das steife Haar. „Jahh.“

 

„Dann mach weiter! Moody hat gesagt, dass wir keine Pause machen sollen!“

 

Harry sah ihn perplex an. „Ron, wann hast du das letzte Mal einen Todesser zu Gesicht bekommen, der in einem Todeskampf den Petrificus angewandt hat?“

 

Ron starrte auf Harrys vertikalen Pony. „Äh…“

 

„Halt die Stellung hier“, sagte Harry nach einem Moment.

 

„Was tust du? Komm zurück!“, zischte Ron, aber Harry war an Ron vorbeigekrochen, durch die Büsche n den Bäumen vorbei. Er hockte sich hin und betrachtete den freien Raum, der sie von ihren Feinden trennte. Es war immer noch dunkel. Die Sonne würde erst in einer Stunde aufgehen.

 

Harry legte die Hände um seinen Mund. „OY!“, rief er laut. Das Geräusch wurde über das Feld getragen. Einige Vögel stiegen erschrocken in die Luft. Man sah sie nicht, aber man hörte die Flügelschläge.

 

Die Geräusche der Flüche verstummten plötzlich.

 

„HARRY?“, schrillte es als Antwort, keine zehn Sekunden später.

 

Harry war aus seinem Versteck aufgesprungen. Er würde diese Stimme überall erkennen. „Hermine!“

 

Auch sie hatte sich erhoben. Sie hielt den Zauberstab immer noch fest in der Hand. Ihre Schritte wurden schneller als sie ihn erkannte. Sie warf sich in seine Arme mit so viel Kraft, dass er einen Schritt zurückmacht, um nicht zu fallen.

 

Harry umarmte sie fest und lachte. „Nett, dich hier zu sehen! Ich dachte, wir-“ Alle Freude fiel von ihm ab, als er ihre blutige Erscheinung wahrnahm. Sein Mund öffnete sich stumm.

 

„Mir geht’s gut, Harry“, unterbrach sie ihn hastig, mit einem Lächeln. „Ein bisschen zittrig, aber ansonsten ist alles gut.“

 

Er war nicht vollkommen überzeugt, aber er fragte nicht weiter. „Mit wem bist du hier?“

 

„DU wirst schon sehen!“, rief sie aus. „Oh Harry! Ich kann nicht fassen, dass du hier bist!“

 

„Und wo sonst wäre ich, wenn nicht auf irgendeiner gefährlichen Rettungsmission?“

 

„Hallo? Ich bin auf derselben Mission.“ Es war Ron. Er war hinter Harry zum Stehen gekommen. Er sah froh aus, aber missmutig. Hermine wollte ihn umarmen, aber Ron bedeutete ihr, dass Harry wohl noch nicht fertig war.

 

„Natürlich seid ihr beide blöd, dass ihr hier seid, aber ich hatte nichts anderes erwartet“, erklärte sie atemlos.

 

„Das ist deine Dankbarkeit“, sagte Ron schroff. Seine Augen wurden groß, als Tonks neben ihnen apparierte.

 

„TONKS!“

 

Tonks klopfte sich den Umhang sauber. „Ihr beiden habt also auf uns gefeuert?“, wollte sie freundlich wissen. „Weasley, das war wohl das freundlichste Feindliche Feuer, dass ich jemals erlebt habe.“

 

Ron und Harry waren begeistert, sie zu sehen. Harry klopfte ihr hart auf die Schulter. „Sie, Fräulein Aurorin, sind anscheinend unzerstörbar.“

 

Sie zwinkerte ihm zu. „Es scheint so. Wo ist Moody und der Rest? Und wo ist Remus, verdammt! Er wird von mir richtig Ärger bekommen, wenn er es gewagt hat, Zuhause zu bleiben!“

 

„Sie sind drinen. Alle.“

 

„Moody hat euch beide hier alleine draußen gelassen?“, wollte Hermine ungläubig wissen.

 

Harry missverstand die Frage. „Ja, kannst du das glauben?“

 

Hermine tätschelte seinen Arm. „Er wird schon seine Gründe gehabt haben.“

 

„Was für Gründe? Nach dem ganzen Ärger, den wir hatten, überhaupt mitgenommen zu werden, müssen wir auch noch draußen bleiben? Ich wusste, es würde ein bescheuerte Job sein, auf alles zu fluchen, was die Festung verlässt, bis ihr beiden aufgetaucht seid“, sagte Harry.

 

„Wir drei“, korrigierte sie ihn.

 

„Harry, es war ein bescheuerter Job, denn anscheinend hat niemand außer den beiden die Festung verlassen.“

 

„Außer uns dreien“, wiederholte Hermine.

 

„Drei was?“, fragte Ron, und dann verlor sein Gesicht die Freude. „Hermine! Ist… ist das Blut?“

 

Harry unterband die Antwort und riss den Zauberstab in die Höhe. „ZURÜCK!“

 

Draco war der Grund der neuen Panik. Er war auf dem Weg zu ihnen.

 

„Wirst du fluchen, ehe ich in Position bin, Potter?“, schnarrte Dracos Stimme. Sein Bein stand in einem seltsamen Winkel ab, und selbst in der Dunkelheit erkannte Harry, dass seine Hautfarbe noch blasser wirkte als sonst.

 

Harrys Hand zuckte.

 

„Harry, nicht!“ Hermine griff nach seinem Handgelenk. Es war als hing sie von einem Klettergerüst, er bewegte sich nicht. Sie wartete bis er sie wieder ansah, ehe sie sprach. „Er gehört zu uns“, sagte sie eindringlich.

 

„Was?“

 

„Er hat einen Todesser für mich getötet“, fügte sie snafter hinzu, mit Augen, die dunkler waren als bloßes Braun.


„Es stimmt, Hary“, bestätigte Tonks. Sie legte einen Zeigefinger auf Harrys Zauberstab und drückte ihn runter. „Er ist nett. Wir können ihn mit nach Hause nehmen und behalten.“

 

Tatsächlich war Ron schneller bereit, es zu glauben als Harry. Er lief eilig zu Draco, um ihm seinen Arm anzubieten. Für seine Geste bekam er ein Grinsen und Draco schlug seinen Arm zur Seite.

 

„Wow“, rief Hary aus, die Augen groß, während er Draco von Kopf bis Fuß musterte. „Du siehst aus, als hätte die Hölle dich wieder ausgespukt, mein Freund.“

 

„Gut, dich auch zu sehen, Potter“, knurrte Draco. Er humpelte zum nächsten Baum und lehne sich dagegen.

 

„Wir müssen ihn in den Krankenflügel bringen oder ins Mungo, um sein Bein zu behandeln“, sagte Hermine jetzt atemlos.

 

Harry drückte ihre Hand zuversichtlich und bemerkte, dass Draco diese Geste grimmig registrierte. „Nehmt Tonks mit. Ron und ich bleiben. Moody hat uns diese Aufgabe gegeben. Egal wie blöd sie sein mag, wir werden sie beenden.“

 

„Mir war klar, dass ihr bleibt“, sagte Hermine. „Ich habe dich auch nicht darauf angesprochen, mitzukommen.“


Harry sah sie an. „Hermine, du wirst immer frecher.“

 

„Es ist mein innerer Draco.“ Hermine schenkte ihm ein Lächeln. „Pass auf Ron auf.“

 

„Ja“, bestätigte Harry und dachte an Rons ehemalige weiße Turnschuhe. „Er braucht es auch.“

 

„Halt die Klappe, ich kann dich hören“, murrte Ron.

 

Tonks verdrehte die Augen. „Als ob ich euch beide allein lassen würde“, erklärte sie. „Ich bleibe. Wenn auch nur, um Moody zu sagen, dass ich durch Lucius Malfoy befreit wurde.“

 

„WAS?“, stieß Ron aus.

 

Tonks tauschte einen kurzen Blick mit Draco. Sie wusste über Lucius Flucht und die Rettung seines Sohnes Bescheid. Wegen Goyles Sicherheit verloren sie kein Wort über seine Hilfe. Sie schoben es alles auf den mysteriösen Lucius.

 

Hermine teilte diese Ansicht nicht, aber wenn es bedeutete, Goyles Leben in Gefahr zu bringen, würde sie sich fügen. „Vier Dinge solltet ihr wissen“, sagte sie geschäftig. Sie flocht ihre Haare lose in einen Zopf.

 

„Falls eines dieser Dinge ist, dass Bellatrix Lestrange hier ist, streich es von der List“, sagte Harry.

 

„Ok. Blaise Zabini ist der rekrutierende Todesser für Hogwarts. Er hat mich hergebracht. In der Festung ist ein Zimmer voller zorniger Anwärter, die wir eingeschlossen haben und ja, Lucius Malfoy ist verantwortlich dafür, dass wir einen Zauberstab hatten.“ Das war auf jeden Fall die Wahrheit. Sie hob den Zauberstab. „Er ist frei und wahrscheinlich bereits hundert Meilen von hier entfernt. Könnt ihr Moody das alles sagen, wenn ihr ihn seht?“

 

Ein Muskel zuckte in Harrys Kiefer. Hinter seiner Brille erkannte sie seinen verrückten Blick. „Zabini, sagst du?“

 

„Ja.“

 

„Und Lucius Malfoy ist frei?“ Ron schien noch immer Schwierigkeiten mit dieser Information zu haben.

 

„Er war derjenige, der Draco befreit und ihm den Zauberstab gegeben hat. Es war außerdem eine Ablenkung geplant.“

 

Ron hob den Blick. „Die Explosion!“

 

 „Die Ablenkung deines Vaters muss wirklich ablenkend gewesen sein“, bestätigte Tonks trocken. „Wir sind wohl die einzigen hier draußen.“

 

Ron nickte. Er deutete auf eine große graue Rauchwolke, die aus dem östlichen Bereich der Festung stieg. „Die Explosion hat diesen Teil des Gebäudes in die Luft gesprengt“, erklärte er. „Moody hat den Rest des Teams durch das Loch in der Wand geschickt. Und er hat uns beauftragt auf jeden zu fluchen, der das Gebäude Richtung Westen verlässt.“

 

„Das wären dann wohl wir“, erwiderte Tonks lächelnd.

 

„Wo ist der andere Auror? Waren nicht zwei von euch verschwunden?“, fragte Ron. Sein Ton hatte etwas Vorsichtiges angenommen.

 

Tonks Lächeln verschwand. Sie legte ihren Handrücken gegen ihre Stirn, und hob mit Bedauern den Blick. „Bligh ist tot.“

 

„Durch wen?“, fragte Harry.

 

„Es ist in Hogwarts passiert. Ein Portschlüssel hat ihn wohl an einen fiesen Ort geschickt, nehme ich an.“ Tonks dehnte die Finger ihrer rechten Hand. „Was würde ich für meinen Zauberstab geben…“

 

„Ihr zwei verschwindet besser“, sagte Harry zu Draco und Hermine. „Wir sehen euch später.“

 

„Pass auf dich auf, Harry.“

 

„Geht schon“, erwiderte er mit einem schiefen Lächeln, und winkte Hermine zu. Dann wandte er sich Draco zu, die Stimme gesenkt. „Wenn ihr irgendwas passiert, bist du tot.“

 

Draco hatte darauf keine schlagfertige Antwort parat. „Immerhin sind wir darüber einig.“

 

**

 

~ Chapter Forty-Six ~

 

„Wie kommen wir zurück?“, fragte Hermine. Draco ging vor durch das Dickicht. Verletzt und erschöpft bewegte er sich immer noch leiser als sie. Hermine fühlte sich wie ein verlorener, taumelnder Elefant. Nachtwanderungen waren definitiv nicht ihr Ding. Zweimal hatte sie sich schon selber ins Gesicht gepeitscht, mit tieferhängenden Ästen, die sie übersehen hatte. Sie hoffte inständig, dass nichts, was mit ihrem Gesicht in Berührung kam, so etwas war wie giftiger Efeu. Sie konnten kaum sehen, wohin sie gingen.

 

„Das lösen wir, wenn wir Apparieren müssen“, erwiderte Draco.

 

„Nur wenn da kein Apparier-Schutz ist.“

 

Er hielt einen Ast für sie zurück. „Vielleicht, aber den haben wir bestimmt schon hinter uns gelassen.”

 

Hermine fasste ihn am Ellbogen, um ihn aufzuhalten. Sie musterte ihn skeptisch, als er sich ihr zuwandte. „Malfoy, ich mein es nicht böse, aber wenn wir zusammen apparieren, kommen wir am Ende an der Hüfte zusammengefügt wieder raus. Du wirst es nicht schaffen können.“

 

Sein Mundwinkel hob sich. „Dann sitzt du wirklich mit mir fest.“

 

„Ich mache keine Witze!“

 

„Ich weiß“, sagte er, tatsächlich sehr ernst. „Du hast ja auch keinen Humor.“

 

„Draco, wir haben bloß einen Zauberstab. Wenn es keinen Portschlüssel zurückgibt, warten wir besser auf die anderen Auroren.“

 

„Es wird einen Portschlüssel zurück zum Verbotenen Wald geben“, versicherte er. „Und den werden wir auch finden.“

 

Finden? Sie konnte kaum ihn ausmachen, ganz zu schweigen vom Rest des Waldes.

 

„Kamst du hierher, als du hier gelandet bist?“

 

Kurz dachte er nach, ehe er antwortete. „Ja, ich denke schon. Diese Bäume kommen mir bekannt vor.“

 

Hermine betrachtete die Bäume. Natürlich kamen sie ihm bekannt vor. Sie sahen genauso aus wie die letzten dreihundert Bäume, die sie in den zwanzig Minuten passiert hatten. Draco schien zu glauben, dass sie in die richtige Richtung gingen, denn er wurde schneller. Selbst Hermine konnte sehen, dass die toten Blätter hier zu einem Pfad zertrampelt worden waren. Dieser Bereich wurde offensichtlich ständig genutzt.

 

Draco beschritt einen großen Halbkreis, humpelte jedoch immer noch, und nickte sich selbst zu.

 

Hermine war dankbar, nach Luft schnappen zu können. Sie sah ihm zu und dachte, dass die ganze Schuld an dieser Sache leicht der Liebe zugeschoben werden konnte. Blaise, Draco, Goyle, Pansy. Mit Harry und Ginny als dem eher neuen, unterstützenden Pärchen. Hermine wollte sie aber nicht als Vorbild sehen. Sich selber zu viel zu verweigern war schlecht für die Seele.

 

Wenn sonst nichts, hatte sie Fida Mia jedoch davon überzeugt.

 

Wer hätte gedacht, dass zu lieben bedeutete, alles in seinem Leben verlieren zu können, jede Sekunde am Tag? Wie konnte das etwas Gutes sein?

 

Es war surreal. Nein, es war unsurreal. Zu denken, all das war nur passiert, weil sie Dracos langsamem, herablassendem Lächeln nachgegeben hatte, in der Nacht der Abschlussfeier. Es fühlte sich an, als wäre es Jahrhunderte her.

 

Sie sah ihm zu und dachte, dass es ungefähr eine Millionen Dinge gab, die sie mit ihm machen wollte, ihm zeigen wollte, wenn sie erst einmal in Sicherheit waren. Das war eine unmögliche Aufgabe, oder nicht? In Sicherheit zu sein? Es erfüllt sie mit glücklicher, Schmetterlinge-im-Bauch erwartender Ungeduld, wenn sie an die vielen Dinge dachte, über die sie gemeinsam lachen könnten. Streite. Viele Streite. Sex haben. Auch das vielfach. Jemanden zu haben, der dir seine Jacke um die Schultern legt, ohne dass du sagen must, dass dir kalt ist, denn sie findet den Weg zu deinen Schultern sowieso, weil er es weiß.

 

„Das ist es, ich bin mir sicher!“, sagte er plötzlich. „Das ist, wo wir gelandet sind. Hier muss irgendwo das Portal sein.“ Er beäugte einen moosigen Stein mit mehr Interesse, danach einen gefallenen Ast. Hermine hatte noch nie jemanden so aufgeregt beim Anblick eines hohlen Baumstumpfs gesehen.

 

Sie musste ein wenig außer sich aussehen, denn er sprach mit ihr. „Granger? Geht’s dir gut?“

 

Ihr Lächeln war schwach, aber sie hätte es nicht gewusst, wenn es ihr niemand sagte. Plötzlich war ihr kalt. Der Anblick von Travers schlaffen, offenem Mund und seinem blutverschmierten Körper tanzte vor ihren Augen, wie eine Marionette aus einem Albtraum.


„Wir sind fast Zuhause“, versicherte ihr Draco. Er hatte so eine wunderschöne Stimme. Hermine fragte sich, wie sie es nie hatte bemerken können. Es beruhigte ihren Schock. Er humpelte zu ihr und drückte ihre Hand. Ihr fiel auf, dass ihre Finger kalt waren wie Eis.

 

„Der Gryffindor-Mut verlässt dich nicht gerade, oder?“, fragte er, mit einem leisen Lächeln. Sein falsches Lächeln sah besser aus als ihres, aber sie wusste immer noch, dass er sich Sorgen um sie machte.

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

„Gut.”

 

Er klopfte gegen verschiedene Dinge in ihrer Umgebung. Er hielt noch immer ihre Hand, Hermine bereitete sich vor auf die Sensationen in ihrem Körper, die reisen mit Portschlüsseln jedes Mal hervorriefen, aber nichts passierte. Mit dem Fuß berührte er den Baumstamm, dann die Steine daneben, dann den toten Baumstumpf.

 

Immer noch nichts.

 

„Malfoy, wenn wir diesen Portschlüssel nicht finden, solltest du vor mir zum Mungo apparieren. Ich kann zurück und Harry und Ron finden“, schlug sie vor.

 

„Ich bin nicht kurz davor, tot umzufallen, Granger.“ Obwohl die Ohnmacht vielleicht nicht ganz so weit entfernt lag, dachte er bei sich. „Hör auf zu meckern und hilf mir lieber.“

 

Etwas in der Dunkelheit fing ihren Blick, sei es auch nur, weil die Wolken am Himmel kurz aufklarten und der Rest des Mondlichts auf die Lichtung fiel. Es sah aus wie ein goldener Krawattenknopf, in die Rinde einer Eiche gedrückt. Sie begann, darauf zuzugehen.

 

„Draco, siehst du das? Ich glaube-“

 

Er machte ihr Angst, als er die Hand über ihren Mund legte und sie zurück in den Schatten zog. Sie standen zusammen unter einer gebeugten Weide, halb verdeckt durch die tiefhängenden Äste. Sie zitterte wohl stark genug, dass Draco hinter ihr ihre Oberarme rieb. Sie fühlte die Bandagen um seine Handgelenke.

 

„Was ist?“, flüsterte sie.

 

„Weiß nicht“, gab er zurück, und sein Atem bewegte die kurzen Haare an ihrem Ansatz. „Vielleicht nichts.“

 

Aber es war nicht nichts. Jemand war gerade auf die Lichtung getreten. Hermine spähte durch die hängenden Blätter. Alles, was sie erkennen konnte, war eine schlanke Person n der Dunkelheit. Sie versuchte, einen Ast aus dem Weg zu drücken, um besser sehen zu können, aber Draco hielt sie auf.

 

Er sah besser als sie. Sie legte den Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen. Sie nahm an, er wusste, wer es war, denn sein Blick war tödlich.

 

Blasie betrachtete den Boden angestrengt. Es sah aus, als versuche er die Spuren auf den Blättern zu lesen. Er seufzte laut.

 

„Ich kenne den Wald wie meine Westentasche. Ich kenne ihn in und auswendig.“

 

Hermine verspannte sich, sobald sie Blaises Stimme erkannte. Sie hatten einen Zauberstab! Sie sollten ihn einfach schocken, solange sie noch die Chance dazu hatten! Draco machte aber keine Anstalten, das zu tun.

 

„Bist du das, Draco?“, rief Blaise jetzt. „Natürlich bist du es. Du suchst den Portschlüssel zurück, nicht wahr? Das dachte ich mir. Du bist nicht blöd genug, hier zu bleiben und Held zu spielen, oder? Nicht mal, um deine süße Frau zu beeindrucken. Obwohl… vielleicht war die Rettung der Aurorin schon beeindruckend genug?“

 

Hermine spannte alle Muskeln an. Sie dachte an Ron, Harry und Tonks und betete, dass sie in Sicherheit waren.

„Ich weiß, ihr seid hier. Ich weiß, dass jemand hier ist. Du bist es Draco, oder? Hermine, bist du bei ihm? Bringst ihn sicher zurück nach Hogwarts? Warst du es, die diese furchtbare Sache mit Travers angestellt hat?“

 

Sie konnte nicht anders. Sie sah den toten Körper erneut. Ihr Gehirn war eine Qual. Draco schiene s zu merken, und begann, sie sanfter zu halten.

 

„Wollt ihr nicht rauskommen? Vielleicht kann ich es euch schmackhaft machen, wer ihr auch seid“, fuhr Blaise fort. Seine Arme waren vor der Brust verschränkt und fast tippte er mit dem Fuß auf dem Boden. „Zeigt euch, und vielleicht sage ich euch, wo Bellatrix ist. Sie haben sich bis jetzt nicht gefunden, wisst ihr. Diese unmöglichen Leute haben die Festung gestürmt, und sie ist verschwunden wie Rauch. Aber ich weiß, wo sie ist.“ Er sagte die Worte in einem Sing-Sang.

 

Blaise hatte vielleicht den Eindruck vermittelt, dass er die volle Kontrolle hatte, aber Hermine stand auf ihren Zehen und beobachtete ihn und sah, dass er jetzt ziemlich unsicher wirkte. Seine Augen suchten nervös die Umgebung ab, um zu sehen, ob irgendjemand kam.

 

Hermine sprach im Flüsterton. „Er blufft. Er würde sie nie verraten.“

 

Als hätte Blaise sie gehört, sprach er wieder. „Mein Herr wir Bellatrix für das Chaos der Mission verantwortlich machen. Und nach all der harten Arbeit und Treue seines Todessers in diesem Jahr, werde ich ihren Platz einnehmen, Draco. Komm raus, komm raus, und ich sage dir, wo sie ist. Die Frau, die den Tod deiner Mutter befohlen hat. Ich tausche es für ein letztes Lebwohl, mein Freund.“

 

Ganz sicher fiel Draco nicht auf diesen Quatsch herein, oder?

 

„Bleib hier“, sagte Draco zu ihr.

 

Hermine wandte sich in seinem Griff und sah zu ihm auf. „Was? Bist du wahnsinnig!“, zischte sie. „Du überlebst keine Sekunde!“

 

„Dein Vertrauen in mich ist ehrlich berührend“, erwiderte er, langsam gereizt.

 

„Er blutet nicht und leidet auch nicht an den Nachwirkungen des Cruciatus‘, also kann ich wohl behaupten, dass er in wesentlich besserer Verfassung ist, als du es gerade bist!“

 

„Sein kein Miststück“, gab er zurück. „Ich werde nicht gegen ihn kämpfen. Ich werde ihn nur ablenken. Er denkt, er hat nichts mehr zu befürchten, weil er das Gebäude unbemerkt verlassen konnte, aber er liegt falsch. Geh und hol Weasley und Potter. Oder besser noch, bring echte Auroren hier her.“

 

„Du denkst wirklich, er erzählt dir, wo Voldemorts rechte Hand ist?“

 

„Ja, tue ich. Und nimm den Zauberstab mit.“

 

Sie schob ihn zurück in seine Hand. Und jetzt kochte er vor Zorn.

 

Er sprach durch zusammengebissene Zähne. „Granger, er wird verschwinden, wenn er mich mit einer Waffe auf ihn zukommen sieht. Lass ihn denken, ich wäre unbewaffnet und außer mir vor Rachegelüsten.“


„Und? Bist du das?“, fragte sie mit einem Stirnrunzeln, den dieser Gedanke kam ihr erst jetzt.

 

Er sah sie an, lange und hart. Die Ruhe kehrte in sein System zurück, als er seine Hand auf ihre Wange legte. „Vertraust du mir nicht?“

 

„Hier geht es nicht um Vertrauen, hier geht um blöde Pläne! Es wie eine alte Batman-Folge“, sagte sie, mit bitterer Verurteilung. „Es ist das Vorrecht des Bösewichts, dem Helden einen bunten und lächerlich gehobenen Tod zu bescheren.“

 

Draco schenkte ihr einen leicht ungläubigen Blick. „Batman.“

 

Langsam wurde sie hysterisch. „Ja, verflucht, Batman!“

 

„Hermine, er kann mich nicht umbringen. Ich habe sein Leben gerettet, als wir Kinder waren. Es besteht eine Zauberer Schuld zwischen uns.“

 

Das waren Neuigkeiten. Hermine starrte ihn an, mit großen besorgten Augen. Töten war nicht verletzen, und Blaise hatte bereits bewiesen, dass er mehr als willig war, Draco all den Schmerz der Welt zu verursachen. Draco war nicht Batman. Er war die Liebe ihres Lebens.


„Was wirst du tun?“

 

Draco zuckte die Achseln. „Ihn nerven. Anscheinend ist es, was ich am besten kann.“ Er schob sie zurück ins Dickicht, aber es fiel ihr schwer, ihn gehen zu lassen. Sein Tattoo war schwarz verschwommen auf der hellen Haut seines Rückens.

 

„Beeil dich.“ War das ein Hauch von Furcht in seiner Stimme? Unmöglich. Hermine zögerte.

 

„Nur falls er verrückter ist, als er aussieht.“ Er schaffte es, ein Lächeln auf seine grimmigen Züge zu zaubern.

Nur widerwillig ließ sie ihn los und sah zu, wie er aus den Bäumen trat, um dem Bösewicht der Geschichte ein letztes Mal gegenüberzutreten.

**


Remus Lupin nahm an, es lag an dem Schlag gegen den Kopf. Bei Kopfverletzungen war es immer schwer zu sagen.

 

Einmal hatte James aus Versehen einen Kricket Schläger gegen Sirius Kopf geschleudert, als sie im Gemeinschaftsraum rumgealbert hatten, und er hatte geschworen, noch Stunden später, tanzende Feen gesehen zu haben.

 

Lucius Malfoy war keine kleine tanzende Fee.

 

Und darüber hinaus hatte der Bastard gerade versucht ihn umzubringen.

 

Obwohl er fairerweise sagen musste, dass es nichts Persönliches war. Lucius‘ Absicht war wohl gewesen, den gesamten Flur voller Todessern platt zu machen, ohne gewusst zu haben, dass sich zwei Auroren in die Festung geschlichen hatten. Remus hatte den scharfen Geruch des Drachenknochen Pulvers in der Luft sofort erkannt, als sich die Tür geöffnet hatte. Der fein gemahlene Puder hatte war höchst aggressive. Nur eine Prise, korrekt gehandhabt, konnte ganz leicht eine Gliedmaße zerstören.


Wer auch immer für die Explosion verantwortlich war, hatte wohl ein ganzes Glas von diesem Zeug benutzt.

 

Remus sah Lucius im Moment tatsächlich nicht. Astrid war durch die Wucht der Explosion rückwärts aus dem Gebäude geworfen worden. Remus hatte währenddessen unangenehm engen Kontakt mit einer Mauer gehabt und rutschte hinab auf den Boden. Er konnte noch zwei weitere bewusstlose Kämpfer auf dem Boden entdecken. Hoffentlich Todesser. Moody beeilte sich verdammt noch mal besser.

 

Er neigte den Kopf, um draußen das zerstörte Gelände nach Astrid abzusuchen. Er sah, dass sie aufrecht saß, eingehüllt in Staub und pulverisiertem Gestein. Ihr Husten sagte ihm, dass sie immerhin knapp entkommen war.

 

Und dann, zu Remus‘ großer Überraschung, spazierte Lucius Malfoy praktisch aus den qualmenden Überbleibseln und stieg über ihn, mit glänzenden schwarzen Stiefeln.

 

Er schritt weiter, bleib dann stehen, wandte sich um starrte auf ihn hinab.

 

„Lupin?“, sagte Lucius, fast im Plauderton.

 

Remus blinzelte durch den Staub zu ihm auf. Er arbeitete an einer Antwort.

 

Lucius war schneller. „Mein Sohn, ist er bei dir?“

 

„Nein“, hustete er.

 

Seht zu, dass ihr ihn findet, bevor ihr diese Schlangengrube verlasst“, sagte der ältere Malfoy. Er schritt weiter und hielt nur kurz an, um beiläufig einem bewusstlosen Todesser den Zauberstab abzunehmen.

 

Als Remus es endlich schaffte, auf die Füße zu kommen, war Lucius noch in Reichweite für einen Fluch.

 

Aber falls der ältere Malfoy auf Remus‘ Fluch wartete, wurde er enttäuscht. Remus verfluchte ihn nicht.


**



Draco wusste, wo Bellatrix sich aufhielt. Er hatte nicht betteln, bestechen oder foltern müssen, um es zu erfahren. Blaise hatte es ihm einfach gesagt. In seinen Augen standen Vergnügen und schlichte Berechnung. Die Mission war vielleicht gescheitert, aber falls eine Beförderung für ihn rausspringen sollte, würde sich Blaise auch darüber freuen, nahm Draco an. Soweit Soziopathen Freude überhaupt erfahren konnten.

 

Blaise war kein Idiot. Abgesehen von der impulsiven Aktion, Hermine zu kidnappen, war er eigentlich das genaue Gegenteil eines Idioten. Unglücklicherweise nützte eine Ablenkung nur, solange man jemanden ablenken konnte. Da er nun hatte, wofür er sein Genick riskierte, war er es sich nicht sicher, was er noch mit Blaise anfangen sollte.

Der Wunsch, ihn zu erwürgen, stand außer Frage, denn er hatte ja keinen Zauberstab, und ohne würde ihn die Anstrengung wahrscheinlich zur Ohnmacht zwingen. Das wäre nicht nur peinlich, sondern wohl auch fatal für ihn.

 

Es sei denn, Hermine kam sehr bald zurück mit Hilfe.

 

Draco versuchte es auf die lockere Art. „Ok“, sagte er. „Danke für die Information. Wir sehen uns.”

 

Verwunderlicherweise hatte Blaise überhaupt keine Eile. „Du planst ohne deine Frau zu verschwinden?“, fragte er Draco. „Hast du sie den Auroren überlassen? Was sollte dieses fass-sie-an-und-ich-bringe-dich-um-Gerede in den Kerkern dann? War das nur Spiel?“

 

„Nein“, sagte Draco „Aber seitdem ich weiß, was für eine schreckliche Nervensäge sie ist, habe ich meine Meinung geändert. Du kannst sie haben.“

 

„Du hältst dich für wahnsinnig witzig, oder?“, schnarrte Blaises Stimme.

 

„Nur in extremsten Lebens- und Todessituationen.“

 

Draco bekam einen finsteren blick verpasst. „Wo ist Hermine, Malfoy?“

 

Das spielte er also. Bemerkenswert. Er war immer noch hinter dem Mädchen her. Draco wollte ihn sehr dringend umbringen. Vielleicht hätte diese ganze Tragödie abgewandt werden können, hätte Draco Blaise öfters mit ihm Goyle zum Trinken mitgenommen, damit der verdammt Idiot endlich entjungfert worden wäre.

 

Draco schnaubte auf. „Fick dich, du Wahnsinniger. Hol dir dein eigenes Schlammblut.“

 

„Ausdruck, Malfoy“, sagte Harry. Er erschien auf dem Weg, den Draco und Hermine zuvor gegangen waren. Hermine und Ron folgten ihm.

 

Überrascht wie Blaise war, war er doch noch immer schnell. Harrys Reflexe jedoch standen den seinen in nichts nach. Er warf sich zu Boden, rollte sich ab und entkam Blaises Stupor gekonnt. Ron hatte Hermine nach unten gezogen, um sie zu schützen. Der Zauberstab, den Draco ihr gegeben hatte, fiel ihr aus der Hand, und sie wäre umgekehrt, um ihn zu holen, aber Ron zog sie einfach weiter.

 

Ein Schwall toter Blätter stob durch die Luft.

 

„IMPEDIMENTIA!“, schrie Harry, bevor er wieder auf die Beine kam.

 

Der Fluch traf Blaise direkt in die Rippen. Verblüfft fiel er zur Seite auf den Boden. Ron schoss nach vorne und trat Blaises Zauberstab hastig aus dessen Hand.

 

Ein keuchender Ron wandte sich dann an Draco. „Geht’s dir gut, Kumpel? Hermine war sich sicher, dass wir nur noch verkohlte Asche von dir finden würden.“

 

Draco hatte den Blick nicht von Blaise abgewandt. „Nein“, sagte er. Dann schritt er zu dem gefallenen Jungen, holte mit dem unverletzten Bein aus und trat ihn mit voller Wucht in den Bauch.

 

„Es geht mir besser. Jetzt.“

 

„Hat er es dir gesagt?“, wollte Harry wissen. „Wo Bellatrix ist, meine ich?“

 

„Ja, hat er, aber ob diese Information verlässlich ist, wird sich zeigen. Wenigstens haben wir den Informanten.“

 

Ein Grinsen zeigte sich auf Harrys Zügen. „Sieht so aus, als hätten wir den Fang des Tages gemacht. Ich bin mir sicher, Moody will ihn gerne ein paar Dinge fragen.“

 

Ron zog einen keuchenden Blaise am Umhang zurück und lehnte sich zu dessen Ohr. „Sag gar nichts. Atme nicht mal, wenn du es vermeiden kannst. Versuch irgendetwas, und ich lasse Malfoy wesentlich schlimmere Dinge machen, als seinen teuren Wanderstiefel in deine Eingeweide zu rammen. Hast du mich verstanden? Du bist gerade nicht so mächtig, oder, Schulsprecher?“

 

„Ron“, sagte Hermine. Sie schritt langsam zu Draco. Es waren heute genug schlimme Dinge passiert. „Können wir das bitte schnell beenden?“

 

„Schön. Wir bringen ihn zu Moody. Ihr beiden geht ins Mungo, wie ihr es vorhattet.”

 

Ron schob Blaise grob in Harrys Richtung, der die Führung übernahm, und die Spitze seines Zauberstabs unter Blaises Kinn hielt.

 

Blaise machte einige Schritte voran, ehe er vor Dracos Gesicht innehielt. „Malfoy-“

 

„Ignorier ihn“, rief Harry, während er Blaise den Zauberstab härter in die Haut bohrte.

 

„Du hattest Recht!“, beharrte Blaise. „Du kannst mir nicht geben, was ich will, Draco.“

 

„Ich hab dir gesagt, du sollst das Maul halten, Zabini!“, schnappte Ron.

 

Draco hob die Hand. Er wollte das hören. „Und was willst du jetzt? Mich tot sehen? Aber du kannst es alleine nicht, oder? Denn das bedeutet deinen eigenen Tod, und wir wissen beide so märtyrerisch verlangt bist du nicht.”

 

„Dich tot sehen?“ Blaise lächelte. „Letztendlich, ja. Aber zuerst will ich dich leiden sehen.“ Er behielt das Lächeln auf den Zügen, bis er sich an Hermine wandte. Blaise hatte ein ausdrucksstarkes Gesicht. Die Aufrichtigkeit auf seinen Zügen ließ sie alle für einen Moment den Atem anhalten.

 

„Es tut mir so leid.“

 

Er verstand nicht ganz, aber instinktiv griff Draco nach Hermines Arm. Sie stand bloß zwei armlängenweit von ihm entfernt.

 

„Harry?“, schrie Ron die Warnung. Aber zu spät.

 

Blaise schleuderte eine kleine Glaskugel. Er zerbrach an Hermines Hüfte.

 

**

 

 

~ Chapter Forty-Seven ~


Draco musste sich nicht nach vorne werfen. Sie stand zu nah dafür. Er streckte lediglich seinen Arm nach ihr aus, obwohl er nicht wusste, was er damit bezwecken wollte. Das dumme Mädchen sah ihn nicht mal an. Sie beobachtete immer noch Blaise. So wie auch Potter und Weasley.

 

Draco fielen diese Details auf, denn es kam ihm vor, als würde die Zeit langsamer ablaufen (so auch seine Bewegungen). Ein primitiver Instinkt in seinem Gehirn wusste, er musste sich schneller bewegen, aber er schien in der Zeitlupe gefangen zu sein.

 

Blaise hatte eine Glaskugel geworfen. Das neue Licht des Sonnenaufgangs wurde vom Glas der Kugel reflektiert. Er traf Hermines Hüfte und zerbrach augenblicklich. Dicke, dunkle, qualmende Flüssigkeit lief aus, verteilte sich auf ihrem Rock. Der strenge Geruch von Drachenblut lag in der Luft. Der Qualm war dann auch nicht schwarz, wenn es wirklich Drachenblut war. Im normalen Licht wäre es ein dunkles sattes Rot. Aus dem Innern dieses seltsamen flüssigen Gefängnisses wurde eine goldene Münze freigesetzt. Eine goldene Galleone.

 

Draco konnte nur zusehen und spürte eine Furcht, wie er sie noch nie in seinem Leben gespürt hatte, als sich die Münze einige Male in der Luft drehte und dann fiel. Sie berührte Hermines staubigen, abgetragenen Schuh der Schuluniform.

 

Als Dracos Hand sie ergriff, fasste er nur noch in nebelfeuchte Luft. Sie war fort.


„NEIN!“

 

Er vernahm Potters Schrei, als käme er von weit fort. Eine schreckliche Taubheit befiel ihn, gefolgt von grenzenlosem Zorn. Er begann zu zittern.

 

Harry starrte für einen Moment perplex nach vorne, ehe er sich drehte und Blaises Beine unter ihm wegtrat. Er stellte einen Fuß auf Blaises Nacken und drückte ihn nieder. „Wo ist sie?“

 

Blaise keuchte. Er versuchte, Harry mit der rechten Hand abzuschütteln, aber Harry pinnte ihn mit dem anderen Fuß zu Boden. Blaises linke Hand griff nur in den Dreck am Boden. Harry setzte mehr Gewicht auf den Fuß und erntete ein Röcheln aus Blaises Mund.

 

„WO HAST DU SIE HINGESCHICKT, DU KRANKES ARSCHLOCH?“

 

Rons Hand war in seinen Haaren vergraben. Er schüttelte den Kopf und starrte immer noch auf die Stelle, wo Hermine vor einer Sekunde noch gestanden hatte. „Was… was ist gerade passiert?“

 

Draco konnte nicht antworten. Er starrte immer noch auf die Münze, hell golden, bespritzt mit Blut. In seinem Innern hörte er ein Geräusch. Er wollte es rauslassen, denn die Kraft, die es kostete, es in sich zu behalten, schmerzte ihn, aber seine Stimme hatte ihn verlassen.


„WAS IST GERADE PASSIERT?“, wiederholte Ron erneut.

 

Harrys Kopf schnappte nach oben. Er sah Ron an, mit einem Blick völliger Leere. Harry wusste, dass Portschlüssel einen an schlimme Orte schicken konnten.

 

„Hermine wurde… irgendwohin transportiert.“

 

Ron starrte ihn an. „Mit einem Portschlüssel? Wohin?“

 

Harry arbeitete noch daran, es rauszufinden. Er stellte sich über Blaise und richtete den Zauberstab auf dessen Brust. „Du wirst mir sofort sagen, wo sie ist, oder ich schwöre bei Gott, Zabini, ich fluche dir die Eingeweide raus.“

 

Blaise sah hasserfüllt zu Harry auf. „Es ist zu spät“, flüsterte er. „Sie ist tot.“

 

„HERMINE IST NICHT TOT!“

 

„Doch, ist sie“, beharrte Blaise. Er klang sogar fröhlich. „Das ist ein Todesportal, Potter.“

 

Ron begann zu laufen. „Todesportal! Harry… was sollen wir tun?“

 

Harry schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist nicht tot.“

 

Dracos Stimme schnitt durch die Panik. „Du hast Recht.“

 

Harrys Kopf hob sich. Seine grünen Augen durchbohrten ihn. „Was? Kannst du sie spüren? Lebt sie?“

 

Dracos helle Augen verloren den Fokus. Er schloss sie und nahm einen tiefen, langen Atemzug, als wäre Atmen plötzlich schwer geworden. Auf seinem bloßen Rücken erkannte Harry, dass die tätowierten Flügel aussahen, als wollten sie sich von seiner Haut losreißen und fliegen. Es war verdammt eindrucksvoll.

 

„Ja.“

 

Ron war kalkweiß. „Dann ist sie nicht tot, wo auch immer sie ist.“

 

Harry wandte sich wieder an Blaise und schlug ihn mit dem Handrücken ins Gesicht. „Wo führt es hin, Zabini?“

 

Blaise hustete heftig und spuckte anschließend einen Zahn in den Dreck. „Ich weiß es nicht…“

 

Harry schlug ihn erneut, diesmal härter. „Flasche Antwort. Wo führt es hin?“

 

„ICH WEIß ES NICHT! Ich weiß nicht, wo die Portale einen hinführen, ok? Es wurde mir nicht gesagt. Alles, was ich weiß-“

 

„Wie wäre es, wenn wir es testen?“, unterbrach ihn Harry. Er packte Blaise an seinen Haaren, schleifte ihn zu der Münze und presste sein Gesicht hinab. Blaise verschwitzter Pony hing nur Zentimeter über der Münze. „Wo du doch so willig bist, ein unschuldiges Mädchen in den Tod zu schicken, wie wäre es, wenn du vorgehst und uns sagst, wohin das Portal dich bringt, ok?“

 

Blaise lachte. Das Geräusch kam tief aus seinem Innern. Angewidert ließ Harry ihn los. Hustend kroch Blaise rückwärst vom Portschlüssel zurück. Er setzte sich im Dreck auf, und sein Lächeln zeigte blutverschmierte Zähne.

 

„Es macht keinen Unterschied. Mich zu töten bringt sie nicht zurück, oder?“


„Malfoy, was tust du?“, rief Ron plötzlich.

 

Draco stand über der Münze. Er sah aus, als wolle er gleich auf sie treten. Harry, der ihm am nächsten war, hielt ihn auf, in dem er seine Mitte umschlang und ihn zurückzog. Sie fielen in den Dreck. Draco trat wieder nach ihm, hielt sich aber auf. Er würde den Rest an Kraft, die er hatte, noch brauchen.

 

„Lass los“, sagte er ruhig zu Harry.

 

Harrys Augen war gerötet vor ungeweinter Tränen. Er sah Draco an, mit einer Mischung aus Schmerz und vorsichtiger Hoffnung. „Du bist verrückt.

 

„Lass los.“

 

„Nein“, erwiderte Harry und schluckte. Er schüttelte heftig den Kopf. „Du verstehst nicht. Ich sollte es sein.“

 

„Wenn überhaupt jemand geht, werde ich es sein. Jetzt geh mir aus dem Weg, Potter“, wiederholte Draco.

 

Wie vor den Kopf gestoßen zog Harry seine zitternden Hände von Draco zurück. Hinter ihm hörte Ron Blaise festhalten. Er konnte Ron jedoch jetzt noch nicht helfen. Harry hatte nur Augen dafür, was Draco Malfoy als nächstes tun würde.

 

Draco schenkte Harry einen letzten Blick, bevor er den Fuß hob und ihn auf die Münze setzte.

 

**

 

[Hermine]

 

So kalt. Dunkel. Kann mich nicht bewegen. Kann nicht atmen.


Ich bin unter Wasser…

 

Sie würde ertrinken.

 

Oh Gott, bitte hilf mir. Ich will nicht sterben.

 

Denk nach, Hermine!

 

Sie war in einem Käfig. Metallen und verrostet. Nicht besonders groß, denn sie konnte beide Seiten berühren, wenn sie die Arme ausstreckte. Er war jedoch hoch. Sie musste hoch schwimmen, um die Decke zu erreichen.

 

Ich werde nicht sterben ich werde nicht sterben.

 

Ihre suchenden, verzweifelten Hände fanden etwas auf dem Boden des Käfigs. Stoffreste, die an einem metallenen Riegel hingen. Glatt, rutschig…

 

Großer Gott, jemand war schon hier!

 

Nicht jemand. Ein toter Körper. Ihre Wade strich gegen ein Bein und angewidert wich sie zurück. Es war ein Mann. Er trug einen Umhang. Zauberer haben Zauberstäbe! Sie durchsuchte seine Kleidung. Ihre suchenden Hände glitten über sein Gesicht. Es fühlte sich schwammig an, aber sie unterdrückte das Verlangen, zurückzuweichen und suchte weiter. Seine Hände waren leer. Seine Taschen nicht! Hermine weinte fast vor Erleichterung, als sie einen Zauberstab hervorzog.

 

Großer Gott, ihre Lungen brannten. Ihre Haut fühlte sich an, als würde sie enger werden, sie ersticken.

 

Sich richtete den Zauberstab fest auf Stäbe des Käfigs und feuerte einen einfachen Explosiv-Zauber ab.

 

Nichts passierte. Verwirrt versuchte sie es erneut. Und dann noch mal. Alohomora zeigte auch keine Wirkung.

 

Es funktionierte nicht. Wieso? Neinneinnein!

 

Hermine tastete über den Zauberstab. Es war ein Muster eingraviert. Das war normal, aber ansonsten war er nicht kaputt.

 

Sie bekam keine Luft mehr. Ihre Brust schmerzte so sehr.

 

Und dann plötzlich war sie nicht mehr allein. Nicht mehr allein mit dem toten Mann und dem fremden Zauberstab in seiner Tasche, der nicht funktionierte. Es war als könne das Unterwassergefängnis sie nicht beide fassen, sie und Draco.

 

Völlig ungläubig wandte sich Hermine im Wasser um. Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie wusste, er war hier mit ihr. Die Angst, die sie spürte, verstärkte sich um das Zehnfache.

 

Er war neben ihr. Es waren seine Hände, die sie hielten, ihr versicherten, dass er wirklich real war. Der Drache auf ihrer Hüfte drängte und wand sich ihm entgegen, anscheinend glücklicher ihn zu sehen, als sie es war.

 

Wieso war er hier? War er auch von einem Portschlüssel getroffen worden? Sah es für Ron und Harry auch so aus?

 

Er schien begriffen zu haben, was sie tun mussten, in weniger Zeit als sie. Nachdem er sie gefunden hatte, griff er nach ihrem Kinn und legte seinen Mund auf ihren.

 

Luft! Oh Gott, ja, er gab ihr Luft.

 

Sie nahm sie gierig von ihm und zog den ihren Mund zurück, als sie begriff, dass es auch seinen Tod bedeuten würde.

Draco tat alles anscheinend nur aus Vertrauen, denn er war hier ohne Zauberstab. Es gab also keinen Weg, herauszufinden, ob der Zauberstab, den sie benutzte, einfach nicht funktionierte. Sie klopfte ihn gegen seinen Arm. Er nahm ihn sofort, und einen Teil von ihr fühlte sich erleichtert, nicht derjenige zu sein, der verantwortlich dafür war, sie nicht retten zu können.

 

Es war selbstsüchtig von ihr, aber sie war zu weit entfernt, sich noch Gedanken zu machen. Sie hatte die Panik übersprungen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht war das alles bereits Panik.

 

Sie fühlte sich so leicht in ihrem Kopf. Der Druck auf ihrer Brust war nicht auszuhalten. Es kostete sie jedes bisschen an Kraft, nicht den Mund zu öffnen, und Wasser in ihre Lungen zu atmen. Hermine schloss fest die Augen und fand sich damit ab, sie wohl nicht wieder öffnen zu können.

 

Es tut mir so leid, Mum und Dad. Harry, Ron, Ginny.

 

Draco.

 

Draco untersuchte immer noch eine Seite des Käfigs. Sie schlang die Arme um seine Taille und presste ihre Wange gegen seine wunderschönen dunklen Flügel, als würde das allein die Angst vorm Sterben nehmen.

 

[Draco]

 

Es schwebte ein scheiß toter Körper unter ihnen.

 

Er zuckte zusammen, als Hermine den Zauberstab gegen seinen Arm klopfte. Er kannte diesen Zauberstab. Wiedererkennung und Vertrautheit durchfluteten ihn.

 

Das ist der Zauberstab meines Vaters! Er wusste es, so sicher wie er wusste, dass Hermines Augen braun waren. Seinen ersten Zauber hatte er mit Lucius‘ Zauberstab vollführt. Er erinnerte sich gut an diesen Tag. Lucius hatte ein seltenes, aufrichtiges Lächeln gelächelt.

 

Sie würden sterben, wenn er nicht herausfand, wie er den Verschluss des Käfigs brechen konnte. Er hatte diese Art der Magie schon mal gesehen. Die Kerker aus den sie geflohen waren, unterlagen ähnlichen Zaubern. Wenn der Käfig so verzaubert war, dass er Magie aus dem Innern verbot, vielleicht erlaubte er dann Magie von außerhalb. Die Lösung erschien so einfach, aber ihr Überleben hing davon ab, wie weit der Zauber auf dem Käfig sich nach außen erstreckte. Jeder Zauber hatte seine Grenzen.

 

Der Schlüssel des ganzen jedoch, war nicht in Panik zu geraten, weil sie gerade ertranken.

 

Draco schob seine Hand zwischen den Gitterstäben nach draußen und richtete den Zauberstab zurück auf den Käfig. Der Spruch funktionierte nicht.

 

Verdammt! Vielleicht musste er es von weiter weg versuchen, aber er hatte nicht mehr Armspannweite dafür. Oder vielleicht lag er einfach falsch. Ja, das war definitiv möglich.

 

Keine.

 

Panik.

 

Hermine hielt ihn nicht mehr länger fest. Er hatte gespürt, wie sie ihn fest umschlungen hatte, dann waren ihre Hände von ihm abgefallen. Es war absolute Folter, sich nicht zu ihr umdrehen zu können, aber Draco musste sich auf das konzentrieren, was er gerade tat.  Wenn er der Furcht nachgab, starben sie mit Sicherheit.

 

Er rammte seine Schulter so brutal zwischen zwei Gitterstäbe, wie er es zustande brachte. Ein Teil des Rostes brach zur Seite. Es war schwer, unter Wasser genügend Kraft aufzubauen, also suchte er sich Halt an den hinteren Gitterstäben für seine Füße und begann zu schieben.

 

Es klappte. Seine kaputte Schulter kugelte sich aus und der bekannte Schmerz durchflutete ihn. Er war ohnehin in großer Gefahr vom Blutverlust ohnmächtig zu werden und sah kleine weiße Punkte vor seinen Augen tanzen.

 

Dank seiner ausgekugelten Schulter passten nun zwei Zentimeter mehr durch die Gitterstäbe. Der Schmerz war nahezu lächerlich stark, und er musste seine Hand zwingen, den Zauberstab schwach halten zu können. Aber er duldete den Schmerz, denn er zeigte ihm, dass er noch am Leben war.

 

Er betete, wenn er auch nicht wusste, für was oder zu wem, aber er nahm an, Gott erkannte völlige Verzweiflung, wenn er sie hörte.

 

Als seine Hand so weit wie möglich vom Käfig entfernt war, drehte er den Zauberstab um, achtete darauf, dass er nicht das Ziel wurde, zielte und sprengte die Gitterstäbe.

 

Unter blubberndem heißem Wasser sprangen die Stäbe aus ihren Fassungen. Der Körper des Mannes unter ihm stieg bereits Richtung Oberfläche.

 

Aufgeregt wandte sich Draco zu Hermine um.

 

Sie war… nein.

 

Er wusste, ohne nachzusehen, dass kein Tattoo mehr auf seinem Rücken war. Es war, als wäre es einfach von seiner Haut abgezogen worden.

 

Der Verlust des Fida Mia war wie der Tod. Der Schmerz war so tief und alles verzehrend, dass der Zauberstab seines Vaters aus seinen Fingern zu gleiten drohte.

 

Zu spät.

 

Eine weiche Wärme streifte seine Gesicht. Er fühlte die Berührung seiner Mutter. Wo auch immer sie waren, die Sonne ging auf. Das Licht schnitt durch das trübe Wasser, wie Sonne durch eine Regenwolke. Plötzlich leuchtete alles voller Farben, wie in einem Prisma. Er sah hinab auf Hermine unbewegtes, blasses Gesicht. Ihre Wimpern ruhten auf ihren Wangen. Die Stille war überall und perfekt.

 

Draco hob den Kopf und blinzelte ins Licht. Das Licht war da. Das Licht hieß Sicherheit, so wie es seine Mutter ihm gesagt hatte, in seinen schmerzverhangenen Träumen. Die Dunkelheit war nicht endlos.

 

Seine Faust schloss sich um den Zauberstab seines Vaters. Es war seltsam, zu denken, dass beide Eltern gerade hier bei ihm waren.

 

Die leuchtende, goldene Sonne erhob sich stetig über dem Wasser. Draco hielt Hermine fest, Lucius‘ Zauberstab zwischen ihnen, und konzentrierte sich auf einen einzigen Zauberspruch und das Bild einer Küste.

 

**

 

Sie wurden an einer Küste ausgespuckt, einer bekannten Küste. Aber, es war eher eine Sandbank. Hogwarts großer See, um präzise zu sein. Es war ein Akt der Verzweiflung gewesen, denn die Chancen, zersplittert aufzutauchen, waren groß gewesen, bedachte man, dass er keine Ahnung gehabt hatte, wo sie gewesen waren und wie viel Energie es ihn kosten würde.

 

Aber er hatte es geschafft. Und sie kamen an als zwei Personen in ganzen Stücken. Er dankte Merlin dafür.

 

Große Mengen an Wasser waren mit ihnen gekommen. Draco brach auf der nassen Grasbank zusammen, hielt Hermine aber immer noch fest, als das Wasser um sie herum niederregnete. Der erste Atemzug brachte ihn beinahe um. Er krümmte sich unter schmerzendem Husten, drehte gleichzeitig Hermine auf den Rücken und schob ihre nassen Haare aus ihrem Gesicht.

 

Sie war blau. Ihre Haut war kalt und ihr für gewöhnlich rosa Mund war lila geworden. Er sah voller Furcht auf sie hinab, berührte sie mit seinen Fingerspitzen, als könne er Leben spüren, wo seine Augen nur den Tod erkannten.

 

Er war nicht Harry. Er war nicht bekannt dafür, Wunder zu vollbringen. Nein, dafür war er nicht geschaffen. Und Dracos Kraft ließ ihn im Stich. Er konnte kaum noch richtig sehen. Verzweifelt versuchte er, sich an die Wiederbelebungssprüche zu erinnern, die sie in Zauberkunst gelernt hatten.

 

Anapeno“, keuchte er und sah dabei zu, wie sich ihre Brust hob und senkte. Er wiederholte den Spruch fünfmal, wie es Professor Flitwick einer desinteressierten Gruppe an Slytherin und Ravenclaw Fünftklässlern erklärt hatte.

 

Der Spruch tat, was er tun sollte, aber es funktionierte nicht. Wie lange waren sie unter Wasser gewesen? Es konnte nicht länger als drei Minuten gewesen sein? Für Hermine war es ganz klar länger gewesen.

 

Wasser lief ihm über sein keuchendes Gesicht. Draco setzte sich rittlings auf sie und begann rhythmisch auf ihre Brust zu drücken, so wie er es einen Muggelmann bei einem Jungen hatte machen sehen, damals am Thimble Creek.

 

Der Junge hatte es nicht geschafft, fiel ihm wieder ein. Draco war mit Goyle auf den Besen unterwegs, als er diese Szene erlebt hatte. Er hatte den Mann verachtet für diese lächerliche Technik, um das Kind wiederzubeleben. Ganz sicher wirkte Muggelmethoden nicht besser als die magischen Alternativen?

 

Aber er würde jetzt alles versuchen.


„Verlass mich nicht, Hermine. Du kannst ich nicht verlassen”, flehte er und presste dreimal ihren Brustkorb nieder. Mehr Worte stolperten aus seinem Mund. Flehende Worte. Er hörte einen schrecklichen, herzzerreißenden Laut. Er flehte zu Gott, dass es aufhören würde.

 

Der Laut kam aus seinem Mund.

 

Tränen liefen sein Gesicht hinab. Es fühlte sich an, als lösten sich seine Eingeweide auf. Er weinte so, wie er geweint hatte, als er Kind gewesen war. Er versuchte, die Schluchzer zu kontrollieren, als er ihren Kopf zurücklegte, um Luft in ihre Lungen zu atmen. Die Anstrengung brachte ihn beinahe um. Draco wankte über ihr, seine Augen rollten zurück in ihre Höhlen und er fiel hart zur Seite neben sie, in eine Embryohaltung.

 

Es war schon ein Kampf, alleine bei Bewusstsein zu bleiben. Er konnte es nicht allein. Er verlor sie.

 

Lucius‘ Zauberstab lag zu seinen Füßen. Keuchend sah Draco ihn zielsicher an und griff nach ihm.

 

Er brauchte Hilfe aus Hogwarts. Das Problem war, dass Hogwarts nicht wusste, dass sie hier waren.

 

Ich hatte den Zauberstab deines Dads als Prototyp vorgeschlagen, erinnerte er sich an Moodys Worte in Dumbledores Büro. „Natürlich haben wir das Malfoy Symbol als Testzeichen gewählt. Der Bindungszauber war immer noch wirksam als der Zauberstab entwendet wurde.

 

Der tote Mann in dem nassen Grab war irgendwie in den Besitz von Lucius‘ markiertem Zauberstab geraten. Draco war bereit, zu wetten, dass der Mann der vermisste Auror, Donald Bligh, gewesen war.

 

Aus Erfahrung konnte nur ein Spruch die richtigen Leute in seine Richtung schicken.

 

Das wäre das erste und letzte Mal, dass der das Dunkle Mal an den Himmel schießen würde, und es wäre eine gute Tat. Die Ironie dieser Sache war fast genug, dass er lächelte.

 

Wenn Hermine den nächsten Sonnenaufgang überleben sollte, würde Draco Mad Eye Moody küssen, das nächste Mal, wenn er ihn sehen sollte.

 

Er nahm die kalte Hand seiner jungen Braut in seine eigene, hob den unverletzten Arm hoch über seinen Kopf und vollführte den Spruch, von dem Voldemort annahm, er wäre dafür geboren, ihn zu benutzen. Es kostete ihn einiges, um es milde zu sagen. Er fühlte den dunklen Strom der finsteren magischen Macht tief in seinem Innern in seinen Arm steigen und dann in den Zauberstab. Es raubte ihm alle Energie, die er noch hatte.


Morsmorde.“

 

Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war das Dunkle Mal, das im hellen, blauen Himmel thronte, kurz bevor es sich in den Malfoy Drachen verwandelte.

**

 

~ Chapter Forty-Eight ~


Draco bemerkte drei Dinge, als er die Augen öffnete. Das erste war, dass er einen blau-weiß gestreiften Pyjama trug, was wahrscheinlich bedeutete, dass er im Sankt Mungo lag. Das zweite war, dass er keine Schmerzen verspürte, was nach zwei Wochen voller Verletzungen, Unfällen und Nahtoderlebnissen einfach unglaublich war.


Als drittes und letztes saß Albus Dumbledore in magentafarbenen Roben, mit Gold bestickt, am Ende der Matratze, während er an einer obszön langen roten Lakritzstange kaute. Es schien Nachmittag zu sein, dem Sonnenlicht nach zu urteilen, das durch das Fenster am Ende des Raumes fiel, der nach Zitrone und Antiseptikum roch.


„Professor“, begrüßte Draco ihn. Seine Stimme klang besser als sie sollte, wenn er bedachte, dass sich seine Kehle anfühlte, als hätte ihn jemand gezwungen, Bubotubler Eiter zu trinken.

 

Dumbledore zog die Lakritzstange aus dem Mund und lächelte so breit, dass seine hellgrauen Augen in den Falten nahezu verschwanden. „Willkommen zurück. Ich hoffte, es stört dich nicht, dass ich mir einige deiner Geschenke genehmigt habe.“ Der Schulleiter neigte den Kopf zu seiner Rechten.

 

Draco wandte den Kopf und spähte durch seinen langen Pony. Der kleine Nachttisch war überhäuft mit hellen farbigen Schachteln, voll mit Süßigkeiten und Schokolade und anderen Leckereien. Er blinzelte bei diesem ungewohnten Anblick. Die einzigen Süßigkeiten, die er jemals bekommen hatte, waren von seiner Mutter gewesen. Und es war üblicherweise diese dunkle Schokolade gewesen, von der man nur kleine Mengen essen durfte, weil sie so teuer war. Nicht das Zeug, was man sich eimerweise in den Mund schieben konnte. Pansy hatte ihm für gewöhnlich Gerüchte gebracht. Millicent war eher Kaschmir-Schal-Typ, während Goyle das Ritual des Geschenke schenkens wohl als offene Infragestellung seiner Männlicheit bewertet hätte.

 

„Ich bin im Sankt Mungo?“

 

„Ja“, sagte Dumbledore. 

 

Draco brachte mehr Spucke in seinen Mund, um weiter sprechen zu können und lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes. Er blickte an seinem weiß-blauen Oberkörper hinab. „Das würde den Pyjama erklären.“

 

Dumbledore lächelte erneut. „Hat sich nichts geändert, seitdem ich das letzte Mal hier war.“


„Es geht ihr gut, oder?“, fragte Draco. In seiner Stimme war keine Furcht. Die Frage war rhetorisch. Der Schulleiter von Hogwarts würde nicht an seiner Bettkante sitzen und Lakritz essen, wenn Hermine nicht mehr hier wäre.

 

„Miss Granger geht es gut, aber das wussten sie bereits.“

 

Draco sagte nichts. Er erlaubte es sich, zu entspannen, als er weiter den Raum betrachtete und bemerkte, dass neben ihm ein alter Mann in seinem Bett schnarchte. Sankt Mungos würde ihm nie im Leben ein Privatzimmer geben, wurde ihm klar, trotz der immensen Spenden, die sein Vater für dieses Krankenhaus getätigt hatte, als die Zeiten noch besser gewesen waren. Nicht, dass diese Dinge noch wichtig waren, nahm Draco an. Es war schon eine große Sache, wenn sein eigenes Universum praktisch über Nacht auf den Kopf gestellt wurde. Prioritäten waren komplizierte Angelegenheiten, entschied er. Besonders, wenn sie sich alle änderten.

 

Aber, die wichtigsten Dinge zuerst. Er musste sich auf den neuesten Stand bringen.


„Also, was passiert mit Blaise?“

 

Dumbledores Lächeln löste sich auf. „Mr Zabini ist in Untersuchungshaft des Ministeriums, genauso wie die anderen zehn, die vor zwei Nächten aufgegriffen worden sind.

 

Zwei Nächte!“, entfuhr es Draco. „Ich habe solange geschlafen?“

 

„Eigentlich waren Sie gestern Abend wach, als die Schwestern und Pfleger ihre Schuler wieder eingerenkt haben, aber bedenkt man Ihren Schlafmangel der letzten Zeit, ist es wohl nicht wahrscheinlich, dass Sie sich daran erinnern?“

 

Der alte Mann hatte Recht. Draco erinnerte sich nicht. Seine Schulter fühlte sich jedoch gut an. Was auch immer sie gemacht hatten, die vergessene Erinnerung war es wert gewesen. Neben seiner generellen guten Laune war noch etwas in Dumbledores Haltung, das ihm sagte, dass nicht alles gut ausgegangen war.


„Und haben es alle anderen auch sicher zurück geschafft?“, wollte Draco vorsichtig wissen.

 

„Miss Parkinson und ihre Eltern werden immer noch von der DMLA verhört. Mister Potter und Mister Weasley stehen unter Aufsicht der großartigen Molly Weasley. Nymphadora Tonks war hier über Nacht zur Beobachtung und ist diesen Morgen früh entlassen worden. Was Alastors Team betrifft – Kratzer, blaue Flecken, und ich glaube, ein Auror lässt seinen Kopf behandeln, aber ansonsten geht es allen gut.“

 

Eine Person fehlte bei dieser Aufzählung. Selbst wenn diese Person nicht bei der Rettungsmission dabei gewesen war.

 

„Was ist mir Professor Snape?“

 

„Askaban“, sagte Dumbledore ohne Zorn, aber mit grimmiger Resignation.

 

Silberne Augen blickten auf und trafen blaue. „Was! Warum?“

 

„Weil er Ihren Vater befreit hat, Draco. Das Ministerium ist zurzeit nicht in einer vergebenden oder… flexiblen Stimmung, bedenkt man die momentanen Umstände.“


„Er hat es getan, um mich zu retten! Und Hermine! Und nicht zu erwähnen, Tonks. Keiner von uns hätte es lebendig da raus geschafft, wäre mein Vater nicht gewesen!“

 

Dracos Ausbruch veranlasste den Mann im anderen Bett, kurz aufzuwachen, um dann mit einem Grunzen weiterzuschlafen. Beide, Dumbledore und Draco, waren kurz abgelenkt, als sie dem Mann zusahen, wie er seine Decke höher zog und sich schnaufend umdrehte.

 

Dumbledore antwortete leiser. „Ich sehe, warum er es getan hat. Severus hat getan, was er für nötig gehalten hat. Und es ist gut ausgegangen, nur unglücklicherweise nicht für ihn. Professor Snapes durfte über Lucius Malfoys Schicksal nicht frei verfügen, so wie er es für richtig hielt. Und trotz meiner Einwände, lässt sich das Ministerium von seiner Entscheidung nicht abbringen.“

 

„Ich dachte, das wäre es, was wir Malfoys für Sie seit neuestem sind. Werkzeuge und Waffen“, erwiderte Draco bitter.

 

Dumbledore runzelte die Stirn über die neue Feindseligkeit. „Halten Sie sich wirklich für mein Werkzeug, Draco?“

 

Dracos Augen verengten sich. „Ein Spion ist ein Werkzeug, oder nicht?“ Draco fühlte sich bockig. Und er hasste es, wenn er sich so fühlte. Er wusste, die Rolle des Spions war nicht Dumbledores Idee gewesen.

 

Aber wir üblich war Dumbledore schnell auf der richtigen Fährte und erkannte die Hintergründe schneller, als dass Draco überhaupt bemerkte, dass da Hintergründe vorhanden waren. „Aber es ist ein mächtiger Antrieb, nicht wahr?“, fragte ihn der Schulleiter, als würde er versuchen, jemand anderen zu einer Epiphanie zu bewegen.

 

„Was?“, flüsterte Draco. Er wollte jetzt alleine sein. Er wollte, dass Dumbledore ging, damit er den Versuch wagen konnte, dass Zimmer auf wackligen Beinen zu verlassen, um einen letzten Blick auf-

 

„Liebe“, erklärte Dumbledore.

 

Draco überlegte, dass es gut war zu wissen, noch genug Blut im Körper zu haben, um rot zu werden. „Sie wissen von Fida Mia?“

 

„Oh ja. Harry war sehr entgegenkommend mit den Informationen, als es klar wurde, dass Miss Granger in großer Gefahr schwebte.“

 

Liebe war ein Antrieb, schon klar. Für mentale Blockaden. Es war verantwortlich für all den Unsinn in der Welt. Goyle, der los rannte zu den Todessern. Pansy, die eine blöde Kuh war wegen – wegen praktisch allem. Er, der beinahe die eine Person tötete, die ihm befohlen hatte, nicht zu sterben. Blaise, der ein kompletter Psycho geworden war…

 

„Der Protschlüssel, den Blaise benutzte hatte. Wo bringt er einen hin?“, fragte Draco.

 

„Zum Großen See“, antwortete Dumbledore.


„Blaise hat uns zurück nach Hogwarts geschickt?“, fragte Draco mit großen Augen.


„Mr Zabini hat nicht gewusst, wohin das Portal Sie beide bringen würde. Ich nehme an, es ist Voldemorts kleines Geheimnis, dass er sein Todesportal so nah an Hogwarts hat. Wie du weißt, funktionieren Portschlüssel nur auf gewisser Distanz, und es gibt nicht viele magische Gewässer, die groß genug wären, so einen großen magischen Gegenstand in ihrer Tiefe zu verbergen. Die Meerleute helfen gerade dieses Ding zu zerstören, während wir sprechen. Obwohl ich sagen sollte, dass du die meiste Arbeit dafür schon erledigt hast.“

 

Draco erinnerte sich an den toten Zauberer im Käfig. „Da war ein Mann in dem Käfig. Er hatte den Zauberstab meines Vaters. Den, dem das Ministeriums probehalber den Aufspürzauber verpasst hat.“

 

Dumbledore nickte. „Der Zauberstab ist der Grund, dass wir Sie beide rechtzeitig gefunden haben. Es war ein eindrucksvolles Mal, dass sie an den Himmel geworfen haben“, bemerkte er trocken. „Es wurde ganz Hogsmeade evakuiert, in weniger als zwanzig Minuten. Arthur Weasley sagte mir, das wäre ein neuer Rekord gewesen.“

 

„Das Dunkle Mal hat uns gerettet.“


„Nein, Draco. Sie haben sich selber gerettet. Und Miss Granger, natürlich. Der Mann im Käfig war Moodys vermisster Auror, Donald Bligh. Laut Tonks hatte Bligh den gestohlenen Zauberstab Ihres Vaters von Mr Zabini konfisziert, kurz bevor er von ihm in seinen Tod geschickt worden war.“

 

„Das war der Abend, als Tonks gefangen genommen worden war“, schloss Dumbledore.

 

„Die junge Nymphadora hat ein Händchen dafür, an der falschen Stelle zur richtigen Zeit zu sein“, sagte Dumbledore anerkennend.

 

Es gab nur noch eine Sache zu fragen, nahm Draco an. Es wäre seltsam und vielleicht eine Spur zu verdächtig, es nicht zu tun. „Gibt es Neuigkeiten zu Goyle?“, fügte er hinzu und hoffte, es klang wie ein Gedanke, der ihm erst jetzt gekommen war.

 

„Sollten da welche sein?“, erwiderte Dumbledore genauso bedächtig wie Draco es getan hatte.

 

Draco war sofort genervt. Verdammt, der Mann war gerissen.

 

Dumbledore erhob sich vom Bett und klopfte Draco auf die Schuler. „Ruhen Sie sich aus. Die Heiler sagten mir, der Trank, den sie Ihnen gegeben haben, verliert in zwei Stunden seine Wirkung. Bis dahin gilt Bettruhe. Sie werden später nicht minder viele Besucher haben.“

 

Besucher?

 

„Sir?“ Draco haste, dass seine Stimme plötzlich so jung klang.

 

Dumbledore hielt an der Tür inne. Das eingestickte Gold in seiner kostbaren Robe schien im untergehenden Sonnenlicht zu leuchten. „Ja, Draco?“

 

„Ich will sie nicht sehen.“

 

Das Gesicht des alten Zauberers nahm eine traurige Note an, aber er schien nicht überrascht. „Wie Sie wollen.“

 

**

 

Original Zitat der Autorin Rizzle:

A/N: And we’re done! The epilogue is set several years later and is called ‘The Fabric of the Soul’ (in honour of the murdered Arne Hendricks and Fida Mia) and will be written in chapters. Probably around five or six, but you know how I lie. Was Bellatrix captured? What is Draco planning to do? What happens to Goyle? Will Nana Hendricks make another appearance? What happened to Lucius? Will Snape be released soon? What information does Blaise have to offer? Will I persist with these damnable cliff-hangers? Tune in for the epilogue to find out.

 

A/N: This is dedicated to everyone who had faith in twoo wuv.

And in Draco, of course :)


Author’s Note: Und wir haben’s geschafft! Der Epilog spielt einige Jahre später und heißt ‚Der Stoff der Seele‘ (zu Ehren des ermordeten Arne Hendricks und Fida Mia) und wird in Kapiteln verfasst. Wahrscheinlich fünf oder sechs, aber ihr wisst ja, wie ich lüge. Wurde Bellatrix gefangen? Was plant Draco zu tun? Was passiert mit Goyle? Wird Nana Hendricks noch mal auftauchen? Was ist mit Lucius? Wird Snape bald aus der Haft entlassen? Welche Informationen kann Blaise bieten? Werde ich weitermachen mit diesen verdammten Cliffhangern? Schaltet ein für den Epilog, um es rauszufinden.

 

Author’s Note: Das ist all denjenigen gewidmet, die Vertrauen in die wahre Liebe haben.  [twoo wuv = true love :>]

 

Und natürlich in Draco :)

 

 

 

The Fabric of the Soul

The Dragon’s Bride – Epilogue: Part One





Fünf Jahre später

 

 

 

Es war Sonntag, was bedeutete, dass es extreme still im Ministerium war.

 

Dennoch schloss das Gebäude nicht, was bedeutete, dass immer jemand da sein musste, der Beschwerden entgegennahm, sowie Eulen, Anrufe über Floh und die Post entgegennahm. Sonntags war das Rosie Pinkertens Job. Sie war Empfangshexe am Tresen des Atriums im Ministerium für Zauberei.

 

Rosie legte die Feder aus der Hand, um den Mann anzusehen, der darum bat, Harry Potter zu sprechen.

 

Sie war erst seit zwei Wochen dabei. Um ehrlich zu sein, gab es nicht viel an den Wochenenden zu tun, weshalb sie die meiste Zeit damit zubrachte, das Kreuzworträtsel im Sonntagspropheten zu lösen.

 

Hinterm dem Atrium Tresen zu sitzen, bedeutete, dass Rosie viel mit der Öffentlichkeit arbeiten musste. Dem gewöhnlichen Zauberer auf der Straße, wenn man so wollte. Und irgendein niemand konnte nicht einfach so ins Ministerium spazieren, an den Wachen und an ihr vorbei.

 

Man musste hier arbeiten, einen gültigen Pass oder einen Termin haben. Und selbst, wenn man eines dieser Dinge hatte, musste man immer noch die Fahrstühle bedienen können, welche noch unter einen ganz anderen Sicherheitsstandard gehörten. Ein Großteil ihres Jobs war Diplomatie. Dies bedeutete unter anderem auch, schlecht gelaunte und betrunkene Personen empfangen zu müssen, die dem „verdammten Minister“ den Mittelfinger zeigen wollten, dafür, das Apparier-Alter auf achtzehn erhöht zu haben.

 

Rosie war muggelgeboren und hielt alle Zauberer für ein seltsames Völkchen. Der Mann der ihr gegenüber stand war jedoch seltsamer als die meisten. Er war über die Telefonzelle gekommen, wie die meisten. Aber er trug nicht den silbernen Besucheranstecker, der ihm wohl gegeben worden war.

 

Er war sehr seltsam, das stand fest.

 

Erst mal sah er so aus, als hätte er sich durch die Sahara gewühlt (und als hätte er das meiste davon mit sich zurückgebracht. Er war von Kopf bis Fuß in eine Staubschicht gehüllt. Nein, nicht in Staub, korrigierte sich Rosie selbst, es war Sand. Die feine, gelbe Art von Sand, die in jede Ritze kam. Sie überlegte, dass er vielleicht blond war, aber sie konnte es nicht genau sagen, denn sein langes Haar wirkte matt und klebte zusammen an manchen Stellen.

 

Der Schmutz war bemerkenswert. Tatsächlich sah er so aus, als wäre er direkt aus einem Sandsturm appariert. Seine Kleidung waren kaum mehr als Lumpen, außer der Stiefel, die als einziges passabel aussahen.

Große Güte, war das eine Peitsche, die er da an der Hüfte trug? Sie konnte seinen Zauberstab nicht sehen, und das machte sie sogar noch nervöser.

 

Er sagte etwas von einem Paket, was er überbringen wollte.

 

Sein Gesicht war so bedeckt mit Sand, dass sie die kleinen Falten um seine Augen erkennen konnte, die wohl durch das Zusammenpressen seiner Augen entstanden waren. Wusste Merlin, wie alt er war. Er könnte alles sein, zwischen zwanzig und vierzig.

 

Es waren jedoch seine Augen, die Rosie den Panik-Knopf unterm dem Tresen hatten betätigen lassen, selbst wenn sie noch nicht wirklich panisch war. Sie erinnerte sich an ihre Ausbildung und wusste, es war besser, in Sicherheit zu sein und dafür auf die Knochen blamiert, als überraschend zu Boden geflucht zu werden.

 

Die Augen des Fremden waren ein Sturm aus lebendigem Grau, und sie waren umso intensiver in dem goldgebräunten Gesicht. Sein Blick war klar und energisch, was man bei einem betrunkenen Zauberer an einem Sonntagmorgen nie zu Gesicht bekam.

 

Ja, es war Sonntag, aber wo zur Hölle waren die Sicherheitsleute? Sie hatte den Panik-Knopf schon vor zwei Minuten betätigt.

 

„Gibt es ein Problem?“

 

Er sprach erneut. Es klang nicht wie die Stimme einer verrückten Person. Er klang wie eine ziemlich genervte Person.

 

Rosie setzte ein perfektes Kunden-Service-Lächeln auf. „Nein, natürlich nicht. Sie sagten, Sie wollten Mr Potter sprechen?“

 

„Ja“, sagte der Mann und starrte sie an, als wäre sie zurückgeblieben. „Ich hätte gerne Harry Potter gesprochen.“

 

Es war eine sinnlose Frage, aber sie hatte vor, ihn abzulenken. „Und haben Sie einen Termin?“

 

Diese unglaublichen Augen verengten sich ein Stück. „Nein.“

 

„Haben Sie einen Besucherausweis?“

 

„Bitte was?“, fragte er, offensichtlich sehr weit am Ende seiner Geduld, wenn sie überhaupt vorhanden war.

 

„Einen Ausweis, um das Gebäude zu betreten, ohne einen Termin zu haben“, erklärte Rosie. Seine Augen waren nicht grau, entschied sie plötzlich. Sie wirkten eher metallisch. Seine Augen waren silbern.


„Ein Ausweis“, wiederholte er beinahe verständnisvoll, was Rosie überraschte. Er lächelte ihr entgegen, seine Zähne strahlend weiß in seinem gebräunten Gesicht. Sie atmete die Luft aus, von der sie gar nicht bemerkt hatte, dass sie sie angehalten hatte.

 

Und einfach so wandte er sich um verließ das Atrium wieder. Spencer, der Wochenend-Wächter tauchte endlich auf und schien es überhaupt nicht eilig zu haben.


„Wer zum Teufel war das?“, wollte er wissen. Auf dem Boden zeichnete sich eine Sandspur ab, die Spencer verwirrt betrachtete.

 

Rosie hatte keine Antwort. Irgendein Verrückter war es wohl nicht gewesen. Der Mann hatte nicht neben sich gewirkt, eher… beunruhigend. Sie war froh, dass er weg war.

 

Spencer winkte den Wächtern zu, die gemächlich in die Halle spaziert kamen. „Falscher Alarm, Jungs“, rief er ihnen zu, in einem fast herablassenden Ton, der Rosie störte. „Sie ist neu!“


„Er sagte, sein Name wäre Merrybones. Wollte Mr Potter sprechen“, erwiderte Rosie kühl.

 

Spencer schnaubte auf. „Vom Fan Club, hm?“

 

„Das bezweifel ich. Er schien fast angewidert bei der Vorstellung.“ 

 

Beide, Rosie und Spencer, runzelten über diese Tatsache die Stirn, denn es gab keinen Mann, keine Frau, kein Kind, in der magischen Welt, das Harry Potter nicht mit größtem Respekt begegnete.

 

„Na gut, sing nach uns, wenn du uns brauchst“, schloss Spencer zwinkert und schlurfte davon, wahrscheinlich um wieder Karten zu spielen, oder was auch immer er und die anderen Wächter trieben.

 

Rosie seufzte und versuchte das Gefühl von Furcht abzuschütteln, ehe sie sich wieder ihrem Kreuzworträtsel widmete. Sie war halbfertig und ziemlich stolz auif sich, als es passierte.


„Hier ist mein Ausweis“, sagte die Stimme.

 

Der Mann war wieder da, aber er war nicht allein. Neben ihm, steif und schwebend war… Merlin, er hatte etwas von einem Paket erwähnt. Er wickelte das Paket aus.

 

Es war eine Person. Eine düstere, schlanke Frau, eingewickelte in meterweise staubigen Material. Ihr langes schwarzes Haar, durchzogen von grauen Strähnen, war das einzige an ihr, was sich bewegte. Sie war versteinert, ihr Gesicht eingefroren in einer Maske des Hasses. Der Fremde verpasste diesem Paket einen Schubs, so dass es genau vor dem Tresen schwebte.

 

Und Rosie Pinkerten fand sich selber vor einer versteinerten, schwebenden Bellatrix Lestrange wieder.

 

Voldemort war vielleicht der ewige Schrecken, aber jeder wusste, wie sie aussah. Die Poster hingen hier schon seit Jahren.

 

Scheiß auf ihre Ausbildung. Rosie fing an zu schreien.

 

Spencer und die anderen Wächter erschienen dieses Mal wesentlich schneller.

 

**


Harry hielt ein Mittagsschläfchen auf der Couch im Grimmauld Platz, während ein halbgegessenes Sandwich auf einem Teller auf seinem Bauch stand, als ein Geräusch im Kamin ihn weckte. Es kostete ihn einige Minuten, ehe er überhaupt begriff, was ein verwirrter und blasser Zacharias Smith ihm überhaupt erzählte. Smith, der so übermüdet aussah, wie Harry sich fühlte, hatte wohl gerade die Zauberergamot-Akten durchgearbeitet, als die Wächter seine Zimmertür fast niedergetreten hatten, um ihm von einem Vorfall im Atrium zu berichten. Zacharias war an diesem Sonntag der Vorgesetzte im Ministerium, und es war an ihm, Harry zu benachrichtigen.

 

„Hol Moody“, befahl Harry, während ihm das Sandwich und der Teller zu Boden fielen, in der Eile zum Kamin zu kommen. Er beeilte sich, Ron anzurufen, der ihn dreimal beschuldigte, nicht witzig zu sein, ehe er fragte, ob sie Hermine ebenfalls benachrichtigen sollten.


„Jetzt noch nicht“, sagte Harry. Er zog sich seinen Mantel und Schal über, ehe er über Floh direkt ins Ministerium reiste. Ungefähr ein Dutzend Leute befanden sich im Atrium, darunter stark verängstigte Sicherheitsleute, Unteroffiziere und eine bleiche Empfangsdame (sie war neu, Harry konnte sich nicht an ihren Namen erinnern). Alle wurden durch einen Wächter beruhigt. Sie fingen alle auf einmal an zu erzählen, aber Harry brachte sie mit einer Geste zum Schweigen und versprach, wiederzukommen, sobald das Wichtigste getan wäre. Er nahm den Aufzug zum zweiten Stock zu seinem Büro. Weitere Sicherheitsleute standen vor seinen Türen. Der Grund dafür wurde ihm bald bewusst.

 

Zacharias und Malfoy standen vor seinen Aktenschränken. Zacharias betrachtete Malfoy als wäre er giftig, als würde er gleich neben ihm explodieren. Malfoy, wenn es denn wirklich Malfoy war, war unerkennbar gekleidet, denn sein Shirt und seine Hose waren vor Sand kaum zu erkennen. Er hatte ungefähr sechs Meter Schal um seine untere Gesichtspartie geschlungen und sah aus, als würde er bei „Die Mumie“ mitspielen.

 

Eine sehr lange Stille trat ein.

 

„Du solltest bald etwas sagen, Potter. Die Stille steht dir nicht“, ertönte des bekannte Schnarren. Harry kannte diese Stimme sehr gut. Sie war tiefer, klang… gewählter. Alles kindliche war aus ihr verschwunden. Es war Malfoy. Harry war sich sicher.

 

„Du-“, sagte Harry schließlich. „Ich…“ Aber die Stimme versagte ihm wieder. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ließ sich schwerfällig in einen ausgesessenen Sessel sinken.

 

Zacharias räusperte sich. „Ja, also, ich überlass es dir. Ich bin sicher, Moody braucht mich. Ruf mich, wenn etwas ist, Harry.“

 

Malfoy sah Zacharias an, als würde er bezweifeln, dass Alastor Moody jemals Hilfe von ihm beziehen würde. Harry wandte den Blick nicht von Draco ab und sprach erst, als Zacharias‘ Schritte nicht mehr zu hören waren.

 

„Wir dachten, du wärst tot“, sagte er tonlos.

 

Sein Mundwinkel hob sich. „Andere haben ihr Bestes getan, um das wahr zu machen, glaub mir.“

 

„Wo zur Hölle warst du?“ Harry hatte nicht beabsichtigt zu schreien. Allerdings brachte die Kraft seiner Worte die Fenster zum Klirren.

 

„Das ist eine lange und komplizierte Geschichte, und ich will nicht ins Detail gehen, während ich kiloweise Sand in meiner Hose habe“, erwiderte Draco ruhig. Und dann erhellte sich sein Gesicht. „Hast du irgendwas zu essen?“

 

Harry blinzelte kurz bei diesem Themenwechsel. Aber Hunger kannte er.

„Warte hier“, sagte er und machte sich auf zur Tür.

 

Draco schnaubte auf. „Als ob ich einfach gehen könnte, nur weil ich es will. Im Moment bin ich genauso ein Gefangener wie Bellatrix.“ Er deutete auf die vier Wachleute, die ins Zimmer lugten, als Harry die Tür geöffnet hatte.

 

Harry eilte zur Mitarbeiterkatine auf dem zweiten Stock und verfluchte denjenigen, der alles Essen hier bereits vernichtet hatte, obwohl es gut möglich war, dass er es gestern getan hatte. Die Damen beschuldigten ihn deshalb auch öfters. Es war kaum noch etwas Gutes da. Er entschied sich für Kürbissaft, Kekse, einen fragwürdige Pastete und zwei Kesselkuchen. Er hoffte, die Sachen waren noch gut.

 

Draußen stieß Harry fast mit Alastor Moody zusammen, der gerade in Richtung Harrys Büro stürmte. Ein atemloser Zacharias Smith joggte hinter ihm her.

 

Moody, der niemals ein Spion sein könnte, humpelte laut und auffällig durch den Gang und war mittlerweile eher schwerfällig als robust. Vieles von dem, was ihn ausgemachte hatte, hatte das Alter bereits genommen.

 

„Stimmt es? Der Junge hat sich her gebracht?“, entfuhr es Moody heiser. Er hielt inne, am sich an die Wand zu lehnen und sein Gesicht mit einem Hagrid-großen Taschentuch abzutupfen.

 

Junge? Malfoy war dreiundzwanzig, aber dann wiederum war jeder unter vierzig ein Junge in Moodys Augen.


„Sie ist in einer Zelle“, informierte Zacharias ihn. „In einer der älteren, da wir mit den Renovierungen noch nicht fertig sind. Sie ist immer noch versteinert. Wir habend en Zauber noch nicht gelöst“, fuhr Zacharias fort, die Frage deutlich in seiner Stimme.

 

„Lass es auch lieber sein, bis wir mehr Informationen haben. Wir haben keine Ahnung, wo Malfoy gewesen ist. Nach allem, was wir wissen, könnte dies auch einfach nur ein Plan sein, dass Ministerium zu infiltrieren.“

 

Harry schüttelte den Kopf. „Das bezweifle ich. Bellatrix zu fangen war seine persönliche Mission.“

 

„Verdammte scheiß Mission, oder nicht? Er hat immerhin vier Jahre damit zugebracht.“

 

„Fünf“, korrigierte ihn Harry. Er dachte wieder an Hermine.

 

Moody grunzte. „Ich mag nicht, wie du aussiehst, Junge.“

 

„Was?“, fragte Harry.

 

„Du wirkst hoffnungsvoll“, warf Moody ihm vor.

 

„Kaum! Wir waren nie Freunde. Falls Malfoy jemals mein Vertrauen besessen hatte, hat er es verdammt noch mal längst verloren.“

 

„Gut. Das Junge ist verschwunden, Potter. Vergiss das nicht. Menschen, die verschwinden, haben meist etwas zu verstecken.“

 

Oder vielleicht eher etwas, vor dem sie sich verstecken wollen, dachte Harry.

 

„Soll ich noch irgendwem Bescheid sagen?“, fragte Zacharias.

 

Moody bellte eine Liste herunter, darunter auch Kingsley Shacklebolt, Remus Lupin und Tonks. Zwei Auroren, die gerade eingetroffen waren, fanden sich ein Moodys Seite ein und wurden aufgeklärt. Harry wartete, bis sich Moody wieder an ihn wandte.

 

„Gut, als kümmerst du dich um Malfoy? Er hat nach dir gefragt, also nehme ich an, bekommst nur du die Exklusiv-Story. Denk dran, er ist Verdächtiger und wird hier behalten, bis wir seine Geschichte bestätigt haben, verstanden?“

 

„Jaah.“

 

„Und lass dich nicht täuschen. Er ist ein verdammt guter Lügner.“

 

Harry schenkte dem Ex-Auror einen ungläubigen Blick. „Hau schon ab.“

 

Moody lachte auf.  Jedoch hatten sie jetzt Bellatrix Lestrange in ihrer Gewalt. Es war ein historischer Tag und Moodys Enthusiasmus konnte kaum verborgen bleiben. Das war eine richtig große Sache. „Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich mir Lestrange ansehen. Für meine alten Augen ist sehen glauben“, sagte Moody. Sein magisches Auge schien Saltos der Vorfreude zu schlagen.

 

Harry wandte sich an Zacharias, nach dem Moody davon gehumpelt war. „Zach, da wir unterbesetzt sind, könntest du jeden alarmieren, der Bescheid weiß, und ihnen sagen, dass sie nicht das Ministerium verlassen sollen?“

 

„Harry, es wird schwer, diese Sache für uns zu behalten!“

 

Versuch es“, schnappte Harry.

 

Als ein missmutiger Zacharias ihn verließ, setzte Harry den Weg, beladen mit Essen in seinen Armen, fort.

 

Draco saß mittlerweile in Harrys altem Sessel, mit überschlagenen Beinen. Sein Haar war so lang, dass es ihm seinen halben Rücken hinab reichte. Harry schloss die Tür hinter sich, verschloss diese und reichte Draco Essen und Trinken.

 

„Danke“, sagte Draco und arbeitete sich sofort durch die Kesselkuchen.

 

Dieses einfache Danke erschreckte Harry. Da waren keine versteckten Andeutungen oder Ebenen in diesem Danke gewesen.

 

Harry wartete eine Minute, ehe er sprach. „Du denkst, du kannst hier rein spazieren, mit Bellatrix Lestrange im Schlepptau, und alles ist vergeben?“

 

Draco sah auf. Mit seinem Handrücken wischte er sich Krümel von seinem Mund. Es schien jedoch mehr Sand als Krümel zu sein. „Ja, Potter. Ich nahm an, das wäre ein sinniger Schluss“, erwiderte er, nachdem er einen Mundvoll Kuchengeschluckt hatte.

 

„Warum hast du sie hergebracht?“

 

„Warum?“, wiederholte Draco, und in seinen Augen funkelte bekannte Bosheit. „Ich dachte, es wäre offensichtlich. Meine verdammte Tante ist verantwortlich für den Tod meiner Mutter und nahezu meinen eigenen. Neben anderen verabscheuungswürdigen Taten.“

 

Was auch immer er erlebt hatte, Harry erkannte noch genügend Arroganz und Überheblichkeit unter all dem Dreck und dem Sand, dass es sich fast vertraut anfühlte. Harry wollte jedoch, dass er es sagte. Er wollte es aus Malfoys Mund hören, ehe er entschied ihn überhaupt in Hermines Nähe zu lassen.

 

„Schön, neben der Rache des Todes deiner Mutter, warum bist du hier?“

 

„Hast du meine Postkarten nicht bekommen?“, erkundigte sich Draco höflich, als wäre er nur im Urlaub gewesen. Er machte sich jetzt an die Pastete. Er sah nicht mehr taufrisch aus, aber Malfoys Ausdruck sagte ihm, dass es zumindest noch essbar war.

 

Harry betrachtete ihn ungläubig. „Oh ja. Wir haben deine… wie viele waren es? Drei Postkarten in deinem ersten Jahr erhalten. Und danach war nichts. Wie ich bereits sagte, wir dachten, du wärst vom Rand der Welt gestürzt.“

 

Draco hörte auf zu essen. „Ich hab den Rand der Welt gesehen“, sagte er, sehr still. Sein ton ließ Harrys Nackenhaare aufrecht stehen. Aber schnell erhielt seine Stimme die gewohnte Kälte zurück. „Kann ich nicht empfehlen. Regnet mehr als die Hälfte des Tages dort.“

 

„Also, warum bist du noch hier?“

 

Draco aß den letzten Bissen der Pastete und öffnete dann den Kürbissaft. Er nahm einen langen Schluck. Er schloss seine Augen für einen Moment und schien die simplen Vorteile zu genießen. Harry fragte sich, wann er das letzte Mal etwas Vernünftiges zu essen gehabt hatte. Dann lehnte sich Draco im Sessel zurück und fast trat ein herausfordernder Blick in seine Augen.

 

„Ich bin hier wegen meiner Frau.“

 

**

 

Epilogue: Part Two



„Happy Birthday“, wünschte Hermine ihrem beschlagenen Spiegelbild über dem Waschbecken des Badezimmers.

 

Draußen versuchte die Welt, sich zu ertränken. Es regnete harten Sommerregen, der in Strömen auf die Erde prasselte.

 

Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte wirkte nicht besonders fröhlich, was ihren Geburtstag anging. Aber es war auch sieben in der Früh und Hermine funktionierte morgens nie vor neun Uhr und mindestens einer Tasse Tee.

 

Sie putzte sich die Zähne und machte sich eine mentale Notiz im Kopf, spätestens heute Abend die Wäsche zu machen, die sich hinter ihr im Wäschekorb auftat. Oder vielleicht auch nicht. Das Wetter war nicht gut genug, um sie draußen zu trocknen. Wenigstens bekam der Garten des Cottage so ein wenig Wasser. Ihre Vermieterin war schon höchst besorgt wegen der teilweise braunen Pflanzen draußen.

 

Vielleicht wäre es weiser, in Ginnys Stadtwohnung zu ziehen. Ein Cottage brauchte immer mehr Arbeit als eine Stadtwohnung. Letztendlich war es Krummbein gewesen, der ihr die Entscheidung abgenommen hatte. Er war alt geworden und schaffte eine Treppe nicht mehr hinauf. Ginnys Wohnung befand sich aber unterm Dach, nach vier Etagen voller Stufen.

 

Und deshalb war das kleine, Zwei-Zimmer-Cottage eine zu gute Gelegenheit gewesen, um es nicht zu nehmen. In wärmeren Monaten wuchsen die Pflanzen und das Katzengras im Garten neben dem sonnenbeschienen Pfad, und das war der Himmel für einen alten Kater, der sich gerne in der Sonne räkelte.

 

Es war sauber gewesen, wenn auch streng spartanisch, als Hermine den Vertrag unterzeichnet hatte. Sie hatte ein größeres Bett, einen Kühlschrank und einen Herd kaufen müssen. Harry hatte sich beschwert, dass sie keinen Fernseher hatte, aber Hermine hatte ihm versichert, immer ohne einen auszukommen. Ein Zimmer war zum Schlafen, das andere war ein Büro und eine Bibliothek. Nur waren ihre Bücher mittlerweile über die Anzahl an Regalen hinausgewachsen, die ihre Mutter ihr geschenkt hatte. Sie füllten eine komplette Wand, von der Ron immer besorgt behauptete, dass sie Hermine und ihren Kater erschlagen würden, würden sie jemals umkippen.

 

Ihre Vermieterin war eine verwitwete Muggel, die darauf bestanden hatte, Hermine neue Vorhänge zu schenken, außerdem einen Läufer, der in der Sitzecke lag. Sie lebte am anderen Ende der Straße und kam fast jeden Sonntag nach der Kirche zum Tee trinken und Tratschen vorbei. Das Cottage lag neben einem Muggeldorf, aber es war nicht weiter schwierig gewesen, die beiden Kamine am Flohnetzwerk anzuschließen.

 

Ginny beschwerte sich immer noch über Lavender Brown, die die unzuverlässigste Mitbewohnerin war, und falls Hermine jemals ihre Meinung änderte über ihr Eremitendasein…

 

Aber das würde in nächster Zeit nicht passieren.

 

Hermine hatte oft über Gründe, allein zu leben, nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass sie ein Einzelkind war, das seinen Platz einfach brauchte. Das war auch zu einem Teil wahr. Sie würde bei dieser Erklärung bleiben.

 

Ihr Spiegelbild hatte rosige Wangen von der heißen Dusche. Kurzes, lockiges Haar rahmte ihr herzförmiges Gesicht ein. Ihre Locken klebten an ihren Nacken. Diese Frisur ließen ihre Augen noch größer wirken und ihr war die Rehaugenform ihrer Augen auch nicht aufgefallen, vor ihrem neuen Haarschnitt.

 

Vor einem Jahr hatte sie ihr schulterlanges Haar abgeschnitten. Es war ein heißer Sommer gewesen, und sie hatte sich nach einer Veränderung gesehnt. Und sie hatte es nicht bereut. Kurzes Haar war auch nicht leichter zu pflegen, war ihr aufgefallen, denn sie brauchte morgens genauso lange, um es in Form zu bringen. Aber sie fand, kurzes Haar stand ihr besser. Und die Schweren Haare fehlten ihr überhaupt nicht.

 

Die Türklingel ertönte, gerade als Hermine mit Zähneputzen fertig war. Sie konnte den Ton nur gerade so über den Regen hinweg ausmachen. Es war etwas früh für Besuch. Hermine runzelte die Stirn, als sie ihren Morgenmantel über ihr Nachthemd zog, um zu sehen, wer es war.

 

Ron stand vor ihrer Tür und hielt eine braune Papiertüte in den Händen. Er war sehr nass und sah fast traurig aus.

 

„Geburtstagsgrüße“, sagte er, mit einem Lächeln. Dem folgten zwei kurze Nieser.

 

„Ronald, du bist pitschnass!“

 

„Jaah“, erwiderte er und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Dann erst bemerkte Hermine den Besen auf seinem Rücken.

 

Hermine Augenbrauen hoben sich. „Du bist geflogen?“

 

Ron nickte. „Vom Fuchsbau aus. Und ja“, er streckte die Hand aus, „Mum hat es mir aufgetragen. Sie hat die hier übrigens gemacht.“ Er reichte ihr die braune Tasche. Hermine konnte die Zimtschnecken riechen, selbst wenn sie mittlerweile Schwämme geworden waren, nach dieser Reise.

 

„Der verdammt Wasserschutz hat nach einem Kilometer den Geist aufgegeben“, sagte er resignierend.

 

Krummbein kam zur Tür, um zu sehen, wer der Besucher war. Zwischen Ron und der Katze hatte niemals Zuneigung existiert. Sie betrachteten sich misstrauisch, ehe ein desinteressierter Krummbein wieder zurück ins Haus verschwand, um sich in Hermines noch ungemachten Bett zusammenzurollen.

 

Hermine machte einen Schritt zur Seite. „Komm rein, ich wollte gerade Tee aufsetzen.“

 

**



Sie fasste die Neuigkeiten zu gut auf, entschied Ron. Das machte ihn sehr nervös. Er hatte es ihr gesagt, als sie dabei war ihnen Frühstück zu machen, obwohl seine Mutter ihn bereits bis zum Platzen zum Essen gezwungen hatte. Aber während er die furchtbaren Neuigkeiten überbrachte hatte er sich zwingen können, zwei Scheiben Toast mit Marmelade zu essen und aß ein Stück der Grapefruit, die Hermine geschnitten hatte. Hermine bevorzugte schwarzen gesüßten Tee, der solange in der Kanne verblieb, bis er nahezu Kaffee war, also ließ er sich Zeit, als er sich die Milch aus dem Kühlschrank holte.

 

Der Regen trommelte über ihnen immer noch auf die Ziegeln. Ein passendes, strenges Hintergrundgeräusch, fand Ron.

 

Sie saßen am Tisch in ihrer kleinen Küche, und die einzige Reaktion, die von ihr ausgegangen war, war, dass sie seit fünf Minuten schweigend ihren Tee umrührte, von dem die Hälfte bereits auf die Untertasse gelaufen war, aber das schien sie gar nicht bemerkt zu haben.

 

„Hermine“, begann Ron sanft. Merlin, wieso hatte er der Überbringer dieser Nachricht sein müssen? Weil Harry die Hände gebunden waren und Ginny ein verdammt feiges Huhn war, deshalb. „Hast du gehört, was-“

 

„Ich habe dich klar und deutlich gehört, danke“, unterbrach Hermine ihn. Sie nahm einen abwesenden Schluck Tee. Ihre Augen waren auf die Tischplatte geheftet.

 

„Du fasst das sehr gut auf.“

 

Sie zuckte die Achseln. „Dann war er tot, und jetzt ist er zurück.“

 

Ron bewegte sich auf seinem Stuhl. Das einzig trockene an ihm war sein Hosenboden. Seine Socken und Schuhe schwebten über dem Waschbecken.

 

„Und das war es jetzt? Du hast nie geglaubt, er sei tot. Egal, was Harry und ich gesagt haben, weißt du noch? Sieht so aus, als hattest du recht gehabt.“

 

Hermines Kiefer spannte sich an. Sie steckte sich eine wilde Locke hinter ihr Ohr. „Alles was Malfoy betrifft, ist mir egal, Ron. Wirklich. Er ist mir seit einer Weile vollkommen gleichgültig. Ich bin drüber weg.“

 

„Natürlich hast du das.“ Wahrscheinlich sagte er das zu heftig. „Aber du bist auch nur ein Mensch. Es ist menschlich, irgendwas zu fühlen, bei solchen Nachrichten, Hermine.“

 

Ron war nicht auf den Zorn in Hermines Augen vorbereitet gewesen. Ihre braunen Augen bohrten sich in seine, als sie den Löffel in seine Richtung schleuderte. „Da ist nichts zwischen uns! Es war vorbei, als ich in dem See gestorben bin. Fida Mia war vorbei und dann ist er gegangen. Er ist gegangen! Und das war das Ende. Von diesem Abenteuer, dieser Romanze, Tragödie, diesem Fehler – wie immer du es nennen willst. Seine Rückkehr bedeutet nichts weiter, als die Möglichkeit einer rascheren Lösung für den Krieg. Bellatrix zu haben ist ein echter Gewinn. Moody muss ganz außer sich sein.“

 

„Ist er“, bestätigte Ron stirnrunzelnd.

 

„Sollte er auch“, schnappte Hermine.

 

Sie tranken wieder schweigend Tee.

 

Ron seufzte. Er hatte es nicht drauf, komplex und tiefgründig zu sein. „Ich weiß, dass du drüber weg bist. Aber ich kenne dich. Du… vergisst nicht einfach.“

 

Sie stellte ihre Tasse mit zu viel Kraft auf ihre Untertasse zurück. „Wart’s ab“, sagte sie eisig. „Glaub mir, mir geht’s gut, Ron. Alles, was ich für Malfoy übrig habe, ist Mitleid.“

 

„Seltsam, ich dachte, es wäre Wut.“


„Ich bin kein Teenager, ok? Es ist keine Zeit für Romantik. Ich werde nicht zu ihm rennen, um verschwendete, vergangene Leidenschaften aufleben zu lassen.“

 

„Als wir achtzehn waren, war es auch keine Zeit für Romantik“, murmelte Ron. „Es waren eher Zeiten, in denen wir noch mehr aufpassen mussten und um unser Leben gerannt sind.“

 

Hermine zog es vor, ihn zu ignorieren. „Wenn es vermieden werden kann, würde ich ihm lieber nicht begegnen.“

 

Ron sah auf. Das war exakt sein Vorschlag gewesen. „Weißt du, das könnte vielleicht etwas schwierig werden…“


„Warum?“, wollte sie stirnrunzelnd wissen. „Meine Arbeit hat nichts mit deiner oder Harrys zu tun. Unsere Wege kreuzen sich im Ministerium kaum.“

 

„Na ja, aber er wohnt zurzeit bei Harry!“


Er tut was?“ Hermines Augenbrauen verschwanden unterm ihrem lockigen Pony.

 

Diesen Teil hatte Ron wenigstens geübt. „Wie du weißt, ist Malfoy Manor in Pansy Parkinsons Hand, alles vom Ministerium arrangiert. Laut Gesetz können sie Malfoy nicht für tot erklären, wenn er nicht mindestens sieben Jahre als vermisst gilt. Im Fall eines vermissten Erben, muss der Besitz von einem Haushälter gepflegt werden. Parkinson hat ein Angebot für einen Vertrag abgegeben und es wurde akzeptiert. Malfoy wollte nicht, dass Pansy den Job verliert, also hat er ihr erlaubt, den Vertrag aufrecht zu erhalten, erst mal. Außerdem möchte Moody Malfoy nicht aus den Augen lassen, also…“

 

„Also hat Harry ihn mit nach Hause genommen?“, schloss Hermine trocken.

 

„Ja.“

 

Sie erhob sich. „Ich habe genug gehört. Ich komme zu spät zur Arbeit.“

 

Ron fragte sich, ob es naiv von ihm gewesen war, hier her zu kommen und zu glauben, sie würde ihm nicht den Kopf abreißen.

 

„Hermine, dein für tot gehaltener, heimlicher, ehemaliger Ehemann ist mysteriöserweise wieder aufgetaucht, nach jahrelanger Abwesenheit und bringt dann auch noch die zweitmeistgesuchteste Person der magischen Gesellschaft Europas als seine Gefangene mit. Unter diesen Umständen würde ich sagen, dass du dir freinehmen kannst. Und es ist dein Geburtstag.“

 

**


Sie würde keinen Arbeitstag versäumen.

 

Ron hatte ihr Haus über Floh verlassen, während er beunruhigt oder kein Stück schuldbewusst ausgesehen hatte. Hermine hatte ihm steif für die Geburtstagswünsche gedankt, die Zimtschnecken und hatte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange gegeben. Sie hatte ihm außerdem versprochen, eine einsame Molly demnächst im Fuchsbau zu besuchen.

 

Dann hatte sie sich auf ihre Bettkante gesetzt und starrte hinab auf ihre gefalteten Hände.

 

Sie spürte ein seltsames Gefühl in ihrem Bauch. Es tat nicht wirklich weh, aber es verursachte ihr dennoch Schmerzen. Wie eine Verletzung, die man schon so lange hatte, dass man sie fast vergessen hatte, außer an besonders kalten Tagen, wenn man sie wieder spürte oder wenn alles andere in der Welt und dem eigenen Kopf so still wurde, dass man sich erlaubte, sich wieder zu erinnern. Nur fühlte es sich taub an. Aber je mehr sie darüber nachdachte, umso schärfer wurde der Schmerz, bis sie das Laken ihres Bettes mit weißen Knöcheln umkrallte.

 

Manchmal, in den Momenten zwischen Schlafen und Wachen, da könnte sie schwören, dass der Drache noch immer auf Hüfte war. Immer noch zart und silbern um ihr Bein gewandt, wie Efeu. Am Anfang hatte sie noch durch die Phantomerscheinungen versucht, Draco zu spüren, aber fühlen und tatsächlich verwenden können, waren zwei verschiedene Dinge.


Es war als versuche man, Rauch zu fangen.

 

Der Schmerz war nur noch bloße Erinnerung, nicht mehr. Eine magische Narbe, die von Fida Mia übrig geblieben war, welche ab und an auf ihrer Haut kitzelte. Es war kein Kompass, der sie zu ihm führte. Der Fida Mia war verschwunden, als das Leben ihren Körper verlassen hatte. Es existierte keine Bande mehr zwischen ihnen, und Hermine war bitter bewusst geworden, dass die Abwesenheit des Spruchs alles gewesen war, was Draco gebraucht hatte, um wieder zu Sinnen zu kommen und zu gehen.

 

Sie zu verlassen. Versprechen aufzugeben, die er unter dem Spruch gegeben hatte. Sein Erbe hinter sich zu lassen. Er hatte nicht nur sie zurückgelassen, sondern auch sein Leben. Seine Konten bei Gringotts waren unberührt geblieben. Das hatte zuerst den morbiden Anschein an Hoffnung geweckt. Je mehr Hermine über diese Tatsache nachgedacht hatte, umso fester war sie überzeugt gewesen, dass er nicht aus seinem eigenen Verlangen gegangen war.

 

Vielleicht war e gezwungen worden? Vielleicht waren andere Mächte am Werk gewesen?

 

Aber dann kamen die Postkarten, im ersten Jahr, als er verschwunden war. Eine traurige Erinnerung an das Versprechen, das sie ihm hatte geben lassen, an dem Tag, als sie ihn an der Quidditchhütte getroffen hatte.

 

„Ich weiß, du musst dahingehen, um zu tun, was immer du zu tun hast, aber… eine Adresse wäre nett.“

                

Er seufzte.

 

„Ein Brief die Woche wäre perfekt.“

 

„Granger, ich…“

 

„Meine Güte, ich nehme auch eine Postkarte jeden Monat, ich bin nicht wählerisch.“

 

Er hatte es versucht, ihr zu erklären, oder nicht? Sie war sich dumm vorgekommen, als sie begriff, dass – wo auch immer er war – er dort war, weil er es selbst so gewählt hatte. Er hatte gewählt, sie zu verlassen. Das hatte sehr wehgetan, auch wenn sie oft geglaubt hatte zu wissen, warum er es getan hatte.

 

Einige Stellen an ihrem Oberschenkel waren warm geworden. Sie blickte hinab und entdeckte die Tränen auf ihrer bloßen Haut, wo ihr Morgenmantel verrutscht war.

 

Hermine brachte die Finger zu ihrem Gesicht und war erschrocken, dass sie feucht waren. Nein, sie weinte nicht. Sie würde nicht weinen. Nicht mehr. Es gab nichts mehr, um das sie weinen konnte. Zwei aufregende Wochen als sie achtzehn gewesen war, waren kaum ein Grund traurig zu werden.

 

Unnahbar geworden zu sein, bedeutete am Ende doch nichts. Die Tränen fielen dennoch in ihren Schoß. Sie war jetzt älter, reifer, aber sie war immer noch dieselbe Hermine, die wehmütig wurde bei Sonnenuntergängen, die aufgeregt war, bei jeder Geburt eines neuen Weasley-Enkels und sie wurde beschuldigt, viel zu neugierig zu sein, wenn es zu Harrys und Ginnys ewig turbulenter Liebesbeziehung kam.

 

Nachdem sie einen momentlang überlegt hatte, schritt sie zu ihrem Schrank und holte eine kleine Holzschachtel hervor, die tief unter ihren Schuhen, die sie nie trug, vergraben war. Unter Taschen, einem Paar Rollschuhe, die ihr ihr Vater zu ihrem sechszehnten Geburtstag geschenkt hatte.

 

Ihre Arbeit in der Mysteriumsabteilung beschäftigte sich mit der Macht von Symbolen. Die Forschung dort und das Potential, was sich darin befand waren vielversprechen.

 

Erleuchtend, nicht zu vergessen.

 

Und deshalb wusste sie, was sie zu tun hatte, und sie hatte sich selber wirklich genug Entschuldigungen gegeben, es nicht zu tun.

 

Es waren verschiedene Dinge in der Schachtel. Eine Walnuss. Ein kleines Handtuch mit einem Monogramm vom Cobblestone Inn. Eine Bon von der Suhshi Hütte auf der Euston Street. Eine Notiz mit so vielen Eselsohren und so vielen Falten, dass sie nur noch aus Knicken und bestand. Ein T-Shirt mit einem verblassten Regenbogen und einem nachdenklichen Frosch darunter.

 

Das Feuer im Wohnzimmer brannte noch, denn Hermine wollte ja los zur Arbeit. Sie schritt darauf zu und warf die Schachtel, samt Inhalt, in die Flammen. Danach ging sie zurück, um sich anzuziehen und packte anschließend ihr Essen für die Arbeit ein.

 

Man konnte der bekannten Routine sehr viel Gutes abgewinnen.

 

**

 

Epilogue: Part Three


Harry Potters Stadthaus am Grimmauld Platz ächzte und beschwerte sich, wie es nur ein altes Zaubererhaus konnte. Es quietschte und stöhnte ab und zu im strengen Wind. Mit Regen hatte es begonnen. Die Art von Regen, die einem höchstwahrscheinlich eine Gehirnerschütterung verpassen konnte, wäre man dumm genug, tatsächlich ohne Schirm nach draußen zu gehen. Muggel-Wettermänner hatten bereits Hagel angekündigt, aber der musste erst noch seinen Weg finden. Wind folgte bald dem Reden. Er hatte wohl eine hohle Stelle unter dem alten Dach gefunden und sauste heulend durch die Korridore des Hauses.

 

Potter war die Geräusche wahrscheinlich gewöhnt. Es war nicht so, dass es hier unangenehm war. Sirius Blacks altes Haus war schon recht gastfreundlich, auf eine gruselige Art und Weise. Draco war es gewöhnt unter gruseligen, makabren Umständen zu leben. Er war in Malfoy Manor aufgewachsen. Es war einfach nur, dass es eine Weile her war, dass er in einem Bett geschlafen hatte.

 

Mit einer Matratze.

 

Und vier weichen Daunenkissen, die nach Lavendel rochen.

 

Und eine Decke, die er nicht mit Käfern teilen musste. Und Sand. Merlin, er würde niemals vergessen, wie es gewesen war, im Sand zu leben.

 

Die weiche Matratze tat ihr bestes, ihn zu verschlucken und Draco hatte genug, nach der vierten Stunde hin und her Wälzens. Er setzte sich auf, führte den Lumos aus und blickte grimmig hinab auf seine alte silberne Taschenuhr. Die Gewohnheit zwang ihn, die Uhr auch im Bett bei sich zu haben, obwohl Diebe, die einen im Schlaf beklauten, in Potters Haus wohl eher seltener zu erwarten waren.

 

Potter schlief tief und fest, dem Schnarchen nach zu urteilen, dass er durch den gesamten Flur hören konnte. Draco schlief mit offener Tür. Er rechnete das dem Umstand zu, dass er es mittlerweile so gewöhnt war, draußen zu schlafen. Dass es plötzlich unangenehm war, von vier Wänden eingeengt zu werden, während die Decke nicht aus Sternen bestand.

 

Sanftes Kerzenlicht von draußen fiel in das Zimmer und warf einen rechtwinkligen Schatten an die Wand. Es war drei Uhr, und es war Dienstagmorgen.

 

Scheiß drauf, dachte er, als er die Bettdecke von sich war und aus dem Schlafzimmer schritt. Erst als er die Treppe erreichte, erinnerte er sich, wieder zurückzugehen und sich erst mal ein paar Sachen überzuziehen.

**

 

Ginny fragte sich, wie sie jemals im Weasleyhaus hatte überleben können, wo sie doch so ein Leichtschläfer war. Mit den Zwillingen im gegenüberliegenden Schlafzimmer, wo die Explosionen ständig – auch mitten in der Nacht – gehört werden konnten. Oder kurz vor dem Frühstück. Das Weasley-Leben war ein besonders lautes. Harry schnarchte nicht chronisch, aber er schnarchte lauter, wenn er besonders müde war. Und das war im Moment der Fall. Es war ein langes Wochenende gewesen, in jedem Sinne. Für zehn Sekunden überlegte Ginny, Harry aufzuwecken, damit er mit ihr kuschelte, aber der arme Mann war so erschöpft, dass sie es nicht über sich bringen konnte. Außerdem war sie hungrig nach dem sehr frühen Abendessen gestern.

 

Sie war ohnehin wach und beschloss nach unten zu wandern, für etwas Heißes zu trinken und was sie eben an Essen finden konnte. Vielleicht Trinkschokolade. Oder nur einen Kaffee und einen Keks. Danach würde sie auf der Couch die Füße hochlegen und die Zeitung von gestern lesen.

 

Ginny schlich lautlos durch die düstere Küche des Grimmauld Platzes und drehte den Löffel in ihrem Kaffee als Draco plötzlich in der Tür materialisierte. Das Morgenlicht erleuchtete ihn kurz, als es durch eine Lücke der Wolken in die Küche fiel. Sie war so erschrocken, dass sie ihre Tasse fallen ließ. Etwas der heißen Flüssigkeit traf ihre Zehen. Das Fluchen das folgte, war wesentlich lauter als ihr Umrühren.

 

„Hmm“, sagte die langhaarige, wildaussehende Erscheinung, die tatsächlich Draco Malfoy war. Er blickte hinab auf die dunkle Pfütze auf dem Boden. „Es scheint, als schulde ich dir ein Getränk.“

**


Sie wusste, dass Malfoy im Grimmauld Platz bleiben sollte, natürlich. Das gesamte Ministerium sprach davon. Ahrry hatte sich über nichts anderes am Montag beschwert. Es war nur, dass sie selber nicht viel Zeit mit Harry verbringen konnte, und weil ihr überarbeiteter Verlobter jetzt auch noch auf Malfoy aufpassen musste, hatte sie gedacht, sie würde ihn spät am Abend einfach überraschen.

 

Ginny glaubte immer noch, dass keine Geschworenen in der ganzen Welt sie jemals dafür verhaften würden, wenn sie Draco Malfoy mit einem großen stumpfen Objekt zu Tode prügeln würde. In ihrem Fall handelte es sich um einen antiken, eisernen Fleischklopfer, welcher zu seinem Glück, mit dem Küchentresen verbunden war. Er war nervtötend.

 

Nach einigen Kommentaren über ihre Schusseligkeit, schwachen Nerven und dass all dies typische Weasley Charakterzüge seien, trug der letzte Malfoy Erbe eine Kaffeetasse zum Esstisch, wo sie saß, und schob ihr die Tasse zu, über die polierte Platte. Ginny wusste, dass er den Kaffee nicht vergiftet hatte, denn sie hatte ihn beobachtet. Vorsichtig nippte sie an dem Getränk und stellte fest, dass er tatsächlich die richtige Menge an Milch und Zucker hinzugefügt hatte, ohne sie gefragt zu haben.

 

Sie hob fragend den Blick.

 

Malfoy zuckte die Achseln als Antwort. Das Kerzenlicht an den Wänden hob seine hohlen Wangenknochen starker hervor. „Ich hab mich erinnert.“

 

„Du erinnerst dich, wie ich meinen Kaffee mag?“, fragte Ginny.

 

Das Grinsen verschwand. Sie fragte sich, ob es an den Erinnerungen lag, die in ihm aufstiegen. „Als ich damals am Gryffindortisch saß, um Potter über das freundliche Quidditchspiel mit den Auroren zu informieren. Es gab Pfannkuchen an diesem Morgen. Du hast dir Kaffee eingegossen. Es ist nur ein Detail.“

 

„Sicher“, erwiderte Ginny, welche wünschte, dass Harry mehr auf solchen kleinen „Details“ achten würde.

 

Es entstand eine kurze Pause, in der Ginny versuchte, zu fassen, was so anders an Malfoy war. Ja, er war älter. Das waren sie alle. Aber vielleicht lag es an seiner ganze Erscheinung, die etwas gebändigter wirkte, weil Harry ihn mit erhobenem Zauberstab gezwungen hatte, im Ministerium zu duschen, ehe er ihn mit nach Hause nahm. Und auch dort hatte er ihn zu einem kompletten Bad genommen, denn das Eau-de-Kamel, was Malfoy ausgestrahlt hatte, war für Harry absolut inakzeptabel gewesen.

 

Und wie er mit ihr umging. Er war nicht mehr wütend. Das war es. Sie hatte immer eine gewisse Anspannung gespürt, wann immer sie in Malfoys Nähe gewesen war. Das war auch der Grund gewesen, weshalb die Leute Draco Malfoy strengstens gemieden haben, es sei denn natürlich, sie standen bei ihm in gutem Licht. Aber das dürften nur besonders wenige tun. Es war nicht ungewöhnlich, dass Jungen wütend waren. Harry war in seinem letzten Jahr nicht anders gewesen. Aber bei Malfoy hatte es immer eine… Instabilität gegeben, die Möglichkeit, dass er ohne Grund ausrastete, bloß weil ihm danach war. Und bei Merlin, wenn sich Draco Malfoy mit einem anlegte, war das nichts, was man schnell vergaß.

 

Davon war jetzt nichts mehr übrig. Immer noch lag ein tiefer, aber jetzt definitiv ruhiger, Ozean hinter seinen bekannten grauen Augen.

 

Seine langen Finget trommelten plötzlich auf dem Tisch, als würde er langsam ungeduldig werden, unter ihrem plötzlichen, prüfenden Blick. „Also, was tust du hier?“, wollte er wissen. Lustig, dass er sie das fragte, als wäre sie der seltsame Gast im Grimmauld Platz.

 

„Ich besuche Harry“, antwortete Ginny schlicht. Musste er wirklich fragen? Sie trug ein Nachthemd, Merlin noch mal. Es erschien zumindest offensichtlich genug. Es war alles Mollys Schuld, dass Ginny so seltsam war, was die Schlafarrangements betraf, wann immer sie Harry besuchte, denn Molly gehört noch zu der getrennte-Schlafzimmer-Fraktion. Sie gehörte nicht nur dazu, nein, sie war die Fraktionsvorsitzende. Harry hasste es, zu lügen (und Ginny brachte es nicht mal fertig) also schliefen sie getrennt.

 

Malfoy nickte nicht. Er tat nichts, weswegen sie sich vielleicht besser fühlen konnte. Er wirkte lediglich amüsiert. „Du siehst gut aus“, sagte er, tatsächlich freundlich. „Gut zu wissen, dass du dir wegen Potter noch nicht die Haare ausreißt.“

 

„Du wiederum siehst aus wie etwas, das Krummbein mit ins Haus gebracht hat“, erwiderte Ginny mit dem plötzlichen Bedürfnis, Harry zu verteidigen, auch wenn sie sich nicht sicher war, weshalb. „Haben sie keine Spiegel in der Wüste?“

 

Malfoy lachte auf. „Krummbein. Ist dieser alte Fellklumpen noch am Leben?“

 

„Ja, er genießt seine Pensionierung in Hermines Cottage.“

 

„Ah. Also lebt sie alleine?“

 

„Oh nein.“ Ginny verengte ihre Augen. „Ich verrate dir gar nichts. Da bist du ganz allein.“

 

„Etwas, was ich zu ändern gedenke“, informierte er sie.

 

Ginny starrte ihn an. Sie spürte heiße Wut, Hermine zuliebe. „Du denkst wirklich, du kommst damit durch, oder? Hermines Herz brechen und fünf Jahre lang auf irgendeine Selbstmord-Mission verschwinden. Sie hat dich nicht vergessen, weißt du? Und nicht auf die Art, wie du es gerne hättest.“

 

Malfoy blieb unbeeindruckt. “Dann soll sie mir das persönlich sagen.“

 

„Oh, hör schön auf!“ Ginny wollte ihn zornig sehen. Es war leichter mit jemandem wütend zu sein, wenn derjenige dieselben Gefühle zeigte. „Wir wissen beide, dass du nicht wirklich hier sein müsstest. Harry kann dich nicht halten, und er weiß das. Du könntest einfach aus diesem Haus spazieren, also wieso tust du so, als könnten wir dich halten?“

 

„Diplomatie hat ihre Vorteile“, erwiderte er. „Selbst der schnarchende, notorische Regelbrecher da oben hat das gelernt. Bedenkt man die Umstände, unter denen ich zurückgekehrt bin, ist es wohl besser, mich zu benehmen, denkst du nicht?“

 

Liebe war kein Spiel, wollte sie ihm sagen. Auch Krieg war das nicht. So viel mehr als Hermines zukünftiges Glück stand auf dem Spiel. Wenn er tatsächlich wieder zurück war, dann hoffte der Soldat in ihr, dass es noch aus einem anderen Grund war, als nur Hermine.

 

„Wir sind so nah dran. All das für immer zu beenden, weißt du“, sagte sie sanft.

 

„Gut.“ Malfoy lehnte sich näher vor. Seine Beine waren überschlagen, und Ginny fiel erst jetzt auf, dass er barfuß war. Er lächelte. Es war ein dunkles Lucius-Malfoy-Lächeln.  „Dann habe ich einen guten Zeitpunkt gewählt, wiederzukehren, oder nicht?“

 

Eine jüngere Ginny wäre vor dieser Einschüchterung vielleicht zurückgewichen, aber auch sie war erwachsen. „Malfoy, im Moment denke ich, hast du größere Chancen Voldemort zu bekommen, als Hermine. Außerdem wird dich Harry niemals in ihre Nähe lassen, wenn nicht auch jede Minute deiner Geschichte bestätigt wurde. Und entschuldige meinen Ausdruck, aber es ist eine verdammt scheiß Geschichte, voller Besessenheit und Rache.“

 

Er überraschte sie mit seinem sofort missgelaunten Ausdruck. „Und Merlin, wie lange wird das dauern?“

 

Nun war Ginny an der Reihe zu grinsen. Er war es anscheinend nicht gewöhnt nach dem Terminplan eines anderen zu arbeiten. „Draco Malfoy, willkommen in der Ministeriums Bürokratie. So etwas dauert minimal sechs Wochen.“

 

„Wunderbar. Und für diese Zeit bin ich an das Brillengesicht gebunden?“

 

„Das Brillengesicht ist der Grund, weshalb du deine Zeit nicht in der Untersuchungshaft verbringen musst!“

 

„Ich werde nicht hinter Potter herdackeln, wie ein verblödeter Fan!“, zischte er.

 

Aber Ginny erwiderte den Blick zornig. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Harry das auch nicht bevorzugen würde!“

 

Er verpasste ihr einen Blick, der ihr bis auf die Knochen ging. „Ich habe euch Bellatrix Lestrange gebracht. Ihr wisst, was ich als Gegenzug will“, erwiderte er gepresst.

 

„Ja, aber bis du nicht das bist, was auch Hermine will, kannst du in deinem eigenen Chaos sitzen bleiben. Ich weiß, dass du zurück bist, Malfoy. Aber unter welchen Bedingungen bist du das?“

 

Man musste ihm zu Gute halten, dass er wohl begriff, was sie ihn fragte. Der Ärger fiel von ihm ab. Jetzt gerade sah er so aus, wie ein Mann, der müde war. Jemand, der fertig war. Der sich ausruhen wollte. „Ich bin so weit. Es hat mich Zeit gekostet, aber ich bin so weit, und was wichtiger ist, ich kann es auch“, erklärte er. „Und ich muss wissen, ob sie es auch kann.“

 

Ginnys Blick war beinahe bewundernd. Seine Ehrlichkeit überraschte sie. So wie auch seine andere Eigenschaft. „Deine Arroganz ist bemerkenswert.“

 

Sein Blick war voller Ungeduld. „Es ist keine Arroganz. Es ist Schicksal.“

 

Er war nicht romantisch. Ginny bezweifelte nicht, dass er auch das sein konnte. Die alte Gerissenheit war immer noch da. Nein, er war sich einfach sicher. Sicher, wo sein Platz jetzt war und was er jetzt wollte. Er war hier, um zu sehen, ob Hermine genauso sicher war.

 

Ein Teil von ihr wünschte sich, Harry wäre mehr wie er. Nein, eigentlich nicht. Das wollte sie überhaupt nicht. Draco Malfoy war eine eigene Art von kompliziert, mit der sich eine Frau niemals rumschlagen sollte. Nein, sie wollte ihre Helden verlässlich und sicher, selbst wenn sie sich bei Herzensangelegenheiten etwas dumm anstellten. Alle Leute, für die sich Hermine hätte entscheiden können, sollte es Malfoy sein, der ihre Aufmerksamkeit erregte. Diese Frau wollte es auch kompliziert.


„Warum bist du überhaupt schon wach?“, fragte er sie. Der Themenwechsel war absichtlich, aber Ginny war dankbar dafür.


„Konnte nicht mehr schlafen. Harry ist fertig. Ich wollte ihn nicht wecken.“


„Und weiß Mama Weasley, dass ihr zwei…“, er schien nach den rechten Worten zu suchen und grinste, als er sie gefunden hatte, „die Decke teilt?“

 

Sie sah ihn finster an. Die Dunkelheit versteckte ihre Röte. Noch einmal hatte er ihren wunden Punkt gefunden. „Halt deine Klappe. Ich bin zweiundzwanzig.“


„In anderen Worten, nein, sie weiß es nicht.“

 

Ginny seufzte. Sie würde jetzt nicht mehr einschlafen. Malfoy sah genauso wach aus. Sie trug ihre leere Kaffeetasse zurück in die Küche und war nicht überrascht, dass Draco ihr folgte. Ginny fragte sich plötzlich, wie lange er die Einsamkeit hatte ertragen müssen. Sie sah ihm an, dass es schwer gewesen sein musste.

 

Er setzte sich auf den Rand des Küchentresens du blickte zum verregneten Fenster. Seine Haare hingen lang seinen Rücken hinab. Ein Teil war in sein Gesicht gefallen und verbarg seine Augen.

 

Ginny fragte sich, ob er an Hermine dachte.

 

Und sie fragte sich, ob Hermine auch wach war und Malfoy dachte.

 

„Wie wäre es mit einem Haarschnitt?”, fragte Ginny ihn aus einer plötzlichen Eingebung heraus.

 

Das traf ihn völlig unvorbereitet. „Was?“ Er blinzelte.

 

„Wie wäre es, wenn ich dir die Haare schneide? Ich bin gute mit der Schere, und nimm’s nicht persönlich, aber du hast keine Ahnung, wie sehr du gerade deinem Vater ähnelst.“ Der Punkt war, dass das nicht gerade etwas Gutes war, wenn man das Ministerium von seinen guten Absichten überzeugen wollte.

 

Für einen Moment war er wieder achtzehn, als er abwesend sein langes Haar berührte und sie ansah, als wäre sein Aussehen keine Sekunde lang Teil seines Plans gewesen, Hermine zurückzugewinnen. Entweder war er wirklich so bescheiden oder er verbarg seine Beweggründe sehr gut. „Denkst du?“

 

„Es war etwas beunruhigend dich in der Küche zu entdecken“, sagte Ginny ehrlich. Sie durchsuchte viele Schubladen in der Küche, bis sie eine große Schere fand. Nicht gerade ideal, um Haare zu schneiden, aber na ja. Es war ja nicht so, als ob er in nächster Zeit zum Frisör spazieren konnte.


„Dann legen wir los“, sagte Ginny und zog einen Stuhl für ihn nach vorn.

 

Plötzlich wirkte Malfoy nicht mehr so sicher. Er begutachtete die Schere mit milder Besorgnis. „Brauchen wir nicht mehr… Licht?“

 

Ah, also war der Mann doch sterblich.

 

„Keine Sorge. Wie ich mit großen, scharfen Objekten in der Nähe umgehe, wird zum Großteil davon abhängen, wie Hermine auf dich reagierte, wenn sie dich wiedersieht. Bis dahin bin ich neutral“, versicherte sie ihn mit einem zuckersüßen Lächeln. Die Schere glänzte im Mondlicht.

 

Er wirkte nur ein wenig vorsichtig, als er auf dem dargebotenen Stuhl Platz nahm und ihr den Rücken zuwandte. „Irgendwie glaube ich, dass Potter dem nicht zustimmen würde“, warnte er. Ginny hatte seine Haare bereits in einen Zopf gefasst.

 

„Ich könnte immer noch besonders schlechte Arbeit leisten“, schlug sie ihm vor.

 

„Könntest du.“

 

Sie scherte sich nicht, ob er einen bestimmten Schnitt wollte. Es kam ihr so vor, als wäre es ihm egal. Und letztendlich verpasst sie ihm den Weasley-Standard-Schnitt. Es bedeutete, das Haar so gerade wie möglich zu schneiden, ohne irgendwelche kahlen Stellen zu hinterlassen. Jahrelange Übung an Rons Haaren hatte sie zu einem Profi werden lassen, fand sie.

 

Hätte ihr gestern jemand gesagt, sie würde heute Nacht um vier Uhr morgens in Harrys Küche stehen und Draco Malfoys Haare schneiden, hätte sie demjenigen einen Vogel gezeigt und geflucht, dass ihre Mutter ihr dafür auf die Finger geschlagen hätte.

**


Epilogue: Part Four



Der Zauberergamot hatte einen Kater. Oder zumindest die jüngere Hälfte dort. Die ältere Hälfte (was für gewöhnlich ein Jahrhundert oder mehr bedeutete) hatte einen auffallend trägen Gang und trug die dunklen Hüte tief ins Gesicht gezogen.

 

Zacharias Smith war die Ausnahme der Regel, aber nur, weil sein Job als Gerichtsschreiber besonderer Aufmerksamkeit bedurfte, denn er musste alles niederschreiben. Mental anwesend zu sein war Teil seiner Jobbeschreibung. Sie hatten es auch mal mit einer Diktierfeder versucht, allerdings war das nicht besonders gut ausgegangen, denn die blumigen Ausschweifungen der Diktierfeder hatten auch nicht ganz so freundliche Sätze beinhaltet. 

 

Nach der Festnahme von Bellatrix Lestrange waren viele ältere Beamten des Ministeriums in Ruhestand gegangen. Die anderen, die noch an ihre Verträge gebunden waren, schienen aber in weitaus besserer Stimmung zu sein als vorher. Wäre die Stimmung des Ministeriums mit einer Farbe zu vergleichen, dann wäre jetzt wohl die Farbe hellgelb in Frage gekommen, wo zuvor ein dunkles rot geherrscht hatte. Eine neue Brise der Hoffnung lag in der Luft. Und diese Brise würde als allererstes Voldemort gefährlich werden.

 

Harry verließ gerade den Gerichtssaal Nummer 8, wo eine Befragung stattfand, und setzt sich draußen auf eine der Bänke neben Draco. Es war ein sehr langer Morgen bisher.

 

„Sie sind erst auf Seite siebenundneunzig deiner Aussage“, sagte Harry fast anschuldigend.

 

Draco machte ein unverbindliches Geräusch und blätterte weiter in seinem Tagespropheten. Er versuchte, was er verpasst hatte, nachzuarbeiten.


„Ich nehme an, es wäre zu viel gewesen, zu verlangen, dass du ihnen die Kurzfassung gibst?“

 

„Das ist die Kurzfassung“, erwiderte Draco, ohne aufzusehen.

 

Es entstand eine kurze Pause, während Harry hinab auf Dracos lederne Schnürschuhe blickte. Sie waren Harrys Schuhe, sowie auch der (zugegebenermaßen billige) graue Muggelanzug, den Draco heute Morgen trug. Er hatte sich nicht mal bemüht, Bügelzauber auszuführen. Was ein wenig verwunderlich war, war, dass selbst billige graue Mikrofaser an Dracos hohser Gestalt wie kostbare Couture wirkte. Anstatt unordentlich und respektlos auszusehen, wirkte Draco ruhig und bereit.

 

Harry erging es nicht so, denn er hatte die letzte Nacht vor der Anhörung schlaflos in seinem Bett verbracht und sich hin und her gewälzt. So sehr, dass Ginny ihn aus dem Bett geworfen hatte, um wenigstens selber noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Harry war dann ins Esszimmer gewandert, um noch einmal Dracos 157 Seiten Bericht zu lesen, als würde er dadurch mehr Schlaf finden.

 

Es fühlte sich seltsam an, dass solche grauenhaften und beunruhigenden Erfahrungen so präzise, elegant und in schöner Handschrift aufs Papier gebracht worden sind. Es war fast so als würde man jemandem zusehen, der zur Musik von Tchaikovsky beraubt wurde.

 

Draco wirkte überhaupt nicht besorgt, dass das Komitee seine Aktivitäten in den letzten fünf Jahren seltsam genug finden würden, um noch mehr Nachforschungen anzustellen oder ihn vorrübergehend in Askaban einzusperren. Es waren sechs Wochen vergangen, seitdem er zurückgekehrt war, und das Ministerium hatte erst jetzt seinen Bericht dazu abgegeben, ob Dracos Bericht Fakt oder Fiktion war.

 

Sein Bericht beinhielt mehrere Vorfälle, die einen mehr als nur die Stirn runzeln ließen. Harry war verwundert, dass einige der Vorfälle nicht mehr als nur eine Narbe auf dem Mann neben sich hinterlassen hatten. Vielleicht hatte es das auch, aber nach all der Erfahrung war Draco vielleicht in der Lage, es besser zu verbergen. Merlin wusste, er war kein offenes Buch in dieser Hinsicht. Hermine hatte es jedoch anscheinend immer faszinierend gefunden in ihm zu lesen.

 

Es hatte Harry einiges An Willenskraft gekostet, Draco in die Augen zu sehen, ohne seine Emotionen hochkommen zu lassen. Harry fühlte kein Mitleid oder Besorgnis oder Respekt oder Ehrfurcht besonders stark, aber er fühlte alle diese Dinge auch.

 

Am meisten war es wohl Neid.

 

Neid, dass Draco fähig gewesen war, all diese Dinge zu tun, zu denen Harry es nicht gebracht hatte – diejenigen zu verlassen, die er liebte, um auf seine eigene Mission zu gehen. Es war eine ständige Verlockung. Harry kannte sich aus mit dem zerstörerischen Wunsch nach Rache, und war sich – neben dem Schmerz den es verursachte – bewusst, dass das größere Wohl verlangte, dass er genau hier blieb. Allerdings kam ihm das größere Wohl zurzeit etwas faul und selbstgerecht vor. Nur weil Voldemort im Moment kein Aufsehen mehr erregte, bedeutete es nicht, dass die Gesellschaft einfach die Achseln zucken konnte, um so weiterzuleben, als hätte es ihn nie gegeben. Das war schon letztes Mal das Problem gewesen, als Voldemort verschwunden war.

 

Aber das war der Unterschied zwischen ihnen, oder nicht? Draco tat, was er wollte und Harry tat, was alle anderen wollten. Harry hätte Draco applaudiert, wenn die Konsequenz von Dracos Aktionen nicht gerade Hermines gebrochenes Herz gewesen wäre.

 

Selbstsüchtig oder selbstlos, das war es, worüber die Gesellschaft wohl urteilen sollte.

 

Dann schwang die Tür zum Gerichtssaal auf und ein tintenbefleckter Zacharias Smith sah ihnen entgegen. Er massierte wohl gerade einen Krampf in seiner rechten Hand.

 

„In Ordnung, du kannst jetzt wieder reinkommen.“

 

Harry und Draco standen beide auf.

 

„Nur Malfoy dieses Mal“, sagte Zacharias und blickte fast vorsichtig in Harrys Richtung. „Sie sind dabei eine Entscheidung zu treffen.“

 

Harry setzte sich wortlos zurück auf die Bank und ergriff die Zeitung, die Draco ordentlich gefaltet hatte und ihm entgegenstreckte.

 

**

 

„Diese… Mission, auf die Sie sich selber begeben haben. Sie nennen es Rache?“ Dumbleore fragte dies von der Geschworenenbank aus.

 

Draco störte sich nicht besonders an dem formalen Ton seines ehemaligen Schulleiters, der so fehl am Platze klang, aber er nahm an, Dumbledore hatte hier einen Part zu spielen.

 

„Eine lange, schlecht geplante Rache, ja.“

 

Eine andere grauhaarige, mittelalte Frau, die große Ähnlichkeit mit Terry Boot hatte, sprach als nächstes. „Das ist keine leichte Lektüre, Mr Malfoy“, sagte sie schwer. „Was sie erduldet haben…“ Sie machte eine knappe Handbewegung in Richtung des Berichts, „…nahezu verhungert, eine beinahe tödliche Krankheit, der sie knapp entronnen sind, Zeiten, die Sie in grauenhafter Gesellschaft verbringen mussten. Ich nehme an, Ihre Erziehung hat Sie wohl kaum auf so etwas vorbereiten können. Und alles nur, um Bellatrix Lestrange zu fangen und sie hierhin zurückzubringen, um sich am Tod Ihrer Mutter zu rächen?“

 

Dracos Kiefer spannte sich an, aber der Blick in seinen Augen war nichts anderes als kühl. „Nichts formt den Charakter so wie eine gute Portion Hunger“, sagte er leichthin.

 

Horatio Coon, einer der hohen Tiere hier, machte ein ungeduldiges Geräusch. Er war erstaunlich ruhig gewesen.


„Das ist keine lustige Angelegenheit!“, warnte er ihn.

 

Draco amüsierte es, dass der beförderte Coon nicht mehr länger glatzköpfig war, sondern nun ein schiefes Toupet in bronzenem Blond trug. Wirklich, der Mann könnte sich etwas Besseres leisten. Das Toupet biss sich mit den purpurnen Hüten, die die Zauberer vom Zauberergamot tragen mussten.

 

„Von Mistkäfern zu überleben ist auch keine lustige Angelegenheit, das versichere ich Ihnen“, erwiderte Draco, dem das Zucken Dumbledores Mundwinkel entging.


„Haben Sie irgendwelche Informationen über den Verbleib Ihres Vaters, Lucius Malfoy, oder eines Gregory Alexander Goyles?“, fragte Dumbledore als nächstes. Das, nahm Draco an, war wohl der Grund, warum man sich hier überhaupt die Mühe einer Anhörung machte. Ginny Weasley hatte richtig gelegen. Er war sich sicher, in den letzten Wochen hätte es ihm um einiges schlechter gehen können, hätte sich Potter nicht gekümmert.

 

„Nein, habe ich nicht.“

 

„Sie haben sich fünf Jahre vor dem Ministerium verborgen und erwarten, dass wir glauben, dass Sie keinen Kontakt mit ihrem Vater aufgenommen haben, der ebenfalls günstigerweise vermisst wird?“, wollte Coon wissen.

 

„Ja, das tue ich.“

 

Coon schnaubte abfällig auf. Es erinnerte Draco an Umbridge. „Offengesagt finde ich Sie unglaubwürdig, Mr Malfoy.“

 

Draco nickte mitfühlend. „Ich denke dasselbe von Ihren Haaren, Mr Coon.“

 

Zacharias Smith kaschierte sein plötzliches Lachen mit einem Huster, aber das Geräusch erfüllte auch die letzte Reihe. Man musste ihm zu Gute halten, dass er die Feder dennoch nicht einmal absetzte.

 

Es setzte Gemurmel ein, als Coon den Blick auf ihn senkte. Sein Gesichtsfarbe passte jetzt zu seinem Hut. Dumbledore räusperte sich, und das Gemurmel hörte auf. Draco konnte Dumbledores Ausdruck nicht deuten, aber er kam ihm heiter vor.


„Wir haben unsere Entscheidung vor einer Stunde getroffen“, informierte er ihn, als wären sie allein und würden in seinem Büro auf Hogwarts sprechen.

 

Ah, das erklärte, warum Coon gerade Hummeln im Hintern hatte.

 

„Nachdem der führende Ermittler in dieser Sache, seinen Bericht abgegeben hatte und wir die Gelegenheit hatten, uns eine Meinung zu bilden, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Sie frei sind von allen Vermutungen, die Sie in Verbindung mit der Flucht von Ihrem Vater, Lucius Malfoy, bringen, oder dem Verschwinden von Gregory Goyle.“

 

Draco nickte. Es hatte sie auch genug Zeit gekostet.

 

Dumbledores Lippen teilten sich zu einem Lächeln. „Willkommen Zuhause, Draco.“

 

**


„Du leistet einen großartigen Job, Malfoy aus dem Weg zu gehen.“

 

„Danke“, sagte Hermine etwas lauter, denn der Wind blies laut. „Ich bemühe mich darum.“

 

Ginny seufzte, aber nur weil Hermine es nicht hören konnte. Sie standen vor den toren zu Askaban, als sie am Flohpunkt angekommen waren und nahezu vom Wind verweht worden wären. Einige der dunklen Dachziegel des Wächterhauses hatten sich im Wind gelöst und flogen über ihrem Kopf im Wind, wie Krähen, die von einem Wirbelsturm erfasst worden sind. Es war gut, dass sie normale Hosen und eine dicke Jacke trug, anstelle ihrer sonst förmlichen Roben. Ihre dünnen Roben wären ihr wahrscheinlich vom Körper geweht worden, in den Nord-östlichen Sturmeswogen.

 

Der junge Wächter, der sie begleitet hatte, drehte nun einen langen Schlüssel im Schloss der breiten Türen. Seine andere Hand hatte genug damit zu tun, seinen Hut auf seinem Kopf zu behalten.

 

„Na ja, es kann aber nicht immer so weitergehen“, fügte Ginny hinzu. „Außerdem glaube ich, dass er langsam auf Harry abfärbt.“

 

„Du meinst, wie etwas besonders Schlechtes?“

 

Hermine verpasste Ginnys amüsierten Blick, als sich die Tore öffneten. Die beiden Frauen traten in stille, feuchte Luft. Es war drinnen nicht wärmer als draußen, außerdem war es auch dunkler, trotz der hellen Fackeln, die in drei Meter Intervallen an den Wänden angebracht waren. Hermine zog ihren moosgrünen Mantel enger um sich. Sie bereute, keinen wärmeren Schal mitgebracht zu haben. Den, den sie umhatte, war zwar schön, aber etwas aus Molly Weasleys Wollsammlung wäre wohl bei der Kälte angebrachter gewesen. Der Wind heulte draußen weiter und klang tatsächlich fröhlich dabei.

 

Ein weitere Wächter näher sich ihnen. Er lächelte Hermine freundlich zu. „Miss Granger. Schon zurück? Nicht, dass es uns stört, bei den wenigen Besuchern, die wir ohnehin nur haben.“

 

„Hallo, Horace. Wie geht es dem Bein?“


„Viel besser, danke der Nachfrage.“ Der Wächter wandte sich an Ginny und wirkte gleich nicht mehr ganz so freundlich. „Würden Sie sich eintragen, bitte?“ Er deutete auf ein eselsohriges Register, das in einer Ecke schwebte. Eine zerfranste Feder war daran gebunden, die ab und den Versuch machte, zu entkommen. Ginny schritt hinüber, um sich ins Besucherbuch einzutragen und bekam einen gelben Besucherausweis.

 

„Brauchen Sie sonst noch etwas?“, fragte Horace Hermine.

 

„Nein, alles in Ordnung. Ich bringe sie selber hoch.“

 

„Sie können mich immer noch nicht leiden“, bemerkte Ginny, als Horace sie zurückgelassen hatte.


„Sie sind so zu allen Anwälten“, erklärte Hermine. „Die Tatsache, dass du die Tochter des Ministers bist und Snape repräsentierst macht es auch nicht unbedingt besser.“

 

Die beiden Frauen gingen zu den Fahrstühlen. Hermine betätigte den Knopf und dumpf ertönte ein lautes metallisches Geräusch.

 

„Die Tatsache, dass ich Snape repräsentiere oder dass ich ihn gut repräsentiere?“

 

„Oh? Die Verhandlungen laufen also gut?“, erkundigte sich Hermine.

 

Ginnys volle Lippen wurden zu einer schmalen Linie. „Kaum, aber jede Verkürzung von Lebenslänglich ist gut.“


Hermine stimmte mit ihr überein. „Ich habe mit deinem Vater gesprochen, aber er vertraut auf den Prozess.“

 

„Die Tatsache, dass wir Zabini nur gefangen haben, weil Snape Lucius Malfoy befreit hat, hilft uns leider nicht besonders“, bemerkte Ginny. „Es gibt immer noch das kleine Problem, dass das Ministerium Lucius Malfoy als ein größeres Übel als Blaise Zabini ansieht.“

 

Hermine dachte an das letzte Mal, dass sie Lucius Malfoy in seinem Büro auf Malfoy Manor gesehen hatte: furchteinflößend, schlecht gelaunt und ohne jedes schlechte Gewissen, nachdem er Draco so furchtbar behandelt hatte. „Ich bin geneigt, mich dieser Meinung anzuschließen“, sagte sie sanft. Es war schwierig, sich vorzustellen, dass Lucius sein Leben riskiert hatte, um Draco aus dem Versteck in Wales zu befreien. Es war eine gewagte Rettungsaktion, wenn man bedachte, dass Lucius auf beiden Seiten des Krieges keine gute Position inne hatte.

 

„Also, hast du vor, Malfoy für immer aus dem Weg zu gehen?“

 

Hermine zuckte die Achseln. Sie betätigte noch einmal den Knopf, denn der Aufzug brauchte sehr lange. „Er wird wieder nach Malfoy Manor gehen, wenn das Komitee ihn lässt, was bald genug sein wird. Ich bin sicher, er wird genug zu tun haben, sich wieder an sein Haus und sein Geld zu gewöhnen.“


„Du denkst also, er ist nur hier, um sich um sein Erbe und sein Haus zu kümmern?“, fragte Ginny und klang neugierig.


„Sein Status und sein Reichtum waren für ihn immer das wichtigste gewesen. Er hat es mich sehr deutlich wissen lassen.“

 

„Was ist mit Rache?“, beharrte Ginny. „Diese ganze Zeit, die er damit zugebracht hat, den Tod seiner Mutter an ihrer Möderin zu rächen kann man kaum als selbstsüchtig bezeichnen.“

 

Hermine hob eine Augenbraue. „Ach nein?“


„Alles, was ich sage, ist, dass er vielleicht noch andere Sorgen hat, als neue Vorhänge zu kaufen und seine Haufen an Gold zu zählen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass du für ihn keine Gefühle mehr hast.“

 

„Das ist lange her. Ich war sehr jung“, erinnerte sie Hermine. Sie drückte den Knopf diesmal fester.


„Im Gegensatz zu heute, wo du so wahnsinnig alt bist, mit dreiundzwanzig Jahren?“, entgegnete Ginny trocken.

 

Der Fahrstuhl kam.

 

Hermine schenkte ihrer Freundin einen belustigen Seitenblick. „Ich war jünger. Du erinnerst dich an deinen Schwur, oder nicht?“

 

Ginny schnaubte auf. „Vage.“

 

„Ich habe einen Fehler gemacht. Gott weiß, wie oft er mich davor gewarnt hatte. Ich habe nicht auf ihn gehört. Warum verteidigst du ihn die ganze Zeit über? Du hast vor einigen Jahren noch keine Loblieder gesungen. Und weiß Harry, dass ihr zwei eine nächtliche Frisör-Szene hattet?“, fragte Hermine und steckte eine kaffeefarbene Locke hinter ihr Ohr.

 

„Ich habe noch niemals Loblieder auf Malfoy gesungen“, erwiderte Ginny kühl. „Und ich sage ja nicht, dass du ihm vergeben sollst. Es ist nur, du hast ihn noch nicht gesehen, Hermine. Er… ich weiß, das klingt lächerlich, aber er hat sich verändert. Leid ändert einen Menschen.“

 

Sie erreichten den vierten Stock, der im Fahrtsuhl als „Maximale Sicherheitsstufe“ betitelt wurde. Hermine bedeutet Ginny, zuerst zu gehen. „Wenn er gelitten hat, dann war es seine eigene Wahl. Ich habe ihn nicht gezwungen zu gehen, Ginny. Vergiss das nicht. Der Zug ist abgefahren.“

 

„Vielleicht hat er gedacht, er hätte keine Wahl? Wir waren doch alle bloß Kinder. Es war vielleicht eine schlechte Entscheidung, aber manchmal kann man Entscheidungen nur nach seinen Erfahrungen treffen. Und ich glaube nicht, dass Malfoy viel Erfahrung damit gehabt hatte, von jemandem bedingungslos geliebt zu werden. Was am letzten Schultag passiert ist, hätte jeden geschädigt. Ich meine, du bist gestorben, Hermine. Ron sagte, Harry hat Zabini fast den Kopf abgerissen.“

 

„Man verlässt nicht die Menschen, die man liebt“, sagte Hermine, als sie den Korridor zur Hälfte hinter sich gelassen hatten. „Das ist wohl die einfachste Regel, die man zu beherrschen hat. Harry tut es auch.“

 

Ginnys Ausdruck verfinsterte sich. „Manchmal frage ich mich…“


Hermine wandte sich um, um Ginny ungläubig anzusehen. „Harry würde dich nie verlassen.“


„Nicht, weil er noch nie darüber nachgedacht hätte, das versichere ich dir.“ Ginny schien selber überrascht, wie energisch sie klang.

 

„Harry hat manchmal blöde Ideen“, bestätigte Hermine mitfühlend. „Aber vor allem ist Harry verlässlich.“

 

Sie erreichten zwei weitere Türen, vor denen eine weibliche Wächterin an einem Schreibtisch saß. Sie war eingenickt, sprang aber schnell auf die Füße, als sie die beiden Frauen bemerkte. Ginny und Hermine gaben wortlos ihre Zauberstäbe ab und jedes weitere magische Objekt, das sie bei sich trugen. Bei Ginny war es eine wettervorhersagende Kette, die sie von Bill zu ihrem zwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Hermine holte eine blanke Pergamentrolle aus ihrem Mantel und schob sie der Hexe zu.

 

„Das muss ich mit rein nehmen.“

 

Die Wächterin nickte und war wohl schon darüber informiert. „Sie haben zwanzig Minuten mit Snape“, erklärte sie Ginny.

 

„Ich habe so viel Zeit mit meinem Klienten, wie ich brauche, vielen Danke“, gab Ginny entnervt zurück.

 

Die junge Frau schüttelte den Kopf. „Zwanzig Minuten, Miss Weasley. Er hat um halb elf einen Termin mit dem DMLA.“


„Weswegen?“, wollte Hermine stirnrunzelnd wissen.


„Der Malfoy-Erbe ist zurückgekehrt. Das ist alles, was ich weiß. Routinefragen, um diesen Fall abzuschließen.“ Die junge Wächterin lehnte sich näher zu Hermine. „Es heißt, Snape ist ausgerastet, als er gehört hat, dass Malfoy zurück ist. Vielleicht dachte er, es handelte sich um den anderen Malfoy, Sie wissen schon, Lucius.“

 

Nun, das wäre wirklich ein Grund zur Besorgnis, dachte Hermine. „Ich glaube wirklich, Severus Snape könnte nicht mal ausrasten, wenn man ihn dazu zwingen würde“, entgegnete Hermine trocken.


„Ich denke, ich bin eher fertig als du“, seufzte Ginny. „Warte nicht auf mich.“

 

„Lust, zu tauschen?“, wollte Hermine wissen.

 

Ginny schauderte. „Gegen Bellatrix? Danke, aber nein danke. Die Sachen, die du für die Mysteriusmabteilung tust. Da würde ich lieber Drachenmist für Nevilles Garten umgraben.“

 

Hermine lugte in die Dunkelheit. Der Korridor schien ewig weiter zugehen. Und nicht durch Magie. Askaban war einfach gruselig und düster. „Letzte Zelle auf der rechten Seite, nicht wahr?“, fragte sie die Wächterin. 

 

„Ja, Miss Granger.“

 

Ginny wünschte ihr viel Glück und war schnell in die andere Richtung verschwunden, um das bisschen an Zeit mit ihrem schwierigen Klienten zu verbringen.


**

 

Bellatrix Lestranges Zelle sah aus wie jede andere Zelle in Askaban. Sie war dreimal zwei Meter groß, aus Stein, mit Gittern an einer Seite. Dazu ein Hocker in einer Ecke und ein Waschbecken in der anderen.

 

Jede Zelle wurde auch von Wächtern bewacht. Durch die Abwesenheit der Dementoren war dies etwas notwendiges, wenn man bedachte, wie schwierig es war, eine Hexe oder Zauberer dort zu behalten, wo sie nicht sein wollten. Mit oder ohne Zauberstab.

 

Die Persönlichkeit der Gefangenen definierte die Art der Wache, die man brauchte. Es war unnötig zu sagen, dass Bellatrix‘ Zelle mit so vielen Flüchen belegt war, dass die Gitter regelrecht glühten. Es half zwar nicht, die gruselige Stimmung zu heben, aber es sorgte für mehr Licht.

 

Zurzeit gab es keine anderen weiblichen Gefangen in Askaban. Das reichte aus, damit sich Hermine für ihr Geschlecht schämte.

 

„Hallo, Bellatrix.“

 

Die Gefangene erhob sich in einer fließenden Bewegung von ihrem Hocker. Sie war nur noch eine Hülle ihrer selbst, bestehend aus Haut und Knochen und mattem, grauem Haar. Ihre Augen waren wildes Blau. Sie wirkten fehl am Platze in ihrem grauen Gesicht. So verwahrlost sie jetzt auch war, das Echo ihrer ehemaligen Schönheit war ihr noch immer anzusehen. Selbst Anmut. Die Blacks hatten das an sich.

 

„Na sieh mal einer an. Potters kleines Schlammblut kommt, um mich zu besuchen. Wie komme ich zu dieser Ehre?“

 

Für so eine schmale Person war ihre Stimme tief und laut. Sie passte zu ihren Augen, dachte Hermine. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, dass Bellatrix‘ Stimme so befehlsgewohnt geklungen hatte, aber das letzte Mal hatte sie Bellatrix auch nur irre Lachen gehört, als Harry, sie und die anderen in der Mysteriumsabteilung gewesen waren. Es war nicht unbedingt eine angenehme Erinnerung.

 

Bellatrix fuhr mit ihren Finger über die Gitterstäbe, während sie ihren Besucher beobachtete. Sie wirkte nicht mehr als scheu und neugierig. Der Wächter bewegte sich bei dieser Berührung. Sie hatte ihr Standardkleidung gegeben. Schwarz gestreifte Hosen und ein passendes Oberteil. Sie schien die Sache wie Seide und Brokat auf der Haut zu tragen, nicht wie grobe handgesponnene Baumwolle.

 

Hermine entfaltete das magisch behandelte Pergament. Sie brauchte nur eine Sekunde, um Bellatrix‘ Dunkles Mal zu kopieren. Sie wollte nicht mehr Zeit als nötig in Anwesenheit dieser Frau verbringen. „Ich bin hier, um eine Prägung deines Mals zu machen. Schieb deinen Arm durch die Gitterstäbe.“ Es war keine Bitte.

 

Bellatrix blickte hinab auf das Papier und hob dann ihren spöttischen Blick zu Hermine. „Konnten Sie keinen vernünftigen Auror für mich finden? Was haben diese Leute die letzten zwei Monate getrieben? Oder sind es mittlerweile drei?“ Ihre leichtfertigen Beleidigungen erinnerten Hermine an Sirius. Sie wandte sich zur anderen Wand und befeuchtete ihre Lippen abwesend. „Kann den Mond nicht sehen…“

 

„Ich bin nicht hier wegen einer Anhörung, aber sei versichert, sie haben dich nicht vergessen“, gab Hermine zurück, obwohl Bellatrix es nicht hören wollte.


„Es war nicht mal ein Auror, der mich gefangen hat, richtig? Ihr habt es nicht gepackt. Lucius‘ Junge hat mich gefunden. Kann man das glauben? Ich denke, es macht biteren Sinn…“

 

Hermine konnte nicht anders. Sie hatte gewusst, sie würde nicht anders können, in dem Moment, als man ihr diese Aufgabe erteilt hatte. Scrimgeour würde wütend mit ihr werden, ehe die Aufklärer hier waren. Die nächsten Worte aus ihrem Mund überraschten sie nicht.

 

„Du hast seine Mutter umgebracht.“

 

Ein Muskel in Bellatrix hohlem Gesicht zuckte. Sie blinzelte und befeuchtete ihre Lippe erneut. „Nein, habe ich nicht. Der Junge, Zabini. Er hat es getan.”

 

„Du hast es befohlen”, erwiderte Hermine zähneknirschend.

 

„Zissa war schwach“, zischte Bellatrix und Spucke sammelte sich in ihren Mundwinkeln. „Sie war immer schwach. Und Andromeda war eine verfluchte Blutverräterin. Eine Hure der Muggel, aber immerhin… immerhin hatte unsere liebe, verlorene Andromeda die Courage der Blacks.“ Sie begann in der kleinen Zelle zu wanden. „Ich hätte gedacht, mein Neffe wird enden wie seine Mutter; schwach im Geist, schwach im Willen. Wie falsch ich lag. Ich nehme an, es war mehr von seinem Vater in ihm, als wir angenommen hatten. Die Malfoys waren immer ehrgeizige Kreaturen.“

 

Ihr Ausdruck wurde plötzlich weicher. Aber sie sah immer noch verrückt aus. „Mein wunderbarer Neffe. Der Junge ist durch die Hölle gegangen, um mich zu finden, weißt du? Ich weiß es. Oh ja, ja, ja, ich weiß es.  Diese Hölle habe ich geschaffen. Wie lange war er auf meiner Spur? Ich habe gehört, wie es gesagt wurde…“

 

„Fünf Jahre“, erwiderte Hermine abwesend und sie spürte die Kälte wieder deutlicher.

 

Bellatrix hob die Augenbraue. Sie wirkte kurz gedankenverloren. „Fünf Jahre? Wirklich? Eine Verschwendung, wirklich. So viel Hingabe sollte dafür genutzt werden, dem Dunklen Lord zu dienen.“ Ihre Augen verengten sich. Ihr Verstand schien sich zu fokussieren. „Du bist du dreckige Verschwendung“, spuckte sie ihr bösartig entgegen. „Wer hätte gedacht, unser Draco würde sich so ändern, wie er es getan hat? Kein Feigling am Ende, aber selbst das wäre besser gewesen. Es sollte sterben, alleine an der Schande. Zissa hat es getan“, fuhr Bellatrix mit einem wildem Nicken fort. „Sie ist gestorben, weil sie es gewagt hatte, für sich und ihren Sohn ein anderes Leben zu wollen. Arme, fehlgeleitete, besessene Narzissa. Dachte, sie könnte ihrem Schicksal entfliehen.“

 

Und wieder diese Schicksals-Kacke, dachte Hermine. Sie hatte von Draco schon genug davon gehört.


„Wir alle haben eine Wahl, Bellatrix.“

 

„Und dein versautes Blut bestimmt die Wahl, die du machst, Schlammblut. Es kann dir nicht helfen“, sagte Bellatrix mit unzerstörbarem Glauben.

 

Hermine bemerkte, dass sie eine Wahnsinnige anstarrte, aber sie hatte den unglaublichen Wunsch, Bellatrix etwas Böses anzutun. Es wäre gerecht, für alle unschuldigen Leben, die sie genommen hatte, für alle Familien, die sie zerstört hatte, für alles Gift, das sie zu Lebzeiten verspritzt hatte. Aber es war nicht ihre Aufgabe, diese Art von Gerechtigkeit walten zu lassen. Trotz aller Fehler des Ministeriums und seinen fragwürdigen Taktiken. Arthur Weasley behielt am Ende recht.

 

Es gab einen Prozess.

 

Und trotz der Ungerechtigkeiten, die das Ministerium Draco vor fünf Jahren angetan hatte, trotz des Verlustes, den er hatte ertragen müssen, hat er immer noch Vertrauen gehabt, dass Bellatrix die ultimative Strafe bekam. Er hatte genügend Gelegenheiten gehabt sie umzubringen, das wusste Merlin sicher.

 

Hermines Brust schmerzte, als sie daran dachte. Echt oder eingebildet, sie konnte es nicht sagen. Es fühlte sich echt an. Vielleicht lag es an ihrem Zorn und ihrem Abscheu gegenüber Bellatrix, den sie verbarg. Aber sie wusste, es war rührte wohl von dem Riss her, der plötzlich durch den Stein fuhr, in dem sie Herz eingeschlossen hatte. Es war nicht nur ein schlechtes Gefühl, aber es war definitiv ein beängstigendes.

 

Hermine gab ihrer Wut nach und schloss den Abstand zum Gitter. Sie sprach ruhig und präzise. „Wenn wir mit dir fertig sind, finden wir Tom Riddle und werden ihn aufhalten. Für immer.“

 

Bellatrix fletschte knurrend die Zähne. Hermine war aber noch nicht fertig.


„Gib mir deinen Arm, oder ich lasse zwei muggelgeborene Zauberer hier rein kommen, die dich dazu zwingen, dich nackt auszuziehen, nur für den Spaß, den ich dabei hätte, dich gedemütigt zu sehen.  Und dann, Bellatrix, würde ich mir einen ganzen Tag lang Zeit lassen, die Prägung vorzunehmen.“

 

Bellatrix schenkte Hermine einen puren, bösartigen Blick, ehe sie ihren dürren Arm durch die Gitterstäbe schob. Ihre Haut war weich, faltig und papieren. Das Dunkle Mal streckte sich über ihren Arm. Hermine gab sich Mühe, es nicht direkt zu berühren. Als sie das Pergament zurückzog zeigte es eine perfekte Kopie, die sie würde studieren können.

 

Kurz sah sie das Bild von zwei schlagenden, schwarzen Flügeln vor ihrem inneren Auge. Hermine blinzelte und die unwillkommene Erinnerung verschwand.

 

 

Epilogue: Part Five




Es kostete Draco nur ein klein wenig Anstrengung Grimmauld Platz unbemerkt zu verlassen, nachdem die Aufklärung über ihn entschieden hatte. Während sie es geschafft hatten, Dracos Rückkehr innerhalb des Ministeriums geheim zu halten, wusste der Rest der Stadt allerdings Bescheid.

 

Es brauchte nicht lange, bis die Reporter anklopften.

 

Lucius‘ Flucht und Dracos anschießendes Verschwinden waren noch immer Grund genug, um ab und an in der Zeitung thematisiert zu werden. „Malfoy Sichtungen“ waren beliebt, vor allem im Sommer, wenn Leute in Urlaub an den Strand fuhren, schworen sie, den Vater oder den Sohn in Mallorca oder am Bazar in Marrakesch gesehen zu haben.

 

Harry hatte es mit Elvis verglichen und hatte dann zehn Minuten damit verbracht, einem eher weniger interessierten Draco zu erklären, wer Elvis Presley war.

 

Draco hatte nicht viel Gepäck dabei gehabt. Harry hatte einen Blick auf den zerschlissenen, sandigen, nach Kamelurin stinkenden Seesack geworfen, den er mit ins Haus gebracht hatte, und hatte nahezu direkt befohlen, ihn zu verbrennen und anschließend zu vergraben. Es hatte Draco nicht viel Aufwand gekostet, sein Hab und Gut in einen Beutel zu stopfen und runter zu Harry zu gehen, um ihm beim Frühstück Gesellschaft zu leisten, ehe er arbeiten ging.

 

Darauf hatte Harry leider bestanden.

 

Malfoy Manor lag eine Besenreise von einer Stunde von London entfernt. Pansy Parkinson, die beauftragte Gesellschafterin des Herrenhauses befand sich zurzeit dort. Harry hatte dies für Draco bestätigt.

 

Der Mann, auch bekannt als Junge, der überlebt hat, stahl einen Blick nach draußen, in dem er die schweren purpurnen Samtvorhänge im großen Wohnzimmer vom Grimmauld Platz Nummer 12 zur Seite zog, und wurde sofort von blitzenden Kameralichtern von mehr als einem Dutzend schaulustiger Reporter geblendet.

 

„Die sind früh wach“, bemerkte der immer noch verschlafene Harry. „Das habe ich das letzte Mal erlebt, als ich hier eingezogen bin.“

 

Gleichmütig zog sich Draco seinen neuen Stiefel an. „Zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf, Potter. Ich gehe hinten rum raus.“

 

„Das würde funktionieren, wenn wir einen Ausgang hinten hätten“, informierte ihn Harry vielleicht etwas zu fröhlich.

 

Draco erhob sich und starrte ihn an. „Du willst mir sagen, dieses Haus hat keine Hintertür?“

 

„Ich hatte immer schon vor, eine einbauen zu lassen“, sagte Harry. „Ich verstehe nicht, wieso du nicht über Floh reisen willst?“

 

Draco wollte nicht per Floh oder durch Apparieren nach Malfoy Manor reisen, denn jemand, der fünf Jahre nicht dort gewesen ist, platzte nicht einfach so ins Haus. Es war einfach respektlos. Er würde zur Vordertür gehen und anklopfen, um hinein zu gelangen.


„Ich habe gesagt, zerbrich dir nicht den Kopf. Ich werde schneller in der Luft sein, als sie gucken können.“

 

Harry sah amüsiert aus. „Du kennst offensichtlich die neue Zucht an Reportern des Tagespropheten noch nicht.“

 

Ein entnervter Draco warf einen heimlichen Blick durch die Vorhänge. Obwohl man es nicht unbedingt als heimlich bezeichnen konnte. Er marschierte direkt auf das Fenster zu und riss die Vorhänge zu Seite, um die Reporter böse anzusehen.

 

„Wer ist das da vorne? Sieht wie Colin Creevey, nur zweieinhalb mal so groß…“


„Das dürfte Colin Creevey sein. Er trainiert.“

 

Colin hatte Draco ebenfalls am Fenster bemerkt. Die Kamera blitzte scharf auf.

 

„Erwartet dich Pansy?“, fragte Harry.


„Nein.“

 

Harry beharrte nicht weiter auf einer Antwort. Denn diese Antwort gab ihm Draco ständig, wenn es um persönliche Dinge ging. Es störte Harry, dass er nicht genau sagen konnte, ob er und Draco nun Freunde waren oder nicht. Es wäre eher probehalber. Und es störte Ginny, die Harry löcherte, ob er und Draco jetzt so etwas wie Kameraden geworden waren. Sie sah es als notwendig an, dass Draco so etwas zugab, denn sonst würde sie nicht erlauben, dass Draco Anstalten machte, Hermine zurückzugewinnen. Harry liebte Ginny, aber sie war ein wenig naiv, wenn sie glaubte, Draco würde wäre die Art von Person, die wartete, ob ihm etwas erlaubt wurde oder nicht. Auch nicht, Hermine zurückzugewinnen. Malfoy tat, was er wollte. Dieser Aspekt seiner Persönlichkeit war unverändert geblieben.

 

Es war unmöglich zu sagen, was Draco dachte. Wenn er als Teenager verschlossen gewesen war, dann war er jetzt vollständig unlesbar, was seine Gefühle anging. Harry hatte angenommen, er wäre vielleicht glücklich oder erleichtert, seit das Ministerium ihm eröffnet hatte, keine weiteren Nachforschungen anzustellen, aber wer wusste schon, was er dachte?

 

Was Harry wirklich störte, war, dass Draco das Leben auf Messers Schneide zu leben schien. Oder immer noch zu leben schien, passte besser. Selbst nach sechs Wochen in einem Haus, mit normalen Essen und Harry, der am Abend für simple Gespräche zur Verfügung stand, wirkte Draco immer alarmbereit. Es war beunruhigend. Vor allem, weil diese Alarmbereitschaft ansteckend war, und Harry konnte das Gefühl in seinem eigenen Haus nicht leiden. Es war keine Paranoia, welche verständlich gewesen wäre, nach allem, was Draco hatte durchmachen müssen, nein. Es war eher Dracos natürliche Art, alarmbereit zu sein.

 

Es war wohl eher eine unwahrscheinliche Vorstellung, dass ein rachsüchtiger Voldemort-Fanatiker in das Haus einbrechen würde, nur um sie in ihrem Schlaf zu töten, aber das hielt Draco nicht davon ab, selbst jede Nacht Nachtwache zu übernehmen, Türen und Fenster und Schränke zu beobachten. Als sie selber im Ministerium hatten anwesend sein müssen, hatte Harry das Gefühl gehabt, seinen eigenen Bodyguard bei sich zu haben.

 

Also, hieß das, sie waren Freunde? Harry nahm an, das war wohl eher nicht der Fall. Freunde vertrauten einander. Draco vertraute niemandem.

 

Harry war sich sicher, es gab nur eine einzige Person, die Zugang zu den komplexen Gedankengängen in Dracos Gehirnwindungen hatte. Die Sache war nur, dass diese eine Person im Moment nichts mit Draco zu tun haben wollte.

 

Hermine hatte das mehr als deutlich gemacht, jedes Mal, wenn das Thema Draco zur Sprache kam.

 

Dracos wachsamer Blick wurde niemals müde, nicht einmal im Schutz und der Sicherheit vom Grimmauld Platz. Draco machte es nicht mit Absicht, Harry wusste das. Es musste anstrengend sein, sich nirgendwo sicher genug zu fühlen, um zu entspannen, nirgendwo wirklich zuhause zu sein, dachte Harry.

 

Harry konnte nicht tun, um Dracos  Vertrauensproblem zu lösen, aber er konnte ihm wenigstens mit dem Zuhause behilflich sein. Nach Hause zu kommen, sollte etwas privates sein. Draco nach Malfoy Manor zu bekommen, ohne eine Sturmflut an Reportern mit auf den Weg zu schicken, dürfte schwierig werden.

 

Er merkte gar nicht, dass er Draco die ganze Zeit angestarrt hatte, bis dieser ihm einen entnervten Blick schenkte.

 

„Dein plötzliches Interesse an meinen Hosen ist beunruhigend, Potter. Was ist los?“

 

„Hmm“, war alles, was Harry sagte, und äußerte seine Sorge laut, „welche Größe hast du noch mal?“

 

**

 

Colin Creevey hatte einen beschissenen Tag. Er und seine unverzichtbare Assistentin Jessica hatten es bisher geschafft, eine Sammlung an Fotos zu schießen, die die Fassade vom Grimmauld Platz zeigten, den ersten Stock und Nachaufnahmen von unerkennbaren Nasen, die sich gegen die Scheibe abgezeichnet hatten. Niemand zahlte für Fotos von anonymen Nasen.

 

Keine Spur von Draco Malfoy, der heute Harry Potters wachsamen Schutz verlassen würde, nachdem ihm das Ministerium glaubte.

 

Colins Informant, der in der Magischen Transportabteilung arbeitete, hatte berichtet, dass es bisher keine Floh-Reisen vom Grimmauld Platz gegeben hatte. Das war clever von Malfoy. Floh-Reisen konnten verfolgt werden. Besenflüge nicht.

 

Nun, nicht, wenn man nicht bereit war, die Verfolgung aufzunehmen, was sie definitiv tun würden.

 

Niemand wusste, ob Harry überhaupt noch zuhause war, an diesen Morgen, aber Malfoy war es jedenfalls. Sie hatten ihn gerade gesehen.

 

Drei Stunden in der bitteren Kälte zu warten, hatten sich ausgezahlt, als Malfoy sich endlich gezeigt hatte. Die aufmerksame Jessica hatte ihn als erstes bemerkt.


„Da ist er!“, hatte sie gerufen, die Stimme rau von der Kälte. Der unkollegiale Haufen an ihnen, hatte jeden Sinn für Wettbewerb über Bord geworfen, als sie alle nahe zusammengerückt waren, um sich vor der Kälte zu schützen. Sie rissen nicht sofort die Kameras nach oben, denn ihre Arme waren steif, sie brauchten eine Sekunde länger als für gewöhnlich.

 

Jemand von der Hexenwoche bemerkte, wie gut es sich anfühlen würde, seine Füße wieder zu spüren.

 

Es war Malfoy. Sie alle hatten die braunen Hosen und die schwarze Strickjacke erkannt, als er am Fenster gestanden hatte. Er hatte die Kapuze über den Kopf gezogen und einen Schal um seine untere Gesichtspartie gewickelt. Kurz galt ihnen sein Blick – Colin erkannte seine Verachtung, denn es musste Verachtung sein – und dann hatte sich Malfoy schon auf seinen Besen geschwungen und war mit unglaublicher Geschwindigkeit in die Luft gestiegen.

 

Zeit, Geld für die Miete zu verdienen, entschied Colin, als er und Jessica ihre Besen bestiegen.

 

**

 

Draco wartete die abgesprochenen zwanzig Minute ab, bevor er den Grimmauld Platz unbemerkt verließ. Es war kein Reporter in Sicht. Potter war ein exzellenter Flieger, das musste Draco zugeben. Viel besser, als er als Junge gewesen war.

 

Potter hatte außerdem falsch gelegen.

 

Sie hatten nicht die exakt selbe Größe, denn Potters Reiseumhang war ihm ein Stück zu kurz.

 

**


Nach Hause zu kommen sollte sich nicht so anfühlen, dachte Draco. Vor allem nicht bei diesem Zuhause. Merlin, er war tatsächlich nervös. Er blieb für einen Moment in der Luft und streckte seine Finger in den Handschuhen. Draco konnte sich nicht daran erinnern, das letzte Mal feuchte Handflächen gehabt zu haben. Und er hatte sie trotz der kühlen Landluft.

 

Er war über das nahegelegene Dorf Thimble Creek geflogen, welches von einer Frostschicht überzogen war. Nebel lag über dem Dorf, aber es schien zehnmal mehr Einwohner zu haben als früher. Lucius war fort, und Magie war in der Gemeinschaft wieder möglich. Die Leute konnten wieder Geld verdienen. Die alten Einwohner mussten zurückgekehrt sein. Das, oder neue magische Leute hatten sich hier niedergelassen. Alles wirkte neu und mehrere Geschäfte waren aus dem Nichts erwachsen. Draco konnte sogar neue Landhäuser am Rand des Dorfes erkennen, Cottages. Überall, wo er hinsah, erkannte er Menschen, die ihren Arbeitstag begannen.

 

Da waren auch Kinder. Draco konnte sich kaum daran erinnern, dass Kinder jemals in Thimble Creek gewohnt hatten. Während er über dem Dorf hinweg flog, kam er sich vor wie ein Eindringling, wie ein Teil der düsteren und deprimierenden Vergangenheit des Dorfes.

 

Es fühlte sich fast falsch an, zurückzukehren.

 

Ganz kurz erwachte etwas Junges, Ängstliches in ihm, und für einen Moment wollte er umdrehen und verschwinden. Aber es gab nichts, wohin er zurückgehen könnte.

 

Dann erkannte er Malfoy Manor weit hinter den Tannenspitzen und sein Vorhaben wurde wieder zerschlagen. Er landete völlig still, direkt vor den schmiedeeisernen Toren und für einen Moment blieb er völlig unbewegt.

 

Obwohl es Winter war, war alles grün. Die Bäume waren kahl, aber die beiden Reihen an gepflegter Hecke, die den Weg zum Haus säumten blühten und waren in gutem Zustand. Draco sog den Anblick in sich auf, wie es nur jemand konnte, der so viel Zeit in der kahlen Wüste verbracht hatte.

 

Pansy kümmerte sich wirklich gut um das Anwesen.

 

Er zog den Zauberstab und berührte damit das Tor. Es schwang mühelos auf. Es war weder rostig noch kaputt. Das gehörte der Vergangenheit an. Er schwang den Besen über die Schulter und begann zu laufen. Das Laub zerbarst unter seinen Füßen.

 

Das Herrenhaus war sogar Frisch angestrichen worden. Fast war Draco amüsiert darüber, dass selbst die schicke weiße Farbe die gotische Unterdrückung, die das Anwesen ausstrahlte, nicht hatte entfernen können. Das Haus hatte einen eigenen Charakter. Das Dach war neu gedeckt worden, und die Fenster und deren Rahmen wirkten ebenfalls neu und sehr sauber. Als er den Haupteingang erreicht hatte, erkannte er, dass die beiden weißen Marmorsäulen ebenfalls poliert worden waren. Die bronzenen Drachenkopf-Türklopfer schimmerten ebenfalls im Licht.

 

Das Déjà-Vue traf ihn hart. Er erinnerte sich, als er das letzte Mal vor der Tür gestanden hatte und sich ebenfalls unwohl gefühlt hatte, weil er damals seinen Vater hatte über die Heirat mit Hermine hatte informieren müssen. Hermine hatte neben ihm gestanden, ängstlich, mutig, aufgewühlt und entzückend. Sogar recht zuversichtlich in ihrer Naivität, dass Draco sie vor allem bösen in Malfoy Manor würde beschützen können. Ob nun vor Lucius Malfoy oder eben allem anderen.

 

Er hätte ihre Hand halten sollen.

 

Draco benutzte den Türklopfer und wartete. Aber es dauerte nicht lange, bis er schnelle Schritte hinter der Türe hörte und diese aufschwang. Pansy stand vor ihm, in sauberer, teurer pinker Kleidung und Lippenstift in derselben Farbe. Sie wirkte nicht einmal überrascht, ihn zu sehen.


„Das wird aber auch Zeit“, sagte sie, ehe sie sich in seine Arme warf.

 

**

 

„Ähm.“

 

Draco blickte über Pansy dunkelhaarigen Kopf hinweg, zu einem blonden Mann, der beiden einen bösen Blick vom Treppenabsatz zuwarf. Er hielt einen Staubwedel in der Hand, aber von seinem Blick her zu urteilen, hätte es auch gut eine Machete sein können.

 

Eine schniefende Pansy löste sich aus der leichten Umarmung und strahlte mit glasigen Augen zu ihm empor. Und dann schlug sie ihm gegen den Arm. „Ich würde dich am liebsten umbringen, wegen all der Sorge, die ich hatte!“

 

„Stell dich an“, murmelte Draco und rieb sich seinen Oberarm. „Wer ist das?“, wollte er mit einem Kopfrucken in Richtung des bösen Mann wissen, der anscheinend unbedingt zusehen musste, wie Pansy ihn maßregelte.

 

„Oh.“ Pansy wurde rot und richtete ihre Haare, obwohl sie immer noch perfekt lagen. „Draco, das ist Boris. Mein Diener.”

 

Boris ließ als Begrüßung seine Hacken gegeneinander schlagen, aber der finstere Blick blieb auf seinen Zügen.

 

Irgendwas an dieser Vorstellung verlangte eigentlich noch weitere Nachfragen, aber Draco war gerade viel zu beeindruckt, was Pansy alles mit dem Anwesen angestellt hatte.

 

Alles war renoviert worden in einem Rokokostil. Wandornate, Deckenrosetten und Stuck, den seine Mutter so geschätzt hatte, waren alle wieder hergerichtet, poliert und verfeinert worden.

 

„Pansy, du hast ganze Arbeit hier geleistet“, sagte er, ehrlich beeindruckt.

 

Pansys Mundwinkel hoben sich zufrieden bei diesem Kompliment. „Du weißt doch, dafür wurde ich geboren, Draco.“

 

Er neigte ihr den Kopf zu. „Das hast du immer gesagt“, erwiderte er leise. „Ich glaube, dass ich niemals begreifen werde, wie viel Arbeit es kostet, so etwas zu leisten.“

 

Pansy schniefte wieder. „Deine Mutter hat fabelhafte Arbeit geleistet, mag sie in Frieden ruhen. Ich habe nur fortgeführt, was sie begonnen hat.“ Sie hakte sich bei ihm unter. „Komm, ich führe dich rum, bevor ich dich ausfrage. Boris, würden Sie uns Tee in den Salon bringen?“

 

Pansy mochte vielleicht ein gutes Oberhaupt hier im Haus sein, aber Boris war kein höriger Hauself. Ein leicht angewiderter Ausdruck lag auf seinem mürrischen Gesicht.


„Bitte?“, fügte sie scharf hinzu und verengte die Augen.

 

Dieser murmelte etwas Unverständliches und verschwand. Sein Gang war merkwürdig plump, für so eine schmale Person.

 

Draco sah sie mit erhobener Augenbraue an, und sie verdrehte die Augen. „Keine Sorge, ich nehme ihn mit, wenn ich gehe.“

 

Die Runde begann in der Bibliothek, in der ein riesiger, neuer Perserteppich lag. Außerdem war der Kamin komplett neu gekachelt. Draco erkannte den großen Spiegel über dem Kamin. Er hatte damals in einem der Gästezimmer gehangen. Zwischen den Mahagonibücherregalen hing eine Karte von den britischen Inseln. Magisch, natürlich. Immer wieder fuhr ein winziges Tintenschiff von der Südküste los und zeichnete eine Linie nach Frankreich. Die Runde führte weiter durch die Schlafzimmer, die größtenteils unberührt geblieben waren, außer frischer Farbe an Dracos Wänden und neuen Vorhängen aus braunem und goldenem Satin. Fast Gryffindor-Farben, überlegte Draco.

 

Frische Blumen standen im alten Schlafzimmer seiner Mutter, und Draco war aufgefallen, dass Pansy einige der Portraits ersetzt hatte, die Lucius zuvor fortgebracht hatte. Er hielt vor dem einzigen inne, das alle drei zeigte – ihn und seine Eltern. Es war das letzte Bild, das von ihnen gemacht worden war, ehe Narzissa das Anwesend verlassen hatte.

 

Pansy stellte sich neben ihn. Der Duft ihres Parfüms füllte das Zimmer. „Das hat mir immer gefallen“, sagte sie. „Wie alt warst du da?“

 

„Zwölf“, erwiderte Draco. Seine Stimme klang weit entfernt.

 

Das Gemälde war beinahe schon aus einem anderen Leben. Er betrachtete sein zwölf Jahre altes Ebenbild. Er war noch nicht ganz in seine Züge gewachsen, und er hasste die furchtbare Robe, die ihm seine Mutter damals aufgezwungen hatte. Im Bild zog und zerrte er ständig daran. Es hatte passend dazu noch einen Hut gegeben, aber da hatte er sich strikt geweigert. Narzissa saß auf einem Stuhl, während ihre blassen, eleganten Hände bescheiden in ihrem Schoß gefaltet waren. Sie bewegte sich nicht, blinzelte manchmal, als würde sie immer noch für das Portrait sitzen. Kein Lächeln. Narzissa lächelte nie auf Bilden, denn sie sagte ein Lächeln machte das Bild älter. Aber Draco hatte nie verstanden, warum. Ein Lächeln war zeitlos, seiner Meinung nach.

 

Lucius stand locker hinter Narzissa, einen Arm auf der Stuhllehne, einen Fuß im langen glänzenden Stiefel lässig vor den anderen gestellt. Das war natürlich vor der Untersuchung. Vier Jahre vorher, ehe ihm sein Zauberstab genommen worden war. Sein Ausdruck zeigte kein Zeichen des Verlusts oder dass er vom Ministerium besiegt worden war. Sein schönes Gesicht strahlte über alles hinweg, auch über den Betrachter.

 

Pansy war in einem der Gästezimmer im Ostflügel untergebracht. Und pink war hier eine der dominanten Farben. Aber, was Draco wirklich ins Auge fiel, war das Bett. Oder vielmehr, die Stoffelefanten, die sich auf der Tagesdecke aus Seide gegenseitig verdrängten.

 

Es waren ein Dutzend flauschige Elefanten, in verschiedenen Größen, die in Reihen auf dem Bett arrangiert waren.

 

In der Mitte sah Draco den ältesten Elefanten, groß, gelb und die Ohren könnten neue Nähte gebrauchen. Er wandte an Pansy, um ihr einen entsprechenden Blick zuzuwerfen, aber sie war damit beschäftigt, den Himmel des Bettes in allen Einzelheiten zu beschreiben.

 

Und Draco beherrschte sich nur knapp.

 

Es bestand die Möglichkeit, dass er eine falsche Vermutung anstellte, aber das bezweifelte er.

 

Das nächste Ziel war das Studierzimmer seines Vaters. Aber er hielt vor der Tür inne. Sie standen an derselben Stelle, an der er Hermine beinahe geküsst hatte, damals, als sie Lucius besucht hatten.

 

Pansy missverstand sein Zögern. „Brauchst du einen Moment? Soll ich dich alleine lassen?“

 

Er entschied sich für eine passende Antwort. „Nein, schon gut. Ich denke, ich überspringe dieses Zimmer. Dafür ist später noch Zeit.“

 

Sie nickte, ergriff seine Hand und führte ihn in den nächsten Salon.

 

„Hier gab es nicht viel zu tun. Toolip hat es in Ordnung gehalten, selbst als dein Vater verschwunden war. Sie meinte, es wäre, was er gewollt hätte.“

 

„Wo ist Toolip überhaupt? Du hast sie nicht entlassen, oder?“

 

„Die Elfe?“, schnaubte Pansy. „Da hätte ich mehr Glück, Harry Potter zu verführen. Sie ist im Dorf, Besorgungen machen.“

 

„Wo wir gerade von Thimble Creek sprechen… - alles hat sich dort verändert“, bemerkte Draco.

 

Pansy grinste. „Ja, nicht wahr? Alles wegen der Weißbuche. Ich lasse sie von den Leuten anbauen. Es wäre unmöglich, das Dorf zu unterhalten, mit dem wenigen Gold, dass das Ministerium hier erlaubt. Also musste ich einen anderen Weg finden, Geld zu machen. Die Bäume auf Malfoy Manor sind tatsächlich die besten im Land. Hat uns etwas Zeit gekostet, herauszufinden, wie man das Holz am besten weiterverarbeitet, aber sobald wir es gemeistert hatten, konnten wir direkt an die Zauberstabmacher verkaufen. Und an einige Apotheker. Und das Dorf profitiert von den Verkäufen, wie du wohl gesehen hast.“

 

Sie betraten den Salon und setzten sich gegenüber auf zwei satinbezogene, gestreifte Sofas neben dem Kamin. Pansy schürte das Feuer, während Draco sich die Handschuhe auszog und in seine Tasche steckte.

 

„Die sehen gut aus“, bewunderte Pansy das Kaschmir gesäumte Leder. Es war offensichtlich, dass die Handschuhe überhaupt nicht zum Rest von Dracos Kleidung passten. Pansy fiel so etwas auf.


„Sie gehören Potter. So wie alles andere auch, was ich im Moment trage“, gestand er resignierend ein. „Mir wurde auch mit Haftstrafe gedroht, wenn ich sie nicht zurückbringe.“

 

Pansy richtete ihren Rock und sah ihn schließlich an, die Augen groß und fragend. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mir tatsächlich gegenüber sitzt.“

 

Draco schenkte ihr ein Lächeln. „Bin ich so schlimm gealtert?“

 

Sie lachte auf. Es klang so wie in der Schule. Mädchenhaft, ein wenig herablassend. „Draco, Schatz, selbst mit dieser Frisur bist du unwiderstehlich, auch wenn du einhundertundacht Jahre alt wärst.“ Sie wurde ernst. „Aber war es so schlimm, wie die Zeitungen vermuten lassen? Sie sagen, du warst eine zeitlang in Afrika. Stimmt das?“

 

„Ich war in Ägypten“, bestätigte Draco. „Ich war in Europa, zwei Jahre davor.“


„Was ist in Ägypten passiert?“

 

Kurz sah es so aus, als wolle er nicht ins Detail gehen, aber dann sprach er. „Ich habe Bellatrix aufgespürt, sie bis nach Kairo verfolgt, dann ist sie nach Kenia geflohen. Am Ende, habe ich in sie Nairobi gestellt und sie zurück nach Kairo gebracht, ehe wir hierher kamen.“

 

„Ja“, sagte Pansy, die Augen groß. Ein Schauer schien sie zu befallen. „Und ich glaube, alles, was dazwischen passiert ist, würde mir Albträume bereiten. Sag mir eines. Wäre es möglich gewesen, dass das Ministerium sie hätte fangen können, wärst du zurückgekehrt und hättest gesagt, was du wusstest?“

 

Das Untersuchungs-Team hatte diese Frage natürlich schon von allen Seiten beleuchtet. Er sagte ihr dasselbe, was er dem Ministerium gesagt hatte. „Vielleicht“, räumte Draco ein, „aber ich denke, ich habe es nur geschafft, weil ich fähig war, mich in sie hineinzuversetzen, sozusagen. Es hat viel Zeit gedauert, mich ihr zu nähern, ohne dass sie es gemerkt hat. Ich kann dir nicht sagen, wie paranoid sie gegen Ende geworden ist.“


„Und aus gutem Grund, wie es scheint“, bemerkte Pansy.

 

Seine Antwort war ein sardonisches Lächeln.


„Hast du immer noch Gefühle für Granger?“, fragte sie mit fast grausamer Gleichgültigkeit. „Du bist seit mehr als einer Stunde hier und hast nicht einmal ihren Namen erwähnt. Man kann die Umstände wohl kaum vergessen, als du verschwunden bist“, erwähnte sie. „Oder erraten, warum du jetzt wieder hier bist.“

 

„Meine Gefühle in dieser Sache sind unverändert“, erwiderte Draco neutral.

 

„Es wird dich viel Zeit kosten, sie dazu zu bringen, die wieder zu vertrauen. Ich würde dir niemals vergeben, selbst wenn du Bellatrix Lestrange als Entschuldigung mit dir zurück gebracht hast.“


„Danke, Pansy.“

 

Ihr Blick war mitfühlend. „Entschuldige, dass ich so pessimistisch bin. Vor vier Monaten ist August Winthrop auf einer Mission nach Devonshire umgekommen. Er und Millicent waren bloß zwei Wochen verheiratet gewesen.“

 

„Verfluchte Scheiße“, zischte Draco. „Was ist passiert?“

 

„Seltsamerweise hat jemand behauptet, dich gesehen zu haben. Das Ministerium hat zwei Leute losgeschickt, das tun sie üblicherweise, wenn eine Malfoy-Sichtung vorliegt – sei es wegen dir oder deinem Vater. Niemand hat erwartet, direkt in ein Todesser-Camp zu wandern. Und es waren keine Auroren gewesen, die das Ministerium geschickt hatte. Winthrop war bloß Verwaltungsleiter, meine Güte. Millicent ist seitdem untröstlich. Liebe ist eine Last, Draco“, sagte sie, ein wenig zu scharf, als dass es ein neutraler Kommentar sein könnte. „Es macht dich verwundbar für alle Schmerzen, aber ich denke, das weiß du schon.“


„Weswegen du ein glücklicher Single bleibst, nehme ich an?“ Draco betrachtete sie wachsam.

 

Sie blinzelte verblüfft bei diesem Themenwechsel. „Ja, ganz genau.“

 

Draco legte seine Arme zurück auf die Sofalehne und begutachtete die Tür. „Dein Boris braucht ziemlich lange für den Tee.“

 

Als wäre es ein Stichwort gewesen, hörte er das Geräusch einer Tür, die zu laut ins Schloss fiel und anschließend das Geräusch von zerbrechendem Glas.

 

Pansy wirkte kurz beunruhigt, zauberte aber schließlich ein Lächeln auf ihre Züge. „Die Küche ist etwas entfernt.“

 

Draco versteckte seine Belustigung. „Ja, ich erinnere mich.“

 

Pansy Lächeln wurde schmaler, und sie erhob sich. „Ich sehe mal nach, warum er so lange braucht.“

 

Nach einem kurzen Moment, zog Draco Harrys teure Handschuhe aus der Tasche und ließ sie auf dem Sofa liegen.

 

**

 

Er blieb für insgesamt drei Stunden. Wenigstens kochte Pansy besseren Tee als es Potter tat. Sie hatte entschieden eine Soiree zu veranstalten, um Malfoy Manor wieder zu öffnen, und seinen rechtmäßigen Bewohner willkommen zu heißen. Draco war klug genug, nicht zu widersprechen. Denn es war eigentlich Pansys Auf Wiedersehen, und er würde es ihr nicht verwehren.

 

Draco hatte darauf bestanden, dass sie blieb, um die erfolgreicher Zucht der Weißbuchen zu überwachen, aber sie hatte ihm versichert, dass im Dorf bereits ein ausreichend ausgebildeter Zauberer ihren Platz einnahm. Es hatte ihn etwas Überredung gekostet, aber sie hatte ihm schließlich verraten, dass sie nach Norditalien gehen würde, um dort in einem Haus zu leben, was sie erworben und renoviert hatte. Boris, der so gut wie unvermittelbar war, würde sie mitnehmen.

 

Aus Mitleid, behauptete sie.

 

Pansy war vieles, aber Draco hatte nicht gewusst, dass sie eine weiche Seite besaß.

 

Draco würde im Dorf bleiben, bis die Transaktion erfolgreich beendet wäre, trotz ihrer Proteste sofort in sein Zimmer zu ziehen. Nach sechs Wochen mit Potter kam Draco die Einsamkeit gerade recht.

 

Er verließ gerade das Anwesen durch die Tore, als Boris außer Atem zu ihm aufschloss.


„Mr Malfoy! Die haben Sie vergessen!“, rief er und deutete auf Harrys Handschuhe.

 

Draco wandte sich gereizt zu ihm um. Er griff sich die Handschuhe. „Merlin, Goyle, das hat verdammt lange gedauert. Wäre ich noch langsamer gegangen, wäre ich irgendwann rückwärts gelaufen.“

 

Goyles Mund öffnete sich perplex. Er sah aus wie ein geschockter Goldfisch. „Was… du… du weißt es!“

 

„Ja, ich weiß es“, schnappte Draco. „Als wäre die kleine besitzergreifende Vorstellung im Foyer nicht schon genug gewesen, dann hätte mich spätestens die bunte Safari auf Pansys Bett überzeugt.“

 

Goyles Mund schloss sich. „Nun, ja. Sie mag Elefanten”, murmelte Goyle.

 

„Das hatte ich angenommen“, seufzte Draco. „Warum zur Hölle bist du hier? Wenn sie dich finden, verbringst du den Rest deines Lebens in Askaban! Ganz zu schweigen, was sie ihr antun würden!“


„Sie werden mich nicht finden. Ich bin Boris, schon vergessen?“

 

„Was mich zu der Frage bringt: Wo ist der echte Boris?“ Draco verengte die Augen. „Oder will ich das nicht wissen?“

 

Er ist ein Verkäufer aus Ulaanbaater in der Mongolei. Er hat hiervon keine Ahnung, und wir haben genug seiner Haare, um noch ein weiteres Jahr Vielsafttrank zu verwenden und… ja, du willst es nicht wissen.“

 

Draco runzelte die Stirn. „Dann hoffst du besser, dass niemand aus dem Urlaub wiederkommt und sich wundert, warum ein Verkäufer, den sie gesehen haben, plötzlich Türgriffe für Pansy Parkinson in Wiltshire poliert!“

 

„Wer zur Hölle geht nach Ulaanbaatar in der Mongolei, um Urlaub zu machen?“

 

Draco dachte kurz nach. „Stimmt auch wieder”, schloss er.

 

Goyle wirkte kurz unschlüssig und besaß dann die Dreistigkeit ihn anzugrinsen. „Gut, dich zu sehen. Selbst wenn du aussiehst wie Scheiße.“

 

Draco fragte sich, ob er nun dazu verdammt war, ständig über sein verlorenes Aussehen hören zu müssen. „Seit wann bist du schon Boris, der Diener?“

 

„Seit zwei Jahren.“

 

Wieder wurde er zornig. „Scheiße, Goyle! Ich hätte angenommen, nach so langer Zeit hättet ihr euren Plan – was auch immer euer Plan ist – in Angriff genommen!“


„Tja, es war nett, hier zu leben, in Frieden, nach allem, was ich tun musste… das weißt du alles, nehme ich an. Es wundert mich, dass sie mich überhaupt zurückgenommen hat! Du kannst nicht verurteilen, dass wir ein wenig Routine wollten.“

 

„Du hättest es mir sagen sollen! Es beleidigt mich, dass weder du noch Pansy mir vertrauen.“


„Malfoy, bei allem Respekt, wir haben erst vor zwei Monaten erfahren, dass du noch am Leben bist. Wir wussten nicht, was wir denken sollten, ehe wir dich gesehen haben. Du hättest geschickt worden sein können, um mich zu finden.“

 

„Und was denkst du jetzt?“

 

Goyle schien nachzudenken. „Ich denke, du bist zurückgekommen, aus demselben Grund aus dem ich auch zurückgekommen bin. Und da ist etwas, was Pansy nicht gesagt hat…“

 

Draco sah ihn neugierig an. „Ja?“

 

Goyle zögerte. „Also, ich nehme bloß an, dass Pansy es dir nicht gesagt hat, weil du gerade nicht danach aussiehst, als würdest du gerne jemanden umbringen wollen-“

 

„Ich weiß von Snape“, unterbrach ihn Draco. „Und ich bin in der Lage, etwas dagegen zu tun, jetzt, wo ich meine Identität zurückhabe.“

 

Goyle nickte schnell. „Natürlich ist furchtbar, was ihm passiert ist. Er wurde verhaftet, weil er Lucius befreit hat, aber dann war da noch die illegale Verwendung von Veritaserum gegen Pansy, in der Nacht, als wir verschwunden sind. Sie hat sogar einen Brief geschrieben und gesagt, es hätte ihr nichts ausgemacht, sie hätte ihm schon längst vergeben, aber das hat nichts gebracht. Dumbledore hat alles versucht, um ihn zu retten, aber alle Stimmen waren gegen Snape.“


„Wenn es nicht um Snape geht, was hätte mir Pansy sonst sagen sollen?“

 

Goyle wirkte nun besonders nervös. „Nicholas Winter”, sagte er schnell. „Er ist muggelgeboren und arbeitet in Grangers Abteilung. August Winthrop und Winter waren gute Freunde. August und Millicent waren oft hier zu Gast und… ich habe die Gespräche belauscht, als fleißiger Diener, der ich nun mal bin.“

 

„Nicholas Winter?“, wiederholte Draco, und sein Ausdruck verdunkelte sich.


„Er ist Grangers Chef. Nicht wirklich Chef. Eher ein… Abteilungsleiter. Vielleicht nicht mal das. Vielleicht ist er auch bloß ein Kollege, ich könnte auch falsch liegen. August hat jedenfalls immer erzählt, dass Nick die Abteilung praktisch leitet.“

 

Draco hob ungeduldig die Hand. „Greg, wer zur Hölle ist Nicholas Winter, und warum sollte ich so was wie mörderische Wut ihm gegenüber empfinden?“

 

Goyle schenkte seinem alten Freund ein Blick voller Mitgefühl. „Er ist Grangers fester Freund.“

 

**

 

Epilogue: Part Six


Pansy Parkinson wusste, wie man eine Party feierte.

 

Hermine nahm das Kristallglas, gefüllt mit Champagner, von Nick entgegen. Sie trank einen abwesenden Schluck und war kurz vom frischen Rosé Geschmack überrascht. Es war tatsächlich angenehm hier. Pansy machte wohl keine halben Sachen.

 

Der pinke Champagner war die einzige auffällige Farbe der Dekoration. Alles Übrige war elfenbeinweiß dekoriert. Die Decke war vollständig in elfenbeinfarbene Seide gekleidet und Tücher waren so drapiert, dass die Schatten im Kerzenlicht tanzten.

 

Es war, als betrachte man Wolken unter Wasser, was unglücklicherweise allerdings nicht war, woran Hermine gerne erinnert wurde.

 

Der Stoff war um jede der vier Säulen des Saals gewickelt und mündete in einer hübsch dekorierten Stoffschnecke am Boden. Hermine stand vor einer dieser Säulen und stellte sich vor Jack mit den Zauberbohnen zu sein, im Land der Riesen. Sie fühlte sich von allem überschattet, aber das hatte nichts mit der Größe des Saals zu tun. Wenn man so nervös war, hatte man immer das Gefühl, kleiner zu sein als sonst.

 

Die Kellner zirkulierten so unauffällig mit Tabletts voll Champagner und Canapés, dass man sie gar nicht bemerkte, bis sie einen am Ellbogen berührten, und höflich fragten, ob man noch etwas trinken oder eine happen essen wollte. Wollte man jedoch an derselben Stelle bleiben, war zwei lange Tische im rechteckigen Raum aufgestellt worden, beladen mit Essen. Ein gefährlich aussehendes Kobold Duo, die Flöte und Laute spielten, standen in der Ecke weiter hinten. Sie nahmen keine Wünsche bezüglich der Musik entgegen, wie Neville Longbottom bereits festgestellt hatte.

 

Nach einer Stunde war der Saal noch immer nicht bis zur Gänze gefüllt. Hermine schätzte die Zahl der bereits Anwesenden allerdings auf über zweihundert. Es war eine gute Mischung. Ehemalige Slytherins – viele von ihnen. Die Gryffindors waren hier wegen Harry. Einzeln verteilt gab es noch Ehemalige anderer Häuser. Dann waren Lehrer gekommen, Dumbledore nicht, und einige Abteilungen aus dem Ministerium, auch Nicks Boss. Ron war auffällig abwesend, hatte er doch seiner Mutter versprochen, Zeit im Fuchsbau zu verbringen. Molly hatte das leere-Nest-Syndrom, seitdem auch Ginny nun vollständig nach Grimmauld Platz gezogen war.

 

Hermine bereute nun, Nicks Einladung zum Essen vor der Party nicht angenommen zu haben. Es hatte einfach zeitlich nicht gepasst. Sie hatte sich auf der Arbeit umgezogen, und sich beschwert, dass sie nicht die Zeit gefunden hatte, Zauber auf das Kleid zu legen. Immerhin war die dunkelrote Farbe gnädig gegenüber Falten. Sie hätte ihr Outfit besser planen können, aber hätte sie noch mehr Anstrengungen in diesen Abend gesteckt, wäre ihr Kopf explodiert.

 

Sie war schon auf der Arbeit zu nichts zu gebrauchen gewesen.

 

Aus der Eingebung heraus hatte sie eine noch dunklere, ärmellose Tunika um die Schultern gelegt. Vorne war es wie eine Korsage geschnürt, und war nur um Weniges kürzer als das Kleid. Sie hatte auch keine Zeit für eine aufwendige Frisur gehabt, was auch nicht nötig gewesen war, denn es war ja eine pflegeleichte Frisur. Sie hatte etwas Styling Gel hinzugegeben, um die Locken mit den Fingern nachzuformen. Die Schuhe waren eine ganz andere Sache gewesen. Es war zu kalt für irgendetwas mit offenen Zehen gewesen, also hatte sie hohe, schlanke braune Stiefletten angezogen, die sie auf einer Shopping Tour in London mit ihrer Mutter gekauft hatte. Sie passten vielleicht nicht völlig zum Kleid, aber das Kleid war lang, und wer achtete schon darauf? Nick kannte Merlin sei Dank nicht einmal den Unterschied zwischen einem Winterstiefel und einem Paar Espadrillos.

 

Draco Malfoy allerdings kannte den Unterschied höchstwahrscheinlich.

 

„Und warum denkst du darüber nach?“, fragte sie die nervige Stimme in ihrem Kopf, die so klang, wie eine achtzehnjährige Version ihrer selbst.

 

Ihr hungriger Magen rumorte. Sie nippte nur am Champagner, weil es ihr wenigstens etwas zu tun gab. Unglücklicherweise stieg er ihr direkt in den Kopf. Es war nicht vollkommen unangenehm. Das schwere, weiche Gefühl, das in ihren Knien anfing und hoch in ihren Kopf wanderte. Böse mit sich selbst stellte sie das Glas auf das nächste leere Tablett, das an ihr vorbei getragen wurde.

 

Nick blieb an ihrer Seite, warm und aufmerksam. Er sah sehr nett in seinem dunklen Anzug aus. Hermine war dankbar, dass er sie nicht auf ihre Stimmung ansprach und weshalb sie sich anscheinend seit einer Stunde dringend hinter der riesigen Eisskulptur auf der anderen Seite der Halle verstecken wollte.

 

Die Skulptur hatte natürlich auch in Drachenform sein müssen. Die Augen wirkten wie karamellisierte Kirschen. Sie schritt näher, m sich zu vergewissern und fragte sich, ob es jemand merken würde, wenn sie eine Kirsche ausstach.

 

„Di weißt, wir können gehen, wann immer du willst“, sagte Nick in ihr Ohr. „Eigentlich hätten wir auch gar nicht kommen müssen.“

 

Das war sehr verständnisvoll von ihm. Sie hatte auch nichts anderes von ihm erwartet.

 

Hermine hatte nicht zu ausschweifend von ihrer Zeit mit Draco berichtet, aber nach sechs Monaten voller zwangloser Verabredungen wusste Nick genug, um anzunehmen, dass ihr Draco Malfoy irgendwann mal etwas bedeutet hatte. Wichtiger war, er wusste, dass es nicht gut ausgegangen war.

 

Er lag richtig. Sie musste nicht hier sein. Sie war eingeladen worden, natürlich, obwohl niemals aus den Einladungen hervorgegangen war, dass Draco das gewollt hatte.

 

Draco war der Ehrengast, aber es war Pansy Parkinsons Party. Sie hatte sich höflich zurückgemeldet und angegeben, dass Nick ihr Date sein würde. Nick war mit Pansy über August Winthrop befreundet.

 

Befreundet gewesen, erinnerte sich Hermine bitter. Noch ein Tod, wegen der Malfoys, wenn auch nur indirekt. Millicent Winthrop, geborene Bullstrode, war natürlich nicht hier.

 

Hermine wünschte sich, Nick würde mit ihr reden. Sie fühlte sich nutzlos, während sie rumstand und gar nichts tat. Noch ein Kellner schwebte praktisch an ihr vorbei, und resignierend ergriff sich Hermine ein neues Glas Champagner.


Auf der anderen Seite des Saals schnippte Harry voller Konzentration kleine Stückchen, die er nicht mochte, von seinem Canapé. Ginny stand neben ihm und sah bezaubernd in ihrem grünen Kleid aus, die roten Haare lockig hochgesteckt. Sie unterhielt sich angeregt mit Neville Longbottom.

 

Als würde Harry ihren Blick spüren, hoben sich seine Augen. Seine Brille rutschte ein Stück seine Nase hinab, und er korrigierte es mit seinem Zeigefinger, mit dem er vorher noch Stückchen von seinem Canapé geschnippt hatte. Harry sah besonders gut aus, in seinem schwarzen Smoking, mit weißer Fliege um seinen Nacken.

 

Er winkte ihr mit dem Canapé (was jetzt nur noch ein Weizenmehl-Plätzchen war) aufmunternd zu.

 

Nick sah es ebenfalls. „Sieht aus, als würde Potter gerne mit dir reden. Geh vor, ich komme nach.“

 

Es wurde wahrscheinlich sowieso mal Zeit, sich zu bewegen, dachte Hermine. Die Eisskulptur ließ sie zittern.

 

Immer noch kein Zeichen von Draco. Es störte sie auch überhaupt nicht, erinnerte sie sich wieder. Sie war hier, um Nick zu begleiten, welcher wiederum hier war, um Pansy einen Gefallen zu tun. Und es wäre auch nicht möglich, alles, was mit Draco zu tun hatte, den Rest ihres Lebens zu vermeiden. Sie waren doch verdammt irgendwann aufeinander zu treffen, oder nicht?

 

Aber es sah nicht so aus, als ob es heute Nacht soweit sein würde.

 

Etwas von der Anspannung in ihrem Magen löste sich bei dieser Aussicht. Es war, als würde sie gleich die Ergebnisse ihrer Utze erfahren, für die sie nicht gelernt hatte.

 

Mit einem gekünstelten Lächeln durchquerte Hermine den Ballsaal, ohne die Gäste zu behindern, die in kleinen Gruppen beieinander standen und sich unterhielten. Der lange Rock wehte um ihre Beine, während sie ging.

 

„Hi“, begrüßte Harry sie.

 

„Hi“, erwiderte Hermine, etwas ungeduldig. „Was ist?“

 

Seine Augenbrauen hoben sich auf Grund ihrer kurz angebundenen Worte. „Nett, dich auch zu sehen. Ich wusste nicht, dass dieser Winter-Typ auch eingeladen war. Seit ihr zusammen gekommen?“

 

Harry tat etwas, was er nicht besonders häufig tat. Er war bissig.

 

„Winter-Typ?“, wiederholte Hermine entnervt. „Harry, du weißt, dass wir zusammen sind. Ich wünschte, du würdest das endlich begreifen.“


„Ich kann nicht anders. Ich kann die Ministeriums-Finanzverwaltung nicht leiden. Sie haben bereits unser Budget für dieses Jahr gekürzt. Und du bist nicht wirklich mit ihm zusammen, oder?“

 

„Wir gehen seit sechs Monaten aus!“

 

„Pff“, machte Harry und seine Nase kräuselte sich. „Das ist doch gar nichts.“

 

„Nur weil es dich sechs Jahre gekostet hat, Ginny zu bekommen“, fuhr Hermine ihn an.

 

„Ich weiß nicht, ob ich das Wort bekommen unterstütze“, mischte sich Ginny ein, nachdem Neville Professor Sprout begrüßen gegangen war. „Nebenbei, die Farbe steht dir wunderbar, Hermine. Ist es ein Kleid von Madame Lacroix?“

 

„Tut mir leid, Ginny. Und ja, es ist ein Lacroix.“ An Harry gewandt ergänzte Hermine, „Ich wusste nicht, dass du ihn nicht leiden kannst, und er kann nichts für seine Arbeit.“

 

Harry schien froh zu sein, weiter ausholen zu können. „Er ist etwas… verschroben. Ich ziehe den Draußen-Typ vor.“

 

Hermine konnte nicht fassen, was sie hörte. „Tja, gut, dass ich mit ihm zusammen bin und nicht du.“

 

Ginny lächelte, als sie sprach. „Seid ruhig, ihr beiden, er kommt.“

 

Nick erreichte sie, wie versprochen. „Hallo Harry, Ginny.“

 

Ginny lächelte freundlich. „Hallo Nicholas, wie geht es dir?“

 

„Es geht mit sehr gut, danke. Und dir?“

 

„Ihr geht’s super“, unterbrach Harry das Gespräch. „Sag mal, Winter, könntest du uns einen Gefallen tun?“

 

„Uns?“, wiederholte Hermine und verengte die Augen. Es gab wirklich keine Sympathie zwischen Harry und Nick, seit der letzten Budgetkürzung.

 

Nick schwieg, sah Hermine an, ehe er sich wieder an Harry wandte, mit dem Enthusiasmus, den vielleicht jemand an den Tag legte, der sich bereit erklärt hatte, sich vor Publikum mit Messern bewerfen zu lassen. „Sicher, welchen Gefallen?“

 

„Büroklammern.“

 

Nick blinzelte. „Büroklammern?“

 

„Jaah“, sagte Harry. „Ich bin dabei eine Bedarfsermittlung über Büroklammern aufzustellen, aber es ist dringend, verstehst du? Wir brauchen sie für administrative Angelegenheiten, die nicht warten können. Die Sache ist die, meine Abteilung hat ihre vorgeschriebenen Ausgaben für Büroartikel anscheinend für diesen Monat erreicht.“

 

„Auroren haben vorgeschriebene Ausgaben für Büroartikel?“, warf Ginny ein, während Harry sie an seine Seite zog und einen Arm um sie legte.

 

„Du möchtest, dass ich deiner Abteilung einen Vorschuss für nächsten Monat gebe, damit deine Abteilung… Büroklammern kaufen kann?“, fasste Nick trocken zusammen.

 

„Könntest du?“, strahlte Harry jetzt. „Ich meine, würdest du die Angelegenheit mit deinem Boss besprechen? Ich wäre dir ja so dankbar.“

 

„Ja, ich denke-“

 

„Das ist nett von dir“, unterbrach ihn Harry erneut. „Cawldash steht hier vorne“, ergänzte er und deutete auf einen stämmigen, rotgesichtigen Gentleman in einem Kilt, der einen Kellner praktisch mit dem Accio zu sich gerufen hat, für einen Drink.

 

„Harry, das war gemein von dir“, maßregelte Ginny ihn, nachdem Nick gegangen war, um Harrys Gefallen zu erfüllen.

 

Harry grinste. „Ja, nicht wahr? Wenn Calwdash erst mal anfängt, gibt es kein Entkommen, bis jemand dumm genug ist, das Gespräch mit ihm zu unterbinden.“

 

Hermine betrachtete Harry mit mildem Abscheu. „Du hättest ihn einfach bitten können, uns für einen Moment zu entschuldigen. Er hätte schon verstanden.“

 

„Ja, aber ich bin gerne gemein.“

 

Sie verdrehte die Augen. „Du hast meine volle Aufmerksamkeit, Potter. Spuck es aus.“


„Ich denke, es wird Zeit, dass du mit Malfoy sprichst.“

 

Ihre Hand fand den Weg zu ihrer Hüfte. „Das kann ich mir denken.“

 

„Diese Vergangenheit zwischen dir und ihm ist ein loser Faden und… er hängt einfach nur da“, beharrte Harry. „Wenn du weiterhin Beziehungen führen möchtest, sei es mit Winter (er seufzte dramatisch auf, nach diesem Namen) oder mit einer anderen Person, dann sag das Malfoy. Für euer beider Wohl.“

 

„Und selbst wenn ich mit diesem Kapitel abschließen wollen würde, Harry, er ist ja nicht mal zu seiner eigenen Party aufgetaucht!“

 

Harry wirkte für einen Moment verwirrt. „Er steht doch da drüben.“

 

Großer Gott. Ja, das tat er.

 

Nur Draco Malfoy konnte heimlich auftauchen, ohne es überhaupt zu merken. Er stand direkt neben der Eisskulptur. Hermine war plötzlich sehr dankbar, dass Harry sie zu sich gelockt hatte.

 

Sie starrten ihn an, wie eine weitere Vielzahl an Gästen, die sein Auftauchen ebenfalls bemerkt hatten. Neben dem Tisch mit den Getränken machten Pansy Parkinson ein zufriedenes Geräusch, als der Ehrengast erschienen war und stöckelte hinüber, wie ein aufgeregter, tropischer Vogel.

 

Ginny berührte sie am Arm. „Hermine, sag etwas.“

 

Er war etwas gewachsen.

 

Besser gesagt, er war überall etwas gewachsen.

 

„Etwas“, befolgte Hermine Ginnys Anweisung. Ihre Stimme klang dünn wie Papier.

 

Malfoy war nie wirklich dünn gewesen. Viele Kinder waren dünn wie Bohnenstangen und füllten die Körper erst mit der Pubertät aus. Draco nicht. Er war kleiner gewesen, in ihrem ersten Jahr, und er war auch erst im dritten Jahr in die Höhe geschossen. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er schlank und muskulös gewesen, typische Sucher-Figur. Jetzt sah er so aus, als ob er Klatscher mit der Hand verscheuchen konnte.

 

Ihr Herz schlug seltsame Purzelbäume.

 

Er sah völlig anders aus und dennoch gleich. Er war schlank. Das Schlaksige an ihm war verschwunden. Er füllte die formalen schwarzen Roben mit Leichtigkeit aus. Und die Roben waren nicht eng, sie waren einfach wunderbar geschnitten. Hermine fragte sich, ob Pansy dafür gesorgt hatte, denn Harry hatte erwähnt, Draco interessierte sich nicht mehr für Mode. Ihre Augen wanderten zu seinen Füßen, und sie war fast amüsiert. Seine Lackschuhe waren vielleicht mal schwarz gewesen, aber die Sonne hatte sie ausgeblichen. Immerhin schien er sich selber für die Schuhe entschieden zu haben. Sie waren ausgelatscht, und auch auf die Entfernung konnte sie erkennen, dass sie wohl ziemlich bequem sein mussten.

 

Im Moment befand sich Malfoy immer noch im Gespräch mit Pansy. Hermine erkannte nur sein Profil. Pansy schien aber die Unterhaltung ziemlich alleine zu führen. Kurz hatte sie die Hand gehoben, um seinen Pony neu zu frisieren, nachdem sie zufrieden mit seinen Festtagsroben schien. Hermine hörte, wie Pansy ein Quietschen unterdrückte, als auch sie Dracos Schuhe bemerkte. Aber dieser neue Draco schien sich gar nicht an Pansys Gebärden zu stören, hätte er doch früher ihre Hand zur Seite geschlagen. Er wirkte einfach nur gelangweilt und ungeduldig.

 

Hier stand sie, am Rande eines Nervenzusammenbruchs und Draco Malfoy war gelangweilt.

 

Und dann hob er den Blick zum Rest des Saals, und Hermine fand sich seiner vollen, frontalen Präsenz ausgesetzt. Sie sah sein Gesicht, dieselbe starke lange, gerade Nase. Die Wangenknochen wirkten deutlicher hervorgehoben, denn sein Gesicht wirkte schlanker, als sie es im Gedächtnis gehabt hatte. Aber der Rest von ihm hatte sich definitiv ausgefüllt. Seine Schultern waren breiter, seine Brust ebenfalls. Die Festtagsroben fielen hinab bis zu seinen Füßen, also konnte sie seinen Unterkörper nicht erkennen, und sie fragte sich, warum zur Hölle sie darüber nachdachte.

 

Immer noch lag etwas Jungenhaftes auf seinen Zügen. Sie konnte es in seinem Mund erkennen und wusste, seine Mundwinkel würden sich um ein Weniges heben, wäre er amüsiert oder höhnisch.

 

Überraschenderweise sah er weniger aus wie Lucius, als sie gedacht hatte. Weniger Überheblichkeit und Arroganz lagen auf seinen Zügen. Er wirkte ruhig und gefasst. Sehr gefasst.

 

Anscheinend zufrieden hatte sich Pansy von ihm abgewandt, damit er sich unter die Leute mischen konnte.

 

Oh Gott. Hermine suchte den Saal ab und wünschte, dass jemand auf ihn zukäme, ihn ablenken würde.

 

Aber niemand kam. Es war seine eigene Schuld, dass er so verdammt unnahbar war. Sie zwang sich, ihn weiter anzusehen, sich normal zu verhalten, überzeugt, dass er denken würde, sie würde mit Absicht wegsehen, würde er sie mit seiner Aufmerksamkeit würdigen.

 

Und es passierte. Draco sah direkt in ihr Gesicht. Es war, als würde sie mental vor eine Wand geworfen. Dieser alleswissende, belastende Blick, der ihre ohnehin wachsende Panik sofort ins tausendfache steigern konnte. Die Geräusche des Saals schwanden in ihren Ohren, bis sich alles zu einem Summen vermischte. Diese grauen, unnatürlich hellen Augen betrachteten sie unablässig.

 

All die anderen Gefühle, die sie sich so hart antrainiert hatte – Ärger, Bitterkeit und Schmerz – wurden momentan verdrängt, und nichts blieb, außer nackter und düsterer Offenbarung.

 

Hermine registrierte, dass Draco Malfoy immer noch die Fähigkeit besaß, sie vergessen zu lassen, wie man atmete.

 

„Es geht los“, hörte sie Ginnys entfernte Stimme.

 

Er kam direkt auf sie zu. Auf sie, Harry und Ginny. Ich kenne diesen Gang, dachte Hermine, ehe sie sich aufhalten konnte. Sie war oft genug hinter ihm her gelaufen, in den furchtbaren zwei Wochen, in denen dieser Gang sich für immer in ihre Gedächtnis gebrannt hatte. Draco hatte es nie vollbracht, ziellos umherzuwandern. Er lief immer sehr offensichtlich auf etwas zu.

 

Er kam auf sie zu.

 

Oder vielleicht auch nicht?

 

Dann war er direkt an ihr vorbeigegangen. Nah genug, dass Hermine sein würziges Aftershave hatte erahnen können. Er lief weiter, bis er hinter dem Canapé-Tisch verschwunden war.

 

„Äh… ok“, sagte Harry. „Das lief gut.“

 

Dumme Tränen stiegen in ihr auf. Natürlich waren sie nicht wirklich dumm und irrational. Es war vollkommen normal, dass sie wütend war, aber sie kam sich dennoch dumm vor.

 

Hermine sah sehnsüchtig zu den französischen Türen, die auf die Veranda führten.

 

„Entschuldigt mich“, sagte sie zu Harry und Ginny. „Ich gehe raus, etwas frische Luft schnappen.“

 

Man musste ihnen zu Gute halten, dass weder Harry noch Ginny irgendwelche Fragen stellten. Sie erinnerten sie auch nicht daran, dass es eisigkalt draußen sein würde. Sie wirkten ebenfalls etwas erschüttert, nach diesem Fast-Zusammentreffen. „Lass dir Zeit“, bestätigte Ginny. „Ich sage Nick, dass du gerade beschäftigt bist.“

**


Nicholas Winter war kein Troll. Draco hatte ihn über eine Stunde lang intensive beobachtete und war mit sich darüber eingekommen, zumindest diese Tatsache zu akzeptieren.

 

Aber er war dennoch ein Buchhalter. Das reichte immer noch für Dracos ich-kann-dich-nicht-leiden-sei-es-auch-aus-dem-dümmsten-Grund-heraus Szenario.

 

Was er von den Leuten gehört hatte, die ihn kannten, war Winter Mitte dreißig, gebildet, wohlerzogen, gut gekleidet, liebenswert und hatte nicht die verrückten Massenmörder-Verwandten, über die jedermann Bescheid wusste.

Aber welcher Zauberer hatte bitteschön nicht das ein oder andere schwarze Schaf in der Familie?


Nick Winter war auch noch muggelgebürtig. Noch eine Sache, die er und Granger gemeinsam hatte. Er hatte die Art von Gesicht…

 

Er hatte ein freundliches Gesicht. Das Gesicht eines Mannes, der Grausamkeiten nicht kannte und auch nicht wusste, wie sie bei anderen anzuwenden waren.

 

Er war auch nicht so groß wie Draco. Noch etwas Gutes.

 

Aber es reichte nicht, um Dracos Stimmung zu verbessern. Pansy hatte Nerven, diesen Idioten einzuladen. Sie hatte Draco mit einiger Mühe erklärt, dass Hermine Granger die Einladung nicht annehmen würde, würde sie nicht an Nick Winters gottverdammtem Arm hängen können.

 

Draco hatte fabelhafte Arbeit geleistet, in den Schatten rumzuhängen, bis, sich zu verstecken, keine Option mehr bot. Er war also in den Saal gegangen und hatte einen geschützten Fleck gefunden, neben der scheußlichen Drachenskulptur aus Eis, die Pansy für den Anlass aus Rumänien hatte einfliegen lassen.

Pansy hatte Draco entdeckt und war zu ihm gekommen um extrem schnell und extrem hoch mit ihm zu sprechen. Das bedeutete, dass sie wütend auf ihn war. Er hörte noch ich-kann-nicht-fassen-wie-spät-du-kommst und wo-hast-du-diese-furchtbaren-schuhe-her, ehe er ihre Stimme ausblendete.

 

Es war schwer, aufmerksam zu sein, denn er konzentrierte sich nur auf Winter und Granger.

 

Zusammen. Auf seiner scheiß Party! Potter sprach mit dem Mann. Winter ging und ließ Hermine zurück. Sie würde ihn wohl gleich bemerken. Er spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.

Perfekt war, was dein Kopf dir sagte. Und sie war perfekt, soweit er es einschätzen konnte. Nach so langer Zeit hatte sich sein Gehirn ein eigenes Bild von Hermine Granger zusammen gesponnen, und es sagte einiges, dass die Realität seine kühnsten Träume überholt hatte.

 

Hermines stille Vorzüge schrien praktisch nach ihm. Das dunkelrote Kleid ließ ihre Haut cremig weich erscheinen. Das Kerzenlicht unterstützte diesen Effekt auch noch. Ihr kurzes Haar bettelte fast darum, berührt zu werden. Es wirkte wie die perfekte Länge, damit er seine Hand darin vergraben konnte. Sie war immer noch so klein und schmal, zerbrechlich fast, aber er wusste, es befand sich Stahl unter dieser Erscheinung. Er hatte bereits die Erfahrung gemacht.

 

Gott, er konnte schon praktisch spüren, wie er ausfällig werden würde. Pansy ließ ihn zurück.

Es war wohl besser, zu gehen.

 

Wenn man jemanden liebte, dann tat man alles, damit der andere glücklich war. Selbst wenn er vermeiden musste, sie zu sehen. Vielleicht musste man sogar aus dem Ballsaal verschwinden, um seine Faust in eine verdammte Säule auf dem scheiß Balkon zu rammen.

 

Besser, als einen verdammten unschuldigen Mann zu schlagen, nahm Draco an.

 

Winter zusammenzuschlagen kam nicht in Frage, natürlich. Hermine würde ihm schon so nicht vergeben. Pansy hatte also besonders hilfreich erwähnt, dass Winter nicht Hermines erste Begleitung seit Dracos Verschwinden war. Wenn er Winter ins Gesicht schlagen würde, müsste er noch jeden weiteren Verlierer ausfindig machen, dem Hermine in den letzten fünf Jahren in einem Restaurant gegenüber gesessen hatte.

 

„Sie ist eine Frau, Draco. Wir haben Bedürfnisse“, hatte Pansy ihm heute erklärt.

Zur Hölle, er hatte auch Bedürfnisse gehabt. Eher einfachere Bedürfnisse, als er häufig kein sauberes Trinkwasser hatte finden können. Oder als er einen Handbreiten tiefen Schnitt in seiner Seite gehabt hatte und Nadel und Faden provisorisch aus einem Stück Knochen und der Sehen eines Pferds hatte basteln müssen.

 

Es war nicht so, dass er nicht die Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, dass Hermine wen neues hatte. Er wäre ein Idiot gewesen, nicht darüber nachzudenken. Er hatte sich aber überzeugt, dass sie begreifen würde, was wirklich richtig war – was mit seiner Rückkehr unleugbar im Raume stand – und wieder dorthin gehen würde, wo sie hingehörte.

 

Hermine gehörte an seine Seite.

 

Verdammt. Jetzt wollte er Winter wirklich eins auf die Fresse geben.

 

Das Objekt seiner Begierde wählte diesen Moment aus, den Ballsaal zu verlassen, durch dieselbe Tür, die er gewählt hatte. Sie trat nach draußen auf die Veranda. Sie lief direkt an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken.

 

Nein, das war zu früh. Er arbeitete immer noch daran seine Wut und seine Eifersucht unter Kontrolle zu kriegen. Es wäre nicht klug, ihr Angst einzujagen Draco blieb in den Schatten verborgen. Es sagte viel über ihn aus, das dies ein Ort war, an dem er sich sicher fühlte.

 

Hermine rieb ihre Oberarme als sie nach vorne in den mondbeschienenen Garten blickte. Alles war schwarz und silbern.

 

Der Mond wirkte milchig und enorm groß. Sie betrachtete ihn, ihr Atem als weiße Wolke vor ihrem Gesicht. „Und was starrst du so?“, schien sie den Mond zu fragen.

 

Draco lächelte in der Dunkelheit. Er konnte nicht anders. „Dasselbe, was ich anstarre. Ich mag die kurzen Haare. Sie stehen dir.“

 

Hermine erschrak und wandte sich um. Die Panik in ihrem Blick schmerzte ihn. Aber ihr Gemüt wandelte sich von ängstlich zu zornig, fast innerhalb einer Sekunde. Ja, das war seine Hermine, eine Kreatur der unendlichen Logik, gehüllt in Schichten aus Gefühlen.

 

„Du“, sagte sie, und schaffte es, dass dies wie ein Schimpfwort klang. „Was tust du hier?“


„Ich wohne hier, schon vergessen?“

 

Er glaubte zu sehen, wie sie eine Spur errötete. „Ja, ich dachte, ich wäre allein“, gab sie knapp zurück.

 

„Ich kenne das Gefühl“, erwiderte er still.

 

Sie schritt bereits von ihm fort. Ihr Kleid wehte ansehnlich um ihre Beine. „Ich hab dir nichts zu sagen.“

 

Draco blieb, wo er war, obwohl es ihn ernsthafte Anstrengungen kostete. Er zog es vor, dass Dinge so liefen, wie er es wollte. Und wenn dies nicht so war, dann wandte er Gewalt an.

 

„Dann sag nichts und lass mich reden.“

 

Das hielt sie auf. Sie hatte die Fäuste an ihren Seiten leicht geballt, und schien einzuatmen, um sich zu beruhigen. Die Korsage, die sie trug, ließ ihre Brüste ohnehin anbetungswürdig aussehen, aber die tiefen Atemzüge unterstützten diesen Effekt. Langsam wandte sie sich um.


„Wenn ich es mir recht überlege, dann will das hören. Erklär mir, warum ich die Vergangenheit vergessen sollte? Das willst du doch, oder? Und dann was? Dann heiße ich dich in meinen Armen willkommen? Ist es das, was du dir vorstellst? Harry hat mir so viel gesagt.“

 

Draco entschied, dass die Wahrheit im Moment ausreichend war. „Du gehörst zu mir.“

 

Sie blinzelte exakt zweimal und das sehr schnell. Er konnte sehen, dass die Hand, mit der sie ihn vielleicht schlagen würde, kurz zuckte.

 

„Nach fünf Jahren… wo ich dachte, du wärst tot oder lägst im Sterben oder schlimmer noch – ohne dich überhaupt erreichen zu können, nachdem du diese lächerlichen drei Postkarten geschickt hast! Nach all dem Schmerz, an dem du schuld bist, ist das alles, was du zu mir zu sagen hast? Das?!“

 

„In der Nacht in der Nokturn Gasse, habe ich dir gesagt, es gibt kein

Zurück mehr. Fida Mia hat etwas begonnen, aber wir haben es verdammt noch mal auf eine nächste Ebene katapultiert und dann haben wir es besiegelt, verdammt Scheiße nochmal, Granger. Ich werde nicht so tun, als wäre es eine dumme Romanze gewesen. Du hast gefühlt, was ich gefühlt habe. Gib der Sache Zeit. Bitte.“

 

„Anscheinend hast du nicht so viel gefühlt, wie ich“, erwiderte Hermine mit klarer Stimme. Sie drückte einen Finger über ihr Herz. „Ich bin diejenige mit dem gebrochenen Herzen, schon vergessen? Ich bin nicht gegangen, du bist gegangen. Erzähl mir nichts von Zeit!“

 

Er nickte. „Ja, ich weiß. Ich komme darauf in einer Minute zurück. Jetzt musst du einfach begreifen, dass du nicht für immer wütend auf mich sein kannst. Jetzt bin ich zurück und wir können nicht für immer getrennt sein. Es wird uns umbringen, das tut es doch schon.“

 

Sie schnaubte auf. „Das wird es nicht. Ich bin tatsächlich ganz wirklich über dich hinweg, Malfoy! Ich habe mein Leben weiter gelebt. Es ist nicht meine schuld, dass du das nicht getan hast!“

 

Er machte einen ruhigen Schritt auf sie zu. „Ich habe Zweifel, dass du wirklich weiter gelebt hast. Deine Ausdauer ist erstaunlich. Es ist eines der vielen Dinge, die ich an dir liebe, Granger. Aber du belügst dich selbst, wenn du denkst, du wärst über mich hinweg.“

 

Hermine konnte nicht fassen, was sie da hörte. Besaß er wirklich die Dreistigkeit zu denken, dass er tatsächlich vernünftig war? Wenn sein leichtes, aufwandloses Geständnis seiner Liebe sie nahezu zum Platzen brachte, dann schaffte es sein massives, unbeschadetes Ego ohne weiteres. Hermine bemerkte, dass sie gefährlich nahe dran war, vor ihm zu zerbrechen. Und sie hasste ihn wieder einmal dafür. Das sollte so nicht passieren. Es hatte sie so viel Zeit gekostet, ihr Herz abzuhärten.

 

Sie wandte sich von ihm ab, um wieder mehr Fassung zu gewinnen. Er schien dies als Gleichgültigkeit zu deuten.

 

„Schon gut“, sagte er, und sie war seltsamerweise beruhigt, ein Zittern in seiner Stimme zu erkennen. „Lass es mich dir erklären. Stell dir vor, du wärst ich, fünf Jahre zuvor. Stell dir vor, du wärst in mich verliebt.“

 

Hermine öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber er hielt sie auf. „Warte, hör mich einfach an. Du verliebst dich überraschend. Etwas, von dem du nicht mal erwartet hast, dass du es könntest. Du hasst die Welt, und die Menschen in ihr und du vertraust niemandem. Am wenigsten deiner eigenen Familie, von der du denkst, dass sie dich verraten und verlassen hat. Aber diese neue Liebe… sie ist…“ Draco machte eine Pause und schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „Sie ist bemerkenswert. Ein Sturm, vollkommen leidenschaftlich, zerbrechlich und völlig irrational, mit absolut schlechtem Timing, aber dennoch ist sie da. Hals über Kopf, über deinen Kopf hinaus. Dann passiert etwas und du bist schuld, direkt und indirekt. Etwas Schlimmes passiert, und der andere stirbt.“

 

„Nur, dass ich nicht gestorben bin. Du hast mich gerettet, schon vergessen?“, erinnerte sie ihn tonlos.

 

Dracos Augen schimmerten farblos im Mondlicht. „Nur geradeso, Granger. Ich habe dich nur gerade eben so gerettet. Du bist in meinen Armen ertrunken. Ich habe das Leben aus dir gleiten sehen. Du hast keine Ahnung, was es mir angetan hat. Du bist wegen mir gestorben.“

 

„Aber du hast versprochen, du würdest nicht gehen, ohne es mir zu sagen!“ Ihr fiel auf, dass sie schrei. Sie war verletzt und wütend, und es strömte fast verboten erleichternd aus ihr heraus. Sie konnte nicht aufhören. Sie wollt egar nicht aufhören. Großer Gott, wann war er so nahe gekommen? Sie standen kaum einen Atemzug voneinander entfernt. Sein ernstes, besorgtes Gesicht war über ihrem. Ginnys Haarschnitt war schon ein Stück weit rausgewachsen. Sein PÜony war lang genug, dass er ihn aus den Augen wischen konnte. Seine Haare am Hinterkopf waren jedoch immer noch kurz und stachelig. Eine dünne weiße Narbe zog sich über seinen linken Wangenknochen, eine weitere über seinen Kiefer. Ihr Verstand bemerkte noch ein Dutzend weitere Narbe, weitere Details in seinem Gesicht.

 

„Du wusstest, es war ein Versprechen, das ich nicht halten konnte, als du mich darum gebeten hast“, zischte er.

 

Ein winziger Teil von ihr registrierte, dass Draco Malfoy jetzt zehnmal gefährlicher war, als vorher. Aber Zorn machte einen oft mutiger als man war. Selbst wenn es dummer Mut war. „Also ist deine fünf Jahre lange Abwesenheit auf einmal meine Schuld, was?“

 

„Ich hab getan, was ich tun musste, um sicherzugehen, zu dir zurückkommen zu können. Ich hätte vorher niemals bleiben können. Es hätte einfach nicht funktioniert.“


„Das weißt du nicht!“, sagte sie und ließ all ihren Schmerz in ihre Stimme fließen. „Wir hätten glücklich sein können.“

 

Er schüttelte mitfühlend den Kopf. Das Haar fiel in seine Augen und ungeduldig wischte er es zur Seite. „Hätten wir nicht. Ich hätte nicht so mit dir zusammen sein können, wie ich es jetzt kann.“

 

Ehrlich, sie hätte ihn auch einfach nur ansehen können. Sie hätte hier sitzen können und seinen Anblick aufsaugen können. Das fasste die Summe aller Gefühle in ihr zusammen. Die Erleichterung zu wissen, dass es ihm gut ging, dass er überstanden hatte, in was er sich selbst gebracht hatte, kam sehr spät. Es war wie ein Schlag in den Magen.

 

Oh nein. Sie würde wirklich weinen. Und dann hob sich ihre Hand, wie schon so oft, um sie zu verraten, und legte sich auf seine Wange. Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn verbrannt. Sein Atem ging schneller. Anscheinend zufrieden war ihre Hand wieder zurück an ihre Seite gesunken.

 

Ihr Mund stimmte immerhin noch immer mit ihrem Verstand überein. Sie war an ihrem Schmerz gewachsen, und es gab ihrer Stimme einen schärferen Ton. „Das ist es also, was du mir zu sagen hast? Das war es? Sind wir jetzt fertig, Draco?“

 

Seine Augen glänzten mittlerweile. Nach einem Moment, der eine Ewigkeit zu dauern schien, wandte er sich ab und strich mit Handrücken über seine Augen.

 

„Ja, ich denke, das war’s.“

 

Vor fünf Jahren hätte sie ihren rechten Arm gegeben, damit er sie so ansah, so rau, voller offener Gefühle, wie er es jetzt tat, aber Zeit hatte sie hart werden lassen. Sie fühlte den Triumph und den Hauch von Gerechtigkeit in dem Wissen, dass es im Moment wahrscheinlich keine andere Person auf diesem Planeten gab, die Draco Malfoy so sehr verletzen konnte, wie sie es gerade tat.

 

Und es geschah ihm recht. Dieses Wissen offenbarte eine gewisse Macht. Es half ihren eigenen Schmerz zu linden.

 

Es gab nichts mehr zu sagen. Nick würde sich schon wundern, wo sie war. Hermine wandte sich ab und begann zum Ballsaal zurückzugehen. Zu der Party, wo die Leute lachten. Wie viel hatte sich wirklich verändert, in der Zeit, in der er fort gewesen war? Bellatrix war gefangen, aber Voldemort war immer noch nicht gestürzt. Die Leute hatten immer noch Angst.

 

Die Distanz zwischen ihnen wurde größer, mit jedem Schritt den sie machte. Sie wusste, dass er bleib, wo er war, während er ihr zusah. Er folgte ihr nicht. Keine wütenden Schritte hinter ihr. Er umfasste nicht ihren Arm, um sie herumzudrehen, damit er sie fertig machen konnte und sie eine verdammte Lügnerin nennen konnte. Er küsste sie nicht, um sie zu manipulieren oder zu bestrafen oder ihr Angst einzujagen.

 

Er tat genau das, was sie verlangt hatte. Er ließ sie in Ruhe.

 

Und was war das Ergebnis ihres Ausbruchs? Sie hatte ihr unvermeidbares Zusammentreffen hundert Mal in ihrem Kopf durchgespielt, in den letzten acht Wochen. Seltsam, dass sie gedacht hatte, einen Schlussstrich ziehen zu können. Aber der Schmerz brannte weiter in ihr.

Sie griff nach dem Türgriff der französischen Türen, als es passierte. Ein seltsamer Windstoß erfasste sie, und eine ungeahnte Kraft warf sie zurück, so dass ihr Absatz über den Boden kratzte. Jemand hatte einen kraftvollen Barriere-Zauber im Ballsaal angewandt, um ihn abzuschotten. Als der Spruch mit den Türen in Verbindung geriet, zersprang das Glas. Die statische Aufladung sirrte über ihr in der Luft.

 

Sie schlug auf den Boden und ihre Hände schützten instinktiv ihren Kopf, um den Glasregen abzuwehren. In ihren Ohren klingelte es. Sie versuchte, aufzustehen, begriff aber, dass jemand sie mit seinem Körper schützte. Sie musste nicht aufblicken, um zu wissen, dass es Draco war. Seine Hände waren um ihren Kopf gelegt. Hermine suchte nach ihrem Zauberstab.

Der Glasregen war vorüber, aber Staub lag jetzt dick in der Luft.  Sie begann zu husten. Es war unmöglich, etwas zu sehen. Ihre Knie taten weh, dort wo sie sie aufgeschürft hatte.

 

„Geht es dir gut?“, fragte Draco. Ihre Ohren waren noch nicht wieder fit, denn seine Stimme klang gedämpft.

„Ja“, keuchte sie. „Was ist passiert?“

 

„Wir werden angegriffen“, erwiderte er und zog sie sanft auf die Füße.

 

All die Feindschaft zwischen ihnen war unwichtig geworden. Warum brauchte es immer Tod, Gefahr und Tragödien, um sie zusammen zu bringen, fragte Hermine sich verzweifelt.

 

Immer noch gebückt liefen sie die Stufen der Veranda hinab, an den Rosenbüschen vorbei, zur Rückseite des Anwesens. Das Kerzenlicht des Ballsaals war erloschen. Nichts als Dunkelheit und Schreie hinter ihnen.

 

 

Epilogue: Part Seven

 

„Ich fasse das nicht…“, sagte Hermine, mehr zu sich selbst.

 

Sie war außer Atem und fror schrecklich, denn sie hatte ja vorrausschauend nachgedacht, und ihren Mantel mit auf den Balkon genommen. Aber man musste ihr zugestehen, dass sie auch nicht damit gerechnet hatte, spontan durch die Wälder, mitten im Winter zu joggen.

Immerhin waren ihre Füße warm.

 

Draco schien zu wissen, wo es lang ging, was gut war, denn Hermine fühlte sich, als stolperte sie einfach nur ziellos hinter ihm her. Er zerrte sie nicht mit sich, wie es zu seiner schlimmsten Zeit wohl der Fall gewesen wäre, sondern überließ es ihr, Schritt zu halten. Ab und an, musste Hermine ihn an der Robe zurückhalten, um nicht verloren zu gehen.

 

Die Bäume waren nicht mehr so breit und hoch. Sie befanden sich auf dem Gartenweg, wie sie es erkennen konnte. Sie überwanden mit der nächsten Kurve auch die Dunkelheit, und etwas Pelziges, Kleines warf sich in Dracos Weg.

 

„Uufff!“, machte eine weibliche Stimme, gefolgt von einem Fluch, dem Hermine nur gerade so ausweichen konnte, ehe er den Boden mit einem metallischen Geräusch streifte.

 

„Dodders?“, hörte sie Draco sagen. „Nimm den Zauberstab weg, ehe du noch jemandem wehtust.“

 

„Es war Tandish Dodders, der Slytherinschüler, auch bekannt als Kaulquappe. Neben ihm auf dem Boden lag eine hübsche, junge Hexe, mit langen, glatten dunklen Haaren. Sie war dick in Wolle und Fell gekleidet. Hermine erkannte sie nicht sofort, obwohl sie ihr schrecklich bekannt vorkam.

 

„Malfoy, bist du das wirklich?“, fragte die aufgeschreckte Hexe mit einer leisen, rauen Stimme.

 

Carmen Meliflua, füllte Hermines Verstand schließlich die Lücke. Die kleine Viertklässlerin, die Draco damals immer durch die Schule gefolgt war. Sie war allerdings nicht so klein.

 

Draco zog Carmen auf die Füße. „Was macht ihr zwei hier draußen?“

 

„Reden“, erwiderte Dodders.

 

„Streiten“, korrigierte ihn Carmen, während sie die toten Blätter von ihrem teuren Umhang klopfte. „Wir sind zu Dreivierteln verlobt. Tandish hat am letzten Viertel gearbeitet, wenn du es wissen willst.“

 

„Will ich nicht“, schnappte Draco. „Habt ihr irgendwas gesehen?“

 

„Na ja, wir haben Geräusche von drinnen gehört und wollten wieder rein, um zu helfen“, sagte Dodders.


„Und mit helfen meint er, in den Büschen warten, bis die Gefahr vorüber ist“, murmelte Carmen.


„Sind sie hinter Potter her?“, fragte Dodders.

 

„Sind sie das nicht immer?“, erwiderte Draco trocken.

 

Hermine blies warme Luft in ihre Hände. Seltsam, dass selbst nach zehn Jahren, Voldemort immer noch Harry wollte. Aber jeder neue Versuch, erschütterte sie bis ins Mark. Man sollte denken, sie hätte sich bereits daran gewöhnt. Harry hatte dies jedenfalls getan.

 

Carmen warf dem Herrenhaus böse Blicke zu. „Wie zur Hölle sind sie reingekommen? Haben diese alten Häuser nicht nahezu unüberwindbare Flüche auf den Mauern?“


„Hatten sie als noch Malfoys hier lebten“, antwortete Draco. „Pansy benutzt wohl nur normale Sicherheitszauber.“

 

„Trotzdem… so einen Angriff zu wagen…“, sagte auch Dodders jetzt. „Fast ein Drittel der Leute da drinnen arbeiten für die Strafverfolgung des Ministeriums.“

 

Draco löste die versteckten Sicherung, die seine Festtagsroben zusammenhielten. „Besser, dass sie alle zusammen bleiben, während Potter unter Angriff steht, findet ihr nicht? Zieh das über“, befahl er Hermine. Der Stoff glitt anmutig von seinen Schultern. Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Pullover unter der Robe.

 

Hermine wollte einfach schon aus Prinzip seinen Umhang verweigern, aber es gab wichtigere Dinge, um die sie sich jetzt sorgen musste. Und außerdem wurden ihre Finger mittlerweile schon blau. Es war ihr viel zu groß, aber die feine blaue Wolle war noch warm von seinem Körper. Irgendetwas passierte mit ihrer Wahrnehmung, seinem Duft wieder einmal so nah zu sein. Mit einem Schaudern bekämpfte sie das einnehmende Gefühl.

 

„Passt gut auf, so gehen wir es an“, began Draco. Er wartete, bis das jüngere Pärchen aufgehört hatte zu streiten und ihn ansah. „Ihr beiden werdet ins Ministerium apparieren, um dort zu berichten, was hier vor sich geht.“

 

„Was ist mit ihr?“, wollte Dodders mit einem Kopfrucken in Hermines Richtung wissen. „Sie kommt nicht mit uns?“

 

„Miss Granger wird darauf bestehen, hier zu bleiben und ich werde nicht das unsinnige Unterfangen starten, sie vom Gegenteil zu überzeugen.“

 

Hermine war dankbar, nicht mit ihm streiten zu müssen. „Wenn ihr die Nachtwache trefft, fragt nach Rufus Scrimgeour. Arthur Weasley wird zu dieser Stunde nicht mehr da sein, und es würde zu lange dauern, ihn anders zu erreichen, aber Scrimgeour hat Bereitschaft heute.“

 

Dodders Augen waren riesig als er nach Carmens Hand griff. „Scrimgeour, verstanden“, hauchte er und wirkte ziemlich erleichtert, mit Carmen gehen zu können, dann jedoch erschienen Falten auf seiner Stirn. „Und was werdet ihr jetzt tun?“

 

Er hätte auch fragen können, was Draco am Wochenende vorhatte, denn so wenig schien es Draco gerade zu interessieren.


„Was denkst du? Ich werde diese verdammten Partycrasher aus meine Haus werfen.“

**


Achtzehn. Nein, eher zwanzig.

 

Zwanzig maskierte Todesser in schwarzen Roben standen vor ungefähr zweihundert unbewaffneten Gästen. Zwanzig wären eine Herausforderung. Draco schätzte, dass er vielleicht neun oder zehn auf einmal schocken könnte, ehe man ihn entdeckte. Das ließ zu viele für Hermine übrig. Die Tatsache, dass sich alle Gäste fügten lag wohl daran, dass Potter nicht da war. Sie hielten ihn wohl in einem anderen Raum gefangen. Es sagte einiges über Harrys Wertschätzung, dass ein Raum voller ehemaliger Slytherins, sich mehr um seine Sicherheit sorgte, als dass sie die Angreifer attackierten.

 

Das waren entweder gute oder sehr schlechte Neuigkeiten für Harry.

 

Hermine zwang sich selbst zur Ruhe. Gut, dass Ron nicht hier war. Das bedeutete, dass es eine Person weniger war, um die sie sich sorgen musste.

 

Draco und Hermine befanden sich unter dem Dach, nachdem sie wieder durch ein Fenster der Bibliothek ins Haus zurückgeschlichen waren. Im zweiten Salon befand sich eine Falltür, die hinauf unters Dach führte. Sie krochen durch enge Gänge voller Spinnweben, bis sie über dem Ballsaal auskamen. Die Balken knarrten etwas und ein, zweimal wandte sich Draco zu ihr um, um ihr zu sagen, extra vorsichtig zu sein.

 

Gott sei Dank war die Decke in Tüll gehüllt. Es versteckte sie ausreichend vor fremden Blicken. Draco kroch auf dem Bauch über einen Balken bis zur Mitte und zerschnitt den Stoff mit seinem Zauberstab.

 

„Geht es allen gut?“, wollte Hermine drängend wissen.

 

Er lugte nach unten. „Ja, aber ich denke, Longbottom wird unruhig, er scheint sich mit einem anlegen zu wollen.“

 

Er beobachtete die Szene noch ein wenig länger, ehe er sich auf dem Bauch wieder auf den Rückweg zu ihr machte. Es war kaum genug Platz für zwei, auf den Balken in der Ecke, und als er sie erreichte, saßen sie praktisch Nase an Nase voreinander.

 

„Also, was sagst du dazu?“, wollte sie stirnrunzelnd von ihm wissen.

 

Er zögerte für eine kurze Sekunde. „Das hier ist gut geplant.“

 

„Woher weißt du das?“

 

Erst einmal waren die Todesser alle passend für diese Aktion angezogen, wenn man es von einem oberflächlichen Standpunkt aus betrachtete. Draco hatte so viel Liebe zum Detail der Kostüme das letzte Mal 1994 bei der Quidditch Weltmeisterschaft gesehen. Es war genug Aufwand, um dem Dunklen Lord die Tränen in die Augen zu treiben. Die Rechnung der Reinigung allein würde immens sein. Die Masken glänzten vor Politur. Außerdem war kein übergewichtiger Todesser unter ihnen, was Draco zu dem Schluss kommen ließ, das dies die neuere, jüngere Generation an Todessern war, die Voldemort und Bellatrix mit so viel Mühe über die Jahre gezüchtet hatten.

 

Minus Blaise Zabini aus der Hogwarts-Edition, natürlich.

 

Keiner der Todesser im Ballsaal machte sich die Mühe auf Fragen der Gäste zu antworten. Sie standen still und wachsam, die Zauberstäbe bereit zum Angriff, würd es jemand wagen, sich aufzulehnen. Draco verzog den Mund, als Ginny Weasley grob auf den Boden geworfen wurde, als sie verlangte, Potter zu sehen.

 

„Ich weiß es einfach“, war alles, was Draco sagte.

 

Hermine Hände waren in ihren Rock gekrallt. Sie dachte für einen Moment nach. „Hast du irgendwas hier, was wir benutzen können?“

 

Die Frage regte ihn auf. „Frag mich vor acht Jahren und ich hätte lediglich die Augen verdreht. Jetzt habe ich keine Ahnung, was Pansy hier noch geduldet hat.“ Unglücklicherweise waren kuschelige Plüsch-Elefanten wohl nur für bestimmte Personen geeignete Waffen.

 

Allerdings hatte sich jemand im Haus befunden, von dem Draco sicher war, dass er ein dunkles Waffen-Arsenal unter seinem Bett versteckte. Er müsste nur unbemerkt auf die andere Seite des Hauses kommen. Sie verließen die Balken und kletterten zurück durch die Dachluke in den zweiten Salon.

 

„Wo gehen wir hin?“, fragte Hermine, während Draco leise die Falltür wieder verschloss.

 

„In die Küche.“

 

Sie würden ‚Boris‘ suchen gehen.


**


Nahezu alle Lampions und Kerzen auf den Fluren waren erloschen. Das würde wohl bedeuten, dass die übrigen Todesser die Gänge des Hauses patrouillierten und fliehende Gäste gefangen nehmen sollten. Sie kamen aber leise und schnell voran, da Draco das Haus auswendig wie seine Westentasche kannte. Auch die Familienportraits halfen ihnen weiter.

 

Im Südflügel hing ein Portrait seines Urgroßvaters, was aber nur auf Französisch hilfreich war. Hermine hielt einen schwachen Lumos auf das Bild geheftet.

 

Es war ein Portrait von Aramis Malfoy in seinen späten Achtzigern.  Er wirkte eindrucksvoll energisch, hatte silberne Haare und ein lauer Wind umwehte ihn. Er hielt ein brennendes Schwert in der Hand, welches ab und zu den Banner in seiner anderen Hand in Brand setzte und von einem entnervten Aramis wieder gelöscht werden musste.

 

Es war ein farbenfrohes Bild, obwohl die Beschreibung eher schrill wirkte.


„Pépé, tu n'as vu personne passer par ici ce soir?“, wollte Draco gehetzt wissen.

 

Aramis betrachtete Hermine gespannt von Kopf bis Fuß musterte, und seine Augen blieben auf Höhe ihrer Brust hängen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schenkte dem alten Mann einen mörderischen Blick.

 

„Ah, ça fait plaisir de te voir avec une demoiselle, mon garçon. J'avais peur que tu ne deviennes comme ton pčre. Tu te prépares pour ton rendez-vous galant, ŕ ce que je vois. Bravo Draco!“

Hermines Französisch war zugegebenermaßen eingerostet, aber sie verstand genug, um auf ihrer Lippe zu kauen und angespannt den Teppich zu betrachten.

 

Draco war wesentlich geduldiger. „Avez-vous vu des hommes masqués passer par ce hall? C'est trčs important.“

 

Aramis wirkte neugierig. „Tout ŕ fait! Un gars avec un masque est passé plus tôt. L'avait l'air pressé. J'ai pensé que c'était bizarre, but bon, la fille qui s'occupe du lieu a de drôles de tendances.“

 

„Danke“, sagte Draco schließlich.

 

Hermine zog ihn am Ärmel. „Ich habe das letzte nicht verstanden. Hat er jemanden gesehen oder nicht?“

 

„Ja, also sei wachsam.“

 

Sie gingen weiter und hielt vor Pansys Zimmer an. Draco entschied, dass sie wenigstens nachsehen sollten, ob sie irgendwas Nützliches dort aufbewahrte.

 

Seine Hand lag beinahe auf dem Türgriff, als ein Todesser direkt zwischen ihnen apparierte. Der Nebel verschleierte Hermine kurz die Sicht. Der Fluch aus grünem Licht ließ ihr Herz fast stehen bleiben. Ihr Zauberstab wurde ihr grob aus der Hand gerissen. Er fiel auf den Boden und dann war es dunkel, denn der Lumos, der die einzige Lichtquelle auf dem Flur gewesen war, war erloschen.

 

„Lauf!“, rief Draco und fast hätte sie erleichtert aufgeseufzte, als sie seine Stimme hörte.

 

Natürlich war er ein Idiot, wenn er wirklich glaubte, dass sie ihm Folge leisten würde. Hastig suchte sie auf dem Boden nach dem Zauberstab und fand ihn nach wenigen Sekunden.

 

Lumos!“

 

Vor ihren Augen fand ein Duell statt, was sie seit ihrem fünften Jahr in der Mysteriumsabteilung nicht mehr gesehen hatte.

 

„Bleib wo du bist!“, befahl Draco laut.

 

Hermine konnte sich nur an die Wand zurückflüchten und versuchen, nicht getroffen nicht getroffen zu werden. Es war kein Duellier-Club in der Schule. Es waren keine freundlichen Sprüche, zum Üben. Sie waren dazu da, zu verletzen, wenn nicht sogar zu töten. Sie war nicht naiv, auch wenn sie lieber in der Forschung arbeitete, als auf dem Schlachtfeld. Sie wusste, dass Ron und Harry öfters Situationen ausgesetzt waren, wo der Austausch von Flüchen dazu dienen sollte, Feinde umzubringen, aber auf dieser Nähe brachte ihr die Aussicht Bauchschmerzen.

 

Und dann ließ der unbekannte Todesser einen Fluch los, den Hermine nicht mal kannte. Plötzlich verlor sie jedes Gleichgewicht, jedes Gefühl für Balance. Unten war oben und oben war unten. Sie hielt sich an der Wand fest, denn der Flur schien sich zu drehen.  Draco schien von dem Fluch unberührt. Er blockte ihn. Hermine erkannte, dass die Macht des Fluchs durch ihn abgewandt wurde. Er zielte einen Fluch auf den Rumpf des Todessers – und traf. Der Mann flog nach hinten zurück und schlug gegen die Wand. Er fing an zu husten. Der Schwindel endete endlich, denn Hermine war kurz davor gewesen, sich übergeben zu müssen.

 

Draco schritt auf ihn zu, nicht unbedingt eilig. Er bückte sich und zerbrach dann den Zauberstab des Mannes mit einem dramatischen Seufzer.

 

„Ich frage mich, wer dumm genug ist, einen meiner eigenen Sprüche gegen mich zu verwenden? Lass mich raten…“ Mit einem Schlenker seines Zauberstabs lüftete er die Maske des Mannes.

 

„Hallo, Dominic“, begrüßte Draco den Mann beinahe lapidar. Dann zerrte er ihn nach oben. „Es ist eine Weile her. Was treibst du hier, heute Nacht?“

 

Der Todesser spuckte Blut auf den Boden. „Der Dunkle Lord ist zornig, Malfoy. Wir werden dir alles nehmen, was dir etwas bedeutet“, sagte er mit einem russischen Akzent. Hermine fragte sich, ob er einer der Durmstrang Rekruten war.

 

„Und ihr beginnt mit Harry Potter? Ich hasse es, schlechte Neuigkeiten zu überbringen, Dominic, aber ich besitze Socken, die mir mehr bedeuten, als die Brillenschlange.“

 

Der Todesser sagte nichts dazu.

 

Draco grinste. „Du hattest keine Ahnung, dass er heute hier ist, oder? Auf meiner Party, Gott, wie unterhaltsam. Hast du dir in die Hosen gemacht, als du ihn im Ballsaal erkannt hast?“

 

„Du kannst mich töten, aber du bist in der Unterzahl. Du kannst nicht alle deine Freunde retten, Malfoy!“

 

Das nannte er Treue. Frühere Todesser haben sich immer Raum für einen kleinen Handel gelassen, wenn ihr Tod kurz bevorstand. Die neuen waren alles kleine Märtyrer.

 

Draco hasste es.

 

„Gut, also habe ich deine Erlaubnis, dich zu töten.“ Er wandte sich an Hermine. „Du hast ihn gehört, Granger, er hat gesagt, ich kann ihn töten.“

 

Der Mann wollte aber wohl nicht ohne Kampf gehen. Er zog ein Messer aus seinem Umhang. Hermine Ausdruck war genug Warnung für Draco. Er fing Dominics Handgelenk ab, als die Messerspitze sich in Draco Nacken bohrte. Aber mehr als ein Tropfen Blut kam nicht zum Vorschein. Das Messer fiel zu Boden, und der Mann versuchte, zu fliehen.

 

Draco machte einen Schritt zurück, den Zauberstab auf ihn geheftet. Sein Vorhaben war klar, egal, ob der Mann es sehen konnte oder nicht. Als er sie ansah, war sein Blick gezeichnet von entschlossener Mordlust.

 

Hermine stürzte nach vorne und stellte sich zwischen Draco und dem Todesser.

 

Für eine Sekunde fand Hermine ihre Stimme nicht wieder. Draco machte ihr Angst.

 

Steh nicht vor mir, wenn ich meinen Zauberstab gezogen habe“, flüsterte Draco. Er hätte es auch schreien können. Sein Ton war wie ein Schlag ins Gesicht. Er war sehr, sehr wütend darüber, dass sie seine Motive in Frage stellte.

 

Sie versuchte es mit Vernunft. „Du kannst diesen Mann nicht umbringen.“

 

Dracos Augen bohrten sich in ihre. „Dann sieh weg oder verschwinde“, sagte er sehr ruhig.

 

Dominic war sich klar, dass sein Leben in der Schwebe hing. Er sah aus, als wolle er nach Hermine greifen, als Draco ihn wieder ins Visier nahm.

 

„Stirb oder stirb wirklich grausam“, zischte er und Dominic schrak zurück.

 

Aber Hermine bewegte sich nicht. „Schock ihn einfach.“

 

Dracos Stimme war bösartig, als er wieder sprach. Er musste sich nicht bewegen, damit sie das Gefühl bekam gegen die Wand gepresst zu werden. Sein Blick reichte aus.

 

„Er würde uns ohne Zögern töten. Verdammt, wir hatten Glück, dass der erste Avada danebenging! Wir wissen nicht, wie viele noch durch die Gänge schleichen. Ihn zu schocken und Gefahr zu laufen, dass einer seiner Freunde ihn findet und er ihm sagen kann, wie viele wir sind hilft uns nicht. Du verschwendest meine Zeit und du gefährdest Potter nur noch mehr.“

 

Sie verschwendete seine Zeit, nicht ihre gemeinsame. Nicht ihre eigene. Sie war die weiche Person, die Leben verschonen wollte, machte er ihr gerade klar. Und er war derjenige, der den Job richtig erledigte. Das war nicht der Junge, der zitternd seinen Zauberstab hielt und kaum noch stehen konnte, als er vor fünf Jahren einen Todesser getötet hatte.

Letztendlich fesselten und knebelten sie Dominic und steckten ihn in einen Schrank. Wenn er dankbar war, verschont worden zu sein, zeigte er es nicht.

„Wag es nicht, mich noch einmal in Frage zu stellen“, sagte Draco, als sie fertig waren.

 

Sie weigerte sich, sich einschüchtern zu lassen. „Vorsicht ist kein Grund, der gut genug ist, jemanden umzubringen, Draco.“

 

Er wandte sich so schnell um, dass sie in seine Brust lief.

 

„Du denkst also, ich bin ein kaltblütiger Killer, oder? Du hast wohl den Bericht gelesen?“, fuhr sie kalt an. „Du weißt, was ich getan habe?“

 

Ihre schlechte Meinung von ihm, schien ihn zu stören, erkannte sie. Sie spürte den winzigen Schauer der Macht, aber sie fühlte sich gehalten, ihn zu korrigieren, denn sie war niemand, der mit Absicht grausam sein konnte.

 

„Nein, ich habe den Report nicht gelesen“, erwiderte sie rau, denn ihre Emotionen übernahmen wieder einmal die Oberhand.

 

Eine grausame und falsche Vermutung musste plötzlich von ihm Besitz ergeiffen haben, denn er wirkte massiv verletzt, als er mit zitternder Stimme sprach.

 

„Du denkst, es war ein fünf Jahre langer Urlaub, nicht wahr?“, fuhr er sie an und verengte die Augen, während er sie betrachtete. „Du denkst, das habe ich getan; mich in Selbstmitleid gesuhlt in den scheiß Tropen, Kamele geritten in der Wüste, Auror gespielt an langweiligen Tagen. Mein Glück, dass ich in eine unwillige Bellatrix Lestrange gestolpert bin. Was für einen Spaß ich auf meinem Hiatus gehabt habe. Und verdammt, wie ich meine scheiß Bräune doch vermisse.“


„Hör auf damit! Ich weiß, es war die Hölle! Harry hat mir genug erzählt.“ Eine Träne fiel auf ihre Wange. „Es tut mir leid, dass du gelitten hast“, ergänzte sie flüsternd. „Es tut mir leid, dass ich den Bericht noch nicht gelesen habe. Ich weiß nicht, warum…“

 

Das war eine Lüge. Sie wusste, weshalb sie ihn nicht hatte lesen wollen. Es zu lesen würde bedeuten, dass sie vielleicht sogar Verständnis dafür aufbringen konnte, warum er es getan hatte.

 

Er schüttelte den Kopf, schritt weiter, hielt inne und wandte sich wieder um.

 

„Granger“, begann er, „nur weil ich dich liebe und weil es mir leid tut, dich verletzt zu haben, denkst du, dass es einen Schalter gibt, den du betätigen kann, um wieder einen normalen Mann aus mir zu machen? Ich meine… wieso überhaupt? Du willst mich doch sowieso nicht zurück.“

 

„Ich…“, begann sie.

 

„Hör auf zu weinen“, sagte er, nicht vollkommen unfreundlich. Jetzt wirkte er nur noch müde. Er starrte hinab auf seine Hände. „Weine nicht, wenn du deine Entscheidungen nicht bereust.“ Er wandte sich wieder ab. „Wir müssen weiter.“

 

Ja, dachte sie bestätigend. Obwohl sie sich wünschte, dass sie Ja zu mehr sagen würde, als zur ihrer Rettungsmission.

**



A/N: Französisch zu Deutsch Übersetzung für Dracos Gespräch mit Aramis Malfoy:

Pépé, tu n'as vu personne passer par ici ce soir?

- Urgroßvater, ist hier jemand heute Abend vorbeigekommen?

Ah, ça fait plaisir de te voir avec une demoiselle, mon garçon.
J'avais peur que tu ne sois/deviennes (you pick) comme ton pčre. Tu te prépares pour ton rendez-vous galant, ŕ ce que je vois. Bravo, Draco!

- Ah, gut dich mit einer jungen Dame zu sehen, mein Junge. Ich war besorgt, du würdest warden wie dein Vater. Planst du ein Schäferstündchen?
Bravo, Draco!

Aurais-tu (auriez-vous, it depends on who talks to whom) vu passer des hommes masqués dans ce corridor?
C'est trčs important.

- Hast du fremde Männer in Masken in diesem Flur gesehen? Das ist sehr wichtig.

Tout ŕ fait. Un gars avec un masque est passé plus tôt. L'avait l'air pressé. J'ai pensé que c'était bizarre, but bon, la fille qui s'occupe du lieu a de drôles de tendances

- Ja, das habe ich tatsächlich. Ein Mann in einer Maske ist hier vorhin vorbeigekommen. Er wirkte in Eile. Ich fand es etwas seltsam, aber das Mädchen, das jetzt hier zuständig ist, ist auch etwas seltsam.

 

 

Epilogue: Part Eight


Es dauerte fünfzehn Minuten, bis sie die Küche erreicht hatten und die Unterkünfte der Bediensteten betraten. Das lag an dem Todesser, der an der Treppe zu den Unterkünften Wache hielt. Hermines Petrficus auf langer Distanz brachte den Erfolg, und sie versteckten den Mann im Weinkeller. Draco beschwerte sich nicht groß darüber, denn seine Stimmung hatte sich gebessert, nach die sie eine Flasche seines gepriesenen Rotwein gefunden hatten, der aussah, als wäre er nach dem Öffnen in Eile zurückgelassen worden.

 

„Bastarde“, murmelte er. Er entkorkte die Flasche, nahm einen tiefen Schluck, schloss die Augen und genoss den Geschmack.

 

Hermine schoss ihm einen verständnislosen Blick zu, auf den er unschuldig antwortete: „Willst du auch einen Schluck?“

 

Sie lehnte ab.

 

Mit der Weinflasche im Gepäck, kletterten sie die Stufen wieder nach oben.

 

„Sag mir noch mal, warum wir in der Küche sind?“, fragte Hermine.

 

Draco hob den Finger an die Lippen und schritt zu dem kleinen Verbindungszimmer, wo das Kerzenlicht durch die Bodendielen schimmerte. Hermine nahm an, das war das Zimmer, in dem die Hauselfe lebte.

 

Er klopfte. Es kam keine Antwort.

 

„Boris, deine Anwesenheit wird im Ballsaal gebraucht“, rief Draco jetzt.

 

Kurz entstand eine Pause. „Malfoy, bist du das?“

 

„Wieso fragt mich das jeder heute?“, schnappte Draco. „Nein, ich bin es nicht. Es ist Voldemort.“

 

Das schien zu überzeugen, wer auch immer dort unten hockte. Zauber lösten sich von der Tür, das Schloss öffnete sich und jede weitere Sicherheitsvorkehrung folgte. Mit einem Knarren öffnete sich die Tür. Ein kurzer dünner Mann stand neben einem Einzelbett, den Zauberstab in der Hand. Hermine erkannte ihn als den Diener, der ihren und Nicks Mantel am Anfang des Abends abgenommen hatte. Neben ihm stand Toolip, eine Kerze hoch über den Kopf erhoben.

 

„Miss!“, rief Toolip aus. „Es ist gut, Sie wiederzusehen!“

 

„Auch gut, dich zu sehen, Toolip“, erwiderte Hermine lächelnd, „trotz der Umstände.“

 

Boris sah sie überrascht an. „Wir haben gedacht, ihr seid mit den anderen im Ballsaal.“

 

„Wir hatten Glück“, entgegnete Draco. Er reichte Boris den Wein, welcher ihn wortlos entkorkte und ebenfalls einen Schluck nahm. Boris betrachtete das alte Etikett. „Nett, aber du hättest noch ein, zwei Jahre warten können.“

 

Draco wirkte bestürzt. „Die haben ihn geöffnet!“

 

„Bastarde“, spuckte Boris.

 

Hermine sah von einem Mann zum anderen. „Ihr kennt euch gut?“

 

Boris öffnete den Mund, um zu sprechen, aber Draco unterbrach ihn. „Seine Familie hat vor langer Zeit für die Malfoys gearbeitet“, erwiderte Draco glatt.

 

Er log, aber Hermine beharrte auf keiner Antwort. „Wenn ihr fertig mit Trinken seid, könnten wir dann endlich beginnen, die anderen zu retten?“, erinnerte sie die anderen und ihre Stimme war höher geworden. „Wir wissen nicht mal, wo Harry ist, Himmel noch mal.“

 

„Potter? Sie pieksen ihn mit Stöcken in Lucius‘ Arbeitszimmer“, informierte sie Boris.

 

Hermine wandte sich besorgt an Draco. „Wir müssen los und ihn holen. Jetzt.“

 

„Und riskieren, die zwanzig Todesser im Ballsaal anzustacheln? Ich denke nicht. Wir müssen beides zur gleichen Zeit tun.“


„Aber sie können ihn töten!“

 

Draco schüttelte den Kopf. „Potter ist erst in Gefahr, wenn sie ihn aus dem Herrenhaus bringen. Sie werden ihm jetzt nichts tun.“ Er wirkte sehr sicher in seinen Worten. „Untergebene wissen, dass sie dem Hauptpreis nichts tun dürfen. Nur Voldemort darf das.“

 

Hermines ah ihn scharf an. „Woher weißt du das? Gibt es ein Handbuch für böse Untergebene oder so etwas?“

 

Boris wirkte plötzlich sehr unangenehm berührt. Draco räusperte sich. „Ja, das gibt es tatsächlich.“

 

„Dodders und Carmen haben Scrimgeour mittlerweile bestimmt Bescheid gegeben. Warum warten wir nicht einfach erst mal auf Unterstützung, ehe wir irgendwas versuchen?“

 

„Das würde bedeuten, dass sie Potter sofort entfernen, wenn sie erkennen, dass das Herrenhaus unter Angriff steht. Es gibt einen funktionierenden Kamin im Arbeitszimmer meines Vaters, den sie benutzen könnten.“

 

„Wir sind ausgerüstet, etwas zu tun“, versicherte ihr Boris jetzt. „Und jetzt haben wir mehr Leute, als nur mich und Toolip.“

 

Draco war nicht sofort begeistert. „Ja, was habt ihr?“

 

„Pfeil und Bogen, einige Schwerter, Dolche, Rasier-Seile, explodierende Steine, zwei bodenlose-Abgründe-aus-dem-Glas und Gifte, aber ein oder zwei wirken vielleicht schon nicht mehr…“

 

Boris ignorierte Hermine höflich, die den Diener eher verständnislos betrachtete.

 

Draco katalogisierte diese Gegenständ ein seinem Kopf. „Was noch?“

 

„Da ist noch ein halbes Fass Quiesco Staub.“

 

Dracos Mundwinkel hob sich. „Das, mein lieber Boris, klingt nach einem Plan.“

 

 

**

 

„Ist ein halbes Fass genug, um eine ganze Halle an Leuten auszuschalten?“, fragte Hermine. Sie gingen durch stockfinstere Nacht, und es war nicht einfach. Sie riskierten nicht einmal einen schwachen Lumos, nachdem sie von Dominic entdeckt worden waren.  Sie fühlte ihren Weg durch den Flur, indem sie die Wände an der Seite berührte.

 

Sie gingen wieder zurück in den zweiten Salon im anderen Flügel des Hauses. Draco trug einen versiegelten Sack Schlafpulver über der Schulter. Er hatte auch einen bodenlosen Abgrund in der Tasche. Boris hatte den anderen.

 

„Wahrscheinlich nicht, aber es wird sie müde genug machen, um sie zu entwaffnen. Wie gut bist du mit dem Wirbelwind Zauber? Wenn wir den Staub in der Luft halten können, hätten wir vielleicht mehr Zeit.“

 

Hermine hob eine Augenbraue. „Wie gut denkst du denn, dass ich mit dem Wirbelwind Zauber bin?“

 

Das beantwortete seine Frage. „Gut. Langsam, wir sind am Treppenabsatz zum zweiten Stock, das Arbeitszimmer meines Vaters liegt unter uns.“

 

Sie lauschten, und tatsächlich vernahmen sie gedämpfte Stimmen.

 

„Was ist mit den Wachen, die Potter bewachen?“

 

„Mach dir keine Sorgen um Potter. Boris und Toolip kümmern sich.“

 

Hermine schlich auf Zehenspitzen auf den Treppenabsatz, bemüht, zu verstehen, was unten passierte. Sie hoffte wirklich, dass es Harry gut ging.

 

„Granger, komm zurück!“

 

Die Stimmen waren jetzt lauter. Hermine konnte zwei verschiedene ausmachen, beide männlich. Und dann hörte sie Harry, laut und klar. Er war definitiv unverletzt, zumindest noch. Sie atmete erleichtert aus.

 

Die Stufen mussten irgendwo vor ihr sein. Sie erinnerte sich an das Treppenhaus sehr gut, nach ihrem ersten Besuch in Malfoy Manor. Draco hatte sie fast geküsst, neben der letzten Stufe außerhalb des Arbeitszimmers seines Vaters. Diesen Moment hatte sie bestimmt nicht vergessen.


„Wo bist du?“, hörte sie Draco zornig flüstern.

 

„Auf der Treppe“, flüsterte sie zurück. Er sollte sich beeilen. Sie stellte den Fuß auf die Stufen und hielt das Geländer fest.

 

„Warte!“

 

Aber die Stufe war nicht da. Sie hätte da sein sollen! Ihr Fuß traf auf nichts als Luft und sie fiel in nichts weiter als schwarze Leere. Ihr Zauberstab war in Reichweite, aber sie ihr erster Instinkt war, um sich zu fassen, um sich irgendwo festzuhalten.

 

Immerhin war sie noch genug bei Sinnen, nicht zu schreien. Wenn sie schon dumm genug war, in ihren Tod zu stürzen, so tat sie es wenigstens stumm, um Dracos Position nicht zu verraten. Aber es kam nicht zum Fall, und irgendwie hatte sie gewusst, dass er sie rechtzeitig erreichen würde. Er hätte sich über den Absatz werfen müssen, um sie zu erreichen, und das war es auch, was er getan hatte. Eine Hand griff um ihr linkes Handgelenk. Ihre rechte Hand hielt sich an seinem rechten Arm fest. Unter ihren Fingern spürte sie, wie sich seine Muskeln anspannten. Es war sein schlimmer Arm, fiel ihr auf. Der, der leicht auskugelte.

 

Ihre Handfläche war feucht. Sie rutschte ab.

 

„Hermine“, sagte er sehr ruhig. Und die unglaubliche Ruhe in seiner Stimme, beruhigte kurz den Nebel der Panik in ihrem Kopf. „Ich hab dich. Hör auf zu zappeln.“

 

Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie das getan hatte, hielt aber sofort still. Er fand ihre andere Hand und hielt auch diese fest.

 

„Wo ist dein Zauberstab?“, fragte er. Sie konnte die Anstrengung in seiner Stimme nun hören.

 

„In meinem Kleid“, keuchte sie. Sie waren ungefähr eine Minute davon entfernt, entdeckt zu werden.

 

„Ok, das ist schon in Ordnung“, sagte er, obwohl er etwas enttäuscht klang. „Ich werde dich jetzt etwas anheben. Du wirst den Rest an mir hochklettern müssen, denn wenn ich mich weiter vorlehne, werden wir beide fallen. Verstehst du das?“

 

„Ja.“

 

Sie hatte verstanden, dass der Fall beendet sein würde, ehe einer von ihnen die Zeit Zauberstab zu ziehen, sei es, weil sie auf den harten Marmorfußboden aufschlagen würde oder weil die Todesser sie entdeckten.

 

Ihre rechte Hand entglitt immer wieder seinem Griff, und der Schmerz in ihren Armen war mittlerweile unerträglich geworden.

 

Langsam hob er sie hoch und benutzt dafür nur seine Unterarme. Sobald sie konnte, hielt sie sich fest an seinen Schultern. Sie griff hart in den Stoff und zog sich empor, über ihn hinaus. Er half ihr und umfing ihre Hüfte.

 

Endlich lagen sie wieder auf dem Treppenabsatz. Er rollte sich vom Abgrund weg. Hermine war zu erschöpft, um noch etwas anderes zu tun, als einfach gegen ihn zu sinken. Sein Arm lag immer noch um ihre Hüfte.

 

Für eine kleine Ewigkeit lagen sie da und atmete einfach nur.

 

Und dann sprach er. „Ich habe vergessen, Treppen bereiten dir Probleme.“

 

Natürlich bezog er sich auf ihr Missgeschick damals in der Eulerei, als sie sich getroffen hatten. Er war so ein Arsch, dass er ausgerechnet jetzt amüsiert zu sein schien.

 

„Ich habe keine Probleme mit Treppen! Es ist nicht mein Fehler, dass dein dämliches Haus einen leeren Abgrund hat.“

 

Sie wusste, dass er versuchte, nicht zu lachen. „Für gewöhnlich gibt es hier keine Abgründe. Der Flügel ist verboten. Dein Ministerium hat die Treppe gesperrt.“

 

Es ist auch dein Ministerium, wollte sie ihn korrigieren. Warum bestand er immer darauf, sich von anderen vollkommen abzugrenzen?

 

Er hielt sie immer noch. Sie versuchte, ihn anzusehen, aber ihre Nase stieß gegen sein Kinn, das weich war. Er hatte sie wohl vor der Party rasiert. Er senkte den Kopf, um es leichter für sie zu machen.

 

Um was leichter für was zu machen, fragte ihr Gehirn, aber diese Frage war eher rhetorisch. Sie wusste genau, was passierte.

 

Und dann fiel Stille über sie, denn Stille war, was folgte, wenn zwei Personen in völliger Dunkelheit gemeinsam den Atem anhielten.

 

Sie konnte im Dunkeln nichts erkennen, wusste aber, dass sich seine Lippen geteilt hatten, so dass ihre dazwischen passen würden. Für eine Sekunde war Luft zwischen ihnen, das intime Teilen des Atems, und dann eine unglaubliche Sensation. Er fing ihre Lippen, als wüsste er nicht, wie er weiter machen sollte. Es war störend sanft. Seit wann war Draco Malfoy etwas anderes als vollkommen von sich überzeugt?

 

Alles drehte sich in ihrem Kopf, das Blut schien direkt in ihre Wangen zu schießen, und ihre Lippen schienen noch sensibler.

 

Er machte ein tiefes Geräusch, das vollkommen erregend war, denn er klang so unsicher. Sie spürte seine Zungenspitze, die heiß auf ihre Unterlippe traf. Sie spürte, wie er sie tief einatmete. Sie öffnete den Mund, um den Kuss zu vertiefen, um ihm zu erlauben, ihren Mund zu erforschen, aber er zog sich zurück. Als sie die Augen öffnete war der Moment auch schon vorbei.

 

Er kam auf die Beine und half ihr hoch.

 

„Winter wartet im Ballsaal auf dich“, sagte er und hätte mit dieser Stimme Bier zum Frieren bringen können.

**


Drei Todesser hielten auf dem Flur vor dem Arbeitszimmer Wache. Goyle schaffte es, die ersten beiden zu überraschen, mit einem wohlgezielten bodenlosen Abgrund. Entgegen des Namens waren bodenlose Abgründe natürlich nicht bodenlos. Es war eher ein sehr langer Fall. Magie hielt den Körper in einem ewigen Sturz, bis jemand den Zauber unterband.

 

Aber als sein Versteck aufgeflogen war, stellte sich der dritte Todesser als deutlich schwerer heraus. Die explodierenden Steine waren in seiner Tasche, aber er zögerte, noch, wollte warten, bis Draco und Hermine den Ballsaal erreicht hatten. Es wäre nicht klug, die anderen Todesser zu warnen, ehe die anderen nicht die Chance hatten, die Schutzbarriere um den Ballsaal zu lösen.

 

Er war gerade dabei, sich auf ein Duell mit dem Todesser einzulassen, als Toolip eine Vase, die sie über seinem Kopf hatte schweben lassen, mit einem Seufzer auf den Todesser niederstürzen ließ.


„Miss Pansy mochte diese“, klagte sie.

 

„Miss Pansy wird es schon verstehen, komm schon!“

 

Als Goyle endlich die Tür aufgetreten hatte, fanden sie einen keuchenden Harry vor, ein Kamineisen in der einen, zwei Zauberstäbe in der anderen Hand. Seine Brille fehlte und ein Schnitt zog sich über seine Stirn. Auf dem Boden lag ein Todesser, wesentlich schlimmer verletzt als Harry.

 

Toolip lugte hinter Goyles Bein hervor.

 

„Hi“, begann Goyle, etwas unsicher. „Ich bin… äh… Boris, Miss Parkinsons Diener.“

 

Harry ließ das Eisen fallen. „Geht es den anderen gut?“ Er humpelte vorwärts, als wäre er vor kurzem noch von einem Klammerfluch befallen gewesen.

 

Goyle kannte den Blick in Harrys Augen. Zur Hölle, er fühlte diesen Blick selber. Pansy war genauso gefangen wie Ginny Weasley. Der Blick sagte ihm, dass Harrys gesamtes Universum drohte, zusammenzubrechen, würde Goyle etwas anderes sagen, als was er vorhatte.

 

„Soweit ich weiß, wurde niemand verletzt.“

 

Harry atmete erleichtert aus. Dann betrachtete er den Türrahmen, der samt Tür schief aus der Wand gebrochen war. Er sah auf Toolip hinab, dann zu Boris.

 

„Das war ein guter Tritt, Kumpel“, sagte ein beeindruckter Harry. „Ich glaube, du solltest für uns arbeiten kommen.“

 

‚Boris‘ war im Bruchteil einer Sekunde schüchtern geworden, hatte vorher noch das Adrenalin durch seinen Körper gepeitscht. „Das war bloß die Kraft des Momentes“, versicherte er ihm. „Kann ich Sie zum Ballsaal führen, Mr Potter? Es läuft gerade eine Rettungsmission, und vielleicht möchten Sie helfen?“

 

**


Der Quiesco Staub tat, was er tun sollte, obwohl einige besser auf ihn reagierten als andere. Der schwierige war gewesen, die Barriere zu durchbrechen, ohne zu viel Lärm zu machen oder zu riskieren, dass der komplexe Zauber nach hinten losging.

 

Dracos Versuche hatten nicht funktioniert. Reumütig hatte er Hermine die Aufgabe übertragen. Sie hatte Glück bei ihrem vierten Versuch. Als die Barriere gebrochen war, füllte kalte Winterluft wieder den Saal.

 

Alarmiert hatten sich die Todesser formiert und hatten ihr Augenmerk auf die Eingangstüren geheftet. Sie waren ungleich überrascht, als der Angriff von oben kam.

 

Hermine konzentrierte sich auf den Wirbelwind Zauber aus ihrem Versteck unter der Decke aus. Es war ein großer Wirbelwind für große Räume und brauchte mehr Konzentration, als sie vermutet hatte.

 

Neville Longbottom fiel zu Boden wie ein Sack Mehl, was bedauerlich war, denn er war ein guter Schockzauberer. Ginny jedoch war nahezu unberührt vom Effekt des Staubs und, mit Hilfe eines verwirrten Nicholas, begann sie den nächsten Todesser mit einem Silbertablett bewusstlos zu schlagen. Andere Gäste taten es ihr gleich, obwohl alle langsamer und müder reagierten.

 

Der Wirbelwind hatte ganze Arbeit geleistet. Hermine beendete den Spruch und ein Schauer aus purpurnem Staub regnete auf den Boden. Draco sprang in den Raum und landete in gebückter Stellung.

 

Er schaffte es, zwölf Todesser zu schocken, ehe sie begriffen hatten, was passiert war. Hermine sah ihn nur kurz; ein schwarzer Schatten, der in der bunten Menge verschwand. Er legte alle Todesser lahm, mit nahezu militärischer Präzision.

 

Zu Hermines Erleichterung erschienen Harry und Boris wie geplant in den Eingangstüren. Der Staub verlor seine Wirkung und die Flüche im Saal wurden wieder gezielter.

 

Harry war kein Gefangener mehr, und die Chancen der Todesser schwanden somit rapide, vor allem, als die Gäste ihre Zauberstäbe zurückerkämpft hatten.

 

Ab diesem Punkt dauerte der Angriff auf Malfoy Manor keine zehn Minuten mehr.

 

 

**

 

Hermine stand neben Harry und stützte seinen Ellbogen, als er in den Saal humpelte. Ginny übernahm diese Pflicht, nachdem sie fertig war, Harry mit Küssen zu überhäufen, während dieser jedes Mal vor Schmerzen zusammenzuckte.

 

 

Neville war immer noch bewusstlos, aber jemand war nett genug gewesen, eine Jacke unter seinen Kopf zu legen. Professor Sprout grinste und trank Champagner direkt aus der Flasche mit einem Kellner. Boris und Pansy zeigten den Kräften des Ministeriums, wo der Weinkeller war, denn dort hatten sie die Todesser hingeschafft.

 

Immer noch etwas benebelt, blieb Hermine, wo sie war. Nick kam schließlich zu ihr. Er umarmte sie fest.

 

Es war eine aufregende Nacht gewesen. Ungefähr zwölf Gäste brauchten magische Hilfe, aber keine der Verletzungen war lebensbedrohlich.

 

Draco stand in der Mitte des Saals, die Spitze seines Zauberstabs noch immer rot von den vielen Flüchen. Leute lachten und umarmten sich. Sie gingen um ihn herum, um zu anderen Leuten zu gelangen. Toolip lief durch den Saal mit Handfeger und Kehrblech und fegte seufzend die Scherben zusammen.

 

Er schien anzunehmen vollkommen unbeobachtet den Saal verlassen zu haben, um mit Rufus Scrimgeour zu reden, aber Hermine sah über Nicholas‘ Schulter hinweg, wie er ging.

 

**

 

 

Epilogue: Part Nine



Alastor Moody betrat den Konferenzraum des Ministerium und vermied nur knapp einen Zusammenstoß mit Rufus Scrimgeour, der gerade auf dem Weg nach draußen war.

 

Da war ein kurzer Moment, wo beide Männer versuchten, zivilisiert zu sein, was schon mal eine echte Verbesserung war, hatten sich vorher nicht einmal die Mühe gemacht einander anzusehen.

 

„‘tschuldigung“, brummte Moody. Und nur er konnte eine Entschuldigung wie eine Beleidigung klingen lassen.

 

„Nein, bitte, Sie zuerst“, erwiderte Scrimgeour und klang, als würde er auf Nägeln kauen. Er hatte mit Draco und Harry gesprochen, um Informationen über den Angriff auf Malfoy Manor zu sammeln.

 

Keine von beiden bewegte sich. Die zehn jungen Leute, die sich im ovalen Konferenzraum befanden, beobachten die Szene mit müdem Interesse.

 

Draco lehnte sich näher zu Harry, der neben ihm saß. „Sind die immer so?“

 

Harry zupfte Flocken von einem Kürbis und Mandelmehl Muffin. „Jap.“

 

Ein müder Ron unterbrach die Situation, indem er einen Stuhl unter dem Tisch zurück kickte. „Setz dich, Mad-Eye.“

 

Moody griff sich den Stuhl und setzte sich hin, während sein Holzbein vom Stuhl abstand. Er wartete bis Scrimgeour verschwunden war. Moody öffnete dann den großen obskuren Wintermantel und zog eine Flasche warmen, würzigen, gezuckerten Wein hervor. Es gab kein besseres warmes Getränk für das schlechte Wetter. Das sagten alle. Jemand produzierte eine Reihe weiterer Tassen und blies den Staub von deren Rändern.

 

„Also gut“, wandte er sich an sein Team, „was zur Hölle ist heute Nacht passiert? Die zusammengefasste Version spricht von fünfundzwanzig Todessern, die auf Malfoy Manor gefasst wurden und zurzeit in unseren Verhörräumen an die Stühle gekettet sind. Würdet ihr gerne den Rest erzählen, Jungs?“

 

Zehn Paar Augen, davon ein magisches, wandten sich erwartungsvoll an Draco, welcher erst jetzt begriff, dass Moody wohl mit ihm gesprochen hatte. Er trug immer noch seinen Festumhang von der Party. Er war noch ziemlich sauber, außer an den Knien der Anzughose, denn diese waren staubig, vom Rumkriechen auf den Dachbalken.

 

„Wir nehmen an, es ging um Rache, weil Bellatrix gefangen ist“, warf Harry ein. Einige nickten zustimmend. „Jeder weiß mittlerweile, dass es Draco war, der es geschafft hat. Es steht in jeder Zeitung.“

 

Aurorkollege Dean Smith runzelte die Stirn. „Aber wenn sie nur Malfoy wollten, wieso attackieren sie dann ein Haus voller Slytherins?“ Er wandte sich anschließend an Draco. „Das macht keinen Sinn. Wenn du es mir nicht übel nehmen würdest, aber ihr Leute habt mehr Verständnis für Voldemorts Ideologie.“

 

Dracos Antwort war arktisch kalt. „Voldemort nimmt Dinge persönlich. Er weiß, wie effektiv eine Nachricht sein kann, wenn man sie nur privat genug überbringt. In meiner Privatsphäre, jetzt wo ich wieder eingezogen bin.“

 

Ron schnaubte auf. „Er würde sich gerne Harry privat vorknöpfen, was auch fast geschehen wäre. Sie mussten sich fast in die Hosen gemacht haben, als sie ihn dort entdeckt haben.“


„Bisschen früh für diese bildlichen Vergleiche“, murmelte Kollegin Angie Johnson vom anderen Ende des Tisches.

 

„Es ist etwas von beiden“, sagte Draco. „Sie kamen für mich, aber sie hätten jeden umgebracht, der mir nur im entferntesten Ansatz nahe steht.“

 

Harry schnaubte in seine Tasse. „Willkommen in meinem Leben.“

 

Moody stimmte mit Draco überein. „Sie mussten für die richtige Gelegenheit warten, dich zu kriegen. Es wäre so gut wie unmöglich gewesen, dich unter Potters Schutz zu attackieren.“

 

Draco schenkte Moody ein sardonisches Lächeln. „Schutz? Das ist es, was es war? Ich dachte, ich stände unter Bewachung, während ihr über mein Schicksal entschieden habt.”

 

Moody zuckte die Achseln. „Ist doch dasselbe.“


„Du wirst dich ab jetzt umsehen müssen, Malfoy“, sagte Ron zu Draco, mit überraschender Ernsthaftigkeit.

 

„Nein, wirklich“, erwiderte Draco, genauso ernst.

 

Moody warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Langsam erhob er sich und der Stuhl kratzte über den Boden. „Gut, das Verhör beginnt gleich. Ich brauche drei Leute, die mir helfen.“

 

Seamus, Dean und Ron meldeten sich gerne freiwillig. Der Rest der Auroren ging wieder zurück an die Arbeit, nur Draco und ein nachdenklich dreinblickender Harry blieben alleine zurück.


„Potter, kann ich dich was fragen?“

 

„Sicher.“ Harry schob den Stuhl zurück und legte die Füße auf den Konferenztisch. Das Hämatom auf seiner Stirn sah im künstlichen Licht noch schlimmer aus. Er nahm die Brille ab, klappte die Bügel ein und legte sie auf seine Brust.


„Wenn du draußen im Kampf bist, zielst du, um zu töten?“

 

Für einen Moment war Harry still. Es gab kein natürliches Licht im Zimmer, nur schwaches Lampenlicht. Dracos helles Haar wirkte mehr Gold als Silber. Es hatte gedauert, bis er die gesunde Bräune verloren hatte, die er in dem wärmeren Klima bekommen hatte, aber wenn es etwas gab, was Bräune zum Verschwinden brachte, war es der britische Winter. Dracos Haut war so blass wie zu Schulzeiten. Sie waren alle erschöpft, aber Draco zeigte es mehr. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen.

 

„Kommt es dir auf das Auroren-Protokoll an oder willst du speziell von mir wissen, was ich tue?“, fragte Harry.


„Sollte es nicht dasselbe sein?“

 

„Nicht in der Realität. Die Antwort ist Ja, ich ziele, um zu töten, wenn es-“

 

„-nötig ist?“, schlug Draco vor.

 

Harry sah ihn an. „Ich wollte sagen, wenn es unvermeidbar ist.“

 

„Ah. Ja.“

 

Harry nahm die Füße vom Tisch und lehnte sich vor. „Wieso? Ist irgendwas im Haus passiert?“

 

Zuerst sah es so aus, als wolle Draco nichts sagen, dann aber öffnete er den Mund. „Ich hätte Dominic Nomarov getötet, wäre Hermine nicht dazwischen gegangen und hätte dem Bastard die Haut gerettet.“


„Oh“, sagte Harry unverbindlich, „na je, du kennst Hermine. Sie ist jedermanns Gewissen, wenn wir alle zu wütend und zu müde sind, um uns Gedanken zu machen. Sie kann skrupellos sein, wenn sie es sein muss, aber öfters ist sie wohl die nervige Stimme, die man in seinem Hinterkopf hört.“ Er hörte die Sympathie aus Potters Worten.

 

Draco sagte nichts. Seine grauen Augen blickten auf keinen bestimmten Punkt an der Wand.


„Das war es nicht, was du hören wolltest?“

 

„Nomarov war nicht mal nah dran, mich zu gefährden, als ich ihn töten wollte“, sagte Draco schließlich. Es war fast ein gleichmütiges Geständnis, aber Harry konnte die Unsicherheit hinter seinen Worten ausmachen.


„Ok, was hast er getan?“

 

„Wollte fliehen. Und ich wollte ihn töten, denn das wäre schneller gegangen, als ihn gefangen zu nehmen.“

 

„Also, du willst wissen, ob ich dasselbe getan hätte?“, fasste Harry zusammen.

 

Dracos Blick war nicht zu deuten.

 

„Nein“, sagte Harry, ohne groß über die Antwort nachdenken zu müssen. „Hätte ich nicht.“

 

„Und ich nehme an, deswegen bist du du, und ich bin ich“, erwiderte Draco resignierend. Er füllte Harrys Tasse und dann seine eigene.

 

Harry fiel auf, dass er ein wenig stumpf wirkte, wenn es um Herzensangelegenheiten ging, aber er glaubte zu wissen, um was es hier wirklich ging.


„Hermine liebt dich immer noch. Du solltest zu ihr gehen.“

 

Draco ließ sich nicht anmerken, dass er von dem Themenwechsel überrascht war. „Sie denkt wahrscheinlich, dass ich ein Avada Junkie bin.“


„Aber das bist du nicht“, erwiderte Harry und nahm einen Schluck.

 

Draco schenkte ihm einen extrem finsteren Blick. Harry bekämpfte das Verlangen, seinen Stuhl ein wenig von ihm abzurücken. „Woher willst du das wissen?“


„Oh, keine Ahnung“, bemerkte Harry achselzuckend, „so etwas würde einem auffallen, der mit jemandem vierundzwanzig Stunden zusammengepfercht gewohnt hat.“

 

Kurz wirkte Draco erleichtert. Und dann wirkte er wieder genervt. „Ich frage dich nicht um Rat, Potter. Nur, dass du es weißt.“

 

Harry hielt verteidigend die Hände in die Höhe. „Natürlich nicht. Davon würde ich nicht mal träumen.“


„Wir sind keine Freunde“, erinnerte ihn Draco, sowie er damals vor fünf Jahren unter der Treppe Hermine daran erinnert hatte.

 

Und dennoch tranken sie weiter ihren süßen Wein in einer zumindest kameradschaftlichen Stille.

 

**

 

Dienstag Nachmittag.

 

Würde sie oft ohnmächtig werden, dann wäre es die Art von Ohnmacht, die man nur durch einen Schock bekam (wäre es denn ein richtig großer Schock). Aber die Idee in Lucius Malfoys nächster Nähe ohnmächtig zu werden, war undenkbar. Sie wollte nichts, was er vorhatte, für ihn noch leichter machen.

 

Die Tatsache, dass sie sich in der Unterwäscheabteilung im Harrods Großmarkt befanden, machte die Sache noch absurder.

 

In einem Moment liebäugelte sie mit einem reduzierten Sport-BH, im nächsten erschien Lucius Malfoy hinter einer Schaufensterpuppe im schwarzen Spitzen BH. Also, die Puppe trug den BH. Nicht Lucius.

 

Und weil Lavender sowieso fragen würde, war Ginny aufgefallen, dass er beige Baumwollhosen und eine graue Fischerweste trug.

 

Lucius Malfoy in Chinos und Weste. Grundgütiger. Jetzt hatte sie alles gesehen,. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals in weniger als drei Schichten des teuersten Garns gesehen zu haben.

 

Und Leder, in der einen oder anderen Form.

 

Also lebte er noch, und er schien mehr oder weniger gesund zu sein. Dünner, als sie sich erinnerte, aber Draco war auch dünner. Sie nahm an, auf der Flucht zu sein, wirkte sich auf die Verdauung aus. Sein silbernes Haar war mittlerweile kurz und er trug einen sauber rasierten Bart, durch den sich graue Strähnen zogen. Sie hatte vergessen, wie hoch sein Kopfgeld zurzeit war. Astronomisch hoch, ohne Zweifel. Sie wäre in der Lage ihre Eltern für immer mit diesem Geld zu versorgen.

 

Jeder, der nicht überzeugt gewesen war, dass Lucius und Draco noch am Leben waren, war aber überzeugt gewesen, dass sie sich zumindest zusammen versteckt hielten. Draco hatte behauptet, er wüsste nicht, wo sich sein Vater aufhielt, nachdem Snape den älteren Malfoy vom Hausarrest befreit hatte. Ginny war sich nicht sicher gewesen, ob sie ihm geglaubt hatte, aber Harry hatte es getan, und das reichte für gewöhnlich aus.

 

Lucius Malfoys Größe allein, ließ ihn in der Menge hervorstechen, das war bei Draco genauso. Beide bewegten sich mit einer Grazie, die ihre Titel greifbar machte. Es musste eine Herausforderung für ihn sein, unauffällig zu wirken. Flüchtling hin oder her, er bewegte sich, als läge die Welt dennoch zu seinen Füßen. Die Muggel vor ihm, größtenteils Frauen, wichen zurück und starrten ihm anschließend nach.

 

Ginny hätte allen gerne eine Ohrfeige verpasst. Lucius war ein übler, extrem gefährlicher, geflohener, vorbestrafter Mörder, und er war der Grund, weshalb Severus Snape den Rest seines Lebens in Askaban verbringen musste.

 

Und dann war da noch ihre persönliche Fehde, als Lucius Tom Riddles Tagebuch auf sie abgewälzt hatte, in ihrem ersten Jahr.

 

Das konnte man nicht wirklich vergeben und vergessen, richtig?

 

„Miss Weasley“, sagte er, und hätte sie ihn aus welchem Grund auch immer nicht sofort erkannt, hätte seine Stimme allein ausgereicht. Für einen kurzen Moment kam sie sich vor wie elf Jahre, während sie einen Kessel voller Bücher bei Flourish und Blotts in den Armen hielt. Hass und echte Angst stiegen in ihr empor.

 

Ihr Zauberstab befand sich bereits in ihrer Hand, versteckt unter dem Ärmel. „Wag es nur, näher zu kommen, du mörderischer Bastard, und ich verwandel dich zu Staub.“

 

Er besaß die Dreistigkeit gänzlich unbeeindruckt zu wirken. „Ich bin nicht hier, um Ihnen etwas anzutun.“

 

Sie musste den Kopf komplett zurücklehnen, um ihm in die Augen zu sehen. Wenn er etwas vorhatte, dann wäre sie nicht so dumm, seine Jackenaufschläge anzustarren.

 

„Du würdest es nicht überleben, selbst wenn du es versuchen würdest“, versprach Ginny.

 

Einer seiner Mundwinkel hob sich, kaum zu erkennen. Er betrachtete sie amüsiert. „Es ist gut, dass Severus Sie hat, nachdem jeder andere ihn verlassen hat.“

 

Selbst Muggel konnten die angespannte Stimmung zwischen ihnen spüren. Die Leute starrten immer noch. Sie umschritt ihn,  so dass sie wieder auf dem Gang stand, und nicht versteckt zwischen Waren.


„Du hast Mut, zurück nach England zu kommen, Malfoy. Ich nehme an, du bist hier, um deinen Sohn zu sehen?“

 

Lucius war sich der neugierigen Blicke bewusst, die sie auf sich zogen. Er schenkte ihr ein Lächeln und hielt ihr seinen Arm entgegen. „Vielleicht gehen wir ein Stück?“

 

Ginny erwiderte das Lächeln, allerdings bitterböse. „Vielleicht solltest du mich zum Ministerium begleiten und dich gleich selbst ausliefern?“

 

Er ignorierte ihre Worte. „Ich habe etwas, dass Sie Snape geben können, um ihm zu helfen, aber Sie müssen willig sein, es mir abzunehmen. Und im Gegenzug muss er willig sein, es von Ihnen anzunehmen.“

 

Diese kryptischen Worte erregten ihre Aufmerksamkeit. Er sprach von schwarzer Magie. „Das einzige, was ich von dir will, ist ein unterzeichnetes Geständnis, dass du Snape gezwungen hast, dich freizulassen.“

 

Er hob eine dunkelgraue Augenbraue. „Hat er Ihnen das erzählt?“

 

„Nein“, zischte Ginny. Sie bemerkte, dass sie bereits neben ihm schritt. „Aber das würde reichen, seinen Namen sauber zu waschen, und das ist alles, um was es mir geht.“


„Wie hätte ich ihn denn zwingen können? Ich war nicht in der Position zu verhandeln.“

 

Eine ältere Frau trat in ihren Weg und Lucius musste ausweichen, um sie nicht anzurempeln.

 

„Ich weiß es nicht. Wer weiß schon, was du für Geheimnisse über den Köpfen anderer hältst…“

 

Er lachte tatsächlich. „Ich halte gar nichts mehr, Kind. Nicht mal mehr meinen eigenen Namen. Ich bin jedoch im Besitz der einen Sache, die Severus helfen könnte, wenn Sie es mir abnehmen würden.“

 

„Du musst verrückt sein, wenn du glaubst, ich würde irgendetwas von dir nehmen! Ich sollte dich hier und jetzt festnehmen! Dich in Ministerium bringen, dafür, dass du wie ein Feigling abgehauen bist!“

 

„Was denn, hier vor all diesen unschuldigen Muggeln?“, entgegnete er glatt, während er die alte Frau musterte, der sie gerade ausgewichen waren. Es war so gut wie jede andere Drohung. Sie gingen auf die Treppe zu. „Sie würden es nicht überleben, selbst wenn Sie es versuchen, meine Liebe“, flüsterte er in ihr Ohr.

 

Seine Stimme verursachte ihr Schauer auf dem Rücken. Sie verlor ein wenig an Haltung. Jeder, der sie beobachtete könnte meinen, sie wären Vater und Tochter, die sich gerade stritten.


„Was willst du mir geben?“, fragte sie und hasste, dass ihre Stimme zitterte. Sie fühlte die Anspannung, als er in seine Tasche griff, aber alles, was er hervorzog, war ein kleiner brauner Briefumschlag.

 

„Severus wird wissen, was damit zu tun ist. Sagen Sie ihm, ich erwidere den Gefallen“, erklärte er und schon betrat er die Treppe, die nach unten führte. „Richten Sie Potter meine Grüße aus.“ Merlin noch mal, hatte dieser verdammte Bastard ihr doch tatsächlich zugezwinkert!

 

Ginny verharrte auf der Stelle, während sie immer noch zitterte. Sie griff in den Umschlag und zog einen verzierten goldenen Schlüssel hervor, der an einer goldenen Kette hing. Dass sie hin und her gerissen war, wäre eine Untertreibung gewesen.

 

Der Schlüssel war hübsch genug, dass man ihn sogar als Kette tragen konnte.

 

**


So wie die Dinge zurzeit lagen, war ein Zuhause etwas sehr Flüchtiges für Draco geworden.

 

Ein Zuhause war ein Ort, an den er zurückkehrte, nach Jahren, in denen er das hatte tun müssen, was er eben zu tun gehabt hatte. Für eine Weile war sein Zuhause verschiedene schmierige Hotelzimmer in Kairo gewesen. Er hatte unter Vordächern geschlafen, im Stand eines Kamelhändlers. Er hatte für zwei Wochen in einer Höhle gelebt. An einem monsunartigen Abend hatte er auf einem Baum Schutz suchen müssen, um nicht von den Raubkatzen gefressen zu werden. Es hatte ihn erstaunt, wie nass ein Mensch doch werden konnte.

 

Menschen konnten sich anpassen, wirklich. Am meisten, wenn einem der Luxus der Wahl genommen wurde und Überleben das wichtigste Ziel geworden war. Das Leben war fast unerträglich leicht, wenn man sich nicht um seinen Ruf sorgen musste, die Qualität der Kleidung, die man trug oder den Umgang, den man pflegte.

 

Es hatte etwas seltsam Befreiendes an sich gehabt, nur nach diesen Grundbedürfnissen zu leben. Alles, woran er sich so gewöhnt hatte, worauf er sich so verlassen hatte, hatte sich als überflüssiger Ballast herausgestellt.

 

Er hatte extreme Armut erlebt und menschliche Abgründe. So naiv er gewesen war, als er aufgebrochen war, er hatte dennoch recht gehabt, als er Hermine erzählt hatte, die Welt war mehr als Schwarz und Weiß. Und Grau. Oh ja, es gab so viele Farben, aus denen Muggel und Zauberer bestanden.

 

Zuhause hatte sich wieder für ihn geändert. Jetzt war es wieder Malfoy Manor – alle sechsundzwanzig Morgen davon. Allein die schiere Größe war ihm unangenehm. Er mochte die vielen Räume und Flure nicht, die ihm eigentlich bekannt vorkommen sollten. Taten sie aber nicht. Es war bloß Platz. Extrem teuer eingerichteter Platz. Die Erinnerungen, die er hieran hatte, waren nicht hervorstechend. Si fühlten sich nur wie kleine Fetzen seiner Vergangenheit an.


Das Zuhause für Hermine war ein gelbes Naturstein Cottage in Northhamptonshire mit einem Kräutergarten, der unter einem halben Meter Schnee begraben lag. Das Dach sah aus, als könnte es eine Reparatur vertragen. Ein zwanzig Minuten Spaziergang brachte einen ins nächste Muggel-Dorf, mit Straßen und einer Apotheke, eine Grundschule und achthundert ziemlich gewöhnlichen Einwohnern. Vierzig Minuten weiter östlich lag das nächste Zaubererhotel, wo man seinen Besen reparieren lassen konnte (und sie servierten exzellentes Steak und Guinness Pie). Potter und Weasley lebten in keiner großen Entfernung, würde man überlegen wollen, sie zu besuchen.

 

Draco konnte sich keinen besseren Ort vorstellen, wo man wohnen wollte, wenn man alleine leben wollte, ohne völlig isoliert zu sein.

 

Er stand vor dem schiefen Zaun vor Hermines Grundstück und fragte sich, was zur Hölle er eigentlich tat. Es war neun Uhr abends und Draco stand bis zu den Schienbeinen im frischen Schnee, den Besen über die Schulter geschlungen.

 

Die Kälte war still und mächtig. Sein Atem formte Nebelwolken vor seinem Gesicht. Über ihm war der Himmel klar und wolkenlos. Wegen den fehlenden Lichtern der Stadt konnte man tausend Sterne erkennen, wenn man sie denn zählen wollte. Vor dem Zaun stand ein zylinderförmiger roter Briefkasten und ein vergessener Gartenzwerg war fast vollständig vom Schnee bedeckt.

 

Er hatte bloß sehen wollen, wo sie wohnte, hatte er sich selbst gesagt. Wie sie wohnte. Es war, als würde er die fehlenden Puzzlestücke in ein Bild fügen, damit er sehen konnte, was er angerichtet hatte.

 

Was er verpasst hatte…

 

Es war nicht angemessen, ganz und gar nicht. Er wusste das. Er wollte nicht reduziert werden auf einen verliebten, verrückten Stalker. Das Licht von den beiden Fenstern vorne flackerte kurz. Sie war Zuhause. Wieso zur Hölle musste sie Zuhause sein?

 

Die Wärme und das willkommene Gefühl dieses Ortes zogen ihn magnetisch an.

 

Ohne es wirklich vorzuhaben, machte er einen Schritt vorwärts.

**

 

 

Epilogue: Part Ten

 

Es war nicht so, dass Ginny dachte, sie wäre nicht geschickt. Sie war immerhin im selben Haus aufgewachsen wie Fred und George Weasley. Obwohl Molly Weasley sich die größte Mühe gegeben hatte, dass ihr jüngstes Kind und einzige Tochter auf dem Weg aller Tugenden blieb, ließen sich manche Eigenschaften abgucken. Oder vielleicht war es genetisch bedingt?

 

Sie konnte schon immer eine dicke, fette Lüge ohne mit der Wimper zu zucken über die Lippen bringen (obwohl sie das kaum musste), und selbst wenn es aufflog schaffte sie es, souverän zu bleiben.

 

Aber das hier war kein Streich der Zwillinge, die einen Komplizen brauchten. Es war auch keine Mission, die mit Harry zu tun hatte. Das hier war gegen das Gesetz, und würde sie erwischt werden, wären die Konsequenzen eine reine Katastrophe.

Ginny zauberte ein aufrichtiges Lächeln auf ihre Züge, als sie den Aufzug im vierten Stück in Askaban verließ. Sie näherte sich der jungen Wärterin, die sie auch letztes Mal in Snapes Zelle geführt hatte, als sie hier mit Hermine gewesen war.

 

„Hallo Miss“, begrüßte sie die Wärterin. Sie stand bereits hinter dem Schreibtisch. „Schon zurück für Snape?“

 

„Ziemlich schwerer Fall“, seufzte Ginny und schaffte es, genervt zu klingen. Sie warf die schwere Umhängetasche praktisch auf den Schreibtisch und machte sich große Mühe, sie zu durchsuchen. „Wie Sie sich bestimmt denken können.“

 

Die Wärterin nickte mitfühlend. Ginny war dankbar, dass das Mädchen neu hier war. Neu, jung, unerfahren und tatsächlich in Harry verschossen. Und weil Ginny Harrys Freundin war, schätzte sie die neue Wärterin ebenfalls.

 

„Eine Tragödie, dass er hier sein muss“, erwiderte das Mädchen traurig. „Mein eigener Vater war Schüler auf Hogwarts, als Snape gerade angefangen hatte. Und sein Vorrat an Geschichten über Snape und was er mit Zuspätkommern angestellt hat, war endlos gewesen, denn-“

 

Ginny unterbrach sie. Sie wünschte sich, sie könnte sich an den Namen der Wärterin erinnern. „Sie heißen Laura? Ich bin heute wirklich in Eile.“

 

Das Mädchen wurde rot und tat Ginny schon fast leid. „Nein, Constance.“ Sie schob ihr eine abgenutzte Metallkiste über den Schreibtisch zu. „Sie wissen ja, alle magischen Gegenstände müssen hier rein, während Ihres Besuchs. Sie gehen in die Zelle?“

 

„Verhörzimmer, bitte. Er muss einige Dokumente unterzeichnen.“ Ginny zog bereits ihren Mantel aus. Sie öffnete die Knöpfe ihrer Strickjacke und legte die Wettervorhersage-Kette von Bill in die Box. Es folgten die Rechtschreibfeder, ein Block endloses Pergament und der Stimmungsring (der, wie ihr auffiel, purpurn leuchtete). Es waren alles nur kleine magische Gegenstände, aber Regeln waren Regeln, egal, ob sie die Tochter des Ministers war oder eben nicht.

 

„Ist das alles, Miss?“, fragte Constance, mehr als Lückenfüller im Gespräch als irgendwas anderes.

 

Nicht ganz. Du solltest wirklich den Detektor benutzen, um mich auf versteckte Gegenstände zu untersuchen, aber das wirst du nicht, denn du hast es letztes Mal auch nicht getan, als ich mit Hermine hier war, und jetzt schämst du dich zu fragen.

 

Ginnys Lächelnd hätte in Stein gemeißelt sein können. „Ja, das war’s. Ich hoffe nur, ich habe genug Papier. Das letzte Mal ist es mir ausgegangen.“

 

Sie wartete zwanzig nervöse Minuten, während das Mädchen Snape in das Zimmer schaffen ließ. Danach wurde Ginny zum Raum geführt und unterrichtet, dass zwei Wachen vor dem Zimmer bleiben würden, sollte sie Hilfe benötigen. Dass sie Snape besuchte, war nichts Neues. Alle verhielten sich so wie immer. So auch Snape.

Zu behaupten, Snape wäre pflegeleicht, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Er war wirklich vollkommen dagegen, den Rest seines Lebens ein Gefangener zu sein, aber er hatte resigniert. Und dieses Mal hatte Dumbledores Unterstützung nicht ausgereicht. Ginny hatte sich gewöhnt und nahm es nicht mehr persönlich, wenn er das gesamte Treffen hindurch lieber ein Buch las, als zuzuhören. Er hatte genügend Bücher, und wenn er nicht las, dann antwortete er höchstens einsilbig.

Heute las er nicht, denn sie waren ja nicht in seiner Zelle. Ginny fragte sich oft, wie er es schaffte, die Gefängniskleidung so sauber und ordentlich zu halten. Man sah immer noch die Falten vom Zusammenlegen der Kleidung durch das Personal.

 

„Etwas spät, um heute noch vorbeizukommen, finden Sie nicht?“, fragte er mit erhobener Augenbraue. Er saß auf dem Hocker, ihr gegenüber, die Ellbogen auf den Tisch gelegt, die Hände gefaltet. Seine immer noch pechschwarzen Haare hatte er mit einem Stück Leder zurückgebunden.

„Ich dachte, Sie hätten vom letzten Besuch genug Informationen, um die lächerliche Gegenklage aufzusetzen?“

 

Ginny seufzte. Es war ihre erste Gegenklage ohne Hilfe. Snape war ihr erster großer Fall. Sie hoffte nur, er wäre nicht ihr letzter.

 

„Eine Gegenklage wird nicht funktionieren.“

 

„Ach ja? Haben Sie endlich Vernunft angenommen, bezüglich ihrer fruchtlosen Versuche, waren sie auch nett gemeint?“, ergänzte er. Seine Höflichkeit war dennoch spürbar kühl. Sie kam auf den Punkt. „Ein gewisser schwer erreichbarer Freund von Ihnen hat es als passend empfunden, mich letzte Woche aufzusuchen. Mitten in der Unterwäscheabteilung von Harrods.“

 

Snapes Blick war unbezahlbar. Es war die erste Emotion, die sie überhaupt in seinem Gesicht erkannte. „Sie sind sicher, dass… er es war?“

 

Ginny verschränkte die Arme vor der Brust. „Professor, ich weiß nicht, wie viele Menschen sie in Ihrem aufregenden Leben schon haben umbringen wollen, aber ich für meinen Teil, vergesse nicht das Gesicht der Mannes, der es bei mir direkt oder indirekt bereits versucht hat.“

 

Kurz weiteten sich Snapes Augen. „Sie haben Recht.“ Dann wurde er zornig. „Sie dummes Kind, das war sehr gefährlich. Ich schätze, sie haben es nicht gemeldet?“

 

„Sie schätzen richtig.“

 

„Wieso nicht?“


„Weil ich dann nicht in der Lage wäre, Ihnen das hier zu geben.“ Sie warf einen letzten Blick über die Schulter zur Tür, um sich zu sein, dass sie verschlossen war. Schnell griff sie unter ihre Strickjacke und zog die schmale Kette, die sie um den Hals trug hervor. Snapes Reaktion auf den Schlüssel, war nicht, was sie erwartet hatte.

 

Zuerst betrachtete er ihn nur, dann legte er den Kopf zurück und lachte. Es war nicht das manische verrückte Lachen, das man manchmal von Gefangenen hier hörte – von Gefangenen, die etwas zu lange hier waren. Das hier war ein tiefes, normales, amüsiertes Lachen.

Sie runzelte die Stirn. „Ich hoffe, Sie wissen, was damit zu tun ist, denn ich glaube nicht, dass es die Schlösser hier öffnen kann.“

 

Dann fiel sein Ausdruck. „Ich weiß, was damit zu tun ist, denn ich habe ihn gemacht. Das ist es, was Lucius vor fünf Jahren aus dem Hausarrest hat entkommen lassen.“

Es tat Ginny schon leid, dass sie den Schlüssel nicht näher betrachtet hatte. Hermine würde töten, um so etwas in die Hände zu bekommen.

 

„Das ist der geheime Gegenstand, von dem Sie erzählt haben? Was genau ist es?“ Niemand, dem er davon berichtet hatte, hatte wirklich geglaubt, dass es einen Gegenstand gab, der jede Tür öffnen konnte. Ginny hatte geglaubt, es wäre nur eine Geschichte, die Snape erfunden hatte und zu der er auch stehen würde.

Fast sah er sie herausfordernd an, als er antwortete. „Gold, Bronze, Blut und gebrochenes Herz. Alles in die Form gefasst, die Sie hier sehen.“ Er drehte den Schlüssel in der Hand, ehe er ihn in der Faust umschloss. „Es wird jede Tür öffnen, die eine Person von ihren Lieben fernhält.“ Seine Stimme klang so ironisch, dass Ginny nicht wusste, was sie sagen sollte.

 

„Es funktioniert nur, wenn man jemanden tatsächlich auf der anderen Seite der Tür liebt? Und Distanzen sind unwichtig?“

 

„Ja.“

 

Unglaublich“, flüsterte sie. „Ich wusste nicht, dass man gebrochenes Herz binden kann.“ Sein Ausdruck sagte ihr, dass sie diese Frage selber beantworten konnte, wenn sie nur lange genug darüber nachdachte.

Na ja… Blut war einfach. Aber woraus bestand das gebrochene Herz? Ginny hob den Blick.

„Sie meinen Tränen?“ Die Vorstellung, dass Snape über einem Kessel stand und bittere Tränen weinte war fast lächerlich. Snape sagte nichts.

 

„Also, Sie und Lucius-“ Sie wusste, er würde ihr keine Details offenbaren.

„Wissen Sie, dass sie die einzige sind, die mich noch Professor nennt?“

 

Ginny war sehr dankbar für den Themenwechsel. „Und Sie nennen mich immer noch Kind.“

 

„Das ist es auch, was Sie sind“, erwiderte er. „Warum tun Sie das?“

 

„Die Tatsache, dass ich es tue, drückt meine Meinung bezüglich Ihrer Haftstrafe aus. Sie haben getan, was Sie tun mussten, für das größere Wohl der Sache.“

 

„Das Gesetz sieht es anders, Kind. Nicht mit meiner Vergangenheit. Besonders jetzt im Krieg nicht. Wir haben das alles schon hinter uns.“

 

„Dann müssen eben diejenigen von uns, die es noch können, Selbstjustiz walten lassen.“ Sie schritt zur Tür, um durch das kleine Fenster nach draußen zu lugen.  Die beiden Wärter sahen nicht auf. „Sie werden mich bewusstlos schlagen müssen“, sagte sie, als sie sich wieder umdrehte.

Er blieb vollkommen ruhig. „Das müsste ich wohl, damit Ihr idiotischer Plan funktioniert.“

 

Ginny kam auf ihn zu. „Es ist nicht mein idiotischer Plan, es ist Lucius Malfoys idiotischer Plan.“ Snape atmete aus.

Dann erhob er sich. Ginny zuckte kurz zusammen, ob der schnellen Bewegung. Der Schlüssel hing nun um seinen Hals und wirkte besonders leuchtend gegen den nichtssagenden Stoff der Uniform. „Wie funktioniert es genau?“

 

„Es erlaubt mir, unbemerkt durch jede Tür zu kommen, die sich in meinem Weg befindet. Im Moment bedeutet das, dass ich in der Lage bin unbemerkt aus Asakaban zu kommen und auch noch den letzten Wachturm zu passieren.“

 

„Klingt gut“, erwiderte Ginny beeindruckt. „Verletzen Sie keinen Wärter, wenn Sie vorhaben, einen Zauberstab zu stehlen.“

 

Snape schenkte ihr einen knappen Blick, den sie dahin deutete, dass sie ihn wohl gerade mit ihren Worten beleidigt haben musste. Sie atmete tief ein und schloss dann die Augen. „Ok, tun Sie es jetzt. Ich bin bereit.“

 

Aber nichts passierte. Sie spürte keinen Schlag. Ihre Augen öffneten sich. „Professor, Sie müssen mich schlagen. Ich kann es nicht selber tun, Sie werden es merken.“

 

Sie erwartete fast, dass er sagte: „Nein! Nein, das ist lächerlich.“ Und dass er sie nicht schlagen würde. Aber es handelte sich um Snape, und er wusste, was nötig war. Sein Blick war nicht entschuldigend, und er sagte auch nichts Entsprechendes zu ihr.

 

„Ich habe Ihnen Zeit gegeben, Ihre Meinung zu ändern.“

 

„Das werde ich nicht tun, also beeilen Sie sich!“

 

Später fragten sie sie, was das letzte war, an das sie sich erinnern konnte. Denn natürlich würde dies in die Akten eingehen, es musste ein ganzer Bericht verfasst werden, wie solch ein fataler Sicherheitsfehler hatte passieren können. Sie hatten keine Ahnung, wie Snape jede Tür hatte überwinden können und sogar Aufzug gefahren war, ohne dass ihn jemand bemerkt hatte. Er hatte sogar einen Zauberstab mitgehen lassen. Horace, der Wärter am Eingang, hatte nicht einmal gemerkt, dass sein Zauberstab fehlte, bis er aufgefordert worden war, nachzusehen.

 

Das letzte, woran sich Ginny erinnerte, war, dass Snape ihr gesagt hatte, dass er sie mit Absicht mit einem Foul im sechsten Jahr während eines Quiddtchspiels bestraft hatte, wo er der Schiedsrichter gewesen war. Diese Strafe für das Foul hatte Gryffindor den Sieg und Pokal gekostet. Es war etwas, worüber sie und Harry sich immer noch aufregten.

 

„Es war kein Foul gewesen. Draco hatte Schuld gehabt.“

 

Snape hatte es so kalkuliert gehabt, und sie kochte immer noch vor Wut, als sie sie wieder erweckt hatten.

 

**

 

Die Wärme und das willkommene Gefühl dieses Ortes zogen ihn magnetisch an.

Ohne es wirklich vorzuhaben, machte er einen Schritt vorwärts.

Wenn schon Muggel biometrische Sensoren als Sicherheitssystem benutzen konnten, dann war es nur natürlich, dass Zauberer Alarme entwickeln konnten, die nur im Kopf losgingen. Hermine verfügte über solche kleinen, cleveren Zaubere, weil sie in der Mysteriums Abteilung arbeitete. Und jeder wusste, dass die Mysteriums Abteilung mit dem neuesten Schnickschnack spielen durfte, sogar noch vor den Auroren.

 

Und das war hier der Fall.

 

Und es passierte an diesem kalten Samstagabend, dass ein leises ‚Ping‘ in Hermines Kopf ertönte. Und es war nicht der Ofen-Timer, aus dem sie eine hoffnungslos verbrannte Lasagne geholt hatte. Sie war auf dem Weg zum Kühlschrank gewesen, um dort vielleicht noch etwas Essbares zu finden, was allerdings magisch dort würde erscheinen müssen, denn sie hatte nichts gekauft.

 

Sie trug einen Flanell-Pyjama und Hasen-Hausschuhe, die auch schon bessere Tage gesehen hatten, und stand mucksmäuschenstill in der Küche. Der unsichtbare Stolperdraht um ihr bescheidenes Grundstück war von jemand unerwartetem durchbrochen worden. Es wäre naiv von ihr, anzunehmen, dass Voldemort sie nie näher als Ziel ins Auge fassen würde, sei es nur für Informationen oder um Harry leiden zu sehen. Jeder der Harry kannte, lief ebenfalls mit der dunklen Ahnung durch die Gegend, dass hinter jede Ecke auch etwas Gefährliches lauern konnte. Es war eben das Komplettpaket, wenn man Harry mochte und er einen ebenso. Man kam irgendwann damit klar.

 

Es war wirklich kalt draußen. Das Feuer im Kamin brannte relativ hoch. Eine schnelle Flucht wäre nicht möglich, denn Hermine an den Kamin vom Floh-Anschluss genommen, für den Fall, dass Nick versuchte, Kontakt aufzunehmen.

War es nicht das, was man normalerweise tat, wenn man mit jemandem Schluss gemacht hatte? Ihn für einige Tage meiden? Sie wusste es nicht, denn es war das erste Mal, dass sie tatsächlich eine Beziehung beendet hatte. Oder das zweite Mal, wenn man Krum mitzählte, was man nicht sollte, denn das war eher einseitig gewesen.

 

Nick, in seiner verständnisvollen, weisen Art, hatte gesagt, er würde sie verstehen. Aber sie glaubte nicht, dass er das wirklich tat. Deswegen hatte sie auch auf Grund von zu großen Differenzen Schluss gemacht. Hätte sie ihm gesagt, sie würde einen Jungen lieben… nein, einen Mann, den sie nur vierzehn Tage lang intim gekannt hatte und seit fünf Jahren ohnehin nicht gesehen hatte, wäre Nicks Reaktion bestimmt eine andere gewesen.

 

Seine völlige Ruhe nach dem Gespräch, war für Hermine ein weiterer Indikator dafür gewesen, dass sie ohnehin nicht zusammen gepasst hatten. Hermine dachte selber sehr praktisch, aber sie wusste, dass ein Mann, der nicht einmal schlechte Laune nach einem solchen Gespräch bekam, nicht der Mann war, den sie an ihrer Seite haben wollte.

 

Ihr Kopf dachte praktisch, wissenschaftlich, sogar. Aber nicht ihr Herz. Es war ungesund und verrückt, zu wollen, dass Nick Stühle warf und schrie, dass er für sie kämpfte, dass er sie ansah, mit einem Blick, der ihr Gehirn praktisch punktierte, und die Wahrheit aus ihr herauszwingen konnte.

 

Und er hatte nichts davon getan, denn er war nicht Draco.

 

Das Ende einer solchen Beziehung bedeutete nicht, dass man erst einmal Tee kochte, sich gemütlich hinsetzte und darüber sinnierte, was als nächste im Leben passieren würde. Aber genau das hatte Nick getan. Hermine hatte sein Apartment seltsam zufrieden verlassen, aber auch verwirrt und ängstlich, denn sie hatte etwas über sich herausgefunden, von dem sie gedacht hatte, dass es längst verschwunden war.

 

Als Hermine zuhause angekommen war, hatte sie beschlossen, vollkommen abzuschalten. Das war aber ein Fehler gewesen, denn sie würde das Netzwerk nicht schnell genug abgeschlossen bekommen, um einen Notruf über Floh zu machen. Sie würde in Sicherheit apparieren müssen, wenn es hart auf hart kam.

 

Und dazu würde es nicht kommen, denn sie würd erst einmal kämpfen. Die Bastarde besaßen die Dreistigkeit, ihr Haus angreifen zu wollen? Sie würde sicher gehen, dass sie genau das bereuen würden.

 

Die L-förmige Küche war jedoch voller Fenster, als zog sich ins Esszimmer zurück, um geschützter zu sein. Sie duckte sich hinters Sofa und kroch zum ersten Fenster, um unter dem schweren Vorhang hindurch zu spähen. Eisblumen zogen sich über das halbe Fenster, also sah sie nicht besonders viel. Aber jemand befand sich Garten, soviel konnte sie erkennen.

 

Sie duckte sich wieder zu Boden und schob Krummbeins Korb beiseite, um die losen Dielenbretter anzuheben, die sie für so einen Notfall konzipiert hatte. Sie hob Krummbein in den Korb, aber dieser war viel zu faul, um sich zu beschweren, und ließ den Korb in einen unterirdischen Raum des Hauses hinab. Krummbein maunzte verstört, als sie die Dielenbretter wieder zurück klappte.

 

„Shh, Krummbein“, flüsterte sie. „Das ist nur zu deinem besten.“ Mit dem Zauberstab fest in der Hand presste sie sich flach neben die Haustür und zählte bis fünf.

 

**

 

Zwei Monate an regelmäßigen, warmen Mahlzeiten, einem Dach über dem Kopf und einem richtigen Bett, hatten Dracos scharfe Instinkte nicht abstumpfen lassen. Noch nicht. Vielleicht in ein paar Jahren, nahm er an. Einige Dinge blieben einem unglücklicherweise erhalten. Es schneite mittlerweile so stark, dass ihm die Tür schon verschwommen vorkam.

 

Es war gut, dass er noch sah, wie die Tür kraftvoll aufgerissen wurde. Ohne abzuwarten, ließ er sich auf den Boden fallen, die Hände gegen den Schnee gepresst. Weniger als einem Meter über seinem Kopf hatte sich ein halbkreisförmiges, magisches Feld gespannt.

 

Er hörte die Wirkung des Spruchs. Äste brachen, sowie auch der Zaun um das Grundstück herum.

 

Nachdem der Krach aufhörte, stützte er sich auf die Ellbogen und war gleich auf mit einem Paar Hasenhausschuhe. Sie versanken praktisch im Schnee und er erkannte Knöchel, die in Flanell steckten. Überreste des Fluches brachten den Schnee um ihn herum zischend zum Schmelzen.

 

„Mein Gott, Malfoy!“ Eine ungläubige Hermine Granger stand über ihm, den glühenden Zauberstab in der Hand. Er schob ihn mit der Hand beiseite, damit sie ihm nicht noch die Augenbrauen ansengen würde.

 

„Einfach nur Draco reicht“, sagte er, als er sich hinsetzte. Er bemerkte, dass seine Kleidung bereits durchnässt war. „Zwar bin ich geschmeichelt, dass du mich für Gott hält, aber es ist nicht nötig.“

Ja, das war ziemlich lahm von ihm. Nichts löste Spannung so gut, wie ein schlechter Witz. Hermine jedoch schien nicht in der Stimmung zu lachen. Der Zauberstab zitterte in ihrer Hand und sie war blass wie der Schnee.

 

„Du Idiot! Ich hätte dich töten können!“ Jeder Humor fiel von ihm ab, als er erkannte, wie sauer sie wirklich war.

 

„Gut für mich, dass du das nicht getan hast, hm?“, erwiderte er sanft. Es würde sich normal anfühlen, sie in den Arm zu nehmen, aber Draco erlaubte es sich nicht.

 

Hermine starrte ihn weiterhin an, als könne sie immer noch nicht fassen, dass in ihrem Garten stand. Sie stampfte mit dem Hasenhausschuh auf und rieb sich die Oberarme. Sie bekam wieder Farbe in den Wangen – zwei tiefrote Flecken auf beiden Wangen. In ihrem zu großen Pyjama, den sie an den Handgelenken umgekrempelt hatte und Schnee der in ihren Locken glitzerte, schaffte sie es trotzdem, ihn allein mit ihrem Blick zu rösten. Und Draco fand trotzdem, dass sie das hübscheste war, das er jemals gesehen hatte.

 

In seiner Brust entstand ein bekanntes beengtes Gefühl. Er war ein Arschloch, dass er hier heute Abend aufgetaucht war.

 

„Was tust du hier, Malfoy?“, fragte sie mit stechendem Blick.

 

Draco entschied, dass Wahrheit die beste Lösung sein würde. Er zog sich die Kapuze aus dem Gesicht. „Ich weiß es nicht. Ich hatte gehofft, du könntest es mir sagen.“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Hatte sie Gesellschaft? Jetzt fühlte er sich noch beschissener. Nämlich wie ein hoffnungsvolles Arschloch. Er wartete nicht ab, dass sie ihm sagen konnte, wer bei ihr war. Oder noch schlimmer, dass sie ihn aufforderte, zu gehen.


„Entschuldige. Ich bin nicht hergekommen, um eine Szene zu veranstalten.“ Er griff sich seinen Besen und trat den Rückzug an. Er schritt auf den zerstörten Zaun zu, während geschmolzener Schnee seine Füße durchnässte.


„Eine Szene wäre es nur, wenn mehr Leute als ich hier wären, um sie zu sehen.“ Hermines reumütiges Geständnis, ließ ihn innehalten. Er wandte sich wieder um. Sie hielt die Tür für ihn offen.

 

**

 

Epilogue: Part Eleven

 

Hermine fand, dass Draco absolut lächerlich aussah, auf dem Blumensofa in ihrem Wohnzimmer, mit den runden Lehnen, während er auf dem Knie eine Tasse Tee balancierte. Das Magnolienblüten-Muster hatte sie nicht selber gewählt. Es war schon im Cottage gewesen und immer noch so gut wie neu. Hermine hatte keinen Grund gesehen, ein neues Sofa zu kaufen. Muggel warfen ja ständig alles weg, und obwohl Hermine nicht allzu anhänglich war, was Sachen betraf, schätzte sie dennoch sentimentale Werte.

 

Außer natürlich bei schmerzhaften, brennenden Erinnerungen, die sie loswerden wollte, erinnerte sie sich fast beschämt. Keiner von ihnen, schien in der Stimmung zu sein, Tee zu trinken, aber Hermine hatte ein paar Minuten in der Küche gebraucht, um ihre Nerven zu beruhigen. Danach hatte sie Krummbein aus seinem Versteck geholt und ihm als Versöhnung warme Milch in eine Schüssel geschüttet. Etwas so gewöhnliches wie Tee und Kekse standen Draco nicht. Genauso wenig, wie herkömmliche Wohnzimmer. Es war so, als würde er Farben tragen, die nicht zusammen passten. Seine Farben waren Nachtschwarz, Grau wie Feuerqualm, Rot wie Funken und das penetrierende Avada Kedava Grün.

 

Der letzte Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie konnte ihn sich vorstellen, in unvorstellbaren Reichtümern, sowie auch in der Mitte der verlassenen Wüste. Es waren die normalen Szenarios, die ihr unwahrscheinlich vorkamen. Sie selbst hielt sich eher für ein normales Mädchen, die sich irgendwo dazwischen befand.

 

Er zog die Dunkelheit eines Zimmers förmlich an, wie ein Magnet. Wahrscheinlich wegen der Farben, die er trug. Alles schien neben ihm wie ein unglaublicher Kontrast, selbst sie, stellte sie fest.

 

Das Feuer brannte hoch, aber sie nahm an, ihm war immer noch kalt. Sein nasser Umhang klebte ihm praktisch am Körper. Sie konnte leicht die Form seines Bizepses erkennen, seiner Arme, seiner Brust, bis hinab zu seiner Hüfte. Starke, elegante Hände hielten die Teetasse und seine Muskeln bewegten sich leicht. Sein langer Zeigefinger tippte sanft gegen den Tassenrand.

 

Hermine zwang den Blick auf ihren eigenen Tee. Sie spürte wieder das Blut in ihren Extremitäten, was gut war, denn ihren Zehen waren einfach nur noch taub gewesen. Ihr nasser Kopf fühlte sich jedoch unangenehm heiß an. Die Grippe machte bei den Auroren die Runde. Ron hatte sich schon angesteckt.


„Wir sollten aus den nassen Sachen raus“, entschied sie hastig. Und dann wurde sie rot bis unter den Haaransatz.

 

Leider schaffte es ihr Mund manchmal nicht, einfach die Klappe zu halten, bis das, was sie sagen wollte, auch von ihrem Gehirn überprüft worden war. Üblicherweise nahm sie an, dass alles, was sie sagte, Sinn ergab. Denn sie war Hermine, und sie ergab immer Sinn, wenn auch manchmal etwas taktlos. Ron sagte immer wieder, dass ihre Brillanz einen eigenen Pressesprecher brauchte. Gott, sie war selber ihr schlimmster Feind. Hermine schloss kurz die Augen, denn gerade konnte sie nicht denken.

 

Draco hob nicht einmal die Augenbraue. Er sah sie nur an, mit einem Blick, den Hermine als nachdenklich beschreiben würde, vielleicht auch geduldig. Sie wusste, sie kannte alles an ihm, was es zu kennen gab. Aber das war vor fünf Jahren gewesen. Vieles konnte in fünf Jahren passieren. Sie war gerade dabei nicht auf das zu starren, was in fünf Jahren passiert war.

 

Außerdem konnte sie ihren Erinnerungen über so lange Zeit nicht trauen. Sie veränderten sich irgendwann. Ihr Verstand dachte sie manchmal Ecken und Kanten dazu. Sie atmete also scharf ein und beschloss, wenn er nicht gleich etwas sagen würde, würde sie einen Keks nach ihm werfen.

 

Sie räusperte sich. „Wo du hier bist, ich wollte dich etwas über Fida Mia fragen. Lose Enden, sozusagen.“ Verdammt sei seine undurchschaubare Haltung. Wie konnte er es schaffen, dass sie sich eingeschüchtert fühlte, wenn er hier doch mitten in der Nacht aufgetaucht war und dabei auch noch fast gestorben wäre?

 

„Was willst du wissen?“, war seine nüchterne Antwort. Eine sinnliche Neugierde klang in seiner Stimme mit. Oder vielleicht war das seine Art von Höflichkeit. Sie war mit ihren Nerven am Ende, und ihm war gar nichts anzumerken. Es war einfach nur ungerecht.

 

Hermine ignorierte ihren Gedankengang. „Was ist mit deinem Tattoo passiert?“ Er hatte gemerkt, dass sie ihm nciht in die Augen sehen konnte, und wartete tatsächlich, bis sie den Blick gehoben hatte, ehe er sprach.

 

„Dasselbe, was mit deinem passiert ist, in der Sekunde als du im Großen See ertrunken bist. Es ist verschwunden.“ Hermine kam es so vor, als wären Falten auf seiner Stirn erschienen.


„Weil mein Tod bedeutet hat, dass die Verbindung zerstört war“, fasst sie zusammen. „Und das war es dann? Der Zauber war vorbei?“


„Ja.“

 

Sie biss auf ihre Unterlippe. „Und hatte das etwas damit zu tun, dass…“

 

„Dass ich gegangen bin?“, fragte er. „Du denkst, das Ende von Fida Mia hat auch das Ende meiner Gefühle bedeutet?“

 

„Na ja, das hatte damals Sinn ergeben.“ Es fühlte sich gut an, dass ihre Bitterkeit zurückkehrte. Dann verlor sie ihren Fokus nicht.

 

Er setzte sich etwas aufrechter hin. „Hast du verstanden, was ich dir auf Malfoy Manor gesagt habe?“

 

„Ich kann mich nicht daran erinnern, gesagt zu haben, dass ich deine Erklärung akzeptiert habe,“ erwiderte sie kühl.

 

„Aha“, entgegnete Draco und schien zu einem enttäuschenden Schluss zu kommen. „Großartig. Dann machen absolut keine Fortschritte.“

 

Hermine taten ihre Worte jetzt schon leid. Sie wollte ihm versichern, dass sie ihn nicht mit Absicht bestrafte. Es war nur, dass sie immer noch sehr, sehr traurig war….

 

Er stellte seine Teetasse neben die Kekse. „Warum hast du mich rein gebeten? Ich glaube nicht, dass Winter damit einverstanden ist.“

 

Sie wollte ihm gerade sagen, dass Nick und sie nicht mehr zusammen waren, aber sein Ton ließ sie zögern. „Warum bräuchte ich sein Einverständnis, einen Gast in meinem eigenen Haus zu haben?“

 

„Wäre ich er, hätte ich ein verdammtes Problem damit, mich in dein Haus zu lassen“, schnappte er.

 

„Tja, du bist aber nicht Nick, oder?“, erwiderte sie.

 

Diese Unterhaltung qualifizierte sich bereits jetzt für den blödesten Streit aller Zeiten.

 

Er erhob sich. „Ich sollte nicht hier sein.“

 

Sie erhob sich ebenfalls. Na ja, sie sprang eher aus dem Sessel. Ihre Hände hatten irgendwie den Weg auf ihre Hüften gefunden. „Das war’s dann? Du gehst?“

 

„Brauchst du mich sonst noch für irgendwas?“ Schon wieder seine verdammte zweideutige Aussage, aber sein ton war jetzt schärfer.

 

Sie wurde schon wieder rot. „Ich habe den Bericht gelesen. Jedes Wort davon.“

 

Etwas änderte sich. Draco lächelte, und nichts hätte sie mehr verwirren können als das. Es war eine Herausforderung. Er kam auf sie zu. Nein, er näherte sich lauernd, wie ein Tier. Der Blick aus seinen Augen diente nur dazu, dass sie sich schwach fühlen sollte. Hermine spürte, wie ihre Füße rückwärtsgingen, weg von ihm. Der Furcht kam ihr bekannt vor, und sie hasste, dass er immer noch diese Macht über sie hatte.

 

„Dann weißt du jetzt ja, zu was ich fähig bin“, fasste er fast gleichmütig zusammen, aber seine Stimme klang bitter dabei. „Deine schlimmsten Ängste wegen Dominic Nomarov auf Malfoy Manor haben sich also bestätigt.“

 

„Wie ich sagte, ich habe es gelesen. Du musstest tun, was du getan hast“, sagte sie. Und sie zuckte nicht zusammen, als er die Hand hob, um mit den Fingerknöcheln über ihre Wange zu streichen. Er fuhr mit dem Daumen über ihre Unterlippe und starrte auf seine Bewegung hinab.

 

„Süße, warum zitterst du dann wie Espenlaub?“, ärgerte er sie. „Sag mir, dass du keine Angst vor mir und mein es verfluchte Scheiße noch mal auch so.“

 

Sie schauderte. „Ich habe k-keine Angst vor dir.“

 

„Wirklich?“, erwiderte er gedehnt. Es war kaum eine Frage. Und er fuhr fort, aber seine Stimme war drängender. „Und jetzt sag mir, dass du mich nicht liebst, und ich werde dich nie mehr belästigen.“

 

Er erwartete, dass sie lügen würde und nein sagte. Aber… aber warum wollte er, dass sie Nein sagte?

 

Es kostete sie nur einen Moment, diese Frage zu beantworten, und sie begriff, dass Draco und sie doch nicht so verschieden waren, wie sie geglaubt hatte.

 

Er wollte, dass sie ihm sagte, er solle verschwinden und niemals wiederkommen, denn dann müsste er ihr seine Seele nicht offenbaren und Angst haben, abgewiesen zu werden. Selbst Menschen, die von Logik bestimmt wurden, fragte sich manchmal, ob es den Einen wirklich gab, selbst wenn es nur Spekulationen waren. Für den rationalen Menschen waren Seelenverwandte das Runde, was durch das Eckige musste, nahm sie an. Eine nette, aber falsche Vorstellung. Hermine Granger gab sich nicht falschen Vorstellungen hin.

 

Natürlich nur, bis Draco Malfoy zurück in ihr Leben gekommen war. Er stellte sich gegen ihre Logik. Er kam mit eigenen Regeln. Hermine verstand, warum er vor fünf Jahren hatte gehen müssen, und dafür hatte sie nicht mal den Bericht lesen müssen. Sie hatte auch nicht seine Erklärung auf Malfoy Manor gebraucht.

 

Sie hatte es immer verstanden, aber Wut und Bitterkeit machten süchtig, wenn es zu einem gebrochenen Herzen kam. Sie hatte ihren Seelenverwandten damals verloren, weil es das Schicksal so gewollt hatte, aber das würde sie kein zweites Mal zulassen.

 

Sie waren beide so verdammt stolz, aber es war ihr jetzt egal. Sie würde nicht lügen, um ihren Stolz zu schützen.

 

„Ich liebe dich, Draco. Von ganzem Herzen”, sagte sie atemlos.

 

Und die Wahrheit sollte einen befreien.

Hoffentlich tat sie das.

 

Draco wirkte ziemlich verstört. Seine harten Züge wurden weich und zurück blieb nur Verletzbarkeit.

 

Hermine sprach weiter, für den Fall, dass er Begriff war, irgendetwas Dummes zu erwidern. „Und der Grund, weshalb ich dich rein gebeten habe, war, dir zu sagen, dass ich mit Nick Schluss gemacht habe.“

 

Dracos silberne Augen verengten sich kurz. Dann hoben sich seine Augenbrauen.

 

Wann?“, flüstert er.

 

„Heute Abend.“

 

„Oh.“

 

Ja, ‚Oh‘ traf es ganz gut. Er wirkte immer noch verstört. Sie hob die Hand zu seinem Gesicht, strich sein nasses Haar zurück, fuhr mit den Fingerspitzen über seine Stirn und dann mit dem Zeigefinger seinen geraden Nasenrücken hinab. Es war ein abwesendes Verlangen, ihn berühren zu müssen. Sie konnte sich nicht aufhalten.

 

„Du bist kalt“, bemerkte Draco abwesend, umfing ihre Finger und hauchte seinen warmen Atem auf ihre Haut. Er ließ es klingen, als wäre es seine Schuld. Sie schenkte ihm ein verträumtes Lächeln. Sein Blick glitt zur Schlafzimmertür, die offen stand, und dann weiter den kurzen Flur hinab zum Bad.


„Hast du eine Badewanne?“

 

Ihre Stimme war nur ein Hauch, als sie antwortete. „Ja, aber sie ist winzig.“

 

„Dusche dann?“

 

„Ok.“

 

Das Badezimmer im Cottage war eine Liebeserklärung der 70-er Jahre, aus Limonengrün und Orange.  Sie wartete neben dem Plastikduschvorhang, während er in der Mosaik-Dusche das Wasser auf die richtige Temperatur stellte. Die Rohre waren alt und laut. Es war fast peinlich, wie laut die Rohre ächzten, ehe erst lauwarmes und dann kochendheißes Wasser aus dem Duschkopf kam.

 

„Gleich ist uns warm“, sagte er.

 

Hermine hatte tatsächlich den Nerv ihm zu sagen, dass die Temperatur im kleinen Bad bereits dadurch gestiegen war, dass er seinen Umhang ablegte. Das nasse, schwere Material fiel zu Boden. Danach kam eine Jacke und ein langärmeliges Shirt das er sich vom Körper schälte.

 

Es war wie im Badezimmer der Vertrauensschüler. Nur vollkommen anders. Sie wollte jetzt nicht ihre Schuhe nach ihm werfen.

 

Sein Rücken war breit, muskulös und feucht. Hermine hatte nicht erwartet, ein Tattoo zu sehen, aber sein bloßer Rücken schickte die Tränen in ihre Augen. Ihre Emotionen waren irgendwie alle durcheinander. Nervosität, Ungeduld und unglaubliches Glück mussten aus ihr strömen. Und sie fühlte alles gleichzeitig. Sie seufzte auf.

 

Er trug noch seine Hose. Und er beobachtete sie wachsam; sein Ausdruck eine perfekte Mischung aus Besorgnis und greifbarer Erwartung.

 

„Wir müssen nichts anderes tun, als zu duschen.“

 

Sie schenkt ihm ein freches Lächeln. „Wirklich? Wenn es um heißes Wasser geht, tun wir für gewöhnlich andere Dinge.“

 

Er wurde tatsächlich ein wenig rot. „Nein, das stimmt. Letztes Mal war es komplett meine Schuld.“

 

Hermine grinste. „Ich übernehme die volle Verantwortung für was auch immer jetzt passiert.“ Sie stieg aus ihren Pyjama-Hosen und ihrer Unterwäsche, während sie das Oberteil anließ. Es war lang genug, dass es ihre Oberschenkel bedeckte. Ihre Finger zitterten, als sie die Knöpfe öffnete. Auf einmal fühlte sie sich unglaublich schüchtern.

 

„Lass mich“, sagte Draco. Und dann öffnete er Knopf für Knopf, arbeitete den Weg nach unten mit langsamer Präzision. Als er fertig war, hielt er inne und hielt ihr Oberteil geschlossen.


„Wie ich schon sagte… wir müssen nichts tun.“

 

Ihre schmalen Hände legten sich um seine. „Hast du Angst?“

 

Seine Stimme war lauter, als er antwortete. „Natürlich habe ich Angst. Ich… will dich nicht überwältigen mit meiner...“

 

„Wieso bist du derjenige, der mich nur überwältigt? Habe ich gar keine Auswirkungen auf dich?“, fragte sie, nur halb ernstgemeint.

 

Er schnaubte auf. „Granger, du machst mich vollkommen fertig. Jedes Mal. Ohne Anstrengung.“

 

Das war das schönste Kompliment, das sie von ihm je bekommen hatte. Sie schenkte ihm ein feines Lächeln.

 

Ihr Lächeln verschwand jedoch, als er seine Hose öffnete, auszog und in die Ecke warf. Er stieg in die Dusche. Sie hatte vergessen, dass Nacktsein für ihn ja kein Problem war. Draco war nie schüchtern oder bescheiden gewesen.

 

Sie kramte ihre Reserven an Mut hervor und ließ ihr Oberteil ebenfalls auf den Boden fallen und kam zu ihm.

 

Wie sie geahnt hatte, war das heiße Wasser himmlisch. Hermine schloss die Augen und ließ das Wasser über sie strömen. Draco rieb ihre Oberarme, ließ aber immer noch Abstand zwischen ihnen übrig.

 

Hermine wollte seine offensichtliche Scheu belächeln, aber sie nahm an, sie würde es nicht schaffen, denn sie war gefangen von seiner Präsenz.


„Du stehst gar nicht drunter“, sagte sie, mit belegter Stimme.

 

Der Duschkopf war ein wenig zu tief für ihn, also schob er ihn höher und stellte sich unter das Wasser. Sie standen jetzt Haut an Haut und sie liebte das Gefühl seiner Erektion, die nun ihren Bauch berührte. Er war heißer als das Wasser. Und er war steinhart und so real. Sie sah zu ihm auf und fühlte sich glücklich und ängstlich und so leicht.

 

„Ich habe Angst, weißt?“, räumte sie ein. „Zumindest ein bisschen.“

 

Seine Hände hielten sie höflich um ihren Rücken, dann massierten seine Finger sanft ihre untere Rückenpartie. „Ich auch.“

 

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, da er ja so übervorsichtig sein musste.

 

Und Hermine spürte die Veränderung sofort. Anspannung trat in seine Arme, als hätte sie einen Schalter umgelegt. Seine rechte Hand presste sie fester an ihn. Er hob sie an, um sie gegen die geflieste Wand zu drücken. Ihre Beine legten sich automatisch um seine Hüfte, und ihr Kopf flog zurück, als er ihre Lippen verließ, um ihren Hals zu küssen. Das Wasser strömte seinen Rücken hinab, und die Hitze war plötzlich unerträglich, wo sie gerade noch angenehm gewesen war. Hermine hatte das Gefühl in heißer Luft zu ertrinken.

 

Ihre Hände lagen auf seinen Schultern, obwohl sie sich gar nicht halten musste. Er hielt ihr Gewicht, als wöge sie nichts. Seine Hände hielten sie um ihren Brustkorb, unter ihren Brüsten. Er sah nun nicht mehr bloß in ihr Gesicht. Die Höflichkeit war verschwunden. Er wollte sich nehmen, was er haben musste. Er hob sie höher, saugte, ihre Brustwarze in seinen Mund, umzirkelte sie mit seiner Zunge, ehe er sanft hinein biss.

 

Hermine keuchte auf und spürte einen Schauer ihren ganzen Körper erzittern.

 

„Oh… Gott. Draco.“

 

Draco verharrte vor ihrem Mund und legte den Kopf schräg. Er sah auf sie hinab, durch seinen nasse, vollen Wimpern. „Soll ich aufhören?“ Er leckte sich über die Lippen. Sie wollte das tun. Und das tat sie auch. Und das war ihm wohl Antwort genug.

 

Hermine legte die Hände fest um seinen Nacken. „Bitte, ich will dich ganz.“

 

„Ganz?“, wiederholte er, und ein definitiv laszives Funkeln trat in seine Augen, als er seine Handfläche über ihre Hüfte zu ihrem Schenkel wandern ließ, um ihr Bein noch höher um seine Hüfte zu legen. Die Spitze seines Schwanzes positionierte er vor ihrem weichen Eingang. „Bist du sicher, Granger?“ Er bewegte sich vorwärts, und sein Schwanz öffnete sie ein wenig. Bloß ein wenig. Es war reine Folter.

 

Ihre Antwort war ein Wimmern.

 

Sie war so bereit, dass sie befürchtete, dass die kleinste Bewegung bereits reichen würde, sie über die Klippe zu schicken. Sie hätten diese Welt bereits verlassen haben können und bereits sonst wo gelandet sein, sie würde es nicht mal mehr merken. Es gab nichts wichtigeres, nichts anderes, an was sie denken konnte, als das er in ihr sein musste.

 

Und er hielt sich immer noch zurück. Aber seine Zurückhaltung bröckelte langsam. Sein Atem ging abgehackt, und etwas Wildes lag in seinem Blick, dass ihr eine Gänsehaut bescherte.  Sie wollte sich selber enger an ihn pressen, tiefer, bis er nicht weiter ging.

 

Draco ließ seine Hand zwischen sie gleiten. Ihr Kopf fiel auf seine Schulter, als sie spürte, wie zwei Finger begannen, ihr zu geben, was sie so dringend brauchte. Sie bockte kurz auf.

 

Oh.“ Sie war so nah dran. Ihre Nägel krallten sich in seine Schultern. Er hörte plötzlich mit den rhythmischen Bewegungen auf und presste die Hand gegen sie. Nein, sie wollte, dass er weitermachte.

 

„Hermine.“

 

Ihre Augen flatterten auf.

 

Er wirkte sehr ernst. Er sah aus, als wolle er ein Gespräch führen. Sie würde noch verrückt werden, wenn er sich weiter weigern würde.

 

„Das letzte Mal, als wir das gemacht haben, habe ich gesagt, du würdest mir gehören. Weißt du noch?“

 

Sie versuchte, sich zu bewegen, seine Fingern zu animieren, weiter zu machen. „Oh bitte…“

 

„Weißt du noch?“, wiederholte er.

 

„Ja. Ja, ich weiß.“

 

„Du gehörst mir nicht, Granger. Oder irgendwem. Ich habe viel zu viel gesehen von dieser Welt, und weiß, was Menschen passiert, die glauben, sie besäßen die Macht, jemand anderen zu besitzen. Du gehörst zu mir, aber ich werde dich niemals als meinen Besitz bezeichnen. Ist das ok? Ich wollte das nur klarstellen.“

 

Es war ein Wunder, dass sie überhaupt sprechen konnte. Aber es war ihm wichtig, als gab sie sich Mühe. „Ich verstehe.“

 

Er nickte. Er schob zwei Finger in sie, und das war alles, was sie noch brauchte. Hermine kam so heftig, dass sie schrie und zitterte. Ihre inneren Muskeln schlossen sich um seine Finger.

 

„Gut“, sagte er und klang jetzt, als würde er gefoltert werden.

 

Und das war das Ende seiner Selbstbeherrschung. Sie zitterte und konnte nicht mehr, als er ihre Beine weiter spreizte und in sie stieß. Ihre Schauer waren noch nicht völlig abgeklungen. Er stieß erbarmungslos hart in sie.

 

Sie kam sich völlig losgelöst vor. Und er blieb vollkommen ruhig, die Augen geschlossen, und wartete die letzten Wellen ihres Orgasmus‘ ab.

 

Und dann begann er, sich zu bewegen; hart und entschlossen  rammte er in sie. Und er nahm sie in völliger Stille. Das Wasser übertönte ihr leises Keuchen, bei jedem Stoß. Es war perfekt. Das Gefühl seiner Spitze so tief in ihr. So tief, dass sie den Eingang ihrer Gebärmutter berührte.

 

Nach einer Weile, gab sie sich keine Mühe mehr, ihr Gewicht für ihn mit zu halten, und er schien es auch nicht zu brauchen. Er hielt sie vollkommen allein. Sie suchte seinen Mund und küsste ihn mit all der Liebe und Leidenschaft, die sie in sich hatte.

 

Sie fühlte, wie sein Atem unregelmäßig wurde. Er spannte sich an, zog sie härter und enger an sich, und dann kam er noch härter. Noch immer waren ihre Lippen verschlossen, teilten ihren Atem. Hermine schloss die Augen und genoss das Gefühl, ihn zu haben.

 

Nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, sah sie ihn mit großen Augen an. Sie wollte etwas Romantisches sagen, aber sie schaffte es nicht. „Malfoy, ich glaube, ich werde gleich ohnmächtig.“

 

Sofort setzte er sie ab und stellte das Wasser aus. Kurz hielten sie sich gegenseitig, im Dampf des Badezimmers.

 

„Ich bin sehr glücklich, dass du heute Abend gekommen bist, selbst wenn ich dich nahezu umgebracht hätte“, murmelte sie gegen seine Brust.

 

Hermine konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie nahm an, dass er lächelte. Sie erinnerte sich, wie es war, wenn sie sich geliebt hatten. Sie wurde gesprächig, er reflektierte.

 

„Ich habe es nicht geplant“, sagte Draco. „Wenn ich es geplant hätte, wären wir vorher wenigstens Essen gewesen.“ Er klang so entschuldigend, dass sie lachen musste.

 

„Ich mach uns was.“

 

„Du willst kochen?“ Der Geruch der verbrannten Lasagne hing noch immer in der Luft.

 

Hermine gefiel das Misstrauen in seiner Stimme nicht, aber sie beschloss, ihm zu vergeben, denn er war höflich genug, sie in ihren Bademantel zu wickeln und ins Schlafzimmer zu tragen.

  

**

 

Epilogue: Part Twelve


Es war noch vor dem Morgengrauen. Der Himmel war noch überwiegend Schwarz, aber rot, orange und marmorfarbige Streifen zogen sich bereits durch die Wolken. Auf der Fensterscheibe war Wasser kondensiert. Es war warm in Hermines Schlafzimmer. Nicht die trockene Wärme, die mit einem Temperatur-Zauber kam, sondern die langsam, stetige Wärme, die einen ganz erfasste, einem in die Knochen ging, überallhin, wo man annahm, dass man dort nie warm werden würde. Es war ein Wintermorgen so gut, wie er eben sein konnte.

 

„Mrrrau.“

 

Krummbein sah aus wie ein haariger, orangener Donut am Fußende des Bettes. Er war etwas anhänglich, seitdem Hermine ihn aus dem Versteck unter den Dielen hervorgeholt hatte. Zwar hatte sie ihm neben den Hasenhausschuhen auch noch eine warme Wasserflasche in seinen Korb gelegt, aber dennoch kam er immer wieder zurück ins Bett. Wenn Draco raten müsste, würde er sagen, die Katze war ein wenig besitzergreifend.

 

„Du kein dein Frauchen nach dem Frühstück wieder ganz für dich haben“, flüsterte Draco. Anscheinend zufrieden senkte Krummbein seinen eckigen Kopf wieder auf seine Pfoten und schlief weiter.

 

Draco sah Hermine wieder an. Er das tat bereits seit einer Stunde. Sie schlief, wie er sich erinnerte: tief, alle Gliedmaßen von sich gestreckt, mit einem fast ernsthaftem Ausdruck auf den Zügen. Manche Menschen, runzelten die Stirn oder zuckte im Schlaf, aber sie war ruhig. Wie ein Kind seufzte sie manchmal sanft und ihre Mundwinkel hoben sich ein winziges Stück.

 

Wenn sie träumte, war es wohl ein guter Traum.

 

Sie lag halb über ihm, ihre ruhte auf seiner bloßen Brust, die sich sanft hob und senkte, mit jedem Atemzug, den er tat. Das Bettlaken, das sie sich teilten, bedeckte nur ihre Hüfte. Draco blickte an ihr hinab, über ihren Kopf, zu den entspannten Schultern, ihren hübschen Rücken hinab, bis zu der sanften Kurve über ihrem Po.

 

Diese Aussicht war, seiner Ansicht nach, perfekt.

 

Sie bewegte sich im Schlaf, drehte ihr Gesicht von der rechten auf die linke Seite, und er bemerkte die Locken, die sie im Schlaf platt gedrückt haben musste.

 

Draco berührte eine der größeren Locken auf ihrem Kopf. Er tat dies vorsichtig, falls er sein Glück zu selbstverständlich nahm und sie plötzlich unter seinen Fingern verschwinden würde. Oder was schlimmer wäre, falls er anschließend aufwachen würde, kalt und alleine auf Malfoy Manor.

 

Echtes Licht schien nun durch die Fenster, so dass er die Wärme der Sonne auf seinem Gesicht spüren konnte. Es war offiziell ein neuer Tag und es fühlte sich real an. Es war kein Traum.

 

Als er wieder zur Hermine blickte, hatten sich ihre Augen geöffnet. Sie sah noch nicht sehr wach aus. Eigentlich wirkte sie ziemlich verschlafen. Draco wusste nicht, warum, aber er hielt den Atem an, aus Angst, dass sie ihre Meinung geändert haben könnte.

 

„Deine Füße sind kalt“, murmelte sie, rümpfte kurz die Nase und dann war sie wieder eingeschlafen.

 

Er atmete erleichtert aus und begann wieder, ihre Haare zu streicheln.

 

**

 

Jemand klopfte an der Tür. Hermine stützte sich auf den Ellbogen ab, als sie aufwachte. Sie drehte sich um. Draco saß am Fuße des Bettes, bereits fast vollständig angezogen, während er die Stiefel überzog. Seine Kleidung wirkte immer noch etwas feucht. Sie erinnerte sich, dass sie sie neben das Feuer gehangen hatte, ehe sie schlafen gegangen waren.

 

„Bleib hier“, sagte er knapp.

 

Sie brauchte einen Moment, ehe sie sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte. Sie bekam wohl also kein zärtliches, liebevolles ‚Guten Morgen‘ von ihm zu hören. Hermine spürte einen kurzen Stich. Sie setzte sich hin und zog das Laken bis zum Kinn. „Wie spät ist es?“

 

Es klopfte erneut. Er stand auf und verschloss den Reißverschluss. „Viertel vor sieben. Erwartest du jemanden so früh?“

 

Hermine runzelte die Stirn. Sie entschied sich, dass sie Draco lieber nackt um sich hatte. Sie wusste, was er dachte, wenn er keine Kleidung trug. Vollständig angezogen wirkte er abwesend, geschäftig. „Nein. Aber es ist niemand, der nicht hier sein sollte, sonst wäre der Alarm losgegangen.“

 

Seine Augenbraue hob sich. „Das wäre dann derselbe lautlose Alarm, der mich gestern Abend angekündigt hat?“

 

„Jap, alles in meinem Kopf“, erwiderte sie mit einem zufriedenen Lächeln. Sie wusste, dass ihn der Zauber beeindruckte.

 

„Du musst mir später erklären, wie er funktioniert“, sagte er und besaß dann die Dreistigkeit zur Tür zu maschieren.


„Warte, Malfoy. Komm zurück.“

 

 

Sie fühlte sich leicht und krabbelte zum Rand ihres Bettes und zog ihn an seinem Shirt zu sich, um ihn fest zu küssen.


„Guten Morgen, Draco“, sagte sie lächelnd. Seine Lippen teilten sich und sie beschloss, die Chance zu nutzen und den Kuss zu vertiefen. Aber schnell geriet es außer Kontrolle.

 

Schon war das Laken verschwunden. Er sah sie an, aber sein Ausdruck war düster. Sie fragte sich, ob der neue Tag eine neue Reihe an Problemen mit sich brachte, die seine Leidenschaft zügelten.

 

Aber nein, anscheinend nicht.

 

Er schlang den Arm um sie, küsste ihren Nacken und widmete sich dann ihren Brüsten. Hermine hatte sie stets ein wenig zu klein gefunden, aber sollte Draco es ebenfalls so sehen, dann sah man es seinem Gesicht bestimmt nicht an. Seine waremn Handflächen, massierten ihre Brüste. Dann saugte er an den Brustwarzen, küsste ihre Brust hinab, und im Licht des hellen Tages schickte es Schauer über ihren Rücken, seinem blonden Schopf dabei zuzusehen.

 

Er war jetzt unglaublich sanft, und es war ein starker Kontrast zur Wildheit der letzten Nacht. Es war ihr egal, wie er sie liebte, denn es gefiel ihr alles gleich Sie fühlte sich zerbrechlich und wertgeschätzt unter ihm.

 

Sie lagen wieder auf dem Bett und er plazierte sanft Küsse auf der Innenseite ihres Oberschenkels. Verlangen überkam sie. Sie war immer noch wund und sensibel von den Anstrengungen der letzten Nacht, und wenn er vorhatte, was sie annahm, dass er vorhatte, dann würde sie es wohl nicht aushalten.

 

Das Klopfen an der Tür war jetzt ein Hämmern geworden.

 

Sie umfasste seine Schultern und zog ihn leicht zurück. Er hörte auf, denn er reagierte immer auf sie. Sie sahen einander kurz in die Augen und dann spürte Hermine seinen warmen Atem zwischen ihren Beinen für einen kurzen Moment lang. Dann teilte seine Zunge ihren Eingang und leckte und drang in sie. Sie keuchte auf und unterdrückte die Geräusche, die sie machte, in dem sie ein Kissen vor ihr Gesicht zog.

 

Letzte war all das so dekadent und emotional gewesen. Jetzt war es hart und echt und… ohhh.

 

Sie kam.

 

Bäng, bäng, bäng, schallte es von der Tür.

 

Feuerwerke schienen hinter ihren geschlossenen Augen zu explodieren. Sie registrierte, dass Draco sie in den Arm genommen hatte und sanft ihren Rücken streichelte, während die Wellen abebbten.

 

„Ich werde jetzt zur Tür gehen“, flüsterte er. Wie konnte er hier nach so normal klingen?

 

Hermine hatte nicht geglaubt, dass sie ihn würde loslassen können, aber sie schaffte es.

 

„Zieh dich an und komm raus, wenn du fertig bist.“ Er küsste sie auf die Stirn.

 

Und dann war er gegangen und hatte die Tür leise hinter sich geschlossen. Es war gut, dass die magische Bevölkerung länger lebte als die der Muggel, denn Hermine würde alle die übrigen Jahre brauchen, um sich an das Zusammenleben mit Draco zu gewöhnen.

 

Sie fühlte sich glücklich und entspannt und ließ sich wieder zurück aufs Bett fallen. Sie zog die Decke wieder über den Kopf und spürte, wie sie angestupst wurde. Sie lugte unter der Decke hervor und vertraute orangene Augen blickten sie erwartungsvoll an.

 

„Meine Güte, Krummbein. Ich dachte, ich hätte dich in deinen Korb geschickt?“

 

Der alte Kater sah sie an, als wolle er fragen: ‚Und, ist er endlich weg?‘ Dann begann er laut zu schnurren.

 

„Du schläfst heute so was von auf der Couch, Mister“, informierte sie ihn ernsthaft, aber sie machte ihre Drohung zunichte, indem sie ihn daraufhin ausgiebig kraulte.

 

**

 

Ron war rot vor Anstrengung, als Hermines Tür sich öffnete. Er begriff, dass er mit einem missmutigen Blick auf dem Gesicht vor der Tür verharrte, die Faust in der Luft, wie ein Trottel, aber der Schock wischte alle Gedanken weg.

 

Draco Malfoy, von Kopf bis Fuß in Fliegerklamotten gekleidet, betrachtete ihn leicht genervt.

 

„Ja?“

 

„Was tust du denn hier?“, wollte Ron wissen und bereute, dass seine Stimme eine halbe Oktave höher geklettert war. „Und was zur Hölle ist mit dem Zaun passiert?“


„Ich bin nicht derjenige, der zu unpassenden Stunden an einem Sonntagmorgen an die Tür hämmert“, erwiderte Draco ruhig.

 

Ron versuchte, über Dracos Schulter zu spähen, aber Draco füllte die gesamte Tür, mit wenig Platz, um hineinzusehen. „Wo ist Hermine? Ich muss sie sprechen. Eigentlich ist es gut, dass du hier bist. Ich habe Neuigkeiten für euch beide.” Er machte einen Schritt nach vorn.

 

Draco blockierte mit der Hand die Tür und hielt Ron auf.

„Sie zieht sich an, und dann wollen wir ein nettes, gemütliches Frühstück haben. Wir beide haben diese Sache schon hinter uns, also mach es nicht extra schwer für sie, Weasley“, warnte er ihn, und keine Freundlichkeit lag in seiner Stimme.

 

Ron fühlte sich beleidigt. „Wir sind nicht mehr in der Schule. Vielleicht überrascht es dich, aber ich habe Manieren.“

 

Draco lächelte dünn. „Ja, das überrascht mich.“

 

Idiot. Ron wollte ihn schlagen. „Kann ich jetzt reinkommen?“

 

Draco schritt zur Seite.

 

Hermine verschloss gerade den Gürtel ihres weißen Kimonos, als sie das Wohnzimmer betrat. Ihr fiel auf, dass Ron an der Tür gewesen war und dass er und Draco wohl versuchten, sich gegenseitig Aneurysmen zu verpassen, allein durch böse Blicke.

 

„Was ist los, ist ein simples ‚Guten Morgen‘ zu viel verlangt?“, wollte sie erschöpft wissen. Sie wandte sich mit besorgtem Blick an Ron. „Was ist los, Ron? Ist alles in Ordnung?“

 

Hermine hatte zwar etwas an, aber sie hätte genauso gut nackt sein können. Sie sah aus, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Außerdem waren ihre Haare zerzaust und ihre Lippen verräterisch geschwollen. Dennoch fand Ron, er riss sich sehr gut zusammen und brachte die Neuigkeiten endlich über die Lippen.

 

„Snape ist letzte Nacht geflohen.“


„Was?“, rief Hermine aus und ihre Augen weiteten sich.

 

Draco schien eher neugierig als geschockt. „Wie?“

 

„Sie nehmen an, er hatte Unterstützung“, erwidert Ron. „Er hat kein einziges Schloss zerstört und keine Wachen verletzt. So wie es aussieht, ist er aus Askaban spaziert, ohne dass es jemand mitbekommen hat. Na ja, abgesehen von Ginny.“

 

„Ginny!“, entfuhr es Hermine. „Sie war da?“


„Äh, ja.“ Dieser Teil gefiel Ron überhaupt nicht gut. „Sie hatte mit ihm einen Termin in einer privaten Verhörzelle. Er hat es geschafft, sie bewusstlos zu schlagen und ist dann verschwunden.“

 

Jetzt wirkte Draco überrascht. „Snape hat Ginny Weasley geschlagen?“


„Ihr… ihr geht’s wirklich gut!“, versicherte Ron Hermine schnell, denn sie war merklich blass geworden. „Er hat sie am Hinterkopf erwischt. Sie ist nicht hart gefallen. Hat kaum eine Beule. Obowhl… - das Harry klar zu machen war-“

 

„Wo ist Ginny jetzt?“, unterbrach ihn Hermine.


Ron kratzte sich am Hinterkopf. „Sie ist im Fuchbau mit Harry. Ich weiß nicht, wer trauriger ist, Harry oder Mum. Es sind bereits Leute auf Snapes Spur, das Problem ist nur, dass er so gut wie keine hinterlassen hat.“ Er wandte sich an Draco. „Was wolltest du überhaupt mit meinem Vater besprechen? Er hat gesagt, du hattest ihm letzte Woche eine Eule geschickt, um über Snapes Strafe zu sprechen.“

 

„Das habe ich“, bestätigte Draco. Er saß auf der Armlehne von Hermines Blumensofa, die Arme vor der Brust verschränkt. Er wirkte amüsiert. „Aber es scheint, als hätte sich dieses Problem gelöst.“

 

Ron grunzte auf. „Ja, es scheint so. Bisschen zu passend, oder nicht?“

 

Draco schenkt Ron einen eisigen Blick. „Nicht wirklich. Zu passend wäre es, wenn dein vater mir gesagt hätte, er könne Snape nicht helfen und Snape wäre dann passenderweise geflohen, während du mich am nächsten Morgen in Malfoy Manor finden würdest, ohne Hermine und ein wasserdichtes Alibi.“

 

Ron wandte sich abwartend an Hermine.


„Oh, große Güte, Ron! Ja, er war bei mir die ganze Nacht! Seit acht Uhr abends.“


„Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass er nichts damit zu tun hat“, stellte Ron klar.

 

„Ronald-“

 

Draco erhob sich. „Du hast recht, das tut es nicht. Und ich sage dir, ich hätte es versucht, wenn es keine Möglichkeit zu einer neuen Verhandlung gegeben hätte.“

 

„Malfoy, das ist nicht hilfreich!“

 

Ron zuckte die Achseln. „Immerhin sind wir ehrlich miteinander.“ Er blickte hoffnungsvoll Richtung Küche. „Wo ich schon mal hier bin, besteht die Chance auf eine Tasse Tee? Es ist arschkalt draußen.“

 

Hermine machte ein resignierendes Geräusch, wandte sich ab und ging in die Küche.

Ron betrachtete Draco einen Moment lang. „Wegen Snapes Flucht… Ich weiß, dass jeder, der mit dem Fall vertraut ist, dasselbe denke, aber niemand hat genug Schneid, es zu sagen. Na ja, vielleicht würde Dumbledore es sagen…“

 

„Mit ‚dasselbe denken‘ meinst du, dass die Flucht gerechtfertigt war?“

 

„Besser Gerechtigkeit als eine lebenslange Strafe“, entgegnete Ron. „Offensichtlich nicht die Gerechtigkeit, die mein Dad im Sinne hat oder der Zauberergamot. Und meine Meinung diesbezüglich verringert natürlich nicht die Freude der Suche nach Snape. Wir werden es machen, wie es im Buche steht. Wenn wir ihn finden, kommt er zurück.“

 

„Natürlich“, sagte Draco, und in seiner Stimme lag genug Herablassung, um Rons Finger zucken zu lassen.

 

Es entstand eine lange Pause, die nur durch Hermine Krach in der Küche unterbrochen wurde. Es war das Geräusch von Metall, dass auf den Boden fiel. Darauf folgte ein leiser Fluch von Hermine. „Also“, begann Ron, „ich, ah, nehme an, zwischen dir und Hermine ist alles wieder… gut?“

 

Der alte Draco hätte Ron gesagt, dass er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, aber der neue Draco hatte kein Problem, zu antworten.

 

„Soweit es jemals als ‚gut‘ zu bezeichnen gewesen war.“ Malfoy betrachtete Ron mit Abschätzung in den Augen. Es machte Ron nervös.

 

Ron nickte. „Ihr beide wart nicht das Händchenhaltende, Rosen am Valentinstag Pärchen. Ich kann gerade überhaupt keinen logischen Sinn darin sehen, mit einem Mädchen zusammen zu sein.“

 

Dracos Lächeln war kühl. „Logik hatte hiermit noch nie etwas zu tun, unglücklicherweise.“

 

„Ja, sicher“, erwiderte Ron. Er fühlte sich ein wenig seltsam. Der Tag, an dem er zugeben würde, Draco Malfoy zu mögen, wäre der Tag an dem er mit Terry Boot ausgehen würde. Er würde sich jedoch benehmen gegenüber Malfoy, jedoch nur, weil er Hermines Entscheidung respektieren wollte.

 

„In dem silbernen Bilderrahmen hinter dir steht meine kleine Nichte. Die Tochter von meinem Bruder Bill. Sie hat heute Geburtstag.“

 

Der Themenwechsel schien Draco nicht zu stören. Er blickte knapp zum Kaminsims und betrachtete das Bild. Das Kind hatte feine Gesichtszüge und schien ein Kleid zu tragen, dass komplett aus weißer Spitze bestand. Wahrscheinlich konnte man darüber hinwegsehen, bedachte man, dass sie aus einer Familie kam, wo Töchter selten und kostbar waren. Ihr langes Haar steckte in Zöpfen, die in übergroßen Schliefen endeten. Sie lächelte ihn an und offenbarte eine große Zahnlücke. Die Hände hatte sie hinter ihrem Rücken verschränkt und wippte von Seite zu Seite, wie ein Kind, dass ein Geheimnis hatte. Der Fuchsbau war im Hintergrund, in all seiner schiefen Pracht. Draco bemerkte, dass ihr Haar die Farbe eines Weizenfeldes im Sommer hatte. Keine Spur von Rot war zu erkennen.

 

„Ich nehme an, sie kommt nach ihrer Mutter?“, erkundigte sich Draco.

 

Ron grinste. „Nur nach dem Äußeren. Sie ist einf reches kleines Ding. Manchmal kann ich gar nicht glauben, was in so kurzer Zeit passiert. Einige von uns haben schon Kinder. Ich glaube, ich fühle mich viel älter, als ich bin. Weißt du, was ich meine?“

 

„Ich denke schon“, erwiderte Draco leise.

 

„Ich hab gehört, du und Harry redet viel in letzter Zeit. Und ich weiß, wir beide verstehen uns nicht wirklich. Aber jetzt, wo du ein Teil von Hermines Leben sein wirst, wollte ich dir nur sagen, dass ich nichts dagegen habe.“ Er beendete seine kleine Rede mit einem bestätigenden Nicken.

 

Natürlich musste der Bastard amüsiert wirken. „Merlin sei Dank, Weasley. Jetzt kann ich nachts besser schlafen.“

 

„Du bist immer noch ein Arsch, so ist es nicht“, fühlte sich Ron gehalten zu sagen.

 

Ein Topflappen traf ihn mitten ins Gesicht, als Hermine zurück ins Wohnzimmer kam. Ihr Blick war um einige Grad kälter als das Wetter draußen. Ihr Ton war allerdings wärmer als sie sprach. „Frühstück ist fertig. Und mit fertig meine ich, der Toast ist angebrannt, ich habe die Eier zu lange kochen lassen und das Teewasser kocht jetzt.“

 

„Ich mache den Tee“, bot Draco an, um weitere Desaster zu vermeiden. Er schenkte Ron einen Blick. „Du bleibst zum Frühstück, richtig?“

 

Ron drehte den Topflappen in den Händen und grinste. „Als ob ich jemals eine Mahlzeit ausschlagen würde.“

 

**

 

Harry war in schlechter Stimmung. Es half nicht, dass er sich gerade mitten in einem Streit mit Ginny befand, die ihm sogar die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte.

 

Ok, er hatte ein paar blöde Dinge gesagt.

 

Wieso musste Snape ausgerechnet auf einen Samstag fliehen? Es hatte ihnen allen das Wochenende ruiniert. Die Reaktionen der Zeitungen variierten bezüglich der Flucht. Die, die mehr Details zu Snapes Geschichte kannten, kommentierten die Flucht mit schadenfroher Resignation und dass Gerechtigkeit, wie unpassend sie auch sein möge, sich nicht aufhalten ließ. Malfoy selbst hatte versucht, als Snapes Zeuge aufzutreten, nachdem er endlich Zeuge sein konnte, aber scheinbar hatte Arthur ihn die ganze Zeit über immer wieder vertröstet.

 

Diejenigen, die Snape nur als ehemaligen Todesser kannten, schlugen praktisch selber die Gesucht-Plakate an jede Hauswand Londons.

 

Snapes Flucht war immer noch ein sensibles Thema. Es brauchte nicht viel Intellekt, um Ginny die richtigen Fragen zu stellen. Sie konnte gut lügen, wenn sie musste, aber sie konnte es nicht gut gegenüber Harry.

 

Was auch der Grund war, dass es ihn unglaublich störte. Sie traute ihm ihr Schicksal an, aber nicht Snapes. Arthur saß auch mächtig in Klemme mit Snapes Ausbruch, der der einzige war, seitdem Bellatrix damals rausgeholt worden war. Ron verdächtigte ohnehin jeden, und dann gab es da noch diese kleine alte Frau, die draußen vor seinem Büro wartete…

 

Harry hatte keine Ahnung, wie lange sie schon dort stand. Es war gerade mal zehn Uhr morgens.  Sie hatte einen Besucherausweis an ihre Strickjacke stecken, was wohl bedeutete, dass sie einen Termin hatte.

 

„Kann ich Ihnen helfen?“, wollte Harry brüsk wissen. Er öffnete seine Tür weiter.

 

Sie lächelte zu ihm auf und sprach mit leicht akzentuierter Stimme. „Sie sind ein vielbeschäftigter Mann, Mr Potter. Ich habe meine Anfrage bereits vor einem Monat abgegeben.“

 

Harry setzte sich an seinen Schreibtisch und stöhnte innerlich, weil ein Berg an Memos vor ihm leise knisterte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Unglücklicherweise ist ein Monat Wartezeit nicht lang. Entschuldigung, ich habe Ihren Namen nicht verstanden…“ Er griff nach seinem Terminplaner, um zu sehen, ob seine Sekretärin den Termin für ihn notiert hatte, sowie Hintergrundinformationen, mit denen er etwas anfangen konnte.

 

„Mrs Hendricks“, erwiderte sie strahlend und sah aus wie jedermanns Kekse backende, Pullover strickende Großmutter. „Aber nennen Sie mich bitte Nana.“

 

Der Name regte etwas in seinem Innern, aber es war nicht genug, als dass er sich erinnern konnte.


„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er.

 

„Ich lebe seit einer Weile in London, seitdem mein Enkel umgebracht wurde. Ich würde gerne zurück nach Kopenhagen, Mr Potter, aber nicht ohne quasi die Gebeine meines Sohnes. Wir haben eine Familiengruft, und ich möchte ihm eine anständige Beerdigung ausrichten.“

 

Harry runzelte die Stirn. Sein Terminplaner war voll. Verdammt. Er hatte bis mittags keine Zeit. Das ließ ihm keine Zeit, Ginny für einen Tee rauszulocken. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe“, erwiderte er etwas abgelenkt.

 

Sie verlor nie den freundlichen Ausdruck. „Nun, Sie haben seine Augen, verstehen Sie.“

 

Verblüfft hob Harry den Blick. „Wie bitte?“

 

„Sie haben seine Augen“, wiederholte Nana Hendricks geduldig. „Mein Arne wurde in der Nokturn Gasse vor fünf Jahren umgebracht und seine Augen wurden ihm genommen. Ich nehme an, sie wurden als Beweismittel benutzt, um seinen Mörder ausfindig zu machen.“

 

Die Erinnerung erschlug ihn fast. Harry nahm die Brille ab und blinzelte, ehe er die Frau wieder ins Auge fasste und bemerkte, dass sie ein blaues und ein grünes Auge hatte, etwas verschwommen durch das Alter. Er begriff, dass er sie anstarrte.

 

„Sie waren das! Sie haben Malfoy und Hermine mit dem Fida Mia belegt!“

 

„Ich belege niemanden mit dem Fida Mia, junger Mann“, korrigierte sie ihn. „Ich erlaube dem Zauber bloß, sich zu festigen.“

 

Harry war ehrlich geschockt. „Ich kenne den Fall, aber da habe ich noch nicht beim Ministerium gearbeitet.“


„Oh, das weiß ich“, erwiderte sie nickend. „Ich hätte jemand anders meinen Fall anvertrauen können, der tatsächlich damals zuständig gewesen war, aber ich hatte angenommen, Sie würden der Sache nachgehen, da Sie persönlich betroffen waren?“ Es lag ein flehender Schimmer in ihren Augen.

 

Mittels Floh rief Harry die übrigen Mitarbeiter zusammen, welche sich heute nur auf Zacharias Smith bliegen. Smith war weniger als erfreut, ans andere Ende des Ministeriums geschickt zu werden, um fünf Jahre alte Beweise zu durchwühlen, um das gewünschte Beweismittel zu finden, aber Harry war gut in seiner Überzeugung.


„Sie sind wieder zusammen, wissen Sie, Malfoy und meine Freundin Hermine“, erzählte er Nana Hendricks, während sie warteten.

 

Sie wirkte nicht überrascht. „Ich habe mich als Rentner angesehen, indem Moment als mein Junge umgebracht worden ist. Ich hatte nicht das Herz, noch habe ich den Willen, weiterzumachen, ohne meinen lieben Arne. Es passt, dass sich unser letzter Auftrag auf das junge Paar bezogen hat. Und dann war es auch noch der wahre Fida Mia. Ich kann nicht behaupten, dass das sehr häufig passiert.“ Sie strahlte ihn wieder an, so dass ihr Gesicht in einem Meer an Falten lag. „Am Ende soltle man immer fröhlich sein, wissen Sie? Der junge Mann und sein Mädchen sind immer noch Bekannte von Ihnen, nicht wahr?“


„Freunde“, korrigierte Harry. „Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Fida Mia kommt nicht häufig vor?“

 

„Nicht jede Liebe ist gleich, Mr Potter. Es ist wie das alte Muggel Sprichwort, man kann ein Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zwingen zu trinken, verstehen Sie? Herz und Verstand sind manchmal sture Dinge. Die Seele andererseits… nun… sie kennt den Unterschied.“

 

Ein schweres Gefühl, das sich in Harrys Magen niederließ. Er fühlte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich bei Ginny zu entschuldigen…

 

Fast, als würde sie seine Gedanken lesen. Der milchig Blick der alten Dame senkte sich auf Harrys Schreibtisch, wo ein Bild von Ginny gerade mit verschränkten Armen zu ihm aufschaute. Sie war ziemlich wütend.


„Ehefrau?“, wollte Nana Hendricks wissen.

 

„Äh, nein. Freundin.“

 

Sie griff in ihre große Handtasche und suchte für eine Weile. Sie zog einen Krückstock hervor, einen Kupferkessel und anscheinend ein Set Steakmesser. Schließlich fand sie eine leicht zerknitterte Visitenkarte und seufzte auf. „Ah, da bist du ja.“ Sie strich sie glatt, ehe sie die Karte Harry aushändigte. Der hell purpurne Text war für Harry unverständlich, bis der Übersetzungszauber auf der Karte ihn komplett ins Englische übersetzt hatte.

 

Sind Sie das alte ‚Ja, ich will‘ leid?

Suchen nach etwas persönlichen, etwas bedeutungsvollem und permanentem?

Warum dann kein Hochzeitstattoo?

 

Fragen Sie nach Nana im Snake & Stone

Nokturn Gasse, Magisches London

 

Souvenir-Tasse für den Monat Mai umsonst!

 

Definitiv permanent, dachte Harry als er sich räusperte. Seine Erinnerungen an Hermines Auf und Ab mit Fida Mia war noch in Gehirn eingebrannt. „Äh ja… meine Freundin und ich… - es ist ein sehr nettes Angebot, Mrs Hendricks, aber Fida Mia passt nicht wirklich zu uns.“

 

Sie zuckte die Achseln. „Denn geben Sie die Karte dem jungen Mann und seinem Mädchen. Sei es auch nur als Geschichte, die sie ihren Kindern erzählen können.“

 

Harry musste husten. Der Gedanke an kleine Dracos, die frei herum liefen, war genug, um ihm Kopfschmerzen zu bereiten. Kleine Hermine jedoch waren eine zauberhafte Sache, überlegte er.

 

Es klopfte an der Tür.

 

„Herein“, rief Harry. Zacharias Smith betrat das Büro und trug eine kleine Kiste in den Händen, auf der das Wort ‚BEWEIS‘ auf dem Deckel stand. Er wirkte ungesund blass.


„Das hier scheint zu sein, wonach Sie suchen… obwohl ich Ihnen nicht raten würde, den Deckel aufzumachen.“

 

„Danke, Smith!“, sagte Harry und nahm ihm die Kiste ab.

 

Zacharias schaute ziemlich neugierig von Harry zu Nana Hendricks und wieder zur Kiste.


„Danke, Smith“, wiederholte Harry mit Nachdruck.

 

Als Zacharias verschwunden war, reichte Harry Nana Hendricks wortlos die Kiste. Sie öffnete den Deckel, blickte hinein und schloss ihn wieder, mit glasigem Blick.

 

„Vielen Dank, Mr Potter. Das bedeutet einer alten Frau sehr viel.“

 

Harry half ihr aufzustehen und brachte sie zur Tür. „Mein allerherzlichstes Beileid. Es tut mir wirklich sehr leid.“

 

„Mir auch, mein Junge. Mir auch.“

 

**

Epilogue: Part Thirteen

 


Sie hatten ein Date.

 

Hermine war vollkommen neben sich vor Nervosität. Sie wünschte, sie hätte Zeit, noch shoppen zu gehen, um sich was Neues zum Anziehen zu kaufen, aber sie musste bis sechs arbeiten, und Draco erwartete sie um halb sieben.

 

Sie konnte nicht fassen, wie nervös sie war. Es war lächerlich.

 

Nach einer schnellen Dusche (denn sie war ja erst Samstag mit ihm zusammen in der Dusche gewesen und war nun allein tatsächlich deswegen errötet), legte sie ein paar Outfits auf ihr Bett (und auch bei dieser Aussicht errötete sie), um zu überlegen, was sie anziehen sollte. Das war wichtig, also würde sie sich Mühe geben.

 

Es gab zwei Kleider, die in die engere Wahl kamen. Da war das elegante, silberne Cocktailkleid, was sie noch nie angehabt hatte. Es war seriös, sexy, eng gefasst und hatte einen tiefen ausschnitt. Oder das pfirsichfarbene Chiffonkleid, mit dem sie sich fühlte, als würde sie auf einen Schulball gehen.

Letztendlich entschied sie sich gegen die Kleider und beschloss, auf Komfort zu setzen. Sie war nervös genug und wollte sich nicht auch noch wegen ihres Outfits seelisch fertig machen müssen und Angst haben, ständig zu kleckern. Aber dafür besaß sie auch bei weitem nicht genug Busen, dass das passieren würde, überlegte Hermine.

Es schien wie eine leichte Wahl. Die enge, auberginefarbene Kaschmirhose passt wie ein Traum. Das sollte sie besser auch, so teuer wie sie gewesen war. Darüber zog ein silbernes Babydoll, das in der Spitze mit frischen Süßwasserperlen bestickt war. Sie brauchte keinen BH, denn sie nahm an, er wäre verlorene Mühe bei Draco. Und das Gefühl der Seide gegen ihren bloßen Busen gab ihr ein Gefühl von Übermut.

 

Ein wenig Übermut war in Ordnung.

 

Sie suchte sich eine weiche Angora-Jacke aus, die einen Ton dunkler war als die Seide. Darüber zog sie einen grauen Trenchcoat, der das Outfit komplett machte.

 

Sie trug wenig Makeup, so wie immer. Hermine spritzte etwas Parfüm in die Luft, trat dann in den feinen Nebel und musste niesen. An der Tür stieg sie in ein Paar mattsilbern glänzende Highheels und betrachtete sich ein letztes Mal im Spiegel.

 

Sie entschied sich, noch einen Knopf der Jacke zuzumachen und griff sich ein Paar schwarze Handschuhe und einen passenden Schal von der Garderobe.

 

„Bereit?“, fragte sie ihr Spiegelbild und klang etwas atemlos. Wirklich, es war besorgniserregend, wie oft sie mit sich selbst im Spiegel sprach.

 

Das Gesicht, was zurückblickte, war gerötet vor Aufregung.

 

Hermine apparierte zehn Minuten zu früh vor die Tore von Malfoy Manor, aber in den hohen Schuhen brauchte sie auch ungefähr so lange für die Auffahrt.

 

Toolip öffnete die Tür. Hermine musste ein Lachen unterdrücken, denn die Elfe nahm ihren Job heute besonders ernst. Toolip machte einen tiefen Knicks und streckte den kleinen Arm dramatisch weit aus.

 

„Wir heißen Sie auf Malfoy Manor willkommen, Miss.“

 

„Danke, Toolip.“

 

„Wenn Miss Toolip in den Salon begleiten möchte? Master Draco wird gleich kommen.“

 

„In Ordnung“, erwiderte Hermine und verkniff sich das Lachen.

 

Der Salon lag im Wetsflügel. Das Geräusch ihrer Absätze auf dem Marmorboden hallte den gesamten Flur entlang. Es fühlte sich komisch an, hier zu sein, nach dem Todesser Angriff. Malfoy Manor war aber in keiner Wiese beschädigt worden. Im Ballsaal jedoch waren die Fenster wieder repariert, die Vorhänge zugezogen und die alten Schutzflüche wieder aktiv. Heute würde niemand einbrechen. Es sei denn, sie waren sehr mächtig oder sehr blöd.

 

Sie musste im warmen, angenehmen Salon nicht lange warten, was gut war, denn sie konnte ohnehin nicht lang genug auf ein und derselben Stelle sitzen. Draco verschloss gerade seine Manschettenknöpfe, als er durch die Türen schritt.

 

„Entschuldige, ich wäre selber zur Tür gekommen, aber ich habe über Floh mit Alastor Moody gesprochen.“

 

Hermine wünschte sich plötzlich, sie hätte doch ein Kleid angezogen. Draco war für ein feines Essen angezogen. Sein Anzug war handgefertigt und tiefgrau. Er trug keine Krawatte. Aber das ließ das Outfit nicht weniger elegant wirken. Er sah…

 

„Du siehst wunderschön aus“, sagte er. Die Wärme seiner Augen sagte er, dass er es aufrichtig meinte.

 

„Du auch“, erwiderte sie und wollte sich direkt eine Ohrfeige verpassen.

 

Sie blieben voreinander stehen und sahen sich an, ehe Hermine einfiel, dass sie ihn noch nicht geküsst hatte. Unglücklicherweise schien Draco dasselbe zur selben Zeit zu denken. Sie lehnte sich gleichzeitig vor und wären ineinander gestoßen, hätte Draco nicht in letzter Sekunde den Kopf schräg gelegt.

 

Toolip stand steif neben dem Getränkewagen, also kam eine leidenschaftliche Umarmung wohl eher nicht in Frage. Dem Anlass entsprechen war Dracos Kuss sanft und kurz. Sie atmete den Duft seines Aftershaves ein und fühlte sich plötzlich sehr leicht. Sie fragte sich, ob ihr Parfüm dieselbe Wirkung auf ihn hatte. Wahrscheinlich nicht. Draco war nie leicht zumute, nahm sie an.


„Wie war die Abreit?“, fragte er, nachdem sie zurückgewichen waren. Sie standen immer noch nah voreinander.


„Anstrengend. Gut“, erwiderte sie.

 

Er hielt ihr den Arm entgegen und geleitete sie zu einer gepolsterten Chaiselongue. „Möchtest du dich setzen und einen Drink vor dem Essen haben?“

„Oh nein, danke. Mir geht’s gut“, sagte Hermine. Sie wollte momentan nichts Stärkeres als Wasser zu sich nehmen. Ihr Magen schien ohnehin vorzuhaben, die Schwerkraft zu bekämpfen.

 

Zu ihrer Überraschung schien Draco etwas verloren zu sein. Sie könnte sich selber treten. Drinks vor dem Essen zu haben, war, was man hier tat, oder nicht? Drinks waren es auch gewesen, die den Anfang ihrer turbulenten Beziehung markiert hatten.

 

Gott, musste es jetzt wirklich so unangenehm sein? Warum war er so förmlich? Ein wohlerzogener Draco war unangenehm für jeden, ihn wohl miteingeschlossen.

 

„Bist du hungrig? Du musst hungrig sein.“ Er schenkte ihr einen eindringlichen Blick und hielt ihr den Arm entgegen, den sie nahm. „Dann werden wir direkt essen.“

 

Sie gingen direkt ins Esszimmer, das nicht weit vom Salon lag. Das war schade, denn Hermine genoss den kurzen Spaziergang. Sie hatte das Esszimmer noch nie gesehen und musste bei der Größe die Augen aufreißen. Sie bemerkte gar nicht, dass Draco ihren Stuhl hervorgezogen hatte.

 

„Danke.“ Sie wurde rot, setzte sich und entfaltete ihre Serviette. Das gemeinsame Essen in der Sushi-Bar  in der Euston Street kam ihr plötzlich merklich weit entfernt vor.

 

Auf einen unsichtbaren Befehl hin, materialisierte Toolip direkt neben ihrem Ellbogen und tischte den ersten Gang – eine Suppe – auf. Es war eine einfache Hühnersuppe, was bei diesem Wetter ideal war.

 

Draco saß zu weit weg. Und mit zu weit meinte Hermine, dass sie die winzigen Regungen in seinen Augen nicht erkennen konnte. Auch konnte sie den Geruch seines sexy Aftersaves nicht mehr ausmachen.

 

„Moody sagt, sie haben nicht viel Glück, Snape zu finden. Obwohl es einen Hinweis in Valencia auf ihn gab“, informierte er sie.

 

Hermine hatte Probleme mit dem Suppenlöffel. „Snape in Spanien? Was für eine seltsame Vorstellung! Wie verlässlich ist die Quelle?

 

Dracos Mundwinkel hob sich. „So verlässlich, wie die vielen Hinwiese, dass mein Vater in Nordamerika ist. Aber wer weiß das schon.“

 

Sie sprachen weiter über Snapes Verschwinden, bis der nächste Gang aufgetischt wurde. Es war ein Käse, garniert mit Vinaigrette und krossem Brot. Ernsthaft interessiert fragte sie Draco, was es für ein Käse war.

 

„Burrata“, erwiderte er. „Schmeckt er dir?“

 

„Sehr gut“, antwortete sie. Ohne jeden Zweifel war es alles sehr nett. Wenn sie es nur über sich bringen konnte, alles zu genießen. Sie sah sich um, während sie aßen, betrachtete die Portraits an der vertäfelten Wand und schönen, hohen Decken.

 

Der dritte Gang waren Meeresfrüchte, ein Krabbencocktail mit kalten Gurken und crême fraîche. Toolip blieb aufmerksam neben ihnen stehen, falls die Weingläser aufgefüllt werden mussten. Hermine war aufgefallen, dass weder sie noch Draco mehr als einen Schluck getrunken hatten, seitdem sie zu essen begonnen hatten. Sie sah zu ihm auf und bemerkte, dass er nahezu besorgt hinab auf seinen Teller blickte.


„Weißt du was? das funktioniert nicht für mich.“

 

Hermine spürte ein Ziehen in ihrem Magen. „Die Krabben?“, fragte sie, obwohl sie wusste, dass er das nicht meinte.

 

Draco schob seinen Stuhl zurück und warf die Serviette auf den Tisch. „Ich habe eine bessere Idee.“ Er griff nach seinem Teller und reichte ihr die Hand. „Komm mit mir.“

 

All ihre Sorgen verschwanden, als sie etwas in seinen Augen aufblitzen sah. Es war genug, damit sie sich noch einmal in ihn verliebte.

 

Hermine ergriff ihren eigenen Teller und nahm seine Hand. „Wo gehen wir hin?“


„In die Bibliothek“, erklärte er, als würde es erst jetzt gerade entschieden haben. Er beauftragte Toolip alle weiteren Gänge in die Bibliothek zu bringen.

 

Ein Feuer war bereits entfacht, in dem riesigen Raum, der zwischen zwei Stockwerken lag. Vor dem Kamin zog Draco seine Schuhe aus und setzte sich im Schneidersitz auf den dichten Teppich. Dann klopfte er neben sich auf den Boden. Hermine stieg aus ihren Schuhen und setzte sich dankbar neben ihn.

 

Sie redeten und aßen, wenn möglich, mit den Händen. Und jetzt wurden die Gläser unzählige Male neu gefüllt. Ehe Hermine es bemerkte, hatte sie die gesamte Flasche getrunken. Zwei Stunden war unglaublich schnell vergangen. Das Feuer war zu glühenden Stücken runter gebrannt, als das Dessert serviert wurde.

 

„Ich fühle mich schlecht. Ich glaube, ich habe das meiste hiervon gegessen“, sagte Draco und legte Löffel zurück, mit dem Hermines Teil der Mousse au Chocolat gegessen hatte. Sie fand nicht, dass er wirklich entschuldigend aussah und piekste ihn in die Rippen.

 

Hermine benutzte ihren Zeigefinger um den letzten Rest Mousse zu essen, steckte den Finger in den Mund und leckte genüsslich das Mousse ab, während sie nachdenklich ins Feuer blickte.

 

Draco betrachtete sie. „Sag mir, dass es eine gute Idee war.“

 

Hermine zog die Fingerspitze aus dem Mund und bemerkte erst dann seinen glänzenden Blick. „Das war eine fanatischtische Idee. Ich glaube nicht, dass man oft so essen kann?“

 

Er legte sich auf die Seite und stützte sich auf seinem Ellbogen ab, als er einen ausgiebigen Schluck trank. „Wir haben nur im Esszimmer gegessen. Manchmal, wenn Lucius oder meine Mutter aus waren, habe ich lieber in der Küche mit Toolip gegessen. Sie kann hervorragend Püree aufbraten. Wir hatten manchmal draußen ein Picknick, natürlich nicht die Idee meiner Mutter. Goyle und Zabini waren da und haben praktisch das Haus zerstört. Wir wurden nach draußen verbannt.“

 

Das Erwähnen von Blaises Namen hatte nicht den ernüchternden Effekt, den sie vermutet hatte. Oder den es haben sollte. Es war nur noch eine Erinnerung. Eine gute, wie es schien. Egal, was passiert war. Erinnerungen waren schon seltsam. Es war oft nicht leicht, die guten Erinnerungen zu vergessen, selbst wenn man das Gefühl, was man mit ihnen verbindet nicht mehr spüren möchte. Hermine wusste das nur zu gut.

 

Sie nahm an, die Geschichte hatte noch eine andere Bewandtnis. „Was ist passiert?“

 

Draco punktierte die Zunge in seiner Wange. „Es hat geregnet. Mitten im heißen Sommer, und wir haben gedacht, es ist das beste, was passieren konnte. Wir haben trotzdem gepicknickt, haben nasse Sandwiches gegessen, weichen Kartoffelsalat und Mutter hat einen Zusammenbruch bekommen, als wir den ganzen Schlamm wieder ins Haus gebracht haben.“

 

Hermine musste lächeln, bei diesen raren kleinen Geschichten aus Dracos Leben. Sie konnte noch eine ganze Welt mit ihm entdecken und würde mit seiner Vergangenheit vertraut werden.


„Es ist alles neu für mich“, hörte sie ihn als nächstes sagen. Seine Stimme klang ernster. „Ich mag es nicht… unsicher zu sein. Du musst mir etwas Weisung geben.“ Mit wachsamer Konzentration fuhr er mit dem Fingerknöchel über ihre Unterlippe, ihr Kinn, hinab zu ihrem Nacken. Er hielt erst beim ersten Knopf ihrer Jacke inne. Sie bekam sofort eine Gänsehaut.

 

„Ich glaube nicht, dass du Hilfe brauchst“, erwiderte sie rau. „Du scheint öfter zu wissen, was du tust, als es das Gegenteil ist.“

 

Dracos Lächeln war purer Sex. „Alles was vorher und danach kommt, ja. Was machen nette Mädchen außerhalb des Betts?“ Seine Stimme war ein raues Knurren und sie hätte schwören können, ein Schauer befiel sie bis auf die Knochen.


„Wieso glaubst du, dass ich ein nettes Mädchen bin?“, erwiderte Hermine ernst. Sie legte die Hand über die harte Beule seiner Hose. Sie wusste sehr wohl, dass er seit der letzten Stunden hart war.


„Granger, ich will ehrlich sein. Abendessen war das letzte, was ich im Sinn hatte, als du durch die Tür gekommen bist. Aber ich weiß, wir müssen andere…“, ihre Fingernägel kratzten über den Stoff seiner Hose, „…Dinge tun“, endete er.

 

„Ist das so?“, entgegnete Hermine. „Ich denke, wir werden bald einen guten Rhythmus gefunden haben.“ Bei dem Wort ‚Rhythmus‘ hatte sie seine Hose geöffnet und seine Erektion befreit, um sie in die Hand zu nehmen.

 

Sie seufzte. Das Licht des Feuers ließ seine blasse Haut golden erscheinen. Er war heiß und fühlte sich unglaublich an. Sein bekannter Geruch war benebelnd. Sie drückte seinen Schaft und freute sich fast, als ein Tropfen auf der Spitze erschien. Hermine neigte den Kopf und nahm ihn mit der Zunge auf, um ihn zu schmecken. Auf ihrer Zunge lag noch der Geschmack von Schokolade.

 

Draco keuchte auf und fing ihre Schultern ab. „Hör auf.“

 

Sie sah lächelnd auf. „Warum?“

 

Wenn ich jetzt komme, habe ich wahrscheinlich nicht mehr die Energie oder die Lust, mit dir spazieren zu gehen, wie ich es geplant habe. Natürlich nur, wenn du möchtest?“

 

**

 

Es war ein Weg, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Es war wirklich befreien. Das Abendessen hatte alles begonnen und der Spaziergang durch das Gelände markierte den Anfang ihrer Reise, wohin sie auch führen würde.

 

Draco hatte darauf bestanden, sie in eine weitere Schicht über ihren Mantel zu wickeln. Den Mantel, den sie trug, war noch aus Hogwarts-Zeiten. Er war rieisg und roch noch immer nach der Großen Halle, wenn die Große Halle denn einen speziellen Geruch hatte. Es roch nach Eiern und Bacon, nach Muffins oder Hermines Lieblingsduft, Früchtekuchen an Weihnachten, dessen Geruch in den Wänden hing.

 

„Warm genug?“, fragte er, als sie draußen waren.

 

Sie nickte. Sie trugen beide Handschuhe, aber sie konnte trotzdem die Wärme seiner Hand durch den Stoff spüren.

 

Sie gingen durch einen kleinen Wald, hinter dem Anwesen. Es war derselbe kleine Wald, in dem sie auch Carmen Meliflua und Tandish Dodders in der Nacht des Angriffs getroffen hatten.

 

Aber dieses Mal beschritten sie einen anderen kleinen Pfad, der tiefer in das Wäldchen führte. Hermine bemerkte, dass sie auf Gestein liefen, denn sie spürte es unter ihren Füßen.

 

Bald schon erreichten sie einen Hügel, von dem aus sie einen hübschen Blick auf Malfoy Manor hatten. Von diesem Aussichtspunkt sah es aus, als läge das Dorf Thimble Creek in einer Talsenke. Die unzähligen Fenster von Malfoy Manor leuchteten vom Westflügel bis zum Ostflügel. Es war eine beeindruckende Aussicht.

 

„Ich habe es letzte Woche errichten lassen“, sagte er und deutete auf einen gotischen Pavillon auf der Spitze des Hügels. Er roch nach frischem Holz. „Das alles hier ist im Sommer mit Wildblumen bewachsen. Meiner Mutter hat diese Stelle immer gefallen, und ich dachte, ich sollte etwas daraus machen.“

 

Sie begriff. Er meinte, dass er etwas Bedeutungsvolles hatte machen wollen, jetzt, nachdem seine Mission beendet war.

 

Hermine blickte hinab auf Malfoy Manor und fragte sich, worüber Narzissa bei diesem Anblick nachgedacht hatte.

 

Sie standen unter dem Pavillon und Draco legte seine Arme von hinten um sie, während er sein Kinn auf ihren Kopf legte.

 

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte sie ihn.

 

Er blickte immer noch auf das Haus. „Dich in jedem Zimmer verführen.“ Sie spürte, wie er grinste.


„Außer im Arbeitszimmer deines Vaters“, erwiderte sie scheu.

 

Er schien darüber nachzudenken.  „Richtig. Ja, in jedem Raum, außer in diesem.“

 

„Ich meine, im ernst. Was wirst du tun? Ich glaube nicht, dass du damit zufrieden sein wirst, Lord auf Malfoy Manor zu spielen?“

 

„Hm, ja, aber Lord zu sein, bedeutet noch einiges mehr, als in engen Reiterhosen durch die Räume zu stolzieren, während ich jeden Abend ein Glas Absinth in meiner Hand schwenke und die Hauselfen mit meinem ausschweifenden Forderungen quäle.“

 

Sie musste kichern, bei dem hedonistischen Bild, was er gedanklich malte.

 

„Erklär mir, was ‚ausschweifende Forderungen‘ sind.“

 

Er brauchte einen Moment, um ein gutes Beispiel zu finden. „Nun, mein Großvater Julius hatte eine wöchentliche Mädchen-Nacht eingeführt…“

 

Das Kichern verwandelte sich in ein aufrichtiges Lachen.


„Jeden Donnerstag. Er schickte jemanden ins Dorf, und wenn ein passendes Mädchen nicht gefunden werden konnte, ließ er nach London aussenden, um eine zu suchen.“

 

Hermine beherrschte sich endlich wieder. „Bitte sag mir, dass es eine Biographie gibt, die ich dazu lesen kann. Der alte Julius klingt plötzlich höchst interessant.“


„Der Name Malfoy stand nicht immer mit dem Dunklen in Verbindung. Wir hatten einst eine sehr farbenfrohe, flamboyante Geschichte. Bis zu meinem Vater, natürlich. Lucius hat das Dunkle zurück gebracht, in mehr als nur einer Art und Weise.“

 

„Wo denkst du, ist er? Dein Vater, meine ich?“, fragte Hermine.

 

„Wenn ich Geld darauf wetten müsste, würde ich sagen, er ist auf dem Weg zu Snape, wenn sie sich nicht schon getroffen haben.“ Dracos Ton war eine Spur kühler geworden.

 

„Denkst du, du wirst einen von ihnen je wieder sehen?“

 

Er nickte. „Ich bin mir sicher. Zwischenzeitlich habe ich dieses Land hier, mit dem ich arbeiten kann. Pansy hat fantastische Arbeit geleistet, während meiner Abwesenheit. Vielleicht wird es Zeit, dass sich der Malfoy Erbe etwas mehr um sein Vermächtnis kümmert. Ich muss mein Zuhause neu kennenlernen. Und während ich damit beschäftig bin, könntest du mich neu kennenlernen…“

 

Er klang fast ängstlich. Sie wandte sich um, um ihn anzusehen. „Ich kenne dich. Ich weiß genug über alles wichtige, um zu wissen, dass ich dich liebe.“

 

Sie spürte, wie er einen Schauer nach diesem Geständnis bekam. Draco schob ihr die Kapuze vom Kopf zurück, um sie ansehen zu können. „Ich werde niemals müde werden, das von dir zu hören.“

 

„Dann werde ich dran denken, es dir jeden Tag zu sagen.“

 

Er küsste sie.

 

**

 

Woanders, in der nicht so fernen Zukunft…

 

Der hochgewachsene Mann mit dem Strohhut war ein leichtes Ziel. Zumindest dachte das der junge Taschendieb. Er sah aus wie einer dieser selbstsicheren Touristen, die sich von ihrer Herde entfernt hatten, bewaffnet mit ihren Brandneuen Lonely Planet Reiseführer. Die Khaki-Hosen, die er trug, hatten überall Taschen, aber die Tasche, die den Taschendieb am meisten interessierte, war vorne rechts. Sie war tief und weit offen.

 

Seine Brieftasche würde sich darin befinden. Oder vielleicht die Schlüssel zu seinem Hotelzimmer.

 

Der Taschendieb folgte dem Mann über den Markt. Es war Sonntag, und der Basar war voll wie immer. Was einst ein verlassener Platz gewesen, Jemaa el Fnaa, war nun in ein Meer aus hundert bunten Ständen. Man konnte alles und nichts kaufen, auf dem Markt von Marrakesch. Man musste nur wissen, wo man suchen musste.

 

Der Mann ging schnell, trotz der dichten Mengen. Und das allein hätte schon ausreichen sollen, den Taschendieb von seinem Ziel abzubringen. Der Taschendieb, so gut er auch war, seinen Weg durch die Menge zu finden, war dennoch außer Atem, als er zwei oder drei Schritte von seinem Ziel entfernt war. Er hielt seinen Fokus auf die Tasche geheftet, die von etwas Schwerem nach unten gezogen wurde. Er hoffte, es ihm eine Woche Geld bringen.

 

In der Nähe hörte er Krach. Zwei Händler stritten sich mit besonders blumigen Kraftausdrücken. Die Menge hatte innegehalten, um das amüsante Spektakel zu beobachten. Egal, wie schnell sich der Mann in der Menge bewegen konnte, er würde stehen bleiben müssen, bis die Masse wieder weitergehen würde.

 

Jetzt war seine Chance. Der Dieb näher sich von hinten, drehte den Arm gelenk nach vorn und zur Seite nach unten, während seine Finger flink in die Tasche schlüpften Sein Daumen und Zeigefinger schlossen sich um ein schlankes Stück… Holz? Der Dieb war kurz verwirrt.

 

Eine starke Hand schloss sich um seine eigene. Der Griff war erbarmungslos. Augen, in der Farbe glatten Stahls, blickten unter dem Rand des Strohhuts auf ihn hinab.


„Ich denke nicht“, sagte der Mann.

 

Das Englisch des Jungen war beschränkt, aber er verstand genug, um zu wissen, dass er extrem viel Glück hatte, als der harte Griff sich löste und er seine Hand befreien konnte. Er verschwand so schnell ihn seine Beine trugen.

 

Eine sehr genervter Lucius Malfoy schob sich durch die Menge, um zu dem kleinen Café zu gelangen, von dem er wusste, dass Snape dort auf ihn wartete.  Hogwarts‘ ehemaliger Zaubertrankmeister hatte seinen Pfefferminztee fast ausgetrunken, als ein zorniger Lucius den Stuhl neben ihm zurückschob.

 

„Ich nehme an, du hattest kein Glück, eine Zeitung zu finden?“, wollte Snape mit erhobener Augenbraue wissen. Er war wie immer in schwarz gekleidet.  Lucius konnte nicht begreifen, wie er es aushielt, denn es zog die Hitze an wie ein Misthaufen die Fliegen.  Dennoch hatte diese Kleidung seine Vorteile. Als sie durch Südamerika gereist waren, war Snape oft für einen Priester gehalten worden, und er war klug genug gewesen, nichts Gegenteiliges zu erwidern, wenn gute Samariter den Zwang verspürt hatten, einen reisenden Pater zu bekochen.

 

„Vielleicht gibt es wirklich keine verfluchten Zauberer hier“, murrte Lucius. Lucius hielt fluchen eigentlich für vulgär und gewöhnlich, aber Snape nahm an, dass das Leben unter ihren Bedingungen ihn weicher gemacht hatte.

 

Lucius setzte den Hut ab und warf ihn auf den Tisch. „Keine verdammten Neuigkeiten über irgendetwas, was außerhalb dieser gottverdammten Stadt passiert. Ich weiß nicht, wie du mich dazu überreden konntest, hierherzukommen.“

 

Snape war ein Meer der Ruhe, im Vergleich zu Lucius. Und ein wenig herablassend. „Oh, es gibt Zauberer hier. Sie sind nur nicht offen. Es gibt schlimmeres als Voldemort zu fürchten.“ Er griff in seine Jacke und zog eine mitgenommene Ausgabe des Tagespropheten hervor. Es war nicht unbedingt eine neue Ausgabe. Nein, sie war schon ein Jahr alt. Aber es war die Ausgabe, die sie gesucht hatten.

 

Lucius riss sie ihm aus der Hand. „Wo hast du sie gefunden?“

 

„Es zahlt sich aus, die Leute manchmal höflich zu fragen, Lord Malfoy.“

 

Snape bekam dafür einen Blick aus verengten Augen seines Kameraden. „Das ist der Titel meines Sohnes, wenn es dir recht ist.“

 

„Ich bitte um Verzeihung“, erwiderte Snape würdevoll. „Willst du es lesen oder nicht?“

 

Schlecht gelaunt, blätterte Lucius die vergilbte Seite um, überflog den Kulturteil weiter hinten. Er schien den Bericht gefunden, zu haben, den er gesucht hatte, denn seine Augen weiteten sich und verengten sich schließlich wieder. Ab und an schnaubte er auf.

 

„Fünzig Gäste! Kannst du das fassen? Das ist kaum eine Feier, geschweige denn eine anständige Hochzeit.“


„Klein und intim“, entgegnete Snape.


„Dumbledore hat sie verheiratet!“


Snape zuckte die Achseln. „Er hat eine Lizenz dafür.“


„Er hat sie auf Hogwarts verheiratet.“ Diesmal war weder Zustimmung noch etwas Gegenteiliges in Lucius‘ Stimme zu hören, also sagte Snape nichts.

 

Lucius las weiter und machte ab und an seine Kommentare. Als er fertig war, faltete er die Zeitung vorsichtig zusammen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.


„Ist deine Neugierde jetzt befriedigt?“, wollte Snape wissen.

 

Lucius‘ Antwort war ein unverbindliches Grunzen, aber Snape merkte, dass er zufrieden war. Glücklich, fast.

 

„Gut.“ Snape bezahlte für seinen Tee.

 

Die beiden Männer verließen das Straßencafé und schritten zum Bahnhof. Sie hatten ein Ticket für den Nachmittagszug nach Fez. Als Flüchtiger blieb man besser nie lange an demselben Ort.



*The End*

 

 

 

Trivia:

The Dragon’s Bride wurde 2003 von Rizzle auf AFF.net veröffentlich unter dem Titel „Skin Deep“.

2004 erschien die Story auf der Seite Coloured Grey, die 2009 leider einem Sever-Crash zum Opfer gefallen ist, wodurch die Story über 3000 Reviews verlor.

Seit 2009 hat sie auf fanfiction.net über 3000 Reviews bekommen.

Die Story wurde als Challenge geschrieben.

Sie gehört mit zu den meist gelesenen, meist reviewten und beliebtesten amerikanischen Geschichten des Fanfiction-Genres aus dem Potter-Universum.

Sie wurde bislang ins Französische und Deutsche übersetzt.

 

Awards, die die Story erhalten hat:

HP Fanfic Polls 2013

3RD PLACE: Best legacy story (The Dragon's Bride)

Dramione Awards 2010

1ST PLACE: Best short story (Dystopia)

Dramione Awards Best of 2009

1ST PLACE: Best G/PG/PG-13 (Christmas Lights)

DMHGxchange 2005

Best R-rated (Eyes of the Forest)

Dramione Awards Round 3

1ST PLACE: Best Epic (Dragon's Bride)

1ST PLACE: Best Snark (Dragon's Bride)

1ST PLACE: Best Action/Adventure (Dragon's Bride)

1ST PLACE: Best Declaration of Feelings (Dragon's Bride: Epilogue Part 6 )

Dramione Awards Round 4

3RD PLACE: Best Heart Wrenching Angst (Eyes of the Forest)

Zu finden ist die Original-Story hier:

http://www.fanfiction.net/s/5095119/1/The-Dragon-s-Bride

 

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