Teil 1

 

Sie hielt sich weder für zu arrogant, noch für zu wählerisch. Sie hatte nur Prinzipien. Das war alles. Und ohne Prinzipien konnte man ja gleich aufgeben. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und hörte ihrem Vater kaum noch zu. Sie würde gleich spazieren gehen. Dieses ganze Warten und all die Entscheidungen waren recht anstrengend.

 

„Buffy, hörst du mir überhaupt zu? Du bist zwanzig Jahre alt! Deine Schwester hat mit sechzehn geheiratet. Du kannst es nicht hinauszögern. Vor allem bist du die Ältere.“

 

Es war dasselbe. Immer. Sie trug die Würde auf ihren Schultern, sie musste den Richtigen Mann heiraten, damit sie das Erbe nicht verlieren würde an ihren dämlichen Stiefcousin. Und sie war es, die alles immer verzögerte, weil einfach keiner der Anwärter gut genug war.

 

„Ja, Vater.“

 

„Heute Nachmittag kommt Graf LaSalle. Ich bitte dich, deine Entscheidung zu überdenken, denn dein Ruf spricht sich durch die gesamte Grafschaft.“

 

Sie erhob sich und bedachte ihren Vater keines Blickes mehr. Als ob er ihr Vorschriften machen könnte. So einfach war es nicht. Sie hielt viel von der Liebe. Aber vor der Liebe entschied immer noch das Aussehen. Denn man stelle sich nur vor, sie würde mit einem Buckligen gesehen, oder einem Mann mit dunklen Haaren. Oder einem Mann, der womöglich auch noch unfreundlich und sich in der Fechtkunst nicht auskennt. Das wäre eine Schande, wo sie doch so stolz auf ihre Fähigkeiten war.

 

Dass ihr Vater sauer war, ließ sie kalt. Sie entschied letztlich, was sie tat. Ihr Vater tat immer nur so, als würde er Macht ausüben wollen. Und wenn es Probleme geben sollte, würde sie einfach zu ihrem Stiefcousin, ihn überzeugen, ihr Geld zu geben und dann würde sie gar nicht mehr heiraten müssen, wenn sie es nicht wollte.

 

Dabei wollte sie ja. Nur der hübsche, blonde Schlossbesitzer ließ einfach noch etwas auf sich warten. Vielleicht war dieser Graf LaSalle anders, aber sie hegte berechtigte Zweifel.

 

Sie wanderte durch den schönen Rosengarten, den sie nur ungerne im Stich lassen würde, aber sie wusste, ihr Vater war nicht mehr der Jüngste. Ihre Mutter starb bei der Geburt ihrer Schwester, was sie ihrer Schwester auch insgeheim immer übel genommen hatte. Sie hatte zwar ihre Schwester mit erzogen, aber dennoch hatte sie ihr den Tod ihrer Mutter nie verziehen.

 

Sie riss einer Rose eine Blüte aus und warf sie achtlos auf den Boden. Manchmal war sie einfach unzufrieden mit der Welt. Laut Gesetz stand ihr kein rechtmäßiger Besitz zu, würde sie nicht heiraten. Und auch nur, wenn sie ihren Cousin überleben sollte, - wobei sie keinerlei Zweifel hegte, denn er schien schon jetzt nicht mehr ganz auf der Höhe zu sein, von seinen schiefen Zähnen ganz zu schweigen -, dann bekam sie einen recht großen Anteil des Erbes zugesprochen. Vielleicht starb ihre Schwester ja auch früher. Dann bekam sie höchstwahrscheinlich alles. Das wäre wirklich außerordentlich großartig.

 

„Ms Buffy!“ Ihre Zofe eilte über die Wiese. Tara sah wirklich nicht gerade herrschaftlich aus. Langweilige dunkle Haare, spröde Haut und einen Sprachfehler, der es ihr wahrscheinlich unmöglich machen würde, überhaupt jemals zu heiraten. Abschätzig wartete Buffy darauf, dass die Zofe sie erreichte.

 

„Wie Sie gewünscht haben, gebe ich B…bescheid. Der Graf ist angekommen und wurde im nahen Cole Manor untergebracht. Anscheinend hat er dort Verwandtschaft. Heute Nachmittag macht er die Aufwartung.“ Sie war außer Atem und es stand ihr überhaupt nicht. Buffy verzog den Mund und strich sich gedankenverloren durch die schönen blonden Haare, die sie jeden Tag fasziniert im Spiegel beobachtete. Sie war wirklich eine Schönheit.

 

„Und? Wie sieht er aus?“, erkundigte sie sich ungeduldig. Sie hatte keine Lust Tara noch weiter hecheln zu hören. Tara zögerte einen Moment.

 

„Anscheinend ist er klein. Und er hätte drahtige Haare, so der Stalljunge.“ Buffy verzog den Mund. Einen kleinen Mann? Niemals. Und was sollen drahtige Haare sein?

 

„Ist er von krummem Wuchs?“, horchte sie nach und Tara ruckte mit dem Kopf.

 

„I…ich weiß es nicht. Der Junge sagte, er wäre schnell mit seinem Diener in das Haus verschwunden. Er ist wohl kein Mann fürs Volk.“, endetet sie mit gesenktem Kopf. Buffy hatte genug gehört. Wieder ein Mann, wenn man einen Kleinwüchsigen denn so nennen konnte, der ihrer nicht würdig war. Sie würde garantiert nicht auftauchen, wenn der Winzling ihrem Vater den Hof machte, um ihm ihr rechtmäßiges Erbe abzunehmen.

 

„Danke Tara. Ich werde mich hinlegen.“

 

Sie ließ die Zofe stehen und überlegte bereits wie sie sich die Zeit vertreiben konnte, während ihr Vater auf sie warten würde. Es wäre natürlich eine Blamage für ihren Vater, wenn sie ihn versetzen würde, aber niemand konnte sie zwingen einen untersetzten, drahthaarigen Mann zu heiraten. Niemand. So war ihr Gott helfe.

 

 

~*~

 

 

„Oz, du wirst immer besser.“ Der Diener entledigte sich den viel zu teuren Gewändern und sah sich unbehaglich um.

 

„Mein Herr, wieso müssen wir es immer wieder tun?“

 

„Weil ich nicht von den Leuten erkannt werden will. Die meisten Menschen sind nicht nett.“ Sein Herr sprach nicht viel. Er lachte nicht viel. Er war eigentlich nie wirklich glücklich. Oz litt mit seinem Herren. Dass er es tatsächlich in Erwägung zog Elizabeth Summers zur Frau zu nehmen erschien ihm mehr als abwegig. Allerdings hatte sie ein stattliches Erbe. Obwohl sein Herr selber nicht arm war.

Aber vielleicht hatte er eingesehen, dass er alleine nicht glücklich werden würde. Er wusste es nicht.

 

„Mein Herr? Soll ich denn heute anstatt Eurer im Summers Anwesen meine Aufwartung machen?“ Er konnte sich nicht vorstellen wie er so etwas bewerkstelligen konnte.

 

„Das Mädchen sollte froh sein, dass ein treuer Freund wie Ihr sie heiraten würde. Also ja. Ich will sehen, wie es um ihre Menschlichkeit steht.“

 

Oz seufzte schwer. Er war Kammerdiener und kein Schauspieler. Irgendwann würde er noch vor Lampenfieber zusammenbrechen.

 

„Aber, wenn sie nein sagt, was soll ich dann tun?“

 

Sein Herr musterte ihn kurz.

 

„Dann reisen wir morgen wieder ab.“ Oz wusste nicht, wie er erklären sollte, dass höchstwahrscheinlich kein Mädchen der Welt sich dazu bereit erklären würde, ihn zu heiraten, aber er schwieg. Sein Herr wirkte im Moment nicht in der Stimmung für weitere Diskussionen.

Er sah müde aus. Er würde ihm einen Tee kochen und ihm raten sich noch etwas auszuruhen.

 

Er befolgte den Rat seines Freundes nicht. Er würde sich etwas umsehen. Er verließ seine Grafschaft selten. Nur für die Jagd und auch die Wälder um die Grafschaft waren sein Eigentum, also traf er dort nicht auf Menschen. Aber manchmal gewann einfach die Verlockung. So auch heute.

 

Er würde sich die vornehme Seite dieser Stadt ansehen. Noch immer trug er eher bescheidene Sachen. Sein Haar war ungekämmt, aber es scherte ihn herzlich wenig. Er hatte keinen, für den er sich schön machen musste. Außer vielleicht Oz. Aber dieser legte darauf wohl kaum einen Wert.

 

Fast hätte er geschmunzelt. Fast.

 

„Mein Herr, Ihr könnt hier nicht lang. Das ist Besitz des Lords Summers.“ Ein schmächtiger Junge hatte sich in seinen weg gestellt. Wie mutig. Sah er doch aus wie ein Bettler.

 

„Ich spaziere bloß.“, erwiderte er kühl und mied den Blick in das Gesicht des Jungen.

 

„Wollt Ihr etwa die Tochter des Lords anschauen gehen?“ Er näherte sich in einer vertraulichen Geste. „Einige Jungen aus dem Dorf tun es auch ab und an.“ Er zwinkerte, aber Liam hob lediglich eine dunkle Augenbraue. Nein. Die Tochter war ihm herzlich egal. Vorerst. Sollte sie ihn heiraten, schön, dann hatte er wenigstens seinem Vater seinen letzten Wunsch erfüllt.

 

„Sie verbringt die meiste Zeit in den Gärten. Sie singt.“ Er lächelte verträumt. „Sie ist die schönste Frau der Welt.“

 

„Wie heißt du?“, fragte Liam mit verstellt tieferer Stimme.

 

„Riley. Riley Finn.“

 

„Such dir eine anständige Arbeit und halte mich nicht auf.“ Er ließ den Jungen zurück. Er konnte ihm nicht viel anhaben. Außerdem war er ein wenig neugierig. Gut, dann schaute er sich das Mädchen an. Konnte nicht schaden zu wissen, auf was man sich einließ.

 

Der Junge folgte ihm nicht. Er stand unschlüssig auf dem Weg, ließ sich aber schließlich wieder an der Begrenzungsmauer nieder und zog den Strohhut zum Schlaf wieder ins Gesicht.

 

Guter Junge, dachte Liam, bevor er sich an den Rosenspalieren hoch hievte. Das war die größte körperlich Anstrengung, die er für ein Mädchen bereit war aufzubringen.

 

Sie war im Garten. Wenn sie es war. Er nahm es an. Diese reichen Mädchen trugen immer Kleider von denen man eine ganze Ortschaft ernähren konnte, ohne je einmal ein Feld zu bestellen. Er lehnte sich ein Stück weiter nach vorne.

 

Er konnte nicht viel erkennen, aber ihre Haare wehten im Wind wie flüssiges Gold und sie schien nicht unbedingt das typische Alter von Mädchen zu haben, die Oz auf die Liste der würdigen Kandidatinnen zu setzen pflegte. Sie war schon älter. Natürlich war er immer noch Längen älter als sie, aber er konnte nicht viel von ihr erkennen, um sicher zu sein.

 

Sie schlenderte durch den Garten als wäre sie die Königin der Welt. Er verzog kurz die vollen Lippen im Anflug von Spott.

Sie strich sanft über die Blüten der Rosen und eigentlich konnte er bis hierhin nicht viel entdecken, was ihrem Ruf gerecht werden würde. Sie war schön, keine Frage, aber unhöflich und ein Biest? Konnte sie es überhaupt sein, wenn sie so liebreizend aussah? Jedenfalls war es das, was man sich erzählte, laut Oz.

 

Er lehnte sich weiter nach vorne. Noch weiter. Und noch ein Stück. Und schon rutschte er die Mauer hinab und landete weniger elegant auf seinem Hintern. Sie war nicht dumm und schon gar nicht taub. Schnell hatte er sich aufgerappelt und schon kam sie auf ihn zu. Ihre kleinen Diener würden bestimmt auch bald kommen.

 

„Wer seid Ihr? Wie seid Ihr…?“ Sie brach ab und musterte unverhohlen seine Gestalt. Es brauchte keinen großen Geist um zu sehen, dass er absolut nicht ihren Anforderungen entsprach, aber sie hatte die schönsten Augen dieser Welt. So grün wie die seiner Mutter.

 

„Verschwindet, bevor ich euch verhaften lasse.“ Und sofort schmolz die Schönheit und Tugend des jungen Mädchens dahin und kalte Arroganz blieb zurück. So konnte man sich also täuschen.

 

„Mit Verlaub, Ihr wollt mich verhaften lassen?“ Er hatte sogar vergessen den Blick abzuwenden, aber wieso sollte ihr sein Gesicht vertraut sein.

 

„Ihr seid auf meinem Grund und Boden, ich denke, ich kann tun, was mir beliebt.“

 

„Das glaube ich nicht, Ms Summers.“

 

„Ihr habt mir nachspioniert.“

 

„Vielleicht.“ Es war die erste Konversation, die er mit einer Frau hatte, die keine Bardame oder Prostituierte war. Aber auch das war schon sehr, sehr lange her.

 

„Was erlaubt Ihr euch? Gebt es auch noch zu! Wie ist euer Name?“, forderte sie ungehalten. Er konnte nicht anders und musste lächeln. Wie eine Furie schrie sie ihn an. Aber noch immer hatte sie keine Bediensteten gerufen, die ihn des Hauses entfernten. Sie hatte Feuer, ohne Zweifel. Sie war schön, auch daran bestand kein Zweifel. Aber sie war eine widerliche Ausgabe eines Menschen.

 

Er kannte solche Menschen zu Genüge. Und, oh, wie würden sich ihr Ton und ihre Umgangsformen ändern, wüsste sie, wer er tatsächlich wäre. Kleider machen Leute. Oz sagte es ihm öfters.

 

„Mein Name soll euch nicht beunruhigen.“ Er verneigte sich knapp. „Ihr solltet weniger zornig sein, Mylady. Es steht Euch überhaupt nicht gut zu Gesicht. Aber jede Rose hat furchtbar hässliche Dornen nicht wahr?“ Er wusste nicht, dass er so viele Worte für eine Frau übrig hatte. Aber ihr Blick war unbezahlbar. Sie wurde bleich, dann rot und dann schrie sie richtig.

 

„Verschwindet! Widerling! Tara!“ Anscheinend rief sie jetzt nach den Bediensteten.

 

„Auf bald.“ Er wandte sich von ihr ab und sie schrie erneut den ihm unbekannten Namen. Hastig hatte er die Mauer erklommen und war wirklich dankbar noch einen Blick auf das Mädchen erhascht zu haben, von der halb England sich fürchtete.

 

~*~

 

 

Dennoch war es ein schönes Anwesen. Nicht so groß wie der LaSalle Besitz, aber es war liebevoll gepflegt. Er hatte schon genug von Elizabeth Summers gesehen. Bis jetzt habe sie also jeden Bewerber abgewiesen.  Er tat das alles hier eigentlich eher aus Langeweile als wirklichem Interesse, auch wenn Oz es wohl als Schlussstreich der Einsamkeit ansah.

 

Liam Angel LaSalle war kein einsamer Mensch. Nun vielleicht war er das, aber selbst wenn, störte es ihn nicht. Er kam gut alleine zurecht. Nur der Wunsch seines Vaters auf dem Sterbebett war eine Frau gewesen. Eine Frau, die sich um den Besitz kümmern würde, und ihm Erben schenken würde.

 

Das waren löbliche Aussichten, gewiss, aber seitdem seine Schwester an einer schweren Lungenentzündung gestorben war, hatte er kaum einen Gedanken an sein Erbe oder seine Zukunft verschwendet. Er hatte Oz nichts von seiner Begegnung mit der Tochter erzählt. Aber er rechnete sowieso nicht damit, dass sie Ja sagen könnte.

 

Er hoffte stetes auf einen Krieg, wo er seine Aggressionen rauslassen könnte, aber es gab keinen Anlass zum Krieg. Vielleicht im nächsten Jahr.

 

Es war ein Zeitvertreib, Oz anstatt seiner zu Treffen oder anderen Verpflichtungen zu schicken. Er war nie ein Mensch für große Versammlungen oder Bälle gewesen und auch sein Vater hatte ihn nie gezwungen. Er war selber nie draußen gewesen.

 

Liam LaSalle war ein Phantom. Manche, die sagten, sie kennen ihn, die kannten lediglich seinen Namen oder seinen talentierten Doppelgänger. Oz schwitzte stark. Er war aufgeregt, dass sah Liam ihm an.

 

Er würde vor der Tür warten, während Oz seine Aufwartung machte. Er hätte vermutlich noch ein paar tröstende Worte sagen sollen, aber er war kein Mann, der es verstand anderen Mut auszusprechen, wenn er selber keinen Grund dafür fand.

 

Schon war sein Diener verschwunden. Die Hausbediensteten lugten um verschiedene Ecken, aber er hatte sein Untergebenen Gewand an und hatte sich die Kapuze des Mantels tief ins Gesicht gezogen. Er war kein spannendes Ziel, denn die Kleidung verbarg so gut wie alles von ihm. Er versuchte an der Tür zu lauschen. Oz sollte langsam etwas mehr Übung darin haben, er zu sein….

 

 

~*~

 

 

„Ich mache Ihnen meine Aufwartung, Lord Summers.“ Er verneigte sich knapp. Der Mann vor ihm, erschien ihm nett und umgänglich zu sein. Allerdings trommelte er mit den Fingern auf dem Stuhl auf dem er saß.

 

„Ich freue mich, dass Sie die weite Reise auf sich genommen haben, Graf LaSalle.“ Er kaufte ihm die Verkleidung also ab. Es war manchmal viel zu leicht, Leute durch teure Kleidung zu täuschen. Es fiel Oz immer wieder auf. Und immer wieder dachte er daran, dass er lediglich ein Diener und kein Graf war.

 

„Wo ist Eure Tochter, mein Herr?“, fragte er nun. Er fühlte sich viel wohler, wenn keine Frau anwesend war. Dann schwitzte er wenigstens nicht so fürchterlich.

 

„Das ist eine ausgezeichnete Frage.“, knurrte sein gegenüber. Diese Antwort galt aber anscheinend nicht wirklich ihm. „Ich habe bereits nach ihr rufen lassen. Sie sollte jeden Moment hier sein.“

 

Sie warteten. Es gab nicht viel anderes zu tun. Er würde um ihre Hand anhalten und sie würde sich entscheiden. Bei seinem Glück wahrscheinlich für Nein. Er seufzte.

 

Sie kam nicht.

 

Es vergingen Minuten. Der Mann ihm gegenüber stand schließlich selber auf, entschuldigte sich, verließ den riesigen Saal und kam erst viele Minuten später und vollkommen außer Atem zurück. Er wirkte zorniger als vorher.

 

„Entschuldigt diesen Zwischenfall. Sie wird in wenigen Minuten bei uns sein. Sie muss sich umziehen. Vergebt meiner Tochter.“, murmelte er zerknirscht und Oz zog die Stirn in Falten. Ansonsten wurde er nie warten gelassen. Oder vielmehr, der echte Graf LaSalle, den er zu spielen pflegte wurde nie warten gelassen.

 

 

~*~

 

 

„Es ist so erbärmlich. Jetzt muss ich es ihm auch noch ins Gesicht sagen. Als ob meine Abwesenheit nicht deutlich genug war. Hör jetzt auf, mit dem Gezupfe, Tara.“ Wütend wischte Buffy die Hand ihrer Zofe aus dem Weg und raffte ihr Kleid, was sie lediglich in Eile angezogen hatte. Als verdiene dieser Mann auch nur einen winzigen Teil ihrer Schönheit.

 

Sie erkannte wohl seinen Diener auf dem Gang. Er saß auf einem der Stühle und hatte den Kopf gesenkt. Wahrscheinlich lauschte er ihren Worten. Was für ein Widerling. Nicht genug, dass sie heute von dem stinkenden Bettler zu Tode verängstigt und auch noch beleidigt worden war, nein, jetzt lungerte hier auch noch das Personal eines weiteren Ekels rum.

 

„Hat Euch euer Herr nicht mit rein genommen? Ich kann mir denken warum.“, fügte sie leise hinzu als sie an ihm vorbei schritt. Nicht mal den Blick hob er. Unerzogen also auch noch. „Ich denke, du kannst mein Bad schon einlaufen lassen, Tara. Ich habe nicht vor viel Zeit mit diesem untersetzten Grafen zu verschwenden.“ Aus den Augenwinkeln kam es ihr vor, als hätte sich der bucklige Diener eben geregt, aber es war ihr auch egal, dass er lauschte.

 

Was ging sie irgendwelches Fußvolk schon großartig an.

 

Sie setzte einen Gesichtsausdruck auf, von dem sie wusste, dass er anderen Angst machte und zog mit einem theatralischen Seufzer die Türen zur Halle auf und betrat den Raum, wo ihr Vater und der leidige Graf bereits warteten.

 

Sie hasste es Unwürdigen die Meinung zu sagen.

 

 

~*~

 

 

Das Gespräch was nun folgte, war kurz und mit wenigen, aber ziemlich unschönen Worten, schlug sie das Werben seines ängstlichen Diener in den Wind. Er hatte nicht erwartet, dass es tatsächlich ein Mädchen gab, was so widerlich arrogant und unmenschlich sein konnte.

 

Er war froh, wenn Oz endlich den Raum wieder verlassen würde und sie in die Abgeschiedenheit seines Besitzes zurückkehren konnten. Dieses Mädchen war tatsächlich nur etwas für die Augen wenn sie ihren Mund hielt.

 

Oz kam nur wenig später aus dem Zimmer des Grauens heraus und wirkte verstört und so nass geschwitzt als hätte er im Regen gestanden.

 

„Sie ist ein Biest, Sir.“, murmelte er völlig erniedrigt und Liam horchte auf. Ihr Vater schrie sie an.

 

„… es ist mir egal! Ich habe dich gewarnt, Buffy...!“

 

Sie erwiderte etwas Unflätiges und Liam versuchte noch mehrere Worte zu verstehen.

 

„Wir sollten gehen.“ Oz wirkte mehr als hektisch und konnte es wohl kaum erwarten, dieses Haus zu verlassen. Liam wurde wütend auf das Mädchen. Niemand behandelte seinen Freund so als wäre er es nicht wert ein Graf zu sein.

 

„… ich schwöre bei Gott, der nächste Bettler, Spielmann oder Haderlump der mich um deine Hand bittet, der soll dich bekommen.“

 

„Das kannst du nicht machen.“ Sie klang weder eingeschüchtert noch überzeugt.

 

„So war mir Gott helfe! Du wirst es nicht wagen, mich noch einmal so zu blamieren, Buffy!“

 

Sie glaubte ihrem Vater nicht. Das war ihren Worten durchaus anzuhören, aber auf Liams Zügen spielte ein gemeines Lächeln.

 

Er hatte einen Plan. Einen hinterhältigen, aber gerechten Plan.

 

 

 

Teil 2

 

 

„Ist alles in Ordnung, Ms Buffy?“

 

Nichts war in Ordnung. Aber sie würde sich bald wieder gefangen haben. Als ob ihr Vater wirklich ernst machen würde. So etwas traute sie ihm nicht zu. Er war nicht autoritär. Er überließ ihr alle Entscheidungen. Immer. Sie musste sich keine Gedanken machen.

 

„Verschwinde, Tara. Lass mich in Ruhe. Ich schlafe.“

 

Außerdem bezweifelte sie ernsthaft, dass sobald überhaupt noch einmal jemand kommen würde, der es wagte schlecht auszusehen um sie zu heiraten. Also verwarf sie ihre Sorgen. Sie würde den Schneiderinnen den neuen Entwurf ihres Frühlingskleides zukommen lassen. Das war wirklich eine viel dringendere Sorge, wenn sie darauf anlegte, dass die Mädchen des Hauses wieder hinter vorgehaltenen Händen tuschelten, bloß weil sie furchtbar neidisch auf sie waren.

 

~*~

 

„Herr, ich halte das für keine gute Idee.“

 

„Nein. Es ist eine ausgezeichnete Idee, Oz.“

 

Er sah noch verwegener aus als sonst. Oz machte sich ernsthafte Gedanken. Sein Herr hatte darauf verzichtet sich zu waschen und trug nun abgetragene Kleidung des Kochs und stank bestialisch noch abgestandenem Blut und Fett.

 

Die Hosen waren etwas kurz, da sein Herr wirklich zu den größten Männern Englands gehörte. Er sah seltsam aus. Obwohl die Kleidung ihm durchaus nicht schmeichelte war sein Gesicht immer noch Furcht erregend. Die adeligen Züge stachen aber durch. Ihm war sein Herkunft ohne weiteres anzusehen. Er war gut aussehend. Selbst in Lumpen und mit verschmiertem Gesicht.

 

„Ich hoffe doch ernsthaft, ihr erwägt nicht den Versuch noch einmal dort hinzu reiten.“ Er wusste bereits, dass sein Herr wohl eben dieses Ziel verfolgen würde.

 

„Sorge dich nicht darum.“

 

„Was erwartet Ihr von mir, Herr? Ich meine, ich glaube nicht, dass – mit Verlaub -, dass Lord Summers seine Tochter einem augenscheinlich, nun ja…, armem Teufel geben wird.“

 

„Das werden wir sehen, Oz. Ich möchte nicht, dass du weiter zweifelst. Du spielst meine Rolle hervorragend. Das sollst du auch weiterhin tun.“

 

„Aber Herr…“

 

„Schluss jetzt. Ich muss mich nun selber in meine Rolle finden.“

 

Zum ersten Mal nach einer sehr langen Ewigkeit lächelte Graf LaSalle. Es war kein fröhliches Lächeln, entsprungen aus Zufriedenheit, aber es war ein schelmisches Lächeln, fast jungenhaft und er wirkte recht ausgelassen, wenn man es denn wagte, einen solchen Begriff in Liam LaSalles Gegenwart zu verwenden.

 

Aber das raubte ihm den Mut und auch den Willen erneut zu widersprechen. Wenn sein Herr dieses Spiel spielen wollte, so würde er ihn nicht aufhalten. Außerdem war das junge Mädchen wirklich nicht eines der netteren Mädchen, so viel hatte er feststellen können. Auch wenn sie wahrscheinlich das schönste Mädchen in ganz England war.

 

 

~*~

 

Sie war im Garten. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht und sie strich sanft mit den Fingerspitzen über die feinen Blütenblätter der Rosen. Ja, manchmal war sie neidisch auf ihre so natürliche Schönheit. Natürlich war das Unsinn, aber dennoch mochte sie es nicht, dass Blumen tatsächlich solch wunderschönen Pflanzen waren, dass es ein leichtes für sie war, ihre eigene Schönheit auszustechen.

 

Sie wurde in ihren Gedanken unterbrochen.

 

Mylady, Euer Vater wünscht, dass sie sich zum Essen umziehen.“

 

„Ich fühle mich wohl in den Sachen, die ich trage.“ Sie gab sich nicht einmal Mühe höflich zu sein.

 

„Ich bitte Euch. Es scheint ihm sehr ernst. Außerdem hat er einen Gast zum Essen eingeladen.“

 

„Einen Gast?“ Ihr fiel auf, dass Taras Stimme sehr leise, ja, fast ängstlich klang. „Was soll das für ein Gast sein?“

 

„Kein… ge…gewöhnlicher Gast, Ms Buffy.“ Buffy fixierte sie scharf.

 

„Was soll das bedeuten?“

 

„Euer Vater sagt… er… er… feiert bald Eure Verlobung.“

 

Vor Schreck packte sie eine Rose fest um den Stiel und ließ sie mit einem leisen Schrei wieder los. Ein Dorn hatte sich in ihren Zeigefinger gebohrt und das Blut floss in einem feinen Rinnsaal ihren Finger hinab. Sie starrte ihren Finger an, ohne ihn überhaupt wahrzunehmen.

 

„Wie sieht der Fremde aus, Tara? Wie kann es jemand wagen hier auszutauchen. Vater hat es bestimmt nicht ernst gemeint. Du hast es falsch verstanden, du dummes Ding. Geh mir aus dem Weg.“ Sie schob sie grob beiseite, raffte ihr langes Kleid und stürmte Richtung Haus. Es war ihr gleich, dass das Blut ihr Kleid verschmierte. Tara würde es zur Strafe reinigen müssen.

 

Sie so hinters Licht zu führen und ihr Angst zu machen. Das war nicht redlich. Es gehörte sich nicht. Deshalb war sie nur eine Zofe, und sie selbst war die Lady.

 

Sie hastete durch die Flure bis zum Esszimmer. Sie riss die Tür auf und erschrak bis ins Mark. Ein Tölpel saß neben ihrem Vater. Ein schmutziger, abgerissener, verdreckter, stinkender Tölpel. Ihr wurde übel.

 

„Ah, Elizabeth… gut, dass du kommst. Ich möchte dass du unseren Besuch kennen lernst. Meinen künftigen Schwiegersohn… Angel.“ Sie würgte. Angel. Das war kein Name, das war Blasphemie.

 

„Nein.“, hauchte sie und dann erhob sich dieser Fremde auch noch. Er grinste ein Grinsen, bei dem er seine schmutzigen Zähne entblößte. Seine Hose war kaputt und viel zu kurz. Sie entblößte seine haarigen Beine. Seine Haare waren struppig und braun, genauso braun wie seine Augen.

 

Er ekelte sie allein aus dieser Entfernung an. Es konnte nur ein Kranker von der Straße sein. Wie konnte ihr Vater ihr einen solch gemeinen Streich spielen? Was sollte dieses Gesocks in ihrem Hause?

 

„Vater…“, flüsterte sie, aber ihr Vater schien sich prächtig zu amüsieren.

 

„Setz dich, meine Liebe. Ihr solltet euch kenne lernen.“ Er schien mehr als nur vergnügt. „Angel ist der Jäger, des wunderbaren Grafen LaSalles, den du gestern abgewiesen hast.“ Sie spürte die Tränen ihre Kehle verschnüren.

 

„Nein.“, wiederholte sie ungläubig und schüttelte den blonden Kopf.

 

„Eine Ehre, Ma’m.“ Seine Stimme klang widerlich tief und rau. Wie die eines Säufers. Oh, Gott, wann löste ihr Vater dieses grauenhafte Spiel. Und da erkannte sie den ungehobelten Mann. Unglaublicherweise hatte sie ihn schon einmal gesehen. In ihrem Garten, wo er verbotenerweise eingedrungen war. Das konnte nicht sein.


„Setz dich endlich, Buffy. Sei nicht so unhöflich gegenüber deinem Bräutigam.“

 

Sie war dankbar als die Dunkelheit der Ohnmacht sie einhüllte. Es war nur ein Albtraum. Sie würde aufwachen und der Morgen würde sie freundlich anlachen und alles wäre wieder gut. Alles.

 

 

~*~

 

 

„Oh, ich hatte einen furchtbaren Traum. Mir träumte, dass…“ Sie rieb sich die Augen. Aber es war niemand in ihrem Zimmer, der ihr zuhören konnte. Sie war allein. Nun, nicht vollkommen. Da hing ein wunderschönes weißes Kleid an einem Haken im Zimmer. Ein… wunderschönes Hochzeitskleid.

 

Ihr stockte das Blut in ihren Adern und sie schrie so laut, dass die Vögel in den Bäumen erschrocken flohen. Sie sah ihre Schatten am Fenster vorbei flattern. Sie konnte sich nicht fassen, sie würde sich nicht beruhigen. Es war kein schlimmer Traum gewesen. Nein. Es war tatsächlich die unglaubliche Wirklichkeit. Ihr Vater konnte sie doch wohl kaum einfach so fortschicken mit einem armen Habenichts!

 

Sie weinte. Und weinte. Wie es ihr vorkam stundenlang. So lange, bis Tara kam und sie in ihr Gewand steckte, nicht ohne zurückhaltende Genugtuung, wie es ihr vorkam. Sie hatte keine Wahl. Wenn es Tara nicht tat, dann würde wahrscheinlich ihr Vater persönlich kommen.

 

Sie wollte gar nicht mehr hier bleiben. Schon wieder kamen ihr die Tränen. Nicht einmal ihr Stolz war noch vorhanden. Alles war fort.

Sie sprach kein einziges Wort. Würde ihr Vater sie sehen, vielleicht würde er Gnade walten lassen.

 

Sie irrte sich. Ihr Vater war seltsamerweise befriedigt und genoss die arme, karge Zeremonie in vollen Zügen. Der Jäger namens Angel sah sie nicht einmal an. Sie brauchte noch einen langen Moment ehe sie Worte zum sprechen fand.

 

„Nein!“

 

Sie wich zurück. Ihr langes Kleid hinderte sie an einer schnellen Flucht und der Jäger grinste nun unverschämt.

 

„Wenn du gleich immer noch weglaufen willst, habe ich das Recht vor Gott dich wieder zu holen.“ Sie schüttelte den Kopf. Wie unverschämt er war. Sie suchte den Blick ihres Vaters, aber dieser ließ sich einen weiteren Wein reichen und beobachtete amüsiert die Szene.

 

„Nehmt sie nur mit, Angel.“

 

Angel… Der Mann nannte sich tatsächlich Angel? Verkommen und schmutzig. Arm und durchtrieben. Sie weinte. Ununterbrochen. Der Pfarrer hatte sie vermählt, obwohl sie weder Ja noch Nein gesagt hatte. Sie hatte geweint und das tat sie jetzt immer noch.

 

„Graf LaSalle wird uns gestatten die Kutsche zu benutzen.“, erklärte die Jäger ungerührt und aß mit seinen Fingern den letzten Bissen seines Steaks. Sie hatte nichts gegessen, sondern strafend und flehend ihren Vater angesehen. Dieser hatte nicht reagiert.

 

Ob sie wohl auch mit dem Grafen im Schloss wohnen durfte? Hätte sie doch nur den Grafen genommen. Hätte sie doch nur… Sie war so unsagbar dumm. Sie weinte erneut. Ihre Wangen waren kaum getrocknet.

 

„Wir reisen ab. Deine teuren Kleider brauchst du nicht.“

 

Er nahm sie einfach mit. Keine Spangen hatte sie eingepackt. Nicht ein feines Kleid, keine Seife, gar nichts. Sie wollte schreien, wollte sich wehren, aber sein Griff war erbarmungslos grob und er zerrte sie hinaus.

 

„Auf bald, Lord Summers!“, rief er über die Schulter zurück und niemand hielt ihn auf. Das Gesinde beachtete kaum diese Entführung und niemand achtete auf die ungehinderten Tränen auf ihren Wangen. Ihr Vater hatte sie verraten, ihre Dienerschaft hatte sie verraten und all das nur, weil sie keinen Zwerg hatte heiraten wollen. Ach, hätte sie den Zwerg geheiratet. Dann würde sie wenigstens in einem so reichen Haus wohnen, das einem Palast zum verwechseln ähnlich sah. Die teuersten Kleider, nur in großen Kutschen fahren….

Sie schluchzte auf. Ihr Vater würde sich schon noch überlegen, ob er sie nicht doch wieder haben wollen würde. Sie war sich sicher. Ihr Stolz war noch nicht völlig besiegt. Sie war immerhin Elizabeth Summers. Sie war das schönste Mädchen der Stadt.

 

Ihr Vater würde seine Entscheidung noch bereuen und dann würde er sie anflehen wieder zu kommen. Sie musste nur etwas aushalten. Wie schlimm konnte ein Jäger schon wohnen…?

 

 

 

Teil 3

 

 

„Da gehe ich nicht rein.“, waren ihre ersten und bisher einzigen Worte. Die lange Fahrt war anstrengend gewesen. Nicht nur, weil er viel zu klein für die winzige Kutsche gewesen war, nein, ihr ewiges Weinen hatte ihn auch vom Schlafen abgehalten.

 

Sie war verzogen und immer noch so stolz, dass sie ihn keines Blickes würdigte. Sie hasste ihn tatsächlich. Es war eine faszinierende Erfahrung für ihn. Außerdem kam er endlich einmal in den Genuss seinen zweiten Vornamen zu testen, den ihm seine Mutter gegeben hatte. Sein Vater hatte ihn gar nicht zur Kenntnis genommen. Welcher Junge hieß schon Angel?

 

Jetzt standen sie vor seinem alten Jagdhaus. Das Herrenhaus lag etwa acht Kilometer entfernt. Hier würde ihn wahrscheinlich niemand finden. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen. Wahrscheinlich gab es kaum Feuerholz und es war bestimmt schmutzig und staubig in der kleinen Hütte, die eigentlich mehr zum Rast machen, als zum Wohnen geeignet war. Aber er würde sie schon noch zerbrechen.

 

Er würde ihren Stolz schon bezwingen und dann… nun, dann würde er sie hinauswerfen. Nicht natürlich, ehe er ihr verraten hatte, wer er war und was für ein Pech sie hatte, ein arrogantes Biest zu sein.

Es sei denn… Naja, es sei denn, sie würde sich ändern. Er bezweifelte diese Wendung.

 

„Starr mich nicht so an, du Knecht, ich gehe da nicht rein.“ Sie war stehen geblieben. Ihre Haare hingen wirr über ihre Schulter und er sah ihr die Erschöpfung der Fahrt sichtlich an. Er war müde. Sollte sie hier draußen stehen bleiben.

 

„Ganz wie du willst.“ Er lächelte ein letztes Mal, ehe er sie alleine ließ und ins Haus verschwand.

 

Er zählte in seinem Kopf bis fünf. Sie folgte ihm, aber sie sprach kein Wort mehr.

 

„Mach Feuer an und schüttel die Decken auf. Wer weiß was für Tiere könnten sich hier eingenistet haben.“ Nur zu gerne würde er gerne ihr Gesicht sehen, aber er verzichtete auf den Genuss. Er musste sich erst selber an diese Behausung gewöhnen. Er war nicht unbedingt ein Mann, der immer verwöhnt werden musste, mit Mahlzeiten und weichen Matratzen. Nein, er konnte auch in einer Jagdhütte leben. Während der Saison tat er kaum etwas anderes.

 

Er konnte nicht sagen, ob sie sich bewegt hatte oder nicht. Er beschloss, das zu tun, was er mittlerweile am besten konnte: Grimmig sein. „Wenn du nicht sofort gehst und Feuer machst, werde ich dir Beine machen, hast du verstanden, du elende Schnepfe?“ Seine Stimme war rau und müde von der Reise. Er klang durchaus nicht wie ein Mann, mit dem man Spielchen spielen konnte und als er durch den Vorhang seiner dunklen Haare linste, sah er, dass sie verschwunden war.

 

Er war sich nicht sicher, ob sie in der Lage war Feuer zu machen, aber er würde ihr kaum eine Wahl lassen. Er stieg aus den alten Stiefeln und seufzte erleichtert.

Jetzt würde er sich auf das alte zerrissene Sofa legen und sich ausruhen, während seine kleine Magd für ihn schuftete.

 

Sie war bestimmt auch nett anzusehen, wenn sie die Stube fegte, überlegte er und gähnte herzhaft. Nein, im Moment kam er sich absolut nicht so vor, als wäre er der Besitzer von der größten Grafschaft in England. Er kam sich vor wie ein Spielmann, ein Gaukler, ein Jägersmann, der sich eine Pause vom Ernst des Lebens gönnte, um einer Göre eine Lektion zu erteilen. Und er genoss es tatsächlich. Das hätte er nicht für möglich gehalten.

 

 

~*~

 

„Und was soll das sein?“

 

Angewidert stocherte er in einer gelbgrauen Pfütze herum, die nicht einmal die Schweine bei Hofe essen würden. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und ihr Kleid wies Spuren von Ruß, Schmutz und Eigelb auf. Ihre Haare hatte sie wohl blind zusammen gebunden und ihr Gesicht glänzte vor Tränen und Schweiß.

 

„Omelett.“ Sie sprach das Wort wie etwas Ekelhaftes aus, das sie niemals auch nur einmal in ihrem Leben gekostet hatte.

 

„Es ist grau.“

 

„Iss es oder lass es bleiben.“, knurrte sie und er sah, dass sie nur mühsam die Tränen des Stolzes zurück hielt. Er seufzte.

 

„Ich werde jagen gehen. Und dann will ich heute Abend etwas Vernünftiges haben. Nicht so eine widerliche Pampe, hast du verstanden?“ Er erhob sich. Er würde zum Schloss reiten und sich eine Mahlzeit gönne, ehe er tatsächlich seine Flinte lud und einen Truthahn schießen gehen würde. „Und mach hier sauber. Ein Saustall ist es.“

 

Sie hatte die Zähne fest zusammen gebissen und ihre Lippen waren nur noch ein schmaler Strich des Zorns. Er überragte sie um fast zwei Köpfe und betrachtete ihre Züge. Sie war stolz. Und stark in ihrem Willen. Und dennoch war sie mit keinem Mädchen zu vergleichen, dass er in seinen fünfundzwanzig Jahren zu Gesicht bekommen hatte. Er bedauerte es fast, dass sie der Teufel in Person war.

 

„Hast du mich verstanden, Buffy?“, benutzte er den Kosenamen, den ihr Vater ihr gegeben hatte.

 

„Elizabeth.“, verbesserte sie ihn steif und er lächelte ein feines Lächeln.

 

„Mir gefällt Buffy besser.“ Für einen Moment dachte er tatsächlich, sie würde ihm einen Faustschlag ins Gesicht verpassen, aber schließlich senkte sie widerwillig ihren wütenden Blick und ballte die Hände zu Fäusten. Er fragte sich, was sie dachte. Dachte sie, sie könne davon laufen? Nein. Dazu war sie zu feige.

 

Er wandte ihr den Rücken zu und verschwand aus der zugigen kleinen Hütte. Letzte Nacht war es ihr gelungen, die Tür zum kleinen Schlafzimmer abzusperren, aber das würde heute Nacht nicht der Fall sein. Er grinste in sich hinein. Das würde interessant werden.

 

Er ritt knapp eine halbe Stunde. Er jagte durch den Wald und sein Herrenhaus kam in Sicht. Auf dem Hof schien Oz schon auf ihn gewartet zu haben.

 

„Mein Herr, ich war schon kurz davor zu kommen.“

 

„Nein, bloß nicht. Es ist alles in Ordnung.“ Oz sah ihn zweifelnd an. „Wirklich. Ich denke, in ein paar Tagen, habe ich sie dazu gezwungen, das gesamte Haus zu putzen und vielleicht kann sie dann ein Omelett machen.“, überlegte er schließlich. Er bezweifelte das allerdings.

 

„Was habt Ihr jetzt vor, Herr?“

 

„Ich werde jagen gehen. Ich denke, das hätte ich auch ohne meine neu erworbene Frau gemacht.“ Er grinste und er bemerkte sofort wie Oz auf diese Geste reagierte.

 

„Macht es Euch Spaß, dieses Mädchen zu quälen, Herr?“ Der Blick seines Dieners war eine Spur anklagend und er schüttelte den Kopf.

 

„Oz, ich quäle sie nicht. Ein paar Manieren schaden ihr nicht und außerdem…“ Er unterbrach sich selbst. Außerdem, dachte er, vielleicht würde sie sich ändern. Vielleicht. Wahrscheinlich nicht. „Lass es einfach meine Sorge sein.“ Er marschierte über den gekiesten Hof und steuerte den Jagdschuppen an, wo seine Gewehre hingen.

 

„Ich denke, Ihr irrt euch.“, murmelte Oz leise und seufzend folgte er seinem Herrn in den Schuppen. Vielleicht würde er es noch rechtzeitig einsehen.

 

~*~

 

 

Sie hatte das Bett gemacht, die winzige Küche geputzt und fegte nun mit dem Besen die ungemütlich kleine Stube. Es war eine widerliche Angelegenheit. Der Staub flog ihr in die Augen und sie nieste mehrere Male, bevor sie weinend auf der stinkenden Couch zusammen sank. Das hatte sie nicht verdient. In diesem Loch mit diesem Widerling sitzen zu müssen.

 

Wann kam ihr Vater endlich, um sie zu retten? Sie wollte nur noch nach Hause. So schnell wie möglich. Vielleicht kam er morgen. Immerhin war sie erst einen Tag hier. Vielleicht wollte er sie prüfen. Schön. Sie konnte ausharren.

 

Obwohl ihre Hände Blasen aufwiesen und sie Schwielen an den Fingern hatte, sah die Hütte noch genauso schmutzig aus, wie am Morgen. Sie wusste nicht, wie sie diesen Saustall sauber bekommen sollte und sie wollte es auch nicht machen. Sie wollte auch nicht wieder versuchen zu kochen, denn normale Menschen hatten schließlich eine Köchin. Sie hatte es nicht nötig.

 

Allerdings überzeugte sie ihr knurrender Magen schließlich doch noch einmal in die kleine Küche zu gehen und den Herd zu inspizieren. Sie hatte sich heute Morgen schon verbrannt. Dabei hatte sie nur Eier gebraten. Wahrscheinlich zu lange und wahrscheinlich auch falsch. Aber woher sollte sie wissen, wie so etwas ging?

 

Was gab es noch? In einer kleinen Kammer hingen geräucherte Fleischstreifen. Sie konnte nicht einmal sagen, von welchem Tier sie stammten und ob sie überhaupt essbar waren. Sie kostete von einer dunklen Wurst. Und sie war überrascht, dass sie so gut schmeckte.

 

Schnell hatte sie die halbe Kammer leer gegessen. Es störte sie nicht einmal mit den Fingern zu essen und sie leckte sich am Ende auch noch über beide Hände.

Sie bekam Durst. Draußen stand ein Brunnen. Sie würde es schon schaffen, Wasser zu holen. Sie würde ihr Überleben schon sichern können.

 

Draußen sah sie keinen Eimer neben dem Brunnen und lehnte sich über den Rand um hinab spähen zu können. Das Seil war rissig gewesen und der Eimer lag tatsächlich im Innern des Brunnen. Gut, sie würde ihn da raus holen. Der dreckige Jäger hatte bestimmt ein Seil hier liegen.

Neben der Tür auf einer Bank fand sie sogar eins. Sie band es sich schnell um ihre Hüfte und das andere Ende band sie um den Holzbalken über dem Brunnen. Sie würde sich hinabseilen und den Eimer holen, der auf der Wasseroberfläche schwamm.

 

Das wäre gelacht, wenn sie es nicht schaffen würde. Sie kletterte in das modrige Innere des Brunnens und ihre Hände fanden kaum Halt an den rauen Rändern des Brunnens. Als sie mit den Füßen zwischen den Steinen endlich Halt gefunden hatte, begann sie langsam hinab zu klettern. Ihre Hände riss sie sich schon nach dem ersten Meter wund und unter jedem anderen Umstand hätte sie geweint und geschrieen, aber der Durst war übermächtig, also ignorierte sie die Schnitte und Kratzer an Händen und Beinen.

 

Sie kletterte tiefer. Sie konnte den Eimer schon fast berühren. Fast. Nur noch ein bisschen musste sie… Jaah! Sie hatte ihn. Fast.

 

Sie rutschte am Rand ab, stürzte den Rest in die Tiefe, das Seil riss und sie plumpste sehr unelegant in das kühle nass. Sie kam prustend an die Oberfläche und schüttelte den Kopf. So ein Mist.

 

Sie stülpte hektisch den Eimer um und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. Die Luft im Innern des Eimers hielt ihn oberhalb der Wasseroberfläche und so konnte sie sich über Wasser halten. Ihre Füße berührten den Boden nicht und sie blickte nach oben. Es war ein kleiner Kreis und sie bekam es mit der Angst zu tun.

 

„Hilfe!“, schrie sie laut und verzweifelt. Ihre Stimme hallte von den Wänden wider und sie wusste, wahrscheinlich würde sie niemand außer vielleicht die Eichhörnchen hören. Sie schrie noch viele Minuten lang. Aber niemand kam. Niemand half ihr. Sie war hier gefangen. Erneut weinte sie und ihre Tränen vermischten sich mit dem kalten Wasser.

 

~*~

 

Er war lange nicht mehr jagen gewesen, aber immerhin war er erfolgreich heimgekehrt. Die Tür stand offen. War sie doch geflohen? Das konnte er sich kaum vorstellen. Er stieg ab und band das Seil von seinem Sattelknauf. Er hatte eine Ziege vom Herrenhaus mitgebracht. Die konnte sie melken. Dann hatten sie Milch. Wenn auch nur Ziegenmilch. Den toten Truthahn schulterte er auf seinen Rücken und betrat das Haus.

 

„Buffy?“ Er sah sich um. Anscheinend hatte sie versucht zu putzen, hatte aber wohl aufgegeben, denn der Besen lag mitten im Raum. Er schritt in die Küche. Die Tür der Speisekammer war angelehnt. Sie hatte all die Räucherwurst gegessen. Das faule Biest. Das würde er sie teuer zu stehen lassen kommen.

 

„BUFFY!“ Er verließ die Küche, stürmte ins Schlafzimmer, aber auch da war sie nicht. Er verließ das Haus wieder und blickte in den langsam finster werdenden Wald. Was, wenn sie sich nun verlaufen hatte?

 

„Du bist so eine dumme Göre.“, murmelte er. Dann hörte er etwas. Es klang wie ein Wimmern. Gehörte es ihr? „Buffy?“, fragte er noch einmal in die Stille. Diesmal bekam er Antwort.

 

„ANGEL!“

 

Woher kam das? Er drehte sich hastig um, konnte sie aber nicht entdecken. Ihre Stimme klang dumpf. Sein Blick fiel auf den alten Brunnen. Nein. Das konnte nicht sein. So dumm konnte nicht einmal sie sein. Hastig lief er hinüber und lehnte sich hinab. Anscheinend ging es ihr, von den Tränen abgesehen gut und er seufzte erleichtert auf.

 

„Wie bist du da rein gekommen?“

 

„Hol mich hier raus. Nun mach schon, ich erfriere hier!“ Ihre Stimme klang heiser vom Schreien und Weinen nahm er an. Denn etwas anderes tat sie ja nicht. Sofort führte er die Ziege in das angrenzende Gatter und hastete mit dem Seil zurück zum Brunnen.

 

„Halt dich fest. Bind es dir am besten um. Ich ziehe dich hoch. Keine Angst, ja?“

 

Sie tat tatsächlich wie ihr geheißen. Das musste er sich merken. Sie in Gefahr bringen bedeutete, dass sie tatsächlich einmal gehorchte. Er zog schließlich und sie wog doch einiges mehr als eine Feder. Ächzend hievte er sie nach oben und endlich erschien ihr nasser, bleicher Kopf am Brunnenrand.

 

„Angel.“, keuchte sie und er zog sie aus dem Brunnen. Sie klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. Nun. Es war nicht ungefährlich gewesen, das gab er zu. Erst jetzt sah er die vielen blutigen Schrammen und Kratzer in ihrem Gesicht, an ihren Armen und Beinen. Ihr wunderschönes Gesicht war von Angst und Kälte gekennzeichnet und er erkannte die Gefahr.

 

„Schnell. Rein mit dir. Wir müssen dich trocknen. Sonst bekommst du eine Lungenentzündung. Wie langte warst du da unten, Buffy?“ Doch sie antwortete nicht, sie verdrehte die Augen und verlor das Bewusstsein. Er hob sie hastig auf seine Arme. Das war nicht gut. Er musste sie warm halten und er würde einen Arzt rufen lassen. Er hatte keine Wahl. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und zum ersten Mal seit langer Zeit empfand er tatsächlich Sorge und Angst.

 

Immer noch hatte er ihren schönen nackten Körper vor Augen als er dicke Decken um sie stopfte. Ihr Kopf war eine Spur zu heiß und er beschloss sie für die kurze Zeit allein zu lassen, die er brauchte um einen Arzt zu holen.

 

 

~*~

 

„Es ist nicht schlimm, Graf LaSalle.“

 

„Gut.“

 

Sie war noch nicht bei Bewusstsein, aber der Arzt hatte ihm versichert, dass die Temperatur nicht übermäßig gestiegen war und sie wohl bloß Schlaf von der immensen Erschöpfung brauchte. Man fiel nicht alle Tage in einen Brunnen und musste dort Stunden ausharren. Er hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Er würde sie nicht noch einmal alleine lassen können.

 

Er fuhr sich durch die dunklen Haare.


„Warum befindet sich die junge Dame hier und nicht im Herrenhaus, wenn ich fragen darf?“ Der Arzt musterte ihn neugierig, während er sein Stethoskop in seine Tasche packte und auch den Teller zum Aderlass wieder entfernte. Es war nicht nötig gewesen.

 

„Das soll nicht Ihre Sorge sein, Dr. Malcolm.“, erwiderte Liam leise und der Arzt fragte nicht weiter. Es ging ihn auch nichts an. Ihm waren die forschenden, prüfenden Blicke nicht entgangen. Für gewöhnlich trug Liam nicht solche Kleidung. Und er beherbergte auch keine blonden Mädchen in seinem Jagdhaus. Aber er war nicht gewillt irgendwem eine Erklärung abzugeben.

 

„Vielleicht wird ihr kalt des Nachts. Haben Sie noch mehr Decken, Graf LaSalle?“

 

Liam überlegte kurz. Nein, hatte er nicht. Aber er hatte sich selbst.

 

„Ich werde mir zu helfen wissen.“

 

„Morgen sollte es ihr wieder gut gehen. Sie muss sich lediglich ausruhen.“ Wieder ein prüfender Blick. Aber der Arzt ließ ihn allein.

 

Er gab der Ziege noch etwas zu essen und verfrachtete den toten Truthahn nach draußen in die Kälte, um ihn wenigstens noch eine nachtlang frisch halten zu können. Der Hunger war ihm komplett vergangen.

 

Er entledigte sich seiner Kleider und vorsichtig, ohne sie aufzuwecken, legte er sich hinter sie in das enge Bett. Er zog sie an seinen Körper. Das Gewand, was sie trug, gehörte dem alten Jäger, den er hier für die Saison hatte wohnen lassen. Er bezweifelte, dass er es vermissen würde.

 

Sie murmelte etwas Unverständliches und er vergrub seinen Kopf in ihren mittlerweile wieder trockenen Haaren. Er traute sich kaum, sich noch einmal zu bewegen. Sie war so weich und zart. Sie passte so perfekt in seine starken Arme und ein Lächeln umspielte seine sonst so ernsten Züge. Gut, dass sie lebte und hier in seinen Armen lag. Er schlief beinahe in der nächsten Minute ebenfalls ein.

 

 

Teil 4

 

 

Die Sonne, die sich langsam durchs Zimmer stahl weckte sie. Für einen Moment hielt sie noch die Augen geschlossen und genoss die angenehme Wärme, die sie umgab. Ob Tara ihr wohl schon ein warmes Bad eingelassen hatte? Das wäre wirklich perfekt. Sie hatte auch Hunger auf Pute. Vielleicht konnte sie ja ihre Meinung bezüglich des Essens durchsetzen. Während sie noch Argumente überlegte wurde der Griff um ihre Taille fester und sie hörte ein raues Stöhnen.

 

Sofort brachen ihre Gedanken ab. Sofort schossen ihre Augen auf. Und beinahe in derselben Sekunde wusste sie wieder, warum sie niemals wieder ein heißes Bad und Putenbrust essen würde… Sein Griff war so fest, dass sie sich kaum bewegen konnte und Angst schnürte ihre Kehle zu.

Oh Gott. Wie sollte sie sich jetzt befreien? Wie konnte er es wagen, sie festzuhalten? Wieso lag er überhaupt in ihrem Bett?

 

Sie wimmerte leise und versuchte, ohne sich groß zu bewegen frei zu kommen. Sie erreichte lediglich, dass das bisschen Decke, was sie beide trennte, zur Seite rutschte und nun sein nackter Oberkörper gegen ihren gepresst war. Hoffentlich war er nicht komplett nackt.

 

Oh, großer Gott! Das wäre ihr Tod. Ja, sie war mit dem Schuft verheiratet, aber das bedeutete für sie ungefähr so viel, wie die Stellung einer Magd in der bürgerlichen Gesellschaft. Er schlief fest und sie schaffte es sich zu drehen. Das war nicht viel besser, denn jetzt lag sie ihm gegenüber. Sie hielt die Luft an. Er roch männlich herb. Nach Schweiß und Arbeit. Seine Brust hob und senkte sich bei jedem tiefen Atemzug. Sie war unbeharrt. Anscheinend hatte sich gestern durchs Gesicht gewaschen, denn es wies keine Dreckspuren mehr auf.

 

Erst jetzt bemerkte sie seine feinen Züge. Sie waren scharf geschnitten. Sein Gesicht wirkte ernst und streng. Einige Bartstoppeln bahnten sich bereits den Weg durch die samtene Haut seines Gesichts. Seine Wimpern waren lang und schwarz. So schwarz wie seine Augenbrauen. Seine Haare schimmerten braun im anbrechenden Tageslicht, und wäre er kein gewöhnlicher Jäger, dann wäre er eigentlich jemand, der auf dem zweiten Blick wirklich nicht die schlechteste aller Wahlen wäre.

 

Am hübschesten waren seine Lippen. Aber sie wusste, nicht einmal in ihrem Kopf würde sie erwägen die Lippen eines Jägers zu küssen. Wären sie auch noch so wunderschön. Und sie waren schön. Voll und weich, fest geschlossen.

Vielleicht wäre es ein guter Mann für Tara, ja. Aber nicht für sie. Obwohl eigentlich verdient Tara keinen so gut aussehenden Mann. Sie erschrak über ihre Gedanken. Tara lebte wenigstens in einem wunderschönen Herrenhaus, direkt in der Stadt. Sie hatte ein eigenes Bett. Sie teilte sich ihr Bett nicht mit einem Vagabunden. Sie versuchte krampfhaft nicht zu weinen. Aber es bereitete ihr gar nicht solche Schwierigkeiten, wenn sie in das hübsche Gesicht sah.

 

Eigentlich war der herbe, männliche Typ nicht ihr Geschmack, aber irgendetwas regte sich in ihrem Bauch. Ein seltsames, angesichts ihrer Lage auch völlig unpassendes Gefühl. Sie widerstand der Versuchung mit den Fingern seine Lippen zu berühren und stieß unsanft seinen Arm von sich.

 

Er erwachte augenblicklich und seine braunen Augen brauchten noch eine Sekunde, ehe sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten. Seine Züge entspannten sich sofort und ehe sie aus dem Bett gesprungen war, fragte er mit rauer Stimme:

 

„Dir geht es also besser, Buffy?“

 

Besser? Wieso sollte es ihr denn schlecht gehen? Der Brunnen. Sie blieb sitzen. Vielleicht bestand eine Chance, dass sie es hier doch nicht so schlecht haben musste. Widerwillig sank sie wieder zurück auf das Kissen.

 

„Mir ist noch etwas schwindelig und kühl.“, erwiderte sie so krank wie es ihr nötig erschien.

 

„Wirklich?“ Sofort hatte er sich erhoben. Er trug noch eine lange Unterhose. Gott sei Dank. Sie schloss die Augen theatralisch und nickte heftig.

 

„Ich habe auch Hunger. Schrecklichen Hunger.“ Sie wagte einen Blick aus den Augenwinkeln und sah ihn im Nebenzimmer verschwinden. Sie könnte so wirklich etwas aushalten….

 

 

~*~

 

 

„Ich könnte noch etwas Wurst essen. Wahrscheinlich hat mich der gestrige Tag so geschwächt, dass ich wohl die nächsten Tage nicht aufstehen kann. Mir dreht sich alles vor Augen, wenn ich es versuche.“

 

Seine Miene war immer grimmiger geworden, aber das störte sie nicht. Er würde ja wohl nicht wollen, dass sie vom Fleische fiel. Und wenn sie schon noch auf ihren Vater warten müsste, dann konnte sie das auch im liegenden Zustand. Sie würde sich einfach so lange bedienen lassen, bis ihr Vater sie holen kam.

 

„Du hast fast den ganzen Laib Brot gegessen, Buffy. Und außerdem hast du gestern die halbe Räucherkammer leer gegessen.“

 

„Ich hatte Hunger.“, verteidigte sie sich zornig und er näherte sich ihrem Bett. Sie zog instinktiv das Laken höher.

 

„Was ist? Hast du Angst vor mir?“ Das Lächeln mit dem er sie bedachte hatte jede Spur von Mitgefühl und Freundlichkeit verloren. Sie wusste nicht, was er vorhatte und würde schreien, wenn er es wagen sollte, noch einmal zu ihr ins Bett zu steigen. Anscheinend konnte er ihre Gedanken von ihrem Gesicht ablesen.

 

„Oh, glaub mir, so nötig habe ich es nicht.“ Sofort stieg die Hitze in ihre Wangen. Sie wandte zornig den Blick zur Seite. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen. So ein ungehobelter Widerling. Sie war eine Lady und hatte ein Recht auch genauso behandelt zu werden.

 

„Ich kann leider nicht den gesamten Tag bleiben. Ich habe zu tun. Irgendwer muss ja Geld verdienen, nicht wahr?“ Er wirkte zornig und zum ersten Mal in ihrem Leben, wagte sie nicht zu widersprechen. „Das bedeutet, wenn du wirklich zu schwach bist, dann wirst du warten müssen, bis ich wiederkomme und die Ziege melke, oder du tust es selber. Der Truthahn hängt am Seil im Brunnen. Wenn du Hunger hast, wirst du ihn wohl holen müssen und zubereiten. Oder du wartest.“

 

Sein Lächeln wurde eine Spur teuflischer und sie wusste, sie musste sich zusammen reißen, oder sie musste alles alleine erledigen. Sie biss die Zähen fest zusammen und würdigte ihn keines Blickes mehr als er das Zimmer verließ.

 

 

~*~

 

 

Natürlich verließ er den Wald nicht. Er hatte das Pferd um die nächste Biegung geführt und an einem Baum fest gebunden. Er machte es sich auf einem mittelgroßen Baum so gut es ging bequem und beschloss zu warten. Er wusste, es würde nicht all zu lange dauern, bevor die vermeintliche Lady Hunger und Durst bekommen würde. So verwöhnt wie ihr Körper war, würde es kaum eine Stunde dauern, ehe sich ihr Magen wieder meldete. Überraschend war, dass sie dennoch so ausgezeichnet aussah.

 

Er wusste, er vernachlässigte seinen Besitz und seine Geschäfte. Aber im Moment tat es ihm gut, etwas zu tun, wo er ausgelastet war und sogar einem Mädchen ihre Arroganz austreiben konnte. Möglicherweise. Noch war er nicht überzeugt, aber er fand, er befand sich auf einem guten Weg.

 

Tatsächlich, kaum eine halbe Stunde später kam sie im Nachthemd nach draußen geschlichen. Sie spähte nach links und rechts, bevor sie hinausschlüpfte und durch das Gatter ging. Tatsächlich hatte sie wohl vor die Ziege zu melken. Amüsiert lehnte er sich weiter nach vorne und begann auf einem kleinen Zweig zu kauen. Das dürfte amüsant werden.

 

Es dauerte keine Minute, ehe er das erste Mal lachen musste.

 

„Du Mistvieh! Du bist genauso widerlich wie dein Herr!“, keifte sie als die Ziege wohl versucht hatte sie zu zwicken. Sie hatte auch noch keinen Schemel geholt. Was dachte sie, würde die Ziege tun? Sich selber melken? Er grinste unverschämt. Jetzt stürmte sie über den Hof und schnappte sich Schemel und Eimer. Sie betrat das Gatter erneut, aber diesmal verschloss sie die Türe nicht. Er stieg leise vom Baum.

 

Sie setzte sich tatsächlich auf den Schemel, schrie die Ziege eine Weile an und schüttelte angewidert den Kopf. Der Ziege war es herzlich egal, dass sie schrie. Gelangweilt kaute diese an ihrem Heu. Dann streckte Buffy beide Hände aus und griff nach den Zitzen der Ziege. Anscheinend mit vor Ekel geschlossenen Augen. Und viel zu fest packte sie zu. Etwas Milch spritzte ihr ins Gesicht und sie fiel schreiend von ihrem Schemel. Die Ziege bockte und stürmte lärmend aus dem Gatter.

 

Liam war ihr sofort auf der Spur und hatte sie schon an der nächsten Ecke gefangen und beruhigte sie leise. Er führte sie wieder zurück in sein Versteck gerade rechtzeitig bevor Buffy ihn hatte entdecken können.

 

„Ziege!“ Völlig verzweifelt klang ihre Stimme. „Oh, nein! Du dummes Tier!“ Sie rannte direkt an ihm vorbei, ohne ihn oder die Ziege zu entdecken. Sie stürmte in eine andere Richtung und schrie wieder aus Leibeskräften nach der Ziege.

 

„Wo bist du? Komm zurück!“ Sie kam wieder zurück gelaufen und Liam duckte sich tiefer ins Gebüsch. „Oh, nein. Oh, nein. Ziege!“ Ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und das Nachthemd schlackerte um ihre Beine. Sie wirkte völlig verloren im Wald. Liam war aber weit davon entfernt sie aufzuklären.

 

„Er wird mich umbringen.“, murmelte sie leise und schlich zurück zum Haus. Das war interessant. Anscheinend hatte sie Schuldgefühle oder sie hatte wenigstens Angst vor ihm. Er strich der Ziege über den Kopf. Sie mampfte bereits wieder Gras.

 

Jetzt hatte Buffy den Brunnen erreicht und hievte den Truthahn nach oben. Gingen ihre Schuldgefühle tatsächlich so weit? Er steckte den Kopf aus dem Gebüsch und beobachtete wie sie angewidert und fluchend das schwere Tier ins Haus schaffte. Schade. Von nun an blieb ihm wohl der Blick verwehrt. Aber er konnte es kaum fassen. Hatte sie etwa vor den Truthahn auszunehmen und zu kochen, nur weil ihr die Ziege weggelaufen war?

 

Das war ein großer Schritt. Er würde etwas den Wald durchforsten. Sonst war es zu langweilig für ihn. Er würde nicht weit gehen, sollte sie doch wieder auf die Idee kommen in den Brunnen zu stürzen oder sonst etwas zu tun.

Sicher konnte man sich ja nie sein….

 

 

~*~

 

 

Völlig angewidert betrachtete sie das halb gerupfte Tier vor sich. Sie hatte ihre Hände nun bestimmt schon viermal in der Kanne gewaschen. Die Federn waren fettig gewesen und die Beine des Vogels standen quer in der Luft. Sie hatte das Messer in der Hand und krempelte wiederholt die vie, zu langen Ärmel des Nachthemds nach oben.

 

„Wenn ich ihm sage, dass mir die Ziege davon gelaufen ist, wird er böse werden. Vielleicht schlägt er sogar zu.“, murmelte sie dem toten Truthahn zu. „Aber wenn ich dich koche, vielleicht ist er dann so begeistert, dass er es vergisst.“ Sie nickte heftig und machte den ersten Schnitt. Sie schnitt den Bauch auf und wich kreischend vor dem Blut und den Innereien des Tiers zurück.

 

„Grund Gütiger, wie ekelhaft ist das denn!“ Sie musste sich die Hand vor den Mund halten, um den Geruch nicht direkt einzuatmen. Das Tier stank und es verlor soviel Blut, dass sie wohl den Boden wischen musste. Sie musste erstmal Lappen holen. Und sie brauchte ein Gefäß für die Innereien. Mit Würgelauten eilte sie durch die kleine Behausung.

 

Nach einer halben Stunde hatte das Tier endlich aufgehört zu bluten. Sie selber war blutverschmiert, aber immerhin hielt sie sich nicht mehr die Hand vors Gesicht. Sie war eifrig damit beschäftigt, alle gefunden Gefäße mit den Innereien des Tieres zu füllen. Sie wusste, Leber war bekömmlich, aber was zum Teufel war bei diesem Vieh die Leber? Sie wusste es nicht. Sie beschloss es einfach in den Topf zu werfen. Halbherzig hatte sie alle restlichen Federn entfernt. So auch alle Innereien. Nur noch das Fleisch war übrig geblieben. Vereinzelt waren vielleicht noch Knochen im Tier zu finden, aber das meiste war auch in Töpfen und Krügen verteilt.

 

Sie entzündete die Flamme unter dem Herd und stellte einen schweren Topf drauf. Sie füllte ihn unter Stöhnen und Ächzen mit Wasser und stopfte schließlich das gerupfte Tier hinein. Es sah wirklich nicht besonders bekömmlich aus, aber sie hoffte, Farbe und Konsistenz würden sich noch ändern.

 

Das taten sie nicht.

 

Eine weitere Stunde später, war das Tier so weich gekocht, dass wenigstens die Beine in sich zusammen gesackt waren, die vorher noch starr aus dem Topf geguckt hatten. Es stank bestialisch in der Küche. Sie drehte die Flamme höher und beschloss erstmal die Innereien und das Blut loszuwerden. Konnte sie es einfach in den Wald kippen? Hatte sie da eine andere Wahl? Sie schleppte alle Töpfe und Eimer und Krüge nach draußen und kippte das Blut um die Ecke. Die Innereien vergrub sie in der Erde hinterm Haus.

 

Ein alarmierender Geruch trieb sie schließlich wieder zurück. Großer Gott! Schwarzer Qualm stieg aus dem Schornstein empor. Sie hechtete zurück nach drinnen. Sie konnte vor Ruß und Qualm kaum etwas erkennen und ertastete ihren Weg zum Herd. Sie stieß prompt den Topf vom Herd und das kochend heiße Wasser ergoss sich über den Boden, über ihre Füße und sie kreischte auf vor Schmerz und Ekel. Das Tier kullerte über den Boden und sie riss das Fenster auf.

 

Sie drehte so heftig am Knopf, dass er abbrach und schüttete das gesamte Brunnenwasser aus dem Kübel über den Herd, um die Flammen zu ersticken. Fluchend und schreiend wedelte sie mit Decken und Tüchern den Rauch aus dem Zimmer.

 

Langsam legten sich der Rauch und der Qualm, der Ruß und der Gestank. Der Truthahn lag in sich zusammen gesunken auf dem Holzboden, alles war nass und dreckig. Ihr Nachthemd war rußig und durchlöchert. Ihre Hände verbrannt, genau wie ihre Füße.

 

Sie begann zu weinen. Lautlos. Wie sollte sie all das sauber bekommen? Sie hatte keine Wahl. Sie musste es sauber machen. Alles. Und zwar so schnell wie möglich. Er würde sie tatsächlich umbringen. Sie konnte überhaupt nichts. Zu nichts war sie fähig. Sie hatte seine Ziege davon laufen lassen, hatte den Truthahn versaut und sein Haus so unkenntlich schmutzig gemacht, dass es noch drei tagelang stinken würde.

 

Hastig wischte sie sich die Tränen von der Wange und schnappte sich den Eimer. Sie eilte nach draußen, wusch auch einige Lumpen und Tücher mit aus, um wenigstens das Blut und den Ruß wegwischen zu können.

 

 

~*~

 

 

Die Jagd war diesmal erfolglos geblieben. Er führte die Ziege zurück ins Gatter und band sein Pferd an den Pfosten vorm Haus. Es roch verbrannt und er war bereits wieder alarmiert. Was konnte sie nur Schlimmes in den vier Stunden angestellt haben? Er betrat das Haus mit Argwohn und Besorgnis.

 

„Buffy?“

 

Sie lag auf der schäbigen Couch. Eingeschlafen und vollkommen verdreckt. Im Putzeimer gammelte der Truthahn. Sie schien ihn aufgeschnitten, ausgenommen und in einen Topf gesteckt zu haben, so weich und aufgedunsen wie er aussah. Er musste schmunzeln. Sie hatte Brandblasen und zerschunden Füße. Das würde aber wieder verheilen.

 

Der Boden glänzte dafür so sauber, wie schon seit Jahren nicht mehr. Sie hatte sich tatsächlich schuldig gefühlt. „Buffy.“, wiederholte er sanft und berührte ihre Schulter. Sie schreckte hoch und war sofort auf den Beinen, panisch wie ein junges Reh.

 

„Nein! Ich wollte es nicht, wirklich nicht. Sie ist auf einmal weggelaufen. Und ich hab versucht ihn zu kochen. Es ist nicht möglich. Niemand kann dieses Ding kochen. Und wie soll man einen Boden sauber kriegen, der so dreckig ist, dass man keine Ahnung hat, welche Farbe das Holz unter all dem Dreck trägt. Ich wollte es nicht! Ich hab es versucht! Ich konnte sie nicht melken! Sie hat mich gebissen und… und… und… ich… ich…“ Ihre Unterlippe zuckte unkontrolliert. „Es tut mir so leid, bitte, ich… bitte sei nicht zornig… ich….“

 

Er lächelte. Er verspürte keinen Zorn.

 

„Buffy, ich dachte, du wärst zu krank um aufzustehen?“ Er würde seine überlegene Position in diesem Gespräch bestimmt nicht aufgeben.

 

„Ich hatte Durst und…“ Sie fuhr sich durch die schmutzigen Haare und über das Gesicht. „Bitte bestraf mich nicht.“ Sie hatte also tatsächlich richtige Angst vor ihm.

 

„Du denkst, ich würde dich bestrafen?“ Er sah sie prüfend an und die erste Träne rann ihre Wange hinab. Die zweite und dritte folgte auf dem Fuße. Sie ruckte unvermittelt mit dem Kopf und wandte den Blick ab. „Ich bin dir nicht böse.“, fügte er jetzt freudlos hinzu. Sie hatte solche Angst, dass er sie schlagen würde, dass es ihm beinahe übel wurde. „Zu deinem Glück ist die Ziege direkt in meine Arme gelaufen. Ihr geht es gut. Und wenn du mein Haus anstecken willst, dann versuch es nächste Mal bitte nicht über den Herd, hast du verstanden?“ Sie nickte heftig und begann zu zittern. „Und hör endlich auf damit.“ Er schloss den Abstand und umfing hart ihren Oberarm. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. „Wenn du Angst vor mir hast, dann werfe ich dich sofort hinaus und du kannst sehen wo du bleibst.“

 

Aber das machte es nicht besser. Sie zitterte umso heftiger und er seufzte gereizt. Er zog sie in seine Arme und für einen Moment erstarb ihre Gegenwehr und sie schluchzte hemmungslos. „Als ob ich dich schlagen würde.“, murmelte er leise und strich ihr abwesend über den Rücken. Sie war so zierlich. „Wenn ich dir zeige, wie man eine Ziege melkt, denkst du, du könntest das bewältigen?“

 

Sie nickte einmal gegen seine Brust. „Wenn du es fertig bringst, dann habe ich auch eine Überraschung für dich.“, fügte er lauter hinzu und sie hörte auf zu schniefen.

 

„Kommt mein Vater?“, fragte sie plötzlich und hob den Blick. Er musste schmunzeln. Dachte sie tatsächlich immer noch, ihr Vater würde sie retten? Sie hoffte es anscheinend inständig. Was musste es für eine Qual für sie sein. Als wäre er wirklich die Hölle für sie. Es schmerzte ihn für einen winzigen Moment. Aber er verdrängte dieses Gefühl. Er konnte es ihr jetzt unmöglich sagen. Er würde es ihr auch nicht sagen. Er hatte wirklich keine Ahnung, wie sie reagieren würde, würde er ihr seine wahre Identität verraten. Sie sollte bei ihm bleiben wollen. Das wollte er mittlerweile. Aber er wusste, das würde sie niemals wollen.

 

„Nein, Buffy. Du wirst mit mir Vorlieb nehmen müssen.“ Er hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an und war fasziniert von ihren Gefühlen, die in ihrem Gesicht vollkommen lesbar abgebildet waren. Da war der Schmerz über die unumgängliche Wahrheit, dass ihr Vater nicht kam. Da war Zorn über die Situation in der sie steckte und absolute Verwirrung und Unentschlossenheit. Er war sich sicher, noch vor einer Woche hätte sie ihn geschlagen, hätte er es gewagt, sie so nah an sich zu ziehen und sie dann auch noch zu berühren.

 

Aber jetzt blieb sie stumm. Bewegungslos. Sie resignierte in dieser Sekunde. Sie weinte immer noch. „Ich vergebe dir. Dieses Mal. Lüg mich nicht mehr an und tu, was ein gutes Weib tut, hast du mich verstanden?“ Sie nickte wieder ein einziges Mal. „Gut.“ Fast widerwillig ließ er von ihr ab und sofort senkte sie den Tränen verhangenen Blick.

 

„Und jetzt komm mit nach draußen, wir melken die Ziege.“

 

Sie folgte ihm mit hängendem Kopf, dafür aber auch ohne Zögern oder Widerworten. Vielleicht würde sie sich jetzt fügen und aufhören ständig Dummheiten zu machen.

 

 

Teil 5

 

Es wurde nicht gut, aber einfacher. Sie molk die Ziege, sie konnte sogar Eier kochen. Natürlich reichten Eier nicht aus. Jetzt musste tatsächlich er kochen. Aber sie musste jedes Mal dabei stehen. Zwei Wochen vergingen so. Zwei anstrengende, Nerven zerfetzende Wochen.

Sie weinte jeden Abend. Jeden Abend vorm Einschlafen. Er war auf die Couch in die Stube gezogen, denn er hatte es nicht mehr aushalten können. Er war ihr Zuwider und das war eine Tatsache, mit der er eigentlich nicht gerechnet hatte.

 

Es kam nicht oft vor, dass eine Frau ihn abwies. Nicht, dass es überhaupt jemals zu vielen Situationen gekommen war, wo er darauf Wert gelegt hatte, aber er hatte sich eigentlich niemals Gedanken gemacht. Jetzt lagen die Dinge anders. Dieses blonde, völlig unfähige Mädchen sollte ihm eigentlich keine schlaflosen Nächte bereiten, denn bestimmt gab es hübschere, nettere und vor allem, fähigere Mädchen als dieses. Aber wahrscheinlich war sie die einzige, die ihn wirklich nicht leiden konnte. Unterm Strich.

 

Er war niemals davon ausgegangen, dass sein Geld eine solche Macht auf sein Äußeres hatte. Eigentlich hatte er nie besonders viel über sein Äußeres nachgedacht.

 

Er hörte, wie sie leise aufstand und sich in der Schüssel wusch, während sie leise schluchzte. Sie würde sich gleich anziehen und draußen die Milch der Ziege holen und wieder einmal widerliche Eier kochen, die er gestern aus dem Herrenhaus besorgt hatte.

 

Oz wurde von Tag zu Tag besorgter und bat ihn immer wieder endlich die Scharade aufzugeben. Aber soweit war er noch nicht. Vor allem jetzt nicht. Aber er hatte eine Idee. Er hatte sie wirklich nicht all zu gut behandelt und sie lebte wahrscheinlich mit dem letzten Minimum an Lebenswille bei ihm, also würde er etwas entgegenkommend sein.

 

Nur ein bisschen.

 

Er stemmte seinen Oberkörper nach oben und blieb noch einen Moment auf der Couch sitzen. Das Einzige, was ihm hier draußen wirklich fehlte, war sein Bett. Er hatte es nie zu schätzen gewusst, was es hieß auf Daunen zu schlafen. Jetzt wusste er es. Sie kam wieder rein und er erhob sich.

 

„Buffy, komm her.“ Seine Stimme war noch rau und er versuchte in einem Anflug von Eitelkeit, seine Haare zu bändigen. Es gelang ihm nicht. Ihr Blick verriet ihm kein einziges Gefühl. Keinen Hass, keine Scham, nicht mal ob es ihr gut ging oder schlecht. Sie sprach nicht. Und vor allem widersprach sie auch nicht mehr.

 

„Ich habe dir eine Überraschung versprochen.“ Noch schien sie immer noch nicht begeistert, aber jetzt konnte er ihr Gehirn hinter ihren grünen Augen arbeiten sehen. Es war nicht schwer zu erraten, was in ihren Gedanken vorging. Was konnte ein Jäger schon für eine Überraschung haben? „Wir werden gleich zum Herrenhaus reiten. Dort bekommst du ein heißes Bad.“

 

Ihr Mund öffnete sich. Sie bekam große Augen und es sah so aus, als ob sie anfangen würde zu weinen. Sie putzte sich die Hände an ihrem Kittel ab und fuhr sich durch die wilden, blonden Haare, bei denen sie sich nicht einmal mehr die Mühe, sie hochzustecken. „Oh, Gott! Das ist wunderbar…. Wird… der Graf auch dort sein?“ Etwas zu sehr schwang die Hoffnung in ihrer Stimme mit und Liam seufzte.

 

„Ich weiß es nicht. Ist es wichtig?“

 

„Ich… nein. Ich…“ Sie senkte hastig den Kopf.

 

„Zieh dir etwas über, dann reiten wir los.“ Seine schlechte Laune war präsent wie immer.

 

Als sie endlich los ritten, legte sie nur widerwillig ihre Arme um seine Hüfte um sich fest zu halten. Er verdrehte die Augen, aber das konnte sie nicht sehen. Sie hatte tatsächlich versucht sich hübsch zu machen. Natürlich war es nicht nötig, denn sie war eigentlich immer sehr hübsch, aber sie hatte versucht die Flecken aus dem Kleid zu waschen und hatte ihre Haare nicht sehr geschickt geknotet.

 

Anscheinend reichte ein nicht anwesender Graf aus, um sich hübsch zu machen. Ihr Ehemann allerdings war ihr vollkommen gleichgültig. Es störte ihn immer mehr.

 

Sie kamen schweigend an und sie rutschte von dem großen Hengst. Sie schien ihn komplett vergessen zu haben, denn sie lief direkt auf die Rosenspaliere am Haupteingang zu und ehrfürchtig strichen ihre wunden Finger über die Blüten. Er beobachtete sie kurz, bevor er sich zur Raison zwang.

 

„Buffy, komm jetzt her. Der Graf gibt uns nicht ewig Zeit.“ Die schlechte Laune konnte er nicht verbergen, genauso wenig wie den Zorn und sie zuckte unter seinen Worten zusammen. Sie folgte ihm schnell und er vermied es, die Bediensten anzusehen, die zwar eingeweiht, aber anscheinend nicht sehr zufrieden waren. Er hatte Oz gesagt, er solle möglichst aus dem Weg bleiben. Das schien dieser auch zu tun.

 

Er führte sie direkt in das große Bad, wo er selber eher weniger häufig Bäder genommen hatte. Die Wanne wurde bereits von einer Bediensteten gefüllt, die sich erschrocken verneigte. Er schüttle kurz und kaum merklich den Kopf, aber das Mädchen schien nicht zu verstehen. Er seufzte. „Füll die Wanne ruhig weiter, Mädchen. Die Frau des Jägers will ja nicht nur die Füße waschen.“ Er klang ruppig und das Mädchen goss das heiße Wasser hastig wieder in die Wanne.

 

„Lass dir nicht zu viel Zeit, hörst du? Ich komme in einer Stunde wieder.“ Er verließ das Bad und hoffte inständig, dass das Mädchen den Mund halten würde.

 

Kaum hatte er die Tür geschlossen, stürmte Oz zu ihm. „OH, Herr! Endlich sied Ihr wieder hier!“ er schlug ihm sehr untypisch auf die Schulter und schien sich aufrichtig zu freuen ihn wieder zu sehen. „Ihr glaubt nicht, wie anstrengend es ist.“ Liam glaubte es ihm. Er kannte es ja.

 

„Es kommt viel Besuch. Kaum von Wichtigkeit, aber dennoch… Sie machen mich wahnsinnig, diese Herren und Lords. Außerdem habt ihr eine Einladung zu einem Ball, mein Herr.“ Liam funkelte ihn an. „Natürlich konnte ich nicht ablehnen.“, fügte Oz kleinlaut hinzu.

 

„Weil ich ja immer Einladungen dieser Art annehme, richtig?“ Abschätzend sah er den etwas kleineren Mann an und dieser versuchte zu lächeln. Es misslang.

 

„Wie ist Euer Jägersleben, Herr?“

 

„Großartig.“ Die Lüge hätte nicht offensichtlicher sein können.

 

„Wieso habt Ihr sie hergebracht?“

 

„Sie stank.“, log er erneut und der Blick, den ihm sein Diener zuwarf bedeutete ihm mehr als verständlich, dass auch er selber nicht gerade nach Rosen und Seife roch. „Ich werde mich umziehen. Etwas anderes wäre nicht schlecht.“

 

„Wie lange noch?“

 

Liam hielt inne. „Was meint Ihr?“

 

„Wie lange wollt Ihr sie noch so ärgern?“

 

„Bis sie es gelernt hat.“, gab er knapp und widerwillig zurück, bevor er verschwand. Er rannte in der nächsten Kurve in ein junges Mädchen, mit dunkelblonden Haaren. Sie starrte ihn erschrocken an. Er kannte sie. Aber nicht von hier.

 

„V…verzeihung.“, stammelte das Mädchen und senkte hastig den Kopf.

 

„Was kann ich für dich tun?“ Er betrachtete sie eingehender.

 

„Mein Name ist Tara. Ich suche Arbeit.“, flüsterte sie und er legte de Kopf zurück. Tara. Er kannte den Namen. Oh. Sofort führte er sie um die nächste Ecke. Das wäre ja noch schöner, wenn Buffy ihre Zofe hier sehen würde. „Ich kann kochen, nähen oder auch Holz hacken, alles was Ihr wollt.“ Er seufzte. Tara wäre eine bessere Frau für ihn als Buffy. Er lächelte kurz.

 

„Tara, ich denke in der Küche wird man einen Platz für dich finden. Ich habe leider keine Zeit, mich darum zu kümmern.“ Er schickte sie hinab in die Keller zu den Köchen, die mit seiner Abwesenheit weitaus weniger zu tun hatten.

Er würde sich umziehen und dann würde er sich überlegen, wie er seine Frau für sich gewinnen konnte.

Aber erst noch hatte er einen weiteren Plan umzusetzen….

 

 

~*~

 

Sie roch wie eine Wiese im Frühling. Sie hatte länger als eine Stunde gebraucht, wirkte aber erholt und zum ersten Mal seit den letzten Wochen glücklich.

Jetzt würde er ihr diese Hoffnung wieder nehmen. Sie trug sogar das Kleid, was er ihr besorgt hatte. Es war nicht königlich, nicht einmal ansatzweise herrschaftlich, aber es stand ihr ausgesprochen gut.

 

„Er hat mir sogar ein Kleid geschenkt!“, flüsterte sie aufgeregt und drehte sich im Kreis. Er lächelte nicht.

 

„Nein. Hat er nicht.“

 

„Was meinst du, hat er nicht?“, zischte sie. „Es lag doch da! Der dummen Magd wird es schon nicht gehört haben. Wer sollte es mir sonst gegeben haben?“ Sie hatte also ihre flinke Zunge im Bad wieder gefunden. Gut. Ihren Zorn konnte er eher ertragen als ihre grauenhafte Gleichgültigkeit. Er beantwortete ihre Frage nicht und sie wirkte gereizter mit jedem Schritt, den sie auf das Pferd zu machten.

 

„Ich kann es nicht fassen.“, murmelte sie zornig. „Er hätte hier sein sollen, um mich zurück zu holen.“ Er verdrehte erneut die Augen. Sie wartete immer noch auf ihren Vater. Tatsächlich immer noch. Aber ihr Vater hatte überhaupt keinen Grund zu kommen. Nur wusste sie das nicht. Ihr Vater wusste nämlich genau wer er war, im Vergleich zu ihr. Und ihr Vater war absolut begeistert von Liams Plan gewesen, im Vergleich zu Oz. Er stieg auf das Pferd und verzichtete ihr zu helfen.

 

Sie kletterte fluchend hinauf und jammerte, dass er ja wohl höflich genug sein konnte ihr zu helfen. Er sagte nichts dazu. Sie ritten. Allerdings ritten sie nicht zurück zur Hütte. Sofort wurde sie skeptisch. „Wohin reiten wir?“ Argwohn schwang in ihrer Stimme mit.

 

„Du hast das Kleid nicht, damit du den ganzen Tag hübsch in der Stube sitzen kannst, Buffy.“ Sie krallte sich in seine Hüften.

 

„Was soll das heißen?“

 

„Das soll heißen, du wirst arbeiten gehen, weil du mir im Haus keine Hilfe bist.“ Es fiel ihm nicht schwer sie zu beleidigen, tat sie ja auch nichts anderes bei ihm.

 

„Arbeiten?“, fragte sie panisch. „Was soll ich arbeiten? Ich habe nichts gelernt!“

 

„Das ist nicht meine Sorge, Schatz.“, erwiderte er verächtlich und sie er hörte sie hinter sich schluchzen. Sie sprach nicht weiter. Sie erreichten den Markt schweigend und der Wagen mit den hässlichen Tonkrügen erwartete sie bereits dort wo er ihn zurück gelassen hatte. Niemand hatte es gewagt solch Hässlichkeiten zu stehlen.

 

„Steig ab.“, forderte er sie knapp auf.

 

„Was?“

 

„Ich hole dich heute Abend.“

 

„Was?“, wiederholte sie diesmal geschockt. „Du lässt mich allein mit diesem Pack?“, zischte sie und deutete auf die schmutzigen Marktfrauen, den Schmied, den Schlachter und all die anderen Menschen, die sie anstarrten als wäre sie ein Feind.

 

„Ja.“, erwiderte er knapp, grinste und trat seinen Hengst hart in die Seiten.

 

 

Sie blieb allein zurück. Ganz allein. Mit dem Karren voller Gerümpel, das sie anscheinend verkaufen sollte. Wie sollte sie das anstellen? Wo musste sie hin? Wieso tat er ihr das an? Er ließ sie einfach zurück. Sie fing an zu weinen. Leise fielen ihre Tränen auf die Tonkrüge vor ihr.

 

„Mädchen, du kannst hier nicht stehen bleiben. Das ist mein Platz. Such dir einen eigenen und hör auf zu heulen.“, schnauzte sie eine stämmige, ältere Frau an, die anscheinend alte Rüben verkaufte und dies mit schriller Stimme kund tat.

 

Buffy zog schwer atmend den Wagen hinter sich her und blieb an einem Fleck, weit entfernt von der Frau stehen.

 

„So ein hübsches Mädchen verkauft so abscheuliche Krüge?“ Der Mann neben ihr hatte einen Apfelstand und ihr Magen knurrte zum ersten Mal. Sie zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten. Was sollte sie auch sagen? „Du musst sie schon anpreisen.“ Sie wollte lieber auf der Stelle sterben.

 

„Äpfel, frische Äpfel!“, schrie er über den Platz und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie hässliche Krüge verkaufen sollte.

 

Allerdings verkaufte sie doch zwei Stück. Ihr Hunger brachte sie fast um.

 

„Kauf dir doch etwas zu essen, mein Kind. Jetzt hast du doch Geld.“ Der Mann bot ihr einen Apfel, und tatsächlich war sie hin und her gerissen. Sie wusste, sie hatte so großen Hunger, dass sie kaum noch stehen konnte, aber sie wusste, Angel würde bestimmt nicht gutheißen, dass sie sich essen von dem Geld kaufte, was sie Stunden gekostet hatte zu verdienen.

 

Sie lehnte ab.

 

Als die Sonne langsam hinter den Hügeln versank waren schon viele Marketender gegangen, hatten die Stände abgebaut und schlugen sich gegenseitig auf die Schulter und lachten über die guten Geschäfte, die sie gemacht hatten.

 

Nur sie blieb allein. Ihr Mann kam nicht. Sie kannte den Weg zur Hütte nicht. Sie wusste nicht einmal in welcher Stadt sie sich hier befand. Selbst der Mann mit den Äpfeln war bereits nach Hause gegangen. Sie machte sich auf den Weg. Sie versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, von wo sie gekommen war, aber es gelang ihr nicht. Sie musste vielleicht nur dem Weg zum Wald folgen. Sie war nass geschwitzt. Schon nach ein paar Metern.

 

Sie wusste sie würde es nicht schaffen. Weinend sank sie am Waldrand zusammen und lehnte sich schluchzend gegen ihren Wagen. Das konnte doch nicht ihr Leben sein? Allein, bei einem armen Bettelmann, der seine Frau auf den Markt schicken musste. Die Erschöpfung überkam sie und sie schlief neben ihrem Karren ein.

 

 

~*~

 

 

„Buffy, wach auf!“ Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte, aber ihr war unheimlich kalt. „Du solltest doch warten.“, murmelte er halb böse aber auch halb besorgt. Sie konnte es hören. Er hob sie auf seine Arme als wöge sie nichts und sie klammerte sich in den Stoff seines Hemdes. „Schon gut.“, flüsterte er und hob sie auf das Pferd. Er setzte sie nach vorne. Verkehrt herum und stieg selber auf.

 

„Der Wagen.“, murmelte sie.

 

„Keine Sorge.“ Er lachte sogar. Sie lehnte sich gegen seine Brust. Er roch gut, stellte sie am Rande ihres Bewusstseins fest. „Hattest du Spaß?“ Machte er Witze?

 

„Nein.“, nuschelte sie gegen seine Brust. „Wo warst du?“ Ihre Stimme war kaum zu verstehen.

 

„Ich wurde aufgehalten.“, erklärte er knapp. Wobei wurde ein Jäger aufgehalten? „Verzeih mir.“, bat er leise.

 

„Lass mich nicht noch einmal so lange allein.“, nuschelte sie in sein Hemd.

 

„Hast du etwas verkauft?“

 

„Kaum.“ Sie hielt die Augen geschlossen. „Die Krüge sind zu hässlich.“ Sie hörte sein Lachen und es vibrierte in seiner Brust. Sie schlief wieder ein. Sie merkte kaum, wie sie die Hütte erreichten und er sie hinein trug. Wieso roch er gut? Das war ihr letzter, einigermaßen klarer Gedanke. Er ließ sie allein und sie vermisste seine Wärme augenblicklich. Aber sie dämmerte bereits in die Bewusstlosigkeit des Schlafes.

 

 

 

Teil 6

 

 

Rosen. Überall waren sie. Gelbe und rote, aber auch weiße. Eine ganze Wiese voll. Wunderschön waren sie. Sie hätte den ganzen Tag lang hier stehen können und sich an der Schönheit der Rosen erfreuen können.

 

Ein Mann kam auf einem Pferd. Ein wunderschöner Mann. Groß und dunkelhaarig. Nein. Es war ihr Mann. Angel stieg ab und kam lachend auf sie zu. Wie groß er war. Es war ihr nie aufgefallen. Er trug Gewänder, die seinem Stand nicht entsprachen und die er sich wohl niemals leisten konnte. Sie standen ihm.

Ihre Knie wurden weich als er sie erreichte. Wie hübsch er war.

 

Sie wollte ihn umarmen. Sie wollte seinen Duft riechen. Sie wollte seine starken Arme um sich spüren. Aber er bewegte sich nicht. Er lachte sie bloß an. Sie hätte ihn wirklich gerne umarmt. Wirklich! Aber sie konnte nicht. Wie sollte sie ihn umarmen können? Anscheinend wollte er es nicht und er war viel zu reich für sie.

 

Schlagartig wurde sie traurig. So mächtig traurig, dass das Bild der Rosen verschwamm. Sie hätte ihn so gerne gespürt…

 

 

Mit einem Ruck wachte sie auf.

 

Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen. Ihr Magen knurrte. Richtig, sie hatte nichts gegessen. Ihre Beine zitterten als sie aufstand. Brot und Käse lagen in der kleinen Küche und sie war selten für etwas so dankbar gewesen wie für Brot und Käse.

 

Auf leisen Sohlen schlich sie schließlich in die Stube und betrachtete ihren schlafenden Mann. Es war unglaublich, dass er mit jedem Tag schöner werden konnte. Sie wusste, Armut ließ den Geist verkommen und machte jeden Menschen hässlich. Jeden den sie kannte, zumindest. Aber bei ihm war es etwas anderes. Sie kniete sich vorsichtig vor ihn. Beinahe anmutig wirkte er im Schlaf. Wäre er doch nur kein armer Jägersmann.

 

Sie wusste nicht, was sie dazu trieb. Ob es ihr Traum war oder die Tatsache, dass er noch tief und fest schlief. Sie lehnte sich vor, nur ein Stück weit. Er atmete ruhig und sie fragte sich, an was er gerade denken mochte. Sie fragte sich sogar, ob er sogar von ihr träumte. Sie warf alle Vorsicht über den Haufen und lehnte sich soweit vor, dass ihre Lippen die seinen für einen Augenblick berührten. Sie waren weich und voll. Genauso hatte sie es sich vorgestellt. Allein die Tatsache, dass sie es sich bereits vorgestellt hatte, ließ ihre Fingerspitzen kribbeln.

 

Es war ihr zwar nicht verwehrt eine solche Handlung durchzuführen, aber dennoch würde sie es nicht noch einmal wagen, denn sie war eine Lady, wenn auch nicht mehr für jedermann sichtbar. Mit einem leisen Seufzer löste sie ihre Lippen von seinem Mund und seine Mundwinkel zuckten kurz im Traum.

 

Er schlief weiter. Sie erhob sich. Sie würde sich noch einmal durchs Gesicht waschen und dann auf den Markt gehen. Ohne, dass er sie bringen musste, ohne dass er sich kümmern musste. Sie könnte jedem Menschen auf dieser Gottes Welt beweisen, dass sie ein paar Krüge verkaufen konnte. Allein schon, damit ihr elender Mann sie nicht betrachtete wie ein verzogenes Kind.

 

 

~*~

 

 

Sie war fort als er erwachte. Das Bett war leer und auch der Rest des Hauses. Sie war fort. Wo war sie hin? War sie tatsächlich endlich vor ihm davon gelaufen? Konnte sie tatsächlich zum Markt gegangen sein? Unmöglich. Vollkommen.

Er hatte einen wunderbaren Traum gehabt, über den er aber nicht nachdenken wollte. Er würde nach ihr sehen. Vielleicht irrte sich sein Argwohn und sie war tatsächlich unterwegs, den Karren zu holen. Aber sie wusste doch gar nicht, wo der Markt war? War sie denn verrückt alleine los zu ziehen?

 

Wut und Angst lösten sich gegenseitig ab. Er trieb sein Pferd durch das Unterholz und erreichte bald die steinige Straße, die zu Markt führte. Der Karren stand nicht mehr verdeckt im Gebüsch. Also entweder sie hatte ihn gefunden oder ein armer Bettler war ihr zuvor gekommen.

 

Er ritt weiter.

 

Er traute seinen Augen kaum. Sie stand in mitten auf dem großen Platz und schrie aus Leibeskräften. Und tatsächlich hielten Menschen inne und ließen sich von ihr überreden, die kaputten Krüge zu kaufen. Unglaublich. Nun, wahrscheinlich verkaufte sie eher mit ihrer Schönheit als mit ihrer Überredung.

 

Aber sie verkaufte tatsächlich Krug um Krug. Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Sie wirkte immer noch arrogant und überheblich, aber nun stand sie auf der anderen Seite. Ganz unten. Bei all den anderen Verkäufern. Und diese starrten sie neidisch an.

 

Sein Blick blieb an einem Mädchen hängen, die von all dem Trubel angelockt worden war und erhielt den Atem an. Auch Buffy hörte auf zu schreien als sie das Mädchen erkannte. Er lehnte sich auf seinem Hengst etwas weiter vor.

 

„Du?“, hörte er ihre fassungslose Stimme und er sah, wie das Mädchen zusammen zuckte.

 

„Lady Elizabeth.“, murmelte Tara ebenso erschrocken. Seine Frau wandte hastig den Blick nach unten, als die anderen Marketender sie fragend ansahen. Eine solche Titulierung gab es hier auf dem städtischen Markt nicht.

 

„Halte deinen Mund.“, zischte sie wütend und fixierte das Mädchen nun zornig. „Entweder du kaufst etwas oder du verschwindest.“ Der letzte Hauch seines Lächelns erstarb auf seinen Zügen.

 

„Was tut Ihr hier? Ihr verkauft Krüge?“


„Das sieht wohl ein Blinder, nicht wahr.“ Einige Leute mehr waren stehen geblieben.

 

„Wieso bist du überhaupt in dieser Gegend?“

 

Liam zog sich nun die Kapuze seines Mantels ins Gesicht.

 

„I… ich… a… arbeite für… den Grafen.“, stammelte das Mädchen verunsichert und Buffy schrie auf.


„Den Grafen LaSalle? Das ist ja wohl die Höhe. Wahrscheinlich geht es dir sogar noch besser als mir, du dumme Gans!“ Alle hörten nun zu und auf dem Platz war es ungewöhnlich still. „Du wohnst im Herrenhaus und ich in einer schäbigen Hütte, mit einem Mann hässlich wie die Nacht und arm wie eine Kirchenmaus.“

 

Tara wich zurück und schüttelte bloß den Kopf.

 

„Ja, scher dich bloß weg! Du hast alles und ich habe nichts. Dabei sollte es umgekehrt sein! Du bist schließlich weniger wert als ich!“

 

Tara stürmte über den Platz davon und Buffy sank schluchzend vor ihrem Karren in den Staub. Mit einem wütenden Schrei gab Angel seinem Hengst die Sporen. Er trat ihm hart in die Flanken und der Hengst stürmte los. Mit Absicht ritt er an dem Karren vorbei, ließ seinen Hengst steigen und den Karren umreißen.

 

Buffy schrie auf, wie einige andere ebenfalls und mit wildem Galopp ließ er den Platz hinter sich zurück. Er hatte sich geirrt. Sie war immer noch genau dieselbe Person und höchstwahrscheinlich würde sich daran auch nichts ändern. Gar nichts.

 

 

~*~

 

 

 

Niemand war mehr auf dem Platz. Nur noch sie. Die Krüge zerstört und sie selber war so unglücklich. Graf LaSalle hatte also Tara aufgenommen. Nun, das war wahrscheinlich mehr als großzügig von ihm gewesen. Sie hatte gar nicht schreien wollen. Und dann auch noch so viele böse Worte, die sie kaum so meinte.

 

Die Welt war ungerecht. Aber jetzt musste sie nach Hause kommen, ohne Krüge, mit etwas Geld, was Angel nicht reichen würde. Ihn hatte sie auch noch beleidigt, dabei war er tausendmal schöner als der dumme Graf LaSalle. Und wahrscheinlich sogar netter. Sie weinte immer noch.

 

Sie konnte nicht hier bleiben. Sie würde zu ihm gehen. Was hatte sie für eine Wahl? Gar keine. Sie machte sich auf den Weg zurück zur Hütte. Langsam, jede Sekunde die ihr noch blieb hinaus zögernd.

 

Aber der Weg währte nicht ewig und sie erreichte die Behausung bereits nach einer Stunde. Die Sonne war fast verschwunden und kein Rauch stieg aus dem Schornstein. Er war also auch noch nicht zurück. Das war ihr nur Recht. Der Plan in ihrem Kopf stand fest. Sie würde gehen. Wie sollte sie ihm noch einmal unter die Augen treten? Er hatte sie aufgenommen, er hatte ihr geholfen, ihr sogar ein Kleid geschenkt, was er sich selber wohl kaum leisten konnte.

 

Sie betrat zögernd die verlassene Hütte. Die Decke lag immer noch auf der Couch und sie rief sich seine Lippen ins Gedächtnis. Sie hatte ihm nie gesagt, was sie von ihm hielt. Niemals ehrlich, aber jetzt wo sie fort wollte, da war es ihr nun völlig bewusst. Es tat ihr leid. Wirklich leid. Sie hatte sich an ihn gewöhnt. An seine Wärme, seine starken Arme, an alles an ihm. Und jetzt musste sie fort.

Er hatte sie sowieso nie gewollt. Und sie ihn erst recht nicht. So musste es sein.

 

Sie legte die wenigen Scheine auf den Tisch und überlegte, wie sie ihre Sachen transportieren sollte, ehe ihr einfiel, dass nichts in dieser Hütte ihr Eigentum war. Gar nichts. Sie seufzte und verließ eilig die Hütte. Sie wollte nicht noch länger verweilen, sonst kam er zurück und würde schrecklich böse mit ihr werden und ihr wieder vorwerfen, dass sie zu nichts in der Lage wäre. Womit er schließlich auch recht gehabt hatte.

 

Als sie die Stadt wieder erreicht hatte, war es bereits Dunkel. Kein Gasthaus wollte sie aufnehmen, niemand nahm von ihr Notiz. Es war noch nicht wirklich kalt, aber der Herbst kam und damit würde auch die nächtliche Kälte wieder kommen.

 

„Mädchen, du solltest wirklich nicht in der Dunkelheit hier herum laufen.“, ermahnte sie ein Mann in einem dicken Gehrock und einem recht steifen Hut.

 

„Ich habe aber keine Wahl, mein Herr.“, erwiderte sie höflich gleichgültig.

 

„Hast du denn kein Geld?“

 

„Nein.“

 

„Dann solltest du arbeiten.“ Sie lächelte ihn freudlos an.

 

„Ich kann es nicht. Ich bin für nichts zu gebrauchen. Ich würde gerne, aber es ist hoffnungslos.“ Sie schritt weiter durch die nahezu verlassene Stadt. Sie musste sich von fremden Männern nicht erklären lassen, dass sie hier draußen zu Grunde gehen würde.

 

Immer mehr Lichter erloschen hinter den Fenstern. Immer langsamer wurden ihre Schritte. Sie konnte sich nicht denken, dass sie einen Platz für die Nacht finden würde. Aber würde sie hier schlafen, dann würde sie wahrscheinlich an einer Lungenentzündung sterben. Großer Gott.

 

„Lady Elizabeth?“ Sie wandte sich hastig um. Nicht oft hörte sie noch diesen Namen. Ihr Mund klappte auf vor Schrecken und stummem Entsetzen. Sie verbeugte sich, als wäre es für sie Gang und Gäbe gewesen.

 

„Graf LaSalle.“ Sie sprach mit dem staubigen Boden, denn sie wagte nicht in das Gesicht des Mannes zu sehen, den sie so unehrenhaft abgewiesen hatte, weil es ihr zu klein gewesen war.

 

„Was tut Ihr hier draußen? Um diese Zeit? Solltet Ich nicht bei Eurem Mann sein?“ Sie hörte echtes Interesse und Besorgnis in seiner Stimme, auch wenn sie beides nicht deuten konnte.

 

„Danke für das Bad.“, murmelte sie zusammenhanglos und er kam näher.

 

„Wieso seid Ihr hier? Um diese Zeit?“

 

„Wieso seid Ihr?“, erwiderte sie und wich seinen Fragen aus. Anscheinend überrumpelte ihn diese Frage. Auch sie wunderte sich, was ein Graf hier zu tun hatte.

 

„Geschäfte.“, erwidert er lapidar. Seine Kleidung war nicht besonders ausgefallen. Sie wirkte eher gewöhnlich, als wolle er nicht auffallen.

 

„Habt Ihr Arbeit für mich?“, fragte sie schließlich und ließ allen Stolz, all ihre Würde fahren.

 

„Ich…? Aber…“

 

„Ich bitte Euch, inständig. Aber ich akzeptiere auch Eure Ablehnung, Herr.“ Sie hatte den Blick wieder gen Boden gewandt. Sich so zu opfern war schwer genug für sie. Jetzt musste sie bei dem Mann betteln, den sie für unter ihrer Würde gehalten hatte. Dieses Leben hatte einen seltsamen Humor. „Sonst kann ich nie wieder zurück zu ihm.“, fügte sie leise hinzu, aber sie war sich sicher, er verstand.

 

„Natürlich. Kommt mit mir. Wir werden einen Platz für Euch finden.“ Sie strahlte ihn an. Das bedeutete sie musste nicht draußen schlafen und würde Geld verdienen, dass sie ihrem Mann geben konnte, damit er sie nicht mehr hasste. „Auch wenn ich nicht weiß, wie ich das erklären soll…“, fügte der kleine blonde Mann hinzu, sie nickte bloß höflich, auch wenn sie kein Wort verstand.

 

 

 

Teil 7

 

 

„Einfach fort. Kannst du das glauben? Ich hätte diesen Fehler niemals machen dürfen. Ich war so dumm. Ich hatte anscheinend zu viel freie Zeit, Oz.“ Sein Herr regte sich bereits seit mehr als einer Stunde auf. Er trug auch nach einer Ewigkeit wieder Kleidung, die seinem Stand entsprach.

Oz hatte es noch nicht über sich bringen können, seinem Herrn zu sagen, dass ebendiese Person jetzt hier im Haus arbeitete.

 

Bei dem Koch und den Tellerwäschern. Er war sich selber noch nicht ganz im Klaren, was nun passieren würde. Aber sein Herr dachte, die blonde Lady wäre fort gegangen, weil sie ihn nicht mehr ertragen konnte, dabei war sie fort gegangen aus Angst, er könne sie nicht mehr wollen. Jetzt arbeitete sie hier, um ihm später das Geld zurück zu geben, was er durch sie vermeintlich verlieren würde.

 

Liebe schien eine sehr anstrengende Sache zu sein. Vor allem, weil er mittlerweile jeden Tag hinunter in Küche ging, um der hübschen Tara beim kochen heimlich zuzusehen. Selbst Liam war es bereits aufgefallen. Allerdings wusste Tara, wer er war, und er konnte sich nicht einfach als Graf ausgeben. Wie wäre es schön, wenn alles einmal umgekehrt wäre für ihn.

 

Er sprach nicht mit seinem Herrn darüber, denn das würde alles noch komplizierter machen, vor allem, weil sein Herr sowieso sehr schlecht auf alles zu sprechen war, was nicht mit dem Geschäft oder anderen pflichten zu tun hatte, um die er sich jetzt wieder kümmerte.

 

Er hatte sogar angefangen selber Termine wahrzunehmen und auszugehen, um sein Gesicht der Welt zu zeigen. Jetzt waren die Menschen eingeschüchtert. Oz wusste selber, dass er keine wirkliche Bedrohung darstellte, aber sein Herr war groß und nun auch wieder Furcht erregend schlecht gelaunt, überall wo er seine Aufwartung machte.

 

Die junge Elizabeth arbeitete nun schon zwei Wochen immer noch unentdeckt unten in der Küche. Er wusste, lange würde er nicht mehr abwarten können, hinab zu gehen, um seine heimlich Liebe zu beobachten.

 

 

~*~

 

 

„Ihr müsst rühren.“, verbesserte Tara vorsichtig und Buffy tat wie ihr geheißen und rührte den Schaum schneller und tatsächlich wurde das Eiweiß hart! Es war unglaublich, dass es so was überhaupt geben konnte.

 

„Oh, Tara! Du hast Recht! Und sag ruhig meinen Namen.“ Sie war so begeistert von der Tatsache, dass Eiweiß hart werden konnte, dass sie immer mehr vergaß unhöflich zu Tara zu sein. Ab und an betrachtete Tara sie aus den Augenwinkeln, aber immer, wenn sie hinsah blinzelte Tara schnell in eine andere Richtung. Wahrscheinlich erwartete sie nur den nächsten Anfall.

 

„Ihr macht es wirklich schon bedeutend besser als vor einer Woche. Ihr lernt sehr sch…schnell.“ Buffy warf ihr noch einen bösen Blick zu. „Ich meine, d…du lernst schnell, B…buffy.“ Sie versuchte ein Lächeln und Buffy erwiderte es. Ohne Tara wäre sie hier wahrscheinlich schneller als schnell rausgeflogen. Der Koch war streng und duldete keinen Ungehorsam oder Unfähigkeit.

 

Sie konnte mittlerweile sogar Teig backen. Das war ein sehr großer Schritt für sie. Und sie sparte all ihr Geld. Sie würde es Angel mitbringen, wenn der Betrag groß genug war, um bei ihm Eindruck zu schinden.

 

„Buffy, beeil dich, oder soll ich dir Beine machen?“ Der Koch hatte den Kopf zu ihnen herum gedreht und hastig beeilte sie sich, seinen Worten nach zu kommen. Sie gewöhnte sich an den rauen Ton und war sogar in der Lage, in zu überhören.

 

Wieder einmal sah sie den Grafen um die Ecke linsen, und langsam bestätigte sich ihr Verdacht, dass er es tatsächlich auf Tara abgesehen hatte. Sein Blonder Kopf lugte nun mehrere Male täglich die Treppe hinab und er schien völlig gefangen von ihrem Anblick zu sein. Buffy war nicht einmal mehr all zu böse. Natürlich fragte sie sich oft, woran es liegen konnte. Wenn sie dunklere Haare hätte, würde der Graf dann auch sie bevorzugen? Aber eigentlich war das Schlimme, dass sie kaum an den Grafen dachte, es sei denn vor Dankbarkeit.

 

Sie dachte an Angel. Und das den halben Tag lang. Die andere Hälfte des Tages war sie wach und musste viel zu viel arbeiten, um wirklich daran denken zu können, was sie ihm sagen könnte, würde sie wieder in den Wald gehen und den Weg zu seiner Hütte suchen müssen, um ihre Schulden zu bezahlen.

 

Ob Tara wusste, dass der Graf sie ansah? Und wenn, wieso reagierte sie nicht? Vielleicht hatte sie ihre Gründe. War Tara etwa doch stolz? Stand es ihr überhaupt zu, mit Tara darüber zu reden? Durfte sie das überhaupt? Und wollte Tara das auch? Sie wusste es nicht. Vielleicht wartete sie einfach noch ein paar Tage, bis sich ihr Verdacht bestätigen würde.

 

 

~*~

 

 

 

„Wieso tut Ihr das, Oz?“

 

Er erschrak so sehr, dass er sich den Kopf an der niedrigen Kellerdecke stieß und sofort zurück schrak. Sein Herr starrte ihn mit seinen unergründlichen dunklen Augen an.

 

„Ich… ich…“

 

„Was?“

 

Er seufzte. Was brachte es ihm schon, zu lügen. „Ich schaue mir die Küchenhilfe an.“, gestand er nun leise ein. Sein Herr sah ihn noch einen Moment ungläubig an, ehe er antwortete.

 

„Du solltest deine Zeit mit sinnvolleren Dingen als der Liebe füllen.“ Er war so verbittert. Es schmerzte fast, ihn so zu sehen. Aber Oz war sich sicher, sein Herr meint es nicht ganz so wie er sagte. „Ich will sie mir ansehen.“, sagte er plötzlich unvermittelt.

 

„Was? Jetzt? Ihr… Ihr habt sie doch eingestellt, Herr.“, protestierte Oz.

 

„Das ist lange her. Ich will sehen, ob sie es wert ist. Davon kann ich dir einiges erzählen. Es gibt nämlich hunderte, die es nicht wert sind, dass man seine Zeit mit ihnen verschwendet.“ Zornig zog sein Herr die Tür auf und stahl sich ein paar Stufen nach unten. Oz wusste, er konnte sie jetzt sehen und betete zu Gott, dass Buffy gerade nicht im Raum war. Und anscheinend hatte er das Glück eines Gläubigen, denn sein Herr kam bald wieder zurück.

 

„Sie ist hübsch. Wieso wagst du nicht einen Versuch, anstatt jeden Tag hier runter zu laufen und sie heimlich aus der Ferne anzusehen?“ Also hatte es sein Herr doch schon gemerkt. Er merkte, wie die Hitze in seine Wangen stieg.

 

„Ich frage sie bald. Noch nicht jetzt.“ Sein Herr verzog den Mund zur Grimasse.

 

„Ich muss in die nächste Ortschaft reiten. Es gibt dort Ärger an den Grenzen. Ich denke, mit etwas Geld wird es schnell zu lösen sein.“ Oz war beeindruckt und bedrückt zugleich. Früher hatte er so etwas lösen müssen. Jetzt tat Liam es selber. Graf Liam LaSalle schien wieder auferstanden zu sein. Aber aus völlig falschen Gründen.

 

Vielleicht sollte er mit der schönen Blonden reden. Aber was würde er ändern können? Wahrscheinlich wenig. Er schaffte es ja nicht einmal Tara unter die Augen zu treten, ohne sich nicht hoffnungslos zu blamieren.

 

 

~*~

 

 

Sein Geburtstag näherte sich. Die Tage vergingen manchmal in rasender Geschwindigkeit, manchmal währten sie ewig. Er dachte immer noch an sie, bekam sie nicht aus dem Kopf. Wahrscheinlich saß sie längst wieder bei sich Zuhause, in schönen Kleidern und ging wieder ihrem Vater auf die Nerven.

 

An ihn dachte sie wahrscheinlich nicht mehr. Ja, sie hatte sich die Mühe gemacht, ihm sein Geld zu geben, aber darauf hätte er verzichten können. An Geld mangelte es ihm nicht. Nicht im Geringsten. Er hätte wahrscheinlich all sein Vermögen gegeben, nur um diese eine Person ändern zu können. Wie konnte ein Mensch von einem anderen Menschen nur so besessen sein? Es machte keinen Sinn.

 

Vor allem, bald musste er sich Gedanken machen, er war zwar verheiratet, aber er wurde nicht jünger. Er würde die Ehe lösen und wieder heiraten müssen, um einen Erben zu bekommen. Oder er blieb einfach für immer alleine. Es gab nur diese beiden Möglichkeiten und eigentlich bevorzugte er die letztere der beiden.

 

Oz sprach ihn nun täglich darauf an, dass eine Feier angebracht wäre, und was ihn denn aufhielte zu planen, da dort ja auch Geschäftskontakte geschlossen werden könnten. Daraufhin konterte er immer mit der Frage, weshalb Oz immer noch zögerte und Tara nicht einfach einmal ansprach. Sein Diener verweigerte ihm jedes Mal die Antwort.

 

Er wusste, er musste feiern. Es wäre eine Gelegenheit auch dem Rest von England das wahre Gesicht des Liam LaSalles zu zeigen. Das würde er auch tun. Aber ihm fehlte die Muße. Wenn er nicht schlecht gelaunt war, dann war er traurig. Verspürte er nur das kleinste bisschen von Zufriedenheit, machten es die Gedanken an die Eine wieder kaputt. Er litt stumm. Er zog niemanden in Mitleidenschaft und dennoch schien Oz es nicht zu entgehen, dass er sich durch jeden Tag quälte.

 

Aber jeder hatte schließlich seine Geheimnisse. Und wenn Oz es nicht fertig brachte mit Tara zu reden, dann würde er eben nachhelfen. Wenigstens einer sollte hier sein Glück auf der Welt finden.

 

 

~*~

 

 

In der Küche herrschte reges Treiben. Seine Anwesenheit wurde erst viel später bemerkt. Er entdeckte Tara in einer hinteren Ecke, wo sie dabei war ein Hühnchen zu rupfen. Heute kam Besuch aus der benachbarten Ortschaft. Es ging um die Pachten der Dörfer und die generelle Idee sie anzuheben, damit die Lords für eine bessere Ausstattung in den Kirchen und Ärztepraxen sorgen könnte. Es war eine löbliche Idee, aber die Leute waren arm. Liam wusste, dass dieses Gespräch niemandem viel nützen würde.

 

„Guten Morgen, Tara.“ Nicht oft wurde sein Gesicht hier unten gesehen. Sie erschrak bei seinem Anblick und verneigte sich hastig. „Schon gut. Ich bitte dich um eine kurze Unterredung.“ Sie sah ihn verwirrt an.

 

„A…aber sicher, Graf LaSalle.“

 

„Du kennst meinen Kammerdiener Daniel Osbourne bestimmt?“ Sie nickte wage. „Nun, ich weiß, er mag dich, aber er ist sehr schüchtern. Ich will wirklich nicht vermitteln, aber weißt du, ich dachte mir, ich sage es dir und wenn du denkst, es besteht die Möglichkeit, dass du ihn magst dann…“ Oh, er war wirklich grauenhaft schlecht in so etwas. Tara blickte ihn etwas verwirrt an, aber schließlich hoben sich ihre Mundwinkel ganz kurz.

 

„Gut, ich… sollte gehen.“ Er nickte ihr kurz zu und wandte sich um. Lange, blonde Haare verschwanden gerade aus seinem Blickfeld. Wieso war es Küchenmägden vergönnt ihre Haare zu haben? Er würde nicht mehr hier hinunter kommen. Überall wurde er an sie erinnert.

 

Sie hievte den schweren Wasserkrug zurück zu Tara. Gerade hatte jemand die Küche verlassen. Aber sie hatte den Fremden verpasst. Hatte nur seinen Gehrock noch gesehen, ehe er verschwand. Sonst kam niemand hier herunter, außer dem Personal natürlich.

 

„Was ist passiert?“ Sie wandte sich an Tara, aber diese schüttelte bloß den Kopf.

 

„Seltsame Dinge passieren hier.“ Sie nahm Buffy den Krug ab und begann das Tier zu waschen. „Oz mag mich.“ Sie lächelte versonnen, Buffy runzelte die Stirn.

 

„Wer ist Oz?“

 

„Der Kammerdiener des Grafen.“ Buffy schwieg. Sie kannte den Kammerdiener nicht. Aber sie freute sich natürlich für Tara. Auch wenn es etwas ungerecht war, dass der Graf selber und jetzt auch noch sein Kammerdiener sie mochten.

 

„Woher weißt du das?“

 

„Der Graf war so eben hier und hat es mir erzählt.“ Sie hatte ganz rote Wangen bekommen und schien vertieft in die Arbeit.

 

„Der Graf war hier? Und er hat dir gesagt, dass dich sein Diener mag? Wie seltsam.“ Sie verstand die Welt nicht mehr. Also wenn sie jemanden mögen würde und jemand anderes würde es auch tun, dann würde sie bestimmt nicht zu der Person gehen und den anderen empfehlen anstatt sich selbst. Sie dachte darüber nach. Es wäre vielleicht löblich und ehrenvoll, aber wer tat so etwas schon? Anscheinend der großartige Graf, den sie abgewiesen hatte. Sie seufzte schwer.

 

Sie war anscheinend tatsächlich ein schlechter Mensch.

 

 

~*~

 

 

 

Sie war vollkommen nervös. Tara hatte sie gebeten das Essen nach oben zu bringen und aufzutragen, da sie gerne mit Oz sprechen wollte. Buffy wäre nur zu gerne dabei gewesen, alleine um zu sehen, wie sie den Kammerdiener dem Grafen vorzog, der sie ja allem Anschein nach auch mochte. Weshalb kam er sonst jeden Tag hinunter und sah ihr zu? Sie verstand ihre Freundin nicht. Aber es war ein großartiges Gefühl, einen Freund auf dieser Welt zu haben, also widersprach sie Tara nicht.

 

Sie würde sich zusammen reißen und das Essen auftischen. Das würde nicht so schwer sein. Der Graf hatte ihr immerhin erlaubt hier zu bleiben und hatte ihr Arbeit gegeben. Sie hatte eine eigene Koje, wo sie schlafen konnte und bekam Verpflegung und mehr Geld, als wenn sie tatsächlich Töpfe verkaufen würde. Alle hier waren nett, und es sollte ihr wirklich gelingen nicht auf zu fallen, während sie ein paar Teller mit Essen verteilte.

 

Sie sprach sich selber gut zu.

 

„Die Gäste sind oben angekommen, Buffy. Die Suppe wird nicht heißer, wenn du noch länger wartest. Und du weißt, immer von recht servieren und von link wieder abräumen. Sei kein Tollpatsch und sprich kein Wort mit den Fremden.“ Der Koch fixierte sie und sie seufzte laut, bevor sie versprach sich an die Regeln zu halten.

 

Früher hatte sie selber mit solchen Menschen verkehrt und jetzt durfte sie kein Wort in der Gegenwart dieser Leute verlieren. Aber ihr war es recht. Sie hatte bald genügend Geld gespart. Hundert Scheine hatte sie schon fast zurückgelegt und sie klammerte sich an den Gedanken, dass sie Angel damit vielleicht beeindrucken konnte. Ja. Sie würde einfach Angel denken, der sich sowieso in ihre Tagträume schlich und dabei noch wundervoller aussah, als dass er es ohnehin schon tat.

 

Sie hoffte auch täglich ihn zu sehen, denn ab und an berichtete Tara vom Jäger, der die Rebhühner und das Wild brachte, aber Buffy verpasste ihn jedes Mal.

 

Sie balancierte das Tablett bis jetzt noch sicher auf ihren Händen und folgten den Dienern, die das Besteck trugen in den großen Salon. Sie hörte bereits erregte Männerstimmen, die sich angeregt über irgendwelche Finanzierungspläne stritten.

 

Ihr wurde die Tür geöffnet und scheinbar nur widerwillig verstummten die Gespräche. Flüsternd wurde weiter gesprochen, als könne sie ein Feind sein, dem nicht zu trauen war. Sie hielt den Kopf gesenkt und beeilte sich mit dem Austeilen. Die meisten Männer waren alt und hatten bereits Ansätze von Kahlheit auf den Köpfen. Sie hatte ein höfliches Lächeln auf den Lippen und ignorierte die Tatsache, dass keiner der Männer ihr dankte oder auch nur einen Blick opferte.

 

Teller um Teller reichte sie weiter. Der Graf war noch nicht da. Die Männer unterhielten sich ohne ihn und sie fragte sich, ob er tatsächlich Ordnung in diese Runde bringen konnte. Die Tür öffnete sich im selben Moment und ihr Blick hob sich unbewusst zur Tür.

 

Schrecklich langsam schien der Suppenteller aus ihrer Hand zu gleiten und ihr Mund öffnete sich geschockt. Sie musste träumen. Es war ein grauenhafter Traum. Er konnte nicht hier sein. Jemand sah ihm nur zum verwechseln ähnlich. Das war der einzige Grund.

 

Die Suppenschüssel zerschellte auf dem Holzboden und alle Blicke richtete sich auf sie. Ihr Verstand arbeitete schnell, bot ihr aber keine passende Erklärung. Die Hitze stieg in ihre Wangen, denn verurteilende Blicke trafen sie nun aus jeder Richtung.

 

Sie raffte ihr Küchenkleid zusammen und hastete um den Tisch. Das konnte alles nur ein Missverständnis sein. Was hatte er hier nur zu suchen? Seit wann durften Jäger mit den Gentlemen am Tisch sitzen?

 

„Buffy?“

 

Sie hatte den Raum verlassen. Es störte sie nicht, dass Kressesuppe ihr Kleid hinab lief und auf den Marmorboden des Flures tropfte. Sie lief direkt in Tara und den Grafen hinein.

 

„Was ist passiert?“ Tara blickte sie besorgt an. Buffy öffnete überrascht den Mund. Stand die Welt Kopf? Tara wollte doch zu dem Diener. Nicht zu dem Grafen. Hatte sie gelogen? Nahm sie am Ende doch den Grafen? Oh, nein. Sie musste hier fort.

 

Doch er war bereits hinter ihr.

 

 

 

 

Teil 8

 

 

„Buffy!“

 

Es war ein seltsames Bild. Der Graf und Tara standen Hand in Hand vor ihr. Hinter ihr stand anscheinend ihr Mann, der Jäger. Allerdings trug er Kleider, die denen eines Grafen in nichts nachstanden.

 

Sie starrte ihn vollkommen verwirrt an.

 

„Angel, was tust du hier?“

 

LaSalle, kommen Sie jetzt wieder? Sonst fangen wir ohne Sie an.“ Einer der weniger freundlichen Männer hatte den kopf auf den Flur gesteckt und sah ziemlich ungehalten aus. Und ihr Angel wandte sich um.

 

„Fangen Sie an. Ich komme sofort.“

 

„Nein.“, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. „Das ist der Graf.“ Sie deutete auf den blonden Mann hinter sich.

 

„Das ist Oz, Buffy.“, erklärte Tara leise und Buffy schüttelte erneut den Kopf.

 

„Das kann nicht sein. Er hat um meine Hand angehalten! Er ist der Graf!“ Ihre Stimme wurde lauter. Allerdings auch schriller als zuvor.

 

„Es tut mir Leid, Lady Elizabeth. Ich bin nur der Diener.“

 

„Aber… Ihr… Ihr wart doch…?“ Es formten sich keine passenden Lösungen in ihrem Kopf. Das machte keinen Sinn. Wieso kam nicht der echte Graf? Wieso bat ein Diener um ihre Hand. Sie wandte sich langsam wieder um.

 

„Du!“ Anklagend hatte sie den Finger ausgestreckt.


„Buffy, bitte, ich kann es erklären.“

 

„Sag mir, dass du ein Jäger bist und kein Graf.“, forderte sie schrill und er schwieg. Der wunderschöne Mann ihr gegenüber schwieg. „Angel…“, flüsterte sie erneut und sie wurde wütend. „Du hast mich angelogen! Du hast mich glauben lassen, du wärst arm. Du lässt einen Diener um meine Hand anhalten, damit du es nicht tun musst? Du lässt mich schuften, hungern und sorgst dich nicht einmal um mein Wohlergehen? Ich arbeite für dich in deinem Haus, Stunde um Stunde, um dir das Geld zurück zu geben, was ich dich gekostet habe, dabei bist du der reichste Mann Englands!“ Sie riss sich die Schürze vom Leib und warf sie auf den sauberen Boden.

 

„Ich hatte keine Ahnung, dass…. Buffy, bitte, lass mich…“

 

„Nein. Ich gehe zurück zu meinem Vater. Das wird ein Nachspiel für dich haben!“

 

„Dein Vater weiß es doch!“, entgegnete er genauso laut.

 

„Was?“ Sie verlor den Wind in ihren eben gerade gehissten Segeln und hob die Hand zu ihrem Mund.

 

„Ich erzählte ihm von meinem Plan, Buffy, ich hatte doch nicht vor, dass…“ Sie hob zornig die Hand.

 

„Er weiß es? Tara, du weißt es auch?“ Ihre neu gewonnen Freundin wirkte ziemlich überrumpelt und hielt die Hand des Dieners noch fester in ihrer eigenen.

 

„E…euer Vater erzählte mir, dass der Graf Euch geheiratet hat. Ich … ich traute mich auf dem Markt nicht zu fragen. Und auf… auf einmal wart Ihr hier. Ich wusste nicht…“ Sie brach ab und senkte den Blick.

 

„Es war alles nur gelogen.“ Sie schüttelte wieder den Kopf.

 

„Es… es war falsch dich zu täuschen, Buffy. Bitte verzeih! Ich wusste nicht, dass du noch hier bist! Ich dachte, du wärst fort gegangen, ich…“

 

„Ich gehe jetzt.“, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen.

 

„Nein, Buffy, bitte nicht!“ Er machte Anstalten sie aufzuhalten und umfing ihren Oberarm. „Geh nicht!“ Flehend sah er sie an.

 

„Um was für einen Plan ging es, Graf LaSalle? Wolltet Ihr sehen, wie ich leide, wie ich mich selber verabscheue? Das habt Ihr geschafft. Ich hoffe, Ihr seid froh darüber. Ihr seid ein widerlicher Mensch!“ Die Tränen konnte sie nicht zurück halten. Grob zog er sie an sich und küsste sie. Keine Sekunde ließ sie ihn gewähren und entriss sich seinem Griff.

 

„Buffy, ich… wollte es nicht!“

 

„Lügner. Das ist alles, was Ihr seid. Es war alles nur eine Farce. Tretet mir nicht noch einmal unter die Augen.“ Ihre Wut ließ sie fast die Treppen hinab fliegen. Schnell hatte sie all ihre Sachen zusammen gesucht und nahm nur eine kleinen Teil des verdienten Geldes mit. Ihr blieb wenig Zeit. Sie wollte ihn nicht sehen.

 

Die ganze Zeit über hatte er gelogen. Die ganze Zeit über war sie nur Objekt eines Plans gewesen, den er aus Langeweile heraus ersonnen hatte.

Nicht mehr und nicht weniger.

 

~*~

 

 

Er hatte sich bei seiner Gesellschaft entschuldigen müssen. Er war ihr sofort nachgerannt, aber sie hatte den Besitz bereits verlassen. Mit einer der Kutschen seiner Gäste. Ein anderer Kutscher hatte erzählt, dass sie einem Kutscher Geld gegeben hatte, damit der so schnell es ging fort fuhr. Nach Hause. Zu ihrem Vater.

 

Es war schief gelaufen. Es ärgerte ihn, dass er sich solche Gedanken machte. Und es ärgerte ihn, dass er ihr seine Liebe gestanden hatte und sie es nicht erwiderte. Es ärgerte ihn maßlos. Aber sollte er ihr nachreisen? Würde sich ihre Meinung innerhalb ein paar Stunden geändert haben? Höchstwahrscheinlich nicht. Wie konnte er sich denn nur sicher sein? Er konnte es nicht. Er würde sein Gesicht verlieren, sollte sie ihn vor der ganzen Welt abweisen.

 

Er brauchte dringend ein Bad, er brauchte Alkohol und Schlaf. Er brauchte jemandem, der ein Außenstehender war und ihn besser beraten konnte. Er brauchte Oz. Aber der war ja beschäftigt mit seinem neuen Glück. Er würde über diese ganze Sache schlafen, sollte er Schlaf finden können. In seinem Kopf nahm sie alle seine Gedanken in Besitz. Und das Schlimme war, wahrscheinlich hatte er es sogar geschafft und sie geändert, aber jetzt… Jetzt würde sie ihm nie wieder unter die Augen treten wollen.

 

Er fuhr sich durch die dichten Haare und wünschte sich nur, dass dieser Tag niemals stattgefunden hätte. Aber solche Wünsche kamen niemals in Erfüllung. Er kannte sich mit solchen Wünschen zur Genüge aus….

 

 

„Herr!“ Oz hatte ihn erreicht und hielt völlig atemlos neben ihm inne. „Was wollt Ihr tun?“

 

„Ich weiß es nicht.“

 

„Es tut mir so furchtbar Leid. Das hätte nicht passieren sollen.“

 

„Du wusstest davon?“

 

„Ich…“

 

Er betrachtete den blonden Mann für einen Moment. Aber nahm es ihm kaum übel. Er war nicht vorsichtig gewesen. Er hätte sie suchen sollen. Wie hatte er aufgeben können?

 

„Ihr liebt sie, Herr.“, sagte Oz voller Überzeugung, als ob es ihm irgendwie helfen könnte.

 

„Das ist nicht wichtig.“

 

„Nicht wichtig? Ihr habt mir gesagt, ich soll mich nicht verstecken und für meine Gefühle einstehen und kämpfen! Und Ihr wollt es nicht tun?“ Er hatte sich in Rage geredet und zum ersten Mal verspürte Liam nicht das Bedürfnis sich seinem Diener mitzuteilen.

 

„Schweigt. Solche Fragen stehen Euch nicht zu.“

 

Der junge Mann wirkte augenblicklich verschlossen und steif. Er senkte den Blick hastig und kühl war seine Stimme als er schließlich sprach.

 

„Verzeiht, Herr.“ Er verschwand. Liam wusste, er hatte soeben das Vertrauen seines Dieners verloren, aber er hatte keine Lust sich auch darum zu kümmern. Er würde sich morgen entschuldigen und morgen würde er ihr nach reisen. Vielleicht.

 

 

~*~

 

 

„Buffy! Was ist passiert? Wie siehst du aus?“ Ihr Vater hatte sich nicht verändert. Aber wie sollte das auch sein, denn sie war schließlich noch nicht lange fort. Auch wenn es ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen war.

 

„Vater…“ Sie weinte. Sie hatte die ganze Fahrt über geweint und hatte auch nicht vor zu bald damit aufzuhören. Sie fühlte sich hintergangen und missbraucht. Noch niemals war sie so angelogen worden. Auch ihr Vater war nicht unschuldig. Er wusste es von Anfang an, aber sie konnte nicht auf beide böse sein, denn irgendwo musste sie wohnen und deshalb zog sie ihre Familie vor.

 

„Wieso bist du hier? Hat der Graf…“

 

„Ich will nicht darüber reden. Nimmst du mich wieder auf? Wenn nicht, dann sag es, dann werde ich wieder gehen.“ Ihr Vater schüttelte verwirrt den Kopf.

 

„Es ist dunkel und kalt. Natürlich. Komm rein, mein Kind. Was ist passiert? Hat er dir etwas getan?“

 

Sie verzog den Mund. Sicher hatte er ihr etwas getan. Er hatte sie angelogen, er hatte sie vor der Welt lächerlich gemacht. Nur um… um was überhaupt? Um sich zu rächen? Aber sie verstand nicht wieso. Und sie wollte es auch gar nicht.

 

„Vater…“, wiederholte sie leise und schlang nun die Arme um den Hals ihres Vaters, der die Umarmung völlig verblüfft erwiderte. Das erste Mal seit Wochen hatte sie das Gefühl, dass sie wieder Zuhause war.

 

 

Ihr Zimmer hatte sich nicht verändert. Frische Rosen standen auf dem kleinen Tisch und der Mond warf lange Schatten auf den feinen Teppich. Eine Zofe, die sie nicht kannte, hatte ihr bereits Tee gebracht und sich sogar etwas steif angeboten mit ihr zu sprechen. Wahrscheinlich hatte es ihr Vater angeordnet, da er sich wohl selber als Mann nicht in der Lage dazu sah.

 

Sie hatte freundlich abgelehnt. Sie wollte kaum sich selber Zugeständnisse machen. Da wollte sie es bei einem fremden Mädchen erst recht nicht. Sie hatte sich geirrt, gut. Sie sah es ein. Sie war von ihrem hohen Ross gestürzt worden, aber das würde ihr nicht noch einmal passieren. Sie hatte erkannt, dass sich der Mensch leicht täuschen ließ. Niemals würde sie die Tage in der schäbigen Hütte vergessen.

 

Dass was ihr aber schwersten zu glauben fiel, war die Tatsache, dass er, er der ein reicher Graf war, ohne Murren in dieser Behausung gelebt hatte. Er konnte kochen, er konnte sich versorgen, Ziegen melken, reiten und ohne Bad überleben. Sie hatte es nicht gekonnt. Dann wieder schämte sie sich furchtbar. Nicht weil sie ihn beleidigt hatte, oh nein, das hatte er unbesehen verdient gehabt.

 

Sie schämte sich, dass ihr all diese Dinge nicht hatten gelingen wollen, dass er Recht gehabt hatte und sie tatsächlich arrogant und oberflächlich war. Sie schämte sich dafür, dass sie noch immer an ihn dachte. Und ganz bestimmt nicht in seiner neuen Form. Nein. Er war ihr Jäger. Angel. Und sie hatte ihn geküsst. Nicht den Grafen LaSalle. Aber Gott sei Dank war ihm das völlig unbewusst.

 

Sie würde es niemandem eingestehen, aber sie vermisste ihn. Und soviel lag jetzt vor ihr. Sie musste die Hochzeit lösen. Sie hatte schließlich die Lektion gelernt. Es gab keinen Grund für den Grafen LaSalle die Verbindung noch aufrecht zu erhalten, hatte er ihr doch niemals seine Zuneigung gezeigt.

 

Verbissen und mit glasigen Augen verdrängte sie die Tatsache, dass er sie geküsst hatte. Sie würde nicht mehr daran denken. Sie quälte sich nur selbst. Sie war vielleicht kein guter Mensch, aber das hatte sie nicht verdient. Sie war immer noch so abhängig von ihm und dieser widerliche Mann beherrschte ihre Gedanken völlig, aber er hatte gemein mit ihr gespielt und er hatte bestimmt nicht das Recht sie danach auch noch zu küssen.

 

Sie hatte so eine Gemeinheit nicht verdient und sie nahm es ihrem dummem Herzen sehr übel, dass es immer noch über ihn nachdachte und dass der Moment als seine Lippen die ihren berührten, immer noch vor ihrem geistigen Auge schwebte und sie am liebsten ihren Zorn verdrängt hätte. Aber sie würde sich nicht länger quälen.

 

Niemand wusste, dass sie mit ihm verheiratet war. Die Sache würde schnell gelöst sein und sie könnte noch einmal ihr Leben anfangen. Völlig neu. Sie würde ihre Chancen nutzen und ihren Vater nicht enttäuschen.

 

Sie würde ihn vergessen. Das würde sie niemals, aber sie würde es hervorragend vortäuschen können. Sie hatte keine Wahl. Sie wollte nicht leiden. Sie würde furchtlos sein und sich fügen, egal was ihr Schicksal bereithielt. Und wenn sie den hässlichsten Mann Englands heiraten müsste. Ihr Stolz war vielleicht zerstört, aber ihre Würde war sie nicht bereit aufzugeben.

 

 

Teil 9

 

 

Sie wusste nicht genau, was ihr Vater dachte. Er war still, wenn sie kam. War er enttäuscht, war er einfach nur noch nicht bereit über die vorgefallene Situation zu sprechen? Niemand wusste, dass sie noch verheiratet war. Alles war sehr schnell gegangen und eigentlich musste ihr Vater sich um nichts Sorgen machen. Sein Ruf in der Stadt war nicht gefährdet.

 

Sie hielt sich im Garten auf. Zu ihrer großen Enttäuschung verloren die ersten Rosen ihre Blüten und der Herbst kündigte sich mit großen Schritten an.

Sie hatte noch ein bisschen Zeit ehe ihre Hauswirtschaftsstunde begann. Sie hatte tatsächlich ihren Vater gebeten eine Lehrerin kommen zu lassen, die ihr die wichtigen Dinge beibrachte, in denen sie so kläglich versagt hatte.

Ihr Vater hatte dies wertfrei zur Kenntnis genommen, aber Buffy wusste, er war innerlich bestimmt vollkommen entgeistert, dass sie so etwas wirklich wollte.

 

Und nein, sie wollte es bestimmt nicht des Grafen wegen. Der war ihr so gut wie egal. So gut wie. Nur noch sein Gesicht vermochte sie nicht aus ihren Gedanken zu löschen. Sie hasste diese Situation, in der sie sich befand.

 

„Ms Elizabeth? Mrs Craft ist da.“ Mrs Craft war die Lehrerin, die ihr half. Schon zum dritten Mal diese Woche. Sie stellte fest, dass sie als Tochter des Hauses unglaublich viel freie Zeit zur Verfügung hatte und sie hatte beim besten Willen keine Ahnung, wie sie die vor ihrer Scheinehe genutzt hatte. Gut, sie konnte den Nachmittag damit zubringen ein Bild zu malen, aber den Rest der Zeit? So viele Kleider besaß sie gar nicht, um sie alle anzuprobieren. Sie trug jetzt sowieso lieber schlichte Kleider. Die behinderten sie beim Gehen nicht ständig.

 

Sie eilte ins Haus zurück. Sie wollte nichts verpassen, was sie weiter bilden konnte.

 

 

Ihre Finger waren übersät mit roten Punkten und ihr Rücken schmerzte etwas von der aufrechten Haltung, aber sie hatte sich darin geübt, sich keinen Schmerz mehr anmerken zu lassen. Sie würde den Rahmen fertig sticken und dann ging es weiter in die Küche. Sie war bereit alles zu tun, um die Erinnerung an ihre schlichte Unkenntnis zu verbannen.

 

Es klopfte an der Tür und sie hob den Kopf. sie war überrascht über den Besuch, den sie dort sah.

 

„Ms Elizabeth, ich hoffe, w…wir kommen nicht Ungelegen.“ Tara hielt den Kopf gesenkt und Buffy fragte sich, wie der Diener des Grafen es sich wohl erlauben konnte, einfach so vom Hause zu verschwinden.

 

„Überhaupt nicht. Mrs Craft, ich bin gleich wieder zurück.“, entschuldigte sie sich leise bei der Lehrerin und verließ das Zimmer. Sie wollte weder mit Tara noch mit Oz im Haus sprechen, wo ihr Vater es hören konnte. Sie bat sie hinaus auf die Veranda und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Wie geht es Ihnen?“ Jetzt sah Tara sie an und Buffy wusste, dass Tara eigentlich keine Schuld an ihrem Schicksal trug. Sie überwand ihren Stolz ein weiteres Mal.

 

„Es geht mir gut, Tara, danke der Nachfrage. Was wollen Sie hier, wenn ich fragen darf?“ Das Pärchen warf sich einen kurzen Blick zu und Buffy sah erst jetzt, dass sie immer noch Händchen hielten. Was für eine Verliebtheit….

 

„Es geht ihm nicht gut.“, sagte Oz jetzt und Buffy biss die Zähen zusammen. Sie wollte nicht sofort wissen, um wen es ging, ohne dass Oz einen Namen genannt hatte.

 

„Was meint Ihr?“, fragte sie deshalb etwas abwesend und ließ ihren Blick schweifen. Wieder sah sie eine Blüte gen Boden schweben.

 

„Graf LaSalle quält sich in Eurer Abwesenheit, Lady Summers.“

 

„Das bezweifel ich.“ Sie biss sich auf die Zunge. Sie hatte gar nicht antworten wollen. Es war ihr egal, ob er sich quälte.

 

„Ms Elizabeth, bitte denken sie noch einmal darüber nach.“, sagte er jetzt und trotzig sah sie ihn wieder an.

 

„Hören Sie, Oz, ich befinde mich in einer sehr prekären Lage, die dem Grafen vielleicht nicht bewusst ist. Ich habe nicht die Möglichkeiten unschuldige Mädchen hinters Licht zu führen.“ Oz setzte an zum Protest, aber Buffy spürte, wie die Wut, die seit ihrer Flucht angestaut hatte, an die Oberfläche drang. „Er hat nicht das Recht, sich über irgendetwas zu beschweren. Er hatte seinen Spaß, nehme ich an.“

 

Endlich schaffte sie es sich zu beruhigen und schloss für einen Moment die Augen.

 

„A…aber… er vermisst euch. Jeder kann es sehen.“, flüsterte Tara jetzt und Buffy konnte nicht verstehen, warum man sich über das Leben anderer Menschen solche Gedanken machen konnte. Sie schüttelte den Kopf und schaffte es erfolgreich die verflixten Tränen zu verdrängen.

 

„Genug davon. Ihr seid verlobt wie ich sehe?“ Mit einem Lächeln betrachtete sie die beiden und Tara senkte den roten Kopf. Oz nickte.

 

„Ja! Graf LaSalle erlaubt sogar die Hochzeit in seinem Haus. Wir sind überglücklich, nicht wahr, Tara?“ Er drückte ihre Hand fester, aber Buffy konnte sehen, dass so viel Gefühlsoffenbarung in Gegenwart von andern wohl nicht in ihrer Natur lag.

 

„So bleibt doch zum Tee. Ihr müsst doch nicht sofort wieder abreisen, nicht wahr?“

 

„Nun…“ Oz zögerte einen momentlang. „Sicher können wir noch etwas bleiben. Was hält Ihr Vater denn davon?“

 

„Oh, ich bin sicher er hat nichts dagegen. Die Arbeit hält ihn sowieso vom Tee ab. Es wären dann nur wir drei.“ Es war wesentlich einfacher mit den beiden zu sprechen, wenn sich das Thema nicht bloß um ihn und sein Leid drehte. Sie litt genauso, aber sie hatte keine Freunde, die sich auf den weiten Weg machten, um das kundzutun. Tapfer behielt sie ihr Lächeln im Gesicht ging in die Küche um sich um den Tee zu kümmern.

 

Auch wenn sie gut alleine zurecht kam, war es doch schön, dass sie besucht wurde. Von Menschen, die sie anscheinend nicht verurteilten.

 

 

~*~

 

 

„Oz?“

 

Da wollte er sich entschuldigen und niemand schien da zu sein. Er hatte noch einen Termin in der Pachtschaft und hatte eigentlich kaum die Zeit, aufgehalten zu werden. Er schritt mit großen Schritten über den Hof. Wahrscheinlich war Oz bei Tara. Das konnte Liam auch nicht verübeln. Wer verbrachte schließlich nicht seine Zeit am liebsten bei der Frau seines Herzens?

 

„Oz?“ Er steckte den kopf durch die Tür zur Speisekammer, durch die man in die Küchenräume kam. Einige Mägde kamen ihm entgegen und tuschelten erschrocken. „Guten Tag, die Damen, hat eine von Ihnen vielleicht Tara Maclay gesehen?“, erkundigte er sich höflich und weder die eine noch die andere schien ihm antworten zu wollen. „Oder ist sie heute nicht in der Küche?“ Er wusste nie genau welches Personal wann den freien Tag hatte.

 

„Sie ist nicht hier.“, erbarmte sich schließlich eine der beiden und Angel nickte dankbar.

 

„Gut, dann danke.“

 

„Sie ist schon früh mit der Kutsche fort.“, plapperte jetzt die andere aufgeregt weiter. „Mit dem Diener.“, fügte sie leise hinzu, als könne es womöglich jemand anderes hören.

 

„Dem… Diener?“, wiederholte er verwirrt. Oz war mit Tara in der Kutsche fort gefahren? Hatte er sie gestohlen? Hieß das er hatte gekündigt? Oder hieß das, er machte einen Ausflug, ohne ihm Bescheid zu sagen? Nun, er musste sich natürlich nicht rechtfertigen, wenn er einen Ausflug machen wollte, aber Bescheid sagen konnte er wenigstens. Oder es gab einen Grund, warum er nicht Bescheid sagen wollte. Aber die Zweisamkeit hätte Liam bestimmt nicht stören wollen.

 

Seine Stirn legte sich in scharfe Falten. „Wohin sagte Tara würden sie fahren?“, fragte er betont vorsichtig und die beiden Mägde zuckten betreten die Schultern.

 

„Wir wissen nichts genaues, Herr. Aber da sie Proviant mitgenommen haben dürfte die Reise schon weiter gehen. Ich glaube, Tara sagte etwas von, Dartmore.“ Seine Augen weiteten sich. Unmöglich. Sein Diener war bestimmt nur aus Zufall in diese Richtung gefahren. Oder er und Tara waren dort, weil sie… weil sie… Er hatte keine Ahnung.

 

Mit einem Knurren verließ er die Küche und ließ zwei verschreckte Küchenhilfen zurück. Sobald er den Termin bei den Pächtern erledigt hatte, würde er mit der Kutsche nach Dartmore fahren.  

 

 

~*~

 

 

„Ich habe genügend Geld gespart um ein Cottage zu kaufen. Ich habe schon mit dem Besitzer gesprochen. Es liegt zwar auf seinem Grundbesitz, aber er wäre glücklich es einem jungen Paar zu verkaufen.“, erklärte Oz voller Stolz und Buffy konnte sehen, wie glücklich Tara war, auch wenn sie es nicht laut aussprach.

 

Buffy dachte da anders. Wenn sie glücklich und verliebt wäre, dann könne sie nur Gott selber davon abhalten ihre Gefühle kund zu tun. Wieder ergriff Oz Taras Hand und hauchte einen Kuss auf die Fingerknöchel. Tara wurde augenblicklich rot und Buffy verspürte das kurze Gefühl von Neid in ihrem Bauch. Aber es währte nicht lange.

 

Auch dass sich Oz und Tara freuten in einem Cottage zu wohnen schien beiden nichts auszumachen. Aber Buffy hatte mittlerweile auch ein anderes Weltbild. Ein Cottage war eine Hütte immer hundertmal vorzuziehen.

 

„Es ist nicht all zu groß, aber dann ist man auch nicht so weit von einander entfernt.“ Er schenkte Tara ein Lächeln, welches diese schüchtern erwiderte.

 

„Oz, ich finde es großartig, dass ihr euch dazu entschlossen habt. Ich meine, ein Cottage ist wirklich ideal für eine Familie. Es ist ländlich und wenn es euer Eigentum ist, dann sind die Kosten gering.“ Sie trank noch einen Schluck ihres Tees und musste sich eingestehen, dass sie selten so einen netten Nachmittag verbracht hatte. Natürlich hing die Abfahrt der beiden wie eine dunkle Wolke über ihrem Kopf, und auch ihr Ziel war ihr keine Geheimnis, also konnte sie die Gedanken an ihn nicht völlig verbannen, aber ihre ehemalige Zofe so glücklich zu sehen, war wirklich ein schönes Bild.

 

„Tara, ich vermisse dich hier wirklich.“, gestand sie jetzt ein und Tara lächelte sie aufrichtig an.

 

„Oh, Ms Elizabeth, Sie brauchen mich hier doch gar nicht.“

 

„Nein, nicht als Zofe, aber als Freundin wäre es schön.“

 

„Ich kann Sie besuchen kommen. Vielleicht nicht oft, aber einmal im Monat, wenn Sie es wünschen.“ Sie tauschte einen kurzen Blick mit ihrem Verlobten, aber dieser nickte begeistert.


„Wenn Sie wollen, können Sie  uns auch besuchen. Das Cottage liegt nicht wiet entfernt von LaSalle Manor und…“ Er unterbrach sich. Buffy war unwillkürlich bei seinem Namen zusammen gezuckt. „Aber solche Dinge können wir auch wann anders besprechen. Wir haben eine Einladung für die Hochzeit mitgebracht.“ Er zog aus seinem Gehrock einen hellen Umschlag. „Nächsten Monat. Ich hoffe, Sie kommen.“

 

Buffy wusste, wo die Hochzeit stattfinden sollte und sie wusste auch, dass sie es nicht über sich bringen würde, dort hin zu gehen. Bevor sie sprechen konnte, hörte sie eine Kutsche vorne halten. Erwartete ihr Vater Besuch? Davon wusste sie nichts.

 

Sie hörte das Läuten an der Tür, ein Bediensteter öffnete und für einen kurzen Moment war es still. Sie konnte die Stimmen nicht erkennen.

 

„Erwartet Ihr noch Besuch? Wir wussten nicht, ob wir Ungelegen kommen, wir…“ Doch Oz schwieg abrupt und auch wenn Buffy nicht sehen konnte, wer hinter ihrem Rücken im Türrahmen stand, reichte der Blick in Oz’ Gesicht vollkommen. Der Diener erhob sich ruckartig und neigte unterwürfig den Kopf.

 

„Das nächste Mal, wenn Sie einen Ausflug mit ihrer Verlobten planen, wüsste ich gerne, wohin es geht und wie lange Sie gedenken auszubleiben, denn ich kann es nicht leiden, unwissend gelassen zu werden.“

 

Sie wagte nicht aufzustehen, und sie wagte nicht zu atmen. Tara erhob sich ebenfalls und auf einmal packte sie eine seltsame Kühnheit. Niemand hatte das Recht ihre Gäste in ihrem Haus zu maßregeln. Ihre Scham verwandelte sich in Wut.

 

„Ich würde es begrüßen, wenn Sie meinen Besuch nicht vor mir bloßstellen würden.“ Sie erhob sich ebenfalls und wandte sich elegant zu ihm um. Sie hatte vergessen, wie groß er war und ballte die Hände zu Fäusten damit sie nicht zitterten und ihre Nervosität preisgaben.

 

Kurz herrschte Stille und sein Blick war unergründlich. Sie hielt ihm stand und fragte sich, ob es nicht einfacher war, einfach davon zu laufen, anstatt sich ihm zu stellen.

 

„Das geht Sie wohl kaum etwas an.“ Es war absurd. Vollkommen.

 

„Ich denke schon. Bitte, verlassen Sie mein Haus.“

 

„Es ist eigentlich das Haus Ihres Vaters, nicht wahr?“ Seine Mundwinkel zuckten kurz, aber sie ließ es bestimmt nicht zu, dass er jetzt auch noch sie selber bloßstellte.

 

„Ich lebe hier genauso wie mein Vater.“, erwiderte sie trotzig, und es half ihr beim besten Willen nicht in seine Augen zu blicken. Immer wieder erinnerte es sie nur an sein gemeines Spiel. „So fern Sie nicht einen wichtigen Termin mit ihm haben, würde ich Ihnen raten, dieses Haus sofort zu verlassen.“ Sie stemmte nun die Hände in die Hüften und wünschte sich, sie würde eindrucksvoller aussehen, und nicht ein schlichtes Hauskleid tragen.

 

„Es wirklich mutig von Ihnen, so mit mir zu sprechen. Denn wenn ich mich nicht täusche, dann sind wir vor dem Gesetz und vor Gott noch immer verheiratet.“ Ihr Mund öffnete sich. Was sollte dieser Seitenhieb bedeuten? Sie würde sich schon noch um die Annullierung kümmern. Auch wenn er ruhig etwas dafür tun könnte. Sie war schließlich nach allem immer noch eine Frau. Wahrscheinlich gelang es ihm viel eher eine Annullierung zu erreichen.

 

„Und das ist jetzt meine Schuld?“, schrie sie zornig und hätte ihn am liebsten beide Hände vor die Brust gestoßen.

 

„Wenn ich hier sein will, dann habe ich verflucht noch mal dasselbe Recht darauf wie mein Diener!“ Auch er schrie jetzt und sie bemerkte wie Oz und Tara sich wieder ins Haus schleichen wollten.

 

„Oh, bitte, ihr müsst nicht gehen. Ihr seid willkommen. Hier sollte nur einer gehen.“

 

„Du willst, dass ich gehe?“, knurrte er jetzt und machte einen Schritt auf sie. Er überragte sie fast um zwei Köpfe und sie unterdrückte ihre Angst und reckte das Kinn in die Höhe.

 

„Ja, das will ich, du…“

 

„Was geht hier draußen vor? Es ist ein Lärm als ob…“ Ihr Vater unterbrach sich irritiert und schien das seltsame Bild, welches sich ihm bot, erst einmal verarbeiten zu müssen. „Ich wusste nicht, dass wir heute so viel Besuch empfangen. Graf LaSalle… und der falsche Graf. Sehr nett, dass sie uns einen Besuch abstatten.“

 

Buffy sah mit Genugtuung wie der Graf um Fassung rang und sich deutlich zurücknehmen musste. Tara sagte, er würde sie vermissen, aber sie sah nichts davon in seinem zornigen Blick. „Ich hoffe doch, es handelt sich hier um eine Wiedervereinigung mit meiner Tochter, denn ich halte diese Farce nun für erschöpfend lang anhaltend.“

 

Buffy starrte ihren Vater an. Er hielt es für eine Farce? Was dachte er? Das sie nach drei Wochen wieder zurück fahren würde? Dass sie schmollen würde und dass es nur eine Phase war? Sie atmete empört aus. „Meine Tochter hat nun genug gelitten, möchte ich meinen. Sie hat für ihr Verhalten gebüßt, und sie weint sich in den Schlaf. Ich denke, Sie haben Ihr Ziel erreicht, nicht wahr, Graf LaSalle?“

 

Buffys Mund klappte auf. Ihr Vater bekam also mehr mit, als er zugeben wollte. Es war unglaublich peinlich. Sie spürte die Hitze in ihren Wangen und wollte unter keinen Umständen den Blick ertragen, mit dem sie der Graf jetzt unweigerlich bedachte. Großartig, jetzt wusste er, dass sie ihn vermisste. Wieso spielte ihr Vater ihm einen solchen Trumpf in die Hand?

 

„Entschuldigt mich.“ Damit verließ sie die kleine Gesellschaft auf der Veranda und stürmte ins Haus zurück. Für einen winzigen momentlang hoffte sie, dass er ihr nach laufen würde, dass er versuchen würde sie aufzuhalten, dass er irgendetwas tun würde, was sie glauben lassen konnte, was ihr Tara gesagt hatte. Aber er folgte ihr nicht.

 

Mit nur wenigen Schritten erreichte sie die Treppe und lief unter Tränen in ihr Zimmer. Seit wann war sie so nah am Wasser gebaut? Seit wann bedeutete ihr ein Mann so viel? Sie wünschte, der Tag würde endlich vorbei gehen und sie müsste sich nie wieder mit diesem Mann auseinander setzen. Wahrscheinlich klärte er nun mit ihrem Vater die Annullierung. Sie weinte noch mehr und hatte das erste Mal seit Jahren das Bedürfnis, ihre Mutter wieder zu sehen und von ihr in den Arm genommen zu werden.

 

Wie wenig sie doch wusste. Und wüsste sie, wie viel noch auf sie zu kommen würde, dann hätte es ihr bestimmt für die nächsten Wochen sämtlichen Schlaf geraubt….

 

 

 

Teil 10

 

 

Die Einladung zur Hochzeit von Oz und Tara kam viel zu schnell für ihren Geschmack. Sie hatte gerade mal zwei Wochen Zeit gehabt, um das furchtbare Treffen mit dem Grafen zu verdauen, da gab es die nächste Hürde, die sie überwinden musste. Sie wollte nicht mehr in sein Haus. Sie wollte nicht mal mehr eingeladen sein, obwohl sie die Hochzeit nur ungerne verpassen würde.

Aber das nicht mal alles. Die schlimmste Neuigkeit war, dass sie nicht einmal mehr wirklich willkommen dort war.

 

Ihr Vater hatte sie über die Annullierung ihrer Ehe mit dem Grafen LaSalle informiert. Sie hatte es gefasst aufgenommen. Ihr Vater schien schwer enttäuscht, ob von ihr oder dem Grafen oder ihnen allen beiden, war ihr nicht klar. Aber sie wollte ihn nicht auch noch fragen.

 

Jetzt konnte sie in einer Woche wieder in einer Kutsche zu dem Ort des Schreckens fahren. Sie hatte sich geweigert, aber seltsamerweise hatte ihr Vater darauf bestanden, dass sie sich auf den Weg machen würde. Dabei hatte sie keine Ahnung, wieso es ihrem Vater so wichtig war. Schließlich handelte es sich gar nicht um Adelige, sondern um Bedienstete. Eigentlich war das auch noch nicht wirklich die Nachricht, die sie schockierte. Ihr Vater würde sie nämlich begeleiten.

 

Es war seltsam. Kaum hatte sie nichts mehr mit dem Grafen zu tun, mischte sich ihr Vater ein und wollte auf einmal selber mitkommen zu einer Hochzeit, die ihn höchstwahrscheinlich nicht wirklich interessierte.

 

Sie würde gleich reiten gehen. Sie nahm auch im Reiten Unterricht. Ein Mädchen sollte genauso gut reiten können, wie ein Mann. Sie stellte sich gar nicht so dumm an, und seit sie das erste Mal aus dem Sattel gefallen war, beklagte sie sich auch kaum noch. Sie biss die Zähne zusammen und tat wie ihr geheißen.

 

Die Traurigkeit schien sie reifer werden zu lassen und das war wahrscheinlich auch gut so, überlegte sie.

 

 

~*~

 

„Oh, mein Gott, was wenn ich es nicht schaffe?“

 

„Sei nicht albern. Sie liebt dich, Oz.“

 

„Ja. Noch, aber wenn sie sieht, dass ich nichts weiter geben kann?“

 

„Ich bitte dich, es gibt Mädchen, denen ist es vollkommen egal, und es gibt Mädchen die ziehen eher einen Bettelmann einem Grafen vor. So oder so kannst du niemals sicher sein.“, murrte Liam jetzt während er dem Schneider zusah, wie er Oz den Anzug neu absteckte.

 

„Herr? Was meint Ihr?“

 

„Nichts. Gar nichts. Hör auf dir Angst zu machen und freu dich, dass du ein wundervolles Mädchen gefunden hast.“

 

„Ist alles in Ordnung?“

 

„Bald schätze ich schon.“, erwiderte er, mehr zu sich selbst und Oz warf ihm einen seltsamen Blick zu.

 

„Seid Ihr noch böse, wegen dem Ausflug nach Dartmore?“ Liam hob den Blick zu seinen Augen und ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein, natürlich nicht. Es war sehr nett von dir, sie… zu besuchen.“

 

„Was habt Ihr eigentlich mit Ihrem Vater besprochen? Ihr wart sehr lange in seinem Studierzimmer.“

 

„Nichts weiter. Es gab eben ein paar Dinge wegen der Annullierung, die nicht einfach zu klären waren.“

 

„Bei allem Respekt, ich verstehe Euch nicht, Herr.“

 

„Was? Wieso?“ Liam schritt zum Fenster und ließ seinen Blick über sein Eigentum schweifen.

 

Ich dachte nur, Ihr liebt sie?“ Oz’ Stimme klang kleinlaut und Liams Mundwinkel zuckten freudlos.

 

„Ja. Und?“

 

„Ihr liebt sie also? Wieso sagt Ihr es ihr nicht, wieso habt Ihr dann die Heirat annullieren lassen? Sie liebt Euch auch und alle Probleme hätten doch geklärt werden können!“ Er sprach sich in Rage und Liam wandte sich mit erhobener Hand um.

 

„Beruhige dich, bitte, Oz. Ich will heiraten. Und ich will von Grund auf ehrlich sein.“

 

„Was? Wen wollt Ihr heiraten, ich…?“ Er starrte ihn an und Liam sah es in seinem Gesicht arbeiten. „Ihr seid verrückt…“, brachte er schließlich hervor und der Schneider hob kurz den Blick und runzelte die Stirn, verkniff sich aber jedes Wort.

 

„Nun, du sagst, sie liebt mich.“

 

„Aber ich habe keine Ahnung, wie viele Verrücktheiten sie von Euch noch ertragen wird.“

 

„Keine Sorge, es ist nur noch diese eine.“, versprach er und er lächelte ein trauriges Lächeln. „Ich hoffe nur, sie kommt zu der Hochzeit.“

 

„Ich bin mir sicher, Herr.“

 

„Ja, ihr Vater sollte sie schon dazu bewegen.“

 

„Ihr Vater? Ihr habt eine seltsame Art Euch abzusichern…“ Seine Worte klangen argwöhnisch, aber Liam sah, dass Oz von ihm beeindruckt war. Auch wenn es sein Diener wohl nicht zugeben wollte. Ja, Liam wusste, dass sein Plan auf hundert erdenkliche Arten nach hinten losgehen konnte, aber wenn er es nicht versuchte, dann würde er es für den Rest seines Lebens bereuen. Er hatte nicht geplant sich ausgerechnet in das komplizierteste Mädchen Englands zu verlieben. Aber so spielte das Leben eben manchmal…. Lächelnd wandte er sich wieder dem Fenster zu und betrachtete die Gärtner. Er hatte extra angeordnet neue Rosensamen zu säen. Natürlich aus bestimmten Hintergedanken.

 

 

~*~

 

 

 

Tara hatte sie in einem späten Brief gebeten eher zu kommen, damit sie ebenfalls als ihre Brautjungfer fungieren konnte. und Buffy hatte trotz der Zweifels ihres Vaters diese Bitte angenommen. Es wäre eine Ehre für sie. Immerhin war Tara die einzige Freundin, die sie jemals hatte. Ihr Vater wollte noch nicht vorher mitfahren, also fuhr sie alleine in der Kutsche. Sie war unsicher gewesen, was für ein Kleid sie tragen sollte, denn egal wie schlicht es sein würde, Taras Kleid wäre um Längen schlichter und billiger.

 

Sie hatte nun schlicht und ergreifend zwei Kleider fertigen lassen. Das eine schöner als das andere. Tara und sie hatte eine ähnliche Größe und sie würde es ihr als Hochzeitsgeschenk geben. Sie war froh, dass die Aufregung ihre Tränen unterdrückte und sie sich voll auf die Hochzeit konzentrieren konnte, als unbedingt auf den Ort wo sie stattfand.

 

 

Die Stunden in der Kutsche schienen dennoch viel zu schnell zu vergehen. Sie hatte versucht sich in eine Lektüre zu vertiefen, aber das Geschaukel war fürs Lesen absolut nicht zuträglich.

Die großen Mauern, die den Park einschlossen kamen drohend näher und sie schluckte schwer. Es war ein wirklich schöner Besitz und natürlich versetzte es ihr einen Stich, dass es niemals ihrer sein würde. Die Gärtner schienen fleißig beschäftigt zu sein. Ob er das alles für Oz und Tara tat? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er wirklich so großzügig war.

 

Aber er ließ sie sogar in seinem Besitz heiraten, also wahrscheinlich war er wirklich ein perfekter Mann. Wieder ein Stich, und sie streckte den Rücken durch. Sie würde dieses Wochenende ohne Tränen überstehen. Wenn sie Glück hatte, sah sie auch bloß zu der Festlichkeit und nach dem Essen würde sie gehen.

 

Tara hatte geschrieben, dass der Graf keine Probleme damit hätte, dass Buffy in dem riesigen Manor untergebracht würde, aber Buffy hatte ihre Zweifel. Aber sie tat es Tara zur Liebe und deshalb hatte ihr schlechtes Gefühl nicht gesiegt. Deswegen war sie jetzt hier und hoffte, sie müsste ihn nicht sehen, bis es unausweichlich war.

 

Tara erwartete sie bereits und sie schien völlig aufgeregt.

 

„Oh, Ms Buffy!“ Buffy kletterte aus der Kutsche und ließ sich von Tara umarmen. Es fühlte sich nett an. Sie hatte Tara noch nie so offen erlebt. „Es ist so schön, dass Ihr kommen konntet.“ Buffy lachte.

 

„Sag ruhig Du, Tara. Ich denke, wir stehen uns dafür nahe genug.“ Tara strahlte.

 

„Oh, wie wunderbar. Ich… ich freue mich so sehr, dass… du gekommen bist.“ Jetzt war sie etwas schüchtern geworden, aber sie fing sich schnell. „Dann kommt mit mir. Ich meine, bitte, ich zeig dir dein Zimmer.“

 

Buffy folgte ihr. „Ich habe eine Überraschung für dich.“ Tara blickte sie aufgeregt an.

 

„Eine Überraschung? Das war nicht nötig. Ich brauche kein Geschenk. Ich freue mich, dass du hier bist, Buffy.“

 

„Ach, Unsinn. Du wirst dich freuen und es ist kaum ein Geschenk. Eher eine Aufmerksamkeit dafür, dass du immer so nett zu mir warst.“ Sie konnte sehen, dass Tara mehr als gerührt war und sie wollte sie nicht noch mehr in Verlegenheit bringen. „So, genug davon. Lass uns reingehen und ich zeige dir die Überraschung.“ Tara nickte und Buffy folgte ihr ins Haus. Sie versuchte sich nur noch auf Tara zu konzentrieren und ignorierte so gut es ging die Familienportraits an den Wänden.

 

 

 

„Oh, Grundgütiger, Buffy…“ Taras Finger fuhren in Ehrfurcht über den seidigen Stoff. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie schüttelte fassungslos den Kopf. „Das kann ich niemals annehmen.“

 

„Unsinn. Es wird wundervoll an dir aussehen, Tara.“

 

„Aber… das ist… das ist viel zu viel.“ Jetzt einte sie und schnell hatte Buffy den Arm um sie gelegt.

 

„Das soll dein großer Tag werden. Es ist bloß eine kleine Aufmerksamkeit. Ich wollte doch, dass du hübscher aussiehst als ich.“, plapperte sie und strich Tara beruhigend über den Rücken. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass Tara wegen ihr nun auch noch weinte. Sie hatte genug Tränen für ein Leben gesehen.

 

„Das ist wirklich ein wunderschönes Geschenk. Soll… soll ich es mal anziehen?“ Mit leuchteten Augen blickte Tara sie jetzt an und Buffy nickte heftig.

 

„Oh, ja, bitte! Ich würde es nur zu gerne angezogen sehen.“

 

„Bringt es nicht vielleicht Unglück, wenn ich es schon vorher anziehe?“

 

„Ach, nein, Unsinn. Wer sieht dich denn, außer mir? Niemand weiß es sonst.“

 

„In Ordnung. Gut. Warte hier. Ich gehe ins Ankleidezimmer.“

 

„Wenn du meine Hilfe brauchst, dann sag Bescheid.“ Tara legte sich das Kleid vorsichtig, als wäre es aus Glas, über den Arm und eilte ins Nebenzimmer um sich umzuziehen. Buffy war genauso aufgeregt wie sie. Gab es etwas Schöneres als andere Menschen glücklich zu machen? Woher hatte sie bloß diese Einstellung? Es war ein völlig neues Gefühl, aber ein Gefühl, an das sie sich gewöhnen könnte.

 

Nach einer Weile wunderte sie sich, ob Tara vielleicht doch Hilfe brauchen könnte. „Tara, ist alles in Ordnung da drin? Brauchst du…?“ Doch die Tür öffnete sich bereits und eine wunderschöne Tara betrat den Raum. Das Kleid war wie fließende Seide. Es umspielte ihre Figur und ließ sie makellos aussehen. Absolut wunderschön. Die schönste Braut, die Buffy jemals gesehen hatte.

 

Verlegen strich Tara über den weichen Stoff und drehte sich einmal im Kreis. „Was denkst du?“, fragte sie vorsichtig, aber Buffy schüttelte nur den Kopf.


„Oh, Tara!“ Sofort war sie aufgestanden und betrachtete das Mädchen von allen Seiten. „Oz wird glauben, er hätte den Verstand verloren. Du bist wunderschön.“ Tara lachte daraufhin.

 

„Ich denk nicht, dass ihn das interessieren wird.“, erwiderte sie mit roten Wangen.

 

„Oh, glaub mir. Er wird begeistert sein!“ Beide Frauen strahlten und Tara redete so lange auf Buffy ein, bis diese sich überreden ließ, ihr Kleid ebenfalls anzuziehen.

 

 

~*~

 

 

Er hatte nicht die geringste Ahnung, warum die Köche ständig zu ihm rannten und ihn nach seiner Meinung fragten. Er hatte keine Ahnung von Kuchen und es war Oz’ Hochzeit. Er hatte keine Lust mehr noch einmal hundert Fragen zu beantworten. Sollte es der Sahnekuchen sein, oder der mit viel Schokolade, Krokant, nur Madeln, gar keine Nüsse… Er war doch kein Gourmethändler.

 

„Hören Sie, Hauptsache, es schmeckt.“ Diese Aussage schien dem Koch ganz und gar nicht zu gefallen und er sah ihn weiterhin verzweifelt an. „Ich… ich denke, alles was sie zubereiten, wird absolut fantastisch sein.“ Immer noch schien der Koch nicht überzeugt, aber Angel wusste nicht, wie man einem Koch sonst noch Komplimente machen sollte.

 

Er wandte sich vorsichtig um. Der Koch stand immer noch unbewegt mit einer Menge an Zetteln und Notizen in der Hand hinter ihm, machte aber Gott sei Dank keine Anstalten ihn noch einmal aufzuhalten. Vielleicht sollte er für eine kurze Zeit verschwinden und Ausreiten. Er hatte überlegt mal wieder jagen zu gehen, aber ironischerweise half ihm das nicht mehr, seine Gedanken zu ordnen. Zu viele Erinnerungen verband er mittlerweile damit.

 

„Ah, Graf LaSalle, ich leite die Zeremonie. Ich bin Pfarrer Peter Hayes. Ich hatte bereits ein Gespräch mit Mr Osbourne und er meinte, Sie hätten noch etwas mit mir zu besprechen?“ Liam war verwirrt. Was meinte der Pfarrer? Und vor allem, was meinte Oz damit?

 

„Um was geht es denn?“, fragte Liam argwöhnisch und der Pfarrer hob die Brauen.

 

„Nun, mir kam zu Ohren, dass Sie selber beabsichtigen in nicht all zu ferner Zeit zu heiraten, Graf LaSalle.“ Liams Kiefer klappte überrascht auf. Oz war also ein Klatschweib. Jetzt stand er hier mit dem Priester und blamierte sich, weil er seinen Plan noch nicht in die Tat hatte umsetzen können, aber ihr war es gestern auch erfolgreich gelungen, ihm komplett aus dem Weg zu gehen.

 

„Ahem… wieso reden wir nicht wann anders darüber, Pfarrer? Im Moment ist es eher ungünstig.“


„Vielleicht morgen? Nach der Trauung dann?“

 

„Ja. Sicher.“ Unangenehm berührt wandte er sich von dem Geistlichen ab und sehnte sich schon fast nach der Abgeschiedenheit seines Studierzimmers. Viel zu viele Menschen befanden sich in seinem Haus. Sein Vater hätte bereits Reißaus ergriffen, würde er noch leben.

 

 

Zu seinem großen Unglück bemerkte Graf Liam LaSalle das junge blonde Mädchen nicht, das den Flur entlang stürmte, weil sie jedes Wort der Unterredung mitbekommen hatte. Der Schock der Nachricht, dass Liam LaSalle bereits wieder plante zu heiraten, hatte Buffy einen so tiefen Stich versetzt, dass sie keine Sekunde länger hier in diesem feindlichen Haus bleiben konnte. Nicht in seiner Nähe. Wie konnte er ihr so etwas antun? Sie war froh, dass sie Oz und Tara keinen Glauben geschenkt hatte, als diese beteuert hatten, dass Angel sie wahrhaftig lieben würde. Jetzt würde sie auch nicht mehr zugeben, dass sie es vielleicht doch ein bisschen getan hatte.

 

 

~*~

 

 

Sein Blick glitt hinauf zu der verhangenen Wolkendecke. Eine schöne Hochzeit würde es morgen wohl nicht werden. Sicherlich schön, aber nicht vom Wetter her. Das Gewitter was aufzog, würde den Garten durchnässen und es unmöglich machen, auf der Wiese zu feiern.

Dann würden sie eben im Haus bleiben müssen. Eine Gestalt fing seinen Blick. Jemand rannte quer über die Wiesen. Er schritt näher ans Fenster und verengte die Augen, um besser sehen zu können.

 

Er erhaschte noch das Glitzern von blondem Haar im letzten Licht des Tages und sofort waren seine Sinne auf Alarmbereitschaft. War sie es? Aber wieso sollte sie in den Wald rennen? Sie war bestimmt bei Tara. Vielleicht war es nur eine der Mägde? Aber was sollte eine Magd im Wald?

 

Er würde zu Tara gehen und nachsehen. Er hatte sowieso mit Buffy zu reden. Er würde es nicht hinauszögern können. Vielleicht war das Mädchen auch nur eine Erscheinung gewesen und sein Gewissen wollte ihm mitteilen, dass, wenn selbst schon ein Pfarrer auf ihn zu kam, er nicht länger mit seinem Vorhaben zögern sollte.

 

Er schritt gemächlich durch die Flure, darauf bedacht keinem Personal mehr in den Weg zu kommen. Er kam nicht zu Ruhe in diesen Tagen. Er freute sich schon, wenn er sein haus wieder für sich hatte. Tara kam ihm auf halbem weg entgegen.

 

„Oh, lieber Graf, ich suche meine Brautjungfer. Habt Ihr sie gesehen?“ Liam schwieg für einen Moment und dann verdichtete sich sein Verdacht zur Gewissheit.


„Ich fürchte ja.“, erwiderte er und rannte los. „Entschuldigt mich Tara, ich muss…“ Er wusste selber nicht, was er musste, aber würde sie sich verlaufen und würde das Gewitter gleich losgehen, dann würde sie sich wahrscheinlich erkälten und ihm auch noch die Schuld zu schieben. Er würde ihr wieder einmal nach laufen. Es kam ihm so vor, als tat er in der letzten Zeit kaum noch etwas anderes als diesem sturen Mädchen nachzulaufen. Wäre sie erstmal seine Frau, dann würde es anders sein. Fast hätte er beim Laufen gelacht. Nun, sie war ja schon mal seine Frau gewesen, und trotzdem war er ihr pausenlos nachgelaufen. Aber wenn er ehrlich mit sich war, dann hatte er sich daran auch schon gewöhnt.

 

 

 

Teil 11

 

 

Er stürmte über die Wiesen und entschied sich in letzter Sekunde, sein Pferd aus dem Stall zu holen. Wenn er Glück hatte, hatte der Stalljunge es auch noch nicht sauber gemacht, dann war es noch gezäumt und er konnte direkt weiter.

 

Er hatte Glück. Sein Hengst tänzelte unruhig am Gatter auf und ab. Er spürte das Gewitter bereits und Liam wusste, er würde ganze Überzeugungsarbeit leisten müssen, um das Pferd dazu zu bewegen in den Wald zu reiten. Wieso lief sie auch ständig vor ihm weg? Wie alt war sie denn? Acht? Er sitzte auf und trat dem Hengst hart in die Seiten.

 

Kurz weigerte sich dieser, aber Liam konnte ihm heute leider keine Wahl lassen. Er preschte auf dem Rücken des nervösen Tiers über die Wiesen und versuchte jeden Winkel abzusuchen. Er hatte keine Ahnung, wo sie eigentlich hin wollte.

 

Er erreichte den Waldrand und stellte mit Entsetzen fest, dass sie bereits tief im Wald sein musste, denn am gesamten Rand war keine Spur von ihr zu entdecken. Der Hengst wurde automatisch langsamer, als sie die Bäume durchbrachen und es war ungewöhnlich still. Vor Gewittern war es immer beunruhigend still im Wald.

 

„Buffy?“, rief er jetzt und wandte sich auf dem Rücken des Pferdes um. Er konnte sie nicht entdecken. Wie weit wollte sie denn laufen? Wusste sie, was sie da tat? Der erste Tropfen fiel auf seine Stirn und er hob den Blick zum dichten Blätterdach. Gleich würde es richtig anfangen. Und nicht einmal die Blätter würden ihn vor dem Regen schützen können. Das Pferd begann seine Nüstern zu blähen und Liam wusste, es wollte am liebsten zurück. Er konnte es ihm gut nachvollziehen.

 

Dennoch trieb er es weiter an. Er musste sie finden. Sie hatte den Hang ständig in Gefahren zu geraten.

 

„Buffy?“ Seine Stimme ging fast unter in der Masse an Tropfen, die durch die Blätter prasselte. Sein Haar war schon komplett durchweicht und er trieb das Tier weiter. Weiter durch das Dickicht und noch immer sah er keine Spur von ihr. Ab und an hielt er den Hengst an und stieg ab. Er spähte hinter Wurzeln, rief ihren Namen und ritt weiter.

 

Er hätte sie schon längst finden müssen, ging ihm besorgt auf. Hinter der nächsten Lichtung hielt er an. Er musste seine Augen abschirmen, damit ihm das Wasser nicht hineinlief und sein Atem stockte. In der alten Hütte war Licht. Das konnte nicht wahr sein. War sie etwa in die Hütte geflüchtet? Ein Schauer befiel ihn. Ob vor Kälte oder weil es eine seltsame Situation war, konnte er nicht sagen. Hastig lenkte er sein Pferd in die Richtung der Hütte und brachte es schließlich in das recht enge Gatter. Es hatte wenigstens ein Dach, auch wenn es kaum Platz hatte sich bewegen. Er würde es gleich ordentlich trocken reiben.

 

Jetzt musste er erst nach ihr sehen. Seine Sorge wurde langsam aber sicher von seiner Wut abgelöst und ohne zu klopfen öffnete er die Tür und trat ein.

 

Seine Kleidung war völlig durchweicht und er stand mitten in der Stube der Hütte, die er mit ihr geteilt hatte, wenigstens für kurze Zeit. Sie hatte bereits Feuer im Kamin gemacht. Aber wo war sie? Zornig machte er einige Schritte in Richtung Schlafzimmer, aber sie kam bereits aus der kleinen Küche und hätte fast das restliche Holz fallen gelassen. Sie schien nicht so nass geworden zu sein wie er, aber ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.

 

Anscheinend besann sie sich eines besseren und reckte das Kinn in die Höhe.

 

„Verfolgt Ihr mich?“

 

„Was soll das? Was fällt dir ein, alleine loszulaufen? Siehst du nicht, dass es regnet und Gewitter geben wird?“, herrschte er sie an, und sie zuckte unter seiner lauten Stimme zusammen.

 

„Ich denke nicht, dass Euch mein Schicksal noch irgendetwas angeht.“

 

„Aber du befindest dich auf meinem Grund und Boden. Ich denke, das geht mich etwas an.“ Sie biss sich auf die Lippe. Dieses Argument schien ihr nicht zu gefallen. Und ihm gefiel es nicht, dass sie sich schon wieder anschrieen.

 

„Was wollt Ihr damit sagen? Dass Ihr mir verbietet hier zu sein? Schön. Ich werde gehen. Keine Sorge. Ich will Euch ja nicht zur Last fallen.“ Sie mied seinen Blick und warf das Holz vor den Kamin. Sie würde jetzt tatsächlich gehen. Sie war so verflucht stolz. Es machte ihn wahnsinnig. Vollkommen wahnsinnig.

 

„Du wirst jetzt nicht raus in den verfluchten Regen laufen hast du mich verstanden?“ Er umfing grob ihren Oberarm und brachte sie nah an sich. Sie stieß die Hand gegen seine nasse Brust und versuchte sich zu befreien.

 

„Ich werde bestimmt nicht hier bleiben. Ich muss mir von Euch nicht vorwerfen lassen, dass ich Euren Besitz missbrauche.“, spuckte sie ihm entgegen und er stöhnte entnervt auf.

 

„Buffy, du willst lieber wieder in den Regen, als hier zu bleiben?“

 

„Lasst mich auf der Stelle los.“, fuhr sie ihn an.

 

„Buffy…“

 

„Außerdem…“, brauste sie jetzt auf und ihr Blick war tödlich, „Ihr solltet nicht zu lange fortbleiben. Eure Verlobte wartet sicher schon.“ Er verstand kein Wort von dem, was sie sagte.

 

„Was? Meine was…?“

 

„Oh, verkauft mich nicht für dumm. Ich habe gehört, wie Ihr mit dem Pfarrer gesprochen habt.“ Sie riss heftiger an ihrem Arm, aber sein Griff schloss sich fester um ihre Haut.

 

„Dem Pfarrer?“ Oh. Er verstand. Sein Leben schien nur noch auf Missverständnissen zu basieren, seitdem er sie kennen gelernt hatte.

 

„Mir war nicht klar, dass ich eine Verlobte hatte.“ Sein Zorn verrauchte langsam. Sie war also wegen ihm weggelaufen. Das war nett.

 

„Hört auf damit, und lasst mich endlich gehen.“

 

„Und was, wenn ich das nicht will?“ Er blickte sie lauernd an. Sie hatte sich so verändert. Ihre Arroganz schien nicht mehr vorhanden zu sein, dafür schien sie noch sturer als vorher.

 

„Das ist nicht Eure Entscheidung Graf LaSalle.“

 

„Wessen sonst? Die meiner Verlobten?“ Er sah, wie das Wort ihr einen Stich versetzte.

 

„So lasst mich doch los.“ Sie senkte den Blick. Er fuhr mit dem Zeigefinger unter ihr Kinn um es anheben zu können.

 

„Du bist wirklich unglaublich, Buffy. Wie schaffst du es, jeden meiner Pläne zunichte zu machen?“, erkundigte er sich leise und sie war gezwungen ihn anzusehen. Trotzig war ihr Blick und die ersten Tränen schimmerten in ihren Augenwinkeln.

 

„Wieso lasst Ihr mich nicht endlich in Ruhe?“, flüsterte sie jetzt und er musste lächeln.

 

„Weil du mich vollkommen verzaubert hast. Herz und Seele. Und ich wünschte, es wäre anders, aber es ist so wie es ist. Ich bin leider nur ein reicher Graf und kein armer Jägersmann. Willst du mich trotzdem heiraten, Elizabeth Summers?“

 

Er sah, wie ihr Gehirn anfing sehr schnell zu arbeiten.

 

„Du… ich… was?“ Sie blickte ihn entgeistert an und er lockerte endlich den Griff um ihren Oberarm. „Du bist schon verlobt.“ Ihre Stimme klang heiser und sie schüttelte ungläubig den Kopf.

 

„Warum denkst du, kommt dein Vater zu der Trauung zweier Bediensteten?“, fragte er unvermittelt und wieder sah er es in ihrem Gesicht arbeiten. „Es ist alles abgesprochen. Ich muss sagen, dein Vater ist ein geduldiger Mann. Geduldiger als ich.“ Sie schüttelte erneut den Kopf.

 

„Werde meine Frau, Buffy.“

 

„Nein, ich… verstehe nicht.“, begann sie erneut und für ihn völlig untypisch tat er, was er nicht für möglich gehalten hätte. Er ließ ihren Arm los und ließ sich auf ein Knie sinken. Er ergriff ihre Hand und sie schnappte nach Luft.

 

„Ich verspreche dir, dies ist mein letzter Plan gewesen, der hinter deinem Rücken stattfindet. Heirate mich, Buffy. Lass uns noch einmal beginnen. Ohne Lügen.“ Sie starrte auf ihre Hand, die in seiner lag.

 

„Aber… deine Verlobte…?“

 

Er lachte auf. Sie war zu bezaubernd, wenn sie verwirrt war. „Es war nur ein Trick.“ Sie entzog ihm plötzlich ihre Hand und wich zurück. Ihr Zorn kehrte zurück, und sie deutete mit einem drohenden Finger auf ihn.

 

„Du bist ein elender Schuft! Wie kannst du es wagen, mich so hinters Licht zu führen? Denkst du etwa, ich heirate dich ein zweites Mal? Weißt du, wie das meinem Ruf schaden würde? Kannst du dir überhaupt vorstellen, dass ein Mädchen wie ich, jemanden wie dich tatsächlich heiraten würde, würde ich nicht dazu gezwungen werden?“, schrie sie jetzt, und völlig überrascht blieb er am Boden und starrte sie an. Hatte er sich so getäuscht? Liebte sie ihn doch nicht? Hatte sie sich vielleicht gar nicht geändert? Sein Herz sank in seiner Brust.

 

Ihre drohende Hand sank langsam und sie musterte ihn abschätzend. „Und wieso hat es so lange gedauert, bis du mir diese Frage stellst?“ Ihre Mundwinkel zuckten verdächtig, und er brauchte noch geschlagene zwei Sekunden, bis ihm ihre Worte aufgingen. Dann aber erhob er sich und schloss mit zwei Schritten den Abstand zu ihr. Bevor er noch etwas sagen konnte, hatte sie bereits die Arme um seinen Nacken geschlungen, und er hob sie hoch.

 

Wie lange hatte er darauf gewartet, sie noch einmal zu küssen, und endlich war dieser Augenblick da. Ihre Lippen trafen sich, vereinten sich, und sie seufzte gegen seinen Mund. Es war ihm egal, dass er vielleicht zu forsch handelte. So lange sie ihn nicht von sich stieß war ihm alles egal. Fordernd küsste er sie, und ihre Hände gruben sich in seine noch immer nassen Haare.

 

Langsam teilte seine Zunge ihre Lippen und nur vorsichtig begann ihre Zunge mit der seine zu spielen, bis sie ihn schließlich gewähren ließ und sich noch enger an ihn presste. Er erforschte ihren Mund mit einer Dreistigkeit, die er von sich nicht gedachte hätte und wollte seine Lippen nie wieder von den ihren trennen.

Dennoch war diese Position nicht gerade ideal und er stellte sie nach einer Weile wieder auf ihre Füße. Benommen öffneten sich ihre Augen und eine herrliche Röte zierte ihre Wangen.

 

„Ich liebe dich.“, flüsterte er, bevor er den Kopf senkte. Ihre Hände griffen direkt in seinen Nacken, und er reagierte sofort auf ihre Forderung. Erneut durchströmte ihn dieses neue, vollkommen unbekannte Verlangen, und er spürte bereits, wie sich sein Penis in seiner Hose aufrichtete. Auf gar keinen Fall wollte er sie verstören oder verschrecken.

 

Er wollte sich aus dem Kuss zurückziehen, aber sie ließ es nicht zu. Ihre Hände verließen seine Haare, strichen über seine Schultern, über seine Brust.

 

„Buffy, nicht…“, murmelte er verzweifelt und sie blickte ihn verstört an.

 

„Was? Was ist?“ Er nahm die Verletzbarkeit in ihrer Stimme wahr und sofort strich er ihr sanft über die Wange. Ihr Gesicht war nass von seinen Haaren, und auch ihr Kleid war langsam feucht. Es schien ihr gleichgültig zu sein.

 

„Wenn du mich berührst, dann…“ Er schluckte schwer. „Dann werde ich mich nicht beherrschen können.“ Er musste seine Stimme zur Ruhe zwingen und kurz blitzte Erkenntnis in ihren Augen auf.

 

„Das… das ist mir gleich.“, erwiderte sie tapfer und ihre Hände begann wieder über seinen Oberkörper zu gleiten. Er stöhnte auf und schloss die Augen. Das konnte sie ihm jetzt nicht antun.

 

„Nein, Buffy, bitte…“

 

„Küss mich, Angel.“, bat sie leise, und wie hätte er diesem Wunsch nicht nachkommen können? Erneut brachte er sie an seine Lippen, und sie taumelten durch die Wucht gegen die Holzwand. Seine Hand schlang sich augenblicklich um ihren Nacken, damit er ihren Kopf fixieren konnte. Sie war eine Lady und deshalb war er sich bewusst, dass sie vor ihm keinen Mann geküsst haben würde, und dennoch machte ihn ihre Art zu küssen völlig willenlos.

 

Seine Gedanken kamen zu einem jähen Halt als ihre Finger den Weg unter sein nasses Hemd fanden. Er wich zurück und sah sie schwer atmend an.

 

„Ich bitte dich, merkst du nicht, dass ich kaum noch kann?“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, das verruchter kaum sein könnte und er schluckte schwer.

 

„Die nassen Sachen solltest du sowieso loswerden. Sonst erkältest du dich, Liebling.“ Gott, sie brachte ihn um seinen Verstand.

 

„Du verstehst nicht…“ Sie legte ihm den Finger auf die Lippen und seine Lippen brannten unter ihrer Berührung wie Feuer.

 

„Ich will nur deine Haut unter meinen Fingern spüren, sonst nichts.“ Er hätte nicht sagen können, was sie mit diesen Worten meinte. Wohl kaum, dass sie ihn verführen wollte, denn als Jungfrau wäre es eine seltsame Aussage. Hieß das dann, dass sie dachte, sie könne ihn ausziehen und er würde es über sich ergehen lassen, ohne sich zu rühren? Sie musste doch spüren, wie dringend er sie wollte.

 

Doch schon öffneten ihre Finger zitternd den ersten Knopf seines Hemdes, und als ihr Mund einen Kuss auf die nackte Haut hauchte, hätte er so ziemlich alles getan, was sie von ihm verlangen würde. „Gott, Buffy.“ Sie öffnete einen weiteren Knopf, noch einen und noch einen, bis sie ihm schließlich das nasse Hemd von den Schultern schälte. Ihre Fingerspitzen fuhren sachte über seinen Bauch, und er erschauderte unter der Berührung. Wieder zog er sie an sich, und diesmal konnte es ihr nicht entgehen, wie schmerzhaft seine Erektion gegen seine Hose drückte.

 

Tatsächlich spürte er, wie sie kurz stockte. Er erwartete, dass sie zurückweichen würde, aber in dieser Hinsicht irrte er sich schon wieder.

 

„Mein Kleid ist auch nass.“, sagte sie nun schlicht. Ihre Lippen waren geschwollen, die Wangen nun rot vor Scham, und er schüttelte kraftlos den Kopf.

 

„Nein, Buffy. Lass uns warten, wir…“ Doch sie löste bereits die hinteren Ösen ihres Kleides.

 

„Ich will aber nicht warten, Angel.“, flüsterte sie, und keine Frau vorher hatte ihn so in Extase versetzt.

 

„Oh, bitte, tu mir das nicht an, ich will dich nicht vor der Hochzeitsnacht zwingen zu…“

 

„Küss mich endlich!“, forderte sie jetzt, und selbst wenn all sein Anstand sich sträubte, gewann schließlich sein Verlangen, und mit einem Knurren zog er sie an sich und hob sie hoch. Ihre Beine schlangen sich um seine Hüften, und er verließ ihren Mund um ihren Hals, ihr Schulterblatt, ihr Dekollete mit sanften Küssen zu bedecken, und ihre Finger krallten sich erneut in seine Haare. Er schob ihr Kleid über ihre Schultern, und ihr nackter Oberkörper presste sich gegen die Nässe seines eigenen. Er hatte niemals etwas Erotischeres gespürt.

 

Er trug sie in die kleine Schlafstube und legte sie auf das Bett. Es war kaum zu glauben, dass sie sich noch vor wenigen Augenblicken angeschrieen hatten. Ihr Blick verzerrte sich nach ihm, und er wusste, es gab für ihn kein Zurück mehr. Wieso hatte sie so eine Macht? Wenn sie es nicht wollte, dann konnte nur noch sie ihn aufhalten, aber das tat sie nicht.

 

Ihre vollen Brüste glänzten vor Nässe, und er war sofort über ihr und küsste eine heiße Spur zu ihren Brüsten hinab. Er spürte wie sich ihre Atmung beschleunigte, und als er gierig eine ihrer Brustwarzen in seinen Mund saugte, krallten sich ihre Finger unter einem überraschten Stöhnen in seine Haare.

 

Sie bog sich ihm entgegen und keuchte auf, als er sanft zu biss.

 

„Oh, großer Gott, Angel!“, schrie sie nun und dass sie ihn bei diesem Namen nannte erregte ihn noch mehr. Seine Finger schoben nun auch den Rest ihres Kleides über ihre Hüften und ihre Beine hinab. Sie war absolut perfekt. Ihre Haut war so weich und roch nach Rosen.

 

„Buffy, wenn du das nicht willst, dann halt mich auf.“, knurrte er heiser, aber sie schien das ganz und gar nicht zu wollen, denn sie zog ihn ungeduldig zu einem Kuss hinab. Ihre Hände wanderten zu seiner Hose und hastig versuchten ihre Finger sie zu öffnen. Er half ihr, und schließlich landete auch seine Hose achtlos auf dem Boden. Es war die reinste Befreiung, und ein Blick in ihr Gesicht ließ ihn schmunzeln. Mit großen Augen betrachtete sie seine Erektion, und am liebsten hätte er sie wieder und wieder geküsst.

 

„Darf ich…?“, hauchte sie ehrfürchtig, und er hatte das Gefühl zu sterben. Das war alles nur ein sehr verruchter Traum. Unmöglich passierte das gerade wirklich. Er konnte nur nicken, und sanft berührten ihre Finger die harte Spitze.

 

 

~*~

 

 

Sie wusste nicht, woher diese unstillbare Neugierde und Faszination kam, aber anscheinend war sie sinnlicher als sie angenommen hatte. Und verruchter, als sie angenommen hatte. Tatsächlich berührte sie nun sein Geschlecht, und es fühlte sich samtweich unter ihren Fingern an. Jede leichte Berührung entlockte ihm ein Stöhnen, und sie blickte in sein wunderschönes Gesicht. Die Augen hatte er geschlossen, und seine Zähne gruben sich in seine volle Unterlippe. Ihr war unglaublich heiß, und all ihre Scham war durch grenzenlose Lust ersetzt worden.

 

Seine Hand legte sich um ihre, und er schien ihr zeigen zu wollen, wie sie ihn berühren sollte. Sie war von sich selber erschrocken, aber als sie anfing an seinem Geschlecht auf und ab zu pumpen und er den Kopf zurück warf, verwarf sie ihren Schrecken, und ein Gefühl von Überlegenheit erfüllte sie.

 

Sie hatte vor einiger Zeit die Mägde darüber reden hören, dass Männer beim Berühren des Penis’ willenlos werden sollten, aber sie hatte es für schmutziges Gewäsch gehalten. Dennoch war sie vollkommen fasziniert von der Unterhaltung der Mägde gewesen, auch wenn sie es niemals zugegeben hätte. Sie war alleine rot beim Lauschen geworden und konnte sich kaum vorstellen, dass man als Frau zu solchen Dingen fähig war, aber jetzt, wo sie in das Gesicht ihres perfekten Mannes blickte, das sich unter süßer Folter verzog, verstand sie, was die Mägde gemeint hatten.

 

Plötzlich richtete er sich auf, warf sie mit seinem Gewicht auf die harte Matratze und schob sich zwischen ihre Beine. Kurz erfasste sie ein Hauch von Panik, aber schon berührten sie wieder seine fantastisch vollen Lippen und sie konnte ein seufzen nicht unterdrücken. Ihre Augen flogen auf, als sie registrierte wohin seine Hand wanderte. Er würde sie doch nicht…! Ihr Kopf flog zurück als sein Daumen den empfindlichen Punkt streifte.

 

„Großer Gott…“, keuchte sie und am liebsten hätte sie die Beine wieder zusammen gepresst. Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber das Gefühl war zu angenehm. Wahrscheinlich war all das hier die pure Sünde, aber sie konnte sich einfach nicht wehren. Und sie wollte es nicht. Sie wollte ihn spüren. Automatisch spreizten sich ihre Beine weiter, und eine unbekannte Flüssigkeit sammelte sich zwischen ihren Beinen. „Angel…“, flüsterte sie, und als sie sein Blick traf, wusste sie, dass er soweit war. Er schluckte und ließ sie keine Sekunde aus den Augen.

 

Langsam bewegte er sich vorwärts und sie spürte, wie er sie dehnte. Sie sog scharf die Luft ein und er hielt sofort inne. Doch sie wollte nicht, dass er aufhörte. „Nein!“, sagte sie jetzt. „Bitte, nicht aufhören.“ Ihre Hand strich über seine Wange und er neigte den Kopf um ihre Lippen zu küssen. Sie bog sich ihm entgegen und zwang ihn somit tiefer in sie einzudringen. Sie keuchte gegen seine Lippen. Er musste sie bis zur Unkenntlichkeit dehnen. Wann hörte der Schmerz denn wieder auf?

 

Mit einem gewaltigen Stoß vergrub er sich schließlich völlig in ihr, und ihr Schrei ging in seinem Mund unter. Er küsste sie hart und begann sich langsam zu bewegen. Der Schmerz klang langsam ab, und das Gefühl was blieb, war absolut unbeschreiblich. Sie fühlte sich unglaublich verrucht.

 

„Ich liebe dich, Angel.“, keuchte sie und er küsste sie erneut, sanft und voller Leidenschaft.

 

„Ich liebe dich auch.“, erwiderte er abgehackt und als seine Bewegungen schneller wurden, schloss sie die Augen und ihre Beine schlangen sich um seine Hüften. Mit einem tiefen Stöhnen stieß er ein letztes Mal in sie und brach dann auf ihr zusammen.

 

Das Gefühl war absolut unglaublich. Sie gehörte völlig ihm.

 

 

Teil 12

 

 

 Vollkommen panisch hatte Oz sie vor dem Haupteingang empfangen. Und wie er sie beide angestarrt hatte, als sie vom Pferd gestiegen waren. Sie war so rot geworden, dass sie betreten den Blick gesenkt hatte. Oz informierte sie, dass ihr Vater bereits angekommen war und er ihn nicht länger ablenken konnte. Denn er hatte ihm nicht sagen wollen, dass er keine Ahnung hatte, wo sie denn steckte.

 

Angel hatte ihm kurz erklärt, dass es im Moment wohl auf Erklärungen nicht ankam und dass sie sich jetzt alle für die Trauung fertig machen sollten. Danach gab es einen kleinen Empfang. Nur das Gesinde nahm teil. Nun, und eben sie und Angel. Sie konnte kaum den Blick von ihm wenden und alles in ihr sträubte sich, jetzt in ihr Zimmer zu gehen und sich umzuziehen.

 

Aber sie trennten sich recht förmlich in der Halle und schritten beide in entgegen gesetzte Richtungen. Sie hörte, wie Oz leise auf Angel einsprach. Er fragte, ob sie sich vertragen hätten und Buffy musste auf ihrem Weg schmunzeln.

 

Sie erreichte ihr Zimmer und war für einen Moment dankbar, dass Tara nicht schon auf sie wartete. Sie wusste nämlich nicht, ob sie sie hätte anlügen können. Wahrscheinlich hätte es Tara gar nicht gut aufgenommen, hätte Buffy ihr von ihrer Nacht erzählt. Sie wurde schon rot bei dem Gedanken. Sie erschrak als es leise an ihrer Tür klopfte. Ohne eine Antwort öffnete sich die Tür auch und Angel schlüpfte schnell hinein. Hastig kam sie auf ihn zu und wollte ihm sagen, wie unpassend und gefährlich es jetzt war, dass er hier her kam, aber er hatte schon ihr Gesicht in seine Hände genommen und küsste sie zärtlich. Ihre Knie gaben nach und sie war froh, dass er sie hielt und sie nicht umfallen konnte.

 

Es war schon fast elf. Sie hatten wenig geschlafen, dafür aber andere Dinge getan… Sie spürte die Hitze in den Wangen, wenn sie daran dachte. Sie wusste nicht, wie sie den Tag überstehen sollte, ohne dass nicht die ganze Welt merkte, wie sehr sie ihn liebte.

 

Er löste seine Lippen von den ihren und sofort stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn erneut. Sie konnte nicht genug von seinen wundervollen Lippen bekommen.

 

„Ich hab dich vermisst.“, murmelte er rau gegen ihre Lippen und ihr Herz flatterte vor Aufregung.

 

„Wirklich? Wir haben uns wirklich schon lange nicht mehr gesehen.“, lachte sie jetzt und sie drückte sich eng an seinen warmen Körper. Sie erschraken beide, als sich die Tür ohne Vorwarnung öffnete und Tara völlig geschockt im Türrahmen stand. Sofort wich Angel von ihr zurück, aber das half nun auch nicht mehr.

 

„Oh. Ich…“ Tara schüttelte nur den Kopf senkte sofort den Blick. „…wollte nicht stören.“, endete sie peinlich berührt.

 

„Du störst nicht.“ Buffy wusste, sie würde sich da nicht rausreden können. Und das wollte sie auch überhaupt nicht. „Wir haben die Differenzen geklärt.“, erklärte sie mit einem Grinsen und Tara hob unsicher den Blick, nicht sicher, wie sie reagieren sollte.

 

„Gut, dass ich dich treffe.“, bemerkte Angel jetzt und lächelte Tara aufmunternd an. „Ich wollte dich fragen, ob es in Ordnung wäre, wenn wir aus dieser Hochzeit eine Doppelhochzeit machen würden?“ Taras Mund klappt überrascht auf.

 

„Eine Doppel…?“ Ihr Blick wanderte zu Buffy und auf einmal strahlte sie. „Oh, wie wundervoll!“ Buffy freute sich, dass Tara nicht mehr schüchtern war und sie umarmten sich heftig. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie mich das freuen würde!“, versicherte sie Buffy jetzt und wandte sich an Angel. „Weiß es der Pfarrer?“

 

„Der wäre der nächste auf meinem Weg. Meine Damen, wenn Sie mich entschuldigen würden?“ Er schenkte ihr noch ein wissendes Lächeln, das ihre Knie wieder in Pudding verwandelte und er ließ die beiden Frauen alleine.

 

„Endlich bist du wieder da. Was ist nur passiert? Wir hatten uns solche Sorgen gemacht. Warst du die ganze Nacht mit dem Grafen unterwegs?“, fragte sie jetzt mit unverhohlener Neugierde und Buffy spürte, wie sie schon wieder rot wurde. Tara hakte nicht mehr weiter nach. Sie schien zu spüren, dass sie nicht darüber reden wollte. „Jedenfalls brauche ich dich, um mich fertig zu machen, aber jetzt wirst du ja auch heiraten!“  Plötzlich wurde ihr Blick traurig. „Du willst jetzt bestimmt das Kleid wieder haben, nicht wahr? Ich hole es eben.“ Buffy hielt sie auf.

 

„Was für ein Unsinn. Ich habe ein eigenes Kleid. Das war ein Geschenk, Tara. Natürlich wirst du es tragen, Ich habe es für dich fertigen lassen. Keine Widerrede.“, fügte sie hinzu als Tara widersprechen wollte. Dann lächelte ihre Freundin wieder.

 

„Danke, Buffy! Tausendmal Danke! Was für ein perfekter Tag, nicht wahr?“

 

Buffy nickte selig. Es war wirklich perfekt. Sie musste jetzt ihren Vater suchen, erst dann konnte sie sich umziehen. Er würde sich freuen, das wusste sie. Endlich war seine Tochter wenigsten halbwegs erwachsen.

 

 

~*~

 

 

„Es ist wirklich ein besonderer Tag, denn nicht nur ein, nein, sondern zwei Paare treten heute vor Gott, um ihre Liebe zu besiegeln.“ Buffy hätte nicht für möglich gehalten, wie viel besser ihr doch eine kleine Gesellschaft gefiel als eine große Ansammlung an Menschen. Ihr Vater strahlte seitdem sie es ihm gesagt hatte, und er hatte sich sogar entschuldigt, dass er all die Lügen für sich behalten hatte. Sie nahm es ihm nicht übel. Heute war alles verziehen.

 

„… - deshalb frage ich dich, Tara Maclay, willst du den hier anwesenden Daniel Osbourne zu deinem Ehemann nehmen, in guten wie in schlechten Zeiten, bis das der Tod euch scheide?“ Tara nickte mit verschleiertem Blick und Oz drückte glücklich ihre Hand.

 

„Ja, das will ich.“

 

Angels Hand wanderte langsam ihren rücken hinab zu ihrem Po und Buffy biss sich auf die Lippe um nicht zu grinsen. Sie warf ihm einen halb ernst gemeinten bösen Blick zu. Er zwinkerte ihr zu und ergriff schließlich auch ihre Hand.

 

„Möchtest du, Daniel Osbourne, die anwesende Tara Maclay zu deinem Weibe nehmen, sie lieben und ehren, bis das der Tod euch scheide?“, wiederholte der Pfarrer seine Worte und Oz brachte kein Wort über die Lippen und nickte nur heftig. Er war so nervös, dass er Tara auf die Lippen küsste, ohne die Worte des Pfarrers abzuwarten. Dieser lächelte nachsichtig. „Anscheinend haben wir es heute mit sehr ungeduldigen Paaren zu tun.“ Kurz traf sein Blick Angel, welcher ungeniert grinste. Er wirkte so viel jünger, wenn er lächelte. Sie liebte ihn so sehr, dass es sie noch umbringen würde. Konnte Glück einen umbringen? Sie wusste es nicht. Aber es war bestimmt ein angenehmer Tod.

 

„Sie dürfen die Braut küssen. Noch einmal.“ Und noch ein weiteres Mal küsste Oz seine neue Braut.

 

„Jetzt zu Ihnen.“ Der Pfarrer hatte ein Lächeln auf den Lippen. „Graf Liam Angel LaSalle, wollt Ihr Lady Elizabeth Ann Summers, zu Eurer angetrauten Frau nehmen, jetzt bis in alle Zeit?“

 

„Ja. Bis in alle Zeit.“, erwiderte Angel und ihr Herz machte einen Satz.

 

„Lady Elizabeth Ann…“

 

„Ich will auch!“, unterbrach Buffy den Pfarrer hektisch und Angel lächelte zu ihr hinab.

 

„Buffy, du musst dich etwas gedulden.“, maßregelte sie ihr Mann, und sie schlug ihm spielerisch auf den Arm. In der nächsten Sekunde lagen seine vollen Lippen bereits auf ihrem Mund und sie hatte den Pfarrer schon vergessen.

 

„Gut, wie Sie wollen. Ich erkläre euch zu Mann und Frau. Und Ihr küsst die Braut bereits, also…“ Der Pfarrer räusperte sich peinlich berührt, aber Buffy nahm es gar nicht war. Angels Arme schlagen sich um ihre Taille und sie lehnte sich in den Kuss. Sie konnte es kaum erwarten, bis sie wieder alleine waren und sie ihn ganz für sich allein beanspruchen konnte.

 

 

~*~

 

 

„Jetzt bist du also eine Gräfin. Und wie fühlt es sich an.“ Es kam ihm vor, als hätte er den ganzen Tag nicht aufgehört zu lächeln und er studierte ihr Gesicht aufmerksam. Er wollte sich jede Einzelheit seiner wunderschönen Frau einprägen.

 

„Das ist mir nicht mehr wichtig.“, erwiderte seine Frau lachend und niemals hatte er sie mehr geliebt als in diesem Augenblick.

 

„Ist das so? Dann wird es dir nichts ausmachen, die Hochzeitsreise nicht stattfinden zu lassen, und wir wohnen einfach eine Woche in der Hütte.“ Er grinste sie an. Kurz war ihr Blick ernst, bevor sie sein Grinsen erwiderte. Sie kroch auf seine Seite des Bettes und ließ sich von ihm in den Arm nehmen.

 

„Wenn das Euer Wunsch ist, Graf LaSalle…“ Sie küsste seinen Hals und er spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend. „Ich denke, wir finden schon etwas, dass uns ablenken wird.“, fügte sie leise hinzu und küsste nun seine Brust. Mit einem Lachen warf er sie mit seinem Gewicht um und blickte in ihre grünen Augen.

 

„Ich bin dein, Buffy. Ich tue alles, was du von mir verlangst. Ich werde dir keinen Wunsch verweigern. Wenn du das Anwesen verkaufen willst und fort an als Bettler und Bettlerin leben möchtest, dann bitte.“ Sie lächelte.

 

„Nun, wir müssen ja nicht direkt alles verkaufen.“ Sie blickte sich in dem riesigen Schlafzimmer um. „Es ist viel zu bequem hier.“ Langsam senkte er den Kopf und hörte wie sie den Atem anhielt.

 

„Angst?“, murmelte er leise und stoppte vor ihren Lippen.

 

„Noch einen einzigen Tag ohne dich verbringen zu müssen, du Lügner, ja.“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

 

„Ich ein Lügner?“, entrüstete er sich und berührte immer noch nicht ihre Lippen.

 

„Ja. Du bist der König der Lügen, der Sturheit und der hinterhältigen Pläne…“, verkündete sie und schloss verlangend die Augen.

 

„Und du bist meine Königin…“

 

Er küsste sie stürmisch und schwor sich, nicht mehr einen einzigen Tag ohne sie zu verbringen. Niemals wieder. Wie sehr er sie liebte. Er würde dieses Zimmer nicht mehr verlassen. Jedenfalls nicht in den nächsten Tagen. Sie seufzte gegen seine Lippen, und wieder und wieder küsste er ihren perfekten Mund. Und sie liebte ihn tatsächlich.

 

Ob Bettler, Jäger, Graf oder König.

 

 

~Ende~