Kapitel
Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Teil 6 , Teil 7 , Teil 8 ,
Teil 9 , Teil 10 , Teil 11 , Teil 12 , Teil 13 , Teil 14 , Teil 15 , Teil 16 , Teil 17 ,
Teil 18 , Teil 19 , Teil 20 , Teil 21 , Teil 22 , Teil 23 , Teil 24 , Teil 25 ,
Teil 26 , Teil 27 , Teil 28 , Teil 29 , Teil 30 , Teil 31 , Teil 32 , Teil 33 ,
Teil 34 , Teil 35 , Teil 36 , Teil 37 , Teil 38 , Teil 39 , Teil 40 , Teil 41 ,
Teil 42 , Teil 43 , Teil 44 , Teil 45 , Teil 46 , Teil 47 , Teil 48 , Teil 49 ,
Teil 50 , Teil 51 , Teil 52 , Teil 53 , Teil 54
„Was ist los, Draco?
Merkst du überhaupt, dass ich da bin?“
Die ehrliche Antwort
wäre gewesen: Nein, mit keinem Gedanken,
Pansy. Natürlich hütete er sich vor dieser Aussage. Pansy konnte wirklich
widerlich werden. Außerdem gab sie sich sogar einigermaßen Mühe heute.
Er senkte den Blick
und betrachtete das schwarzhaarige Mädchen zwischen seinen Beinen. Ihre Hand
pumpte langsam an seiner Länge auf und ab, aber so ungern er es auch zugab -
nicht einmal Pansys Blowjob vermochte ihn abzulenken.
„Sicher, Parkinson, du
kleine Hure. Jetzt halt deinen verflucht heißen Mund, und bring deine süße Qual
zu Ende“, knurrte er und erhoffte sich wenigstens beim Kommen in ihren
erfahrenen Mund, für einen Moment abschalten zu können.
Seine Hüfte bockte
auf, und er fickte sie tiefer in ihren Mund. Er hörte sie würgen, und mit
grimmiger Befriedigung genoss er ihre Enge, spürte ihren Gaumen an seiner
Spitze, und mit geschlossenen Augen spritzte er schließlich dicke Fäden in
ihren Mund. Beinahe gierig schluckte sie jeden Tropfen und stöhnte sogar, als
ob es ihr mehr als gefallen würde, sein Ejakulat zu schlucken.
Er bezweifelte, dass
es heute besonders gut schmecken würde, denn seine Mahlzeiten bestanden seit
zwei Wochen aus Alkohol und noch mehr Alkohol.
So. Zwei Sekunden lang
war er abgelenkt gewesen. Großartig.
„Hat es dir
gefallen?“, fragte sie während sie sich auf seine Knie lehnte, und er ruckte
unwirsch mit dem Kopf. Pansy gab die besten Blowjobs
dieser Schule. Er musste es wissen. Und sie wusste es auch.
„Perfekt“, sagte er
schlicht. Das war es auch gewesen. Nur hatte er es wahrscheinlich schon einmal
zu oft von ihr verlangt. Oder er war einfach über sie hinweg. Oder wenigstens
über das Verlangen, sie zu besinnungslos zu vögeln und ihr seinen Schwanz in
den Mund zu stoßen.
„Und was machen wir
jetzt?“
Er wusste, Pansy
wollte Sex. Aber seine Laune schwebte gefährlich nahe über dem ihm bekannten
Abgrund, und würde er sich gehen lassen und Pansy anschreien, würde es Tage,
wenn nicht Wochen dauern, bis sie ihm verzieh, und er war sich nicht sicher, ob
er bis dahin einen passablen Fick bekommen konnte.
Natürlich wusste er,
dass er kompensierte. Denn eigentlich war Sex das allerletzte, was er im Moment
brauchte. Aber vor zwei Wochen hatte der Sex einen so bitteren Nachgeschmack in
seinem Mund hinterlassen, dass sein Körper ihm keine andere Wahl ließ, als sich
jeden Tag abzulenken.
Die letzte Woche war
nur Pansy in die Ehre gekommen seinen Schwanz zu verwöhnen, aber die Woche
davor hatte er wahrscheinlich seinem Titel als Prinzen von Slytherin alle Ehre
gemacht.
Aber dummerweise war
ihm nur ein einziges Mal davon in Erinnerung geblieben. Nur eins. Und seitdem versuchte
er es zu zerstören, versuchte die Erinnerung einfach wegzuvögeln.
Es war unmöglich. Und er hatte keine Ahnung, warum.
Ach nein?
Er fluchte
unbeherrscht, denn schon wieder drangen die Erinnerungen an die Oberfläche, und
er umfing Pansys Schultern grob, riss sie nach oben und küsste sie so hart,
dass er spürte, wie ihre Unterlippe aufplatzte.
Sie stöhnte laut in
seinen Mund, und er schmeckte sich selbst, vermischt mit ihrem Blut.
Widerliches Zeug, diese Wichse, dachte er noch grimmig, ehe er ihren Rock
achtlos ihre Beine hinunter riss und sie zwang ihn so hart zu reiten, dass
seine Augen in die Höhlen rollten. Wieder hatte er einen Moment Ruhe vor den
Bildern, die ihm seit zwei Wochen den Schlaf raubten.
~*~
Ron gähnte so
herzhaft, dass sie angewidert den Mund verzog. Mit der Zungenspitze zwischen
den Zähnen unterstrich sie gerade einen halben Absatz in ihrem Zauberkunstbuch.
Sie musste noch einiges bis zum Abend schaffen.
Nicht zu vergessen,
dass sie morgen in der ersten Stunde ein Treffen einberufen hatte. Die
Vertrauensschüler, die nach den jetzigen Schulsprechern selber Schulsprecher
werden würden, mussten bereits die ersten Anweisungen erhalten.
In zwei Monaten war
ihr letztes Schuljahr vorbei, aber das bedeutete nicht, dass es für andere ebenfalls
zutraf.
Sie persönlich hoffte
ja, dass Ginny nächstes Jahr Schulsprecherin werden würde. Aber wahrscheinlich
war Ginny schon zu oft in Schwierigkeiten geraten. Hermine war sich sicher,
dass Dumbledore das nicht so eng sehen würde, aber McGonagall
bestimmt schon. Hermine selbst hatten nur ihre guten Noten dazu verholfen,
Schulsprecherin zu werden. Jedenfalls bei McGonagall.
„Muss ich da morgen
hin?“, fragte er so genervt, dass sie die Augen verdrehte.
„Ja, Ronald“, erwiderte sie knapp.
„Aber ich kann doch
gar kein Schulsprecher mehr werden. Also, ist es so wichtig?“
„Alle anderen kommen,
auch wenn sie nicht Schulsprecher werden können, Ron. Ich bitte dich, stell
dich nicht so an. Es ist eine Stunde.“
„Ja. Eine Stunde, in
der Malfoy wieder alles und jeden fertig machen wird“, knurrte er so leise,
dass sie sich anstrengen musste, ihn zu verstehen.
„Hör jetzt damit auf. Sei nicht immer so faul.“
„Faul?“, entrüstete
sich dieser jetzt und lachte hart auf. „Hermine, seit sieben Monaten lernen wir
nach deinen Plänen. Wir tun gar nichts anderes mehr. Quidditch
wurde auf Platz zwei verdrängt.“
„Weil euer Abschluss
auch wichtiger ist, zum Teufel noch mal. Wenn es so eine Qual für dich ist,
dann lass es doch einfach, Ron. Ich will dich bestimmt nicht dazu zwingen,
einen guten Abschluss zu machen. Dann werd doch
Tellerwäscher in den Drei Besen. Dann könntest du Rosmertas
Brüste immerhin den ganzen Tag lang anstarren.“
Ron fixierte sie
zornig, erhob sich und verschwand. Nicht ohne sein Zauberkunstbuch in hohen
Bogen gegen die Wand zu werfen.
„Und das war jetzt nötig, weil…?“ Harry sah sie mahnend an, und sie wusste, sie
hatte vielleicht etwas überreagiert.
„Weil er nicht
einsieht, dass ich ihm nur helfen will“, knurrte sie gereizt und senkte den Blick
wieder auf den frisch markierten Absatz.
„Ist dir aufgefallen,
dass du im Moment ein wenig…“, er schien nach den richtigen Worten zu suchen,
und sie spürte bereits die Wut aufkochen, „…gereizt bist?“, beendete er den
Satz vorsichtig, und sie seufzte schwer.
„Ja,
verständlicherweise, Harry. Ich bin Schulsprecherin und habe eine Menge
Aufgaben zu erledigen. Außerdem schreiben wir in ein paar Tagen die letzten
Prüfungen. Ich weigere mich, so faul zu sein wie Ron.“
„Ich weiß, es ist
stressig, Hermine, aber… du schreist uns ziemlich viel an.“ Am liebsten hätte
sie ihn von der Couch geschubst. Sie schrie überhaupt nicht viel. Nur wenn sie
wieder einmal etwas nicht richtig verstanden. Gut. Vielleicht war sie im
Moment… etwas… nervös. Aber das hatte auch gute Gründe. Verflucht gute Gründe.
Sie schloss die Augen.
„Es tut mir leid,
Harry“, murmelte sie schließlich.
„Schon gut“, sagte
dieser offensichtlich froh darüber, dass sie nicht schon wieder geschrieen hatte. Mürrisch begann er weiter Texte zu
lernen, die sie als notwendig rausgesucht hatte.
Im Moment schwieg sie
lieber, als dass sie mit ihren Freunden redete. Denn auch wenn der Abend schon
zwei Wochen her war, steckte die grauenhafte Abschlussparty noch tief in ihren Knochen.
Zu ihrem Glück waren alle aus ihrem Jahrgang an dem Abend selber zu verstrickt
in ihr eigenes Leben gewesen, dass sie ihr keinerlei Beachtung geschenkt
hatten.
Zum Glück hatte es
niemand mitbekommen. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen, und wenn sie
nicht mehr daran denken würde, könnte sie sogar so tun als wäre es niemals
passiert.
Dieser Gedanke hielt
sie über Wasser, und dieser Gedanke ließ sie mehr lernen als in den ganzen
sechs Jahren zuvor.
Niemals wieder würde
sie sich von Harry überreden lassen, Feuerwhiskey zu probieren. Niemals,
niemals wieder.
Grimmig las sie einen
weiteren Absatz über die passende Schwungbewegung des Zauberstabs. Stoisch
markierte sie auch diesen und versuchte, sich jeden Wortlaut genau einzuprägen.
Das war ihre Therapie.
Es war auch die
einzige Therapie, die ihr zur Verfügung stand. Aber dennoch schien sie kläglich
zu scheitern, denn immer noch schweiften ihre Gedanken regelmäßig ab.
Sie hätte niemals
erwartete, dass eine so dunkle Seite in ihr schlummerte. Niemals hätte sie das
erwartet. Unter gar keinen Umständen. Und jetzt musste sie damit fertig werden,
ohne Harry und Ron etwas erzählen zu können.
Oh ja, würde sie es
Harry erzählen, würde er wahnsinnig begeistert sein. Nein. Sie behielt das
Geheimnis für sich. Es hatte keine Folgen gehabt. Wieder kam ihr die Metapher
in den Sinn…
Wenn ein Baum im Wald
fiel, ohne dass es jemand bemerkte, machte er dann ein Geräusch?
Ihr Verstand sagte,
ja, sicher tat er das. Auch wenn es niemand gesehen hat, wusste zumindest der
Baum, dass er gefallen ist. Das Ausmaß wäre in diesem Fall einfach nur kleiner,
denn der Baum war allein.
Das war auch ihr
einziger Vorteil.
Sie war allein
gewesen.
Abgesehen von ihm,
aber sie war der Baum, und niemand hatte sie fallen gesehen.
Damit konnte sie
leben.
Damit würde sie leben
müssen.
- two weeks earlier –
„Oh, Gott – nein!“
Hermine wandte sich um
und pustete sich die widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. „Die Farben der
Banner passen nicht zu den Tischdecken. Wir hatten das doch abgestimmt!“ Hannah
Abbott schien kurz vor einem manischen Schock zu stehen, und Hermine wusste
nicht genau, ob es nun hilfreich war, sich ebenfalls aufzuregen oder das ganze als nichtig abzutun.
„Hannah, keiner wird
es bemerken. Ich meine, wir dimmen die Lichter, und dann sieht es aus wie
dieselbe Farbe.“ Hermine hatte sich für die logische Schiene entschieden.
„Ja aber… es sieht so
aus als wären wir farbenblind, Hermine!“, kreischte das Mädchen jetzt, aber
Hermine hatte wirklich andere Sorgen. Als Schulsprecherin musste sie gleich vor
versammelter Stufe ein paar Worte sprechen. Als die Entscheidung kam, ob der
Schulsprecher oder die Schulsprecherin diese Rede halten sollte, hatte Hermine
sich bereits vorbereitet und einen großen Teil bereits verfasst, denn sobald es
um freiwillige Aufgaben ging, war Draco Malfoy schneller verschwunden als man
das Wort Mistkerl überhaupt zu Ende
denken konnte.
„Hannah, bitte reg
dich ab und sag den Hauselfen bescheid, dass wir doch
nicht später anfangen.“
Hannah verschwand
händeringend, und Hermine ging im Kopf noch einmal ihre Stichpunkte durch. Das
würde furchtbar werden. Niemand würde zuhören.
„Na, aufgeregt?“ Harry
grinste ihr entgegen, und Hermine nickte nur knapp.
„Ja. Sehr.“
„Das wird alles super
werden. Du hast es über einen Monat lang geplant.“
„Na ja, aber jetzt ist
der Moment da, wo alles klappen muss, und das wird es nicht.“ Sie wusste, sie
wurde jedes Mal nervös, wenn etwas Großes bevorstand. Eine Prüfung, ein Kampf,
was auch immer ihnen eben in die Quere kam.
„Hermine, du bist der beeindruckenste Mensch dieser
Welt. Du könntest eine Herde wilder Trolle Tischmanieren beibringen, wenn du es
müsstest. Sogar unter Zeitdruck.“ Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. Auch Ron
kam in das riesige Klassenzimmer, wo sie Verteidigung hatten, das Professor
Brown ihnen dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hatte.
Brown war ein
ehemaliger Auror und Harry und Ron verbrachten ihre
meiste Zeit bei ihm, denn er erzählte immer nervenaufreibende Geschichten.
„Alles klar?“, kaute
er grinsend, und Hermine konnte nur vermuten, dass ein armer Hauself ihm in die Arme gelaufen war.
„Ronald! Wir essen in einer Viertelstunde. Kannst du dich nicht einmal gedulden?“
„Ich habe deine Rede
jetzt mindestens schon fünfmal gehört, Hermine. Ich darf doch wohl nebenbei was
essen, oder gibt es dafür auch Punkteabzug?“, murrte er, aber seine
Aufmerksamkeit galt bereits dem kleinen Soufflee-Törtchen in seiner Hand.
Sie beschloss, Ron zu
ignorieren und sich nicht aufzuregen. Dumbledore lugte durch einen Spalt der
Tür, um ihnen mitzuteilen, dass die Leute langsam ungeduldig wurden, und
Hermine nickte schließlich.
Sämtliche Schüler
ihres Jahrgangs quetschten sich durch die Türen, und vielleicht hätten sie doch
Dumbledores Angebot annehmen und in der Großen Halle decken sollen. Aber es war
nur für ihren Jahrgang geplant. Alles sehr kompliziert. Hermine entdeckte
Hannah aus den Augenwinkeln. Sie hatte verweinte Augen, und hastig dimmte
Hermine mit ihrem Zauberstab die Lichter und wechselte auf reine
Kerzenbeleuchtung.
Knapp vierzig Leute
starrten sie erwartend an.
Sie räusperte sich.
„Als Schulsprecherin
heiße ich euch herzlich zu unserer Abschlussparty willkommen und möchte ein paar
Worte an euch richten.“
Die vier Hauslehrer
standen etwas abseits und Dumbledore tat es tatsächlich Ron gleich und aß
bereits ein Törtchen. Hermine hätte zu gerne die Augen verdreht, bevor sie auf
das kleine Podest kletterte, von dem Neville versprochen hatte, dass es für die
Ewigkeit gebaut war.
Sie hatte selber noch
ein Klebefluch auf das Ding gehext. Nur zur Sicherheit….
„In den letzten sechs
Jahren haben wir hier viel erlebt. Für mich war es die größte Ehre hierher
kommen zu dürfen. Als Kind von Muggeln ist die
magische Welt für mich noch viel faszinierender gewesen, und sie hört niemals
auf es zu sein.
So viel gibt es für
mich noch zu entdecken, und ich kann es kaum erwarten, meinen weiteren Weg
außerhalb Hogwarts zu gehen. Dennoch wird es schwer
werden, Hogwarts zu verlassen. Ich weiß, ich spreche
für uns alle, wenn ich sage, dass Professor Dumbledore uns unsere beste Zeit
geschenkt hat.
Die Schule mit den
Lehrern, Hauselfen, sprechenden Portraits, singenden Rüstungen, Hausgeistern,
dem Krankenflügel, dem weiten Gelände, der Eulerei
und vielen anderen fantastischen Wundern wird uns ganz bestimmt mit jedem
weiteren Tag fehlen.
Allerdings ist es noch
nicht ganz vorbei. Die Prüfungen kommen noch, und es folgen noch ganz andere
Prüfungen, denen wir uns stellen müssen.“ Sie hielt kurz inne, und ihr Blick
ruhte auf Harry. Nur kurz. „Dinge, die wir für uns entscheiden müssen und erst
am Ende sehen, ob es dir richtige Entscheidung war.“
Alles war still.
„Aber für jetzt sage ich:
Willkommen zu unserer Feier, und die Schulsprecher und Vertrauensschüler
wünschen euch viel Spaß!“
Applaus brandete auf.
Nicht aus allen Ecken, aber sie war froh, dass sie ihre kleine Ansprache ohne
Unterbrechungen hatte beenden können. Dumbledore lächelte, sowie auch Harry und
Ron. Und das reichte ihr vollkommen aus.
~*~
Sie könnte jetzt
sterben und das Leben wäre immer noch schön gewesen. Sie würde nie wieder etwas
essen können. Niemals wieder. Sie hatte es übertrieben. Aber sie war gar nichts
im Vergleich zu Ron, der den Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte.
Dean hatte bereits
seine Anlage aufgebaut und es lief Green Day, wobei sie sich aber nicht ganz
sicher war. Hannah weinte nicht mehr. Sie trank seit einer Stunde mit Seamus um
die Wette, und es liefen bereits andere Wetten, bei denen Hannah und Seamus
noch vor Mitternacht in der Kiste landen würden. Hermine enthielt sich dabei,
aber sie konnte es sich durchaus vorstellen.
„Hermine, ich habe
Seamus etwas Feuerwhiskey abgenommen. Also, auf uns.“ Harry füllte zwei Gläser
und Hermine nahm ihres seufzend in die Hand. Gut, dass die Hauslehrer schon
gegangen waren. Die Schulsprecherin beim illegalen Saufen entdeckt. Das wäre
einfach nur… fantastisch.
Er stellte auch ein
Glas vor Ron, aber Hermine bezweifelte, dass dieser sich noch einmal erheben
würde.
Sie prostete Harry zu
und sie kippten sich das scharfe Zeug komplett in den Hals. Es brannte wie
Feuer, und Hermine wusste, sie würde bestimmt nicht noch ein Glas trinken, aber
mit Begeisterung goss Harry bereits zum zweiten Mal ein.
„Fabelhaftes Zeug,
oder?“ Hermine seufzte und tat ihrem Freund diesen Gefallen. Sie war noch nie
betrunken gewesen und nahm nicht an, dass zwei, drei Gläser Feuerwhiskey ihr
wirklich schaden konnten.
Oh, wie sehr sie sich
doch irrte.
~*~
„Du bist meine beste
Freundin!“, versprach ihr Harry jetzt zum zwölften Mal und Hermine nickte.
„Du auch.“
Harry lachte. Sie
ebenfalls.
Gott, Feuerwhiskey war
ein herrliches Getränk. Sie hätte nicht gedacht, wie einfach die Welt sein
konnte.
„Können wir endlich
diesen Muggel-Schwachsinn ausmachen?“ Natürlich. Es
verging kein Tag an dem er nicht seinen Unmut kundtat. Der Prinz von Slytherin,
der tägliche Dorn in ihrem Auge. Seit sieben Jahren.
„Malfoy, reg dich ab.“
Sie hatte sich
schwankend erhoben. Dean stand mutig wie zehn Männer vor seiner Anlage, bereit
sie bis aufs Blut zu verteidigen. „Ist hier irgendwer Malfoys
Meinung?“, fragte sie laut und wusste, sie lallte schrecklich. Drei Stimmen
fingen an sich ebenfalls zu beschweren. „Außer Vincent, Gregory und Pansy?“,
fügte sie genervt hinzu und niemand reagierte. „Gut.“
Mit dem Schlenker
ihres Zauberstabs spielte die Musik weiter.
„Wie nett, Granger.
Betrunken bist du also auch unausstehlich.“
„Ha ha“, war alles, was Hermine dagegen sagen konnte. Sie
merkte, sie war nicht wirklich eloquent, wenn sie betrunken war. Ja, Mist, sie
war betrunken. Sie würde Harry umbringen.
Wo war Harry
überhaupt?
Oh nein. Bei Hannah.
Ginny würde begeistert sein.
Sie waren zwar immer
noch nicht zusammen, aber eigentlich hatte Hermine heimlich damit gerechnet,
dass Harry sich heute zu Ginny schleichen würde. Anscheinend lag sie damit
falsch. „Versuch doch einfach mal, kein Arschloch zu sein, Malfoy.“
Oh je… Sie sagte auch
noch, was sie dachte. Er musterte sie mit tiefem Abscheu und wandte sich ab.
„Ja, oder am besten ihr verschwindet alle“, ergänzte sie mit einem dankbaren
Nicken. Er hielt inne.
„Ich bin
Schulsprecher, Granger. Es ist auch meine Party“, informierte er sie mit
ätzender Stimme.
„Für die du keinen
Finger krumm gemacht hast, Malfoy“, erinnerte sie ihn, in genauso ätzendem
Tonfall und verstand sich selber kaum noch. Großer Gott. Aber es würde ihr erst
morgen peinlich sein. Immerhin etwas.
„Es interessiert mich nicht, was du
denkst“, entgegnete er kühl, und sie ruckte unverbindlich mit dem Kopf.
„Schön. Dann verpiss dich doch einfach,
und versau uns allen nicht die Stimmung mit deiner scheiß Laune, wie wäre das?“
Der Gryffindor-Mut mit der Gryffindor-Leichtsinnigkeit
gepaart waren in betrunkener Relevanz zueinander anscheinend eine gefährliche
Mischung. Sie sah das immerhin noch ein und umklammerte ihren Zauberstab
fester. Auch wenn sie vermutete, dass sie außer Lumos und Nox nicht mehr viel zustande
bringen würde. Verflixter Alkohol.
Er bedachte sie mit einem abschätzenden
Blick und verschwand ohne ein weiteres Wort. Ha! Es war ein Triumph, der sie
dazu bewegte mit Parvati noch einen ganz winzig
kleinen Feuerwhiskey zu trinken.
Wütend drehte er den Zauberstab
zwischen seinen Fingern. Zornig auf das blöde Schlammblut, was in ihrer
gottverfluchten Rede auf alle Todesser dieser Welt ihren scheiß Zeigefinger
gerichtet hatte und völlig ohne Worte Potter als verfluchten Helden hingestellt
hatte!
Gott, sie regte ihn auf.
Jeden Tag.
Jede ihrer Entscheidungen schien nur
dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen. Granger war überhaupt nicht echt. Gerade
eben vielleicht. Unter Alkoholeinfluss.
Er war zwar selber nicht mehr nüchtern,
aber nüchtern genug, um wütend zu sein.
„Hier steckst du. Gregory und ich
wollen gehen. Hier ist es furchtbar langweilig. Im Gemeinschaftsraum planen wir
unsere eigene kleine Feier.“ Pansy klimperte mit ihren magisch verlängerten
Wimpern, und Draco konnte sich denken, wohin diese Party führen würde.
Er würde Sex mit Pansy haben und sich
wünschen, das verfluchte Jahr wäre endlich vorbei. Aber wahrscheinlich wäre das
immer noch besser als hier auf der Sankt Potter Party festzusitzen.
Er erhob sich von dem Lehrerpult und
folgte Pansy, ohne etwas zu sagen. Er sah bereits die Vorfreude in ihren Augen
blitzen. Sicher hatte er Lust auf Sex, aber Pansy war für ihn zu einer
Gewohnheit geworden. Keine Herausforderung mehr. Außerdem wusste er, er brach Goyle damit sein kleines, dummes Herz. Nicht, dass es ihn
störte.
Ganz und gar nicht.
Sein Blick glitt den Gang entlang. Auch
hier hing überall die langweilige Deko, für die Granger die gesamten
Vertrauensschüler zwei Monate gequält hatte. Es sah nicht einmal besonders gut
aus, überlegte er grimmig.
Aus den Augenwinkeln sah er sie lachen.
Sie hielt ein halbvolles Glas Whiskey in ihrer Hand und bot eine amüsante
Erscheinung. Ihre Wangen waren gerötet, und zum ersten Mal missachtete sie
wahrscheinlich ein Dutzend ihrer heiligen Schulsprecherregeln.
„Was ist, Malfoy? Verschwindest du
endlich?“ Potter rempelte ihn unsanft an, Hannah Abbott in seinem Arm, die
kleine Schlampe. Natürlich würde sie gerne mit Potter ins Bett, unübersehbar.
Es widerte ihn an.
„Halt dein verfluchtes Maul, Potter,
und verbring dein erstes Mal auf Professor Browns Schreibtisch, mit der Hufflepuffschlampe.“ Hannah riss die Augen weit auf und
starrte Draco an. Oh ja. Er wusste Bescheid. Es war faszinierend wie rot Abbott
werden konnte. Er hätte Potter noch sagen können, dass sie beim Blasen nicht
besonders talentiert war, aber er verkniff sich das. Wie hieß es? Der Gentleman
genießt und schweigt…?
„Das hast du nicht umsonst gesagt!“
Potter holte bereits seinen Zauberstab aus dem Umhang, aber Draco bezweifelte,
dass er noch zielen konnte.
„Draco, komm, lass uns einfach
verschwinden. Ich habe keine Lust mehr auf dieses Pack“, knurrte Pansy gereizt,
und er seufzte knapp.
„Was soll das werden? Malfoy, wieso
gehst du nicht endlich?“
Es machte ihn wahnsinnig, dass sie ihn
ständig zwingen wollte, zu gehen. Er würde gehen! Er wollte gehen! Aber nicht,
wenn sie ihn dazu zwang! Er ging, wenn er es für richtig befand!
„Granger, wie wäre es, wenn du Potter mitnehmen würdest, bevor er sich selber
noch weh tut, und mich verflucht noch mal in Ruhe lässt?“, erwiderte er,
während er ihre Worte ignorierte. Pansy umfasste hart seinen Unterarm, aber er
riss sich los. „Oder noch besser, wieso verschwindest du nicht einfach? Ich denke, dein
Gesicht will hier auch niemand mehr sehen!“
Ihr Mund öffnete sich, und er genoss
es, dass ihre Schlagfertigkeit irgendwo tief im Alkohol verschwunden war.
„Ich bin unten. Komm, wenn du fertig
bist, dich mit diesen Kindern zu streiten, Draco.“ Er wusste, Pansy war wütend,
und vielleicht würde er nun gar keinen Sex mehr bekommen. Großartig. Scheiß
Granger, Miststück.
„Harry, komm, wir lassen ihn alleine.“
Es hatte etwas für sich, zu sehen, wie
er Grangers Gefühle verletzt hatte. Potter schien
mehr als erleichtert, sich nicht duellieren zu müssen und ließ sich von den
beiden Mädchen wegführen. Draco schloss die Augen. Eigentlich wusste er nicht,
warum sich ständig alle mit ihm anlegen mussten. Seit zwei Monaten hatte er
nicht einmal mehr Punkte abgezogen!
Hogwarts
hing ihm zum Hals raus und egal, was Granger in ihrer kleinen Rede auch gesagt
haben mochte, er würde Hogwarts bestimmt nicht
besonders vermissen. Es war ein ständiger Kampf. Unsanft wurde er am Kragen
gepackt und in das nächste Klassenzimmer gezogen, ehe er seine Gedanken
abschließen konnte.
Seine Lider flogen auf und seine Stirn
legte sich in Falten. „Was? Warst du noch nicht fertig, Granger?“ Sie war
wütend. Mindestens genauso wütend wie er, aber aus anderen Gründen, wie es
schien.
„Wieso musst du immer so sein?“, fuhr
sie ihn tatsächlich an.
„Was? Wieso lässt du mich nicht in
Ruhe?“, erwiderte er sofort.
„Alle haben Spaß. Alle, außer dir.
Kannst du nicht einen Tag lang deine scheiß Laune vergessen? Kannst du nicht für
einen Abend nicht Draco Malfoy sein, der allen anderen die Stimmung kaputt
machen muss? Ich habe es so satt!“
„Kein Problem, Granger“, gab er zornig
zurück. „Dann sei du einen Abend lang keine Nervensäge. Oder kein Schlammblut,
oder nicht Potters kleiner Beschützer, oder… keine dumme Besserwisserin, die
ihre kleine Ansprache nur darauf angelegt hat, alle anderen Menschen zu
verabscheuen, die nicht in ihrem eigenen Haus sind!“
„Du bist so ein Idiot! Ich weiß nicht,
was dich dafür qualifiziert, Schulsprecher zu sein, wirklich nicht.“
„Oh, wie schade. Tut mir so leid, dass
du so wahnsinnig unglücklich bist. Aber die Welt ist kein Muggel-Wunderland,
Granger. Nicht alles ist immer perfekt für dich gemacht.“
„Als ob ich es darauf anlegen würde!
Wieso machst du immer alles schlecht? Wieso muss immer alles eine Qual sein?
Wieso musst du genauso sein wie dein gottverfluchter Vater, Malfoy?“
Das saß. Das tat es tatsächlich. Und
was wusste sie schon?! Miststück.
„Halt deinen schmutzigen Mund, Granger.
Du hast keine Ahnung, und es geht dich nichts an.“ Wieso mischte sie sich immer
in seine Angelegenheiten? Wieso musste sie ständig die Welt verbessern? Sie
konnte es nicht mal. Sie war nicht mal in der Lage dazu!
„Bitte, du kriegst deine verfluchte
Chance, zu beweisen, dass du nicht nur ein böser, arroganter Mistkerl bist, der
alle anderen Menschen für unter seine Würde hält, aber du bleibst lieber
dasselbe Arschloch!“ Sie erklärte das völlig sachlich, wie eine Abhandlung in
Verwandlung. Wo war der Einfluss des Alkohols in ihren Worten? Oder verwandelte
sich der sofort in Mut?
„Ich brauche keine verdammte Chance von
dir, Schlammblut. Was denkst du wer du bist?“
„Malfoy, was willst du eigentlich?“
„Hast du eigentlich eine Ahnung, wie
wenig es mich interessiert, was du von mir hältst? Du bist dir nicht im Klaren,
wie tief du unter mir stehst, Granger. Ich meine, sieh dich an.“ Er deutete auf
ihren Körper. Auf ihren verfluchten Schlammblutkörper. Sie dachte wirklich, sie
käme hierher und wäre in der Lage ihn zu ändern? Ihn zu… Potter zu machen?
Wegen einem blöden Fest, dass ihm absolut scheiß egal war?
„Du bist ein Mistkerl, Malfoy. Ich muss
verrückt gewesen sein, zu denken, dass du in der Lage wärst anders zu sein.“
„Ich brauche deine Fürsorge nicht,
Granger. Du bist nichts. Was willst du ausrichten? Denkst du, du kannst alles
mit gutem Willen ändern? Du bist ein Schlammblut!“, schrie er jetzt und kam
sich völlig lächerlich vor. Gott, wieso konnte sie ihn immer reizen? Wieso war
sie sein rotes Tuch, wenn sie doch wirklich nichts weiter war als das
verfluchte Schlammblut aus Gryffindor?
Sein betrunkener Kopf verweigerte ihm
die Antwort.
„Du bist so ein erbärmlicher,
verlogener Sohn eines Todessers. Du hast keine Ahnung, wo du hingehörst, oder? Ohne
deinen Daddy bist du hier völlig allein auf der schlechten Seite. Wie fühlt es
sich an, Malfoy? Wie fühlt es sich an, wenn man feststellt, dass man die ganze
Zeit auf der falschen Seite steht? Wie erträgst du nur das Leben bei dir
Zuhause? Hast du überhaupt irgendetwas, was zählt? Was willst du eigentlich
tun, wenn du hier fort musst? Ich wette, du liebst Hogwarts,
weil du hier nicht immer nur den Befehlen deines Vaters gehorchen musst, die
dich unweigerlich in die Hölle schicken.“
Ihre Wangen glühten, ihre Fäuste waren
geballt, und sie funkelte ihn aus zornigen, fast schwarzen Augen an. „ Du hasst mich? Weil ich klüger bin als du, oder weil ich ein
Schlammblut bin? Überlegst du dir die Gründe, während du andere Menschen quälst
oder stehen die im Todesserhandbuch?“
Die Sicherung knallte durch, und grob
stieß er sie gegen die Wand. Sie verzog vor Schmerz das Gesicht. Er griff um
ihren Nacken und krallte sich in ihre dunklen Locken, damit sie ihn auch ja
ansah.
Panik leuchtete in ihren Augen, und das
war gut so.
„Halt dein gottverdammtes Maul,
Granger! Halt deine dreckige Klappe.“ Er verstärkte den Griff in ihrem Nacken,
und sie wimmerte leise. Ja, sie sollte auch wimmern. Verfluchte Tränen sollte
sie vergießen. Sie war viel zu mutig für ein Schlammblut!
„Wag es nicht über Lucius zu sprechen,
und wag es ja dich lustig zu machen. Du weißt gar nichts, hörst du? Du bist
nichts in meinen Augen. Du hast Glück, dass ich dich nicht schon längst
geschlagen haben für die verfluchten Worte aus deinem schmutzigen Mund.“ Seine
Stimme bebte.
Das was ihn wirklich traf, war der
feine, winzig kleine, kaum zu erkennende Funken Wahrheit in ihren Worten. Und
dann sagte sie es.
„Schlag mich doch, Malfoy. Gib mir
einen Grund, dich endlich von dieser verdammten Schule werfen zu lassen!“
Ihre Worte waren mutiger als sie es
war. Er sah es. Er sah es sofort.
Sie bluffte.
Verfluchtes Schlammblut Granger.
„Du willst, dass ich dich schlage?“,
raunte er heiser in ihr Ohr, und ihr so nahe zu sein widerte ihn so sehr an,
dass seine Finger kribbelten. Sein Griff wurde noch härter, und sie schloss vor
Schmerz die Augen.
Sie schloss die Augen, ihre Zunge
schnellte unterbewusst aus ihrem Mund und befeuchtete ihre Lippen.
Für einen kurzen Moment stand die Welt
still. Er lockerte seinen Griff nicht, starrte ihr einfach nur in die dunklen
Augen, die sich langsam vor Schmerz mit Tränen füllten. Gott, sie war so stur,
so unverbesserlich und so unnachgiebig Gryffindor,
dass er kotzen könnte.
Sie hatte Unrecht. Ihre Worte waren
leere, hasserfüllte Worte eines Mädchens, die genau wusste, wie wenig sie wert
war. Wieso zum Teufel regte er sich dann so sehr auf? War es der Alkohol? Nein.
So viel hatte er nicht getrunken. Das war es nicht. War es die verfluchte
Wahrheit in ihren verfluchten Worten?
Als ob er nicht wusste, was Gut und was
Böse war! Die erste Träne löste sich schließlich aus ihrem Augenwinkel. Aber
immer noch tapfer blickte sie ihm entgegen. Sie wehrte sich nicht einmal gegen seinen
Griff. Sie wollte ihn tatsächlich herausfordern. Ihre Tränen machten ihn nur
noch wütender.
Oh ja! Die kleine Schlammblut Hure
sollte weinen! Er hatte die Macht über sie. Er würde sie zerbrechen, würde sie
komplett vernichten und sie wünschen lassen, dass sie diese dreckigen
verlogenen Worte über ihn niemals laut in sein Gesicht gesagt hätte!
„Tu es endlich. Oder bist du zu feige,
Malfoy?“
Es war ihm unerklärlich, woher er sie
diese Kühnheit nahm. Sie sprach immer noch. Der Griff musste sie schmerzen,
denn sie hatte sich unter seinem Gewicht, das sie gegen die Wand presste,
komplett versteift. Ihren Mut würde er ihr nehmen. Das war gewiss.
„Zu feige, wie dein Vater!“
Zu viel. Einfach viel zu viele Worte
aus ihrem Mund, die nicht einmal mehr Sinn ergaben.
Er hatte genau zwei Möglichkeiten. Er
würde sie schlagen, bis sie nur noch Blut spucken konnte und als kleines
Häufchen Dreck auf dem Boden lag.
Oder er würde das tun, was seine
plötzliche Erektion ihm riet.
Ihr Körper unter seinem. Seine Erektion
an ihrem Schenkel. Ihr heißer Atem auf seiner Wange. Ihre befeuchteten Lippen.
Ihre verfluchte Zunge, die immer noch wagte dreckige Worte zu formen, um ihn
fertig zu machen.
Der Funke sprang über. Hass verwandelte
sich plötzlich in unaufhaltbare Lust.
Er verschloss ihre Lippen mit seinem
Mund.
Haut an Haut.
Und dass sie ein Schlammblut war,
verstand gänzlich aus seinem Gedächtnis. Alles was zählte, waren ihre
wahnsinnig heißen Lippen. Immer noch hatte er ihre Haare fest in seinem Griff.
Sie konnte den Kopf nicht bewegen. Ihre Hände stemmten sich gegen seine Brust,
sie wand sich unter ihm, schrie gegen seine Lippen, aber er hielt sie mit
seinem Gewicht im Schach.
Sie war ihm ausgeliefert. Und es gefiel
ihm gut. Mehr als gut. Er brauchte es dringender als Luft zum Atmen. Seine
Erektion ließ ihn kaum klar denken.
Er saugte ihre Unterlippe in seinen
Mund, biss kurz zu, ließ sie wieder fahren. Seine andere Hand umschlang ihre
Hüfte und er presste sich enger an ihr Becken.
Und für einen Moment spürte er, wie sie
sich in den Kuss lehnte. Kurz. Zu kurz, als dass es wirklich passieren könnte.
Dennoch drang er mit der Zunge zwischen ihre Lippe und kostete ihren heißen
Geschmack. Sie keuchte auf – und ergab sich.
Großer
Gott! Das konnte nicht passieren! Das war völlig unmöglich!
Er zog sie enger an sich, wollte sie an
seinem Körper spüren. Ihre Hände lagen auf seiner Brust, und ihre Zunge
erwiderte den Druck seiner eigenen. Er krallte sich in ihre Hüfte und hörte sie
stöhnen.
Verfluchte
Scheiße! Das hatte er nicht
erwartet. Sie war so schmutzig, so versaut, so absolut… unglaublich perfekt!
Oh ja,
sie sollte stöhnen! Plötzlich ging es
nicht mehr darum, ihr zu beweisen, dass sie weit unter ihm stand. Nein. Er
wollte sie besitzen. Er musste sie haben.
Er presste seine Erektion gegen ihr
Becken und spürte wie der Druck gegen seine Brust stärker wurde. Seine Hand
schlang sich um ihren Nacken und fixierte ihren Kopf, damit er mit seiner Zunge
tiefer in ihren Mund eindringen konnte, um jeden Winkel zu erkunden.
Ihre Hände krallten sich in sein Hemd,
und sie presste sich an ihn. Gott, Granger presste sich an ihn! Alles was
zählte, war das weiche Mädchen in seinen Armen. Seine Küsse wurden leichter,
und nur unterbewusst nahm er wahr, dass sie sein Hemd aus seiner Hose zog. Ihre
warmen Finger berührten seine Haut, und augenblicklich rann ein Schauer seinen
Rücken hinab.
Eine Erkenntnis erschlug ihn in diesem
Moment.
Sie war zu betrunken, um zu merken, was
sie tat.
Aber er war zu gefangen, um aufzuhören.
Und er wollte sie unbedingt. Wusste der Teufel, warum!
Er wollte eigentlich ihre Hände
abfangen, aber schon glitten sie über seine haarlose Brust, krallten sich in
seine Haut, und er stöhnte gegen ihre geschwollenen Lippen.
„Gott… Granger…“, murmelte er
abwesend, und seine Hände rissen ihr die Bluse einfach vom Körper. Sein Kopf
schaltete sich ab jetzt aus. Es war nur noch ein Meer von Gefühlen, dass ihn
steuerte.
Irgendwie waren sie die Kleider
losgeworden.
Irgendwie waren sie von der Wand
weggekommen.
Sie küsste ihn.
Auf den Mund, auf den Hals, auf die
Brust, und niemals war er so erregt gewesen.
Was sie mit ihm anstellte, das war der
absolute Wahnsinn. Seine Haut brannte überall wo ihre Finger ihn berührt hatten.
Sie spreizte die Beine als er sie auf die Tischkante gehoben hatte. Sie passte
perfekt in seinen Körper, passte perfekt in seine Arme und schmolz unter seinen
Händen.
Ihre Haut war so weich, roch so
verführerisch gut. Seine Finger krallten sich in ihre Hüfte, und er presste sie
enger an sich. Er konnte kaum noch an sich halten, und seine Erektion drängte
erbarmungslos nach vorne. Er hätte zu gerne mehr Zeit auf das Vorspiel
verwendet, hätte sie zu gerne schon vorher zum Schreien gebracht und ihr gezeigt,
was es bedeutete mit Draco Malfoy Verkehr zu haben, aber alles war
nebensächlich in seinem Kopf.
Er wollte in ihr sein und stieß nach
vorne. Sie war eng. So unbeschreiblich eng, wie er es noch niemals erlebt
hatte.
Weil sie
Jungfrau ist, du gottverfluchter Idiot, scheiß Bastard.
Nein.
Er hob den Blick zu ihren Augen, verharrte in der Bewegung. Sie hatte sich auf
die Unterlippe gebissen und sah zu ihm auf, der Blick verschleiert mit Lust,
die Wangen gerötet, die Lippen geschwollen.
„Gott, ich… tut mir…“ Sein Verstand
spuckte nur sinnlose Wortfetzen aus. Sie schüttelte tapfer den Kopf. Die
dunklen Locken flogen über ihre Schulter, und ihre perfekten Brüste bogen sich
ihm entgegen. Er küsste eine heiße Spur ihren Hals hinab, und es kostete ihn
Selbstbeherrschung, sie nicht einfach zu ficken. Diese heiße Enge um seinen
Schwanz vollkommen auszukosten. Langsam bewegte er sich, und sie krallte sich
in seine Haare.
Sie stöhnte vor Schmerz und Lust, und
er wagte den letzten tiefen Stoß.
Er konnte nicht mehr. Gott, es war
perfekt. Er warf sie mit seinem Gewicht um, lag nun ebenfalls auf dem Tisch und
begann tiefer in sie zu dringen. Härter und härter presste er ihren Körper
gegen die Platte, und sie schrie tatsächlich seinen Namen.
Seine Hände strichen über ihren
gesamten Körper, umfassten schließlich ihren Po, und er rammte sich ein letztes
Mal tief in sie, bevor er sich stöhnend in sie ergoss.
Gott,
ja! Verfluchte scheiße, ja!!!!
„Fuck…
das Beste… fuck, Granger…“ Worte waren unwichtig. Sie atmete schwer unter
ihm, und er küsste ihren Mund. Ihre süßen, fantastischen Mund.
Diese ganze Sache hatte wahrscheinlich
nicht länger als zehn Minuten gedauert, auch wenn es ihm endlos viel länger
vorgekommen war. Langsam klärte sich ihr Blick.
Auf einmal war sie wieder Granger.
Granger, die Schulsprecherin.
Granger, die Prinzessin aus Gryffindor.
Potters Granger.
Granger, das Schlammblut.
Hastig wich er zurück. Sie setzte sich
schwankend auf, vollkommen nackt. Ihre großen Augen starrten ihn an. Sein Gewissen
erschlug ihn mit aller Macht. Er musste hier raus, musste verschwinden, durfte
nicht zulassen, dass er wieder und wieder darüber nachdachte, dass er so eben Granger auf einem Pult genommen hatte,
wahrscheinlich gegen ihren nüchternen Willen, dass er ihr tatsächlich ihre
Jungfräulichkeit geraubt hatte!
Verfluchte Scheiße. Fuck.
So schnell hatte er sich noch nie
angezogen. Voller Ekel und Verwirrung. Er hätte gerne noch irgendwas
Schlagfertiges gesagt. Aber er wusste nicht, was. Hätte sie gerne noch
beleidigt, aber wusste einfach nicht, wie. Er wollte nur noch weg.
So schnell wie möglich. Auch wenn er
wusste, dass dieser Abgang nicht nur untypisch sondern auch absolut feige war.
Für ihn zumindest.
Sie hatte den Blick gesenkt, und obwohl
er sie nicht ansah, sah er ihre gottverdammten Tränen. Scheiße.
Er verschwand ohne Worte und ließ sie
nackt zurück. Er wusste, er war schlicht und einfach panisch, aber diese Panik
übernahm im Moment die Oberhand.
„Also?
Was sollen wir noch besprechen?“
„Hermine?“
Sie
schreckte aus ihren Gedanken. Ihr war die ganze Woche schon nicht besonders gut
gewesen, und ihre Laune war am Boden. Außerdem hasste sie sich selber in seiner
Nähe und verwandelte sich in ein hirnloses, stotterndes Mädchen, obwohl er sie
nicht mal mir nur einem Blick bedachte.
„Wir…
werden heute nur noch über…“ Oh Gott, über was wollten sie eigentlich reden?
Die möglichen Schulsprecherkonstellationen und die ersten Vertrauensschüler hatten
sie schon durchgesprochen. Sie hatten auch für die letzten Wochen, die Termine
festgelegt, und eigentlich blieb ihr nichts mehr zu sagen.
„Ich
denke, wir sind fertig“, beendete Malfoy den Satz für sie, und sie mied
entschieden den Blick in seine Richtung. Diese Treffen waren die reinste Hölle
geworden. Ron verschränkte gelangweilt die Arme.
„Dann
können wir jetzt gehen?“
„Weil
du wieder vor Hunger stirbst, Weasley? Immerhin haben die Hauselfen wegen dir
den ganzen Tag was zu tun. Ich habe schon immer gesagt, dass sie zu viel
Freizeit haben.“ Ron verzog grimmig den Mund.
„Halt
die Klappe, Malfoy.“
„Oh,
wie eloquent.“
Anscheinend
hilfesuchend wandte sich Ron an sie, aber sie war mit ihren Gedanken schon
wieder woanders. Vielleicht hatte sie sich den Magen verdorben. Sie hatte in
den letzten Tagen viel mit Ron gegessen. Er hatte als Ausgleich für die Lernerei ein Fressfest veranstaltet. Etwas wozu sie
eigentlich niemals Lust hatte, aber ihr kam es als fairer Tausch vor.
„Dann
war’s das. Bis zum nächsten Mal.“ Etwas abwesend erhob sie sich, und Ron folgte
ihr meckernd.
„Du
hättest ruhig was zu meiner Verteidigung sagen können. Echt, Hermine!“ Sie
starrte ihn verwirrt an.
„Oh…
ich. Ja, entschuldige, Ronald.“ Das schien ihm nicht zu reichen.
„Ich
habe nicht immer Hunger. Ich weiß nicht, wieso er so etwas behaupten muss“,
murrte Ron den ganzen Weg zum Gemeinschaftsraum, und sie nickte ab und an.
In
zwei Tagen schrieben sie Verwandlung, und ihr Magen drehte sich schon bei dem
Gedanken daran um. Sie würde wahrscheinlich gar nichts zum Mittag essen. Erst
mal mussten sie sich sowieso noch durch Zauberkunst quälen. Aber immerhin
konnte sie für dieses Fach alle Formeln.
Ein
geringer Trost für ihren Selbsthass.
~*~
Die
Lehrer machten kaum noch Unterricht. Bei Flitwick
durften sie die ganzen zwei Stunden weiter lernen. Zum Mittagsessen ging sie
wirklich nicht, denn ihr Magen rebellierte schon allein bei dem Gedanken an
feste Nahrung. Sie beschloss im Gemeinschaftsraum zu lernen, denn jetzt war
absolut niemand da.
Anscheinend
hatten alle Hunger, abgesehen von ihr.
Übellaunig
lernte sie die nächsten Passagen von Verwandlung. Professor McGonagall
hatte ihnen klare Anweisungen gegeben. Das mochte Hermine am liebsten. Wenn sie
wusste, was sie können musste war es viel einfacher, zu lernen. Nicht, dass es
wirklich einfacher wurde, aber man sah irgendwann ein Ziel am dunklen, öden,
tristen Horizont.
Und
sie hatte ihr persönliches Ziel, Draco Malfoy in alle Prüfungen um mindestens
einen Punkt zu schlagen. Das brauchte ihr Ego nach dieser grauenhaften
Erfahrung, an die sie sich nicht mehr erinnerte. Ob er es konnte?
Es
waren alles nur verschwommene Bilder. Sie erinnerte sich aber noch gut genug an
den blinden Schmerz. Sie konnte eine taglang nicht
richtig sitzen wegen ihm. Wie hatte sie sich so gehen lassen können? Wie hatte
er es einfach tun können? Wie war es überhaupt so weit gekommen? Sie wusste
nur, sie hatten sich gestritten. Sie hatte sich furchtbar über ihn aufgeregt,
weil er immer ein Miesmacher war.
Und
plötzlich hatte er sie geküsst. Ihr Magen machte wieder einen Satz.
Es
lag nur am Alkohol. Und an seinem Aussehen. Gott, er war wirklich attraktiv.
Und der Alkohol hatte ihren Verstand einfach ausgeschaltet. Denn ihr Verstand
hätte ihr abgeraten, auch wenn er groß, blond und unwiderstehlich war.
Das
machte nämlich nicht den perfekten Mann aus. Und erst recht nicht den Mann, an
den man dann seine Unschuld verlor. Großer Gott… Unter Tränen hatte sie am
nächsten Tag das Rezept für den Verhütungstrank rausgesucht. Es hatte sie zwei
Anläufe gekostet, und sie hatte lieber die doppelte Menge geschluckt, bevor sie
irgendein Risiko einging.
Gott. Großer Gott,
Hermine.
Anscheinend
musste jedes Mädchen zumindest einmal mit Draco Malfoy geschlafen haben. Ob er
wusste, dass sie noch Jungfrau gewesen war? Hätte es ihn interessiert? Hatte er
dazu irgendwas gesagt? Sie wusste es nicht mehr. Aber es war eigentlich egal.
Denn als er fertig war, war er einfach abgehauen. Das wusste sie, denn sie
hatte nackt, alleine und völlig verheult auf dem blöden Tisch gesessen.
Es
war der größte Fehler in ihren sieben Jahren, und sie war mehr als froh, dass
das Schuljahr bald vorbei sein würde. Zu wissen, dass er im selben Gebäude war,
machte sie rasend vor Wut. Ihr Gewissen pochte gegen ihre Schläfen, und sie
konzentrierte sich stärker auf das riesige Pensum, was sie noch bewältigen
musste.
~*~
„Federn
zur Seite legen“, befahl McGonagalls Stimme knapp,
und in derselben Sekunde hatte er sein letztes Wort geschrieben. Er setzte den
Punkt und lehnte sich zurück. Sein Nacken schmerzte etwas. Er hatte sich in den
vier Stunden keine Pause gegönnt. „Auch Sie, Miss Granger. Feder zur Seite.“
Er
hob den Blick. Zwei Reihen vor ihm saß sie, die Haare wild zu allen Seiten und
legte erschöpft, aber anscheinend zufrieden die Feder beiseite. Ihre Wangen
waren gerötet, und seine Finger krallten sich in seinen Oberschenkel.
Nein. Nein, nein, nein.
Keine verfluchten scheiß Gedanken mehr an dieses dämliche Schlammblut. Reiß
dich wenigstens ein Mal zusammen. Nur einen Tag lang,
verstanden?
Neben
ihm geriet Longbottom in seine übliche Prüfungspanik,
und McGonagall dirigierte ihn direkt in den Krankenflügel,
um einen Beruhigungstrank einzunehmen. Der zweite in dieser Woche.
„Also,
ich erwarte gute Ergebnisse von Ihnen allen!“ Gut, dass er unter keinem
Erfolgsdruck stand. Morgen dann Zaubertränke, danach Verteidigung gegen die
Dunklen Künste, Zauberkunst und Alte Runen als Zusatz. Er wusste, sie hatte die
gleiche Kombination belegt, und anscheinend setzte sie sich mit Absicht vor
ihn, denn sie schien wütend auf ihn zu sein, was er ihr nicht verdenken konnte.
McGonagall entließ sie schließlich als sie alle
Pergamentblätter mit einem Schlenker ihres Zauberstabs eingesammelt hatte, und
schon erreichte Pansy seinen Tisch. Er sah, dass Potter zu Granger ging, und
nur zu deutlich wurde ihm ihr und sein unterschiedliches soziales Umfeld
bewusst.
„Lass
uns raus. Das Wetter ist perfekt.“ Draco war aufgefallne,
dass sie schon vor einer halben Stunde aufgegeben
hatte zu schreiben. Aber bei Pansys Lebenswandel, war es ihm sowieso schon
undenkbar, dass sie es bis zu den Utzen geschafft
hatte.
„Sicher“,
gab er zurück, schwang sich seine Tasche über, und Crabbe und Goyle folgten ihnen untergeben, wie immer. Manchmal würde
er gerne in ihren Köpfen sitzen. Was hatten sie wohl zu Frage drei geschrieben?
Der Wandel der magischen Zaubererverbände zum Schutz
der Entdeckung und der veränderten demographischen Zielsetzung der letzten
zweihundert Jahre. Es war ihm absolut undenkbar, dass jeder überhaupt mehr als
seinen Namen auf das Blatt gebracht hatte.
„Was?“
Crabbe starrte ihn angrifflustig an. Zu lange still
sitzen bekam ihm nicht.
„Reg
dich ab, Vince. Es ist ja vorbei.“ Er wusste, beide legten es nur auf maximal
zwei Utze an. Er selber brauchte alle, um… Ja, um was
eigentlich? Er war sich noch nicht sicher, was er tun wollte. Natürlich wollte
er seine Zeit nicht als Todesser vergeuden, auch wenn er noch nicht wusste, wie
sein Vater dies auffassen würde. Voldemort stand kurz vor dem Fall. Draco
zweifelte keine Sekunde daran, dass Potter es schaffen würde. Wie auch immer.
Er
hatte bis hier hin überlebt, und das hieß schon einiges. Von ihm aus, war
Potter der scheiß Auserwählte. Sollte er Voldemort vernichten. Vielleicht
konnte er sich dann besser auf die Zukunft konzentrieren. Ins Ministerium? Sein
Name öffnete ihm viele Türen, aber viel Auswahl hatte er damit nicht. Seine
Laune sank.
„Sei
nicht so schlecht gelaunt. Lass uns schwimmen gehen!“ Pansys Augen leuchteten
dabei. Anscheinend plante sie bereits Sex im Wasser zu haben. Aber Draco
befürchtete, dass der dämliche Kraken ihm dann seinen
Penis abreißen würde. Nein, darauf konnte er verzichten.
Außerdem
ging das goldene Trio auch zum See. Das wäre ein hübsches Bild für Granger. Er
verzog den Mund. Schluss jetzt. Sex war schließlich nicht alles.
~*~
„Wie
lief es bei dir?“, fragte Harry während er sich grinsend an den Baumstamm
lehnte. Seamus und Dean sprangen bereits voll bekleidet in den See. Hermine
konnte nur ahnen, dass es den beiden absolut egal war, wie es gelaufen war,
sondern nur darum ging, dass es endlich vorbei war. Wenigstens die erste
Prüfung.
„Gut,
denke ich.“ Ihr Blick schweifte ab und sie betrachtete Pansy Parkinson, die ihm
blitzenden schwarzen Bikini ins das kühle Wasser stieg. Sie hoffte, dass der
Kraken sie verschlingen würde. Natürlich tat er es nicht.
„Armer
Neville. Immerhin bin ich nicht so arm dran, wie er“, murrte Ron. Er hatte zwei
Fragen missverstanden und befürchtete schon, dass er durchfallen würde. Hermine
konnte seine Sorgen im Moment nicht teilen. Ständig war sie mit ihren Gedanken
woanders.
„Jaah. Na ja, warten wir erstmal Zaubertränke ab. Es laufen
schon Wetten, dass Neville nicht mal die erste Minute übersteht.“ Ron lachte
auf. Hermine lächelte halbherzig, denn sie hatte auch schon Bammel vor Snapes Aufgaben. Snape sagte ihnen nämlich nicht, was sie
lernen sollten. Er setzte den gesamten Stoff voraus, und dann hatten sich
entweder Glück oder Pech mit dem, was sie gelernt hatten.
Sie
ahnte, dass Neville bei dem Wetter drinnen bleiben und alle Rezepte der letzten
sieben Jahre auswendig lernen würde. Erfolglos.
Sie
legte sich flach auf den Rasen und genoss die warme Sonne. Ihr Magen rumorte.
Jetzt allerdings vor Hunger. Sie war froh, gleich richtig zuschlagen zu können.
Anscheinend hatte sie wirklich bloß Angst vor der Prüfung gehabt. Sie rechnete
bereits mit ihrem ersten Ohnegleichen….
~*~
„Bitte
fangen Sie an. In exakt vier Stunden legen Sie die Zauberstäbe zur Seite,
füllen einen Flakon Ihrer Tränke ab und versehen sie mit Ihrem Namen.“
Snape
wünschte keinem Glück oder Erfolg, munterte sie nicht auf und bot auch keine
Hilfe bei Ausnahmefällen an. Neville stand der Angstschweiß bereits auf der
Stirn. Mit einem Knall seines Zauberstabs erschienen die Aufgaben an der Tafel,
und Hermine begann augenblicklich. Sie hatte bereits alles durchgelesen, und
wusste, der Haupttrank musste exakt dreieinhalb Stunden ziehen. Sie würde alle
Zeit brauchen, um dabei volle Punkte zu bekommen.
Sie
hatte nichts anderes von Malfoy erwartet. In Zaubertränke standen sie seit zwei
Jahren genau gleich. Er hatte auch erfasst, wie lange er brauchen würde,
während alle anderen noch die Zeilen an der Tafel studierten. Sie griffen
hastig nach denselben Zutaten aus dem Vorratsschrank und ignorierten sich
beide.
„Viel
Glück, Granger“, murmelte er ohne sie anzusehen, und sie war so überrascht über
seine Worte, ob nun aufrichtig gemeint, oder auch nicht, dass sie gar nichts
sagen konnte. Schon war er wieder zu seinem Platz gerauscht und sie zwang sich
zur Ruhe. Sie musste den Trank zu Ende bringen, dann konnte sie sich wundern.
Sie
baute alles vor sich auf. Der erste Trank diente zur eigentlichen Ablenkung,
denn er bot bereits die Zutaten, die sie benötigten, und der Haupttrank musste
rein aus dem Gedächtnis gebraut werden. Auch Harry versuchte sich neben ihr an
dem Haupttrank, aber er scheiterte schon nach einer halben Stunde. Fluchend las
er sich die erste Rezeptur durch. Dieser Trank war nicht weniger aufwendig.
Wenn
sie gut in der Zeit liegen würde, dann würde sie alles bis zum Ende schaffen.
Sie warf einen Blick über die Schulter. Aus Malfoys
Kessel stieg ebenfalls der gräuliche Dampf empor. Sie konnte nicht umhin,
beeindruckt zu sein. Er war so anders als sie selbst, aber er schien genauso so
viel Wissen behalten zu können.
Sie
hatte die Wurzeln hinzu gegeben, dreißig Sekunden mit dem Uhrzeigersinn
gerührt, zwei Minuten dagegen. Die Farbe wechselte dementsprechend, sie gab die
Drachenkralle hinzu. Sie löste sich nur bei einer Temperatur von knapp
zweihundert Grad auf und war nur unter größter Vorsicht zu verwenden. Hannah schien
sich ebenfalls an das Rezept zu erinnern, aber Hermine war ihr drei Schritte
voraus. Sie war gespannt, ob Hannah es schaffen würde.
Sobald
die Kralle geschmolzen war, hieß es noch eine Minute abwechselnd rühren und
dann musste er Trank ziehen. Sie hatte jetzt noch etwas mehr als dreieinhalb
Stunden. Das bedeutete, sie hatte tatsächlich die Chance, dass der Haupttrank
gelingen würde.
Malfoy
war wieder zeitgleich mit ihr fertig und sie trafen wieder am Vorratsschrank
aufeinander. Dieser Trank war im Vergleich einfacher und zeitlich nicht so
gebunden.
„Und?
Erfolgreich?“, fragte er leise, und sie griff nach einem Bezoar weiter oben.
„Ich
nehme es an“, erwiderte sie kühl und mied seinen Blick. Wieso redete er mit ihr?
Was wollte er denn? Dass sie sich vor seinen Augen schämte? Das tat sie
sowieso. Sie ließ ihn stehen und ging eilig zurück zu ihrem Tisch. Sie holte
den zweiten Kessel hervor und begann hastig Feuer zu entzünden und den Bezoar
in kleine Scheiben zu reiben.
Die
Tränke köchelten vor sich hin und diejenigen, denen der Haupttrank gelang,
schwitzen über den zweihundert Grad heißen Kesseln. Natürlich würde deren Trank
nicht rechtzeitig fertig sein. Hannah hatte es nicht geschafft ihre Kralle zu
schmelzen. Der Siedepunkt war nicht exakt gewesen, und Snape hatte einschreiten
müssen, um eine Flutwelle zu verhindern. Das gab Punkteabzug, und Hannah war
seitdem nur noch halbherzig dabei.
„Noch
fünf Minuten. Kommen Sie zum Ende, löschen sie die Feuer.“
Der
zweite Trank war fertig und der Haupttrank brauchte noch eine Minute bis auch
er fertig war. Das Feuer konnte sie bereits löschen. Die Temperatur würde sich
nicht so schnell verändern.
Harry
und Ron hatten bereits ihre Flaschen in der Hand. Ihre Tränke unterschieden
sich alle vier in Form, Farbe und Konsistenz. Angewidert hielt Ron seinen
braunen Schleim von sich weg. Hermine hoffte, dass er die Prüfung trotzdem
bestehen würde. Selbst Neville hatte sich nicht so schlecht geschlagen, auch
wenn er seine ganze Garnitur durchgeschwitzt hatte.
Malfoy
wartete genauso lange wie sie mit dem Abfüllen. Sie verkorkte die Flakons, und
Snape machte breites die Runde. Er verkniff sich diesmal sogar die
verächtlichen Kommentare. Sie unterschrieb mit ihrer Feder auf beiden Flakons
und wartete auf Snape.
Schweiß
brach plötzlich auf ihrer Stirn aus, und ihre Handflächen wurden ebenfalls
feucht. Wahrscheinlich lag es an den vermischten Dämpfen hier im Kellerraum.
Ihre Sicht verschwamm, und sie musste sich am Tisch festhalten. Verflixt, sie
brauchte frische Luft. Sie sah Snapes Gestalt
schemenhaft auf sich zu kommen.
Er
verschwamm vor ihren Augen. Ihr Sichtfeld schrumpfte und wurde ganz schwarz.
Sie hörte die Flakons aus ihren Finger gleiten und auf den Boden schlagen,
bevor sie das Bewusstsein verlor.
Sie
wurde aufgefangen, aber sie nahm es nicht mehr war.
„Nein!“
Sie
saß kerzengerade im Bett. „Der Trank! Die Flaschen! Nein! Es war alles perfekt
abgestimmt… ich muss…“ Madame Pomfrey drückte sie in
die Kissen zurück.
„Keine
Sorge, Miss Granger, es ist alles in Ordnung.“
„Nein,
Sie verstehen nicht, ich muss die Tränke abfüllen, ich…“
„Die
Prüfung ist seit vier Stunden vorbei.“
Hermines
Widerstand starb in derselben Sekunde. Vier Stunden? Sie hatte tatsächlich versagt.
Nein. Wie konnte das passieren? Niemals fiel sie in Ohnmacht, niemals.
„Sie
haben schon wieder Farbe bekommen. Das ist gut. Diese Prüfungen sind einfach zu
lang. Ich sage es den Lehren seit Jahren. Longbottom
kommt regelmäßig hier her, der Arme.“
Sie
senkte den Blick. Dabei hatte sie alles richtig gemacht. Alles!
„Hermine,
endlich bist du wach. Mensch, das war eine klasse Aktion!“
Sie
starrte Ron fassungslos an. „Was? Eine klasse Aktion? Ron, ich habe die Prüfung
versaut.“
„Hast
du nicht“, erwiderte er verständnislos. Sie wurde wütend.
„Ich bin ohnmächtig geworden, zum Teufel. Und habe die blöden Flakons nicht
festhalten können.“
„Snape
hat zwei weitere gefüllt“, bemerkte Harry jetzt, aber das schien ihm nicht
besonders wichtig.
„Was?“
„Ja.
Aber erzähl lieber weshalb du…“
„Er
hat zwei gefüllt?“
„Sicher,
du warst ja fertig.“
„Wahnsinn.
Oh mein Gott, dann lässt er mich nicht durchfallen!“
„Hermine,
was ist passiert?“
„Keine…
keine Ahnung, ehrlich. Ich denke, es war… Stress?“ Sie hörte, dass sie aus dem
Satz eine Frage machte, denn für gewöhnlich konnte ihr Stress nichts anhaben.
„Aha?“
Auch Harry schien wenig überzeugt. „Gut, dann… war es einmalig, richtig?“
„Sicher,
ich… fühle mich wieder ganz normal.“ Das war eine dicke, fette Lüge, denn ihr
war schlecht, wie immer und trotzdem hatte sie übernatürlichen Hunger. Aber das
lag daran, dass sie seit heute Morgen nichts mehr gegessen hatte. „Naja, ich
hab Hunger“, fügte sie also achselzuckend hinzu und Ron schien dankbar dafür zu
sein.
„Madame
Pomfrey hat gesagt, wenn du aufwachst kannst du
wieder gehen. Dann gehen wir runter.“
Wegen
der Prüfungen gab es in der Großen Halle ein Buffet für die Schüler, denn an
Prüfungstagen kam und ging der Hunger. Da war es einfacher, wenn man essen
konnte, wenn man es wollte. Sie wäre außerdem keine Sekunde länger im Bett
geblieben.
Morgen
mussten sie noch durch Verteidigung gegen die Dunklen Künste und dann hatten
sie erstmal Wochenende. Dafür war sie mächtig dankbar. Die letzten Wochen waren
kaum zu ertragen gewesen.
~*~
„Ja!
Ja! Jaah…!!!“
Er
hatte ihren Namen vergessen. Es war auch völlig egal. Es war nicht Granger, es
war nicht Pansy und für einen Moment vergaß er sein beschissenes Leben.
Zaubertränke war gut gelungen. Er erlaubte seinem
Gewissen keine Sekunde lang über Granger nachzudenken, über das irrationale
Verlangen mit ihr ein paar belanglose Worte zu wechseln und die nagende
Neugierde, ob alles ok mit ihr war.
In
seiner wachsenden Panik hatte er sich das nächstbeste Mädchen geschnappt, und
es kümmerte ihn nicht einmal, dass es ein Gryffindormädchen
war.
Anscheinend entwickelt
sich da eine Gewohnheit, hm?
Seine
innere Stimme war bei weitem nicht so einfach abzuschalten. Er rammte sich
tiefer in das Mädchen, das er gegen die Wand gestemmt hielt. Sie krallte sich
in seinen Nacken und warf den Kopf nach hinten. Die Toiletten waren nicht der
beste Ort, aber hier waren sie immerhin ungestört.
Vielleicht ist sie
nicht einfach nur so umgekippt…
Er
stieß härter in das arme Mädchen, und sie kreischte in so hohen Tönen, dass die
Toiletten zu vibrieren schienen. Er spürte den Druck in seinen Hoden, pinnte
sie noch ein letztes Mal hart gegen die Wand und ergoss sich stöhnend.
Die Möglichkeit
besteht immerhin, dass…
„Halt
die Klappe!“, stöhnte er unbeherrscht, aber das Mädchen fühlte sich nicht
angesprochen. Benommen hing sie in seinen Armen und plapperte irgendwelchen
verliebten Unsinn. Großer Gott… Er ritt sich nur noch tiefer in sein Leid.
Aber
er hatte nicht verhütet. Jeden Tag kam dieser Gedanke in seinen Sinn. Jeden
Tag. Es machte ihn wahnsinnig. Es wäre ein scheiß einfacher Spruch gewesen. Er
tat es jedes Mal. Jedes Mal mit Pansy, sogar jetzt. Sogar hier! Wieso hatte er es
bei Granger vergessen?
Vergessen? Es war dir
scheiß egal.
Er
schloss die Augen. Aber nein. Sie war nicht so dumm. Sie war Jungfrau, zum
Teufel, du verdammter Held. Wahrscheinlich war sie nicht so dumm, nein. Aber
hat sie es richtig gemacht? Sie sieht schlecht aus. In den letzten Tagen sah
sie absolut beschissen aus.
Nein.
Es war alles ok. Granger war nicht Schulsprecherin, weil sie keine Ahnung von
Verhütungszaubern hatte. Sie würde schon alles Nötige getan haben.
Ja. Alles wirklich gut
durchdacht, Mr Malfoy. - Aber was wenn nicht?
~*~
„Bist
du sicher?“
Sie
funkelte die beiden wütend an.
„Hört
jetzt endlich auf. Es geht mir ausgezeichnet.“ Das stimmte sogar. Ihr war nicht
schlecht. Sie fühlte sich nicht wacklig auf den Beinen, sie hatte genug gefrühstückt,
und vielleicht würde sie Harry ja in dieser Prüfung schlagen. Verteidigung war
Harrys große Stärke, und niemand hatte mehr Punkte als er.
Sie
betraten den großen Klassenraum und Hermine wurde mulmig, als sie sich an die
Party erinnerte. Aber sie tat kaum etwas anderes als daran zu denken. Sie hatte
sich grandios betrunken und dann ihre Jungfräulichkeit verloren. Mist. Immerhin
beschwerte sich ihr Körper heute nicht.
Professor
Brown war bereits da und stellte sich, beiläufig – wie es schien, neben Harry.
Allerdings wusste Hermine, dass Brown einen Narren an Harry gefressen hatte.
Immerhin war Harry wirklich begabt. Sie war neidisch, natürlich, aber sie
wusste, dass man nicht immer alles perfekt können musste.
Malfoy
betrat auch den Klassenraum, mit Pansy zusammen. Anscheinend belegten Crabbe
und Goyle dieses Fach nicht. Hermine fragte sich
sowieso, wie es die beiden Gorillas geschafft hatten. Für sie war es eine
interessante Vorstellung, wie die beiden auf der Ledercouch im Slytheringemeinschaftsraum saßen und sich gegenseitig über
die Koboldaufstände abfragten.
Sie
richtete den Blick stur nach vorne, als sie Malfoys
Blick traf. Sie hielt den Zauberstab fest umklammert und reihte sich hinter
Harry ein. Sie standen ungefähr in der Mitte der Schlange. Vielleicht wären sie
zeitig fertig und sie konnten sich schon vor Mittag in die Sonne legen. Ron
hatte den Anschluss verpasst und stellte sich murrend hinter Neville ein ganzes
Stück weiter hinten.
Sie
wandte sich um und erschrak heftig. Hinter ihr stand tatsächlich Malfoy und
lehnte sich ein Stück zu ihr hinab. Weiter vorne begann Professor Brown die
Prüfung mit dem Patronus und Malfoys
Stimme wurde von den Rufen und weißen Gestalten, die durch den Raum sausten
übertönt.
„Auf
ein Wort, nach der Prüfung, Granger?“, raunte er in ihr Ohr und sie wagte
nicht, sich zu bewegen.
„Wieso?“,
zischte sie leise und hoffte nur, Harry würde es nicht mitbekommen. Aber Harry
war viel zu faszinierte von den Dingen, die vor ihm geschahen. Noch ungefähr
fünf andere Schüler, dann war er an der Reihe. Hermine war zu aufgeregt um
richtig zu zählen.
„Ich
will nur mit dir reden. Reg dich ab.“
Das
war alles völlig absurd.
„Ich
werde bestimmt nicht mit dir reden, Malfoy. Jetzt halt deinen Mund.“
Sie
spürte, dass er mit aller Kraft versuchte, ruhig zu bleiben. Sie spürte seinen
heißen Atem an ihrem Ohr, und ihr Puls schnellte in die Höhe. Erinnerungsfetzen
von vor drei Wochen sausten durch ihren Kopf und verdrängten einen großen Teil
der komplizierten Zauberstabbewegungen, die sie gleich durchführen musste.
„Granger,
ich werde mit dir reden. Ich werde bestimmt einen Zeitpunkt finden, wo Weasley
und Potter nicht um dich herum tanzen. Also, mach es mir nicht so schwer, und
sei kein Miststück.“ Sie schnappte empört nach Luft und wandte sich tatsächlich
zornig um.
„Lass
mich in Ruhe, Malfoy. Hast du verstanden? Und jetzt hör auf mich zu
belästigen.“ So würdevoll wie es ging wandte sie sich um. Er sprach sie kein
weiteres Mal an, aber ihr war klar, dass Draco Malfoy sich so nicht abschütteln
ließ. Was auch immer er ihr an den Kopf werfen wollte, er würde eine
Gelegenheit finden. Wenn nicht heute dann morgen, wenn nicht morgen, dann in
irgendeiner Nacht. Sie seufzte. Noch drei Schüler.
Sie
rief sich die Formeln wieder ins Gedächtnis und hoffte, dass sie ähnliche
Sprüche wie Harry ausführen musste. Verteidigung war die einzige Prüfung, bei
der man legal abgucken durfte. Hatte der Schüler vor einem nämlich dieselbe
Aufgabe, dann war es leichter für die anderen, weswegen auch keiner so weit
vorne stehen wollte. Nur eben die, die es sowieso konnten. Deswegen stand
Neville auch fast als Letzter in der langen Reihe.
Sie
würde auf Ron warten. Dann kam sie nicht in das Bedrängnis mit Malfoy reden zu
müssen. Sie fragte sich sowieso, was er wollte. Wahrscheinlich wollte er nur
sicher gehen, dass sie seinen Ruf nicht in den Schmutz zog. Sie wurde wieder
wütend. Gott, wie sehr sie diesen Jungen hasste.
Ja,
ihr Herz brach gerade einen Rekord, aber trotzdem war er, neben seinem Aussehen
ein furchtbarer Mensch. Und sie war nüchtern. Und sie beschloss das auch für
immer zu bleiben.
~*~
„Das
war Wahnsinn! Endlich mal ein gutes Gefühl! Und auch noch Wochenende!“ Harry streckte
sich als sie in den Flur traten. Da sie zu den ersten gehörten, war das Schloss
noch recht ruhig. Die anderen Schüler hatten Unterricht und ihre
Stufenkameraden befanden sich noch mitten in der Prüfung.
„Warten
wir auf Ron?“, fragte sie hoffnungsvoll, aber Harry starrte sie argwöhnisch an.
„Du
willst warten, bis dreißig Schüler ihre Prüfung beendet haben? Wieso?“
„Oh,
ich dachte, das wäre nett. Für Ron.“
„Hermine,
ich wollte runter zum Feld und fliegen. Jetzt wo keiner da ist und keiner
Training hat. Komm doch mit.“ Sie hatte auf nichts weniger Lust als auf Harry
beim Fliegen zuzusehen. Aber sie wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis
Malfoy seine Prüfung beendet hatte.
„Ok.
Sicher“, gab sie sich geschlagen, und Harry grinste.
„Super.
Ich kann dir die neuen Sturzflüge zeigen, die ich gelernt habe. Ron und ich
haben mächtig viel trainiert.“ Er war furchtbar stolz und nannte ihr all die
Namen von ausländischen Stürzen, die sie sich sowieso nicht merken konnte.
Quidditch war tatsächlich nur für Jungs. Von Ginny mal
abgesehen. Ihr schlechtes Gewissen wurde wieder laut, als sie an Ginny dachte
und daran, dass sie seit über drei Wochen kaum mit ihr gesprochen hatte. Im
Moment konnte sie es noch auf die Prüfungen schieben, aber sie wusste, sie würde
bald wieder mit Ginny reden. Und Ginny witterte jedes Geheimnis sofort.
Sie
waren zum Gemeinschaftsraum, hatten Harrys Besen geholt und waren schon wieder
auf dem Weg nach draußen. Sie hatte sich noch schnell ihr Alte Runen Buch
mitgenommen. Aber Hermine wollte auch nicht zu lange im Schloss bleiben. Wer
weiß, wie schnell der blonde Slytherin war. Sie folgte Harry nach draußen in
die warme Maisonne und sie schlenderten zum Quidditchfeld.
Es war ein schöner Tag, und wahrscheinlich gab es langweiligere Sachen als
Harry beim Fliegen zuzusehen.
Tatsächlich
war das Feld verlassen und sie sicherte sich einen Platz direkt am Feldrand
ganz unten. Harry hatte gerade erst angefangen über seine gelungene Prüfung zu
erzählen. Dass Hermine genau hinter ihm gestanden hatte, ignorierte er gekonnt.
Er erzählte jede Zauberstabbewegung noch einmal ganz ausführlich, aber musste
sich Hermine zwischen Verteidigung oder Quidditch
entscheiden, dann konnte Harry ihr die Prüfung auch noch zweimal erzählen. Aber
das würde so oder so tun, wenn Ron erstmal draußen war.
„Ok.
Siehst du auch wirklich zu?“, vergewisserte er sich, und sie nickte lächelnd.
„Ja.
Natürlich sehe ich zu.“
„Großartig.“
Er
bestieg den Besen, stieß sich ab und sie sah nur noch wie der Wind seine Haare
zerzauste, und schon stieß er senkrecht nach oben durch die Wolken.
Wahrscheinlich würde sie ihn sowieso nicht mehr sehen. Harry bevorzugte es
nämlich über den Wolken zu fliegen.
Bevor
sie den Blick wieder senkte und ihr Buch aufschlagen konnte stürzte Harry mit
einem Schrei durch die Wolkendecke. Sie zuckte vor Schreck zusammen und
rechnete fest damit, dass er hart auf den Boden aufschlagen würde. Sie griff
bereits nach ihrem Zauberstab. In der allerletzten Sekunde zog Harry den Besen
in die Wagerechte und Staub wirbelte zu seinen Füßen
auf.
Hermine
starrte ihn völlig fassungslos an.
„War
das nicht absolut genial?“, keuchte er begeistert und sie verzog den Miund.
„Das
war absolut gefährlich. Sonst nichts.“
„Ron
kann es noch besser!“, versicherte ihr Harry, der ihre Worte anscheinend mit
Absicht überhörte. Mit viel besser konnte Hermine nur annehmen, dass Ron seinen
Besen noch eine Sekunde später hochzog. Sie war nicht gerade angetan von dieser
Nummer. Sie würde auch bestimmt nicht zu lange bleiben. Zuzusehen, wie sich ihr
bester Freund fast in Tod stürzte gehörte nicht zu ihren
Lieblingsbeschäftigungen.
Demonstrativ
schlug sie ihr Buch auf und begann noch einmal alle Deklinationen durch ihren
Kopf gehen zu lassen. Lernen beruhigte sie. Immer.
Nun.
Fast.
„Ich
hab dir gesagt, dass du nicht weglaufen sollst“, erklärte er sachlich und
setzte sich neben sie. Die blonden Haare schimmerten im Licht, und das grüne
Abzeichen auf seiner Brust passte gut zu dem Gold seiner Haare.
Sie
versteifte sich kaum merklich. Harry war bereits wieder in den Wolken.
„Ich
glaube auch nicht, dass du unbedingt Potters Flugkünste bestaunen willst“,
ergänzte er mit einem vielsagenden Blick. Sein Blick ruhte kurz auf dem Runen
Buch. „Granger, gönnst du dir eigentlich irgendwann eine Pause?“ Sie hatte
keine Lust auf seinen Plauderton, der gar nicht echt war, einzugehen.
„Malfoy,
du solltest gehen, bevor Pansy sich Sorgen macht und dich holen kommt“,
bemerkte sie kühl und blätterte die Seite um. Sie musste ihre Finger
beschäftigen, um sie vom Zittern abhalten. Was trieb Harry da oben so lange,
zum Teufel noch mal? Er sollte endlich runter kommen, sich mit Malfoy streiten
und ihn gefälligst verscheuchen.
„Ich
will dir nur eine Frage stellen, verflucht.“ Sie seufzte, senkte das Buch und
blickte ihn an. Er war wunderschön, dieser verfluchte Teufel. Seine Haut war
hell und wirkte beinahe königlich. Sie hasste jedes kleine Bisschen an ihm,
hasste seine Hände, bei denen sie immer wieder an seine Berührung erinnert
wurde.
„Dann
stell deine Frage und verschwinde, bevor Harry dich zwingt.“
„Soll
mir diese Drohung Angst machen? Denkst du wirklich, Potter kann mir-“
„-Malfoy,
bitte, hör auf damit.“
„Ok.“
Er blickte sich kurz um, und zum ersten Mal sah sie Draco Malfoy, wie er sich
komplett unwohl zu fühlen schien. „Du hast… du hast danach einen Trank
genommen?“
Es
war kaum als ganzer Aussagesatz zu zählen. War er verrückt? Dachte er, sie
würde sich nicht darum kümmern? Großer Gott. Die Röte stieg beinahe
augenblicklich in ihre Wangen.
„Malfoy,
was denkst du eigentlich? Sicher habe ich einen Trank danach genommen. Sind
deine Sorgen jetzt beruhigt? Dann hau endlich ab.“ Sie war tatsächlich getroffen.
Anscheinend ging es ihm wirklich um seinen ach so kostbaren Ruf. Sie schalt
sich selber in Gedanken. Das war es auch worum es gehen sollte. Was hatte sie
erwartet? Dass er sich entschuldigen würde für sein Verhalten? Dass er fragen
würde, wie es ihr ergangen war? Dass er sich für ihre Prüfungen interessierte?
Idiot, dämliche,
blonder, scheiß, Slytherin Idiot.
„Gut.“
Seine Stimmung war sichtlich abgekühlt. Anscheinend hatte er sein Anliegen
geklärt. Steif erhob er sich schließlich. Harry durchbrach die Wolkendecke und
wäre fast doch noch auf dem Boden aufgeschlagen. Ihm gelang ein gefährliches
Manöver, und sichtlich wütend kam er auf Malfoy zu.
„Was
willst du, Malfoy?“, knurrte er, die Haare zerzaust, Schweiß auf der Stirn und
Zorn in seinen grünen Augen.
„Keine
Sorge, ich nehme dir deine einzige Zuschauerin nicht weg, Potter.“ Malfoy war
vielleicht nur einen halben Kopf größer als Harry, aber er wirkte wesentlich
eindrucksvoller. Seine ganze Gestalt strahlte mehr Eleganz aus und ließ Harry
eher wie einen Troll erscheinen, der gerade anfing böse zu werden. „Viel Spaß
noch.“ Mit einem kühlen Lächeln verabschiedete sich der blonde Slytherin und
mit zügigen Schritten ließ er das Feld hinter sich.
„Was
für ein Idiot. Was wollte er von dir?“
Hermine
senkte den Blick wieder in ihr Buch, ohne eine Zeile zu lesen.
„Gar
nichts, Harry. Absolut überhaupt nichts.“
Oh,
er war mächtig stolz auf sich. So stolz, dass er seine Faust gegen die harte
Mauer gerammt hatte. Gott, er war tatsächlich ein dämlicher Mistkerl. Und er
hatte in ihren Augen gesehen, dass sie auf etwas andere Worte gehofft hatte.
Natürlich hatte sie einen Trank genommen. Denn mal zur Abwechslung war sie
keine hirnlose Schlampe, die er gevögelt hatte.
Was?
Moment.
Doch
natürlich war sie eine Schlampe. Eine Schlammblut Schlampe. Ein dumme Jungfrau,
die er rumgekriegt hatte. Aber hirnlos war sie nicht. Nicht einmal ansatzweise
hirnlos. Er hatte sie beobachtete bei dieser Prüfung in Verteidigung. Sie war
so brillant. Absolut konzentriert. Viel besser als er selber. Nicht, dass er
das zugeben würde.
Und
wie sie dort gesessen hatte. Ganz am Rand des Feldes. Der Rock war in der
leichten Brise um ihre Beine geweht. Die dunklen Locken hatte sie immer wieder
hinter ihr Ohr gesteckt. Und diese Haut… diese leicht dunkle, fast olivefarbene Haut. Sie musste irgendwas Südländisches in
ihren Gene haben, Draco war sich sicher. So zart. So verflucht unschuldig, dass
er schon wieder hart geworden war. Das Verlangen, ihre Lippen zu berühren war
fast übermächtig geworden, aber er hatte sich zusammen gerissen, denn das
gehörte nun überhaupt nicht zu den Dingen, die er zu wollen hatte.
Dennoch
war er kein hirnloser Klotz aus Eis. Es wäre vielleicht clever gewesen, selbst
von ihm, zu fragen, wie es ihr ging. ‚Wie geht es dir?‘
Nur ganz kurz. Vier Worte hätte er erübrigen können, dafür, dass er ihre
Unschuld genommen hatte.
Verfluchte Scheiße.
Es
war faszinierend, wie sehr ihn dieser Gedanke immer noch beschäftigte. Dass sie
so eine Macht über ihn hatte, war bemerkenswert. Besonders für ein Schlammblut.
Und er hasste sich für den Wunsch, sich noch einmal in ihr zu vergraben.
Wahrscheinlich
turnte es ihn nur deshalb so sehr an, weil er wusste, dass er sie nicht haben
konnte; sie nicht einmal wirklich wollte. Entweder lehnte er sich nur zu gerne
gegen seinen Vater auf, oder es war einfach die verbotene Frucht - Potters
Mädchen.
Der
Samstag war zäh dahin geflossen, und Pansy hatte ihn Gott sei Dank in Frieden
gelassen. Bis jetzt zumindest. Samstag war im Gemeinschaftsraum seit jeher ein
gemeinsamer Abend der Slytherins. Die Mädchen
scharten sich um ihn, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, die Jungen waren
ebenfalls bei ihm, weil es die Mädchen waren, und er verlor nach einer Stunde die
Geduld und legte sich mit irgendwelchen Fünftklässlern an, die sich für stärker
hielten. Sie waren es nicht.
Sie
würden es niemals sein.
~*~
Heute
waren die Gryffindorjungen beim Training, und sie
hatte ihre Ruhe. Sie hatte keine Lust zu lernen. Ihr Magen war wieder einmal
ihr Feind. Dabei hatte sie kaum gegessen. Jedenfalls nichts Ungewöhnliches. Sie
hasste es. Wahrscheinlich schlugen ihr die blöden Prüfungen tatsächlich auf den
Magen. Es war eine seltsame Übelkeit. Sie kam und ging. Manchmal blieb sie
tagelang aus. Dann fühlte sie sich auf einmal aufgebläht, und es ging ihr so
schlecht, wie nach dem Feuerwhiskey Fiasko.
Ginny
kam frisch geduscht durch das Portraitloch.
„Na,
fertig mit Lernen für heute?“
Die
ehrliche Antwort wäre gewesen, Ja. Aber da sie nicht mit Ginny reden wollte
ruckte sie unverbindlich mit dem Kopf.
„Ich
denke, ich setz mich gleich noch mal an Alte Runen.“ Eigentlich konnte sie für
dieses Fach kaum lernen. Aber das würde sie nicht allzu sehr fordern und sie
könnte entspannt lernen. „Du bist früh zurück.“, fügte sie hinzu und Ginny
zuckte die Achseln.
„Ja,
ich konnte Harrys tolle Absturznummern nach dem dritten Versuch besser als er,
und das hat ihm wohl nicht gefallen.“ Hermine musste lächeln. Das konnte sie
sich denken.
Sie
sah ihrer Freundin an, dass sie etwas bedrückte. Würde sie aber fragen, dann
wäre sie im Gespräch und würde nicht entkommen können. Wenn sie es schaffte,
das Gespräch nicht auf sich selbst zu lenken, dann würde es gehen. Außerdem
wusste sie, Ginny würde nur zu gerne mit ihr reden.
„Was
ist los?“, fragte sie also seufzend und eröffnete damit ein Gespräch von Frau
zu Frau.
„Nichts“,
gab Ginny gelassen zurück.
„Aha.
Es ist wegen Harry, oder? Aber glaub mir, er hatte nichts mit Hannah, oder
irgendeiner anderen“, fügte sie hastig hinzu, und Ginny blickte ins Feuer.
„Mir
egal, Hermine.“
Das
war es nicht. Ginny hatte Rons Eigenschaft, ihren Unmut nur schwer verbergen zu
können.
„Wieso
redest du nicht mal mit Harry, ich denke…“
„Was
denkst du? Dass er mir dann um den Hals fallen würde? Das denke ich nicht,
Hermine. Harry hat sich schon vor zwei Jahren entschieden.“ Missmutig vertiefte
Ginny den Blick, als wäre das Feuer alleine daran schuld, dass sie Probleme mit
Harry hatte.
„Wenn
du nicht mit ihm redest, wird es auch nicht besser werden. Kommunikation ist
alles, Ginny. Vor allem bei Harry. Du weißt, welche Last auf seinen Schultern
liegt.“ Endlich hob sie den Blick.
„Wirklich,
Hermine? Erzähl mir mehr. Ich kenne Harry nämlich nicht.“
Hermine
spürte wie sie sauer wurde. „Ginny, es ist nicht meine Schuld. Ich will dir nur
helfen. Aber wenn du lieber bockig sein willst, ist mir das auch recht.“ Wieder
wandte Ginny den Blick ab.
„Nichts
beeindruckt ihn, Hermine. Gar nichts. Er ist auch nie eifersüchtig. Die Sache
mit Dean war ihm egal.“ Hermine glaubte sich zu entsinnen, dass es Harry ganz
und gar nicht egal gewesen war. Er hatte sich in diesem Monat öfters mit Dean
gestritten als jemals zuvor.
„Nein,
es war ihm nicht egal“, erwiderte Hermine schlicht,
aber Ginny schüttelte den Kopf.
„Es
ist unwichtig. Ich werde schon noch von ihm loskommen. Es wird über Nacht
passieren, und dann bin ich geheilt. Einfach so.“ Hermine würde ihr gerne ihre
schlechte Laune nehmen, aber plötzlich rebellierte ihr Magen so heftig, dass
sie vor Schmerz aufkeuchte. „Hermine, was ist?“ Alle
Sorgen über Harry waren vergessen, und Ginny starrte sie erschrocken an.
Hermine schüttelte den Kopf. Sprechen war nicht möglich.
Sie
sprang aus dem Sessel, hechtete durch den Raum zu den angrenzenden Waschräumen
und schlug die Tür hinter sich zu.
„Alles
klar?“
Nachdem
sie sich zehn Minuten lang hatte übergeben müssen, hörte sie Ginnys Stimme. Sie
schüttelte den Kopf und starrte verzweifelt in den Spiegel. Was war denn los,
zum Teufel? Sie war doch sonst so hart im Nehmen. Keine Prüfung konnte ihr
jemals etwas anhaben. Schlug ihr die Party immer noch so sehr auf den Magen?
War es rein psychisch? Musste sie mit jemandem darüber reden? Würde es dann
besser werden oder nur noch schlimmer, weil sie sich dann öffentlich schämen
musste und dann doch jemand wusste, dass der Baum gefallen war?
Nein.
Das konnte sie nicht über sich bringen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie
angefangen hatte zu weinen. Hastig wischte sie sich mit dem Handrücken über die
Wange.
„Hermine?“
„Ja.“
Immerhin klang ihre Stimme normal. „Alles bestens. Mir war nur schlecht. Hab
wohl zu viel gegessen. Und dann die blöden Prüfungen.“, fügte sie lapidar
hinzu, spülte sich noch einmal den Mund aus und schloss die Tür wieder auf.
Ginny
musterte sie skeptisch. „Bist du sicher, Hermine? Du bist furchtbar blass.“
„Schon
gut. Im Moment bin ich nicht ganz so in Form.“
„Ja,
ich hab schon gehört, dass du nach Zaubertränke umgekippt bist“, erwiderte
Ginny immer noch besorgt.
„Das
lag wahrscheinlich nur den vielen Dämpfen da unten. Vier Stunden in diesem
Mief, das hält kaum einer aus.“, scherzte sie und wusste, diese Theorie hatte
einen Fehler. Es hätten noch mehr Schüler umkippen müssen. Ginny wirkte nicht
zufrieden.
„Vielleicht
sollten wir mal hoch zum Krankenflügel, dich durchchecken lassen“, schlug sie
vor und Hermine schüttelte den Kopf.
„Oh
nein. Madame Pomfrey wäre nur zu dankbar für einen
anderen Schüler als Neville, der unter dem Prüfungsstress zusammenklappt. Ich
komm schon klar. Am Dienstag ist die letzte Prüfung.“
Ginny
hatte die Arme verschränkt. „Vielleicht ist es Grippe, oder eine andere
Krankheit.“
„Es
ist Sommer. Im Moment ist hier keiner krank.“
Ginny
zuckte die Achseln. „Naja, entweder das, oder du bist schwanger.“
Mit
größter Überwindung rang sich Hermine ein Grinsen ab. „Ja, sicher Ginny.“ Ginny
lachte über ihren Scherz und fuhr sich durch die noch feuchten Haare.
„Vielleicht
helfen dir ein paar Schmerztabletten weiter.“
Hermine
dachte gerade sehr schnell nach. Wenn Ginny Recht hatte, dann würden
Schmerztabletten auch nicht helfen. Aber sie hatte den Trank vorschriftsmäßig
gebraut und auch genauso vorschriftsmäßig eingenommen. Es wäre ein
unwahrscheinlicher Zufall wenn er beide Male wirkungslos gewesen sein sollte.
Völlig
unmöglich. Absolut.
Aber
was wenn nicht? Oh nein, oh nein. Das durfte nicht sein. Wieso kannte sie sich
in diesem Gebiet nicht besser aus? Weil
es noch nie nötig war, dass du es musstest, Hermine.
Großartig.
Sie musste mit jemandem reden, der davon etwas verstand. Professor Sprout vielleicht. Oder Madame Pomfrey.
Aber nein, bei Madame Pomfrey landete sie noch auf
dem Untersuchungstisch. Sie würde das nächste Mal in Hogsmeade
einen Abstecher ins nächste Dorf machen müssen, um sich einen Muggel Schwangerschaftstest zu besorgen.
Alleine
schon vor Aufregung wurde ihr wieder schlecht. Aber vor Ginny durfte sie unter
gar keinen Umständen Verdacht erregen. Oh, großer Gott. Nachher erfuhr Ginny
noch, wer es gewesen war. Nein. Hermine sah nur eine Möglichkeit, als sie sich
wieder hinsetzte und ihre Übelkeit verdrängte.
„Wie
heißen die Sturzflüge noch mal, Ginny?“
Und
begeistert begann ihre jüngere Freundin zu erzählen, und Hermine machte
besonders gute Miene zu bösem Spiel.
Auch wenn er sich keine Gedanken mehr
machen musste, war noch lange nicht alles in Ordnung. Zauberkunst hatte sich
als Kinderspiel erwiesen. Er machte sich keine Gedanken um seine Noten. Dafür
aber um das gottverfluchte Schlammblut. Egal wo er hinging, sie verschwand.
Wenn er sie ansah, konnte er sicher sein, dass sie in zwei Minuten nicht mehr
an derselben Stelle stand.
Sie ging ihm also immer noch aus dem
Weg. Aber das seltsame war, sie ignorierte ihn nicht nur aus Wut oder was auch
immer sie empfand, wenn sie sein Gesicht sah, sondern aus Angst. Er wusste, wie
es aussah wenn Menschen Angst vor ihm hatten. Die Wesenszüge seines Vaters, um
die seine Gene leider nicht herum gekommen waren, waren eine exzellente Waffe
für Einschüchterungen aller Art.
Und sie sah ihn jedes Mal an, als würde
er seinen Zauberstab rausholen, um ihr einen Unverzeihlichen auf den Hals zu
jagen. Das bereitete ihm Sorge. Sie sollte ihn hassen, damit konnte er umgehen.
Sie sollte ihn anschreien, perverser Weise machte ihn das scharf. Aber sie
durfte unter gar keinen Umständen zu den hundert anderen gehören, die Angst vor
ihm hatten. Sie meldete sich sogar zu den
Vertrauensschülertreffen ab. Das war ihr gutes Recht, denn solange ein
Schulsprecher da war, war es kein Problem. Aber sie war letzten Sonntag nicht
da gewesen und jetzt am Mittwoch auch nicht.
Morgen schrieben sie die letzte
Prüfung. Sie konnte doch nicht so viel lernen, dass eine Stunde Treffen absolut
unmöglich war. Das nahm er ihr nicht ab. Wieso zum Teufel sollte sie Angst vor
ihm haben?
Weil du
sie vergewaltigt hast, vielleicht?
Nein. Das hatte er nicht. Das hatte er
noch nie getan. Er war nicht durch und durch Lucius. Das war er nicht. Und sie
wollte es. Sie hatte es genauso dringend gewollt wie er.
„Wieso starrst du zu dem verfluchten Gryffindortisch, Draco?“, zischte Pansy in sein Ohr, und er
schrak aus seinen Gedanken. Er ärgerte sich darüber, dass er so abwesend war,
dass er schon erschrak, wenn man ihn bloß ansprach.
„Aus keinem Grund.“ Pansy wurde
misstrauisch. Aber das lag in ihrer Natur. Sie wurde immer schnell
misstrauisch. Genauso schnell wie sie eifersüchtig und wütend wurde. Alles hing
immer miteinander zusammen.
„Suchst du das Schlammblut, Draco?“
Manchmal war ihre Feinfühligkeit absolut fehl am Platz.
„Aus welchem Grund sollte ich das tun?
Du weißt, was ich von Schlammblütern halte.“ Das
schien Pansy erst einmal auszureichen. Auch er selber wusste, was er für
gewöhnlich von Schlammblütern hielt. Und für
gewöhnlich stand ihm nicht der Sinn danach, es noch einmal mit einem treiben zu
wollen.
Er wurde noch wahnsinnig. Heute durfte
er sich mit einem der letzten Trainings herum schlagen, bevor er das finale
Spiel gegen Gryffindor spielen konnte.
– Das Slytherin höchstwahrscheinlich
verlieren würde. Es sei denn, Potter verlor seinen rechten Arm. Besser, er
verlor beide Arme. Aber dann würde er den Schnatz wieder mal mit seinem Mund
fangen.
Am besten er war vollkommen bewusstlos
für drei Stunden.
Draco hasste es, dass
er im Quidditch nicht gewinnen konnte. Nicht gegen
Potter. Scheiß Potter.
„Ich geh runter zum Training. Warte
nicht auf mich“, informierte er Pansy knapp und sie wirkte wieder einmal
wütend.
„Oh sicher. Du hast wieder mal keine
Lust, richtig?“, giftete sie ihm hinterher, aber er wandte sich nicht noch
einmal um. Er würde sich nicht mitten in der Großen Halle mit Pansy Parkinson
darüber streiten, ob jeden Tag Sex zu haben zu viel sei oder nicht.
Natürlich war es nicht zu viel, aber es
kam immer auf die Person an. Das würde er sich auch verkneifen. Er hatte genug
von all den Schlampen, die es kaum erwarten konnten, dass er ihnen die
Klamotten vom Leib riss. Schlampen turnten ihn nicht mehr so an, wie früher.
Er wollte jagen. Er wollte erobern. Und
er wollte es unter der Gefahr tun, erwischt zu werden. Er wollte Nervenkitzel
spüren, Ablehnung, sogar Hass, der dann umschlug in brennende Lust und
Verzehrung.
Er wurde höchstwahrscheinlich einfach
nur verrückt. Das war alles.
~*~
Anscheinend
kamen sie gerade von einem Besuch beim Riesen zurück. Draco schulterte seinen
Besen und hatte keine Lust in einen Streit mit Potter und Weasley zu geraten.
Anscheinend hatte Granger mächtige Angst davor, es ihren Freunden zu sagen. Das
war auch gut so.
Wenn
die treuen Gefährten es wüssten, dann sähen ihre Blicke auch völlig anders aus.
Und er hätte mit sich selber Wetten abschließen können. Sie schien sich bei
beiden zu entschuldigen und bog nach links ab. Anscheinend hatte sie ihn kommen
gesehen. Und ja, es machte ihn wahnsinnig, dass sie vor ihm floh.
Beide
Jungen betrachteten ihn mit größtem Abscheu, aber er mied ihre Blicke. Nicht
weil er eine Konfrontation nicht gewinnen würde, nein, aber er war einfach zu
wütend im Moment. Das würde ein tolles Training werden. Er hasste es, sich
heiser zu schreien.
Die
beiden Idioten passierten ihn, ohne ein Wort. Gut so. Sollten sie es wagen und
ihn nerven, dann würde er sie in den Boden rammen.
Scheiß
verfluchtes Schlammblut, was dachte sie? Dass sie das Recht hatte, vor ihm
wegzulaufen? Das hatte sie verflucht noch mal nicht. Wenn dann war er
derjenige, der sich ekeln durfte. Immerhin hatte er sich überwunden, sie
anzufassen.
Überwunden ist ein
schönes Wort für das, was du getan hast.
Kaum-noch-an-sich-halten-können traf es um einiges
besser.
Nur
noch einen Monat, dann war Hogwarts vorbei. Dann
würde er weggehen. Fort von hier. Fort aus England, wenn es ging. Fort von
Lucius und seinen größenwahnsinnigen Zielen.
Das
Quidditchfeld kam endlich in Sicht und er sah bereits
seine untalentierten Mitspieler Kreise über dem Feld fliegen. Es würde ein
grauenhaftes Spiel werden, nächste Woche. Er gab es ungern zu, aber nur zu
gerne würde er einmal Teams tauschen. Nur einmal mit dem Gryffindorteam
als Kapitän fliegen.
Das
wär’s.
Die
absolute Krönung.
Allerdings
hatten sie Mädchen im Team. Doch eigentlich hatte er den Punkt überwunden, wo
er sagte, Männer waren besser als Frauen. Granger schlug ihn in jeder Prüfung,
Pansy hatte ein Herz aus Eis, sie war gefühlskälter als er selber, und die
kleine Weasley schlug alle Jungen aus seinem Team um Längen. Auch von ihr hatte
er schon so manchen verbotenen Traum gehabt. Ja, vielleicht war er erbärmlich
geworden, aber im Moment war das seiner Dauererektion scheiß egal.
~*~
Sie
kam sich erbärmlich vor.
Sie
saß auf dem geschlossenen Klodeckel und alles im Badezimmer der
Vertrauensschüler schrie nach Magie. Alles, bis auf ein kleines Stück Plastik,
das gegenüber von ihr auf dem Waschbeckenrand lag.
Sie
wartete ungeduldig. Sie hatte zwar über pränatale magische Tests gelesen, aber
sie war sich nicht sicher, wie sie anzuwenden waren. Jetzt saß sie hier seit
zwei Minuten und musste sich noch eine Minute gedulden. Sie hatte bereits mit Professor
Sprout gesprochen. Belanglos hatte sie das Thema zu
den Verhütungstränken gewechselt. Sie hatte nämlich eine Unterhaltung über
Nieswurz angefangen, dem Hauptbestandteil des Verhütungstranks und Professor Sprout hatte sie von selber darauf angesprochen.
Und
zu Hermines großer Panik, kam es also tatsächlich vor, dass der Trank
wirkungslos war. Selten. Aber sicher kam es vor. Wenn der Organismus nicht
fähig wäre, ihn zu verarbeiten, oder eben die schlichte Tatsache, dass es
manchmal nicht funktionierte, weil es immer einer Fehlerquote gab.
Sie
hasste es zu warten.
Er
war rot oder er war blau.
Rot
war ihre Freikarte.
Blau
war ihre neue, ungewisse, ziemlich Angst erregende Zukunft.
Ihre
Hoffnungen waren sowieso nicht besonders hoch. Sie übergab sich regelmäßig.
Erst ein Monat war vergangen und eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet
solche Anzeichen so früh zu bekommen, aber anscheinend gab es auch hierbei
Ausnahmen. Sie zog die Knie an ihren Körper und wusste, sie konnte jetzt
nachsehen.
Aber
sie wollte nicht. Dieses Ergebnis würde alles verändern. Im Moment hatte sie
noch die Chance alles zu leugnen. Und nicht einmal das Ergebnis wäre das
wirklich Schwere. Nein.
Wirklich
schwer würde es werden, es ihm zu sagen.
Oh
Gott. Sie würde lieber zu Harry gehen und es ihm beichten, als zu ihm.
Dabei
wusste sie, dass Harry bestimmt genauso wütend und fassungslos sein würde. Aber
es gab einen feinen Unterschied zwischen Harry Potter und Draco Malfoy.
Harry
Potter war ihr bester Freund.
Draco
Malfoy war ihr schlimmster Feind.
Sie
erhob sich träge. Sie wusste, was das Ergebnis sagen würde.
Unterbewusst
hatte sie sich damit schon abgefunden. Dennoch krampfte sich ihr Herz zusammen,
als sie das Stück Plastik in die Finger nahm. Ihre Augen starrten auf das
kleine Fenster. Sie war von Magie umgeben, und dennoch gab es nichts hier in
diesem Schloss was die Farbe dieses Kästchens hier in ihren Händen ungeschehen
machen konnte.
Der Test war blau.
Sie erwartete ein
Kind.
Von Draco Malfoy.
Ron
und Harry hatten keine Prüfungen mehr. Dafür durfte sie sich heute noch durch
Alte Runen kämpfen. Und ein Kampf, das war es wirklich. Sie war sehr
erfolgreich darin gewesen Malfoy so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Nur
heute, da musste sie es vier Stunden in einem Raum aushalten.
Und
das war nur zum Teil die Wahrheit, denn sie musste ihm immer noch sagen, dass…
Naja, eben, was sie ihm noch sagen musste.
Ihre
Kehle war zugeschnürt. Er betrat den Raum. Gott sei Dank folgte ihm Professor Vector und Hermine musste sich nicht damit quälen, seinen
Blick auf sich zu spüren.
Ein
Stapel an Zetteln wurde ausgeteilt. Es gab nur ein Wörterbuch als Hilfe. Sie
benötigte es nie bisher, aber man konnte ja nicht wissen.
„Sie
haben jetzt zwei verschiedene geschichtliche Texte vorliegen. Der eine handelt
von der Hexenjagd. Er soll Ihnen als kleine Aufheiterung dienen.“ Professor Vector zwinkerte in die Runde. Hermine half das nicht
unbedingt sich besser zu fühlen. „Der zweite Text ist anspruchsvoller. Es ist
eine Abhandlung von den Zwergenaufständen im
vierzehnten Jahrhundert, verfasst von Gregor Slikovski.
Sie werden auf einige grammatische Hürden stoßen. Aber mit Ihrer Intelligenz
werden Sie diese überwinden können. Bitte, fangen Sie an.“
Und
noch nie hatte Hermine wirklich überhaupt keine Lust auf ein Thema gehabt, aber
Hexenjagd und Zwergenaufstände waren ihr absolut
zuwider. Sie würde übersetzen. Sie würde übersetzen, bis es nichts mehr zu
übersetzen gab.
Und
dann wäre sie endlich fertig.
Die
nächste Prüfung würde darin bestehen, ihm zu sagen, dass… Sie konnte es nicht
einmal denken! Wie sollte sie es ihm dann sagen? Oder sie sagte es Harry und er
musste es ihm dann sagen. Sie hätte heulen können. Aber sie tat schon nichts
anderes mehr als heulen. Heulen und sich übergeben. Das war eine nette
Kombination. Sie gab ihm die Schuld. Alleine ihm.
„Miss
Granger, gibt es ein Problem?“
Ja. Ich bin schwanger,
großer Gott!
„Nein,
Professor. Alles bestens.“
„Dann,
bitte fangen Sie an.“
Hermine
nickte knapp, und mit einem Seufzer fing sie an, Zeile um Zeile zu übersetzen.
Der
Text über die Hexenjagd war keine Herausforderung gewesen. Nach einer Stunde
hatte sie die sieben Seiten übersetzt. Es ging schnell. Sie war schneller
fertig als der Rest. Abgesehen von Draco Malfoy, der bereits seine Finger
dehnte.
Seine
verflixten Finger. Seine Verflixten Hände, seine Schulter, sein Rücken, sein
ganzer Körper, sie verabscheute ihn. Und wenn er es wüsste, dann würde er sich
nicht so auf seinem Stuhl räkeln.
Nein,
dann würde er schreiend hinter ihr her rennen und Todesflüche auf sie
abschießen.
Schon
das erste Wort des zweiten Textes ergab für sie keinen Sinn. Es war das Zeichen
für Feindschaft. Jedenfalls laut Sinnfolge der Runen. Aber im Kontext passte es
nicht. Die Feindschaft des höchsten Guts
von… Das ergab keinen Sinn. Sie hasste, wenn etwas keine Sinn ergab. Sie
erhob sich leise.
Genau
wie er. Manchmal mochte sie ihre abhängige Intellektualität nicht. Überhaupt
nicht.
Und
völlig Malfoy-untypisch hielt er inne und bedeutete ihr mit knapper Geste,
vorzugehen. Sie starte ihn für eine Sekunde an und wäre fast in Tränen
ausgebrochen. Nicht, dass es einen Grund gegeben hätte. Keinen ersichtlichen
Grund zumindest.
Sie
würde es ihm niemals sagen können. Niemals! Vielleicht unter einer Menge
Alkohol. Aber das ging ja auch nicht, denn… sie war ja schwanger. Sie war
schwanger! Was würden ihre Eltern sagen? Was würden seine Eltern sagen? Oh,
Gott! Sie sah die gesamte Familie Malfoy hinter sich her rennen und Flüche
schießen…
„Granger,
du musst schon vorgehen, um diese Geste sinnvoll erscheinen zu lassen“,
murmelte er, und sein Blick schien sie zu durchleuchten. Es waren die ersten
Worte, die er nach einer Woche mit ihr sprach.
Sie
fiel aus ihrer Starre, senkte den beschämten Blick unter roten Wangen, griff
nach dem Buch und eilte zurück zu ihrem Platz. Vor allem hatte sie im Moment
das Gefühl als würde sie Malfoy nicht nur verabscheuen. Sie hatte das Gefühl
als würde er langsam darüber hinweg kommen, dass sie ein Schlammblut war. Aber sicher tat er das. Er hatte Sex mit ihr
gehabt. Ungeschützten Sex.
Sie
war nach dem ersten Mal schwanger geworden. Anscheinend klappte bei ihr alles
beim ersten Mal.
Bitter
blätterte sie durch das Buch und fand ihren Fehler. Es war ein Eigenname
gewesen. Kein existentes Nomen.
Oh Gott, und einen
Namen musste das Ding auch noch bekommen…
Ihr
wurde wieder schlecht.
~*~
Die
Party von der sie empfangen worden war, war immens gewesen. Es war eine private
Gemeinschaftsraumparty, und sie ging davon aus, dass jeder Gemeinschaftsraum
feierte. Sie hatte deswegen gemischte Gefühle. Denn würde Filch
es mitbekommen, würde er zu Snape gehen, Snape würde die Schulsprecher
aufscheuchen und ihnen nahe legen, dass Partys unter der Woche strikt verboten
waren.
Dann
konnten sie und Malfoy durch das Schloss jagen und mussten die Buhmänner
spielen, die die Partys auflösen mussten. Partys waren immer eine Frage der
Organisation.
Diese
Party entsprang einer spontanen Idee von Seamus und Neville nach Kräuterkunde.
Das
bedeutete also, sie blieb nicht geheim, sie war schlecht geplant und es waren
keine Lärmzauber gelegt worden, die allen Lärm von innen nach außen blockieren
konnten.
Das
bedeutete kurz gesagt, um halb sieben waren alle Hauslehrer aufgescheucht
worden, McGonagall hatte sie geholt, Snape Malfoy,
und nun durften sie zusammen durch das Schloss rennen und alles, was nach Party
aussah abschaffen.
Gut
war, dass sie schnell laufen mussten und nicht reden konnten. Über was auch? Er
hatte seine Abneigung klar zum Ausdruck gebracht, und jetzt würde sie ihm
definitiv nichts von … der Sache erzählen.
Es
war zum Verrückt werden. So fühlte es sich also an einen Fehler gemacht zu
haben. Niemals hatte sie wirklich gravierend etwas falsch gemacht. Es fühlte
sich absolut beschissen an.
„Zuerst
Gryffindor“, befahl er knapp und bog nach rechts. Sie
blieb stehen.
„Wieso
Gryffindor? Wieso nicht Slytherin?“
„Weil
der Gemeinschaftsraum der Slytherins drei Etagen
tiefer liegt. Willst du runter und danach wieder hoch?“ Sie wusste, es war
Logik, nach der Malfoy handelte. Damals auch ein Freund von ihr. Logik und
Rationalität. Wo waren sie hin, ihre beiden besten Freunde?
„Du
bist bloß wieder ungerecht.“
„Ist
mir völlig egal, Granger. Ich habe keine Lust hier rumzulaufen und Partys zu
verhindern. Ich kann meine Zeit besser nutzen.“
„Ach
ja? Suchst du dir wieder irgendwelche Mädchen, die…“ Sie biss sich auf die
Zunge und schluckte ihren Zorn hinunter. Jetzt wo sie hier allein mit ihm Flur
stand, war das Ignorieren völlig vergessen. Sie war nur noch wütend auf ihn.
Wütend, weil er sie ausgenutzt hatte. Wütend weil er nicht verhütet hatte, und
es ihr überlassen hatte, sich darum zu kümmern.
Wütend
auf ihn, weil es nicht geklappt hatte. Das erste Mal hatte sie etwas nicht
gerade biegen können. Ihr wurde schon wieder schlecht. Das war nicht zum
Aushalten.
„Was
ist? Beendest du deine Sätze nicht mehr, Granger?“
Oh, und wie böse er
erst werden würde, wenn er es erfuhr. Das war alles jetzt nichts gegen den Draco
Malfoy, der zornig und tatsächlich gewalttätig werden würde.
Sie
schluckte schwer.
„Gut,
dann eben Gryffindor“, räumte sie jetzt ein, und mit
großen Schritten war sie an ihm vorbei.
~*~
Als
er ihr folgte, wusste er, dass dieser Abend kein gutes Ende nehmen würde. Sie
machte ihn rasend. Er konnte kaum denken, so dringend wollte er ihre Lippen noch
einmal spüren. Wieso kam er nicht darüber weg? Was hatte sie mit ihm
angestellt?
Er
wusste es nicht. Er wusste nur, dass er es nicht schaffen würde, sie nicht zu
wollen. Vielleicht war sie stark genug für sich, aber nicht für ihn. Würde er
es darauf anlegen, hätte sie keine Chance.
Hatte sie letztes Mal
auch nicht, Arschloch.
Da
war sie wieder. Er hatte die Stimme schon fast vermisst.
Sie
erledigte sogar die schmutzige Arbeit für ihn. Sie klatschte in die Hände,
verscheuchte alle Schüler, konfiszierte Butterbier und Musik und schickte
schließlich alle ins Bett, die nicht einsehen wollten, dass heute kein Partytag war. Sie war ein richtiges Miststück, im besten
Sinne des Wortes.
Am
Ende zog sie Gryffindor zehn Punkte ab, legte sich
kurz noch mit Weasley an, der sich schließlich mürrisch geschlagen gab, und
Draco hätte schwören können, wäre sie kein Schlammblut und keine
Schulsprecherin aus Gryffindor, dann hätte er sich
ernsthaft für sie interessieren können.
Bla bla… Seine Erektion hatte
seinen Stolz satt.
Granger
stolzierte an ihm vorbei, und er folgte mäßig beeindruckt.
Dieselbe
Show zog sie auch bei Ravenclaw und Hufflepuff ab, und er konnte nur staunend zusehen.
„So“, sagte sie schließlich, „ich denke, deinen eigenen Gemeinschaftsraum
kannst du selber kontrollieren.“
Es
war ein ganz normaler Tag.
Irgendwo
in England.
Und
in einem der unzähligen Gänge des Schlosses küsste ein Junge ein Mädchen.
So
machte es den Anschein. Aber der Schein trügt.
Er
hatte wieder einmal keine Ahnung, was er tat, aber es fühlte sich verflucht
noch mal absolut perfekt an. Sie in seinen Armen, wieder gegen eine Wand. Seine
Lippen auf den ihren, gefangen in dem köstlichen Moment zwischen Vor und
Zurück. Er hatte keine Ahnung mehr, wie es dazu gekommen war.
Wahrscheinlich
wollte sie an ihm vorbei, und er hatte den köstlichen Duft gerochen, den
möglicherweise ihr Shampoo verströmte. Ein wenig Vanille und Rose, und er war nicht mehr zurechnungsfähig.
Er
hatte sie einfach am Oberarm gepackt, an sich gezogen, und schon hatte er nicht
mehr gegen das Verlangen ankämpfen können, ihre Lippen zu spüren; ihren
Geschmack zu schmecken.
Sie
quietschte gegen seine Lippen. Seine Hände wanderten über ihren Körper,
entdeckungsfreudig und vor allem höchst ungeduldig. Es registrierte, dass er es
schon wieder tat. Scheiß drauf…, riet
ihm seine Erektion, und normalerweise folgte er diesen Eingebungen.
„Malfoy!“,
keuchte sie aufgebracht gegen seine Lippen und versuchte ihn von sich zu
schieben. Kurz löste er sich widerwillig von ihren Lippen, und ihr verstörter
Blick machte ihm deutlich, wie wenig sie das jetzt wollte. „Was soll das? Bist
du verrückt geworden?“, kreischte sie und trommelte gegen seine Brust.
„Hör
zu… ich weiß, das ist…“ Ihm fehlten die Worte. Und dann fing sie auch noch an
zu weinen.
„Lass
mich in Ruhe! Wie kannst du es wagen mich noch einmal anzurühren, Malfoy?
Nachdem, was du mir angetan hast!“
Überfordert. Ja, das war das
Wort. Er war überfordert. Überfordert mit ihrer Reaktion, überfordert mit
seinem eigenartigen Verhalten, überfordert mit seinem Verlangen, Hermine
Granger zu bekommen.
Gott…
Und sie hatte blöderweise Recht. Wenigstens zu einem kleinen Teil.
„Du
wolltest es genauso!“, knurrte er, und er wusste, der Hunger musste ihm ins
Gesicht geschrieben stehen, denn ihre Wangen waren so rot, dass die Hitze
unerträglich sein musste. Immer noch hielt er ihre Schultern gefangen.
„Was?
Du hast mich… du hast mir keine Wahl gelassen!“
„Wieso
machst du das?“
„Was?
Lass mich los, oder ich…“ Was wollte sie
tun? Schreien?
„Wieso
machst du es so schwer?“
Es könnte alles so
einfach sein.
Sein Restverstand erschlug ihn gerade mit dem Tagespropheten für diesen
Gedanken.
„Lass
mich sofort los, Malfoy.“
Und
tatsächlich ließ er sie los.
„Das…“ Sie deutete auf ihn und auf sich, „war ein riesiger Fehler, ich… muss…
Du bist….“ Er nahm an, dass sie ihm etwas mitteilen wollte. Allerdings konnte
er ihre kryptischen Satzteile nicht deuten.
Bevor
er reagieren konnte und das einzig Richtige tat – sie zu küssen – hatte sie
sich bereits umgedreht und stürmte in den Gang. Sie floh wieder vor ihm, und er
war wieder allein. Gott, das musste aufhören. Einmal konnte man entschuldigen,
einmal war keinmal. Aber zweimal, das war nicht zurückzunehmen.
Er
hatte sie schon wieder geküsst.
Er
raufte seine blonden Haare. Entweder ging er jetzt kalt duschen, oder er fickte
eine andere – und dachte dabei an sie.
Zum
ersten Mal in seinem Leben entschied sich Draco Malfoy für die kalte Dusche.
Zum ersten Mal hatte er eine Erektion und würde sie nicht mit Sex befriedigen.
Scheiße…
Wieso
hatte er das getan? Wieso? Was wollte er denn von ihr? Wieso ließ er sie nicht
in Ruhe? Sie konnte nicht mehr klar denken. Sie wurde verrückt. Sie wollte ihn
wirklich nicht. Sie hasste alles an ihm, und dass sie jetzt sein Kind unter
ihrer Brust trug, machte ihre Situation nicht besser.
Er
hatte nicht das Recht, und er würde so wütend sein. So unglaublich wütend.
Sie
hatte geweint, hatte sich übergeben, hatte sich eingeschlossen, wieder geweint,
sich mit Ron gestritten, sich übergeben und gerade in diesem Moment stritt sie
sich durch die Tür des Badezimmers mit Ginny.
Streiten
und Weinen schienen im Anfang der Schwangerschaft wichtige Konstanten zu sein.
„Lass
mich in Ruhe!“
„Ron
sagt, du wärst vollkommen ausgerastet!“
„Ron
ist ein Arsch.“
„Ich
weiß. Komm einfach raus und erzähl mir, was passiert ist, Hermine. Ich bitte
dich. Es kann ja wohl nicht so schlimm sein, dass du nicht mit mir darüber
reden kannst. Wir sind beste Freundinnen!“ Und sie hatte ja so Recht.
Hermine
weinte schon wieder, weil sie wusste, Ginny würde sie verurteilen. Sie war ganz
allein.
„Du
kommst raus, oder ich trete diese verdammte Tür ein, Hermine!“ Sie war sich
sogar sicher, dass Ginny ihr Wort halten würde. „Sofort! Ich muss in einer
halben Stunde runter zum Spiel. Du weißt, du würdest dich hassen, wenn ich es
verpasse.“ Auch das stimmte. Die einzige Zeit, wenn Ginny Harry nahe sein
konnte, war beim Quidditch, denn zu anderen
Zeitpunkten erlaubte sie es sich nicht.
Fein.
Hermine
öffnete die Tür und mit hängenden Schultern kam sie hinaus.
„Bei
Merlin! Was ist nur los?“
„Nichts.
So, ich bin draußen. Jetzt geh schon endlich runter.“ Ginny stand in voller
Montur vor ihr. Ihr stand das Quidditchtrikot
wirklich gut dafür, dass sie ein Mädchen war.
„Hast
du immer noch diese Krankheit?“
Krankheit… ja, so konnte man es
wohl auch nennen.
„Nein.
Ich bin einfach im Moment… nicht gut drauf.“
„Hermine“,
Ginny schüttelte ungeduldig den Kopf, „wie lange muss ich mir das noch
angucken, bevor ich dich wirklich hoch in den Krankenflügel schicke?“
„Nein!
Nicht hoch. Ich werde auf gar keinen Fall dorthin gehen!“
Übertrieben, zu
übertrieben, Hermine. Viel zu übertrieben.
„Wieso
nicht?“ Ginny sah sie prüfend an.
„Ach,
vergiss es. Es ist nicht wichtig, ok?“
„Ich
werde nicht gehen, bis du mir nicht eine passende Erklärung bietest. Und ach vergiss es, kannst du dir sonst wo
hinschieben, Hermine!“ Drohend funkelte Ginny sie an und sah dabei Molly
Weasley unglaublich ähnlich.
„Tja,
dann wirst du wohl dein tolles Spiel verpassen, Ginny.“
Beide
Mädchen sahen sich wütend an, bis Ginny sich plötzlich auf die Couch setzte.
„Schön. Wenn du das von mir verlangst, bitte. Dann verpass ich halt das Spiel.
Anscheinend hast du ein Problem.“
„Ich
habe kein Problem! Mein Problem ist, dass du mich einfach nicht in Ruhe lassen
willst! Ich verlange gar nichts von dir, Ginny! Lass mich einfach in Ruhe. Ich
komme klar!“ Und sie schrie schon wieder. Wenn sie nicht gerade Malfoy
anschrie, oder ihre besten Freunde, dann versaute sie sich jetzt die
Freundschaft mit ihrer einzigen Freundin.
Und
da kamen die Tränen auch schon wieder, oh, wie hatte sie die schon vermisst.
Ginny ignorierte Hermines Wut konsequent und schloss sie in ihre Arme.
Umstandslos. Ohne Worte, und Hermine fühlte sich abscheulich.
„Ok.
Hör zu, entweder du sagst es jetzt, oder du sagst es später, aber bitte, sag
mir, was dich quält, damit wir es aus der Welt schaffen können.“
„Das
dürfte nicht so einfach werden“, schniefte Hermine jetzt und kam sich wieder
mal albern vor.
„Was?
Was ist passiert? Was hast du denn nur getan?“
„Ich
hab gar nichts getan“, murmelte sie mit geschlossenen Augen an Ginnys Schulter
und wusste, das stimmte auch nicht völlig. Wahrscheinlich war sie genauso
schuld wie er.
„Dann
wer? Wer hat dir etwas angetan? Ich bring ihn um!“, drohte Ginny und sah ihr
direkt ins Gesicht.
„Dann
hat mein Kind keinen Vater“, flüsterte Hermine so leise, dass Ginny die Augen verengte
und sie einen weiteren momentlang anstarrte, ehe sich ihr Blick klärte.
„Oh
nein.“ Sie schüttelte den Kopf, die roten Haare flogen über ihre Schulter.
„Hermine! Nein. Das kann nicht… Bist du sicher? Du bist schwanger? Das ist
nicht möglich. Mit wem hast…?“ Sie wich zurück und schlug die Hand vor den
Mund.
„Oh
Merlin! Sag nicht, dass es Harry ist, Hermine! Sag mir ja nicht, dass du…!“
„Oh
Ginny! Nein! Es ist nicht Harry.“ Ginny atmete kurz auf, bevor sie den nächsten
Schock bekam.
„Oh
natürlich! Es ist Ron! Du und Ron. Das macht so großen Sinn! Natürlich, ich
hätte schon längst…“
„Es
ist nicht Ron, und oh Gott, bitte sei still!“
„Oh
Merlin, wer ist es dann? Ist es Dean?“
„Ginny,
halt deine Klappe! Ich habe nicht vor, es zu sagen. Du wolltest es wissen, und
jetzt geh zu deinem verfluchten Spiel, bevor Harry ausrastet.“
„Weiß
es Harry?“, fragte sie jetzt.
„Sieht
er so aus als ob er wüsste, dass ich mit…“ Sie fing sich rechtzeitig.
„Mit
wem? Sag mir mit wem?“
„Nein.“
„Weiß
er es?“
„Was?
Wer?“
„Na,
der Vater. Weiß er, dass du…? Oh Merlin, wer ist es?! Seamus? Oh nein, es ist
Neville! Der ist seit einer Ewigkeit schon in dich verknallt!“ Hermine keuchte
auf.
„Ginny,
bitte. Wahrscheinlich wäre Neville aber eine bessere Wahl als…“ Ginny hing an
ihren Lippen.
„Oh
Hermine, wie großartig!“
Sie musste völlig
verrückt geworden sein.
„Du
bist schwanger!“, flüsterte sie leise und begann Hermine zu umarmen.
„Ja,
das ist das Problem.“
„Nein!
Oh Mum wird sich so freuen! Sie hat seit Ewigkeiten
nicht mehr stricken können. Bill und Fleur haben noch kein Kind, weißt du? Und
jetzt bekommst du ein kleines Baby! Ist es nicht perfekt?“
Das
war eine neue Sicht. Eine Sicht, die Hermine so nicht bevorzugte. Aber Ginny
dachte auch an einen ganz normalen Vater. An einen netten, soliden Jungen, der
für seine Fehler einstand.
„Also,
weiß er es schon?“
„Ginny,
das ist keine freudige Nachricht. Ich bin siebzehn.“ Ginny machte eine
wegwerfende Handbewegung.
„Mum und Dad haben mit achtzehn geheiratet und Bill mit
neunzehn bekommen, also bitte.“
„Ich
hatte nicht vor, so schnell ein Kind zu bekommen. Schon gar nicht mit…“
„Mit
wem? Weiß er es?“
„Natürlich
nicht! Was denkst, wie er ausrasten würde!“ Sie starrte ins Leere. Oh Gott. Sie
wusste nun exakt wie er nicht
reagieren würde. Alles Positive, was Ginny an dieser Schwangerschaft entdeckte,
würde er als negativ hinstellen.
Sie
wusste nicht genau auf welcher Seite sie stand. Wahrscheinlich in der Mitte.
„Ausrasten?“
Ginnys Lächeln schwand. „Wer ist es, Hermine? Du bist wundervoll. Es gibt
nichts, was du nicht bewerkstelligen kannst. Sei es auch ein Kind, ein kleines
Baby. Wer würde dich nicht haben wollen?“ Es war so lieb von Ginny, dass
Hermine schon wieder anfing zu weinen.
„Also,
komm schon. Wer würde dich dafür hassen, dass du ein Kind von ihm bekommst?
Niemand. Also, sag es ihm, und sag mir, wie er reagiert hat. Oder sag mir
gleich, wer es ist.“
„Ich
bin noch nicht so weit, ok?“
„Seit
wann bist du schwanger?“
Hermine
musste kurz überlegen. Dann seufzte sie. „Seit fast sechs Wochen.“
„Sechs
Wochen! Seit wann weißt du es denn? Wieso hast du mir nichts gesagt? Hattest du
Angst, dass ich es nicht verstehe?“
„Ich..
weiß nicht. Wahrscheinlich dachte ich, du… verurteilst mich.“
„Für
was? Ich meine, ja gut, Verhütung ist das Wichtigste, aber naja, wenn es Liebe
ist, dann ist es nicht so schlimm, nicht wahr?“
Oh Gott.
„Was?
Seid ihr nicht zusammen? Mit wem würdest du schlafen, mit dem du nicht zusammen
bist?“ Langsam, ganz langsam löste sich Ginnys Grinsen. „Oh bei Merlin, du
musst mir unbedingt sagen, wer der Vater ist, ansonsten denke ich
wahrscheinlich das Schlimmste, und das wäre ein furchtbarer Gedanke.“
„Hör
zu, du solltest runter gehen. Wir reden später darüber, ja? Und erzähl es
keinem, bitte!“
„Aber
ich-“
„-bitte!“
„Hermine…“
„Ja?“
„Du
weißt, du musst es dem Vater sagen! Du kannst es nicht einfach verheimlichen.
Vor allem ist das gar nicht möglich. Jedenfalls bald nicht mehr.“
Ich werde aber nach Hogwarts nie wieder mit ihm Kontakt haben. Vielleicht
sollte ich es nicht tun…
„Versprich
es mir!“, forderte Ginny ungerührt.
„Ich
weiß nicht… ich….“
„Versprich
es. Das ist das einzig richtige, Hermine. Tu das nicht allein.“
„Ich…
ja, schon gut. Ich weiß. Ich verspreche, ich erzähle es ihm. Bald.“
„Warum
nicht heute?“, horchte sie sofort, und Hermine konnte nur ahnen, weshalb Ginny
fragte.
„Weil…
das nicht geht.“
„Weil
er auf seinem Besen sitzt?“ Es war keine wirkliche Fangfrage, weil Hermine
annahm, Ginny wusste, um wen es ging. Ginnys Lächeln war blass und traurig.
„Ich
werde dich wecken, solltest du heute Nacht schon schlafen, das weißt du.“
„Jaah.“
„Gut.
Also, wünsch mir Glück! Alle Tore, die ich schießen werde, schieße ich für dein
kleines Baby.“ Hermine konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich hoffe, du
kommst nach.“
Ginny
verschwand. Vielleicht war ein Kind mit siebzehn nicht immer das Schlimmste.
Aber es war einfach unmöglich, dass es ein Kind mit Draco Malfoy war. Bis jetzt
hatte sie keine Sekunde daran verschwendet zu überlegen, dass sie auch alleine
mit einem Kind zurecht kam.
Natürlich nur wenn sie Freunde auf ihrer Seite hatte. Und wenn sich sogar Ginny
mit dem Gedanken anfreunden konnte, vielleicht würden Harry und Ron es auch
tun….
Harry und Ron…
Das
war aber erst ihr zweites Problem. Jetzt kam das Problem Nummer eins.
Am
besten erzählte sie es ihm, wenn er schon wütend war. Weshalb nicht, nach dem
Spiel, was Slytherin garantiert verlieren würde…?
Nach
jedem Tor entfuhr der kleinen Weasley so etwas wie ein Kampfschrei und sie
drehte auf ihrem Besen Pirouetten. Draco war wütend, denn Gryffindor
lag in Führung. Sein Blick galt seinen eigenen Torringen, seinen unfähigen
Jägern und Potter, der unermüdlich das Feld umkreiste.
Scheiß
Potter. Er konnte hier unten keine Zeit mehr verschwenden und seiner Mannschaft
Befehle zu brüllen. Wenn er den Schnatz jetzt fing, dann konnten sie noch
gewinnen. Er hatte nur die eine Chance. Ein Tor konnte bereits entscheidend
sein. Die Führung von Gryffindor war beinahe schon
peinlich hoch. Aber noch würde der Schnatz es ausgleichen. Noch… Aber dafür
musste er schneller sein als Potter. Aber Potters Besen war wesentlich
schneller als seiner. Es war ein elender Teufelskreis.
Er
hatte Potters Höhe erreicht.
„Na,
spielst du jetzt wieder mit den Großen, Malfoy?“, lachte Potter in sein
Gesicht, und Draco hätte ihn am liebsten vom Besen geschubst. Sein Blick glitt
über die Tribünen, über das Feld, zu den Torringen und hoch in den Himmel.
Nichts.
Wo war das verfluchte, goldene Biest?
Er
würde Potter nicht die Genugtuung geben, zu antworten. Unten auf dem Boden, da
wagte es Potter selten, sich mit ihm anzulegen. Aber hier oben – hier oben –
war Potters Reich. Hier war Draco nur eine kleine Fliege, die Potter die Sicht
auf den Sieg versperrte.
Draco
hatte Quidditch zu hassen begonnen, seit Gryffindor das erste Mal den Pokal mit nach Hause genommen
hatte.
Und
großer Merlin! Da war er.
Potter
hatte ihn noch nicht gesehen, aber er wäre gleich auf seiner Fährte, würde er
jetzt hinter dem goldenen Ball her stürzen. Er musste sich gedulden.
Er
schwirrte um die letzte Gryffindortorstange und Draco
hoffte, dass Weasley Potter nicht aufmerksam machen würde.
Aber
Weasley war zu beschäftigt die Tore zu halten, die Goyle
verbissen zu schießen versuchte. Immerhin einer gab sich Mühe. Aber naja, Pansy
sah zu, und Goyle wollte punkten. Auf zwei
verschiedene Art und Weisen.
Er würde ihn beobachten müssen und seine
Chance dann wahrnehmen, wenn der Schnatz in seiner direkten Reichweite lag.
Scheiß Diplomatie. Am liebsten hätte er sich auf den Ball gestürzt, aber es war
einfach nicht möglich.
Der
Schnatz tanzte durch die Luft, während Potter sich immer noch lustig machte.
Draco ertrug es gelassen, aber nur weil er kaum zuhörte. Ja! Nur noch ein paar
Meter, dann würde er los fliegen. Unten fiel ein weiteres Tor. Er hatte keine
Zeit zu gucken, für wen. Er durfte den Schnatz nicht aus den Augen verlieren.
Er hatte nur diese eine Chance bevor das Schuljahr vorbei war, wenigstens
einmal den Schnatz zu fangen. Er musste hoffen, dass Goyle
es endlich geschafft hatte, Weasleys Deckung zu
durchbrechen.
Jetzt!
Er
riss den Besen herum und Potter starrte ihm höchst verdutzt hinter her. Potter hatte
sich Merlin sei Dank etwas zu sicher gefühlt. Er folgte ihm aber auf dem Fuß
und war nur noch eine halben Meter entfernt. Der Schnatz registrierte, dass er
gejagt wurde und begann hin und her zu surren. Draco machte sich darauf
gefasst, dass der kleine Ball ausweichen würde. Potter tat es ihm gleich. Sie
waren auf gleicher Höhe, Potter rechts neben ihm. Der Schnatz würde nach rechts
brechen.
Oder
nicht? Er zuckte noch ziellos in der Luft. Potter nahm seine Chance wahr und
lehnte sich nach rechts. So wie der Schnatz. Kurz zögerte der kleine Ball, und
das reichte Draco um sich völlig nach links fallen zu lassen.
Der
Schnatz wechselte die Richtung, schoss nach links, direkt in Dracos
ausgestreckte Hand.
Potter
schrie vor Zorn, und Draco reckte die Hand nach oben!
Merlin,
ja! Ein perfektes Gefühl den Schnatz zu fangen. Er sauste nach unten, erreichte
den Boden, und das Glücksgefühl fiel mit einem Schlag von ihm ab.
Hundertachtzig
zu Zweihundert.
Gryffindor hatte gewonnen.
Die
Hand, die den Schnatz gefangen hatte sank triumphlos an seine Seite.
Fuck. Aber Potter schien
nicht zufrieden. Er stimmte nicht in das Triumphgeschrei mit ein. Der Schnatz
schlug mit den Flügeln gegen Dracos Handflächen. Er spürte es durch die
Handschuhe. Er seufzte und gab den kleinen Ball frei. Er surrte aus seiner Hand
in die Luft, schwebte kurz vor seinem Gesicht, als könne er es sich einprägen
und sauste dann in Richtung Madame Hooch, zurück in
die Kiste.
„Tut
mir leid.“, murmelte Goyle, aber Draco war gerade
absolut nicht in der Stimmung, sich Entschuldigungen anzuhören. Denn zum ersten
Mal war es nicht sein Fehler. Es war die verfluchte Mannschaft. Er hatte den
Schnatz gefangen, er hatte das getan, was nötig gewesen wäre, um ein scheiß
Spiel zu gewinnen.
Aber
nein, seine Leute ließen ihn mit ihrer Inkompetenz im Stich. Scheiße,
verflucht.
Er
steuerte auf das Kapitänszelt zu und war mehr als überrascht dort schon
jemanden vorzufinden.
„Was
ist? Wartest du auf deinen göttlichen Potter?“, spuckte er ihr entgegen, und
sie zuckte vor Schreck zusammen. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, und in
diesem Moment hatte er keine sexuellen Gefühle für das Mädchen vor ihm. Sie war
bloß irgendein Schlammblut. Potters Schlammblut.
„Ihr
habt also verloren?“, erkundigte sie sich fast hoffnungsvoll. Er pfefferte
seine Handschuhe in die Ecke und fuhr sich durch die nassen Haare.
„Ja,
Granger. Wir haben verloren. Wer hätte etwas anderes erwartet. Wenn du Potter
suchst, er feiert draußen“, erwiderte zornig, und sie schüttelte fest den Kopf.
„Ich
suche dich“, sagte sie schlicht und fixierte ihre Füße.
„Ich
bin nicht in der Stimmung. Ich habe keine Lust auf dein Anwesenheit, auf dein
Gesicht, auf deine Stimme, Granger.“
„Du
bist wirklich wütend?“, fragte sie, und er lachte hart auf.
„Nein,
Granger! Es geht mir ausgezeichnet, denn ich spiele nur um des Spielens Willen Quidditch.“ Sie öffnete den Mund, aber er schnitt ihr das
Wort ab.
„Natürlich
bin ich wirklich wütend, du dumme Schlampe!“
Ja,
sie sollte anfangen zu weinen. Das würde ihm wirklich gut tun.
„Und…
du kannst nicht noch wütender werden?“
„Was?
Was willst du, zum Teufel noch mal?“
Besser
sie verschwand, bevor er sie dazu zwingen würde!
„Malfoy,
ich bin schwanger.“
Sie
sagte diese vier Worte wahnsinnig schnell, und sie fanden keinen Zugang zu
seinen Gedanken. Sie was…? Was hatte sie gesagt? Was? Sie war was?!
Nein.
Punkt. Hatte sie nicht gesagt. Nicht möglich. Niemals möglich.
„Und…
ahem, du bist der Vater, aber… das weißt du sicher“,
fügte sie unsicher hinzu, und er schüttelte den Kopf.
„Nein.“
„Was?“
„Nein,
Granger. Bist du nicht. Du bist nicht… du kannst gar nicht… Das ist nicht
möglich.“ Sein Kopf schaltete aus. Er schloss den Abstand und schüttelte sie
heftig. Als wolle er ihre Worte einfach abschütteln. „Erzähl mir keine Lügen,
hast du gehört!“, schrie er jetzt, und sie riss sich los.
„Malfoy,
es ist wahr! Ich lüge nicht. Denkst du, es würde mir Spaß machen so etwas zu
erfinden?“
Sie
log.
„Du…
nein! Du hast gesagt, du hast… der Trank! Du hast gesagt, du hast ihn…“
„Sicher
habe ich ihn eingenommen. Zweimal! Zweimal, verflucht. Aber anscheinend hat er
nicht gewirkt.“
„Nicht gewirkt…?“ Er war völlig abwesend.
Das Blut rauschte in seinen Ohren. Das konnte nicht wahr sein. „Verschwinde,
Granger. Verpiss dich. Verpiss dich, mit deinen Lügen, mit deinen verhexten
Worten!“, schrie er lauter und schüttelte erneut den Kopf.
Sie
weinte stumme Tränen. „Raus, bevor ich dich raus prügeln werde“, knurrte er und
kam erneut auf sie zu. Sie riss die Augen vor Angst auf und war so schnell aus
dem Zelt gestürmt, dass er nicht mehr dazu kam sie an den Schultern zu packen.
Er
war wieder allein. Dumpf drang das Siegesgeschrei an seine Ohren. Er hatte den
Schnatz gefangen. Er hätte gewinnen müssen. Er hatte den verfluchten Schnatz
gefangen! Wieso hatte Potter gewonnen? Wieso war sie schwanger?
Schwanger… Sie war…schwanger?
Was???
Endlich,
wie nach einer grauenhaften Ewigkeit, verstand er.
Die
Worte nahmen Gestalt an. Er verstand. Eine Erklärung. Er brauchte mehr Zeit,
brauchte eine Erklärung, brauchte ihre Worte, um zu verstehen. Plötzlich rannte
er los, riss die Plane zur Seite und rannte hinter ihr her.
Er
sah nur noch schemenhaft ihre Gestalt. Sie hatte das Schloss schon erreicht, er
würde sie nicht mehr einholen können. Fuck…
Versaut. Er hatte alles versaut. Alles. Das Spiel, seinen Ruf. Seinen Namen,
ihre Zukunft, seine Zukunft.
Er
hatte gewusst, dass er es versauen würde, er hatte es gespürt.
Aber
was tat er? Er schrie. Letzten Endes war er doch sein Vater geworden. Er hatte
gedacht, er würde auf seiner Mutter kommen. Aber das hatte er so nicht kommen
gesehen. Niemals. Und großer Merlin, sein Vater würde ihn umbringen. Daran
führte kein Weg vorbei.
Und
sofort fielen ihm noch weitere Personen ein, die ihn umbringen würden.
Er
würde enterbt werden. Vielleicht sollte er sich vorher umbringen lassen. Das
würde sein Leid enorm verkürzen.
Es
gab nur einen Weg. Sein Kopf war noch nicht völlig klar, aber er wusste es gab
nur einen Weg, dieses Grauen zu verhindern. Sie musste das Kind loswerden, ehe
es zu spät war.
Das
war der Plan.
~*~
„Hermine?“
Sie hörte Ginnys Stimme, ihr leises Flüstern. Hermine stellte sich schlafend.
Sie hoffte überzeugend genug, damit Ginny sie nicht weckte. Tatsächlich
verschwand ihre Freundin seufzend wieder. In Wahrheit weinte Hermine. Sie tat
nichts anderes, seitdem sie aus dem Zelt geflüchtet war. Er wusste es jetzt,
und sie wusste ungefähr, was er dachte.
Sie
hatte auch nicht gehofft, dass er Verständnis zeigen würde. Wie konnte er das
auch? Er war ein Teufel. Er war ein Todesser. Sie konnte sich nicht einmal
entsinnen, ob er das Dunkle Mal getragen hatte, als er nackt gewesen war.
Sie
weinte erneut stumme Tränen auf ihr Kopfkissen.
Sie
musste auf den nächsten Tag warten. Sie würde die Tage zählen, die sie noch
hier verbringen musste. Es war kein ganzer Monat mehr. Das würde sie schaffen.
Sie musste es schaffen. Sie musste es noch mindestens neun Monate aushalten.
Dann konnte sie ruhig aufgeben.
Die
anderen Mädchen schliefen noch nicht. Nur Parvati war
schon zu Bett gegangen. Unten feierten die anderen. Sie hatte nicht die Kraft,
irgendetwas zu verbieten. Sie wollte es auch nicht. Es war ihr egal. Völlig
egal.
Sollten
die anderen feiern, solange sie sie in Ruhe ließen.
Noch
drei Wochen, einundzwanzig Tage. Das würde sie schaffen. Sie würde zu keinem
Treffen mehr gehen, würde sich direkt um einen Job bewerben, damit sie Geld
verdiente, wenn es denn soweit war, dass sie es
benötigte. Sie würde ihre Eltern vertrösten, nachdem sie sie kurz besucht
hatte.
Sie
würde ihnen sage, sie mache eine lange Reise. Sie würde sie im nächsten Jahr
besuchen kommen. Ja, sie musste sich selber Zeit suchen. Sie wollte nicht, dass
ihre Eltern auch noch enttäuscht waren.
Sie
hätte niemals erwartet, dass sie sich einmal so schlecht fühlen würde. Sie
hatte immer erwartet, dass ein Kind zu bekommen das wunderbarste Erlebnis auf
der Welt wäre. Nicht, dass man unter Tränen versuchte, einzuschlafen.
Allerdings
hatte sie immer schöne Träume davon gehabt, mit einem guten Mann an ihrer Seite
und nicht nur einmal hatte sie tatsächlich darüber nachgedacht, wie es mit Ron
wäre. Ronald wäre ein guter Vater gewesen.
Aber
Ron war es nicht. Sie würde nicht mit Ron zusammen kommen, und dann würden sie
rothaarige Kinder haben, nein. Sie liebte Ron außerdem nicht, aber hätte sie
sich entscheiden müssen, hätte sie hundertmal lieber Ron genommen, als auch nur
eine Sekunde darüber nachzudenken, wie es wäre mit Malfoy ein Kind zu haben.
Es
war kein schöner Gedanke.
Es
war ein unmöglicher Gedanke.
Aber
seltsamerweise war ihr der Gedanke das Kind aufzugeben noch kein einziges Mal
gekommen. Das war keine Option, so gern sie es auch hätte.
Das
war keine Option.
Sie war erfolgreich geflüchtet. Jedes
Mal. Die Zeit eilte ihm davon. Nach dem stumpfen Rechnen war sie nun fast acht
Wochen schwanger. Sollte es denn wirklich stimmen. Er war noch nicht überzeugt,
aber eine Sache, machte es ihm beinahe unmöglich, ihr nicht zu glauben.
Sie war die klügste Hexe, die er
kannte. Sie würde sich nicht irren. Aber er hatte auch gedacht, der Trank, den
sie gebraut hatte würde wirken. Zurzeit irrte er sich öfters. Es folgten ihm
ständig neue Vorwürfe, selbst aus seinem eigenen Hause, wie er denn den Schnatz
hatte fangen können, wenn sie keine Chancen auf den Sieg hatten. Immerhin klang
der Verlust hundertachtzig zu zweihundert weitaus weniger schlimm als dreißig
zu dreihundertfünfzig.
Aber darüber dachte niemand nach. Als
könne er sich aussuchen wann er den Schnatz fangen könnte. Hätte er es nicht
dann getan, dann hätte Potter es so oder so geschafft. Er kostete seinen
bitteren Triumph aus. Und er hielt sich mit den eigenen Vorwürfen zurück. Sein
Team hätte vielleicht auch mal ein paar Tore schießen können, aber nein. Es war
seine Schuld.
Alles schien seine Schuld zu sein.
Zornig lief er durch die Gänge, rastlos
und immer auf der Suche nach dem einen Schlammblut, das den letzten Nagel in seinen
Sarg schlagen würde.
Er brauchte mehr Zeit. Er brauchte
einen Moment Ruhe. Er musste nachdenken. Er musste seine Logik zwingen, einen
passenden Vorschlag auszuspucken, der all ihre Probleme lösen würde. Die
Ironie: Er war über das Schlammblut hinweg. Granger stellte keine verbotene
Frucht mehr da. Nein, sie war ein schwangeres Schlammblut. Schwanger von ihm,
sicher, aber sie war nichts mehr, was sich zu haben lohnen würde.
Jetzt musste er sie nur noch finden,
das Kind loswerden und alles war wieder beim Status Quo. Nun, nicht alles. Er
würde nicht noch einmal so dumm sein und sich auf eine Gryffindor-Schlange
einlassen.
~*~
„Ist er es wirklich?“
Anscheinend war sich Ginny doch nicht völlig
sicher gewesen, aber Hermine ging es viel besser, seitdem sie wusste, dass
Ginny voll und ganz hinter ihr stand. Mit Freunden an der eigenen Seite schien
das Leben nicht mehr ganz so trostlos.
„Ginny, hör auf. Harry und Ron sitzen
gleich da hinten.“
„Ich glaube, die würden nicht mal einen
von Fred und Georges Zauberkrachern hören“, mutmaßte Ginny jetzt, und
wahrscheinlich lag sie richtig. Das neue Quidditch-Magazin
‚Besenzauber‘ war raus gekommen, und Seamus hatte es von seinen Eltern
geschickt bekommen. Und Hermine wusste auch, dass es Ginny in den Fingern
juckte rüber zu gehen. Aber sie blieb tatsächlich bei ihr.
„Jedenfalls ist das absolut
unglaublich, Hermine!“, flüsterte sie eindringlich, und Hermine sah ihr genau
an, dass sie ihr nicht glaubte, dass sie tatsächlich ein Kind von Malfoy
erwartete. Der schlichte Grund war simpel zu erklären. Um ein Kind von Malfoy
zu bekommen, musste sie Sex mit ihm haben. Und das schien Ginnys Knackpunkt zu
sein. Das war auch ihr eigener, denn nüchtern darüber nachgedacht war es völlig
absurd. Dass er sie einfach so vor einer Woche geküsst hatte war genauso
absurd.
Sie behielt es für sich. Auch wenn
Ginny ständig Einzelheiten wissen wollte.
„Hermine, das ist wahrscheinlich die
größte Neuigkeit des Jahrhunderts, und du willst es mir nicht haarklein
erzählen.“
„Oh, mein Gott, Ginny, was willst du
denn hören? Du willst doch wohl nicht jedes Detail? Wieso sollte ich dir so was
erzählen?“
„Weil es verflucht spannend ist!“
„Nein. Es ist eklig. Und dämlich. Ich
schäme mich unglaublich. Es ist nichts, was ich vorhabe, noch einmal zu
wiederholen, Ginny.“ Ihre Freundin blickte sie an. Kurz blitzte Verständnis in
ihren Augen auf. Nur kurz, dann schlich sich wieder das Grinsen auf ihre Züge.
„Wart ihr sehr betrunken auf der Party
gewesen?“
Hermine schloss verzweifelt die Augen.
Vielleicht war Ginny nicht der richtige Gesprächspartner für solche Themen,
aber nein. Sie war ihr dankbar. Dankbarer als irgendjemandem sonst.
„Hast du eigentlich mit ihm gesprochen?
Ich hab das ganz aus den Augen verloren“, murmelte Ginny jetzt, und Hermine
seufzte.
„Ja. Wir haben gesprochen.“
„Oh Merlin! Es stimm
also wirklich? Es ist wirklich von ihm?“
Kurz trafen sie ein paar scheele Blicke von einigen Mitschülern, aber Ginny
senkte sofort wieder die Stimme. „Du musst seinen Namen sagen! Ansonsten glaube
ich es dir immer noch nicht.“
„Sei nicht so kindisch.“
„Sag seinen Namen.“
„Du kennst seinen verdammten Namen.“
„Sag ihn.“
Gott, sie war genauso anstrengend wie
Ron. Hermine lehnte sich in ihrem Sessel vor, und Ginny lauschte gespannt.
„Malfoy“, murmelte Hermine angewidert, und Ginny schlug sich die Hand vor den
Mund.
„Oh Merlin! Das ist absolut
unglaublich.“
Ja, absolut unglaublich dumm. Sie hatte
schon wieder sein Gesicht vor Augen. Sein atemberaubendes Gesicht. Die hellen
Augen, in denen sie seit dem Abend nicht nur Hass lodern sah. Da war etwas
anderes. Vielleicht nur wenn er sie ansah, aber neben dem Hass war etwas viel
größeres… Sie weigerte sich, weiter darüber nachzudenken.
„Ich hab es ihm gesagt, und er ist
nicht… begeistert.“ Ja, das fasste es gut zusammen. Ginny sah nachdenklich ins
Feuer.
„Du musst mit ihm reden. Ihr müsst viel
mehr miteinander reden. Bei Merlin, das ist keine Schulsprecherangelegenheit.
Ihr seid jetzt verantwortlich. Ihr seid miteinander verbunden. Eure Zukunft ist
jetzt verflochten.“
Hermine wurde übergangslos schlecht.
„Hör auf damit, Ginny. Noch ist nichts… entschieden.“ Und sie bezweifelte, dass
etwas anderes als böse Worte bei einem Gespräch mit ihm raus kommen würden.
„Ihr müsst miteinander reden“,
wiederholte Ginny mit Nachdruck, und Hermine wusste ziemlich genau, was sie tun
musste. Aber es war verflucht noch mal nicht einfach. Sie trug das Kind des
Teufels unter ihrer Brust, Herr Gott noch mal.
Morgen war das nächste Treffen, aber
sie würde nicht hingehen. Sie hatte es Ron schon gesagt, und Gott sei Dank sah
er es nur als Protest gegen Malfoy. Nun, das war es auch, aber aus etwas
anderen Gründen als Streite über die Nachsitzpläne.
Sie lehnte sich zurück und ließ Ginny
reden. Sie war schon wieder in wilde Gespinste verwickelt. Es drehte sich um
Babynamen, um Babykleidung, um einen Kinderwagen, den sie von Zuhause besorgen
konnte, und Hermine schloss die Augen und blendete Ginnys Stimme einfach aus.
Ihre Hand lag auf ihrem Bauch. Das tat
sie häufiger in letzter Zeit.
~*~
„Wo
ist sie?“
„Wer?“
„Weasley,
reg mich nicht auf. Ich bin nicht in der Stimmung. Also, wo ist sie?“
„Wer,
Malfoy?“
Schon
kam er mit einer fließenden Bewegung auf die Beine und schloss den Abstand.
„Sag. Mir. Wo. Sie. Ist.“ Er bemühte sich. Er bemühte sich immer wieder, auch
dumme Menschen mit Respekt zu behandeln, aber es gelang ihm nicht.
„Das
geht dich nichts an.“
„Im
Gemeinschaftsraum?“
„Malfoy,
lass sie einfach…“
Und
er ging. Er wusste, eigentlich durfte er es nicht, aber sie war nun seit Wochen
nicht mehr aufgetaucht. Und das durfte sie auch nicht. Sie hatte gefälligst mit
ihm zu reden, wenn er es verlangte. Was glaubte sie, wer sie war? Weasley
stürmte hinter ihm her, aber an der Tür hielt er inne.
„Als
erster Vertrauensschüler trägst du jetzt die Verantwortung.“ Er grinste knapp,
und Weasley schien zu wissen, dass einer bleiben musste.
„Dafür
büßt du später, Malfoy“, knurrte Weasley, und es war nützlich, dass er zwei
Köpfe größer war.
„Kann’s
kaum erwarten.“
So
schnell war er noch nie durch die Flure gejagt.
Seine
Faust hämmerte gegen das Portrait, und er ignorierte die ängstlichen Schreie der
fetten Dame. „PASSWORT!“, schrie sie verzweifelt, und er hämmerte noch härter
gegen den Rahmen.
„Granger!
Du kommst sofort raus!“
„PASSWORT!“
„Granger!“
„Malfoy,
was tust du da?“
Was
tat Longbottom hier? Hatte er keinen Unterricht?
Hatten diese Gryffindors nie Unterricht? Er packte
ihn grob am Kragen.
„Sag
das verfluchte Passwort, Idiot, oder ich ramme deinen Kopf durch das verfluchte
Portrait und klettere über deinen Körper!“, knurrte er zornig, und Neville
starrte ihn panisch an.
„Du
bist kein Gryffindor.“
„Ich
würde mich auch erhängen, müsste ich in einem Schlafsaal mit dir schlafen. Oder
dich, das würde ich mir noch überlegen. Sag das Passwort oder jeder
Zukunftsgedanke ist für dich vollkommen sinnlos“, drohte er jetzt, und Longbottom bewies tatsächlich den verflucht dickköpfigen
Mut eines Gryffindors.
„Du
bist kein Gryffindor.“
„Großer
Gott, Longbottom, ich muss da rein.“
Neville
schüttelte den Kopf und schloss ergeben die Augen. Anscheinend erwartete er,
dass er jetzt zuschlug. Gut, schön. Würde er seinen ersten Ärger an Longbottom auslassen.
„Meine
Güte, Malfoy, hör auf.“
Ihre
Stimme.
Er
ließ Longbottom los und wandte sich um.
„Oh,
die Prinzessin von Gryffindor lässt sich dazu herab,
aufzutauchen.“ Sie lehnte im Rahmen, und er wusste, wahrscheinlich waren die
Chancen gering, dass sie mit ihm sprechen würde. „Können wir reden? Wäre das
möglich?“
Ihr
Blick wanderte zu Longbottom. „Egal wo, Granger.
Völlig egal. Fünf Minuten.“
Ihr
Blick war skeptisch, als schien sie ein Schulprojekt zu beurteilen. Er ließ
sich mit einem Knurren zu einer letzten Instanz herab. „Bitte.“
„Fünf
Minuten.“ Die Warnung in ihrer Stimme war deutlich. Tatsächlich wich sie
zurück, und die fette Dame beäugte den ungebetenen Gast misstrauisch. Longbottom folgte ihnen in einigem Abstand und kurz, nur
ganz kurz erlaubte Draco es sich, beeindruckt zu sein.
Rot
und Gold zierten die hohe Decke. Kamine neben jedem Fenster. Schwere
Brokatvorhänge, gemütliche Sessel überall, Teppich auf den Böden, Bilder von
allen Gryffindorrittern an den Wänden, und die Sonne
warf anmutige Schatten auf den Boden.
Sonne
gab es unten in den Kellern nicht. Gut, natürlich war hier alles protzig und
übertrieben Gryffindor. Es gefiel ihm nicht.
„Also?“
Er
erkannte ihre Abneigung und jetzt bei Tageslicht, nüchtern betrachtet, konnte
er es ihr nicht verdenken. Sein Blick glitt automatisch zu ihrem Bauch, und
sein Mund wurde unglaublich trocken. Sofort verschränkte sie die Arme. Eine
Geste des Schutzes, er verstand.
„Bist
du sicher, dass du…- Bist du dir vollkommen sicher?“
„Ich
habe einen Test gemacht, ja.“
Gut,
er würde dieses Gespräch durchziehen müssen, komme was wolle. Longbottom hatte sich zügig zurückgezogen und der
Gemeinschaftsraum lag völlig verlassen da. Sie sprachen mit gesenkten Stimmen,
was ihm unglaublich schwer fiel.
„Was
für einen Test?“
„Einen
Test eben.“
„Einen
Muggeltest?“, fragte er und konnte die Abwertung
nicht aus seiner Stimme verbannen.
„Sicher, einen Muggeltest, Malfoy. Sie sind genauso
effektiv, wie…“
„Sicher.
Meinetwegen. Ich würde gerne noch einen weiteren Test machen. Nur um mich zu
überzeugen, Granger.“
„Du
denkst, ich lüge dich an?“ Auch sie konnte kaum noch leise sprechen.
„Nein, ich denke, ich vertraue Muggeltests einfach
nicht so sehr wie du.“ Sie schien kurz nachzudenken, schien die Argumente
abzuwägen und gab schließlich nach.
„Fein.
Was muss ich tun.“
Er
schloss den Abstand, und sie sah ihn panisch an.
„Keine
Sorge, du musst gar nichts tun. Öffne deine Bluse.“ Er zog seinen Zauberstab
hervor und betete zu Gott, dass weder Potter noch Weasley jetzt kämen.
Normalerweise hätte er unter diesen Voraussetzungen niemals ein Gespräch
angefangen, aber er hatte keine Wahl. Sie ließ ihm keine Wahl.
„Was?“
Sie starrte ihn fassungslos an.
„Sonst
kann ich den Zauber nicht durchführen.“
„Was
für ein Zauber?“ Sie hatte tatsächlich Angst.
„Willst
du wirklich wissen, was für ein Zauber es ist, Granger?“
Sie
verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Sie drehten sich im Kreis. Schön, dämliche Besserwisserin. „Es ist
ein Organismus Zauber. Er kennzeichnet jegliches Leben in deinem Inneren. In
der magischen Heilkunde wird er oft auch bei besonders bösen Flüchen angewandt
oder nach Reisen in exotische Länder, bei denen sich kleine Maden durch deine
Füße in deine Eingeweide fressen um dort ihre Eier zu legen.“
„Schon
gut!“ Sie zu reizen hatte dennoch etwas für sich. Aber nur noch alleine aus dem
Grund, dass er die winzige Hoffnung hegte, dass sie sich irren würde. Aber sie
machte vielleicht einmal einen Fehler, aber nicht zweimal. Er bezweifelte es.
Sie
öffnete widerwillig die Bluse. Ihr Bauch war immer noch flach, und tatsächlich
sah ihre Haut immer noch genauso verführerisch aus wie an dem letzten Abend als
er sie berührt hatte. Er schluckte schwer.
„Gut.
Beweg dich nicht.“ Er berührte mit der Spitze ihren Bauch und murmelte die
Formel, die er schon viel zu oft gesprochen hatte.
„Wieso
kennst du so was?“ Als er fertig war hob er den Blick und runzelte die Stirn.
„Denk
mal scharf nach, Granger.“ Sie wurde rot.
„Du
bist ein Mistkerl“, bemerkte sie angewidert, aber er hatte keine Antwort mehr
parat. Sein Blick heftete sich auf ihren Bauch. Zuerst wirkte alles normal. Das
bläuliche Licht züngelte sich über ihre Bauchdecke und tastete ihre Organe ab.
Über ihrem Herz färbte sich die Stelle blau, denn sie war schließlich ihr
eigener Organismus. Völlig normal. Die Flammen wanderten weiter, und er hielt
den Atem an. Sie erloschen so schnell wie sie gekommen waren, aber unten in
ihrer Gebärmutter hinter ihrem Magen…
Ein
winziger Funke blau war geblieben. Er pochte stetig. Ein zweites Herz, wenn
auch kaum wirklich existent. Großer Gott, es stimmte.
Beide
starrten auf den kleinen Punkt. Benommen hatte Granger die Hand gehoben und
tastete über den blauen Punkt, der kaum als real zu bezeichnen war. Es war nur
eine Spur, die die Flammen hinterließen. Sie verschwand langsam.
Es
war der sicherste Test, den Draco kannte, und genau jetzt brach seine Welt ein
weiteres Mal zusammen.
„Gut,
ok. Ich… wir müssen über die Maßnahme reden.“
„Maßnahme…?“,
wiederholte sie immer noch abwesend und strich über die Stelle, wo noch eben
der blaue Punkt gewesen war. Er war erloschen. Genau wie der über ihrem eigenen
Herzen.
„Ja,
ich denke wir lassen das Kind nicht im Mungo entfernen. Ich bin sicher, ich
kann einen privaten Termin organisieren.“ Ihr Blick hob sich endlich, und sie
sah ihn fassungslos an.
„Das
Kind… entfernen?“
Sicher,
wir…- Warte. Du denkst doch wohl nicht, dass du es bekommen wirst? Das ist
Irrsinn, Granger. Du bist siebzehn. Und ein Schlammblut, wenn ich das mal
erwähnen darf. Es war ein blöder Fehler in einer blöden, betrunkenen Nacht. Es
wird nicht noch einmal vorkommen.“
Seine
Stimme erinnerte ihn nur zu heftig an die Tage, an denen er wahnsinnig geworden
war, weil er nur noch einmal in sie eindringen wollte, sie erinnerte ihn an den
Tag, der gerade mal sieben Tage her war, an dem er sie gegen die Wand gepresst
hatte. Gott, da war sie schon schwanger. Da hatte sie es schon gewusst.
Fokus, Draco.
„Du
musst dich nicht um das Geld kümmern, ich übernehme die Kosten für meinen
Fehler, auch wenn du nicht unschuldig warst.“ Sie schlang die Arme um ihren
Bauch.
„Nein!
Nein, Malfoy, nein! Du wirst das nicht tun. Es gibt kein Gold der Welt, das
mich dieses Kind entfernen lässt.“
„Granger,
bist du verrückt geworden?“ Es gelang ihm nicht mehr, ruhig zu bleiben. Sie knöpfte
hastig ihre Bluse zu. „Das kannst du mir nicht antun! Was willst du mit einem
Baby, zum Teufel noch mal? Was willst du mit meinem… Kind…“ Gott, das Wort
schmeckte widerlich in seinem Mund.
„Das
ist nicht möglich. Es gibt keinen Weg, dass du dieses Ding behalten wirst.“
„Was
ist, willst du mich zwingen, es zu entfernen, so wie du mich gezwungen hast,
mit dir zu schlafen?“, fuhr sie ihn an. Er biss hart die Zähne zusammen.
„Ich
habe dich nicht gezwungen, Granger.“
„Oh
ja? Du hast mir aber auch nicht abgeraten.“
„Granger,
halt deine Klappe. Der Fehler ist gemacht und-“
„-ja,
der Fehler ist gemacht, Malfoy, und du wirst ihn mit deinem ganzen scheiß Gold
nicht einfach ungeschehen machen. Ich werde es nicht aufgeben!“
„Wieso
nicht, zum Teufel? Denkst du, Weasley reißt sich ein Bein aus, um es mit dir
großzuziehen? Denkst du das wirklich, Granger?“
Sie
reckte ihr Kinn in die Höhe, aber er sah ihre Tränen bereits.
„Merlin,
das ist… Es ist unmöglich. Du kennst meinen Vater, du weißt, was Lucius tun würde.
Er würde dich unter Drogen setzen und das Kind heimlich entfernen.“
„Er
muss es nicht wissen“, flüsterte sie unter Tränen, und Draco lachte auf.
„Er
wird es wissen, Granger. Die ganze Welt wird wissen, dass du ein Kind bekommen
wirst. Irgendwer wird es erzählen, und großer Gott, wird es ein Junge, dann
wird es kaum möglich sein, es nicht zu wissen.“
„Was?
Wieso? Es muss niemand wissen, ich werde sagen, es ist von sonst wem.“
„Ja,
weil du ja auch mit sonst wem schlafen würdest, richtig?“
Sie
wurde wieder wütend und ihre Tränen verschwanden.
„Oh, es ist schon abwegig genug, dass ich mit dir schlafen würde, Malfoy.“
„Nein,
ist es nicht. Du bist ein Schlammblut. Ich bin wesentlich höher gestellt als
du, ich…“
„Halt
deine Klappe! Dein scheiß Gerede von deinem scheiß Blutstatus kotzt mich an. Du
bist nicht besser. Ich erzähle es Lucius am besten persönlich und bitte ihn,
dich zuerst umzubringen. Dann werde ich zugucken wie du stirbst, bevor ich es
tu. Das ist es wert.“
Sie
starrten sich beide wütend an.
„Granger,
ich verliere alles. Du verlierst bloß einen Embryo, der sowieso noch nicht
lebensfähig ist.“ Sie keuchte auf.
„Ich
werde kein unschuldiges Leben opfern, nur damit dein Name nicht noch mehr in
Verruf gerät.“ Er sog scharf die Luft ein. Sie tat es schon wieder. Sie
beleidigte ihn schon wieder. Wie hatte er sich dazu hinreißen lassen können?
Wieso hatte er sie unbedingt haben wollen?
„Merlin,
Granger, ich bin versprochen, du nicht.“
„Du…-
was?“
Er
seufzte schwer. Es war viel zu kompliziert. Wäre sie doch einfach nicht… Er
konnte nicht mehr denken. Bald war die erste Stunde vorbei und der Raum würde
sich mit Gryffindors füllen, die ihn meucheln würden.
„Ich
bin seit meiner Geburt versprochen. So ist das unter adeligen Zaubererfamilien nun mal. Es hängt nicht nur mein Ruf von
deiner Entscheidung ab, sondern meine komplette Zukunft und die meiner
Familie.“ Sie starrte ihn verwirrt an.
„Du…
bist versprochen? Wem? Einer Cousine? Ist das wirklich Inzest?“ Er hörte ihre
geschichtliche Neugierde durchaus, und er hatte wirklich keine Lust, darüber
weiter zu diskutieren.
„Ich
kann dieses Kind nicht verantworten. Es geht nicht. Bitte, überleg dir gut, ob
es das wert ist. Du willst doch sowieso kein Kind von mir.“
„In
meinen Augen spielt das keine Rolle. Ich werde ganz bestimmt nicht an dich
denken, wenn ich es in meinen Armen halte.“
Oh nein, sie wollte es
wirklich haben.
„Du
heiratest wirklich irgendeine fremde Frau?“, fragte sie noch einmal nach, und
er verzog den Mund.
„Das
ist reine Formsache.“ Sie lachte auf.
„Oh,
ja sicher. Reine Formsache. Dann hast du halt eine Frau, aber du hältst dir
nebenbei noch zehn andere Geliebte.“ Er blieb relativ gelassen, und sie riss
die Augen auf. „Das ist nicht dein Ernst.“
„Das
ist Tradition.“
„Dein…
Vater…“ Sie schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich wäre wieder eine Beleidigung
ihren Worten gefolgt.
„Mein
Vater…“, nahm er ihre Worte auf, „wird alles daran setzen, dieses Kind
verschwinden zu lassen.“
„Du
wirst es ihm doch nicht sagen?“ Er hörte wieder ihre Angst. Er wusste nicht,
vor wem sie größere Angst hatte. Vor ihm oder seinem Vater. Der Gedanke war
belastend.
„Glaub
mir, er wird es erfahren. Er weiß, dass ich…“ Ja, welches Wort benutzt man für
diesen verkommenen, gefährlichen Lebensstil? „Er weiß, dass ich hier meine Zeit
nicht nur mit Lernen verbringe.“, beendete er den Satz, und sie schüttelte den
Kopf.
„Granger,
du wirst nicht drum herum kommen. Es gibt keinen Weg für dich, dieses Kind zu
behalten.“
Teil 12
Die
Tage vergingen und ihre Angst und ihre Übelkeit übernahmen wieder die Führung.
Sie hatte Ginny nichts von der Auseinandersetzung erzählt. Hatte ihr nichts von
dem magischen Test erzählt, und sie wollte es auch nicht tun. Aber da sie
pausenlos weinte, war es kaum zu übersehen.
Ginny
war schon mehrere Male kurz davor gewesen in den Slytheringemeinschaftsraum
einzubrechen und ihn da raus zu prügeln, damit er endlich Verantwortung wie ein
Vater übernahm.
Hermine
sah ein, dass es wahrscheinlich eine furchtbar dumme Entscheidung war, das Kind
zu behalten, aber so verrückt das auch klingen mochte, sie hatte sich an den
Gedanken gewöhnt. Sie wollte es nicht aufgeben, sie wollte nicht, dass
irgendwelche zwiespältigen Gestalten es einfach entfernten.
So
einfach durfte es nicht sein. Er konnte nicht alles mit Gold lösen. Es war
nicht richtig. Sie war nicht bereit das Kind aufzugeben. Und in ihrem Kopf
hatte sie bereits einen Plan. Sie würde verschwinden. Einfach so. Mit dem Kind.
Niemand würde erfahren, dass sie schwanger war. Sie würde untertauchen. Sie
fand bestimmt einen guten Job mit ihrem Zeugnis. Das war kein Problem.
Und
dann würde die Zeit vergehen, die Malfoys würden sie
vergessen und dann würde sie niemand dazu zwingen können, ihr Kind herzugeben.
Niemand.
„Miss
Granger, haben Sie vor überhaupt noch etwas zu tun, in dieser Stunde?“
Professor Snape war mittlerweile der einzige Lehrer, der sie noch Tränke brauen
ließ und der einzige Lehrer bei dem es Hermine nicht versauen wollte. Immerhin
hatte er ihre Tränke zur Prüfung zugelassen, obwohl sie eigentlich versagt
hatte.
„Sicher,
Sir“, erwiderte sie hastig, und sie begann zum dritten Mal die Zutatenliste an
der Tafel durchzugehen. Snape blieb bei ihr stehen. Vielleicht aus Sicherheit,
vielleicht auch nur aus Bosheit, um sie noch einmal umkippen zu sehen. Aber sie
hatte sich im Griff.
Sie
spürte nicht nur Snapes Blick, sondern auch Malfoys. Und es machte sie wahnsinnig. Anscheinend schien
er mit jedem Tag auf ihre Zusage zu warten, ohne sie zu drängen, während er
genau dies unterbewusst doch tat.
Sie
würde ihn nicht ansehen. Sie würde ihm bestimmt nicht ihr Ok dafür geben, ihr
Baby zu entfernen. Er hatte kein Mitspracherecht. Als würde sie es irgendwem
auf die Nase binden, dass es sein Kind war! Was dachte er denn?
Aber
schon wieder wanderten ihre Gedanken weiter. Wenn es ein Junge würde? Wäre er
dann blond? Wäre er genauso schön? Würde er genauso ein Mistkerl werden? Konnte
sie einen Malfoy lieben? Sei es auch nur ein halber Malfoy? Sie wusste es
nicht. Sie würde doch jedes Mal weinen müssen, wenn sie in das Gesicht ihres
Babys sah und seine Augen entdeckte, oder seine Lippen.
Würde
es mit dem Dunklen Mal geboren werden? Sie wusste, das war nicht der Fall, aber
man stelle sich das vor… Sie war Muggelstämmig, und
sie bekam das Kind eines Todessers. Diese Welt war einfach nur verrückt. Mehr
nicht.
„Miss
Granger, kann ich Sie nach dem Unterricht in mein Büro bitten?“ Es war keine
Bitte und sie wusste, sie hatte kaum eine Wahl. Großartig. Wieso konnte sie
sich nicht einmal zusammen reißen?
Malfoys Blick war noch stechender, und sie musste
sich zwingen nicht aufzusehen.
„Wieso
starrt er dich an? Was will Snape eigentlich von dir?“, raunte Ron, der den
Blick auf Malfoy geheftet hielt. „Ich schlag ihn zusammen.“
„Das
wirst du nicht tun, Ron“, maßregelte sie ihn und beendete endlich ihren Trank.
Es war ein so simpler Trank, bei dem man nur die Zutaten achtlos in den Kessel
fallen lassen musste. Verflucht noch mal. „Snape wird mich wahrscheinlich nur
noch mal auf die Prüfung ansprechen und dass ich aufmerksamer sein soll.“
Nachdem
Snape die Stunde beendet hatte verschwanden die Schüler alle unglaublich
schnell. Sie blieb zurück und wartete auf die nächste Absolution. Snape
bedeutete ihr, mit in sein Büro zu kommen. Sie folgte ihm durch die schwere Tür
und betrat das erste Mal seine privaten Unterkünfte. In seinem Büro ging eine
Flügeltür ab. Sie vermutete dahinter lag sein Schlafzimmer.
Sie
stellte sich Snape nie als Menschen vor, der aß und duschte, oder Albträume hatte
und deshalb heiße Milch trinken musste, aber sie musste einsehen, dass Snape
hinter all seinen ätzenden Fassaden wahrscheinlich wirklich nur ein Mensch war.
„Wie
fühlen Sie sich?“
Oder er war eine
gemeine Schlange.
„Gut?“,
log sie kurzerhand und lächelte gezwungen.
„Aha.
Ich habe Ihr Prüfungsergebnis, wollen Sie es wissen?“
Versuchte
er sie zu locken?
„Wenn
Sie es mir sagen wollen, ansonsten warte ich bis zum Ende des Jahres wie die
anderen.“ Sie kannte sich aus in der Diplomatie.
„Ohnegleichen,
wie immer, Miss Granger. Hören Sie, ich bin kein Mensch, der seine Zuneigung
offen vor sich trägt.“, begann er, und Hermine konnte ihm nur zustimmen. „Sie
sind meine beste Schülerin, Mr Malfoy ausgenommen.“
Natürlich.
Seinen kleinen Slytherin Prinzen immer vorne weg.
„Brauchen
Sie Hilfe, Miss Granger?“, fragte der Lehrer gerade heraus, und die tiefen
Falten auf seiner Stirn vertieften sich noch ein wenig mehr. Sie schüttelte
perplex den Kopf.
„Nein,
Professor. Ich danke Ihnen, dass sie meine Prüfung trotzdem bewertet haben,
aber mir geht es gut.“ Schon wieder eine Lüge. Würde sie mit Dumbledore
sprechen, wüsste sie nicht, ob sie so lügen konnte. Snape intensivierte seinen
Blick, und hastig senkte sie den ihren. „Sie versuchen meine Gedanken zu
ersehen, Professor?“ Es war keine echte Frage.
„Sicher,
Miss Granger. Ich mache mir Gedanken. Nicht nur ich.“
„Ich
habe die besten Noten, ich denke nicht, dass es angebracht ist, sich Gedanken
zu machen.“ Gott, ihr Herz überschlug sich. Was hatte er gesehen? Hatte er
etwas gesehen? Wenn ja, dann war es nicht schwer zu erraten, was. Die
Schwangerschaft war ihre Sorge Nummer eins.
„Noten
sind nicht immer das Wichtigste, Miss Granger. Sie leben an der Seite von
Potter, Sie sollten es wissen“, fügte er eine Spur
kühler hinzu. Snape wusste mehr als sie über Harrys Pläne. Er und Dumbledore
trafen sich so oft, dass er Harry schon fast öfter zu sehen bekam, als sie. Sie
traute sich nicht, zu fragen.
„Es
gibt nichts, worüber ich sprechen möchte, Professor.“
„Vielleicht
ändern Sie Ihre Meinung noch“, bemerkte dieser bloß und erhob sich. „Gut, Sie
können gehen, Miss Granger.“
Sie
verließ sein Büro eilig, aber natürlich war das noch nicht alles. Malfoy
wartete vor der Tür auf sie.
„Wie
schön. Malfoy, du weißt, was ich denke.“ Sie konnte kaum noch gereizter sein.
„Granger,
bitte.“ Er lehnte sich gegen die Tischkante, und tatsächlich sah sie Draco
Malfoy verzweifelt. Er blickte zu ihr auf, und ihr Herz zog sich zusammen. Da war
kein Hass in seinen Augen. Da war nichts.
„Malfoy,
ich werde es bekommen. Und ich denke nicht, dass es dich etwas angeht.“
„Ach
nein?“ Er resignierte. „Granger, es ist genauso mein Kind. Und wenn du es so
willst, dann wirst du auch alles andere in Kauf nehmen.“ Und jetzt erst
witterte sie die Falle, die er versuchte, aufzuspannen.
„Was
soll das heißen?“
„Das
heißt, dass ich es Lucius sagen werde. Ich werde ihm sagen, dass du mein Kind
austragen wirst, und dann werden die Familientraditionen befolgt werden.“,
informierte er sie, und elegant stieß er sich von der Tischkante ab.
„Was
soll das bedeuten? Malfoy, hör endlich auf damit, mich manipulieren zu wollen.“
„Granger,
dir ist wohl nicht klar, wer ich bin?“
Sie
blickte an ihm empor, in sein überlegenes Gesicht und quittierte seine Frage
mit Schweigen und verschränkte Armen vor ihrer Brust. Sie ahnte bereits, was er
jetzt sagen wollte. Familienstammbäume und grauenhafte Traditionen schwebten
vor ihrem inneren Auge.
„Wenn
du das tun willst, dann wirst du nicht deine Meinung durchsetzen können.“
„Dein
Vater wird dich umbringen, wenn du es ihm sagst.“
„Mein
Vater ist traditionsbewusst, Granger. Natürlich wäre er wütend, keine Frage,
würde er handgreiflich werden. Aber dieser Fehler ist nun mal passiert. Das
bedeutet, dass ich dafür gerade stehe, wenn du es mir nicht erlaubst, das Kind
zu entfernen.“ Ihr Mund klappte auf. „Das bedeutet, du wirst meine Frau. Du
wirst eine Malfoy, das Kind wird gemäß der Tradition erzogen, und wir wohnen
auf Malfoy Manor.“
Ihr
Mund klappte zu. Das … das konnte er unmöglich ernst meinen. Und nein,
natürlich tat er das nicht. Wahrscheinlich wäre das allerdings die Konsequenz,
würde sie das Kind behalten. Oder Lucius würde sich seiner Wut ergeben und sie
alle beide umbringen.
Wahrscheinlich.
„Ich
würde niemals meine Zustimmung geben.“
Er
lächelte ein fieses Lächeln. „Das müsstest du nicht. Es wäre abgemacht, bevor
du deinen Zauberstab ziehen könntest. Glaub mir, ich will diese Zukunft auch vermeiden,
Granger. Also, überleg es dir. Und überleg es dir gut.“
Sie
schwieg. Sie hatte Angst. Wäre das ihre Zukunft? Sollte es so werden? All ihre
Chancen vertan, weil sie in den Malfoy Familienclan aufgenommen werden musste?
Es wäre ein Leben voller Hass. Sie würde nicht schlafen, weil sie jede Nacht
Angst haben müsste von Lucius oder seinem Sohn umgebracht zu werden.
Nein.
Das würde nicht passieren.
Wahrscheinlich
hatte Malfoy recht. Wahrscheinlich wäre es die beste Entscheidung, wenn sie…
wenn sie… Sie konnte es gar nicht denken. Es war völlig unmöglich. Würde Malfoy
ihr wirklich eine Chance lassen?
Die
Antwort war ihr bereits bekannt. Malfoy hatte das alles angefangen, hatte sie
verführt, hatte ihr die Unschuld gestohlen und jetzt war sie schwanger. Und
wahrscheinlich müsste sich die Welt auftun, bevor Draco Malfoy das hier nicht
auch noch beenden würde. Und zwar zu seinen Wünschen.
Selbst
wenn es bedeutete, dass er ihr Leben zur Hölle machte und seins völlig aufgab,
nur damit sie die größten Qualen erleiden konnte. Er war ein gemeiner Mensch.
Du schlimmste Mensch der Welt. Sie weinte. Und sie wollte nicht sehen, dass er
es sah. Sie ließ ihn allein. Sie ließ die Keller hinter sich und wusste, wie
sie sich entscheiden musste, damit Malfoy keine Macht über sie hatte.
Sie
wusste, sie musste tun, was er verlangen würde. Sie sah keinen Ausweg. Sie war
von Anfang an überfordert gewesen, und jetzt schien er ihr den Krieg erklären
zu wollen. In Form seiner Familie, seiner verkommenen Todesser Familie. Sie weinte
noch immer, Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen. Sie wollte nicht in den
Gemeinschaftsraum, und sie wollte ganz bestimmt nicht mit Malfoy über das Baby
diskutieren. Er würde es ihr ausreden. Und sie wollte es nicht. Sie wollte es
nicht aufgeben, aber sie würde keine Wahl bekommen. Entweder sie gab es auf und
lebte ihr normales Leben weiter – was danach niemals mehr gehen würde, oder sie
behielt das Kind und müsste sich Lucius Malfoy stellen.
Es
war keine Wahl. Nicht wirklich. Beide Entscheidungen waren nichts, mit dem sie
jemals leben können würde. Niemals.
Er war so ein Arschloch. Ein
gottverdammtes Arschloch. Ja, er zog alle Register seines Könnens. Und
wahrscheinlich würde er es sogar schaffen. Pansy hatte sich auf seinen Schoss
gesetzt und küsste seinen Hals. Er bemerkte es kaum.
Sie weinte wegen ihm. Er blieb
ungerührt. So furchtbar kalt und ungerührt.
Es kotzte ihn an.
Er
kotzte sich an.
Und jetzt saß er hier. Mit Pansy auf
seinem Schoss. Mit Pansy. Pansy, die kein Kind von ihm bekam. Oh Merlin. Er
versaute es schon wieder. Und zum Teufel noch mal, er hatte kein Interesse an
Pansy.
„Draco,
was ist los?“ Und sie war unglaublich böse. „Ich gebe mir hier Mühe, und du
bist sein Wochen ein komplettes Arschloch.“
Noch eine, die seine
Meinung teilte.
„Nichts,
Pansy, gar nichts.“ Er schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. Wie konnte
die Welt so kompliziert geworden sein? Er hatte seine Prüfungen bestanden,
wahrscheinlich alle mit Auszeichnung. Er sah aus, wie ein charmanter junger
Mann, und dabei versuchte er in seiner Freizeit, dass Mädchen, das er
geschwängerte hatte davon zu überzeugen, ihr Kind entfernen zu lassen.
Gegen
ihren Willen. Warum wollte sie es behalten? Sie hasste ihn. Und er konnte
niemals für sie da sein. Sie war ein Schlammblut. Verflucht… Noch nie stand er
so sehr zwischen den Fronten. Und noch nie hatte er sich so sehr für seine
Unschlüssigkeit gehasst.
Er
schob Pansy beiseite.
„Was
erlaubst du dir? Du wagst jetzt nicht, zu gehen, Draco Malfoy!“
Er
ging. Einfach so. „Nein! Draco! Komm sofort zurück. Wenn du jetzt gehst, dann
brauchst du nie wieder anzukommen! Ich werde dich nie wieder an meinen Körper
lassen, Draco!“
„Du
bist eine Lügnerin, Pansy. Aber ich werde schon einen Ersatz für dich finden.“
Er fuhr sich durch die blonden Haare und nickte dem Mädchen zu, das für ihn die
letzten drei Jahre als persönliche Schlampe die größten Dienste erwiesen hatte.
Er hatte keine Lust mehr auf sie.
„Wer
ist sie?“ Er hatte nicht erwartet, dass Pansy noch etwas sagen würde.
„Was?“
„Wer
ist die andere, Draco?“
„Pansy,
du bist verrückt geworden.“
„Ich?
Früher konntest du keinen Tag aushalten, ohne mich mindestens einmal zu zwingen
dir einen zu blasen, Draco.“ Wenn Pansy jetzt auch anfangen würde zu weinen,
dann würde er keine Frau mehr ansehen, rein als Präventivmaßnahme. „Also, sag
mir lieber sofort, wen du jetzt hast, um dich zu befriedigen.“
Es
war völlig absurd. Dieses Gespräch würde nirgendwohin führen. Und oh ja, Pansy
wäre bestimmt begeistert, wenn er ihr die Sache mit Granger erzählen würde. Übrigens, das Schlammblut bekommt ein Kind
von mir, und sie ist nicht bereit es aufzugeben, obwohl sie mich mehr hasst als
ich es selber tue.
Das
verrückte – das wirklich verrückte – war aber, dass er trotzdem nicht aufhören
konnte an sie zu denken. Granger war immer in seinem Kopf. Und selbst jetzt,
selbst jetzt wo die schlimmste Konsequenz eingetreten war, konnte er nicht
aufhören an sie zu denken.
Er
war ein erbärmlicher Bastard. Und eigentlich hatte Pansy etwas Besseres
verdient. Eigentlich.
„Es
gibt keine andere, Pansy.“
„Lügner!“
Sie erhob sich ebenfalls. „Denkst du vielleicht, ich würde es nicht sehen? Du
siehst nicht mehr mich, Draco. Du siehst nur noch sie. Wer immer sie ist, ich
hoffe sie lässt dich eiskalt abblitzen. Ist es Vanessa? Ist es Melinda?“,
fragte sie herausfordernd, und er seufzte. Wenn es nur ein Mädchen aus
Slytherin wäre. Aber das – nicht einmal das – war der Fall.
Er
war ein Wrack.
Er
verließ den Schlafsaal, und er verließ den Gemeinschaftsraum. Er stieg die
Treppen nach oben, er reagierte nicht auf Crabbe, der ihn in der Eingangshalle
ansprach. Er ging nach draußen in die Sommerhitze. Draußen herrschte Chaos.
Hundert Schüler liefen über das Gelände, manche spielten Federball oder lagen
einfach nur auf der Wiese. Andere schwammen im See, und wieder andere
trainierten auf dem Quidditchfeld.
In
zwei Wochen wäre die Zeit in Hogwarts vorbei. In zwei
Wochen würde er all das hinter sich lassen. In zwei Wochen wäre es mit legalen
Mitteln zu spät, das Kind zu entfernen.
In
zwei Wochen schien sich also die gesamte Welt zu verändern.
Wahrscheinlich
würde er es schaffen, dass Lucius nichts von dem Kind erfahren musste.
Wahrscheinlich wäre es ein schwieriges Unterfangen, aber nicht undenkbar. Wieso
machte er sich diese Gedanken? Er scherte sich nicht um das Kind. Gut, es war
sein Fleisch und Blut. Fleisch und Blut… Es
war sein reines Blut und ihr schmutziges Blut. Und nein, das Kind kümmerte ihn
nicht. Er gab es natürlich niemals zu, aber er war selber nicht unbedingt
erwachsen. Und tatsächlich erwärmte sich sein kaltes Herz für das Schlammblut.
Für Granger.
Wenn
sie es unbedingt wollte. Dann sollte sie ihn aber verschonen. Verschonen von
all den Pflichten. Er wusste, das war keine Möglichkeit. Er würde ihr keinen
Knut von seinem Vermögen geben.
Ja, du gibst ihr nur
Geld, damit sie es loswerden kann, richtig?
Er
war sich nicht sicher, ob diese Stimme sein Gewissen war, aber er befürchtete
es. Lucius hatte ihm niemals so etwas wie ein Gewissen zuteilwerden lassen,
davon war er überzeugt gewesen. Lucius…
Er durfte es niemals erfahren.
Niemals.
Er seufzte. Er war zu gutaussehend, um sich an ein Kind binden zu lassen.
Granger würde das nicht verlangen. Er wusste das. Er wusste, sie wollte das
Kind behalten, aber er wusste nicht, warum. Er wusste nur, dass er es nicht
bereute. Er bereute keine Sekunde von dieser Nacht.
Das
war es, was ihn am meisten schockierte.
„Draco?
Würden Sie mich ein Stück begleiten?“
Normalerweise
war das Gesicht des Zaubertranklehrers nicht so verschlossen und kühl. Nicht
ihm gegenüber. Er hatte so eine Ahnung… Eine dunkle Ahnung, die sich
hoffentlich nicht bewahrheiten würde.
Snape
führte ihn raus aus der Wärme der Sonne und wieder zurück in die schiere
Hoffnungslosigkeit.
~*~
„Wo
ist Ginny eigentlich?“ Harry blickte sich um und wandte sich dann an Hermine.
„Hast du sie heute schon gesehen?“
„Ja.
Sie ist runter ins Dorf mit Cormac.“
„McLaggen?“ Harry war entsetzt. Hermine würde diese
Information an Ginny weiter geben.
„Nein,
Harry. Cormac Smith. Sicher McLaggen.“
„Was
will sie mit dem?“ Hermine zuckte die Achseln.
„Ich
denke mal, sie geht mit ihm ins Dorf.“ Auch Rons Neugierde war geweckt.
„Ist
das jetzt wieder einer ihrer Freunde?“ Er wurde immer grimmig wenn es um Ginnys
neueste Freunde ging. „Konnte den nie leiden“, murrte er und legte sich zurück
ins Gras.
„Ich
finde nicht, dass wir so einfach mit irgendwelchen Jungen gehen lassen
sollten.“
„Er
ist Vertrauensschüler, Harry“, gab Hermine schlicht zurück.
„Was soll das heißen? Weil ich keiner bin, bin ich nicht so gut wie McLaggen?“
„Nein.
Das heißt lediglich, dass er kein solche Idiot sein kann, wenn er
Vertrauensschüler ist.“ Harry verzog spöttisch das Gesicht.
„Oh,
ja. Ich hab ganz vergessen, was für ein Held Malfoy doch ist. Du hast recht.“
Er
war beleidigt. Hermine seufzte. Jungs. Immer dasselbe. Und ja, wahrscheinlich war
McLaggen ein Vollidiot, aber solange Harry sich
darüber aufregte, würde sie mitspielen. Sie hatte sonst schon nicht mehr viel
Freude in den letzten Wochen.
Sie
hatte schon überlegt, ob sie zu Madame Pomfrey gehen
sollte. Im Vertrauen, soweit es die Schulregeln zuließen. Schulregeln… wahrscheinlich war sie von denen schon meilenweit
entfernt.
„Wieso
hast du immer noch den Pulli an? Es ist kochend heiß hier draußen.“ Rons helle
Haut vertrug die Sonne überhaupt nicht. Harry hingegen bräunte schneller, als
man es überhaupt bemerken konnte. Augenblicklich verschränkte sie die Arme vor
ihrer Brust.
„Ich…
ahem… mir ist nicht warm“, log sie und dankte ihrem
Körper dafür, dass sie nicht so schnell ins Schwitzen kam.
Ron
bedachte sie mit Argwohn. Aber Gott sei Dank kam Ginny auf sie zu. Ihr Haar
wehte, und ihr Lachen verlor an Fröhlichkeit als sie einen Blick mit Hermine
tauschte. „Hallo Leute!“
Sofort
hatte sich Harry aufgesetzt. Ginny ließ sich neben Hermine sinken.
„Du
warst also mit McLaggen unterwegs?“ Ron übernahm
wieder mal die Rolle des großen Bruders.
„Ja?“
Angriffslust zwischen Geschwistern. Hermine verdrehte die Augen. Aber es war so
herrlich normal. Es war ein Nachmittag, der wirklich unheimlich normal
erschien. Sie konnte zwar das Wesentliche nicht verdrängen, aber sie konnte
immerhin so tun, als ob.
„Harry
und ich haben was dagegen.“
„Harry
und du? Was seid ihr? Meine Beschützer? Ich bin nicht Hermine.“
Aha. Was für ein netter
Seitenhieb. „Es sind also meine
Beschützer? In wie weit darf ich das verstehen?“ Es machte Hermine fast Spaß
mit ihren Freunden zu diskutieren. „Außerdem leisten sie keinen besonders guten
Job“, fügte Hermine leise hinzu.
„Es
geht darum, dass du meine Schwester bist.“
„Aber
nicht Harrys. Also hat er erst mal überhaupt kein Recht, mir irgendwas
vorzuschreiben.“ Sie funkelte Ron wütend an. Es war immer dieselbe Diskussion.
„Ginny,
du bist jünger als ich. Ich werde nicht zulassen, dass du mit irgendwelchen
Jungen anbandelst.“
„Anbandelst?“,
wiederholte Ginny belustig, aber Ron wurde immer röter im Gesicht.
„Stell
dir vor, es passiert irgendwas. Stell dir vor, du lässt dich von ihm betrunken
machen, und am nächsten Morgen wachst du nackt auf einem Schiff auf.“
„Was?“
Ginny vergaß wütend zu sein. Ron hätte Komiker werden sollen.
„Ja.
Unter Drogen gesetzt, beklaut… Vielleicht schwanger, ohne es zu wissen! Wer
weiß, was passieren kann!“, orakelte Ron jetzt lauter, und Ginny lachte laut.
„Oh
ja, ich habe gehört, Cormac McLaggen
plant nach der Schule auf einem Piratenschiff anzuheuern und Mädchen zu
rauben.“ Sie prustete los, und Ron legte sich wieder böse fluchend ins Gras.
Harry betrachtete Ginny noch einen Moment, ehe er sich auch wieder ins Gras
legte.
„Jungs
sind so dämlich“, flüsterte sie, aber Hermine sah ihr an, dass sie gehofft
hatte, Harry würde irgendwas zu ihr sagen. Hermine würde ihr später erzählen,
wie sehr er sich aufgeregt hatte. Das heiterte Ginny bestimmt auf. Und dann
musste sie ihr auch nicht erzählen, dass sie darüber nachgedacht hatte, doch
kein Baby zu bekommen. Wirklich darüber nachgedacht hatte sie nicht.
Es
war zu schmerzhaft, aber an und an kratzte der Gedanke an ihrem Gewissen. Kurz
wenigstens.
~*~
„Ich
habe mir Miss Granger gesprochen.“, erklärte der Zaubertranklehrer knapp und
betrachtete ihn mit einem prüfenden Blick. Draco ließ sich nichts anmerken.
„Aha.
Über die Prüfung, nehme ich an.“ Draco konnte auch ein fantastischer Teilnehmer
einer falschen Unterhaltung sein. Lucius pflegte sie auch immer mit ihm zu
führen, wenn er eigentlich auf etwas ganz anders hinaus wollte.
„Haben
Sie mir etwas zu sagen, Draco?“
„Nein.
Nichts, Sir.“
„Sie
erwartet ein Kind.“
Draco
schwieg einen momentlang. Hatte Snape also doch in Grangers
Kopf geguckt. Er hatte es schon geahnt. Eigentlich hatte er gedacht, sie würde
sich ihm widersetzen, aber wahrscheinlich hatte sie damit nicht gerechnet.
Schließlich
hob er den Blick. „Ja.“
„Was
haben Sie vor?“ Er hatte erwartet, dass Snape schreien würde, ihn maßregeln würde,
ihn sogar noch heute Abend von der Schule warf. Aber nein, er fragte ihn, was
er vorhatte? Nun, das wusste er nicht wirklich.
„Was
ich vorhabe?“
„Ja.
Werden Sie es Lucius sagen?“
Draco
lachte hart auf. „Oh, ja sicher, Professor. Lucius wäre begeistert davon mit
sechsunddreißig Großvater zu werden. Großvater eines Halbbluts.“ Gott, er
vergab schon so lässig Namen für das Ding, dass es ihm Angst machte.
„Aber
Sie werden sich doch irgendwelche Gedanken gemacht haben, Draco“, beharrte der
Lehrer, ohne auf seine Worte einzugehen. Wahrscheinlich hatte er eingesehen,
dass Lucius nicht der Weg war, den er zu gehen bevorzugte.
„Sicher.
Entfernung.“ Er mied den Blick seines Lehrers. Unfassbar, dass jetzt noch einer
mehr davon wusste. Aber er behandelte es anscheinend wie ein delikates Problem.
Was es nun auch war.
„Was
sagt Miss Granger dazu?“ Draco musste darauf nicht antworten.
„Das
wissen Sie sicher bereits.“
„Ja.
Sie ist dagegen.“
„Hören
Sie, bei allem Respekt, ich brauche Ihre Hilfe nicht.“
„Ich
biete Ihnen keine Hilfe, Draco.“ Der Zaubertranklehrer sah ihn knapp an. „Ich
biete Ihnen einen Ausweg. Einen Ausweg aus einer Sackgasse. Granger ist viel zu
jung, um Mutter Ihres Kindes zu werden.“ Draco überhörte geflissentlich, was
der Lehrer ihm damit zwischen den Zeilen mitteilen wollte.
„Wenn
Sie sie überzeugen, dann kann ich Ihnen helfen. Über Nacht wird sich Ihr
Problem gelöst haben, und niemand muss es erfahren.“
„Wieso
tun Sie das?“ Draco zog die glatte Stirn in tiefe Falten und wusste, es war ein
wirklich großzügiges Angebot, was der Mann ihm bot.
„Weil
mich der Gedanke wahrscheinlich verfolgen würde, dass ich Ihnen hätte helfen
können und Lucius Sie dann nicht hätte umbringen müssen.“ Draco schluckte.
Snape dachte also genauso wie er über Lucius.
„Es
wäre der beste Weg alles zu regeln. Überzeugen Sie Miss Granger davon.“
Überzeugen… Er war dabei. Wenn
auch nicht mit ganzem Herzen.
Sie
hatte beschlossen zum Vertrauensschülertreffen zu gehen. Relativ spät. Und eigentlich
nur, weil sie keine Kraft hatte, mit Ginny die Freistunde zu verbringen. Denn
sie wollte nicht den ganzen Vormittag über die Umstände ihrer Schwangerschaft
reden und dass sich bald alles ändern würde.
Sie
wusste Malfoy würde es nicht zulassen. Sie wusste es.
Also
lief sie jetzt lieber durch die Gänge zum Treffen, als sich von Ginny Vorwürfe
anzuhören. Ja, sie war eine schlechte Freundin, aber sie empfand dass sie das
Recht hatte, im Moment nicht die beste Freundin der Welt sein zu dürfen.
Sie
musste auch mal selbst entscheiden.
Sie
öffnete die Tür und Malfoy verstummte überrascht als er sie sah. Natürlich
hatte er ohne sie angefangen. Eigentlich wollte sie ja auch nicht mehr
auftauchen. Aber wenn sie sich zwischen zwei Übeln entscheiden musste, dann
entschied sie sich lieber für das Übel bei dem sie sowieso nichts mehr falsch
machen konnte.
Er
fuhr fort, als wäre sie gar nicht aufgetaucht. Er schien das alles auch
wunderbar ohne sie zu schaffen. Natürlich tat er das. Sie wurde wieder wütend
auf ihn. Denn er war ein mieser Typ.
Sie
hörte ihm zu wie er die letzten Anweisungen vorlas. Er sah gut aus. Viel zu
gut. Verboten gut. Gott, Hermine. Du bist schwanger mit seinem Kind. Noch
jedenfalls. Dieser Gedanke saß wie ein dicker Kloß in ihrer Kehle und drohte
sie zu ersticken.
Er
endete.
Automatisch
erhob sie sich mit den Vertrauensschülern. Sie hatte nur Bruchstücke
mitbekommen, und es war ihr unvorstellbar, dass schon eine Stunde vorbei sein
konnte. Gut, sie war auch zu spät gekommen, aber dennoch. Es war immer so,
versuchte man Zeit zu schinden, dann war es unmöglich und die Zeit raste nur so
davon. Versuchte man schnell dem Ende von etwas entgegen zu fiebern, dauerte es
Ewigkeiten bis der Moment der Erlösung kam.
„Was
machst du denn doch hier?“ Ron erreichte sie an der Tür.
„Ich
dachte, ich komme das letzte Mal vorbei.“
„Selbst
wenn er hier ist?“ Ron war das erste
Mal mächtig eifersüchtig auf ihren Posten, aber nur weil es bedeutete, dass man
die Treffen sausen lassen konnte.
„Danke,
Weasley. Meine Ohren sind ok.“ Ron verdrehte die Augen.
„Mach
einfach keinen Stress, Malfoy.“
„Oh,
niemals“, log dieser mit einem Grinsen, dass seine Fangzähne entblößte. Hermine
wäre eingeschüchtert gewesen, wenn sie Ron wäre, aber dieser pfiff durch die
Zähne und bedeutete ihr ihm zu folgen. „Granger, hast du noch eine Sekunde? Das
Wiesel kann draußen warten“, fügte er missbilligend hinzu, und Ron fixierte ihn
finster.
„Legst
du es auf Streit an, Malfoy?“
„Absolut,
aber noch nicht jetzt.“
„Ich
bin sofort fertig, Ron. Geh schon mal vor.“ Damit war Ron nicht zufrieden, aber
mehr würde er nicht zu hören bekommen. Malfoy schloss die Tür, und Hermine sah
ihn angsterfüllt an. Sie befürchtete schon den nächsten Schlag.
Und
er kam.
„Snape
bietet uns Hilfe!“, sagte er begeistert, und sie schnappte nach Luft.
„Du
erzählst es Snape?“
„Er
hat es in deinen Gedanken gelesen.“
„Er…
was? Oh. Also doch. Verflixter Mist.“ Sie seufzte schwer. Sie hätte es wissen
müssen. Snape war nicht dumm.
„Jedenfalls
sagt er, dass er einen Trank brauen kann, der all unsere Sorgen löst.“
„Er
will also auch, dass ich es loswerde“, stellte sie trocken fest, und Malfoy
nickte knapp.
„Ich
werde dich begleiten, wenn du es willst“, fügte er hinzu, und sie sah dass ihm
das großes Unbehagen bereitete.
„Du
musst überhaupt nichts tun, Malfoy.“
„Du
weißt, es ist die einzige Lösung, Granger, verflucht noch mal. Du kannst es
nicht behalten.“ Sie würde wieder weinen. Aber erst nachdem sie gegangen war.
„Es
ist nicht die einzige Lösung. Es ist die einfachste Lösung, Malfoy.“
Er
verzog den Mund. „Wann?“, fragte sie leise, und er
erwiderte genauso leise seine Antwort.
„Mittwoch.“
„Also
zwei Tage.“
„Ja.
Um achtzehn Uhr.“
„Ich
will nicht, dass du dabei bist.“
„Meinetwegen“,
erwiderte er und nickte schließlich. „Gut. Dann haben wir das geklärt. Schön,
dass wir uns einig werden konnten.“ Als hätten sie gerade einen Vertrag
geschlossen. Es widerte sie an.
Sie
verließ das Klassenzimmer, bevor er es tun konnte.
Das
war dann also ihre Entscheidung. Kein Kind. Kein Kind, weil es Malfoy so besser
in den Kram passte. Natürlich war sie nicht reif genug, aber man wuchs an
seinen Herausforderungen, man gewann Verantwortung. Aber Snape bot ihnen eine
ideale Chance. Und niemand musste etwas erfahren.
Naja,
außer Ginny.
Oh je…
~*~
Die
Warterei machte ihn wahnsinnig. Und impotent, hatte er das Gefühl. Er hatte
weder Lust auf Sex, noch auf irgendetwas sonst. Lernen musste er nicht mehr. Er
musste nur noch stumpf zum Unterricht erscheinen. Dann saß er seine Zeit ab,
bis es läutete und dann aß er, schwieg mit Pansy um die Wette, lauschte Crabbe
und Goyle und ihren großen Plänen, die Zaubererwelt zu beherrschen, und dann war es schon wieder
spät und er konnte schlafen.
Sein
Rhythmus war immerhin wieder im Lot. Das hatte etwas für sich. Dann konnte er
morgens den Sonnenaufgang genießen.
Er
hasste alles. Absolut alles. Die Tage vergingen einfach nicht. Er hatte zu viel
Zeit zum Nachdenken. Und jetzt hatte er alle Mädchen abgewiesen und wurde auch
von keiner mehr angelächelt.
Voldemort
bewegte sich seit einer Ewigkeit im Untergrund. Nicht einmal sein Vater glaubte
noch daran, dass er wirklich jemals wieder zu Macht gelangen würde.
Wahrscheinlich war Voldemort eine hoffnungslose Instanz.
Das
würde sogar Lucius unter genügend Feuerwhiskey zugeben. Draco war sich da
sicher. Aber er wusste, er riskierte hier eine blutige Lippe. Denn Crabbe und Goyle waren scharf darauf in die Dienste von Voldemort zu
treten.
Draco
war das nicht. Er glaubte auch nicht, dass sein Vater mehr tun würde, als zu
schreien. Denn diese Voldemort-Sache besaß keine Zukunft. Draco wusste das.
Lucius wusste das. Selbst Voldemort selbst wusste es bestimmt. Zu vielen
Zauberern war die Vermischung des Bluts mittlerweile egal. Alle Adelsfamilien
starben aus.
Und
würde Granger beschließen ihre Meinung zu ändern und das Ding zu kriegen, dann
hätte er nur den nächsten Schritt gemacht und seine Familie zerstört. Aber es
war nicht sein Plan, seinen Vater zu erzürnen. Jedenfalls nicht maßgebend.
Nicht, dass es nicht unterhaltsam war, bis Lucius schließlich seine Gewalt
nicht mehr im Zaun halten konnte.
In
seinen Gedanken machte ihn die Vorstellung einer schwangeren
Granger wahnsinnig. So wahnsinnig, dass er sich am liebsten übergeben
hätte. Allerdings zu Snape zu gehen und den Embryo sofort zu entfernen, stellte
sich als keine besonders bessere Vorstellung heraus.
Seit
ein paar Wochen verfügte er nämlich über ein recht ausgeprägtes Gewissen. Ein
Gewissen, das ihn nachts nicht mehr ruhig schlafen ließ. Erfolglos versuchte er
sich einzureden, dass danach alles wieder seinen gewohnten Gang laufen würde.
Er könnte wieder er selbst sein. Und genau hier war der Haken an der ganzen
Sache. Vielleicht – nur vielleicht – wollte er das gar nicht.
Nicht,
dass er auf einmal Vater sein wollte. Nein, Gott bewahre. Er kannte seinen
Vater gut genug um zu wissen, dass er selber bestimmt kein besseres Vorbild
abgeben würde. Aber es war etwas anderes. Er hatte die Chance jemand anders zu
sein. Diese Sache mit Granger hatte ihm verschiedene Türen geöffnet. Nur in
seinem Kopf natürlich. Er wollte auch kein Schlammblut haben. Zu tief saßen all
die Vorurteile seines Vaters in seinem Kopf, in seinem Blut, in seinen
Eingeweiden, als dass er irgendwas hätte daran ändern wollen. Oder können.
Pansy
betrat den Gemeinschaftsraum und redete immer noch kein Wort mit ihm. Draco
nahm es nicht persönlich. Es störte ihn nicht einmal besonders. Vielleicht war
er aus seinem Freundeskreis raus gewachsen.
Vielleicht.
Trotzdem
hatte er Lust auf Sex. Zur Not auch mit Pansy. Aber er wusste, sie würde
erstmal ihr Wort halten. Und er hatte auch keine Lust das Mädchen, mit dem er
schlafen wollte erst noch dazu zu überreden. Herr Gott. Verfluchte Hormone.
Er
ging, bevor Pansy ihn mit offensichtlichem Schweigen strafen konnte.
„Draco.“
Er hielt inne. Goyle hatte ihn an der Tür abgefangen.
„Wo gehst du hin?“ Draco zog die Augenbraue hoch.
„Wieso?“
„Ich…
ich dachte, ich begleite dich.“ Sein Ton klang mürrisch, aber seine Augen
verrieten definitiv, dass er nicht ungern gehen wollte. Etwas Dringendes lag in
dem Blick des Jungen, mit dem er einst gut befreundet gewesen war.
„Aha.
Gut.“ Was sollte er sagen? Nein. Ich habe keine Zeit. Ich suche nach einem
Mädchen, das willenlos Sex mit mir hat? Bestimmt.
Obwohl Goyle es vielleicht verstehen würde. Nein.
Crabbe würde es verstehen. Goyle war ein Narr, der an
die Liebe glaubte. Die unerfüllte Liebe.
Sie
verließen den Gemeinschaftsraum schweigend, und Draco kam sich lächerlich vor.
„Greg, was ist los?“
„Nichts.“
Zu schnell. Zu laut. „Ich meine, ich dachte, ich begleite dich.“
Draco
schwante Übles. „Wenn es schon wieder um Pansy geht…“, begann er drohend, aber Goyle hob die Hände.
„Nein.
Nein, es geht nicht um Pansy. Es geht um… Granger.“ Das Wort klang seltsam aus Goyles Mund. Und Draco gefiel diese Richtung, die das
Gespräch nahm ganz und gar nicht.
„Ich
will nicht über Schlammblüter sprechen, Greg.“
„Ich
will dich auch nicht… naja… ich wollte nur. Wir sind Freunde, richtig?“
Draco
musste darüber nachdenken. Nein, wahrscheinlich waren sie nicht viel mehr als
Klassenkameraden, die dieselbe Vorliebe für reines Blut hatten. Dracos Stand in
Slytherin war berüchtigt. Goyles hingegen war kaum
erwähnenswert. Aber ja, sie kannten sich von Geburt an. Wahrscheinlich zählte
das schon etwas.
„Wieso
fragst du das?“ Draco hatte keine Lust auf Spiele. Vor allem jetzt nicht.
„Ich
meine, du würdest mir sagen, wenn du glaubst, dass ich…“ Er schien nicht die
richtigen Worte zu finden.
„Wenn du denkst, dass wir Freunde sind, dann solltest du keine Angst davor
haben, mir zu sagen, was du denkst, oder Greg?“ Er konnte nicht verhindern
gereizt zu klingen.
„Du
sprichst im Schlaf. Von ihr.“ Draco hielt unbewusst den Atem an.
„Ich…
- was?“, keuchte er unvermittelt, als die Information endlich in sein Gehirn
gesackt war. Goyle nickte einmal.
„Ja.
Ich glaube nicht, dass es sonst jemand gehört hat, aber du sprichst schon seit Wochen
von ihr.“
„Ich…
spreche…? Was zur Hölle sage ich, Greg?“
Oh, mein Gott! Das
kann wohl kaum noch schlimmer werden.
„Du…
du sagst… naja…“
„Sag
mir, was ich sage, verflucht!“
„Du
willst sie behalten.“
Das machte keinen
Sinn.
„Was?“
„Naja,
du sagst, du willst sie behalten.“
Großartig. Sein
Unterbewusstsein betrog ihn also auch noch. Was sollte das überhaupt heißen? Er
wollte Granger behalten? In welcher Relation? Er wollte sie als seinen Besitz?
Als seine Freundin? Als die Mutter seines Kindes?
Er
lachte hart auf. Er war einfach nur völlig fertig. Seine Nerven lagen blank.
Morgen Abend würde alles verflucht noch mal vorbei sein. Der ganze Stress, die
ganzen Sorgen, die er sich umsonst gemacht hatte. Sein Schwanz würde nicht nur
noch Schlammblutfotzen bevorzugen – er schmunzelte innerlich bei diesem Wort –
und er würde einfach ganz normal weiter machen.
„Tu…
tu mir einen Gefallen, und lass uns darüber nicht mehr reden.“, bat er knapp,
und Goyle musterte ihn.
„Es
stimmt also?“
„Was
stimmt also?“ Langsam wurde er wirklich wütend auf Goyle.
„Dass
da was ist, zwischen dir und ihr?“
„Da
ist nichts, Greg“, erwiderte er barsch und sah wieder stur geradeaus. Sie
gingen geradewegs in Richtung Große Halle. Es war ihm gar nicht aufgefallen.
„Nein?
Aber da war was. Bestimmt auf der Party.“
„Halt
deinen Mund, zum Teufel. Schrei das nicht so rum.“
„Ich
wollte nur-“
„-es
geht dich nichts an!“
Goyle war stehen geblieben und verschränkte die
Arme vor der Brust, so wie Granger es jedes Mal tat, wenn sie mit ihm redete.
Er brachte sich noch um alle Menschen, die sich jemals um ihn geschert hatten. Verflucht.
„Wir
sind keine Freunde, oder Draco?“
„Hör
zu, im Moment brauche ich Freunde am geringsten.“
„Oh,
das glaube ich nicht.“ Goyle widersprach nie. Niemals
ihm, niemals Pansy, niemals Snape, niemals irgendwem. Es klang seltsam, ihn so
reden zu hören. „Du bist ein Bastard, Malfoy.“
Dieser
Satz. Dieser Satz aus hundert verschiedenen Mündern. Er hasste es.
„Was
willst du von mir?“, schnauzte er lauter als beabsichtigt, und einige Schüler
blieben auf ihrem Weg stehen und sahen zu ihnen hinüber.
„Ich
will dir nur helfen, Mann.“
„Ich
brauche deine Hilfe nicht. Ich kann mich nicht erinnern darum gebeten zu
haben.“
„Du
bist ganz genauso wie dein…“
„Wenn
du weiter sprichst, jag ich dir einen Unverzeihlichen auf den Hals. Dann wirst
du dir dreimal überlegen, ob du jemals wieder den Mund aufmachst!“ Er meinte
jedes Wort. Der Zauberstab lag schon wie von selbst in seiner Hand, und Goyle verzog kaum eine Miene.
„Dir
ist nicht zu helfen.“ Goyles Hände sanken kraftlos an
seine Seiten. Er machte sich nicht mal den Aufwand seinen Zauberstab aus der
Tasche zu holen. Er ließ ihn einfach stehen. Er wandte sich ab ohne ein
weiteres Wort und ließ ihn einfach stehen.
Scheiße.
Fuck, verfluchte Hölle. Alles geriet außer Kontrolle. Alles.
Er
nahm langsam seine Umgebung wieder wahr und steckte den Zauberstab hastig weg.
Die Schüler um ihn herum starrten ihn fassungslos an. Er hatte keine Lust sich
anstarren zu lassen, als wäre er der Verrückte. Als hätten die anderen keine
Schuld.
Nannte
man so etwas Existenzkrise? Er hoffte es nicht. Wirklich nicht. Und er war
nicht sein Vater. Er war nicht Lucius. Er war es einfach nicht. Er war nicht
so! Er wusste, er war es nicht. Wieso sagten es alle? Wieso sah denn keiner,
dass…
Nein.
Er
streckte den Rücken durch, setzte ein gefährliches Gesicht auf und bahnte sich
seinen Weg durch die murmelnden Schüler. Er verließ die Eingangshalle, schritt
zügig nach draußen, an den Gewächshäusern vorbei und hoch zur Eulerei. Er hatte niemanden, dem er hätte schreiben können,
aber er wusste einfach keinen besseren Ort. Es gab keinen Ort, wo er nicht
schon mindestens zweimal seine schlechte Laune ausgelassen hatte und ihn alle
ansahen wie einen Verrückten.
Er
spürte seinen ersten persönlichen Zusammenbruch kommen.
Er
war die Treppen hoch gerannt. Er hatte keine Ahnung, wann er das letzte Mal
gerannt war. Naja, doch. Er hatte das Horn des Einhorns zerbrochen, als er es
von der Wand genommen hatte. Lucius war sofort zur Stelle gewesen und hatte den
Zauberstab gezogen.
Aber
er war gerannt. Das kaputte Horn in der Hand und Lucius hinter ihm her. Die
Flüche gingen alle daneben, wahrscheinlich weil Lucius vor Wut nicht richtig
hatte zielen können.
Ein
freudloses Lächeln huschte über seine Züge. Man rannte nur, wenn man Angst
hatte.
Er
blieb abrupt stehen.
Er
war nicht alleine hier oben in der Eulerei.
„Granger.“
Es war eine reine Feststellung und Akzeptanz
ihrer Anwesenheit. Er war völlig außer Atem. War er die Stufen hoch gerannt?
Hastig wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Wie hoch standen die
Chancen, dass ausgerechnet Malfoy hier hoch kam, wenn sie alleine sein wollte?
Wahrscheinlich hoch. Bei ihrem Glück.
„Malfoy“, erwiderte sie tonlos und
wandte sich ab. Er hatte keinen Brief bei sich. Was wollte er wohl hier? Sie
hatte auch keinen Brief abgeschickt, aber das wusste er nicht.
„Wie…?“ Aber er sprach nicht weiter.
Das Wort verklang einfach im Raum. Er schritt an ihr vorbei und lehnte sich an
gegen die Mauer. Sein Blick war in die Ferne gerichtete, und wahrscheinlich
fixierte er keinen bestimmten Punkt.
Wollte er gerade fragen, wie es ihr
ging? War das sein ernst? Er wirkte so unheimlich verloren, aber sie wusste,
sie durfte diese Gedanken nicht zu lassen. Sie wusste nicht einmal mehr, wie
lange sie schon hier oben war.
Es war nicht kalt im Sommer, aber
langsam versank selbst die Sonne. Sie nahm an, dass es bald Essen geben würde,
auch wenn sie keinen Hunger hatte.
Sie beschloss diplomatisch, sogar
abwertend zu sein. Immerhin behandelte er sie nicht anders. „Wie geht es dir, Malfoy?“, nahm sie ihm nun seine
Worte, und er hob müde seinen Blick.
„Ausgezeichnet“, gab er ausdruckslos
zurück, und sie wusste, er würde nicht mit ihr reden. Seine Fäuste lagen
geballt auf dem Mauersims, und nur zu gerne hätte sie gewusst, was gerade durch
seinen Kopf ging.
Sie seufzte schließlich. Was hatte sie
gedacht? Dass er seine Meinung ändern würde? Sie wollte sich von ihm nicht
abhängig fühlen, auf gar keinen Fall. Aber er war ein böser Mensch. Ein böser
Mensch, der wahrscheinlich Recht hatte. Aber das würde sie nicht zugeben.
„Ich werde gehen“, murmelte sie mehr zu
sich selbst, denn sie bezweifelte, dass es ihn interessierte.
„Du… du musst nicht gehen, Granger.“
„Ich habe hier nichts weiter zu tun.“ Nicht dass sie vorher etwas zu tun gehabt
hätte. Es war Dienstag. Harry und Ron hatten beschlossen zu trainieren und
hatten Ginny mitgenommen. Sie konnte sogar ungestört im Gemeinschaftsraum
sitzen und sich möglicherweise übergeben. Sie war bis jetzt verschont
geblieben.
„Aber… du könntest trotzdem bleiben.“
Er sah sie nicht an. Er starrte immer noch in die Ferne.
„Wieso willst du meine Gesellschaft?“
Es war völlig absurd. Er hatte nichts anderes getan, als sie von sich gestoßen
in den letzten Wochen. Naja, abgesehen von den schwachen Momenten wo er sie
gegen irgendwelche Wände gepresst hatte. Aber diese Momente waren so weit fort,
dass sie gar nicht mehr echt waren.
„Vergiss es. Ich brauche deine
Gesellschaft nicht.“, erwiderte er gereizt, und sie blieb unbewegt.
„Was tust du hier oben überhaupt?“,
fragte sie jetzt, aber er blieb stumm.
Sie blieben stumm und bewegungslos. Aber
egal, was für ein schlechter Mensch er war, sie war es nicht. Sie sah sein Leid
genau, auch wenn er für ihres blind zu sein schien. Sie hasste es, ein besserer
Mensch zu sein als er.
Sie stellte sich behutsam neben ihn und
sah ebenfalls in die Ferne.
„Worauf wartest du?“, fragte sie leise.
„Auf nichts.“
„Wieso bist du hier hoch gekommen?“
„Ich habe keine Lust auf
Frage-und-Antwort, Granger.“ Er sah unglaublich müde aus. Und, großer Gott, er
tat ihr Leid. Über alle Maßen Leid.
„Du wolltest, dass ich bleibe.“
Er richtete sich so plötzlich auf, dass
sie zusammen zuckte. Er hob die Hände und schüttelte den Kopf. „Ich will
überhaupt nichts von dir, Granger. Du kannst bleiben, du kannst gehen, es ist
mir völlig egal, was du tust.“
Ja, es war ihm egal. Also, wieso blieb
sie bei dem Menschen, der sie dazu zwang das Leben in ihrem Inneren aufzugeben?
Und sie sah, dass er log. Wäre es ihm wirklich egal, hätte er sie längst
beleidigt. Und er wäre längst selber schon verschwunden. Leider war sie nicht
so arrogant anzunehmen, dass sie überall erwünscht war.
„Wenn du willst, dass ich bleibe, dann
bleibe ich.“ Es war ich schlichtes Angebot, und er schien tatsächlich mit sich
zu kämpfen. Er sah aus wie immer. Überlegen, arrogant, die Züge seines Vaters
so deutlich in seinem Gesicht.
Sie hatte schon viele schlimme Dinge
durchmachen müssen. Sie hatte im zweiten Jahr tagelang mit einem Katzengesicht
rumlaufen müssen. Im zweiten Jahr war sie wochenlang versteinert gewesen. Sie
hatte im ersten Jahr gegen einen Troll kämpfen müssen, im dritten waren sie vor
einem Werwolf weggelaufen. Im fünften hatte sie Lucius Malfoy beinahe
umgebracht, aber nichts von all diesen Dingen überbot die Qual, die schiere
Qual, sich mit Draco Malfoy zu unterhalten.
Vielleicht war er dafür nicht
geschaffen. Vielleicht redete er nicht.
„Sieh mich
nicht so an, Granger!“ Auf einmal sah sie Wut in seinen Augen.
„Wie? Ich…“
„Als wäre alles meine Schuld. Es ist
nicht alles meine Schuld. Hör endlich auf, mir irgendwelche Vorwürfe zu machen.
Als wäre ich der Böse in dieser Geschichte.“ Sein Ausbruch traf sie recht
überraschend. Anscheinend hatte er in ihr ein Ventil gefunden. Großartig. „Wir haben keine Möglichkeit.
Denkst du etwa, ich mag das hier?“ Er deutete auf sich und auf sie, wobei sie nicht
sicher war, ob er nicht eigentlich auf das Baby deutete.
Ihr
Baby…
„Hör
auf zu schreien. Wenn du nur willst, dass ich bleibe, damit du wieder schreien
kannst, dann vergiss es, Malfoy. Ich bin nicht eine deiner Schlampen, die du
benutzen kannst, wie du willst.“ Er verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln.
„Ich biete dir meine aufrichtige Gesellschaft, nicht die Möglichkeit, dich zu
streiten. Wenn du das willst, geh zu wem anders. Es ist dir doch anscheinend
egal, mit wem du dich anlegst.“
Zu
viel. Anscheinend war das zu viel gewesen.
„Hör
auf damit! Es ist nicht meine Schuld! Es ist nicht meine Schuld, ich… Ich kann
nicht…“
Und
sie erstarrte. Seine Augen… sie hatte es noch niemals gesehen. Noch nie in
ihrem Leben. Er weinte. Großer Gott, Draco Malfoy weinte. Hastig, und mehr als
zornig wischte er sich über das Gesicht und wandte sich ab.
„Draco…“
„Oh,
komm schon, Granger. Hör auf mit dem Scheiß. Es gibt keinen Grund für dich,
meinen Vornamen zu benutzen, Schlammblut.“ Sie schluckte schwer. Gott, was war
das für eine dicke Schutzschicht, die er um sich aufgebaut hatte. Aus Hass und
Wut.
Und
das allerletzte war, dass er ihr Leidtun sollte, aber bedauerlicherweise tat er
das. Sie wusste, er war nicht derjenige, der die guten Worte verdiente, bei Gott
nicht, aber sie sprang über ihre Schatten. Wieder einmal. Wieder einmal für
ihn.
Behutsam
legte sie ihm die Hand auf den Rücken. Er war zu groß, zur Schulter reichte sie
nicht. Er versteifte sich kaum merklich. Sie konnte nur ahnen, was es für ein
Maß an Schwäche sein musste, die er zeigte.
„Geh.“, befahl er trocken, und sie schüttelte den Kopf, auch wenn er es nicht
sehen konnte. „Granger, ich warne dich…“ Sie hörte die Tränen immer noch durch
seine Worte.
„Nein.“,
sagte sie leise. „Ich… werde bleiben. Nicht für dich, nein. Aber ich würde mich
scheußlich fühlen, wenn ich dich jetzt alleine lasse. Ich fühle mich sowieso
schon scheußlich genug, weil ich morgen gegen meinen eigenen Willen handeln
werde“, fuhr sie immer leiser fort, die Hand unbewegt auf seinem Rücken. Er
atmete tief ein. Anscheinend versuchte er, sich zu beruhigen.
Als
er sich umwandte, fiel ihr Hand nutzlos an ihre Seite, und ihn weinen zu sehen,
ließ ihre Tränen wieder neu aufkommen. Seine Mundwinkel zuckten kurz. Nur kurz.
„Wenn
du weinst, werde ich gehen, Granger.“
„Ich
weiß“, flüsterte sie, und ihr Blick senkte sich auf ihre Füße.
Sie
wünschte sich, sie hätte jemanden, der sich nur einmal kümmerte. Ginny würde
sich nur kümmern, wenn sie ein Baby bekommen würde. Harry und Ron würden sich
auf die Art und Weise kümmern, dass sie Malfoy umbrachten oder sie mit Ignoranz
straften.
Professor
Snape kümmerte sich, indem er ihr das Baby nahm, das in ihrem Inneren wuchs.
Und Draco Malfoy? Draco Malfoy kümmerte sich um niemand anderen als um sich
selbst. Es war ein grauenhafter Nachmittag. Sie wich zur Seite aus, denn die
erste Träne rollte ihre Wange hinab.
Ihr
war kalt, wie konnten ihre Tränen dann so heiß sein? Sie schämte sich. Das tat
sie in den letzten Wochen viel zu häufig. Seine Finger waren eiskalt als sie
ihr Kinn anhoben.
„Granger,
hör auf zu weinen, ich bitte dich.“ Der Wind blies ihr die Haare aus dem
Gesicht, aber sie wollte nicht, dass er sie ansah. In seinen Augen tobte ein
Sturm. Sie wusste nicht, was er dachte, aber ihre Knie wurden weich. „Darf ich
dich küssen?“
Ihr
Herz machte einen Satz. Er… was?
„Nein!“,
piepste sie, und sie schüttelte den Kopf. Er kam bereits näher.
„Bitte.“
Oh Gott… Was tat er denn? Seine
Augen waren noch gerötet, aber er weinte nicht. Und wie konnte sie diesem
wunderschönen Mann irgendetwas abschlagen?
Er ist ein Arschloch!
Er ist ein Mistkerl, Hermine! Tu das nicht! Tu das nicht schon wieder! Siehst
du denn nicht die Lage, in die du dich bringst? Du verlierst morgen dein Kind!
Das Kind von ihm! Er, der dich dazu zwingt es entfernen zu lassen! Nicht,
Hermine!
Seine
Finger wanderten von ihrem Kinn, ihren Hals entlang, seine Hand schlang sich um
ihren Nacken, und er senkte den Kopf. Ihre Handflächen kribbelten, und ihre
Augen schlossen sich gegen ihren Willen.
Er
küsste sie keine Sekunde später.
Sie
weinte. Ihre Tränen liefen ungehindert ihre Wangen hinab, während er sie fest
an sich zog. Er hielt sie so fest, als würde er in der nächsten Sekunde fallen,
als würde er ertrinken, als hätte er keinen Halt mehr.
Sie
war nicht mehr in der Lage zu denken. Sie wollte es auch nicht mehr. Ihre Hände
schlangen sich um seinen Nacken, er hob sie hoch, küsste sie inniger. Seine
Zunge glitt in ihren Mund, und sie stöhnte leise, als er ihre Zunge zu
massieren anfing. Langsam und voller Verlangen. Gut, dass er sie hielt, denn
sie wäre wahrscheinlich einfach umgekippt, müsste sie selber stehen.
Sie
krallte sich in seinen dunklen Umhang, wollte dass kein Zentimeter Platz für
Luft mehr zwischen ihnen war. Sie hatte nicht gemerkt, dass er sie getragen
hatte. Sie spürte die Wand in ihrem Rücken, spürte wie er sie dagegen presste,
sie schlang die Beine um seine Hüfte, und die Hitze in ihren Wangen, war kaum
zu ertragen.
Seine
kühlen Finger spürte sie durch ihre Bluse, er umfing ihren Hintern durch den
Rock, und natürlich spürte sie seine Erektion an ihrer Mitte. Das Ziehen ihrer
Mitte war köstlich, und sie keuchte in seinen Mund.
Ihr
Verstand schlug ihr träge vor, dass das hier wirklich eine ganz schlechte
Entscheidung war, und sie ihn endlich von sich stoßen musste.
Aber
er hatte keinen Vorschlag parat, wie das gehen könnte.
Seine
erfahrenen Hände schoben ihren Rock hoch, und nur am Rande registrierte sie,
was sie im Begriff waren zu tun. Wozu er sie wieder zwang. Aber das stimmte
nicht, wenn sie ehrlich war. Sie wollte ihn unbedingt, dabei wusste sie nicht,
warum.
Nein? Oh, Hermine, du
bist hoffnungslos verloren.
Ihre
Hände lagen auf seinen festen Schultern, umfingen dann die samtene Haut seiner
Wangen, und sie küsste ihn hart, gab sich ihm völlig hin, und er knurrte voller
Verlangen.
Und
ihre Hand war es, die sich zwischen ihre beiden Körper schob und den
Reißverschluss seiner Hose öffnete. Ihre Hand umfasste seine Erektion, als
würde sie auch nur den Hauch davon verstehen. Er pulsierte in ihrer Hand, und
er riss den Kopf zurück.
Noch
immer hielt er sie hochgehoben an der Wand. Seine Augen waren dunkel vor
Hunger, und sie wusste, er würde das Ganze hier nicht mehr aufhalten können.
„Granger…“
Seine Stimme war so rau und voller Verzweiflung. „Was machst du mit mir…?“,
flüsterte er, und sie schüttelte den Kopf. Keine Worte. Sie hasste Worte. Viel
zu viele Worte. Sie küsste ihn erneut, er küsste sie zurück.
Mit
fahrigen Fingern schob er ihr Höschen zur Seite, und sie spürte wie feucht sie
war. Es war so unanständig, so verboten, und sie wollte es so unbedingt.
Verhütung, spuckte ihr Verstand
lahm aus, aber sie tat das mit einem mentalen Achselzucken ab. Ha ha, wirklich
witzig. Dann verabschiedete sich ihr Gewissen, denn er drang langsam in sie
ein. Sein Kopf lehnte an ihrer Brust, er atmete abgehackt und konnte sich kaum
beherrschen.
Es
schmerzte. Es schmerzte nüchtern genauso wie betrunken, und sie lehnte ihren
Kopf gegen die kühle Mauer. Er weitete sie so sehr, dass es sich anfühlte, als
würde sie zerreißen. Und dennoch füllte er sie vollkommen aus, dass es ein
absolut unglaubliches Gefühl war. Er entfernte sich und stieß dann tiefer in
sie.
Sie
klammerte sich an ihn, denn zum ersten Mal fühlte sie etwas anderes als den
Schmerz. Eine Welle erfasste ihren Körper, wie ein Stromschlag, nur noch… viel
intensiver. Ihr Atem beschleunigte sich, sie lehnte sich in seinen Rhythmus und
er sog scharf die Luft ein, als er komplett in ihr
war.
Ob
es sich für ihn auch so anfühlte?
Härter
drang er in sie, unkontrollierte als zuvor und nun verließ regelmäßig ein
tiefes Stöhnen seinen Mund. Sie spürte es kommen. Immer weiter entfernte sich
ihr Kopf von ihrem Körper, schwebte irgendwo in der Dunkelheit zwischen
grenzenlosem Verlangen und ungeduldiger Erwartung. Der Schmerz in ihrem Rücken,
von der harten Wand, war nebensächlich.
Härter
presste er sie gegen die kalte Mauer, und wie es ihr schien, drang er noch
tiefer in sie ein. Sie schrie auf, und die Lichter in ihrem Kopf gingen an. Es
war absolut unglaublich.
Sie
keuchte mit ihm und spürte, wie er sich komplett gehen ließ. Härter umfing er
ihren Po, warf den Kopf nach hinten und stöhnte ihren Namen, bevor er ein
letztes Mal tief in sie stieß und sein Kopf wieder an ihre Brust sank.
Noch
immer hielt er ihr Gewicht an der Wand. Er hatte wirklich eine Menge Kraft.
Er
hob den Blick zu ihrem Gesicht. Die Wut war vollkommen aus seinen Augen
verschwunden. Sie strich sanft über seine Wange. Ganz langsam sprang ihr
Verstand wieder an. Ihr Verstand war sprachlos über ihre Dummheit. Das gab
ihrem Gewissen noch ein paar ruhige Minuten.
Ein
feines, fast edles Rot zierte seine hohen Wangenknochen, und er grub die Zähne
in seine Unterlippe als er aus ihr glitt und sie auf dem Boden absetzte. Er sah
fantastisch aus. Jetzt in diesem Moment.
Er
wandte den Blick nicht von ihr ab. Sie warteten beide. Wahrscheinlich auf den
mächtigen Schlag, den das Gewissen ihnen verpassen sollte, aber es passierte
nichts. Ein paar Eulen sahen mit wenig Interesse auf sie hinab und versteckten
dann wieder die Köpfe unter ihren Flügeln.
Es
würde schnell genug alles wieder schlimm genug werden, also stellte sie sich
auf die Zehenspitzen und berührte sanft seine Lippen. Es war als fiel alle
Anspannung von ihm ab, und er küsste sie noch einmal voller Verzweiflung.
Die
Sonne war untergegangen.
Als
sie zusammen die lange Treppe hinunter stiegen, ließen sie sich nicht aus den
Augen. Sie sprachen kein Wort als sie das Schloss betraten. Mit einem Nicken
wandte er sich ab zu den Treppen, die in die Keller führten. Sie wusste, er
bedankte sich mit diesem Nicken bei ihr.
Sie
verweilte noch einen momentlang. Das hatte nichts zu bedeuten gehabt.
Morgen
würde alles wie geplant ablaufen. Aber sie wollte auf einmal nicht mehr, dass
er dabei war. Sie nahm an, dass er es auf jeden Fall sein wollte.
Sie
wollte dort alleine sein. Sie wollte ihn nicht sehen. Sie wollte nicht mehr
wissen, wie es vielleicht sein könnte….
Sie war so unsagbar
dumm….
Sein
Schlaf war traumlos und tief gewesen. Er war ausgeruht aufgewacht als das
morgendliche Läuten sie geweckt hatte. Goyle
ignorierte ihn, aber es war ihm im Moment unwichtig. Er fühlte sich nicht mehr
völlig… verloren. Er wusste ziemlich genau womit dies zu tun hatte. Aber er war
noch nicht bereit, sich irgendetwas einzugestehen.
Das
Ganze war vollkommen verrückt, und er wusste genau, er hätte es niemals tun
sollen. Er hätte sie niemals bitten dürfen, zu bleiben.
Er
niemals erwartet, dass sie es tun würde, dass sie ihn halten würde, dass sie
diejenige war, die ihm geholfen hatte.
Er
wusste genau, jetzt hätte der Punkt seines Zusammenbruchs da sein sollen, aber
dummerweise bereute er nicht, was er getan hatte, was sie getan hatten. Er
würde es auch nicht bereuen. Was sie wohl dachte? Wahrscheinlich verfluchte sie
sich gerade selbst. Und ja, ihm entging natürlich nicht, wie absolut lächerlich
sein Verhalten war. Und gefährlich noch dazu.
Er
durfte sie nicht haben. Er wollte sie nicht einmal haben. Aber er konnte
einfach nicht anders. Mit wollen hatte das ganze wenig zu tun. Er musste es
einfach tun. Sein Kopf ließ ihm keine Wahl, sein Körper erst recht nicht,
obwohl er keine Ahnung hatte, warum.
Gut,
ja, er hatte seine Theorien, aber langsam bezweifelte er, dass auch nur eine
einzige zutraf. Und heute wäre der Tag, an dem dieser ganze Irrsinn beendet
werden würde. Heute würde sie es entfernen lassen, und dann versprach er sich,
dass diese ganze Besessenheit dieses Mädchens endlich vom Tisch war.
Er
weigerte sich darüber nachzudenken, was wäre, wenn nicht.
Es
hing bloß mit der Verbindung zusammen, die ihn und Granger jetzt verband. Wäre
sie fort, dann würde er sich auch nicht mehr… dazu gezwungen fühlen, sie haben
zu müssen.
So,
jetzt hatte er seine wacklige Theorie auf die Beine gestellt und fragte sich,
wie lange sie wohl halten würde.
Langsam
wachten die restlichen Jungen seines Schlafsaals auf. Zabini rieb sich müde die
Augen und nickte ihm zu. Sie hatten gleich Verwandlung, danach Geschichte und
das letzte Mal Zauberkunst. Der Tag würde entspannend laufen.
Wenigstens
vorerst.
~*~
„Wie
fühlst du dich?“
„Bestens.“,
log sie ungerührt, denn nach dem gestrigen Tag hatte sie wohl kaum das Recht
sich schlecht zu fühlen. Sie hatte sich noch abends übergeben müssen und hatte
kaum ein Auge zugetan. Jetzt fühlte sie sich wie gerädert, und der Schock über
ihr gestriges Verhalten steckte ihr noch schwer in den Gliedern.
„Bist
du sicher? Du siehst müde aus. Vielleicht kann ich mit McGonagall
reden und sie lässt dich heute ausruhen.“ Die Idee an sich war nicht schlecht,
aber würde sie den ganzen Tag mit sich alleine sein, dann konnte sie nicht tun,
was sie vorhatte zu tun, und das wäre nicht gut.
„Nein.
Ich will meine letzten Tage nicht mit Anstellerei
verschwenden.“
„Hermine,
du bist schwanger, du stellst dich nicht an.“
„Könnten
wir darüber bitte nicht in der Öffentlichkeit sprechen?“ Ginny blickte sich
verstört um. Sie waren allein auf dem Gang runter zum Frühstück, und natürlich
wusste Hermine, dass sie ungestört waren, aber sie wollte den Gedanken nicht
mehr denken.
„Da
seid ihr endlich. Alles klar, Hermine? Hast du dich gestern übergeben? Ich hab
dich aufs Klo gehen sehen, und dann waren da recht… eindeutige Geräusche, wenn
du verstehst?“ Nur Harry konnte so etwas kurz vorm Frühstück abhandeln.
„Ja….
Ahem…“
„Das
war ich“, unterbrach sie Ginny hastig, und Hermine war ihr dankbar dafür.
„Du?
Was ist los?“
„Nichts,
ich…“ Ginny schien den Faden zu verlieren. Harry zog sie mit sich in die Große
Halle, und Hermine stand vergessen draußen. Aber das war nicht so schlimm. Sie
kam auch allein zurecht, ohne eine überfürsorgliche Ginny.
„Aus
dem Weg.“ Pansy schob sich an ihr vorbei und rempelte sie unnötigerweise an.
Natürlich folgten ihr die vier anderen Hasskandidaten. Zabini und Crabbe
schoben sich danach an ihr vorbei. Zabini nickte ihr zu, und sie senkte den
Blick. Goyle schien beleidigt zu sein, denn er
schritt ganz alleine durch die Tür, und Malfoy hatte sich wohl mit Absicht
zurück fallen lassen, denn er hielt einen Moment inne.
„Wir
treffen uns dann heute um halb sechs hier, schlage ich vor.“ Er suchte ihren
Blick, und sie schüttelte den Kopf.
„Ich
hab dir schon gesagt, ich will dich nicht dabei haben.“
„Aber
ich…“ Sie schüttelte wieder den Kopf.
„Ich
gehe allein.“
„Ich
denke, ich sollte dabei sein, Granger.“
Pansy
war stehen geblieben, mitten in der Halle, und hatte sich zu ihnen umgewandt.
Anscheinend missfiel ihr der Kontakt zwischen ihr und Malfoy.
„Du
solltest gehen“, fügte sie jetzt kühl hinzu und sah ihn um Fassung ringen.
„Granger!“
„Was,
Malfoy?“
Es
gab ziemlich viele lose Enden in ihrer Beziehung, wenn man es so nennen konnte.
An der Kommunikation konnten sie beide noch arbeiten. Sie sah ein, dass sie
sich genauso stur verhielt wie er, aber sie hatte genug damit zu tun, ihre Knie
vom Zittern abzuhalten.
Ihre
Augen sogen jedes Detail von ihm auf. Seine Finger, die sich zu Fäusten
ballten, die Muskeln seines Kiefers, die jetzt stärker hervor traten, weil er
versuchte nicht zu schreien, seine ganze Körpersprache, die sich ihr immer
weiter zuwandte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, wenn auch schon mehr
unterbewusst.
„Wir
reden später darüber“, knurrte er gereizt.
„Tun
wir nicht.“
„Wieso
tust du das, wir-“
„-nein.
Wir werden gar nichts tun. Ich gehe
allein. Ich brauche dich dabei nicht.“
Er
seufzte langsam. Hast lag in seinem Blick. Er konnte nicht länger hier bei ihr
bleiben, oder es würde zu viel Aufsehen erregen, wenigstens für die Leute, die
sie kannten.
„Schön,
Granger. Wie du willst. Sei ruhig ein blödes Miststück.“
„Was
ist? Kein Schlammblut mehr?“ Sie
wusste nicht, warum sie ihn provozierte. Wahrscheinlich, um sich selber nicht
ganz so schlecht zu fühlen. Er verzog den Mund, als hätte sie etwas Unpassendes
gesagt. Aber er erwiderte gar nichts und ließ sie stehen. Seine hohe Gestalt
betrat die Halle und sie wusste, er war sich der vielen weiblichen Blicke
gewahr, die seinen Körper inspizierten.
Sie
hasste all diese Mädchen für einen Moment. Aber nur für einen Moment. Es gab
wichtigere Dinge, über die sie nachzudenken hatte. Eifersucht lag bestimmt
nicht so weit vorne in ihrer Liste. Erstmal musste sie ihr rasendes Herz unter
Kontrolle kriegen.
~*~
„Soll
ich dich begleiten, Ginny?“
„Sie
hat nichts an den Beinen“, murrte Ron, dem es entschieden gegen den Strich
ging, dass sein bester Freund die ganze Zeit nur Aufmerksamkeit für seine
Schwester zeigte und nicht für ihn.
„Schon
gut“, murmelte Ginny, der dies plötzlich zu viel Aufmerksamkeit war. Hermine
gefiel es gut, denn so achtete niemand auf sie, Ginny bekam endlich die
Aufmerksamkeit von Harry, auf die sie schon so lange hoffte.
„Komm
Hermine, wir gehen vor.“ Sie schüttelte bedauernd den Kopf in Ginnys Richtung
und folgte Ron.
„Sei
nicht sauer. Harry macht sich bloß Sorgen.“
„Ginny sind gesund aus. Also sehe ich nicht ein, warum er sich so anstellt,
wenn sie es selber nicht mal tut.“ Gott, es war schon niedlich, wie
eifersüchtig Ron werden konnte. Sie wusste, sollte Harry von Dumbledore fort
geschickt werden, würde Ron ihn begleiten. Würde sie es auch tun? Wahrscheinlich
schon. Würde Harry sie bitten, dann würde sie es tun.
Würde
er sie auch bitten, wenn er wüsste, dass sie ein Kind erwartete? Vielleicht
nicht. Aber das war ja bald kein Problem mehr. Der Gedanke saß wie ein dicker
Kloß in ihrem Hals.
„Was
denkst du?“ Anscheinend erwartete er Bestätigung.
„Ahem… jaah, schon. Ich finde es
ganz nett.“
Ron
sah ein wenig verzweifelt aus. „Denkst du, er ist in sie verliebt?“
Oh. Ach darum ging es.
„Ich…
keine Ahnung. Du kennst ihn viel besser als ich, Ron. Redet ihr nicht darüber?“
„Nein,
natürlich nicht. Ich denke nicht, dass Harry es mir sagen würde, wenn er sich
in meine einzige, kleine Schwester verliebt hätte“. Ja, Ron hatte Recht, aber
sie konnte sich darüber kaum den Kopf zerbrechen. Sie hatte gestern Nachmittag
an der Mauer in der Eulerei Sex mit Draco Malfoy
gehabt, von dem sie zufällig auch schwanger war.
Oh,
das würde das Gespräch in eine andere Richtung lenken, da war sie sicher. Sie
könnte weinen. Ihr wurde schlecht. Oh Gott, ausgerechnet auf dem Weg zu
Verwandlung.
„Ron,
ich… ich hab was vergessen, ich…“
Sie
ließ ihn stehen, wandte sich um und raste den Gang hinunter zum nächsten Klo.
Sie schaffte es gerade noch die Tür hinter sich zu verriegeln und sich in einer
Kabine einzuschließen. Sie übergab sich heftig. Manchmal fragte sie sich, warum
sie überhaupt noch frühstückte.
Immerhin
ging es schnell. Schon nach dreißig Sekunden war sie fertig. Jetzt brauchte sie
noch ein paar Minuten, um nicht mehr zu schwanken, und niemand würde es merken.
Wahrscheinlich war Ron böse mit ihr, aber darauf konnte sie keine Rücksicht
nehmen. Sie würde es allen irgendwann erklären. In hundert Jahren.
~*~
Er
fühlte sich, als stünde er kurz vor seiner nächsten Prüfung, dabei war alles
schon gelaufen. Natürlich kam er schon kurz vor halb sechs runter zur Halle.
Sie war nicht da. Sie würde aber hier vorbei kommen müssen. Er könnte sich
unauffällig hier hinstellen und warten. Lässig, unverbindlich. Wen sollte es
stören?
Aber
auch um halb war sie nicht da.
Wo
blieb dieses verfluchte Schlammblut. So, jetzt hatte er es gedacht. Jetzt
sollte sie kommen, und er würde es ihr auch noch mal ins Gesicht sagen. Einfach
so. Verflucht. Wo war sie?
Er
würde am besten bei Snape warten.
Er
wartete noch fünf Minuten, bevor er sich auf den Weg machte. Seine Handflächen
schwitzten, denn er konnte es nicht leiden, wenn andere Menschen ihn
verurteilten. Außerdem konnte er nicht glauben, dass der gestrige Tag wirklich
echt gewesen war. Es war so perfekt gewesen, dass er es sich selber gar nicht
eingestehen wollte. Er konnte nur noch schlecht ignorieren, dass ihn Granger
keineswegs kalt ließ.
Müsste
er sich jetzt entscheiden mit welchem Mädchen er für den Rest des Monats Sex
haben wollte, dann würde ihm diese Entscheidung nicht schwer fallen, aber sie
wussten beide, was es war. Sie waren beide verloren und verzweifelt gewesen und
haben wahrscheinlich einfach nur etwas Zuneigung gebraucht. Ja. Er wusste, das
war ein guter Grund.
Für
ihn jedenfalls. Er hatte schon viele Geheimnisse hüten müssen, aber Granger war
wohl sein größtes Geheimnis. Und es war kein schönes Geheimnis. Und es war zum
Verzweifeln. Er dachte jetzt darüber nach, dass er noch einmal mit ihr Sex
haben wollte. Nicht irgendwo an einer Wand oder auf einem Tisch. Nein, er wollte
sie richtig haben, nicht für einen Quickie, und er
dachte bereits darüber nach, dass er dann daran denken musste zu verhüten. Und
sein Verstand sagte ihm immer wieder, dass es kein nächstes Mal geben würde,
denn nach heute Abend war das Ende dieser Freakshow eingetreten.
Keine
Gedanken mehr an Sex mit Granger.
Er
erreichte Snapes Büro und musste erst zu Atem kommen.
Es war immer noch Zeit bis sechs Uhr, aber er klopfte höflicherweise an. Der
Zaubertrankmeister öffnete mit gerunzelter Stirn.
„Ja,
Mr Malfoy?“ Sein Blick war verschlossen, und er
schien gerade beschäftigt.
„Ist sie… war sie schon hier?“, fragte er abgehackt, und Snape verzog kurz den
Mund.
„Sie
ist wieder weg.“
„Was?
Sie… wann?“
Wie
konnte das sein? Wann war sie hier gewesen? Hatte er sie übersehen? Unmöglich!
„Es
ist alles vorbei, Mr Malfoy.“
„Was?
Es ist vorbei? Es kann nicht vorbei sein, Professor, ich wollte dabei-“
„-tut
mir leid, Mr Malfoy. Wenn Sie mich entschuldigen.“
„Aber…
hat sie…?“ Er konnte nicht einmal die verfluchte Frage formulieren. Seine
Gedanken lagen blank.
„Das
Kind wurde aus ihrer Gebärmutter entfernt, Mr Malfoy.
Gute Nacht.“
Der
Lehrer schloss die Tür. Draco sank gegen die Wand. Sie hatte es tatsächlich getan.
Ohne ihn.
Alles
war gut. Wieso fühlte er sich dann verflucht noch mal so beschissen? Wieso
hatte sie nicht gewartet? Wieso hatte sie ihn nicht mitkommen lassen? Weil sie dich hasst, Malfoy. Ist dir das
immer noch nicht klar?
Gut. Wenn sie es so wollte.
Er konnte sich auch anderswo amüsieren. Ihm würde auch nichts anderes übrig
bleiben. Wütend verließ er die Keller. Er würde sich bei Pansy entschuldigen.
Vielleicht würde sie ihm dann schon heute Nacht einen Blowjob
verpassen.
~*~
„Ich
hoffe wirklich, Ihre Gründe sind gut durchdacht, Ms
Granger.“ Er musterte sie streng, und sie mied seinen Blick. Der Trank stand
unberührt vor ihr auf dem kleinen Tisch, und Snape schenkte ihr Tee nach. „Ich
lüge nicht gerne. Vor allem belüge ich nicht gerne den Schulsprecher aus meinem
eigenen Haus.“
„Ja,
Professor. Danke, Professor.“
Er
setzte sich ihr gegenüber auf den Stuhl und betrachtete sie prüfend. „Was haben
Sie ihm gesagt, Sir?“
„Was
soll ich ihm schon gesagt haben? Dass Sie den Trank bereits genommen haben. Das
ist es doch, was Sie wollten.“
„Ja.“
„Werden
Sie ihn nehmen?“
„Diese
Frage stellt sich nicht, Sir.“
„Das
war mir bewusst. Allerdings sind Sie wohl die einzige, die sich für diesen Weg entscheiden
würde.“ Er erhob sich mit einer fließenden Bewegung, nahm den Trank vom Tisch
und kippte ihn achtlos in das kleine Waschbecken an der Wand. Mit einem
gurgelnden Geräusch verschwand auch der letzte Tropfen des Tranks im Abfluss.
Schweigend
tranken sie den Tee.
Er ignorierte sie, sie ignorierte ihn.
Und immerhin konnte sie endlich wieder offen mit Ginny reden. Natürlich nicht
über den Sex von vor vier Tagen. Allerdings verschwand Ginny jetzt öfters aufs
Klo, damit Harry sich noch immer um sie kümmerte. Hermine nahm es ihr nicht
übel, aber würde rauskommen, dass Ginny ihn nur angelogen hatte, dann wäre er
wahrscheinlich ziemlich sauer.
Morgen kam der Tag, an dem es kein
Zurück mehr gab.
Ab morgen, war sie offiziell dazu
verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen.
In vier Tagen war alles vorbei. Dann
war sie allein. Naja, Ginny würde ihr wahrscheinlich zur Seite stehen. Und sie
nahm an, dass es ihre Freunde auch tun würden, würde sie es ihnen erzählen.
Ginny saß ihr gegenüber auf der Couch,
und Harry saß an ihrer Seite. Sein Blick traf sie ab und an verstohlen von der
Seite, aber sie bemerkte es gar nicht. Hermine wusste, dass sie Harry auch
nicht gerne anlog, aber für Hermine war es deutlich, dass Harry etwas für Ginny
empfand. Auch wenn er es im Moment nur über seine Sorge ausdrücken konnte.
Hermine spürte die Übelkeit, und auch
wenn sie es nicht so gerne tat, spielte sie das Spiel mit Ginny mit. Über
Augenkontakt signalisierte sie Ginny, dass sie nicht mehr hier bleiben konnte,
denn die Übelkeit kam. Ginny verstand und erhob sich abrupt.
„Hermine, könntest du… mich
begleiten.“, fragte sie und hielt sich den Magen. Hermine erhob sich dankbar
und eilte mit Ginny raus zu den Toiletten. Hastig verschloss Ginny die Tür und
Hermine schloss sich auf einem der Klos ein. Sie übergab sich zweimal am Tag.
Immerhin kam es regelmäßig, obwohl sie sich ziemlich ärgerte, dass die
Morgenübelkeit zweimal am Tag kam bei ihr. Bei manchen kam sie gar nicht, oder
erst im vierten Monat.
Aber nein. Sie hatte kein Glück.
„Alles klar?“, erkundigte sich Ginny
mitfühlend und genervt verließ Hermine das Klo und spülte sich den Mund
gründlich aus.
„Ja.“
„Denkst du, du wirst es ihnen sagen?“, fragte
Ginny plötzlich und unterstrich damit nur Hermines Gedanken der letzten Tage.
„Sicher. Bald“, fügte sie wage hinzu
und strich sich die Strähnen aus dem blassen Gesicht. Noch zeichneten sich
keine Rundungen ab. Sie nahm an, es würde noch ein paar Monate dauern, bis man
es erkennen konnte. Aber sie konnte warten. Wenn man es noch nicht sah, war es
einfacher zu verbergen. Aber Ron und Harry nahmen sowieso nicht an, dass sie
jemals Sex haben würde.
Jedenfalls kam es ihr manchmal so vor,
so wie die beiden sich verhielten. Und wieder dachte sie daran, wie schwer es
werden würde, ihnen die Wahrheit zu erzählen. Draco Malfoy, den sie alle
hassten, den sie sogar geschlagen hatte in ihrem dritten Jahr, der nichts
weiter war als ein arroganter Mistkerl.
„Ich würde es tun, bevor sie es selber
herausfinden, Hermine.“
„Ja, Ginny, es ist nicht ganz so
einfach wie du denkst.“ Wenn man auch noch bedachte, dass jetzt selbst der
Vater nichts mehr von der Schwangerschaft wusste, dann war das Ganze eine
ziemlich verzwickte Sache. Hier in Hogwarts würde sie
Harry und Ron noch nichts sagen können, denn dann war die Chance zu groß, dass
es auch Malfoy erfahren könnte.
Sie hatte einen Abschnitt erreicht.
Jetzt musste sie alleine zurechtkommen und es war unheimlich schwer. Aber sie
sagte sich, dass sie die Schule mit erstklassigen Noten geschafft hatte, und
dass dies nur eine weitere Herausforderung war. Ein Kind war kein Schulfach,
das wusste sie, aber sie stellte es sich wie eine schwierige, langwierige
Prüfung vor, die sie einfach bestehen musste. Sie hatte keine Wahl. Sie konnte
nicht mehr abwählen, sie hatte sich entschieden den ganzen Weg zu gehen.
„Mum wird
sich nur zu gerne kümmern“, versicherte Ginny jetzt.
„Auch wenn sie weiß, wer der Vater
ist?“
„Vielleicht können wir einen
Ersatzvater erfinden. Keinen Slytherin und keinen Todesser“, schlug sie vor und
Hermine versuchte sich auszumalen, wie sie es positiv schildern konnten, dass
sie jetzt alleine mit einem Kind dasaß. Wahrscheinlich gab es keinen Weg, den
Molly Weasley für gut heißen würde.
„Er ist kein Todesser.“ Wieso
verteidigte sie ihn? Sie wusste nicht einmal, ob er nicht doch einer war.
Wahrscheinlich schon. Wie der Vater so der Sohn. Allerdings hatte sie
festgestellt, dass Draco nicht so war wie sein Vater. Draco… schon alleine den Namen zu denken, war seltsam.
„Hast
du Angst?“ Ginny ignorierte Hermines Einwand rigoros.
„Wovor
konkret? Vor der grauenhaften Geburt? Den ruhelosen zwei ersten Jahren oder vor
der Tatsache, ein Kind alleine zu erziehen?“, erwiderte sie ruhig, und Ginnys
Augen weiteten sich kurz. Anscheinend hatte sie nur an die Geburt gedacht. Und
ja, Hermine hatte Angst vor allen Dingen. Angst war nie etwas, das sie
zugelassen hatte, aber jetzt hatte sie keine Wahl. Die Angst war immer da. Immer.
Egal,
was sie tat.
~*~
Er
sah kaum ein, warum er noch ein letztes Training geben sollte, aber es war auch
nett, noch ein letztes Mal auf dem Feld zu sein. Er ahnte bereits, wer der nächste
Kapitän werden würde. Thomas Flinch war ein guter
Flieger, und ein loyaler Slytherin, was nicht unbedingt eine gute Eigenschaft
war.
„Los,
Leute auf die Besen“, befahl er knapp. Sie flogen heute nur zum Spaß, zielten
auf die eigenen Torringe, und heute waren ihm sogar
Punkte egal. Er dachte schmerzlich an das letzte Spiel, dass wirklich glorreich
für seine Zeit in Hogwarts gewesen wäre. Wenigstens
einmal. Aber er sah ein, dass er wahrscheinlich nicht für so eine Art Glück
bestimmt war.
Er
war gespannt, ob er alle Prüfungen mit Ohnegleichen bestanden hatte, oder ob
Granger ihn geschlagen hatte. Granger…
Gestern
hatte er das erste Mal wieder Sex mit Pansy gehabt, und tatsächlich schämte er
sich sogar, sie so zu missbrauchen. Am Anfang beruhte es auf Gegenseitigkeit.
An
Pansy hatte er wichtige Erfahrungen gesammelt, und hatte sie so sehr gebraucht
wie die Luft zum Atmen. Er hatte sogar überlegt, dass er ja auch sie später
heiraten konnte. Er wusste, es wäre wahrscheinlich sogar eine Möglichkeit gewesen.
Pansy stammte aus gutem Hause, reich war ihr Vater auch.
Wahrscheinlich
hätte Lucius es sogar gebilligt. Seine Mutter wäre weniger einverstanden
gewesen, aber sie war nie zufrieden.
Er
war weniger konzentriert. Seine Jungs flogen genauso ziellos wie sonst auch,
aber zum ersten Mal war es ihm nicht wichtig. Auf die letzten Tage brachte es
ihm nichts, wenn er sie anschrie. Sollte sich der neue Kapitän mit ihnen rum
ärgern. Sein Leben war wieder in Ordnung. Er musste sich keine Sorgen machen.
Er würde nicht Vater werden. Das würde er wahrscheinlich niemals, wenn es nach
seiner Meinung ging.
Er
hatte Kinder schon immer gehasst. Abgrundtief. Sie hatten keine Ahnung von der
Welt. Sie waren nur lästig.
Leer.
Ja.
Das war das Wort, nachdem er den ganzen Tag schon suchte. Er fühlte sich
ziemlich leer. Jetzt nachdem der Stress mit Granger nicht mehr vorhanden war,
merkte er erst, wie ruhig sein Leben eigentlich gewesen war.
Jedenfalls
hier in Hogwarts. Er seufzte. Der Wind blies ihm die
blonden Haare aus dem Gesicht. Würde er nach Hause kommen, konnte er sich mit
Lucius über seine vorbestimmte Zukunft streiten. Würde er Lucius erklären, dass
er arbeiten wollte – und mit Arbeit meinte er einen Job, wo es nicht wichtig
war, auf welcher Seite man stand – würde er ihn in den Boden rammen.
Nachdem
er geschrien hatte, würde er ihm deutlich machen, dass arbeiten für ihn bloß
eine Option war, wenn er die Tradition befolgte und heiratete.
Also
entweder arbeitete er in einer Position, die er hasste und verrichtete kleine
sinnlose Aufgaben um Voldemort bei Laune zu halten, bevor er endlich im
Untergrund verschwunden war, oder er heiratete eine Mädchen, das ihm egal war
und war nicht mehr unabhängig.
Jetzt
ging seine Grübelei wieder los. Er musste gestehen, diese paar Wochen der
Ungewissheit mit Granger gehörten zu der besten Zeit, die er jemals gehabt
hatte. Er war vielleicht doch verrückt geworden.
Sie
war… mal etwas anderes gewesen. So wahnsinnig weit außerhalb seines Umfelds. So
völlig anders. Ganz anders erzogen, sie hatte ganz andere Prinzipien gehabt.
Gold bedeutete ihr anscheinend überhaupt nichts.
Er
musste diese Gedanken gehen lassen. Es war nur eine Dummheit. Eine weitere
Dummheit auf seiner Liste. Er hätte nicht gedacht, dass eine Dummheit ihn so
maßgebend verändern konnte.
Dass
ein Schlammblut ihn so maßgebend verändern konnte.
Langsam
begann er das Wort zu verabscheuen. Nicht, weil es nicht passend gewesen wäre,
nein, daran lag es nicht.
Aber
es hatte für ihn nicht mehr dieselbe Wirkung, wie noch vor zwei Monaten.
Seltsam.
~*~
„Geht
es dir besser?“
Sie
hielt sich hinter einem Vorsprung verborgen. Anscheinend führten Ginny und
Harry wieder mal ein Gespräch über ihre falsche Krankheit. Sie verstand Ginnys
Worte nicht, aber es war egal. Harry hatte den Arm um sie gelegt, und Ginny
schien diesen Moment wirklich zu genießen.
Zum
ersten Mal vermisste Hermine so etwas. Einen Jungen, der sich um sie sorgte,
der sich kümmerte. Jemanden wie Harry. Nur eben nicht Harry.
Nein, nicht Harry.
Sie
wusste, es war albern so etwas zu denken. So etwas hatte sie noch nie gehabt,
und wahrscheinlich war es auch eher unwahrscheinlich, dass sie es in der
nächsten Zeit erleben würde. Sie hatte nie Wert auf eine Beziehung gelegt, die
womöglich ihre Noten gefährden konnte. Mittlerweise sah sie das Ganze nicht
mehr so eng.
Das
Abendessen lag schwer in ihrem Magen. Ein Blick auf die Uhr, sagte ihr auch,
dass nicht mehr viel Zeit vergehen würde, bis sich die Übelkeit ankündigte.
Ihre Verdauung dauerte nicht lang, und sobald sie sich wohl fühlen würde, wäre
die Übelkeit zur Stelle.
Sie
machte sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Sie bemerkte Ginnys Blick aus
den Augenwinkeln. Sie zwinkerte Hermine glücklich zu und diese erwiderte das
Lächeln ihrer Freundin. Heute Abend würde sie bestimmt eine kitschige
Geschichte von Ginnys erstem Kuss mit Harry hören.
Aber
im Moment hatte sie sonst wenig Abwechslung in ihrem Leben. Sie beschleunigte
ihre Schritte. Anscheinend hatte sie heute nicht die übliche halbe Stunde nach
dem Abendessen Zeit. Verflixter Körper, der es sich jeden Tag anders überlegte.
Sie
achtete kaum auf die vereinzelten Menschen als sie durch das Portraitloch eilte
und quer durch den Raum auf die privaten Gryffindortoiletten
zusteuerte.
Sie
hatte nicht einmal Zeit die Tür zu verriegeln. Sie schloss sich nur noch auf
dem Klo ein und schaffte es gerade noch den Deckel hochzuklappen.
Sie
verabscheute diesen Zustand mehr als alles andere.
Als
es vorbei war lehnte sie den Kopf gegen die Wand und atmete ruhig ein und aus.
Sie hörte, dass sie nicht allein auf den Toiletten war und hob langsam den
Kopf. War Ginny ihr vielleicht gefolgt? Eher unwahrscheinlich. Oder?
„Ginny?“,
fragte sie leise und erschrak zutiefst beim Klang der Stimme, die ihr antworte.
„Nein,
nicht direkt.“
„Du
bist es! Nicht Ginny! Wieso deckt sie dich? Es kam mir gleich komisch vor!“,
entrüstete er sich, und sie konnte über keine passende Ausrede nachdenken.
„Ron, es ist nicht-“
„-nicht
was? Was ist los? Bist du krank? Aber es geht nun schon seit Wochen so. Erst
die Magenschmerzen, dann kippst du auf einmal um, und jetzt übergibst du dich,
du musst doch…“ Die Worte verklangen in den Waschräumen und sein Blick begann
sich zu klären. „Nein“, sagte er lediglich und schüttelte den rothaarigen Kopf.
„Nein, sag mir, dass das nicht wahr
ist, Hermine. Das kann unmöglich sein.“
„Was? Was, Ron? Ich bin wirklich nicht
krank.“ Was für ein lächerlicher Versuch sich zu retten. Sie sah es ein. Ihre
Hände zitterten vor Angst.
„Du bist schwanger.“ Es war eine
Feststellung. Seine Stimme klang resignierend, und er schüttelte wieder den Kopf.
„Großer Gott, wie kann das sein? Ich hätte das sehen müssen. Ich hab es bei Mum auch gesehen, wenn…“ Er sprach zu sich selbst und fuhr
sich immer wieder durch die Haare.
Er hob wieder den Blick.
„Wer hat dir das angetan?“, fragte er,
und auf einmal wurde er wütend. „Wer auch immer dir das angetan hat, der wird
dafür gerade stehen müssen!“
Oh je…
„Ron,
bitte, hör auf. Es… es ist nicht so wie du vielleicht denkst.“
„Wenn
es nicht so ist wie ich denke, dann sag mir, dass du nicht schwanger bist, Hermine.
Sag es mir, dann bin ich beruhigt, und du hattest Recht. Dann ist es nämlich
nicht so wie ich denke.“ Herausfordernd sah er sie an. Sie öffnete den Mund,
schloss ihn aber wieder, denn was sollte sie darauf ernsthaft sagen? Sie musste
es ihm sowieso irgendwann sagen. Wenn sie jetzt lügen würde, würde ihr runder
Bauch sie spätestens in zwei Monaten verraten.
Sie
senkte den Blick, und er stieß fassungslos die Luft aus.
„Sag
mir, wer es ist.“
„Ich
kann nicht.“
„Wieso?“
„Ron,
bitte, ich… Ich bin noch nicht soweit.“
„Was
soll das heißen? Weiß er es nicht?“
Und eigentlich hatte
sie damit einen guten Ausweg. Den besten Ausweg für den Moment.
„Nein. Er weiß es nicht. Und ich will nicht, dass er es erfährt.“ Erst jetzt
schien Ron klar zu werden, was es bedeutete, dass sie schwanger war.
„Oh,
bei Merlins Unterhose! Du hattest Sex, Hermine. Mit irgendeinem wildfremden
Jungen!“ Für Ron war jeder Junge außer Harry und seinen Brüder wildfremd.
„Ron,
bitte, reg dich nicht auf.“
„Aufregen?
Wie kannst du ungeschützten Sex haben?“
Wenn
sie das Ganze auch mit Harry durchkauen musste, dann würde sie viel
Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um nicht anzufangen zu weinen. Sie stand
jetzt schon kurz davor. Mit Vorwürfen konnte sie nur ganz schlecht umgehen.
Sie
hatte sich schon viel zu oft mit Ron gestritten, aber es waren damals bloß
alberne Kindereien gewesen. Streite ohne Hand und Fuß. Diskussionen, die
spätestens beim Abendessen wieder beigelegt wurden. Aber das hier war anders.
Das hier würde sie verfolgen.
„Wieso
hast du nichts gesagt, zum Teufel noch mal? Wir hätten dir geholfen, wir… Seit
wann weißt du es? Wie lange bist du schon… schon…“ Er konnte das Wort nicht
mehr sagen. Sie seufzte.
„Seit etwa zwei Monaten.“
Seit genau zwei Monaten.
„Seit
zwei… warte! War das auf der Party? Oh, großer Merlin! Ein Junge von hier.
Welcher Junge? War es Dean? Dieser miese kleine Bastard!“
„Nein,
nein. Nicht Dean. Hör auf. Ich werde es dir nicht sagen.“
Ron
hörte ihr nicht mehr zu. „Weiß es Harry? Natürlich nicht. Oh nein, es ist doch
nicht Harry oder? Ihr würdet doch nie… ohne mir zu sagen? Es ist doch nicht
Harry, oder Hermine?“
Sie
verdrehte die Augen.
„Nein, Ron. Wie ich Ginny schon gesagt habe, würde ich niemals mit Harry…“ Er
unterbrach sie mit fast hysterischer Stimme.
„Und
meine eigene Schwester wusste es! Sie wusste es und hat nichts gesagt!“ Er
stand kurz vor der Explosion.
„Weil
ich sie darum gebeten habe. Es ist nicht ihre Schuld. Ron, bitte, reg dich ab,
es ist nicht so schlimm, wie du denkst.“
„Nicht
so schlimm? Hermine, du bist siebzehn. Du bist zu jung, um schwanger zu sein.
Und du bist allein! Du bist nicht verheiratet… Oh!
Die
nächste hirnrissige Idee leuchtete in seinen Augen, und Hermine wusste, sie
würde noch lange mit ihm diskutieren. „Du wirst ihn heiraten. Das ist das
Beste. Es ist doch ein Gryffindor? Natürlich. Was
auch sonst. Gryffindors stehen für ihre Fehler ein.
Ihr heiratet und, dann bist du kein Mädchen in Schande.“
„In
Schande?“ Langsam wurde es zu bunt. Würde sie ihm erzählen, wen er ihr da
vorschrieb zu heiraten, würde er seine Meinung sowieso ändern. Wahrscheinlich
hätte sie dann sowieso keinen Freund mehr namens Ronald. „Ron, ich bitte dich.
Ich bin alt genug um meine Verantwortung selbst zu tragen. Ich werde
zurechtkommen.“
„Nein,
wirst du nicht. Du hast doch keine Ahnung von so was.“
„Na
und? Ich lerne schnell. Ich werde damit zurechtkommen, weil ich es eben muss.
Und du wirst mich nicht zwingen können zu heiraten, nur weil du es für das
beste hältst. Es ist nicht das richtige, hörst du? Man heiratet nicht, weil man
ein Kind bekommt.“
„Nein,
dann sollte man längst verheiratet sein!“, schrie er zurück, und sie fuhr sich
durch die dunklen Locken. Langsam konnte sie nicht mehr. Sie hatte keine Lust
zu diskutieren. Sie spürte die Hitze in ihren Wangen, die den Tränen
vorausging. Sie wollte alleine sein.
„Ron,
ich habe jetzt keine Kraft, weiter darüber zu streiten. Ich werde jetzt gehen.“
„Nein,
ich… nein.“ Er stellte sich vor die Tür.
„Du
bist meine Freundin, Hermine und wir gehen hier nicht fort, ehe wir nicht eine
Lösung haben, die für alle Beteiligten gut ist.“
„Was
soll das jetzt heißen?“
„Das
heißt, dass du deine Entscheidungen jetzt nicht mehr für dich treffen kannst.
Du bist nicht mehr alleine.“ Sie starrte ihn an. Er hatte Recht, aber was
erwartete er? Dass sie das zwischen Toilettenpapier und Klosteinen besprechen
würden?
„Ich
bitte dich nur, mir jetzt keine Fragen mehr zu stellen. Wir werden darüber
reden. Aber nicht hier in Hogwarts. Und bitte, sag
Harry nichts.“ Seine Augen wurden groß.
„Was
denkst du, wie Harry reagieren wird, wenn er herausfindet, dass er es als
einzige nicht weiß? Denkst du, es gefällt ihm? Wie der Vater, der nichts von
dem Kind weiß. Du solltest mit ihm reden.“
Nein.
Denn reden würde in Streit ausarten und der wahrscheinlich wieder in Sex.
Ein
Schauer befiel sie als sie an seinen starken Körper dachte, an die Art, wie er
sie berührte… Nein. Stopp. Vorbei. Schluss mit dem Unsinn. Sie musste sich
gerade vor ihrem besten Freund rechtfertigen und selbst jetzt schweiften ihre
Gedanken wieder ab.
~*~
„Was
denkst du gerade?“
Er
hasste diese Frage. Mädchen schienen diese Frage nur zu gerne zu stellen. Wahrscheinlich
konnten sie ihn alle nicht einschätzen oder sie wollten nur hören, dass er
gerade nur an sie dachte. Mädchen waren ihm eigentlich immer ein Rätsel.
Manchmal waren Mädchen schlimmer als Jungen. Viel gemeiner, viel
hinterhältiger. Wahrscheinlich erwartete Pansy bloß, dass ihm der Name des
Mädchens herausrutschte, dessen BH sie gestern unter seinem Bett gefunden
hatte.
Das
würde ihm natürlich nicht passieren. Außerdem mochte er es, dass sich Pansy
wenigstens ab und zu schäbig vorkam. Ihr viel zu großes Ego überschattete sogar
seins. Pansy hatte genauso oft Sex wie er selber. Mit vielen verschiedenen
Partnern.
„Gar
nichts.“
„Gar
nichts?“
„Nein.
Ich bin noch völlig fertig von den letzten zwei Stunden, Pansy. Also, wenn es
dir nichts ausmacht, dann halt den Mund.“ Natürlich machte es ihr etwas aus.
„Das
ich wieder mit dir schlafe, hast du nicht deinem Charme zu verdanken, Draco
Malfoy“, gab sie bissig zurück und setzte sich auf. Schon hatte er sie mit
seinem Gewicht zurück auf die Matratze gedrückt und spürte, wie sich ihr Atem
beschleunigte. Sie log, das kleine Miststück.
„Ach
nein? Was war es dann? Dein eigener Wunsch? Damit beweist du nur mal wieder,
dass du dein Wort sowieso nicht halten würdest.“ Er ließ sich wieder auf den
Rücken fallen, und sie stieß ihm unsanft die Faust in die Seite.
„Du
bist ein Arschloch.“
„Ja?
Und?“
„Irgendwann
wird auch das nicht mehr reizvoll für mich sein, weißt du“, meinte sie
verschwörerisch, und er war gerade in der Stimmung, Pansy noch etwas mehr zu
reizen.
„Na
ja, ich muss es ja nur noch eine knappe Woche hier aushalten, und dann
erweitere ich mein Repertoire an Schlampen.“ Er grinste und wusste, sie würde
ihn entweder wirklich schlagen oder anfangen zu weinen. Bei Pansy wusste man es
nicht immer genau.
Sie
tat nichts von beidem. Sie zog sich ihre Bluse über und betrachtete ihn
prüfend. „Oh, Draco. Ich weiß, du denkst nicht so. Allerdings stehen wir uns
nicht mehr so nahe, wie ich dachte.“
„Nicht
mehr nahe? Pansy, ist dir klar, dass wir zwei Stunden Sex gehabt hatten?“ Und nicht einmal besonders guten, fügte
er in Gedanken hinzu. „So nahe wie du, kommt mir sonst keiner meiner Freunde.“
„Das
liegt daran, dass du keine Freunde mehr hast, Draco. Du hast sie abgeschafft, als
wären sie dir lästig geworden. Ich bin mir nicht sicher, woher dieses Verlangen
von dir kommt, alles alleine zu tun, aber ich glaube nicht einmal, dass es
deine Abneigung gegen den Dunklen Lord ist.“
Manchmal
hasste er sie dafür, dass sie ihn eben doch viel zu gut kannte. Er hatte vor
ein paar Jahren den verzweifelten Fehler gemacht, sich ihr zu öffnen. Seitdem
nahm sie an, sie hätte einen besonderen Draht zu ihm. Er bereute diesen Fehler.
Denn vor Pansy konnte er kaum etwas verbergen.
„Was
soll das heißen? Was willst du denn von mir?“
„Hör
auf zu schreien. Die letzten Monate waren für dich anscheinend eine Qual, auch
wenn ich nicht weiß, warum.“ Er stöhnte auf. Hätte er gewusst, dass er hier auf
Pansys Therapeuten Couch landen würde, dann hätte er mit weniger Aufwand eine
Fünftklässlerin genommen.
„Draco,
ich bitte dich. Als wenn du mir nicht vertrauen könntest.“ Er hob eindeutig die
blonde Augenbraue, und Pansy stieß die Luft entnervt aus. „Ich will dir bloß
sagen, dass es mir völlig egal ist, auf welcher Seite du am Ende stehst. Ich
weiß, Lucius plant deine glorreiche Zukunft als Todesser auch wenn ich es als
aussichtslos betrachte.“ Tat sie das? Neue Worte aus Pansys Mund.
„Du…“
„Ich
denke, wir könnten wirklich gute Freunde sein, die ab und an Sex haben,
versteht sich, wenn du nicht immer deine Probleme und Gedanken hinter deiner
Arschloch-Fassade verbergen würdest, die du ganz ausgezeichnet von deinem Vater
übernommen hast.“ Mit diesen Worten schlüpfte sie auch in ihren Rock und stand
nun vor dem Bett. Er hatte sich auf die Ellbogen gestützt und blickte sie
abschätzend an. Sie hielt sich für so clever. Nur weil sie richtig lag, hieß
das noch lange nicht, dass er ihr irgendwas sagen musste. Und sie hatte kein
Recht ihn mit seinem Vater zu vergleichen.
„Du
denkst, du holst mich aus meiner Reserve, indem du mich als meinen Vater
bezeichnest? Wirklich, Pansy?“
„Immerhin
weiß ich, dass du Lucius hasst. Wenn du einen wunden Punkt hast, dann deinen
Vater. Ich mochte ihn schon immer, aber er ist wahrscheinlich ein völlig
anderer Mensch im Umgang mit anderen.“ Nein, das war er ganz und gar nicht.
Pansy war eben einfach nur böse genug, um nicht zu sehen, was für ein
schrecklicher Mensch sein Vater war. „Aber… seit neuestem hast du ja ganz
andere wunde Punkte, oder?“ Sie lächelte traurig, und für eine Sekunde glaubte
er tatsächlich, sie wüsste von der Sache. Aber von wem? Sein Verstand sprang
langsam wieder an. Goyle? Hatte Goyle
ihr irgendetwas erzählt? Er hoffte nicht. Aber Goyle
würde sich auch seinen linken Arm für Pansy abschlagen.
Aber
wüsste sie von seinen Eskapaden mit Potters kleiner Prinzessin, dann würde sie
wohl nicht mehr mit ihm sprechen. Also behielt Goyle,
was er glaubte zu denken für sich. Interessant. Vielleicht hatte Pansy Recht,
und er hatte wirklich seine Freunde abgeschafft, aber jetzt war es die Sache
auch nicht mehr wert. Er könnte sich mit Goyle
vertragen. Die Sache mit Granger war gegessen. Da gab es keine losen Fäden
mehr, kein Grund, noch weiter darüber nachzudenken.
Und
wie vor zwei Monaten gab er sich die größte Mühe, diese Gedanken mit viel Sex
und wenig Schlaf zu überbrücken. Allein die Tatsache, dass er vor Müdigkeit
umfallen konnte, hielt ihn wohl davon ab, Pansy für ihre Worte eine saftige
Ohrfeige zu verpassen. Sie wandte sich von ihm ab und verschwand nach draußen.
Draco hatte den anderen Jungen aus dem Schlafsaal ziemlich deutlich klar
gemacht, was sie erwarten würde, würden sie es wagen, den Schulsprecher beim
Sex zu stören. Und so hatte er den Schlafsaal die meiste Zeit für sich.
~*~
Das
schlimme an den letzten gemeinsamen Essen war der Blick des Zaubertranklehrers,
der sie mit seiner Verurteilung anscheinend zu irgendetwas überzeugen wollte.
Ron
starrte sie finster und gleichzeitig besorgt an, wie nur er es konnte. Hermine
hatte Ginny gebeichtet, dass Ron es nun auch wusste, aber dass sie ihm bloß
nicht sagen sollte, von wem das Kind denn war. Ginny hatte gelacht und sie
gefragt, ob sie sie denn für völlig verrückt hielt. Ja. In Anbetracht der
Tatsache, dass dieses Thema wohl noch einmal aufkommen würde, saß Hermine da
etwas in Bedrängnis. Und Ron stupste sie immer wieder an, damit sie es Harry
erzählte, aber sie konnte es nicht Harry erzählen. Schon Ginnys wegen nicht.
Das
war ein fadenscheiniger Grund, aber es war immerhin ein Grund. Ein Grund, den
Ron ebenfalls nicht für gut hieß.
Ab
und zu wanderte ihr Blick durch die Halle. Malfoy unterhielt sich mit Goyle. Goyle warf ihr ab und an
einen Blick zu, von dem er wohl dachte, er würde ihr nicht auffallen. Das tat
er. Und er beunruhigte sie ein wenig. Sie war aber froh, dass Malfoy von ihr
Abstand hielt. Anscheinend bedeutete sie ihm wirklich nicht mehr, als ein
Schlammblut ihm wohl bedeuten würde. Und sie nahm an, dass er es ihr übel nahm,
dass sie ihm nicht Bescheid gesagt hatte. Aber bei Snape hätte er dann nur
gesehen, dass sie nun doch nicht nach seinem Willen gehandelt hätte und wäre
wieder einmal ausgerastet.
Es
schmerzte sie, ihn zu sehen und zu wissen, dass sie nicht noch einmal die
Gelegenheit haben würde, mit ihm zu reden. Nicht noch einmal seine Sorge zu
sehen, oder mit ihm zu streiten, oder seine Lippen auf den ihren zu spüren. Sei
es auch nur für einen flüchtigen Moment der Verzweiflung.
Sie
wollte gar nicht darüber nachdenken, was sie ihrem Kind eines Tages erzählen
würde. Sie hatte Malfoy nie besonders gemocht, aber mittlerweile hatte sie
feststellen müssen, dass der Junge, den sie am meisten verabscheut hatte, der
Junge war, dem sie am wenigstens widerstehen konnte.
Aber
es war ok. Es war gut, dass er es nicht wusste. Es war gut, dass er es ihr
leichter machte.
Es
war gut, dass sie wieder sie selbst sein konnte, ohne sich am Abend für
irgendwelche Sexgeschichten schämen zu müssen. Es war gut, dass er es niemals
erfahren würde.
Es
war ganz bestimmt besser so. Sie würde es bald auch selber einsehen, da war sie
sicher. Wenn nicht sie, dann würde ihr es Harry wahrscheinlich klar und
deutlich ins Gesicht schreien. Oh je… Wenn sie es doch Harry niemals erzählen
müsste…
Ginny
kam mit roten Wangen in den Gemeinschaftsraum gerannt. Hermine hob den Blick
von ihrem Runenbuch. Eigentlich war das Runenbuch nur Tarnung. Sie beschäftigte
sich mit Madame Perkins’ Tipps der Schwangerschaft. Sie hatte die Seiten magisch
kopiert und sie in das Buch eingefügt. Aber sie kam sich bei weitem nicht so
erbärmlich vor, wenn Ginny glaubte, sie würde über Runen lesen.
Auch
wenn es Freitag war. Zwei Tage vor dem Abschluss. Großer Gott…
„Oh,
Hermine! Oh Merlin!” Gott sei Dank schien sie glücklich zu sein. Hermine
klappte schnell ihr Buch zu, als Ginny sich neben ihr auf die Couch setzte. Sie
war eher vom Quidditch zurück als die anderen. Harry
hatte es sich nicht nehmen lassen, sein letztes Training zu geben. Wieso war
Ginny eher wieder da?
„Er
hat mich geküsst!“
Oh… ach das war es…
„Oh,
wie wunderbar! Ich freue mich! Ich hätte damit schon eher gerechnet…“
„Nein.
Na ja, es ist erst jetzt dazu gekommen. Mitten im Kapitänszelt!“ Das einzige, was
sie im Kapitänszelt jemals getan hatte, war Malfoy zu sagen, dass er der Vater
ihres Kindes war. Da war Ginnys Geschichte besser.
„Und?
Wer hat es eingeleitet?“, fragte sie, ganz die beste Freundin.
„Er!
Perfekt, oder? Er war es. Ich hatte gar nicht damit gerechnet. Ich dachte, er
würde mich darauf vorbereiten, dass ich Kapitän werden würde. Wir nehmen an,
dass ich es sein werde…“, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu, und Hermine
teilte diese Vermutung. „Und dann… Dann lief er ziemlich ziellos durch das Zelt
und… hat mir erklärt, wie besorgt er doch gewesen ist. Und… dass er es nicht
haben kann, wenn es mir schlecht geht, oder wenn sich jemand nicht richtig um
mich kümmert… und… ich konnte gar nichts sagen.“
Hermine
kannte das Gefühl, wenn man auf einmal kein Wort mehr raus bringen konnte.
„Naja…
und dann kam er näher… und seine perfekten grünen Augen waren ganz… dunkel. Und
auf einmal hat mich ein Schauer erfasst, und ich wusste, dass er mich küssen
würde!“ Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und senkte ihre Stimme. „Und
dann hat er mich geküsst. Einfach so. Mitten im Zelt!“, endete sie flüsternd,
und Hermine grinste ihr entgegen.
„Endlich.
Also, ich kann nicht sagen, wie viele Jahre wir hier schon darauf warten,
Ginny. Ich freue mich wahnsinnig für dich.“ Ginny wurde augenblicklich ernst.
„Aber
wie geht es dir? Entschuldige, ich verhalte mich bescheuert.“
„Nein,
bitte fang nicht wieder damit an, mir Muster für die magische Tapete
vorzuschlagen. Ich habe noch nicht einmal eine Wohnung, Ginny.“
„Aber,
wie fühlst du dich? Musstest heute schon…?“ Sie sah sie eindringend an. Hermine
schüttelte den Kopf.
„Nein,
heute war ein guter Tag.“ Sie log. Sie merkte es selber. Der Tag war nicht
besonders gut gewesen. Sie war schließlich alleine schwanger. Natürlich lag es
größtenteils an ihren Hormonen. Sie bekam Panikattacken und weinte sich die
Augen aus dem Kopf, weil sie unter gar keinen Umständen alleine in dieser
Situation sein wollte. Dann manchmal war sie so verzweifelt, dass sie schon
überlegte, zu Malfoy zu gehen und ihm zu sagen, dass sie den Trank nicht
genommen hatte, und dass es jetzt auch zu spät dafür war.
Dann
aber wurde sie Gott sei Dank spätestens beim Aufbruch zum Slytheringemeinschaftsraum
wieder normal und nüchtern. Sie musste sich zwingen diese Stimmungsschwankungen
zu unterdrücken.
Großartig,
ausgerechnet jetzt kam die Übelkeit.
„Ginny,
ich bin gleich wieder da“, versprach sie und erhob sich hastig. Sie warf ihr
Buch zur Seite und stürmte durch den Raum. Dass ihr auch immer nur ein paar
Sekunden Zeit blieben, war einfach nicht fair.
Die
Prozedur, die sie kannte, lief wie gewohnt ab. Sie übergab sich, sie ruhte sich
kurz aus, sie spritzte sich Wasser ins Gesicht und schritt wieder zur Tür. Gut,
dass die meisten Mädchen diese Toiletten hier nicht vorzogen, sondern die
Waschräume außerhalb des Gemeinschaftsraums.
Ihre
Hand lag auf der Türklinke, und sie hielt inne. Sie vernahm Harrys Stimme
deutlich von draußen. Also waren die Jungen wieder zurück. Sie atmete tief
durch. Sie musste einfach nur völlig unbeteiligt aus der Tür schlüpfen.
Natürlich
war es nicht übersehbar. Harry sah sie verwirrt an. Ron musterte sie besorgt,
sagte aber nichts.
„Seit
wann benutzt du auch dieses Klo?“, erkundigte sich Harry, aber sie ruckte nur
mit dem Kopf.
„Nur
ab und zu mal“, log sie ungerührt, und Harry ließ sich etwas zögerlich neben
Ginny nieder. Sie hörte Ron leise schnauben, aber auch dazu sagte er nichts.
Harry griff unter sich und zog das verhexte Runenbuch hervor. Hermines Augen weiteten
sich.
„Wieso
lernst du eigentlich noch?“, fragte Ginny jetzt und blätterte gelangweilt durch
die Seiten, nachdem sie es Harry aus der Hand genommen hatte.
Oh
Gott, nein!
„Ich
meine, es ist doch vorbei. Ihr bekommt Sonntag eure Noten, du bekommst deine
gesammelten Ohnegleichen, und dann ist es doch vorbei.“ Langsam kam sie näher,
bemüht um Gleichgültigkeit.
„Mich…
interessiert es halt immer noch“, sagte sie schlicht und streckte die Hand aus.
„Wie
wäre es, wenn wir ein Zeichen setzen und ein Schulbuch verbrennen?“, fragte
Harry mit einem breiten Grinsen und nahm Ginny das Buch wieder aus den Händen.
„Ich versteh hier sowieso kein Wort. Da sind nur Symbole. Mensch, Hermine, du…“
Er blätterte weiter und Hermine blieb keine Zeit mehr für Höflichkeit. Sie
schnappte ihm das Buch aus den Fingern.
„Wir
werden es nicht verbrennen“, informierte sie Harry, und ihr Herz schlug ihr bis
zum Hals.
„Ist
Madame Perkins die Autorin?“, erkundigte er sich verwirrt, und ausgerechnet Ron
lachte schallend auf.
„Oh
Merlin, die kann auch noch Runen? Mum hat Zuhause
bestimmt hundert Bücher zur Kindererziehung rumliegen…“ Er bemerkte Hermines
zornigen Blick, und sein Mund schloss sich augenblicklich. Erkenntnis trat in
seinen Blick, und Stille legte sich über die kleine Gruppe.
„Wieso
sind dann solche Passagen in deinem Schulbuch?“
Oh
nein. Harry war nicht dumm. Oh, bitte nicht. Ginny musste einspringen, Ginny
musste irgendwas erzählen. Ginny musste… Plötzlich klärte sich Harrys Blick.
Zuerst starrte er auf das Buch in Hermines Händen, und schließlich hob sich
sein Blick zu ihrem Gesicht.
Hermine
konnte die Hitze in ihren Wangen nicht verbannen. Oh, nein.
Irgendwas
musste jetzt passieren!
Das
Portraitloch flog auf und sämtliche Gryffindors
strömten rein. „Inoffizielle Abschlussparty!“, grölte Dean über die Menge
hinweg, und Massen an Butterbier und Pasteten wurden in den Gemeinschaftsraum
geschleppt.
„Und,
Schulsprecherin, rennst du sofort zu Dumbledore oder gibst du uns ’nen
Vorsprung?“ Dean grinste sie an, und Hermine war noch nie dankbarer gewesen,
ihn zu sehen.
„Dean,
mach was du willst, ich habe nichts gesehen.“ Der Vorteil an Gryffindorpartys war die ausgereifte Planung. Jedenfalls
bei dieser war es so. Und so konnte sie ungesehen verschwinden. Dean hatte
Harry bereits mit sich gezogen. Sie war sich nicht sicher, ob er wusste, was
alles nun zu bedeuten hatte, aber sie war sich sicher, er wusste jetzt, dass
wenigstens irgendjemand schwanger war. Aber würde er denken, Ginny wäre
schwanger? Oder würde er wissen, dass sie es war?
Sie
bahnte sich einen Weg hoch in den Mädchenschlafsaal. Nur noch Harry stand in
ihrem Weg. Immerhin hatte sie ansonsten Ginny und Ron auf ihrer Seite. Auch
wenn Ron durchaus nicht bereit war dem Ganzen freudig entgegen zu blicken. Und du vergisst eine wichtige Sache,
erinnerte sie ihr Verstand leise. Ron weiß noch nichts vom Vater.
Es
würde sich eine Lösung finden. Es gab immer eine Lösung. Und es gab meistens
auch immer eine Alternative zu der Lösung.
Sie
wusste das. Sie war nicht die klügste Hexe, weil sie immer nur einen Weg zum
Ziel verfolgen konnte, nein. Sie würde es schon schaffen.
~*~
Missbilligend
wanderte sein Blick über die versammelte, recht kleine Menge an Gryffindors. Anscheinend war es dort gestern spät und
ausschweifend geworden. Potters Kopf lehnte an der Schulter der kleinen
Weasley, die zwar Müsli vor sich stehen hatte, aber wohl eher als Dekoration.
Weasley
unterhielt sich leise, aber anscheinend mit knappen bösen Worten mit Granger,
die ebenfalls nur in ihrer Schüssel rührte, ohne zu essen. Weder Thomas noch Finnegan waren anwesend. Longbottom
auch nicht und keines der anderen Mädchen. Die Erst- und Zweitklässler saßen
ein Stück weiter ab, vereinzelt waren Drittklässler anwesend, so wie er es
einschätzen konnte. Aber ab dem vierten Jahr waren die Plätze leer.
„Und,
bist du schon aufgeregt wegen morgen?“
Es
war keine echte Frage, denn Draco und alle anderen wussten, er würde exzellent
abschließen, aber es kam auf die Geste an, die Goyle
ihm hier bot. Er hatte sich neben ihn gesetzt und sah ihn jetzt mit gemischten
Gefühlen an.
Draco
überlegte etwa zwei Sekunden, bevor er das Angebot akzeptierte.
Er
hatte gestern eine eher fadenscheinige Diskussion mit Goyle
über den Stundenplan angefangen, der eher irrelevant war, aber Goyle hatte ihn nicht stehen lassen. Also hieß das jetzt
wohl, es war vorbei mit ihrem dummen Streit.
„Ja“,
gab er schlicht zurück. Die Lüge war sichtbar, fast greifbar, aber Goyle nickte. „Du?“
„Jaah. Ich brauch aber nur die beiden Utze
schaffen, dann kann ich mich bewerben.“
„Als
was?“ Automatisch begann Draco mit ihm zu reden. Es war viel zu leicht, mit Goyle ins Gespräch zu kommen. Goyle
senkte den Blick, und Draco glaubte zum ersten Mal zu sehen, wie dieser Schrank
von einem Typen rot wurde.
„Mein
Onkel ist der Besitzer des Eulen- und Katzengeschäfts in der Winkelgasse. Ich
will bei ihm anfangen, weil… ich mag Tiere.“ Es kostet Draco viel Überwindung,
wahrscheinlich mehr Überwindung als Goyle, diese
Geschichte zu erzählen. Oh, er musste sich so zusammen reißen.
„Ach
was?“, schaffte er unbeteiligt zu sagen, und Goyle
seufzte.
„Ach,
komm schon, Draco, ich kenn dich.“ Er nickte ihm leicht gereizt zu, und Draco
ließ das breite Grinsen erscheinen.
„Du wirst also Pfleger für Katzen und Eulen? Du wischst den Dreck weg und
spielst mit Wollknäueln? Fantastisch, Greg!“ Er lachte befreit. So befreit wie
schon ewig nicht mehr. Goyle verzog das Gesicht.
„Was
willst du denn so Großartiges machen?“ Draco wusste, Goyle
war nicht böse, aber er wusste auch, er musste sich jetzt zusammen reißen,
damit er es nicht doch noch werden würde.
„Ich?
Keine Ahnung“, gab er tatsächlich zu, und Goyle
lächelte.
„Tja,
immerhin habe ich einen Plan.“ Draco wurde wieder ernst.
„Ich
dachte, du…“, begann er, aber eigentlich hatte er keine Lust am frühen Morgen
über Voldemort zu diskutieren.
„Du
dachtest, was?“
„Naja,
dass… dass du dem Beispiel deines Vaters folgen würdest.“
„So
wie du?“ Es war eine Fangfrage. „Komm schon, Draco, ich weiß, wir tragen alle
das Dunkle Mal, aber ehrlich, was bedeutete es jetzt schon noch?“ Er biss in
sein Wurstbrot, und Draco seufzte schwer. Wie wunderbar es wäre, würde sein
Vater diese Ansicht teilen. Goyle schien seine
Gedanken zu erraten.
„Du
denkst an Lucius?“ Draco schwieg. „Was hält dich noch Zuhause, Draco?“
Draco
hob in einer eindeutigen Geste die Augenbrauen.
„Du
kannst genügend Geld verdienen mit deinem Abschluss. Du brauchst doch nicht
unbedingt das Vermögen.“
„Oh,
Greg. Ich kann nicht einfach von unten anfangen. Ich bin Reichtum gewöhnt. Und
außerdem würde Lucius mich nicht nur enterben sondern auch töten. Dann müsste
ich gar nicht mehr arbeiten.“ Sein Blick schweifte ab.
„Hermine
macht es doch auch so.“ Draco erschrak zutiefst.
„Wer
macht was auch so?“
„Na
ja…“ Schon wieder sah er den Riesen neben ihm erröten. „Ich meine, Granger hat
dieselben Noten, und sie kümmert sich auch nicht um…“
„Sie
ist eine Muggel, Greg. Du bist doch nicht so liberal
geworden, dass du nicht mehr weißt, was das bedeutet? Und seit wann nennst du
sie bei ihrem Vornamen, zum Teufel?“ Goyle wirkte
verschlossener.
„Wieso?
Stört dich das? Ich habe nichts gegen sie.“ Vollkommen neue Informationen.
Absolut unglaublich. „Sie hat mir mal in Zaubertränke geholfen. Außerdem finde
ich sie…“ Er wandte sich kurz um, anscheinend wollte er sichergehen, dass Pansy
ihn nicht hörte. „Ich finde sie eigentlich ganz hübsch.“
Dracos
Mund klappte auf. Er hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle. Sein Verstand
spuckte ihm mehrere Möglichkeiten aus, warum Goyle so
sprach.
„Sagst
du das, damit ich mich besser fühle, weil… weil ich ihren Namen gesagt habe?“ Goyle verdrehte die Augen.
„Du
denkst, ich habe ein nie enden wollendes Verlangen, dich zufriedenzustellen,
Draco?“
Die ehrliche Antwort
war: Ja, absolut.
„Ich…
nein. Ich meine nur, ich verstehe es nicht.“
„Wir
sind keine Kinder mehr. Und ich weiß, Pansy ist weit außer meine Reichweite.“
„Quatsch.“
Achtlos hatte er geantwortet.
„Ach
nein? Mit wem schläft sie den jeden zweiten Tag, Draco?“ Er musste diese Frage
nicht beantworten.
„Meinetwegen,
denk, was du willst, aber du hast Chancen bei jeder, wenn du willst. Pansy ist
keine Frau, die man erstreben sollte“, bemerkte er kühl, und Goyle seufzte. „Lucius würde das auch über Granger sagen.
Hätte dich das trotzdem abgehalten?“ Was wusste dieser Gedankenleser eigentlich
noch?
„Wovon
redest du?“, knirschte Draco zwischen den Zähnen. Es war wahnsinnig schwer,
kontrolliert zu bleiben, wenn er keine Ahnung hatte, welche Richtung Goyle eigentlich einschlagen wollte.
„Draco,
noch einmal: Ich kenne dich. Ich kenne dich wirklich gut, auch wenn dir das
nicht gefällt. Als wenn du dich zurückhalten könntest, wenn du ein Mädchen
wirklich willst. Wochenlang nur den einen Namen im Schlaf zu sagen, ist nicht
unbedingt ein Zeichen deiner Zurückhaltung.“ Er war schockiert. Aber er hatte
eigentlich auch keine Lust sich aufzuregen und aus der Halle zu stürmen. Vor
allem weil die Sache mittlerweile vergessen war.
Vergessen.
Das
wäre wirklich gut. Also, was hielt ihn? Vielleicht… nein.
Vielleicht……. -Nein!
Vielleicht
sollte er mit jemandem darüber reden… Sein skeptischer Blick hob sich zu dem
Gesicht seines neu gewonnenen alten Freundes.
„Hey,
willst du eine verrückte Geschichte hören?“ Seine Stimme zitterte vielleicht
zum ersten Mal in seinem Leben. Goyle rutschte näher
zu ihm. Die Hälfte der Slytherins hatte das Frühstück
beendet und verließ bereits die Halle.
„Immer.“
Ihre
Gnadenfrist hatte sie wahrscheinlich nur Harrys Alkoholpegel zu verdanken, der
ihn Gott sei Dank davon abhielt von der Couch im Gemeinschaftsraum aufzustehen.
Er lehnte an Ginnys Seite, und diese strich im gedankenverloren durch die
wirren Haare. Ginny hätte nichts Besseres passieren können, mutmaßte Hermine.
Ron
warf ihr immer wieder Blicke zu, denn er hielt es wohl für den bestmöglichsten
Zeitpunkt mit Harry zu reden, wenn er nicht in der Lage war großartig zu
schreien oder eine Dummheit zu begehen.
Doch
sie war nicht bereit dazu. Sie hatte gestern nicht getrunken. Natürlich nicht.
Jetzt gehörte sie zu den wenigen, die nüchtern im Gemeinschaftsraum saßen. Die
Stimmung war mäßig, denn die meisten waren wieder schlafen gegangen oder dösten
vor dem Feuer. Dabei war es ein ziemlich wunderschöner Tag.
„Wollen
wir an den See?“, fragte sie hoffnungsvoll, und Ron ruckte bloß mit dem Kopf.
Sein Blick fixierte Ginny und Harry mit mürrischer Missbilligung, und
vielleicht ließ er sich ja durch einen Spaziergang auf andere Gedanken bringen.
Sie
verließen den Gemeinschaftsraum und machten sich auf den Weg ins Gelände.
Draußen saßen wie immer viele Schüler auf dem Rasen und Ron startete seinen
nächsten Versuch mit seinem Lieblingsspiel.
„Also, willst du mir es immer noch nicht sagen?“ Hermine seufzte.
„Ron,
glaub mir, wenn es eine schöne Geschichte wäre, dann würde ich sie dir
erzählen.“ Er schien nicht überzeugt.
„Ich
will es aber wissen. Früher hatten wir keine Geheimnisse voreinander, früher…“
Er unterbrach sich selbst. „Ich meine, was kannst du mir nicht erzählen,
Hermine?“ Sein Blick war aufrichtig, und sie sah den Hauch der Enttäuschung
darin sehr wohl.
„Ron,
ich will nicht, dass du mich noch weniger magst.“
Er
lachte laut. „Oh, Hermine. Ich weiß, es keine ideale Situation, dass du
schwanger bist, ohne einen Ehemann, aber ich bin dein bester Freund. Ich liebe
dich, das weißt du.“ Die Worte klangen schön aus seinem Mund. Sie wusste nicht,
ob es ihn Überwindung kostete sie laut zu sagen, oder ob es ihm leicht fiel.
„Ich
liebe dich auch, Ron.“ Ja, sie weinte. Sehr schön. Ihre Hormone machten sie
fertig. Sofort wurde sie in den Arm genommen.
„Siehst
du? Es ist alles gut. Und weißt du, wenn du es mir nicht sagen willst, erzähl
ich einfach, das Kind ist von Snape. Da hast du dann deine Gerüchteküche, und
dann würdest du dir für den Rest deines Lebens wünschen, du hättest es mir
einfach gesagt.“ Ein Lächeln erhellte ihre Züge, während sie immer noch haltlos
weinte.
„Oder
ist es Professor Snape?“
„Also,
Ginny sind ja auch schon schräge Sachen eingefallen, aber das ist wirklich… uähhhg.“ Ron lachte.
„Immerhin.
Geht es dir besser?“ Sie wischte sich die Tränen von der Wange.
„Es
geht mir gar nicht schlecht. Ich kann das hier nicht mehr kontrollieren.“
„Ja
ja. Meine Mum hatte auch
diese Phasen. Einmal hat sie uns angeschrien, weil wir eine Tasse zerbrochen
haben und dann hat sie geweint weil Fred und George sie wieder zusammengeklebt
hatten. Völlig verrückt.“
Sie
schritten weiter. Sein Arm lag um ihre Schulter, und sie fühlte sich
tatsächlich sicher. Sie wusste, dass sie nicht alleine sein würde, und das
machte die ganze Sache schon wesentlich erträglicher. Auch die Tatsache, dass
Ron eventuell raus finden musste, von wem es war, schreckte sie nicht mehr so
ab.
„Oh,
dieser blöde Arsch. Ich hasse sein arrogantes Gesicht. Wenn er doch wenigstens
beschissene Noten hätte, wäre sein ganzes Gehabe um einiges erträglicher. Wer
ist überhaupt das Mädchen? Woher nimmt er immer diese dunkelhaarigen
Schönheiten?“
Sie
spürte wie sich Rons Arm versteifte. Malfoy trug heute keine Robe, aber in
seiner Uniform wirkte er immer noch einschüchternd genug. Er schritt denselben
Weg entlang wie sie, kam aber aus der anderen Richtung. An seiner Seite ein
Mädchen, dass Hermine vage als Fünftklässlerin einzuordnen wagte. Ihr wurde
heiß.
Sie
musste sich so verhalten, als wäre sie nicht schwanger, als wäre sie glücklich
darüber nicht mehr schwanger zu sein und als wäre er ihr absolut egal. Also
streckte sie den Rücken durch und ignorierte ihn so gut es ging.
Malfoy
unterbrach sich selbst als sie auf Augenhöhe waren und schweigend gingen die
beiden Paare aneinander vorbei. Sie hatte seinen Blick auf sich gespürt und
verfluchte die Tatsache, dass es bei Sonnenschein nicht viele
Ausweichmöglichkeiten in diesem Schloss gab. Ihr Herz zog sich zusammen, und
sie wünschte sich den morgigen Tag unendlich schnell herbei.
Aber
wie es nun mal so war, verging die Zeit eben einfach nicht, wenn man es sich am
sehnlichsten wünschte.
~*~
„Ist
sie jetzt mit Weasley zusammen?“, fragte Melissa verwirrt, aber er beschloss
darauf nicht einzugehen.
„Wo
war ich? Ja, also, hör zu, Greg ist wirklich fasziniert von dir, auch wenn er
es niemals zugeben würde.“
„Das
glaube ich eher weniger.“ Er konnte nicht fassen, dass er Goyle
vor diesem wunderschönen Mädchen anpries, wo er sie doch schon selber seit zehn
Minuten hätte haben können. Anscheinend änderten sich Dinge irgendwann doch
mal.
„Doch,
doch. Ich verspreche es. Du könntest dir nicht vorstellen, was es ihm bedeuten
würde, wenn er dich ausführen dürfte. Und du weißt ja, seien Familie hat Geld.“
Slytherinmädchen waren nur durch zwei Dinge zu
beeindrucken: Ein scheiß Charakter und viel, viel Geld. Und wenigstens eines
davon besaß Goyle.
Leider
war er zu nett und zu ehrlich, aber das wog das Vermögen seines Großvaters
wieder auf.
„Ach
ja? Reich ist er also?“
„Oh
ja. Aber er will, dass die Mädchen auch sein wahres ich zu schätzen wissen.“ Er
war ein begnadeter Lügner.
„Na
ja… ich könnte ihm sagen, dass ich heute Abend noch nichts vorhabe.“ Instinktiv
hatte sich Draco heute anders verhalten und hatte keine Signale ausgesandt, die
dem Mädchen zeigten, dass er sie nur zu gerne flach gelegt hätte. Er schob die
Hände in seine Hosentaschen und ruckte mit dem Kopf.
„Ja,
beeil dich lieber, wenn du wirklich willst. Einige Mädchen haben schon ein Auge
auf ihn geworfen.“ Noch eine nette Lüge, aber manchmal musste man seinen
Freunden helfen. Es tat gut, wenigstens wieder einen Menschen zu haben, dem man
wenigstens ansatzweise vertraute.
„Draco,
ich werde gehen.“ Er war zufrieden. Goyle bekam sein
erstes Date. Und dann auch noch mit einem Mädchen, dass ihn Pansy vergessen
ließ.
„Oh,
kein Problem. Bis dann.“ Er blieb ein paar Schritte
zurück, während Melissa zum Schloss zurück eilte.
Er
sollte Kuppler werden. Das wäre doch nett. Ja,
und er war nicht nett.
Aber
sein Bündel an Sorgen war etwas kleiner geworden, denn jetzt hatte er Goyle erzählt, dass er mit Granger geschlafen hatte. Diese
ganze Schwangerschaft hatte er ausgelassen, aber er hatte ihm erzählt, dass sie
ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen war und dass er sogar noch einmal mit ihr
geschlafen hatte.
Er
war Goyle dankbar gewesen, dass er geschwiegen hatte.
Er hatte lediglich genickt. Draco hatte keine Ahnung von Liebe und konnte sich
auch nicht vorstellen, dass das etwas mit Liebe zu tun hatte. Es wäre nett,
aber völlig unmöglich. Aber in Goyles romantischen
Kopf hatten sich bestimmt bereits Bilder geformt.
Er
dachte an sie, natürlich. Gerade eben hätte er fast seinen Faden verloren, als
er sie in Weasleys Arm gesehen hatte. Sie war so…
schön. Vielleicht irrte er sich auch und es lag am Licht. Es gab nichts mehr,
was sie verband. Das hatte es nie wirklich gegeben, denn dieses verfluchte Kind
war niemals als bindend zu betrachten gewesen. Dennoch hatte er einen winzigen
Stich der Eifersucht gespürt. Aber ein Schlammblut und ein Blutsverräter
passten wesentlich besser zusammen.
Es
war seltsam, was er in letzter Zeit dachte. Wahrscheinlich hätte er sie einfach
gerne noch ein einziges Mal gehabt. Er würde raus aus der Hitze gehen, denn
anscheinend stieg sie ihm nur zu Kopf. Aber nein. Glücklich war er nicht. Nicht
in diesem Moment.
~*~
„Die
will wirklich mit mir ausgehen! Es ist unglaublich. Draco, ich schulde dir eine
ganze Menge dafür.“ Auch wenn Goyle sich freute, sah
Draco sehr wohl die Seitenblicke zu Pansy. Anscheinend hoffte er, dass sie
eifersüchtig werden würde. Draco wusste, das würde nicht passieren, aber er
sagte nichts. Wahrscheinlich wusste es Goyle selber
genauso gut.
„Was,
wenn ich was falsch mache?“, flüsterte er, während er jetzt am Portraitloch auf
Melissa wartete in Dracos Ohr.
„Du
darfst darüber nicht nachdenken, hörst du? Denk einfach, du kannst nichts
falsch machen, und alles was du tust ist richtig.“
„Ist
das dein Mantra?“, fragte Goyle schnippisch, und
Draco zeigte seine weißen Zähne mit einem teuflischen Lächeln.
„Arroganz
bringt dich hierbei weiter. Bei anderen Dingen vielleicht nicht, aber hierbei
definitiv.“ Goyle nickte nervös, denn jetzt kam das
Mädchen auf sie zu. Sie sah umwerfend aus. Zwanzig Minuten und Draco hätte sie
bereits einmal zum Kommen gebracht.
Gott,
wie sehr er sich Sex wünschte. Aber nicht mit Pansy. Bei Pansy musste er damit
rechnen, dass sie ihm wieder unangenehme Wahrheiten sagen würde. Darauf hatte
er keinen Nerv. Er war sowieso völlig fertig mit den Nerven, denn nur noch ein
Tag blieb ihm hier in Hogwarts. Natürlich hatte er es
verteufelt, aber jetzt, wo er wirklich gehen musste, wusste er, was Granger in
ihrer Rede hatte sagen wollen.
Es
würde alles anders sein. Die gute Zeit wäre vorbei.
Ein
Junge kam eilig aus dem Portraitloch auf ihn zugeeilt. Goyle
und Melissa verschwanden ohne weitere Worte, und der Junge drückte Draco
ängstlich einen Brief in die Hand. Die geschwungene Schrift war leicht zu
entziffern.
Dumbledore
schrieb nur aus einem Grund, und er ahnte bereits wer den zweiten Brief erhalten
würde. Gut, das wären weitere unangenehm fünf Minuten, die er in ihrer
Gegenwart aushalten müsste. Er würde es schon schaffen. Vielleicht.
~*~
Sie
sah nicht ein, warum es notwendig war, dass sie sich noch einmal treffen
mussten. Aber sie wusste, es wäre sinnlos zu diskutieren. Sie war mit Absicht
später losgegangen. Dieser Tag war ein furchtbar langer Tag. Und er wurde nicht
besser. Sie war so nervös, dass sie Angst bekam, ihre Übelkeit nicht unter
Kontrolle halten zu können.
Sie
sprach das Passwort, die Wasserspeier drehten sich zur Seite und gaben die
Treppe frei. Sie atmete mehrere Male tief durch, bevor sie klopfte.
„Herein,
Miss Granger.“
Sie
öffnete die schwere Tür und mied direkten Augenkontakt. Beide sahen sie an.
„Gut.
Dann können wir ja beginnen. Erstmal möchte ich sagen, dass Ihre
Prüfungsergebnisse kaum besser sein könnten. Nein, sie können gar nicht besser
sein“, korrigierte sich Dumbledore und lächelte beiden zu. „Ich weiß, dass sie
als Schulsprecher und Schulsprecherin nicht das ideale Paar waren, aber ich
dachte mir, Sie würden es schon meistern.“
Sie
schweigen beide. Lobeshymnen genoss Hermine eigentlich, aber wenn es darum ging
ein Geheimnis vor dem Schulleiter zu verbergen, dann war jede Hymne eine Qual.
„Morgen
Abend ist Ihr letzter Abend. Ich bedaure es sehr. Allerdings bekommen Sie beide
Qualifikationen der Schule, und wie jedem Schulsprecher und jeder
Schulsprecherin möchte ich noch die Einladung geben, dass Sie an dieser Schule
willkommen wären. Die Möglichkeit eine Fachkraft hier zu werden ist eine
besondere Ehrung.“
Das
hatte Hermine verdrängt. Sie konnte auch an Hogwarts
bleiben. Sie musste nicht raus in die weite Welt.
„Mr Malfoy, ich weiß nicht genau, wie Sie Ihre Zukunft
planen möchten und in wie weit Sie sich von Ihrem Vater abhängig machen wollen,
aber auch Ihnen lege ich nahe, dass wir einen klugen Kopf wie Sie nur zu gerne
bei uns haben wollen.“
Er
räusperte sich. „Sir, ich denke, Sie wissen, ich bin… anderweitig gebunden.“
Hermine
ballte die Hände zu Fäusten. War er also doch ein Todesser? Aber sie konnte
sich nicht vorstellen, dass er das tun würde, was sein Vater von ihm verlangte.
„Ich danke Ihnen für Ihr Angebot“, fügte er ruhig hinzu.
Hermine
wurde zornig. Das konnte doch wohl nicht sein.
„Gut,
ich wollte Ihnen nur die Ehrung überreichen.“ Er hielt ihnen zwei
Briefumschläge hin. „Ihr Zeugnis bekommen Sie morgen mit den anderen, aber ich
dachte mir, das hier erledigen wir privat. Jedenfalls haben Sie beide hiermit
eine Auszeichnung, die es Ihnen in jedem magischen Beruf, den sie ansteuern
erleichtern wird. Ihre Chancen sind herausragend.“ Diese Nachricht erfreute
Hermine. Wenn sie sich schnell bewerben würde, dann würde sie schnell einen
guten Job bekommen, und die nächste Sorge auf ihrer Liste wäre gestrichen.
„Danke,
Sir“, sagte sie leise und nahm den Umschlag entgegen.
„Sie
haben beide eine hervorragende Arbeit geleistet. Ich hoffe, Sie haben noch
erholsame, letzte Nächte in Ihren Betten“, fügte er hinzu, und er Hermine wusste,
dass es auch Dumbledore jedes Mal schmerzen musste, diese kleine Ansprache zu
halten. Nächstes Jahr würden wieder zwei Schüler gehen, denen er viel Glück
wünschen würde, und insgeheim hoffte, sie würden wieder an die Schule
zurückkehren.
Sie
erhoben sich gleichzeitig. Dumbledore nickte noch einmal und dann schritten
beide zur Tür. Dummerweise mussten sie nun zu zweit gehen. Sie wollte nicht
vorrennen und auch er schien es nicht eilig zu haben.
„Das
ist eine gute Chance.“ Sie schaffte es nicht, sich raus zu halten. Natürlich
nicht. Sie war immer noch ein bisschen sie selbst.
„Was?“
Verwirrt sah er sie an. Sie schritten zügig den Gang entlang, und der
aufkommende Streit ließ sie völlig vergessen, dass sie eigentlich schwanger
war.
„Dumbledore
hat dir ein großartiges Angebot gemacht.“
„Ich
habe mich bedankt, oder hast du nicht zugehört?“
„Nein.
Du hast gesagt, dass du lieber kleine, dumme, unnütze Todesseraufgaben
übernehmen willst. Was soll das?“
„Geht
dich das irgendwas an?“ Sie sprachen miteinander als hätte sich niemals etwas
geändert. Sie maßregelte ihn, er schrie sie an.
„Malfoy,
es wird Zeit, dass du dich langsam entscheidest. Ich meine, du bist so klug, du
kannst alles tun, was du willst. Wieso machst du dich so abhängig?“
„Es
geht dich nichts an“, wiederholte er zornig und beachtete sie gar nicht weiter.
„Ich
sage nur, dass du nicht ewig so leben kannst.“
„Granger,
halt deine verfluchte Klappe. Ich werde mich nicht mit dir streiten. Gott sei
Dank ist morgen alles vorbei.“
„Du
bist ein Arschloch.“
„Ach,
jetzt geht die Arschloch-Ansprache wieder los? Dann kannst du gleich mit in den
Club!“, schrie er jetzt und war tatsächlich stehen geblieben. Provozierend
starrte er sie an, die Hände zu Fäusten geballt, und der letzte Rest Vernunft
in ihrem Kopf, warnte sie, dass es vielleicht nicht so gut war, sich wieder mal
mit ihm anzulegen.
„Was
soll das heißen, Malfoy?“ Aber es war zu spät. Sie war mittendrin.
„Das
soll heißen, dass du es nicht einmal für nötig gehalten hast, mich dabei zu
haben.“
„Was?
Wovon redest…“ Erkenntnis erschlug sie. Er war immer noch sauer deswegen.
„Ja.
Denk scharf nach, Schulsprecherin. Du bist doch so wahnsinnig klug. Ich hasse
es, wenn du das tust. Du… du bist nicht immer ein unschuldiges Opfer. Du… du gibst
mir nicht einmal die Chance zu…“ Er atmete ruhig aus und schüttelte den Kopf.
„Weißt du was, es ist egal. Ich habe dir eigentlich nichts weiter zu sagen.“
„Schön.“
„Schön.“
Sie
war so wütend und gleichzeitig so fasziniert von ihm. Gott, er war so atemberaubend
schön. Es war zum Verrückt werden. Ihr Magen drehte sich um, allerdings nicht
vor Übelkeit. Wieder mal hatte sie den Drang ihm alles zu beichten, ihm zu
sagen, dass sie immer noch schwanger war mit seinem Kind, aber erneut erschlug
sie Erkenntnis, dass es schlicht und ergreifend zu spät war für diese
Ehrlichkeit.
Sie
hatte sich geirrt. Es war nicht einfach so vorbei. Nicht für sie jedenfalls.
Ihre Fäuste zitterten an ihrer Seite. Auch er war einfach stehen geblieben. Er
bewegte sich nicht, aber der Sturm in seinen Augen war ausreichend. Sie sah die
Verwirrung in seinem Blick und wünschte sich, er wäre nicht so wunderschön.
Vielleicht
war es ein Fehler gewesen, das Kind zu behalten.
Denn
jetzt würde sie niemals von ihm loskommen.
„Draco?“
Sie wusste nicht, was sie tat. Sie wusste nicht, warum sie nicht ging, oder
warum sie aufgehört hatte sie schreien. Ihre Stimme klang völlig neutral. Und
völlig müde. Genauso wie seine als er antwortete.
„Ja?“
„Bereust
du es?“
Kurz
herrschte Schweigen. Schweigen, während dem er sie nicht aus den Augen ließ. Er
hatte es völlig ruhig hingenommen, dass sie seinen Vornamen benutzt hatte. Als
wäre es eine Selbstverständlichkeit.
„Was?“
„Das
mit uns“, flüsterte sie und zwang sich dazu, Haltung zu bewahren. Seine Züge
wirkten verschlossen. Er war nicht von dem Draco Malfoy zu unterscheiden, der
gerade ein Rezept für Zaubertränke befolgte.
„Nein“,
sagte er schließlich. „Das tue ich nicht.“
Das
Gespräch war auf einmal ein völlig anderes geworden, und sie wusste, sie gab
ihm gerade hundert verschiedene Möglichkeiten sie fertig zu machen. Wann war
sie eines von diesen Mädchen geworden, die ständig Bestätigungen von Jungs
suchten? Seit wann zählte es für sie, was er von ihr hielt?
Aber
sie durfte nicht bleiben. Sie durfte ihm nicht wieder eine Chance geben. Sie
wollte nicht sehen, dass er es wieder und wieder tun würde, denn es war einfach
krank. Viel zu krank.
„Ich
werde gehen.“ Damit ließ sie ihn stehen. Der Triumph war bitter. Es war kein
schönes Gefühl, denn sie wusste genau, wie dieses Treffen hätte enden können.
Aber was hätte es ihr gebracht?
Sie
weinte. Er folgte ihr nicht und sie war letztendlich froh, dass sie nicht noch
länger geblieben war, um in seinen hungrigen Augen zu versinken, denn pünktlich
setzte die Übelkeit ein. Die Übelkeit, mit der sie jeden Tag zweimal zu kämpfen
hatte.
Seit
langem hatte er nicht mehr von ihr geträumt. Schlagartig hatte sich das
geändert. Schlagartig ärgerte er sich über sich selbst und dass er so ein
Weichei geworden war, aber er hatte kaum Zeit dafür, denn Goyle
redete schon seit einer Stunde über sein Date. Es hatte nicht in Sex gegipfelt,
also war es für Draco kein echtes Date. Vielleicht irrte er sich, aber für ihn
wäre ein Date ohne Sex nicht die Erfüllung, die es für Goyle
war.
„Sie
ist wunderschön, oder? Und sie war so nett zu mir. Und ich… ich glaube, ich
gehe noch einmal mit ihr aus, was meinst du?“ Draco verzog den Mund. Natürlich
musste er noch einmal mit ihr ausgehen, wenn er Sex haben wollte.
„Sicher
tust du das. Heute Nachmittag wirst du sie fragen. Hör zu, es ist dein letzter
Tag hier in Hogwarts. Heute Abend gibt es die
Zeugnisse, und morgen früh sind wir schon unterwegs nach… Hause.“
Seine
Worte wurden ihm nahezu augenblicklich klar. Heute war der letzte Tag. Der
allerletzte Tag. Dann begann der Teil seines Lebens auf den er sich am
wenigsten freute, denn er hatte sich entschieden. Er würde nicht den Weg seines
Vaters gehen. Er wollte arbeiten. Das, was er wollte. Dann würde er sich eben damit
abfinden, einmal das Richtige zu tun, auch wenn es hieß, zu heiraten und Kinder
zu bekommen.
Aber
heute war noch nicht der Tag gekommen. Heute nicht.
Heute
musste er nicht rücksichtsvoll oder verantwortungsbewusst handeln. Heute konnte
er tun, was er wollte. Er konnte heute ein Feuer legen und morgen wäre es egal.
„Entschuldige mich einen Moment.“ Er ließ Goyle
stehen und verließ den Slytherintisch.
Hinter
ihr blieb er stehen. Sein Herz hämmerte lächerlich laut in seiner Brust.
„Kann ich dich draußen sprechen, wegen den Vorbereitungen für heute Abend?“ Die
Lüge kam glaubhaft und schnell über seine Lippen. Sie wandte sich überrascht
um, und die bösen Blicke von Potter und Weasley störten ihn nicht. Keineswegs.
Heute nicht.
„Welche
Vorbereitungen?“ Sie sah ihn an, und er sah beides in ihren Augen: Neugierde
und gleichzeitig panische Angst. Das zweite war ihm nur all zu vertraut.
„Wir
leiten die Abschlussfeier ein.“, erklärte er ernst und hoffte, dass sie es
nicht wirklich tun mussten. Aber er war sich sicher, dass es Dumbledore tun
würde. Aber so was wussten Potter oder Weasley nicht.
„Wir tun das?“ Sie hatte sich erhoben.
„Können
wir?“ Ungeduld schwang in seiner Stimme mit, und sie folgte ihm argwöhnisch
nach draußen in die leere Eingangshalle. Potter und Weasley steckten mürrisch
die Köpfe zusammen.
„Malfoy,
ich glaube nicht, dass wir diejenigen sind, die die Einführung sprechen.
Dumbledore wird heute Abend…“ Doch er hörte ihr nicht mehr zu. Er hatte ihren
Unterarm umfangen und zog sie mit sich in den nächsten Gang. Er war es langsam
leid, zu warten, ob sich die Dinge ändern würden. Er war es leid, nicht das zu
bekommen, was er haben wollte. Er war es einfach leid.
Morgen
würde er sich ändern. Morgen würde er, wenn es sein musste ein besserer Mensch
werden und sich von seinem Vater verprügeln lassen, um dieses Ziel zu
erreichen. Aber all das würde er erst morgen tun.
„Malfoy,
was…?“ Sie schnappte nach Luft, aber er war nicht bereit langsamer zu werden
oder irgendetwas zu erklären. Er wusste, sie wollte es, und für heute konnte er
ihr nur zu gerne diesen Wunsch erfüllen. Sie hätte schon eher was sagen sollen.
Einfach eher. Dann hätte sie ihn von seinem unbefriedigten Leid erlösen können.
Er
war es auch Leid über sein Verhalten nachzudenken, über den irrationalen Wunsch
genau dieses Mädchen wieder und wieder zu haben. Und morgen wäre es egal. Der
Gedanke, dass sie ihm morgen egal sein würde, war utopisch und von seinem
Verstand nicht vertretbar, aber morgen hatte er keine Wahl mehr.
Morgen
würde alles so laufen, wie er es wollte. Aber heute, heute gönnte er sich seine
Schwäche. Seinen einzigen schwachen Punkt, den er hasste und liebte zu gleich.
Ja, er liebte diese Gefahr, dieses Gefühl, dass er nichts Schlimmeres tun
konnte als das hier.
Er
hielt abrupt inne. Nur die Portraits betrachtete die Szene. Es war der Flur zu
den Gemeinschaftsräumen der Hufflepuffs, und die
ließen sich mit ihrem Frühstück immer wahnsinnig viel Zeit.
„Nein,
Malfoy! Nein, was soll das?“ Panik. Nackte Panik begleitete ihre Worte und sie
versuchte sich aus seinem Griff zu winden. Sie verweigerte ihm den Blick in
seine Augen, und er hielt sie an den Schultern fest. Er zwang sie in seine
Augen zu sehen. Er hätte schreien können, denn er wusste, er durfte das hier
nicht fühlen. Er wollte sie gar nicht wollen, aber wie sollte er ihr das ohne
Worte klar machen? Ja, Worte standen dieser seltsamen Beziehung, die er mit
Granger hatte im Weg. Worte zerstörten alles.
Deswegen
würde er sich weigern zu sprechen. Schweigend hielt er sie fest, bis sie den
Blick endlich hob. Er hatte sie. Er sah es genau. Ihre Unterlippe bebte. Sie
würde weinen. Wäre er ein Mädchen, dann würde er wahrscheinlich auch weinen. Er
rang sich doch ein paar letzte Worte ab. Sie kamen ihm richtig vor. Jedenfalls
jetzt in diesem Moment.
„Tut mir leid, Granger“, murmelte er unbeherrscht, und sein Mund krachte auf
den ihren.
Dann
küsste er sie.
Vielleicht
ein letztes Mal. Aber zum ersten Mal war es ihm egal, dass er völlig verrückt
war.
Das
letzte Mal, als er sie geküsst hatte, hatte er auch ihre Tränen gespürt. Er
ignorierte, dass sie ihn wirklich verabscheuen musste. Aber das fiel ihm nicht
schwer, denn mit einem Seufzen hatte sie die Arme um seinen Nacken geschlungen.
Jaah! Verflucht! Genau das wollte er.
Nicht
weil es ihm schlecht ging, oder weil er sie nicht haben konnte. Nein, einfach
weil er es jetzt wollte. Der Geschmack ihrer Lippen war ihm so vertraut. Er
drang mit der Zunge in ihren Mund. Sie schmeckte noch nach Tee vom Frühstück,
aber ihr eigener Geschmack war es, den er sofort herausschmecken konnte, den er
nicht vergessen würde.
Seine
Hände griffen um ihre Taille, zogen sie näher an sich, und mit einem tiefen
Grollen löste er sich von ihren Lippen, um sie noch einmal anzusehen. Sie hob
die schweren Lider und benebelt sah sie zu ihm auf.
„Frag
mich noch mal“, forderte mit rauer Stimme und küsste die weiche Haut ihres
Halses. Sie zitterte unter der Berührung. „Frag mich, Granger“, wiederholte er
ungeduldig seine Frage.
„Was?“, murmelte sie abwesend, und er glaubte nicht, dass sie sich noch an
seine Worte erinnern würde.
„Frag
mich, ob ich es bereue.“ Sie keuchte auf, als er sanft in ihr Fleisch biss. Er
ließ von ihr ab, damit er in ihre Augen sehen konnte.
„Bereust
du es?“ Ihre Stimme zitterte und noch immer schimmerten Tränen in ihren
Augenwinkel.
„Ja“,
sagte er knapp. Kurz trat ein nüchterner Ausdruck in ihre Augen. „Ich bereue,
dass wir es nicht jeden gottverfluchten Tag getan haben, Granger. Das wird mich
in meiner Zukunft belasten.“
Ihr
Mund öffnete sich langsam. Sie sagte darauf nichts. Was sollte sie auch sagen?
Er konnte bereits ahnen, dass sie mit diesen Worten nicht zufrieden sein würde.
„Du
lügst“, murmelte sie jetzt und brach endlich den Blickkontakt zu ihm. Er
schüttelte sie und zog sie in den Schatten einer Säule, als ein einsamer Hufflepuff um die Ecke bog.
„Was?
Granger, merkst du nicht, wie dringend ich das hier brauche?“, knurrte er und
presste übergangslos seine Erektion gegen ihre Hüfte. Sie schluckte schwer.
„Du
hättest das nur so gewollt, wenn ich nicht… von dir…“
Er
wusste, was sie sagen wollte, aber jetzt gerade… in seinem Kopf, war es ihm
egal. Auch als sie schwanger war, hätte er sie nur zu gerne jeden und jeden
gottverdammten Tag in seinem Bett gehabt. Wäre am liebsten neben ihr
aufgewacht, damit er gleich damit weiter machen könnte, ihre perfekte Haut zu
berühren.
„Granger,
das ist jetzt völlig unwichtig.“
Sie
stieß ihn von sich. Sie verwendete darauf alle Kraft.
„Du
bist so ein Idiot! Du willst mich, aber du willst nicht das Risiko eingehen,
dich an irgendwen zu binden. Was denkst du, wie es aussehen würde, wenn wir
jeden Tag zusammen verschwinden würden, um…“ Sie schüttelte den Kopf. „Bin ich
schwanger, dann bin ich kein passendes Ziel für dich, aber bin ich es nicht,
willst du mich für immer an dich binden!“
„Blödsinn,
Granger.“
Eigentlich hatte sie
recht.
„Darum geht es überhaupt nicht.“
„Worum
geht es dann?“ Ihre Wangen waren gerötet und nass von Tränen.
„Dass
ich… ich kann nicht… Ich will dich nur noch einmal…“ Sie unterbrach ihn mit
einem empörten Schrei.
„Du
kannst mich aber nicht noch einmal haben, Malfoy. Entweder du…“ Sie schluckte
schwer und streckte den Rücken durch, in einem letzten Versuch selbstbewusst zu
sein. „… du willst mich ganz, oder du willst mich gar nicht.“
„Was…?
Was wird das? Ist das ein Ultimatum, Granger?“
Langsam,
ganz langsam klang seine Erektion ab, und das Blut stieg ihm wieder in sein
Gehirn. Er hasste das. Sie hatte die Arme wie immer verschränkt, und er musste
grinsen. „Denkst du, ich komme mit dir zusammen? Denkst du, wir verbringen den
Rest unseres Lebens zusammen? Wohnen bei Lucius im Gästetrakt? Stellst du dir
das vor?“
Sie
biss auf ihre Unterlippe. „Nein. Ich… sage bloß…“
„Du
sagst, du willst mich nur, wenn ich mit dir zusammen sein würde.“ Er lachte
hart auf. „Dann hätten wir ja gleich das Ding in deiner Gebärmutter behalten
können, Granger. Du missverstehst mein Handeln“, fügte er mit einem feinen
Grinsen hinzu.
Aber
sie rastete in dieser präzisen Sekunde aus.
„Oh,
nein, Malfoy. Ich missverstehe selten irgendetwas!“ Anscheinend war der Wunsch,
zu weinen, versiegt. „Du hast Komplexe! Sag mir, dass du nicht von mir träumst
und dass du das hier nur tust, weil es dir gerade in deinen Kram passt. Glaub
mir, das ist verflucht noch mal gelogen.“
Er
setzte an zum Protest, aber sie war noch nicht fertig mit schreien. „Du denkst,
alle Mädchen liegen dir zu Füßen, du denkst, du könntest niemals auch nur einen
Fehler machen? Du bist so arrogant, zu glauben, dass du selbst jetzt aus dem
Schneider bist, nur weil du keine Verantwortung mehr für dein rücksichtloses
Verhalten übernehmen musst?“
Jetzt
hatte er seinen Protest vergessen. Aber es war nicht nötig, dass er sprach. Sie
stieß ihm hart ihre flachen Hände gegen die Brust. „Du irrst dich, Malfoy. Ich
werde bestimmt nicht vergessen, warum ich dich so sehr verabscheue. Du zwingst
mich, mit dir zu schlafen, du zwingst mich, deine Fehler wieder gut zu machen
und das Leben in meinem Innern aufzugeben. Glaubst du ernsthaft, ich könnte es
auch nur im Traum in Erwägen ziehen eine Sexbeziehung mit dir zu führen?“
Sexbeziehung…
„Denkst
du, ich bin Pansy? Oder Vanessa? Oder Melissa? Oder Melinda? Weißt du
eigentlich wie sehr du dich verändert hast, Malfoy? Ist dir bewusst, wen du dir
da ausgesucht hast? Ist dir klar, wer ich bin?“, schrie sie völlig außer sich,
und er öffnete den Mund. Sicher war es ihm klar, es jagte ihn jeden Tag. Aber
sie ließ nicht zu, dass er sprach.
„Ich
bin Hermine Granger! Und ich weiß, du weißt, dass es bei mir anders ist als bei
all den anderen, weil du bei all den anderen weißt, dass sie sich nur auf den
Sex einlassen. Du willst mich zwar nicht kennen, aber du kennst mich besser als
viele andere. Du weißt, ich bin kein Mädchen, das man einfach ausnutzt und
wegwirft. Und selbst das willst du nicht mal! Du willst es wieder und wieder
tun! Obwohl du weißt, was es bedeutet, was es für dich bedeutet und für mich.
Für Harry und Ron!“
Sein
Mund klappte zu. Sie musste aufhören zu reden!!!
„Wenn
du es lächerlich findest, mit mir zusammen zu sein, warum willst es dann so
unbedingt, Malfoy? Wenn Schlammblüter das sind, was
du verabscheust, wieso willst du dann unbedingt eins haben?“
Er
schwieg. Denn sie irrte sich. Sie musste sich irren. Natürlich ergaben ihre
Worte irgendwann Sinn. Sicher wusste er, dass sie ein Schlammblut war. Es hatte
einfach nur keine rechte Bedeutung mehr in seinem Kopf. Und ja, er hatte
Bindungsprobleme, aber das ging sie überhaupt nichts an. Sie war nicht
diejenige, die ihn retten musste.
„Bist
du jetzt fertig mit deiner forensischen Analyse, Granger?“ Er kam einen Schritt
auf sie zu. „Ich verlange von dir keine Meinung, über meine Psyche, oder meine
Familie, meine Eigenarten oder sonstige Dingen, die dich einfach nichts
angehen!“
„Ach
nein?“ Er wusste, sie musste noch irgendeinen Trumpf in der Hand haben, denn
sonst würde sie nicht lächeln. Seine Kiefermuskeln spannten sich unangenehm
hart an. „Wieso kommst du dann immer zu mir? Wenn du es wirklich nicht willst,
dass ich all deine guten und schlechten Seiten sehe, wieso kommst du dann immer
wieder zu mir?“
Er
schwieg wieder. Er hätte sich nicht schon wieder mit ihr anlegen dürfen. Er
wusste es doch besser, wieso tat er es dann?
„Du
willst mich, weil du glaubst, ich biete dir einen Ausweg aus deiner Welt. Aber
das tut mir leid, denn du bietest mir nur die Hölle. Wie könnte ich darauf
jemals eingehen?“ Ihre Lippen bebten erneut.
„Du
irrst dich!“ Er hörte selber seine Verzweiflung und wusste, gleich würde sie
gehen.
„Gehst
du morgen nach Hause und befolgst Befehle deines Vaters oder gehst du deinen
eigenen Weg, Draco?“
Es
ging sie nichts an. Nichts von all dem.
„Ich
weiß, dein Leben ist ein Geheimnis, weil du niemandem erlauben willst, seine
Meinung zu äußern. Deine kleinen Schlampen kommen damit bestimmt gut zurecht,
weil sie nichts von dir erwarten, aber ich will nicht… ich… will keine Gefühle
für dich entwickeln, die sowieso absolut vergeudet sind, weil du dich niemals,
niemals ändern wirst!“
Gefühle entwickeln…? Was bedeutete das?
Dass sie… ihn…? Liebte? Ihn?
Schockierte
ihn das? Gefiel ihm das, weil er sie damit zerbrechen konnte? Wieso sagte sie
ihm das an ihrem letzten Tag? Wieso dachte er so viel darüber nach? Wieso
konnte sie nicht einfach Granger sein, ohne die nervigen Fragen? Würde er sie
wollen, wenn sie nicht diese Fragen stellen würde? Liebte sie ihn, obwohl er so
furchtbar war?
Das
war nicht möglich. Was sollte er darauf sagen? Dass er sie nicht liebte, aber
dass er sie immer noch unbedingt haben wollte?
„Was
soll ich sagen?“
Selten
erlaubte er es anderen Menschen ihn ratlos zu sehen. Aber die Tatsache, dass er
dieses unschuldige Mädchen so weit gebracht hatte tat ihm, sehr gegen seinen
Willen, leid. Ihre Hand strich über ihren Bauch, strich ihre Bluse glatt.
„Sag
mir einfach, dass du mich unter diesen Voraussetzungen nicht willst“, forderte
sie nüchtern.
Diese Voraussetzungen… Meinte sie damit,
dass sie ihn möglicherweise lieben konnte? Meinte sie damit, dass sie eine
Beziehung zu ihm wollte? Meinte sie damit, dass sie ein Schlammblut war? Was
zur Hölle meinte sie damit? Er wusste, würde er ihr den Gefallen tun und diese
Worte sagen, dann würde sie gehen.
Er
wollte nicht, dass sie ging.
„Das
kann ich nicht.“
„Draco,
du hast zwei Möglichkeiten.“ Sie wurde ungeduldig. „Entweder, du willst mich
unter diese Voraussetzungen, oder du willst mich nicht.“ Er konnte nur ahnen,
wie viel Kraft sie diese Unterhaltung kostete.
„Wieso
kann ich dich nicht ohne diese Voraussetzungen wollen?“
„Weil
ich nicht zulassen kann, dass du mir noch mehr wehtust, also sag den
gottverdammten Satz.“
Er
sah ihre Tränen kommen, und er atmete langsam aus. Das war es also jetzt? Er
würde sich frei sprechen, und sie würde gehen? Damit sollte er zurechtkommen,
nur weil sie das Unmögliche von ihm verlangte? Gab es keinen anderen Weg? Wieso
gab es immer nur zwei Möglichkeiten?
Sie
sah ihn an. Völlig ernst, etwas blass um die Nase. Vor weniger als fünf
Minuten, wusste er noch wie es sich anfühlte ihre Haut unter seinen Finger zu
spüren, wusste wie sie schmeckte und wie perfekt sie in seine Arme passte.
Jetzt
hatte er nichts mehr davon. Nur zu gerne hätte er ihre Träne fortgewischt. Aber
er tat es nicht. Er zwang einen kalten Ausdruck auf sein Gesicht. Er würde ihr
den Gefallen tun. Nicht weil sie es verlangte, nein. Nur weil er es nicht mehr
ertragen konnte, ihr weh zu tun.
Es
wurde Zeit, dass er hier raus kam. Es wurde Zeit, Hogwarts
hinter sich zu lassen. Und wenn er Hogwarts dachte, dann meinte er etwas völlig anderes.
Die
Worte schmeckten bitter auf seiner Zunge. Bitter und Böse.
„Unter
diesen Voraussetzungen will ich dich nicht.“
Teil 22
Diese Mal war ihr Ritual auf dem Klo
nicht nach dreißig Sekunden vergessen. Gott, sie hatte sich geopfert, hatte
ihre Würde geopfert und ihm alles gesagt. Hatte sie sich gewünscht, dass er sie
wollen würde, egal was käme? Ja, sicher hatte sie das. Aber hätte er
eingewilligt und hätte sie ihm dann irgendwann gebeichtet, dass sie nicht
ehrlich war, weil sie immer noch sein Kind in sich trug, dann hätte er sie
verlassen.
So oder so. Also war es richtig, was
sie getan hatte. Aber wieso war es so verdammt schwer das richtige zu tun?
Sie verließ das Badezimmer, nachdem sie
sich ordentlich den Mund ausgespült hatte. Diese Art von Stress bekam ihrem
Magen gar nicht. Und auch das Szenario draußen, war nicht das, das sie in eine
bessere Laune versetzte.
„Wann hattest du vor, es mir zu
erzählen?“ Selten hatte sie Harry böse erlebt, aber jetzt war nicht der richtige
Zeitpunkt. Ron stand neben ihm, und mied ihren Blick. Sie war also auch noch
ohne Hilfe auf diesem Schlachtfeld.
„Harry, jetzt nicht.“
„Jetzt nicht? Wann wäre es dir denn
genehm? In neun Monaten, wenn dein Kind die ersten Zähne bekommt?“ Sie waren allein,
aber Hermine sah sich erschrocken um. „Denkst du, ich will dieses Thema
verschieben?“
„Harry, nicht jetzt.“, wiederholte sie
leise, aber Harry achtete nicht auf ihre Worte.
„Wenn Ron es mir nicht gesagt hätte,
ist dir klar, dass ich dann hätte annehmen müssen, dass Ginny diesen Fehler mit
sich hätte machen lassen?“
Ron. Natürlich war es Ron gewesen. Sie
starrte ihn finster an. Er starrte auf seine ausgelatschten Schuhe. „Und was
wollte Malfoy von dir?“ Sein Ton war zu scharf, als dass sie ihn ignorieren
konnte.
„Nichts. Harry, ich bin wirklich nicht
in der Lage, dieses Gespräch mit dir zu führen.“ Ginny hatte sich erhoben und
wollte auf sie zugehen, aber Harry hielt sie zurück.
„Wir werden jetzt darüber reden, weil ich ansonsten nicht dafür garantieren
kann, ruhig zu bleiben.“ Sie hatte tatsächlich Angst vor ihrem besten Freund.
Aber wahrscheinlich war er das nicht mehr.
„Seit wann bist du schwanger, Hermine?“
Da war das Wort wieder. Aber er sprach es mit so viel Verachtung aus, dass es
wie ein böser Stich war. Sie wusste, sie musste diese Frage nicht beantworten,
weil Harry mir Sicherheit im Bilde war. „Seit wann?“
„Seit zehn Wochen“, gab sie gereizt
zurück. Sie hatte keine Lust mehr, sich ständig anschreien zu lassen, aber sie
wusste, Harry würde ihr kein Erbarmen gönnen.
„Das heißt, du musst es behalten.“
Sie musste
es behalten… Als gäbe es da eine andere Lösung. Männer waren alle gleich.
„Weißt du eigentlich, wie deine Zukunft
verlaufen wird, wenn es rauskommt?“ Er schrie jetzt und sie wunderte sich,
warum sie überhaupt alleine im Gemeinschaftsraum waren.
„Das ist nicht deine Sorge!“, schrie
sie zurück, und Ginny schlug sich die Hand vor den Mund. Sie würde anfangen zu
weinen, das wusste Hermine.
„Es ist aber meine Sorge, wenn Lucius
Malfoy versucht dich und dein Kind umzubringen!“
Stille. Nur für einen Moment. Nur einen
Moment brauchte Ron noch, um zu begreifen.
„Nein“, sagte er schlicht und
schüttelte den Kopf. „Harry, nein. Du irrst dich, es kann nicht… das kann nicht
sein.“ Harry beachtete ihn nicht. Er betrachtete sie mit der allergrößten
Verachtung.
„Hättest du dir nicht irgendeinen
anderen aussuchen können, Hermine? Musste es ausgerechnet Malfoy sein?“ Ron
zuckte zusammen. Hermine war nicht klar, woher er es wusste. Ginny war selber
völlig schockiert, also hatte sie wohl dicht gehalten.
„Was denkst du, was passiert, wenn er
es erfährt?“ Jetzt tat Ginny das Dümmste, was man in dieser Situation tun
konnte.
„Aber er weiß es doch.“ Zum ersten Mal
löste sich Harrys Blick von Hermine und fixierte Ginny, die nun zusammen
zuckte.
„Er weiß es?“, spuckte ihr Harry
entgegen und sofort traf Hermine wieder sein zorniger Blick
„Er weiß es? Du hast gesagt, er weiß es
nicht!“, entrüstete sich Ron und schloss die Augen. „Großer Gott, es ist
Malfoy. Ich fasse es nicht! Malfoy, Hermine! Weißt du nicht, wer er ist?“
Sie hatte genug.
„Er weiß es nicht mehr. Er denkt, dass…
dass es entfernt wurde.“
„Wieso sollte er das denken?“ Es war
überraschend, dass Harry diese Tatsachen so schnell aufnahm und verarbeitete.
Sie hatte vergessen, wie sehr Harry Malfoy hasste.
„Weil… weil es so geplant war, aber ich
habe in letzter Sekunde nein gesagt.“ Immerhin weinte sie nicht. Das hätte sie
jetzt nicht ertragen.
„Was? Wann? Wieso war das geplant?“
„Snape hat-“
„-Snape weiß es?“, schrie Harry außer
sich und kam endlich auf sie zu. Instinktiv wich sie an die Wand zurück. „Snape
hat zugelassen, dass du es behältst?“
„Ich hatte daran nie einen Zweifel“,
gab sie giftig zurück.
„Du bist siebzehn! Du kannst mit siebzehn kein Kind von Draco Malfoy bekommen!
Bist du völlig verrückt geworden? Was hast du dir dabei gedacht, es zu
behalten, wenn du die Chance hattest, es loszuwerden!“
Und noch niemals hatte sie getan, was sie
jetzt tat. Ihre Hand hob sich von selber, automatisch holte sie aus, und die
Ohrfeige hallte laut im leeren Gemeinschaftsraum wider.
Mit großen Augen starrte Harry sie an.
Ihre Atmung hatte sich beschleunigt. Ihre Finger brannten unter dem Schlag. Hätte
sie gewusst, dass sie heute jemanden schlagen würde, dann hätte sie mit
Sicherheit auf Malfoy getippt.
Nicht auf Harry.
Zorn pulsierte durch ihre Adern. Rote
Wut.
„Wag es nicht, noch einmal zu
kritisieren, dass ich das Leben in meinem Innern nicht einfach vernichtet habe,
Harry Potter. Ich brauche deine Hilfe nicht. Wenn du glaubst, Lucius Malfoy
bringt mich um, dann lass mich doch einfach in Ruhe. Brich den Kontakt ab und
tu so, als hätte es mich nicht gegeben. Dann kannst du ruhig schlafen.“
Sie schritt an ihm vorbei. Sie musste
raus hier. Weg von den vorwurfsvollen Blicken. In weniger als drei Stunden
begann die Zeremonie. Sie musste sich bis dahin abregen. Nur noch wenige
Stunden musste sie in diesem Schloss verbringen, das einst für sie Hoffnung und
Zuflucht gewesen war. Noch vor zwei Monaten war es das gewesen.
Jetzt war es eine Qual.
„Wenn du es wagst, ihm zu sagen, dass
ich noch schwanger bin, dann bringe ich dich um. Denn müsste ich mich jetzt in
diesem Augenblick für dich oder mein ungeborenes Kind entscheiden, dann würde
mir diese Entscheidung leichter fallen als alles andere, Potter.“
Sein Nachname schmeckte komisch in
ihrem Mund. Sie sagte ihn niemals. Aber noch niemals hatte sie ihn so sehr
gehasst wie jetzt. Sie verließ den Raum ohne sich umzudrehen.
Ginny folgte ihr unaufgefordert. Und
Hermine war dankbar dafür.
~*~
„Heute
Abend ist ein besonderer Abend. Nicht nur, weil es für die Schüler in die
Ferien geht. Nein, der siebte Jahrgang verbringt heute seine letzte Nacht im
Schloss.“ Er hielt kurz inne und ließ seinen Blick schweifen.
Am
Gryffindortisch herrschte gedrückte Stimmung. Ginny
redete nicht mehr mit Harry. Hermine redete nicht mehr mit Harry. Hermine
redete nicht mehr mit Ron. Ginny redete nicht mehr mit Ron. Ron redete nicht
mehr mit Harry.
Eigentlich
sprach keiner mehr mit überhaupt irgendwem. Ron versuchte Kontakt zu Hermine
aufzubauen, indem er ihren Blick suchte, aber sie sprach nur noch mit Ginny.
Harry starrte verbissen auf seinen noch leeren Teller. Hermine bezweifelte,
dass er großen Hunger hatte.
„Ich
freue mich, den siebten Jahrgang in die Welt entlassen zu können, aber
großartige Schüler gehen damit fort.“ Hermine wusste, Harry hatte weiterhin
Kontakt mit Dumbledore und würde in die Schule kommen, deswegen war Harry nicht
ganz so betrübt darüber, zu gehen. Auch wenn man es ihm jetzt nicht ansah.
„Ich
spreche von Harry Potter, wir ihr wisst. Von den Vertrauensschülern, Hannah
Abbott, Cormac McLaggen,
Loreen Deary, Ernie MacMillan, Pansy Parkinson,
Blaise Zabini, Lavender Brown, Ronald Weasley und von
den Schulsprechern, die bisher mit dem besten Schnitt
die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei verlassen
werden: Hermine Granger und Draco Malfoy.“
Applaus
brandete auf. Lange hielt er an. „Bitte, kommen Sie vor und holen sie sich Ihre
Zeugnisse ab.“
Alle
Siebtklässler erhoben sich und reihten sich ein. Hufflepuff
bekam als erstes die Zeugnisse. Danach Ravenclaw,
Slytherin und schließlich Gryffindor.
Mehr
als gereizt nahmen Hermine, Ron und Harry ihre Zeugnisse entgegen. Dumbledore
flüsterte Harry noch etwas ins Ohr. Alles in allem ging es schnell. Hermine
schüttelte allen die Hände. Professor Snape fixierte sie mit einem Blick, den
sie nur als anklagend bezeichnen konnte, aber darüber konnte sie sich keine
Gedanken machen. Es galt, das alles hier schnell hinter sich zu bringen.
So
hatte sie sich ihren letzten Abend in Hogwarts nicht
vorgestellt.
Selbst
die zehn Ohnegleichen konnten sie nicht begeistern. Viele Stempel und
Unterschriften ließen dieses Zeugnis offiziell aussehen. Es war das wichtigste
Schriftstück, das sie besaß und dennoch spürte sie keinen Triumph.
Das
war nichts. Nur Leere. Leere und Angst.
Sie
aßen schweigend. Ginny sprach andauernd Lob über Hermines gutes Zeugnis aus.
Nur die Siebtklässler bekamen dieses Zeugnis in der Schule. Allen anderen
Klassen wurde es zugeschickt. Immerhin konnten sie so früh essen und mussten
nicht allzu lange hier verweilen. Morgen ging es früh los, deswegen konnte sie
auch früh zu Bett gehen. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie einige Gesichter
nie mehr wieder sehen würde. Sie konnte sich nicht vorstellen, Lavender noch einmal zu sehen, oder Padma
und Parvati, die Patil
Zwillinge.
Oder
den witzigen Dean und den guten Neville. Luna Lovegood
würde sie auch nicht sehen. Sie bezweifelte es zumindest.
Das
Essen lag ihr schwer im Magen, und lange würde sie sowieso nicht mehr bleiben.
Alle ihre Kraft konzentrierte sich darauf, Malfoy nicht anzusehen. Harrys Blick
traf ihn dafür umso häufiger. Hermines Hand zitterte, wenn sie an den
vergangenen Nachmittag dachte, an Harrys Worte, an die Wut, die in der Ohrfeige
gelegen hatte.
Sie
hatte keine Ahnung, ob sie sich vertragen würden. Würde er so denken, dann sah
es nicht so aus, als wäre sich vertragen
eine Option.
Ron
lehnte sich zu ihr hinüber. „Aber das Essen ist heute wirklich großartig!“ Er
versuchte mit einem Lächeln ihre Stimmung zu heben, aber sie wusste, es würde
ihm nicht gelingen. Immerhin war seine Wut nicht mehr so greifbar wie Harrys.
„Ja,
das Essen ist gut“, erwiderte Hermine resignierend und legte die Gabel neben
ihren kaum berührten Teller.
Der
Morgen kam viel zu früh und knapp vierzig mürrische Siebtklässler, und
natürlich der Rest, warteten auf Filchs Ok, zu den
Kutschen zu gehen. Dumbledore hatte Filch sinnlose
Kontrollgänge um das Gelände angeordnet. Jeden Morgen. Hermine nahm an, Filch quälte die Schüler jetzt mit Absicht und ließ sich
deswegen extrem viel Zeit.
Der
Rest der Schülerschaft schwatzte munter und freute sich bereits auf die Ferien.
Hermine hatte keine Ferien mehr. Die Schule war vorbei, und sie würde hier
nicht mehr hinkommen können, um nach den Ferien weiterzulernen.
So
sahen es die meisten Siebtklässler und Dean und Seamus versetzte dies
allerdings nicht in Trübsalstimmung.
„Ich
bin bloß durch drei Utze gefallen. Das reicht noch
vollkommen aus, um in Gringotts anzufangen.“ Hermine
bezweifelte diese Aussage stark, aber sie hatte keine Lust, sich in
irgendwelche zukunftsorientierten Diskussionen einzumischen. Sie war froh, wenn
sie endlich den Hogwarts Express bestiegen und auf
das Klo dort konnte.
Nach
dem Frühstück hatten sie jetzt keine Zeit mehr gehabt. Statt zu grübeln ließ
sie den Blick ein letztes Mal über die Ländereien gleiten, prägte sich das
Glitzern des Sees und Hagrids dampfenden Kamin ein. Hagrid hatte sie vollkommen
vernachlässigt. Aber immerhin hatten sich Ron und Harry um geregelte Besuche
gekümmert.
Automatisch
hob sich ihr Blick zu Harrys Gesicht. Er stand zwar neben ihr, aber er hätte
auch tausend Kilometer weit entfernt stehen können. Die Distanz zwischen ihnen
war immer noch greifbar und sie seufzte.
Einige
Meter weiter standen die vier Slytherin-Hasskandidaten.
Pansy
betrachtete ihre magisch verlängerten Nägel, während Goyle
ein Mädchen küsste, dessen Namen Hermine nicht kannte, aber es wohl mit Malfoy
zusammen gesehen hatte. Das war das Mädchen, mit dem er spazieren war. Wie
hatte Goyle sie bekommen können? Hatte Malfoy es gar
nicht auf sie angelegt?
War
es möglich, dass er etwas getan hatte, was nicht zu neunundneunzig Prozent
egoistisch war? Kaum zu glauben.
Crabbe
und Malfoy standen schweigend nebeneinander. Malfoy sah tatsächlich einmal
nicht so atemberaubend aus. Er schien nicht viel geschlafen zu haben. Er hatte
sich gegen eine Säule gelehnt und einen Fuß über den anderen verschränkt. Er
könnte nicht desinteressierte aussehen, aber sie kannte seine Körpersprache gut
genug, dass sie wusste, er konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Hatten
die Slytherins noch gefeiert gestern? Oder ging es
ihm schlecht? Beides interessierte sie eigentlich überhaupt nicht. Im Moment
hatte sie keinen dringenderen Wunsch, als die Dinge mit Harry zu klären.
Aber
sie befürchtete, dass er nur allzu bald wieder anfangen würde zu schreien. Filch kam endlich wieder.
„So,
alles sicher. Ihr könnt abhauen“, knurrte er unwillig, und die Schüler stürmten
raus. Alle außer den Siebtklässlern, die die Eingangshalle zum ersten Mal in
stiller Andacht verließen.
„Viel
Glück“, rief Dumbledore von der Eingangshalle aus. Er blieb als einziger Lehrer
bis alle verschwunden waren. Einige Lehrer fuhren bereits im Express mit,
andere Apparierten von Hogsmeade
aus. Ron hatte diesen Reiseweg eigentlich vorgezogen, aber die Eltern holten
sie von Kings Cross ab.
Auch
Hermines Eltern würden da sein. Dann konnte sie sich auch auf diese Diskussion
gefasst machen. Würde sie es ihnen sagen? Die Idee, es ihnen nicht zu sagen,
war eine nette Utopie gewesen, als der Tag der Abreise noch so weit entfernt
vor ihr gelegen hatte.
Jetzt
sah alles ein wenig anders aus. Na ja, sie würde es nicht sofort sagen.
Vielleicht später. Sie musste erst mal einen Job und eine Wohnung finden. Dann
konnte sie sich um die anderen Dinge kümmern.
Sie
wandte sich um und winkte Dumbledore knapp zu. Er war der beste Schulleiter der
Welt. Na ja, sie kannte nur ihn und ihren Leiter der Grundschule, Mr Wells. Aber Mr Wells war ein Muggel. Also war Dumbledore besser. So beschloss sie es in
ihrem Kopf.
Dann
folgte sie den anderen zu den Kutschen. Obwohl sie kaum miteinander sprachen,
teilten sie sich wenigstens eine Kutsche. Immerhin…
~*~
„Also,
es gibt die eine Möglichkeit“, begann Harry, als sie ihre Sachen in der Ablage
verstaut hatten. Jetzt ging es also weiter. Immerhin teilten sie sich nur zu
viert das Abteil. Ginny rutschte ängstlich auf ihrem Sitz hin und her.
Hermine
atmete langsam ein. Sie würde die Luft zum Schreien brauchen. Anscheinend hatte
sich Harry die ganze Zeit Gedanken gemacht. Ob es gute waren, würde sie
erfahren.
„Du
bekommst das Kind, Hermine.“ Als hätte daran jemals ein Zweifel bestanden. „Und
du behältst das Kind“, fügte er grimmig hinzu. Noch eine Neuigkeit für sie. Was
dachte Harry eigentlich? „Natürlich werden wir nicht sagen können, dass es von
Malfoy ist, und wenn er denkt, du bekommst nicht sein Kind, dann ist es noch
eine viel bessere Situation.“
„Einer
von uns ist der Vater“, schloss er seine Planung, und Hermines Mund klappte
auf.
„Bist
du verrückt geworden?“
„Wieso?
Das ist die beste Lösung. Entweder du bist von mir schwanger geworden oder von
Ron. Wir sind alle Freunde, wir kümmern uns um dich, und das Kind und die
Familie Malfoy muss es niemals erfahren.“
Sie
konnte nicht fassen, was sie da hörte.
„Hermine,
es gibt keine andere Möglichkeit.“
„Oh,
doch, die gibt es. Ich bekomme das Kind, und es ist weder von dir noch von
Ron.“
Ginny
hatte wütend die Arme vor der Brust verschränkt.
„Was
soll Mum sagen, wenn wir zusammen sind und du der
Vater von Hermines Baby bist?“ Gut, dass Ginny auf ihrer Seite war.
„Gut,
dann eben nicht so. Dann sag mir einen besseren Plan, Hermine, oder willst du
mich lieber wieder schlagen?“ Harrys Augen funkelten zornig, und Hermines Hände
begannen wieder zu zittern.
„Wieso
muss es überhaupt einen Vater geben?“, zischte sie böse, und Harry lachte hart
auf.
„Willst
du etwa einen Bastard bekommen? Willst du deinen Ruf komplett zerstören? Und
unseren gleich mit? Denk doch mal einmal nicht an dich, Hermine, zum Teufel
noch mal!“
„Was
soll das heißen? Hat der Große Harry Potter Angst, dass ihm der Ruhm streitig
gemacht wird, nur weil seine angebliche beste Freundin ein Kind von seinem
Feind bekommt? Was bist du für ein arroganter Mistkerl, Harry?“
„Kommt
es nur mir so vor, oder hast du bereits zu viel Zeit mit Malfoy verbracht? Du
klingst schon genau wie er. Oder vergiftet das Biest in deinem Innern langsam
deinen Verstand?“ Beide hatten sich erhoben, und Hermine zog vor Wut ihren
Zauberstab.
„Ich
mach’s.“
Sie
hielten inne in ihrer Tirade und fixierten Ron. Er hatte geschwiegen, aber jetzt
hatte er den Blick auf sie gerichtet.
„Was?“,
fragte sie verwirrt, und der Zauberstab sank in ihrer Hand.
„Ich
kann der Vater sein“, sagte er ruhig, und auch Harry vergaß seinen Zorn.
„Du
machst es?“, hakte er argwöhnisch nach, und Ron nickte langsam.
„Warum
nicht? Ich mag Hermine, ich liebe sie als meine beste Freundin, und wenn damit
für ihren Ruf Sicherheit garantiert ist, auch vor Lucius Malfoy, dann mache ich
es.“
„Ron,
was redest du denn? Das ist Irrsinn. Nur weil Harry…“
„Aber
ich will es machen, Hermine. Mir ist egal von wem es ist. Ich meine, wir kommen
gut miteinander aus, wir kennen uns. Du weißt wer ich bin. Wir… können
heiraten, wenn du willst. Ich meine… oder willst du mich nicht?“
Wie
schüchtern dieser riesige Junge aussehen konnte. „Meine Mum
würde sich wahrscheinlich sowieso freuen. Sie liebt dich wie eine Tochter“,
fügte er mit einem Lächeln hinzu, und Hermine konnte sehen, dass ihm diese
Aussicht gefiel.
„Aber
Ron, das geht doch nicht einfach so. Du kannst doch nicht von mir erwarten,
dass ich einfach sage, dass du der Vater bist.“
„Du
wärst abgesichert. Du müsstest dir nicht so schnell eine Wohnung suchen. Ich
weiß, ich bin… kein Victor Krum… und so viel Geld wie
die Malfoys besitze ich nicht, aber… ich würde mich
kümmern, ich… würde dich lieben.“
Sie
biss auf ihre Lippe. Ron bot ihr all das, was sie eigentlich wollte. Nur eben
nicht mit ihm. Sondern mit… sondern mit Malfoy. Aber er konnte ihr es nicht
bieten, wollte ihr es nicht einmal bieten. Was, wenn sie gerade die beste
Chance ausschlug? Aber sie liebte Ron nicht. Er war nicht das, was sie sich
unter einem Ehemann vorstellte. Sicher, er war loyal und lieb. Aber sie liebte
ihn eben nicht auf diese Art und Weise.
„Ron,
ich…“ Alle Augen waren auf sie gerichtet. Ginny kaute vergessen auf ihren
Fingernägeln, und Harry sah sie an, als erwarte er eine Antwort auf eine Frage
in Verwandlung. „Ich muss darüber nachdenken. Ich danke dir, für das Angebot.
Wirklich, ich… Es wäre eine nette Lösung, aber ich… ich brauche dafür etwas
Zeit.“
„Der
Zug fährt noch zwei Stunden“, bemerkte Harry trocken, und sie strafte ihn mit
Schweigen.
~*~
Sein
Blick wanderte zu den Weasleys, die anscheinend mit
der gesamten Familie aufgelaufen waren. Der Blick seines Vaters folgte ihm
spöttisch. Er hatte keine Zeit mehr, an irgendwen irgendein Wort zu richten,
denn Lucius zog ihn erbarmungslos mit sich.
„Deiner
Mutter geht es nicht besonders gut. Ihre Migräne hat wieder angefangen, und sie
schließt sich wieder im Schlafzimmer ein.“ Er hörte, dass die Laune seines
Vaters nahe dran war, zu kippen.
Er
seufzte. Seine Mutter hatte häufiger Migräne, wenn sie sich Sorgen machte. Wenn
es also wieder mal etwas gab, worum sich Sorgen gemacht werden musste, dann
konnte er es ja kaum erwarten nach Hause zu kommen. Er war genauso groß wie
sein Vater, stellte er fest. Lucius Züge wirkten aber eine Spur edler als die
seinen.
Sein
Vater war ein attraktiver Mann, aber auch sehr gefährlich. Draco beschloss, ihn
nicht zu reizen und verschwendete keine Sekunde mehr an Hogwarts
oder an Granger.
Die
Kutsche wartete draußen. Langsam atmete er aus. Sie würden also fahren und
nicht apparieren, was bedeutete dass Lucius wieder
einmal betrunken war. Großartig. Als wären die spannenden zwei Stunde im Zug
mit Pansy nicht schon nervenzerfetzend genug gewesen. Jetzt kamen die nächsten
zwei Stunden mit seinem betrunkenen Vater.
Wenn
er wenigstens in seinen Gedanken ein heiteres Thema finden würde, um sich
mental abzulenken, aber das gab es nicht. Seine Gedanken kreisten um Granger.
Nur um sie. Um ihre Worte und die Möglichkeiten, die ihm blieben.
Er
würde mit Lucius reden, wenn dieser nicht die Möglichkeit hatte, ihn bei
fahrender Kutsche aus dem Fenster zu fluchen. Sein Vater lehnte den Kopf an die
gepolsterte Wand und schloss gereizt die Augen.
Wenn
Draco Glück hatte, würde Lucius während der Fahrt kein Wort verlieren. Aber
natürlich hatte er dieses Glück nicht.
„Wie
sind die Noten?“
„Ausgezeichnet.“
„Wie
geht es Pansy?“
„Ausgezeichnet.“
„Hast
du den Quidditchpokal gewonnen?“
Er
zögerte einen Moment und erinnerte sich wieder an den ruhmlosen Schnatzfang seinerseits.
„Nein.“
Lucius
verzog den Mund. „Dachte ich mir. Irgendwelche Nachrichten von Snape?“, fragte
er weiter, und Draco verneinte auch diese Frage. „Hattest du Schwierigkeiten
mit Dumbledore?“
„Nein,
Vater. Alles ist in bester Ordnung.“
„Hast
du dir mein Angebot schon überlegt? Ich könnte dich in die Schadensabteilung
des Ministeriums einschleusen. Von da aus kannst du Kontakt mit den anderen
aufnehmen.“
„Vater,
ich…“
„Du
musst nicht immer in dieser Abteilung bleiben. Nur für den Moment. Um das
Vertrauen zu gewinnen.“
„Ich will nicht ins Ministerium, Vater.“ Eigentlich hatte er nicht vor, jetzt
darüber zu diskutieren, aber Lucius ließ ihm anscheinend keine Wahl.
„Oh.“
Lucius blähte seine Nasenflügel. Das tat er öfters, wenn er nachdachte. „Es
gäbe noch Außenposten bei Borgin und Burkes.“ Noch
eine viel versprechende Arbeit, die ihn gewiss nach Askaban
bringen würde, bevor er zwanzig wurde.
„Vater,
ich werde nicht für Voldemort arbeiten. Er hat keine Zukunft mehr.“
So.
Da war er. Der Satz, der ihm mit Sicherheit eine gebrochene Nase bescheren
würde.
„Das
ist hoffentlich ein Scherz, Draco.“
„Nein.“
Er hielt dem Blick seines Vaters stand. Dieser verzog den Mund.
„Du
weißt nicht, was du redest. Hat Dumbledore dir diese Flausen
in den Kopf gesetzt? Was denkst du, was du mit deinem Leben anfangen willst?
Willst mit dem Weasley Dummkopf etwa Muggel retten?“
„Völlig
egal, was ich tun werde, ich stehe nicht mehr auf Voldemorts
Seite.“
„Du
trägst das Mal, Draco. Das ist bindend. Du versprichst lebenslange Loyalität.“
„Voldemort
ist so gut wie verschwunden, Vater. Du hast mich gezwungen, es zu tragen. Ich werde
nicht, ich wiederhole es gerne noch einmal, ich werde nicht für Voldemort
arbeiten und mich somit in die sichere Gefahr begeben, wegen etwas verhaftet zu
werden, was ich nicht einmal machen will.“
Die
Stimme seines Vaters war scharf wie geschliffenes Eis. „So? Und was will mein
feiner Sohn dann machen, wenn er mittellos und allein in London steht?“
Gut,
das hatte er erwartet. „Ich gehe einen anderen Weg. Ich werde den Namen Malfoy
nicht mehr in Verbindung mit Voldemort bringen.“
„Ist
das dein letztes Wort?“
„Ja.“
Die Hufe der Pferde waren für eine Minute das einzige Geräusch, das er
vernehmen konnte.
„Diese
Diskussion ist noch nicht beendet, Draco.“ Scheinbar rettete ihn der
Alkoholpegel seines Vaters für den Moment. Lucius lehnte mit tiefen Falten auf
der sonst glatten Stirn den Kopf zurück ins Polster.
Draco
atmete aus. Oh nein, das hier war noch lange nicht vorbei. Nur hier in der
Kutsche konnte sein Vater nicht mit scharfen, schweren Gegenständen nach ihm
werfen, und diese Freude würde er sich doch nicht nehmen lassen.
Er
überschlug die Beine und lehnte ebenfalls den Kopf zurück. Ihm fiel auf, dass
er jetzt genau wie sein Vater aussehen würde, würde er auch noch die Augen
schließen.
Er
schloss resignierend die Augen.
Interessant
wie zwei Menschen, die sich so ähnlich sehen so verschiedene Ansichten haben
können.
Ginny
war regelrecht begeistert. Denn das würde bedeuten, dass sie so oder so Tante
werden würde. Natürlich wäre das Kind nicht rothaarig, aber dann würde einfach
Hermines Seite durchschlagen. Hermine war wieder an dem Punkt angelangt, wo sie
sich so schlecht fühlte wie zu Beginn der Schwangerschaft.
Sie
und Harry waren von Molly Weasley eingeladen worden, zwei Wochen im Fuchsbau zu
verbringen. Molly Weasley war so erfreut, dass Ginny nun endlich mit Harry
zusammen war, und heimlich plante sie bereits die Hochzeit der beiden im
Frühling. Nicht einmal Ginny wusste davon. Hermine hatte sie zufällig beim
Wäschewaschen darüber reden gehört. Mit sich selbst.
Ginny
wäre bestimmt begeistert. Oder auch nicht. Sie wusste gar nicht, ob Ginny
sofort heiraten wollte.
Aber
wenn, dann bestimmt niemand anderen als Harry. Würde Hermine jemals heiraten
wollen, dann wusste sie nicht, wen sie eigentlich wollte? Wollte sie Ron? War
Ron eine gute Wahl? Eine wesentlich bessere Wahl als Malfoy?
Wahrscheinlich.
Also,
was würde sie sagen? Wahrscheinlich ja, weil es eine bessere Wahl war? Sie
wusste es nicht. War es besser, einen Mann zu haben, als alleine zu sein? War
das nicht rückschrittlich? Oder war es einfach nur eine Absicherung?
„Hermine?“
Sie
wandte sich erschrocken um. Sie hatte Harry gar nicht kommen gehört. Sie hatten
gerade ihre Sachen ausgepackt, und ihre Eltern hatten sich verabschiedet. Sie
bekamen morgen neue Geräte für die Praxis, und sie wohnten nicht direkt in
London, also mussten sie ein paar Stunden fahren. Sie hatte erst fünf Minuten
für sich gehabt. Eigentlich stand ihr jetzt nicht der Sinn danach, mit Harry zu
diskutieren.
„Es
tut mir leid.“ Auf einmal war er wieder Harry, nicht der verrückte Choleriker,
den sie nicht mehr wieder erkannt hatte. „Ich hab mich wie ein Arschloch
verhalten. Die Ohrfeige habe ich verdient.“
Sie
musste träumen. Sagte er das jetzt wirklich? Er entschuldigte sich, obwohl sie
von Draco Malfoy schwanger war?
„Harry,
ich… mir tut es leid. Ich hätte es dir sagen sollen, aber ich wusste nicht,
wie. Das alles ist nichts, worauf ich stolz bin. Und wer erzählt schon gerne
seinen Freunden Dinge, auf die er nicht stolz ist?“
Übergangslos
nahm er sie in die Arme. „Du bist meine beste Freundin. Ich hätte niemals
schreien dürfen. Ich hätte niemals erwägen dürfen, dass du dieses Kind nicht
behalten darfst. Es steht mir auch nicht zu, dir zu sagen, was du zu tun hast,
aber… ich liebe dich, Hermine! Du bist meine einzige beste Freundin! Und würde
dir irgendwas zu stoßen, oder würdest du dich jemals furchtbar fühlen, dann
würde es mir das Herz brechen. Du bist meine Familie. Du und Ron, ihr seid
meine einzige Familie.“
Sie
musste weinen. Ob es nun an den Hormonen lag, oder daran, dass Harry so ehrlich
war konnte sie nicht sagen. Sie drückte ihn fest an sich. „Ich bin immer für
dich da, das weißt du.“
Sie
nickte gegen seine Schulter.
„Ich
weiß nicht, ob ich Ron heiraten will, Harry“, schluchzte sie und Harry strich
ihr sanft über den Rücken.
„Willst
du Malfoy heiraten?“, fragte er, und sie stockte kurz.
„Ich…
nein. Diese Frage stellt sich nicht.“
„Liebst
du ihn?“ Sie hörte die tiefe Überwindung in Harrys Stimme, überhaupt diese
Frage zu stellen.
„Nein.
Er hat von mir verlangt das Kind aufzugeben und glaubt, dass ich es getan habe.
Also nein, natürlich liebe ich ihn nicht.“
„Darf
ich dich was fragen?“ Sie lösten sich voneinander und Harry war wieder Harry.
Das Gesicht offen und freundlich, aber dennoch sah sie in den Augen sein
Entsetzen über die Tatsache, dass es Malfoys Kind
sein würde, egal wen sie im Endeffekt heiraten würde, oder mit wem sie zusammen
kam.
„Sicher,
alles was du willst.“
„Wieso…
ich meine… wieso hast du mit ihm geschlafen? Ist es nur, weil… er… weil er gut
aussieht, oder…?“ Sie musste lächeln. Sie wusste es nicht.
„Wahrscheinlich
bin ich tatsächlich so oberflächlich und hab es deswegen getan. Ich war so
dumm. Und so betrunken.“ Er lächelte auch.
„Erzähl
es Ginny nicht, aber ich habe an diesem Abend auch mit Hannah geschlafen.“
Hermines Augen wurden groß. „Aber ich war so clever zu verhüten“, fügte er
hinzu. „Und dass ausgerechnet dir das passiert ist“, murmelte er, und sie
verdrehte die Augen.
„Liebst
du Ginny?“, fragte sie jetzt, und Harry strahlte.
„Mehr
als alles andere. Sie ist so wunderbar. Und ich war so unglaublich blind. Ich
hoffe nur, ich muss sie nicht verlassen, um ihn zu finden und zu töten.“
Hermine wusste, wie hart es für Ginny werden würde. Noch härter für Harry
natürlich.
„Ich
hoffe das auch. Mrs Weasley plant eure Hochzeit für
den Frühling“, sagte sie jetzt grinsend, und es hätte eine wirklich lustige
Unterhaltung sein können, wenn die Themen nicht viel zu ernst dafür gewesen
wären.
„Tut
sie das?“ Harry schien darüber weniger schockiert als Hermine es gewesen war.
„Na ja, wenn es warm genug ist.“
„Ist
das dein Ernst?“
„Hermine,
ich habe keine Angst davor mich zu binden.“ Er wurde ernst. „Ich hatte sowieso
gedacht, dass du mit Ron zusammen kommen würdest. Es hat immer den Anschein
gemacht. Wer hätte erwartet, dass dieser blonde Teufel auf einmal dazwischen
funken würde.“
„Ich
hatte es auch gedacht“, gestand sie ihm ein. „Aber dann habe ich festgestellt,
ich liebe ihn nicht so, wie man jemanden lieben muss, mit dem man den Rest
seines Lebens verbringen will.“
Harry
musterte sie ernst. „Es wäre so schön.“
„Ich
weiß. Ich denke immer noch darüber nach. Wahrscheinlich wäre es das Beste.“
„Du
willst ihn heiraten?“
„Gibt
es einen netteren, fürsorglicheren Jungen als Ron?“
Harry
dachte kurz nach. „Na ja, vielleicht mich. Aber da würde Ginny nicht
mitspielen.“ Er knuffte sie in die Seite, und Hermine weinte stumme Tränen der
Erleichterung.
„Ist
das nicht seltsam? Du hast zwei Männer in deinem Leben geschlagen. Ausgerechnet
Malfoy und mich.“ Sie drückte Harry fest an sich.
„Das
werde ich nie wieder tun. Ich versprech’s, Harry.“
~*~
„Er
will nicht für ihn arbeiten? Das finde ich gut.“
„Oh
ja, richtig. Alles, was er tut ist gut, und ich bin ein seelenloses Monster,
ist es das, was du sagen willst, Narzissa?“ Sein Vater schlug die flache Hand
so fest auf den Tisch, dass das teure Porzellan klirrte.
„Hör
auf damit, Lucius. Zügel dein Temperament.“
„Das
ist mein Haus, Narzissa. Der Junge hat zu tun, was ich ihm sage.“
Draco
hielt sich nur zu gerne aus dieser Diskussion raus. Im Propheten hielt er
bereits nach netten Zwei-Zimmer-Wohnungen Ausschau.
„Der
Junge ist erwachsen, und vergiss nicht, dass du hier nicht alleine lebst,
Lucius.“
„Nein,
richtig. Deine verfluchte Schwester tauchte hier auch auf, als wäre sie ein
ständig willkommener Gast.“
„Meine
Schwester ist hier immer willkommen.“
„Deine
Schwester soll sich gefälligst um ihr eigenes Leben kümmern.“
„Du
wirst das Ganze nicht auf meine Schwester schieben. Der Junge hat
Auszeichnungen mit nach Hause gebracht, das Schulsprecherabzeichen und zehn
Ohnegleichen.“
„Das
beweist lediglich, dass meine Gene die durchschlagenden sind, Narzissa. Meine
Ergebnisse waren nicht anders.“
„Er
hat zehn Ohnegleichen! Er hat es nicht nötig für Voldemort zu arbeiten. Ich
will nicht, dass mein Sohn sein Leben wegwirft, so wie du es getan hast!“,
schrie sie außer sich, und Draco blätterte geräuschvoll die nächste Seite um.
Weder
seine Mutter noch sein Vater schienen ihn zu beachten.
„Er
wird heiraten! Er wird heiraten und eine ehrenhafte Arbeit vollbringen. So
sieht es die Tradition vor. Ich weigere mich, meinen Sohn aufzugeben, nur weil
er eben nicht exakt so wird, wie du. Das kann nur gut für ihn sein.“
„Du
willst ihn verheiraten? Wann? Gleich morgen, oder überlegst du dir gleich noch
ein paar neue verrückte Ideen?“
„Bis
er einundzwanzig ist muss er so oder so heiraten. Wieso also nicht schon eher?
Dein Voldemort kann ihn nicht aufhalten. Das ist die Lösung, die ich
vorschlage. Das ist die einzige Lösung!“
„Ich
könnte bald ein gottverdammtes Verfahren am Hals haben, und deine einzige Sorge
ist, dass Draco schnell irgendeine Hexe heiratet, damit du verflucht noch mal
deinen Willen durchsetzen kannst? Ich fasse es nicht!“
„Ich
will dich nicht fluchen hören. Als wäre es meine Schuld. Es ist alleine dein
Fehler, wenn du wieder einmal nicht aufgepasst hast.“
„Meine
Schuld? Wie wäre es, wenn dein fabelhafter Sohn endlich mal für seinen Namen
eintreten würde und das tut, was von einem Malfoy erwartet wird?“
„Er
ist auch dein Sohn, und dieser Name macht mich langsam wahnsinnig, Lucius. Du
bist vollkommen fixiert auf den Ruf deines ach so wunderbaren Namens, wir
wissen es alle.“
„Ich
erinnere mich, dass dir der Name nicht Ungelegen kam, als ich um deine Hand
angehalten habe.“
„Du
wolltest mich nur haben, weil ich dich vorher abgewiesen habe. Du hättest
deinen Namen doch sofort getauscht, hätte ich darauf bestanden.“
„Was erlaubst du dir? Ich habe es nicht nötig, mich von meiner Frau demütigen
zu lassen.“
Draco
betrachtete stumm seinen Tee, der langsam kalt wurde. Er wünschte fast, dass einer der Hauselfen reinkommen würde, damit sich
der Hass seiner Eltern auf das kleine Geschöpf lenken würde und er endlich
aufstehen konnte.
„Dass
ich deine Frau bin merkt sowieso niemand mehr, Lucius. Es steht bloß noch auf
dem Papier. Wage es nicht, mich zu beschuldigen.“
Draco
schwante Schlimmes. Gleich würde seine Mutter wieder einmal von ihrem
unerfüllten Sexualleben anfangen und dass sie gerne noch mehr Kinder gehabt
hätte. Lucius würde ihr dann vorwerfen, dass sie zufrieden sein sollte, denn im
Vergleich zu ihrer Schwester hatte sie wenigstens überhaupt ein Kind.
„Was
willst du damit sagen? Dass du unbefriedigt bist? Oh, großer Gott, Narzissa,
das ist wirklich furchtbar. Wenn ich es dir hier auf dem Tisch besorge, denkst
du, du kannst dann für eine Minute deinen Mund halten, damit ich mich danach um
die wichtigen Dinge in meinem Leben kümmern kann?“
Seine
Mutter schwieg einen momentlang verbissen, und sein Vater würdigte ihn keines
Blickes, als wäre er überhaupt nicht anwesend. Es war ein Frühstück wie jeden
Morgen. Seine Mutter erhob sich mit kühler Eleganz, schritt um den Tisch und
schnappte Draco die Zeitung weg. Lucius folgte ihr und überragte seine Frau um
einen Kopf. Draco erlaubte seinem Blick nach draußen zu wandern, wo ein Elf
sich um die Rosenbüsche kümmerte. Wie gerne würde er jetzt tauschen.
„Gib
mir die Zeitung.“
„Nein.“
„Du
gibt’s mir sofort die Zeitung, Narzissa.“
„Du
bist ein widerlicher Mistkerl.“
„Ach
ja? Weil ich wissen will, welche Verbündeten diese Nacht von den verfluchten Auroren umgebracht worden sind? Weil ich Angst habe, dass
wir die nächsten sein können?“
„Als
ob es den Tagespropheten interessiert. Todesser gibt es nicht mehr. Voldemort
gibt es nicht mehr. Nur wegen deiner Arroganz musste sich mein Sohn mit diesem
widerlichen Mal verschandeln.“
„Draco
ist selber schuld.“
Natürlich. Er war wieder mal
selber schuld. In seinem Kopf zählte er bereits die Sekunden. Bald würde Lucius
ins Studierzimmer verschwinden, um Ruhe vor seiner Frau zu haben. Narzissa
würde weinen und in ihre Gemächer gehen und lautstark androhen, dass sie sich
etwas antun würde, wenn es so weiter gehen würde.
Genau
das passierte, und nach knapp zwei Minuten saß er allein am Tisch und trank
seinen mittlerweile kalten Tee. Er wusste, das hier war nur der Auftakt, des
Credo des Lucius Malfoy.
„Waren
Ihre letzten Wochen angenehm, Master Draco?“ Die kleine Elfe hatte sich hinein
geschlichen und füllte seine Tasse neu.
„Nun…
wesentlich angenehmer als hier.“ Die Elfe lächelte verhalten. Draco wusste
nicht einmal mehr ihren Namen.
„Ich
denke, ich werde abräumen, oder wünschen Sie noch etwas, Master Draco?“
Ob
er sich etwas wünschte? Ja, einiges. Er wünschte sich, dass er sich keine
Sorgen um seine Zukunft machen musste, dass er nicht die Nächte damit verschwenden
würde, an ein Schlammblut zu denken, und dass sein Vater auf magische Weise
einsehen würde, dass Voldemorts Seite ein verlorener
Posten war.
„Nein.
Ich brauche nichts“, erwiderte er ruhig und trank alleine seinen Tee. Plötzlich
kam ihm ein Gedanke. Er hatte sich gesagt, er würde sein Leben neu ordnen,
würde sich fügen und die Ehre seiner Familie schützen, aber dennoch hatte er
eine Idee, wie er es tun konnte und dennoch seine Besessenheit befriedigte.
„Warte.
Kannst du mir einen Gefallen tun? Kennst du dich im Spionieren aus, Elfe?“
„Hast
du dir schon eine Antwort überlegt?“ Sie war Ron sehr erfolgreich aus dem Weg
gegangen und hatte mit Ginny die freien Tage genossen. Jedenfalls insoweit, dass
sie sich entspannt hatte und nun nicht mehr Angst haben musste wegen ihrem
ungeborenen Baby. Aber jetzt hatte er sie gefunden. Eigentlich wusste sie, dass
sie ihn niemals wirklich lieben würde. So wie es sich gehörte, bei solchen
Entscheidungen. Sie hob den Blick
„Nein,
noch nicht.“, gestand sie ihm ein, und er nickte schnell.
„Ok.“
Er vergrub die Hände in den ausgebeulten Taschen seiner Jeans. „Ich denke nur,
dass dich diese Entscheidung eigentlich nicht so viel Zeit kosten sollte,
Hermine. Entweder du sagst ja, oder du sagst nein.“
„Ich
weiß, Ron. Es tut mir so leid, ich kann einfach nicht klar denken. Wenn wir das
tun, und deiner Mutter sagen, ich bekomme ein Kind von dir, dann gibt es keinen
anderen Weg mehr. Dann kommt keiner mehr aus der Sache raus.“
„Hermine,
ich will doch gar nicht aus der Sache raus.“
„Was,
wenn du das perfekte Mädchen findest? Dann bist du blöderweise Vater eines
Kindes, was nicht einmal deins ist und verheiratet mit einem Mädchen, das du
nicht mal liebst.“
„Hermine,
ich liebe dich.“
„Ron,
ich liebe dich auch als Freund.“
„Aber
das reicht doch aus. Und außerdem, vielleicht bist du mein perfektes Mädchen“,
fügte er mit Nachdruck hinzu.
„Wie
soll das passieren?“
„Aus
Freundschaft kann Liebe werden.“
„Ich
weiß das zu schätzen, was du tun willst, aber ich weiß nicht, ob ich das kann.“
„Steh
auf“, forderte er schlicht, und sie starrte ihn verblüfft an.
„Was?“
„Steh
auf, ich will etwas ausprobieren“, erklärte er, und sie erhob sich argwöhnisch.
Er war größer als sie. Viel größer als sie. Größer als Harry, größer als
Malfoy.
„Und
jetzt?“
„Jetzt
schließt du deine Augen.“ Sie starrte ihn immer noch an. Sie verstand.
„Du…
Du willst mich küssen?“ Ihre Stimme
war lediglich nur noch ein Piepsen.
„Du
weißt nicht, ob du es kannst, bitte dann probieren wir es aus. Und wehe du
wagst es, mir das abzuschlagen. Du hast ihn
geküsst, da kann es doch wohl nicht so schlimm sein, mich zu küssen, oder?“
Natürlich
hatte er recht. Sie atmete nervös aus. Es war so lächerlich. Er schloss den
Abstand. Seine blauen Augen waren so anders als die von Malfoy. Da war keine
Wut, kein Hass, aber auch keine Leidenschaft. Sie war verrückt, sein Angebot
auszuschlagen.
„Ok“,
murmelte er und senkte den Kopf. Er musste sogar etwas in die Knie gehen, weil
er wirklich unglaublich groß war. Sie schloss langsam die Augen und legte den
Kopf in den Nacken. Sie spürte den sanften Druck seiner Hände auf ihren Hüften,
und dann passierte es schon.
Seine
Lippen berührten ihre. So hatte sie es sich vorgestellt. Es war ein weicher
Kuss. Dass sie wirklich einmal Ronald Weasley küssen würde, das war ein
Gedanke, den sie seit dem vierten Jahr nicht mehr gedacht hatte. Oh, wie war
sie damals in ihn verknallt gewesen. Und da war er noch nicht so riesig und
muskulös vom Quidditch spielen.
Oh
Gott, wenn Mrs Weasley jetzt in den Garten käme, dann
würden sie wahrscheinlich sowieso keine Wahl mehr haben. Wie das wohl wäre?
Sie
konnte sich nicht auf den eigentlichen Kuss konzentrieren. Bewegungslos verharrten
Rons Lippen auf ihren, und nur langsam wich er schließlich zurück. Immer noch
hatte er seine Hände auf ihren Hüften liegen. Sie öffnete die Augen.
„Na
jaah…“ Er grinste schief. Er war wirklich ihr bester
Freund. „Für unseren ersten Kuss war es nicht schlecht.“ Sie musste lächeln.
„Nein,
war es nicht“, gab sie zu.
„Denkst
du, es könnte… es könnte daraus etwas werden?“ Er versuchte, es zu verdrängen,
aber sie hörte den winzigen Hauch Hoffnung durchaus.
„Wieso
wünscht du dir das, Ron?“, fragte sie jetzt und konnte nicht verstehen, wieso
er sich so etwas antun würde. Nur… für sie.
„Hermine,
ich… ich will mich gerne um dich kümmern. Dich mir vorzustellen – allein, mit
einem Baby… Das kann ich nicht. Und weißt du… selbst wenn es nur eine rein
platonische Beziehung ist… Dann wärst du immerhin in guten Händen.“
„Ron…
wir sind siebzehn. Das Leben hält noch so viele Dinge für uns bereit. Du willst
doch nicht mit siebzehn so weit sein, dich an eine Person zu binden, von der du
weißt, dass sie dich niemals so lieben wird.“
„Niemals?“
„Ron…“
„Ich
meine… ich empfinde was für dich. Natürlich tue ich das. Das habe ich schon
immer getan. Insgeheim… also… damals habe ich damit gerechnet, dass ich dich
irgendwann meine Freundin nennen kann. Auch wenn das schon lange her ist… ich
wäre bereit, es zu versuchen. Wenn du mich willst.“
Sie
schwiegen einen momentlang. Hermine wünschte sich, es würde funktionieren, aber
sie war klug genug zu wissen, dass sie es nicht erzwingen konnte. Sie würde Ron
nicht einfach ausnutzen können. Wie wunderbar es wäre, zur Familie Weasley zu
gehören. Und dieser hübsche, große Junge hielt sie in seinen Armen und bat sie,
ihm eine Chance zu geben. Wieso wehrte sich ihr Inneres so sehr? Weil sie
hoffte, Draco Malfoy würde auf einem weißen Pferd angeritten kommen und sie mit
sich fort nehmen, damit sie glücklich werden konnten, in einem dunklen Todesserhaus unter den Mordandrohungen von Lucius Malfoy?
War
sie so selbstsüchtig? Ron hatte recht, sie musste auch an das Baby denken. Sie
würde es alleine aufziehen können, aber wäre ein Vater nicht schöner für das
Baby? Müsste es jemals von seinem echten Vater erfahren?
Bot
sich ihr nicht eine wunderbare Chance, all das, was sie wollte zu bekommen,
wenn auch nicht mit dem Mann, den sie favorisierte, aber mit einem Mann der
besser und gütiger war, und der bereit war, ihr sein Leben zu schenken? Einfach
so? Mit der stillen Hoffnung, dass sie irgendwann irgendwas für ihn empfinden
würde? Tat sie das nicht? Sie wusste alles über ihn, kannte jedes seiner
Geheimnisse. Jetzt sogar das, dass er gerne mit ihr
zusammen gewesen wäre.
War
es so schwer die richtige Entscheidung zu treffen? Die Weasleys
liebten sie, wie ein Familienmitglied. Sie würden auch das Kind lieben.
Der
winzige Teil ihrer Vernunft seufzte auf. Das
ist bloß die Verzweiflung, die dich so handeln lässt. Das ist nur die
Verzweiflung, Hermine. Sei nicht so dumm, und lass dich auf etwas ein, dass du
dir nur allzu bald anders überlegen wirst. Sagst du jetzt ja, dann gibt es
keinen Weg zurück.
Keinen.
„Küss
mich noch einmal, Ron“, bat sie leise, und dieser hob verwirrt die Augenbrauen.
Sie schloss die Augen. Keine Sekunde später spürte sie wieder seine Lippen. Sie
schlang die Arme um seinen Hals, und er zögerte noch für einen Moment, ehe er
die Arme fest um sie schlang und ihre Lippen mit seiner Zunge zaghaft teilte.
So
standen sie im Garten und küssten sich. Lange.
Schwer
atmend lösten sie sich voneinander.
„Wow…
das… wow…“ Ron starrte sie kopfschüttelnd an. „Hermine, ich… wow…“
„Ok.“
„Ok,
was?“ Seine Augen wurden groß.
„Frag
mich, Ronald Weasley“, flüsterte sie leise. Sie war noch etwas benebelt von dem
Kuss, und dass war gut so, denn sonst würde sie ihre Meinung ändern.
Er
brauchte noch einen Moment, um zu begreifen. Er ergriff ihre Hände
übergangslos. „Hermine, willst du mich heiraten?“, fragte er mit zitternder
Stimme, und sie biss fest die Zähne zusammen und rief sich die Zukunft ihres
Kindes ins Gedächtnis, bevor sie antwortete.
„Ja.
Das will ich.“
Großartig, Hermine. Du
bist so dumm. Das wirst du bereuen.
~*~
„Ich
soll spionieren? Jetzt, Master Draco?“
Dieser
nickte langsam.
„Ja.
Kannst du das tun? Und kannst du unentdeckt bleiben?“
„Sicher,
kann ich das. Ich denke, ich kann für Sie spionieren, Master Draco.“ Die kleine
Elfe war völlig aus dem Häuschen. Immer wieder strich sie über ihren schäbigen
Kissenbezug.
„Wie
ist dein Name, Elfe?“, fragte er jetzt, und sie hob verstört den Blick.
„Mein…
mein…? Oh, L… Lowyn“, sagte sie hastig.
„Gut,
hör zu, Lowyn, ich will, dass du Granger…“ Er
unterbrach sich selbst. „Du sollst Hermine Granger finden. Ich weiß nicht
genau, wo sie sich zurzeit aufhält. Finde sie und… beobachte, was sie tut, was
sie sagt, was sie trägt, wo sie ist und ob sie schon eine Arbeit gefunden hat.“
„Hermine
Granger… jawohl, Master Draco. Soll ich sofort gehen?“
Eigentlich
hatte er vorgehabt, sich völlig cool zu verhalten. Absolut gelassen und desinteressiert,
aber jetzt, wo die Chance nahe war, etwas über sie zu erfahren, konnte er sich
nicht zusammen reißen.
„Ja,
geh jetzt. Sei zum Abendessen wieder. Mutter wird sonst misstrauisch.“
„Zu
Ihren Diensten, Master Draco.“
Die
Elfe verschwand mit einem Plopp und Draco blieb
alleine zurück. Sein Tee war kalt. Aber er war jetzt auch zu aufgeregt für Tee.
„Draco.“
Die Stimme seines Vaters durchschnitt wie ein Peitschenhieb die Stille des
Salons, und mit schlimmer Vorahnung erhob er sich.
Als
er das Studierzimmer seines Vaters erreichte, war ihm bereits klar, sein Vater
saß nur so ruhig am Tisch, weil er anscheinend seine tägliche Ration Grog
getrunken hatte.
„Mit
deiner Mutter kann man nicht über deine Zukunft diskutieren.“ Er wollte gerade
anmerken, dass er es sowieso nicht haben konnte, wenn andere über sein Leben
entschieden, aber er verkniff sich diesen Seitenhieb.
„Deine
Noten sind verblüffend gut“, bemerket er jetzt, und Draco wusste dieses
Kompliment zu schätzen, auch wenn es zuerst klang wie eine Beleidigung. „Hast
du einen Plan, was du mit deinem Leben anfangen willst, wenn du meine
Vorschläge in den Wind schlägst?“
Spöttisch
betrachtete ihn der blonde Mann von seinem Schreibtisch aus. Draco stand immer
noch. Er hatte auch nicht vor, lange zu bleiben.
„Vielleicht
gehe ich zu Gringotts.“ Er hatte darüber nachgedacht,
seit Thomas es auf der Rückfahrt erwähnt hatte.
„Gringotts?“ Er hörte es der Stimme seines Vaters an. Dieser
fand diese Idee höchst lächerlich. „Ist das dein Ernst? Zusammen mit Kobolden?“
Voller Verachtung strich sich sein Vater den langen Zopf über die Schulter.
„Draco, du hast einen Namen, du hast einen Stand zu vertreten.“
„Vater,
ich habe dir schon erklärt, dass…“
„Dass
was? Dass dir der Name Malfoy auf einmal nichts mehr bedeutet? Draco, ich
verzichte auf den Adelstitel, weil ich ihn verpönt finde, aber das bedeutet
nicht, dass du nicht trotzdem den Lordtitel fortführen kannst. Du scheinst
nicht zu begreifen, dass…“
„Dass
Stand für mich nicht mehr alles ist. Ich brauche all das nicht. Ich werde
heiraten, wenn du es verlangst, wen du verlangst. Aber bitte, zwing mich nicht,
für ihn zu arbeiten. Du weißt es doch selber.“
Lucius
verzog den Mund. Nur der Alkohol ließ ihn wohl den Zauberstab vergessen, und er
seufzte schwer.
„Draco,
es sollte keine Bürde für dich sein.“
„Ich
weiß, aber ich bin klug genug, zu wissen, dass Voldemort ein alter, verhärmter
Zauberer ist, der vielleicht mal Macht hatte, aber mittlerweile haben die Muggelgebürtigen überall einen Platz in der Gesellschaft.
Es gibt kaum noch rein magische Familien, Vater.“ Er hätte niemals gedacht, so
mit seinem Vater zu sprechen.
„Bei
Merlin, Draco, ich…“ Er unterbrach sich selbst. „Was ist denn nur mit dir
passiert? Hat Dumbledore dich einer Gehirnwäsche unterzogen, wie ich es immer
befürchtet habe?“
Draco
ignorierte diese Frage. „Vater, gib mir die eine Chance. Lass mich mein Leben leben. Mutter würde es dir danken.“ Lucius erhob sich.
Draco erinnerte sich, wie oft er voller Hochachtung zu seinem Vater aufgeschaut
hatte.
„Du
würdest heiraten?“ Noch immer schien er ihm nicht glauben. Draco glaubte sich
ja selber kaum eines der Worte aus seinem Mund.
„Sicher
würde ich das.“
„Du
bist ein attraktiver junger Mann. Die stehen alle Türen offen, und du
entscheidest dich für ein Leben in der Knechtschaft einer Familie.“
„Das
hast du auch getan“, bemerkte er spitz.
„Ich liebte deine Mutter“, erwiderte Lucius harsch, fing sich aber wieder. „Es
war eine günstige Zusammenkunft. Voldemort bot mir eine Zukunft, die mir gefallen
hat. Die Reinheit des Blutes zu erhalten, war eine ehrenwerte Aufgabe, in
meinen Augen.“ Er wandte den Blick von ihm ab. „Alle Türen stehen dir offen“,
wiederholte er leise.
„Nein,
Lucius. Eine Tür steht offen. Und durch die werde ich gestoßen.“
Sein
Vater fixierte ihn stumm. „Ich werde dich zwingen, zu heiraten, das ist dir
bewusst?“ Draco blieb unbewegt. „Du wirst deine Pflichten gegenüber der Familie
antreten. So bald wie möglich. Dafür wählst du deinen Beruf. Solange er genug
Gold einbringt, werde ich es akzeptieren.“
Wie
gerne wäre er ein unabhängiger, einfacher Zauberer. Nur manchmal. Er wusste,
der Luxus würde ihn irgendwann wieder zurückholen, aber jetzt gerade wünschte
er sich nichts sehnlicher als einfach seinen Abschluss zu haben und die Freiheit,
dass zu tun, was er tun wollte, ohne dabei gleich
heiraten zu müssen und die Pflichten als Malfoy anzutreten.
Denn
mit dieser Bürde war seine Freiheit, seinen Beruf zu wählen, nicht besonders
lukrativ. Denn er würde bald wie sein Vater enden. Er würde Teilhaber an vielen
Projekten werden. Nur eben an Projekten die nicht in Verbindung mit verstreuten
Todessern standen. Er würde das Arbeiten aufgeben und sich einen Posten in der
Leitung suchen, der es ihm erlaubte von Zuhause zu fungieren.
Gäbe
es nur einen anderen Weg. Aber jetzt hatte er seinen Vater so weit überzeugt,
dass er ihn nicht enterbte. Das Los, irgendeine Reinblüterin
zu heiraten, war dafür ein geringer Preis, den er zahlen musste.
Diese
Verantwortung lastete viel zu schwer auf seinen siebzehnjährigen Schultern.
Wahrscheinlich genoss sein Vater seinen sturen Trotz und bürgte ihm gerne diese
Last auf, die er nun auf ewig tragen musste.
Er
hoffte, dass er Ablenkung finden würde, wenn die Elfe ihm irgendwelche banalen
Kleinigkeiten von Granger erzählen würde. Wie sie in die Stadt gegangen war,
oder wie sie sich überall beworben hatte, wo man minderbemittelten Geschöpfen
helfen konnte, oder eben ganz Grangertypische Sachen,
die ihn an die verschwommene Zeit erinnerten, in der er sich einmal völlig neu
und anders gefühlt hatte.
Als
wäre da die Andeutung eines neuen Weges gewesen. Ein Weg, der aber nicht für
ihn bestimmt war.
Er
verließ mit aufrechtem Gang das Studierzimmer seines Vaters.
Teil 26
„Ich
meine, nicht dass es mich wirklich interessiert. Ich finde es nur seltsam, dass
sie sich wirklich für so jemanden wie dieses Trampeltier interessieren kann. Er
ist so hohl, verstehst du?“
Nein.
Eigentlich hörte er nämlich gar nicht wirklich zu. Er traf sich mit Pansy, Goyle und Melissa eigentlich nur, weil es eine bessere
Ablenkung war, als sich mit seinem Vater anzulegen, wenn er wieder nüchtern
war. Er würde bestimmt die hässlichste Kandidatin ausgewählt haben, nur um ihn
zu ärgern.
„Ja,
das ist… wirklich… überraschend.“
„Genau
das sage ich ja.“ Wieder starrte Pansy angewidert zum Buffet hinüber, wo sich Goyle und seine Freundin einen der schwebenden Kuchen
aussuchten.
Eigentlich
war ihm Pansys Ansicht egal, aber es war nett zu sehen, dass sie sich
anscheinend doch für Goyle interessierte, obwohl sie
ihn doch für unter ihrem Niveau hielt. Draco würde ihr das aber nicht unter die
Nase reiben.
Sie
verzog grimmig den Mund als die beiden wieder kamen.
„Und
Draco, was wirst du jetzt machen?“, fragte Melissa höflich und hakte sich bei Goyle unter. Merlin, Goyle hatte
tatsächlich seinen persönlichen Jackpot geknackt.
Mal
sehen, was würde er in nächster Zeit wohl tun? Er
würde sich erst mal wie ein kleines Kind verhalten, dem man das Spielzeug geklaut
hatte und Granger bespitzeln. Das war schon ziemlich entwürdigend.
Dann
würden ihn seine Eltern zu einer viel zu verfrühten Heirat zwingen, an die er
auf Ewigkeiten gebunden war, wenn er wert auf sein
Vermögen legte, was er tat, denn was blieb ihm sonst?
„Ich
habe noch keine konkreten Pläne“, gab er leicht gereizt zurück.
Melissa
nickte desinteressiert und ließ sich kichernd von Goyle
auf den Nacken küssen. Pansy murmelte böse Flüche vor sich hin, und Draco
sehnte sich bereits danach, dieses viel zu teure Café verlassen zu können.
War
er so verzweifelt, dass er mit einem ekligen Pärchen und Pansy Rachegöttin Parkinson seinen Nachmittag
verbringen musste?
Anscheinend
schon. Es juckte ihn in den Fingern irgendwas zu tun. Irgendetwas Unsinniges,
irgendetwas, dass ihm zeigte, dass es keine schlechte Entscheidung wäre, zu
heiraten und sesshaft zu werden…
~*~
Ihr
war übel vor Aufregung. Und natürlich weil ihr nach dem Frühstück immer übel
war. Sie hatte es Ginny bereits erzählt. Diese war begeistert. Auch wenn sich
Hermine nicht sicher war, ob Ginny sich wirklich aufrichtig freute, oder
einfach weil sie Hermine im Moment nicht reizen wollte.
Harry
hingegen war ganz Feuer und Flamme. Er hatte Ron auf die Schulter geklopft,
ihnen gratuliert und versprochen, dass mit der Zeit alles einfach und wunderbar
werden würde, weil sie beide ja eigentlich sowieso für einander bestimmt waren.
Ja.
Eigentlich.
Hermine
ließ ihr Gewissen aber nicht mehr zu Wort kommen. Dafür war es jetzt sowieso zu
spät. In fünf Minuten würde sie mir Ron Hand in Hand auf die Veranda spazieren,
wo Mrs und Mr Weasley, Fred
und George, Percy, Ginny und Harry saßen und ihnen die Botschaft überbringen.
Allerdings
erst nur von der Heirat. Man musste ja nicht alles überstürzen. Sie seufzte
schwer. Das war also die Entscheidung. Sie war besser als allein zu sein. Da
war sie sich sicher. Vor allem zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens konnte sie
Einsamkeit nicht gut vertragen.
Sie
stand seit einer Weile vor ihrem Spiegel und zupfte an ihren dunklen Locken.
Zweifel. Einhunderttausend Zweifel. Wenn sie so lange darüber nachdenken
musste, und ihr so viele Zweifel durch den Kopf schossen, dann war es
vielleicht doch keine so gute-
Das
Klopfen an der Tür unterbrach sie und Ron trat unaufgefordert hinein.
Aber
es war Ron. Es war kein Fremder. Es war ihr Ron. Ihr bester Freund. Ron war
hübsch. Er sah wirklich gut aus. Groß und muskulös. Nicht so muskulös wie
Malfoy… Halt die Klappe! Vielleicht
auch nicht so eloquent wie er… Hermine!
„Hey,
alles klar? Aufgeregt?“
Sie
wusste nicht genau, was sie fühlte, aber ihm sah sie an, dass er wirklich
aufgeregt sein musste. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt, und die Züge um
seinen Mund lösten und spannten sich immer wieder. Sie wollte ihn fragen, ob er
sich wirklich sicher war, aber er streckte ihr bereits seine Hand entgegen. Er
lächelte sogar. In seinen Augen sah sie, dass er es wirklich ernst meinte.
Sie
ergriff seine Hand und zwang den bitteren Geschmack aus ihrem Mund. Sie wollte
schließlich mit ihm das Zimmer verlassen, aber er blieb reglos und betrachtete
ihr Gesicht.
„Du
siehst hübsch aus.“ Er sagte dies, als wäre es für ihn eine
Selbstverständlichkeit. Sie kannte Ron eigentlich nicht als einen Menschen mit
Worten. Komplimente brachte er sonst niemals über seine Lippen, aber
anscheinend hatte sich das jetzt geändert. Bevor sie weiter über diese
Veränderung nachdenken konnte, lagen seine Lippen bereits auf den ihren. Sie
zuckte zusammen, und er wich langsam zurück.
„Entschuldige,
ich… keine Ahnung. Ich dachte, es wäre eine nette Geste“, murmelte er, und
sofort sah sie wieder die Unsicherheit. Sie musste es sich nicht so schwer
machen. Sie musste es auch ihm nicht so schwer machen.
Aber
im Moment hatte sie keine Kraft dafür. Erst mal mussten sie jetzt nach draußen.
Es kostete all ihre Kraft, nicht zu weinen. Sie war erbärmlicher Abschaum.
Nicht nur, dass sie Rons Freundschaft ausnutzte, nein, sie machte es ihm auch
keine Unze leichter.
Energisch
zog sie ihn mit sich, bevor ihr Gewissen sie erschlagen konnte und sie ihre
Meinung noch änderte.
Er
folgte ihr, und sie sprachen kein Wort.
In
der Küche blieben sie vor der Tür zur Veranda stehen, und sie spürte, wie er
sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Er wirkte steif, aber er hielt
immerhin noch ihre Hand fest in seiner.
„Ron?“
Ihre Stimme klang furchtbar. Gar nicht mehr wie ihre Stimme.
„Ja?“
Beide mieden den Blick aufeinander.
„Das
ist das Richtige, richtig?“
„Ja“,
erwiderte er knapp, und mit der freien linken Hand öffnete er die Tür. Die
Sonnenstrahlen wärmten ihre Füße in den Sandalen. Es war ein perfekter
Sommertag. Ein perfekter Tag für eine solche Ankündigung. Ginny ergriff in
ehrfürchtiger Erwartung Harrys Hand und Hermine musste sich auf die Wangen
beißen, um nicht einen hysterischen Schrei auszustoßen.
Aber
nein. Ruhig, Hermine. Das sind die Weasleys. Du
liebst die Weasleys, die Weasleys
lieben dich. Das war ihr Mantra. Ihr ewiges Mantra.
„Mum, Dad…“ Seine Stimme klang furchtbar aufgeregt. Wie bei
seiner mündlichen Prüfung in Verwandlung. Sie drückte seine Hand fest. Wenn
auch nur, um sich selbst ein wenig zu beruhigen, denn sie hatte das Gefühl, als
würde ihre Hand gleich einschlafen.
„Kinder,
da seid ihr endlich. Was ist? Wieso steht ihr da wie angewurzelt?“ Mrs Weasley schenkte ihnen bereits Tee in die beiden
letzten Tassen.
„Also…
wir… Hermine und ich haben eine Ankündigung zu machen.“ Ronald Weasley, die
Förmlichkeit in Person. Seine Stimme klang, als ob er gleich ein Geständnis
ablegen würde. Als hätten sie Gringotts überfallen
und bunkerten nun das gesamte Gold der Zaubererwelt
unter den Bodendielen im Wohnzimmer der Weasleys.
So
fasste es auch Mrs Weasley auf. „Oh Merlin, was ist
passiert? Ist irgendwas nicht in Ordnung, Ron?“
Er
lachte kurz auf. „Nein, Mum, nein.“
„Es…
es ist eine gute Ankündigung“, rang sich Hermine jetzt ab und legte auch ihre
zweite Hand auf Rons.
Es
vergingen bestimmt noch zwei Sekunden, ehe Ron sprach, aber Hermine kam es wie
eine kleine Ewigkeit vor, in denen sie alle Vor- und Nachteile dieser
Verbindung abwog. Sie kam zu keinem rechten Schluss.
Dann
war es zu spät.
„Hermine
und ich wollen heiraten.“
Stille.
Noch
mehr Stille folgte dieser Stille. Alle hielten anscheinend die Luft an.
„Fantastisch!“
Fred war der erste, der sich erhob und seinem Bruder auf den Rücken schlug.
„Ron,
das gibt’s nicht!“ George stand lachend auf und tat es seinem Bruder gleich. Mrs Weasley schlug sich die Hände vors Gesicht und erhob
sich ebenfalls.
„Oh,
Ronnie… Ist das euer ernst?“, hauchte sie, und die Anspannung fiel für einen
Moment von Hermine ab. „Ihr wollt heiraten?“ Sie umarmte Hermine stürmisch,
bevor sie Ron zu einem dicken Kuss auf die Wange zu sich hinab zog.
Mr Weasley wirkte etwas förmlich und hielt sich zurück
„Seid…
seid ihr euch da sicher? Ich meine ihr seid…“
„Ein
Jahr jünger als Arthur und ich waren!“, juchzte Mrs
Weasley. Ginny weinte vor Freude und umarmte Harry heftig.
„Kinder,
wusstet ihr davon?“, erkundigte sich Mr Weasley jetzt
bei Ginny und Harry. Und Ginny konnte nicht mehr an sich halten.
„Ja!
Ist es nicht fantastisch?“
„Das
müssen wir feiern! Ich werde sofort einen Kuchen backen. Heute Abend feiern wir
eure Verlobung. Oh, Hermine, Schatz, du solltest deinen Eltern sofort eine Eule
schicken. Oder wissen sie es schon? Wahrscheinlich nicht. Sonst wären sie ja
nicht wieder gefahren.“ Mrs Weasley wuselte bereits
in die Küche.
Ihre
Eltern. Richtig. Sie vergaß immer wieder, wie viele Menschen in ihr Leben
involviert waren.
Nun
war ihre Hand taub, denn Ron drückte sie so fest. Ob vor Glück oder Angst,
konnte sie nicht sagen.
„Na,
dann mach es amtlich, Ron.“ Fred hatte die Arme grinsend vor der Brust
verschränkt. Ron verstand nicht.
„Amtlich?“
„Küss
deine Zukünftige… Willkommen, übrigens.“ Fred zwinkerte ihr zu. Sie lachte
zaghaft. Ron senkte den Kopf und suchte ihren Blick. Sie schluckte schwer. Ihr
Mund war trocken. Sie schloss die Augen und als sie seine Lippen auf den ihren
spürte ignorierte sie das Gefühl, das es falsch war und stellte sich auf die
Zehenspitzen. Sie schlang die Arme sanft um seinen Nacken.
Die
Brüder klatschten johlend Beifall.
Es
wäre nicht die schlechteste Lösung. Nein, es war die beste Lösung.
Sie
würde Ronald Weasley heiraten. Sie würde glücklich werden.
Mit
einem leisen Plopp verschwand die kleine Elfe im
Gebüsch vollkommen unbemerkt.
~*~
Er
drehte den goldenen Füller zwischen den Fingern. Er wusste nicht, was er machen
wollte. Er war sich nicht sicher. Er war seinem Vater aus dem Weg gegangen,
aber Lucius war so guter Dinge gewesen, dass er sogar sein Lachen bis in sein
Zimmer gehört hatte. Sein Vater freute sich immer aus den falschen Gründen,
also nahm Draco an, dass Lucius sich ordentlich an ihm rächen würde.
Er
seufzte schwer. Die Elfe erschien mit einem Plopp auf
seinem Schreibtisch. Er zuckte fluchend zusammen. Sofort hob das kleine
Geschöpf die Hände über den Kopf. Immer wieder musste er sehen unter welchen
Zuständen die Hauselfen hier gehalten wurden.
„Nimm
die Hände runter. Ich werde dich schon nicht bestrafen.“ Sie wirkte nicht
überzeugt, aber er war jetzt gierig auf die Informationen, die ihm hoffentlich
seinen Abend versüßen würden. „Hast du sie gefunden?“ Er senkte die Stimme,
obwohl er wusste, seine Eltern hielten sich nicht oben auf.
„Ja,
Master Draco. Ja, ich habe sie gefunden.“
„Und?“
Er versuchte seine Neugierde beiläufig zu überspielen. „Wie… wie sah sie aus?“
„Was
meint Ihr?“ Die Elfe war verwirrt.
„Was
hatte sie an?“, half er ungeduldig nach.
„Oh.
Ein Kleid.“
Granger
in einem Sommerkleid. Am besten trug sie kein Höschen, dann konnte er sie
direkt auf einer Sommerwiese verführen.
„Wo
hast du sie gefunden?“, fragte er und schob seine Erektion unauffällig zurecht.
„Sie…
ist… ahem… Sie ist bei den Weasleps.“
Er runzelte die Stirn. Sein Blick klärte sich augenblicklich. Sicher, sie
verbrachte noch ein paar Tage bei ihren treuen Idioten.
„Die
Weasleys. Sie ist also bei den Weasleys.“
„Weezeys. Ja.“
Draco
verdrehte die Augen.
„Und?
Sieht sie… ist sie… glücklich?“
„Oh,
ich nehme es an, Master Draco. Sie heiratet schließlich. Alle Bräute sind
glücklich. Lowyn war auf einer Hochzeit mit dabei. Es
war…“ Er blendete ihre Stimme aus. Sie war also glücklich. Gut.
Moment. Was???
„Sie
tut was?“, schrie er das kleine Geschöpf an, dass es fast vom Schreibtisch
gerutscht wäre. Er hatte sich erhoben, und die Elfe zitterte vor Schreck. „Wen
heiratet sie? Wen?“, schrie er noch lauter und die Elfe zuckte zusammen.
„Den
großen. Den großen Weezey.“
Seine
Augen weiteten sich. Weasley? Sie heiratete Weasley?
„Das
kann nicht sein“, murmelte er zornig, doch die Elfe nickte heftig.
„Er…
er hat sie geküsst. Sie haben es allen gesagt. Lowyn
hat fast geweint. So schön war…“
Er
schrie zornig auf. Weasley küsste sie? Was erlaubte er sich? Dieser miese,
scheiß Wichser! Oh, am liebsten würde er in diese verfluchte
Blutsverräter-Baracke apparieren und Weasley auf die
Nase binden, dass er seine geliebte Granger bereits zweimal gehabt hatte.
Wahrscheinlich würde Weasley sie dann nicht mehr wollen.
Oh,
ja. Das war es auch, was sie verdiente. Ihn wollte sie nicht, aber Weasley warf
sie sich in die Arme? Schlampe, elendes Schlammblut.
Reg dich ab, mahnte ihn sein
rationaler Verstand. Wie sieht das aus? Du bist ein Malfoy - ein Malfoy,
verflucht noch mal. Was interessiert dich das Leben dieses Schlammbluts. Freu
dich. Jetzt kannst du weiter machen, wie bisher.
Ja.
Richtig. Er hatte das letzte Gespräch mit Granger nicht vergessen. Aber er
hatte auch nicht vergessen wie ihre Haut sich unter seinen Fingern anfühlte.
Wie weich ihrer Lippen waren und wie betörend ihre Haare dufteten.
Er
musste die Augen schließen. Alle Sehnen und Muskeln in seinem Körper spannten
sich an, und hatte er auch noch niemals echten Neid empfunden, dann war es
jetzt wirklich mehr als zu viel.
„Master
Draco, wollt Ihr vielleicht eine heiße Schokolade?“, fragte die Elfe
vorsichtig, und Draco riss sich noch einen letzten momentlang zusammen.
„Danke,
nein. Du kannst gehen.“
Vielleicht
Schokolade mit einem ordentlichen Schuss Grog. Oder einfach nur den Grog.
Die
Elfe verschwand eilig, und Draco konnte es ihr nicht verdenken. Er jagte sich selber
Angst ein. Und egal, wie rational seine Gedanken auch waren; wie selbstsüchtig
sein Denken auch arbeitete, er wusste, er würde nicht anders können.
Er
musste sie sehen. Er musste es selber sehen. Und er musste das auf jeden Fall
zerstören. Sie hatte nicht das Recht, glücklich zu werden, wenn sie ihn so kalt
und völlig verhext zurück gelassen hatte.
Nein,
keine Liebe. Bloß Rache. Rache, weil ein dämliches Schlammblut mit ihren
Worten, mit ihrer Stimme, mit ihren Lippen all seine wunderbaren bösen Zukunftspläne
umgeworfen hatte und er auf einmal ein anderer Mensch sein wollte.
Rache,
weil sie es nicht verdiente über ihn hinweg zu sein, während er hier auf sein
eheliches Vollstreckungsurteil warten musste. Wenn sie schon heiraten musste –
und dann auch noch diesen Trottel – dann sollte sie sich genauso schlecht
fühlen wie er.
Es
hätte ihn auch schwer gewundert, wäre er wirklich in der Lage, so etwas wie
Liebe zu empfinden. Rache passte besser zu ihm. Rache stand ihm. Und das würde
sie zu spüren bekommen.
Bist du verrückt
geworden? Bist du jetzt wirklich vollkommen übergeschnappt?
Ja,
verfluchte Scheiße. Definitiv.
„Oh,
Hermine, Schatz, wie wäre es, wenn du kein Weiß tragen würdest? Ich meine, bei
deinen dunklen Haaren, vielleicht wäre da beige besser?“ Hermine war es egal.
Sie hatte nie darüber nachgedacht so früh zu heiraten, und deshalb war ihr auch
die Farbe des Kleides absolut gleichgültig.
Sie
würde auch grün tragen, wenn es Molly glücklich machen würde. Mit ihren Eltern
hatte sie eine lange Diskussion führen müssen. War Ron der Richtige, würde sie
glücklich werden, und wieso hatte sie es ihnen nicht schon eher erzählt…? Das
übliche eben.
Ron
war von seinen Brüdern so lange bearbeitet worden, bis er zugestimmt hatte,
heute nur mit den Männern wegzugehen, um das freudige Ereignis zu feiern. Das
bedeutete, dass nur sie, Ginny und Molly im Fuchsbau wären. Das war auch mal
ganz nett. Sie würde früh in ihr Zimmer gehen, und dort würde sie sich an die
Bewerbungen setzen. Sie hatte immer noch einen Plan. Die Hochzeit musste
schnell vollzogen werden, denn bald würde es unumgänglich sein, den Weasley die
nächste Ankündigung vorzusetzen. Deswegen hatte Ron sich darum gekümmert, dass
es noch im Juli eine Hochzeit geben würde.
Molly
hatte gesagt, die Planung würde länger dauern als ein paar Wochen, aber Ron
hatte deutlich gemacht, dass er sie so schnell wie möglich heiraten wollte.
Molly hatte es schließlich auf die Liebe geschoben, und Hermine war dankbar
gewesen, dass sie eingewilligt hatte. Arthur hatte sich auch daran gewöhnt und
freute sich jetzt ebenfalls.
„Molly,
wenn du beige lieber hättest, dann trage ich beige“, beschwichtigte sie Hermine
schließlich, und Molly strahlte vor mütterlicher Begeisterung.
„Deine
Eltern kommen also wirklich erst zur Hochzeit?“
„Ja,
ich schätze schon. Die Renovierung der Praxis kostet all ihre Zeit. Das ist
schon in Ordnung.“
„Du
bist ein braves Mädchen.“
Na
ja. Das war ein relativer Begriff.
„Ich
hatte immer gehofft, dass du und Ron einmal heiraten würdet“, gestand Molly
jetzt mit glasigen Augen ein. Hermine schnürte es die Kehle zu. Aber bestimmt
hatte Molly andere Umstände erwartet.
„Ach?
Wirklich?“, wich sie ungeschickt aus und mied den Blick auf die glückliche Frau
vor ihr.
„Oh
ja. Du bist so ein kluges und aufgewecktes Mädchen. Du bist so liebevoll, und
ich weiß, du würdest Ron nicht wehtun. Du weißt, was du willst, und ich hoffe,
es färbt auf Ron ab.“
Hermine
fühlte sich immer schlechter.
„Molly, ich glaube, ich muss mal eben ins Bad“, entschuldigte sie sich. Molly
nickte heftig.
„Oh,
bitte, lass dich nicht von mir aufhalten. Ich meine, wir haben ab jetzt ja so
viel gemeinsame Zeit, die wir verbringen können, nicht wahr?“ Sie zwinkerte,
und eigentlich ungern verließ Hermine das Zimmer. Es war ein schönes Gefühl so
geliebt zu werden. Aber ihre Übelkeit ließ sich von so was nicht beeindrucken.
Die
Übelkeitsattacken kamen jetzt unregelmäßiger, und Hermine hoffte, sie würden
noch ganz aufhören. Wahrscheinlich war das reine Utopie.
„Ach,
Hermine!“ Molly erschien ihm Türrahmen. „Wie wäre es wenn wir heute draußen
essen würden. Wir könnten etwas grillen. Das haben wir schon so lange nicht
mehr getan.“
„Sicher.
Das wäre großartig“, murmelte Hermine und schloss die Badezimmertür hinter
sich.
Sie
würde es schon schaffen. All das. Sie musste nur Vertrauen haben.
~*~
„Und
benehmt euch anständig.“ Ginny sah genauso aus, wie Molly. Sie sah Harry
vielsagend an, und dieser hob beschwichtigend die Hände.
„Also,
wirklich. Als würde ich jemals unanständig sein.“ Er küsste Ginny auf den Mund.
Sie schlang die Arme um seinen Nacken, und Arthur wandte den Kopf zur Seite. So
wie auch Fred, George und Ron. Beinahe hastig stolperte Ron auch auf sie zu.
Hermine setzte ein Lächeln auf.
„Vermisst
du mich?“, fragte er laut genug, damit es Molly hören konnte. Hermine räusperte
sich, um genauso laut antworten zu können.
„Aber
sicher… Schatz“, fügte sie etwas unsicher hinzu. Ron grinste schief. Dieser
Name schien ihm zu gefallen.
„Ich
vermiss dich auch“, murmelte er leiser als zuvor. Er lehnte sich zu ihr hinab.
Seine Größe würde für sie immer ein Schock sein. Er war wirklich so riesig
geworden. Das hätte man im ersten Jahr nicht vermutet.
Anscheinend
wartete er auf Bestätigung oder darauf, dass sie sich zu ihm hoch lehnte. Sie
war sich nicht sicher. Deshalb schloss die einfach die Augen und wartete bis
seine Lippen ihre trafen. Nur flüchtig hauchte er ihr einen Kuss auf ihre fest
geschlossenen Lippen.
War
es Enttäuschung, die kurz in seinen Augen aufflammte? Sie konnte es nicht mit
Sicherheit sagen. Aber das hier war ihr sehr unangenehm, wenn seine Familie
dabei zusah.
Er
verabschiedete sich mit einem knappen Nicken, und sie erwiderte es etwas zu
schüchtern.
„Ach
kommt schon. Tut nicht so“, machte sich Fred lustig und legte Ron den Arm um
die Schulter. „Wir bringen ihn heile zurück. Vielleicht etwas betrunken, aber
du wirst den Unterschied nicht merken“, fügte er hinzu, und Ron verdrehte die
Augen.
„Viel
Spaß“, rief sie den Männern noch hinterher, und dann apparierten
sie hinter dem Tor. Die Frauen waren alleine.
„So
und jetzt wird gelästert, Mädchen. Ich will alles wissen. Alles!“ Anscheinend
hatte Molly viel Freude an der neuen Situation. Ginny ebenfalls. Sie hakte sich
bei Hermine unter. Diese zwang ein sorgenfreies Lächeln auf ihre Züge und
wusste, es konnte viel leichter sein. Sie musste es einfach nur wollen. Diese
Überwindung musste sie sowieso irgendwann hinter sich lassen. Das war sicher.
~*~
„Reich
mir das Fleisch.“ In voller Konzentration briet Molly das Fleisch über der
magischen Flamme. Hermine hatte noch nie magisch gegrillt. Aber anscheinend war
hier alles anders als in der Muggelwelt. Wozu einen
Grill, wenn das Fleisch über einer blauen Flamme schweben konnte.
„Mum, ich bin schon seit der letzten Runde satt“, beschwerte
sich Ginny, aber Molly verzog den Mund.
„Papperlapapp.
Hier wird ordentlich gegessen. Hermine, du musst dich noch für ein oder zwei Gerichte
entscheiden. Da alles kurzfristig ist, schlage ich ein großes Gericht vor,
damit die, die kein Fleisch essen, das Fleisch weglassen können und es trotzdem
noch ausreichend ist.“ Hermine nickte bloß.
„Wie
wäre es mit Geflügel?“, fragte sie vorsichtig.
„Großartig.
Ich werde mir noch ein paar Beilagen ausdenken. Hast du eine bestimmte Dekofarbe im Sinn?“, fragte sie jetzt und wendete geschickt
die Steaks.
„Ahem… nein.“
„Dann
nehmen wir einfach hellblau. Ich habe schon ein paar Zelte und Decken angesehen.
Alles passt hervorragend.“ Eigentlich hatte Hermine bei ihrer eigenen Hochzeit
wenig zu tun.
„In
Ordnung“, erwiderte sie leichthin, und Molly lächelte fröhlich.
Mit
einem weiteren Schlenker ließ sie die garen Steaks auf einen Teller schweben
und kam zurück an den Tisch.
„Ginny,
jetzt erzähl alles von Anfang.“ Ginny verschluckte sich an ihrem Butterbier.
„Was
genau?“, fragte sie hastig. Molly runzelte die Stirn.
„Na, wie du und Harry zusammen gekommen seid. Ich finde es wirklich
außerordentlich bemerkenswert. Besser kann ich es mir für euch beide nicht
vorstellen.“ Sie betrachtete ihre Tochter lange. „Was ist los? Wo ist dein
Lächeln?“
Hermine
wusste, dass Ginny in ständiger Angst lebte, dass Harry eine Eule von
Dumbledore bekam, die ihn sofort aborderte.
Allerdings war Voldemort so inaktiv wie seit fünfzehn Jahren nicht mehr. Es sah
nicht besonders gefährlich für Harry aus. Aber es konnte ja immer was
passieren.
„Na
ja. Ich hoffe nur, dass Harry bei mir bleibt“, sagte Ginny leise. Molly Strich ihrer
Tochter über das rote Haar.
„Oh,
keine Sorge. Selbst wenn er geht, dann kommt er bestimmt wieder zurück.“ Es war
ein heikles und trauriges Thema. Deshalb nahm sich Hermine noch ein
Nackensteak, obwohl sie schon längst keinen Hunger mehr hatte. Aber sie aß
sowieso für zwei. Hunger war in ihrem Universum seit einem Monat nicht mehr
wirklich existent. Es war ein regelrechter Appetit, der ihr
Angst machte. Ob Hunger oder nicht. Der war immer da und trieb sie in den
Wahnsinn. Molly gefiel es, dass Hermine so viel aß und nicht, wie sie es
nannte, eine Spargel-Figur haben wollte.
Hermine
war da geteilter Ansicht.
~*~
Die
beiden Weasleys waren heiter und vergnügt, aber nach
vier Butterbier wunderte Hermine das nicht. Sie war immer noch nüchtern und bei
weiten nicht so gut gelaunt.
„Wann
kommt Harry wieder?“, beschwerte sich Ginny laut, und Molly lachte.
„Oh,
Ginny, stell dich nicht so an. Sieh dir Hermine an, die hat noch kein einziges
Mal geklagt.“ Ja, das stimmte. Das war aber auch nicht unbedingt gut.
„Sagt
mal, Mädchen…“ Unheil schwante in Mollys Stimme mit. „Ihr… habt doch noch
nicht, oder…?“ Hermine ahnte, wohin dieses Thema führen würde.
„Nein,
Mum. Und wenn, dann ist es ja wohl unsere Sache.“
„Na
ja, bei Hermine ist es nun ja nicht ganz so dramatisch. Aber bei dir Ginny
hoffe ich doch, dass Harry ein Gentlemen ist.“
„Mum!“, entrüstete sich Ginny. Ihre Wangen glühten. „Selbst
wenn nicht, dann ist das meine Sache.“
Hermine
ließ diese Diskussion an sich vorbei gehen. Sie ließ ihren Blick über den
ruhigen Garten schweifen. Hier und da steckte ein Gnom den Kopf aus der Erde.
Wahrscheinlich witterten sie, das Fred und George nicht da waren. Das gab den
Gnomen noch ein paar Tage Ruhe und Sicherheit.
Viele
Glühwürmchen schwebten über dem nahen Boden und beleuchteten den Garten, obwohl
die Sonne bereits vor Stunden untergegangen war. Ihre Augen verengten sich.
Hinter dem Zaun, nahe bei der Hecke, sah sie einen Funkenschauer nieder regnen.
War da gerade jemand appariert? Waren die Männer
wieder zurück?
Dann
war die Entscheidung, wohin sie gehen wollte nicht besonders schwer. Molly und
Ginny befanden sich in einem handfesten Streit über Verhütung und Sex vor der
Ehe und hörten ihre knappe Entschuldigung, sich die Beine zu vertreten, gar
nicht. Sie schlenderte durch den Garten zum Tor. Sie vermisste manchmal die
Gesellschaft von Harry und Ron. Als ihre Freunde. Nicht als ihr Freund und ihr
Verlobter.
Ginny
war zwar ihre beste Freundin, aber Mädchen hatten allesamt die Tendenz
anstrengend zu werden. Nach einer gewissen Zeit zumindest.
Sie
erkannte einen Schatten. Kurz überlegte ihr Verstand, ob es gefährlich werden
könnte, aber in dieser lauen Sommernacht, war es schwer über Bedrohungen durch
Todesser nachzudenken.
„Ron?“,
rief sie trotzdem leise in die Dunkelheit und hörte ein Schnauben. Sie hielt
abrupt inne. Ihr Herz machte einen Satz. Das konnte nicht sein. Das war völlig
unmöglich.
Sie
zog ihren Zauberstab aus der Seitentasche des Kleides und flüsterte den Lumos. Die Spitze flammte hell auf und beleuchtete Draco
Malfoy, wie er lässig seine Hände in die Taschen seiner dunklen Hose schob.
Sie
senkte den Zauberstab, damit Ginny und Molly nicht aufmerksam wurden und starrte
ihn völlig verdutzt bestimmt eine halbe Minute lang an.
„Was…?“
Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Draco Malfoy stand vor dem Gartentor
der Weasleys. Das war absurd. Vollkommen absurd.
Wieso jagte ihr Herz so sehr in ihrer Brust, dass ihr fast schlecht wurde?
„Gibt’s
Neuigkeiten, Granger?“ Sie hörte seine Wut, aber er sah genauso aus, wie sie
ihn in Erinnerung hatte. Selbst die Wut stand ihm gut. Er sah absolut
fantastisch aus. Es waren die falschen Gedanken. Sie wusste das.
„Was
tust du hier?“, zischte sie, als sie endlich wieder Worte gefunden hatte, in
ihrem sonst so leeren Verstand. Er quittierte diese Frage mit trotzigem
Schweigen.
„Ich
habe gehört, du heiratest, Granger?“ Seine Stimme troff vor Spott und
Verachtung. Bevor Hermine sich beschweren konnte, runzelte sie die Stirn.
„Woher weißt du davon?“, hauchte sie und schlich näher zum Tor, damit sie vor
den Blicken der beiden Frauen geschützt war.
„Ist
das wichtig? Du heiratest Weasley?“, knurrte er zornig, und sie wandte sich
ängstlich um.
„Du
solltest nicht hier sein“, flüsterte sie und deutete auf das weite Feld. „Geh
einfach, Malfoy.“ Der Name rief in ihr verbotene Vorfreude auf. Sie hatte ihn
oft gedacht, aber schon so lange nicht mehr laut ausgesprochen.
„Wie
hat er dich bekommen, Granger? Bitte, sag es mir. Weil er so wahnsinnig
intelligent ist und mit zehn Ohnegleichen abgeschnitten hat? Oder weil er so
mutig und wortgewandt ist? War es seine sexuelle Erfahrung? Sag es mir, ich
will es wissen.“ Beinahe hätte sie sich auf diese Diskussion eingelassen, aber
sie fing sich rechtzeitig.
„Es
geht dich nichts an. Verschwinde endlich!“
„Was
ist? Hast du Angst, er kommt wieder? Hast du Angst, er sieht mich? Hast du
Angst, ich erzähle ihm, wie du wirklich bist?“
Sie
verzog den Mund. Er war so ein Arsch. Wie konnte sie das immer neben seinem
Aussehen vergessen?
„Malfoy,
geh!“, zischte sie und spürte, wie sie langsam wütend wurde. „Ich denke, du
hast mich genug fertig gemacht. Dein Vater macht sich bestimmt schon Sorgen.“
„Halt
deine Klappe, Granger.“ Aber seine Worte klangen bei weitem nicht so zornig,
wie sie es normalerweise taten. Normalerweise….
sie hatte viel zu viel Kontakt mit ihm gehabt.
„Was
würde Weasley wohl sagen, wenn er es wüsste?“ Malfoy dachte anscheinend, er
hatte einen Trumpf in seiner Hand. Oh, wie sehr er sich irrte.
„Was
willst du von mir? Woher weißt du, dass ich hier bin, Malfoy?“ Sie hörte, wie
Molly aufkeuchte. Wahrscheinlich vor Entrüstung.
Ginny sollte sich bloß nicht zu stark mit ihr anlegen.
Sie
stieg hastig über den niedrigen Zaun und schob Malfoy weiter in die Dunkelheit.
Ihr Zauberstab leuchtete nur noch schwach. Sie hatte die Kraft des Zaubers
gedämpft, damit das nicht Licht nicht zu auffällig war.
„Du
berührst mich gerne, oder?“, murmelte er, und sie schnaubte auf.
„Malfoy,
wenn du nichts mehr zu sagen hast, dann verschwinde endlich.“
„Hm,
ich glaube, ich will noch nicht gehen.“
„Ach
nein? Dann sag mir, woher du all das weißt?“
„Wäre
es dir lieber, ich wüsste es nicht? Interessant, Granger.“ Sie hatte bereits
gewusst, es war ein Fehler gewesen, den schützenden Zaun hinter sich zu lassen
und ihn weiter ins Dunkel zu schieben. Jetzt stand sie vor ihm und spürte ihn
mit aller Macht.
Sie
konnte es nicht ertragen, hier mit ihm zu sein. Bei den Weasleys
mit ihm zu sein. Vor dem Haus ihres Verlobten. Oh Gott. Hermine, geh einfach.
Egal, was er will, egal woher er es weiß. Es ist egal. Du weißt es besser. Du
weißt, wer er ist. Du weißt das doch alles!
Ja,
sie wusste es. Aber ihre Neugierde siegte über ihren Verstand.
„Sag
mir, woher du das weißt.“
Seine
blonden Brauen hoben sich kurz, und er musterte sie. Ohne Spott, ohne
Verachtung. Völlig wertfrei. Als müsste er sich ihre Gestalt erst neu
einprägen. Sie fühlte sich immer unwohler.
„Willst
du das wirklich wissen?“ Und nein, das wollte sie nicht. Sie schwieg verbissen.
„Ich habe eine Elfe geschickt, um zu spionieren. Ich wollte wissen, was du
tust.“
Nein,
das wollte sie ganz bestimmt nicht hören.
„Du
bist krank.“
„Oh
wirklich, Granger?“, knurrte er böse, und sie zuckte zusammen. „Wäre mir nicht
aufgefallen. Was denkst du, wie es mir geht? Denkst du ich bin stolz darauf?
Stolz einem widerlichen Schlammblut hinterher zu spionieren? Aber ich bin es
leid. Ich bin es leid, nicht zu bekommen, was ich will.“
Es
war so absurd. Niemals hätte sie erwartet, ihn hier zu sehen. Niemals hätte sie
erwartet überhaupt noch einmal mit ihm zu reden. Und wenn dann bestimmt nicht
darüber, dass er sie beschatten ließ.
„Wieso
tust du das?“ Ihre Stimme war nur ein Hauch. Aber anscheinend verstand er.
„Ich
hoffe, Weasley kommt noch, bevor ich gehe. Ich würde ihm nur zu gerne sagen,
wie böse du bist, Granger. Wie verrucht und schmutzig.“ Er war ihrer Frage
ausgewichen.
Sie
hatte gehofft, diese Malfoy-Phase hinter sich gelassen zu haben. Sie machte
neue Schritte in eine sichere und absolut fantastische Richtung. Eine Richtung,
die sie retten würde, aus Trauer und Einsamkeit. Und dann tauchte dieser blonde
Idiot auf und machte alles kaputt.
„Du
solltest gehen. Jetzt, Malfoy.“
Sie
sah wie er die Hände zu Fausten ballte.
„Sag
mir, wieso ihn?“
Das
war einfach. Und sie war von der Antwort felsenfest überzeugt.
„Weil
er mich liebt.“ Auch wenn sie es nicht tat. Zumindest noch nicht. Nicht, wie
eine Verlobte es tun sollte. Aber das würde kommen. Denn er wäre ihrem Kind ein
besserer Vater als Malfoy es jemals sein könnte. Malfoy, der sie gezwungen
hatte, das Kind zu entfernen und tatsächlich glaubte, sie hätte es getan. Was
wollte er eigentlich hier? Es band ihn nichts mehr an sie. Aber dieser Frage
schien er ja auszuweichen.
Bei
dem Wort Liebe hatte er den Mund verzogen, als wäre es nichts, was man ernst
nehmen könnte.
„Da
ist doch nicht dein ernst“, spottete er, und sie verschränkte zornig die Arme
vor der Brust.
„Malfoy,
ich werde nicht mit dir diskutieren. Du sagst mir nicht, was du hier willst,
wieso sollte ich überhaupt nur ein einziges Wort mit dir wechseln?“
Er
wirkte etwas verzweifelt. Sie sah ihm genau an, dass er nicht hier sein wollte.
Unter gar keinen Umständen. Aber seine Verzweiflung stand ihm ins Gesicht
geschrieben. Die nächsten Worte zerrissen sie beinahe.
„Und
du liebst ihn?“ Es war wirklich eine Frage. Sie sah all seine Abwehrmechanismen
auf einmal wirken, damit diese Frage unter gar keinen Umständen als wirklich
ehrliche Frage raus kam. Seine gespannten Muskeln, der spöttische Blick, all
das Malfoytypische, was ihn vor seinen wahren
Gefühlen immer schützen würde.
Sie
wusste, ihr blieb kaum eine andere Wahl. „Sicher tue ich das. Dir ist das
Prinzip der Ehe wohl nicht bekannt. Aber ich vergaß, ihr Malfoys
heiratet ja nur zum Sport, damit ihr euch mehrere Geliebte halten könnt“,
spuckte sie ihm entgegen. Wieder ein neuer Punkt, warum ihr Puls bei seinem
Anblick keine Rekorde schlagen sollte.
Seine
Mundwinkel zuckten in der Andeutung eines Lächelns.
„Wie
kannst du ihn bloß heiraten, Granger? Diesen Idioten, diesen widerlichen
Weasley-Jungen?“ Seine Stimme klang sanfter als zuvor.
„Was
willst du von mir? Bist du jetzt fertig damit, dich über Ronald lustig zu
machen? Dann hau endlich ab.“
Sie
wandte den Blick über die Schulter, aber die beiden Betrunkenen stritten sich
immer noch über geeignete Verhütung. Der Ironie Willen, sollte Hermine
eigentlich mit von der Partie sein, überlegte sie dumpf. Malfoy konnte sich
gleich daneben setzen. Das wäre eine interessante Runde.
„Ich
hatte gedacht, ich weiß über dich Bescheid. Ich hatte geglaubt, du suchst dir
eine absolut idiotische Arbeit, wo du Elfen rettest und bösen Zauberern auf die
Finger klopfst. Aber dass du heiratest?“
„Du
heiratest doch auch, nehme ich an?“, gab sie spitz zurück, und sein Mund
schloss sich wütend.
„Ja,
aber… nur weil… Ach, du hast sowieso keine Ahnung. Merlin, ich… frag mich noch
einmal.“ Sie sah ihn verwirrt an.
„Was?“
„Frag
mich noch mal, ob ich es bereue mir dir geschlafen zu haben?“, knurrte er und
kam einen Schritt näher. Das sanfte Licht ihres Zauberstabs flackerte kurz,
weil er sie tatsächlich aus dem Konzept brachte. Er quittierte das mit einem
Grinsen. „Los, frag mich.“
„Wieso
sollte ich?“, hauchte sie und versuchte ihre Stimme nicht ganz so hilflos
klingen zu lassen.
„Weil
ich dir diesmal sagen würde, dass ich noch niemals etwas mehr bereut habe als
das. Ich bereue es mehr, als dass ich mir das Mal habe stechen lassen.
Hunderttausendmal mehr als das, Granger.“
Ihr
Verstand sagte ihr träge, dass sie nun wusste, dass er tatsächlich das Mal
trug. Aber es war eine wirklich unwichtige Information ihres Verstandes. Sie
kämpfte um Fassung, denn sie wusste, Malfoy würde sie heute bestimmt noch zum
Weinen bringen. Wie jedes Mal, wenn sie mit ihm sprach.
„Du
bist ein Arschloch, Malfoy“, erwiderte sie leise, und er lachte auf.
„Ja,
ich weiß. Ich weiß das. Aber anscheinend stimmt das nicht mehr. Ich versuche
wirklich, eins zu sein, Granger. Ich versuche wirklich, das zu tun, was ich
immer tun wollte. Womit ich niemals ein Problem hatte. Aber nein, das ist mir
nicht mehr möglich.“
Sie
verstand seine Worte nicht. Sie war sich auch nicht sicher, ob sie überhaupt an
sie gerichtet waren. Abrupt umfing er ihre Schultern und schüttelte sie heftig.
„Ich
hatte einen Plan, Granger. Einen wirklich guten Plan. Aber nein, du musst ja
unbedingt Weasley heiraten! Wieso? Wieso tust du mir das an?“
„Ich tue dir überhaupt nichts an. Du
hattest deine Chance, Malfoy!“ Oh, ja sie würde weinen. Wieso war er hier?
Damit sie wieder weinte? Wahrscheinlich gefiel ihm diese Aussicht gut.
„Ich
will keine Chance, Granger! Ich… ich will… Ich…“ Er suchte panisch nach Worten.
Sie sah es hinter seinen Augen arbeiten. Sie sah, wie er seine Optionen abwog.
Sie sah, wie er mit sich selber kämpfte, aber sie wusste nicht warum.
„Wieso bist du hier?“, wiederholte sie ihre Frage zum dritten Mal, und sein
Griff wurde schmerzhaft.
„Weil ich dich sehen musste.“
Und
seine Worte taten ihrem Ego wirklich gut. Aber sie hätten zu keinem
ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Außerdem war es absurd von ihm, so etwas
zu behaupten. Absolut unpassend und verrückt.
„Malfoy,
ich bin verlobt, verflucht noch mal.“
„Ich
weiß das“, gab er wütend zurück, und sie starrten sich an. „Aber das akzeptiere
ich nicht.“ Er klang trotzig, als wäre er zehn Jahre alt und müsste sich mit
einer Eissorte abfinden, die ihm nicht schmeckte.
„Das
ist nicht deine Angelegenheit. Und jetzt verschwinde endlich, bevor sie dich
entdecken.“
„Was
sagst du dann?“
„Keine
Ahnung. Gar nichts, nehme ich an.“
„Würdest
du immer noch schwanger sein, dann hätte er dich nicht genommen“, murmelte er
zornig. Sie schluckte schwer. Die Hysterie drang langsam an die Oberfläche. Das
gehörte mit zu den Gründen, warum er sie überhaupt nahm! Aber das konnte sie
Malfoy ja nicht auf die Nase binden.
Ihr
Leben war ein Albtraum. „Das hättest du ja auch nicht getan“, knurrte sie
verächtlich und riss sich endlich aus seinem Griff los. Außerdem, wieso sagte
er das in so einem bedauernden Ton? Er war absolut verrückt. Nur weil er nicht
wollte, dass Ron sie heiratete, wollte er auf einmal, dass sie wieder schwanger
war?
Hermine, du bist
schwanger! Von ihm. Immer noch. Nichts dürfte dich hier draußen vor dem
Gartentor halten. Gar nichts.
„Ich…
ach, vergiss es, Granger.“
Wieder
starrten sie sich an. Sie wandte sich langsam um. „Was tust du?“
„Ich
gehe. Sieht man das nicht?“
Sie
hatte sich schon viel zu lange nur
die Beine vertreten. Sie hörte, wie er näher kam. Er umfasste hart ihren
Oberarm.
„Nein“,
hörte sie seine harte Stimme und versuchte, sich wieder zu wehren.
„Hör
auf damit!“
„Dann
hör auf wegzulaufen.“
„Malfoy,
du bist-“
Er
küsste sie.
Ohne
ihr Einverständnis, aber das schien ihn ja nie zu stören. Und es war so anders
als bei Ron. Aber das durfte es nicht sein. Sie gönnte sich kaum eine Sekunde
das Gefühl seiner vollen Lippen auf den ihren, bevor sie ihn von sich stieß. Er
ließ lediglich von ihren Lippen ab, hielt sie aber immer noch in seinem festen
Griff.
„Bist
du übergeschnappt? Lass mich los! Sofort!“, piepste sie und versuchte keine
Szene zu machen, die Molly und Ginny herlocken würde.
„Granger,
ich-“
„-nein!
Ich will keine Erklärung haben, Malfoy!“ Noch immer hielt er sie fest, und der
Sturm in seinen Augen brachte sie noch um den Verstand. „Du hast nicht das
Recht, mir alles kaputt zu machen. Denkst du, ich weiß nicht, dass du genau das
tun willst?“
Sein
Kiefermuskel spannte sich. „Aber das lasse ich nicht zu. Du bist erbärmlich,
Malfoy. Und das weißt du.“
„Ja“,
sagte er ruhig. „Ja, ich weiß.“
Das
änderte nichts. Seine Einsicht änderte nichts. Er musste sie gehen lassen. Er
musste einfach. „Reicht das aus, um dich noch einen Moment zu halten?“ Seine
Verzweiflung zerrte an ihrer Seele. Nein, er hatte kein Recht so zu sein! Er
hatte seine Chance verspielt.
Ganz
einfach. Sie schüttelte den Kopf. Aber er schüttelte seinen ebenfalls.
„Bitte.
Ich bitte dich, Granger. Keine Ahnung, warum es so ist, aber es ist eben so. Ich schwöre dir, sobald Weasley dich zwingt sein
armes Bettelleben mit ihm zu teilen, bin ich fort. Fort aus deiner Welt. Aber…
aber im Moment, lass mich einfach bleiben.“
Jetzt
weinte sie.
„Du…
musst… ich muss jetzt gehen.“ Wieder sah er sie weinen. Wieder war er schuld
daran. Er war schuld daran, dass sie sich nicht vom Fleck rühren konnte, dass
sie den Drang verspürte in seine Augen zu sehen. Am liebsten würde sie es ihm
sagen. Aber auch wenn sie kein geregeltes Essverhalten mehr besaß, sie besaß
immer noch ihren verfluchten Stolz. - Den er immer wieder zu brechen drohte.
Wieder
senkt er seine Lippe. Ihre Knie wurden weich. Und das Schlimme war, dass sie
sich nichts sehnlicher wünschte, als dass er sie die ganze Nacht lang küssen
würde.
Mit
einem Seufzen schloss sie die Augen. Sie brauchte seine Nähe wie ein Glas
Wasser in der Wüste. Hungrig küsste er sie. Seine Zunge glitt mühelos in ihren
Mund, und seine Hände krallten sich verzweifelte in ihr Hüfte und brachten sie
noch näher an sich. Ihr Zauberstab war erloschen. Selbst mit all ihrer
Willensstärke hätte sie ihre Gedanken nicht mehr dazu bringen können, den Lumoszauber zu vollführen. Ihre Gedanken schwebten
mittlerweile meilenweit entfernt über der Erde.
Etwa
dort, wo ihr Gewissen auf sie wartete…
Sie
schlief nicht. Keine Sekunde. Sie hörte, wie die Männer wieder kamen. Ginny und
Molly hatten sich schon lange schlafen gelegt. Sie war aber nüchtern und wach.
Und sie hatte sich dreimal die Zähne geputzt und schmeckte ihn immer noch.
Sie
erhob sich leise, zog den Bademantel über und schlich nach draußen. Angetrunken
taumelte Ron die Treppe hoch, nachdem er sich von Harry verabschiedet, und ihm
ein Stockwerk tiefer eine Gute Nacht gewünscht hatte.
Er
war tatsächlich angetrunken. Wie alle heute Abend. Außer sie selbst. Aber das
schien auch nicht nötig zu sein, um Mist zu bauen. Ihn zu sehen, war Beruhigung
genug. Er stutzte als er sie erkannte und grinste schief.
„Du
bist ja noch wach. Hab… hab ich dich geweckt?“ Er versuchte zu flüstern, wurde
aber beim Sprechen immer lauter. Sie schüttelte bloß den Kopf. Ron war der
Richtige. Absolut der Richtige. In zwei Wochen würde sie ihn heiraten.
Schon
wieder kamen die Tränen, dabei hatte sie gar kein Recht zu weinen. Sofort
stürzte Ron auf sie zu. „Merlin! Hermine, was ist? Ist was mit dem Baby? Fühlst
du dich schlecht, hast du Schmerzen?“ Die Sorge in seinen Augen, ließ sie noch
heftiger Schluchzen.
„Nein.
Alles ok“, brachte sie hervor und strich sich mit dem Handrücken die Tränen vom
Gesicht. „Ich hab dich bloß vermisst“, fügte sie leise hinzu.
„Oh.“
Damit schien er nicht gerechnet zu haben. „Ach so. Deswegen musst du nicht
weinen.“ Er hob abwehrend die Hand. „Bin doch da“, fügte er grinsend hinzu. Sie
schloss ihn in die Arme. So standen sie auf dem dunklen Flur.
„Ich
hab dich auch vermisst“, sagte er eine Weile später und strich ihr über die
Haare. Er drückte ihr einen Kuss auf den Ansatz, aber das reichte ihr nicht.
Sie wollte noch einmal seine Lippen spüren und sich vergewissern, dass da nicht
vielleicht doch ein kleiner Funke war, der überspringen würde, wenn sie ihm nur
die Chance dazu gab.
Sie
legte den Kopf in den Nacken. Für einen Moment starrte er sie verwirrt an.
„Küss
mich, Ron.“ Befahl sie leise. Und er leistete Folge.
Sie
schloss die Augen, sie ließ sich fallen, öffnete die Lippen, küsste ihn so
heftig, dass sie schon nach Sekunde nach Atem ringen musste. Sie sah, dass er
vollkommen gebannt auf ihre Lippen starrte, als sie sich keuchend von ihm
gelöst hatte, aber sie selber spürte nicht das Kribbeln, das Malfoys bloße Anwesenheit schon bei ihr auslöste.
Sie
schämte sich. Sie schämte sich so sehr, dass sie den Blick senken musste.
„Wow…“,
sagte Ron und sie wusste, es kostete ihn Anstrengung sie loszulassen.
„Ich…
werde jetzt besser schlafen“, informierte sie ihn knapp.
„Jaah. Ja, ok. Gute Nacht, Hermine.“
Sie
konnte sich nicht überwinden. Sie konnte es einfach nicht. Aber wenn man keine
Wahl mehr hatte, vielleicht hatte man die Chance, sich irgendwann einfach zu
gewöhnen. Man konnte sich ja bekanntlich an alles gewöhnen, wenn man musste.
Mit
diesen Aussichten schloss sie die Tür ihres Zimmers hinter sich. Eigentlich war
es Bills Zimmer, aber dieser würde es wohl nicht mehr brauchen. Ron stand immer
noch auf dem Flur, als sie die Tür schloss. Hoffentlich blieb er da nicht zu
lange stehen, überlegte sie, als sie sich die Decke fest um ihren Körper
wickelte.
~*~
Immer
noch lag er träge im Bett, obwohl die Sonne bereits lange Strahlen in sein
Zimmer warf. Es war noch Mittag, da war er sicher. Für gewöhnlich kümmerte sich
seine Mutter darum, dass er nicht länger als neun Uhr schlief, denn sie hielt
es für wichtig, dass man den Tag früh begann. Aber heute war er nicht geweckt
worden. Keine Elfe hatte ihn mit dem gewöhnlichen „Guten Morgen, Master Draco!“
aus seinen wirren Träumen geholt.
Das
konnte eigentlich nur eine einzige Sache bedeuten.
Das
war sein Henkersmorgen. Wahrscheinlich verbrachte er gerade seinen letzten
Stunden in Freiheit, bevor Lucius oder seine Mutter ihm die schlimme Nachricht
überbrachten.
Es
war ungewöhnlich still im gesamten Haus. Entweder waren alle ausgeflogen, oder
sie waren im Garten. Sie saßen allerdings nur im Garten, wenn sie Besuch
bekamen oder seine Mutter sich dazu herabließ mit den Käfern und
Schmetterlingen die Veranda zu teilen.
Seine
Mutter hasste es, draußen zu sitzen und von Mücken zerstochen zu werden. Seine
Frist nahm ein jähes Ende.
„Master
Draco. Ihr seid wach. Das ist gut.“ Eine kleine Elfe, sie war neu, stellte er
nebenbei fest, hatte die Tür magisch geöffnet und knetete nervös ihr hässliches
Küchentuch, das sie als Toga umgebunden hatte.
Seufzend
stützte er sich schwerfällig auf seine Ellbogen.
Gut.
Das war es dann also.
„Auf
der Veranda wartet Besuch.“ Er konnte nicht sagen, ob die Elfe sich darüber
freute, oder ob sie große Angst hatte und ihre Stimme deshalb zitterte.
Es
war also so wichtiger Besuch, dass seine Mutter die Natur nicht scheute. Diese
Tatsache ließ ihn nicht weiter darüber nachdenken, was die kleine Elfe gerade
dachte. Er erhob sich und überlegte in seinem Kopf, ob er sich Mühe bei der
Kleiderauswahl geben sollte. Aber er verzog den Mund. Es war völlig egal, denn
bedauerlicherweise entstellte ihn nicht einmal der hässlichste Fetzen Kleidung.
Er hätte sich das Küchentuch der Elfe umbinden können, und sähe trotzdem noch
annehmbar aus.
Er
war in dieser Hinsicht nicht selbstverliebt oder arrogant. Aber er hatte mit
der Zeit gelernt, dass sein gutes Aussehen eben einfach zu ihm gehörte. Genau
wie seine verkommene Familie oder das Dunkle Mal auf seinem linken Unterarm,
das wenigstens langsam an Schwärze verlor.
„Ich
komme gleich“, entgegnete er langsam. Die Elfe verschwand hastig, und er
streckte sich ein letztes Mal in Freiheit. Er würde schnell duschen, an Granger
denken, sich anziehen, an Granger denken und nach draußen gehen, während er ein
letztes Mal an Granger dachte.
Am
liebsten würde er jetzt in diesem Moment seinen Namen aufgeben und zu ihr
gehen, um sie davon zu überzeugen, Weasley abzuschießen und mit ihm hundert
wilde Nächte zu verbringen. Seine Besessenheit nahm nicht ab. Nicht einmal
jetzt wurde sie weniger. Aber er hatte einen starken Charakter, einen starken
Stolz und eine starke Abhängigkeit gegenüber seinem Vermögen.
Also
würde er nichts dergleichen tun und das Mädchen kennen lernen, was Lucius als
gerechte Strafe für ihn auserkoren hatte.
~*~
„Hermine,
was ist los? Hörst du mir zu?“
Nein,
tat sie nicht.
„Sicher,
Eintracht Pfützensee hat dich angeschrieben“,
wiederholte sie tonlos seine Worte.
„Das
ist das gleiche Team, in dem Wood spielt!“
„Harry,
wenn du Sucher in einem regionalen Team werden möchtest, dann tu es einfach.
Aber du musst darüber nachdenken, dass du vielleicht… na ja, vielleicht nicht
immer abkömmlich sein wirst“, gab sie zu bedenken, und er verzog den Mund.
„Ich
muss nach den Ferien zu Dumbledore. Und vielleicht muss ich nicht fort.
Vielleicht löst sich das Problem von selbst. Voldemort besitzt keine eigene
Macht mehr.“
Hermine
seufzte. Wenn Harry sowieso schon seine Meinung vorgefertigt hatte, dann hatte
sie kaum Chancen ihn zu überzeugen.
„Gut.
Dann… tu, was du willst“, erwiderte sie lapidar.
„Ist
es die Schwangerschaft? Fühlst du dich heute nicht so wohl?“ Er hatte die
Stimme gesenkt, obwohl sie alleine im Sonnen beschienenen Garten saßen.
Das
war wohl die einfachste Erklärung.
„Ahem… jaah. Mein Magen rebelliert
seit heute Morgen. Tut mir leid“, fügte sie hinzu, und er nickte
verständnisvoll.
„Kein
Problem. Sei wie du sein willst. Wenn du mich anschreien möchtest, kannst du
das auch gerne tun.“
Sie
lächelte. Es war gut zu wissen, dass sich alle kümmerten. Heute waren Ginny und
Molly in die Stadt gegangen, um die Garnituren zu bestellen und ihre Maßen an
Madame Malkin weiter zu geben. Molly hatte bereits
Zuhause die Maße genommen. Eigentlich hatte Hermine mitkommen wollen, aber als
sie heute Morgen eingewandt hatte, dass sie sich nicht ganz wohl fühlte, hatte
Ginny Molly überzeugt, dass Hermine nicht anwesend sein musste.
Da
auch Molly das Kleid aussuchen würde, hatte Hermine wenig zu tun. Molly war
begeistert, dass Hermine sie alles planen ließ – im Gegensatz zu Fleur – dass
sie Ginny nicht widersprochen hatte. Würde Molly dann erfahren, dass sie in
Umständen war, würde sie wahrscheinlich gar nicht mehr das Haus verlassen
dürfen.
„Ich
habe ein paar Bewerbungen abgeschickt. Ins Ministerium, an Gringotts
und zu verschiedenen magischen Unternehmen, die sich auch mit Muggelkorrespondenz beschäftigen.“ Harry runzelte die
Stirn.
„Ans
Ministerium? Du willst dort arbeiten?“
Sie
ruckte mit dem Kopf.
„Ich
werde irgendwann eine Arbeit brauchen. Und Arthur arbeitet auch im Ministerium,
also ist es ja wohl nicht so schlimm. Und die Bezahlung ist ebenfalls gut“,
rechtfertigte sie ihre Position, und Harry nickte bloß.
„Sicher,
aber… na ja, ich glaube nicht, dass… du erst mal überhaupt arbeiten wirst.“
„Sagt
wer?“, fragte sie herausfordernd. Sein Blick wanderte zu ihrem Bauch.
„Na
ja. Sagen wir mal, das Kind.“
„Ja,
aber danach.“
„Danach?
Du wirst dich doch mit Erziehung beschäftigen, oder?“ Ron war nach draußen
gekommen, und das schlechte Gewissen schlug wieder zu, als sie ihn anblickte.
Wie selbstverständlich kam er zu ihr, senkte den Kopf und küsste sie kurz auf
den Mund.
Sie
ließ ihn gewähren, denn was sollte sie sonst auch tun?
„Ja,
aber wer zahlt die Miete?“
„Wir
wohnen hier. Vorerst, dachte ich.“
Sie
seufzte. Ja, natürlich. Das würde Molly bestimmt großartig in den Kram passen.
„Dann kann Mum sich nämlich erst mal um das Kind mit
kümmern, bis ich genug verdiene, um uns dann einen ausreichenden Unterhalt zu
bieten.“ Sie ahnte wohin dieses Gespräch führen würde.
„Ron,
ich will keine Hausfrau sein.“ Er verzog den Mund.
„Ich
sage ja nicht, dass du niemals arbeiten sollst, aber… im Moment ist das doch
keine Sorge. Die nächsten drei Jahre musst du nicht arbeiten, Hermine.“ Oh
Gott. Drei Jahre nicht arbeiten? Was stellte er sich denn vor? Dass sie jeden
Nachmittag auf ihn wartete? Das sie Essen kochte, wie ein kleines, armes
Heimchen, das komplett abhängig von ihrem Mann war?
Sie
hatte nicht den besten Abschluss gemacht, damit sie ihre Fähigkeiten vergeuden
konnte.
„Ron,
ich werde bestimmt nicht drei Jahre Zuhause sitzen“, entrüstete sie sich, und
zum ersten Mal sah sie wieder den Ron vor sich, mit dem sie sich stundelang
über B.Elfe.R gestritten hatte.
„Aber
Hermine! Du bist dann Mutter. Du kannst nicht einfach losziehen und arbeiten.
Das möchte ich nicht. Ich will, dass… dass wir eine Familie werden“, fügte er
trotzig hinzu, und ihr Herz zog sich zusammen.
Das
würde eine tolle Familie werden. Das Kind war nicht vom Vater, mit dem sie dann
verheiratet war, sondern von einem Arschloch, der glaubte, sie hätte es
entfernen lassen. Und sie hatte ihren Mann nur aus der Not heraus und ohne
echte Liebe geheiratet. Ja, das Kind würde vollkommen normal werden.
„Das
kann man auch, auch wenn beide Elternteile arbeiten.“ Elternteile… Ein
seltsames Wort. Noch immer war es ihr ein Rätsel, wie Ron sich so einfach dazu
entschließen konnte, sie heiraten zu wollen. Liebte er sie so sehr, dass es ihm
nichts ausmachte, dass es nicht sein Kind war? Er zeigte eine Größe, die sie
von ihm nicht erwartet hätte. Und die sie auch nie wieder würde gut machen
können.
„Lass
uns jetzt nicht mehr streiten. Ich glaube, ich höre den Kamin.“ Anscheinend
kamen die beiden Frauen zurück. Hermine nickte bloß zu seinem Vorschlag.
„Hoffentlich passt du in zwei Wochen noch ins Kleid.“, witzelte Ron, aber sie
sah ihm die Hysterie deutlich an.
„Ron,
bis jetzt sieht man nichts von dem Baby. Ich gehe davon aus, dass ich in zwei
Wochen nicht auf einmal zum Ballon werde.“
Er
öffnete den Mund, aber der Streit wurde unterbrochen, als Ginny und Molly in
den Garten kamen.
„Oh,
Hermine, du musst es anprobieren! Es ist noch nicht das endgültige Kleid, aber
es ist ähnlich. Du wirst es lieben!“ Sie hatten ihr ein Kleid mitgebracht, nur
zum anziehen? Sie erhob sich unschlüssig.
„Komm
schon, ich kann es kaum erwarten.“
„Und
Ron, du wirst nicht hochkommen. Du weißt ja, es bringt Unglück.“
Ron
verzog den Mund. „Selbst bei einem Kleid, was sie gar nicht wirklich anziehen
wird?“
„Hochzeitskleid
ist Hochzeitskleid.“, bemerkte Molly lächelnd und zog Hermine ins Haus.
Wieder
wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie erst siebzehn war und dass die meisten
Mädchen nicht mit siebzehn Jahren heirateten. Aber sie war eben nicht die
meisten Mädchen…
~*~
Er
schritt die Marmortreppe hinab und hörte bereits die laute Stimme seines
Vaters. Gott, er musste sich so zusammen reißen, damit er nicht die Flucht
ergriff. Er streckte den Rücken durch, strich noch einmal über die dunkle
Anzughose und richtete den weißen Hemdkragen über dem hellen Blazer.
Seine
Haare hatte er locker zurück gekämmt. Einzelne Strähnen fielen in seine Stirn,
aber das störte ihn nicht. Ihm war aufgefallen, dass die Mädchen es mochten. Im
Rahmen der Flügeltüren zur Terrasse blieb er stehen. Seine Augen inspizierten
die Situation.
Seine
Eltern und anscheinend die Eltern der Auserwählten saßen auf den teuren und
ziemlich makabren Elfenbeinstühlen und lachten laut. Er hörte, dass Narzissa
nur gute Miene zum bösen Spiel machte.
Endlich
traf sein Blick auf das Mädchen. Zu seiner ersten Erleichterung war sie recht
unauffällig. Sie war nicht dick, aber sie war auch nicht hübsch. Ihr Gesicht
kam ihm bekannt vor, aber er war sich sicher, dass sie nicht in Slytherin
gewesen war. Auch ihr Alter konnte er nicht recht einschätzen. Sie schien wohl
so alt zu sein, wie er selber, aber vielleicht irrte er sich auch.
„Ah,
Draco. Wie unhöflich erst so spät aufzutauchen.“ Lucius lächelte immer noch,
aber Draco sah, dass seine Augen davon unberührt blieben.
„Verzeihung“,
würgte er gezwungen hervor und betrat die Terrasse. Das Mädchen verschlang ihn
förmlich mit ihren Augen, die sich vor Neugierde geweitet hatten.
„Ich
bin sicher, du erkennst die Zabinis, Draco?“, half
ihm sein Vater nach, und plötzlich fiel Draco wieder ein, warum ihm ihr Gesicht
bekannt vorkam. Es war Zabinis hässliche, und vor
allem viel ältere Schwester. Er schluckte schwer, denn sein Mund wurde trocken.
„Sicher.
Guten Tag. Ich entschuldige meine Verspätung.“ Er erreichte den Tisch,
schüttelte Hände und setzte sich widerwillig auf den freien Stuhl neben Teresa.
Teresa Zabini. Selbst Blaise schämte sich für seine fast dreiundzwanzig Jahre
alte Schwester, die keinen Mann abbekam. Oh, er würde seinen Vater fertig
machen. Das konnte nicht sein ernst sein!
„Ich
freue mich wirklich über diese Verbindung“, begann jetzt Hector Zabini das
Gespräch von neuem. „Die beiden Vermögen zusammen genommen ergeben eine
beachtliche Summe, nicht wahr, Lucius?“ Draco hatte diesen unfreundlichen Mann
noch niemals so nett erlebt. Wahrscheinlich war er dankbar über Lucius’
Vorschlag, dass Draco ja seine Tochter nehmen könnte.
Oh,
Blaise würde ihn auslachen. Bis zu seinem Tod.
„Vielleicht
dreht ihr eine Runde, Draco?“, forderte sein Vater ihn mit dem eisigen Grinsen
jetzt auf und ließ ihm keine Chance seinen Tee auch nur anzusehen. Steif erhob
sich Draco wieder, und das Mädchen stolperte hinter ihm her. Eine Grazie war
sie nicht. Nein. Sie war eine alte Jungfer. Jedenfalls im Vergleich zu Granger…
Gott, wie fantastisch wäre da die Aussicht, Granger zu heiraten.
Vielleicht
könnte er ja mit Weasley tauschen? Er wurde wieder einmal hysterisch.
Vielleicht war er dehydriert. Natürlich wäre ein Reinblut
einem Schlammblut immer vorzuziehen. Aber müsste er rein visuell entscheiden,
dann wäre er sich nicht sicher, ob er nicht doch eher zu Granger tendieren
würde. Egal was für Blut sie hatte.
„Bist
du das erste Mal hier in der Gegend?“, begann er eine langweilige Konversation,
wobei das Mädchen nur dümmlich kicherte, als auch nur zwei seiner
oberflächlichen Fragen zu beantworten. Das wirklich Schlimme war, dass er sich
nicht mal am letzten Tag dieser schönen Welt vorstellen könnte, mit diesem
schlaksigen, intellektuell unterentwickelten Wesen, Sex zu haben.
Bei
Merlin, er würde exakt genauso werden wie sein Vater.
„Ich
hasse dich dafür.“
Sie
hatten Rollen getauscht. Missmutig saß er auf dem Stuhl in dem Studierzimmer seines
Vaters. Lucius grinste. Wie ein Teufel sah er aus.
„Oh
nein. Du wirst mir dankbar sein. Das Vermögen der Zabinis
sollte dich für diese… Bürde entschuldigen.“ Draco wusste, Lucius hätte dieses
Mädchen niemals genommen. Niemals.
„Sie
ist sechs Jahre älter als ich, Vater.“
„Nein.
Sie ist fünf Jahre und elf Monate älter als du.“ Sein Grinsen wurde breiter.
„Du hast immer noch die Chance abzulehnen, Draco.“
Und
die hatte er eben nicht.
„Fein.
Ich werde sie heiraten.“ Sein Vater hob spöttisch die Augenbrauen.
„Merlin,
du willst wirklich all deine Möglichkeiten aufs Spiel setzen und dieses Monster
heiraten, bloß um mich zu ärgern?“ Draco sah seinen einzigen Trumpf in seiner
Berufswahl. Und diese Wahl war ihm jetzt völlig klar. Glasklar. Und er wusste, Lucius
würde es hassen. Bis zu seinem Tod.
„Ich
werde dann heute meine Bewerbung abschicken.“
„Zu
den Kobolden?“, spottete sein Vater kalt, und jetzt grinste Draco dasselbe
Grinsen seines Vaters. Dieser schien für einen Moment verunsichert.
„Nein,
Lucius.“
Sehr
selten ließ ihm sein Vater diese persönliche Anrede durchgehen. Jetzt auch nur,
weil er glaubte, Dracos Ruin sei sicher.
„Ach
nein?“ Ganz konnte er die unverhohlene Befürchtung nicht abschütteln.
„Nein.
Ich schreibe an Dumbledore.“ Lucius‘ Grinsen gefror augenblicklich.
„In
welchem Anliegen?“ Doch er wusste, sein Vater wusste Bescheid.
„Ich
werde mich als Lehrer in Hogwarts bewerben.“
„Du…
-aha. Das ist dein Ernst?“ Es war wie ein Duell aus Worten. Ein verbaler Kampf,
den die Malfoys alle beherrschten. Worte waren ihre
Kriegskunst.
„Oh
ja“, erwiderte Draco und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sein Vater zwang
ihn sein privates Leben wegzuwerfen und auf Liebe zu verzichten. Schön, dann
würde er seinen Vater in seinem beruflichen Leben jeden Tag daran erinnern,
dass er es Dumbledore geben würde.
„Schön.
Dann werde ich die Einladungen drucken lassen. Dann bist du nächsten Monat ein
verheirateter Mann.“ Zum ersten Mal benutzte sein Vater das Wort Mann in Bezug
auf ihn.
„Ja.
Tu das. Ich werde gehen. Entschuldige mich, Vater.“
Er
ließ Lucius zurück und wusste, er würde bestimmt noch einmal versuchen, ihn
abzuhalten. Wenn auch nicht mehr heute Abend. Wahrscheinlich hegte er auch noch
die Hoffnung, dass Dumbledore ihn ablehnen würde. Aber Draco wusste, Dumbledore
würde ihn mit offenen Armen empfangen. Und das Schlimme daran? Er fühlte sich
gut bei diesem Gedanken.
~*~
„Du
siehst atemberaubend aus.“
Sie
fand, sie sah eher aus wie eine Made im Speck. Das Kleid war viel zu eng. Und
viel zu lang. Zu viele Perlen auf der Schleppe. Und überhaupt, eine Schleppe
würde nur dazu beitragen, dass sie stolpern würde.
„Jetzt
noch den Schleier“, flüsterte Ginny ehrfurchtsvoll und berührte den seidigen
Stoff mit großer Vorsicht, als könne er zerbrechen. Molly platzierte ihn auf
Hermines Kopf, und jetzt konnte sie immerhin das grauenvolle Kleid nicht mehr
sehen.
„Was
hältst du davon?“
„Ahem. Es ist sehr schön.“
„Sehr
schön? Es ist atemberaubend!“, wiederholte Molly und wischte sich eine Träne
aus dem Augenwinkel.
Gut,
dann würde Hermine eben ein Kleid tragen, in dem sie wie eine Wolke aussah.
Wenn es Molly glücklich machte. Bitteschön. Sie tat das alles sowieso irgendwelchen
anderen Menschen zu liebe. Deswegen fiel es ihr nicht schwer, ihre Meinung
zurück zu stellen.
Sie
wusste, man sollte nicht heiraten, weil andere es von einem erwarteten. Und sie
wusste, sie sollte auch kein Kind von jemandem bekommen, der nicht bereit war,
dafür gerade zu stehen. Aber das war jetzt alles unwichtig. Für sie war es
bestimmt richtig so. So musste es eben sein. Und sie hätte es wesentlich
schlimmer treffen können.
Sie
trug sowieso nur sehr ungern Kleider. Und dann auch noch so einen Albtraum von
Kleid… Aber sie nahm es gelassen hin.
„Gut,
dass Hermine nicht weint. Sonst müssten wir es noch magisch reinigen lassen,
bevor wir es zurück geben.“
Das
war Mollys einzige Sorge? Na ja, besser als anderen Sorgen.
„Oh,
Ron wird sich kaum einkriegen. Obwohl das echte Kleid etwas anders aussieht.
Die Schleppe ist leider nicht so lang. Aber das wäre auch viel zu teuer.“
Gold.
Oh. Das hatte sie völlig vergessen.
„Ich
werde es natürlich bezahlen. Ich hatte das völlig vergessen, Molly. Natürlich musst
du nichts davon bezahlen.“ Wie hatte sie das vergessen können?
„Unsinn,
mein Schatz. Sieh es als Geschenk. Das ist doch das Mindeste, meine
wunderschöne Hermine.“ Und wieder konnte sie sich nicht erbärmlicher fühlen.
Hier stand sie. In einem Kleid, dass Molly Weasley bezahlen würde. Zumindest
ein ähnliches, was auch nicht günstiger war. Molly würde das Essen kochen, das
Fest ausrichten, und sie? Sie kam sich wie ein Schmarotzer vor. Bekam das Kind
eines anderen, zwang Mollys Sohn, sie zu heiraten und ließ seine Mutter und
seinen Vater auch noch dafür bezahlen.
Die
Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Oh
Mum, gleich weint sie doch!“ Ginny eilte zu Hermine
und drückte sie aber nur leicht, damit das Kleid keine Falten bekam.
Wie
grauenhaft doch solche Hochzeiten sein konnten. Sie hoffte nur, sie käme
rechtzeitig aus dem Kleid, bevor ihr wieder schlecht werden würde.
~*~
Soll
ich Pansy mit auf die Einladungsliste setzen?“, erkundigte sich Narzissa, die anscheinend
jetzt sogar eher Pansy bevorzugte. Aber Lucius hatte ihr wohl klar gemacht,
dass diese Option nicht in Frage käme.
„Mir
ist es gleichgültig, Mutter. Wenn du es willst.“
„Sie
haben uns auch zu ihrem Gartenfest eingeladen. Es wäre höflich.“ Mit
geschürzten Lippen, schrieb Narzissa den Namen Parkinson auf das Pergament.
Das
war ihre einzige Arbeit. Denn die Hauselfen würde die Einladungen schreiben
müssen.
„In
der Stadt habe ich Molly Weasley bei Madame Malkin
getroffen.“ Sie begann diese Geschichte, als erzähle sie einen besonders
gemeinen Witz. Dracos Fäuste ballten sich hinter seinem Rücken. „Du glaubst es
nicht. Ihr jüngster Sohn wird diese Granger heiraten,
diese Muggelstämmige“, fügte sie hinzu als ob Draco
darüber nachdenken musste, wer Granger denn noch mal war.
„Aha“,
gab er bemüht gleichgültig zurück.
„Ich
denke mal, sie ist schwanger.“
Draco
verzog den Mund. Natürlich dachte seine Mutter so etwas. Und ja, Granger war
auch schwanger gewesen, allerdings von ihm. Jetzt würde sie sich bestimmt
hüten, noch einmal schwanger zu werden.
„Ich
meine, unter adeligen Familien ist es üblich, früh zu heiraten, damit das
Vermögen sicher ist, aber bei solch armen Familien…- Und ihre Eltern sind
anscheinend Heiler für Zähne?“ Sie lachte spöttisch, während sie weitere Namen
auf die endlose Liste setzte.
„Zahnärzte“,
verbesserte sie Draco, ohne nachzudenken.
„Was
auch immer.“ Seine Mutter schien es nicht zu schätzen, dass er sie korrigierte.
Er biss sich auf die Wangen, damit er nicht weiter sprach.
„Jedenfalls
nehme ich es an. Granger wird sich von diesem dummen Jungen geschwängert haben
lassen. Und jetzt ist ihre einzige Chance, schnell zu heiraten, bevor sie
keiner mehr will.“
„Vielleicht
heiraten sie aus Liebe, Mutter?“ Wieder hatte gesprochen, ohne dass er es
wollte.
„Liebe?
Seit wann interessiert dich das?“ Sie nahm es ihm anscheinend übel, dass er
sich so leicht mit Lucius’ Wahl zufrieden gegeben hatte. Frauen… Sie wollte
nicht, dass er für Voldemort arbeitete, aber wenn er dann den anderen Weg
einschlug, dann war es ihr auch nicht recht.
Wahrscheinlich
wollte seine Mutter insgeheim, dass er doch so wurde wie sein Vater, damit sie
keinen Grund hatte, einen von ihnen anders zu behandeln. Er war noch nie durch die
Psyche seiner Mutter durchgestiegen. Es lag wohl in der Familie der Blacks,
dass alle dort etwas… nun ja… verrückt waren. Anscheinend hatte er das geerbt.
Von
beiden Elternteilen nur das schlechte, dachte er grimmig. Eigentlich brauchte
ihn seine Mutter nicht, für das zusammenstellen der
vielen Namen, von denen er sowieso nur die Hälfte kannte. Außerdem Namen, die
jeder sofort mit Voldemort in Verbindung bringen konnte.
„Jedenfalls,
glaub mir, wenn ich sage, das Mädchen ist schwanger. Du sagtest, sie war
ebenfalls Schulsprecherin?“ Er hörte seiner Mutter an, dass sie es für
unwahrscheinlich hielt, dass eine Muggelgeborene
Schulsprecherin gewesen war. „Und sie war genauso gut wie du, richtig?“
Hatte
er das wirklich erzählt? Sprach er schon von Granger, ohne es selber wirklich
mitzubekommen? Salazar… er war ein Weichei. Seine Mutter schien seine
Bestätigung nicht zu brauchen. Da ähnelte sie Pansy sehr. Oder vielleicht waren
alle Frauen so. Außer die eine natürlich. Ach,
halt doch deine Klappe.
„Wenn
sie so clever ist, dann würde sie mit siebzehn ihr Leben nicht einfach in eine
aussichtslose Heirate investieren.“ Er stimmt nicht überein. Auch wenn es ihm
so vorkam, als würde Granger Weasley wirklich nicht lieben, wäre er in ihren
Augen immer noch eine gute Partie.
Aber
seine Mutter hatte in einem Punkt recht. Granger war siebzehn. Und wenn sie
Weasley sowieso irgendwann geheiratet hätte, warum dann ausgerechnet jetzt?
Sein Verstand ließ ihn wieder im Stich. War sie schwanger von Weasley? Die
Antwort war einfach: Nein. Denn Granger war keine Schlampe. Scheiße. Wieso konnte er nicht einmal
mehr das von ihr denken? Immerhin hatte sie ihn geküsst, obwohl sie verlobt
gewesen war. Aber eigentlich war das auch seine Schuld gewesen. Wäre er nicht
gekommen, dann hätte sie ihn wahrscheinlich auch nie wieder geküsst.
Nie wieder geküsst.
Er
spürte einen Stich in seiner Brust. Wieder Eifersucht? Er lernte immer mehr
neue Seiten an sich kennen, von denen er gar nicht wusste, dass er über sie
verfügte. Eifersucht war nur eine. Da gab es auch Bedauern, Mitgefühl, sturköpfige Dummheit und der Hang zu übertrieben
gefährlichen Situationen, wie zum verkommen Fuchsbau zu apparieren,
obwohl er von sämtlichen Familienmitgliedern der Weasleys
hätte entdeckt werden können. Die können einen Weasley an jeder Ecke des Hauses
aufstellen und hätten dann immer noch doppelt so viele zur Verfügung, um ihn zu
Tode zu fluchen.
„Wieso
fällt es dir schwer, so etwas Simples zu glauben, Draco?“, beharrte seine
Mutter etwas beleidigt, da sie es nicht leiden konnte, wenn ihre Meinung
derartig angezweifelt wurde.
„Ich…
denke einfach, sie ist nicht schwanger, das ist alles.“
Seine
Mutter betrachtete ihn gereizt. Er könnte auch einfach ihrer Meinung zustimmen,
aber sein Stolz hielt ihn ab.
„Schön,
ich werde es in Erfahrung bringen, und dann wirst du dich ärgern, dass du mir
nicht geglaubt hast.“
Oh,
er hoffte, das würde sie nicht tun. Denn dann wäre sie nämlich
höchstwahrscheinlich nicht von Weasley schwanger. Und dann würde er sich
ärgern.
Sein
Verstand spuckte ihm eine weitere Möglichkeit aus. Was wäre, wenn sie wirklich
schwanger war? Allerdings nicht von Weasley. Was, wenn sie den Trank nicht
getrunken hatte? Was, wenn sie Weasley heiratete, um dann zu sagen, sie wäre
schwanger von ihm? Was, wenn sie ihn die ganze Zeit über angelogen hätte? Was,
wenn sie ihm nur deshalb aus dem Weg ging, damit er es niemals erfahren würde?
Würde
das etwas ändern? Würde es das?! Oh ja. Aber das wusste sie doch. Das wusste
er, das wusste sie, das wusste das Gesetz. Aber, Unsinn.
Er
wurde paranoid. Ganz klar ein Gen der Malfoyseite.
Seine ganze Familie war ein Bündel neurotischer Komplexe. Natürlich war sie
nicht schwanger. Seine Mutter wollte einfach nur einen Fehler an jedem Menschen
finden. Selbst an Menschen, die ihr völlig egal waren.
Trotzdem
hatte er ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend. Und dieses Gefühl verließ
ihn auch nicht.
„Und du willst wirklich für Albus Dumbledore
arbeiten?“ Dumbledore schien bei seiner Mutter genauso weit oben zu stehen wie
Hermine Granger. Er wusste, noch war er hier nicht entlassen. Seine Mutter
liebte Frage-und-Antwort-Spiele. Sie war die unbestrittene Königin darin.
Er bekam langsam Kopfschmerzen. Wieso musste
seine Mutter ihm ständig irgendwelche Theorien zuflüstern? Natürlich war
Granger nicht schwanger, es war absurd. Wieso sollte sie es auch sein? Und
Weasley würde das niemals tun. Dafür hasste er die Familie Malfoy zu sehr. Es
sei denn, er liebte Granger genug um darüber hinwegzusehen. Aber auch Weasley
wusste, dass das nicht ging.
Nein. Seine Mutter war bloß eine gehässige
Frau. Das war alles.
~*~
Noch eine Woche. Dann war es soweit. Der
Morgen war getrübt. Keiner sprach besonders viel. Außer Molly, die munter über
die gesamten Vorbereitungen mit sich selbst debattierte. Arthur und die
Zwillinge waren arbeiten. Aber Hermine, Harry, Ron und Ginny hingen ihren
Gedanken nach.
Der Tagesprophet hatte die monatlichen
Trauungen bekannt gegeben, und da er das nur für die Familien tat, die genug
Geld besaßen, war er natürlich mit dabei. Draco Malfoy würde Teresa Zabini
heiraten. Molly hatte diese Information lediglich mit einem Kopfrucken abgetan.
Hermine hingegen wurde klar, dass Malfoy
tatsächlich heiraten würde. Der Vater ihres Kindes heiratete eine andere, und
damit war jede noch so lächerliche Hoffnung darauf, dass sich alles noch einmal
ändern würde, gestorben. Nicht, dass sie wirklich ernsthaft daran geglaubt
hatte, aber immerhin hatte es eine Möglichkeit gegeben.
Aber das Foto der beiden war für sie ein
Rätsel. Sie würde nicht sagen, sie wäre hässlich, aber sie war bestimmt kein
Mädchen, mit dem sich Draco Malfoy zufrieden geben, geschweige denn heiraten,
würde. Außerdem war sie, wenn sie es richtig gelesen hatte um einiges älter als
er selber.
Es war also etwas absurd.
Wieso ließ sich Malfoy darauf ein? Sie hätte
nicht gedacht, dass er wirklich heiraten musste. Und dass er es tun würde, dass
hätte sie erst recht nicht gedacht. Sie hatte es zwar gesagt, ja, aber zwischen
reden und tun lagen immerhin ganze Welten. Für Draco Malfoy. Wieder bildete
sich der Vergleich in ihrem Kopf. Dieses Mädchen heiratete er, obwohl er sie
nicht kannte, aber mit ihr wollte er nicht einmal zusammen sein.
Oh, hör auf. Du weißt,
du hast kein Recht mehr so zu denken.
Das wusste sie auch. Es hatte nur einfach
etwas Endgültiges, das magische Foto der beiden zu sehen.
Sie wusste nicht, was die anderen drei
dachten. Wahrscheinlich dachten sie nur über schlimme Namen für Malfoy nach, die
sie nachher dann alle vergleichen konnten. Oder vielleicht auch nicht.
Vielleicht dachte Harry darüber nach, Profi-Quidditchspieler
zu werden. Vielleicht überlegte Ron, ob er doch noch aus der Sache raus konnte.
Vielleicht überlegte Ginny, ob sie Malfoy doch in kleine Stücke fluchen sollte,
sollte sie ihn das nächste Mal sehen.
Sie hatte eigentlich keine Ahnung. Aber sie
hatte auch keine Lust, zu fragen. Molly ging völlig auf in ihrer
Plauderstimmung, und es war ihr wohl auch völlig egal, dass sie keinen
Gesprächspartner hatte. Hermine hatte ein schlechtes Gewissen, weil Molly alle
Arbeit übernahm, aber sie hatte für so viele Dinge ein schlechtes Gewissen,
dass eine Sorge mehr oder weniger nun auch nicht mehr schlimm war.
„Mr Malfoy. Ich hätte
ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, Sie hier noch einmal anzutreffen.“
Eigentlich hatte Draco auch nicht vorgehabt
sich im Schloss zu treffen, aber in Malfoy Manor wäre
es zu keinem Gespräch gekommen, denn Lucius hätte den alten Mann nicht
reingelassen. Dass Dumbledore sich tatsächlich mit ihm in Hogwarts
traf, war eine absolute Ausnahme.
Das Schloss wirkte seltsam, wenn keine Schüler
hier waren. Dafür erkannte er Professor Sprout auf
dem Gelände bei den Gewächshäusern. Für die Lehrer musste es jetzt die reinste
Erholung sein. Trelawney wohnte schließlich im
Schloss. Als einzige Lehrerin, glaubte er.
„Ich komme öfters her in den Ferien“, bemerkte
Dumbledore, der seinen Blick nach draußen wohl bemerkt hatte. „Ich mag das
Schloss, wenn es völlig ruhig da liegt. Außerdem müsste ich sonst all meine
Habseligkeiten mit mir rum tragen, jedes Mal wenn ich meinen Aufenthaltsort
wechsele“, erklärte er gesprächsfreudig. Draco fragte sich sowieso, wo ein Mann
wie Dumbledore wohnen musste. Er konnte sich kein Bild davon machen.
Er wusste auch nicht, ob er jetzt an der Reihe
war, etwas zu sagen.
„Sagen Sie, was sagt Ihr Vater zu ihrer
Entscheidung, Draco?“
„Ist das wichtig, Sir?“, stellte er prompt die
Gegenfrage.
„Nein. Natürlich nicht. Ich bin bloß
interessiert, weiter nichts.“ Er wusste, es war reine Höflichkeit von
Dumbledore, dass er ihn auf seinen Vater ansprach und nicht direkt auf
Voldemort. Er musste sich erst daran gewöhnen, dass nicht jeder Mensch sein
Feind war.
Merlin, das war wahrscheinlich die schwerste
Überwindung.
„Mein Vater ist nicht begeistert. Sie haben
bestimmt die Annonce gesehen. Ich werde aber zu Strafe nächsten Monat heiraten.
Dann sind Lucius und ich quitt.“ So einfach war es, dem Schulleiter sein Leben
zu erzählen.
„Was ist mit ihrer anderen Zukunft? Die
Zukunft, die Sie eigentlich im Auge hatten?“ Immer noch blieb der Schulleiter
diskret, aber Draco hatte das Gefühl, das musste er gar nicht.
„Ich bin kein Anhänger Voldemorts.
Ich trage das Mal, das ist korrekt, aber ich habe mich für… einen anderen Weg
entschieden, Sir. Ich bin kein Todesser.“ Noch ein Geständnis. Er kam gerade
erst in Schwung, stellte er fest. Dumbledore lächelte ihn über seine Brille
hinweg an.
„Das freut mich zu hören. Professor Snape wird
sich auch freuen, seinen Lieblingsschüler wieder hier begrüßen zu dürfen.“
Ach ja. Snape hatte er ganz verdrängt.
Immerhin hatte er dann einen Freund hier. Vielleicht. Moment.
„Was meinen Sie? Dass Sie mich haben wollen?“
Er vergaß für einen Moment jegliche Formen der Höflichkeit.
„Sicher, ich sagte Ihnen bereits, dass wir Sie
nur zu gerne in die Belegschaft aufnehmen wollen, Mr
Malfoy.“
„Ich… hatte nicht… damit gerechnet.“
„Ach nein?“ Dumbledore lehnte sich lächelnd
zurück. „Glauben Sie mir, ich sehe Ihre Fähigkeiten.“
Draco war einen momentlang sprachlos. Er hatte
mit einem Bewerbungsgespräch gerechnet. Ein Gespräch wo sie über das Für und
Wider sprechen würde, wo Dumbledore abwog, ob es in Zukunft irgendwann möglich
wäre, ihn aufzunehmen. Er hatte keinesfalls mit einer direkten Zusage
gerechnet.
„Was für ein Fach interessiert Sie?“
Oh. Noch eine Sache, über die er nicht
nachgedacht hatte, aber Dumbledore lachte. „Bei zehn Ohnegleichen fällt die
Wahl wohl schwer.“
„Jedes Fach hat einen Lehrer“, bemerkte er
mehr zu sich selbst.
„Na und? Auslastung unserer Lehrer ist keine
schlechte Sache. Wie bei Firenze und Sybill Trelawney.“
„Was denken Sie denn?“ Und zum ersten Mal
verspürte er den Respekt vor Dumbledore, den wohl auch Snape und Potter jedes
Mal empfanden, wenn sie der Mann mit den hellen blauen Augen durchleuchtete.
„Das liegt bei Ihnen. Aber vielleicht hätten
Sie ja Interesse, Professor Brown zu assistieren. Er kann immerhin nicht ewig bleiben,
und dann hätten wir direkt einen Ersatz. Vielleicht einen Ersatz, der nicht
direkt nach einem Jahr verschwindet“, überlegte Dumbledore immer noch lächelnd.
„Ver… Verteidigung
gegen die dunklen Künste?“ Er stotterte. Großer Gott, er stotterte niemals.
„Ja. Wie war Ihre Note in dieser Prüfung? Ich
nehme an bei zehn Ohnegleichen, war es ein Ohnegleichen. Sie haben die besten
Voraussetzungen.“
„Sir, ich…“
Niemals. Verteidigung gegen die dunklen
Künste? War er denn verrückt? Alles, was er jemals beigebracht bekommen hatte,
war das Ausüben der dunklen Künste. Niemals die Verteidigung. Dumbledore schien
wieder einmal weitsichtig genug zu sein, um seine Gedanken zu erraten.
„Manchmal ändern sich Dinge. Ich halte Sie für
kompetent, weil Sie schon vieles gesehen haben. Keine guten Dinge. Nicht nur.
Aber ich stelle mir vor, dass es genau das ist, was Sie machen wollen.“
Er schluckte schwer. Er würde Lehrer für
Verteidigung gegen die dunklen Künste werden. Lucius würde ausrasten. Das war
der Ausschlag.
„Abgemacht. Es ist mir eine Ehre.“
Dumbledore strahlte. „An wen haben Sie gerade
gedacht, Mr Malfoy?“ Er wusste, Dumbledore wusste es
bereits.
Ihm kam ein weiterer Gedanke.
„Ich glaube, Severus wird nicht begeistert
sein.“ Dumbledore lachte. Es klang seltsam in diesem Büro. Die ehemaligen
Schulleiter schreckten aus ihrem Dämmerschlaf.
„Professor Snape ist der beste
Zaubertrankbrauer Englands. Ich denke, er wird sich damit abgefunden haben.“
Draco konnte es nicht verhindern. Seine
Mundwinkel hoben sich automatisch.
„Ich freue mich, Sie bei uns wieder willkommen
heißen zu dürfen, Mr Malfoy. Na ja, nach den Ferien
werden Sie angehender Professor Malfoy sein.“
Großer Gott… wie absurd. Er wusste, die
Ausbildung zum Lehrer dauerte länger als drei Jahre. Er würde ständig auf
Seminaren sein, und wenn nicht dass, dann durfte er beim Unterricht zusehen. Er
durfte ihn sogar halten. Er würde Schüler unterrichten. Er würde Lehrer in Hogwarts sein.
Würde er nicht sicher auf seinem Stuhl sitzen,
dann wäre ihm jetzt wahrscheinlich schwindelig geworden.
Und es gab nur einen Menschen, dem er diese
Information gerne zukommen lassen würde. Nur einen Menschen, dem er es erzählen
wollte. Nur um ihr Gesicht zu sehen. Nur um zu sehen, wie sie reagierte, wenn
sie erfuhr, dass er auf der guten Seite stand.
Wenigstens einmal in seinem Leben.
~*~
Ihr wurde klar, dass sie fast seit drei
Monaten schwanger war. Seit drei Monaten schon. Noch sah man es ihr nicht an.
Noch, deutete nichts daraufhin, dass sie schwanger war. Nur allein die
Tatsache, dass sie Ron heiraten würde. Aber das tat es auch nur in ihren Augen.
Und in seinen und Harrys und Ginnys.
Sie sprach regelmäßig mit ihren Eltern. Sie
hatten ihr ein Handy zukommen lassen, und im Fuchsbau wirkte es merklich fehl
am Platze.
Sie würden in zwei Tagen kommen. Dann wäre in
drei Tagen die Hochzeit. Dann wäre sie Hermine Weasley. Oh Gott.
Es erschreckte sie immer noch, auch wenn sie
schon so lange Zeit hatte darüber nachzudenken. Zeit machte es nicht besser.
Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass Zeit überhaupt gar keine Wunden heilen
konnte. Zeit bedeutete vergessen. Es bedeutete, dass Zeit einem die Möglichkeit
gab, Dinge zu vergessen. Sie hätte Malfoy vergessen können. Wenn sie nicht sein
Kind in sich tragen würde.
Sie würde niemals vergessen, denn sie bekam
sein Kind. Und sie wusste, sie würde wahrscheinlich vor ihrem Kind sterben,
also bestand niemals auch nur der Hauch einer Chance, dass sie jemals vergessen
würde, was es ihr so schwer machte, einfach glücklich mit Ron zu sein.
Und es war nicht nur das. Die Hochzeitsnacht
würde kommen. Auch wenn Ron nicht von ihr verlangen würde, dass sie sofort
jetzt mit ihm schlafen würde, wusste sie, sie würde dieses Opfer irgendwann für
ihn bringen müssen.
Und eigentlich sollte es kein Opfer sein.
Wie hatten sich ihre und Malfoys
Geschichten so trennen können? Er heiratete in drei Wochen. Sie in drei Tagen.
Sie konnte es kaum ertragen. Sie konnte nichts tun. Sie hatte keine Wahl mehr.
Immer wieder geriet sie in Panik. Nur Ginny konnte sie immer wieder beruhigen.
Und eigentlich sollte dies nicht Ginnys Aufgabe sein. Sie hatte sie zufällig
entdeckt, als sie weinend im Garten saß. Sie war schockiert gewesen.
Ginny hatte gedacht, dass Hermine glücklich
wäre, dass sie alles überwunden hatte, was sie noch an Malfoy erinnerte. Aber
sie schien vergessen zu haben, dass sie immer das Kind haben würde, was sie an
ihn erinnerte.
Immer.
Jetzt lag sie hier auf ihrem Bett. Direkt nachdem
sie sich heute Morgen übergeben hatte. Sie hatte sich noch nicht gerührt.
Manchmal kam es ihr so vor, als wollte das Kind in ihrem Inneren sie bestrafen.
„Alles in Ordnung?“ Sie hatte Ginny nicht
einmal kommen hören. Sie wollte ihr auch gar nicht mit ihrer Traurigkeit eine
solche Last auf bürgen.
„Ja. Alles ist gut, Ginny.“
„Hermine, bitte sei nicht traurig“, bat die
Jüngere beinahe flehend. Hermine riss sich immer wieder nur für Ginny zusammen.
Sie war die erste, die sich wirklich über ihre Schwangerschaft gefreut hatte,
völlig egal, wer der Vater war. Ganz egal, was kommen mochte. Und auch jetzt,
wo Hermine ihren Bruder so böse hinterging, mit all ihren Gedanken, war sie
immer noch ihre beste Freundin.
„Du willst ihn doch noch heiraten?“ Sie hörte
keinen Vorwurf in ihren Worten.
„Natürlich.“
„Nicht weil du musst, Hermine. Du musst es
auch wollen. Wenigstens zu einem bestimmten Grad.“
„Ich will es, Ginny.“ Sie wollte es, weil sie
es musste. Sie könnte der Familie niemals so weh tun. Niemals. Ihre
Verzweiflung würde auch wieder abklingen.
Draco Malfoy war ihr persönlicher Teufel. Zum
ersten Mal fragte sie sich, wie sie es soweit hatte kommen lassen können. Zum
ersten Mal überlegte sie, ob es nicht einfacher gewesen wäre, das Kind einfach…
entfernen zu lassen.
Natürlich überlegte sie es sich sofort wieder
anders, als sie es auch nur ansatzweise gedacht hatte. Es war ein schlechter
Gedanke, und sie meinte ihn auch gar nicht ernst. Sie könnte das Kind niemals
aufgegeben haben.
Schon alleine, weil…
Nein. Hermine, nein.
Es war absurd, dass sie etwas von Malfoy haben
wollte, wenn sie ihn schon selbst nicht haben konnte. Und dann auch noch Ron
auszunutzen.
„Du bist meine beste Freundin. Es zerreißt
mich, dich so zu sehen. Kann ich irgendetwas für dich tun?“
Sie lächelte. Ginny war so nett. Dabei war sie
jünger. Manchmal kam es ihr vor, als hätte Ginny viel mehr Verstand als sie
selbst. Sie hatte immer Harry gewollt, hatte geduldig gewartet und nichts hatte
sie von ihrem Ziel abbringen können.
Wieso war sie nicht so stark wie Ginny? Wieso
nicht? Sie war so klug. Sie hatte so viel geleistet, hatte Harry so oft
beigestanden, hatte so oft Leben gerettet. So oft. Und doch, schien sie nichts
gelernt zu haben.
„Lass uns in den Garten gehen. Ich würde gerne
in der Sonne sein.“ Sie musste langsam aufhören, sich so aufzuführen, als würde
nur ihr eigenes Leben zählen. Sie war weit darüber hinaus, egoistisch zu sein.
Sie war egoistisch genug, das Kind zu
behalten. Jetzt musste sie langsam an Fokus gewinnen. Ginny schien sichtlich
erleichtert, dass Hermine sich erhob.
Sie verließen das Zimmer, und Ginny ergriff
fest ihre Hand.
„Bitte, gib nicht auf, Hermine“, flüsterte
sie. Und Hermine hasste es, Ginny so traurig zu sehen. Sie würde sich zusammen
reißen. Sie würde Ron lieben.
Das war der Beschluss. Das war das einzige,
was sie tun musste. Sie würde Ron lieben. Und damit würde sie heute anfangen.
Sie würde Ron Malfoys Platz einnehmen lassen.
Sie war genauso stark wie Ginny. Sie würde es
beweisen. Sie hatte so viel durchgemacht und überstanden. Sie würde auch das
schaffen. Sie würde Ron lieben.
Denn sie musste es tun. Sie schuldete es Ron.
Und dem Baby. Und Ginny. Und den Weasleys.
Sich selbst schuldete sie nur, dass sie
Verantwortung übernahm.
Und es wurde langsam höchste Zeit dafür.
Teil 31
Harry wirkte nicht zufrieden als er von
Dumbledore zurückkehrte. Hermine befürchtete bereits das Schlimmste, wie auch
Ginny. Beide irrten sich in dieser Hinsicht.
„Malfoy wird Lehrer“, sagte er knapp. Ginny
sah genauso verblüfft aus, wie Hermine sich fühlte.
„Lehrer?“, wiederholte Ginny vollkommen
verwirrt. Harry nickte bloß.
„Ja. Er wird der Assistent von Professor
Brown.“
„Das heißt, Malfoy wird mich nächstes Jahr
unterrichten?“
Hermine starrte Harry bloß an. Draco Malfoy
änderte sich also. Sie konnte sich nicht vorstellen, was sein Vater dazu sagen
mochte. Aber immerhin begriff sie nun, warum Draco dieses Mädchen heiraten
musste. Anscheinend hatte er nur zwei Möglichkeiten: Er wurde wie sein Vater,
oder er ging seinen eigene Weg, mit der Bürde der Ehe, um sein Vermögen zu
bekommen.
Sie wusste nicht, ob es ein guter Weg war.
Aber wahrscheinlich ein besserer als der, den sein Vater für bereitgehalten
hatte.
„Alles ok?“ Harry fixierte sie mit Sorge.
„Ja, sicher. Ich freue mich, wenn er sich
ändert“, bemerkte sie kühl. „Wo ist Ron?“ Automatisch dachte sie an das
Versprechen, das sie sich selbst gegeben hatte. Sie gab Ron die Chance, die er
verdiente.
Harry lächelte plötzlich. „Er hat ein
Vorstellungsgespräch“, sagte er bloß. Hermine runzelte die Stirn.
„Davon hat er mir nichts gesagt.“
„Eigentlich wollte er es dir nur sagen, wenn
er den Job bekommt, aber ich denke, ich sage es dir einfach.“
„Wo?“, fragte sie bloß.
„Im Ministerium.“
„Was?“
„Arthur hat ihn heute Morgen mitgenommen“,
bestätigte Harry, immer noch grinsend.
„Wieso grinst du so?“, fragte jetzt Ginny und
zog Harry endlich zum Kuss zu sich hinab. Hermine wollte Ron jetzt auch küssen.
Wie sollte sie das Versprechen, Ron zu lieben, erfüllen, wenn er nicht da war?
„Oh… Ginny, lass uns gehen.“ Harry zog seine
Freundin auf die Füße, und unter Protest ließ sich Ginny von ihm wegführen. Sie
warf Hermine besorgte Blicke zu, aber Hermine sah ihn bereits durch das Tor kommen.
Alleine. Ohne Arthur.
Sie hatte schon wieder vergessen, was Harry
erzählt hatte.
„Ron!“ Sie erhob sich eilig und rannte fast
auf ihn zu.
„Hi. Harry hat es erzählt, oder…?“
Er wurde durch ihre stürmische Begrüßung
unterbrochen. Sie war ihm in die Arme gefallen, griff in seinen Nacken und
küsste ihn genauso stürmisch. Zuerst war er überrascht, dann erwiderte er ihren
Kuss. Vorsichtig, fast behutsam.
„Ich habe dich vermisst“, sagte sie leise, als
sie sich von ihm löste. Er wirkte überrascht, aber zufrieden.
„Ich hab die Stelle, Hermine!“, sagte er
plötzlich. Sie wusste gar nicht, auf was er sich beworben hatte. „Ich arbeite
mit Dad zusammen in der Muggelabteilung.“ Sie war
froh und stolz.
„Wirklich? Wie großartig!“ Sie zog ihn erneut
zu sich hinab. Diesmal schlang er seine Arme um sie, und sie erlaubte sich
selbst, den Mund zu öffnen, und sie küsste ihn heftig. Immer noch überrascht
zog er sie fester an sich, küsste sie genauso heftig zurück.
Es dauerte einen weiteren Moment, ehe er sich
wieder von ihr löste.
„Aber, das war eigentlich gar nicht die
Überraschung“, bemerkte er, mit geröteten Wangen.
Sie sah ihn an, prägte sich sein Gesicht ein,
seine Grübchen, die blauen Augen, die wirren langen Strähnen in seiner Stirn.
Er richtete sich komplett auf, nur um dann vor ihr auf die Knie zu sinken.
Sie erschrak heftig, als er eine kleine
silberne Schachtel hervorzog.
„Hermine…“, begann er, aber ihrr Hand hatte sich bereits schockiert über ihren Mund
gelegt.
„Oh, Ron… du musst nicht…“
Er ignorierte sie und öffnete die Schachtel.
Ein wunderschöner Ring funkelte zu ihr empor. Sie sah den funkelnden Stein in
der Fassung, und wollte gar nicht wissen, was er für Unkosten auf sich genommen
hatte.
„Willst du mich heiraten?“, fragte er zum zweiten
Mal, und sie nickte perplex.
„Ja!“ Er schob ihr den silbernen Ring auf
ihren Finger, und fast hätte sie geweint vor Rührung. Gott, Ron war so
wahnsinnig lieb. Er erhob sich wieder und überragte sie wieder um zwei Köpfe.
„Ich dachte, ein Ring macht das Ganze
offizieller.“
Sie lächelte und konnte den Blick kaum von dem
Schmuckstück wenden. Er hatte ihr einen Ring gekauft. Er hatte, nur für sie,
dieses Vorstellungsgespräch auf sich genommen. Dort, wo er eigentlich gar nicht
hatte arbeiten wollen.
Sie küsste ihn erneut. Noch länger als zuvor.
Und tatsächlich gewöhnte sie sich an seine Lippen, an den Druck, an seine
Zunge, an seinen Duft, an alles an ihm. Selbst an seine Größe. Auch an seine
Hände, die sie fest an sich zogen.
„Danke, Ron“, flüsterte sie gegen seine
Lippen, und er küsste sie erneut.
Sie verbrachte einen der schönsten
Nachmittage. Auf einer Decke im Garten der Weasleys,
zusammen mit Ron. Sie redeten, sie küssten sich, sie redeten noch mehr, und
dann lehnte sie sich an seine Brust und schloss die Augen.
Genau das wollte sie. Tatsächlich war es
einfacher, als sie dachte.
Einmal kam Ginny, und gesellte sich zu ihnen,
aber als sie sah, wie vertraut die beiden miteinander umgingen, verschwand sie
grinsend.
Die Sonne schien freundlich, und Hermine
konnte sie nichts Besseres vorstellen als diesen Nachmittag, bei den Weasleys im Garten auf der blauen Picknickdecke.
~*~
„Draco, ich bin überrascht.“
Oft war Snape zu Besuch gekommen. Aber niemals
für ihn. Nur für Lucius. Es war seltsam den Mann zu empfangen, mit dem er in
vier Wochen zusammen arbeiten würde. „Und herzlichen Glückwunsch zu Ihrer
Verlobung.“ Er hörte den Spott durchaus. Aber er stand darüber.
„Danke, Severus.“ Er hatte den
Zaubertranklehrer noch nie persönlich beim Vornamen genannt. Dieser quittierte
das mit dem Verziehen seines schmalen Mundes.
„Ist es wirklich das, was Sie wollen?“
„Meinen Sie die Heirat oder den Job?“
„Beides“, erwiderte der Mann mit einem feinen
Lächeln.
„Die Heirat ist etwas, was ich tun muss, um Lehrer
in Hogwarts zu werden“, erklärte er knapp, und Snape
seufzte schwer.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie wirklich
die Arbeit eines Lehrers anstreben.“
„Wieso? Weil Sie es zu Anfang nicht getan
haben?“ Er wusste, es war nicht fair, Snape auf diese Weise zu reizen.
„Ich vergleiche mich nicht mit Ihnen, Draco.
Ich freue mich, dass Sie die Seiten gewechselt haben.“ Es war ein sehr
förmliches Gespräch.
„Wollten Sie mich nur willkommen heißen,
Severus?“, fragte er argwöhnisch, und Snape warf ihm einen eigenartigen Blick
zu.
„Haben Sie Kontakt zu Miss Granger?“, fragte
der Lehrer plötzlich, und Draco spürte, wie er Zugang zu seinen Gedanken nahm.
„Wieso fragen Sie, wenn Sie doch lieber meine
Gedanken nach ihr durchsuchen?“
„Verzeihen Sie, aber manchmal kommt es vor,
dass Sie mir nicht die Wahrheit sagen, Draco“, erklärte Snape ungerührt, zog
sich aber aus den Gedanken zurück.
„Natürlich habe ich keinen Kontakt mit Miss
Granger, wieso sollte ich auch?“ Er wollte gar nicht provozierend klingen, aber
das Thema Granger war kein Thema, das er gerne mit fremden Menschen besprach.
Vor allem nicht, mit dem Mann, der ihr geholfen hatte, ihr Kind loszuwerden.
„Ich hatte nur gedacht, da Sie beide dieselbe
Einladung von Dumbledore bekommen haben, wüssten Sie vielleicht, ob Miss
Granger ebenfalls eine Laufbahn als Lehrerin anstrebt“, sagte Snape etwas
gereizter als zuvor. Draco verneint knapp. Wieso sollte er darüber Bescheid
wissen? Was wollte Snape?
„Aha. Gut, ich denke, dann heiße ich Sie bloß
willkommen.“
„Granger heiratet Weasley“, platzte es aus
Draco förmlich hinaus. Wieso hielt er nicht einmal seinen Mund? Weil er
Genugtuung verspürte, dass seine Heirat wenigstens Geld einbringen würde?
„Tut sie das? Das freut mich für sie.“
„Wirklich?“ Er spürte den Trotz und hatte
eigentlich gehofft, Snape würde eine herablassende Bemerkung über den Stand der
Weasleys machen. Aber anscheinend hatte er damit kein
Glück.
„Wieso sollte es mich nicht freuen, Draco?“
„Ich dachte bloß, es wäre ein interessantes
Konversationsthema, nichts weiter“, erwiderte Draco immer noch zornig. Mehr
über sich selbst.
„Wieso? Weil Sie Weasley nimmt, anstatt Sie?“
Als ob. Das war ihm
vollkommen gleichgültig. Was erlaubte sich Snape eigentlich? Oder war es seine
eigene Schuld? Diese gottverdammte Eifersucht ließ sich kaum kontrollieren.
Ausgerechnet jetzt erschien die Elfe.
„Oh, Ihr habt Besuch, Master Draco“, bemerkte
sie knapp, und ihr Blick betrachtete den Mann mit den schwarzen langen Haaren
bedeutungsvoll und ängstlich zu gleich.
„Ja, Lowyn. Im
Moment ist es… ich komme später zu dir“, beendete er das knappe Gespräch.
Natürlich ließ er Granger immer noch beschatten, auch wenn die Elfe ihm
mittlerweile nur Übelkeit erregende Dinge erzählte, wie dass sie mit Weasley
Händchen haltend im Gras lag. Zum Kotzen war das.
„Verblüffend. Sie kennen den Namen Ihrer
Elfe.“ Snape verzog die schmalen Lippen zu einem spöttischen Grinsen. „Wie geht
es Ihnen, Draco?“, fragte er plötzlich unvermittelt, und Draco zwang sich,
seine Hände zu lockern, damit Snape nicht seine angespannten Fäuste sah.
„Was? Wie es mir geht? Was glauben Sie,
Severus?“
„Ich denke, Sie wollen überhaupt nicht
heiraten. Ich erinnere mich an Miss Zabini. Schon etwas länger her“, fügte er
mit einem Grinsen hinzu, und Draco wusste, Snape spielte auf ihr Alter an.
„Aber ich bin mir sicher, Sie hätten Sie niemals ausgesucht.“
„Natürlich hätte ich das nicht getan. Aber wie
Sie wissen, habe ich da wenig Entscheidungsspielraum.“
„Sie hätten einfach auf Ihr Vermögen
verzichten können“, knurrte Snape jetzt ungehalten. „Draco, ich wollte sehen,
in wie weit Sie sich geändert haben. Ich dachte mir, dass Miss Granger
vielleicht einen so guten Einfluss auf Sie gehabt hat, dass Sie nun wegen ihr
Lehrer werden wollen. Aber ich komme hierher und finde Sie völlig zerrissen
vor. Sie wollen sich ändern, aber sie können es trotzdem nicht.“
Draco hatte nicht die geringste Ahnung,
weswegen Snape so zornig war. Gut, dann wollte er sich eben nur zu einem
gewissen Teil unabhängig von seinem Vater machen. Es ging den Lehrer überhaupt
nichts an, dass er sein ganzes Vermögen eben behalten musste.
Das war sein einziger Lichtblick, wenn er
seine private Zukunft betrachtete. Er würde jeden Knut seines Goldes brauchen,
um die grauenhaften nächsten sechzig Jahre zu überstehen. Bei seinem Glück
starb das Mädchen eher, und er konnte als alter Mann noch einmal über die
Stränge schlagen.
„Hören Sie, mein Handeln hat nichts mit
Granger zu tun.“ Lügner, elender.
„Weil Sie schon immer Lehrer werden wollten?“
„Nein. Ich habe mir überlegt, dass die
Richtung meines Vaters eben nicht meine Richtung ist. Aber zu welchem Sinn und
Zweck sollte ich meiner Familie den Rücken kehren? Wenn ich nichts habe, was
mich leitet, dann brauche ich auch nicht alles hinter mir zu lassen, Severus.“
„Wenn Sie selber nicht wissen, warum Sie von
hier fort sollten, dann kann ich es Ihnen auch nicht sagen.“ Aber in den Augen
des Lehrers sah er durchaus, dass er es gerne wollte. Er hatte ein Drängen in
seinem Blick, und Draco konnte die physische Qual des Lehrers in seinem Gesicht
praktisch fühlen.
Aber er hatte keine Erklärung dafür.
„Wollen Sie mir irgendetwas sagen,
Professor?“, fragte Draco und bemerkte gar nicht, wie er von dem Vornamen des
Mannes, plötzlich wieder in das alte Muster zurück fiel.
Snape seufzte. „Nein, Mr
Malfoy. Es kommt immer nur auf die richtigen Fragen an. Aber ich muss jetzt
gehen.“
Draco schüttelte dem Mann die Hand, und dieser
verschwand mit wehendem Umhang, wie jedes Mal, wenn er ging. Snape hatte immer
eine gewisse Eile im Gang. Was für ein seltsames Gespräch. Was wollte ihm der
Mann bloß mitteilen? Wieso war ihm seine Veränderung so wichtig? Wieso hatte er
ihn auf Granger angesprochen? Immer wieder? Wieso unterstellte er ihm, dass er
Granger heiraten wollte? Wollte er natürlich nicht. Aber nur nicht, weil er
sowieso nicht heiraten wollte.
Für ihn war heiraten keine Bestätigung der
Liebe, sondern lediglich ein Zwang.
Wieso war es Snape so verdammt wichtig, dass
er von Lucius loskam? Weil Lucius seinen Beruf niemals unterstützen würde und
versuchen würde, ihn zu boykottieren? Damit rechnete Draco bereits, aber damit
würde er umgehen können.
Welche Verbindung hatte Snape überhaupt zu
Granger, und warum waren all diese Gewissensfragen von Nöten gewesen?
Und was meinte er damit, dass er nur auf die
richtigen Fragen…?
Oh nein.
Die Verbindung wurde Draco augenblicklich
klar, und er fühlte sich als er hätte er soeben eine Stufe verpasst und fiel
eine harte, kalte Treppe aus Stein Millionen Stufen tief hinab, bevor er hart
und nüchtern auf dem Boden aufschlug.
Selten rannte er, und immer noch vertrat er
seine Theorie, dass man nur rannte, wenn man Angst hatte. Er riss die Haustür
auf, und sah den Mann gerade noch am Tor.
„Snape!“, schrie er und hechtete den langen
Kiesweg hinunter. Er hasste es, zu rennen, aber im Moment war selbst dieser
Hass nicht mehr existent. Er hatte eine Frage. Er hatte nur eine einzige Frage.
Der Mann war stehen geblieben und betrachtete
den rennenden Draco mit gerunzelter Stirn. Außer Atem hielt Draco inne und
stützte die Hände auf die Knie um zu Luft zu kommen.
„Ja?“
„Hat sie… hat sie… den Trank genommen?“ Sein
Mund formte die Frage, aber in seinen Ohren rauschte das Blut.
Snapes Blick wirkte
verschlossen, und er hörte seine Mutter weiter hinten im Garten mit den Elfen
schimpfen. Das leise Wasserplätschern der Springbrunnen strömte zu ihm hinüber,
und die weißen Pfauen staksten unbeeindruckt über den weitläufigen Rasen. Alles
ein unpassendes Szenario. Alles formte wirre Bilder in seinem Kopf. Und anstatt
zu antworten, tat Snape etwas Schlimmeres.
„Ich werde gehen, Mr
Malfoy.“
Und dann apparierte
er hinter dem Tor.
Nein. Nein, nein, nein!!!
Die letzten Wochen schlugen auf ihn ein. All
ihre Worte ergaben Sinn, Snapes Hoffnung, er würde
sich von Lucius lösen. Alles war auf einmal völlig klar. Sie hatte ihn
angelogen. Einen Monat lang angelogen.
Sie war schwanger. Mit seinem Kind, dass sie
nun nicht mehr loswerden konnte. Sie heiratete nicht aus Liebe. Oh nein.
Sie heiratete, weil sie alleine mit einem Kind
nicht überleben würde.
Nein…
Und genau in dieser präzisen Sekunde
überrollte ihn die Wut. Unbändige, verzweifelte, ohnmächtige Wut. Ein zorniger
Schrei entrang sich seiner trockenen Kehle.
Er würde sie umbringen.
Die ersten Gäste waren angereist. Hermine
wurde immer nervöser. Bestimmt zehn Leute mehr waren sie jetzt im Fuchsbau, und
sie beherrschte immer noch nicht alle Namen der Weasley Familie. Sie hatte
nicht viel Familie. Sie hatte bloß ihre Eltern, die kommen würden. Sie hatte
noch eine Tante, aber die lebte in Neuseeland. Die würde nicht kommen, aber das
wollte sie auch gar nicht wirklich.
Ihre Eltern reichten vollkommen aus.
„Hermine, vielleicht solltest du dich
wenigstens für fünf Minuten unten sehen lassen?“, schlug Ginny vor und hob
eindeutig die Augenbrauen. Hermine seufzte. Sie hasste all das Händeschütteln
und die guten Ratschläge für das erste Ehejahr.
„Ja, ich weiß.“
„Das macht dir doch keine Angst, oder?“, hakte
Ginny nach, und Hermine musste lächeln.
„Da unten sind knapp zwanzig Weasleys, Ginny. Harry versteckt sich auch“, fügte sie
hinzu, und Ginny verdrehte die Augen.
„Ihr seid halt keine Großfamilienkinder. Aber
gewöhnt euch dran“, setzte sie hinzu und bedeutete Hermine, ihr endlich zu
folgen.
Widerwillig kämmte sich Hermine noch einmal
über die Haare, auf Anraten von Molly Weasley, und dann folgte sie ihrer
Freundin. Der Lärm nahm mit jeder Treppenstufe zu. Unten angekommen musste sie
grinsen, denn knapp fünf Zauberer hatten Harry bestürmt, und er musste ihnen
haarklein von jeder Auseinandersetzung mit Voldemort berichten.
Ron stand mit seinem Vater etwas weiter
abseits. Noch andere Weasleys unterhielten sich dort
über die Situation des Ministeriums, über die magische Wirtschaft und über den
großartigen Boom von Weasleys Zauberhafte
Zauberscherze. Die Zwillinge erzählten mit stolzgeschwellter Brust über die
Umsätze der letzten Monate. Sogar Percy hörte beeindruckt zu.
Ginny hatte sich zu Harry gesellt und half ihm
bei den Einzelheiten, die sich im Ministerium vor zwei Jahren ereignet hatten.
Es war eine echte Familienfeier, und sie fühlte sich reichlich fehl am Platze.
Ein paar Weasleys
wandten sich um. „Ah, da ist ja das zukünftige Mitglied!“ Auch Ron hob den
Blick und löste sich von der Menge der Geschäftsleute.
„Hey, traust du dich endlich wieder runter?“,
murmelte er und umarmte sie kurz. Es war ihm peinlich bei so vielen Menschen
Nähe zu zeigen. Sie verstand das nur zu gut.
„Jaah. Entschuldige,
ich…“
„Kein Problem. Ich habe darauf eigentlich auch
keine besondere Lust, weißt du? Aber na ja, ich habe nicht unbedingt die Wahl.“
Er grinste und zog sie mit sich zu seinem Vater.
„Hermine hatte das beste Abschlusszeugnis. Und
sie war Schulsprecherin“, fügte er stolz hinzu, und sie errötete unpassenderweise.
„Wirklich? Hattest du auch Ohnegleichen?“,
fragte ein untersetzter Zauberer, und die Zwillinge mussten das breite Grinsen
unterdrückten.
„Hermine hatte nur Ohnegleichen.“, bemerkte
Arthur jetzt, und sie hörte, wie stolz er darüber zu sein schien. Sie fühlte
sich wie Harry, nur eben von einer ganz anderen Seite. Ihr wurde klar, dass
niemand der hier Anwesenden zehn Ohnegleichen bekommen haben musste, und sie
fühlte sich noch schlechter, weil Arthur von ihren restlichen Auszeichnungen zu
erzählen begonnen hatte.
Ron drückte sanft ihre Hand, die er immer noch
nicht losgelassen hatte.
Hart klopfte es an der Vordertür, und die
versammelte Menge überlegte, welcher Weasley noch kommen würde. Molly beeilte
sich zu öffnen, und Hermines Griff umkrampfte Rons
Finger so hart, dass er zusammen zuckte.
„Oh. Mr… Malfoy.“
Sein Blick überflog die Menge verächtlich und
schließlich trafen sich ihre Blicke. Harry schaltete am schnellsten und
durchquerte das leer geräumte Esszimmer. Ginny folgte ihm. Bevor Malfoy den
Mund aufmachen konnte, hatte Harry ihn am Arm gepackt und zog ihn unsanft nach
draußen. Ron und Hermine folgten den andern.
„Ahem… entschuldige,
Mum. Wir klären das draußen.“, erklärte Ron heiser,
und damit zog er die Haustür wieder zu. Drinnen stieg das Gemurmel an. Hermine
konnte sich nicht vorstellen, was die Gäste denken mussten. Vor allem konnte
sie sich nicht vorstellen, weshalb Malfoy so lebensmüde war und hier auftauchte!
Einen Tag vor der Hochzeit! Würde er Ron verraten, dass sie sich nur ein paar
Tage zuvor hier geküsst hatten? Das würde er nicht wagen.
Malfoy ignorierte Harrys festen Griff. Er
machte sich nicht einmal los. Er starrte sie wutverzerrt an.
„Willst du mir irgendwas sagen?“, fragte er
zornig, und sie erkannte seine Stimme kaum wieder. Sie überlegte sehr schnell,
was er wollen könnte, aber plötzlich war es ihr klar. Sein Blick glitt über
ihren Körper und verweilte eine Sekunde länger als nötig auf ihrem Bauch.
Er wusste es!
Sie schluckte schwer, und ihre Hand begann in
Rons zu zittern.
„Malfoy, verschwinde hier! Siehst du nicht,
dass du unerwünscht bist?“, knurrte Harry und zog ihn noch ein Stück weiter
fort. Doch Malfoy riss sich endlich los.
„Oh Potter, wag es nicht, mir zu drohen!“ Er
funkelte Harry mordlustig an und hatte Lucius noch nie so sehr geähnelt.
Fehlten nur noch die langen Haare.
„Was ist, Granger? Sag mir, warum du den
Trottel heiratest!“
Oh Gott! Oh nein, oh
nein, oh nein…
Sie bekam kein einziges Wort heraus.
„Malfoy, hör auf zu schreien!“, befahl Ginny
ruhig, aber Malfoy wandte sich nun an sie.
„Du wusstest es, oder? Wisst ihr es alle?
Höchstwahrscheinlich. Ihr teilt ja alles miteinander. Granger, wie kannst du es
wagen, mich zu hintergehen? Was hast du dir dabei gedacht? Denkst du, du kommst
damit durch?“, schrie er, unbeeindruckt von Ginnys Warnung.
Es war eine absolut bizarre Situation. Fünf
Teenager standen im Garten der Weasleys und brüllten
sich an.
„Malfoy, es ist alles abgesprochen. Du kannst
hier jetzt nicht auftauchen und alles ändern wollen“, erklärte Ginny.
„Ändern?
Ändern, kleine Weasley? Oh nein. Ich bin es nicht, vor dem ihr Angst haben
müsst.“ Wieder fixierte er Hermine, die vor Schreck stumm geworden war.
„Granger, ich habe dich gewarnt! Hast du nicht
gehört, was ich gesagt habe? Lucius wird es wissen, Herr Gott noch mal! Bist du
so dumm? Ist dir überhaupt klar, was das für Konsequenzen hat?“
„Malfoy…“ Warnend sagte Ron dieses Wort.
Malfoy kam auf ihn zu. Hermine konnte seinen Duft riechen. So vertraut. Und
doch war sie vor Panik versteinert.
„Was, Weasley? Du musst sie ja abgöttisch
lieben, wenn es dir gleich ist, dass ich deine geliebte Granger als erster
hatte“, knurrte er, und ihr fiel auf, dass er für einen kurzen Moment sein Ziel
aus den Augen verlor. Rons Hand umschloss die ihre fester. Hermines Herz schlug
schneller. Sie würde panisch werden. Sie würde weinen, sie würde schreien. Sie
wusste es.
„Es gibt keinen Grund hier aufzutauchen, Malfoy“,
begann Harry von neuem.
„Keinen Grund, Potter?“, schrie er außer sich
und deutete auf ihren Bauch.
„Sie trägt mein Kind in sich, verfluchte
Scheiße noch mal! Ich denke, das ist Grund genug dafür, dass ich hier
herkomme!“
Harry zwang sich sichtlich zur Ruhe. „Du
kannst es aber nicht ändern. Lucius wird es nicht erfahren.“
„Meine Mutter hat bereits vermutet, dass du
Weasley nur heiratest, weil du schwanger bist. Und ich sage ihr noch, dass es
unmöglich ist!“, fügte er knurrend hinzu. „Sie werden es bald wissen.
Spätestens wenn du wirklich ein Kind zur Welt bringst. Und was denkst du, wird
deine neue Ersatzfamilie vermuten, wenn es fast weiße Haare hat? Ein Weasleykind und keine roten Haare? Mein Vater wird es so
schnell erfahren, dass dir nicht einmal mehr Zeit bleibt, es in warme Decken zu
packen und zu fliehen, Granger!“
„Hör auf sie anzuschreien!“, schrie Ginny
jetzt und wollte sich vor Hermine aufbauen, aber Malfoy schob sie achtlos
beiseite.
„Rede endlich, verflucht noch mal! Was war
dein brillanter Plan, Granger? Wolltest du es verheimlichen, bis es eben nicht
mehr geht? Ist dir klar, dass sie beim geringsten Zweifel einen Test machen
werden? Blut ist mächtig. Blut ist das einzige was zählt! Ein einziger Tropfen
Blut deines Babys auf Ahnenpergament wird beweisen, dass es ein Malfoy ist! Ist
dir das bewusst?“
„So etwas wird nicht mehr gemacht, Malfoy“,
widersprach Ron plötzlich. Hermine spürte, wie seine Hand feucht wurde.
„Oh Weasley, sag mir nicht, dass ihr nicht
alle euer Blut in eurem Stammbuch habt!“
Was verpasste sie hier? Was verstand sie hier
nicht? Was war ein Stammbuch?
„Unseren Eltern ist das nicht wichtig.“
„Wie könnt ihr so dumm sein? Wenn es nicht
jetzt passiert, dann passiert es in einem Jahr, in zehn Jahren, spätestens wenn
es nach Hogwarts geht. Ein Bluttest ist unumgänglich,
Granger! Du weißt das.“
„Nein.“ Sie sprach zum ersten Mal. „Was ist
ein Bluttest? Wieso gibt es so was?“
„Es ist wie ein Personalausweis“, erklärte
Harry mit zitternder Stimme. Wieso wusste Harry davon? „Aber mach dir keine
Gedanken, Hermine. Das wird nicht nötig sein. Nur alte Zaubererfamilien
bestehen auf so etwas.“
„Ihr seid eine alte Zaubererfamilie!“,
schrie Malfoy nun Ron und Ginny an. „Ihr seid Reinblüter,
genau wie ich auch. Wir sind genau gleich. Euer Blut ist genauso alt wie meins.
Ihr denkt, ihr besitzt so ein Buch nicht? Ihr irrt euch!“
Oh Gott, das durfte nicht sein! Wieso wusste
sie davon nichts, wieso hatte es ihr keiner gesagt? Wieso hatte sie vergessen,
dass die Weasleys auch Reinblüter
waren? Weil sie sich nicht so verhielten,
als wären sie es.
„Malfoy, hör auf. Dieses Buch ist unwichtig
für uns. Es wird nicht so weit kommen. Und wenn es in zehn Jahren soweit kommen
sollte, dann… dann…“
Alles starrten Ginny an. „Dann ist es auch zu
spät, etwas zu ändern. Aber ich weiß, meine Eltern werden nicht auf diesen
Bluttest bestehen, wenn Hermine es nicht will.“
Malfoy raufte sich die blonden Haare.
„Aber es ist unumgänglich. Was denkst du, was
dein Vater alles fordern wird? Wenn eure Eltern es herausfinden, dann wird das
Gesetz eingreifen. Dann werde ich zur Rechenschaft gezogen. Eine Rechenschaft,
der ich mir nicht bewusst war. Wir hatten abgemacht, du lässt es entfernen. Du
warst sogar bei Snape! Du warst bei ihm! Wie konntest du ihn bloß überreden, es
dir nicht zu entfernen? Ich begreife es nicht“, schrie er jetzt wieder. Und sie
biss sich auf die Lippe, um nicht anzufangen zu weinen. „Ich habe dir gesagt,
es gibt keine Möglichkeit, dass du es behalten kannst, ohne dass Lucius es
weiß!“
Anscheinend wartete er auf ihre Antwort, auf
ihre Erklärung, darauf, dass sie sich rechtfertigen würde. Aber sie hatte keine
Antwort, sie hatte keine Lösung, und sie hatte keine Entschuldigung parat.
„Granger, ich werde es Lucius sagen“, erklärte
er jetzt, die Züge angespannt, der Blick kalt und bereit.
„Das kannst du nicht!“, flüsterte sie jetzt.
„Ich werde morgen heiraten“, fügte sie hinzu, und er zuckte ungerührt die
Schultern.
„Das glaube ich eher weniger, Granger. Ich
nehme nicht an, dass Weasleys Eltern von der
Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt worden sind. Und wenn sie erfahren, dass es
mein Kind ist, das du bekommen wirst, und dass du ihren Sohn nur heiratest,
damit er dich vor Schande bewahrt, dann denke ich wirklich nicht, dass du
morgen heiraten wirst.“
„Malfoy, ich werde sie heiraten. Erzähl es von
mir aus der ganzen Welt. Gib ein Interview in der Hexenwoche über deine
glorreichen Taten, es ist mir egal. Es ist mir egal, was meine Eltern denken,
ich habe versprochen sie zu heiraten, und ich halte mein Wort.“
„Ich werde mein Recht geltend machen,
Weasley.“
Was bedeutete das? Ihre Kehle schnürte sich
zusammen.
„Es ist auch mein Kind. Das bedeutet, dass ich
als Vater und als Malfoy das Recht habe, zu nehmen, was mir zusteht.“
„Was willst du damit sagen?“ Es war Ginny, die
diese Frage stellte. Sein Mund verzog sich, als bereitete es ihm Qual die
nächsten Worte zu sagen.
„Dass ich das Sorgerecht bekommen werde. Meinetwegen
heirate Granger“, fügte er zornig an Ron gewandt hinzu. „Aber sie bekommt
meinen Erben, deshalb frage ich mich, wie das Gesetz wohl entscheiden wird. Und
vergiss nicht, ich bin reich, biete dem Kind die bessere Erziehung und bin
bereit, meine Ansprüche geltend zu machen, Weasley.“
„Das kannst du nicht!“, flüsterte Ginny
entsetzt.
„Ich will es nicht. Aber bevor ich mein
Vermögen teilen muss, und eure ganze Familie damit durchbringe, gehe ich diesen
Weg, und belaste mich mit diesem Kind.“
Langsam drangen die Worte zu ihr durch. Malfoy
würde ihr ihr Kind wegnehmen. So oder so würde er das. Hätte sie es entfernen
lassen, hätte er es ihr genommen, und jetzt, würde sie es bekommen, nahm er es
ebenfalls. Das konnte er nicht tun! Sie konnte doch nicht… Sie würde es niemals
hergeben!
Wie konnte er das tun? Wie konnte er
ausgerechnet das verlangen? Wieso war ein so ein herzloser, kalter, gemeiner,
egoistischer, selbstverliebter Mensch, der niemandem irgendetwas gönnte?
Nichts, überhaupt nichts. Nicht einmal das eigene Kind?
Sie weinte.
Sie bekam kaum noch Luft.
Das konnte nicht passieren! Es musste einen
Weg geben! Es musste einfach. Sie würde doch nicht dabei zusehen können? Sie
musste eine Lösung finden! Sie konnte doch nicht… Das konnte es jetzt nicht
gewesen sein! So einfach würde er nicht gewinnen können!
„Wieso tust du mir das an?“, keuchte sie
heiser und konnte nicht begreifen, dass er es wirklich tun wollte.
„Weil du mir keine Wahl lässt“, erwiderte er
ruhig und vollkommen unbeeindruckt von ihren Tränen.
Die Tür öffnete sich und Fred und George
traten nach draußen. Gefolgt von Molly und Arthur. Malfoy streckte den Rücken
durch. „Ich bin sicher, du wirst die Vorladung bald bekommen.“
Sie starrte ihm unter Tränen nach, als er sich
von ihr abwandte, den letzten Weg bis zum Tor hinter sich und schließlich in
der Nachmittagssonne verschwand.
Sie konnte nicht mehr stehen. Hätte Ron sie
nicht festgehalten, wäre sie einfach auf dem Rasen zusammen gebrochen.
So sollte ihre Geschichte also enden….
Lange hatte er nicht mehr so eine Angst
gehabt. Für gewöhnlich hatte er keine Angst. Nicht in diesem Maße. Er wanderte
bereits seit Minuten Kreise vor der Tür seines Vaters, unwillig zu klopfen,
nicht wissend, wie er beginnen sollte.
Er fühlte sich schäbig und hatte das Gefühl,
eigentlich nicht das gesagt zu haben, was er eigentlich hatte sagen wollen.
Würde sie morgen Weasley heiraten? Trotz allem? Würde er ihr dann wirklich in
ein paar Monaten ihr Kind nehmen? Würde er es bekommen? Daran hatte er kaum
einen Zweifel. Sein Vater hatte immer noch überall starken Einfluss. Aber würde
sein Vater da überhaupt mitmachen? Wahrscheinlich. Es war wesentlich weniger
Aufwand ein Kind zu bezahlen, als eine gesamte Familie.
Er wusste, er hatte keine Wahl, und erschrak
lächerlicherweise bis ins Mark, als sein Vater gereizt die Tür aufriss.
„Zum Teufel noch mal, Draco, wie lange hast du
vor, da draußen rumzurennen, bevor du endlich reinkommst?“ Sein Mund öffnete
sich überrascht.
Sein Vater hielt ihm die Türe offen, und er
schluckte schwer. In zwei Stunden bekämen sie Besuch von den Zabinis. Wieder einmal. Wieder einmal konnte er sinnlose
Stunden mit seiner zukünftigen Braut verbringen, die ihn Jahre seines Lebens zu
kosten schienen.
„Komm rein“, knurrte sein Vater, und Draco
betrat das ungeliebte Zimmer. „Also, was willst du? Du machst mich noch
wahnsinnig.“
Spätestens jetzt bemerkte sein Vater den
Unterschied. Draco hatte immer noch nicht gesprochen, und Lucius runzelte
schließlich die Stirn.
„Was ist? Du warst lange nicht mehr so stumm
mir gegenüber. Was sind das für Schwierigkeiten? Hast du deine Meinung etwa
geändert? Willst du den Zabinis etwa die Hoffnung
nehmen, ihre hässliche Tochter doch noch zu verheiraten?“
Draco atmete langsam aus. Wenn’s nur so wäre.
„Draco, ich bitte dich. Ich hatte eigentlich
nicht damit gerechnet, dass ich den Stolz, den du von deiner Mutter geerbt
hast, brechen könnte, aber…“
„Vater…“, begann er und erschrak über seine
Stimme. Lucius schwieg abrupt. „Es hat nichts mit den Zabinis
zu tun.“
„Was? Was ist es dann? Willst du kein Lehrer
mehr werden? Ich denke, Dumbledore, der alte Narr, versteht deine Skrupel
bestimmt.“ Immer noch schwieg Draco, die Hände angespannt in seinen Taschen
vergraben.
„Oder geht es darum auch nicht?“ Neben der
Ungeduld seines Vaters sah er sehr wohl auch die Angst. Lucius wusste, dass er
kein dummer Mensch war, auch wenn er ihn gerne als das darstellte. Er wusste,
Draco war clever genug, dass Malfoyvermögen alleine
aufrecht zu erhalten und möglicherweise noch zu vergrößern. Wenn es etwas gab,
was Draco beunruhigte, dann war es auch etwas, was Lucius sehr leicht
gefährlich werden konnte.
„Draco, was ist los? Was ist passiert? Was
hast du getan? Wieso kommst nach Jahren zu mir, wenn du irgendein Problem hast,
was du nicht lösen kannst?“
Er hob den Blick. „Vater, ich habe mich zu
einer Dummheit hinreißen lassen“, begann er, und Lucius seufzte. Aber er
erwiderte nichts. Zu Dracos Missfallen schien sein Vater auch noch nüchtern zu
sein.
„Eine Dummheit, die uns viel Geld kosten
wird?“, fragte sein Vater, direkt auf Schadensbegrenzung bezogen.
„Ich nehme es an.“
„Was hast du getan? Ich nehme an, ich kann
ausschließen, dass es etwas mit dem dunklen Lord zu tun hat?“ Dracos Mundwinkel
zuckten kurz.
„Nein, es hat nicht mit Voldemort zu tun. Ich
sagte dir bereits, dass ich unseren Namen damit nicht in Verbindung bringe.“ Er
hielt kurz inne. „Allerdings bringe ich ihn jetzt mit etwas anderem in
Verbindung.“ Er fuhr sich mit der Hand über die feuchte Stirn.
„Großer Gott, Draco. Bewahre Haltung. Immer.
Ich habe dich nicht dazu erzogen, bei Schwierigkeiten panisch zu werden. Bist
du sicher, das Gold dein Problem lösen kann?“
„Höchstwahrscheinlich.“
„Dann sag es.“ Bis zu diesem Moment war es wohl
das vernünftigste Gespräch, das er seit langem mit seinem Vater geführt hatte.
Das war die Ironie des Ganzen. Wahrscheinlich würde er ihn gleich umbringen.
Das wäre dann das Ende des vernünftigen Gesprächs.
„Ich… ich werde Vater.“ So, damit hatte er die
halbe Wahrheit gesagt.
„Du…“ Sein Vater schien sehr schnell
nachzudenken. „Wir können das Kind entfernen. Ist es ein Mädchen aus der
Schule?“
„Ja. Allerdings dachte ich, das Kind wäre
bereits entfernt. Sie war bei dem Termin, hat es aber dann nicht getan. Jetzt
ist es zu spät.“
„Auf dem legalen Weg vielleicht. Wäre sie
bereit, es illegal entfernen zu lassen?“ Es war bemerkenswert, wie ruhig sein
Vater blieb. Wie nüchtern er dieses Thema behandelte. Zumindest noch.
„Nein. Ich denke, das ist keine Option für
sie. Glaub mir.“
Lucius fuhr sich gedankenverloren über seinen
blonden Zopf.
„Hat sie Vermögen? Wäre sie bereit eine
Verbindung einzugehen?“
Oh je… Und jetzt ging es
los…
„Nein. Sie ist keine Slytherin gewesen,
Vater.“
Jetzt erst runzelte er die Stirn. Anscheinend
kam es ihm absurd vor, dass sein eigener Sohn eine Nicht-Slytherin bevorzugte.
„Was heißt das?“, fragte er verwirrt, und
Draco atmete langsam aus. „Wie ist ihr Blutstatus? Ich denke, es lässt sich
bestimmt etwas über meine Verbindungen regeln, auch ohne Gold, wenn-“
„-sie ist muggelgebürtig“,
unterbrach er seinen Vater so schnell, dass dieser abrupt innehielt.
„Du… Sie… -sie ist was?“ Jetzt brach Lucius
Konzentration zusammen. „Oh Draco, nein. Erzähl mir nicht, dass… Du kannst
unmöglich… Du schwängerst ein verfluchtes Schlammblut?“ Und sein Verstand
machte den nächsten Schritt, und er war auf den Beinen.
„Erzähl mir nicht… Du hättest niemals…! Ich
hoffe für dich, du erzählst mir nicht, dass es Hermine Granger ist! So dumm
kannst du nicht sein! Sag mir nicht, dass du Potters Schlammblut geschwängert
hast, Draco!!!“
Er schwieg. Was sollte er sonst tun. Sein
Vater umschritt gefährlich langsam seinen
Schreibtisch und hielt direkt vor ihm inne. Die grauen Augen seines Vaters
sprühten mordlustige Funken. Er packte ihn grob am Kragen seines Hemdes, und
Draco versuchte immer noch, ruhig zu bleiben.
„Ich fasse es nicht! Weißt du, was du uns
damit antust?“, schrie er so laut, dass Dracos Trommelfell dröhnte. „Ist dir klar,
in was für eine Situation du mich bringst?“ Bevor Draco reagieren konnte, hatte
sein Vater zugeschlagen. Der Schlag traf ihn hart auf der Wange und er taumelte
haltlos nach hinten.
Sein Vater packte ihn erneut, riss ihn hoch
und schlug ihm die Faust in den Bauch, so dass er sich keuchend am Schreibtisch
abstützen musste. „Bist du wahnsinnig? Hast du all deinen Verstand verloren,
Draco?“ Draco hatte kaum Zeit sich aufzurichten und sah den Zauberstab in der
Hand seines Vaters.
Oh nein… Er machte sich gefasst,
konzentrierte sich auf seinen eigenen Willen und schloss die Augen.
Der Unverzeihliche traf ihn hart und mit
unglaublicher Kraft. Er sackte zu Boden und krümmte sich unter solchen
Schmerzen, die seine blutende Wange und seinen schmerzenden Magen unwichtig
erscheinen ließen. Er hob den Blick aus dem Schleier der Schmerzen. Sein Vater
hielt mit zitternder Hand den Zauberstab immer noch auf ihn gerichtet, und
Draco schrie schließlich vor Schmerz. Heiße Tränen vermischten sich mit dem
Blut seiner aufgerissenen Wange, und er konnte keinen Gedanken mehr fassen.
Dann war es vorbei. Es kam ihm wie eine
Ewigkeit vor.
„Steh auf“, knurrte sein Vater ungehalten.
Doch Draco konnte sich nicht bewegen. Er wurde grob hochgerissen. „Steh auf,
zum Teufel noch mal. Ich will nicht dein Blut auf meinem Teppich haben.“ Sein
Kopf schmerzte, es war ein beständiges Pochen über seinem rechten Auge, ihm war
schlecht und schwindelig, und er konnte kaum gerade stehen.
„Dir ist nicht klar, wie zornig ich bin,
Draco.“ Sein Vater flüsterte angespannt. „Sieh mich
gefälligst an.“ Die flache Hand seines Vaters knallte auf die unverletzte
Wange, und Draco zwang sich gewaltsam die Augen zu öffnen.
„Wo ist das Mädchen?“, fragte er schließlich, und
als Draco den Mund öffnete schmeckte er das Blut, dass ihm über die Lippen lief
erst wirklich. Angewidert ließ ihn sein Vater los. Er griff erneut nach seinem
Zauberstab und murmelte eine Formel, die den Blutfluss stoppte. Draco räusperte
sich und stützte sich auf der Mahagoniplatte des Schreibtischs ab.
„Sie ist bei den Weasleys.
Sie heiratet morgen den jüngsten.“
„Morgen. Warst du bei ihr?“
„Ja, heute.“ Er schloss die Augen, um die
Übelkeit zu unterdrücken.
„Was hast du ihr gesagt? Seit wann weißt du es
überhaupt?“
„Seit gestern“, erklärte er knapp und atmete
langsam aus. „Ich habe ihr gesagt, dass ich das Kind an mich nehmen werde.“
Lucius schien darüber nachzudenken.
„Damit du nicht für sie aufkommen musst“,
sagte er schließlich mehr zu sich selbst. „Wahrscheinlich können wir das sogar
für uns behalten. Ich bin sicher, Teresa ist froh genug darüber, dass du sie
heiratest. Sie kann sich um dieses… dieses Kind kümmern.“
Draco war sich nicht sicher, ob es so einfach
sein würde.
„Ansonsten belegen wir Granger mit dem Imperius, damit sie nicht an die Öffentlichkeit geht und
unseren Namen noch mehr beschmutzt. Oder ein Vergessenszauber…“,
mutmaßte er jetzt, und Draco kamen beide Wege schlecht vor.
Sein Vater riss ihn grob nach oben und
fixierte ihn argwöhnisch. „Du liebst sie doch nicht, oder Draco?“
Er schüttelte träge den Kopf. „Nein, Vater.“
„Draco…!“ Die dunkle Mahnung lag in den Worten
seines Vaters.
„Nein, ich liebe sie nicht. Aber… ich will ihr
nicht mehr Qualen bereiten als unbedingt nötig.“ Anscheinend sprach die
Dummheit aus ihm. Und jetzt stellte sein Vater die Fragen, die er überhaupt
nicht beantworten wollte.
„Wie oft?“
„Was?“ Die Schwäche überkam ihn, aber sein
Vater hielt ihn immer noch auf Augenhöhe.
„Wie oft hast du sie gehabt?“
„Einmal.“
„Lüg mich nicht an, zum Teufel!“
„Zweimal, Lucius. Zweimal. Das ist alles.“
Wieder schmeckte er Blut, und wieder ließ ihn sein Vater los.
„Hast du sie geküsst?“
„Was?“, keuchte er und stützte sich wieder ab.
Er musste sich dringend hinlegen.
„Ob du sie geküsst hast? Hast sie benutzt oder
hast du es gewollt?“, knurrte er, und Draco verstand absolut nicht, was das mit
ihrer Situation zu tun hatte. „Beantworte meine Frage, Draco.“
Er hob den Blick, allerdings musste er nicht
antworten. Lucius stöhnte auf.
„Deswegen wirst du Lehrer… Deswegen lehnst du
dich plötzlich auf! Großer Salazar, mein Sohn liebt ein Schlammblut.“ Er
vergrub den Kopf kurz in seinen Händen. Draco lachte heiser auf.
„Das tue ich nicht. Granger hat nichts mit
meinen Entscheidungen zu tun“, krächzte er. Er hatte kaum noch die Kraft zum
Sprechen.
„Ach nein? Draco, ich bin nicht dumm. Du
willst auf die gute Seite? Zu Dumbledore und Potter? Du schwängerst ein
Schlammblut? Du vergisst zu verhüten? Zweimal!“
„Das hat nichts damit zu tun!“
„Du willst ihr Qualen ersparen? Sie sollte
dich überhaupt nicht interessieren. Du bist ein Malfoy, ein Reinblüter!
Du kannst nicht mit einem Schlammblut leben! Das kannst du einfach nicht!“
„Ich habe es auch nicht vor!“, schrie er, und
der Gerinnungszauber verlor an Wirkung, denn erneut schmeckte er Blut.
„Dann wirst du es durchziehen. Du wirst ihr
das Kind nehmen. Du wirst sie nie mehr wiedersehen, hast du mich verstanden?“
Er nickte, aber nur weil er mehr nicht mehr
sagen konnte.
„Ich werde mit ihr reden.“ Es klang wie eine
furchtbare Drohung. „Ich bin schwer enttäuscht. Und so wütend war ich selten,
Draco. Sei froh, dass du diese Familie an Gold noch bereichern wirst, sonst
hätte ich keinerlei Skrupel dich hier verbluten zu lassen. Auch wenn ich mich
dann um meinen Teppich bringe.“
Der Kopfschmerz brachte ihn um. Er stieß sich
vom Schreibtisch ab und taumelte zur Tür. Er nahm an, dass er entlassen war. Er
hoffte nur, sein Vater würde Granger nicht so behandeln wie ihn. Würde er sie
schlagen, dann müsste er Lucius nämlich umbringen.
Denn er hatte gelogen.
Ihm wurde es erst durch die Worte seines
Vaters bewusst. Er hatte gelogen. Er liebte Hermine Granger. Zwar erst nachdem
er mit ihr geschlafen hatte, aber anscheinend lagen Liebe und Hass nicht
besonders weit auseinander. Es kristallisierte sich erst in der Sekunde, in der
man das Leben eines Schlammbluts vor das Leben des eigenen Vaters stellte.
Am besten sagte er es seinem Vater doch.
Vielleicht konnte er diese andere neue Seite auch einfach aus ihm rausprügeln.
Aber wahrscheinlich würde ihn sein Vater
sowieso noch umbringen. Neue Bilder nahmen in seinem Kopf Gestalt an. Bilder,
die er verdrängen wollte, Möglichkeiten, die für ihn völlig unerreichbar waren.
Wahrscheinlich war er durch den Blutverlust einfach benebelt.
Morgen würden die Dinge anders liegen. Denn
morgen würde sie Weasley heiraten. Sein Herz zog sich zusammen bei diesem
Gedanken. Seltsamerweise aber nicht bei dem Gedanken, dass sie sein Kind
erwartete.
Blutend und müde schleppte er sich durch das
schlafende Haus. Er hörte, wie sein Vater sich in seinem Zimmer mit sich selbst
unterhielt und das Klirren der Karaffe mit Alkohol.
Für das Ausmaß dieser Katastrophe, war er noch
recht gut davongekommen.
Wenigstens vorerst…
Es war der Tag ihrer Hochzeit. Überschattet
mit ihrer grauenhaften Zukunft. Sie saß vor dem Ankleidespiegel. Noch hatte sie
noch etwas Zeit. Noch musste sie nicht das große Kleid schlüpfen. Gestern hatte
sie mit niemandem mehr gesprochen. Sie hatte nur noch geweint. Harry und Ron
hatten sich eine Ausrede überlegt. Und Hermines Zusammenbruch hatten sie auf
ihre Nervosität geschoben, was Molly zwar verstanden hatte, aber dennoch zu ihr
wollte.
Ginny hat es aber Gott sei Dank nicht zugelassen.
Unten herrschte buntes Treiben. Gleich würden
ihre Eltern kommen. Dann musste sie Ruhe bewahren und Stolz zeigen. Danach
durfte sie wieder in ihr dunkles Loch fallen, und den nächsten Monaten mit
Schrecken begegnen.
Es klopfte an der Tür. Sie war nicht
verschlossen. Sie antwortete nicht. Wahrscheinlich war es nur wieder Ginny, die
sich erkundigen wollte, ob alles in Ordnung war. Wie jede halbe Stunde. Es war
halb zehn. Und sie hatte kaum geschlafen. So sah sie auch aus. Die Tür öffnete
sich und Molly steckte den Kopf hinein.
„Ahem… Hermine, du
hast einen Besucher. Aber ich verlange, dass du mir, sobald er verschwunden
ist, sagst, was hier eigentlich los ist.“ Die fröhliche Molly war verschwunden.
An ihre Stelle war jetzt eine sorgenvolle und völlig verwirrte Frau getreten,
die von der Tür zurück wich.
Für etwa eine Sekunde spielte ihr Verstand ihr
einen Streich. Malfoy war hier. Aber in der nächsten Sekunde bemerkte sie ihren
Fehler. Es war nicht Draco. Es war Lucius.
Er schloss die Tür hinter sich. Seinen
Ausdruck konnte sie nur schwer definieren, aber wahrscheinlich behagte ihm sein
Auftauchen hier genauso wenig, wie allen anderen.
„Guten Morgen“, sagte er ruhig und betrachtete
das Zimmer. Es gab nicht viel zu sehen. Es war ein kleiner Raum, und bald hatte
er keine Entschuldigung mehr, sie nicht anzusehen.
„Mr Malfoy.“ Ihre
Stimme brach.
Er räusperte sich, und sah Draco umso
ähnlicher, als er die Hände schließlich hinter seinem Rücken verschränkte.
Seinen Stock hatte er gegen die Tür gelehnt.
„Miss Granger, ich bin über Ihren Zustand
informiert“, begann er diplomatisch und sie fühlte sich elend. „Es gäbe immer
noch die Möglichkeit, das Kind nicht zu bekommen.“ Ihre Augen weiteten sich.
Sie hatte keine Ahnung, was für eine Art von schwarzer Magie dafür nötig war,
aber sie würde bestimmt nicht einwilligen, sie mit ihrem ungeborenen Kind
durchführen zu lassen.
„Aber, wie ich sehe, ist das tatsächlich keine
Option“, fuhr er fort. Er war ein Geschäftsmann. Sie sah es ihm an. Es war ihr
nicht klar, wie er so ruhig verhandeln konnte, während sie am liebsten
schreiend ihre Fäuste in seinen Magen geschlagen hätte.
„Mein Sohn hat Sie bereits über die Zukunft
informiert. Das Kind wird von uns aufgenommen werden. Über Schweigen Ihrerseits
wäre meine Familie dankbar.“
Sie erinnerte sich noch genau an ihre letzte
Begegnung mit Lucius Malfoy. Es war keine schöne Begegnung gewesen. Er hatte
ihr die Spitze seines Zauberstabs gegen die Schläfe gedrückt und gedroht sie
umzubringen.
„Ich bin nicht bereit, Ihnen mein Kind zu
überlassen, Mr Malfoy“, schaffte sie tatsächlich zu
sagen, ohne Schwäche in ihrer Stimme zuzulassen.
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie Ansprüche
geltend machen, die meinen Sohn mehr Gold kosten, als es kosten würde ein Kind
zu erziehen, Miss Granger, haben Sie mich verstanden?“
„Ich will Ihr Gold überhaupt nicht haben!“,
schrie sie jetzt ungehalten. „Als würde es mir um Ihr Gold gehen! Ich habe kein
Interesse an einer Abfindung.“
„Das kann ich Ihnen nicht glauben. Außerdem, würden
Sie Ihre Meinung plötzlich ändern und behaupten, Sie hätten niemals etwas
Derartiges behauptet, dann stünde ich ziemlich dumm da.“
„Als ob ich jemals Ihr Gold nehmen würde! Ich
glaube, Sie verstehen nicht, wie sehr ich Sie verabscheue! Sie und Ihre
Familie, Mr Malfoy.“
Er betrachtete sie ruhig. Anscheinend war er
Auseinandersetzungen gewöhnt.
„Ich kann Ihnen nicht vertrauen. Gerne würde
ich über diesen Zustand hinweg sehen und Sie mit Ihrem Übel alleine lassen.“
Kurz streifte sein Blick ihren Bauch.
„Dann tun Sie es. Ich werde bestimmt keine
Ansprüche geltend machen, die mich mit Ihrer Familie in Verbindung bringen. Was
denken Sie eigentlich von mir?“
„Ich dachte, Sie wären in keinster
Weise eine Person, die sich auf meinem Sohn einlassen würde. Ich hätte auch
niemals erwartet, dass mir Draco so etwas antun würde. Aber wie Sie sehen, habe
ich mich da geirrt.“ Seine Mundwinkel zuckten verächtlich. „Zwar kann ich nicht
erkennen, was Draco in Ihnen sieht, aber das ist ja auch nicht meine Angelegenheit.
Ich kümmere mich um unser Vermögen, dass Sie uns streitig machen könnten.“ Sie
öffnete protestierend den Mund.
„Und glauben Sie mir, Miss Granger, gerne
würde ich Ihren Worten glauben, dass Ihnen niemals der Gedanke kommen würde,
doch noch anzufechten, was Ihnen laut Gesetz zusteht, aber ich kenne die
Menschen.“
„Sie kennen nur die schlechten Menschen. Sie
sind selber ein schlechter Mensch, Mr Malfoy. Gibt es
keinen bindenden Vertrag, der mich dazu zwingt, niemals Ansprüche zu erheben?“,
fragte sie gereizt, und der blonde Mann runzelte die Stirn.
„Es gibt keinen Vertrag, der Ihnen Ihr Recht
verbietet.“
„Wieso glauben Sie mir nicht einfach, dass ich
Sie hasse? Ich würde meinem Kind kein Wort von Ihnen und Ihrer Familie
erzählen. Was wäre das für eine Horrorgeschichte!“
„Miss Granger, ich bedaure, dass ich Ihnen Ihr
Kind nehmen muss, aber ich kann meinen Ruin nicht riskieren“, endete er immer
noch ruhig und gefasst. „Außerdem ist es nicht nur ihre Entscheidung. Sobald
das Kind alt genug ist und vielleicht erfährt, wer sein wahrer Vater ist, dann
wird es auch eine Meinung haben. Und wahrscheinlich wird es sich ungerecht
behandelt fühlen und erhebt schließlich selber Ansprüche. Sie sehen, es gibt
keinen anderen Weg. Es sei denn, Sie würden sich doch entschließen, es
aufzugeben. Jetzt.“
Sie schüttelte betäubt den Kopf.
„Sie denken schlecht von allen Menschen, nicht
wahr? Als ob mein Kind ein selbstsüchtiges Monster werden würde, dass nur
glücklich ist, solange es andere Menschen um ihr Glück bringen kann.“
„Ich denke, ich habe mich klar genug
ausgedrückt. Wir können das Ganze diskret und friedlich regeln. Allerdings
können wir auch gerne einen Termin im Ministerium machen, wo wir dann unsere
Ansprüche vortragen. Aber ich denke, Sie können sich solche Unkosten nicht
leisten als Frau eines Weasleys, nicht wahr?“
Dieser grauenhafte Mann.
„Ich werde alles versuchen, um dieses Kind
nicht aufzugeben, Mr Malfoy.“
„Dann wünsche ich Ihnen viel Glück. Und eine
schöne Hochzeit.“ Er nickte knapp, griff seinen Stock und verschwand. Sie
hörte, wie die Menge kurz in Schweigen verfiel, bis sich die Tür geschlossen
hatte.
Sie konnte nicht mehr hier bleiben. Gleich
würde Molly kommen und sie fragen, was zur Hölle Lucius Malfoy in ihrem Haus zu
suchen gehabt hatte. Darauf hatte sie keine Antwort. Jedenfalls keine
ausgedachte. Sie hatte auch keine Lust mehr, sich Antworten auszudenken.
Würde sie es Molly sagen, wahrscheinlich wäre
sie nach kurzem Überlegen auf ihrer Seite und würde auch alles daran setzen das
Kind zu behalten, aber Hermine sah keine Chance, dass das passieren würde.
Sie verließ ihr Zimmer, schlich nach unten und
verschwand durch die Küchentür nach draußen. Im Garten stellten bereits ein
paar Männer die letzten Zelte auf. Natürlich mit Magie. So eine Hochzeit schien
mit Magie überhaupt kein Aufwand zu sein. Sie schlich an ihnen vorbei und ließ
den Garten hinter sich.
Es war reines Glück, dass sie davongekommen
war. Aber ihre Freunde waren gerade damit beschäftigt, Molly eine glaubhafte
Ausrede aufzutischen.
Sie atmete langsam aus und strich sanft über
ihren immer noch flachen Bauch. Sie rechnete damit, sich bestimmt noch fünfmal
übergeben zu müssen, bevor sie endlich den Gang entlang schreiten konnte.
„Granger.“ Sie fiel aus sämtlichen Gedanken,
als sie seine Stimme hörte. Sie wandte sich erschrocken um. Seine Gestalt war
halb verborgen hinter einem riesigen Strauch voller lila Blüten. Sie hatte
keine Ahnung, was es für eine Pflanze war, aber eigentlich war das nun auch
völlig nebensächlich. Hatte er vor, wieder zu schreien?
„Was willst du?“, fragte sie müde und kam
langsam näher, bereit ihn zu schlagen oder wegzulaufen. Je nachdem.
Er trat aus dem Schatten und warf einen Blick
zurück zum Haus. Sie erschrak zutiefst. Getrocknetes Blut klebte auf seiner
Wange. Es war ein dünner Streifen Narbengewebe, aber sie glaubte zu wissen, wer
es ihm angetan hatte. Und trotz allem… trotz all seiner Worte, trotz all der
bösen Worte seines Vaters, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen.
Er bemerkte ihren schockierten Blick und
verzog den Mund.
„Das ist nicht weiter schlimm. Ich hätte
eigentlich mehr erwartet.“ Lapidar war seine Antwort, und sie konnte bloß
fassungslos den Kopf schütteln.
„Ich glaube, ich ertrage nicht noch so ein
Gespräch, Malfoy. Dein Vater hat mir gereicht“, gab sie müde zurück. Sie fuhr
sich durch die unordentlichen Haare und wusste, sie sah bestimmt nicht so aus,
wie eine glücklich Braut.
„Granger, hör zu, ich… ich bin nicht gekommen um
wieder… um dich wieder anzuschreien. Es tut mir leid wegen gestern. Ich… bin
panisch geworden. Ich hab keinen Weg gesehen. Nicht dass es jetzt noch einen
anderen Weg gebe, aber… ich wollte dich sehen.“
Schon wieder sagte er diesen Satz.
„Wieso, Malfoy? Wieso? Weil du dich nicht an
meinem Leid satt sehen kannst? Ich hoffe, du sagst dem Kind, warum es keine
leibliche Mutter hat.“ Ihre Stimme versagte schon wieder. „Ich hoffe, dann
hasst es dich, genauso wie ich es tue.“
Und hier kamen die Tränen. Das war einer der
schlimmsten Tage ihres Lebens.
Umstandslos schloss Malfoy den Abstand und zog
sie in seine Arme. Sie wehrte sich halbherzig, aber er war viel zu stark, und
sie war viel zu müde und schwach.
„Lass mich los. Ich brauche deine Fürsorge
nicht, nachdem du alles bekommen hast, was du wolltest.“
„Granger, halt den Mund“, murmelte er gegen
ihren Haaransatz. „Ich habe gesagt, es tut mir leid. Aber ich musste es meinem
Vater sagen, das weißt du.“
Sie schnaubte und stemmte unter Tränen ihre
Hände gegen seine Brust.
„Ich wollte dir niemals weh tun.“ Sie lachte
hart auf.
„Oh wirklich nicht, Malfoy? Seltsam, mir kommt
es so vor, als tust du nichts anderes, seitdem ich dich kenne!“
Er lächelte traurig und strich ihr eine dunkle
Locke hinters Ohr. Sie entzog ihm ihren Kopf und lehnte sich zurück, damit er
sie nicht berühren konnte.
„Granger, ich…“ Sie wollte es nicht hören. Sie
schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
„Lass mich endlich los. Ich werde gleich
heiraten, Malfoy.“
„Ja, bezüglich dieser Sache…“ Er machte eine
knappe Pause, bevor er tief Luft holte. „Wie wäre es, wenn du ihn nicht
heiraten würdest?“ Es klang wie eine Frage in Zaubertränke, wo er ihr eine
andere Zutat vorschlug, die besser passen würde. Sie riss die Augen auf.
„Was? Du bist verrückt. Lass mich endlich
los!“ Ihre Stimme wurde lauter, und beinahe hoffte sie, dass irgendjemand kam
und ihn von ihr losriss.
„Heirate ihn nicht“, sagte er noch einmal.
„Das ist nicht deine Angelegenheit. Ich werde
ihn heiraten, weil ich ihn heiraten will.“ Er umfing grob ihre Handgelenke,
damit sie ihn nicht mehr stoßen konnte.
„Das willst du nicht! Ich weiß, das willst du
nicht!“
„Malfoy, lass mich gehen!“
„Heirate mich.“
Es kam ihr vor als setzte ihr Herz gleich
mehrere Schläge lang aus, und sie rang nach Luft. Der Blick in seinen Augen
raubte ihr den Atem. Was sagte er da? War er vollkommen übergeschnappt? Er
schluckte schwer und ließ ihre Handgelenke los. Sie rührte sich nicht von der
Stelle.
„Ich weiß, der Zeitpunkt ist nicht unbedingt
günstig, aber… ich habe für diese Entscheidung leider etwas länger gebraucht.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Malfoy, ich… heirate heute Ron.“
„Ich weiß. Ich heirate nächsten Monat Teresa.
Aber du könntest einfach mit mir kommen. Ich meine, es ist perfekt. Du und ich.
Und es ist praktischerweise auch mein Kind, das du bekommst.“
„Bist du verrückt geworden?“, fragte sie
tonlos und konnte nicht anders, als zu glauben, dass sie in ihrem Zimmer
eingeschlafen war. Das hier konnte unmöglich gerade passieren.
„Ja! Aber das ist völlig in Ordnung. Das ist
es doch, was du wolltest, Granger!“
„Nein.“ Sie schüttelte heftig den Kopf. Die
dunklen Locken flogen über ihre Schulter. „Nein! Das ist jetzt alles zu spät,
Malfoy.“
„Ich liebe dich.“
Sie schnappte nach Luft. Tränen stiegen ihr in
die Augen.
„Nein, tust du nicht“, piepste sie und wich
vor ihm zurück.
„Ich liebe dich“, wiederholte er ruhig, doch
sie konnte nicht glauben, was sie hörte. „Ich weißt, das passt dir jetzt alles
nicht, aber ich bitte dich, komm mit mir.“
Sie lachte hysterisch. „Du sagst mir am Tag
meiner Hochzeit, dass du mich liebst? Du willst, dass ich mit dir komme? Wohin?
Was ist mit deinem Vater?“
„Scheiß auf meinen Vater. Ich brauche ihn
nicht. Dann… dann hab ich eben kein Geld. Na und? Wenn das heißt, ich kann dich
haben, dann ist mir das gleichgültig, Granger.“
„Nein. Nein, das geht nicht.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich Ron heiraten werde.“
„Du liebst ihn nicht!“
„Das ist unwichtig!“ Sie schlug sich die Hand
vor den Mund. Sie war in seine verfluchte Falle getappt.
„Siehst du? Du liebst mich, ich weiß es. Ich
weiß es seit Monaten.“
„Du würdest niemals alles aufgeben.“
„Wenn ich es nicht tue, dann bekomme ich ein
Kind, dem ich erzählen muss, dass ich es seiner Mutter weggenommen habe. Das
will ich nicht.“
„Das ist deine eigene Schuld.“
„Komm mit mir, Granger. Wir müssen fort von
hier. Wir ziehen nach Hogsmeade. Dann komme ich jeden
Tag nach dem Unterricht zu dir nach Hause, und du kannst mir erzählen, dass
sich unser Sohn das erste Mal selber hingesetzt hat.“
Sie schüttelte wieder und wieder den Kopf.
Und ein riesiger Teil in ihr würde dieses
Angebot nur zu gerne annehmen. Aber der andere Teil war ein guter Mensch. Ein
Mensch, der ein Versprechen gegenüber den Weasleys
gemacht hatte. Gegenüber Ron, Harry und Ginny. Sie konnte nicht einfach davor
fliehen. Sie konnte nicht einfach ihre sieben Sachen packen und mit Draco
Malfoy – Draco Malfoy – durchbrennen.
Am Tag ihrer Hochzeit!
„Ich kann nicht…“, flüsterte sie erstickt. Er
streckte seine Arme nach ihr aus, aber sie wusste, sie würde nicht widerstehen
könne, wenn sie noch länger blieb. Er hatte es versaut. Hunderttausendmal
versaut. Und jetzt hatte er nicht mehr das Recht ihr das zu bieten, was sie vor
drei Monaten hätte haben wollen.
Sie rannte. Sie rannte und bemerkte ihren
Fehler sofort. Rennen war etwas, was sie niemals, niemals tun sollte. Ihr wurde
schwindelig. Sie musste inne halten, und schon war er neben ihr.
„Was ist mit dir? Hermine, sieh mich an.“ Sie
konnte nur noch wage seine Stimme einordnen. Er hatte ihren Vornamen benutzt… Ihr Verstand registrierte die Anzeichen.
Wahrscheinlich war es nur ein Schwächeanfall, weil sie nicht geschlafen und noch
nichts gegessen hatte. Natürlich kam die Schwangerschaft hinzu. Der Embryo
zerrte an ihren Kräften, verbrauchte ihre Energie.
Sie erholte sich allerdings nicht. Scheiße,
wieso musste sie auch rennen? Sie war so dumm. Nein, er war schuld. Nur er. Er
brachte sie soweit, dass sie vergaß, wie sie sich verhalten musste. Aber sie
würde sich später ärgern, denn jetzt spürte sie die Ohnmacht kommen.
„Malfoy, ich… kann nicht…“
Und das zweite Mal in ihrem Leben wurde ihr
schwarz vor Augen
Um sie herum hörte sie Stimmen.
Oh nein. Sie hatte verschlafen. Die anderen
waren schon wach. Hatte sie Verwandlung gestern fertig gemacht? Sie musste
heute immerhin vortragen. Sie konnte sich nicht erinnern.
Mist. Aber sie nahm an, sie hatte alles
erledigt.
Zuerst Verwandlung, dann Geschichte und
Zauberkunst. In Geschichte würde sie sich die relevanten Notizen machen. Ron
und Harry würden sowieso wieder abschreiben. In Zauberkunst hatte sie diese
interessante Passage gefunden, dass man, wenn man es wollte, die Bewegung gar
nicht mit dem Stab machen musste. Es reichte der
reine Kontakt zum Zauberstab völlig aus. Allerdings nur, wenn man einen starken
Willen hatte.
Sie war entschlossen Professor Flitwick zu zeigen, wie gut sie auch ohne die Bewegung den
Farbenzauber ausführen konnte.
Sie nahm ein Summen war. War das eine Biene?
Eine seltsame Biene. Es war stetig und direkt neben ihrem Ohr. Träge öffnete
sie die Augen einen Spalt. Gott, sie war nicht im Schlafsaal.
Wieso kam sie
überhaupt darauf?
Helles Licht blendete sie.
„Ruhig, sie wacht auf.“
„Halt doch deine Klappe, Malfoy.“
Draco und Ron. Großartig. Am liebsten würde
sie wieder in den traumlosen Schlaf sinken.
„Hermine?“
„Mum?“
Sie blinzelte um sich an das helle Licht zu
gewöhnen, und ihre Mutter drückte sie fest an sich.
„Oh, wir haben uns solche Sorgen gemacht. Sie
ist wach!“ Diese Worte sagte sie anscheinend nicht zu ihr. Ein Mann tauchte in
ihrem Blickfeld auf, den sie nicht kannte.
„Guten Morgen, Miss Granger“, begrüßte er sie
und berührte ihr Handgelenk mit seinem Zauberstab. „Der Puls ist niedrig, aber
stabil. Sagen Sie, leiden Sie zurzeit unter Stress?“
Fand dieser Mann das
witzig?
„Ahem…“
„Wussten Sie, dass sie schwanger sind, Miss Granger?“
Oh Gott. Sie schloss die
Augen. Normalerweise verschwanden Albträume wenn man wieder aufwachte. Sie
gingen nicht einfach nahtlos weiter.
„Sie ist was?“
„Du bist schwanger?“
„Von wem?“
„Wieso hast du nichts gesagt, Hermine?“
„Hast du es gewusst?“
Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Mit
Schrecken fielen ihr all die Dinge wieder ein, weswegen sie wohl hier in diesem
fremden Zimmer lag. Sie nahm an, sie war ihm Mungo.
„Ja, ich wusste das.“
Erschrockenes Schweigen.
„Von Ron?“, fragte Molly hoffnungsvoll, aber
dann fiel ihr Blick auf Malfoy. „Deswegen kommen also diese verflixten Malfoys ständig zu uns!“, murmelte sie zornig, und Ron
räusperte sich.
„Ja, wir wussten von der Schwangerschaft. Wir
wollten heute eigentlich heiraten, aber anscheinend war der Stress etwas zu
hoch gewesen“, erklärte Ron dem Heiler kleinlaut.
„Du wusstest das, Ron?“ Sein Vater sah ihn
fassungslos an.
„Ja… Dad.“
Sie wollte nur noch hier weg.
„Wieso habt ihr nichts gesagt? Was wollte Lucius
Malfoy bei uns?“
„Lucius Malfoy war in unserem Haus?“,
entrüstete sich Arthur jetzt, vor dem Molly es wohl geheim gehalten hatte.
„Mein Vater wollte seine Ansprüche geltend
machen“, erklärte Malfoy ruhig, aber Molly wandte sich zornig um.
„Die da welche wären?“
„Das Kind zu behalten, wenn es da ist.“
„Das ist ja wohl eine Unverschämtheit!“
„Was wollen Sie hier überhaupt, Draco?“ Wieder
mischte sich Arthur ein.
„Ich werde sie heiraten“, entgegnete Malfoy
ungerührt.
Hermine ließ sich wieder in die Kissen sinken.
Das war alles nur ein Albtraum. Ein grauenhafter nicht endenwollender
Albtraum.
„Hermine, du wirst ihn doch wohl nicht
heiraten?“, flüsterte Ron, aber Molly lachte auf.
„Natürlich nicht. Sie wird eine Weasley. Und
das Kind wird bestimmt nicht zu den Malfoys kommen.“
„Was ist ein Malfoy?“ Ihre Mutter war nicht
hilfreich, und bevor der Heiler es in die Hand nehmen würde, räusperte sie
sich.
Ihr Blick glitt träge von einer Person zur
anderen. Eine Person schrie die andere an. Die Blicke waren verwirrt und
verletzt. Ihre Kehle schnürte sich zu. Wie hatte sie all diese Menschen
verletzten können? Malfoy wirkte so fehl am Platz in dieser Runde. Er stritt
sich leise mit Harry, der aussah, als ob er bereit wäre, jede Sekunde
zuzuschlagen. Ron stritt sich mit seinem Vater über die Konsequenzen, und warum
keiner eher darüber nachgedacht hatte. Molly und ihre Mutter flüsterten hastig,
aber Hermine war sich sicher, sie hörte das Wort Vertrauen öfters vorkommen.
Ihr Vater und der Heiler sprachen über Möglichkeiten, die Hermine blieben und
wann sie wieder auf die Beine kommen würde.
Aber kein Wort der Freude verließ auch nur
irgendeinen Mund.
Ginny hielt ihre Hand. Stumm, den Blick
abgewandt. Hermine atmete langsam ein. Atmete die Luft ein, die sich brauchen
würde, um den einzigen richtigen Schritt zu wagen.
„Tut mir… leid, für all die
Unannehmlichkeiten.“ Ihre Stimme klang rau und müde. Aber tatsächlich erhielt
sie Aufmerksamkeit. „Ich hatte unglaubliche Angst, und deswegen hat Ron sich
geopfert. Er wollte mich heiraten, damit wir sagen können, es wäre unser Kind.
Aber anscheinend werden Bluttests gemacht, und dann wäre es aufgeflogen.“ Die
Eltern warfen sich untereinander nachsichtige und wütende Blicke zu. Sie holte
noch einmal tief Luft.
„Na ja, nun ich werde überhaupt nicht
heiraten.“
Geschocktes Schweigen. Sie selber war völlig
geschockt über ihre Worte, aber angesichts der grauenvollen Panik in diesem
Raum und ihrer seltsamen gedanklichen Klarheit, kamen ihr diese Worte mehr als
sinnvoll vor.
Sie sah, wie Ron fassungslos den Mund öffnete.
Ginny ergriff seine Hand und ließ ihre los. Hermine sah den Schmerz in seinem
Gesicht und dass er sich mit dieser Lösung nicht zufrieden gab. Aber was sollte
sie jetzt sagen? Sie hätte Ron wegen des Kindes geheiratet. Wenn Malfoy es ihr
sowieso nehmen würde, dann brauchte sie auch niemanden zu heiraten. Vor allem
niemanden, den sie nicht lieben würde. Und Lucius würde niemals zulassen, dass sie
in die Familie Malfoy eindringen würde. Niemals.
Deswegen glitt ihr Blick kurz zu seinem
Gesicht. Seinem wunderschönen, völlig fassungslosen Gesicht.
„Niemanden. Ich.. es tut mir leid, aber ich
glaube, ich will jetzt hier niemanden sehen.“
„Es sind sowieso zu viele Leute in diesem
Zimmer“, sagte der Heiler jetzt peinlich berührt und schob rigoros die Menschen
aus dem Zimmer.
Die Proteste verklangen in ihren Ohren und sie
hoffte, sie würde einfach sechs Monate durch schlafen können.
~*~
Natürlich hatte sie keine sechs Monate
durchgeschlafen.
Sie hatte sich bereits eine Wohnung
ausgesucht. Diese war sogar bezugsbereit, wann immer sie es wollte.
Natürlich hatte sie Streit mit ihren Eltern
gehabt. Die fanden alles einfach nur unmöglich, aber langsam härtete sie gegen
Kritik vollkommen ab. Ron hatte sich nun völlig in sie verliebt und schickte
jeden Tag eine Eule, mit immer derselben Frage, wann sie wieder zurückkäme.
Aber sie wusste, sie könnte bestimmt nicht
noch einmal alles durchmachen. Vor allem liebte sie Ron nicht. Malfoy meldete
sich nicht bei ihr. Sie wollte auch gar nicht wissen, was er jetzt dachte oder
wollte.
Würde er nun doch seine reiche Slytherin-Reinblüterin heiraten, oder ließ er alles zurück? Und wenn
er alles zurück ließ, was passierte dann mit ihrem Kind? War es Lucius Malfoy
dann egal? Und Draco? War es ihm auch egal?
Sie wusste nicht, was sie denken sollte, was
sie fühlen sollte und zu wem sie sich nun eigentlich hingezogen fühlte.
Sie hatte aber auf all ihre Bewerbungen eine Zusage
erhalten. Jetzt musste sie sich nur noch entscheiden.
Sie wusste, sie würde sich für Gringotts entscheiden. Sie wollte nicht ins Ministerium.
Sie wollte viel lieber mit anderen magischen Geschöpfen arbeiten. Das
beinhaltete mehr Magie für sie. Es war wie ein Traum. Ein Traum, der auch nach Hogwarts nicht aufhörte.
Hogwarts. Dort würde Malfoy in
schon einer Woche anfangen, seine Ausbildung zu absolvieren, sollte er nicht
doch noch seine Meinung geändert haben. Sie seufzte leise. Heute würde sie aus dem
Haus ihrer Eltern ziehen und in ihre erste eigene Wohnung wechseln.
Das war ein großer Schritt für sie.
Ihre Eltern waren bereits in der Praxis, also
musste sie sich nicht schmerzlich lang verabschieden, außerdem hatten sie sich
bereits fürs Wochenende verabredet.
Interessanterweise half ihr Harry beim Umzug.
Ginny war im Moment nicht gut auf Hermine zu sprechen. Sie ließ es sich
eigentlich nicht anmerken, aber anscheinend musste sie sich eine Seite
aussuchen, und da sie Rons Schwester war, war Hermine klar gewesen, dass Ginny
nun erstmal auf Rons Seite stand.
Die Weasleys taten
ihr so leid, und noch hatte sie sich auch mit keinem aus der Familie
ausgesprochen.
„Na, aufgeregt?“
Das magische Umzugsunternehmen, hatte ihre
Habseligkeiten bereits verkleinert und in der Wohnung aufgebaut. Sie liebte
Magie. Harry erwartete sie bereits vor ihrer neuen Haustür, als sie aus dem
Nichts vor ihm apparierte.
„Sehr“, erwiderte sie fröhlich.
„Wie geht’s deinem Magen?“
Eigentlich meinte er wohl eher ihre Gebärmutter,
aber sie grinste. „Gut. Seit einer Woche keine Übelkeit mehr!“
„Freut mich wirklich!“ Er drückte sie
strahlend an sich.
„Wie geht’s Ron?“, fragte sie schließlich und
Harry verzog den Mund.
„Es geht so. Er braucht bestimmt noch eine Weile.“
„Jaah.“ Sie kramte
nach ihrem neuen Schlüssel in ihrer Tasche.
„Und wie geht’s dir?“
„Na ja, ich ziehe in meine neue Wohnung, ich
werde bei Gringotts anfangen, und ich bekomme ein
Baby. Ich denke mal, alles etwas stressig, aber ok.“
„Wirklich? Bei Gringotts?
Du weißt, das ist ziemlich gefährlich.“
„Wenn mich Malfoy das Baby nicht behalten
lässt, dann tut mir das gut.“
„Du lässt es ihn wirklich haben?“ Harry
glaubte ihr nicht. Sie glaubte sich selber nicht, aber sie wusste nicht, wie
sie es sonst handhaben sollte.
„Ich weiß es nicht, Harry. Ich hoffe, ich
behalte es für immer und ewig. Und wenn ich das kann, dann werde ich mich
bemühen, keine so gefährlichen Aufträge bei Gringotts
zu bekommen.“
Sie schwieg für einen Moment. Harry hasste das
Thema Malfoy und alles was damit zusammen hing. Daran konnte sie nichts ändern,
aber sie würde ihm den Gefallen tun und nicht mehr davon reden. Heute nicht.
Aber kurz zuckten seine Mundwinkel.
„Lies bei
Gelegenheit mal den Tagespropheten.“ Sie wusste nicht, was sich hinter seinen
Worten verbarg, aber anscheinend war es etwas Positives. Sie beschloss oben in
der Wohnung einen Blick in den Propheten zu werfen.
„Was ist mit dir? Was ergibt deine Jobsuche?“
Harry ruckte mit dem Kopf. „Ginny hat noch
eine Woche Ferien. Und dann werde ich mich durch den Berg an Zusagen arbeiten,
die ich bekommen habe, ohne jemals eine Bewerbung abgeschickt zu haben.
Vielleicht ist Quidditch doch nicht unbedingt mein
Traumberuf. Ich denke, ich werde diese Aurorenausbildung
machen. Das wird Dumbledore gefallen.“ Da war Hermine sich sicher.
„Ich werde jetzt meine Wohnung genießen.“
Sie konnte es nicht fassen, dass Harry
wirklich einfach so irgendwelche Zusagen bekommen hatte, wofür alle anderen,
sich ein Bein ausreißen mussten. Aber sie würde sich nicht beschweren. Sie
hatte ja, was sie wollte.
Harry verabschiedete sich und versprach,
spätestens morgen noch einmal mit Ginny vorbeizukommen. Hermine freute sich.
Ginny würde sich sowieso wieder hinter Rons Rücken mit ihr vertragen, denn die
Aussicht auf ein kleines Baby entschädigte die momentane schlechte Stimmung für
sie.
Sie betrat das Treppenhaus. Es war nicht groß,
aber das war nicht so schlimm. Die Wohnung war das letzte Mal noch kahl und nicht
besonders wohnlich gewesen. Sie war gespannt. Sie wohnte im ersten Stock. Das
war ihr eigener Wunsch. Ganz unten hatte es keinen Kamin gegeben, und auch wenn
die Treppen nicht so praktisch werden würden, wenn sie rund wie eine Kugel war,
wollte sie doch einen Kamin haben. Alleine schon für die Kommunikation.
Sie betrat ihre Wohnung und musste lächeln.
Alles war eingeräumt. Die Möbel waren fertig aufgebaut in ihrer
Drei-Zimmer-Wohnung. Hinten standen ihre wenigen Kisten, mit ihren persönlichen
Dingen, aber alles war bereit.
Perfekt.
Fast perfekt. Ein Brief lag auf ihrem neuen
Wohnzimmertisch. Anscheinend war die Eule durch das offene Fenster gekommen.
Sie nahm den recht förmlich wirkenden Brief in die Hand. War das schon
irgendeine Rechnung? Oder ein weitere Brief von Ron, nur wesentlich dicker?
Nein. Sie öffnete den Umschlag und mehrere
Durchschläge an Pergament fielen schwer auf den Tisch und rollten sich glatt.
Sie musste nur wenige Zeilen überfliegen, um zu verstehen, was dieses Pergament
aussagte.
In ihren Händen hielt sie eine einstweilige
Verfügung.
Draco Malfoy verlangte ihr Kind. Sie blätterte
mit fahrigen Fingern weiter. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Er verlangte
ihr Kind oder eine Heirat.
Waren das ihre Möglichkeiten? Musste sie diesen
Brief ausgerechnet jetzt bekommen? Jetzt, wo die ganze Hoffnungslosigkeit und
Angst wenigstens für ein paar Momente nicht mehr jeden einzelnen Tag
beherrschten?
Sie konnte ihr Kind abgeben, oder sie musste
ihn heiraten?
War das legal? Wahrscheinlich war es das
nicht, aber wer genügend Gold hatte, der musste sich wohl nicht um legal oder
illegal sorgen, nahm sie an. Aber wieso war Lucius damit einverstanden? Wieso?
Wieso konnte Malfoy auf einmal so handeln? Wieso tat er das überhaupt?
Was hatte er für einen Vorteil an ihrem Kind?
Wieso bekam sie von Ron Liebesbriefe, aber von Draco eine einstweilige
Verfügung, die ihren Körper mitsamt dem Kind beschlagnahmte? Das konnte doch
unmöglich ein legales, faires Rechtssystem sein!
Sie griff nach dem zusammen gerollten
Tagespropheten, den sie bestellt hatte, und mit einem Blick auf eine kleine
Spalte der Titelseite wurde ihr klar, wieso Draco all das tun konnte. Der
Prophet rutschte aus ihren zitternden Händen.
Er hatte sie.
Und das wusste er.
Denn sie würde das Kind nicht aufgeben wollen.
„Aber Draco, das ist Elfenbein!“
„Ja. Und es ist widerlich.“ Seine Mutter
stellte sich schützend vor den Tisch. Er würde ganz bestimmt keine illegalen Gegenstände
hier in seinem Hause haben. Ganz bestimmt nicht. Er würde nicht Lucius’ Fehler
machen.
Vielleicht war sein Vater sehr paranoid, aber
mit einer Sache hatte er doch Recht gehabt. Er wusste, er würde ein Verfahren
bekommen. Und das hatte er jetzt. Ein ziemlich dickes Verfahren sogar. Mit
Haftstrafe und allem Drum und Dran.
Jetzt saß Lucius in Askaban,
wenigstens für eine geringfügige Zeit. Aber das Beste war nicht, dass sein
Vater die Konsequenzen für sein Handeln tragen musste, nein. Das Beste war,
dass das Vermögen nun nicht mehr in Lucius Händen lag. Ja, Draco war jetzt der
Mann in diesem Haus.
Auch wenn seine Mutter es hasste. Nicht nur,
dass er alle Möbel hinauswarf. Nein, er würde außerdem nicht Zabinis Schreckschraube heiraten, sondern eine Muggelgeborene. Zwei Migräneattacken hatte seine Mutter
bereits hinter sich.
Er hatte die Wahrheit auch nun Pansy und Goyle erzählt. Pansy hatte so lange gelacht, bis sie ganz
rot geworden war. Ob aus Hysterie oder aus Schadenfreude, war ihm nicht ganz
klar. Goyle hatte nur gesagt, er hätte so etwas schon
kommen sehen. Goyle war immer noch mit Melissa
zusammen, und Pansy schien noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen als vorher.
Aber anscheinend hegte sie die Hoffnung, dass wenn Melissa erst wieder in Hogwarts war, Goyle wieder seine
Liebe zu ihr entwickeln würde.
Draco würde ihr schon noch sagen, wie krank er
es fand, dass Pansy sich so anstellte, anstatt Goyle
einfach zu sagen, dass… na ja, was eigentlich? Er hätte niemals gedacht, dass
Pansy sich ändern würde. Eigentlich tat sie das auch nicht. Sie war immer noch
eine gemeine Schlange, mit gemeinen Methoden. Aber diesmal nutzte sie diese um Goyle zu bekommen.
Unglaublich. Aber er wurde jetzt ja auch Vater
eines Halbbluts. Er war wahrscheinlich offiziell vom Markt.
Seiner Mutter schien es egal zu sein, was
Lucius sagen würde. Sie erwähnte seinen Namen nur noch beiläufig. Im Moment
hatte sie eine große Panik, dass all ihre Freundinnen herausfanden, dass ihr
Sohn ein Muggelgeborene heiraten wollte.
Und ja, das wollte er. Auch wenn sie es nicht
wollte. Aber er wusste, sie wollte es. Eigentlich. Auch wenn sie das Gegenteil
behauptete. Deswegen würde er sie zu ihrem Glück zwingen müssen.
Selten hatte er so gute Laune gehabt. Er hatte
sein Vermögen, er konnte tun, was er wollte, und er würde heiraten wen immer er
wollte.
Und er würde Vater werden.
Er freute sich bereits darauf, sie wieder zu
sehen. Drei Wochen hatte sie sich bei ihren Eltern versteckt gehalten, sich
eine Wohnung angemietet, und wenn Lowyn richtig lag,
dann würde sie Gringotts wohl zusagen. Natürlich
hatte er auf das Spionieren nicht verzichtet.
Allerdings hätte er die Heirat noch vor Beginn
des neuen Schuljahres gerne hinter sich gebracht, damit sie diese Wohnung aufgeben
konnte und zu ihm zog. Wenn auch nicht in dieses Haus hier. Er war da ja
flexibel.
Niemals hätte er gedacht, dass es leicht sein
könnte, seine Prinzipien aufzugeben. Eigentlich hätte er auch das Vermögen für
sie aufgegeben, aber dann hätte er sie nicht zwingen können, ihn zu heiraten.
Gut, das war kein edler Zug, aber wenn sie es
ihm so schwer machen musste, gut, das Spiel konnten sie zu zweit spielen. Es
war etwas lächerlich, aber schließlich war er siebzehn und durfte noch eine
Woche lächerlich sein. Ihm war klar, er wollte nur sie und sonst keine. Und er
wusste, er würde sie so oder so bekommen, weil er wusste, dass sie ihn liebte.
Aber er wollte es schnell. Er wollte es jetzt,
denn er wollte sie immer noch unbedingt haben. Ja, lächerlich war ein gutes
Wort für ihn.
~*~
„Das kann er doch nicht wirklich machen?“
„Ich dachte, es wäre eine gute Nachricht, dass
Lucius keine Macht mehr über dich hat. Das hätte ich nicht erwartet.“
„Willst du ihn denn gar nicht mehr?“, fragte
Ginny jetzt wieder, und Hermine löffelte Eiskrem.
„Ich… nein. Keine Ahnung, nicht so.“
„Was? Du wolltest ihn vorher?“ Harry war
geschockt.
Beide, Ginny und Hermine, sahen ihn
nachsichtig an.
„Ich meine, es ist Malfoy, Hermine.“
„Jaah. Ich weiß…“
„Er wird das nicht erzwingen können“,
behauptete Harry nun felsenfest und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Er hat es doch schon fast geschafft.“
„Nein. Du wirst nicht zustimmen.“
„Dann nimmt er mein Kind.“
„Gott, es muss doch einen anderen Weg geben.“
„Ja. Ich werde ihn heiraten und behalte dafür
mein Kind“, beschloss sie gereizt. Sie hatte ihn ja eigentlich sowieso heiraten
wollen. Wenn auch nicht gezwungenermaßen, sondern weil er sie liebte, und ihr
einen Antrag gemacht hätte.
So natürlich war sie es gezwungen zu tun, ohne
dass er ihr überhaupt eine Wahl ließ. Das änderte die Situation. Sie würde es
ihm nicht leicht machen. Sie würde sich ganz bestimmt nicht freiwillig seinem
Willen beugen. Sie hatte in den letzten Wochen einiges gelernt.
Und wenn er wieder versuchen würde, ihren
Stolz zu brechen, dann würde sie dieses Mal bestimmt nicht nachgeben. Wenn er
sie ärgern wollte, um seine Macht zu demonstrieren, - bitte, das konnte er
haben.
Sie würde ihm ihre Macht schon beweisen. Er
hatte den Fehler gemacht, ihr zu sagen, dass er sie liebte. Und diese Macht
würde sie ausnutzen.
Alles, was sie wollte, um all den Stress, den
sie durchlebt hatte, zu vermeiden, war, dass er endlich zur Vernunft kam und
mit ihr zusammen sein wollte. Jetzt wollte er das. Zu spät und auf keine
besonders nette Weise, hatte er ihr das mitgeteilt.
Wenn sie an ihn dachte, sicher wurden ihre
Knie weich, aber das wusste er nicht. Und wenn er schon ihren Willen brechen
musste, dann würde sie es ihm unter gar keinen Umständen einfach machen, sie
zurück zu bekommen.
Eine Heirat band ihren Körper vielleicht an
ihn. Aber nicht ihren Geist.
Und zum ersten Mal würde sie ihn leiden
lassen. Oh ja, darauf freute sie sich. Auch wenn sie sich nicht sicher war, ob
sie dieses Spiel würde durchziehen können, wenn er vor ihr stand, groß und
hübsch, als ihr Mann.
Kurz dachte sie an Ron, und wie falsch es
gewesen wäre ihn zu heiraten. Immer noch vielleicht besser als Malfoy, aber bei
Ron hatte sie nicht diese Wut und Leidenschaft gefühlt.
Wahrscheinlich war sie krank. Oder das Baby
machte, dass sie so dachte.
Mrs Hermine Malfoy.
Das klang furchtbar. Oh, sie hatte bereits
einen ersten Streitpunkt gefunden.
Sie würde definitiv ihren Namen behalten. Wenn
auch nur um diesen Bastard zu ärgern.
„Hermine, was denkst du gerade?“, unterbrach
Harry ihre Gedanken, und sie schreckte hoch.
„Nichts“, log sie, und konnte das Zucken ihrer
Mundwinkel nicht verhindern.
~*~
„Das kannst du nicht ernst meinen! Das glaube
ich nicht. Du kannst doch deinen Status nicht einfach so wegwerfen! Was glaubst
du eigentlich, was die Gesellschaft dazu sagen würde?“
Pansy könnte entweder mit ihm oder Goyle sprechen. Einem Außenstehenden würde es kaum
auffallen. Aber glücklicherweise schrie sie gerade Goyle
an und nicht ihn. Er lehnte sich entspannt zurück und genoss seinen Tee.
Malfoy Manor war
aufgebrachte Schreie gewöhnt. Und dass sein Vater immer noch abwesend war,
gefiel ihm unverschämt gut.
Die Welt war perfekt. Leider nicht für Goyle, aber im Moment genoss er es, dass er einmal nicht angeschrieen wurde.
„Wieso? Draco heiratet auch!“
„Draco bekommt ein Kind untergeschoben von
dieser… dieser… diesem Mädchen. Du hast niemanden geschwängert. Oder hast du…?“
„Wieso? Weil das dein einziger Grund wäre
jemanden zu heiraten?!“
„Glaub mir, wäre ich Draco, dann wäre ich
nicht so bescheuert und würde Granger heiraten. Aber hey… seine Sache. Bei dir
ist es ganz was anderes. Sie ist fünfzehn, Goyle!“
„Na und?“
Beide starrten sich zornig an, und Draco
bedauerte schon etwas, dass er Crabbe nicht auch eingeladen hatte.
Bedauerlicherweise hatte sich Crabbe aber für den anderen Weg entschieden. Er
hatte jetzt nämlich die Außenstelle bei Borgin und
Burkes angenommen. Armer Crabbe… Jetzt waren sie nur zu dritt. Melissa war
Zuhause und musste sich auf das nächste Schuljahr vorbereiten.
Goyle würde tatsächlich in
der Eulenhandlung anfangen, und Pansy hatte sich erst einmal ein Jahr lang frei
genommen. Eine Auszeit, wie sie es nannte. Damit blieb ihr genug Zeit, Dracos
Entscheidungen zu kritisieren, Goyles Entscheidungen
zu kritisieren und beide gleichzeitig anzuschreien.
„Pansy, es ist nicht so, als ob ich dich um
Erlaubnis fragen müsste. Ich erzähle es euch, weil ihr meine besten Freunde
seid. Ich kann auf deine Meinung verzichten.“
„Reicht es nicht langsam? Wie lange hast du
vor, das Durchzuziehen? Du willst sie doch überhaupt nicht!“
„Ich will sie genug, um sie zu heiraten.“
„Weiß sie das?“
„Ich werde es ihr heute sagen!“
„Du bist so ein Idiot. Liebe ist nicht so
einfach, Goyle.“
Es war perfekt.
Er verschränkte genüsslich die Arme hinter
seinem Kopf. Er überlegte, wann er das letzte Mal zu seinen Freunden ehrlich
gewesen war und unter ihnen gesessen hatte. Wann hatten seine Freunde jemals
alles über ihn gewusst? Noch nie, wäre die ehrliche Antwort gewesen. War das
möglich? Fühlte es sich so an, wenn das Gewissen durch nichts belastet war?
Gut, das stimmte nicht völlig. Gerne wäre er
jetzt bei Granger und würde mit ihr reden. Bei dem Gedanken an sie, schien
seine Brust anzuschwellen, und er konnte kaum noch atmen vor Glück. Es war
absolut fantastisch, dieses Gefühl.
Getrübt wurde es nur durch Pansys konsequentes
Gebrüll, was ihn nur zu stark an seine Mutter erinnerte.
„Oh ja, Pansy? Erzähl mir mehr von Liebe. Ist
es das, was du gefühlt hast, jedes Mal wenn Draco mit dir fertig war?“
Ihre Hand kam so schnell geflogen, dass es
sogar für ihn zu schnell war, zu erkennen. Jetzt lag eine unangenehme Stille in
der Luft.
„Tu was du willst. Mir ist es scheiß egal.“
Unter Tränen hatte sie nach ihrer Perlenhandtasche gegriffen und stürmte ins
Haus. Fassungslos starrte Goyle ihr nach. Draco
seufzte schwer.
„Bravo. Hast du großartig gemeistert diese
Diskussion. Und danke für das
Mitreinziehen. Das war scheinbar nötig?“ Leicht
gereizt trank er seinen Tee. Jetzt wäre Pansy erst mal sauer.
Goyle ließ sich neben Draco
auf den Stuhl fallen.
„Wie konnte das passieren? Ich wollte euch nur
von dieser guten Neuigkeit berichten. Ich dachte, sie würde sich freuen. Was
gibt ihr das Recht meine Entscheidungen zu kritisieren?“, murmelte Goyle und sah ziemlich elend aus.
Würde Draco auf gemeine Wortabschläge noch
immer so großen Wert legen, dann wäre er jetzt zum ersten Mal wirklich
beeindruckt von Goyle gewesen. Aber das war er jetzt
nicht. Und er war sich auch nicht sicher, ob Goyle
überhaupt merkte, dass er Pansy ohne Umstände haben konnte.
Er müsste ihr nur jetzt nachlaufen und schon
wäre sie sein. Wahrscheinlich war ihm das nicht klar. Und Draco war sich nicht
sicher, ob er nicht Melissa Zuliebe den Mund halten sollte. Eigentlich war es
ihm egal, aber dass seine einzigen Freunde sich anschrien, das war nicht
unbedingt eine schöne Sache.
„Du musst dich entschuldigen.“
„Wieso ich?“
„Weil du sie als Schlampe bezeichnet hast.“
„Sie hat gesagt, dass…“
Er unterbrach sich. Anscheinend ließ er das
Gespräch noch mal Revue passieren.
„Wieso stört es sie überhaupt so?“, fragte er
plötzlich. Draco zuckte gespielt ahnungslos die Schultern. „Ich meine, es geht
sie nichts an. Wieso verhält sie sich dann, als ob…“
Er hob den verwirrten Blick und seine
dunkelblauen Augen fixierten Dracos Gesicht. „Sie ist doch nicht… Pansy wäre
nicht… eifersüchtig, oder?“
Draco lächelte nonchalant. „Wirklich keine
Ahnung, Goyle. Wieso fragst du sie nicht? Aber bitte lasst uns das wieder zu einer öffentlichen Anschauung
machen. Mir gefällt es, dass nicht ich angeschrien werde.“
„Du bist ein Arsch.“
Ja. Das war er zweifellos. Aber erst morgen,
wenn er Granger zwingen würde, mit ihm zu kommen. Ihm graute vor diesem
Gespräch, aber er versprach sich, dass der schlimme Teil bald vorbei sein
würde. Wie lange konnte sie sauer auf ihn sein? Eine Woche? Höchstens zwei.
Sie würde ihm niemals auf ewig böse sein. Auf
gar keinen Fall.
„Draco, was willst du eigentlich von mir?“
Er wusste, Pansy tat ihm bloß einen letzten
Gefallen wenn sie hier bei ihm auftauchte und Zeit verbrachte. Seine Mutter
hatte sich oben eingeschlossen und hasste ihn stumm. Seitdem er verkündet
hatte, er würde Hermine Granger heiraten, war Verständnis nicht unbedingt eine
Eigenschaft, die sie an den Tag gelegt hatte.
Für gewöhnlich rauchte er nicht. Er hatte wohl
von seinem Vater die Domäne übernommen, dass er einen Grog einer Zigarette
vorzog, aber heute würde er eine Feuerkrautzigarre rauchen, um seine Sinne
etwas zu beruhigen.
Pansy betrachtete ihn verächtlich, während er
mit der Zange den Filter abknipste. „Weißt du, mein Schiff geht in zwei
Stunden.“
„Wieso willst du überhaupt weg?“ Er entzündete
das schwere silberne Feuerzeug und zog an dem widerlichen Zigarrenhals. Es
schmeckte tatsächlich wie Feuer und der Qualm brannte in seiner Kehle.
„Das ist wirklich abstoßend, Draco. Seit wann
rauchst du dieses Zeug überhaupt?“
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
„Du meine auch nicht.“
„Ich habe zuerst gefragt, Pansy.“ Dieses Spiel
konnte er stundenlang spielen.
Sie verzog gereizt den Mund. „Ich habe dir
schon gesagt, ich wollte eine Weltreise machen. Also warum nicht jetzt?“
„Warum nicht erst, wenn du dich mit Greg
vertragen hast?“ Er wusste wirklich nicht, warum er so erpicht darauf war,
seinem Freund zu helfen, aber er hatte eine Ahnung.
Je länger er hier verweilte, umso später
müsste er zu Granger. Er zog noch einmal tief an der Zigarre. Langsam bereitete
sich das warme Gefühl in seinem Magen aus.
„Das hat ja wohl überhaupt nichts mit meinen
Plänen zu tun.“
„Pansy, du machst dich lächerlich. Wem willst
du etwas vor machen? Mir bestimmt nicht, oder?“ Er hob die Augenbraue und
fixierte sie spöttisch.
„Draco, was willst du eigentlich? Du willst
mir Vorhaltungen machen? Du schwängerst ein Schlammblut.“ Tatsächlich war sie
also verletzt deswegen. Er hatte es sich schon gedacht. „Ein Schlammblut!“
„Hör auf mit diesem Wort.“
„Oh, großer Merlin. Wer hätte das jemals
gedacht?“, lachte sie gehässig, und er stieß sich von der Tischkante ab.
„Wer hätte jemals gedacht, dass du dich
tatsächlich in Greg verlieben würdest? Wahrscheinlich stehen die Chancen
ähnlich hoch, oder?“
Ihr Blick wurde eisig. „Ich bin nicht in ihn
verliebt. Ich finde sein Verhalten nur unmöglich.“
„Unmöglicher als Hermine Granger zu heiraten?“
„Nein. Nichts übertrifft das, du verrückter
Idiot.“ Sie klang nicht mehr ganz so zornig.
„Sag es ihm einfach. Dann schießt er Melissa
in den Wind, und du wirst Mrs Gregory Goyle und stockst dein Vermögen um mehrere Millionen
Galleonen auf.“
„Ich interessiere mich nicht für sein Gold,
Draco.“
„Aber ihn heiraten würdest du?“
„Nein. Ich bin nicht so versessen aufs
Heiraten wie du und Goyle. Auch wenn es seltsam für
euch erscheinen mag.“
Und das tat es ganz und gar nicht. Er
erinnerte sich noch gut an seine Gedanken zu dem Thema Heirat und all den
Verpflichtungen, die es mit sich brachte. Er erinnerte sich noch gut an den Tag
vor ein paar Wochen, wo er Teresa den Laufpass geben musste, weil er die Frau
heiraten wollte, die sein Kind in sich trug.
Heiraten hatte für ihn plötzlich einen anderen
Geschmack bekommen.
„Wir sind Freunde, richtig?“, fragte er fast besorgt.
Pansy griff endgültig nach ihrer Handtasche. Seine Zigarre verglühte in dem
Kristallaschenbecher.
„Immer, Draco. Aber ich denke, wenn du deine
verrückten Pläne durchziehen willst, dann musst du mich jetzt auf mein Schiff
gehen lassen.“
„Was ist mit Greg?“, fragte er jetzt, und sie
verdrehte gereizt die Augen.
„Wenn er noch Junggeselle sein sollte, wenn
ich in einem Monat wiederkomme, dann werden wir sehen.“ Er sah kurz den Schmerz
in ihren Augen aufblitzen. Er war froh, dass er die Phase seines eisernen
Stolzes hinter sich gelassen hatte. Er konnte nachfühlen, wie schwer Pansy all
ihre Entscheidungen im Moment fallen mussten, damit sie nur nicht ihr Gesicht
verlieren würde. Sei es auch nur, vor dem Mann den sie liebte.
Wie seltsam. Pansy und Goyle.
Aber wer war er zu urteilen? Er würde gleich zu Granger gehen und seine Würde
opfern.
Verfluchter Mist.
~*~
Sie hatte sich bei einem Schwangerschaftsclub
angemeldet. Schwangere Hexen und der schmerzfreie Weg einer magischen Geburt.
Sie hielt zwar nichts davon, die Schmerzen durch Zauber zu unterbinden, aber
jetzt, wo sie langsam, langsam an Formen zunahm, wurde der
Schwangerschaftsgedanke auf einmal völlig real.
Ein Außenstehender würde es kaum sehen, aber
sie nahm die feine Wölbung wahr, wenn sie aus der Dusche stieg und sich
betrachtete.
Ihre Laune war nicht gut. Sie wartete täglich
auf sein Auftauchen und wusste, jeder Tag ohne ihn war nur ein winziger
Aufschub. Nervös saß sie auf ihrem Stuhl und starrte hinaus auf die Straße. Sie
schämte sich.
Erst gestern hatte sie ihren Eltern
gebeichtet, was los war. Es war ein langes, Nerven zerfetzendes Gespräch. Ihr
Vater hatte so laut geschrien, dass sie das Telefon weit von ihrem Ohr hatte
weghalten müssen.
Hätte sie doch nur eine Bank ausgeraubt. Und dass
sie jetzt auch noch heiraten würde, hatte ihre Mutter wütend gemacht. Ihr Vater
sah es als richtige Entscheidung, ihre Mutter sah es als falschen Weg. Sie
hatte nicht gesagt, dass er sie zwang.
Nur vage nahm sie an, dass sie es verschwiegen
hatte, weil sie ihn eigentlich wollte. Aber würde sie das ihren Eltern sagen,
dann gäbe es noch mehr Streit, und sie brauchte im Moment wirklich nicht noch
mehr Streit.
Aus den Augenwinkeln nur sah sie den blonden
Haarschopf, der gerade eben auftauchte und schon verschwunden war. Es klopfte
keine Minute später an ihrer Tür. Sie erhob sich, und auch, wenn sie ihn tief
in ihrem Innern wirklich wollte, spürte sie erneut die Wut aufkochen, wenn sie
an den widerlichen Brief dachte, den er ihr geschickt hatte.
Sie erreichte die Tür mit geballten Fäusten
und riss sie zornig auf.
Atemberaubend. Er sah aus wie immer.
Vielleicht ausgeschlafener und fröhlicher als sie ihn in Erinnerung gehabt
hatte. Mistkerl. Seine Haare waren ein Stück gewachsen und die Spitzen ragten
ihm jetzt fast in die Augen. Er strich sie unbewusst mit seinen schlanken
Fingern zurück.
„Granger.“ Er schob sich grinsend in ihre
Wohnung.
„Ich habe deinen Brief bekommen, Malfoy.“
„Großartig. Dann gibt es ja wenig zu
verhandeln, nicht wahr. Ich denke, deine Entscheidung ist somit klar. Ich
kümmere mich darum, dass deine Sachen hier fort geschafft werden. Eigentlich
brauchst du sie sowieso nicht mehr.“
„Ich werde nicht ausziehen“, sagte sie steif,
und am liebsten hätte sie den Vater ihres Kindes in tausend Stücke geflucht.
„Was? Natürlich tust du das.“ Seine gute Laune
schwand.
„Ich habe die Wohnung gerade erst bezogen. Und wenn du mit Gewalt durchsetzen
möchtest, dass ich deine Frau werde, dann werde ich dennoch hier wohnen
bleiben. Mit meinem Kind. Du bist sowieso arbeiten.“
„Was? Das kannst du nicht. Wenn ich dein Mann
bin, dann haben wir zusammen zu wohnen.“
„Du denkst, ich komme mit nach Malfoy Manor?“, spuckte sie ihm spöttisch entgegen, und er
schüttelte knapp den Kopf.
„Nein, ich habe ein nettes Cottage in Hogsmeade gefunden.“
„Vergiss es. Hier ist es näher zu Gringotts.“
„Du wirst nicht arbeiten“, erklärte er, und die Diskussion kam ihr immer
absurder vor.
„Du darfst arbeiten und ich nicht?“
„Nein.“
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Du schreibst
mir vor, dich zu heiraten, du willst meine Sachen wegschaffen, du zwingst mich,
mit dir zusammen zu leben, und du willst mir auch noch verbieten, mich selbst
zu verwirklichen und zu arbeiten?“
„Ich will, dass du unser Kind erziehst.“
„Es ist mein Kind, denn du wolltest es
entfernen lassen.“
„Granger, halt deine Klappe, verflucht noch
mal!“
„Oh, fluch bitte noch lauter vor deinem
ungeborenen Kind. Ich denke, es wird sich deine Stimme bereits einprägen und
dich hassen.“
Er schloss zornig den Mund und sie funkelten
sich an. Ihre Finger kribbelten. Alles war viel zu vertraut.
„Ich will, dass du nicht sofort arbeiten
gehst. Und vor allem nicht den ganzen Tag lang.“
„Das hast du nicht zu bestimme. Außerdem wirst
du doch im Schloss wohnen wollen. Wie alle anderen auch.“
„Nein, das will ich nicht.“
„Ich werde nicht in deinem Haus wohnen.“
„Oh doch, Granger. Du wirst das nicht ändern
können. Und wenn du es doch wagst, dann greift die Verfügung über dich und
unser Kind.“
„Es ist mein Kind, und du bist ein
gottverdammtes Arschloch.“
„Oh, fluchst du jetzt auch vor dem Kind?
Darfst nur du das, Granger?“, fragte er, und seine Mundwinkel zuckten, wenn
auch nur kurz.
„Du willst, dass ich mit dir in einem Haus
wohne? Schön.“
Sie wandte sich von ihm ab und schritt zurück
zu ihrem Tisch.
„Ich denke, wir haben alles gesagt,
Malfoy. Du hättest auch einfach nur
wieder einen verfluchten Brief schicken können. Das kannst du doch so gut. Das
nächste Mal, wenn du etwas willst, lass mir einfach eine Nachricht zu kommen,
was ich tun muss“, knurrte sie, und er öffnete den Mund. Sie hob die Hände.
„Nein. Ich habe keine Lust dich noch einmal in
dieser Woche zu sehen, also, regel deine scheiß
Heirat alleine. Schick mir dein blödes Formular, und dann werde ich in dein
Haus einziehen, wenn du bereits deinen Job angetreten hast.“
Sie verschwieg, dass sie selber dann arbeiten
würde. So lange sie es denn noch konnte.
Sein Mund klappte wütend zu.
„Wie du willst. Du bist ein stures Miststück.
Du solltest dich freuen, dass ich dir diese Chance lasse, aber ich weiß, du
wirst deine Meinung noch ändern, Granger.“
„Das, Malfoy, bezweifel
ich.“
~*~
Hatte er gedacht, sie würde ihm glücklich in
die Arme fallen? Nein. Mit keiner Sekunde. Aber er hoffte wirklich, dass sie
irgendwann nicht mehr anders konnte, als sich ihm zu öffnen. Als wäre ihm ihr
Blick entgangen, als sie die Tür geöffnet hatte. Er hätte sie am liebsten für
ihre frechen Worte auf dem hässlichen Küchentisch genommen, aber wenn sie ihn
ärgern wollte, dann würde er nur zu gerne mitspielen.
Miststück. Sie dachte, sie
hätte ihn in der Hand? Sie irrte sich.
Gewaltig. Er war immer noch ein Malfoy. Auch
wenn er nun so weit war, sich zu binden.
Er würde ihre Auflehnung einfach als Vorspiel
betrachten.
Als nettes, hartes, etwas längeres Vorspiel.
Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass
sie irgendwann erweichen würde. Dann würde er sie zappeln lassen und
schließlich erlösen von ihrer Qual.
So würde es laufen und nicht andersrum.
Sie hatte ihn nicht in der Hand.
Ganz bestimmt nicht.
„Und ihr heiratet über Formulare? Ist das dein
Ernst?“
Ginny half ihr halbherzig einige Kisten zu
packen. Der magische Umzug würde bald kommen, und sie hatte noch nicht alles fertig
gepackt. Ihr wurde die Lächerlichkeit bewusst, die dieser weitere Umzug mit
sich brachte.
„Das ist mir egal. Er bekommt nicht seinen
Willen.“
„Doch, tut er, Hermine“, erwiderte Ginny
ungläubig.
„Nein. Er bekommt nicht die kleine Hausfrau,
die sein Kind großziehen wird. Die darauf wartet, dass er nach Hause kommt. Das
kann er vergessen.“
„Aber du liebst ihn schon? Oder seh ich das falsch?“
Hermine zog es vor, nicht auf diese Frage zu
antworten.
„Du heiratest ihn, ohne große schöne Hochzeit?
Du ziehst umstandslos in das Haus, was er ausgesucht hat, von dem er dir
lediglich die Adresse geschickt hat? Zusammen mit den Heiratspapieren, wo du
unterschreiben musstest, um mit ihm verheiratet zu sein? Geht es noch
unromantischer?“
„Ginny, für mich zählt das alles nicht. Ich
mache mir nichts aus Romantik und all dem. Denkst du, ich würde mich auf Malfoy
einlassen, wenn ich nicht wüsste, was mich erwartet?“
Ginny schüttelte fassungslos den Kopf.
„Aber er liebt dich doch, nicht wahr?“
Wieder verweigerte Hermine ihr die Antwort auf
diese Frage.
„Versprich mir einfach, dass du mich nicht im
Stich lässt, Ginny.“
„Ihr seid beide absolut verrückt“, bemerkte
ihre Freundin jetzt gereizt, und wickelte eine Vase in eine alten
Tagespropheten.
~*~
Nervös wippte sie von ihren Fersen auf ihre
Zehenspitzen und beobachtete den Kobold unauffällig, während er seine Formulare
prüfte. Schließlich hob er den glasigen, trägen Blick zu ihrem Gesicht, als
wolle er sich jede Einzelheit einprägen.
„Mrs Malfoy, wie ich
sehe, erwarten sie ein Menschenkind?“
Malfoy war ein verflucht schneller Mistkerl,
überlegte sie zornig.
„Ahem. Ja, ich bin
schwanger. Aber es sind noch ein paar Monate bis zur Geburt. Und… ich heiße
immer noch Granger mit Nachnamen. Den werde ich auch behalten.“ Sie sah
deutlich, dass diese Information dem Kobold missfiel.
„In Ihrer Bewerbung hatten Sie nichts
dergleichen erwähnt. Weder von Ihrer Schwangerschaft, noch von Ihrer Heirat mit
dem jungen Master Draco.“ Und langsam schlich sich die Befürchtung ein, dass
dieser Kobold auf der Seite der Malfoys stand. Sie
behielt Recht in ihrer Annahme. „Die Malfoys haben
hier etliche Verliese. Sie waren immer gute Kunden“, fügte er mit scharfem
Blick hinzu.
„Ich… ich hatte nicht erwartet, dass Sie meine
privaten Situationen so sehr interessieren würden.“
„Sie würden im Berg arbeiten. Manchmal im
Ausland auf gefährlichen Einsätzen. Gold muss geborgen werden. Es wächst nicht
auf Bäumen. Wer Gold besitzen will, muss es suchen.“
„Ich… weiß. Ich freue mich auf diese Arbeit.“
„Sie erwarten ein Menschenkind.“
Was für ein seltsames Wort. Was sollte sie
sonst erwarten? Ein Kind eines Zentauren? Mit Schweif und Hufen? Großer Gott,
dass musste eine schmerzhafte Geburt sein.
„Ich bin völlig verlässlich. Sie können mir
ruhig solche Arbeiten geben.“
„Mr Malfoy hat uns
informiert, dass sie ab und zu an Schwächeanfällen leiden.“
Elender Mistkerl. Er hatte sich also
gekümmert.
„Und das hält Sie nun davon ab, mich doch einzustellen,
so wie Sie es versprochen hatten?“ Sie appellierte in letzter Hoffnung an
seinen Koboldstolz. Er verzog verärgert die schmalen, faltigen Lippen.
„Gewiss nicht, Mrs
Malfoy.“ Sie schloss die Augen beim Klang dieses Namens, aber ein klein Wenig
Ehrfrucht konnte sie nicht verdrängen. Mrs Malfoy… „Ihre
Bewerbung, Ihre Noten, sind die besten Noten, die uns jemals vorgelegt worden
sind. Sie sind wahrscheinlich der klügste Mensch, der mit seit langem hier
begegnet ist. Natürlich wäre es ein wirklicher Verlust, einen Menschen wie Sie
zu verlieren. Und meine Zusage ist bindend. Bekommen Sie Ihr Kind. Danach
können Sie zu uns kommen“, beschloss er barsch.
Das würde also bedeuten, sie musste noch über
vier Monate damit verbringen, in ihrem neuen Gefängnis zu sitzen, was Malfoy
für sie eigens gekauft hatte. Großartig. Er hatte scheinbar an alles gedacht.
Sie hatte sich von Anfang an auf den Teufel eingelassen. Manchmal vergaß sie
das tatsächlich.
Ginny hatte Recht. Sie waren beide verrückt.
Sie gab sich geschlagen und nickte einmal.
„In Ordnung. Aber in spätestens fünf Monaten,
lasse ich mich nicht aufhalten.“, bemerkte sie spitz und hätte sich bei seinen
nächsten Worten auf liebsten schreiend auf den Boden geworfen.
„Wiedersehen, und grüßen Sie Ihren Mann, Mrs Malfoy.“
~*~
Erneut war ihre Wohnung leer. Laut ihrer Uhr
war Malfoy seit einer Stunde in Hogwarts. Ob sie
neidisch war? Und ob. Ein bisschen jedenfalls. Assistent für Verteidigung gegen
die Dunklen Künste. Das wäre was für Harry gewesen, überlegte sie. Nicht für
Malfoy.
Nun hielt sich nichts mehr in dieser schönen
kleinen Wohnung, die nur für sich und ihr Kind gedacht war. Hatte sie wirklich
gedacht, sie würde es alleine schaffen? Woher kam dieser neue Elan? Sie wusste
es nicht genau. War es nicht wesentlich besser mit Malfoy, dem Vater ihres
Kindes, zu leben? Selbst wenn es Malfoy war?
Auch das wusste sie nicht wirklich.
Liebte sie ihn? Sicher tat sie das. All die
wichtigen Fragen konnte sie mit Ja beantworten. Sie liebte ihn, sie wollte ihn
und das alles für immer. Vielleicht empfand sie so, weil sie jung war. Und
vielleicht auch nur, weil er es so schwer machte für sie. Würde er sich
plötzlich ändern und ein liebenswerter Junge sein, dann würde sie vielleicht
ihr Interesse verlieren.
Aber nein. Er war ein Malfoy. Wie sollte er
sich ändern können? Na ja, er trat heute seinen ersten Tag auf dem Weg zum
Lehrer an. Heute war auch der Tag, an dem Lucius aus Askaban
entlassen wurde. Ob er es schon wusste? Hermine nahm das an. Draco ließ selten
Dinge unbeendet zurück. Mit einem Schaudern erinnerte sie sich an das
einseitige Gespräch mit Lucius Malfoy.
Sie hatte Angst vor ihm gehabt. Hätte sie mit
diesem Mann siebzehn Jahre unter einem Dach leben müssen, dann wäre sie
wahrscheinlich genauso wie Draco geworden. Vielleicht noch schlimmer. Er hatte
ihr klar gemacht, dass das Kind zu behalten keine Option wäre, weil sie muggelstämmig war. Und jetzt hatte sich sein Sohn all
seinen Forderungen widersetzt.
Es würde bestimmt noch nicht vorbei sein. Es
würde bestimmt nicht einfach möglich sein, das Leben zu führen, was Malfoy am
Tag ihrer Hochzeit im Fuchsbau vorgeschwärmt hatte. Oh, wie gerne hätte sie an
diesem Tag Ja zu seiner Vorstellung gesagt und wäre mit ihm abgehauen. Nicht
nur, weil er gesagt hatte, dass er sie lieben würde, nein. Weil er ihr eine
gemeinsame Zukunft versprochen hatte.
Sie bekam jetzt all das. Aber nicht mit der
Zustimmung von Lucius Malfoy. Sie sollte sich keine Sorgen um Lucius machen,
das wusste sie. Aber dennoch war alles jetzt sehr schnell passiert. Wieder
dachte sie an Ron und wieder tat es ihr unendlich Leid,
was sie ihm vor all den Wochen angetan hatte.
Ja, definitiv. Sie war verrückt.
Mit einem Seufzen verließ sie die erneut leere
Wohnung und machte sich auf den Weg zu ihrem neuen Cottage. In einem Monat
durfte sie nicht mehr apparieren, hatte ihr ein
Heiler gesagt. Dann wäre sie wirklich abgeschottet. Sie konnte dann nur auf
Harry und Ginny hoffen.
~*~
Er hatte gedacht, er würde alles hinter sich
lassen. Jetzt schwärmten vor ihm all die Schüler in das vertraute Schloss, von
denen er gedacht hatte, sie nie wieder zu sehen. Erstaunlich, mit wie vielen
Mädchen er hier geschlafen hatte. Interessiert sahen sie zu ihm auf, denn jetzt
war seine Stellung um einiges höher als die eines Schulsprechers.
Aber nun reizte ihn so etwas nicht.
Erstaunlich. Und beunruhigend. Sie würde bestimmt schon im Cottage sein. Seine
Finger kribbelten. Endlich war sie bei ihm. Unter seinem Dach.
„Ich hoffe doch, du freust dich. Hast endlich,
was du willst, Malfoy.“ Manche Dinge ändern sich nicht.
„Weasley, wie nett“, bemerkte er kühl. Sie schleifte ihren Koffer hinter sich
her und funkelte ihn böse an. Nach ihr würde es keine weiteren Weasleys geben. Na ja, es sei denn, sie und Potter würden
Kinder bekommen. Aber die würden dann Potters sein. Dann würde er auch davon
nicht verschont bleiben.
Verflixte Vergangenheit.
„Ja, ich freue mich.“ Er beschloss, sich nicht
in einen Streit verwickeln zu lassen.
„Wenn du sie unglücklicher machst, als sie es
sowieso schon ist, dann glaub mir, wird die Zeit hier für dich zur Hölle.
Wenigstens so lange ich noch da bin. Vielleicht reicht ja ein Jahr, um dich zum
Gehen zu bringen“, drohte sie leise, und er glaubte ihr sogar. Der kleinen
Weasley waren Freunde wichtiger als Noten. Er konnte nicht verhindern, dass
ihre Geschichten eng miteinander verknüpft waren.
Aber er würde sich von ihr nicht bedroht
fühlen.
„Sicher. Ich werde es mir merken.“
„Ah, Mr Malfoy…“
Dumbledore erwartete ihn bereits. Die Erstklässler standen ängstlich
beieinander. Er fragte sich, wie es wohl wäre, die Auswahl von der anderen
Seite zu sehen. „Sind Sie aufgeregt?“
„Miss Weasley kümmert sich darum bereits“,
erwiderte er kühl, und Dumbledore zwinkerte der Rothaarigen vertraut zu.
„Miss Weasley nehmen Sie doch einfach schon
mal in der Halle Platz.“ Sie trug das Abzeichen, fiel Draco auf. Dasselbe, was
er getragen hatte. Sie war Kapitän. Na ja. Jetzt wo Potter nicht mehr da war,
musste es ja irgendjemand werden.
Ihm fiel auf, dass sich nun niemals mehr etwas
ändern würde. Nur die Gesichter würden anders werden.
„Kommen Sie.“ Dumbledore führte ihn aus der
Eingangshalle. Dort hinten hatte er gestanden, als er auf Granger gewartet
hatte. Draußen sah er die Stufen zur Eulerei, die er
zusammen mit ihr hinunter gekommen war, als sie… gegen eine Wand Sex gehabt
hatten. Dort hinten einen Gang weiter, hatte er sich nachts im ersten Jahr mit
Potter zum duellieren getroffen, was natürlich nicht
geklappt hatte.
Seine Mundwinkel zuckten. Nun würde er all
diese Sachen verhindern müssen. Vielleicht.
„Hier hinten ist der Eingang zur Halle für die
Lehrer“, bemerkte Dumbledore lapidar und führte ihn weiter. Ich zeige Ihnen das
Lehrerzimmer, bevor wir in die Halle gehen, Draco.“ Seine Finger kribbelten.
„Nebenbei freue ich mich wirklich, dass Sie bei uns sind. Und mein Beileid für
den Verlust Ihres Vaters.“ Draco wusste, Dumbledore machte sich tatsächlich
darüber lustig, dass Lucius nun nicht mehr Herr über die Finanzen im Hause Malfoy
war.
Was Dumbledore wohl noch alles wusste? Und
schon standen sie vor der Tür des Zimmers, das Draco noch nie von innen gesehen
hatte.
„Wenn Sie mir folgen wollen.“ Dumbledore legte
seinen Zauberstab auf die Klinke. Diese färbte sich von ihrem rostbraun auf
hellblau und schwang auf. „Das werden Sie auch tun müssen, jedes Mal, wenn Sie
eintreten möchten. Ihr Zauberstab wird noch geeicht werden. Dann sind Sie
offiziell ein Mitglied des Lehrerstabs.“
Ein Mitglied… er konnte sich noch nicht sofort
bewegen und Dumbledore folgen. Er fragte sich, welche Farbe es bei ihm sein
würde. Grün, nahm er bitter an.
„Draco?“ Er hob den Blick. Hastig folgte er
seinem Vorgesetzten.
Er war absolut begeistert. Es war, als würden
alle Gemeinschaftsräume zusammen treffen. Alle Farben waren vertreten. Bestimmt
zehn Kamine waren in die Wand gehauen worden. Nun war er mit allen Lehrern in
einem Raum. Raum traf gar nicht wirklich zu. Es war wie ein Quidditchfeld.
Nicht ganz so riesig, aber definitiv magisch vergrößert.
„Wie waren Ihre Ferien, Draco?“ McGonagall schüttelte ihm die Hand. „Sie sehen erholt aus.“
„Wie geht es Ihrer Frau?“, erkundigte sich
Snape mit einem feinen Lächeln, und alle anderen Lehrer wandten sich um. Fragen
über Fragen musste er beantworten. Die Lehrer beglückwünschten ihn zu seiner
Entscheidung, hier zu sein, dazu, dass er Hermine Granger geheiratet hatte,
dazu, dass er in Hogsmeade wohnte und nicht bei
seinem Vater, und und und….
Snape ließ es sich natürlich nicht nehmen,
alle zu informieren, dass seine Frau schwanger sei, und Dumbledore schmunzelte
vergnügt. Auch hierzu wurde er beglückwünscht, auch wenn das Alter ja ein recht
junges Alter wäre, um ein Kind zu bekommen… Ihm blieb keine Zeit zu antworten.
„Wir haben hier keine Geheimnisse, Draco“, murmelte
Dumbledore, und Draco kam es so vor, als wusste Dumbledore bereits über all
diese Dinge Bescheid. Dracos Hand tat bereits weh vom Schütteln. „Ich denke,
wir gehen in die Halle. Die Schüler drehen uns sonst noch durch.“
Schwatzend machten sich jetzt auch die Lehrer
auf.
„Ach, einen Moment.“ Snape hielt noch einmal
alle auf. „Zu welchem Haus gehört Mr Malfoy dann?“
Haus? Wurde er wieder eingeteilt?
„Na, ich würde behaupten, er war in Slytherin,
also wird er das auch als Lehrer unterstützen.“ Anscheinend hatten alle Lehrer
bevorzugte Wünsche, über welches Haus sie gerne identifiziert wurden. War
Dumbledore ein Gryffindor? Draco nahm es an.
„Sie dürfen sich ein Haus aussuchen. Wir
Lehrer machen uns einen Spaß daraus, dass wir nun zu dem Haus gehören, das wir
eigentlich bevorzugen würden.“ Er hatte also Recht gehabt mit seiner Vermutung.
Dumbledores Erläuterung war einleuchtend, auch wenn er dieses Verhalten etwas
kindisch fand.
„Wenn er sich ein anderes Haus aussuchen
möchte?“
„Unsinn“, bemerkte McGonagall.
„Oder, Mr Malfoy?“
„Ich… ahem….“
„Eigentlich ändert sich dann nur die Farbe
ihre Zauberstabs, wenn Sie das Lehrerzimmer betreten“, spottete Professor Sprout, und er wurde erwartend angesehen.
„Ich denke, ich muss…“
„Sie müssen nichts. Sie müssen sich auch noch
nicht entscheiden.“ Wäre er für Slytherin verantwortlich, wenn auch nur
impliziert verantwortlich, dann würde er dem Gemeinschaftsraum bestimmt ab und
an einen Besuch abstatten müssen und noch für zwei Jahre den Mädchen begegnen,
mit denen er einst geschlafen hatte. Es graute ihm davor.
„Gryffindor“, sagte
er plötzlich sehr unvermittelt und mied entschieden Snapes
Blick. Dumbledore nickte.
„Zeigen Sie mir
Ihren Zauberstab, Draco.“ Hastig zog ihn Draco hervor. Er fühlte sich
beobachtet, und eigentlich machte ihm so etwas nicht viel aus, aber heute war
es anders. Heute war es nicht schlimm, dass er sich freute über all die neuen
Dinge, über die Aufmerksamkeit und alles andere, was ihn an Eindrücken
erschlug. Er war Linkshänder, hatte mit links den Zauberstab gezogen und das so
schwungvoll, dass sein Ärmel natürlich hoch gerutscht war.
Das schwarze Mal schimmerte bedrohlich auf
seiner Haut. Mit einer Geste der Angst schüttelte er den Ärmel zurück. Dämlich.
Er war dämlich. Die Lehrer betrachteten ihn schweigend.
„Es werden immer mehr ehemalige Todesser in
unseren Rängen. Das gefällt mir“, bemerkte Dumbledore munter und ergriff ohne
Zögern Dracos Zauberstab. Das Schweigen der Lehrer taute langsam wieder auf.
Snape stellte sich unbemerkt neben Draco. Ob nun zum Schutz oder einfach aus
Sympathie war Draco nicht bewusst. Seine Wangen waren heiß. War er etwa rot
geworden?
„Brown, gibt es nicht irgendeine Möglichkeit,
das Mal zu entfernen?“, erkundigte sich McGonagall plötzlich,
aber Brown zuckte die Schultern.
„Bestimmt gibt es eine schmerzhafte Methode dies zu tun. Aber will man das? Es
ist ein Zeichen. Vielleicht auch eine Bürde.“ Merlin, so wurde dieses Thema
also hier behandelt? Als wäre es unbedeutend. Als wäre es ein dummer
Jungenstreich.
„Ich denke, Draco und ich kommen mit unseren
Fehlern zurecht. Oder wollen Sie es entfernen lassen? Für Ihre Frau?“ Er hörte Snapes Spott, ignorierte ihn aber.
Dumbledore gab ihm inzwischen den Zauberstab
zurück, der noch einen Moment rot schimmerte. Rot war also Gryffindors
Farbe. Jetzt gehörte er also, wenn auch nur im Geiste, zu den Gryffindors. Dumbledores war aber blau gewesen. Er würde
ihn bei Gelegenheit fragen.
Es war wohl Entscheidungstag, dachte er
spöttisch, denn sein Mund öffnete sich schon wieder ohne sein Zutun.
„Professor Brown, gebe es eine Möglichkeit?“,
fragte er gerade heraus. Jeder wusste, wer er war, also musste er jetzt nicht
damit anfangen, schüchtern zu werden.
„Mein Junge, ich denke schon. Man müsste es testen“,
fügte er besorgt hinzu.
„Ich stelle mich gerne zur Verfügung. Ich
denke, meine Frau wäre begeistert.“ Er hätte über sich selber lachen können.
Ihm wurden die scheelen Blicke natürlich gewahr. Jeder kannte ihn, jeder kannte
seine eigentliche Art, jeder kannte seinen Vater. Jetzt stand er hier, erklärte
sich zum Gryffindor und wollte sein Mal loswerden.
Er wünschte sich für einen Moment, Lucius
könnte ihn sehen. Hatte er das Gefühl, als würde er seinen Vater verraten?
Nein, interessanterweise nicht.
„Ich habe Hunger. Lasst uns später über das
Dunkle Mal diskutieren, Freunde“, verkündete Dumbledore munter und spazierte
vor ihnen allen nach draußen.
Ja, Draco liebte Hogwarts.
Er liebte es tatsächlich.
Nach dem Essen verließ er das warme Schloss.
Bis nach Hogsmeade waren es zu Fuß nur zehn Minuten,
und er hatte beschlossen, nicht zu apparieren. Sein
Cottage lag etwas außerhalb. Draußen wurde es langsam dunkel.
Morgen würde er etwas früher zur Schule gehen,
denn Professor Brown wollte ihn noch einweisen in den Stoff, der durchgenommen
werden musste. In alle Jahrgängen. Draco erinnerte sich noch vage an den Stoff
des siebten Jahres, aber nicht mehr an den des ersten.
Er schlenderte durch die schmalen Gassen, bis
er zu dem Wiesenstück kam, auf dem das Cottage erleuchtet wartete. Ob sie auf
ihn wartete? Wahrscheinlich nicht. Die Elfe hatte die Lichter für ihn bestimmt
angelassen. Er hatte Lowyn mitgenommen. Er wusste,
seiner Mutter würde es nicht auffallen. Vor allem deswegen nicht, weil sein
Vater heute wieder gekommen war.
Da gab es bestimmt mächtigen Streit, und er
hoffte, Lucius erst wieder zu begegnen, wenn dieser sich abgeregt hatte. Also,
in zehn Jahren, grob geschätzt. Wenn überhaupt. Natürlich würde er sich mit
seinem Vater abstimmen müssen. Aber wenigstens nicht heute.
Mit dem Schlenker seines Zauberstabes öffnete
er, die auf ihn geprägte Tür. Lautlos schwang sie auf und Lowyn
begrüßte ihn mit einer Tasse Tee in den kleinen Händen.
„Herr, wie schön euch zu sehen.“ Sie verneigte sich, dass der Tee beunruhigend
in der Tasse schwappte. Hastig nahm ihr Draco die Tasse ab, bevor sie noch zu
Boden fiel.
„Ist sie da?“ Er hatte keine Ahnung, weshalb er flüsterte, aber er hatte
wahrscheinlich Angst vor der Antwort auf diese Frage.
„Die Misses ist
hier. Ja.“ Sein Herz machte einen Satz. „Sie schläft.“
„Sie schläft?“ Es war gerade sieben Uhr. „Wo?“
„Im Schlafzimmer.“
Draco stellte die Tasse achtlos auf eine
niedrige Kommode in den Flur. Die Möbel hatte er wahllos ausgesucht, denn Möbel
suchte er nach Zweck aus und nicht nach ihrer Schönheit oder - wie sein Vater –
nach Status des illegalen Wertes.
Er lief in den ersten Stock, öffnete die Tür
und musste feststellen, dass das Doppelbett unbenutzt auf ihn wartete. Er
wandte sich um, schritt den Flur entlang, zum Gästezimmer und sah die
geschlossene Tür. Seine unruhige Hand drückte die Klinke hinunter, und es
wunderte ihn nicht, dass die Tür verschlossen war.
Wahrscheinlich mit keinem simplen Zauber zu
öffnen. Hatte Granger jetzt etwa vor, ihm für immer aus dem Weg zu gehen? Sie
schlief in einem anderen Zimmer, stand erst auf, wenn er schon fort war, und
tat so als würde sie schlafen, damit sie ihn nicht zu Gesicht bekommen musste,
wenn er Feierabend hatte?
Das würde sie nicht durchziehen können. Er
wurde wütend. Er wollte sie sehen. Nach diesem endlos langen Tag wollte er sie
sehen. Sie war seine Frau. Er wollte ihr alles erzählen.
Aber er wollte nicht gegen das Holz schlagen,
wollte sich nicht streiten, wollte sie nicht zwingen die Tür zu öffnen und
gefälligst im Schlafzimmer zu schlafen. Nein, er wollte, dass sie es wollte. Er
wollte, dass sie nicht ohne ihn einschlafen konnte. Er wollte, dass sie seins
war und dass er das auch in die Welt hinausschreien konnte, so laut er wollte.
Er wollte nicht, dass sie sich vor ihm
versteckte, nur damit sie ihn nicht sehen musste. War er so unerträglich? Ja,
er war kein Engel, aber das wollte sie doch auch gar nicht.
Unschlüssig stand er mit geballten Fäusten vor
der verschlossenen Tür seiner Frau. Nahm sie ihm übel, dass die Heirat über
Papier stattgefunden hatte? Ziemlich sicher war sie sauer. War sie sauer, dass
er ihr keinen Antrag gemacht hatte? Dass sie keinen Ring von ihm bekommen
hatte? Ja, bestimmt war sie auch deswegen sauer. Hatte er eine Chance, es
wieder gut zu machen? Heute Nacht? Unwahrscheinlich.
Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit er darauf
verwenden musste, sie zurückzubekommen. Oder überhaupt einmal wirklich zu
bekommen. Jetzt hatte er Gold und Macht, und trotzdem konnte er sie nicht dazu
bringen, freiwillig zu ihm zu kommen.
Er hätte schreien können. Er wusste nicht mal
mehr genau wie die Farbe ihrer Augen war. Er musste sie sehen. Er musste! Aber
er war Geduldskünstler. Noch ein winziges bisschen würde er aushalten können.
Nur noch ein bisschen, bevor er sie tatsächlich zwingen würde.
~*~
Sie war genauso früh wach wie er, hörte, wie
er sich bewegte, sich wusch, sich anzog, die Treppe hinab ging, ohne auch nur
an ihre Tür zu klopfen.
Sie hörte, wie er mit der Elfe sprach, wie er
frühstückte und schließlich um sieben das Haus verließ.
Erst eine Stunde später wagte sie, ihr Zimmer
zu verlassen. Die Elfe hatte unten schon für sie gedeckt.
„Sie haben ihn leider verpasst.“ Oh ja.
Leider…
„Hat… hat er gesagt, wann er kommt?“
„Er sagte, es würde spät werden.“
„Oh.“ Sie versuchte enttäuscht zu klingen,
aber es gelang ihr nicht. Dann hatte sie heute Zeit, den Garten zu inspizieren.
Gestern war sie so müde vom Einrichten gewesen, dass sie wirklich einfach
eingeschlafen war.
Wenn er wieder spät kam, dann hatte sie Zeit
alles hier zu untersuchen. Und gegen ihren Willen liebte sie dieses alte
Cottage. Es hatte Fensterläden aus blauem Holz, mehrere Türen zum Garten hin
und einen Garten, der zur Straße durch hohe Fichten abgeschirmt war.
Das Gras war hoch, aber das wäre in den Griff
zu bekommen. Vielleicht wuchsen sogar Kräuter im Garten, die sie für Heilungen
verwenden konnte.
„Wie geht es Ihnen, Misses?“,
fragte die Elfe, und Hermine lächelte. Sie würde der Elfe schon bald die Arbeit
abnehmen.
„Gut. Nenn mich Hermine, kannst du das
machen?“
„Hermine?“
„Ja.“
„Misses Hermine?“
„Nein. Nur Hermine. Das… das ist ein Befehl.“
Die Elfe nickte langsam. Anscheinend kam es ihr komisch vor einen Herrn nur mit
dem Vornamen zu betiteln. Aber Hermine würde sich weigern, immer mit Misses oder Herrin angesprochen zu werden.
Ihre Neugierde war schlimm. Gerne hätte sie
gestern noch gefragt, wie sein erster Tag war, wie die Lehrer ihn behandelt
hatten, ob er Ginny getroffen hatte, aber sie hatte sich zusammen gerissen,
weil sie es ihm ja nicht einfach machen wollte.
Heute würde sie sich wieder verstecken können.
So lange bis er nicht mehr konnte, würde sie das Spiel spielen.
Sie beendete hastig ihr Frühstück und beeilte
sich abzuräumen, bevor die kleine Elfe es tun konnte. Darüber war Lowyn böse und vollkommen entsetzt, aber Hermine ignorierte
die leisen Proteste der Elfe. Sie schritt in den Garten und betrachtete die
vielen Pflanzen, beobachtete die Vögel und wusste, sie würde sich hier wohl
fühlen können.
Sie holte sich ein Buch und begann zu lesen.
Der Vormittag neigte sich zum Mittag und sie genoss tatsächlich diese ruhigen
Stunden. Die Schwangerschaft machte sie schneller müde als sonst.
Ab und an kam die Elfe, brachte ihr Tee und
Kekse, den Tagespropheten und kochte schließlich Mittag.
Und sie musste feststellen, dass Draco gelogen
hatte.
Sie hatte keine Zeit sich zu verstecken als er
durch das Gartentor schritt. Lowyn trat ebenfalls
nach draußen um zu verkünden, dass das Essen bereit stünde.
„Du hast gesagt, er kommt spät.“ Lowyn neigte
betreten den Klopf.
„Er hat gesagt, ich darf es nicht verraten.“
Dieser Mistkerl.
„Ist Hermine böse auf Lowyn?“
Hermine schüttelte knapp den Kopf.
„Nein“, knurrte sie und erhob sich
schließlich. Sie betrat das Haus, bevor er es tun konnte und setzte sich an das
andere Ende des großen Esstisches.
Er setzte sich ebenfalls ohne ein weiteres
Wort.
Lowyn beeilte sich, zu
servieren. Hermines Herz schlug so schnell, dass sie kaum essen konnte. Er sah
nicht auf, wirkte aber zufrieden und hungrig. Kam er nur zum Mittag? Ging er
gleich wieder? Hatte er den Rest des Tages frei? Wieso sprach er nicht? Wollte
er sie zwingen? Das würde nicht funktionieren.
„Lowyn, der Braten
ist ausgezeichnet“, lobte er die Elfe, die sich freudig verneigte. Seine
Stimme… Es kam ihr vor, als hätte sie sie ewig nicht gehört.
Schließlich hob sich sein Blick zu ihrem
Gesicht und blieb dort. Sie konnte nicht einmal weiter essen. Sie legte die
Gabel beiseite und erwiderte den Blick trotzig. Auch er hörte auf, zu essen und
sah sie nur noch an.
In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer
hässlich, immer unwürdig. Selbst nach Stunden der Arbeit sah er immer noch
absolut perfekt aus. Die blonden Haare lagen dicht und weich. Einige Strähnen
fielen in seine Stirn. Seine Hände hatte er ineinander gefaltet, und seine
Augen musterten sie mit unverhohlenem Interesse.
Sie wusste, normalerweise gewann er diese
Blickspiele. Aber sie gab sich die größte Mühe, nicht zu blinzeln und
garantiert nicht als erste wegzusehen, auch wenn es kindisch war.
„Schmeckt es doch nicht?“, fragte die Elfe,
die gehorsam an der Tür wartete.
„Doch, doch. Wirklich gut“, bemerkte er,
allerdings wandte er den Blick nicht von Hermines Gesicht.
„Hermine?“, fragte die Elfe unsicher. Aber
Hermine reagierte nicht. „Misses Hermine!“, sagte die
Elfe mit Nachdruck, und Hermine zuckte erschrocken zusammen. Seine Mundwinkel
hoben sich kurz.
„Ja?“, krächzte sie und ärgerte sich über ihre
momentane Unzurechnungsfähigkeit.
„Schmeckt es Ihnen nicht?“
„Doch.“
„Sie haben es noch nicht probiert, Misses.“
„Lowyn, nur Hermine,
du missachtest meinen Befehl.“ Nicht ernsthaft tadelte sie die Elfe, aber diese
erschrak.
„Oh, verzeiht mir. Hermine, Lowyn wollte nicht… Lasst
euch ruhig Zeit.“
Etwas anderes würde Hermine auch nicht übrig
bleiben. Denn solange er sie anstarrte, würde sie keinen Bissen runter
bekommen.
Diesen Mittag aß sie nichts.
~*~
Gott, er war ziemlich weich geworden, aber
immerhin hatte sie tatsächlich aufgehört, zu essen. Er schien sie also immer
noch zu irritieren. Das hieß doch auch schon mal was. Auch wenn es ihn in den
Fingern juckte, weit mehr als das zu tun. Oh Salazar, ja.
Und er fragte sich, ob man ihr die
Schwangerschaft schon ansah, wenn sie keine Kleider trug. Natürlich wäre dann
diese Sorge zweitrangig, denn wenn sie nackt vor ihm stehen würde, dann wäre es
ihm für den Moment absolut egal, in welcher Weise ihr Bauch wohl schon gerundet
wäre.
Er hatte sich das Arbeitszimmer wohl weislich
so ausgewählt, dass er in den Garten hinunter blicken konnte. Dort arbeitete
sie nämlich gerade. Er hatte keine Ahnung, in wie weit Arbeit schädlich für
ihre Schwangerschaft war, oder seit wann sie sich überhaupt für Pflanzen
interessierte, aber es beruhigte ihn, ihr zuzusehen. Sie sah hübsch aus. Ihre
Locken wurden langsam immer länger. Sie hatte sie lose zu einem Zopf gebunden,
den sie sich immer wieder über die Schulter warf.
Er zwang sich, nicht über diese Situation
nachzudenken. Er hatte tatsächlich vergessen, dass sie wirklich stur sein
konnte.
„Draco!“
Er fuhr zusammen und wandte den Blick vom
Fenster auf den lodernden Kamin.
„Lucius“, begrüßte er seinen Vater spöttisch
und erhob sich. „Du darfst also Kontakt über Flohpulver aufnehmen?“
„Sei lieber froh, dass ich nicht persönlich
vorbeikomme.“ Draco nahm an, dass es eine leere Drohung war, denn sein Vater
wurde magisch überwacht, und er hätte er seinen Sohn auch nur ansatzweise
bedroht, dann wäre er schneller wieder in Askaban,
als er den Unverzeihlichen überhaupt auch nur denken konnte.
„Wie geht es dir? Gut erholt?“, erkundigte
sich Draco, als wäre sein Vater gerade von einer magischen Heil-Kur
zurückgekehrt.
„Halt deinen Mund. Wie ich sehe hast du einen
Großteil des Goldes bereits zum Fenster rausgeschmissen“, knurrte sein Vater,
und die grünen Flammen, die um sein Gesicht züngelten ließen ihn noch böser aussehen.
„Das sehe ich nicht so.“
„Du hast sie geheiratet.“ Er hörte, dass sein
Vater noch ansatzweise diese Frage stellte. Anscheinend war er sich darüber
also nicht sicher.
„Ja, ich habe sie geheiratet.“
„Und jetzt wohnst du mit ihr in dieser
Baracke?“, herrschte Lucius ihn an, und Draco verstand, dass sein Vater wohl
mit seinen harschen Worten seine Vernunft wecken wollte.
„Lucius, was möchtest du von mir? Brauchst du
Gold um Alkohol zu kaufen?“ Niemals hätte er es gewagt so mit Lucius zu reden,
wäre er erstens nicht so weit entfernt und zweitens nicht auf einmal das
mächtige Familienoberhaupt.
„Was erlaubst du dir, Draco? Du bist ein
undankbarer Mistkerl.“ Sein Vater ließ sich zu Beleidigungen selten hinreißen.
Draco nahm an, dass Lucius tatsächlich nüchtern war.
„Ich lasse dir etwas Gold zu kommen.“
„Du willst all dein Gold für das Schlammblut
aufgeben, richtig? Du bist so dumm, Draco. Du hättest alles haben können.
Ausgerechnet das ist es, was dein Herz begehrt?“
Dachte sein Vater, er würde es sich anders
überlegen, nur weil er es wollte?
„Ich habe zu tun“, beendete Draco nun zügig
das Gespräch. Er hatte genug gehört.
„Ach ja. Du bist jetzt ja Dumbledores kleiner Rekrut.“ Bitterkeit sprach aus
Lucius’ Worten und er senkte müde den Blick. „Wann kommst du wieder?“, fragte
er schließlich ernst, und Draco glaubte, sich verhört zu haben.
„Wieder? Wohin, Lucius?“
„Nach Hause. Ich denke… deine Mutter würde
sich freuen. Und bring… sie… mit“, würgte er hervor. Draco verzog den Mund.
„Aber Lucius, ich würde es Hermine niemals aufbürgen nach Malfoy Manor zu
kommen. Mutter würde einen Schock kriegen, und bei dir müsste ich mir Sorgen
machen, ob du nicht vorhast, uns beide umzubringen.“ Es fiel ihm tatsächlich
leicht mit seinem Vater zu streiten.
„Sei nicht albern. Ich will dass du traditionsbewusst herkommst. Mit deiner…
Frau. Ich bin dein Vater. Ich bin deine Familie, Draco. Du kannst nicht auf
einmal alles vergessen und ändern.“
Draco wandte sich ab. „Ich muss jetzt
arbeiten.“ Ein eisiges Lächeln erschien auf den Zügen seines Vaters.
„Oh, sie hasst dich.“
„Auf Wiedersehen, Lucius“, knurrte er, aber
sein Vater lachte.
„Ich habe dich gewarnt, Draco. Jetzt musst du
dein Leben damit verschwenden mit einem Schlammblut zu leben, das dich hasst.
Was für eine kleine Entschädigung, aber immerhin besser als nichts.“
Mit einem zornigen Schlenker seines
Zauberstabs brach Draco die Verbindung ab. Er hasste seinen elenden Vater, der
ihn anscheinend immer noch durchschauen konnte wie niemand sonst.
Auf dem Fenstersims sah er eine Eule sitzen.
Er ließ sie rein, und sie schüttelte eine Hand voll Briefe auf den Tisch.
Professor Brown hatte ihm noch Anregungen zu kommen lassen, Snape kündigte
seinen Besuch an, und dann waren da noch ein paar Briefe vom Ministerium, alle
bezogen auf sein gewonnenes Vermögen. Ein Brief erregte seinen neuen Unmut.
Er war für sie. Anscheinend von irgendeinem
Schwangerschafts-Club. Aber adressiert war er nicht an Hermine Malfoy. Seine
Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich, als sich seine Faust zornig um
das Papier schloss.
Das Biest hatte ihren Namen behalten.
Das würde er nicht durchgehen lassen. Unter
gar keinen Umständen.
„Wo ist er?“
„Donnerstags hat er immer länger“, bemerkte
sie desinteressiert, und Ginny sah sich um.
„Das Wohnzimmer gefällt mir gut. Ist es nicht
viel zu groß für dich?“, fragte sie jetzt, und Hermine ruckte mit dem Kopf.
„Nein. Es ist groß genug, damit ich ihm aus
dem Weg gehen kann.“ Ginny sah sie zweifelnd an.
„Was heißt das? Ihr seht euch nicht? Sprichst
du mit ihm? Habt ihr überhaupt irgendwas besprochen?“
„Nein“, erklärte Hermine würdevoll, und Ginny
verdrehte die Augen.
„Hermine, du bist verheiratet und erwartest ein Kind. Denkst du nicht, es wird
Zeit, erwachsen zu werden und einzusehen, dass es dir hier gefällt, und dass du
mit ihm zusammen sein willst, dass du ihn liebst?“
„Nein.“
Ginny seufzte schwer, und Hermine wusste, ihre
beste Freundin lag eigentlich völlig richtig. Aber sie weigerte sich, jetzt schon
nachzugeben. Zwei Wochen waren nichts. Sie würde noch ihr ganzes Leben mit
diesem Mann verbringen müssen. Da könnte sie ihn ruhig ärgern. Noch ein
bisschen. Bis er sich entschuldigte.
Hermine beschloss das Thema zu wechseln, denn
Ginny schien bereits nach neuen Argumenten zu suchen. „Wie geht es Ron?“,
fragte sie vorsichtig, und Ginny zuckte die Achseln.
„Ich denke, gut. Er hat jetzt viel auf der
Arbeit zu tun. Lavender arbeitet übrigens auch im
Ministerium.“
„Immerhin. Vielleicht kann er sie ja wieder
nehmen“, überlegte Hermine, aber Ginny ruckte mit dem Kopf.
„Er spricht nicht von ihr. Ich glaube nicht, dass er sie besonders mag, oder
dass er sie wieder zur Freundin haben möchte.“ Hermine hörte Ginny den Vorwurf
an. Ja, fast hätte sie Ron geheiratet, und fast wäre sie ein Teil der Familie
geworden. Es musste schwer sein für Ginny, jetzt hier her zu kommen. In Malfoys Haus.
„Er hat heute den Unterricht geleitet. Zum
ersten Mal.“ Hermines Desinteresse an ihrem Mann schwand rapide.
„Und?“ Sie war so gespannt darauf, von Ginny
zu hören, was Malfoy tat, was er unterrichtete und wie es ihm gefiel. Alles
Dinge, die sie ihn natürlich auch selber fragen konnte, aber sie schaffte es
nicht, über ihren Schatten zu springen. Nicht, bis er sich entschuldigt hatte.
Ginny zuckte gereizt die Schultern. „Na ja. Er
hat das alles schon mal gemacht.“ Aus diesen Worten schloss Hermine, dass er
gut war. „Und die Mädchen verhalten sich absolut kindisch.“
Rote Eifersucht flammte in ihr auf. Die
Mädchen… all die hundert Mädchen, mit denen er schon geschlafen hatte. Oh,
verflucht noch mal. Sie durfte daran nicht denken.
„Jedenfalls bin ich froh, dass ich kein ganzes
Jahr mehr da bleiben muss“, endete Ginny ihren recht verhaltenen Vortrag. Die
Tür öffnete sich. Hermine erschrak.
„Was? Versteckst du dich wirklich die ganze
Zeit? Darf er dich nicht einmal sehen?“, spottete sie, und Hermine verzog
ärgerlich den Mund.
„Ah, Miss Weasley. Anscheinend wird man Sie
nicht mehr los.“ Ginny lehnte sich provozierend im Sessel zurück.
„Ich denke, ich kann Hermine besuchen, wenn
ich will. Sie hat ja sonst schon keine Unterhaltung, nicht wahr, Malfoy?“
Hermine seufzte. Super. Auf einen Streit hatte sie jetzt wirklich keine Lust.
„Wenn du nicht willst, dass ich dir Punkte
abziehe, dann verschwindest du besser ins Schloss. Ich glaube nämlich nicht,
dass sich die Regeln geändert haben, nur weil es Freitag ist“, entgegnete er
eisig, und Hermine erhob sich zornig.
„Du hast doch bestimmt zu tun, Malfoy.“ Sie
hatte ihn bisher nicht direkt angesprochen.
„Oh, du sprichst mit mir, Hermine? Welche
Ehre.“
„Ginny ist mein Besuch, und ich würde mich
wirklich freuen, wenn du einfach verschwinden würdest.“
„Das ist mein Haus.“
„Und das bedeutet, ich habe überhaupt keine
Rechte, ist es das? Weil du mich gekauft hast und
dieses Haus, bedeutete es, dass ich alles tun muss, was du mir sagst?“
„Das wäre wirklich großartig, aber nein. Ich
bin geduldig. Ich kann warten. Aber ich kann die kleine Weasley auch
anschwärzen, dann darf sie Hogwarts überhaupt nicht
mehr verlassen.“
Dass er ihren Vornamen sagte, war bisher
vielleicht einmal passiert. Immer noch klang das Wort in ihrem Ohr, bevor sie
antwortete.
„Das würdest du nicht tun!“
„Oh, weißt du, ich hätte auch nicht gedacht,
dass du deinen Namen einfach behalten würdest. Das hast du auch einfach getan.
Ich denke, du unterschätzt mich, Granger.“ Ah, da war er wieder. Viel besser
als das seltsame Hermine aus seinem
Mund.
„Ich dich unterschätzen? Du bist der Teufel,
Malfoy. Ich denke nicht, dass ich dich jemals unterschätzt habe. Ich bin deine
Gefangene, denkst du, ich vergesse das?“
„Meine was? Du hättest nicht zu unterschreiben
brauchen. Du hättest das hier nicht tun müssen!“, schrie er zornig, und Ginny
erhob sich unauffällig.
„Hermine, wir reden morgen“, schlug sie
diplomatisch und durchaus beunruhigt vor.
„Du musst nicht gehen. Ich bin hier fertig“,
sagte sie zornig und fixierte ihn voller Abscheu.
„Schon gut. Ihr könnt euch… weiter streiten.“
„Ich streite mich nicht.“
„Oh, ja sicher nicht. Alles was du tust, jedes
Wort, was deinen Mund verlässt, ist entweder abfällig oder ungerechtfertigt“,
mischte er sich wieder ein, und sie stemmte zornig die Hände in die Hüften.
„Ach, ist das so? Vielleicht vergisst du, dass ich schwanger bin, Malfoy.
Vielleicht vergisst du, dass du mich zwingen wolltest, dir mein Kind zu geben,
damit du dich nicht auch noch um mich kümmern musst!“
„Das ist also deine Auffassung? Du machst es
dir wahnsinnig einfach, oder Granger?“
„Nein, mache ich nicht, wie du siehst. Ich tue
alles, um mein Kind zu behalten. Wie auch schon in Hogwarts,
als du mich zwingen wolltest, es entfernen zu lassen, verflucht noch mal. Und
wenn ich Zeit mit meiner einzigen Freundin verbringen will, dann habe ich das
Recht dazu.“
„Sie ist weg“, bemerkte er spöttisch, und sie
sah sich erschrocken um.
Tatsächlich. Ginny war fort. Einfach raus
geschlichen. Mist.
„Und jetzt? Jetzt hast du keinen Grund mehr
hier zu stehen und verziehst dich ins Gästezimmer?“, provozierte er sie, und
eigentlich hatte sie hier unten jetzt wirklich nichts weiter zu tun. Sie hätte
sich niemals überhaupt streiten sollen.
Es war ein blöder Fehler gewesen. Sie regte
sich zu sehr auf. Sie war überhaupt nicht in der Lage, normal mit ihm zu reden.
Für einen winzigen Moment wurde ihr klar, dass es womöglich immer so sein
würde. Waren sie so wie seine Eltern? Stritten sich diese auch den ganzen Tag?
Oh Gott.
„Ich werde gehen“, sagte sie knapp.
„Ich habe nichts anderen erwartet, Granger“,
erwiderte er böse, und blickte sie verachtend an. Ob er sie tatsächlich liebte?
Oder tat er es nur, weil… ja warum sonst? Um seinen Vater zu ärgern?
Sie wandte sich langsam um, damit sie nicht
noch anfangen würde zu weinen.
„Ich will, dass du deinen Namen änderst“,
informierte er sie laut.
„Wieso?“, fragte sie leise, drehte sich aber
nicht zu ihm um.
„Weil ich es will. Weil es angemessen ist.
Außerdem sind wir zu meinen Eltern eingeladen. Falls du auch wissen willst, weshalb,
dann sage ich es dir auch gleich: Weil Malfoys
traditionsbewusst sind. Und du hast nicht das Recht, irgendwas davon
abzulehnen. Es ist keine Bitte, hast du verstanden?“
Sie wandte sich um.
„Ich werde meinen Namen behalten. Und ich
werde bestimmt nicht zu deinen Eltern gehen, Malfoy“, spuckte sie ihm entgegen
und musste um jedes bisschen Beherrschung kämpfen.
„Mir egal. Dann behalte deinen Namen, Granger.
Laut magischem Geburtstrecht bekommt das Kind den
Namen des Vaters. Also soll es mir egal sein, wie du heißen wirst. Und da ich
der einzige Sohn meiner Eltern bin, wirst du es nicht vermeiden können, sie zu
sehen. Vielleicht vergisst du deine Pflichten, die du automatisch beim
Unterzeichnen der Heiratsurkunde eingegangen bist, aber du bist meine Frau.“ Er
machte eine knapp Pause, in der er den Abstand zu ihr schloss.
„Du wirst tun, was von dir verlangt wird.“
„Du widerst mich an.“
„Immerhin etwas, oder?“ Ein böses Grinsen
entblößte seine weißen Zähne und wütend stürmte sie nach oben.
Lowyn betrachtete ihn aus
der Ecke des Zimmers heraus. Er fuhr sich seufzend über die Stirn. Er bekam
Kopfschmerzen. Wirkliche Kopfschmerzen. Aber er würde nicht nachgeben. Er war
ein Malfoy und würde seinen Standpunkt vertreten.
„Wann sind Sie so böse geworden, Master
Draco?“, fragte die Elfe leise, und er hob verstört den Blick.
„Was? Was redest du da, Elfe?“
„Sie… Sie sind wie Ihr Vater, Master Draco.
Sie schreien genauso laut.“ Sie schüttelte den kleinen Kopf. „Wieso freuen Sie
sich nicht über Misses Hermine? Sie bekommt ein
kleines Kind.“
„Ich weiß das. Und nenn sie gefälligst nicht
so“, füget er gereizt hinzu und versuchte die Worte der Elfe gekonnt zu
ignorieren.
„Sie hat es mir befohlen.“
„Aber ich bezahle dieses Haus. Ich bezahle
dich und ich bezahle für alles andere auch. Es tut mir leid, es zu sagen, aber
du bist mein Besitz, Elfe. Meine Frau hat keinerlei Recht, dir Befehle zu
erteilen.“
„Ja, Mister Malfoy, Herr.“ Sie sank in eine
demütige Haltung, und er fühlte sich scheußlich. Hätte er gewusst, wie sehr ihn
sein Vater versaut hatte, dann hätte er nicht den Fehler gemacht und all das
Gold an sich gerissen. Anscheinend verwandelte er sich in Lucius. Immer
schneller.
Wieso überwand er seinen Stolz nicht?
Weil sie ihm sagen könnte, dass sie ihn gar
nicht wollte und es nur getan hatte, damit sie ihr Kind behalten konnte?
Weil er dann seinen Stolz und seine Würde
geopfert hätte und am Ende riskieren müsste, ganz alleine dazustehen, weil er
sie nicht zwingen würde, wenn sie ihm erst gesagt hatte, dass sie gehen wollte?
Vielleicht verhielt er sich deswegen wie ein
verdammtes Arschloch…?
Ja, vielleicht.
~*~
„Und wir atmen durch die Magie… Spürt ihr die
Magie?“
Sie spürte überhaupt nichts. Sie musste
verrückt gewesen sein, diesen blöden Kurs machen zu wollen. Einige der Frauen
waren bereits so rund, dass Hermine Angst hatte, diese seltsamen Verrenkungen
würden die Wehen jede Sekunde auslösen und dann mussten sie das Kind hier bei
dieser Verrückten bekommen.
Aber weil Malfoy alles zahlen musste, verließ
sie den Raum nicht sofort.
„Ihr müsst eins werden mit der Magie und dem
Kind.“ Der seltsame Zauber ließ sie nur ziemlich dringend aufs Klo müssen.
Sonst nichts.
„Miss Granger, brauchen Sie vielleicht Hilfe,
beim Erspüren der Magie?“ Mit einem tadelnden Ton kam die dickliche Hexe auf
sie zu gelaufen und kniete sich neben sie.
„Nein, nein. Ich mache nur… eine kleine
Pause“, entschuldiget sich Hermine lächelnd.
„Im wievielten Monat sind sie jetzt schwanger, meine Liebe?“
Hermine musste kurz nachrechnen. „Im fünften.
Fast am Ende“, fügte sie überrascht hinzu. In vier Monaten war es also
tatsächlich soweit. Sie hatte die Hälfte bereit hinter sich.
„Dann werden Sie bald wirklich die Kraft der
heilenden Magie brauchen. Bald wird Ihr Körper Formen annehmen. Sie werden sich
nur durch die Magie leiten lassen können und werden froh sein, zu wissen, wie
sie die geeignete Magie während der Schwangerschaft nutzen können.“
Anscheinend hatte die seltsame Frau ihre
Unlust bereits durchschaut.
„Nächste Woche möchte ich alle Teilnehmerinnen
bitten, mit Ihren Ehemännern oder Partnern zu kommen. Es ist unglaublich, wie
die Magie des Vater dem Kind helfen kann, sich gesund und magieempfänglich zu
entwickeln.“
In dieser Sekunde beschloss Hermine, den Kurs
bestimmt nicht noch einmal auszusuchen.
Eher bekam sie das Kind draußen im Garten, als
sich auch nur eine Sekunde lang vorzustellen, sie müsste mit Malfoy versuchen,
die gemeinsame Magie zu verbinden. Wahrscheinlich würden sie im hohen Bogen aus
dem Kursraum fliegen, weil sie sich gegenseitig die Augen ausgekratzt hatten.
Jetzt würde sie ihren weiteren Tagesablauf
bestreiten. Der beinhaltete den Namen endgültig zu ändern, denn was brachte ihr
ihr eigener Name, wenn ihr Kind sowieso so heißen würde wie er? Sie macht sich
nicht viel aus Namen oder Status. Und außerdem… so ungern sie es auch zugab,
ihr gefiel der Namen Hermine Malfoy.
Außerdem war heute der Termin, wo sie das
Geschlecht des Babys erfahren würde.
Das Schöne an dieser Sache war, dass sie es
Malfoy nicht verraten würde.
Grinsend erhob sie sich aus der denkbar
unwürdigen Stellung des Magie-Findens und zog sich hastig die Schuhe an, bevor
die kleine Hexe auch noch liebevoll über ihren Bauch streichen würde, wie sie
es gerade bei den anderen Teilnehmerinnen tat, um dem Baby noch Magie mit auf
den Nachhauseweg zu geben.
Verrückte Menschen…
Teil 41
„Bereit, Malfoy?“
Er schluckte schwer. Für gewöhnlich benutzte
Professor Brown nicht seinen Nachnamen. Das musste wohl bedeuten, dass er
gerade ziemlich konzentriert war. Draco schluckte erneut, denn das letzte Mal
als sein Mund so unglaublich trocken gewesen war, war er kurz davor gewesen,
Sex mit Granger gehabt zu haben.
Das hier war in keiner Weise vergleichbar,
aber das Gefühl war durchaus ähnlich.
Brown fixierte das Mal mit seinem Zauberstab,
während er komplizierte lateinische Formeln murmelte. Draco verstand sie zum
Teil. Das war keine gute Magie. Aber schwarze Magie musste wohl auch mit
schwarzer Magie gelöst werden.
Brown hatte ihn bereits gewarnt, dass es
schmerzhaft werden würde. Auch davor, dass es schlecht ausgehen könnte, und
sein Arm vielleicht irreparable Schäden davon tragen könnte, aber Draco hatte
eingewilligt. Er wusste, Brown war ein fähiger Mann. Er musste einfach
vertrauen – etwas, das er nicht besonders gerne tat.
„Ok“, würgte er knapp hervor, und Brown
berührte das Mal mit der Spitze seines Zauberstabs. Beißender Schmerz stieg
Draco in die Augen. Er musste sie schließen, aber Tränen stiegen ihm dennoch
seiner Kehle nach oben. Salazar, verflucht!
Es brannte, es brannte wie die Hölle, dabei
wusste sein logischer Ohnegleichen-Verstand, dass der Zauberstab unter keinen
Umständen seinen Aggregatzustand verändern konnte. Er war bestimmt genauso
unversehrt wie vorher. Es war nicht möglich, dass sich die Spitze des
Zauberstabs in seine Haut brannte. Es war lediglich die Magie. Aber die
Schmerzen waren grauenhafter als das magische Stechen, drei Jahre zuvor.
„Merlin, verflucht…“
„Junge, Sie müssen aushalten. Noch tut sich
nichts“, presste der Ex-Auror hervor. Draco hätte ihm
gerne ausführlich erklärt, was sich gerade in seinem Inneren tat, und dass er
das Gefühl hatte, sein Blut würde Blasen schlagen, aber die Hitze war so
unerträglich, dass er lediglich die Zähne zusammen beißen konnte, um nicht zu
schreien.
Das war es nicht wert. Kein Schmerz der Welt
war dieses Unterfangen wert. Und kein Schmerz der Welt war vergleichbar. Es
war, als würde ihm langsam und qualvoll der Arm mit einem Löffel abgeschlagen.
Oh, fuck…
„Professor…“, stöhnte Draco rau, und Brown sah
ihm fest in die Augen.
„Soll ich aufhören?“ Schweiß perlte über die Stirn seines Mentors. Draco
riskierte einen Blick auf seinen Unterarm. Zu seiner persönlich grenzenlosen
Überraschung war sein Arm tatsächlich noch an seinem Körper. Sanfter Dampf
stieg von der Tätowierung auf und überrascht vergaß er eine Sekunde den
Schmerz.
Die Schlange schien sich in dem kahlen Schädel
vor Schmerzen zu winden. Aber nicht nur das. Das Mal verlor langsam an Farbe.
Es wurde blasser. Die Konturen waren noch stark, aber dafür schien die Farbe
aus seiner Haut gezogen zu werden.
„Machen Sie… weiter“, keuchte er, und sofort
brach Brown den Blickkontakt zu ihm ab und presste seinen Zauberstab wieder in
Dracos Haut. Jetzt schrie Draco auf. Er fing sich schnell, aber das war
überraschend gewesen.
Er wünschte sich verzweifelt, dass es Lucius
irgendwann auch angetan werden würde. Lucius... dieser elende, erbärmliche
Abklatsch eines Vaters.. Ja. Für ihn würde er es tun. Zur Strafe. Und für
Granger. Granger…
Fest biss er die Zähne zusammen.
Ja, für einen Moment hatte er den Grund seines
Daseins aus den Augen verloren. Seine Augen tränten, alle seine Muskeln waren
zum Zerreißen gespannt, und er schloss die Augen, stellte sich ihr Gesicht vor,
ihre grenzenlose Freude, wenn sie es sehen würde. Jaah…
Er musste nur noch etwas durchhalten.
„Geduld ist eine
Tugend, Draco…“,
hörte er verschwommen die Stimme seines Vaters. „Die Malfoys besitzen keine Tugenden. Damit
verschwendet man nur seine Zeit.“
~*~
Wahrscheinlich
war es für die meisten Hexen kein schöner Anblick, aber Hermine war hart im
Nehmen. Sie saß mit dem Kopf weit vorn über gebeugt auf der Liege und
betrachtete fasziniert das Innere ihres Körpers.
Magischer Ultraschall, überlegte sie und
musste lächeln.
Die
magische Tinktur, die der Heiler zuvor auf ihrer Bachdecke verteilt hatte, ließ
ihren Bauch durchsichtig erscheinen. Sie hatte keine Ahnung, was für Zutaten
nötig waren, damit der Körper keinen Schaden davon trug, aber im Moment war sie
viel zu gefangen von dem Blut, dass stetig durch ihren Organismus pumpte. Durch
den Magen, durch die Nieren, bis hin zur Gebärmutter, in der gekrümmt und
winzig klein, eine winzige Gestalt hockte. So sah es aus ihrer Perspektive
zumindest aus.
Absolut
unglaublich.
„Dort
ist ihr Kind“, informierte sie der Heiler überflüssigerweise und deutete mit
dem Zauberstab auf die Mitte ihres Bauchs. Langsam nahm ihr Körper Formen an.
Langsam war es nicht mehr schwer zu erraten, wo das Kind denn nun genau größer
wurde.
Es
war absolut fantastisch. Niemals hätte sie das hier aufgeben können.
„Erkennen
Sie das Geschlecht? Ansonsten, sage ich es Ihnen.“
Aber
Hermine hatte es bereits in der ersten Sekunde erkannt. Aber das kleine
Geschöpf lag günstig dafür. Und sie war über alle Maßen glücklich. Es war das,
was sie sich insgeheim gewünscht hatte. Es war absolut perfekt, auch wenn es
vielleicht gemein von ihr war, Draco nichts zu verraten. Sie war sich nicht mal
mehr so sicher, ob sie ihm nicht heute Abend doch davon erzählte. Ob sie nicht
einfach ihren Stolz hinter sich lassen konnte.
Und
wie gerne hätte sie ihn jetzt dabei gehabt. Aber sie erlaubte sich diesen
Schwächemoment nur kurz.
„Ich
sehe es“, flüsterte sie heiser und strich sich abwesend über ihre Bauchdecke.
„Herzlichen
Glückwunsch. Ihr Kind ist gesund, alles sieht normal aus. Ich schlage vor, Sie
kommen nächsten Monat zur nächsten Kontrolle.“ Mit einem stummen Zauber schien
er die Paste wieder von ihrem Bauch zu entfernen, und plötzlich kam ihr ihr
Bauch langweilig und unspektakulär vor.
Gott,
was sich alles darunter abspielte. Jetzt in diesem Moment. Sie hätte den ganzen
Tag in dieser unbequemen Position verbringen können, während sie ihr Baby
betrachtete.
Ihr
kleines, perfektes Baby.
„Danke“,
entgegnete sie und richtete ihre Bluse. Jetzt würde sie am liebsten zu Ginny
gehen, aber Ginny war in Hogwarts. Wahrscheinlich
hatte sie keinen Unterricht mehr. War es eigentlich möglich als Ehefrau eines
Lehrers Hogwarts zu besuchen? Sie hatte keine Ahnung,
ob McGonagall eigentlich verheiratet war. Aber sie
bezweifelte es. Dumbledore war es nicht, Snape war es nicht. War Flitwick verheiratet und kam ihn seine Frau besuchen?
Nein,
sie wusste es nicht. War es ein einsamer Beruf?
Wie
waren die Regeln? Aber vielleicht war es auch nicht nett, die Stelle des
Ehemanns auszunutzen, um seine Freundin zu besuchen. Sie war sich da nicht
sicher.
Sie
würde sich erkundigen. Bald. Aber sie nahm an, Ginny würde sie sowieso bald
wieder besuchen. Zumindest hoffte sie das. Immer noch war sie nicht bereit, mit
den Weasleys zu sprechen. Denn dann musste sie sich
stellen und sich entschuldigen.
Aber
sie war gespannt, wieder mit Harry zu reden. Er hatte jetzt nämlich seine Aurorenausbildung begonnen. Sie brannte auf Informationen
und fühlte sich so absolut überflüssig und nutzlos. Als ob eine schwangere Frau
nicht genauso arbeiten konnte, wie ein Mann.
Malfoy
saß auch nicht den ganzen Tag Zuhause und kümmerte sich um sie. Vielleicht würde er das, wenn du ihn nicht
immer wieder abweisen würdest?
Aber
sie war sich sicher, selbst dann würde er nicht bleiben. Er würde bestimmt
ungern gehen, aber bleiben würde er auch nicht.
Und
schlimm war immer noch die unumgängliche Tatsache des Teetrinkens bei den Malfoys. Anscheinend meinte er es ernst. Sie hoffte nur,
sie und ihr Kind würden lebend wieder verschwinden, aus diesem Haus der Hölle.
Warum
sie Malfoy diesen Gefallen tat? Weil sie keine Wahl hatte. Und der wesentlich
dümmere Grund: Weil sie gerne mal aus dem Haus kommen wollte.
Jetzt
würde sie den Namen ändern gehen. Jetzt würde sie also ihren Namen aufgeben.
Und für was? Für den Namen eines Todessers. Wenn auch eines nicht bestätigten
Todessers. Gott, es war so erniedrigend. Wenn er sie wenigstens nicht gezwungen
hätte. Dann hätte sie es gerne getan. Aber so würde er sich fühlen, als hätte
er gewonnen.
Dabei
tat sie es nicht ihm zuliebe, sondern wegen des Kindes.
Was
hatte er schon ihr zuliebe getan? Sie ignorierte die Tatsache, dass er ihr ein
Cottage gekauft hatte, sie geheiratet hatte, mit ihr zusammen wohnte und alles
für sie bezahlte. Denn das waren Dinge, die ihm zugutekamen. Nicht ihr.
Denn
unterm Strich gab es nichts, was er je für sie getan hatte, aus rein
selbstlosen Gründen.
~*~
„Draco,
öffnen Sie die Augen!“
Es
kam ihm vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen. Er musste sich fast dazu
überwinden, die Augen zu öffnen. Seine Muskeln schmerzten von der Anspannung,
kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, und eigentlich wollte er nicht mehr
denken und nie wieder aufstehen.
Außerdem
hatte er die berechtigte Sorge, dass sein linker Arm abgefallen war, denn er
spürte ihn nicht mehr. Nach etlichen Sekunden schaffte er es, sich zu
überwinden. Sein Kiefermuskel spannte sich an, als er die Augen öffnete. Gott,
noch niemals waren alle seine Nerven so zum Zerreißen gespannt gewesen.
Noch
nie hatte er sich so gefühlt. Dabei hatte er sich keinen Zentimeter vom Platz bewegt.
Sofort
senkte er den Blick auf seinen Arm. Und er erstarrte. Er war noch da. Er war
heile. Tatsächlich sah man ihm keine Behandlung an. Der einzige Unterschied zu
vorher war, dass ihm nun weiße, unversehrte Haut entgegenblickte.
Es
war tatsächlich fort. Einfach so.
Nun,
einfach war es nicht gewesen. Bei Merlin, oh nein. Einfach war es nicht. Es war
schlimmer als jede Strafe mit dem Unverzeihlichen, die Lucius ihm jemals
auferlegt hatte. Liebend gerne hätte er hundertmal unter dem Cruciatus gelitten, als diese Tortur noch einmal zu durch
leben.
„Es
hat etwas länger gedauert. Es ist ein hartnäckiges Biest gewesen.“ Auch Brown
war vollkommen nass geschwitzt. Mit einem Tuch tupfte er sich die Stirn ab und
wirkte mehr als zufrieden mit sich. „Hab nicht geglaubt, dass es tatsächlich
funktioniert. Sie sind tapfer, Draco. Wirklich bemerkenswert.“ Mit Schrecken
sah Draco, dass es über vierzig Minuten gedauert hatte.
Seinen
Arm konnte er nicht bewegen. Noch zu verkrampft waren seine Muskeln dort.
„Sir,
ich… mein Arm…“ Seine Stimme klang rau und so heiser als hätte er sie
Ewigkeiten lang nicht mehr benutzt.
„Oh,
die Muskeln… Ja, sicher. Entschuldigen Sie, Draco.“ Stumm hielt er den
Zauberstab über seinen Arm. Blaue Funken tanzten über seine Muskeln und Sehnen
und er spürte, wie sich seine Haut entspannte, wie die Muskeln sich wieder
dehnten und er seine Finger krümmen konnte.
Und
es war tatsächlich fort. Für immer fort.
Ein
riesiger, unermesslich großer Stein fiel ihm von der Seele. Er hatte niemals geahnt,
dass ihn dieses Mal so sehr hatte belasten können. Er konnte den Blick von
seinem makellosen Unterarm kaum abwenden. Es kam ihm vor wie ein unschätzbarer
Zeitraum, seitdem er seinen Arm in dieser Verfassung gesehen hatte.
Damals
hatte er nicht darüber nachgedacht, dass das Mal die Konsequenzen eines dauernd
langen Ärmels nach sich ziehen würde, da niemand etwas erfahren durfte. Man war
durchaus eingeschränkt. Und jetzt… Jetzt war das vorbei.
Jetzt
war er wieder er selbst. Nicht von Voldemort gezeichnet. Einfach nur er selbst.
Die
Müdigkeit nahm schlagartig von ihm Besitz. Er wusste, er musste sich ausruhen.
„Ich
denke, ich werde gehen. Ich bin… müde, Sir. Ich danke Ihnen“, fügte er langsam
hinzu, denn noch war es ihm noch nicht völlig bewusst, was gerade passiert war.
„Sie
müssen ziemlich erschöpft sein, Draco. Wollen Sie wirklich noch den Weg nach Hogsmeade laufen? Sie können auch die
Nacht im Schloss verbringen“, bot ihm sein Mentor an, aber er verneinte knapp.
Auch
wenn er kaum noch gerade stehen konnte, würde er unter keinen Umständen die
Nacht ohne sie verbringen. Selbst, wenn er sie nicht sehen würde. Selbst, wenn
er nur wusste, dass sie im selben Haus schlief. Das reichte ihm aus.
Er
würde nicht irgendwo schlafen, wo sie nicht war.
Verrückt…, ging es ihm durch
den Kopf. Er war einfach nur ein verrückter Junge.
Eigentlich
hatte sie vorgehabt schnell wieder Zuhause zu sein. Sie hatte zwar damit gerechnet,
die meisten aus ihrem Jahrgang nicht mehr wieder zu sehen, aber tatsächlich war
sie überrascht und begeistert gewesen, Lavender zu
treffen.
Aber
Ginny hatte ihr ja gesagt, sie würde auch im Ministerium arbeiten. Sie hatte
genug zu tun gehabt, sich in Acht zu nehmen, nicht auf Ron zu treffen, während
sie gerade dabei war, ihren Namen von Granger in Malfoy zu ändern, aber auf
alles hatte sie doch nicht achten können.
Lavender hatte im Empfang gesessen und es sich nicht
nehmen lassen, Hermine auf einen Tee einzuladen.
Sie
hatte noch nie in ihrem Leben wirklich mit Lavender
gesprochen, aber heute hatte sie tatsächlich zwei Stunden in einem Café mit ihr
gesessen und über die alten Zeiten gesprochen. Auch über die neuen. Lavender war absolut neidisch gewesen. Aber das war nichts
Neues. Viele Mädchen hatten Malfoy immer verstohlen hinter her gesehen.
Völlig
erschöpft kam sie an. Es kam ihr vor, als hätte sie Lavender
ihr gesamtes Leben erzählt. Natürlich nicht, dass sie und ihr Ehemann sich wie
sture Kinder anschwiegen. Nein, das nicht.
Viel
überraschter war sie nun, dass sie ihn auf der Couch antraf. Er schlief. Er war
anscheinend über der Post eingeschlafen. Er wirkte ruhig. Und vollkommen
erschöpft. Völlig still saß er auf der Couch. Es war ungerecht. Wäre sie auf
der Couch eingeschlafen würde sie wahrscheinlich nicht so akkurat dort sitzen
können. Ihr Kopf würde über die Lehne hängen, sie würde schnarchen und bestimmt
auf die teuren Alpakakissen sabbern.
Aber
nein. Der wunderschöne Mr Malfoy saß anmutig wie eine
Statue auf der Couch. Der Kopf lehnte an der Kopfstütze und ab und zu zuckten
seine Lider. Er schlief also wirklich tief.
Wahrscheinlich
hatte er einen anstrengenden Tag gehabt, obwohl sie das nicht ganz so sah.
Immerhin hatte sie heute den ganzen Stress hinter sich gebracht. Lavender hatte dazu ein ganzes Stück beigetragen.
Kurz
sah sie sich um. Sie konnte die kleine Elfe nicht entdecken. Wahrscheinlich
putzte diese wieder oder machte sonst eine Arbeit, die Hermine ihr am liebsten
abgenommen hätte. Wenn Malfoy nicht da war, verbot sie der Elfe sowieso
irgendwas zu tun. Sie tat es lieber selbst, als es die Elfe tun zu lassen. Auch
wenn Lowyn immer wieder beteuerte, sie würde das Haus
niemals verlassen, denn ihr lag wirklich etwas an Malfoy. Auch wenn Hermine
nicht verstand, was die Elfe an ihm finden konnte.
Wirklich
nicht.
Sie
zögerte noch einen kurzen Moment. Dann setzte sie sich neben ihren Ehemann. Ihr
Ehemann, Draco Malfoy. Sie schüttelte unbewusst den Kopf. Wie seltsam es war.
Sie hatte nicht mal einen Ehering. Nun, sie hatte Rons Ring, aber das zählte ja
wohl kaum. Nicht mal das hatte sie. Eigentlich war es kaum wirklich eine
Heirat. Allein auf dem Papier war es das.
Sie
rückte vorsichtig näher an seine Seite. Es war ein unglaubliches Gefühl, seine
Wärme durch ihre Bluse zu spüren. Sie roch seinen vertrauten Duft und schloss
kurz die Augen. Die leise Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie dieses
Szenario jeden Abend haben könnte, würde sie einfach ihren Stolz vergessen.
Dann
würde sie ihn jetzt mit einem Kuss wecken, ihm von ihrem Tag erzählen und ihn
auf die Folter spannen, welches Geschlecht das Baby haben könnte. Er hätte ihr
haarklein erzählen müssen, welchen Stoff er unterrichtete und ob er selbst
entscheiden konnte. Sie war so gespannt und neugierig.
Ja,
wären sie ein glückliches Paar, dann wäre es einfacher. Aber sie waren ein
unglückliches Paar, was lieber stur war als zufrieden. Sie erlaubte sich noch
einen Blick in sein Gesicht ganz aus der Nähe. Sie müsste nur den Kopf anheben,
dann könnte sie seine perfekten Lippen küssen. Aber sie tat es nicht.
Ihr
Blick fiel auf den Brief über dem er wohl eingeschlafen war. Vollkommen
verständlich. Sie zog ihn sanft aus seinen Fingern. Er bemerkte es nicht einmal.
Er rührte sich nicht mal unter dem kurzen Widerstand.
Er
war von Lucius. Ihre Finger zitterten als sie das Pergament glatt strich.
Draco,
deine Mutter und ich
nehmen den morgigen Termin wahr.
Wir erwarten euch
nachmittags. Du kennst die Teezeit.
Allerdings kann ich
dir nicht garantieren, dass deine Mutter
den ganzen Nachmittag
durchstehen wird.
Solltest du dir deine
Pläne anders überlegen, und das
Vermögen doch nicht
völlig zum Fenster raus werfen wollen,
dann gibt es Mittel
und Wege, gewisse Dinge rückgängig zu
machen.
Überleg es dir.
Lucius
Hermine
erschauderte kurz. So schrieb Lucius also Briefe an seinen Sohn. Immer noch
darauf bedacht, alles rückgängig zu machen, was dem guten Namen irgendwie
schaden könnte. Sie wusste, sie hatte sich darauf eingelassen. Und sie wusste,
Narzissa Malfoy würde in ihr nichts andere sehen, als ein Schlammblut, das ihr
ihren Sohn weggenommen hatte. Und egal, wie furchtbar sich Hermine Malfoy
gegenüber verhielt, sie war seine Frau. Freiwillig.
Mehr
oder weniger zumindest. Und die einzige Person, die morgen – möglicherweise –
nicht gegen sie war, war die Person, die sie selbst mit Schweigen und
Abwesenheit strafte.
„Er
hat noch nie viel Wert auf Höflichkeit gelegt“, sagte seine raue Stimme neben
ihrem Ohr, und das Pergament entglitt ihren Fingern. Wann war er aufgewacht?
Und wieso musste er sie erschrecken? Sie war so verwirrt, dass sie einfach nur
den Blick hob und ihn ansah. Sie hatte sich so nah neben ihn gesetzt, dass sie
den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen.
„Ich…“,
stammelte sie, aber er betrachtete sie ruhig.
„Ich
hoffe doch, du wirst mich morgen begleiten.“ Es klang beinahe wie eine Bitte.
Aber sie hatte ihn noch nie um etwas bitten gesehen.
Sie
brauchte noch einen Moment, ehe sie sich wieder gefangen hatte.
„Ich
bin deine Frau. Sicher begleite ich dich“, sagte sie steif und rückte von ihm
ab.
„Ich
nehme an, du gehst wieder ins Gästezimmer, nachdem du mich jetzt geweckt hast.“
Das war eine reine Feststellung. Er sprach immer noch ruhig. Anscheinend war er
wirklich erschöpft und angeschlagen. Zu gerne hätte sie gefragt, aber sie
konnte nicht.
„Ja“,
erwiderte sie und versuchte mit eiserner Kraft das Bedauern zu verdrängen.
„Gut.“
Er lehnte den Kopf wieder zurück und schloss die Augen. Ihre Neugierde siegte
letztendlich doch.
„Wie
war dein Tag?“
Langsam
öffneten sich seine Augen wieder. „Fragst du das, weil du es wissen willst,
oder fragst du mich das, damit ich frage wie dein Tag war, weil du mir wieder
irgendwelche Vorwürfe machen willst?“
Sie
erhob sich augenblicklich, bevor die Tränen die Oberhand gewinnen würden.
„Gute
Nacht, Malfoy.“
Wie
hatte sie sich einbilden können, einfach so mit ihm sprechen zu können? Sie war
dumm. Wirklich dumm. Sie hätte sich nicht neben ihn setzen sollen.
„Er
war sehr anstrengend.“ Seine Worte ließen sie an der Treppe noch einmal inne
halten. „Wie geht es dir?“
Da
fiel ihr plötzlich ihr seltsames Hexentreffen wieder ein.
„Nächste
Woche sollen die Väter die Mütter zum Kurs begleiten. Denkst du, das kannst du
einrichten, oder soll ich dich einfach entschuldigen?“ Tatsächlich mussten sie
wohl ab und zu ein normales Gespräch führen. Es ging relativ gut.
„Ich
komme mit, wenn du es willst.“
Typisch
Fangfrage. Er konnte also nie wirklich antworten. Aber immerhin schrie er noch
nicht. Wahrscheinlich war er selbst zum Schreien zu erschöpft.
„Mir
ist es egal.“
„Granger…“
Deutlich hörte sie seinen gereizten Tonfall. „Sag es doch einfach.“
„Ob
ich will, dass du mich begleitest, um dich darauf vorzubereiten, Vater zu
werden? Es war dir bis hierhin egal, da glaubst du doch wohl nicht, dass ich
mich darum schere, ob du irgendwann deine Meinung änderst.“ Er blieb immer noch
ruhig.
„Ach
ja, du bist nur hier, weil ich dich zwinge, das hatte ich vergessen.“ Er fuhr
sich mit der Hand über die Stirn.
„Lass
uns aufhören, zu reden.“
„Aufhören..
Wirklich amüsant. Nach einem Monat reden wir das erste Mal miteinander, und du
willst aufhören zu reden. Ist dir klar, dass du vor ein paar Monaten nichts
anderes getan hast, als zu reden?“ Er war wohl auch zu erschöpft, um
aufzustehen. Er saß immer noch auf der Couch und stützte nun seinen Kopf ab.
„Vielleicht
wäre es einfacher mit dir zu reden, wenn du nicht immer nur Gegenfragen stellen
würdest“, warf sie ihm zornig vor und stemmte die Hände in die Hüften.
„Oh
ja? Vielleicht wäre es auch einfacher für mich, wenn du nicht ständig vor mir
weglaufen würdest.“ Kurz schien er sich wohl zu überlegen, ob er aufstehen sollte,
schien aber seine Meinung wieder zu ändern und sank zurück auf die Couch. „Na
los. Tu es wieder. Verschwinde wieder in deinem kleinen Reich.“
„Schön.
Ich will nicht, dass du mich begleitest.“
„Es
kommt mir so vor, als hätten wir immer wieder dieselbe Konversation, dir auch?“
Und sie erinnerte sich an dieselben Worte, die sie gesagt hatte, als sie zu
Snape gegangen war. Ihr Blick verfinsterte sich.
„Oh
ja. Also ist es wirklich besser, dass ich alleine gehe. Wärst du damals mit zu
Snape gegangen, dann müsste ich morgen auch nicht zu diesem Treffen gehen, denn
dann gäbe es überhaupt kein Baby. Also gehe ich lieber alleine, bevor du mich
wieder zu etwas zwingen willst, dass ich nicht will.“ Böse fixierte sie ihn. Es
regte sie auf, dass er so regungslos blieb.
„Ja,
wie mich zu heiraten, richtig? Hättest du es entfernen lassen, dann hättest du
mich auch nicht heiraten müssen. Dann müsstest du dich jetzt nicht dazu
überwinden, ein Leben lang mit mir zusammen zu sein.“ Zu ihrer Überraschung
hoben sich seine Mundwinkel. „Hör zu, ich bin wirklich müde, Granger. Und auch,
wenn ich es kaum erwarten kann, weitere Tiraden von dir gegen mich zu hören,
muss ich mich leider entschuldigen.“
Er
erhob sich, und mit Schrecken sah sie, wie er schmerzhaft das Gesicht verzog.
Er brauchte noch einen Moment, ehe er, ohne zu schwanken, gerade stehen konnte.
Ihr Herz zog sich zusammen. Was war passiert?
Hatte er einen Zauber demonstriert, der nach hinten losgegangen war? War
ein von irgendwem angegriffen worden? Ginny womöglich?
„Malfoy…“,
begann sie, aber er schüttelte knapp den Kopf. Seine Muskeln waren angespannt.
„Jetzt
nicht. Ich bin nicht in der Stimmung.“ Schon war er an ihr vorbei und stieg
mühsam die Treppe nach oben. Er hielt seinen Arm merkwürdig angewinkelt. Erst
als sie hörte, wie seine Tür ins Schloss fiel, erlaubte sie es sich zu weinen.
War
es alles ein großer Fehler gewesen?
~*~
Da
sie nicht mehr apparieren konnte, saßen sie nun
schweigend in der Kutsche. Sie war noch nie Kutsche gefahren. Er sprach nicht.
Seinem Arm schien es immer noch nicht besser zu gehen, aber er ließ sich nichts
anmerken. Sie nahm an, er hatte vorher einen Trank genommen.
Gerne
hätte sie geredet, um ihre Nervosität zu überspielen, aber sie verkniff sich
jedes Wort. Sie hatte mit Absicht ein weites Kleid angezogen, damit seine
Eltern ja nicht sehen konnten, dass sie langsam anschwoll. Auch wenn sie ihr
das Kind wohl nicht aus ihrer Gebärmutter fluchen würden, wollte sie nichts
riskieren, was dieses Thema zur Diskussion werden ließ.
Die
Kutsche hielt abrupt. Das riesige Tor schwang magisch auf, und die Kutsche fuhr
die letzte Meter den Kiesweg empor. Die weißen Pfauen stolzierten lächerlich
arrogant über die Wiesen, und wäre die Situation nicht
so ernst, dann hätte sie wahrscheinlich geschmunzelt.
So
allerdings wartete sie verkrampft auf das Ende der Fahrt.
Die
Kutsche hielt. Ohne einen weiteren Blick auf sie war er ausgestiegen. Mit
angehaltenem Atem folgte sie ihm. Er schritt zielstrebig zur Tür und klopfte
hart gegen das schwere Holz.
Kurz
hoffte sie, dass seine Eltern ihre Meinung doch noch geändert hatten, aber
schon wurde die Tür geöffnet. Ein verhärmter Elf öffnete und Hermine hätte ihm
am liebsten sofort befreit. Er war nicht wie Lowyn.
Er wirkte ängstlich und abgerissen. Den Blick hielt er gesenkt. Malfoy
beachtete ihn nicht weiter und betrat das Haus. Es war ein unglaubliches Haus.
Hermine kam aus dem Staunen nicht heraus.
Und
das hatte er für sie aufgegeben. Das bereute er mittlerweile bestimmt, giftete
ihr Gewissen, und sie schloss kurz die Augen.
Der
Flur zur Halle war gesäumt mit Portraits von missmutigen Zauberern. Die meisten
hatten so weiße Haare wie Malfoy. Sie bedachten sie mit scheelen Blicken, und
sie senkte den Blick. Der Teppich war wunderschön. Indisch, nahm sie an. Die
Webmuster waren exquisit, und sie war vorsichtig bei jedem Schritt, den sie
machte. Aber der Teppich war wohl magisch geschützt.
Ohne
Umstände schritt Malfoy durch die Halle, die von riesig hohen Fenstern gesäumt
waren. Man konnte das gesamte Anwesen links und rechts überblicken. Aber viel
zu sehen gab es nicht. Es musste von unheimlicher Größe sein, denn sie sah
lediglich den prunkvollen Garten zu beiden Seiten. Elfen bewässerten die Rosen,
andere kürzten magisch den Rasen, einer lief vor einem wütenden Pfau weg, der
sich wohl nicht von einem Elfen hatte füttern lassen wollen, und ansonsten
dominierten riesige Wasserfontänen mit kunstvollen Wasserspielen den Rest des
Gartens. Wenn man es Garten nennen konnte.
Ihr
war nie wirklich bewusst gewesen, wie reich Malfoy eigentlich war.
„Ah,
wie nett.“
Sie
gefror sofort im Stehen. Diese Stimme jagte ihr jedes Mal einen eisigen Schauer
über den Rücken. Konnte Malfoy auch so klingen? Oder war er einfach nicht so
böse wie sein Vater? Die Stimme war das einzige, was beide wirklich
unterschied. Im Dunklen würde sie die beiden nicht auseinander halten können.
„Deine
Haare sehen schrecklich aus, Draco.“ Auch Narzissas
Stimme war von Arroganz so überschattet, dass sie jegliche Schönheit verbannen
konnte. Und seine Mutter war wohl eine der schönsten Frauen, die Hermine je zu
Gesicht bekommen hatte.
„Miss
Granger.“ Es entging ihr nicht, dass sie nicht mit dem Familiennamen
angesprochen wurde. Auf einmal verspürte sie das Bedürfnis, Harry um Hilfe zu
rufen.
„Mr Malfoy, Mrs Malfoy“, erwiderte
sie steif, immer noch unbewegt. Malfoy stand jetzt neben seinen Eltern. Seine
Mutter betrachtete seine gewachsenen Haare mit Abscheu.
„Im
Garten ist gedeckt. Wenn Sie uns folgen möchten.“ Ihre Stimme war ausdruckslos,
aber in ihrem Gesicht lag eine dunkle Bedrohung, die eigentlich überhaupt nicht
einladend auf sie wirkte. Sie vermutete, dass Narzissa Malfoy wahrscheinlich
einen Beruhigungstrank genommen hatte.
Sie
fühlte sich in dem riesigen Anwesen nicht wohl. Der Teppich schloss ab, und
ihre Füße traten auf das feinste Holz. Es verursachte kein Geräusch beim
Auftreten. Feine Mosaikmuster bildete das Parkett. Bei näherem Hinsehen formte
es einen Baum. Einen riesigen Baum auf dem Boden des Wohnzimmers. Zwei Kamine
standen an der Südseite des Raumes. Ein kleiner Erker war mit einem Tisch und
mehreren Stühlen versehen, und man hatte einen fantastischen Blick auf den
Rosengarten.
Mehrere
altmodische Waffen hingen an einer anderen Wand. Sie funkelten im Sonnenlicht.
Die dritte Wand war gesäumt mit Büchern. Hundert von Büchern. Ach was, tausend
Bücherreihen zogen sich durch die ganze Längsseite des
Raumes. Zuerst dachte sie, sie wären über dunkle Magie, aber gab es so viele
Bücher bloß über dunkle Magie? Beim Vorbeigehen erhaschte sie einen Blick auf
die Titel. Es waren vollkommen unterschiedliche Bücher über Pflanzen, die
Beschaffenheit von Irland, auch nicht magische Bücher standen dort. Sie
erkannte zu ihrem großen Staunen Bücher über die Architektur von Gaudi im
Regal.
Eine
ganze Reihe widmete sich sogar der spanischen Architektur. Dann folgten Bücher
über sämtliche Länder Europas. Keine schlichten Reiseführer oder etwas
ähnliches, nein. Dicke Wälzer, bestimmt tausend Seiten über die Geschichte, Religion,
Volkskunde… einfach alles.
Eines
musste sie den Malfoys lassen. Trotz all ihrer Fehler
und falschen Orientierungen, waren sie nicht ungebildet. Nein, bestimmt nicht.
Sie schienen ziemlich genau Bescheid zu wissen, über so ziemlich jedes
wissenswerte Thema, das es gab.
Endlich
hatte sie das beeindruckende Wohnzimmer hinter sich gelassen. Eine große
Flügeltür aus funkelndem Kristall führte in den Garten. Helle Marmorplatten
säumten die Terrasse ein. Ihr stockte der Atem als sie auf dem Boden ins Sonnenlicht
trat. Dort stand ein Tisch aus – so sah es zumindest aus – Elfenbein. Er
funkelte in der Sonne und glänzte in hunderttausend Farben. Auch die Stühle
schienen aus diesem Material zu sein, das sie noch nie in dieser verarbeiteten
Form gesehen hatte.
Verboten
war es bestimmt. Und teuer dazu. Goldene Tassen thronten auf dem Tisch.
Wahrscheinlich waren sie nur mit Gold beschichtet, was Hermine trotzdem
übertrieben fand.
Eine
weitere Elfe wartete bereits. Die Malfoys hatten
ganze Armeen an Elfen.
„Setzen
Sie sich.“
Sie
fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlange. Wieder einmal.
Schweigend
setzte sich neben Draco, der bereits seine Tasse füllen ließ.
„Wie
war die Fahrt?“, erkundigte sich sein Vater deutlich desinteressiert. Hermine
fiel wieder ein, dass Lucius ja in Untersuchungshaft in Askaban
gewesen war. Und dass Draco jetzt die Macht über das Vermögen hatte. Wie
furchtbar musste es wohl für Lucius sein, seinen Sohn mit seiner muggelstämmigen Frau zu empfangen? Sie schluckte schwer.
Hoffentlich
verging die Zeit schnell.
„Kurz“,
erwiderte Draco knapp und nippte an seinem Tee.
„Schön,
dich hier zu sehen“, begann jetzt seine Mutter und ignorierte Hermine
konsequent.
„Ja.“
„Wie
ist es unter Dumbledores Fuchtel zu stehen?“ Hermine spürte, dass die
Freundlichkeiten wohl jetzt ein abruptes Ende finden würden.
„Es
ist sehr interessant, Vater.“ Draco ging also nicht auf böse Seitenhiebe ein.
„Wirklich?
Ist es das? Nun, du wirst es auch dein Leben lang tun müssen, es sollte auch
interessant sein.“
Hermine
würgte einen Schluck Earl Grey hinunter und starrte auf ihre Tasse.
„Miss
Granger, wie ich hörte, waren Sie ebenfalls Schulsprecherin. Dumm, dass Sie
Ihre… Fähigkeiten nicht mehr ausleben können, nicht wahr?“ Narzissa Malfoy war
eine gemeine Frau. Sprach sie davon, dass sie nun einen Malfoy in sich trug und
ans Haus gebunden war? Oder zielte sie ohne Worte auf ihren Ruf ab, dass sie
auch als Schulsprecherin sich nicht den Regeln entsprechend verhalten hatte,
und sich von einem Jungen mit siebzehn hatte schwängern lassen?
Hermine
wusste es nicht.
„Ich…
werde bald Tätigkeiten ausüben, die meinen Fähigkeiten entsprechen dürften“,
erwiderte Hermine diplomatisch.
„Ach?
Sie werden sich also nicht um Ihr Kind kümmern? Wie… fortschrittlich.“ Hermine
hörte ihrer Stimme an, dass sie diese Entscheidung verabscheute.
„Ich
denke, dass ich mich durchaus um meine Pflichten als Mutter kümmern kann, auch
wenn ich arbeite, Mrs Malfoy.“
„Sicher,
sicher, Miss Granger.“ Narzissa wandte den Blick ab. „Die Rosen sind schon
wieder viel zu lang geworden, findest du nicht Lucius?“
Hermine
biss sich auf die Lippe und senkte wieder den Blick. Wieso stritt sie sich mit
dieser Person? Wieso war sie überhaupt hier?
„Dafür
habe ich kaum einen Blick. Außerdem war ich ja länger nicht hier, nicht wahr?“
„Waren
eigentlich die Weasleys zur Hochzeit eingeladen? Ich
könnte mir vorstellen, dass ihr Sohn nicht gerade begeistert war“, begann
Narzissa von neuem mit ihrer sonoren Stimme zu erzählen.
„Ahem…“ Hermine wusste nicht, wieso Draco nicht sprach. „Wir
hatten eine kleine… ahem…“ Was sollte sie sagen? Eine
kleine Unterzeichnung des Dokuments? Nein. Sie sagte nichts.
„Ja?“
„Unwichtig“,
erwiderte Hermine und beschloss das Beste aus dieser Situation zu machen. „Sie
haben ein wunderschönes Haus.“
„Nicht
wahr? Aber die Qualität des Besuchs sinkt immer weiter.“ Hermine biss tapfer
die Zähne zusammen. „Erst neulich bekamen wir Besuch vom Ministerium. Für
meinen Geschmack sind diese Leute weit unter unserem Niveau. Beschuldigen die Leute,
auf die sie immer neidisch waren.“
„Genug“,
schnitt ihr Mann ihr jetzt das Wort ab und wandte sich an Hermine. „Verläuft
die Schwangerschaft ohne Komplikationen, Miss Granger?“ Was wollte er hören?
Das es schmerzhaft oder unangenehm für sie war? Beruhigte ihn das?
„Ich
denke schon, Mr Malfoy.“ Gott, es war grauenhaft.
Denn egal, wie wenig sie hier sein wollte, sie war es wegen Draco doch. „Ich
habe gehört, Sie haben sich bei Gringotts beworben?“,
wechselte er abrupt das Thema. Neben sich hörte sie Draco unterdrückt seufzen.
„Das…
ist richtig.“ Sie würde nicht nachfragen, woher Lucius Malfoy diese
Informationen hatte.
„Das
ist gefährlich für eine Frau. Ich bin der Ansicht, eine Frau sollte bei den
Dingen bleiben, die für sie geeignet sind.“
„Kindererziehung
und der Haushalt?“ Die Worte waren schneller über ihre Lippen gekommen, als sie
es hatte kontrollieren können. Doch tatsächlich zuckten die Mundwinkel des
Mannes, der ihr gegenüber saß.
Er
lehnte sich zurück, faltete die schlanken Hände in seinem Schoss und
betrachtete sie mit derselben Aufmerksamkeit, die ihr Draco einst zu teil hatte
werden lassen. Die Ähnlichkeit war absolut verblüffend.
„Ich
denke, ich kann nachvollziehen, warum Sie für Draco ein interessantes Ziel
gewesen sein mussten.“ War das eine Beleidigung, war es ein Kompliment?
„Ich
halte Sie für außerordentlich klug, Miss Granger.“
Narzissa
verdrehte knapp die Augen und wandte den Blick auf ihre Fingernägel.
„Und
ich sage nicht, dass Frauen nicht auch in Positionen von Männern arbeiten
können, aber vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass Sie nun eine Pflicht zu
erfüllen haben.“
Was
war ihre Pflicht? Mutter zu sein?
„Sie
sind eine Malfoy.“
Oh.
Ach so. War sie das? Ihr Blick glitt hinüber zu Narzissa, deren Lippen nun zu
einem dünnen Strich verzogen waren.
„Es
ist wichtig, dass Sie sich dementsprechend verhalten.“ Er nannte sie immer noch
bei ihrem alten Nachnamen, beharrte aber darauf, dass sie nun eine Malfoy war?
Oder wollte er lediglich vermeiden, dass sie jemals in die Öffentlichkeit trat
und noch mehr Menschen herausfanden, dass Draco Malfoy eine Muggel
geheiratet und geschwängert hatte?
„Ich
halte es für ratsam, wenn wir miteinander zurechtkommen.“ Die Worte waren mit
Bedacht formuliert.
„Drohen Sie mir, Mr Malfoy?“
„Drohungen
haben auf Sie keinerlei Einfluss, Miss Granger.“ Er lächelte jetzt. Hermine
lief wieder ein Schauer über den Rücken.
„Vater.“
Dracos Stimme zerschnitt die Stille, die sich gelegt hatte.
„Ich
hoffe doch, ihr streitet nicht?“ Narzissas Stimme machte
ihre Freude über diesen Zustand durchaus deutlich. Aber diese Genugtuung gönnte
Hermine dieser Frau nicht. Denn ja, unterm Strich hatte sie ihr Draco jetzt
weggenommen. Und Narzissa würde ihren Sohn auch nicht wieder bekommen.
„Gewiss
nicht, Mrs Malfoy.“ Sie lächelte tapfer, und Narzissa
verzog erneut den Mund.
„Draco,
was ist mit deinem Arm?“ Lucius Stimme klang kühl. Draco zuckte die Achseln.
„Nichts,
Vater. Meinem Arm geht es gut.“
„Es
sieht nicht so aus. Er ist steif.“ Anscheinend ohne große Anstrengung griff
Draco mit der linken Hand nach seiner Tasse. Hermine hätte fast glauben können,
es bereitete ihm keinerlei Schmerzen, aber sie sah es in seinen Augen. Es war
wie ein Schatten der Überwindung. Der Zwang, seinem Vater keine Zielscheibe zu
bieten.
„Wie
du willst.“ Lucius schien verärgert. „Ich hoffe doch, du überlegst deine
Entscheidungen.“
„Sicher,
wie du weißt.“
Beide
Männer sahen sich einen momentlang in die Augen. In die gleichen kalten gauen Augen. „Ich denke, wir werden nicht mehr lange
bleiben.“
„Bedauerlich“,
bemerkte Narzissa kühl.
Es
war wahrscheinlich der grauenvollste und beängstigendste Nachmittag, den
Hermine jemals hatte durchstehen müssen.
Und
sie hoffte, dass noch viel Zeit vergehen würde, ehe sie so etwas noch einmal
tun musste.
Malfoy
Manor… - würde sie dies
Harry erzählen, dann würde er ihr vorwerfen, dass sie eine ideale Chance hatte
verstreichen lassen, das Anwesen anzuzünden. Am besten erzählte sie es ihm nicht.
Es
war, als wäre ein Albtraum vorbei. Sie betrachtete ihn aufmerksam, und er
hasste es. Im Moment jedenfalls konnte er es nicht haben.
„Was
ist mit deinem Arm, Draco?“ Dachte sie, nur weil sie seinen Vornamen benutzte,
würde er ihr sein Herz ausschütten? Nein.
„Nichts.
Das sagte ich doch bereits.“
„Wieso
sagst du es mit nicht?“ Anscheinend hatte sie auf einmal einen Redezwang.
Wahrscheinlich hatte sich ihre Wut auf seine Familie angestaut, und jetzt musste
sie einfach irgendetwas sagen.
„Es
geht dich nichts an.“
„Ich
bin deine Frau!“
Er
wandte sich um. „Ach wirklich? Das fällt nicht auf, weißt du?“
„Und
das liegt an mir?“
„Ich
werde mich nicht mit dir streiten, Granger.“
„Ich
will mich überhaupt nicht streiten. Ich hasse es, zu streiten. Du willst nichts
anders tun, als dich zu streiten, ich weiß, aber ich will das nicht. Wieso bist
du so verdammt stur? Wieso erzählst du mir solche Dinge nicht?“
Abwesend
nahm er die angekommenen Briefe von der kleinen Kommode. Was wollte sie
eigentlich von ihm? Er schloss sich nicht im Gästezimmer ein. Er hasste sie
dafür. Dafür, dass sie ihn zerbrechen wollte. Dabei war es sein Plan gewesen.
Seiner.
Sein
Blick blieb an einem Umschlag hängen. Es war nicht besonderes. Lediglich die
Rechnung für diese seltsame Magie-Baby-Gruppe, oder was immer es auch war. Er
ignorierte ihre vorherige Frage und hob den Blick.
„Ich
dachte, du wolltest ihn nicht?“
„Was
wollte ich nicht?“ Sie hatte die Hände in die Seiten gestemmt, und er hielt ihr
den Brief entgegen. Ihre Überlegenheit fiel von ihr ab. „Das waren rein
pragmatische Gründe, Malfoy.“
„Ach
ja? Welche?“ Er fand es überaus interessant, dass sie nun doch seinen Namen
angenommen hatte. Auch wenn er ahnte, dass sie es nur aus dem Grund getan
hatte, dass das Kind ebenfalls Malfoy heißen würde. Dennoch hatte sie es getan.
„Weil
wir verheiratet sind“, erklärte sie schlicht und schien auf einmal keine Lust
mehr zum Reden zu haben. Das hatte er nicht erwartet. Pflichtbewusstsein. Er
hasste Pflichtbewusstsein.
Seine
Hände begannen zu zittern.
Wie
weit hatte er sie gebracht? Und sich selbst? Wie konnte das alles passiert
sein? Früher wenn er an Heirat gedacht hatte, dann war es ihm wie eine auferlegte
Strafe vorgekommen. Aber vor ein paar Wochen, hatte er eine andere Einstellung
entwickelt. Aber jetzt… Jetzt lebte er zusammen mit einer Frau, die ihn allem
Anschein nach verachtete. Eine Frau, die nicht im selben Zimmer mit ihm
schlafen konnte.
Er
war weich geworden. Wie grauenhaft. Pansy würde bald wieder kommen. Vielleicht
war es keine gute Idee gewesen, zu heiraten. In seinem Kopf hatte sich alles
herrlich zusammen gefügt. Jeden Tag Sex mit Granger. Seiner
Granger. Legal, vor Merlin und dem Gesetz. Es war ein so fantastischer
Gedanke, dass er sogar einen Job in Hogwarts
angenommen hatte.
Nur
für sie.
Seit
langem wünschte er sich wieder, er selbst sein zu können. Er wünschte sich,
dass er doch nicht so voreilig gewesen wäre. Hätte er doch… hätte er doch
einfach Weasley den Vortritt gelassen. Vielleicht wäre das besser gewesen.
Denn
sie wollte ihn nicht. Wollte er sie? Wirklich?
Sein
Blick wanderte über die Möbel, über das – im Vergleich zu Malfoy Manor – kleine Wohnzimmer. Über die Steckdosenleiste am
Boden, damit sie ihre Eltern anrufen konnte, denen sie eine glückliche
Beziehung mit ihm vorlog. Was hatte er alles aufgegeben, um ein ehrlicher Mann
zu werden?
„Ich
werde nach oben gehen. Den Unterricht vorbereiten“, fügte er mit schwerer
Stimme hinzu. Sein Vater hatte Recht. Das würde er nun für den Rest seines
Lebens tun. Und war es das wert? Wahrscheinlich nicht.
„Du
hast es entfernen lassen, oder?“ Ihre Stimme klang zum ersten Mal seit Wochen
wieder unsicher und klein.
„Was?“,
fragte er, während er sich abwandte.
„Das
Mal.“
Er
hielt inne. Sollte er lügen? Vielleicht. Würde sie es herausfinden? Was ihn zu
der Frage brachte, ob er sie überhaupt jemals wieder nackt sehen würde.
„Unsinn.“
Die Lüge war einfacher. Dann musste er sich nämlich nicht lächerlich machen,
wenn sie fragte, warum er es getan hatte.
„Du
lügst“, stellte sie nüchtern fest. Er wandte sich gereizt um.
„Und
wenn schon? Es ist egal.“
„Egal?“
„Was
willst du von mir? Ich gebe dir alles, was du willst, aber anscheinend reicht
das nicht. Also, verlang jetzt auf einmal nicht von mir, dass ich dir
irgendwelche Fragen beantworte.“ Er verlor wieder seine Fassung. Merlin, er war
einst so ein undurchschaubarer, interessanter junger Mann gewesen. Sie hatte
ihn komplett zerstört.
Er
hätte jede haben können. Er hatte sogar jede gehabt. Er war so arrogant
gewesen, dass er nicht einmal vor einem Schlammblut Halt gemacht hatte. Scheiß,
elendes Schlammblut. Dämliche scheiß Granger, die ihn schon immer verabscheut
hatte. Er war sogar so dumm gewesen, zu sagen, dass er sie liebte. Sie hatte es
nicht gesagt. Liebte er sie? Ja, zum Teufel. Aber das war völlig egal.
Vielleicht war das auch keine Liebe.
Nein,
das war es nicht. Wahrscheinlich stand er einfach nur auf den Kick, den er bei
ihrer Abweisung empfand.
„Vielleicht
habe ich einen Fehler gemacht. Ich hätte dich niemals zur Heirat zwingen dürfen“,
sagte er plötzlich. Wenn auch eher zu sich selbst, als wirklich zu ihr. Sie
schwieg und starrte ihn an. „Ich habe mich an dich gebunden, ohne wirklich über
die Konsequenzen nachzudenken. Es war ein Fehler.“
„Was
soll das heißen?“ Zum ersten Mal klang sie fast panisch…
„Ich…“
„Du
schiebst mich ab? Ist es das? Du bist mich jetzt leid, weil du nicht sofort
alles bekommst, was du haben willst? Du bist ein gottverdammtes Arschloch,
Malfoy! Du verhinderst meine Hochzeit, zwingst mich stattdessen dich zu
heiraten, und jetzt willst du mich nicht mehr?“
Sie
fing an zu weinen, und er sah, wie sehr sie sich über ihren Tränen ärgerte.
„Oh,
komm schon. Als würdest du das hier wollen.“ Er deutete auf sich, auf sie, auf
das Haus, auf alles.
„Fein.
Wenn es das ist, was…“ Sie unterbrach sich und krümmte sich überrascht. Ihre
Hände waren auf ihren Bauch gepresst. Ungläubig senkte sich ihr Blick.
Seine
Sorge siegte über seine kindliche Arroganz. „Was ist? Hast du Schmerzen? Sollen
wir…?“
Ihr
Blick hob sich. „Ich glaube, sie hat sich bewegt!“, flüsterte sie so leise,
dass er näher treten musste.
„Was?
Wie…sie?“ Diese Information sickerte träge in sein Gehirn.
„Ich
glaube sie tritt“, hauchte sie.
Ein
Mädchen! Er würde ein Mädchen bekommen. Ein Mädchen. Merlin, ein Mädchen!
Und
mit dieser Information vergaß er für einen Moment, ein Arschloch zu sein. Er
fiel auf die Knie, und ohne Zögern legte er seine Hände gespannt auf die
Wölbung ihres Bauches durch die Bluse. Und tatsächlich.
Er
spürte es! Es spürte sanfte, fast kaum wahrzunehmende Bewegungen unter seinen
Fingern. Seine Finger schoben ihre Bluse achtlos nach oben, und er berührte
ihre bloße Haut beinahe gierig. Er presste seinen Kopf an ihre Haut und
lauschte angestrengt. Auch wenn er wusste, dass das Kind – ein Mädchen! – keine
Geräusche von sich geben würde.
Und
er spürte es erneut!
„Verflucht!
Das ist absolut… unglaublich!“
Jetzt
erst ging ihm sein Verhalten auf. Er hob den Blick. Dafür musste er fast den
Kopf in den Nacken legen. Er kniete vor ihr auf dem Boden, die Hände auf ihrem
Bauch, fasziniert wie ein kleiner Junge.
Oh,
Merlin, er würde eine wunderschöne Tochter bekommen! Eine eigene kleine
Tochter!
Noch
immer schimmerten die Tränen des Streites auf ihren Wangen. Seine Hände fielen
träge an seine Seiten, und er spürte wieder den Schmerz in seinem linken Arm,
der eben verdrängt worden war.
Er
erhob sich in einer fließenden Bewegung. „Seit wann weißt du das?“, fragte er
plötzlich und sah, wie sie den Blick abwandte. „Du weißt es schon länger und
hast es mir nicht gesagt? Das ist keine Entscheidung, welche Farbe einem besser
steht, das hier ist unsere Zukunft!“ Sie hatte es ihm verschwiegen.
„Du
hast mir auch nicht gesagt, dass du das Mal entfernt hast.“
„Das
ist etwas völlig anderes.“ Ihre Augen wurden groß.
„Du…
hast es also tatsächlich…? Wie? Und wieso?“
Jetzt
stand er auf einmal im Mittelpunkt. Nein, er würde sie diese Diskussion nicht
einfach umkehren lassen.
„Hör
auf damit. Das rechtfertigt dein Verhalten nicht. Du änderst deinen Namen und
sagst es mir nicht, du erfährst das Geschlecht unseres Kindes und sagst es mir
nicht? Willst du mich quälen, Granger? Wahrscheinlich, oder?“
Und
ungünstigerweise erwachte seine Erektion genau jetzt.
Wahnsinn.
Das
hatte er ewig nicht mehr gespürt. Seine Finger kribbelten immer noch dort, wo
er sie berührt hatte.
„Du
willst mich abschieben!“ Sie wurde lauter. Anscheinend merkte sie gar nicht,
wie nahe sie sich gerade waren. Und er durfte jetzt auf gar keinen Fall nachgeben.
Er durfte sie jetzt nicht wollen. Nicht jetzt in dieser Sekunde. Denn sie hatte
Recht. Er wollte sie abschieben. Das war sein neuer Plan.
Aber…
er bekam eine Tochter. Eine kleine Tochter!
„Können
wir das wann anders besprechen?“, knurrte er ungehalten und wollte vor ihr
zurück weichen. Beherrschung war eine Sache, die er noch nie besessen hatte.
Und im Moment brachte sie ihn um.
„Wieso?
Hast du keine Lust mehr? Erzähl mir mehr, Malfoy.“ Alles drang mit voller Macht
auf ihn ein. Ihr Duft, ihre wehenden, wunderschönen, dunklen Haare, ihre
funkelnden Augen, die Tatsache, dass sie seine Tochter bekommen würde, und die
Tatsache, dass er, selbst wenn er sie abschieben würde, sie nach kaum einem Tag
wieder holen würde.
Wie
hatte er vergessen können, wie sehr er sie eigentlich wollte?
„Wenn
ich jetzt nicht gehe…“, er rang um Kontrolle und Beherrschung, „… dann muss ich
leider noch ein weiteres Versprechen brechen.“ Nämlich das Versprechen an sich
selbst, sie nicht zu wollen, solange sie nicht angekrochen kam. Er biss die
Zähne zusammen.
Und
auf einmal nahm sie es wahr. Es war als würde sie auf einmal die völlig andere
Stimmung ebenfalls spüren. Ihre Blicke verfingen sich. Er war sich sicher,
hätte er sie jetzt nach ihrem Namen gefragt, sie würde ihn nicht mehr wissen.
„Dann
geh“, forderte sie schließlich und brach den Blickkontakt unter großer
Selbstbeherrschung.
Seine
Erektion übernahm das Denken, ließ ihn gereizt knurren und für einen Moment
vergessen, dass er nun neue Prinzipien verfolgen wollte. Es war ihm egal, dass
er dann das kleine Machtspiel zwischen verloren hatte. Es war ihm egal, dass er
lieber hatte stolz sein wollen, bevor er nachgeben würde.
Aber
ich will gewinnen! Scheiß drauf, riet
ihm seine steinharte Erektion, und bevor er den Gedanken auch nur annähernd
abgeschlossen hatte, riss er sie stürmisch an sich.
Ihre
Nasen stießen zusammen als er ungeduldig den Mund auf ihre Lippen senkte. Der
Kuss verbrannte ihn, füllte ihn aus, löschte jeden zweiten Gedanke auf der
Stelle aus seinem Gedächtnis. Alles was zählte, war das hier. Und die Tatsache,
dass er es durfte.
Sie
war völlig überrascht von diesem Überfall, und ließ sich von ihm noch enger an
sich pressen. Er löste seine Lippen von den ihren, nur um sie daraufhin noch
einmal zu küssen. Und noch einmal und noch einmal…
Schon
wieder spürte er ihr Tränen und mit größtem Widerwillen zog er sich ein
winziges Stück zurück, um zu sehen, ob er in ihrem Gesicht ihre Abscheu lesen
konnte. Ihre Wangen waren nass, die Augen verschleiert vor Tränen, und er
öffnete den Mund, um irgendwie ansatzweise eine Entschuldigung zu formulieren,
aber ihre nächste Bewegung machte es völlig unnötig.
Sie
griff in seinen Nacken und zog ihn zu sich runter. Voller Ungeduld presste sie
sich an ihn, und er brauchte noch einen Moment, ehe er verstand.
Sie
wollte ihn. Tatsächlich. Dann hatte er sich Merlin sei Dank doch nicht geirrt.
Seine
restlichen Gedanken waren hintergründig und unwichtig. Seine Zunge teilte ihre
Lippen und sie stöhnte heiser in seinen Mund. Wie sehr hatte er ihren Geschmack
vermisst. Seine Hände gruben sich hart in ihre Seiten, und sie keuchte auf. Er
wollte sie spüren, wollte sie noch näher an sich bringen, wollte sich auf der
Stelle in ihr vergraben. Er wollte sie besitzen.
Er
lockerte seinen Griff, und schmerzhaft wurde ihm sein Arm wieder bewusst. Er
hob kurz den Kopf und rang um Fassung. Er sollte seinen Arm noch nicht so
belasten. Aber wie sollte er ihr zum Teufel noch mal widerstehen?
Sie
in seinen Armen, den Kopf in den Nacken gelegt, mit großen Augen sah sie ihn
an, und er konnte das Verlangen förmlich spüren.
„Brauchst
du…?“, fragte sie vorsichtig, aber allein ihre Stimme reichte aus, um ihn
komplett willenlos werden zu lassen.
„Nein.
Ich hab alles, was ich brauche“, knurrte er und küsste sie erneut. Wie von
selbst schoben sich seine Hände unter ihre Bluse, strichen über die Wölbung
ihres Bauchs und zogen sie näher an seinen Körper. Sie keuchte auf, als sie
seine Erektion spürte.
Jetzt
hoben sich ihre Hände zu seinem Hemd und fahrig öffnete sie die Knöpfe.
Kurz
überlegte er, dass Lowyn bestimmt in der Küche war,
aber kaum spürte er ihre warmen Finger auf seiner Brust, war das auch
nebensächlich.
Ungeduldig
riss er ihre Bluse auf. Die Knöpfe sprangen zu allen Seiten, aber er hatte
nicht die Geduld, die sie aufbrachte. Sie zuckte überrascht zusammen, aber er
riss sich von ihren Lippen los und küsste ihren Hals, ihr Schlüsselbein,
hinunter zu ihrem BH. Er schob ihn achtlos zur Seite und gierig saugte er ihre
Brustwarze in seinen heißen Mund. Ihre Finger krallten sich in seine Haare,
aber selbst dieser Schmerz macht ihn nur noch ungeduldiger.
Sie
zog endlich das Hemd von seinem Körper, stieß ihn zur Couch, und er fiel nach
hinten, so dass sein Kopf gegen die Lehne stieß. Schon saß sie auf ihm, küsste
ihn hart und hielt sich nur kurz an seiner Hose auf, ehe sie seine Erektion
befreit hatte.
Sie
nahm ihn in die Hand und begann langsam, auf und ab zu pumpen.
„Es
ist fort“, murmelte sie abwesend und starrte auf seinen nackten Unterarm. Er
folgte ihrem Blick, aber es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Jeden Tag
sah er sich nackt, aber es war etwas völlig neues ohne das Mal, an das er sich
schon so gewöhnt hatte.
Sie
bewegte die Hand nun schneller, und er musste die Augen schließen. Gott, wie
hatte er es vermisst. Monatelang vermisst.
Plötzlich
spürte er, wie ihr Gewicht verschwand. Er öffnete verstört die Augen. Sie saß zwischen
seinen Beinen auf dem Boden. Ihre Augen blickten verträumt zu ihm auf.
„Darf
ich?“, fragte sie kleinlaut, und sein Mund öffnete sich, ohne dass ein Ton über
seine Lippen kam. Sie…? Sie fragte ihn, ob…? Granger wollte…? Sie…. -Er sah sie
wie gebannt an. Das war ein Traum. Ein unendlich wundervoller Traum!
Langsam
neigte sie den Kopf, dann leckte sie kurz über die helle Spitze. Oh, Gott! Das
war… etwas, was er schon hundertmal geträumt hatte! Hunderttausend Mal!
Langsam
schloss sich ihr Mund um seine Eichel, und mit aller Kraft zwang er sich, sie
anzusehen. Er wollte es sehen, wollte keine Sekunde verpassen und konnte immer
noch nicht glauben, dass sie das tatsächlich tat. Hier im Wohnzimmer!
Sie
nahm ihn tiefer auf, testete ihre Grenzen und saugte ihn härter in ihren
verflucht heißen Mund. Granger verpasste ihm einen Blowjob!
Und er hatte keinerlei Ausdauer. Bei allen anderen konnte er es eine halbe
Stunde hinauszögern. Bei ihr stand alles in ihm in Flammen. Er wusste, würde
sie weiter machen, dann würde er kommen. Schon jetzt.
„Granger…“,
brachte er mühsam hervor, und von unten sah sie zu ihm auf. Salazar, es brachte
ihn um den Verstand. „Ich… kann… nicht… beherrschen“, stammelte er, und zur
Antwort nahm sie ihn noch ein Stück tiefer in ihren Mund.
Fuck, verflucht!
Er
kam übergangslos. In ihren Mund!
Und
sie schluckte. Sie war wohl mehr als überrascht, aber sie schluckte
tatsächlich. Sein Kopf fiel erschöpft zurück. „Granger…“, murmelte er heiser,
und sie schmiegte sich auf seinen Schoss.
„Das
war… interessant“, sagte sie leise, und er griff in ihren Nacken, um sie zu
küssen. Er löste sich, nachdem er sich selbst in ihrem Mund geschmeckt hatte,
von ihr. Fantastisch…
„Wieso
hast du das gemacht?“, fragte er müde, und sie betrachtete ihn kurz.
„War
es nicht gut? Ich wollte es ausprobieren.“
Er
küsste sie erneut.
„Das
war… absolut perfekt. Ich… hätte niemals…“ Er fand immer noch keine Worte. Aber
eine wichtige Frage formte sich in seinem Kopf. „Schläfst du heute bei mir?“
Und
sie nickte.
Einmal.
Er
küsste sie heftig und spürte, wie er wieder hart wurde. Dieses Mädchen war sein
Schicksal. Und er wusste, heute Nacht, würde er nicht schlafen. Ab jetzt würde
er nie wieder schlafen, wenn sie jeden Tag in seinem Bett schlafen würde.
„Du musst aufstehen.“
„Ich will nicht aufstehen.“
„Du kommst zu spät.“
„Mir egal.“
„Malfoy!“
„Ja, Granger?“
Er hielt sie unter sich gefangen, und
seine Lippen küssten bereits wieder einen Weg ihren Hals hinab. Ihre Hände
stemmten sich gegen seine Brust, aber er beachtete es nicht weiter. „Ich liebe
deine Haut“, murmelte er gegen ihren Hals und spürte sie erzittern.
„Du kannst nicht einfach-“
„-was? Hier bleiben und meine Frau
verführen?“
Das war anscheinend ausschlaggebend. Sie
zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn verlangend. „Anscheinend gefällt Ihnen
das, Mrs Malfoy…“, murmelte er leise, und sie
spreizte unbewusst ihre Beine.
Jetzt konnte er nicht mehr weiter
spielen, denn jetzt konzentrierte sich sein gesamter Körper auf das Mädchen
unter ihm. Natürlich war er schon wieder hart. Es war, als hätte sein Penis bei
ihrem Körper gar keine andere Chance.
Er drang unbeherrscht nach vorne in
ihre willkommene Hitze.
Merlin, er wollte sie so unbedingt.
Sie begegnete seinen Stößen mit
derselben Wildheit und schien sich nicht darum zu kümmern, wie laut sie
eigentlich stöhnte. Seinen Vornamen, seinen Nachnamen, wahllose Flüche. Er
liebte alles!
Sie war immer noch furchtbar eng.
Obwohl er bestimmt schon hundert Mal in den letzten Tagen mit ihr geschlafen
hatte. Das war untertrieben. Es wurde dem, was sie getan hatten nicht gerecht.
Er hatte sie ausgefüllt, hatte sie in
jedem Zimmer des Hauses genommen, hatte absolut wilden, hemmungslosen,
wahnsinnigen, absolut phänomenal grandiosen Sex mit ihr gehabt. Und jetzt tat
er es schon wieder. Zur Abwechslung mal im Bett.
„Oh, Gott! Malfoy!“ Er registrierte,
wie sich ihr Muskel um seinen Penis krampfte, spürte ihr Zittern und folgte ihr
fast in derselben Sekunde, weil er sich nicht mehr beherrschen konnte. Er sank
kraftlos auf ihr zusammen, den Kopf an ihrer bloßen Schulter.
Er liebte Quickies…
„Mein Bauch…“, murmelte sie und er
stemmte sich mühsam wieder hoch.
„Mir egal“, schaffte er zu knurren,
bevor er sie erneut küsste. Noch immer war er in ihr und spürte, wie er wieder
hart zu werden begann. Es war verrückt. Wahrscheinlich lag es daran, dass er
noch jung genug war, um immer wieder hart werden zu können.
~*~
„Du
siehst ziemlich glücklich aus.“ Harrys Worte klangen nicht besonders positiv.
Wahrscheinlich weil er sich dabei automatisch vorstellte, dass sie zum
Glücklich sein mit Malfoy anscheinend auch Sex haben musste.
„Sei
nicht so.“
„Bin
ich nicht. Ich sage bloß, er ist ein Arsch.“ Sie verdrehte die Augen.
„Ok.
Erzähl mir vom Ministerium.“
„Es
ist wahnsinnig anstrengend.“ Das konnte sie ihm sogar ansehen. Er wirkte
ausgezerrt, aber die Ausbildung ist eben eine sehr anstrengende Ausbildung. Das
hatte Harry schon vorher gewusst. „Aber ich denke, es ist genau das, was ich
machen will“, fügte er hinzu. „Morgen habe ich einen Termin bei Dumbledore. Ich
denke, dann werde ich auch auf ihn treffen.“ Mit ihn meinte er wohl Draco.
„Du
kannst ihn bei seinem Namen nennen“, bemerkte sie knapp, aber verzog den Mund.
„Ich
hatte ja die Hoffnung, du schießt ihn ab und nimmst doch noch Ron. Er würde es
tun, weißt du?“ Wollte Harry sie jetzt etwa überzeugen, Ron zurück zu nehmen?
„Harry,
bitte, hör auf.“
„Ja
Potter, bitte hör auf.“
Sie
hatte ihn gar nicht kommen gehört. „Ich hoffe doch, ich störe euer
Kaffeekränzchen nicht.“ Er wirkte ausgelassen, beinahe fröhlich. Sie lächelte
zu ihm auf, er stellte sich neben sie und beugte sich zu ihr hinab, um sie zu
küssen.
„Malfoy,
wie schön, dass du uns belauschst“, bemerkte Harry angewidert.
„Potter,
wie immer freundlich. Willkommen in meinem Haus.“ Er war über die Maßen gut
gelaunt. Ansonsten wäre er wahrscheinlich nicht so nett zu Harry.
„Ich
wollte sowieso gerade gehen.“ Hermine wusste, das stimmte nicht, aber sie würde
Harry nicht aufhalten können. „Ginny kommt am Wochenende auch vorbei.“
„Gut.“
„Und
denk wenigstens noch einmal drüber nach“, fügte er mit erhobenen Augenbrauen
hinzu, und sein böser Blick traf Malfoy. Dieser lachte auf.
„Worüber?
Darüber, doch Weasley zu heiraten? Ich denke, da stehen seine Chancen
schlecht.“ Hermine erhob sich und ließ sich in Dracos starke Arme ziehen. Harry
verdrehte genervt die Augen.
„Seid
nicht so eklig.“
Draco
schien einen wirklich guten Tag zu haben.
„Komm
bald wieder. Wir könnten über Quidditch reden.“ Er
streckte ihm seine Hand entgegen. Diese beäugte Harry mehr als angewidert. „Du
kannst dich nicht einmal dazu überwinden, Potter?“ Hermine sah es schon so weit
kommen, dass Harry Malfoy verprügeln würde. Hier im Wohnzimmer.
„Bis
bald, Hermine.“ Damit verschwand Harry schließlich.
„Musste
das sein?“
„Was?
Die Freundlichkeit? Ja, ich weiß. Ich finde sie auch zum Kotzen, aber meine
Frau zwingt mich dazu.“ Er lächelte ein atemberaubend schönes Lächeln, und ihre
Knie wurden weich.
„Ärger
Harry nicht, Draco.“
„Alles,
was du willst.“ Er küsste sie sanft. Hundert Schmetterlinge flatterten in ihrem
Bauch. Als ob sie ihm jemals böse sein könnte. Jemals…
„Ist
heute das Babytraining?“, fragte er zwischen zwei Küssen, und sie verdrehte die
Augen.
„Es
heißt nicht Babytraining.“
„Wie
auch immer.“
„Ja,
aber du musst nicht mit“, sagte sie schnell, aber er lächelte.
„Und
was dann? Dann bleib ich hier und ärgere mich, dass ich verpasst habe, Zeit mit
dir zu verbringen? Nein, vergiss es, Granger.“
Sie
lächelte. „Oder nein. Eigentlich nicht“, murmelte er leise und beugte sich
wieder für einen Kuss zu ihr hinab. „Mrs Malfoy…“
Sie
liebte es, wenn er sie so ansprach. Sie kam sich dann wesentlich erwachsener vor.
Und es fühlte sich unglaublich gut an.
„Gut.
Dann komm halt mit. Wenn es dir Spaß macht.“
Er
war viel zu schön. Überirdisch. Und genauso würde auch ihr Kind aussehen. Sie
wusste es. Voller Glück stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihren
Ehemann. Lange und zärtlich.
„Mmhhh… vielleicht, bleiben wir einfach hier und… schwänzen
das Babytraining“, murmelte gegen ihr Ohr und biss sanft in ihren Hals.
„Es
ist kein Babytraining, und nein, ich kann nicht fehlen.“
„Wieso
nicht? Werden dir sonst Punkte abgezogen? Ich glaube, dort sehen die das nicht
so eng, Schulsprecherin…“, neckte er sie, und sie schob ihn von sich.
Jedenfalls versuchte sie es.
„Vergiss
es. Wegen dir werde ich nicht meine Termine sausen lassen.“
„Schon
gut. Ich komme mit.“
~*~
Fast
wäre er auch heute wieder zu spät gekommen.
Es
gab nichts, worüber er sich den Kopf zerbrechen musste. Nichts, was ihn störte
und nichts, was er ändern wollte. Er hatte eine wunderschöne Frau, würde eine
wunderschöne Tochter bekommen, er hatte eine Arbeit, die ihm mehr Spaß machte,
als er angenommen hatte, und er hatte jede Menge Geld.
Was
er eigentlich nicht unbedingt brauchte, aber die Kontrolle machte ihm Spaß. Er
teilte seinen Eltern Geld zu, wenn er es für richtig hielt und wusste, sein Vater
hasste ihn dafür mehr als irgendjemanden sonst, konnte es aber nicht zeigen,
denn dann würde ihm Draco überhaupt kein Geld mehr geben.
Es
war perfekt.
Und
er hoffte, dass sie sich genauso fühlte wie er. Hoffte, dass sie ebenso dachte und
sich wünschte, dass sich nichts ändern würde. Er hätte nicht gedacht, dass er
einmal so glücklich sein würde. Aber er wusste auch, dass der Schein trügen
konnte, und dass er eigentlich nie ein Mensch gewesen war, der besonders viel
Glück hatte, oder dem es überhaupt vergönnt war, wirklich glücklich zu sein.
Und
so ungern er es auch dachte, die Zweifel blieben. Die Zweifel an der Dauer
dieses Zustands. Obwohl er sich nicht erklären konnte, woher sie kamen.
Wahrscheinlich war er es einfach nicht gewohnt, dass die Welt einmal auf seiner
Seite stand.
Er
zwang sich dazu, sich wieder auf Professor Brown zu konzentrieren, der gerade
das Kapitel über Grindelohs anfing.
Aber
gab es irgendetwas, was sich zwischen ihn und sein Glück stellen konnte? Die
Antwort war recht simpel. Es gab immer nur eins, was sich zwischen ihn und sein
Glück stellte. Und das war immer nur er selbst.
Niemand
sonst.
Er
durfte das einfach nicht zulassen. Er durfte einfach nicht zulassen, dass er
derjenige war, der sich selber sabotierte und sich am Ende falsch verhielt.
Nein. Er wäre der beste Ehemann dieser Welt.
Und
nichts konnte ihn abhalten.
Das nahm er jedenfalls an.
~*~
Sie
pflanzte gerade Rosen. Eigentlich wollte sie nicht an Malfoy Manor denken, aber die Rosen waren wunderschön gewesen.
Absolut wunderschön. Und sie wollte schon immer Rosen in ihrem eigenen Garten
haben.
Rosen
waren schöne Blumen und Gott sei Dank Blumen, die Lowyn
nicht pflanzen wollte, denn sie hatte Angst vor den Dornen. Hermine würde nicht
nachfragen oder es kritisieren, denn das bedeutete, dass sie es alleine machen
konnte. Ohne Elfenhilfe.
„Du
solltest wirklich nicht mehr so viel arbeiten. Das ist bestimmt nicht gut für
das Baby.“ Sie erschrak so sehr, beim Klang seiner vertrauten Stimme, dass sie
die kleine Schaufel fallen ließ.
Sie
erhob sich abrupt und konnte ihn nur anstarren.
Er
trug einen Anzug, wahrscheinlich kam er gerade von der Arbeit. Er sah gut aus.
Riesig groß und gut.
„Wie
geht es dir?“ Sie wusste nicht, ob er eine ehrliche Antworte erwartete. Sie
hätte bei seinem Anblick weinen können, denn plötzlich wurde
ihr wieder klar, wie sehr sie ihn verletzt haben musste. Sie hatte sich nicht
entschuldigt, sich nicht verabschiedet und jetzt war er hier. Hatte anscheinend
ihre Adresse raus gefunden.
Und
sie hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte. War sie froh, dass er da war?
Ja, war sie. Immerhin kannte sie ihn schon eine Ewigkeit.
„Es…
es geht mir gut. Und dir?“ Sie kam sich albern vor. Was sollte sie sagen?
Sollte sie lügen? War es das, was er wollte? Wahrscheinlich nicht.
Anstatt
zu antworten lächelte er traurig, und ihr Herz zerriss bei dem Anblick ihres
damaligen besten Freundes in tausend winzige Teile. Er holte ein Paket aus
seinem schmalen Koffer und hielt es ihr entgegen.
„Meine
Mutter wollte, dass ich es dir vorbeibringe.“
Ihre
Kehle schnürte sich zu. Sie rechnete fast mit Klagen oder sonstigen Dingen,
aber in der magischen Welt wurde eigentlich nicht auf seelisches Leid verklagt.
Sie nahm das Paket entgegen und schlug das dunkle Papier zur Seite.
Augenblicklich
versank sie in Tränen, und ihr Blick war verschleiert. Ihre gute Laune war
nicht mehr existent.
Es
war ein winziger gestrickter Pulli. Als sie ihn aus der Schachtel hob und diese
achtlos auf den Boden fallen ließ, sah sie, dass ein blaues B in den Pulli
eingestickt worden war. Sie fuhr mit den Fingern über die weiche Wolle.
„Das
B steht für Baby. Mum wusste nicht, wie du es nennen
wolltest, oder was es wird, deshalb… na ja…“ Er sprach nicht weiter. Sie weinte
immer noch und hielt den Pulli fest umklammert. Molly Weasley war immer noch
wie eine Mutter zu ihr. Ihre eigene Mutter war viel zu beschäftigt, was Hermine
durchaus verstand. Und ihre eigenen Eltern waren Muggel.
In
einer gewissen Weise stand sie Molly Weasley um einiges näher. Genau wie Harry
es auch tat.
„Er
ist wundervoll“, flüsterte sie und hob endlich den Blick. Er wirkte so
freundlich. Er schien es ihr nicht übel zu nehmen, dass sie ein so schlechter
Mensch war. „Es wird ein Mädchen.“
Ron
lächelte warm. „Das finde ich gut.“
Sie
wusste nicht, was er meinte, aber das war egal. Sie schluchzte noch mehr als er
plötzlich seine Arme ausbreitete. Sie warf sich förmlich hinein, und atmete seinen
vertrauten Duft tief ein. Sie konnte sich wieder an ihren ersten Tag erinnern,
wie sie sich im Zug kennengelernt und überhaupt nicht verstanden hatten.
Dann
waren sie Freunde geworden. Die besten Freunde. Und dann hatte sie ihren besten
Freund beinahe geheiratet.
Und
jetzt kam er zu ihr, obwohl sie so gemein und böse gewesen war. So egoistisch
und überhaupt nicht so, wie sie normalerweise war. Sie war einfach
durchgedreht.
„Oh,
Ron! Es tut mir so leid. Ich wollte dir nie… niemals wehtun!“
Er
sagte nichts. Strich einfach nur über ihren Rücken. Ruhig und freundlich. So
wie er eben immer war.
„Es
ist… ok“, sagte er stockend. Sie wusste, das war es nicht, aber was sollte sie
ändern? Sie konnte nichts ändern. „Bist du… glücklich? Hier bei ihm?“, fügte er
hinzu, und sie war froh, ihn nicht ansehen zu müssen. Sie nickte bloß gegen
seine Brust, und er nickte ebenfalls. „Dann hör bitte auf, zu weinen.“
„Du
musst mich hassen…“, flüsterte sie. Er schüttelte hastig den Kopf.
„Wie
könnte ich denn? Du bist meine einzige Freundin. Ich liebe dich immer. Egal,
was du tust. Oder nicht tust. Oder nicht tun willst. Oder… was auch immer.“
Sie
musste tatsächlich lachen.
Aber
nur für einen Moment. Diese Stimmungsschwankungen waren absolut furchtbar. Und
sie schlugen ihr furchtbar auf den Magen. Oder auf ihre Gebärmutter. Und zum
ersten Mal hatte sie panische Angst.
Es
waren Schmerzen, die sie noch nie empfunden hatte, und sofort hörten die Tränen
auf. Panisch weit waren ihre Augen aufgerissen, und alle gespielte Gelassenheit
fiel sofort von Ron ab.
„Was?
Was ist los? Hermine, was ist? Sprich mit mir!“
„Ich…
auuuu….“ Sie krümmte sich zusammen. Aber nicht, weil
sich etwas bewegte, nein. Es fühlte sich an, als würde sich ein Messer in ihren
Unterleib bohren. „Oh Gott, ich… es tut weh“, keuchte sie, und sofort war Ron
alarmiert.
„Wir
gehen sofort.“
„Nein,
ich… das wird nicht… Ich muss auf…“ Sie biss sich auf die Lippe. Sie wollte
sagen, sie musste auf Draco warten, aber der nächste stechende Schmerz raubte
ihr für einen Moment die Luft. Was war das? Wehen konnten es nicht sein!
„Wir
gehen. Sofort“, fügte er mit einer Stimme hinzu, die keinerlei Widerspruch
duldete.
Sie
ließ sich von ihm stützen. Sie krallte sich so fest in seinen Unterarm, als
könne das die Panik dämpfen, aber das tat es nicht.
Sie
bekam gar nicht wirklich mit, wie er über Flohnetz
Hilfe rief, und wie die Sanitäter erschienen.
~*~
Sein
Tag verlief ruhig. Nichts Aufregendes passierte. Er und Professor Brown
beendeten ihre Stunden. Nach dem Mittagessen in der Großen Halle schlenderte er
auf den Flur. Er hatte in einer Stunde noch eine Doppelstunde Verteidigung.
Darauf freute er sich, denn er durfte bei den Siebtklässlern dabei sein.
Zum
ersten Mal aktiv. Mal sehen, ob er immer noch besser war, als alle anderen.
Er
blieb stehen. Mehr unbewusst als wirklich bewusst und seine Hände ballten sich
automatisch zu Fäusten.
Es
war ein Reflex. Auf einmal war er kein Lehrkörper mehr an dieser Schuler. Er
war wieder ein Schüler. Auch Potter war auf halbem Weg stehen geblieben. Er
trug legere Kleidung, und beide Männer fixierten sich argwöhnisch.
Träge,
nach und nach fiel ihm erst wieder ein, wer er war, und dass er nun nicht mehr
einem Feind gegenüber stand. Nun, jedenfalls nicht mehr wirklich. Im Geiste konnte
er Potter immer noch nicht ausstehen, aber das war eigentlich nebensächlich.
Schließlich
rang er sich ein Nicken ab. Potter wollte wohl zu Dumbledore. Nur zu gerne,
würde er ihn begleiten und hören, was Dumbledore noch für großartige Pläne
hatte. Ihm war bereits aufgefallen, wie müde und abgekämpft
Potter aussah. Das Aurorentraining musste eine
verflucht harte Angelegenheit sein.
Neid
war eine Sache, die Draco sehr schlecht verarbeiten konnte. Aber jetzt dachte
er daran, dass er eigentlich froh darüber war, dass Potter die Angelegenheit
Voldemort in die Hand nahm.
Wenn
es überhaupt noch eine Angelegenheit gab. Denn Voldemort schien keine akute
Bedrohung mehr zu sein, oder jemals wieder zu werden.
Und
langsam, ganz langsam, setzte Potter sich wieder in Bewegung und erwiderte das
Nicken. Als wären sie alte Bekannte. Keine besonders guten Bekannte, aber
immerhin Bekannte, die einander wenigstens in der Öffentlichkeit akzeptierten.
Eigentlich
wollte er seine Notizen vorbereiten, aber eigentlich könnte er Potter auch
folgen. Dumbledore besprach mit Lehrern gerade die Prüfungstermine im
Lehrerzimmer. Vielleicht konnte er ein paar Fetzen aufschnappen.
„Wieso
ist er hier, Professor Dumbledore?“
Der
Direktor wirkte eher vergnügt als beleidigt, so wie Potter. „Ich meine, Malfoy
hat kein Recht unser Gespräch zu belauschen.“
„Vielleicht
solltet ihr dann in einem anderen Raum in diesem Schloss reden. Und nicht in
dem Raum, wo sich alle Lehrer aufhalten dürfen.“ Allerdings waren nur drei
Leute anwesend. Und Draco nahm an, dass Dumbledore schon längst gegangen wäre,
hätte er nicht gewollt, dass Draco ihnen zuhörte. Er täuschte gerade vor, sich
einige Notizen durchzulesen, lauschte aber gespannt.
„Ich
weigere mich, vor ihm zu reden, Professor“, entrüstete sich Potter jetzt, und
Draco verdrehte spöttisch die Augen. Potter war so ein Weichei.
„Nun,
anscheinend traust du Draco noch immer nicht, Harry. Allerdings ist er jetzt
eine Lehrkraft, oder zumindest eine angehende. Das bedeutet, dass ich ihm
vertraue. Und ich denke, Miss Granger vertraut ihm auch. Nun, eigentlich ist es
jetzt Mrs Malfoy.“
Draco
genoss sichtlich die Schmerzen, die Potter dieser Name bereitete.
„Sir,
ich weiß nicht, was es Malfoy überhaupt angeht“, knurrte Potter, und Dumbledore
seufzte.
„Gut.
Wenn es dir so wichtig ist, dass Draco nicht dabei ist, dann gehen wir besser
in mein Büro.“ Entschuldigend nickte er Draco zu. Dieser besann sich kurz.
„Aber
wird Potter einen Auftrag bekommen?“, fragte er, mehr als interessiert und alle
Vorsicht außer Acht gelassen. Potter riss die Augen auf.
„Das
geht dich überhaupt nichts an, Malfoy!“
„Wieso
fragen Sie? Wollen Sie Ihre Hilfe anbieten, Draco?“ Draco hatte keine Ahnung,
ob er irgendwo helfen konnte, oder ob Dumbledore lediglich sehen wollte, wie
weit er ging.
„Ich…
kann mir nur nicht vorstellen, dass es noch nötig wäre, Potter irgendwo hin zu
schicken, denn… Voldemort hat keine Macht.“
„Genau
das ist der Punkt“, bemerkte Dumbledore nachdenklich und ignorierte Potters
gereiztes Stöhnen. „Wissen Sie es sicher?“
„Er
konnte nicht einmal mehr verhindern, dass sie Lucius nach Askaban
gebracht haben. Er ruft sie nicht einmal mehr. Das Mal…“ Ihm fiel wieder ein,
dass er es ja nicht mehr besaß. „Noch vor kurzem war es immer heller geworden.
Ich denke, er ist machtlos.“
„Dann
wäre jetzt der Zeitpunkt, Voldemort zu vernichten. Oder wenigstens, ihn zu
verhaften und für immer von der Welt fernzuhalten.“
„Dumbledore!“,
schrie Potter, besann sich aber. „Professor, Sir, ich denke nicht, dass Malfoy
der geeignete Kandidat ist, solche Dinge zu besprechen.“
„Wieso
nicht? Ich halte ihn für geeignet. Er hat ein Wissen, was uns von Nutzen sein
könnte.“
„Nein.
Ich brauche Malfoy nicht. Wenn Sie mir einen Auftrag geben, dann werde ich in
der Lage sein, ihn alleine zu meistern. Ohne Malfoys
Hilfe.“
„Aber
noch gebe ich die Aufträge, Harry“ Potter schwieg daraufhin verbissen. Draco
spürte eine Aufregung und eine Angst in seinem Körper. Wollte Dumbledore ihn
etwa einweihen? Wollte er, dass er mit Potter Voldemort nach Askaban brachte? Wie? Und wäre er überhaupt in der Lage
dazu?
„Ich
denke, mit einem Aurorenteam und Dracos Hilfe,
müssten wir den Aufenthaltsort schnell finden. Dann holt ihr Voldemort und
übergebt ihn nach Askaban.“ Plötzlich lächelte
Potter.
„Aber
Sir, Malfoy wird doch bald Vater, und ich denke nicht, dass Hermine begeistert
wäre, wenn er plötzlich sein Leben aufs Spiel setzen würde.“
Natürlich
wusste Draco, dass der Auftrag wahrscheinlich nicht all zu gefährlich werden
würde, aber würde er Granger erzählen, dass er vorhatte mit Potter Voldemort zu
fangen, dann wusste er genau, wie sie reagieren würde.
Mit
absoluter Ablehnung.
„Ist
dem so?“, fragte der Direktor, und Draco verzog den Mund.
„Ich
kann mit ihr reden.“
„Wollen
Sie es denn? Oder bleiben Sie lieber bei Ihrer Familie? Ich verstehe beides
vollkommen.“
„Es
ist ja auch mein Auftrag“, bemerkte Potter entnervt, und Draco wusste,
eigentlich hatte er keine Wahl.
„Ich
werde mit ihr reden“, wiederholte er niedergeschlagen, und hätte Potter sein
scheiß Grinsen am liebsten aus dem Gesicht geschlagen. Denn am Ende würde er
sich sowieso ihrem Wort beugen. Er liebte sie. Zu sehr, als dass er sie verärgern,
geschweige denn auch nur einen Tag lang verlassen wollte.
Er
packte seine Sachen zusammen und verabschiedete sich knapp. Nicht von Potter
allerdings.
~*~
Sie
öffnete die Augen. Es kam ihr vor, als hätte sie sie erst eben zugemacht. Aber
wieder lag sie in einem weißen Bett. Sonnenlicht schien durch ein Fenster auf
das Laken. Sie hörte ein stetiges Klackern neben sich, was sie nicht einordnen
konnte.
Ihr
Mund war trocken, und ab und an spürte sie ein Zwicken in ihrem Bauch.
Ihr
Bauch! Das Baby! Sie wollte sich aufsetzen und das Klackern stoppte
automatisch.
„Nein,
meine Liebe, bleib ruhig liegen. Du musst dich etwas ausruhen.“ Mollys warme
Stimme ließ sie erstarren. Sie hatte das Strickzeug beiseitegelegt und setzte
sich auf die Bettkante.
„Was…
was ist los?“, fragte Hermine alarmiert, und Molly stich ihr sanft über den
Arm.
„Es
ist schon in Ordnung. Es geht dir gut. Und dem Baby auch wieder.“
„Auch
wieder? Molly, was bedeutet das?“
„Der
Heiler wird es dir erklären. Aber mach dir keine Sorgen, es ist alles im
Griff.“
„Was
ist passiert?“
„Hermine,
beruhige dich.“
Sie
sah sich um. „Ist Ron auch da?“
„Er
holt etwas zu trinken“, beruhigte Molly sie. Erst jetzt wurde ihr klar, dass
Molly auf sie aufpasste.
„Ich…
danke.“ Molly lächelte immer noch.
„Wofür,
Liebes?“
„Für…
die Hilfe und… den Pulli“, flüsterte sie schließlich. Ihr fiel wieder ein, dass
Molly ihr tatsächlich einen Pulli gestrickt hatte.
„Ach,
Unsinn. Das mache ich gerne. Wie geht es dir denn so?“ Anscheinend zielte sie
auf Draco ab.
Oh.
Draco.
„Oh
nein! Hat irgendwer in Hogwarts Bescheid gesagt? Oder
Zuhause? Ich…“
„Schon
gut. Ron hat… ihm… eine Nachricht hinterlassen.“ Anscheinend hasste Molly Draco
genauso sehr wie Ron.
„Gut.“
Hermine war nicht zufrieden, aber schon zwickte ihr Bauch wieder.
Augenblicklich folgte ein Heiler Ron durch die Tür. Ron trug ein paar Gläser
auf einem Tablett.
„Was…
was ist mit mir?“, fragte sie hastig, und der Heiler nahm sich erst einmal die
Zeit mit seinem Zauberstab die Funktionen des Körpers zu überprüfen.
„Es
ist wieder alles in Ordnung. Ihr Kind hat sich überraschenderweise gedreht, Mrs Malfoy.“ Der Name war ihr selten so unangenehm gewesen.
„Was
bedeutet das?“
„Wahrscheinlich
hervorgerufen durch Arbeit in gebückter Stellung oder anderweitige Belastung.“
Ihre Gartenarbeit war Belastung?
„Sie
hat im Garten gearbeitet“, bemerkte Ron. Anscheinend dachte er ähnlich wie sie.
„Sie
sollten wirklich nicht mehr viel machen. Haben Sie keine Elfe, die es erledigen
könnte?“, erkundige sich der Heiler, während er ein paar Zeilen auf einem
Formular ausfüllte. Hermine hatte keine Lust sich zu streiten.
„Ich
will nicht, dass die Elfe es macht, deswegen tu ich es.“ Dennoch hatte sie gute
Lust auch mit diesem Mann darüber zu diskutieren, ob Elfen wirklich jedes
kleine bisschen an Arbeit übernehmen mussten, was man als Zauberer oder Hexe
viel besser selber erledigen konnte.
Anscheinend
merkte der Heiler, dass er einen wunden Punkt angeschnitten hatte und räusperte
sich.
„Jedenfalls
schlage ich Ihnen vor, nicht mehr im Garten zu arbeiten.“
„Gut.
Aber… es geht ihr gut?“
„Es
geht ihr ausgezeichnet“, bestätigte er und dass war alles, was sie hören
wollte. Sie fühlte sich viel wohler. Und sie hatte Molly vermisst. Tatsächlich
sehr vermisst.
„Ich
denke, sie sollte sich jetzt wieder ausruhen.“
Sie
setzte zum Protest an. „Sie können heute Abend wieder gehen. Die Werte dürften
normal sein. Dann können wir Sie hier nicht mehr halten, Mrs
Malfoy.“ Anscheinend versuchte der Heiler witzig zu sein, worauf sie gerade
überhaupt keine Lust hatte.
„Aha.
Gut.“
Sie
lehnte sich wieder zurück und ließ sich von Molly und Ron bedienen, während sie
hoffte, dass Draco die Nachricht ernstnehmen würde.
~*~
Er
hatte die Nachricht mit Schrecken gefunden. Von dem elenden Weasley Bastard.
Der nackte Zorn hatte ihn gepackt. Was hatte dieser Clown hier überhaupt zu
suchen gehabt? Er hatte den kleinen Pulli auch gefunden und hätte ihn am
liebsten ins Feuer geworfen.
Scheiß
elende Familie. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie nur wegen ihm jetzt im
Mungo war. Er trat fast die Tür des Hospitals ein und stürmte durch
verschiedene Gänge. Er nahm an, sie lag wieder oben auf der Station, wo eben
die schwangeren Frauen lagen.
Er
hoffte nur, es ging ihr gut. Wieso meldete sich keiner bei ihm? Wieso meldete
sie sich nicht bei ihm? Wenn ihr was zugestoßen war, woran dieser Bastard die
Schuld trug, dann würde er ihn umbringen.
Er
stand neben sich, als er eine der Schwestern nach ihrem Zimmer fragte. Er
vergaß sogar, dass sie jetzt ja seinen Namen trug, deshalb dauerte alles noch
etwas länger. Er zwang die Schwester mit seinem befehlsgewohnten Ton zu sagen,
ob es ihr gut ging oder nicht. Aber anscheinend war alles in Ordnung.
Er
eilte durch den sauberen, leeren Gang, bis er zu Zimmer 302 kam und inne hielt.
Die Tür war angelehnt und er hörte ihre Stimmen. Ihre und die von Weasley.
Seine Hand ruhte auf der Türklinke.
„Es
hätte schlimm ausgehen können. Wieso warst du überhaupt alleine?“
„Ich
war nicht alleine“, protestierte sie. „Die Elfe war da.“
„Oh,
eine Elfe. Wie hilfreich. Hermine, du solltest in dieser Phase nicht alleine
sein.“
„Was
ist dein Vorschlag? Dass ich den ganzen Tag im Dorf bin, damit bloß
irgendjemand um Hilfe rufen kann, sollte ich unwahrscheinlicher weise noch
einmal umkippen?“
Immer
noch lauschte er bloß. Er wusste, würde er reingehen, dann würde er schreien
und Weasley verprügeln. Einfach nur, weil er Weasley war.
„Wohn
bei uns.“
Seine
Hand umschloss die Türklinke fester.
„Was?
Ron, das ist absurd. Ich habe ein Zuhause und einen Ehemann.“
„Ja.
Deinen tollen Ehemann“, knurrte Weasley zornig. Draco wusste, in weniger als
einer Minute wäre seine Geduld am Ende, und er würde Weasley rauswerfen lassen.
„Er
arbeitet nur bis nachmittags. Dann kommt er nach Hause.“
„Aber
davor die Zeit. Er soll dir von seinem verfluchten Gold eine Kutsche kaufen,
damit du den Tag bei uns verbringen kannst. Bei mir.“
„Du
bist auch arbeiten.“
Das
war ihr Gegenargument? Dass der verdammte Idiot auch arbeiten war? War sie
verrückt geworden? Das sollte nicht das Argument sein, das im Wege stand.
„Aber
Mum ist Zuhause. Und ich komme meist mittags zurück
zum Essen. Dann mach ich eine längere Pause und…“
„Ron,
das geht nicht.“
Ja,
verflucht noch mal, da hatte sie verdammt recht.
„Ich
kann das nicht machen. Draco würde ausrasten.“
Das war noch ziemlich
untertrieben.
„Ich
könnte mit ihm reden, Hermine. Du kannst da nicht alleine wohnen. Jetzt im
Moment nicht.“
„Ron,
bitte…“
„Hermine,
ich will dir nur helfen. Ich liebe dich. Das weißt du. Und wenn… wenn dir das
nicht gut genug ist, dann finde ich eine andere Lösung. Aber ich habe
beschlossen, dass ich bei dir sein will. Wir waren immer Freunde. Und nur weil
du jetzt diesen Vollidioten geheiratet hast… bedeutet das nicht, dass wir uns
nie wieder sehen können, oder?“
„Ich…
nein, das bedeutete es nicht, aber…“
Aber
was? Was wollte sie sagen? Worauf lief diese Diskussion hinaus? Wollte Weasley
ihm etwa seine Frau wegnehmen? War das der Plan? Wieso ließ sich Granger
überhaupt auf so etwas ein? Er spürte den kalten Stich der Eifersucht. Er
durchbohrte sein Herz.
„Du
besorgst dir die Kutsche, und wenn er zur Arbeit geht, kommst du zu uns. Es ist
vielleicht eine Fahrt von einer halben Stunde. Dann kannst du acht Stunden bei
uns bleiben und dann fährst du wieder zu ihm.“
Draco
wusste, Weasley würde sie noch überzeugen können. Und das durfte nicht
passieren. Er zog mit einem Ruck die Tür auf und betrat zornig das kleine
Zimmer. Ein Zimmer, was ihm für seine Frau bei weitem nicht gut genug war.
„Weasley,
ich würde es begrüßen, wenn du nicht versuchen würdest, meine Frau in deine
Obhut zu locken.“
„Malfoy…“
Tatsächlich war Weasley riesig. Es war ihm nie so bewusst geworden.
„Geht
es dir gut?“, wandte er sich jetzt an sie, immer noch wütend.
„Ja,
ich… Mir geht es gut.“
„Wie
kannst du auch nur überlegen seinen Worten zuzustimmen. Du willst doch wohl
nicht zu ihm?!“
Ihr
schien klar zu werden, dass er gelauscht hatte.
„Ich…
weiß es nicht. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee.“, sagte sie jetzt
unsicher.
„Du
willst wieder zu ihm?“ Kälte zerschnitt ihn wie eine eisige Klinge.
„Draco,
nein, ich…“
„Was
dann? Du sagst, du willst den Tag lieber in seinem Haus verbringen.“
„Ich
sage gar nichts…“, wehrte sie sich jetzt, aber er verschränkte die Arme vor der
Brust.
„Ich
war der Ansicht, dass ich mich gut um dich kümmern kann. Aber anscheinend
willst du bei ihm sein.“
„Ich
will nicht, dass… ich sage bloß, es wäre vielleicht eine gute Idee. Falls etwas
passiert.“
„Falls
etwas ist, kannst du mir Bescheid sagen, zum Teufel noch mal!“, schrie er außer
sich und wusste, er würde seine Wut nicht mehr zügeln können.
„Hör
auf zu schreien“, fuhr ihn Weasley an, und er rastete in diesem präzisen Moment
aus.
Er
musste weit nach oben schlagen, aber er traf seine Wange mit voller Wucht.
Weasley taumelte zurück, stieß gegen einen kleinen Tisch und riss drei Gläser
und eine Karaffe mit Wasser zu Boden.
Nur
wenig später eilten Schwestern herbei, bestürzt und besorgt über die Situation.
Weasley hielt sich seine Wange und fixierte ihn zornig. Und sie war tatsächlich
aufgestanden um zu Weasley zu gehen. Zu Weasley!
„Draco,
bist du verrückt geworden? Was soll das? Kannst du dich nicht einmal wie ein
normaler Mensch verhalten? Musst du immer alles mit Wut und Zorn lösen?“,
schrie sie jetzt aufgebracht.
Weasleys Mutter und zwei Heiler betraten
das nun recht volle Zimmer, und Draco verdrehte gereizt die Augen. Großartig.
Noch mehr Leute, die gegen ihn waren.
„Was
ist hier los?“, fragte die kleine dicke Frau entsetzt und eilte ebenfalls zu
Weasley.
„Dieser
Verrückte hat mich geschlagen“, murmelte Weasley, ohne ihn aus den Augen zu
lassen.
„Was?
Mr Malfoy, verschwinden Sie von hier!“, schrie sie
jetzt, und Draco lachte auf.
„Ich
werde nicht ohne meine Frau gehen.“
„Mr Malfoy, Ihre Frau wird sich noch ausruhen müssen.“
„Was…?
Hermine, hast du vor bei diesen Leuten zu bleiben? Hast du vor, dort jeden Tag
zu verbringen, bis du entbindest oder kommst du mit mir nach Hause?“ Geduld war
nicht seine Stärke. Beherrschung auch nicht. Verständnis auch nicht unbedingt.
„Draco,
bitte… ich denke, die Idee ist wirklich sinnvoll. Es sind ja nur noch…“ Er hatte
genug gehört. Zorn war seine Stärke. Genauso wie Rache.
Sie
wollte also zu Weasley? Schön.
„Wie
du willst. Ich werde dir eine Kutsche besorgen. Am besten packe ich alle deine Sachen
und bringe sie zu ihm, damit du dich auch ja gut bei ihm fühlst“, knurrte er
und entriss seinen Arm einer Schwester, die ihn beruhigen wollte.
„Draco,
ich bitte dich! Du weißt, dass es so nicht ist!“
Aber
noch immer stand sie neben Weasley und nicht neben ihm. „Bitte, versteh doch,
Ron macht sich bloß Sorgen.“
„Oh
ja. Richtig. Und ich bin… der Böse in diesem Stück, richtig, Granger?“
„Draco,
bitte…“
„Ich
habe zu tun. Wenn du dich lieber auf ihn verlassen willst, bitte. Dann soll er
dich auch nach Hause bringen“, schrie er, bevor er das Zimmer verließ.
~*~
Die
Hände zu Fäusten geballt starrte er der Eule in der Dunkelheit nach. Der Brief
war nicht besonders schwer. Er hätte auch Montag einfach mit ihm sprechen
können, aber das war ihm nicht schnell genug, nicht unüberlegt genug gewesen.
Fünf
Worte hatte er Dumbledore geschrieben.
Ich nehme Ihr Angebot
an.
Natürlich
hatte er sich falsch verhalten.
Natürlich
hätte er Verständnis zeigen können. Und sicher war es ein netter Zug von
Weasley, ihr diese Möglichkeit anzubieten. Aber er wollte es nicht. Er wollte
nicht, dass Weasley recht hatte und nun die
Möglichkeit nutzte, in ihrer Nähe zu sein. Er wollte nicht, dass jemand anders
sie liebte und sie ihm wegnehmen konnte.
Und
er wartete auf sie. Sie war immer noch nicht da.
Wieso
kam sie nicht zurück? Ja, er hatte sich scheiße verhalten, aber sie kannte ihn
doch. Sie musste doch wissen, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte,
wenn er mit so einem Arschloch wie Weasley in einem Raum war.
Er
bereute es auch. Sehr. Eigentlich hatte er sich um sie kümmern wollen, hatte
ihre Seite nicht verlassen mögen. Wieso mischte sich diese verflixte Familie
immer wieder in seine Angelegenheiten?
Er
hatte alles im Griff.
Nun.
Na ja.
Allerdings
hatte er aus Wut bereits gehandelt. Er war sich nicht sicher, wie er sie von
ihrem Weasley-Plan abbringen konnte, nachdem er ihr erzählen würde, dass er
Dumbledore eine Eule geschickt hatte, mit der Bestätigung zusammen mit Potter
Voldemort fangen zu gehen.
Denn
dann hatte sie Grund genug zu den Weasleys zu gehen.
Fuck. Hatte er eine
Möglichkeit?
Endlich
klopfte es an der Tür.
Er
stürmte durch das Wohnzimmer, durch den Flur und riss schwungvoll die Tür auf.
„Es
tut mir leid, ich…“ Aber entgegen all seinen Vorstellungen, war es nicht
Granger, die zurück gekommen war. Und wieso sollte sie auch anklopfen? Er wurde
langsam verrückt. Wieder einmal.
„Was
konkret tut dir leid, Malfoy?“ Potter musterte ihn argwöhnisch, und er riss
sich zusammen.
„Was
willst du hier?“
„Dumbledore
hat mir geschrieben. Du bist also dabei“, stellte er nüchtern und wenig begeistert
fest. „Und du hast Ron geschlagen und deine Frau vergrault. Muss ja ein klasse
Tag für dich gewesen sein“, fügte er mit einem kühlen Lächeln hinzu. Allerdings
war Draco heute nicht empfänglich für pubertären Streit.
„Wo
ist sie? Hast du mit ihr gesprochen?“
Potter
musterte ihn und gab schließlich nach.
„Ich
war im Mungo. Sie ist jetzt auf dem Weg hierher.“
„Gut.“
„Wirklich?“,
hakte er nach, und Draco fiel wieder ein, dass es ja absolut überhaupt nicht
gut war. „Ich glaube, du stehst einem handfesten Streit bevor, Malfoy, aber
hey, was weiß ich schon.“
Anscheinend
gefiel Potter seine Situation nur zu gut.
„Sie
wird es schon verstehen“, knurrte er.
„Ja.
Aber sie wird dann trotzdem bei den Weasleys wohnen.“
„Was
bist du? Ihre Vorhut? Ihr Beschützer? Immer noch, Potter?“
„Nein“,
gab er ruhig zurück. „Ich komme bloß, um dir mitzuteilen, dass ich heute Abend
mit ein paar Auroren bei Dumbledore auftauchen werde,
damit er uns den Plan verrät. Und deswegen wäre es taktisch klug, wenn du auch
dabei sein würdest. Meint zumindest Dumbledore“, fügte er gereizt hinzu.
„Heute
Abend?“
„Es
sei denn, du überlegst es dir anders, weil du dich lieber mit deiner Frau
vertragen solltest.“ Anscheinend witterte Potter seinen Trumpf.
„Sie
würde mich nicht davon abhalten, wenn ich es wollen würde.“
„Oh
nein, natürlich nicht. Aber wie fühlst du dich dann, wenn du unterwegs im
Auftrag bist und sie sich endlich in Ron verliebt?“
Es
war nur ein Spiel. Potter spielte mit ihm. Wahrscheinlich aus gutem Grund und
mit Recht, aber es war höllisch schwer, ihn nicht auch noch zu schlagen.
Er
setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf. „Das bezweifle ich stark, Potter. Ich
denke, dass sie sich immer für mich entscheiden wird.“ Und eigentlich glaubte
er seinen Worten wirklich.
Dann
sah er zwei Kutschen ankommen.
„Wir
sehen uns heute um sieben bei Dumbledore im Büro. Kommst du zu spät, bist du
raus aus dem Plan, Malfoy“, bemerkte Potter nun kühl und wandte sich um.
Immerhin konnte er sich nun privat mit Granger streiten.
Ausgezeichnet….
~*~
„Weißt
du eigentlich wie gefährlich das ist?“
„Ja,
und dumm ist es auch noch.“
Niemals
hätte er damit gerechnet von zwei Frauen angeschrieen
zu werden, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Pansy fixierte ihn
kopfschüttelnd und Granger hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
„Du
kannst nicht einfach losziehen. Was, wenn etwas passiert, Draco?“ Sie sah ihn
mit ihren dunklen Augen so verzweifelt an, dass sein Herz brach.
„Außerdem,
wenn es nur ein Trick ist, nur eine Falle, dann hat dich Voldemort schneller
umgebracht, als du deinen Zauberstab ziehen kannst.“ Pansy sah alles etwas
pragmatischer.
„Wieso
überhaupt du?“ Jetzt war Granger wieder an der Reihe. Eigentlich fehlte nur
noch seine Mutter. Und eigentlich musste er gar nicht antworten.
„Weil
er genug Informationen über Voldemort hat.“
„Das
können die Auroren doch wohl alleine regeln“, warf
Granger zornig ein.
„Ich
möchte gerne helfen“, unterbrach er die beiden Frauen jetzt, die überrascht die
Köpfe hoben. „Es war meine Idee.“
„Du
bist so ein Idiot.“ Pansy sah Granger auf diese Worte hin an.
„Ja,
Draco, sie hat Recht.“
„Was
wird das hier für eine Verschwörung, Pansy? Seit wann stehst du auf ihrer
Seite?“
„Wenn
du dich wie ein Idiot verhältst, dann stehe ich lieber auf ihrer Seite.“
Er
bekam wieder Kopfschmerzen. Gerade wo er gedacht hatte, sein Leben würde sich
fügen, sein Leben würde unkompliziert werden. Er wusste, er trug selber die
Schuld an seinem Handeln, aber jetzt wurde es ihm zu bunt. Zwei Tage hatte er
nicht mehr mit ihr geschlafen, und er begann ungeduldig zu werden.
„Ich
will mich nicht darüber streiten. Und du solltest dich ausruhen. Und Pansy,
schön, dass ich der erste auf deiner Liste bin, aber vielleicht solltest du
dich um Goyle kümmern, anstatt dich hier
einzumischen, wo deine Meinung überhaupt nicht gefragt ist.“
„Draco,
du bist immer noch derselbe egoistische Mistkerl. Keine Sorge, ich werde nie
wieder kommen.“
„Ja
ja. Sicher. Ich bin sicher, morgen stehst du wieder
vor der Tür, allerdings mit Goyle. Dann erzählt ihr
mir, wie glücklich sich alles gefügt hat, und wir können endlich aufatmen,
richtig?“
„Fick
dich, Draco.“ Er sah, wie Granger bei Pansys Wortwahl zusammen zuckte.
„Pansy,
lass uns das verschieben. Mir fehlt der Nerv dazu.“
„Ich
denke, wir können uns morgen wieder treffen“, versuchte
Granger zu schlichten, was nicht zu schlichten war.
„Ich
habe keine Lust, mich von diesem Arschloch fertig machen zu lassen.“
„Er
meint es doch gar nicht so, Pansy. Komm morgen Nachmittag zum Tee. In Ordnung?“
Merlin,
Granger wurde langsam aber sicher genauso verrückt. Sie bat Pansy, vorbeizukommen?
Hermine Granger und Pansy Parkinson, die zusammen Tee tranken? Wie
unwahrscheinlich. Hermine Malfoy..- noch unwahrscheinlicher.
Selbst
Pansy schien überrascht von dieser Geste zu sein.
„Bitte.“
Dieses Wort ließ Pansy die Stirn runzeln. „Ansonsten, komm nur mich besuchen,
Pansy.“
„Wieso?“,
fragte diese, ohne dass sie sich anscheinend helfen konnte. Granger lächelte.
„Nur
so. Ich denke, die Schulzeit ist vorbei. Wir sind alle… erwachsen. Komm einfach
vorbei. Ich freue mich.“
Sie
brachte die verwirrte Pansy zur Tür, verabschiedete sich, machte einen Termin
aus, und Draco wusste sofort als Granger sich wieder zu ihm umdrehte, warum sie
sogar morgen Pansy Parkinson in Kauf nehmen würde.
Sie
war stink wütend.
„Du
bist der schlimmste, egoistischste, eifersüchtigste, größenwahnsinnigste
Mistkerl, der mir jemals begegnet ist! Wie kannst du es wagen, diese
Entscheidung ohne mich zu treffen? Willst du, dass ich mich so sehr sorge, dass ich unser Kind verliere? Willst du das? Was
soll das sein? Deine Art von Rache, weil ich überlege, mir von den Weasleys helfen zu lassen, die mich Gott sei Dank nicht
hassen, sondern immer noch mögen?“
„Ich…“
Er war sich nicht sicher, was sie ihm vorwarf, und ob er überhaupt eine Chance
hatte, ihren Worten zu entkommen, aber er würde sich bestimmt nicht in
irgendeine Ecke drängen lassen. – Auch wenn sie wahrscheinlich, wie immer,
Recht hatte.
„Hast
du dir überhaupt nur eine Sekunde lang überlegt, was ich dazu sagen würde? Oder
hast du das wieder einmal aus Wut beschlossen, wie alles, was du beschließt?“
Das war ein ziemlich gemeiner Seitenhieb.
„Hör
zu, Granger, ich hab das nicht geplant. Ich wurde gefragt. Ich will Dumbledore
helfen, denn ich hasse Voldemort wie alle anderen Menschen. Wäre er nicht
gewesen, hätte ich vielleicht normale Eltern gehabt, eine normale Kindheit. Und
ich weiß, wahrscheinlich war es nicht die beste meiner Ideen, das einfach
abzuschließen, ohne dich zu fragen, aber das ist es eben, was ich tun will. Ob
mit oder ohne deinem Einverständnis. Oder deinen endlosen Vorwürfen.“
„Malfoy,
du verstehst überhaupt nichts.“ Sie schluchzte und Draco wurde wieder mit aller
Macht klar, dass sie seine Frau war, mit seinem Baby, die gerade erst aus dem
verflixten Hospital gekommen war.
„Fuck.“
Er überwand den Abstand zwischen sich und ihr und umarmte sie fest. „Ich… hör
zu, es tut mir leid. Bitte, weine nicht wegen mir.“ Er küsste ihren Haaransatz.
„Das
macht es nicht besser. Du kannst nicht glauben, dass du alles besser machst,
nur weil du mich festhältst.“ Er ignorierte ihre halbherzigen Versuche, sich
aus seinem Griff zu befreien.
„Granger,
wir reden darüber, aber jetzt hörst du auf, dich aufzuregen.“
„Wieso
nennst du mich immer noch so?“, schluchzte sie, und er musste lächeln.
„Weil
es mir gefällt.“
„Aha.“
Sie schien nicht beschwichtigt werden zu wollen, aber sie wurde langsam
ruhiger. „Du bist ein Arsch.“
„Oh,
ja. Ich mag es wenn du mich anschreist, Granger.“ Er spürte ihr Lächeln an
seiner Brust.
„Das
hier ist nicht vorbei, Draco.“
„Meinetwegen.
Aber… ich habe eine Frage.“
Sie
hob den Blick. Seine Finger strichen sanft über ihre Wange. „Würdest du… in
irgendeiner Weise Weasley vorziehen?“ Sie sagte nichts. Sie lächelte bloß,
stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn ganz leicht.
„Ich
nehme an, das war ein nein…“, murmelte er und küsste sie ebenfalls. Er wich
zurück. „Ach, bevor ich es vergesse, heute Abend ist das erste Treffen mit
Dumbledore und den Auroren… Damit du nicht wütend
wirst.“ Sie öffnete schon wieder protestierend den Mund, aber er verschloss ihn
sicher mit seinen Lippen und zog sie enger an sich.
Er
spürte die Wölbung ihres Bauches zwischen sich. Tatsächlich wurde er immer
runder. Er grinste gegen ihre Lippen und teilte sie mit seiner Zunge. Sie
vergaß ihre Proteste. Aber er wusste, Hermine Granger vergaß nie irgendetwas,
also blieb ihm nur eine Pause vor der nächsten Runde Malfoy gegen Granger….
Teil
47
Er
hätte sie schon längst durchschauen müssen. Er hätte es wissen müssen. Er hätte
sofort wissen müssen, dass sie mit genauso unfairen Mitteln kämpfte wie er es
tat. Nur dass sie ihn definitiv in ihrer kleinen Hand hatte.
„Geh
nicht“, flüsterte sie in sein Ohr und lehnte sich enger an seinen Körper. Ein
Schauer befiel ihn, als er ihre nackte Haut spürte. Sie war so gemein. Viel zu
gemein für eine Gryffindor.
„Granger,
ich muss jetzt wirklich los.“ Er versuchte sie von sich zu schieben, aber sie
küsste einfach seinen Hals.
„Nur
noch fünf Minuten, Malfoy.“ Sie biss sanft in seine Hals, und er schloss die
Augen. Sie war ein Miststück. Ein gemeines Miststück. Und so verflucht heiß
noch dazu.
„Nein,
ich muss…“ Keine Ahnung, was er musste. Jedenfalls bestimmt nicht aus dem Bett
aufstehen, denn sie küsste eine heiße Spur seine Brust hinab. Seine Muskeln
zogen sich unter ihren Lippen zusammen und er biss die Zähne fest zusammen. Er
hasste sich selber, als er sich aufrichtete.
„Du
glaubst nicht, wie sehr ich es hasse, jetzt zu gehen. Und glaub mir, wenn ich
heute Nacht wieder komme, werde ich dich wecken.“
Sie
lächelte ein feines Lächeln, was seinem nicht unähnlich war. Sie fuhr sich
durch die dunklen Locken, ließ sie über ihre Schultern fallen und blickte zu
ihm auf.
„Na
ja… Dann werde ich wohl meine Sachen holen und lieber bei den Weasleys bleiben. Ich meine, wenn du weggehst…“ Unschuldig
hob sie den Blick. Ihre langen Wimpern lagen fast auf ihren Wangen, und er
hasste seine Erektion dafür, dass sie auf solche Spielchen reinfiel. Aber
natürlich gewann sie. Jedes Mal.
„Du
bist ein freches Biest, Granger.“ Er warf sie um, küsste sie hart und kam gar
nicht schnell genug zwischen ihre Beine. Sie schlang die Arme um seinen Hals
und küsste ihn erneut.
Sie
war so unglaublich feucht, noch von der letzten Runde, und er stieß ungeduldig
nach vorne. Den Zustand, wo er seine Kraft auf ein Vorspiel verwendet hatte,
hatte er bereits weit hinter sich gelassen. Er musste sie einfach haben.
Er
drang in sie und bewegte sich mit kraftvollen Stößen über ihr. Sie stöhne
lustvoll, und er liebte ihre Enge, ihre Hitze, ihre Wildheit, die er in ihr zum
Vorschein bringen konnte.
„Oh,
Draco!“, keuchte sie, und er senkte unbeherrscht den Kopf, um ihren süßen Mund
zu verschließen, während er sich tiefer in sie bohrte. Ihre Beine schlangen
sich hart um seine Hüften, und sie bog sich ihm entgegen als sie schließlich
kam.
Er
spürte ihr Erzittern, aber er war nicht bereit schon zu kommen. Er wollte nicht
gehen, er wollte verschmelzen mit ihr. Wollte niemals dieses Gefühl vergessen,
was es hieß nicht mehr allein zu sein. Ihm fiel auf, es war ihm egal, ob er kam
oder nicht. Alles, was zählte war, dass sie glücklich war. Nur das.
Er
hörte auf sich zu bewegen, und sie öffnete träge die Augen.
„Bist
du schon?“, fragte sie verwirrt, und er strich ihr eine Strähne aus dem
Gesicht.
„Nein“,
flüsterte er, während er ihre Stirn küsste. Er zog sich aus ihr zurück und
rollte neben sie, um sanft über ihren gewölbten Bauch zu streichen. Es fühlte
sich wunderschön an. Sie war einfach absolut wunderschön.
„Meinst
du… sie… merkt es?“
„Was?“,
fragte Granger belustigt und betrachtete ihn mit einem Grinsen. „Das du mit
deinem Penis in mir bist? Ich denke nicht, Draco“, lachte sie, und er fuhr sich
durch das strubbelige Haar.
„Das
hoffe ich für dich“, murmelte er. Er küsste ihren Bauch und sie strich ihm
durch die Haare. „Du weißt, ich muss jetzt gehen“, flüsterte er gegen ihren
Bauch.
„Wann
kommst du wieder?“, fragte sie leise.
„Kommt
drauf an. Gehst du zu Weasley, oder bleibst du hier?“ Sie lächelte wieder. Er
hätte am liebsten ihre Lippen mitgenommen. So absurd das auch klingen mochte….
„Ich
bleibe hier.“
„Dann
so schnell es geht“, versprach er und küsste sie noch einmal, bevor er sich
schweren Herzens erhob.
~*~
Der
Herbst kam ziemlich schnell, stellte er auf seinem Weg fest. Und er kam zu
spät, aber er nahm an, dass Potters Drohung nicht wirklich ernst gemeint war.
Dumbledore war wahrscheinlich ziemlich erfreut, dass sich er entschlossen hatte,
mit dabei zu sein.
Draco
zog den dunklen Umhang enger um seinen Körper, und erreichte endlich die Tore
zum Schloss. Es war ein Samstagabend und überall waren die Lichter noch an. Die
Erinnerung schien ziemlich weit aus seinem Kopf verdrängt worden zu sein, an
die Tage, wo er selber jeden und jeden Tag hier verbracht hatte. Anscheinend
wurde man doch irgendwann erwachsen, ohne es zu merken.
Er
betrat das Schloss, ließ die Eingangshalle hinter sich und hechtete die Treppen
nach oben. Das Passwort zu Dumbledore war Schokoladentorte und keine Minute
später klopfte er an die Bürotür.
„Kommen
Sie rein, Mr Malfoy.“
Es
war nicht die Stimme von Dumbledore, die ihn bat einzutreten. Er kannte den Auroren, den er erblickte wahrlich gut genug. Mad Eye Moody. Ein erklärter Feind seines Vaters und seiner
gesamten Familie.
„Wie
geht es Lucius?“, fragte Moody ohne Freundlichkeit, und Dumbledore winkte Merlin
sei Dank ab.
„Alastor, es ist schon gut. Schön, dass Sie es geschafft
haben, Draco.“
Potter
schien Moodys Abneigung nur zu gut zu gefallen.
„Bist
du sicher, dass du das packst, Junge? Ich meine, einmal Todesser, immer-“
„-passen
Sie lieber auf“, knurrte Snape aus der anderen Ecke des Raumes. Draco sah in
ihm seine wahrscheinlich einzige Unterstützung. Von Dumbledore abgesehen. Mit
Schrecken sah er, dass die anderen Auroren nahezu
alle schon einmal mit den Malfoys zu tun gehabt
hatten. Ob nun bei lästigen Verfahren, Hausdurchsuchungen oder beim Verhaften
seines Vaters.
Großartig.
„Ich
werde Sie kurz noch einweisen“, sagte Dumbledore laut, um das Gemurmel zu
unterbinden. Draco riss sich zusammen und wandte seine gesamte Aufmerksamkeit
Dumbledore zu.
„Wir
haben den Lokalisierungszauber auf Voldemorts
Schlange angewandt.“
„Nagini? Sie haben sie lokalisiert?“ Er biss sich auf die
Zunge, aber Dumbledore schien es ihm nicht übel zu nehmen.
„Nun
ja, eigentlich haben wir jede magische Tigerpython in
Großbritannien und Irland lokalisiert. Aber das aussortieren war nicht
unbedingt schwierig, bedenkt man, dass die Haltung dieser aggressiven tödlichen
Biester illegal ist.“ Dumbledores Mundwinkel schienen angespannt zu zucken.
„Jedenfalls
leben einige nur in überwachten Gehegen und das ist bei Voldemorts
Schlange auszuschließen. Bleiben nur noch zwei Exemplare. Eines in Hastings,
eines in London.“
„In
London?“ Das konnte nicht sein. Voldemort würde sich doch nicht so nahe unter den
Feinden aufhalten. Oder? „Was, wenn er nicht mehr in England ist, Sir?“, fragte
Draco jetzt und hörte Potter schnauben.
„Ich
werde Ihnen dasselbe sagen, wie auch schon Harry zuvor. Ich denke nicht, dass
Voldemort weit fort gehen kann. Er hat keine Macht mehr, zu fliegen, und würde
er sich nach draußen wagen, würde er irgendwohin apparieren,
dann riskiert er, entdeckt zu werden. Ich denke, er hat nur Wurmschwanz, auf
den er sich verlassen kann, und das ist, wie wir wissen, nicht unbedingt eine
sehr verlässliche Quelle.“
Draco
gab sich damit zufrieden. Es war einleuchtend. Und nein, er hatte von Peter Pettigrew überhaupt gar keine Meinung mehr. Er war ein
widerlicher Schleimer, der ihm andauernd auf den Fersen war, als er das Mal
bekommen hatte. Er hasste Pettigrew. Zutiefst.
„Aha.
Gut. Was bedeutet das?“
„Es
werden zwei Teams gebildet. Eins geht nach Hastings. Ein nach London,
Innenstadt. Beides sind vielversprechende Orte, beides abgelegene Häuser. Beide
Profile ähneln sich etwas zu deutlich.“ Sein Blick verlor sich im Raum, und er
strich sich über seinen langen Bart.
„Sir?“ Draco räusperte sich schließlich.
„Oh,
ja. Nein, ich… habe nur nachgedacht.“
„Wie
werden die Teams zusammen gesetzt?“, meldete sich jetzt Potter zu Wort und nahm
Draco somit die Frage aus dem Mund.
„Ich
denke, Sie werden mit Draco nach London gehen.“
„Weil
Sie denken, er ist in Hastings?“
„Ich
muss leider gestehen, ich bin mir nicht sicher. Aber ich denke, Draco wird den
Umständen entsprechend urteilen können, ob Voldemort sich dort aufhält. Ist dem
nicht so, apparieren sie beide nach Hastings.“
„Was,
wenn er in London ist?“
„Dann
sind Sie mit fünf weiteren Auroren dafür
verantwortlich, ihn zu finden und zu verhaften.“
„Warum
gehen wir nicht erst zu dem einen und dann zu dem anderen Ort?“, fragte nun
Draco, der den Plan noch nicht wirklich logisch durchblickt hatte. Es war doch
riskant, das Team aufzuteilen. Doch Dumbledore lächelte.
„Es
gibt zwei Möglichkeiten, Mr Malfoy. Und ich
entscheide mich für die, dass ich gleichzeitig an beiden Orten Auroren positioniere. Haben Sie Bedenken oder andere
Anregungen?“ Und etwas in Dumbledores Blick, ließ ihn mit seiner Antwort
zögern.
Anscheinend
gab es etwas, das Dumbledore nicht mit dem Rest teilen wollte. Hatte er eine Ahnung?
Wieso war es wichtig an beiden Orten Zauberer zu haben? Aber genau dieses Etwas
in Dumbledores Blick hielt ihn davon ab, genau diese Frage laut zu stellen.
Ihn
und anscheinend auch Potter.
Er
nickte schließlich. „London also.“
~*~
„Aber
wieso zur gleichen Zeit?“ Sie stellte die gleiche Frage, die er gestellt hatte,
und zuerst hatte er Skrupel gehabt, mit ihr zu sprechen, aber schließlich waren
diese verflogen. Nun, eigentlich hatte sie ihm angedroht keinen Sex mehr mit
ihm zu haben, würde er ihr nicht haarklein erzählen, was Dumbledore besprochen
hatte.
„Ich
weiß es nicht.“
„Dumbledore
muss mehr wissen, als er zugibt. Er ist bestimmt einen Schritt weiter.“
„Wieso
sagt er es dann nicht?“
Und
auf einmal stellte er sich vor, dass Weasley und Potter wohl immer dieses
Gefühl mit Granger gehabt hatten. Dass sie wussten, da war ein echtes Genie
unter ihnen. Draco hatte die exakt selben Noten unter völlig anderen
Voraussetzungen. Bei Granger schien es so, als wäre sie geboren um Rätsel zu
lösen, um Abenteuer zu erleben.
War
er für sie auch ein Abenteuer? Er konnte nicht widerstehen und strich ihr eine
verirrte Strähne aus dem Gesicht. Sie hob den Blick. Ihre Wangen waren gerötet,
und sie sah einfach absolut schön aus.
„Hast
du Angst?“, fragte sie plötzlich, und er ahnte ihre nächste Frage.
„Es
geht. Du brauchst nicht mitkommen und meine Hand halten, Liebes.“ Sie öffnete
den Mund, schloss ihn aber abrupt.
„Was?“
„Was,
was?“, wiederholte er.
„Du
gibst mir Kosenamen?“, fragte sie mit einem schiefen Grinsen, und er fuhr sich
durch die blonden Haare, müde von den vielen Theorien, die sie hin und her gewälzt
hatten.
„Was
hast du dir eigentlich gedacht, als du die Formulare unterschrieben hast? Du
machst dich einfach auf das Schlimmste gefasst, ohne Hoffnung? Ohne
Erwartungen, damit ich dich nicht noch mehr enttäuschen kann?“ Er konnte die
Bitterkeit aus seiner Stimme nicht verbannen.
Sie
lächelte plötzlich. „Man muss schließlich vorplanen.“
„Ist
es so schlimm?“, fragte er und wollte gar keine Antwort hören.
„Draco,
ich habe dich geheiratet. Ohne Hochzeit, ohne Ring, ohne überhaupt persönlich
von dir gefragt zu werden. Denkst du, ich hätte ja gesagt, wenn ich wüsste,
dass es für mich die Hölle werden würde?“
„Du
hast nur ja gesagt, weil ich dir sonst deine Tochter genommen hätte“, erwiderte
er bitter.
„Du
hättest sie mir niemals genommen“, sagte sie leise und strich abwesend über
ihren Bauch.
„Ich
werde es wieder gut machen. Alles, was ich falsch gemacht habe, hörst du?“
„Oh,
du bist schon ziemlich gut dabei.“ Er runzelte die Stirn.
„Was?“
„Du
arbeitest für Dumbledore, du hast das Mal entfernen lassen, du hast eine Muggel geheiratet und bekommst mit ihr ein Kind, du gehst
mit Harry Potter auf Abenteuerreise… Ich denke, du schlägst dich ganz gut.“
Sie
senkte den beschämten Blick. Noch nie hatte er so mit ihr gesprochen. Noch nie
hatte er das Mädchen gesehen, was Potter und Weasley in ihr sahen. Es war
faszinierend. Wieso hatte er das vorher nicht gesehen? Wieso war ihm nicht
aufgefallen, wie besonders sie war?
„Kommt
Dumbledore eigentlich mit?“, fragte sie plötzlich, und er runzelte die Stirn.
„Nein.
Ich glaube nicht.“
„Wieso
nicht?“
Er
hatte keine Ahnung. Würde er ihn fragen, hatte er bestimmt schon eine Lösung
parat. Auf einmal bekam sie denselben Blick, wie Dumbledore wenige Stunden
zuvor.
„Was?
Was denkst du?“, fragte er argwöhnisch, doch sie schüttelte den Kopf.
„Ach,
gar nichts. Nichts weiter. Nur Theorien. Es ist spät geworden.“
„Willst
du ins Bett?“ Und tatsächlich konnte er nicht verhindern, dass sich diese Frage
unanständig anhörte. Er musste unwillkürlich grinsen und senkte den Blick.
„Du
bist absolut unmöglich.“
„Aber
nicht doch, Liebes.“ Er erhob sich und reichte ihr die Hand, um ihr vom
Wohnzimmerboden aufzuhelfen.
„Wir
brechen auf.“
Sie
sah es Harry an. Es ging ihm schrecklich, weil er Ginny einfach zurücklassen
musste. Sie schlief noch. Draco sah ihr in die Augen, und sie versuchte sich
die Farbe genau einzuprägen.
Sie
wusste, wahrscheinlich gab es keinen Grund, sich Sorgen zu machen, aber
dennoch, zog sich ihr Herz zusammen, bei der möglichen Aussicht, dass alles
schief laufen könnte.
Er
sagte nichts. Kein einziges Wort. Jetzt wäre vielleicht der geeignete Zeitpunkt
gekommen, um ihm zu sagen, dass sie ihn auch liebte, aber sie tat es nicht. In
manchen Albträumen war es einem nicht möglich zu schreien, obwohl man es nur
allzu gerne wollte. Es war, als würde man zu viel Kraft darauf verwenden, und
dann klappte es gar nicht.
Ihr
Bauch war in der letzten Woche tatsächlich runder geworden. Sie hoffte, er
würde nicht länger als zwei Tage brauchen. Aber ihr Gefühl riet ihr, dass sie sich
auf eine längere Zeit einstellen musste.
„Pass
auf dich auf.“ Sein Blick glitt zu Ron, der einige Meter weiter wartete. Wieder
sah sie den Hass in seinem Blick aufflammen, gepaart mit paradoxer Eifersucht.
„Ich
passe auf.“
„Und
pass auf sie auch auf“, fügte er hinzu, und sie sah ihn schlucken.
„Du
kommst wieder, hörst du?“, flüsterte sie eindringlich als Harry zu ihnen
hinüber kam.
„Malfoy,
wir müssen los.“
„Ja,
Potter, zum Teufel noch mal“, knurrte er.
Er
küsste sie nicht noch einmal. Und sie zwang ihn auch nicht dazu. Zu viel Angst
hatte sie, dass sie ihn dann nicht würde gehen lassen können. Anscheinend war
das auch seine Sorge.
„Wenn
es schief läuft…“, begann er, ohne den Blick von ihr zu wenden, und sie
schüttelte heftig den Kopf, „Nein, hör mir zu! Wenn ich nicht wieder komme,
dann findest du sämtliche Verfügungen in meinem Arbeitszimmer hinter dem
Portrait der japanischen Landschaft, hast du gehört?“
Sie
nickte, aber öffnete gleichzeitig den Mund im Protest. Er schüttelte sie. „Du
wirst dort alles finden, was wichtig ist, verstanden?“ Dann nahm er ihre Hand
in seine. Sie spürte etwas Kleines im Innern. War das ein Schlüssel? Was war
es? Er drückte ihre Hand nun zur Faust, zog sie zu seinem Mund und hauchte
einen Kuss auf ihren Handrücken.
„Malfoy,
ich gehe auch ohne dich“, drohte Harry jetzt. Hermine hätte Harry am liebsten
geschubst.
„Mach‘s
gut, Granger.“
Sie
nickte erneut, nicht fähig noch etwas anderes zu sagen. Ihre Faust war immer
noch fest um den winzigen Gegenstand geschlossen.
Damit
verschwand er. Der Umhang wehte in der kühlen Morgenbrise hinter ihm her. Seine
Haare leuchteten weiß in der aufgehenden Sonne, und wieder bewunderte sie seine
imposante Gestalt, die hinter der nächsten Ecke apparierte
und schließlich verschwand.
„Keine
Angst, ok? Die kommen wieder. Harry ist bis jetzt immer überall lebend
rausgekommen, das weißt du“, versuchte Ron sie aufzumuntern, aber es gab
eigentlich nichts, was er sagen oder tun konnte.
Selten
hatte sie sich so verloren gefühlt.
Sie
spürte ihre Tochter unruhig treten. Anscheinend hatte ihre Stimmung Einfluss
auf das Befinden ihrer Tochter. Sie musste ruhig bleiben. Sie durfte auf gar
keinen Fall in Panik geraten. Egal, was passieren würde.
Sie
hoffte nur, es würde nichts passieren, weswegen sie in Panik geraten musste.
Sie
öffnete die Hand. Ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen. Da war er. Jetzt
hatte sie ihn. Einen wunderschönen weißgoldenen Ring. Drei Diamanten funkelten
in der Fassung umrandet von kleinen blauen Saphiren. Sie hatte noch nie etwas
Schöneres gesehen.
Und
noch nie hatte sie etwas weniger gewollt als das. Sollte er lieber wieder
kommen. Dann würde sie eine Millionen Ringe hergeben.
~*~
Sie
apparierten einige Stunden später mit sämtlichen
Ausrüstungen an dem Zielort.
„Seltsam,
oder?“, sagte er schließlich und ignorierte, dass er eigentlich nicht mit
Potter hatte sprechen wollen. Wahrscheinlich pumpte zu viel Adrenalin durch
seinen angespannten Körper.
„Was?“ Potter war einfach nur gereizt.
„Dass
Dumbledore nicht mitkommt.“
Potter
schien darüber nachzudenken. Dann hielt er inne. Die Auroren
besprachen noch einmal die Taktik.
„Was
meinst du?“
„Ich
meine, dass es Dumbledores Plan ist, und dass Dumbledore mächtiger ist als
Voldemort und trotzdem in Hogwarts bleibt.“ Er sah
Potters Gehirn hinter seinen Augen arbeiten. Und anscheinend ignorierte auch er
die Tatsache, dass er ihn überhaupt nicht leiden konnte und runzelte die Stirn.
„Vielleicht…“
Seine Stimme brach ab.
„Vielleicht
hat er eine andere Theorie? Hermine sagt, er ist schon einen Schritt weiter.“
„Einen
Schritt weiter? Was soll das heißen?“
Potter
machte sich ein Bild ihrer Umgebung. Die Art wie er sich bewegte, mit Dingen
umging, zeigte Draco bloß, dass Potter um einiges mehr Erfahrungen hatte, als
er sich jemals vorstellen konnte.
„Ich
weiß es nicht.“
„Du
denkst, es ist eine Falle?“, flüsterte Potter, so dass ihn die Auroren nicht hören konnten.
„Wieso
sollte uns Dumbledore in eine Falle schicken? Nein, das glaube ich nicht.“
„Ich
meine…“ Er senkte seine Stimme noch etwas tiefer. „Ich meine, was wenn es eine
Falle ist, die nicht für uns gefährlich wird.“
„Du
denkst, Dumbledore bringt andere in Gefahr?“
„Nein,
ich… Keine Ahnung.“
Aber
anscheinend verstand Potter seinen Einwand und seine Sorge. „Dumbledore weiß
etwas, das wir nicht wissen.“ Plötzlich schien Potter wütend. „Das macht er
jedes Mal“, knurrte er, mehr zu sich selbst.
„Vielleicht
irre ich mich. Vielleicht bleibt er einfach nur, um Hogwarts
zu bewachen.“
„Jaah, vielleicht.“
„Mr Malfoy, dann geben Sie mir mal einen möglichen
Lagebericht“, unterbrach sie Moody, der als einzig erfahrener Auror mit ihnen gekommen war. „Wo würde sich Voldemort in
diesem Haus aufhalten.“ Er deutete über die weite Wiese auf das verkommene
Herrenhaus.
Draco
überlegte nur eine Sekunde. „Dort, wo er sicher sein kann, dass ihm niemand
entkommt. Im Keller.“
„In
Ordnung. Dann werden wir ihn dort suchen. Wir postieren die Auroren
um das gesamte Gelände. Vier von uns gehen rein.“
Draco
war sich nicht sicher, ob er mit rein gehen sollte. Würde er sofort umgebracht
werden? Was, wenn Voldemort nicht kraftlos war? Es war absurd und abwegig, aber
was, wenn nicht?
Die
einzige Sache, die ihn diesen Gedanken denken ließ, war die Tatsache, der zwei
Orte, an denen in zwei Häusern, so weit auseinander, zweimal die gleiche
seltene Schlange versteckt gehalten wurde.
Wo
war der verdammte Fehler, den er nicht sah, aber Dumbledore anscheinend schon?
Gab es einen Fehler im Plan?
Und
wenn Dumbledore es wusste, wieso sagte er es nicht? Warum sandte er die
fähigsten Auroren aus, um sich zu vergewissern, dass
sie ihn dingfest machten, wenn der Hauch einer Möglichkeit bestand, dass es
eine Falle war?
Seine
Finger kribbelten. Genauso wie nach dem Einhornunfall
in Malfoy Manor. Es war definitiv kein gutes Gefühl.
„Ok,
bereit?“, flüsterte Potter, und was blieb ihm schon anderes übrig, als zu
nicken?
~*~
„Hast
du dir schon einen Namen überlegt?“, fragte Molly, bemüht heiter, während sie
die frische Wäsche zusammenlegte. Hermine schüttelte den Kopf. Das hatte sie
wirklich nicht, und danach stand ihr auch nicht der Sinn.
Molly
war begeistert gewesen, dass es ein Mädchen werden würde. Verständlicherweise,
denn für sie war ein Mädchen schon etwas Seltenes.
„Wie
geht es Ginny?“, fragte Hermine jetzt, denn sie wusste, Molly hatte mit ihr
schon per Flohpulver gesprochen. Molly verzog den Mund.
„Nicht
besonders, aber ich denke nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen. Auch wenn
ich nicht verstehen kann, wie Dumbledore Harry dorthin schicken kann. Von
deinem Mann ganz zu schweigen. Einen werdenden Vater einer Gefahr auszusetzen.“
Sie schlug gereizt ein Laken aus, und murmelte leise vor sich hin.
Hermine
glaubte zu hören, dass sie froh war, dass Ron nicht mitgegangen war.
Dieser
betrat die Waschküche. Er lächelte Hermine freundlich zu, aber diese war immer
noch wie versteinert. Das schlechte Gefühl in ihrem Innern raubte ihr sogar den
Hunger.
„Alles
in Ordnung bei euch?“, erkundigte er sich und strich ihr über die Schulter.
„Ich
denke, ich möchte nach draußen“, sagte sie unvermittelt und erhob sich langsam.
Es wurde langsam etwas komplizierter, normal zu laufen, oder Dinge zu tun, über
die sie sonst nicht nachgedacht hatte.
Aufstehen,
wurde schwerer, und sie konnte ihre Füße nur noch sehen wenn sie sich vor
beugte.
Ron
folgte ihr und bald schon traten sie in die letzte Sommerwärme hinaus. Sie
schritten nebeneinander durch den Garten. Es war so absurd, dass sie hier in
Sicherheit waren, während Harry und Draco möglicherweise nicht mehr wieder
kehrten. Aber das war Unsinn. Es würde nichts passieren.
„Du
machst dir Sorgen, richtig?“, vermutete Ron, und sie hob den Blick.
„Sicher.
Was, wenn es schief läuft?“
„Wieso
sollte es das, Hermine? Du weißt doch selber, dass Voldemort inaktiv ist. Er
kann nicht einmal mehr fliehen.“
„Ja,
aber…“
„Harry
hat mir von Dumbledores Plan erzählt. Er klingt gut.“
„Tut
er nicht“, murmelte sie, aber er verstand.
„Oh,
komm schon. Wir sind keine zwölf mehr. Ich denke nicht, dass Dumbledore sich
irrt.“
„Was,
wenn er etwas nicht bedacht hat? Was, wenn sich alles anders entwickelt?“
„Inwiefern?
Denkst du, Voldemort hat nur darauf gewartet, dass Dumbledore den ersten Zug
macht? Das ist Irrsinn. Du hast einfach nur Angst, dass Malfoy etwas zustößt.“
„Ja,
das habe ich auch!“, erwiderte sie heftig, und Ron reagierte sofort. Er legte
den Arm um ihre Schulter, und drückte sie an sich.
„Tut
mir leid. Ja, ich weiß, es ist immer irgendwo ein Risiko dabei, aber du musst
Vertrauen haben. Wir reden hier von Harry Potter.“
Nein,
eigentlich redete sie von Draco Malfoy. Und davon, dass sie nicht wusste, ob er
aus möglichen brenzlichen Situationen herauskommen
würde. Vor allem hatte sie eine Theorie. Ein Theorie, die möglicherweise
abwegig war.
Ein
Theorie, die sich vielleicht nicht bestätigen würde, aber eine Theorie, weshalb
Dumbledore nicht mitgekommen war. Eine Theorie, die vielleicht keine Gefahr für
Harry und Draco darstellte, aber dafür für alle anderen.
Und
diese Theorie war, dass Harry und Draco in eine Falle tappten.
Aber
vielleicht war sie auch paranoid.
~*~
Die
Idee kam ihm, als sie das verlassene Haus betraten. Sie stießen auf keinen
Abwehrzauber. Nicht mal auf irgendeinen schlecht ausgebildeten Zauberer, der
versuchte sie aufzuhalten. Das Signal der Schlange war immer noch präsent.
Sie
schlichen durch die Flure, bereit Flüche abzufeuern, sobald auch nur eine Maus
über die Dielen huschte.
Aber
nicht einmal eine Maus befand sich in direkter Nähe. Und Draco hatte recht mit
seiner Annahme gehabt. Das Signal der Schlange kam aus dem Keller.
Aber
bis hier hin, waren sie auf keinen magischen Widerstand gestoßen.
Und
er war oft in Gesellschaft des dunklen Lords gewesen, hatte gesehen, was er mit
Feinden tat, wie grausam er sein konnte. Aber neben all diesen Dingen war er
über alle Maßen paranoid und ängstlich.
Das
bedeutete, sie hätten niemals so weit kommen dürfen, wie sie jetzt schon gekommen
waren. Als Moody hastig die Treppe vor ihnen hinab lief, und die Kellertür
unten erreichte, wusste er plötzlich wo der Fehler lag.
Der
Fehler, den Dumbledore anscheinend gesehen hatte, sich aber nicht sicher war,
ob er wirklich ein Fehler war.
„Sie
ist verschlossen“, knurrte Moody und zog seinen Zauberstab.
Draco
reagierte instinktiv. Und leider zu spät.
„Nein,
Moody, nicht. Das hier ist nicht sicher. Das ist eine Falle!“
Ron war zu einem Sondereinsatz ins
Ministerium berufen worden. Anscheinend hatten sich ein paar Idioten selber
übertroffen, und Arthurs Abteilung musste dafür nun gerade stehen. Hunderte von
magischen Gegenständen, waren einem Flohmarkt untergeschmuggelt worden, und die
Portobello Road war nun abgesperrt und kaum noch
zugänglich. Muggel hatten sich verbarrikadiert und
kämpften mit Stöcken und Töpfen gegen die verzauberten Gegenstände.
Hermine hätte gelacht, wäre es nicht so
ein schrecklicher Tag.
Sie tat das, was sie tun musste, denn
ansonsten würde sie wahrscheinlich gar nicht mehr zur Ruhe kommen.
Sie sprach über Flohpulver mit
Dumbledore. Jedenfalls hoffte sie, dass er reagieren würde.
Das tat er, Gott sei Dank.
„Mrs Malfoy.
Was kann ich für Sie tun?“ Seine Stimme klang wie immer, und beruhigte sie
sofort. Mit welcher Selbstverständlichkeit er doch ihren neuen Namen benutzte.
Fast war es gruselig.
„Professor, Sir, ich will Sie nicht
stören, aber ich… ich habe eine Frage.“
„Bezüglich der Expedition?“
„Ahem… ja.“
„Ich nehme an, Sie zweifeln meine
Planung an, Mrs Malfoy?“
Anscheinend hatte er bereits mit ihrem Auftauchen
im Kamin gerechnet. Sie lehnte sich ein Stück weiter ins Feuer, denn trotz der
Matte vor dem Kamin war es doch sehr unbequem, vor dem Kamin zu knien. Vor
allem als Schwangere.
„Ja. Ahem,
Sir, ich… frage mich, warum Sie nicht mitgekommen sind?“
Sie klang aggressiver als beabsichtigt.
„Was denken Sie, Mrs
Malfoy?“ Und anscheinend dachte er dasselbe, was sie dachte. Die Worte
sprudelten aus ihr hervor.
„Ich… ich denke, was… was wenn es ein
Trick ist? Was, wenn mit Absicht zwei Schlangen an diesen Orten deponiert
wurden, weil Voldemort etwas plant. Einen Anschlag. Sie wollten zwei Teams zur
gleichen Zeit an den Orten, damit Sie ausschließen können, dass er zwischen den
Orten wechselt. Sie sind da geblieben, damit Sie Hogwarts
verteidigen können, falls er es darauf abgesehen hat. Oder falls er es auf
das…“ Sie hielt inne. Dieser Gedanke kam ihr erst jetzt.
„Das Ministerium“, flüsterte sie
erstickt.
„Er würde nicht dorthin gehen, Mrs Malfoy“, unterbrach Dumbledore ihre Gedanken, sah aber
nicht völlig überzeugt aus. Dann sah sie das erste Mal, dass ihr ehemaliger
Direktor starr vor Schreck den Mund öffnete. Kalte Panik ergriff sie.
„Es sei denn, ein alter Narr würde den
besten Trupp Auroren aus dem Ministerium weg beordern,
um in irgendwelchen abgelegenen Häusern nach ihm suchen zu lassen.“
Der Plan ging auf. Nein, oh, nein! Es
war tatsächlich ein Trick. Ohne weiter zu zögern, beendete Dumbledore ihr
Gespräch, und sie starrte nur noch in leere grüne Flammen. Dumbledore war fort.
Sie zog abrupt den Kopf zurück. Sie saß
alleine bei den Weasleys auf dem Küchenboden. Was
sollte sie jetzt tun? Ron war nicht hier. Molly würde sie niemals gehen lassen.
Aber musste sie um Erlaubnis fragen?
Sie entschied sich für die simpelste
Lösung: Nein, musste sie nicht.
~*~
Er
reagierte schnell, aber nicht schnell genug. Er riss Potter am Kragen zurück.
Aber die Treppenstufen lagen hinter ihnen also fielen sie ziemlich unsanft auf
die kalten Steinstufen, während Moody die Tür mit dem Zauberstab aufsprengte, bereit
sich zu verteidigen.
Allerdings
hatte er kaum eine Chance dazu.
Ein
greller Blitz erhellte das Haus, raubte ihnen für einen Moment die Sicht, und
als sich ihre Augen wieder an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, schlug ihnen der
widerliche Geruch entgegen. Tod und Verwesung. In diesem Zimmer war seit langem
keiner mehr gewesen.
Bestimmt
seit drei Wochen nicht mehr. Abgesehen von den armen Männern, deren Körper
verstümmelt und abgenagt auf dem Boden lagen.
Potter
war auf den Beinen, den Zauberstab gezogen.
Moody
stand ebenfalls unschlüssig vor dem halbdunklen Raum. Es gab nur eine
Erklärung. Wenn die Tür verschlossen war, dann war die Schlange dort drin. Und
den Männern nach zu urteilen, war sie frei.
„Wir
müssen hier weg!“, flüsterte Potter und begann langsam rückwärts zu gehen.
„Parsel, Potter!“, knurrte Moody, immer noch den Arm vorm
Gesicht. Der beißende Geruch der Verwesung raubte Draco beinahe das
Bewusstsein. Er wollte nicht bleiben, um Potter mit der Schlange Parsel sprechen zu hören.
Das
konnte nicht alles gewesen sein.
„Was
war das für ein Licht?“, fragte er bemüht leise, aber keiner der anderen beiden
antwortet ihnen. Der Auror, der zur Sicherheit oben
im Haus geblieben war, rief mit heiserer Stimme in den Keller.
Potter
wagte tatsächlich einen Schritt in das widerliche Zimmer. Kaum hatte sein Fuß
die Schwelle betreten, glitt das Monstrum auf ihn zu. Draco konnte klar
erkennen, sie war länger als Nagini. Normalerweise
wurden selbst ausgewachsenen Tigerpythons nicht mal
vier Meter lang, aber dieses Biest erreicht bestimmt schon alleine sechs Meter
und füllte somit das gesamte kleine Zimmer aus.
Plötzlich
begann Potter zu sprechen, und Draco fühlte sich mit Schaudern an Voldemort
erinnert. Aber die Schlange schien nicht mit ihm zu kommunizieren. Draco konnte
nur vermuten, dass sie schon länger alleine war und dass sie schon länger
nichts mehr zu fressen bekommen haben musste.
Wahrscheinlich
war sie nicht gerade in Schlangen-Plauderstimmung. Oh fuck, oh fuck!
„Was
ist Potter?“ Moody hatte seinen Zauberstab auf das Biest gerichtete, anscheinend
bereit, sie sofort zu vernichten.
„Sie
ist hungrig. Und sie hat keine Erinnerung an Voldemort“, keuchte er vor
Anstrengung.
„Das
reicht mir.“ Mit einem aggressiven Schlenker seines Zauberstabs, ließ er die
Schlange zerplatzen, so dass das Blut und die unverdauten Rest gegen die Wände
spritzen. Draco wich angewidert zurück, genauso wie die anderen beiden.
Schließlich
stürmten sie die Treppe nach oben.
„Was
ist? Was ist passiert? Wer ist da unten?“
„Niemand“,
rief Moody und säuberte fluchend seinen Zauberstab.
„Was?
Niemand? Was ist mit der Schlange?“
„Tot“,
sagte jetzt Potter.
„Dieses
Licht“, begann Draco und befreite seine Kleidung von den Überresten der
Schlange und den beiden Männern. „Ich weiß, was das ist.“
„Dann
spuck’s aus, Malfoy. Meine Laune ist nicht die
beste.“
Draco
hastete zum Fenster und wusste genau, was er sehen würde.
Gar
nichts.
„Fuck.
Die Tür war ein Trigger.“
„Ein
was?“ Potter stellte sich neben ihn und keuchte auf. „Moody, wir sind nicht
mehr in London. Die Auroren sind fort, die Wiese ist
fort, wie… Wie zum Teufel ist das überhaupt möglich? Wieso ist es dunkel?“
Draco
erinnerte sich, dass er das Kapitel in Die
Schwarzen Magie und ihre Auswirkungen angelesen hatte.
„Das
ist ein Portschlüssel der Riesenausgabe“, knurrte er, schon genau so gereizt
wie Moody.
„Was?
Das ist nicht möglich!“
„Voldemort
hat keine Magie. Wie sollte er solch einen Portschlüssel gemacht haben?“ Moody
betrachtete die dunklen Wolken, die den Himmel zu verhängen schienen.
„Anscheinend
hat er Magie“, erwiderte Draco, während er die Umgebung betrachtete. Er kannte
das hier. Er war hier schon einmal gewesen. Aber wann?
„Was
soll das heißen?“ Potters Stimme überschlug sich fast. „Das Haus war ein
Portschlüssel?“
„Nein.
Die Tür war der Portschlüssel. Man kann Türen multifunktionell einbinden.
Früher wurde das gemacht, aber es bedarf eine Menge Energie und Konzentration,
eine Tür so zu formatieren, dass sie gleichzeitig als Durchgang zu einer
anderen Dimension dient. Das Haus ist bloß der Magieträger. Deswegen hat er es
so weit abgelegen ausgesucht, weil wenig Landschaft, weniger Magie bedeutete“,
fügte Draco mehr zu sich selbst hinzu.
„Was sollen wir jetzt tun, verflucht noch mal?
Wo sind wir?“ Potter raufte sich die strubbeligen Haare. „Warum hat er das
getan?“
„Weil
er wusste, dass Dumbledore seine kleine Armee hier hin schicken würde, er
wusste, sie würden das Signal der Schlange lokalisieren.“
„Was?“
„Simpel.“
Draco vergaß all seine Panik und kam sich vor, wie bei einer schwierigen Frage
in einer Prüfung. „Voldemort hat es geplant. Er hat gewusst, dass Dumbledore
Leute schicken würde, um sicher zu gehen. Und er würde die besten schicken.
Dann hatte er die Chance diese verschwinden zu lassen. Jetzt ist er
wahrscheinlich unterwegs ins… Ministerium, denn dort sind nun nicht mehr die
besten Auroren.“
„Was?
Ins Ministerium? Wieso?“
„Um
die Macht zu stürzen“, erklärte Draco knapp.
„Aber
die Schlange! Seine Schlange, er muss irgendwo sein. Sie ist ein verfluchter Horkrux“, schrie Potter. Draco kam das Wort bekannt vor. Er
glaubte, Lucius einmal davon hatte sprechen zu hören.
„Potter,
anscheinend ist es ihm egal.“
„Was?“
Moody
schaltete sich ein. „Voldemort wird seine Schlange getötet haben.“
„Aber
nein! Das kann er nicht.“
„Was
machen diese Horkruxe? Schützen sie irgendwas?“,
fragte Draco jetzt, weil er sich ärgerte, dass er es nicht wusste. Potter
stöhnte entnervt.
„Voldemort
hat seine Seele gespalten. Und jetzt müssen die Horkruxe
vernichtet werden, damit er vernichtet werden kann. Natürlich wäre das unnötig,
wenn wir ihn hier gefunden hätten, um ihn nach Askaban
zu bringen.“ Er ließ sich auf einen alten Stuhl sinken.
„Wir
müssen hier verschwinden. Malfoy, wo sind wir?“, fragte Moody jetzt und hob
erneut seinen Zauberstab. Draco runzelte die Stirn und dachte ziemlich schnell
nach.
„Ich
denke nicht, dass wir noch in England sind.“
„Also
weißt du es nicht?“ Moody und der zweite Auror gingen
zur Tür.
„Was
ist mit den anderen Auroren?“, fragte Potter
plötzlich und erhob sich abrupt. „Die, die am Rand des Grundstücks Wache
gehalten haben?“
Moody
wandte sich ernst zu ihm um. Er sagte nicht. Draco konnte nur ahnen, was
passiert war. Was logischerweise, bei so einer derartigen magischen Explosion
passiert sein musste, und er schluckte schwer.
„Potter,
Haltung. Du wirst bei deiner ersten Expedition als Auror
nicht anfangen, zu verzweifeln. Wir müssen hier raus. Und wir müssen zurück
nach London.“ Damit trat er die Tür auf.
Und
Draco wusste, wo sie waren. Und er wusste, dass sie ohne Besen hier nicht
wegkommen würden.
Moody
schrie auf, als sich der erste Dementor auf ihn
stürzte. Der andere Auror schoss seinen Patronus auf die Gestalt im Umhang, und der Dementor stürzte zur Seite. Aber er war nicht der einzige.
Aber
das lag daran, dass Askaban nun eben nur von
Dementoren beherrscht wurde. Potter stellte sich dicht neben ihn.
„Scheiße.
Das kann doch wohl nicht wahr sein.“
Draco
zog es vor, seinen Atem zu sparen und darauf nicht zu antworten. Er hob seinen
Zauberstab, schrie den Zauber in die Nacht, und der weiße Drache brach aus der
Spitze seines Zauberstabs hervor.
Seine
glücklichen Gedanken waren jetzt gerade bei seiner Frau und bei seinem
ungeborenen Kind.
~*~
Als
sie aus dem Kamin stieg, schwindelte ihr der Kopf. Es war definitiv auch nicht
gut, per Flohpulver zu reisen. Aber viel schlimmer war die ausgestorbene Halle
des Ministeriums. Sie stieg vorsichtig aus dem Kamin. Lavender
saß nicht an der Rezeption. Niemand war hier unten.
Scheiße.
Sie
hatte den Zauberstab erhoben und die andere Hand auf ihren Bauch gepresst. Mehr
unbewusst als wirklich bewusst. Wieso war es still? Hatte Dumbledore schon
Schritte eingeleitet? Und wenn tatsächlich alles nach Voldemorts
Plan gelaufen war, wo war er, und wo waren Harry und Draco?
Langsam
wanderte sie weiter. Sie musste wissen, ob Ron hier war. Aber anscheinend war
niemand hier. Jedenfalls nicht unten.
Wahrscheinlich
gab es nichts Dümmeres, was sie gerade tun konnte, aber sie konnte nicht
anders. Sie beschloss den Aufzug zu benutzen, denn damit wäre sie schneller.
Also eilte sie durch die leere Halle und betätigte den Schalter. Das Rattern
des Aufzugs hallte in der gesamten Halle wider. Die Türen öffneten sich
knarrend und sie betrat ihn schnell.
Sie
presste die Taste für den zweiten Stock. „Abteilung für Missbrauch von Muggelartefakten und magische Strafverfolgung, zweiter
Stock“, ertönte die kühle Stimme als der zweite Stock erreicht war, und Hermine
hätte fast aufgeschrien.
Auch
hier war niemand. Und langsam bekam sie tatsächlich Angst. Dass niemand hier
war, konnte nur zwei Dinge beuteten: Alle waren fort, oder alle waren… Nun,
vielleicht übertrieb sie. Vielleicht gab es eine andere Lösung.
Finger
umschlossen ihr Handgelenk und sie konnte den Aufschrei nicht unterdrücken.
„Sei still. Du bist ja wohl verrückt geworden! Was tust du hier? Ich kann nicht
fassen, dass du mir gefolgt bist!“, zischte Ron außer sich vor Wut und zog sie
rücksichtslos mit sich.
Anscheinend
hatte sie sich geirrt, und das Ministerium war doch nicht verlassen. Ron zog
sie durch die Gänge, schnell und ängstlich. Anscheinend gab es wohl ein
Versteck. Und ja, sie ärgerte sich ein wenig. Anscheinend ging es Ron gut. Dann
war ihre Welt zur Hälfte in Ordnung.
Nur kurz überlegte er, woran er denken
würde, wenn er nicht Hermine hätte. Wahrscheinlich nur an seinen Tod und die
Erlösung dieser Welt. Aber er kämpfte sich verbissen mit Potter und den beiden
anderen durch die Wand an Dementoren, die über die Ankunft des Hauses ziemlich
begeistert waren. Denn so frische und zufriedene Seelen, hatten sie lange nicht
mehr gesehen.
Ironischerweise war es Draco, der die
drei Männer durch die Labyrinthe an verschiedenen Gängen führte, die sich vor
der Festung miteinander verbanden. Er kam sich seltsam vor. Er hatte die besten
Noten gehabt, aber er lief jetzt, wie ein Gefangener, der sich auskannte vor
den Männern her.
Und er hatte eigentlich keine Angst um
sich selbst. Natürlich jagten ihm diese schaurigen Monster nach wie vor Angst
ein, aber er wusste, sie würden ihn nicht anrühren. Nicht mit diesen starken
Glücksgefühlen, die er hatte, dachte er an seine wunderschöne Frau.
Aber anscheinend wurde es für Moody
immer schwerer.
„Lauft schneller!“, schrie der Auror, dessen Patronus nun
schwächer wurde und sich eng an seinen Macher schmiegte. Der Adler bereitete
seine immer lichter werdenden Flügel aus, und versuchte Moody immer noch zu
schützen.
Draco war stehen geblieben. Er wusste,
sein Patronus konnte auch Moody schützen. „Was tust
du, du Idiot!“, schrie Moody, als Draco sich seinen Arm packte und ihn weiter
zog.
„Ich denke, ich rette Ihren Arsch“,
informierte ihn Draco knapp, weil er wirklich keine Lust hatte, seine
Beweggründe einem undankbaren alten Auror, mit
Holzbein zu erklären, von dem er immer noch die Vorstellung hegte, er hatte ihn
einst in ein Frettchen verwandelt. Er wusste, der echte Moody hatte nie einen
Fuß nach Hogwarts gesetzt – nicht bewusst zumindest
–, aber dennoch hatte er nie vergessen, wie sich die schmerzhafte Verwandlung
in ein widerliches, dummes Tier anfühlte.
„Du bist dumm, Junge. Lauf einfach
weiter. Wir haben hier keine Zeit für Heldenspiele.“ Moody nahm es ihm wirklich
übel, dass er ihn rettet. Dämlicher, arroganter Auror.
Wer wollte hier den Helden spielen? Er doch wohl nicht.
„Draco, beeilt euch! Ich kenne den Weg
nicht!“ Potter schlug gerade zwei Dementoren auf einmal in die Flucht, und
Draco konnte trotzdem nicht aufatmen. Denn sie wurden von bestimmt fünfzig
anderen verfolgt.
„Malfoy, verflucht, lass mich los und lauf!“ Moody riss sich mit aller Macht von ihm los und
taumelte nach hinten.
„Nein! Wir schaffen es auch zu zweit!“,
schrie Draco nun gereizt und entschlossen.
„Sie kommen näher. Ich bin eine Last.
Ich kann die glücklichen Gedanken nicht mehr halten. Und ich bin langsamer.
Also, lauft.“
Potter kam ebenfalls zurück. „Was ist
los? Moody, kommen Sie schon. Es ist nicht mehr weit.“ Er log. Draco sah ihm
an, dass er Moody nur motivieren wollte. Dieser aber machte noch einen Schritt
in die Richtung aus der die Dementoren kamen. „Moody!“, schrie Potter jetzt,
aber der Mann schüttelte den Kopf.
„Ich bin müde, Potter. Das hier kann
nicht für alle gut enden. Also lauft endlich. Ich halte sie auf. Vielleicht bin
ich nicht glücklich, aber ich bin immer noch mächtiger als diese Biester!“,
keuchte er als er in einer so komplizierten Bewegung den Zauberstab schwenkte,
dass Draco fast vergaß seinen Patronus aufrecht zu
erhalten.
Eine Wand aus Feuer und Eis bildete
sich um den Auror und schirmte ihn vollkommen ab. Sie
zog sich zischend über die Insel und hielt tatsächlich die Dementoren zurück.
„Nein“, flüsterte Draco jetzt, denn er
wusste, der Auror hatte sich soeben geopfert. „Wir…
wir holen ihn da raus.“ Er setzte sich in Bewegung, aber Potter riss ihn
zurück.
„Wir haben keine Zeit.“ Er sah, dass
Potters Augen vor Entschlossenheit zu funkeln schienen, und noch einmal
schüttelte er den Kopf. „Draco, wir müssen jetzt weiter.“ Der andere Auror war vor lauter Panik weiter voraus gelaufen. Mitten
in eine Gruppe Dementoren, die ihnen aufgelauert hatten. Und sie überwältigten
ihn. Draco packte Potters Umhang.
„Nein! Andrews!“, schrie er, aber auch
jetzt riss ihn Potter zurück.
„Draco, hör mir zu!“ Er schüttelte ihn
so sehr, dass Dracos Patronus erstarb. „Du musst dich
konzentrieren. Wir müssen hier raus, wir haben keine Zeit. Wir müssen zu den
Boten, hast du verstanden, ich bitte dich… Denk an… denk an deine Tochter!“
Eindringlich sprach er mit ihm. Aber Draco konnte den Blick nicht von dem Mann
abwenden, dem die Dementoren gerade das letzte bisschen Leben aussaugten.
Aber was sagte er? Seine Tochter…?
Seine… Ja, seine Tochter! Die Front an Dementoren zu ihrer anderen Seite hatte
Moody fast erreicht. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und hielt seine
Gezeitenmauer aufrecht. Draco hatte es für einen Mythos gehalten, so etwas
tatsächlich zu erschaffen. Anscheinend ging es.
Er hob den Blick. „Gut so. Und jetzt,
sprich den Zauber, denn alleine werde ich uns hier nicht raus bringen können“,
knurrte Potter und Draco schwang abwesend seinen Zauberstab, in Gedanken bei
Hermine.
Nur bei ihr… Nicht hier. Nicht auf
dieser Insel… nicht umringt von Dementoren, denen sie vermutlich nicht
entkommen würden.
~*~
Ein Stockwerk tiefer saß sie nun
verbarrikadiert mit Ron und knapp zwanzig anderen Zauberern, aus der Etage in
einem Zimmer. Sie wussten nicht, worauf sie eigentlich warteten, aber
Dumbledore hatte ihnen praktisch befohlen, sich nicht zu rühren.
Als ob Voldemort glauben würde, dass
Ministerium wäre an einem Sonntag leer.
Hermine hatte keine Angst um sich.
Nein. Nur um ihr Kind. Und um Draco, von dem sie hoffte, dass es ihm gut ging.
Noch keiner der Auroren, die ausgesandt worden waren,
war bisher zurückgekehrt. Auch Dumbledore hatte bisher noch keinen Kontakt
aufnehmen können.
Sie schwiegen und warteten auf das, was
noch kommen würde. Arthur sprach leise mit einem Kollegen, aber sonst war es
still. In jeder Abteilung hatten sich die Zauberer zusammen gerafft. Es war
deutlich zu spüren, dass sie sich weniger sicher fühlten, wenn die besten Auroren nicht anwesend waren.
Das Ministerium hatte somit den
Großteil an Macht verloren. Arthur war ein guter Zauberer, aber wahrscheinlich
war sogar sie als schwangere Frau besser mit der Magie als er.
Sie wären hilflos, würde Voldemort
kommen. Aber noch war sie sich nicht sicher, ob er wirklich das Ministerium
stürmen würde. Es gäbe nur einen Grund, warum er es tun wollen würde.
Wo war Dumbledore? Und wo war Draco? Wo
war Harry?
Sie spürte einen dumpfen Schmerz in
ihrer Gebärmutter, aber sie ließ es sich nicht anmerken. Es war nur der Stress,
sie war sich sicher. Aber im Moment konnte sie nichts anderes tun, als warten.
Warten, mit einem wütenden Ron neben sich, der sie am liebsten wieder nach
Hause getragen hätte, wäre es ihm erlaubt gewesen.
Und
dann hörte sie es.
Jemand
war unten. Jemand war tatsächlich im Ministerium. Nicht bemüht leise zu sein.
Wäre sie nur eine halbe Stunde später aufgetaucht, dann wäre sie diesen Männern
in die Arme gelaufen.
Ron
spannte sich neben ihr an, und auch das Geflüster von Arthur verstummte abrupt.
Die Zauberer wappneten sich alle für einen Kampf. Sie spürte die Angst und die
Spannung, die in der Luft lag. Wie lange würde es dauern, bis sie hier hoch
kamen? Wie lange würde es dauern, und wen würden sie antreffen? Welche Zauberer
wagten es noch, auf Voldemorts Befehl hin zu handeln?
Welche Zauberer wagten es, noch einmal das Ministerium zu bedrohen?
Sie
wusste es nicht. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Sie hoffte nur, dass sie
eine reelle Chance haben würden, diesen Kampf zu gewinnen. War sie dumm
gewesen, hier her zu kommen? Nein. Sie hatte überhaupt gar keine andere Wahl.
Alle ihre Freunde waren in Gefahr. Nur sie sollte sich verstecken? Nein. Ganz
bestimmt nicht.
~*~
Er
hatte keine Ahnung, wie sie es ins Boot geschafft hatten.
Er
hatte keine Ahnung, wie seine Arme das Boot immer weiter vom Ufer weg befördern
konnten.
Er
hatte keine Ahnung, wie Potter es meisterte, dass sich keine der Kreaturen auf
sie stürzte, während er nur hilflos rudern konnte.
Er
spürte nicht, wie das Boot kenterte, oder wie sie in die eisigen Fluten
stürzten. Er merkte nicht, dass seine Arme automatisch schwammen, dass sie ihn
zwangen seinem Überlebensinstinkt zu folgen.
Er
bemerkte nicht, dass die Dementoren ihnen nicht mehr folgten. Er hörte bloß
Potter neben sich atmen, keuchen, schreien, dass er ja nicht aufgeben sollte,
dass es nicht mehr weit zum Ufer wäre.
Sein
Körper arbeitete wie eine Maschine, während sein Bewusstsein völlig abgedriftet
war. Das war wahrscheinlich auch das Beste.
Plötzlich
füllte Wasser seine Lungen. Salziges, ekelhaftes, kaltes Wasser. Potter riss
ihn nach oben, schrie etwas und zog ihn mit sich. Sein Geist war benebelt und
so sehr er es auch wollte, gegen die Schwärze in seinem Kopf kam er nicht an.
…
Das
erste, was ihm bewusst wurde, war die Kälte seines Körpers.
Es
war ein furchtbares Gefühl, und er öffnete die Augen. Der Wind heulte scharf um
sein Gesicht. Er blickte sich verwirrt um. Anscheinend war er auf… einer Insel?
Einer Sandbank? Jedenfalls gab es nicht viel zu sehen, außer viel Sand. Keine
Bäume, keine Häuser, nichts. Um ihn herum die Fluten. Die Wolken waren dunkel
und wirkten nicht einladend oder freundlich.
Potter…
Er
sah sich um. Er war allein. Nein. Das konnte nicht sein.
Er
sprang auf die Beine, fühlte den Schmerz in seinen Armen, in seinem gesamten
Körper, wahrscheinlich vom Rennen. Er rannte nicht gerne. Nur wer Angst hatte,
der… Er vergaß seine Gedanken, denn hinter ihm sah er etwas, dass seine
Hoffnung aufflammen ließ. Potters Zauberstab wurde von der Gischt umspült. Von
der Zauberstab hier war, dann war es Potter auch.
Er
musste hier sein. Er musste einfach. Wo sollte er auch sonst sein?
Er
lief darauf zu. Er hob ihn aus dem Sand und sah sich um. Rechts war nichts außer
Sand und Wasser. Und links? Was war das dahinten? Ein Körper? Eine Planke? Er
wusste es nicht, aber er musste es wissen.
Er
rannte, zwang seine Beine, sein Gewicht zu tragen und ignorierte den Schmerz.
Tatsächlich!
Merlin, er hatte schon selbst nicht mehr damit gerechnet.
„Potter!“,
krächzte seine Stimme, und er fasste sich vor Schmerz an die Kehle. Zu viel
Salzwasser. Er ließ sich auf die Knie fallen und drehte den Jungen herum. Seine
Augen waren geschlossen, aber seine Atmung ging flach. Er lebte!
„Potter!“,
wiederholte er eindringlicher und schüttelte seine Schultern. Potter verzog den
Mund, zuckte zusammen und erbrach einen ganzen Schwall Meerwasser neben Draco.
Dieser wich nicht einmal zurück, so erleichtert war er. „Merlin sei Dank“,
flüsterte er und hexte hastig ihre Kleidung trocken.
„Wo
sind wir?“, keuchte Potter, dessen Stimme nicht besser klang als seine eigene.
„Keine
Ahnung. Aber wir müssen hier fort.“
Potter
nickte bloß. Sie sahen sich einen momentlang an. Und er wusste, beide dachten
dasselbe. Er war noch nie so dankbar, Potter zu sehen. Er war so dankbar, hier
nicht alleine zu sein.
„Wir
könnten einen Patronus schicken“, schlug er
schließlich vor. Langsam nickte Potter.
„Ok.
Wohin?“, fügte er plötzlich hinzu.
„Ich…
weiß nicht.“
„Zu
den Weasleys?“
„Was,
wenn Voldemort… was wenn…“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. „Ok.“
„Oder
zu deinen Eltern?“, schlug er jetzt vor. Draco runzelte die Stirn.
„Nein.
Zu den Weasleys.“ Er entschied sich tatsächlich gegen
seine Eltern. Denn er hoffte, Hermine würde dort sein… Hermine… Er schloss die
Augen. Er vermisste sie tatsächlich mehr als alles sonst.
~*~
Die
Tür flog auf, bevor sie reagieren oder sich wappnen konnte.
„Hier
drin!“, schrie ein maskierter Mann. Seine Stimme kam ihr annähernd vertraut
vor. Kein gutes Zeichen.
„Dann scheuch sie raus. Sag ihnen, was für eine Wahl sie haben und die, die
sich wehren, denen zeigst du, wie dumm es ist, sich zu wehren.“ Das konnte
nicht wirklich passieren. Das war nicht möglich. Wo war Dumbledore?
Alle
erhoben sich. Knapp fünfzehn Todesser hielten die Zauberstäbe auf sie
gerichtet. Sie wusste nicht, wie sie sich wehren sollte, oder wie viele noch im
Ministerium unterwegs waren? Hatten sie eine Chance? Wieso gab es überhaupt
noch Anhänger?
Ein
Todesser betrachtete sie mit einem interessierten Blick. So sah es jedenfalls
durch seine Maske aus. Er hielt sie am Arm fest, und sie verzog das Gesicht vor
Schmerz bei dem festen Griff.
Einige
ihrer Mitstreiter wollten helfen, wurde aber von den Todessern brutal
zurückgedrängt. Es waren einfach zu viele. „Na, Granger?“, knurrte die Stimme,
und mit Schrecken wurde ihr klar, dass sie gerade von Vincent Crabbe
aufgehalten wurde. Das war doch nicht möglich! Sie hätte ihn sofort verhext,
wären nicht zehn Zauberstäbe auf sie gerichtet.
„Lucius!
Hier ist etwas, dass dich bestimmt freuen wird. Du quälst die Schlammblütern doch am liebsten!“, rief er über die
Schulter zurück.
Oh,
großer Gott! Lucius Malfoy war hier? Lucius Malfoy hatte sich wieder Voldemort
angeschlossen? Sie wurde Lucius Malfoy zum Fraß vorgeworfen? Und es gab nichts,
was sie tun konnte, denn in dieser Sekunde zerbrach Crabbe ihren Zauberstab.
Anscheinend
ging ihm Gott sei Dank nicht auf, dass sie schwanger war. Aber das war
nebensächlich, denn sie war sich zu achtzig Prozent sicher, dass sie aus der
Sache nicht lebend raus kommen würde. Die zwanzig Prozent setzte sie auf
Dumbledore. Garantiert nicht auf Lucius‘ Mitgefühl…
Sie
sahen dem Hirsch nach als er über die Wellen davon preschte. Potter hatte anscheinend,
wie er selbst auch, keine Ahnung, was man tun musste, damit ein Patronus eine Nachricht überbrachte, aber es reichte wohl
aus, dem Patronus zu sagen, wohin er sollte, und was
er sagen musste.
Wenn
er es denn so weit schaffte….
Sie
ließen sich in den Sand sinken. Der Himmel hatte sich zugezogen und ihnen blieb
nur zu hoffen, dass es nicht regnen würde. Denn einen Unterschlupf würden sie
hier auf dieser verlassenen Insel nicht finden können, denn eine Meile weiter
hinten, sah Draco bereits wieder das Wasser.
„Wo
ist dein Zauberstab?“, fragte Potter jetzt und wischte sich angeekelt das
getrocknete Salzwasser von der Stirn. Das war eine Frage, der Draco gerne aus
dem Weg gegangen wäre, denn es machte ihn wütend, dass sein Zauberstab
höchstwahrscheinlich auf dem Grund des Meeres lag.
Hätte
er seinen Zauberstab, dann hätte er ihn hoch hexen können. Ha ha. Er wurde anscheinend witzig in verzweifelten
Situationen.
„Keine
Ahnung“, gab er finster zurück und starrte missmutig auf das graue Wasser.
„Tut
mir leid. Aber immerhin haben wir meinen. Dann können wir Feuer machen.“
„Kannst
du Feuer herauf beschwören?“ Er wollte wirklich nicht überheblich klingen, aber
er hatte in der Prüfung gesehen, dass Potter dabei versagt hatte. Potter hob
eine Braue.
„Willst
du es tun?“ Er hielt ihm seinen Zauberstab entgegen. Dann würde Draco zum
ersten Mal Potters Zauberstab in der Hand halten.
„Ok.“
Das
dicke Holz füllte sich warm und geschmeidig in seinen Fingern an. Sein
Zauberstab war nicht so glatt gewesen. Er spürte allerdings nicht das angenehme
Gefühl, was er sonst – wenn auch nur noch unterbewusst – wahrgenommen hatte. Es
war eben nicht sein Zauberstab.
Er
sprach die Formel also besser laut, denn er hatte auch in dieser gefährlichen
Situation keine Lust, sich zu blamieren. Es klappte zu seinem Glück. Potter
schien mäßig beeindruckt.
„Du
hast uns gerettet“, bemerkte dieser jetzt knapp.
„Unsinn.
Du hättest das auch beschwören können. So schwer ist es nicht.“
„Nein,
ich meine, hättest du nicht erkannt, dass wir nach Askaban
gekommen sind, dann wären wir höchstwahrscheinlich verloren gewesen.“ Potter
dankte ihm also? Das war etwas Neues.
„Ich…
denke mal, wir sollten meinem furchtbaren Vater dankbar sein, dass er dumm genug
war, hier hin geschafft zu werden und ich die Umgebung nun kenne.“ Seine Stimme
wurde merklich kühler, als er von seinem Vater zu sprechen begann.
„Du
magst ihn also wirklich nicht.“
„Niemand
mag meinen Vater.“ Er lächelte kurz und dachte an Granger. An ihren warmen,
weichen Körper. Er hoffte, es ging ihr gut.
„Denkst
du… Lucius hat damit was zu tun?“
Noch
eine Befürchtung, die er hegte, aber nicht diskutieren wollte. Sein Ausdruck
wurde grimmiger.
„Definitiv,
ja. Ich denke nicht, dass er es sich nehmen lässt, Menschen zu quälen.“
Potters
Blick richtete sich in die Ferne. Er fühlte sich wahrscheinlich genauso hilflos
und vollkommen nutzlos wie er selber. Immerhin vermied es Potter, die Frage zu
stellen, die Draco auf der Zunge brannte.
Wie
sollten sie hier jemals wegkommen?
~*~
Und
wieder mal hatte sie grauenhafte Angst vor einem Lucius, der sie durch das
Ministerium schleifte.
„Ich
habe keine Angst, Sie anzugreifen, Lucius!“, schrie sie außer sich, als er sie in
einen leeren Flur zog. Anscheinend um sich ganz privat ein wenig Spaß zu gönnen
und sie zu verfluchen. Er wandte sich herrisch um, und seine langen Haare
flogen über seine Schulter.
Die
Ähnlichkeit war beinahe schmerzhaft. Sie verdrängte die Tränen, denn dieser
Mann war nicht im Entferntesten so wie Draco. Absolut überhaupt nicht. Wie
hatte sie jemals denken können, Draco war wie sein Vater?
„Halt
den Mund“, knurrte er jetzt und schien um Fassung zu kämpfen. „Wo ist Draco?“
Seine Stimme hatte sich gesenkt, so dass sie sich näher zum ihm beugen musste.
Immer noch hielt er sie am Arm.
„Was?“,
flüsterte sie verständnislos, nicht wissend, was für ein krankes Spiel er
spielte.
„Mein
Sohn! Weißt du, wo er ist? Ist er hier? Wo ist er?“
„Ich…
weiß es nicht, ich… Dumbledore hat ihn nach London geschickt. Er ist mit Harry
zusammen und ein paar Auroren“, erzählte sie hastig,
denn sie sah neben dem hasserfüllten Mann auch den besorgten Vater, der sie
tatsächlich nach seinem Sohn fragte.
„Das
kann nicht sein“, flüsterte Lucius als wäre sie gar nicht da. „Voldemort hat
die Häuser verhext.“ Hermine wurde augenblicklich etwas klar.
„Sie!
Sie wussten es! Sie haben es gewusst! Und Sie haben Ihrem Sohn nichts gesagt,
obwohl Sie wussten, dass Dumbledore ihn um Hilfe bitten würde?“
„Woher
sollte ich wissen, dass dieser alte Greis…“ Er schien krampfhaft um
Beherrschung zu ringen. Das tat Draco auch nur zu oft in ihrer Gegenwart. „Und
nein. Ich wusste es nicht. Ich wurde heute aus meinem Haus geholt, mit der
Warnung, meine Familie würde getötet, wenn ich nicht mitkomme“, fügte er leiser
hinzu.
Sie
starrte ihn an. Lucius war also gezwungen worden. Von wem? Voldemort
persönlich?
„Wir
müssen hier raus“, beschloss er schließlich unvermittelt. Sie konnte sich nicht
rühren.
„Was?“
„Was
denkst du, was sie tun werden, wenn sie herausfinden, dass eine Muggel auch noch schwanger ist?“, knurrte er. Schlimme
Bilder stiegen in Hermines Kopf.
„Sie…
wollen mir helfen?“
„Entweder
sterbe ich hier so oder so… oder mein Sohn wird mich töten, weil ich seine Frau
den Todessern überlassen habe. Beides gefällt mir nicht. Also, ja. Anscheinend
helfe ich dir.“ Er hatte die genau gleiche nervtötende
Gabe, jedes ihrer Worte lächerlich klingen zu lassen, wie sein Sohn.
Sein
Sohn… Wäre er nur hier.
„Ich
schlage vor, wir fliehen jetzt.“
„Aber…
was ist mit Ron? Und den anderen?“ Lucius starrte sie wütend an. Anscheinend
bereitete es ihm schon genügend Qualen den schweren Weg zu wählen, als einfach
zu bleiben und Menschen zu töten.
„Ich
denke, sie werden zurechtkommen müssen, Miss Granger.“ Er wechselte plötzlich
zu ihrem Nachnamen. Ihrem alten Nachnamen. Anscheinend hatte er sich wieder
unter Kontrolle.
Sie
sah ein, dass sie nicht jeden retten konnte.
„Was,
wenn sie Ron umbringen?“
„Weasley?“,
fragte er harsch, während er sie weiter durch den Korridor zog. „Er ist ein Reinblut, Ms Granger. Er wird
kein Problem bekommen. Außerdem, sind die Leute hier im Ministerium in der
Überzahl, auch wenn sie es noch nicht wissen mögen.“
„Was?“
„Das
hier…“ Er deutete hektisch hinter sich, „ist ein verzweifelter Kampf, ist Ihnen
das nicht klar? Voldemort hat kaum die Macht, aufzustehen. Er lässt die übrig
geblieben kämpfen, und glauben Sie mir, das sind nicht viele.“
Kraftvoll
schritt er durch die Gänge, und sie hatte Probleme mitzuhalten.
„Aber…
wo ist Voldemort? Und wieso lassen sich die Zauberer darauf ein?“
„Er
ist versteckt“, gab Lucius knapp zurück. „Und es gilt das Prinzip der
Selbsterhaltung. Wenn wir ihm nicht folgen, dann rächt er sich an unseren Familien.“
Dann hatte sie keine Zeit mehr Fragen zu stellen, denn sie musste ihren Bauch
halten, der langsam zu schmerzen begann. Aber sie folgte ihm verbissen durch
seltsame Schleichwege, die er zu kennen schien.
Und
sie verließen das Ministerium im richtigen Augenblick, denn sie hörte
Kampfgeschrei. Anscheinend war Dumbledore mit seinen Leuten angekommen.
Hoffentlich waren Harry und Draco dabei. Auch Lucius hatte den Kopf nach hinten
gewandt. Er hoffte wohl dasselbe.
„Wohin?“
„Sie
dürfen nicht mehr apparieren.“ Es war mehr eine
Feststellung als eine wirkliche Frage. Sie antwortete nicht. „Der Fuchsbau ist
eine halbe Stunde Weg. Denken Sie, Sie schaffen das?“ Er musterte sie von oben
herab. Sie hatte keine Ahnung. Wenn er weiter so rennen würde, wahrscheinlich
nicht.
„Miss
Granger? Schaffen Sie das?“, wiederholte er gereizter, und sie hatte das Gefühl
mit einer wesentlich älteren Ausgabe ihres Dracos durch die Straßen zu rennen.
„Ich
habe ja wohl kaum eine Wahl. Wieso dort hin?“
„Weil
dort niemand nach uns suchen wird“, erklärte er knapp und schritt wieder
voraus. Sie folgte ihm. Er hielt noch einmal inne, äußerst angewidert und
distanziert. „Oder soll… ich Sie tragen, wenn…“
Und
allein die Vorstellung bereitete ihr solche Angst, dass
sie ihre Schritte beschleunigte. Das müsste ihre Tochter jetzt aushalten.
„Oh,
nein. Schon gut“, erwiderte sie hastig. Seine Mundwinkel zuckten kurz.
„Ich
sehe schon.“ Er folgte ihr. „Ich nehme an, Sie bekommen einen Jungen?“
Wieso?
Weil das Malfoy-Standard war? Oh Gott. Gerade fiel ihr ein, dass Lucius Malfoy
der Großvater ihres Kindes werden würde. Sie blickte stur auf die Straße.
„Nein.“
„Nein?“
Zum ersten Mal wirkte Lucius Malfoy auf eine Antwort nicht vorbereitet.
„Sie
bekommen ein Mädchen?“, flüsterte er fast, und sie war sich nicht sicher, ob er
darüber glücklich war oder nicht. Aber er sagte nichts weiter dazu. Dafür war
sie dankbar, denn es war nicht nur eine Qual, zu laufen, es passte ihr auch
überhaupt nicht, mit Lucius Malfoy zu plaudern, während sie vor einem Haufen
mörderischer Todesser flohen.
„Was
wollten sie alle überhaupt im Ministerium“, fragte sie. Lucius verzog den Mund,
als wäre es ihm peinlich zu antworten.
„Es
verbrennen“, bemerkte er verächtlich, und Hermine verdrehte die Augen.
Was
war das? Zwanzig Todesser wollten ein Haus anzünden? Wie verrückt ist das
bitte? Schnaubend lief sie weiter. Sie würde sich zwei Tage hier von erholen
müssen. Und sie war froh, etwas zu tun zu haben und nicht darüber nachdenken zu
müssen, dass Draco möglicherweise… nicht wieder kam.
Sie
zwang diesen Gedanken fort und richtete den Blick wieder streng nach vorne.
~*~
„Ich
hab Hunger.“ Potter schien niemand besonderen anzusprechen. Es war dunkel geworden,
und das Feuer warf bizarre Schatten auf den harten Sand.
„Tja“,
war alles, was er erwidern konnte. Er spürte Müdigkeit und Schmerz in den
Gliedern. „Ich denke, wir sollten uns ausruhen. Gefahren dürften hier nicht
lauern.“
„Jaah. Ich bin nicht müde.“ Verwunderlich. Potter hatte
einen zähen Kampfgeist. „Aber ruh dich aus, ich… passe auf.“
„Denkst
du…“ Er biss sich auf die Zunge. Was wollte er gerade tun? Ein Gespräch mit
Potter anfangen? Über ihre recht kleinen Fluchtmöglichkeiten? Über die Wahrscheinlichkeit,
dass sie hier lebend raus kamen? Dass irgendjemand wusste, wo sie waren und sie
dann auch noch finden würden, bevor sie verhungert oder ertrunken waren? Nein.
Dann schlief er lieber.
„Was?
Dass sie den Patronus bekommen haben? Ich weiß es
nicht. Oder ob sie uns finden? Vielleicht. Ich denke mal, dass… es möglich
wäre. Oder ob sich Hermine doch eingemischt hat? Wahrscheinlich.“ Ja, er hatte
daran auch schon gedacht. Es wäre sehr untypisch für Granger, einfach mal ruhig
Zuhause sitzen zu bleiben, während alle anderen in Gefahr schwebten.
Wahrscheinlich fühlte sie sich ausgelassen oder hintergangen.
„Vermisst
du sie?“
Oh
nein. Er würde nicht so ein Gespräch mit Potter führen.
„Ich
werde jetzt schlafen“, erklärte er, aber seine Stimme klang nicht zornig. Sie
klang einfach nur vollkommen erschöpft.
Er
versank in Träume, in denen Weasley Granger heiratete, weil niemand sie auf der
Insel finden würde. Alle dachten, sie wären tot, und Granger wurde glücklich
mit Weasley. Alleine das, ließ seinen Kampfgeist noch längst nicht aufgeben.
Zur
Not würde er nach Hause schwimmen, bevor er sich mit dem Schicksal zufrieden
gab, in dem Weasley seinen Platz einnehmen würde. Nein. Dann nahm er Potter auf
seine Schultern und schwamm tausend Kilometer weit nach Hause….
Ich hasse Weasley…
Er
merkte nicht, dass er diese Worte im Schlaf vor sich hin murmelte, und dass
Potter die Augen verdrehte, während er das Feuer am Brennen hielt.
Ihre
Augen fielen immer wieder zu, und ihr Kopf kippte nach hinten gegen die Lehne.
Ihr Verstand spielte ihr immer wieder Streiche. Das Feuer flackerte manchmal so
stark, dass Lucius‘ Gesicht verzerrt wurde. Seine Gestalt nahm andere Formen
an. Der sonore Klang seiner Stimme drang dumpf zu ihr hinüber, und wenn ihre
Augen halb geschlossen waren, dann fiel es ihr nicht schwer zu glauben, dass
Draco am Tisch der Weasleys saß.
Natürlich
tat er das nicht. Mit gedämpften Stimmen sprachen Ron, Arthur, Molly und Lucius
miteinander.
Hermine
konnte nicht verstehen, ob sie sich stritten, aber Lucius schien froh zu sein,
dass er nicht wieder in Askaban saß, wie all die
anderen Beteiligten. Sie hatte noch so viel mitbekommen, dass Dumbledore mit
ein paar Auroren das Ministerium gestürmt hatte.
Allerdings waren nur Auroren aus dem Hastings-Einsatz
dabei.
Das
bedeutete die eingesetzten Zauberer in London waren nicht hier. Lucius hatte
hundert Fragen gestellt, hatte herausgefunden, dass es auch aus Hastings nicht
alle überlebt hatten, und war seitdem recht wortkarg gewesen.
Ron
und Arthur waren erst gegen zehn Uhr abends wieder gekommen. Hermine lag seit
einer Weile schon auf der Couch, nicht willig, nach oben zu gehen und zu
schlafen. Sie wollte warten, bis Harry und Draco wieder in Sicherheit waren.
Aber
sie merkte deutlich, dass die Stimmung und die Hoffnungen sanken.
Nur
am Rande nahm sie die leise Änderung wahr. Die Menschen am Tisch hatten sich
plötzlich erhoben, aber sie nahm es nur vage durch den Schleier der Müdigkeit
wahr.
Silbernes
Licht blendete sie, und widerwillig siegte ihre Neugierde. Es war faszinierend,
wie Adrenalin so plötzlich auf den Körper wirken konnte. Der helle Hirsch
sprach mit Harrys Stimme, und als wäre sie ausgeruht und munter, sprang sie von
der Couch. Sie stellte sich neben Molly und Ron.
„…sind
gestrandet… kann nicht weit von Askaban sein…“ Seine
Stimme verklang dumpf im Zimmer, und kaum war die Nachricht überbracht
verpuffte das silberne Tier in der Dunkelheit des Zimmers.
Gestrandet…
Sie lebten also!
„Wie
lösen wir das?“, fragte Ron nun hastig. Sein Vater fuhr sich müde durch die
lichten Haare.
„Wir
müssen Dumbledore Bescheid sagen. Und dem Ministerium, obwohl ich denke, dass
es jetzt nicht noch weitere Auroren schicken möchte.
Ich denke, Dumbledore muss das erledigen.“
„Ich
werde mich in Verbindung setzen“, mischte sich Lucius ein.
„Ich
denke, das können wir übernehmen“, sagte nun Ron.
„Mein
Sohn ist dort draußen!“, entrüstete sich Lucius laut, und Hermine zuckte
zusammen.
„Das
wissen wir. Dennoch wird Dumbledore eher unseren Kontakt bevorzugen.“
Sie
hatte die Hände zu Fäusten geballt. Es war doch wohl egal, wer Bescheid gab.
Hauptsache jemand tat es. Sie sah, dass Lucius’ Stolz mehr als gekränkt war und
dass er zu überlegen schien, ob er beleidigend sein sollte.
Aber
natürlich ließ er dieses Gefühl nicht zu.
„Fein.
Dann geben Sie Bescheid.“
Die
hohe, elegante Gestalt von Lucius Malfoy war im Wohnzimmer der Weasleys sowieso völlig fehl am Platz. Es wirkte fast
grotesk. Der Gegensatz von gemütlichen, bunten Flickensofas zu kalter
nordischer Schönheit. Bei seinem Anblick bekam Hermine wieder furchtbare
Schmerzen in ihrer Brust. Sie vermisste Draco. Sie vermisste ihn wirklich. Sie
vermisste seine Hände, seine Haut, sein Lächeln, seine grauen Augen, die zu
lachen schienen, wenn er sie ansah.
„Miss
Granger?“ Anscheinend hatte Lucius mit ihr gesprochen.
„Hm?“
Langsam klang das Adrenalin ab. Ihr Blick verschwamm etwas. Ohne darüber
nachzudenken, griff Lucius nach ihrem Oberarm und führte sie zurück zur Couch.
„Ich
sagte, Sie sollten sich nun wirklich ausruhen. Sie werden nicht helfen können,
und wenn Sie aufwachen, dann ist Draco wieder hier. Draco und… Potter“, fügte
er nach kurzem Überlegen hinzu.
Würde
das wirklich so sein? Würde Dumbledore sie finden können?
„Werden
Sie ihn begleiten?“ fragte sie mit leiser Stimme. Sprechen wurde schwer nach
einem gewissen Zeitpunkt der Müdigkeit.
„Ja“,
erwiderte der blonde Mann ohne Zögern. „Ich werde sie jetzt hoch bringen“,
erklärte er schließlich, umfasste sie mit dem anderen Arm und sie ließ sich
durch das Zimmer bugsieren. Arthur und Molly besprachen sich gerade, und Ron
beobachtete sie skeptisch. Anscheinend hielt er Lucius nicht für
vertrauenerweckend. Das tat Hermine auch nicht, aber sie war zu müde, um noch
zu protestieren.
~*~
Es
war noch dunkel, als er wieder aufwachte. Potter hockte immer noch neben ihm,
den Blick starr auf das Wasser gerichtet, als erwarte er, dass vielleicht die
Fische sie retten würden.
„Wenn
du willst, kannst du dich ausruhen, Potter.“ Seine Stimme klang grauenhaft. Er
hatte ewig nicht gesprochen, außerdem tat seine Kehle vom Salzwasser weh. Es
war also nur ein raues Flüstern. Potter wandte den Blick.
„Schon
ok.“
„Ich
meins ernst. Ruh dich aus, es hilft nichts, wenn du kaum noch kannst. Wer weiß,
wie lange wir noch alleine sind.“ Und eigentlich wollte er diese Worte nicht so
klingen lassen, wie sie es nun taten. Potter sah ihn kurz an.
Er
musste nicht fragen. Es konnte nämlich genauso gut sein, dass keine Hilfe kam.
Dafür aber Feinde. Nicht, dass diese Aussicht Potter wohl besser schlafen
lassen würde, aber immerhin legte er sich jetzt flach auf den Rücken und
verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Seine Augen starrten ausdruckslos nach
oben.
Sie
hatten nur einen Zauberstab, keine Verpflegung, nichts außer Salzwasser und
höchstwahrscheinlich keine Chance gegen einen Haufen Dementoren oder sonstige
Kreaturen, die sie heimsuchen würden.
Mehr
wohl aus gutem Willen als Müdigkeit, schloss Potter schließlich seine Augen.
Draco bezweifelte, dass er wirklich schlafen würde, aber es war eine nette
Geste, die wenigstens etwas Vertrauen symbolisierte. Er betrachtete den Jungen,
den er schon seit sieben Jahren immer nur gehasst hatte.
Er
wirkte unscheinbar im Vergleich zu seinen Geschichten. Draco hatte sich schon
öfters gefragt, was Potter wirklich so besonders machte. Die Narbe entstellte
ihn bloß. Seine Haare vielleicht. Wahrscheinlich mochten die Mädchen das. Oder
war es sein Gesicht? Seine grünen Augen? Seine Figur? Sehnige Muskeln vom Quidditch spielen, die auch er besaß? Quidditch
war ein fabelhafter Mädchenmagnet, allerdings war er sich nicht sicher, ob es
Potter darauf ankam.
Sein
Vorname konnte es wohl kaum sein, denn kein heißes Mädchen ließ sich auf einen
Jungen namens Harry ein. Na ja, vielleicht sah es die kleine Weasley anders. Er
nahm an, dass alleine der Mut ihn so attraktiv werden ließ.
Gereizt
wandte er den Blick ab. Es gab keinen Grund, egal wie verloren die Situation
auch war, dass er über Potter fantasierte, anstatt über… seine Frau. Ja. Großer
Gott, er wurde achtzehn und war bereits verheiratet und im Begriff Vater zu
werden. Vorausgesetzt, er würde das hier Überleben.
Der
Wind pfiff scharf über die Küste, und drohte das Feuer zu löschen. Er langte
nach dem Zauberstab, und stumm dachte er die Formel. Das Feuer loderte erneut
auf. Potter hielt die Augen immer noch geschlossen.
Draco
erlaubte sich, seine Kleidung zu inspizieren. Sein Umhang war zerrissen, und
trotz der üblen Lage störte es ihn. Er hasste es, nicht entsprechend gekleidet
zu sein. Er wollte gar nicht wissen, wie schmutzig oder verletzt sein Gesicht
war. Wäre Granger jetzt hier, würde sie ihn wahrscheinlich pflegen. Oh ja… Das
würde ihm sehr gefallen.
Kurz
erlaubte er es sich, die Augen zu schließen, sah ihre dunklen Haare, ihre
dunklen Augen verschwörerisch funkeln, ihre vollen, geschwungenen, absolut
fantastischen Lippen und konnte sich sogar fast einreden, sie auf seinem Mund
zu spüren.
Er
hatte gehört, dass Menschen in gewissen Situationen dazu neigten, über ihr
Leben nachzudenken, anzuzweifeln, was sie taten, aber er glaubte nicht, dass
Potter irgendetwas bereute. War er neidisch? Nein. Wahrscheinlich nicht. Denn
wäre er nicht, wer er war, dann hätte er Granger niemals bekommen.
Schämte
er sich dafür mit einer Muggel verheiratet zu sein?
Auf gar keinen Fall, denn jeder Zauberer, egal wonach er sich nun orientierte,
würde Granger absolut und bedingungslos verfallen. Sie ließ ihn erkennen, dass
Blut und Status völlig egal waren.
Er
spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend und würde jetzt nur zu gerne bei ihr
sein. Er wusste, er würde sie nie wieder verlassen, sollten sie es nach Hause
schaffen. Ob der Patronus angekommen war? Ob er
helfen würde, sie zu finden? Wer würde kommen? Und wann? Würde überhaupt jemand
kommen? Was, wenn nicht einmal Feinde hier waren? Würden sie sich dann
gegenseitig umbringen müssen, bevor sie sich auffressen würden? Ihm wurde
schlecht.
Nein.
Niemand würde sich umbringen. Zur Not schwammen sie einfach. Es gab
Kraftzauber. Im Zauberersport streng verboten, aber
das hier war eine Notsituation. Würde ein Kraftzauber ausreichen, um sie nach
Hause zu bringen?
Er
bezweifelte es stark.
Jetzt
hob sich Potters Brust regelmäßig. Er war tatsächlich eingeschlafen. Sein Kopf
kippte zur Seite, und seine Brille hing nun etwas schräg auf seiner Nase.
Wahrscheinlich war sie verhext, damit sie nicht ständig zerbrach, wenn er sich
in Gefahr begab. Draco betrachtete ihn immer noch.
Wahrscheinlich
würde er nicht mit ihm befreundet sein können. Vielleicht waren sie doch in
gewissen Dingen einfach zu ähnlich. Aber sie hatten zumindest eine
Gemeinsamkeit, die, ohne leugnen zu können, ein Pluspunkt war. Potter würde
Granger genauso beschützen, wie Draco es tun würde.
Nur
für einen Moment würde er die Augen schließen, und sich vorstellen, er würde
sie in seinen Armen halten. Nur für einen Moment. Nicht lange. Er würde nicht
einschlafen. Er würde bloß ganz kurz seine Augen ausruhen.
~*~
Es
war ein seltsamer Traum. Grelles Licht blendete seine Augen. Waren
das Fackeln? Kamen die Dementoren mit Fackeln? Unbequem war er gegen ein Stück
Treibholz gesackt. Mit Schmerz verzogenem Gesicht richtete er sich wieder auf.
Das magische Feuer war erloschen. Die Glut schien abgekühlt, aber es war nicht
mehr ganz finster. Anscheinend wurde es hell. Aber das war nichts Gutes, sollte
es sich um Feinde handeln. Er war noch nicht richtig wach, konnte noch nicht
richtig denken.
Potter
lag immer noch ruhig neben ihm. Er musste ihn wecken. Sie mussten irgendetwas
tun. Es waren bestimmt fünf Gestalten. Aber sie flogen nicht. Sie gingen über
den Sand. Dementoren gingen nicht zu Fuß. Waren es noch mehr Todesser, die
sicher sein wollten, dass sie starben? Würden sich Todesser die Mühe machen?
Nein. Das konnte er mit Sicherheit sagen.
„Dort
drüben!“
Er
kannte diese Stimme. Nur zu gut kannte er sie.
Er
richtete sich noch weiter auf. Das blonde Haar seines Vaters war selbst in der Dunkelheit
gut zu erkennen. Erkenntnis traf ihn. Wenn er sein Haar sah, dann sah sein
Vater auch seins. Die Gestalten kamen näher. Kam sein Vater zur Rettung oder
führte er einen Befehl aus?
„Potter“,
flüsterte er, aber dieser schnarchte ungerührt weiter.
„Da
sind beide! Wo sind die Auroren?“ Es war eine andere
Stimme. Aber diese kannte er auch. Severus Snape lief neben seinem Vater her.
Dann konnte es kein Auftrag sein. Langsam klärte sich Dracos verschlafener
Blick. Die Zauberer schwenkten ihre Zauberstäbe, um sich einen Überblick zu
verschaffen.
Lucius
stand nun vor ihm, den Blick auf ihn gerichtet. Draco konnte keine Regung darin
erkennen. Dann ließ sich Lucius auf die Knie fallen. Anscheinend war ihm der
Sand auf seinem teuren Samtumhang egal. Seine Hand hob sich zu seinem Gesicht
und strich die Haare zurück.
„Draco…“
Er sagte es nicht laut. Und dann sah Draco, dass sein Vater sich nur bemühte
keinerlei Regung zu zeigen.
„Dad…“,
erwiderte Draco und erkannte seine Stimme wieder einmal nicht. Sie war nicht
nur leise, nein, sie klang völlig fremd. Aber wahrscheinlich lag das nur an dem
ungewohnten Wort in seinem Mund. Lucius nahm nun beide Hände und betastete
Dracos Gesicht, als müsse er sich erst vergewissern, dass er es wirklich war.
Draco zuckte zusammen. Anscheinend hatte er Wunden im Gesicht, von denen er
noch nichts gemerkt hatte.
Übergangslos
drückte ihn sein Vater an sich. Das hatte seit dem Kindergarten nicht mehr
getan. Und selbst da nicht häufig. Es fühlte sich seltsam an. Und nur zu
schnell wich Draco wieder zurück. Teils aus Schmerzen, teils aus Unsicherheit.
Wahrscheinlich war es für eine solche Art an Nähe zu spät.
„Kannst
du laufen?“, fragte er jetzt, und Draco nickte vage.
Snape
weckte gerade Potter wesentlich unsanfter auf. Dieser sprang sofort auf die
Beine. Aber er begriff schnell, dass ihnen keine Gefahr mehr drohte. Dumbledore
erreichte beide, und Draco hatte den Mann noch nie so schuldbewusst erlebt.
„Es
tut mir so leid“, sagte dieser jetzt. „Ich hatte nicht nachgedacht. Nicht genug
jedenfalls. Ich hoffe, ihr seid in Ordnung. Wir bringen euch nach Hause.“ Es
war Draco egal, ob es die Schuld dieses Mannes war, dass sie hier hin gekommen
sind. Es zählte bloß, dass dieser Mann sie nun erretten würde.
„Kommt.
Der Portschlüssel ist nur für zehn Minuten offen.“ Snape zog die beiden in die
Höhe. Dann wurde Potter von Arthur Weasley umarmt. Und sogar er wurde von dem
rothaarigen Mann kurz in die Schulter geknufft. Der letzte Mann war Kingsley.
Anscheinend hatte Kingsley überlebt. Das erinnerte Draco nur zu schmerzlich an
ihre Verluste.
„Moody…“,
sagte er unvermittelt und hatte inne gehalten. Bis jetzt hatte er sich nicht
erlaubt daran zu denken. Auch Potter blieb stehen.
„Wir
haben bereits davon gehört. Wir haben von allen… gehört. Es ist… jetzt nicht
die Zeit. Wir müssen hier fort“, erklärte Dumbledore streng. Sie wussten es
also. Das machte es nicht besser. Es war ihre Schuld. Dracos Herz wurde
unheimlich schwer.
„Wo
ist er?“, fragte Potter jetzt. Jeder schien zu wissen, was er meinte.
Voldemort.
„Verhaftet“,
sagte Lucius. „Alle übrigen ebenfalls.“ Draco hob den Blick. Gehörte sein Vater
nicht zu den übrigen? Und wenn nicht, warum nicht? Lucius verdrehte gereizt die
Augen. „Dein Vertrauen ist herzerwärmend, Draco.“ Bevor Draco antworten konnte,
hatte sein Vater etwas unbeholfen den Arm um seine Schulter gelegt.
„Ich
denke, dein Vater hat es hinter sich“, sagte Arthur nun, während sie sich alle
um den unscheinbaren Portschlüssel platzierten. Aber selbst diese alte
zerrissene Schwimmweste, würde seltsam auf dieser völlig leeren Insel aussehen.
Mit Schaudern wandte sich Draco noch einmal um und warf einen Blick auf die
tosenden Wellen. Nein, er würde das hier nicht einmal seinem schlimmsten Feind
wünschen.
Denn
dieser war hier ebenfalls mit ihm gewesen. Er realisierte, dass er nun keinen
schlimmsten Feind mehr hatte. Aber es würde sich bestimmt noch einer finden
lassen, in den nächsten sechzig Jahren.
~*~
Er
hatte keine Ahnung in welchem Bett er eigentlich lag. Draußen war es immer noch
stockfinster. War er in Malfoy Manor? War er bei den Weasleys? War er in seinem Cottage? Er war sich nicht mehr
sicher, dabei wusste er noch, er war irgendwo angekommen. Dumbledore hatte
Potters und seine Wunden geheilt, und sie hatten noch einen Trank bekommen. Wahrscheinlich
für den traumlosen Schlaf.
Er
zuckte vor Schreck zusammen, als sich eine Hand auf seinen Bauch legte.
„Bist
du wach?“
Sie.
Ihre Stimme.
„Granger?“
Er wandte sich um. Gott, er war zu müde. Er musste wach werden, musste sie
sehen, sie fühlen.
„Shh… nicht bewegen. Du sollst schlafen.“
„Schlafen…
ja, sicher.“ Seine Augen nahmen nur verschwommen ihren Umriss war. „Mach Licht“,
befahl er knapp, als ihm einfiel, dass er seinen Zauberstab nicht mehr besaß.
Sie
entzündete eine Öllampe neben dem Bett mit ihrem Zauberstab, und ihre Schönheit
erschlug ihn fast. Er hatte das Gefühl, dass er hundert Jahre weggewesen war.
„Wir… sind Zuhause“, stellte er nüchtern fest. Er war in seinem Cottage. Mit
seiner Frau.
Sie
lächelte zaghaft. Er richtete sich mühsam auf und zog sie näher an sich. „Du
glaubst nicht, wie sehr ich dich vermisst habe“, murmelte er. Sie lachte leise.
„Doch,
ich weiß. Du hast es mit schon gesagt.“
„Wann?“
„Im
Schlaf. Gerade eben.“
„Das
zählt nicht“, beschwerte er sich und wischte sich die Strähnen aus der Stirn.
„Du… du bist… so wunderschön. Weißt du das eigentlich?“
Sie
lächelte schief. „Du bist vollkommen fertig. Du solltest wirklich schlafen.“
Er
schüttelte träge den Kopf. Dann schlang er seinen Arm um ihren Hals. Sie roch
fantastisch. Genauso wie immer. Genauso wie er es immer haben wollte. „Küss
mich, Granger.“
Sie
tat ihm den Gefallen. Seufzend schlossen sich ihre Augen. Ihre Lippen… endlich!
Er küsste sie hart zurück, schob seine Zunge ungeduldig zwischen ihre Lippen,
und es war ihm egal, dass er keinen Mundspülzauber verwenden konnte. Es war ihm
alles furchtbar egal.
„Draco…
das ist jetzt wirklich nicht…“ Es war ihm egal, dass sie wollte, dass er sich
ausruhte. Auch die Schmerzen, die er in der Hüfte hatte, als er sie mit seinem
Gewicht umwarf, waren ihm egal.
„Du
wirst immer dicker, Granger“, neckte er sie, und sie keuchte unter ihm
entrüstet auf.
„Tja,
dann wirst du dich wohl beherrschen müssen“, murmelte sie, aber in ihren Augen
erkannte er keine Wut.
„Es
gibt andere Wege“, erklärte er und konnte immer noch nicht fassen, dass er sie
wieder hatte. Er drehte sie auf die Seite, schob ihr Nachthemd nach oben und
strich sanft über ihren bloßen Rücken. Sie war einfach absolut hinreißend.
„Ich
liebe dich, du Idiot“, murmelte sie leise und strich ihm über die Wange.
Seine
Erektion erwachte mit seinem Adrenalin, und er presste sich eng an sie.
„Ich
hoffe, Sie sind nicht zu müde, Mrs Malfoy“, knurrte
er unbeherrscht, als er ihr Höschen ihre Beine hinab zerrte und sich von seiner
Shorts befreite.
„Niemals“,
flüsterte sie, und er drang ohne Zögern in sie ein. So eng, so heiß, seins. Für
immer seins. Er schloss ergeben die Augen und griff fest um ihre Hüfte. Ihm war
klar, ihnen blieben bloß noch einige Wochen, ehe sie nicht mehr alleine waren.
Nicht mehr allein.
Er
wäre niemals wieder mehr allein. Er küsste ihren Rücken, presste sich enger an
sie, drang tiefer in sie ein, atmete ihren Duft, spürte ihre Haut und griff
hart in ihre dunklen Locken.
„Ich
liebe dich“, flüsterte er heiser. Sie warf den Kopf nach hinten und gab sich
ihm völlig hin.
Seins.
Sie war seins. So einfach war es also. Sie keuchte unter seinen Stößen auf.
Nichts würde sich ändern.
Na
ja, fast nichts würde sich ändern…
Sein
Vater betrat das Vorzelt, aber Draco war zu gefangen, von seinem eigenen
Spiegelbild. Der Festumhang hatte so viele Galleonen gekostet, dass er damit
wahrscheinlich ein Jahr nicht hätte arbeiten müssen, würde er ihn verkaufen. Nicht,
dass er überhaupt arbeiten musste. Überall funkelten silberne Fäden, die
eingenäht worden waren.
Indische
Seidenraupenfäden waren nahezu unbezahlbar.
„Aufgeregt?“,
fragte sein Vater, wenn auch weniger ernst gemeint.
„Ich
bin bereits verheiratet, Vater“, bemerkte Draco knapp, und ignorierte die
Tatsache, dass er immer noch an den Tag denken musste, als ihn sein Vater
gerettet hatte.
„Aber
nicht offiziell. Ich habe etwas für dich.“ Die letzten Monate waren seltsam
gewesen. Für ihn, für seinen Vater, seine Mutter und für Hermine. Die Familie
war tatsächlich zusammen gewachsen.
„Du
willst mir etwas schenken?“ Argwöhnisch wandte er sich schließlich um. Sein
Vater übertraf ihn wie immer grenzenlos. Er wirkte in seiner Robe fast adelig.
Seine Statur war beeindruckender. Wieder einmal sah sein eigener Vater besser aus,
als er selber. Aber Eifersucht war ihm, zumindest im Moment, fremd.
Lucius
zog eine schmale Schachtel aus seinem Umhang.
Er verzog schließlich den Mund, als sich Dracos Blick darauf richtete.
„Es
ist kein großes, magisches Erbstück, Draco. Ich habe es damals unheimlich
unpassend gefunden. Mein Vater war niemals… so sehr von dem reinen Blut
besessen gewesen.“
Draco
glaubte, dass er seinen Vater noch nie so gesehen hatte. Lucius Malfoy entschuldigte
sich für etwas. Er nahm die Schachtel und öffnete sie. Darin befand sich eine
Taschenuhr. Er wusste nicht, ob überhaupt noch jemand eine Taschenuhr
verwendete, aber er war sich sicher, dass sie mehrere tausend Galleonen wert
sein musste.
Fremde
Schriftzeichen waren in die goldene Hülle eingraviert worden, und auch, wenn
sie keinerlei magische Funktionen hatte, war sie wunderschön.
„Danke,
Dad.“
„Es
ist seltsam.“
„Was?“
„Dieses
Wort zu hören.“ Draco hob den Blick. Er hatte Lucius schon wieder so genannt.
Es fiel ihm gar nicht mehr auf. Er verdrehte knapp die Augen.
„Wo
ist Mutter?“
„Sie
ist bei Hermine. Sie ist sowieso aufgeregt genug.“
„Hast
du gesehen, ob Potter schon hier ist?“
„Er
ist gerade gekommen. Viola ist bei ihm. Ich werde sie ihm jetzt wieder
abnehmen.“ Draco konnte sich das Schmunzeln nur knapp verkneifen. Sein Vater
hatte sich so verändert. Seit er seine kleine Enkeltochter hatte, war Lucius
vom bösen Monster zum liebenswerten ‚Grandpa‘ mutiert.
„Bis
gleich.“
Potter
war nämlich sein Trauzeuge, und bis zu diesem Moment hatte Draco noch daran
gezweifelt, ob er wirklich auftauchen würde.
„Hey,
Malfoy.“ Es war ziemlich viel los heute. Weasley hatte sich einen neuen Anzug
gekauft.
„Hältst
du mir jetzt wieder deine Ansprache, Weasley?“ Er war zu nervös, um Scherze zu
machen.
„Nein,
die kennst du.“
Weasley
streckte ihm seine Hand entgegen.
„Was
wird das?“, fragte Draco beunruhigt.
„Hermine
will es. Also…“
Draco
nickte schließlich. Es war gar nicht mal schwer. Er schüttelte Weasleys Hand. Lange sogar. „Ich bin froh, dass sie nicht
so aussieht wie du.“
Draco
musste lachen. „Nein, sie ist ganz und gar Hermine.“
„Ich…
werde Harry Bescheid sagen“, murmelte Weasley jetzt und nickte ihm noch einmal
zu. Draco konnte nicht erwarten die Trauung hinter sich gebracht zu haben, denn
dann konnte er gemütlich mit Hermine und seiner wunderschönen Tochter zu Hause
sitzen.
~*~
„Du
musst schon ruhig halten.“ Ginny schob sich ärgerlich eine Strähne aus der
Stirn. Ihr Kleid hatte umgenäht werden müssen, denn jetzt war Ginny schwanger.
Und zwar im siebten Monat.
„Meinst
du, Harry kommt zu spät? Hast du eigentlich nachgesehen, ob alle Gäste da sind?
Ist Viola bei Lucius?“
„Ich…
keine Ahnung, Hermine. Bitte, halt still. Ich kann die Schleife nicht zubinden,
wenn du die ganze Zeit zappelst.“
„Ich
hoffe, mein Boss hat die Einladung bekommen. Ob Bill es schafft? Ich denke, ich-“
„-du
solltest jetzt einfach still halten, oder du wirst nackt heiraten müssen“,
drohte ihre beste Freundin, und Patentante ihres Kindes jetzt todernst.
Hermine
verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Ihr Blick blieb im Spiegel hängen. Das
Kleid war unheimlich schön. Narzissa und Molly hatten sich um die Auswahl
gekümmert. Hermine war schon wieder einmal zu beschäftigt gewesen.
Der
Ring steckte bereits an ihrem Finger. Sie hatte Draco gesagt, dass sie diese
offizielle Trauung lächerlich fand, aber er hatte es als guten Ton dargestellt,
wenn sie nun tatsächlich vor allen Menschen heiraten würden. Sie hoffte, Viola
würde nicht quengeln. Aber Lucius hatte die seltsame Gabe, sie ständig zu
beruhigen.
Lucius
und ihr Vater stritten sich den ganzen Tag lang um die Aufmerksamkeit des
Kindes. Es war zu süß. Vor allem, wenn man die Tatsache bedachte, dass Lucius’
Ansicht gegenüber Muggelstämmigen noch vor ein paar
Monaten eine völlig andere gewesen war.
Und
obwohl sie erst etwa eine Stunde von ihrer Tochter getrennt war, hielt sie es
kaum noch aus.
„Wann
fangen wir an?“
„In
einer halben Stunde.“ Narzissa betrat das Zelt. In ihren Händen trug sie einen
Schleier aus reiner Seide. Er war zu schön, um überhaupt wahr zu sein. Hermines
Augen weiteten sich in größter Bewunderung.
Der
Stoff war schwer genug, um fließend auf den Boden zu fallen. Er reichte
bestimmt bis zum Saum des Kleides, und würde ihr Gesicht ausreichend verbergen,
um ihr aber immer noch genügend Sicht zu geben.
Er
war wunderschön. Und das, obwohl sie überhaupt keine Hochzeit, kein Kleid und
keinen Schleier gewollt hatte.
Wie
einen kostbaren Schatz befestigte Narzissa den Schleier. Hermine hatte nun
Angst, sich überhaupt nicht mehr bewegen zu können.
Es
war wie ein wunderbarer Traum. Es war nicht mehr real. Sie sah so vollkommen
anders aus. Die edlen Locken unter dem Schleier, sahen nicht so aus, wie ihre
eigenen Haare. Sie sah ganz und gar nicht mehr aus wie Hermine Granger. Aber
sie war seit fast einem Jahr nicht mehr Hermine Granger.
Sie
war Hermine Malfoy.
Und
das sah man ihr an. Narzissa hatte sich die Hand über den Mund gelegt, und
bedachte sie mit vollkommener Verzückung. Molly weinte. Ihre Mutter kam leider
etwas später. Es gab noch eine Notoperation in der Praxis, die nicht hatte verschoben
werden können, aber sie war recht gut ausgestattet, mit ihren beiden
Ersatzmüttern.
Nichts
konnte diesen Moment perfekter machen. Und nichts konnte ihn zerstören.
Nun.
Fast nichts.
„Du
hast sie mitgebracht?“, schrie Pansy außer sich.
Pansy
hatte schon etliche Gläser Sekt getrunken, obwohl Hermine ihr davon abgeraten
hatte. Aber Pansy war unbelehrbar.
„Ich
kann mich nicht erinnern, dass du mich in irgendeiner Weise gebeten hast, dich
mitzunehmen, Pansy“, erwiderte Goyle ebenso zornig.
Hermine schloss die Augen. Es konnte unmöglich wahr sein, dass Pansy ihre
Hochzeit ruinierte. Sie raffte das Kleid zusammen und stieg von dem kleinen
Podest.
Molly
und Narzissa bedachten sie mit tadelndem Blick.
„Ich
bin sofort wieder da“, murmelte Hermine, und vergaß sogar, dass sie einen
unbezahlbar schönen Schleier aufhatte. Sie schob den Stoff achtlos aus ihrem
Gesicht und verließ zornig das Zelt.
„Pansy!
Macht es dir etwas aus, nicht zu schreien?“, fuhr sie die Schwarzhaarige an,
die sich sofort an Goyle wandte.
„Er
hat Melissa mitgebracht.“
„Das…
ist sein gutes Recht“, endete Hermine gezwungen ruhig. „Die Einladung sind für
eine Person plus Gast.“
„Aber
er…“ Pansy merkte anscheinend, dass sie sich ganz und gar nicht so verhielt,
wie sie es eigentlich sollte, aber der Alkohol siegte schließlich.
„Wieso
sagst du es nicht einfach, Pansy?“ Goyle wurde
lauter, und Hermines Blick wandte sich panisch um. Die Gäste würden es hören,
es würde ein Skandal werden, Pansy würde Goyle
verfluchen, und dann würde sie ein Verfahren am Hals haben.
„Was
soll ich sagen? Dass du ein Idiot bist, Greg? Ich denke, das ist jedem klar,
außer dir.“
„Wieso
bin ich ein Idiot, Pansy? Weil ich mit Melissa komme, obwohl der Hauch einer
Möglichkeit bestand, dass du mit mir gegangen wärst? Weißt du, ich habe keine
Lust mehr, darauf zu warten, ob du deine Meinung möglicherweise irgendwann
ändern wirst. Ich habe vor Ewigkeiten mit Melissa Schluss gemacht, du hattest
deine Chance, aber anscheinend liegt dir doch nichts an mir. Ich bin froh, dass
ich mit Melissa hier bin.“
Ihr
Mund klappte auf. Hermine hatte Goyle noch nie so
viele Worte aneinander reihen sehen. Und dabei hatte sie zurzeit recht viel mit
ihm zu tun, wo sie arbeitete. Sie sahen sich oft zum Mittagessen in den Drei
Besen. Aber eigentlich sprach er nicht viel.
„Du…
du liegst ja so was von falsch“, murmelte Pansy undeutlich und senkte nun den
Blick.
„Was
ist es dann?“
„Wenn
man jemanden liebt, dann muss man nicht alles laut sagen, verflucht noch mal. Ich
hasse dich, Gregory Goyle. Das habe ich immer getan,
und daran wird sich nichts ändern.“ Sie schluchzte laut auf.
Goyles Hände sanken an seine Seite. In seinem
Gesicht arbeitete es, und Hermine hoffte inständig, dass das Geschrei hiermit
beendet war.
„Pansy,
du… du bist…“ Er schüttelte zornig den Kopf, schwieg dann aber schließlich.
Stattdessen schloss er den Abstand zwischen sich und ihr und küsste sie heftig.
Zuerst
sah es so aus, als ob Pansy ihn mit dem Klammerfluch belegen wollte und ihn
danach womöglich in Stücke fluchen würde. Aber schließlich lagen ihre Hände um
seinen Nacken. Sie waren wie festgewachsen. Das war besser, als das Geschrei.
„Wie
romantisch.“ Sie wandte sich um. Harry sah aus wie immer. Der teure Anzug
lenkte nicht wirklich von seinen furchtbaren Haaren ab, die in alle Richtungen
standen. Sie musste grinsen.
„Ja,
wozu sind Hochzeiten sonst da? Vor allem diese. Ich bin schon verheiratet. Da
muss wenigstens irgendwer anders auch noch Glück haben.“
„Du
siehst wunderschön aus, Hermine“, sagte er Harry nun schlicht. Ihr Grinsen
wurde breiter.
„Das
liegt bloß am Kleid.“ Harry grinste auch.
„Ich
denke, ich muss zu Malfoy. Er wird noch denken, ich habe ihn vergessen.“
„Ok.
Bis gleich, Harry.“
„Ich
liebe dich.“
Sie
nickte glücklich. „Ich liebe dich auch“, flüsterte sie zurück und machte sich
wieder auf den Weg ins Zelt. In fünfzehn Minuten ging es los. Sie war genauso
aufgeregt, wie vor ihrer letzten Prüfung.
~*~
„Draco
Lucius Malfoy, wollen Sie Hermine Jean Malfoy erneut zur Frau nehmen?“ Dem
Priester fiel es schwer, ernst zu bleiben. Es war natürlich eine recht absurde
Sache, zweimal zu heiraten.
Er
sah den Priester nicht einmal an. Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, ihrem
Körper, ihrer gesamten Erscheinung.
„Oh
ja“, sagte er schlicht.
„Und
Sie, Hermine Jean Malfoy, wollen Sie…?“
Doch
er unterbrach seine Rede. Draco hatte sie einfach an sich gezogen, unwillig zu
warten. Sie quietschte gegen seine Lippen, und er fühlte ihr Grinsen. Sein Kuss
wurde fordernder, und schließlich ergab sie sich.
„Ich
fasse das als Ja auf. Sie küssen die Braut bereits, also… Ich erkläre Sie beide
erneut zu Mann und Frau, vor dem magischen Gesetz, bindend und für immer.“
Die
Worte gingen an ihm vorbei. Der Applaus ebenfalls. Es war völlig egal. Aber es
war nett, seine Frau vor hundert Leuten zu küssen. Er wusste, ihr musste es
unheimlich peinlich sein. Er hoffte, von ihr später bestraft zu werden….
~*~
„Draco?“
Er
hob den Kopf. Sie stand vor ihm. Ihre drei Monate alte Tochter auf dem Arm.
„Ja,
Liebes?“
„Du
siehst doch Severus und Albus am Montag wieder.“ Ihre Stimme klang tadelnd.
„Lucius und Narzissa werden Viola jetzt mitnehmen. Also können wir… nach
Hause.“
Er
erhob sich plötzlich sehr schnell.
„Gentlemen.“
Mit einem Nicken verabschiedete er sich, von den Schnaps trinkenden Herren, die
sich beide einen bedeutsamen Blick zuwarfen. Er nahm Hermine das Mädchen aus den
Armen und presste seine Lippen auf den weichen, blonden Haarschopf seiner
Tochter.
Sie
döste bereits in seinen Armen weg.
„Lass
uns gehen“, raunte er ihr zu. Es fiel gar nicht auf, dass sie die Party
verließen. Harry und Ron betranken sich ausgelassen, Ginny und Molly hatten die
Köpfe in einem Baby-Ratgeber von Madame Perkins vergraben, und Pansy und Goyle waren ziemlich offensichtlich beschäftigt. Hermine
fiel jetzt erst auf, dass Melissa nicht mehr da war. Aber was sollte sie hier
auch noch?
Sie
überreichten Viola an Lucius, der sie mit leuchtenden Augen empfing.
„Oh,
da ist aber eine kleine Prinzessin müde, nicht wahr?“, raunte er mit einer
Stimme, die Dracos nur zu ähnlich war. Man hörte nicht mehr die Wut und den
Zorn und die Bösartigkeit heraus. Hermine musste schmunzeln.
Sie
verabschiedete sich von ihren Eltern, die beleidigt waren, weil sie Viola erst
nächste Woche bekamen, aber Hermine würde sich nicht schon wieder darüber
streiten.
Sie
verließen das Grundstück, apparierten gemeinsam, und
schweigend verschwanden sie in ihrem eigenen Haus, wenige Kilometer weiter. Lowyn schlief bereits, alles war dunkel und still. Überall
lagen noch vereinzelter Spielsachen ihrer Tochter verteilt, aber das war recht
nebensächlich.
Draco
war nicht einmal geduldig genug, das Licht anzumachen, während er sie aus ihrem
Kleid befreite.
„Nicht…
Draco… Deine Mutter wird mich umbringen.“
„Wird
sie nicht“, knurrte er unbeherrscht, und sie wusste, es war ihm völlig egal, ob
irgendein Kleid einen Riss bekommen würde.
Seine
Hände wanderten geschickt zu Verschluss des Kleides, und schon nach kaum einer
Minute, hatte er sie befreit. Fachkundig berührte er jede Stelle ihres Körpers,
bis sie unbewusst, die Augen schloss und sich ein Stöhnen nicht mehr verkneifen
konnte.
Er
hob sie auf seine Arme und trug sie nach oben. Das Kleid blieb unbeachtet
zurück. Seine hellen Augen ließen sie nicht aus dem Blick, und sie spürte die
Röte in ihren Wangen. Jedes Mal wurde sie rot, wenn er sie voller Hunger und
Verlangen ansah. Es war schon peinlich.
Er
legte sie aufs Bett und war keine Sekunde später über ihr. Er hielt inne, ihre
Gesichter keine Handbreit mehr entfernt voneinander.
„Ich
liebe dich, Hermine“, flüsterte er jetzt voller Ehrfurcht. Oh Gott, seine
Stimme brachte sie völlig um den Verstand. So rau, so tief… Sein Blick war
betörend und bezaubernd zugleich. Sie wusste, ihre Stimme würde versagen, würde
sie antworten, deswegen zog sie ihn einfach zu einem Kuss hinab.
Sanft
lagen seine Lippen auf den ihren, übten keinerlei Druck aus. Er verharrte in
dieser Position und küsste sie ruhig und geduldig. Sie wurde immer unruhiger
unter seinem sehnigen, muskulösen Körper.
Er
löste seine Lippen von ihren und küsste sich eine Spur zu ihrem Hals. Sie
zitterte unter seiner sanften Tortur. Nervös befreite sie ihn von seiner
Kleidung, immer wieder vollkommen verblüfft über die Tatsache, dass es ihr
zuteilwurde, einen so wunderschönen Mann zu haben. So perfekt, so
leidenschaftlich, so… animalisch verführerisch.
Seine
Hände spreizten sachte ihre Beine, während er sich mit aller Zeit der Welt
zwischen ihnen platzierte. Sie hätte am liebsten vor Ungeduld geschrien, aber
plötzlich presste er seine Hand gegen ihr empfindliches Nervenbündel, und sie
keuchte auf.
Sie
biss sich auf die Lippe und bog sich um entgegen. Sie hörte sein raues Lachen.
Seine Hand massierte weiter, während sie sich innerlich nach ihm verzehrte.
„Sag
es…“, flüsterte er leise, und ihre Lider flatterten auf. Sie schluckte schwer,
denn ihr Mund war trocken. Er zog seine Hand zurück, und sie spürte die weiche
Haut seines Penis’ an ihrem Schenkel. Er glitt weiter nach oben und verharrte
vor ihrer feuchten Hitze.
Ihre
Wangen flammten auf, als sie grob in seine Haare griff.
„Ich
liebe dich“, keuchte sie atemlos, küsste ihn, und in derselben Sekunde stieß er
sich kraftvoll in sie, versank sich komplett, und sie spürte ihn erzittern. Er
entfernte sich und stieß wieder nach vorne. Ein tiefes Grollen erschütterte
seine Brust bei jedem Stoß, und sie wollte ihn noch tiefer in sich spüren,
wollte mit ihm verschmelzen.
Es
kam ihr vor als vergingen Stunden, bei ihrem süßen Liebesspiel. Sie war völlig
erschöpft, als er sich nach vielen Orgasmen aus ihr entfernte und neben sie
rollte.
„Alles
Liebe zum Hochzeitstag, Mrs Malfoy…“
Sie
schloss lächelnd die Augen und kuschelte sich eng an seinen nackten Körper. So
würde es sein. Das war ihr Leben.
Absolut
perfekt.
„Das
glaube ich nicht.“
„Wieso
kannst du nicht einmal glauben, was ich sage.“
„Weil
ich älter bin als du.“
„Das
ist doch Hippogreifkacke.“
„Devon
Goyle! Ich habe dir schon hundertmal gesagt, du
sollst nicht fluchen. Vor allem nicht vor Mädchen.“
„Tante
Pansy, das ist kein Problem für mich. Ich stehe darüber“, bemerkte das blonde
Mädchen mit einem Grinsen.
Zornig
ergriff Pansy den Arm ihres Sohnes. „Warte, bis ich es deinem Vater erzähle.
Vielleicht überlegt er sich das mit der Eule dann noch mal.“
Devon
sah plötzlich ziemlich bestürzt aus. „Nein! Ich habe es doch Vi schon erzählt, dass ich eine bekomme!“ Seine großen
blauen Augen weiteten sich noch ein Stück mehr.
„Dann
hör auf anzugeben, oder zu streiten. Ich habe es dir doch gesagt!“
„Aber
Mommy, ich…“
„Nein.“
„Ich
sehe, es ist mal wieder voll hier.“
Viola
sprang hastig auf die Beine und stürmte durch das Zimmer auf ihren Vater zu.
„Daddy,
Devon sagt, ich komme nach Hufflepuff, weil ich älter
bin als er.“
Draco
betrachtete seine Tochter knapp. „Aber ich weiß, dass es überhaupt nicht darauf
ankommt, wie alt man ist. Ich habe deine Bücher gefunden. Der Hut sagt nämlich,
wohin man kommt. Und ich habe gelesen, dass es nur auf den Wissensstandard
ankommt.“
Ihre
dunklen Augen sahen ihn forschend an. Er kannte diesen Blick. Hermine sah ihn
nicht anders an. „Und außerdem, du bist Lehrer. Zur Not kannst du es doch
entscheiden.“
Er
musste lachen. „Oh ja sicher. Ich bin der König von Hogwarts.
Deswegen habe ich volle Entscheidungsmacht. Mach dir keine Gedanken,
Prinzessin.“
„Daddy,
soll ich nach Slytherin? Ich habe gelesen, dort sind ziemlich kluge Zauberer
und Hexen.“
„Ich
weiß es nicht. Es ist auch eigentlich nicht wichtig.“
„Ja,
eigentlich. Wieso sagst du es mir nicht?“
„Weil
du nicht sofort alles wissen musst.“
„Mommy sagt es mir bestimmt!“ Verärgert machte sie sich aus
seinen Armen frei.
„Wenn
du sie findest, dann sag ihr, dass ich Onkel Harry für heute Abend eingeladen
habe. Tante Ginny und James kommen auch.“
„Oh,
nein. Ich mag diesen kleinen Jungen nicht.“
„James
ist kein Jahr jünger, Viola. Außerdem glaube ich, du magst ihn doch.“ Er
grinste breit. Seine Tochter warf ihre langen blonden Haare über ihre Schulter
und stolzierte davon.
„Willst
du sie verkuppeln?“ Hermine hatte die Haare hochgebunden. Immer wenn sie wieder
einen Austrag ausführen musste, tat sie das.
„Du
gehst?“
„Bill
und ich müssen heute Nacht nach-“ Aber Draco wollte das gar nicht hören.
„-mir
egal. Du sollst nicht immer mit Bill weggehen.“
„Oh
ja, weil er bestimmt in den nächsten fünf Minuten Fleur verlassen wird,
richtig?“ Draco zog sie in seine Arme und zog die Spange aus ihren Haaren.
„Pansy
und Greg werden sich gleich sowieso wieder streiten. Geh jetzt nicht. Deine
Tochter ist außerdem furchtbar unverbesserlich.“
„Von
wem sie das wohl hat“, murmelte Hermine lachend. Draco schlang die Hand um
ihren Hals und küsste sie sanft auf die Lippen. Es war wieder einmal zu voll
und zu laut im Haus. Für seinen Geschmack.
„Ieeh. Nicht küssen, Daddy. Ich glaube, Mommy
mag es auch nicht.“
Hermine
musste gegen seine Lippen grinsen. Er ließ von ihr ab. Seine Tochter hielt
triumphierend die Geschichte von Hogwarts in ihrer
kleinen Hand und sah ihn herausfordernd an.
„Um
was geht es denn dieses Mal? Du sollst doch deinen Vater nicht ärgern.“
„Ich…
tu ich nicht. Ich habe Beweise.“
Draco
wandte sich mit erhobener Braue an Hermine. Diese ging in die Hocke. „Geht es
schon wieder um die Häuserwahl?“
„Jaha. Devon ist nämlich ein… ein Doofmann.“
Hermine musste lächeln.
„Ich
denke, du musst dir keine Gedanken machen, Vi.“
„Ich
denke, ich werde mit Grampa darüber reden.“
Draco
musste lachen.
„Oh
ja, ich denke Grampa wird begeistert sein. Kommen sie
eigentlich?“, wandte er sich jetzt an seine Frau.
„Oh
ja. Ich glaube nicht, dass sich deine Eltern auch nur ein einziges Grillfest
entgehen lassen. Molly und Arthur bringen Wein mit. Und ich habe gehört, Ron
ist jetzt mit Luna zusammen.“
„Lovegood? Großer Gott. Wie kann das passieren? Und die
wievielte Freundin ist das jetzt?“
„Ist
doch egal. Jedenfalls freuen wir uns, dass er sie mitbringt.“ Sie hob eindeutig
die Augenbrauen.
„Ja…
sicher tun wir das.“
Schrill
drang Pansys Stimme aus dem Esszimmer zu ihnen hinüber. Sie war kaum zu
verstehen. Aber Goyle war nicht unbedingt leiser.
„Weil
ich es ihm versprochen habe! Ich bin außerdem der Besitzer. Wie sieht es wohl
aus, wenn er dieses Jahr als einziger mit einer ekligen Kröte auftauchen muss,
nur weil seine Mutter ihm eine Eule verboten hat?“
„Greg,
du machst das jedes Mal! Ich habe keine Lust mich schon wieder zu streiten.
Außerdem hat er diese Flüche doch von dir!“
„Nein!
Die meisten hat er von Draco!“
Super. Schön, dass er immer
wieder mit reingezogen wurde, in die großartigen Streits der Goyles.
„Immer
beschuldigst du Draco!“
„Draco
ist ja auch immer schuld“, entgegnete Goyle
unbeeindruckt. Hermine lächelte immer noch.
„Vi, du weißt ja, was du tun musst.“
„Ja.
Ich hol das Fluchglas. Mommy,
ich denke, wir haben bald genug gespart für Disneyland.“
„Wir
gehen auf gar keinen Fall ins Disneyland. Ich habe dir gesagt, dass ich von
diesem Muggelfreizeitpark nichts halte! Es ist doch
nicht mal echte Magie!“ Aber seine Tochter war bereits unterwegs in die Küche.
„Ich
hasse Grillfeste. Lass uns einfach abhauen. Harry kann die Leute unterhalten.“
Wieder zog er sie an sich.
„Nein.“
„Sagst
du immer nein?“
„Tante
Pansy und Onkel Greg küssen sich schon wieder. Sie schreien immer bevor sie
sich küssen. Zuerst dachte ich, dass tut man eben, aber ihr schreit nicht,
bevor ihr eklig seid.“
„Ich
hoffe mal, das Glas ist schwer“, meckerte Draco jetzt.
„Nein.
Nicht schwer genug für Disneyland.“ Draco verdrehte die Augen und opferte
erneut einen Knut für das blöde Fluchglas.
„Hey,
wieso ärgerst du Devon nicht noch ein bisschen?“ Er zog noch einen Knut aus
seiner Tasche. „Ich habe gehört, er ist ein Drachenkotkopf…“ Hermine schlug ihn
unsanft in die Seite.
„Draco,
also wirklich!“
„Das
gefällt ihm bestimmt nicht!“, lachte seine Tochter und ließ das Glas einfach
stehen. Ihre Lippen formten ein spöttisches Grinsen. Sie warf die blonden Haare
zurück und lief lachend durch das Zimmer. „Oh, Devon, komm mal her!“
„Sie
kommt nach Slytherin.“ Er konnte nicht verhindern, selbstgefällig zu klingen.
„Großartig!
Dann zahlst du die restlichen Galleonen für den Trip.“, beschwerte sich
Hermine, aber es war ihm egal. Heute Abend durfte er für knapp zwölf Leute den
netten Gastgeber spielen. Sogar Dumbledore kam heute zu ihnen. Es war sein
letztes Jahr in Hogwarts, bevor er sich freiwillig
pensionieren ließ. Er wollte in die Karibik. Das würde Snape zum Direktor
machen. Viola war begeistert, denn ihren Onkel Snape hatte sie sowieso am
liebsten von allen Lehrern, die hier ständig zu Besuch kamen.
Aber
jetzt würde er seine Frau verführen….
~*~
„Devon
Goyle.“
Sie
hatte von Professor McGonagall gehört. Ihr Vater
hatte oft von ihr erzählt, aber sie war noch nie zu Besuch gekommen. Viele
Lehrer hatte sie schon kennen gelernt, und eigentlich waren alle nett.
Aber
alle waren auch sehr nett zu ihr. Armer Devon. Seine Knie
waren am Zittern. Der Hut rutschte ihm über die Augen. Er war viel zu groß. Es
dauert nicht lange, ehe der Hut die Krempe öffnete.
„Slytherin!“,
rief er aus und Devon stolperte erleichtert von seinem Stuhl.
Ihr
Blick glitt nach vorne zum Lehrertisch. Ihr Vater hatte sich gespannt nach
vorne gebeugt. Sie hörte gar nicht den nächsten Namen der aufgerufen wurde. Sie
kannte das Mädchen auch nicht. Nervös zupfte sie an ihren blonden Haaren. Sie
waren genauso blond wie die ihres Vaters.
Aber
sie hatte Mommys Augen.
Er
zwinkerte ihr kaum merklich zu. Sie wusste, sie würde von ihm nicht besser
behandelt werden, aber sie hatte viel weniger Angst. Das Mädchen kam nach Ravenclaw. Mommy hatte ihr
erklärt, dass es egal war, in welches Haus sie kam. Der Unterricht wäre der
gleiche. Nur die Freunde wären halt andere.
„James
Potter.“
Dieser
doofe James. Ekligen Froschlaich hatte er letzte Woche dabei gehabt. Das war so
widerlich gewesen. Mommy hatte ihr die Haare waschen
müssen. Nur weil dieser dumme Junge sie immer ärgern musste. Dabei war sie
älter und musste sich das eigentlich nicht gefallen lassen.
Sie
ärgerte sich darüber, dass James noch in dieses Jahr aufgenommen worden war.
Sie hätte so gut angeben können. Dann hätte sie ihm Angst gemacht. Sie wusste,
sie war klüger als er. Und er hatte trotzdem schon mehr Freunde hier als sie.
Dabei hatte sie viele Freunde.
Onkel
Harry war viel netter als sein doofer Sohn. Sie verschränkte trotzig die Arme.
„Gryffindor!“
Er
erhob sich grinsend und schlenderte zum Gryffindortisch.
Dort wurde er jubelnd empfangen. Sie konnte Jungs nicht leiden, die einen
ständig ärgerten. Sie hatte etwas über seinen Vater gelesen. Aber es war alles
sehr kompliziert. Daddy hatte ihr bereits erzählt, dass Harry Potter ein Name
war, den sie sich gut merken müsse. Im Laden gab es sogar Bücher, die nur von
ihm handelten.
Sie
mochte Bücher sehr…
„Viola
Malfoy.“
Sie
atmete kurz aus und schritt zielstrebig nach vorne. Eigentlich wusste sie
schon, in welches Haus sie gerne kommen würde. Und eigentlich hatte sie keinen
Zweifel daran, dass sie dort hinkommen würde.
Mit
einem letzten Blick auf ihren Vater setzte sie sich den Hut auf. Es war
ziemlich dunkel und muffig im Inneren des Hutes.
„Kluger Kopf. Gemischtes
Blut. Wirklich klug…“
Sie
mochte den Hut. Sie musste grinsen. Sie hätte auch gerne so einen Hut Zuhause.
Dann könnte sie mit dem reden. Oder aber Mommy und
Daddy würden ihr endlich eine Schwester schenken. Das wäre super! Viel besser
als ein Junge.
Dann
würden sie nur grüne Kleider anziehen. Dann sahen sie aus wie Zwillinge… Grüne
Zwillinge. Grün war nämlich ihre absolute Lieblingsfarbe.
Sie
spürte, wie der Hut sich auf ihrem Kopf bewegte.
„Slytherin!“
Sie
zog sich hastig den Hut vom Kopf und sprang grinsend vom Stuhl. Sie wandte sich
um und grinste ihren Vater an. Sie wusste, Mommy
würde sich ärgern. Sie hatte gelauscht, als sie und Daddy eine Wette
abgeschlossen hatten. Aber es ging immerhin um Disneyland! Wenn Daddy nämlich
gewinnen würde, dann würde er als Strafe den Ausflug zahlen müssen.
Ihr
Vater war sogar klatschend aufgestanden. Er freute sich tatsächlich.
Mit
erhobenem Kopf schritt sie auf Devon zu, der ihr bereits einen Platz
freigehalten hatte.
„Pass
lieber auf, sonst fällst du noch auf deinen dummen Kopf!“, rief ihr Potter vom Gryffindortisch aus zu, und sie rümpfte die Nase als sie an
ihm vorbei war.
Blöder
Potter.
Sie
würde versuchen, ihn in jedem Fach zu schlagen. Ihr Daddy hatte diesen Sommer
sogar mit ihr Quidditch gespielt. Vielleicht kam sie
sogar ins Team. Dann würde sie dem doofen Potter schon zeigen, dass sie besser
war als er.
Sie
liebte Wettkämpfe. Und sie liebte Hogwarts. Das war
ein wirklich großes Abenteuer!
Daddy
hatte gesagt, es würde heute sogar Kürbispastete geben. Sie setzte sich hin und
konnte gar nicht erwarten, Daddy zu erzählen, was der sprechende Hut für nette
Dinge gesagt hatte.
Ihr
Daddy ließ sie nicht aus den Augen und strahlte genauso so wie jedes Mal, wenn
er Mommy ansah. Ihr Daddy war wahrscheinlich der
glücklichste Daddy überhaupt.
Aber
sie war auch das glücklichste Mädchen überhaupt, soweit sie das jedenfalls
beurteilen konnte.
Gespannt
und andächtig wandte sie den Blick zu Dumbledore, der jetzt angefangen hatte zu
sprechen, nachdem der letzte Schüler auch ausgewählt worden war.
Sie
merkte gar nicht, dass sie vor Aufregung und Erwartung auf ihrer Lippe kaute.
Sie wollte so schnell wie möglich anfangen! Dann würde sie so klug werden wie ihre
Mommy. Und sie würde die weltbeste Quidditchspielerin werden!
Das
stand fest.
Vor
Freude musste sie lächeln. Sie konnte es kaum erwarten!
-End-
Widmung
– 12. Januar, 2015:
Liebe
Laura, diese Story sei dir gewidmet. Ich lese sie seit Jahren zum ersten Mal
wieder und wage gar nicht, irgendetwas zu ändern. Tatsächlich merze ich nur die
Fehler aus.
Für
gewöhnlich lese ich meine Geschichten kaum ein zweites Mal. Ich weiß nicht, warum.
Wahrscheinlich verbringt man so viel Zeit mit ihnen, wenn man sie schreibt.
Ich
dachte, es ginge schnell. Aber nun liegt sie schon zur Korrektur in meiner Compter-Ablage seit Monaten.
Ich
wollte sie nicht noch einmal lesen. Sie ist so lang und so alt. Ich unterstelle
meinen alten Storys, nicht mehr gut zu sein.
Das
ist vielleicht dumm, aber man ist ja auch irgendwie festgefahren, in seinen
Eigenarten.
Die
ersten Kapitel waren langweilig und zäh für mich, zu lesen. Es hat keinen Spaß
gemacht, auch wenn ich nicht mehr weiß, was in der Geschichte noch so passieren
wird nach Kapitel 20. Ich mochte die Art, wie ich schreibe überhaupt nicht. Ich
habe das Gefühl, nie sagen zu können, was ich wirklich sagen will. (Dieses
Gefühl habe ich immer noch.)
Und
viele Fehler rühren daher, dass man selber noch jung und unbedarft war, beim
Schreiben. Lucius ist hier ein zweidimensionaler Bösewicht, denn man war noch
zu jung, als dass man Verständnis für die Rolle der Erwachsenen gehabt hätte.
Das ist mir aufgefallen.
Und
das war sehr lustig für mich, zu lesen.
Für
alle anderen ist es unsichtbar, aber ich habe etwas gefunden. Hier, zwischen
den Zeilen! Vielleicht hast du es schon längst entdeckt, aber mir ist es jetzt
aufgefallen, beim zweiten Mal lesen.
Die
Charaktere sind mir relativ rund gelungen. Mir ist es in Draco aufgefallen, wie
ich ihn schreibe und zum Leben erwecke, und in Ron. Ich habe meine besten
Freunde vor einer langen Zeit verloren. Und ich vergesse alles, was eine Weile
zurück liegt. Mein Gedächtnis ist ein Sieb in dieser Hinsicht.
Aber
ich erkenne tatsächlich, dass man sein Leben in diese Worte webt… dass man gar
nicht umhin kann, sich selber hineinzuschreiben. Mit fällt das Zitat wieder
ein:
„Zeile
für Zeile, meine eigene Wüste. Zeile für Zeile, mein Paradies.“
Und
ich habe mich an eigene Erlebnisse erinnert. Mit meinen besten Freunden, die
inhaltlich zwar ganz anders waren, aber von der Stimmung her. Ich erinnere mich
an Schule und an das ewige Zusammensitzen und Zeit verbringen. Es ist wie ein
verqueres Tagebuch, was ich jetzt wieder lese. Es macht doch mehr Spaß, als ich
gedacht habe.
Warum
es deine Lieblingsstory ist, weiß ich natürlich nicht.
Aber
ich schenke sie dir gerne.
Ich
mag es, so etwas wie Paten für meine Storys zu finden. Und bei dir ist sie
bestimmt bestens aufgehoben.
Meine
besten Grüße, meine Liebe! Wir finden uns wieder :>