Kapitel

Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 ,

Kapitel 7 , Kapitel 8 , Kapitel 9 , Kapitel 10

Epilogue

 

1. Traps

 

„Norman: I think that we're all in our private traps,

clamped in them, and none of us can ever get out.

Marion: Sometimes... we deliberately step into those traps.

Norman: I was born into mine. I don't mind it anymore.

Marion: Oh, but you should. You should mind it.

Norman: Oh, I do... But I say I don't.

Psycho

 

Er traute sich nicht, zu fragen.

 

Draco war in letzter Zeit sehr schnell reizbar und sehr schnell bereit, einen unangenehmen Juckpulver-Fluch loszulassen. Er streckte sich auf dem unbequemen Stuhl. Noch nie hatte er sie gezwungen, in der Bibliothek zu lernen. Für gewöhnlich saßen sie im Gemeinschaftsraum. Und für gewöhnlich stellte sich Draco irgendwann ungefragt hinter sie und korrigierte ihre Arbeiten. Das würde er wohl heute nicht tun, nahm Gregory enttäuscht an.

 

Denn heute waren sie hier. Es war so leise hier, dass es Gregory fast schon unangenehm war, hier zu sein. Er fürchtete sich davor, dass sein Magen vor Hunger knurrte, und Madame Pince ihn verweisen würde. Und er wusste auch nicht, was er lernen sollte. Vincent schenkte ihm einen ähnlich hilflosen Blick, aber Gregory zuckte die Achseln und bedeutete ihm, Draco bloß nicht zu fragen, und einfach auf sein Buch zu starren.

 

Gregory glaubte zu wissen, warum sie hier wie die letzten Idioten saßen, zusammengepfercht an den alten Holztischen, zum stillen Lernen in der Bibliothek. Aber er würde es nicht sagen, würde Draco besser nicht danach fragen, wenn ihm sein Leben lieb war. Er war nicht clever wie Draco, aber er besaß genug Menschenverstand, ihn nicht zu fragen, warum sie ausgerechnet in so offensichtlicher Nähe zu den Gryffindors saßen.

 

Vielleicht ließ es Draco mit Absicht darauf ankommen. Gregory machte es so. Manchmal musste man Dinge eben tun, auch wenn man wusste, dass es umsonst war, und man noch tiefer in der Scheiße sitzen würde. Gregory wusste ein oder zwei Dinge über ein gebrochenes Herz. Aber er wusste bei Salazar nicht, wie er mit Draco darüber reden könnte. Wahrscheinlich würde Draco nicht zuhören. Und Draco würde es nicht wollen. Denn sie sprachen nie über Dinge.

 

Gregory spielte abwesend mit der Feder in seiner Hand und kaute auf seiner Unterlippe vor Hunger. Er hatte Pansy einen Brief geschrieben. Vor zwei Monaten. Hatte ihn in ihrer Schultasche versteckt, zwischen ihren Büchern. Und er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn gefunden hatte. Aber er war kein Idiot. Er mochte blöd sein und fett und wie sie ihn sonst noch nannten, wenn sie glaubten, er würde es nicht hören. Aber er war kein Idiot. Seine Mutter hätte es ihm schon längst gesagt, denn sie log ihn nicht an. Aber manchmal streichelte seine Ma ihm über die Haare, kniff in seine Wange und sagte, er wäre etwas ganz Besonderes.

Und er müsse nur abwarten. Das Glück würde zu jedem kommen, der nur geduldig wartete. Vielleicht war er ja eine dieser seltenen Ausnahme unter den Slytherins, und das Glück würde ihn finden?

 

Er hatte nicht gewusst, was er Pansy sagen wollte, aber er hatte ihr sagen wollen, dass er ihre Haare mochte, denn sie glänzten so schön wie das Fell seines treuen Hundes Tipsy Zuhause; dass er mochte, wie sie roch und wie sie sprach. Dass er fand, dass sie das witzigste Mädchen war, was er jemals gesehen hatte, und dass sie nicht auf Draco warten sollte. Letzen Endes hatte er in dem Brief geschrieben, dass er immer ihr Freund sein würde. Und wenn Pansy jemals eine Sorge oder ein Problem hatte, was sie nicht lösen konnte, dann würde er ihr helfen. Denn natürlich könnte er ihr nicht sagen, dass ihr Haar wie Hundefell war. Er wusste, wie es klang. Und er wusste, er würde keine besseren Worte finden.

 

Und wie gesagt, war er kein Idiot. Er wusste auch, sie würde nicht antworten. Sie würde ihn nicht mal sehen. Nicht mal, wenn er auf einmal aufwachte und nicht mehr fett war. Oder blöd. Nicht in tausend Jahren.

 

Manchmal hob Draco neben ihm unauffällig den Blick, wie um sicherzugehen, dass sie noch da war. Gregory merkte es. So etwas fiel ihm auf. Und wo sollte sie sein? Hermine Granger wohnte ja praktisch in der Bibliothek. Ächzend bewegte er sich auf dem schmalen Stuhl, der nicht für seinen Hintern geschaffen worden war, und erntete Dracos gereizten Blick. Gregory zog schuldbewusst den Kopf zwischen die Schultern, versuchte, kein Geräusch mehr zu machen, und tauschte wieder einen verzweifelten Blick mit Vincent. Manchmal fragte er sich, ob sich Draco wegen ihnen schämte. Manchmal glaubte er das.

 

Wenn Draco von Potter und seinen beiden Freunden sprach, dann offensichtlich abfällig, zornig, herablassend – aber dennoch sprach er von ihnen. Pausenlos, wenn Gregory nachdachte. Er machte sie immer darauf aufmerksam, wenn er sie entdeckte. Manchmal scheuchte er sie über das kalte Gelände, weil er behauptete, Bewegung täte ihnen gut, wo sie doch schon für Quidditch unbegabt waren. Und dort trafen sie auch auf die drei bis vier Gryffindors, die wohl täglich gerne eine Runde ums Schloss drehten. Und auch wenn Draco nichts sagte, wenn sie auf derselben Höhe mit Potter, den Weasleys und Granger waren, so verdunkelte sich sein Gesicht anschließend, und er sagte etwas wie: ‚Unerträglich, diese arroganten Gryffindors.‘

 

Und Gregory und Vincent würden wieder Blicke tauschen, nicht antworten, denn war Draco nicht deshalb über das Gelände marschiert? Um auf die arroganten Gryffindors zu treffen? Gregory wusste nicht, ob Vincent etwas Ähnliches dachte. Dann wiederum wusste er nicht, was Vincent überhaupt dachte. Obwohl sie zusammen ihre Zeit mit Draco verbrachten, waren sie nicht wirklich enge Freunde. Er musste behaupten, Vincent ordnete er eher Blaise zu. Seit neuestem zumindest. Ab und an sah er sie zusammen, während sie sprachen – oder was auch immer sie taten. Denn viel sprach Vincent ohnehin nicht.

 

Und immer, wenn Granger Dracos Blick bemerkte, sah sie ihn an. Denn das tat sie eben. Im Gegensatz zu ihm, Gregory, fürchtete sie sich scheinbar nicht vor Dracos stechendem Blick. Und dann verzog Draco abschätzend das Gesicht und starrte wieder hinab auf seine Aufgaben, als wäre Granger es gewesen, die ihn abgelenkt hatte.

 

Aber Gregory verbrannte sich nicht die Zunge. Er sprach nicht aus, was er dachte. Würde er es tun, dann würde Draco abfällig lachen, ihn dämlich schimpfen, denn was sollte er sonst tun? Granger war eine Muggel, eine Gryffindor und…Draco nicht. Mehr gab es dazu kaum zu sagen, oder? Und Draco tat ihm leid. Denn das machte Dinge irgendwie kompliziert, oder?

Manchmal überlegte Gregory, ob er anstelle von Draco, Granger einen Brief schreiben sollte. Natürlich in Dracos Namen. Aber das machte er nicht. Denn erstens gehörte Draco mit zu den besten Schülern ihres Jahrgangs und würde bestimmt keine Rechtsschreibfehler machen, so wie Gregory, obwohl er seine Grammatik so gut es ging kontrollierte! Und zweitens würde Dracos Vater einen Herzinfarkt bekommen. Mr. Malfoy wusste immer alles. So wie Draco immer alles wusste. Es war gruselig. Sein Vater wusste nämlich nie irgendetwas. Genauso wie er.

 

Scheu hob er den Blick, um sie flüchtig zu betrachten. Ihm war sie noch nie wirklich aufgefallen. Er käme überhaupt nicht dazu, sie anzusehen, sie zu… mögen oder etwas in der Art. Er war in Slytherin. Er hatte immer geglaubt, man könne nur Mädchen aus seinem eigenen Haus mögen – wenn überhaupt. Ihre Haare waren anders als Pansys. Grangers Haare waren hellbraun, schimmerten fast golden in den letzten Sonnenstrahlen. Und sie waren lang und verrückt und lockig. So viele Locken hatte nicht mal sein Hund. Ab und an kaute sie abwesend auf ihrer Unterlippe, ließ sie wieder fahren, fuhr sich mit den Fingern durch die Locken, rieb sich den Nasenrücken, auf dem so viele Sommersprossen verteilt waren, dass er versucht war, sie vielleicht zu zählen, um zu sehen, ob es über hundert wären. Vielleicht zweihundert?

 

Sein Blick erstarrte ertappt, als er merkte, dass Draco ihn von der Seite ansah, während er Granger betrachtete. Was laut Draco verboten war! Wie er sagte, ‚sollte niemand ein Schlammblut überhaupt ansehen!‘. Hastig senkte Gregory wieder den Blick auf seine Unterlagen. Er spürte Dracos zornigen Blick noch einen weiteren Moment lang, ehe Draco die Feder wieder auf das Pergament setzte und wusste-Merlin-was nieder schrieb.

 

Endlose zehn Minuten später packte Ronald Weasley seine Feder ein, schraubte das Tintenfass zu, und Granger und Potter taten es ihm gleich. Auch Draco kam zu einem vorhersehbaren Ende und bedeutete ihnen mit knappen Blicken, aufzustehen. So kam es, dass sie gleichzeitig die Bibliothek verließen. Und irgendwie richtete Draco es ein, dass sie hinter dem Trio her marschierten. Dracos Blick starrte gebannt auf Grangers Hinterkopf, als wäre er dort fixiert. Als würde er etwas Spannenderes sehen, als Grangers wippende Locken. Sie glänzten auch, stellte Gregory fest. Aber nicht so schön wie Pansys Haare.

 

Er und Vincent flankierten Draco, wie sie es immer taten, dabei nahm er an, brauchte Draco am allerwenigsten von ihnen Schutz oder Geleit, trug er doch seine eiskalte Mauer wie einen Schutzschild Tag und Nacht vor sich her, dachte er abwesend. Es war einfach eine Gewohnheit, dass sie rechts und links neben ihm liefen. Als wäre er die Sonne, um die sie sich drehten, das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Und vielleicht war es auch so? Mittlerweile war Draco größer als Vincent. Er hatte sie irgendwann überragt, ohne dass Gregory sagen könnte, wann.

 

Irgendwann war er auch klüger geworden, war zum Vertrauensschüler ernannt worden, und Gregory nahm an, dass Draco nächstes Jahr Schulsprecher werden würde. Er war überzeugt davon. Er hatte sie irgendwann zurückgelassen und zog es sogar vor – wenn auch in Heimlichkeit – ein Gryffindor-Mädchen zu mögen.

 

Und plötzlich hoben sich Dracos Mundwinkel, stellte Gregory fest, der ihn stumm aus den Augenwinkeln betrachtet hatte.

 

„Irgendetwas stinkt hier“, bemerkte glatt, Hohn in der mittlerweile tiefen Stimme. Und Gregory merkte, wie besonders Weasley die Ohren zu spitzen schien. Und Vincent ging angespannter neben Draco, schien sich auf eine Konfrontation vorzubereiten, denn garantiert sprach Draco nicht so laut, damit er und Vincent zuhörten, dachte Gregory fast enttäuscht.

 

Demonstrativ zog Draco hörbar die Luft durch die Nase. „Riecht wie… Blutsverräter?“, vermutete er mit einem kühlen Lächeln, und Weasley blieb stehen. So auch Potter und Granger. So auch sie, die Slytherins. Ehe Weasley sich umwandte, schüttelte Draco den Kopf, und das Lächeln grub tiefe Grübchen in seine Wangen. „Nein. Ich irre mich. Es riecht nach…-“

 

-Weasley wandte sich um. „-Schlamm…“, schloss Draco mit sanfter Erkenntnis, und Weasleys Kiefermuskeln arbeiteten angespannt. „Findet ihr nicht auch?“, wandte er sich an ihn und Vincent, ohne sie anzusehen. Vincent grunzte irgendetwas zur Bestätigung, aber Gregory sagte nichts. Grangers Mund verzog sich, und sie schüttelte angewidert den Kopf, als sie Weasley am Arm zurückhielt. Dracos Blick glitt kurz über diese Geste, denn er bemerkte es sehr wohl, aber sein Lächeln verblieb auf seinen hochwohlgeborenen Zügen, als gehöre es dort hin. Als könne ihn nichts beirren.

 

„Fick dich, Malfoy!“, knurrte Weasley gepresst, ließ sich aber von Granger weiterziehen, die Draco einen wütenden Blick zuwarf.

 

„Wow. Küsst du Potters Hintern mit diesem Mund, Weasley?“, erkundigte sich Draco, und auch Potter machte einen gefährlichen Schritt zurück in seine Richtung. Aber Granger griff mit der anderen Hand nach Potter, und Dracos Mundwinkel zuckten darüber.

 

„Lass es, Harry“, sagte Granger angespannt und schaffte es, ihre Freunde weiterzuziehen. Sie schenkte Draco ein gereiztes Kopfschütteln und wandte sich ab. Wütend redeten ihre Freunde auf sie ein, aber Granger zog sie um die nächste Kurve, und sie waren verschwunden. Vincent entspannte sich wieder neben Draco. Wie gemalt haftete das Lächeln auf Dracos Lippen, aber es wirkte hohl und leer.

 

Und Gregory wusste, Draco konnte nicht anders. Das schien die einzige Art und Weise zu sein, wie er zu ihr sprechen konnte. Gregory vergrub die Hände unschlüssig in seinen Taschen. Was Draco tat, brachte ihn weit ab von jeder Chance, dass die Gryffindors ihn jemals mögen würden. Und das wollte er wohl auch nicht. Er war der reichste von ihnen. Der schlauste. Seine Eltern hatten ihm nichts verweigert. Alle in Slytherin respektierten ihn – und doch… Manchmal glaubte Gregory, er musste ziemlich einsam sein. Hinter all dem. Hinter der Fassade.

 

Und er schluckte unbewusst, als Dracos Blick auf ihn fiel. Er verengte die grauen Augen misstrauisch. Hastig räusperte sich Gregory, streckte den Rücken durch und ließ den Ausdruck von seinem Gesicht verschwinden, von dem er hoffte, dass Draco ihn nicht durschaute. Denn Gregory hatte Mitleid mit ihm. Und er hoffte, dass Draco das nicht sah. Wahrscheinlich würde er ihn bestrafen dafür.

 

Wahrscheinlich würde er ihm die Freundschaft kündigen. Draco stellte sich seine Fallen selber auf, wusste Gregory. Denn er konnte nicht anders.

 

„Was?“, wollte Draco ruhig von ihm wissen. Zu ruhig. Herausforderung auf den Zügen. Und Gregory schüttelte hastig den Kopf. Verachtung lag in Dracos Blick, als er schließlich den Kopf nach vorne wandte und mit grimmiger Zufriedenheit den Rückweg antrat. Er und Vincent folgten ihm, aber Gregory wusste, Draco spielte nur. Er tat nur so.

 

Aber Gregory war selber feige. Es war seine eigene, unangenehme Falle. Er hatte Angst davor, Draco die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Er sagte nie, was er wirklich dachte. Manchmal war man auf der sichereren Seite, wenn man für sich behielt, was man über andere wusste.

 

So waren sie, die Slytherins. Jeder hatte sein eigenes, kleines Geheimnis.

 

 

2. Monsters

 

Why didn't he go for me? How come the guys that I want never want me?

She doesn't even try, and he just picks her. And she's always the one that everyone picks.

For everything. And I try so hard and I'm never the one...

Caroline Forbes

 

Wenn er lachte, dann sah er so anders aus. Es gab Menschen, deren Gesicht verriet bereits, dass sie viel lachten. Wie Gregs Gesicht. Er wirkte immer eher… freundlich. Friedfertig. Aber Draco war eher ernst. Ihm traute man kaum zu, dass er tatsächlich voller Unbeschwertheit lachen konnte. Immer dann, wenn er vergaß, er selbst zu sein. Wenn er aufhörte, sich Gedanken zu machen darüber, was die Leute von ihm denken mochten.

Ein bisschen weniger ‚Malfoy‘ und etwas mehr ‚Draco‘ kam dann zum Vorschein.

 

Vincent senkte hastig den Blick, denn er starrte ihn schon viel zu lange an. Sein Blick fiel auf das magische Geschenkpapier, womit Pansy Dracos Geschenk eingeschlagen hatte. (Sie hatte ihm neue Lederhandschuhe zum Fliegen geschenkt.) Besen jagten abstrakt über das glänzende Papier, verschwanden in den geknickten Falten. Vor ihm lag das leere Cupcake-Papier der kleinen Kuchen, die er bereits gegessen hatte. Ella hatte sie gebacken. Sie war extra am Wochenende nach Hause zu ihren Eltern gefahren, um sie zu machen. Unwillkürlich zog er seinen Bauch ein, damit niemand sah, wie er sich schon unter seiner Weste wölbte.

 

Angespannt lagen seine Hände über seinen Knien und er versuchte, an nichts Spezielles zu denken und niemand Bestimmten anzusehen. Neben ihm verlagerte sich der Schwerpunkt der alten Sprungfedern der Couch, als Blaise sich setzte. Vincent schluckte schwer, sein Hals war trocken. Er blinzelte knapp, ignorierte, dass Blaise neben ihm saß, selber einen Cupcake in der Hand.

 

„Und?“, wollte Blaise recht ungeniert wissen, ein ewiges Lächeln auf den vollen Lippen. „Hast du ihm was geschenkt?“ Vincent biss die Zähne zusammen. Seine Hände verkrampften sich auf seinen Knien. Er hatte nicht vor, zu antworten. Er sprach nicht mit Blaise Zabini. „Komm schon, Vinnie“, lockte ihn der schlanke Junge mit der leicht olivfarbenen Haut feixend, und Vincents Knöchel wurden weiß vor Wut. Er hasste es, wenn er ihn so nannte. Blaise stützte sich mit den Ellbogen auf die Knie, brachte seinen Oberkörper somit nach vorne, so dass er ihn kauend von unten betrachtete, als er den Cupcake aufgegessen hatte. „Aber wahrscheinlich interessiert Draco nicht, was du zu bieten hättest, hm?“, wollte Blaise stiller wissen, während Vincent ihn weiterhin ignorierte und hoffte, dass niemand seinen Worten zuhörte.

 

Sie waren immer einigermaßen verwerflich. Denn Blaise wusste etwas über ihn, was niemand sonst wusste. Und Vincent hatte Schwierigkeiten damit. Er hasste es. Aber er war nicht begabt genug für einen Vergessenszauber. Und er bezweifelte, dass er Blaise physisch überlegen war. Was half es schon, ihn zu verprügeln, dachte Vincent verzweifelt. Es löschte sein verbotenes Wissen schließlich nicht aus!

 

„Woran denkst du?“, wollte Blaise forsch wissen, ließ ihn nicht aus dem Blick. „An ihn? An seine-“

 

„-Blaise-!“, begann Vincent gepresst, aber Blaise zuckte die Achseln.

 

„-niemand hört uns zu, Vinnie“, beteuerte Blaise grinsend, schnappte sich einen hüpfenden Schokofrosch vom Tisch, der gerade dabei war, stiften zu gehen und schob ihn sich in den lächelnden Mund. Vincent folgte der Bewegung abwesend, nur um den Blick wieder auf seine Hände zu senken. Es stimmte wahrscheinlich. Die Aufmerksamkeit drehte sich um Draco. Es war sein Geburtstag und der Gemeinschaftsraum stand versammelt um den beliebten Lehnsessel, auf dem Draco Platz genommen hatte, Pansy auf seinem Schoß.

 

Und ihm war es aufgefallen. So wie er Draco anstarrte, wenn es ihm nicht auffiel, so sah Greg Pansy an. Es war nicht so unauffällig, wie Greg vielleicht hoffte. Also nahm Vincent an, verhielt er sich ebenfalls schrecklich auffällig. Deshalb aß er. Deshalb bemühte er sich, niemanden anzusehen.

 

Und er hatte kein Interesse daran ausgerechnet mit Blaise zu sprechen. Er schlief schlecht jede Nacht. Wartete nur darauf, dass Blaise es irgendwann allen im Gemeinschaftsraum erzählte. Vor allem ihm. Draco. Aber noch hatte Blaise gar nichts getan, lauerte ihm nur ab und an auf, um ihn mit bösen Worten in Verlegenheit zu bringen! Wenn es jemand wüsste! Vincent könnte sich von seinem Leben verabschieden. Er wusste nicht, was Blaise für ein Spiel mit ihm spielte, aber er hasste es.

 

Am meisten hasste Vincent sich selbst. Aber er hatte lange begriffen, dass er sich nicht ändern konnte. Es ging nicht. Alles, was er tun konnte, war, es niemals irgendwem zu sagen. Er erhob sich plötzlich, bevor Blaise noch irgendetwas sagen könnte. Er quetschte sich zwischen Couch und Tisch hindurch, schob sich durch Dracos Bewunderer und ging zu den Tischen, wo die Erstklässler mit Koboldsteinen spielten. Er bemerkte Blaises Blicke immer, die ihm wie beiläufig folgten. Abwesend betrachtete er die Kinder mit ihren Steinen, ehe er abbog und durch den Torbogen verschwand, in den Flur zu den Treppen, die zu den Schlafsälen führten.

 

Niemand würde ihn vermissen. Es merkte ohnehin kaum jemand, dass er da war. Umso weniger fiel es auf, wenn er wo fehlte.

 

Der Schlafsaal war leer. Niemand war oben. Die Elfen hatten die Betten gemacht, alles war ordentlich. Er schritt zu seiner Ecke. Auf seinem Nachttisch lag das Buch, was er las. Es war kein Schulbuch. Es war eines von Dracos Lieblingsbüchern. Aber es war schwer. Die meisten Worte kannte Vincent nicht, aber trotzdem las er jeden Abend zumindest eine Seite. Der Fetzen Pergament, den er als Lesezeichen benutzte war abgegriffen und ragte schief aus dem Buch hervor. Es war ein Briefchen, was er und Draco vor einigen Jahren in Zauberkunst geschrieben hatten. Die Tinte war nahezu verblichen, aber noch immer konnte er Dracos Handschrift erahnen.

 

Neben der Petroleumlampe lag seine Brille, die er nie aufsetzte. Draco mochte Brillen nicht. Er sagte, mit Brille sähe jeder aus wie Potter. Und sie mochten Harry Potter nicht. Einfache Regeln. Deshalb benutzte er den Linsenzauber, damit er aus der letzten Reihe wenigstens lesen konnte, was die Professoren an die Tafeln schrieben. Über dem Nachttisch hing ein quadratischer Spiegel. Er warf einen Blick hinein, aber er sah aus wie immer. Die Haare kurz geschoren, obwohl er es so kurz nie leiden konnte. Er war zu groß für den Spiegel, musste also ein wenig in die Knie gehen. Er war ein großer, übergewichtiger Junge. Blass, hellbraune Haare, kurzsichtige, braune Augen. Unauffällig in jeder Beziehung.

 

Er besaß nicht viele Sachen. Er brauchte nicht viele Sachen. Er formte selten Verbundenheiten, wusste nichts mit unnützem Krempel anzufangen, deshalb hielt er seine Habseligkeiten gering. Es klopfte am Türrahmen und er schrak aus seinen leeren Gedanken.

 

„Schon müde?“, wollte Blaise von ihm wissen und schritt mit langen Schritten durch den Saal zu seinem eigenen Nachttisch. Blaises Bett war in der Ecke neben seinem. Vincent versteifte sich wieder, sah Blaise nicht an, antwortete nicht. Blaise zog seinen Zauberstab und sprach eine komplizierte, stumme Formel, um seine Nachttischschublade zu öffnen. Im Gegensatz zu ihm quoll Blaises Nachttisch über vor Kleinigkeiten, vor Müll, vor Andenken, Briefen, Büchern, Schulsachen, und auch seine geheime Schublade war bis zum Rand vollgestopft.

 

Er durchwühlte sie knapp, und aus dem Augenwinkel erkannte Vincent viele unbeschriftete Flakons, mit wusste-Merlin-was für Tränken, einige Kohlezeichnungen, die Blaise verbarg, obwohl Vincent schon wusste, dass Blaise gut zeichnen konnte. Aber Blaise teilte seine Talente mit niemandem, wollte von niemandem Lob oder Anerkennung. Dann schien er mit einem zufriedenen Geräusch gefunden zu haben, was er suchte. 

 

Zu Vincents Überraschung zog er eine lange Klinge in einer üppig verzierten Lederscheide hervor. Blaise hob vielsagend den Blick, und Vincent vergaß völlig den seinen zu senken.

 

„Für den Kuchen“, erklärte Blaise die Klinge überflüssigerweise. „Die Mädchen haben aus der Küche Kuchen besorgt. Interesse?“, erkundigte er sich wieder einmal lächelnd, aber Vincent konnte nur annehmen, dass Blaise ihn sowieso für zu dick hielt, wie jeder andere auch. Unbewusst zog er den Bauch wieder ein. Er schüttelte knapp den Kopf. „Koboldsilber“, erläuterte Blaise mit Blick auf die Klinge in seiner Hand und zog sie aus der Scheide. „Gehörte meinen Großvater“, ergänzte er, ohne ihn anzusehen und kam näher, um sie ihm zu zeigen. Vincent nahm an, so etwas war eigentlich auf Hogwarts verboten. Seltsam, dass Filch sie Blaise noch nicht abgenommen hatte. „Schön, nicht wahr?“, fragte er ihn, und Vincent nickte knapp, um Worte verlegen. Das Silber blitzte kostbar in Blaises Fingern.

 

Dann sah Blaise ihn wieder an, die Mundwinkel angespannt, als würde er gleich wieder lächeln. Er konnte ihn nicht einordnen. Blaise war ihm suspekt. Er lächelte zu viel. Er wusste immer zu viel. Vincent sah ihn nicht mehr an, wollte, dass er ging. Blaise schob die glänzende Klinge zurück ins Leder.

 

„Du hast Angst vor mir, nicht?“, vermutete Blaise, und Vincent konnte das Lächeln in seiner Stimme förmlich hören. Er schüttelte steif den Kopf.

 

„Ich habe keine Angst vor dir“, log er schroff, denn ja. Er hatte unfassbare Angst vor ihm. Blaise hielt seine Zukunft hier auf Hogwarts in der Hand! Wenn er nur ein Wort zu irgendwem in diesem Haus sagte, könnte Vincent die Koffer packen.

 

„Weißt du“, bemerkte Blaise, als er die Hand ausstreckte, um sich ungefragt Vincents Buch vom Nachttisch zu greifen, „Draco ist die Mühe nicht mal wert“, bemerkte er, mit nachsichtigem Blick auf das Buch in seiner Hand, und Vincents Augen weiteten sich, weil er nicht mochte, dass Blaise seine Sachen anfasste. Weil er nicht mochte, was Blaise sagte. Er entzog Blaise das Buch fast zornig. „Er steht auf Mädchen, Vinnie“, bedeutete er ihm lächelnd, als wäre es für ihn nicht seit Jahren schmerzhaft deutlich, dass es so war. Dachte Blaise, er wäre blind?

 

„Bist du fertig?“, wollte Vincent unfreundlich von ihm wissen, die Stimme jedoch etwas zu atemlos, denn er würde nicht darüber sprechen! Er würde vor Blaise keine Zugeständnisse machen. Er konnte nicht. Und wollte nicht. Seine Finger krampften sich um das Buch in seinen Händen. Blaises Mundwinkel hoben sich wieder und es irritierte Vincent so sehr, dass er wieder vergaß, ihn zu ignorieren.

 

„Du willst dich doch wohl nicht mit Parkinson um einen Jungen prügeln, der weder für sie noch für dich Augen hat?“ Blaise lächelte wieder dieses unangenehme Lächeln. Vincent spürte die ohnmächtige Wut in seinem Innern. Er war so kurz davor, Blaise ins Gesicht zu schlagen, egal, wie schlecht das für ihn ausgehen würde! Denn er hasste jedes Wort, das Blaise sagte! Dachte er ernsthaft, er wüsste nicht, dass Draco seit einem Jahr Hermine Granger so ruhelos beobachtete, als hätte sie unbemerkt sein kostbarstes Hab und Gut gestohlen? Was sie wahrscheinlich sogar hatte, vermutete Vincent, wenn er sich selbst erlaubte, näher darüber nachzudenken. Dracos Herz existierte nur in der Theorie. Es war ein Mythos, den viele Mädchen ihres Gemeinschaftsraums zu ergründen suchten. Pansy mit eingeschlossen.  

 

Und vielleicht war es ja so. Vielleicht war Granger im Besitz dieser seltenen Kostbarkeit, die er, Vincent, niemals zu Gesicht bekommen würde.

 

Vincent wusste all das. Aber er tat Draco den Gefallen, als wisse er es nicht. Um Dracos Willen. Es würde ihn so spektakulär ruinieren, wie Vincents eigenes Geheimnis ihn ruinierte.

 

Er schämte sich, dass Blaise ihn bei dieser Sache erwischt hatte! Innerlich verbrannte er vor Scham und Selbsthass. Und dass Blaise es wagte, diese Dinge auszusprechen! Es war nichts, was Vincent sich überhaupt jemals selber eingestanden hatte.

 

„Verpiss dich!“, knurrte Vincent gepresst, denn er konnte es nicht mehr ertragen. Er konnte irgendwann nicht mehr! Er konnte über diese Sachen nicht sprechen, konnte nicht einmal darüber nachdenken, denn es war nicht ok! Er war krank und widerlich. Und er konnte nichts dagegen tun! Und Blaise machte alles nur schlimmer, gab dem Ganzen ein Gesicht, einen Namen! Blaises Lächeln verwischte langsam. Er legte ihm plötzlich die Hand auf die Schulter. Vincent versteifte sich hasserfüllt unter dieser Geste.

 

„Tja, wäre wohl besser, würdest du auf Mädchen stehen, Vinnie“, murmelte er achselzuckend, und Vincent hielt unwillkürlich den Atem an. Dann hoben sich Blaises Mundwinkel sachte. Zornig bewegte Vincent die Schulter zurück, so dass Blaise von ihm abließ. Merlin, wie gerne würde er ihn von der höchsten Zinne stoßen! „Ich könnte dir später das Messer unter dein Kopfkissen legen. Dann kannst du dich dramatisch umbringen. Das willst du doch am liebsten, denn dann bekämst du zumindest einen Hauch von Dracos Aufmerksamkeit?“ Er lächelte bei diesen Worten beinahe freundlich. Vincent schluckte schwer, zwang sich, keine Reaktion zu zeigen. Dann machte Blaise kehrt. Sein Puls dröhnte in seinen Ohren.

 

Blind machte Blaise vom Türrahmen eine Zauberstabbewegung, und seine Nachttischschublade sprang wieder zu, verbarg Blaises Geheimnisse, und Vincent wünschte sich, seine eigenen Geheimnisse ließen sich einfach so in eine Schublade sperren!

 

Er fühlte sich so bloßgestellt! Blaise besaß kein Taktgefühl. Es schien ihn nicht zu kümmern, dass er mit diesem Wissen sein gesamtes Leben zerstören konnte. Vincent konnte Menschen nicht lesen, konnte ihnen nicht hinter die Stirn blicken. Er wusste nie, was andere dachten. Und er konnte Blaise nicht einordnen, wollte es auch nicht. Er konnte kaum noch atmen, wenn Blaise im selben Zimmer war, diesen wissenden Ausdruck auf den Zügen! Er war immer froh, wenn Blaise nicht in seiner Nähe war. Seit einem Monat hatte er nun Angst. Solange wusste Blaise es schon.

 

Solange war es her, dass er ihn in den Waschräumen überrascht hatte, als er… als er… Dracos Namen gestöhnt hatte. Und Vincent hasste sich dafür. Er erinnerte sich noch, wie heiß sein Gesicht vor Scham gewesen war, als er nackt aus der Duschkabine gekommen war und Blaise mit diesem… widerlichen Lächeln an der gegenüberliegenden Wand gelehnt hatte.

 

Wie er ihn mit wenigen Worten völlig entwaffnet hatte. Wie Vincent sich mit zitternden Händen das Handtuch um den Körper geschlungen hatte, wie er geflohen war, vor Blaise Zabini und seinen giftigen Worten, wie er seitdem darauf wartete, dass Flyer im Schloss verteilt wurden, wie er für vogelfrei erklärt werden würde. Wie Hogwarts ihn verstoßen würde, wie seine Eltern davon erfuhren und ihn enterbten, nachdem sein Vater ihn halbtot geschlagen hätte.

 

Und am schlimmsten war, wie er sich vorstellte, wie Draco ihn ansehen würde, wenn er es erfuhr. Geringfügige Abschätzung auf seinen schönen Zügen. Ekel, Abweisung, Verachtung. Vincent kannte die Reinblüter. Vincent kannte die Namen, die die Reinblüter für Menschen wie ihn parat hielten. Blaise sollte ihn erlösen, es zu Ende bringen, anstatt ihn hinzuhalten.

 

Er setzte sich stumm auf die Bettkante, spürte das Stechen in seinen Augen, aber er weinte nicht. Er tat gar nichts, saß stumm auf dem Bett, das Buch vergessen in seinen Händen, mit weißen Knöcheln vor Anspannung und der ewigen Angst im Herzen.

Und Blaise hatte unrecht. Er würde sich nicht am liebsten umbringen. Denn dazu war er zu feige.

 

~*~

 

Ihr Herz schlug schnell. Draco war betrunken. Betrunken genug, dass seine Hand in der letzten halbe Stunde etwas höher gewandert war, unter ihre Rockkante. Sie hatte sich auf gut Glück auf seinen Schoß gesetzt, mit dem Vorwand, dass Vincent so mehr Platz auf der Couch hätte, mit gerade genug Selbstbewusstsein, dass Draco kurz überrascht genug war, nichts zu sagen, als sie sich einfach auf seine Oberschenkel gesetzt hatte. Seine starken Quidditch-Oberschenkel.

 

Heiß spürte sie die Haut seiner Finger auf dem Ansatz ihres Oberschenkels, und seit zwanzig Minuten kribbelte alles in ihre Innern. Sie lachte über die dummen Witze der Jungen, über langweilige Geschichten ihrer Eltern, völlig egal. Hauptsache, sie war noch immer in seiner Nähe.

 

Seit fünfundvierzig Minuten saß sie auf seinem Schoß, versuchte, sich so leicht wie möglich zu machen, damit er nicht auf die Idee kam, sie fortzuschicken. So mutig wie heute Abend war sie noch nie gewesen, und sie glaubte, er freute sich tatsächlich über die Handschuhe. Sie hatte sich viel Mühe mit dem Geschenk gegeben, hatte sogar seine Initialen einsticken lassen.

 

Sie wusste, einige Mädchen sahen neidisch zu ihr herüber. Und dann sah Draco sie an, die Augen glänzend, nach fünf Gläsern Feuerwhiskey. Sie hatte ein halbes getrunken, um ihre Nervosität unter Kontrolle zu bringen, aber jetzt sprach er mit ihr.

 

„Ich muss auf Toilette, Pans“, informierte er sie, nahm die Hände zurück, und mit einem Lächeln, das ihre Enttäuschung knapp verbarg, kletterte sie von seinem Schoß und ließ ihn aufstehen. Mit plötzlicher Eingebung zupfte sie ihren Rock zurecht, fuhr sich prüfend über die Haare und schenkte ihm ein Lächeln.

 

„Ja, ich auch“, log sie und bahnte sich ebenfalls einen Weg aus dem heißen Pulk zu den leeren Fluren, die zu den Waschräumen führten. „Gute Party, oder?“, fragte sie ihn lächelnd, spürte hier im kühlen Flur die Röte ihrer Wangen deutlicher und blickte erwartungsvoll zu ihm auf. Er nickte lediglich und sie erreichten die gegenüberliegenden Toiletten.

 

„Ja, perfekt“, bestätigte er, während er in den Waschräumen der Jungen verschwand. Pansy betrat die Räume der Mädchen, um sich im Spiegel anzusehen. Ihr kurzer Bob lag noch immer gut, ihr Makeup hielt, was es versprach. Nichts war verlaufen, nichts war verschmiert. Sie atmete knapp aus, zog ihre Bluse tiefer, um ihren Busen mehr zu betonen, öffnete die obersten Knöpfe und verließ die Waschräume wieder, um vor Draco draußen zu sein. Heute sah sie so aus, wie sie aussehen wollte. Wenn nicht heute, dann nie, sagte sie sich innerlich!

 

Ihre Mutter hatte es ihr schon gesagt, als Pansy noch die Vorschule besuchte. Draco Malfoy wäre eine angemessene Partie. Sie stammten aus derselben Schicht, vom selben reinen Blut. Ihre Eltern kannten sich gut, verstanden sich gut. Pansy kannte Narzissa und Lucius seitdem sie alt genug war, um sich zu erinnern. Auch Narzissa hatte ihr im letzten Sommer deutlich zu verstehen gegeben, dass sie und Draco ein wirklich hübsches Paar abgaben, als sie zusammen im Garten gesessen hatten, während eines Events, das der Club ausgerichtet hatte.

 

Draco ähnelte Lucius von Jahr zu Jahr deutlicher. Sogar das wusste Pansy. Seine Gesten, selbst seine Stimme. Sie kannte ihn so gut. Sie kannte seine Vorlieben, und sie wusste, sie war sein Typ. Und sie wusste, sie könnte ihn glücklich machen. Sie wusste manchmal nicht, ob sie Draco liebte, weil es ihr selber klar geworden war, oder weil es ihre Mutter ihr versicherte. Sie wusste nur nicht, worauf Draco wartete. Aber sie hatte Angst, ihn zu verschrecken, ihn zu überrumpeln. Sie würde im nächsten Sommer Debütantin im Club sein und sie hoffte inständig, dass Draco ihr Gentleman sein würde, der sie begleitete, mit dem sie den Ball eröffnete, der ihr das Bouquet ansteckte, der sie küssen würde.

 

Alle anderen Angebote schlug sie aus, beachtete keinen anderen Jungen auf Hogwarts.

 

Es wäre wie ein perfektes Märchen, dachte sie atemlos vor Glück.

 

Sie wartete nervös, bis sie die Spülung hörte, bis sie hörte, wie er sich die Hände wusch, ehe sie zur Tür schritt, um ihn wieder zu empfangen. Sie lehnte sich neben den Rahmen, atmete noch einmal aus, und dann schwang die Tür nach außen.

 

„Hey“, begrüßte sie ihn, und überrascht fiel sein Blick auf sie.

 

„Das muss ein Rekord für dich sein“, bemerkte er mit einem spöttischen Blick. „Du brauchst doch sonst mindestens eine Stunde im Bad“, schien er sie zu ärgern, aber sie setzte ein Lächeln auf und ignorierte den Seitenhieb.

 

„Heute nicht“, sagte sie nur, und sie sah mit wachsender Aufregung, dass ihm nicht entging, dass sie ihre Bluse geöffnet hatte. Kurz fiel sein sonst so beherrschter Blick nämlich von ihrem Gesicht auf ihren Oberkörper. Aber dann verengten sich seine grauen Augen knapp.

 

„Was hast du vor, Parkinson?“, wollte er plötzlich wissen, verschränkte selbstbewusst die Arme vor der Brust, und die Röte stieg stärker in ihre Wangen. Wieso musste er das tun, fragte sie sich verzweifelt.

 

„Gar nichts“, log sie achselzuckend, mimte Ahnungslosigkeit, aber er lächelte kühl.

 

„Nein? Du fängst mich ab, sitzt auf meinem Schoß, öffnest deine Bluse nur für mich?“, durschaute er ihren Plan, und sie hielt den Atem an. Sie beeilte sich, verständnislos den Mund zu verziehen, als machten seine Worte keinen Sinn. Als könnten sie sie nicht berühren.

 

„Ich? Äh… nein?!“, entkam es ihr mit gespielter Empörung. Mit einem Lächeln legte er dann angetrunken den Arm um ihre Schulter und zog sie mit sich, zurück in den Gemeinschaftsraum. Ihre Hoffnungen sanken enttäuscht. Sie hatte sich so gewünscht, dass er sie küssen würde, dass er sie in eine dunkle Nische ziehen würde, dass er sie Dinge fühlen ließ, die sie noch nie gespürt hatte.

 

„Das passt auch nicht zu dir“, sagte er schließlich grinsend, als sie wieder im lauten Gemeinschaftsraum angekommen waren. Er ließ von ihr ab und mischte sich wieder unter seine dämlichen Freunde. Sie verblieb am Türrahmen zum Flur. Sofort kam Millicent ihr entgegen.

 

„Du warst alleine mit Draco weg?“, entfuhr es ihr sofort. „Irgendwas passiert?“

 

Pansy schaffte es, zu lächeln. „Nein? Was sollte passiert sein, Milli?“, schnappte sie scharf, und Millicent zuckte überfordert die Achseln.

 

„Nichts! Ich dachte-“

 

„-dann hör auf, zu denken!“, zischte Pansy mit einem kalten Lächeln, das ihre Verletzung verbarg. Aber für einen Moment schlug ihr Herz langsamer, als müsse es das bittere Gefühl in ihrem Innern erst neutralisieren. Pansy fühlte sich unter seinem Blick nicht so beachtet, wie sie es insgeheim wünschte. Und nur in den dunkelsten Sekunden des Tages befiel sie eine stumme Angst. Er wirkte immer etwas angespannt. Seine Gesten immer etwas abwesend. Als wäre das Jetzt und Hier nicht das, was er gerne erleben wollte.

Als warte etwas anderes auf ihn. Als könne er seine Beine nur mit Mühe und Alkohol davon abhalten, dieser Ungewissheit nachzujagen.

 

Als… wäre sie vielleicht nicht die erste Wahl.

Es war ein ohnmächtiger Gedanke. Und er schickte jedes Mal ein eisiges Gefühl durch ihren Körper. Denn… wenn sie nicht die Eine für ihn war, was war sie dann?

 

 

3. Matchmaker

 

Be bad, but at least don't be a liar, a deceiver!

Leo Tolstoy

 

Harry vergrub die Hände in den Taschen seiner Hose. Seine Fäuste hatten sich wieder geballt, und er wollte nicht, dass es jemand sah. Wenn er nicht wie ein verdammter Schatten hinter ihnen herschlich, dann konnte man sicheres Gold darauf wetten, dass er bereits da war, wo auch immer sie fünf Minuten später auftauchten. Und was er am meisten hasste, war die Tatsache, dass es so verdammt offensichtlich war! Er wusste nicht, ob Hermine es sah, aber sie war kein dummes Mädchen.

 

Ron rannte regelrecht einen Marathon, um nur einen Fetzen ihrer Aufmerksamkeit zu bekommen, wohingegen Malfoy nur einen dreckigen Blick in ihre Richtung schicken musste, für ihre Reaktion.

 

Harry mochte es nicht. Es war falsch und übelkeitserregend. Und es machte ihm schlechte Laune. Er hatte keine Ahnung, ob Hermine Malfoys widerliche Aufmerksamkeit gefiel, ob sie es überhaupt wirklich bemerkte! Harry wusste nur, dass sie den Rücken plötzlich durchstreckte, wenn er um die Ecke bog – oder bereits da war und lauerte, wartete, mit seinem Pack an Slytherin-Idioten, die ihm folgten und gehorchten, als wäre er ein Geschenk des Himmels. Dabei konnte der Idiot noch nicht mal wirklich fliegen.

 

Dass sie die Ohren spitzte, wenn er sprach, dass sie ihn und Ron jedes Mal pünktlich wie eine Schweizer Uhr davon abhielt, Malfoy Respekt beizubringen. Harry mochte nicht, wie Malfoy sie ansah. Und er mochte nicht, dass Hermine sich von Malfoy ansehen ließ.

Er mochte auch nicht, dass Ron schmachtete, und dass es so aussah, als würde er Hermine niemals gewinnen können.

 

Aber am allermeisten konnte Harry nicht leiden, dass ihm diese dämlichen Dinge auch noch auffielen.

 

Der Krieg stand vor der Tür, Snape folterte ihn mit schwieriger Okklumentik, die er nicht beherrschte, und wenn er nicht mit Malfoys pausenloser Anwesenheit, versteckt hinter Säulen, versteckt in der Bibliothek oder der Großen Halle, gefoltert wurde, dann musste er Dumbledore auf fragwürdige Missionen begleiten, arrogante ehemalige Auroren rekrutieren, die verbohrt und uneinsichtig waren, und Harry war müde. Er war müde, ehe es begonnen hatte. Und seine Freunde waren ihm keine Hilfe. Ein Glück, dass er wenigstens das alte Zaubertränkebuch besaß, mit dem er zumindest Slughorn vorgaukeln konnte, eine Ohnegleichen-Schüler zu sein.

 

Und jetzt hatten sie die gefühlten hundertfünfzig Treppenstufen zur Eulerei erklommen, nur um festzustellen, dass – oh Wunder – Draco Malfoy vor ihnen da war! Harry vermutete mit bitterer Miene, dass er Hermines Tagesrhythmus auswendig kennen musste. Er hasste ihn. Und er hasste Hermine dafür, dass Malfoys erbärmlich durchschaubare Versuche bei ihr auch noch fruchteten. Dabei waren es nicht mal Versuche. Es war lachhaft! Denn Malfoy verhielt sich wie ein fünfjähriges Kind, was nicht entscheiden konnte, welche Sorte Eiscreme es wollte. Reinblut oder Muggel. Und Harry hoffte wirklich, dass die Sorte Muggel für immer ausverkauft sein würde. 

 

Harry wurde schlecht, wenn er zu lange darüber nachdachte. Es hatte ihn Wochen gekostet, überhaupt zu begreifen, was Malfoy veranstaltete. Zuerst dachte er, er hätte es auf seine, Harrys, Aufmerksamkeit abgesehen und es ging ums Kräftemessen – um was auch immer. Dann erst war Harry klar geworden, dass Malfoy niemals durch die Flure schlich, wenn Harry alleine oder nur mit Ron unterwegs war. Nein, sein Ziel war etwas anderes gewesen. Es war so absurd, dass Harry diese Erkenntnis erst mal ignoriert hatte, aber mittlerweile konnte er nicht mehr wegsehen, konnte es nicht als Zufall abtun. Mittlerweile hatte es Ausmaße angenommen, die einfach nur noch unerträglich waren. Vor allem für ihn.

Wahrscheinlich musste er Malfoy auch noch zugestehen, doch nicht vollkommen hirnlos zu sein, wenn er so viel Verstand besaß, Hermine zu mögen – oder warum auch immer er diese Show abzog! Harry hätte es ihm nicht zugetraut, aber das hieß nicht, dass er es tolerierte oder es befürwortete – in keinster Weise! Er hoffte ehrlich gesagt, dass es eine Phase war. Eine neue, seltsame Malfoy-Phase, die vergehen würde, wie die Top Ten der Hitparade. Heute war Hermine noch sein Opfer Nummer eins, aber vielleicht, in einem Monat wäre sie nicht mal mehr in den Top Hundert. So dachte Harry. So hoffte er.

 

Denn wenn Malfoy ehrlich mit sich war, dann waren seine Vorstellungen doch ziemlich hoch gegriffen. Harry glaubte, selbst wenn Hermine merkte, was Malfoy eigentlich wirklich tat, dann würde sie niemals ernsthaft überlegen, ob diese Verbindung tatsächlich möglich wäre. Es wäre nämlich nicht möglich. Sie standen auf grundsätzlich verschiedenen Seiten. Zwar glaubte Harry, dass sich Menschen ändern konnten, wenn sie wollten, aber diese Frage stellte sich wohl bei einem Malfoy nicht wirklich, denn soweit Harry informiert war, war auch Lucius Malfoy nicht auf die liberale, muggelfreundliche Seite übergewandert. Ganz im Gegenteil. 

 

Er hatte keine echte Sorge, dass mehr aus dieser ganzen Nachstellerei werden würde. Ganz einfach, weil sie waren, wer sie waren. Es war wie eine seltsame parallele Wirklichkeit. Und fast war es traurig. Für Malfoy. Nicht für Hermine. Harry war der Auffassung, dass Hermine zu gut war. Für Malfoy sowieso, aber auch für sonst irgendwen. Gut, nicht für Ron. Aber das sah er nicht in den Sternen stehen, wenn er ehrlich war. Vielleicht irrte er sich, aber die subtilen Zeichen ihrer Körpersprache waren ätzend offensichtlich. Wenn Malfoy die Halle oder ein Klassenzimmer betrat, änderte sich ihre gesamte Haltung. Bei Ron – da hob sie kaum noch den Blick.

 

Sein Blick fiel auf Pansy, die Malfoy wohl mit ihren Blicken hypnotisieren wollte. Er glaubte, ihr müsse man es wohl leider buchstabieren. Denn ihr schenkte Malfoy überhaupt keine Aufmerksamkeit. Dabei wäre das eine viel bessere Verbindung. Dann wären sie Malfoys Schatten auch los. Aber Harry sah sich in keiner Pflicht, irgendwem irgendetwas deutlich zu machen. Merlin, er war froh, wenn er nicht auch noch von Snape träumte, sah er ihn am Tag schon oft genug. Er würde alles so lassen, wie es war. Manche Dinge ließ man besser in Ruhe.

 

Er verzog den Mund so gereizt, dass Hermines Blick vorsichtig auf ihn fiel. Er spürte, wie nervös sie geworden war. War sie doch gerade noch voll und ganz damit beschäftigt gewesen, ihm und Ron die Wichtigkeit der Stundenplaner für den Unterricht zu erklären, so war sie plötzlich äußerst wortkarg.

 

Sie zupfte an ihren Haaren, biss sich auf die Unterlippe, mied jeden Blick auf Malfoy und verbrachte eine unnötige Weile, die Eulen zu betrachten und sich scheinbar nicht die Richtige aussuchen zu können, als wäre es ein unlösbares Rätsel, was ihrer gesamten Aufmerksamkeit bedurfte, während Malfoy betont lässig an der Mauer lehnte und nicht eine einzige Zeile auf sein Pergament schrieb, weil sein Blick gefroren war und er aus den Augenwinkeln wahrscheinlich Hermine beobachtete – wie jeden gottverdammten Tag.

 

Harrys Lippen wurden so schmal, wie nur McGonagall es fertig brachte, und er überlegte, ob er Lucius Malfoy einen netten Brief schreiben sollte, wo er doch gerade hier war, in dem er höflich darauf hinwies, dass sein Sohn mittlerweile andere Vorlieben hatte als das kostbare Reinblütertum, und Lucius ihn anschließend von der Schule holte. Es hätte sein Gutes, nahm Harry bitter an.

 

„Ich hasse ihn“, knurrte Ron lautlos neben ihm, und Harry wunderte nicht, dass Ron nicht mal begriff, warum er ihn so sehr hasste. Er hasste ihn, weil er seinen Platz streitig machte. Unterschwellig, unbewusst. Harry wunderte sich selber, warum er all diese Zeichen deuten konnte. Er kam sich schon vor wie Patil und Lavender, die eigentlich für die laufende Gerüchteküche von Hogwarts verantwortlich waren. Merlin, Harry könnte einige Würze dazu geben. Würde er sich auch nur den Hauch für so etwas interessieren. Unfassbar, dass Pansy es nicht begriff. Und Pansy sollte jetzt ziemlich genau aufpassen, denn offensichtlicher konnte es wohl kaum noch werden.

 

Endlich unterschrieb Malfoy sein fadenscheiniges Pergament, stieß sich in Seelenruhe von der Mauer ab und stellte sich mit dem zusammengefalteten Brief neben Hermine, um sich ebenfalls eine Eule auszusuchen.

 

Harry konnte nicht anders, als beide zu betrachten, jetzt wo sie nahe nebeneinander standen. Und es war subtil, es war kaum sichtbar, aber Harry achtete darauf. All diese ganze Fassade, all die Planung, die in Malfoys Absichten steckte, zahlte sich nur in solch winzig kleinen Momenten aus, nahm er an. Er musste schließlich früher aufstehen, um Hermine in der Eulerei zu erwischen. Er musste seine Groupies dazu bewegen, ihn zu begleiten, damit er Rückendeckung bekam, falls er und Ron doch irgendwann beschlossen, ihn zusammenzuschlagen, einfach nur aus Spaß. Er musste so tun, als wäre er zufällig hier, musste einen Brief verfassen, denn warum sollte man sonst hier sein? Wahrscheinlich freute sich Malfoys Mutter auch noch, denn sie dürfte nun seit einigen Monaten regelmäßig Post von ihrem Goldjungen erhalten. Alles, was Malfoy tat, wirkte so beiläufig und doch so perfekt geplant, dass es kaum auffiel. Aber jetzt, wenn er neben Hermine stand, so gefährlich nahe, dass er ihre Hand einfach ergreifen könnte, wenn er wollte, sah Harry es deutlich.

 

Malfoy war unsicher. Seine Bewegungen wirkten steif. Er drehte nicht mal den Kopf in ihre Richtung. Er sagte nicht mal etwas. Beleidigte sie nicht mal. Nicht mal simple, böse Rhetorik, die ihm doch immer so leicht fiel, schien zu funktionieren.

 

Und fast war es wieder traurig. Aber auch beruhigend. Denn so würde niemals mehr aus diesen Annäherungsversuchen werden, als unangenehmes Schweigen, wenn Malfoy es denn tatsächlich mal schaffte, auf fünf Zentimeter in Hermines Nähe zu kommen. Und es musste daran liegen, dass Malfoy es wusste, dachte Harry. Er musste wissen, dass, egal, was er anstellen würde – letztendlich wäre es unmöglich. Was sollte passieren, Merlin noch mal? Es herrschte praktisch Krieg. Malfoy würde andere… Verpflichtungen haben. Harry war überzeugt davon, er trug das Mal. Hermine wäre begeistert, wenn er ihr das zeigen würde. Wenn es denn dazu käme, dass sie ihre Klamotten auszögen, weil Malfoy es durch pure Geisteskraft geschafft hätte, sie um eine Verabredung zu bitten, die auch noch darin gipfeln müsste, dass Hermine Malfoy als Sexpartner annahm. Harry schüttelte abwesend den Kopf über so viel unwahrscheinliche Theorie. Eklige Theorie….

 

Es müsste verdammt viel schief laufen, dass es so weit kam. Oder verdammt viel müsste gut laufen – je nach dem.

 

Stumm betrachteten Malfoy und Hermine die Eulen, als säßen sie im Kino in der letzten Reihe. Als es tatsächlich langsam unangenehm wurde, erwachte Ron zum Leben. Er sah wohl wieder einmal ihre Ehre bedroht und stolperte direkt neben sie.

 

Harrys Blick wanderte zu Pansy, Crabbe und Goyle, die sich an der Mauer herumdrucksten, als gewährten sie ihrem unfähigen Prinzen ein wenig Privatsphäre, damit er sich mal wieder offensichtlich dumm anstellen konnte. Am liebsten hätte sich Harry die flache Hand vor die Stirn geschlagen. Pansy zog den Umhang enger um ihre Schultern, während Crabbe und Goyle stumm warteten. Aber alles Schöne fand sein Ende, dachte Harry mit bitterer Belustigung, denn Pansy – wie Ron – spürte wohl irgendeinen instinktiven Reiz.

 

„Draco?“, rief sie, fast ein wenig verzweifelt. Als könne – oder wolle – sie sich nicht erklären, warum er so lange brauchen könnte, sich einen Vogel auszusuchen.

Und Malfoy hatte nun keinen Schutz mehr. Keinen guten Grund. Seine Zeit war schmerzlich deutlich abgelaufen, und er würde sich wohl oder übel seiner Fassade fügen müssen, tatsächlich nur hier zu sein, um einen verdammten Brief abzuschicken. Hermine streckte ebenfalls endlich den Arm in die Höhe, rief nach der kleinsten Eule im Dachstuhl, und diese sauste träge hinab. Malfoy entschied sich für das größte Biest, was er wohl finden konnte, ignorierte Hermine, um der ganzen Metaphorik auch noch gerecht zu werden, und erst als er sich abwandte, erlaubte er sich einen kurzen Blick auf Hermines Hinterkopf.

 

Harry schüttelte unauffällig den Kopf über so viel Dramatik am frühen Morgen. Malfoys selbstbeschworenes Leid machte die hunderttausend Stufen fast wieder wett, überlegte er gähnend, während Ron nervös wie ein Boxer um Hermine herum tänzelte.

 

Harry verzog erneut den Mund, wartete, bis Hermine ihren Brief ans Bein der Eule gebunden hatte, und wie jedes Mal, wenn sie hier aufeinander trafen, machte Malfoy eine große Show daraus, als erster zu gehen, als käme er irgendwohin zu spät. Dabei wartete er bestimmt schon fünfzehn Minuten länger als sonst, denn heute waren sie erst später zu ihrem wöchentlichen Weg in die Eulerei aufgebrochen. Und das war Harrys Schuld gewesen. Er testete Malfoy mittlerweile, wollte sehen, ob seine Theorien vielleicht doch falsch waren, aber bisher… lag er ziemlich richtig.

 

Harry sah ihn direkt an, als er an ihm vorbeimarschierte – der ungekrönte König der Eulen. Und als er den Blick wohl unbewusst hob, konnte Harry nicht anders, als zu lächeln. Er lächelte, weil er wusste, was Malfoy tat, und weil Malfoy im Leben keine Chance bei ihr haben würde. Kurz verengten sich Malfoys Augen, kurz erschienen die Falten auf seiner Stirn, aber natürlich würde Malfoy ihm niemals unterstellen, dass Harry von seinem geheimen, brillanten Plan irgendeine Ahnung hatte – so offensichtlich es auch war.

 

Malfoy schickte seinen kleinen Trupp voran und ging hinter ihnen. Und wie jedes Mal trotteten er und Ron hinter Hermine die gefühlten hundertfünfzig Stufen abwärts, während Malfoy sich geschätzt eintausend Mal halb umwandte, um irgendeinen verächtlichen Kommentar über Eulen, Stufen, Blutsverräter und das Wetter zu machen, woraufhin Hermine jedes Mal zornig antwortete, als würde es sie interessieren. Wieder hatte Harry die Hände in den Taschen vergraben. Malfoy war wie ein seltsames Freud‘sches Projekt. Was er nicht kannte, dem schien er mit negativer Energie zu begegnen. Er konnte nichts Nettes tun oder sagen.  

 

Merlin. Malfoy war eine wandelnde selbsterfüllende Prophezeiung, wenn man so wollte. Denn das, was Harry beruhigte, war nicht die Tatsache, dass Malfoy vielleicht wusste, dass sein Unterfangen vergebens war – nein. Was ihn wirklich beruhigte, war, dass Malfoy so sein selbstverliebter, arroganter Schönling war, der mehr Wert auf seinen Ruf und seine äußere Reinblut-Erscheinung gegenüber anderen legte, als seine Prinzipien für ein Mädchen über den Haufen zu werfen, was er nach Hogwarts höchstwahrscheinlich nie mehr wiedersehen würde. Es beruhigte Harry, dass neben Malfoys unverbesserlichem Narzissmus auch ein Hauch von Intelligenz in dessen Kopf vorhanden war. Denn Harry nahm an, Malfoy lebte nicht für das Jetzt und Heute. Das konnte er sich wohl kaum leisten. Wie schwierig musste es sein, nicht das tun zu können, was man gerne tun wollte, weil man sich selber im Wege stand?

 

Endlich kamen sie unten an. Malfoy musste Dienstage lieben, nahm Harry an. Denn gleich hatten sie Pflege magischer Geschöpfe. Und Harry würde seinen Feuerblitz verwetten, was der Grund dafür war, dass Malfoy ausgerechnet dieses Fach gewählt hatte. Aber das war wieder die Tragik des Ganzen, nicht wahr? Denn er würde die ganze Stunde über versuchen, in Hermines Nähe zu kommen, unfähig, irgendetwas anderes zu äußern als Beleidigungen oder bissige Kommentare. Obwohl Harry ihm lassen musste, dass er selbst bei Pflege magischer Geschöpfe ein Ohnegleichen kassierte.

 

Malfoy war ein seltsamer Charakter. Immer schon gewesen. Jetzt, wo Harry ihn täglich zu Gesicht bekam, war es noch offensichtlicher. Es war ein ewiger Kreislauf. Beim Mittag würde sich Hermine dann künstlich über Malfoy aufregen, und Ron würde in seiner Verzweiflung von ihr verlangen, dass sie sich doch gar nicht erst Malfoys Worte zu Herzen nehmen sollte. Dass sie überhaupt nicht mit ihm reden sollte!

 

Und so verging dann ein weiterer Tag im Zyklus Malfoy und Hermine, mit dem Ergebnis, dass alles blieb, wie es war. Ihre Wege trennten sich, und alle wirkten erschöpfter als noch fünfzehn Minuten zuvor. Hermine streckte den Rücken durch, und ihre Wangen hatten sich rosa gefärbt vor Eifer. Dann war sie magischerweise wieder sie selbst und maßregelte Ron, dass er sein Hemd gefälligst in die Hose stecken sollte.

 

Harry gab Snape persönlich die Schuld für seine Wahrnehmung, denn Snape hatte ihm aufgetragen, besonders scharf seine Mitmenschen ins Auge zu fassen, und zu erahnen, was sie dachten, ohne ihre Gedanken zu lesen. Er wünschte sich wirklich, dass ihm irgendetwas anderes auffallen würde. Alles andere wäre besser als das.

 

Ron wandte mürrisch den Blick in seine Richtung, schwieg neben ihm, während sie schon mal zu Hagrid gingen, um ihn vor dem Unterricht zu besuchen – und natürlich, um zu sehen, ob einer von ihnen eine schlimme Übelkeit bekam, weil Hagrid für diese Stunde ein besonders tödliches oder gefährliches Tier auf Lager hatte. Und weil Harry sein Lieblingsschüler war, war er nahezu auch immer der einzige, der unter vielem Bitten und Flehen als Versuchskaninchen nach vorne kommen musste, um das fragwürdige Tier zu streicheln, zu sehen, ob es wirklich leicht entflammbar war, ob es tatsächlich die mächtigen Krallen im Sprung ausfahren konnte oder ob der Speichel ohne jeden Zweifel jede Faser seiner Schuluniform vom Körper ätzen konnte.

 

Harry kannte Hagrid mittlerweile zu gut, um es auf solch einen banalen Zufall ankommen zu lassen. Harry konnte mittlerweile alle Zeichen lesen.

 

Und er würde nie wieder ohne seine Hosen vor der Klasse stehen, weil der süße kleine Mantikor-Collie Mix mit seiner monströsen Zunge seine Hose geschmolzen hatte!

Und dennoch hatte er heute kein besonders gutes Gefühl.

Aber das hatte er an Dienstagen ohnehin nicht mehr. Denn es bedeutete die doppelte Malfoy-Dosis, weit über Harrys Toleranzgrenze.

 

~*~

 

Es war so schnell passiert, dass er kaum wusste, wie er reagieren sollte. Die Zeit floss wie in gefrorenen Sekunden dahin. Sie wirkte so schockiert neben ihm, dass er nicht wusste, was er denken sollte, was er sagen sollte, aber seine Reflexe hatten für ihn übernommen und seine Hand hob sich in mikroskopischer Langsamkeit, bis der Riese ihn bemerkt hatte.

 

„Ja?“, wollte er misstrauisch wissen, und Dracos Zunge formte die nötigen Worte, ohne dass sein Verstand ein Wort mitzureden hatte.

 

„Ich hätte gerne einen anderen Partner, Professor?“, sagte sein Mund, und sein Herzschlag ging schnell. Der Riese sah ihn an, noch immer hatte Draco das Gefühl, alles ging langsamer als noch vor einer Minute. Bevor der Riese die Paare eingeteilt hatte, und ihn tatsächlich mit Granger in ein Team gesteckt hatte. Er hatte Gregorys Blick bemerkt und Vincents, und er wusste, es lag an ihm, sich zu wehren. Es war ein natürlicher Instinkt, den er nicht unterdrücken konnte. Als Slytherin war er mit einer Gryffindor zusammen eingeteilt worden, und das konnte nicht sein.

 

„Einen anderen Partner?“, wiederholte der Riese mehr als verblüfft, und Draco war so fixiert auf sich selbst, dass er nicht mal sagen könnte, mit wem die anderen eingeteilt worden waren. Sein Augenmerk lag auf ihr. Zumindest aus den Augenwinkeln heraus. „Aber… ich habe es ausgewürfelt“, fuhr der Riese etwas verständnislos fort, und kurz runzelte sich Dracos Stirn.

 

Er hatte es ausgewürfelt? Wie würfelte man bitteschön zehn Paare aus? Aber er ließ sich nicht beirren. Denn es war wichtig, dass er sich wehrte. Dass er den Slytherins gerecht wurde.

 

„Kann man nicht trotz alledem einen neuen Partner bekommen, Sir?“, wiederholte er nachsichtig, und der Riese kratzte sich am haarigen Kopf. Dann zuckte er unentschlossen die Achseln.

 

„Schätze schon, Malfoy“, brummte er unzufrieden. Draco war erleichtert. Seinen Wunsch nach einem neuen Partner hatte er halbherzig geäußert, hatte ins Kalkül gezogen, dass der Riese ablehnen würde. Bei Snape gab es nicht einmal die Frage nach Partnerwechsel, nicht einmal den Gedanken daran! Denn was der Lehrer entschied, das galt. Draco hatte einfach reagiert. Es wäre absurd und pervers, würde er tatsächlich in einem Team mit ihr sein! Der Riese wandte den Blick. „Vielleicht würde Harry seinen Partner tauschen wollen?“

 

Dracos Blick wanderte zu Potter. Potter war in Hagrids Stunden Vorzeigeschüler und Pausenclown, Versuchsopfer und Mädchen für einfach alles. Natürlich müsste Potter es ausbaden. Potter hatte Vincent als Partner bekommen. Dracos angespannte Züge verloren an Kraft. Ausgerechnet. Potter sah ihn seit Wochen komisch an.

 

Potters Blick wirkte beinahe genervt. Granger neben ihm verschränkte wütend die Arme vor der Brust, während Dracos Herz schwere Schläge tat. Er bemerkte es nur unbewusst.

 

„Harry würdest du mit Hermine tauschen?“, wollte der Riese ruppig und ein wenig beleidigt wissen, und Potters Mund verzog sich knapp. Weasley neben ihm schien sich praktisch freiwillig anbieten zu wollen, denn er blieb kaum ruhig stehen. Und Potter sah ihn direkt an. So vollkommen abschätzend, angewidert und…- überlegen? Draco konnte seinen Blick nicht wirklich deuten. Dann betrachtete Potter gelangweilt Vincent, der wie immer vollkommen unauffällig und praktisch unsichtbar wirkte.

 

„Da behalte ich lieber meinen Partner. Hermine, tut mir leid“, knurrte Potter, aber er klang definitiv nicht danach, als ob es ihm leid täte. Er sah ihn sogar reichlich zornig an. Und Draco war ernsthaft verblüfft. So wie Potter ihn immer anstarrte, wenn sie sich begegneten, war Draco felsenfest überzeugt gewesen, Potter würde sich opfern, nur damit er nicht mit Granger in einem Team war. Tatsächlich schien Potter kaum merklich den Kopf über ihn zu schütteln. Dracos Stirn runzelte sich misstrauisch.

 

„Tja“, verkündete der Riese dann, und Draco hörte Pansy unterdrückt hinter ihm fluchen. „Tut mir leid, Malfoy, aber du bleibst bei Hermine“, schloss der Riese, wohl doch erfreut, dass sein Würfelspiel aufgegangen war. Granger neben ihm atmete hörbar gereizt aus. Er hatte ernsthaft versucht, diesem Schicksal zu entgehen. Um seinetwillen. Um ihretwillen. Egal. Er hatte es versucht, und alle hatten es gesehen. 

 

Erneut konnte er nicht anders, als Potter einen Blick zuzuwerfen. Dieser sah ihn noch immer äußerst missmutig an. Er ärgerte sich über ihn, aber Draco hatte das Gefühl als ärgere sich Potter auch gerade über sich selbst.

 

Draco verstand nicht. Fast war es, als wüsste Potter…- aber nein. Was sollte Potter schon wissen? Es gab nichts zu wissen. 

 

„Ich teile die Eier aus, und morgen sollten sie schlüpfen!“, rief der Riese aufgeregt, wie ein kleiner Junge. Wütend drängelte sich Granger vor, nahm das Ei entgegen und das erste Mal sah er sie an. Neben der Wut in ihren Augen, sah er deutlich, dass sie eine Spur verletzt wirkte, durch seinen Wunsch nach einem neuen Partner. Vielleicht nicht einmal, weil er es war, sondern… weil niemand gerne abgewiesen wurde.

 

„Du bist so kindisch, Malfoy“, knirschte sie zwischen den Zähnen hindurch. Mehr als deutlich sprach aus ihrem Blick, dass sie ihn verabscheute. Fast entlockte es ihm ein Lächeln. Es schien die Basis zu sein, die zwischen ihm und den meisten Gryffindors bestand. Es war zumindest die einzige Basis, auf der er mit ihr kommunizieren wollte. Wenn sie ihn hasste, dann bewegten sie sich auf demselben Niveau, denn er tat nichts anderes als das. Er hasste Granger. Hasste sie, ihre blöden Augen, ihre unordentlichen Haare, ihre faltige, nicht gestärkte, Bluse, die er unter dem Blazer erkennen konnte, die alten Tintenspritzer auf ihren nicht manikürten Fingern, und all das regte ihn auf. Ihre so sichtbaren Fehler ließen ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. Und er hasste, dass er darauf achtete. Er hasste es bald mehr, als sie. Denn irgendetwas lief nicht richtig. Irgendetwas in ihm hasste all das nicht so ehrlich, wie er gerne wollte. Etwas hielt ihn davon ab, sich einfach nicht immer wieder vergewissern zu müssen, wie ekelerregend sie doch tatsächlich war. Sie sah ihn noch immer an, ging ihm gereizt auf. Was hatte sie gesagt? Retour, Malfoy. Sag irgendetwas ebenso sachlich Unqualifiziertes.

 

„Besser kindisch als ein Schlammblut, Granger“, entgegnete er schließlich mehr oder weniger überheblich. Wow. Das war enttäuschend, sogar für ihn. Fast erbärmlich. Aber nur fast. Er war Draco Malfoy. Ihre Augen sprühten praktisch vor Zorn.

 

Noch ein Unterschied zwischen ihnen. Worte konnten ihm nichts anhaben. Es waren nur Worte. Bei ihr war es umgekehrt. Er glaubte nicht, dass sie vergaß, wenn er sie beleidigte. Er nahm an, sie führte eine Liste in ihrem Kopf, wann er sie wie oft beleidigte. Es schien irgendeine Bedeutung für sie zu haben, was er zu ihr sagte. Es war seltsam.

 

„-möchte, dass ihr euch Mühe gebt, ja? Diese Züchtung ist vegetarisch – also teilweise, sie brauchen Fleisch!“, beteuerte der Riese liebevoll. „Aber ab und an eine Kartoffel schadet auch nicht. Also, jeden Tag wechselt ihr euch ab und führt ein gemeinsames Tagebuch. Eine Stunde am Tag solltet ihr euch treffen und euch austauschen. Nach zwei Wochen werden sie so riesig sein, dass das Projekt dann auch beendet ist – auch weil… sie vielleicht Geschmack an euren Fingern finden könnten – oder Armen. Tja…- aber keine Sorge! Wir haben bereits Abnehmer aus den magischen Zoos der Umgebung gefunden. Leider.“ Der Riese wirkte ernsthaft enttäuscht.

 

Erst jetzt fiel Dracos Blick mulmig auf das bebende Ei in Grangers Hand. Es war groß. Wie eine ovale Melone. Grünlich war die Schale, besprenkelt mit blauen Punkten. Fast sah es künstlich aus, wie bemalt, aber die Farben waren gestochen scharf, gefährlich und abschreckend für jeden tierischen Eierdieb, nahm er an. Es bewegte sich unruhig in ihren weit gespreizten Fingern.

 

Was schlüpfen würde, würde einigermaßen gefährlich sein, vermutete er. Handschuhe und Schutzkleidung, dachte er abwesend. Er wollte nicht auch ohne Hose dastehen, wie Potter vor einigen Wochen.

 

Eine Stunde am Tag. Für zwei Wochen. Das war also sein Zeitfenster. 14 Stunden Granger? Er wagte es, den Blick wieder zu ihrem Gesicht zu heben. Sie war vollkommen auf das Ei fixiert, sanfte Angst im Blick. Seine Mundwinkel sanken. Ihr Blick hob sich überraschend schnell. Zu schnell für ihn, um wegzusehen. Nachdenklich musterte er sie. Langsam runzelte sich ihre Stirn. Sie schien sein Verhalten nicht einstufen zu können, jetzt gerade. Er haderte mit sich. Seine Gedanken befassten sich schon oft genug mit dem Schlammblut. Es waren nie positive Gedanken, aber es waren… Gedanken. Und wenn es zu anstrengend wurde, musste er sie finden, sie sehen, um sich zu beruhigen. Denn es beruhigte ihn, wenn er sah, dass sie tatsächlich widerlich war.

Sein Mund verzog sich schlecht gelaunt. Er war krank. Schlicht und einfach krank.

 

„Die Stunde ist vorbei!“, rief der Riese fröhlich. Und Draco war froh und dankbar dafür.

 

„Dein Tag heute“, schaffte er abweisend zu sagen, und ehe er sich von ihr abwandte, sah er noch, wie sich ihr Mund wütend öffnete, wohl um ihm wieder einmal zu sagen, was für ein Kind er war, aber es war wichtig, dass er das letzte Wort behielt. Es verschaffte ihm Balance. Dominanz. Überlegenheit. Er konnte nicht der Schwächere sein. Nicht dass er das jemals wäre. Bei ihr. Einem Schlammblut. Aber manchmal…- er schüttelte zornig den Kopf. Nein. Genug. Genug gedacht.

 

Er bemerkte, wie Pansy neben ihm in Gleichschritt fiel. Scheinbar hatte sie den schlechteren Deal gemacht, denn sie trug ihr Ei, etwas angeekelt, mit spitzen Fingern, weit von ihrem Körper entfernt.

 

„Ich hasse Weasley“, murrte sie neben ihm. Draco hatte gar nicht bemerkt, dass sie Weasley als Partner hatte.

 

„Ich auch“, bestätigte er. Automatisch. Denn so war es. Er brauchte nicht zu hinterfragen, warum. Er hasste sie. Die Gryffindors. Die scheiß Gryffindors.

 

Morgen würde er Granger sehen. Und fast wollte er nicht. Denn es… beruhigte ihn schon wieder. Und das war definitiv nichts, was er weiter ergründen wollte, wenn es sich vermeiden ließ.

Es wäre seine Hausaufgabe, sie zu sehen. Und nicht, dass er nicht wüsste, wo sie den Tag über war. Er kannte seine Freunde gut, aber… seine Feinde kannte er besser.

Sein Vater hatte diese Weisheit einst mit ihm geteilt. Mittlerweile bereute Draco, sich an Lucius‘ Worte gehalten zu haben. Aber wie es nun mal mit Gewohnheiten war – es ging nicht mehr anders.

 

 

4. Heartbreaker

 

I have been bent and broken, but - I hope - into a better shape.

Charles Dickens

 

In der Ferne konnte sie zumindest erkennen, wie Ron und Pansy stritten. Sie konnte sie nicht hören, denn sie saß selber zu weit entfernt, aber nach Pansys wilder Gestik zu urteilen, waren sie sich nicht unbedingt einig.

 

Er war zu spät, aber sie hatte nichts anderes erwartet. Sie erwartete ehrlich gesagt gar nichts von ihm. Es verging noch eine kleine Weile, in der sie das zitternde Ei ruhig in ihren Händen hielt. Die Fortschritte waren beängstigend. Die Schale spannte bereits nach diesem einen Tag. Die Farben waren blasser geworden, und sie nahm an, bald würde die Schale brechen.

 

Sie hatte in ihrem Exemplar ‚Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind‘ bereits gesucht, war sich aber nicht wirklich sicher, ob sie gefunden hatte, was heute schlüpfen würde. Das Buch beschäftigte sich weniger mit der Ei-Zeichnung der gefährlichen Flugechsen, sondern vielmehr mit guten Ratschlägen, wie man nicht sofort gefressen wurde, traf man zufällig in der Wildnis auf ein solches Exemplar.

Sie hatte sogar gestern noch versucht das ‚Magische Tierleben‘ auszuleihen, aber das einzige Exemplar war bereits ausgeliehen worden, hatte Madame Pince sie informiert. Irgendwer war schneller gewesen. Sie nahm also wider jeder Gewissheit an, dass ein Urvogel schlüpfen würde. Oder etwas Ähnliches.

 

Sie wusste nicht, was es war, aber sie bemerkte seine Anwesenheit sehr plötzlich. Als hätte ihr Rücken einen Stoß erfahren, richtete sie sich auf, saß kerzengerade auf der Bank, während er gemächlich näher kam. Sie blickte ihm entgegen, und wusste beim besten Willen nicht, warum Hagrid es nicht eingerichtet hatte, dass sie einen anderen Partner bekommen hatte. Egal welchen, dachte sie abwesend. Wahrscheinlich war das ihr persönliches Glück. Oder Pech, besser gesagt.

 

Er erreichte sie mit selbstbewusst ausladenden Schritten, die Hände gelassen in den Taschen seiner Hose vergraben. Und er sah an ihr vorbei, direkt auf das Ei in ihren Händen. Es war eigenartig. Ihr war aufgefallen, dass sie ihn am Tag häufiger sah. Und nicht einfach nur sah, nein. Sie bemerkte ihn bewusst. Aber sie wusste nicht, warum. Sie wusste, Harrys Laune verschlechterte sich jedes Mal, wenn Malfoy auftauchte, aber das war auch kein sonderbarer Zustand. So war es immer gewesen.

 

Skeptisch sah sie ihn an. Es war nicht auszumachen, was er dachte. Er hatte die Ärmel seines weißen Hemds hochgekrempelt, aber… nicht hoch genug, dachte sie unwillkürlich. Sie waren nur einmal umgeschlagen, entblößten seine Handgelenke. Nicht hoch genug, um Harrys These zu bestätigen, dass Malfoy das Dunkle Mal trug. Das mochte er verheimlichen, aber seine Arroganz trug er wie einen mächtigen Talisman auf den Zügen. Er wirkte nie ehrlich. Immer nur misstrauisch, vorsichtig, bereit, zu erwidern, bereit, die Slytherinehre zu verteidigen.

 

Sie hörte praktisch, wie er einatmete, um zu sprechen. Wie er die nötige Luft holte, um wieder irgendetwas Gemeines und Widerwärtiges zu sagen, was sie auf irrationale Weise so wütend machte, wie wenig auf der Welt. Und egal, wie oft Ronald ihr sagte, sie solle ihn gar nicht erst beachten, seinen Worten kein Gehör schenken – so tat sie es doch.

Und sie wusste nicht warum. Aber bereits jetzt – bereits, als er Luft holte, schmeckte sie den bitteren Geschmack der Enttäuschung, denn vielleicht glaubte sie manchmal, er würde aufwachen und nicht mehr ekelhaft sein, aber es endete jedes Mal gleich. Und sie hasste sich fast dafür, sich etwas vorzumachen.

 

Vor Harry und Ron immer wieder im Kreuzverhör zu stehen, nur weil sie nicht anders konnte, als jedes Mal wieder und wieder auf Malfoys Worte anzuspringen, obwohl sie es nicht wirklich wollte. Er war ein Slytherin, er hatte es bestimmt auch schwer, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er nie gelernt hatte, auch nur ein einziges höfliches Wort zu sagen! 

 

„-das Vieh hatte wohl noch keine Lust zu schlüpfen. Wahrscheinlich spürt es deine Nähe. Oder es ist allergisch gegen Schlamm?“, erkundigte er sich glatt, während sein Blick nur sehr kurz über ihr Gesicht wanderte.

 

Sie schluckte die Enttäuschung über ihn herunter. Denn… es war keine echte Enttäuschung. Es war... Gewohnheit. Es löste keine wirkliche Bestürzung in ihr aus. Es war einfach… schade. Dass sie nicht lernte. Dass sie nicht klüger wurde. Dass sie ihm tatschlich unterstellte, mehr zu sein, als er in Wahrheit war.

 

„Arschloch“, flüsterte sie fast, ohne ihn anzusehen. Nie sprach sie so mit Harry und Ron. Oder irgendwem. Nur mit ihm. Denn er brachte das Schlechteste in ihr hervor. Seine Mundwinkel hoben sich. Sie sah es auch aus den Augenwinkeln. Und sie zwang sich, ihren Zorn zu vergessen. Zu verdrängen, dass es Malfoy war.

 

„Ich habe ein Notizbuch begonnen“, wechselte sie konsequent das Thema, obwohl sie nicht annahm, dass sie einen gemeinsamen, rationalen Konsens erreichen würden. Sie balancierte das Ei auf ihren Oberschenkeln und griff nach dem schmalen Heft neben sich auf der warmen Bank.

 

„Erwartest du Applaus?“, erkundigte er sich lakonisch bei ihr, und sie spürte, wie sich ihre Mundwinkel zornig anspannten.

 

„Nein, Malfoy“, erklärte sie, mäßig geduldig. „Ich erwarte, dass du es führst, wenn du an der Reihe bist.“ Demonstrativ legte sie es wieder neben sich.

 

„Noch sehe ich keinen Grund dazu“, erklärte er schlicht. Er beugte sich leicht nach vorne und betrachtete mit gerunzelter Stirn das Ei. „Wenn hier heute nichts passiert, dann-“

 

„-es wird schlüpfen. Denkst du, ich habe Lust, eine Stunde am Tag in deiner direkten Nähe zu verbringen?“, entkam es ihr zornig, ohne, dass sie es hatte verhindern können.

 

„Andere Mädchen würden gutes Gold dafür zahlen“, erwiderte er, ignorierte ihre Beleidigung völlig und ein halbes Lächeln erschien auf seinen Zügen. Ihr Blick hatte sich gehoben. Sie sah ihn angewidert an.

 

„Ich nehme an, du meinst die blinden Mädchen, die bewusstseinsverändernde Zauber benutzt haben? Denn selbst blind wärst du immer noch unerträglich. Die vielleicht!“, knirschte sie hervor, und sein Lächeln geriet etwas schief. Sie zuckte vor Schreck zusammen, als die Schale unter ihren wütenden Fingern knackte. Erschrocken fiel ihr Blick. Er war einen instinktiven Schritt zurückgewichen. Gereizt sah sie ihn wieder an. „Du hast Angst?“, wollte sie bitter von ihm wissen, und arrogant schüttelte er den Kopf.

 

„Ich habe vor gar nichts Angst“, spottete er, und am liebsten wollte sie die Augen verdrehen. „Aber wenn es explodiert, beulenpestartige Lava ausspuckt, dann hätte ich lieber, dass es dich trifft und nicht mich“, schloss er angespannt.

 

„Wie heldenhaft“, entgegnete sie garstig, und er lächelte wieder.

 

„Prinzessinnen brauchen Helden, Granger. Du bist eher-“

 

„-halt einfach deinen Mund!“, unterbrach sie ihn aufgebracht, während sie sich beunruhigt erhob, das Ei auf die Bank legte, wo es wackelnd in die Ritze kullerte und auf der Seite liegen blieb, während es immer wieder zuckte. Sie war an seine Seite gewichen, beobachtete das Ei, und konnte nicht einmal behaupten, dass Malfoys Theorie meilenweit entfernt von einer möglichen Wahrheit lag, denn Hagrid hatte eher… leicht entflammbare, schmerzhafte Interessen.

 

Und mildes Interesse hatte sich auf sein Gesicht gelegt. Fast alarmierte es sie auf einem primitiven Level ihres Unterbewusstseins, aber der Impuls der Furcht war nicht stark genug.

 

„Interessiert an einer Wette, Granger?“, fragte er sie, die Stimme undeutbar vage, betont gleichmütig.

 

„Nein“, entgegnete sie kurz und knapp. Er wandte ihr den Blick vollständig zu. Er sprach heute viel, ging ihr auf. Ansonsten bekam sie nur ihre tägliche Beleidigung von ihm, und er zog ab, weg, in seine Keller, seinen Kreis an blöden Freunden im Schlepptau.

 

„Angst, dass du verlierst?“, erkundigte er sich höhnisch.

 

„Nein, denn ich habe nicht vor, länger als nötig hier zu sein, länger als nötig mit dir zu reden – also ist es selbsterklärend, dass ich keine Wette mit dir abschließen werde!“

 

Und es war faszinierend, dass er sie ignorierte, scheinbar keines ihrer Worte vernommen hatte. Er verschränkte lediglich die Arme vor der Brust, beobachtete mit schiefgelegtem Kopf das knirschende Ei und sprach. 

 

„Ich wette, es hat Flügel“, bemerkte er, ohne sie anzusehen. Und es lenkte sie ab. Nur kurz, aber lang genug, dass sie vergaß, den Mund zu halten!

 

„Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es ein Vogel, Malfoy.“ Er blickte abschätzend auf sie hinab und sie ärgerte sich, überhaupt etwas zu ihm gesagt zu haben.

 

„So funktioniert eine Wette nicht“, belehrte er sie schlicht. „Einer wettet auf eine Eigenschaft, der andere verneint.“ Sie verdrehte die Augen über ihn.

 

„Ich weiß, wie man wettet, Malfoy“, knurrte sie bloß. „Warum willst du unbedingt wetten?“, entkam es ihr mit gerunzelter Stirn. Es verwirrte sie. Er hob den Blick unverfänglich zu ihrem Gesicht. Alles an ihm, seine Gesten, sein Aussehen, wirkte so, als überließ er nie etwas dem Zufall. War nie spontan. Alles müsse er sich stets wappnen, immer auf der Hut sein, dass ihn ja niemand in einem unbewachten Moment erwischte.

 

„Es könnte die tödliche Langeweile, die ein Projekt zusammen mit einer Gryffindor ganz von selber mit sich bringt, vielleicht erträglicher machen.“ Finster blickte sie ihm entgegen. Er war ein Arsch. „Ich wette, es hat Fell“, ergänzte er dann betont beiläufig, mit einem Lächeln, das seine Augen niemals erreichte. Sein Blick fixierte nun die berstende Schale. Das Tier mühte sich im Innern schwer ab, erkannte sie. Und sie sprach wider besseres Wissen aus, was sie dachte.

 

„Unwahrscheinlich. Was aus einem Ei schlüpft hat überwiegend Schuppen oder Federn“, sagte sie nur. Dann sah er sie wieder an. Sofort hob sich ihr Blick zu seinen grauen Augen. Sie mochte es nicht, wenn er sie beobachtete. Denn sie spürte es jedes Mal, wenn er das tat. Und ihr wurde immer unangenehm warm, wenn er es tat.

 

„Dann steht die Wette?“, wollte er lächelnd wissen, und ihr Mund öffnete sich entgeistert.

 

„Nein!“, erwiderte sie ungläubig. „Immer noch nein, Malfoy! Ich lasse mich garantiert nicht auf eine Wette mit dir ein!“ Er lächelte wieder. Das Ei sprang fast von der Bank, so stark arbeitete das Tier nun im Innern, um rauszukommen.

 

„Es kommt immer auf den richtigen Einsatz an“, fuhr er achselzuckend fort.

 

„Vergiss es!“, erwiderte sie kopfschüttelnd.

 

„Nenn mir deinen Preis“, verlangte er tatsächlich, hob provozierend eine Augenbraue, und sie schüttelte wieder über ihn den Kopf. „Komm schon. Ich bin sicher, es gibt tausend Sachen, die du mir antun möchtest“, neckte er sie, widerlich selbstbewusst. Sie sah ihn eisig an.

 

„Dafür brauche ich keine dämliche Wette, Malfoy“, informierte sie ihn kühl. Anerkennend hoben sich seine Augenbrauen jetzt. Seine Mundwinkel zuckten. Sie hasste, dass er spielte. Sie hasste, dass er einfach immer nur ein Slytherin war!

 

„Wirklich schade“, bemerkte er mit einem sanften Lächeln. „Richtige Wetten können verdammt viel Spaß machen. Aber ein Schlammblut kann wahrscheinlich-“

 

„-denkst du, du überzeugst mich, indem du mich beleidigst? Du bist erbärmlich“, stellte sie verständnislos fest, und ihr Blut kochte bereits wieder wegen ihm.

 

Er zuckte die Achseln. „Ich dachte mir schon, dass es vertane Mühe ist, so etwas vorzuschlagen. Du hättest es wahrscheinlich nicht drauf, einen Wetteinsatz zu fordern, der mich ernsthaft beeindrucken könnte. Wahrscheinlich würdest du wollen, dass ich dein dämliches Notizbuch führe, oder deine Aufsätze in Zaubertränke schreibe“, fuhr er blasiert fort, und ihr Mund öffnete sich entrüstet. Nachsicht trat in seinen Blick. „Glatte zehn Punkte weniger als ich, letztes Mal bei Slughorn“, merkte er kopfschüttelnd an und betrachtete sie mit arrogant erhobener Augenbraue.

 

„Ich schreibe meine Aufsätze alleine, Malfoy!“, knirschte sie gepresst hervor und hasste ihn noch ein klein wenig mehr als sonst.

 

„Tja, dann wüsste ich nicht, was-“

 

Zornig sah sie ihn an, und es wieder einmal gegen jede Rationalität, dass sie überhaupt auf seine Worte einging! Aber sie sagte, was sie tief in ihrem Innern dringend sagen wollte.

 

„-würden wir wetten – was wir nicht tun! – dann würde ich von dir fordern, dass du nächstes Jahr das Schulsprecheramt ablehnst, wenn du es bekommst!“ Ihre Stimme zitterte nicht bei diesen Worten, hatte sich merklich abgekühlt, und vollkommener Ernst sprach aus ihren Worten.

 

Überrascht sah er sie an. Das war eine ihrer größten Sorgen. Denn seine Noten waren bedauerlicherweise gleichauf mit ihren. Und sie wusste auch, dass es möglich war, das Amt abzulehnen. Das hatte der Schulsprecher letztes Jahr getan. Zwar hatten sich seine Eltern getrennt und es war absehbar, dass er mit seiner Mutter England verlassen würde, aber es war möglich gewesen, das Amt an den ersten Ravenclaw-Vertrauensschüler zu transferieren.

 

Und das wollte sie. Sie wollte, dass sie keinen einzigen Tag in ihrem siebten Jahr an Malfoys Seite im höchsten Schüleramt sein wollte. Denn er würde jeden Tag eine neue Gelegenheit finden, sie zu beleidigen, ihr aufzulauern, nur um sie fertig zu machen. Sie würde viel dafür geben, diesem unwürdigen Schicksal zu entgehen. Ihn einfach nicht sehen zu müssen.

 

Seine grauen Augen verengten sich minimal, flogen über ihr Gesicht, und säuerlich sanken seine Mundwinkel.

 

„Das ist dein Wunsch?“, fragte er kühl. Sie reagierte nicht wirklich. Wie auch? Sie bereute schon, so etwas Unangebrachtes überhaupt ausgesprochen zu haben. Sie war schon wie er. Ihr Herz schlug unweigerlich schneller. Sie hatte ihn zu lange angesehen. Er würde sie wieder beleidigen, ihr vorhalten, dass sie als Schulsprecherin ungeeigneter wäre als –

 

„-ok“, unterbrach er neutral ihre Gedanken. Sie blinzelte knapp. Was?! Es musste der schwarze Charakter der Slytherins sein! Sie konnte ihn nur ungläubig anstarren. Wieso ging er darauf überhaupt ein?

 

„Wir wetten nicht“, entgegnete sie verschlossen. Unfassbar. Wie konnte er zustimmen? Zu so etwas völlig Wahnsinnigem? Er würde den entscheidenden Zeugnisvermerk verwirken, auf den es ankam, damit sich alle Türen öffnen würden! Und das nur wegen einer Wette? Sie hatte ihm nur beweisen wollen, dass sie durchaus in der Lage war, einen gemeinen Wetteinsatz zu fordern. Garantiert war es nichts, was sie ernsthaft von ihm einfordern würde! Sie würde niemandem um solche eine Ehre bringen. Sei es auch ein dämlicher, arroganter Slytherin, der sie bekam.

 

Und sie glaubte ihm nicht. Sie fasste ihn näher ins Auge.

 

„Das würdest du nicht riskieren“, stellte sie tonlos fest. Er runzelte gereizt die Stirn.

 

„Du hast keine Ahnung von den Dingen, die ich riskieren und die ich nicht riskieren würde, Granger“, informierte er sie fast gekränkt. Aber langsam schüttelte sie den Kopf.

 

Die Schale des Eis war mittlerweile komplett gesprungen. Jede Sekunde wäre es soweit. Abwesend dachte sie an das kleine Monstrum zurück, was gleich schlüpfen würde und in zwei Wochen so riesig wäre, dass magische Zoos es aufnehmen mussten. 

Und ihre Augen weiteten sich plötzlich.

 

„Du… du hast das Buch ausgeliehen, Malfoy“, sagte sie fast erschüttert. Entgeistert sah er sie an.

 

„Granger, was-“

 

„-das ‚Magische Tierleben‘!“, unterbrach sie ihn atemloser. Er war zu gelassen. Zu bereit.

Sie war eine Gryffindor – und alles andere als dumm. Denn ihr Verstand gab ihr mittlerweile ein deutliches Warnsignal. Wenn Malfoy einfach so sein mögliches Schulsprecheramt aufgab, dann… gab es einen Grund. Er wusste bereits, was sie erwartete.

 

Die Schale brach. Und jetzt hatte ein winziges kleines Tier den Kopf aus der Schale gestoßen. Feucht klebte ihm sein Fell am Kopf, während es träge blinzelte. Es leckte sich orientierungslos über die kleine Schnauze, während es verwirrt den Kopf wandte.

Es sah aus wie ein chinesischer Hund. Ein sehr, sehr kleiner Hund. Mit einer gespaltenen Zunge. Es schüttelte sich, und der Rest der Schale zerbrach. Und sehr winzig auf seinem Rücken, erkannte sie zwei Ansätze von Daumennagel großen Flügeln. Der Hund könnte wohl noch gerade so auf ihrer Hand sitzen. Oder was für ein Tier es auch war.

 

Wenn es trocken wäre, wäre es wahrscheinlich flauschig, nahm sie dumpf an. Es war ein hübsches, kleines Tier. Aber sie kannte Hagrid gut genug, um zu wissen, dass es nicht hübsch bleiben würde.

 

Und es würde Flügel haben. Und es hatte Fell. Ihr Blick fixierte ihn jetzt.

 

„Du wusstest, was es ist, nicht wahr?“, wollte sie wütend von ihm wissen. „Du wolltest wetten, um mich bloßzustellen, weil du schon wusstest, was für ein Tier es wird!“ Merlin, war sie froh, nicht so dumm gewesen zu sein, eine Wette mit ihm einzugehen. Das hätte Harry bestimmt gut gefallen. Das wirklich Schlimme wäre allerdings gewesen, dass es Harry wahrscheinlich nicht einmal großartig gewundert hätte, während Ron an die Decke gegangen wäre. Ron regte sich schon darüber auf, dass sie gar nicht anders konnte, als sich regelmäßig mit Malfoy anzulegen. Harry regte es nicht auf. Er kommentierte es schon gar nicht mehr. Als wisse er… sie könne gar nicht anders. Dabei war es so nicht!

Sie konnte anders!

 

Sie konnte verdammt anders! „Du bist so ein Arschloch!“, fuhr sie ihn tonlos an. „Was wäre dein Preis gewesen? Wahrscheinlich hätte ich von der Felsbrücke springen müssen, nicht wahr?“, wollte sie mit zitternder Stimme wissen. „Oder ich hätte mit fluchsicherer Tinte Schlammblut auf meine Stirn schreiben müssen, ist es das? Oder vielleicht noch irgendetwas Schlimmeres, Schmerzhafteres, Malfoy?“ Er hatte ihre Worte nicht bestätigt, nicht eingeräumt, dass er das Buch ausgeliehen hatte. Er sah sie lediglich an, und sie wusste nicht, was er dachte. Aber mit klopfendem Herzen nahm sie an, dass sie vollkommen richtig lag!

 

Das kleine Tier war munter und schnappte bereits spielfreudig, mit spitzen kleinen weißen Zähnen, nach seiner eigene Schale. 

 

Sie wusste nicht mal, warum es sie interessierte, warum irgendetwas aus seinem Mund sie überhaupt neugierig machen konnte. Es waren doch ohnehin nur Demütigungen und Beleidigungen! Immerhin lächelte er nicht mehr. „Weißt du was“, schloss sie bitter, „ich will es gar nicht wissen.“ Denn, was auch immer sie sich vorstellte – es wäre bestimmt eintausend Mal schlimmer. Alles, was er sagte, war unverzeihlich.

 

Sein ernster Blick lag beinahe abwesend auf ihrem Gesicht, als sie ihre Hände zu Fäusten an ihren Seiten ballte.

 

„Dein Tag. Schreib in das Buch.“ Es waren nur noch wenige Worte, denn mehr wollte sie nicht mehr mit ihm reden. Eilig wandte sie sich ab, marschierte über die Wiese und sah sich nicht einmal mehr um. Genug für heute. Genug Malfoy für einen Tag. Sie lief in einigen Metern Entfernung an Pansy und Ron vorbei, die ihr bestes gaben, ihren kleinen Hunde-Drachen wieder einzufangen, denn er lief bereits tapsig mit freudigem Gebell durch das Gras, dachte wohl, dass die beiden mit ihm spielten.

 

Zornig kreisten ihre Gedanken um ihn und seine Dreistigkeit! Und seine Dummheit! Für was der Aufwand? Sie hätte niemals eingewilligt, mit ihm zu wetten! Um nicht mal einen einzigen Knut! Malfoy war zu gefährlich. Vielleicht… irrte sie sich auch. Vielleicht hatte er das Buch nicht ausgeliehen. Vielleicht.

 

Es war egal. Sie hatte genug damit zu tun, allen anderen – und sich selber – vorzumachen, dass sein Verhalten ihr nichts anhaben konnte.

 

Denn das war gelogen. Es erschrak sie fast.

Denn seine Worte taten weh. Und sie wusste nicht mal, warum.

 

 

5. State of Grace

 

I don't think that being in a full-time relationship is necessarily for everybody all of the time.

It's not necessarily some state of grace.

Mick Jagger

 

„Brauchst du das noch, Draco?“, wollte Gregory von ihm wissen, während er das dicke Buch unschlüssig in den Händen hielt. „Ansonsten bringe ich es zurück.“

 

Vincent verengte die Augen. Es war das ‚Magische Tierleben‘ von Stroke Fowler. Sein Blick fiel auf die drei schlafenden kleinen Drachen-Hunde, die auf einer Decke vor dem Kamin eng zusammengekuschelt schnarchten. Draco hatte ihnen bereits gesagt, dass es sich um Ignos handelte, wie sie der Volksmund wohl seit Jahrhunderten nannte. Ignis Linguas. Der Riese hatte ihnen Feuerzungen zur Beaufsichtigung gegeben.

 

Seltene, gefährliche Tiere. Sie galten als nahezu ausgestorben. Nicht, weil sie sich nicht vermehren konnten, aber sobald sie schlüpften, entwickelte sich ein so starker Alphatier-Trieb, dass die Jungtiere nach zwei Wochen anfingen, ihre Artgenossen mit Stichflammen zu töten, hatte Draco ihnen beiläufig erklärt. Überdies brauchte jedes Igno im Idealfall ein 200km² großes Territorium.

 

Ob alle zehn Ignos überleben würden, bezweifelte Vincent stark. Draco hatte Vorarbeit geleistet, hatte scheinbar jede einzelne der dreitausend Eifärbungen in dem Buch mit ihren Eiern verglichen, und für gewöhnlich war es nichts Verwunderliches. Draco war klug. Er lernte viel. Aber Vincent hätte ihm unterstellt, zu warten, bis die Tiere geschlüpft wären. Dann wäre die Suche schneller gegangen und einfacher gewesen. Aus irgendeinem Grund hatte Draco es vorher wissen wollen.

 

Wissbegier? Für gewöhnlich interessierte sich Draco nicht wirklich für ‚Pflege magischer Geschöpfe‘. Er war einfach anwesend und wandte die wenige Arbeit auf, die es nötig war, um ein Ohnegleichen zu bekommen. Nichts darüber hinaus.

 

Und er war merklich schweigsam heute. Seine Augen wirkten müder. Vincent wusste, er hatte heute mit Granger Zeit verbracht. Verstohlen betrachtete er ihn weiterhin aus den Augenwinkeln. Schlecht gelaunt sah Draco Greg schließlich an.

 

„Mach, verdammt noch mal, was du willst“, knurrte er gereizt und starrte wieder in den Kamin, nachdenklich und schlecht gelaunt. Greg murmelte etwas Entschuldigendes und verschwand mit dem Buch. 

 

Hatte er sie beeindrucken wollen? Vincent war sich nicht sicher. Aber so schätzte er Draco nicht ein. Er stolzierte nicht durch das Schloss, bereit, Granger auf die Nase zu binden, wie klug er war. Nein. Granger war selber schlau genug. Draco war eher der Typ, der Dinge wusste, aber nicht zugab, sie zu wissen. Er hatte mehr Spaß daran, anderen Dinge vorzuenthalten.

 

„Alles ok?“, erkundigte sich Pansy mitfühlend, aber Draco verzog lediglich den Mund.

 

„Alles bestens“, erwiderte er kalt.

 

Es war also etwas anderes. Was auch immer er vorgehabt hatte, es war nicht so eingetreten, wie er es sich erhofft hatte. Falls er sich irgendetwas erhofft hatte. Vincent war immer mehr davon überzeugt, dass Draco meilenweit entfernt davon war, überhaupt zu begreifen, warum sein Augenmerk auf Hermine Granger lag.

Und wahrscheinlich rotierte sein Gehirn zurzeit im Turbomodus, denn für zwei Wochen würde er sie sehen, ohne ihn und Greg kreuz und quer durch Hogwarts treiben zu müssen, weil die Gryffindors vielleicht ebenfalls unterwegs waren.

 

Es war fast traurig. Denn Draco bekam seine seltene Chance, alleine mit ihr zu sein, und Vincent nahm an, Draco würde es fertigbringen, dass Granger ihn in zwei Wochen noch mehr verabscheuen würde, als sie es ohnehin schon tat.

Wenn sie es denn tat. Auch da war sich Vincent nicht sicher. Aber es war ihm auch gleichgültig. Es wäre nett, würde sich Granger endlich für Weasley entscheiden, damit Draco die Chance bekam, über sie hinwegzukommen – ohne, dass er überhaupt begreifen musste, dass er sie tatsächlich… mochte? Wollte? Liebe war es nicht. Liebe war anders.

 

Liebe war…-

 

Seine Gedanken rissen ab, als Blaise den Gemeinschaftsraum betrat, seinen schlafenden Igno auf dem Arm. Vincent versteifte sich neben Pansy auf der Couch, ehe er sich letztendlich vollständig erhob.

 

„Wegen mir musst du nicht gehen, Vince“, bemerkte er mit einem falschen Lächeln. Immerhin benutzte er vor Draco nicht den lächerlichen Spitznamen, den er sich angewöhnt hatte.

 

„Tue ich nicht“, log er direkt. „Habe noch zu tun“, schloss er lediglich, denn er hatte nur gewartet, dass Blaise wiederkam. Er wusste lieber, wo seine Feinde waren, ehe er untertauchte. Er verließ die Sitzgruppe.

 

„Was für ein Zufall. Ich auch“, entgegnete Blaise hinter ihm, und Vincent spürte, dass er ihm tatsächlich folgte, nachdem er den Igno zu den anderen vor dem Kamin abgelegt hatte. Feuerwesen mochten ironischerweise Feuer am liebsten, auch wenn es gefährlich für sie war. Dort würden sie auch die Nacht verbringen. Und Vincent hasste, dass Blaise nicht den Takt besaß, einfach woanders zu sein. Etwas anderes zu tun.

 

Aber jetzt hatte er es angekündigt. Jetzt musste er auch gehen. Natürlich hatte er Ersatzpläne für solche Fälle, aber lieber wäre es ihm Blaise wäre nicht dabei. Er verließ den gemütlichen Gemeinschaftsraum und betrat den Gang, in milchiges Zwielicht getaucht, durch die flackernden Lampen.

 

Blaise ging entspannt neben ihm, fast zufrieden. Und sein gemächlicher Gang, verriet Vincent, dass Blaise garantiert keinen Ort hatte, an dem er sein wollte. Unauffällig ballte Vincent seine Fäuste und setzte seinen Weg kommentarlos fort, versuchte, etwas schneller zu sein, aber Blaise hielt mühelos Schritt.

 

Und sein Weg führte ihn nicht nach oben, nicht ins Erdgeschoss. Er blieb unten, bog durch einige Gänge, bis es Blaise klar sein musste, dass sie zur Wäscherei gingen. Er gehörte zu den Schülern, die es nicht mochten, wenn die Elfen durch seine Kleidung gingen, sie sortierten, bis zu den Unterhosen, um sie dann auch noch einzusortieren. Vincent tat es lieber selber. Nicht, dass er etwas verbarg, außer den offensichtlichen Dingen, aber… er mochte es nicht, dass jemand seine Sachen anfasste. Schon Zuhause nicht. Da wartete er auch immer neben den Hausarbeitsräumen darauf, dass die Elfen mit der Wäsche fertig wurden, um sie ihnen abzunehmen. So war er immer gewesen.

 

Blaise lächelte mittlerweile, und sie waren vor den großen Türen angelangt. Vincent öffnete diese, und der Geruch von Stärke, von weißer Frische, von Waschzaubern, Trockenzaubern und trockener Hitze, schlug ihnen entgegen. Es war angenehm hier. Fast etwas tropisch, dachte er immer. An jeder Ecke standen große weiße Leinenwagen, gefüllt mit frischen Uniformen, von deren Ordnung nur die Elfen Bescheid wussten.

 

Zwei Geschöpfe kamen bereits, einigermaßen missbilligend auf sie zu gewatschelt. Auf Hogwarts besaßen die Elfen tatsächlich den Mut, schlecht gelaunt zu sein. Oder zumindest nicht alle Zeit untergeben. Einige von ihnen.

 

„Ja?“, wollte die kleinere Elfe knapp wissen. Aber die andere kannte ihn schon. Er nahm an, nicht besonders viele Schüler verspürten so viel Scham wie er. Sie lehnte sich zum Ohr der anderen und schien seinen Namen zu wispern. „Mh“, murmelte die kleinere Elfe bestätigend. „Hier bleiben. Nichts anfassen mit schmutzigen Menschen-Fingern!“, warnte sie ihn und Blaise mit kleinen drohenden, schwarzen Augen. Abwehrend hob Blaise neben ihm die Hände mit einem Lächeln, wie um zu beweisen, dass er so etwas garantiert nicht vorhatte.

 

Vincent blickte demonstrativ in eine andere Richtung, als die Elfen verschwanden, und er in der Ferne die vielen Geschöpfe arbeiten hörte.

 

„Verstehe nicht, warum du den Aufwand betreibst, Vinnie“, stellte Blaise schließlich fest. Vincent machte einige Schritte zu Seite und lehnte sich gegen einen der Leinenwagen, der voller weißer Laken war. Aber Blaise wollte den Hinweis wohl nicht verstehen und stellte sich neben ihn. „Es ist Wäsche“, ergänzte er mit sanftem Unglaube in der Stimme. „Wäsche sieht man nicht an, ob sie schwul ist oder-“

 

Aber sofort hatte sich Vincent ihm zugewandt, und der heiße Impuls der Scham, der Wut, der grenzenlosen Angst rauschte durch seine Adern. Blind hatte er eine Handvoll von Blaises Hemd ergriffen, schloss hart die Faust um den weichen Stoff, und sein Kiefer hatte sich hart angespannt, während sein Atem gepresster ging.

 

„-halt dein dreckiges Maul, Zabini! Verpiss dich einfach! Was willst du von mir?!“, knurrte er verzweifelt und wütend zugleich. Blaises Lächeln immerhin war wie weggewischt. Seine grünen Augen musterten ihn scharf.

 

„Lass mich los, Vinnie“, forderte er ihn kopfschüttelnd auf, als verhielte er sich lächerlich, aber Vincents Faust schloss sich nur noch fester um den Stoff, brachte ihn näher.

 

„Nenn mich nicht so!“, spuckte er ihm entgegen, stieß Blaise schließlich hart zurück, so dass dieser einige Schritte nach hinten taumelte. Ungläubig hoben sich Blaises Mundwinkel, als er sein Hemd richtete und die wenigen Schritte zielstrebig zurück kam, nur um ihn hart, mit flachen Händen nach hinten zu schubsen. Vincent stolperte gegen den Leinenwagen, der sich ächzend einige Zentimeter nach hinten in Bewegung setzte. Strauchelnd richtete sich Vincent hastig auf, sein Blut rauschte, und wenn es sein musste, würde er sich mit Blaise hier in der Wäscherei grün und blau prügeln. Blaise war zu weit gegangen! Schon längst viel zu weit!

 

„Wovor hast du Angst?“, fuhr Blaise ihn niederträchtig an, die dunklen Augenbrauen abschätzend zusammengezogen. „Wie sie dich nennen werden? Schwuchtel?“, schlug er kalt vor, und Vincent nahm praktisch Anlauf, was auf so kurze Distanz nur lächerlich aussehen musste, sein Körper traf Blaises, und mit aller Kraft drängte er ihn zurück, bis Blaises Rücken unsanft gegen die Mauer stieß, Vincent direkt vor ihm. Sie waren beide ähnlich groß, aber er bezweifelte nicht, dass Blaise stärker wäre. Letztendlich. Aber heute war es ihm egal!

 

Durch den harten Aufprall schnappte Blaise fast hustend nach Luft. „Genau!“, stieß er rau aus. „Dich mit mir anzulegen, löst dein Problem, du Wichser!“ Vincents Augen flogen über Blaises Gesicht, hassten jeden Zentimeter an glatter, südländischer Haut, hassten die grünen wissenden Augen, die ihn aus der Distanz durchleuchteten, träumte schon von Blaise Zabini, der seine Zukunft mit nur einem Wort zerstörte.

 

„Du bist das Problem!“, brachte er rau hervor, fast schon blind vor Wut, und Blaise brachte es tatsächlich fertig, sanft zu lächeln.

 

„Dein Schwanz ist das Problem, Vince“, informierte er ihn, und wieder griffen Vincents Hände grob in Blaises Hemd, aber diesmal befreite sich Blaise schneller, stieß sich mit immenser Kraft von der Mauer, Vincent wich haltlos zurück, aber Blaise folgte und hart legte sich seine Hand um seinen Nacken.

 

Ihre Blicke trafen sich, und Vincent erkannte sanften Zorn in Blaises Blick. Überfordert atmete er laut aus, und fast grob schloss Blaise den Abstand, presste den Mund auf seinen, und Vincent riss die Augen auf. Panisch wollte er zurück, sich lösen, aber Blaise hatte ihn fest im Griff, die Augen geschlossen. Als Vincent sich bewegte, nutzte Blaise die Gelegenheit, nun ihn gegen die Wand zu drängen, und Blaises Körper presste sich gegen seinen. Noch immer verschlossen seine Lippen seinen Mund, bewegten sich auffordernd, und Vincent wurde heiß, so schrecklich heiß.

 

Alle seine Nerven reagierten, alles war… verzerrt und falsch. Blaise hob die andere Hand zu seinem Gesicht, während sein Körper ihn effektiv gegen die Wand drückte. Vincent hob verzweifelte die Arme, umfasste Blaises Handgelenke und mit schierer Kraft schaffte er, sie zu verdrängen, sein Gesicht zu befreien.

Der Kuss war vorbei.

 

Sein Atem ging flach, die Augen noch immer weit geöffnet, und Blaises Brust hob und senkte sich ebenfalls schneller. Blaise sah ihn an. Wesentlich gefasster, immer noch viel zu nah vor ihm, und Vincents Hände zitterten, während er noch immer Blaises Handgelenke hielt.

 

„Sieh dich an“, murmelte Blaise heiser, nahe vor seinem Gesicht. Vincents Lippen hatten sich geteilt. „Nicht in Flammen aufgegangen. Kein Alarm im Schloss. Krieg dich wieder ein“, schloss er beherrschter.

 

Vincent verstand nicht. Er…? Zabini hatte ihn geküsst! Er konnte ihn nur anstarren.

 

„Mr. Crabbe?“

 

Er fuhr zurück, ließ Blaise los, und noch mehr Hitze stieg in seine Wangen. Die Elfe war zurück, seine große Wäschetasche in der Hand. Hastig nahm er sie dem Geschöpf ab, aber die Elfe schien sich nicht sonderlich für ihn, noch für Blaise zu interessieren, als sie sich daraufhin wieder abwandte.

 

Er musste hier raus! Mit weiten Schritten erreichte er die Türen, zog sie fast gewalttätig auf und dann rannte er. Er floh praktisch aus den Gängen. Einfach weg. Seine Gedanken lagen blank.

 

~*~

 

„Es braucht einen Namen“, entschied Weasley, während er beobachtete wie das Igno seinen viel zu kurzen Schwanz jagte.

 

„Einen Namen?“, wiederholte sie schlecht gelaunt. „Wir haben es für zwei Wochen. Es ist ein Igno“, entgegnete sie nur. Er hob den Blick.

 

„Na und?“, wollte er schroff wissen. „Alles braucht einen Namen.“ Sie verdrehte die Augen.

 

„Dann gib ihm einen Namen, Weasley, wenn es dich glücklich macht.“ Sie betrachtete seine unordentlichen Notizen neben ihren. Seine Handschrift war schrecklich. Und seine Stichpunkte waren auch noch überflüssig. „Vielleicht solltest du Granger noch mal Korrektur lesen lassen“, ergänzte sie kopfschüttelnd.

 

„Hey!“, brauste er auf. „Ich brauche keine Hilfe bei einem blöden Tagebuch!“ Abwesend streichelte er jetzt das Igno, was nur zu bereitwillig versuchte, nach seinen Fingern zu schnappen. Es verfehlte sie immer nur knapp.

 

„Fass es lieber nicht an“, ermahnte sie ihn. „Sonst kannst du direkt in den Krankenflügel.“ Er verdrehte die Augen über sie.

 

„Du bist nicht besonders Tierlieb“, stellte er schließlich fest.

 

„Es ist ein Igno! Ein Drachenhund! So ein Vieh verspeist Menschen zum Frühstück!“, fuhr sie ihn an.

 

„Du bist ein süßer, kleiner Hund, nicht wahr?“ Weasley ignorierte sie und kraulte den Nacken des Igno, woraufhin dieses ergeben hechelnd zur Seite fiel, um sich weiter streicheln zu lassen. Pansy atmete hörbar aus. „Ich durfte nie einen Hund haben. Mum sagte, ein Hund verschreckt nur die Hühner.“ Pansy stand nicht der Sinn nach Weasley-Geschichten vom Bauernhof. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, saß steif auf der Bank, während Weasley sich seine Hosen im Gras dreckig machte, um das Vieh zu streicheln.

 

Sie dachte an Draco und wie er gerade Zeit mit Granger verbringen musste. Was für eine blöde Idee des Riesen es doch war! Ganz klar konnte Draco Granger nicht leiden. Wieso man sich nicht selber seinen Partner hatte aussuchen dürfen – oder wieso sie überhaupt so etwas Bescheuertes machen mussten – war Pansy ohnehin nicht klar. Was versprach sich der dämliche Riese davon?

 

Ihr Blick fiel wieder auf Weasley. Er schenkte dem Igno mehr Beachtung als ihr. Seltsame Gryffindors. Weasley hob schließlich den Blick und sah sie auffordernd an.

 

„Komm schon, Parkinson“, forderte er sie eindeutig auf. „Stell dich nicht so an.“ Schockiert sah sie ihn an. „Er ist ganz zahm“, versprach Weasley ihr grinsend.

 

„Nein, danke“, erwiderte sie steif. Dann schnappte sich Weasley das Igno, ging auf die Knie und schloss so den Abstand zu ihr, um ihr das Fellbündel in den Schoß zu setzen. Erschrocken wich sie gegen die Lehne der Bank zurück, während das Igno Spaß in ihren Rockfalten hatte, mit den Pfoten nach dem Stoff schlug, und reflexartig, bevor es aus den Falten kullern konnte, hatte Pansy das kleine Tier mit den Händen aufgehalten. Es schmiegte übergangslos den Kopf gegen ihre Handfläche, jaulte verspielt, und selbstvergessen streichelte Pansy über den flaumigen Kopf des Tieres, während dieses auf ihrem Schoß hin und her sprang.

 

„So furchtbar ist es nicht, hm?“ Weasleys Blick hatte sich mit leuchtenden Augen gehoben, und Pansy war verblüfft über sich selbst, denn ein Lächeln zerrte an ihren Mundwinkeln.

Nein. Gar nicht furchtbar. Weasley kniete noch immer vor ihr, streichelte das Igno, das auf ihrem Schoß nun weit gähnte, und Weasley schien keine Furcht vor ihrer Nähe zu haben.

Er schien nicht mal zu merken, dass sie nur zwanzig Zentimeter voneinander entfernt waren.

 

Leicht runzelte sich ihre Stirn. Es war nicht furchtbar. Ihr Blick fiel zurück auf das warme Tier in ihrem Schoß, das es sich bequem gemacht hatte. Weasleys Finger streichelten es fast liebevoll. Sie waren lang und schlank, die Knöchel etwas dicker, und er hatte einige Kratzer und Macken auf den Fingern, die Jungs immer aus Unachtsamkeit von irgendwoher her hatten, nahm sie an.

 

„Gordo“, entkam es ihren Lippen plötzlich unbedacht. Weasley hob wieder den Blick, um sie anzusehen.

 

„Gordo?“, wiederholte er bloß, und Pansy spürte, wie sie rot wurde, wie sie sich schämte, einfach gesagt zu haben, was sie dachte.

 

„Vergiss es. Es ist dumm…, ich… - mein Kuscheldrache hieß-“

 

„-ich mag Gordo“, unterbrach Weasley sie achselzuckend und kraulte das Igno wieder. „Hey Gordo“, flüsterte er grinsend. „Wir haben einen Namen für dich!“

 

Und wieder war Pansy gänzlich überrascht. Weasley machte sich nicht lustig über sie. Weasley war so anders als die Slytherins, die sie kannte. Es störte ihn nicht, sich von einer kindischen Seite zu zeigen. Vorsichtig streichelte sie das Igno ebenfalls, und versehentlich berührten ihre Finger Weasleys. Es verging eine Sekunde, und er zuckte zurück. Fast musste sie näher hinsehen, aber sie glaubte, dass seine Wangen röter wurden. Er räusperte sich und wich einen halben Meter zurück.

 

„Dann… nehme ich Gordo heute?“, sagte er mit krächzender Stimme. Und fast musste sie wieder lächeln, als sie nickte. Weasley schämte sich. Sie dachte, sie wäre die einzige, die sich ständig schämen würde. Und ohne, dass sie es wollte, hatte Weasley Pluspunkte gesammelt. Nicht, dass das für irgendetwas gut wäre. Aber es war überraschend. Das war alles.

 

 

6. Closer

 

I tell myself that this is okay, but I realize that I don’t have to.

This is what I want. Him. Me. Closer.

Nikki Rae

 

Er beobachtete die Dinge mit scharfem Auge. Wachem Verstand. Denn Harry wusste, er war es schließlich, der all dies überhaupt möglich gemacht hatte. Und er fragte sich, warum. Vielleicht war ihm in dieser Sekunde langweilig gewesen. Oder er war lebensmüde genug, um Malfoy diese eine Chance zu gewähren. Um zu sehen, ob irgendetwas passieren würde.

 

Und alleine die Tatsache, dass Ron beinahe zufrieden war, beunruhigte ihn. Ron hatte ihm erzählt, Hermine wäre diesmal wirklich sauer, würde Malfoy ihre ernsthafte Meinung sagen, und Dinge wirklich übelnehmen. Aber das beruhigte Harry nicht wirklich. Malfoy hatte nun Gelegenheit, mit ihr zu reden. Allein. Sie zu verletzen, und das nur, um ihr ein Gefühl zu entlocken.

 

Ein Teil in ihm hatte irgendwo gehofft, dass Hermine nun, wo sie ihn hautnah erleben konnte, merkte, wie scheiße er war. Dass sie ab jetzt über ihm stehen würde, sich überhaupt nicht beeindrucken ließ, durch sein Macho-Gehabe. Aber sie reagierte auf ihn wie Natrium auf Wasser! Alles stand sofort in Flammen. Und entweder, nach Zu käme – wie so häufig – Ab, und alles löste sich auf in Wohlgefallen, nach dem Hermine letztendlich explodiert wäre, zu stolz, um noch einmal mit Malfoy zu sprechen – oder… es passierte das Unwahrscheinliche. Das Unaussprechliche.

 

Aber dafür hatte Malfoy nicht genug Mumm, sagte Harry sich. Er traute es ihm einfach nicht zu. Malfoy mochte viele Eigenschaften besitzen, die ihm einige Türen öffneten – aber ein Rückgrat gehörte nicht dazu. Und natürlich hing zu viel von seiner Entscheidung ab. Viel zu viel.

 

„Hat er irgendwas gemacht gestern?“, riss Crabbe ihn aus seinen Gedanken, und Harry hob den vergessenen Blick. Crabbe saß auf der Bank im Flur, der zum Zaubertränkeklassenzimmer führte. Harry hockte im Schneidersitz auf seiner Jacke auf dem kalten Boden, während der Drachenhund sich träge auf dem polierten Stein wälzte. Crabbe trug Notizen in das Tagebuch ein, und Harry betrachtete den Drachenhund.

 

„Ich denke, die Flügel sind minimal gewachsen?“, schlug er ratlos vor.

 

„Gut“, erwiderte Crabbe, ohne ihn anzusehen und schrieb wieder. Harry konnte nicht behaupten, dass es unangenehm war, mit Crabbe im Team zu sein. Er sagte so gut wie gar nichts, hielt die Notizen nach, kümmerte sich scheinbar um den Drachenhund, und er war so unauffällig, dass Harry vergessen konnte, dass er ein Slytherin war.

Unschlüssig packte sich Harry den Drachenhund, hob ihn vom Boden und spielerisch schlug dieser mit den winzigen Pfoten nach seinem Arm.

 

„Vielleicht… größere Zähne?“, vermutete Harry und hielt ihn höher, damit Crabbe es überprüfen konnte. Dieser zuckte nur die Achseln.

 

„Meinetwegen“, bestätigte er, und wieder schrieb er stumm ins Heft. Er war wahrscheinlich heute noch stiller als sonst, ging Harry auf. Angespannter. Er ließ den Drachenhund wieder runter auf den Boden, aber dieser wollte nun spielen, und halbherzig zwickte Harry ihm ins weiche Fell, um schnell zurückzuweichen, wenn der Drachenhund freudig nach seinen Finger schnappte.

 

Harry war sich nicht sicher, wie viel Kontakt die Partner haben mussten. Ron hatte ihm beiläufig erzählt, dass Pansy dem Drachenhund sogar einen Namen gegeben hatte. Und er ging davon aus, dass Hermine und Malfoy die Stunde nicht schweigend zusammen verbrachten. Sollte er sich die Mühe machen? Musste er ein Gespräch mit Vincent Crabbe führen?

 

Unschlüssig hob er den Blick. „Rons und Pansys Igno hat einen Namen. Sollen wir unserem auch einen geben?“ Und fast dachte er, er müsse die Frage wiederholen, denn zunächst sah es nicht so aus, als ob Crabbe ihm überhaupt zugehört hatte. Dann legte Crabbe aber die Feder zur Seite und sah ihn knapp an.

 

„Ich glaube, das ist nicht nötig.“ Gut. Harry fiel auch kein Name ein, der passend wäre für einen fleischfressenden Drachenhund, der in zehn Tagen so groß wäre wie ein Mastodon.

 

„Ich habe ihn heute gefüttert. Er wollte nur den Frühstücksschinken, nichts vegetarisches“, ergänzte Harry mit eindeutigem Blick.

 

„Gut zu wissen“, entgegnete Crabbe nichtssagend, und Harry atmete aus. Ok. Also blieb es bei dem oberflächlichen Partnerprojekt, wo sie zwei Wochen nicht miteinander sprachen. Aber wenn er ehrlich wäre, wüsste er auch wirklich nicht –

 

„-warum hast du nicht mit Hermine Granger getauscht?“, riss ihn Crabbe überraschend defensiv aus seinen Gedanken, und Harry blinzelte verblüfft. Er hob den Blick langsam wieder zum Gesicht des verschlossenen Slytherins, der abwartend auf der Bank saß, neutral, unauffällig, aber doch leicht angespannt. Und er wusste nicht, ob sein Ton anklagend oder interessiert war. Vielleicht beides.

 

„Was?“, entschied Harry zu fragen, denn es war eine eigentümliche Frage.

 

„Das Projekt“, erwiderte Crabbe eindeutig. „Du hattest die Wahl“, schloss er schlicht.

 

„Welche Wahl wäre das?“, wollte Harry vorsichtig wissen. „Die Wahl mit dir oder Malfoy im Team zu sein?“

 

„Nein. Die Wahl, Draco von Granger fernzuhalten.“

 

Wow. Harry war ernsthaft verblüfft über so viel Scharfsinn von einem Slytherin. Von Vincent Crabbe vor allem! Er hatte ihn nie wirklich wahrgenommen. Und bestimmt hätte er nie gedacht, dass den Slytherins überhaupt klar war, dass man den Aufwand betreiben müsste, Malfoy von Hermine fernzuhalten! Er runzelte die Stirn. Was sollte er darauf sagen? Er wollte garantiert nicht auch noch darüber reden! Es reichte, wenn es seine Gedanken füllte.

 

„Hermine ist ein großes Mädchen. Es wäre für einen von uns schrecklich geworden, und ich denke, sie kann damit umgehen.“ Es war diplomatisch, was er sagte, denn er war sich nicht völlig sicher, um was es hier plötzlich ging.

 

„Mit Draco?“, wollte Crabbe schließlich wenig überzeugt wissen.

 

„Ja!“, bestätigte Harry, selbstbewusster als er es sonst in Bezug auf dieses Thema war.

 

„Ich denke, es wäre sicherer gewesen, hättest du anders entschieden.“ Harry fühlte sich teilweise beleidigt.

 

„Sicherer? Was soll er schon tun?“, wollte er fast herausfordernd wissen, aber Crabbes Blick sagte ihm sehr plötzlich, dass es ein paar Dinge gab, die Malfoy tun könnte, die Harry nicht einfach übersehen oder abschütteln könnte. Und er ging in die verdammte Offensive. Er redete nicht gerne um ein Thema herum. „Seine Zukunft ruinieren? Das bezweifle ich stark.“

 

Und Crabbe schien ebenfalls zu verstehen, dass Harry im Bilde war. Seltsam. Wieso sah Crabbe es, aber Ron blieb immer noch vollkommen blind?

 

„Er könnte eine falsche Entscheidung treffen“, wagte Crabbe vorsichtig zu sagen. Aber Harry verzog den Mund.

 

„Falsch? Weil sie… was ist? Muggelgeboren?“ Er wusste nicht, warum er ihn provozierte. Es war dumm.

 

„Nicht falsch, aber… unüberlegt und risikoreich“, korrigierte sich Crabbe eher, als Harry angenommen hatte – eher, als er es überhaupt einem Slytherin unterstellen wollte. Aber er verdrehte die Augen.

 

„Ich denke, du kennst deinen selbstgewählten Herrn und Meister“, bemerkte Harry eindeutig spöttisch, aber Crabbe blieb ruhig bei seinen Worten. „Und er riskiert absoluten Eulendreck. Es wäre das erste Mal, dass er sich nicht mit dem Rücken zur Wand absichert. Und wenn du es so genau weißt, wieso redest du dann nicht mit ihm?“, ergänzte Harry stirnrunzelnd.

 

„Mit Draco kann man nicht reden“, war die schlichte Antwort, die Crabbe achselzuckend preisgab. „Nicht über… private Sachen.“

 

Es war ein heikles Thema, begriff Harry. Für scheinbar alle Beteiligten. Und Harry hatte gar nicht gewusst, dass Crabbe tatsächlich mehr als zwei Worte sagen konnte. Er kannte immer nur die Drohgebärden, die sie austauschten, wenn es mal wieder brenzlig wurde. Der Drachenhund tollte über den glatten Steinboden, ohne dass Harry ihm Beachtung schenkte.

 

 

Potter schien in Gedanken vertieft, und Vincent war über sich selbst überrascht, hatte überhaupt nicht mit diesem Thema anfangen wollen, aber er musste sich ablenken von den grauenhaften Dingen, die gestern passiert waren. Von denen er geträumt hatte und die nicht aus seinem Kopf verschwinden wollte. Er hatte heute kaum gegessen, hatte Blaise ignoriert, hatte mit niemandem gesprochen, aber jetzt lenkte ihn Potters Anwesenheit ab. Er konnte sein Problem zu Dracos machen. Denn Draco steuerte ebenfalls in eine gefährliche Richtung.

 

Und zu wissen, dass Blaise höchstwahrscheinlich niemandem sein Geheimnis verraten würde, es wohl nur ausnutzte, um…- um was? Vincents Herz schlug unwillkürlich schneller. Warum hatte er ihn geküsst? Warum tat er so etwas absolut Bescheuertes?! Vincent begriff es nicht! War Blaise…? War er…! So wie er selber? Stimmte es? Wieso war es ihm nie aufgefallen? Er hatte Blaise nie so wahrgenommen. Aber wahrscheinlich nahm auch niemand ihn auf diese Weise war? Wie auch? Er gab niemandem einen Anlass, ihn in Frage zu stellen! Ihn, seine Meinung, seine Sexualität. Potter sprach plötzlich, und eine schreckliche Ehrlichkeit war in seinen Blick getreten und holte Vincent zurück.

 

„Er wird sie nicht bekommen.“ Das unerschütterliche Gutdenken eines Gryffindors sprach aus Potters Worten, aber daneben, schwang eine unausgesprochene Warnung mit.

 

„Nein“, bestätigte Vincent mit kühler Zuversicht, obwohl er nicht weiter darauf hatte eingehen wollen. „Natürlich nicht. Mr. Malfoy würde ihn umbringen, würde er es nur versuchen.“

 

Potter sah ihn an, als wäre seine Antwort überzogen. Als hätte er unrecht. Und scheinbar sprachen sie nun offen über die Dinge, die besser nicht sein sollten. Niemals hätte er gedacht, mit Potter überhaupt jemals zu reden, denn es war schließlich verboten.

 

„Sein Vater hat damit gar nichts zu tun“, widersprach Potter missbilligend, und Vincents Hände schlossen sich unbewusst zu Fäusten.

 

„Väter haben alles damit zu tun“, korrigierte er Potter mit kalter Nachsicht. „Unsere Väter bestimmen, wer wir sind, was wir werden, wie wir die Menschen behandeln, denen wir begegnen und was wir von ihnen zu halten haben, wenn sie nicht so sind, wie sie sein sollten.“ Wütend presste er die Lippen aufeinander. Denn Vincent wusste, er selbst stand nicht hinter den Worten, die er sagte. Und er sprach schon längst nicht mehr von Draco.

Aber das schien Potter auch erraten zu haben.   

 

Potter sah ihn lange an, und Vincent hatte das Bedürfnis, aufzustehen und zu gehen. Aber er blieb, wo er war.

 

„Na dann. Dann gibt es nichts zu befürchten, nicht wahr?“, bemerkte Potter abschließend, aber sein Blick blieb wachsam. „Dann ist es ja doch für irgendetwas gut, dass es Slytherins gibt. Und sei es nur, dass ihr auf eure verfluchten Traditionen so viel Wert legt, um euch selber zu verleugnen.“ Sprach er von Draco? Sprach er von ihm? Potter war schwer zu durchschauen. Für ihn sowieso. Und Vincent atmete erschöpft aus.

 

„Das hoffe ich“, bestätigte er stiller und senkte den Blick. Er spürte Potters Blick deutlich, aber er war nicht bereit, ihn noch einmal anzusehen. Er hatte schon zu viel gesagt, hatte sich hinreißen lassen. Potter erhob sich umständlich vom Boden und schlang die Jacke um seine Hüfte.

 

„Die Stunde ist vorbei“, informierte er ihn überflüssigerweise und verließ ihn. Den Igno, im selbstvergessenen Spiel mit sich selbst und der Umgebung versunken, interessierte Potters Verschwinden nicht, und gerne würde Vincent auch alles Menschliche ablegen, und nur auf seine Instinkte hören. Stattdessen gab er sich den Selbstzweifeln und der Angst hin.

 

Und er dachte wieder an Blaise. Und er fürchtete ihn jetzt fast noch mehr.

Denn er mochte Draco. Nicht Zabini.

 

Und zur Untermalung seiner ungewissen Gefühle, seiner schwarzen Gedanken, vernahm er das sanfte Donnergrollen durch die Schlossmauern. Frühlingsgewitter.

 

~*~

 

Er hob den Blick blinzelnd zum Himmel. Es hatte sich zugezogen. Die ersten Tropfen fielen kalt und schwer auf seinen Naserücken.

 

„Wir sollten zurück“, sagte sie die ersten Worte heute. Er dachte schon, sie würde gar nicht mehr reden in dieser Stunde. Sie hatten draußen gesessen, im lauen Frühlingswind, aber jetzt hatte das Wetter umgeschlagen. Das Igno zappelte unruhig auf ihren Armen, wehrte sich, bis es ins Gras springen konnte, und schien Gefallen an dem Wetterumschwung zu haben.

 

Das erste Donnergrollen hallte über die weite Fläche, und wie beseelt rannte das Igno los. Aber in die falsche Richtung, stellte er entnervt fest.

 

„Bleib stehen!“, rief Granger überflüssigerweise, ehe sie ihm nachsetzte. Draco atmete gereizt aus. Jetzt konnten sie das Mistvieh auch noch einfangen. Der Regen kam so heftig, in so kurzer Zeit, dass es unwirklich wirkte. Und er folgte Granger fluchend, während er über die weite Wiese rannte.

 

Das Igno war verschwunden, und sie stand wie ein begossener Kröter mitten auf der Fläche, drehte sich um sich selbst, aber bei dem strömenden Regen würde sie es nicht finden können.

 

„Komm!“, rief Draco laut über den Regen, als er die dichtbelaubte Feuerbuche in der Ferne entdeckte, aber als sie angekommen waren, tropften ihre Klamotten bereits. Die Buche hatte bereits ein nettes Dach gebildet, nur einige Tropfen fielen durch das Laub hinab. Granger atmete keuchend neben ihm, wischte sich die wilden Strähnen aus dem nassen Gesicht und stellte sich nah an den Rand des Blätterdachs.

 

„Wo ist es?“

 

„Ist das wichtig?“, wollte er schlecht gelaunt wissen, denn selbst seine Socken waren nass.

 

„Ja, Malfoy!“, fuhr sie ihn wütend an.

 

„Es wird ihm nichts passieren“, rang er sich leere Worte ab, deren Wahrheit er nicht bestätigen konnte.

 

„Er ist fünf Tage alt! Ich denke, ihm könnte alles Mögliche zustoßen! Vor allem, wenn er in den Wald rennt!“ Und Draco verdrehte die Augen.

 

„Bitte. Nach dir“, bedeutete er demonstrativ und zeigte eindeutig in den Regenschauer. Aber Granger blieb, wo sie war. Aber sie wirkte beleidigt und sauer. Wie immer.

 

„Wenn ihm was passiert-“, begann sie vorwurfsvoll, aber er unterbrach sie.

 

„-Merlin, es ist ein Tier! Es wird sich unter irgendeinem Strauch Schutz suchen!“, fuhr er sie an. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn nicht mehr an. Der Regen kam wie Schnürbänder nach unten. Hart und dicht. Er wusste nicht, wie lange der Schauer dauern würde, aber sie wirkte nicht so, als ob sie noch mit ihm sprechen würde, bis es aufhörte zu regnen. Noch immer etwas außer Atem lehnte er sich gegen den breiten Stamm des hundert Jahre alten Baums. Er schätzte das Alter nur, aber der Stamm war so breit, dass er und Granger ihn wahrscheinlich zusammen nicht umfassen konnten. Sie stand wie eine besorgte Glucke am Rand und blickte abwesend in die nasse Landschaft.

 

Er konnte schon beim Training nicht leiden, nass zu werden. Und er hasste den Trockenzauber, denn danach fühlte man sich eklig und steif.

Er verlor die Geduld und stellte sich schließlich neben sie. Sie ignorierte ihn noch immer. Das Blätterdach hing recht tief und bildete nur einen schmalen Eingang, in dem sie beide gerade so stehen konnten. Alles wirkte grau im Regen, und das Geräusch des Schauers war eindrucksvoll. Er wandte langsam den Blick.

 

Ein Tropfen rollte ihren Nasenrücken hinab, hing kurz an der Spitze, ehe er auf ihre Oberlippe fiel. Abwesend leckte sie ihn mit der Zungenspitze fort, befeuchtete dabei ihre Lippen, und hastig blickte er auf den nassen Boden zurück. Nein. Nein! Er musste es sich nur immer wieder sagen. Es war gar nichts. Absolut überhaupt nichts! Wenn ihm diese dämliche Stunde an Zweisamkeit irgendetwas bewies, dann war es die Tatsache, dass er sie mehr hasste, als er geglaubt hatte. Dann war es, dass sie weniger gemeinsam hatten als der Riese und eine Veela. Es war so schmerzhaft offensichtlich, dass er beruhigt sein sollte!

Er stand so nahe neben ihr, dass er wieder einmal keine Beleidigung wusste. Und er wusste, immer, wenn er um ein Schimpfwort verlegen war, dann merkte sie es. Sie merkte es einfach! Als wäre es verdammt noch mal spektakulär, dass er einfach neben ihr stand, ohne sie zu beleidigen!

 

Und dann spürte er, wie sie ihn ansah. Von der Seite, und er wusste, er konnte nicht viel länger vorgeben, es nicht zu merken. Denn er merkte es deutlich. Es machte ihn nervös. Und er würde sie ansehen und würde nicht wissen, wie er sie beleidigen sollte. Denn ihm fiel nichts ein. Absolut nichts! Denn neben ihr zu stehen – neben dem dämlichen Schlammblut einfach nur zu atmen – war so unerträglich und gleichzeitig so nervenzerfetzend aufregend, dass sein Gehirn alles Mögliche zu tun hatte, aber garantiert hatte es nicht auch noch die Zeit, eine Beleidigung für ihn auszuspucken.

 

„Malfoy“, sagte sie jetzt auch noch, und es klang wie eine Frage. Verdammt. Er wandte unwillig den Kopf, um sie anzusehen, hinab in ihr tropfnasses Gesicht, was zu seinem aufblickte. Einige Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie hingen nicht mehr straff, sondern zogen sich in die Länge, und es sah verflucht noch mal –

 

„Was?“, fuhr er sie schärfer an, als beabsichtigt, aber er konnte es nicht kontrollieren. In ihrer Nähe konnte er gar nichts mehr kontrollieren, was er fühlte. Dass er überhaupt sprechen und nicht nur stammeln konnte, war ein regelrechtes Wunder!

 

„Wieso… bist du immer so?“, wollte sie fast ungläubig von ihm wissen. Überrascht entspannten sich seine hart angespannten Mundwinkel. Wieso er immer so war? Wie?! In ihrer Nähe gänzlich überfordert? Und ihm blieb nicht viel übrig, wenn er nicht vorhatte, beleidigt am Baumstamm zu lehnen oder zurück in den Regen zu gehen.

 

„Wie soll ich sein?“ Seine Stimme klang grenzwertig. Und eigentlich war er nicht in Lage, ernsthaft zu diskutieren.

 

„Du… du bist immer…!“ Sie schien selber keine Antwort zu wissen, oder sie ihm nicht mehr zu gönnen, denn abwehrend machte sie eine wegwerfende Handbewegung, als wäre er ihre Worte nicht mehr wert. Sorgenvoll blickte sie wieder nach draußen, als könne jede Sekunde das verdammte Igno wieder auftauchen.

 

Sein Blick verfing sich an ihren Sommersprossen, an den Regentropfen auf ihrer Wange. Sie will wissen, ob du so verkommen bist, wie du tust, Malfoy. Er wusste, wie er sich ihr gegenüber verhielt. Aber es gab kaum etwas, was er tun konnte. Und manchmal – aber nur manchmal – da wünschte er sich, dass sie es sehen könnte. Dass sie sehen konnte, was er dachte, was er nicht aussprach. Dass sie zwischen all seinen Worten, Gesten und Gedanken lesen konnte, was er niemals laut würde sagen können.

 

Denn alle Worte, die er von sich gab, waren dafür geeignet, ihn zu schützen. Ihn weit davon abzubringen, sich ihn irgendeine Gefahr zu begeben, aus der er nicht mehr rauskommen würde. Er war ein kluger Junge. Sie rieb sich in einer zitternden Geste ihre Oberarme. Ihr war kalt, ging ihm auf.

 

Wieso standen sie noch hier? Dieser Gedanke traf ihn wie eine verfluchte Epiphanie. Sie waren keine zwei Muggel im Gewitter. Und wenn sie es hasste, hier mit ihm zu stehen, dann könnte sie den Regenschutzzauber anwenden und gehen, draußen nach ihrem verdammten Igno suchen. Sie konnte unbeschadet zurück nach draußen.

Oder war es… die Situation an sich? Dass man es vielleicht so machte? Man verblieb im Schutz der Blätter, auch wenn man es nicht nötig hatte, nicht musste, einfach weil… man so zu zweit war? Instinktiv?

 

Sie waren hier draußen höchstwahrscheinlich im Moment ziemlich allein. War es das? Machte es das… besser? War das verbotene Element für den Moment aufgehoben?

Er fühlte sich elend in ihrer Nähe, das wusste er. Aber er wusste auch, würde er gehen, würde er sich genauso elend fühlen. Es machte keinen Unterschied mehr, ob er sie sah oder nicht mehr sah.

 

Mit den Finger kämmte er sich die nassen Strähnen über den Kopf zurück. Und ihr Blick hatte sich automatisch gehoben. Sie sah ihn wieder an. Aber… nicht direkt. Sie sah an ihm vorbei, auf seinen –

 

Das weiße Hemd klebte ihm nass an den Armen. Er runzelte die Stirn.

 

„Du trägst es nicht“, entkam es ihr stockend. Sein Mund öffnete sich langsam.

 

„Was trage ich ni-?“ Er unterbrach sich selbst. Hastig fiel ihr Blick. Er musste plötzlich schlucken, nicht sicher, warum seine Kehle trocken war. Es war sein Geburtstagsgeschenk, hatte ihm Lucius versprochen. Er würde das Mal gestochen bekommen, sobald er nächstes Wochenende nach Hause kam. Warum – Salazar noch mal – achtete sie darauf? Was machte es für einen verdammten Unterschied? Kurz verspürte er eine sinnlose Wut in seinem Bauch.

 

War es das? War das alles? Er trug es nicht, aber es machte kaum einen Unterschied. Sie glaubte, er wäre ein Todesser, und er würde genau das werden, denn er hatte keine Wahl. Er wollte überhaupt keine Wahl. Es war das, was sein Vater geplant hatte. Wieso war sie nicht einfach irgendjemand anders, fragte er sich verzweifelt? Wieso ausgerechnet sie? Wieso musste ausgerechnet dieses Mädchen seine Aufmerksamkeit erwecken? Wieso?!

 

Er schloss die Augen, denn das tat er manchmal, wenn die Realität zu erdrückend war.

Und es erschlug ihn mit so absoluter Sicherheit, dass er die Tränen in seinen Augen spüren konnte, bevor er überhaupt begriff….

 

Und in derselben Sekunde trat er einen Schritt hinaus in den Regen, denn er wollte alles, nur nicht, dass sie ihn auch noch weinen sah, wie ein verfluchter Idiot!

 

Denn er wusste plötzlich – er würde sie nicht bekommen.

 

Fest hatte er die Augen geschlossen, und er spürte die warmen Tränen, die seine Wange hinab liefen, vermischt mit den eisigen Regentropfen. Dazu war er bestimmt. Er musste sein, wer er eben war. Er konnte nichts anderes sein!

 

Und plötzlich öffnete er blinzelnd die Augen. Die Kälte ließ ihn zittern.

Potter wusste es.

 

Es war so offensichtlich, dass es fast wie ein physischer Schlag in seinen Magen war. Potter wusste es! Deshalb die Blicke, deshalb das Lächeln. Potter wusste, dass er nichts tun würde. Nichts tun konnte. Potter sah ihm zu, wie er… scheiterte. Und er scheiterte nicht wirklich, denn… es gab nichts für ihn zu gewinnen.

Gregory wusste es. Vincent wusste es. Sie alle wussten, dass er….

Und langsam wandte er sich wieder um. Regen lief seinen Rücken hinab, tränkte seine Stoffhose, nahm ihm fast die Sicht.

 

Völlig entgeistert stand sie noch immer im Schutz der Blätter, sah ihn verständnislos an, leise Verzweiflung im Blick, weil sie ihn nicht begriff. Er begriff sich selber nicht mehr.

Und er ging zurück, auf sie zu, so nahe, bis sie den Kopf in den Nacken legen musste. Angst überschattete ihr Gesicht. Laut hämmerte der Regen über ihnen, Tropfen liefen über seine Nase, seine Lippen, sein Kinn. Weit sahen ihre Augen zu ihm auf. Sein Blick fiel unkontrolliert auf ihren halb geöffneten Mund.

 

Flach ging sein Atem, und er hörte ihre kurzen Atemzüge.

 

Und nicht seinetwegen. Er tat es nicht einmal seinetwegen. Er war so weit entfernt, irgendetwas um seiner selbst willen zu tun.

 

Er tat es… ihretwegen. Die Erkenntnis traf ihn so abrupt, wie es nur eine Offenbarung konnte.

 

Unwillkürlich hoben sich seine kühlen Finger. Langsam. Wie in Zeitlupe, und ihr Atem gefror. Aber kurz vor ihrer Wange stoppte er.

 

Unbewegt stand sie vor ihm. Ihr Blick bohrte sich in seinen.

 

Und als es unerträglich wurde, er sich fast in dem Moment verlor, fiel seine Hand träge und nutzlos an seine Seite zurück, ohne dass er sich erlaubte, sie zu berühren. Er schluckte schwer, ehe er schwer ausatmete, als wäre er gerannt. Gehen. Er musste jetzt für immer gehen, sonst…- Er machte einen Schritt zurück. Noch immer sah ihn an. Sie zitterte mittlerweile wieder. Geh, sagte er sich selbst, machte Kehrt, schritt durch den Regen, aber er hörte sie.

 

„Malfoy!“, rief sie dicht hinter ihm. Sie folgte ihm, ging ihm auf, und er wandte sich um. Hart fiel der Regen um sie auf das nasse Gras, durchnässte sie ebenfalls komplett, aber sie war es nun, die näher kam, dicht vor ihm verharrte, und Unsicherheit, Angst, Unschuld – alles stand rau und offen in ihrem Gesicht geschrieben, als sich ihre Hände zitternd hoben, seine Wangen umfassten, und sanfte Panik erfasste ihn, als sie sein nasses Gesicht zu sich zog.

 

Ihre Lippen lagen auf seinen, und er glaubte, sein Magen würde ihn im Stich lassen. Seine Muskeln zogen sich zusammen, entließen eine Millionen Endorphine, und gierig, hungrig, verzweifelt öffnete sich sein Mund unter ihrem. Seine Arme schlangen sich um ihren Körper, seine Hand umfasste ihren nassen Hinterkopf, presste sie fester an sich, während seine Zunge nach vorne drang, und er hörte sie leise keuchen.

 

Das Gefühl war unbeschreiblich. Donner grollte in unweiter Ferne, und es kümmerte ihn nicht. Sie waren so nass, dass er glaubte, ihre Haut würde nie wieder trocken werden, aber auch das war ihm egal. Er wusste nicht, was passiert war, aber er wusste, was er tat, war ein Fehler.

 

Aber er wusste auch, er konnte nicht mehr zurück. Seine Finger gruben sich hart in den Stoff ihrer Bluse, spürten ihre weiche Haut darunter, und der Kuss raubte ihm all seine wachen Sinne, so gut fühlte es sich an.

 

Er hatte ihre Lippen gekostet. Sie schmeckten nach Regen, nach Lust, nach verbotenen, süßen Dingen – und es war sein Ende. 

 

 

7. Dispositions

 

You called me up again just to break me like a promise,
so casually cruel in the name of being honest.

Taylor Swift

 

Ein wenig gedankenverloren saß er auf der noch klammen Bank im Hofgarten, unter dem Apfelbaum, der Anstalten machte, Blüten zu tragen. Neben ihm lehnte Blaise auf dem Boden am Stamm des Baumes, saß auf seinem Blazer, die Knie angewinkelt, mit Pergament und Kohlestift, während er konzentriert sein Igno nachzeichnete, das im feuchten Gras eingeschlafen war.

 

Nur zufällig hatte Draco Blaise entdeckt, und eher spontan hatte er sich entschieden, sein Igno an der Leine zur Bank zu schleifen. Es kam ihm bereits größer vor, als gestern. Und es hatte doch tatsächlich einen Schnupfen bekommen, weshalb es nachts in einer anderen Box hatte schlafen müssen, als die anderen, weil mit jedem Nieser eine Stichflamme aus seiner Nase geschossen war, die die anderen verbrannte. Der Riese hatte das Igno gestern Abend noch gefunden und im Schloss abgeliefert.

 

Ein Junge des unteren Jahrgangs hatte es Draco wiedergebracht. Er war etwas enttäuscht gewesen, hatte er doch gehofft, er wäre das Tier vielleicht losgeworden. Aber wirklich geärgert hatte er sich nicht, denn das Igno belegte einen unwichtigen Rang, dachte er an alle anderen Dinge, an alle anderen Probleme.

 

Sein Blick fiel wieder auf die Zeichnung, die Blaise nicht einmal verheimlichte. Draco wusste, er verheimlichte vieles. Blaise war so. Keine ungewöhnliche Slytherineigenschaft, nahm Draco an. Seine Mundwinkel sanken.

 

Er hatte mit Granger nicht mehr gesprochen. Und sein Herz schlug schwerer, wenn er daran dachte, sie überhaupt zu sehen.

Der Abschied gestern war wortlos gewesen, von seiner Seite aus zumindest.

Sie hatte den Kuss initiiert und sie hatte ihn auch beendet, war furchtbar rot geworden, hatte ihn gebeten, niemandem etwas davon zu erzählen – als hätte er so etwas vorgehabt! – und dann hatte sie sich entschuldigt und war weggelaufen. Als hätte sie sich letztendlich auch noch geschämt. Für ihn!

 

Es war nicht unbedingt der Abschluss gewesen, der ihm vorgeschwebt hatte. Dann wiederum wusste er nicht mal, was er wollte. Er wollte gegangen sein, hatte sich entschlossen, nicht seinen Instinkten nachzugeben – das war sie gewesen. Und jetzt? Jetzt standen sie wo? Was bedeutete es überhaupt? Mochte sie ihn? Hatte sie – Merlin, er hasste diesen Gedanken – Mitleid mit ihm?

 

Es war nett, dass Blaise ihn ignorierte. Fast war es so, als wäre Draco allein, ohne die erbärmliche Komponente, tatsächlich alleine zu sein. Sein Igno beschnupperte seinen Bruder nun vorsichtig, aber Blaises Igno schlief ungerührt weiter. Granger würde erleichtert sein, dass dem Igno nichts weiter passiert war, als dass es sich eine Erkältung eingefangen hatte. Vom Frühlingsgewitter und dem Regen war nicht mehr viel zu sehen, außer das nasse Gras und die hängenden Ästen der Bäume. Die Luft war klarer, ein wenig kühler als gestern, aber es war nicht unangenehm.

 

„Was ist los, Malfoy?“, wollte Blaise sehr zielgerichtet wissen, ohne den Blick von seiner Zeichnung zu heben. Fast klang er gereizt, als wolle er tatsächlich lieber alleine sein, während Draco ihn bloß störte. Fast erschrak er über die direkte Anrede. Er verzog den Mund.

 

„Nichts“, erwiderte er nur.

 

„Wo sind deine Zofen?“, erkundigte er sich mit einem feinen Lächeln, während er mit kurzen Kohlestrichen das Gras nachzeichnete. Draco nahm an, er meinte Vincent und Greg.

 

„Keine Ahnung“, sagte er lustlos. Es war ihm heute egal, wo alle waren. Heute legte er keinen Wert auf ihre Anwesenheit.

 

„Nicht auf Granger-Patrouille heute?“ Belustigt zuckten Blaises Mundwinkel, während er ihn sonst immer noch gänzlich ignorierte. Und Draco wusste wieder, warum er nicht viel Zeit mit Blaise verbrachte. Blaise war unheimlich und nervig wachsam, was das Verhalten anderer Leute anging. Und Draco wog ab, beschloss aber in die Defensive zu gehen.

 

„Ich weiß nicht, was du meinst“, entgegnete er abwehrend. Blaises Lächeln vertiefte sich, als fände er seine Abwehrhaltung amüsant, er sagte aber nichts mehr dazu. Entweder, Draco ging oder er wechselte das Thema. Er wusste aber nicht, wohin er sollte, also lehnte er sich wieder zurück. „Wer ist eigentlich dein Partner?“, wollte er gleichmütig wissen.

 

„Lavender Brown“, erwiderte Blaise, noch immer lächelnd.

 

„Bitter“, erwiderte Draco kühl.

 

„Kein Problem für mich“, entgegnete Blaise, wie immer eigentümlich. „Ich stehe nicht auf sie, also…“ Draco sprang schneller darauf an, als er eigentlich wollte.

 

„Ich stehe nicht auf Granger, Zabini!“, fuhr er ihn an, und jetzt hob Blaise tatsächlich den Blick. Langsam und eindeutig, während die dunkle, gebogene Augenbraue spöttisch eine tiefe Falte in seine glatte Stirn grub. Draco hätte gehen sollen. Aber er spürte, wie seine Haltung trotziger wurde, und er Blaise demonstrativ entgegenblickte.

 

„Das war nicht wirklich, was ich meinte, Malfoy, aber… gut für dich“, räumte Blaise belustigt ein. Seine Worte troffen vor Spott.

 

„Du bist ein Wichser, Blaise“, knurrte Draco lediglich.

 

„Sind wir das nicht alle?“ Es war eine rhetorische Frage, während Blaises Blick wieder auf seine Zeichnung fiel. „Wenn du Lebenshilfe und gute Ratschläge suchst, dann geh zu Goyle, Malfoy. Ich bin ehrlich gesagt nicht auf deine Gesellschaft angewiesen“, informierte er ihn eindeutig.

 

„Ich suche keine Lebenshilfe, und ich wusste nicht, dass der Hofgarten dir gehört!“, knurrte Draco wütend. Blaise lächelte wieder, und es regte Draco auf.

 

„Wenn du nichts mit dir anzufangen weißt, Granger befindet sich in der Bibliothek. Ohne die dämlichen Ritter zu ihrer Verteidigung“, ergänzte er vielsagend, und Draco spürte den Zorn in sich lodern.

 

„Ich bin nicht auf der Suche nach Granger!“, wiederholte er mit mehr Nachdruck.

 

„Ich verstehe. Auch ein Stalker braucht Ferien, hm?“, erkundigte sich Blaise grinsend, und Draco erhob sich gereizt.

 

„Fick dich“, spuckte er ihm entgegen. Blaise Mundwinkel zuckten. Draco hasste es, dass Blaise keinen Wert darauf legte, gut vor ihm dazustehen, wie die meisten anderen. Blaise interessierte es überhaupt nicht, was andere von ihm dachten. Draco bewunderte ihn insgeheim dafür. Aber laut würde er es niemals sagen. Wie sicher Blaise war, dass er, Draco, auf Granger stand. Wie einfach er es behaupten konnte, als hinge nichts davon ab! Und deshalb war Draco auch so wütend. Denn… alles hing davon ab. Sein Stehen und sein Fall.

 

Und er musste Blaises Vermutungen nicht einmal wirklich bestätigen oder abstreiten. Denn Blaise schien sich lächerlich sicher zu sein. Und verdammt. Daran gab es wenig zu korrigieren, nahm Draco bitter an.

 

Er griff sich die geflochtene Leine, die der Riese dem Igno umgebunden hatte, aus dem nassen Gras und zog das Tier mit sich, während er knapp der Stichflamme auswich, die der Hund beim Niesen spieh. Er wusste, wohin er wollte.

 

Denn Blaise hatte ihm die Augen darüber geöffnet, wie verflucht offensichtlich alles war.

 

Und sein Herz schlug verzweifelte, dunkle Schläge.

 

Denn wie er es auch betrachtete, welches geheime Szenario er sich auch immer ausmalte – am Ende gab es keine Möglichkeit. Er war sich sicher, er war in sie verliebt. Schon zu lange, als er sich eingestehen wollte.

 

Aber würde es jemand außerhalb Hogwarts erfahren…. Sein Blut gefror, wenn er an Lucius dachte. Und nicht auf ihn, sondern auf Granger würde Lucius es anlegen. Denn das würde ihm, Draco, am meisten wehtun.

 

Und bevor das passieren konnte, würde Draco dafür sorgen, dass sie ihn nicht mehr beachten würde. Nie wieder. Er war gut darin, ein Arschloch zu sein. Es wurde Zeit, es zu beweisen.

 

~*~

 

Sie war unzufrieden, hatte nicht halb so viel geschafft, wie sie hatte schaffen wollen. Und sie ärgerte sich, hatte sie fast erwartet, dass, wenn sie in die Bibliothek ging, die üblichen verdächtigen Slytherins folgen würden. Dann hätte sie gewusst, wo er war und hätte sich keine weiteren Gedanken machen müssen. Aber so… hatte sie nur an ihn gedacht. An den Nachmittag gestern, an ihre Reaktion, die sie sich nicht einmal erklären konnte.

 

Sie war… so froh gewesen, dass sich Harrys These nicht bestätigt hatte, dass Malfoy nicht das Mal trug. Warum auch immer das wichtig war! Sie wusste es nicht. War es dann einfacher, zu glauben, dass er gar nicht so schlimm war, wie sie immer gedacht hatte? Machte es ihn menschlicher? Nahbarer, als er sonst erschien? Warum war sie ihm nachgelaufen? Weil es so ausgesehen hatte, als würde Malfoy mit sich selber um Fassung kämpfen? Weil er so ausgesehen hatte, als hätte er geweint? Weil er es sich selber so schwer machte, weil er nicht anders konnte?

 

Weil sie in ihrem blöden Kopf irgendwie glaubte, es mache einen Unterschied, wenn er tatsächlich kein Mistkerl war? Denn wo war die Logik dahinter? Selbst wenn! Selbst wenn, Draco Malfoy noch nicht das Mal trug, was sollte sich ändern? Shakespeares Worte trafen nicht zu, ärgerte sie sich. Er konnte seinen Vater nicht leugnen, seinen Namen nicht ablegen, so pathetisch es auch in ihren Ohren klang. Und natürlich waren sie kein… Liebespaar! Nicht mal annähernd.

 

Sie waren offen gesagt gar nichts. Sie war gestern abgehauen, weil sie Angst bekommen hatte. Angst, dass es komplizierter wurde. Und sie hatte massive Angst vor sich selber gehabt. Was tat sie denn? Man konnte nicht alle Skrupel zurücklassen, sich blind in eine Sache stürzen, die sich vielleicht für eine kurze Zeit gut anfühlte. Sie konnte nicht nur an sich denken. Außerdem, wie viel würde er investieren? Würde er überhaupt darüber nachdenken? Es könnte auch sein, dass sie alle Zeichen falsch gedeutet hatte, aber sie war Gryffindor genug, arrogant zu behaupten, dass sie seine Körpersprache durchaus richtig gedeutet hatte.

 

Seufzend packte sie ihre Bücher ein und verließ still die Bibliothek.

 

Und überrascht blieb sie draußen auf dem Flur stehen.

 

Er lehnte am Fenstersims des kleinen Erkers. Die schwache Nachmittagssonne schien ihm durch die hohe, konvex gewölbte Sprossenscheibe in den Rücken, ließ seine hellen Haare praktisch leuchten, während von seiner Hand eine Leine hing. Auf dem Steinboden schlief das Igno auf dem Rücken, dort wo die letzten Sonnenstrahlen den Stein erwärmten.

 

Sie wusste schon seit gestern, dass der Igno wieder da war. Sie hatte Errol Winterspittle schließlich zu den Slytherins geschickt, als er abends mit dem Igno aufgetaucht war, als sie und Ron das Schloss patrouilliert hatten.

 

Es war so ungewohnt, ihn tatsächlich irgendwo zu treffen, ohne Crabbe und Goyle, die sich im Hintergrund verbargen. Er wirkte so alibilos, ohne eine andere sichtliche Entschuldigung als diese, dass er tatsächlich auf sie zu warten schien. Und das war seltsam. Es machte den gestrigen Tag so schmerzhaft wahr, machte die Erinnerung greifbar echt. Sie hatten für heute keinen Termin ausgemacht. Nein, sie war auch weggelaufen. Dramatisch und dumm. Steif spürte sie ihre Arme an ihren Seiten, wusste nicht, wohin mit ihren Händen und fühlte sich komplett unwohl.

 

Merlin, sie hatte ihn geküsst. Im Regen. Als gäbe es kein Morgen. Und es gab doch immer ein Morgen.

 

Sie wusste, wie sich seine Lippen auf ihren anfühlten. Das war wahrscheinlich schon falsch genug. Sie hätte einen ganzen Monat – ein ganzes Jahr – mit der Erinnerung an diesen Kuss auskommen können, ohne ihn noch einmal zu sehen. Aber das war das dumme an einer Privatschule. Man sah sich. Ständig. Fast hegte sie den kindlichen Wunsch, dass er doch besser derjenige gewesen wäre, der sie geküsst hatte.

 

Dann hätte sie zumindest irgendeine Art Recht, schockiert und empört zu tun. Sich mit der Tatsache auseinander zu setzen, dass er nun wusste, dass er sie nicht komplett anwiderte, änderte das Gleichgewicht ihrer ganzen Beziehung, wenn man so wollte.

 

Es war, als hätte sie ihn in ihre Karten blicken lassen, als kenne er nun das geheime Blatt, was sie effektlos auf der Hand verbarg. Wahrscheinlich war ihm nicht vorzuwerfen, dass er nun hier war. Dass er nicht ahnungslos tat, denn in seinen Augen las sie deutlich, dass er den gestrigen Tag nicht magischerweise verdrängt oder vergessen hatte. Nein. Er wirkte ziemlich selbstgerecht, wenn nicht sogar ätzend überlegen. Mehr noch als sonst. 

 

Es wäre wirklich besser gewesen, wäre er derjenige gewesen, der den Fehler gemacht hatte, sie zu küssen. Nicht umgekehrt. Es war eine missliche Situation. Denn sie könnte nicht mal sagen, dass sie es gar nicht gewollt hatte.

 

Und ihr Verstand machte sich nicht einmal die Mühe, zu hinterfragen, woher er wusste, wo sie war. Und es wunderte sie auch nicht. Für gewöhnlich schaffte er es auch jeden Tag, überall dort aufzutauchen, wo sie und Harry und Ron waren.

 

Es war nur eine Frage von Sekunden, wann er wohl einsehen würde, dass sie nicht sprechen würde. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ob sie sich auch noch entschuldigen müsste – und wenn, für was? Dass sie ihn geküsst hatte oder dass sie abgehauen war. Und das brachte sie zu der nächsten unangenehmen Wahrheit, denn – was genau tat ihr leid? Beides? Oder nur eine dieser Handlungen?

 

Und besser wäre es für alle Beteiligten, wenn ihr der Kuss leidtun würde, denn dann könnte sie wieder Balance schaffen. Die Rollen wieder klar verteilen. Die Muggel und der Todesser. Glasklar wären die Seiten wieder getrennt. Es wäre einfacher.

 

Die neutrale Stille zwischen ihnen näherte sich einem sehr gewissen Ende. Denn sie wusste, er ließ Dinge nicht auf sich beruhen. Er war Draco Malfoy, und mochte er gestern auch eine ganz andere Seite von sich gezeigt habe, so wusste sie, dass er nicht plötzlich aufwachen würde, und sein ätzendes Selbst einfach ablegte.

Seine Augen waren so hellgrau, dass sie fast unheimlich wirkten, wie sie sie durchleuchteten. Alles an ihm wirkte immer so anders, so vollkommen extrem. Er war extrem groß, extrem hell, extrem blond, extrem scheiße.

 

Und sie nahm an, gleich würde kein ehrliches, offenes Wort seinen Mund verlassen. Sie wappnete sich innerlich für die große Malfoy-Show. Auch wenn gerade niemand sonst hier war, um ihm zuzuhören. Es musste verdammt bequem für ihn sein, ihr vorwerfen zu können, dass sie ein Heuchler war. Dass sie erbärmlich war. Dass er sogar sie bekommen könnte, wenn er nur sentimental wurde und ihr auf emotionaler Ebene begegnete.

Sie hasste, dass sie beide so funktionierten. Dass sie beide hinter ihr Schutzschild flüchteten, dass keiner wagte, mehr preis zu geben als nötig.

 

Sie hasste, dass sie schon jetzt wusste, dass er sich lustig machen würde, dass er sich passenderweise nicht mehr an seine Hilflosigkeit gestern erinnerte. Sie kannte ihn zu gut.

Er war ein Slytherin, und sie war zu stolz, um darüber hinwegsehen. In seinen egoistischen Worten etwas anderes lesen zu können, als die oberflächliche Fassade, die er sich aufgebaut hatte, obwohl sie es besser wusste.

 

Merlin, jetzt war sie wütend, obwohl er noch nicht einmal seinen Mund aufgemacht hatte, um sie zu enttäuschen. Und sie wollte nicht von ihm verletzt werden. Er wusste, dass seine Worte ihr wehtaten. Er wusste es mit Sicherheit.

 

Er gewann das stumme Blickduell, denn ihr Blick fiel erschöpft. Er gewann doch immer letzten Endes, dachte sie bitter und sah ihn nicht an.

 

Schließlich stieß er sich vom Fenstersims ab und überragte sie um einen Kopf. Sein Blick verharrte unschlüssig auf ihr. Sein Gesicht war so charismatisch und durchaus schön, wenn er keine säuerliche Grimasse machte. Sie bemerkte sie die flüchtige Unsicherheit in seinem Blick. Gespannt wartete sie, biss sich unbewusst auf die Unterlippe, und sehr kurz fiel sein Blick auf diese Geste. Es schickte direkt ein frisches Schwächegefühl in ihre Beine.

 

Sein Blick zwang sich zurück zu ihren Augen. Er beherrschte sich, ging ihr plötzlich auf. Sie spürte die plötzliche Spannung zwischen sich und ihm. Blanke Selbstbeherrschung umgab ihn und sie konnte praktisch dabei zusehen, wie Kälte in ihm empor stieg, wie die neue, ungewohnte Tür, die seine positive Seite zeigen konnte, zuschnappte. Ihr Kiefer lockerte sich. Malfoy war wieder Malfoy. Und er würde sprechen.

 

„Hier“, bemerkte er kühl und streckte ihr die Leine entgegen. „Ich habe keine Lust mehr, den Rest meines Tages mit diesem Vieh zu verschwenden“, informierte er sie. Sie ergriff verblüfft die Leine, ohne dass sich ihre Hände berührten. Seine Hand fiel zurück an seine Seite.

„Und ich verzichte darauf, noch eine weitere Stunde mit dir zu verbringen. Sonst-“ Und es fiel ihm tatsächlich schwer, er musste sich ernsthaft überwinden. „Sonst kommst du wieder auf widerwärtige, ekelhafte Ideen“, schloss er voller Verachtung. „Ich“, fuhr er bitter fort, und seine eiskalte Fassade erreichte dunkel seine Augen, „möchte keine weitere Nacht damit zubringen, mich wegen dir zu übergeben.“

 

Ihr Mund hatte sich stumm geöffnet. Er musste aufhören, zu reden! Er musste!

 

„Und Granger“, ergänzte er abfällig, musterte sie, und wäre sie nicht versteinert vor Schmerz, dann würde sie ihm den Mund zu hexen, „keine Sorge“, bemerkte er. „Ich bekomme das Mal. Und ich kann es nicht erwarten“, erklärte er mit mehr Nachdruck. „Voldemort wird an die Macht kommen und Menschen wie dich-“

 

„-Malfoy“, unterbrach sie ihn leise, tonlos, und er hielt inne. Sie sah, wie schnell sein Atem ging, sie spürte die Tränen in ihren Augen bereits brennen. „Nicht“, wisperte sie kopfschüttelnd. Seine Gesichtszüge spannten sich hart an.

 

„Ich muss das tun“, erklärte er gepresst. „Ich… bin ein Todesser“, sagte er mehr als deutlich. „Du bist ein-“ Und sie wartete auf das Wort. Und unter einem langen Atemzug schloss er die Augen, ehe er sie wieder öffnete. „Geh endlich“, knurrte er rau, ohne den Blick zu heben.

 

Er log.

 

Er sagte böse Worte, damit sie ging. Sie hasste, dass er so war.

 

„Warum-?“, begann sie verzweifelt, aber sein Blick schoss hoch in ihr Gesicht, und sie verstummte abrupt.  

 

„-Granger“, warnte er sie mit einem tödlichen Blick, und eine Träne fiel auf ihre Wange. Es war so ungerecht. Es war so falsch, dass er sie verletzen konnte. Sie hatte sich viel zu weit von der sicheren Seite entfernt. Sie war viel zu weit gegangen.

 

„Dann sag es“, verlangte sie unter Tränen von ihm. Er sah sie an. Noch immer schien er jedes Gefühl zu verdrängen. „Sag mir, was ich bin“, wiederholte sie bitter. Und fast verdrehte er die Augen.

 

„Mach das nicht“, sagte er kühl. „Geh einfach, und-“

 

„-sag es einfach!“, unterbrach sie ihn heiser. Er sollte beenden, was er hier begonnen hatte.

 

Denn er war es, der Spiele spielte! Er war es, der sie seit Monaten verfolgte, ihr auflauerte, sie sogar dazu brachte, dass sie Mitleid mit ihm hatte, dass sie sich in ihn hineinversetzen konnte, dass sie nichts anderes wollte, als ihn zu küssen. Und jetzt stieß er sie von sich, und er sollte es verdammt noch mal beenden!

 

Und seine scheiß Maske brach, er atmete verzweifelt aus, und hell schimmerten seine Augen. „Wir könnten niemals irgendetwas sein, Granger! Niemals!“, informierte er sie mit weiten Augen. „Und das weißt du!“ Auch seine Stimme zitterte gefährlich. Weitere Tränen fielen auf ihre Wangen, und alleine das schien ihm physische Qualen zu bereiten, aber er berührte sie nicht. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Und mit einem traurigen Lächeln sah sie ihn an.

 

„Dann sag es. Sag es, und dein Albtraum ist vorbei“, versprach sie ihm. Und sie wollte nichts sein! Nicht mit ihm! Wie konnte er denken, dass sie das auch nur in Erwägung zog? Was dachte er? Dass sie händchenhaltend über die Wiesen von Hogwarts liefen?

Wieso tat es nur so weh?

 

Weil du dämlich bist, Hermine. Deshalb.

 

Glasig schimmerten seine Augen. „Schlammblut“, sagte er heiser, und ihr Blick fiel. Sie zog den verschlafenen Igno mit einem Ruck mit sich, ließ ihn stehen und blickte nicht mehr zurück.

 

Er wollte sie loswerden, um seine verdammte Haut zu retten? Dann hatte er Glück.

Er war sie los.

 

 

8. The rare Exception

 

Good fortune often occurs when you stop expecting life to present opportunities

to you and you start presenting opportunities to life.

Rasheed Ogunlaru

 

Sie lachte, warf ihre Haare zurück, und sie glänzten im Sonnenlicht des Frühlingstages, und er war wie verzaubert. Und nicht nur er, dachte er, während die Eifersucht sanfte Falten auf seine Stirn zeichnete.

 

„Goyle?“ Ertappt wandte er den Blick zurück.

 

„Ja?“, entfuhr es ihm atemlos, und Neville sah ihn eindeutig an, während er den feuerspeienden Brocken angestrengt auf den Rasen drückte.

 

„Leine!“, wiederholte er scheinbar gereizt, und hastig beeilte sich Gregory, dem erschreckend riesigen Igno die Leine um den Hals zu zwängen. Gryffindor und Slytherin kämpften in ihren Gemeinschaftsräumen gegen ein regelrechtes Flammeninferno, was um sich griff, und Mobiliar, Vorhänge und Teppiche in Mitleidenschaft zog. Zunächst hatte Dumbledore einen Feuerschutz auf alles gelegt, aber nun griffen die Ignos die Mitschüler an, und McGonagall hatte dem Experiment ein halbes Ende mit Schrecken gesetzt.

 

Die Ignos waren nicht mehr im Schloss zu halten. Sie verbrachten die Nächte nun draußen im laukalten Frühlingswetter, in getrennten Zwingern, die Hagrid unter großer Eile zusammen gezimmert hatte. Hagrid behielt sein Igno noch in seiner Hütte, weswegen er dicke Verbände an Händen und Füßen trug. Sie durften nur noch unter großer Vorsicht Sparziergänge mit den Ignos machen. Hagrid übernahm die Fütterung.

 

Das Igno empfand es wohl als Spiel, von Neville auf den Boden gedrückt zu werden, und versuchte, spielerisch nach dessen Hals zu schnappen. Dieser wich schweißgebadet zurück, und Gregory hielt die Leine auf weitem Abstand. Das Igno erhob sich schwerfällig aus dem frischen Gras und reichte ihnen schon bis zum Oberschenkel. Drei Tage reichten, um es zur doppelten Größe wachsen zu lassen. Gregory bezweifelte, dass sie sich tatsächlich zwei Wochen um die Viecher würden ‚kümmern‘ können, denn… man konnte ihnen praktisch beim Wachsen zusehen.

 

Geistesgegenwärtig sprang Gregory einen Schritt beiseite, als das Igno zufrieden gähnte, und eine Stichflamme die Grashalme versenkte.

 

„Deswegen hasse ich Pflege magischer Geschöpfe“, beschwerte sich Neville wütend. „Was denkt sich Hagrid eigentlich bei so etwas?“ Er schien auf keine Antwort zu warten, und abwesend fiel Gregorys Blick wieder auf Pansy und Ronald Weasley, die einige Meter abseits über die Wiesen schlenderten, während ihr Igno brav nebenher dackelte. Manche hatten scheinbar Glück.

 

Gregory konnte nicht hören, was Weasley sagte, aber wieder lachte Pansy auffällig hell und angenehm, schlug Weasley sogar sanft gegen den Unterarm, und Gregorys Miene verdunkelte sich ein wenig. Mädchen fassten Jungen nicht an, wenn sie es nicht wollten. Und Weasley schien Witze zu machen und sie zu ärgern, weil er von ihr angefasst werden wollte.

 

„Witzig, nicht?“, unterbrach Neville seine Gedanken, während er lustlos in das Tagebuch schrieb, was das Igno heute bei der Fütterung alles an Fleisch verdrückt hatte – und das war eine Menge gewesen! Gregory sah ihn wieder an.

 

„Was?“, wollte er verständnislos wissen, aber Neville nickte in Richtung Pansy und Weasley.

 

„Die scheinen sich gut zu verstehen. Das beobachtest du doch?“, erkundigte er sich bei ihm.

 

„Hm“, machte Gregory nur.

 

„Wir verstehen uns auch besser, als ich gedacht hatte“, bemerkte Neville achselzuckend. „Zwar nicht… so“, ergänzte er kopfschüttelnd, und betrachtete scheinbar Pansy, die wieder auflachte. „Aber… es läuft ganz gut“, schloss er schließlich.

 

„Ja“, bestätigte Gregory nur.

 

„Ich dachte immer, ihr Slytherins wärt…“ Neville machte eine unschlüssige Pause, und Gregory sah ihn wieder an. Ausdruckslos, abwartend. „Scheiße“, schloss Neville grinsend. Und Gregorys Mundwinkel hoben sich ein Stück.

 

„Nein, es war ok“, räumte Gregory schließlich ein. „Ist vielleicht ganz gut, wenn… man mal aus seiner gewohnten Umgebung rauskommt“, fuhr Gregory langsam fort, während er Pansy weiter beobachtete. „Damit man sieht, was man vorher nicht gemerkt hat.“ Er bemerkte Nevilles verständnislosen Blick nicht mal. Pansy würde ihn niemals wahrnehmen. Sie schenkte selbst Weasley mehr Beachtung, und das war seltsam. Es war abwegig. Und doch sah es so aus, als… würde sich Pansy wohlfühlen. Gregory hatte zwar immer gehofft, dass sie von Draco loskommen würde, über ihn hinweg käme, damit sich ihre Augen öffnen konnten, für die Dinge, die direkt vor ihrer Nase warteten, aber… - er hatte sich geirrt.

 

Es war so traurig, dachte er mit schmerzendem Herzen. Warum bekam man nie, was man wollte? Selbst, wenn man alles richtig machte? Es war nicht fair. Warum war er nicht die Ausnahme der Regel? Wieso zog er immer den Kürzeren, wieso war es so schwer, einfach mal zu gewinnen? Er wollte nicht glauben, dass es immer nur an Äußerlichkeiten lag. Dass Menschen tatsächlich so schlicht gebaut waren.

 

Dass es nichts gab, was er noch tun konnte.

 

Er fragte sich ernsthaft, was passieren musste, damit das Schicksal nur ein einziges Mal, Fünfe gerade sein ließ. Dass die Sonne einfach nur einmal für ihn alleine schien!

 

Wann konnte er die Hauptrolle in seinem Leben spielen? Er war immer nur eine Nebenrolle. Traurig sanken seine Schultern. Er war nichts Besonderes. Und er würde nie etwas Besonderes sein. Seine Ma hatte Unrecht.

 

„Gregory!“, hörte er Nevilles Stimme plötzlich. Sein Blick wandte sich, aber leider zu spät. Er hatte nicht bemerkt, dass das Igno angefangen hatte zu spielen, und bevor er ausweichen konnte, war es übermütig auf ihn zu gesprungen, und seine scharfen Zähne gruben sich voller Freude in seinen Oberschenkel.

 

Er ließ die Leine fallen, und markerschütternd drang sein Schrei über das Gelände. Das Drachengift lähmte ihn nahezu in Sekundenschnelle, und steif fiel er nach hinten. Sofort hatte Neville das Igno zurückgezerrt, es zornig bestraft, so dass es sich wimmernd zusammenkauerte, und beugte sich nun über ihn.

 

„Hey! Alles ok?“, wollte er aufgeregt wissen, während Gregory die Tränen in die Augen schossen.

 

„Oh großer Merlin, Greg!“, hörte er Pansys atemlose Stimme direkt über sich. Sie musste ihn gehört haben und war angelaufen gekommen. Ihr Gesicht beugte sich in sein Blickfeld, und der Schmerz ließ ihn fast bewusstlos werden. „Er muss in den Krankenflügel!“, rief sie panisch, und Gregory spürte ihre warmen Finger, die abwesend in seinen Ärmel gegriffen hatten.

 

Und es war Weasley, der den Zauberstab zog und den Schwebezauber anwandte. Es war so absolut demütigend, dass er froh war, es kaum bewusst wahrzunehmen. Ungehindert liefen die Tränen über seine Wange.

 

„Bring die beiden in ihre Zwinger!“, befahl Weasley Neville eilig. „Wir bringen ihn rein!“ Neville schien eilig mit den beiden Ignos zu verschwinden, und Weasley und Pansy brachten ihn gemeinsam im Laufschritt ins Schloss zurück.

 

Gerne hätte er sich beschwert, so getan, als würde es nicht wehtun, aber er bekam die Zähne nicht mal mehr auseinander, so schnell wirkte die Lähmung. Die Ignos waren noch jung, also wäre die Lähmung nicht tödlich, aber… sie war verdammt unangenehm!

 

Und von Weasley schweben gelassen zu werden, war auch nicht das beste Gefühl auf der Welt. Es kam ihm vor, als wären Jahre vergangen, als sie den Krankenflügel endlich erreichten, während Pansy hundert jüngere Schüler bereits angeschnauzt hatte, die ihnen im Weg standen und lästige Fragen gestellt hatten.

 

„Ach du liebe Güte!“, rief Madame Pomfrey, die gerade magisch die Betten bezog und auf sie zugeeilt kam. „Was ist passiert?“

 

„Igno-Biss“, erwiderte Weasley außer Atem. Madame Pomfreys Blick wurde finster.

 

„Natürlich. Unmöglich, dass die Schüler sich mit diesen gefährlichen Tieren auseinander setzen müssen! Legen Sie ihn ab!“, sagte sie eilig, und Gregory spürte, wie er auf das nächste Bett sank. „Wie ist sein Name?“, wollte sie dann wissen.

 

„Gregory“, antwortete Pansy tonlos. „Gregory Goyle.“ Er liebte es, wie sie seinen Namen sagte, aber gleichzeitig hatte er das Gefühl, sein Bein löse sich auf.

 

„Mr. Goyle, ich werde sie betäuben. Sie werden nichts weiter merken“, versprach sie ihm, und sein letzter Blick galt Pansy, die bestürzt die Hand über den Mund gelegt hatte, echte Sorge im Blick. „Gut, dass Sie so schnell gehandelt haben, Mr. Weasley. Mit Drachengift ist nicht zu spaßen.“

 

Und benebelt ärgerte sich Gregory, dass die Krankenschwester Weasleys Namen offensichtlich kannte, als wäre er öfters der Held, der dumme Slytherins rettete. Und er ärgerte sich über Pansys verträumten Blick, mit dem sie Weasley betrachtete, während dieser bescheiden jedes Lob von sich wies.

 

Und so fiel Gregory in einen düsteren Schlaf.

 

~*~

 

„Ich… werde dann mal gehen“, verabschiedete sich Weasley von ihr, und Pansys Blick hob sich abwesend. Goyle würde wohl noch eine Weile schlafen. Es war nach sechs, und ihr Magen knurrte mittlerweile auch.

 

„Ich komme mit“, flüsterte sie und erhob sich von Goyles Bettkante. Pansy nahm an, dass dies nun das Ende des Experiments bedeutete. Dumbledore würde die Schüler nun bestimmt nicht mehr der möglichen Gefahr aussetzen, von einem Igno gebissen zu werden.

Und teilweise war sie ehrlich erleichtert darüber, teilweise war sie enttäuscht.

 

Sie folgte Weasley nach draußen auf den Flur. Und sie senkte den Blick.

 

„Danke“, sagte sie schließlich, und er sah sie von oben herab an.

 

„Wofür?“, wollte er ehrlich verblüfft wissen.

 

„Dass… dass du ihm geholfen hast. Das war wirklich… nett“, schloss sie.

 

„Ihr Slytherins…“, bemerkte er lächelnd. „Das ist selbstverständlich. Du hättest es für mich gemacht, oder?“

 

„Wenn Gordo dich gebissen hätte?“ Ein Lächeln huschte über ihre Züge. Erwartend sah er sie an. „Aber natürlich, Weasley“, schloss sie grinsend.

 

„Du hättest mich liegen lassen und wärst gegangen, nicht wahr?“, entkam es ihm mit erhobener Augenbraue. Sie tippte sich aus Spaß prüfend gegen die Unterlippe und tat so, als müsse sie lange darüber nachdenken.

 

„Ich meine… ich bin schließlich eine Slytherin“, begann sie abwägend, und Weasley kniff sie scherzhaft in die Seite. Sie lachte auf, und fast schämte sie sich, sich nicht mehr Sorgen um ihren Schulkameraden zu machen, der bewusstlos im Krankenbett lag. Aber Madame Pomfrey meinte, es sähe schlimmer aus als es ist, und er würde morgen wieder topfit sein. Also… vielleicht durfte sie ein wenig unbesorgter sein?

 

Abwehrend hob sie die Hände, als er Anstalten machte, sie weiter zu kitzeln, und ihr Atem ging schneller. Sein Grinsen war so ansteckend. Seine ganze Art war so einfach, so unkompliziert, und sein Grinsen wurde zu einem schönen Lächeln. Und dann wurde er plötzlich ernst.

 

„Pansy?“, sagte er ein wenig beschämt, und erstaunt stellte sie fest, dass es schön klang, wenn er ihren Namen sagte. Er schluckte schwer. „Darf… darf ich dich küssen?“, fragte er aus heiterem Himmel, und ihr Mund öffnete sich überrascht. Ihr Herz machte einen kleinen Satz.

 

„Was?“, entfuhr es ihr atemlos. „Ich…?“ Und sie musste ebenfalls schlucken. „Jetzt – hier?“ Sie wusste nicht, was sie über so eine direkte Frage denken sollte! Wie sie reagieren musste! Wahrscheinlich reagierte sie falsch. Und er nickte nur, die Lippen leicht geteilt.

 

Er kam unbeholfen näher, und ihre Handflächen wurden feucht.

 

„O-ok?“, erwiderte sie, sehr aufgeregt, und sein Blick war so intensiv. Er wirkte so unerfahren, wie sie sich fühlte, aber sie schämte sich nicht, stellte sie panisch fest.

 

„Ok“, bestätigte er aufgeregt, kam noch näher, und fast hastig senkte sich sein Kopf. Damit hatte sie nie im Leben gerechnet! Nie im Leben hätte sie geglaubt, dass sie Ja sagen würde, zu so einer Frage! Und seine Lippen legten sich auf ihre. Unsicher, zaghaft, und sie hielt plötzlich die Luft an, als sich ihre Augen schlossen.

 

So verharrten sie voreinander, und dann hob er seine Hand zu ihrem Gesicht, berührte vorsichtig ihre Wange, fuhr durch ihre Haare, und ihr Kopf fiel in ihren Nacken, als er die andere Hand um ihre Taille legte.

 

Schnell klopfte ihr Herz, und sie nahm an, sie stellte sich schrecklich dumm an, und sie wusste nicht, wohin mit ihren Händen. Sie spürte, wie sich seine Lippen auf ihren bewegten, wie er den Mund langsam öffnete, und sie glaubte, sie würde ohnmächtig werden!

 

„Faszinierend“, vernahm sie eine nahe Stimme, und sie und Weasley fuhren auseinander. Er hatte ähnlich rote Wangen, wie sie wohl haben musste. Mit Schrecken erkannte sie Blaise Zabini und – Draco!

 

Oh nein! Ihn hatte sie vollkommen verdrängt! Nicht mit einem Gedanken hatte sie an ihre Liebe zu Draco gedacht! Oh Merlin! Was hatte sie getan. Schockiert öffnete sich ihr Mund, und Draco wirkte beinahe fassungslos, als er Weasley ins Auge fasste.

 

„Ich nehme an, Greg geht es bestens?“, wollte Blaise mit einem entschieden zu frivolen Grinsen wissen, und Pansy spürte die Hitze nun in ihrem ganzen Körper. Weasley machte noch einen Schritt von ihr zurück, und sie bemühte sich, ihn nicht mehr anzusehen.

 

Was hatte sie nur getan?! Sie liebte Draco! Wieso hatte sie ihn dann völlig vergessen gehabt?

 

„Er… er schläft“, bemerkte Weasley nun heiser. Blaise vergrub lächelnd die Hände in seinen Taschen. „A-aber Madame Pomfrey sagt, er… wird wieder gesund.“ Weasley streckte den Rücken durch. Sein Blick traf sie und überfordert sah sie ihn an. „Bis… dann“, verabschiedete er sich, wohl unfähig noch mehr zu sagen, und er marschierte an Blaise und Draco vorbei und verschwand um die nächste Biegung.

 

Sie waren allein. Mit erhobenen Augenbrauen sah Draco sie nun anklagend an.

 

„Weasley?“, wollte er ernsthaft angewidert von ihr wissen.

 

„Alle kommen auf den Gryffindor-Geschmack, nicht?“, bemerkte Blaise neben ihm mit einem wissenden Blick, und Draco schoss ihm Blitze aus den Augen zu.

 

„Ich…- ich muss gehen“, entschuldigte sie sich, denn sie wollte auf keinen Fall noch länger hier stehen, während sie vor Scham im Erdboden versinken wollte. Dracos schlechte Laune war seit Tagen ein dunkler Schatten im Slytheringemeinschaftsraum, und sie schämte sich schon genug. Sie brauchte seine Beleidigungen nicht.

 

Dracos Mund öffnete sich gänzlich verständnislos, als sie praktisch an ihnen vorbeistürmte, Richtung Treppe.

 

~*~

 

Vincent hatte zwei Stufen auf einmal genommen. Er und Potter hatten eine große, wortlose Runde mit ihrem monströsen Igno gedreht, und als er wieder im Schloss angekommen war, hatte ihm Draco mit wenigen schlecht gelaunten Worten berichtet, dass Greg von seinem Igno ins Bein gebissen wurde und im Krankenflügel lag.

 

Und nachdem er in Windeseile ein Brot gegessen hatte, hatte er sich aufgemacht. Denn er wollte nach ihm sehen. Sie waren Freunde. Sie kannten sich gut genug, dass Vincent sich Sorgen machte.

 

Und jetzt lief er mit schnellen Schritten den Gang zum Krankenflügel entlang und roch bereits schon die antiseptischen Zauber auf dem Flur.

 

Überrumpelt blieb er aber im Türrahmen stehen, während er mit offenem Mund atmete.

 

Scheiße. Was tat er hier?! Blaise hatte den Blick gehoben. Er saß im Besucherstuhl neben Gregorys Bett, hatte die Beine hoch auf die Bettkante gelegt und las ein Buch. Jetzt sah er ihn an.

 

„Was willst du hier, Zabini?“, schnappte er zorniger, als er vorgehabt hatte. „Du bist nicht mit ihm befreundet!“ Er wusste, sein Zorn war sehr leicht zu durchschauen. Blaise klappte das Buch kurzerhand zu.

 

„Ich dachte mir, dass du irgendwann auftauchen würdest“, erwiderte Blaise offen. Vincent starrte ihn ungläubig an.

 

„Du lauerst mir auf?“, entkam es ihm misstrauisch. Blaise lächelte schwach.

 

„Du läufst vor mir weg. Ich denke, wir sollten reden?“, schlug er tatsächlich vor, und Vincent sah sich knapp um, immer mit der Angst im Nacken, dass irgendjemand ihnen zuhören konnte. Gregory atmete ruhig im Bett. Er sah etwas blass um die Nase aus, aber ansonsten war ihm nicht anzusehen, dass er schwer verletzt war.

 

„Ich wüsste nicht worüber“, entgegnete Vincent verschlossen und stellte sich unschlüssig neben Gregorys Bett.

 

„Nein? Ich wüsste ein oder zwei Sachen, Vinnie“, neckte er ihn, immer noch lächelnd.

Vincent hob den Blick. Er hasste – hasste – es, wenn er ihn so nannte.

 

„Wieso quälst du mich, Zabini?“, fragte er offen heraus. Blaise runzelte die Stirn und sein Lächeln verblasste eine Spur. „Willst du wirklich unbedingt, dass es mir schlechter geht als ohnehin schon? Ist es das?“ Langsam aber sicher, riss ihm die ewige Geduld mit Blaise Zabini! Langsam aber sicher, verlor er an Angst vor dieser Person!

 

Blaise erhob sich umständlich, klopfte sich den nichtvorhandenen Staub von der Hose und sah ihn direkt an. „Ich will, dass du dich abfindest, Vince“, stellte er klar, und Vincents Augen verengten sich verständnislos. „Ich will, dass du es sagst.“

 

Und Vincents Kehle wurde trocken. Schwach schüttelte er den Kopf.

 

„Warum?“, wollte er freudlos wissen. „Was interessiert es dich?“, knurrte er. „Dich kümmert doch sonst auch nur dein eigenes Schicksal! Wie kannst ausgerechnet du es wagen, irgendetwas von mir zu verlangen?“ Er bemühte sich, die Stimme ruhig zu halten, so dass Gregory nicht aufwachen würde, aber es war verdammt schwer. „Seit wann hast du Moral? Ich soll mich abfinden? Weil du dich abgefunden hast?“ Sein Atem ging schneller, als er empört den Kopf schüttelte. „Was soll die verdammte Mühe, Blaise?“

 

Und er lächelte nicht mehr, als er das Bett umrundete und ohne Umstände auf ihn zukam. Vincents Fäuste ballten sich unbewusst an seinen Seiten.

 

„Weißt du“, begann er kalt, „ich könnte ernsthaft Interesse an dir haben, Vince, wenn du nicht so ein feiges Arschloch wärst“, schloss er, und seine grünen Augen musterten ihn dunkel.

 

„Red nicht so eine Scheiße!!“, brachte Vincent gepresst hervor. „Ich habe nicht das geringste Interesse an dir!“, flüsterte er gepresst, so dass es nur Blaise hören konnte. Blaise sah ihn lange an.

 

„Ja“, sagte er dann nickend. „Red dir das ruhig ein. Wahrscheinlich wirst du schon hart, wenn du nur an meine Lippen denkst, oder?“, wollte er provozierend wissen, und sein Blick fiel auf seinen Mund. Vincent sah ihn so schockiert an, dass das Lächeln wieder auf seine Züge zurückkehrte. Blaise musterte ihn von oben bis unten.

„Verlier ein paar Pfunde, lass dir die Haare wachsen. Und dann verspreche ich dir, dass Malfoy keine Roll mehr in deinen Gedanken spielen wird, Vince.“

 

Und wie er das sagte! Wie er ihn ansah! Es war so unfassbar verboten von ihm! So absolut falsch. Vincent schluckte schwer. Blaise kam näher, so nahe, dass Vincent seinen heißen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte.

Fast hielt er seinen eigenen Atem an, so furchtbar war das lodernde Gefühl in seinem Innern. Vincent registrierte, wie Blaise die Hand hob. Er rührte sich nicht, als er sie um seinen Nacken legte. Kurz traf sich ihr Blick. Blaise lehnte sich vor und verschloss seinen Mund mit seinen Lippen.

 

Keuchend sog Vincent die Luft durch die Nase ein, als er spürte, wie sein Schwanz schlagartig erwachte, bevor er irgendwie reagieren konnte, zog Blaise sich wieder zurück, ließ die Hand sinken und sah ihn eindeutig an.

 

Seine Mundwinkel zuckten noch ein letztes Mal, ehe er den Krankenflügel verließ. Vincent stand noch eine verlorene Sekunde alleine vor dem Bett, nicht sicher, was er fühlte, was er wollte.

 

„Hey“, murmelte Gregory, und keuchend vor Schreck sprang Vincent praktisch zurück.

 

„Fuck, Greg!“, entfuhr es ihm heiser. „Wie lange…?“ Er konnte nicht weiter sprechen. Horror trat auf seine Züge. Aber Gregory sah ihn lediglich müde an.

 

„Du und Blaise?“, fragte er, und schien mit dieser Frage nicht einmal so recht etwas anfangen zu können, denn seine Stirn runzelte sich verständnislos. „Wieso… seid ihr-? Seid ihr…?“ Er starrte ihn nun entgeistert an.

 

„Es… es ist gar nichts. Gar nichts…“, flüsterte Vincent verzweifelt, fuhr sich durch die kurzen Haare, und wartete darauf, dass irgendwelche Auroren kamen, um ihn abzutransportieren.

 

„Mann“, murmelte Gregory unglücklich und schloss kurz die Augen, ehe er schwer seufzte. „Du bist noch ärmer dran als ich“, sagte er trostlos. Vincent sank auf die Bettkante und vergrub das Gesicht in den Händen.

 

„Greg, du kannst das keinem-!“

 

„-schon gut“, unterbrach ihn Gregory leichthin. „Immerhin hast du irgendwen“, sagte er bitter. Und Vincent hob erschüttert den Blick. So sah es Gregory? Er hatte immerhin irgendwen?! Sein Leben war vorbei! Sein Geheimnis machte die Runde, er würde das Gespött der Schule werden! Der gesamten Reinblüter-Gesellschaft.

 

„Ich habe nicht ‚irgendwen‘!“, korrigierte er Gregory fassungslos. „Mein Leben ist verwirkt, Greg“, flüsterte er beschämt.

 

„Weil du schwul bist?“ Gregory sagte diese Worte, als wögen sie nichts! Als bedeuteten sie nicht das schwarze Ende. Fast klang er ungläubig dabei. Und so sah er ihn auch noch an! Und plötzlich sagte er es. Vincents Mund öffnete sich von selbst.

 

„Ja“, entgegnete er beinahe gefasst. Und gleichzeitig raste sein Herz.

 

Er hatte es gesagt. Einfach so! Und Gregory verzog den Mund, als wäre es eine Lappalie.

 

„Mich hat ein Drachenhund ins Bein gebissen, Vince“, beschwerte sich sein Freund jammervoll, und Vincent musste kurz vor Verzweiflung auflachen.

 

„Ich… ich denke, das wirst du überleben.“ Es war absoluter Wahnsinn, dass die Welt gerade nicht unterging. Dass Gregory ihn nicht aus dem Krankenflügel warf, weil er mit Abschaum wie ihm nichts mehr zu tun haben wollte. Vincent glaubte fast, dass er bereits verrückt geworden war.

 

„Nein. Ich bin derjenige, der jetzt Mitleid bekommt“, warnte er ihn. „Draco kriegt Granger nicht, du und Blaise seid… andersrum, aber ich habe weder ein Mädchen und einen Drachenbiss habe ich auch noch!“, fuhr er ihn sympathielos an, und plötzlich bereute Blaise, so wenig Zeit mit Gregory verbracht zu haben. Und er dachte kurz nach.

 

„Millicent mag dich?“, räumte er ein, mit dem Versuch, aufmunternd zu klingen, und Gregorys Augen weiteten sich überrascht. Das zumindest hatte Vincent gestern beiläufig mitbekommen, als Millicent mit wehmütigen Blick die Buchstaben M.B.+G.G. auf ihr Pergament in Zauberkunst gekritzelt hatte, während ihr Blick immer wieder in Gregorys Richtung gewandert war. Eine unwichtige Information in seinem Leben, aber scheinbar ziemlich wichtig für Gregory.

 

„Dein Ernst?“, fragte er kleinlaut, und Vincent nickte. Er musste in einer Art seltsamen Delirium sein, denn er sprach mit Gregory, als wäre gerade nicht sein schlimmstes Geheimnis aufgedeckt worden! Gregory hatte ihn demaskiert – und fand es nicht einmal so schlimm wie sein eigenes Schicksal! „Millicent?“, wiederholte Gregory, als würde dies neue Türen für ihn öffnen. „Meinst du, sie… würde mich hier besuchen kommen?“ Hoffnung schwang in seinen Worten mit.

 

Und Vincent konnte nicht anders, als zu lächeln. Seit Monaten zum ersten Mal, so kam es ihm vor.

 

 

9. Coming of Age

 

„Courage is found in unlikely places.“

Lord of the Rings

 

Es war nicht unbedingt das, was sie alle erwartet hatten. Der Riese hatte ihnen einen Brief zukommen lassen, in dem er verkündete, dass sie die Ignos gebührend verabschieden würden. Ihm sei wohl nahegelegt worden, dass es wohl zu gefährlich ist, sie ganze zwei Wochen zu behalten.

 

Und er hatte keine Ahnung, warum er wirklich hier war. Warum sie alle wirklich hier waren. Der Riese hatte vor seiner Hütte zwei lange Tische aufgebaut und misstrauisch beäugten sie alle das Essen, was darauf stand.

 

„Es ist nich‘ viel, aber ´n bisschen zum Sattwerden“, schniefte der Riese, während in einiger Ferne Pfleger der magischen Zoos unter Schreien und Flüchen die Ignos zu verstauen versuchten. Ab und an schoss eine Stichflammen in die Höhe und ließ ihre Gruppe zusammenzucken, aber der Riese putzte sich sehr laut die große Nase. Alle waren verdammt froh, dass der Abschied gekommen war. Die Biester waren gefährlich.

 

Draco sah, dass Gregory und Millicent eng beieinander standen und sich unterhielten. Er brauchte noch Krücken, schien sich aber voller Stolz auf sie zu stützen. Vincent stand zwar neben ihm, aber sein Blick glitt immer häufiger nach links. Allerdings wusste Draco nicht, warum.

 

Potter und Granger beobachteten die Pfleger mit Sorge, und sie hatte ihn noch nicht angesehen. Die letzten beiden Tage hatte er nur an sie gedacht. Aber es war nicht genug gewesen. Abwesend rieb er sich den linken Arm. Der Verband lag fest um seinen Unterarm, verborgen durch seinen Pullover.

 

Sein Vater hatte darauf bestanden. Und es waren unmenschliche Schmerzen gewesen. Er hatte überlegt, es nicht zu tun. Wegzulaufen, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, weshalb er das Mal nicht tragen sollte, aber… ihm war nichts eingefallen.

Was sollte er Lucius sagen? Er hatte ein Schlammblut geküsst und wollte seine Meinung ändern? Es hätte nichts geändert! Möglicherweise hätte sein Vater ihn geschlagen und nur noch schneller dafür gesorgt, dass Draco solche Flausen ausgetrieben wurden.

 

Er hatte resigniert. Ein Zimmer im Hause seiner Eltern war für das Ritual vorbereitet worden, und er hatte in der Mitte auf einem Stuhl sitzen müssen, der ihm vorkam, als wäre er aus Knochen gebaut. Eine ganze Ansammlung von zwielichtigen Zauberern hatte um ihn gestanden, dunkle Formeln gesprochen, und ihn anschließend mit einer pechschwarzen Nadel gezeichnet.

 

Er senkte den Blick, wollte nicht mal überlegen, sie anzusehen. Es war schlimm genug, dass ihm alles so sinnlos und dämlich vorgekommen war. Alles, woran sein Vater glaubte, war ihm selber plötzlich lästig geworden.

 

„Ich… ich hab ein paar Pasteten gebacken“, merkte der Riese schließlich an und deutete auf große unförmige, dampfende Quadrate auf den Tischen. „Die Elfen waren so nett und haben noch ein paar Sachen vorbereitet“, fuhr er fort, und es war erleichternd, dass der Riese nicht alles selber gekocht hatte. Draco konnte sich gut vorstellen, was Snape hiervon hielt.

„Ich hattet eine tolle Zeit mit ihnen, nich‘?“, fragte der Riese jetzt hoffnungsvoll. Gregory schnaubte hörbar auf. Einige lachten verhalten. Aber die Gryffindors nickten ergeben, wohl damit der Riese nicht weiter weinen musste. „‘türlich bekommt ihr alle ein Ohnegleichen“, schloss der Riese mit belegter Stimme. Draco verdrehte die Augen. „Fangt ruhig an, ich… ich komme gleich wieder“, sagte der Riese mit glasigem Blick, denn die Pfleger hatten es endlich geschafft, die Ignos in flugfähige Käfige zu stopfen, ohne großartige Verbrennungen davonzutragen.

 

Endlich verschwanden die Biester! Der Riese verschwand zutiefst betrübt in seiner Hütte, während einige Gryffindor-Jungen bereits anfingen, verschiedenen Vorspeisen auf Servietten zu häufen und sich beglückwünschten, nicht ebenfalls gebissen worden zu sein.

 

Pansy neben ihm setzte sich in Bewegung, als Weasley zu den Tischen ging. Wie auffällig, dachte Draco bitter. Ausgerechnet diese beiden! Es machte keinen Sinn. Was wollte Pansy mit Weasley? Draco sah Vincent an. „Willst du auch?“, fragte er ihn mit verschränkten Armen, aber nahezu sofort schüttelte Vincent den Kopf.

 

„Nein, ich… ich muss auf mein Gewicht achten“, murmelte er tonlos. Draco hob verblüfft den Blick.

 

„Du… musst was?“, vergewisserte sich Draco entgeistert, aber Vincent nickte knapp.

 

„Ja. Bestimmt zehn Kilo zu viel“, schien er bierernst zu vermuten. Dracos Stirn legte sich in Falten, als Vincent ihn plötzlich ansah, als hätte er eine Eingebung. „Sag mal, du joggst doch, oder?“, fragte er ihn interessiert, und Draco konnte sich nicht entsinnen, dass sich Vincent jemals für irgendeinen Sport interessiert hätte.

 

„Ja?“ Es verließ als ungläubige Frage Dracos Mund.

 

„Könnte… könnte ich mal mitkommen? Vielleicht bringt es was“, entfuhr es ihm achselzuckend, und Draco musste mehrfach blinzeln.

 

„Ok?“, erwiderte er, und Vincent wirkte merklich zufrieden.

 

„Ok“, bestätigte er. „Wenn du Hunger hast, geh ruhig“, ergänzte Vincent auffordernd, aber Draco verzog bloß den Mund. Hunger hatte er nicht. Ehrlich gesagt, hatte ihn nur marginal interessiert, welche Note er bekommen würde. Aber der Riese war ein Waschlappen, der nie irgendwen durchfallen ließ. Er hätte es besser wissen müssen.

 

„Ich werde wieder gehen“, verabschiedete sich Draco bitter von ihm, vergrub die Hand seines schmerzenden Arms in seiner Hosentasche, und wandte sich ab.

 

„Wir sehen uns später“, rief ihm Vincent vielleicht etwas verwirrt nach, aber Draco reagierte nicht wirklich. Und aus den Augenwinkeln sah er, wie sie sich wohl von Potter verabschiedete. Mit schnellen Schritten ließ sie das erbärmliche Igno-Abschiedsfest hinter sich, marschierte direkt an ihm vorbei, ohne ihn mit überhaupt einem Wimpernschlag zu beachten.

 

Und er folgte. Er fiel hinter ihr in ihr Tempo, aber sie wandte sich nicht um. Sie ignorierte ihn tatsächlich. Er nahm an, er hatte sie wirklich verletzt. Er glaubte kaum, dass dieses Mädchen ihn tatsächlich geküsst hatte. Nicht weit von hier. Erst vor wenigen Tagen!

Und es war traurig. Das war es wirklich, fand er. So sinnlos und traurig. Und beides war traurig! Dass er sie wollte, dass sein Verstand ihm vormachte, Granger besäße Qualitäten, für die es sich lohnen würde, sein geplantes Leben aufzugeben.

Und es war traurig, dass er sie nicht wirklich haben konnte. Niemals wirklich.

 

In den Minuten, in denen er das Mal gestochen bekommen hatte, war er fast beruhigt gewesen. Nicht, weil es ihm irgendetwas bedeutete, es zu tragen. Nicht, weil er auch nur im Ansatz Verständnis für diese Ideologie besaß. Nicht einmal das. Das war ihm alles egal. Aber es beruhigte ihn, denn es gab ihm die Garantie, dass sie ihn nicht wollen würde. Nicht mehr so! Nicht mehr mit dem Beweis, dass er tatsächlich ein widerliches Arschloch war, was willentlich an Voldemorts Aufstieg mitwirkte. Und sei es nur durch halbherzige Anhängerschaft.

 

Er überholte sie, denn er war größer, und wenn er wollte, dann war er schneller als sie.

Und er ignorierte sie, so wie sie ihn ignorierte. Es war erbärmlich. Und doch so traurig, dachte er wieder. Er erreichte die Schlosstore eher als sie. Und er zögerte kurz, als seine Hand auf dem mächtigen Türknauf ruhte.

 

Nach einer halben Minute hörte er sie näher kommen. Er zog die Tür mit einem kräftigen Ruck auf, und ächzend bewegte sie sich in schweren, alten Angeln.

Und er hielt sie offen. Er hob nicht den Blick, als sie näher kam, als sie stehen blieb. Als sie diese Geste mit dem größten Unglauben betrachtete.

 

„Was soll das?“, fragte sie bereits mit vor Zorn zitternder Stimme. Er atmete aus und hob freudlos den Blick. Wie schnell er sie doch aus der Reserve locken konnte. Mit nichts weiter, als einer höflichen Geste.

 

„Ich halte dir die Tür auf“, erklärte er sein Handeln überflüssigerweise, wohl wissend, dass sie es wahrscheinlich noch wütender machen würde. Es schien nicht die Antwort zu sein, die sie hören wollte, denn er nahm an, ihr war klar, dass er ihr die Tür aufhielt. Aber er war nicht in der Stimmung, Fragen zu beantworten, die er nicht wirklich beantworten konnte. Er war nicht über sie hinweg. Und er war nicht bereit, es näher zu erklären. Schon gar nicht ihr. Und erst recht nicht sich selbst.

 

„Das will ich nicht“, erwiderte sie gepresst, aber er verdrehte die Augen.

 

„Sie ist offen. Am besten gehst du durch“, befahl er mittlerweile gereizt.

 

„Nein“, sagte sie verschlossen und blieb, wo sie war. Er atmete langsam aus. Natürlich nicht.

 

„Nein?“, wiederholte er fast nachsichtig. „Willst du nicht rein?“, erkundigte er sich entsprechend verständnislos, und sie verschränkte die Arme vor der Brust, wohl um sich davon abzuhalten, ihn sonst zu schlagen.

 

„Hör auf damit“, blaffte sie jetzt. „Fang bloß nicht an, höflich zu sein, Malfoy!“, informierte sie ihn.

 

„Bin ich nicht“, widersprach er, ohne dass seine Worte einen Zweck erfüllten. Er sah sie an. In ihren Augen erkannte er den verletzten Stolz, die schiere Verständnislosigkeit und die grenzenlose Wut.

 

„Nein, das bist du nämlich wirklich nicht!“, knurrte sie kopfschüttelnd.

 

Für einen wilden Moment wünschte er, er wäre es. Ein Gentleman. Ein besserer Mensch. All das, was Potter vielleicht war. Er wünschte plötzlich, er wäre älter. Zehn, zwanzig Jahre älter, und er hätte die Macht, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Er wünschte, er wäre nicht nach Slytherin sortiert worden, er wünschte…- Er wünschte, das Wünschen würde helfen.

 

Und er musste lächeln, weil es so absurd war. Weil sie hübsch war. Weil er einfach nur ein Idiot war, der sie mochte.

 

„Lass mich das einfach tun“, entkam es ihm zwischen den Zähnen. Ungläubig legte sich ihre Stirn in Falten. 

 

„Was?“, wollte sie scharf von ihm wissen. Ja, was genau. 

 

Sie musste zulassen, dass er seinem Vater folgte, dass er versuchte, seine Familie an die erste Stelle zu stellen. Sie musste ihn gehen lassen, und am besten vergaß er sie anschließend komplett. Aber er sagte die passenderen Worte.

 

„Lass mich dir die Tür aufhalten, Granger“, fasste er seine trostlosen Gedanken in andere Worte. In Worte, die sie gereizt aufstöhnen ließen, weil sie wusste, dass er ein Mistkerl war. Mit einem letzten tödlichen Blick auf ihn durchschritt sie Tür, als erwarte sie dahinter eine mögliche Todesqual.

 

Er folgte ihr wieder, nachdem sie hineingegangen war. Die Eingangshalle war kühler. Die Luft schwerer als draußen. Hogwarts hatte einen bestimmten Geruch, der ihm sehr fehlen würde. Es erinnerte ihn an vieles. Und auch an sie.

 

„Granger“, hielt seine Stimme sie tatsächlich auf, und er hatte ihren Namen sagen müssen. Einfach, um zu sehen, ob er die Macht besaß, dass sie stehen blieb, sich umwandte. Und tatsächlich hielt sie vor den Stufen inne. Langsam drehte sie sich um. Fast spürte er so etwas wie Triumpf.

 

„Was?“, wollte sie schließlich müde von ihm wissen. Und ihn befiel eine seltsame Kälte. Nicht alle waren wie er. Nicht alle trugen das Mal, um einem Familienstreit zu entgehen. Die meisten trugen zwar das Mal, weil sie feige waren, so wie er, aber die meisten trugen das Mal auch aus dem einfachen Grund, um Muggelgeborene zu vernichten und einer Bewegung zu folgen, die eine reine Welt predigte. Komme, was da wolle.

 

Und er musste es ihr sagen, auch wenn er nicht genau wusste, warum. Vielleicht hatte er einen Todeswunsch. Vielleicht musste er wissen, dass er jede schlimme Tat begehen konnte, und sie sich trotzdem noch zu ihm umdrehen würde, wenn er ihren Namen sprach.

 

„Ich… trage es“, entkam es ihm langsam, und entsprechend hob er den linken Arm ein Stück, ehe er vor Schmerz den Mund verziehen musste, denn die Bewegung schmerzte noch.  Sein Arm fiel wieder neben seinen Körper, und ihr Blick folgte ihm. Langsam glitt ihr Blick höher, ihr Mund öffnete sich verstört, und dann sah sie ihn wieder an.

Sein Herz schlug schneller. Ihr Blick war anklagend und… enttäuscht?

 

Tränen schimmerten plötzlich in ihren dunklen Augen. „Meinen Glückwunsch“, entkam es ihr schließlich konsterniert. „Gut für dich“, ergänzte sie wohl, überfordert mit seinem Geständnis. „Du hast es ja so dringend gewollt“, schloss sie still. Er wusste nicht, was er mit ihrer Reaktion anfangen wollte. Aber er gierte nach ihren Worten. „Fühlt es sich gut an? So wie du erwartet hast?“, lockte sie ihn mit bitteren Worten, und es brach beinahe sein Herz, wie sie versuchte, tapfer zu sein. „Wahrscheinlich fühlt es sich besser an, als sich Schlammblut-Lippen jemals anfühlen würden, nicht wahr?“, setzte sie noch einen drauf, und diesmal wollte sie verletzen. Sie zielte auf sein Herz, und es tat tatsächlich weh.

 

„Granger-“, begann er, aber sie wurde wütend. Er konnte praktisch fühlen, wie er sie verletzte, mit allem, was er war. Es war ein Scheißgefühl.

 

„-halt verdammt noch mal keine Türen mehr für mich auf!“, unterbrach sie ihn fast tonlos. „Versuch nicht, mich in Gespräche zu verwickeln. Hör auf, mich zu verfolgen! Du hast alles gesagt, was du sagen wolltest! Wofür es unnötig in die Länge ziehen?“ zischte sie bösartig, und er rang mit sich. Er wusste nicht, warum er die Dinge sagte, die ihr wehtaten. Er wusste nur, dass er es brauchte. Die Bestätigung, ein Arschloch zu sein. Und ihre Worte hallten in seinem Kopf wider. Und er konnte nicht anders.

 

„Nein“, sagte er schlicht, beinahe neutral. Verwirrt runzelte sich ihre Stirn. „Deine Lippen fühlen sich um einiges besser an, als die schwarzen Nadeln. Dazwischen liegen Welten, um ehrlich zu sein, Granger.“ Und diese Worte schienen sie aus der Bahn zu werfen. Sie blinzelte mehrfach, aber sie fing sich. Erstaunlich schnell. Schneller, als er es ihr nach so einem Geständnis zugetraut hätte.

 

„Ich dachte, du hättest dich die gesamte Nacht übergeben, Malfoy? Das kann ja wohl kaum besser sein“, entkam es ihr, und er glaubte zu wissen, dass sie sich schämte, seine Worte noch zu wissen. 

 

„Glaubst du alles, was man dir sagt?“, wollte er rau von ihr wissen, und sie schien nicht sicher zu sein, ob sie rennen oder ihn schlagen sollte. Er hatte gehofft, dass Dunkle Mal würde sie soweit auseinanderbringen, dass er mit keinem Gedanken mehr auf die Idee kommen würde, ihr näher zu kommen. Aber es machte alles nur schlimmer. Denn er musste wissen, was sie dachte.

 

„Du bist ein Arschloch“, flüsterte sie ungläubig. Und er musste es wissen.

 

„Du würdest mich nicht mehr küssen, nicht wahr?“ Er wartete auf ihre Bestätigung, wartete darauf, dass sie ihm sagte, dass sie ihn hasste. Dass er verabscheuungswürdig war. Sein Herz schlug wieder schnell. Er brauchte das. Er brauchte es, um von ihr loszukommen. Und er musste immer wieder sichergehen.

 

Aber… sie antwortete nicht. Er wollte den Abstand schließen, wollte sie schütteln, aber abwehrend hob sie die Hand und hielt ihn auf Abstand.

 

Und als sie sprach, hasste er, was sie sagte.

 

„Halt keine Türen mehr für mich auf.“ Sie sagte es eindeutig resignierend. Und nein! Sie musste es sagen! Sie musste ihm jede Aussicht auf Hoffnung nehmen! Sie durfte den Kampf nicht eher verlassen, nicht die bessere Person sein. Er brauchte das! Wie sollte er sonst wissen, was er tun sollte?

 

 „Granger-“, widersprach er ihr, aber sie erlaubte es nicht, schüttelte betrübt den Kopf. Bemüht um Kontenance wandte sie sich ab und schritt würdevoll die Treppe nach oben. Er sah ihr nach. Noch lange, als sie längst verschwunden war.

 

~*~

 

Wahrscheinlich war es das erste Mal in der Geschichte Hogwarts, dass sich Slytherin und Gryffindor nichts ans Leben wollten. Die Sonne war längst untergegangen, und Harry musste gestehen, die Abschiedsparty gefiel ihm nicht schlecht. Dean, Seamus und Blaise Zabini hatten sich darum gekümmert, dass Butterbier in Mengen verteilt wurde, und Harry selber saß nun neben Ron und Pansy, die verhalten Händchenhielten und nicht aufhören konnten, zu grinsen. 

 

Er sah Hermine aus der Ferne, wie sie mit Hagrid sprach, der selber die Regeln nicht sonderlich ernst zu nehmen schien, und aus einem glashohen Pinnchen Feuerschnaps trank. Seine Wangen, die der wüste Bart nicht bedeckte, glühten rot. Hermine war irgendwann wiedergekommen. Sie trug eine helle Strickjacke und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Vielleicht war sie ins Schloss gegangen, um sich umzuziehen?

Beinahe automatisch suchte sein Blick die Wiese nach Malfoy ab.

 

Aber er schien nicht hier zu sein.

 

Und so unspektakulär diese Feststellung sein mochte, so war Harry doch einige Momente verblüfft darüber. Er hätte seine beiden Beine verwettet, dass sich Malfoy diese Gelegenheit nicht entgehen lassen würde. Was war passiert? Hatte er sich entgegen jeder Vermutung weiterentwickelt? Fast war Harry neugierig.

 

Er erkannte, dass sich Ginny zu Hermine gesellte. Sie war noch immer mit Dean zusammen, wusste Harry. Deswegen war sie mit auf der Abschiedsfeier. Sein Blick verfinsterte sich minimal. Aber wenn Malfoy eines war, dann das Beispiel dafür, dass nichts ewig währte. So bestimmt auch nicht Ginnys und Deans Beziehung. Dieser ganze Abend wirkte so friedfertig, dass es Harry nur schmerzhaft an seine Aufgaben erinnerte. Die Aufgaben, die Dumbledore für ihn bereithielt. Die Herausforderungen, die Voldemort ihm stellen würde.

 

Er griff zu, als Seamus mehr oder weniger heimlich eine neue Runde Butterbier verteilte.

 

Als McGonagall kam, wurden Verhandlungen geführt, wie lange Gryffindors und Slytherins an einem Abend vor einem Schultag wach bleiben dürften. Und wahrscheinlich war es Hagrids aufgelöste Erscheinung, die McGonagall erweichte. Harry war fast verblüfft, dass sie ihnen gestattet, bis zehn Uhr draußen zu bleiben, um dann sofort, schnurstracks in die Betten zu marschieren.

 

Es war bereits halb zehn, als sich Harry angenehm angetrunken im kleinen Kreis an Gryffindors und Slytherins wiederfand, weil irgendjemand vor einer halben Stunde die denkbar dämliche Idee geäußert hatte, Flaschendrehen zu spielen. Hermine schien immer noch recht widerwillig neben Ginny zu sitzen und wenig Spaß zu haben. 

 

Aus planlosen Runden an Wahrheit oder Pflicht, deren Höhenpunkte darin gegipfelt waren, dass Blaise Zabini sich zu seiner Homosexualität als sein größtes Geheimnis bekannte, und dass Ron Gregory Goyles Herausforderung angenommen hatte, vor versammelter Mannschaft die Hosen runterzulassen, um nur in Unterhose über die Wiese zu rennen. Es war nicht unbedingt der Stoff, aus dem die Helden sind, aber Harry hatte sich ziemlich gut amüsiert. Millicent war es jedoch gewesen, die dem Spiel vor fünf Minuten einen weitaus interessanteren Rahmen gegeben hatte, nachdem Malfoy tatsächlich aufgetaucht war. Wahrscheinlich war ihm im Schloss langweilig geworden, nahm Harry an. Und Harry schien die gute Schwelle des Betrunkenseins erreicht zu haben, denn es störte ihn nicht mal, dass sich Malfoy wortlos neben ihn setzte und bereits das zweite Butterbier in Rekordgeschwindigkeit leerte. Millicent hatte behauptet, dass sie nun gleich viele Jungen und Mädchen wären.

 

Die Regeln von Wahrheit oder Pflicht waren in Windeseile von ihr umgewidmet worden zu der Art von Flaschendrehen, welche Harry von Dudley und seinen Freunden vom Hörensagen kannte.

 

Auf den die Flasche zeigte, den musste man küssen. Und Harry war an der Reihe.

 

Er war angespannt gewesen, als Ginny Seamus einen unschuldigen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte, und auch Dean hatte es nicht gefallen. Aber es war Harry egal, was Dean dachte. Er drehte die Flasche mit genügend Schwung, dass sie mehrfach um sich wirbelte, die Runde an Slytherins und Gryffindors machte, um dann – magischerweise tatsächlich – auf Ginnys Höhe stehen zu bleiben.

 

Er konnte sein Glück nicht wirklich fassen. Betont langsam hob er den Blick. Auch Ginny wirkte merklich verschlossen. Nicht so albern, wie sie es bei Seamus gewesen war, als sie gedreht hatte, und die Flasche auf ihn zeigte. Nein, alles wirkte jetzt ein wenig ernster, ein wenig erheblicher. Oder es lag am Alkohol, und Harry bildete sich nur ein, dass es so war. Auf allen vieren, wie es wohl üblich war, kroch Harry durch den Kreis, auf Ginny zu, die sich nicht rührte. Seamus pfiff zur Bestätigung, auch die anderen kicherten, und Harry fing Deans säuerlichen Blick auf. Pech, Dean. Wirklich Pech gehabt, dachte Harry fast euphorisch.

 

Ginny kam ihm tatsächlich entgegen. Aber es war albern auf allen Vieren. Beide setzten sich auf, saßen auf ihren Waden. Es war nicht so, wie Harry sich einen ersten Kuss mit ihr vorgestellt hatte, denn idealerweise sahen nicht Ginnys Freund und ihr Bruder dabei zu, wie Harry sie küsste, aber er nahm, was er kriegen konnte, sagte er sich.

 

Und wie von selbst, hoben sich seine Hände, griffen nach Ginnys Gesicht, und er spürte ihren warmen Atem, spürte, wie sie ihm entgegenkam. Seine Augen schlossen sich, und er küsste sie fast ein wenig zu eilig. Ein wenig zu stürmisch. Fast verloren sie Balance, aber Harrys Hand verließ ihr Gesicht, um sich um ihre Taille zu legen, und Harry saß nicht mehr auf seinen Waden, stand nun auf seinen Knien und hatte Ginny ebenfalls in eine aufrechtere Position gezogen. Ungehalten leckte seine Zunge über ihre Unterlippe, und er hörte sie vor Schreck einatmen. Sofort sog er ihre Unterlippe zwischen seine Zähne und Ginny presste sich enger an ihn. Er wusste nicht, wann wer von ihnen den Mund geöffnet hatte, aber seine Zunge fand leicht Einlass und kämpfte mit ihrer unerbittlich, während sie beide scheinbar verloren im Taumel der Gefühle waren.

 

Dean räusperte sich irgendwann sehr laut, und Ginny wich beschämt und erschrocken von ihm zurück. Erst jetzt hörte Harry das Gejohle und die Pfiffe um sich herum. Deans Blick war mörderisch. Ein wenig benebelt fiel er zurück auf die Waden, schenkte Ginny einen letzten Blick und krabbelte zurück auf seinen Platz.

 

Er beachtete Malfoy kaum, denn sein Herz jagte und alles in seinem Innern kribbelte. Er spürte Ginnys Lippen noch immer, und mit Glück hatte er dem Ende ihrer Beziehung mit Dean nachgeholfen. Er hoffte es. So küsste doch kein Mädchen, die glücklich in einer Beziehung war. Es fiel ihm schwer, dass Grinsen zu verbergen. Ron wirkte ähnlich bedient wie Dean es war, aber auch das störte Harry nicht wirklich.

 

Malfoy drehte die Flasche nun lustlos, und Harry fragte sich unwillkürlich, ob nicht doch ein Zauber auf ihr lag, denn sie kam mit einem Ruck vor Hermine zum Liegen. Entgeistert hob sich ihr Blick. Erneute Zustimmung brandete im kleinen betrunkenen Kreis auf, aber Hermine schüttelte rigoros den Kopf.

 

„Nein“, sagte sie lediglich, mit fester Stimme.

 

„Du musst. Regeln sind Regeln“, bemerkte Millicent grinsend, aber Hermine wäre nicht Hermine, wenn sie auch nur irgendetwas täte, was jemand anderes von ihr ohne guten Grund verlangte. Sie erhob sich schlecht gelaunt.

 

„Dann könnt ihr euer bescheuertes Spiel alleine spielen!“, zischte sie ungehalten, und seltsamerweise erntete auch er – Harry – ihren hasserfüllten Blick. Was hatte er getan? Gar nichts! Er half lediglich seinem eigenen Glück auf die Sprünge. Malfoy neben ihm rührte sich nicht, aber seine Hände ballten sich zu Fäusten, als Hermine an ihnen vorbeimarschierte.

 

Wahrscheinlich würden einige von ihnen diesen Abend bereuen, nahm Harry abwesend an. Außer Hermine, die sich nie in irgendwelche fragwürdigen Situationen brachte.

Nach einigen Sekunden war Malfoy neben ihm allerdings aufgesprungen und schien Hermine zu folgen, ohne sich darum zu kümmern, was die anderen wohl sagen mochten. 

Andere tuschelten und folgten Malfoy und Hermine mit ihren Blicken, aber schnell hatte die Dämmerung beide verschluckt. Wer diesen Abend wohl noch bereuen würde, wäre Blaise Zabini, nahm Harry an. Denn dieser drehte anstatt Malfoy die Flasche, aber als sie auf Millicent landete, verzog er lediglich den Mund und drehte noch einmal. Sie traf Lavender, aber wieder drehte er, entgegen aller Proteste.

 

Und Stille überkam die Runde, als die Flasche auf Vincent Crabbe deutete, und Zabini wohl nicht vorhatte, ein weiteres Mal zu drehen. Sein Blick hatte sich auffordernd gehoben, um Vincent anzusehen. Er schien auf eine Erlaubnis zu warten.

 

Es verging ein qualvoll stiller Moment, bevor Vincent tatsächlich mit dem Kopf ruckte. Es war ein Nicken. Aber er nickte nur einmal. Und dann hoben sich tatsächlich seine Mundwinkel.

 

„Aber nicht hier“, bemerkte Vincent rau.

 

„Ist mir recht“, erwiderte Blaise und sie erhoben sich gleichzeitig, um ebenfalls den Kreis zu verlassen.

 

Etwas fassungslos sahen die übrigen ihnen nach, und Ron beäugte misstrauisch die Flasche vor sich.

 

„Jaah, am besten wir beenden damit dieses Spiel“, schloss er unsicher, und alle nickten verhalten.

 

„Ich habe auch keine Lust mehr“, beschwerte sich Dean kurzerhand, erhob sich und schien besonders wütend auf Ginny zu warten. Sie sah ihn, Harry, zwar nicht mehr an, aber Harry erkannte, dass sie noch immer rote Wangen hatte. Sie folgte ihm Freund, und Ron zog Pansy kurzerhand auf seinen Schoß. Das Feuer, was Hagrid neben seiner Hütte entzündet hatte, flackerte angenehm und ohne zu sprechen, genossen die wenigen letzten die halbe Stunde, ehe sie hoch ins Schloss mussten.

 

Wahrscheinlich endete ohnehin alles bald viel zu schnell. Harry zwang sich, diesen Abend zu genießen. So lange er konnte. Fast spielte ein Lächeln um seine Lippen.

 

„Das mit Ginny“, begann Ron kritisch, „das hast du mit Absicht gemacht“, schloss er eindeutig tadelnd über die Schulter hinweg, Pansy locker in seinem Arm. Sein Blick war für Harry nicht zu deuten, aber Harrys Mundwinkel hob sich langsam.

 

„Vielleicht“, bemerkte er zufrieden. „Vielleicht auch nicht.“

 

~*~

 

Sie wusste, er war ihr gefolgt. Sie wusste nicht wirklich, warum. Aber es war gut, dass sie gegangen war. Denn die anderen konnten ruhig wissen, dass sie das Spiel anwiderte und sie Malfoy niemals küssen würde. Und nebenbei würden die anderen auch nicht bemerken, dass sie mittlerweile heiße Tränen weinte, obwohl sie selber nicht einmal wusste, warum. Aber… das war gelogen, oder nicht?

 

Sie wusste es, aber es machte es nicht besser. All die Zeit! All die Monate, in denen Draco Malfoy ihr aufgefallen war! Wäre es letztendlich darin gegipfelt, dass er sie bei einem dämlichen Spiel von Flaschendrehen ausgewählt hätte? Und hätte sie – wären die letzten Tage nicht gewesen – ihn tatsächlich geküsst? Obwohl es falsch war? So wie Harry Ginny geküsst hatte?

  

Nein! Es war egal, denn jetzt machte es keinen Unterschied mehr. Die letzten Tage waren passiert. Er war ein Arschloch, und er trug das Mal voller Stolz, dass es ihr Übelkeit brachte.

 

 

„-Granger!“, hielt er sie endlich auf, als sich seine Finger hart um ihr Handgelenk schlossen. Und bei Merlin! Er hatte kein Recht so wütend zu klingen! Zornig wandte sie sich um. Es war dunkel geworden, aber sie konnte sein Gesicht noch ausmachen.

 

„Lass mich gehen, Malfoy“, brachte sie eisig hervor.

 

„Nein“, widersprach er tatsächlich, und sie konnte nicht mehr.

 

„Das steht nicht zu deiner Disposition. Lass mich gehen, oder ich verfluche dich!“ Doch ehe sie in ihre Tasche greifen konnte, ergriff er ihr zweites Handgelenk.

 

„Nein, das wirst du nicht“, sagte er entschlossen. Erfolglos versuchte sie, ihm ihre Hand zu entziehen.

 

„Lass mich gehen! Was bei Merlin willst du von mir?“, wollte sie schroff von ihm wissen, und ihre Stimme zitterte vor Tränen. Und sie hörte seine Verzweiflung.

 

„Ich weiß es nicht, ok?“, fuhr er sie tatsächlich an, und es überraschte sie, genauso wie es sie eben nicht überraschte. „Ich-“, fuhr er fort, beendete den Satz aber nicht. Er klang mit einem Mal erschöpft. „Es… es tut mir leid“, sagte er stiller und ließ ihre Handgelenke unvermittelt los. Und sie hasste sich selber dafür, dass sie nicht in der Sekunde gerannt war. Weg von ihm.

 

„Was tut dir leid?“, wollte sie zornig von ihm wissen. „Dass du mich beleidigt hast? Dass du mit mir gespielt hast? Dass du das Mal trägst? Was, Malfoy?“

 

„Nichts davon“, erwiderte er fast ruhig. Ihr Mund öffnete sich empört. Nichts davon? War das sein Ernst?! Aber er sprach. „Es tut mir leid, dass mein Verhalten letzte Woche dazu geführt hat, dass du mich geküsst hast.“

 

„Dein… Verhalten?“, wiederholte sie zusammenhanglos, denn sie verstand nicht. Nicht wirklich. Und sie wollte auch nicht! „Schön! Dann… kann ich ja gehen“, informierte sie ihn, und der Bastard nickte. Sie sah es auch im Dunkeln. Kopfschüttelnd wandte sie sich um, nur um zornig stehen zu bleiben. Erneut wandte sie sich ihm zu.

„Weißt du, was dir wirklich leidtun sollte?“, fragte sie ihn, und sie schäumte vor Wut. Er sagte nichts, wartete nur. „Dass du ein dämliches Arschloch bist, Malfoy! Und nichts weiter!“, schnappte sie außer sich. Und wieder nickte der Bastard!

 

„Ja, das tut es auch“, räumte er zu ihrer Überraschung ein. „Ich wünschte, ich müsste nicht so sein, aber… ich muss es“, fuhr er leiser fort, fuhr sich über die Stirn, und sie spürte seinen Blick deutlich. „Ich muss es, damit… damit…“ Er sagte nichts mehr. Und sie hatte das Gefühl, als… begriff sie seine absolut wahnsinnigen Worte. Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete.

 

„Wenn du denkst, du müsstest ein Arschloch sein, um… um mich zu beschützen, Malfoy, dann…“ Sie schluckte schwer. Dann… hatte er vielleicht sogar Recht?? Nein! Wie könnte er damit sein Verhalten rechtfertigen? Vor was wollte er sie beschützen? Es gab nichts, was er – aber sie unterbrach ihre Gedanken. Der Krieg war eine nahende Drohung, sie wusste es. Sie wusste nicht, wie lange es noch dauern würde. Wusste Malfoy es? Handelte es sich nur noch um Wochen? Und wusste sie wirklich, wie gefährlich Malfoys Vater war? Nein, wenn sie ehrlich war. Sie schwieg betroffen.

 

„Ich kann dich nur schützen, wenn ich nicht mehr in deiner Nähe bin. Aber… nicht in deiner Nähe zu sein, ist…“ Wieder schwieg er. Es waren zu viele Sätze, die sie nicht beendeten. Merlin, sie hasste ihn wirklich! Denn in den letzten Tagen, als er fort gewesen war, hatte sie gemerkt, wie sehr sie sich an seine Nähe gewöhnt hatte. Wie selbstverständlich es für sie war, dass sie nur den Blick zu heben brauchte, um ihn zu sehen. Zu wissen, dass er in der Nähe war, gehörte seit Monaten zu den wenigen Dingen, die sie tatsächlich beruhigten – aus was für Gründen auch immer.

 

Und jetzt, in den letzten Tagen hatte sie sich nur noch elend gefühlt. Und es lag an ihm! An seinen furchtbaren Worten, natürlich – aber auch daran, dass… dass sie sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass Harrys Mund schmal wurde, eben weil Malfoy überall auftauchte, wo sie war. Als… wäre sie die Sonne gewesen, um die er sich drehte. Dies waren nette Momente gewesen. Sie hatte sich… besonders gefühlt. Immer besonders, unter seinem Blick.

 

Sie hatte seine Aufmerksamkeit nicht gewollt, und jetzt ging es ihr schlecht, weil es nicht mehr so war. Er war schuld. Er allein! Und seine Versuche, sich von ihr fernzuhalten, machten es nur noch schlimmer! Und er schaffte es nicht einmal, das zu tun!

 

„Ich hasse dich“, flüsterte sie wieder unter Tränen.

 

„Gut“, erwiderte er flach. Sie wischte sich die Tränen von der Wange.

 

„Nein, das ist nicht gut“, informierte sie ihn trocken. „Du kannst das nicht machen“, sagte sie erschöpft. „Du kannst mir nicht auflauern, um mich zu beleidigen. Du kannst mir nicht folgen, um mir plötzlich zu sagen, wie leid dir alles tut. Das kannst du nicht, Draco!“ Sein Name kam dünn und ängstlich über ihre Lippen. Es war schwer, ihn überhaupt nur zu denken. „Du… du trägst das Mal!“, entkam es ihr gepresst, und sie spürte die Tränen nur deutlicher. Er atmete aus.

 

„Das weiß ich“, knurrte er praktisch.

 

„Warum bist du dann hier?“, wollte sie verständnislos und ungläubig von ihm wissen. „Was willst du noch? Was kannst du noch wollen?“ Und er schwieg. Er schwieg so lange, dass sie glaubte, er würde nie mehr sprechen.

Doch er sprach.

 

„Ich will dich, Granger“, seufzte er. „Nur dich“, schloss er mit tragischer Feierlichkeit. Und fast spürte sie ein Kribbeln in ihren Fingerspitzen. In der Dämmerung schüttelte sie nur den Kopf, während eine Träne auf ihre Wange fiel.

 

„Nein. Das willst du nicht, Malfoy. Du willst keine Probleme und ein einfaches Leben!“, fuhr sie ihn zitternd an. Und sie sah, dass er näher kam. Vor ihr blieb er stehen.

 

„Nichts ist einfach“, sagte er dann, fast traurig.

 

„Doch, Malfoy! Das meiste ist einfach!“, widersprach sie ihm, mit neuer Wut im Bauch. „Man entscheidet sich für das Richtige und nicht immer für das Falsche! Man ist kein Arschloch! Man ist einfach nett!“, fuhr sie ihn an. „Es ist ganz einfach!“

 

Seine rechte Hand hob sich, erreichte ihr Gesicht, strich ohne Erlaubnis über ihre Haut und schlang sich um ihren Nacken.

 

„Ja?“, flüsterte er dann. Ihr Atem stockte. „Ist es so einfach?“, murmelte er, während er den Kopf neigte. Ihre Hände stemmten sich nutzlos gegen seine Brust, als seine Lippen sich auf ihren Hals senkten. „Dann sag mir, dass ich aufhören soll“, sprach er heiß gegen ihre Haut.

 

„H-hör auf!“, sagte sie heiser, aber anstatt ihn von sich zu stoßen, hielt sie den Atem an, als seine Zunge anzüglich langsam über ihre Halsschlagader leckte und ihr Puls in die Höhe schnellte. Ihr Herz machte einen Satz.

 

Sein Kopf hob sich, verharrte keinen Zentimeter weit vor ihrem Gesicht, und sie konnte seine grauen Augen in der Dämmerung noch deutlich ausmachen.

 

„Sag es noch mal“, verlangte er rau, und sie schluckte schwer. Er war so nahe, dass sie kaum noch richtig denken konnte.

 

„Hör-“

 

-aber seine Lippen krachten auf ihre, bevor sie zu Ende sprechen konnte, und ihr Bauch explodierte förmlich, als er sie gierig einatmete, nur um seine Zunge in ihren Mund zu schieben. Unbewusst hatten sich ihre Augen geschlossen, und ihr Körper beugte sich ihm entgegen.

 

Gut. Vielleicht war es nicht ganz so einfach, immer das Richtige zu tun, dachte sie dumpf, bevor sie nur halbherzig schaffte, ein Stöhnen zu unterdrücken, als sich sein Arm grob um ihre Taille schlang.

 

 

 

10. A Goodbye

 

„Closing my eyes and you chase my thoughts away,

to a place where I am blinded by the light,

but it’s not right.“

Michelle Branch

 

Nachdem die Slytherins und Gryffindors ihres Jahrgangs Hagrids Abschiedsfeier verließen, hatte Hermine ihn geistesgegenwärtig, ihn in den Schatten der Bäume gezogen, damit nicht unbedingt Harry oder Ron sie entdecken würden. Im Dunkeln ergriff er ihre Hand und zog sie mit sich, und sie stellte fest, er steuerte die Feuerbuche an, die ihre Zweige tief und schützend hängen ließ.

 

Im Schutz der Buche, unter ihren tiefhängenden, dichtbelaubten Ästen, sah sie ihm zu, während er mit dem Lumos nach trockenen Zweigen suchte und ein magisches Feuer legte. Es beschränkte sich auf einen kleinen Kreis unterhalb des Buchendachs, und der Rauch stieg nach oben hinaus. Sie befanden sich unter einer kleinen blickdichten Kuppel aus Laub, aber er legte auch noch eine Desillusionierung, und fast war sie überrascht, wie sicher er sich seiner Bewegungen war, als er den Zauberstab auf den Berg an altem Laub richtete, der sich unter der Kuppel, um den uralten Stamm gesammelt hatte. Mit einem Faser-Zauber fügte er die Blätter zu einer stoffartigen Decke zusammen und bedeutete ihr schließlich, sich zu setzen.

 

Sie war dankbar über das Feuer, denn auch wenn es tagsüber lau war, so brachte die Nacht doch noch die winterliche Kälte mit sich. Geschützt unter den Blättern wirkte es, als befänden sie sich in einer kleinen runden Hütte, und ein wenig nervös setzte sie sich auf die weiche Blätterdecke vor dem Feuer.

 

Die Flammen flackerten einheitlich, verließen nicht den magischen Kreis, und sie glaubte nicht, dass sie je etwas Romantischeres als das hier erlebt hatte. Er setzte sich schließlich neben sie und starrte ebenfalls in die Flammen. Wortlos ergriff er ihre Hand, und ihr entging nicht dass er kurz vor Schmerz den Mund verzog. Ihr Blick fiel auf seinen Arm, aber er trug eine dunkelgrüne Slytherin-Kapuzenjacke über seinem weißen Hemd. Es war unmöglich, irgendetwas zu erkennen.

 

Sie war sich nicht sicher, was sie jetzt erwartete. Aber ihr Bauch kribbelte unheilvoll, denn je näher er ihr war, umso dringender wollte sie ihn eigentlich spüren. Gleichzeitig hatte sie aber auch das Gefühl, dass es wirklich eine dumme Idee war. Und das war es, denn es konnte nirgendwohin führen.

 

„Hier sind wir wieder“, bemerkte er unvermittelt neben ihr, und fast erschrak sie über seine Stimme. Er klang ruhig, aber sie glaubte, ihn gut genug zu kennen, um seiner Stimme den Hauch von Aufregung anhören zu können.

 

„Ja“, bestätigte sie still, den Blick noch immer ins Feuer gerichtet, ihrer Finger mit seinen verschränkt.

 

Sie wusste, dass sie nicht zusammen gehörten. Dass es keine Zukunft gab. Aber sie wusste, sie würde ihn vermissen, sobald es vorbei war. Sobald diese Nacht vorüberging hatte sie das bestimmte Gefühl, dass sich nicht mehr die Möglichkeit ergeben würde, mit ihm alleine vor dem Feuer zu sitzen. Dieses Gefühl löste eine flaue Bestürzung in ihrem Innern aus. Was wäre, wenn er, trotz all seiner Fehler, der eine war? Sie hatte von den Frauen gehört, die ihr Leben lang dieser einen Liebe nachtrauerten. Egal, wie viele Jahre vergingen, egal, wen sie trafen und was ihnen passierte.

 

Sie wollte eigentlich nicht so bemitleidenswert sein. Sie wollte ihn nicht so sehr vermissen, dass sie nicht glücklich werden konnte. Vielleicht könnte er eine von diesen Erinnerungen werden, an die sie heimlich denken konnte? Vielleicht könnte er all das Aufregende sein, was in ihrer Jugend geschehen war, bevor er Krieg kam? Vielleicht könnte er der erste Junge sein, in den sie wirklich verliebt war, mit dem sie all die Dinge zum ersten Mal erlebte, völlig außer Acht gelassen, dass es nicht für eine lange Dauer war.

 

Ihr Herz klopfte schneller.

 

„Granger-“, begann er schließlich, aber sie hörte ihm nicht zu, als sie sich ihm zuwandte, ihre Hand über seine glatte Wange legte, und ihre Lippen seine fanden. Fast überrascht verstummte er, und als sie näher rückte, überwand er seine Überraschung und erwiderte ihren Kuss. Sie glaubte, eine wenig zu viel Kraft in ihre Lippen zu legen, ein wenig zu stürmisch zu sein, denn er brachte mehr Ruhe in den Kuss, mehr Sinnlichkeit.

 

Es wurde ein sanfter Kuss, und plötzlich war ihr merklich heiß. Sie öffnete die Lippen unter seinem Mund und gleichzeitig rückte sie näher an ihn, brachte ihn dazu, ihr zu begegnen, seine Hände auf ihren Körper zu legen, ohne es sagen zu müssen. Seine Hand glitt über ihre Taille unter der offenen Strickjacke. Sie wanderte tiefer, lag auf ihrer Hüfte, und mit mehr Mut, als sie besaß, setzte sie sich auf, um sich rittlings auf ihn zu setzen. Sie spürte seine angewinkelten Knie im Rücken, und er reagierte auf diese Veränderung.

 

Er griff um ihren Hinterkopf, vertiefte den Kuss, und ohne Zögern zog sie ihre Strickjacke über die Schultern. Sie warf sie hinter ihn, und sofort glitt seine Hand unter den Saum ihres Shirts, fuhr über ihren bloßen Rücken, und bevor sie den Mut wieder verlor, zog sie sich kurzerhand das Shirt auch noch über den Kopf.

 

Sie unterbrach den Kuss dafür, und als sie ihn wieder ansah, nachdem sie das Shirt neben ihre Jacke geworfen hatte, hatten sich seine Augen geweitet. Sie sah, er bemühte sich, nicht auf ihren hellen BH zu blicken, und sie hoffte, er hörte ihr klopfendes Herz nicht.

 

Sie wollte das. Sie wollte ihn spüren. Und sie sah, dass er sprechen wollte, Fragen stellen wollte, und sie wusste, er würde sie fragen, ob sie sicher sei oder etwas ähnlich Klischeehaftes, aber sie unterband ein solches Gespräch, erstickte es im Keim, denn ungefragt ergriff sie seine Hände, und mit angehaltenem Atem legte sie sie über ihre bebenden Brüste.

 

Und er sagte gar nichts mehr, konnte wohl nicht fassen, dass sie nicht darüber reden würde.

Aber sie sah, seine Atmung änderte sich, wurde angespannter, flacher, und unter ihrem Schoß spürte sie, wie sich sein Penis in seiner Hose eindeutig regte. Es vermittelte ihr ein gutes Gefühl. Sie machte es also richtig. Dann wiederum begriff sie viele Dinge auf Anhieb. Nicht, dass sie tatsächlich angenommen hatte, Intimitäten wären etwas, was man sich beibringen konnte, aber eigentlich las sie nur seine Körpersprache und reagierte auf ihn.

 

Seine Augen verdunkelten sich, und es zog in ihrer Mitte, als er sich vorlehnte, um sie wieder zu küssen. Hungriger, dieses Mal. Und seine Hände bewegten sich, pressten sich gegen den Stoff ihres BHs, und seine Daumen fuhren hart über die Stelle, wo ihre Brustwarzen waren, und mit einem Schaudern spürte, wie sie sich aufrichteten, wie sensibel sie auf seine Berührung reagierten. Seine Finger klemmten sich plötzlich unter die Träger, zogen sie sanft ihre Schultern hinab, nur um dann hinter ihren Rücken zu wandern und den BH zu öffnen.

 

Sie wusste nicht, ob er das schon einmal gemacht hatte, oder ob Jungen es mit den BHs ihrer Mütter übten, um vorbereitet zu sein, aber schnell erledigten sich ihre Gedanken, als er das Stück Stoff ihre Arme hinab zog und ihr Oberkörper schamlos entblößt war. Ihr Atem ging tiefer, ihre Brüste hoben sich mit jedem Zug, und er neigte den Kopf, umfasste voller Faszination ihre Brust, und ihr Mund öffnete sich perplex, als er ihre Brustwarze übergangslos in seinen Mund saugte.

 

Unwillkürlich fiel ihr Kopf in ihren Nacken und sie beugte ihren Oberkörper seinem Mund entgegen, liebte jede Bewegung, mit der er ihre Brüste liebkoste, und sie vergaß, sich zu schämen, bei dem angenehmen Gefühl, dass dieses Spiel zwischen ihre Beine schickte. Sie musste sich an seinen Schultern festhalten und es störte sie, dass er noch komplett angezogen war.

Als er sich von der einen Brust löste, um sich ihrer anderen zu widmen, nutzte sie die Chance, die Jacke seine Schultern hinabzuschieben.

 

Er half ihr, denn er schien sich unvermittelt wieder an seinen schmerzenden Arm zu erinnern. Sie half ihm nicht, gab ihm die nötige Zeit, seinen Arm vorsichtig aus dem Ärmel zu schälen, bis er die Jacke ebenfalls hinter sich warf. Das weiße Hemd war nicht ganz zugeknöpft und sie erahnte seine haarlose Brust. Ohne zu fragen, ohne sich um irgendetwas anderes zu scheren, als ihre Faszination mit seinem Körper, öffnete sie den dritten Knopf, der noch verschlossen war. Sie sah ihn schlucken, sah wie sich sein Adamsapfel entsprechend bewegte, aber sie knöpfte ihren Weg weiter nach unten, bis das Hemd offen hing. Wo ihre Finger die Haut seines straffen Bauches berührt hatten, zog er unwillkürlich den Bauch ein, schien ihre Berührungen aufregend zu finden.

 

Abwesend fuhr ihre Hand über seine bloße Brust, hinab über seinen trainierten Bauch, und kam auf seiner Gürtelschnalle zum Liegen.

 

Seine Erektion pochte mittlerweile so beständig unter ihr, dass sie sich auf die Lippe beißen musste, um ihren Schoß nicht in seinen Schritt zu bohren, nur um zu sehen, was es für einen Effekt haben würde. Als ihr Blick sich hob, sie ihn unter ihren Wimpern ansah, wurde ihr übergangslos heiß, denn das Verlangen stand ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass ihr Bauch wieder kribbelte. Als hätte er ihre unkeuschen Gedanken soeben gelesen.

 

Mit einem ungeduldigen Grollen warf er sie auf den Rücken und war über ihr, noch immer zwischen ihren Beinen. Die Spitzen des Hemds berührten ihre Seiten, und seine nackte Haut presste sich heiß gegen ihre, als er den Abstand schloss, um sie zu küssen. Sofort schob sich seine Zunge in ihren Mund, begegnete ihrer ungestüm und wild, während seine Hände ihre Seiten entlang fuhren, um die Knöpfe ihrer Jeans zu öffnen. Das Geräusch des Reißverschlusses ließ sie Schaudern vor Erregung, und sie wollte keine Zeit damit zubringen, sich doch noch zu schämen.

 

Kurzerhand half sie ihm, hob ihren Po an und er löste sich von ihren Lippen, um die Hose ihre Beine hinab zu ziehen. Gleichzeitig hatte er ihre schlichten Leinenschuhe ausgezogen. Kurz war sie froh, dass sie nicht mal Schnürsenkel besaßen.

 

Er war nicht direkt wieder über ihr, und sie stützte sich auf die Ellbogen, um ihm zuzusehen, wie er die Knöpfe seiner Ärmel vorsichtig öffnete, um sich danach das Hemd von den Armen zu schütteln. Weiß stach ihr der schmale Verband seines Unterarms ins Auge, und sehr kurz verpasste das ihrer Erregung einen Dämpfer. Es hatte nicht stimmen müssen, dachte sie unwillkürlich. Er hätte nur sagen können, dass er das Mal trug, dachte sie.

Nur um sie zu ärgern, wie er viele Dinge sagte, um sie zu ärgern. Aber… jetzt hatte sich diese Ungewissheit innerhalb einer Sekunde zur Gewissheit verdichtet.

 

Sein Blick hob sich eher als ihrer. Wenn sie sich vorstellte, dass es etwas anderes war…. Eine Verletzung vielleicht. Dann konnte sie es verdrängen. Verdrängen, was es letztlich bedeutete. Es war ein Trost, dass sie es nicht sehen musste. Den Beweis, dass er nun offiziell einer Sekte angehörte, deren Ziel es war, Menschen wie sie zu vernichten.

 

Sie schluckte schwer. Unglück verhing seine schönen Züge. Fast sah er aus, als wolle er sich erklären, sich vielleicht wieder entschuldigen, aber das wollte sie gar nicht hören. Sie wollte sich nicht mit der Zukunft befassen, sondern nur mit dem Jetzt. Und wenn diese Abscheulichkeit jetzt zu ihm gehörte, dann war es so und sie konnte es nicht ändern – und würde es auch nicht ändern.

 

Sie setzte sich eilig auf, nur um den nackten Arm um seinen Hals zu schlingen und ihn wieder an sich zu ziehen, seine Lippen mit einem Kuss zu verschließen, und sein Arm schlang sich um ihre bloße Taille, als er wieder mit ihr auf die Blätterdecke fiel.

 

Sein Kuss war verzehrend und brachte sie noch um den Verstand. Ihre Finger fanden seinen Gürtel, öffneten ihn, um fahrig die weiteren Knöpfe seiner Hose zu öffnen. Ihre Finger spürten den Saum seiner engen Shorts, aber bevor sie den Saum fassen, konnte, hielt seine Hand sie auf, legte sich effektiv über ihre Finger. Er löste seine Lippen fast lautlos von ihren.

Sie sah hinauf in seine Augen und glaubte, das helle Grau noch nie in so einem Sturm gesehen zu haben.

 

„Nicht“, flüsterte er rau. Sie verstand nicht. Sie wollte, dass er seine Hose auszog. Sie wollte ihn berühren. Sie wollte ihn in sich spüren. Sollte sie es sagen? Die Scham kehrte mit einem Mal zurück. „Es geht sonst zu schnell“, sprach er zusammenhanglose Worte, die sie ebenfalls nicht verstand. Was ging zu schnell? Sie wollte nicht länger warten! Ihr Körper konnte nicht länger warten. Aber dann spürte sie seine schlanken Finger auf ihrer Bauchdecke, und sie glitten tiefer, unter ihren Slip, und sie hielt die Luft an.

 

Fast hatte sie geglaubt, es wäre komplizierter für einen Mann, sie dort zu berühren. Dass er ebenfalls Hemmschwellen und Überwindung empfand, vielleicht nicht wusste, was er zu tun hatte. Dass er vielleicht – wie sie – ähnlich überfordert mit der weiblichen Anatomie war, denn schließlich war er ein Mann, aber sie hatte sich geirrt. Es bereitete ihm keine Mühe, nein. Es schien ihm Vergnügen zu bereiten, sie zu berühren, und fast wollte sie ihm Erfahrung unterstellen, mit der sein Daumen plötzlich begann, sanfte Kreise über dem Punkt zu zeichnen, der ein direktes Lustgefühl in ihr Gehirn schickte.

 

Nicht lange fragte sie sich, ob sein Daumen dies bereits bei einem anderen Mädchen getan hatte, denn so schnell sich die irrationale Eifersucht aufbaute, so schnell hatte sie sie schon wieder vergessen, als sein Mittelfinger tiefer wanderte, auf die Nässe traf, die bereits ihren Slip getränkt hatte, und sich mühelos in sie schob.

 

Es war das erste Mal, dass sie tatsächlich einen Laut machte. Sie hatte es vorher vermieden, wollte keinen ungebetenen Besucher herlocken. Zwar lag die Desillusionierung auf der Buche, aber sie hatte Sorge, dass man sie vielleicht doch hören würde.

 

Es war ein kehliges Geräusch, ein ersticktes Geräusch, was sie gar nicht hatte machen wollen. Das Gefühl seines Fingers in ihr war überraschend gewesen und gleichzeitig war es viel befriedigender als sie gedacht hatte. Sie biss sich vor Überraschung auf die Unterlippe, aber als er den Finger zurückzog, nur um ihn tiefer in sie zu schieben, schlossen sich ihre Beine automatisch ein Stück, und sie schnappte erneut nach Luft, ehe sie ein sanftes Stöhnen nicht verhindern konnte.  

 

Und sie fand es nicht schlimm, dass er das tat. Dass er sie berührte. Dass er es war, der ihr diese Gefühle entlockte. Sie schämte sich nicht mal, dass es ihr gefiel, dass ausgerechnet er es war, der dazu in der Lage war! Mit einer abwartenden Geduld beschrieb sein Daumen härterer Kreise auf ihrer Klitoris, und sie begann sich unter ihm zu winden, weil sie dem Gefühl nicht entgehen konnte, dass sich unweigerlich aufbaute. Als er soweit ging, einen weiteren Finger in ihre feuchte Hitze zu schieben, fiel ihr Kopf weiter zurück, und ihre Beine öffneten sich unbewusst wieder. Auch ihr Becken ahmte seine Bewegungen nach.

 

Sie spürte seine Nähe plötzlich, und seine linke Hand umfasste wieder ihre Brust, als seine Zunge hervorschnellte, um über ihre harte Brustwarze zu lecken. Sie zitterte, atmete flacher, und eine Vielzahl an Lauten verließen ihre Lippen nun, ohne dass sie sich beherrschen konnte.

 

Seine Finger bewegten sich schneller, so auch sein Daumen. Hart sog er ihre Brustwarze in seinen Mund, und als sie kam, lag sein Name auf ihren Lippen. Weiße Punkte tanzten vor ihren festgeschlossenen Lidern, und sie atmete mit offenem Mund. Teilweise war sie ein wenig sauer, dass sie gekommen war, quasi ohne ihn in sich, aber eigentlich war es ihr gerade auch sehr egal. Als sie die Augen blinzelnd öffnete, war er über ihr, und sie kam ihm hungrig für einen Kuss entgegen. Er wirkte mittlerweile wesentlich angespannter als sie es war, denn herrlicherweise fühlte sie sich leicht und so bereit, dass sie es kaum erwarten konnte. Ungeduldig zog sie ihren feuchten Slip ihre Beine hinab und er glitt von ihren Füßen.

 

Dieses Mal hielt er sie nicht auf, als sie seine Hose tiefer zog, seine Shorts gleich mit, und sie machte sich nicht die Mühe, dafür zu sorgen, dass er die Hose komplett loswurde. Ihre Finger spürten seine pulsierende Länge, und mutig umfasste sie seine Erektion. Sie war größer als seine Finger, dachte sie unwillkürlich. Und bevor klar wurde, wie unerfahren sie war, vertiefte er den Kuss, und stöhnend legte sich seine Hand um ihre, zeigte ihr die Auf- und Abbewegung, und nach einer kleinen Weile hatte sie begriffen, was sie tun musste, damit er zusammenzuckte, in ihren Mund stöhnte, sich ungehalten in ihre Hüfte krallte.

 

Sie spreizte ihre Beine weiter, bis er sich von ihren Lippen löste und sich endlich über sie legte. Das war es! Es passierte wirklich! Und er sah sie an. Seine Hand stoppte ihre nun, sodass die Pumpbewegung aufhörte. Noch immer pulsierte er in ihrer Hand. Und wieder schüchterte sie seine scheinbare Erfahrung ein, als er blind nach dem Zauberstab neben sich griff, kurz den Blick auf seinen Penis senkte, und eine stumme Formel sprach.

Sie hatte von der Formel gehört, hatte sie mit vierzehn Jahren unter Aufsicht der Gesundheitshexe des Ministeriums auch als Trockenübung vollführen müssen, aber sie hatte geglaubt, in Wirklichkeit würde der Penis aufleuchten, oder es würde irgendein Anzeichen geben, dass es funktioniert hatte.

 

Und vor allem – darauf wäre sie nicht mehr gekommen. Er scheinbar schon.

 

Sie sah ihn wieder schlucken. Und sie wusste, er würde fragen. Und sie fragte sich unwillkürlich, wie oft er das schon ein Mädchen gefragt hatte.

 

„Bist du sicher?“ Rau war seine Stimme, und sie glaubte nicht, dass er tatsächlich auf eine Diskussion vorbereitet wäre, würde sie Nein sagen. Aber sie antwortete nicht, nickte nur. Sie glaubte, es fiele ihm ohnehin schwer, sich noch großartig auf etwas zu konzentrieren, bedachte man, wo sich sein Blut gerade befand.

 

Sie befürchtete fast, es würden noch weitere Floskeln folgen, wie, dass es wehtun würde, aber dass das vorüberging. Es war tatsächlich alles, was sie über das erste Mal gehört hatte. Ihre Mutter meinte, es wäre unangenehm, es täte weh. Niemand wisse genau, was zu tun sei. Man müsse erst herausfinden, was einem gefiele. Im Idealfall wäre der Mann sanft und vorsichtig und würde sich konstant entschuldigen, für jedes unangenehme Gefühl was sein Penis verursachte. Und Hermine hoffte ernsthaft, dass dies nicht der Fall wäre. Sie wollte es nicht sanft. Sie wollte ihn. Und er war alles andere als sanft. Sie wollte auch nicht seine Entschuldigung.

 

Sein Blick verband sich wieder mit ihrem, und sie versuchte, so viel Überzeugung wie möglich in ihren Blick zu legen. Sie hatte keine Angst.

 

„Küss mich, Draco“, sagte sie leise, und er folgte ihren Worten, senkte den Kopf, und sie spürte, wie seine Hand seinen Penis positionierte. Sie spürte bereits, wie allein die Spitze ihren feuchten Eingang dehnte. Sie atmete hörbar ein unter seinem Kuss. Ihre Arme hatten sich um seinen Nacken gelegt, und langsam glitt er tiefer. Das Gefühl war seltsam, aber es tat weh. Diese Weisheit war also nicht gelogen. Und sie konnte es nicht verhindern. Sie versteifte sich automatisch unter ihm, und er hielt inne. Er unterbrach den sanften Kuss, und sie würde ihn schlagen, wenn er ihr jetzt sagen würde, dass es ihm leid täte!

 

Sie erlaubte es ihm nicht, schlang die Arme fester um seinen Nacken, küsste ihn verlangend, der Kampf ihrer Zunge schien ihn jede Kontenance vergessen zu lassen. Ohne jede Kontrolle stieß er nach vorne. Ihr Kopf fiel zurück und sie schnappte schmerzhaft nach Luft. Als sie glaubte, sie würde zerreißen, war es vorbei. Er war in ihr. Zur Gänze. Als er sich langsam zurück bewegte, spürte sie seine Finger, die sich erneut ihrer Klitoris widmeten. Sie begriff kaum, was er tat, aber schon rammte er sich tiefer in sie, wiederholte diese Bewegung, bis sie begriff, dass das der ganze Zauber war.

 

Sie gewöhnte sich an seine Größe, an seine Länge, an das Gefühl, an das Gewicht seines Körpers auf ihrem, und sie fand es schön. Unglaublich schön. Ihr Atem ging schneller, und die Bewegung seiner Finger passte sich ihrem Rhythmus an. Ihr Becken begegnete seinem, und er eroberte wieder ihren Mund. Seine Stöße verloren an Präzision, und mittlerweile bockte er nur noch hilflos nach vorne. Dann riss er den Kopf nach oben, und rammte so hart in sie, dass ihr Orgasmus von Schmerz überschattet wurde, als er stöhnend kam. Er schien nicht gleichmäßig zu kommen, sondern in Schüben, bockte noch ein paar Male nach vorne, und sein Kopf fiel auf ihre Schulter, während sie liebevoll durch seine Haare fuhr.

 

~*~

 

Das Feuer war fast runtergebrannt. Sie lag in seinem rechten Arm, den Kopf auf seine bloße Brust gebettet, und sie waren halb zugedeckt mit der Blätterdecke. Seit einer Weile spielten ihre Finger abwesend mit dem Verband seines Armes. Locker lag seine linke Hand auf seinem Bauch, und für immer hätte er hier liegen bleiben können.

 

Noch immer hatten sie nicht gesprochen. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Was sie hören wollte. Er hatte das Gefühl, als hätte sie das hier forciert, es tatsächlich unbedingt gewollt. Es fiel ihm schwer, sich schlecht zu fühlen, weil er ihr vielleicht wehgetan hatte. Es war ihr erstes Mal gewesen. Davon war er überzeugt. Und sie hatte es mit ihm erleben wollen. Tatsächlich fühlte er sich geehrt. Verdammt heroisch fühlte er sich.

 

Es gab in diesen Situationen nicht viel zu sagen. Aber es war besser als sein erstes Mal. Das Mädchen hatte ununterbrochen geweint. Da war ihm Granger lieber.

Granger…. Und dann hob sich sein Kopf und betrachtete ihr Gesicht auf seiner Brust. Ihr Blick hob sich träge, um ihn fragend anzusehen.

 

„Was?“, murmelte sie verblüfft. Halb schüttelte er den Kopf. In einer wilden Sekunde hatte er befürchtete, dass es nur ein Traum sein könnte. Aber sie war tatsächlich hier.

 

„Nichts“, murmelte er, umarmte sie ein wenig fester und sie hauchte einen sanften Kuss auf seine nackte Brust. Ihre wilden Locken, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, kitzelten seine Haut.

 

All das kam ihm vor wie ein Abschied, aber er wollte nicht, dass es einer war. Ein seltsames Verlustgefühl überkam ihn, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Sollte er seine Familie verraten? Seinem Schicksal trotzen? Musste er mit ihr darüber reden? Was bedeutete es alles?

 

Liebte sie ihn? Wusste er überhaupt, was das war? Ja. Ja, er wusste es.

 

Sie bewegte sich über ihm.

 

„Es wird spät, wir sollten gehen, bevor sie uns suchen“, sagte sie lächelnd, als sie sich von seiner Brust erhob, sich aufsetzte und sich streckte. Anmutig wirkten ihre Brüste, und das flackernde Feuer warf tanzende Schatten auf ihre Haut. Aber auf ihren Armen erkannte er die Gänsehaut. Sie suchte ihre Sachen zusammen und zog sich ohne jede Romantik an.

 

Er hatte seine Hose bereits wieder verschlossen und angelte sich sein Hemd. Diese physische Betätigung brachte seinen Arm praktisch um, aber er ließ es sich nicht anmerken, zog das Hemd über, knöpfte es halb zu, ehe er sich auch noch seine Jacke überzog.

 

Sie standen auf, und es war, als beseitigten sie nun alle Spuren, jede Erinnerung an diesen Abend. Granger löste die Blätterdecke auf, löschte dann das Feuer und löste die Desillusionierung, und beide entfachten den Lumos, um den Weg zu beleuchten.

 

Er sah, wie sie sich umwandte, der Buche noch einen letzten Blick zuwarf, ehe sie die Strickjacke enger um sich wickelte. Still schritten sie über die Wiese. Die Nacht machte ihre eigenen Geräusche, erfüllte die Stille mit Lebendigkeit, und Draco atmete die Frühlingsluft tief in seine Lungen. Das Gefühl der Euphorie beherrschte ihn noch immer. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb er fragte.

 

„Wird das… eine einmalige Erfahrung bleiben?“ Seine Stimme klang fremd in der Nacht, und sie hob den Blick, schien darüber nachzudenken. Und in ihrer Nähe kam er sich wie die Jungfrau vor. Er kam sich vor, als würde er bereits klammern, als würde er sich mehr Gedanken machen, aber wahrscheinlich war das Unsinn.

 

„Was möchtest du, dass ich sage?“, wagte sie ihn unschlüssig zu fragen. Seine Schritte verloren an Euphorie. Was sollte er dazu sagen? Merlin. Er sah sie an. Er wollte, dass sie sagte, dass es etwas bedeutete. Oder gleich etwas Pathetisches wie, dass sie von jetzt an nur noch mit ihm schlafen wollen würde, weil sie wüsste, dass niemand so gut wäre wie er. Ja, vielleicht so etwas nicht wirklich, aber was meinte sie, Salazar noch mal? Sie sollte sagen, was sie dachte, nicht was er hören wollte! Und er hatte keine Ahnung, wie er das diplomatisch rüberbringen konnte.

 

Ihm war gar nicht aufgefallen, dass sie stehen geblieben war. Er wandte sich zu ihr um. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schien den sternenklaren Himmel zu betrachten. Er schloss den Abstand zu ihr. Es war reine Intuition, ein Bauchgefühl, wenn man so wollte, aber fast vorsichtig, legte er die Arme um ihre Taille, und als sie den Kopf wieder senkte, küsste er ihre Lippen. Nicht fordernd, sondern weil das Gefühl, es tun zu wollen, übermächtig wurde. Nach einer kurzen Sekunde umspülte ihn Erleichterung, als sie seufzend die Arme um seinen Nacken schlang.

 

So standen sie eine ganze Weile, spürten sich, fühlten den anderen, bis sie sich von ihm löste.

 

„Lass uns einen Pakt machen“, sagte sie ein wenig atemlos. Er verengte verständnislos die Augen. „Wenn… wenn der Krieg vorbei ist“, begann sie zögerlich, und er legte die Arme fester um sie. Alleine die Aussicht, dass der Krieg sie unweigerlich auseinanderbringen würde, machte ihm Angst. Sie sah zu ihm auf. „ Wenn es vorbei ist, findest du mich, Draco Malfoy“, flüsterte sie, und ihre Augen glänzten. Sie meinte es ernst. Und dann, wollte er fragen. Was dann? Dann wäre sie sein? Aber er hatte Angst zu fragen.

 

Aber jedes Gefühl verließ ihn, als ein beißender Schmerz durch seinen Unterarm schoss. Schlimmer als alles, was er jemals gespürt hatte. Sie war aus seinen Armen verschwunden. Er krümmte sich vorn über, hielt seinen Arm umschlungen, und sein Schrei klang so fremd in seinen Ohren.

 

„Draco!“, rief sie panisch, kam näher, aber er hatte seinen Ärmel in die Höhe geschoben. Der Verband brannte höllisch. Mit rohen Bewegungen zerrte er an der Gaze, bis sie in Fetzen hing. Er schüttelte sie seinen Arm hinab, und er hörte Grangers Keuchen. Das Mal glühte rot in der Dunkelheit. Die kühle Luft, die seine Haut traf linderte die Schmerzen, aber nur marginal.

 

„Er-ruft“, brachte er gepresst hervor. Dann sah er sie an. Dies war der Weg, den er gewählt hatte. Und beinahe erkannte er sie nicht mehr. Sie sah ihn an, wie einen Fremden. Wie einen Feind. Und er ignorierte den beißenden Schmerz und schloss den Abstand zu ihr. Ängstlich hob sich ihr Blick.

 

„Ok“, sagte er zwischen den Zähnen hindurch. Ihre Augen waren weit. „Ich finde dich“, versprach er ihr blind. Ihr Mund öffnete sich, und eine Träne fiel auf seine Wange. Der Schmerz nahm ihm beinahe die Sicht.

 

„Was… was passiert mit dir?“, flüsterte sie verzweifelt. Er rang um Fassung.

 

„Wenn ich nicht… erwidere, dann… bringt mich der Schmerz irgendwann um“, entkam es ihm stockend.

 

„Geh“, flüsterte sie tonlos, ohne sein Gesicht aus den Augen zu lassen. „Malfoy, geh!“, wiederholte sie, und die Panik war ihrer Stimme anzuhören, als er weitere Tränen weinen musste.

 

Er lehnte sich vor, küsste sie ein letztes Mal, und er wusste, er würde sie beschützen! Und wenn auch nur durch seine verdammte Abwesenheit, damit er sie nicht in Gefahr bringen konnte. Er konnte nur hoffen, Potter würde sein verflucht Bestes geben.

Sein Mund verließ ihre Lippen, und sie weinte auch.

 

Er hob den Zauberstab vom Boden auf. Mit zitternder Hand hob er das Holz, und mit einem letzten Blick in ihr Gesicht, presste er die Spitze auf das glühende Mal.

Die Welt zerriss. Das Mal besaß die Macht, ihn tatsächlich vom Schlossgelände apparieren zu lassen, um was auch immer für einen Auftrag zu empfangen, der leicht seinen Tod bedeuten konnte. Vielleicht so etwas Lächerliches, wie Dumbledore umzubringen.

 

Er weinte, während die Landschaft dunkel an ihm vorbeisauste.

Und er schloss die Augen und dachte an sie.

 

 

Epilogue

 

~Sieben Jahre später~

 

Der Sommerabend war lau, die Vögel sangen herrliche Lieder, es roch nach Jasmin und dem Duft des Grases. In dem verwunschenen Biergarten ihres Lieblingsrestaurants in Godric’s Hollow genossen sie alle Weißweinschorlen, Elfenbier oder Limonade. Ginny war schwanger, also bot sich für sie nur Limonade an.

 

Harry hatte sich auf dem sonnengewärmten Stuhl aus altem Holz zurückgelehnt, und versuchte, Entspannung zu finden. Ron und Pansy erzählten eine weitere Anekdote der Handwerker in ihrem Haus, und wie absolut unmöglich es doch war, gute Handwerker zu finden. Es war so einschläfernd, dass Harry Gefahr lief, Bier auf seinem Schoß zu verschütten, wenn er nicht aufpasste.

 

Sein Tag war lang gewesen, der Schichtwechsel nicht pünktlich. Es würde noch Jahre dauern, bis er endlich die ersehnte Stelle des Leiters übernehmen konnte. Bisher wurde ihm die Drecksarbeit regelrecht zugeschanzt, so dass ihm jeder Tag vorkam, als würde er hilflos mit dem Armen in einem Meer von Akten rudern. Und er war müde. So unfassbar müde von all den Dingen, die ihm in den Gliedern steckten.

 

Vom Krieg im Allgemeinen, aber ihm kam die Arbeit in der Aurorenabteilung wesentlich anstrengender vor, als es eine kontrollierte Zerstörung gegen Voldemort jemals sein könnte. So lächerlich das klang.

 

„Harry“, vernahm er Ginnys Stimme leise neben sich. Waren seine Augen wieder zugefallen? Hastig blinzelte er, setzte sich aufrechter in den Stuhl und blickte Rons erwartungsvollem Gesicht entgegen, als das Bier bei diesem Ruck erwartungsgemäß über seine Finger schwappte. Es war schon warm geworden.

 

„Ich-was?“, entfuhr es ihm entschuldigend, und leichte Ungeduld zeichnete die Züge seines besten Freundes.

 

„Ich… äh… ich hab gefragt, wie lange es bei euch gedauert hat, bis vernünftige Rohre in der Wand gelegen haben?“, wiederholte er scheinbar seine so sinnbefreite Frage, dass Harry sich die Schläfen rieb.

 

„Ron-“, begann er beinahe nachsichtig, aber so schnell traf ihn Ginnys Tritt unter dem Tisch – wie auch immer sie es schaffte, seitlich nach ihm zu treten – und er riss sich mit aller Kraft zusammen. „Au-… Äh, keine Ahnung“, wich er also seiner Frage aus. „Ich glaube nicht, dass wir überhaupt etwas an den Rohren geändert haben. Jemals“, ergänzte er grollend, aber unter seinem Atem, so dass Ron es nicht wirklich mitbekam.

 

Das schien Ron nicht zu gefallen. Seitdem er mit Pansy zusammen war, schien es an der Tagesordnung zu liegen, jeden Monat die Wände neu zu streichen, alte Rohre auszutauschen, den Fußboden magisch zu beheizen, nur um die Fliesen dann doch gegen erlesenes Holz auszutauschen. Man könnte meinen, Ron wäre Chef einer Einrichtungsfirma, und nicht Teilhaber des Zauberscherzeladens.

 

Harry fand es unfassbar, wie sonst niemand einschlafen konnte. Aber er blinzelte verstohlen in die Runde und glaubte, auch Hermine und Eric langweilten sich tödlich.

 

Vorsichtshalber stellte Harry das Bier auf den schiefen Tisch zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn er einnickte, kleckerte er sich wenigstens nicht voll.

 

Er musste wieder eingedöst sein, denn das leise Klingen von Glas ließ ihn aufschrecken. Es war vielleicht minimal dunkler geworden. Die Dämmerung setzte langsam ein. Eric schlug mit dem Löffel gegen sein Glas, um die Aufmerksamkeit ihrer kleinen Runde zu erlangen.

Gut, Harry fand Eric ähnlich einschläfernd wie Ron. Er arbeitete wie Hermine in der Abteilung für Muggelwesen. Da hatte sie ihn auch vor drei Jahren kennengelernt. Zusammengekommen waren sie allerdings erst letztes Jahr. Scheinbar hatte das konsequente Bitten und Betteln Erics endlich Eindruck auf Hermine gemacht. So nahm Harry bitter an. So hatte er es auch Ginny gesagt, und direkt einen Schlag auf die Schulter kassiert.

 

Er vergaß, dass Eric um Aufmerksamkeit bat, und sein Blick fiel zufrieden auf seine hübsche Frau. Ihr Bauch wölbte sich bereits unter ihrem hübschen blauen Kleid. Die Haare trug sie hoch in einem Zopf, und die Sonne ließ ihre Haare leuchten wie Feuer. Es tanzte immer ein Lächeln um ihren Mund, und Harry liebte sie so abgöttisch, dass er es ihr jeden Abend vor dem Schlafen sagen musste. Sie bemerkte seinen Blick, und fast verdrehte sie die Augen über ihn, denn wieder hörte er dem Geschehen nicht zu. Mit ihrem Blick zwang sie ihn, Eric anzusehen.

 

Widerwillig folgte er, lenkte seine fragwürdige Aufmerksamkeit auf Eric, der an seinem Weinglas nestelte.

 

„-bedanke mich, dass ihr mich in eure Gruppe aufgenommen habt“, begann der Braunhaarige scheu, aber mit einem aufrichtigen Lächeln. Was kam jetzt, fragte sich Harry bereits amüsiert. „Hermine und ich“, fuhr er fort, und Harry bemerkte den etwas steinernen Ausdruck, den Hermines Gesicht angenommen hatte, „kennen uns seit einer ganzen Weile, und…“ Hermines Hände ruhten in ihrem Schoß, und Harry würde Gold darauf wetten, dass sie sich zu Fäusten geballt hatten. Eric fuhr schüchtern fort. „… und ich würde unsere Beziehung auf die nächste Stufe heben, wenn… wenn du damit einverstanden wärst?“

 

Absolut verblüfft starrte Hermine ihren Freund an, als sähe sie ihn zum ersten Mal.

 

Alle schwiegen. Aber es war diese gute Art von Schweigen, das einem Heiratsantrag vorausging. Harry war wieder wach. Endlich ging es nicht mehr um Handwerker und Rohre.

 

„Hermine?“ Ungelenk und angespannt erhob sich Eric aus dem Stuhl, und Hermine sah so aus, als wolle er sie attackieren, und nicht vor ihr auf die Knie sinken – was er übrigens tat. Wacklig stand er auf einem Knie vor ihr und klaubte eine schwarze Samtschachtel aus seiner Hosentasche. Hermine starrte ihn immer noch an, wie einen apokalyptischen Reiter. Harry musste fast laut lachen, aber Ginny schien – wie immer – zu spüren, wenn nicht auf ihn zu zählen war, und ihr Blick ließ selbst sein unschuldiges Grinsen verschwinden.

„Würdest du… mir die Ehre erweisen und… und meine Frau werden?“ Und Harry konnte mit Sicherheit behaupten – das war nicht abgesprochen. Aber sowas von nicht vorher geklärt.

 

Hermines Mund öffnete und schloss sich. Sie erinnerte ihn an die Karpfen auf dem Wochenmarkt von Godric’s Hollow, bei denen er sich nie überwinden konnte, einen auszuwählen, dem dann mit einem Holzscheid der Schädel eingeschlagen wurde, ehe er hübsch in Packpapier verpackt wurde. Seine Gedankengänge waren nicht so seltsam, denn Hermine sah ebenfalls so aus, als bekäme sie gleich den Schädel eingeschlagen.

Harry rieb sich die Schläfe. Vielleicht ging seine Fantasie auch mit ihm durch. Es war immer noch zu heiß für Elfen-Weizen, entschied er müde.

 

Und alle warteten gespannt auf Hermines Antwort. Harry registrierte, dass sie sich umsah. Erwartete sie, dies wäre ein Spaß? Dass jemand hinter der Weinrebe hervorsprang und behauptete, Eric wäre nur ein Witz? Ihr Blick wanderte über die Grenzen des Biergartens hinaus, ihre Augen schienen nicht wirklich nach etwas zu suchen, aber definitiv schien sie sich, ehe sie antwortete, zu vergewissern, dass sie es ohne Bedenken auch konnte.

 

„Eric“, erwiderte sie schließlich, ein wenig überrascht von sich selbst, aber Harry sah sofort, dass sie nicht lächelte. „Es… es tut mir leid, aber…“ Und Ron hielt sich gerade noch davon ab, verfrüht in die Hände zu klatschen. Und es folgte die unangenehme Stille, wie nach einer schlechten Urteilsverkündung des Ministeriumsgerichts. „Nein“, schloss Hermine tonlos und schüttelte sanft den Kopf. Fast wirkten ihre Augen glasig.

Wankend erhob sich Eric, schien tatsächlich mit einer anderen Antwort gerechnet zu haben, und Harry kratzte sich am Hinterkopf. Armer Eric.

 

„Oh“, sagte dieser merklich reservierter. „Dann…“ Er steckte die Schachtel zitternd in seine Hosentasche zurück. „Ich… sollte gehen“, murmelte er beschämt, verließ den Tisch, und die Runde verabschiedete ihn zurückhaltend und überfordert. Dann ruhte der Blick aller auf Hermine.

 

Aber Hermine hatte den Blick wieder stur in die Ferne gerichtet, die Hände auf dem Schoß verschränkt, und seufzte leise auf. Ginny und Pansy überfluteten Hermine mit belanglosen Fragen, und warum sie nicht Ja gesagt hatte. Auch Ron mischte sich ein, erklärte, er mochte Eric. Er wäre unauffällig und nett.

 

Aber Harry beteiligte sich nicht. Er erkannte seine beste Freundin seit Jahren nicht mehr. Aber er hatte Hermine ohnehin nicht zugetraut, jemanden wie Eric tatsächlich zu heiraten. Eric war…- er war…. Merlin, Harry wusste nicht einmal Erics Nachnamen. Das war Eric. Unscheinbar, nett – Eric eben. Armer Eric. Auch Harrys Blick richtete sich über den Biergarten auf die Felder hinaus.

 

Wen suchte sie?

 

Aber… er wusste doch, wen sie suchte. Das Ministerium suchte ihn übrigens auch. Seit fünf Jahren war er verschwunden. Untergetaucht. Vielleicht in Nairobi, vielleicht in Bolivien. Malfoys Akte las sich schwer und zäh, wie eine Biographie der Hölle.

Nachdem er Verräter seiner eigenen Reihen geworden war, hunderte an Todessern auf dem Gewissen hatte, war er untergetaucht. Das Ministerium legte seinen Finger darauf, dass Malfoy bereits durch die Zauberstäbe seiner ehemaligen Verbündeten getötet worden war. 

 

Andere der Abteilung verfolgten die Theorie, dass er versuchte, zurückzukehren. Harry wusste nicht wirklich, was zwischen ihm und Hermine in der Schule damals passiert war. Es hatte den Anschein gemacht, dass… Malfoy und Hermine damals mehr gewesen waren, als auf den ersten Blick zu sehen war. Harry nahm auch an, dass Hermine deshalb keine Beziehung geführt hatte. Auch nach dem Krieg. Dass sie, so traurig das auch war, wartete. Auf was auch immer sie wartete. Was auch immer sie hinter den Sträuchern des Biergartens suchte.

 

Vor einem Jahr hatte sie Erics Bemühungen nachgegeben. Fast glaubte Harry, hatte sie Mitleid mit ihm gehabt und das Warten endlich aufgegeben.

 

Jetzt hatte sie seinen Heiratsantrag abgelehnt. Aber wenn er ehrlich war, dann hatte ihm diese Beziehung mit ihr und Eric auch ernsthafte Bauchschmerzen bereitet. Er wusste nicht, ob Beziehungen so sein mussten wie zwischen ihm und Ginny oder so chaotisch wie zwischen Pansy und Ron, aber er hatte das Gefühl, sie alle hatten etwas Echtes, wohingegen sich Hermine mit einem Trostpreis des Jahrmarktes zufrieden hatte geben müssen. Als warte der Hauptgewinn in weiter Ferne. Seltsam, dass sich Harry noch immer die Mühe machte, die Leute besser zu lesen, besser zu verstehen.

 

Das war es, was Severus ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Er nippte an seinem warmen Bier. Wie lange würde sie warten?

 

~Eine Woche später~

 

Wenn es kam, dann meist gewaltig. Es hatte Schlagzeilen in jeder magischen Presse gemacht. Was für ein Zufall es doch war, dachte Harry wieder, während er dazu degradiert worden war, zu warten. Der Krieg war nicht spurlos an ihm vorübergegangen, das tat er nur bei Helden in Büchern. Er konnte nicht einwandfrei laufen, konnte nicht mit den anderen Auroren im Außendienst mithalten. Er brauchte keinen Stock, Merlin bewahre, aber einige Flüche hatten ihn nicht verfehlt, und einige Muskeln in seinem rechten Bein waren irreparabel beschädigt. Damit eignete er sich nur für lokale Einsätze und natürlich – Büroarbeit.

 

Und er hasste es, zu warten. In der Normandie war es zum Großeinsatz sämtlicher Auroren gekommen. Paris, Deutschland, Belgien, England – alles war abbeordert worden. Die Insassen eines privaten Gefangenenlagers hatten durch eine geplante Revolte die Felsen ihres Gefängnisses zum Einsturz gebracht.

 

Es handelte sich um einen Fall der Selbstjustiz, die ehemalige Todesser vor einigen Jahren praktiziert hatten. Flüchtige waren aufgegriffen worden – Freiheitskämpfer, wie abtrünnige Todesser. Sie wurden in den Bergen eingesperrt, gefoltert, wohl teilweise getötet und beerdigt, und es herrschte nun absolutes Chaos. Alleine wegen der schaulustigen Muggel, die beruhigt werden mussten.

 

Es klopfte an seine Tür. Hermine trat ein.

 

„Hey-“, begrüßte sie ihn, aber die Neugierde brannte in ihrem Blick.

 

„-noch keine Namen“, sagte er wieder, denn es war nicht das erste Mal heute, dass sie den beschwerlichen Weg in den vierten Stock machte, um ihn zufällig zu besuchen. Und dieses Mal gab sie sich nicht mal die Mühe, nicht zu verstehen, was er damit meinte. Sie nickte knapp.

 

„Oh. Ok.“ Etwas unschlüssig und abwesend verharrte sie in seiner Tür. Die Kollegen hatten ihm noch nicht Bescheid gegeben, ob englische Insassen unter den vermeintlichen Gefangen residiert hatten, wenn man es so sagen wollte. Auch war die Zahl der Toten noch nicht übermittelt, obwohl anzunehmen sein konnte, dass nicht alle Gefangenen den Einsturz überlebt haben würden.

 

Aber… es war ein Bauchgefühl. Vielleicht dasselbe Bauchgefühl, das auch Hermine verspürte. Sie lächelte schließlich. Es war ein schmales Lächeln. Teilweise verlegen, teilweise verzweifelt. Und es war das erste Mal seit Monaten, dass sie lächelte, so kam es Harry vor.

 

„Ich…“, begann sie unschlüssig, verschränkte ihre Finger ineinander, sah ihn wieder an, und schien nicht zu wissen, ob sie sprechen sollte. Sie war so schüchtern geworden, wie Harry sie früher nie gewohnt war. Sie sprach nicht mehr viel, seit dem Krieg. Sie tat gar nicht mehr viel seit dem Krieg. Trauer schien sie immer sanft zu umgeben, wie ein Regenschleier die Berge umgab. Sie lachte selten, sie war nie ausgelassen. Es war, als wäre sie innerlich stehen geblieben, in ständiger Sorge um etwas, dass Harry nicht fassen konnte. Und dann sprach sie weiter. „Ich… komme später noch mal“, erklärte sie leise, als wäre es ein unanständiges Geheimnis. Harry nickte.

 

Er rechnete mit ihrer Wiederkehr. Zwar konnte er kaum fassen, dass Hermine tatsächlich… auf Malfoy wartete, aber verrückterer Dinge sind auch schon geschehen, nahm er an.

Harry wagte nicht, zu fragen. Tatsächlich zu fragen, ob sie glaubte, dass Malfoy in den Trümmern gefunden würde.

 

Selbst wenn, war nicht klar, ob er lebte, ob er ansprechbar war. Ob er nicht… vollkommen entstellt oder mental absolut nicht mehr zu gebrauchen war. Und die Chancen, dass überhaupt Engländer gefunden wurden, waren… gering.

 

Hermines schmales Lächeln sagte ihm allerdings, dass sie auf diese geringe Chance bauen würde.

 

„Bis später“, verabschiedete sie sich. Merlin, Hermine taute auf. Harry hoffte nur, dass die Enttäuschung darüber, wenn Malfoy nicht unter den Gefangenen war, kein tieferes Loch aufriss, in das sie stürzen konnte. Sie war jetzt schon nicht mehr sie selbst.

 

~*~

 

Als die vage Nachricht die Runde gemacht hatte, dass tatsächlich englische Gefangene nach Hause gebracht würden, war das Ministerium komplett aus dem Häuschen. Was, wenn es Muggel wären, die wieder integriert werden müssten, aber Harry hielt es für nahezu ausgeschlossen, dass Muggel überlebt hätten. Aber selbst muggelgeborene, deren Familien das Gedächtnis gelöscht worden war, sorgten für Panik unter den magischen Ämtern.

Und jetzt standen bestimmt dreihundert Mitarbeiter des Ministerium im Atrium und warteten auf die Rückkehr der Auroren, um die Kriegsgefangenen in Empfang zu nehmen, sie unterzubringen, wenn nötig, zu versorgen, sie ins Mungo zu schaffen, Verwandte aufzutreiben.

 

Es war eine Aufgabe, nach der sich das Ministerium sehnte. Denn ohne Krieg passierte erstaunlich wenig, hatte Harry festgestellt. Und ihm machte das überhaupt nichts aus. Abgesehen von der Langeweile, die ihn umbrachte. Gut, Frieden war ein zweischneidiges Schwert.

 

Tatsächlich befanden sich mehrere Ehemalige in Gruppen in der Halle, darunter auch die Malfoys, neben den Stouts und den Winters. Sie alle hatten ungelöste Fälle von verlorenen Söhnen oder Töchtern zu verzeichnen. Hermine stand aufgelöst neben ihm, während sie unablässig auf ihren Nägeln kaute und die Kamine wachsam im Auge behielt.

 

Harry kam es vor, wie das Warten auf eine Art verfrühten Weihnachtsmann.

 

Es blitzte unpassend hell, während der Tagesprophet wohl Probeaufnahmen über ihren Köpfen machte. Sechshundert Augen wandten sich plötzlich in Richtung der Kamine, als diese grün aufloderten. Aber mit verengten Augen stellte Harry lediglich fest, dass es Besucher waren. Besucher…, die er kannte. Die Goyles sowie… Blaise Zabini und Vincent Crabbe. Er hatte sie ewig nicht gesehen. Und so langsam nahm er mit wachsender Nervosität an, dass tatsächlich eine höhere Chance bestand, dass Draco Malfoy unter den Gefangenen war. Die Neuankömmlinge wirkte aufgeregt, nervös, fanden die Malfoys, besprachen sich mit eiligen Stimmen, und Hermine neben ihm wurde zappelig.

 

Aber bevor sie seine Seite verlassen konnte, um tatsächlich zu der kleinen Gruppe an Reinblütern zu marschieren, flackerten mehrere Kamine auf. Die Kameras wurden in die Höhe gerissen, und als Harry seine Abteilung erkannte, die sich durch die Flammen ins Atrium schob, brannte bereits das Blitzlicht auf. Die Reporter bestürmten praktisch die Ankommenden, und Harry sah zunächst gar nichts mehr.

 

Überwiegend schienen die Neuankömmlinge tatsächlich Auroren seiner Abteilung zu sein. Er erkannte Peter und Greyson, Patrick, Will und Gerald, aber hinter ihnen wurde er den anderen gewahr. Es waren eine Menge Leute. Er zählte bestimmt zehn Fremde, wenn nicht fünfzehn. Alle gekleidet in den hübsch-hässlichen One-Size-Fits-All Schutzuniformen des Ministeriums. Und Hermine drängte sich ohne jede Rücksicht nach vorne.

 

Und bei Gott…

 

Harrys Mund öffnete sich. Er erkannte ihn. Die Schneise der Auroren teilte sich, erlaubte ihm den Blick auf die Kriegsgefangenen, einige blutverschmiert oder leicht verletzt, andere staubig und dreckverklebt, teilweise übermüdet und krankhaft abgemagert, aber… er war sich sicher! Er erkannte ihn!

 

Die Malfoys stürzten praktisch hervor. Mrs Malfoy schrie jammervoll auf, so dass die Kameras wieder blitzten. Sie und Mr. Malfoy zerrten ihren Sohn aus der Masse an Neuankömmlingen, zogen ihn in die Arme, schienen sich nicht an seiner schmutzigen Gestalt zu stören, und trotz des Drecks leuchteten seine kurzen Haare hell im künstlichen Licht des Atriums.

 

Er schien der einzige zu sein, der als Vermisster einer Reinblutfamilie aufgetaucht war. Die Stouts und die Winters suchten mit ihren Blicken die Kriegsgefangenen ab, aber… ihre Kinder schienen nicht dabei zu sein. Aber Harrys Aufmerksamkeit ruhte auf Malfoy, der die Umarmungen und vielen Worte seiner Eltern steif über sich ergehen ließ. Seine ehemaligen Freunde redeten auf ihn ein, wieder blitzten die Kameras, und Harry erkannte, dass Hermine nicht wagte, weiter vorzugehen.

 

Sie verblieb zwischen den Mitarbeitern und Schaulustigen, und die Aufmerksamkeit widmete sich den übrigen Ankömmlingen, die überschwänglich in Empfang genommen wurden. 

 

Fast enttäuscht verzog Harry den Mund. Sein Blick ruhte noch immer völlig entgeistert auf Malfoy. Und dann machte dieser sich von seinen Eltern los, reagierte nicht auf ihre Worte, ihre Fragen. Und Harry hatte das Gefühl, als suche sein Blick die Menge an Leuten ab.

Malfoy erschien ihm merklich wacher, merklich unverletzter und weniger geschädigt als die anderen. Und unwillkürlich fragte er sich, wer die Revolte der Gefangenen angeführt hatte. War es… Malfoy selbst gewesen?

 

Und er fing seinen Blick auf. Harrys Herz blieb fast stehen. Es war so unwirklich. Malfoy erkannte ihn. Als wären keine sieben Jahre vergangen. Auch durch den Dreck erkannte Harry ihn. Er hatte ihn solange nicht gesehen.

 

Und dann schob sich Malfoy achtlos durch die Menge, sein Blick beinahe manisch.

 

Und dann fand er sie.

 

Er blieb stehen. Immerhin war die Menge so aufmerksam, zur Seite auszuweichen. Harry erkannte auch von hier, wie weit Hermines Augen waren. Erkannte, wie es ihr zusetzte, dass er tatsächlich hier war. Sie hatte beide Hände ineinander verschlungen und hielt sie angespannt vor ihrer Brust. Und als wäre ein lautloses Signal gefallen, setzte sich Malfoy in Bewegung. Er bewegte sich so schnell, und Hermines Hände fielen zu ihren Seiten. Harry stand praktisch auf den Zehenspitzen, soweit seine Verletzung es zuließ.

 

Und es war, als würden zwei Magneten zueinander finden. Langsam zuerst, aber Malfoy schloss den Abstand. Und ohne ein Wort, ohne eine unnötige Erlaubnis, schlangen sich seine Arme um sie, als… - als wäre es natürlich! Als wäre es immer so gewesen. Harrys Mund öffnete sich perplex, als Hermine sich von Malfoy küssen ließ, als sie ihre Arme um seinen Nacken schlang, von ihm vom Boden gerissen wurde, in die Luft, und gänzlich überfordert schwieg das Ministerium, ob dieses Bildes.

 

Aber dann tickte die Zeit weiter, wieder brandet das Blitzlicht auf, und Malfoy wurde mit Fragen bestürmt. Hermine weinte. Und Hermine lachte. Aber sie ignorierten beide die Kameras und die Reporter, schienen ineinander versunken, und immer wieder zog Malfoy sie in seine Arme, und Harry sah, wie sich auch Malfoys Mundwinkel hoben, wie plötzlich alle Anspannung von ihm fiel.

 

Als hätte Hermine geahnt, dass er sie wiederfinden würde. Sie schien keinen Tag gezweifelt zu haben. Letztendlich nicht. Sie hatte tatsächlich gewartet.  

Merlin, was für ein seltsamer Wink des Schicksals, dachte Harry, und konnte nicht verhindern, dass ein Lächeln sein Gesicht erhellte.

 

– The End –

 

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