Kapitel
Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 , Kapitel 7 ,
Kapitel 8 , Kapitel 9 , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12
~ The faces you see on the way up
Are those on the way back down, my friend ~
Er war
nicht hingegangen.
Und er
hatte nicht mal darüber nachgedacht hinzugehen, so überheblich war er.
Und es war
nicht einmal Überheblichkeit, nahm er an. Um überheblich zu sein, musste man um
einen Umstand wissen, gegenüber dem man sich erhaben wähnen konnte, oder nicht?
Erst der
Artikel im Tagespropheten hatte ihn
auch nur in entferntester Weise annehmen lassen, dass er überheblich sein
könnte.
Es war
ein Bericht über die Verstorbenen in der letzten Nacht des Krieges gewesen.
Er war
damals nicht bei der offiziellen Trauerfeier eine Woche darauf gewesen, und
auch jetzt, zu der Gedenkfeier ein halbes Jahr später, war er nicht erschienen.
Weshalb auch? Er hatte niemandem von Wert verloren, in dieser Nacht.
Seine
Mutter lebte, sein Vater lebte. Pansy lebte. Das war weniger eine Voraussetzung
als die nervtötende Tatsache, dass Pansy immer noch
in seiner Nähe war, um ihn wahnsinnig zu machen. Crabbe war nicht mehr da, aber
wenn er ehrlich war, dann war ihm Crabbe sowieso schon immer gleichgültig
gewesen.
Aber
Harry Potter hatte sich geäußert. Natürlich hatte sich König Narbengesicht
nicht halten können! Voldemort war
gefallen, Potter hatte überlebt. Natürlich lief er auf jeder Gedenkfeier herum,
stolzierte durch die Gegend, und jede Zeitung überschlug sich, sein Gesicht zu
zeigen.
Und
Potter hatte tatsächlich gesagt – so zitierte es der Tagesprophet –, dass Draco Malfoy wenigstens den Mut und den
Anstand haben sollte, zu der Gedenkfeier zu erscheinen, wo er doch Hermine
Granger sein Leben zu verdanken hätte!
Und Draco
hatte den Bericht zweimal lesen müssen, um tatsächlich zu begreifen, was Potter
ihm vorwarf! Als ob! Dracos Ansicht nach war das verdammte Schlammblut selber
schuld! Er hatte sie bestimmt nicht darum gebeten, sein Leben zu retten.
Absolut nicht! Wäre er vollkommen ehrlich, dann wäre er lieber gestorben, als
jetzt für ewig in einer fremden Schuld zu stehen! Auch noch in der fremden
Schuld eines dummen Schlammblutes! Mit Mut und Anstand hätte sein Auftauchen
wenig zu tun!
Sein
Vater hatte lediglich gelächelt, als Narzissa ihm den Artikel gezeigt hatte.
Draco hatte keinerlei Reaktion parat gehabt. Er war viel zu überrascht über die
Anschuldigung gewesen. Er schuldete Granger gar nichts! Und gerade eben weil er
sie nicht gebeten hatte, gerade eben weil
er nichts mit ihr zu tun hatte, und eben auch weil es ihre eigene Entscheidung
gewesen war, sah er sich in keiner Pflicht überhaupt irgendwas zu tun!
Und das
wusste Potter. Potter stellte es natürlich als anständig hin, aufzutauchen,
wenn man jemandem sein Leben zu verdanken hatte! Aber Draco veranstaltete auch
nicht jeden Morgen eine Parade für seine Mutter, die ihn immerhin geboren
hatte!
Potter
war ein Weichei. Potter war einfach jemand, der sich noch besser darstellen
wollte, indem er anderen mögliche moralische Fehler
vorhielt. Aber Potter konnte ihn damit nicht beeindrucken.
„Du denkst
wieder nach?“, unterbrach Pansy seine Gedanken, und er konnte sich nur knapp
daran hindern, die Augen zu verdrehen.
„Ja, Pansy. Gelegentlich“, bemerkte er säuerlich.
„Über diesen Zeitungs-Quatsch?“, erkundigte sie sich, während sie ihre
manikürten Nägel begutachtete. Wie eine einzige Hexe so viel Gold für
Schönheitspflege ausgeben konnte, würde ihm immer ein Rätsel bleiben.
„Was?“,
entgegnete er verwirrt, und sie sah ihn eindeutig an.
„Der Artikel. Über die Gedenkfeier und deine Undankbarkeit dem Schlammblut
gegenüber, was so großzügig ihr Leben für deins aufgegeben hat“, fuhr sie
lächelnd fort. Draco erhob sich augenblicklich von seinem Platz. Er hasste
Pansys Humor. Sie besaß nämlich keinen.
„Ich
bitte dich, Pans“, erwiderte er kopfschüttelnd. Pansy kam entschieden zu oft zu
Besuch. Das behauptete Astoria auch. Sie lächelte breiter. „Noch Tee?“,
ergänzte er knapp, denn jede Entschuldigung vor Pansy zu fliehen, würde er
nutzen. Er nahm sogar seine leere Tasse in die Hand. Vielleicht würde Pansy einfach
verschwinden. Sich in Luft auflösen, wenn er ihr nur weniger Aufmerksamkeit
schenkte. Zu dumm, dass seine Mutter recht angetan von ihr war.
„Sicher, Dray.“ Und er hasste es, wenn sie ihn so nannte!
Warum war
er an Pansy hängen geblieben? Wieso kam sie ständig hier vorbei? Und er war
sich nicht einmal hinter wem Pansy her trauerte. Und das war schon bezeichnend
genug für Pansys verwirrendes Gehirn. Denn sowohl er, Blaise als auch Gregory
hatten eine Freundin, und noch rätselte Draco, um wen Pansy eigentlich
trauerte.
Jedenfalls
hatte sie entschieden zu viel Zeit, wohingegen er in der Fima seines Vaters
arbeiteten musste. Und er war so dankbar, dass es Freitag war! Sehr, sehr
dankbar. Und Astoria hatte ihm für heute Abend abgesagt. Also… sah es Pansy anscheinend
als ihre Pflicht, ihn zu nerven.
Er mochte
sein Leben. Für Lucius zu arbeiten war… nun. Es war… - wie alles, was mit
Lucius zu tun hatte. Es war anstrengend und furchteinflößend. Immerhin war er
reich und ungebunden. Und von ihm aus, konnten Astoria und Pansy eine kleine
Schlammschlacht um ihn veranstalten.
Er
registrierte den Schatten im Wohnzimmer, als er es betrat.
„Mutter, ich-“ Er unterbrach sich, denn als er aufblickte war niemand da, der
ihm antworten konnte. Er sah sich in dem großen Saal um. Er war allein. Er
schüttelte kurz den Kopf. „Lowyn“, rief er in die
Stille, und die kleine Elfe erschien sofort.
„Ja,
Master Draco?“, fragte sie ergeben und verneigte sich tief in ihrem lumpigen
Kissenbezug.
„Bring
mehr Tee nach draußen“, befahl er knapp. Die Elfe verneigte sich noch tiefer
und verschwand mit einem Plopp.
„Bitte“, hörte er eine Stimme hinter
sich. Konsterniert und einen Hauch genervt. Und es war nicht Pansys Stimme. Er
spürte, wie sich die winzigen Haare in seinem Nacken aufstellten. Es war ein so
unangenehmes Gefühl, dass er spürte, wie sein Herzschlag unregelmäßig
weiterschlug. Er wandte sich zum Kamin um.
Und er
gefror in der Bewegung. Seine Hand zitterte plötzlich so stark, dass ihm die
leere Teetasse aus den Fingern glitt. Das filigrane Porzellan zerbrach sofort
auf dem Parkett, aber er konnte sich daran nicht stören. Ungläubig und
geschockt starrte er auf die Erscheinung vor sich. Das konnte nicht sein!
„Bring
mehr Tee nach draußen, bitte“,
wiederholte die Erscheinung, und hastig wich er zurück. Fuck!
„Was zum…?“, brachte er keuchend hervor und stolperte schutzsuchend hinter die
breite Couch. Er umklammerte die Lehne mit der einen Hand und griff mit der linken
nach seinem Zauberstab, den er im Hosenbund trug. Er zielte direkt auf den Kopf
der Erscheinung.
Und
Hermine Granger legte abwartend den Kopf schräg, während sie die Arme vor der
durchsichtigen Brust verschränkte.
~*~
Er
wusste, das passierte nicht wirklich! Vielleicht war er eingeschlafen,
bewusstlos oder hatte auf dem Weg von der Veranda ins Haus einen Schlaganfall
gehabt und fantasierte.
Die Hand,
die seinen Zauberstab hielt, zitterte heftig.
Es konnte
nicht sein, es konnte nicht sein, es-
„Draco,
wo bleibst du? Die Elfe hat-“ Pansy unterbrach sich selbst, als sie das
Wohnzimmer betrat. „Was genau tust du da?“, ergänzte Pansy vorsichtig und
stellte sich neben ihn hinter die Couch. Sie folgte seinem Blick, aber
lediglich Verwirrung zeichnete Pansys Gesicht.
„Was?“, flüsterte er, ohne den Blick von der Erscheinung abzuwenden. „Du siehst
es nicht?“, brachte er zitternd über die Lippen, und Pansy starrte geradeaus
auf den Kamin.
„Was genau?“, wollte sie vorsichtig wissen. „Draco, alles in Ordnung?“
Scheiße.
Atmen, einfach atmen, Draco! Wenn Pansy sie nicht sehen kann,
dann ist sie auch nicht da. Langsam sank der Zauberstab in seiner Hand, aber er
ließ sie nicht aus dem Blick. Er fuhr sich mit der anderen Hand fahrig durch
die silberblonden Strähnen, spürte, wie nass seine Handflächen geworden waren,
und Granger betrachtete ihn abschätzend. Oder ihr Geist! Oder was auch immer!
„Sie kann mich nicht sehen, Malfoy“, informierte sie ihn. Ihre Stimme. Sie
sprach! Mit ihm! Unmöglich! Es war verfluchte Scheiße noch mal absolut
unmöglich!
„Du bist
nicht echt!“, knurrte er zornig, und Pansy betrachtete ihn eingehender.
„Draco?
Sprichst du mit mir oder…?“ Pansy machte einen winzigen Schritt vor ihm zurück.
Und er schluckte, versuchte, seinen Puls unter Kontrolle zu kriegen, sowie
seinen abgehackten Atem.
„Ich…
nein!“ Er wandte sich vom Kamin ab. Wenn er sie nicht ansehen würde, wäre sie
auch nicht da! „Pansy, lass uns gehen!“, sagte er hastig.
„Wohin?“, erkundigte sich Pansy beunruhigt. „Alles in Ordnung? Du bist
schrecklich blass, Draco“, erklärte Pansy kopfschüttelnd.
„Alles bestens. Wirklich“, beteuerte er. „Lass uns gehen!“, beharrte er
eindringlich, und er stolperte praktisch nach draußen. Hastig sah er sich auf
der Veranda um, drehte sich um die eigene Achse, und sein Atem beruhigte sich,
als er die lauwarme Frühlingsluft einatmete.
Fuck.
Alles in Ordnung. Niemand war hier.
Pansy
stellte sich neben ihn. „Draco?“ Er erschrak beinahe.
„Ja?“, erwiderte er, immer noch außer Atem, und sie runzelte die Stirn.
„Wo
willst du hin?“
„Egal“,
brachte er mit klopfendem Herzen hervor. „Egal, alles, was du willst. Shoppen,
Schuhe kaufen“, plapperte er sofort, und Pansys Augen wurden groß.
„Wirklich?“ Sie schien zu verdrängen, wie seltsam er sich verhielt, wenn er ihr
in Aussicht stellte, Schuhe kaufen zu gehen. Und je schneller sich sein Puls
beruhigte, umso mehr bereute er diesen Anfall von Schwäche.
Denn
schon apparerierte sie mit ihm Seit-an-Seit, nachdem
sie ihr Makeup aufgefrischt hatte.
Draco
bereute es sehr.
~*~
Es waren
geschätzte hundert Stunden vergangen, in denen er sich eintausend Schuhe, mit
unterschiedlich hohen und gefährlichen Absätzen angesehen, beurteilt und wieder
vergessen hatte, sowie an die siebzigtausend Kleiderkombinationen zu diesen
Schuhen.
Grafton’s
Modeboutique
überschlug sich praktisch für Pansy immer mehr Modelle hervor zu kramen,
während Draco in dem Besuchersessel nahezu kaum noch die Augen offen halten
konnte, vor Langeweile. Allerdings begann der Elfensekt Wirkung zu zeigen.
Und
Alkohol machte das ganze erträglicher.
„Wie
findest du die Farbe?“
Immer
wieder glitt sein Blick suchend durch die Boutique. Er hatte bereits hinter
Kleiderständern und Gardinen gespäht. Nur aus paranoider Vorsicht heraus.
„Draco?“
Pansy besaß die Dreistigkeit genervt zu klingen.
„Was?“,
gähnte er desinteressiert.
„Die
Farbe. Steht sie mir?“, schien Pansy zu wiederholen und er betrachtete
gelangweilt den achtzigsten grünen Minirock, den sie mit der tausendsten
hochhackigen Sandale trug.
„Ja“,
sagte er einfach nur, denn vielleicht würde sich Pansy endlich entscheiden,
etwas zu kaufen! Leider, leider war Pansys Figur gut genug, dass sie nahezu
alles anziehen konnte, dass ihr nahezu alles stand, und dass er tatsächlich
Tage hier würde zubringen können, vermutete er bitter. Er sollte nach der Elfe
rufen, damit sie ihm einen Schlafsack bringen würde.
„Wirklich?“
Sie betrachtete sich unzufrieden in dem großen Spiegel. Eine Verkäuferin hatte
sich zu ihnen gesellt.
„Steht Ihnen wirklich absolut ausgezeichnet, Miss Pansy!“ Merlin, die
Verkäuferin würde auf ihrer Schleimspur noch ausrutschen. „Noch ein Glas Sekt,
Mr Malfoy?“, erkundigte sie sich mit einem zuckersüßen Lächeln bei ihm, und er
ruckte mit dem Kopf.
„Ich
probiere den braunen noch mal an“, warf Pansy ein und war wieder zu den
Umkleidekabinen gestöckelt.
Draco
setzte das Glas hoch an und leerte es verzweifelt.
„Sieht
nach Spaß aus.“
Er
verschluckte sich so stark, dass ihm der Sekt das Kinn hinab lief, während er
hastig aufsprang und sich umdrehte. Seine Augen suchten eilig den leeren
Verkaufsraum ab. Weiter hinten bediente eine Verkäuferin noch eine weitere
Kundin, aber in seiner nächsten Nähe war nichts. Er suchte mit seinem Blick den
Boden ab, die Decke, die leeren Umkleidekabinen, drehte sich um die eigene
Achse, und stellte mit zittrigem Fingern das Glas zurück auf den niedrigen
Tisch.
„Fuck“,
keuchte er und fuhr sich über die Augen. Er hatte sie gehört! Definitiv!
Er
öffnete die Augen und stolperte vor Schreck zurück in den Sessel.
„Verflucht!“,
entfuhr es ihm, denn sie stand direkt vor ihm. Er wich tiefer in den Sessel
zurück, als sie sich umwandte.
„Immerhin
wirst du bedient, kannst dich betrinken…“, fuhr sie gelassen fort, und er
starrte sie kopfschüttelnd an. Wieder suchten seine Finger verzweifelt nach
seinem Zauberstab. Wieder richtete er ihn zitternd auf ihren Kopf.
„Verschwinde!
Oder ich…“, brachte er schwer atmend hervor, aber sie lächelte. Ihr fast
durchsichtiger Kopf lächelte. Freudlos.
„Oder
was?“, fragte sie bitter. Er rappelte sich hoch, kletterte in keiner unbedingt
geschmeidigen Bewegung aus dem Sessel über die Lehne und begann rückwärts zu
laufen. Er stieß sich fluchend an riesigen Zimmerpflanzen, an Kleiderständern,
bis er – mit gezogenem Zauberstab – die Türen erreichte. Die Verkäuferinnen im
vorderen Bereich starrten ihn perplex an, während er sich hastig umwandte und
das Geschäft fluchtartig verließ.
Die
untergehende Sonne warf lange Schatten, und er lockerte beim Gehen seinen Kragen.
Er atmete tief ein, und zählte innerlich bis zehn. Er wurde also tatsächlich
wahnsinnig. Er hielt den Zauberstab gezogen. Für den Fall! Seine Schritte
wurden schneller, und ihm war übel. Übel vor Angst.
„Und
jetzt?“
Fast wäre
er vor Schreck vom Bürgerstieg gefallen, denn sie war neben ihm aufgetaucht. Er
wich auf das Kopfsteinpflaster der Straße zurück, hob den Zauberstab wieder,
und schüttelte den Kopf.
„Nein!“,
sagte er fest. „Du bist nicht echt!“, schrie er praktisch und schleuderte den Stupor nur für alle Fälle direkt in ihre
Richtung, direkt auf ihren Kopf.
Und er
schlug durch ihren Körper, schlug direkt in die Mauerwand ein, und aus einem
kopfgroßen Loch bröckelte der Putz in der Fassade. Der Staub legte sich, und
sie war verschwunden. Die grauenhafte Erscheinung von Hermine Granger war
verschwunden.
Er atmete
erleichtert aus, lachte hysterisch auf, fuhr sich durch die Haare, und die
Passanten waren stehen geblieben, um ihn anzustarren.
„Das war nicht besonders nett. Und du machst dich lächerlich“, vernahm er ihre
Stimme erneut, wirbelte auf dem Absatz herum, nur um ihn Gesicht zu blicken.
Vor Schreck stolperte er nach hinten, fiel über die Bordsteinkante und landete
unsanft auf seinem Hintern.
„Sir,
alles in Ordnung?“ Eine Hexe beugte sich über ihn, und er wich hastig auf dem
Boden zurück. Er kam auf die Beine, Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Fuck
, fuck, FUCK!
Wie ein
Irrer drehte er sich um sich selbst. Er bildete es sich ein! Er musste! Er
musste einfach! Es gab keine logische Erklärung! Er wurde wahnsinnig! Wieder
drehte er sich um sich selbst, panisch sah er sich um, und die Hexe machte sich
schleunigst davon. Er stolperte vorwärts, einfach weg von hier!
Er
stolperte über seine eigenen Füße, wischte sich unwirsch die Strähnen aus der
Stirn und hatte keine Ahnung, wohin er lief. Nur weg! Einfach nur weg von hier!
„Pansy
wird dich vermissen, weißt du?“, hörte er sie erneut, dicht hinter ihm. Er
bedeckte die Ohren mit seinen Händen.
„Halt den Mund!“, schrie er und störte sich nicht an den Blicken, die ihn
trafen.
Er war
die Winkelgasse hinab gestürmt, nur um die Tür zum Tropfenden Kessel
aufzureißen.
Er
stolperte zu Theke, klammerte sich an die Kante, und Tom, der Wirt, sah ihn
erhobener Augenbraue an.
„Whiskey!
Doppelt!“, keuchte Draco zusammenhanglos.
„Du
trinkst zu viel“, sagte sie abwertend und ihr nahezu durchsichtiger Körper
setzte sich auf den Barhocker neben ihm. Er blickte starr nach vorne, bis der
Wirt das Glas vor ihn stellte, und er hob die Hand, nachdem er es in nur einem
Zug geleert hatte.
„Noch
einen“, flüsterte er hustend, und Tom füllte sein Glas, ohne etwas zu sagen
erneut. Und Draco leerte auch das zweite Glas in nur einem Zug. Er stellte das
Glas mit einem lauten Geräusch zu auf die Theke und starrte auf das polierte
Holz, während er tiefe Atemzüge nahm.
„Das ist
Irrsinn“, murmelte er der Holzplatte zu. Der Alkohol arbeitete sich langsam
durch seinen Blutkreislauf. Draco fühlte, wie es in seinem Magen und seiner
Speiseröhre wärmer wurde, wie seine eiskalten Finger sich aufwärmten. „Du bist
ein Produkt meiner Fantasie!“
Wenigstens
achtete hier in der Kneipe voller Betrunkener niemand auf seine Worte. Er sah,
wie sie neben ihm den durchsichtigen Kopf schüttelte. „Du bist nicht echt!“,
sagte er fest. „Das passiert alles nur in meinem Kopf!“, fügte er bestätigend
hinzu.
„Idiot“,
hörte er sie murmeln, und er sah, wie sie verschwand. Wie sie sich auflöste,
und er hob den Blick. Sie war fort. Hastig sah er sich um, ließ den Blick durch
die Bar wandern, aber sie war nicht mehr da!
Ha! Er
hatte halluziniert! Sie war nicht echt gewesen! Nass geschwitzt sank er auf den
Barhocker. Merlin, er wurde verrückt. Das war alles. Gut. Das war besser, als
wenn er auf einmal Grangers Geist sehen würde! Definitiv besser!
~*~
Bunte Blitze überall. Einfach
überall! Er konnte nicht…-
…
Mit einem
Ruck war er aus seinem Traum geschreckt. Er erinnerte sich nicht mehr, aber
sein Blick glitt schlaftrunken durch sein Schlafzimmer. Die Sonne war bereits
aufgegangen, stellte er fest, denn durch die dichten Vorhänge, versuchte das
Licht einen Weg zu finden. Er fuhr sich durch die verstrubbelten Haare.
„Versuch
bitte keinen Stupor zu benutzen.“
Sein Herz
machte einen lauten Satz, während er vor Schreck ans Kopfende des Bettes
zurückwich.
„Fuck!“,
keuchte er heiser, und erkannte sie auf seiner Bettkante sitzen. Hastig suchte
er nach dem Zauberstab. Wo war er? Wo war der verdammte Zauberstab?!
„Malfoy!“,
drang ihre gereizte Stimme zu ihm durch.
„Nein!“, rief
er abwehrend. „Du bist nicht echt!“, fügte er lauter hinzu. Seine Hände suchten
hastig die Bettdecke ab, griffen im Dämmerlich auf seinen Nachttisch, aber der
Zauberstab war nicht da.
„Bist du
fertig?“, fragte sie jetzt, und er hob schwer atmend den Blick.
Salazar,
verflucht! Granger saß auf seinem Bett! In Lebensgröße! Er trat die Decke von
seinen Füßen. Scheiße! Er musste hier raus. Aber sie hatte sich lautlos erhoben
und stellte sich vor die Tür.
Barfuß
war er aus dem Bett gestolpert, fast gefallen, denn seine Decke hatte sich um
seinen Fuß gewickelt. Sie versperrte die Tür? Gut, dann würde er aus dem ersten
Stock springen! Kein Problem!
„Oh ich
bitte dich!“, brachte sie kopfschüttelnd hervor, als er im Begriff war, die
Vorhänge von den Stangen zu reißen, um sich aus seinem Fenster zu stürzen. Sie
machte einen Schritt nach vorne, und hastig, als könne er sich verbrennen, wich
er fluchend zurück, bis er wieder seine Bettkante unsanft in den Kniekehlen
hatte.
„Verfluchte
Scheiße!“, brachte er keuchend hervor. „Was willst du von mir, verdammt?“,
flüsterte er panisch, während sie ruhig näher kam. Er verlor den Halt und
landete wieder weich auf der Matratze. Sie stand nun direkt vor ihm, und er sah
in ihr Gesicht.
„Keine
Ahnung“, sagte sie schließlich, schlecht gelaunt. Er konnte in ihr Gesicht
sehen. Nein, er starrte förmlich, mit so weit aufgerissenen Augen, dass sie
schon anfingen zu tränen. Er schüttelte wieder den Kopf, rieb sich hastig die
Augen, aber die Erscheinung blieb. Grangers Geist stand vor ihm. Sie trug…
Jeans? Turnschuhe und ein Oberteil. Alles grau in grau. Ihr Gesicht war… so wie
er es kannte. Ihr Mund war wütend verzogen, die Haare fielen ihr lang und
lockig über die Schultern, und sie schien abzuwarten.
Er
schluckte schwer, denn seine Kehle war staubtrocken.
„Was zum
Teufel willst du?“, wiederholte er, während ihre Nähe seinen Herzschlag
verdoppelt hatte.
„Ich weiß
es nicht“, erwiderte sie zornig. „Ich habe mich bestimmt nicht darum gekümmert,
freiwillig hier aufzutauchen!“ Mehr sagte sie nicht. Er atmete. Schloss die
Augen, versuchte sich zu konzentrieren.
Sie würde
verschwinden, wenn er sich darauf konzentrieren würde. Sie musste! Sie war
nicht echt!
„Du bist
nicht echt! Du bist nicht echt!“, flüsterte er, während er den Kopf schüttelte.
Dann
öffnete er die Augen. Sie war fort.
„Das
funktioniert nicht“, bemerkte sie bitter, und erschrocken wandte sich sein
Blick zum Fenster. Sie lehnte dort an der Wand… wenn sie denn lehnen konnte?!
„Salazar…“,
murmelte er tonlos, und sie verschränkte die durchsichtigen Arme vor der Brust.
„Ja, bist
du damit fertig? Ich habe nämlich keine Lust mehr“, informierte sie ihn kalt,
und für eine Sekunde vergaß er seine Panik.
„Keine Lust mehr?“, wiederholte er nur, und
sie atmete entnervt aus. Sie atmete tatsächlich aus! Er wusste nicht, was sie
war oder warum sie hier auftauchte, aber er nahm nicht an, dass sie atmen musste! Oder, dass er sie hören sollte!
„Ja. Seit
gestern bin ich hier, und… anscheinend gehe ich nicht“, erläuterte sie, als
wäre er zurückgeblieben. Er lachte kurz auf. Trocken, freudlos.
„Das ist
ein Scherz?“, vermutete er jetzt. „Oder ich halluziniere! Oder ich träume…“
„Oder
auch nicht“, schloss sie grimmig. „Wann ist deine Panik ungefähr vorbei?“,
wollte sie jetzt ungeduldig wissen.
„Was?“, entfuhr es ihm tonlos. „Oh,
Merlin, ich weiß nicht, Granger!“, rief er hysterisch. „Vielleicht nach einem Buttercorissant und einer Tasse Earl Grey?“, schrie er
praktisch, während er sich durch die Haare fuhr. „Merlin!“ Er bedeckte das
Gesicht mit den Händen.
„Fuck,
verflucht“, murmelte er. „Du…“ Er öffnete die Augen wieder. „Du bist ein
Geist?“
„Wie
scharfsinnig von dir“, entgegnete sie, und er atmete laut aus.
„Woher – verdammt noch mal – soll ich es wissen?“,
brachte er zornig hervor. Er starrte auf seinen Teppichboden.
„Du
solltest es erst recht wissen!“
„Das ist
vollkommen unmöglich!“, murmelte er dem Boden zu.
„Ja, find
dich damit ab. Ich bin hier“, knurrte sie förmlich. Sein Blick schoss wieder
nach oben.
„Du bist tot. Du bist ein Geist! Geh einfach dahin, wo du sonst auch warst!“
Sie sah
ihn an. Und echte Verwirrung trat auf ihre Züge.
„Wo ich war?“, wiederholte sie langsam. „Ich war
nirgendwo, Malfoy. Das ist das erst Mal, dass ich irgendwo bin!“
„Was?“,
wiederholte er und kam zitternd auf die Beine. Sie war ein Geist, aber er war
immer noch größer als sie. Er fuhr sich wieder durch die Haare. Vielleicht
könnte er sie verletzen? Bewusstlos schlagen? Umbringen?! Neue Ideen, bescheuerte
als die letzte, schossen ihm durch seinen Kopf.
„Jetzt.
Hier. Ich war… nirgendwo. Oder dazwischen. Ich weiß es nicht, ok?“
„Du… was?“
Er
starrte sie an. Das war doch wohl ein verfluchter Scherz!
Seine Tür
öffnete sich, und er bekam einen halben Herzinfarkt.
„Was
treibst du hier?“, erkundigte sich sein Vater gereizt. Draco atmete heftig.
Sein Vater schien direkt an Granger vorbeizusehen.
„Wie
nett“, bemerkte sie bitter. „Alte Bekannte.“ Er ignorierte ihre Worte, so gut
er konnte.
„Was?“, flüsterte
er verwirrt, und sein Vater musterte ihn mit gerunzelter Stirn.
„Was tust
du hier?“
„Gar
nichts?“, erwiderte er prompt, beinahe schuldbewusst, während er schwer atmend
vor seinem Bett stand, nur in seiner Shorts. Lucius sah an ihm hinab.
„Aha. Dann
tu es leiser. Es ist sechs Uhr
morgens, es ist Samstag, und manche von uns möchten schlafen, Draco?“ Sein
Vater war sauer. Draco konnte ihn nur anstarren.
„Lucius“,
hielt er seinen Vater hastig auf, und dessen Mund verzog sich grimmig, als er
ungeduldig im Türrahmen verharrte. „Du kannst nicht…? Du siehst nur mich hier
drinnen, richtig?“
Der Mund
seines Vaters öffnete sich ein winziges Stück weit. Demonstrativ ließ er seinen
misstrauischen Blick durch das Zimmer schweifen. „Geh wieder ins Bett, Draco“,
informierte ihn sein Vater eisig und schloss seine Tür mit einem Ruck.
„Niemand
kann mich sehen.“
„Nicht
korrekt. Dann wäre ich ja auch verschont“, murmelte er erschöpft und hörte sie
schnauben.
„Ich habe
nicht darum gebeten, ok? Ich war gestern auf einmal hier! Hier, in deinem Haus!
Und ich kann nirgendwohin!“
„Was? Du
warst auch im scheiß Geschäft und in der scheiß Bar!“, knurrte er, während er
sie näher ins Auge fasste. Sie sah ihn genauso feindselig an.
„Ja, ich kann dahin, wo du bist“, giftete sie, und er schüttelte wieder den
Kopf.
„Das ist… unmöglich! Ich kann nicht der einzige sein, der dich sieht! Was… was
ist mit Potter?“, brachte er widerwillig über die Lippen. Und es musste die
Vorstufe seines Wahnsinns sein, dass er ausgerechnet jetzt an Potter denken
musste!
„Keine
Ahnung, Malfoy. Hast du Kontakt zu Harry?“, brachte sie gepresst hervor und
wanderte durchsichtig durch sein Zimmer. Fasziniert sah er ihr zu und überlegte
immer noch, ob er wahnsinnig geworden war. „Wahrscheinlich nicht“, beantwortete
sie ihre Frage gereizt.
„Ich will
einen Beweis“, sagte er jetzt. Sie hielt inne und starrte ihn an.
„Was?“
„Dass du
kein Produkt meine Fantasie bist! Dass ich… nicht wahnsinnig bin! Wenn du ein
Geist bist, dann kannst du es bestimmt beweisen.“
„Wenn nur
du mich siehst-“, begann sie gereizt, aber er schüttelte den Kopf.
„Nein! Uh-uh! So nicht! Geister können Dinge bewegen!“
„Geister
können keine Dinge bewegen!“, widersprach sie genervt.
„Geister
können-“
„-können sie nicht“, unterbrach sie ihn lauter. Und er atmete knapp aus.
„Doch,
Granger. Geister können in die Welt der Lebenden greifen. Sie können, mit
Konzentration und… Willenskraft, Dinge bewegen!“, wiederholte er gepresst.
„Ist das
so? Nenn mir eine Hogwarts-Geist, der das konnte“, forderte sie ihn heraus.
„Granger…“,
knurrte er, unterbrach sie dann aber. Es war absurd! „Lies
es nach!“
„Oh ja.
Ganz einfach! Ich kann kein Buch halten,
du Idiot!“, rief sie jetzt und stemmte die Hände in Hüften. Draco schloss die
Augen. Er diskutierte mit einer Wahnvorstellung!
„Ich
weiß, dass es möglich ist!“
„Ach und
woher willst du das wissen? Zwischenzeitlich ein Geist gewesen, oder woher
nimmst du deinen reichen Erfahrungsschatz?“, wollte sie unnachgiebig von ihm
wissen.
„Gott!“,
entfuhr es ihm. Das konnte doch nicht wahr sein! „Weil Potters Eltern Voldemort
angegriffen haben, als er versucht hat… als er…“ Er verkniff sich das Ende des
Satzes. Ihre Augen verengten sich voller Hass.
„Oh ja? Hat dir das dein Vater nach dem fröhlichen Treffen von Voldemorts
Wiederauferstehung erzählt?“ Sie sahen sich an. Und er musste sich setzen. Er
atmete aus.
„Gestern!“, rief er plötzlich. „In der Bar!“ Sie verdrehte, provisorisch wie es
schien, ihre Augen. „Da bist du verschwunden!“
„Nicht
wirklich“, entgegnete sie.
„Wohin?“
„Was
meinst du damit, wohin?“
„Merlin,
du warst nicht mehr da! Also bist du doch irgendwohin verschwunden?!“, entfuhr
es ihm zornig.
„Ich war
nirgendwo“, erklärte sie trotzig. Er schloss gereizt die Augen und atmete aus.
„Ich wollte dich nur nicht mehr sehen“, fügte sie grimmig hinzu.
„Was?“ Er
sah sie wieder an.
„Ich war
am selben Ort. Nur… unsichtbar…“, fügte sie hinzu. „Anscheinend“, ergänzte sie
mit gerunzelter Stirn und hob entnervt die Arme.
„Dann mach das noch mal!“, befahl er jetzt.
„Was? Ich bin kein Dschinni, Malfoy!“, entfuhr es ihr
zornig.
„Aber du
bist doch-“, knurrte er ungehalten, und sie stöhnte auf.
„Ja, du hast mich auch wahnsinnig gemacht!“
„Und…
ich…was? Und du denkst, es ist mir
recht, dass du hier auftauchst?!“, fuhr er sie an.
„Du bist
ein Arschloch!“, sagte sie tatsächlich. Und er sah, wie sie sich auflöste. Sein
Blick glitt durch sein Zimmer, während er sich nicht bewegte.
„Granger?“,
fragte er leise in den Raum, erhielt aber keine Antwort. „Bist du hier?“, fügte
er hinzu, und wandte sich um, starrte zur Decke, spähte hinter seinen Vorhang,
aber sie war nicht da. „Bist du weg?“
„Nein,
bin ich nicht“, ertönte ihre Stimme, und vor Schreck stieß er sich den Fuß an
seinem Bettpfosten.
„Oh,
verfluchter- au!“, knurrte er, und wieder öffnete sich seine Tür.
„Draco!“,
sagte sein Vater mehr als warnend. „Was zum Teufel veranstaltest du hier?“
Kurz
überlegte er, es Lucius zu sagen. Kurz. Nicht wirklich. Nein, eigentlich wusste
er schon, dass er das hier keinem sagen würde!
„Ich…“
„Merlin
noch mal, geh ins Bett oder geh! Aber hör auf mit dem Krach!“ Wieder fiel seine
Tür ins Schloss.
„Du
könntest den Muffliato
auf dein Zimmer legen“, schlug sie ihm in ätzendem Tonfall vor, und er schoss
ihr einen kalten Blick zu.
„Wie wäre
es, wenn du dich wieder auflöst, Granger?“, knurrte er zornig.
„Ich bin
nicht weg, weißt du?“, gab sie bockig zurück.
„Ja, ich
weiß“, erwiderte er gereizt. „Ich lass mir was einfallen“, ergänzte er und
spürte die Kopfschmerzen kommen.
„Du
lässt dir was einfallen?“, wiederholte sie skeptisch.
„Ja.
Glaub mir, das hier… will ich nicht!“
Und sie verzog den Mund. „Aber es würde mir leichter fallen, wenn ich dein
Gesicht nicht sehen müsste“, fügte er
gereizt hinzu.
„Du bist
unfassbar!“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd. „Glaub ja nicht, dass das hier
meine Vorstellung vom Paradies ist, du undankbarer Scheißkerl!“
Und mit
einem letzten tödlichen Blick löste sie sich wieder auf. Er atmete erschöpft
aus.
Konnten
die Blicke eines Geistes tödlich sein, überlegte er dumpf, während er seine
Vorhänge aufzog. Sich aus dem Fenster zu stürzen erschien ihm nicht mehr die
schlechteste Wahl zu sein.
Es war
wieder still. Er starrte in seinem Zimmer umher. Sie war noch da. Nur
unsichtbar? Das war nicht viel besser. Überhaupt nicht
besser.
~ With just the memory of your face
Gracious goes the ghost of you ~
„Ich
glaube nicht, dass ich dich verstehe, Draco.“ Sogar Pansy schien an irgendeinem
Punkt genervt zu sein, stellte er mit überraschender Erkenntnis fest. „Warum
guckst du so etwas nach?“
„Weil ich weiß, dass Geister-“
„Nein, ich meine, warum guckst du
sowas nach?“, wiederholte sie deutlicher. Er verdrehte die Augen.
„Um meine
Tage zu füllen, Pansy“, erklärte er bitter.
„Aha? Weißt du, ich habe dir noch nicht verziehen, dass du mich gestern hast
sitzen gelassen!“, merkte sie an. Er verdrängte seine Wut.
„Hm, ja.
Ich… hier!“, entfuhr es ihm als er
über eine Zeile stolperte. „Materielle Verbindungen!“, las er aufgeregt.
„Geister können in der lebendigen Welt Einfluss auf ihre Umgebung nehmen! Sie
brauchen nur ein starkes Gefühl!“, las er die Worte.
„Draco…“,
begann Pansy etwas überfordert, aber Draco schüttelte den Kopf.
„Denkst
du, andere Geister können einen Geist sehen?“
„Im
Gegensatz zu…?“
„Menschen!“,
erwiderte er, und Pansys Blick sagte ihm eins mehr als deutlich: Sie hielt ihn
für vollkommen durchgeknallt.
„Ähm, du…
vielleicht solltest du… wen anders fragen?“, schlug sie vor. „Ich dachte, wir
wollten ausgehen.“
„Pansy,
ich gehe mit Astoria aus“, stellte er schließlich fest. Neben seiner seltsamen
Geisterjagd, hatte er noch ein Leben.
„Ich weiß
das, Draco“, erwiderte sie eine Spur gereizter. „Aber Astoria ist auch meine
Freundin.“
„Ja?“, entfuhr es ihm, denn Astoria hielt ihm eigentlich nur ständig vor, dass
er zu viel Zeit mit Pansy Parkinson verbrachte. Aber jetzt gerade war ihm Pansy
lieber als Astoria. Denn mit Astoria hatte er Sex. Und wahrscheinlich würde sie
ihn verlassen, würde er mit Geistergeschichten anfangen.
„Ja. Und
wir gehen alle aus, wenn es das ist, was du meinst.“
„Ja, ja.
Später. Hör mal, gibt es außerhalb von Hogwarts Geister?“, wechselte er das
Thema, denn er brauchte einen zweiten verdammten Geist!
„Was?“
„Geister!
Du weißt schon. So wie der Blutige Baron“, erläuterte er ungeduldig. Sie
starrte ihn an. Er verdrehte die Augen. „Pansy, ich habe dir eine simple Frage
gestellt!“
„Nein, du
hast mir eine verrückte Frage gestellt, Draco“, korrigierte sie ihn behutsam.
„Und ich denke, ich habe keine Lust, verrückte Fragen zu beantworten.“
„Pansy,
ich bitte dich. Ich verlange ja nicht von dir, dass du nackt vor den Pfauen
tanzt!“, bemerkte er mit einer Geste auf die Wiese. Pansy verschränkte die
Arme. Wahrscheinlich war das sogar etwas, das sie vorziehen würde, überlegte
Draco kurz.
„Ich
denke, Astoria hätte etwas dagegen“, entgegnete sie kühl.
„Hm, wer
ist gestorben?“, überlegte er laut.
„Keine Ahnung“, sagte sie bockig. „In meinem Hause keiner. Geister gibt es nur
in Hogwarts“, sagte sie.
„Hm. Gut.
Hogwarts“, merkte er an. „Und wenn die Geister den Geist nicht sehen können,
dann ist er auch nicht echt?“ Aber dann wäre er verrückt. Pansy starrte ihn
wieder an.
„Draco? Welcher Geist? Wovon sprichst du?“
„Von gar
nichts, Pansy.“
„Du
machst mir Angst“, erwiderte sie ehrlich.
„Ich mache mir selber Angst, Pans. Das ist in spätestens einer Woche vorbei.
Ich schwöre es!“
„Auf dein
Leben? Das dürfte dann nämlich interessant werden“, hörte er Grangers Stimme
hinter sich. Er erschrak schon nicht mehr so sehr, dennoch zuckte er kurz
zusammen.
„Fein.
Dann… gehen wir später aus?“ Draco verzog den Mund auf Pansys Worte hin.
„Meinetwegen“,
willigte er ein.
„Ich
mache mich frisch. Zuhause“, fügte sie hinzu. „Und ich sage Goyle
Bescheid. Und… seiner Freundin“, fügte sie nahezu wertfrei hinzu.
„Fünftes
Rad am Wagen also?“, vermutete er, und ignorierte Grangers Geist.
„Nein.
Blaise und seine Freundin kommen auch. Und keine Sorge, ich finde schon
jemandem, mit dem ich mir die Zeit vertreiben kann, Draco.“ Sie war sauer. Es
war ihm egal.
„Gut“,
bestätigte er etwas abwesend, denn Granger hatte begonnen, zu wandern.
„Wir
holen dich ab. Um acht“, fügte sie bedächtig hinzu. Draco nickte. Granger
setzte sich auf Pansys Platz. Draco konnte nicht anders, als sie anzusehen. Es
war so unmöglich. Und seltsam. Und absolut unmöglich!
„Während
du Spaß hast und ausgehst… kommst du irgendwie weiter?“, wollte sie von ihm
wissen, und er versuchte, die Tatsache so gut wie möglich zu verarbeiten, dass
ein Geist mit ihm sprach. Aber… vielleicht war sie auch nicht echt. Und dann
brauchte er lediglich wirklich gute Tabletten! Oder einen wirklich guten Fluch!
„Du
kannst froh sein, dass ich nicht die Fluchbanner
gerufen habe, ok?“, knurrte er. „Ich habe nebenbei auch noch ein Leben. Ein
ziemlich volles Leben. Und es ist mein Wochenende, bevor ich wieder…“ Er ließ
die Worte verklingen. Was zum Teufel ging es sie an?! Gar nichts!
„Aha. Das
ist wahnsinnig spannend, aber ich habe keine Lust bis in alle Ewigkeit an
deiner Seite hocken zu müssen!“, entgegnete sie zornig.
„Oh,
irgendwann sterbe ich. Merlin sei Dank“, murmelte er.
„Also?“
„Also
was?“, entfuhr es ihm bitter. Er sprach mit sich selbst. So musste es doch
aussehen?! Oh Merlin!
„Was willst du tun? Du kannst doch wohl nicht ernsthaft denken, dass Hogwarts-“
„Ja,
Granger“, entgegnete er, genauso entnervt wie sie es war. „Wir gehen nach
Hogwarts.“
„Und was
sollen wir da? Wie willst du da überhaupt reinkommen? Du bist kein Schüler dort.“
„Nein,
aber ich denke, für einen Geist, der mich verfolgt werden sie eine Ausnahme
machen!“
„Oh, du
willst also damit an die Öffentlichkeit gehen?“
„Nein,
ich gehe zu McGonagall, Granger.“
Und er
merkte es jetzt. Ihren Namen zu sagen war… noch seltsamer, als dass sie hier
war. Und auch sein Plan war… nicht so leicht verdaulich. Denn… wie sah es
bitteschön aus? Er tauchte in Hogwarts auf, um mit den Geistern zu reden, weil
er von Hermine Grangers Geist verfolgt wurde?!
„Was?“, schnappte sie.
„Vielleicht
bin ich verrückt, und du bist wirklich nicht da“, sagte er leise, fuhr sich
wieder durch die Haare, rieb sich die Schläfen und schüttelte benommen den
Kopf.
„Ich weiß, dass ich da bin, Malfoy.“
„Ja,
aber…“
„Ich weiß
nicht, warum nur du mich sehen kannst. Vielleicht können Harry und Ron-“
„Nein!“, unterbrach er sie heftig. Denn das stand außer jeder Frage! Wenn er
schon McGonagall sagen müsste, weshalb er nach Hogwarts wollte, dann… würde er
ganz bestimmt nicht auch noch zu Potter gehen!
„Nein?“,
wiederholte sie. „Du willst es nicht mal probieren? Du willst nicht mal-“
„Nein!“,
bestätigte er kälter. „Vergiss es! Ich brauche nicht auch noch Potters Schuld
auf meinen Schultern!“
„Schuld?“,
wiederholte sie verdutzt. „Wovon zum Teufel sprichst du, du-“
„Nein!“,
unterbrach sie einfach wieder.
„Ich
denke, es ist einen Versuch wert! Und-“
„Und was?“, unterbrach er sie genervt.
„Und ich
würde sie gerne sehen“, erklärte sie deutlich und verschränkte die Arme vor
ihrer Brust. Sein Kopf schüttelte sich langsam.
„Wirklich?“,
entgegnete er säuerlich, und er wusste, würden die Elfen oder seine Mutter
jetzt rauskommen, würde es aussehen, als gäbe er, Draco Malfoy, gerade dem
Wahnsinn die Hand. „Weißt du, ich würde auch einige Dinge gerne verändern, aber
anscheinend kriegen wir nicht alle, was wir wollen, oder Granger?“
Und ihr
Blick wurde finster. Aber er schüttelte unnachgiebig den Kopf.
„Ich habe
ein Leben! Und das werde ich nicht
riskieren, weil du die Laune hast, Potter anzugucken!“, schrie er praktisch.
„Ich muss arbeiten, nächste Woche! Und ich habe eine Freundin! Und was ich
überhaupt nicht gebrauchen kann, ist ein verdammter Geist, den niemand sonst
sehen kann!“
Und sie
starrte ihn an. Beinahe hatte er das Gefühl, dass ihre grau in graue Gestalt
vor Wut Farbe anzunehmen schien.
„Es ist deine Schuld, dass ich hier bin! Nicht meine!“, sagte sie fest.
„Was? Ich habe mit keinem einzigen Gedanken jemals auch nur ein einziges Mal an
dich oder deine Geist gedacht!“, erwiderte er kalt. Und… das war… gelogen,
stellte er beinahe überrascht fest. Er hatte an sie gedacht. Flüchtig. Nicht
wirklich. Und nicht häufig, aber an sie gedacht hatte er manchmal. Und das
letzte Mal gestern. Nach dem Zeitungsbericht.
Nach der…
- sein Blick wurde klarer.
„Die Gedenkfeier“, murmelte er abwesend.
„Was?“ Sie sah ihn ungeduldig an.
„Vor drei
Tagen. Vor drei Tagen hat die Gedenkfeier für die Verstorbenen stattgefunden“,
entfuhr es ihm tonlos. Es musste etwas damit zu tun haben! Er wusste es!
„Warst du da?“ Aber allein ihr Ton sagte ihm, dass sie es wusste.
„Nein“,
entgegnete er. „Natürlich nicht. Ich habe niemanden verloren.“
„Du hast
niemanden… - oh, du bist unglaublich! Wirklich! Wie kann man nur so ein
egoistisches Arschloch sein?!“
„Draco?“
Mit einem
Sprung hatte er sich erschrocken umgewandt. Seine Mutter stand in den
Flügeltüren und musterte ihn. „Muss ich mir Sorgen machen?“
„Wa…warum?“, entfuhr es ihm hastig, während er sich über
sein Hemd strich, seine Haare richtete und einen nonchalanten Blick aufsetzte.
„Du
führst Selbstgespräche“, stellte sie mir gerunzelter Stirn fest.
„Ich… nein. Ich… habe nachgedacht“, erwiderte er nur. Oh Gott…, das war doch
lächerlich!
„Hm“,
sagte Narzissa, verharrte noch eine Sekunde, ehe sie sich, nicht zufrieden mit
seiner Antwort, abwandte. Er atmete aus. Grangers Geist besaß die
Unverfrorenheit genervt auszusehen.
„Du bist
selber schuld, dass du gestorben bist“, informierte er sie knapp. Ihr Mund
öffnete sich perplex. „Und du kannst froh sein, wenn ich mich darum kümmere,
dass du verschwindest“, ergänzte er kalt.
„Richtig“,
flüsterte sie tonlos. „Denn du willst mich hierhaben, oder? Du kannst dir
nichts Besseres vorstellen.“
„Potter
ist keine Option“, knurrte er. „Wenn du ihn sehen willst, dann hättest du dir
früher überlegen müssen besser sein Geist zu werden als meiner!“
„Ich bin
nicht dein Geist!“, presste sie
zornig hervor, aber Draco hob freudlos die Arme.
„Ach nein? Es scheint mir aber fast so!“, entfuhr es ihm bitter.
„Ok,
Malfoy. Du weißt, dass du nicht gewinnen kannst, richtig? Du hast eine
Freundin? Du siehst sie heute Abend? Und heute Nacht?“ Und ihm schwante Übles.
„Weißt du was? Ich werde auch da sein. Die ganze Zeit über, weiß Merlin für wie
lange“, bemerkte sie knapp.
„Ich gehe
nach Hogwarts. Potter ist keine Hilfe. Und dass ich schon alleine das tun
werde, ist mehr, als irgendwer verlangen kann!“
„Ja,
richtig. Du bist so großzügig!“, brachte sie zornig hervor, während sie sich
vor ihm auflöste. Miststück! Dämliches! Er wusste nicht mal, wann er nach
Hogwarts sollte! Er hatte überhaupt keine Zeit dafür. Und wie sollte er es
rechtfertigen?! Er konnte es Astoria nicht sagen! Natürlich nicht!
Er
allerdings hatte noch ein paar Stunden Zeit. McGonagall würde ein paar Zauber
sprechen, und er wäre seine Sorgen noch heute Abend los! Er könnte nach Hogsmeade apparieren, er könnte von dort aus hoch zum
Schloss. McGonagall war Mitglied im Zauberergamot und
hatte einen Merlinorden. Im Schloss gab es genügend
Geister, und mit Glück könnte er Granger dort abladen!
Ja. Er
würde diese Reise unternehmen und hätte das Problem mit Glück heute Abend
erledigt!
~*~
Auch als
er in Hogsmeade angekommen war, war sie nicht
aufgetaucht. Sie ließ ihn in Ruhe. Wahrscheinlich war sie beleidigt, aber es
war ihm gleichgültig, Hauptsache, sie tauchte dann auf, wenn sie im Schloss
angekommen waren.
Er
verließ das Dorf und machte sich zum Schloss auf. Er sah aus den Augenwinkeln,
wie sie neben ihm materialisierte. Er sah stur geradeaus.
„Dir ist
klar, dass man so was bestimmt nicht innerhalb von zwei Tagen lösen kann?“,
bemerkte sie spitz neben ihm, und er wollte sie nicht hören. Er wollte sie
nicht sehen! Sie sollte einfach verschwinden! Unfassbar! Es blieb ihm nichts
erspart! Er hatte nicht verlangt, dass sie ihn rettete, also sollte sie ihn
jetzt auch nicht mit ihrer toten Anwesenheit foltern!
„Ich
werde alles tun, damit ich es in zwei Tagen gelöst habe, verstanden?“, knurrte er gereizt, und konnte nicht fassen,
dass er mit so einer Strafe geschlagen war. Sie schwieg, aber er sah, wie sie
den Kopf schüttelte.
Er
erreichte das Schloss und öffnete seinen Umhang vor Hitze. Das Tor war
verschlossen. Seine Finger umschlossen die kühlen Eisenstangen, während er in
den Vorhof spähte.
„Hallo?“,
rief er, und schließlich kam ein Schüler zu ihm. Zweitklässler? Vielleicht
älter. „Kannst du McGonagall holen?“
„Die
Schulleiterin? Warum?“
„Ich bin
Draco Malfoy, und du kannst froh sein, dass wir solides Eisen zwischen uns
haben, Junge. Wenn du jetzt nicht die Beine in die Hand nimmst, dann kannst du
Gift drauf nehmen, dass dein hübscher Hufflepuffumhang
nur noch in Fetzen um die Füße hängen wird, wenn du-“
„Du
kannst keine Schüler bedrohen!“, entfuhr es ihr neben ihm schockiert, aber er
schoss ihr einen zornigen Blick zu.
„Faszinierend,
wie du tot immer noch einen Scheiß auf alle erdenklichen Regeln geben kannst,
Granger!“, knurrte er. „Willst du Hilfe, oder nicht? Willst du es auf deine Art
lösen? Dann gehe ich jetzt nämlich. Dann möchte ich sehen, wie du es versuchst,
wirklich!“, fügte er zornig hinzu. „Denn so wie ich es sehe, bist du von meiner
Gnade abhängig, und nicht umgekehrt! Dann kannst du in Malfoy Manor spuken, bis der Putz von der Decke fällt!“, ergänzte
er bitter, und sah, wie sie sich wohl gerade sämtliche Kommentare verkniff. Der
Hufflepuff starrte ihn voller Angst an, dass Draco die Augen verdrehte. „Hol
die Schulleiterin!“, schnappte er ohne jede Freundlichkeit, und der Junge
machte hastig auf dem Absatz kehrt.
„Du brauchst den Schülern keine Angst zu machen!“, erklärte sie neben ihm.
„Das sagt
mir ein Geist?“, fuhr er sie bitter
an, und es war viel zu heiß. Er zog den Umhang aus und fuhr sich durch die
Haare. Es vergingen ein paar Minuten, die sie schweigend warteten. Ab und an
kamen Schüler vorbei, die sie neugierig musterten, und endlich öffneten sich
die Schlosstüren und McGonagall kam in schwarzer Robe die Treppen des Schlosses
hinab.
„Mr
Malfoy?“, sagte sie verblüfft, als sie vor dem Tor zum Halten kam.
„Professor
McGonagall“, begrüßte er sie knapp. „Ich… glaube… ich brauche Ihre Hilfe“,
sagte er. Er spürte, wie er kleinlaut wurde. Mit McGonagall war nicht zu
spaßen. Vor allem öffnete sie ihm das Tor noch nicht. Sie sah ihn über ihre
Brillengläser hinweg an, und er wusste, er musste anscheinend wirklich
ausholen.
„Sie sind
kein Schüler, Mr Malfoy“, sagte sie, während sie ihn musterte. „Der Zutritt auf
Hogwarts ist Nicht-Schülerin nicht-“
„-ich…
ja, ich weiß. Aber ich… habe ein Problem. Mit… einem Geist“, unterbrach er sie
leiser. McGonagalls Augenbraue hob sich. „Und ich
brauche Hilfe.“
„Was für
ein Geist, Mr Malfoy?“ Und er schluckte. Anscheinend würde sie die Tore nicht
öffnen, wenn er nicht die Wahrheit sagte. Und er atmete aus. Besser McGonagall
als Potter. Immer besser McGonagall als Potter, sagte er sich fest.
„Grangers
Geist“, sagte er also tonlos. Und sie sah ihn an. Sie schwieg. Eine ganze Weile
lang. Und er dachte, vielleicht würde sie einfach kehrt machen und ihn
ignorieren. Er wartete und sah, wie Granger vergessen auf ihrer Unterlippe
kaute.
„Sie
sagen mir, Sie sehen Miss Grangers Geist?“
„Ja. Und…
nur ich sehe ihren Geist. Sie ist…
neben mir.“ Sofort wanderte McGonagalls Blick ins für
sie vermutlich Leere neben ihm.
„Kommen
Sie rein, Mr Malfoy“, sagte sie, schwang den Zauberstab, und die Tore öffneten
sich mit einem so ohrenbetäubenden Lärm, als würden die Tore sonst niemals
geöffnet werden. Er betrat das Gelände. Hogwarts. Hier war er den Großteil
seines Lebens gewesen. Und die Schlacht war dem Schloss nicht mehr anzusehen.
Er
erkannte eine riesige Gedenktafel vor dem Eingang des Schlosses, als sie
gemeinsam den Weg zu den Schlosstoren zurücklegten. Die Tafel hatte er bisher
noch nie gesehen. Er glaubte, sich an einen Artikel im Tagespropheten erinnern
zu können, wo sie erwähnt worden war.
Sie stand
direkt vor dem Schloss, mit Gold beschlagen. Und die Namen häuften sich in
vielen Reihen. Er musste unwillkürlich schlucken. Er erinnerte sich gut an
diese Nacht.
„Miss
Granger ist hier gestorben“, informierte McGonagall ihn, als ob er es nicht
wissen würde. Er sah, wie ihr Geist vor der Gedenktafel inne hielt. „Geister
haben unerfüllte Aufgaben, weswegen sie zurückkommen“, erläuterte sie. Er
wusste das. Dachte sie, er hätte sich darüber noch keine Gedanken gemacht?
„Wem
haben Sie davon erzählt?“, wollte sie wissen. Er sah sie an.
„Niemandem.
Ihnen, Professor“, erwiderte er.
„Kommen
Sie.“ Sie führte ihn in ihr Büro. Sie brauchten lange, bis sie da waren. Draco
hatte die vielen Stockwerke beinahe vergessen, die vielen Stufen, die
Rüstungen, die Portraits.
Von einem
Geist keine Spur.
Sie waren
in Dumbledores Büro angekommen. Nein, es war ja jetzt McGonagalls
Büro, und wie er erkannte, hatte sie die vielen Kleinigkeiten behalten, von
denen er nicht wusste, was sie taten.
„Kann…
Miss Granger mich hören?“, erkundigte sie sich jetzt, während sie Platz nahm
und auch Draco bedeutete, sich zu setzen.
„Ja! Ja, Professor, ich kann Sie hören!“, rief Granger, und Draco schenkte ihr
einen eindeutigen Blick.
„Ja, sie kann alles hören. Jeden sehen, aber…“
„Sie ist
noch gefangen“, erläuterte McGonagall nickend.
„Gefangen?“, wiederholte Draco jetzt
verwirrt.
„Wo?“, wollte Granger tonlos wissen und hatte sich auf den Stuhl neben ihn
gesetzt.
„Sie
sitzt jetzt neben ihn?“, deutete McGongall seinen
Blick, und er nickte schroff.
„Wo ist sie gefangen? Und wie kommt sie da weg?“, wollte er das Ganze abkürzen.
Er hatte heute Abend noch ein Date.
„Können
Sie sie anfassen, Mr Malfoy?“, erkundigte sich McGonagall jetzt beinahe
selbstverständlich bei ihm. Bemerkenswert, dass sie ihn nicht sofort für
verrückt erklärte.
„Anfassen?“, wiederholte er ungläubig, und ruckte unwirsch mit dem Kopf. „Ich…
habe es nicht-“
„-probieren Sie es“, forderte McGonagall ihn auf.
„Was?“,
fragte er ehrlich verwirrt. „Sie ist ein Geist!“ Und er wollte sie wirklich
nicht versuchen zu berühren!
„Hier!“
Granger streckte ihm ihre Hand entgegen. Er beäugte sie misstrauisch. „Du bist
ein widerliches Frettchen, Malfoy. Jetzt fass mich an!“, knurrte sie.
„Es wird
nicht funktionieren“, sagte er nur. Mehr, um sich zu beruhigen, als um wirklich
etwas zu sagen. Er streckte zögerlich seine Hand aus. Und sie fuhr direkt durch
ihre durchsichtige Hand. Er spürte nichts. Vielleicht war die Luft etwas
kälter, aber sonst war da nichts.
„Sie können sie also nicht berühren?“
„Ich…
nein“, sagte er. Granger sah ihn an. Die Hand immer noch ausgestreckt.
„Alle
Geister sind stofflos“, sagte er wieder mehr zu sich selbst.
„Nicht
immer!“, unterbrach ihn eine Gestalt, die durch die Wand geschwebt kam. Er
zuckte zusammen vor Schreck. „Der Junge soll einen Geist mitgebracht haben?“
Der fast kopflose Nick sah sich neugierig im Büro um.
„Er kann
mich nicht sehen“, murmelte Granger, fast bedrückt. Nick wandte plötzlich den
Blick.
„Nein, aber ich kann Sie hören, Miss Granger“, erwiderte er sanft. Draco
starrte ihn an.
„Wirklich?
Sie… Sie können Sie…?“ Das waren zumindest halbwegs gute Neuigkeiten! Jemand
anders konnte sie hören. Nun… vielleicht nicht wirklich Jemand, aber… zumindest war er nicht allein verrückt.
„Sie können mich hören?“, wollte Granger ungläubig wissen.
„Klar und
deutlich!“, bestätigte Nick lächelnd.
„Was bedeutet das? Wo bin ich? Und wo kann ich hin?! Ich will nicht bei Malfoy
bleiben!“, entfuhr es ihr beinahe panisch, und er atmete aus, während er die
Augen verdrehte.
„Miss
Granger, Miss Granger, beruhigen Sie sich!“, sagte Nick jetzt mit erhobenen
Händen und schwebte neben Draco, dem die vielen Geister entschieden zu nahe
kamen.
„Faszinierend“,
bemerkte Nick jetzt nickend, und sein Kopf wippte gefährlich.
„Was
heißt das?“, wollte Draco ungeduldig wissen, während McGonagall lauschte.
„Das
heißt… sie ist noch nicht ganz da.“
„Ganz
wo?“, entfuhr es Granger verzweifelt. „Bin ich tot?“
„Oh, Sie
sind tot, ja, Miss Granger. Einen Todesfluch überlebt kein Mensch. Nun, Harry
Potter überlebt einen Todesfluch, aber… die Umstände waren dort günstiger. Wie
man es nimmt.“ Kurz glaubte Draco echte Enttäuschung über Grangers graue Züge
huschen zu sehen, aber was dachte sie?! Dass sie noch lebte?!
„Aber
ich…“
„Sie
scheinen auf Mr Malfoy fixiert zu sein“, überlegte Nick, während er auf und ab
schwebte. Grangers Blick folgte ihm.
„Wie
schweben Sie? Ich kann nicht schweben!“, entfuhr es ihr tonlos.
„Nicht schweben?“, wiederholte er. „Hm… Sie haben sich noch nicht damit
abgefunden, ein Geist zu sein, Miss Granger“, erklärte Nick achselzuckend.
„Aber… sie kann Dinge anfassen, richtig? Sie kann Sachen berühren? Geister
können das, oder?“
„Für
gewöhnlich…?“
„Ja!“,
beharrte Draco.
„Ich kann
es nicht“, erwiderte der fast kopflose Nick.
„Siehst
du?“, sagte sie mit grimmiger Bestätigung, aber schüttelte den Kopf.
„Ich weiß, dass es geht!“, entgegnete er bestimmt.
„Nun, sie
könnte Energiequellen beeinflussen. Eventuell. Mit einem Gefühl, das stark
genug ist.“
„Energiequellen?“,
wiederholte sie jetzt.
„Ja,
sowie… Licht, Wasser – sowas in der Art“, zählte Nick langsam auf. Draco sah
ihn an. „Aber… ich kann Sie hören. Für den Fall, dass Sie glauben, Sie sind
wahnsinnig, Mr Malfoy, kann ich Ihnen sagen, dass das nicht stimmt.“ Und Draco
entwich ratlos die Luft. Er wusste nicht, wie viel er auf die Aussage eines
Geistes geben konnte.
„Bemerkenswert“,
wiederholte der fast kopflose Nick.
„Na ja…“,
begann Draco, eher weniger beeindruckt, sondern mehr beunruhigt.
„Nein,
nein, Mr Malfoy. Bemerkenswert, dass Sie in der Lage sind, sie zu sehen“, entgegnete er fast kopflose Nick
nachdenklich. Überrascht hob Draco eine Augenbraue.
„Was?“
„Eigentlich…
sollte das nicht möglich sein“, fuhr Nick murmelnd fort und richtete seine
Worte an niemanden bestimmten, während er den Punkt fixierte, an dem er
Grangers Geist wohl vermutete. Draco wollte nicht hören, was eigentlich nicht
möglich war. Es reichte ihm schon, dass es so war, wie es nun mal war.
Granger
betrachtete ihre milchig graue durchsichtige Haut, als sähe sie sie zum ersten
Mal.
„So… tja…
das scheint mir knifflig zu sein“, unterbrach Nick die angespannte Stimmung.
Draco starrte den Geist vor sich an. „Miss Granger ist nur Ihnen sichtbar. Sie
ist also irgendwie an Sie gebunden. Wann ist sie aufgetaucht?“
„Gestern.“
„Gestern.“
Sie
sagten es gleichzeitig, während sie ihn immer noch ansah.
„Was ist
gestern passiert, Miss Granger?“, wollte Nick jetzt wissen.
„Ja, wo
waren Sie, bevor Sie an Mr Malfoys Seite aufgetaucht sind?“, wollte auch
McGonagall wissen, obwohl sie Granger weder sehen, noch hören konnte. Er hatte
sie gar nicht gefragt, ging Draco auf. Aber es interessierte ihn auch wirklich
nicht, was sie vorher getrieben hatte! Sie sollte einfach nur wieder
verschwinden!
„Es war…“
Sie runzelte die Stirn. Ihr Blick wanderte aus McGonagalls
Fenster nach draußen, und die grauen Falten gruben sich in ihre
helldurchsichtige Stirn. „Ich weiß es nicht.“ Sie senkte plötzlich den Blick
und knetete die durchsichtigen Finger in ihrem Schoss. „Es war… sehr still. Und
kalt“, erinnerte sie sich langsam.
„Es war
schmerzhaft dort?“, vermutete der fast kopflose Nick plötzlich, und McGonagall
lehnte sich näher vor, obwohl sie nichts verstehen konnte. Granger hob den
Blick nicht.
„Ja, ich
denke. Ich… habe mich unwohl gefühlt. Es gab keinen Tag, keinen Nacht. Keine
Zeit. Ich hätte dort… eine Stunde sein können oder auch ein Jahr“, murmelte sie
abwesend.
„Sie war
dort sechs Monate?“, erkundigte sich der fast kopflose Nick, und McGonagall
nickte. „Sie beschreibt den Weg“, fügte er bedächtig hinzu.
„Welchen Weg?“, fragte Granger sofort.
„Den
Weg“, wiederholte er schlicht. „Sie wissen nicht, wohin. Sie haben keinen Halt.
Sie sind weder Geist, noch sind sie lebendig. Der Weg beginnt mit Ihrem
Schmerz.“
„Warum
bin ich hier? Wieso bin ich bei ihm?“, wollte sie fast verzweifelt wissen.
„Nun… Sie haben sein Leben gerettet, nicht wahr?“
Draco
schluckte die Bitterkeit, die er spürte hinunter. Sie war selber schuld.
„Ja
und?“, entfuhr es ihr beinahe trotzig. Aber er schwieg. Anscheinend schien
keiner zu wissen, was zu tun war.
„Wie
beenden wir das hier?“, wollte er schließlich vom fast kopflosen Nick wissen,
dieser wandte sich nachdenklich an McGonagall.
„Für
gewöhnlich entscheidet sich die Seele des Menschen, ob sie als Geist
zurückkehrt oder, ob sie weitergeht.“
„Ich habe
mich nicht entschieden!“, entfuhr es Granger neben ihm. „Ich-“
McGonagall
sprach, ohne Granger gehört zu haben. „Nur Sie können Sie sehen“, sagte sie
nachdenklich. „Miss Granger, ich befürchte, Sie müssen an Mr Malfoys Seite
verweilen, bis Sie herausgefunden haben, was es ist, was Sie hier hält.“
„Was
mich… hält?“, entfuhr es ihr, und sie sah ihn an. „Gar nichts hält mich bei
ihm!“, bemerkte sie bitter.
„Das kann
ja nicht sein“, korrigierte sie der fast kopflose Nick, und Draco atmete aus.
„Professor,
ich kann keinen Geist um mich haben!“, beschwerte er sich. McGonagalls
Blick war verschlossen.
„In
Anbetracht der Tatsache, dass Miss Granger Ihnen das Leben gerettet hat, denke
ich, können Sie eine Ausnahme machen, nicht wahr? Es wird nicht für immer sein.
Geister müssen alles Unerledigte erledigen.“
„Meine
Eltern! Harry und Ron!“, entfuhr es ihr, und Draco schloss die Augen. Großer Gott, bitte nicht!
Aber Nick
nickte plötzlich.
„Sie denkt an Harry Potter und ihre Eltern!“, wiederholte er.
„Ja, eine
gute Idee. Sie konnte sich von ihren Freunden nicht verabschieden“, bemerkte
McGonagall, und Draco schüttelte wieder den Kopf.
„Das kann
nicht Ihr Ernst sein, Professor!“ Aber McGonagall schien nicht wirklich auf
seiner Seite zu stehen. Sie wandte den Blick von ihm ab.
„Miss Granger?“, sagte sie jetzt und ließ eine entsprechende Pause, aber
Granger neben ihm sagte nichts. McGonagall schien nach den richtigen Worten zu
suchen. Draco runzelte die Stirn, denn ihr Tonfall hatte sich merklich
verändert. Sie setzte die randlose Brille ab, faltete die Finger ineinander und
atmete langsam aus.
„Ich… hatte eigentlich nicht damit gerechnet,
es Ihnen noch sagen zu müssen“, fuhr sie gepresst fort. „Aber Ihre Eltern haben
nicht überlebt“, schloss McGonagall mit großem Bedauern. Grangers Mund öffnete
sich. „Einige Todesser sind in das Haus Ihrer Eltern eingebrochen, einen Tag
bevor diese nach Australien auswandern wollten. Wir haben durch die Zeitung
davon erfahren.“
Dracos
Blick starrte ins Leere. Er hörte Granger neben sich ausatmen, sah aus den
Augenwinkeln, wie sie sich Tränen von der Wange wischte, und hatte nicht
gewusst, dass Geister weinen konnten. Und er fragte sich, ob sein Vater mit zu
den Todessern gehörte, die in das Haus eingebrochen waren. Er sah, wie sie sich
erhob.
Und
verschwand.
Scheiße.
Bitte, lass das nicht auch noch etwas sein, was auf ihn zurückzuführen war!
Verdammte Scheiße, fluchte er innerlich.
„Sie sagt
nicht mehr“, sagte der fast kopflose Nick, und Draco unterdrückte einen Fluch.
„Sie ist
unsichtbar geworden. Das… macht sie, wenn…“ Er beendete den Satz nicht. Er
hatte keine Ahnung, warum sie was tat, verflucht noch mal!
„Ich
verstehe“, bemerkte McGonagall. „Das… waren auch keine guten Neuigkeiten. Aber
sie kann nicht gehen?“, erkundigte sich McGonagall anschließen. Er ruckte nur
mit dem Kopf. Würde sie gehen können, wären sie wohl nicht hier, oder? Gott!
Die Aussicht, dieses Problem noch heute zu lösen, schwand. Sehr schnell.
„Draco, Sie sollten-“
„-was?“,
fuhr er sie schärfer als beabsichtigt an. McGonagall setzte die Brille wieder
auf. Die Schulleiterin bedachte ihn mit maßregelnder Note. Oh verfluchte
Scheiße, noch mal! „Es gibt keinen Zauber? Nichts?“, vergewisserte er sich
gereizt, und McGonagall schüttelte ratlos den Kopf.
„Wir können vieles beeinflussen, aber… keine unerfüllten Aufgaben.“
Großartig.
Wirklich verflucht großartig.
~ Cause everything just goes away my
friend
And every king knows it to be true
And every kingdom must one day come to an end ~
Er
wusste, sie war da. Auch wenn sie sich nicht zeigte. Er hatte sich umgezogen.
Und er
wurde gleich abgeholt. Sie würden in einen Club gehen. Und er hoffte, sie würde
sich nicht zeigen. Er sagte es nicht laut. Nachher würde sie noch antworten.
Gut, wenn sie nicht auftauchte. Wirklich gut. Sie sollte am besten für immer
beleidigt und unsichtbar bleiben, das verdammte durchsichtige Miststück!
Es war
nach acht.
Er begab
sich nach unten, eilte die Stufen hinab, während er die Knöpfe seines hellen
Hemdes an seinen Handgelenken verschloss. In dem Moment klopfte es auch an der
Tür.
Der Elf
in der Eingangshalle öffnete.
Astoria.
Sofort
setzte er sich in Bewegung. Die dunkle Schönheit kam lächelnd auf ihn zu. Sie
trug ein kurzes Kleid. Verflucht kurz. Und hohe Schuhe, aber sie war immer noch
kleiner als er. Ihre langen dunklen Haare fielen in Wellen ihren Rückenhinab,
und silberne Ohrringe funkelten an ihren Ohrläppchen. Sie war dezent geschminkt
und hatte die grünen Augen betont.
„Hallo,
Draco!“, begrüßte sie ihn. Seine Hände legten sich auf ihre Taille, und er
senkte den Kopf, um ihren Lippen zu küssen. Sie erwiderte den Kuss nur kurz,
und er schmeckte ihren Lippenstift auf seinen Lippen.
„Wir haben noch ein wenig Zeit. Willst du… noch nach oben?“, bot sie mit einem
verboten tiefen Wimpernaufschlag an, und auch wenn alles in ihm – seine
Erektion allen voran – schrie, dass er genauso das gebrauchen konnte, hielt ihn
die Tatsache davon ab, dass eine unsichtbare Granger zusehen würde.
Bei was
auch immer! Denn er hatte keine Lust, dass sie seinen Penis sah.
Es war
ein so absurder Gedanke, dass er kurz den Kopf schüttelte. Aber Astoria sah ihn
an.
„Nein?“,
fragte sie fast beleidigt.
„Später“,
sagte er gepresst.
„Ok?“,
erwiderte sie verwirrt. „Dann… können wir wohl gehen?“
Und er
atmete gereizt aus. Granger würde dafür bezahlen! Sie hatte ihn um seinen
Orgasmus gebracht!
Die
anderen erwarteten sie vor dem Gangs.
Der größte Club in London Downtown. Versteckt vor
allen Muggeln. Versteckt vor allen, die dort nichts zu suchen hatten.
Sie war
noch immer nicht zu sehen.
„Draco?“ Astoria schob ihre Hand in seine. Sie war warm. Natürlich war sie das,
sagte sich Draco verwirrt.
„Ja?“
„Alles in
Ordnung? Du bist irgendwie-“
„-es ist
gar nichts!“, widersprach er schnell, schenkte ihr ein überlegenes Lächeln, mit
dem sie auch gewonnen hatte, und sie verdrehte die Augen.
„Gut. Dann lasst uns reingehen!“ Draco ließ ihr den Vortritt, sah sich noch
einmal zur Vorsicht um, und folgte dem Rest ins Innere. Blaise kümmerte sich
nahezu augenblicklich um einen Flasche Feuerwhiskey für ihren Tisch, und die
Musik war ohrenbetäubend laut.
„Wollen
wir tanzen?“, fragte Astoria in die Runde, und die Mädchen nickten. Die Jungen
setzten sich.
„Schon
Angst vor Montag?“, wollte Gregory laut von ihm wissen. Draco nahm dankbar ein
volles Glas entgegen, als es gebracht wurde.
„Nein!“,
rief er schließlich.
„Nicht?“,
wollte Gregory überrascht von ihm wissen und nippte lächelnd an dem scharfen
Getränk. „Dann hat Lucius mal nichts in der Hand, um dich auflaufen zu lassen?“
Dracos Laune verschlechterte sich unwillkürlich.
„Ha ha. Lucius braucht nur heiße Luft in der Hand zu haben, um mich auflaufen
zu lassen, Gregory“, entgegnete er bitter.
„Wieso
arbeitest du überhaupt für deinen Vater?“, wollte Gregory von ihm wissen, und
Draco bedachte ihn mit einem überheblichen Blick.
„Nur weil
du zu dumm bist, ein magisches Architekturverständnis auszubringen, heißt es
nicht, dass wir alle unbegabt sind, Gregory“, erklärte er kalt.
Ertappt
und beschämt schwieg Gregory daraufhin. Draco hatte schlechte Laune. Er musste
sie an irgendwem auslassen. Und Gregory bot ein perfektes Ziel.
„Ich
finde es perfekt“, mischte sich Blaise ein. „Wäre mein Vater kein versoffener
Familienzerstörer hätte ich auch gerne für ihn gearbeitet“ murmelte er mit
einem weiteren Schluck Whiskey. Draco spürte, wie er ruhiger wurde.
Und es
vergingen zwei Stunden und acht Runden an Getränke. Die Mädchen waren bereits
betrunken, während er und Blaise darüber philosophierten, ob sie nach ihren
Hochzeiten aus den Herrenhäusern ausziehen sollten.
„Auf gar
keinen Fall! Architektonisch betrachtete ist das Herrenhaus ein wahres
Wunderwerk!“, erklärte er nickend. Und… er bemerkte es fast gar nicht.
Sein
Blick streifte sie, aber… Es war eher beiläufig, als bewusst. Aber er spürte,
wie er in der Bewegung inne hielt, während Blaise weitersprach. Das Lied war
ruhiger als die anderen, und er erkannte Granger abseits der Tanzfläche. Sie
stand neben einer Säule und wiegte sich leicht zum Takt der Musik.
Sie
sprach nicht mit ihm, sah ihn nicht mal an, aber ein Stein, schwer wie ein
Felsen war in seine Magengrube gesunken. Er hatte sie fast vergessen gehabt.
Sie bewegte sich ruhig, fast menschlich. Grau in Grau, unsichtbar für alle
anderen. Das bunte Licht beleuchtete, durchleuchtete sie wie eine Erscheinung
aus tanzendem Zigarettenrauch. Nur mit ihrem Gesicht, das dachte er.
Er
wartete, bis Astoria die Mädchen wieder auf die Tanzfläche gezogen hatte. Und
er war betrunken genug, diese Frage zu stellen.
„Wenn…
wir im Krieg gestorben wären und jetzt als Geister zurückkämen, was… was wäre
unsere unerfüllte Aufgabe?“ Blaise sah ihn verwirrt an und studierte dann sein
Gesicht.
„Das wird mit zu philosophisch!“, lachte Gregory und entschuldige sich, weil er
die Toiletten aufsuchen wollte.
„Unerfüllte
Aufgabe?“, wiederholte Blaise lächeln. „Wovon sprichst du?“
„Na ja“,
begann er und fühlte sich unwohl. „Wären wir in der letzten Nacht gestorben“,
rang er sich betont beiläufig ab zu sagen.
„Dann
wären wir tot“, schloss Blaise pragmatisch.
„Ja,
sicher. Aber wären wir Geister“, wiederholte Draco gereizt.
„Draco,
mit siebzehn ist alles unerfüllt. Goyle hatte noch
nicht mal Sex!“, erklärte Blaise lachend, und Draco schwieg daraufhin. Und er
atmete langsam aus, während er Granger beobachtete. Sie hatte die Augen
geschlossen, tanzte vollkommen unbemerkt, außer von ihm. Buntes Licht tanzte
auf ihren milchigen Zügen. Sie war nicht älter geworden. Natürlich nicht. Und
Sex? Darüber wollte er auch nicht nachdenken!
Mit siebzehn ist alles unerfüllt…? Na und?! Er konnte doch nicht alle
unerfüllten Sachen erfüllen, die Granger versäumt hatte! Das war doch nicht
seine Aufgabe.
Und Draco
konnte den Blick nicht abwenden.
Er hatte
kein Mitleid. Nicht mal ein Bisschen.
Gut, dass
sie gestorben war und nicht er.
Das war
es, was er dachte, wenn er ehrlich mit sich war. Und er war meistens ehrlich mit
sich. Und er fand es gut, dass sie für ihn gestorben war. Sonst wäre er
womöglich noch gestorben!
Das wäre
eine Tragödie gewesen! Er war zu reich und sah zu gut aus!
Sie
wiegte sich langsam im schnelleren Takt der Musik.
Und es
kotzte ihn an, dass er sie beobachten musste.
Er fuhr
sich mit der Hand durch die dichten Haare, kämmte sie nach hinten und seufzte
müde auf. Der Alkohol verlor seine heitere Wirkung. Fuck.
„Draco?“,
unterbrach Blaise seine Gedanken, aber Draco leerte sein Glas und erhob sich.
Warum
dachten Nick und McGonagall an ihren verdammten Frieden? Er musste auch Frieden
finden! Er war hier das Opfer! Er wurde heimgesucht! Warum versuchte er es
nicht anders? Warum gab er ihr nicht etwas, vor dem sie davon rennen konnte? Er
musste lächeln.
„Wo
willst du ihn?“, fragte Gregory, der gerade wiedergekommen war.
„Nach
Hause“, erwiderte er angetrunken.
„Allein?“,
erkundigte sich Blaise lächelnd, und Draco verzog grinsend den Mund.
„Das
glaubst du doch wohl selbst nicht!“, entgegnete er knapp. Er fixierte die
Tanzfläche. Astoria tanzte ausgelassen, und Draco schob sich durch die Menge,
bis er sie erreicht hatte. Er ignorierte die genervten Blicke derer, die er
angerempelt hatte. Seine Erektion ließ ihn so gleichgültig für Anstand werden,
dass ihn auch die Aussicht auf Granger, die ihm zusah nicht abschreckte. Nein,
es ermutigte ihn geradezu!
„Komm
mit“, raunte er in Astorias ihr Ohr, und ehe sie protestieren konnte,
verschloss er ihre Lippen. Kurz war sie überrascht, kurz wollte sie es nicht,
aber sie ließ sich mit ihm ziehen. Astoria Greengrass
war wahrscheinlich das hübscheste Mädchen hier. Er wusste, er bekam immer das
hübscheste Mädchen, egal, wo er war. Es lag in seiner Natur.
„Draco!“, sagte sie, etwas außer Atem. „Wo willst du hin?“
„Zu mir,
zu dir – völlig egal“, knurrte er, die Stimme tief in den Farben des Alkohols.
Es war ein langer Tag gewesen, und er hatte sie schon gestern nicht gesehen.
„Komm“, wiederholte er und zog sie mit. Sie schaffte es nur Melissa, Pansy und
Jane zu winken, ehe Draco sie mit sich zog. Er achtete nicht mehr auf seinen
Geist. Es war ihm egal. Scheiß egal, was das Schlammblut tat oder nicht.
Sie
bekamen ihre Mäntel und draußen rief er nach der Elfe, bevor er Astorias Lippen
wieder mit seinen verschloss, ihre Unterlippe in seinen Mund nahm, und ihr
Kichern Schauer über seinen Rücken schickte. Ja, verdammt! Das brauchte er!
Die Elfe
erschien und war höflich genug, nichts zu sagen, ehe Draco den Kuss beendete.
„Bring uns nach Hause“, raunte er der Elfe zu. Die Elfe tat wie ihr befohlen,
und sie landeten in Malfoy Manor. Von Granger keine
Spur. Wohl auch besser so! Er zog Astoria mit sich.
„Draco!“,
flüsterte diese ängstlich. „Dein Vater-“
„-schläft!“,
knurrte er zusammenhanglos.
„Ich kann
doch nicht!-“
„-sicher“, unterbrach er sie rau und zog sie mit sich die Stufen empor. Er
fühlte sich leichter. Der Alkohol hatte ihm sämtliche Ängste genommen. Na und?
Dann hatte er einen Geist! Er war sich sicher, all die Schlammblüter, die sein
Vater gefoltert hatte schwebten auch in seinem Kopf umher! Draco zerrte Astoria
praktisch in sein riesiges Zimmer und verschlang ihre geschminkten Lippen. Er
ignorierte den Lippenstift, zerrte das Kleid beinahe grob von ihrem Körper, und
sie lachte gegen seine Lippen.
Sie
schenkte ihm ein glühendes Lächeln und ging auf ihre Knie.
Jaah! Verflucht! Er schluckte hart. Sie
öffnete seine Hose, und schob seine Shorts gleichzeitig hinab. Seine Erektion
war noch nicht vollkommen hart, aber schon umschloss ihre Hand seinen Schwanz.
Er hob den Blick. Kurz überlegte er, ob es ihn störte, dass Grangers Geist in
seinem Badezimmer stand. Sie betrachtete den Spiegel. Er konnte es sehen. Sie
hatte sich von ihm abgewandt. Sein Atem ging schneller.
Es war
ihm scheiß egal!
Astoria
schloss ihre Lippen um seine Spitze, und seine Augen rollten zurück. Er griff
in ihre Haare.
„Ja,
härter!“, keuchte er, außer Atem. Und Astoria nahm seinen pulsierenden Schwanz
ein Stück weiter auf. Er zog sich zurück und stieß wieder nach vorne. Oh, es
war verflucht gut! Der Alkohol benebelte seine Sinne, während Astorias heißer
Mund Dinge mit ihm machte, die er seit heute Morgen schon vermisst hatte. Sie
war nicht scheu. Sie war nicht unerfahren. Und genau das wollte er!
„Tiefer!“,
ächzte er verzweifelt, als er kurz davor stand. „Ja! Fuck!“
Und er
war davor! So nahe! Und… ja…. Schneller pumpte ihre Hand an seiner Länge auf
und ab, und-
Die
Badezimmertür schlug mit einem lauten Knall ins Schloss, und Astoria war vor
Schreck zurückgewichen.
Der
Moment war vorbei! Er war so kurz davor gewesen! So verflucht kurz davor!
„Was… was
war das?“, flüsterte Astoria, und am liebsten hätte er sie gezwungen
weiterzumachen, und ein Knurren entwich seiner Kehle.
Denn
jetzt hörte er, wie die Dielen knarrten. Durch den Knall war sein Vater
bestimmt wachgeworden! Er hatte einen Schlaf wie ein abgerichteter Bluthund.
Scheiße.
„Elfe!“,
raunte er in die Dunkelheit und verschloss seine Hose, denn er hatte keine
Lust, von seinem Vater wieder einmal gemaßregelt zu werden, weil er ein Mädchen
bei sich hatte, ohne es anzukündigen. Ausziehen klang vielleicht doch nicht
schlecht, überlegte er dumpf, während die Elf erschien, und Astoria gerade noch
fluchend ihr Kleid verschloss.
„Bring Miss Astoria nach Hause! Jetzt!“
„Draco!“,
beschwerte sich Astoria bei ihm, aber er atmete aus.
„Glaub
mir, du willst Lucius nicht mitten in der Nacht Rede und Antwort stehen!“,
erklärte er zornig. Mit einem letzten zornigen Blick verschwand Astoria mit der
Elfe, genau in dem Moment als seine Tür aufflog.
„Draco!“
Die Stimme seines Vaters klang gefährlich. „Was zur Hölle ist hier los? Hast du
ein Mädchen bei dir?“, knurrte er sofort und spähte in die Dunkelheit seines
Zimmers.
„Nein“,
erklärte Draco schlecht gelaunt. Sein Vater schien abzuwägen, ob sein Sohn den
Zorn überhaupt wert war.
„Ich bin
froh, wenn das Wochenende endlich vorbei ist, und du endlich wieder zur Arbeit
kommst. Die Anstrengung wird dir schon Respekt vor der Nachtruhe eintrichtern“,
drohte er abschätzend, und ließ Draco ohne ein weiteres Wort zurück.
Großartig.
Genau was er auch noch brauchte!
Mit
kaltem Blick fixierte er die Badezimmertür.
Sie würde
ihm einiges zu erklären haben! Vor allem, da sie plötzlich Türen zuwerfen
konnte, verfluchte Scheiße!
„Zufrieden?“,
knurrte er und riss die Badezimmertür auf, bekam aber keine Antwort.
„Ernsthaft! Sag es mir, Granger! Denn wenn es von jetzt an so laufen wird,
würde ich es gerne vorher wissen!“ Er bekam keine Antwort. „Schön. Weißt du,
ich lebe noch! Ich bin nicht tot! Und ich werde mein Leben nicht ändern!“,
knurrte er in die Stille seiner Räume. „Nett, dass du dich ausgerechnet jetzt
dazu entscheidest, Gegenstände anfassen zu können! Wirklich verflucht perfektes
Timing!“
„Du bist
ein Arschloch!“, vernahm er ihre Stimme aus dem Dunkel des Badezimmers. Und
seine Oberlippe kräuselte sich vor Zorn. Er überwandte die wenigen Schritte ins
Bad.
„Jetzt
bist du wieder da? Wirklich?“, knurrte er sie an.
„Anstatt
dich um eine Lösung zu kümmern, lässt du irgendwelche Mädchen…“ Sie sprach
nicht weiter.
„Du bist ein verdammter Geist! Nicht meine Mutter, also lass mich in Ruhe!“ Sie
starrte ihn so zornig an. So wütend, dass er es praktisch spüren konnte. Ihre
Wut schien auf ihn überzugehen. Kalt und prickelnd und unangenehm. Und
plötzlich flackerten seine Lampen auf, als beschlossen sie wieder aufzuglühen.
Irritiert hob sich sein Blick, als sie wieder dunkel wurden.
„Wütend?“,
erkundigte er sich gehässig bei ihr. „Ich dachte, Geister können nichts
berühren, nichts verändern, hast du das nicht so vehement behauptet? Sie
könnten nicht-“
„-halt
deinen Mund, Malfoy!“, schrie sie außer sich, und seine Lampen brannten im
hellsten Tageslicht auf, um schließlich mit einem Zischen in Dunkelheit zu
versinken. Er erkannte sie noch in der Dunkelheit, denn ihr milchiger Körper
schien zu glühen im Mondlicht, das durchs Fenster fiel.
„Wirklich
beeindruckend! Wenn du fertig bist hier alles zu zerstören, wie wäre es, wenn
du dann endlich wieder unsichtbar werden würdest? Ich hatte einen absolut
beschissenen Tag, Granger! Wirklich! Für dich mag es alles-“
„-was?“, entfuhr es ihr gefährlich ruhig,
und sie kam näher. Ihr weißgrauer Körper kam näher. Durchsichtig und stofflos.
„Für mich mag es was sein, Malfoy? Du
denkst doch wohl nicht, dass mir irgendwas hiervon gefällt? Dass ich es mir so
ausgesucht habe? Nein, denn weißt du, selbst die graue, dunkle, eiskalte
Einsamkeit war besser gewesen, als das hier!“, schrie sie jetzt.
„Ich kann
dich hier nicht gebrauchen, du verdammtes Schlamm-“ Aber mit einem tödlichen
Blick aus ihren Augen verstummte er, denn die Fensterscheibe klirrte bedrohlich
hinter ihr. Sie würde brechen, er wusste es.
„Das
wagst du nicht zu sagen!“, flüsterte sie voller Hass.
„Denkst
du, es beeindruckt mich, wenn du hier alles kurz und klein schlägst, Granger?
Denkst du das? Flackerndes Licht, klirrende Scheiben?“ Und er spürte es. Sie
wurde zorniger. „Du bist ein Geist!“, informierte er sie ungehalten. „Du kannst
absolut überhaupt nichts-“
Und ihre
Hand flog auf ihn zu.
Er zuckte
kurz zusammen, aber sie konnte ihn ja nicht berühren!
Sie
konnte ihn nicht –
…
keuchend flog sein Kopf unter der Wucht ihres Schlages zur Seite.
…
-was?!
Und er
wich hastig zurück. Er fasste sich an die Wange. Sie hatte ihn geschlagen! Es
war wie ein kalter Schlag gewesen, der ihn erfasst hatte.
Granger
hatte ihn geschlagen! Und sie starrte ihn mit großen Augen an. Dann starrte sie
auf ihre Hand.
Sein Mund
hatte sich geöffnet.
„Was
zur-?“, entfuhr es ihm heiser, während er gegen die Wand zurückwich. Sie kam
auf ihn zu. Und tatsächlich Neugierde und ein Hauch von Angst standen ihr ins
Gesicht geschrieben.
„Ich…
habe dich berührt!“, flüsterte sie.
„Du hast
mich geschlagen!“, korrigierte er sie, und wurde wieder zorniger.
„Ich habe
es gespürt, ich… habe es gespürt!“, rief sie aufgeregt und starrte wieder auf
ihre Hand. Er schüttelte ungläubig den Kopf, denn es war nicht normal, dass sie
ihn plötzlich berühren konnte! Und er wusste das! Und sie wusste das auch!
„Fass
mich nicht noch mal an!“, drohte er jetzt, fast tonlos, als sie die Hand erneut
gehoben hatte. Aber stille, ehrliche Aufrichtigkeit lag auf ihren
durchsichtigen Zügen. Sie hob die Hand zu seinem Gesicht, und er konnte mit
Schrecken zusehen, wie sie näher kam. Sie legte sie auf die Stelle, die sie
geschlagen hatte.
Und… er
spürte es! Verflucht! Er schnappte keuchend nach Luft! Er konnte ihre Berührung
spüren. Kühl und fest. Seine Hand griff automatisch nach ihrem Handgelenk. Und
der graue Blick aus ihren Augen traf ihn überrascht, als er ihre Hand mit
Gewalt aus seinem Gesicht schob.
„Ich kann
es fühlen“, flüsterte sie tonlos. „Ich kann fühlen, wie du mich berührst!“
„Ja“, entgegnete
er bitter. „Und das darf überhaupt nicht sein“, fügte er rau hinzu. Angewidert
ließ er sie los.
„Ich
frage mich-“, entfuhr es ihr, mit einem Anflug schulischen Interesse, das Draco
auf gruselige Weise sehr bekannt vorkam, „-ob ich durch dich durchgehen
könnte.“
„Nein!“,
sagte er kopfschüttelnd, und verweigerte ihr jede Bewegung.
„Denn,
wenn nicht-“, fuhr sie fort, als wäre er überhaupt nicht da, „-hat sich mein
Zustand verändert“, ergänzte sie.
„In was?
Von nervtötend in extrem nervtötend?“,
wollte er genervt von ihr wissen, aber sie war bereits in ihn hinein gelaufen.
Und ihre Augen wurden groß vor Aufregung, während er angewidert den Kopf
schüttelte.
„Hör auf
damit, ja? Ich habe keine Lust, dass dein widerlicher Geist in mich
hineinläuft!“, knurrte er außer sich, aber sie hörte ihm schon lange nicht mehr
zu.
„Das ist
unglaublich!“, flüsterte sie.
„Nein“,
widersprach er wieder.
Jetzt sah
sie ihn zornig an.
„Nein?“,
wiederholte sie. „Dass ich dich berühren kann? Dass ich Glas zum Springen
bringen kann, wenn ich will? Dass ich Lampen auslöschen kann? Das findest du
nicht unglaublich, Malfoy?“
„Ich
finde unglaublich, dass du meinen Abend ruiniert hast! Du dass du heute bei
McGonagall anscheinend nichts berühren konntest, und wenn ich mich ablenken
will, dass es dann auf einmal kein Problem mehr ist!“
Sie hatte
die Augen zornig verengt. Er hasste sie! Wirklich! Er hasste ihren Geist! Und
er war sich sicher, er hatte sie, auch als sie noch am Leben gewesen war, nicht
leiden können!
„Granger,
lass mich in Ruhe! Ich kümmere mich darum, dass du verschwindest. Glaub mir, es
steht verflucht weit oben auf meiner verdammten Liste!“, knurrte er. Ja, neben
dem Hass zu seinem Vater stand sein Hass auf Granger nicht weit entfernt.
„Du bist
ein Arschloch, Malfoy! Nur weil es dir lästig ist, dass der Geist von dem
Mädchen auftaucht, das dir-“
„-sag es nicht!“, unterbrach er sie bitter.
„Was?
Dass ich dein undankbares Leben gerettet habe? Ist daran irgendetwas nicht
korrekt?“
„Hey! Ich
habe dich nicht gezwungen, verdammt!“, schrie er und fuhr sich gereizt durch
die blonden Haare.
„Gezwungen? Nein! Es gibt auch noch gute
Menschen auf der Welt, Malfoy! Gott, du bist so… so…!“
„Was? Ich
bin was? Ich mache keine Luftsprünge, nein. Ich bin sicher, irgendwo gibt es
einen ganzen Haufen an dämlichen Idioten, die dankbar für die Anwesenheit
deines Geistes wären. Ich bin es nicht!“, fügte er knapp hinzu.
„Glaub
mir, ich wünschte auch, ich wäre nicht hier!“
„Warum
bist du dann hier?“, wollte er ungehalten wissen.
„Ich weiß
es nicht! Woher soll ich es wissen?!“, entgegnete sie hysterisch.
„Du bist
tot, Granger! Die Lebenden leben. Die Toten sind tot! Du bist tot!“,
wiederholte er wieder. „Ok?“ Seine Stimme wurde leiser, denn er hörte kaum
noch, was er sagte. Er sah nur ihre milchigen Tränen. „Du bist tot, Granger“,
wiederholte er kalt. Sein Herz schlug schnell.
Sie war
nicht real, nein! Sie war tot. Und dennoch… fasste sie ihn an! Sie konnte ihn
berühren! Das war doch… das durfte nicht…! Und sie hob den Blick.
Fuck.
Ihre Tränen sahen so real aus.
„Ich bin
tot“, kam es lautlos über ihre Lippen. „Ich… bin für dich gestorben… und du
bist immer noch ein Todesser“, flüsterte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
„Du hast dich nicht verändert“, fügte sie kopfschüttelnd hinzu, und er sah ihr
fest in das graue Gesicht.
„Verpiss
dich!“, brachte er kalt über die Lippen. Kalt genug, dass ihre Tränen nicht
weniger wurden.
„Du hast
mich geholt, dann mach, dass ich verschwinde“, entgegnete sie unter Tränen. Er
schüttelte den Kopf.
„Verschwinde!
Geh fort von hier! Hau einfach ab!“, schrie er so laut, dass seine Stimme von
den Badezimmerwänden widerhallte. Sie hatte vor Schreck die Augen geschlossen.
Tränen fielen weiterhin auf ihre Wange, und er atmete heftig. Er griff nach
vorne, griff um ihren Unterarm, überwand seinen Widerwillen, ein Schlammblut
anzufassen, und zerrte sie aus dem Badezimmer. Er spürte, wie sie hinter ihm
her stolperte. Er ließ sie nicht los.
Dann riss
er seine Zimmertür auf.
„Raus! Verschwinde!“,
zischte er. Er hatte sie losgelassen, aber sie stand reglos vor seiner Tür.
„Geh endlich!“, fügte er knurrend hinzu. Aber sie blieb, wo sie war. „Ich habe
dich nicht geholt, Granger, hörst du? Wieso sollte ich? Ich habe noch niemals
an dich gedacht!“, entfuhr es ihm fast empört. Und sie sah ihn an.
Kurz
musste er die Augen schließen, um atmen zu können. „Ich hoffe, du bereust es“,
brachte er bitter über die Lippen. „Ich hoffe, du bereust, mich gerettet zu
haben, Granger. So sehr, wie ich es mittlerweile tue. Lieber wäre ich tot, als
deinen Geist ertragen zu müssen!“ Er fuhr sich über die Schläfe, ehe er die
Augen wieder öffnete.
Sie war
fort. Er stand allein vor seiner Tür.
~ You screamed
Hallelujah, Darling
Startled
all the sleeping starlings, on the wires… ~
Sechs
Monate zuvor…
Sie
öffnete die Augen. Blinzelte ins grelle Nichts und setzte sich auf.
„Hallo?“,
entfuhr es ihr lautlos. Sie rieb sich ihren Rücken. Alles schmerzte. Sie sah
sich um. Langsam nahm alles Formen an. Es war eine Wiese. Eine Wiese, mit einem
Fluss. Verwundert runzelte sie die Stirn. Wo war sie gelandet?
Hatte sie
nicht gerade noch gekämpft?!
„Hermine
Granger…“, vernahm sie ein hohle Stimme hinter sich. Sie sprang auf die Beine.
Es ging schwer. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr so sicher. Der Mann vor ihr
trug eine purpurne Robe. „Willkommen“, begrüßte er sie freundlich.
„Wo bin
ich?“, vermied sie jede Höflichkeit, und der Fremde verneigte sich langsam.
„Auf dem
Weg“, erklärte er ruhig.
„Auf dem
Weg?“, wiederholte sie langsam.
„Ins
Jenseits“, endete er lächelnd. Je näher sie sein Gesicht unter der Kapuze
betrachten wollte, umso verschwommener schien es zu werden. Sie konnte ihn sich
nicht einprägen, konnte sein Gesicht nicht einmal genau fokussieren. Es war
seltsam.
„Ins
Jenseits?“, wiederholte sie also atemlos, und musste kurz nachdenken.
Oh. Der
Fluch hatte sie also doch getroffen, als sie Malfoy hatte schützen wollen.
„Ich bin
tot?“, entfuhr es ihr überrascht, und der Fremde nickte.
„Und wer
bist du?“, wollte sie plötzlich um einiges wachsamer wissen und griff an ihren
Gürtel, um den Zauberstab zu ziehen, aber er war nicht mehr da! Wo war ihr
Zauberstab.
„Keine
Sorge, Hermine Granger“, sagte der Fremde ruhig, ohne sie aus den Augen
zulassen.
„Ich habe
dir einen Handel vorzuschlagen“, bot er ihr schließlich an. Sie schüttelte
heftig den Kopf.
„Einen
Handel? Mit wem? Dem Teufel? Dem Tod? Wer bist du?“, keuchte sie und wich vor
ihm zurück, bis sie den reißenden Fluss hinter sich hören konnte.
„Ein
Freund“, sagte er ruhig. „Und ich biete dir an, weiterzugehen.“ Er deutete
hinter sie. Aus den Augenwinkeln sah sie eine Brücke, von der sie schwören
konnte, dass sie vor eine Sekunde noch nicht da gewesen war. Sie schüttelte
ungläubig den Kopf.
„Weitergehen?“,
wiederholte sie. „Weiter wohin?“, wollte sie zornig wissen, aber er lächelte
jetzt. Zumindest glaubte sie das.
„Zum
Ende“, erwiderte er kryptisch. Sie schluckte schwer, um ihre Nervosität zu
überspielen.
„Es sei
denn… du möchtest noch nicht sterben“, fuhr er ausgewählt langsam fort.
„Was? Wen
ich tot bin, wie du sagst, dann gibt es kein zurück!“
„Oh, es
gibt Wege“, war alles, was er achselzuckend sagte.
„Wieso
bietest du mir so etwas an?“ Sie glaubte dem Fremden noch immer nicht. Sie
wusste nicht, wo sie war. Sie hätte auch an einen Portschlüssel geraten sein
können! Sie hätte sonst wo gelandet sein, und das hier war nur ein weiterer von
Voldemorts Untertanen! Sie suchte das Gras nach ihrem Zauberstab ab, aber
konnte ihn nicht finden.
„Weil ich
gerne einen Handel eingehe“, erklärte er offen.
„Aha“,
sagte sie, um Zeit zu schinden, während sie vorsichtig einen Schritt zur Seite machte,
um ihren Zauberstab im hohen Gras doch noch ausfindig zu machen.
„Hermine,
dein Zauberstab ist hier nicht“, klärte er sie kopfschüttelnd auf. Ertappt hob
sich ihr Blick. „Also?“
„Also
was?“, fuhr sie ihn an, die Muskeln angespannt, bereit ihn ohne Zauberstab
anzugreifen, sollte er näher kommen.
„Es gibt
einen Weg zurück“, erklärte er. Sie schluckte. Er war ein Wahnsinniger.
Wahnsinnige sollte man nicht reizen.
„Was für
einen Weg?“, fragte sie also, obwohl sie kaum zuhörte.
„Die
Liebe ist das größte Wunder, nicht wahr?“, sagte er plötzlich, und Hermine sah
sich hilfesuchend um, aber sie und der Fremde waren alleine auf dieser Wiese.
Erst jetzt registrierte sie, dass sie den Horizont nicht ausmachen konnte. Und
es war Tag! Es war doch Nacht gewesen? War sie mit dem Portschlüssel auf einen
anderen Kontinent geraten?!
„Liebe?“,
wiederholte sie, ohne zuzuhören.
„Ja. Du
bist für einen jungen Mann gestorben. Geh zurück zu ihm, gewinn sein Herz, und
ich schenke dir dein Leben, Hermine Granger.“
Und jetzt
sah sie ihn wieder an, verengte die Augen, versuchte sein Gesicht auszumachen,
aber je mehr sie sich konzentrierter, umso schwindeliger wurde ihr. Sie
blinzelte und sah an ihm vorbei ins grelle Nichts.
„Was?“,
sagte sie, und langsam kamen ihr Zweifel, ob sie
wirklich mit einem Portschlüssel gereist war.
„Ich biete dir diesen Handel an. Zu einem Preis natürlich“, schloss er
freundlich und streckte ihr seine Hand entgegen, die in einem schwarzen
Handschuh steckte. „Ich handle gerne mit der Liebe“, klärte er sie auf.
„Was?“,
wiederholte sie wieder, aber diesmal tonlos, während sie sich weiter umsah. Es
sah nicht aus wie eine gewöhnliche Wiese. Der Fluss schien hinter ihr zu
brodeln. Auch die Brücke wirkte nicht so vertrauenserweckend wie noch vor einer
Minute.
„Schaffst
du es zur Sonnenwende sein Herz zu gewinnen, wirst du wieder Mensch. Schaffst
du es nicht, bekomme ich deine Seele“, erklärte er rau. Sie starrte ihn an,
oder versuchte es zumindest.
„Meine
Seele“, flüsterte sie verständnislos.
„Aber ja…!
Eine Seele wie deine lasse ich ungerne weiterziehen“, bestätigte er. „So mutig.
So selbstlos. Und alles für den Feind“, bemerkte er anerkennend.
„Den
Feind?“, wiederholte sie. „Malfoy!“, entfuhr es ihr, als sie verstand.
„Gewinn sein
Herz. Ich glaube, ein besseres Angebot wird dir niemand sonst mehr machen
können, Hermine“, sagte er gönnerhaft.
„Ich… kann nicht…“, flüsterte sie, und er hob die Hände.
„Nun, ich
schicke dich natürlich als Geist zurück. Zu mehr reicht es nicht“, bemerkte er.
„Und dann gibt es noch ein paar weitere Kleinigkeiten, aber… was sagst du?
Schlägst du ein?“
Der
Himmel – oder was es über ihr war – wurde dunkler.
Es war,
als vernahm sie eine Stimme hinter sich, es klang wie… wie Freds Stimme?! Aber
ehe sie sich umdrehen konnte, stand der Fremde plötzlich näher vor ihr.
Er
beschwor dichten Nebel vor ihr herauf, und sie erkannte, wie sich ein Bild aus
dem Nebel formte. Sie erkannte das Schlachtfeld. Sie erkannte Hogwarts!
Sie
erkannte sich selbst. Sie starrte auf das Bild. Sie lag in Malfoys Armen.
Zauberer liefen aufgeregt durch die Gegend. Malfoy weinte auf sie hinab, hielt
ihren Körper und schrie etwas.
„Siehst
du? Er weint um dich, hat dich wahrscheinlich immer schon geliebt. Es wird dir
ein leichtes sein, zurückzukehren und sein Herz zu gewinnen. Du hast es ja
jetzt schon!“, flüsterte der Fremde. Sie starrte auf das Bild hinab, geschockt
und ungläubig.
Ron
stürzte ins Bild. Sein Zauberstab sank in seiner Hand, und er fiel neben Malfoy
auf die Knie.
„Ron“,
wisperte sie, versuchte ihn zu berühren, aber ihre Finger glitten durch das
Bild hindurch und es zerfiel, als Draco Malfoy ihren Körper an sich drückte.
„Was
sagst du?“, fuhr der Fremde sie plötzlich an, und dort, wo seine Augen saßen
glühten zwei rote Schatten. Sie atmete heftig aus. „Schlägst du ein?“, rief er
aus.
„Ich soll… zurück und…“
„… sein
Herz gewinnen!“
„Malfoy
Herz?“, vergewisserte sie sich, und der Fremde nickte nur.
„Das,
oder du gehst über die verlorene Brücke durch Schmerzen und Qual“, flüsterte
er, und sie sah, wie sich das Land hinter der Brücke veränderte, wie es dunkel
wurde, wie Vulkane sich auftaten, Asche spuckten und der Himmel schwarz wurde.
Heftig erschrak sie und starrte den Fremden an.
„Ich kann
sein Herz nicht gewinnen!“, rief sie panisch aus. „Malfoy ist-“
„-du hast
ihn gerettet! Er vergeht vor Schuld! Er ist dir auf
ewig dankbar! Und was hast du schon zu verlieren, Kind. Tot bist du sowieso!
Nur deine Seele wäre mein, und… das ist immer noch besser als der steinige Weg,
der vor dir liegt!“, raunte er verschwörerisch, und wieder wandte sie sich um
und glaubte, schwarze Drachen über die Wolke fliegen zu sehen, während ihr
giftiges Feuer, alles verbrannte, was es berührte.
„Ich…“
„Na
los…“, zischte die hohle Stimme des Mannes gefährlich tief. „Etwas Besseres
wird dir niemand anbieten! Schlag ein, Hermine!“
Zweifelnd
sah sie den Fremden an. Kreischend flog ein Drache über ihre Köpfe. „Schnell,
bevor die Zeit abgelaufen ist, und du verdammt bist, für immer hier in der Qual
gefangen zu sein!“, rief er, und Hermine zögerte nicht länger, als das Feuer
des Drachen in den Baum neben ihr einschlug.
Ron. Sie
wollte zurück zu Harry… und Ron!
Sie
schlug ein. Der Handschuh des Fremden war warm, brannte sich förmlich in ihre
Hand. Und bevor sie vor Schmerzen schreien konnte, war es vorbei, und
Dunkelheit hüllte sie ein.
„Ron?“,
rief sie ohnmächtig ins Dunkel, aber schon verlor sie jedes Bewusstsein für
Raum und Zeit. Aber sie hörte aus der Ferne die Stimme erneut, die sie gerade
schon gehört hatte.
Aber sie
konnte es nicht mehr ergründen.
Sie
verschwand, löste sich unter dem Händedruck des Todes auf.
Zufrieden
lächelte er. Das Trugbild der Zerstörung verschwand augenblicklich, und der
Fluss floss ruhig unter der Brücke dahin, und träge lag die Wiese wieder im
Sonnenlicht.
„Hermine!“,
schrie der Weasley-Junge von der anderen Seite des Flusses.
„Sie hört
dich nicht mehr, Fred“, sagte der Tod gleichmütig.
„Nein!“, schrie Fred, wagte aber nicht mehr, die Brücke zu betreten, die er
bereits überschritten hatte. „Was hast du ihr gezeigt!“, schrie er aufgebracht.
„Oh… nur
ein paar kleine, unwichtige Lügen“, flüsterte der Tod amüsiert. Er war fast zu
leicht. Als würde der vielversprechende Kandidat Draco Malfoy um überhaupt
irgendetwas trauern…. Der Tod freute sich schon, seine Seele in die Finger zu
bekommen….
„Nein!“,
entfuhr es Fred heiser.
„Ich habe
zumindest ihre Seele bekommen“, fügte er entspannt hinzu. „Dumm, dass du dich für
die Brücke entschieden hast, Weasley“, zischte er. „Oh, Hermine, ehe ich es
vergesse“, entfuhr es dem Tod plötzlich, als würde es ihm erst jetzt einfallen,
als könnte sie ihn noch hören. „Natürlich wirst du dich an unseren Handel nicht
mehr erinnern, hast du erst die Menschenwelt erreicht“, schloss er mit einem
breiten Lächeln.
„Nein!
Hol sie zurück!“, schrie der junge Weasley, aber der Tod ignorierte ihn.
„Sofort! Bring sie zurück!“
Der Tod
zuckte die Achseln. „Sie hat eingeschlagen. Es liegt nicht mehr in meiner Hand.
Auf bald!“, warnte er jetzt. „Dein Bruder wird kommen, und du wirst schuld
sein, Fred. Denn du hast deinen Handel ausgeschlagen“, rief er, ehe er
verschwand.
Hilflos
stand Fred auf der anderen Seite der Brücke. Er war zu spät gekommen. Er würde
den nächsten warnen, den der Tod würde holen wollen! Er würde nicht zu spät
kommen! Er hatte versagt. Wäre er doch schneller gewesen, wäre er doch noch
nicht über die Brücke gegangen! Hätte er gewartet!
Es traf
ihn wie der Schlag.
Hermine
war gestorben.
Und sie
war auf den Tod reingefallen.
Eine
Träne rann aus seinem Augenwinkel.
„Fred,
wir müssen gehen“, rief ihm Lupin zu, Tonks an seiner Hand.
„Nein“,
flüsterte Fred tonlos. „Ich muss warten. Ich muss warten, ob…“ Er musste
warten, ob George tatsächlich kam. Ob er schuld war.
Fred
wusste es nicht, aber auch er war einen Handel mit dem Tod eingegangen. Er
würde die Brücke nicht verlassen, würde ewig warten, ob sein Bruder eintreffen
würde.
„Fred“,
rief Lupin, aber er war bereits weiter entfernt als
vorher. Fred ignorierte ihn, verharrte an der Brücke und bangte um den
nächsten, der tot aus diesem Krieg erscheinen würde.
Er merkte
nicht mal, wie die Tage vergingen.
Er merkte
gar nichts mehr….
….
… - …
-…
Sie hatte
nicht geschlafen. Sie war nicht wach gewesen.
Es war
wie… ein Traum, an den sie sich nicht mehr erinnern konnte.
Sie hatte
Schmerzen. Alles war dunkel und kalt und unangenehm und traurig und elend.
Ihr Atem
ging schwer, und sie konnte sich nicht rühren. Sie wollte raus. Sie wusste
nicht, wo der Ausgang war. Ab und an drangen Gesprächsfetzen an ihr Ohr.
Sie war
zu träge, um genau zuzuhören. Das dämmrige Licht verschwand, bis völlige
Schwärze es verschluckte. Wo war sie nur? Was war sie nur?
Es wurde
wieder heller. Nicht wirklich hell, immer noch dunkel genug, dass sie nur ihre
Hand vor ihren Augen erkennen konnte, aber… war das der Tag? Wurde es Tag und
Nacht um sie herum? Wie verging die Zeit?
Sie
wusste es nicht. Sie wollte, dass es endete. Es sollte einfach nur enden… Sie
versuchte, die Augen zu schließen, aber sie spürte ihre Augen nicht mehr.
Es wurde
wieder pechschwarz. Sie hörte wieder Stimmen, wollte weinen, aber konnte nicht.
Hell,
dunkel, hell, dunkel…. So ging es. Immer abwechselnd.
Es sollte
aufhören.
Endlich
aufhören. Die Schmerzen, das Elend.
Plötzlich…
sah sie einen Funken Licht in der grausamen Dunkelheit. Müde hob sich ihre
Hand. Sie hörte das Gespräch in Fetzen, kaum drang es an ihr Ohr. Undeutlich
wie durch Wasser vernahm sie die Worte…
„… die Gedenkfeier und deine
Undankbarkeit dem Schlammblut gegenüber, was so großzügig ihr Leben für deins
aufgegeben hat…“
Ihre
Finger waren steif, fast entwischte der Funke, aber sie griff zu, mit letzter Kraft
unter allen Schmerzen, griff sie zu. Ein Gedanke kristallisierte sich heraus.
Malfoy…! Sie musste… glühend brannte sich
der Funke in ihre Hand!
Sie
musste Malfoy finden! Es war ihr Ausweg! Es kam zu ihr zurück! Es war der
Handel, den sie eingegangen war! Malfoy würde sie retten! Malfoy würde sie zum
Menschen machen, Malfoy würde ihr helfen, und sie wäre frei! Sie musste es bis
zur Sonnenwende schaffen! Bis der Sommer begann! Wie viel Zeit war wohl
vergangen? Sie wusste es nicht, aber sie durfte nicht aufgeben! Sie hatte
gesehen, er hatte um sie geweint.
Es
bedeutete ihm also etwas! Ihr Opfer bedeutete etwas. Vielleicht mochte er sie
schon! Sie würde ihn bestimmt dazu bringen können, sie zu lieben. Vielleicht
tat er es auch schon, wie der Fremde versprochen hatte!
Vielleicht…
denn… immerhin hatte sie sein Leben gerettet!
Niemand
konnte so etwas einfach vergessen! Sie musste es nur versuchen. Sie würde ihn
bitten, sein Herz für sie zu erwärmen! Dann würde sie ein Mensch werden. Dann
könnte sie zu Ron und Harry! Zu ihren Eltern, Ginny und den Zwillingen!
Die
Gedanken gaben ihr Kraft und neue Hoffnung!
Sie
musste Malfoy nur bitten. Er musste sich verändert haben. Wen würde der Krieg
nicht verändern? Wer würde sich nicht innerlich verändern, wenn er jemand
anderem sein Leben zu verdanken hatte? Zwar glaubte sie, ihre Chancen auf Liebe
würden besser stehen bei Ron oder Harry, aber… er verdankte ihr sein Leben.
Er würde
ihr sein Herz schenken! Er würde sie lieben!
Sie war
sich absolut sicher!
Sie würde
nicht aufgeben! Er würde sie bestimmt willkommen heißen, würde es ihr einfach
machen, würde sie nicht verstoßen. Natürlich nicht! So kaltherzig war er nicht.
Nicht nachdem sie ihn gerettet hatte! Ja, vielleicht hatte sie eine gute
Chance!
Wie
schwer konnte es schon sein?
Sie wurde
aus der Dunkelheit gerissen!
Ja! Sie hatte Malfoy gefunden! Sie hatte es schon soweit geschafft! Er würde
sie lieben!
Er würde sie…
- …
Und der
Gedanke, den sie gerade noch gehabt hatte… - war fort…
…fort…
…
Sie blinzelte
erneut und erschrak.
Wo war
sie hier gelandet?
Wo war
sie überhaupt hergekommen?
Gerade
noch endlose Leere, und jetzt?!
Ein Wohnzimmer…
Sie war…
was?! Sie sah sich um. Sie war in einem Wohnzimmer? Einem riesigen Wohnzimmer?
Was war passiert?! Sie sah an sich hinab. Alles war grau! Ihre Hände! Ihre…
Beine! Sie konnte den Teppich durch ihre Füße erkennen!
Oh
Merlin! Was zur…!
Sie hörte
Stimmen! Mucksmäuschenstill hielt sie inne.
„Ich
bitte dich, Pans!“
Diese
Stimme… sie erkannte die Stimme. Sie sah sich verwirrt um.
Ein
großes Portrait prangte über dem Kamin. Sie schnappte ungewollt nach Luft.
Malfoy…!
Sie war in Malfoys Wohnzimmer! Sie war… auf Malfoy Manor?!
Sie war
ein Geist auf Malfoy Manor? Ihr Verstand arbeitete
schnell!
Sie zuckte
erschrocken zusammen, als eine Hauselfe direkt durch
ihre Beine hindurchlief.
„Hey!“,
flüsterte sie panisch, aber die Elfe reagierte nicht.
„Nicht
den Teppich schmutzig machen, während ich weg bin! Das ist teurer,
handgeknüpfter Perser, Elfe!“, warnte Narzissa Malfoy, als sie ihre Robe
verschloss, und Hermines Mund klappte auf, denn… anscheinend konnte Narzissa
Malfoy sie auch nicht sehen! Damit verschwand die Frau, ohne Hermine auch nur
den Hauch Beachtung geschenkt zu haben.
War sie
ein unsichtbarer Geist?! Warum?! Und was tat sie ausgerechnet hier? Hier an dem
verdammten Ort, wo der Mistkerl wohnte, dem sie auch noch das Leben gerettet
hatte?
„Noch
Tee?“, hörte sie seine Stimme erneut von draußen, und konnte sich nicht
bewegen. Wo sollte sie hin? Was sollte sie tun? Sie versuchte, zu apparieren,
versuchte sich zu erinnern, aber sie war wie eingefroren.
„Sicher, Dray“, hörte sie die Stimme von… Pansy Parkinson?! Sie
hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn schon kam Malfoy von draußen rein.
Sie verharrte erneut, aber auch er würde sie nicht sehen können, weil sie ja
keiner hier sehen konnte!
Aber er
hielt inne, als er das Wohnzimmer betreten hatte, und sie wünschte sich
plötzlich sehr, sehr dringend, dass er sie auf gar keinen Fall sehen konnte! Ein
Schauer durchfuhr sie. Plötzlich hatte sie wirklich das Gefühl, unsichtbar zu
sein.
„Mutter,
ich-“ Er unterbrach sich, denn als er aufblickte war niemand da, der ihm
antworten konnte. Er schüttelte kurz den Kopf. Sie beobachtete ihn. Sie fühlte
sich immer noch komisch, nicht ganz da, aber er sah durch sie hindurch wie die
anderen. Langsam beruhigte sie sich, und spürte, wie sie wieder klarer denken
konnte, wie sie nicht mehr unsichtbar sein wollte.
„Lowyn“, rief er anscheinend nach der Elfe. Sie erschien
augenblicklich.
„Ja,
Master Draco?“, fragte sie ergeben und verneigte sich tief in ihrem lumpigen
Kissenbezug. Hermine betrachtete dies abschätzend. Natürlich. Die Malfoys
scherten sich nicht um Elfenrechte!
„Bring
mehr Tee nach draußen“, befahl er knapp. Die Elfe verneigte sich noch tiefer
und verschwand mit einem Plopp.
„Bitte“, fügte sie konsterniert hinzu.
Niemand konnte sie sehen, aber das hieß nicht, dass sie Unhöflichkeiten nicht
dennoch korrigieren konnte. Aber er gefror unter ihren Worten.
Uh-oh…
Er wandte
sich zum Kamin um. Und er verharrte.
Oh nein…!
Seine
Hand zitterte, und wüsste sie es nicht besser würde sie sagen, er sah ihr
direkt ins Gesicht. Was…? Er konnte sie doch
sehen?!
Seine Hand
zitterte so stark, dass er die Teetasse fallen ließ. Sie zersprang auf dem
Boden, und Hermine zuckte zusammen.
Ja. Er
konnte sie wohl sehen. Bastard.
Geschockt
sah er sie an. Sie sah sich gehalten, den Satz zu wiederholen. Denn… was sollte
sie sonst tun?! Vielleicht war er in eine Schock-Starre gefallen – in die sie,
nebenbei bemerkt, wohl eher fallen würde als er!
„Bring
mehr Tee nach draußen, bitte“,
wiederholte sie also, und als hätte sie einen Fluch auf ihn losgelassen, wich
er ungläubig vor ihr zurück.
„Was
zum…?“, brachte er keuchend hervor und stolperte schutzsuchend hinter die
breite Couch. Er umklammerte die Lehne mit der einen Hand und griff mit der
linken nach seinem Zauberstab, den er im Hosenbund trug. Er zielte direkt auf
ihren Kopf.
Meinte er
das ernst?! Sie legte seufzend den Kopf schräg und verschränkte die Arme vor
der Brust. Was hatte sie gedacht? Dass er vor Dankbarkeit auf seine scheiß Knie
fallen würde? Der scheiß Todesser?!
Nein,
damit hatte sie nicht wirklich gerechnet.
Die Hand,
die seinen Zauberstab hielt, zitterte heftig. Sie wartete geduldig ab, und
Pansy betrat das Wohnzimmer in einem ziemlich hässlichen orangenen Kleid.
Hermine nahm es schlicht und ergreifend zur Kenntnis, dass wohl nur Malfoy sie
sehen konnte.
„Draco,
wo bleibst du? Die Elfe hat-“ Pansy unterbrach sich selbst, als sie das
Wohnzimmer betrat. „Was genau tust du da?“, ergänzte Pansy vorsichtig und
stellte sich neben ihn hinter die Couch. Sie folgte seinem Blick, aber
lediglich Verwirrung zeichnete Pansys Gesicht.
Fast
hätte Hermine gelächelt. Fast, wäre sie selber nicht so entnervt von diesem
Idioten vor sich. Begrüßte man so den Geist seines Retters?! Nein. Bestimmt
nicht!
„Was?“, flüsterte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden. „Du siehst es nicht?“,
brachte er zitternd über die Lippen, und Pansy starrte geradeaus auf den Kamin.
Gerade durch sie hindurch.
„Was genau?“, wollte sie vorsichtig wissen. „Draco, alles in Ordnung?“
Hermine
verdrehte die Augen. Merlin, der Junge war nicht der hellste. Sie erinnerte
sich an Draco Malfoy. Wo auch immer sie gewesen war, es hatte ihre Erinnerung
nicht getrübt.
Sie hatte
sein Leben gerettet. Und als Dank spukte sie nun als Geist in seinem Haus? Es
kam ihr nicht wirklich gerecht vor.
Er sah
aus wie immer. Überheblich. Arrogant. Mit lächerlich blonden Haaren. Er sah
seinem Vater immer ähnlicher.
„Sie kann mich nicht sehen, Malfoy“, informierte sie ihn schließlich, denn sie
hatte keine Lust mehr, hier zu stehen, und ihm zuzusehen, wie er sie bedrohen
wollte.
Er starrte
sie an und schüttelte den Kopf.
„Du bist
nicht echt!“, knurrte er zornig, und Pansy betrachtete ihn eingehender.
„Draco?
Sprichst du mit mir oder…?“ Pansy machte einen winzigen Schritt vor ihm zurück.
Er schien sich beherrschen zu wollen.
„Ich… nein!“
Er wandte sich vom Kamin ab. „Pansy, lass uns gehen!“, sagte er hastig.
Gott, er
war ein Idiot, dachte Hermine knapp, spürte, aber dass sie folgen musste!
Sollte er gehen.
… was?!
Warum war das so?!
„Wohin?“, erkundigte sich Pansy beunruhigt. „Alles in Ordnung? Du bist
schrecklich blass, Draco.“
„Alles bestens. Wirklich“, beteuerte er. „Lass uns gehen!“, beharrte er
eindringlich, und er stolperte praktisch nach draußen. Hastig sah er sich um,
aber sie strengte sich, um nicht mehr sichtbar zu sein. Es ging leicht, stellte
sie fest, als sie ihm automatisch folgte.
Er sah
durch sie hindurch, wie die anderen. Das tatsächliche Unsichtbar sein strengte
sie auf Dauer etwas an, aber… sie hatte gerade keine Lust, dass er den
Zauberstab erneut auf sie richtete.
Pansy
stellte sich neben ihn. „Draco?“ Er erschrak beinahe. Hermine wartete und blieb
unsichtbar. Sie musste irgendwie mit ihm reden! Vielleicht wusste er weiter.
Vielleicht… gab es irgendeinen Grund, weshalb sie ausgerechnet hier war!
Vielleicht hatte er sie gerufen? Nein, wohl eher nicht.
Sie
wusste nur, sie gehörte hier nicht hin!
„Ja?“, erwiderte er, immer noch außer Atem.
„Wo
willst du hin?“
„Egal“,
brachte er mit klopfendem Herzen hervor. „Egal, alles, was du willst. Shoppen,
Schuhe kaufen.“ Pansys Augen wurden groß. Hermine befürchtete, dass sie mit ihm
kommen musste. Es war so ein Gefühl, das sie hatte.
„Wirklich?“
Sie apparierten Seit-an-Seit, und Hermine hatte keine Zeit, zu
entscheiden, was sie wollte, denn sie wurde einfach mitgerissen!
So ein
Mist! Und jetzt?!
Sie
musste sich irgendetwas einfallen lassen! Irgendetwas, damit er nicht weiter
versuchen würde, sie verfluchen zu wollen….
~ I will
become what I deserve
I’ve
been worrying, I‘ve been worrying
That I will
become what I deserve ~
Er wachte
gähnend auf. Aber alle Gelassenheit fiel mit dem Gedanken von ihm ab, dass er
ja einen verdammten Geist zu beseitigen hatte! Er glaubte nicht, dass sie sich
an seine Drohung von letzte Nacht gehalten hatte, oder dass seine Worte
irgendeinen Effekt auf sie gehabt hatten.
Es wäre
ja auch zu schön, würde sie einfach verschwinden, weil er es so wollte,
verflucht!
Er sah
sich in seinem Zimmer um. Die Sonne kroch über den Boden, unter seinen
Vorhängen hindurch. Musste er sich bei Astoria für gestern Nacht entschuldigen,
fragte er sich gähnen, während er sich aus dem Bett beugte, um unter die
Matratze zu gucken. Vielleicht versteckte sie sich dort?
Nein. Er
musste sich nicht bei Astoria entschuldigen. Vielmehr könnte sie sich bei ihm
entschuldigen! Immerhin war gestern nicht in ihrem Mund gekommen!
Sie
könnte es heute wieder gutmachen, ehe er morgen wieder würde arbeiten müssen.
Merlin,
sein Leben war so undankbar.
Nein,
Granger war nicht in sichtbar. Er lugte ins Badezimmer, um sich zu
vergewissern, aber auch dort war sie nicht.
„Oh, ich
bitte dich!“, rief er aus. „Nerv mich nicht noch mehr! Du kannst nirgendwo
hingehen, du Quälgeist!“, rief er aus. Er wartete in der Stille seines Zimmers.
Er sah sich um. Sie erschien nicht. „Granger?“, vergewisserte er sich, und es
fiel ihm verdammt schwer zu glauben, dass ihre unerfüllte Aufgabe darin
bestanden hatte, sich von ihm anschreien zu lassen. Aber… sie hatte ihn gestern
geschlagen! Vielleicht war das ihre unerfüllte Aufgabe gewesen?
Er
wartete noch eine Minute.
„Kann es
sein, dass du erlöst bist? Deinen Frieden gefunden hast?“, rief er und kam sich
von Sekunde zu Sekunde lächerlicher vor. Wenn sie weg war, dann war er nur noch
ein armer Irrer, der in seinem Zimmer mit sich selber sprach. „War es deine
Aufgabe, dein Wut an mir auszulassen? Hast du jetzt deine Ruhe?“
Und fast
war er gewillt, dem Frieden zu trauen, bis er ein Knacken hinter sich hörte.
Mit einem
gewaltigen Lärm brach ein Bein seines Bettes, und das ganze Ding krachte
zusammen und stand nun schief und eingesunken im Zimmer.
„Ich
schätze, das heißt nein?“, entgegnete er trocken, und schon hörte er Schritte
auf dem Flur. Zornige Schritte.
Seine Tür
flog auf.
„Draco,
was ist los mit dir?“, fuhr ihn seine Mutter an. „Du veranstaltest einen Lärm!
Und was war gestern? Dein Vater sagt, du warst den ganzen Tag seltsam.“ Seine
Mutter bedachte ihn mit demselben Blick, mit dem sie auch ihre verrückte Tante Desdemona auf der Bekloppten-Station im Mungo immer zu
betrachten pflegte, wenn diese anfing, die Schachfiguren als kleinen Snack zu
knabbern.
Und dann
fiel ihr Blick auf das Bett. „Ich will nicht wissen, was du hier treibst, aber
es reicht mir mit dem Unsinn. Werd erwachsen, Draco!“, fuhr sie ihn an.
Zuerst
öffnete er den Mund zum Protest, resignierte aber schließlich, und als sie
kopfschüttelnd das Zimmer verließ, krachte das nächste Bein seines Bettes mit
lautem Getöse zusammen, und er schloss ergeben die Augen, als seine Mutter
erneut die Tür öffnete.
„Wenn du
rebellieren willst ist heute ein denkbar schlechter Tag dafür!“, knurrte sie.
„Zieh dich an. Wir haben Termine. Und du wirst mich zu jedem einzelnen
begleiten!“, endete sie und schlug seine Tür ins Schloss.
„Ich
hasse dich“, sagte er zu der unsichtbaren Granger, wegen der er heute seiner
Mutter am Rockzipfel hängen durfte.
Scheiße.
~*~
Zu seiner
Verteidigung konnte er wohl zumindest sagen, dass er seiner Mutter gesagt
hatte, er wolle nicht zu Flourish und Blotts.
Er hatte die Hände in seinen Hosentaschen vergraben, während seine Mutter
drinnen verhandelte, ob sie für die beschädigten Bücher oder für die zerstörten
Regale aufkommen musste. Natürlich wurde es von seinem Einkommen bezahlt,
allerdings hatte sie ihn verdonnert, draußen auf der Straße zu warten.
„Ich
hoffe, du bist zufrieden, scheiß Schlammblut“, entfuhr es ihm, nachdem eine
Familie starrend an ihm vorbeigelaufen war. Natürlich, für Außenstehende musste
es so aussehen, als hätte er die Regale umgeworfen, denn sie waren hinter ihm
gefallen! Und er war kurz davor, seiner Mutter zu erklären, dass Grangers Geist
ihn verfolgte, aber… verflucht schwer, so etwas zu beweisen, wenn der
verfluchte Geist unsichtbar war!
Sie war
wütend. Sie zeigte sich zwar nicht mehr, aber… das war nicht besser! Absolut
nicht besser. Aber noch war er nicht so weit, aufzugeben! Er würde sich nicht
entschuldigen! Er würde sich nicht zum Narren machen, für einen Geist! Sollte
sie doch alle Läden der Winkelgasse in seinem Namen demolieren! Er hatte genug
Gold, um die verdammte Straße zu renovieren! Sei es auch mit seinem Erbe,
verdammt!
Er besaß
Stolz! Und den würde er nicht an ein Schlammblut verlieren.
Seine
einzige Sorge war…, dass morgen Montag war.
Seine Mutter
löste solche Dinge mit Gold, aber sein Vater…
-würde
Granger im Büro ein solches Chaos anrichten…, dann… er wollte den Gedanken
nicht abschließen. Vielleicht hatte sie sich aber auch heute ausgetobt. In
Gringotts hatte sie immerhin nur ein Dutzend Kerzenständer umgeworfen, an denen
er vorbeigegangen war. Die Malfoys waren zu gute Kunden, als dass die Kobolde
wegen ein paar Dutzend Kerzen einen Krieg erklärten.
Und er
wusste, würde er Madame Malkin’s überleben und seinen fertigen Anzug abholen
können, ohne dass sie das Geschäft in Brand setzte, die Kleider zerschnitt oder
seine Mutter durch das Schaufenster stieß, könnte er noch beruhigt schlafen
gehen.
Er war
genauso so stur wie ihr scheiß Geist. Sie wollte sich mit Draco Malfoy anlegen?
Hätte sie ihn doch nicht retten sollen, wenn es so ein verdammtes Problem für
ihren Geist war!
Seine
Mutter verließ den Laden. Sie streifte ihre Ausgeh-Handschuhe über, wie ein
Serienkiller, bereit, ihn zu erwürgen, dachte er dumpf.
„Draco,
ich…“, war alles, was sie über ihre vor Zorn schmalen Lippen brachte. Ja. Es
würde noch ein Donnerwetter geben. Er war achtzehn und es würde ein scheiß
Donnerwetter geben, als wäre er wieder zehn Jahre alt. Er hasste Granger.
Hasste sie wirklich!
Heute
galt es nur, den scheiß Tag zu überleben.
Morgen
müsste er sich etwas anderes einfallen lassen. Seine Mutter war das
Leichtgewicht. Lucius war… der Teufel.
~*~
Er hatte
kaum geschlafen.
Nein.
Diese Aussage war so nicht richtig.
Er hatte gar nicht geschlafen.
Er setzte
sich wortlos an den Frühstückstisch.
„Du
siehst furchtbar aus“, stellte sein Vater mit einem kurzen Blick auf ihn fest.
„Ich hoffe, die Reue hat dich nicht schlafen gelassen“, fügte er glatt hinzu,
ehe er sich wieder in den Tagespropheten
vertiefte.
Ja, so könnte man es auch sagen, dachte er bitter.
Granger
hatte ihm so oft seine Decke vom Körper gezogen, bis er auf sie verzichtet
hatte. Sie hatte so lange an den Fenstern gekratzt, bis er seine Ohren mit
einem Taubheits-Zauber belegt hatte. Dann hatte sie so oft seine Lampen an und
wieder erlöschen lassen, bis die Gläser gesprungen waren. Bedauerlicherweise
war es dann schon wieder morgen gewesen, und sie den Duschkopf auf den Boden
des Bades geworfen und das Wasser voll aufgedreht hatte.
Jedes Mal
voll aufgedreht, nach dem er es abgestellt hatte. Er hatte das Wasser nicht
trocken legen können, denn irgendwem wäre es bei seinem unendlichen Glück im
Haus aufgefallen. Den Elfen, seiner Mutter, die nachts auf Toilette ging –
irgendwem!
In
dämmrigen Zustand saß er am Tisch. Seine Mutter las stumm die Hexenwoche, sein Vater war hinter dem Propheten verschwunden und lustlos biss
Draco in sein Croissant.
Und nur
aus schierem Glück bemerkte er, wie seine Tasse zu schweben begann, und er
geistesgegenwärtig aus dem Stuhl sprang, bevor der heiße Tee seinen neuen Anzug
tränken konnte.
„Ha!“,
rief er mehr als triumphierend aus, während die Tasse kippte und den
Seidenbezug des Stuhlbezugs tränkte. Langsam hob sich sein Blick. Des einen Misserfolg war durchaus nicht des anderen Sieg,
kam ihm dumpf in den Sinn, als seine Mutter ihre Zeitschrift in zähen Sekunden
in ihren Händen sinken ließ.
Sein
Vater hatte eine Ecke des Tagespropheten sinken lassen, sah ihn tiefen
Sorgenfalten an, ehe er den Tagespropheten wieder straffer zog und hinter ihm
verschwand.
„Lowyn!“, rief seine Mutter, die Stimme gefährlich leise.
„Es reicht mir“, knurrte sie. Die Elfe erschien, entdeckte die umgestürzte
Tasse und beseitige hastig den Fleck. „Lowyn, deck
für meinen Sohn auf der Terrasse. Wenn ihm danach ist, wie ein Kleinkind zu
essen, kann er dies besser draußen tun“, schloss sie. Dracos Mund öffnete sich
protestierend, aber sein Gedeck verschwand bereits unter einem Fingerschnipsen
der Elfe.
„Merlin, noch mal“, murmelte er kopfschüttelnd und folgte seinem
Frühstücksgeschirr nach draußen. Es wurde langsam warm. Der Sommer kündigte
sich endlich an. Auf dem Weg sah er die Ming-Vase stürzen und fing sie
geschickt mit einer Hand. „Netter Versuch“, war sein trockener Kommentar, als
er die Vase in die Glasvitrine schloss, und es erschreckte ihn, wie stoisch er
sich an Grangers Zerstörungskrieg schon gewöhnt hatte.
Draußen
gewährte sie ihm einen Moment lang Ruhe, das nahm er zumindest an, während er
den Garten betrachtete, der während des Frühlings begonnen hatte, zu blühen.
Er aß
sein Croissant ohne Aufstrich, trank seinen frischen Tee in einem Zug und
wartete anschließend stehend darauf, dass sein Vater fertig werde würde. Er war
erstaunlich wachsam, dafür, dass er nicht geschlafen hatte. Vielleicht gerade
deswegen.
„Draco,
es wird Zeit!“, rief sein Vater von drinnen, und Draco sah sich noch einmal auf
dem menschenleeren Grundstück um. Er seufzte schwer.
„Keinen
Waffenstillstand, nehme ich an“, murmelte er, bekam allerdings keine Antwort. „Schön“,
schloss er still, zog das Jackett seines blauen Anzugs straffer, und zumindest
sah er gut aus für die Arbeit. Noch
zumindest.
Er kam
wieder ins Wohnzimmer. Sein Vater hatte den Tagespropheten
unter den Arm geklemmt, und Draco schritt durchs Wohnzimmer, darauf bedacht,
dass nicht umfiel, nichts zu Bruch ging, keine Stichflammen in die Höhe
schossen.
„Oh
Grundgütiger!“, entfuhr es seiner Mutter. „Was muss ich tun, Draco?“, fuhr sie
ihn an. „Was ist es, wogegen du dich so sehr auflehnst?“ Sie rief nach weiteren
Elfen, und er wandte sich verblüfft um. Er hatte keinen Schaden bemerkt, wie
konnte –
Sein
Blick fiel. Matschige Fußspuren waren im von draußen auf dem Parkett gefolgt.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass das Rosenbeet seiner Mutter nicht mehr
akkurat senkrechte Rosen zeigte. Sie waren teilweise umgeknickt, zertrampelt,
und er beeilte sich seinem Vater nach draußen zu folgen, ehe seine Mutter das
Beet überhaupt bemerken würde.
„Entschuldige,
Mutter“, sagte er hastig, folgte Lucius und betete, dass Granger nichts
Unverzeihliches anrichten würde.
„Was ist
los mit dir?“, wollte sein Vater entnervt von ihm wissen.
„Ich
habe…“, einen Geist, der mich verfolgt
und mich wahnsinnig macht, Lucius! „Mutter macht mich wahnsinnig“,
entschied er sich für eine wahrscheinlichere Aussage. Zumindest eine Aussage,
bei der er nicht viel mehr erklären musste. Und Lucius hob eine Augenbraue und
nickte schließlich.
„Ich
verstehe. Aber hör auf, bevor sie einen Zusammenbruch bekommt“, ergänzte er,
ehe sie beinahe gleichzeitig apparierten. Fast graute
es ihm davor, Granger zu zeigen – sie praktisch auch noch dahin einzuladen – wo
er arbeitete!
Sie
betraten schließlich die Firma ohne Zwischenfälle. Keine Scherben, keinen
Brand.
„Du
wirkst nervös. Du hast doch wohl keine Angst vor dem neuen Projekt?“
„Hm“,
erwiderte Draco, denn er hatte nicht zugehört. Seine Augen wanderten
unaufhaltsam durch die Flure, beobachteten die noch ruhig summenden magischen
Feuermelder an den Wänden, aber am größten Angst machten ihm die Skulpturen,
die meisten aus Stahlgestängen, die kunstvoll, in akribischer Kleinstarbeit, in
der Halle zusammengesteckt worden waren und ein schieres Vermögen kosteten.
Draco schlug einen großen Bogen um die Kunstwerke ein, damit ein mögliches
Zusammenstürzen nicht ihm in die Schuhe geschoben werden konnte. Er ging so nah
neben seinem Vater, dass Lucius ihm einen scheelen Blick zu warf.
„Ja?“, fragte Lucius angemessen beunruhigt.
„Du bist
mein Vorbild, ich will deine Weisheit mit keiner Sekunde verpassen“, sagte
Draco, ohne seinen Vater anzusehen, sondern richtete sein Augenmerk auf die
hohen Schränke mit den Blaupausen. Bloß
kein Feuer, Granger!
„Wirklich witzig“, bemerkte Lucius bissig. Draco seufzte auf. Merlin, der Tag
würde lang werden. „Mach die Vorlagen fertig und komm um zwölf in mein Büro.“
„Wenn ich
um zwölf noch hier arbeite“, murmelte er, und sein Vater lauschte auf.
„Red deutlich. Was?“
„Ich
sagte, ob wir um zwölf die Arbeit an der Großbaustelle besichtigen“, log er
eilig. Lucius überlegte kurz.
„Wahrscheinlich
nicht, nein. Sei einfach pünktlich, Draco“, fügte Lucius strenger hinzu. Draco
und sein Vater bogen in verschiedene Richtungen ab.
„Guten
Morgen, Mr Malfoy“, begrüßten ihn zwei der Angestellten, aber er nickte nur
resignierend.
„Nein,
definitiv nicht“, murmelte er, aber die Angestellten hier waren selten
verwundert über seine schlechte Laune. Er würde nicht unbedingt den
Gewerkschaftspreis für den beliebtesten Vize-Präsidenten bekommen. Mit oder
ohne Geist….
Er
schloss die beiden Flügeltüren seines Büros, und hier sah alles noch
unverändert aus. Seine Arbeit stapelte sich, aber noch größer waren die
Hilfsbücher, die er zu Rate ziehen musste, weil er noch nicht ein vollständig
ausgebildeter magischer Architekt war.
Und die
Maßstäbe, die sein Vater für ihn setzte, waren eher utopisch als lehrreich.
Seufzend
sank er hinter seinen Schreibtisch. Ein hübscher Bücherturm baute sich auf
seinen Schreibtisch auf. Er inspizierte ihn sorgenvoll während er nach dem Earl
Grey griff, den seine Sekretärin bereits auf den Tisch gestellt hatte.
„Bitte“,
sagte er mit einer auffordernden Handbewegung, und keine Sekunde später, fiel
der Turm vom Schreibtisch und etwa zwölf Bücher verteilten sich quer auf dem
Boden.
„Ich
werde verrückt“, murmelte er, während er kurz sein Gesicht in seinen Händen
vergrub.
Es
klopfte keine Sekunde später. „Nein“, murmelte er erschöpft, aber die Tür
öffnete sich dennoch.
„Einen
schönen guten Morgen auch dir“, entgegnete Astoria mit einer Kälte in der
Stimme, die seiner Mutter bestimmt gefallen hätte. Fuck. Er hatte sich gestern nicht mehr bei ihr gemeldet, nach dem
Katastrophensonntag!
„Ich
dachte, ich gebe dir einen Tag zum Entschuldigen, aber… das hast du nicht
getan“, schloss sie bitter und betrachtete die verteilten Bücher auf dem Boden
ohne einen weiteren Kommentar.
„Astoria“,
begann er, erhob sich, aber sie gebot ihm, sich nicht zu bewegen.
„Du hast
mich gedemütigt. Du hast den Nerv, dich nicht zu entschuldigen, und du bist-“
„-warte,
warte!“, unterbrach er sie, kam um den Schreibtisch herum – zumindest war das
der Plan gewesen. Aber anstatt zu laufen, konnte er keinen Schritt tun und fiel
ziemlich unelegant neben seinen Stuhl zu Boden. Ein Blick nach unten verriet ihm,
dass sie seine Schuhbänder zusammen gebunden hatte.
Miststück.
Fluchend
kam er auf die Beine und blieb neben dem Schreibtisch stehen.
„Was tust
du da?“, knurrte Astoria ungehalten.
„Ich…“
„Weißt du,
es ist mir auch egal. Ich bin nicht hergekommen, um von dir lächerlich gemacht
zu werden! Und dieses Mal kannst du abwarten, bis ich mich bei dir melde!“,
giftete sie, machte auf hohen Absätzen kehrt, und ehe reagieren konnte,
schwebte seine Teetasse in der Luft und kippte den Inhalt in Astorias Rücken.
Diese keuchte unter der Hitze auf, und Draco stolperte, so gut er es mit
zusammen gebunden Schuhbändern konnte, nach vorne.
Sie
drehte sich zornig um.
„Draco
Malfoy, du kippst mir deinen heißen Tee in den Rücken? Bist du verrückt
geworden, du Arschloch?“, schrie sie außer sich, schloss den Abstand und
verpasste ihm eine saftige Ohrfeige, dass ihm die Ohren klingelten. „Und, dass
ich mich melde? Am besten wartest du nicht darauf!“, endete sie kreischend und
stürmte aus seinem Büro.
Kurz
atmete er aus. Kurz schaffte er es fast, seine stoische Ruhe beizubehalten,
aber… er bekam die Kurve nicht mehr. Er schlitterte haarscharf daran vorbei.
Wütend trat er sich die Schuhe von den Füßen.
„Genug!“,
knurrte er. „Das war genug Chaos, Granger! Du willst meine Hilfe? Denkst du, du
bekommst meine verdammte Hilfe, indem du mein Leben ruinierst? Indem du dir
lächerliche Kleinigkeiten einfallen lässt, um mich schlecht dastehen zu lassen?
Es wird dir rein gar nichts bringen! Gar nichts!“, schrie er schließlich, und
zaghaft klopfte es wieder an seiner Tür.
Seine
Sekretärin öffnete, um abrupt zu verstummen, als sie ihn sah, im Chaos seiner
Bücher, in Socken zwischen den Scherben seiner Tasse.
„Ich… komme später noch mal“, flüsterte Mrs Cannigan heiser.
„Ja“,
erwiderte er gepresst. Er atmete zornig aus, setzte sich wieder an den
Schreibtisch, und griff nach der ersten Akte.
Scheiße.
Er musste überlegen, ob es den Aufwand wert wäre, sich bei Astoria zu
entschuldigen, oder ob er keine andere unter weniger Anstrengungen finden
würde, die ihm seine sexuellen Wünsche erfüllte. Mit einem Geist standen seine
Chancen ohnehin erdenklich schlecht. Unsichtbar öffnete sich sein Fenster. Er
registrierte es, aber er ehe er reagieren konnte, flog seine erste Akte in die
Rosenbüsche draußen.
Er
unterdrückte ein Schnauben. „Hör auf damit“, knurrte er.
Er griff
sich die nächste Akte, denn er hatte hunderte. Mit einem Mal brachte Granger
seinen kompletten Stapel wieder durcheinander, und er fluchte so blumig, dass
er Zuhause dafür einen Knut hätte abdrücken müssen. Seine Mutter hasste Flüche
nämlich.
Und eine
Akte fiel vor ihn. Anscheinend mit Absicht. Er las den Namen.
„Vergiss
es“, sagte er nur, schob die Akte beiseite, aber sie griff sie anscheinend
erneut, um sie wieder vor seiner Nase auf den Schreibtisch fallen zu lassen.
„Nein!“,
schrie er zornig vor Müdigkeit, zornig vor Resignation.
Seine Tür
öffnete sich. Lucius sah bedrohlich aus.
„Was in
Merlins Namen ist nur los mit dir?“
Und
Dracos Blick wanderte langsam höher. Er wusste nicht, wie sie es machte, aber
über dem Kopf seines Vaters schwebte gefährlich tief sein Brieföffner. Der
Brieföffner, den er zum ersten Tag von Blaise bekommen hatte. Es war ein
goldener Dolch. Ein exaktes Replikat des magischen Dolchs von Tundra, und er
spürte wie sein Mund trocken würde.
Würde sie
ihn fallen lassen – und mittlerweile glaubte er, sie wäre durchaus fähig dazu,
denn sie war ein verdammter Geist, und was zur Hölle hatte sie schon zu verlieren?!
– dann wusste er nicht, wie schnell er im Mungo sein konnte, ohne dass Granger
ihm noch mehr Steine in den Weg legte.
Er dachte
sehr schnell nach.
Und er
gab auf.
„Ich…
möchte den Stadion-Fall heute anfangen“, sagte er hastig. Und all der Ärger im Gesicht
seines Vaters lichtete sich allmählich.
„Wirklich?“,
entfuhr es Lucius behutsam. „Das traust du dir zu?“
Nein, ich werde verflucht noch mal
versagen, aber ich habe keine scheiß Wahl! „Ja“, sagte er, so selbstsicher wie möglich.
„Bist du
vorbereitet für die Art von Magie?“, erkundigte sich Lucius, immer noch mäßig
beeindruckt.
Nein, in tausend Jahren nicht. „Ja“, erwiderte Draco tonlos.
„Bis
zwölf Uhr erwarte ich dich in meinem Büro. Also beeil dich, mach einen ersten
Kostenvoranschlag und beheb schon mal das Deckenproblem. Auf Provision
natürlich“, merkte Lucius an.
Scheiße. „Ja“, wiederholte Draco heiser, und
Lucius wandte sich mit einem knappen Nicken ab.
„Wenn du
diesen Auftrag meisterst, sage ich dir die Stelle fest zu“, fügte sein Vater im
Gehen hinzu, und seine Tür schloss sich wieder. Der Dolch fiel in derselben
Sekunde pfeilschnell aus der Luft und blieb aufrecht in seinem Teppich stecken.
Er wischte sich die feinen Schweißperlen von der Stirn.
Er sank hinter
seinen Schreibtisch auf den Stuhl. „Du bist ein verdammtes Miststück. Ein
scheiß Geist. Und ich hoffe, dir ist klar, dass deinem feinen Harry Potter die
scheiß Decke seines verfluchten Stadions auf den Kopf fallen wird, wenn ich mich an diese Reparatur begebe, ja?“
Für ihn war das zumindest ein Vorteil. Obwohl… würde Potter
sterben, würde er dann auch als Geist zurückkommen, um ihn endlos zu
nerven?!
„Hast du
gehört?“, knurrte er ungehalten, aber es passierte gar nichts.
Er hatte
keine Wahl. Es wäre ein Versuch wert. Aber nur einen.
„Er wird
dich auch nicht sehen können“, flüsterte er fast, als er seinen Mantel vom
Haken griff, den über das Wochenende hier gelassen hatte. Er bückte sich nach
dem Dolch und warf ihn auf den Schreibtisch. Wieso sollte Potter sie sehen
können? Wenn es sonst keiner konnte, wieso dann Potter? Und was dann? Hatte sie
sich irgendwelche Gedanken darüber gemacht? Was sollte heute dann passieren?
Sie sah ihren verfluchten Potter, und auf einmal wären all ihre unerledigten Aufgaben
erledigt?
Zornig
verließ er das Architektur Büro, und apparierte
draußen in die Mitte Londons. Direkt zum Stadion. Mit Glück wäre keiner da….
~*~
Leider
hatte er dieses Glück nicht. Er war seit einer Viertelstunde in ein Gespräch
mit dem zuständigen Leiter Verwaltung verwickelt, während er sich mit Mühe alle
Mängel und Wünsche notierte. In seinem Kopf ging er den Dimensionszauber durch,
von dem er noch keine Ahnung hatte.
„Zurzeit
trainieren die Sheffield Shooters in der Halle, aber
sie werden für Sie bestimmt Pause machen. Immerhin wollen sie ja auch ein neues
Stadion haben“, schloss Mr Crane lächelnd, und Draco zwang einen unbeteiligten
Ausdruck auf seine Züge.
Ja,
sicher. Ein neues Stadion, bei dem ihnen die Decke auf die Besen fällt….
Draco folgte
dem Leiter durch den langen Gang, der an den Umkleidekabinen vorbeiführte,
unter den Tribünen der Zuschauer durch, bis er die Doppeltüren zum Stadion
erkannte.
„Von hier
aus finden Sie den Weg?“, erkundigte sich der Leiter freundlich. „Ich habe noch
geschäftlichen Besuch. Ich stoße später zu Ihnen!“ Draco nickte stumm. Er hatte
verdammte Panik. Er würde den Zauber nicht hinbekommen. Sein Vater würde ihn
umbringen.
Er war
vor den Türen angekommen.
Und das
alles, um einen Geist loszuwerden.
Als seine
Hand bereits auf den silbernen Stangen lag, mit denen man die Türen aufstieß,
kam ihm ein weiterer unangenehmer Gedanke. Er wusste, es war nicht seine
Schuld, dass Granger tot war. Aber… ob Harry Potter das so sehen würde?
Nein,
wahrscheinlich nicht.
Scheiße.
Sie war noch nicht aufgetaucht, aber es war alles ruhig um ihn herum. Nichts
war gefallen, nichts war zu Bruch gegangen, und er schritt durch die Türen, als
er glaubte, genügend Mut gesammelt zu haben.
Sein
Blick hob sich in die Luft. Unter der hohen magisch verstärkten Decke sah er
die Flieger. Er sah auch die magischen Fehler der Decke. Ab und an schimmerte
der Himmel durch, was das Stadion anfällig für Blick der Muggel machte, sollten
sie zu dicht mit Flugzeugen darüber fliegen. Und er hatte nicht die geringste
Ahnung, welcher Zauber gegen diese Art von Fehler einzusetzen war.
„Hey!
Zivilisten haben hier nichts zu suchen!“, vernahm er eine Stimme von oben, und
zwölf Flieger fielen in den Sturzflug. Er wappnete sich, ballte die Hände zu
Fäusten, und überlegte, wie er seine Unwissenheit überspielen konnte.
Scheiße.
Hätte er seine Bücher mitgebracht! Oder in Verwandlung besser aufgepasst. Oder…
wäre er doch einfach in der letzten Nacht des Krieges gestorben, dann hätte er
weder einen Geist, noch das Problem, ein magisches Loch in einer magischen
Decke zu flicken.
Er
erkannte Potter leider sofort, denn er kam als erstes zum Boden, sprang behände
vom Besen kam näher – und er kannte ihn.
Seine
Augen verengten sich zornig, und Draco öffnete den Mund, um zu sprechen.
„Was
willst du hier, du undankbares Arschloch?“, rief er, und es kürzte die
Begrüßung mäßig ab befand Draco. Auch die anderen Mitglieder des Teams, von
welchem er kein Fan war, kamen näher.
„Ich bin
der magische Architekt“, stellte er sich namenlos vor.
„Was?“,
knurrte Potter, und Draco atmete aus.
„Was ist?
Spreche ich chinesisch, Potter? Ich bin der Architekt“, erwiderte er ruhiger.
„Ich repariere euer Stadion“, fügte er hinzu. Zumindest in der Theorie war das
der Plan. Potter zögerte. Anscheinend wusste er auch, dass es wichtig für das
Team war.
Aber
wirklich freundlich sah Potter ihn immer noch nicht an. Draco hoffte, Granger
nutzt die verdammte Zeit, um ihren scheiß Potter anzugucken! Oder was auch
immer!
„Dann
fang an!“, sagte Potter lediglich, nicht willig, noch länger hier zu stehen,
und machte kehrt, schritt zu einem Tisch mit Getränken, und Draco hob den Blick
erneut zur Decke.
Vom
übrigen Team kannte er Merlin sei Dank niemanden persönlich und musste somit
keine lästigen Sekunden mit Streiten verbringen. Er inspizierte die Decke. Wie
ging dieser Zauber? Was waren die Grundlagen Die Bewegung für
Desillusionierung? Was war der Spruch?
Er
schritt langsam über den polierten Boden zur Mitte des weiten Stadions.
Und hilflos
stand er unter der Decke.
Fast
erschrak er, als ihre milchige Erscheinung neben ihm sichtbar wurde.
„Ich
helfe dir, wenn du Harry auf mich ansprichst“, sagte sie, als wäre sie nie
unsichtbar gewesen, als hätte sie die letzten beiden Tage für ihn nicht zur
Hölle gemacht. Und er beherrschte sich nur knapp.
„Du hast
verdammte Nerven, Granger“, knurrte er ungehalten.
„Du willst doch nicht deinen Job verlieren, oder?“, entgegnete sie, den Blick
zur Decke gewandt. Er betrachtete sie voller Abscheu. Er hatte fast vergessen
wie sie aussah. Aber er war dankbar, sie sehen zu können. Dan
wusste er immerhin, wo sie war, wenn sie vorhatte, alle Dachbalken auf ihn
stürzen zu lassen.
„Du bist
verrückt! Ich spreche Potter bestimmt nicht auf dich an! Ich denke, er hasst
mich so schon genug!“, flüsterte er, damit die anderen Flieger ihn nicht auch
noch hören konnten, während er nutzlos in der Mitte des Stadions stand und mit
sich selber sprach. Granger schoss ihm einen Blick zu.
„Willst
du, dass ich für immer bei dir bin? Dein Leben zur Hölle mache? Willst du das,
Malfoy?“, sagte sie kalt, und er starrte sie zornig an. Wieso er? Wieso
ausgerechnet er? Er war so unglaublich müde!
„Was soll
ich zu Potter sagen? Hey, Narbengesicht, lass uns über Granger sprechen!“, entgegnete
er spöttisch, und sie schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ich
konnte nicht mehr mit Harry sprechen! Ich weiß nicht mal, was nach dieser Nacht
passiert ist!“
„Merlin,
was kann schon passiert sein, verflucht?“, fuhr er sie an. „Potter hat
Voldemort umgebracht, alle Todesser wurden verhaftet, die sich nicht freikaufen
konnten, das Schloss wurde aufgebaut und sie lebten glücklich bis an ihr
Lebensende!“, fasste er gereizt zusammen. Sie sah ihn eindeutig an.
„Vielen
Dank für diesen forensischen Bericht!“, gab sie bitter zurück. Er verdrehte die
Augen.
Er hasste
sie! Hasste, hasste, hasste sie!
„Fein“,
knurrte er, so tief, so voller Hass, dass ihr Gesicht jeden Ausdruck verlor.
„Ich frage deinen scheiß Helden nach seinen scheiß Gedanken, seinen scheiß Gefühlen,
nach seinem großen Verlust! Nach all seinen Komplexen! Gefällt dir das?“
Sie
erwiderte gar nichts. „Natürlich nur, wenn du die Löcher in der Decke flicken
kannst“, fügte er gereizt hinzu.
„Versprochen?“,
vergewisserte sie sich, und er hätte am liebsten mit dem Fuß auf dem Boden
gestampft.
„Granger!“, fuhr er sie tonlos an. „Sag mir, wie der Zauber geht, und ich rede
mit Potter.“
Es war
zumindest ein Deal, bei dem er nicht nur schlecht davonkommen würde, überlegte
er dumpf. Und wenn sie es nicht schaffte, würde er auch nicht mit Potter reden
müssen. Ihr Gesicht nahm einen angestrengten Ausdruck an.
„Stell
dich hier hin“, orderte sie und deutete auf eine Stelle unter einem Loch der
Decke. Er konnte den blauen Himmel ab und an durchschimmern sehen. Er folgte
unwillig. „Halte deinen Zauberstab senkrecht, direkt parallel unter das Loch“,
fuhr sie fort. Er befolgte die Worte und spürte, wie die Flieger ihm zusahen.
Ich habe
keine Ahnung, wie man Materie in Desillusionierungen mit einbindet, aber wenn
man das mit dem normalen Zauber verbindet, sollte es funktionieren“, ergänzte
sie.
„Es ist
ein Bindungszauber“, erwiderte er knapp. „Das weiß ich selber. Du hilfst mir
nicht weiter mit-“
„-was ist
der Zauber, um Materie mit unsichtbaren Zaubern zu verbinden?“
„Der Conexio-Zauber“, sagte er entnervt.
„Wie ist
die Bewegung dafür?“, fragte sie sofort, und er atmete aus, zeigte ihr die
Bewegung, und sie nickte tatsächlich.
„Occulos Conexios“, sagte sie, und
er sah wie sie mit ihrer Hand die Bewegungen für beide Zauber kombinierte. Er
dachte kurz nach. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass die Decke
komplett verschwand. Mit diesem Zauber würde nichts einstürzen.
„Ok“, gab
er sich geschlagen, denn er war zu müde, sich etwas Besseres einfallen zu
lassen, und er hoffte, dass er nicht funktionieren würde. „Occulos Conexios!“, sagte er, ahmte ihre
Bewegung nach, und es verging ein Moment.
Er sah
wie ein schimmernder Funken nach oben an die Decke stieg, sich über das Loch
legte – und das Loch verschloss!
„Verdammt!“,
entfuhr es Draco tonlos. „Es funktioniert!“, flüsterte er, wanderte bereits
weiter zum nächsten Fehler in der Decke, und vollführte den Zauber noch weitere
drei Male.
Er sah,
wie Granger zufrieden nach oben blickte.
Und er
merkte gar nicht, wie Potter zu ihm gekommen war.
„Ich
hoffe, du willst die Tribüne nicht auch noch heute ausbauen“, sagte er knapp.
Draco wandte sich um, und sah wie Granger Potter beinahe verzweifelt ansah.
Ein Deal
war ein Deal, nahm Draco gereizt an, und überwand all seine schlechte
Erziehung. Er ignorierte, dass Potter ihm nicht gedankt hatte. „Nein, dafür
brauche ich… mehr Zeit“, erklärte er. Und ehe Potter sich umdrehen konnte,
hörte Draco, wie er sprach.
„Kann ich
dich etwas fragen?“, hört er sich sagen, und jedes bessere Wissen in ihm hielt
ihn davon ab zu sprechen, aber er musste. Potter hatte inne gehalten, wandt den Kopf über die Schulter und schüttelte den Kopf.
„Nein, Malfoy. Kannst du nicht.“
„Es geht
um Granger“, fügte Draco mit fester Stimme hinzu. Langsam sah er, wie Potter
sich zum ihm umdrehte, ihn fixierte und näher kam.
„Wie
kannst du es wagen, ihren Namen zu sagen, du feiger Verräter?“, flüsterte
Potter, und ja, Draco sah es. Schmerz war in Potters Blick getreten. „Du wirst
ihren Namen nicht erwähnen!“, fügte Potter hinzu, und hatte in die Aufschläge seines brandneuen tausend Galleonen teuren Jacketts
gegriffen. Dracos Hände legten sich hart um Potters Arme und schoben diese mit
aller Kraft von sich.
„Hör zu,
das würde ich wirklich gerne tun!“, erklärte er gepresst. „Aber ich kann nicht.
Ich muss ein paar Dinge wissen!“
„Du musst gar nichts! Du musst verschwinden, bevor ich dich umbringe!“; schrie
Potter außer sich, und seine Team-Kollegen kamen bereits eilig näher. Draco
wandte den Blick eindeutig an Granger, und diese schien kurz überfordert.
„Siehst
du? Ich habe dir gesagt, es war eine scheiß Idee! Entweder, du hilfst mir, oder
du vergisst die Sache!“, knurrte Draco, während er Potter immer wieder davon
abhielt, zuzuschlagen.
„Was tust
du?“, wollte Potter wissen. „Selbstgespräche, Malfoy? Bist du so geschädigt
von-“
„-ich
habe ihren Geist an der Backe, und sie will dich sehen! Glaub mir, ich bin nur
hier, weil ich endlich wieder schlafen will. Und wenn du mich schlagen willst,
tu das ruhig! Aber dann gibst du mir die verdammte Einladung, dich fertig zu
machen, Potter!“, knurrte er zornig, und Potter Stirn runzelte sich ungläubig.
„Halt
deinen Mund!“, schrie er, stieß Draco von sich, dass dieser unsanft auf den
Boden fiel.
Die
Flieger hatten sie fast erreicht, und Draco sah Potter innehalten, ehe er sich
wieder auf ihn stürzen konnte. Granger hatte Potters Brille von der Nase
gezogen und hielt sie in der Luft.
„Was
zum…?“ Potter starrte ihn an. „Was soll das?“, knurrte er.
Draco hob
die Hände. „Keinen Zauberstab, Potter. Gib mir fünf Minuten!“, fügte er zornig
hinzu. Potter griff in der Luft nach seiner – für ihn – schwebenden Brille, und
die Flieger hatten sie erreicht.
„Harry,
alles ok?“, fragte ein besonders stämmig gebauter Typ, der bereits die Knöchel
knacken ließ. Draco verdrehte ergeben die Augen.
„Ich…
ja“, sagte Potter schließlich. „Lasst uns… kurz allein“, sagte er, immer noch
misstrauisch, aber er hielt seine Brille in seiner zitternden Hand. Die Flieger
verschwanden murmelnd und etwas enttäuscht, hatte Draco den Eindruck. „Wenn das
ein Trick ist, Malfoy, dann Gnade dir Gott!“
Potter
setzte die Brille wieder auf, verschränkte die Arme vor der Brust und schien zu
warten, dass Draco wieder auf die Füße kam. Draco fing Grangers flehenden Blick
auf.
Er hasste
sie.
„Fünf
Minuten, Malfoy!“, knurrte Potter.
Was
sollte Draco in fünf Minuten erklären?!
Resignierend
kam er wieder auf die Füße. Wann genau war sein Leben so beschissen geworden?!
~ And
who would you turn to?
Had I a
ghost, a shadow at the most,
would you let
me know? ~
Er saß
auf der untersten Tribüne, während Potter schlecht gelaunt vor ihm stand.
Draco
hatte keine Lust, irgendetwas hinauszuzögern oder zu beschönigen. Er hatte
keinen Grund. Also fing er einfach an.
„Grangers
Geist ist vor ein paar Tagen in Malfoy Manor
aufgetaucht. Ich weiß nicht woher. Sie weiß nicht woher, jedenfalls… kann nur
ich sie sehen, nur ich sie hören. Abgesehen vom fast kopflosen Nick. Ich war…
in Hogwarts mit ihr, weil ich dachte McGonagall findet einen Weg, sie wieder
dahin zu schicken, wo sie hergekommen ist, aber… das ist nicht der Fall. Seit
vorgestern kann sie… Dinge berühren und mich in den Wahnsinn treiben! Anscheinend
hat sie… unerledigte Aufgaben oder etwas ähnliches, und Granger glaubt, dich zu
sehen, erledigt ihre Aufgaben, oder was auch immer“, schloss er gereizt.
Potter
starrte ihn an, während Granger aufstöhnte.
„Könntest
du es anders erzählen, Malfoy?“, fuhr sie ihn an, aber er erwiderte ihren
Blick.
„Ernsthaft? Was willst du hören? Eine romantische Anekdote? Soll ich ihm sagen,
was es für ein verdammtes Glück ist, dass du in meinem Leben aufgetaucht bist?
Soll ich ein verdammtes Sonett schreiben, weil ich es mir gar nicht anders
vorstellen kann, dass dein verfluchter Geist, mein Haus demoliert? Mein Leben
zerstört? Du bist der einzige hier, Granger!“, knurrte er ungehalten, und
Potter starrte ihn weiterhin an.
„Du…
redest mit ihr?“, flüsterte Potter und wich etwas von der Stelle zurück, die
Draco fixiert hatte. Er hob den Blick zu Potters Gesicht.
„Ja.
Sicher rede ich mit ihr, denn sie zu ignorieren endete nur darin, dass sie die
Winkelgasse in Zerstörung treibt!“, entgegnete er.
„Das ist
nicht, was ich getan habe!“, rechtfertigte sie sich. „Ich habe nur-“
„-du hast
nur was, Granger? Du hast dafür
gesorgt, dass ich Ladenverbot bei Madame Malkin’s habe! Bei Flourish und Blotts und bei Gringotts bekomme ich
einen Kobold zur Beaufsichtigung! Du hast mein Bett zerstört, meine Beziehung
beendet, und meine Eltern denken, ich bin wahnsinnig geworden!“, schrie er
jetzt.
Sie
starrte ihn zornig an.
„Ich
wollte, dass du mich zu Harry bringst!“, gab sie gepresst zurück, ohne sich zu
entschuldigen, ohne weiter darauf einzugehen.
„Ja, und
du hast deinen scheiß Willen bekommen, oder nicht? Ich bin hier! Ich habe es
ihm gesagt, und anscheinend ist einen scheiß wert, denn du bist immer noch
hier!“, knurrte er verzweifelt.
„Wieso
kann ich sie nicht sehen?“, unterbrach Potter ihn ruhig. Draco atmete
resignierend aus.
„Weil sie
niemand sehen kann! Nur ich, verdammt noch mal. Und ich wünschte, es wäre nicht
so!“
„Woher
weiß ich, dass du lügst?“, fragte Potter sofort, eine Spur misstrauischer.
„Oh
bitte!“, fuhr Draco ihn an.
„Nein. Vielleicht ist das ein kranker Trick von dir, um-“
„-um was?
Denkst du, ich habe es so nötig, meine Zeit mit dir zu verbringen?“, knurrte
Draco, und Potter schüttelte den Kopf.
„Dann sag mir irgendwas! Wenn du mit ihr sprechen kannst, dann soll dir etwas
sagen, was nur wir beide wissen.“
„Merlin,
du bist paranoid, Potter“, entgegnete er und wandte sich an Granger. „Also? Sag
mir irgendein Geheimnis, was ihr Loser hattet, damit wir es hinter uns
bringen!“, fuhr er sie an.
Sie
schenkte ihm einen zornigen Blick und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Dein
Stolz wird dich nirgendwohin führen, Granger“, bemerkte er bitter.
„Fein!“,
schnauzte sie.
Sie sagte
ihm das Geheimnis, und er musste fast lachen.
„Katzenhaare.
Sie hat Millicents Katzenhaare in den Vielsafttrank
getan“, erklärte er. Dann wurde er ernster, als sie sagte, warum. „Weil ihr
mich anscheinend im zweiten Jahr belauschen wolltet, weil ihr ernsthaft
dachtet, ich wäre der Erbe von Slytherin? Merlin, ihr habt sie nicht mehr alle!“,
entfuhr es ihm kopfschüttelnd. Aber Potter Stirn hatte sich gerunzelt.
Sie
sprach weiter, und er wiederholte es. „An Weihnachten im sechsten Jahr, hast du
Weasley einen Bezoar in den Mund geschoben, nachdem er das
giftige Met getrunken hatte.“ Was ich Dumbledore hatte zukommen lassen
wollen, dachte er, mit einem mulmigen Gefühl. „Du hattest Snape Zaubertränkebuch, und er nannte sich Halbblutprinz?“, fuhr
er ungläubiger fort, als sie weitersprach. „Cho Chang hat dich-“
Aber
Potter hob die Hand.
„Ok!“,
sagte er hastig. Draco hob den Blick.
„Ok?“,
wiederholte er.
Potter
schluckte schwer, und sein Ausdruck änderte sich. „Wie… wie geht es ihr?“,
flüsterte er schließlich. Draco konnte es nicht glauben! Potter wollte wissen,
wie es ihr ging? Und er sah, dass sich Tränen in Grangers Augen sammelten.
„Oh verflucht“, entfuhr es Draco, aber Granger sprach bereits. Draco hasste
diese Simultan-Dolmetscher-Kiste, und könnte nicht entnervter klingen. „Sie fühlt sich verloren und will nicht in meiner Nähe sein.
Keine Beschwerden von meiner Seite. Ich will sie auch nicht in meiner Nähe
haben“, erklärte er, während er sich müde die Schläfen rieb. Potters Blick war
tödlich auf ihn gerichtet.
„Hast du
jemals daran gedacht, dass es deine Strafe ist? Dass sie wiederkommt, um dich
zu verfolgen, weil du sie umgebracht hast?“
Draco
hatte sich so schnell erhoben, dass es ihm fast zu Kopf stieg.
„Was?“, fuhr er Potter augenblicklich an und schüttelte den Kopf. „Hör mir
genau zu, Potter! Gib mir ruhig die Schuld, aber ich habe sie nicht gebeten, in den Weg zu springen!“,
knurrte er. „Sie ist selber schuld! Ich habe sie nicht umgebracht!“, fügte er
gepresst hinzu.
„Wo gehst
du hin?“, fuhr ihn Potter an, als Draco Anstalten machte, zu verschwinden.
„Du kannst nicht gehen!“ Granger war neben ihm erschienen, Tränen in den Augen,
vollkommen aufgelöst.
„Es
bringt nichts, siehst du nicht?“, schrie Draco jetzt. „Du bist hier! Er sieht
dich nicht, Granger! Verdammt noch mal!“ Er bedeckte mit der Hand seine Augen.
Er war unglaublich müde. „Es reicht“, fügte er kopfschüttelnd hinzu.
„Bitte“, flüsterte sie flehend. „Bitte, geh noch nicht, ich… bitte, Draco“,
flüsterte sie unter Tränen, und er konnte es kaum ertragen, dass sie seinen
Vornamen benutzte. „Ich will… nur ein wenig mit ihm reden. Bitte, ich
verspreche dir, ich mache nichts mehr kaputt. Ich werde für immer unsichtbar
sein, und du wirst mich nicht mehr hören oder sehen müssen, wenn du nur noch
etwas länger bleibst! Bitte!“, flehte sie, und er öffnete die Augen. Milchige Tränen
rannen ihr durchsichtiges Gesicht hinab. „Du… du kannst Harry sagen, falls du
ihn noch mal sehen solltest, ich… ich wäre verschwunden, hätte meinen Frieden
gefunden. Dann musste du nie mehr mit ihm reden!“
Irgendwas
in seinem Innern schmerzte unter ihren Worten. Gott, sie war so dramatisch. Er
seufzte auf.
„Fein“,
sagte er tonlos. Sie würde für immer verschwinden, wenn er noch ein wenig
länger blieb. Er wandte sich zu Potter um.
„Wie geht
es dir und Ginny?“, wiederholte Draco tonlos, was sie sagte. Potter zögerte
einen kurzen Moment, ehe er sich auf die Tribünen setzte und ihn nicht mehr
ansah. Draco tat es ihm nach einem kurzen Moment des Widerwillens gleich.
„Gut, es…
geht uns gut. Wir… wohnen zusammen. Wir… sind verlobt“, schloss er, und Draco
wusste, es war Potter unangenehm. Aber Draco beschloss, nicht zuzuhören und
einfach nur ihre Worte wiederzugeben. Immerhin bekam er am Ende, was er wollte!
Sie würde verschwinden!
„Glückwunsch“,
sagte er knapp. „Sie sagt: Irgendwer gestorben, den wir kennen?“, wiederholte
er ihre Worte, und kurz flackerte etwas über Potters Gesicht. Er schien nicht
zu wissen, wohin er blicken sollte. Draco verdrehte die Augen, griff in sein
Jackett und warf ihr eine mobile Feder zu. Sie fing sie reflexartig auf.
„Da ist
sie. Dann kannst du… sie ansehen“, sagte er gepresst. Potter betrachtete die
Feder, denn er konnte sie ja nicht sehen.
„Fred ist
tot“, flüsterte er. Granger schwieg mit geschlossenen Augen. „Tonks und Lupin. Deine… Eltern“, fügte
Potter leiser hinzu. Er wandte sich an ihn. „Ist sie…-“
„-sie
weiß es. McGonagall hat es ihr schon gesagt“, erklärte Draco unbeteiligt.
„Ok… ähm…
ein paar weitere Schüler. Die Creevey-Brüder“, sagte
er gepresst, und Granger schluchzte auf. Draco wartete, dass sie etwas sagte.
„Wir sollten zu Ron“, sagte Potter plötzlich. Granger öffnete die Augen, aber
Draco schüttelte den Kopf.
„Nein“,
sagte er nur und schüttelte den Kopf.
„Malfoy!“, entfuhr es Potter, aber er schüttelte den Kopf.
„Ich
werde nicht-“
„-bitte“,
flüsterte sie. Er schüttelte erneut den Kopf.
„Ich habe
keine Lust, deinen Übersetzer zu spielen! Wer sagt mir, dass er mich nicht
umbringen wird?“, knurrte Draco, aber Potter räusperte sich.
„Ich
kümmere mich darum“, versprach Potter, und Draco verzog den Mund.
„Wenn ich mich verabschieden muss, dann muss ich meine Freunde sehen“,
flüsterte sie, ohne ihn anzusehen. „Bitte, Draco. Bitte“, sagte sie und sah ihn
an. Merlin, noch mal!
„Ich muss
zurück ins Büro“, erklärte er ausweichend.
„Dann heute Abend? Im Fuchsbau“, unterbrach ihn Potter.
Im
Fuchsbau… in dem Stall, den die Weasleys ein Zuhause nannten?! War Potter
wahnsinnig geworden? Aber er wirkte ziemlich ernst und nüchtern. Wieder sah sie
ihn flehend an, und er verdrehte die Augen.
„Schön, meinetwegen. Bestellt meinen Grabstein schon mal, Potter“, knurrte er,
und Granger kam eilig auf ihn zu, und tatsächlich legte sie ihre kühle Hand auf
seine. Er zuckte zusammen unter der Berührung.
„Danke“,
sagte sie, und er sah in ihre dunklen grauen Augen. Er brach den Blickkontakt,
denn er wollte einfach nur vergessen! Alles vergessen, und er entzog ihr hastig
seine Hand. Das Gefühl war mehr als unangenehm.
Aber
nicht so unangenehm wie der Gedanke, dass er in den Fuchsbau gehen musste.
~*~
Er hörte
Lucius zu, begriff, dass er einen guten Job erledigte hatte, nachdem er bei Mr
Crane eine achtzig Prozent höhere Provision rausgeschlagen hatte, als
vereinbart, und erhielt von seinem Vater die Möglichkeit, den Job komplett zu
übernehmen.
Es machte
ihm nicht halb so viel Angst, wie es ihn zufriedenstellte.
Und sie
war nicht aufgetaucht. Sie hielt ihr Versprechen, blieb unsichtbar, und er sah
sich weniger um, als noch vor einer Stunde.
Seine
Gedanken schweiften ab. Er würde gleich in den Fuchsbau müssen.
Er hatte
sein Wort gegeben.
Und er
wusste, wäre der Tag vorüber, würde er sich nicht noch einmal damit quälen
müssen. Er könnte sagen, sie wäre verschwunden, und er würde es nicht mal
wissen, denn sie würde ihn nicht mehr belästigen! Sie wäre unsichtbar, und er
könnte sein Leben endlich weiterleben!
„Wieso
isst du nicht?“, erkundigte sich seine Mutter, die immer noch leicht beleidigt
wirkte, aber nicht mehr so zornig wie heute Morgen.
„Ich…
keinen Hunger“, murmelte er knapp.
„Wahrscheinlich
ist ihm die Verantwortung von heute gut bekommen“, warf sein Vater ein, und
wüsste Draco es nicht besser, könnte er meinen, dass Lucius stolz auf ihn war.
Auf
etwas, was… Granger getan hatte. Er verdrängt den Gedanken. Er würde mehr
lernen müssen, denn sie wäre nicht immer da, um ihm zu helfen. Ja. Sie hatte
ihm tatsächlich heute geholfen. Er verscheuchte den Gedanken.
„Darf ich
aufstehen?“, fragte er, mehr der Form halber, und seine Mutter nickte
schließlich. „Ich… bin spazieren“, kündigte er an, aber sein Eltern sprachen
bereits wieder über belanglose Festivitäten, die anstanden.
Er griff
sich den Mantel vom Haken und verließ das Haus. Er nahm an, sie folgte ihm,
aber sie zeigte sich nicht. Er könnte sich daran wieder sehr gut und sehr
leicht gewöhnen, das wusste er! Er apparierte ohne
Ankündigung.
Und er
wusste ungefähr wo das verdammte Weasley-Haus stand. Ungefähr.
Seine
Füße schlugen im Matsch auf. Angewidert betrachtete er seine schlammigen
Schuhe. Die ein Vermögen gekostet hatten….
„Großartig“,
murmelte er. „Verflucht großartig.“
Er
betrachtete den schmalen Feldweg, der zu dem windschiefsten Gebäude führte, das
er jemals gesehen hatte. Der Weizen auf den umliegenden Feldern, begann zu
wachsen, und vollkommen abgeschieden lag das ärmliche Haus der Weasleys vor
ihm.
Er
glaubte, sie merkte gar nicht, wie sie neben ihm sichtbar wurde, denn ihr Mund
stand vor Verzückung offen, während wieder Tränen in ihren Augen glitzerten.
Sie ließ die Hand durch den Weizen gleiten, ohne ihn zu berühren, stellte er
fest. Ihre Hand glitt einfach durch die Halme hindurch. Auch der Wind zerzauste
ihre Haare nicht, wie er es mit seinen tat. Ihre Haare lagen unbewegt lockig
ihren Rücken hinab.
Er folgte
ihr und vergrub die Hände in seinen Taschen.
Fast
hatte er sich schon an ihre Erscheinung gewöhnt. Und wenn er ehrlich war,
glaubte er nicht wirklich, dass sie Frieden mit Potter oder Weasley finden
würde. Er würde es nicht tun!
Sie
näherten sich dem Haus. Eine riesige Weide wiegte sich träge im Frühlingswind,
und es wurde richtig warm, stellte er fest. Der Sommer kam immer schneller.
Sie
lenkte ihn ab von seinem gewöhnlichen Umfeld. Er hatte sich heute Abend mit
Blaise verabreden wollen, fiel ihm ein. Und Pansy klingelte bestimmt schon bei
ihm Sturm, weil er sich gestern auch nicht bei ihr gemeldet hatte. Aber Pansy
war nicht unbedingt jemand, mit der seine Zweit gerne verbrachte. Vielleicht
lieber als mit Granger, aber… das war ja auch nicht besonders schwer. Granger
war ein nervtötender Geist, der ihn nicht in Ruhe
ließ!
Mit
diesen Gedanken hielten sie vor der Tür inne, und er wartete.
Wartete,
dass –
„Erwartest
du, dass ich klopfe?“, fragte sie ihn still, Aufregung in ihrer Stimme. Und
kurz war er verblüfft. Ja, er hatte es erwartet, denn… er hatte hiermit
überhaupt nichts zu tun. Er hatte schon wieder vergessen, dass er der
Dolmetscher hier war, dass er ja alles übernehmen musste. Scheiße. Er dachte an
die Ruhe und den Frieden, den er endlich haben würde, wenn sie ihm nicht mehr
erscheinen würde und überwand die schiefen Holzstufen.
Er
klopfte zögerlich, während er auf der Willkommen-Matte den Schmutz von seinen
Füßen trat.
Es war
nur noch dieser Abend. Nur noch heute Abend!
Er
wartete ein paar Sekunden, ehe er Schritte vernahm.
Eine Frau
öffnete die Tür. Orangene Haare, ein furchtbares Kleid, selbst gestrickte
Wärmer für ihre Handgelenke, und ehe Draco alles Schreckliche tatsächlich
aufnehmen konnte, hatte sie ihn in ihre Arm gezogen.
„Draco
Malfoy“, sagte sie beinahe feierlich, und er war so überrascht über diese
Geste, dass seine Glieder steif wurden. Sie roch nach Orangen, nach Tee, nach
Keksen, nach… Kindheitserinnerung, die seltsamerweise in seinen Kopf kamen, und
von ihrer Umarmung ging eine Wärme aus, die er nicht kannte!
Und die
er nicht haben wollte!
Er wich
zurück, und stand perplex und beschämt vor der fremden Frau, von der er annahm,
dass es sich um Molly Weasley handeln musste.
„Ist sie
bei dir, mein Junge?“, fragte die Frau so verständnisvoll, dass sein Mund sich
verwirrt öffnete. Granger neben ihm strich sich eine Träne von der Wange.
„Sie… sie
steht neben mir“, murmelte er also, deutete auf den für die Frau scheinbar
leeren Platz, und die Augen der Frau nahmen einen eigenartigen Glanz an.
„Hermine,
meine liebe! Es ist so schön, dass ihr hier seid! Kommt rein, kommt rein! Meine
Liebe, ich habe dir deinen Lieblingstee gekocht. Nicht, dass du ihn trinken
kannst, aber vielleicht würdest du ihn gerne riechen?“, fragte Molly Weasley,
und Granger nickte verstummt neben ihm. „Ich habe mir so oft vorgestellt, dass
du wiederkommst! Ich habe dir so viele Dinge zu erzählen! Aber hört mir zu! Ich
bin so unhöflich, bitte, bitte! Kommt endlich rein!“ Sie wich zur Seite, und
zögerlich betrat Draco das fremde, feindliche Haus.
Leider
wirkte es überhaupt nicht wie das ungemütliche Haus eines Feindes, stellte er
entnervt fest. Nein, es war leider recht gemütlich, trotz der offensichtlichen
Armut.
Scheiße.
Er folgte Mrs Weasley, und sie führte sie in eine
mollig warme Stube.
Der
jüngste Sohn erhob sich sofort. Und endlich spürte Draco die Feindseligkeit
etwas deutlicher. Der Hass stand Weasley so direkt ins Gesicht geschrieben,
dass er gar nicht sprechen musste.
Und
wieder einmal hatte Draco das ungute Gefühl, dass es neben all seinen
Reinblüter Bekannten auch Leute gab, die ihm tatsächlich die Schuld für ein
Menschenleben in die Schuhe schoben. Es war ein absolutes Scheißgefühl. Granger
neben ihm war absolut nutzlos, denn sie weinte stumme Tränen. Draco verdrehte
die Augen.
„Hey“,
sagte er also. Potter saß auf der ausgesessenen Couch, daneben die kleine
Weasley, einer der Zwillinge auf einem der Sessel, und auf dem anderen saß Mr
Weasley.
„Hallo
Draco“, begrüßte Mr Weasley ihn. „Ein wahrhaft eigenartiges Zusammentreffen“,
fuhr er ruhig fort. Draco ruckte mit dem Kopf in Ermangelung besserer Worte.
Großartig.
Wirklich. Scheiße.
Weasley
sah ihn an. Und wie er ihn ansah. Draco hatte keine Angst vor Menschen. Er war
mit Lucius Malfoy groß geworden. Für gewöhnlich trieb das jedem normalen
Menschen jede natürliche Angst von Geburt an aus. Aber Weasley…, der einen Kopf
größer war und aussah, als würde er ihn zu gerne umbringen, schaffte es
vielleicht ansatzweise, dass er sich noch unwohler fühlte, als sowieso schon.
Und er registrierte absurderweise, wie Granger hinter ihm zurückwich, wie sie
sich praktisch hinter seinem Rücken versteckte.
Sie. Als
unsichtbarer Geist. Es war eigenartig. Mehr als das, fand er plötzlich.
„Was tust
du?“, murmelte er zwischen den Zähnen und wandte sich zu ihr um. Sie wirkte
erstaunlich fragil. Und sie weinte immer noch. Er atmete angestrengt aus. „Es
reicht mi den Tränen. Du bist wie die Maulende Myrte!“, bemerkte er knapp.
Zornig wischte sich Grangers Geist über das Gesicht. Es war so seltsam, sie so
häufig weinen zu sehen. Ihm gegenüber war sie die letzten Tage nur ätzend
gewesen.
„Du bist
doch wohl nicht gekommen, weil dich plötzlich die Schuld plagt, oder Malfoy?“,
fuhr Weasley ihn tatsächlich an. „Ich glaube dir nämlich kein Wort“, fuhr er
zorniger fort. Draco wandte sich mit erhobener Augenbraue um. Meinte er das
ernst? Dachte Weasley wirklich, dass er so dachte? Dass er glaubte, er wäre
schuld?! Das hatte er tatsächlich das ganze halbe Jahr
nicht ein einziges Mal gedacht. So langsam wunderte er sich, ob er nicht doch
so denken sollte?!
„Hallo, Weasley“, begrüßte er ihn mehr als
gezwungen.
„Du bist hier nicht willkommen! Denk das bloß
nicht!“ Draco nickte. Damit war er vollkommen einverstanden.
„Ronald!“, fuhr ihn seine Mutter an. „Es ist genug. So sprechen wir hier nicht
mit Besuch“, informierte sie ihn.
„Besuch? Mum, Malfoy ist kein
Besuch! Er hat sie umgebracht!“, knurrte Weasley, und Draco machte ein empörtes
Geräusch.
„Das habe ich nicht getan!“, widersprach er heftig.
„Ach
nein? Wärst du nicht da, dann wäre sie noch hier!“, schrie Weasley praktisch,
und Draco überlegte, ob er sofort wieder gehen sollte, und ob das für Granger
ausreichte, ihn nie mehr zu belästigen. Er war immerhin hier her gekommen. Sie
hatte ihm nicht gesagt, wie lange er bleiben musste, oder über was er reden
sollte.
„So ist es nicht, Ron“, murmelte sie hinter seinem Rücken und kam nach vorn.
Weasley hörte sie natürlich nicht. „Sag es ihm!“, forderte sie ihn mit einem
Nicken auf. Dracoe verdrehte die Augen.
„Sie sagt, so war es nicht, Weasley“, wiederholte er. Weasley ballte die Hände
zu Fäusten.
„Oh natürlich würde sie so etwas sagen, oder Malfoy? Hermines Geist, den
praktischerweise nur du sehen kannst?“, fuhr er ihn wieder an, und Draco
schüttelte freudlos den Kopf.
„Du hast eine kranke, verdrehte Fantasie, Weasley! Denkst du ernsthaft, ich
denke es mir aus? Ich bilde mir einen Geist ein und treibe es auch noch so
weit, hier aufzukreuzen? Hier? Ausgerechnet?!“, erwiderte er, nicht minder
unfreundlich.
„Ich wollte ihn retten, Ron“, flüsterte Hermine.
„Was?“
Draco sah sie an.
„Sag es ihm“, wiederholte sie.
„Was soll
ich ihm sagen? Dass du es wolltest? Granger, ich bitte dich!“, knurrte er.
„Sag ihren Namen nicht!“, donnerte Weasleys Stimme plötzlich und er stürzte
sich auf ihn. Ohne Warnung. Ohne, dass Draco reagieren konnte. Scheiße. Blöde
Idee. Blödes Schlammblut! Aber er konnte den Gedanken nicht abschließen, denn
Weasley Faust krachte in sein Gesicht, so dass er bunte Sterne tanzen sah. Der
Boden kam ihm entgegen, und kurz war er orientierungslos.
„Ronald!
Genug! Du schlägst niemanden hier in diesem Wohnzimmer! Draco, alles in
Ordnung?“ Mrs Weasley hatte sich hastig neben ihn
gekniet, strich über seinen Rücken, und Draco schüttelte die bunten Punkte aus
seinem Fokus.
„Ganz
schlecht Idee!“, knurrte Draco jetzt, während er Mrs
Weasleys Hand von sich schob und langsam auf die Beine kam. Seine Augen bohrten
sich in Weasleys.
„Alles
ok?“, fragte Granger vorsichtig, die sich neben ihn gekauert hatte. Er fixierte
sie kurz. Ihr blasses Gesicht, ihre verweinten Augen. Das Objekt seines Hasses.
„Nein,
Granger. Es ist nicht ok“, informierte er sie gefährlich ruhig. „Kannst du dir
das vorstellen? Dass sich jemand bei den Weasleys nicht automatisch wie zuhause
fühlt? Dass es nicht ok ist? Dass ich keine Lust mehr auf diese Scheiße habe?“,
schrie er sie an, und sie zuckte zusammen. Er lachte auf. „Was? Angst vor mir?
Granger, du bist ein verfluchter Geist! Du brauchst keine Angst vor gar nichts
zu haben, Merlin noch mal!“, ergänzte er außer sich und rieb sich über seine
schmerzenden Gesichtshälfte.
„Ich… es tut mir…“
„Nein!“,
schnitt er ihr das Wort ab. „Lass es uns abkürzen, ok? Ich bin hier, ich wurde
nieder geschlagen, also warum nicht noch ein nettes Gespräch mit dem
Wahnsinnigen hinterher?“ Er wandte sich wieder an Weasley.
„Es ist
mir scheiß egal, was du denkst. Ob du glaubst, dass ich ihren Geist dabei habe,
ob du glaubst, dass ich ihn erfunden habe, es ist mir egal. Denn ich habe ihr
gesagt, ich komme hierher. Und das habe ich getan. Und wenn du die Gelegenheit
ungenutzt lassen möchtest, dich auszutauschen, dann ist mir auch das recht!“,
knurrte er.
„Wie
sieht sie aus?“, wollte die kleine Weasley plötzlich wissen, und kam näher. Sie
starrte auf die Stelle neben ihn, wo sie Granger vermutete.
„Wie… sie aussieht?“, wiederholte Draco verwirrt und betrachtete Granger
entnervt. „Na ja, sie weint eine Menge. Ansonsten… lange Haare – alles ziemlich
grau in grau“, erwiderte er. „Und sie kann Dinge bewegen. Also, wieso hebst du
nicht irgendwas hoch?“
„Kann sie
Menschen berühren?“, fragte die kleine Weasley gespannt, und Draco zuckte die
Achseln.
„Bisher
nur mich“, sagte er.
„Was?“,
mischte sich Potter ein. „Was soll das heißen?“
„Ich…
sie… sie hat mir eine Ohrfeige verpasst“, erklärte er schließlich.
„Weswegen?“,
fragte die kleine Weasley sofort. Draco verdrehte die Augen.
„Ist das
wichtig?“
„Geister
können das für gewöhnlich nicht“, bemerkte Mrs
Weasley nachdenklich, während sie ihn betrachtete.
„Gut,
dass sie es getan hat“, sagte Weasley grimmig. „Verdient hast du es bestimmt“,
murmelte er. Draco ersparte sich den Kommentar. Und er war froh, dass niemand
Granger hören konnte.
„Dann
glaubst du mir also?“, entfuhr es Draco plötzlich spöttisch.
„Ich…
glaube dir gar nichts, aber…“ Er ließ den Satz unbeendet.
„Ich habe
gesehen, dass sie meine Brille hochgehoben hat“, erklärte Potter schließlich.
„Granger,
bitte“, bemerkte Draco jetzt knapp. Sie sah sich um. Dann ging sie zum Tisch
und griff nach der Teetasse. Er bemerkte, dass sie mehr Anstrengung aufwenden
musste, um sie hochzuheben, aber sie schaffte es dennoch. Voller Ehrfurcht
betrachteten die Weasleys das Geschehen.
„Frag Ron, ob er sich an den Horkrux erinnert, den er zerstört hat!“ Draco verdrehte die
Augen. „Frag ihn!“, wiederholte sie.
„Merlin…“
Draco hob den Blick zu Weasleys hässlicher Visage. Er hasste ihn. Hasste ihn
einfach. „Weasley, erinnerst du dich an den Horkrux,
den du zerstörst hast?“ Und Weasley starrte ihn an.
„Was?“
Und
wahrscheinlich wäre es im Moment besser zu wiederholen, was Granger ihm sagte.
Also wiederholte er die Worte. Er spürte einen pochenden Schmerz in seinem
Gesicht und ziemliche Wut in seinem Bauch. Granger holte aus, und Draco
wiederholte, so schnell er konnte.
„Dass du
gesehen hast, wie sie und Potter zusammen sind? Dass sie sich in Bellatrix
verwandelt hat, aber es aufgeflogen ist, weil sie den richtigen Zauberstab
benutzt hat? Dass…“ Kurz verfingen sich seine Gedanken. Was? Aber er sprach bereits weiter. „Hagrids Bruder… er konnte
ihren Namen nicht sagen und hat sie…? Wie?“ Er sah sie mit erhobener Braue an.
Das meinte sie nicht ernst….
„Hermine“, sagte Weasley tonlos.
„Ja“,
bestätigte Malfoy heiser. „Ahem… der Troll auf dem Mädchenklo im ersten Jahr?
Du hast ihm-“
„Hör
auf!“, unterbrach ihn Weasley rau. „Hör auf zu reden!“ Und Draco sah es. Eine
Träne rang sich aus Weasleys Augenwinkel, und zornig wischte der rothaarige
Riese sie weg. „Es kann nicht sein!“, flüstert er kopfschüttelnd. Draco
wartete. Ihm wäre es auch lieber, wenn es nicht wahr wäre. „Du… du hast all
diese Sachen irgendwie rausgefunden! Von irgendwem erfahren!“, fuhr Weasley
fort.
„Wirklich?
Und warum? Was genau bringen mir solche sinnlosen Informationen?“, wollte Draco
gereizt wissen, und schon wieder kam Weasley auf ihn zu.
„Sie sind
nicht sinnlos!“, schrie er aufgebracht, und es kristallisierte sich jetzt für
ihn heraus. Weasley liebte Granger! „Wag es nicht, so etwas zu sagen, du
widerliches Frettchen!“, zischte Weasley und packte ihn am Kragen.
„Ronald!“
Mrs Weasley zerrte ihren Sohn von ihm weg. Endlich!
„Wo bist du, Hermine? Wo warst du? Bist du…?“
Ginny Weasley schien nicht recht zu wissen, was sie sagen sollte. Und Granger
neben ihm schüttelte traurig den Kopf.
„Ich weiß
es nicht!“, flüsterte sie.
Draco
atmete genervt aus. „Sie weiß es nicht“, wiederholte er die Worte.
„Sagt sie
das?“, vergewisserte sich die kleine Weasley und er konnte nicht anders als
unterdrückt zu fluchen.
„Nein,
ich denke es mir aus, verflucht!“, knurrte er ihr zu, und diese sah ihn
verletzt an. Es war zu schwer. „Granger, wie lange noch?“, fragte er jetzt
direkt. Und Grangers Augen wurden groß.
„Nein,
ich… bitte, lass uns noch nicht gehen!“, flehte sie wieder, und er stöhnte auf.
„Sie glauben es ohnehin nicht!“, erwiderte er kopfschüttelnd. „Ich denke, ich
war lang genug hier! Ich denke, ich habe alles ausgenutzt, was das Weasley-Wunderland
zu bieten hat, oder nicht?“, entgegnete er. „Ich habe ein blaues Auge! Und
interessanterweise nur wegen dir, Granger! Ok? Reicht es jetzt? Was sollen wir
hier? Niemand kann dich sehen! Niemand!“, schrie er. „Und ich habe keine Lust
mehr! Du vermisst Potter? Du vermisst Weasley? Du musst drüber weg kommen!“,
schloss er zornig, und ihr Ausdruck war… war… - Draco wusste es nicht. Er
wusste nur, es fühlte sich nicht gerade gut an.
„Es ist
nur ein kurzer Besuch, Malfoy! Nur ein Besuch!“, wiederholte sie tonlos.
„Ja,
Granger! Und was soll ich machen? Sieh dich um!“, befahl er zweifelnd. Ihre
Gestalt wirkte unentschlossen, sie biss sich auf die graue Unterlippe, und er
konnte nicht mehr. Er wandte sich kopfschüttelnd ab, aber ihre Hand umfasste
sein Handgelenk, und hielt ihn auf. Er hasste es, wenn sie es tat. „Hör auf,
mich zu berühren!“, knurrte er.
„Bitte, lass uns noch bleiben nur eine-“
„-oh
Merlin!“, entfuhr es Weasley jetzt und er kam näher. „Hermine?“, rief er
ungläubig, und Granger wich erschrocken zurück. „Ich… ich hab sie gehört!
Ich…!“ Auch die anderen waren näher gekommen.
„Ich
auch! Sie war… sie war hier! Ihre Stimme, ich…!“ Potter stand neben ihm, sowie
alle anderen Weasleys.
„Sie können mich hören?“, flüsterte Granger wieder dicht hinter ihm, und ihm
kam ein verflucht beschissener Gedanke.
„Anscheinend
nicht mehr“, erwiderte er ruhig. „Also… sie können dich hören, wenn du mich
berührst“, schloss er bitter. „Wenn das nicht großartig ist“, fügte er knapp
hinzu. Aber… es bedeutete zumindest eins: Er war nicht wahnsinnig. Granger kam
wieder näher. Sie streckte seine Hand nach seiner aus, und sah ihn flehend an.
Er erwiderte ihren Blick. Resignierend schüttelte er den Kopf. Es durchkreuzte
seine Pläne immens.
„Granger-“
„-bitte,
Draco“, flüsterte sie, und wenn sie nur noch eine Träne weinen würde, dann
würde er sie erwürgen.
Und er
ergriff ihre Hand.
Sie war
kühl. Und sehr schmal. Es fühlte sich unnatürlich an. So völlig falsch.
„Harry?“, sagte Granger, und Potter zuckte zusammen.
„Hermine!“, entfuhr es ihm. Weasley kam noch näher.
„Ich… bin
hier“, sagte sie leise. Fest hielt sie seine Hand umschlossen, und er war
dankbar, nicht mehr reden zu müssen. Er glaubte langsam, Granger Geist
entwickelte sich weiter. Und wenn die Leute jetzt schon ihre Stimme hören
konnten, dann… würde es bestimmt nicht lange dauern, bis ihr Körper wieder
Gestalt annahm, und… vielleicht war das der Weg! Vielleicht bekam sie erst ihre
Stimme wieder, dann ihren Körper, und dann würde sie verschwinden!
Es war fast
so etwas wie Hoffnung. Und Draco starrte hinab auf ihre verbundenen Hände.
Es war
seltsam. Granger Berührung fühlte sich nicht durchsichtig, nicht anders an. Sie
war kühler, aber… ihre Haut fühlte sich an, wie Haut. Wenn er ihre Hand fester
hielt, dann bewegten sich ihre Muskeln, als wären sie echt. Sie kam ihm ganz
und gar nicht durchsichtig vor. Würde er die Augen wäre es, als würde er
tatsächlich ihre Hand halten!
Und sie
erzählte. Sie erzählte von der Dunkelheit, der Kälte, ihrer Angst. Und dass sie
endlich eine Stimme zu haben schien, schien es leichter zu machen. Die Weasleys
boten ihm einen Platz auf der Couch an, damit sie nicht stehen mussten, und er
kam sich vor wie eine seltsame Hälfte eines gruseligen Pärchens, denn jetzt saß
er auf der Couch der Weasley, mit Grangers Hand in seiner, und er lauschte
ihren Worten, zumindest dankbar, nicht selber sprechen zu müssen.
~ Black flies on the windowsill
That we are to hold
Comfort came against my will
And every story must grow old ~
Es war
dunkel draußen. Sie war schon heiser vom Sprechen! Aber sie wollte nicht
aufhören. Sie spürte, wie sie müde wurde, wie schnell ihre Energie schwand, und
dass sie seine Hand nicht die ganze Nacht lang würde halten können. Aber sie
wollte so dringend. Er saß ruhig neben ihr auf der Couch, unterbrach sie nicht,
zwang sie nicht, ihn loszulassen und zwang sie nicht, zu gehen.
Und sie
wusste, was sie ihm versprochen hatte! Aber wenn das eine Möglichkeit war, mit
ihren Freunden zu sprechen! Wenn das hier… ihre Chance war mit der Außenwelt in
Kontakt zu treten, dann wusste sie nicht, ob sie ihr Versprechen halten konnte.
Und sie nahm an, auch Draco wusste das.
Er wirkte
nicht glücklich darüber, ihre Hand seit über neunzig Minuten zu halten, während
sie erzählte, an was sie sich noch erinnerte. Was nicht besonders viel war.
Deswegen
hatte sie Harry und Ron nach ihren Berufen gefragt, nach den Dingen, die sie
getan hatten, aber jetzt sah Harry sehr ernst auf Malfoys Hand. Er konnte sie
ja nicht ansehen. Leider nicht! Und sie wünschte sich, sie wäre Harrys Geist.
Oder Rons! Und nicht Malfoys. Nur nicht Malfoys!
„Hermine,
wieso hast du ihn gerettet?“, fragte er, und sie spürte, wie Malfoy aus seiner
Starre erwachte und seine Hand in ihrer zuckte. Er hatte eine sehr warme Hand,
im Vergleich zu ihrer. Und wieder fühlte sie sich daran erinnert, dass sie tot
war! Sie hatte es beinahe schon vergessen, hätte fast zugegriffen, als Molly
ihnen geschmierte Brote auf den Tisch gestellt hatte.
„Wieso?“,
wiederholte sie Harrys Worte, und Harry nickte. Alle anderen schwiegen gebannt.
„Harry, wenn du sehen würdest, wie jemand anderes einen Todesfluch auf jemanden
richtet und dieser weiß nichts davon, weil er es nicht sieht – würdest du es
nicht verhindern wollen?“, fragte sie ruhig, und Malfoy sah sie an. Sie spürte
seinen Blick seit einer Weile immer wieder über ihr Gesicht wandern.
„Ich…“,
begann Harry ratlos, und Hermine merkte, wie Malfoys Gesicht bitterer wurde. Sie
wusste, was Harry sagen wollte. Bei Malfoy hätte er eine Ausnahme gemacht.
„Ich weiß
nicht, warum ich so gehandelt habe, Harry. Ich… konnte einfach nicht zusehen!
Ich wusste, ich… hätte mir nicht verziehen, wäre jemand an diesem Fluch
gestorben, wenn ich wüsste, ich hätte es verhindern können!“
„Aber
ausgerechnet mit deinem Leben?“, flüsterte Harry, und Draco senkte den Blick
wieder.
„Mit was
sonst, Harry?“, erwiderte sie ruhig.
„Bereust
du es?“, fragte Ron, der seit einer Weile erstaunlich still geworden war.
„Was?“,
fragte sie verwirrt, aber Ron hob demonstrativ die Hand und richtete sie auf
Malfoy.
„Was
wohl? Bereust du es, dass du ihn gerettet hast!“, wiederholte Ron, und Hermine
dachte nach. Sie wusste es nicht wirklich. Malfoy war nichts anderes als
grausam zu ihr. So grausam wie er schon immer zu ihr gewesen war, auch als sie
noch gelebt hatte. „Hermine?“, unterbrach Ron ungeduldig ihre Gedanken, und
Malfoys Gesicht war so angespannt, er wirkte müde und alt, und sie wusste, sie
hatte ihn die gesamte Nacht nicht schlafen lassen, hatte ihn gezwungen, mit ihr
herzukommen, hatte gedroht, seinem Vater einen Dolch durch den Kopf fahren zu
lassen, und sie seufzte auf.
„Ich
bereue es nicht, ein Leben gerettet zu haben, Ronald“, sagte sie ernst.
„Aber seins?“, fragte er sofort, und Malfoy ließ ihre Hand los, während er sich
erhob.
„Es ist spät“, sagte er knapp, und sie erhob sich ebenfalls, und wusste, sie
hatte wieder keine Stimme mehr. Sie hatte gar nichts mehr. „Ich werde gehen“,
erklärte er.
„Kommst
du wieder?“, stellte Ginny die viel wichtigere Frage, und Hermine sah, wie viel
Qual es ihm bereitete hier zu sein. Hier zu sitzen und sich anhören zu müssen,
dass er statt ihrer hätte sterben sollen. Sie kaute auf ihrer Unterlippe,
während sie wartete, dass er antwortete.
Er hob
den Blick zu ihr. Ausdruckslos und müde. Und sie wusste, Draco Malfoy hatte ihr
heute einen echten Gefallen getan. Gezwungenermaßen, aber er hätte nicht
solange mit ihr bleiben müssen. Er hätte ihre Hand nicht solange halten müssen,
hätte ihr nicht so lange eine Stimme schenken können, aber er hatte es getan.
„Willst
du wiederkommen?“, fragte er tatsächlich. „Findest du… deinen Frieden hier? In
diesem Haus?“, erkundigte er sich langsam, und sie wusste nicht, was sie sagen
sollte. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als hier zu sein, aber…
sie fühlte sich nicht anders als heute Morgen. Oder gestern Nacht.
Aber sie
hatte es ihm versprochen. Er hatte ihr einen Gefallen getan, und sie war
ohnehin tot. Ob sie nun Frieden fand oder nicht. Sie verdrängte die Tränen, die
sie spürte.
„Ja, ich… fühle mich schon viel freier. Anders, als vorher“, log sie einfach.
„Wenn wir… noch einmal wiederkommen könnten?“, bat sie still, und er nickte
nur.
„Ja, wir
kommen wieder“, sagte er zu Ginny gewandt. Und Ginny umarmte Draco Malfoy
heftig. Damit hätte Hermine auf gar keinen Fall mehr gerechnet. Aber auch Molly
umarmte Draco, und er ließ es steif über sich ergehen.
Er wurde
zur Tür gebracht, und Ron sagte nichts zum Abschied, blieb im Wohnzimmer
zurück, aber Harry nickte.
„Danke,
Draco“, sagte er still. „Ohne dich würde wir nicht noch mal mit ihr reden
können. Ich danke dir dafür“, ergänzte er traurig.
Draco
nickte nur, und alle verabschiedeten sich von ihr, und dann standen sie wieder
draußen vor dem Fuchsbau in absoluter Dunkelheit. Sie spürte allerdings nichts
von der Kälte, während er seinen Mantel enger um sich zog.
„Danke“,
flüsterte auch sie.
„Lässt du
mich heute schlafen?“, war alles, was er sie noch fragte, und er sah sie nicht
mehr an.
„Ja“,
versprach sie tonlos und machte sich unsichtbar. Sie konnte sich nicht
vorstellen, dass er sie noch länger sehen wollte. Und sie tat ihm den Gefallen.
Er apparierte und sie folgte ihm. Er ging ins Haus,
sie kam mit. Seine Eltern fragten nicht, wo er gewesen war. Sie saßen in der
riesigen Halle, lasen, tranken Brandy, und blickten nicht mal auf, als er die langen Stufen nach oben schritt.
In sein
Zimmer.
Sie
wartete in seinem Schlafzimmer, während er sich wusch, sich Zähne putzte, sein
blaues Auge heilte und zu seinem lädierten Bett taumelte. Er zog sein Jackett
aus, hängte es über seine Stuhllehne, stieg aus seiner Hose, streifte sein Hemd
seine Arme hinab und stieg mit nichts weiter als seiner Shorts ins Bett, deckte
sich zu und löschte das Licht.
Sie
hörte, wie er nahezu augenblicklich einschlief.
Lautlos
setzte sie sich neben ihn.
Sie
betrachtete sein Gesicht. Es wirkte so müde, aber auch so unschuldig, jetzt, wo
er eingeschlafen war. Sie war seit vier Tagen bei ihm. Und sie wusste noch
immer nicht, warum. Sie fühlte sich so alleine. Das Gefühl der Leere war so
unerträglich, und gestern hatte sie sich ansatzweise lebendig gefühlt, als sie
sein Zimmer in Chaos gestürzt hatte. Und sie vermisste Harry und Ron! Sie
vermisst Ginny und die Weasleys. Ihre Eltern waren nicht mehr da, und sie war
verdammt bei Draco Malfoy zu sein.
Aber… er
hatte ihr heute geholfen. Er hatte heute etwas für sie getan. Nicht besonders
viel, wenn sie ehrlich war, aber… er hatte es versucht.
Und sie
spürte, wie es sie zu sehr anstrengte unsichtbar zu sein. Aber er war ohnehin
schon eingeschlafen. Vorsichtig, ohne ein Geräusch zu machen, legte sie sich
neben ihn, in sein Kingsize-Bett. Sie legte ihren Kopf auf das zweite
Kopfkissen und versuchte sich zu erinnern, was durch ihren Kopf gegangen war,
als sie ihn damals gerettet hatte.
Sie sah
in sein Gesicht und hätte nicht erwartet, ihn überhaupt noch einmal
wiederzusehen. Oder irgendjemand sonst, wenn sie schon darüber nachdachte.
Er machte
ein Geräusch im Schlaf, murmelte etwas und drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht
blickte nun mit geschlossenen Augen direkt in ihre Richtung, und sie
konzentrierte sich, um die Hand zu heben, und abwesend mit ihren Fingern eine
blonde Strähne aus seiner Stirn zu streichen. Er schlief tief genug, dass er
nicht einmal zusammen zuckte.
Seine
Haare waren dicht, stellte sie fest, als sie die Strähne auf seinen Kopf
zurücklegte und fuhr mit den Fingern sanft durch seine weichen Haare. Im
Dunkeln wirkten sie wie glänzendes Silber. Ihre Hand wirkte so durchscheinend
Grau. So grau wie in den letzten Tagen. Sie konnte sich kaum daran gewöhnen so
farblos zu sein.
Langsam
strichen ihre Knöchel über seine hohen Wangenknochen. Seine Haut war
unglaublich samten und warm unter ihren Fingern. Sie erkannte die Schwellung
noch durch den Heilungszauber. Ron hatte ihn tatsächlich geschlagen. Zart
berührte sie die Schwellung. Ihr fehlte die Wärme.
Sie
merkte wie sein Atem ruhig geworden war.
Aber sie
gefror in der Bewegung, als er die grauen Augen plötzlich aufschlug. Sie zog
ihre Hand zurück und blinzelte überrascht.
„Was tust
du da?“, fragte er, nicht so wütend, wie sie geglaubt hatte, dass seine Stimme
klingen würde, nach einer solchen Aktion.
„Ich… nichts“, sagte sie kleinlaut.
„Ich
dachte, du wolltest mich schlafen lassen?“, erkundigte er sich rau. Richtig,
sie erinnerte sich. Sie hielt ihn schon wieder wach!
Seine
Augen betrachteten sie.
„Tut… tut mir leid“, hauchte sie und legte sich auf den Rücken. Wahrscheinlich
war sie in seinem Bett nicht einmal willkommen. Natürlich nicht. „Mir… war
kalt“, murmelte sie tonlos.
„Du bist
ein Geist“, erwiderte er lakonisch. Sie blickte starr nach oben an seine Decke.
„Ich weiß“, sagte sie nur.
„Wieso
fasst du mich an, wenn ich im Bett liege?“, fragte er jetzt, und sie antwortete
ohne zu überlegen.
„Ich dachte, du schläfst“, sagte sie und bereute es sofort.
„Und das rechtfertigt was?“, wollte er knapp wissen, und sie hätte schwören
können, wäre sie noch lebendig, wäre sie jetzt rot geworden.
„Ich…
nein. Ich… tut mir leid. Ich war bloß…“ Sie wusste keine Antwort darauf.
„Und du
hast jetzt vor, hier liegen zu bleiben?“, fuhr er fort, und sie konnte den Ton
seiner Stimme nicht deuten.
„Ich…
stört es dich?“, fragte sie schließlich und wusste, mehr als sie aus dem Bett
scheuchen konnte er nicht. Sie wusste selber, wie verrückt es war, dass sie ihn
so etwas fragte. Aber er atmete lediglich aus.
„Fass
mich nicht mehr an“, sagte er nur und schloss die Augen wieder. Sie war sich
nicht sicher, ob das hieß, dass sie hier bleiben durfte. Aber er hatte nichts
Gegenteiliges gesagt. Wieder sah sie in sein Gesicht. Und er öffnete wieder die
Augen.
„Granger“,
begann er ruhig, „könntest du mich nicht
ansehen?“, erkundigte er sich eisig, und sie wusste selber nicht, weshalb sie
sich heute Nacht so seltsam verhielt. Vielleicht, weil sie durch sein Berührung
mit Menschen sprechen konnte. Vielleicht, weil… sie ihre Stimme wieder hatte,
wenn er ihre Hand hielt.
„Ich habe
Angst, Malfoy“, sagte sie plötzlich, ohne dass sie es vorgehabt hatte. Und er
runzelte die Stirn, während er sich auf seinen Ellbogen stützte.
„Ist das dein ernst?“, fragte er gähnend und sah sie an. Sie nickte langsam.
„Vor was? Gestorben bist du schon“, fuhr er fort, und anscheinend hatte er
gemerkt, wie taktlos diese Aussage gewesen war. Ihr Blick senkte sich. Ja, sie
war gestorben. Und sie erinnerte sich an nichts mehr. An gar nichts mehr
danach.
„Ich…
habe das nicht so gemeint.“ Und sie sah ihn spöttisch an.
„Ja? Seit
wann meinst du irgendwas nicht so, wie du es sagst?“, wollte sie bitter von ihm
wissen.
„Ich bin
wirklich müde, Granger. Und an dieser Tatsache bist du mehr als nur beteiligt“,
erinnerte er sie. „Also, so wie ich es sehe, kann dir nichts Schlimmes mehr
passieren“, korrigierte er sich. „Du könntest abschließen. Weiter wandern.
Frieden finden, oder wie es McGonagall nennt“, erklärte er achselzuckend. „Das
ist es doch, was du willst“, schloss er, und sie schüttelte plötzlich den Kopf.
Er sah sie an. „Das ist es nicht? Was dann? Willst du mich auf immer nerven?“,
wollte er wissen, fuhr sich durch die Haare, die nun verstrubbelt auf seinem
Kopf lagen, und er hob gereizt wieder den Blick zu ihrem Gesicht.
„Ich… es
fühlt sich einfach nicht so an, als wäre ich hier, um… meinen Frieden zu
finden. Ich… habe das Gefühl als… müsste ich… etwas anderes finden“, sagte sie
langsam.
„Und was
wäre das?“, wollte er entnervt wissen.
„Ich weiß
es nicht“, flüsterte sie. „Einen… Weg zurück?“, schlug sie vage vor, und er
atmete resignierend aus.
„Es gibt
keinen Weg zurück“, sagte er nach einer Weile.
„Weißt du
das sicher?“ Sie sah ihn wieder an.
„Ich bin
kaum ein Architekt, Granger. Das heißt, ich kann kaum magische Häuser bauen.
Also nein, ich habe keine Ahnung vom Leben nach dem Tod oder von Mitteln und
Wegen wieder zurückzukommen. Aber ich glaube, es ist nicht möglich“, stellte er
einfach fest.
Sie
nickte nur. Dann richtete sie sich auf, um ihn anzusehen.
„Hast du
jemals an mich gedacht? Danach?“, fragte sie jetzt, denn sie suchte nach
Erklärungen. Nach Wegen. Nach einem Grund, weswegen sie ausgerechnet bei ihm
gelandet war.
Er
zögerte kurz, ehe er den Kopf schüttelte. „Zumindest nicht, dass ich mich daran
erinnern kann.“ Sie runzelte die Stirn über seine Worte.
„Malfoy,
ich rette dir dein scheiß Leben, und denkst nicht mit einer einzigen Sekunde an
mich?“, wollte sie plötzlich zorniger wissen, aber auch er schien nicht in der
Stimmung für freundliche Worte zu sein.
„Granger,
was wird das? Ich habe mir heute den Arsch für dich aufgerissen! Ich habe mich
beleidigen und schlagen lassen, damit du mit deinen Armleuchtern reden
konntest!“, knurrte er. „Jetzt liegst du in meinem Bett, fasst mich an, und
willst von mir wissen, warum ich in den letzten Monaten nicht an dich gedacht
habe? Es war mir einfach nicht so wichtig, ok?“
Sie erhob
sich fließend. „Nicht so wichtig?“, wiederholte sie. „Dass du überlebt hast?“
„Nein,
dass du mich gerettet hast!“, gab er zornig zurück und fluchte unterdrückt.
„Mit
anderen Worten ist es dir also komplett egal, dass ich gestorben bin“, schloss
sie bitter und war zu seinem Fenster gegangen. Sie spürte, wie ihre Augen
brannten. Alle anderen weinten um sie. Alle anderen vermissten sie, errichteten
ihr Denkmäler! Und ausgerechnet der arrogante
Mistkerl, den sie gerettet hatte, hatte nicht ein einziges Mal auch nur einen
einzigen Gedanken für sie übrig gehabt!
Und er
sagte gar nichts! Das Arschloch sagte gar nichts!
Es
vergingen ein paar Sekunden, und sie hörte, wie er aufstand. Sie verschränkte
die Arme vor der Brust und starrte in die Nacht. Er stand hinter ihr.
„Was hast
du von mir erwartet, Granger?“
Sie
spürte die heiße Wut, als sie sich umwandte.
„Was ich
von dir erwartet habe? Ganz ehrlich? Absolut gar nichts, du scheiß Arschloch!“,
entfuhr es ihr heiser. „Ich habe keine Ahnung, was in dieser Nacht in mich
gefahren ist! Dass ich auch nur darüber nachgedacht habe, es gäbe einen guten
Grund, dich zu retten! Wahrscheinlich hatte ich gedacht, wäre es umgekehrt,
hättest du auch so gehandelt!“, fuhr sie kopfschüttelnd fort. „Weißt du, wäre
es umgekehrt, ich hätte keinen Tag verstreichen lassen, an dem ich Gott nicht
für Draco Malfoy gedankt hätte, dem ich mein Leben zu verdanke habe“, flüsterte
sie und wandte sich wieder ab.
„Du
denkst, ich würde jeden Abend vor meinem Bett knien und dankbar sein, dass das
Schlammblut den Todesser gerettet hat?“, entfuhr es ihm beinahe spöttisch, und
eine Träne rann über ihre Wange, so heiß, dass es sie fast erschrak. Sie hob
die Hand zu ihrer Wange, denn sie spürte die Hitze der Träne! Nur dieser einen
Träne. Alle anderen waren genauso kühl wie ihre Haut. Nur diese eine Träne rann
in einer heißen Spur ihre Wange hinab.
Sie
wischte sie erbarmungslos fort.
„Mach
dich nicht lächerlich, Granger“, endete er resignierend. „Und jetzt würde ich
gerne schlafen“, ergänzte er, und sie hörte, wie er sich wieder hinlegte.
Mit aller
Macht verließ sie sein Zimmer, ließ ihren Körper einfach durch seine Tür
gleiten, schritt lautlos den Flur entlang, die Treppe hinab und spürte, mit
jedem Schritt, den sie sich von ihm entfernte, einen Schmerz durch ihren Körper
fahren. Aber sie achtete nicht darauf. Es war ihr egal, was sie für Schmerzen
empfand, wenn sie von ihm fort war! Sie durchschritt die stille Halle, glitt
durch die Verandatür auf die große Terrasse, schritt durch den weitläufigen
Garten, Schritt um Schritt, entfernte sich immer weiter, bis sie das Haus kaum
noch sehen konnte, und bevor sie den Zaun erreichte, flammte vor ihren Füßen
der Boden auf.
Erschrocken
sprang sie zurück, ging kampfbereit in die Hocke und atmete heftig.
„Guten
Abend, Miss Granger“, sagte eine Gestalt, die aus dem Nebel der Grashalme empor
stieg. Ein scheußlicher Wasserspeier, mit krummen Hörnern, einer zischelnden
Zunge und einem sehnigen Körper mit Beinen einer Ziegen und lagen klauenartigen
Fingern formte sich direkt vor ihr.
Er
schüttelte ein langes Pergament auf, und seine Finger schlossen sich in der
Luft um eine lange schneeweiße Feder, die aus dem Nichts zu kommen schien.
„Sie
wollen aus dem Vertrag aussteigen?“, vergewisserte er sich, die Feder schon
aufs Pergament gesetzt.
„Was?“, flüsterte sie panisch, aber der Wasserspeier beäugte sie mit beinahe
gierigen Augen.
„Ihr
Vertrag. Er ist nichtig? Sie haben sich entfernt“, erläuterte der Wasserspeier
mit giftig roten Augen.
„Entfernt?
Von…?“ Sie starrte ihn an. Aber es wurde ihr bewusst. Von Malfoy! Sie hatte
sich von Malfoy entfernt! War das der Vertrag? War sie an ihn gebunden, weil
sie ihn gerettet hatte? Sie starrte den Wasserspeier an. „Ich habe einen
Vertrag mit wem?“, wollte sie plötzlich wissen, und der Wasserspeier verdrehte
entnervt die Augen, während er das Pergament sinken ließ.
„Jedes
Mal dasselbe“, knurrte er unterdrückt. „Der Vertrag gilt bis zur Sonnenwende,
wenn Sie sich vorher entfernen, heben Sie ihn selber auf“, erklärte er.
Bis zur
Sonnenwende?! Sie hatte keine Ahnung, wann das war, aber dem Wetter nach zu
urteilen, würde der Frühling bestimmt bald vom Sommer abgelöst werden.
„Einen
Vertrag mit wem?“, fragte sie erneut, mit mehr Nachdruck.
„Dem
Tod“, erwiderte der Wasserspeier lächelnd.
Hermine
stockte der unnötige Atem.
Was…?!
Sie hatte
einen Vertrag mit dem Tod gemacht? Das konnte sie sich nicht vorstellen! Das
konnte unmöglich wahr sein! Was für einen Vertrag hatte sie gemacht? Aber sie
nahm an, sie würde keine Details erfahren. Und der Wasserspeier machte ihr Angst.
„Was
passiert zur Sonnenwende?“, fragte sie vorsichtig. Der Wasserspeier sah sie an,
als wäre sie ein dummes Kind und schüttelte nachsichtig den Kopf.
„Der Tod
bekommt Ihre Seele, Miss Granger“, erklärte er, als wäre es das natürlichste
auf der Welt. „Und eine interessante Seele ist es wohl“, fügte er lächelnd
hinzu.
„Was
bedeutet das?“
Der
Wasserspeier wirkte genervter von Frage zu Frage.
„Er
sollte den Leuten die Erinnerung einfach nicht nehmen. Dann müsste ich mich
nicht mit einem solchen Unsinn herum plagen“, knurrte der Wasserspeier haltlos.
„Meine Erinnerung?“, rief sie sofort. „Was ist damit? Was habe ich vergessen?“
„Gar
nicht, gar nichts“, korrigierte er sich hastig. „Wenn Sie Ihre Seele an den Tod
überschrieben haben, dann… verbringen Sie ab der Sonnenwende Ihre Ewigkeit an
der Seites des Tods“, erklärte er schließlich.
„Was heißt das?“, schrie sie praktisch.
Der
Wasserspeier betrachtete sie gereizt. „Das heißt, Sie erledigen Jobs wie diesen
hier“, schnappte er, deutete auf sich selber, und sie schüttelte den Kopf.
„Was habe ich vergessen? Wie kann ich einen Vertrag unterzeichnet haben und
nicht mehr wissen, was darin stand?“, rief sie.
„Ich
nehme also an, Sie ziehen es vor, bis zur Sonnenwende zu warten, ehe ihre Seele
dem Tod gehört?“, ignorierte er ihre Frage, rollte das Pergament wieder
zusammen, und deutete zurück auf das Haus. „Dann bleiben Sie bitte innerhalb
der Grenzen.“
„Wann ist
Sonnenwende?“, rief sie, als der Nebel dichter wurde, und der Wasserspeier an
Form verlor. „Wann?“, wiederholte sie lauter, aber als sie das nächste Mal
blinzelte, hatte sich der Nebel gelegt, und nur noch Morgentau lag über der
Wiese.
~*~
„Ich muss
jemanden finden, der sich mit übersinnlichen Fähigkeiten auskennt“, sagte sie,
nachdem sie aus dem Nichts vor seinem Schreibtisch aufgetaucht war, und es
störte ihn, dass er nicht mal erschrocken war.
„Was?“,
fragte er desinteressiert, während sie um den Schreibtisch näher zu ihm kam. Er
war schon froh, dass sie noch keinen Tee über seinen Kopf geschüttet hatte,
nach ihrem Gespräch gestern Nacht.
„Ich bin gestern gegangen. Ich habe dein Haus verlassen und wollte das
Grundstück verlassen.“
„Du
wolltest gehen?“, unterbrach er sie interessiert, aber sie verengte die Augen
zornig.
„Malfoy,
ich kann dein Leben weiterhin zur Hölle machen, wenn du möchtest, oder du
hilfst mir.“
„Hm…“,
sagte er und tat so als würde er überlegen. „Wo ist da der Unterschied?“,
knurrte er. Sie sahen sich beide kurz zornig an. Aber sie gab nach, anscheinend
hatte sie ihm wichtige Neuigkeiten mitzuteilen. So wichtig, wie sie bei einem
Geist eben sein konnte, überlegte er dumpf.
„Jedenfalls
konnte ich nicht gehen“, stellte sie fest, und er verlor mit jeder Sekunde das
Interesse. „Ein Bote des Todes hat mich aufgehalten, denn anscheinend habe ich
einen Vertrag mit dem Tod geschlossen, nachdem ich gestorben bin“, schloss sie,
und er starrte sie an.
„Du… erwartest jetzt nicht wirklich, dass ich das glaube, oder?“, erkundigte er
sich glatt, und sie verdrehte die Augen.
„Der Tod hat mir meine Erinnerung an den Vertrag genommen, und wenn ich nicht
bis…“ Sie unterbrach sich. Wahrscheinlich hatte sie das wachsame Interesse in
seinen Augen bemerkt.
„Bis wann?“, entfuhr es ihm jetzt. „Es gibt eine Deadline, Granger? Heißt das,
ich muss dich nicht bis in alle Ewigkeit um mich haben? Das heißt es oder? Du
lügst nicht? Es gibt einen Vertrag, der besagt, du hast nur eine geringe
Zeitspanne, in der du mich nerven kannst? Sag mir nicht, dass meine Gebete
erhört worden sind?“
„Ich
verliere meine Seele an den Tod und bin auf alle Zeiten verdammt“, informierte
sie ihn. „Und keine Sorge, ich habe noch Zeit genug, dich zu quälen. Ich habe
noch Zeit genug, dich von deinem Vater feuern und enterben zu lassen!“,
ergänzte sie, aber er lächelte immer noch.
„Weißt du,ich glaube, das stimmt nicht,
wenn es dir ein solches Anliegen ist, jemanden zu finden, der dir helfen kann“,
erwiderte er lächelnd.
„Du
kommst in die Hölle dafür, weißt du?“, sagte sie nur, und er atmete aus.
„Wofür?“
„Dafür,
dass ich für dich gestorben bin, und du mir nicht diesen Wunsch erfüllst“,
erklärte sie, aber er lachte auf.
„Ich habe
dich zu Potter gebracht. Ich habe dich zu Weasley gebracht, ich denke, meine
Schuldigkeit ist getan“, sagte er.
„Was,
wenn der Vertrag mit dir zu tun hat?“, sagte sie jetzt.
„Welcher
Vertrag?“
„Der
Vertrag, den ich mit dem Tod geschlossen habe. Überleg doch mal! Ich meine, ich
bin bei dir aufgetaucht. Anscheinend ging es doch um dich und mich! Weswegen
hätte ich einen Vertrag machen sollen, bei dem es nicht um Harry geht? Oder
Ron?“ Er sah sie an.
„Was soll
das bedeuten?“, kürzte er es ab. „Es geht um deine Seele, nicht meine.“
„Was ist,
wenn ich dich gleich mit verdammt habe?“, rief sie jetzt aus. Er überlegte
kurz, ehe er sich wieder über seine Arbeit beugte.
„Darauf lasse ich es gerne ankommen“, erwiderte er kalt.
Und
schließlich kam sie näher zu ihm. Gereizt hob er den Blick.
„Bitte, hilf
mir noch dieses eine Mal, Draco“, flehte sie, und er sah, wie sehr sie es
hasste, ihn anzuflehen. Er schüttelte den Kopf.
„Du musst
auch nicht mehr zu Harry und Ron“, versprach sie. Er wedelte mit der
Baugenehmigung vor ihrer Nase.
„Nein,
das ist nicht korrekt. Ich muss für den nächsten Monat andauernd ins Stadion,
und blöderweise ist zurzeit keine Quidditchsaison, das bedeutet, Potter trainiert hier. In
London. Im scheiß Stadion. Ich sehe Potter also so oder so“, informierte er sie
knapp.
„Bitte,
Malfoy!“, sagte sie erneut.
„Was? Keine schmackhaften Versprechungen?“, erkundigte er sich glatt, und sie
schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch.
„Es ist
das letzte, worum ich dich bitten werde. Komm mit mir zu irgendeiner
übersinnlichen Hexe! Irgendeiner Hexe, die sich mit so etwas auskennt!“
„Ich sehe
darin keinen Vorteil“, informierte er sie mit Bedauern. „Tut mir leid, Granger.
Aber vielleicht es so besser. Man geht keinen Handel mit dem Tod ein“, fuhr er
gelassen fort.
„Wie
kannst du so sein?“, entfuhr es ihr ungläubig.
„Wie?“,
wollte er desinteressiert wissen, während er die Baugenehmigung abheftete.
„So… so
herzlos!“, rief sie heiser. „So ein absolutes Arschloch!“ Er hob den Blick zu
ihrem grauen Gesicht.
„Das
wusstest du alles. Was auch immer du für einen bescheuerten Vertrag mit dem Tod
gemacht hast, dir musste doch wohl klar gewesen sein, dass bestimmt nichts
Gutes dabei rumkommen würde, wenn er mich involviert, oder Granger?“, fuhr er
sie entnervt an, und betete, die Deadline würde schnell kommen.
„Anscheinend
nicht“, flüsterte sie. „Anscheinend habe ich dich für einen besseren Menschen
gehalten, Malfoy“, gab sie zurück.
„Irren
ist menschlich, Granger“, sagte er lediglich, und sie verschwand vor seinen
Augen.
Das hatte
eine interessante Wendung genommen. Dann musste er sich nämlich nicht weiter um
eine Lösung seines Problems bemühen. Alles würde sich ganz von selber lösen.
Er
spürte, wie seine Mundwinkel zuckten.
Ihre Seele
wäre verdammt, und er konnte wieder in Ruhe schlafen.
Er konnte
es kaum erwarten!
Und jetzt
musste er sich um diesen Scheiß hier kümmern. Er würde noch wahnsinnig werden.
Aber um ihre Hilfe würde er sie nicht mehr bitten, denn ihre Hilfe kam nur mit
einer weiteren Forderung. Und er war froh, Potter und das Wiesel nicht mehr
sehen zu müssen.
Wirklich froh!
~ I may
go with you, where ever you reside,
Anytime
the road looks dimmer
I’ll be
your guiding light ~
Sie hatte
ihn verschont. Er hatte sie seit heute Morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen,
und er war nicht unglücklich darüber. Allerdings hörte er seine Mutter nach
sich rufen, als er sich gerade für ein Date fertig machte. Pansy hatte unzählig
viele willige Freundinnen. Er hatte beschlossen, Astorias Verlust mit einer
neuen Bekanntschaft zu feiern.
Er
verließ das Zimmer in seiner besten beigen Stoffhose, einem hellen Pullover,
und der gestärkte Kragen seines schneeweißen Hemds duftete noch vom Bügeln. Er
hatte den Elfen die Sachen praktisch unter den Händen weggezogen. Denn er würde
zu spät kommen.
Wahrscheinlich
holte ihn Pansy ab, aber als er die Stufen nach unten überwunden hatte, kamen
ihm seine Zweifel, denn seine Mutter wirkte nicht so verzückt, als wenn Pansy
vor der Tür gestanden hätte. Draco runzelte die Stirn.
„Du hast
Besuch, Draco“, sagte sie steif, und sie hätte ebenso gut verkünden können,
dass er an der Griselkrätze leiden würde, denn so sah
sie aus.
„Ok?“,
erwiderte er, aber seine Mutter hatte ihn bereits stehen gelassen, mit einer
Mischung aus Unglauben und Enttäuschung. Etwas, was sie beides sehr gut zur
Schau tragen konnte. Er schritt in den säulengesäumten Flur und kam zu einem
jähen Halt, als er die unwahrscheinliche Erscheinung erkannte.
Merlin…!
Was zur …?!
„Draco
Malfoy? Hi, Luna Lovegood. Ich war… Gefangene hier“,
erklärte sie freundlich und betrachtete die großen Portraits an den Wänden.
„Hi, was
tust du hier?“, erwiderte er möglichst unfreundlich.
„Du bist
doch Schuld an Hermines Tod, oder nicht?“, erkundigte sie sich, als hätte sie
nach dem Wetter gefragt.
„Was?“,
entfuhr es ihm tonlos, und er kam näher. „Was willst du hier?“
„Oh, ich
habe diese Nachricht erhalten“, informierte sie ihn fröhlich und hielt ihm ein
Blatt Pergament unter die Nase. Er erkannte das Siegel der Architektur auf dem
Briefkopf. Dieses Miststück! Wie konnte sie überhaupt auf Pergament schreiben?
„Draco,
ist Pansy-“ Sein Vater war ebenfalls in den Flur getreten, aus seiner Bürotür
raus, und unterbrach sich selbst. „Miss… Lovegood,
richtig?“, entfuhr es ihm überrascht, und Luna lächelte.
„Hallo,
Mr Malfoy“, begrüßte sie ihren Vater, als wäre er ein Eisverkäufer. Es schien
so, als würden Radieschen von ihren Ohrläppchen baumeln. „Ich bin hier wegen
Dracos Geist“, erklärte sie, und Dracos Augen weiteten sich panisch.
„Bitte?“,
entgegnete Lucius, und sah ihn an.
„Na ja,
wegen Her-“
„-wegen
nichts!“, sagte Draco schnell. Sein
Vater war näher gekommen und betrachtete das Pergament mit gerunzelter Stirn.
Dracos Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich. Sein Vater tauschte einen
Blick mit ihm und Luna Lovegood. Und es war ein
ähnlicher Blick, den auch seine Mutter ihm geschenkt hatte.
„Oh, er
kann es wahrscheinlich nicht lesen, nicht wahr?“, fuhr Luna dazwischen. „Das
Pergament ist für ihn leer. Ich habe schon andere in er Redaktion gefragt“,
erklärte sie freundlich, und Draco wusste nur eines: Er musste sie hier
wegschaffen, ehe sein Vater ihm die Stelle als Vize-Präsident aberkannte.
„Hm, jaah! Das klingt wirklich… - ich begleite dich nach
draußen!“, knurrte er jetzt und schob sie achtlos ihrer Proteste wieder zur
Tür. „Bin gleich da!“, rief er seinem Vater zu, öffnete die Tür, schritt mit
ihr nach draußen in die Frühlingsluft und schloss die schwere Tür hinter sich.
„Wieso
kommst du nicht nächstes Mal nackt auf einem Einhorn angeritten?“, fuhr er das
Mädchen an, und sie lachte tatsächlich.
„Einhörner
sind schwer zu zähmen, und ich glaube nicht, dass sie es gerne haben, wenn man
auf ihnen reitet“, führte sie nachdenklich aus, und er schloss kurz die Augen.
„Sie ist
tatsächlich gekommen!“, murmelte Granger neben ihm, und zornig öffnete er die
Augen wieder.
„Hermine,
sie ist hier!“, rief Luna plötzlich, und Draco starrte sie an.
„Du… kannst
sie sehen?“, entfuhr es ihm heiser.
„Nein. Ich… spüre ihre Aura aber deutlich“, erwiderte Luna achselzuckend.
„Du… - was?!“ Draco schüttelte benommen den Kopf.
„Oh ja! Ganz weiß, blenden hell. Ein hübsches Schauspiel. Hermine, ich habe
deine Nachricht bekommen, und du hast Glück. Ich beschäftige mich zurzeit mit
dem Leben nach dem Tod. Ich denke, mein Vater will mir auch Nachrichten
zukommen lassen. Zwar nicht… auf Pergament eines Architekturbüros, aber…
subtiler…“, murmelte sie abwesend, und Draco wedelte mit der Hand.
„Das ist
alles schön und gut, aber ich muss los!“, knurrte er.
„Aber… du
musst Hermine helfen! Sie ist für dich gestorben. Du solltest dankbar sein,
dass sie hier ist, und es das Mindeste, was du tun
kannst, Draco“, sagte Luna, als gäbe es nichts, was klarer auf der Hand läge.
Hinter
ihm öffnete sich die Haustür, und er zuckte zusammen.
„Draco-“
Seine Mutter unterbrach sich, als sie Luna wieder erkannte. „Oh. Sie sind noch
da“, bemerkte sie spitz.
„Ja, ich
sagte Ihrem Mann bereits, dass-“
„-sie ist
eine alte Bekannte. Wir haben… etwas zu besprechen“, unterbrach Draco sie
eilig, ehe sie wieder etwas von Grangers Geist und seiner Schuld faseln konnte.
Seine Mutter könnte nicht unzufriedener aussehen.
„Ja! Das
haben wir wohl! Wussten Sie, dass Gei-“
„-Einhörner
lassen sich nicht zähmen!“, spuckte sein Verstand hastig eine beliebige
Information aus, und seine Mutter starrte ihn an. Sie würde ihn zu Tante Desdemona ins Mungo stecken, Draco
wusste es.
„Ja, das
ist richtig, Mrs Malfoy. Einhörner sind tatsächlich
sehr-“
„-Draco?“,
sagte seine Mutter mit gefährlicher Vorsicht in der Stimme. „Was in Merlins
Namen geht hier vor? Und wieso ist deine Wange geschwollen?“
„Wegen…
gar nichts. Absolut gar nichts, wir… wollten gerade gehen“, endete er lahm, und
bedeutete Luna vorzugehen. Seine Mutter sah ihm kopfschüttelnd nach.
„Großartig!
Sie wird mich einweisen“, murmelte er dumpf.
„Geschieht dir recht“, erklärte Granger neben ihm, ohne ihn anzusehen. Und zornig
griff er nach ihrem Handgelenk. Es überraschte ihn nicht, dass er es zu fassen
bekam. Ihre graue Erscheinung hielt stolpernd inne.
„Halt
deinen Mund! Wie kannst du es wagen, Briefe an wildfremde Personen zu
verschicken?“, knurrte er zornig und schüttelte fassungslos den Kopf über ihre
unglaubliche Dreistigkeit.
„Du
wolltest mir nicht helfen, also musste ich es alleine tun!“, rief sie aus.
„So läuft
es aber nicht, Granger! Du bist der Geist! Du hast kein Recht irgendetwas zu
bestimmen!“, rief er zornig.
„Warum?
Weil du dich schämst, dir einzugestehen, dass du von deinem Lebensretter
heimgesucht wirst, du arroganter Mistkerl? Was ist los, Malfoy? Halte ich dich
von deinen Sex-Dates ab? Du armer Todesser! Es tut mir verdammt leid, dass du
dein Leben zurückstellen musst, um ein einziges Mal etwas zu tun, was nicht zu
hundert Prozent egoistisch ist!“, rief sie aus. Luna schüttelte beeindruckt den
Kopf.
„Hermine,
ich habe deine Stimme wirklich vermisst!“, sagte sie anerkennend. Und er
registrierte, dass er noch immer Grangers Handgelenk festhielt. Luna konnte sie
jetzt also hören. „Ich denke, wir sollten direkt anfangen, denn es gibt
ungefähr hundert verschiedene Handel, die man mit dem Tod eingehen kann“,
erklärte sie, und Draco hätte kotzen können.
„Ich
hasse dich“, presste er zwischen den Zähnen hervor und ließ ihr Handgelenk
fahren.
„Gut,
dann sind wir uns das erste Mal einig!“, erwiderte sie stiller.
Er würde
ihr gerne vorwerfen, dass sie sich gestern in sein verdammtes Bett gelegt
hatte, um ihn anzufassen, aber er verzichtete darauf! Er wollte diesen Moment
ungerne noch einmal durchleben. Es war gestern schon die absolute Hölle
gewesen! Und er hatte erwartet, dass sie anfangen würde zu weinen, aber
anscheinend waren ihre Tränen versiegt.
Und er hasste
sie! Wirklich! Jetzt musste er wieder seine Zeit aufgeben und konnte sich eine
passende Ausrede für Pansy überlegen. Denn er war nicht scharf drauf, dass Loony Lovegood seiner Familie
erzählte, was für ein undankbarer Idiot er war. Darauf würde es noch
hinauslaufen. Und er wusste nicht, ob seine Mutter so begeistert über die
Tatsache wäre, dass ein Schlammblut seit fünf Tagen in seinem wohnte. Sei es
auch nur der Geist eines Schlammbluts.
Granger
folgte Luna bereits, und fluchend folgte er den beiden.
Sein
Leben war ein verdammter Albtraum!
~*~
Er setzte
sich auch nach mehrmaligem Auffordern nicht auf den Sessel. Seltsame
Kleinigkeiten lenkten ihn immer wieder ab. An der Wand hing ein Kopf eines
Wesens, das er noch nie gesehen hatte. Aber es war wohl weniger eine Trophäe,
als eben einfach nur ein lebendiger Kopf, der sich dort wohlzufühlen schien.
Das Tier oder Wesen – oder was es war – besaß lange Schlappohren, aus denen
büschelweise graue Haare wuchsen, eine gefährlich spitzen Schnabel und grüne Katzenaugen,
die ihm zu folgen schienen, wohin er auch ging.
Auf einem
niedrigen Tisch stand ein Schachspiel aus Rauchfiguren, die sich nebelartig von
alleine über das Spielbrett bewegten, sich rot färbten, wann immer die eine Seite
die andere schlug, und es drang ein unheimliches Flüstern von ihnen nach außen,
in einer Sprache, die er nicht verstand.
Aus einem
antiken Schrank kamen seit einer Weile seltsame Geräusche. Fast wie ein
Schnarchen, ein Grunzen. Jedenfalls hoffte Draco, was auch immer im Schrank
eingesperrt war, würde weiter schlafen und kein Teil ihrer Unterhaltung werden.
Es roch
nach… Moschus? Nach altem Papier? Nach verbrannten Kerzen? Oder auch Orangen,
aber nur in bestimmten Teilen des riesigen, vollgestopften Zimmers, was Lovegood Büro nannte.
Vor einem
kleinen Kamin, mit seltsamen Verzierungen, runenartigen Formeln, lag ein
zotteliger Wolfshund, so groß, dass sich Draco nicht sicher fühlte, ihm den
Rücken zuzukehren. Seine Augen waren geschlossen, und es bestand die
Möglichkeit, dass das monströse Vieh schlief, aber von ihm ging kein Geräusch
aus. Kein einziger Mucks. Kein Muskel bewegte sich, kein Atem entwich der
Schnauze des Hundes, und Draco spürte, wie sich seine Oberlippe abweisend
kräuselte.
„Also“,
begann sie, und Draco hatte nicht gedacht, jemals im Büro der Redakteurin des Klitterers zu
landen. Granger stand neben ihm, unentschlossen. Sie sah ähnlich nervös aus,
wie er sich fühlte. „Hermine ist noch bei dir?“, erkundigte sie sich munter.
Draco sah sich in dem Raum erneut um. Aus den Augenwinkeln wurde er einer
Bewegung gewahr, die ihn zusammenzucken ließ. Er wich in die Mitte des Raumes,
als er eine Hand bemerkte, die sich einfach aus dem riesigen Portrait neben ihm
an der Wand gestreckt hatte, wohl um ihm auf die Schulter zu tippen.
Ein Junge
in dem Bildnis lächelte im verschmitzt zu, und Draco sah, wie er die
lebensechte Hand wieder in den Rahmen zog.
„Was
zur…?“, entfuhr es ihm heiser, aber Lovegood lachte
nur.
„Dorian!“,
rief sie maßregelnd. „Lass den Besuch in Ruhe!“, befahl sie streng. „Ein
Bildnis des jungen Dorian Gray“, erläuterte sie, aber Draco ruckte nur mit dem
Kopf, ohne zuzuhören. „Er ist ungefährlich“, fügte sie gleichmütig hinzu.
„Ich
rieche das Mädchen“, kam eine rostige Stimme vom Teppich empor. Draco brauchte
exakt eine Sekunde, um zu begreifen.
„Fuck!“, fluchte er und wich zurück, bis
er unsanft an Lovegodds Schreibtisch stieß, und eine
Reihe an seltsamen Murmeln von der Kante rollten. Sie
zerplatzte auf dem Teppich mit einem lauten Knall und fluchend wich er weiter
zurück, als sich ein bestialischer Gestank ausbreitete.
„Keine
Sorge! Alles gut! Bengalische Wildknurr-Eier. Zerplatzen schon, wenn man sie
schief anguckt“, beschwichtigte sie ihn, als würde er auch nur ein Wort verstehen,
und erhob sich hastig. Mit ihrem Zauberstab hexte sie die Murmeln – die
irgendwelche Eier waren – wieder ganz, und Granger war neben ihn gewichen.
„Der
Hund…“, flüsterte sie fassungslos. Ja, der verdammte Hund hatte gesprochen!
Milchig gelbe Augen hatten sich in seinem Gesicht geöffnet, und wirkten auf
gruselige Weise intelligenter als die Augen eines Hundes für gewöhnlich zu
wirken hatten!
„Oh
verfluchte…“, murmelte er kopfschüttelnd. Vielleicht träumte er gerade.
„Das ist
Agon“, stellte sie den Hund scheinbar vor. Er machte keine Anstalten, sich zu
bewegen, aber seine gelben Augen durchleuchteten ihn.
„Wieso
kann er sprechen?“, flüsterte Granger besorgt.
„Wieso
spricht er?“, wiederholte Draco, denn es interessierte ihn ebenfalls. Oder
zumindest interessierte es ihn, wie gefährlich ein sprechender Monsterhund war!
„Der arme
ist verflucht, und ich habe noch keinen Gegenzauber finden können“, erklärte
sie. „Aber… vielleicht ist es auch besser so, denn er ist seit tausend Jahren
ein Hund“, erläuterte Lovegood munter. „Wer weiß, wie
sich jetzt ein möglicher Gegenzauber auswirken würde.“
„Ein
Fluch?“, wiederholte Draco. „Er… ist ein Mensch?“, vermutete er tonlos. Der
Hund reagierte nicht auf ihn.
„Ja, ein
Gefangener, um genau zu sein. Meine Recherchen in Verbindung mit seiner
Erinnerung haben ergeben, dass er wohl ein ziemlicher Tyrann gewesen sein muss.
König seines Landes, leider keine Begabung Menschen gerecht zu behandeln, nicht
wahr, Agon?“, wandte sie sich an den Hund und tätschelte seinen zotteligen,
strähnig grauen Kopf.
Der Hund
erduldete diese Geste, wenn Draco ihm auch auf keinen Meter näher gekommen
wäre.
„Wie
kommst du an einen tausend Jahre alten verfluchten Menschenkönig?“, flüsterte
Draco, obwohl er nicht hatte fragen wollen.
„Die Geschichten,
die ich erzählen könnte…“, winkte sie lächelnd ab. „Aber wir haben andere
Probleme, nicht wahr?“
„Wieso
konnte Luna wohl das Pergament lesen?“, fragte Granger neben ihm, und er
verdrehte die Augen.
„Weil sie
auch Katzenköpfe an der Wand und sprechende Hunde vorm Kamin hat, Granger!“,
fuhr er sie zornig an.
„Du
sprichst mit ihr? Berühr sie bitte!“, forderte Lovegood
ihn auf, und Granger streckte ihm sofort ihre Hand entgegen.
„Merlin!“,
knurrte er gereizt und ergriff widerwillig die Hand des Geistes. Es war jedes
Mal gruselig. Und es war ihm unangenehm. Er wollte gehen!
„Hermine?“
„Ja!“,
rief sie, und der Hund leckte sich über die Schnauze. Draco würde ihn nicht
mehr aus den Augen lassen. Verdammt, das Vieh konnte sie riechen! Das verhieß
nichts Gutes!
„Ich habe
mich mit dem Datum beschäftigt, was du mir gegeben hast“, bemerkte Lovegood eindeutig, und Draco würde gerne erfragen, wann
der Tag seiner Erlösung von seinem lästigen Geist gekommen war, aber er
beherrschte sich.
„Und ich habe
mich mit dem Tod beschäftigt. Es gibt verschiedene Handel, die man eingehen
kann, aber jedes Mal, wenn der Tod einen Handel anbietet, hat er gute Gründe,
den Handel auszuwählen. Du erinnerst dich an gar nichts mehr?“, vergewisserte
sich die verrückte Lovegood bedauernd, und Granger
nickte stumm.
„Einen
Handel, der einen Geist zurück zu einem bestimmten Menschen schickt, hängt
immer von dem Menschen ab, der stirbt und zu was er fähig ist.“
„Malfoy
ist also nicht einfach blind ausgewählt irgendein Mensch bei dem ich bin?“
„Nein“,
bestätigte Lovegood, die einen Stapel Bücher näher
ins Auge fasste, der neben ihr stand. „Für mich sieht es so aus: Der Tod hält
sich Merlin sei Dank an einfache Regeln. Der Handel geht entweder um Gold, was…
Malfoy zu Hauf besitzen würde, oder um Rache, welche verständlich wäre, denn er
ist an deinem Tod schuld“, Draco wollte widersprechen, aber Lovegood
sprach weiter, „aber würde der Tod Gold haben wollen, hätte er dich die
Bedingungen wohl nicht vergessen lassen“, mutmaßte Lovegood
unzufrieden.
„Ich bin
hier, um Malfoy umzubringen?“, schloss Granger mehr als verwirrt, und er
verdrehte gereizt die Augen.
„Noch ein
wenig länger, und ich nehme dir diese Entscheidung ab“, knurrte er. Vielleicht
könnte die Katze an der Wand einfach seinen Kopf abbeißen, überlegte er dumpf.
„Ich weiß
es noch nicht“, erwiderte Lovegood nachdenklich und
schüttelte den Kopf.
„Die
Lebenden können sie hören, wenn er sie berührt“, sagte der Hund nachdenklich,
und Draco wurde unangenehm warm. Er würde nicht mit einem Hund darüber
fachsimpeln, warum er einen Geist hatte. Und es war ihm selber unangenehm
genug, dass sie ihn berühren konnte! „Seit wann kann sie das?“, wollte der Hund
gelangweilt wissen und setzte sich auf die Hinterbeine. Er ging ihm nun bis zur
Hüfte. Draco wollte nicht hier sein und mit einem Hund sprechen!
„Ich…
weiß es nicht“, wich er dem Hund aus. Es war verrückt!
„Seit ein
paar Tagen. Ich… war wütend“, entfuhr es Granger tonlos.
„Auf den
Jungen?“, vergewisserte sich der Hund, und Draco spürte wieder den Blick aus
den gelben Augen.
„Ja“,
erwiderte Granger nur.
„Ich will
nur wissen, wie ich sie loswerde, ok? Oder… wie sie ihren Frieden findet, zur
Hölle! Oder was auch immer sie sucht!“, entfuhr es ihm ungehalten.
Und der
Hund lachte ein bellendes Lachen. „Niemand steht von den Toten auf, um seinen
Frieden zu finden. Der Handel ist, dass sie wieder ein Mensch wird, wenn sie
die Aufgabe des Vertrags erfüllt.“
„Woher
weißt du…“, aber Draco wandte sich kopfschüttelnd von dem Hund ab, denn er
würde nicht auch noch anfangen, mit verwunschenen Hunden zu sprechen. „Woher
weiß ein Hund so etwas?“
„Junge,
ich war Herrscher eines Reiches voller Druiden! Ich habe öfters mit dem Tod verhandelt,
als du es dir ausmalen kannst!“, knurrte das mächtige Tier, und Draco
interessierte sich nicht für die wahre Form dieses Monsters. Am besten blieb
er, was er war. „Wer mit dem Tod verhandelt, sucht keinen Frieden. Das Mädchen
ist einen Handel eingegangen, der sie wieder zum Menschen machen soll. Und von
allem, was ich gehört habe, ist deine einzige Qualität, dass du Gold besitzt.“
Draco
wandte sich an Granger. „Du hast dem Tod Gold versprochen? Mein Gold? Ist es
das?“
„Das
macht keinen Sinn! Ich verliere doch nicht meine Erinnerung an einen Handel,
der dem Tod Vorteile bringen würde! Luna hat es doch schon gesagt!“, fuhr sie
ihn an.
„Richtig“,
mischte sich Luna ein. „Du verlierst deine Erinnerung, damit die Chancen, dass
du ein Mensch wirst, genauso gering bleiben, als würde es keinen Vertrag geben.
Denn… ist die Zeit abgelaufen, dann ist deine Seele verdammt.“
„Es geht
um den Jungen, Luna“, warf der Hund ein, rollte sich wieder vor dem Kamin
zusammen und seine Lefzen zuckten kurz, als wäre er amüsiert. „Der Junge ist
der Schlüssel, aber… wahrscheinlich hat der Tod ihn ausgewählt, weil er ein
schwarzes Herz hat.“
„Was?“,
fuhr Draco den Hund jetzt an, aber dieser schloss gleichmütig die Augen.
„Du musst
es nicht verstecken, Junge. Ich kann die Kälte spüren, die dich umgibt. Was
auch immer das Mädchen erhofft, von dir zu bekommen… - für den Tod ist es ein
leichtes Spiel.“ Damit schwieg der Hund. Lovegood
betrachtete die zottelige Gestalt.
„Er ist
häufig schlecht gelaunt. Aber ein guter Gesprächspartner“, warf sie ein. Draco
starrte immer noch auf den Hund.
„Er weiß
es, oder?“, flüsterte Granger jetzt.
„Was?“,
fragte Lovegood aufmerksam.
„Agon
weiß…“
„Er ist
tausend Jahre alt. Das heißt nicht, dass er alles weiß“, winkte Lovegood ab. „Und Hermine, dasselbe kann ich dir auch
sagen. Ich habe erst vor kurzem einen ausführlichen Bericht über den Handel mit
dem Tod geschrieben. Es ist ja kein ungeschriebenes Blatt“, erklärte sie, als
wäre es ein übliches Gesprächsthema. „Man sollte einen Flyer in allen
Krankenhäusern verteilen“, murmelte sie kopfschüttelnd. „Menschen sollten sich
nicht darauf einlassen.“ Lovegood schüttelte
nachsichtig den Kopf.
„Als ob
ich es mir so ausgesucht hätte!“, rief Granger plötzlich, mehr als zornig.
„Das habe
ich nicht gesagt, Hermine“, beschwichtigte Lovegood
sie sofort. „Jetzt müssen wir arbeiten, mit dem, was wir haben. Ich würde
sagen, Malfoy ist dein letzter Bezugspunkt. Er ist der letzte, den du lebendig
gesehen hast, deswegen bist du bei ihm. Und das mag eine missliche
Ausgangsposition sein, aber vielleicht findest du über ihn, was dein
menschliches Leben retten könnte, oder…“
„Oder?“,
unterbrach Draco sie gereizt.
„Oder du
bist bei Malfoy aus einem bestimmten Grund.“
„Es gibt keinen
Grund“, knurrte er abweisend. Er spürte Grangers Blick auf sich. Aber er hatte
genug! Er würde keine Theorien aufstellen lassen, die seinen Tod begünstigten,
er würde sich nicht von einem Hund sagen lassen, er hätte ein schwarzes Herz!
Er würde hier nicht länger bleiben. „Vielen Dank für die Analyse und die
Verschwendung meiner Zeit!“, fügte er hinzu.
„Nein!
Nein, wir gehen nicht!“, rief Granger aus, aber er schüttelte ihre kühle Hand
ab.
„Nicht
deine Entscheidung, oder?“, knurrte er, und sie wirkte verloren und unglaublich
wütend. „Granger, was immer der Plan gewesen war – gib endlich auf!“, schrie er
praktisch. „Lass mich endlich in Frieden! Du bist tot, ich lebe noch. Find dich
damit ab!“
~*~
Es war
spät als er wiedergekommen war. Er hatte keine Verabredungen mehr wahrnehmen
können und saß nun in der Bibliothek. Nachdenklich glitt sein Blick immer
wieder aus dem langen Fenster über den weiten mondbeschienenen Rasen des
Grundstücks.
Sie hatte
gehen wollen. Sie war sogar gegangen. Er fragte sich, ob sie tatsächlich einen
Handel über sein Gold eingegangen war. Als ob er ihr tatsächlich sein Gold
geben würde!
Er konnte
sich vorstellen, dass das Miststück so etwas getan haben könnte. Ihr war Gold
nichts wert. Sie hatte ja auch schließlich keins!
Sie saß
ihm gegenüber in der Sesselgruppe. Auf dem Tisch neben ihr lag ein Buch über
Magie nach dem Tod, was sie zwischen Lucius‘ unerschöpflicher Sammlung entdeckt
hatte, und sie drehte lautlos die Seite um.
Wieder
verbrachte er seinen Abend mit ihr. Immer wieder! Es war schon nach zehn, aber
er wusste nicht, was er tun sollte. Wann sie ging. Denn er hatte das Gefühl, es
würde bald sein. Kam sie ihm schon blasser vor? Er wusste es nicht.
Langsam
hob sich ihr Blick von der Seite, die sie gelesen hatte.
Er hatte
gestarrt, ging ihm auf.
„Was?“, fragte sie müde. Aber er war nicht mehr fähig, zu streiten. Er ruckte
unverbindlich mit dem Kopf und senkte den Blick zurück in seine Lektüre,
während er beiläufig den Whiskey in seinem Glas schwenkte.
Aber er
sah, wie sie sich aufrechter hinsetzte, und die Augen schloss. Sein Blick
wanderte wieder höher, und er blinzelte überrascht, als er sah, wie ihr Körper
zu schimmern begann.
„Was tust
du?“, entfuhr es ihm, als ihre Konturen verschwammen. Keine Sekunde später erschien
sie ihm wieder klar.
Das Glas
sank in seiner Hand.
Sie sah
an sich hinab. Ihre Hand fuhr über den schwarzen Stoff, den sie trug. Sie
verdrehte die Augen.
„Das ist
der einzige Zauber, der hier in diesem Buch steht. Für Geister, die auf
Festivitäten nicht in den Klamotten auftauchen wollen, in denen sie gestorben
sind“, fügte sie fast beschämt hinzu.
Sie saß
vor ihm in einem so eleganten schwarzen Kleid, dass er sich kurz nicht davon
abhalten konnte, sie anzustarren. Es hatte Stoff an der Taille ausgespart und
ihre Haut schimmerte durch, und sie runzelte die milchige Stirn als sie seinen
Blick bemerkte.
Ihre
Haare waren wohl ebenfalls vom Zauber betroffen, denn sie waren nun frisiert.
Locker und wellig waren sie im Nacken zusammengesteckt.
„Was?“,
wiederholte sie, und plötzlich erinnerte er sich. Er erinnerte sich an die
Kleidung, die sie getragen hatte, als sie ihn aus der Bahn des Fluches
geschubst hatte. Es waren die Kleider gewesen, die sie die gesamte Zeit
getragen hatte, aber jetzt erinnerte er sich an die Farben der Kleidung.
„Wofür
musst du eleganten Kleider tragen, wenn dich niemand außer mir sehen kann?“,
fragte er, und ihr Ausdruck wurde kalt.
„Tut mir
leid, wenn ich mich ablenke, Malfoy!“, knurrte sie. Und er hatte gar nichts
sagen wollen, aber nur zu starren kam ihm auch seltsam vor. Wahrscheinlich
konnte er sie nur beleidigen, nahm er an. „Ich bin ein Geist, und ich kann
Magie ausüben, die für Geister bestimmt ist.“
„Schon
gut! Meinetwegen kannst du einen ganzen Schönheitswettbewerb veranstalten!“,
gab er zurück und senkte wieder den Blick auf das erste Kapitel des Magischen
Kriegs im ersten Zeitalter Merlins. Schönheitswettbewerb?!
Was unterstellte er damit eigentlich? Merlin….
Doch er
las immer wieder dieselbe Zeile. Sie hatte keine Schuhe an, fiel ihm
schließlich auf, als er sie immer wieder betrachten musste. Sie war schlank.
Ihre Figur war… makellos. Seltsam. Fast dachte er, dass es wirklich schade war,
dass sie tot war. Mit ihrer Figur hätte sie es vielleicht sogar zu einem besseren
Verehrer als Wesley bringen können.
Ihre
Schultern waren so schmal. Wie hatte so eine kleine Person ihn überhaupt mit
solcher Kraft aus der Fluchbahn werfen können, fragte
er sich unwillkürlich.
Sie zog
die Beine an ihren Körper, hockte nun in dem Abendkleid barfuß auf dem Sessel,
ihm gegenüber, kaute vergessen auf einem durchsichtigen Nagel und blätterte
eine Seite weiter.
Und
plötzlich hoben sich ihre Mundwinkel. „Es gibt sogar Makeup-Tricks“, sagte sie,
wohl nicht zu ihm, sondern nur für sich selbst und schüttelte amüsiert den
Kopf. „Wer braucht Makeup, wenn er sowieso nur grau ist?“, flüsterte sie dem
Buch kopfschüttelnd zu.
Sie
atmete aus, und ihr Lächeln verlor sich wieder. „Sieh mich nicht so an“, sagte
sie schließlich. Er stellte sein Glas auf den gläsernen Untersetzer, auf die
seine Mutter immer so großen Wert legte, klappte sein Buch zu und stützte den
Kopf in seine Hände.
„Wie,
Granger?“, murmelte er in seine Hände. „Wenn ich dich nicht ansehe, könnte ich
noch dem Glauben verfallen, dass du endlich verschwunden wärst. Ich bin schon
froh, dass unsere Tage zusammen gezählt sind“, fügte er müde hinzu.
„Ja, ich
auch“, erwiderte sie zu seiner Überraschung. „Ich frage mich, welchen Vertrag ich
unterschrieben haben könnte, der mich zu dir gebracht hat“, flüsterte sie. „Wie
vollkommen wahnsinnig ich in dieser Sekunde gewesen sein muss! Tot hin oder
her! Wieso hätte ich meine Seele nicht verkaufen können, um meine Eltern noch
einmal zu sehen? Oder Harry? Oder Ron? Oder… es gäbe so viele Menschen, für die
ich meine Seele gegeben hätte“, fügte sie verzweifelt hinzu. „Was will ich bei
dir? Ich will gar nichts hier!“
Er hob
den Kopf, als sie mit den Händen ihre Augen bedeckte. Und es überkam ihn ein
Funken Selbsteinsicht, als er sprach.
„Ich
schätze nicht, dass der Tod wollte, dass du besonders viel Spaß hier hast“, gab
er zurück, aber sie blickte nicht auf. Und er atmete aus. Vielleicht lag es an
Frauen, die in eleganten, verdammt figurbetonten Kleidern vor ihm saßen, aber
er erhob sich.
„Ok“,
sagte er jetzt. „Wie lange noch?“, fragte er ernst.
„Wie
lange was?“, schniefte sie heiser.
„Wie viele Tage hast du noch?“, erwiderte er und stellte fest, er konnte doch
nicht so teilnahmslos über Grangers Verdammnis sprechen, wie ihm lieb gewesen
wäre.
Und sie
ergab sich. Nach einem endlosen Moment.
„Zwei“,
sagte sie ernst, mit erhobenen Kinn und so mutig, als wäre sie noch gar nicht
gestorben. Zwei? In zwei Tagen wäre es vorbei? Und er nickte.
„Sonnenwende“,
sagte er. Und er war zu müde, um es noch länger zu bekämpfen. „Dann komm“,
sagte er nur.
„Wohin?“
Sie sah ihn misstrauisch an.
„Deine
Eltern besuchen“, sagte er steif. Und langsam erhob sie sich, anscheinend nicht
sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte. „Ist… dir kalt?“, fragte er knapp,
denn sie hatte keinen Umhang, keine Schuhe, aber sie ruckte mit dem Kopf.
„Mir ist
gar nichts, Malfoy“, entgegnete sie. Er nickte, verharrte einen Moment, bevor
er sich besann und zur Tür schritt.
„Kommst
du?“, rief er ihr zu, denn sie stand immer noch neben dem Sessel, wo sie
gesessen hatte und folgte ihm schließlich unsicher.
~ Broken
windows and empty hallways
Pale
dead moon in the sky streaked with gray,
Human
kindness is overflowing,
And I think
it’s going to rain today ~
Es war
nicht weit. Der Weg, den sie nach dem Apparieren zurücklegen mussten. Niemand
war mehr zu dieser Zeit auf dem Friedhof. Niemand tat zu dieser Zeit überhaupt
irgendetwas hier, in diesem Dorf, erinnerte sie sich dunkel. Langsam folgte sie
ihm, als er das eiserne Tor aufgeschoben hatte. Rostig schwang es nach innen.
Dunkel schimmerte der Kiesweg durch ihre nackten Füße, ohne dass sie Kälte
spüren konnte.
Sie sah
sich um. Die neuen Felder lagen weiter entfernt am Rand der grünen Fläche.
„Irgendwo
da bestimmt“, murmelte er, und die Nacht verschluckte seine Stimme beinahe
komplett. Sie schritten den mondbeschienenen Weg entlang, durch die Grabreihen,
mit Steinen, die nicht älter als das letzte Jahr waren, aber sie konnte den
Namen nicht entdecken.
Er hatte
allerdings nach einer Reihe inne gehalten. Ganz am Rand. Er sagte nichts, aber
sie erreichte ihn lautlos und blickte hinab auf die Gruft vor sich.
Und
manchmal vergaß sie es.
Manchmal
vergaß sie, dass sie selber schon gestorben war. Sie schluckte schwer. Ihre
Eltern waren zwei Wochen vor ihr gestorben, ohne dass sie es gewusst hatte. Ihr
Name stand zwischen dem ihrer Eltern, und sie war wohl hierhin überführt
worden.
„Mein
Körper liegt hier“, flüsterte sie fast ängstlich, ging in die Knie, als könne
sie durch die kalte Erde hindurchsehen. „Ich… bin hier“, fügte sie ungläubig hinzu. Frische Blumen standen in der
Vase, und sie fragte sich, wer regelmäßig nach Sussex kam, um das Grab zu
pflegen. „Die ganze Familie ist tot…“, wisperte sie. Sie schloss die Augen,
denn sie spürte ihre Tränen. Heiß und ungewohnt.
Sie las
den Spruch unter den gravierten Namen, und sie wünschte sich plötzlich, er wäre
wahr.
Und meine Seele spannte weit ihre
Flügel aus, flog durch die stillen Lande als flöge sie nach Haus.
Sie legte
die Hand über ihre Lippen, um kein Geräusch zu machen. Sie wollte sich nicht
vorstellen, wie es ihren Eltern ergangen war. Umgebracht, von Todessern.
Von
Todessern wie diesem, dem sie sein Leben gerettet hatte.
Kaltblütig
verflucht, in ihrem eigenen Haus. Ohne jede Vorwarnung, ohne jede Gnade.
Sie
musste die Augen schließen. „Mummy“,
flüsterte sie stumm, und ihre Hand legte sich auf die kühle Erde. „Dad“, fügte
sie kopfschüttelnd hinzu und wünschte, sie würde durch die kühle Erde sinken
können, um mit ihrem Körper eins zu werden.
Sie war
nicht zu Haus. Sie war nirgendwo. Irgendwo in der Mitte. Nicht lebendig, nicht
tot.
Sie war
genau hier, wo alle anderen waren, nur keiner konnte sie sehen. Keiner konnte ihr
helfen, und in zwei Tagen wäre ihre Seele verdammt.
„Es tut
mir so leid“, flüsterte sie dem Stein zu. „Wäre ich doch hier gewesen!“ Sie
wusste, sie hatte das Gedächtnis ihrer Eltern gelöscht gehabt. Sie werden sich
zu ihrem Tod nicht erinnert haben, eine Tochter zu haben. Sie nahm an,
McGonagall hatte sich um das Begräbnis und ihre Beisetzung gekümmert. Sie lag
zwischen fremden.
Sie
vergrub das Gesicht in beiden Händen und wollte nur noch, dass es aufhörte. All
der Schmerz.
„Lass uns
gehen“, sagte er plötzlich. Sie hatte fast vergessen, dass er hier war.
„Granger“, fügte er ruhiger hinzu, aber sie schüttelte stumm den Kopf. Sie
fühlte sich so einsam wie noch nie zuvor. Und sie erhob sich schließlich.
„Geh
einfach. Ich bleibe hier. Ich will nicht noch zwei Tage warten, bis…“ Sie
schluckte schwer.
„Ich
lasse dich hier nicht zurück“, erwiderte er lediglich.
„Das ist
es doch, was du willst. Du willst mich loswerden, und ich kann nicht mehr,
Malfoy“, flüsterte sie. „Ich will nicht mehr.“
„Granger-“
„-bitte,
lass mich in Ruhe“, unterbrach sie ihn schluchzend. Und er schloss den Abstand
zu ihr. Zögerlich, aber unverwandt. Er zog sie in seine Arme, und sie wusste
nicht, wie er sie berühren konnte, denn sie wollte es wirklich nicht. Aber er
hielt sie fest. Seine Wärme kroch in ihre durchsichtigen Glieder. Sie lehnte
sich gegen seinen Körper und schloss die Augen. Sie ließ zu, dass er sie hielt,
einfach, weil sie keine Kraft hatte, sich zu widersetzen.
Und er apparierte mit ihr zusammen. Immer noch festumschlungen
kamen sie vor Malfoy Manor zum Stehen. „Schon gut“,
flüsterte er und strich über ihren Rücken.
Es
vergingen noch weitere Minuten, in der er sie einfach nur hielt. In der Nacht.
In seinen Armen. Und sie wusste nichts zu sagen.
Er
brachte sie wieder ins Haus, in sein Zimmer, deckte sie in seinem Bett zu,
legte sich neben sie und löschte das Licht. Sie weinte noch immer, denn sie
wusste, sie würde noch einmal sterben. Und sie hatte nicht erfüllt, weswegen
sie zurückgekommen war.
Sie
blickte ausdruckslos an die Decke. Er rückte näher zu ihr. Ohne Worte, ohne es
zu erklären. Er streckte den Arm aus, damit sie sich in seine Armbeuge legen
konnte. Und sie tat es, ohne es zu hinterfragen.
Sie war
so einsam in der Welt, in der sie gefangen war. Mit Malfoy. Sie spürte seinen
Atem neben sich. Spürte, wie seine Wärme sie wärmte, wie seine Wärme ihr
deutlich machte, wie eiskalt sie selber war.
Wieso war
sie hier? Wieso war sie wieder zurückgekommen? Was für einen unmöglichen Deal
konnte sie mit dem Tod gemacht haben? Wie war sie nur darauf gekommen, dass sie
es hätte schaffen können?
Es war so
vollkommen aussichtslos darüber nachzudenken. Denn das war doch der Trick. Es
hätte niemals funktioniert.
Sie merkte,
wie sein Atem ruhiger wurde. Er war einfach neben ihr eingeschlafen, während er
es schaffte, sie immer noch zu halten. Als könne er sie wirklich spüren.
Sie
schloss die Augen, während stumme Tränen ihre Wange hinabrannen.
~*~
Als er
die Augen öffnete sah er, wie Sonnenstrahlen auf ihren dunklen Haaren golden
tanzten. Er blinzelte verschlafen. Ihre Brust hob und senkte sich. Das Kleid,
was sie seit gestern trug war schwarz und echt und samten. Es warf viele
Falten. Ihre Lider zuckten im Tiefschlaf. Ihre Lippen waren rot und voll und…
Er
schüttelte verwirrt den Kopf als er sich aufrichtete.
„Granger“,
entfuhr es ihm tonlos, und sie öffnete die braunen Augen.
„Draco“,
sagte sie rau und lächelte zum ersten Mal. Ihre Zähen waren weiß. Ihre Haut hatte
den gesunden Ton, an den er sich noch erinnern konnte. Sie war ein dunklerer
Typ.
Sie war…
nicht mehr grau. Nicht mehr milchig weiß! Sie war… echt! Vollkommen real! Er konnte nicht anders, als seine Hand
ungläubig auszustrecken und eine dunkle Locke um seinen Finger zu drehen. Er
atmete erschrocken aus. Er spürte ihre Haare, spürte ihre Wärme.
„Du
bist…?“ Er konnte den Satz nicht beenden, und sie lächelte breiter, so dass
sich feine Grübchen in ihre wunderschönen geröteten Wangen gruben.
„Ich bin
hier“, flüsterte sie glücklich, lehnte sich vor und vor Überraschung ließ er
seine Augen offen, als ihre Lippen über seine strichen. Er spürte den Druck!
Ihre Lippen waren warm und weich! Er spürte ihre Hitze, er spürte sie
vollkommen. Er lehnte sich gegen ihre Berührung, verschloss ihren Mund mit
seinen Lippen, und seine Augen schlossen sich automatisch, als seine Hand in
ihre Haare griff.
Er roch
sie! Er konnte Hermine Granger riechen, spüren, fühlen, schmecken! Und es
fühlte sich… unglaublich an! Sie war so warm und weich. Seine Hand legte sich
automatisch um ihre schmale Taille, presste sie an sich, und seltsame Dinge
passierten in seinem Kopf.
Sanft
glitten seine Lippen zwischen ihre Lippen, umfingen ihre Oberlippe, ihre
Unterlippe, während sich seine Erektion schmerzhaft regte, und er nicht
hinterfragen wollte, weshalb sie plötzlich real geworden war!
Er wollte
sie!
Jetzt!
…
Er fuhr
erschrocken aus dem Schlaf. Es war noch dämmrig draußen. Die Sonne war noch
nicht aufgegangen. Er sah sich um.
„Granger?“,
krächzte seine Stimme rau, beinahe ängstlich, aber sie lag nicht mehr neben
ihm. Er konnte sie nicht entdecken. Sein Herzschlag beschleunigte sich
automatisch in seiner Brust. Hastig stolperte er aus seinem kaputten Bett zum
Fenster, zog die Vorhänge auf und blickte in den nebelverhangenen Garten. Kurz
mussten sich seine Augen gewöhnen, waren noch versunken in den Traum. Er spürte
wie er noch nicht wirklich wach war, wie sein Puls in seinen Ohren hämmerte,
weil das Blut seinen müden Kopf verließ, denn er hatte immerhin noch eine
schmerzend reale Erektion.
Er
erkannte sie im Tau. Er blinzelte heftig, um klarer sehen zu können, wie sie
langsam weiter schritt. In dem grauen Kleid, das bis auf den Boden fiel. Sein
Herz schlug so schnell in seiner Brust, dass ihm fast schlecht wurde. Wo ging
sie hin?
Und… sie
war nicht mehr real.
Nein, sie
war nie real gewesen. Er hatte es… nur geträumt. Er schluckte schwer, atmete
tief ein und aus und wusste nicht, weshalb er so große Angst hatte. Er war
enttäuscht. Enttäuscht, dass der Traum nicht echt war, dass sie nicht da war.
Dass sie… ein verdammter Geist war!
Er zog
heftig die bodenlangen Fenster auf. „Granger!“, rief er in die Dämmerung, aber
sie hörte ihn nicht. Ihre Haare fielen weiß über ihren Rücken.
Hastig
wich er zurück, zog sich den Morgenmantel fluchend über, fand seine Hauschuhe
nicht und stürzte barfuß auf den Flur. Ihre Schönheit spukte noch immer in
seinem Kopf rum, und träge kehrte Erinnerungen an das Mädchen zurück, dass er
aus Hogwarts gekannt hatte. Die Elfen, die den Flur bereits reinigten
beobachteten ihn verschreckt, wichen vor ihm zurück, aber er ignorierte sie,
während er die vielen Stufen hinab stolperte und die Halle erreichte. Er
stürmte durch den Salon, durch die Wohnzimmertüren nach draußen in den Garten.
Seine
Füße wurden nass vom Tau, aber er spürte es kaum. Seine Schlafanzughose sog
sich am Saum voll, schickte die nasse Kälte seine Beine hinauf, aber er rannte
jetzt. Fast hatte sie die alte Eiche erreicht, und er sprintete die letzten
Meter.
Er
erinnerte sich. Er erinnerte sich an so viele Dinge, die er verdrängt und
vergessen hatte. Vor allem an diese Nacht erinnerte er sich!
„Granger!“,
keuchte er rau, und griff nach ihrem Handgelenk. Sie kam abrupt zum Stehen. Er
erkannte auch ohne näheres Hinsehen, dass sie geweint hatte. Ihre Augen
schimmerten seltsam. „Bist du verrückt?“, knurrte er und brachte sie näher an
sich. Die Sonne hob sich über die Baumwipfel, schien verhalten und gebrochen
durch die Nebelschwaden und ihr Körper kam ihm noch weißer vor als sonst. Und
er hasste es plötzlich. Hasste, dass sie tot war.
„Lass
mich gehen“, flüsterte sie. „Geh wieder ins Bett, Malfoy.“ Ihre Stimme klang so
furchtbar ernst, so tonlos und… völlig verloren. Dass die nervige, besessene
Granger, die überzeugt gewesen war, das Rätsel zu lösen, aufgegeben hatte,
beängstigte ihn mehr als er sagen konnte. Und er konnte damit nicht umgehen.
Nicht jetzt. Nicht nach… so einem Traum!
„Nein!“,
schrie er praktisch, und einige Vögel flatterten erschrocken in den Bäumen, von
seiner Stimme geweckt. Und er wusste nicht, warum er sie nicht gehen lassen
konnte, aber er wusste, sein Traum war… nicht wirklich ein Traum gewesen! Er
wusste… plötzlich, wie sie aussehen könnte! Dass sie… eine Chance hatte, nicht verdammt
zu werden! Wenn er doch nur begreifen würde! Er wusste, es lag an ihm, aber er
kam nicht drauf! Und es war absurd, und er hatte keine Ahnung, warum er diese
Gedanken hatte, aber er wusste, dieser Traum war… es war etwas, was er wollte.
„Malfoy-“,
begann sie resignierend, aber er schüttelte den Kopf.
„Ich… ich
habe von dir geträumt!“, entfuhr es ihm, ehe er nachdenken konnte. Ihre graue
Stirn runzelte sich langsam.
„Ok“,
sagte sie nur. „Wir haben uns jetzt auch andauernd gesehen. Ich kann dir also nicht
verdenken, dass du-“
„-Granger,
ich“, unterbrach er sie kopfschüttelnd. „Es war anders… du warst… real. Du
hast…“ Er wusste nicht, was er sagen sollte.
„Malfoy,
es war nur ein Albtraum. Es ist zu spät, ok? Ich muss-“
„-verdammt,
es war kein Albtraum!“, sagte er
lauter, und sie seufzte wieder auf.
„Ich will
gehen, Malfoy“, flüsterte sie beinahe, und er wusste, die letzten Tage hatte er
sich nichts sehnlicher gewünscht, als diesen Satz aus ihrem Mund zu hören, aber
irgendetwas war anders geworden. Irgendetwas war in ihm passiert. Sie sah ihn
an. Lange und abschätzend. Er hätte sie am liebsten schütteln wollen.
„Du
kannst jetzt nicht aufgeben!“, versuchte er es erneut, und wollte ihr nicht von
dem Traum erzählen. Er wusste, es war ein blöder Traum gewesen. Absurd. Völlig
unpassend, und wahrscheinlich war es nur seine Fantasie, weil Granger nicht
schlecht aussah, weil sie… weil sie… - er wusste keine Erklärung. Er wusste,
etwas anderes lag in seinem Blick, wenn er sie jetzt ansah. Und sie musste es
sehen, denn, er hatte sie noch nicht beleidigt, er hatte sich noch nicht lustig
gemacht, er erzählte ihr nicht von ihrem Traum, um es als widerlich und
lächerlich abzutun.
Er… - ahrg! Er hätte
kotzen können!
„Und was
soll ich tun? Deine Träume sind bloß Träume, Malfoy“, erklärte sie. Er
verdrehte die Augen.
„Nein“,
sagte er also nur. „Es sind nicht bloß Träume, Granger.“
„Malfoy-“
Sie war
so perfekt gewesen! So unglaublich wunderschön! Und er konnte es nur noch
erahnen. Er konnte es nicht mehr erkennen, in diesem grauen, milchig weißen
Gesicht. Er schloss den Abstand zu ihr, hob seine Hand zu ihrer durchsichtigen
Haut, verengte die Augen und strich über ihre Wange. Er konnte sie fühlen, kalt
und formlos unter seiner Haut.
„Was tust
du?“, flüsterte sie und starrte ihn an, mit großen grauen Augen. Wären sie doch
braun! Wären sie doch einfach nicht mehr grau! Nicht mehr… tot! Er hasste es
alles! Er nahm ihr Gesicht in beide Hände.
„Deine
Augen… sind braun, Granger“, murmelte er, beinahe zornig. „Ich… ich habe es
gesehen!“
„Du bist
verrückt geworden!“, entgegnete sie, versuchte sich aus seinem Griff zu
entfernen, aber er hielt ihren Geist fest. Er wärmte ihre kalte Haut mit seiner
Berührung. Er spürte wie sie sich erwärmte unter ihm. Sie war so kalt. Er
schüttelte nur den Kopf, denn er wollte ihr nicht antworten. Er wollte nicht
verrückt geworden sein!
„Schließ
die Augen“, befahl er plötzlich tonlos, und sie starrte ihn an.
„Was-“
„-deine Augen.
Schließ deine Augen“, wiederholte er ruhig. Und etwas zuckte über ihr graues
Gesicht. Ein seltsamer Ausdruck, der ihm unbekannt war. Sie hatte Angst. Und
sie schüttelte den Kopf.
„Lass
mich los“, bat sie heiser. Und er sah es ihr an. Sie glaubte, er würde sie
küssen, denn ihr Blick war abwesend auf seine Lippen gefallen, hob sich wieder
zu seinen Augen, und er wusste plötzlich selber, dass er sie küssen würde. Und
er wollte nicht nachdenken, wie verrückt es war!
„Nein“,
sagte er nur, und ihr Mund öffnete sich perplex. Und dann wich sie zurück. Sehr
plötzlich, als wäre es ein Instinkt, den sie hatte, aber er reagierte genauso
instinktiv, zog sie am Handgelenk näher und senkte den Kopf.
Sie
stolperte fast gegen seine Lippen.
Und die
Zeit stand still.
Der Puls
rauschte laut in seinen Ohren, als er sie berührte.
Ihre
Lippen waren kalt. Schrecklich kalt, stellte er fest, aber sie blieb reglos. Es
war beinahe unangenehm, als würde er einen Schneeball küssen, und Kälte
erfasste seinen Kopf, seinen Körper, und erst als er spürte, dass sie
zurückweichen wollte, wusste er plötzlich, er durfte es nicht zulassen. Sein
Arm schlang sich um ihren kalten, grauen Körper, und sie machte einen
überraschten Laut. Er tat, was er im Traum getan hatte, hob die Hand zu ihren
Locken, griff in ihren Nacken, spürte tatsächlich ihre kühlen Haare in seinen
Fingern, und erschrocken zuckte sie zusammen.
Und er
spürte es.
Etwas
änderte sich so plötzlich, dass er fast zurückgesprungen wäre.
Es war
heiß.
So
kochend heiß, dass sie keuchend auseinander fuhren.
Er hatte
die Hand zu seinen Lippen gehoben, wie sie ihre zu ihren Lippen gehoben hatte.
Sie starrte ihn mit großen Augen an, und er atmete flach mit geöffnetem Mund.
„Was
zum…?“, entfuhr es ihm, denn seine Lippen waren immer noch warm von ihrem Kuss.
Und… ihre Lippen waren nicht mehr grau.
„Wie hast
du das gemacht?“, flüsterte sie heiser. Er ruckte unverbindlich mit dem Kopf.
„Ich habe gar nichts gemacht“, murmelte er abwesend, während das Rot aus ihren Lippen
langsam wieder verschwand. Sie griff langsam nach seiner Hand, hob sie zu ihren
Lippen, und seine Augen weiteten sich, als sie seine Fingerspitzen gegen ihren
Mund presste. Denn… ihr Mund war immer noch heiß. Unnatürlich heiß.
„Fühlst
du das?“, flüsterte sie so leise, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Und er
nickte. Ja, er fühlte es. Und er war sich sicher, er war verantwortlich dafür.
Er allein.
Und es
verging eine Endlosigkeit, ehe er begriff.
Seine
Augen hoben sich von ihren Lippen zu ihrem ängstlichen Blick. Und er lehnte
sich vor, denn er hatte eine Ahnung. Eine simple, so unwahrscheinliche Ahnung.
Er küsste
ihre Augenlider, die sich vor Überraschung geschlossen hatte, bis er die Wärme
spüren konnte. Er küsste das eine, dann das andere, zog sich zurück, und ihre
Augen öffneten sich ängstlich. Und keuchend sah er sie an. Die aufgehende Sonne
spiegelte sich in ihren warmen, braunen Augen.
„Granger…“,
flüsterte er hilflos, denn schon verschwand die braune Farbe wieder aus ihren
Augen, und sie starrte ihn weiterhin ungläubig an.
„Was
passiert mit mir?“, flüsterte sie panisch, dann griff er nach ihrer Hand und
hauchte einen Kuss auf ihre Fingerknöchel. Ihre Haut wurde warm unter seinen
Lippen. Er verschränkte seine Finger fasziniert mit den Fingern ihrer wärmeren
Hand, küsste noch einmal ihren Handrücken, und er sah, wie ihre Haut Farbe
annahm.
„Oh mein
Gott!“, entfuhr es ihr. „Wie machst du das?“
Er hob
den Blick zu ihren Augen. „Ich habe keine Ahnung“, erwiderte er rau. Ihr Mund
stand offen bei seinen Worten. Sie war wieder grau geworden.
Und es
verging eine Ewigkeit, in der sie einfach nur voreinander standen. Und keiner
wollte sprechen. Denn er wusste, etwas hatte sich verändert. Die
Aussichtslosigkeit war einer kleinen Hoffnung gewichen, denn das erste Mal,
seitdem sie hier war, waren sie einer möglichen Lösung näher gekommen.
Und er
wusste, was sie jetzt wohl wollte.
Und er
hasste schon den Gedanken daran.
Aber es
blieb ihr nur noch ein Tag. Es blieb ihm nur noch ein Tag. Um… was zu tun? Was
musste er tun?!
~*~
„Ich sehe
es nicht“, sagte Potter beinahe verzweifelt. „Wie… sieht sie aus?“, wollte er
wissen. Auch Lovegood war aufgetaucht, Merlin sei
Dank ohne den Hund. Granger neben ihm war merklich still, als dachte sie nach. Er
kannte das von ihr. Je stiller sie wurde, umso anstrengender waren ihre Ideen,
die folgten.
Und er
fuhr sich über die Augen. Wieder hob er ihre Hand zu seinen Lippen, spürte, wie
ihre Haut warm wurde, wie sie Farbe bekam, wie sie beinahe aussah wie seine
Haut, zwar nur an einer kleinen Stelle, aber er war sicher gewesen, dass ihre
Freund es sehen konnten. Und er kam sich lächerlich vor.
„Ihre
Haut nimmt… die normale Farbe an! Nicht durchsichtig – gar nichts! Einfach
menschlich!“
„Du
schwörst, du sagst die Wahrheit?“, verlangte Potter zu wissen, und Draco stand
kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Weasley beäugte ihn voller Abscheu.
„Potter,
du-“
„Denn
wenn wir dir glauben sollen, dann-“
„Es ist
mir so scheiß egal, ob ihr mir-“
„-entschuldige
dich“, befahl sie jetzt neben ihm. Er schoss ihr einen zornigen Blick zu. Es
war das erste Mal, dass sie sprach, und dann sagte sie diese Worte zu ihm?!
„Was?“,
entfuhr es ihm, aber sie entzog ihm ihre Hand.
„Wenn sie
es nicht sehen können, dann-“
„-aber
ich kann es sehen, verflucht! Du kannst es sehen! Du spürst es doch!“, schrie
er sie praktisch an, aber sie behielt die strenge Miene bei. Und er atmete mit
aller Macht aus und zwang sich zur Ruhe.
„Es tut
mir leid“, sagte er zu Potter, ohne die Worte ernst zu meinen. Potter verdrehte
die Augen.
„Schon
gut“, erwiderte Potter, ebenfalls ohne jede Aufrichtigkeit. Draco sah, dass
Weasley sich die Tränen fortwischte. Granger griff nach seiner Hand, um wieder
Kontakt herzustellen. Sie war noch immer warm.
„Ron“,
flüsterte sie, damit Weasley sie verstehen konnte.
„Hermine!
Du fehlst uns! So sehr. Ich… ich kann nicht…“ Draco sah zu Boden. Das war doch
zu peinlich. „Glaubst du, dass es wirklich mit ihm zu tun hat?“ Was sollte das
für eine Frage sein?! Wer konnte sie sonst sehen?! Am liebsten hätte er die
Augen verdreht, aber er beherrschte sich.
„Ich weiß
es nicht“, flüsterte Granger. „Ich…“
Für ihn
lag die Sache glasklar auf der Hand. Er wusste nur nicht, was er damit anfangen
sollte. Tief verletzt hob Weasley jetzt den Blick zu seinem Gesicht.
„Ich
hasse das“, sagte Weasley rau. Und Draco hatte darauf keine Antwort mehr.
„Hermine“,
begann Lovegood nun langsam. „Du kennst die Lösung,
nicht wahr?“, fragte sie beinahe behutsam, und Dracos Blick hob sich überrascht
zu Grangers Augen, die ihn nicht mehr ansahen. Und er war sich fast sicher, sie
hielt seine Hand nur, um mit den anderen Kontakt aufnehmen zu können. Und sie
wusste etwas, was er noch nicht verstanden hatte.
„Luna,
ich-“, begann Granger, aber sie unterbrach sich.
„Was?“,
wollte er wissen. „Was ist die Lösung?“ Sein Blick glitt über das blonde
Mädchen, mit den Radieschen in den Ohrläppchen. Aber Luna senkte den Blick, als
hätte er ein Todesurteil ausgesprochen. Und Granger entzog ihm ihre Hand, erhob
sich und schritt zum Fenster, ohne ihn anzusehen. „Wo gehst du hin?“, fragte er
sinnloser Weise, aber sie sagte nichts. Zur Hölle noch mal, sie sagte nichts!
Auch
Potter atmete aus. Weasley starrte auf den Boden vor sich, als hätte sich dort
die Hölle aufgetan.
„Liebe“,
schloss Luna schließlich, ohne das Wort an jemand bestimmten zu richten. Draco
atmete genervt aus.
„Was?“,
fuhr er sie an. Warum konnten die Menschen nicht in ganzen verdammten Sätzen
mit ihm reden?!
„Liebe, Malfoy“, wiederholte Luna jetzt.
„Liebe, Lovegood“, entgegnete er gereizt. „Und?“
„Du
verstehst nicht?“, entfuhr es Lovegood verblüfft, und
er verdrehte die Augen.
„Wenn du
mir nicht sagen willst-“
„-Merlin,
Malfoy! Mach die Augen auf!“, knurrte Potter ungehalten. „Begreifst du nicht?
Ist es so verdammt schwer für einen Todesser, irgendwas zu begreifen?“, schrie
er praktisch, und Draco war auf den Beinen, ehe er bemerkt hatte, dass sein
Gehirn seinen Beinen anscheinend diesen Impuls gesandt hatte.
„Was soll
das heißen, verdammt noch mal?“, knurrte er. „Ich habe keine Lust mehr, auf
diese kryptische Scheiße!“, schrie er zurück und war sich sicher, dass Potter
ihn gleich niederschlagen würde.
„Liebe
löst den Fluch“, erklärte Lovegood wesentlich ruhiger
als Potter. Und brachte anscheinend irgendetwas auf den Punkt. Was Draco nicht
verstand. Was?!
„Liebe“,
wiederholte Potter eindringlicher, als Draco noch nicht gesprochen hatte. „Du.
Hermine. Liebe“, schien er es noch deutlich sagen zu wollen.
„Was zur
Hölle soll das mit irgendwas zu tun haben?“, rangen sich die Worte aus seinem
Mund, obwohl er längst begriffen hatte.
„Ist das dein Ernst?“, fuhr Potter ihn an. „Du küsst sie, und sie erwacht zum
Leben!“ Und Weasley verzog das Gesicht bei diesen Worten, als würden sie ihm
physische Schmerzen zufügen.
„Was
haben Küsse mit Liebe zu tun?“, entgegnete er, beinahe trotzig, und Potter
lachte freudlos auf.
„In
deinem Leben wahrscheinlich gar nichts, du Arschloch!“, entgegnete Potter
eisig. Granger hatte sich vom Fenster wieder umgewandt, und er sah sie an.
„Das ist
es?“, wollte er von ihr wissen, denn er glaubte nicht, dass er den anderen
irgendwas glauben würde, was sie ihm nicht ins Gesicht bestätigte. Und sie
sagte nichts. Sah ihn einfach nur an. Und er hasste es. Sie war so… verletzt.
So absolut… - er hasste es!
„Was muss
ich tun?“, wollte er jetzt wissen, und fast trat resignierendes Mitleid auf
Grangers graue Züge. Und das hasste er noch mehr.
„Was?“
Lovegood sah ihn an. „Du… liebst sie, oder du tust es
nicht, Malfoy“, sagte sie still.
Oh… was?!
„Sie
lieben? Was zum-“
Und er
unterbrach sich selbst.
Fuck. Und sein Blick fiel. „Das ist kein
Märchen“, sagte er nur, während er den Boden betrachtete, so wie Weasley es
getan hatte. Dann hob er den Blick zu Potter und schüttelte den Kopf. „Sie ist
seit ein paar Tagen hier! Was soll ich tun? Ich kann nicht einfach… ich… kenne
sie nicht mal, ich…!“, versuchte er sich zu rechtfertigen, sah sie wieder an,
aber sie war immer noch so verdammt still, so verdammt verletzt.
„Es tut
mir leid“, hörte er sich sagen, aber sie sah bereits wieder aus dem Fenster.
„Was ist
mit einem Trank?“, wandte sich Lovegood an Potter.
Dieser schien abzuwägen.
„Ich glaube
nicht, dass sich der Tod durch einen Liebestrank austricksen lässt, oder?“,
diskutierte Potter fast geschäftig.
„Wir
könnten es versuchen! Ich meine…“
„-nein!“,
sagte Granger, kam wieder zu ihm, ergriff seine Hand, und er spürte die Kälte,
die sich in Wärme verwandelte, je länger er sie hielt. „Nein!“, wiederholte
sie, damit alle sie hören konnten. „Keine Tränke, keine Tricks. Keine Zauber!
Wenn Liebe die Lösung ist, dann gibt es eben keine Lösung“, erklärte sie
scharf.
„Wir
probieren es!“, sagte er plötzlich. Und alle sahen ihn an. „Mit dem Trank.“
„Malfoy-“,
begann Granger beinahe wütend, aber er schüttelte den Kopf.
„Na und?
Ist doch egal! Wenn es nicht funktioniert, dann… dann… wirst du aber vielleicht
sichtbar. Vielleicht kannst du… keine Ahnung! Es ist egal, oder nicht?“,
entfuhr es ihm.
Lovegood hatte sich nickend in Bewegung
gesetzt, verließ das Wohnzimmer, aber Potter schien ähnlich abgeneigt zu sein.
„Malfoy, es ist keine Lösung, wenn du-“
„-das
weiß ich selber, aber mir fällt nichts besseres ein. Niemand verliebt sich über
Nacht, verdammt. Also kann ich nichts tun. Wir versuchen den verdammten Trank,
damit mir keiner von euch Idioten vorhalten kann, ich hätte es nicht
versucht!“, knurrte er zornig. Ihre Hand lag nun heiß in seiner.
„Ok.“
Das sagte Weasley. „Versuch es. Wenn es funktioniert, dann… möchte ich ihr
etwas zeigen“, fuhr er fort. Dracos Stirn runzelte sich. „Ich… möchte sie etwas
fragen.“
„Was
willst du mich fragen?“, entfuhr es Granger neben ihm.
„Nein.
Erst, wenn ich dich sehen kann“, flüsterte Weasley tonlos.
Draco
war das alles zu kitschig. Und ihm ging Weasley auf die Nerven.
„Ich
muss einen Anruf über Floh ins Büro erledigen. Potter? Kannst du mir helfen?“
Und er spürte Grangers Blick. „Bleib hier“, ergänzte er nur, und ihre Stirn
legte sich in graue Falten.
Potter
folgte ihm schließlich.
„Der
Kamin ist da vorne. Flohpulver liegt oben auf“, erklärte Potter kühl.
„Ja,
das ist fantastisch. Hör mir zu, ok?“, begann Draco, ehe er seine Meinung noch ändern
würde. Potter sah ihn an. „Ich muss ins Ministerium. Ich muss… in die Mysteriumsabteilung“, schloss er ruhig.
„Was?“
Potter starrte ihn an. „Unmöglich. Es ist bewacht! Alles im Ministerium!“
„Potter,
ich brauche deine Hilfe. Ich brauche einen Zeitenumkehrer“,
schloss Draco eilig.
„Was?!“
Potter schüttelte den Kopf. „Wofür? Es wird nicht funktionieren, was auch immer
du vorhast, du-“
„-ich
brauche deine Hilfe“, unterbrach er Potter schlicht. Und dieser schien
abzuwägen.
„Sie
wird das nicht zulassen“, sagte Potter jetzt.
„Mit
Glück ist sie heute Abend menschlich. Und dann ist sie nicht an mich gebunden,
kann mir nicht folgen, und ich habe ein paar Stunden Zeit“, erwiderte er.
„Das
ist riskant. Und wenn es nicht funktioniert?“, wollte Potter wissen.
„Dann
habe ich es versucht“, gab Draco zurück.
„Und
du willst das nicht versuchen, weil du sie liebst? Ganz sicher?“, wollte Potter
spöttisch von ihm wissen, und Draco ruckte mit dem Kopf.
„Nein.
Es ist die Erfüllung einer Schuld, Potter. Das ist es doch, wovon ihr die ganze
Zeit redet, oder nicht?“ Er wollte nicht mehr diskutieren. Er wollte niemanden
überzeugen. Er brauchte einfach nur Hilfe.
„Ok“,
sagte Potter schließlich. Und Draco nickte. Er war doch verrückt geworden!
~ Still don’t
you forget
That
rope tied around your neck
Don’t free you, darling ~
Sie
wusste nicht genau, worauf sie wartete.
Er hatte
den Trank genommen. Ohne Zögern. Und sie wusste nicht sicher, ob es etwas
bewirken würde. Und es war doch alles so aussichtslos! Es war ein Trank, der
auf das Unterbewusstsein wirkte, und sie wusste, der Tod würde in seinen
Verträgen bestimmt solche Tränke berücksichtigt haben. Jedenfalls schlief
Malfoy jetzt. Nach dem Trank fiel man nämlich in einen, angeblich kurzen,
Schlaf.
Er lag
ruhig in seinem Bett. Er war nicht arbeiten gegangen, weil er seinem Vater
gesagt hatte, er sei krank. Und jetzt wartete sie. Wartete, dass er aufwachte,
wartete, dass ihre Zeit abgelaufen war. Noch immer trug sie das unbequeme
Kleid, denn jetzt gerade hatte sie nicht die Nerven, sich etwas anderes auf
magische Weise anzuziehen.
Es
vergingen weitere fünf Minuten, ohne dass er aufwachte. Sie setzte sich neben
ihn auf die Bettkante.
Sie
kannte sein Gesicht beinahe schon auswendig. Und sie wusste nicht, was sie
fühlte. Denn Malfoy hatte recht. Es war kein Märchen. Es gab kein Happy End. Es
war nicht so einfach, wie es Kinderbücher darstellten. Man traf seinen Prinzen
nicht und verliebte sich auf den ersten Blick. So war es eben nicht.
Und er
war auch nicht ihre Idealvorstellung eines Mannes. Er war nichts von den
Dingen, die sie wollte. Sie war einfach an ihn gebunden, durch einen verdammten
Vertrag, der überhaupt nicht dafür vorgesehen war, ihr irgendwie zu helfen.
Es war
ein Vertrag, der so wasserdicht war, dass der Tod sie von vorneherein hätte
verdammen können. Sie atmete unnötigerweise aus.
Das hier
war keine Liebesgeschichte. Sie war nicht die kleine Meerjungfrau, die alles
für diesen einen Prinzen tun würde, weil sie nur diesen Mann liebte. Aber wenn
sie sich recht erinnerte, dann hatte auch die kleine Meerjungfrau am Ende kein
Happy End bekommen.
Angst
schnürte ihre Kehle zu.
Es war
alles so sinnlos, sie würde nie –
„Hey“,
unterbrach sie seine Stimme plötzlich. Er war aufgewacht. Ihr Herz schlug
schneller unter seinem verwirrten Blick. „Ich hab den Trank genommen?“,
vergewisserte er sich, und sie empfand plötzlich eine Dankbarkeit ihm
gegenüber, die sie bisher noch nie empfunden hatte. Er hatte fast ihren Respekt
gewonnen, dafür, dass er tatsächlich diese Längen für sie ging, weil er wusste,
dass er sie nicht liebte. Und sie konnte es ihm nicht mal verdenken, denn sie
liebte ihn auch nicht.
„Ja, du
hast ihn getrunken. Luna sagt, die Wirkung beträgt ungefähr zwölf Stunden.“ Sie
wusste, in zwölf Stunden wäre die Sonne noch nicht aufgegangen. Aber sie nahm
auch nicht an, dass der Vertrag dann aufgehoben wäre.
„Ok“,
erwiderte er, und schüttelte müde den Kopf. „Fühlt sich nicht großartig anders
an“, murmelte er. „Wie funktioniert es? Muss ich dich ansehen, oder…?“
„Ja. Der
Trank basiert auf Blickkontakt. Den ersten, den du siehst… dem verfällst du für
zwölf Stunden.“ Plötzlich hob sich sein Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.
„Klingt…
gefährlich“, erwiderte er. Sie runzelte die Stirn.
„Und…
spürst du irgendwas?“
„Vielleicht
wirkt es bei Geistern nicht“, wagte er jetzt zu vermuten, und sie hatte ehrlich
gesagt gar nicht darüber nachgedacht.
„Oh…“,
sagte sie jetzt langsam und merkte, wie sie nervös ihre Finger in ihrem Schoß
knetete. „Vielleicht sollten wir Luna fragen“, fügte sie stiller hinzu.
Sie
wusste, er sah sie an. „Du findest mich widerlich, oder Granger?“, sagte er
jetzt, und sie hob den Blick.
„Was?“
„Ich
meine… dass ich einen Trank nehmen muss, macht es für mich leichter, aber du…“
Er sprach nicht weiter.
„Es ist
also so schwer für dich?“, wollte sie fast beleidigt wissen.
„Nein,
ich… du weißt schon. Du bist…“
„Tot“,
beendete sie bitter den Satz für ihn. „Ja, ich weiß. Ähm… Malfoy?“
„Ja?“,
erwiderte er, setzte sich gerader auf, und sah sie weiterhin an.
„Was hast
du mit Harry besprochen?“, fragte sie schließlich, denn sie wusste, dass er
nicht seinen Vater per Floh verständigt hatte, denn er hatte ihm ja noch
persönlich gesagt, dass er nicht zur Arbeit erscheinen konnte. Also musste er
etwas anderes mit Harry besprochen haben.
„Mit…
Harry?“, wiederholte er, und Harrys Vornamen aus Malfoys Mund zu hören war…
seltsam.
„Ja“,
bestätigte sie, und tatsächlich sah sie ihn lächeln.
„Das war nichts
wichtiges, Granger“, log er charmant.
„Ich…
glaube der Trank wirkt, Malfoy.“ Sie sagte es ruhig, aber sie hatte Angst. Sie
kannte nämlich keinen ruhigen, charmanten Malfoy.
Kurz
schüttelte er wieder benommen den Kopf.
„Ich glaube, Lovegood hat es verdammt gut gemeint,
Granger. Ich entschuldige mich für sämtliche Unanständigkeiten, die ich tun
werde“, murmelte er angestrengt, während er sich mit den Handflächen über die
Augen rieb.
„Was genau soll das…?“, wollte sie panisch wissen, aber als er seine Augen
öffnete, schickte es Millionen Schauer über ihren Rücken. Oh…. Sein Ausdruck hatte etwas Hungriges angenommen. Sie hatte
diese ganze Liebes-Sache nicht durchdacht. Was war das für ein Trank gewesen?!
„Malfoy…?“, wagte sie vorsichtig zu fragen. Er schüttelte noch einmal den Kopf.
Dann
hoben sich seine Mundwinkel. „Fuck, verflucht“, murmelte er grinsend, und sie
sah seine Veränderung so deutlich, wie nie zuvor. Es schmerzte sie fast, denn
sie wusste ja, was er normalerweise dachte oder fühlte. Sie wusste, dass er nie
an sie gedacht hatte, bis sie aufgetaucht war. Dass es ihm egal gewesen war,
dass sie für ihn gestorben war, ihr Leben gelassen hatte für einen egoistischen
Mistkerl, den der Tod eines Mädchens nicht mehr gestört hatte, als ein schlechtes
Quidditchspiel.
Und jetzt
waren seine Augen so warm. Er sah sie an als… wäre sie wichtig. Als wäre sie
das einzige, was er sehen konnte. Als wollte er gerade nirgendwo anders sein
als hier.
„Du
weinst“, stellte er ernster fest, und sie wischte sich hastig über die Wange.
Seine Hand folgte dieser Bewegung, und fast erschrak sie über die Wärme seiner
Haut.
„Malfoy-“,
begann sie zögerlich, kurz davor, den Plan aufzugeben, denn so wollte sie ihn
nicht. Sie verstand, warum Liebestränke nichts Gutes waren. Denn jede Hexe, die
einen Zauberer so an sich band, musste es doch fühlen. Das bittere Gefühl, dass
alles nicht real war. Dass man jemanden zwang, etwas zu empfinden, was niemals
da sein würde….
„-nenn
mich Draco“, sagte er ruhig. „Bitte“, fügte er leiser hinzu. Seine warme Hand
begann ihre Wange zu streicheln. Der echte Malfoy war weit entfernt. Kein Hass
lag in seinem Blick. Nur Ehrfurcht und… Zärtlichkeit?!
Sie biss
sich auf die Unterlippe.
„Ich
liebe dich, Hermine“, sagte er so ernst, dass sich perplex ihr Mund öffnete.
Woah! Was? Der Trank war wirklich… -
Aber das
waren ihre restlichen Gedanken, denn er lehnte sich vor und küsste sie, als
wäre es völlig selbstverständlich. Und Hitze erfasste ihren Körper.
Seine Zunge
glitt in ihren Mund, ohne Zögern, ohne Zweifel. Und sein Feuer verbrannte sie
innerlich. Sie ließ ihn gewähren, denn in ihrem Innern kribbelte alles vor
Hitze und Verlangen, und sie hatte nicht gewusst, wie kalt sie wirklich gewesen
war bis jetzt! Bis jetzt, wo sie völlig in Flammen stand!
Er zog
sie näher an sich, stöhnte gegen ihre Lippen, und der Gedanke, dass alles ja
nur magische Tricks waren, rückte in Hermines Kopf sehr, sehr weit nach hinten.
Egal, wie dringend sie sich ins Gedächtnis rufen wollte, dass es alles nicht
echt war. Anscheinend wollte sich ihr wacher Verstand so dringend wie möglich
an die Hoffnung klammern, dass Malfoy sie retten konnte, denn sie fand seine
Berührung nicht einmal abstoßend. Leider nicht einmal schlimm. Sie fand es…
fast schon schön….
„Ich
liebe dich“, flüsterte er wieder gegen ihre Lippen, und eine Träne rang sich
aus ihren Augenwinkeln, denn sie wich zurück, blickte an sich hinab, und
wusste, was fehlte. Was gefehlt hatte! Und was sie heute Morgen versucht hatten,
was aber nicht funktioniert hatte!
Denn… sie
war zurück.
Und er
sah sie an. Sie spürte ihre Haut! Sie spürte ihre Nerven! Sah ihre Arme, die
warme Farbe ihrer Haut. Sah, wie ihre braunen Locken über ihre Schulter nach
vorne fielen! Sie erhob sich schwankend, lief durch sein Zimmer in sein Bad und
blieb vor dem Spiegel stehen.
„Oh
Merlin…“, flüsterte sie und konnte es kaum fassen! Luft füllte ihre Lungen,
denn plötzlich verspürte sie das Bedürfnis, zu atmen!
Ihr
geschocktes Spiegelbild starrte ihr entgegen.
Sie sah
so aus, wie sie sich in Erinnerung hatte. Sie trug das lange schwarze, schöne
Kleid. Und sie spürte die Kälte unter ihren Füßen. Sie spürte die Fliesen! Sie
war barfuß!
Und er
kam ins Bad, stellte sich hinter sie, und sie weinte noch immer.
„Du bist
wunderschön“, flüsterte er in ihr Ohr, als er die Arme um ihre Taille legte.
Und sie weinte nur noch mehr. Sie stieß seine Arme zur Seite.
„Das… das
war eine dumme Idee, Malfoy! So eine dumme Idee!“, rief sie heiser. Sie spürte
ihren Körper wieder. Die Gefühle waren zu viel!
„Was?“,
entfuhr es ihm verwirrt und verletzt zugleich. Er wollte näher kommen, aber sie
hielt ihn mit ausgestreckter Hand auf Abstand.
„Verstehst
du nicht?“, fuhr sie ihn an. „Das ist nicht echt! Ich kann so nicht bleiben!
Ich…“
Tränen
nahmen ihr die Sicht, und er schloss den Abstand, ignorierte ihren
ausgestreckten Arm und zog sie in seine warme Umarmung.
„Shht… was redest du denn?“, verlangte er zu wissen,
und sie weinte gegen seine Schulter.
„Malfoy, du…
fühlst das nicht wirklich! Es ist nicht… echt! Sobald der Trank die Wirkung
verliert werde ich wieder zum Geist. Dann bin ich verdammt, dann…“
„Ich
liebe dich! Du weißt, dass ich dich liebe! Ich will dich, Hermine! Ich werde
dich nicht-“
„-halt
den Mund!“, schrie sie, so dass ihre Stimme von den Fliesen widerhallte. Sie
wollte weg von ihm, aber er hielt sie fest.
„Ich
liebe dich!“, wiederholte er, und seine Worte taten mehr weh, als die Tatsache,
dass sie verdammt sein würde.
„Nein!“
„Doch,
ich liebe dich! Küss mich, Hermine“, flüsterte er gegen ihre Lippen, aber sie
wehrte sich noch immer in seinem festen Griff.
„Nein“,
wimmerte sie leiser, und er presste sie enger an sich.
„Bitte,
küss mich“, wisperte er, und als er ihre Lippen verschloss, ergab sie sich
seufzend. Es war zu schön. Es wäre so
schön…! Verlangend stöhnte er in ihren Mund, ließ seine Hände über ihre Seiten
gleiten, lehnte sie gegen die Wand, presste sich gegen sie, und sie ließ ihn
gewähren. Ihre Augen schlossen sich, und sie spürte das Leben in ihrem Körper.
Sie spürte alles, wusste alles! Sie war wieder da!
„Darf ich
dich ausziehen?“, unterbrach er ihre Gedanken, als er ihren Kiefer entlang
küsste.
„Was?“,
murmelte sie verwirrt, und Aufrichtigkeit war in seinen verlangenden Blick getreten.
„Ich…
muss dich sehen. Ich… muss dich haben, Hermine. Du bist mein, und ich…“ Er
schien keine weiteren Worte mehr zu kennen, denn er sah sie so verzweifelt an.
So aufrichtig, voller Liebe, und sie… spürte die Tränen erneut. Und sie wusste,
es war ihre letzte Nacht hier auf dieser Welt.
Als…
Mensch.
„Ich…
kann nicht… Ich bin… Jungfrau“, flüsterte sie, denn… sie war noch Jungfrau
gewesen, als sie gestorben war. Er schloss den Abstand zu ihr wieder.
„Ich will
keine andere Frau als dich haben, Hermine. Nur dich. Ich… werde dein Mann sein,
und…“
„Malfoy-“
„-bitte,
nenn mich Draco. Ich will meinen Namen aus deinem Mund hören, denn ich glaube,
deine Stimme ist das schönste Geräusch, was ich jemals vernommen habe!“
Und sie musste
tatsächlich lächeln. Das war also ein liebestrunkener Draco Malfoy? Und
vielleicht hatte sie Glück, und er würde sich an nichts mehr hiervon erinnern,
wenn der Zauber vorbei wäre.
Und sie
tat so, als wäre es echt. Denn sie wünschte sich, es wäre echt.
Und sie
begriff, warum es solche schönen Märchen gab, wo die Liebe am Ende siegte. Denn
es war einfach… unglaublich erfüllend. Dass es vor Urzeiten wirklich so gewesen
war. Dass niemand so viel Auswahl hatte. Dass Dinge wie Gold oder Aktien,
Immobilien oder Sex nicht alles regierten. Dass wahre Liebe häufiger vorkam,
weil Menschen nicht kalt und verwöhnt und selbstsüchtig gewesen sind.
Weil sie
geglaubt hatten. Weil sie vertraut hatten. Und der Tod damals wirklich noch
Sorge gehabt haben musste, dass ein solcher Vertrag für ihn schlecht hätte
enden können, weil auf die Menschen damals noch Verlass gewesen war.
Und sie
war Hermine Granger. Und sie hatte sich geopfert. Und sie würde so tun, als ob
es noch ein bisschen Hoffnung gab. Als würde sie etwas verändern können.
Und wenn
es auch nicht so war, dann würde sie ihr erstes Mal mit jemandem verbringen,
der sie liebte.
Und… für
den sie sich erwärmen konnte. Und fast glaubte sie, sie tat bereits mehr als
nur das. Denn… es wäre gelogen. Es wäre gelogen, würde sie sagen, dass sie
Draco Malfoy nicht leiden konnte.
Denn…
warum sollte sein Kuss von heute Morgen, ihren Körper sonst erwärmt haben?
Farbe in ihre Lippen geschickt haben? Denn sie glaubte, für ihn traf es
vielleicht nicht zu, aber sie… könnte ihm nur zu schnell verfallen.
Und es
war traurig. Es war so ungerecht und bitter. Und deshalb lächelte sie. Dann
hätte sie eben ein Märchen für zwölf Stunden. Für zwölf bittere Stunden….
Und sie
öffnete das Kleid, und es fiel auf den Boden. Seine Augen wirkten glasig, als
er sie voller Verzückung betrachtete.
„Du bist…
so wunderschön“, vernahm sie seine raue Stimme, und ihre Mundwinkel hoben sich.
„Darf ich dich berühren?“ Und sie spürte die Röte in ihren Wangen. Allein
dieses Gefühl war unglaublich.
„Ja, Draco“,
flüsterte sie zaghaft. Und ein wunderschönes Lächeln erhellte seine Züge, Glück
trat in seine hellgrauen Augen, und er nahm sie in seine Arme.
Und sie
schloss die Augen, als sie seine Liebkosungen spürte, seine sanften Worte an
ihrem Ohr, und als er sie auf die Arme hob schwanden ihre Scham und ihre Angst
erstaunlich schnell.
Er liebte
sie nämlich. Oh Merlin. Als wäre es das einfachste auf der Welt, liebte er sie.
Bedingungslos.
Er trug sie
zu seinem Bett, legte sie sanft darauf ab, zog sein Hemd aus, und sie wusste,
er hatte einen schönen Körper. Seine Muskeln waren definiert und all seine
Zuversicht machte ihn so unglaublich sexy, dass sie ihn nur ansehen konnte.
„Liebst
du mich?“, fragte er plötzlich, als er nackt über ihr war, und sie sich immer
noch nicht schämen konnte. Und sie schluckte schwer. Er verharrte über ihr.
Wartete, schien Angst zu haben, und sie atmete aus.
„Ja,
Draco“, flüsterte sie schließlich. Dann streckte sie die Wahrheit eben ein
bisschen. Und sie wusste aber, so sehr gelogen waren ihre Worte nicht. Nein,
nicht wirklich….
Erleichterung
trat in seinen Blick, und er verschlang ihre Lippen heftig und hungrig. Seine
Hände liebkosten ihren Körper, taten es mit einer Selbstverständlichkeit, die
sie nicht kannte, und sie war viel zu erregt, um sich wirklich zu schämen.
Seine Finger glitten zwischen ihre Beine, berührten ihren empfindlichsten
Punkt, und sie keuchte auf, krallte sich in seine Schultern, und er sah auf sie
hinab.
„Keine
Angst“, flüsterte er sanft, konnte den Blick kaum von ihrem Gesicht abwenden,
wie es ihr schien, und ihr Herz klopfte laut, als er den Kopf neigte, und ihre
Brustwarze in seinen Mund sog.
Unwillkürlich
fragte sie sich, bei wie vielen Mädchen er das schon getan hatte, wie viele er
schon so angesehen hatte, aber als er Finger in ihre feuchte Hitze stieß,
schwanden diese Gedanken ziemlich schnell, denn ihr Kopf flog nach hinten, und
sie konnte nicht anders als denken, dass sie sich noch nicht so am Leben
gefühlt hatte, wie genau jetzt! Hier, mit ihm!
„Ich…
liebe dich!“, wiederholte sie tatsächlich, fast ein wenig überrascht, und er
unterbrach seine süße Qual, hob den Kopf, und ein träges Lächeln huschte über
das ihr mittlerweile so bekannte Gesicht.
„Ich
liebe dich mehr“, raunte er tief und küsste sie erneut, während sie nicht
anders konnte, als ihre Beine vor Verlangen weiter zu spreizen. All das alte
Leben, was wieder in ihren Körper zurückgekehrt war, schien es kaum erwarten zu
können, dass er weitermachte, dass er sie liebte, dass er…
Sie nahm
sein Gesicht in seine Hände, hielt ihn still, und sie spürte, wie er sich vor
ihrem Eingang positionierte.
„Draco?“,
flüsterte sie abgehackt, und er konnte sich kaum noch beherrschen.
„Ja?“,
erwiderte er rau, und sie schluckte schwer.
„Vergiss
mich nicht“, wisperte sie, während sie wieder die Tränen in den Augenwinkeln
spürte. Kurz zierte Verständnislosigkeit, oh so süße Verständnislosigkeit,
seine Züge, und er schüttelte unwirsch, fast maßregelnd, den Kopf und küsste
sie heftig, dass sie aufkeuchen musste.
Und
gleichzeitig stieß er nach vorne. Seine Zunge focht mit ihrer, und sie wusste,
es war passiert! Es schmerzte etwas, aber er bewegte sich bereits, dehnte sie,
liebte sie mit aller Macht, hielt sie fest umschlungen, und machte langsam
weiter, bis sie sich gewöhnt hatte.
Und
wahrscheinlich wollte sie nicht wissen, was Harry dazu zu sagen hatte, denn…
einen Liebestrank zu nehmen war eine Sache, aber… dann gleich auch noch mit
Draco Malfoy zu schlafen war wohl… eher unnötig. Aber sie hatte nicht anders
gekonnt! Wie sollte sie ihm widerstehen?!
Ihre
Gedanken rissen ab, denn er bewegte sich kraftvoll, und sie konnte ihm nur
begegnen, genoss fast den süßen Schmerz, den er ihr brachte, und krallte sich
an ihn, genoss jeden lebendigen Atemzug und beschloss, es nicht zu bereuen!
Niemals!
„Hermine!“,
keuchte er, und sie wusste, er kam wohl gerade zum Ende. Sie hatte keine große
Ahnung von Höhepunkten, aber sie glaubte, er hatte gerade seinen.
Er griff
hart um ihre Hüfte, stieß ein letztes Mal in sie, und dann sank sein Kopf auf
ihre Brust.
Es
verging ein stiller Moment.
„Fuck“,
murmelte er dumpf, und fast lächelte sie, während ihre Finger durch seine
Strähnen fuhren. Er hatte so weiche Haare. Er war ein schöner Mann. Und
immerhin erkannte sie Draco Malfoy, wenn er fluchte. Er hob den Kopf.
„Merlin,
das war…“ Er ließ den Satz unbeendet, lächelte aber. Doch dann wurde er ernst.
„Du bist
nicht gekommen, oder?“, fragte er sofort. Sie ruckte mit hochroten Wangen mit
dem Kopf. „Das ändern wir. Später“, fügte er hinzu und rollte von ihr runter.
Sie vermisste sein warmes Gewicht schon jetzt. „Hat… hat es dir gefallen?“,
fragte er schließlich und sie drehte sich ihm zu, während er die Decke über sie
beide legte.
„Ja“,
sagte sie. Es war schnell gegangen, aber sie war noch berauscht von all den
Sensationen.
„Tut mir
leid, ich… konnte mich nicht beherrschen. Du warst… so perfekt. So… verdammt
eng und…“
„Das ist
der Trank“, erwiderte sie lapidar. Denn sie war bestimmt nicht perfekt oder…
eng – oder was auch immer! Aber er hob die Augenbraue. Kurz legte sich
Ernsthaftigkeit auf seine wunderschönen Züge.
„Der
Trank macht, dass ich dich liebe, Hermine. Aber perfekt bist du auch, ohne dass
ich einen Trank nehmen müsste“, sagte er so ernst, dass sie fast erschrak.
„Du… du
weißt also, dass… dass alles nur Magie ist?“, flüsterte sie. Er schüttelte
zaghaft den Kopf.
„Ich…
nein. Ich – ja. Ich liebe dich, das weiß ich mit Sicherheit, aber ich weiß,
dass es aufhören wird. Im Moment… weiß ich nichts so sicher wie, dass ich dich
niemals aufgeben werde“, sagte er fest. Sie spürte die Tränen. „Und ich hasse,
dass ich es muss, denn… ich weiß, was ich vorher gefühlt habe. Und… es war
nicht zu vergleichen mit dem, was ich jetzt für dich fühle!“
Und auch
diese Worte schmerzten. Denn das bedeutete nur, dass er vorher keine Gefühle
für sie gehabt hatte. Sie schluckte schwer.
„Nein,
nein, bitte nicht, ok?“, bat er jetzt. „Nicht weinen! Ich tue alles, damit du
nicht mehr weinst! Meine Liebste!“ Er lehnte sich zu ihr, küsste ihre Lippen,
und sie sie musste wieder lächeln.
„Meine Liebste?“, wiederholte sie
spöttisch, und er verdrehte die Augen.
„Ich bin
verdammt romantisch, Hermine Granger“, sagte er. Und plötzlich schwand jeder Ausdruck
von seinem Gesicht. „Du bist für mich gestorben!“, entfuhr es ihm, als würde er
das erst jetzt begreifen. Sie sah ihn an. „Und ich war so ein Arschloch!“, fuhr
er fort. „Bitte, verzeih mir! Ich… liebe dich so sehr, dass…“
„Schon
gut“, murmelte sie.
„Nein, du
verstehst nicht, ich-“
„-schon
gut, Malfoy“, sagte sie sanft, strich eine seiner Strähnen zurück, und er
schenkte ihr ein wunderschönes Lächeln.
„Geh
niemals fort“, flüsterte er, während er die Augen schloss. Sie spürte, wie er
wohl vor Erschöpfung wegdämmerte.
~*~
Er
öffnete die Augen, als sie sich wieder neben ihn gelegt hatte. Sie hatte ihr
Kleid wieder angezogen, denn im Moment hatte sie nichts anderes als das.
Er
blinzelte heftig.
„Was?“,
fragte sie mit einem milden Lächeln.
„Ich… nichts.
Déjà Vue“, murmelte er
verstört. Seine Hand fuhr über ihre Wange, wickelte sich eine dunkle Locke um
die Finger, und kopfschüttelnd lehnte er sich vor und küsste ihre Lippen voller
Selbstverständlichkeit. „Ich habe von dir geträumt“, murmelte er gegen ihre
Lippen. „Du bist tatsächlich genauso schön, wie in meinen Träumen“, flüsterte
er.
„Du bist einfach nur kitschig“, erwiderte sie und fühlte sich etwas unwohl
unter seinen Komplimenten.
„Ja, ich
höre das selbst“, bestätigte er, aber er hörte nicht auf zu lächeln. „Wir
sollten… zu den anderen gehen“, beschloss er schließlich. Richtig.
Sie
setzte sich auf.
Sie war…
ja wieder ein Mensch! Ob die anderen sie sehen konnten? Sie war sich noch immer
nicht sicher.
„Ich
ziehe mich an, und dann apparieren wir. Du musst sterben vor Hunger“, sagte er
nur, besann sich und wandte sich um. Sie lächelte bereits über seinen
unbewussten makabren Scherz. „Ich… tut mir leid, ich-“
„-nein,
du hast recht. Ich sterbe vor Hunger“, bestätigte sie.
~ Please, please tell me what they
looked like,
Did they seem afraid of you?
They were kids that I once knew... ~
Es war schwierig.
Er spürte
die Zerrissenheit, von der er überzeugt war, dass es am Zaubertrank lag. Er
liebte sie. Ehrlich und aufrichtig, daran bestand kein Zweifel. Der Trank hatte
gewirkt. Und gleichzeitig hatte er Angst. Angst, dass es bald nachlassen würde.
Er konnte seinen Blick nicht von ihr nehmen.
Sie waren
aus Malfoy Manor verschwunden und er apparierte jetzt mit ihr.
Sie
drehten sich im Strudel aus Farben und hielten inne, als sie vor dem Fuchsbau
standen. Den er immer noch nicht leiden konnte. Und unbewusst hatte er nach
ihrer Hand gegriffen. All diese Dinge, die er eigentlich abwegig fand, waren
nicht mehr abwegig. Er erntete ihren amüsierten Blick hundert Mal pro Minute,
aber er konnte nicht anders. Er musste sie ansehen, sie berühren, und es störte
ihn nicht, dass er es musste.
Merlin.
Und er
wusste, sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebte. Zweimal. Er hatte
mitgezählt. Aber er wusste nicht, ob sie meinte, was sie sagte. Aber er hoffte
es sehr! Denn er liebte sie so unsagbar, dass es wehtat, wenn er eine Sekunde
verstreichen ließ, ohne sie anzusehen.
Fest lag
ihre Hand in seiner, als die Türen zum Fuchsbau sich öffneten.
Weasley
kam langsam aus der Tür.
Er und
Hermine schritten über die Wiese, und sie war immer noch barfuß, aber er fand
es nichts weiter als wunderschön. Und es war warm genug. Er sah, wie Weasleys
Mund sich öffnete.
Und Draco
hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass sie real geworden war. Dass sie echt
war, dass sie seins geworden war. Fast wollte er ihre Hand nicht loslassen,
aber er wusste, sie wollte ihre Freunde begrüßen. Also löste er den Druck, ließ
ihre Hand los, und blieb noch einige Meter von der Tür entfernt stehen, während
sie langsam weiter ging.
„Hermine!“,
entfuhr es Weasley jetzt heiser und ungläubig. „Harry!“, schrie er nach hinten,
stolperte die Stufen fast hinab, und konnte Hermine nicht
schnell genug in die Arme ziehen. Draco spürte den Stich der Eifersucht sofort,
blieb aber regungslos stehen.
Er hörte
Hermine aufschluchzen, hörte sie weinen, als sie die Arme um Weasleys Nacken
schlang, während dieser sie vom Boden hochhob, und so laut lachte, dass die
vereinzelten Hühner gackernd verschwand. Potter kam aus dem Haus, war wie
versteinert stehen geblieben, und als Weasley Hermine wieder auf den Boden
stellte, kam Potter langsam die Stufen hinab. Es erschienen Weasleys Mutter und
Tochter ebenfalls in der Tür.
„Ach du
großer…“ Molly Weasley brach in Tränen aus, kam die Stufen ebenfalls hinab, und
Hermine wurde von einem zu anderen gereicht. Sie stellten hundert Fragen, und
nach einer Ewigkeit wandte Hermine den Blick in seine Richtung. Sie streckte
ihre Hand langsam nach ihm aus, und als wäre es ein Signalschuss, setzte er
sich sofort in Bewegung, konnte ihre ausgestreckte Hand nicht schnell genug
erreichen, griff nach ihr, zog ihre Finger an seine Lippen und küsste ihre
Knöchel.
Er bemerkte
wie Potter und Weasley ihn ansahen, aber es war ihm egal.
„Kommt rein, kommt rein! Ginny, gib Hermine ein paar… andere Sachen!“ Molly
Weasley scheuchte sie alle wieder ins Haus. „Du musst ja ganz verhungert sein!“
„Es hat
also funktioniert“, sagte Potter hinter ihm, als sie das Haus betreten hatten.
Er hörte eine Spur Unwillen in Potters Stimme. Eine Spur der Eifersucht, die
Draco nun selber kannte.
„Ja“,
bestätigte er bloß, während sie im Flur stehen blieben.
„Ich…
gehe mich umziehen“, sagte sie, ein wenig beschämt. Ihre Wangen hatten eine
gesunde rote Farbe angenommen, und sie hatte nie schöner ausgesehen als jetzt,
fand er. Sie entzog ihm sanft ihre Hand.
„Hermine“,
hielt er sie rau auf, denn er wollte nicht wirklich, dass sie von ihm wegging.
„Bin
gleich wieder da!“, versprach sie, aber er konnte nicht an sich halten, ergriff
erneut ihre Hand, zog sie näher und küsste ihre süßen Lippen, während Potter
und Weasley nach Luft schnappten. Kaum berührte er ihre verführerische Haut
hatte er das Gefühl, explodieren zu müssen. Es war ihm verflucht egal, wer
ihnen zusah.
„Ich
liebe dich“, murmelte er gegen ihre Lippen und wollte sie am liebsten gleich
hier im Flur noch einmal ausziehen.
„Hermine“,
sagte die kleine Weasley beschämt, und Hermine riss den Blick von seinem
Gesicht los, während sie sich von der kleinen Weasley mitziehen ließ.
„Wow“,
hörte er Potter sagen. Er wandte sich um. „Das war… eindrucksvoll.“ Potter
wirkte angewidert. Aber Draco konnte nicht anders, als zu lächeln. Weasley
schüttelte unentwegt den Kopf.
„Ich
liebe sie“, wiederholte Draco voller Überzeugung, hob hilflos die Arme und die
beiden Jungen starrten ihn an. „Sie ist absolut… unglaublich. Sie ist so…“
„Perfekt?“,
schlug ihm Weasley bissig vor, und Draco nickte.
„Jaah“, bestätigte er.
„Ich find
ihn zum Kotzen so!“, beschwerte sich Weasley bei Potter und schüttelte wieder
den Kopf. „Wieso lässt sie ihn das machen?“, wollte Weasley sauer wissen.
„Sie
liebt mich auch“, antwortete Draco schließlich.
„Oh
bitte, Malfoy!“, schnappte Weasley gereizt. „Tut sie nicht!“
„Sie hat
es gesagt. Und ich glaube ihr. Und ich liebe sie noch viel mehr!“
Er
schloss kurz die Augen. „Gott, dieser Tank ist… verdammt gut“, brachte er
angespannt über die Lippen.
„Du…
weißt, dass es ein Trank ist?“, fragte jetzt auch Potter, und Draco atmete
langsam aus, fuhr sich über die Schläfen und öffnete die Augen wieder.
„Ja,
Potter. Ich weiß es. Und es muss absolut lächerlich klingen, was ich sage oder
tue“, fuhr er fort. „Aber… jetzt gerade… liebe ich sie mehr als mein Leben, und
deswegen müssen wir uns beeilen“, zwang er sich, zu sprechen.
„Ich dachte schon, du hättest deinen Plan vergessen“, erwiderte Potter glatt.
„Nein“,
entgegnete Draco, und versuchte mit aller Macht, nicht an sie zu denken, denn
sonst würde er noch nach oben rennen.
„Was für
einen Plan?“, entfuhr es Weasley skeptisch.
„Einen
Plan, der dich wenig angeht. Wenn ich mich richtig erinnere, wolltest du doch
sowieso etwas mit ihr besprechen? Während Potter und ich weg sind, kannst du
das tun. Allerdings rate ich dir, ihr nicht zu nahe zu kommen, oder ich…“ Er
versuchte, nicht so zu sprechen, allerdings handelte es sich um die Frau, die
er liebte. Trank hin oder her. Er konnte es jetzt gerade nicht trennen. „… oder
ich bringe dich um.“
„Sehr
dramatisch, du Arschloch“, gab Weasley genervt zurück. „Es ist nicht echt,
ok?“, knurrte Weasley, aber Draco griff in seinen Kragen, stieß ihn hart zurück
gegen die Wand, und Weasley Augen weiteten sich ungläubig.
„Nein, es
ist echt, Weasley! Also rühr sie nicht an!“, informierte Draco ihn kalt.
Weasley tauschte einen Blick mit Potter.
„Lass es,
Ron. Im Moment könnt ihr darüber nicht diskutieren“, murmelte Potter, der
ebenfalls wenig begeistert klang. „Sie kommen“, fügte er hinzu, als die Stimmen
von oben wieder lauter wurden.
Sie war
endlos lange weggewesen, fand er, obwohl er wusste, dass es nicht stimmte.
Sie trug
Jeans und Turnschuhe. Dazu ein blaues enges Oberteil, und er liebte es einfach.
„Ich weiß,
es ist kitschig, aber du siehst unglaublich aus!“, murmelte er, als er nicht
anders konnte, als wieder nach ihrer Hand zu greifen. Auch die kleine Weasley
wirkte äußerst ungläubig. Er musste sie wieder an sich bringen.
„Draco-“,
begann sie sich sanft zu wehren, aber er schlang den Arm um sie.
„Ich weiß“, murmelte er in ihren Haaransatz. „Ich kann nicht anders“, fügte er
hinzu und hörte Weasley aufstöhnen.
„Hermine,
sag doch was!“, fuhr er sie an. Draco war es egal, denn er hatte nur Augen für
sie. Und vielleicht lag es am Trank, aber war sich sicher, es lag nicht nur
daran. Er spürte, wo er übertrieben reagierte, was an seinen Reaktionen falsch
lief, aber… unterschwellig spürte er, dass er sie nicht so ungern anfasste, wie
er sich vorgaukelte, dass es ohne Trank sein würde.
Er neigte
den Kopf und küsste ihre Halsbeuge. Er spürte sie schaudern.
„Oh
bitte!“, stänkerte Weasley weiter, und Draco ließ von ihr ab.
„Du gehst mir ziemlich auf den Sack, Weasley! Weißt du, ich-“
„-Draco!“,
unterbrach sie ihn scharf. „Nicht! Du weißt doch selber, wie es für sie
aussehen muss!“, fuhr Hermine ihn an. Er hob den Blick.
„Sag ihm,
dass du mich liebst, Hermine!“ Und ja. Das war der Trank. Er übernahm sein
klares Denken. Diese verfluchte Eifersucht überschwemmte jedes rationale
Gefühl.
„Malfoy…“
Potter wollte ihn an der Schulter fortziehen, aber Draco machte sich von ihm
los.
„Hermine,
sag es ihm! Sag, was du mir gesagt hast, als wir miteinander geschlafen haben!“
Oh, verfluchte Scheiße.
Hermine
starrte ihn an. Röte sprengte ihre Wangen. Weasley hatte ihn gepackt, und dann
passierte alles ziemlich schnell. Er war gegen die nächste Wand geflogen, und
Weasleys Faust krachte unangenehm hart in sein Gesicht.
Und er glaubte,
als er die bunten Sterne tanzen sah, während er dem Boden entgegen segelte,
dass es Potter war, der Weasley aufhielt, ihn noch einmal zu schlagen. Immerhin
kniete sie sich sofort neben ihn.
„Alles
ok?“, vernahm er dumpf ihre Stimme. Der Schmerz pochte unterhalb seiner Wange,
und benommen schüttelte er den Kopf.
„Ja“,
knurrte er. Er hörte Potter und Weasley diskutieren. Dann sah er Weasleys
Schatten wiederkommen. Er rappelte sich auf die Füße.
„Ron, du
schlägst ihn nicht!“, rief sie, und Weasley standen schon wieder die Tränen in
den Augen. Und irgendwie stand sie nicht mehr neben ihm, sondern umarmte
plötzlich wieder Weasley, der an ihrer Schulter weinte. Draco hasste Weasley!
„Wir
gehen“, informierte ihn Potter eisig. Molly Weasley rief sie zum Essen, aber
Potter deutete zur Tür.
Und der
Nebel in seinem Kopf hatte sich für eine Sekunde gelichtet. Ja, es wurde Zeit,
nahm er an.
„Hermine“,
sagte er rau, denn er begriff, dass… dass er sich verabschieden musste. Er
wandte sich zu Potter um. „Ich kann nicht“, flüsterte er erstickt. Potter sah
ihn an.
„Was?“
Potter schien gerade nicht in der Stimmung zu diskutieren.
„Ich…“
Aber Draco riss sich zusammen. Nein. Keine Rückzieher.
„Wir
können uns alle vertragen“, sagte Hermine jetzt zu ihm, während Weasley wie ein
finsterer Turm hinter ihr stand und auf ihn hinab starrte.
„Hör zu,
ich… muss kurz weg“, brachte er gepresst hervor. „Und egal, was passiert, ich
liebe dich, ok?“, sagte er fest, und sie sah ihn an.
„Was?
Wovon redest du? Wo willst du hin? Harry?“, wandte sie sich an Potter, aber
dieser schwieg betreten. „Draco, du gehst nirgendwohin! Du-“
„-ich
liebe dich, Granger“, benutzte er mit aller Macht ihren Nachnamen, und sah die
Tränen in ihre Augen steigen. „Ich danke dir, dass du… mein Leben gerettet
hast. Und… ich will deins retten, also, mach es mir leichter. Bleib bei… bei
Weasley, und…“ Er konnte kaum weiter sprechen.
„Draco…“
Er
schloss den Abstand hastig und küsste sie, als wäre es das letzte Mal. Er
atmete ihren Duft ein, prägte sich ein, wie sie sich in seinen Armen anfühlte
und wünschte sich plötzlich, was er fühlte wäre echt.
Er löste
sich von ihr. Und er spürte die Tränen aufsteigen.
„Vielleicht…
liebe ich dich nicht wirklich, aber… ich wünschte, ich würde“, flüsterte er, denn
natürlich liebte er sie! Natürlich! Oder war es doch nur der Trank? Er riss
sich von ihrem wunderschönen Anblick los, denn sie weinte bereits.
„Mach‘s
gut, Granger“, sagte er, und er wusste, es würde das letzte sein, was er zu ihr
sagen würde.
Und ehe
er es sich anders überlegen konnte, ließ er sich von Potter aus dem Haus
ziehen.
~*~
„Du bist
ziemlich still“, sagte er, als sie unter Potters Tarnumhang das Ministerium
betreten hatten. Und er spürte, wie sauer Potter war.
„Du
kannst froh sein, dass du sie retten willst, denn ansonsten hätte ich Ron
solange zuschlagen lassen, bis du nicht mehr aufgestanden wärst!“, knurrte
Potter vor ihm, während sie den quatschenden Mitarbeitern auswichen.
„Potter“,
begann Draco, aber Potter bog um die nächste Ecke und zerrte den Umhang von
ihrer beider Köpfe.
„Was,
Malfoy?!“, schnappte Potter und Zorn verzerrte seine Züge. „Du bist widerliches
Arschloch! Sie ist dein Geist, du verhältst dich wie ein komplett
selbstsüchtiger Wichser, dann schluckst du ein paar Tropfen Liebestrank, und
auf einmal vergisst du deine kompletten Aversionen und kannst dich nicht
beherrschen und schläfst mit ihr? Mit Hermine? Mit unserer Freundin?! Die wir
verloren haben und wegen dir vielleicht noch einmal verlieren?“ Potters Brust
hob und senkte sich vor Wut.
„Ich liebe sie, ich-“
„-oh
verschon mich mit dieser Scheiße! Würdest du das tun, dann wären wir nicht
hier, oder? Nein, es war nur aus Sport!“
„Potter,
bist vollkommen wahnsinnig?“, zischte Draco wütend und fuhr sich durch die Haare.
„Ich liebe sie! Ich konnte nicht anders, ok? Ihr habt den Trank doch
vorgeschlagen! Also leb mit der verdammten Konsequenz, dass-“
„-beende
diesen Satz nicht, du scheiß Bastard!“, knurrte Potter, und Draco schloss den
Mund.
„Lass uns
einfach gehen“, sagte Draco wütend, und Potter warf den Tarnumhang wieder über
sie beide, und sie betraten den Fahrstuhl. Der Fahrstuhl war Merlin sei Dank
leer und sie fuhren bis ganz nach unten.
„Mysteriumsabteilung“, verkündete die kühle Frauenstimme, und
sie verließen die Kabine und standen im Dunkeln. Die Türen wurden von Fackeln
beleuchtet, und immerhin schien Potter zu wissen, wohin sie gehen mussten.
„Was
willst du überhaupt tun? Du willst in der Zeit zurückreisen, und dann was?“
Potters Neugierde schien über seine Wut zu siegen.
„Weißt
du, wo wir lang müssen?“, antwortete Draco stattdessen, denn er wollte wirklich
nicht näher über seinen verdammten Plan nachdenken müssen.
„Ja.
Linke Tür. Wir müssen unter dem Tarnumhang bleiben. Die magischen Sensoren
werden ihn nicht aufspüren können. Also?“, sagte er erneut, und Draco verdrehte
die Augen, ohne dass es Potter sehen konnte, als sie die linke Tür ansteuerten.
„Also
was?“
„Was
dann? Wenn du zurückgereist bist?“
„Dann
werde ich verhindern, dass sie mich rettet“, erklärte er kalt. Und Potter
schwieg.
„Das ist
riskant. Und das ist verboten.“
„Ja?“,
vergewisserte sich Draco hinter ihm belustigt. „Du würdest also sagen, dass ich
nichts tun sollte, dass ich sie nicht retten soll, weil dann das System durcheinander
gebracht wird?“
„Malfoy,
wenn es nicht klappt – oder sagen wir, wenn es klappt…“ Potter schwieg kurz.
„Dann könntest du sterben“, schloss er während er die Tür öffnete und Draco
überrascht nach Luft schnappen musste, als sie in die Tiefe fielen. Nicht weit,
aber sie fielen. Potter hielt den Tarnumhang mit seinem Zauberstab um sie
gewickelt.
Draco
spürte das magische Licht des Sensors über sie gleiten, als sie langsam vom
staubigen Boden aufstanden. Aber der Sensor schlug keinen Alarm, und ohne ein
Geräusch schlichen sie weiter durch die nächste Tür, an einem schlafenden
Wachmann vorbei, weiter in den Flur.
„Hast du
darüber nachgedacht?“, griff Potter seine Worte wieder auf, während Draco sich
vorsichtig den Staub von der Kleidung klopfte.
„Nein,
Potter. Ich dachte, ich mache so eine waghalsige Aktion, ohne vorher drüber
nachzudenken“, knurrte er. „Sicher habe ich darüber nachgedacht.“
„Und du
willst das in Kauf nehmen?“, beharrte Potter auf den Worten.
Draco
atmete gereizt aus. Er antwortete allerdings nicht darauf. Es war
offensichtlich, oder nicht? Und Potter wandte den Blick von ihm ab, wieder nach
vorne. Und er nickte schließlich.
„Du bist
nicht so ein großes Arschloch, wie ich dachte, weißt du?“, murmelte Potter, als
sie durch die nächste Tür schritten.
„Will ich
wissen, warum du dich hier so gut auskennst?“, erkundigte sich Draco als sie
einen Raum erreicht hatten, der vor seltsamen Gegenständen überquoll. Unter
anderem auch Zeitenumkehrern.
„Ich bin
Harry Potter“, erklärte Potter so selbstsicher, dass Draco kotzen könnte.
Er hob
den Umhang an, griff sich einen Umkehrer, und sein
Herz schlug schnell.
„Ok, raus
hier, bevor es noch jemand merkt!“, zischte Potter, als Draco gelangweilte
Stimmen von weiteren Wachmännern auf dem Flur hörte. Er würde Potter zu gerne
zu diesem Tarnumhang befragen, der weder von Sensor-Zaubern noch von
menschlichen Augen gesehen werden konnte, aber sie hatten bedenklich wenig
Zeit.
Und er
setzte alles daran, nicht darüber nachzudenken, was Weasley gerade mit Hermine
veranstaltete….
~*~
Es war so
unangenehm, wie man es sich vorstellen konnte. Und sie weinte die gesamte Zeit
über. Sie weinte, als Molly Weasley angefangen hatte zu weinen, sowie Arthur
und Ginny.
Und jetzt
saßen sie im Flur. Auf der windschiefen Treppe im dritten Stock.
Ron sah
sie immer wieder an.
„Du bist
wieder da“, flüsterte er immer wieder, schüttelte den Kopf, musste sie immer
wieder berühren, ihre Hand halten, und sie lächelte wieder, wischte sich die
Tränen fort und zwang sich, nicht mehr zu weinen.
„Ja. Ich
habe euch so vermisst!“, sagte sie leise. Er ergriff wieder ihre Hand.
„Es ist…
kein Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe. An dem ich nicht
überlegt habe, wie ich das Schicksal ändern könnte. Ich…“
„Ron-“
„-du
warst alles für mich, Hermine. Und… und ich weiß, dass… dass ich dich heute
vielleicht wieder verlieren werde, also…“ Er griff in seine Hosentasche und
holte eine Schachtel hervor. Sie hielt den Atem an. „Ich… trage ihn immer bei mir.
Seit dem Tag an… dem du gestorben bist“, flüsterte er.
Und
Hermine spürte, wie die Luft zum Atmen knapper wurde, wie ihr Herz schneller
schlug. Meinte er das ernst?
„Ich
liebe dich, Hermine. Ich… habe dich immer geliebt. Und ich… weiß nicht, ob ich dich
noch einmal verlieren kann“, endete er so leise, dass sie ihn kaum noch
verstehen konnte. „Und ich will dich nur einmal fragen…“ Er öffnete die kleine
Schachtel. Der Ring im Innern war schmal, silbern und in der Mitte saß ein
blauer Stein. Er war wunderschön.
„Hättest
du mich geheiratet, damals?“
Eine
Träne rann Rons Wange hinab, und sie spürte selber, wie sie die Tränen nicht
zurückhalten konnte. Sie nickte stumm, starrte hinab auf den Ring und wischte
die Tränen weg.
„Ja, Ron.
Ich… ich hätte dich geheiratet“, flüsterte sie. Er lächelte und schloss sie
heftig in seine Arme.
„Aber…
ich… glaube…“, begann sie zaghaft, während sie seinen Duft und seine vertraute
Wärme genoss, „… ich liebe Draco“, flüsterte sie, und der Druck seiner Arme
ließ nach.
Er wich
zurück und sah sie an. „Was?“, entfuhr es ihm schwach.
„Ron, ich…“
„Sag mir,
dass das nicht wahr ist!“ Die Hand, in der er die Schachtel hielt, war an seine
Seite gesunken. Hermine spürte die Tränen erneut.
„Ron, ich
liebe dich, du bist mein bester Freund, und ich… wäre natürlich bei dir
geblieben und wir… wären zusammen gekommen, aber jetzt-“
„-weil du
Sex mit ihm hattest? Deswegen?“, entfuhr es Ron, aber Hermine schwieg. Ron
schloss kurz die Augen und atmete aus. „Hermine, ich… ich will nicht, dass du
wieder verschwindest. Ich… kann mir nicht erlauben, wütend auf dich zu sein.
Hauptsache, du gehst nie mehr!“
„Ich kann
dir darauf keine Antwort geben, Ron. Meine Zeit läuft ab, und ich…“
„Nein!“
Er schüttelte rigoros den Kopf. „Wir reden da nicht mehr drüber!“, sagte er
steif. „Und ich möchte, dass du den Ring behältst. Es… ist deiner. Es sollte
immer deiner sein, und ich… liebe dich, Hermine. Ohne Trank, ohne alles.“
Und sie
schloss die Augen. Ach, wäre sie doch als Geist zu Ron zurückgekehrt. Ron
wollte sie heiraten! Ron trug jeden Tag den Verlobungsring in seiner Tasche.
Sie sank zurück in seine Arme und wollte nicht an morgen denken, wenn sie in
der Hölle auf ewig verdammt sein würde. Denn, was auch immer Malfoy gerade tat,
es würde nichts ändern können, da war sie sicher. Und dennoch vermisste sie
ihn.
~*~
„Du
willst alleine gehen?“, vergewisserte sich Potter, aber er schien nicht
besonders erpicht darauf, mit ihm zu kommen.
„Sicher“,
gab er also zurück.
„Danke. Malfoy.“
Potter klang etwas abgehackt. Es kostete ihn Überwindung, nahm Draco an. „Kann
ich dich was fragen?“, fuhr er unsicher fort.
„Was?“
Draco wusste, dafür, dass er gleich im Begriff war sein Leben zu riskieren war
er erstaunlich gelassen.
„Ich meine…
du hattest diesen Plan schon gestern gefasst, richtig?“, wollte Potter langsam
wissen, und Draco nickte. „Und… du hast heute den Trank genommen…“
„Worauf
willst du hinaus, Merlin noch mal?“, fuhr Draco ihn an. Er vermisste Hermine.
Es brachte ihn fast um, dieses verdammte Gefühl.
„Du…
glaubst du nicht, dass… die Gefühle vielleicht schon da waren? Dass du einfach…
dass du das gar nicht machen musst?“, wagte Potter zu sagen, und Draco runzelte
die Stirn.
„Ich…
will mich darauf nicht verlassen, verstehst du? Ich…“
„Du
denkst, es reicht nicht aus? Aber du hast gesagt, gestern, als du sie geküsst
hast, da… wäre ihre Hautfarbe wiedergekommen. Ich meine… ist das nicht… Liebe?“
„Potter,
was ich jetzt für sie fühle, ist kein Vergleich.“ Und Potter schwieg.
„Viel
Glück, Malfoy“, sagte Potter jetzt tonlos. Draco nickte nur. Er wusste, es
hatte nicht ausgereicht. Also tat er jetzt, was selbstlose Menschen wohl taten.
Nicht, dass er wirklich selbstlos war, aber… es wäre doch schön, so zu tun, als
ob….
Er
starrte hinab auf den Zeitenumkehrer in seiner Hand.
Diebstahl. Verbotene Zeitreisen. Änderung der Vergangenheit. Das waren Delikte,
die ihn Jahre in Askaban kosten könnten. Aber er hatte keine Wahl.
Potter apparierte in der Sekunde. Und Draco tat es ihm gleich. Nur
apparierte Potter zurück zum Fuchsbau. Zurück zu ihr,
und er, Draco, apparierte nach Hogsmeade.
Keine
fünf Sekunden später kam er vor dem Honigtopf zum Stehen. Es war unglaublich
warm heute. Menschenmengen wanderten plaudernd von Geschäft zu Geschäft, und
Draco lief in eine der vielen Gassen. Hätte er sich bei seinen Eltern noch mal
melden sollen? Nein, er würde sonst nur seine Meinung ändern. Pansy…. Kurz
dachte er an Pansy. An Astoria. An Gregory und Blaise.
Er atmete
aus. Ja, Granger hatte ihn verändert. Er dachte an ihr wunderschönes Gesicht,
an ihren Körper, ihr Lächeln, und er musste zugeben, er hatte sie auch vorher schön gefunden.
Und
deshalb tat er es. Er musste. Er wusste, es war das einzige, was er tun konnte.
Er
öffnete den Zeitenumkehrer, aktivierte das goldene
Zahnrad und stellte den exakten Tag vor einem halben Jahr ein. Die Sonne
versank langsam. Er gab noch ein paar Stunden hinzu, damit die Nacht bereits
vorangeschritten sein würde.
Und er
klappte den Mechanismus wieder zu, hängte sich die Kette um, tippte gegen die
winzige Sanduhr und spürte, wie sein Körper vom Boden gerissen wurde, als der
Zeitstrom ihn erfasste.
Stolpernd
kam er zum Stehen und lehnte sich hastig gegen die dunkle Mauer. In Hogsmeade schrillte der Alarm mitten in der Nacht. Sein
Biorhythmus brauchte noch ein paar Sekunden, denn die Zeitreise war unmöglich
ohne Spuren bei einer solchen Distanz einfach zu kompensieren. Er atmete
heftig.
Einige
Zauberer liefen schreiend an ihm vorbei. Geistesgegenwärtig griff er nach dem
Zauberstab und legte ihn gegen seine Kleidung. Es war ein Plan, bei dem so viel
schief gehen konnte. Eigentlich alles. Aber er war ohnehin schon zu weit
gegangen.
„Morsmordes Vestimentum!“,
sagte er behutsam und darauf bedacht, dass niemand ihn bemerkte. Seine Kleidung
verwandelte sich, wurde schwarz, unter dem nächsten verbotenen Zauber. Aber
damals war der Zauber noch nicht verboten, deswegen erschien keine rauchige
Mahnung als Botschaft des Ministeriums aus seinem Zauberstab.
Noch
immer sah er bunte Punkte vor seinen Augen tanzen. Er spürte, wie die Todessermaske sich über sein Gesicht legte, wie er kaum
atmen konnte. Er zog sie hastig vom Kopf. Er hatte vergessen, dass sie damals
zur Uniform gehört hatte. Er sah einfach scheußlich aus.
Wo war er
an diesem Tag jetzt gerade gewesen? War er im Schloss gewesen?
Jaah. Er meinte sich zu erinnern.
Hastig
schlüpfte er aus seinem Versteck, ignorierte seine Reisekrankheit und hastete
vorwärts in die Dunkelheit. Ihm kam in den Sinn, dass er Potter nach seinem
Tarnumhang hätte fragen sollen, aber er erinnerte sich wieder, dass Potter ihn
benutzt hatte, um vor Voldemort zu entkommen, heute, an diesem Tag.
Er lief
lautlos weiter, konnte das Schloss bereits erkennen und sah, dass die Tore aus
den Angeln geflucht worden waren. Es war weit nach Mitternacht, und er lief
weiter.
Bunte
Blitze zuckten über den Himmel, und es war als erlebe er seinen persönlichen
Albtraum noch einmal. Und das tat er sogar….
„Hey!“
Er zuckte
zusammen. Er hatte gerade die Tore passiert, und er zog den Zauberstab. Sein
Puls raste, als er sich umwandte. Und er erstarrte.
„Malfoy,
beweg dich! Wir finden Dumbledores Armee und bringen sie um!“ Crabbe lief an ihm
vorbei und bedeutete, ihm zu folgen. Dracos Mund stand offen. Er sah Crabbe
hinterher, der bereits in der kämpfenden Menge verschwand.
Scheiße. Crabbe war bei dem Versuch,
Dumbledores Armee zu stoppen, gestorben. Draco überlegte, ob er ihn würde retten
können, aber er verwarf diese Idee. Wichtiger war, dass er sich selber finden
musste.
Er duckte
sich durch ein paar Kämpfende hindurch, wehrte einen Fluch ab, wie in Trance,
und hatte nur ein Ziel: Nicht zu sterben, ehe er nicht das Schloss erreicht hatte!
Merlin!
Die Angst folgte ihm auf dem Fuße! Was hatte er sich dabei gedacht?! Vertraute
Gesichter, die gestorben waren, begegneten ihm aus den Augenwinkeln, und er
stürmte ins Schloss.
Er
bewegte sich lautlos durch die zerstörten Gänge, den Zauberstab gezogen.
„Draco!“
Merlin,
wieso entdeckten ihn ständig Leute? Aber er war gar nicht gemeint. Hastig wich
er in den Schatten zurück, als er um die nächste Kurve blicken konnte. Er
erkannte sich selbst, wie er an einem der Fenster stand und Gregory neben ihn
trat.
„Crabbe
will dass wir ihm folgen. Er weiß, wo einige von Potters Leuten sind.“
„Super“,
hörte er sich sagen. „Dann wünsche ich ihm viel Spaß dabei. Wo ist mein Vater?“
Der jüngere Draco blickte weiterhin nach draußen aufs Schlachtfeld.
„Wir müssen
irgendwas tun!“, fuhr Goyle ihn nervös an.
„Ich will
gar nichts tun! Ich will weg hier. Nach Hause, verdammt!“ Draco, der sich im
Schatten versteckt hielt, verdrehte die Augen. Ja, er wollte auch nach Hause.
„Ich
gehe, Draco“, schien Goyle ihm zu drohen.
„Schön,
mach doch! Mal sehen, wie lange du überlebst!“, rief der andere Draco ihm nach.
„Was für ein Arschloch“, fügte der jüngere Draco hinzu, und der ältere Draco
trat aus dem Schatten, direkt hinter ihn. Es war seltsam, sich selber zu sehen.
Was für
ein Feigling er gewesen war. Gerade hasste er sich selber. Wenn er sich recht
erinnerte, dann hatte ihn Granger gerettet, gerade als er auf der Flucht
gewesen war. Gerade, als er hatte abhauen wollen. Und fast mit Genugtuung
feuerte er den Fluch ab.
„Stupor!“, rief er laut und traf sich
selber in den Hinterkopf.
Sofort
fiel der jüngere Draco bewusstlos zu Boden.
„Entschuldige“, sagte er leise, griff sich selber unter die Arme und schleifte den
schlaffen Körper über den Flur, um ihn in einem der vielen Schränke zu
verbergen. Er verschloss die Tür magisch. Gut. Er hatte sich selber erst mal
aus dem Weg geräumt.
Er
blickte nach draußen. Ja, es kam ihm bekannt vor. Es wurde Zeit, er wusste das.
Und dann sah er sie. Ihre Haare flogen wild über ihre Schulter. Und er sah den
Todesser, der damals den Fluch gefeuert hatte. MacNair.
Er saß in Askaban. Noch für sehr lange Jahre.
Und Draco
fragte sich, ob er, jetzt wo er sein jüngeres Ich ausgeschaltet hatte, dennoch
draußen darauf achten musste, dass Granger nicht umkam.
Oder…
würde er damit die Sache wiederholen. Unschlüssig stand er vor dem Fenster.
„-wir
müssen ihn finden! Wenn wir ihn nicht-“
Kurz
wandte er den Blick. Es waren nur Weasley und seine Schwester, die den Gang
entlang gelaufen kamen. Er blickte wieder nach draußen.
„Hey, du
Arschloch!“
Ach jaah… fuck.
Sie waren
ja gar keine Freunde. Oder was auch immer sie zurzeit vortäuschten zu sein.
Er wandte
sich ratlos um. Musste er sich verteidigen? Wer wollte ihm ans Leben? Wollte
das überhaupt jemand? Unschlüssig hob er den Zauberstab, während die Weasleys
in Position gingen. Er öffnete den Mund, wusste aber nichts zu sagen.
„Wir
verfluchen dich beide!“, informierte ihn die kleine Weasley, die alarmierend
viel Blut auf ihrem Umhang kleben hatte. Ihr eigenes?!
„Ahem…“,
erwiderte er, und würde es einfach großartig finden, wenn er von den Weasleys
auf dem Flur einfach umgebracht werden würde.
„Kein
Fluch auf Lager, verdammtes Frettchen?“ Weasley war mächtig zornig.
„Ich will
nicht gegen euch kämpfen“, sagte er schließlich.
„Natürlich nicht! Du hast ja auch keine Chance!“, blaffte Weasley lauter. Draco
verdrehte tatsächlich die Augen.
„Ich will
euch nichts tun, verdammt! Ich…“ Er ließ den Zauberstab sinken. „Ok?“,
versuchte er es erneut.
„Wir
haben keine Zeit dafür, Ron!“, zischte seine Schwester jetzt unschlüssig.
Dracos Blick fiel wieder aus dem zerstörten Fenster aufs Schlachtfeld.
Scheiße.
Und
irgendwie war es anders gekommen. Granger kämpfte gegen MacNair!
Und das gehörte nicht zum Plan.
„Ich muss
zu Hermine!“, sagte er hastig, und hoffte, Weasley verstand. Aber Weasleys
Ausdruck wurde mörderisch.
„Du willst sie töten?“, schrie er wütend, und Draco stöhnte auf.
„Nein, du
Affe!“, knurrte Draco gereizt, und alle drei stürmten jetzt nach draußen.
Auf dem
Weg schleuderte Draco ein paar nette Vereisungsflüche auf die Todesser, die er
entdecken konnte. Schaden konnte es nicht.
„Was zur
Hölle…?“, vernahm er die Stimme der kleinen Weasley neben ihm.
„Hey, MacNair!“, brüllte er praktisch über das Feld. Der Todesser
erkannte ihn, hob abgelenkt die Hand zum Gruß, und Draco hasste den Mann!
Hasste ihn!
„Sectum Sempra!“,
brüllte er praktisch, und wusste, er hätte den Todesfluch anwenden können.
Genug Wut empfand er gerade, aber… vielleicht empfand er nicht genug Wut, um
jemanden zu töten. Er hatte es noch nie getan.
MacNair fiel bewegungslos zur Seite, während
das Blut aus seiner Kleidung austrat. Die Weasleys starrten ihn an, als sie
allesamt Hermine erreicht hatten. Granger atmete heftig. Kratzer zierten ihr
Gesicht. Sie lebte. Sie lebte tatsächlich und sah ihn an, als wäre er der
widerlichste Mensch auf der Welt.
„Du bist
also ein Verräter, Malfoy?“, fuhr sie ihn an, und er schenkte ihr einen
ausdruckslosen Blick. Sie zog tatsächlich den Zauberstab gegen ihn.
„Oh
bitte…“, entfuhr es ihm gereizt. Ein weiterer Fluch zischte zwischen ihnen
hindurch.
„Stupor!“, rief er zornig in die Richtung
aus der er gekommen war, und er sah noch, wie Crabbes Vater geschockt zu Boden
ging.
„Du…
verfluchst deine Leute?“, rief die kleine Weasley, während sie ebenfalls einen
Fluch gegen einen Todesser losließ. Draco ruckte mit dem Kopf, als ein blauer
Fluch Grangers Kopf nur zu knapp verfehlte. Er sprang nach vorne und griff um
ihr Handgelenk. Sofort schlug sie mit der Faust auf ihn ein.
„Du bist
ein Miststück!“, informierte er sie, während er sie über das Feld schleifte,
als die Weasleys gegen seinen Onkel Lester vorgingen – der ihm gerade mächtig
sonst wo vorbeiging!
„Malfoy!“,
kreischte sie, aber erbarmungslos zog er sie aus der offenen Fluchbahn. Er griff achtlos nach ihrem Handgelenk, denn sie
trug eine Uhr.
Es war
drei Uhr fünfzehn. In den nächsten Minuten war es passiert. Er erinnerte sich.
Er starrte sie an.
„Wenn du
nur ein paar Minuten warten könntest“, sagte er gereizt. Er sah, wie sich ein
Todesser Weasleys Schwester näherte, und belegte ihn mit einem Klammerfluch,
ehe der Todesser die kleine Weasley verfluchen konnte. Granger entriss ihm ihre
Hand.
„Fass mich nicht an, du scheiß Todesser!“, rief sie zornig. Seine
Geist-Granger war ihm wesentlich lieber gewesen, stellte er resignierend fest.
„Ich
werde dich nicht da raus lassen, Granger. Vergiss es!“,
knurrte er.
„Bist du
verrückt?“, schrie sie ihn an, aber er zog sie am Arm zurück. Der Trank hatte
noch nicht gänzlich an Wirkung verloren. Er fand sie betörend schön. „Ich muss
ihnen helfen!“
„Nein,
das einzige, was du musst, ist, nicht sterben!“, korrigierte er sie zornig.
„Was?
Malfoy, bist du-“
„-ich
werde es nicht zulassen, hast du verstanden? Ich habe diese Chance. Keine
weitere, ok?“ Sie lebte. Sie war so… lebendig und wütend in seinen Armen.
„Wovon
zum Teufel sprichst du? Wieso greifst du deine eigenen Leute an?“, fuhr sie ihn
an, während sie wieder versuchte, zu entkommen.
„Ich
liebe dich, Granger“, sagte er, und es entsprach der Wahrheit. Zumindest jetzt
noch. Er hatte aus den Augen verloren, wann der Trank an Wirkung verlieren
würde. Und Granger starrte ihn an.
„Was?“,
entkam es heiser ihren Lippen.
„Ich
liebe dich, und du wirst nicht sterben, hast du gehört?“, flüsterte er. Ihre
Augen waren groß geworden.
„Du…
kennst mich überhaupt nicht, Malfoy“, kamen die Worte verwirrt über ihre Lippen.
„Draco!“
Oh fuck.
„Was tust
du mit…?“ Lucius schien zu zögern, schien nicht zu wissen, ob er kämpfen oder
fliehen sollte. Und Draco stellte sich in einer schützenden Geste vor Hermine.
„Draco?“ Sein Vater starrte ihn an. Es vergingen ein paar Sekunden.
„Bring
dich in Sicherheit. Such Narzissa, und bring dich in Sicherheit“, erklärte
Draco nur.
„Was tust
du?“, flüsterte Lucius kopfschüttelnd.
„Ich…“
Ja, Draco hätte so gerne eine Antwort auf diese Frage parat. „Geh endlich!“,
entschied er sich zu sagen, und Lucius runzelte die Stirn, ehe er Folge
leistete. Er rief Draco noch irgendetwas zu, was dieser nicht verstand, aber
als er sich umwandte… war sie nicht mehr da!
Scheiße!
Sofort
stürzte er zurück zwischen die Kämpfer, erledigte zwei mit Faustschlägen auf
die Nase, brach zwei weiteren die Beine mit Verdrehungszaubern und entdeckte
sie weiter in der Menge. Fenrir Greyback
kämpfte in der Nähe und war ein zu gefährlicher Gegner.
„Granger!“,
rief Draco zornig, half nebenbei Weasley einem Todesser das Augenlicht zu
nehmen und erntete wieder einen ungläubigen Blick. Ja, ja. Weasley sollte
einfach drüber wegkommen. Wo war Potter eigentlich?!
Sein Arm
tat bereits weh, und er erinnerte sich an die Nacht vor sechs Monaten. Er war
ein verfluchter Bastard gewesen, der sich in den Schatten versteckt gehalten
hatte, der niemandem auch nur ansatzweise geholfen hatte, immer nur auf den
eigenen Vorteil und die Flucht bedacht, immer hinter seinem Vater her.
Ein Fluch
streifte sein Gesicht, und er spürte, wie das Fleisch seiner Wange aufriss,
spürte das heiße Blut auf seiner Wange und er wandte sich fluchend um,
schleuderte den Fluch willkürlich gegen den nächsten Todesser, der ihm in die
Quere kam.
„Weasley!“,
schrie er im selben Atemzug. „Runter!“, dröhnte seine Stimme über das Feld, und
er wandte einen Zauber an, den er in der Architektur ständig gebrauchte, um
verschiedene Baustoffe zusammenzufügen, richtete ihn auf fünf Todesser, die
somit zusammen gerissen wurden und fest verbunden zu Boden fielen.
Weasley
war stehen geblieben, betrachtete ihn, aber Draco kämpfte sich weiter vor.
Weiter vor zu ihr.
Und er
hörte den widerlichen Werwolf.
„Komm
her, kleines Schlammblut!“ Seine Reibeisenstimme schnitt klar durch die Nacht, und
Draco wurde schneller, rammte einem Todesser den Ellbogen ins Gesicht, duckte
sich durch einen Stupor und nassgeschwitzt warf er sich gegen den
wildgewordenen Fenrir.
Granger
war auf dem Boden gewesen, rappelte sich auf, und Greyback
schrie unter ihm auf. Draco war auf dem Wolf zusammen gebrochen, sprang eilig
runter, damit er ihn bloß nicht beißen konnte und achtete darauf, dass Granger
hinter ihm blieb.
„Weg von
ihr!“, schrie er außer sich. Das wäre noch schöner! Er rettete Granger vor MacNair, und dann kam Fenrir Greyback! Nein! So nicht! Nicht mit ihm, verfluchte
Scheiße!
„Malfoy…“,
entfuhr es dem Bastard lächelnd. „Gefallen gefunden an einem Schlammblut? Ich
wusste nicht mal, dass du weißt, wie man einen Zauberstab benutzt, du feiger
Verräter!“
„Oh, halt
deinen Mund, du Scheusal!“, knurrte Draco. Er schickte den Stupor stumm, wurde
durch Greyback geblockt, blockte wiederum den
nächsten Fluch, während sich Granger neben ihn stellte, bereit zu kämpfen.
„Ich hab
dir doch gesagt, du sollst hier wegbleiben, verflucht!“, rief Draco gestresst.
„Was?
Nein!“
Gott! Sie
war...!
Er
schleuderte ihm die schlimmsten Flüche entgegen,
schaffte es, ihn zu entwaffnen, und Weasley schickte ihn mit dem nächsten Fluch
zu Boden.
„Malfoy!“, hörte er eine andere Stimme. Lupin. Lupin lebte noch?! Aber er reagierte, ehe er noch weiter
darüber nachdenken konnte. Er fing das gebogene Messer am Griff auf und warf
sich nach vorne, ehe Greyback sich hatte aufrichten
können. Er sah den giftigen Geifer an den Schneidezähnen des Wolfes glitzern,
rammte aber mit einem Schrei das tödliche Messer durch die Brust des Mannes,
der zitternd zusammen brach.
Draco
wich hastig über den Boden zurück, als das letzte bisschen Leben aus den Lungen
des Wolfes wich.
„Scheiße…“,
fluchte er geschockt.
„Das war
verdammt großartig!“, erntete er das Lob von Lupin,
der ihn erreicht hatte, ihm die Hand reichte, und in die Höhe zog. „Gut
gemacht, Draco“, wiederholte er anerkennend.
Aber er
fluchte unterdrückt, als er sah, dass Granger nicht mehr neben ihm stand.
„Wo ist
sie?“, donnerte seine Stimme zu Weasley hinüber. Dieser sah sich hilfesuchend
um, und Draco sah sie direkt in der Mitte. „Oh nein!“, entfuhr es ihm, denn
Bellatrix kämpfte auch viel zu nah. Aber Draco kam sich vor wie eine gnadenlose
Kampfmaschine. Granger wollte ihm Gegner nach Gegner in die Quere werfen, dann
bitte. Er würde verdammt noch mal jeden umbringen, der es wagen sollte sie
anzurühren!
Er sah
es! Er rannte bereits, seine Lungen gaben ihn schon auf, aber er schrie, während
er rannte. Einige der Kämpfenden hielten inne, denn er hatte nichts zu
verlieren, nichts, was er nicht aufgeben würde, und Blitze erhellten den
Himmel, während er wie ein wahnsinniger Märtyrer über den Rasen stürmte.
Denn
Bellatrix hatte Granger erkannt, hatte sich umgewandt, während Granger Nott schockte. Und Draco rannte, rannte so schnell, dass er
fallen würde, müsste er stoppen oder wenden, und dann sprang er ab.
„Nein!“,
schrie er so laut, dass sogar Granger es mitbekam. Er stürzte sich auf seine
Tante, die mit einem Schrei zu Boden ging. Der Cruciatus
verfehlte Granger, steuerte in den Nachthimmel und erlosch bei den Sternen.
„Draco!“,
schrie Bellatrix, aber er holte aus rammte seiner Tante die Faust ins Gesicht,
so dass ihr Kiefer knackte, und fluchte, als seine Faust taub wurde. Aber
bewusstlos war Bellatrix liegen geblieben. Er kam auf die Füße, stützte sich
auf den Knien ab, und Granger kam auf ihn zu gehumpelt. Sie war verletzt!
„Was ist
passiert? Wer war es?“, keuchte er, bereit sich ins Gefecht zu stürzen.
„Was tust
du? Wieso beschützt du mich?“
„Granger…“,
begann er verzweifelt, aber er konnte nicht mehr. Sie sollte einfach aus der
direkten Fluchbahn verschwinden. Der nächste Todesser
kam in seinen Weg, aber Draco schickte ihn mit dem Crucio zu Boden, ohne überhaupt
hinzusehen. „Bitte, tu mir den Gefallen, und verschwinde endlich. Ich
verspreche, ich kriege alle, die du verpasst, ok?“
Er hörte
den Fluch hinter sich.
„Malfoy!“,
rief sie, sprang auf ihn zu, aber er reagierte schneller, riss sie mit sich zu
Boden, und der grüne Fluch schoss über sie beide hinweg.
„Nein“,
sagte er sanft, als er über ihr lag, und sie schockiert in sein Gesicht hinauf
blickte.
„Ich
rette dich, Granger. Du stirbst nicht. Nicht heute, niemals, wenn es nach mir
geht!“
„Malfoy,
du…“
„Du
läufst nicht mehr weg, verstanden? Wir bleiben zusammen! Du weichst nicht von
meiner Seite!“ Sie sah ihn noch immer an, aber er hoffte, er hatte einen
bleibenden Eindruck hinterlassen.
Und er
hörte Geschrei. Potter war aufgetaucht! Merlin sei Dank, endlich! Was war er?!
Ein verfluchter Rockstar, der auf den großen Auftritt wartete?! Und Draco kam
auf die Beine, half Granger hoch und kämpfte die nächste Stunde, als würde es
kein Morgen mehr geben.
Er
wartete sehnsüchtig auf das Ende, wagte sich weiter vor, deckte Potter, tötete
noch zwei weitere Todesser, die er beide gekannt hatte, und wollte nur noch,
dass es endete.
Und
Potter siegte.
Es kam
ihm endlos vor. Seine Beine trugen ihn kaum noch. Zeit war nur noch eine verschwommene
Endlosigkeit.
„Alles
klar?“, wagte Granger zu fragen. Er fühlte sich bodenlos in der Großen Halle,
wo alles Opfer aufgebahrt lagen. Lupin….
Lupin hatte er nicht gerettet. Er hatte es nicht
geschafft. Weasleys Bruder. Er hatte ihn gar nicht mehr gesehen! Der Zwilling.
„Malfoy?“, fügte sie hinzu. Er sah sie an.
„Du
lebst…“, sagte er rau. Sie sah ihn an. Dann nickte sie.
„Danke,
Malfoy“, sagte sie nur.
„Gern
geschehen…“
Die Sonne
war aufgegangen. Und es wurde Zeit für ihn. Denn… es war gar nicht seine Zeit.
Es war die Vergangenheit seines jüngeren Ichs. Er machte kehrt. Kehrt, ohne sie
zu küssen. Ohne noch etwas zu erklären, und er stürmte die Flure entlang, bis
er die Tür fand, hinter der er sein jüngeres Ich verstaut hatte.
Gerade
als er die Tür öffnete, kam sein Spiegelbild zu Bewusstsein.
„Gut
geschlafen?“, fragte er schlecht gelaunt, und der jüngere Draco Malfoy bekam
große Augen. „Ok“, kürzte er dieses Gespräch ab. „Obliviate!“, befahl er. Das
Gesicht seines jüngeren Ichs wurde ausdruckslos. „Du hast gekämpft. Du hast
Granger gerettet. Ein paar Weasleys, du hast Fenrir Greyback mit Lupins Hilfe
getötet. Du hast Granger gesagt, dass du sie liebst. Und… du weißt nicht genau,
ob du es so gemeint hast, und mich hast du niemals gesehen“, schloss er streng.
Dann
holte er die Kette hervor, und er fluchte unterdrückt, denn die Sanduhr war
verbogen. Er versuchte also ein halbes Jahr weiter zu drehen, allerdings schien
es nicht vollständig zu funktionieren. Er hörte Stimmen, seufzte auf und drehte
auf gut Glück.
So viel
würde schon nicht schief gehen.
….
Und als
sein jüngeres Ich zu Bewusstsein kam, verschwand er vor seinen eigenen
verdutzten Augen.
Kapitel 12
~ People change as time goes by
Others come between
But I'll love you 'til the day I die
'Cause there's something special 'bout you and me
Something special about our love ~
Seine
Augen öffneten sich.
Alles war
dunkel.
Wo war
er? Was war passiert? Wie viel Zeit war vergangen?! Er spürte seinen Zauberstab
in seiner linken Hand. Er blinzelte in die Dunkelheit. Und er erkannte etwas
Furchtbares! Um ihn herum waren Holzwände. Er lag zwischen engen Holwänden! Ein
Sarg! Er lag in einem verdammten Sarg!
Panisch
riss er den Zauberstab in die Höhe! Nein! Er durfte nicht begraben sein! Er
lebte! Er lebte, verflucht! Der Stupor blieb wirkungslos. Er versuchte das Holz
mit einem Zersetzungszauber zu zerstören, aber auch das half nichts.
„Scheiße,
scheiße!“, flüsterte er in die dämmrige Stille, und schloss die Augen, als er
den Entschluss fasste. „Bombardia!“,
rief er, schwang den Zauberstab soweit er konnte, und endlich brach das
verdammte Holz um ihn herum!
Er wurde
einige Meter weiter geschleudert, rollte über einen glatten Boden und blieb mit
dem Gesicht nach unten liegen. Sein Atem ging abgehackt.
„Was
sollte das?!“, vernahm er eine zornige Stimme. „Das war unsere einzige Trainigs-Box!“
Was?!
Er
erkannte auf dem polierten Holzboden unter sich gemalte Linien, roch das
gebohnerte Parkett, und seine Stirn runzelte sich verwirrt. Seine Knochen
schmerzten, und er hatte die vage Vermutung, nicht mehr achtzehn Jahre alt zu
sein.
„Oh
mein…“ Ihre Stimme klang fast ängstlich. Er kam schwankend auf die Beine. Sie
starrte ihn an. Er blinzelte in das künstliche Licht. Seine Todesseruniform
hing in Fetzen an seinem Körper, er schmeckte Blut auf seinen Lippen, und wäre
fast gestürzt, hätte sie ihn nicht gefangen. Sie war hastig zu ihm gekommen,
stützte ihn nun ab, und er sah in ihr besorgtes Gesicht. Sie war keine achtzehn
mehr. Sie war älter. Dann war er wohl auch älter.
„Wo… wo
sind wir…?“, krächzte er, und sie starrte ihn noch immer an.
„Malfoy,
was hast du an?“, flüsterte sie kopfschüttelnd, die Augen groß vor Angst. Aber
sie wandte den Blick zur Seite.
„Macht
Pause, holt Mr Potter! Sofort!“ Die Leute gehorchten und flüchteten praktisch
aus dem Raum. Wo war er? Es kam ihm vor… wie ein Trainingsraum? An den Wänden
hingen Waffen, Besen, Uniformen und alle möglichen seltsamen Dinge.
„Du
lebst“, stellte er fast ruhig fest. Seine Beine gaben unter ihm nach, aber er
lächelte erleichtert. „Du lebst noch“, wiederholte er, und bevor er sehen
konnte, dass sich die Tür ein weiteres Mal öffnete, verlor er endlich das
Bewusstsein.
~*~
„-was soll
das heißen, eine Zeitreise?!“, hörte er ihre Stimme. „Er hat keine Zeitreise
hinter sich! Er war in der Trainings-Box aus Vorführungszwecken!“
Er
blinzelte verschlafen.
„Miss
Granger, ich verstehe Ihre Verwirrung“, vernahm er eine weitere Stimme.
„Was hat
das zu bedeuten?“ Potters Stimme.
„Er wacht
auf.“ Ein Mann beugte sich über ihn. Ganz in weiß. Ein
Heiler, nahm er an. „Mr Malfoy, können Sie mich hören?“, rief der Heiler laut.
Zu laut. Draco nickte langsam.
„Ja“,
erwiderte er rau.
„Sie
zeigen die Anzeichen einer sehr langen Zeitreise. Ihr Körper ist zerstört! Sie
haben erhebliche Mangelerscheinungen“, fuhr der Mann fort. Draco hörte kaum zu.
Granger kaute besorgt auf ihrer Unterlippe. „An was erinnern Sie sich?“, fuhr
der Heiler fort.
„Was?“,
sagte er langsam, und der Heiler sah ihn eindringlich an.
„Ihre Erinnerung! Was wissen Sie?“
Sein
Blick fiel wieder auf Granger. Er hatte es geschafft.
„Meinen
Sie, die Box war ein Portschlüssel, oder…?“ Potter schien nach Erklärungen zu
suchen.
„Nein, Mr
Potter. Ich kann mir nicht denken, weshalb jemand ihre Trainingsutensilien in
einen Portschlüssel verwandeln sollte“, erklärte der Heiler und schien ihn mit
dem Zauberstab abzuhorchen.
„Alles
klar?“, wandte sich Draco jetzt an sie. Verwirrt sah sie auf ihn hinab.
„Das
fragst du mich?“, vergewisserte sie sich beinahe sanft und setzte sich auf den
Stuhl neben sein Bett.
„Ja. Geht
es dir gut?“, wiederholte er, und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung.
„Ja, ich… mir geht es gut“, sagte sie etwas unbeholfen. „Geht es dir gut?!“,
gab sie die Frage ratlos zurück, tauschte einen Blick mit dem Heiler, und
dieser räusperte sich.
„Mr
Malfoy, haben Sie Gedächtnislücken?“
„Wahrscheinlich“,
erwiderte er. „Könnten Sie mir… sagen wie alt ich bin? Wo ich wohne und
arbeite? Was in den letzten… Jahren passiert ist?“, fuhr er fort, und der
Heiler schwieg kurz.
Potter
starrte ihn an, genauso wie Granger.
„Was
denken Sie, was passiert ist, Mr Malfoy?“, erkundigte sich der Heiler
vorsichtig. Draco atmete langsam aus.
„Ich…
denke, ich… bin keine achtzehn mehr“, murmelte er, denn sein Rücken schmerzte
so sehr, wie er es noch nie zuvor getan hatte. Potters Mund öffnete sich
langsam. „Und… ich denke, ich arbeite nicht im Architekturbüro meines Vaters.
Potter ist kein Quidditchspieler, und Hermine lebt
und ist gesund“, fuhr er fort.
„Mr
Malfoy, Sie sind sechsunddreißig Jahre alt“, erklärte der Heiler. „Und… Ihr
Vater lebt nicht mehr“, fuhr er stiller fort. Draco hob den Blick.
„Was?“,
flüsterte er. Sein Vater war tot?
„Du
arbeitest in meiner Abteilung der Auroren. Seit
sechzehn Jahren“, fuhr Potter schließlich fort. „Du bist… Single, und…“ Potter
schien nachzudenken, aber Draco schüttelte benommen den Kopf. Er war sechsunddreißig?
Das war alt. Wirklich alt. Und er war allein. Eigentlich wollte er mehr schon
nicht hören.
Der
Heiler sagte etwas von Stärkungszaubern und hatte den Raum verlassen.
„Was hast
du gemacht in… den letzten Jahren?“, fragte er sie, denn er hatte nur Augen für
sie. Sie wechselte einen Blick mit Potter und schien ernsthaft verwirrt zu
sein.
„Ich?“,
wiederholte sie noch einmal, und er nickte. „Also, ich… habe auch die Aurorenausbildung absolviert und…“ Ratlos wandte sie sich
an Potter.
„Malfoy,
wieso trägst du die Uniform der Todesser?“, fragte Potter jetzt fast
verzweifelt. Aber Draco spürte plötzlich eine unglaubliche Müdigkeit. Er war…
achtzehn Jahre in der Zeit gereist. Das Doppelte seines Alters. Und er spürte,
wie er schwächer wurde.
„Erzähl mir…
von dir. Bitte“, fügte er leiser hinzu und betrachtete ihr schönes Gesicht.
Wieder tauschte sie mit Potter einen Blick.
„Heiler!“,
rief Potter lauter. Schon füllte sich der Raum.
„Wir
verlieren ihn! Halten Sie ihn wach!“, rief der Heiler, der mit anderen
weißbekleideten Menschen an seinen Gliedmaßen zerrte, Zauberstäbe ansetzte und
verschiedene Flüche in seinen Körper schickte. Er merkte es kaum. Er sah, wie
sich ihre Augen mit Tränen füllten. Ungläubige Tränen.
„Ich… ich habe Ron geheiratet und…“ Sie schien schnell nachzudenken. Es
versetzte ihm einen Stich. Er hasste Weasley. Was war das für eine beschissene
Zukunft? „Und wir haben zwei Kinder.“ Sie wischte sich über die Wange. „Malfoy,
bleib wach, ok?“, rief sie nur, und er lächelte, als sie abwesend seine Hand
ergriffen hatte. Sie wischte sich mit der anderen Hand wieder über die Wange.
„Wir… haben eine Katze… und….“ Krampfhaft schien sie zu überlegen.
„Ich… ich liebe dich“, flüsterte er, als ihr Bild vor seinen Augen verschwamm.
„Granger, ich…“ Sie drückte seine Hand fester, er hörte sie weinen, hörte, wie
sie den Heilern irgendetwas zurief, wie sie
versuchte, ihm zu helfen.
Und dann
wurde alles schwarz.
…
„So, so,
so…“, vernahm er eine Stimme, die viel klarer war.
Er
öffnete die Augen. Er stellte fest, dass er auf einem Sessel saß. Vor ihm stand
ein weiterer Sessel in einem sonst leeren Raum. Darauf sein eine vermummte
Gestalt. Die Stimme kalt und tief.
„Das ist
ein ordentliches Chaos“, erklärte die vermummte Gestalt. „Draco Malfoy….“ Draco
war kurz verwundert, dass die Gestalt seinen Namen kannte, aber seine
Erinnerung kam schnell zurück.
„Ich bin
tot?“, flüsterte er jetzt in die Stille des Raums, und die Gestalt hob abwesend
eine Hand.
„Nun, es
gibt da geringfügige Probleme, Mr Malfoy“, erläuterte die Gestalt, die Stimme
undefinierbar.
„Probleme?
Lebt sie? Geht es ihr gut?“, entfuhr es ihm sofort, und die Gestalt machte ein
entnervtes Geräusch.
„Ja.
Tatsächlich ist mein Vertrag gebrochen. Aber es muss ein Gleichgewicht geben.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie es fertigbringen würden, jemand
anderen zu lieben als sich selbst, denn ich hatte sehr mit Miss Grangers
Anwesenheit in meinem Reich gerechnet“, schien die Gestalt enttäuscht
festzustellen. Draco spürte, wie er sich aus dem Sessel nicht erheben konnte,
so dringend er auch wollte.
„Nein!“,
sagte er nur. „Sie wird nicht verdammt, sie-!“
„Ja, ja.
Das haben wir hinter uns, nicht wahr?“, unterbrach ihn der Tod eisig.
„Aber
ich-“
„-sie ist schwanger“, erklärte der Tod freudlos, und Draco verstand nicht.
„Was?
Gerade – ich war-“
„Nein,
nicht in Ihrer weiteren Zukunft, die Sie erlebt hätten, wären Sie nicht
gestorben, Mr Malfoy. In der Zukunft, die Miss Granger hätte, wenn der Vertrag
auf normalen Wege gebrochen wurde.“
Draco
verstand kein Wort. Er starrte den Tod an.
„Was?“,
sagte er also, und der Tod atmete aus.
„Crooked!“, rief er gereizt, und aus dem Nichts erschien
eine Gestalt, mit Hörnern, Hufen und einer langen Pergamentrolle. Ein
Wasserspeier verbeugte sich vor der Gestalt.
„Willkommen,
Mr Malfoy“, begrüßte ihn der Wasserspeier tonlos. „Der Vertrag ist gebrochen.
Sie haben die Bedingung erfüllt. Allerdings sind Sie selber vor Ablauf der
Frist verstorben, und Miss Granger ist nun schwanger“, fasste der Wasserspeier
gelangweilt zusammen.
Draco
starrte die Gestalten an.
„Also?“,
fügte der Wasserspeier hinzu. „Möchten Sie einen Vertrag aufsetzen?“
Draco
schwieg verblüfft. „Vertrag?“, wiederholte er.
„Ja. Ein
Leben gegen das andere. Nichts kommt ohne Preis. Also?“
„Also?!“,
wiederholte Draco und wurde langsam wütend.
„Das
ungeborene Kind“, knurrte der Tod. „Ich nehme das Kind, und Sie kommen zurück“,
fasste er zusammen. Der Tod bedeutete dem Wasserspeier zu erläutern. Dieser
räusperte sich hastig.
„Ja… -
allerdings, werden Sie in die Zukunft kommen, die Sie gerade erlebt haben. Miss
Granger ist nicht von Ihnen schwanger, Sie ist mit…“, er rollte das Pergament
weiter auf, „…Ron Weasley verheiratet und heißt Weasley. Sie wird sich an
nichts erinnern können“, schloss er ruhig.
„Wie sieht mein Leben aus?“, wollte er knapp wissen. Der Wasserspeier überflog
die ersten Zeilen des Pergaments.
„Nun, Sie
arbeiten für Mr Potter im Ministerium, Sie… sind ledig, Ihre Eltern sind im
Krieg umgekommen. Sie…“ Draco schüttelte den Kopf.
„Und…
und… meine Freunde?“
Der
Wasserspeier schwieg, während er das Pergament genauer studierte. „So wie es
aussieht haben Sie Ihre Freunde
verloren, nachdem Sie im Krieg gegen die Todesser gearbeitet haben. Harry
Potter zählt wohl als ein Freund“, schloss er vage.
„Ich bin
allein? Ich habe niemanden? Ich arbeite für Potter? Granger hat Weasley
geheiratet – und… sie liebt mich nicht?“, fasste er tonlos zusammen, und der
Wasserspeier atmete langsam aus.
„Na ja,
immerhin wären Sie am Leben, Mr Malfoy.“ Und dann lächelte er. Und Draco
begriff. Es war die Strafe. Das war der Vertrag. Sein Leben für sein mögliches
Glück.
Was wäre
das für ein Leben?
Er würde Auror sein. Im Ministerium. Er würde mit ihr arbeiten, sie
jeden Tag sehen. Und sie würde sich niemals erinnern können. Nicht an ihn,
nicht an ihre gemeinsame Zeit – an gar nichts.
„Also?“
Der Tod hatte sich näher vorgebeugt. „Sie haben weiterhin Ihren Reichtum, Mr
Malfoy“, fügte er hinzu. „Kommen wir ins Geschäft?“ Seine Stimme hatte etwas
Zufriedenes angenommen.
Würde
Draco einschlagen, bekäme der Tod sein Kind.
Aber
würde er einschlagen, wäre er lebendig! Er könnte Granger überzeugen, Weasley
zu verlassen, er könnte… ihr zeigen, dass er besser wäre als Weasley. Er könnte
ihr die Geschichte erzählen!
Und er
hätte dann das Leben seines Kindes eingetauscht.
Und dann
atmete er aus.
„Nein“,
sagte er.
„Was?“ Der Tod musterte ihn aus roten Augen unter der Kapuze und schien überrascht
zu sein.
„Nein“,
wiederholte Draco ruhig. „Kein Vertrag“, fügte er hinzu. Das Pergament sank in
der Hand des Wasserspeiers, und Draco hörte den Tod knurren. „Ich liebe
Hermine. Und… ich liebe mein Kind“, sagte er fest, aber der Tod schien an
seinen Beweggründen nicht interessiert zu sein. Nein, er wirkte sogar reichlich
zornig!
„So sei
es“, sagte der Tod schlecht gelaunt, und der Raum, in dem Draco sich befand
zerfiel vor seinen Augen, bis alles nur noch aus weißem Licht bestand. Er stand
auf seinen Beinen und blinzelte in die Helligkeit.
„Hallo?“,
rief er unschlüssig, aber er konnte nichts erkennen. Dann legte sich die
Helligkeit, und er erkannte einen Weg. Schmal und gerade wand er sich vor ihm.
Langsam schritt er weiter.
„Man
sollte sterben, wie ein Held, der nach Hause kommt“, sagte Dumbledore lächelnd.
Draco hob
den Blick. Es wunderte ihn fast gar nicht, dass er den schmalen Weg nicht mehr
alleine beschritt.
„Wo bin
ich?“, fragte Draco langsam. Er wusste, Dumbledore war tot.
„Wir sind
auf der anderen Seite“, erklärte er freundlich. „Du hast eine weise
Entscheidung getroffen, Draco“, sagte der Mann, den er schon lange nicht mehr
gesehen hatte. Er erinnerte sich an die letzte Begebenheit, wo er
verantwortlich für seinen Tod gewesen war.
„Professor, ich-“
„-schon
gut, Draco“, unterbrach Dumbledore ihn, als wüsste er bereits, dass er sich
entschuldigen wollte.
„Kann ich
sie noch einmal sehen?“, fragte er jetzt, und Dumbledore lächelte.
„Natürlich,
mein Junge. Und wenn du sie nicht sehen kannst, dann siehst du sie, wann immer
du die Augen schließt“, fügte er hinzu, und Draco atmete aus. Er begriff nicht,
was das für eine Antwort sein sollte.
„Geht… es
ihr gut?“, fragte er jetzt, und Dumbledore nickte.
„Sie hat
dein Leben gerettet und du das ihre“, erklärte er.
„Wenn…
wenn der Zeitenumkehrer nicht kaputt gegangen wäre…“,
begann Draco, und Dumbledore atmete langsam aus.
„Ja?“
„Wäre ich
dann… ich meine…?“
„Wärst du
dann nicht gestorben?“, beendete Dumbledore den Satz für ihn, und Draco nickte.
„Das kann
ich dir nicht beantworten. Denn diese Zukunft ist nicht passiert.“ Woher wusste
Dumbledore so etwas? Draco folgte ihm weiter den Weg entlang.
„Wo gehen wir hin?“, fragte er schließlich.
„Ich weiß
es nicht, Draco. Ich begleite dich nur“, schloss er mit einem Kopfrucken.
Abrupt
blieb Draco stehen. Er hatte das Gefühl, genug gelaufen zu sein. Er spürte die
Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht, als die Sonne aufging. Vor ihm tat sich eine
wunderschöne Lichtung auf. Eine Brücke führte über einen Fluss.
„Wo… wo
sind wir?“, flüsterte er, aber Dumbledore war verschwunden.
Draco sah
sich um. Die Vögel sangen verhalten, es war ruhig und warm.
„Malfoy?“
Fred
Weasley lehnte an der anderen Seite der Brücke. Der Zwilling, den er nicht
gerettet hatte. Er überquerte die Brücke.
„Was tust
du hier?“, erkundigte sich Draco, und Fred blickte suchend hinter ihn.
„Kommt
George noch?“, wollte er wissen, und Draco runzelte die Stirn.
„Nein. Es
kommt niemand mehr“, entschied er sich zu sagen. Der Zwilling sah ihn skeptisch
an.
„Niemand?“, vergewisserte er sich.
Draco
blieb unschlüssig stehen. Er wusste nicht, wo er war, aber… er glaubte, es war
gut. Alles war gut. Der Zwilling starrte ungehindert weiter auf die andere
Seite des Ufers.
Draco
wusste, es wurde Zeit. Zeit, zu gehen.
Zeit nach
Hause zu kommen, dachte er lächelnd.
„Lass uns
gehen“, sagte Draco ruhig, und legte Fred die Hand auf die Schulter. Fred
zögerte noch einen kurzen Moment. Und Trauer füllte seinen Blick, als er wohl
verstanden hatte.
„George
kommt nicht mehr“, murmelte er nickend.
Draco
blieb noch einmal stehen. Die Bäume verloren ihre Blätter, stellte er fest. Der
Sommer schien vorbei zu sein. Er sah über die Brücke zurück. Das Wasser
plätscherte ruhig.
„Ich
werde auf dich warten“, flüsterte er lächelnd. „Immer“, fügte er leise hinzu,
ehe er Fred folgte, und sie beide in Richtung Sonne schlenderten.
…
……
Die Blätter
fielen, als würden sie sich nicht mehr halten können. Aber es war schon
November. Es wurde also auch Zeit!
Sie stand
auf und blickte in den Himmel. Die Sonne schien blendend auf sie hinab. Das
Wetter war immer schön, an ihrem Geburtstag. Sie schirmte mit der Hand ihre
Augen ab und blickte sich um.
Sie
musste lächeln. Die Blätter waren so um sie herum gefallen, dass es fast
aussah, wie ein Herz! Ein riesiges Herz aus Blättern. Sie drehte sich um sich
selbst, betrachtete das schöne Muster auf dem Gras und überlegte, ob sie ihrer
Mutter Bescheid sagen sollte.
Doch
schon kam der nächste Herbstwind auf, zerzauste ihre blonden Locken, und sie
musste kichern als die Blätter sie sanft umwehten und das Herz sich auflöste.
Es passierte ab und zu um sie herum, dass die Natur seltsame Dinge tat. Es war
als würden ihr Engel diese Dinge schenken. Herzen auf dem Boden, Regenbögen am
Horizont, selbst, wenn es nicht regnete.
Immer an
ihrem Geburtstag….
Aber sie
glaubte, es besser zu wissen.
„Danke, Daddy“, flüsterte sie, und die Stimme ihrer Mutter erreichte sie.
„Rose,
die Gäste sind da!“
Sie lief
zurück zum Haus. Heute Abend würde ihre Mutter ihr wieder erzählen, wie sie
gestorben und die ewige Liebe ihres Vaters sie gerettet hatte. Rose liebte
diese Geschichte. Sie wusste nicht, ob ihre Mum sie
auch immer wahrheitsgetreu erzählte, aber auch mit zwölf Jahren war sie es nie
leid, diese Geschichte wieder und wieder zu hören.
Natürlich
hatte sie in Hogwarts die Bücher gelesen, die wegen ihres Vaters über moderne
Geisterkunde geschrieben worden waren, denn er war der einzige Mensch, der
jemals einen Verstorbenen hatte zurückbringen können, unter Aufgabe seines
eigenen Lebens.
Sie
wünschte, sie hätte ihren Vater gekannt. Sie vermisste ihn, auch wenn sie ihn
nie gesehen hatte. Aber das sagte sie ihm auch ab und an, obwohl sie nicht
wusste, ob er sie überhaupt hören konnte. Ihre Mum
sagte jedoch, dass die Toten nicht blind oder taub wären. Sie wären einfach nur
in einem anderen Raum, wo die Lebenden sie nicht sehen konnten. Rose gefiel
dieser Gedanke gut.
Sie
musste lächeln und vergrub die Hände in ihren Jackentaschen. Ob Onkel Ron ihrer
Mutter wohl endlich einen Heiratsantrag machen würde? Sie wusste, ihr Vater hätte
bestimmt nichts dagegen, wenn ihre Mutter heiraten würde. Aber ihre Mum äußerte sich nie dazu, wenn Rose sie fragte. Aber ihr
Vater würde es ihr bestimmt nicht übel nehmen.
„Nicht
wahr, Dad?“, flüsterte sie lächelnd. Die letzten Vögel zwitscherten noch
irgendwo zwischen den kahlen Ästen, und der Wind
spielte wieder mit ihren Haaren. Sie hatte ihrem Vater auch schon erzählt, dass
sie James Potter niemals heiraten würde. Egal, wie oft ihre Mutter betonte,
dass sich Gegensätzen anzogen.
„Wo ist
meine Lieblingsenkeltochter?“ Sie musste lachen und rannte die letzten Meter
zum Haus.
„Ich bin
deine einzige Enkeltochter, Grandpa“, gab sie zurück
und steckte sich eine Locke hinter ihr Ohr.
„Na und?“
Grandpa Lucius drückte sie so fest an sich, dass sie
kaum noch Luft bekam und wieder lachen musste. Seine Haare waren so hell wie
ihre. „Rose, deine Mutter hat gebacken“, erklärte er ernst, und Rose verdrehte
die braunen Augen.
„Ich
weiß, ich kann sie nie abhalten“, erwiderte Rose entschuldigend. Ihre Mutter
konnte Kriege gewinnen, aber backen war leider etwas, dass sie wirklich sein
lassen sollte. Aber das sagte Rose ihr natürlich nicht.
„Dann
sollten wir uns überlegen, wie wir den Kuchen dieses Jahr verschwinden lassen“,
erwiderte er, hatte den Arm um ihre Schultern gelegt und betrat mit ihr das
Haus. Es gehörte zur Tradition, dass Grandpa und sie
den Kuchen verschwinden ließen. Sie wusste, ihre Grandma
hielt nichts von diesem kindischen Verhalten, deswegen mochte sie ihren Grandpa auch ein kleines Bisschen lieber leiden.
„Ich
würde mich ja zur Zusammenarbeit anbieten“, begann James Potter gedehnt,
während er ein kleines Geschenk achtlos auf den Tisch im Wohnzimmer warf und
näher schlenderte, „aber Mädchen können einfach kein Geheimnis behalten!“,
ergänzte er mit einem eindeutigen Blick auf sie, und vor Entrüstung öffnete
sich ihr Mund.
„Du
kannst froh sein, dass du eingeladen bist, Potter! Du kannst froh sein, dass
dein kleiner Bruder so viel netter ist als du!“, zischte sie, und James musste
lachen.
„Bitte, keinen
Geburtstags-Streit“, schlichtete ihr Grandpa und
zwinkerte ihr zu. „Ich werde in die Küche gehen und einen Schwächeanfall
vortäuschen, bei dem bedauerlicherweise der Kuchen als Opfer auf dem Boden
landen wird“, beschloss er verschwörerisch, während er das Wohnzimmer verließ.
Ihr Blick
fiel widerwillig auf das Geschenk.
„Du hast
mir bestimmt irgendwas Ekliges geschenkt, oder?“, wollte sie mit verschränkten
Armen wissen, und James lächelte wieder.
„Wieso
denkst du, dass es überhaupt von mir ist und nicht von meinem Dad?“, erkundigte
er sich, aber sie ließ sich nicht von ihm bloßstellen. Er konnte sie nicht
blamieren.
„Weil es
so aussieht, als hätte es ein blinder Troll mit zwei linken Händen verpackt,
Potter“, konterte sie gelassen, und kurz wirkte er in seinem Stolz gekränkt.
„Ha ha“,
sagte er nur bitter, warf ihr das Geschenk zu und zuckte die Achseln.
„Vergewisser dich selbst, aber…“ Er kam näher, und sie zerriss gleichmütig das
Geschenkpapier, „... behalt das Geheimnis für dich!“, mahnte er. Sie verdrehte
die Augen. Es war ihr so egal, dass Potter ihr etwas schenkte. Sie konnte gar
nicht sagen, wie egal es ihr war!
Und unter
dem unordentlichen Papier kam ein goldener Anstecker zum Vorschein. Überrascht
blinzelte sie. Ihr Daumen fuhr über die runde, goldene Fläche. Die Ränder waren
verziert mit Platin. Sie kannte den Anstecker.
Draco Malfoy,
für selbstlosen Mut, Liebe und
Tapferkeit.
In ewiger Dankbarkeit.
„Aber…
der ist aus Hogwarts! Der liegt hinter Glas!“, flüsterte sie tonlos und
umschloss die Kostbarkeit hastig in ihrer Hand.
„Er verstaubt hinter Glas“, korrigierte sie
Potter, und sie hob perplex den Blick zu seinem Gesicht. Sie erkannte die
hellgrünen Punkte um seine Iris.
„Das ist
illegal!“, zischte sie, hielt den Anstecker aber fest.
„Oh, Granger…“ Er verdrehte die Augen. „Willst du ihn? Sonst bring ich ihn
zurück. Es hat sowieso niemand bemerkt, dass-“
„-nein“, unterbrach sie ihn ernst. Seine Mundwinkel zuckten. „Ich… will ihn
behalten“, flüsterte sie ehrfürchtig. Potter vergrub die Hände in seinen
Taschen. Und eilig schob sie den Anstecker in die Tasche ihrer Jacke. „Ich…
danke“, sagte sie plötzlich, beinahe überrascht. „Das… war viel Aufwand, den zu
stehlen, oder? Der Zauber, um das Glas nur temporär zu schmelzen muss doch-“
„-noch ein Wort, und ich nehm ihn dir wieder weg! Und nein, für mich ist kein
Zauber Aufwand!“, erwiderte er arrogant.
„Ach
nein? Du hattest schon Probleme mit dem Leviosa, weißt du nicht mehr, du-?“
Erbarmungslos
hatte er die Hand ausgestreckt, deutete mit seinem Blick auf ihre Jackentasche,
aber tatsächlich musste sie lächeln.
„Danke“,
sagte sie noch mal.
„Schon gut“, gab er zurück. Vielleicht… sah er ein bisschen attraktiv aus.
Aber… nein! Nicht wirklich, dass es ihr auffallen würde. Er fuhr sich scheinbar
verlegen mit der Hand durch seine strubbeligen Haare. Sie merkte erst jetzt,
dass er über sie hinaus gewachsen war. War sie nicht immer größer gewesen?
In der
Küche zersplitterten Scherben auf dem Boden.
Sie hörte
ihre Mutter aufschreien. Rose musste grinsen.
„Schade.
Kein Kuchen heute“, bemerkte sie mit vorgespielter Enttäuschung, und James
lächelte verschmitzt. Er tippte auf ihre Schulter und sauste an ihr vorbei,
zurück in den Garten.
„Zu langsam,
Granger!“, rief er noch, und schon hechtete sie hinter ihm her, wieder nach
draußen in die letzten Momente des Herbsts, während sie Sonne lange Schatten
auf den roten Blätterboden warf. Er hatte sich einen Armvoll Laub geschnappt
und warf es in ihre Richtung, aber lachend duckte sie sich unter den fliegenden
Blättern davon.
Ihre
Finger hatten sich in ihrer Tasche fest um das kühle Abzeichen geschlossen.
Sie würde
es nicht zugeben, aber… das war das beste Geschenk, das sie bisher bekommen
hatte.
–
The End –