Teile
Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4 , Teil
5 , Teil 6 , Teil 7 , Teil 8 , Teil 9 , Teil
10 ,
Teil 11 , Teil 12 , Teil 13 , Teil
14 , Teil 15 , Teil 16 , Teil 17 , Teil 18 , Teil
19
Teil 1
„So. Und
jetzt konzentrieren wir uns…“ Ein Mädchen fing an zu kichern.
„Ms
Hermine, was heißt kotzentrieren?“, fragte sie jetzt laut, und Hermine
erkannte, dass es Florina war. Sie war Lavenders Tochter, und sie war erst neu
in die Gruppe gekommen.
„Na ja,
kotzentrieren dürfte heißen, dass man sich genau in die Mitte des Zimmers
übergibt.“, mutmaßte Ginny mit einem Grinsen, und Hermine verdrehte die Augen,
während die andern Kinder vor Lachen prusteten.
„Danke,
Ginny. Das war hilfreich.“, murmelte sie seufzend.
„Konzentrieren
heißt, dass ihr die Augen zumacht und jetzt nur auf eure Hände achtet. Wenn ihr
die Magie fühlt, sagt ihr Bescheid.“ Die Kinder brauchten noch einen Moment,
ehe sie in der Lage waren wieder mit zu machen. Auch Ginny brauchte noch eine
Weile.
Dann
schlossen die Kinder die Augen. Hermine betrachtete die einzelnen. Einige
bekamen ganz rote Wangen, weil sie die Luft anhielten. Andere Hände begannen zu
zittern vor Anstrengung. Im Endeffekt war der Erfolg gering. Kaum zwei
schafften es, die Magie schon zu kontrollieren. Es waren zwei ältere Jungen.
„Ms Hermine,
Ms Hermine! Gucken Sie!“ Der kleine Scorpio Malfoy hielt seinen kleine
Zeigefinger stolz in die Höhe. Dort glühte ein winziger Funken Magie, der
augenblicklich erlosch. Sein Gesicht verzog sich traurig.
„Keine
Sorge, das war wirklich ziemlich gut. Wirklich! Ihr anderen müsst nicht traurig
sein. Es ist schwer, die Magie zu kontrollieren.“
„Ms
Mine!“ Sie wandte sich um. Auf Hugos Fingern hüpfte der Magiefunken hin und
her. Scorpio blickte etwas beleidigt drein. Ron würde vor Stolz platzen, wenn
sie es ihm erzählen würde.
„Fantastisch,
Hugo! Ich bin sehr stolz.“ Ginny drückte den kleinen sofort an sich. Sie war
schließlich auch die Tante und Hermine hatte manchmal das Gefühl, dass sie
hoffte, Hugo würde den kleinen Scorpio in allem schlagen, was sie taten.
Seit
sechs Jahren arbeiteten Hermine und Ginny in der magischen Kinderbetreuung. Es
war besser, als Hermine sich es hatte vorstellen können. Sie hatte angenommen,
Kinder lägen ihr nicht und sie hätte sich lieber einen Bürojob gesucht. Bücher
gaben keine Widerworte, Bücher beschmierten sich nicht mit Marmelade und Bücher
wandten nicht unbeabsichtigt Magie an und zerbrachen Fensterscheiben.
Aber
Bücher liebten einen auch nicht so aufrichtig und unschuldig, wie es Kinder
eben taten. Sie hatte keinen einzigen Tag bereut, den sie hier arbeitete. Vor
allem bekamen immer mehr alte Schulkollegen von ihnen jetzt Kinder oder waren
im Begriff zu heiraten. Das hieß dann, alle kleinen Racker, die hier rumliefen,
waren kleine Ausgaben ihrer ehemaligen Freunde – oder Feinde.
Pansy
und Goyles Sohn Devon verstand sich ausgezeichnet mit dem kleinen Malfoy,
obwohl Scorpio ein Jahr älter war. Hermine hatte das nicht gewundert. Aber
Scorpio Malfoy war nicht Dracos Sohn, wie sie zuerst angenommen hatte. Er war
tatsächlich sein kleiner Bruder.
Ein Elf
kam ihn täglich abholen. Sie wusste nicht, warum seine Mutter es nicht tat.
Vielleicht tat sie es nicht. Vielleicht aber wollte sie nicht das Gebäude betreten.
Sie hatte sich sowieso gewundert, dass Muggelkinder sowie Reinblüterkinder hier
vertreten waren, aber anscheinend hatte sich überall rumgesprochen, dass sie
die beste magische Einrichtung für Kinder in London waren.
Sie
hatten Anfragen ohne Ende. Es war unglaublich. Vielleicht kam Narzissa Malfoy
nicht, weil sie einfach nicht ertragen konnte, dass ihr Sohn in der besten
Einrichtung sein musste, die von ihr, Hermine Granger, geleitet wurde.
Ginny
war gleichberechtigter Partner, aber der Vertrag und die Pacht liefen auf
Hermines Namen.
Sie war
froh, dass Ginny mit eingestiegen war. Ab und an halfen ein paar Kräfte aus. Am
Freitag und wenn sie Samstag auf hatten. Das hatten sie allerding nur einmal im
Monat.
Es war
erfüllend, Hermine traute es sich kaum zu denken, aber sie konnte sich keine
andere Arbeit vorstellen, die so viel Spaß machen würde, wie Kinder langsam an
die Magie heran zu führen. Wer die Gruppe mit fünf Jahren verließ, der wusste
nicht nur, was Magie war, nein, der war sogar in der Lage sie bewusst – wenn
auch nur in kleinen Maßen – anzuwenden. Es war Gold wert.
Schulen
rissen sich um Kinder, die aus der „Little Magic-Corner“ kamen.
Hermine
war stolz. Dass sie selber keine Kinder hatte, bedrückte sie nicht besonders,
denn sie hatte ja jeden Tag andere Kinder um sich. Es war ein Schock, die
Kinder gehen zu lassen, wenn sie fünf Jahre alt waren, denn sie hatte
schließlich nicht unerheblich zu ihrer Entwicklung beigetragen.
Weil,
wenn die Kinder erst mal gingen, dann kamen sie nur selten mit ihren Eltern
noch einmal zu Besuch. Bei Hugo und Florina allerdings, hegte sie wenig
Zweifel. Ron und Lavender kamen jede Woche sowieso zum Tee zu Besuch. Mit den
Kindern.
Ron
hatte tatsächlich geheiratet. Hermine hätte es nie gedacht. Hugo war schließlich
schon drei gewesen. Aber Cho hatte darauf bestanden. Hermine war sowieso
dagegen gewesen. Harry war es einigermaßen egal, aber Hermine hatte Cho noch
nie besonders gemocht.
Lavender
und Dean gaben ein wesentlich charmanteres Pärchen ab. Sie stritten sich
überhaupt nicht, wohingegen Cho bei jeder Kleinigkeit ein Drama vorzog.
Vielleicht brauchte Ron es auch. Sie wusste es nicht.
Morgen
war wieder einer der Samstage an denen Luna zu Besuch kam. Sie hatte knapp
dreißig Kinderbücher geschrieben und alle hatte Hermine in die Sammlung der
Magic-Corner aufgenommen.
Die
Kinder liebten die Bücher über die Drachen in Gringotts und über die Riesen,
die im Wald versteckt lebten. Hermine pflegte zu ignorieren, dass es sich um
ihr eigenes Abenteuer handelte. Die Kinder wussten Gott sei Dank nicht, wer sie
war.
Sie
hatte oft genug vereinzelte Reporter vor ihrer Tür stehen, die immer mal wieder
ein Interview machen wollten. Es war immer noch nicht vorbei.
Luna
hielt das ganze aber in einer eher märchenhaften Stimmung. Die Namen variierten
von Märchen zu Märchen. Der Name Hermine kam kein einziges Mal vor und Hermine
war dankbar dafür.
Jedenfalls
hieß das, dass Luna morgen auch mit dabei sein würde, und sie war selber noch
ein Kind, so kam es Hermine vor. Und wer spielte besser mit Kindern als ein
Kind selbst? Wenn Luna kam, dann ging es ziemlich laut in der Magic-Corner zu,
denn Luna scherte sich nicht groß um Regeln und Hermine konnte ihr schlecht
erklären, dass Mittagsschlaf eigentlich schon recht wichtig war.
Aber die
Kinder spielten alle sowieso völlig verrückt.
Der Tag
endete. Die Kinder waren satt und müde und so wurden sie auch am liebsten von
ihren Eltern abgeholt. Es war nach halb fünf. Die ersten kamen bereits.
Pansy war
immer eine der ersten. Und ihre erste Frage war immer dieselbe.
„Und?
Hat er was kaputt gemacht?“ Sie versuchte jedes Mal die Sorge aus ihrer Stimme
zu verbannen.
„Nein,
nein. Devon war ein Engel, wie immer Pansy.“, beruhigte sie Hermine. Sie hatte
sich angewöhnt die Eltern mit dem Vornamen anzusprechen. Das tat sie allerdings
nicht bei allen Elternteilen. Pansy schien jedoch nichts dagegen zu haben. Sie
untersuchte Devon auf möglich Schrammen und Beulen, wurde aber nicht fündig.
Sie seufzte auf.
„Er hat
ja immer so viel Spaß. Hat er wider mit Dra… mit Scorpio gespielt?“ Sie blickte
suchend durch den Raum. Scorpio war fast immer als letztes anwesend und wurde
nahezu als erstes gebracht. Von demselben Elf. Hermine konnte ihr nicht übel
nehmen, dass sie die Namen vertauschte. Scorpio sah seinem Bruder zum
verwechseln ähnlich. Aber Hermine war mehr als dankbar, dass er überhaupt kein
bisschen so war. Mit keiner Faser.
„Ja, wie
immer.“ Sie lächelte freundlich. Eigentlich hoffte sie, dass Scorpio sich auch
andere Freunde in der Gruppe suchte, denn es war klar, die kleinen
Slytherinkinder hockten jetzt alle schon beisammen. Wahrscheinlich hatten es
die Eltern vor deren Geburt so abgesprochen.
„Hermine,
na? Hallo, Pansy.“ Ron sprach nicht gern mit ehemaligen Schülern, die er nicht
leiden konnte. Pansy allerdings lächelte.
„Ah, der
Herr Quidditchspieler. Wie läuft das Training? Ich habe gehört, die Leute
nennen dich eiserner Weasley, weil du nie einen Quaffel durchlässt? Ist das
wahr?“ Das war Rons Achillesferse, denn jetzt schien er zu vergessen, dass es
Pansy war, mit der er sprach.
„Oh, na ja. Ich denke mal, es ist einfach nur Übung und das richtige Training.
Man muss schon ziemlich viele Muskeln haben, um seinen Körper so unter
Kontrolle zu haben wie ich.“ Er grinste breit. Pansy betrachtete seine Oberarme
und Hermine verdrehte die Augen.
„Ausgezeichnet.
Eure Kinder warten…“, fügte sie mahnend hinzu. Pansy riss den Blick von Rons
Armen los und umfing Devons Handgelenk.
„Daddy
wartet schon, Devon.“
„Mummy,
kann ich morgen zu Lunas Lesestunde kommen?“ Pansy wandte sich an Hermine.
„Ach,
die ist schon wieder? Eigentlich wollten Greg und ich mit Devon wegfahren.“ Sie
schien wirklich zu überlegen.
„Devon, ich glaube, du wirst morgen nicht dabei sein, aber ich sage Tante Luna,
dass sie dir auf jeden Fall eine extra Geschichte für nächsten Monat aufheben
soll, ok?“ Hermine hatte sich runter gebeugt. Devon wirkte ziemlich erschüttert
und fixierte böse seine Mutter.
„Immer müssen
wir wegfahren. Ich will aber hier bleiben!“
„Sei
lieb, Devon. Ich verspreche dir, es wird nichts Aufregendes ohne ich
passieren.“ Sie mochte Devon. Er war etwas pummeliger als die anderen Kinder,
hatte aber einen Wust dunkelblonder Locken auf dem Kopf. Wäre er nackt, wäre er
von einer Putte nicht zu unterscheiden gewesen.
„Wirklich?
Versprochen?“, flüsterte Devon leise und Hermine nickte.
„Hoch
und heilig. Wir sehen uns Montag, Devon.“
„Wieder
sehen, Ms Hermine.“ Jetzt ließ er sich von seiner Mutter aus dem Zimmer führen.
„Mensch…
Hoffentlich wird der nicht auch so ein Idiot wie sein Vater.“
„Ron!
Also, wirklich. Devon ist einer der lieben hier im Kurs.“ Sie betonte diesen
Satz, denn schon kam Hugo um die Ecke geflitzt.
„Daddy, Daddy, rate mal! Ich war besser als der doofe Scorpio!“ Er grinste
breit. Eine große Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Die hatte er sich hier
zugezogen, weil er unbedingt probieren wollte mit dem Schrubber zu fliegen, wie
sein Vater.
Da er am
weitesten entwickelt war, was die Magie betraf, gelang es ihm auch zu starten.
Allerdings nur bis vor den ersten Schrank. So schnell war Hermine nicht
gewesen, obwohl Hugo schon ihre meiste Aufmerksamkeit kostete.
„Da bin
ich aber stolz.“ Ron lächelte. Er versuchte es nicht zu offensichtlich zu tun,
denn Hermine strafte ihn mit einem bösen Blick. „Aber es geht ja nicht darum,
besser zu sein.“
„Aber
Zuhause sagst du…“, begann Hugo, aber Ron wuschelte ihm über die roten Haare.
„Jetzt
ist gut… Sag Tante Hermine auf Wiedersehen.“, befahl er väterlich.
„Wiedersehen,
Tante Mine. Kommst du denn heute zum Abendessen vorbei?“ Ein kleiner Ron mit
allerdings braunen Augen sah sie bittend an. Sie war schon kurz davor
zuzusagen, aber heute war ihr Freitagabend mit Ginny und Harry. Ab und an traf
sie sich mit ihnen. Auch wenn es dort kein kleines Kind gab, dass sie ablenkte.
„Tut mir
leid. Aber wir sehen uns ja morgen Nachmittag, richtig, Hugo?“ Hugos Laune war
gedämpft.
„Jaah.
Ok.“ Sie strich ihm über die roten Haare.
„Ok.
Dann bis Morgen!“
Ron
winkte zum Abschied und hob Hugo auf seine Schultern. Jauchzend flog Hugo nun
auf den Schultern seines Vaters nach draußen.
Nach und
nach kam der Rest. Lavender blieb fast bis fünf Uhr und Florina quengelte so sehr,
dass Hermine befürchtete, sie könne einen Heulkrampf bekommen. Lavender riss
sich endlich los, aber natürlich nicht, ohne Hermine nächste Woche zum Tee
eingeladen zu haben.
Hermine
nahm dankend an. Ginny räumte alles auf. Es war irgendwann Hermines Aufgabe
geworden, die Kinder zu verabschieden.
Zwei
Kinder warteten. Charles und Scorpio bauten gerade eine ziemlich wackelige Burg
aus magischen Steinen. Dese wechselten andauernd die Farbe.
George
hatte sie vorbeigebracht und die Kinder liebten sie.
Charles
war auch einer der älteren. Hermine kannte leider die Eltern nicht, aber wenn
sie ihn betrachtete und seine Eltern einschätzte, dann würde er wohl kein
Slytherincharakter sein. Aber selbst Scorpio machte nicht unbedingt diesen
Eindruck. Er war höflich und eher ruhig.
Kaum
auffällig. Er schubste keine anderen Kinder – das tat Rons Kind dafür jeden Tag
– und er wirkte über die Maßen intelligent. Er verstand, was Hermine erklärte
und er gehorchte, wenn sie irgendwas verbat.
Nur
schade, dass er ein Malfoy war. Er hatte gar keine andere Wahl als vom
Slytherincharakter verdorben zu werden.
„Hallo,
Ms Granger. Ich bin zu spät. Immer diese vielen Straßen.“ Charles‘ Mutter
verlief sich ab und an. Sie waren neu in London, aber sehr freundlich.
„Kein Problem. Er hatte ja Gesellschaft.“ Charles‘ Mutter war entzückt von
Scorpio. Die meisten Mütter waren das. Aber er sah auch einfach zu niedlich
aus, mit den blonden Haaren und dem hübschen Gesicht.
„Wie
nett. Ich hoffe, er hat keine Umstände gemacht.“
„Nein, Charles
war lieb wie immer, Lora.“ Charles vergaß seine Bauklötze und hechtete auf
seine Mutter zu. Scorpio baute allein weiter.
„Ich
bringe ihn dann morgen vorbei.“
„Da
komme ich pünktlich, weil, ich kenne den Weg nämlich.“, erklärte Charles stolz
und Hermine unterdrückte ein Lachen.
„abgemacht.
Dann freut sich Luna besonders.“
„Jaah!“,
schrie Charles begeistert.
„Also,
bis morgen, Ms Granger.“
„Bis
morgen.“
Sie
wandte sich um. „Na, Scorpio? Alles klar?“
„Ja. Meine
Burg ist gleich fertig.“, erklärte er ohne aufzublicken.
„Wirklich
perfekt.“, lobte Hermine. „Mit zwei Türmen.“
„Jede
Burg hat zwei Türme. Mindestens.“
Hermine
fragte sich, ob es Scorpio störte, dass er meist als letzter abgeholt wurde,
aber siewollte ihn nicht fragen. Vielleicht fiel es ihm auch gar nicht
besonders auf.
„Hey,
kleiner Malfoy.“ Ginny stellte sich neben sie. „Gleich musst du deine Burg
zurück lassen.“
„Das ist
nicht schlimm. Ich bau eine neue.“ Ginny hatte weniger Skrupel als Hermine. Sie
schnappte sich den Jungen und hob ihn hoch.
„Du
wirst immer schwerer.“ Jetzt lächelte der Junge und sie hob ihn über ihren
Kopf. „Jetzt lass ich dich fallen.“
„Jaah!“,
rief er und schloss die Augen. Ginny ließ los und fing ihn kurz vor dem Boden wieder
auf. Scorpio lachte fröhlich. Selten sah Hermine den Jungen wirklich lachen. Es
schien nicht seine Art zu sein, dabei stand es ihm ausgezeichnet.
„Ms
Granger.“ Sie zuckte zusammen. Jedes Mal wenn der kleine Elf auftauchte. Er
hatte den Mund wie immer griesgrämig verzogen und machte keinen Hehl daraus,
dass er sie nicht leiden konnte, weil sie eine Muggel war.
„Ist er
bereit?“ Seine glasigen Augen betrachteten Ginny und den Jungen.
„Ja, sicher,
Gaspar.“ Der Elf blickte noch mürrischer. Er hasste es, wenn sie seinen Namen
sagte, Hermine wusste das. Aber das hielt sie nicht ab. Sie vertrat immer noch
die Annahme, dass die Malfoys Schuld trugen an der unmöglichen Einstellungen,
die der Elf an den Tag legte.
„Master
Scorpio.“, rief er mit Schmirgelpapier Stimme und Scorpio kam seufzend zu ihm.
„Morgen wird Master Scorpio hier sein.“, fügte der Elf kühl hinzu.
„Wirklich?“
Hermine stutzte. Das erste Mal nach vier Jahren sollte Scorpio samstags zur
Lesestunde da sein? Was war los? Waren Narzissa und Lucius etwa in Paris neue
Elfen ersteigern? Sie konnte dne bitteren Gedanken nicht verdrängen.
„Das
sagte ich doch. Ich werde ihn bringen. Allerdings kann ich ihn nicht holen.
Jemand anders kommt.“
„Noch
ein Elf?“, fragte Ginny belustigt, aber sie bedachte Gaspar überhaupt nicht.
Sie störte es auch nicht. Sie konnte ihn sowieso nicht leiden.
„Sein Bruder wird ihn abholen.“
Ginny
lachte. „Draco Malfoy persönlich?“
„Master
Draco wird um fünf Uhr hier sein.“, erklärte der Elf. Hermine nickte
schließlich. Eigentlich hatten Ginny und sie ihren Frieden mit Malfoy
geschlossen. Allerdings auch nur weil sie sicher waren, ihn nicht wieder zu
sehen.
„Morgen
können die Kinder länger bleiben. Sie kommen ja erst um zwei.“
„Er wird
seinen Bruder um fünf Uhr holen.“ Hermine gab es auf.
„Gut.
Dann bis morgen Scorpio.“ Der Junge lächelte zum Abschied.
„Bis
morgen, Ms Hermine. Bis morgen, Ms Ginny.“ Dann ließ er sich vom Elf festhalten
und ehe sie aus der Tür waren, war der Elf mit ihm appariert.
„Ich mag
den kleinen. Schade, dass er ein Malfoy ist.“, bemerkte Ginny. „Willst du heute
Abend kochen oder sollen wir über Floh bestellen?“
„Bestellen.
Ich hab keine Lust mehr überhaupt noch was zu machen.“, erwiderte Hermine
gähnend.
„Dann
lass uns los. Harry hat bestimmt wieder spannende Geschichten zu erzählen.
Nevilles Sohn hat nämlich wieder mal bei Verteidigung seinen Umhang angesengt.“
Hermine musste grinsen.
Harry war
als Lehrer zwar bestens geeignet, aber dafür war Nevilles Sohn absolut genauso
schusselig wie es Neville selbst gewesen ist. Frank Longbottom war Hermines
Lieblingsthema, denn Harry brachte es einfach nicht übers Herz, ihm irgendwas
übel zu nehmen.
Sie
freute sich schon auf das Abendessen. Denn das war das einzige, was sie
vielleicht noch in Erwägung gezogen hätte… Unterrichten in Hogwarts. Aber Harry
zuzuhören war gut genug.
Sie
baute gerade den Stuhlkreis auf. Sie hatten gestern so sehr gelacht. Es war
tatsächlich alles wunderbar. Harry und Ginny planten ihre große Sommerhochzeit
und natürlich auch die geeignete Zeit, um schwanger zu werden.
Wieder
ein Pärchen mehr, das ein Kind hatte. Sie hatten darüber gesprochen, ob es denn
überhaupt gut war, das eigene Kind mit in die Gruppe zu nehmen. Hermine hatte
keinen Grund gefunden, der dagegen sprach, aber Ginny war besorgt, dass das
Kind dann zu sehr an der eignen Mutter hing.
Hermines
Interesse hatte an dem Abend auch mehr bei Harry und seinen Hogwartserlebnissen
gelegen. Er hatte gesagt, dass es etwas völlig anderes sei, wenn man Lehrer
war. Es war, als wüsste man mehr Geheimnisse und natürlich war es das Beste,
wenn man selber den Schülern das beibringen konnte, was man für richtig hielt.
Das
Ministerium fuschte Harry nicht zwischen seinen Lehrplan, denn Harry genoss
absoluten Respekt im Ministerium. Allerdings war er etwas traurig darüber, dass
ihm ein neuer Siebtklässlerkurs betroffen gestanden hatte, sein Stoff sei zu
schwer.
Hermine
konnte sich das gut vorstellen. Harry war immer so begeistert dabei gewesen und
hatte gar nicht gemerkt, dass manche Probleme mit den Flüchen hatten, die er
ihnen beibrachte. Sie hatte klar dazu gehört.
Aber sie
nahm an, Harry würde sein Tempo noch zügeln.
Und er
erzählte, dass Frank zwar schusselig war wie sein Vater, aber dafür auch
genauso mutig. Denn nur Frank traute sich, ihm Streiche zu spielen und sich zu
duellieren, mitten auf dem Flur. Hermine erklärte daraufhin, es handele sich
hierbei um Dummheit und nicht um Mut, aber davon wollte Harry nichts hören.
Er hatte
gesagt, er hoffe nur, dass sein Sohn noch auf die Schule kommt, wenn Frank noch
da wäre. Ginny hatte dann gegrinst.
Sie
seufzte. Harry hatte sich nicht verändert. Vielleicht hatten sie sich alle
nicht verändert, überlegte sie, als sie gewissenhaft die letzten Stühle
zusammen rückte.
„Ms
Granger.“ Tatsächlich war Scorpio wieder einmal der Erste. Sie wandte sich um.
Gaspar schob den kleinen Jungen in den Raum.
„Morgen,
Ms Hermine.“, begrüßte Scorpio sie. Er sah immer tadellos aus. Sie wollte gar
nicht wissen, was für ein Vermögen seine Eltern für diese kleinen Blazer und
Hemden ausgaben, die Scorpio trug und niemals schmutzig machte.
„Hall,
Scorpio. Freust du dich schon?“
Der Junge
lächelte ein seltenes Lächeln und nickte eifrig.
„Ich bin
auf die Geschichten gespannt.“ Und so sah er aus. Ganz im Gegensatz zu seinem
Hauself.
„Master Draco holt ihn um fünf.“
„Ja,
Gaspar, das sagtest du gestern bereits.“ Wieder der verzogene, faltige Mund.
„Ja.
Kennen Sie Master Draco? Wissen Sie, wie der Mann aussieht, der Master Scorpio
abholen wird?“ Hermine musste lächeln.
„Lässt
Lucius danach fragen?“, fragte sie spöttisch. „Denkt er, ich weiß nicht, wie
sein Sohn aussieht?“ Nun waren die Lippen des Elfen nur noch ein schmaler
Strich der Wut.
„Passen
Sie auf, Master Scorpio.“, murmelte der Elf nur und Scorpio nickte höflich.
„Bis
heute Abend, Gaspar.“, verabschiedete sich der Junge und ohne ein weiteres Wort
für Hermine verschwand der alte Elf.
„Er ist
unfreundlich.“ Hermine verschränkte die Arme. Der Elf erinnerte sie an Kreacher
in der alten Form. Der alte Kreacher war widerlich gewesen. Jetzt arbeitete er
in Hogwarts. Harry hatte es ihm befohlen, und es gefiel dem Elfen dort
tatsächlich. Aber mittlerweile war er auch freundlich geworden. Er ließ sie
sogar grüßen, wann immer Harry mit ihm sprach.
„Nur zu
Fremden.“
„Ich bin
nicht mehr fremd. Er sieht mich jeden Tag seit fast drei Jahren.“ Sie vergaß
für einen Moment, dass sie mit einem vierjährigen sprach.“ Sie zwang ein
Lächeln auf ihre Züge.
„Sie
kennen meine Familie?“
„Was?“
„Meinen
Vater. Und meinen Bruder.“, erklärte er. Hermine ärgerte sich etwas, dass sie
mit dem Elf so gesprochen hatte.
„Ahem… ja.
Dein Bruder und ich sind zusammen zur Schule gegangen.“, erklärte sie lapidar
und schob noch einmal an den Stühlen. Das war kein schönes Thema.
„Aha.
Aber du warst nicht in Slytherin?“ Sie wusste nicht, ob es wirklich eine Frage
war.
„Nein.
Ich war in Gryffindor.“ Er nickte, als wisse er genau, wovon sie sprach.
„Meine
Familie war in Slytherin. Meine Mutter auch.“, fügte er hinzu, als hätte hier
ein Zweifel bestanden.
„Ja, ich
weiß.“
„Woher
kennst du meinen Vater?“, fragte er dann. Sie konnte sich nicht entsinnen,
jemals so viel mit ihm gesprochen zu haben.
„Oh… von
früher.“, erwiderte sie etwas grimmig.
„Niemand
mag meinen Vater. Abgesehen von uns natürlich.“ Ihr Mund öffnete sich. Ein
weiser, kleiner Junge.
„Unsinn,
Scorpio.“
„Er ist
manchmal streng, aber er sagt, es sei notwendig.“
„Notwendig
für was?“, fragte sie nun doch gegen ihren Willen.
„Ich
weiß nicht genau. Aber ich denke, er hat recht.“
Sie
musste lächeln. Anscheinend machte Lucius bei der Erziehung seiner Söhne keinen
Unterschied. „Ich freue mich auf Draco. Vielleicht kann er ja noch etwas
bleiben und Luna zuhören. Meinst du, das geht?“ Jetzt musste sie grinsen.
„Oh,
Scorpio, das solltest du wirklich deinen Bruder fragen.“
„Denkst
du, es geht nicht?“
„Na ja. Natürlich,
wenn er will. Aber… mach dir nicht zu große Hoffnungen. Man weiß ja nie.“
„Hm. Du
denkst, er wird nicht wollen, Ms Hermine, richtig?“
Sie
senkte den Blick. Was wusste sie schon über Draco Malfoy? Nichts eigentlich.
Aber sie war sich ziemlich sicher, dass er nicht länger als nötig in ihrer
Gruppe bleiben würde, wenn er denn immer noch derselbe war. Aber Menschen
konnten nicht einfach so aus ihrer Haut.
Zum
Glück kam Ginny und mir ihr ein Schwall neuer Kinder.
„Scorpio,
hast du Lust ein paar Kissen aus dem andern Zimmer zu holen?“, fragte sie den
blonden Jungen jetzt und begeistert nickte er. Das andere Zimmer war nämlich
immer verschlossen, weil neben den Kissen auch ein paar andere magische
Gegenstände lagen, die nur für besondere Spiele geholt wurden.
Scorpio
verließ den Raum mit Ginny und Hermine begrüßte die Kinder und ihre Eltern.
~*~
„Und
dann kam der Troll aus der Höhle gestürmt! Und er war riesig groß… Wie ihr
wisst sind Trolle so groß, dass sie mit dem Kopf fast schon in den Wolken
stecken.“ Einige Kinder hatten die Münder so weit offen stehen, dass ihre
Zungen zu sehen waren.
„Er
schwingt seine riesige Keule und die drei tapferen Kinder können sich kaum
verstecken, denn für einen Troll muss die Keule ja riesig sein.“, fügte Luna
leiser hinzu.
„Und
dann?“, fragte Florina atemlos.
„Der
Troll holt aus… und dann nimmt Lilly ihren Zauberstab und schiebt ihn in das
Nasenloch des Trolls! Ganz tief rein…“ Hermine musste schmunezln, als die
Kinder angewidert den Mund verzogen.
„Ja! Ganz
tief in die Nase!“, rief Hugo begeistert.
„Und
natürlich musste der Troll niesen. Hundertmal und Richard spricht den
Zauberspruch, den er vorher nicht konnte. Und wisst ihr was? Er schafft es!
Wingardium Leviosa!“, rief Luna plötzlich. Die Kinder zuckten zusammen.
„Und die
Keule schwebt in die Luft. Der Troll guckt dumm nach oben und Richard lässt sie
auf den Kopf des Trolls fallen!“
Die
Kinder nicken begeistert und rutschen näher zu Luna. Hermine und Ginny wechseln
bedeutungsschwere Blicke.
„Der Troll
ist natürlich bewusstlos und die drei können endlich verschwinden.“, endet sie
die Geschichte und die Kinder klatschen jubelnd.
„Und der
Zauberstab? Hat sie ihn noch aus der Nase gezogen?“ Florina war anscheinend
zwischen Ekel und Neugierde hin und gerissen.
„Ja
sicher. Sie hat ihn vorher noch am Troll sauber gewischt.“, erklärt Luna
bereitwillig und Florina verzieht den Mund. „Na, was denkst du, wie groß ein
Trollpopel ist?“
In den
nächsten zehn Minuten beschrieben die Jungen die größten Trollpopel dieser Welt
und die Mädchen zogen es vor, Luna zu bequatschen, ob sie nicht noch eine
Geschichte von der mutigen Prinzessin Henrietta erzählen könnte.
Luna
zwinkerte Hermine zu. Der Name war zwar nur angelehnt, aber Hermine fand, es
existierte schon eine gewisse Ähnlichkeit.
„Vielleicht
ein anderes Mal. Ihr wisst doch, immer nur eine Geschichte. Sonst sind sie
nichts Besonderes mehr und dann muss ich auch nicht mehr vorbei kommen.“
Geschockte Stille herrschte unter den Kindern und lärmend erklärten sie, dass
es immer nötig sein würde, dass Luna zu Besuch kam.
„Sind
das Kartoffeln in deinen Ohren?“, fragte Charles und hob den Finger, traute
sich dann aber doch nicht, die Ohrringe anzufassen.
„Das
sind braune Bruchschalschnecken.“, erklärte Luna entrüstet. „Sie wäre ziemlich
beleidigt, wenn sie gehört hätten, dass du sie mit Kartoffeln vergleichst. Aber
im Frühling verlieren sie ihre Ohren, also hast du Glück gehabt.“
Die
Kinder starrten sie genauso an, wie Hermine und Ginny.
„Na, ihr
wisst doch wohl, warum sie die Ohren verlieren?“, fragte Luna bestürzt. Die
Kinder schüttelten mit offenen Mündern die Köpfe.
„Na ja,
dort brüten sie ihre Eier aus. Und wenn die im Frühling reif werden, werfen sie
die Ohren ab, weil sonst würden ihre Kinder ja in ihren Ohren schlüpfen.“
Die
Mädchen schlugen sich die Hände vor die Ohren und verzogen die Münder, die
Jungen befahlen sich gegenseitig nachzuschauen, ob sie auch Eier in Ohren
hatten.
Hermine schloss
grinsend die Augen. Sie wusste, dass sie nächste Woche wahrscheinlich mit den
Kindern braune Bruchschalschnecken würde basteln müssen, obwohl sie keine
Ahnung was es überhaupt war.
Allerdings
glaubten die Kinder Luna jedes Wort. Ginny sah sie angewidert an.
„Stell
dir das vor. Eier im Ohr. Igitt.“ Auch Ginny rieb sich besorgt die Ohren.
~*~
Der
Nachmittag verging. So auch fünf Uhr, ohne dass Draco Malfoy das Haus betrat.
Hermine machte sich keine großen Gedanken, denn noch war das Haus voll und
Scorpio amüsierte sich prächtig.
Sogar
Luna fand Gefallen an ihm. Sie hatte das neue Gesicht sofort bemerkt und
Scorpio hatte ihr erzählen müssen, woher er denn kam. Bei ihrem Namen, hatte
sie Gott sei Dank nur die Nase gerümpft, aber nichts dazu gesagt.
Schließlich
saß Scorpio auf Lunas Schoss und sie musste ihm haarklein erzählen, woher sie
all diese Dinge wusste, von denen er noch nie gehört hatte. Er versprach seinem
Vater davon zu erzählen. Luna hielt ihn auf dem Schoss und erklärte, sie hätte
noch eine ganze Menge mehr an Sachen, die sein Vater nicht wissen würde.
Luna
blieb länger als sonst.
Jeder
hatte irgendwann einen Narren an dem kleinen Scorpio gefressen.
Hermine
und Ginny begannen aufzuräumen.
„Weißt
du was?“, fragte sie lauernd und Hermine konnte das Lächeln ihrer Freundin
nicht deuten.
„Was?“
„Harry
und ich haben angefangen.“ Sie zwinkerte vergnügt.
„Was
angefangen?“
„Koboldstein
zu spielen.“, erwiderte Ginny ungeduldig. „Na was wohl? Wir versuchen ein Baby zu
bekommen, Hermine.“, fügte sie hastig hinzu. Hermine öffnete überrascht den
Mund.
„Ich
dachte, es wäre zu früh?“
„Ach wo.
Wir heiraten in fünf Monaten und selbst wenn ich jetzt schwanger werden würde,
hätte ich wahrscheinlich immer noch keinen richtig großen Bauch.“ Eigentlich
hatte Hermine nicht an den Bauch gedacht, sondern an das Geld, aber das sagte
sie nicht.
„Das
freut mich für euch! Dann hoffe ich mal, dass es klappt.“ Sie war sich nicht
sicher, wie man so etwas ausdrückte.
„Ja, wir
auch.“
Die
ersten Eltern kamen. Sie begrüßten Ginny und Hermine und auch Luna.
Es war
immer gleich. Wenn die ersten Eltern kamen, dann kamen sofort alle anderen
hinterher. Es gab ein großes Gedränge. Mit dem Accio rief Hermine sämtliche
Umhänge, Schuhe und Spielsachen herbei und packte jedes Kind in den passenden
Umhang.
„Ms
Hermine, Devon hat am Dintag Geburtstag.“, erklärte Florina wichtig. „Feiern
wir das?“
Hermine
lächelte. „Es heißt Dienstag, Florina und sicher. Das müssen wir doch. Er wird
immerhin vier. Das ist so ziemlich eines der wichtigsten Alter.“
„Was ist
das wichtigste?“ Hermine überlegte kurz.
„Fünf
natürlich, was habt ihr denn gedacht.“ Die Kinder nickten eifrig.
„Wirklich,
eine Feier? Da kann er noch mehr kaputt machen als sonst.“, bemerkte Pansy
besorgt, die Devon am Umhang festhielt, damit er nicht noch einmal zu den
bunten Bauklötzen stürzen konnte.
„Pansy,
er macht hier nie etwas kaputt.“ Misstrauisch beäugte Pansy ihren Sohn.
„Na gut.
Aber auf Ihre eigene Verantwortung.“, gab sie schließlich nach und zog ihren
Sohn mit sich.
Das
Spielzimmer leerte sich langsam. Hermine Blick wanderte zur Uhr. Gleich war es
halb sieben. Um sieben wollte sie zumachen. Noch nie war eines der Kinder bis
dahin noch nicht abgeholt worden.
Einmal
war Charles übrig geblieben. Seine Mutter hatte sich wieder einmal verirrt.
Aber bisher war Scorpio noch nie an Samstagen zurück geblieben. Außerdem konnte
Hermine bei Gaspar sicher sein, dass er pünktlich kam. Allerdings wusste sie
nicht, ob Malfoy zeitig hier sein würde. Genau genommen war er bereits neunzig
Minuten zu spät.
Noch nie
hatte sie nach Malfoy Manor flohen müssen. Eigentlich wollte sie es auch nicht,
aber sie konnte nicht noch länger bleiben. Sie nahm an, Scorpio ging ungefähr
um halb acht ins Bett, wie die anderen Kinder an diesem Samstag.
Also,
sollte er bald Zuhause sein. Sie ging ins Büro und beauftragte Ginny damit,
Scorpio zu bespielen. Sie ging auf die Knie, war das Pulver ins Feuer und
seufzte schwer.
„Malfoy
Manor.“, sagte sie widerwillig und steckte den Kopf ins Feuer. Sie schloss die
Augen, bis der Wirbelsturm um ihre Ohren sich gelegt hatte. Das teure
Wohnzimmer lag vor ihr. Vollkommen leer.
„Hallo?“,
rief sie in die Stille, aber niemand kam. „Mr Malfoy?“ Als ob sie ihn jemals so
genannt hätte. Lucius war in ihrem Kopf immer Lucius gewesen. Der gemein, böse
Lucius Malfoy.
Niemand
kam. Riesige Bücherreihen säumten die Wände, dämmriges Licht fiel auf die
teuren Perserteppiche auf dem Boden und durch die tiefen Fenster konnte sie in
den großzügigen Garten blicken.
Aber es
herrschte Stille. Anscheinend war wirklich niemand Zuhause. Nicht einmal der
Elf. Oder der Elf ignorierte sie mit Absicht. „Kann jemand gleich Scorpio
abholen kommen?“ Spätestens jetzt würde der Elf mit ihr sprechen, wäre er denn
da. Aber es blieb still.
Mist. Es
war also niemand da. Kam Malfoy also noch? Wieso kam er so spät? Hatte er es
vergessen? Wohnte er noch Zuhause? Wusste Scorpio sonst, wo sein Bruder war?
Musste
sie fragen? Sie entschied sich dagegen. „Magische Zentrale.“, rief sie jetzt
und wieder wirbelte es um ihren Kopf. Sie schloss die Augen.
„Ja,
bitte?“, fragte eine Hexe schließlich und sie öffnete die Augen wieder.
„Hallo,
können Sie mir sagen, wo Draco Malfoy wohnt?“
„Sind
Sie angemeldet?“, fragte die Hexe unfreundlich. Anscheinend wohnte Malfoy nicht
mehr bei Papa unterm Dach.
„Ja.“,
log sie kalt, denn immerhin saß hier sein kleiner Bruder, um den er sich nicht
kümmerte.
„Warten Sie
bitte.“ Die Hexe warf das Pulver in den Kamin und erneut schloss Hermine die
Augen. Sie hasste diese Art der Kommunikation.
Als der
Staub sich legte blickte sie in ein nicht weniger luxuriöses Wohnzimmer.
„Malfoy?“,
rief sie unwillig und hörte Geräusche. Anscheinend war er da.
„Wer
sind Sie?“ Das Mädchen, was sie anstarrte, trug nichts weiter als einen
Bademantel aus grüner Seide. Hermine seufzte angestrengt.
„Ich bin
die Betreuerin von Malfoys Bruder. Wer sind Sie?“
„Das
geht Sie wohl überhaupt nichts an.“, giftete die Frau.
„Wo ist
Malfoy?“, fragte Hermine, die keine Lust mehr hatte ihren Kopf in die kalten
Flammen zu halten.
„Er ist
nicht hier.“ Anscheinend wartete auch jemand anders auf ihn, stellte Hermine
fest. Allerdings aus anderen Gründen. „Dabei habe ich ihm gesagt, dass dieses
Geburtstagsgeschenk nicht ewig auf ihn wartet.“ Das sagte sie anscheinend nicht
mehr zu Hermine, sondern eher zu sich selbst.
Geburtstag?
Malfoy hatte also Geburtstag.
„Wann
kommt er wieder?“, fragte sie gereizt.
„Ich
denke, wenn er fertig ist mit seiner blöden Feierei. Wiedersehen.“ Anscheinend
hatte die Frau das Feuer gelöscht, denn Hermine sah nur noch schwarz. Sie zog
den Kopf zurück.
Was
machte sie jetzt? Was, wenn Malfoy überhaupt nicht kam? Musste sie ihn dann
nach Malfoy Manor bringen? Aber da war ja auch niemand.
Sie
sagte es Ginny. Luna war bereits gegangen. Ginny zuckte die Achseln.
„Sieht
wohl so aus, als würden wir eine Pyjama Party machen, Scorpio.“ Hermine starrte
ihre Freundin an. Pyjama Party? Sie würde hier bleiben? Sie dachte kurz darüber
nach. Sie hatte niemanden Zuhause, der sie vermissen würde. Sie hatten Tonnen
an Kissen und Decken, sie hatten fließend Wasser und zu Essen.
Eigentlich
war es keine schlechte Idee. Würde man nach Scorpio suchen, dann wohl hier. Und
dann wären sie alle hier.
„Denkst
du wirklich…?“, fragte Hermine unsicher, aber Ginny nickte nur.
„Ich sag
Harry bescheid und dann schlafen wir hier. Hast du Lust Scorpio?“ Der Junge
wirkte etwas beunruhigt.
„Ich
habe noch nie woanders geschlafen.“, sagte er leise. „Ich weiß nicht.“ Er biss
sich auf die Lippe.
„Oh,
keine Angst. Wir sind ja hier. Und wenn du irgendwas brauchst zum Einschlafen,
dann kannst du es sagen. Wir können so ziemlich alle Kuscheltiere der Welt
zaubern. Oder wenn du eine Geschichte brauchst, dann lesen wir dir eine vor.
Liest dein Vater dir vor?“, fragte sie unsicher, weil sie sich das bei Lucius
nicht vorstellen konnte.
„Nein.“
Scorpio schüttelte den Kopf. „Nein, Vater liest mir nicht vor. Mutter manchmal.
Aber eigentlich liest nur Gaspar.“ Hermine unterdrückte ein Grinsen. Da saß
also der alte Elf und las Märchen. Was für eine seltsame Vorstellung.
„Denkst
du, du könntest hier bei uns schlafen?“
„In der
Magic-Corner?“ Seine hellen Augen wurde groß.
„Ja, klar.“ Ginny war wieder da. „Und Harry kommt gleich und bringt
Schokoladenkekse.“ Der Junge setzte sich auf.
„Harry
Potter?“ Kurz wirkte er skeptisch.
„Kennst
du Harry?“, fragte Ginny argwöhnisch, aber Scorpio schüttelte den blonden
Schopf.
„Nein.
Vater erzählt von ihm. Manchmal. Er ist jetzt Lehrer geworden, sagte Vater.“
Scorpio nickte, falls eine der beiden ihm nicht glauben sollte.
„Ja, das
ist richtig.“
„Ist er
böse?“
„Wieso?“,
fragten beide Frauen verwirrt.
„Na ja,
Lehrer sind doch böse.“, sagte er leise.
„Oh,
nein. Harry ist… Harry eben. Der ist ganz zahm.“, erklärte Ginny.
Hermine
sah sie kurz an. „Kommt Harry etwa wegen dem, was ihr angefangen habt?“,
zischte sie gereizt und Ginny grinste breit.
„Unsinn.
Das wäre ja verrucht, nicht wahr?“ Hermine schloss die Augen. Das würden Ginny
und Harry nicht wagen.
Das hieß
also, sie würden hier übernachten. Oh, die Malfoys würden Ärger bekommen.
Richtigen Ärger.
Langsam
fielen ihre Augen zu, Scorpio war schon vor einer halben Stunde eingeschlafen.
Die magischen Glühwürmchen tanzten an der Decke. Kleine grüne Funken, damit es
nicht völlig dunkel war.
Sie
lagen in einem Berg voller Kissen und Decken. Ginny schnarchte leise, aber
Scorpio gab keinen Mucks von sich. Er lag unter einer blauen Sternendecke auf
einem großen Kissen und hatte die Beine an den Körper gezogen.
Er war
winzig.
Hermine
schlief nicht gerne woanders. Das tat sie nie. Es kostete sie dann einiges an
Zeit, bis sie sich an die neue Umgebung gewöhnt hatte. Harry war auch schon
gegangen. Sie war sich nicht sicher, ob er und Ginny jetzt tatsächlich versaut
gewesen waren, aber sie wollte es nicht wissen.
Sie
schätzte, es war halb zehn. Scorpio hatte lange ausgehalten und hatte Harry
ewig lange von Hogwarts erzählen lassen. Und Hermine nahm an, dass Scorpio
Harry wirklich leiden konnte. Aber wer konnte das nicht?
Jetzt
schliefen sie. Fast. Aber sie merkte, wie sie ruhiger wurde. Sie trug einen von
Ginnys Pyjamas, aber er war ihr etwas zu groß. Die Ärmel schlabberten und die
Hosenbeine hatte sie umkrempeln müssen.
Ginny
war wesentlich größer als sie. Aber immerhin musste sie nicht in ihrer Jeans
schlafen. Das wäre wesentlich unbequemer, nahm sie an. Es war ruhig. Das war ihr
nie aufgefallen. Sonst waren diese Räume immer mit Leben gefüllt und jetzt war
alles still. Es konnte also auch still hier sein. Sie lächelte matt. Laut
gefiel es ihr um Längen besser.
Ihre
Augen fielen zu. Eigentlich wollte sie noch die Glühwürmchen beobachten, die
natürlich keine waren, aber sie sahen immerhin so aus. Aber es gelang ihr nicht
mehr, die Lider zu heben, als wären sie aus Blei.
Und als
sie fast weggedriftet war, schrak sie aus den Kissen.
Dumpf
klopfte es gegen die Tür.
Ginny
schlief wie ein Stein. Auch Scorpio rührte sich nicht. Wieder dröhnte es dumpf
aus dem Flur. Hermine stieß die Decke zur Seite und erhob sich taumelnd. Fast
hatte sie geschlafen.
Was
sollte das jetzt?
Auf
nackten Füßen schlich sie auf den Flur.
„Hey!
Aufmachen!“, hörte sie eine Männerstimme von draußen. Auf dem Weg griff sie
ihren Zauberstab von einer Kommode und streckte ihn vor sich. Sie entriegelte
das Schloss und zog die Tür mit einem Ruck auf, schon einen geeigneten Fluch
auf den Lippen.
Sie
erkannte ihn sofort. Sie würde ihn auch nicht vergessen.
Er
wollte wohl noch etwas schreien, weil er nicht erwartet hatte, dass jemand
öffnete. Sie verengte zornig die dunklen Augen.
Sein
Mund stand noch eine Sekunde offen, ehe er ihn schloss.
„Wo ist
mein Bruder?“, nuschelte er wütend.
„Wo soll
er wohl sein?“, gab sie genauso gereizt zurück. Sie verzog den Mund, denn seine
Fahne schlug ihr schließlich entgegen. „Bei Merlin, es ist besser wenn du
verschwindest, Malfoy.“ Sie hielt sich die Nase zu.
„Was?
Ich will meinen Bruder holen! Wo hast du ihn?“ Er schrie schon fast.
„Dein
Bruder schläft. Mach ihn nicht wach. Hör auf zu schreien, sonst kommen die
Nachbarn.“ Das ließ ihn recht unbeeindruckt.
„Ich werde
meinen Bruder holen.“, erklärte er lallend. Hermine entschied sich, dass das
nicht passieren würde.
„Das
glaube ich nicht. Du bist betrunken. Und du bist zu spät. Den Bruder ist hier
sicher. Er schläft, und es ist warm. Du darfst sowieso nicht apparieren in
deinem Zustand. Er würde sich ja erkälten.“ Er hatte Mühe ihren Worten zu
folgen, denn er verengte wieder die hellen Augen.
„Granger,
ich will meinen Bruder. Ich nehme ihn mit. Weil er mein Bruder ist.“
„Es ist
zu spät, Malfoy.“
„Scorpio!“,
schrie er und sie fluchte leise, ehe sie nach draußen trat und die Tür zuzog.
„Was
soll das, Granger, verflucht noch mal!“, schrie er immer noch.
„Halt
deine Klappe! Es ist spät. Geh nach Hause. Deine Freundin wartet dort. Scorpio
bleibt hier.“
„Ich
werde ihn nicht…“ Er hielt kurz inne und sein Mund öffnete sich wieder. „Was?
Wovon sprichst du? Welche Freundin?“
„Deine…
egal. Es ist spät. Geh einfach.“
„Was
soll das, Granger? Du kannst mich nicht wegschicken.“ Irgendwo bellte ein Hund
und Hermine wusste, die Nachbarn waren hellhörig.
„Malfoy,
entweder du verschwindest oder ich verpass dir einen Fluch und du schläfst hier
vor der Tür.“
Er
grinste schief.
„Das
will ich sehen. Du siehst furchtbar scheußlich aus.“, bemerkte er immer noch
grinsend, als er sie betrachtete. Sie fuhr sich unbewusst durch die
strubbeligen braunen Locken und versuchte zu ignoriere, dass sie barfuß vor ihm
stand. In einem Pyjama, der zwei Nummern zu groß war.
„Malfoy,
verschwinde endlich.“ Er schüttelte den Kopf. Aber er schrie nicht mehr.
„Kann
nicht.“ Anscheinend konnte er auch keine ganzen Sätze mehr sprechen.
„Malfoy…“
„Ich
will ihn sehen. Nachher hast du ihn verhext oder in Stücke geflucht.“, lallte
er.
„Was? Bist du verrückt? Ich habe ihn drei Jahre nicht in Stücke geflucht!“,
entrüstete sie sich.
„Drei
Jahre? Wieso kennst du ihn drei Jahre?“ Er musterte sie abwertend. Sie stöhnte.
„Geh.“
„Nein.
Ich habe Geburtstag.“, stellte er fest und sie versuchte sich zu beruhigen.
„Das ist
schön. Herzlichen Glückwunsch. Jetzt hau ab.“
Er
schwieg. „Malfoy.“, drohte sie jetzt. Er schüttelte den Kopf.
„Nein,
ich hol meinen Bruder. Mein Vater bringt mich um, wenn ich ihn vergesse.“,
murmelte er, schob sie einfach zur Seite und öffnete die Tür. Hermine stolperte
hinter ihm her.
„Malfoy!“,
zischte sie, denn er war schon auf dem Flur. Natürlich kannte er sich nicht
aus, und es gingen immerhin drei Zimmer vom Flur ab. Für einen Betrunkenen also
sechs.
Sie
folgte ihm hastig, aber ihre nackten Füße rutschten über den Boden. Er
hinterließ einen widerlichen Gestank nach Qualm und Alkohol.
„Wo ist
er?“, rief er unwirsch und sie packte ihn am Umhang und zog ihn zurück.
„Hör
auf!“ Sie lehnte ihn gegen die Wand, weil er taumelte.
„Granger,
fass mich nicht an.“ Er versuchte sie zu fixieren, aber er schien sie nicht
richtig sehen zu können.
„Oh, ich
bitte dich.“
„Du
fasst meinen Bruder auch an, richtig? En Schlammblut fasst meinen Bruder an.“, murmelte
er abwesend. Hermine schloss kurz die Augen.
„Ok, ich
werde dir einen Zauber verpassen.“ Sie zog den Zauberstab, aber er schlug ihn
hart zur Seite.
„Malfoy!“
Sie packte ihn am Kragen. „Du wirst Scorpio nicht mitnehmen, hast du
verstanden?“ Sie bemühte sich immer noch leise zu spreche. Ein Wunder, dass
Ginny noch nicht wach war. Gerade wenn sie sie brauchte. Aber sie wollte
Scorpio nicht erschrecken.
„Wer
soll mich hindern? Ein kleines, dreckiges Schlammblut?“ Sie ließ ihn angewidert
los. Sie bückte sich nach ihrem Zauberstab, aber er hatte sie am Arm gepackt
und wieder nach oben gezogen. Zum ersten Mal hatte sie Angst.
„Malfoy,
was…“
„Ich bin
siebenundzwanzig, Granger!“ Er starrte sie mit großen grauen Augen an.
„Lass
mich los.“ Ihre Stimme zitterte.
„Siebenundzwanzig.
Es ist alles vorbei.“ Anscheinend hatte er vergessen, dass man ein Schlammblut
ja nicht anfassen durfte. Immer noch hielt er ihren Arm fest in seiner Hand.
Sie
wurde noch wütender. Sie war seit fast fünf Monaten siebenundzwanzig. Was
sollte sie dazu sagen? Sie fand nicht, dass alles vorbei war. Blöder Idiot.
„Ich
meine, was soll jetzt kommen?“ Er starrte sie an, als erwarte er tatsächlich
eine Antwort. Malfoy hatte also eine Alterskrise. Super. Die hätte er auch
schön woanders haben können. „Hast du Whiskey?“, erkundigte er sich jetzt und
sie schüttelte zornig die dunklen Locken.
„Natürlich
nicht, Malfoy. Lass mich den Zauber durchführen.“
„Ja,
bring mich um. Das wäre wohl am besten.“, nuschelte er. Sie konnte nicht
begreifen, wie jemand so dramatisch sein konnte.
„Ja,
lass mich los. Dann werde ich das tun.“
„Das
würdest du tun, nicht wahr, Granger?“ Sein Zorn gewann wieder Fokus und wieder
starrte er sie böse an. „Miststück.“, fügte er noch hinzu.
Sie
atmete langsam aus.
„Wenn du
mich nicht loslässt, dann werde ich schreien. Dann wird Ginny dich verfluchen.“
Er lachte rau.
„Die
kleine Weasley? Oder ist sie schon Potters kleine Frau? Scheiß Potter.“ Er
schüttelte sie heftig. „Potter war schon immer ein Idiot. Und jetzt ist er
Lehrer! Das ist doch wohl verflucht noch mal ungerecht! Ich hatte die besten
Noten! Ich hätte…“ Er unterbrach sich.
Wahrscheinlich
hatte er ihren argwöhnischen Blick registriert. War er neidisch? Hermine hatte
immer gesagt, dass Malfoy neidisch auf Harry war und deswegen so ein blödes
Arschloch war. Aber anscheinend bestätigte sich dieser Vorwurf gerade. Ihre
Arme schmerzten unter seinem Griff.
„Scor…“,
begann er zu rufen, aber sie entriss ihren Arm und legte ihm die Hand über den
Mund. Hastig wich er zurück. Er starrte sie an, als hätte sie eine giftige
Krankheit.
„Halt deine Klappe, Malfoy. Du hörst sofort auf zu schreien. Scorpio bleibt
hier.“
Mit
großer Kraft stieß er sie von sich. Sie krachte gegen die Kommode und fiel zu
Boden. Das würde einen blauen Fleck geben.
„Scheiß
Schlammblut. Fass mich nicht an.“, knurrte er ungehalten, und sie erhob sich
langsam. Malfoy war gefährlich. Und ein blödes, betrunkenes Arschloch noch
dazu.
Sie
griff hastig nach dem Zauberstab, der neben ihr auf dem Boden lag.
„Dormire!“,
rief sie und ehe Malfoy noch mehr fluchen konnte, sackte er an der Wand
zusammen. Sie würde ihn einfach liegen lassen. Auf Grund seines hohen
Alkoholpegels würde er wahrscheinlich bis mittags durchschlafen.
Sie
würde also längst vor ihm wach sein.
Zornig
ging sie zurück zu ihren Kissen und der warmen Decke. Weder Ginny noch Scorpio
waren wach geworden. Sie hasste diese Tiefschläfer. Sie würde jetzt wieder eine
halbe Stunde brauchen, ehe sie einschlafen konnte. Wenn überhaupt.
~*~
Die Sonne
weckte sie.
Auch
Scorpio drehte sich unter seiner Decke. Nur Ginny lag noch genauso schnarchend
neben ihr wie letzte Nacht. Sie rieb sich müde die Augen. Richtig. Letzte
Nacht. Sie musste sich noch um etwas kümmern.
„Miss Hermine,
bist du wach?“, fragte Scorpio und seine blonden Haare standen in alle
Richtungen. Sie musste lächeln.
„Ja. Ich
mach dir gleich was zu essen. Bleib kurz hier, ja? Ich muss… etwas nachsehen.“
Aber es
gab nicht viel zu sehen. Malfoy lag nicht mehr auf dem Boden. Wo war er dann?
Sie stolperte mehrere Male über ihre Hose und hastete durch den Flur. Im Zimmer
nebenan war er nicht, auch nicht im Büro.
Sie
schob die Küchentür auf. Dort saß er an dem kleinen Tisch. Sie konnte nur
seinen Rücken sehen, aber sie sah den Kaffeedampf vor ihm aufstiegen.
Diplomatie. In Hogwarts hatte sie nichts anderes getan. Diplomatie war ihre
Stärke. Damit gewann sie auch jeden Streit bei den Kindern.
Und
Diplomatie hieß jetzt in diesem Moment einfach gar nichts sagen. Sie ging um
ihn herum und würdigte ihn keines Blickes. Sie holte drei Becher aus dem
Schrank und musterte den Kaffee argwöhnisch. War er gut? Er hatte die richtige
Farbe. Sie war sich aber nicht sicher, ob Malfoy wirklich richtigen Kaffee
gekocht hatte. Sie griff nach der Kanne. Sie war heiß.
Sie goss
die dunkle Flüssigkeit in ihren Becher und roch daran. Es roch nach frischen
Bohnen. Sie nahm einen prüfenden Schluck – und musste feststellen, es war der
beste Kaffee, den sie jemals getrunken hatte. Zu dumm. Kein Grund, ihn
anzuschreien.
Mit
einem Schlenker ihres Zauberstabs ließ sie einen Topf aus dem Schrank schweben
und füllte kaltes Wasser hinein. Nach ein paar weiteren Schlenkern stand er
köchelnd auf der Herdplatte.
Sie
wusste, welchen Tee Scorpio am liebsten trank. Heidelbeer-Karamell. Sie hatten
davon immer genug, denn sonst trank eigentlich kein Kind gerne diese Sorte.
Jedenfalls nicht, dass sie wüsste.
Sie nahm
noch einen Schluck von diesem ausgezeichneten Kaffee und wartete. Sie fragte
sich, ob er sie überhaupt wahrgenommen hatte oder ob er sich überhaupt noch an
gestern Nacht erinnerte.
„Ist er
wach?“ Sie zuckte zusammen. Seine Stimme klang, als wäre er krank. Aber er war
wahrscheinlich einfach nur heiser.
„Ja.“,
sagte sie knapp. Endlich kochte das Wasser und sie setzte den Tee auf. In vier
Minuten konnte sie gehen. Was hatte sie auch gedacht? Dass er sich
entschuldigen würde? Dass er über Nacht höflich geworden wäre? Natürlich nicht.
Sie
wandte sich um. Harry hatte extra gestern noch Croissants und Marmelade
mitgebracht. Übers Wochenende hatten sie hier so etwas nicht. Jedenfalls kein
Brot. Es würde nur hart werden.
Er hob
den Blick. Und sie bedauerte, dass er nicht mal unbedingt fertig aussah. Das
lag wahrscheinlich an dem Schlafzauber. Es war ungerecht. Denn er sah ziemlich
gut aus. Aber er hatte immer ziemlich gut ausgesehen.
Es
ärgerte sie nur jetzt, weil es ihm eigentlich nicht zustand, so auszusehen bei
so einem elenden scheiß Charakter. Plötzlich lächelte er.
„Na, wie
sehr hasst du mich gerade, Granger?“ Sie zog es vor, nicht darauf zu antworten.
Sie
holte ein paar Teller aus dem Schrank. Nach einer Sekunde des Kampfes mit sich
selber, stellte sie auch ihm einen auf den Tisch. Sogar eines der Croissants
gab sie ab.
Der Tee
war fertig. Sie stellte alles auf ein Tablett und ließ es vor sich schweben.
„Das
heißt wohl, ich bleibe hier?“, knurrte er heiser und sie ignorierte ihn
weiterhin.
Er
folgte ihr, als sie die Küche verließ. Sie konnte es nicht leiden, verkniff
sich aber jeden Kommentar.
„Draco!“
Scorpio war begeistert aufgesprungen. Ginny schlief unbeeindruckt weiter.
„Hey,
kleiner Bruder.“, murmelte Malfoy und ließ sich in die Hocke nieder.
„Du
stinkst.“ Malfoy lachte rau. Hermine hatte es noch nicht gehört. Aber sie zog
es vor, so wenig wie möglich von Malfoy zu hören oder zu sehen.
„Du
stinkst selber.“, gab er zurück. Scorpio boxte seinen Bruder in die Seite.
Hermine hoffte, dass er härter zuschlagen würde, aber wie hart konnte ein
vierjähriger schon zuschlagen?
„Miss
Hermine hat hier geschlafen, Draco! Es war toll. Wir hatten Glühwürmchen und
Märchen. Harry hat sie erzählt.“, plapperte er weiter, währen Hermine ihm sein
Croissant schmierte.
„Harry? Harry wer?“
„Harry Potter.“
„Aha.“
Malfoy klang nicht gerade begeistert, aber Hermine wüsste auch nicht, weshalb
er das sein sollte.
„Du bist
aber früh hier.“, stellte Scorpio nun fest. „Du schläfst doch immer bis
mittags.“ Sie verdrehte die Augen. Natürlich schlief der kleine reiche Junge
bis mittags. Was sollte er auch sonst mit seinem Luxusleben anfangen.
Sie
reichte Scorpio seinen Teller.
„Miss
Hermine hat dir auch ein Croissant abgegeben. Das ist nett.“ Anscheinend
ärgerte sich Scorpio. „Aber deins hat sie nicht geschmiert, oder?“ Hermine
musste grinsen. Dachte Scorpio, sie würde Malfoy bevorzugt behandeln?“
„Nein,
er war frech. Frechen Jungen schmier ich keine Croissants, Scorpio.“ Scorpio
lachte. Hermine biss in ihr eigenes Croissant.
„Du
warst frech? Selber schuld.“
„Hey,
ich hab das gar nicht nötig. Ich kann das alles auch alleine. Und du bist
langsam auch alt genug dafür, es alleine zu machen.“ Fast klang er wie ein
maßregelnder Vater.
„Was
machen wir heute?“, fragte Scorpio.
„Hm.
Keine Ahnung. Was willst du machen?“
„Sind
wieder Mädchen bei dir Zuhause, Draco? Ich mag diese Mädchen nicht.“
Hermine
biss wieder in ihr Croissant. Malfoy war bestimmt ein fruchtbarer Bruder. Erst
holte er ihn nicht ab und wenn doch, dann musste Scorpio seinen Damenbesuch
erdulden.
„Keine
Mädchen. Wie wär‘s wenn wir einkaufen?“
„Weasley
Zauberhafte Zauberscherze?“ Es kostete Scorpio einige Anstrengungen den Namen
richtig auszusprechen. Sie hörte Malfoy stöhnen.
„Wirklich?
Ausgerechnet da?“
„Jaah!“
„Schön.
Meinetwegen.“, gab er sich geschlagen.
„Draco, wie
alt bist du eigentlich?“
„Siebenundzwanzig.“
Ja, richtig. Malfoy war jetzt auch siebenundzwanzig. Die Zahl, ab der das Leben
vorbei war, dachte sie bitter.
„Dann
bist du aber alt. Musst du bald sterben, Draco?“, fragte Scorpio besorgt, aber
Draco lachte.
„Nein,
ich denke nicht. Es sei denn, Granger verflucht mich.“ Sie hob gereizt den
Blick.
„Granger?“,
wiederholte Scorpio verblüfft, und Hermine grinste in ihren Kaffee.
„Oh ja,
richtig… Es sei denn, deine Miss Hermine verflucht mich.“ Scorpio wirkte
bestürzt.
„Warum
sollte sie das tun? Miss Hermine verflucht gar keinen. Und wieso nennst du sie
Granger, Draco?“ Malfoy schloss die Augen. Hermine trank immer noch grinsend
ihren Kaffee.
„Weil
das ihr Nachname ist, Scor.“
„Aber…
ich nenn dich auch nicht beim Nachnamen.“
„Schon
gut, vergiss es.“
„Ich
finde, Granger ist kein schöner Name für Miss Hermine.“
„Du
kannst sie ja nennen wie du willst.“, knurrte Malfoy jetzt.
„Ich
nenne sie, wie sie heißt.“ Hermine gefiel diese Unterhaltung.
Es
klopfte an der Tür, und Hermine musste leider den Raum verlassen. Wieder
wunderte sie sich, wer an einem Sonntag hier her kam.
Als sie
öffnete wurde ihr wieder bewusst, dass sie nur einen großen Pyjama trug. Der
Beamte des Ministeriums betrachtete sie prüfend.
„Sie
sind Ms Hermine Granger, richtig?“ Er hatte wohl den Namen an der Tür gelesen.
Sie nickte also. „Ist Mr Draco Malfoy bei Ihnen?“
„Wieso
fragen Sie das?“, fragte sie.
„Wir haben hier einige Anzeigen, und die Nachbarn sagten uns, dass er gestern
Nacht noch hier aufgetaucht ist.“
„Anzeigen?“,
wiedeholte sie leise, und der Beamte nickte geschäftig.
„Sachbeschädigung,
Pöbelei, Beleidigung, Anwendung von Magie unter Alkoholkonsum….“ Er hatte wohl
noch mehr Punkte auf seiner Liste. Hermine räusperte sich.
„Er… ist
drinnen, ja. Kommen Sie rein.“
Anscheinend
hatte Malfoy nicht nur eine psychische Krise wegen seines Alters gehabt. Nein,
er schien sie auch besonders drastisch in der Außenwelt ausgelebt zu haben.
Draco
Malfoy hatte sich sogar einigermaßen friedlich abführen lassen. Hermine hatte
ihm eilends versprochen, dass sie sich um seinen Bruder kümmern würde, bis… Na
ja, bis er wieder kommen konnte, oder eben bis wieder jemand im Hause Malfoy
war. Sie hatte ganz vergessen zu fragen, was mit Lucius oder Narzissa war, aber
wären sie da gewesen, hätte Draco seinen Bruder bestimmt nicht in ihrer Obhut
gelassen, obwohl sie sich deutlich schlechter Orte vorstellen konnte.
Ginny
war vollkommen verdattert aufgewacht als die Beamten kamen. Sie hatte nicht
gewusst, was Malfoy überhaupt in der Magic-Corner tat, und sie war auch jetzt
noch vollkommen verwirrt.
„Sie
haben ihn mitgenommen?“, fragte sie zum zweiten Mal.
„Ja.“,
erklärte Hermine, während Scorpio in den Waschräume verschwunden war. Der
Beamte hatte Merlin sei Dank nichts Drastisches vor Scorpio erwähnt. Malfoy
hatte seinem Bruder gesagt, er müsse kurz weg, käme aber bald zurück.
„Und
wieso war er hier? Und wieso wird er abgeführt?“
„Ginny,
ich habe es dir doch gesagt. Er hat gefeiert, er hat anscheinend irgendwas
kaputt gemacht – oder irgendwen, was weiß ich – und jetzt wird er wohl
bestraft.“ Hastig sprach sie, denn Scorpio würde bald wieder kommen.
„Und jetzt haben wir ein kleines Kind?“
„Ja. Wir
werden auf ihn aufpassen, bis Malfoy kommt.“
„Aha.“
Ginny schien überfordert. „Was kann Malfoy denn passieren? Sagen wir wenn… er
eine Bar kaputt geflucht hat und knapp zwanzig Leute anpöbelt?“ Hermine hatte
keine Ahnung, wie hoch das Ausmaß der Katastrophe war. Aber nach Malfoys
Alkoholpegel war schon mit einem relativ großen Schaden zu rechnen.
„Ich
weiß es nicht, Ginny. Es kommt drauf an.“ Sie zuckte die Schultern.
Ein Jahr
lang hatte sie im Ministerium gearbeitet. In der Schadenabteilung hatte es ihr
aber gar nicht gefallen, denn dort wurde nur gestritten und es gab eigentlich
immer nur schlechte Nachrichten. Mit dieser Art Job bekam man keine
Zufriedenheit. Die Leute schrieen sich gegenseitig an, es gab haufenweise
Schuldzuweisungen, und am Ende dankte niemand den Beamten.
„Ich
meine, was, wenn er jetzt nach Askaban kommt? Und was, wenn die Malfoys drei
Wochen in Griechenland hocken? Was passiert dann mit Scorpio?“
„Also,
es wird ihm gar nichts passieren. Sollte es soweit kommen, dann werden die
Malfoys wohl wieder kommen – von wo auch immer sie sind.“
„Wie
unverantwortlich. Und da wollen sie ihren Sohn bei diesem… Idioten lassen?“
„Ginny,
ich glaube, es lag an seinem Geburtstag.“
„Na und?
Harry hat auch nicht so einen Absturz gehabt. Das ist keine Entschuldigung.“,
entrüstete sich Ginny, und Hermine wusste, Ginny hatte völlig recht. Aber
vielleicht war es für manche anders.
Sie
hatte es auch gehasst siebenundzwanzig zu werden, aber was hatte sie groß
ändern können? Wenn sie gewusst hätte, dass es leichter ist, wenn man das halbe
Dorf demoliert, dann hätte sie vielleicht darüber nachgedacht. Vielleicht.
Malfoy
würde sich melden, sobald es etwas Neues gab. Das musste er, denn sie hatten
seinen Bruder. Und er hatte sie gebeten, nicht seinen Eltern Bescheid zu sagen.
Die Angst vor seinem Vater war wohl noch nicht wirklich verblasst.
Aber
Hermine bezweifelte, dass man Lucius jemals als überhaupt jemanden sehen
konnte, dem man mit reiner Freundlichkeit begegnete.
So
warteten sie. Scorpio kam und Hermine schlug vor, nicht mehr hier zu bleiben,
sondern nach Hause zu gehen. Sie brauchte eine Dusche. Scorpio ließ sich
überzeugen. Sie hatte den Beamten ihre Adresse gegeben. Malfoy müsste sich also
melden können.
Der Weg
ging schnell, denn Scorpio plapperte den halben Weg über. Über dies und das und
über seine Eltern, über Hogwarts und dass er kaum noch fünf Jahre warten könne.
Hermine
verstand ihn. Er war sehr begabt und es musste schwierig sein, keine Magie
einzusetzen, wenn man sie schon gut verstand. Dass er ihre Hand genommen hatte,
merkte sie erst, als Ginny sie an stupste und lächelte.
Sie
blickte hinab auf den blonden Jungen, der immer noch ununterbrochen erzählte.
Sie wusste nicht, von wem er es hatte. Und sie überlegte, ob nicht Malfoy
ähnliche Züge hatte. Das äußere war erschreckend gleich. Aber glichen sich die
Brüder auch so? Aber Malfoy war böse. Und Scorpio war… bezaubernd.
Wie
konnte zwei Brüder so verschieden sein? Sie ertappte sich immer wieder dabei,
dass sie nie an Scorpios Nachnamen dachte. Sie verdrängte diese Information
eigentlich. Nur heute schien sie präsent zu sein.
Sie
erreichten ihre Wohnung. Sie lag im Erdgeschoss und eigentlich war es eine
Wohnschlafküche. Groß war es nicht. Aber die Magic-Corner brachte nun auch
nicht so viel Geld, dass man sich eine Luxus-Suite leisten konnte.
„Oh. Wo
geht es denn hier nach oben?“, fragte Scorpio verblüfft. Ginny grinste breit.
Hermine verdrehte die Augen. Da war doch etwas Malfoy in diesem Jungen, dachte
sie.
„Hier
gibt’s kein oben, Scorpio.“, erklärte sie nachsichtig, und der Junge sah sie
an. Er schien zu begreifen. Und tatsächlich wurde er rot.
„Ach.
Ach so… oh. Tut mir leid, Miss Hermine.“ Sie nahm es ihm nicht übel. Er konnte
nichts dafür, dass er ein kleines, reiches Kind war und von seinen Eltern oder
seinem Bruder nichts anderes vorgelebt bekam.
„Was
hältst du von Schokoladenkuchen?“, fragte sie, damit der Junge sich nicht mehr
schämte.
Scorpio
grinste breit. „Schokoladenkuchen mag ich am liebsten.“, erklärte er fröhlich.
Scorpio
war eifrig dabei, das Mehl mit dem Zauberstab zu rühren. Das hatte Hermine ihm
erlaubt. Es machte ihm Spaß und ließ ihn keine Fragen über den Verbleib seines
Bruders stellen.
Außerdem
tat Schokoladenkuchen wohl jedem ganz gut. Kurz fragte sie sich, was Malfoy wo
gerade über sich ergehen lassen musste, aber sie ignorierte diesen Gedanken.
Sie verbrachte ihre Zeit gerne mit seinem Bruder. So seltsam das auch klang.
~*~
„Unterschreiben
Sie hier.“, befahl ein kleiner, schwitzender Mann. Er unterzeichnete gereizt.
Was musste man alles tun, um hier raus zu kommen, bei Merlin, verflucht!
„Ihr
Gold wird sie nicht retten, Mr Malfoy.“ Draco schien es so als wäre dieser
kleine Mann besonders schadenfroh.
„Ach
nein?“ Er sagte es ausdruckslos, nur um irgendwas zu sagen. Der kleine Mann
wartete scheinbar auf einen Ausbruch, um ihn nach Askaban zu schicken. Aber das
würde nicht passieren. Dort würde er nicht hingehen.
„Nein.
Sie können mit einer Strafe rechnen. Mehr als nur Ihr Geld.“
Draco
zwang sich durchzuatmen. Er hatte ein wenig Ahnung von diesen Dingen. Und nur
weil er zwei Scheiben und einen Tisch kaputt geflucht hatte, würde er nicht
inhaftiert werden. Gut, da war dann noch eine Schlägerei, aber die war mit
nicht besonders heftig gewesen.
Außerdem
würde ihm Blaise früher oder später verzeihen. Als ob es Blaise wagen würde,
ihn nach Askaban zu bringen. Dafür hatten sie zu viel Spaß, wenn sie um die
Häuser zogen.
Nein,
Draco ahnte, was ihm blühte. Gemeinnützige Arbeit und wahrscheinlich sechs
Wochen Zauberstabentzug. Merlin, das hatte er nun davon.
„Hier
sind außerdem noch ein paar Klagen mehr reingekommen. Abends um elf, ein
kaputtes Türschild und zwei aufgeschweißte Schlösser bei Madame Malkin.“ Draco
verengte die Augen. Elf? Da war er schon von Granger verflucht worden.
„Um elf
war ich nicht mehr draußen. Gegen halb zehn war ich im Haus.“
„Haben
Sie jemanden, der das beweisen kann?“ Der Mann grinste hämisch.
Draco
knirschte mit den Zähnen. Ja, hatte er. Ein Mädchen, das er als Schlammblut
beschimpft hatte, und welches jetzt netterweise seinen kleinen Bruder hütete,
was sie schon letzte Nacht getan hatte, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.
Scheiße, jetzt musste sie für ihn bürgen. Das würde sie nicht tun.
In
seiner Tasche knisterte der Zettel mit ihrer Adresse.
Fuck,
verflucht. Er schloss die Augen. Das durfte doch wohl nicht wahr sein!
Er bekam
einen Anruf über Floh. Mehr nicht. Und den konnte er nicht an Goyle
verschwenden, denn der konnte ihm nicht helfen. Er musste mit ihr Kontakt
aufnehmen.
Unwirsch
warf er das Pulver in den Kamin und sank auf den schmutzigen Boden. Er lehnte
den Kopf in die Flammen. „Livingston Road, Granger.“, murmelte er zerknirscht.
Er
schloss die Augen. Ihm wurde schlecht von den vielen Farben und dem Gewirbel.
Er war wohl doch noch nicht ganz nüchtern. Der Kamin stand in der Küche. Er
konnte sogar Scorpio erkennen. Backten die da gerade Kuchen? Merlin, hatte er
Hunger.
„Granger?“,
rief er unzufrieden, und sie tauchte kaum zwei Sekunden später in seinem
Blickfeld auf. Sie schien geduscht zu haben, und sie trug auch nicht mehr den
schrecklichen Pyjama. Ihre Locken fielen ihr ins Gesicht und hastig wischte sie
sie zur Seite. Sie hätte hübsch sein können, wäre er nicht gerade in solch
blöden Schwierigkeiten.
„Malfoy!
Was ist los? Wieso dauert es so lange?“ War das Sorge in ihrer Stimme? Oder war
sie genervt, dass er ihr seinen Bruder auf bürgte? Es wäre natürlich zur
Abwechslung mal nett, wenn sich irgendjemand mal Sorgen um ihn machen würde.
„Es
dauert so verflucht lange, weil mich diesen Idiotien hier nicht gehen lassen
wollen, ehe sie nicht sicher wissen, dass ich um halb elf geschlafen habe. Mehr
oder weniger freiwillig.“, fügte er leise hinzu.
„Was?“
„Könntest…
könntest du für mich bürgen kommen?“ Gott, kostete dieser Satz Überwindung. Er
hatte gewusst, dass es mit siebenundzwanzig bergab ging. Aber er war
überrascht, dass es so schnell so tief gehen würde. Sie starrte ihn an.
„Bürgen?
Was heißt das? Ich komme dahin und muss unterschreiben, oder was?“ Sie klang
eher abgeneigt.
„Wenn…
wenn du es nicht tust, dann behalten sie mich hier.“, knurrte er, damit die
Beamten nicht zuhören konnten.
„Aber…
Also, wenn ich das tue, dann lassen sie dich gehen?“ Was wollte sie denn von
ihm? Sollte er es ihr schriftlich durch den Kamin reichen?
„Ja,
eine scheiß Unterschrift, Granger. Dann komme ich raus, und dann hole ich
Scorpio.“ Kurz konnte er ihren Ausdruck nicht deuten. Seine Knie fingen an zu
schmerzen. Konnte sie nicht einfach Ja oder Nein sagen? Was musste sie solange
überlegen.
„Was
wird deine Strafe sein?“
„Was?“
„Komm
schon Malfoy, du darfst nur zehn Minuten reden. Also, was wirst du unterm
Strich tun müssen?“ Sie klang geschäftig. Woher wusste sie überhaupt über sowas
Bescheid? Wieder knurrte er.
„Wahrscheinlich
Zauberstabentzug und soziale Arbeit.“
Sie
nickte, als wüsste sie es bereits.
„Ja,
wahrscheinlich. Es kommt drauf an, hast du jemanden so verletzt, dass er ins
Mungo musste?“ Er verdrehte die Augen, auch wenn sie es vielleicht nicht sehen
konnte.
„Granger,
was denkst du? Nein, habe ich nicht. Ich war gestern kaum in der Lage gerade zu
stehen, denkst du schlage ich jemanden Krankenhausreif?“
„Gut.
Das ist gut.“
„Nur
Blaise. Und er wird mit einem blauen Auge davon kommen.“
„Ihr
seid Freunde, das macht es einfacher. Also ist da nur noch Sachbeschädigung und
Beleidigung?“, fragte sie jetzt, und er wunderte sich, woher sie das alles
schon wieder wusste. Wahrscheinlich hatte es ihr der dämliche Beamte erzählt.
„Malfoy?“
„Ja.
Verflucht, einen Tisch, zwei Fenster und keine Ahnung, was ich zum Wirt gesagt
habe. Irgendwas gegen seine Frau. Oder seinen fetten Wanst. Ich weiß es nicht
mehr.“
„Also…
Unzurechnungsfähigkeit. Das ist doch schon mal was. Du musst den Tisch
ersetzen, die Fenster, dich entschuldigen und mit viel Pech verlierst du deinen
Zauberstab zwei Monate.“
„Woher
willst du das wissen?“
„Ich
habe da gearbeitet.“
„Du bist
Kinderhüter.“, erwiderte er gereizt.
„Ja,
Malfoy. Aber davor war ich bei der Schadenabteilung.“, erklärte sie zornig.
Oh, das
hatte er nicht gewusst. Aber woher auch? Ihre Wege hatten sich zuvor nicht
gekreuzt, und wie schön wäre es gewesen, wäre es niemals passiert. Aber ohne
sie kam er hier erst mal nicht weg.
„Also?“
„Was?“
„Kommst
du vorbei?“
„Ja.“, sagte
sie schließlich. Die Flammen wurden dunkler. Seine zehn Minuten waren um. Er
schuldete ihr einiges. Aber wenn sie nicht darauf bestand, würde er ihr keinen
Silberknut geben. Keinen einzigen….
Sie ließ
sich verdammt viel Zeit, befand er. Zu viel verfluchte Zeit. Vielleicht
überlegten es sich die Beamten doch noch anders und ließen ihn die Nacht hier
verbringen, egal wie mäßig unschuldig er war.
Er
vermied es pausenlos auf die Uhr an der Wand zu starren. Die Genugtuung gönnte
er dem kleinen Beamten nicht, der grinsend ein paar Formulare ausfüllte. Draco
hätte ihn am liebsten geschüttelt und gegen die Wand geworfen, aber das würde
sich schlecht auf seinen Entlassungspapieren machen, nahm er an.
Endlich,
nach einer grauenvollen Ewigkeit hörte er ihre Stimme. Sie diskutierte mit dem
kleinen Mann. Kurz überlegte er, dass Granger auch gegen ihn aussagen könnte.
Allen Grund hatte sie. Nicht nur wegen gestern Nacht. Blödes Miststück. Konnte
sie nicht etwas anderes arbeiten, wo er keinen Kontakt mit ihr haben brauchte?
Die
Schule hatte er hinter sich gelassen, er hatte keine Lust auch noch daran jeden
Tag erinnert werden zu müssen.
„Er ist
hier.“
Er erhob
sich. Granger sah leider besser aus als er. Sie nickte ihm kurz zu.
„Sie
können also bestätigen, dass Mr Malfoy ab halb zehn bei Ihnen war, wie er
behauptet hat?“ Der kleine Mann lächelte widerlich. Sie nickte erneut.
„Ja. Mr
Malfoy kam um halb zehn.“
„Weshalb
kam er überhaupt?“ Draco spürte die Falle, er konnte die Fangfrage förmlich
riechen.
„Er
wollte seinen Bruder abholen.“ Beinahe wäre er aufgesprungen und hätte ihr den
Mund zu gehalten. Das war doch nicht zu fassen!
„Um halb
zehn? Sagen Sie, wie alt ist sein Bruder?“ Als ob dieser kleine Mistkerl das
nicht schon genau wusste. Langsam erhob sich Draco aus dem unbequemen Stuhl und
stellte sich seitlich hinter Granger.
„Überleg
dir, was du sagst.“, knurrte er so leise, dass nur Granger ihn hören konnte.
„Er ist
vier.“
„Aha. Ist
da halb zehn nicht etwas spät. Außerdem war er doch betrunken, nicht wahr? Er
wollte also ein kleines Kind in seine Obhut bringen? Haben Sie das zugelassen?“
„Nein,
hat sie nicht.“, antwortete Draco gereizt. Der Mann lächelte breiter.
„Ah, ah,
ah… Mr Malfoy, ich frage Ms Granger. Sie dürfen sprechen, wenn Sie an der Reihe
sind. Obwohl ich ja denke, Sie haben genug gesagt. Wo ist eigentlich Ihr
Vater?“ Draco atmete ruhig aus. Er würde sich von keinem schwitzenden Mann
provozieren lassen.
„Nein…
ich habe… ihm vorgeschlagen, dass er auch bleiben kann.“
„Ach ja?
Haben Sie es ihm vorgeschlagen oder haben Sie ihn gezwungen? Sagen wir, mit
einem Zauber vielleicht? Mussten Sie sich schützen?“ Draco sah seine frische
Freiheit dahin ziehen. Wenn Granger jetzt die Wahrheit sagen würde, dann würde
er mehr verlieren als nur seinen Zauberstab.
„Nein,
das musste ich nicht.“ Er hob langsam den Blick. Sie klang genauso gereizt wie
er sich fühlte. Anscheinend hatte sie auch genug vom Ministerium, und
anscheinend gefiel ihr der kleine Mann ebenso wenig wie ihm.
„Nein?
Sie wirken nicht, wie eine besonders starke Frau. Wenn er sie einschüchtert,
dann sagen Sie es mir. Wir können ihn auch in ein anderes Zimmer bringen
lassen, Ms Granger.“ Draco konnte verhindern, dass seine Mundwinkel zuckten.
Dieser Mann hatte keine Ahnung, dass er mit elf-Ohnegleichen-Granger sprach. Er
tat ihm etwas leid. Nur etwas.
„Hören
Sie, er musste nicht gehen, weil wir entweder zusammen gegangen wären oder
überhaupt nicht. Es war der Geburtstag meines Freundes, und ich habe mich gerne
angeboten auf seinen Bruder auf zu passen. Wir wären so oder so zusammen
geblieben.“
Ach?
Wirklich, wären sie das? Es kostete ihn eine Sekunde, seine Verblüfftheit zu
überwinden. „Nicht, Schatz?“ Sie sah ihn an. Nicht wie eine Freundin ihren
Freund, nein eher, wie die gereizte Frau, der man dreitausend Gefallen
schuldete.
„Ahem…
jaah.“
„Sie
sind zusammen?“, fragte der kleine Mann ein wenig enttäuscht.
„Ja.
Könnten Sie das hier bitte nicht so rumschreien? Es muss ja nicht das gesamte
Ministerium wissen. Ich denke, die Hexenwoche bezieht sämtliche Informationen
sowieso von hier.“, fügte sie spöttisch hinzu. Der kleine Mann wirkte
überfordert.
„Unterschreiben
Sie, Ms Granger.“ Er klang als hätte er resigniert. Draco hätte am liebsten
triumphierend die Faust in die Luft gestreckt. Aber er beherrschte sich.
„Dann
fällt es mir auch nicht besonders schwer, Mr Malfoy für seine gemeinnützige
Arbeit einzuteilen.“ Erst jetzt stahl sich wieder ein feines Lächeln auf die
Züge des kleinen Mannes.
Dracos
Triumpf bekam einen jähen Dämpfer. Jetzt würde er bestimmt irgendwo alte Kessel
schrubben müssen. Oder er musste das Quidditchfeld sauber fegen. Ohne Besen.
Mit einer Zahnbürste oder so.
„Sie
treten vier Wochen Arbeit in der Kinderbetreuung an. Die Magic-Corner dürfte
sich ja ausgezeichnet eignen. Es sei denn, Ms Granger ist nicht einverstanden,
aber wieso sollte sie nicht? Immerhin sind Sie ein Paar, nicht wahr?“
Draco
kam kurz der Gedanke, dass der Mann Grangers Spiel durchschaut hatte. Aber er
biss sich auf die Wangen und schwieg. Vier Wochen Kinderhüten? Er fand einen
Tag mit Scorpio schon anstrengend.
„Vier
Wochen natürlich ohne Zauberstab. Dazu kommen zweitausend Galleonen Strafe,
wegen ungebührlichem und gefährlichem Verhalten und tausend Galleonen für die
Reparatur und Entschädigung für die Beteiligten.“
Er nahm
sein Urteil knurrend entgegen.
„Vier
Wochen? Bekommt er dafür Geld?“, fragte sie jetzt. Der Mann schüttelte den
Kopf.
„Natürlich
nicht. Es sei denn, Sie wollen Ihren Freund bezahlen.“ Er sah ihr Gesicht
nicht. Aber er war sich sicher, sie freute sich gerade unheimlich.
„Nein. Will ich nicht. Das tut er gerne umsonst. Nicht wahr?“
Gott,
wie er sie hasste. Schon immer gehasst hatte. Aber dieser Moment toppte alle
vorherigen. Sie würde ihn leiden lassen. Und er konnte nichts tun. Er konnte
froh sein, wenn sie ihn nicht noch wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung
anzeigen würde.
Er unterschrieb
sein vierwöchiges Schicksal.
Vielleicht
würde Lucius ja nichts davon mitbekommen. Er hatte nämlich keine Lust zu
erklären, warum er ausgerechnet für Granger arbeiten musste. Nie wieder würde
er trinken. Nie, nie wieder.
~*~
„Draco!“
Es war nur ein Traum gewesen. Ein betrunkener, nicht enden wollender Traum.
„Draco!“ Wieder spürte er eine Faust im Nacken. „Steh auf, wir kommen zu spät.“
Zu spät?
Wohin? Er blinzelte durch ein Augenlid. Es war dunkel. Wohin sollte er mitten
in der Nacht gehen? Mit wem? Wo war er überhaupt, dass ihn jemand wecken
musste? War er in Askaban? Musste er den Hof putzen? Nein. Es gab keine Kinder
in Askaban.
Kinder.
Scorpio…
Er warf
sich knurrend auf den Rücken. Sein Bruder lachte hell und versuchte ihn aus dem
Bett zu schieben. Erfolglos, wie man nicht erwähnen musste.
„Dracohooo….“
Draco holte tief Luft und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Wie spät war es?
Es konnte unmöglich schon Tag sein.
„Halt
die Klappe.“, knurrte er heiser. Sein Bruder schwieg. Er blinzelte in Richtung
Uhr. „Ich hoffe, das ist ein verfluchter Scherz, Scorpio.“
„Vater
sagt, fuchen ist unhöflich.“
„Ach
ja?“ Er verbesserte die Grammatik seines Bruders nicht. „Unhöflich ist es, mich
um sieben Uhr wach zu machen, du elende Nervensäge.“ Sein Bruder war allerdings
nicht einzuschüchtern.
„Du
stehst auf und bringst mich da hin.“, erklärte er trotzig. Draco hätte schreien
können vor Wut. Scheiße. Diese scheiß verflixte Sozialarbeit. Wieso hätte er
nicht eine Millionen zahlen können und damit wäre die Sache geregelt? Er hatte
eine Idee. Vielleicht könnte er das regeln.
Er erhob
sich träge. Sofort zog Scorpio an seinem Arm.
„Lass
mich los, Froschgesicht.“
„Ich sag
es Vater!“, schmollte Scorpio, und Draco fuhr sich durch die hellen Haare.
„Petze.“
„Gar
nicht.“
„Doch.“
Scorpio
sah ihn finster an. So finster ein vierjähriger Junge eben gucken konnte. Fast
hätte Draco gelacht. Aber nur fast, denn wer lachte schon um sieben Uhr
morgens? So viel Kaffee könnte er gar nicht kochen. Merlin, er würde einfach im
Stehen einschlafen.
Er
hasste seine Eltern. Wieso mussten sie ständig verreisen? Und wieso nahmen sie
ihren Sohn nicht einfach mit? Es war nicht seine Aufgabe! Es war nicht sein
Sohn! Verflucht noch mal.
„Na los,
zieh dir schon mal Schuhe an.“
„Ich
kann die Schleife selber binden.“, erklärte sein Bruder stolz.
„Ich
hätte sie dir bestimmt auch nicht zugemacht.“, murrte Draco.
„Brauchst
du ja auch nicht. Ich kann es ja auch selber.“ Er schien ziemlich stolz zu
sein. Draco seufzte erneut.
„Wir
spielen ein Spiel. Wer zuerst was sagt, hat verloren.“ Er versuchte euphorisch
zu klingen, aber er hätte das Wort nicht einmal nach sieben Liter Kaffee
buchstabieren können.
„Das ist
ein blödes Spiel.“
„Eine
Galleone, wenn du spielst.“
Scorpio
schien das abzuwägen, aber anscheinend sagte ihm der Wert des Geldes nicht
unbedingt viel, denn nach fünf Sekunden, schien er seine Worte selektiv
vergessen zu haben.
„Wir
müssen uns beeilen, denn Miss Hermine macht gleich die Butterbrote und ich will
meine Marmelade haben. Ohne die werde ich nicht essen. Das ist meine
Lieblingsmarmelade.“
Draco
fiel stöhnend auf die Matratze zurück. Wenn ihm heute fünfzig Kinder erzählen
würden, was ihre Lieblingsmarmelade wäre, dann würde er wahrscheinlich wild um
sich fluchen. – Nein. Das ging ja nicht. Denn er hatte keinen gottverfluchten
Zauberstab mehr.
Scheiße,
scheiße, scheiße…
„Draco?“
Wieder zog sein Bruder an seinem Arm.
Er hasste
sein Leben. Hätte er auf seinen Vater gehört und den Job angenommen, dann hätte
er sich wahrscheinlich nicht vollkommen beschissen gefühlt, und wahrscheinlich
hätte er keinen Grund gehabt, sich so sinnlos zu betrinken. So ein Mist.
Vier
lange Wochen. Da konnte er gleich auswandern. Das würde er nicht überleben.
„Draco,
jetzt steh auf!“
~*~
Eine
knappe Stunde später hatte er es geschafft. Scorpio war vor ihm durch die Tür
gerannt. Draco schlurfte hinter her. Er nahm die Mütter und Väter und Kinder
nur am Rande wahr. Er hatte keinen Kaffee mehr Zuhause gehabt und genauso sah
er aus.
Er hatte
die Hände in seinem Umhang vergraben und war nicht gewillt ihn auszuziehen.
„Ah,
unser Sonnenschein ist auch schon wach.“ Die kleine Weasley grinste ihn widerlich
ausgeschlafen an. Was war das hier für eine verfluchte Sekte? Er wollte
irgendetwas erwidern, irgendwas fieses, aber ihm fiel beim besten Willen nichts
ein.
„Du
kannst schon mal die Stühle zusammen rücken. Die Tische haben wir geholt.“
Missmutig blinzelte er in den Raum. Stühle. Gott, das waren bestimmt
dreihundert Stühle. Wahrscheinlich waren es zwanzig, aber selbst das waren
zwanzig Stühle.
„Zauberstab.“,
murmelte er wütend.
„Was? Oh, dein Zauberstab? Ja, der wäre hilfreich, dann müsste man nicht alles
mit der Hand machen, nicht wahr? Zu dumm, dass du keinen mehr hast, oder?“ Er
wollte sich auf sie stürzen. Er überlegte es. Wirklich. Eine Sekunde lang, aber
dafür hätte er sich bewegen müssen.
„Malfoy,
mach dich nützlich.“ Da war die Person, mit der er reden wollte.
„Granger.“,
knurrte er müde. Sie musterte ihn spöttisch.
„Was
ist? Nicht ausgeschlafen? Sechs Stunden vor deiner gewohnten Zeit? Leider tust
du mir überhaupt nicht Leid, Malfoy. Also, tu endlich was.“
„Ich
habe Geld.“
„Das ist
schön. Ich habe lange Haare, aber das hilft mir jetzt auch nicht.“
„Granger!“
Er klang fast so trotzig wie Scorpio. „Ich kann dich bezahlen. Du
unterschreibst den verfluchten Scheiß, und ich kann wieder gehen.“ Sie lächelte
jetzt.
„Ich
würde sehr gerne ohne deine Gesellschaft auskommen, aber wen finde ich, der
einen Monat umsonst für mich arbeitet? Stühle rückt, Decken wäscht, Kinder
füttert und Geschirr spült?“ Er verzog den Mund.
„Du
verpasst deine Gelegenheit, Granger.“
„Meine
Gelegenheit, dir heimzuzahlen, was du verdienst? Nein, ich glaube nicht,
Malfoy. Jetzt rück die Stühle zusammen.“ Seine Fäuste zitterten vor Wut. Dieses
verdammte Miststück. Er hasste sie. Hasste, hasste, hasste sie.
Ein
Mädchen baute sich vor ihm auf. Sie war ein wenig größer als Scorpio.
„Wer
bist du?“
„Niemand.“
„Niemand?
Das ist kein Name.“ Er wollte sie beiseiteschieben, aber sie hatte seine Hand
gegriffen. Er hatte nicht einmal Zeit zu überlegen, von welchem Blut sie
abstammte, da zog sie ihn schon mit sich durch die lärmenden Kinder.
„Lass
mich los.“, knurrte er böse. Das Mädchen lachte.
„Du bist
lustig. Darf ich beim Frühstück neben dir sitzen? Ich bin Florina Thomas.“,
stellte sie sich laut vor und streckte ihm die Hand entgegen. Thomas? Also eine
Muggel, vielleicht ein Halbblut. Er könnte kotzen.
„Nein.“,
erwiderte er gereizt. Jetzt griff sie zu einer ziemlich fiesen Waffe.
„Miss
Hermine!“, rief das Mädchen laut. Sofort kam das blöde Schlammblut Granger
herüber geschwebt als wäre sie niemals müde und würde die gute Laune bezahlt
bekommen.
„Ja,
Florina?“
„Niemand
will nicht neben mir sitzen.“ Granger runzelte die Stirn. Dann lächelte sie.
„Sein Name ist Draco. Und so darfst du ihn auch nennen. Und weißt du was? Du darfst
heute auf Dracos Schoss sitzen.“ Das Mädchen strahlte begeistert. Er sah sie
mörderisch an, aber anscheinend hatte all seine Boshaftigkeit hier in der
Kinder-Horrorwelt ihre Wirkung gänzlich verloren.
Sobald
er irgendwann wach werden würde, würde er ihr das heimzahlen.
Sein
Kopf war auf die kühle Tischplatte gesunken, an der er bereits gestern gesessen
hatte. Er hatte in seiner Hand einen Becher starken Kaffee, aber er hatte keine
Kraft ihn zu trinken.
Er hatte
hundert Stühle aufgestellt, weggeräumt, hatte hundert Kindern, hundert
verschiedene Bücher vorlesen müssen und hatte dann wieder alle Stühle für das
Mittagessen wieder hingestellt. Und die Biester waren immer noch hier.
Scorpio
ignorierte ihn dafür den größten Teil des Tages. Allerdings hatten sich knapp
zehn Mädchen in ihn verliebt, so wie sie ständig hinter ihm her dackelten. Er
war nirgendwo in Sicherheit. Er hatte keine Ahnung, wie lange die Küche
vorhalten würde als sein Ort der Zuflucht.
Nicht
lange anscheinend, denn die Tür öffnete sich.
„Gut,
dass du hier bist. Das Geschirr spült sich nicht von selber.“ Sie wurde zu
seiner Hasskandidatin Nummer eins.
„Mach es
selbst.“ Seine Stimme klang gedämpft, denn sein Kopf lag immer noch auf der
Platte.
„Ich
glaube nicht, nein.“, erwiderte sie gelassen. „Das Geschirr trägt deinen Namen
und möchte nur von dir gespült werden.“
„Du hast
einen verfluchten Zauberstab. Mach es selber, Granger.“
„Wenn du
vorhast dich zu weigern, dann denke ich, werde ich im Ministerium vorbeischauen
und ihnen meinen Bluterguss an meiner Hüfte zeigen, den ich dir verdanken zu
habe, Draco Malfoy. Also beweg deinen verfluchten Hintern, denn wie du sagst,
ich habe einen Zauberstab!“
Bluterguss?
Er hob den blonden Kopf. Aus Schlitzen betrachtete er die Furie vor sich, die
beide Hände in die Hüften gestemmt hatte und ihn anfunkelte. Ja, er erinnerte
sich. Sie hatte ihn angefasst. Oder so. Und er hatte sie geschubst.
Scheiße.
Sie
hatte es verdient. Hatte sie wirklich. Er erhob sich. Er überragte sie um einen
ganzen Kopf. Aber wahrscheinlich wäre sie trotzdem in der Lage ihn umzubringen.
Vielleicht auch mit ihren bloßen Händen. Heute.
Sie
sahen einander gleichermaßen voller Abscheu an.
„Spül.
Und beeil dich. Wir gehen gleich nach draußen. Es regnet nicht. Und die Kinder
müssen alle in ihre Umhänge.“, fügte sie hinzu.
„Nein.“,
erwiderte er.
„Doch.“
„Nein,
das werde ich nicht machen.“
„Wirklich
nicht, Malfoy?“ Sie wollte ihn provozieren, wollte ihn dazu bringen aufzugeben,
und dazu war er mehr als bereit. Aber er konnte nicht. Scheiß Alkohol. „Ich
komme in zwanzig Minuten wieder. Dann ist hier alles sauber.“
Sie ließ
ihn zurück. Er sank zurück auf seinen Stuhl und leerte seinen Kaffee. Der
Effekt blieb allerdings aus. Ob es einen Status von Müdigkeit gab, der einfach
nicht mal mehr durch Kaffee überwunden werden konnte? Er kannte einen
fabelhaften Spruch für diesen Fall, aber was nützte es ihm?
Er
betrachtete den Berg an Geschirr. Und es machte den Anschein als betrachtete es
ihn ebenfalls. Er krempelte die Ärmel seines teuren Hemdes nach oben und drehte
mit spitzen Fingern am Hahn. Das Wasser war kalt. Wieso war es kalt?
Feuer,
dachte er lahm. Wo war das Feuer? Wo kam es her? Wie machte es Wasser heiß?
Scheiße.
Kaltes
Wasser war absolut ok, befand er schließlich, ließ das Becken voll laufen und
warf einen Teller nach dem anderen hinein. Er hörte bei fünfzehn auf zu zählen.
Das war doch nicht zu fassen. Nicht einmal den Hauself konnte er rufen.
Er warf
ein Stück Seife ins Wasser, obwohl er bezweifelte, dass das der richtige Weg
war, Teller zu reinigen. Seine Finger zuckten zusammen als sie in das kalte
Wasser tauchten. Gott, wie sehr er es hier hasste, dabei war der erste Tag noch
nicht vorbei.
Das
Spülen hatte ihn eine Stunde gekostet. Granger war aber nicht zur Kontrolle
reingekommen. Das war gut. Wahrscheinlich hätte sie es ihn noch einmal machen
lassen. Sein Koffeinstatus betrug sechs Tassen schwarzen Kaffee. Die siebte
goss er sich gerade ein. Es war halb drei.
„Die Kinder
wollen raus.“ Die kleine Weasley hatte den Kopf durch die Tür gesteckt und war
schon wieder fort. Raus. Wieso wollte man bei dieser Kälte überhaupt raus?
Er
leerte die Tasse und verließ die grauenvolle Küche.
Draußen
warteten die Kinder auf dem Flur. Manche konnten sich die Umhänge selber
anziehen, andere schafften es nicht. Scorpio konnte er nicht entdecken. Aber
ihm hätte er sowieso nicht geholfen. Ein Malfoy schaffte es wohl, sich mit vier
Jahren den Umhang anzuziehen.
„Draco,
hilfst du mir?“ Er war sich sicher, auch die nervige Florina konnte es allein.
„Wie alt bist du?“, fragte er mürrisch.
„Fünf!“
Stolz hielt sie fünf Finger in die Luft.
„Aha.
Dann kann ich davon ausgehen, dass du das alleine kannst.“ Sie zog eine
Schnute.
„Hilf
mir, bitte, Draco.“ Er holte tief Luft.
„Wenn
ich das tue, dann werde ich nichts anderes für dich tun. Nicht schaukeln, nicht
fangen, nicht vorlesen, gar nichts mehr.“, erklärte er. Florina schien zu
überlegen.
„Nie
wieder?“
„Nie
wieder.“, bestätigte er.
„Nein. Dann zieh ich ihn selber an. Dafür gehen wir gleich schaukeln.“
Mist.
Schon kamen andere Kinder und hielten ihm wortlos die Umhänge hin. Er zog einen
nach dem andern über die kleinen Kinderarme. Aber die kleine Weasley zwang ihn,
alle wieder auszuziehen, denn die meisten Umhänge waren die falschen. Sie
hingen anscheinend alle über Namensschildern. Aber die Kinder konnten natürlich
nicht lesen.
Langsam,
ganz langsam begann der Kaffee den Weg durch seinen Körper.
Beinahe
stoisch zog er alle Umhänge aus und wieder an. Er folgte den Kindern nach
draußen, scheuchte sie über die angrenzende Wiese und schaukelte jedes der
hunderttausend nervigen Kinder.
Dann
wurde es noch kühler, und er scheuchte alle wieder rein. Granger und das Weasleymädchen
hexten ihnen die nassen Umhänge einfach aus. Aber die Mädchen, die gerne bei
ihm sein wollten, zwangen ihn, es mit den bloßen Händen zu tun. Er war
angewidert und vollkommen erschöpft als er fertig war.
Es war
halb fünf. Er wusste, gleich war es vorbei. Der erste Tag wäre vorbei!
Nach und
nach tropften die Eltern herein. Er lehnte am Tresen und wäre fast
eingeschlafen. Das Koffein hatte ihn enttäuscht. Auf das Schwerste.
„Mr
Malfoy.“ Er erkannte die Stimme, konnte sie aber nicht zu ordnen. „Na, das
hätte ich ja nicht gedacht.“ Es war irgendwer, den er von seinem Vater her
kannte. Er schüttelte träge die Hand, murmelte etwas und sah, wie der Mann mit
seinem Kind an der Hand wieder ging.
„Draco!“
Eine Stimme, die er ebenfalls kannte, aber die er sofort zuordnen konnte. Und
er war hoch erfreut.
„Pansy.“,
murmelte er.
„Armer
Draco. Das muss ein ziemlicher Schock für dich sein. Hat sich Melissa bei dir
gemeldet?“
„Was?
Wer?“
„Na ja,
das wird sie dann wohl auch nicht.“
„Onkel
Draco hat mich dreimal geschaukelt.“ Devon, der kleine Satansbraten, hatte ihn
gezwungen, oder er wäre petzen gegangen zu Granger, dem Biest.
„Wie
nett von ihm. Draco, wann kommst du mal wieder vorbei?“, erkundigte sie sich.
„Keine
Ahnung, wenn diese Hölle hier vorbei ist, und ich mein normales Leben mit
normalen Menschen wieder habe, Pansy. Sag Goyle, ich sterbe tausend Tode.“
„Das
werde ich tun.“ Pansy lächelte nachsichtig. „Genieß die Zeit mit den Kindern,
Draco.“ Pansy war so widerlich erwachsen geworden, dass er kotzen könnte. „Wo
ist Scorpio?“
„Keine
Ahnung.“
„Was soll das heißen?“
„Irgendwo.“
„Draco,
er ist dein Bruder.“
„Ja,
richtig. Mein kleiner Bruder. Nicht mein Sohn. Es geht mich nichts an, wo er
ist.“ Pansy maß ihn mit demselben Blick, mit dem sie Devon maß, wenn er mal
wieder was kaputt geworfen hatte.
„Also,
Draco. Verhalt dich wie ein Erwachsener und kümmer dich um deine Familie. Noch
mag dich dein Bruder.“ Draco verzog den Mund. Es war ihm herzlich egal.
„Danke,
Pansy.“
„Wir
sehen uns morgen.“ Ja. Und den Tag danach und den Tag danach….
Nach
vierzig Minuten war nur noch Scorpio übrig.
„Lass
uns gehen, Scor.“, rief er entnervt. Scorpio ließ seine Bauklötze fallen und
erhob sich unwillig.
„Ich
will noch nicht gehen.“
„Dann
bleib hier. Es ist mir egal.“
„Ich darf nicht hier bleiben. Gleich macht Miss Hermine zu.“ Draco seufzte.
„Ich
habe keine Lust zu diskutieren, Scorpio. Also, zieh deinen Umhang an und warte
an der Tür.“, knurrte er. Sein Bruder zuckte zusammen unter seiner Stimme. Er
klang schon wie sein Vater, bemerkte er am Rande seines Bewusstseins.
„Du
solltest deine Einstellung besser ändern, Malfoy, sonst…“ Er drehte sich zornig
um. Er war wach. Jetzt war er wach. Hellwach.
„Sonst
was, Granger? Sonst verfluchst du mich? Bitte, tu es! Sonst rennst du zu Potter
und lässt mich von ihm verfluchen? Meinetwegen. Es ist mir scheiß egal!“ Sein
Herz raste. Viel zu viel Kaffee. Wahrscheinlich würde er nicht schlafen können.
Und dann würde er durchmachen und nie wieder schlafen. Und morgen kamen diese
Monster wieder.
„Du
solltest gehen.“ Er sah, dass sie Angst vor ihm hatte. Das sollte sie auch! Zum
Teufel noch mal. „Und behandel deinen Bruder wie deinen Bruder.“, fügte sie
eine Spur lauter hinzu.
„Gut,
dass dich das überhaupt nichts angeht.“
„Natürlich
geht es mich was an, Malfoy! Du arbeitest hier! Du bist hier nicht der König
der Welt, hast du verstanden? Du verstehst wohl nicht, dass das Kinder sind!
Niemand verdient deine Ablehnung. Mir ist es völlig egal, was du denkst. Aber
die Kinder verdienen es wirklich nicht.“
„Verschon
mich mit deiner gottverdammten Predigt, verfluchtes Schlammblut. Was weißt du
schon?“
Er sah
ihn aus den Augenwinkeln. Er hielt seinen Umhang fest in seinen kleinen Händen
und seine Augen blickten ihn angstvoll an. Auch sie wandte den Blick in seine
Richtung.
„Wiedersehen,
Miss Hermine.“, sagte er leise und stürmte zur Tür.
Großartig.
Er gab ihr die Schuld, dass sein Bruder jetzt Angst vor ihm hatte. Fast bekam
er Angst vor sich selber. Er fuhr sich durch die Haare. Sein Hemd hatte überall
Flecken von Gott weiß was für Lebensmittel.
„Scorpio.“,
rief er, als er den Raum verließ, ohne ein letztes Wort. Sein Bruder stand vor
der Tür und wischte sich hastig eine Träne von der Wange. „Hör auf zu weinen
und komm.“ Er versuchte seine Stimme nicht ganz so zornig klingen zu lassen,
aber seine Grenze war weit überschritten.
Er
wollte seinen Bruder nicht zum Weinen bringen. Aber er wusste nicht, wie er es
nicht tun konnte. Er würde es gut machen. Bald, wenn er wieder denken konnte.
Diesen Morgen hatte Scorpio ihn nicht geweckt und
dennoch war er zeitig wach geworden. Aber er war gestern auch fast
eingeschlafen, als er Scorpio beim Zähneputzen zugesehen hatte. Und er hatte
ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Er stand auf und ignorierte sogar die Tatsache, dass es
dunkel draußen war. Nur noch drei Wochen und sechs Tage. Er konnte schon jetzt
nicht mehr, aber vielleicht entwickelte er eine dicke Haut, an der alles
einfach abprallte.
In der Küche saß sein Bruder am Tisch. Anscheinend
hatte er versucht sich Müsli zu machen, war aber nicht an das Regal gekommen,
also hatte er jetzt eine Schale voll Milch. Draco musste lächeln.
„Hey, Kleiner.“, begrüßte er seinen Bruder und fuhr ihm
durch die Haare. Scorpio reagierte nicht. „Redest du nicht mehr mit mir?“,
fragte Draco ruhig und griff die Schachtel vom Regal. Es waren Freaky Frogs.
Die mochte er auch am liebsten, denn diese Müslifrösche sprangen einem vom
Löffel in den Mund. Wenn man einen Kater hatte, musste man nur den Löffel
hochalten. Augen zu und alles lief von selbst.
„Nein.“, erwiderte Scorpio leise.
„Ich wollte nicht schreien gestern. Tut mir leid, Scor, ok?“
„Du schreist immer.“ Sein Bruder senkte den Kopf über seine
Schüssel, als Draco die Frösche einfüllte.
„Tu ich nicht.“
„Doch. Miss Hermine schreist du immer nur an.“ Aha. Es
ging also wieder einmal um Granger. Was fand sein Bruder an ihr? Sie war nervig
und wusste immer alles besser. Diese Eigenschaften ruinierten sogar die
Tatsache, dass sie ganz gut aussah. Für eine Muggel. Wann hatte er das letzte
Mal Sex gehabt? Er wusste es nicht. Wieso hatte er an seinem Geburtstag keinen
Sex gehabt?
Scheiße. Er wusste es wirklich nicht. War es
tatsächlich schon länger als vier Monate her? Vier Monate? Das war ja eine
absolute Krise!
„Draco!“ Er zwang seine Gedanken in eine andere
Richtung.
„Was?“
„Wieso? Wieso schreist du sie an? Sie hat gar nichts gemacht. Und die anderen
Kinder magst du auch nicht. Und… und du hast keine Burg mit mir gebaut.“, fügte
er hinzu. Er schniefte leise.
„Scor… du bist doch schon groß. Nicht weinen, ok? Tut
mir leid, dass ich gestern… na ja… eben nicht wirklich freundlich zu dir war.“,
erklärte er. Wie konnte er seinem Bruder deutlich machen, dass es die Hölle für
einen Malfoy war, dort zu arbeiten?
„Was ist ein Schamblut?“, fragte sein Bruder jetzt
neugierig. Draco runzelte die Stirn.
„Ich weiß es nicht.“, gestand Draco. Was erzählte sein
Bruder?
„Du hast Miss Hermine gestern so genannt, Draco. Sie
wäre ein verfuchstes Schamblut.“ Kurz lächelte er traurig. Also hatte Lucius
noch nicht seine Todesser Geschichten ausgepackt. Anscheinend wurde bei diesem
Sohn alles anders gemacht. Und zu dumm, dass sich Scorpio ausgerechnet das
gemerkt hatte.
„Also, erst mal heißt es verflucht, aber sag Lucius
nicht, dass ich dir das gesagt habe. Und das Wort, was ich gesagt habe, war ein
blödes Wort.“ Sein Bruder sah ihn mit großen Augen an.
„War es?“
„Ja.“ Seine Stimme klang zerknirscht. Er wusste, es war
ein gemeines Wort.
„Was heißt es?“ Draco wog kurz ab, ob er darüber mit
seinem Bruder sprechen konnte, aber er bezweifelte, dass sein Bruder dumm genug
war, es noch einmal zu verwenden.
„Das Wort heißt Schlammblut.“
„Ist Miss Hermine ein Schlamm-Blut?“ Scorpio sah ihn
fassungslos an.
„Ahem… nein. Natürlich nicht.“, gab sich Draco
geschlagen.
„Was ist es? Ein Schlamm-Blut.“ Sein Bruder betonte das
Wort, wie jemand, der es nicht kannte und zum ersten Mal hörte.
„Du weißt, Schlamm ist dreckig. Und wenn ich sage, du
hast dreckiges Blut, dann heißt das…“ Er überlegte kurz.
„…das heißt, ich bin Dreck?“ Ja, so konnte man es wohl
sagen.
„So in etwa.“
„Miss Hermine ist kein Dreck!“, erklärte sein Bruder
entrüstet.
„Nein. Ist sie nicht.“
„Wieso sagst du das dann, Draco?“ Gleich würde er
wieder anfangen zu weinen.
„Weißt du, wenn man wirklich böse ist, dann sagt man
Sachen, die man vielleicht später nicht so meint. Dann muss man sich
entschuldigen und hoffen, dass der andere einem vergibt.“ Scorpios Falten
glätteten sich.
„Wie als du Vater einen Mixkerl genannt hast?“, fragte
er. Draco erinnerte sich. Ein verfuchster Mixkerl, hatte er gesagt, ja. Das
wäre jedenfalls besser gewesen. Und ja, dafür hatte er sich auch peinlicherweise
entschuldigen müssen.
„Ja.“
„Du bräuchtest ein Fuchglas. Charles sagt, seine Mutter
hat ein Fuchglas aufgestellt. Einen Knut für einen Fuch.“ Draco grinste.
„Das wäre mir zu teuer.“ Er erhob sich. Sie mussten
gleich los.
„Draco?“ Er wandte sich um. „Was ist ein Fuchglas?“,
fragte sein Bruder ratlos. Draco grinste breit.
„Das musst du nicht wissen. Das ist unwichtig.“ Sein
Bruder nickte nur.
„Entschuldigst du dich bei Miss Hermine?“
Merlin, sein Bruder war eine moralische Nervensäge.
Entschuldigen… Wofür? Dass er umsonst arbeitete? Dass er gerädert war und
schlecht gelaunt und trotzdem kam?
„Zieh dir deine Schuhe an. Ich komme gleich.“, wich er
der Frage seines Bruders aus. Er würde sich nicht entschuldigen. Bestimmt nicht.
Für was? Er war nicht anders als sonst auch. Granger war es sowieso egal.
~*~
Sie
kamen pünktlich. Und Malfoy sah nicht mehr ganz so griesgrämig aus wie gestern.
Aber es kam ihr so vor, als durchlebe er ein Jetlag. Aber wer es nicht gewohnt
war, morgens aufzustehen, für den war es schwieriger. Er tat ihr kein bisschen
leid.
„Miss
Hermine!“ Scorpio zog seinen Bruder mit sich. „Draco will was sagen.“ Hermine
hob die Augenbraue. Malfoy fixierte seinen Bruder zornig.
„Nein,
Scorpio.“ Doch der kleine blonde Junge verzog den Mund.
„Doch.
Ich möchte, dass du es machst. Vater sagt…“
„Na,
wenn Lucius es sagt, dann muss es wohl richtig sein, hm?“ Kurz wirkte Scorpio
verwirrt. Hermine verstand diese Worte durchaus. Malfoy wirkte wieder gereizt.
„Granger,
entschuldige wegen gestern.“, knurrte er leichthin. Scorpio wirkte zufrieden.
„Was?“
Und jeder konnte sehen, dass er es nicht so meinte. Was brauchte sie seine
Entschuldigung, wenn sie nicht aufrichtig war? „Aha. Gut.“, sagte sie knapp.
„Kann Draco
mit zu meiner Burg kommen?“, fragte Scorpio, aber Hermine schüttelte den Kopf.
„Er kann später kommen, jetzt muss er sich um das Frühstück kümmern.“ Der
blonde Junge verzog den Mund. Er ähnelte jetzt seinem Bruder noch mehr als
sonst.
„Aber…
ich wollte sie ihm zeigen.“
„Aber
dein Bruder ist hier nicht zum spielen.“ Nein, er ist hier, weil er betrunken
das halbe Dorf zerstören wollte, fügte sie in Gedanken hinzu. Aber das konnte
sie Scorpio nicht sagen.
„Ist
schon gut. Ich komm später.“ Er zerwuschelte seinem Bruder die Haare.
„Ok.“
„Ich
nehme an, ich mache das ohne Hilfe?“, erkundigte er sich gelassen, aber seine
grauen Augen verrieten seinen stillen Zorn.
„Aber
sicher, Malfoy.“ Er atmete langsam aus. Sie fragte sich, welche Beleidigungen
er in seinem Kopf wohl gerade zurück hielt. Ihr fiel auf wie groß er war. Wenn
diese Zeit hier vorbei war, dann befürchtete sie, dass sie sich vor ihm in Acht
nehmen musste. Er zog seinen Umhang aus. Diesmal trug er keine teuren Sachen.
Vielleicht hatte er eingesehen, dass es hier nichts brachte.
Das
Hemd, was er trug, war schmutzig weiß und zwei Knöpfe fehlten. Und sie sah erst
jetzt die ausgeblichene Jeans. Er sah fast normal aus. Nicht so förmlich wie
immer. Auch Scorpio trug keine Weste. Nur einen Pulli. Anscheinend waren seine
Sachen bei Malfoy etwas legerer.
„Miss
Hermine, wieso nennst du ihn nicht Draco?“ Scorpio hatte noch einmal inne
gehalten und hatte sie umgedreht.
„Weil
ich nicht will.“ Das schien Scorpio zu verwirren. „Wenn ich will, dann nenne
ich ihn so, ok?“ Dann nickte er.
„Oh, ok. Das geht wohl.“ Dann lief er in die Ecke mit den Bauklötzen und
lärmenden Kuscheltieren. Malfoy verschwand Richtung Küche.
„So, ich
bringe das Geburtstagskind.“, kündigte sich Pansy an. „Er hat schon zwei Tassen
kaputt geworfen. Also, passen Sie auf, ja?“ Sie strich über Devons Locken. Er
wirkte ganz aufgeregt. Die anderen Kinder kamen auch. Sie gratulierten höflich,
und er zeigte seinen neuen Drachen. Er konnte fliegen und brüllen. Das hieß,
noch mehr Krach als sonst.
„Wir
werden aufpassen.“, versprach Hermine.
Was tat
er solange? Die Kinder hatten Hunger. Vielleicht sollte sie ihn doch nicht mit
all den Dingen alleine lassen. „Pansy, entschuldigen Sie mich. Ich muss eben in
die Küche.“ Sie warf einen Blick über die Schulter, aber Ginny war da. Sie
hatte den Drachen entdeckt und versuchte sich an dessen lila Schwanz zu hängen.
Hermine verdrehte die Augen. Das würden die Kinder gleich nachmachen wollen.
Sie eilte
durch den Flur. Jetzt wo Devon da war, würde er gleich anfangen zu quengeln,
und der Kuchen war noch nicht fertig.
Sie zog
die Tür auf. Gerade fiel ein Teller zu Boden. Aber dort lagen schon Scherben.
„Verfluchte
Scheiße!“, schrie er zornig und trat nach den Scherben.
„Das ist
eigentlich Devons Aufgabe.“, sagte sie knapp, zückte den Zauberstab und sprach
den Reparo. Die Scherben setzten sich lautlos wieder zusammen. Er fixierte
ihren Zauberstab voller Neid.
„Mach es
doch einfach selber.“, sagte er gefährlich leise.
„Dann
hast du aber nichts davon.“ Er schien um Fassung zu ringen. Sie sollte ihn
wirklich nicht provozieren, obwohl sie es sich im Moment durchaus leisten
konnte. „Hör zu, wieso bringst du nicht einfach das Brot rüber und ich
übernehme das Geschirr.“ Diplomatie. Wiedermal reine Diplomatie.
„Weißt
du was, mach es einfach allein. Ich habe die Schnauze voll.“ Sein Daumen
blutete. Er hielt ihn unter das kalte Wasser.
„Lass
mich…“
„Bleib
einfach weg von mir, Granger.“, rief er zornig. Sie zuckte zusammen. Langsam
verlor sie ihre Geduld.
„Malfoy, sei nicht kindisch. Ich kann das schnell heilen.“
„Ich
will aber nicht, dass du irgendwas heilst, kapiert?“ Er fluchte unterdrückt.
Anscheinend hatte er sich an den Scherben geschnitten. Mit dem Spruch konnte
sie die Wunde sogar reinigen.
„Malfoy…“
„Nein!
Nein, Granger! Einfach nein. Hat dieses Wort keine Bedeutung für dich? Ich
brauche deine scheiß Hilfe nicht. Es hört gleich auf, bei Merlin! Reg dich ab,
es ist nur Blut!“ Kurz stutzte er über diese Worte.
Sie
atmete aus. Nur Blut. Ja. Wütend knallte ihr Zauberstab durch die Luft. Die
Teller flogen in Windeseile zur Tür hinaus. Die Brotkörbe folgten, so auch die
Marmelade und der Aufschnitt.
„Du und
dein Blut, ihr wart mir eine große Hilfe. Schönen Dank.“ Damit verließ sie die
Küche. Sie hörte, wie er ihr folgte.
„Granger!“,
sagte er gepresst und sie wandte sich um, so dass ihr Pferdeschwanz über ihre
Schulter flog.
„Was?“
Seine Augen
blickten plötzlich hinter sie. Er schwieg. Dann atmete er langsam aus.
„Ich
denke, wir sollten Devon ein Geburtstagslied singen, egal, ob du denkst, es
wäre unpassend.“ Sie starrte ihn an. Was erzählte er da? War er jetzt verrückt
geworden? Oh, sie hätte ihn am liebsten verflucht. Hier mitten auf dem Flur.
„Malfoy…“,
begann sie drohend, aber lächelnd schloss er den Abstand.
„Oh, du
musst nicht mehr sauer sein, … Schatz.“, fügte er betont langsam hinzu. Ihr
Herz setzte einen Schlag aus. Oh nein. Sie wandte sich langsam um.
„Hallo,
Mr…“ Sie hatte den Namen des kleinen Mannes vergessen.
„Wickman.“,
sagte er lächelnd. Sein Lächeln wirkte nicht aufrichtig. „Ich wollte nur nach
dem Rechten sehen. Aber Mr Malfoy scheint sich hier ja eingelebt zu haben. Ich
hoffe, es gibt keinen Streit, Ms Granger.“ Er lächelte immer noch. Sie
erwiderte das falsche Lächeln, so gut es ihr gelang.
„Oh
nein. Wir kommen sehr gut miteinander aus.“ Sie sah aus den Augenwinkeln, wir
er seinen Arm hob. Er legte ihn lässig um ihre Schulter.
„Da
haben Sie den Weg wohl umsonst gemacht, Mr Wickman.“, erklärte er kühl.
„Kein
Weg ist umsonst, Mr Malfoy. Es ist auch nicht mein letzter Besuch in dieser
Einrichtung.“ Immer noch grinste er. „Ich werde gehen, wenn Sie keine Fragen
mehr haben und alles in Ordnung ist.“ Hermine schüttelte den Kopf.
„Sie
können gehen.“ Wickman nickte.
„Wiedersehen,
Ms Granger, Mr Malfoy.“
Florina
kam auf den Flur.
„Wer war
der Mann? Oh, guckt mal, Draco umarmt Miss Hermine!“ Ginny war eine der ersten,
die auf den Flur rannte. Malfoy entfernte seinen Arm, als hätte er sich
verbrannt. „Seid ihr jetzt zusammen?“
„Nein.“,
erklärte Hermine wütend.
„Aber er
hat dich umarmt.“, triumphierte Florina.
„Geh wieder
rein, sonst kriegst du keine Marmelade.“, erklärte sie streng. Dieser Drohung
kam Florina schnellsten nach. „Zeig mir deinen Daumen.“, verlangte sie jetzt.
Widerwillig zeigte er seine Hand. „Malfoy, ich werde dich jetzt anfassen.
Versuch nicht zu fluchen und versuch mich nicht zu verletzten.“ Sie sagte es
leise, aber sie wusste, er verstand.
„Ich
versuche, mich nicht zu übergeben, Granger.“, sagte er kalt.
„Wie
nett.“ Sie ergriff seine Hand. Sie war warm. „Ich krempel den Ärmel hoch. Sonst
beschädige ich noch dein teures Hemd.“, spottete sie. Kurz zuckte seine Hand in
ihrer als sie den Ärmel nach oben schob.
Für
einen Moment betrachtete sie die dunkle Schlange auf seinem Unterarm. Das
Tattoo war größer als sie angenommen hatte. Es hatte etwas Betörendes. Etwas
Dunkles, das sie nicht ganz bestimmen konnte. Fast wäre sie mit dem Finger über
die dunklen Konturen gefahren. Dann ging ihr auf, dass sie seinen Arm
anstarrte.
„Fertig,
Granger?“, fragte er leise. Sie hob den Blick. Kurz trafen sich ihre Augen. Es
war ein seltsamer Moment. Er war ein Todesser. Manchmal vergaß sie das.
Manchmal hielt sie ihn nur für einen gewöhnlichen Mistkerl, aber das stimmte
wohl nicht.
Sie
sprach die Formel und die Wunde an seinem Daumen verschloss sich schnell. Sie
ließ hastig seine Hand los.
„Ok. Wir
werden jetzt Devons Geburtstag feiern.“ Sie wandte sich hastig ab und ging vor
ihm in den großen Raum.
Und zum ersten Mal wollte sie nicht aufstehen, wollte
nicht zur Arbeit gehen. Es war wohl auch das erste Mal in den sechs Jahren,
dass sie es wirklich für Arbeit hielt. Sie starrte an ihre Decke. Die brauchte
auch mal Arbeit. Zahlreiche Risse zogen sich bis zur Wand.
Sie wollte nicht raus, wollte nicht in die
Magic-Corner, denn über der lag ein dunkler Schatten. Fünf Tage waren doch eine
sehr lange Zeit. Sie wollte ihn nicht sehen, wollte nicht seine schlechte Laune
ertragen müssen. Sie wollte ihre Wut nicht an den Kindern auslassen oder an
Ginny.
Aber sie musste dort hin. Oder?
Es war Freitag. Sie könnte auch einfach krank machen.
Ginny und Malfoy waren da. Sie konnten zu zweit fünfundzwanzig Kinder hüten.
Sie schloss die Augen. Sie hasste ihn dafür, dass er ihre Arbeit zur Hölle
werden ließ.
Sie erhob sich
plötzlich, denn sie hörte Ginny aus dem Kamin.
„Hermine!“
Sie kniete sich vor den Kamin. „Was ist los?“, fragte
sie verschlafen. Ginny sah furchtbar aus. Sie war blass und schien sich nicht
richtig halten zu können.
„Hermine, ich glaub ich hab mir Grippe eingefangen oder
so. Mir geht’s nicht gut. Ich werd heute nicht kommen.“ Oh nein. Das hieß, sie
musste gehen.
„Ok… Trink viel Tee und halt dich warm. Ich komm heute
Abend vorbei.“ Aber nein, das ging gar nicht. Heute saß sie ja gefangen bei
Lavender und Dean. Mist.
„Nein, Hermine. Ich will nicht, dass du dich ansteckst,
ok? Das wäre wirklich schlecht. Ich habe Lisa angerufen, aber die kann heute
nicht kommen. Du bist mit Malfoy also allein. Denkst du, das geht?“
Nein, nein! Ganz bestimmt nicht. Es ging überhaupt
nicht!
„Jaah.“, sagte sie lahm.
„Gut, ich melde mich morgen, ok?“
„Ja, ok. Grüß Harry. Und streng dich nicht an.“, fügte
sie lahm hinzu. Ginny zog den Kopf aus den Flammen. Jetzt musste sie da wieder
hin. Oh Gott! Sie durfte nicht zulassen, dass dieser Mann ihr ihre Arbeit
versaute. Es war das einzige, was ihr wirklich Freude bereitete. Draco Malfoy
schaffte es wirklich, alles zu zerstören. Sie hasste ihn.
~*~
Sie war
nicht da. Nervös wanderte sein Blick durch den Raum. Es wurden immer mehr
Kinder, die ihn anstarrten. Wie sollte er für fünfundzwanzig Kinder Frühstück
machen? Wo war die kleine Weasley, und wo zum Teufel blieb Granger? Erlaubte
sie sich hier einen kranken Scherz?
„Draco,
ich hab Hunger.“
„Ja, ich
weiß Scorpio, aber ich bin hier allein.“, knurrte er. Die anderen Kinder sahen
unzufrieden aus. „Ok, hört zu!“, rief er über ihre Köpfe.
„Normalerweise
müsst ihr das nicht machen, aber heute gibt es neue Regeln. Jeder holt sich
einen Stuhl und stellt ihn an den Tisch. Ich hole Das Geschirr. Und dann kommt
jeder mit in die Küche und bekommt seinen Teller in die Hand.“, beschloss er
einfach und ging vor.
Tatsächlich
befolgten die Kinder seinen Befehl. Sie wirkten ganz aufgeregt, als sie sich in
einer Schlange vor die Küche stellten.
„Das
haben wir noch nie so gemacht.“, bemerkte Florina jetzt.
„Tja, gewöhn dich dran.“, gab er zurück, als er ihr ihren Teller mit einem
Brötchen gab.
„Kann
ich neben dir sitzen, Draco?“, fragte sie jetzt. Er nickte nur.
„Sicher,
das tust du ja sonst auch.“ Sie lächelte. Er verteilte alle Teller, balancierte
die vielen Töpfe Butter, Käse und Wurst auf seinen Armen und lief hinter den
Kindern her.
Devon
hatte seinen Teller fallen gelassen und weinte jetzt, aber Draco sammelte hastig
die Scherben ein, erklärte ihm, dass alles in Ordnung sei und holte einen neuen
Teller. Und ein Muggelkehrblech. Was für eine furchtbare Arbeit. Er hatte schon
von seinem Zauberstab geträumt!
Er war
auch bereit daran zu glauben, dass dieser Traum gleichzeitig als Phallus-Traum
zu zählen war. Sexuell gesehen war er ein Wrack geworden, verflucht noch mal.
Nach
zwanzig Minuten saß jedes Kind. Verschiedene Becher mit Tee und Milch waren
schon umgekippt und Draco kam überhaupt nicht dazu, sich hinzusetzen.
Und
endlich kam sie!
„Oh.“,
sagte sie überrascht.
„Granger,
wie nett, dass du auch kommst. Da liegen Scherben und da tropft Milch vom
Tisch. Sei so gut und mach das weg. Ich muss eben…“ Er wusste nicht mehr genau,
was er wollte, aber es war in der Küche.
Kaffee.
Richtig. Wahrscheinlich wollte sie auch welchen. Sie wusste, sie mochte ihn,
denn seit er hier war, machte sie keinen Kaffee mehr. Er füllte zwei Becher und
eilte zurück. Sie stand immer noch in der Tür und begrüßte die Kinder.
„Hier.“, sagte er und sprang hastig nach vorne. Er fing Devons Becher auf,
allerdings schwabbte der Tee auf den Boden.
„Mist.“,
murmelte er. Er seufzte. Ok. Lappen. Wo?
„Malfoy,
hier.“ Sie reichte ihm ihren Zauberstab. Er fixierte ihn argwöhnisch.
„Soll das ein Witz sein Granger?“, erkundigte er sich, immer noch auf der Suche
nach dem Lappen.
„Es ist
ein kleiner Zauber. Das Ministerium wird es nicht bemerken. Ich muss ins Büro.
Der Kamin…“ Er konnte nicht sagen, woher sie wusste, dass jemand im Kamin war,
aber ergriff ihren Zauberstab. Sie hatte sich abgewandt.
Er holte
tief Luft. Wortlos reinigte er den Boden, ließ die Scherben verschwinden und
lächelte zum ersten Mal. Gott, wie hatte er es vermisst!
„Seht
mal, Draco kann ja doch zaubern. Ich dachte schon, du bist ein Nuggel.“, lachte
Charles. Draco verzog den Mund.
„Es
heißt Muggel, und nein, natürlich bin ich kein Muggel.“, fügte er leiser hinzu.
„Ich bin Muggel.“, erklärte ein Mädchen. Muggel können auch zaubern.“, fügte
sie hinzu, als ob es jemand anzweifeln wollte. Er hätte nicht gedacht, dass
Elly Walsh ein Muggel war. Er hatte sie schon vor Tagen bemerkt. Sie war das
einzige Mädchen, was sich nicht in ihn verliebt hatte. Das schien hier wohl so
zu laufen, mit Muggelmädchen, fügte er in Gedanken hinzu.
Granger
kam aus dem Büro.
„Deine
Eltern sind wieder da.“, sagte sie knapp, ehe sie sich setzte.
Seine
Eltern? Ein Wunder, dass sie überhaupt noch wieder kamen. Er hatte sie
jedenfalls nicht vermisst. Aber er wusste, sein Bruder sah das anders. Es war
verrückt, wie unterschiedlich die Malfoys sein konnten. Seine Kindheit war…
furchtbar gewesen.
Und
Scorpio? Er war… er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte. Wenn er seine
Eltern mit ihm sah, dann… Sie waren anders. Scorpio hatte keine Angst vor
Lucius. Und Draco wusste nicht, wie er sich nicht fürchten konnte.
Natürlich
war seine Angst jetzt auch nicht mehr vorhanden. Sein Vater konnte ihn nicht
mehr einschüchtern. Aber trotzdem wusste er, er würde sich vor seinem Vater
rechtfertigen müssen, weshalb er in einer Betreuung für Kinder arbeiten musste.
Dann
würde Lucius ihm vorwerfen, er würde nichts mit seinem Leben anfangen und den
guten Namen ruinieren und dann würde er schreien und seinem Vater sagen, dass
er sich aus seinem Leben raushalten solle, und dann würde er einen Monat nicht
mehr zu Besuch kommen.
Er
seufzte. Er hatte das Gefühl, er hatte kein Leben mehr. All diese Kinder, die
ihm den Nerv raubten und Granger, die er nicht leiden konnte. Es war als müsste
er in seiner persönlichen Hölle arbeiten. Das schlimme war, er gewöhnte sich
langsam an seine schlechte Laune, an das frühe Aufstehen, an die vielen Kinder,
die alle mit ihm spielen wollten, obwohl er nie ein freundlicher Mensch gewesen
war.
„Draco?“
„Ja?“,
sagte er mechanisch.
„List du
mir noch mal das Nuggelbuch mit den Dinosaren vor?“ Seine Mundwinkel zuckten.
Granger hatte zwischen den magischen Märchen natürlich auch Muggelbücher
platziert. Er nickte.
„Dinosauriern,
Michael.“, korrigierte er die Grammatik des Jungen.
~*~
Anscheinend
war die kleine Weasley krank. Granger hatte nichts gesagt, aber sie war immer
noch nicht da und es war schon nach drei. Immer noch hatte er ihren Zauberstab.
Er wollte ihn auch gar nicht wieder geben.
Aber er
konnte ihn nicht mitnehmen.
„Draco?“
Sein Bruder sah ihn an. „Baust du die Burg?“ Draco erhob sich und legte Michael
auf die Kissen neben sich. Er war beim Lesen eingeschlafen. Draco wusste jetzt
fast alles auswendig, was es über Eier legende Riesenexen zu wissen gab.
Informativ dieses Vorlesen.
„Ich
könnte mir nicht Besseres vorstellen, Kleiner.“, sagte er. Scorpio sah ihn kurz
an. Dann lachte er.
„Ja!“ Er
reckte die Faust in die Luft. „Jungs, mein Bruder kommt. Der baut die beste
Burg.“
„Scorpio?“
Er zuckte zusammen, als er die Stimme hörte. Es war also Zeit. Er erhob sich
aus der Bauecke. Dabei waren sie erst gerade mit der weltbesten Burg fertig
geworden. Den anderen Jungen hatte er erklärt, wie das Dach am besten gebaut
wurde, damit die Steine zur gleichen Zeit die Farbe wechselten.
Sein
Vater sah ihn argwöhnisch an.
„Draco?
Was tust du hier? Wolltest du etwa deinen Bruder abholen?“ Als ob seine Eltern
Scorpio jemals abholen würden. Seine Mutter hatte Scorpio bereits in die Arme
gezogen.
„Mein
kleiner, blonder Engel!“, rief sie glücklich. Draco versuchte sich diese
Erinnerung ins Gedächtnis zu rufen. Hatte sie ihn je so genannt? Hatte sie ihn
je so umarmt? Neid war eine schlimme Sache.
„Ich…
arbeite hier, Lucius.“, erklärte er knapp.
„Was?“,
zischte sein Vater, aber Draco wollte es jetzt nicht erklären.
„Vater!“
Seine Mutter hatte Scorpio wohl entlassen. Und es war unglaublich. Lucius‘ Wut
verrauchte augenblicklich und ein Lächeln erhellte seine Züge und er sah fast
so jung aus, wie Draco ihn noch in Erinnerung hatte.
„Mein
Sohn! Ich habe dich sehr vermisst.“ Er hob ihn auf den Arm. Draco war, als
legte sich eine kalte Hand um seinen Hals. „Draco, wir sprechen noch darüber.“,
murmelte sein Vater.
„Mr
Malfoy, Mrs Malfoy. Ich hoffe, Ihre Reise war angenehm. Scorpio ist ein lieber
Junge.“ Ihre Stimme leierte. Was war mit ihr überhaupt los? Sie war gar nicht
mehr so euphorisch. Sie hatte ihn heute nicht einmal mehr angeschrieen.
Eigentlich hatte er sie heute überhaupt nicht gesehen, wenn er richtig überlegte.
„Ms…
Granger, richtig?“ Lucius war ein Arschloch.
„Ahem,
ja.“
„Wir
müssen auch los.“, erklärte Lucius knapp.
„Was
machst du hier, Draco? Wolltest du Scorpio abholen? Wie nett von dir.“ Die
Worte seiner Mutter klangen kaum aufrichtig.
„Nein,
Narzissa, anscheinend arbeitet Draco hier.“ Seine Mutter verzog den Mund.
„Was?
Wieso sollte er?“, flüsterte sie schockiert. Draco seufzte.
„Ich
habe mich an meinem Geburtstag daneben benommen und das ist meine Strafe.“
Lucius‘ Augen verengten sich zornig.
„Was? Das ist nicht dein Ernst, Draco!“ Seine Stimme kühlte um einige Grad ab.
Aber er schrie nicht. Nein, sein kleiner Goldschatz saß ja auch auf seinem Arm.
„Draco,
kommst du heut Abend?“, fragte Scorpio, der den Stimmungswechsel nicht
mitbekommen hatte.
„Nein, Draco kann heute nicht.“, erwiderte sein Vater für ihn.
„Oh.“
„Wir
gehen. Narzissa, komm.“ Er verabschiedete sich weder von ihm, noch von Granger.
Scorpio winkte leicht.
Sie
waren verschwunden. Er seufzte.
„Du
kannst gehen. Ich mach gleich zu.“, sagte sie kurz angebunden. Ja, er konnte
gehen. Er hatte hier nichts verloren. Und Zuhause hatte er auch nichts
verloren, und in seiner Wohnung wohnte er auch nicht wirklich.
Die
letzten Eltern verließen das Haus.
Er
setzte sich auf die kleine Bank in den Flur und vergrub den Kopf in seinen
Händen. Endlich war Wochenende. Aber das würde ihm sein Vater zu versauen
wissen, nahm er an.
„Ich hab
gesagt, du kannst gehen, Malfoy.“, sagte sie ausdruckslos.
„Ja, ich
gehe ja schon, verflucht noch mal.“ Er erhob sich schwer. Er erwiderte ihren
Blick. Er konnte ihn nicht wirklich deuten. „Verschon mich, Granger.“ Er hatte
keine Lust, dass sie sich darüber lustig machte, wie sein Vater mit ihm umging.
„Lass
mich in Ruhe. Verschwinde einfach.“ Sie wandte sich ab. Sie wirkte müde. Und
sie ging zurück in den leeren Hauptraum. Alles fühlte sich scheiße an. Er
wollte nicht, dass sie ihn verurteilte. Als wäre sie etwas Besseres!
Er
folgte ihr. Sie setzte sich auf eines der großen Kissen. Dort lag noch das
Dinosaurierbuch. Sie nahm es in die Hände, ohne es anzusehen.
„Granger…“, begann er, aber sie blickte aus den Fenstern.
„Malfoy,
es ist Freitag. Die Woche ist jetzt vorbei und ich möchte dich wirklich nicht
mehr sehen.“
„Glaub
mir, ich will dich auch nicht sehen.“, erwiderte er.
„Was
willst du dann von mir?“ Jetzt sah sie ihn an. Ernst und erschöpft. Er öffnete
den Mund, schloss ihn aber wieder.
„Nichts.“,
sagte er schließlich. Er hielt inne und zog den Zauberstab aus seiner Tasche.
„Hier.“ Er legte ihn auf den Tisch, als sie nicht reagierte. Und irgendwas in
seinem Innern hätte sie gern gefragt, was passiert sei, aber er fragte nicht.
Er
rührte sich jedoch nicht.
„Worauf
wartest du, Malfoy?“, fragte sie trocken. Er war zu müde, um sich zu streiten.
„Auf gar
nichts, Granger.“
„Dann
geh endlich!“ Ihre Stimme wurde lauter.
„Wirfst
du mich raus?“
„Ja, ich werfe dich raus.“ Sie hatte sich erhoben. Sie funkelte ihn zornig an,
die braunen Augen dunkel vor Wut. Einzelne Strähnen fielen in ihre Stirn. Nach
einer gewissen Zeit hielten sie nicht mehr in ihrem Zopf. Draco fand, sie sah
sowieso besser aus, wenn sie die Haare offen trug. … - Wenn sie überhaupt gut
aussah.
„Was hab
ich dir getan?“ Er runzelte die Stirn. Sie war wie eine tickende Zeitbombe.
„Was?
Fragst du das wirklich?“ Jetzt schrie sie. „Verschwinde endlich! Du versaust
mir sowieso jede Sekunde hier. Jetzt ist Freitag. Jetzt habe ich zwei Tage
Ruhe. Also, hau ab!“
Er
starrte sie an. Sie konnte sich hinten anstellen, in die Schlange der Leute,
die glaubten, er versaue den Tag. Er vermisste Scorpio. Denn er warf ihm
niemals vor, er versaue den Tag. Tatsächlich mochte ihn sein Bruder, wie eklig
er sich auch ihm gegenüber verhielt. Eigentlich hatte er es nicht verdient.
„Manchmal
hasse ich es, dass er mein Bruder ist.“, sagte er abwesend. „Manchmal wünschte
ich, er wäre mein Sohn. Dann müsste er nicht zu Lucius.“ Seine Stimme klang
bitter. Jetzt hatte er es gesagt. Es war ungerecht, dass Lucius die Liebe
bekam, die er überhaupt nicht verdient hatte. Aber gut, er selber hatte sie nun
auch nicht verdient. Er war neidisch auf Scorpio, weil er richtige Eltern
hatte. Und er war neidisch auf Lucius, weil er einen Sohn hatte, der ihn
liebte.
Er hatte
niemanden. Nicht mehr.
„Was?“
Erst jetzt registrierte er, dass sie ihn ja hören konnte. Er war schon ganz
neben sich.
„Nichts.“,
knirschte er bitter. „Vergiss es.“
„Du
magst deinen Bruder also doch.“, sagte sie leise. Er lachte.
„Was
denkst du? Dass ich meinen eigenen Bruder hassen würde?“ Sie sah unschlüssig
aus. Anscheinend sah es für manche tatsächlich so aus. „Ach, und die
Beleidigung tut mir wirklich leid.“, fügte er unwirsch hinzu.
„Welche?“,
fragte sie jetzt spöttisch. Kurz hoben sich seine Mundwinkel.
„Ich
habe es Scorpio erklärt. Und ich habe ihm gesagt, dass es Unrecht ist, jemanden
nach seinem Blut zu verurteilen, aber ich glaube nicht, dass er diesen Unsinn
sowieso verstanden hat.“ Er fuhr sich über die Stirn und durch die hellen
Haare. „Also, schönes Wochenende, Granger.“
„Danke.“,
sagte sie etwas perplex. Was war los mit ihm? Anscheinend machte ihn die
Müdigkeit handzahm. Wahrscheinlich sprach gerade sein Schwanz, der ihm
signalisierte, dass Granger ein Mädchen war.
Er ließ
sie allein. Das war es schließlich, was sie wollte. Er hatte auch genug von
ihr. Sie schien auf ihn abzufärben. Er wurde freundlicher. Ohne, dass er es
verhindern konnte. Vielleicht lag es auch nicht an ihr, sondern an diesen
Kindern, die einfach vollkommen lieb und unschuldig waren. Sie machten es
schwer, sein gewöhnliches Misstrauen und seinen üblichen Hass aufrecht zu
erhalten.
Der
Abend bei Lavender war unspektakulär verlaufen. Sie war auch ziemlich verwirrt
wieder gegangen. Sie bekam ihn nicht aus ihren Gedanken. Sie konnte nicht
anders, als immer wieder darüber nachzudenken, ob er ihr vielleicht leidtun
könnte.
Sie war
Hermine Granger. Sie war nicht böse. Sie war nicht nachtragend bis zum Tod. So
war sie nicht. Und sie konnte nicht verhindern zu überlegen, dass es für
Malfoys Verhalten einen Grund gab.
Er hatte
wahrscheinlich nicht umsonst die Fenster kaputt geworfen.
Hatte er
denn wirklich niemanden? Das glaubte sie nicht. Er hatte doch seine alten
Freunde. Pansy und Goyle. Zabini und dieses ganze Slytherin Pack. So war es
doch. Er war nicht allein.
Aber war
das wirklich die richtige Gesellschaft? Und er entschuldigte sich tatsächlich
dafür, sie beleidigt zu haben? War das Scorpios Einfluss?
War das
gut oder schlecht? Sie hatte keine Ahnung. Sie wollte auch nicht darüber
nachdenken, denn je mehr sie über Draco Malfoy nachdachte, umso verrückter kam
sie sich im Endeffekt vor.
Was
machte sie sich überhaupt Gedanken? Es war seine eigene Schuld, wenn er sein
Leben nicht in den Griff bekam. Vielleicht brauchte er… einfach einen Job.
Einen richtigen Job. Sobald er seine Arbeit geleistet hatte. Aber es war nicht
ihre Sache, sich darum zu kümmern. Wessen Sache war es? Malfoys Sache. Klar.
Aber er schaffte es ja anscheinend nicht.
Sie war
wütend auf sich selbst. Jetzt saß sie hier und dachte über Jobmöglichkeiten für
Draco Malfoy nach. Es war ja nicht so, dass er keinen Job bekommen könnte. Er
hatte schließlich sehr gute Noten gehabt.
Anscheinend
wollte er keinen Job annehmen. Aber warum nicht? War er faul? Definitiv. Ja.
Und er war verwöhnt. Und eigentlich konnte sie ihn wirklich nicht leiden. Dass
er einmal einen Absturz hatte, und seine Fehler bereute hieß nicht, dass er
jetzt auf einmal geläutert war.
Sie
seufzte.
Nein,
sie musste damit aufhören. Sie würde sich ganz bestimmt nicht um Draco Malfoy
kümmern. Sie konnte sich schon denken, wie er es auffassen würde. Er würde sie
beschimpfen und ihr sagen, dass sie sich aus seinen Angelegenheiten raushalten
sollte.
Und das
würde sie auch tun. Sie würde sich raushalten.
Punkt.
Aus. Ende.
~*~
„…Und
deshalb habe ich diese Sachen für dich gefunden.“ Ihre Stimme klang fast schon
ärgerlich. Er hielt noch immer seine Tür in der Hand und starrte sie an. Sie
wedelte mit dem Ordner vor seinem Gesicht, als wolle sie Fliegen verscheuchen.
„Granger,
was tust du hier? Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte er verschlafen und
fuhr sich müde durch die hellen Haare.
„Es ist
doch so: Ich denke, du tust nur so. Oder es ist irgendein seltsamer Schrei um
Hilfe, Malfoy. Also, bitte. Ich biete dir Hilfe. Du kannst ja nicht völlig
unbegabt sein. Außerdem öffnet dein Name ja bekanntlich viele Türen.“
Sie wich
seinen Fragen aus.
„Es ist
halb zehn.“, sagte er, aber anscheinend war ihr das egal.
„Also,
was denkst du? Ich habe die Sachen raus gesucht, die… na ja… sie sind jetzt
nicht so lukrativ wie… hier rumzusitzen und das Geld von deinem Vater zu
bekommen, aber es sind anspruchsvolle Sachen dabei. Das Ministerium würde dich
sicher nehmen. Da wären dann noch Geldgeschäfte, Gringotts, zum Beispiel. Ich
denke, die wären begeistert.“ Sie durchsuchte den Ordner.
„Hier
sind einige Daten zu Quidditchmannschaften in der Umgebung, obwohl ich nicht
denke, dass du das wirklich in Erwägung ziehst. Es ist gut für Ron, aber… na
ja, es ist nichts richtiges, weißt du?“
Er holte
Luft, aber sie hatte wohl nicht vor, allzu bald aufzuhören zu sprechen.
„Außerdem
denke ich, zählt ja eher die Absicht. Im Moment weiß ich nicht, wonach du
suchst, deswegen habe ich einfach mal grob alles hier rein gepackt.“ Sie
wedelte wieder mit dem Ordner. „Also?“
Anscheinend
durfte er jetzt sprechen.
„Du
willst mir einen Job suchen?“, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach, weil
ihm absolut nicht aufging, was das alles sollte.
„Ja, ich
weiß. Ich habe einkalkuliert, dass du schreien wirst, dass du mich demütigen
wirst, dass du dich lustig machen wirst über mein ständiges Verlangen, Menschen
zu helfen – Menschen, die es eigentlich nicht nötig haben, oder nicht
verdienen, oder was auch immer.“ Sie bekam rote Flecken und schüttelte rigoros
den Kopf. Sie trug die Haare heute offen.
„Aber
ich sehe es so: Wenn dir keiner helfen will, und du hast Hilfe dringend nötig,
dann kann ich mich anbieten. Denn es stört mich unheimlich, dass ich sehe, wie…
furchtbar die Welt anscheinend für dich ist – auch wenn du keinen Grund hast.“
Er öffnete den Mund. Sie hob abwehrend die Hand.
„Und bevor du schreist, will ich nur sagen, ich tue das bestimmt nicht, weil
ich dich leiden kann oder weil du ein guter Mensch bist oder weil es sonst
nichts gibt, was ich tun könnte, ich tue es, weil es eben in meiner Natur
liegt. Also, sei kein Idiot und stoß einmal nicht deine Gegenüber vor den
Kopf!“
Sie sah
ihn wütend an, als hätte er sie so eben beleidigt.
„Woher
weißt du, wo ich wohne?“, wiederholte er verwirrt seine Frage.
„Die
Auskunft hat es mir gesagt.“, sagte sie kopfschüttelnd, als hätte er eine
besonders lächerliche Frage gestellt.
„Und…
wieso…? Wieso tust du das?“ Vielleicht träumte er. Es war surreal. Wirklich.
„Was? Das habe ich dir doch gerade erklärt.“ Sie wirkte gereizt. War sie
gereizt, damit sie es besser ertragen konnte, wenn er sie auslachte? Aber
eigentlich war ihm nicht nach lachen zu mute. Granger stand vor seiner Tür und
wollte ihm helfen. Warum auch immer.
„Du
willst mir helfen, einen Job zu finden, damit ich…?“ Er sah mit großen Augen
an. Sie sollte diesen Satz bitte für ihn beenden, denn warum sie das alles tat,
war ihm nicht klar. Und sie tat ihm diesen Gefallen.
„Damit
du nicht alleine in der Wohnung sitzt, dich sinnlos betrinkst, Leute anpöbelst
und dich selbst bemitleidest, Malfoy. Wenn du nicht zufrieden bist, dann musst
du dein Leben ändern.“
„Und ein
Job ändert mein Leben?“ Er schüttelte langsam den Kopf.
„Sicher
tut er das. Du willst doch nicht ewig von deinem Vater Geld nehmen?“
Anscheinend verstand sie nicht, dass er das Geld sowieso bekam. „Außerdem
kommst so mal raus, in andere… Bereiche. Und vielleicht lernst du da… Menschen
kennen, Mädchen. Du heiratest, gründest eine Familie.“, zählte sie auf.
„Das
heißt, du willst nicht nur einen Job für mich finden, sondern auch eine Frau?
Vielleicht noch ein nettes Landhaus, einen Labrador, einen weißen Gartenzaun?“
Er konnte kaum fassen, dass sich Granger in sein Leben einmischte.
„Malfoy,
sieh dich an! Ich denke, es würde dir gut tun. Du bist längst nicht mehr so…
widerlich… wie ich dich in Erinnerung habe.“ Das war ein ziemliches schlechtes
Kompliment.
„Ich denke, ich kann mich selbst um mein Leben kümmern.“, sagte er jetzt. Er
hatte noch nicht einmal Kaffee gehabt. Sie musterte ihn mit einem eindeutigen
Blick. „Und selbst wenn nicht, wieso sollte ich dich um Hilfe bitten?“
„Ich
weiß, du hast ein ziemlich großes Problem mit deinem Stolz und deinem Ego,
deswegen bin ich hier. Du musst nicht bitten. Du musst dich nicht einmal
bedanken. Lass dir einfach helfen, verflucht noch mal!“ Jetzt war sie richtig
wütend. Dabei hatte er allen Grund ihre Hilfe abzulehnen. Er war erwachsen, er
brauchte sie nicht als seinen Life-Coach.
„Granger…
vielleicht solltest du dir ein Hobby suchen. Einen Hund, eine Katze, eine
Zimmerpflanze, vielleicht fängst du an Frauenromane zu schreiben, oder du
beobachtest Vögel.“, schlug er vor, denn er bezweifelte, dass sie noch bei
Verstand war. Oder sie suchte sich einen Freund, fügte er in Gedanken hinzu.
„Du
lehnst also meine Hilfe, ohne dir die Sachen angesehen zu haben?“, fragte sie
herausfordernd.
„Wenn
ich einen Job will, dann werde ich mich schon selber darum kümmern.“, erwiderte
er gereizt.
„Schön.“
Anscheinend hatte sie sowieso mit seiner Ablehnung gerechnet. Sie knallte den
dunklen Ordner auf seine Fußmatte und machte auf dem Absatz kehrt.
Er sah
ihr nach, bis er unten die Tür gehen hörte und bückte sich nach dem Ordner. Er
blätterte durch die Seiten. Sie hatte Anzeigen ausgeschnitten, hatte alles
katalogisiert und alphabetisch abgeheftet, hatte Telefonnummern an die Seiten
geschrieben und handgeschrieben Notizen zu den verschiedenen Unternehmen und
Arbeiten gemacht.
Und es
war tatsächlich von A bis Z alles drin. Er hatte hier Informationen über drei
Reiseagenturen in London, über eine Zoohandlung exotischer Tiere,
Anmeldeformulare für Hogwarts für einen Lehrstuhl in den Fächern Zaubertränke
und Sport. Er konnte sich bei Gringotts bewerben, anscheinend suchten sie noch
einen Goldsucher, so entnahm er es jedenfalls ihren Notizen, und er konnte sich
auf mehrere Beamtenpositionen im Ministerium bewerben.
In der
Strafverfolgung, Rechte für magische Wesen, magische Rechtsabteilung und die
Abteilung für magisches Baurecht.
Auf den
letzten Seiten standen zwei Versicherungen, die noch Aushilfen suchten. Dort
hatte sie das Wort temporär neben geschrieben.
Dann standen dort mehrere Nummern zu verschiedenen Ministerien in anderen
Ländern, wo er als Botschafter tätig werden könnte.
Außerdem
noch regionale Quidditchteams, die zwar nicht suchten, aber bei denen er
vorfliegen könne, und die Nummern hatten sie an die Seite geschrieben. Auch die
Namen der Kapitäne.
Er hob
den Blick. Er konnte sich denke, dass sie das Mühe gekostet hatte. Ziemlich
viel Mühe sogar. Aber er wusste nicht, weshalb sie das getan hatte. Wieso
wollte sie ihm unbedingt helfen? Ihm? War das wirklich ihre Natur?
Selten
konnten ihn Menschen noch überraschen. Aber das hier, das war so ziemlich die
größte Überraschung des Jahrhunderts.
Ein
Zettel rutschte aus dem Ordner. Dort hatte sie nur einen Namen und eine
Telefonnummer, scheinbar in Eile, drauf gekritzelt. Allerdings erweckte dieser
Zettel tatsächlich seine Neugierde.
~*~
Es war
noch früh. Sie war eher gekommen, denn sie hatte nicht mehr schlafen können.
Hektisch räumte sie Stühle in eine andere Ecke. Sie hatte auch von der
Dekoration genug. Sie würde die Kinder heute etwas Neues basteln lassen.
Lautlos
war der Elf erschienen. Sie wandte sich erschrocken um, als er sprach.
„Guten
Morgen. Ich bringe Master Scorpio und hole ihn um fünf.“ Damit verschwand der
Elf.
„Ms Hermine!
Ich habe mich schon gefreut! Du nimmst ja die Tiere ab.“, stellte er
erschrocken fest. Seine grauen Augen blickten sie bestürzt an.
„Oh,
Scorpio, weißt du, ich denke, die hängen da lange genug. Wir basteln heute
etwas neues, ok?“
„Was denn?“ Er klang skeptisch und verzog den Mund wie sein Bruder.
„Na ja…
wie wäre es mit Clowns?“, fragte sie. Er runzelte die kleine Stirn.
„Klauns?“,
fragte er. „Wie aus dem Zirkus?“ Sie lächelte.
„Ich
habe bestimmt ein Buch, da können wir dann welche abmalen.“
„Ich mag
Klauns. Die sind lustig. Vater mag den Zirkus nicht. Es ist ihm zu laut. Aber
ich mag das. Draco war mit mir da.“ Er nickte wichtig. „Wo ist Draco?“ Hermine
war sich nicht sicher, ob er kommen würde. Er musste zwar, aber es handelte
sich um Malfoy. Zu den Treffen der Vertrauensschüler war er auch nie gekommen.
Aber
ihre Sorge war unbegründet, denn er kam bereits durch die Tür. Und nicht nur
das. Er lächelte, er war wach und er sah unverschämt elegant aus. Dabei trug er
wieder die zerschlissene Jeans. Irgendwas war anders. Sie mied seinen Blick.
„Hey,
Scor!“ Er hob seinen Bruder auf die Arme.
„Draco! Du warst gar nicht Zuhause.“ Er zog eine Schnute. Malfoy lachte laut.
Es klang angenehm.
„Nein,
aber das hole ich nach. Ich muss mit Lucius sprechen.“
„Oh
nein. Du schreist doch nicht wieder?“ Der Junge schien besorgt zu sein.
„Nein.
Werde ich nicht. Hör zu, wieso gehst du nicht schon mal Hände waschen? Dann
musst du es gleich nicht tun.“ Scorpio flitzte aus dem Zimmer. Großartig. Jetzt
war sie hier mit ihren peinlich roten Wangen allein mit ihm.
„Rate,
was ich gemacht habe, Granger?“ Er lächelte immer noch. Völlig charmant. Sie
bekam Angst.
„Ich…
weiß nicht.“, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Sie begann die Tiere von den Fenstern
zu nehmen. Sie und Ginny hatten sie nachträglich verhext, damit sie nicht so
langweilig waren. Der gezeichnete Löwe, leckte sich gerade über die Pfote, als
sie ihn abnahm.
„Ich hab
mich beworben.“, erklärte er gelassen. Sie vergaß, dass sie böse war und ihn
eigentlich nicht ansehen wollte.
„Du hast…? Wo?“, fragte sie erfreut, und er grinste.
„Ich
sage es dir, wenn sie mich annehmen.“ Unvermittelt streckte er ihr seine Hand
entgegen. „Danke, Granger.“ Sie betrachtete sie kurz, ehe sie ihm ihre Hand
reichte. Wieder merkte sie, wie warm seine Haut war. Ihre Finger waren meistens
kalt.
„Keine
Ursache.“
„Wenn
das alles klappt, dann… habe ich dir viel zu verdanken.“
„Schon
gut.“ Es war ihr wirklich mehr als peinlich. Vor allem kam sie sich hässlich und
nichtssagend neben dem schlanken, schönen Draco Malfoy vor. „Ich… muss ins
Büro. Empfang die Kinder, wenn sie kommen.“ Sie verließ den Raum.
Er hatte
es sich also doch zu Herzen genommen. Und er hatte ihr gedankt! Sie fühlte sich
leichter als sonst. Es war lange her, dass sie mal etwas Gutes für jemand
anders getan hatte. Die Kinder mal ausgenommen. Es war lange her, dass sie
überhaupt mit einem Erwachsenen zu tun hatte. Ohne Kinder.
Gerade
als sie sich gegen die Tür lehnte, erschien Ginnys Kopf im Kamin. Sie hatte
sich das Wochenende tatsächlich nur um Malfoys Ordner gekümmert. Sie schämte
sich fast, dass sie ihre beste Freundin vergessen hatte.
„Hermine! Du glaubst es nicht! Ich habe doch gedacht, es wäre Grippe!“
Hermine
runzelte die Stirn und ging auf die Knie.
„Ja? Wie
geht es dir denn?“
„Ausgezeichnet!“,
lachte Ginny. „Hermine, ich bin schwanger!“
Und
Hermine lächelte und gratulierte ihrer Freundin. Sie sagte, das würde alles
auch mehr Sinn machen, als die Grippe, und dass Ginny erst kommen sollte, wenn
sie sich danach fühlte.
Erst als
Ginny verschwunden war, verschwand auch das Lächel von ihren Lippen. Das
bedeutete nämlich, dass sie übrig blieb. Ron war Vater, Harry würde Vater
werden, Ginny war dann Mutter. Dean und Lavender hatten ein Kind und somit
blieb sie allein.
Ihr
wurde mit Entsetzen klar, dass sie alleine war. Sie hatte vorher noch nicht
darüber nachgedacht. Nicht wirklich. Aber jetzt saß der Kloß in ihrer Kehle.
Und er verschwand nicht. Sie hatte Malfoy geholfen, aber wer half ihr?
„Wie
konntest du dich nur so benehmen, Draco?“ Sein Vater umrundete ihn, wie ein
Beutetier. „Du bist kein Junge von der Straße. Du bist nicht einmal mehr ein
Junge.“, fügte er zorniger hinzu.
„Die
Leute können dich jetzt sehen, wie du diese niveaulose Arbeit vollrichtest.“
Draco hatte sich wirklich nur schweren Herzens dazu durchringen können hier hin
zu kommen. Er hatte eigentlich nie wieder mit seinem Vater sprechen wollen,
aber das war nun mal auch unmöglich.
„Lucius,
es ist keine niveaulose Abriet.“, sagte er ruhig.
„Bei
Merlin, hat sie dir deinen Kopf verdreht? Was gibt es niederes und
undankbareres als das?“ Man sollte nicht meinen, dass der Mann vor ihm selber
ein Kind hatte, das er in diese niveaulose Einrichtung schickte.
„Vielleicht…
Menschen umbringen. Oder sich schwarze Tattoos auf die Arme stechen lassen.
Oder seine Frauen mit Bediensteten betrügen…“ Seine Kühnheit überraschte ihn.
Auch seinen Vater, aber diese Überraschung hielt nicht lange vor. Sie verwandelte
sich schnell in Zorn.
„Wärst
du nicht schon so alt, dann würde ich dir dafür ins Gesicht schlagen und dir
Respekt lehren, Draco Malfoy.“, knurrte er. Und Draco glaubte ihm unbesehen.
„Aber es
ist ja nur eine Arbeit, die ich machen muss. Ich habe mich beworben, Lucius.“,
sagte er nun, als wäre der Moment gar nicht passiert. Lucius schien noch nicht
völlig über den Schock hinweg, aber er atmete schließlich langsam aus.
„Wirklich?
Nicht als Todesser, nehme ich an.“, erwiderte er trocken. Dracos Mundwinkel
zuckten freudlos.
„Und ich
wurde angenommen.“, setzte er schließlich hinzu.
„Die
Tatsache, dass du es mir bisher nicht verraten hast, lässt mich sicher sein,
dass es nichts von dem ist, was ich dir geraten habe, richtig? Ansonsten
hättest du es wohl schon gesagt.“ Die Stimmung seines Vaters verschlechterte
sich noch ein wenig.
„Die
Fluchbanner haben mich angenommen.“, erklärte Draco. Ohne Stolz. Er war einfach
nur froh darüber.
„Die
Fluch…? Das ist keine Abteilung im Ministerium.“
„Ich
weiß.“ Jetzt klang er stolz.
„Draco,
das bringt dir nicht einmal ansatzweise so viel Geld, wie die Plätze, die ich
für dich vorgesehen habe! Du verkaufst dich unter Wert. So weit unter Wert,
dass es mich fast anwidert. Wie kannst du so dumm sein? Wer hat dir das in den
Kopf gesetzt?“ Er schwieg daraufhin. Denn dann müsste er sagen, dass es Granger
war, und irgendwas hielt ihn dennoch davon ab.
„Es ist
meine Entscheidung. Es ist mein Leben, Lucius.“
„Das ist
mir bewusst.“ Sein Vater sah aus, als wolle er ihn auf der Stelle umbringen.
„Ich billige diese Entscheidung nicht, Draco.“
„Ja, ich
weiß.“
„Und das
ist dir gleich?“ Es war eine Fangfrage. Draco kannte dieses Spiel von seinem
Vater bereits.
„Ja.“
Aber er hatte keine Angst mehr es zu spielen.
„Wenn du
merkst, wie falsch deine Entscheidung war, brauchst du nicht zu mir kommen.
Diese Chance hast du verspielt, Draco. Aber vielleicht hilft dir Hermine
Granger ja.“ Kurz warf Draco dieser Name aus der Fassung. Was meinte sein Vater
damit? Aber er zwang sich, nicht darauf einzugehen. Das war es schließlich, was
sein Vater wollte.
„Ich
denke, ich werde gehen.“, sagte er ruhig.
„Ja, das
wäre wohl besser, ehe ich mich vergesse.“ Sein Vater fixierte ihn zornig. Draco
konnte sich beinahe vorstellen, was er dachte. Er überlegte bestimmt, was er
nur falsch gemacht haben könne, dass sein Sohn kein verfluchter, goldbesessener
Mistkerl werden wollte.
„Wir
sehen uns am Wochenende.“ Draco konnte es nicht erwarten, bis Scorpio endlich
alt genug war zu apparieren und am Wochenende zu ihm zu kommen. Er kam nur
wegen seines Bruders.
Seine
Eltern waren nur das lästige Anhängsel, das er eben ertragen musste.
Aber
dennoch war er als erstes hier her gekommen, als er seine Zusage bekommen
hatte. Einerseits, weil er seinen Vater damit zur Weißglut treiben konnte und
andererseits, weil er sonst niemanden wusste, zu dem er gehen könnte.
Pansy
würde Lucius‘ Meinung teilen, also wieso sollte er zu ihr gehen? Und Greg
schloss sich natürlich der Meinung seiner Frau an. Immer.
Zabini
verdiente so viel Geld, dass er ihn wahrscheinlich auch ausgelacht hätte. Gut,
er wusste, Granger würde sich für ihn freuen. Vielleicht sollte er zu ihr
gehen? Er verzog den Mund.
Er
musste sich dringend neue Leute suchen. Sonst würde er noch ein Muggelfreund
werden. Er machte sich da eigentlich auch nichts mehr vor. Er sah mittlerweile
schon fast keinen Grund mehr, Granger zu beleidigen. Wenn, dann nur aus
sportlichen Gründen. Und vielleicht, weil sie wirklich nervig war mit ihrer
ewigen Weltverbesser-Art.
Aber… er
fühlte sich so gut, wie schon lange nicht mehr. Er konnte sich gar nicht
erinnern. Siebenundzwanzig kam ihm gar nicht mehr besonders alt vor. Eigentlich
war es gar nicht alt. Er wollte sich bei ihr bedanken. Ja, was könnte er tun,
um sich erkenntlich zu zeigen?
~*~
Er hatte
ihr Haus gefunden und klopfte laut gegen die Wohnungstür. Drinnen hörte er
leise Musik. Sie war also da. Aber sie rührte sich nicht. Er klopfte lauter als
vorher und wechselte sein Standbein. Er wusste, sie war eigentlich sauer auf
ihn und –
Seine
Gedanken rissen jäh ab, als sie schließlich die Tür öffnete.
Sie
hatte argwöhnisch den Kopf schief gelegt und der Großteil ihrer Haare hing wild
aus dem unordentlichen Zopf in ihr Gesicht. Sie trug eine Jogginghose, ein
Shirt und in ihrer linken Hand eine Flasche günstigen Wein. Dieser war
halbleer.
„Du
trinkst.“ Es war keine wirkliche Frage. Er hatte es gar nicht sagen wollen.
Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem absurden Grinsen.
„Nein.
Ich trage diese Flasche einfach so mit mir rum, Malfoy.“, erklärte sie immer
noch grinsend, in einem nachsichtigen, Nerv tötenden Ton, den er schon zu
genüge von ihr kannte. Allerdings diesmal mit einer betrunkenen Note.
„Ahem…
ich wollte…“ Auf einmal kam ihm seine Idee bescheuert vor, hierhergekommen zu
sein.
„Was?
Ich bin beschäftigt.“, gab sie unwillig zurück und wäre fast aus dem Türrahmen
gerutscht, an dem sie jetzt lehnte.
„Ach
wirklich? Hast du Gesellschaft?“, fragte er spöttisch, denn er nahm nicht an,
dass sie in diesem Aufzug wirklich noch andere Person zu Gast hatte.
„Ja!“,
gab sie trotzig zurück. Er warf einen Blick über ihre Schulter in ihre
überschaubare Wohnung.
„Mhmm…“,
erwiderte er gedehnt. Sie verzog zornig den Mund.
„Hau
endlich ab.“
„Ich hab
den Job, Granger.“, sagte er jetzt unbeeindruckt und kurz bildete sich eine
steile Falte des Unverstands zwischen ihren Augenbrauen. Dann öffnete sich ihr
Mund.
„Oh. Das
ist… gut. Du solltest es Lucius erzählen.“, fügte sie schließlich grinsend
hinzu.
„Das
habe ich schon getan.“
„Oh.“
Anscheinend gingen ihr jetzt die Worte aus.
„Aber
ich sehe, du bist beschäftigt, also werde ich dich jetzt allein lassen.“ Er
stand immer noch auf der Türschwelle und eigentlich hatte er keine Lust zu
einer betrunkenen Granger zu kommen, die auf einmal nicht mehr wiederzuerkennen
war und nicht mehr zu schätzen wusste, was für ein großer Schritt das für ihn
war.
Dennoch
kam ihm eine Frage in den Sinn.
„Wieso
trinkst du überhaupt?“
„Es ist
Dienstag. Und es ist doch wohl meine Sache.“, gab sie aggressiv zurück. Er hob beide
Hände. Ihm war noch nicht klar, warum sie ausgerechnet Dienstag trinken durfte,
aber er beließ es dabei.
„Ich bin
der letzte, der irgendwen fürs Trinken verurteilt, Granger.“
Sie
schien ihm nicht wirklich zugehört zu haben, denn in einer wilden Geste der
Entschlossenheit setzte sie die Flasche an die Lippen und trank einen großen
Schluck. Sie taumelte zur Seite und geistesgegenwärtig griff er nach ihrem Arm.
„Lass
mich los.“ Sie wollte vor ihm zurückweichen, aber er sah sie dann schon auf dem
Boden liegen, also hielt er sie fest.
„Vielleicht
hast du genug getrunken.“, beschloss er und wollte nach der Flasche greifen.
Doch Granger presste sie an ihre Brust.
„Nein!“,
schrie sie beinahe. Und jetzt konnte er in ihre geweiteten Augen sehen. Sie
waren rot. Ihre Wimpern waren noch feucht. Vor Tränen nahm er an. War irgendwas
passiert? Interessierte es ihn?
„Du hast
geweint? Warum?“ Sein Mund hatte also beschlossen, dass es ihn interessierte.
„Halt
die Klappe, lass mich los und geh endlich!“ Es anscheinend auszusprechen rief
nur wieder ihre Tränen hervor. Denn sie wischte sich wütend über ihre Wange.
„Granger…“
„Nein!
Ich hab keine Lust, mir von dir irgendwas anzuhören. Außerdem…“, setzte sie
überlegen hinzu, „… ich bin schließlich nicht schwanger. Ich kann so viel
trinken wie ich will.“ Sie sah ihn so böse an, als hätte er eben dies
angezweifelt. Aber er runzelte verwirrt die Stirn. Was erzählte sie da? Wer war
schwanger? Er brauchte noch ein paar Sekunden, ehe er verstand.
Dann
klärten sich seine Gedanken.
„Du bist
also neidisch, dass die kleine Weasleys, Potters arroganten Samen in sich
trägt? Ich wusste es die ganze Zeit.“ Scheiß Potter. Das ausgerechnet dieser
Vollidiot sich fortpflanzen muss. Und dass Granger wirklich in Potter verliebt
war… Sie war selber schuld.
„Was? Du
bist widerlich, Malfoy.“, schluchzte sie. „Ich bin nicht neidisch.“ Aber das
war sie ganz bestimmt.
„Du
willst doch wohl nicht Potters Kind haben!“ Er wusste nicht, warum er ihr das
sagen musste, aber Potter war einfach eben… nicht sein Lieblingsthema.
„Nein.
Will ich auch nicht.“, sagte sie verwirrt und schien vergessen zu haben, dass
sie ihn eigentlich rauswerfen wollte. Was? Sie wollte nicht sein Kind? Sie
griff nach der Türklinke. „Bis morgen, Malfoy.“, sagte sie mit tränenschwerer
Stimme.
„Granger,
wegen dir habe ich einen Job! Und ich will, dass du dich jetzt mit mir darüber
freust und mir sagst, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, denn
das tut sonst niemand hier in dieser Stadt!“ Langsam wurde er wütend. Es war
ihre scheiß Idee gewesen und jetzt stand er hier allein.
„Lass
mich in Ruhe.“, sagte sie nur.
„Was?
Nein. Du bist die Weltverbesserin hier. Du hast gefälligst irgendwas zu sagen,
was mich denken lässt, dass das kein Fehler war, verflucht.“ Bei Merlin, am
liebsten hätte er sie geschüttelt.
„Malfoy,
die Welt dreht sich nicht nur um dich.“
„Nein,
anscheinend dreht sich plötzlich alles um Potter, richtig?“, fragte er
aggressiv, aber sie schloss genervt die Augen.
„Ich
habe keine Lust jetzt wieder nüchtern zu werden, nur weil du mich anschreist.
Geh und mach irgendwas kaputt, Malfoy. Aber lass mich in Ruhe.“
„Nein!“
Er wunderte sich kurz selber über seine Resistenz, die er eigentlich nicht
nachvollziehen konnte. Wenn sie ihn nicht sehen wollte, das war doch umso
besser.
„Malfoy…“
„Granger,
ich kann nicht gehen. Du kannst mir nicht einfach helfen und dann aufhören!“,
schrie er etwas haltlos. Das sah sie wohl ähnlich.
„Du bist
ein scheiß arroganter Mistkerl. Was denkst du? Dass ich dir jetzt einen Kuchen
backen werde? Hast du toll gemacht, Malfoy. Du hast deinen Hintern nach zehn
Jahren hoch gekriegt und dich beworben. Mir backt auch niemand einen Kuchen.“
Er hielt kurz die Luft an. Weswegen wollte sie einen Kuchen haben? Wie kam sie
überhaupt darauf? Er war nicht sein Bruder. Obwohl der Trotz ihn langsam allzu
sehr an Scorpio erinnerte.
„Gut.
Dann sag mir, weshalb du weinst und an einem Dienstag trinkst. Dann haben wir
das hinter uns und du kannst dich wieder um dein Malfoy Sozialprojekt
kümmern.“, knurrte er, denn er würde es nicht akzeptieren, dass sie ihm die
ganzen verrückten Ideen in den Kopf setzte und dann nicht dafür gerade stand.
„Ich bin
beschäftigt!“, schrie sie jetzt.
„Mit was?“,
schrie er zurück.
„Ich
trinke mit mir selber!“ Langsam wurde sie heiser. Es war so seltsam, Granger
einmal nicht in der überlegeren Position zu finden. Denn vielleicht war sie das
Arbeitstier mit den größten Chancen, aus ihrem Leben das Beste zu machen, aber
trinken, das konnte sie nicht. Es fehlte ihr an Übung und wahrscheinlich auch
an Problemen dafür.
Er nahm
ihr kurzerhand die Flasche weg, setzte sie selber an die Lippen und trank einen
tiefen Schluck des wirklich widerlichen Zeugs. Keine drei Galleonen, vermutete
er.
„Nein. Jetzt trinkst du mit mir.“ Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, heute
mit Alkohol zu feiern, aber jetzt war es sowieso egal. Sie starrte ihn
entgeistert an.
„Was
soll das?“, flüsterte sie aufgebracht.
„Granger,
ich werde nicht gehen.“
„Du
bist… richtig scheiße.“ Er musste lächeln.
„Richtig
scheiße?“, wiederholte er spöttisch ihre Worte. Sie sah ihn böse an.
„Ja.“,
erwiderte sie trotzig. „Ich habe das Recht allein zu sein und mal nicht immer
für andere da zu sein. Ich kann nur für mich trinken. Ganz allein. Weil, das
ist es ja sowieso, was ich bin. Allein.“ Sie klang bitter. „Und weißt du, was
das heißt?“ Sie lallte etwas. Er antwortete nicht, denn das schien sie nicht zu
erwarten, in ihrem Monolog. „Wer allein ist, der wird auch niemals schwanger.
Denn… alle Leute haben sich zeitig einen Partner gesucht. Es sind alle schon
verheiratet, oder verlobt oder sie gehen heute essen, zeugen heute ihre Kinder.
Es sind nämlich alle schon da, wo ich nicht hinkommen werde!“
Sie nahm
ihm die Flache wieder weg und trank hastig. Sie bekam rote Flecken.
Er
dachte über ihre Worte nach. „Granger, das ist Blödsinn.“
„Ist es
das? Was weißt du schon? Du bist immer allein. Du kannst dir ja nicht mal
selber einen Job suchen.“ Das saß. Unerwartet, aber das tat es wirklich.
„Immerhin
komm ich damit wunderbar klar, im Gegensatz zu dir.“, erwiderte er gepresst.
Sie
lachte plötzlich auf. „Sie dich doch an! Du stehst hier, vor meiner Tür, weil
dir kein anderer Ort mehr einfällt! Zuhause will dich keiner, deine Freunde
sind ebenfalls erfolgreich und verheiratet, und jetzt musst du zu dem blöden
Schlammblut gehen, für das du umsonst arbeiten musst.“
Er
musste sehr viel Kraft aufbringen. Es kostete ihn einiges an Beherrschung,
nicht zu vergessen, dass sie ziemlich viel getrunken hatte. Vielleicht würde er
auch gemein und provokativ werden, würde er eine halbe Flasche Ekelwein
getrunken haben.
Nein,
eigentlich brauchte er dafür nicht einmal Wein. Er zog es vor, diesen Spieß
nicht umzudrehen, denn vielleicht fiel es ihr nicht auf, aber sie unterschied
sich, was diese Vorwürfe betraf, nicht groß von ihm. Gut, sie hatte einen Job.
Aber das war auch schon alles.
„Alles,
was ich wollte, waren zwei Sätze. Du solltest dich freuen und mir sagen, es war
die richtige Entscheidung. Ich kann auf deine ganzen Vorwürfe verzichten,
Granger. Aber ich will diese beiden Sätze immer noch hören.“ Er hatte seine
Hände zu Fäusten geballt und kam sich Gott weiß wie bescheuert vor.
Sie
verzog grimmig den Mund, kam einen Schritt näher und fixierte ihn voller Hass.
„Ich weiß, du warst immer egoistisch. Also kannst du wahrscheinlich nichts
dafür, Malfoy.“ In Wahrheit klang es so, als gäbe sie ihm allein die Schuld.
„Ich freue mich für dich, und es war die richtige Entscheidung.“ Gut, das waren
die beiden Sätze, aber aufrichtig klangen sie nicht. „Zufrieden, Malfoy?“
Nein,
war er nicht. Er seufzte. Es wurde Zeit, wieder siebenundzwanzig zu sein.
„Soll
ich reinkommen?“ Sie sah ihn entgeistert an.
„Wieso?“
„Damit
du nicht allein bist.“, schloss er kurz.
„Ich bin
lieber allein, als mit dir in einem Raum.“, erklärte sie so würdevoll, wie es
mit einer halben Flasche Wein intus eben ging. Sie würde gleich wieder weinen.
Ihre Hände zitterten, und sie biss sich auf die Unterlippe, damit diese nicht
beben sollte.
„Ok. Wir
sehen uns morgen. Falls du dich nicht ins Koma trinkst.“ Er wandte sich ab. Er
war jetzt müde. Er hätte nicht kommen dürfen. Er hätte nicht streiten sollen.
Was hatte er überhaupt bei ihr gewollt? Was interessierte es ihn denn wirklich,
was sie dachte? Sie war einfach nur seine letzte Möglichkeit gewesen, ein
freundliches Wort zu hören.
Bei
Merlin, das hieß eigentlich schon einiges.
Es war wie ein Déjà Vue. Nur jetzt lag ihr Kopf auf der
Tischplatte und er lief munter von einem Raum zum anderen. Sie hasste es, dass
er ausgeschlafen war. Und sie hasste es, das Lisa ausgeschlafen war und mit den
Kindern frühstückte.
Sie wusste nicht mehr viel von gestern Abend, aber sie
wusste noch ziemlich genau, dass sie Malfoy angeschrieen hatte. Und er war
gekommen, weil er den Job bekommen hatte. Sie hatte sich darum gekümmert, als…
ja als was? Als würde es ihr verdammt viel bedeuten, dass er einen Job bekam!
Wie bescheuert sie gewesen war. Sie hatte ihr
Wochenende mit so einem scheiß vergeudet, für einen Mann, der einfach ein
Arschloch war. Und sie wollte sich nicht einmal bei Ginny melden, weil das
grüne Monster der Eifersucht immer noch auf ihrer Brust hockte und Ginny dafür
hasste, dass sie jetzt ein Kind bekam.
Sie war die ältere, sie sollte jetzt an der Reihe sein.
Wieso war niemand in London da, der mit ihr eine Wohnung suchte, mit dem sie
Kindertapeten aussuchen konnte, der ihren Nacken massierte, wenn sie nach Hause
kam? Wieso hatten es alle anderen? Wieso war sie auf einmal so besessen davon?
Er stellte er ihr eine Tasse neben ihren Kopf. Und
wieso zur Hölle, kam sogar Draco Malfoy langsam mit seinem Leben zurecht? Sie
hob langsam den Kopf. Der Kopfschmerz war lediglich ein leichtes Dröhnen hinter
ihren Schläfen und wahrscheinlich hätte sie es bis zum Tagesende ignorieren
können, aber sie wollte nicht. Der Kaffee roch verlockend.
Wieso hatte sie niemanden zu Hause, der ihr morgens
genau so einen Kaffee kochte?
„Du solltest das trinken. Florina hat schon zweimal
nach dir gefragt, und ich glaube, sie wird dich einfach aus der Küche ziehen,
wenn du nicht gleich rüber kommst, Hermine.“ Lisa hatte sich in die Küche
geschoben, mit dem Zauberstab zwei riesige Tabletts vor sich her dirigierend.
Malfoy lehnte an der Theke und bedachte sie keines
Blickes.
„Ja, ja.“
„Was ist denn los? Wirst du krank? Du kannst nicht auch
noch ausfallen, jetzt wo Ginny mit ihrer Übelkeit zu kämpfen hat. Aber
großartig, oder? Ich meine, nicht nur, dass sie schwanger ist, aber auch noch
Harry Potters Kind? Da hat bestimmt schon so manche Hexe drüber nachgedacht.“,
erzählte Lisa schwärmerisch, während sie die Küche wieder verließ. Lisa hatte
anscheinend selber schon darüber nachgedacht. Sie würde es Ginny bei
Gelegenheit erzählen, sobald sie wieder mit ihr sprechen würde.
Sie versuchte sich zu erheben. Er wandte sich ab, und
blätterte durch den Tagespropheten. Widerwillig trank sie seinen köstlichen
Kaffee. Allerdings belebte er sie nicht so, wie sonst.
Und sie wusste nicht, ob sie sich entschuldigen sollte,
oder ob sie einfach gar nichts sagte. Wahrscheinlich hatte sie das kleine
Bisschen Zivilisiertheit zwischen sich und Malfoy vollkommen zerstört. Sie
hatte keine Lust von vorne anzufangen, schon allein, weil er sowieso nicht mehr
lange blieb.
Es hatte überhaupt keinen Sinn. Die Tür ging wieder
auf.
„Oh… Miss Hermine! Da bist du ja!“ Der kleine Scorpio
strahlte sie an. Diese Malfoyfamilie war so unterschiedlich. „Du siehst müde
aus. Warst du spät im Bett? Mein Vater sagt, dass das schlecht für die
Gesundheit ist.“
„Morgen, Scorpio. Nein, ich war nicht spät im Bett.“
Ich war nur sturzbetrunken, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Draco, kommst du gleich spielen?“
„Lass mich eben diesen Absatz lesen, Scor.“ Seine
Stimme klang gewöhnlich. Keine Spur von Arroganz oder Zorn.
„Draco!“, jammerte der Junge und Malfoy wandte sich
seufzend um.
„Ich hab gesagt, ich komme gleich.“ Dann hob der kleine
Junge die Arme in die Höhe und lächelte ein umwerfendes Malfoylächeln. Hermine
fragte sich unvermittelt, ob Lucius‘ Lächeln genauso einnehmend und wunderschön
war. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Scorpios Lächeln schien viel zu groß
für diesen Raum zu sein.
Und Malfoy bückte sich tatsächlich und hob seinen
kleinen Bruder auf seine Arme. Scorpio lehnte seinen blonden Schopf an die
Schulter seines Bruders und schloss die Augen. Malfoy überflog noch einmal die
Seite des Tagespropheten.
Und Hermine stiegen bittere Tränen in die Augen. Sie
griff blind nach ihrer Tasse und wandte sich von diesem Bild ab. Sie hatte
keine Geschwister, die sie auf ihre Arme heben konnte. Sie konnte nicht mal
diese Kinder unbefangen auf ihre Arme nehmen, denn auch diese Kinder verließen
sie am Ende des Tages wieder.
Sie schluckte schwer, und hoffte, niemand sah sie
zittern. Allerdings konnte sie es nicht verhindern. Gott, sie war ein
nervliches Wrack. Vielleicht hätte sie im Bett bleiben sollen. Einfach
verkriechen und nie mehr rauskommen. Nicht mal die Dusche heute Morgen hatte
sie erfrischt. Sie hatte sogar unter der blöden Dusche geweint. So ein Mist.
Sie war bereit, Malfoy alle Schuld an ihrem Verhalten zu geben.
„Scor, geh schon mal vor und bau den Boden. Ich komme
sofort.“ Scheiße. Jetzt hatte er es doch bemerkt. Oder vielleicht auch nicht.
Sie wischte sich hastig mit der Hand über die Wange. Sie fand sich heute
absolut zum kotzen. Das lag nur an den Kopfschmerzen. Morgen wäre sie wieder
normal. Morgen würde sie Ginny anflohen. Nein, sie würde sie besuchen und sich
– verdammt noch mal – für sie freuen.
Sie spürte plötzlich seine Hand auf ihrer Schulter. Und
jetzt war er auch noch nett zu ihr? Das durfte er nicht sein. Er durfte nicht!
Was bezweckte er damit? Dass sie sich noch schlechter fühlte, weil sie jetzt
sogar erbärmlicher war, als Draco Malfoy?
Sie hatte keine Ahnung, woran es lag. Vielleicht doch
an der Müdigkeit, vielleicht am Kater oder an ihren neuen seltsamen
Hassgefühlen auf die Welt, aber sie wandte sich plötzlich um lehnte sich leise
schluchzend gegen ihn.
Und tatsächlich legte er schweigend seine Arme um ihren
Oberkörper und hielt sie fest. Gott, sie war absolut unerträglich. Sie lag in
Malfoys Armen und weinte, weil sie allein war. Sie stellte sich vor, was Ron
sagen würde, könnte er dieses Bild sehen. Wahrscheinlich würde er es nicht
glauben.
Und Malfoy roch gut. Und seine Brust war tatsächlich
muskulös. Jetzt lag ihr Kopf an seiner Schulter, wo vorher Scorpios gelegen
hatte. Sein Hemd würde nasse Flecken von ihren Tränen haben. Und sie wollte
nicht, dass er sie losließ. Aber er ließ sie auch gar nicht los.
„Vielleicht solltest du nach Hause gehen.“, schlug er
ruhig vor. Sie schüttelte leicht den Kopf.
„Ich will nicht nach Hause.“, murmelte sie gegen seine Brust und kam sich
furchtbar hilflos vor. Und dämlich, nicht zu vergessen, dämlich. Und er war
auch noch nett. Sie benahm sich wie ein kleines Kind. „Du solltest… zu Scorpio
gehen. Ansonsten wird er noch böse.“ Sie wich zurück und blickte auf den Boden.
Waren seine Schuhe wohl aus Schlangenleder? Sie wusste es nicht genau.
Jedenfalls sahen ihre Turnschuhe dagegen ziemlich mitgenommen und albern aus.
„Jaah.“, sagte er schließlich. „Du hast einen guten
Job, Granger. Und fünfundzwanzig Kinder lieben dich. Und du hast Freunde, die
dich jede Woche zum Essen einladen. Und… irgendwo gibt es auch irgendeinen
armen Zauberer, der sich gerne von dir herum kommandieren lassen wird. Eben nur
noch nicht jetzt. Also hör auf zu weinen.“ Sie wusste nicht, ob ihm diese Worte
schwer fielen. Sie hob den Blick.
Er sah sie ausdruckslos an. Er machte sich nicht
lustig. „Hör auf zu weinen. Das macht mich ganz…“ Er verzog den Mund.
„Ich kommandiere nicht herum.“, sagte sie jetzt, als
ihr aufging, was er gesagt hatte. Er musste grinsen.
„Nein, natürlich nicht, Königin von Gryffindor.“ Sie
konnte ihr Lächeln kaum verhindern, auch wenn sie es wollte.
„Du bist ein Idiot.“, sagte sie vorwurfsvoll. Er
nickte.
„Das ist gut. Wenn du wütend auf mich bist, dann weinst
du wenigstens nicht.“, erklärte er ruhig.
„Malfoy?“ Sie schob es auf den Alkohol. Sie schob es
auf ihren Kater. Sie schob es ganz weit von sich weg, dass sie diese Frage
stellte. „Findest du mich hübsch?“ Aber sie flüsterte immerhin nur. Gott, sie
hatte sich wahrscheinlich die ganz entscheidenden Gehirnzellen weggetrunken.
Gehirnzellen, die sie nicht solche Sätze zu Malfoy sagen ließen.
Er musterte sie argwöhnisch. Anscheinend hielt er es
für eine Fangfrage.
„Das fragst du mich?“ Er klang irritiert. Und
eigentlich reichte ihr das schon als Antwort. Nein, er fand sie nicht hübsch.
Aber wahrscheinlich irgendein armer Zauberer, mit schütterem Haar, den sie
herum kommandieren musste, denn einen anderen würde sie nicht bekommen.
Wahrscheinlich wäre er auch noch kleiner als sie. Sie senkte den Blick wieder.
So wirkte sie also auf Menschen?
Gott, sie stellte nie die absolut falschen Fragen. Das
hatte sie im Unterricht nie gemacht. Sie hatte auf ihrem Abenteuer im siebten
Jahr niemals die Frage gestellt, ob sie hübsch wäre. Keinem. Warum auch? Es war
irrelevant. Aber das war auch schon zehn Jahre her.
„Du wirst jetzt nicht wieder weinen, oder?“, hörte sie
ihn fragen, und sie hob den Blick wieder.
„Nein, Malfoy.“, sagte sie leise. Sie würde zu den Kindern gehen. Und Lisa nach
einer Kopfschmerztablette fragen. Aber er hielt sie am Arm zurück.
„Fass das… jetzt bitte nicht falsch auf.“, murmelte er. Ehe sie überlegen
konnte, was diese Worte jetzt bedeuteten, hatte er den Kopf schon gesenkt. Er
senkte seinen Kopf! Ihr Herz setzte aus, als seine Lippen ihren Mund einfach
berührten. Und ihre Augen schlossen sich von selbst. Oh mein Gott! Draco Malfoy
küsste sie in der Küche. Und nebenan waren knapp dreißig Leute. Sie würde
höchstwahrscheinlich ohnmächtig werden. Oder aufwachen.
Das passierte doch nicht wirklich? Seine Lippen waren
voll und weich. So perfekt wie sie aussahen, so perfekt küssten sie auch. Es
war eigentlich eher ein flüchtiger, recht kurzer Kuss, denn wenige Sekunden
später war es schon vorbei.
Er hatte sich wieder von ihr gelöst und sich
aufgerichtet. Sie war tatsächlich fast einen Kopf kleiner als er.
„Mein Bruder wartet.“ Seine Stimme klang gewöhnlich.
Als wäre nichts passiert! Sie starrte ihn an. Ihre Tränen waren versiegt.
Völlig. Ihr Herz raste und sie konnte ihn nur anstarren. Dann nickte sie,
unfähig etwas anderes zu tun.
Kurz traf sie noch einmal sein Blick. Sie wäre fast
umgefallen. Konnten Augen einfach dunkler werden? Waren seine Augen jetzt
dunkler als noch vorhin? Hatte er sie wirklich geküsst? War das wirklich
passiert? Und was meinte er damit, sie solle es nicht falsch auffassen? Wie
konnte man das falsch auffassen?
Wieso hatte er das getan? Hätte er nicht einfach… sagen
können, dass… er sie hübsch genug fand, um sie zu küssen? Er hatte sie einfach
zurück gelassen. Lächerlicherweise spürte sie seine Lippen immer noch auf
ihren.
Oh mein Gott! Sie musste hier raus. Sie musste dringend
weg von ihm. Und sie musste sich ablenken und durfte auf keinen Fall daran
denken, wie es sich angefühlt hatte, und sie sollte nicht überlegen wie es sich
angefühlt hätte, hätte er seine Lippen geöffnet und ihre mit seiner Zunge
geteilt.
Sie trank ihren kalten Kaffee.
Sie würde sich später überlegen, in wie weit dieses
Ereignis sie beeinflussen würde. Sie und ihre Gedanken an Draco Malfoy.
~*~
„Draco, wieso bleiben wir nicht zu Hause?“ Draco hätte
ihm darauf viele Antworten geben können. Aber keine wäre für einen fünfjährigen
wirklich verständlich noch angebracht gewesen.
„Willst du nicht nach Zonkos?“, fragte er deshalb und
Scorpio lächelte.
„Doch. Ich mag Zonkos. Auch wenn Vater sagt…“
„Ja, aber Lucius ist nicht hier, richtig?“ Sein Bruder
sah ihn an.
„Wieso sagst du nicht Vater?“ Draco seufzte.
„Na ja, irgendwann wird man älter und dann sagt man es
nicht mehr.“ Scorpio überlegte anscheinend.
„Aber du sagst Mutter zu Mutter.“ Gut, da hatte er
recht. „Und du sagst Granger zu Miss Hermine.“ Immerhin, das war ein
Themenwechsel, kein guter, aber immerhin.
„Ich kann sie wohl schlecht Miss Hermine nennen.“
„Ich finde es unhöflich.“ Er fand es unhöflich, dass
sein Bruder mit fünf Jahren einen so großen Wortschatz hatte.
„Das ist schon ok.“, erwiderte Draco lapidar.
„Magst du Vater nicht?“ Und wieder sprangen sie zurück.
„Scorpio, lass uns von was anderem reden.“
„Aber ich hab dich gefragt.“
„Ja, und ich sage, ich habe keine Lust zu antworten.“
„Aber du…“
„Nein. Der Tag ist zu schön, um sich zu streiten.“
Scorpio blickte verwirrt aus dem Fenster der Kutsche.
„Es regnet, Draco.“, stellte er jetzt fest.
„Ja, schon… aber…“ Aber ich habe Granger geküsst.
Nicht, dass das den Tag besser machen würde, aber das war immerhin das Äußerste
an Sex, was ich in den letzten Wochen hatte. Das muss man irgendwie genießen.
Oh ja. Darüber könnte er mit seinem Bruder reden.
„Wir werden nass werden.“, schloss Scorpio. Draco
grinste.
„Also, auf Hogwarts kannst du nicht so ein Weichei
sein. Ich meine, du willst doch ins Quidditchteam, oder?“ Das war ein guter
Themenwechsel.
„Ich bin kein Weichei!“, protestierte sein Bruder
jetzt. „Und ich bin schon geflogen.“, setzte er stolz hinzu. Ja, Draco wusste
das. Er hatte ihn schließlich mit aufs Feld genommen. Sein Vater hätte ihn
wahrscheinlich geköpft, wüsste er davon.
„Ja, aber das ist ein Geheimnis. Du weißt, warum.“
„Ja, ja, Draco.“
„Willst du gleich ein Eis? Oder ist das schlecht für
die Zähne?“, fragte er lauernd, aber Scorpio grinste.
„Ich mag Eis. Ich denke, Eis ist gar nicht schlecht für
die Zähne. Meine Zähne mögen Eis nämlich auch.“, beschloss sein Bruder nickend.
Draco lehnte sich rüber und zerstrubbelte die Haare seines Bruders.
~*~
„Tut mir
leid, dass es solange gedauert hat.“, entschuldigte sich Hermine bei ihrer
besten Freundin, als diese sie in die Arme nahm.
„Oh, Hermine!
Ich bin froh, dass du da bist! Ich freue mich riesig. Ich hoffe, du freust dich
auch. Ich werde natürlich bald wieder arbeiten kommen. Es läuft alles schon
viel besser und ich denke, das mit der Übelkeit war eine Phase.“ Sie strahlte
übers ganze Gesicht.
„Was hat
Harry gesagt?“, fragte Hermine jetzt, die sich nicht über Kleinigkeiten
streiten wollte, wie, wann Ginny wieder arbeiten käme.
„Oh, er
hat getanzt vor Freude. Er hat Ron und das ganze Quidditchteam eingeladen. Dann
haben wir die habe Nacht gefeiert, obwohl ich eher auf der Couch lag, als
mitzumachen.“, fügte sie mit einem Schulterzucken hinzu.
„Du
Arme. Aber… stell dir vor, du kriegst Harrys Baby!“ Ginny lächelte wieder.
„Ja. Ich
weiß.“
„Was
sagen deine Eltern?“ Ginny lachte.
„Oh, Mum
hat schon drei Pullis fertig, hundert Paar Söckchen, und sie wird wohl noch
neun Monate weiter stricken, bis ihr auffällt, dass das Baby wohl Jahre
braucht, um in alles reinzuwachsen. Und dann wird es nicht mal alles tragen
können, was sie macht.“ Hermine musste grinsen. Ja, das konnte sie sich gut
vorstellen.
„Und Dad
war sowieso überzeugt, es war nur noch eine Frage der Zeit und ist froh, dass
ich endlich auch ein Kind bekommen werde.“ Sie lächelte immer noch. Anscheinend
würde sie das auch nicht mehr bleiben lassen können.
„Und
Hermine, was gibt es neues? Ist irgendwas passiert? Steht die Magic-Corner
noch?“ Hermine bejahte diese Frage. Sie erklärte Ginny auch geduldig, dass
Malfoy sich ganz gut machen würde, aber sie verschwieg den Kuss in der Küche resolut.
Sie wusste selber noch nicht, ob sie zulassen wollte, dass er passiert war. Und
sie ignorierte auch, dass sie seit dem nicht mehr geweint hatte. Sei es auch
erst zehn Stunden her.
Es war so
ein seltsames Bild. Und sie würde sich daran auch nicht gewöhnen können. Sie
würde sich auch nicht daran gewöhnen können, dass sie Malfoy auf einmal anders
ansah als sonst. Jedes Mal erwischte sie sich dabei, wie sie ihn länger
anstarrte, wie sie die feinen Züge seines Gesichts studierte und überlegte, ob
es wirklich so einen hübschen Mann geben konnte.
Und
jedes Mal, wenn er auch nur den Kopf hob, senkte sie hastig den Blick. Es war
schon fast peinlich.
Und sie
saßen alle im Kreis auf dem Boden, heute ohne Lisa, und prüften wieder die
Magiefortschritte der Kinder.
„Kann
Draco das nicht machen?“, schmollte Florina, die so dicht gedrängt an Malfoy
saß, dass Hermine für einen kurzen Moment einen winzigen Stich verspürt hatte.
Sie hatte ihn nicht zuordnen können, und hatte sich entschieden, dass
Eifersucht einfach nicht in Frage kommen könne. Der Logik wegen. Ja, ja… die
Logik war einst einer ihrer guten Freunde gewesen. Wo war sie jetzt?
War
Logik durch einen simplen Kuss einfach auszuschalten?
„Weil Draco
keinen Zauberstab hat.“, erklärte Hermine ruhig.
„Aber
wieso nicht? Alle erwachsenen haben einen.“ Anscheinend fühlte sich Florina
ziemlich überlegen. Hermine seufzte. Aber Malfoy antwortete sogar.
„Wenn
Erwachsene Unsinn machen, dann werden sie nicht einfach nur mit Stubenarrest
bestraft, dann bekommen sie den Zauberstab weggenommen.“ Er lächelte
tatsächlich. Florina starrte ihn an.
„Was hast du denn angestellt?“, hauchte sie erwartungsvoll. Malfoy grinste.
„Oh, das
willst du nicht wissen.“
Sie nickte
heftig. „Doch, will ich, Draco!“
„Er hat
Sachen kaputt gemacht.“, sagte plötzlich Scorpio. Hermine sah, wie Malfoy
seinem Bruder einen knappen Blick zuwarf.
„So wie
Devon?“, fragte Florina lachend, aber Devon schnaubte beleidigt auf.
„Miss
Hermine, ich mache gar nicht so viel kaputt.“, schniefte der kleine Devon jetzt
leise.
„Du
machst mehr kaputt, als Miss Hermine deiner Mutter sagt.“ Sie mochte Charles.
Er war witziger als die anderen Kinder.
„Hört
jetzt auf damit!“, beendete sie den Streit. „Devon, mach dir keine Gedanken.“
Sie lächelte und zwinkerte ihm zu. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das
letzte Mal so gut gelaunt war, dass sie gezwinkert hatte.
„Aber
Miss Hermine, du kannst Draco doch deinen Zauberstab geben.“, schlug Florina
diplomatisch vor.
„Draco
darf aber nicht zaubern!“ Hermine runzelte die Stirn. Wieso war Scorpio so
wütend?
„Scorpio,
was ist los?“, fragte sie deshalb, eine Spur beunruhigt, denn der kleine Junge
wirkte ziemlich verstört auf sie.
„Gar
nichts ist los!“
„Ich
möchte nicht, dass du so sprichst, ok? Niemand hat es verdient hier
angeschrieen zu werden.“ Der kleine Junge fixierte sie böse. Und es versetzte
ihr einen kalten Schrecken, denn jetzt sah sie auch die Ähnlichkeit zu Lucius‘
Seite. Die hellen Augen hatten sie wahrscheinlich noch nie so böse angesehen.
„Ich
will aber nicht.“
„Scorpio,
halt deinen Mund.“, knurrte Malfoy jetzt leise.
„Du
musst mir gar nichts sagen, du Blödmann.“ Scorpio war aufgesprungen. Draco hatte
sich ebenfalls erhoben.
„Was ist
los mit dir?“, erwiderte Malfoy jetzt eine Spur ungehaltener.
„Gar
nichts!“, schrie sein Bruder.
„Scorpio,
bitte setz dich hin, wir fangen gleich mit den Übungen an.“, versuchte sie ihn
zu beruhigen, aber er wandte sich um. Sie sah ihn weinen. Sie überlegte, wann
sie ihn das letzte Mal hatte weinen sehen, aber sie konnte sich nicht erinnern,
Scorpio jemals weinen gesehen zu haben.
„Ich
habe keine Lust auf die Übungen, du blödes Schamblut!“, rief er jetzt und
rannte zornig aus dem Raum. Das Wort war falsch gewesen, aber es fiel ihr nicht
schwer zu erraten, was er damit gemeint hatte. Und es fiel ihr auch nicht
schwer, zu erraten, von wem er dieses Wort wohl hatte.
Malfoy
hatte die Hände zu Fäusten geballt und folgte seinem Bruder. „Scorpio!“, hörte
sie ihn voller Zorn schreien, und die anderen Kinder starrten sie an.
„Miss
Hermine, was ist ein Schamblut?“, fragte Florina interessiert. Hermine musste
sich erst einmal beruhigen. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Das war also der
erste Tag, an dem sie Scorpio Malfoy nicht mehr leiden konnte. So sehr sie auch
versuchte, sich einzureden, dass er keine Ahnung hatte, was das Wort bedeutete,
gelang es ihr nicht. Keines der anderen Kinder würde jemals dieses Wort
benutzen. Aber natürlich fiel es einem Malfoyjungen nicht weiter schwer, dachte
sie bitter.
„Gar
nichts, Florina. Ich möchte nicht, dass es einer von euch benutzt. Es ist
hässlich und gemein. Es tut Menschen weh, und eure Zähne werden grün davon und
fallen aus.“, schloss sie ihre Erklärung. Bestürzt schlugen sich die Kinder die
Hände vor den Mund und schüttelten den Kopf.
Hermine
war sicher, keines der Kinder würde es hier in ihrer Gegenwart sagen.
„So, wir
fangen an.“
„Warten
wir nicht auf Draco und Scorpio?“ Florina kaute abwesend auf ihrem Fingernagel
und blickte zur Tür.
„Nein. Wir fangen ohne sie an.“, beschloss sie ernst. „Schließt die Augen,
bitte.“
~*~
„Was ist
los mit dir?“ Er hatte seinen Bruder fest am Arm gepackt und in die Küche
gezogen. „Ich habe dir gesagt, das Wort sagt man nicht.“ Sein Bruder sah ihn
böse an.
„Du
sagst es auch!“, rief er, und immer noch weinte er kleine heiße Tränen, die er
sich wütend aus dem Gesicht wischte.
„Tu ich
nicht.“, widersprach Draco.
„Doch,
du hast es mir erklärt.“
„Ich
habe dir auch erklärt, dass man es sagt, um Menschen zu verletzen. Du wolltest
Granger also wirklich verletzen, ja? Was hat sie dir denn getan, womit sie
diese Ehre verdient, Scorpio?“ Er war fast blind vor Wut und musste sich
beherrschen, nicht selber zu fluchen.
„Du bist
blöd, Draco!“
„Das ist
mir egal, wieso hast du das zu ihr gesagt, will ich wissen!“, schrie er jetzt.
Scorpio zuckte zusammen.
„Ich
weiß es nicht!“, schrie er jetzt.
„Du bist
also wütend auf die Welt, aber du beleidigst sie?“ Und Draco wusste nicht,
weshalb Scorpio überhaupt wütend war. Er war immer beeindruckt von seinem
Bruder gewesen. Er war nie zornig, er war nie wirklich traurig, denn seine
Familie ließ niemals den Anschein aufkeimen, dass etwas nicht in Ordnung sein
könnte. Seine Mutter weinte nicht heimlich im Salon. Scorpio sah nichts anderes
als eine glückliche Familie.
„Lass
mich los!“, heulte sein Bruder jetzt und versuchte sich loszureißen.
„Du
sagst mir sofort, wieso du dich wie ein Verrückter verhältst. Und dann wirst du
dich sofort entschuldigen!“, befahl er knapp, aber Scorpio verzog trotzig den
Mund.
„Ich
entschuldige mich nicht. Du hast dich auch nicht entschuldigt bei ihr.“
„Ich..
was?“
„Es ist mir
egal!“ Und Draco wusste genau, sein Bruder log. Denn sein Bruder mochte
niemand, neben seinen Eltern, so gerne wie Hermine Granger.
„Was ist
in dich gefahren?“
„Du bist
hier nur bei mir, weil du sonst ins Gefängnis gehst!“, schrie Scorpio jetzt,
und Draco war mit einem Mal sofort klar, weshalb sein Bruder so völlig
wahnsinnig reagierte. Er hatte den wahren Lucius gesehen.
„Was hat
Lucius gesagt?“, fragte er gefährlich leise.
„N…nichts.“,
stotterte Scorpio, und wieder rollten stumme Tränen über das kleine Gesicht.
„Er hat
gesagt, dass ich nicht hier sein will?“, vermutete Draco jetzt und hielt seinen
Bruder immer noch fest. Der schüttelte jetzt stumm den Kopf. „Er hat gesagt,
dass hier ist meine Strafe, richtig?“ Seine Mundwinkel sanken bitter.
Sein
Bruder weinte immer noch. Er zog ihn einfach an sich.
„Scor,
du bist so blöd.“, murmelte er jetzt. „Denkst du wirklich, das hier ist eine
Strafe für mich? Denkst du wirklich, ich hab dich nicht lieb?“ Sein Bruder
sagte nichts. Aber er schlang die kleinen Arme um seinen Nacken und hielt ihn
fest.
„Er wird
manchmal böse.“, murmelte Scorpio jetzt leise. „Er denkt, ich hör‘s nicht. Und
dann redet er mit Mummy über dich.“, flüsterte er. Draco seufzte. Er wusste, er
war an vielem Schuld. Aber jetzt war er auch noch daran schuld, dass Scorpio
Granger beschimpft hatte. Und das führte ihn zu der Schlussfolgerung, dass auch
Granger ihm daran die Schuld geben würde.
Und
Granger kam nicht einmal, um nach Scorpio zu sehen. Und er war sich nicht
einmal sicher, ob sie Scorpios Entschuldigung annehmen würde.
~*~
Sie
wusste, es war wahrscheinlich ungerecht gewesen, aber sie hatte Malfoy die
Aufgabe erteilt, die Kinder zu verabschieden. Florina hatte es heute endlich
geschafft, einen Magiefunken zu erzeugen.
Gelangweilt
rührte sie in ihrer Tasse.
„Hermine,
alles klar?“, fragte Ron, der sich gähnend streckte. Nach dem Training war er
immer müde.
„Ja,
sicher.“
„Ja,
sicher wie in: Nein, mir geht’s scheiße, oder ja, sicher wie in: Ron, halt die
Klappe?“ Er grinste sie an. Sie seufzte.
„Ich
hatte Probleme mit einem der Kinder.“
„Nein,
du hattest ein Problem? Dass ich das noch erleben darf.“, lachte er.
„Was
darfst du erleben? Dass ich dir nach all den Jahren immer noch Essen koche, und
dass du dich dafür nicht bedankst?“, giftete Cho, die gerade hereingekommen
war.
„Ich
unterhalte mich hier gerade.“, beschwerte er sich jetzt.
„Oh ja.
Mit Hermine. Ich kenne Hermine. Darf ich mich nicht mit ihr unterhalten? Ist
sie jetzt nur noch deine Freundin?“ Sie setzte sich absichtlich weit von Ron
weg.
„Hast du irgendein Problem, Cho?“
„Mal
sehen, habe ich eins?“ Sie funkelte ihn zornig an und warf die langen schwarzen
Haare über ihre Schultern. „Ich habe Hugo ins Bett gebracht, ihm vorgelesen, oh
und ja, ich habe ihm das Bad eingelassen und zugesehen, dass er nicht
untergeht. Wie viel Zeit hast du heute mit deinem Sohn verbracht? Sogar Hermine
sieht ihn öfters als du.“
„Hermine
sieht alle Kinder öfters als ihre Eltern.“, gab er zurück.
„Was
soll das heißen? Dass du Hugo gar nicht sehen willst? Wieso kommst du dann
überhaupt nach Hause, Ron? Um zu essen, nehm ich an, denn das bekommst du ja
beim Quidditchtraining nicht. Sobald sie da fliegende Grillhähnchen verkaufen,
sehe ich dich wahrscheinlich gar nicht mehr!“, schrie sie jetzt, und Hermine
überlegte, ob sie nicht einfach aufstehen und gehen sollte.
„Es ist
Haupttrainingssaison. Was erwartest du von mir, Cho? Dass ich meine Job
aufgebe?“
„Musst
du auch noch vor unserem Gast so schreien? Oder nein, es ist ja nur dein Gast, richtig? Ich darf ja nicht
mit ihr reden!“ Sie stand mit einer fließenden Bewegung wieder auf.
„Cho,
hör auf damit!“, rief Ron jetzt böse.
„Nein,
werde ich nicht! Es gibt immerhin noch genug Menschen, die mit mir Zeit
verbringen wollen.“
„Oh ja?
Dann geh doch einfach zu denen, verflucht!“, schrie er aufgebracht. Hermine war
kurz dankbar dafür, dass sie nicht verheiratet war.
„Ich
werde jetzt…“, begann sie, aber Cho schrie auf.
„Siehst du! Wegen dir will sie jetzt gehen.“ Ron erhob sich.
„Nein,
ich denke eher, sie kann dein Geschrei nicht mehr ertragen.“
Wenn
Hermine wenigstens wüsste, dass es wirklich ein ernster Streit im Hause Weasley
war, aber es war leider ganz normal. Denn in ungefähr fünf Minuten würden sie
sich küssend in den Armen liegen. Sie seufzte.
„Schon gut, ich muss auch los.“
„Nein,
musst du nicht.“
„Nein,
bleib ruhig, Hermine. Ich halte es mit Ron sowieso nicht aus.“
„Cho!“ Und
schon war er hinter ihr her gestürmt. Jetzt war sie allein im Wohnzimmer. Sie
griff bereits nach ihrer Jacke. Immerhin dauerten die Abende bei Cho und Ron
nie besonders lange. Dabei hatten sie noch gar kein Gespräch angefangen. Das
hätte sich aber wahrscheinlich sowieso um Malfoy gedreht, den Ron nur zu gerne
beleidigte, seitdem er in der Magic-Corner arbeitete, hatte sie von Ginny
gehört.
„Wir
sehen und nächste Woche.“, rief sie in die verdächtig ruhig Küche. Dann hörte
sie Cho leise kichern. So. Das war ihr Zeichen zu gehen. Das tat sie auch.
Und sie
war sehr überrascht, einen Brief in ihrem Postkasten zu finden, als sie nach
Hause gekommen war. Zuerst hatte sie überlegt, ihn nicht zu öffnen, aber nur
für eine Sekunde. Sie hatte seine Schrift natürlich erkannt. Immerhin hatte sie
diese Schrift Jahre ihres Lebens gequält, wenn wieder ein
Vertrauensschülertreffen nach Malfoys Gutdünken umgelegt worden waren.
Aber der
Absender ließ sie den Brief nicht zornig auf den Boden werfen. Aber selbst,
wenn der Brief wirklich von Draco Malfoy gewesen wäre, hätte sie ihn, nach den
neuesten Vorkommnissen, wahrscheinlich nicht ungelesen weggeworfen.
Aber
Draco Malfoy schrieb hier wohl nur im Auftrag. Sie hatte einen Brief von
Scorpio Malfoy bekommen. Und sie war ziemlich gespannt. Sie biss ungeduldig auf
ihre Unterlippe, während sie ihre Wohnung betrat und es sich mit dem Brief auf
ihrer Couch gemütlich machte.
„Liebe
Miss Hermine,
bitte
sei nicht mehr böse auf mich. Ich weiß, das war gemein, was ich gesagt habe,
und es tut mir so leid. Ich weiß auch, dass man das nicht sagen darf, und ich
denke auch überhaupt nicht, dass Blut dreckig ist. Das geht ja auch gar nicht.
Ich war böse auf meinen Vater (Draco weiß warum), und ich wollte dir aber nie
weh tun, Miss Hermine. Ich habe Angst in die Magic-Corner zu kommen, weil ich
denke, dass du mich nicht mehr lieb hast.
Überleg
dir bitte, ob du noch böse auf mich bist. Und wenn du nicht mehr böse bist,
vielleicht kannst du mich ja Montag wieder umarmen.
Viele
Grüße,
dein
Scorpio“
Sie
musste tatsächlich schmunzeln. Vor allem weil es geteilte Arbeit gewesen war.
Sie wusste, dass Scorpio schon schreiben konnte. Lucius scheute wohl keine
Mühen, seinen Söhnen so früh wie möglich alles beizubringen, dachte sie bitter.
Einfache Worte hatte Scorpio geschrieben. Den ersten Satz, einige Zeilen in der
Mitte, und das seltsame war, dass sich seine Schrift nur von der seines Bruders
unterscheid, weil Scorpio noch in Druckbuchstaben schrieb. Sie war sich sicher,
in ein paar Jahren würde man die Schriften nur noch schwer unterscheiden
können.
Sie
seufzte schließlich auf. Ja, natürlich würde sie ihm vergeben. Es war ihr
wirklich schwer gefallen, zwei Tage lang böse auf ihn zu sein. Und dass Scorpio
jemals böse auf seinen Vater sein konnte, hatte sie auch nicht für möglich
gehalten. Anscheinend hatte sich Lucius gehen lassen.
Sie
wüsste gerne weswegen. Und sie würde ihn gerne dafür maßregeln, dass er sich
vor seinem kleinen Sohn gehen ließ.
Jetzt
musste sie wieder über das seltsame Erlebnis nachdenken, denn wenn sie Scorpio
vergab, dann hatte sie keinen Grund mehr, auch von Malfoy entfernt zu bleiben.
Gut, sie hatte bestimmt tausend Gründe, vor allem, weil er den Kuss wohl schon
als komplett vergessen abgehakt hatte.
Was
sollte sie denn jetzt tun?
Wollte
sie das auch alles vergessen? Ja, natürlich. Es war nur eben so, dass dieser
Kuss sie nicht mehr so sehr daran denken ließ, dass sie immer noch allein war.
Malfoy war
noch eine Woche da, bevor er seinen neuen Job anfangen würde. Gedankenverloren
wickelte sie sich eine lockige Strähne um den Finger. Was sollte sie jetzt mit
dieser Woche anfangen? Konnte sie damit was anfangen? War es denn wirklich so
wichtig, dass er sie geküsst hatte? War es nicht eigentlich nur deswegen
gewesen, damit sie aufhörte zu weinen?
Das
Dumme nur war, dass sie nicht mehr leugnen wollte, dass es nicht nett gewesen
war. Es war sogar sehr nett gewesen. Und ihr blödes Herz hatte so lächerlich laut
geschlagen, dass es ihr immer noch peinlich war.
Aber das
konnte doch nur daran liegen, dass er der einzige Mann war, mit dem sie
arbeitete. Das lag nur daran, dass sie ihn jetzt ständig gesehen hatte. Sie
wusste, ihre Theorie hinkte an dieser Stelle etwas, denn in Hogwarts hatte sie
ihn schließlich auch jeden Tag gesehen, ohne ihm an die Wäsche zu wollen.
Oh Gott.
Wollte sie Draco Malfoy? Nein. Völlig unmöglich.
Und wenn
sie ihn nur einmal wollte? Sie schloss gereizt die Augen. Wenn er nicht so gut
aussehen würde, dann müsste sie auch gar nicht erst darüber nachdenken. Nur
weil er einmal nett zu ihr gewesen war, hieß das noch lange nicht, dass sie
jetzt unbedingt mit ihm schlafen musste.
Zwangsläufig
rechnete sie jetzt nach. Wann hatte sie denn das letzte Mal Sex? War es
wirklich schon ein halbes Jahr her? Sie wusste nicht einmal mehr den Namen des
Typens, mit dem sie da ausgegangen war. War er nicht sogar in Rons Team
gewesen? Spielte er da immer noch? Merlin, sie konnte es nicht genau sagen.
Vielleicht
brauchte sie einfach nur mal Sex als eine Art Ausgleich zu ihrem sonst so
männerlosen Leben. Ja, vielleicht. Sie würde am Montag sehen, ob Malfoy immer
noch so attraktiv war. Dann würde sie sich entscheiden. Heimlich natürlich,
denn diese Gedanken waren so furchtbar, dass sie Ginny wahrscheinlich ins Mungo
hätte einweisen lassen, wüsste sie davon.
Sie
würde ein heißes Bad nehmen. Vielleicht gingen dabei ja diese Gedanken weg.
Vielleicht wurden sie aus ihrem Kopf gebrannt.
~*~
Er hatte
sich nur schwer beherrschen können, als er Scorpio abgesetzt hatte. Er hätte
Lucius nur zu gerne angeschrieen, aber nachdem er mit Scorpio den Brief
geschrieben hatte, ging es seinem Bruder wieder besser.
Gott,
noch nie hatte er an einem Tag so viel an Granger gedacht. Nun, doch, einmal
schon. Da hatte sie eine bessere Note in Zaubertränke bekommen, und da hatte er
sie einen Tag lang besonders gehasst.
Er hätte
seinem Vater gerne ins Gesicht geschlagen. Es kam ihm vor, als verging die Zeit
viel zu langsam. Sein Bruder sollte erwachsen werden und sehen, wie fruchtbar
sein Vater war. Und dann sollte er ihn bitten, dass sie zusammen wohnen
könnten. Aber Draco war sich sicher, dass das nicht passieren würde, denn
Scorpio kannte Lucius eben nicht.
Außerdem
hatte er heute wirklich keine Lust auf einen weiteren Streit gehabt. Er fragte
sich sowieso, warum sich sein Vater so aufregte. Er fragte sich, ob Lucius von
ihm immer noch erwartete, dass er genauso werden würde wie er. Er hatte doch
jetzt einen zweiten Sohn, in den er all seine Hoffnungen setzen konnte.
Dieser
Gedanke belastete ihn tatsächlich. Regte sich sein Vater nur aus sportlichen
Gründen auf, oder weil es ihm was bedeutete, was er tat? Und war es ihm
überhaupt wichtig, dass sich Lucius aufregte? Er wusste es nicht mit
Sicherheit. Und er wollte es wahrscheinlich auch gar nicht wissen.
Sein
Vater hatte sich jahrelang nicht geschert, was aus ihm werden würde. Dann kam
ein Muggelmädchen und öffnete endlich die Türen seines Verstands und dann – ja
dann erst – konnte sich Lucius aufregen? Wahrscheinlich war dieser Vater-Sohn
Zug längst abgefahren.
Jetzt
hoffte er nur, dass Granger Scorpio vergeben würde. Aber er war sich sicher,
dass hatte sie schon längst getan. Scorpio hatte ich die Worte diktiert, die er
selber nicht gewusst hatte, und auch wenn Draco sich ab und an geweigert hatte,
hatte Scorpio dann doch seine Meinung durchgesetzt, egal, wie kitschig es
Dracos Meinung nach auch geklungen hatte.
Granger
würde es bestimmt gefallen. Er hoffte es zumindest. Er schloss die Augen, ehe
er in die Kutsche stieg. Er hatte sich schon fast daran gewöhnt, keinen
Zauberstab mehr zu haben. Nicht gewöhnen konnte er sich allerdings an die
Tatsache, dass er immer noch keinen Sex gehabt hatte.
Und vor
allem, das Problem war nicht, dass er nicht leicht welchen bekommen konnte… Das
Problem war eher, dass er keine wollte. Und wenn er nachdachte, dann wollte er
auch nicht mit Granger schlafen. Das war doch verrückt! Nur weil sie zusammen
arbeiteten hieß das noch lange nicht, dass er sie unbedingt haben musste. Aber
er war sich sicher, sie würde ihn lassen. Bestimmt.
Er stieg
ein und lehnte sich zurück. Er wusste nicht, was er wollte. Doch, er wusste es,
aber er wusste, das würde er nicht bekommen. Er wollte perfekten Sex. Nicht
irgendwelchen gebundenen Sex, bei dem Pansy ihm irgendeine reiche Erbin
zuschanzte, die hoffte, das Malfoyerbe auch noch zu ihrem Besitz rechnen zu
dürfen, wenn er sie geheiratet hatte.
Er
wollte auch kein Mädchen aus irgendeinem Club. Vielleicht wurde sie lästig und
wollte bleiben. Und er wollte auch keine Prostituierte, das hatte er nicht
nötig. Irgendein unkompliziertes Mädchen. Wo fand man so eins?
Wieder
dachte er an Granger, und wieder stieß er diesen Gedanken von sich. Nein es war
absurd. Sein Penis enttäuschte ihn sehr in seiner unkreativen Schlichtheit.
Granger war nicht einmal besonders hübsch. Außer vielleicht ihr Gesicht. Und
ihre Beine. Wieder schloss er die Augen. Nein, gut, ok – sie sah gut aus. Aber
sie war eine Muggel, zum Teufel noch mal.
Er wurde
noch verrückt. Jetzt hatte er mit Scorpio hundert Stunden an diesem blöden
Brief geschrieben und war völlig durch den Wind. Dieser dämliche Kuss war nur
ein momentaner Anfall von Schwäche gewesen, oder was es eben war, was er
gefühlt hatte, als er sie hatte weinen sehen. Er hasste es, Frauen weinen zu
sehen. Seine Mutter hatte viel zu oft geweint.
Ob er
sie hübsch fand… Wieso hatte er nicht einfach Ja gesagt? Er hätte sie nicht
küssen müssen. Jetzt stand dieser blöde Kuss in jedem Raum, den er betrat. Und
das Schlimme war, er dachte immer noch darüber nach. Würde er mit ihr schlafen,
würde er gegen jedes seiner Prinzipien verstoßen. Und sie war nicht einmal
reich. Aber das war ja auch eigentlich egal. Ja? Seit wann, fragte seine innere
Stimme unbeherrscht, und er seufzte wieder auf.
Scheiße.
Also, irgendwas musste er tun. Er würde Zuhause erst mal baden gehen.
Vielleicht konnte er seine Grangergedanken ausschwitzen, und dann wäre er
geheilt von dieser seltsamen Anomalie.
~*~
Als der Hauself
ihn brachte, wartete sie bereits. Sie würde nicht zulassen, dass er noch länger
Angst hatte. Sie kam lächelnd auf beide zu.
„Morgen,
Gaspar.“, sagte sie freundlich. Der Elf verzog angewidert den Mund, gab Scorpio
noch die üblichen Instruktionen, wann er wieder kam, um ihn zu holen und
verschwand dann ohne ein höfliches Wort.
„Hallo,
Scorpio.“ Sie kniete sich vor ihm hin und der Junge biss sich verlegen auf die
Lippe. Das war ein Malfoyverhalten, was sie einordnen konnte. Angst, die Würde
zu verlieren, war eine wichtige Sache bei den Malfoys. Aber sie nahm ihm diese
Angst und öffnete die Arme. Mit einem erleichterten Lächeln warf sich der
kleine Junge hinein und drückte sie fest.
„Miss
Hermine, es tut mir so leid.“, flüsterte er in ihre Haare. Sie schmiegte sich
an den kleinen Körper.
„Ich
verzeih dir, Scorpio. Ich weiß, es tut dir leid.“ Er löste sich von ihr, und
sie sah die kleinen Tränen in seinen Augenwinkeln.
„Es tut
mir leid.“, wiederholte er aufrichtig. Es zerriss ihr fast das Herz.
„Schon
gut. Ich weiß, du kannst da nicht wirklich etwas für.“, murmelte sie. Er sah
sie an.
„Wieso? Ich habe es doch gesagt.“, sagte er schließlich.
„Ja,
aber ich nehme an, du hast es von deinem Bruder gehört. Oder deinem Vater.“,
fügte sie hinzu. Er schüttelte heftig den Kopf.
„Mein
Vater würde so was nie sagen.“ Hermine musterte das Kind in ihren Armen.
„Würde
er nicht?“, fragte sie jetzt argwöhnisch.
„Nein, er sagt, nur Draco sagt solche Sachen.“ Hermine überkam heftiges Mitleid
mit Draco. Interessant, wie Lucius all seine Fehler und Erziehungsschwächen nun
auf seinen älteren Sohn abwälzte, damit er gut vor seinem jungen Sohn dastand.
Als wäre Malfoy der passende Sündenbock für Lucius‘ Fehler. Was Scorpio wohl
sagen würde, wenn er wüsste, dass sein Vater schon mehrere Male versucht hatte,
sie umzubringen?
Sie
wurde langsam wütend. Sie verstand, warum Malfoy es hasste, dass sein Bruder
zurück in das Haus seiner Eltern ging. Wenn Lucius Scorpio erzählt, dass Malfoy
der Böse in der Geschichte war. Eigentlich konnte also auch Malfoy nicht
wirklich etwas dafür. Sie hasste Lucius. Das hatte sie schon immer getan. Sie
hoffte nur, Scorpio würde irgendwann intelligent genug dafür sein, zu
verstehen, dass Kinder nicht einfach irgendein Verhalten an den Tag legen, ohne
schlecht von ihren Eltern beeinflusst worden zu sein. Aber sie hatte an
Scorpios Intelligenz keinen Zweifel.
Sie hob
den Blick als sie ihn erkannte. Und wieder sah er gut aus.
„Ok, dein Bruder ist da. Möchtest du ihn begrüßen?“ Scorpio zögerte kurz noch.
„Und es
ist alles wieder gut? Und du bist auch nicht mehr böse, wenn ich jetzt gehe,
Miss Hermine?“ Es schien ihm wichtig, dies zu klären.
„Nein, ich bin nicht mehr böse, Scorpio.“, sagte sie lächelnd.
„Gut. Ich hab dich lieb.“, sagte er hastig und rannte dann zu seinem Bruder.
Anscheinend erzählte er ihm jetzt, dass sie ihm vergeben hatte. Es fiel ihr
schwer, Malfoy nicht wohlwollend zu mustern, vor allem, weil er so sehr unter
seinem Vater zu leiden hat. Scorpios Weltbild war etwas schief geraten. Sie
fragte sich, ob Scorpio seinen Vater oder Malfoy mehr liebte. Sie wusste es
nicht. Aber am Ende, würde er wohl seinen Bruder vorziehen, denn Lucius würde
sich nicht immer hinter seiner perfekten Erziehung verbergen können.
Sie
verschwand, um das Frühstück vorzubereiten. Ginny würde morgen auch wieder
kommen. Darauf freute sie sich schon sehr.
~*~
Er sah
ihr nach als sie den Raum verließ. Gut, sie war schön. Wie schön ihre Hüften
schwingen konnten. Er überlegte, wie sich wohl ihre Haut unter seinen Fingern
anfühlen würde, wenn sie nackte über ihm saß und sich seinem Rhythmus anpassen
würden….
Er
erschrak als ihn jemand am Ärmel zog. Er senkte den Blick auf den rothaarigen
Jungen der ihn beinahe ärgerlich musterte.
„Hey,
ich habe ein Problem.“ Er sah Weasley nur zu ähnlich. Draco konnte gerade noch
verhindern, den Mund zu verziehen.
„Ja?“,
fragte er deshalb.
„Also,
da ist diese Burg, die wir bauen.“, begann der Junge und Draco konnte sehen,
dass er ihn nur sehr ungern fragte. „Und wir kriegen das Dach nicht so hin wie…
wie du das gemacht hast.“ Ob ihm sein Vater gesagt hatte, er solle sich von ihm
fernhalten? Bestimmt, das konnte er Weasley zutrauen.
„Du
willst, dass ich dir helfe?“, brachte Draco die Sache auf den Punkt. Der Junge
überlegte kurz angestrengt, ehe er die Schultern zuckte.
„Ja, das
wäre cool.“
„Kein
Problem.“, sagte Draco schließlich, und die Mundwinkel des Weasleyjungen
zuckten erleichtert.
„Gut, komm mit, Draco!“ Schon war er voraus gelaufen. Draco Malfoy würde jetzt
also mit dem Weasleyjungen eine Burg bauen. Weasley wäre bestimmt absolut
begeistert davon.
Er
bemerkte ihre Blicke sehr wohl. Wahrscheinlich gefiel es ihr besonders gut,
dass er jetzt mit dem kleinen Weasley spielte. Aber leider musste er zugeben,
dass es nicht so schlimm war, wie er gedacht hatte. Hugo war sogar witzig. Er
schien etwas klüger als die anderen zu sein und war somit tatsächlich
Konkurrenz für Scorpio. Also, von Weasley konnte es Hugo nicht haben, beschloss
Draco.
Aber
auch Scorpio hatte sich beim riesigen Projekt Burgbau beteiligt. Er und Hugo
stritten sich gerade über die Anzahl an die Türen, über die eine Burg verfügen
sollte. Draco hatte die Befürchtung, dass Devon bereits zwei magische Klötzchen
gegessen hatte, war aber jedes Mal zu spät dagewesen. Aber er hatte ihm
versichert, dass Klötzchen nicht verdaut werden würden, sondern direkt
ausgeschieden. Das hatte Devon nicht gefallen.
„Ich
finde, Miss Mine darf dann als Dame in der Burg wohnen.“, beschloss Hugo
schließlich.
„Sie
heißt Miss Her-mine!“, betonte sein Bruder streng.
„Ich
darf Mine zu Hermine sagen.“
„Das
klingt nicht schön.“
„Klingt
es wohl.“ Draco seufzte. Ein Weasley und ein Malfoy stritten sich um Granger.
Das klang gar nicht so absurd in seinen Ohren. Mittlerweile jedenfalls nicht
mehr.
„Darf
ich auch in der Burg wohnen?“, fragte Devon, der sich noch eine
Frühstückspastete aufgehoben hatte und immer noch kaute.
„Du? Du hast überhaupt nicht geholfen, Devon!“, entschied Hugo jetzt. „Wenn,
dann bin ich mit Miss Mine König der Burg.“, sagte er grinsend. Draco sah den
Kindern amüsiert zu, denn Scorpios Ausdruck wurde finster.
„Das glaube ich nicht, Hugo. Ich denke, ich werde König und Miss Hermine ist
dann meine Königin. Schließlich ist es meine Burg.“ Er hatte die Arme
verschränkt. Draco erkannte die erschreckende Ähnlichkeit. Es war wie ein Tag
in Hogwarts als Miniaturausgabe.
„Ach ja?
Wieso fragen wir nicht Miss Mine, wen sie lieber als König möchte?“ Hugo hatte
sich angriffslustig erhoben. Draco beschloss, dass es jetzt reichte.
„Kinder,
es ist völlig egal, denn ihr seid viel zu jung.“, schloss er die Diskussion.
„Wieso?
Willst du mit Miss Mine König auf der Burg sein?“, fragte Hugo jetzt etwas
überrumpelt. Draco spürte auch den giftigen Blick seines Bruders. Allerdings
wusste er, wenn er Granger jetzt holen und fragen würde, würde sie sich
bestimmt nicht für Hugo oder Scorpio entschieden. Ganz sicher war er sich
nicht, aber ziemlich sicher.
„Na ja,
ich habe das Dach gebaut, und Miss Hermine würde ohne Dach nass werden – also…“
„Das ist
ungerecht.“ Hugo verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich wieder auf
den Boden plumpsen.
„Ich
habe Hunger. Wie wäre es, wenn wir endlich was essen würden?“ Es war
Mittagszeit, und kleine Jungen konnte man mit Essen wunderbar ablenken. Sie
waren alle bereits aufgesprungen. Nur Devon kaute noch missmutig auf seinem
letzten Stück Pastete herum.
„Also,
ich würde Miss Hermine immer viel zu essen geben. Ich denke, sie würde wohl mit
mir auf der Burg wohnen. Denkst du auch, Onkel Draco?“, fragte Devon
vorsichtig. Draco musste grinsen.
„Also,
sag es nicht weiter, aber ich denke, vielleicht würde sie das sogar tun.“ Devon
strahlte und hievte sich schließlich auch auf die Beine.
Draco betrachtete
noch einmal zufrieden das Meisterwerk, was er da geschaffen hatte. Er hätte
Burgenbauer werden sollen.
„Eigentlich
sind mir Burgen ja zu groß.“ Sie stand hinter ihm. Er erhob sich rasch. „Und zu
kalt. Und wenn ich dort wohnen wollte, dann wahrscheinlich ohne König.“,
entschied sie, während sie die leuchtende Burg musterte.
„Du
wirst dich aber leider zwischen einem Weasley und einem Malfoy entscheiden
müssen, Granger.“ Fast hätte er sich auf die Lippe gebissen. Etwas eingerostet,
aber anscheinend funktionierte seine Flirttaktik immer noch. Nur bei Granger
hatte er sie noch nie angewandt. Sie musterte ihn für einen kurzen Moment.
„Ich
denke, dann werde ich der Fairness halber Devon nehmen. Pansy würde bestimmt
begeistert sein.“ Sie lächelte ein feines Lächeln. Spielte sie mit ihm? Konnte
das sein? Er spürte, wie sich seine Erektion anbahnte. Das machte es ihm
schwer, wirklich rational zu denken. Ok, vielleicht war Sex mit Granger nicht
die schlechteste Option, die ihm blieb.
„Draco,
darf ich neben dir sitzen?“ Florina zog an seiner Hand. Wieso war Granger
überhaupt so nett zu ihm? Er versuchte jeglichen erotischen Hintergedanken zu
verbannen.
„Das
tust du doch jeden Tag.“, erwiderte er. Es störte ihn nicht mal mehr. Er hatte
sowieso die Befürchtung, dass er einige der Kinder hier tatsächlich ein wenig
vermissen würde. Nur ein bisschen.
Granger
schritt vor ihm zum Tisch. Ja, er würde definitiv darüber nachdenken… Absolut.
Sie
konnte nicht genau sagen, ob sich irgendwas verändert hatte. Ihr plumper
Versuch, verführerisch zu sein, war anscheinend irgendwie nach hinten
losgegangen. Ginny war wieder da, und jetzt traute sie sich nicht mal mehr, ihn
anzusehen.
Und
Ginny war in schlechter Stimmung, denn sie hatte anscheinend keinen Draco Malfoy
in ihrem Kopf rumspuken. Auch Malfoy hielt sich die meiste Zeit von Ginny fern.
Den Kindern musste sie immer wieder erzählen, wie sie denn auf einmal hatte
schwanger werden können.
Ginnys
Geschichten wurden immer haarsträubender, bis sie schließlich erzählte, dass es
rosa Tabletten gab und blaue. Und dass sie eine rosane genommen hatte, und auf
jeden Fall ein Mädchen bekommen würde.
Hermine
hatte sich arg auf die Zunge beißen müssen, um Ginny nicht auszulachen. Sie war
sich sicher, Ginny würde sich ärgern, wenn sie nun einen Jungen bekommen würde.
Hermine wusste, Harry bevorzugte insgeheim auf jeden Fall einen Jungen.
Er
himmelte Rons Sohn nämlich tagtäglich an. Das wäre ziemlich furchtbar,
überlegte sie. Denn dann hätte Harry auch so einen kleinen Angeber als Sohn.
Und es würde Hermines Aufgabe sein, dem kleinen Prinzen das ständige Angeben
abzugewöhnen.
Sie war
gerade dabei den Tisch abzuräumen. Sie strich sich ständig eine Strähne hinter
Ohr. Vielleicht sollte sie mal wieder zum Friseur gehen. Sie wusste nicht mehr
genau, wann sie sich das letzte Mal diesen Luxus gegönnt hatte. Vor allem,
jetzt konnte sie ihn sich wieder gönnen, wo Ginny endlich wieder da war.
Mit
einem Ruck stapelten sich die Frühstücksteller und flogen vor ihr aus dem Raum.
Malfoy hielt sich tatsächlich in der Küche versteckt. Sie verkniff sich ein
Grinsen.
„Ist sie
immer noch da drin?“, fragte er mürrisch, während er seinen göttlichen Kaffee
trank.
Sie
nickte. „Ja. Wie immer.“
„Jaah.“
„Du
verhältst dich kindisch, Malfoy.“, merkte sei jetzt an, ehe sie das Geschirr
ins Waschbecken sinken ließ und das Wasser anstellte.
„Tu ich
das? Oh, ja richtig. Ich erzähle ja auch die ganze Zeit davon, wie mich Potter
geschwängert hat, das habe ich vergessen.“, gab er grimmig zurück. Sie seufzte
tief.
„Es ist
schön, dass Ginny schwanger ist. Sie war lange nicht da, und die Kinder mögen
ihre Geschichte.“
„Sie
nervt. Noch mehr als sie es sonst schon tut. Und ich bin ziemlich dankbar, dass
ich es nur noch zwei Tage aushalten muss in dieser Hölle.“
„Tja.“,
sagte sie jetzt und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme abkühlte.
„Außerdem
hab ich es satt, ständig von Potters Potenz zu hören.“ Er goss sich noch einen
Kaffee ein.
„Hast du
vor, heute überhaupt noch etwas zu tun, Malfoy?“ Er betrachtete sie ruhig.
„Ich
denke, ich mache meinen Job hier ziemlich gut.“
„Was?
Kaffee trinken und meckern?“ Er verzog den Mund.
„Ja.
Hier bleib ich von Potters kleinem Frauchen verschont und auch von den Kindern,
die mich heiraten wollen, um auch ein Kind zu bekommen.“ Hermine gab zu, jetzt
wo Ginny so von ihrer Schwangerschaft schwärmte und den Mädchen erzählt hatte,
ein Kind zu bekommen, ist wie eine sprechende Puppe zu haben, hatten sich viele
Mädchen in den Kopf gesetzt, Malfoy zu heiraten. Der sprechenden Puppe wegen.
Eigentlich
war es süß, Hermine konnte das nicht bestreiten. Allerdings schien Malfoy das
ganze etwas anders zu beurteilen.
„Draco,
das sind Kinder.“ Sie biss sich auf die Zunge. Gott, hatte sich das jetzt
seltsam angefühlt. Wieso hatte sie seinen Vornamen gesagt? Wieso? Hatte er es
gehört? War es ihm überhaupt wichtig? Sie stellte sich an. Und sie war sehr
böse auf sich selbst. Sie fühlte, er hatte es gar nicht verdient, heute einen
Vornamen zu haben, so kindisch wie er sich verhielt.
Während
er einen weiteren Schluck Kaffee trank, betrachteten sie seine Augen über den
Tassenrand hinweg. Oh Gott! Natürlich hatte er es gemerkt. Sie schloss die
Augen. Das war doch wieder mal zu peinlich. Aber anscheinend hatte er seine
Antwortmöglichkeiten noch nicht abgewogen. Sie begann das Spülmittel ausgiebig
im Waschbecken zu verteile, um ihn nicht ansehen zu müssen.
„Ich
weiß, dass es Kinder sind. Aber dass ich jetzt fast vier Wochen hier war,
bedeutet nicht, dass ich Kinder auf einmal leiden kann.“ Jetzt lächelte sie
plötzlich.
„Ach ja.
Hugo Weasley ist ja gar nicht seit zwei Tagen immer an deiner Seite.“ Das war
nämlich eine wirklich interessante Entwicklung. So sehr Malfoy Hugo in den
letzten Wochen gemieden hatte, umso mehr Zeit verbrachte er jetzt mit ihm, in
seinen letzten Tagen.
„Ich
ignoriere einfach die Tatsache, dass er ein Weasley ist.“ Er klang trotzig.
„Und
Scorpio kannst du wohl auf einmal auch nicht mehr leiden, was?“
„Granger,
das ist was anderes.“, knurrte er jetzt.
„Vielleicht
solltest du dich mal nützlich machen, und die Spiele aufbauen. Hugo vermisst
dich nämlich schon sehnsüchtig.“
„Halt
deine Klappe.“ Sie drehte sich um.
„Du
kannst natürlich auch gerne abwaschen, Malfoy.“, bot sie ihm gereizt an. Er
betrachtete das Waschwasser mit Grauen in seinem Gesicht. Aber er hob spöttisch
eine Augenbraue.
„Bist du
nicht schon zu meinem Vornamen über gegangen?“, erkundigte er sich scheinheilig
und trank noch einen Schluck.
„Also,
entweder, du hilfst mir oder du gehst rüber! Du kannst hier nicht faul
rumstehen!“ Sie war knallrot geworden und begann den ersten Teller mit der Hand
zu spülen, damit sie irgendwas zu tun hatte. Sie traute ihrer Zauberstabhand
nicht. Vielleicht zerbrach sie das komplette Geschirr, anstatt es sauber zu
kriegen.
„Hm.
Eine schwere Entscheidung.“, hörte sie ihn hinter sich murmeln. Oh großer Gott!
In ihrem Kopf tat er bereits tausend Dinge, die sie lieber nicht denken wollte!
Sie wurde langsam wahnsinnig. Und sie fragte sich plötzlich, wann ihre Fantasie
endlich Ruhe geben würde. Aber dann würde ihr wahrscheinlich wieder einfallen,
absurderweise eifersüchtig auf Ginnys Baby zu werden. „Wieso machst du das mit
den Händen?“ War er näher gekommen? Stand er jetzt hinter ihr?
Sie
würde sich nicht umdrehen. Niemals. Gott, wie peinlich das war. Es war schon
lächerlich, wie scharf sie auf einmal auf Draco Malfoy sein konnte. Dabei war
es Draco Malfoy! Hätte sie das kommen sehen müssen? Nein, das hätte nicht mal
ein Orakel kommen sehen können.
„Weil…
ich sicher sein will, dass…“ Sie hatte keine Ahnung, wie sie den Satz sinnvoll
beenden konnte. Aber sie konnte nicht gar nichts sagen. „Weil ich will, dass
alles sauber wird.“, schloss sie schließlich.
„Ich
glaube, ich habe kein Interesse abzuwaschen.“ Jetzt stand er hinter ihr! Sie
zuckte unter seiner Stimme zusammen.
„Dann
geh rüber.“, schaffte sie tatsächlich zu sagen. Wenn auch gepresst und leiser
als sie es vorgehabt hatte.
„Aber…
wenn du das mit der Hand machen willst, dann… könnte ich abtrocknen.“, schlug
er vor. Sie konnte keine Andeutungen in seiner Stimme erkennen. Sie hatte keine
Ahnung, wie ihr Verstand irgendwelche erotischen Botschaften aus diesem Satz
verstehen konnte, aber ihre Wangen glühten. Sie wurde einfach verrückt. Ja,
wahrscheinlich war es das.
Um
irgendwas zu tun, schüttelte sie den nassen Teller und hielt ihn ihm
auffordernd entgegen. Sie sah ihn aus den Augenwinkeln nach dem Handtuch
greifen und dann nahm er den Teller aus ihrer Hand. Sie hörte, wie er ihn in
den Küchenschrank räumte. Sie konnte plötzlich wieder atmen, wo er nicht mehr
hinter ihr stand.
„Sag
mal, wenn du deinen Zauberstab…“ Er stand wieder hinter ihr. Aber sie wusch
rigoros den zweiten Teller mit der Hand.
„Malfoy, könntest du dabei nicht reden?“, würgte sie hervor, denn sie kam sich
lächerlich vor. Er schwieg tatsächlich auch. So war es wahrscheinlich
einfacher, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Vor allem wollte sie schnell
fertig werden und sich nicht vorstellen müssen, was Ginny sagen würde, würde
diese jetzt hier rein kommen und sie hochrot beim Abwaschen antreffen.
Ein
Teller nach dem anderen wurde sauber. Schweigend trocknete er ab. Mit spitzen
Fingern reichte sie ihm das Besteck, aber er schaffte es trotzdem irgendwie
ihre Haut zu berühren. Bei fünfundzwanzig Messern! Machte er das mit Absicht?
Sie nahm es stark an. Merkte er, wie nervös er sie machte? Sie nahm auch an,
dass er sich dessen ebenfalls bewusst war.
Jetzt
kamen die kleinen Löffel. Jetzt sie würde noch mal fünfundzwanzig Mal seine
Hand berühren. Es war doch nicht wahr! Wieso verhielt sie sich wie ein kleines
Kind? Er spielte mit ihr. Wahrscheinlich war es nur natürlich, dass sie nicht
wusste, was sie tun sollte.
Sie
erschrak heftig als sie seine Stimme plötzlich neben ihrem Ohr vernahm.
„Schon
fertig?“ Als sie den Kopf aus Reflex in seine Richtung wandte, stieß ihre Nase
gegen seine Wange! Bei Merlin! Oh nein! Hastig senkte sie den Blick in das
verflixte Waschbecken. Zauberstab! Sie würde den Rest magisch machen. Sie hätte
es von Anfang an magisch machen sollen.
Aber sie
ahnte, dass es dafür jetzt zu spät sein würde. Seine Hände hatten sich rechts
und links neben ihr am Küchentresen abgestützt. Jetzt spürte sie die Wärme
seines Körpers. Sie wusste, es war absolut lächerlich zu denken, dass keine
Zeichen in seiner Körpersprache waren.
Sie
hörte, wie er tief einatmete. Und sie stand völlig reglos zwischen ihm und der
Küchentheke. Ihre Gedanken lagen blank.
„Willst
du die Löffel nicht waschen?“, fragte er nun, und küsste dabei tatsächlich
ihren Hals!!! Ihr Herz zersprang in ihrer Brust! Er musste es unweigerlich
hören. Er tat es schon wieder! In der Küche. Und dieses Mal war sie genauso
wenig vorbereitet wie letztes Mal. Letztes Mal… das schien schon eine Ewigkeit
her.
Und
durfte er das? Wollte sie, dass er das tat? Und… ja. Eigentlich wollte sie das.
„Nein.“,
brachte sie schließlich hervor. „Ich denke nicht.“
„Nicht?“,
fragte er belustigt, und sie spürte sein Grinsen an ihrer Haut als seine Lippen
tiefer wanderten. Er küsste ihre Halsbeuge. Ganz sanft. Und das eigentlich
Schlimme war wirklich, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass er es
wirklich tat! Dass sie irgendjemand auf den Nacken küsste, dass war nicht
schwer vorstellbar, aber dass er Draco Malfoy tat, eben jetzt in dieser
Sekunde! Das war etwas, was ihr Verstand nicht glauben wollte.
Sie
hielt die Luft an und drehte sich um. Er hatte sich nicht bewegt und sie stand
immer noch gefangen vor ihm. Es war tatsächlich Draco Malfoy. Und er war so
schön, dass es fast schon unwirklich war.
Sie
betrachtete ihn noch einen momentlang. „Wieso machst du das?“, flüsterte sie
jetzt, ehe sie sich halten konnte. Das war wahrscheinlich das einzige, was sie
noch unbedingt wissen wollte, ehe sie bereitwillig alles tat, was ihr Körper
von ihr wollte.
Für
einen Moment runzelte er die schöne Stirn. Er öffnete den Mund, aber kein Ton
kam heraus. Plötzlich hob sie einfach ihre nasse Hand voll Schaum und berührte
seine Wange.
Kurz
zuckte er zusammen, wegen des Schaums. Vielleicht auch, weil sie ihn
tatsächlich berührte, aber er fing sich schnell. Ihre Finger strichen über
seine samtene Haut. Nicht mal kalter Schaum schien sein Gesicht wirklich
entstellen zu können. Am Rande ihrer Wahrnehmung fiel ihr auf, dass er die Röte
in ihren Wangen sehen musste. Es sah bestimmt furchtbar aus.
Aber das
schien ihm nichts auszumachen. Ihm schien neuerdings überhaupt nichts mehr
auszumachen. Er fing ihre Finger mit seiner Hand, verschränkte sie mit seinen,
und wieder mal waren seine Hände wärmer als ihre.
Sie fuhr
sich mit der Zunge über die Lippen. Er sah sie an, als hätte er sie noch nie
zuvor in seinem Leben gesehen. So kam es ihr zumindest vor. Dann neigte er den
Kopf. Ihr Herz machte einen erneuten Satz. Es schien eine seltsame Faszination
zu sein, Draco Malfoy in der Küche zu küssen, aber sie hatte nicht vor, etwas
daran zu ändern.
Sie hatte
keine Ahnung, wie ihre Arme um seinen Nacken kamen, aber plötzlich waren sie
da. Ihre Finger krallten sich in seine Haut, sein Hemd, seine weichen Haare,
während sie willig ihre Lippen unter seinem Kuss öffnete. Seine Zunge glitt
unbeherrscht in ihren Mund, und er schmeckte nach köstlichem Kaffee. Seine
Hitze machte sie wahnsinnig, und anscheinend völlig willenlos.
Seine
Hände hatten hart um ihre Hüfte gegriffen und sie an sich gepresst, dass sie
gegen seine harte Brust gepresst war. Sie spürte den Schaum jetzt auch auf
ihrer Wange, aber es war ihr ziemlich egal. Es war sowieso alles egal.
Wieder
und wieder küssten sie seine Lippen, und mit jedem Kuss vergaß sie etwas mehr,
wer er war. Plötzlich hoben seine Hände sie an und setzten sie auf die Kante
des Tresens. Automatisch schlang sie ihre Beine um seine Hüften. Seine Hände
fuhren über den harten Stoff ihrer Jeans, bis zu ihrem Hintern.
Er
stöhnte mehr oder weniger unbewusst, und sie konnte nicht anders, als sein
Gesicht mit beiden Händen zu umfassen, und sie küsste ihn noch einmal sanft auf
die Lippen. Seine Hände schlüpften unter ihr Shirt und glitten über ihre weiche
Haut.
„Hermine,
wo… Oh mein Gott!“
Es war
wie eine eiskalte Dusche. Es war vielmehr wie ein elektrischer Schlag. Tausend
Volt, und eigentlich dürfte sie gar nicht mehr atmen können. Seine Hände waren
von ihr abgefallen und sie rutschte hastig von der Kante. Das Spülwasser hatte
ihre Jeans getränkt. Und sie schämte sich mehr als jemals zuvor. Sie wischte
sich den Schaum vom Gesicht.
Ginny
starrte sie einfach nur an. Erst sie, dann ihn. Ihr Mund öffnete sich und
schloss sich wieder, ehe sie überstürzt die Küche verließ. Das Gefühl war
furchtbar. Sie hatte das Gefühl, Ginny hintergangen zu haben. Sie wusste, sie
würde ihren Ausdruck nicht mehr vergessen können.
Und die
Stimmung hier in der Küche war jetzt nicht mehr vorhanden. Wie hatte sie das
tun können? War sie so eifersüchtig auf Ginny, dass sie den nächstbesten
Idioten haben musste? Sie hätte weinen können. Niemand hatte davon erfahren
sollen! Sie selber hätte es niemanden verraten, ihren momentanen Kurzschluss,
ihr plötzliches Verlangen nach Draco Malfoy. Aber jetzt wusste es Ginny.
Sie
wusste es nicht nur, nein, sie hatte es gesehen! Sie folgte Ginny, ohne ein
weiteres Wort, ohne ihn noch einmal anzusehen.
Auf dem
Flur sprach Ginny gerade mit Mr Wickham. Dieser hob nun den Blick. Hermine
hoffte nur, dass er ihre nasse Jeans nicht bemerken würde.
„Ah, Ms
Granger. Da sind Sie ja. Ich komme das letzte Mal, um Mr Malfoy abschließend zu
bewerten. Waren Sie mit seiner Arbeit zufrieden? Oder bekommt er eine Notiz zu
seiner Akte?“ Sie spürte Ginnys bohrenden Blick. Sie schluckte. Ihre Lippen
waren geschwollen, und eigentlich war sie noch gar nicht in der Lage zu
sprechen.
„Ich
denke, Ms Granger war mit seiner Arbeit zufrieden.“, antwortete Ginny eisig.
Hermine senkte hastig den Blick.
„Nun,
das wollen wir annehmen. Man hat ja nicht jeden Tag seinen Freund für sich
arbeiten.“ Der Mann zwinkerte. Hermine nahm die Wrote fassungslos auf.
„Ihren
was?“ Ginnys Stimme überschlug sich.
„Oh
richtig. Es sollte ja nicht an die Öffentlichkeit. Aber damit meinten sie doch
lediglich die Öffentlichkeit des Ministeriums, richtig? Oder bezieht die
Hexenwoche ihre Informationen auch aus ihrer Einrichtung, Ms Granger?“, fragte
der Mann jetzt mit einem bösen Lächeln, und zum ersten Mal in ihrem Leben,
hatte Hermine darauf keine Antwort.
„Sie
brauche mich hier wohl nicht länger.“, knurrte Ginny und mit einem letzten
verhassten Blick auf Hermine war sie verschwunden.
Hermine
wusste, sie würde das nicht gut machen können. Und sie hatte das Gefühl, dass
dieser kleine, widerwärtige Mann vor ihr, genau wusste, warum er diese Sachen
sagte.
„Dann
wären meine Besuche hier gezählt, Ms Granger.“ Er steckte die Feder schwungvoll
wieder ein, verstaute sein Klemmbrett und tippte sich an den flachen Hut. „Das
Verfahren gegen Mr Malfoy wird eingestellt, wenn Sie keine weiteren Beschwerden
einreichen.“
Sie
nickte perplex.
„Ausgezeichnet.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Grüßen Sie Mr Malfoy von mir.“ Damit
verschwand auch er. Und sie stand allein auf dem Flur.
Ok. Und
was würde sie jetzt tun?
Er war
aus der Küche gekommen. Er stand jetzt neben ihr.
„Was
mach ich jetzt?“, fragte sie leise und spürte die Tränen bereits kommen. Sie
hörte ihn tief einatmen.
„Wie
wäre es, wenn du morgen mit mir Essen gehen würdest?“, fragte er schließlich,
und sie hob den Blick.
„Malfoy,
was..?“ Er lächelte.
„Morgen
ist mein letzter Tag. Ich glaube nicht, dass du dich mit Weasley vertragen
wirst. Wenigstens nicht jetzt. Dann kannst du dich nächste Woche darüber
ärgern.“, schlug er mehr oder weniger diplomatisch vor.
„Malfoy,
ist dir klar, dass sie das Harry erzählen wird?“, erwiderte sie gepresst, aber
er zuckte tatsächlich die Schultern.
„Ja,
und?“
„Malfoy!“
Sie konnte nicht begreifen, was er sagte.
„Das ist
dein Leben oder nicht? Wenn du nicht willst, dann müssen wir morgen nicht essen
gehen, Granger. Es ist ein Vorschlag. Wenn du ihn natürlich erst mit Potter und
Weasley besprechen musst, um danach abzustimmen, dann können wir es auch
lassen.“ Er fuhr sich durch die nassen Haare.
Ihr kam
der Gedanke in den Sinn, dass er recht hatte. Vielleicht. Wenn sie ihn in der
Küche küssen wollte, dann konnte sie das wohl auch tun, oder nicht? Nein,
wahrscheinlich eher nicht.
„Was…
was ist mit deinem Vater?“ Ihr fiel siedend heiß wieder ein, dass ja nicht nur
Harry, Ginny und Ron etwas gegen diese Verbindung haben würden. Nein, der
freundliche Lucius würde Zauberstab schwingend diese ganze Truppe anführen.
Und
Draco Malfoy lächelte.
„Ich
glaube nicht, dass Lucius uns begleiten möchte.“
Malfoys
erster Scherz. Aber sie war noch zu schockiert, als dass sich ihre Mundwinkel
hätten heben können. Schließlich kam Hugo auf den Flur, mit Scorpio.
Anscheinend hatten die beiden sich nach all den Jahren angefreundet.
„Hey,
Draco, kommst du mit? Wir spielen gleich das Besenspiel. Scorpio und ich wollen
dich in unserem Team haben. Ansonsten musst du nämlich zu Florina und Elly
Walsh. Sie haben schon nach dir gefragt.“ Hugo senkte den Blick. Wahrscheinlich
befürchtete er wirklich, dass Malfoy zu den Mädchen gehen würde.
Er
atmete aus.
„Natürlich
bleiben wir ein Männerteam.“
„Miss
Hermine, was ist mit ihrer Hose?“ Scorpio hatte sich stirnrunzelnd nach vorne
gebeugt. Hermine wurde wieder einmal rot.
„Ahem…
dein Bruder hat in der Küche Chaos gemacht.“, war ihre schlichte Erklärung. Sie
konnte Malfoys Lächeln sehen als er hinter den Jungen in den großen Raum
schritt.
„Wie
konntest du das tun?“ Schätzungsweise war dies das zwanzigste Mal, dass Ginny
sie das fragte.
„Ich
weiß es nicht.“ Die Kinder waren abgeholt worden. Malfoy war auch gegangen.
Also konnte Ginny sie in aller Ruhe anschreien. Sie hatte sich ja auch so
tapfer den Rest des Tages zurück gehalten gehabt.
„Was
soll das heißen? Es sah nicht wirklich so aus, als hätte er dich gezwungen!“
Als sie wieder daran dachte, kribbelte es stark in ihrem Bauch.
„Nein,
hat er nicht.“, gab sie zu.
„Hermine!
Das ist krank! Das ist, das… du weißt, wer er ist! Wie konnte das passieren?
Ich begreife es nicht. Was ist los mit dir? Hast du völlig den Verstand
verloren? Gut, dass er ab nächste Woche nicht mehr da ist. Ich kann es nicht
fassen!“ Sie hatte sich ganz in Rage geschrieen. Hermine blieb sogar relativ
ruhig.
„Ginny,
es ist meine Sache.“ Ginnys Augen blitzten gefährlich.
„Ach ja?
Na, aber sich. Aber wieso nimmst du nicht wen anders?“, schrie sie jetzt so laut,
dass Hermine zurück weichen musste.
„Und
wen?“, schrie sie jetzt auch, obwohl sie sich eigentlich nicht dazu hatte
hinreißen wollen.
„Was?“,
erwiderte Ginny verwirrt, aber Hermine stemmte die Hände in die Hüften.
„Welcher Mann in London, den du für würdig erachten würdest, ist noch nicht
verheiratet, oder hat noch keine Kinder, oder wird nicht bald welche bekommen,
Ginny?“ Ginny sah sie fassungslos an.
„Du
kannst jeden haben. Nur eben nicht den Malfoyidioten, Hermine!“
„Ja?
Dann gib mir ein verdammtes Beispiel!“ Sie fluchte eigentlich nicht gern. Aber
anscheinend gab es jetzt keine andere Wahl. Ginny überlegte kurz.
„Ich
weiß es nicht. Aber Malfoy ist bestimmt nicht der einzige Single in dieser
schönen Welt.“ Sie schüttelte wieder völlig verständnislos den Kopf.
„Nein,
vielleicht nicht auf der Welt, aber nenn mir jemanden in London! Nenn mir
jemanden, der mich genauso fühlen lässt wie…“ Sie biss sich hastig auf die
Zunge. Oh Gott! Was erzählte sie denn jetzt? Ginny kam auf sie zu, als wäre sie
auf einmal besessen. Sie umfasste ihre Schultern grob und starrte sie fast
panisch an.
„Hermine,
was sagst du da?“ Ihre Stimme war gefährlich leise. „Das hast du nicht wirklich
gesagt, oder? Du bist doch nicht so bescheuert und lässt dich von seinem
Äußeren täuschen? Du kennst ihn nicht erst seit Montag, zum Teufel noch mal!
Wir waren auf einer Schule! Er wollte dich UMBRINGEN! Hermine! Begreifst du
nicht, dass er Draco Malfoy ist?“ Sie machte sich von ihr los.
„Er wird
mich nicht umbringen!“, entgegnete sie.
„Ach
nein? War er denn nett und umgänglich, als er vor einem Monat seinen Bruder
abholen wollte? Hat er den Abend ruhig verbracht und nicht eine Schlägerei
angefangen und alles zerstört?“ Und das Schlimme war, eigentlich hatte Ginny
vollkommen recht.
„Er… er
hat sich geändert.“
„In
einem Monat? Wer denkst du, wer du bist? Eine Göttin, die alles ändern kann?
Ein Mädchen, das Draco Malfoy dazu bringt, ein netter Kerl zu sein? Hermine,
sieh dich an! Als wärst du für ihn jetzt irgendjemand anders!“ Aus Ginnys Mund
klang es wie eine ziemlich gemeine Beleidigung.
„Was
soll das heißen?“, fragte sie deshalb, aber sie schaffte es nicht mal
provozierend zu klingen.
„Denkst du, er wird nach einem Mal Sex mit dir vergessen, wie du heißt? Denkst
du, er wird vergessen, wer du bist? Denkst du, ihm ist dein Blut egal? Auf
einmal? Nach siebenundzwanzig Jahren? Denkst du das?“ Sie war schon ganz
heiser. Hermine hoffte, sie würde morgen keine Stimme mehr haben.
„Ginny,
es ist meine Sache.“, begann sie wieder.
„Er nutzt
dich aus, und dir ist das egal?“ Sie war wieder näher gekommen.
„Er
nutzt mich nicht aus.“, widersprach sie zögernd.
„Ach
nein? Dann sag mir, was er sonst tut?“
„Er
könnte jede andere haben, Ginny. Er muss nicht mich nehmen.“ Gott, es klang so
erbärmlich in ihren Ohren.
„Warum lässt du dich dann auf ihn ein? Was ist nur los?“
„Du
warst nicht da! Malfoy ist nicht mehr so… So wie er war. Er ist anders. Er hat
einen Bruder, Ginny. Kinder können Menschen verändern.“
„Scorpio
ist Lucius‘ Sohn, nicht Dracos, Hermine. Die eignen Kinder verändern einen, ja,
aber nicht die Kinder von anderen!“ Und hier musste Hermine widersprechen.
Ginny hatte keine Ahnung.
„Das ist Blödsinn, Ginny, und das weißt du! Die Kinder hier haben uns
grundlegend verändert. Und so wie sich Pansy verändert hat, so hat sich auch
Draco verändert!“
„Draco?“,
wiederholte Ginny am Rande eines Schreikampfs. „Draco??? Du nennst ihn beim
Vornamen? Was Harry dazu sagen wird, ist dir ja hoffentlich klar, Hermine!“
„Du
willst es Harry sagen? Bitte, dann sag es Harry. Harry wird dir auch bestätigen
können, dass sich Menschen ändern. Du willst es nicht wahrhaben, aber man kann
jemanden nicht für immer hassen.“
„Doch!“,
lachte Ginny auf. „Doch, Hermine. Normale Menschen können das. Nur bei dir
scheint irgendwas kaputt gegangen zu sein. Du scheinst dich nur noch von deinen
Trieben leiten zu lassen. Als wärst du die einzige mit Problemen.“
Hermine
packte nun hastig ihre Sachen zusammen. Sie musste sich bestimmt nicht von
Ginny maßregeln lassen.
„Nein,
bestimmt nicht, Ginny. Aber ich bin die einzige, die alleine mit ihren
Problemen klar kommen muss, denn du und Harry, ihr redet nur noch über euer
ungeborenes Baby, und Ron und Cho haben Sex auf dem Küchentisch und ansonsten
ist da niemand, mit dem ich reden könnte. Klar, du magst Malfoy nicht, aber
kann das vielleicht auch damit zusammen hängen, dass ich meine Zeit lieber mit
ihm verbringen würde, als mit dir? Kann es sein, dass du dich in deinem eigenen
Umfeld bedroht fühlst, weil du nicht mehr diejenige bist, die alles von mir
weiß?“ Ginnys Mund klappte auf und wieder zu. „Aber das tut mir wirklich
leid. Wenn du mich als Freundin behalten
willst, dann reicht es leider nicht, die ganze Zeit von dir und Harry zu
erzählen. Vielleicht siehst du das irgendwann ein.“ Damit verschwand sie.
Und sie
fühlte sich nicht mehr ganz so abscheulich. Ja, vielleicht war es unfair
gewesen, Ginny vorzuwerfen, sie rede nur noch von dem Baby, und davon wie toll
ihre Beziehung mit Harry sei.
Aber
Hermine hatte recht. Sie wusste, dass eine Freundschaft nicht auf dieser Basis
stehen sollte.
Ginny
musste sich ändern. Hermine hatte ihr immer zugehört. Jeden Tag, wenn sie von
irgendwelchen Kleinkinderstreits erzählt hatte. Natürlich war sei neidisch, aber
Ginnys Aufgabe sollte es dann nicht sein, sie noch schlechter zu machen. Ihre
Aufgabe sollte es sein, ihr zu helfen und ihr nicht jeden und jeden Tag von
Harry und ihrer kleinen Familie in spe vorzuschwärmen.
Zornig
schritt sie die Straße entlang. So wütend, dass sie kaum gerade aus gucken
konnte. Sie konnte gar nicht schnell genug ausschreiten, um endlich Zuhause
etwas kaputt werfen zu können.
Oder
sonst irgendwas!
„Ms
Granger.“ Noch so einer, den sie nicht sehen wollte! Lucius Malfoy kam ihr
entgegen, in der Hand einen Aktenkoffer. Sie wollte gar nicht wissen, welche
krummen Geschäfte er jetzt wieder abgeschlossen hatte. Er hielt inne und machte
kehrt um neben ihr zu gehen.
„Mr
Malfoy, jetzt ist wirklich ein schlechter Zeitpunkt.“
„Für
einen Gespräch mit Ihnen gibt es keinen richtigen Zeitpunkt, Ms Granger.
Dennoch habe ich keine Wahl.“ Sie hatte keine Lust ihm zuzuhören. Sie hatte
keine Lust überhaupt zu wissen, dass es ihn gab.
„Was
wollen Sie dann? Verschwinden Sie, und lassen Sie mich in Ruhe. Es gibt nichts,
worüber wir reden könnten.“ Sie musste sich beherrschen, nicht zu schreien. Er
hielt immer noch mit ihr Schritt.
„Gar
nichts? Denken Sie mal nach.“ Sie hasste seine Art. Diese Arroganz, diese… Sie
hätte schreien können vor Wut.
„Mr Malfoy!“
Drohend hatte sie inne gehalten, und er tat es ihr gleich. Mit einem
widerlichen Lächeln betrachtete er sie
abfällig.
„Ms
Granger, bitte, enttäuschen Sie mich nicht.“, sagte er aalglatt. „Was denken
Sie wohl, was wir gemein haben?“ Seine schulterlangen Haare steckten in einem
eleganten Zopf. Seine Haare waren anders als Dracos. Nicht so… weich, überlegte
sie.
„Was
wollen Sie?“, fragte sie leise und voller Verachtung.
„Ich
nehme an, Sie waren diejenige, die meinem Sohn eine Karriere außerhalb des Ministerium
vorgeschlagen hat?“, erkundigte er sich immer noch ruhig, aber sie schnaubte
auf.
„Von
welchem Ihrer Söhne sprechen Sie? Denn das werde ich bestimmt beiden
vorgeschlagen haben, Mr Malfoy.“ Kurz entgleiste sein Lächeln, aber er fing
sich schnell.
„Ms
Granger, ich würde Ihnen raten, sich nicht so gehen lassen.“
Sie ging
weiter. Würde sie stehen bleiben, würde sie ihn wahrscheinlich verfluchen.
„Lassen
Sie mich allein.“
„Sie waren
es doch, die Draco diese… Stelle vorgeschlagen hat, nicht wahr? Von wem soll er
sonst so eine absurde Idee in den Kopf gesetzt bekommen haben.“, sagte er, als
hätte sie nichts gesagt und folgte ihr wieder.
„Es geht
Sie nichts an!“, entgegnete sie und schrak zusammen, als er sie am Arm in die
nächste Seitenstraße zog und gegen die Wand presste.
„Oh Ms
Granger, wenn Sie falsch liegen, dann sollten Sie es auch wirklich bereuen.
Denken Sie wirklich, ich lasse meinen
Sohn eine solche… Arbeit vollrichten?“, fragte er kalt, und sie verzog
vor Schmerz das Gesicht. „Antworten Sie mir!“, forderte er jetzt.
„Und
wenn nicht? Zwingen Sie mich dann wieder auf den Boden und halten mir Ihren
verfluchten Zauberstab an die Schläfe, wie in der Mysteriumsabteilung?“, schrie
sie ihn an, und sein Griff wurde übergangslos fester.
„Sie
haben kein Recht, sich in die Zukunft meines Sohnes einzumischen. In keine
Zukunft, von keinem meiner Söhne.“
„Als ob
Ihnen Draco irgendwas bedeuten würde.“, keuchte sie vor Schmerz und versuchte
ihren Arm zu befreien.
„Halten Sie Ihre Klappe, Sie dummes Kind. Mein Sohn hat Sie nicht zu
interessieren.“
„Sie
sind so erbärmlich. Haben Sie etwa Angst, dass Scorpio genauso wird wie Draco
und dass Sie dann weder den einen noch den anderen Sohn haben, den Sie mit
Ihren Worten vergiften können, Lucius?“ Er holte schneller aus, als sie
reagieren konnte. Seine flache Hand traf sie hart ins Gesicht.
„Halt
den Mund! Halt deinen Mund, verfluchtes Schlammblut!“, schrie er, aber immer
noch blieben sie allein in der Gasse. Bunte Flecken tanzten vor ihren Augen und
eine verirrte Träne rann aus ihrem Augenwinkel. Ihre Wange kribbelte unangenehm
und sie bekam dumpfe, pochende Kopfschmerzen.
Der Mann
vor ihr atmete schwer und starrte sie mit großen Augen an. „Ich liebe beide
meine Söhne. Sie haben nicht das Recht auch nur einem von ihnen die Zukunft zu
zerstören.“, knurrte er beherrschter als zuvor.
„Wenn
Sie mich nicht sofort gehen lassen, dann schwöre ich, werde ich Sie hier
verfluchen, Mr Malfoy. Wenn Sie mich nicht sofort gehen lassen, werde ich Sie
anzeigen und Sie können Ihre Söhne aus einer Zelle in Askaban lieben.“ Sie
griff in die Tasche ihres Umhangs.
„Jetzt,
wo Draco mit seiner Strafe fertig ist, werden Sie nichts mehr mit ihm zu tun
haben. Sie werden ihn nicht wieder sehen, haben Sie gehört?“, fragte er, als
hätte er ihre Drohung nicht gehört.
„Sie
haben mir keine Befehle zu geben.“ Sie zog den Zauberstab aus ihrem Umhang.
„Packen
Sie das lächerliche Ding weg.“, bemerkte er kühl. „In diesem Koffer befinden
sich einhunderttausend Galleonen. Sie werden Sie als Schweigegeld bekommen. Und
nicht nur als das. Sie werden Draco in Ruhe lassen. Ich kann nicht riskieren,
dass seine momentanen Neigungen ihm das Genick brechen.“
„Weil Sie
es sonst tun werden?“, erwiderte sie kalt. Das Kribbeln in ihrer Wange klang
langsam ab.
„Nein,
aber weil ich Sie dann dafür verantwortlichen machen werde.“
„Sie
können mir kein Geld dafür geben, dass ich mich von ihrem Sohn fernhalte. Als
ob er wirklich auf Sie hören würde, Lucius. Als ob sich Draco von Ihnen auch
nur eine Boshaftigkeit mehr gefallen lassen würde!“
Und
jetzt lächelte der blonde Mann. Ein bitterböses, eiskaltes Lächeln.
„Ich
werde ihm keinen Silberknut lassen, sollte er sich weigern. Und ich werde Ihnen
die Schuld geben, Hermine.“ Ihr Name aus seinem Mund klang wie etwas
Furchtbares, etwas Gefährliches. „Glauben Sie wirklich, Draco wird auf Sie
hören, wenn ich all das Vermögen Scorpio vermache?“, fragte er lauernd.
„Glauben Sie wirklich, Sie könnten meinen Sohn ändern, nur weil Sie Ihre Hüften
schwingen? Er wird das Interesse schneller an Ihnen verlieren, als Sie es sich
vorstellen können. Und dann leben Sie nicht mit meinem Hass, sondern mit
seinem.“
Ihr Mund
öffnete sich langsam. „Und Hermine… wollen Sie das wirklich?“
Und vor
ihrem inneren Auge, sah sie bereits Dracos fassungsloses Gesicht, wenn sein
Vater beschlossen hatte, das Vermögen Scorpio zu vermachen, weil sein älterer
Sohn dessen nicht mehr würdig war. Er würde sich selber dafür hassen, einen Job
angenommen zu haben, der seinem Vater missfiel – und natürlich würde er ihr die
Schuld geben, so ungerecht dies auch war.
„Damit
werden Sie nicht durchkommen. Draco ist nicht dumm.“, widersprach sie jetzt.
„Nein,
ganz gewiss nicht. Ich halte meinen Sohn für einen vernünftigen, begabten und
fähigen jungen Mann. Draco wird verstehen, dass ich ihm die besten Aussichten
zu bieten habe.“ Er lächelte wieder ein kühles Lächeln.
„Wieso
tun Sie das?“, flüsterte sie.
„Weil
ich meine Söhne nicht dazu erziehe, mich zu hassen. Ob Sie es glauben oder
nicht, ich bin ein guter Vater. Mein Sohn weiß, wie viel er mir bedeutet. Beide
meine Söhne wissen das. Gut, bei Draco mag es sein, dass ich ein paar Fehler
gemacht habe, aber das geht Sie nichts an. Es nicht Ihre Aufgabe, sich um Draco
zu kümmern, was Sie – wie ich annehmen darf – erfolgreich getan haben.“ Kurz
zuckten seine Mundwinkel.
„Glauben
Sie mir, dass Sie ein Schlammblut sind, das ist mir herzlich gleichgültig. Ich
würde Sie nicht auf meinen Sohn aufpassen lassen, wäre ich einer anderen
Ansicht, Ms Granger.“ Er stellte den Koffer vor ihre Füße. „Aber in meinem Haus
gibt es Regeln. Ich erziehe meine Kinder, ich gebe ihnen den Reichtum, den ich
zur Verfügung stehen habe und dafür verlange ich Respekt.“ Sie betrachtete
stumm den Koffer.
„Ich
brauche Ihr Geld nicht, Lucius.“ Er lachte leise.
„Oh, Ms
Granger, niemand gibt Geld wieder zurück. Und glauben Sie mir, jeder hat seinen
Preis. Nehmen Sie es einfach. Vielleicht hält Sie das wirksam davon ab, Kontakt
mit meinem Sohn zuhalten. Wir wissen doch beide, dass sie wirklich nicht
zusammen passen.“ Er klang beinahe väterlich. Auf eine groteske widerwärtige
Art.
„Sollten
Sie sich allerdings meinen Wünschen widersetzen, dann werden Sie sich wünschen,
sich nicht mit mir angelegt zu haben, Ms Granger.“ Er zog seine schwarzen
Lederhandschuhe zurecht.
„Wollen
Sie mir drohen?“, fragte sie jetzt und spürte wieder ihre Wut, die kurz durch
den Schock verdrängt worden war.
„Ich
denke, das habe ich doch bereits.“ Er lächelte wieder. „Ich tue es sogar
eigentlich ungern, denn Sie verfügen über einen beeindruckend harten Charakter,
Ms Granger.“ Er nickte anerkennend. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich
vorhin habe gehen lassen. Der Schlag war nicht so gemeint.“ Sie schnappte kurz
nach Luft. Nicht so gemeint? Fand er das auch noch witzig? Ihre Schläfe dröhnte
immer noch. „Ich verstehe, was Draco an Ihnen findet. Auch wenn es nicht
unbedingt das ist, was ich in einer Frau suche.“
„Unterwürfigkeit?“,
gab sie böse zurück. Er lachte erneut.
„Sie
sind wirklich schlagfertig. Ja, Unterwürfigkeit. Und Sie würden bemerken, dass
auch mein Sohn der Unterwürfigkeit nicht abgeneigt ist. Aber dazu wird es ja
nicht mehr kommen.“
„Sie
denken, weil Sie mir Geld geben und mich schlagen, dass Draco jetzt seinen
neuen Job aufgeben wird, um sich Ihrem Willen zu beugen?“, fragte sie jetzt
trocken nach.
„Davon
bin ich überzeugt, habe ich doch vorhin den Fluchbannern einen ähnlichen Koffer
gebracht, damit sie Draco einen Brief schreiben, in dem sie von Herzen
bedauern, seine Bewerbung zurückweisen zu müssen.“ Ihr Mund klappte auf.
„Sie
sind ein gemeines Arschloch.“ Er schürzte die Lippen.
„Das
kann Ihre Meinung sein, Ms Granger. Ich halte mich lediglich für vorsichtig.
Ich will nicht, dass Draco einen Fehler macht. Das wollte ich nie. Und bisher
habe ich stets die richtigen Entscheidungen getroffen.“
„Ja? Als
Sie ihn gezwungen haben, das Dunkle Mal zu tragen? Als er Dumbledore umbringen
sollte, weil Sie Mist gebaut hatten? Oder als er in der Hogwartsschlacht hatte
kämpfen müssen?“ Sein Lächeln schwand schnell.
„Ihn zu
einem Todesser zu machen, hat ihn vor dem Tod bewahrt, Ms Granger. Diese Zeiten
liegen hinter uns. Ich habe das Beste für meine Familie getan. Ich hoffe, dass
wir beide nicht noch einmal das Vergnügen haben werden.“
Er
nickte zum Abschied und mit wehendem Umgang war er nach ein paar Schritten
appariert.
Sie
wusste nicht genau, warum sie Draco Malfoy so verteidigt hatte. Sie wusste auch
nicht, warum sie ihre Meinung jetzt erst recht änderte. Sie wusste nur, sie
kochte vor Wut. Zornig trat sie gegen den Lederkoffer und er kippte
geräuschvoll zur Seite.
Hunderttausend
Galleonen. Sie versuchte nicht darüber nachzudenken, denn spätestens morgen
würde sie diese Summe nicht mehr besitzen. Dafür musste sie aber noch mit
jemandem sprechen.
Wenn
Lucius dachte, sie hätte Angst vor ihm, dann hatte er sich geirrt. Vielleicht
glaubte er zu wissen, was das Beste für seine Söhne war, aber da lag er falsch.
Ganz falsch. Und das würde sie ihm beweisen. Auch wenn sie sich damit auf
dünnes Eis begab. Und in bedrohliche Gefahr.
Aber
niemand sagte Hermine Granger, was sie tun oder lassen konnte.
Niemand.
Nicht einmal ein Malfoy.
Seine
frisch gewonnen Zukunft zog träge an ihm vorbei. Der Brief lag vergessen auf
seinem Tresen. Er trank einen kleinen Scotch. Eigentlich nur, um sich
abzulenken.
Wieso
hatten sie ihm abgesagt? Wieso zur Hölle wollten sie ihn nun doch nicht haben?
Er verstand es nicht. Absolut überhaupt nicht. Hatte er einen Fehler gemacht?
Hatten sie doch verlangt, Einblick in seine Akte nehmen zu dürfen? War sein
Name das Problem? Wohl kaum!
Oder der
winzige Ausfall letzten Monat? Er hatte lediglich Geburtstag gefeiert. Etwas zu
wild, ja, das gab er zu, aber es war doch kein Grund, einen jetzt doch nicht
mehr einstellen zu wollen.
Und vor
allem: Was sollte er jetzt tun? Er wusste es nicht. Es gab kaum etwas zu tun.
Er hatte also versagt. Er hatte sich Mühe gegeben und hatte versagt. Man bekam
nie, was man wollte, egal, wie sehr man sich auch anstrengte. Und diese
Information würde auch an seinen Vater gehen.
Und
dieser würde dann lachen und sagen, dass er ihn gewarnt hätte. Dann hätte
Lucius recht gehabt, und er hätte wieder einmal unrecht. Das war nicht gerecht.
Das war es absolut nicht.
Er
kippte sich noch ein halbes Glas voll ein. Er wusste, morgen war sein letzter
Tag. Und eigentlich hatte er nicht vor, sich heute Abend gehen zu lassen.
Eigentlich war das nicht der Plan. Denn morgen bekam er seinen Zauberstab
wieder. Wahrscheinlich machte es nicht den besten Eindruck, würde er ihn immer
noch betrunken entgegen nehmen.
Er
seufzte schwer.
Was
sollte er jetzt tun? Was konnte er noch tun? Wieder von vorne anfangen? Doch
ins dämliche Ministerium laufen, wie ein geprügelter Hund, damit sie ihn doch
noch in Gnade aufnehmen würden. Er verzog den Mund nachdem die bittere
Flüssigkeit auf seinen Gaumen traf.
Er hatte
versagt. Sein Vater hatte recht, Granger hatte recht. Alle hatten recht. Er
schaffte überhaupt nichts. Es klopfte laut an seiner Tür. Müde stieß er sich
vom Tresen ab und schritt durch den Flur.
Er zog
die Tür auf und hob eine Augenbraue. Was tat sie hier?
„Wie
sehr bist du von deinem Vater abhängig?“, fragte sie nun ohne Umschweife. Er
runzelte die Stirn.
„Was?“
Er hatte keine Lust. Er wollte sie nicht einmal sehen. Sie war nur wieder ein
Mensch, der einen Job hatte.
„Sag mir,
wie sehr du von deinem Vater abhängig sein willst. Wenn du die Chance hättest,
das zu arbeiten, was du machen möchtest, würdest du es tun? Egal, was die
Konsequenzen sind?“
„Was?
Wovon sprichst du? Welche Konsequenzen, Granger?“ Sie war nicht mal wirklich
attraktiv in diesem Moment, dabei war sie genauso schön, wie immer. Vielleicht
war das Verlangen, das er gespürt hatte, mit dem Alkohol verschwunden.
„Geld.“,
sagte sie knapp.
„Was?“,
wiederholte er verständnislos, und sie wurde gereizter.
„Ich meine,
dass du bei den Fluchbannern weniger verdienen würdest.“, erklärte sie
ungeduldig.
„Die
haben mich nicht genommen.“, erwiderte er bitter. Er brauchte jetzt wirklich
nicht noch schlechte Worte von ihr.
„Ja,
aber dieses Problem kann man lösen.“, sagte sie wage, und er verstand kein
Wort.
„Aber
das…“
„Hör zu,
nehmen wir an, ich kann dieses Problem lösen und sie nehmen dich doch – wie
viel ist dir das Wert?“ Er verengte die Augen. Was wollte sie von ihm?
„Was
meinst du damit? Was soll es mir wert sein?“
„Wenn
dein Vater damit nicht einverstanden wäre…“, begann sie schließlich und er
seufzte.
„Mein
Vater ist mir egal, Granger.“
„Das
heißt, du würdest den Job nehmen, komme was wolle?“ Er stöhnte genervt.
„Granger,
ich hab keine Lust auf diese Spiele. Lass mich einfach in Ruhe. Du kannst mich
morgen noch stundenlang nerven, ehe mein Leben wieder normal wird.“ Kurz
flackerte es in ihrem Blick. Er konnte es sehen, konnte beinahe spüren, wie
sehr sie seine Worte verletzt hatten. Kurz – ganz kurz – spürte er
Schuldgefühle. Aber sie verschwanden nahezu augenblicklich. Sie reckte das Kinn
in die Höhe.
„Dein Vater ist dir also egal, und du würdest den Job annehmen, würdest du ihn
bekommen?“, fragte sie jetzt noch mal, deutlich kühler und bereit zu gehen.
„Granger…“
„Ja oder
nein?“ Ihre Stimme war laut und schien kein weiteres Gespräch mehr zu
akzeptieren. Er ruckte mit dem Kopf.
„Lucius
ist mir egal.“, erwiderte er bloß. Aber sie war nicht die Ministerin. Sie
konnte solche Entscheidungen nicht rückgängig machen, nur weil sie es so haben
wollte. Sie war gegangen, ohne ein weiteres Wort, ohne sich noch einmal
umzudrehen.
Jetzt,
wo sie weg war, taten ihm seine Worte wieder leid. Vielleicht hätte er sie rein
beten sollen. Sich alleine scheiße zu fühlen, war so ziemlich das Letzte, was
er wollte. Er lehnte noch eine Weile im Türrahmen. Der Flur war leer und
dunkel. Wieder war er allein. Ja, sie hätte bleiben sollen. Auch wenn er jetzt
wieder mal keine Arbeit hatte, hatte er sich besser gefühlt, als sie noch vor
einer Minute vor ihm gestanden hatte. So seltsam das auch war. Er hatte sich
doch tatsächlich an die Gesellschaft von Hermine Granger gewöhnt.
Aber
jetzt war sie weg. Jetzt war es auch egal. Er würde noch ein Glas trinken. Nur
noch ein kleines….
~*~
Sein
Kopf dröhnte als er die Tür der Magic-Corner hinter sich zuzog. Kinderlärm
drang von dem großen Raum in den Flur. Die kleinen Umhänge hingen
ordnungsgerecht an ihren Haken. Scorpio war auch da. Abwesend strich seine Hand
über den teuren, lindgrünen Stoff.
Er
erinnerte sich dunkel, dass er als Kind auch schon immer grüne Umhänge getragen
hatte. Ob sich Lucius um die Farbwahl kümmerte? Eigentlich bezweifelte er es,
aber dann wiederum – warum nicht? Sein Vater war seltsam genug.
Er
betrat den Raum. Von der kleinen Weasley bekam er einen giftigen Blick
zugeworfen. Von Granger war keine Spur. Aber die Kinder betsürmten ihn. Und sie
hatten anscheinend Geschenke, was der kleinen Weasley auch gehörig gegen den
Strich zu gehen schien. Und für einen kleinen Moment vergaß er seine
Kopfschmerzen.
„Hier,
Draco! Mach meins zuerst auf.“ Es war Elly Walsh, die mit ihm eigentlich nie
mehr als drei Sätze gesprochen hatte. Sie war das kleine Muggelmädchen, von dem
er bisher eigentlich den Eindruck hatte, dass sie ihn ncith hatte leiden
können.
Das
Geschenk war unbeholfen in eine Servierte eingewickelt. Kleine Besen flogen auf
dem Papier umher. Seine Mundwinkel zuckten, ehe er es auspackte. Dann fuhren
seine Finger über das glänzende, feste Material. Es war flach und viereckig. Er
konnte nur vermuten, dass dieses Material ziemlich schädlich für die Umwelt war
– wie so vieles, was Muggel herstellten.
Unter
dem durchsichtigen Material – für Glas war zu leicht und zu nachgiebig –
blickte ihm eine Hexe auf einem Besen entgegen. Es war kein magisches Bild. Die
Hexe blieb still. Die Überschrift lautete: Die kleine Hexe. Er runzelte die
Stirn.
„Das ist
ein Hörspiel.“, erklärte sie mit hochrotem Kopf. „Das hab ich früher gehört. Da
wusste ich nicht, dass…“ Sie lächelte einfach nur.
„Ein…
Hörspiel.“, wiederholte er das Wort. Die anderen Kinder blickten auch mit
offenen Mündern auf das flache Viereck in seiner Hand.
„Was
kann es?“, fragte Devon ehrfürchtig.
„Es ist eine
CD.“, sagte Elly jetzt, etwas enttäuscht, dass keine wusste, was es war.
Granger würde es wissen, vermutete Draco jetzt, aber Granger war ja nicht
anwesend.
„Wofür
steht CD?“, fragte er stattdessen.
„Ahem…
ich… keine Ahnung.“, sagte das Mädchen. „Aber du kannst es dir ja mal anhören.“
Damit ging sie an den Frühstückstisch zurück. Anhören? Er überlegte, ob man
sich dieses Ding ans Ohr halten musste. Seine Finger fühlten eine Rille an der
Seite. Tatsächlich konnte man das flache Ding öffnen. Innen blickte ihm
dasselbe Bild entgegen, allerdings auf einer dünnen Scheibe, die man aus der
Hülle entfernen konnte.
Was zur
Hölle war das denn? Ein harter Pfannkuchen? Er würde sich damit zu Hause
beschäftigen. Devon hielt ihm nämlich sein Geschenk unter die Nase.
„Wieso
schenkt ihr mir etwas?“, fragte er jetzt. Die Kinder lachten nachsichtig,
anscheinend.
„Weil du jetzt weggehst, Draco.“, erklärte Devon bereitwillig. Ihm fiel auf,
dass Scorpio bei den Bausteinen sitzen geblieben war.
„Pack
schon aus.“ Florina schien es eilig zu haben. Er wickelte Devons Geschenk aus.
Er lächelte. Es war ein dicker Muffin, mit grüner Glasur. Die Worte „Viel
Glück, Draco!“ leuchteten dort in farbwechselnder Zuckerschrift.
„Mum hat
ihn gemacht, aber ich hab ihr gesagt, wie er aussehen muss.“, erklärte Devon
stolz. Draco nickte grinsend.
„Danke,
Devon. Ich werde ihn sofort essen.“ Das würde er auch tun, denn Zuhause war er
zu müde gewesen, sich Frühstück zu machen. – Oder Kaffee.
„Hier.“
Florina drückte ihm ihr Geschenk in die Hand. Es war schwerer als die anderen.
Draco wickelte es vorsichtig aus. Es war eine Schneekugel. Er hob sie vor sein
Gesicht. Dort drinnen standen winkende Figuren, offensichtlich mit Buntstiften
gezeichnet. Er erkannte sich selber, denn er war größer und hatte ganz gelbe
Haare. Neben ihm stand wohl Florina und noch ein paar andere der Kinder. Er
erkannte auch Weasley. Rote Striche gezeichneten ihre Haare und die kleine
Granger Strichfigur hatte viele braune Kringel auf dem Kopf.
„Ms
Ginny hat mir geholfen die Figuren in die Schneekugel zu zaubern und zu machen,
dass sie winken.“, erklärte Florina mit wichtiger Miene. Draco nickte
schließlich.
„Vielen
Dank, das ist ein tolles Geschenk.“
„Wirst
du es aufstellen?“, fragte sie und biss sich auf Lippe. Er grinste.
„Na
klar. Dann kann ich es jeden Tag sehen.“ Von den restlichen Kindern bekam er
eigentlich nur Bilder. Jedes Mal stachen ihm die furchtbar gelben Haare in die
Augen, die seinen nicht ähnlich sahen, fand er. Nur Charles versuchte ihm ein Gebilde
aus Bauklötzen zu schenken, aber die kleine Weasley erklärte ihm lang und
breit, dass sie ihm keine Bauklötze schenken konnte, weil die der Magic-Corner
gehörten.
Charles
weinte daraufhin bitterlich und Draco teilte seinen Muffin mit ihm. Scorpio
hatte nichts für ihn. Aber das hatte er auch eigentlich nicht erwartet. Heute
setzte er sich neben seinen Bruder und machte ihm sein Marmeladenbrot fertig.
„Was ist
los?“, fragte er leise, denn er wusste, wenn Scorpio etwas bedrückte, dann
hätte er bestimmt keine Lust seine Sorgen vor der ganzen Gruppe zu besprechen.
Er war immerhin ein Malfoy.
„Nichts.“,
sagte er trotzig.
„Du
weißt, nur weil ich gehe, heißt das nicht, dass wir uns nicht mehr sehen.“
Scorpio blickte auf seinen Teller.
„Aber
nicht mehr ejden Tag.“ Draco nickte.
„Nein,
nicht mehr jeden Tag.“
„Vielleicht
kann ich ja bei dir schlafen. Ab und zu. Und dann bringst du mich hier hin?“
Draco betrachtete seinen Bruder. Er wirkte wirklich nieder geschlagen. Es tat
ihm leid.
„Du
weißt, du bist hier nicht mehr lange.“ Bald würde er in die magische Vorschule
kommen. Und er wusste schon, dass Lucius sich um einen Platz in Weston Fairfax‘
Elite gekümmert hatte. Er war selber auf dieser Privatschule gewesen. Die
Kinder wurden von Zuhause abgeholt. Man konnte sie nicht absetzen.
„Ja.“,
flüsterte Scorpio leise. Draco strubbelte ihm durch die Haare. Er wollte jetzt
nicht, dass sein Bruder traurig war. Er würde schon Wege finden, seinen Bruder
zu sehen. Wenn auch nur am Wochenende.
„Wollen
wir heute zu Weasleys Zauberscherze gehen? Du kannst dir aussuchen, was du
willst.“, beschloss er jetzt.
„Was ich
will?“, wiederholte Scorpio ungläubig. „Vater erlaubt das nicht.“
„Ja,
aber der ist nicht hier, oder?“ Draco lächelte und musste plötzlich
unwillkürlich an Grangers Worte denken. Wie sehr er von seinem Vater abhängig
war? Absolut überhaupt nicht, würde er jetzt mal behaupten.
~*~
„Verstehe
ich Sie richtig, Ms Granger?“ Der Mann betrachtete sie und legte die Fingerspitzen
aneinander. „Sie bieten mir Geld dafür, dass ich Mr Malfoy einen Brief
schreibe, in dem ich ihn bitte doch bei uns zu arbeiten?“
Sie
nickte ruhig.
„Wieso
sollte ich das tun, wo ich ihm doch gestern eine Absage geschickt habe?“ Der
Mann verzog keine Miene.
„Wie
viel hat Ihnen Lucius Malfoy gegeben?“, fragte sie stattdessen ohne Skrupel und
die Züge des Mannes entglitten kurzzeitig.
„Was?“,
fragte er verstört.
„Hören
Sie, das hier ist für Sie eine ideale Möglichkeit noch mehr Geld zu machen. Ich
finde es unverschämt, dass Sie sich bestechen lassen, aber wenn es das, was sie
gerne wollen, dann bin ich in der Lage, Ihnen Geld zu geben, Mr Conway.“,
erklärte sie.
„Was
wollen Sie damit sagen?“, fragte dieser, mit merklich höherer Stimme.
„Ich möchte
sagen, dass Lucius Malfoy gestern bei Ihnen war und Ihnen Geld dafür geboten
hat, seinem Sohn eine Absage zu schicken. Haben Sie das vertraglich
festgehalten?“, fragte sie jetzt. Der Mann schien noch nicht bereit, diesen
Umstand zuzugeben.
„Sie sagen,
Mr Malfoy hat uns bestochen? Aber Ms Granger…“ Sie seufzte schwer.
„Also,
ich biete Ihnen einhunderttausend Galleonen, wenn Sie Draco Malfoy wieder
einstellen.“, sagte sie knapp. Der Mann starrte sie an.
„Sie…
was?“, fragte er jetzt, und sie schloss die Augen. Seit einer halben Stunde saß
sie jetzt hier.
„Mr
Conway, bitte. Wir wissen beide, um was es hier geht. Hat Mr Malfoy Sie
gezwungen einen Vertag zu unterschreiben, oder hat er Ihnen das Geld einfach
gegeben? Was ich für wahrscheinlicher halten würde, da er sowieso denkt, er
steht über dem Gesetz. Dann ist es für Sie kein Problem, mein Geld anzunehmen
und Draco Malfoys Absage zurück zu ziehen.“
Der Mann
blickte sie aus wässrigen blauen Augen immer noch völlig perplex an.
„Wieso
tun Sie das? Wieso kümmern Sie sich um Draco Malfoys Einstellung?“ Sie reckte
trotzig das Kinn nach vorn.
„Weil
ich seinen Vater verachte. Und weil es keinen Grund gibt, Draco Malfoy nicht
einzustellen. Er hat die besten Noten, oder nicht?“, fragte sie aggressiv.
„Schon, Mr Malfoys Abschluss war ausgezeichnet.“, räumte der Mann jetzt ein.
„Und er
hat einen einflussreichen Namen. Sein Vater denkt nur, das hier, wäre nicht der
richtige Beruf für seinen Sohn, weil er ihm kein Geld bringen wird. Aber Draco
will ihn wirklich machen. Also, lassen Sie sich jetzt von mir bestechen oder
nicht?“
„Sie
geben mir einhunderttausend Galleonen, damit ich Draco Malfoy einstelle?“,
wiederholte er jetzt, und sie nickte ungeduldig. Diese Geschäftswelt war nichts
für sie. Die Leute schienen schwerer zu begreifen, als es Kinder taten.
„Ms
Granger, das ist gegen das Gesetz.“, erklärte er jetzt.
„Ich
denke, Geld von Mr Malfoy anzunehmen ist ebenfalls gegen das Gesetz. Und falls
Sie Angst vor Mr Malfoy haben, glauben Sie mir, er wird Ihnen keine
Schwierigkeiten machen, wenn er erfährt, dass ich sonst gegen ihn aussagen
werde, Mr Conway.“
„Einhunderttausend?“,
wiederholte er jetzt.
„Ja.
Einhunderttausend dafür, dass Sie einen Mann einstellen, der an tausend
besseren Plätzen arbeiten könnte und mit seinem Namen ihr kleines Unternehmen
wirklich zu etwas bringen wird. Haben wir einen Deal?“
Erwartungsvoll
streckte sie ihm die Hand entgegen und versuchte nicht darüber nachzudenken,
dass die einhunderttausend Galleonen einfach behalten könnte, um damit neue
Spiele für die Magic-Corner zu kaufen, die Wände zu renovieren und anzubauen.
Nach
einem kurzen Zögern schlug ihr Gegenüber schließlich ein.
„Abgemacht,
Ms Granger. Mr Malfoy ist wieder eingestellt.“
Sie
legte den Koffer auf den blanken Tisch vor sich und erhob sich schließlich.
„Gut.
Ich erwarte, dass sie ihm heute eine Nachricht eulenwendend zu kommen lassen.
Und ich erwarte auch, dass Sie sich eine passende Geschichte einfallen lassen,
ohne zu erwähnen, dass Lucius Malfoy oder ich etwas mit dieser Sache zu tun
haben.“ Conway nickte langsam.
„Ich
werde unser Treffen nicht erwähnen.“, versprach der Mann und legte die Hand auf
den schwarzen Lederkoffer.
„Außerdem
sollte dieses ganze Geld, Malfoys Einstellung so ziemlich auf Lebenszeit
absichern.“, fügte sie hinzu und ignorierte die Frage in ihrem Kopf, die sie
schon seit Ewigkeiten wahnsinnig machte. Wieso tat sie das alles überhaupt?
Granger
kam spät. Und sie war ziemlich beschäftigt. Sie ignorierte Weasley, Weasley
ignorierte sie, und das machte es anstrengend, den restlichen Tag mit den
Kindern zu verbringen. Sie waren überall getrennt und gaben den Kindern nur
einsilbige Antworten.
Der
letzte Tag verging viel zu schnell. Und er hatte keine Möglichkeit mit Granger
zu reden. Aber er wollte auch verdrängen, dass er nun doch keinen Job hatte.
Wahrscheinlich wollte sie sowieso nur darüber reden.
Außerdem
hing der kleine Hugo an seinen Beinen.
„Draco,
heißt das, du kommst nie mehr?“ Er musterte den rothaarigen Jungen, der ihm so
schrecklich bekannt vorkam.
„Unsinn.
Natürlich werde ich ab und zu vorbeikommen, Hugo.“, widersprach er jetzt.
„Ja? Ich
meine, du kannst auch mal zu mir nach Hause kommen. Ich hab ziemlich viele
coole Sachen. Mein Dad ist im Quidditchteam.“, fügte er wie beiläufig hinzu.
Draco nickte grimmig.
„Ja, ich
weiß.“
„Kennst
du meinen Dad?“; fragte Hugo argwöhnisch. Draco seufzte.
„Oberflächlich.“ Das Wort schien Hugo nichts zu sagen. „Wir waren zusammen in
einem Jahrgang in Hogwarts.“, fügte Draco knapp hinzu.
„Wart
ihr Freunde?“ Draco überlegte kurz.
„Sagen
wir, wir waren so gut befreundet, wie du und Scorpio.“ Hugo überlegte kurz.
„Oh, ich
verstehe.“ Dann grinste er. Draco musste ebenfalls grinsen. Mist, er würde
sogar den kleinen Weasley vermissen.
„Mr
Malfoy?“ Er wandte sich um. Er kannte den Mann nicht, aber der Zauberstab in
dessen Hand kam ihm umso gleich bekannter vor. Er konnte nicht verhindern, dass
sich seine Mundwinkel hoben. „Ich nehme doch an, Sie haben aus Ihren Fehlern
gelernt, und wir müssen ihn nicht noch ein weiteres Mal konfiszieren.“, schloss
der Zauberer, als er ihm seinen Zauberstab überreichte.
Seine
Finger schlossen sich beinahe gierig um das Stück Holz. Bei Merlin, hatte er
ihn vermisst!
„Gewiss
nicht.“, erwiderte er. „Vielen Dank.“ Dass er seinen Zauberstab wieder hatte
ließ ihn für einen Moment vergessen, dass er immer noch arbeitslos war. Die
Kinder kamen sofort zu ihm und verlangten, dass er bewies, dass er in der Lage
war, mit einem Zauberstab umzugehen.
Der
Zauberer verabschiedete sich knapp, und Draco ließ sich tatsächlich hinreißen.
Bunte Funken stoben aus seinem geliebten Zauberstab, formten sich zu wilden
Tieren, und mit einer stummen Formel beschwor er kleine Feuerfunken in die
Luft, in geschlossenen Räumen war dies allerdings ein etwas gefährlicher
Zauber. Aber zu seinem Glück passierte nichts.
„Pack
ihn weg.“, hörte er Weasleys Stimme. Sie wurde immer biestiger, seit sie Potters
Dämonsbrut in sich trug, empfand er.
„Entschuldige,
Weasley, wenn ich nach einem Monat teste, ob ich noch in der Lage zum zaubern
bin.“, giftete er zurück, ohne sich an ihre Forderung zu halten. Die Kinder
jagten hinter seinen Lichtspielen her.
„Du hast
doch anscheinend immer noch eine viel zu große Klappe, Malfoy. Wenn sich das
nicht ändert, würde ich mir auch keine Gedanken darüber machen, ob du noch
zaubern kannst, oder nicht.“ Sie wandte sich wütend von ihm ab. Er würde es
garantiert nicht vermissen, Weasley nicht mehr zu sehen.
Granger
war aus dem Büro gekommen. Sie wirkte recht zufrieden. Sie erkannte ihn mit dem
Zauberstab und ihr Blick folgte den hellen Funken ebenfalls. Mit einem
Schlenker stoppte er den Zauber und die Kinder schrieen enttäuscht auf.
„Draco, kannst du auch Katzen?“, fragte Florina traurig, aber Draco schüttelte
den Kopf.
„Ihr
wollt doch nicht, dass Ms Ginny mich tötet, oder?“ Er zwinkerte dem Mädchen zu.
Diese wurde rot bis unter den Haaransatz und schüttelte dann verlegen den Kopf.
„Nein, das wäre nicht schön.“, erklärte sie noch schüchtern. Dann ging er zu
Granger.
„Tut mir
leid, wegen gestern.“, sagte er und steckte den Zauberstab in seine
Hosentasche. Er ragte ein Stück weit raus, aber das störte ihn nicht. Im Gegenteil.
Er würde ihn nie mehr aus den Augen lassen.
„Was?“,
fragte sie jetzt.
„Mein
Verhalten. Ich war nur… enttäuscht, schätze ich.“ Er fuhr sich unsicher durch
die Haare. Heute war sein letzter Tag hier mit Granger. Und er war schon fast
vorbei.
„Schon ok.“,
sagte sie. Etwas in ihrem Blick wirkte aufgeregt. Sie schien sich zu freuen,
aber vielleicht irrte er sich.
„Gehen
wir… heute essen?“, fragte er deshalb und kam sich furchtbar dämlich vor. In
seinem Kopf sah er Pansy, Crabbe und Goyle hinter sich stehen. Und natürlich
Blaise. Alle gafften ihn an und alle lachten ihn schließlich aus.
Wann
hatte er sich entschieden, sich nicht mehr über Granger lustig machen? Sie
nicht mehr zu beleidigen? Er wusste es nicht. Sein Blick hing an ihren Lippen, er
erwartete schon, dass sie ablehnen würde. Sie sah sich tatsächlich um, aber
Weasley war nicht in der Nähe.
„Ich
weiß nicht.“, sagte sie schließlich.
„Du
willst nicht?“, fragte er, und es klang kaum wie eine Frage. Die Gestalten von
Pansy, Crabbe, Goyle und Blaise verpufften, und er war wieder siebenundzwanzig
Jahre alt. „Wieso nicht? Weil ich keinen Job mehr habe?“, erkundigte er sich,
und sein gewinnendes Lächeln geriet etwas schief.
„Nein. Einfach nicht, weil… vielleicht sollten wir das nicht tun.“ Der freudige
Ausdruck, der noch vor einer Minute in ihren Augen sichtbar gewesen war, war
nun komplett verschwunden. So standen sie schweigend voreinander. Alles in ihm
sträubte sich eigentlich, sie zu fragen, warum sie nicht wollte. Denn als ob er
es nötig gehabt hätte!
Es
verband sie überhaupt nichts mehr. Jedenfalls in einer Stunde würde sie nichts
mehr verbinden.
„Ok,
dann… schätze ich mal… war‘s das wohl.“, endete er lahm. Sie seufzte. „Oder
erwartest du von mir, dass ich irgendwas tue, um deine Meinung zu ändern,
Granger? Ich spiele solche Spiele nämlich nicht.“, fügte er grimmiger hinzu.
Sie
schüttelte den Kopf. „Nein, besser wir lassen es so wie es ist.“
Wie es
ist? Was meinte sie damit, zur Hölle noch mal? Sie machte ihn erst mal scharf
und dann sagte sie nein? Dämliche Gryffindors. Feige, wenn es darauf ankam.
„Wie du
willst, Granger.“ Er wandte sich um. Dann verbrachte er heute wirklich seine
Zeit mir Scorpio. Die ganzen Tag lang. Keine Granger würde dazwischen funken.
Sie gute Laune war wieder getrübt. Den wieder gewonnen Zauberstab in seiner
Hosentasche hatte er beinahe schon wieder vergessen.
~*~
Der
Abschied war ihm schwer gefallen, deswegen hatte er sich ziemlich beeilt, die
Magic-Corner hinter sich zu lassen. Er schlenderte mit seinem Bruder durch die
Winkelgasse und betrat widerwillig den Scherzartikelladen. Er sah die Weasleys
häufiger als es ihm lieb war, denn er kam mit seinem Bruder fast jede Woche in
den Laden.
Der
Weasley Zwilling begrüßte ihn mittlerweile ohne Feindseligkeiten in seinem
Blick.
„Die
Malfoys… Meine besten Kunden!“ Er lächelte. Draco fiel es schwer, sich den
Zwilling ohne seinen Bruder vorzustellen. Immer noch. Es kam ihm vor, als hätte
er sie damals niemals getrennt gesehen. Niemals.
„Hey,
Weasley.“, sagte Draco bloß.
„Was
darf es denn sein, Scorpio?“, fragte Weasley seinen Bruder. Scorpio drückte
sich bereits die Augen an einem riesigen Terrarium platt.
„Was
können die?“, fragte er prompt, und manchmal bereute Draco, dass seinem Bruder noch
das typische Feingefühl fehlte.
„Das
sind Whoozles.“, erklärte er, als wäre es eine normale Beschaulichkeit in der
Natur. „Es sind noch Jungtiere, wenn du sie täglich mit Wasser versorgst,
verlieren sie ihr Fell und ihnen wachsen Flügel. Stinknormale Einzeller, die
dann zu kleinen komplexen Minidrachen wachsen.“ Scorpios Mund klappte auf.
„Kleine
Drachen?“ Sein Kopf schoss zu seinem Bruder herum. Draco verdrehte die Augen.
„Scor…
bitte, keine Drachen.“ Aber sein Bruder hatte die Augen weit aufgerissen, und
Draco befürchtete schon, dass er gleich anfangen würde zu weinen. Er hob den
Blick zu Weasley.
„Wieso
nicht mal was Normales, Weasley? Wieso keine Knallfrösche.“ Aber Weasley schien
Scorpios Begeisterung zu teilen.
„Weil
Knallfrösche nicht fliegen können.“, erklärte er sachlich. „Es ist eine
beeindruckende Züchtung.“ Draco hob die Augenbraue.
„Und wie
teuer soll diese beeindruckende Züchtung sein?“, erkundigte er sich nun.
„Lediglich
zwanzig Galleonen.“ Der Zwilling zwinkerte verschmitzt.
„Zwanzig?
Für einen Drachen?“
„Draco,
bitte! Bitte, bitte, bitte, bitte! Scorpio biss sich vor Aufregung auf die
Lippe. Draco konnte sich entsinnen, wie er mit seinem Vater in Borgin und
Burkes stand und unbedingt einen verfluchten Schädel haben wollte. Dies hier
war eine etwas andere Situation, aber… ähnlich. Vielleicht.
„Fein.
Aber merk dir, nie wieder!“ Das war das Mantra, was sie jede Woche
durchspielten.
„Dann
such dir einen aus, Großer!“ George kam um den Tresen herum und hob Scorpio
hoch, damit ins Terrarium greifen konnte. Er griff nach einem ziemlich
verstrubbelten rostbraunen Vieh. Draco betrachtete es abschätzend.
„Ich
werde ihn Miss Mine nennen.“, beschloss er. Der Weasley musste grinsen.
„Ob
Hermine sich darüber so freuen würde?“
„Ja, bestimmt.
Nicht wahr, Draco?“ Draco war damit überfordert.
„Bestimmt.“
„Ich
möchte ihn ihr zeigen gehen! Können wir nicht zu ihr?“ Draco seufzte jetzt,
während er mehrere Goldtaler aus seinem Umhang zog.
„Nein,
können wir nicht. Miss Hermine hat keine Zeit.“, erklärte er schlicht.
„Aber du
wolltest doch sowieso mit ihr essen gehen!“, widersprach sein Bruder voller
Überzeugung. Jetzt hob der Zwilling den Blick und musterte ihn mit einem
eindeutigen Blick. Mist! Draco würde seinem Bruder seinen Whoozle wieder
wegnehmen müssen.
„Nein,
wollte ich nicht.“, entgegnete Draco gelassen.
„Doch,
na klar! Du hast es gesagt! Und du hast sie auch gefragt! Du hast gesagt, ihr
geht essen.“ Gott, konnte sein Bruder nicht die Klappe halten? Weasley grinst
derweil gegen seinen Tresen.
„Scorpio,
halt deinen Mund, in Ordnung?“
„Warum?
Ich finde, wenn du sowieso heute Abend mit ihr weggehst und in deine Wohnung
holst, können wir ihr vorher Miss Mine zeigen gehen.“, entschied sein Bruder
und verschränkte die kleinen Arme vor der Brust.
„Ich
gehe nicht mit Granger essen, verflucht noch mal. Und ich werde sie auch nicht
in meine Wohnung holen, denn die Prinzessin hat mit abgesagt!“ Seine Stimme war
laut geworden. Scorpio starrte ihn geschockt an, genauso wie Weasley. Draco schloss
kurz die Augen. Er sollte mal versuchen an seiner Wut zu arbeiten.
Wahrscheinlich arbeitete er mit seiner Wut seine furchtbare Kindheit auf.
„Lass
uns gehen.“, sagte er knapp. Scorpio drückte seinen Whoozle an sich. Draco
wandte sich noch an Weasleys. „Da wir jede Woche wieder kommen, wäre ich
dankbar, wenn du das nicht deinem Bruder erzählen würdest.“ Er knurrte fast.
Weasley jedoch lächelte ein feines Lächeln.
„Ganz
deine Sache, Malfoy. Geht mich überhaupt nichts an.“ Unschuldig hob er die
Hände. Draco seufzte erneut. Er war ein Idiot. Er sollte sich nicht provozieren
lassen. Und vielleicht sollte er darüber nachdenken, dass er sich um einen Job
kümmern musste. Bald.
Den
ganzen Weg bis zu seinem Apartment, hörte Scorpio nicht auf, sich zu beschweren.
Hermine dies, Hermine das. Draco hätte ihm am liebsten einen Schweigezauber
verpasst. Und das tolle war, er könnte es sogar. Aber sein Vater würde dies
wahrscheinlich nicht gerne sehen.
Die Eule
hatte die Post auf seinem Tisch hinterlassen. Er schloss das Fenster. Ein
dicker Umschlag stach ihm ins Auge. Er kam von Carter Sparks, der Gesellschaft
der Fluchbanner. Was wollten sie jetzt noch von ihm?
Er
öffnete den Umschlag, ohne Scorpios Beschimpfungen weiter zu zu hören. Großer
Merlin! Seine Augen überflogen die Zeilen. Es war eine Entschuldigung plus
Vertrag! Die nahmen ihn doch! Sie nahmen ihn wieder an, nachdem sie ihn
entlassen hatten. Das erwähnten sie mit keiner Silbe mehr. Es wurde nur knapp
als Missverständnis verbucht.
Er
runzelte die Stirn. Wieso taten sie das? Sie sagten ihm ab, um ihm nach zwei
Tagen wieder zuzusagen? Er erinnerte sich an das Gespräch mit Granger. Er
fühlte sich um einiges leichter und er war sicher, sie hatte damit zu tun, was
auch immer sie getan hatte! Jetzt war er wieder drin. Er hatte einen Job. Einen
Job, der ihm gefiel!
„Hey,
Scor, wollen wir doch zu Granger gehen?“, fragte er ohne Umschweife und Scorpio
unterbrach seine Tirade.
„Was?“,
fragte er verwirrt, aber Draco hob ihn auf den Arm.
„Na,
komm. Du wolltest doch zu ihr, oder nicht?“
„Du hast
gesagt…“
„Ich sag
doch ständig irgendwas!“, unterbrach er ihn, aber Scorpio weigerte sich immer
noch.
„Aber,
du gehst nicht mit ihr essen. Wieso sollten wir dann zu ihr? Du hast gesagt, es
ist unhöflich, wenn…“
„Vergiss,
was ich gesagt habe. Manchmal ändern sich die Situationen.“, erklärte er nur.
„Also
hat sich die Situation geändert? Du gehst mit ihr essen? Darf ich mitkommen?“,
fragte er sofort mit der Miene eines Opportunisten, und Draco grinste.
„Von mir
aus. Ich lad dich tausendmal ein, Scor!“ Damit schien sich sein Bruder
zufrieden zugeben und klammerte sich in seinen Umhang, als Draco mit ihm
apparierte.
~*~
Als sie die
Tür öffnete, hatte sie nicht mit diesem Besuch gerechnet. Vor allem war sie
erst gerade vom Einkaufen zurück und eigentlich nicht bereit, jetzt schon
irgendwen zu empfangen. Sie hätte wenn dann mit Ginny gerechnet und nicht schon
wieder mit seinem Gesicht.
„Was
wollen Sie hier?“, fragte sie deshalb, die Tür immer noch fest im Griff. Sie
spürte ihren Zauberstab sicher in ihrer Umhangtasche und würde dieses Mal
bestimmt nicht zögern, ihn zu verfluchen.
„Was
haben Sie getan?“, fragte er lediglich. Sie hob trotzig das Kinn.
„Wovon
sprechen Sie?“
„Ich
habe heute mit dem Minister gesprochen, damit er Draco ein Schreiben zu kommen
lässt, in dem ihm eine exzellente Position angeboten wird. Aber die Abteilung
konnte den Brief nicht schicken, denn es stellte sich heraus, mein Sohn hat
bereits eine andere Stellung angenommen.“
Gute
Nachrichten schienen sich anscheinend recht schnell zu verbreiten. Sie nahm
ihren Mut zusammen, erlaubte sich nicht, Furcht zu zeigen, auch wenn der Mann
vor ihr eine wahre Schreckensgestalt bot.
„Was
wollen Sie jetzt von mir?“
„Wo ist
das Geld, Ms Granger?“
„Welches
Geld?“, fragte sie scheinheilig.
„Das
Geld, dass ich Ihnen gegeben habe.“, erläuterte er mit eisiger Ruhe.
„Ich
kann mich nicht erinnern, Geld von Ihnen bekommen zu haben, Mr Malfoy.“
„Ach
nein? Ist das so?“, fragte er und sie spürte, wie sehr er sich beherrschen
musste nicht zu schreien.
„Und
wenn Sie Carter Sparks fragen, wird er wahrscheinlich auch keine Auskünfte über
irgendwelches Geld geben können.“
„Sie wollen mich betrügen, Ms Granger?“ Sie blickte ihm immer noch stur
entgegen. „Warum sollten Sie das tun? Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da
tun?“, fragte er jetzt. Sie griff instinktiv in ihren Umhang. Er quittierte
dies mit einem Lächeln.
„Was
wollen Sie damit bezwecken? Warum gehen Sie solche Wege, nur für meinen Sohn?
Lieben Sie ihn so sehr, Ms Granger? Gibt es irgendeine Verbindung, die mir
bekannt sein sollte?“ Sie schnappte nach Luft.
„Was denken
Sie eigentlich, Mr Malfoy!“, knurrte sie jetzt. „Ich tue das nicht, weil… ich
liebe Ihren Sohn nicht. Ich tue das, was richtig ist. Sie können ihn nicht
einfach zwingen, Ihr Leben zu leben. Das konnten Sie vielleicht früher, aber
jetzt nicht mehr.“ Lucius aber lächelte.
„Sie tun
das aus rein moralischen Gründen?“ Seine Stimme klang lauernd. Gleich würde er
sich auf sie stürzen. „Das glauben Sie doch hoffentlich selbst nicht. Schön für
Draco, wenn Sie ihn lieben. Es ist gut zu wissen, dass er auch als Bettler
nicht ungeliebt sein wird.“
„Was
soll…“
„Ich
werde die Räumung seines Apartments veranlassen. Dann kann er bei Ihnen doch
sicher ein Plätzchen finden, wo Sie ihn doch von Herzen lieben, nicht wahr?“ Er
lächelte ein gefährliches Lächeln. „Ich habe Ihnen gesagt, dass ich ihn nicht
verschonen werde.“
„Wieso
tun Sie das? Lassen Sie ihn in Ruhe!“, schrie sie außer sich.
„Oh,
aber das tue ich doch. Ich lasse ihn frei. Er brauchte mein Geld anscheinend
nicht mehr. Gut für ihn. Gut für Sie beide. Ich hoffe, Sie können sich eine
Hochzeit leisten. Aber ich bin sicher, in der Scheune der Weasleys findet sich
ein geeigneter Platz.“
„Ein
geeigneter Platz für was?“ Sie erschrak. Zutiefst. Alles schien einfach schief
zu laufen. Draco Malfoy kam um die Ecke und betrachtete sein Vater. Beide
Männer waren gleich groß, gleich gebaut, hatten die gleiche Haarfarbe, die
gleichen Augen, nur fürchtete sie sich vor dem einen und hatte Schmetterlinge
im Bauch bei dem andern.
„Draco.“,
begrüßte sein Vater ihn mit einem knappen Nicken. „Ich hoffe doch, du hast
keine Wertgegenstände mehr in dem Apartment. Und ich hoffe, du benötigst es
nicht mehr. Dank deiner kleinen Freundin Granger hier, wirst du ja sowieso bald
ohne größere Besitztümer auskommen müssen.“ Ein kurzer Moment der Stille
verstrich, ohne dass etwas passierte.
„Was
soll das heißen?“, fragte Draco nur.
„Das
heißt, dass du mit deiner Zusage des Jobs dein altes Leben verwirkst. Aber das
dürfte kein Problem sein, richtig?“
„Das
heißt, du nimmst mir mein Zuhause? Du nimmst mir mein Geld? Willst du mir auch
meinen Bruder nehmen?“, fragte er im Plauderton, der Hermine glauben ließ, dass
er bereits seinen Verstand verloren hatte.
„Scorpio?
Du wirst wohl eher weniger Kontakt mit deinem Bruder haben. Also schlage ich vor,
du verabschiedest dich schon mal von ihm. Bald wird er deinen Namen nicht mehr
kennen.“ Sein Vater lächelte ein Lächeln des wilden Triumphs.
„Ach ja?
Gut. Scorpio, kommst du bitte?“
Und das
Lächeln seines Vaters gefror.
„Hast du
gehört? Ich darf dich nicht mehr sehen.“, erklärte Draco nachsichtig. Scorpio
betrachtete seinen Vater, als sähe er ihn das erste Mal.
„Du
willst Draco alles wegnehmen? Wieso willst du ihm alles wegnehmen?“ Tränen
rannen aus den kleinen Augen, das weiche Gesicht hinab.
„Ich…
was?“ Lucius starrte von seinem Sohn zu seinem anderen Sohn, hinüber zu ihr.
Sie hielt immer noch die Tür in der einen Hand, den Zauberstab in der anderen.
„Wenn du
ihm alles wegnimmst, dann bleib ich bei Draco!“, schrie Scorpio jetzt
aufgelöst. Draco nahm ihn auf den Arm.
„Na,
Lucius? Ist es das, was du unbedingt willst?“ Lucius verzog den Mund. Er hatte
die Fäuste geballt und ähnelte seinen Söhnen jetzt in keiner Weise mehr.
„Das war
ein ziemlich gemeiner Trick.“, knurrte er. „Scorpio, versteh doch…“, begann er
nun und machte Anstalten ihn aus Dracos Armen zu nehmen.
„Du
darfst Draco gar nichts wegnehmen! Und wenn er und Miss Hermine heiraten, dann
wohnen sie beide bei uns! Stimmt doch Draco, oder?“, fragte er vorsichtshalber,
und Hermine schluckte hart. Was war das denn bitte für ein Gespräch?
„Scorpio,
ich habe mich klar ausgedrückt. Draco hat…“
„Was hat
Draco?“, fragte Scorpio jetzt und schniefte laut.
„Er hat
einen Job angenommen, den er nicht annehmen durfte.“
Scorpio
sah seinen Vater verstört an. „Na und? Und jetzt nimmst du ihm alles weg? Und
ich darf ihn nicht mehr sehen? Wieso nicht?“ Lucius wirkte nicht mehr ganz so
überlegen, wie noch zu Anfang des Gesprächs. „Ist es, weil er mit Miss Hermine
essen gehen will?“ Lucius Augen blitzten hinüber zu Draco.
„Scorpio,
versteh doch…“
„Warum
darf ich Draco nicht mehr sehen?“ Scorpio klammerte sich an den Hals seines
Bruders, als würde er untergehen.
Lucius
seufzte. „Wenn ich Draco nicht mehr sehen darf, dann will ich dich auch nicht
mehr sehen.“ Er vergrub den Kopf in Dracos Schulter und weinte leise. Und
plötzlich brach die Maske des Lucius Malfoy.
„Scorpio.“,
sagte er ruhig. Er nahm ihn aus den Armen seines Bruders und drückte ihn fest
an sich. „Du dummer Junge. Ich nehme Draco gar nichts weg. Er kann alles
behalten. Er darf dich immer sehen und… Ms Granger… Ms Granger kann tun und
lassen, was sie will.“ Langsam hob Scorpio den Kopf.
„Hör auf
zu weinen, ich bitte dich. Ich habe dir doch erklärt, warum wir nicht weinen.“
„Du weinst,
Daddy.“, schniefte Scorpio jetzt und wischte sich mit dem Ärmel über das
Gesicht. Lucius blinzelte kurz.
„Nein,
tue ich nicht.“
„Doch,
Dad.“, murmelte Scorpio. Er schien vergessen zu haben, dass er böse auf seinen
Vater war. „Da!“, sagte er triumphierend und fing mit seinem Finger eine Träne
von Lucius‘ Wange auf. Dieser seufzte.
„Schön,
gut. Eine Träne. Aber nur weil du geweint hast. Lass uns nach Hause gehen.
Deine Mutter wartet schon.“, sagte er knapp und erhob sich. Mit Scorpio auf den
Armen. Er wirkte dabei immer noch erhaben.
„Ich
wollte Ms Hermine meinen Whoozle zeigen.“, erwiderte Scorpio schüchtern.
Lucius‘ Geduld schien wieder zu schwinden.
„Du
wolltest was? Sprich bitte vernünftig, Scorpio.“, verlanget er gereizt. Scorpio
klaubte den kleinen Stoffball aus der Tasche seines Umhangs. „Was in Merlins
Namen…“, begann Lucius, aber dann klärte sich sein Blick. „Ich nehme an, das
ist ein Weasley Produkt? Wir werden es zurück bringen!“, beschloss er jetzt.
Aber der
kleine Junge in seinen Armen, drohte wieder zu weinen. Er schloss die Augen und
er gab sich geschlagen.
„Zeig es
Ms Granger morgen.“
„Morgen
ist Samstag.“, erklärte Scorpio verwirrt.
„Nun,
ich nehme an, dein Bruder wird dich morgen abholen. Wie jeden Samstag.“, fügte
er knapp hinzu. Er mied seinen Blick auf Draco.
„Na gut.
Er heißt Miss Mine.“, sagte Scorpio noch, ehe er ihr zuwinkte. Hermine Mund
klappte auf und schloss sich wieder. Gerade war zu viel passiert. Und was war
das für ein Tier gewesen? Und wieso trug es ihren Namen?
Und
wieso blieb sie jetzt hier allein mit Draco Malfoy zurück?
Etwas
unschlüssig stand er in ihrem Flur. Es war still geworden. Sie blickte auf den Boden.
Sie versuchte, jetzt bloß nicht rot zu werden. Gott, war das alles jetzt
furchtbar gewesen. Eine ganze Malfoy Familien Krise hatte sie sehen dürfen.
Gezwungenermaßen.
„Du
machst also Geschäft mit meinem Vater? Interessant, Granger.“ Sie konnte nicht
sagen, ob er wütend war, oder einen Scherz machte. Das konnte man bei Draco
Malfoy wohl nie ganz genau wissen.
„Ich
habe nicht… es ist wirklich nicht so, wie…“
„Du hast
also kein Geld von meinem Vater bekommen, damit du dich von mir fern hältst?
Hast du deswegen das Essen abgesagt, Granger?“, fragte er jetzt. Sie schüttelte
den Kopf.
„Nein,
ich habe…“ Sie schwieg abrupt. „Seit wann warst du da?“, fragte sie jetzt
argwöhnisch.
„Seit
einer Weile.“, erwiderte er lapidar. „Und wenn es dir nicht um das Geld ging…
das heißt, du hast mir meine Einstellung zurückgekauft. Wie viel Geld war ich
dir denn wert, Granger?“, fragte er jetzt. Und jetzt sah sie seine Mundwinkel
zucken.
„Das
ist… Das ist vollkommen unerheblich, Malfoy.“, begann sie, aber er grinste
immer noch.
„Na
komm… wie viel?“
„Vergiss
es. Du solltest jetzt gehen. Das war ein anstrengender Tag.“ Er lachte hart
auf.
„Für
wen? Für dich? Ja, es ist anstrengend, sich mit meinem Vater zu streiten, aber
anscheinend hast du darin ja bereits Übung bekommen. Wieso hast du es mir nicht
gesagt? Hat dir etwas getan? Hat er dir gedroht? Hat er dich verflucht?“
Anscheinend schien er all dies für möglich gehalten zu haben. Sie schüttelte
nur den Kopf. Sie musste jetzt nicht für noch mehr Schwierigkeiten sorgen.
„Schon
gut, Malfoy. Ich will jetzt wirklich nicht mehr…“
„Und du
bist einfach zu den Fluchbannern und hast denen gesagt, sie müssen mich wieder
nehmen? Das kann ich mir nur zu gut vorstellen. Ich weiß noch, wie du Ernie
MacMillan beinahe zusammen geschlagen hast, weil er nicht für deine
Hauselfenfolterfront spenden wollte.“, fügte er lächelnd hinzu.
„Befreiungsfront.
Hauselfenbefreiungsfront.“, korrigierte sie ihn automatisch, so wie sie es
tausendmal bei Harry und Ron getan hatte. „Aber darum geht es jetzt nicht.“,
riss sie sich wieder zusammen. „Du hast den Job, du verlierst dein Vermögen
nicht, auch nicht deine Wohnung, oder deinen Bruder.“
„Deswegen
warst du gestern bei mir? Es ging darum, ob ich dich umbringen würde, wenn
Lucius mir mein Geld nehmen würde? Oder sein Geld, besser gesagt?“ Er schien
kurz nachzudenken. „Dann wäre ich eben bei dir eingezogen.“, erwiderte er mit
einem Schulterzucken. Sie starrte ihn an.
„Du hast
die ganze Zeit gelauscht.“, entgegnete sie grimmig. Jetzt machte er Witze. „Du
würdest hier bestimmt nicht stehen, wenn du wirklich nichts mehr hättest, oder
Malfoy?“ Er lachte wieder.
„Dann
würde ich erst recht hier stehen, weil ich sonst wieder in irgendeine Bar
verschwinde, um dort Leute zu verfluchen und Sachen kaputt zu schmeißen. Dann
müsstest du mir nämlich erklären, warum ich all das Geld eigentlich nicht
brauche, und es reicht ein guter Mensch zu sein, wenn man arm ist.“, erklärte
er leichthin. Sie starrte ihn immer noch an.
„Willst
du mich eigentlich gar nicht rein bitten?“, fragte er jetzt und ihr Mund
klappte tatsächlich auf.
„Was
lässt dich denken, dass ich dich rein bitte, Malfoy?“
„Nun,
deine Tür ist noch offen, du hast sie mir noch nicht ins Gesicht geschlagen,
und ich denke, meine Chancen stehen nicht schlecht, dass heute der Tag ist, an
dem ich dein Apartment betreten darf.“
„Nur
weil ich dich noch nicht verflucht habe, heißt das nicht, dass…“
„Dass du
nicht mit mir schlafen wirst?“ Er grinste dreist. „Ich denke, das werden wir
sehen. Wenn ich dich in Weasley Scheune heiraten würde, dann würdest du deine
Meinung bestimmt auch ändern, oder?“
Sie
schüttelte fassungslos den Kopf.
„Du
findest dich extrem witzig, oder Malfoy?“, fragte sie jetzt, und tatsächlich
kam er näher.
„Nein.
Das war noch nie meine Stärke. Ich habe… andere Stärken, Granger.“ Er schloss
den Abstand und schlang den Arm um ihre Hüften. „Aber weißt du…“ Sie hatte die
Luft angehalten. Das war einfach zu viel! „… ich habe heute eingesehen, dass
ich Geld vielleicht nicht unbedingt brauche. Jedenfalls nicht, um… zufrieden zu
sein. Verstehst du, was ich meine?“ Er strich ihr eine Strähne hinters Ohr.
„Eigentlich stört mich viel mehr, dass du dich weigerst mit mir essen zu
gehen.“
„Dein
Vater…“, widersprach sie lahm und ihre Augen schlossen sich bereits.
„Mein
Vater hat sein Ok dazu gegeben, dass du bei ihm einziehen kannst. Ich denke,
mein Vater macht keine Probleme, Granger.“, murmelte er. Sie wollte noch etwas
sagen. Wahrscheinich irgendetwas, dessen Sinn sie sowieso nicht verstanden
hätte, aber er küsste sie bereits.
Automatisch
schlangen sich ihre Arme um seinen Hals. Er presste sie gegen den Türrahmen und
sie keuchte auf, als sie sich fester an ihn gepresst fühlte. Seine schlanken
Finger glitten unter ihr Shirt über ihre Hüfte.
Sie
würde ohnmächtig werden! Aber er löste sich von ihr. Seine Augen waren dunkel.
„Darf
ich reinkommen? Oder muss ich mich dafür irgendeiner Hermine Granger Prüfung
unterziehen, die…“ Doch sie unterbrach ihn, in dem sie ihn einfach wieder zu
sich zog.
Das
Verlangen verursachte ihr beinahe physische Schmerzen. Er ließ sich von ihr in
die Wohnung ziehen und warf die Tür hinter sich unwirsch ins Schloss. Sie
zerrte seinen Umhang von seinen Schultern, und er tat es ihr gleich und
befreite sie von ihren Kleidungsstücken.
Sie
konnte es kaum noch erwarten, ihn nackt zu sehen. Sie wusste nicht, warum sie
plötzlich ihre Meinung geändert hatte. Sie wusste auch nicht, wie lange diese
Änderung vorhalten würde. Aber er zog sein Hemd über seine Schultern, und sie
vergaß zu denken.
„Schlafzimmer?“,
fragte er bloß als sie ihren BH öffnete, und ehe sie ihm die Richtung hätte
sagen können, küsste er sie hungrig und warf sie mit seinem Gewicht um, so dass
sie auf den Teppich fielen. Sie ignorierte den kurzen Schmerz des Falls, denn
er küsste bereits ihren Nacken. Ihre Finger öffneten seine Hose, hastig und
ohne jede Spur von Geduld oder Erwartung. Sie wollte ihn. Und sie wollte am
besten so schnell wie möglich.
Er
stöhnte ungehalten. Anscheinend ging ihm das völlig gegen den Strich.
„Granger,
das läuft hier alles nicht so, wie…“ Er blickte ihr in die Augen. Gott, er war
zu schön. Viel zu schön. Sie konnte ihn einfach nicht aussprechen lassen. Sie
wollte seine Lippen spüren, schnitt ihm wieder das Wort ab und ihre Finger
fuhren durch seine blonden Haare.
Seine
Küssen wurde ruhiger, beherrschter. Und es schien ihn Überwindung zu kosten,
sich wieder zu lösen. Er grinste unwillkürlich. Wieder küsste er ihren Nacken,
ihr Schlüsselbein, und soe spürte immer noch sein grinsen.
„Was
ist?“, fragte sie atemlos.
„Du
willst mich tatsächlich.“, sagte er nur leise.
„Halt
die Klappe, Malfoy.“, sagte sie nur und zog seinen Kopf wieder nach oben. Sie
küsste ihn ein weiteres Mal und überlegte, dass seine Erektion ihn schmerzen
musste, so hart spürte sie sie an ihrem Schenkel.
„Darf
ich dich nicht ins Schlafzimmer tragen?“, fragte er gepresst, denn sie befreite
sich selber von ihrem Höschen und spreizte die Beine. Er schloss fast
verzweifelt die Augen.
„Nein.
Ich finde es gemütlich hier.“ Es war eine Lüge. Aber sie konnte sich kaum noch
auf das Sprechen konzentrieren, so sehr wollte sie ihn jetzt.
„Dann
trage ich dich gleich dort hin.“, sagte er mit rauer Stimme, ehe er nach vorne
stieß. Ehe sie diese Anspielung verstehen konnte, war er bereits in ihre
feuchte Hitze eingedrungen und sie musste die Augen schließen.
Gott, es
war absolut perfekt. Sie spürte seine Muskeln unter ihren Fingern, spürte, wie
er sich in ihr bewegte, und sich beherrschen musste. Aber sie wollte nicht,
dass er das tat und bewegte sich schneller unter ihm. Sie konnte es sowieso
nicht leiden unten zu liegen und drückte ihre Hände gegen seine Brust.
Er sah
sie überrascht an, ließ sich dann aber willig auf die Seite schieben. Er zog
sie mit sich und sie saß auf ihm. In seinem Blick sah er grenzenlose Bewunderung.
Sie musste lächeln, beugte sich zu ihm hinab und küsste ihn. Sofort umfing er
ihr Gesicht mit seinen Händen und begann sich wieder in ihr zu bewegen.
Sie
richtete sich auf, schloss die Augen und vergaß die Welt um sich herum völlig.
~*~
„Hermine?
Komm schon, mach auf!“ Ginny klopfte noch einmal hart gegen die verschlossene
Tür. „Ich meine, es reicht jetzt. Ich verstehe ja, was du meinst.“ Sie klopfte
erneut gegen das Holz. „Bitte, mach auf. Wir müssen reden. Ich will dich doch
nicht als meine Freundin verlieren.“ Sie schwieg kurz. Dann seufzte sie.
„Und,
ja, vielleicht war ich eifersüchtig auf Malfoy. Aber ich will immer noch deine
beste Freundin sein. Egal, was ich tun muss. Und wenn ich mich bei diesem
blöden Idioten entschuldigen muss, dann werde ich mich auch bei ihm
entschuldigen, auch wenn ich nicht einsehe, weshalb.“ Sie schwieg wieder, ehe
sie klopfte.
„Bitte,
mach auf. Ich weiß, du bist da. Ich weiß, du kannst mich hören, du bist nur zu
stur, um aufzumachen. Aber ich entschuldige mich. Ich liebe dich, Hermine. Du
bist meine beste Freundin, und ich werde all deine Entscheidungen unterstützen.
Ich meine… vielleicht hast du recht, und er hat sich geändert. Schön für ihn.
Gut für ihn.“ Sie schwieg erneut.
„Oh,
komm schon. Mach endlich auf! Was willst du denn noch von mir hören, Hermine?
Bitte. Ich flehe dich an. Als Patentante für mein ungeborenes Kind. Du kannst
mich doch nicht hier stehen lassen!“
Die Tür
wurde aufgezogen. Ginnys Gesicht verlor an Farbe.
„Wir
nehmen deine Entschuldigung beide an, nur gerade eben jetzt ist es ein
ungünstiger Zeitpunkt, Weasley.“ Ihre Wangen färbten sich von kalkweiß wieder
tomatenrot und es kam ihm so vor, als würde sie direkt in sein Gesicht starren,
damit sie seinen nackten Oberkörper nicht sehen musste.
„Also,
Granger meldet sich morgen bei dir. Sie ist gerade… ahem… nicht angezogen.“ Er
hörte sie gereizt stöhnen. Gut, jetzt hatte er sie doch blamiert. Aber immerhin
würde sie nicht kommen, und ihn schlagen, dann ihre Sachen lagen alle noch
hier.
„Noch
einen schönen Abend, Weasley.“, sagte er schließlich.
Sie
nickte nur perplex. Dann schloss er die Tür.
„Hättest
du das nicht anders machen können?“, rief sie zornig. „Oder gar nicht? Ich hab
dir gesagt, mach nicht auf!“
„Dann
wäre sie die ganze Nacht lang geblieben, Granger. Was sollte ich denn tun?“ Er
kam wieder ins Schlafzimmer zurück. Sie lag wunderschön auf dem Bett und er
konnte es nicht erwarten, wieder ihre Haut zu spüren.
„Was
soll sie denn jetzt denken?“, fragte Granger sichtlich ernüchtert. Er küsste
ihre Schulter. Sie erschauderte und es gefiel ihm gut.
„Was
schon?“, entgegnete er ungerührt.
„Sie
wird denken, dass du und ich… Na ja… sie wird denken, dass wir zusammen sind.“,
endete sie schließlich und wandte sich von ihm ab.
„Du hast
doch jetzt wohl nicht vor, dich anzuziehen, oder?“, erkundigte er sich gereizt
und hielt sie am Arm zurück.
„Ich
muss das doch klären, Draco!“, widersprach sie und er zog sie sanft zurück
neben sich.
„Wieso
solltest du? Sie scheint doch alles richtig verstanden zu haben.“
„Was?
Wir sind nicht zusammen.“, erklärte sie jetzt.
„Nicht?“,
fragte er lächeln. Das schien sie wieder einmal aus der Fassung zu bringen. Er
brachte sie gerne aus der Fassung. Dann schrie sie nämlich seinen Namen. Und
nicht seinen Nachnamen.
„Granger,
ich bitte dich. Ich denke, unsere Beziehung verträgt das nächste Level.“ Sie
starrte ihn kopfschüttelnd an.
„Das
nächste… Level? Und das wäre?“
„Dass du
einsiehst, dass wir eine Beiziehung haben.“, erklärte er, ehe er sie küsste.
„Es sei denn, du willst nicht.“ Er küsste wieder ihren Hals.
„Ich…
du… ich weiß nicht, ob…“
„Dafür,
dass du eine Gryffindor bist, bist du ziemlich feige.“, grinste er gegen ihre
Haut. Sie schlug ihn sanft auf die Schulter.
„Fein.
Ich bin nicht feige.“ Trotzig sah sie ihn an, als er den Blick hob.
„Liebst
du mich?“, fragte er jetzt, und konnte sich nicht entsinnen, das jemals
irgendwen gefragt zu haben. Nicht einmal Pansy.
„Nein.“,
sagte sie und wurde rot. Er küsste sie sanft auf die Lippen.
„Liebst
du mich?“, fragte er erneut. Sie musste grinsen.
„Nein,
Malfoy.“
„Lügner.“,
sagte er nur. Sie zog seinen Kopf zu sich und knurrend ließ er es sich
gefallen. Er küsste sie wieder hungrig. Es war wie ein Befehl in seinem Kopf.
Er konnte nicht von ihr lassen. Und vielleicht… vielleicht würde er ihr morgen
sagen, dass er sie liebte. Wenn sie es zugeben würde. Vielleicht….
„Ich
glaube nicht, dass er das verstanden hat.“ Hugo hatte sich über die Wiege
gebeugt.
„Woher
willst du das wissen? Vielleicht ist er ja klüger, als du denkst.“
„Unsinn.
Dann wäre doch wohl irgendwas passiert. Dann hätte er ja wohl geantwortet.“
Hugo kratzte sich am Kopf. „Vielleicht hat Onkel George gelogen.“, mutmaßte er
jetzt.
„Ein
Weasley würde ja niemals lügen.“, bemerkte Scorpio jetzt mit einem spöttischen
Grinsen.
„Was
soll das denn heißen, Malfoy?“, fragte Hugo und hob herausfordernd das Kinn.
„Das
soll nur heißen, dass dein Onkel gelogen hat. Es ist gar nichts passiert. Er
kann gar nicht sprechen.“ Scorpio beugte sich über seinen kleinen Neffen, der
sich, recht unbeeindruckt, den Daumen in den Mund schob.
„Wie
soll er auch mit dem Daumen im Mund sprechen können?“ Hugo griff in die Wiege
und entzog dem kleinen Jungen den Daumen wieder. Das Baby fing an zu weinen.
„Mist!
Siehst du, was du gemacht hast!“ Scorpio stieß Hugo in die Seite.
„Was macht
ihr?“ James versuchte in die Wiege zu blicken, aber Hugo schob ihn einfach weg.
„Gar
nichts, Pockengesicht.“, erklärte er, und James stemmte die Hände in die
Hüften.
„Die
Windpocken hab ich nicht mehr. Hugo, du bist so blöd. Ich sag es Onkel Ron!“,
drohte James jetzt.
„Ach,
ich dachte schon, du würdest zu deiner Mummy rennen.“, lachte Hugo und
betrachtete den Säugling erneut. „Wieso seid ihr alle blond?“, fragte er jetzt
und zupfte an den hellen Haaren. Scorpio runzelte die Stirn.
„Weil
ihr alle rothaarig seid.“
„Bin ich
nicht.“, widersprach James, dem keiner Beachtung schenkte, weil er nicht einmal
über den Wiegenrand blicken konnte.
„Colin
sieht eben aus wie ich.“, beschloss Scorpio.
„Denkst
du, er kommt nach Gryffindor?“ Hugo betrachtete den kleinen Colin, der wieder
aufgehört hatte zu weinen.
„Ich
hoffe mal nicht. Er muss schließlich unseren Ruf in Ravenclaw aufrecht
erhalten.“, erklärte Scorpio ernst. „Nicht wahr, Colin?“, fragte er jetzt und
Colin schloss müde die braunen Augen.
„Ich
werde nach Gryffindor kommen. Weil mein Dad da auch war.“ Scorpio wandte sich
um.
„Die
besten kommen nach Ravenclaw. Das solltest du eigentlich wissen, James.“,
erklärte er nachsichtig. Hugo nickte.
„Obwohl
ich nicht verstehen kann, wieso Devon da ist.“, bemerkte Hugo jetzt und verdrehte
die Augen. „Hat dein Bruder den auch eingeladen?“, fügte Hugo genervt hinzu und
Scorpio seufzte.
„Wir
sollen nett zu ihm sein. Hermine sagt, dass Devon ein toller Kerl ist.“ Hugo
verschränkte die Arme.
„Ich bin
viel besser.“
„Ach, du
willst doch nur Tante Hermine beeindrucken.“, sagte James jetzt.
„Gar
nicht wahr, Pockengesicht.“, beschwerte sich Hugo, wurde aber rot dabei.
„Jungs.“
Scorpio beugte sich alarmiert über die Wiege. „Oh nein. Dein Onkel hat uns
verarscht, Hugo.“, murmelte er. „Wenn Draco das sieht…“ Die Jungen wichen
zurück. Colin hatte die Augen weit aufgerissen.
„Jetzt
seid ihr dran!“, jubelte James, während er das Zimmer verließ. „Onkel Draco!“,
hörten sie ihn heiser rufen. Sie wollten gerade verschwinden, als er schon in
der Tür stand.
„Was ist
los?“
Manchmal
war sein Bruder furchtbar schnell. Scorpio hasste das.
„Gar
nichts.“ Lässig stellten sich Scorpio und Hugo vor die Wiege.
„Was
habt ihr angestellt.“ Draco schob ihn einfach zur Seite. „Oh nein.“ Draco hob
den Jungen aus der Wiege. „Findest du das witzig, Scorpio?“, fragte er jetzt.
„Hey,
George hat gesagt, er kann damit sprechen.“, rechtfertigte er sich. Er würde
George nie wieder irgendetwas glauben, beschloss er für sich.
„Oh
wirklich? Ihr seid beide dämlich.“ Er zog seinen Zauberstab und änderte die
Haarfarbe des Säuglings wieder in das ursprüngliche helle blond. Die bunten
Strähnen hatten natürlich besser ausgesehen, befand Scorpio, aber das würde er
seinem Bruder nicht sagen.
„Ihr könnt
froh sein, dass Hermine es nicht gesehen hat.“ Draco legte Colin wieder in die
Wiege. „Außerdem soll er schlafen.“, fügte er hinzu. „Und Devon ist
angekommen.“ Scorpio wechselte einen Blick mit Hugo. Wenn er erst mal seinen
Zauberstab außerhalb der Schule benutzen konnte, dann würde ihm Devon nie
wieder seine Pasteten wegfressen.
„Wann
kommt Colin nach Ravenclaw, Draco?“, fragte Scorpio jetzt, ehe er ging.
„Ich
hoffe doch wirklich, er kommt nach Slytherin.“, entgegnete sein Bruder.
„Was?
Was soll er denn bitte da? Da sind doch nur die ganzen Versager, Draco.“
Scorpio lachte laut. „Er wird nach Ravenclaw kommen.“, beharrte er.
„Colin
wird in acht Jahren und sechs Monaten eingeschult.“, erklärte sein Bruder jetzt
eher missmutig.
„Dann
muss er doch eigentlich gar nicht mehr schlafen. Er schläft sowieso zu viel.
Wenn ich einen Sohn habe, dann wird er nicht so viel Zeit mit schlafen
vergeuden.“ Draco grinste.
„Das
heißt, du wirst heiraten, Scor? Wen denn? Wahrscheinlich doch nur ein Mädchen
aus Ravenclaw. Wie wäre es mit Florina?“ Scorpio verzog den Mund.
„Nein,
die heirate ich nicht. Die ist vollkommen bescheuert, Draco.“
„Na ja,
Colin wird Lily heiraten. Vielleicht bleibst du auch allein.“ Sein Bruder
lächelte.
„Colin
wird niemals Lily Potter heiraten. Das wäre doch eklig. Außerdem kommen Lily
und James bestimmt beide nach Gryffindor. Und eine Gryffindor soll er nicht
nehmen.“ Sein Bruder grinste breiter.
„Ach
nein? Tante Hermine war auch in Gryffindor. Genauso wie Onkel Harry, Onkel George, Onkel Ron, Tante
Ginny….“, zählte sein Bruder auf, und Scorpio sah ihn an.
„Die
waren da alle? Wieso sind die dann so… cool?“, fragte er verwirrt. Draco hob
die Augenbrauen.
„Unsinn.
Pansy, Goyle und ich sind viel cooler.“
„Dann
hast du eine aus Gryffindor genommen. Oh Mann, Draco.“ Scorpio war enttäuscht.
Aber eigentlich mochte er Hermine viel zu gerne, als dass er es Draco übel
nehmen konnte. Er erinnerte sich noch gut an seine Zeit in der Magic-Corner.
Hermine hatte er da am liebsten gehabt. Gut, vielleicht waren Gryffindormädchen
nicht schlecht.
„Kommt
Dad auch?“ Sein Bruder unterdrückte ein Lächeln.
„Nein,
ich glaube nicht. Zu viele Weasleys hier. Zu viele Potters.“, fügte er grinsend
hinzu.
„Na und?
Hugo ist mein bester Freund.“
„Oh ja,
Lucius weiß das, Scor.“
„Dad mag
Hugo!“ Sein Bruder lachte jetzt.
„Klar.
Ganz bestimmt.“
Draco
war doch doof. Was wusste der schon. Der wusste auch nicht, dass er Florina
doch nicht ganz so dämlich fand, wie er sagte. Sie war hübsch. Ziemlich hübsch
sogar. Aber jetzt würde er mit Hugo klären, wie sie nach den großen Ferien Elly
Walsh dazu bekommen würden, mit Hugo Eis essen zu gehen.
Elly
Walsh war nämlich jetzt auch im Quidditchteam. Und Hugo benahm sich ganz
furchtbar kindisch, wenn Elly mit ihnen Training hatte. Hugo ließ jeden Quaffel
durch den Ring. Wozu waren sie beide die jüngsten im Team? Bestimmt nicht, um
sich lächerlich zu machen.
Aber
Scorpio wusste, mit zwölf Jahren hatte man sowieso mehr Probleme als ein
Erwachsener. Die verstanden überhaupt nicht die wichtigen Dinge. Das wichtigste
war nämlich, dem Mädchen nicht zu sagen, dass man sie wirklich mochte. Und das
musste er jetzt mit Hugo absprechen.
Vielleicht
konnte er Florina in zwei Wochen einfach mal sagen, dass er sie nicht leiden
konnte. Er war sich noch nicht ganz sicher, wie er das machen sollte, aber es
würde sich schon eine Gelegenheit ergeben. Er warf noch einen Blick auf seine
Neffen. Colin war schon wieder eingeschlafen.
Das war
ja so öde. James Schwester war etwa genauso alt, und die schlief nicht so viel
wie Colin. Aber die war ein Mädchen. Aber sie war auch das einzige Mädchen in
ihrer Gruppe. Sie würde bestimmt so aussehen, wie Tante Ginny. Denn Hugo sah
genauso aus wie Onkel Ron.
Er fand
gar nicht, dass er aussah wie Draco. Vielleicht sah Draco so aus wie er. Das
konnte natürlich sein.
„Scorpio,
willst du keinen Kuchen?“, hörte er Hermine rufen und setzte sich hastig in
Bewegung. Als ob er auf seinen Kuchen verzichten würde! Er hätte gleich schon
genug damit zu tun, Devons Finger von seinem Stück fernzuhalten.
Der
würde aber diesmal nicht den leckeren Erdbeerkuchen bekommen! Hermine machte
nämlich den besten Kuchen. Er setzte sich gerade noch rechtzeitig, ehe sich
Devon auf seinen Platz wuchten konnte.
„Hallo,
Tante Pansy.“, sagte er. „Hey, Onkel Greg.“ Pansy strich ihm über die Haare.
Sie sah ihn immer so komisch an, als ob sie gleich weinen würde. Es war
ziemlich seltsam von ihr. Hermine machte das auch, aber bei ihr mochte er es,
wenn sie das tat. Hermines Bauch wurde langsam kugelrund. Er und Hugo hatten
schon Wetten abgeschlossen.
Er hatte
auf einen Jungen gewettet. Hugo wettete dagegen. Denn sonst konnte man
schließlich auch nicht wetten. Aber wenn er ganz ehrlich war… dann wollte er
auch gerne so ein kleines Mädchen wie Lily. Dann hätte er nämlich einen Neffen
und eine Nichte.
Er
lauschte automatisch Onkel Harry, den er eigentlich Professor Potter nannte.
Wenigstens in der Schule. Und er war ziemlich stolz darauf, die besten Noten
von ihm zu bekommen. Auch wenn er nicht sagte, wie stolz er eigentlich war.
Manche Sachen, sagte man eben nicht laut.
Draco
setzte sich neben ihn und zerstrubbelte seine Haare.
Scorpio
mochte diese Treffen am Samstag. Er mochte es sogar, wenn Devon kam. – Wenn sie
nicht gerade am essen waren….
- The End -