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Teile

Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4 , Teil 5 , Teil 6 , Teil 7 , Teil 8 , Teil 9 , Teil 10 ,

Teil 11 , Teil 12 , Teil 13 , Teil 14 , Teil 15 , Teil 16 , Teil 17 , Teil 18 , Teil 19

Teil 1

 

 

„So. Und jetzt konzentrieren wir uns…“ Ein Mädchen fing an zu kichern.

 

„Ms Hermine, was heißt kotzentrieren?“, fragte sie jetzt laut, und Hermine erkannte, dass es Florina war. Sie war Lavenders Tochter, und sie war erst neu in die Gruppe gekommen.

 

„Na ja, kotzentrieren dürfte heißen, dass man sich genau in die Mitte des Zimmers übergibt.“, mutmaßte Ginny mit einem Grinsen, und Hermine verdrehte die Augen, während die andern Kinder vor Lachen prusteten.

 

„Danke, Ginny. Das war hilfreich.“, murmelte sie seufzend.

 

„Konzentrieren heißt, dass ihr die Augen zumacht und jetzt nur auf eure Hände achtet. Wenn ihr die Magie fühlt, sagt ihr Bescheid.“ Die Kinder brauchten noch einen Moment, ehe sie in der Lage waren wieder mit zu machen. Auch Ginny brauchte noch eine Weile.

 

Dann schlossen die Kinder die Augen. Hermine betrachtete die einzelnen. Einige bekamen ganz rote Wangen, weil sie die Luft anhielten. Andere Hände begannen zu zittern vor Anstrengung. Im Endeffekt war der Erfolg gering. Kaum zwei schafften es, die Magie schon zu kontrollieren. Es waren zwei ältere Jungen.

 

„Ms Hermine, Ms Hermine! Gucken Sie!“ Der kleine Scorpio Malfoy hielt seinen kleine Zeigefinger stolz in die Höhe. Dort glühte ein winziger Funken Magie, der augenblicklich erlosch. Sein Gesicht verzog sich traurig.

 

„Keine Sorge, das war wirklich ziemlich gut. Wirklich! Ihr anderen müsst nicht traurig sein. Es ist schwer, die Magie zu kontrollieren.“

 

„Ms Mine!“ Sie wandte sich um. Auf Hugos Fingern hüpfte der Magiefunken hin und her. Scorpio blickte etwas beleidigt drein. Ron würde vor Stolz platzen, wenn sie es ihm erzählen würde.

 

„Fantastisch, Hugo! Ich bin sehr stolz.“ Ginny drückte den kleinen sofort an sich. Sie war schließlich auch die Tante und Hermine hatte manchmal das Gefühl, dass sie hoffte, Hugo würde den kleinen Scorpio in allem schlagen, was sie taten.

 

 

Seit sechs Jahren arbeiteten Hermine und Ginny in der magischen Kinderbetreuung. Es war besser, als Hermine sich es hatte vorstellen können. Sie hatte angenommen, Kinder lägen ihr nicht und sie hätte sich lieber einen Bürojob gesucht. Bücher gaben keine Widerworte, Bücher beschmierten sich nicht mit Marmelade und Bücher wandten nicht unbeabsichtigt Magie an und zerbrachen Fensterscheiben.

 

Aber Bücher liebten einen auch nicht so aufrichtig und unschuldig, wie es Kinder eben taten. Sie hatte keinen einzigen Tag bereut, den sie hier arbeitete. Vor allem bekamen immer mehr alte Schulkollegen von ihnen jetzt Kinder oder waren im Begriff zu heiraten. Das hieß dann, alle kleinen Racker, die hier rumliefen, waren kleine Ausgaben ihrer ehemaligen Freunde – oder Feinde.

 

Pansy und Goyles Sohn Devon verstand sich ausgezeichnet mit dem kleinen Malfoy, obwohl Scorpio ein Jahr älter war. Hermine hatte das nicht gewundert. Aber Scorpio Malfoy war nicht Dracos Sohn, wie sie zuerst angenommen hatte. Er war tatsächlich sein kleiner Bruder.

 

Ein Elf kam ihn täglich abholen. Sie wusste nicht, warum seine Mutter es nicht tat. Vielleicht tat sie es nicht. Vielleicht aber wollte sie nicht das Gebäude betreten. Sie hatte sich sowieso gewundert, dass Muggelkinder sowie Reinblüterkinder hier vertreten waren, aber anscheinend hatte sich überall rumgesprochen, dass sie die beste magische Einrichtung für Kinder in London waren.

 

Sie hatten Anfragen ohne Ende. Es war unglaublich. Vielleicht kam Narzissa Malfoy nicht, weil sie einfach nicht ertragen konnte, dass ihr Sohn in der besten Einrichtung sein musste, die von ihr, Hermine Granger, geleitet wurde.

 

Ginny war gleichberechtigter Partner, aber der Vertrag und die Pacht liefen auf Hermines Namen.

 

Sie war froh, dass Ginny mit eingestiegen war. Ab und an halfen ein paar Kräfte aus. Am Freitag und wenn sie Samstag auf hatten. Das hatten sie allerding nur einmal im Monat.

 

Es war erfüllend, Hermine traute es sich kaum zu denken, aber sie konnte sich keine andere Arbeit vorstellen, die so viel Spaß machen würde, wie Kinder langsam an die Magie heran zu führen. Wer die Gruppe mit fünf Jahren verließ, der wusste nicht nur, was Magie war, nein, der war sogar in der Lage sie bewusst – wenn auch nur in kleinen Maßen – anzuwenden. Es war Gold wert.

 

Schulen rissen sich um Kinder, die aus der „Little Magic-Corner“ kamen.

 

Hermine war stolz. Dass sie selber keine Kinder hatte, bedrückte sie nicht besonders, denn sie hatte ja jeden Tag andere Kinder um sich. Es war ein Schock, die Kinder gehen zu lassen, wenn sie fünf Jahre alt waren, denn sie hatte schließlich nicht unerheblich zu ihrer Entwicklung beigetragen.

 

Weil, wenn die Kinder erst mal gingen, dann kamen sie nur selten mit ihren Eltern noch einmal zu Besuch. Bei Hugo und Florina allerdings, hegte sie wenig Zweifel. Ron und Lavender kamen jede Woche sowieso zum Tee zu Besuch. Mit den Kindern.

 

Ron hatte tatsächlich geheiratet. Hermine hätte es nie gedacht. Hugo war schließlich schon drei gewesen. Aber Cho hatte darauf bestanden. Hermine war sowieso dagegen gewesen. Harry war es einigermaßen egal, aber Hermine hatte Cho noch nie besonders gemocht.

 

Lavender und Dean gaben ein wesentlich charmanteres Pärchen ab. Sie stritten sich überhaupt nicht, wohingegen Cho bei jeder Kleinigkeit ein Drama vorzog. Vielleicht brauchte Ron es auch. Sie wusste es nicht.

 

Morgen war wieder einer der Samstage an denen Luna zu Besuch kam. Sie hatte knapp dreißig Kinderbücher geschrieben und alle hatte Hermine in die Sammlung der Magic-Corner aufgenommen.

 

Die Kinder liebten die Bücher über die Drachen in Gringotts und über die Riesen, die im Wald versteckt lebten. Hermine pflegte zu ignorieren, dass es sich um ihr eigenes Abenteuer handelte. Die Kinder wussten Gott sei Dank nicht, wer sie war.

 

Sie hatte oft genug vereinzelte Reporter vor ihrer Tür stehen, die immer mal wieder ein Interview machen wollten. Es war immer noch nicht vorbei.

 

Luna hielt das ganze aber in einer eher märchenhaften Stimmung. Die Namen variierten von Märchen zu Märchen. Der Name Hermine kam kein einziges Mal vor und Hermine war dankbar dafür.

 

Jedenfalls hieß das, dass Luna morgen auch mit dabei sein würde, und sie war selber noch ein Kind, so kam es Hermine vor. Und wer spielte besser mit Kindern als ein Kind selbst? Wenn Luna kam, dann ging es ziemlich laut in der Magic-Corner zu, denn Luna scherte sich nicht groß um Regeln und Hermine konnte ihr schlecht erklären, dass Mittagsschlaf eigentlich schon recht wichtig war.

 

Aber die Kinder spielten alle sowieso völlig verrückt.

 

Der Tag endete. Die Kinder waren satt und müde und so wurden sie auch am liebsten von ihren Eltern abgeholt. Es war nach halb fünf. Die ersten kamen bereits.

 

Pansy war immer eine der ersten. Und ihre erste Frage war immer dieselbe.

 

„Und? Hat er was kaputt gemacht?“ Sie versuchte jedes Mal die Sorge aus ihrer Stimme zu verbannen.

 

„Nein, nein. Devon war ein Engel, wie immer Pansy.“, beruhigte sie Hermine. Sie hatte sich angewöhnt die Eltern mit dem Vornamen anzusprechen. Das tat sie allerdings nicht bei allen Elternteilen. Pansy schien jedoch nichts dagegen zu haben. Sie untersuchte Devon auf möglich Schrammen und Beulen, wurde aber nicht fündig. Sie seufzte auf.

 

„Er hat ja immer so viel Spaß. Hat er wider mit Dra… mit Scorpio gespielt?“ Sie blickte suchend durch den Raum. Scorpio war fast immer als letztes anwesend und wurde nahezu als erstes gebracht. Von demselben Elf. Hermine konnte ihr nicht übel nehmen, dass sie die Namen vertauschte. Scorpio sah seinem Bruder zum verwechseln ähnlich. Aber Hermine war mehr als dankbar, dass er überhaupt kein bisschen so war. Mit keiner Faser.

 

„Ja, wie immer.“ Sie lächelte freundlich. Eigentlich hoffte sie, dass Scorpio sich auch andere Freunde in der Gruppe suchte, denn es war klar, die kleinen Slytherinkinder hockten jetzt alle schon beisammen. Wahrscheinlich hatten es die Eltern vor deren Geburt so abgesprochen.

 

„Hermine, na? Hallo, Pansy.“ Ron sprach nicht gern mit ehemaligen Schülern, die er nicht leiden konnte. Pansy allerdings lächelte.

 

„Ah, der Herr Quidditchspieler. Wie läuft das Training? Ich habe gehört, die Leute nennen dich eiserner Weasley, weil du nie einen Quaffel durchlässt? Ist das wahr?“ Das war Rons Achillesferse, denn jetzt schien er zu vergessen, dass es Pansy war, mit der er sprach.


„Oh, na ja. Ich denke mal, es ist einfach nur Übung und das richtige Training. Man muss schon ziemlich viele Muskeln haben, um seinen Körper so unter Kontrolle zu haben wie ich.“ Er grinste breit. Pansy betrachtete seine Oberarme und Hermine verdrehte die Augen.

 

„Ausgezeichnet. Eure Kinder warten…“, fügte sie mahnend hinzu. Pansy riss den Blick von Rons Armen los und umfing Devons Handgelenk.

 

„Daddy wartet schon, Devon.“

 

„Mummy, kann ich morgen zu Lunas Lesestunde kommen?“ Pansy wandte sich an Hermine.

 

„Ach, die ist schon wieder? Eigentlich wollten Greg und ich mit Devon wegfahren.“ Sie schien wirklich zu überlegen.


„Devon, ich glaube, du wirst morgen nicht dabei sein, aber ich sage Tante Luna, dass sie dir auf jeden Fall eine extra Geschichte für nächsten Monat aufheben soll, ok?“ Hermine hatte sich runter gebeugt. Devon wirkte ziemlich erschüttert und fixierte böse seine Mutter.

 

„Immer müssen wir wegfahren. Ich will aber hier bleiben!“

 

„Sei lieb, Devon. Ich verspreche dir, es wird nichts Aufregendes ohne ich passieren.“ Sie mochte Devon. Er war etwas pummeliger als die anderen Kinder, hatte aber einen Wust dunkelblonder Locken auf dem Kopf. Wäre er nackt, wäre er von einer Putte nicht zu unterscheiden gewesen.

 

„Wirklich? Versprochen?“, flüsterte Devon leise und Hermine nickte.

 

„Hoch und heilig. Wir sehen uns Montag, Devon.“

 

„Wieder sehen, Ms Hermine.“ Jetzt ließ er sich von seiner Mutter aus dem Zimmer führen.

 

„Mensch… Hoffentlich wird der nicht auch so ein Idiot wie sein Vater.“

 

„Ron! Also, wirklich. Devon ist einer der lieben hier im Kurs.“ Sie betonte diesen Satz, denn schon kam Hugo um die Ecke geflitzt.


„Daddy, Daddy, rate mal! Ich war besser als der doofe Scorpio!“ Er grinste breit. Eine große Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Die hatte er sich hier zugezogen, weil er unbedingt probieren wollte mit dem Schrubber zu fliegen, wie sein Vater.

 

Da er am weitesten entwickelt war, was die Magie betraf, gelang es ihm auch zu starten. Allerdings nur bis vor den ersten Schrank. So schnell war Hermine nicht gewesen, obwohl Hugo schon ihre meiste Aufmerksamkeit kostete.

 

„Da bin ich aber stolz.“ Ron lächelte. Er versuchte es nicht zu offensichtlich zu tun, denn Hermine strafte ihn mit einem bösen Blick. „Aber es geht ja nicht darum, besser zu sein.“

„Aber Zuhause sagst du…“, begann Hugo, aber Ron wuschelte ihm über die roten Haare.

 

„Jetzt ist gut… Sag Tante Hermine auf Wiedersehen.“, befahl er väterlich.

 

„Wiedersehen, Tante Mine. Kommst du denn heute zum Abendessen vorbei?“ Ein kleiner Ron mit allerdings braunen Augen sah sie bittend an. Sie war schon kurz davor zuzusagen, aber heute war ihr Freitagabend mit Ginny und Harry. Ab und an traf sie sich mit ihnen. Auch wenn es dort kein kleines Kind gab, dass sie ablenkte.

 

„Tut mir leid. Aber wir sehen uns ja morgen Nachmittag, richtig, Hugo?“ Hugos Laune war gedämpft.

 

„Jaah. Ok.“ Sie strich ihm über die roten Haare.

 

„Ok. Dann bis Morgen!“

 

Ron winkte zum Abschied und hob Hugo auf seine Schultern. Jauchzend flog Hugo nun auf den Schultern seines Vaters nach draußen.

 

Nach und nach kam der Rest. Lavender blieb fast bis fünf Uhr und Florina quengelte so sehr, dass Hermine befürchtete, sie könne einen Heulkrampf bekommen. Lavender riss sich endlich los, aber natürlich nicht, ohne Hermine nächste Woche zum Tee eingeladen zu haben.

 

Hermine nahm dankend an. Ginny räumte alles auf. Es war irgendwann Hermines Aufgabe geworden, die Kinder zu verabschieden.

 

Zwei Kinder warteten. Charles und Scorpio bauten gerade eine ziemlich wackelige Burg aus magischen Steinen. Dese wechselten andauernd die Farbe.

George hatte sie vorbeigebracht und die Kinder liebten sie.

 

Charles war auch einer der älteren. Hermine kannte leider die Eltern nicht, aber wenn sie ihn betrachtete und seine Eltern einschätzte, dann würde er wohl kein Slytherincharakter sein. Aber selbst Scorpio machte nicht unbedingt diesen Eindruck. Er war höflich und eher ruhig.

 

Kaum auffällig. Er schubste keine anderen Kinder – das tat Rons Kind dafür jeden Tag – und er wirkte über die Maßen intelligent. Er verstand, was Hermine erklärte und er gehorchte, wenn sie irgendwas verbat.

 

Nur schade, dass er ein Malfoy war. Er hatte gar keine andere Wahl als vom Slytherincharakter verdorben zu werden.

 

„Hallo, Ms Granger. Ich bin zu spät. Immer diese vielen Straßen.“ Charles‘ Mutter verlief sich ab und an. Sie waren neu in London, aber sehr freundlich.


„Kein Problem. Er hatte ja Gesellschaft.“ Charles‘ Mutter war entzückt von Scorpio. Die meisten Mütter waren das. Aber er sah auch einfach zu niedlich aus, mit den blonden Haaren und dem hübschen Gesicht.

 

„Wie nett. Ich hoffe, er hat keine Umstände gemacht.“

 

„Nein, Charles war lieb wie immer, Lora.“ Charles vergaß seine Bauklötze und hechtete auf seine Mutter zu. Scorpio baute allein weiter.

 

„Ich bringe ihn dann morgen vorbei.“

 

„Da komme ich pünktlich, weil, ich kenne den Weg nämlich.“, erklärte Charles stolz und Hermine unterdrückte ein Lachen.

 

„abgemacht. Dann freut sich Luna besonders.“

 

„Jaah!“, schrie Charles begeistert.

 

„Also, bis morgen, Ms Granger.“

 

„Bis morgen.“

 

Sie wandte sich um. „Na, Scorpio? Alles klar?“

 

„Ja. Meine Burg ist gleich fertig.“, erklärte er ohne aufzublicken.

 

„Wirklich perfekt.“, lobte Hermine. „Mit zwei Türmen.“

 

„Jede Burg hat zwei Türme. Mindestens.“

 

Hermine fragte sich, ob es Scorpio störte, dass er meist als letzter abgeholt wurde, aber siewollte ihn nicht fragen. Vielleicht fiel es ihm auch gar nicht besonders auf.

 

„Hey, kleiner Malfoy.“ Ginny stellte sich neben sie. „Gleich musst du deine Burg zurück lassen.“

 

„Das ist nicht schlimm. Ich bau eine neue.“ Ginny hatte weniger Skrupel als Hermine. Sie schnappte sich den Jungen und hob ihn hoch.

 

„Du wirst immer schwerer.“ Jetzt lächelte der Junge und sie hob ihn über ihren Kopf. „Jetzt lass ich dich fallen.“

 

„Jaah!“, rief er und schloss die Augen. Ginny ließ los und fing ihn kurz vor dem Boden wieder auf. Scorpio lachte fröhlich. Selten sah Hermine den Jungen wirklich lachen. Es schien nicht seine Art zu sein, dabei stand es ihm ausgezeichnet.

 

„Ms Granger.“ Sie zuckte zusammen. Jedes Mal wenn der kleine Elf auftauchte. Er hatte den Mund wie immer griesgrämig verzogen und machte keinen Hehl daraus, dass er sie nicht leiden konnte, weil sie eine Muggel war.

 

„Ist er bereit?“ Seine glasigen Augen betrachteten Ginny und den Jungen.

 

 

„Ja, sicher, Gaspar.“ Der Elf blickte noch mürrischer. Er hasste es, wenn sie seinen Namen sagte, Hermine wusste das. Aber das hielt sie nicht ab. Sie vertrat immer noch die Annahme, dass die Malfoys Schuld trugen an der unmöglichen Einstellungen, die der Elf an den Tag legte.

 

„Master Scorpio.“, rief er mit Schmirgelpapier Stimme und Scorpio kam seufzend zu ihm. „Morgen wird Master Scorpio hier sein.“, fügte der Elf kühl hinzu.

 

„Wirklich?“ Hermine stutzte. Das erste Mal nach vier Jahren sollte Scorpio samstags zur Lesestunde da sein? Was war los? Waren Narzissa und Lucius etwa in Paris neue Elfen ersteigern? Sie konnte dne bitteren Gedanken nicht verdrängen.

 

„Das sagte ich doch. Ich werde ihn bringen. Allerdings kann ich ihn nicht holen. Jemand anders kommt.“

 

„Noch ein Elf?“, fragte Ginny belustigt, aber sie bedachte Gaspar überhaupt nicht. Sie störte es auch nicht. Sie konnte ihn sowieso nicht leiden.


„Sein Bruder wird ihn abholen.“

 

Ginny lachte. „Draco Malfoy persönlich?“

 

„Master Draco wird um fünf Uhr hier sein.“, erklärte der Elf. Hermine nickte schließlich. Eigentlich hatten Ginny und sie ihren Frieden mit Malfoy geschlossen. Allerdings auch nur weil sie sicher waren, ihn nicht wieder zu sehen.

 

„Morgen können die Kinder länger bleiben. Sie kommen ja erst um zwei.“

 

„Er wird seinen Bruder um fünf Uhr holen.“ Hermine gab es auf.

 

„Gut. Dann bis morgen Scorpio.“ Der Junge lächelte zum Abschied.

 

„Bis morgen, Ms Hermine. Bis morgen, Ms Ginny.“ Dann ließ er sich vom Elf festhalten und ehe sie aus der Tür waren, war der Elf mit ihm appariert.

 

„Ich mag den kleinen. Schade, dass er ein Malfoy ist.“, bemerkte Ginny. „Willst du heute Abend kochen oder sollen wir über Floh bestellen?“

 

„Bestellen. Ich hab keine Lust mehr überhaupt noch was zu machen.“, erwiderte Hermine gähnend.

 

„Dann lass uns los. Harry hat bestimmt wieder spannende Geschichten zu erzählen. Nevilles Sohn hat nämlich wieder mal bei Verteidigung seinen Umhang angesengt.“ Hermine musste grinsen.

 

Harry war als Lehrer zwar bestens geeignet, aber dafür war Nevilles Sohn absolut genauso schusselig wie es Neville selbst gewesen ist. Frank Longbottom war Hermines Lieblingsthema, denn Harry brachte es einfach nicht übers Herz, ihm irgendwas übel zu nehmen.

 

Sie freute sich schon auf das Abendessen. Denn das war das einzige, was sie vielleicht noch in Erwägung gezogen hätte… Unterrichten in Hogwarts. Aber Harry zuzuhören war gut genug.

 

 

Teil 2

 

 

Sie baute gerade den Stuhlkreis auf. Sie hatten gestern so sehr gelacht. Es war tatsächlich alles wunderbar. Harry und Ginny planten ihre große Sommerhochzeit und natürlich auch die geeignete Zeit, um schwanger zu werden.

 

Wieder ein Pärchen mehr, das ein Kind hatte. Sie hatten darüber gesprochen, ob es denn überhaupt gut war, das eigene Kind mit in die Gruppe zu nehmen. Hermine hatte keinen Grund gefunden, der dagegen sprach, aber Ginny war besorgt, dass das Kind dann zu sehr an der eignen Mutter hing.

 

Hermines Interesse hatte an dem Abend auch mehr bei Harry und seinen Hogwartserlebnissen gelegen. Er hatte gesagt, dass es etwas völlig anderes sei, wenn man Lehrer war. Es war, als wüsste man mehr Geheimnisse und natürlich war es das Beste, wenn man selber den Schülern das beibringen konnte, was man für richtig hielt.

 

Das Ministerium fuschte Harry nicht zwischen seinen Lehrplan, denn Harry genoss absoluten Respekt im Ministerium. Allerdings war er etwas traurig darüber, dass ihm ein neuer Siebtklässlerkurs betroffen gestanden hatte, sein Stoff sei zu schwer.

 

Hermine konnte sich das gut vorstellen. Harry war immer so begeistert dabei gewesen und hatte gar nicht gemerkt, dass manche Probleme mit den Flüchen hatten, die er ihnen beibrachte. Sie hatte klar dazu gehört.

 

Aber sie nahm an, Harry würde sein Tempo noch zügeln.

 

Und er erzählte, dass Frank zwar schusselig war wie sein Vater, aber dafür auch genauso mutig. Denn nur Frank traute sich, ihm Streiche zu spielen und sich zu duellieren, mitten auf dem Flur. Hermine erklärte daraufhin, es handele sich hierbei um Dummheit und nicht um Mut, aber davon wollte Harry nichts hören.

 

Er hatte gesagt, er hoffe nur, dass sein Sohn noch auf die Schule kommt, wenn Frank noch da wäre. Ginny hatte dann gegrinst.

 

Sie seufzte. Harry hatte sich nicht verändert. Vielleicht hatten sie sich alle nicht verändert, überlegte sie, als sie gewissenhaft die letzten Stühle zusammen rückte.

 

„Ms Granger.“ Tatsächlich war Scorpio wieder einmal der Erste. Sie wandte sich um. Gaspar schob den kleinen Jungen in den Raum.

 

„Morgen, Ms Hermine.“, begrüßte Scorpio sie. Er sah immer tadellos aus. Sie wollte gar nicht wissen, was für ein Vermögen seine Eltern für diese kleinen Blazer und Hemden ausgaben, die Scorpio trug und niemals schmutzig machte.

 

„Hall, Scorpio. Freust du dich schon?“

 

Der Junge lächelte ein seltenes Lächeln und nickte eifrig.

 

„Ich bin auf die Geschichten gespannt.“ Und so sah er aus. Ganz im Gegensatz zu seinem Hauself.


„Master Draco holt ihn um fünf.“

 

„Ja, Gaspar, das sagtest du gestern bereits.“ Wieder der verzogene, faltige Mund.

 

„Ja. Kennen Sie Master Draco? Wissen Sie, wie der Mann aussieht, der Master Scorpio abholen wird?“ Hermine musste lächeln.

 

„Lässt Lucius danach fragen?“, fragte sie spöttisch. „Denkt er, ich weiß nicht, wie sein Sohn aussieht?“ Nun waren die Lippen des Elfen nur noch ein schmaler Strich der Wut.

 

„Passen Sie auf, Master Scorpio.“, murmelte der Elf nur und Scorpio nickte höflich.

 

„Bis heute Abend, Gaspar.“, verabschiedete sich der Junge und ohne ein weiteres Wort für Hermine verschwand der alte Elf.

 

„Er ist unfreundlich.“ Hermine verschränkte die Arme. Der Elf erinnerte sie an Kreacher in der alten Form. Der alte Kreacher war widerlich gewesen. Jetzt arbeitete er in Hogwarts. Harry hatte es ihm befohlen, und es gefiel dem Elfen dort tatsächlich. Aber mittlerweile war er auch freundlich geworden. Er ließ sie sogar grüßen, wann immer Harry mit ihm sprach.

 

„Nur zu Fremden.“

 

„Ich bin nicht mehr fremd. Er sieht mich jeden Tag seit fast drei Jahren.“ Sie vergaß für einen Moment, dass sie mit einem vierjährigen sprach.“ Sie zwang ein Lächeln auf ihre Züge.

 

„Sie kennen meine Familie?“

 

„Was?“

 

„Meinen Vater. Und meinen Bruder.“, erklärte er. Hermine ärgerte sich etwas, dass sie mit dem Elf so gesprochen hatte.

 

„Ahem… ja. Dein Bruder und ich sind zusammen zur Schule gegangen.“, erklärte sie lapidar und schob noch einmal an den Stühlen. Das war kein schönes Thema.

 

„Aha. Aber du warst nicht in Slytherin?“ Sie wusste nicht, ob es wirklich eine Frage war.

 

„Nein. Ich war in Gryffindor.“ Er nickte, als wisse er genau, wovon sie sprach.

 

„Meine Familie war in Slytherin. Meine Mutter auch.“, fügte er hinzu, als hätte hier ein Zweifel bestanden.

 

„Ja, ich weiß.“

 

„Woher kennst du meinen Vater?“, fragte er dann. Sie konnte sich nicht entsinnen, jemals so viel mit ihm gesprochen zu haben.

 

„Oh… von früher.“, erwiderte sie etwas grimmig.

 

„Niemand mag meinen Vater. Abgesehen von uns natürlich.“ Ihr Mund öffnete sich. Ein weiser, kleiner Junge.

 

„Unsinn, Scorpio.“

 

„Er ist manchmal streng, aber er sagt, es sei notwendig.“

 

„Notwendig für was?“, fragte sie nun doch gegen ihren Willen.

 

„Ich weiß nicht genau. Aber ich denke, er hat recht.“

 

Sie musste lächeln. Anscheinend machte Lucius bei der Erziehung seiner Söhne keinen Unterschied. „Ich freue mich auf Draco. Vielleicht kann er ja noch etwas bleiben und Luna zuhören. Meinst du, das geht?“ Jetzt musste sie grinsen.

 

„Oh, Scorpio, das solltest du wirklich deinen Bruder fragen.“

 

„Denkst du, es geht nicht?“

 

„Na ja. Natürlich, wenn er will. Aber… mach dir nicht zu große Hoffnungen. Man weiß ja nie.“

 

„Hm. Du denkst, er wird nicht wollen, Ms Hermine, richtig?“

 

Sie senkte den Blick. Was wusste sie schon über Draco Malfoy? Nichts eigentlich. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass er nicht länger als nötig in ihrer Gruppe bleiben würde, wenn er denn immer noch derselbe war. Aber Menschen konnten nicht einfach so aus ihrer Haut.

 

Zum Glück kam Ginny und mir ihr ein Schwall neuer Kinder.

 

„Scorpio, hast du Lust ein paar Kissen aus dem andern Zimmer zu holen?“, fragte sie den blonden Jungen jetzt und begeistert nickte er. Das andere Zimmer war nämlich immer verschlossen, weil neben den Kissen auch ein paar andere magische Gegenstände lagen, die nur für besondere Spiele geholt wurden.

 

Scorpio verließ den Raum mit Ginny und Hermine begrüßte die Kinder und ihre Eltern.

 

 

~*~

 

 

 

 

„Und dann kam der Troll aus der Höhle gestürmt! Und er war riesig groß… Wie ihr wisst sind Trolle so groß, dass sie mit dem Kopf fast schon in den Wolken stecken.“ Einige Kinder hatten die Münder so weit offen stehen, dass ihre Zungen zu sehen waren.

 

„Er schwingt seine riesige Keule und die drei tapferen Kinder können sich kaum verstecken, denn für einen Troll muss die Keule ja riesig sein.“, fügte Luna leiser hinzu.

 

„Und dann?“, fragte Florina atemlos.

 

„Der Troll holt aus… und dann nimmt Lilly ihren Zauberstab und schiebt ihn in das Nasenloch des Trolls! Ganz tief rein…“ Hermine musste schmunezln, als die Kinder angewidert den Mund verzogen.

 

„Ja! Ganz tief in die Nase!“, rief Hugo begeistert.

 

„Und natürlich musste der Troll niesen. Hundertmal und Richard spricht den Zauberspruch, den er vorher nicht konnte. Und wisst ihr was? Er schafft es! Wingardium Leviosa!“, rief Luna plötzlich. Die Kinder zuckten zusammen.

 

„Und die Keule schwebt in die Luft. Der Troll guckt dumm nach oben und Richard lässt sie auf den Kopf des Trolls fallen!“

 

Die Kinder nicken begeistert und rutschen näher zu Luna. Hermine und Ginny wechseln bedeutungsschwere Blicke.

 

„Der Troll ist natürlich bewusstlos und die drei können endlich verschwinden.“, endet sie die Geschichte und die Kinder klatschen jubelnd.

 

„Und der Zauberstab? Hat sie ihn noch aus der Nase gezogen?“ Florina war anscheinend zwischen Ekel und Neugierde hin und gerissen.

 

„Ja sicher. Sie hat ihn vorher noch am Troll sauber gewischt.“, erklärt Luna bereitwillig und Florina verzieht den Mund. „Na, was denkst du, wie groß ein Trollpopel ist?“

 

In den nächsten zehn Minuten beschrieben die Jungen die größten Trollpopel dieser Welt und die Mädchen zogen es vor, Luna zu bequatschen, ob sie nicht noch eine Geschichte von der mutigen Prinzessin Henrietta erzählen könnte.

 

Luna zwinkerte Hermine zu. Der Name war zwar nur angelehnt, aber Hermine fand, es existierte schon eine gewisse Ähnlichkeit.

 

„Vielleicht ein anderes Mal. Ihr wisst doch, immer nur eine Geschichte. Sonst sind sie nichts Besonderes mehr und dann muss ich auch nicht mehr vorbei kommen.“ Geschockte Stille herrschte unter den Kindern und lärmend erklärten sie, dass es immer nötig sein würde, dass Luna zu Besuch kam.

 

„Sind das Kartoffeln in deinen Ohren?“, fragte Charles und hob den Finger, traute sich dann aber doch nicht, die Ohrringe anzufassen.

 

„Das sind braune Bruchschalschnecken.“, erklärte Luna entrüstet. „Sie wäre ziemlich beleidigt, wenn sie gehört hätten, dass du sie mit Kartoffeln vergleichst. Aber im Frühling verlieren sie ihre Ohren, also hast du Glück gehabt.“

 

Die Kinder starrten sie genauso an, wie Hermine und Ginny.

 

„Na, ihr wisst doch wohl, warum sie die Ohren verlieren?“, fragte Luna bestürzt. Die Kinder schüttelten mit offenen Mündern die Köpfe.

 

„Na ja, dort brüten sie ihre Eier aus. Und wenn die im Frühling reif werden, werfen sie die Ohren ab, weil sonst würden ihre Kinder ja in ihren Ohren schlüpfen.“

 

Die Mädchen schlugen sich die Hände vor die Ohren und verzogen die Münder, die Jungen befahlen sich gegenseitig nachzuschauen, ob sie auch Eier in Ohren hatten.

 

Hermine schloss grinsend die Augen. Sie wusste, dass sie nächste Woche wahrscheinlich mit den Kindern braune Bruchschalschnecken würde basteln müssen, obwohl sie keine Ahnung was es überhaupt war.

 

Allerdings glaubten die Kinder Luna jedes Wort. Ginny sah sie angewidert an.

 

„Stell dir das vor. Eier im Ohr. Igitt.“ Auch Ginny rieb sich besorgt die Ohren.

 

 

~*~

 

 

Der Nachmittag verging. So auch fünf Uhr, ohne dass Draco Malfoy das Haus betrat. Hermine machte sich keine großen Gedanken, denn noch war das Haus voll und Scorpio amüsierte sich prächtig.

 

Sogar Luna fand Gefallen an ihm. Sie hatte das neue Gesicht sofort bemerkt und Scorpio hatte ihr erzählen müssen, woher er denn kam. Bei ihrem Namen, hatte sie Gott sei Dank nur die Nase gerümpft, aber nichts dazu gesagt.

 

Schließlich saß Scorpio auf Lunas Schoss und sie musste ihm haarklein erzählen, woher sie all diese Dinge wusste, von denen er noch nie gehört hatte. Er versprach seinem Vater davon zu erzählen. Luna hielt ihn auf dem Schoss und erklärte, sie hätte noch eine ganze Menge mehr an Sachen, die sein Vater nicht wissen würde.

 

Luna blieb länger als sonst.

 

Jeder hatte irgendwann einen Narren an dem kleinen Scorpio gefressen.

 

Hermine und Ginny begannen aufzuräumen.

 

„Weißt du was?“, fragte sie lauernd und Hermine konnte das Lächeln ihrer Freundin nicht deuten.

 

„Was?“

 

„Harry und ich haben angefangen.“ Sie zwinkerte vergnügt.

 

„Was angefangen?“

 

„Koboldstein zu spielen.“, erwiderte Ginny ungeduldig. „Na was wohl? Wir versuchen ein Baby zu bekommen, Hermine.“, fügte sie hastig hinzu. Hermine öffnete überrascht den Mund.

 

„Ich dachte, es wäre zu früh?“

 

„Ach wo. Wir heiraten in fünf Monaten und selbst wenn ich jetzt schwanger werden würde, hätte ich wahrscheinlich immer noch keinen richtig großen Bauch.“ Eigentlich hatte Hermine nicht an den Bauch gedacht, sondern an das Geld, aber das sagte sie nicht.

 

„Das freut mich für euch! Dann hoffe ich mal, dass es klappt.“ Sie war sich nicht sicher, wie man so etwas ausdrückte.

 

„Ja, wir auch.“

 

Die ersten Eltern kamen. Sie begrüßten Ginny und Hermine und auch Luna.

 

Es war immer gleich. Wenn die ersten Eltern kamen, dann kamen sofort alle anderen hinterher. Es gab ein großes Gedränge. Mit dem Accio rief Hermine sämtliche Umhänge, Schuhe und Spielsachen herbei und packte jedes Kind in den passenden Umhang.

 

„Ms Hermine, Devon hat am Dintag Geburtstag.“, erklärte Florina wichtig. „Feiern wir das?“

 

Hermine lächelte. „Es heißt Dienstag, Florina und sicher. Das müssen wir doch. Er wird immerhin vier. Das ist so ziemlich eines der wichtigsten Alter.“

 

„Was ist das wichtigste?“ Hermine überlegte kurz.

 

„Fünf natürlich, was habt ihr denn gedacht.“ Die Kinder nickten eifrig.

 

„Wirklich, eine Feier? Da kann er noch mehr kaputt machen als sonst.“, bemerkte Pansy besorgt, die Devon am Umhang festhielt, damit er nicht noch einmal zu den bunten Bauklötzen stürzen konnte.

 

„Pansy, er macht hier nie etwas kaputt.“ Misstrauisch beäugte Pansy ihren Sohn.

 

„Na gut. Aber auf Ihre eigene Verantwortung.“, gab sie schließlich nach und zog ihren Sohn mit sich.

 

Das Spielzimmer leerte sich langsam. Hermine Blick wanderte zur Uhr. Gleich war es halb sieben. Um sieben wollte sie zumachen. Noch nie war eines der Kinder bis dahin noch nicht abgeholt worden.

 

Einmal war Charles übrig geblieben. Seine Mutter hatte sich wieder einmal verirrt. Aber bisher war Scorpio noch nie an Samstagen zurück geblieben. Außerdem konnte Hermine bei Gaspar sicher sein, dass er pünktlich kam. Allerdings wusste sie nicht, ob Malfoy zeitig hier sein würde. Genau genommen war er bereits neunzig Minuten zu spät.

 

Noch nie hatte sie nach Malfoy Manor flohen müssen. Eigentlich wollte sie es auch nicht, aber sie konnte nicht noch länger bleiben. Sie nahm an, Scorpio ging ungefähr um halb acht ins Bett, wie die anderen Kinder an diesem Samstag.

 

Also, sollte er bald Zuhause sein. Sie ging ins Büro und beauftragte Ginny damit, Scorpio zu bespielen. Sie ging auf die Knie, war das Pulver ins Feuer und seufzte schwer.

 

„Malfoy Manor.“, sagte sie widerwillig und steckte den Kopf ins Feuer. Sie schloss die Augen, bis der Wirbelsturm um ihre Ohren sich gelegt hatte. Das teure Wohnzimmer lag vor ihr. Vollkommen leer.

 

„Hallo?“, rief sie in die Stille, aber niemand kam. „Mr Malfoy?“ Als ob sie ihn jemals so genannt hätte. Lucius war in ihrem Kopf immer Lucius gewesen. Der gemein, böse Lucius Malfoy.

 

Niemand kam. Riesige Bücherreihen säumten die Wände, dämmriges Licht fiel auf die teuren Perserteppiche auf dem Boden und durch die tiefen Fenster konnte sie in den großzügigen Garten blicken.

 

Aber es herrschte Stille. Anscheinend war wirklich niemand Zuhause. Nicht einmal der Elf. Oder der Elf ignorierte sie mit Absicht. „Kann jemand gleich Scorpio abholen kommen?“ Spätestens jetzt würde der Elf mit ihr sprechen, wäre er denn da. Aber es blieb still.

 

Mist. Es war also niemand da. Kam Malfoy also noch? Wieso kam er so spät? Hatte er es vergessen? Wohnte er noch Zuhause? Wusste Scorpio sonst, wo sein Bruder war?

 

Musste sie fragen? Sie entschied sich dagegen. „Magische Zentrale.“, rief sie jetzt und wieder wirbelte es um ihren Kopf. Sie schloss die Augen.

 

„Ja, bitte?“, fragte eine Hexe schließlich und sie öffnete die Augen wieder.

 

„Hallo, können Sie mir sagen, wo Draco Malfoy wohnt?“

 

„Sind Sie angemeldet?“, fragte die Hexe unfreundlich. Anscheinend wohnte Malfoy nicht mehr bei Papa unterm Dach.

 

„Ja.“, log sie kalt, denn immerhin saß hier sein kleiner Bruder, um den er sich nicht kümmerte.

 

„Warten Sie bitte.“ Die Hexe warf das Pulver in den Kamin und erneut schloss Hermine die Augen. Sie hasste diese Art der Kommunikation.

 

Als der Staub sich legte blickte sie in ein nicht weniger luxuriöses Wohnzimmer.

 

„Malfoy?“, rief sie unwillig und hörte Geräusche. Anscheinend war er da.

 

„Wer sind Sie?“ Das Mädchen, was sie anstarrte, trug nichts weiter als einen Bademantel aus grüner Seide. Hermine seufzte angestrengt.

 

„Ich bin die Betreuerin von Malfoys Bruder. Wer sind Sie?“

 

„Das geht Sie wohl überhaupt nichts an.“, giftete die Frau.

 

„Wo ist Malfoy?“, fragte Hermine, die keine Lust mehr hatte ihren Kopf in die kalten Flammen zu halten.

 

„Er ist nicht hier.“ Anscheinend wartete auch jemand anders auf ihn, stellte Hermine fest. Allerdings aus anderen Gründen. „Dabei habe ich ihm gesagt, dass dieses Geburtstagsgeschenk nicht ewig auf ihn wartet.“ Das sagte sie anscheinend nicht mehr zu Hermine, sondern eher zu sich selbst.

 

Geburtstag? Malfoy hatte also Geburtstag.

 

„Wann kommt er wieder?“, fragte sie gereizt.

 

„Ich denke, wenn er fertig ist mit seiner blöden Feierei. Wiedersehen.“ Anscheinend hatte die Frau das Feuer gelöscht, denn Hermine sah nur noch schwarz. Sie zog den Kopf zurück.

 

Was machte sie jetzt? Was, wenn Malfoy überhaupt nicht kam? Musste sie ihn dann nach Malfoy Manor bringen? Aber da war ja auch niemand.

 

 

Sie sagte es Ginny. Luna war bereits gegangen. Ginny zuckte die Achseln.

 

„Sieht wohl so aus, als würden wir eine Pyjama Party machen, Scorpio.“ Hermine starrte ihre Freundin an. Pyjama Party? Sie würde hier bleiben? Sie dachte kurz darüber nach. Sie hatte niemanden Zuhause, der sie vermissen würde. Sie hatten Tonnen an Kissen und Decken, sie hatten fließend Wasser und zu Essen.

 

Eigentlich war es keine schlechte Idee. Würde man nach Scorpio suchen, dann wohl hier. Und dann wären sie alle hier.

 

„Denkst du wirklich…?“, fragte Hermine unsicher, aber Ginny nickte nur.

 

„Ich sag Harry bescheid und dann schlafen wir hier. Hast du Lust Scorpio?“ Der Junge wirkte etwas beunruhigt.

 

„Ich habe noch nie woanders geschlafen.“, sagte er leise. „Ich weiß nicht.“ Er biss sich auf die Lippe.

 

„Oh, keine Angst. Wir sind ja hier. Und wenn du irgendwas brauchst zum Einschlafen, dann kannst du es sagen. Wir können so ziemlich alle Kuscheltiere der Welt zaubern. Oder wenn du eine Geschichte brauchst, dann lesen wir dir eine vor. Liest dein Vater dir vor?“, fragte sie unsicher, weil sie sich das bei Lucius nicht vorstellen konnte.

 

„Nein.“ Scorpio schüttelte den Kopf. „Nein, Vater liest mir nicht vor. Mutter manchmal. Aber eigentlich liest nur Gaspar.“ Hermine unterdrückte ein Grinsen. Da saß also der alte Elf und las Märchen. Was für eine seltsame Vorstellung.

 

„Denkst du, du könntest hier bei uns schlafen?“

 

„In der Magic-Corner?“ Seine hellen Augen wurde groß.


„Ja, klar.“ Ginny war wieder da. „Und Harry kommt gleich und bringt Schokoladenkekse.“ Der Junge setzte sich auf.

 

„Harry Potter?“ Kurz wirkte er skeptisch.

 

„Kennst du Harry?“, fragte Ginny argwöhnisch, aber Scorpio schüttelte den blonden Schopf.

 

„Nein. Vater erzählt von ihm. Manchmal. Er ist jetzt Lehrer geworden, sagte Vater.“ Scorpio nickte, falls eine der beiden ihm nicht glauben sollte.

 

„Ja, das ist richtig.“

 

„Ist er böse?“

 

„Wieso?“, fragten beide Frauen verwirrt.

 

„Na ja, Lehrer sind doch böse.“, sagte er leise.

 

„Oh, nein. Harry ist… Harry eben. Der ist ganz zahm.“, erklärte Ginny.

 

Hermine sah sie kurz an. „Kommt Harry etwa wegen dem, was ihr angefangen habt?“, zischte sie gereizt und Ginny grinste breit.

 

„Unsinn. Das wäre ja verrucht, nicht wahr?“ Hermine schloss die Augen. Das würden Ginny und Harry nicht wagen.

 

Das hieß also, sie würden hier übernachten. Oh, die Malfoys würden Ärger bekommen. Richtigen Ärger.

 

 

Teil 3

 

 

Langsam fielen ihre Augen zu, Scorpio war schon vor einer halben Stunde eingeschlafen. Die magischen Glühwürmchen tanzten an der Decke. Kleine grüne Funken, damit es nicht völlig dunkel war.

 

Sie lagen in einem Berg voller Kissen und Decken. Ginny schnarchte leise, aber Scorpio gab keinen Mucks von sich. Er lag unter einer blauen Sternendecke auf einem großen Kissen und hatte die Beine an den Körper gezogen.

 

Er war winzig.

 

Hermine schlief nicht gerne woanders. Das tat sie nie. Es kostete sie dann einiges an Zeit, bis sie sich an die neue Umgebung gewöhnt hatte. Harry war auch schon gegangen. Sie war sich nicht sicher, ob er und Ginny jetzt tatsächlich versaut gewesen waren, aber sie wollte es nicht wissen.

 

Sie schätzte, es war halb zehn. Scorpio hatte lange ausgehalten und hatte Harry ewig lange von Hogwarts erzählen lassen. Und Hermine nahm an, dass Scorpio Harry wirklich leiden konnte. Aber wer konnte das nicht?

 

Jetzt schliefen sie. Fast. Aber sie merkte, wie sie ruhiger wurde. Sie trug einen von Ginnys Pyjamas, aber er war ihr etwas zu groß. Die Ärmel schlabberten und die Hosenbeine hatte sie umkrempeln müssen.

 

Ginny war wesentlich größer als sie. Aber immerhin musste sie nicht in ihrer Jeans schlafen. Das wäre wesentlich unbequemer, nahm sie an. Es war ruhig. Das war ihr nie aufgefallen. Sonst waren diese Räume immer mit Leben gefüllt und jetzt war alles still. Es konnte also auch still hier sein. Sie lächelte matt. Laut gefiel es ihr um Längen besser.

 

Ihre Augen fielen zu. Eigentlich wollte sie noch die Glühwürmchen beobachten, die natürlich keine waren, aber sie sahen immerhin so aus. Aber es gelang ihr nicht mehr, die Lider zu heben, als wären sie aus Blei.

 

Und als sie fast weggedriftet war, schrak sie aus den Kissen.

 

Dumpf klopfte es gegen die Tür.

 

Ginny schlief wie ein Stein. Auch Scorpio rührte sich nicht. Wieder dröhnte es dumpf aus dem Flur. Hermine stieß die Decke zur Seite und erhob sich taumelnd. Fast hatte sie geschlafen.

 

Was sollte das jetzt?

 

Auf nackten Füßen schlich sie auf den Flur.

 

„Hey! Aufmachen!“, hörte sie eine Männerstimme von draußen. Auf dem Weg griff sie ihren Zauberstab von einer Kommode und streckte ihn vor sich. Sie entriegelte das Schloss und zog die Tür mit einem Ruck auf, schon einen geeigneten Fluch auf den Lippen.

 

Sie erkannte ihn sofort. Sie würde ihn auch nicht vergessen.

 

Er wollte wohl noch etwas schreien, weil er nicht erwartet hatte, dass jemand öffnete. Sie verengte zornig die dunklen Augen.

Sein Mund stand noch eine Sekunde offen, ehe er ihn schloss.

 

„Wo ist mein Bruder?“, nuschelte er wütend.

 

„Wo soll er wohl sein?“, gab sie genauso gereizt zurück. Sie verzog den Mund, denn seine Fahne schlug ihr schließlich entgegen. „Bei Merlin, es ist besser wenn du verschwindest, Malfoy.“ Sie hielt sich die Nase zu.

 

„Was? Ich will meinen Bruder holen! Wo hast du ihn?“ Er schrie schon fast.

 

„Dein Bruder schläft. Mach ihn nicht wach. Hör auf zu schreien, sonst kommen die Nachbarn.“ Das ließ ihn recht unbeeindruckt.

 

„Ich werde meinen Bruder holen.“, erklärte er lallend. Hermine entschied sich, dass das nicht passieren würde.

 

„Das glaube ich nicht. Du bist betrunken. Und du bist zu spät. Den Bruder ist hier sicher. Er schläft, und es ist warm. Du darfst sowieso nicht apparieren in deinem Zustand. Er würde sich ja erkälten.“ Er hatte Mühe ihren Worten zu folgen, denn er verengte wieder die hellen Augen.

 

„Granger, ich will meinen Bruder. Ich nehme ihn mit. Weil er mein Bruder ist.“

 

„Es ist zu spät, Malfoy.“

 

„Scorpio!“, schrie er und sie fluchte leise, ehe sie nach draußen trat und die Tür zuzog.

 

„Was soll das, Granger, verflucht noch mal!“, schrie er immer noch.

 

„Halt deine Klappe! Es ist spät. Geh nach Hause. Deine Freundin wartet dort. Scorpio bleibt hier.“

 

„Ich werde ihn nicht…“ Er hielt kurz inne und sein Mund öffnete sich wieder. „Was? Wovon sprichst du? Welche Freundin?“

 

„Deine… egal. Es ist spät. Geh einfach.“

 

„Was soll das, Granger? Du kannst mich nicht wegschicken.“ Irgendwo bellte ein Hund und Hermine wusste, die Nachbarn waren hellhörig.

 

„Malfoy, entweder du verschwindest oder ich verpass dir einen Fluch und du schläfst hier vor der Tür.“

 

Er grinste schief.

 

„Das will ich sehen. Du siehst furchtbar scheußlich aus.“, bemerkte er immer noch grinsend, als er sie betrachtete. Sie fuhr sich unbewusst durch die strubbeligen braunen Locken und versuchte zu ignoriere, dass sie barfuß vor ihm stand. In einem Pyjama, der zwei Nummern zu groß war.

 

„Malfoy, verschwinde endlich.“ Er schüttelte den Kopf. Aber er schrie nicht mehr.

 

„Kann nicht.“ Anscheinend konnte er auch keine ganzen Sätze mehr sprechen.


„Malfoy…“

 

„Ich will ihn sehen. Nachher hast du ihn verhext oder in Stücke geflucht.“, lallte er.


„Was? Bist du verrückt? Ich habe ihn drei Jahre nicht in Stücke geflucht!“, entrüstete sie sich.

 

„Drei Jahre? Wieso kennst du ihn drei Jahre?“ Er musterte sie abwertend. Sie stöhnte.

 

„Geh.“

 

„Nein. Ich habe Geburtstag.“, stellte er fest und sie versuchte sich zu beruhigen.

 

„Das ist schön. Herzlichen Glückwunsch. Jetzt hau ab.“

 

Er schwieg. „Malfoy.“, drohte sie jetzt. Er schüttelte den Kopf.

 

„Nein, ich hol meinen Bruder. Mein Vater bringt mich um, wenn ich ihn vergesse.“, murmelte er, schob sie einfach zur Seite und öffnete die Tür. Hermine stolperte hinter ihm her.

 

„Malfoy!“, zischte sie, denn er war schon auf dem Flur. Natürlich kannte er sich nicht aus, und es gingen immerhin drei Zimmer vom Flur ab. Für einen Betrunkenen also sechs.

 

Sie folgte ihm hastig, aber ihre nackten Füße rutschten über den Boden. Er hinterließ einen widerlichen Gestank nach Qualm und Alkohol.

 

„Wo ist er?“, rief er unwirsch und sie packte ihn am Umhang und zog ihn zurück.

 

„Hör auf!“ Sie lehnte ihn gegen die Wand, weil er taumelte.

 

„Granger, fass mich nicht an.“ Er versuchte sie zu fixieren, aber er schien sie nicht richtig sehen zu können.

 

„Oh, ich bitte dich.“

 

„Du fasst meinen Bruder auch an, richtig? En Schlammblut fasst meinen Bruder an.“, murmelte er abwesend. Hermine schloss kurz die Augen.

 

„Ok, ich werde dir einen Zauber verpassen.“ Sie zog den Zauberstab, aber er schlug ihn hart zur Seite.

 

„Malfoy!“ Sie packte ihn am Kragen. „Du wirst Scorpio nicht mitnehmen, hast du verstanden?“ Sie bemühte sich immer noch leise zu spreche. Ein Wunder, dass Ginny noch nicht wach war. Gerade wenn sie sie brauchte. Aber sie wollte Scorpio nicht erschrecken.

 

„Wer soll mich hindern? Ein kleines, dreckiges Schlammblut?“ Sie ließ ihn angewidert los. Sie bückte sich nach ihrem Zauberstab, aber er hatte sie am Arm gepackt und wieder nach oben gezogen. Zum ersten Mal hatte sie Angst.

 

„Malfoy, was…“

 

„Ich bin siebenundzwanzig, Granger!“ Er starrte sie mit großen grauen Augen an.

 

„Lass mich los.“ Ihre Stimme zitterte.

 

„Siebenundzwanzig. Es ist alles vorbei.“ Anscheinend hatte er vergessen, dass man ein Schlammblut ja nicht anfassen durfte. Immer noch hielt er ihren Arm fest in seiner Hand.

 

Sie wurde noch wütender. Sie war seit fast fünf Monaten siebenundzwanzig. Was sollte sie dazu sagen? Sie fand nicht, dass alles vorbei war. Blöder Idiot.

 

„Ich meine, was soll jetzt kommen?“ Er starrte sie an, als erwarte er tatsächlich eine Antwort. Malfoy hatte also eine Alterskrise. Super. Die hätte er auch schön woanders haben können. „Hast du Whiskey?“, erkundigte er sich jetzt und sie schüttelte zornig die dunklen Locken.

 

„Natürlich nicht, Malfoy. Lass mich den Zauber durchführen.“

 

„Ja, bring mich um. Das wäre wohl am besten.“, nuschelte er. Sie konnte nicht begreifen, wie jemand so dramatisch sein konnte.

 

„Ja, lass mich los. Dann werde ich das tun.“

 

„Das würdest du tun, nicht wahr, Granger?“ Sein Zorn gewann wieder Fokus und wieder starrte er sie böse an. „Miststück.“, fügte er noch hinzu.

 

Sie atmete langsam aus.

 

„Wenn du mich nicht loslässt, dann werde ich schreien. Dann wird Ginny dich verfluchen.“ Er lachte rau.

 

„Die kleine Weasley? Oder ist sie schon Potters kleine Frau? Scheiß Potter.“ Er schüttelte sie heftig. „Potter war schon immer ein Idiot. Und jetzt ist er Lehrer! Das ist doch wohl verflucht noch mal ungerecht! Ich hatte die besten Noten! Ich hätte…“ Er unterbrach sich.

 

Wahrscheinlich hatte er ihren argwöhnischen Blick registriert. War er neidisch? Hermine hatte immer gesagt, dass Malfoy neidisch auf Harry war und deswegen so ein blödes Arschloch war. Aber anscheinend bestätigte sich dieser Vorwurf gerade. Ihre Arme schmerzten unter seinem Griff.

 

„Scor…“, begann er zu rufen, aber sie entriss ihren Arm und legte ihm die Hand über den Mund. Hastig wich er zurück. Er starrte sie an, als hätte sie eine giftige Krankheit.


„Halt deine Klappe, Malfoy. Du hörst sofort auf zu schreien. Scorpio bleibt hier.“

 

Mit großer Kraft stieß er sie von sich. Sie krachte gegen die Kommode und fiel zu Boden. Das würde einen blauen Fleck geben.

 

„Scheiß Schlammblut. Fass mich nicht an.“, knurrte er ungehalten, und sie erhob sich langsam. Malfoy war gefährlich. Und ein blödes, betrunkenes Arschloch noch dazu.

 

Sie griff hastig nach dem Zauberstab, der neben ihr auf dem Boden lag.

 

„Dormire!“, rief sie und ehe Malfoy noch mehr fluchen konnte, sackte er an der Wand zusammen. Sie würde ihn einfach liegen lassen. Auf Grund seines hohen Alkoholpegels würde er wahrscheinlich bis mittags durchschlafen.

 

Sie würde also längst vor ihm wach sein.

 

Zornig ging sie zurück zu ihren Kissen und der warmen Decke. Weder Ginny noch Scorpio waren wach geworden. Sie hasste diese Tiefschläfer. Sie würde jetzt wieder eine halbe Stunde brauchen, ehe sie einschlafen konnte. Wenn überhaupt.

 

 

 

~*~

 

 

Die Sonne weckte sie.

 

Auch Scorpio drehte sich unter seiner Decke. Nur Ginny lag noch genauso schnarchend neben ihr wie letzte Nacht. Sie rieb sich müde die Augen. Richtig. Letzte Nacht. Sie musste sich noch um etwas kümmern.

 

„Miss Hermine, bist du wach?“, fragte Scorpio und seine blonden Haare standen in alle Richtungen. Sie musste lächeln.

 

„Ja. Ich mach dir gleich was zu essen. Bleib kurz hier, ja? Ich muss… etwas nachsehen.“

 

Aber es gab nicht viel zu sehen. Malfoy lag nicht mehr auf dem Boden. Wo war er dann? Sie stolperte mehrere Male über ihre Hose und hastete durch den Flur. Im Zimmer nebenan war er nicht, auch nicht im Büro.

 

Sie schob die Küchentür auf. Dort saß er an dem kleinen Tisch. Sie konnte nur seinen Rücken sehen, aber sie sah den Kaffeedampf vor ihm aufstiegen. Diplomatie. In Hogwarts hatte sie nichts anderes getan. Diplomatie war ihre Stärke. Damit gewann sie auch jeden Streit bei den Kindern.

 

Und Diplomatie hieß jetzt in diesem Moment einfach gar nichts sagen. Sie ging um ihn herum und würdigte ihn keines Blickes. Sie holte drei Becher aus dem Schrank und musterte den Kaffee argwöhnisch. War er gut? Er hatte die richtige Farbe. Sie war sich aber nicht sicher, ob Malfoy wirklich richtigen Kaffee gekocht hatte. Sie griff nach der Kanne. Sie war heiß.

 

Sie goss die dunkle Flüssigkeit in ihren Becher und roch daran. Es roch nach frischen Bohnen. Sie nahm einen prüfenden Schluck – und musste feststellen, es war der beste Kaffee, den sie jemals getrunken hatte. Zu dumm. Kein Grund, ihn anzuschreien.

 

Mit einem Schlenker ihres Zauberstabs ließ sie einen Topf aus dem Schrank schweben und füllte kaltes Wasser hinein. Nach ein paar weiteren Schlenkern stand er köchelnd auf der Herdplatte.

 

Sie wusste, welchen Tee Scorpio am liebsten trank. Heidelbeer-Karamell. Sie hatten davon immer genug, denn sonst trank eigentlich kein Kind gerne diese Sorte. Jedenfalls nicht, dass sie wüsste.

 

Sie nahm noch einen Schluck von diesem ausgezeichneten Kaffee und wartete. Sie fragte sich, ob er sie überhaupt wahrgenommen hatte oder ob er sich überhaupt noch an gestern Nacht erinnerte.

 

„Ist er wach?“ Sie zuckte zusammen. Seine Stimme klang, als wäre er krank. Aber er war wahrscheinlich einfach nur heiser.

 

„Ja.“, sagte sie knapp. Endlich kochte das Wasser und sie setzte den Tee auf. In vier Minuten konnte sie gehen. Was hatte sie auch gedacht? Dass er sich entschuldigen würde? Dass er über Nacht höflich geworden wäre? Natürlich nicht.

 

Sie wandte sich um. Harry hatte extra gestern noch Croissants und Marmelade mitgebracht. Übers Wochenende hatten sie hier so etwas nicht. Jedenfalls kein Brot. Es würde nur hart werden.

 

Er hob den Blick. Und sie bedauerte, dass er nicht mal unbedingt fertig aussah. Das lag wahrscheinlich an dem Schlafzauber. Es war ungerecht. Denn er sah ziemlich gut aus. Aber er hatte immer ziemlich gut ausgesehen.

 

Es ärgerte sie nur jetzt, weil es ihm eigentlich nicht zustand, so auszusehen bei so einem elenden scheiß Charakter. Plötzlich lächelte er.

 

„Na, wie sehr hasst du mich gerade, Granger?“ Sie zog es vor, nicht darauf zu antworten.

 

Sie holte ein paar Teller aus dem Schrank. Nach einer Sekunde des Kampfes mit sich selber, stellte sie auch ihm einen auf den Tisch. Sogar eines der Croissants gab sie ab.

 

Der Tee war fertig. Sie stellte alles auf ein Tablett und ließ es vor sich schweben.

 

„Das heißt wohl, ich bleibe hier?“, knurrte er heiser und sie ignorierte ihn weiterhin.

 

Er folgte ihr, als sie die Küche verließ. Sie konnte es nicht leiden, verkniff sich aber jeden Kommentar.

 

„Draco!“ Scorpio war begeistert aufgesprungen. Ginny schlief unbeeindruckt weiter.

 

„Hey, kleiner Bruder.“, murmelte Malfoy und ließ sich in die Hocke nieder.

 

„Du stinkst.“ Malfoy lachte rau. Hermine hatte es noch nicht gehört. Aber sie zog es vor, so wenig wie möglich von Malfoy zu hören oder zu sehen.

 

„Du stinkst selber.“, gab er zurück. Scorpio boxte seinen Bruder in die Seite. Hermine hoffte, dass er härter zuschlagen würde, aber wie hart konnte ein vierjähriger schon zuschlagen?

 

„Miss Hermine hat hier geschlafen, Draco! Es war toll. Wir hatten Glühwürmchen und Märchen. Harry hat sie erzählt.“, plapperte er weiter, währen Hermine ihm sein Croissant schmierte.

 

„Harry? Harry wer?“

 

„Harry Potter.“

 

„Aha.“ Malfoy klang nicht gerade begeistert, aber Hermine wüsste auch nicht, weshalb er das sein sollte.

 

„Du bist aber früh hier.“, stellte Scorpio nun fest. „Du schläfst doch immer bis mittags.“ Sie verdrehte die Augen. Natürlich schlief der kleine reiche Junge bis mittags. Was sollte er auch sonst mit seinem Luxusleben anfangen.

 

Sie reichte Scorpio seinen Teller.

 

„Miss Hermine hat dir auch ein Croissant abgegeben. Das ist nett.“ Anscheinend ärgerte sich Scorpio. „Aber deins hat sie nicht geschmiert, oder?“ Hermine musste grinsen. Dachte Scorpio, sie würde Malfoy bevorzugt behandeln?“

 

„Nein, er war frech. Frechen Jungen schmier ich keine Croissants, Scorpio.“ Scorpio lachte. Hermine biss in ihr eigenes Croissant.

 

„Du warst frech? Selber schuld.“

 

„Hey, ich hab das gar nicht nötig. Ich kann das alles auch alleine. Und du bist langsam auch alt genug dafür, es alleine zu machen.“ Fast klang er wie ein maßregelnder Vater.

 

„Was machen wir heute?“, fragte Scorpio.

 

„Hm. Keine Ahnung. Was willst du machen?“

 

„Sind wieder Mädchen bei dir Zuhause, Draco? Ich mag diese Mädchen nicht.“

 

Hermine biss wieder in ihr Croissant. Malfoy war bestimmt ein fruchtbarer Bruder. Erst holte er ihn nicht ab und wenn doch, dann musste Scorpio seinen Damenbesuch erdulden.

 

„Keine Mädchen. Wie wär‘s wenn wir einkaufen?“

 

„Weasley Zauberhafte Zauberscherze?“ Es kostete Scorpio einige Anstrengungen den Namen richtig auszusprechen. Sie hörte Malfoy stöhnen.

 

„Wirklich? Ausgerechnet da?“

 

„Jaah!“

 

„Schön. Meinetwegen.“, gab er sich geschlagen.

 

„Draco, wie alt bist du eigentlich?“

 

„Siebenundzwanzig.“ Ja, richtig. Malfoy war jetzt auch siebenundzwanzig. Die Zahl, ab der das Leben vorbei war, dachte sie bitter.

 

„Dann bist du aber alt. Musst du bald sterben, Draco?“, fragte Scorpio besorgt, aber Draco lachte.

 

„Nein, ich denke nicht. Es sei denn, Granger verflucht mich.“ Sie hob gereizt den Blick.

 

„Granger?“, wiederholte Scorpio verblüfft, und Hermine grinste in ihren Kaffee.

 

„Oh ja, richtig… Es sei denn, deine Miss Hermine verflucht mich.“ Scorpio wirkte bestürzt.

 

„Warum sollte sie das tun? Miss Hermine verflucht gar keinen. Und wieso nennst du sie Granger, Draco?“ Malfoy schloss die Augen. Hermine trank immer noch grinsend ihren Kaffee.

 

„Weil das ihr Nachname ist, Scor.“

 

„Aber… ich nenn dich auch nicht beim Nachnamen.“

 

„Schon gut, vergiss es.“

 

„Ich finde, Granger ist kein schöner Name für Miss Hermine.“

„Du kannst sie ja nennen wie du willst.“, knurrte Malfoy jetzt.

 

„Ich nenne sie, wie sie heißt.“ Hermine gefiel diese Unterhaltung.

 

Es klopfte an der Tür, und Hermine musste leider den Raum verlassen. Wieder wunderte sie sich, wer an einem Sonntag hier her kam.

 

Als sie öffnete wurde ihr wieder bewusst, dass sie nur einen großen Pyjama trug. Der Beamte des Ministeriums betrachtete sie prüfend.

 

„Sie sind Ms Hermine Granger, richtig?“ Er hatte wohl den Namen an der Tür gelesen. Sie nickte also. „Ist Mr Draco Malfoy bei Ihnen?“

 

„Wieso fragen Sie das?“, fragte sie.


„Wir haben hier einige Anzeigen, und die Nachbarn sagten uns, dass er gestern Nacht noch hier aufgetaucht ist.“

 

„Anzeigen?“, wiedeholte sie leise, und der Beamte nickte geschäftig.

 

„Sachbeschädigung, Pöbelei, Beleidigung, Anwendung von Magie unter Alkoholkonsum….“ Er hatte wohl noch mehr Punkte auf seiner Liste. Hermine räusperte sich.

 

„Er… ist drinnen, ja. Kommen Sie rein.“

 

Anscheinend hatte Malfoy nicht nur eine psychische Krise wegen seines Alters gehabt. Nein, er schien sie auch besonders drastisch in der Außenwelt ausgelebt zu haben.

 

 

 

Teil 4

 

 

Draco Malfoy hatte sich sogar einigermaßen friedlich abführen lassen. Hermine hatte ihm eilends versprochen, dass sie sich um seinen Bruder kümmern würde, bis… Na ja, bis er wieder kommen konnte, oder eben bis wieder jemand im Hause Malfoy war. Sie hatte ganz vergessen zu fragen, was mit Lucius oder Narzissa war, aber wären sie da gewesen, hätte Draco seinen Bruder bestimmt nicht in ihrer Obhut gelassen, obwohl sie sich deutlich schlechter Orte vorstellen konnte.

 

Ginny war vollkommen verdattert aufgewacht als die Beamten kamen. Sie hatte nicht gewusst, was Malfoy überhaupt in der Magic-Corner tat, und sie war auch jetzt noch vollkommen verwirrt.

 

„Sie haben ihn mitgenommen?“, fragte sie zum zweiten Mal.

 

„Ja.“, erklärte Hermine, während Scorpio in den Waschräume verschwunden war. Der Beamte hatte Merlin sei Dank nichts Drastisches vor Scorpio erwähnt. Malfoy hatte seinem Bruder gesagt, er müsse kurz weg, käme aber bald zurück.

 

„Und wieso war er hier? Und wieso wird er abgeführt?“

 

„Ginny, ich habe es dir doch gesagt. Er hat gefeiert, er hat anscheinend irgendwas kaputt gemacht – oder irgendwen, was weiß ich – und jetzt wird er wohl bestraft.“ Hastig sprach sie, denn Scorpio würde bald wieder kommen.


„Und jetzt haben wir ein kleines Kind?“

 

„Ja. Wir werden auf ihn aufpassen, bis Malfoy kommt.“

 

„Aha.“ Ginny schien überfordert. „Was kann Malfoy denn passieren? Sagen wir wenn… er eine Bar kaputt geflucht hat und knapp zwanzig Leute anpöbelt?“ Hermine hatte keine Ahnung, wie hoch das Ausmaß der Katastrophe war. Aber nach Malfoys Alkoholpegel war schon mit einem relativ großen Schaden zu rechnen.

 

„Ich weiß es nicht, Ginny. Es kommt drauf an.“ Sie zuckte die Schultern.

 

Ein Jahr lang hatte sie im Ministerium gearbeitet. In der Schadenabteilung hatte es ihr aber gar nicht gefallen, denn dort wurde nur gestritten und es gab eigentlich immer nur schlechte Nachrichten. Mit dieser Art Job bekam man keine Zufriedenheit. Die Leute schrieen sich gegenseitig an, es gab haufenweise Schuldzuweisungen, und am Ende dankte niemand den Beamten.

 

„Ich meine, was, wenn er jetzt nach Askaban kommt? Und was, wenn die Malfoys drei Wochen in Griechenland hocken? Was passiert dann mit Scorpio?“

 

„Also, es wird ihm gar nichts passieren. Sollte es soweit kommen, dann werden die Malfoys wohl wieder kommen – von wo auch immer sie sind.“

 

„Wie unverantwortlich. Und da wollen sie ihren Sohn bei diesem… Idioten lassen?“

 

„Ginny, ich glaube, es lag an seinem Geburtstag.“

 

„Na und? Harry hat auch nicht so einen Absturz gehabt. Das ist keine Entschuldigung.“, entrüstete sich Ginny, und Hermine wusste, Ginny hatte völlig recht. Aber vielleicht war es für manche anders.

 

Sie hatte es auch gehasst siebenundzwanzig zu werden, aber was hatte sie groß ändern können? Wenn sie gewusst hätte, dass es leichter ist, wenn man das halbe Dorf demoliert, dann hätte sie vielleicht darüber nachgedacht. Vielleicht.

 

Malfoy würde sich melden, sobald es etwas Neues gab. Das musste er, denn sie hatten seinen Bruder. Und er hatte sie gebeten, nicht seinen Eltern Bescheid zu sagen. Die Angst vor seinem Vater war wohl noch nicht wirklich verblasst.

 

Aber Hermine bezweifelte, dass man Lucius jemals als überhaupt jemanden sehen konnte, dem man mit reiner Freundlichkeit begegnete.

 

So warteten sie. Scorpio kam und Hermine schlug vor, nicht mehr hier zu bleiben, sondern nach Hause zu gehen. Sie brauchte eine Dusche. Scorpio ließ sich überzeugen. Sie hatte den Beamten ihre Adresse gegeben. Malfoy müsste sich also melden können.

 

Der Weg ging schnell, denn Scorpio plapperte den halben Weg über. Über dies und das und über seine Eltern, über Hogwarts und dass er kaum noch fünf Jahre warten könne.

 

Hermine verstand ihn. Er war sehr begabt und es musste schwierig sein, keine Magie einzusetzen, wenn man sie schon gut verstand. Dass er ihre Hand genommen hatte, merkte sie erst, als Ginny sie an stupste und lächelte.

 

Sie blickte hinab auf den blonden Jungen, der immer noch ununterbrochen erzählte. Sie wusste nicht, von wem er es hatte. Und sie überlegte, ob nicht Malfoy ähnliche Züge hatte. Das äußere war erschreckend gleich. Aber glichen sich die Brüder auch so? Aber Malfoy war böse. Und Scorpio war… bezaubernd.

 

Wie konnte zwei Brüder so verschieden sein? Sie ertappte sich immer wieder dabei, dass sie nie an Scorpios Nachnamen dachte. Sie verdrängte diese Information eigentlich. Nur heute schien sie präsent zu sein.

 

Sie erreichten ihre Wohnung. Sie lag im Erdgeschoss und eigentlich war es eine Wohnschlafküche. Groß war es nicht. Aber die Magic-Corner brachte nun auch nicht so viel Geld, dass man sich eine Luxus-Suite leisten konnte.

 

„Oh. Wo geht es denn hier nach oben?“, fragte Scorpio verblüfft. Ginny grinste breit. Hermine verdrehte die Augen. Da war doch etwas Malfoy in diesem Jungen, dachte sie.

 

„Hier gibt’s kein oben, Scorpio.“, erklärte sie nachsichtig, und der Junge sah sie an. Er schien zu begreifen. Und tatsächlich wurde er rot.

 

„Ach. Ach so… oh. Tut mir leid, Miss Hermine.“ Sie nahm es ihm nicht übel. Er konnte nichts dafür, dass er ein kleines, reiches Kind war und von seinen Eltern oder seinem Bruder nichts anderes vorgelebt bekam.

 

„Was hältst du von Schokoladenkuchen?“, fragte sie, damit der Junge sich nicht mehr schämte.

 

Scorpio grinste breit. „Schokoladenkuchen mag ich am liebsten.“, erklärte er fröhlich.

 

Scorpio war eifrig dabei, das Mehl mit dem Zauberstab zu rühren. Das hatte Hermine ihm erlaubt. Es machte ihm Spaß und ließ ihn keine Fragen über den Verbleib seines Bruders stellen.

 

Außerdem tat Schokoladenkuchen wohl jedem ganz gut. Kurz fragte sie sich, was Malfoy wo gerade über sich ergehen lassen musste, aber sie ignorierte diesen Gedanken. Sie verbrachte ihre Zeit gerne mit seinem Bruder. So seltsam das auch klang.

 

 

~*~

 

 

„Unterschreiben Sie hier.“, befahl ein kleiner, schwitzender Mann. Er unterzeichnete gereizt. Was musste man alles tun, um hier raus zu kommen, bei Merlin, verflucht!

 

„Ihr Gold wird sie nicht retten, Mr Malfoy.“ Draco schien es so als wäre dieser kleine Mann besonders schadenfroh.

 

„Ach nein?“ Er sagte es ausdruckslos, nur um irgendwas zu sagen. Der kleine Mann wartete scheinbar auf einen Ausbruch, um ihn nach Askaban zu schicken. Aber das würde nicht passieren. Dort würde er nicht hingehen.

 

„Nein. Sie können mit einer Strafe rechnen. Mehr als nur Ihr Geld.“

 

Draco zwang sich durchzuatmen. Er hatte ein wenig Ahnung von diesen Dingen. Und nur weil er zwei Scheiben und einen Tisch kaputt geflucht hatte, würde er nicht inhaftiert werden. Gut, da war dann noch eine Schlägerei, aber die war mit nicht besonders heftig gewesen.

 

Außerdem würde ihm Blaise früher oder später verzeihen. Als ob es Blaise wagen würde, ihn nach Askaban zu bringen. Dafür hatten sie zu viel Spaß, wenn sie um die Häuser zogen.

 

Nein, Draco ahnte, was ihm blühte. Gemeinnützige Arbeit und wahrscheinlich sechs Wochen Zauberstabentzug. Merlin, das hatte er nun davon.

 

„Hier sind außerdem noch ein paar Klagen mehr reingekommen. Abends um elf, ein kaputtes Türschild und zwei aufgeschweißte Schlösser bei Madame Malkin.“ Draco verengte die Augen. Elf? Da war er schon von Granger verflucht worden.

 

„Um elf war ich nicht mehr draußen. Gegen halb zehn war ich im Haus.“

 

„Haben Sie jemanden, der das beweisen kann?“ Der Mann grinste hämisch.

 

Draco knirschte mit den Zähnen. Ja, hatte er. Ein Mädchen, das er als Schlammblut beschimpft hatte, und welches jetzt netterweise seinen kleinen Bruder hütete, was sie schon letzte Nacht getan hatte, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Scheiße, jetzt musste sie für ihn bürgen. Das würde sie nicht tun.

 

In seiner Tasche knisterte der Zettel mit ihrer Adresse.

 

Fuck, verflucht. Er schloss die Augen. Das durfte doch wohl nicht wahr sein!

 

Er bekam einen Anruf über Floh. Mehr nicht. Und den konnte er nicht an Goyle verschwenden, denn der konnte ihm nicht helfen. Er musste mit ihr Kontakt aufnehmen.

 

Unwirsch warf er das Pulver in den Kamin und sank auf den schmutzigen Boden. Er lehnte den Kopf in die Flammen. „Livingston Road, Granger.“, murmelte er zerknirscht.

 

Er schloss die Augen. Ihm wurde schlecht von den vielen Farben und dem Gewirbel. Er war wohl doch noch nicht ganz nüchtern. Der Kamin stand in der Küche. Er konnte sogar Scorpio erkennen. Backten die da gerade Kuchen? Merlin, hatte er Hunger.

 

„Granger?“, rief er unzufrieden, und sie tauchte kaum zwei Sekunden später in seinem Blickfeld auf. Sie schien geduscht zu haben, und sie trug auch nicht mehr den schrecklichen Pyjama. Ihre Locken fielen ihr ins Gesicht und hastig wischte sie sie zur Seite. Sie hätte hübsch sein können, wäre er nicht gerade in solch blöden Schwierigkeiten.

 

„Malfoy! Was ist los? Wieso dauert es so lange?“ War das Sorge in ihrer Stimme? Oder war sie genervt, dass er ihr seinen Bruder auf bürgte? Es wäre natürlich zur Abwechslung mal nett, wenn sich irgendjemand mal Sorgen um ihn machen würde.

 

„Es dauert so verflucht lange, weil mich diesen Idiotien hier nicht gehen lassen wollen, ehe sie nicht sicher wissen, dass ich um halb elf geschlafen habe. Mehr oder weniger freiwillig.“, fügte er leise hinzu.

 

„Was?“

 

„Könntest… könntest du für mich bürgen kommen?“ Gott, kostete dieser Satz Überwindung. Er hatte gewusst, dass es mit siebenundzwanzig bergab ging. Aber er war überrascht, dass es so schnell so tief gehen würde. Sie starrte ihn an.

 

„Bürgen? Was heißt das? Ich komme dahin und muss unterschreiben, oder was?“ Sie klang eher abgeneigt.

 

„Wenn… wenn du es nicht tust, dann behalten sie mich hier.“, knurrte er, damit die Beamten nicht zuhören konnten.

 

„Aber… Also, wenn ich das tue, dann lassen sie dich gehen?“ Was wollte sie denn von ihm? Sollte er es ihr schriftlich durch den Kamin reichen?

 

„Ja, eine scheiß Unterschrift, Granger. Dann komme ich raus, und dann hole ich Scorpio.“ Kurz konnte er ihren Ausdruck nicht deuten. Seine Knie fingen an zu schmerzen. Konnte sie nicht einfach Ja oder Nein sagen? Was musste sie solange überlegen.

 

„Was wird deine Strafe sein?“

 

„Was?“

 

„Komm schon Malfoy, du darfst nur zehn Minuten reden. Also, was wirst du unterm Strich tun müssen?“ Sie klang geschäftig. Woher wusste sie überhaupt über sowas Bescheid? Wieder knurrte er.

 

„Wahrscheinlich Zauberstabentzug und soziale Arbeit.“

 

Sie nickte, als wüsste sie es bereits.

 

„Ja, wahrscheinlich. Es kommt drauf an, hast du jemanden so verletzt, dass er ins Mungo musste?“ Er verdrehte die Augen, auch wenn sie es vielleicht nicht sehen konnte.

 

„Granger, was denkst du? Nein, habe ich nicht. Ich war gestern kaum in der Lage gerade zu stehen, denkst du schlage ich jemanden Krankenhausreif?“

 

„Gut. Das ist gut.“

 

„Nur Blaise. Und er wird mit einem blauen Auge davon kommen.“

 

„Ihr seid Freunde, das macht es einfacher. Also ist da nur noch Sachbeschädigung und Beleidigung?“, fragte sie jetzt, und er wunderte sich, woher sie das alles schon wieder wusste. Wahrscheinlich hatte es ihr der dämliche Beamte erzählt. „Malfoy?“

 

„Ja. Verflucht, einen Tisch, zwei Fenster und keine Ahnung, was ich zum Wirt gesagt habe. Irgendwas gegen seine Frau. Oder seinen fetten Wanst. Ich weiß es nicht mehr.“

 

„Also… Unzurechnungsfähigkeit. Das ist doch schon mal was. Du musst den Tisch ersetzen, die Fenster, dich entschuldigen und mit viel Pech verlierst du deinen Zauberstab zwei Monate.“

 

„Woher willst du das wissen?“

 

„Ich habe da gearbeitet.“

 

„Du bist Kinderhüter.“, erwiderte er gereizt.

 

„Ja, Malfoy. Aber davor war ich bei der Schadenabteilung.“, erklärte sie zornig.

 

Oh, das hatte er nicht gewusst. Aber woher auch? Ihre Wege hatten sich zuvor nicht gekreuzt, und wie schön wäre es gewesen, wäre es niemals passiert. Aber ohne sie kam er hier erst mal nicht weg.


„Also?“

 

„Was?“

 

„Kommst du vorbei?“

 

„Ja.“, sagte sie schließlich. Die Flammen wurden dunkler. Seine zehn Minuten waren um. Er schuldete ihr einiges. Aber wenn sie nicht darauf bestand, würde er ihr keinen Silberknut geben. Keinen einzigen….

 

 

Teil 5

 

 

Sie ließ sich verdammt viel Zeit, befand er. Zu viel verfluchte Zeit. Vielleicht überlegten es sich die Beamten doch noch anders und ließen ihn die Nacht hier verbringen, egal wie mäßig unschuldig er war.

 

Er vermied es pausenlos auf die Uhr an der Wand zu starren. Die Genugtuung gönnte er dem kleinen Beamten nicht, der grinsend ein paar Formulare ausfüllte. Draco hätte ihn am liebsten geschüttelt und gegen die Wand geworfen, aber das würde sich schlecht auf seinen Entlassungspapieren machen, nahm er an.

 

Endlich, nach einer grauenvollen Ewigkeit hörte er ihre Stimme. Sie diskutierte mit dem kleinen Mann. Kurz überlegte er, dass Granger auch gegen ihn aussagen könnte. Allen Grund hatte sie. Nicht nur wegen gestern Nacht. Blödes Miststück. Konnte sie nicht etwas anderes arbeiten, wo er keinen Kontakt mit ihr haben brauchte?

 

Die Schule hatte er hinter sich gelassen, er hatte keine Lust auch noch daran jeden Tag erinnert werden zu müssen.

 

„Er ist hier.“

 

Er erhob sich. Granger sah leider besser aus als er. Sie nickte ihm kurz zu.

 

„Sie können also bestätigen, dass Mr Malfoy ab halb zehn bei Ihnen war, wie er behauptet hat?“ Der kleine Mann lächelte widerlich. Sie nickte erneut.

 

„Ja. Mr Malfoy kam um halb zehn.“

 

„Weshalb kam er überhaupt?“ Draco spürte die Falle, er konnte die Fangfrage förmlich riechen.

 

„Er wollte seinen Bruder abholen.“ Beinahe wäre er aufgesprungen und hätte ihr den Mund zu gehalten. Das war doch nicht zu fassen!

 

„Um halb zehn? Sagen Sie, wie alt ist sein Bruder?“ Als ob dieser kleine Mistkerl das nicht schon genau wusste. Langsam erhob sich Draco aus dem unbequemen Stuhl und stellte sich seitlich hinter Granger.

 

„Überleg dir, was du sagst.“, knurrte er so leise, dass nur Granger ihn hören konnte.

 

„Er ist vier.“

 

„Aha. Ist da halb zehn nicht etwas spät. Außerdem war er doch betrunken, nicht wahr? Er wollte also ein kleines Kind in seine Obhut bringen? Haben Sie das zugelassen?“

 

„Nein, hat sie nicht.“, antwortete Draco gereizt. Der Mann lächelte breiter.

 

„Ah, ah, ah… Mr Malfoy, ich frage Ms Granger. Sie dürfen sprechen, wenn Sie an der Reihe sind. Obwohl ich ja denke, Sie haben genug gesagt. Wo ist eigentlich Ihr Vater?“ Draco atmete ruhig aus. Er würde sich von keinem schwitzenden Mann provozieren lassen.

 

„Nein… ich habe… ihm vorgeschlagen, dass er auch bleiben kann.“

 

„Ach ja? Haben Sie es ihm vorgeschlagen oder haben Sie ihn gezwungen? Sagen wir, mit einem Zauber vielleicht? Mussten Sie sich schützen?“ Draco sah seine frische Freiheit dahin ziehen. Wenn Granger jetzt die Wahrheit sagen würde, dann würde er mehr verlieren als nur seinen Zauberstab.

 

„Nein, das musste ich nicht.“ Er hob langsam den Blick. Sie klang genauso gereizt wie er sich fühlte. Anscheinend hatte sie auch genug vom Ministerium, und anscheinend gefiel ihr der kleine Mann ebenso wenig wie ihm.

 

„Nein? Sie wirken nicht, wie eine besonders starke Frau. Wenn er sie einschüchtert, dann sagen Sie es mir. Wir können ihn auch in ein anderes Zimmer bringen lassen, Ms Granger.“ Draco konnte verhindern, dass seine Mundwinkel zuckten. Dieser Mann hatte keine Ahnung, dass er mit elf-Ohnegleichen-Granger sprach. Er tat ihm etwas leid. Nur etwas.

 

„Hören Sie, er musste nicht gehen, weil wir entweder zusammen gegangen wären oder überhaupt nicht. Es war der Geburtstag meines Freundes, und ich habe mich gerne angeboten auf seinen Bruder auf zu passen. Wir wären so oder so zusammen geblieben.“

 

Ach? Wirklich, wären sie das? Es kostete ihn eine Sekunde, seine Verblüfftheit zu überwinden. „Nicht, Schatz?“ Sie sah ihn an. Nicht wie eine Freundin ihren Freund, nein eher, wie die gereizte Frau, der man dreitausend Gefallen schuldete.

 

„Ahem… jaah.“

 

„Sie sind zusammen?“, fragte der kleine Mann ein wenig enttäuscht.

 

„Ja. Könnten Sie das hier bitte nicht so rumschreien? Es muss ja nicht das gesamte Ministerium wissen. Ich denke, die Hexenwoche bezieht sämtliche Informationen sowieso von hier.“, fügte sie spöttisch hinzu. Der kleine Mann wirkte überfordert.

 

„Unterschreiben Sie, Ms Granger.“ Er klang als hätte er resigniert. Draco hätte am liebsten triumphierend die Faust in die Luft gestreckt. Aber er beherrschte sich.

 

„Dann fällt es mir auch nicht besonders schwer, Mr Malfoy für seine gemeinnützige Arbeit einzuteilen.“ Erst jetzt stahl sich wieder ein feines Lächeln auf die Züge des kleinen Mannes.

 

Dracos Triumpf bekam einen jähen Dämpfer. Jetzt würde er bestimmt irgendwo alte Kessel schrubben müssen. Oder er musste das Quidditchfeld sauber fegen. Ohne Besen. Mit einer Zahnbürste oder so.

 

„Sie treten vier Wochen Arbeit in der Kinderbetreuung an. Die Magic-Corner dürfte sich ja ausgezeichnet eignen. Es sei denn, Ms Granger ist nicht einverstanden, aber wieso sollte sie nicht? Immerhin sind Sie ein Paar, nicht wahr?“

 

Draco kam kurz der Gedanke, dass der Mann Grangers Spiel durchschaut hatte. Aber er biss sich auf die Wangen und schwieg. Vier Wochen Kinderhüten? Er fand einen Tag mit Scorpio schon anstrengend.

 

„Vier Wochen natürlich ohne Zauberstab. Dazu kommen zweitausend Galleonen Strafe, wegen ungebührlichem und gefährlichem Verhalten und tausend Galleonen für die Reparatur und Entschädigung für die Beteiligten.“

 

Er nahm sein Urteil knurrend entgegen.

 

„Vier Wochen? Bekommt er dafür Geld?“, fragte sie jetzt. Der Mann schüttelte den Kopf.

 

„Natürlich nicht. Es sei denn, Sie wollen Ihren Freund bezahlen.“ Er sah ihr Gesicht nicht. Aber er war sich sicher, sie freute sich gerade unheimlich.


„Nein. Will ich nicht. Das tut er gerne umsonst. Nicht wahr?“

 

Gott, wie er sie hasste. Schon immer gehasst hatte. Aber dieser Moment toppte alle vorherigen. Sie würde ihn leiden lassen. Und er konnte nichts tun. Er konnte froh sein, wenn sie ihn nicht noch wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung anzeigen würde.

 

Er unterschrieb sein vierwöchiges Schicksal.

 

Vielleicht würde Lucius ja nichts davon mitbekommen. Er hatte nämlich keine Lust zu erklären, warum er ausgerechnet für Granger arbeiten musste. Nie wieder würde er trinken. Nie, nie wieder.

 

 

~*~

 

 

„Draco!“ Es war nur ein Traum gewesen. Ein betrunkener, nicht enden wollender Traum. „Draco!“ Wieder spürte er eine Faust im Nacken. „Steh auf, wir kommen zu spät.“

 

Zu spät? Wohin? Er blinzelte durch ein Augenlid. Es war dunkel. Wohin sollte er mitten in der Nacht gehen? Mit wem? Wo war er überhaupt, dass ihn jemand wecken musste? War er in Askaban? Musste er den Hof putzen? Nein. Es gab keine Kinder in Askaban.

 

Kinder. Scorpio…

 

Er warf sich knurrend auf den Rücken. Sein Bruder lachte hell und versuchte ihn aus dem Bett zu schieben. Erfolglos, wie man nicht erwähnen musste.

 

„Dracohooo….“ Draco holte tief Luft und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Wie spät war es? Es konnte unmöglich schon Tag sein.

 

„Halt die Klappe.“, knurrte er heiser. Sein Bruder schwieg. Er blinzelte in Richtung Uhr. „Ich hoffe, das ist ein verfluchter Scherz, Scorpio.“

 

„Vater sagt, fuchen ist unhöflich.“

 

„Ach ja?“ Er verbesserte die Grammatik seines Bruders nicht. „Unhöflich ist es, mich um sieben Uhr wach zu machen, du elende Nervensäge.“ Sein Bruder war allerdings nicht einzuschüchtern.

 

„Du stehst auf und bringst mich da hin.“, erklärte er trotzig. Draco hätte schreien können vor Wut. Scheiße. Diese scheiß verflixte Sozialarbeit. Wieso hätte er nicht eine Millionen zahlen können und damit wäre die Sache geregelt? Er hatte eine Idee. Vielleicht könnte er das regeln.

 

Er erhob sich träge. Sofort zog Scorpio an seinem Arm.

 

„Lass mich los, Froschgesicht.“

 

„Ich sag es Vater!“, schmollte Scorpio, und Draco fuhr sich durch die hellen Haare.

 

„Petze.“

 

„Gar nicht.“

 

„Doch.“

 

Scorpio sah ihn finster an. So finster ein vierjähriger Junge eben gucken konnte. Fast hätte Draco gelacht. Aber nur fast, denn wer lachte schon um sieben Uhr morgens? So viel Kaffee könnte er gar nicht kochen. Merlin, er würde einfach im Stehen einschlafen.

 

Er hasste seine Eltern. Wieso mussten sie ständig verreisen? Und wieso nahmen sie ihren Sohn nicht einfach mit? Es war nicht seine Aufgabe! Es war nicht sein Sohn! Verflucht noch mal.

 

„Na los, zieh dir schon mal Schuhe an.“

 

„Ich kann die Schleife selber binden.“, erklärte sein Bruder stolz.

 

„Ich hätte sie dir bestimmt auch nicht zugemacht.“, murrte Draco.

 

„Brauchst du ja auch nicht. Ich kann es ja auch selber.“ Er schien ziemlich stolz zu sein. Draco seufzte erneut.

 

„Wir spielen ein Spiel. Wer zuerst was sagt, hat verloren.“ Er versuchte euphorisch zu klingen, aber er hätte das Wort nicht einmal nach sieben Liter Kaffee buchstabieren können.

 

„Das ist ein blödes Spiel.“

 

„Eine Galleone, wenn du spielst.“

 

Scorpio schien das abzuwägen, aber anscheinend sagte ihm der Wert des Geldes nicht unbedingt viel, denn nach fünf Sekunden, schien er seine Worte selektiv vergessen zu haben.

 

„Wir müssen uns beeilen, denn Miss Hermine macht gleich die Butterbrote und ich will meine Marmelade haben. Ohne die werde ich nicht essen. Das ist meine Lieblingsmarmelade.“

 

Draco fiel stöhnend auf die Matratze zurück. Wenn ihm heute fünfzig Kinder erzählen würden, was ihre Lieblingsmarmelade wäre, dann würde er wahrscheinlich wild um sich fluchen. – Nein. Das ging ja nicht. Denn er hatte keinen gottverfluchten Zauberstab mehr.

 

Scheiße, scheiße, scheiße…

 

„Draco?“ Wieder zog sein Bruder an seinem Arm.

 

Er hasste sein Leben. Hätte er auf seinen Vater gehört und den Job angenommen, dann hätte er sich wahrscheinlich nicht vollkommen beschissen gefühlt, und wahrscheinlich hätte er keinen Grund gehabt, sich so sinnlos zu betrinken. So ein Mist.

 

Vier lange Wochen. Da konnte er gleich auswandern. Das würde er nicht überleben.

 

„Draco, jetzt steh auf!“

 

 

~*~

 

 

Eine knappe Stunde später hatte er es geschafft. Scorpio war vor ihm durch die Tür gerannt. Draco schlurfte hinter her. Er nahm die Mütter und Väter und Kinder nur am Rande wahr. Er hatte keinen Kaffee mehr Zuhause gehabt und genauso sah er aus.

 

Er hatte die Hände in seinem Umhang vergraben und war nicht gewillt ihn auszuziehen.

 

„Ah, unser Sonnenschein ist auch schon wach.“ Die kleine Weasley grinste ihn widerlich ausgeschlafen an. Was war das hier für eine verfluchte Sekte? Er wollte irgendetwas erwidern, irgendwas fieses, aber ihm fiel beim besten Willen nichts ein.

 

„Du kannst schon mal die Stühle zusammen rücken. Die Tische haben wir geholt.“ Missmutig blinzelte er in den Raum. Stühle. Gott, das waren bestimmt dreihundert Stühle. Wahrscheinlich waren es zwanzig, aber selbst das waren zwanzig Stühle.

 

„Zauberstab.“, murmelte er wütend.


„Was? Oh, dein Zauberstab? Ja, der wäre hilfreich, dann müsste man nicht alles mit der Hand machen, nicht wahr? Zu dumm, dass du keinen mehr hast, oder?“ Er wollte sich auf sie stürzen. Er überlegte es. Wirklich. Eine Sekunde lang, aber dafür hätte er sich bewegen müssen.

 

„Malfoy, mach dich nützlich.“ Da war die Person, mit der er reden wollte.

 

„Granger.“, knurrte er müde. Sie musterte ihn spöttisch.

 

„Was ist? Nicht ausgeschlafen? Sechs Stunden vor deiner gewohnten Zeit? Leider tust du mir überhaupt nicht Leid, Malfoy. Also, tu endlich was.“

 

„Ich habe Geld.“

 

„Das ist schön. Ich habe lange Haare, aber das hilft mir jetzt auch nicht.“

 

„Granger!“ Er klang fast so trotzig wie Scorpio. „Ich kann dich bezahlen. Du unterschreibst den verfluchten Scheiß, und ich kann wieder gehen.“ Sie lächelte jetzt.

 

„Ich würde sehr gerne ohne deine Gesellschaft auskommen, aber wen finde ich, der einen Monat umsonst für mich arbeitet? Stühle rückt, Decken wäscht, Kinder füttert und Geschirr spült?“ Er verzog den Mund.

 

„Du verpasst deine Gelegenheit, Granger.“

 

„Meine Gelegenheit, dir heimzuzahlen, was du verdienst? Nein, ich glaube nicht, Malfoy. Jetzt rück die Stühle zusammen.“ Seine Fäuste zitterten vor Wut. Dieses verdammte Miststück. Er hasste sie. Hasste, hasste, hasste sie.

 

Ein Mädchen baute sich vor ihm auf. Sie war ein wenig größer als Scorpio.

 

„Wer bist du?“

 

„Niemand.“

 

„Niemand? Das ist kein Name.“ Er wollte sie beiseiteschieben, aber sie hatte seine Hand gegriffen. Er hatte nicht einmal Zeit zu überlegen, von welchem Blut sie abstammte, da zog sie ihn schon mit sich durch die lärmenden Kinder.

 

„Lass mich los.“, knurrte er böse. Das Mädchen lachte.

 

„Du bist lustig. Darf ich beim Frühstück neben dir sitzen? Ich bin Florina Thomas.“, stellte sie sich laut vor und streckte ihm die Hand entgegen. Thomas? Also eine Muggel, vielleicht ein Halbblut. Er könnte kotzen.

 

„Nein.“, erwiderte er gereizt. Jetzt griff sie zu einer ziemlich fiesen Waffe.

 

„Miss Hermine!“, rief das Mädchen laut. Sofort kam das blöde Schlammblut Granger herüber geschwebt als wäre sie niemals müde und würde die gute Laune bezahlt bekommen.

 

„Ja, Florina?“

 

„Niemand will nicht neben mir sitzen.“ Granger runzelte die Stirn. Dann lächelte sie.


„Sein Name ist Draco. Und so darfst du ihn auch nennen. Und weißt du was? Du darfst heute auf Dracos Schoss sitzen.“ Das Mädchen strahlte begeistert. Er sah sie mörderisch an, aber anscheinend hatte all seine Boshaftigkeit hier in der Kinder-Horrorwelt ihre Wirkung gänzlich verloren.

 

Sobald er irgendwann wach werden würde, würde er ihr das heimzahlen.

 

 

Teil 6

 

 

Sein Kopf war auf die kühle Tischplatte gesunken, an der er bereits gestern gesessen hatte. Er hatte in seiner Hand einen Becher starken Kaffee, aber er hatte keine Kraft ihn zu trinken.

 

Er hatte hundert Stühle aufgestellt, weggeräumt, hatte hundert Kindern, hundert verschiedene Bücher vorlesen müssen und hatte dann wieder alle Stühle für das Mittagessen wieder hingestellt. Und die Biester waren immer noch hier.

 

Scorpio ignorierte ihn dafür den größten Teil des Tages. Allerdings hatten sich knapp zehn Mädchen in ihn verliebt, so wie sie ständig hinter ihm her dackelten. Er war nirgendwo in Sicherheit. Er hatte keine Ahnung, wie lange die Küche vorhalten würde als sein Ort der Zuflucht.

 

Nicht lange anscheinend, denn die Tür öffnete sich.

 

„Gut, dass du hier bist. Das Geschirr spült sich nicht von selber.“ Sie wurde zu seiner Hasskandidatin Nummer eins.

 

„Mach es selbst.“ Seine Stimme klang gedämpft, denn sein Kopf lag immer noch auf der Platte.

 

„Ich glaube nicht, nein.“, erwiderte sie gelassen. „Das Geschirr trägt deinen Namen und möchte nur von dir gespült werden.“

 

„Du hast einen verfluchten Zauberstab. Mach es selber, Granger.“

 

„Wenn du vorhast dich zu weigern, dann denke ich, werde ich im Ministerium vorbeischauen und ihnen meinen Bluterguss an meiner Hüfte zeigen, den ich dir verdanken zu habe, Draco Malfoy. Also beweg deinen verfluchten Hintern, denn wie du sagst, ich habe einen Zauberstab!“

 

Bluterguss? Er hob den blonden Kopf. Aus Schlitzen betrachtete er die Furie vor sich, die beide Hände in die Hüften gestemmt hatte und ihn anfunkelte. Ja, er erinnerte sich. Sie hatte ihn angefasst. Oder so. Und er hatte sie geschubst.

 

Scheiße.

 

Sie hatte es verdient. Hatte sie wirklich. Er erhob sich. Er überragte sie um einen ganzen Kopf. Aber wahrscheinlich wäre sie trotzdem in der Lage ihn umzubringen. Vielleicht auch mit ihren bloßen Händen. Heute.

 

Sie sahen einander gleichermaßen voller Abscheu an.

 

„Spül. Und beeil dich. Wir gehen gleich nach draußen. Es regnet nicht. Und die Kinder müssen alle in ihre Umhänge.“, fügte sie hinzu.

 

„Nein.“, erwiderte er.

 

„Doch.“

 

„Nein, das werde ich nicht machen.“

 

„Wirklich nicht, Malfoy?“ Sie wollte ihn provozieren, wollte ihn dazu bringen aufzugeben, und dazu war er mehr als bereit. Aber er konnte nicht. Scheiß Alkohol. „Ich komme in zwanzig Minuten wieder. Dann ist hier alles sauber.“

 

Sie ließ ihn zurück. Er sank zurück auf seinen Stuhl und leerte seinen Kaffee. Der Effekt blieb allerdings aus. Ob es einen Status von Müdigkeit gab, der einfach nicht mal mehr durch Kaffee überwunden werden konnte? Er kannte einen fabelhaften Spruch für diesen Fall, aber was nützte es ihm?

 

Er betrachtete den Berg an Geschirr. Und es machte den Anschein als betrachtete es ihn ebenfalls. Er krempelte die Ärmel seines teuren Hemdes nach oben und drehte mit spitzen Fingern am Hahn. Das Wasser war kalt. Wieso war es kalt?

 

Feuer, dachte er lahm. Wo war das Feuer? Wo kam es her? Wie machte es Wasser heiß?

 

Scheiße.

 

Kaltes Wasser war absolut ok, befand er schließlich, ließ das Becken voll laufen und warf einen Teller nach dem anderen hinein. Er hörte bei fünfzehn auf zu zählen. Das war doch nicht zu fassen. Nicht einmal den Hauself konnte er rufen.

 

Er warf ein Stück Seife ins Wasser, obwohl er bezweifelte, dass das der richtige Weg war, Teller zu reinigen. Seine Finger zuckten zusammen als sie in das kalte Wasser tauchten. Gott, wie sehr er es hier hasste, dabei war der erste Tag noch nicht vorbei.

 

Das Spülen hatte ihn eine Stunde gekostet. Granger war aber nicht zur Kontrolle reingekommen. Das war gut. Wahrscheinlich hätte sie es ihn noch einmal machen lassen. Sein Koffeinstatus betrug sechs Tassen schwarzen Kaffee. Die siebte goss er sich gerade ein. Es war halb drei.

 

„Die Kinder wollen raus.“ Die kleine Weasley hatte den Kopf durch die Tür gesteckt und war schon wieder fort. Raus. Wieso wollte man bei dieser Kälte überhaupt raus?

 

Er leerte die Tasse und verließ die grauenvolle Küche.

 

Draußen warteten die Kinder auf dem Flur. Manche konnten sich die Umhänge selber anziehen, andere schafften es nicht. Scorpio konnte er nicht entdecken. Aber ihm hätte er sowieso nicht geholfen. Ein Malfoy schaffte es wohl, sich mit vier Jahren den Umhang anzuziehen.

 

„Draco, hilfst du mir?“ Er war sich sicher, auch die nervige Florina konnte es allein.


„Wie alt bist du?“, fragte er mürrisch.

 

„Fünf!“ Stolz hielt sie fünf Finger in die Luft.

 

„Aha. Dann kann ich davon ausgehen, dass du das alleine kannst.“ Sie zog eine Schnute.

 

„Hilf mir, bitte, Draco.“ Er holte tief Luft.

 

„Wenn ich das tue, dann werde ich nichts anderes für dich tun. Nicht schaukeln, nicht fangen, nicht vorlesen, gar nichts mehr.“, erklärte er. Florina schien zu überlegen.

 

„Nie wieder?“

 

„Nie wieder.“, bestätigte er.


„Nein. Dann zieh ich ihn selber an. Dafür gehen wir gleich schaukeln.“

 

Mist. Schon kamen andere Kinder und hielten ihm wortlos die Umhänge hin. Er zog einen nach dem andern über die kleinen Kinderarme. Aber die kleine Weasley zwang ihn, alle wieder auszuziehen, denn die meisten Umhänge waren die falschen. Sie hingen anscheinend alle über Namensschildern. Aber die Kinder konnten natürlich nicht lesen.

 

Langsam, ganz langsam begann der Kaffee den Weg durch seinen Körper.

 

Beinahe stoisch zog er alle Umhänge aus und wieder an. Er folgte den Kindern nach draußen, scheuchte sie über die angrenzende Wiese und schaukelte jedes der hunderttausend nervigen Kinder.

 

Dann wurde es noch kühler, und er scheuchte alle wieder rein. Granger und das Weasleymädchen hexten ihnen die nassen Umhänge einfach aus. Aber die Mädchen, die gerne bei ihm sein wollten, zwangen ihn, es mit den bloßen Händen zu tun. Er war angewidert und vollkommen erschöpft als er fertig war.

 

Es war halb fünf. Er wusste, gleich war es vorbei. Der erste Tag wäre vorbei!

 

Nach und nach tropften die Eltern herein. Er lehnte am Tresen und wäre fast eingeschlafen. Das Koffein hatte ihn enttäuscht. Auf das Schwerste.

 

„Mr Malfoy.“ Er erkannte die Stimme, konnte sie aber nicht zu ordnen. „Na, das hätte ich ja nicht gedacht.“ Es war irgendwer, den er von seinem Vater her kannte. Er schüttelte träge die Hand, murmelte etwas und sah, wie der Mann mit seinem Kind an der Hand wieder ging.

 

„Draco!“ Eine Stimme, die er ebenfalls kannte, aber die er sofort zuordnen konnte. Und er war hoch erfreut.

 

„Pansy.“, murmelte er.

 

„Armer Draco. Das muss ein ziemlicher Schock für dich sein. Hat sich Melissa bei dir gemeldet?“

 

„Was? Wer?“

 

„Na ja, das wird sie dann wohl auch nicht.“

 

„Onkel Draco hat mich dreimal geschaukelt.“ Devon, der kleine Satansbraten, hatte ihn gezwungen, oder er wäre petzen gegangen zu Granger, dem Biest.

 

„Wie nett von ihm. Draco, wann kommst du mal wieder vorbei?“, erkundigte sie sich.

 

„Keine Ahnung, wenn diese Hölle hier vorbei ist, und ich mein normales Leben mit normalen Menschen wieder habe, Pansy. Sag Goyle, ich sterbe tausend Tode.“

 

„Das werde ich tun.“ Pansy lächelte nachsichtig. „Genieß die Zeit mit den Kindern, Draco.“ Pansy war so widerlich erwachsen geworden, dass er kotzen könnte. „Wo ist Scorpio?“

 

„Keine Ahnung.“


„Was soll das heißen?“

 

„Irgendwo.“

 

„Draco, er ist dein Bruder.“

 

„Ja, richtig. Mein kleiner Bruder. Nicht mein Sohn. Es geht mich nichts an, wo er ist.“ Pansy maß ihn mit demselben Blick, mit dem sie Devon maß, wenn er mal wieder was kaputt geworfen hatte.

 

„Also, Draco. Verhalt dich wie ein Erwachsener und kümmer dich um deine Familie. Noch mag dich dein Bruder.“ Draco verzog den Mund. Es war ihm herzlich egal.

 

„Danke, Pansy.“

 

„Wir sehen uns morgen.“ Ja. Und den Tag danach und den Tag danach….

 

Nach vierzig Minuten war nur noch Scorpio übrig.

 

„Lass uns gehen, Scor.“, rief er entnervt. Scorpio ließ seine Bauklötze fallen und erhob sich unwillig.

 

„Ich will noch nicht gehen.“

 

„Dann bleib hier. Es ist mir egal.“


„Ich darf nicht hier bleiben. Gleich macht Miss Hermine zu.“ Draco seufzte.

 

„Ich habe keine Lust zu diskutieren, Scorpio. Also, zieh deinen Umhang an und warte an der Tür.“, knurrte er. Sein Bruder zuckte zusammen unter seiner Stimme. Er klang schon wie sein Vater, bemerkte er am Rande seines Bewusstseins.

 

„Du solltest deine Einstellung besser ändern, Malfoy, sonst…“ Er drehte sich zornig um. Er war wach. Jetzt war er wach. Hellwach.

 

„Sonst was, Granger? Sonst verfluchst du mich? Bitte, tu es! Sonst rennst du zu Potter und lässt mich von ihm verfluchen? Meinetwegen. Es ist mir scheiß egal!“ Sein Herz raste. Viel zu viel Kaffee. Wahrscheinlich würde er nicht schlafen können. Und dann würde er durchmachen und nie wieder schlafen. Und morgen kamen diese Monster wieder.

 

„Du solltest gehen.“ Er sah, dass sie Angst vor ihm hatte. Das sollte sie auch! Zum Teufel noch mal. „Und behandel deinen Bruder wie deinen Bruder.“, fügte sie eine Spur lauter hinzu.

 

„Gut, dass dich das überhaupt nichts angeht.“

 

„Natürlich geht es mich was an, Malfoy! Du arbeitest hier! Du bist hier nicht der König der Welt, hast du verstanden? Du verstehst wohl nicht, dass das Kinder sind! Niemand verdient deine Ablehnung. Mir ist es völlig egal, was du denkst. Aber die Kinder verdienen es wirklich nicht.“

 

„Verschon mich mit deiner gottverdammten Predigt, verfluchtes Schlammblut. Was weißt du schon?“

 

Er sah ihn aus den Augenwinkeln. Er hielt seinen Umhang fest in seinen kleinen Händen und seine Augen blickten ihn angstvoll an. Auch sie wandte den Blick in seine Richtung.

 

„Wiedersehen, Miss Hermine.“, sagte er leise und stürmte zur Tür.

 

Großartig. Er gab ihr die Schuld, dass sein Bruder jetzt Angst vor ihm hatte. Fast bekam er Angst vor sich selber. Er fuhr sich durch die Haare. Sein Hemd hatte überall Flecken von Gott weiß was für Lebensmittel.

 

„Scorpio.“, rief er, als er den Raum verließ, ohne ein letztes Wort. Sein Bruder stand vor der Tür und wischte sich hastig eine Träne von der Wange. „Hör auf zu weinen und komm.“ Er versuchte seine Stimme nicht ganz so zornig klingen zu lassen, aber seine Grenze war weit überschritten.

 

Er wollte seinen Bruder nicht zum Weinen bringen. Aber er wusste nicht, wie er es nicht tun konnte. Er würde es gut machen. Bald, wenn er wieder denken konnte.

 

 

Teil 7

 

 

Diesen Morgen hatte Scorpio ihn nicht geweckt und dennoch war er zeitig wach geworden. Aber er war gestern auch fast eingeschlafen, als er Scorpio beim Zähneputzen zugesehen hatte. Und er hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen.

 

Er stand auf und ignorierte sogar die Tatsache, dass es dunkel draußen war. Nur noch drei Wochen und sechs Tage. Er konnte schon jetzt nicht mehr, aber vielleicht entwickelte er eine dicke Haut, an der alles einfach abprallte.

 

In der Küche saß sein Bruder am Tisch. Anscheinend hatte er versucht sich Müsli zu machen, war aber nicht an das Regal gekommen, also hatte er jetzt eine Schale voll Milch. Draco musste lächeln.

 

„Hey, Kleiner.“, begrüßte er seinen Bruder und fuhr ihm durch die Haare. Scorpio reagierte nicht. „Redest du nicht mehr mit mir?“, fragte Draco ruhig und griff die Schachtel vom Regal. Es waren Freaky Frogs. Die mochte er auch am liebsten, denn diese Müslifrösche sprangen einem vom Löffel in den Mund. Wenn man einen Kater hatte, musste man nur den Löffel hochalten. Augen zu und alles lief von selbst.

 

„Nein.“, erwiderte Scorpio leise.


„Ich wollte nicht schreien gestern. Tut mir leid, Scor, ok?“

 

„Du schreist immer.“ Sein Bruder senkte den Kopf über seine Schüssel, als Draco die Frösche einfüllte.

 

„Tu ich nicht.“

 

„Doch. Miss Hermine schreist du immer nur an.“ Aha. Es ging also wieder einmal um Granger. Was fand sein Bruder an ihr? Sie war nervig und wusste immer alles besser. Diese Eigenschaften ruinierten sogar die Tatsache, dass sie ganz gut aussah. Für eine Muggel. Wann hatte er das letzte Mal Sex gehabt? Er wusste es nicht. Wieso hatte er an seinem Geburtstag keinen Sex gehabt?

 

Scheiße. Er wusste es wirklich nicht. War es tatsächlich schon länger als vier Monate her? Vier Monate? Das war ja eine absolute Krise!

 

„Draco!“ Er zwang seine Gedanken in eine andere Richtung.


„Was?“


„Wieso? Wieso schreist du sie an? Sie hat gar nichts gemacht. Und die anderen Kinder magst du auch nicht. Und… und du hast keine Burg mit mir gebaut.“, fügte er hinzu. Er schniefte leise.

 

„Scor… du bist doch schon groß. Nicht weinen, ok? Tut mir leid, dass ich gestern… na ja… eben nicht wirklich freundlich zu dir war.“, erklärte er. Wie konnte er seinem Bruder deutlich machen, dass es die Hölle für einen Malfoy war, dort zu arbeiten?

 

„Was ist ein Schamblut?“, fragte sein Bruder jetzt neugierig. Draco runzelte die Stirn.

 

„Ich weiß es nicht.“, gestand Draco. Was erzählte sein Bruder?

 

„Du hast Miss Hermine gestern so genannt, Draco. Sie wäre ein verfuchstes Schamblut.“ Kurz lächelte er traurig. Also hatte Lucius noch nicht seine Todesser Geschichten ausgepackt. Anscheinend wurde bei diesem Sohn alles anders gemacht. Und zu dumm, dass sich Scorpio ausgerechnet das gemerkt hatte.

 

„Also, erst mal heißt es verflucht, aber sag Lucius nicht, dass ich dir das gesagt habe. Und das Wort, was ich gesagt habe, war ein blödes Wort.“ Sein Bruder sah ihn mit großen Augen an.

 

„War es?“

 

„Ja.“ Seine Stimme klang zerknirscht. Er wusste, es war ein gemeines Wort.

 

„Was heißt es?“ Draco wog kurz ab, ob er darüber mit seinem Bruder sprechen konnte, aber er bezweifelte, dass sein Bruder dumm genug war, es noch einmal zu verwenden.

 

„Das Wort heißt Schlammblut.“

 

„Ist Miss Hermine ein Schlamm-Blut?“ Scorpio sah ihn fassungslos an.

 

„Ahem… nein. Natürlich nicht.“, gab sich Draco geschlagen.

 

„Was ist es? Ein Schlamm-Blut.“ Sein Bruder betonte das Wort, wie jemand, der es nicht kannte und zum ersten Mal hörte.

 

„Du weißt, Schlamm ist dreckig. Und wenn ich sage, du hast dreckiges Blut, dann heißt das…“ Er überlegte kurz.

 

„…das heißt, ich bin Dreck?“ Ja, so konnte man es wohl sagen.

 

„So in etwa.“

 

„Miss Hermine ist kein Dreck!“, erklärte sein Bruder entrüstet.

 

„Nein. Ist sie nicht.“

 

„Wieso sagst du das dann, Draco?“ Gleich würde er wieder anfangen zu weinen.

 

„Weißt du, wenn man wirklich böse ist, dann sagt man Sachen, die man vielleicht später nicht so meint. Dann muss man sich entschuldigen und hoffen, dass der andere einem vergibt.“ Scorpios Falten glätteten sich.

 

„Wie als du Vater einen Mixkerl genannt hast?“, fragte er. Draco erinnerte sich. Ein verfuchster Mixkerl, hatte er gesagt, ja. Das wäre jedenfalls besser gewesen. Und ja, dafür hatte er sich auch peinlicherweise entschuldigen müssen.

 

„Ja.“

 

„Du bräuchtest ein Fuchglas. Charles sagt, seine Mutter hat ein Fuchglas aufgestellt. Einen Knut für einen Fuch.“ Draco grinste.

 

„Das wäre mir zu teuer.“ Er erhob sich. Sie mussten gleich los.

 

„Draco?“ Er wandte sich um. „Was ist ein Fuchglas?“, fragte sein Bruder ratlos. Draco grinste breit.

 

„Das musst du nicht wissen. Das ist unwichtig.“ Sein Bruder nickte nur.

 

„Entschuldigst du dich bei Miss Hermine?“

 

Merlin, sein Bruder war eine moralische Nervensäge. Entschuldigen… Wofür? Dass er umsonst arbeitete? Dass er gerädert war und schlecht gelaunt und trotzdem kam?

 

„Zieh dir deine Schuhe an. Ich komme gleich.“, wich er der Frage seines Bruders aus. Er würde sich nicht entschuldigen. Bestimmt nicht. Für was? Er war nicht anders als sonst auch. Granger war es sowieso egal.

 

 

~*~

 

 

 

Sie kamen pünktlich. Und Malfoy sah nicht mehr ganz so griesgrämig aus wie gestern. Aber es kam ihr so vor, als durchlebe er ein Jetlag. Aber wer es nicht gewohnt war, morgens aufzustehen, für den war es schwieriger. Er tat ihr kein bisschen leid.

 

„Miss Hermine!“ Scorpio zog seinen Bruder mit sich. „Draco will was sagen.“ Hermine hob die Augenbraue. Malfoy fixierte seinen Bruder zornig.

 

„Nein, Scorpio.“ Doch der kleine blonde Junge verzog den Mund.

 

„Doch. Ich möchte, dass du es machst. Vater sagt…“

 

„Na, wenn Lucius es sagt, dann muss es wohl richtig sein, hm?“ Kurz wirkte Scorpio verwirrt. Hermine verstand diese Worte durchaus. Malfoy wirkte wieder gereizt.

 

„Granger, entschuldige wegen gestern.“, knurrte er leichthin. Scorpio wirkte zufrieden.

 

„Was?“ Und jeder konnte sehen, dass er es nicht so meinte. Was brauchte sie seine Entschuldigung, wenn sie nicht aufrichtig war? „Aha. Gut.“, sagte sie knapp.

 

„Kann Draco mit zu meiner Burg kommen?“, fragte Scorpio, aber Hermine schüttelte den Kopf.


„Er kann später kommen, jetzt muss er sich um das Frühstück kümmern.“ Der blonde Junge verzog den Mund. Er ähnelte jetzt seinem Bruder noch mehr als sonst.

„Aber… ich wollte sie ihm zeigen.“

 

„Aber dein Bruder ist hier nicht zum spielen.“ Nein, er ist hier, weil er betrunken das halbe Dorf zerstören wollte, fügte sie in Gedanken hinzu. Aber das konnte sie Scorpio nicht sagen.

 

„Ist schon gut. Ich komm später.“ Er zerwuschelte seinem Bruder die Haare.

 

„Ok.“

 

„Ich nehme an, ich mache das ohne Hilfe?“, erkundigte er sich gelassen, aber seine grauen Augen verrieten seinen stillen Zorn.

 

„Aber sicher, Malfoy.“ Er atmete langsam aus. Sie fragte sich, welche Beleidigungen er in seinem Kopf wohl gerade zurück hielt. Ihr fiel auf wie groß er war. Wenn diese Zeit hier vorbei war, dann befürchtete sie, dass sie sich vor ihm in Acht nehmen musste. Er zog seinen Umhang aus. Diesmal trug er keine teuren Sachen. Vielleicht hatte er eingesehen, dass es hier nichts brachte.

 

Das Hemd, was er trug, war schmutzig weiß und zwei Knöpfe fehlten. Und sie sah erst jetzt die ausgeblichene Jeans. Er sah fast normal aus. Nicht so förmlich wie immer. Auch Scorpio trug keine Weste. Nur einen Pulli. Anscheinend waren seine Sachen bei Malfoy etwas legerer.

 

„Miss Hermine, wieso nennst du ihn nicht Draco?“ Scorpio hatte noch einmal inne gehalten und hatte sie umgedreht.

 

„Weil ich nicht will.“ Das schien Scorpio zu verwirren. „Wenn ich will, dann nenne ich ihn so, ok?“ Dann nickte er.


„Oh, ok. Das geht wohl.“ Dann lief er in die Ecke mit den Bauklötzen und lärmenden Kuscheltieren. Malfoy verschwand Richtung Küche.

 

„So, ich bringe das Geburtstagskind.“, kündigte sich Pansy an. „Er hat schon zwei Tassen kaputt geworfen. Also, passen Sie auf, ja?“ Sie strich über Devons Locken. Er wirkte ganz aufgeregt. Die anderen Kinder kamen auch. Sie gratulierten höflich, und er zeigte seinen neuen Drachen. Er konnte fliegen und brüllen. Das hieß, noch mehr Krach als sonst.

 

„Wir werden aufpassen.“, versprach Hermine.

 

Was tat er solange? Die Kinder hatten Hunger. Vielleicht sollte sie ihn doch nicht mit all den Dingen alleine lassen. „Pansy, entschuldigen Sie mich. Ich muss eben in die Küche.“ Sie warf einen Blick über die Schulter, aber Ginny war da. Sie hatte den Drachen entdeckt und versuchte sich an dessen lila Schwanz zu hängen. Hermine verdrehte die Augen. Das würden die Kinder gleich nachmachen wollen.

 

Sie eilte durch den Flur. Jetzt wo Devon da war, würde er gleich anfangen zu quengeln, und der Kuchen war noch nicht fertig.

 

Sie zog die Tür auf. Gerade fiel ein Teller zu Boden. Aber dort lagen schon Scherben.

 

„Verfluchte Scheiße!“, schrie er zornig und trat nach den Scherben.

 

„Das ist eigentlich Devons Aufgabe.“, sagte sie knapp, zückte den Zauberstab und sprach den Reparo. Die Scherben setzten sich lautlos wieder zusammen. Er fixierte ihren Zauberstab voller Neid.

 

„Mach es doch einfach selber.“, sagte er gefährlich leise.

 

„Dann hast du aber nichts davon.“ Er schien um Fassung zu ringen. Sie sollte ihn wirklich nicht provozieren, obwohl sie es sich im Moment durchaus leisten konnte. „Hör zu, wieso bringst du nicht einfach das Brot rüber und ich übernehme das Geschirr.“ Diplomatie. Wiedermal reine Diplomatie.

 

„Weißt du was, mach es einfach allein. Ich habe die Schnauze voll.“ Sein Daumen blutete. Er hielt ihn unter das kalte Wasser.

 

„Lass mich…“

 

„Bleib einfach weg von mir, Granger.“, rief er zornig. Sie zuckte zusammen. Langsam verlor sie ihre Geduld.


„Malfoy, sei nicht kindisch. Ich kann das schnell heilen.“

 

„Ich will aber nicht, dass du irgendwas heilst, kapiert?“ Er fluchte unterdrückt. Anscheinend hatte er sich an den Scherben geschnitten. Mit dem Spruch konnte sie die Wunde sogar reinigen.


„Malfoy…“

 

„Nein! Nein, Granger! Einfach nein. Hat dieses Wort keine Bedeutung für dich? Ich brauche deine scheiß Hilfe nicht. Es hört gleich auf, bei Merlin! Reg dich ab, es ist nur Blut!“ Kurz stutzte er über diese Worte.

 

Sie atmete aus. Nur Blut. Ja. Wütend knallte ihr Zauberstab durch die Luft. Die Teller flogen in Windeseile zur Tür hinaus. Die Brotkörbe folgten, so auch die Marmelade und der Aufschnitt.

 

„Du und dein Blut, ihr wart mir eine große Hilfe. Schönen Dank.“ Damit verließ sie die Küche. Sie hörte, wie er ihr folgte.

 

„Granger!“, sagte er gepresst und sie wandte sich um, so dass ihr Pferdeschwanz über ihre Schulter flog.

 

„Was?“

 

Seine Augen blickten plötzlich hinter sie. Er schwieg. Dann atmete er langsam aus.

 

„Ich denke, wir sollten Devon ein Geburtstagslied singen, egal, ob du denkst, es wäre unpassend.“ Sie starrte ihn an. Was erzählte er da? War er jetzt verrückt geworden? Oh, sie hätte ihn am liebsten verflucht. Hier mitten auf dem Flur.

 

„Malfoy…“, begann sie drohend, aber lächelnd schloss er den Abstand.

 

„Oh, du musst nicht mehr sauer sein, … Schatz.“, fügte er betont langsam hinzu. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Oh nein. Sie wandte sich langsam um.

 

„Hallo, Mr…“ Sie hatte den Namen des kleinen Mannes vergessen.

 

„Wickman.“, sagte er lächelnd. Sein Lächeln wirkte nicht aufrichtig. „Ich wollte nur nach dem Rechten sehen. Aber Mr Malfoy scheint sich hier ja eingelebt zu haben. Ich hoffe, es gibt keinen Streit, Ms Granger.“ Er lächelte immer noch. Sie erwiderte das falsche Lächeln, so gut es ihr gelang.

 

„Oh nein. Wir kommen sehr gut miteinander aus.“ Sie sah aus den Augenwinkeln, wir er seinen Arm hob. Er legte ihn lässig um ihre Schulter.

 

„Da haben Sie den Weg wohl umsonst gemacht, Mr Wickman.“, erklärte er kühl.

 

„Kein Weg ist umsonst, Mr Malfoy. Es ist auch nicht mein letzter Besuch in dieser Einrichtung.“ Immer noch grinste er. „Ich werde gehen, wenn Sie keine Fragen mehr haben und alles in Ordnung ist.“ Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Sie können gehen.“ Wickman nickte.

 

„Wiedersehen, Ms Granger, Mr Malfoy.“

 

Florina kam auf den Flur.

 

„Wer war der Mann? Oh, guckt mal, Draco umarmt Miss Hermine!“ Ginny war eine der ersten, die auf den Flur rannte. Malfoy entfernte seinen Arm, als hätte er sich verbrannt. „Seid ihr jetzt zusammen?“

 

„Nein.“, erklärte Hermine wütend.

 

„Aber er hat dich umarmt.“, triumphierte Florina.

 

„Geh wieder rein, sonst kriegst du keine Marmelade.“, erklärte sie streng. Dieser Drohung kam Florina schnellsten nach. „Zeig mir deinen Daumen.“, verlangte sie jetzt. Widerwillig zeigte er seine Hand. „Malfoy, ich werde dich jetzt anfassen. Versuch nicht zu fluchen und versuch mich nicht zu verletzten.“ Sie sagte es leise, aber sie wusste, er verstand.

 

„Ich versuche, mich nicht zu übergeben, Granger.“, sagte er kalt.

 

„Wie nett.“ Sie ergriff seine Hand. Sie war warm. „Ich krempel den Ärmel hoch. Sonst beschädige ich noch dein teures Hemd.“, spottete sie. Kurz zuckte seine Hand in ihrer als sie den Ärmel nach oben schob.

 

Für einen Moment betrachtete sie die dunkle Schlange auf seinem Unterarm. Das Tattoo war größer als sie angenommen hatte. Es hatte etwas Betörendes. Etwas Dunkles, das sie nicht ganz bestimmen konnte. Fast wäre sie mit dem Finger über die dunklen Konturen gefahren. Dann ging ihr auf, dass sie seinen Arm anstarrte.

 

„Fertig, Granger?“, fragte er leise. Sie hob den Blick. Kurz trafen sich ihre Augen. Es war ein seltsamer Moment. Er war ein Todesser. Manchmal vergaß sie das. Manchmal hielt sie ihn nur für einen gewöhnlichen Mistkerl, aber das stimmte wohl nicht.

 

Sie sprach die Formel und die Wunde an seinem Daumen verschloss sich schnell. Sie ließ hastig seine Hand los.

 

„Ok. Wir werden jetzt Devons Geburtstag feiern.“ Sie wandte sich hastig ab und ging vor ihm in den großen Raum.

 

 

 

Teil 8

 

Und zum ersten Mal wollte sie nicht aufstehen, wollte nicht zur Arbeit gehen. Es war wohl auch das erste Mal in den sechs Jahren, dass sie es wirklich für Arbeit hielt. Sie starrte an ihre Decke. Die brauchte auch mal Arbeit. Zahlreiche Risse zogen sich bis zur Wand.

 

Sie wollte nicht raus, wollte nicht in die Magic-Corner, denn über der lag ein dunkler Schatten. Fünf Tage waren doch eine sehr lange Zeit. Sie wollte ihn nicht sehen, wollte nicht seine schlechte Laune ertragen müssen. Sie wollte ihre Wut nicht an den Kindern auslassen oder an Ginny.

 

Aber sie musste dort hin. Oder?

 

Es war Freitag. Sie könnte auch einfach krank machen. Ginny und Malfoy waren da. Sie konnten zu zweit fünfundzwanzig Kinder hüten. Sie schloss die Augen. Sie hasste ihn dafür, dass er ihre Arbeit zur Hölle werden ließ.

 

Sie erhob  sich plötzlich, denn sie hörte Ginny aus dem Kamin.

 

„Hermine!“

 

Sie kniete sich vor den Kamin. „Was ist los?“, fragte sie verschlafen. Ginny sah furchtbar aus. Sie war blass und schien sich nicht richtig halten zu können.

 

„Hermine, ich glaub ich hab mir Grippe eingefangen oder so. Mir geht’s nicht gut. Ich werd heute nicht kommen.“ Oh nein. Das hieß, sie musste gehen.

 

„Ok… Trink viel Tee und halt dich warm. Ich komm heute Abend vorbei.“ Aber nein, das ging gar nicht. Heute saß sie ja gefangen bei Lavender und Dean. Mist.

 

„Nein, Hermine. Ich will nicht, dass du dich ansteckst, ok? Das wäre wirklich schlecht. Ich habe Lisa angerufen, aber die kann heute nicht kommen. Du bist mit Malfoy also allein. Denkst du, das geht?“

 

Nein, nein! Ganz bestimmt nicht. Es ging überhaupt nicht!

 

„Jaah.“, sagte sie lahm.

 

„Gut, ich melde mich morgen, ok?“

 

„Ja, ok. Grüß Harry. Und streng dich nicht an.“, fügte sie lahm hinzu. Ginny zog den Kopf aus den Flammen. Jetzt musste sie da wieder hin. Oh Gott! Sie durfte nicht zulassen, dass dieser Mann ihr ihre Arbeit versaute. Es war das einzige, was ihr wirklich Freude bereitete. Draco Malfoy schaffte es wirklich, alles zu zerstören. Sie hasste ihn.

 

 

~*~

 

 

 

Sie war nicht da. Nervös wanderte sein Blick durch den Raum. Es wurden immer mehr Kinder, die ihn anstarrten. Wie sollte er für fünfundzwanzig Kinder Frühstück machen? Wo war die kleine Weasley, und wo zum Teufel blieb Granger? Erlaubte sie sich hier einen kranken Scherz?

 

„Draco, ich hab Hunger.“

 

„Ja, ich weiß Scorpio, aber ich bin hier allein.“, knurrte er. Die anderen Kinder sahen unzufrieden aus. „Ok, hört zu!“, rief er über ihre Köpfe.

 

„Normalerweise müsst ihr das nicht machen, aber heute gibt es neue Regeln. Jeder holt sich einen Stuhl und stellt ihn an den Tisch. Ich hole Das Geschirr. Und dann kommt jeder mit in die Küche und bekommt seinen Teller in die Hand.“, beschloss er einfach und ging vor.

 

Tatsächlich befolgten die Kinder seinen Befehl. Sie wirkten ganz aufgeregt, als sie sich in einer Schlange vor die Küche stellten.

 

„Das haben wir noch nie so gemacht.“, bemerkte Florina jetzt.


„Tja, gewöhn dich dran.“, gab er zurück, als er ihr ihren Teller mit einem Brötchen gab.

 

„Kann ich neben dir sitzen, Draco?“, fragte sie jetzt. Er nickte nur.

 

„Sicher, das tust du ja sonst auch.“ Sie lächelte. Er verteilte alle Teller, balancierte die vielen Töpfe Butter, Käse und Wurst auf seinen Armen und lief hinter den Kindern her.

 

Devon hatte seinen Teller fallen gelassen und weinte jetzt, aber Draco sammelte hastig die Scherben ein, erklärte ihm, dass alles in Ordnung sei und holte einen neuen Teller. Und ein Muggelkehrblech. Was für eine furchtbare Arbeit. Er hatte schon von seinem Zauberstab geträumt!

 

Er war auch bereit daran zu glauben, dass dieser Traum gleichzeitig als Phallus-Traum zu zählen war. Sexuell gesehen war er ein Wrack geworden, verflucht noch mal.

 

Nach zwanzig Minuten saß jedes Kind. Verschiedene Becher mit Tee und Milch waren schon umgekippt und Draco kam überhaupt nicht dazu, sich hinzusetzen.

 

Und endlich kam sie!

 

„Oh.“, sagte sie überrascht.

 

„Granger, wie nett, dass du auch kommst. Da liegen Scherben und da tropft Milch vom Tisch. Sei so gut und mach das weg. Ich muss eben…“ Er wusste nicht mehr genau, was er wollte, aber es war in der Küche.

 

Kaffee. Richtig. Wahrscheinlich wollte sie auch welchen. Sie wusste, sie mochte ihn, denn seit er hier war, machte sie keinen Kaffee mehr. Er füllte zwei Becher und eilte zurück. Sie stand immer noch in der Tür und begrüßte die Kinder.


„Hier.“, sagte er und sprang hastig nach vorne. Er fing Devons Becher auf, allerdings schwabbte der Tee auf den Boden.

 

„Mist.“, murmelte er. Er seufzte. Ok. Lappen. Wo?

 

„Malfoy, hier.“ Sie reichte ihm ihren Zauberstab. Er fixierte ihn argwöhnisch.


„Soll das ein Witz sein Granger?“, erkundigte er sich, immer noch auf der Suche nach dem Lappen.

 

„Es ist ein kleiner Zauber. Das Ministerium wird es nicht bemerken. Ich muss ins Büro. Der Kamin…“ Er konnte nicht sagen, woher sie wusste, dass jemand im Kamin war, aber ergriff ihren Zauberstab. Sie hatte sich abgewandt.

 

Er holte tief Luft. Wortlos reinigte er den Boden, ließ die Scherben verschwinden und lächelte zum ersten Mal. Gott, wie hatte er es vermisst!

 

„Seht mal, Draco kann ja doch zaubern. Ich dachte schon, du bist ein Nuggel.“, lachte Charles. Draco verzog den Mund.

 

„Es heißt Muggel, und nein, natürlich bin ich kein Muggel.“, fügte er leiser hinzu.


„Ich bin Muggel.“, erklärte ein Mädchen. Muggel können auch zaubern.“, fügte sie hinzu, als ob es jemand anzweifeln wollte. Er hätte nicht gedacht, dass Elly Walsh ein Muggel war. Er hatte sie schon vor Tagen bemerkt. Sie war das einzige Mädchen, was sich nicht in ihn verliebt hatte. Das schien hier wohl so zu laufen, mit Muggelmädchen, fügte er in Gedanken hinzu.

 

Granger kam aus dem Büro.

 

„Deine Eltern sind wieder da.“, sagte sie knapp, ehe sie sich setzte.

 

Seine Eltern? Ein Wunder, dass sie überhaupt noch wieder kamen. Er hatte sie jedenfalls nicht vermisst. Aber er wusste, sein Bruder sah das anders. Es war verrückt, wie unterschiedlich die Malfoys sein konnten. Seine Kindheit war… furchtbar gewesen.

 

Und Scorpio? Er war… er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte. Wenn er seine Eltern mit ihm sah, dann… Sie waren anders. Scorpio hatte keine Angst vor Lucius. Und Draco wusste nicht, wie er sich nicht fürchten konnte.

 

Natürlich war seine Angst jetzt auch nicht mehr vorhanden. Sein Vater konnte ihn nicht mehr einschüchtern. Aber trotzdem wusste er, er würde sich vor seinem Vater rechtfertigen müssen, weshalb er in einer Betreuung für Kinder arbeiten musste.

 

Dann würde Lucius ihm vorwerfen, er würde nichts mit seinem Leben anfangen und den guten Namen ruinieren und dann würde er schreien und seinem Vater sagen, dass er sich aus seinem Leben raushalten solle, und dann würde er einen Monat nicht mehr zu Besuch kommen.

 

Er seufzte. Er hatte das Gefühl, er hatte kein Leben mehr. All diese Kinder, die ihm den Nerv raubten und Granger, die er nicht leiden konnte. Es war als müsste er in seiner persönlichen Hölle arbeiten. Das schlimme war, er gewöhnte sich langsam an seine schlechte Laune, an das frühe Aufstehen, an die vielen Kinder, die alle mit ihm spielen wollten, obwohl er nie ein freundlicher Mensch gewesen war.

 

„Draco?“

 

„Ja?“, sagte er mechanisch.

 

„List du mir noch mal das Nuggelbuch mit den Dinosaren vor?“ Seine Mundwinkel zuckten. Granger hatte zwischen den magischen Märchen natürlich auch Muggelbücher platziert. Er nickte.

 

„Dinosauriern, Michael.“, korrigierte er die Grammatik des Jungen.

 

 

~*~

 

 

Anscheinend war die kleine Weasley krank. Granger hatte nichts gesagt, aber sie war immer noch nicht da und es war schon nach drei. Immer noch hatte er ihren Zauberstab. Er wollte ihn auch gar nicht wieder geben.

 

Aber er konnte ihn nicht mitnehmen.

 

„Draco?“ Sein Bruder sah ihn an. „Baust du die Burg?“ Draco erhob sich und legte Michael auf die Kissen neben sich. Er war beim Lesen eingeschlafen. Draco wusste jetzt fast alles auswendig, was es über Eier legende Riesenexen zu wissen gab. Informativ dieses Vorlesen.

 

„Ich könnte mir nicht Besseres vorstellen, Kleiner.“, sagte er. Scorpio sah ihn kurz an. Dann lachte er.

 

„Ja!“ Er reckte die Faust in die Luft. „Jungs, mein Bruder kommt. Der baut die beste Burg.“

 

 

 

„Scorpio?“ Er zuckte zusammen, als er die Stimme hörte. Es war also Zeit. Er erhob sich aus der Bauecke. Dabei waren sie erst gerade mit der weltbesten Burg fertig geworden. Den anderen Jungen hatte er erklärt, wie das Dach am besten gebaut wurde, damit die Steine zur gleichen Zeit die Farbe wechselten.

 

Sein Vater sah ihn argwöhnisch an.

 

„Draco? Was tust du hier? Wolltest du etwa deinen Bruder abholen?“ Als ob seine Eltern Scorpio jemals abholen würden. Seine Mutter hatte Scorpio bereits in die Arme gezogen.

 

„Mein kleiner, blonder Engel!“, rief sie glücklich. Draco versuchte sich diese Erinnerung ins Gedächtnis zu rufen. Hatte sie ihn je so genannt? Hatte sie ihn je so umarmt? Neid war eine schlimme Sache.

 

„Ich… arbeite hier, Lucius.“, erklärte er knapp.

 

„Was?“, zischte sein Vater, aber Draco wollte es jetzt nicht erklären.

 

„Vater!“ Seine Mutter hatte Scorpio wohl entlassen. Und es war unglaublich. Lucius‘ Wut verrauchte augenblicklich und ein Lächeln erhellte seine Züge und er sah fast so jung aus, wie Draco ihn noch in Erinnerung hatte.

 

„Mein Sohn! Ich habe dich sehr vermisst.“ Er hob ihn auf den Arm. Draco war, als legte sich eine kalte Hand um seinen Hals. „Draco, wir sprechen noch darüber.“, murmelte sein Vater.

 

„Mr Malfoy, Mrs Malfoy. Ich hoffe, Ihre Reise war angenehm. Scorpio ist ein lieber Junge.“ Ihre Stimme leierte. Was war mit ihr überhaupt los? Sie war gar nicht mehr so euphorisch. Sie hatte ihn heute nicht einmal mehr angeschrieen. Eigentlich hatte er sie heute überhaupt nicht gesehen, wenn er richtig überlegte.

 

„Ms… Granger, richtig?“ Lucius war ein Arschloch.

 

„Ahem, ja.“

 

„Wir müssen auch los.“, erklärte Lucius knapp.

 

„Was machst du hier, Draco? Wolltest du Scorpio abholen? Wie nett von dir.“ Die Worte seiner Mutter klangen kaum aufrichtig.

 

„Nein, Narzissa, anscheinend arbeitet Draco hier.“ Seine Mutter verzog den Mund.

 

„Was? Wieso sollte er?“, flüsterte sie schockiert. Draco seufzte.

 

„Ich habe mich an meinem Geburtstag daneben benommen und das ist meine Strafe.“ Lucius‘ Augen verengten sich zornig.


„Was? Das ist nicht dein Ernst, Draco!“ Seine Stimme kühlte um einige Grad ab. Aber er schrie nicht. Nein, sein kleiner Goldschatz saß ja auch auf seinem Arm.

 

„Draco, kommst du heut Abend?“, fragte Scorpio, der den Stimmungswechsel nicht mitbekommen hatte.


„Nein, Draco kann heute nicht.“, erwiderte sein Vater für ihn.


„Oh.“

 

„Wir gehen. Narzissa, komm.“ Er verabschiedete sich weder von ihm, noch von Granger. Scorpio winkte leicht.

 

Sie waren verschwunden. Er seufzte.

 

„Du kannst gehen. Ich mach gleich zu.“, sagte sie kurz angebunden. Ja, er konnte gehen. Er hatte hier nichts verloren. Und Zuhause hatte er auch nichts verloren, und in seiner Wohnung wohnte er auch nicht wirklich.

 

Die letzten Eltern verließen das Haus.

 

Er setzte sich auf die kleine Bank in den Flur und vergrub den Kopf in seinen Händen. Endlich war Wochenende. Aber das würde ihm sein Vater zu versauen wissen, nahm er an.

 

„Ich hab gesagt, du kannst gehen, Malfoy.“, sagte sie ausdruckslos.

 

„Ja, ich gehe ja schon, verflucht noch mal.“ Er erhob sich schwer. Er erwiderte ihren Blick. Er konnte ihn nicht wirklich deuten. „Verschon mich, Granger.“ Er hatte keine Lust, dass sie sich darüber lustig machte, wie sein Vater mit ihm umging.

 

„Lass mich in Ruhe. Verschwinde einfach.“ Sie wandte sich ab. Sie wirkte müde. Und sie ging zurück in den leeren Hauptraum. Alles fühlte sich scheiße an. Er wollte nicht, dass sie ihn verurteilte. Als wäre sie etwas Besseres!

 

Er folgte ihr. Sie setzte sich auf eines der großen Kissen. Dort lag noch das Dinosaurierbuch. Sie nahm es in die Hände, ohne es anzusehen.


„Granger…“, begann er, aber sie blickte aus den Fenstern.

 

„Malfoy, es ist Freitag. Die Woche ist jetzt vorbei und ich möchte dich wirklich nicht mehr sehen.“

 

„Glaub mir, ich will dich auch nicht sehen.“, erwiderte er.

 

„Was willst du dann von mir?“ Jetzt sah sie ihn an. Ernst und erschöpft. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder.

 

„Nichts.“, sagte er schließlich. Er hielt inne und zog den Zauberstab aus seiner Tasche. „Hier.“ Er legte ihn auf den Tisch, als sie nicht reagierte. Und irgendwas in seinem Innern hätte sie gern gefragt, was passiert sei, aber er fragte nicht.

 

Er rührte sich jedoch nicht.

 

„Worauf wartest du, Malfoy?“, fragte sie trocken. Er war zu müde, um sich zu streiten.

 

„Auf gar nichts, Granger.“

 

„Dann geh endlich!“ Ihre Stimme wurde lauter.

 

„Wirfst du mich raus?“


„Ja, ich werfe dich raus.“ Sie hatte sich erhoben. Sie funkelte ihn zornig an, die braunen Augen dunkel vor Wut. Einzelne Strähnen fielen in ihre Stirn. Nach einer gewissen Zeit hielten sie nicht mehr in ihrem Zopf. Draco fand, sie sah sowieso besser aus, wenn sie die Haare offen trug. … - Wenn sie überhaupt gut aussah.

 

„Was hab ich dir getan?“ Er runzelte die Stirn. Sie war wie eine tickende Zeitbombe.

 

„Was? Fragst du das wirklich?“ Jetzt schrie sie. „Verschwinde endlich! Du versaust mir sowieso jede Sekunde hier. Jetzt ist Freitag. Jetzt habe ich zwei Tage Ruhe. Also, hau ab!“

 

Er starrte sie an. Sie konnte sich hinten anstellen, in die Schlange der Leute, die glaubten, er versaue den Tag. Er vermisste Scorpio. Denn er warf ihm niemals vor, er versaue den Tag. Tatsächlich mochte ihn sein Bruder, wie eklig er sich auch ihm gegenüber verhielt. Eigentlich hatte er es nicht verdient.

 

„Manchmal hasse ich es, dass er mein Bruder ist.“, sagte er abwesend. „Manchmal wünschte ich, er wäre mein Sohn. Dann müsste er nicht zu Lucius.“ Seine Stimme klang bitter. Jetzt hatte er es gesagt. Es war ungerecht, dass Lucius die Liebe bekam, die er überhaupt nicht verdient hatte. Aber gut, er selber hatte sie nun auch nicht verdient. Er war neidisch auf Scorpio, weil er richtige Eltern hatte. Und er war neidisch auf Lucius, weil er einen Sohn hatte, der ihn liebte.

 

Er hatte niemanden. Nicht mehr.

 

„Was?“ Erst jetzt registrierte er, dass sie ihn ja hören konnte. Er war schon ganz neben sich.

 

„Nichts.“, knirschte er bitter. „Vergiss es.“

 

„Du magst deinen Bruder also doch.“, sagte sie leise. Er lachte.

 

„Was denkst du? Dass ich meinen eigenen Bruder hassen würde?“ Sie sah unschlüssig aus. Anscheinend sah es für manche tatsächlich so aus. „Ach, und die Beleidigung tut mir wirklich leid.“, fügte er unwirsch hinzu.

 

„Welche?“, fragte sie jetzt spöttisch. Kurz hoben sich seine Mundwinkel.

 

„Ich habe es Scorpio erklärt. Und ich habe ihm gesagt, dass es Unrecht ist, jemanden nach seinem Blut zu verurteilen, aber ich glaube nicht, dass er diesen Unsinn sowieso verstanden hat.“ Er fuhr sich über die Stirn und durch die hellen Haare. „Also, schönes Wochenende, Granger.“

 

„Danke.“, sagte sie etwas perplex. Was war los mit ihm? Anscheinend machte ihn die Müdigkeit handzahm. Wahrscheinlich sprach gerade sein Schwanz, der ihm signalisierte, dass Granger ein Mädchen war.

 

Er ließ sie allein. Das war es schließlich, was sie wollte. Er hatte auch genug von ihr. Sie schien auf ihn abzufärben. Er wurde freundlicher. Ohne, dass er es verhindern konnte. Vielleicht lag es auch nicht an ihr, sondern an diesen Kindern, die einfach vollkommen lieb und unschuldig waren. Sie machten es schwer, sein gewöhnliches Misstrauen und seinen üblichen Hass aufrecht zu erhalten.

 

 

Teil 9

 

 

Der Abend bei Lavender war unspektakulär verlaufen. Sie war auch ziemlich verwirrt wieder gegangen. Sie bekam ihn nicht aus ihren Gedanken. Sie konnte nicht anders, als immer wieder darüber nachzudenken, ob er ihr vielleicht leidtun könnte.

 

Sie war Hermine Granger. Sie war nicht böse. Sie war nicht nachtragend bis zum Tod. So war sie nicht. Und sie konnte nicht verhindern zu überlegen, dass es für Malfoys Verhalten einen Grund gab.

 

Er hatte wahrscheinlich nicht umsonst die Fenster kaputt geworfen.

 

Hatte er denn wirklich niemanden? Das glaubte sie nicht. Er hatte doch seine alten Freunde. Pansy und Goyle. Zabini und dieses ganze Slytherin Pack. So war es doch. Er war nicht allein.

 

Aber war das wirklich die richtige Gesellschaft? Und er entschuldigte sich tatsächlich dafür, sie beleidigt zu haben? War das Scorpios Einfluss?

 

War das gut oder schlecht? Sie hatte keine Ahnung. Sie wollte auch nicht darüber nachdenken, denn je mehr sie über Draco Malfoy nachdachte, umso verrückter kam sie sich im Endeffekt vor.

 

Was machte sie sich überhaupt Gedanken? Es war seine eigene Schuld, wenn er sein Leben nicht in den Griff bekam. Vielleicht brauchte er… einfach einen Job. Einen richtigen Job. Sobald er seine Arbeit geleistet hatte. Aber es war nicht ihre Sache, sich darum zu kümmern. Wessen Sache war es? Malfoys Sache. Klar. Aber er schaffte es ja anscheinend nicht.

 

Sie war wütend auf sich selbst. Jetzt saß sie hier und dachte über Jobmöglichkeiten für Draco Malfoy nach. Es war ja nicht so, dass er keinen Job bekommen könnte. Er hatte schließlich sehr gute Noten gehabt.

 

Anscheinend wollte er keinen Job annehmen. Aber warum nicht? War er faul? Definitiv. Ja. Und er war verwöhnt. Und eigentlich konnte sie ihn wirklich nicht leiden. Dass er einmal einen Absturz hatte, und seine Fehler bereute hieß nicht, dass er jetzt auf einmal geläutert war.

 

Sie seufzte.

 

Nein, sie musste damit aufhören. Sie würde sich ganz bestimmt nicht um Draco Malfoy kümmern. Sie konnte sich schon denken, wie er es auffassen würde. Er würde sie beschimpfen und ihr sagen, dass sie sich aus seinen Angelegenheiten raushalten sollte.

 

Und das würde sie auch tun. Sie würde sich raushalten.

 

Punkt. Aus. Ende.

 

 

~*~

 

 

„…Und deshalb habe ich diese Sachen für dich gefunden.“ Ihre Stimme klang fast schon ärgerlich. Er hielt noch immer seine Tür in der Hand und starrte sie an. Sie wedelte mit dem Ordner vor seinem Gesicht, als wolle sie Fliegen verscheuchen.

 

„Granger, was tust du hier? Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte er verschlafen und fuhr sich müde durch die hellen Haare.

 

„Es ist doch so: Ich denke, du tust nur so. Oder es ist irgendein seltsamer Schrei um Hilfe, Malfoy. Also, bitte. Ich biete dir Hilfe. Du kannst ja nicht völlig unbegabt sein. Außerdem öffnet dein Name ja bekanntlich viele Türen.“

 

Sie wich seinen Fragen aus.

 

„Es ist halb zehn.“, sagte er, aber anscheinend war ihr das egal.

 

„Also, was denkst du? Ich habe die Sachen raus gesucht, die… na ja… sie sind jetzt nicht so lukrativ wie… hier rumzusitzen und das Geld von deinem Vater zu bekommen, aber es sind anspruchsvolle Sachen dabei. Das Ministerium würde dich sicher nehmen. Da wären dann noch Geldgeschäfte, Gringotts, zum Beispiel. Ich denke, die wären begeistert.“ Sie durchsuchte den Ordner.

 

„Hier sind einige Daten zu Quidditchmannschaften in der Umgebung, obwohl ich nicht denke, dass du das wirklich in Erwägung ziehst. Es ist gut für Ron, aber… na ja, es ist nichts richtiges, weißt du?“

 

Er holte Luft, aber sie hatte wohl nicht vor, allzu bald aufzuhören zu sprechen.

 

„Außerdem denke ich, zählt ja eher die Absicht. Im Moment weiß ich nicht, wonach du suchst, deswegen habe ich einfach mal grob alles hier rein gepackt.“ Sie wedelte wieder mit dem Ordner. „Also?“

 

Anscheinend durfte er jetzt sprechen.

 

„Du willst mir einen Job suchen?“, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach, weil ihm absolut nicht aufging, was das alles sollte.

 

„Ja, ich weiß. Ich habe einkalkuliert, dass du schreien wirst, dass du mich demütigen wirst, dass du dich lustig machen wirst über mein ständiges Verlangen, Menschen zu helfen – Menschen, die es eigentlich nicht nötig haben, oder nicht verdienen, oder was auch immer.“ Sie bekam rote Flecken und schüttelte rigoros den Kopf. Sie trug die Haare heute offen.

 

„Aber ich sehe es so: Wenn dir keiner helfen will, und du hast Hilfe dringend nötig, dann kann ich mich anbieten. Denn es stört mich unheimlich, dass ich sehe, wie… furchtbar die Welt anscheinend für dich ist – auch wenn du keinen Grund hast.“ Er öffnete den Mund. Sie hob abwehrend die Hand.


„Und bevor du schreist, will ich nur sagen, ich tue das bestimmt nicht, weil ich dich leiden kann oder weil du ein guter Mensch bist oder weil es sonst nichts gibt, was ich tun könnte, ich tue es, weil es eben in meiner Natur liegt. Also, sei kein Idiot und stoß einmal nicht deine Gegenüber vor den Kopf!“

 

Sie sah ihn wütend an, als hätte er sie so eben beleidigt.

 

„Woher weißt du, wo ich wohne?“, wiederholte er verwirrt seine Frage.

 

„Die Auskunft hat es mir gesagt.“, sagte sie kopfschüttelnd, als hätte er eine besonders lächerliche Frage gestellt.

 

„Und… wieso…? Wieso tust du das?“ Vielleicht träumte er. Es war surreal. Wirklich.


„Was? Das habe ich dir doch gerade erklärt.“ Sie wirkte gereizt. War sie gereizt, damit sie es besser ertragen konnte, wenn er sie auslachte? Aber eigentlich war ihm nicht nach lachen zu mute. Granger stand vor seiner Tür und wollte ihm helfen. Warum auch immer.

 

„Du willst mir helfen, einen Job zu finden, damit ich…?“ Er sah mit großen Augen an. Sie sollte diesen Satz bitte für ihn beenden, denn warum sie das alles tat, war ihm nicht klar. Und sie tat ihm diesen Gefallen.

 

„Damit du nicht alleine in der Wohnung sitzt, dich sinnlos betrinkst, Leute anpöbelst und dich selbst bemitleidest, Malfoy. Wenn du nicht zufrieden bist, dann musst du dein Leben ändern.“

 

„Und ein Job ändert mein Leben?“ Er schüttelte langsam den Kopf.

 

„Sicher tut er das. Du willst doch nicht ewig von deinem Vater Geld nehmen?“ Anscheinend verstand sie nicht, dass er das Geld sowieso bekam. „Außerdem kommst so mal raus, in andere… Bereiche. Und vielleicht lernst du da… Menschen kennen, Mädchen. Du heiratest, gründest eine Familie.“, zählte sie auf.

 

„Das heißt, du willst nicht nur einen Job für mich finden, sondern auch eine Frau? Vielleicht noch ein nettes Landhaus, einen Labrador, einen weißen Gartenzaun?“ Er konnte kaum fassen, dass sich Granger in sein Leben einmischte.

 

„Malfoy, sieh dich an! Ich denke, es würde dir gut tun. Du bist längst nicht mehr so… widerlich… wie ich dich in Erinnerung habe.“ Das war ein ziemliches schlechtes Kompliment.


„Ich denke, ich kann mich selbst um mein Leben kümmern.“, sagte er jetzt. Er hatte noch nicht einmal Kaffee gehabt. Sie musterte ihn mit einem eindeutigen Blick. „Und selbst wenn nicht, wieso sollte ich dich um Hilfe bitten?“

 

„Ich weiß, du hast ein ziemlich großes Problem mit deinem Stolz und deinem Ego, deswegen bin ich hier. Du musst nicht bitten. Du musst dich nicht einmal bedanken. Lass dir einfach helfen, verflucht noch mal!“ Jetzt war sie richtig wütend. Dabei hatte er allen Grund ihre Hilfe abzulehnen. Er war erwachsen, er brauchte sie nicht als seinen Life-Coach.

 

„Granger… vielleicht solltest du dir ein Hobby suchen. Einen Hund, eine Katze, eine Zimmerpflanze, vielleicht fängst du an Frauenromane zu schreiben, oder du beobachtest Vögel.“, schlug er vor, denn er bezweifelte, dass sie noch bei Verstand war. Oder sie suchte sich einen Freund, fügte er in Gedanken hinzu.

 

„Du lehnst also meine Hilfe, ohne dir die Sachen angesehen zu haben?“, fragte sie herausfordernd.

 

„Wenn ich einen Job will, dann werde ich mich schon selber darum kümmern.“, erwiderte er gereizt.

 

„Schön.“ Anscheinend hatte sie sowieso mit seiner Ablehnung gerechnet. Sie knallte den dunklen Ordner auf seine Fußmatte und machte auf dem Absatz kehrt.

 

Er sah ihr nach, bis er unten die Tür gehen hörte und bückte sich nach dem Ordner. Er blätterte durch die Seiten. Sie hatte Anzeigen ausgeschnitten, hatte alles katalogisiert und alphabetisch abgeheftet, hatte Telefonnummern an die Seiten geschrieben und handgeschrieben Notizen zu den verschiedenen Unternehmen und Arbeiten gemacht.

 

Und es war tatsächlich von A bis Z alles drin. Er hatte hier Informationen über drei Reiseagenturen in London, über eine Zoohandlung exotischer Tiere, Anmeldeformulare für Hogwarts für einen Lehrstuhl in den Fächern Zaubertränke und Sport. Er konnte sich bei Gringotts bewerben, anscheinend suchten sie noch einen Goldsucher, so entnahm er es jedenfalls ihren Notizen, und er konnte sich auf mehrere Beamtenpositionen im Ministerium bewerben.

 

In der Strafverfolgung, Rechte für magische Wesen, magische Rechtsabteilung und die Abteilung für magisches Baurecht.

 

Auf den letzten Seiten standen zwei Versicherungen, die noch Aushilfen suchten. Dort hatte sie das Wort temporär neben geschrieben. Dann standen dort mehrere Nummern zu verschiedenen Ministerien in anderen Ländern, wo er als Botschafter tätig werden könnte.

 

Außerdem noch regionale Quidditchteams, die zwar nicht suchten, aber bei denen er vorfliegen könne, und die Nummern hatten sie an die Seite geschrieben. Auch die Namen der Kapitäne.

 

Er hob den Blick. Er konnte sich denke, dass sie das Mühe gekostet hatte. Ziemlich viel Mühe sogar. Aber er wusste nicht, weshalb sie das getan hatte. Wieso wollte sie ihm unbedingt helfen? Ihm? War das wirklich ihre Natur?

 

Selten konnten ihn Menschen noch überraschen. Aber das hier, das war so ziemlich die größte Überraschung des Jahrhunderts.

 

Ein Zettel rutschte aus dem Ordner. Dort hatte sie nur einen Namen und eine Telefonnummer, scheinbar in Eile, drauf gekritzelt. Allerdings erweckte dieser Zettel tatsächlich seine Neugierde.

 

 

~*~

 

 

Es war noch früh. Sie war eher gekommen, denn sie hatte nicht mehr schlafen können. Hektisch räumte sie Stühle in eine andere Ecke. Sie hatte auch von der Dekoration genug. Sie würde die Kinder heute etwas Neues basteln lassen.

 

Lautlos war der Elf erschienen. Sie wandte sich erschrocken um, als er sprach.

 

„Guten Morgen. Ich bringe Master Scorpio und hole ihn um fünf.“ Damit verschwand der Elf.

 

„Ms Hermine! Ich habe mich schon gefreut! Du nimmst ja die Tiere ab.“, stellte er erschrocken fest. Seine grauen Augen blickten sie bestürzt an.

 

„Oh, Scorpio, weißt du, ich denke, die hängen da lange genug. Wir basteln heute etwas neues, ok?“


„Was denn?“ Er klang skeptisch und verzog den Mund wie sein Bruder.

 

„Na ja… wie wäre es mit Clowns?“, fragte sie. Er runzelte die kleine Stirn.

 

„Klauns?“, fragte er. „Wie aus dem Zirkus?“ Sie lächelte.

 

„Ich habe bestimmt ein Buch, da können wir dann welche abmalen.“

 

„Ich mag Klauns. Die sind lustig. Vater mag den Zirkus nicht. Es ist ihm zu laut. Aber ich mag das. Draco war mit mir da.“ Er nickte wichtig. „Wo ist Draco?“ Hermine war sich nicht sicher, ob er kommen würde. Er musste zwar, aber es handelte sich um Malfoy. Zu den Treffen der Vertrauensschüler war er auch nie gekommen.

 

Aber ihre Sorge war unbegründet, denn er kam bereits durch die Tür. Und nicht nur das. Er lächelte, er war wach und er sah unverschämt elegant aus. Dabei trug er wieder die zerschlissene Jeans. Irgendwas war anders. Sie mied seinen Blick.

 

„Hey, Scor!“ Er hob seinen Bruder auf die Arme.


„Draco! Du warst gar nicht Zuhause.“ Er zog eine Schnute. Malfoy lachte laut. Es klang angenehm.

 

„Nein, aber das hole ich nach. Ich muss mit Lucius sprechen.“

 

„Oh nein. Du schreist doch nicht wieder?“ Der Junge schien besorgt zu sein.

 

„Nein. Werde ich nicht. Hör zu, wieso gehst du nicht schon mal Hände waschen? Dann musst du es gleich nicht tun.“ Scorpio flitzte aus dem Zimmer. Großartig. Jetzt war sie hier mit ihren peinlich roten Wangen allein mit ihm.

 

„Rate, was ich gemacht habe, Granger?“ Er lächelte immer noch. Völlig charmant. Sie bekam Angst.

 

„Ich… weiß nicht.“, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Sie begann die Tiere von den Fenstern zu nehmen. Sie und Ginny hatten sie nachträglich verhext, damit sie nicht so langweilig waren. Der gezeichnete Löwe, leckte sich gerade über die Pfote, als sie ihn abnahm.

 

„Ich hab mich beworben.“, erklärte er gelassen. Sie vergaß, dass sie böse war und ihn eigentlich nicht ansehen wollte.


„Du hast…? Wo?“, fragte sie erfreut, und er grinste.

 

„Ich sage es dir, wenn sie mich annehmen.“ Unvermittelt streckte er ihr seine Hand entgegen. „Danke, Granger.“ Sie betrachtete sie kurz, ehe sie ihm ihre Hand reichte. Wieder merkte sie, wie warm seine Haut war. Ihre Finger waren meistens kalt.

 

„Keine Ursache.“

 

„Wenn das alles klappt, dann… habe ich dir viel zu verdanken.“

 

„Schon gut.“ Es war ihr wirklich mehr als peinlich. Vor allem kam sie sich hässlich und nichtssagend neben dem schlanken, schönen Draco Malfoy vor. „Ich… muss ins Büro. Empfang die Kinder, wenn sie kommen.“ Sie verließ den Raum.

 

Er hatte es sich also doch zu Herzen genommen. Und er hatte ihr gedankt! Sie fühlte sich leichter als sonst. Es war lange her, dass sie mal etwas Gutes für jemand anders getan hatte. Die Kinder mal ausgenommen. Es war lange her, dass sie überhaupt mit einem Erwachsenen zu tun hatte. Ohne Kinder.

 

Gerade als sie sich gegen die Tür lehnte, erschien Ginnys Kopf im Kamin. Sie hatte sich das Wochenende tatsächlich nur um Malfoys Ordner gekümmert. Sie schämte sich fast, dass sie ihre beste Freundin vergessen hatte.


„Hermine! Du glaubst es nicht! Ich habe doch gedacht, es wäre Grippe!“

 

Hermine runzelte die Stirn und ging auf die Knie.

 

„Ja? Wie geht es dir denn?“

 

„Ausgezeichnet!“, lachte Ginny. „Hermine, ich bin schwanger!“

 

Und Hermine lächelte und gratulierte ihrer Freundin. Sie sagte, das würde alles auch mehr Sinn machen, als die Grippe, und dass Ginny erst kommen sollte, wenn sie sich danach fühlte.

 

Erst als Ginny verschwunden war, verschwand auch das Lächel von ihren Lippen. Das bedeutete nämlich, dass sie übrig blieb. Ron war Vater, Harry würde Vater werden, Ginny war dann Mutter. Dean und Lavender hatten ein Kind und somit blieb sie allein.

 

Ihr wurde mit Entsetzen klar, dass sie alleine war. Sie hatte vorher noch nicht darüber nachgedacht. Nicht wirklich. Aber jetzt saß der Kloß in ihrer Kehle. Und er verschwand nicht. Sie hatte Malfoy geholfen, aber wer half ihr?

 

 

 

Teil 10

 

 

„Wie konntest du dich nur so benehmen, Draco?“ Sein Vater umrundete ihn, wie ein Beutetier. „Du bist kein Junge von der Straße. Du bist nicht einmal mehr ein Junge.“, fügte er zorniger hinzu.

 

„Die Leute können dich jetzt sehen, wie du diese niveaulose Arbeit vollrichtest.“ Draco hatte sich wirklich nur schweren Herzens dazu durchringen können hier hin zu kommen. Er hatte eigentlich nie wieder mit seinem Vater sprechen wollen, aber das war nun mal auch unmöglich.

 

„Lucius, es ist keine niveaulose Abriet.“, sagte er ruhig.

 

„Bei Merlin, hat sie dir deinen Kopf verdreht? Was gibt es niederes und undankbareres als das?“ Man sollte nicht meinen, dass der Mann vor ihm selber ein Kind hatte, das er in diese niveaulose Einrichtung schickte.

 

„Vielleicht… Menschen umbringen. Oder sich schwarze Tattoos auf die Arme stechen lassen. Oder seine Frauen mit Bediensteten betrügen…“ Seine Kühnheit überraschte ihn. Auch seinen Vater, aber diese Überraschung hielt nicht lange vor. Sie verwandelte sich schnell in Zorn.

 

„Wärst du nicht schon so alt, dann würde ich dir dafür ins Gesicht schlagen und dir Respekt lehren, Draco Malfoy.“, knurrte er. Und Draco glaubte ihm unbesehen.

 

„Aber es ist ja nur eine Arbeit, die ich machen muss. Ich habe mich beworben, Lucius.“, sagte er nun, als wäre der Moment gar nicht passiert. Lucius schien noch nicht völlig über den Schock hinweg, aber er atmete schließlich langsam aus.

 

„Wirklich? Nicht als Todesser, nehme ich an.“, erwiderte er trocken. Dracos Mundwinkel zuckten freudlos.

 

„Und ich wurde angenommen.“, setzte er schließlich hinzu.

 

„Die Tatsache, dass du es mir bisher nicht verraten hast, lässt mich sicher sein, dass es nichts von dem ist, was ich dir geraten habe, richtig? Ansonsten hättest du es wohl schon gesagt.“ Die Stimmung seines Vaters verschlechterte sich noch ein wenig.

 

„Die Fluchbanner haben mich angenommen.“, erklärte Draco. Ohne Stolz. Er war einfach nur froh darüber.

 

„Die Fluch…? Das ist keine Abteilung im Ministerium.“

 

„Ich weiß.“ Jetzt klang er stolz.

 

„Draco, das bringt dir nicht einmal ansatzweise so viel Geld, wie die Plätze, die ich für dich vorgesehen habe! Du verkaufst dich unter Wert. So weit unter Wert, dass es mich fast anwidert. Wie kannst du so dumm sein? Wer hat dir das in den Kopf gesetzt?“ Er schwieg daraufhin. Denn dann müsste er sagen, dass es Granger war, und irgendwas hielt ihn dennoch davon ab.

 

„Es ist meine Entscheidung. Es ist mein Leben, Lucius.“

 

„Das ist mir bewusst.“ Sein Vater sah aus, als wolle er ihn auf der Stelle umbringen. „Ich billige diese Entscheidung nicht, Draco.“

 

„Ja, ich weiß.“

 

„Und das ist dir gleich?“ Es war eine Fangfrage. Draco kannte dieses Spiel von seinem Vater bereits.

 

„Ja.“ Aber er hatte keine Angst mehr es zu spielen.

 

„Wenn du merkst, wie falsch deine Entscheidung war, brauchst du nicht zu mir kommen. Diese Chance hast du verspielt, Draco. Aber vielleicht hilft dir Hermine Granger ja.“ Kurz warf Draco dieser Name aus der Fassung. Was meinte sein Vater damit? Aber er zwang sich, nicht darauf einzugehen. Das war es schließlich, was sein Vater wollte.

 

„Ich denke, ich werde gehen.“, sagte er ruhig.

 

„Ja, das wäre wohl besser, ehe ich mich vergesse.“ Sein Vater fixierte ihn zornig. Draco konnte sich beinahe vorstellen, was er dachte. Er überlegte bestimmt, was er nur falsch gemacht haben könne, dass sein Sohn kein verfluchter, goldbesessener Mistkerl werden wollte.

 

„Wir sehen uns am Wochenende.“ Draco konnte es nicht erwarten, bis Scorpio endlich alt genug war zu apparieren und am Wochenende zu ihm zu kommen. Er kam nur wegen seines Bruders.

 

Seine Eltern waren nur das lästige Anhängsel, das er eben ertragen musste.

 

Aber dennoch war er als erstes hier her gekommen, als er seine Zusage bekommen hatte. Einerseits, weil er seinen Vater damit zur Weißglut treiben konnte und andererseits, weil er sonst niemanden wusste, zu dem er gehen könnte.

 

Pansy würde Lucius‘ Meinung teilen, also wieso sollte er zu ihr gehen? Und Greg schloss sich natürlich der Meinung seiner Frau an. Immer.

 

Zabini verdiente so viel Geld, dass er ihn wahrscheinlich auch ausgelacht hätte. Gut, er wusste, Granger würde sich für ihn freuen. Vielleicht sollte er zu ihr gehen? Er verzog den Mund.

 

Er musste sich dringend neue Leute suchen. Sonst würde er noch ein Muggelfreund werden. Er machte sich da eigentlich auch nichts mehr vor. Er sah mittlerweile schon fast keinen Grund mehr, Granger zu beleidigen. Wenn, dann nur aus sportlichen Gründen. Und vielleicht, weil sie wirklich nervig war mit ihrer ewigen Weltverbesser-Art.

 

Aber… er fühlte sich so gut, wie schon lange nicht mehr. Er konnte sich gar nicht erinnern. Siebenundzwanzig kam ihm gar nicht mehr besonders alt vor. Eigentlich war es gar nicht alt. Er wollte sich bei ihr bedanken. Ja, was könnte er tun, um sich erkenntlich zu zeigen?

 

 

~*~

 

 

Er hatte ihr Haus gefunden und klopfte laut gegen die Wohnungstür. Drinnen hörte er leise Musik. Sie war also da. Aber sie rührte sich nicht. Er klopfte lauter als vorher und wechselte sein Standbein. Er wusste, sie war eigentlich sauer auf ihn und –

 

Seine Gedanken rissen jäh ab, als sie schließlich die Tür öffnete.

 

Sie hatte argwöhnisch den Kopf schief gelegt und der Großteil ihrer Haare hing wild aus dem unordentlichen Zopf in ihr Gesicht. Sie trug eine Jogginghose, ein Shirt und in ihrer linken Hand eine Flasche günstigen Wein. Dieser war halbleer.

 

„Du trinkst.“ Es war keine wirkliche Frage. Er hatte es gar nicht sagen wollen. Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem absurden Grinsen.

 

„Nein. Ich trage diese Flasche einfach so mit mir rum, Malfoy.“, erklärte sie immer noch grinsend, in einem nachsichtigen, Nerv tötenden Ton, den er schon zu genüge von ihr kannte. Allerdings diesmal mit einer betrunkenen Note.

 

„Ahem… ich wollte…“ Auf einmal kam ihm seine Idee bescheuert vor, hierhergekommen zu sein.

 

„Was? Ich bin beschäftigt.“, gab sie unwillig zurück und wäre fast aus dem Türrahmen gerutscht, an dem sie jetzt lehnte.

 

„Ach wirklich? Hast du Gesellschaft?“, fragte er spöttisch, denn er nahm nicht an, dass sie in diesem Aufzug wirklich noch andere Person zu Gast hatte.

 

„Ja!“, gab sie trotzig zurück. Er warf einen Blick über ihre Schulter in ihre überschaubare Wohnung.

 

„Mhmm…“, erwiderte er gedehnt. Sie verzog zornig den Mund.

 

„Hau endlich ab.“

 

„Ich hab den Job, Granger.“, sagte er jetzt unbeeindruckt und kurz bildete sich eine steile Falte des Unverstands zwischen ihren Augenbrauen. Dann öffnete sich ihr Mund.

 

„Oh. Das ist… gut. Du solltest es Lucius erzählen.“, fügte sie schließlich grinsend hinzu.

 

„Das habe ich schon getan.“

 

„Oh.“ Anscheinend gingen ihr jetzt die Worte aus.

 

„Aber ich sehe, du bist beschäftigt, also werde ich dich jetzt allein lassen.“ Er stand immer noch auf der Türschwelle und eigentlich hatte er keine Lust zu einer betrunkenen Granger zu kommen, die auf einmal nicht mehr wiederzuerkennen war und nicht mehr zu schätzen wusste, was für ein großer Schritt das für ihn war.

 

Dennoch kam ihm eine Frage in den Sinn.

 

„Wieso trinkst du überhaupt?“

 

„Es ist Dienstag. Und es ist doch wohl meine Sache.“, gab sie aggressiv zurück. Er hob beide Hände. Ihm war noch nicht klar, warum sie ausgerechnet Dienstag trinken durfte, aber er beließ es dabei.

 

„Ich bin der letzte, der irgendwen fürs Trinken verurteilt, Granger.“

 

Sie schien ihm nicht wirklich zugehört zu haben, denn in einer wilden Geste der Entschlossenheit setzte sie die Flasche an die Lippen und trank einen großen Schluck. Sie taumelte zur Seite und geistesgegenwärtig griff er nach ihrem Arm.

 

„Lass mich los.“ Sie wollte vor ihm zurückweichen, aber er sah sie dann schon auf dem Boden liegen, also hielt er sie fest.

 

„Vielleicht hast du genug getrunken.“, beschloss er und wollte nach der Flasche greifen. Doch Granger presste sie an ihre Brust.

 

„Nein!“, schrie sie beinahe. Und jetzt konnte er in ihre geweiteten Augen sehen. Sie waren rot. Ihre Wimpern waren noch feucht. Vor Tränen nahm er an. War irgendwas passiert? Interessierte es ihn?

 

„Du hast geweint? Warum?“ Sein Mund hatte also beschlossen, dass es ihn interessierte.

 

„Halt die Klappe, lass mich los und geh endlich!“ Es anscheinend auszusprechen rief nur wieder ihre Tränen hervor. Denn sie wischte sich wütend über ihre Wange.

 

„Granger…“

 

„Nein! Ich hab keine Lust, mir von dir irgendwas anzuhören. Außerdem…“, setzte sie überlegen hinzu, „… ich bin schließlich nicht schwanger. Ich kann so viel trinken wie ich will.“ Sie sah ihn so böse an, als hätte er eben dies angezweifelt. Aber er runzelte verwirrt die Stirn. Was erzählte sie da? Wer war schwanger? Er brauchte noch ein paar Sekunden, ehe er verstand.

 

Dann klärten sich seine Gedanken.

 

„Du bist also neidisch, dass die kleine Weasleys, Potters arroganten Samen in sich trägt? Ich wusste es die ganze Zeit.“ Scheiß Potter. Das ausgerechnet dieser Vollidiot sich fortpflanzen muss. Und dass Granger wirklich in Potter verliebt war… Sie war selber schuld.

 

„Was? Du bist widerlich, Malfoy.“, schluchzte sie. „Ich bin nicht neidisch.“ Aber das war sie ganz bestimmt.

 

„Du willst doch wohl nicht Potters Kind haben!“ Er wusste nicht, warum er ihr das sagen musste, aber Potter war einfach eben… nicht sein Lieblingsthema.

 

„Nein. Will ich auch nicht.“, sagte sie verwirrt und schien vergessen zu haben, dass sie ihn eigentlich rauswerfen wollte. Was? Sie wollte nicht sein Kind? Sie griff nach der Türklinke. „Bis morgen, Malfoy.“, sagte sie mit tränenschwerer Stimme.

 

„Granger, wegen dir habe ich einen Job! Und ich will, dass du dich jetzt mit mir darüber freust und mir sagst, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, denn das tut sonst niemand hier in dieser Stadt!“ Langsam wurde er wütend. Es war ihre scheiß Idee gewesen und jetzt stand er hier allein.

 

„Lass mich in Ruhe.“, sagte sie nur.

 

„Was? Nein. Du bist die Weltverbesserin hier. Du hast gefälligst irgendwas zu sagen, was mich denken lässt, dass das kein Fehler war, verflucht.“ Bei Merlin, am liebsten hätte er sie geschüttelt.

 

„Malfoy, die Welt dreht sich nicht nur um dich.“

 

„Nein, anscheinend dreht sich plötzlich alles um Potter, richtig?“, fragte er aggressiv, aber sie schloss genervt die Augen.

 

„Ich habe keine Lust jetzt wieder nüchtern zu werden, nur weil du mich anschreist. Geh und mach irgendwas kaputt, Malfoy. Aber lass mich in Ruhe.“

 

„Nein!“ Er wunderte sich kurz selber über seine Resistenz, die er eigentlich nicht nachvollziehen konnte. Wenn sie ihn nicht sehen wollte, das war doch umso besser.

 

„Malfoy…“

 

„Granger, ich kann nicht gehen. Du kannst mir nicht einfach helfen und dann aufhören!“, schrie er etwas haltlos. Das sah sie wohl ähnlich.

 

„Du bist ein scheiß arroganter Mistkerl. Was denkst du? Dass ich dir jetzt einen Kuchen backen werde? Hast du toll gemacht, Malfoy. Du hast deinen Hintern nach zehn Jahren hoch gekriegt und dich beworben. Mir backt auch niemand einen Kuchen.“ Er hielt kurz die Luft an. Weswegen wollte sie einen Kuchen haben? Wie kam sie überhaupt darauf? Er war nicht sein Bruder. Obwohl der Trotz ihn langsam allzu sehr an Scorpio erinnerte.

 

„Gut. Dann sag mir, weshalb du weinst und an einem Dienstag trinkst. Dann haben wir das hinter uns und du kannst dich wieder um dein Malfoy Sozialprojekt kümmern.“, knurrte er, denn er würde es nicht akzeptieren, dass sie ihm die ganzen verrückten Ideen in den Kopf setzte und dann nicht dafür gerade stand.

 

„Ich bin beschäftigt!“, schrie sie jetzt.

 

„Mit was?“, schrie er zurück.

 

„Ich trinke mit mir selber!“ Langsam wurde sie heiser. Es war so seltsam, Granger einmal nicht in der überlegeren Position zu finden. Denn vielleicht war sie das Arbeitstier mit den größten Chancen, aus ihrem Leben das Beste zu machen, aber trinken, das konnte sie nicht. Es fehlte ihr an Übung und wahrscheinlich auch an Problemen dafür.

 

Er nahm ihr kurzerhand die Flasche weg, setzte sie selber an die Lippen und trank einen tiefen Schluck des wirklich widerlichen Zeugs. Keine drei Galleonen, vermutete er.


„Nein. Jetzt trinkst du mit mir.“ Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, heute mit Alkohol zu feiern, aber jetzt war es sowieso egal. Sie starrte ihn entgeistert an.

 

„Was soll das?“, flüsterte sie aufgebracht.

 

„Granger, ich werde nicht gehen.“

 

„Du bist… richtig scheiße.“ Er musste lächeln.

 

„Richtig scheiße?“, wiederholte er spöttisch ihre Worte. Sie sah ihn böse an.

 

„Ja.“, erwiderte sie trotzig. „Ich habe das Recht allein zu sein und mal nicht immer für andere da zu sein. Ich kann nur für mich trinken. Ganz allein. Weil, das ist es ja sowieso, was ich bin. Allein.“ Sie klang bitter. „Und weißt du, was das heißt?“ Sie lallte etwas. Er antwortete nicht, denn das schien sie nicht zu erwarten, in ihrem Monolog. „Wer allein ist, der wird auch niemals schwanger. Denn… alle Leute haben sich zeitig einen Partner gesucht. Es sind alle schon verheiratet, oder verlobt oder sie gehen heute essen, zeugen heute ihre Kinder. Es sind nämlich alle schon da, wo ich nicht hinkommen werde!“

 

Sie nahm ihm die Flache wieder weg und trank hastig. Sie bekam rote Flecken.

 

Er dachte über ihre Worte nach. „Granger, das ist Blödsinn.“

 

„Ist es das? Was weißt du schon? Du bist immer allein. Du kannst dir ja nicht mal selber einen Job suchen.“ Das saß. Unerwartet, aber das tat es wirklich.

 

„Immerhin komm ich damit wunderbar klar, im Gegensatz zu dir.“, erwiderte er gepresst.

 

Sie lachte plötzlich auf. „Sie dich doch an! Du stehst hier, vor meiner Tür, weil dir kein anderer Ort mehr einfällt! Zuhause will dich keiner, deine Freunde sind ebenfalls erfolgreich und verheiratet, und jetzt musst du zu dem blöden Schlammblut gehen, für das du umsonst arbeiten musst.“

 

Er musste sehr viel Kraft aufbringen. Es kostete ihn einiges an Beherrschung, nicht zu vergessen, dass sie ziemlich viel getrunken hatte. Vielleicht würde er auch gemein und provokativ werden, würde er eine halbe Flasche Ekelwein getrunken haben.

 

Nein, eigentlich brauchte er dafür nicht einmal Wein. Er zog es vor, diesen Spieß nicht umzudrehen, denn vielleicht fiel es ihr nicht auf, aber sie unterschied sich, was diese Vorwürfe betraf, nicht groß von ihm. Gut, sie hatte einen Job. Aber das war auch schon alles.

 

„Alles, was ich wollte, waren zwei Sätze. Du solltest dich freuen und mir sagen, es war die richtige Entscheidung. Ich kann auf deine ganzen Vorwürfe verzichten, Granger. Aber ich will diese beiden Sätze immer noch hören.“ Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und kam sich Gott weiß wie bescheuert vor.

 

Sie verzog grimmig den Mund, kam einen Schritt näher und fixierte ihn voller Hass. „Ich weiß, du warst immer egoistisch. Also kannst du wahrscheinlich nichts dafür, Malfoy.“ In Wahrheit klang es so, als gäbe sie ihm allein die Schuld. „Ich freue mich für dich, und es war die richtige Entscheidung.“ Gut, das waren die beiden Sätze, aber aufrichtig klangen sie nicht. „Zufrieden, Malfoy?“

 

Nein, war er nicht. Er seufzte. Es wurde Zeit, wieder siebenundzwanzig zu sein.

 

„Soll ich reinkommen?“ Sie sah ihn entgeistert an.

 

„Wieso?“

 

„Damit du nicht allein bist.“, schloss er kurz.

 

„Ich bin lieber allein, als mit dir in einem Raum.“, erklärte sie so würdevoll, wie es mit einer halben Flasche Wein intus eben ging. Sie würde gleich wieder weinen. Ihre Hände zitterten, und sie biss sich auf die Unterlippe, damit diese nicht beben sollte.

 

„Ok. Wir sehen uns morgen. Falls du dich nicht ins Koma trinkst.“ Er wandte sich ab. Er war jetzt müde. Er hätte nicht kommen dürfen. Er hätte nicht streiten sollen. Was hatte er überhaupt bei ihr gewollt? Was interessierte es ihn denn wirklich, was sie dachte? Sie war einfach nur seine letzte Möglichkeit gewesen, ein freundliches Wort zu hören.

 

Bei Merlin, das hieß eigentlich schon einiges.

 

 

Teil 11

 

 

Es war wie ein Déjà Vue. Nur jetzt lag ihr Kopf auf der Tischplatte und er lief munter von einem Raum zum anderen. Sie hasste es, dass er ausgeschlafen war. Und sie hasste es, das Lisa ausgeschlafen war und mit den Kindern frühstückte.

 

Sie wusste nicht mehr viel von gestern Abend, aber sie wusste noch ziemlich genau, dass sie Malfoy angeschrieen hatte. Und er war gekommen, weil er den Job bekommen hatte. Sie hatte sich darum gekümmert, als… ja als was? Als würde es ihr verdammt viel bedeuten, dass er einen Job bekam!

 

Wie bescheuert sie gewesen war. Sie hatte ihr Wochenende mit so einem scheiß vergeudet, für einen Mann, der einfach ein Arschloch war. Und sie wollte sich nicht einmal bei Ginny melden, weil das grüne Monster der Eifersucht immer noch auf ihrer Brust hockte und Ginny dafür hasste, dass sie jetzt ein Kind bekam.

 

Sie war die ältere, sie sollte jetzt an der Reihe sein. Wieso war niemand in London da, der mit ihr eine Wohnung suchte, mit dem sie Kindertapeten aussuchen konnte, der ihren Nacken massierte, wenn sie nach Hause kam? Wieso hatten es alle anderen? Wieso war sie auf einmal so besessen davon?

 

Er stellte er ihr eine Tasse neben ihren Kopf. Und wieso zur Hölle, kam sogar Draco Malfoy langsam mit seinem Leben zurecht? Sie hob langsam den Kopf. Der Kopfschmerz war lediglich ein leichtes Dröhnen hinter ihren Schläfen und wahrscheinlich hätte sie es bis zum Tagesende ignorieren können, aber sie wollte nicht. Der Kaffee roch verlockend.

 

Wieso hatte sie niemanden zu Hause, der ihr morgens genau so einen Kaffee kochte?

 

„Du solltest das trinken. Florina hat schon zweimal nach dir gefragt, und ich glaube, sie wird dich einfach aus der Küche ziehen, wenn du nicht gleich rüber kommst, Hermine.“ Lisa hatte sich in die Küche geschoben, mit dem Zauberstab zwei riesige Tabletts vor sich her dirigierend.

 

Malfoy lehnte an der Theke und bedachte sie keines Blickes.

 

„Ja, ja.“

 

„Was ist denn los? Wirst du krank? Du kannst nicht auch noch ausfallen, jetzt wo Ginny mit ihrer Übelkeit zu kämpfen hat. Aber großartig, oder? Ich meine, nicht nur, dass sie schwanger ist, aber auch noch Harry Potters Kind? Da hat bestimmt schon so manche Hexe drüber nachgedacht.“, erzählte Lisa schwärmerisch, während sie die Küche wieder verließ. Lisa hatte anscheinend selber schon darüber nachgedacht. Sie würde es Ginny bei Gelegenheit erzählen, sobald sie wieder mit ihr sprechen würde.

 

Sie versuchte sich zu erheben. Er wandte sich ab, und blätterte durch den Tagespropheten. Widerwillig trank sie seinen köstlichen Kaffee. Allerdings belebte er sie nicht so, wie sonst.

 

Und sie wusste nicht, ob sie sich entschuldigen sollte, oder ob sie einfach gar nichts sagte. Wahrscheinlich hatte sie das kleine Bisschen Zivilisiertheit zwischen sich und Malfoy vollkommen zerstört. Sie hatte keine Lust von vorne anzufangen, schon allein, weil er sowieso nicht mehr lange blieb.

 

Es hatte überhaupt keinen Sinn. Die Tür ging wieder auf.

 

„Oh… Miss Hermine! Da bist du ja!“ Der kleine Scorpio strahlte sie an. Diese Malfoyfamilie war so unterschiedlich. „Du siehst müde aus. Warst du spät im Bett? Mein Vater sagt, dass das schlecht für die Gesundheit ist.“

 

„Morgen, Scorpio. Nein, ich war nicht spät im Bett.“ Ich war nur sturzbetrunken, fügte sie in Gedanken hinzu.

 

„Draco, kommst du gleich spielen?“

 

„Lass mich eben diesen Absatz lesen, Scor.“ Seine Stimme klang gewöhnlich. Keine Spur von Arroganz oder Zorn.

 

„Draco!“, jammerte der Junge und Malfoy wandte sich seufzend um.

 

„Ich hab gesagt, ich komme gleich.“ Dann hob der kleine Junge die Arme in die Höhe und lächelte ein umwerfendes Malfoylächeln. Hermine fragte sich unvermittelt, ob Lucius‘ Lächeln genauso einnehmend und wunderschön war. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Scorpios Lächeln schien viel zu groß für diesen Raum zu sein.

 

Und Malfoy bückte sich tatsächlich und hob seinen kleinen Bruder auf seine Arme. Scorpio lehnte seinen blonden Schopf an die Schulter seines Bruders und schloss die Augen. Malfoy überflog noch einmal die Seite des Tagespropheten.

 

Und Hermine stiegen bittere Tränen in die Augen. Sie griff blind nach ihrer Tasse und wandte sich von diesem Bild ab. Sie hatte keine Geschwister, die sie auf ihre Arme heben konnte. Sie konnte nicht mal diese Kinder unbefangen auf ihre Arme nehmen, denn auch diese Kinder verließen sie am Ende des Tages wieder.

 

Sie schluckte schwer, und hoffte, niemand sah sie zittern. Allerdings konnte sie es nicht verhindern. Gott, sie war ein nervliches Wrack. Vielleicht hätte sie im Bett bleiben sollen. Einfach verkriechen und nie mehr rauskommen. Nicht mal die Dusche heute Morgen hatte sie erfrischt. Sie hatte sogar unter der blöden Dusche geweint. So ein Mist. Sie war bereit, Malfoy alle Schuld an ihrem Verhalten zu geben.

 

„Scor, geh schon mal vor und bau den Boden. Ich komme sofort.“ Scheiße. Jetzt hatte er es doch bemerkt. Oder vielleicht auch nicht. Sie wischte sich hastig mit der Hand über die Wange. Sie fand sich heute absolut zum kotzen. Das lag nur an den Kopfschmerzen. Morgen wäre sie wieder normal. Morgen würde sie Ginny anflohen. Nein, sie würde sie besuchen und sich – verdammt noch mal – für sie freuen.

 

Sie spürte plötzlich seine Hand auf ihrer Schulter. Und jetzt war er auch noch nett zu ihr? Das durfte er nicht sein. Er durfte nicht! Was bezweckte er damit? Dass sie sich noch schlechter fühlte, weil sie jetzt sogar erbärmlicher war, als Draco Malfoy?

 

Sie hatte keine Ahnung, woran es lag. Vielleicht doch an der Müdigkeit, vielleicht am Kater oder an ihren neuen seltsamen Hassgefühlen auf die Welt, aber sie wandte sich plötzlich um lehnte sich leise schluchzend gegen ihn.

 

Und tatsächlich legte er schweigend seine Arme um ihren Oberkörper und hielt sie fest. Gott, sie war absolut unerträglich. Sie lag in Malfoys Armen und weinte, weil sie allein war. Sie stellte sich vor, was Ron sagen würde, könnte er dieses Bild sehen. Wahrscheinlich würde er es nicht glauben.

 

Und Malfoy roch gut. Und seine Brust war tatsächlich muskulös. Jetzt lag ihr Kopf an seiner Schulter, wo vorher Scorpios gelegen hatte. Sein Hemd würde nasse Flecken von ihren Tränen haben. Und sie wollte nicht, dass er sie losließ. Aber er ließ sie auch gar nicht los.

 

„Vielleicht solltest du nach Hause gehen.“, schlug er ruhig vor. Sie schüttelte leicht den Kopf.


„Ich will nicht nach Hause.“, murmelte sie gegen seine Brust und kam sich furchtbar hilflos vor. Und dämlich, nicht zu vergessen, dämlich. Und er war auch noch nett. Sie benahm sich wie ein kleines Kind. „Du solltest… zu Scorpio gehen. Ansonsten wird er noch böse.“ Sie wich zurück und blickte auf den Boden. Waren seine Schuhe wohl aus Schlangenleder? Sie wusste es nicht genau. Jedenfalls sahen ihre Turnschuhe dagegen ziemlich mitgenommen und albern aus.

 

„Jaah.“, sagte er schließlich. „Du hast einen guten Job, Granger. Und fünfundzwanzig Kinder lieben dich. Und du hast Freunde, die dich jede Woche zum Essen einladen. Und… irgendwo gibt es auch irgendeinen armen Zauberer, der sich gerne von dir herum kommandieren lassen wird. Eben nur noch nicht jetzt. Also hör auf zu weinen.“ Sie wusste nicht, ob ihm diese Worte schwer fielen. Sie hob den Blick.

 

Er sah sie ausdruckslos an. Er machte sich nicht lustig. „Hör auf zu weinen. Das macht mich ganz…“ Er verzog den Mund.

 

„Ich kommandiere nicht herum.“, sagte sie jetzt, als ihr aufging, was er gesagt hatte. Er musste grinsen.

 

„Nein, natürlich nicht, Königin von Gryffindor.“ Sie konnte ihr Lächeln kaum verhindern, auch wenn sie es wollte.

 

„Du bist ein Idiot.“, sagte sie vorwurfsvoll. Er nickte.

 

„Das ist gut. Wenn du wütend auf mich bist, dann weinst du wenigstens nicht.“, erklärte er ruhig.

 

„Malfoy?“ Sie schob es auf den Alkohol. Sie schob es auf ihren Kater. Sie schob es ganz weit von sich weg, dass sie diese Frage stellte. „Findest du mich hübsch?“ Aber sie flüsterte immerhin nur. Gott, sie hatte sich wahrscheinlich die ganz entscheidenden Gehirnzellen weggetrunken. Gehirnzellen, die sie nicht solche Sätze zu Malfoy sagen ließen.

 

Er musterte sie argwöhnisch. Anscheinend hielt er es für eine Fangfrage.

 

„Das fragst du mich?“ Er klang irritiert. Und eigentlich reichte ihr das schon als Antwort. Nein, er fand sie nicht hübsch. Aber wahrscheinlich irgendein armer Zauberer, mit schütterem Haar, den sie herum kommandieren musste, denn einen anderen würde sie nicht bekommen. Wahrscheinlich wäre er auch noch kleiner als sie. Sie senkte den Blick wieder. So wirkte sie also auf Menschen?

 

Gott, sie stellte nie die absolut falschen Fragen. Das hatte sie im Unterricht nie gemacht. Sie hatte auf ihrem Abenteuer im siebten Jahr niemals die Frage gestellt, ob sie hübsch wäre. Keinem. Warum auch? Es war irrelevant. Aber das war auch schon zehn Jahre her.

 

„Du wirst jetzt nicht wieder weinen, oder?“, hörte sie ihn fragen, und sie hob den Blick wieder.

 

„Nein, Malfoy.“, sagte sie leise.  Sie würde zu den Kindern gehen. Und Lisa nach einer Kopfschmerztablette fragen. Aber er hielt sie am Arm zurück.


„Fass das… jetzt bitte nicht falsch auf.“, murmelte er. Ehe sie überlegen konnte, was diese Worte jetzt bedeuteten, hatte er den Kopf schon gesenkt. Er senkte seinen Kopf! Ihr Herz setzte aus, als seine Lippen ihren Mund einfach berührten. Und ihre Augen schlossen sich von selbst. Oh mein Gott! Draco Malfoy küsste sie in der Küche. Und nebenan waren knapp dreißig Leute. Sie würde höchstwahrscheinlich ohnmächtig werden. Oder aufwachen.

 

Das passierte doch nicht wirklich? Seine Lippen waren voll und weich. So perfekt wie sie aussahen, so perfekt küssten sie auch. Es war eigentlich eher ein flüchtiger, recht kurzer Kuss, denn wenige Sekunden später war es schon vorbei.

 

Er hatte sich wieder von ihr gelöst und sich aufgerichtet. Sie war tatsächlich fast einen Kopf kleiner als er.

 

„Mein Bruder wartet.“ Seine Stimme klang gewöhnlich. Als wäre nichts passiert! Sie starrte ihn an. Ihre Tränen waren versiegt. Völlig. Ihr Herz raste und sie konnte ihn nur anstarren. Dann nickte sie, unfähig etwas anderes zu tun.

 

Kurz traf sie noch einmal sein Blick. Sie wäre fast umgefallen. Konnten Augen einfach dunkler werden? Waren seine Augen jetzt dunkler als noch vorhin? Hatte er sie wirklich geküsst? War das wirklich passiert? Und was meinte er damit, sie solle es nicht falsch auffassen? Wie konnte man das falsch auffassen?

 

Wieso hatte er das getan? Hätte er nicht einfach… sagen können, dass… er sie hübsch genug fand, um sie zu küssen? Er hatte sie einfach zurück gelassen. Lächerlicherweise spürte sie seine Lippen immer noch auf ihren.

 

Oh mein Gott! Sie musste hier raus. Sie musste dringend weg von ihm. Und sie musste sich ablenken und durfte auf keinen Fall daran denken, wie es sich angefühlt hatte, und sie sollte nicht überlegen wie es sich angefühlt hätte, hätte er seine Lippen geöffnet und ihre mit seiner Zunge geteilt.

 

Sie trank ihren kalten Kaffee.

 

Sie würde sich später überlegen, in wie weit dieses Ereignis sie beeinflussen würde. Sie und ihre Gedanken an Draco Malfoy.

 

 

~*~

 

 

„Draco, wieso bleiben wir nicht zu Hause?“ Draco hätte ihm darauf viele Antworten geben können. Aber keine wäre für einen fünfjährigen wirklich verständlich noch angebracht gewesen.

 

„Willst du nicht nach Zonkos?“, fragte er deshalb und Scorpio lächelte.

 

„Doch. Ich mag Zonkos. Auch wenn Vater sagt…“

 

„Ja, aber Lucius ist nicht hier, richtig?“ Sein Bruder sah ihn an.

 

„Wieso sagst du nicht Vater?“ Draco seufzte.

 

„Na ja, irgendwann wird man älter und dann sagt man es nicht mehr.“ Scorpio überlegte anscheinend.

 

„Aber du sagst Mutter zu Mutter.“ Gut, da hatte er recht. „Und du sagst Granger zu Miss Hermine.“ Immerhin, das war ein Themenwechsel, kein guter, aber immerhin.

 

„Ich kann sie wohl schlecht Miss Hermine nennen.“

 

„Ich finde es unhöflich.“ Er fand es unhöflich, dass sein Bruder mit fünf Jahren einen so großen Wortschatz hatte.

 

„Das ist schon ok.“, erwiderte Draco lapidar.

 

„Magst du Vater nicht?“ Und wieder sprangen sie zurück.

 

„Scorpio, lass uns von was anderem reden.“

 

„Aber ich hab dich gefragt.“

 

„Ja, und ich sage, ich habe keine Lust zu antworten.“

 

„Aber du…“

 

„Nein. Der Tag ist zu schön, um sich zu streiten.“ Scorpio blickte verwirrt aus dem Fenster der Kutsche.

 

„Es regnet, Draco.“, stellte er jetzt fest.

 

„Ja, schon… aber…“ Aber ich habe Granger geküsst. Nicht, dass das den Tag besser machen würde, aber das war immerhin das Äußerste an Sex, was ich in den letzten Wochen hatte. Das muss man irgendwie genießen. Oh ja. Darüber könnte er mit seinem Bruder reden.

 

„Wir werden nass werden.“, schloss Scorpio. Draco grinste.

 

„Also, auf Hogwarts kannst du nicht so ein Weichei sein. Ich meine, du willst doch ins Quidditchteam, oder?“ Das war ein guter Themenwechsel.

 

„Ich bin kein Weichei!“, protestierte sein Bruder jetzt. „Und ich bin schon geflogen.“, setzte er stolz hinzu. Ja, Draco wusste das. Er hatte ihn schließlich mit aufs Feld genommen. Sein Vater hätte ihn wahrscheinlich geköpft, wüsste er davon.

 

„Ja, aber das ist ein Geheimnis. Du weißt, warum.“

 

„Ja, ja, Draco.“

 

„Willst du gleich ein Eis? Oder ist das schlecht für die Zähne?“, fragte er lauernd, aber Scorpio grinste.

 

„Ich mag Eis. Ich denke, Eis ist gar nicht schlecht für die Zähne. Meine Zähne mögen Eis nämlich auch.“, beschloss sein Bruder nickend. Draco lehnte sich rüber und zerstrubbelte die Haare seines Bruders.

 

 

~*~

 

 

„Tut mir leid, dass es solange gedauert hat.“, entschuldigte sich Hermine bei ihrer besten Freundin, als diese sie in die Arme nahm.

 

„Oh, Hermine! Ich bin froh, dass du da bist! Ich freue mich riesig. Ich hoffe, du freust dich auch. Ich werde natürlich bald wieder arbeiten kommen. Es läuft alles schon viel besser und ich denke, das mit der Übelkeit war eine Phase.“ Sie strahlte übers ganze Gesicht.

 

„Was hat Harry gesagt?“, fragte Hermine jetzt, die sich nicht über Kleinigkeiten streiten wollte, wie, wann Ginny wieder arbeiten käme.

 

„Oh, er hat getanzt vor Freude. Er hat Ron und das ganze Quidditchteam eingeladen. Dann haben wir die habe Nacht gefeiert, obwohl ich eher auf der Couch lag, als mitzumachen.“, fügte sie mit einem Schulterzucken hinzu.

 

„Du Arme. Aber… stell dir vor, du kriegst Harrys Baby!“ Ginny lächelte wieder.

 

„Ja. Ich weiß.“

 

„Was sagen deine Eltern?“ Ginny lachte.

 

„Oh, Mum hat schon drei Pullis fertig, hundert Paar Söckchen, und sie wird wohl noch neun Monate weiter stricken, bis ihr auffällt, dass das Baby wohl Jahre braucht, um in alles reinzuwachsen. Und dann wird es nicht mal alles tragen können, was sie macht.“ Hermine musste grinsen. Ja, das konnte sie sich gut vorstellen.

 

„Und Dad war sowieso überzeugt, es war nur noch eine Frage der Zeit und ist froh, dass ich endlich auch ein Kind bekommen werde.“ Sie lächelte immer noch. Anscheinend würde sie das auch nicht mehr bleiben lassen können.

 

„Und Hermine, was gibt es neues? Ist irgendwas passiert? Steht die Magic-Corner noch?“ Hermine bejahte diese Frage. Sie erklärte Ginny auch geduldig, dass Malfoy sich ganz gut machen würde, aber sie verschwieg den Kuss in der Küche resolut. Sie wusste selber noch nicht, ob sie zulassen wollte, dass er passiert war. Und sie ignorierte auch, dass sie seit dem nicht mehr geweint hatte. Sei es auch erst zehn Stunden her.

 

 

Teil 12

 

 

Es war so ein seltsames Bild. Und sie würde sich daran auch nicht gewöhnen können. Sie würde sich auch nicht daran gewöhnen können, dass sie Malfoy auf einmal anders ansah als sonst. Jedes Mal erwischte sie sich dabei, wie sie ihn länger anstarrte, wie sie die feinen Züge seines Gesichts studierte und überlegte, ob es wirklich so einen hübschen Mann geben konnte.

 

Und jedes Mal, wenn er auch nur den Kopf hob, senkte sie hastig den Blick. Es war schon fast peinlich.

 

Und sie saßen alle im Kreis auf dem Boden, heute ohne Lisa, und prüften wieder die Magiefortschritte der Kinder.

 

„Kann Draco das nicht machen?“, schmollte Florina, die so dicht gedrängt an Malfoy saß, dass Hermine für einen kurzen Moment einen winzigen Stich verspürt hatte. Sie hatte ihn nicht zuordnen können, und hatte sich entschieden, dass Eifersucht einfach nicht in Frage kommen könne. Der Logik wegen. Ja, ja… die Logik war einst einer ihrer guten Freunde gewesen. Wo war sie jetzt?

 

War Logik durch einen simplen Kuss einfach auszuschalten?

 

„Weil Draco keinen Zauberstab hat.“, erklärte Hermine ruhig.

 

„Aber wieso nicht? Alle erwachsenen haben einen.“ Anscheinend fühlte sich Florina ziemlich überlegen. Hermine seufzte. Aber Malfoy antwortete sogar.

 

„Wenn Erwachsene Unsinn machen, dann werden sie nicht einfach nur mit Stubenarrest bestraft, dann bekommen sie den Zauberstab weggenommen.“ Er lächelte tatsächlich. Florina starrte ihn an.


„Was hast du denn angestellt?“, hauchte sie erwartungsvoll. Malfoy grinste.

 

„Oh, das willst du nicht wissen.“

 

Sie nickte heftig. „Doch, will ich, Draco!“

 

„Er hat Sachen kaputt gemacht.“, sagte plötzlich Scorpio. Hermine sah, wie Malfoy seinem Bruder einen knappen Blick zuwarf.

 

„So wie Devon?“, fragte Florina lachend, aber Devon schnaubte beleidigt auf.

 

„Miss Hermine, ich mache gar nicht so viel kaputt.“, schniefte der kleine Devon jetzt leise.

 

„Du machst mehr kaputt, als Miss Hermine deiner Mutter sagt.“ Sie mochte Charles. Er war witziger als die anderen Kinder.

 

„Hört jetzt auf damit!“, beendete sie den Streit. „Devon, mach dir keine Gedanken.“ Sie lächelte und zwinkerte ihm zu. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so gut gelaunt war, dass sie gezwinkert hatte.

 

„Aber Miss Hermine, du kannst Draco doch deinen Zauberstab geben.“, schlug Florina diplomatisch vor.

 

„Draco darf aber nicht zaubern!“ Hermine runzelte die Stirn. Wieso war Scorpio so wütend?

 

„Scorpio, was ist los?“, fragte sie deshalb, eine Spur beunruhigt, denn der kleine Junge wirkte ziemlich verstört auf sie.

 

„Gar nichts ist los!“

 

„Ich möchte nicht, dass du so sprichst, ok? Niemand hat es verdient hier angeschrieen zu werden.“ Der kleine Junge fixierte sie böse. Und es versetzte ihr einen kalten Schrecken, denn jetzt sah sie auch die Ähnlichkeit zu Lucius‘ Seite. Die hellen Augen hatten sie wahrscheinlich noch nie so böse angesehen.

 

„Ich will aber nicht.“

 

„Scorpio, halt deinen Mund.“, knurrte Malfoy jetzt leise.

 

„Du musst mir gar nichts sagen, du Blödmann.“ Scorpio war aufgesprungen. Draco hatte sich ebenfalls erhoben.

 

„Was ist los mit dir?“, erwiderte Malfoy jetzt eine Spur ungehaltener.

 

„Gar nichts!“, schrie sein Bruder.

 

„Scorpio, bitte setz dich hin, wir fangen gleich mit den Übungen an.“, versuchte sie ihn zu beruhigen, aber er wandte sich um. Sie sah ihn weinen. Sie überlegte, wann sie ihn das letzte Mal hatte weinen sehen, aber sie konnte sich nicht erinnern, Scorpio jemals weinen gesehen zu haben.

 

„Ich habe keine Lust auf die Übungen, du blödes Schamblut!“, rief er jetzt und rannte zornig aus dem Raum. Das Wort war falsch gewesen, aber es fiel ihr nicht schwer zu erraten, was er damit gemeint hatte. Und es fiel ihr auch nicht schwer, zu erraten, von wem er dieses Wort wohl hatte.

 

Malfoy hatte die Hände zu Fäusten geballt und folgte seinem Bruder. „Scorpio!“, hörte sie ihn voller Zorn schreien, und die anderen Kinder starrten sie an.

 

„Miss Hermine, was ist ein Schamblut?“, fragte Florina interessiert. Hermine musste sich erst einmal beruhigen. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Das war also der erste Tag, an dem sie Scorpio Malfoy nicht mehr leiden konnte. So sehr sie auch versuchte, sich einzureden, dass er keine Ahnung hatte, was das Wort bedeutete, gelang es ihr nicht. Keines der anderen Kinder würde jemals dieses Wort benutzen. Aber natürlich fiel es einem Malfoyjungen nicht weiter schwer, dachte sie bitter.

 

„Gar nichts, Florina. Ich möchte nicht, dass es einer von euch benutzt. Es ist hässlich und gemein. Es tut Menschen weh, und eure Zähne werden grün davon und fallen aus.“, schloss sie ihre Erklärung. Bestürzt schlugen sich die Kinder die Hände vor den Mund und schüttelten den Kopf.

 

Hermine war sicher, keines der Kinder würde es hier in ihrer Gegenwart sagen.

 

„So, wir fangen an.“

 

„Warten wir nicht auf Draco und Scorpio?“ Florina kaute abwesend auf ihrem Fingernagel und blickte zur Tür.


„Nein. Wir fangen ohne sie an.“, beschloss sie ernst. „Schließt die Augen, bitte.“

 

 

~*~

 

 

„Was ist los mit dir?“ Er hatte seinen Bruder fest am Arm gepackt und in die Küche gezogen. „Ich habe dir gesagt, das Wort sagt man nicht.“ Sein Bruder sah ihn böse an.

 

„Du sagst es auch!“, rief er, und immer noch weinte er kleine heiße Tränen, die er sich wütend aus dem Gesicht wischte.

 

„Tu ich nicht.“, widersprach Draco.

 

„Doch, du hast es mir erklärt.“

 

„Ich habe dir auch erklärt, dass man es sagt, um Menschen zu verletzen. Du wolltest Granger also wirklich verletzen, ja? Was hat sie dir denn getan, womit sie diese Ehre verdient, Scorpio?“ Er war fast blind vor Wut und musste sich beherrschen, nicht selber zu fluchen.

 

„Du bist blöd, Draco!“

 

„Das ist mir egal, wieso hast du das zu ihr gesagt, will ich wissen!“, schrie er jetzt. Scorpio zuckte zusammen.

 

„Ich weiß es nicht!“, schrie er jetzt.

 

„Du bist also wütend auf die Welt, aber du beleidigst sie?“ Und Draco wusste nicht, weshalb Scorpio überhaupt wütend war. Er war immer beeindruckt von seinem Bruder gewesen. Er war nie zornig, er war nie wirklich traurig, denn seine Familie ließ niemals den Anschein aufkeimen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte. Seine Mutter weinte nicht heimlich im Salon. Scorpio sah nichts anderes als eine glückliche Familie.

 

„Lass mich los!“, heulte sein Bruder jetzt und versuchte sich loszureißen.

 

„Du sagst mir sofort, wieso du dich wie ein Verrückter verhältst. Und dann wirst du dich sofort entschuldigen!“, befahl er knapp, aber Scorpio verzog trotzig den Mund.

 

„Ich entschuldige mich nicht. Du hast dich auch nicht entschuldigt bei ihr.“

 

„Ich.. was?“

 

„Es ist mir egal!“ Und Draco wusste genau, sein Bruder log. Denn sein Bruder mochte niemand, neben seinen Eltern, so gerne wie Hermine Granger.

 

„Was ist in dich gefahren?“

 

„Du bist hier nur bei mir, weil du sonst ins Gefängnis gehst!“, schrie Scorpio jetzt, und Draco war mit einem Mal sofort klar, weshalb sein Bruder so völlig wahnsinnig reagierte. Er hatte den wahren Lucius gesehen.

 

„Was hat Lucius gesagt?“, fragte er gefährlich leise.

 

„N…nichts.“, stotterte Scorpio, und wieder rollten stumme Tränen über das kleine Gesicht.

 

„Er hat gesagt, dass ich nicht hier sein will?“, vermutete Draco jetzt und hielt seinen Bruder immer noch fest. Der schüttelte jetzt stumm den Kopf. „Er hat gesagt, dass hier ist meine Strafe, richtig?“ Seine Mundwinkel sanken bitter.

 

Sein Bruder weinte immer noch. Er zog ihn einfach an sich.

 

„Scor, du bist so blöd.“, murmelte er jetzt. „Denkst du wirklich, das hier ist eine Strafe für mich? Denkst du wirklich, ich hab dich nicht lieb?“ Sein Bruder sagte nichts. Aber er schlang die kleinen Arme um seinen Nacken und hielt ihn fest.

 

„Er wird manchmal böse.“, murmelte Scorpio jetzt leise. „Er denkt, ich hör‘s nicht. Und dann redet er mit Mummy über dich.“, flüsterte er. Draco seufzte. Er wusste, er war an vielem Schuld. Aber jetzt war er auch noch daran schuld, dass Scorpio Granger beschimpft hatte. Und das führte ihn zu der Schlussfolgerung, dass auch Granger ihm daran die Schuld geben würde.

 

Und Granger kam nicht einmal, um nach Scorpio zu sehen. Und er war sich nicht einmal sicher, ob sie Scorpios Entschuldigung annehmen würde.

 

 

~*~

 

Sie wusste, es war wahrscheinlich ungerecht gewesen, aber sie hatte Malfoy die Aufgabe erteilt, die Kinder zu verabschieden. Florina hatte es heute endlich geschafft, einen Magiefunken zu erzeugen.

 

Gelangweilt rührte sie in ihrer Tasse.

 

„Hermine, alles klar?“, fragte Ron, der sich gähnend streckte. Nach dem Training war er immer müde.

 

„Ja, sicher.“

 

„Ja, sicher wie in: Nein, mir geht’s scheiße, oder ja, sicher wie in: Ron, halt die Klappe?“ Er grinste sie an. Sie seufzte.

 

„Ich hatte Probleme mit einem der Kinder.“

 

„Nein, du hattest ein Problem? Dass ich das noch erleben darf.“, lachte er.

 

„Was darfst du erleben? Dass ich dir nach all den Jahren immer noch Essen koche, und dass du dich dafür nicht bedankst?“, giftete Cho, die gerade hereingekommen war.

 

„Ich unterhalte mich hier gerade.“, beschwerte er sich jetzt.

 

„Oh ja. Mit Hermine. Ich kenne Hermine. Darf ich mich nicht mit ihr unterhalten? Ist sie jetzt nur noch deine Freundin?“ Sie setzte sich absichtlich weit von Ron weg.


„Hast du irgendein Problem, Cho?“

 

„Mal sehen, habe ich eins?“ Sie funkelte ihn zornig an und warf die langen schwarzen Haare über ihre Schultern. „Ich habe Hugo ins Bett gebracht, ihm vorgelesen, oh und ja, ich habe ihm das Bad eingelassen und zugesehen, dass er nicht untergeht. Wie viel Zeit hast du heute mit deinem Sohn verbracht? Sogar Hermine sieht ihn öfters als du.“

 

„Hermine sieht alle Kinder öfters als ihre Eltern.“, gab er zurück.

 

„Was soll das heißen? Dass du Hugo gar nicht sehen willst? Wieso kommst du dann überhaupt nach Hause, Ron? Um zu essen, nehm ich an, denn das bekommst du ja beim Quidditchtraining nicht. Sobald sie da fliegende Grillhähnchen verkaufen, sehe ich dich wahrscheinlich gar nicht mehr!“, schrie sie jetzt, und Hermine überlegte, ob sie nicht einfach aufstehen und gehen sollte.

 

„Es ist Haupttrainingssaison. Was erwartest du von mir, Cho? Dass ich meine Job aufgebe?“

 

„Musst du auch noch vor unserem Gast so schreien? Oder nein, es ist ja nur dein Gast, richtig? Ich darf ja nicht mit ihr reden!“ Sie stand mit einer fließenden Bewegung wieder auf.

 

„Cho, hör auf damit!“, rief Ron jetzt böse.

 

„Nein, werde ich nicht! Es gibt immerhin noch genug Menschen, die mit mir Zeit verbringen wollen.“

 

„Oh ja? Dann geh doch einfach zu denen, verflucht!“, schrie er aufgebracht. Hermine war kurz dankbar dafür, dass sie nicht verheiratet war.

 

„Ich werde jetzt…“, begann sie, aber Cho schrie auf.


„Siehst du! Wegen dir will sie jetzt gehen.“ Ron erhob sich.

 

„Nein, ich denke eher, sie kann dein Geschrei nicht mehr ertragen.“

 

Wenn Hermine wenigstens wüsste, dass es wirklich ein ernster Streit im Hause Weasley war, aber es war leider ganz normal. Denn in ungefähr fünf Minuten würden sie sich küssend in den Armen liegen. Sie seufzte.


„Schon gut, ich muss auch los.“

 

„Nein, musst du nicht.“

 

„Nein, bleib ruhig, Hermine. Ich halte es mit Ron sowieso nicht aus.“

 

„Cho!“ Und schon war er hinter ihr her gestürmt. Jetzt war sie allein im Wohnzimmer. Sie griff bereits nach ihrer Jacke. Immerhin dauerten die Abende bei Cho und Ron nie besonders lange. Dabei hatten sie noch gar kein Gespräch angefangen. Das hätte sich aber wahrscheinlich sowieso um Malfoy gedreht, den Ron nur zu gerne beleidigte, seitdem er in der Magic-Corner arbeitete, hatte sie von Ginny gehört.

 

„Wir sehen und nächste Woche.“, rief sie in die verdächtig ruhig Küche. Dann hörte sie Cho leise kichern. So. Das war ihr Zeichen zu gehen. Das tat sie auch.

 

Und sie war sehr überrascht, einen Brief in ihrem Postkasten zu finden, als sie nach Hause gekommen war. Zuerst hatte sie überlegt, ihn nicht zu öffnen, aber nur für eine Sekunde. Sie hatte seine Schrift natürlich erkannt. Immerhin hatte sie diese Schrift Jahre ihres Lebens gequält, wenn wieder ein Vertrauensschülertreffen nach Malfoys Gutdünken umgelegt worden waren.

 

Aber der Absender ließ sie den Brief nicht zornig auf den Boden werfen. Aber selbst, wenn der Brief wirklich von Draco Malfoy gewesen wäre, hätte sie ihn, nach den neuesten Vorkommnissen, wahrscheinlich nicht ungelesen weggeworfen.

 

Aber Draco Malfoy schrieb hier wohl nur im Auftrag. Sie hatte einen Brief von Scorpio Malfoy bekommen. Und sie war ziemlich gespannt. Sie biss ungeduldig auf ihre Unterlippe, während sie ihre Wohnung betrat und es sich mit dem Brief auf ihrer Couch gemütlich machte.

 

 

Teil 13

 

 

„Liebe Miss Hermine,

bitte sei nicht mehr böse auf mich. Ich weiß, das war gemein, was ich gesagt habe, und es tut mir so leid. Ich weiß auch, dass man das nicht sagen darf, und ich denke auch überhaupt nicht, dass Blut dreckig ist. Das geht ja auch gar nicht. Ich war böse auf meinen Vater (Draco weiß warum), und ich wollte dir aber nie weh tun, Miss Hermine. Ich habe Angst in die Magic-Corner zu kommen, weil ich denke, dass du mich nicht mehr lieb hast.

Überleg dir bitte, ob du noch böse auf mich bist. Und wenn du nicht mehr böse bist, vielleicht kannst du mich ja Montag wieder umarmen.

Viele Grüße,

dein Scorpio“

 

Sie musste tatsächlich schmunzeln. Vor allem weil es geteilte Arbeit gewesen war. Sie wusste, dass Scorpio schon schreiben konnte. Lucius scheute wohl keine Mühen, seinen Söhnen so früh wie möglich alles beizubringen, dachte sie bitter. Einfache Worte hatte Scorpio geschrieben. Den ersten Satz, einige Zeilen in der Mitte, und das seltsame war, dass sich seine Schrift nur von der seines Bruders unterscheid, weil Scorpio noch in Druckbuchstaben schrieb. Sie war sich sicher, in ein paar Jahren würde man die Schriften nur noch schwer unterscheiden können.

 

Sie seufzte schließlich auf. Ja, natürlich würde sie ihm vergeben. Es war ihr wirklich schwer gefallen, zwei Tage lang böse auf ihn zu sein. Und dass Scorpio jemals böse auf seinen Vater sein konnte, hatte sie auch nicht für möglich gehalten. Anscheinend hatte sich Lucius gehen lassen.

 

Sie wüsste gerne weswegen. Und sie würde ihn gerne dafür maßregeln, dass er sich vor seinem kleinen Sohn gehen ließ.

 

Jetzt musste sie wieder über das seltsame Erlebnis nachdenken, denn wenn sie Scorpio vergab, dann hatte sie keinen Grund mehr, auch von Malfoy entfernt zu bleiben. Gut, sie hatte bestimmt tausend Gründe, vor allem, weil er den Kuss wohl schon als komplett vergessen abgehakt hatte.

 

Was sollte sie denn jetzt tun?

 

Wollte sie das auch alles vergessen? Ja, natürlich. Es war nur eben so, dass dieser Kuss sie nicht mehr so sehr daran denken ließ, dass sie immer noch allein war.

 

Malfoy war noch eine Woche da, bevor er seinen neuen Job anfangen würde. Gedankenverloren wickelte sie sich eine lockige Strähne um den Finger. Was sollte sie jetzt mit dieser Woche anfangen? Konnte sie damit was anfangen? War es denn wirklich so wichtig, dass er sie geküsst hatte? War es nicht eigentlich nur deswegen gewesen, damit sie aufhörte zu weinen?

 

Das Dumme nur war, dass sie nicht mehr leugnen wollte, dass es nicht nett gewesen war. Es war sogar sehr nett gewesen. Und ihr blödes Herz hatte so lächerlich laut geschlagen, dass es ihr immer noch peinlich war.

 

Aber das konnte doch nur daran liegen, dass er der einzige Mann war, mit dem sie arbeitete. Das lag nur daran, dass sie ihn jetzt ständig gesehen hatte. Sie wusste, ihre Theorie hinkte an dieser Stelle etwas, denn in Hogwarts hatte sie ihn schließlich auch jeden Tag gesehen, ohne ihm an die Wäsche zu wollen.

 

Oh Gott. Wollte sie Draco Malfoy? Nein. Völlig unmöglich.

 

Und wenn sie ihn nur einmal wollte? Sie schloss gereizt die Augen. Wenn er nicht so gut aussehen würde, dann müsste sie auch gar nicht erst darüber nachdenken. Nur weil er einmal nett zu ihr gewesen war, hieß das noch lange nicht, dass sie jetzt unbedingt mit ihm schlafen musste.

 

Zwangsläufig rechnete sie jetzt nach. Wann hatte sie denn das letzte Mal Sex? War es wirklich schon ein halbes Jahr her? Sie wusste nicht einmal mehr den Namen des Typens, mit dem sie da ausgegangen war. War er nicht sogar in Rons Team gewesen? Spielte er da immer noch? Merlin, sie konnte es nicht genau sagen.

 

Vielleicht brauchte sie einfach nur mal Sex als eine Art Ausgleich zu ihrem sonst so männerlosen Leben. Ja, vielleicht. Sie würde am Montag sehen, ob Malfoy immer noch so attraktiv war. Dann würde sie sich entscheiden. Heimlich natürlich, denn diese Gedanken waren so furchtbar, dass sie Ginny wahrscheinlich ins Mungo hätte einweisen lassen, wüsste sie davon.

 

Sie würde ein heißes Bad nehmen. Vielleicht gingen dabei ja diese Gedanken weg. Vielleicht wurden sie aus ihrem Kopf gebrannt.

 

 

~*~

 

 

Er hatte sich nur schwer beherrschen können, als er Scorpio abgesetzt hatte. Er hätte Lucius nur zu gerne angeschrieen, aber nachdem er mit Scorpio den Brief geschrieben hatte, ging es seinem Bruder wieder besser.

 

Gott, noch nie hatte er an einem Tag so viel an Granger gedacht. Nun, doch, einmal schon. Da hatte sie eine bessere Note in Zaubertränke bekommen, und da hatte er sie einen Tag lang besonders gehasst.

 

Er hätte seinem Vater gerne ins Gesicht geschlagen. Es kam ihm vor, als verging die Zeit viel zu langsam. Sein Bruder sollte erwachsen werden und sehen, wie fruchtbar sein Vater war. Und dann sollte er ihn bitten, dass sie zusammen wohnen könnten. Aber Draco war sich sicher, dass das nicht passieren würde, denn Scorpio kannte Lucius eben nicht.

 

Außerdem hatte er heute wirklich keine Lust auf einen weiteren Streit gehabt. Er fragte sich sowieso, warum sich sein Vater so aufregte. Er fragte sich, ob Lucius von ihm immer noch erwartete, dass er genauso werden würde wie er. Er hatte doch jetzt einen zweiten Sohn, in den er all seine Hoffnungen setzen konnte.

 

Dieser Gedanke belastete ihn tatsächlich. Regte sich sein Vater nur aus sportlichen Gründen auf, oder weil es ihm was bedeutete, was er tat? Und war es ihm überhaupt wichtig, dass sich Lucius aufregte? Er wusste es nicht mit Sicherheit. Und er wollte es wahrscheinlich auch gar nicht wissen.

 

Sein Vater hatte sich jahrelang nicht geschert, was aus ihm werden würde. Dann kam ein Muggelmädchen und öffnete endlich die Türen seines Verstands und dann – ja dann erst – konnte sich Lucius aufregen? Wahrscheinlich war dieser Vater-Sohn Zug längst abgefahren.

 

Jetzt hoffte er nur, dass Granger Scorpio vergeben würde. Aber er war sich sicher, dass hatte sie schon längst getan. Scorpio hatte ich die Worte diktiert, die er selber nicht gewusst hatte, und auch wenn Draco sich ab und an geweigert hatte, hatte Scorpio dann doch seine Meinung durchgesetzt, egal, wie kitschig es Dracos Meinung nach auch geklungen hatte.

 

Granger würde es bestimmt gefallen. Er hoffte es zumindest. Er schloss die Augen, ehe er in die Kutsche stieg. Er hatte sich schon fast daran gewöhnt, keinen Zauberstab mehr zu haben. Nicht gewöhnen konnte er sich allerdings an die Tatsache, dass er immer noch keinen Sex gehabt hatte.

 

Und vor allem, das Problem war nicht, dass er nicht leicht welchen bekommen konnte… Das Problem war eher, dass er keine wollte. Und wenn er nachdachte, dann wollte er auch nicht mit Granger schlafen. Das war doch verrückt! Nur weil sie zusammen arbeiteten hieß das noch lange nicht, dass er sie unbedingt haben musste. Aber er war sich sicher, sie würde ihn lassen. Bestimmt.

 

Er stieg ein und lehnte sich zurück. Er wusste nicht, was er wollte. Doch, er wusste es, aber er wusste, das würde er nicht bekommen. Er wollte perfekten Sex. Nicht irgendwelchen gebundenen Sex, bei dem Pansy ihm irgendeine reiche Erbin zuschanzte, die hoffte, das Malfoyerbe auch noch zu ihrem Besitz rechnen zu dürfen, wenn er sie geheiratet hatte.

 

Er wollte auch kein Mädchen aus irgendeinem Club. Vielleicht wurde sie lästig und wollte bleiben. Und er wollte auch keine Prostituierte, das hatte er nicht nötig. Irgendein unkompliziertes Mädchen. Wo fand man so eins?

 

Wieder dachte er an Granger, und wieder stieß er diesen Gedanken von sich. Nein es war absurd. Sein Penis enttäuschte ihn sehr in seiner unkreativen Schlichtheit. Granger war nicht einmal besonders hübsch. Außer vielleicht ihr Gesicht. Und ihre Beine. Wieder schloss er die Augen. Nein, gut, ok – sie sah gut aus. Aber sie war eine Muggel, zum Teufel noch mal.

 

Er wurde noch verrückt. Jetzt hatte er mit Scorpio hundert Stunden an diesem blöden Brief geschrieben und war völlig durch den Wind. Dieser dämliche Kuss war nur ein momentaner Anfall von Schwäche gewesen, oder was es eben war, was er gefühlt hatte, als er sie hatte weinen sehen. Er hasste es, Frauen weinen zu sehen. Seine Mutter hatte viel zu oft geweint.

 

Ob er sie hübsch fand… Wieso hatte er nicht einfach Ja gesagt? Er hätte sie nicht küssen müssen. Jetzt stand dieser blöde Kuss in jedem Raum, den er betrat. Und das Schlimme war, er dachte immer noch darüber nach. Würde er mit ihr schlafen, würde er gegen jedes seiner Prinzipien verstoßen. Und sie war nicht einmal reich. Aber das war ja auch eigentlich egal. Ja? Seit wann, fragte seine innere Stimme unbeherrscht, und er seufzte wieder auf.

 

Scheiße. Also, irgendwas musste er tun. Er würde Zuhause erst mal baden gehen. Vielleicht konnte er seine Grangergedanken ausschwitzen, und dann wäre er geheilt von dieser seltsamen Anomalie.

 

 

~*~

 

 

Als der Hauself ihn brachte, wartete sie bereits. Sie würde nicht zulassen, dass er noch länger Angst hatte. Sie kam lächelnd auf beide zu.

 

„Morgen, Gaspar.“, sagte sie freundlich. Der Elf verzog angewidert den Mund, gab Scorpio noch die üblichen Instruktionen, wann er wieder kam, um ihn zu holen und verschwand dann ohne ein höfliches Wort.

 

„Hallo, Scorpio.“ Sie kniete sich vor ihm hin und der Junge biss sich verlegen auf die Lippe. Das war ein Malfoyverhalten, was sie einordnen konnte. Angst, die Würde zu verlieren, war eine wichtige Sache bei den Malfoys. Aber sie nahm ihm diese Angst und öffnete die Arme. Mit einem erleichterten Lächeln warf sich der kleine Junge hinein und drückte sie fest.

 

„Miss Hermine, es tut mir so leid.“, flüsterte er in ihre Haare. Sie schmiegte sich an den kleinen Körper.

 

„Ich verzeih dir, Scorpio. Ich weiß, es tut dir leid.“ Er löste sich von ihr, und sie sah die kleinen Tränen in seinen Augenwinkeln.

 

„Es tut mir leid.“, wiederholte er aufrichtig. Es zerriss ihr fast das Herz.

 

„Schon gut. Ich weiß, du kannst da nicht wirklich etwas für.“, murmelte sie. Er sah sie an.


„Wieso? Ich habe es doch gesagt.“, sagte er schließlich.

 

„Ja, aber ich nehme an, du hast es von deinem Bruder gehört. Oder deinem Vater.“, fügte sie hinzu. Er schüttelte heftig den Kopf.

 

„Mein Vater würde so was nie sagen.“ Hermine musterte das Kind in ihren Armen.

 

„Würde er nicht?“, fragte sie jetzt argwöhnisch.


„Nein, er sagt, nur Draco sagt solche Sachen.“ Hermine überkam heftiges Mitleid mit Draco. Interessant, wie Lucius all seine Fehler und Erziehungsschwächen nun auf seinen älteren Sohn abwälzte, damit er gut vor seinem jungen Sohn dastand. Als wäre Malfoy der passende Sündenbock für Lucius‘ Fehler. Was Scorpio wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sein Vater schon mehrere Male versucht hatte, sie umzubringen?

 

Sie wurde langsam wütend. Sie verstand, warum Malfoy es hasste, dass sein Bruder zurück in das Haus seiner Eltern ging. Wenn Lucius Scorpio erzählt, dass Malfoy der Böse in der Geschichte war. Eigentlich konnte also auch Malfoy nicht wirklich etwas dafür. Sie hasste Lucius. Das hatte sie schon immer getan. Sie hoffte nur, Scorpio würde irgendwann intelligent genug dafür sein, zu verstehen, dass Kinder nicht einfach irgendein Verhalten an den Tag legen, ohne schlecht von ihren Eltern beeinflusst worden zu sein. Aber sie hatte an Scorpios Intelligenz keinen Zweifel.

 

Sie hob den Blick als sie ihn erkannte. Und wieder sah er gut aus.


„Ok, dein Bruder ist da. Möchtest du ihn begrüßen?“ Scorpio zögerte kurz noch.

 

„Und es ist alles wieder gut? Und du bist auch nicht mehr böse, wenn ich jetzt gehe, Miss Hermine?“ Es schien ihm wichtig, dies zu klären.


„Nein, ich bin nicht mehr böse, Scorpio.“, sagte sie lächelnd.


„Gut. Ich hab dich lieb.“, sagte er hastig und rannte dann zu seinem Bruder. Anscheinend erzählte er ihm jetzt, dass sie ihm vergeben hatte. Es fiel ihr schwer, Malfoy nicht wohlwollend zu mustern, vor allem, weil er so sehr unter seinem Vater zu leiden hat. Scorpios Weltbild war etwas schief geraten. Sie fragte sich, ob Scorpio seinen Vater oder Malfoy mehr liebte. Sie wusste es nicht. Aber am Ende, würde er wohl seinen Bruder vorziehen, denn Lucius würde sich nicht immer hinter seiner perfekten Erziehung verbergen können.

 

Sie verschwand, um das Frühstück vorzubereiten. Ginny würde morgen auch wieder kommen. Darauf freute sie sich schon sehr.

 

 

~*~

 

 

Er sah ihr nach als sie den Raum verließ. Gut, sie war schön. Wie schön ihre Hüften schwingen konnten. Er überlegte, wie sich wohl ihre Haut unter seinen Fingern anfühlen würde, wenn sie nackte über ihm saß und sich seinem Rhythmus anpassen würden….

 

Er erschrak als ihn jemand am Ärmel zog. Er senkte den Blick auf den rothaarigen Jungen der ihn beinahe ärgerlich musterte.

 

„Hey, ich habe ein Problem.“ Er sah Weasley nur zu ähnlich. Draco konnte gerade noch verhindern, den Mund zu verziehen.

 

„Ja?“, fragte er deshalb.

 

„Also, da ist diese Burg, die wir bauen.“, begann der Junge und Draco konnte sehen, dass er ihn nur sehr ungern fragte. „Und wir kriegen das Dach nicht so hin wie… wie du das gemacht hast.“ Ob ihm sein Vater gesagt hatte, er solle sich von ihm fernhalten? Bestimmt, das konnte er Weasley zutrauen.

 

„Du willst, dass ich dir helfe?“, brachte Draco die Sache auf den Punkt. Der Junge überlegte kurz angestrengt, ehe er die Schultern zuckte.

 

„Ja, das wäre cool.“

 

„Kein Problem.“, sagte Draco schließlich, und die Mundwinkel des Weasleyjungen zuckten erleichtert.


„Gut, komm mit, Draco!“ Schon war er voraus gelaufen. Draco Malfoy würde jetzt also mit dem Weasleyjungen eine Burg bauen. Weasley wäre bestimmt absolut begeistert davon.

 

Er bemerkte ihre Blicke sehr wohl. Wahrscheinlich gefiel es ihr besonders gut, dass er jetzt mit dem kleinen Weasley spielte. Aber leider musste er zugeben, dass es nicht so schlimm war, wie er gedacht hatte. Hugo war sogar witzig. Er schien etwas klüger als die anderen zu sein und war somit tatsächlich Konkurrenz für Scorpio. Also, von Weasley konnte es Hugo nicht haben, beschloss Draco.

 

Aber auch Scorpio hatte sich beim riesigen Projekt Burgbau beteiligt. Er und Hugo stritten sich gerade über die Anzahl an die Türen, über die eine Burg verfügen sollte. Draco hatte die Befürchtung, dass Devon bereits zwei magische Klötzchen gegessen hatte, war aber jedes Mal zu spät dagewesen. Aber er hatte ihm versichert, dass Klötzchen nicht verdaut werden würden, sondern direkt ausgeschieden. Das hatte Devon nicht gefallen.

 

„Ich finde, Miss Mine darf dann als Dame in der Burg wohnen.“, beschloss Hugo schließlich.

 

„Sie heißt Miss Her-mine!“, betonte sein Bruder streng.

 

„Ich darf Mine zu Hermine sagen.“

 

„Das klingt nicht schön.“

 

„Klingt es wohl.“ Draco seufzte. Ein Weasley und ein Malfoy stritten sich um Granger. Das klang gar nicht so absurd in seinen Ohren. Mittlerweile jedenfalls nicht mehr.

 

„Darf ich auch in der Burg wohnen?“, fragte Devon, der sich noch eine Frühstückspastete aufgehoben hatte und immer noch kaute.


„Du? Du hast überhaupt nicht geholfen, Devon!“, entschied Hugo jetzt. „Wenn, dann bin ich mit Miss Mine König der Burg.“, sagte er grinsend. Draco sah den Kindern amüsiert zu, denn Scorpios Ausdruck wurde finster.


„Das glaube ich nicht, Hugo. Ich denke, ich werde König und Miss Hermine ist dann meine Königin. Schließlich ist es meine Burg.“ Er hatte die Arme verschränkt. Draco erkannte die erschreckende Ähnlichkeit. Es war wie ein Tag in Hogwarts als Miniaturausgabe.

 

„Ach ja? Wieso fragen wir nicht Miss Mine, wen sie lieber als König möchte?“ Hugo hatte sich angriffslustig erhoben. Draco beschloss, dass es jetzt reichte.

 

„Kinder, es ist völlig egal, denn ihr seid viel zu jung.“, schloss er die Diskussion.

 

„Wieso? Willst du mit Miss Mine König auf der Burg sein?“, fragte Hugo jetzt etwas überrumpelt. Draco spürte auch den giftigen Blick seines Bruders. Allerdings wusste er, wenn er Granger jetzt holen und fragen würde, würde sie sich bestimmt nicht für Hugo oder Scorpio entschieden. Ganz sicher war er sich nicht, aber ziemlich sicher.

 

„Na ja, ich habe das Dach gebaut, und Miss Hermine würde ohne Dach nass werden – also…“

 

„Das ist ungerecht.“ Hugo verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich wieder auf den Boden plumpsen.

 

„Ich habe Hunger. Wie wäre es, wenn wir endlich was essen würden?“ Es war Mittagszeit, und kleine Jungen konnte man mit Essen wunderbar ablenken. Sie waren alle bereits aufgesprungen. Nur Devon kaute noch missmutig auf seinem letzten Stück Pastete herum.

 

„Also, ich würde Miss Hermine immer viel zu essen geben. Ich denke, sie würde wohl mit mir auf der Burg wohnen. Denkst du auch, Onkel Draco?“, fragte Devon vorsichtig. Draco musste grinsen.

 

„Also, sag es nicht weiter, aber ich denke, vielleicht würde sie das sogar tun.“ Devon strahlte und hievte sich schließlich auch auf die Beine.

 

Draco betrachtete noch einmal zufrieden das Meisterwerk, was er da geschaffen hatte. Er hätte Burgenbauer werden sollen.

 

„Eigentlich sind mir Burgen ja zu groß.“ Sie stand hinter ihm. Er erhob sich rasch. „Und zu kalt. Und wenn ich dort wohnen wollte, dann wahrscheinlich ohne König.“, entschied sie, während sie die leuchtende Burg musterte.

 

„Du wirst dich aber leider zwischen einem Weasley und einem Malfoy entscheiden müssen, Granger.“ Fast hätte er sich auf die Lippe gebissen. Etwas eingerostet, aber anscheinend funktionierte seine Flirttaktik immer noch. Nur bei Granger hatte er sie noch nie angewandt. Sie musterte ihn für einen kurzen Moment.

 

„Ich denke, dann werde ich der Fairness halber Devon nehmen. Pansy würde bestimmt begeistert sein.“ Sie lächelte ein feines Lächeln. Spielte sie mit ihm? Konnte das sein? Er spürte, wie sich seine Erektion anbahnte. Das machte es ihm schwer, wirklich rational zu denken. Ok, vielleicht war Sex mit Granger nicht die schlechteste Option, die ihm blieb.

 

„Draco, darf ich neben dir sitzen?“ Florina zog an seiner Hand. Wieso war Granger überhaupt so nett zu ihm? Er versuchte jeglichen erotischen Hintergedanken zu verbannen.

 

„Das tust du doch jeden Tag.“, erwiderte er. Es störte ihn nicht mal mehr. Er hatte sowieso die Befürchtung, dass er einige der Kinder hier tatsächlich ein wenig vermissen würde. Nur ein bisschen.

 

Granger schritt vor ihm zum Tisch. Ja, er würde definitiv darüber nachdenken… Absolut.

 

 

 

Teil 14

 

Sie konnte nicht genau sagen, ob sich irgendwas verändert hatte. Ihr plumper Versuch, verführerisch zu sein, war anscheinend irgendwie nach hinten losgegangen. Ginny war wieder da, und jetzt traute sie sich nicht mal mehr, ihn anzusehen.

 

Und Ginny war in schlechter Stimmung, denn sie hatte anscheinend keinen Draco Malfoy in ihrem Kopf rumspuken. Auch Malfoy hielt sich die meiste Zeit von Ginny fern. Den Kindern musste sie immer wieder erzählen, wie sie denn auf einmal hatte schwanger werden können.

 

Ginnys Geschichten wurden immer haarsträubender, bis sie schließlich erzählte, dass es rosa Tabletten gab und blaue. Und dass sie eine rosane genommen hatte, und auf jeden Fall ein Mädchen bekommen würde.

 

Hermine hatte sich arg auf die Zunge beißen müssen, um Ginny nicht auszulachen. Sie war sich sicher, Ginny würde sich ärgern, wenn sie nun einen Jungen bekommen würde. Hermine wusste, Harry bevorzugte insgeheim auf jeden Fall einen Jungen.

 

Er himmelte Rons Sohn nämlich tagtäglich an. Das wäre ziemlich furchtbar, überlegte sie. Denn dann hätte Harry auch so einen kleinen Angeber als Sohn. Und es würde Hermines Aufgabe sein, dem kleinen Prinzen das ständige Angeben abzugewöhnen.

 

Sie war gerade dabei den Tisch abzuräumen. Sie strich sich ständig eine Strähne hinter Ohr. Vielleicht sollte sie mal wieder zum Friseur gehen. Sie wusste nicht mehr genau, wann sie sich das letzte Mal diesen Luxus gegönnt hatte. Vor allem, jetzt konnte sie ihn sich wieder gönnen, wo Ginny endlich wieder da war.

 

Mit einem Ruck stapelten sich die Frühstücksteller und flogen vor ihr aus dem Raum. Malfoy hielt sich tatsächlich in der Küche versteckt. Sie verkniff sich ein Grinsen.

 

„Ist sie immer noch da drin?“, fragte er mürrisch, während er seinen göttlichen Kaffee trank.

 

Sie nickte. „Ja. Wie immer.“

 

„Jaah.“

 

„Du verhältst dich kindisch, Malfoy.“, merkte sei jetzt an, ehe sie das Geschirr ins Waschbecken sinken ließ und das Wasser anstellte.

 

„Tu ich das? Oh, ja richtig. Ich erzähle ja auch die ganze Zeit davon, wie mich Potter geschwängert hat, das habe ich vergessen.“, gab er grimmig zurück. Sie seufzte tief.

 

„Es ist schön, dass Ginny schwanger ist. Sie war lange nicht da, und die Kinder mögen ihre Geschichte.“

 

„Sie nervt. Noch mehr als sie es sonst schon tut. Und ich bin ziemlich dankbar, dass ich es nur noch zwei Tage aushalten muss in dieser Hölle.“

 

„Tja.“, sagte sie jetzt und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme abkühlte.

 

„Außerdem hab ich es satt, ständig von Potters Potenz zu hören.“ Er goss sich noch einen Kaffee ein.

 

„Hast du vor, heute überhaupt noch etwas zu tun, Malfoy?“ Er betrachtete sie ruhig.

 

„Ich denke, ich mache meinen Job hier ziemlich gut.“

 

„Was? Kaffee trinken und meckern?“ Er verzog den Mund.

 

„Ja. Hier bleib ich von Potters kleinem Frauchen verschont und auch von den Kindern, die mich heiraten wollen, um auch ein Kind zu bekommen.“ Hermine gab zu, jetzt wo Ginny so von ihrer Schwangerschaft schwärmte und den Mädchen erzählt hatte, ein Kind zu bekommen, ist wie eine sprechende Puppe zu haben, hatten sich viele Mädchen in den Kopf gesetzt, Malfoy zu heiraten. Der sprechenden Puppe wegen.

 

Eigentlich war es süß, Hermine konnte das nicht bestreiten. Allerdings schien Malfoy das ganze etwas anders zu beurteilen.

 

„Draco, das sind Kinder.“ Sie biss sich auf die Zunge. Gott, hatte sich das jetzt seltsam angefühlt. Wieso hatte sie seinen Vornamen gesagt? Wieso? Hatte er es gehört? War es ihm überhaupt wichtig? Sie stellte sich an. Und sie war sehr böse auf sich selbst. Sie fühlte, er hatte es gar nicht verdient, heute einen Vornamen zu haben, so kindisch wie er sich verhielt.

 

Während er einen weiteren Schluck Kaffee trank, betrachteten sie seine Augen über den Tassenrand hinweg. Oh Gott! Natürlich hatte er es gemerkt. Sie schloss die Augen. Das war doch wieder mal zu peinlich. Aber anscheinend hatte er seine Antwortmöglichkeiten noch nicht abgewogen. Sie begann das Spülmittel ausgiebig im Waschbecken zu verteile, um ihn nicht ansehen zu müssen.

 

„Ich weiß, dass es Kinder sind. Aber dass ich jetzt fast vier Wochen hier war, bedeutet nicht, dass ich Kinder auf einmal leiden kann.“ Jetzt lächelte sie plötzlich.

 

„Ach ja. Hugo Weasley ist ja gar nicht seit zwei Tagen immer an deiner Seite.“ Das war nämlich eine wirklich interessante Entwicklung. So sehr Malfoy Hugo in den letzten Wochen gemieden hatte, umso mehr Zeit verbrachte er jetzt mit ihm, in seinen letzten Tagen.

 

„Ich ignoriere einfach die Tatsache, dass er ein Weasley ist.“ Er klang trotzig.

 

„Und Scorpio kannst du wohl auf einmal auch nicht mehr leiden, was?“

 

„Granger, das ist was anderes.“, knurrte er jetzt.

 

„Vielleicht solltest du dich mal nützlich machen, und die Spiele aufbauen. Hugo vermisst dich nämlich schon sehnsüchtig.“

 

„Halt deine Klappe.“ Sie drehte sich um.

 

„Du kannst natürlich auch gerne abwaschen, Malfoy.“, bot sie ihm gereizt an. Er betrachtete das Waschwasser mit Grauen in seinem Gesicht. Aber er hob spöttisch eine Augenbraue.

 

„Bist du nicht schon zu meinem Vornamen über gegangen?“, erkundigte er sich scheinheilig und trank noch einen Schluck.

 

„Also, entweder, du hilfst mir oder du gehst rüber! Du kannst hier nicht faul rumstehen!“ Sie war knallrot geworden und begann den ersten Teller mit der Hand zu spülen, damit sie irgendwas zu tun hatte. Sie traute ihrer Zauberstabhand nicht. Vielleicht zerbrach sie das komplette Geschirr, anstatt es sauber zu kriegen.

 

„Hm. Eine schwere Entscheidung.“, hörte sie ihn hinter sich murmeln. Oh großer Gott! In ihrem Kopf tat er bereits tausend Dinge, die sie lieber nicht denken wollte! Sie wurde langsam wahnsinnig. Und sie fragte sich plötzlich, wann ihre Fantasie endlich Ruhe geben würde. Aber dann würde ihr wahrscheinlich wieder einfallen, absurderweise eifersüchtig auf Ginnys Baby zu werden. „Wieso machst du das mit den Händen?“ War er näher gekommen? Stand er jetzt hinter ihr?

 

Sie würde sich nicht umdrehen. Niemals. Gott, wie peinlich das war. Es war schon lächerlich, wie scharf sie auf einmal auf Draco Malfoy sein konnte. Dabei war es Draco Malfoy! Hätte sie das kommen sehen müssen? Nein, das hätte nicht mal ein Orakel kommen sehen können.

 

„Weil… ich sicher sein will, dass…“ Sie hatte keine Ahnung, wie sie den Satz sinnvoll beenden konnte. Aber sie konnte nicht gar nichts sagen. „Weil ich will, dass alles sauber wird.“, schloss sie schließlich.

 

„Ich glaube, ich habe kein Interesse abzuwaschen.“ Jetzt stand er hinter ihr! Sie zuckte unter seiner Stimme zusammen.

 

„Dann geh rüber.“, schaffte sie tatsächlich zu sagen. Wenn auch gepresst und leiser als sie es vorgehabt hatte.

 

„Aber… wenn du das mit der Hand machen willst, dann… könnte ich abtrocknen.“, schlug er vor. Sie konnte keine Andeutungen in seiner Stimme erkennen. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr Verstand irgendwelche erotischen Botschaften aus diesem Satz verstehen konnte, aber ihre Wangen glühten. Sie wurde einfach verrückt. Ja, wahrscheinlich war es das.

 

Um irgendwas zu tun, schüttelte sie den nassen Teller und hielt ihn ihm auffordernd entgegen. Sie sah ihn aus den Augenwinkeln nach dem Handtuch greifen und dann nahm er den Teller aus ihrer Hand. Sie hörte, wie er ihn in den Küchenschrank räumte. Sie konnte plötzlich wieder atmen, wo er nicht mehr hinter ihr stand.

 

„Sag mal, wenn du deinen Zauberstab…“ Er stand wieder hinter ihr. Aber sie wusch rigoros den zweiten Teller mit der Hand.


„Malfoy, könntest du dabei nicht reden?“, würgte sie hervor, denn sie kam sich lächerlich vor. Er schwieg tatsächlich auch. So war es wahrscheinlich einfacher, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Vor allem wollte sie schnell fertig werden und sich nicht vorstellen müssen, was Ginny sagen würde, würde diese jetzt hier rein kommen und sie hochrot beim Abwaschen antreffen.

 

Ein Teller nach dem anderen wurde sauber. Schweigend trocknete er ab. Mit spitzen Fingern reichte sie ihm das Besteck, aber er schaffte es trotzdem irgendwie ihre Haut zu berühren. Bei fünfundzwanzig Messern! Machte er das mit Absicht? Sie nahm es stark an. Merkte er, wie nervös er sie machte? Sie nahm auch an, dass er sich dessen ebenfalls bewusst war.

 

Jetzt kamen die kleinen Löffel. Jetzt sie würde noch mal fünfundzwanzig Mal seine Hand berühren. Es war doch nicht wahr! Wieso verhielt sie sich wie ein kleines Kind? Er spielte mit ihr. Wahrscheinlich war es nur natürlich, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte.

 

Sie erschrak heftig als sie seine Stimme plötzlich neben ihrem Ohr vernahm.

 

„Schon fertig?“ Als sie den Kopf aus Reflex in seine Richtung wandte, stieß ihre Nase gegen seine Wange! Bei Merlin! Oh nein! Hastig senkte sie den Blick in das verflixte Waschbecken. Zauberstab! Sie würde den Rest magisch machen. Sie hätte es von Anfang an magisch machen sollen.

 

Aber sie ahnte, dass es dafür jetzt zu spät sein würde. Seine Hände hatten sich rechts und links neben ihr am Küchentresen abgestützt. Jetzt spürte sie die Wärme seines Körpers. Sie wusste, es war absolut lächerlich zu denken, dass keine Zeichen in seiner Körpersprache waren.

 

Sie hörte, wie er tief einatmete. Und sie stand völlig reglos zwischen ihm und der Küchentheke. Ihre Gedanken lagen blank.

 

„Willst du die Löffel nicht waschen?“, fragte er nun, und küsste dabei tatsächlich ihren Hals!!! Ihr Herz zersprang in ihrer Brust! Er musste es unweigerlich hören. Er tat es schon wieder! In der Küche. Und dieses Mal war sie genauso wenig vorbereitet wie letztes Mal. Letztes Mal… das schien schon eine Ewigkeit her.

 

Und durfte er das? Wollte sie, dass er das tat? Und… ja. Eigentlich wollte sie das.

 

„Nein.“, brachte sie schließlich hervor. „Ich denke nicht.“

 

„Nicht?“, fragte er belustigt, und sie spürte sein Grinsen an ihrer Haut als seine Lippen tiefer wanderten. Er küsste ihre Halsbeuge. Ganz sanft. Und das eigentlich Schlimme war wirklich, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass er es wirklich tat! Dass sie irgendjemand auf den Nacken küsste, dass war nicht schwer vorstellbar, aber dass er Draco Malfoy tat, eben jetzt in dieser Sekunde! Das war etwas, was ihr Verstand nicht glauben wollte.

 

Sie hielt die Luft an und drehte sich um. Er hatte sich nicht bewegt und sie stand immer noch gefangen vor ihm. Es war tatsächlich Draco Malfoy. Und er war so schön, dass es fast schon unwirklich war.

 

Sie betrachtete ihn noch einen momentlang. „Wieso machst du das?“, flüsterte sie jetzt, ehe sie sich halten konnte. Das war wahrscheinlich das einzige, was sie noch unbedingt wissen wollte, ehe sie bereitwillig alles tat, was ihr Körper von ihr wollte.

 

Für einen Moment runzelte er die schöne Stirn. Er öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus. Plötzlich hob sie einfach ihre nasse Hand voll Schaum und berührte seine Wange.

 

Kurz zuckte er zusammen, wegen des Schaums. Vielleicht auch, weil sie ihn tatsächlich berührte, aber er fing sich schnell. Ihre Finger strichen über seine samtene Haut. Nicht mal kalter Schaum schien sein Gesicht wirklich entstellen zu können. Am Rande ihrer Wahrnehmung fiel ihr auf, dass er die Röte in ihren Wangen sehen musste. Es sah bestimmt furchtbar aus.

 

Aber das schien ihm nichts auszumachen. Ihm schien neuerdings überhaupt nichts mehr auszumachen. Er fing ihre Finger mit seiner Hand, verschränkte sie mit seinen, und wieder mal waren seine Hände wärmer als ihre.

 

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er sah sie an, als hätte er sie noch nie zuvor in seinem Leben gesehen. So kam es ihr zumindest vor. Dann neigte er den Kopf. Ihr Herz machte einen erneuten Satz. Es schien eine seltsame Faszination zu sein, Draco Malfoy in der Küche zu küssen, aber sie hatte nicht vor, etwas daran zu ändern.

 

Sie hatte keine Ahnung, wie ihre Arme um seinen Nacken kamen, aber plötzlich waren sie da. Ihre Finger krallten sich in seine Haut, sein Hemd, seine weichen Haare, während sie willig ihre Lippen unter seinem Kuss öffnete. Seine Zunge glitt unbeherrscht in ihren Mund, und er schmeckte nach köstlichem Kaffee. Seine Hitze machte sie wahnsinnig, und anscheinend völlig willenlos.

 

Seine Hände hatten hart um ihre Hüfte gegriffen und sie an sich gepresst, dass sie gegen seine harte Brust gepresst war. Sie spürte den Schaum jetzt auch auf ihrer Wange, aber es war ihr ziemlich egal. Es war sowieso alles egal.

 

Wieder und wieder küssten sie seine Lippen, und mit jedem Kuss vergaß sie etwas mehr, wer er war. Plötzlich hoben seine Hände sie an und setzten sie auf die Kante des Tresens. Automatisch schlang sie ihre Beine um seine Hüften. Seine Hände fuhren über den harten Stoff ihrer Jeans, bis zu ihrem Hintern.

 

Er stöhnte mehr oder weniger unbewusst, und sie konnte nicht anders, als sein Gesicht mit beiden Händen zu umfassen, und sie küsste ihn noch einmal sanft auf die Lippen. Seine Hände schlüpften unter ihr Shirt und glitten über ihre weiche Haut.

 

„Hermine, wo… Oh mein Gott!“

 

Es war wie eine eiskalte Dusche. Es war vielmehr wie ein elektrischer Schlag. Tausend Volt, und eigentlich dürfte sie gar nicht mehr atmen können. Seine Hände waren von ihr abgefallen und sie rutschte hastig von der Kante. Das Spülwasser hatte ihre Jeans getränkt. Und sie schämte sich mehr als jemals zuvor. Sie wischte sich den Schaum vom Gesicht.

 

Ginny starrte sie einfach nur an. Erst sie, dann ihn. Ihr Mund öffnete sich und schloss sich wieder, ehe sie überstürzt die Küche verließ. Das Gefühl war furchtbar. Sie hatte das Gefühl, Ginny hintergangen zu haben. Sie wusste, sie würde ihren Ausdruck nicht mehr vergessen können.

 

Und die Stimmung hier in der Küche war jetzt nicht mehr vorhanden. Wie hatte sie das tun können? War sie so eifersüchtig auf Ginny, dass sie den nächstbesten Idioten haben musste? Sie hätte weinen können. Niemand hatte davon erfahren sollen! Sie selber hätte es niemanden verraten, ihren momentanen Kurzschluss, ihr plötzliches Verlangen nach Draco Malfoy. Aber jetzt wusste es Ginny.

 

Sie wusste es nicht nur, nein, sie hatte es gesehen! Sie folgte Ginny, ohne ein weiteres Wort, ohne ihn noch einmal anzusehen.

 

Auf dem Flur sprach Ginny gerade mit Mr Wickham. Dieser hob nun den Blick. Hermine hoffte nur, dass er ihre nasse Jeans nicht bemerken würde.

 

„Ah, Ms Granger. Da sind Sie ja. Ich komme das letzte Mal, um Mr Malfoy abschließend zu bewerten. Waren Sie mit seiner Arbeit zufrieden? Oder bekommt er eine Notiz zu seiner Akte?“ Sie spürte Ginnys bohrenden Blick. Sie schluckte. Ihre Lippen waren geschwollen, und eigentlich war sie noch gar nicht in der Lage zu sprechen.

 

„Ich denke, Ms Granger war mit seiner Arbeit zufrieden.“, antwortete Ginny eisig. Hermine senkte hastig den Blick.

 

„Nun, das wollen wir annehmen. Man hat ja nicht jeden Tag seinen Freund für sich arbeiten.“ Der Mann zwinkerte. Hermine nahm die Wrote fassungslos auf.

 

„Ihren was?“ Ginnys Stimme überschlug sich.

 

„Oh richtig. Es sollte ja nicht an die Öffentlichkeit. Aber damit meinten sie doch lediglich die Öffentlichkeit des Ministeriums, richtig? Oder bezieht die Hexenwoche ihre Informationen auch aus ihrer Einrichtung, Ms Granger?“, fragte der Mann jetzt mit einem bösen Lächeln, und zum ersten Mal in ihrem Leben, hatte Hermine darauf keine Antwort.

 

„Sie brauche mich hier wohl nicht länger.“, knurrte Ginny und mit einem letzten verhassten Blick auf Hermine war sie verschwunden.

 

Hermine wusste, sie würde das nicht gut machen können. Und sie hatte das Gefühl, dass dieser kleine, widerwärtige Mann vor ihr, genau wusste, warum er diese Sachen sagte.

 

„Dann wären meine Besuche hier gezählt, Ms Granger.“ Er steckte die Feder schwungvoll wieder ein, verstaute sein Klemmbrett und tippte sich an den flachen Hut. „Das Verfahren gegen Mr Malfoy wird eingestellt, wenn Sie keine weiteren Beschwerden einreichen.“

 

Sie nickte perplex.

 

„Ausgezeichnet. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Grüßen Sie Mr Malfoy von mir.“ Damit verschwand auch er. Und sie stand allein auf dem Flur.

 

Ok. Und was würde sie jetzt tun?

 

Er war aus der Küche gekommen. Er stand jetzt neben ihr.

 

„Was mach ich jetzt?“, fragte sie leise und spürte die Tränen bereits kommen. Sie hörte ihn tief einatmen.

 

„Wie wäre es, wenn du morgen mit mir Essen gehen würdest?“, fragte er schließlich, und sie hob den Blick.

 

„Malfoy, was..?“ Er lächelte.

 

„Morgen ist mein letzter Tag. Ich glaube nicht, dass du dich mit Weasley vertragen wirst. Wenigstens nicht jetzt. Dann kannst du dich nächste Woche darüber ärgern.“, schlug er mehr oder weniger diplomatisch vor.

 

„Malfoy, ist dir klar, dass sie das Harry erzählen wird?“, erwiderte sie gepresst, aber er zuckte tatsächlich die Schultern.

 

„Ja, und?“

 

„Malfoy!“ Sie konnte nicht begreifen, was er sagte.

 

„Das ist dein Leben oder nicht? Wenn du nicht willst, dann müssen wir morgen nicht essen gehen, Granger. Es ist ein Vorschlag. Wenn du ihn natürlich erst mit Potter und Weasley besprechen musst, um danach abzustimmen, dann können wir es auch lassen.“ Er fuhr sich durch die nassen Haare.

 

Ihr kam der Gedanke in den Sinn, dass er recht hatte. Vielleicht. Wenn sie ihn in der Küche küssen wollte, dann konnte sie das wohl auch tun, oder nicht? Nein, wahrscheinlich eher nicht.

 

„Was… was ist mit deinem Vater?“ Ihr fiel siedend heiß wieder ein, dass ja nicht nur Harry, Ginny und Ron etwas gegen diese Verbindung haben würden. Nein, der freundliche Lucius würde Zauberstab schwingend diese ganze Truppe anführen.

 

Und Draco Malfoy lächelte.

 

„Ich glaube nicht, dass Lucius uns begleiten möchte.“

 

Malfoys erster Scherz. Aber sie war noch zu schockiert, als dass sich ihre Mundwinkel hätten heben können. Schließlich kam Hugo auf den Flur, mit Scorpio. Anscheinend hatten die beiden sich nach all den Jahren angefreundet.

 

„Hey, Draco, kommst du mit? Wir spielen gleich das Besenspiel. Scorpio und ich wollen dich in unserem Team haben. Ansonsten musst du nämlich zu Florina und Elly Walsh. Sie haben schon nach dir gefragt.“ Hugo senkte den Blick. Wahrscheinlich befürchtete er wirklich, dass Malfoy zu den Mädchen gehen würde.

 

Er atmete aus.

 

„Natürlich bleiben wir ein Männerteam.“

 

„Miss Hermine, was ist mit ihrer Hose?“ Scorpio hatte sich stirnrunzelnd nach vorne gebeugt. Hermine wurde wieder einmal rot.

 

„Ahem… dein Bruder hat in der Küche Chaos gemacht.“, war ihre schlichte Erklärung. Sie konnte Malfoys Lächeln sehen als er hinter den Jungen in den großen Raum schritt.

 

 

Teil 15

 

 

„Wie konntest du das tun?“ Schätzungsweise war dies das zwanzigste Mal, dass Ginny sie das fragte.

 

„Ich weiß es nicht.“ Die Kinder waren abgeholt worden. Malfoy war auch gegangen. Also konnte Ginny sie in aller Ruhe anschreien. Sie hatte sich ja auch so tapfer den Rest des Tages zurück gehalten gehabt.

 

„Was soll das heißen? Es sah nicht wirklich so aus, als hätte er dich gezwungen!“ Als sie wieder daran dachte, kribbelte es stark in ihrem Bauch.

 

„Nein, hat er nicht.“, gab sie zu.

 

„Hermine! Das ist krank! Das ist, das… du weißt, wer er ist! Wie konnte das passieren? Ich begreife es nicht. Was ist los mit dir? Hast du völlig den Verstand verloren? Gut, dass er ab nächste Woche nicht mehr da ist. Ich kann es nicht fassen!“ Sie hatte sich ganz in Rage geschrieen. Hermine blieb sogar relativ ruhig.

 

„Ginny, es ist meine Sache.“ Ginnys Augen blitzten gefährlich.

 

„Ach ja? Na, aber sich. Aber wieso nimmst du nicht wen anders?“, schrie sie jetzt so laut, dass Hermine zurück weichen musste.

 

„Und wen?“, schrie sie jetzt auch, obwohl sie sich eigentlich nicht dazu hatte hinreißen wollen.

 

„Was?“, erwiderte Ginny verwirrt, aber Hermine stemmte die Hände in die Hüften.


„Welcher Mann in London, den du für würdig erachten würdest, ist noch nicht verheiratet, oder hat noch keine Kinder, oder wird nicht bald welche bekommen, Ginny?“ Ginny sah sie fassungslos an.

 

„Du kannst jeden haben. Nur eben nicht den Malfoyidioten, Hermine!“

 

„Ja? Dann gib mir ein verdammtes Beispiel!“ Sie fluchte eigentlich nicht gern. Aber anscheinend gab es jetzt keine andere Wahl. Ginny überlegte kurz.

 

„Ich weiß es nicht. Aber Malfoy ist bestimmt nicht der einzige Single in dieser schönen Welt.“ Sie schüttelte wieder völlig verständnislos den Kopf.

 

„Nein, vielleicht nicht auf der Welt, aber nenn mir jemanden in London! Nenn mir jemanden, der mich genauso fühlen lässt wie…“ Sie biss sich hastig auf die Zunge. Oh Gott! Was erzählte sie denn jetzt? Ginny kam auf sie zu, als wäre sie auf einmal besessen. Sie umfasste ihre Schultern grob und starrte sie fast panisch an.

 

„Hermine, was sagst du da?“ Ihre Stimme war gefährlich leise. „Das hast du nicht wirklich gesagt, oder? Du bist doch nicht so bescheuert und lässt dich von seinem Äußeren täuschen? Du kennst ihn nicht erst seit Montag, zum Teufel noch mal! Wir waren auf einer Schule! Er wollte dich UMBRINGEN! Hermine! Begreifst du nicht, dass er Draco Malfoy ist?“ Sie machte sich von ihr los.

 

„Er wird mich nicht umbringen!“, entgegnete sie.

 

„Ach nein? War er denn nett und umgänglich, als er vor einem Monat seinen Bruder abholen wollte? Hat er den Abend ruhig verbracht und nicht eine Schlägerei angefangen und alles zerstört?“ Und das Schlimme war, eigentlich hatte Ginny vollkommen recht.

 

„Er… er hat sich geändert.“

 

„In einem Monat? Wer denkst du, wer du bist? Eine Göttin, die alles ändern kann? Ein Mädchen, das Draco Malfoy dazu bringt, ein netter Kerl zu sein? Hermine, sieh dich an! Als wärst du für ihn jetzt irgendjemand anders!“ Aus Ginnys Mund klang es wie eine ziemlich gemeine Beleidigung.

 

„Was soll das heißen?“, fragte sie deshalb, aber sie schaffte es nicht mal provozierend zu klingen.


„Denkst du, er wird nach einem Mal Sex mit dir vergessen, wie du heißt? Denkst du, er wird vergessen, wer du bist? Denkst du, ihm ist dein Blut egal? Auf einmal? Nach siebenundzwanzig Jahren? Denkst du das?“ Sie war schon ganz heiser. Hermine hoffte, sie würde morgen keine Stimme mehr haben.

 

„Ginny, es ist meine Sache.“, begann sie wieder.

 

„Er nutzt dich aus, und dir ist das egal?“ Sie war wieder näher gekommen.

 

„Er nutzt mich nicht aus.“, widersprach sie zögernd.

 

„Ach nein? Dann sag mir, was er sonst tut?“

 

„Er könnte jede andere haben, Ginny. Er muss nicht mich nehmen.“ Gott, es klang so erbärmlich in ihren Ohren.


„Warum lässt du dich dann auf ihn ein? Was ist nur los?“

 

„Du warst nicht da! Malfoy ist nicht mehr so… So wie er war. Er ist anders. Er hat einen Bruder, Ginny. Kinder können Menschen verändern.“

 

„Scorpio ist Lucius‘ Sohn, nicht Dracos, Hermine. Die eignen Kinder verändern einen, ja, aber nicht die Kinder von anderen!“ Und hier musste Hermine widersprechen. Ginny hatte keine Ahnung.


„Das ist Blödsinn, Ginny, und das weißt du! Die Kinder hier haben uns grundlegend verändert. Und so wie sich Pansy verändert hat, so hat sich auch Draco verändert!“

 

„Draco?“, wiederholte Ginny am Rande eines Schreikampfs. „Draco??? Du nennst ihn beim Vornamen? Was Harry dazu sagen wird, ist dir ja hoffentlich klar, Hermine!“

 

„Du willst es Harry sagen? Bitte, dann sag es Harry. Harry wird dir auch bestätigen können, dass sich Menschen ändern. Du willst es nicht wahrhaben, aber man kann jemanden nicht für immer hassen.“

 

„Doch!“, lachte Ginny auf. „Doch, Hermine. Normale Menschen können das. Nur bei dir scheint irgendwas kaputt gegangen zu sein. Du scheinst dich nur noch von deinen Trieben leiten zu lassen. Als wärst du die einzige mit Problemen.“

 

Hermine packte nun hastig ihre Sachen zusammen. Sie musste sich bestimmt nicht von Ginny maßregeln lassen.

 

„Nein, bestimmt nicht, Ginny. Aber ich bin die einzige, die alleine mit ihren Problemen klar kommen muss, denn du und Harry, ihr redet nur noch über euer ungeborenes Baby, und Ron und Cho haben Sex auf dem Küchentisch und ansonsten ist da niemand, mit dem ich reden könnte. Klar, du magst Malfoy nicht, aber kann das vielleicht auch damit zusammen hängen, dass ich meine Zeit lieber mit ihm verbringen würde, als mit dir? Kann es sein, dass du dich in deinem eigenen Umfeld bedroht fühlst, weil du nicht mehr diejenige bist, die alles von mir weiß?“ Ginnys Mund klappte auf und wieder zu. „Aber das tut mir wirklich leid.  Wenn du mich als Freundin behalten willst, dann reicht es leider nicht, die ganze Zeit von dir und Harry zu erzählen. Vielleicht siehst du das irgendwann ein.“ Damit verschwand sie.

 

Und sie fühlte sich nicht mehr ganz so abscheulich. Ja, vielleicht war es unfair gewesen, Ginny vorzuwerfen, sie rede nur noch von dem Baby, und davon wie toll ihre Beziehung mit Harry sei.

 

Aber Hermine hatte recht. Sie wusste, dass eine Freundschaft nicht auf dieser Basis stehen sollte.

 

Ginny musste sich ändern. Hermine hatte ihr immer zugehört. Jeden Tag, wenn sie von irgendwelchen Kleinkinderstreits erzählt hatte. Natürlich war sei neidisch, aber Ginnys Aufgabe sollte es dann nicht sein, sie noch schlechter zu machen. Ihre Aufgabe sollte es sein, ihr zu helfen und ihr nicht jeden und jeden Tag von Harry und ihrer kleinen Familie in spe vorzuschwärmen.

 

Zornig schritt sie die Straße entlang. So wütend, dass sie kaum gerade aus gucken konnte. Sie konnte gar nicht schnell genug ausschreiten, um endlich Zuhause etwas kaputt werfen zu können.

 

Oder sonst irgendwas!

 

„Ms Granger.“ Noch so einer, den sie nicht sehen wollte! Lucius Malfoy kam ihr entgegen, in der Hand einen Aktenkoffer. Sie wollte gar nicht wissen, welche krummen Geschäfte er jetzt wieder abgeschlossen hatte. Er hielt inne und machte kehrt um neben ihr zu gehen.

 

„Mr Malfoy, jetzt ist wirklich ein schlechter Zeitpunkt.“

 

„Für einen Gespräch mit Ihnen gibt es keinen richtigen Zeitpunkt, Ms Granger. Dennoch habe ich keine Wahl.“ Sie hatte keine Lust ihm zuzuhören. Sie hatte keine Lust überhaupt zu wissen, dass es ihn gab.

 

„Was wollen Sie dann? Verschwinden Sie, und lassen Sie mich in Ruhe. Es gibt nichts, worüber wir reden könnten.“ Sie musste sich beherrschen, nicht zu schreien. Er hielt immer noch mit ihr Schritt.

 

„Gar nichts? Denken Sie mal nach.“ Sie hasste seine Art. Diese Arroganz, diese… Sie hätte schreien können vor Wut.

 

„Mr Malfoy!“ Drohend hatte sie inne gehalten, und er tat es ihr gleich. Mit einem widerlichen  Lächeln betrachtete er sie abfällig.

 

„Ms Granger, bitte, enttäuschen Sie mich nicht.“, sagte er aalglatt. „Was denken Sie wohl, was wir gemein haben?“ Seine schulterlangen Haare steckten in einem eleganten Zopf. Seine Haare waren anders als Dracos. Nicht so… weich, überlegte sie.

 

„Was wollen Sie?“, fragte sie leise und voller Verachtung.

 

„Ich nehme an, Sie waren diejenige, die meinem Sohn eine Karriere außerhalb des Ministerium vorgeschlagen hat?“, erkundigte er sich immer noch ruhig, aber sie schnaubte auf.

 

„Von welchem Ihrer Söhne sprechen Sie? Denn das werde ich bestimmt beiden vorgeschlagen haben, Mr Malfoy.“ Kurz entgleiste sein Lächeln, aber er fing sich schnell.

 

„Ms Granger, ich würde Ihnen raten, sich nicht so gehen lassen.“

 

Sie ging weiter. Würde sie stehen bleiben, würde sie ihn wahrscheinlich verfluchen.

 

„Lassen Sie mich allein.“

 

„Sie waren es doch, die Draco diese… Stelle vorgeschlagen hat, nicht wahr? Von wem soll er sonst so eine absurde Idee in den Kopf gesetzt bekommen haben.“, sagte er, als hätte sie nichts gesagt und folgte ihr wieder.

 

„Es geht Sie nichts an!“, entgegnete sie und schrak zusammen, als er sie am Arm in die nächste Seitenstraße zog und gegen die Wand presste.

 

„Oh Ms Granger, wenn Sie falsch liegen, dann sollten Sie es auch wirklich bereuen. Denken Sie wirklich, ich lasse meinen  Sohn eine solche… Arbeit vollrichten?“, fragte er kalt, und sie verzog vor Schmerz das Gesicht. „Antworten Sie mir!“, forderte er jetzt.

 

„Und wenn nicht? Zwingen Sie mich dann wieder auf den Boden und halten mir Ihren verfluchten Zauberstab an die Schläfe, wie in der Mysteriumsabteilung?“, schrie sie ihn an, und sein Griff wurde übergangslos fester.

 

„Sie haben kein Recht, sich in die Zukunft meines Sohnes einzumischen. In keine Zukunft, von keinem meiner Söhne.“

 

„Als ob Ihnen Draco irgendwas bedeuten würde.“, keuchte sie vor Schmerz und versuchte ihren Arm zu befreien.


„Halten Sie Ihre Klappe, Sie dummes Kind. Mein Sohn hat Sie nicht zu interessieren.“

 

„Sie sind so erbärmlich. Haben Sie etwa Angst, dass Scorpio genauso wird wie Draco und dass Sie dann weder den einen noch den anderen Sohn haben, den Sie mit Ihren Worten vergiften können, Lucius?“ Er holte schneller aus, als sie reagieren konnte. Seine flache Hand traf sie hart ins Gesicht.

 

„Halt den Mund! Halt deinen Mund, verfluchtes Schlammblut!“, schrie er, aber immer noch blieben sie allein in der Gasse. Bunte Flecken tanzten vor ihren Augen und eine verirrte Träne rann aus ihrem Augenwinkel. Ihre Wange kribbelte unangenehm und sie bekam dumpfe, pochende Kopfschmerzen.

 

Der Mann vor ihr atmete schwer und starrte sie mit großen Augen an. „Ich liebe beide meine Söhne. Sie haben nicht das Recht auch nur einem von ihnen die Zukunft zu zerstören.“, knurrte er beherrschter als zuvor.

 

„Wenn Sie mich nicht sofort gehen lassen, dann schwöre ich, werde ich Sie hier verfluchen, Mr Malfoy. Wenn Sie mich nicht sofort gehen lassen, werde ich Sie anzeigen und Sie können Ihre Söhne aus einer Zelle in Askaban lieben.“ Sie griff in die Tasche ihres Umhangs.

 

„Jetzt, wo Draco mit seiner Strafe fertig ist, werden Sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sie werden ihn nicht wieder sehen, haben Sie gehört?“, fragte er, als hätte er ihre Drohung nicht gehört.

 

„Sie haben mir keine Befehle zu geben.“ Sie zog den Zauberstab aus ihrem Umhang.

 

„Packen Sie das lächerliche Ding weg.“, bemerkte er kühl. „In diesem Koffer befinden sich einhunderttausend Galleonen. Sie werden Sie als Schweigegeld bekommen. Und nicht nur als das. Sie werden Draco in Ruhe lassen. Ich kann nicht riskieren, dass seine momentanen Neigungen ihm das Genick brechen.“

 

„Weil Sie es sonst tun werden?“, erwiderte sie kalt. Das Kribbeln in ihrer Wange klang langsam ab.

 

„Nein, aber weil ich Sie dann dafür verantwortlichen machen werde.“

 

„Sie können mir kein Geld dafür geben, dass ich mich von ihrem Sohn fernhalte. Als ob er wirklich auf Sie hören würde, Lucius. Als ob sich Draco von Ihnen auch nur eine Boshaftigkeit mehr gefallen lassen würde!“

 

Und jetzt lächelte der blonde Mann. Ein bitterböses, eiskaltes Lächeln.

 

„Ich werde ihm keinen Silberknut lassen, sollte er sich weigern. Und ich werde Ihnen die Schuld geben, Hermine.“ Ihr Name aus seinem Mund klang wie etwas Furchtbares, etwas Gefährliches. „Glauben Sie wirklich, Draco wird auf Sie hören, wenn ich all das Vermögen Scorpio vermache?“, fragte er lauernd. „Glauben Sie wirklich, Sie könnten meinen Sohn ändern, nur weil Sie Ihre Hüften schwingen? Er wird das Interesse schneller an Ihnen verlieren, als Sie es sich vorstellen können. Und dann leben Sie nicht mit meinem Hass, sondern mit seinem.“

 

Ihr Mund öffnete sich langsam. „Und Hermine… wollen Sie das wirklich?“

 

Und vor ihrem inneren Auge, sah sie bereits Dracos fassungsloses Gesicht, wenn sein Vater beschlossen hatte, das Vermögen Scorpio zu vermachen, weil sein älterer Sohn dessen nicht mehr würdig war. Er würde sich selber dafür hassen, einen Job angenommen zu haben, der seinem Vater missfiel – und natürlich würde er ihr die Schuld geben, so ungerecht dies auch war.

 

„Damit werden Sie nicht durchkommen. Draco ist nicht dumm.“, widersprach sie jetzt.

 

„Nein, ganz gewiss nicht. Ich halte meinen Sohn für einen vernünftigen, begabten und fähigen jungen Mann. Draco wird verstehen, dass ich ihm die besten Aussichten zu bieten habe.“ Er lächelte wieder ein kühles Lächeln.

 

„Wieso tun Sie das?“, flüsterte sie.

 

„Weil ich meine Söhne nicht dazu erziehe, mich zu hassen. Ob Sie es glauben oder nicht, ich bin ein guter Vater. Mein Sohn weiß, wie viel er mir bedeutet. Beide meine Söhne wissen das. Gut, bei Draco mag es sein, dass ich ein paar Fehler gemacht habe, aber das geht Sie nichts an. Es nicht Ihre Aufgabe, sich um Draco zu kümmern, was Sie – wie ich annehmen darf – erfolgreich getan haben.“ Kurz zuckten seine Mundwinkel.

 

„Glauben Sie mir, dass Sie ein Schlammblut sind, das ist mir herzlich gleichgültig. Ich würde Sie nicht auf meinen Sohn aufpassen lassen, wäre ich einer anderen Ansicht, Ms Granger.“ Er stellte den Koffer vor ihre Füße. „Aber in meinem Haus gibt es Regeln. Ich erziehe meine Kinder, ich gebe ihnen den Reichtum, den ich zur Verfügung stehen habe und dafür verlange ich Respekt.“ Sie betrachtete stumm den Koffer.

 

„Ich brauche Ihr Geld nicht, Lucius.“ Er lachte leise.

 

„Oh, Ms Granger, niemand gibt Geld wieder zurück. Und glauben Sie mir, jeder hat seinen Preis. Nehmen Sie es einfach. Vielleicht hält Sie das wirksam davon ab, Kontakt mit meinem Sohn zuhalten. Wir wissen doch beide, dass sie wirklich nicht zusammen passen.“ Er klang beinahe väterlich. Auf eine groteske widerwärtige Art.

 

„Sollten Sie sich allerdings meinen Wünschen widersetzen, dann werden Sie sich wünschen, sich nicht mit mir angelegt zu haben, Ms Granger.“ Er zog seine schwarzen Lederhandschuhe zurecht.

 

„Wollen Sie mir drohen?“, fragte sie jetzt und spürte wieder ihre Wut, die kurz durch den Schock verdrängt worden war.

 

„Ich denke, das habe ich doch bereits.“ Er lächelte wieder. „Ich tue es sogar eigentlich ungern, denn Sie verfügen über einen beeindruckend harten Charakter, Ms Granger.“ Er nickte anerkennend. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich vorhin habe gehen lassen. Der Schlag war nicht so gemeint.“ Sie schnappte kurz nach Luft. Nicht so gemeint? Fand er das auch noch witzig? Ihre Schläfe dröhnte immer noch. „Ich verstehe, was Draco an Ihnen findet. Auch wenn es nicht unbedingt das ist, was ich in einer Frau suche.“

 

„Unterwürfigkeit?“, gab sie böse zurück. Er lachte erneut.

 

„Sie sind wirklich schlagfertig. Ja, Unterwürfigkeit. Und Sie würden bemerken, dass auch mein Sohn der Unterwürfigkeit nicht abgeneigt ist. Aber dazu wird es ja nicht mehr kommen.“

 

„Sie denken, weil Sie mir Geld geben und mich schlagen, dass Draco jetzt seinen neuen Job aufgeben wird, um sich Ihrem Willen zu beugen?“, fragte sie jetzt trocken nach.

 

„Davon bin ich überzeugt, habe ich doch vorhin den Fluchbannern einen ähnlichen Koffer gebracht, damit sie Draco einen Brief schreiben, in dem sie von Herzen bedauern, seine Bewerbung zurückweisen zu müssen.“ Ihr Mund klappte auf.

 

„Sie sind ein gemeines Arschloch.“ Er schürzte die Lippen.

 

„Das kann Ihre Meinung sein, Ms Granger. Ich halte mich lediglich für vorsichtig. Ich will nicht, dass Draco einen Fehler macht. Das wollte ich nie. Und bisher habe ich stets die richtigen Entscheidungen getroffen.“

 

„Ja? Als Sie ihn gezwungen haben, das Dunkle Mal zu tragen? Als er Dumbledore umbringen sollte, weil Sie Mist gebaut hatten? Oder als er in der Hogwartsschlacht hatte kämpfen müssen?“ Sein Lächeln schwand schnell.

 

„Ihn zu einem Todesser zu machen, hat ihn vor dem Tod bewahrt, Ms Granger. Diese Zeiten liegen hinter uns. Ich habe das Beste für meine Familie getan. Ich hoffe, dass wir beide nicht noch einmal das Vergnügen haben werden.“

Er nickte zum Abschied und mit wehendem Umgang war er nach ein paar Schritten appariert.

 

Sie wusste nicht genau, warum sie Draco Malfoy so verteidigt hatte. Sie wusste auch nicht, warum sie ihre Meinung jetzt erst recht änderte. Sie wusste nur, sie kochte vor Wut. Zornig trat sie gegen den Lederkoffer und er kippte geräuschvoll zur Seite.

 

Hunderttausend Galleonen. Sie versuchte nicht darüber nachzudenken, denn spätestens morgen würde sie diese Summe nicht mehr besitzen. Dafür musste sie aber noch mit jemandem sprechen.

 

Wenn Lucius dachte, sie hätte Angst vor ihm, dann hatte er sich geirrt. Vielleicht glaubte er zu wissen, was das Beste für seine Söhne war, aber da lag er falsch. Ganz falsch. Und das würde sie ihm beweisen. Auch wenn sie sich damit auf dünnes Eis begab. Und in bedrohliche Gefahr.

 

Aber niemand sagte Hermine Granger, was sie tun oder lassen konnte.

Niemand. Nicht einmal ein Malfoy.

 

 

Teil 16

 

Seine frisch gewonnen Zukunft zog träge an ihm vorbei. Der Brief lag vergessen auf seinem Tresen. Er trank einen kleinen Scotch. Eigentlich nur, um sich abzulenken.

 

Wieso hatten sie ihm abgesagt? Wieso zur Hölle wollten sie ihn nun doch nicht haben? Er verstand es nicht. Absolut überhaupt nicht. Hatte er einen Fehler gemacht? Hatten sie doch verlangt, Einblick in seine Akte nehmen zu dürfen? War sein Name das Problem? Wohl kaum!

 

Oder der winzige Ausfall letzten Monat? Er hatte lediglich Geburtstag gefeiert. Etwas zu wild, ja, das gab er zu, aber es war doch kein Grund, einen jetzt doch nicht mehr einstellen zu wollen.

 

Und vor allem: Was sollte er jetzt tun? Er wusste es nicht. Es gab kaum etwas zu tun. Er hatte also versagt. Er hatte sich Mühe gegeben und hatte versagt. Man bekam nie, was man wollte, egal, wie sehr man sich auch anstrengte. Und diese Information würde auch an seinen Vater gehen.

 

Und dieser würde dann lachen und sagen, dass er ihn gewarnt hätte. Dann hätte Lucius recht gehabt, und er hätte wieder einmal unrecht. Das war nicht gerecht. Das war es absolut nicht.

 

Er kippte sich noch ein halbes Glas voll ein. Er wusste, morgen war sein letzter Tag. Und eigentlich hatte er nicht vor, sich heute Abend gehen zu lassen. Eigentlich war das nicht der Plan. Denn morgen bekam er seinen Zauberstab wieder. Wahrscheinlich machte es nicht den besten Eindruck, würde er ihn immer noch betrunken entgegen nehmen.

 

Er seufzte schwer.

 

Was sollte er jetzt tun? Was konnte er noch tun? Wieder von vorne anfangen? Doch ins dämliche Ministerium laufen, wie ein geprügelter Hund, damit sie ihn doch noch in Gnade aufnehmen würden. Er verzog den Mund nachdem die bittere Flüssigkeit auf seinen Gaumen traf.

 

Er hatte versagt. Sein Vater hatte recht, Granger hatte recht. Alle hatten recht. Er schaffte überhaupt nichts. Es klopfte laut an seiner Tür. Müde stieß er sich vom Tresen ab und schritt durch den Flur.

 

Er zog die Tür auf und hob eine Augenbraue. Was tat sie hier?

 

„Wie sehr bist du von deinem Vater abhängig?“, fragte sie nun ohne Umschweife. Er runzelte die Stirn.

 

„Was?“ Er hatte keine Lust. Er wollte sie nicht einmal sehen. Sie war nur wieder ein Mensch, der einen Job hatte.

 

„Sag mir, wie sehr du von deinem Vater abhängig sein willst. Wenn du die Chance hättest, das zu arbeiten, was du machen möchtest, würdest du es tun? Egal, was die Konsequenzen sind?“

 

„Was? Wovon sprichst du? Welche Konsequenzen, Granger?“ Sie war nicht mal wirklich attraktiv in diesem Moment, dabei war sie genauso schön, wie immer. Vielleicht war das Verlangen, das er gespürt hatte, mit dem Alkohol verschwunden.

 

„Geld.“, sagte sie knapp.

 

„Was?“, wiederholte er verständnislos, und sie wurde gereizter.

 

„Ich meine, dass du bei den Fluchbannern weniger verdienen würdest.“, erklärte sie ungeduldig.

 

„Die haben mich nicht genommen.“, erwiderte er bitter. Er brauchte jetzt wirklich nicht noch schlechte Worte von ihr.

 

„Ja, aber dieses Problem kann man lösen.“, sagte sie wage, und er verstand kein Wort.

 

„Aber das…“

 

„Hör zu, nehmen wir an, ich kann dieses Problem lösen und sie nehmen dich doch – wie viel ist dir das Wert?“ Er verengte die Augen. Was wollte sie von ihm?

 

„Was meinst du damit? Was soll es mir wert sein?“

 

„Wenn dein Vater damit nicht einverstanden wäre…“, begann sie schließlich und er seufzte.

 

„Mein Vater ist mir egal, Granger.“

 

„Das heißt, du würdest den Job nehmen, komme was wolle?“ Er stöhnte genervt.

 

„Granger, ich hab keine Lust auf diese Spiele. Lass mich einfach in Ruhe. Du kannst mich morgen noch stundenlang nerven, ehe mein Leben wieder normal wird.“ Kurz flackerte es in ihrem Blick. Er konnte es sehen, konnte beinahe spüren, wie sehr sie seine Worte verletzt hatten. Kurz – ganz kurz – spürte er Schuldgefühle. Aber sie verschwanden nahezu augenblicklich. Sie reckte das Kinn in die Höhe.


„Dein Vater ist dir also egal, und du würdest den Job annehmen, würdest du ihn bekommen?“, fragte sie jetzt noch mal, deutlich kühler und bereit zu gehen.

 

„Granger…“

 

„Ja oder nein?“ Ihre Stimme war laut und schien kein weiteres Gespräch mehr zu akzeptieren. Er ruckte mit dem Kopf.

 

„Lucius ist mir egal.“, erwiderte er bloß. Aber sie war nicht die Ministerin. Sie konnte solche Entscheidungen nicht rückgängig machen, nur weil sie es so haben wollte. Sie war gegangen, ohne ein weiteres Wort, ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

Jetzt, wo sie weg war, taten ihm seine Worte wieder leid. Vielleicht hätte er sie rein beten sollen. Sich alleine scheiße zu fühlen, war so ziemlich das Letzte, was er wollte. Er lehnte noch eine Weile im Türrahmen. Der Flur war leer und dunkel. Wieder war er allein. Ja, sie hätte bleiben sollen. Auch wenn er jetzt wieder mal keine Arbeit hatte, hatte er sich besser gefühlt, als sie noch vor einer Minute vor ihm gestanden hatte. So seltsam das auch war. Er hatte sich doch tatsächlich an die Gesellschaft von Hermine Granger gewöhnt.

 

Aber jetzt war sie weg. Jetzt war es auch egal. Er würde noch ein Glas trinken. Nur noch ein kleines….

 

~*~

                                   

 

Sein Kopf dröhnte als er die Tür der Magic-Corner hinter sich zuzog. Kinderlärm drang von dem großen Raum in den Flur. Die kleinen Umhänge hingen ordnungsgerecht an ihren Haken. Scorpio war auch da. Abwesend strich seine Hand über den teuren, lindgrünen Stoff.

 

Er erinnerte sich dunkel, dass er als Kind auch schon immer grüne Umhänge getragen hatte. Ob sich Lucius um die Farbwahl kümmerte? Eigentlich bezweifelte er es, aber dann wiederum – warum nicht? Sein Vater war seltsam genug.

 

Er betrat den Raum. Von der kleinen Weasley bekam er einen giftigen Blick zugeworfen. Von Granger war keine Spur. Aber die Kinder betsürmten ihn. Und sie hatten anscheinend Geschenke, was der kleinen Weasley auch gehörig gegen den Strich zu gehen schien. Und für einen kleinen Moment vergaß er seine Kopfschmerzen.

 

„Hier, Draco! Mach meins zuerst auf.“ Es war Elly Walsh, die mit ihm eigentlich nie mehr als drei Sätze gesprochen hatte. Sie war das kleine Muggelmädchen, von dem er bisher eigentlich den Eindruck hatte, dass sie ihn ncith hatte leiden können.

 

Das Geschenk war unbeholfen in eine Servierte eingewickelt. Kleine Besen flogen auf dem Papier umher. Seine Mundwinkel zuckten, ehe er es auspackte. Dann fuhren seine Finger über das glänzende, feste Material. Es war flach und viereckig. Er konnte nur vermuten, dass dieses Material ziemlich schädlich für die Umwelt war – wie so vieles, was Muggel herstellten.

 

Unter dem durchsichtigen Material – für Glas war zu leicht und zu nachgiebig – blickte ihm eine Hexe auf einem Besen entgegen. Es war kein magisches Bild. Die Hexe blieb still. Die Überschrift lautete: Die kleine Hexe. Er runzelte die Stirn.

 

„Das ist ein Hörspiel.“, erklärte sie mit hochrotem Kopf. „Das hab ich früher gehört. Da wusste ich nicht, dass…“ Sie lächelte einfach nur.

 

„Ein… Hörspiel.“, wiederholte er das Wort. Die anderen Kinder blickten auch mit offenen Mündern auf das flache Viereck in seiner Hand.

 

„Was kann es?“, fragte Devon ehrfürchtig.

 

„Es ist eine CD.“, sagte Elly jetzt, etwas enttäuscht, dass keine wusste, was es war. Granger würde es wissen, vermutete Draco jetzt, aber Granger war ja nicht anwesend.

 

„Wofür steht CD?“, fragte er stattdessen.

 

„Ahem… ich… keine Ahnung.“, sagte das Mädchen. „Aber du kannst es dir ja mal anhören.“ Damit ging sie an den Frühstückstisch zurück. Anhören? Er überlegte, ob man sich dieses Ding ans Ohr halten musste. Seine Finger fühlten eine Rille an der Seite. Tatsächlich konnte man das flache Ding öffnen. Innen blickte ihm dasselbe Bild entgegen, allerdings auf einer dünnen Scheibe, die man aus der Hülle entfernen konnte.

 

Was zur Hölle war das denn? Ein harter Pfannkuchen? Er würde sich damit zu Hause beschäftigen. Devon hielt ihm nämlich sein Geschenk unter die Nase.

 

„Wieso schenkt ihr mir etwas?“, fragte er jetzt. Die Kinder lachten nachsichtig, anscheinend.


„Weil du jetzt weggehst, Draco.“, erklärte Devon bereitwillig. Ihm fiel auf, dass Scorpio bei den Bausteinen sitzen geblieben war.

 

„Pack schon aus.“ Florina schien es eilig zu haben. Er wickelte Devons Geschenk aus. Er lächelte. Es war ein dicker Muffin, mit grüner Glasur. Die Worte „Viel Glück, Draco!“ leuchteten dort in farbwechselnder Zuckerschrift.

 

„Mum hat ihn gemacht, aber ich hab ihr gesagt, wie er aussehen muss.“, erklärte Devon stolz. Draco nickte grinsend.

 

„Danke, Devon. Ich werde ihn sofort essen.“ Das würde er auch tun, denn Zuhause war er zu müde gewesen, sich Frühstück zu machen. – Oder Kaffee.

 

„Hier.“ Florina drückte ihm ihr Geschenk in die Hand. Es war schwerer als die anderen. Draco wickelte es vorsichtig aus. Es war eine Schneekugel. Er hob sie vor sein Gesicht. Dort drinnen standen winkende Figuren, offensichtlich mit Buntstiften gezeichnet. Er erkannte sich selber, denn er war größer und hatte ganz gelbe Haare. Neben ihm stand wohl Florina und noch ein paar andere der Kinder. Er erkannte auch Weasley. Rote Striche gezeichneten ihre Haare und die kleine Granger Strichfigur hatte viele braune Kringel auf dem Kopf.

 

„Ms Ginny hat mir geholfen die Figuren in die Schneekugel zu zaubern und zu machen, dass sie winken.“, erklärte Florina mit wichtiger Miene. Draco nickte schließlich.

 

„Vielen Dank, das ist ein tolles Geschenk.“

 

„Wirst du es aufstellen?“, fragte sie und biss sich auf Lippe. Er grinste.

 

„Na klar. Dann kann ich es jeden Tag sehen.“ Von den restlichen Kindern bekam er eigentlich nur Bilder. Jedes Mal stachen ihm die furchtbar gelben Haare in die Augen, die seinen nicht ähnlich sahen, fand er. Nur Charles versuchte ihm ein Gebilde aus Bauklötzen zu schenken, aber die kleine Weasley erklärte ihm lang und breit, dass sie ihm keine Bauklötze schenken konnte, weil die der Magic-Corner gehörten.

 

Charles weinte daraufhin bitterlich und Draco teilte seinen Muffin mit ihm. Scorpio hatte nichts für ihn. Aber das hatte er auch eigentlich nicht erwartet. Heute setzte er sich neben seinen Bruder und machte ihm sein Marmeladenbrot fertig.

 

„Was ist los?“, fragte er leise, denn er wusste, wenn Scorpio etwas bedrückte, dann hätte er bestimmt keine Lust seine Sorgen vor der ganzen Gruppe zu besprechen. Er war immerhin ein Malfoy.

 

„Nichts.“, sagte er trotzig.

 

„Du weißt, nur weil ich gehe, heißt das nicht, dass wir uns nicht mehr sehen.“ Scorpio blickte auf seinen Teller.

 

„Aber nicht mehr ejden Tag.“ Draco nickte.

 

„Nein, nicht mehr jeden Tag.“

 

„Vielleicht kann ich ja bei dir schlafen. Ab und zu. Und dann bringst du mich hier hin?“ Draco betrachtete seinen Bruder. Er wirkte wirklich nieder geschlagen. Es tat ihm leid.

 

„Du weißt, du bist hier nicht mehr lange.“ Bald würde er in die magische Vorschule kommen. Und er wusste schon, dass Lucius sich um einen Platz in Weston Fairfax‘ Elite gekümmert hatte. Er war selber auf dieser Privatschule gewesen. Die Kinder wurden von Zuhause abgeholt. Man konnte sie nicht absetzen.

 

„Ja.“, flüsterte Scorpio leise. Draco strubbelte ihm durch die Haare. Er wollte jetzt nicht, dass sein Bruder traurig war. Er würde schon Wege finden, seinen Bruder zu sehen. Wenn auch nur am Wochenende.

 

„Wollen wir heute zu Weasleys Zauberscherze gehen? Du kannst dir aussuchen, was du willst.“, beschloss er jetzt.

 

„Was ich will?“, wiederholte Scorpio ungläubig. „Vater erlaubt das nicht.“

 

„Ja, aber der ist nicht hier, oder?“ Draco lächelte und musste plötzlich unwillkürlich an Grangers Worte denken. Wie sehr er von seinem Vater abhängig war? Absolut überhaupt nicht, würde er jetzt mal behaupten.

 

 

~*~

 

 

„Verstehe ich Sie richtig, Ms Granger?“ Der Mann betrachtete sie und legte die Fingerspitzen aneinander. „Sie bieten mir Geld dafür, dass ich Mr Malfoy einen Brief schreibe, in dem ich ihn bitte doch bei uns zu arbeiten?“

 

Sie nickte ruhig.

 

„Wieso sollte ich das tun, wo ich ihm doch gestern eine Absage geschickt habe?“ Der Mann verzog keine Miene.

 

„Wie viel hat Ihnen Lucius Malfoy gegeben?“, fragte sie stattdessen ohne Skrupel und die Züge des Mannes entglitten kurzzeitig.

 

„Was?“, fragte er verstört.

 

„Hören Sie, das hier ist für Sie eine ideale Möglichkeit noch mehr Geld zu machen. Ich finde es unverschämt, dass Sie sich bestechen lassen, aber wenn es das, was sie gerne wollen, dann bin ich in der Lage, Ihnen Geld zu geben, Mr Conway.“, erklärte sie.

 

„Was wollen Sie damit sagen?“, fragte dieser, mit merklich höherer Stimme.

 

„Ich möchte sagen, dass Lucius Malfoy gestern bei Ihnen war und Ihnen Geld dafür geboten hat, seinem Sohn eine Absage zu schicken. Haben Sie das vertraglich festgehalten?“, fragte sie jetzt. Der Mann schien noch nicht bereit, diesen Umstand zuzugeben.

 

„Sie sagen, Mr Malfoy hat uns bestochen? Aber Ms Granger…“ Sie seufzte schwer.

 

„Also, ich biete Ihnen einhunderttausend Galleonen, wenn Sie Draco Malfoy wieder einstellen.“, sagte sie knapp. Der Mann starrte sie an.

 

„Sie… was?“, fragte er jetzt, und sie schloss die Augen. Seit einer halben Stunde saß sie jetzt hier.

 

„Mr Conway, bitte. Wir wissen beide, um was es hier geht. Hat Mr Malfoy Sie gezwungen einen Vertag zu unterschreiben, oder hat er Ihnen das Geld einfach gegeben? Was ich für wahrscheinlicher halten würde, da er sowieso denkt, er steht über dem Gesetz. Dann ist es für Sie kein Problem, mein Geld anzunehmen und Draco Malfoys Absage zurück zu ziehen.“

 

Der Mann blickte sie aus wässrigen blauen Augen immer noch völlig perplex an.

 

„Wieso tun Sie das? Wieso kümmern Sie sich um Draco Malfoys Einstellung?“ Sie reckte trotzig das Kinn nach vorn.

 

„Weil ich seinen Vater verachte. Und weil es keinen Grund gibt, Draco Malfoy nicht einzustellen. Er hat die besten Noten, oder nicht?“, fragte sie aggressiv.


„Schon, Mr Malfoys Abschluss war ausgezeichnet.“, räumte der Mann jetzt ein.

 

„Und er hat einen einflussreichen Namen. Sein Vater denkt nur, das hier, wäre nicht der richtige Beruf für seinen Sohn, weil er ihm kein Geld bringen wird. Aber Draco will ihn wirklich machen. Also, lassen Sie sich jetzt von mir bestechen oder nicht?“

 

„Sie geben mir einhunderttausend Galleonen, damit ich Draco Malfoy einstelle?“, wiederholte er jetzt, und sie nickte ungeduldig. Diese Geschäftswelt war nichts für sie. Die Leute schienen schwerer zu begreifen, als es Kinder taten.

 

 

„Ms Granger, das ist gegen das Gesetz.“, erklärte er jetzt.

 

„Ich denke, Geld von Mr Malfoy anzunehmen ist ebenfalls gegen das Gesetz. Und falls Sie Angst vor Mr Malfoy haben, glauben Sie mir, er wird Ihnen keine Schwierigkeiten machen, wenn er erfährt, dass ich sonst gegen ihn aussagen werde, Mr Conway.“

 

„Einhunderttausend?“, wiederholte er jetzt.

 

„Ja. Einhunderttausend dafür, dass Sie einen Mann einstellen, der an tausend besseren Plätzen arbeiten könnte und mit seinem Namen ihr kleines Unternehmen wirklich zu etwas bringen wird. Haben wir einen Deal?“

 

Erwartungsvoll streckte sie ihm die Hand entgegen und versuchte nicht darüber nachzudenken, dass die einhunderttausend Galleonen einfach behalten könnte, um damit neue Spiele für die Magic-Corner zu kaufen, die Wände zu renovieren und anzubauen.

 

Nach einem kurzen Zögern schlug ihr Gegenüber schließlich ein.

 

„Abgemacht, Ms Granger. Mr Malfoy ist wieder eingestellt.“

 

Sie legte den Koffer auf den blanken Tisch vor sich und erhob sich schließlich.

 

„Gut. Ich erwarte, dass sie ihm heute eine Nachricht eulenwendend zu kommen lassen. Und ich erwarte auch, dass Sie sich eine passende Geschichte einfallen lassen, ohne zu erwähnen, dass Lucius Malfoy oder ich etwas mit dieser Sache zu tun haben.“ Conway nickte langsam.

 

„Ich werde unser Treffen nicht erwähnen.“, versprach der Mann und legte die Hand auf den schwarzen Lederkoffer.

 

„Außerdem sollte dieses ganze Geld, Malfoys Einstellung so ziemlich auf Lebenszeit absichern.“, fügte sie hinzu und ignorierte die Frage in ihrem Kopf, die sie schon seit Ewigkeiten wahnsinnig machte. Wieso tat sie das alles überhaupt?

 

 

Teil 17

 

Granger kam spät. Und sie war ziemlich beschäftigt. Sie ignorierte Weasley, Weasley ignorierte sie, und das machte es anstrengend, den restlichen Tag mit den Kindern zu verbringen. Sie waren überall getrennt und gaben den Kindern nur einsilbige Antworten.

 

Der letzte Tag verging viel zu schnell. Und er hatte keine Möglichkeit mit Granger zu reden. Aber er wollte auch verdrängen, dass er nun doch keinen Job hatte. Wahrscheinlich wollte sie sowieso nur darüber reden.

 

Außerdem hing der kleine Hugo an seinen Beinen.

 

„Draco, heißt das, du kommst nie mehr?“ Er musterte den rothaarigen Jungen, der ihm so schrecklich bekannt vorkam.

 

„Unsinn. Natürlich werde ich ab und zu vorbeikommen, Hugo.“, widersprach er jetzt.

 

„Ja? Ich meine, du kannst auch mal zu mir nach Hause kommen. Ich hab ziemlich viele coole Sachen. Mein Dad ist im Quidditchteam.“, fügte er wie beiläufig hinzu. Draco nickte grimmig.

 

„Ja, ich weiß.“

 

„Kennst du meinen Dad?“; fragte Hugo argwöhnisch. Draco seufzte.


„Oberflächlich.“ Das Wort schien Hugo nichts zu sagen. „Wir waren zusammen in einem Jahrgang in Hogwarts.“, fügte Draco knapp hinzu.

 

„Wart ihr Freunde?“ Draco überlegte kurz.

 

„Sagen wir, wir waren so gut befreundet, wie du und Scorpio.“ Hugo überlegte kurz.

 

„Oh, ich verstehe.“ Dann grinste er. Draco musste ebenfalls grinsen. Mist, er würde sogar den kleinen Weasley vermissen.

 

„Mr Malfoy?“ Er wandte sich um. Er kannte den Mann nicht, aber der Zauberstab in dessen Hand kam ihm umso gleich bekannter vor. Er konnte nicht verhindern, dass sich seine Mundwinkel hoben. „Ich nehme doch an, Sie haben aus Ihren Fehlern gelernt, und wir müssen ihn nicht noch ein weiteres Mal konfiszieren.“, schloss der Zauberer, als er ihm seinen Zauberstab überreichte.

 

Seine Finger schlossen sich beinahe gierig um das Stück Holz. Bei Merlin, hatte er ihn vermisst!

 

„Gewiss nicht.“, erwiderte er. „Vielen Dank.“ Dass er seinen Zauberstab wieder hatte ließ ihn für einen Moment vergessen, dass er immer noch arbeitslos war. Die Kinder kamen sofort zu ihm und verlangten, dass er bewies, dass er in der Lage war, mit einem Zauberstab umzugehen.

 

Der Zauberer verabschiedete sich knapp, und Draco ließ sich tatsächlich hinreißen. Bunte Funken stoben aus seinem geliebten Zauberstab, formten sich zu wilden Tieren, und mit einer stummen Formel beschwor er kleine Feuerfunken in die Luft, in geschlossenen Räumen war dies allerdings ein etwas gefährlicher Zauber. Aber zu seinem Glück passierte nichts.

 

„Pack ihn weg.“, hörte er Weasleys Stimme. Sie wurde immer biestiger, seit sie Potters Dämonsbrut in sich trug, empfand er.

 

„Entschuldige, Weasley, wenn ich nach einem Monat teste, ob ich noch in der Lage zum zaubern bin.“, giftete er zurück, ohne sich an ihre Forderung zu halten. Die Kinder jagten hinter seinen Lichtspielen her.

 

„Du hast doch anscheinend immer noch eine viel zu große Klappe, Malfoy. Wenn sich das nicht ändert, würde ich mir auch keine Gedanken darüber machen, ob du noch zaubern kannst, oder nicht.“ Sie wandte sich wütend von ihm ab. Er würde es garantiert nicht vermissen, Weasley nicht mehr zu sehen.

 

Granger war aus dem Büro gekommen. Sie wirkte recht zufrieden. Sie erkannte ihn mit dem Zauberstab und ihr Blick folgte den hellen Funken ebenfalls. Mit einem Schlenker stoppte er den Zauber und die Kinder schrieen enttäuscht auf.


„Draco, kannst du auch Katzen?“, fragte Florina traurig, aber Draco schüttelte den Kopf.

 

„Ihr wollt doch nicht, dass Ms Ginny mich tötet, oder?“ Er zwinkerte dem Mädchen zu. Diese wurde rot bis unter den Haaransatz und schüttelte dann verlegen den Kopf.


„Nein, das wäre nicht schön.“, erklärte sie noch schüchtern. Dann ging er zu Granger.

 

„Tut mir leid, wegen gestern.“, sagte er und steckte den Zauberstab in seine Hosentasche. Er ragte ein Stück weit raus, aber das störte ihn nicht. Im Gegenteil. Er würde ihn nie mehr aus den Augen lassen.

 

„Was?“, fragte sie jetzt.

 

„Mein Verhalten. Ich war nur… enttäuscht, schätze ich.“ Er fuhr sich unsicher durch die Haare. Heute war sein letzter Tag hier mit Granger. Und er war schon fast vorbei.

 

„Schon ok.“, sagte sie. Etwas in ihrem Blick wirkte aufgeregt. Sie schien sich zu freuen, aber vielleicht irrte er sich.

 

„Gehen wir… heute essen?“, fragte er deshalb und kam sich furchtbar dämlich vor. In seinem Kopf sah er Pansy, Crabbe und Goyle hinter sich stehen. Und natürlich Blaise. Alle gafften ihn an und alle lachten ihn schließlich aus.

 

Wann hatte er sich entschieden, sich nicht mehr über Granger lustig machen? Sie nicht mehr zu beleidigen? Er wusste es nicht. Sein Blick hing an ihren Lippen, er erwartete schon, dass sie ablehnen würde. Sie sah sich tatsächlich um, aber Weasley war nicht in der Nähe.

 

„Ich weiß nicht.“, sagte sie schließlich.

 

„Du willst nicht?“, fragte er, und es klang kaum wie eine Frage. Die Gestalten von Pansy, Crabbe, Goyle und Blaise verpufften, und er war wieder siebenundzwanzig Jahre alt. „Wieso nicht? Weil ich keinen Job mehr habe?“, erkundigte er sich, und sein gewinnendes Lächeln geriet etwas schief.


„Nein. Einfach nicht, weil… vielleicht sollten wir das nicht tun.“ Der freudige Ausdruck, der noch vor einer Minute in ihren Augen sichtbar gewesen war, war nun komplett verschwunden. So standen sie schweigend voreinander. Alles in ihm sträubte sich eigentlich, sie zu fragen, warum sie nicht wollte. Denn als ob er es nötig gehabt hätte!

 

Es verband sie überhaupt nichts mehr. Jedenfalls in einer Stunde würde sie nichts mehr verbinden.

 

„Ok, dann… schätze ich mal… war‘s das wohl.“, endete er lahm. Sie seufzte. „Oder erwartest du von mir, dass ich irgendwas tue, um deine Meinung zu ändern, Granger? Ich spiele solche Spiele nämlich nicht.“, fügte er grimmiger hinzu.

 

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, besser wir lassen es so wie es ist.“

 

Wie es ist? Was meinte sie damit, zur Hölle noch mal? Sie machte ihn erst mal scharf und dann sagte sie nein? Dämliche Gryffindors. Feige, wenn es darauf ankam.

 

„Wie du willst, Granger.“ Er wandte sich um. Dann verbrachte er heute wirklich seine Zeit mir Scorpio. Die ganzen Tag lang. Keine Granger würde dazwischen funken. Sie gute Laune war wieder getrübt. Den wieder gewonnen Zauberstab in seiner Hosentasche hatte er beinahe schon wieder vergessen.

 

 

~*~

 

Der Abschied war ihm schwer gefallen, deswegen hatte er sich ziemlich beeilt, die Magic-Corner hinter sich zu lassen. Er schlenderte mit seinem Bruder durch die Winkelgasse und betrat widerwillig den Scherzartikelladen. Er sah die Weasleys häufiger als es ihm lieb war, denn er kam mit seinem Bruder fast jede Woche in den Laden.

 

Der Weasley Zwilling begrüßte ihn mittlerweile ohne Feindseligkeiten in seinem Blick.

 

„Die Malfoys… Meine besten Kunden!“ Er lächelte. Draco fiel es schwer, sich den Zwilling ohne seinen Bruder vorzustellen. Immer noch. Es kam ihm vor, als hätte er sie damals niemals getrennt gesehen. Niemals.

 

„Hey, Weasley.“, sagte Draco bloß.

 

„Was darf es denn sein, Scorpio?“, fragte Weasley seinen Bruder. Scorpio drückte sich bereits die Augen an einem riesigen Terrarium platt.

 

„Was können die?“, fragte er prompt, und manchmal bereute Draco, dass seinem Bruder noch das typische Feingefühl fehlte.

 

„Das sind Whoozles.“, erklärte er, als wäre es eine normale Beschaulichkeit in der Natur. „Es sind noch Jungtiere, wenn du sie täglich mit Wasser versorgst, verlieren sie ihr Fell und ihnen wachsen Flügel. Stinknormale Einzeller, die dann zu kleinen komplexen Minidrachen wachsen.“ Scorpios Mund klappte auf.

 

„Kleine Drachen?“ Sein Kopf schoss zu seinem Bruder herum. Draco verdrehte die Augen.

 

„Scor… bitte, keine Drachen.“ Aber sein Bruder hatte die Augen weit aufgerissen, und Draco befürchtete schon, dass er gleich anfangen würde zu weinen. Er hob den Blick zu Weasley.

 

„Wieso nicht mal was Normales, Weasley? Wieso keine Knallfrösche.“ Aber Weasley schien Scorpios Begeisterung zu teilen.

 

„Weil Knallfrösche nicht fliegen können.“, erklärte er sachlich. „Es ist eine beeindruckende Züchtung.“ Draco hob die Augenbraue.

 

„Und wie teuer soll diese beeindruckende Züchtung sein?“, erkundigte er sich nun.

 

„Lediglich zwanzig Galleonen.“ Der Zwilling zwinkerte verschmitzt.

 

„Zwanzig? Für einen Drachen?“

 

„Draco, bitte! Bitte, bitte, bitte, bitte! Scorpio biss sich vor Aufregung auf die Lippe. Draco konnte sich entsinnen, wie er mit seinem Vater in Borgin und Burkes stand und unbedingt einen verfluchten Schädel haben wollte. Dies hier war eine etwas andere Situation, aber… ähnlich. Vielleicht.

 

„Fein. Aber merk dir, nie wieder!“ Das war das Mantra, was sie jede Woche durchspielten.

 

„Dann such dir einen aus, Großer!“ George kam um den Tresen herum und hob Scorpio hoch, damit ins Terrarium greifen konnte. Er griff nach einem ziemlich verstrubbelten rostbraunen Vieh. Draco betrachtete es abschätzend.

 

„Ich werde ihn Miss Mine nennen.“, beschloss er. Der Weasley musste grinsen.

 

„Ob Hermine sich darüber so freuen würde?“

 

„Ja, bestimmt. Nicht wahr, Draco?“ Draco war damit überfordert.

 

„Bestimmt.“

 

„Ich möchte ihn ihr zeigen gehen! Können wir nicht zu ihr?“ Draco seufzte jetzt, während er mehrere Goldtaler aus seinem Umhang zog.

 

„Nein, können wir nicht. Miss Hermine hat keine Zeit.“, erklärte er schlicht.

 

„Aber du wolltest doch sowieso mit ihr essen gehen!“, widersprach sein Bruder voller Überzeugung. Jetzt hob der Zwilling den Blick und musterte ihn mit einem eindeutigen Blick. Mist! Draco würde seinem Bruder seinen Whoozle wieder wegnehmen müssen.

 

„Nein, wollte ich nicht.“, entgegnete Draco gelassen.

 

„Doch, na klar! Du hast es gesagt! Und du hast sie auch gefragt! Du hast gesagt, ihr geht essen.“ Gott, konnte sein Bruder nicht die Klappe halten? Weasley grinst derweil gegen seinen Tresen.

 

„Scorpio, halt deinen Mund, in Ordnung?“

 

„Warum? Ich finde, wenn du sowieso heute Abend mit ihr weggehst und in deine Wohnung holst, können wir ihr vorher Miss Mine zeigen gehen.“, entschied sein Bruder und verschränkte die kleinen Arme vor der Brust.

 

„Ich gehe nicht mit Granger essen, verflucht noch mal. Und ich werde sie auch nicht in meine Wohnung holen, denn die Prinzessin hat mit abgesagt!“ Seine Stimme war laut geworden. Scorpio starrte ihn geschockt an, genauso wie Weasley. Draco schloss kurz die Augen. Er sollte mal versuchen an seiner Wut zu arbeiten. Wahrscheinlich arbeitete er mit seiner Wut seine furchtbare Kindheit auf.

 

„Lass uns gehen.“, sagte er knapp. Scorpio drückte seinen Whoozle an sich. Draco wandte sich noch an Weasleys. „Da wir jede Woche wieder kommen, wäre ich dankbar, wenn du das nicht deinem Bruder erzählen würdest.“ Er knurrte fast. Weasley jedoch lächelte ein feines Lächeln.

 

„Ganz deine Sache, Malfoy. Geht mich überhaupt nichts an.“ Unschuldig hob er die Hände. Draco seufzte erneut. Er war ein Idiot. Er sollte sich nicht provozieren lassen. Und vielleicht sollte er darüber nachdenken, dass er sich um einen Job kümmern musste. Bald.

 

 

Den ganzen Weg bis zu seinem Apartment, hörte Scorpio nicht auf, sich zu beschweren. Hermine dies, Hermine das. Draco hätte ihm am liebsten einen Schweigezauber verpasst. Und das tolle war, er könnte es sogar. Aber sein Vater würde dies wahrscheinlich nicht gerne sehen.

 

Die Eule hatte die Post auf seinem Tisch hinterlassen. Er schloss das Fenster. Ein dicker Umschlag stach ihm ins Auge. Er kam von Carter Sparks, der Gesellschaft der Fluchbanner. Was wollten sie jetzt noch von ihm?

 

Er öffnete den Umschlag, ohne Scorpios Beschimpfungen weiter zu zu hören. Großer Merlin! Seine Augen überflogen die Zeilen. Es war eine Entschuldigung plus Vertrag! Die nahmen ihn doch! Sie nahmen ihn wieder an, nachdem sie ihn entlassen hatten. Das erwähnten sie mit keiner Silbe mehr. Es wurde nur knapp als Missverständnis verbucht.

 

Er runzelte die Stirn. Wieso taten sie das? Sie sagten ihm ab, um ihm nach zwei Tagen wieder zuzusagen? Er erinnerte sich an das Gespräch mit Granger. Er fühlte sich um einiges leichter und er war sicher, sie hatte damit zu tun, was auch immer sie getan hatte! Jetzt war er wieder drin. Er hatte einen Job. Einen Job, der ihm gefiel!

 

„Hey, Scor, wollen wir doch zu Granger gehen?“, fragte er ohne Umschweife und Scorpio unterbrach seine Tirade.

 

„Was?“, fragte er verwirrt, aber Draco hob ihn auf den Arm.

 

„Na, komm. Du wolltest doch zu ihr, oder nicht?“

 

„Du hast gesagt…“

 

„Ich sag doch ständig irgendwas!“, unterbrach er ihn, aber Scorpio weigerte sich immer noch.

 

„Aber, du gehst nicht mit ihr essen. Wieso sollten wir dann zu ihr? Du hast gesagt, es ist unhöflich, wenn…“

 

„Vergiss, was ich gesagt habe. Manchmal ändern sich die Situationen.“, erklärte er nur.

 

„Also hat sich die Situation geändert? Du gehst mit ihr essen? Darf ich mitkommen?“, fragte er sofort mit der Miene eines Opportunisten, und Draco grinste.

 

„Von mir aus. Ich lad dich tausendmal ein, Scor!“ Damit schien sich sein Bruder zufrieden zugeben und klammerte sich in seinen Umhang, als Draco mit ihm apparierte.

 

 

~*~

 

 

Als sie die Tür öffnete, hatte sie nicht mit diesem Besuch gerechnet. Vor allem war sie erst gerade vom Einkaufen zurück und eigentlich nicht bereit, jetzt schon irgendwen zu empfangen. Sie hätte wenn dann mit Ginny gerechnet und nicht schon wieder mit seinem Gesicht.

 

„Was wollen Sie hier?“, fragte sie deshalb, die Tür immer noch fest im Griff. Sie spürte ihren Zauberstab sicher in ihrer Umhangtasche und würde dieses Mal bestimmt nicht zögern, ihn zu verfluchen.

 

„Was haben Sie getan?“, fragte er lediglich. Sie hob trotzig das Kinn.

 

„Wovon sprechen Sie?“

 

„Ich habe heute mit dem Minister gesprochen, damit er Draco ein Schreiben zu kommen lässt, in dem ihm eine exzellente Position angeboten wird. Aber die Abteilung konnte den Brief nicht schicken, denn es stellte sich heraus, mein Sohn hat bereits eine andere Stellung angenommen.“

 

Gute Nachrichten schienen sich anscheinend recht schnell zu verbreiten. Sie nahm ihren Mut zusammen, erlaubte sich nicht, Furcht zu zeigen, auch wenn der Mann vor ihr eine wahre Schreckensgestalt bot.

 

„Was wollen Sie jetzt von mir?“

 

„Wo ist das Geld, Ms Granger?“

 

„Welches Geld?“, fragte sie scheinheilig.

 

„Das Geld, dass ich Ihnen gegeben habe.“, erläuterte er mit eisiger Ruhe.

 

„Ich kann mich nicht erinnern, Geld von Ihnen bekommen zu haben, Mr Malfoy.“

 

„Ach nein? Ist das so?“, fragte er und sie spürte, wie sehr er sich beherrschen musste nicht zu schreien.

 

„Und wenn Sie Carter Sparks fragen, wird er wahrscheinlich auch keine Auskünfte über irgendwelches Geld geben können.“


„Sie wollen mich betrügen, Ms Granger?“ Sie blickte ihm immer noch stur entgegen. „Warum sollten Sie das tun? Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da tun?“, fragte er jetzt. Sie griff instinktiv in ihren Umhang. Er quittierte dies mit einem Lächeln.

 

„Was wollen Sie damit bezwecken? Warum gehen Sie solche Wege, nur für meinen Sohn? Lieben Sie ihn so sehr, Ms Granger? Gibt es irgendeine Verbindung, die mir bekannt sein sollte?“ Sie schnappte nach Luft.

 

„Was denken Sie eigentlich, Mr Malfoy!“, knurrte sie jetzt. „Ich tue das nicht, weil… ich liebe Ihren Sohn nicht. Ich tue das, was richtig ist. Sie können ihn nicht einfach zwingen, Ihr Leben zu leben. Das konnten Sie vielleicht früher, aber jetzt nicht mehr.“ Lucius aber lächelte.

 

„Sie tun das aus rein moralischen Gründen?“ Seine Stimme klang lauernd. Gleich würde er sich auf sie stürzen. „Das glauben Sie doch hoffentlich selbst nicht. Schön für Draco, wenn Sie ihn lieben. Es ist gut zu wissen, dass er auch als Bettler nicht ungeliebt sein wird.“

 

„Was soll…“

 

„Ich werde die Räumung seines Apartments veranlassen. Dann kann er bei Ihnen doch sicher ein Plätzchen finden, wo Sie ihn doch von Herzen lieben, nicht wahr?“ Er lächelte ein gefährliches Lächeln. „Ich habe Ihnen gesagt, dass ich ihn nicht verschonen werde.“

 

„Wieso tun Sie das? Lassen Sie ihn in Ruhe!“, schrie sie außer sich.

 

„Oh, aber das tue ich doch. Ich lasse ihn frei. Er brauchte mein Geld anscheinend nicht mehr. Gut für ihn. Gut für Sie beide. Ich hoffe, Sie können sich eine Hochzeit leisten. Aber ich bin sicher, in der Scheune der Weasleys findet sich ein geeigneter Platz.“

 

„Ein geeigneter Platz für was?“ Sie erschrak. Zutiefst. Alles schien einfach schief zu laufen. Draco Malfoy kam um die Ecke und betrachtete sein Vater. Beide Männer waren gleich groß, gleich gebaut, hatten die gleiche Haarfarbe, die gleichen Augen, nur fürchtete sie sich vor dem einen und hatte Schmetterlinge im Bauch bei dem andern.

 

„Draco.“, begrüßte sein Vater ihn mit einem knappen Nicken. „Ich hoffe doch, du hast keine Wertgegenstände mehr in dem Apartment. Und ich hoffe, du benötigst es nicht mehr. Dank deiner kleinen Freundin Granger hier, wirst du ja sowieso bald ohne größere Besitztümer auskommen müssen.“ Ein kurzer Moment der Stille verstrich, ohne dass etwas passierte.

 

„Was soll das heißen?“, fragte Draco nur.

 

„Das heißt, dass du mit deiner Zusage des Jobs dein altes Leben verwirkst. Aber das dürfte kein Problem sein, richtig?“

 

„Das heißt, du nimmst mir mein Zuhause? Du nimmst mir mein Geld? Willst du mir auch meinen Bruder nehmen?“, fragte er im Plauderton, der Hermine glauben ließ, dass er bereits seinen Verstand verloren hatte.

 

„Scorpio? Du wirst wohl eher weniger Kontakt mit deinem Bruder haben. Also schlage ich vor, du verabschiedest dich schon mal von ihm. Bald wird er deinen Namen nicht mehr kennen.“ Sein Vater lächelte ein Lächeln des wilden Triumphs.

 

„Ach ja? Gut. Scorpio, kommst du bitte?“

 

Und das Lächeln seines Vaters gefror.

 

„Hast du gehört? Ich darf dich nicht mehr sehen.“, erklärte Draco nachsichtig. Scorpio betrachtete seinen Vater, als sähe er ihn das erste Mal.

 

„Du willst Draco alles wegnehmen? Wieso willst du ihm alles wegnehmen?“ Tränen rannen aus den kleinen Augen, das weiche Gesicht hinab.

 

„Ich… was?“ Lucius starrte von seinem Sohn zu seinem anderen Sohn, hinüber zu ihr. Sie hielt immer noch die Tür in der einen Hand, den Zauberstab in der anderen.

 

„Wenn du ihm alles wegnimmst, dann bleib ich bei Draco!“, schrie Scorpio jetzt aufgelöst. Draco nahm ihn auf den Arm.

 

„Na, Lucius? Ist es das, was du unbedingt willst?“ Lucius verzog den Mund. Er hatte die Fäuste geballt und ähnelte seinen Söhnen jetzt in keiner Weise mehr.

 

„Das war ein ziemlich gemeiner Trick.“, knurrte er. „Scorpio, versteh doch…“, begann er nun und machte Anstalten ihn aus Dracos Armen zu nehmen.

 

„Du darfst Draco gar nichts wegnehmen! Und wenn er und Miss Hermine heiraten, dann wohnen sie beide bei uns! Stimmt doch Draco, oder?“, fragte er vorsichtshalber, und Hermine schluckte hart. Was war das denn bitte für ein Gespräch?

 

„Scorpio, ich habe mich klar ausgedrückt. Draco hat…“

 

„Was hat Draco?“, fragte Scorpio jetzt und schniefte laut.

 

„Er hat einen Job angenommen, den er nicht annehmen durfte.“

 

Scorpio sah seinen Vater verstört an. „Na und? Und jetzt nimmst du ihm alles weg? Und ich darf ihn nicht mehr sehen? Wieso nicht?“ Lucius wirkte nicht mehr ganz so überlegen, wie noch zu Anfang des Gesprächs. „Ist es, weil er mit Miss Hermine essen gehen will?“ Lucius Augen blitzten hinüber zu Draco.

 

„Scorpio, versteh doch…“

„Warum darf ich Draco nicht mehr sehen?“ Scorpio klammerte sich an den Hals seines Bruders, als würde er untergehen.

 

Lucius seufzte. „Wenn ich Draco nicht mehr sehen darf, dann will ich dich auch nicht mehr sehen.“ Er vergrub den Kopf in Dracos Schulter und weinte leise. Und plötzlich brach die Maske des Lucius Malfoy.

 

„Scorpio.“, sagte er ruhig. Er nahm ihn aus den Armen seines Bruders und drückte ihn fest an sich. „Du dummer Junge. Ich nehme Draco gar nichts weg. Er kann alles behalten. Er darf dich immer sehen und… Ms Granger… Ms Granger kann tun und lassen, was sie will.“ Langsam hob Scorpio den Kopf.

 

„Hör auf zu weinen, ich bitte dich. Ich habe dir doch erklärt, warum wir nicht weinen.“

 

„Du weinst, Daddy.“, schniefte Scorpio jetzt und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Lucius blinzelte kurz.

 

„Nein, tue ich nicht.“

 

„Doch, Dad.“, murmelte Scorpio. Er schien vergessen zu haben, dass er böse auf seinen Vater war. „Da!“, sagte er triumphierend und fing mit seinem Finger eine Träne von Lucius‘ Wange auf. Dieser seufzte.

 

„Schön, gut. Eine Träne. Aber nur weil du geweint hast. Lass uns nach Hause gehen. Deine Mutter wartet schon.“, sagte er knapp und erhob sich. Mit Scorpio auf den Armen. Er wirkte dabei immer noch erhaben.

 

„Ich wollte Ms Hermine meinen Whoozle zeigen.“, erwiderte Scorpio schüchtern. Lucius‘ Geduld schien wieder zu schwinden.

 

„Du wolltest was? Sprich bitte vernünftig, Scorpio.“, verlanget er gereizt. Scorpio klaubte den kleinen Stoffball aus der Tasche seines Umhangs. „Was in Merlins Namen…“, begann Lucius, aber dann klärte sich sein Blick. „Ich nehme an, das ist ein Weasley Produkt? Wir werden es zurück bringen!“, beschloss er jetzt.

 

Aber der kleine Junge in seinen Armen, drohte wieder zu weinen. Er schloss die Augen und er gab sich geschlagen.

 

„Zeig es Ms Granger morgen.“

 

„Morgen ist Samstag.“, erklärte Scorpio verwirrt.

 

„Nun, ich nehme an, dein Bruder wird dich morgen abholen. Wie jeden Samstag.“, fügte er knapp hinzu. Er mied seinen Blick auf Draco.

 

„Na gut. Er heißt Miss Mine.“, sagte Scorpio noch, ehe er ihr zuwinkte. Hermine Mund klappte auf und schloss sich wieder. Gerade war zu viel passiert. Und was war das für ein Tier gewesen? Und wieso trug es ihren Namen?

 

Und wieso blieb sie jetzt hier allein mit Draco Malfoy zurück?

 

 

Teil 18

 

Etwas unschlüssig stand er in ihrem Flur. Es war still geworden. Sie blickte auf den Boden. Sie versuchte, jetzt bloß nicht rot zu werden. Gott, war das alles jetzt furchtbar gewesen. Eine ganze Malfoy Familien Krise hatte sie sehen dürfen. Gezwungenermaßen.

 

„Du machst also Geschäft mit meinem Vater? Interessant, Granger.“ Sie konnte nicht sagen, ob er wütend war, oder einen Scherz machte. Das konnte man bei Draco Malfoy wohl nie ganz genau wissen.

 

„Ich habe nicht… es ist wirklich nicht so, wie…“

 

„Du hast also kein Geld von meinem Vater bekommen, damit du dich von mir fern hältst? Hast du deswegen das Essen abgesagt, Granger?“, fragte er jetzt. Sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein, ich habe…“ Sie schwieg abrupt. „Seit wann warst du da?“, fragte sie jetzt argwöhnisch.

 

„Seit einer Weile.“, erwiderte er lapidar. „Und wenn es dir nicht um das Geld ging… das heißt, du hast mir meine Einstellung zurückgekauft. Wie viel Geld war ich dir denn wert, Granger?“, fragte er jetzt. Und jetzt sah sie seine Mundwinkel zucken.

 

„Das ist… Das ist vollkommen unerheblich, Malfoy.“, begann sie, aber er grinste immer noch.

 

„Na komm… wie viel?“

 

„Vergiss es. Du solltest jetzt gehen. Das war ein anstrengender Tag.“ Er lachte hart auf.

 

„Für wen? Für dich? Ja, es ist anstrengend, sich mit meinem Vater zu streiten, aber anscheinend hast du darin ja bereits Übung bekommen. Wieso hast du es mir nicht gesagt? Hat dir etwas getan? Hat er dir gedroht? Hat er dich verflucht?“ Anscheinend schien er all dies für möglich gehalten zu haben. Sie schüttelte nur den Kopf. Sie musste jetzt nicht für noch mehr Schwierigkeiten sorgen.

 

„Schon gut, Malfoy. Ich will jetzt wirklich nicht mehr…“

 

„Und du bist einfach zu den Fluchbannern und hast denen gesagt, sie müssen mich wieder nehmen? Das kann ich mir nur zu gut vorstellen. Ich weiß noch, wie du Ernie MacMillan beinahe zusammen geschlagen hast, weil er nicht für deine Hauselfenfolterfront spenden wollte.“, fügte er lächelnd hinzu.

 

„Befreiungsfront. Hauselfenbefreiungsfront.“, korrigierte sie ihn automatisch, so wie sie es tausendmal bei Harry und Ron getan hatte. „Aber darum geht es jetzt nicht.“, riss sie sich wieder zusammen. „Du hast den Job, du verlierst dein Vermögen nicht, auch nicht deine Wohnung, oder deinen Bruder.“

 

„Deswegen warst du gestern bei mir? Es ging darum, ob ich dich umbringen würde, wenn Lucius mir mein Geld nehmen würde? Oder sein Geld, besser gesagt?“ Er schien kurz nachzudenken. „Dann wäre ich eben bei dir eingezogen.“, erwiderte er mit einem Schulterzucken. Sie starrte ihn an.

 

„Du hast die ganze Zeit gelauscht.“, entgegnete sie grimmig. Jetzt machte er Witze. „Du würdest hier bestimmt nicht stehen, wenn du wirklich nichts mehr hättest, oder Malfoy?“ Er lachte wieder.

 

„Dann würde ich erst recht hier stehen, weil ich sonst wieder in irgendeine Bar verschwinde, um dort Leute zu verfluchen und Sachen kaputt zu schmeißen. Dann müsstest du mir nämlich erklären, warum ich all das Geld eigentlich nicht brauche, und es reicht ein guter Mensch zu sein, wenn man arm ist.“, erklärte er leichthin. Sie starrte ihn immer noch an.

 

„Willst du mich eigentlich gar nicht rein bitten?“, fragte er jetzt und ihr Mund klappte tatsächlich auf.

 

„Was lässt dich denken, dass ich dich rein bitte, Malfoy?“

 

„Nun, deine Tür ist noch offen, du hast sie mir noch nicht ins Gesicht geschlagen, und ich denke, meine Chancen stehen nicht schlecht, dass heute der Tag ist, an dem ich dein Apartment betreten darf.“

 

„Nur weil ich dich noch nicht verflucht habe, heißt das nicht, dass…“

 

„Dass du nicht mit mir schlafen wirst?“ Er grinste dreist. „Ich denke, das werden wir sehen. Wenn ich dich in Weasley Scheune heiraten würde, dann würdest du deine Meinung bestimmt auch ändern, oder?“

 

Sie schüttelte fassungslos den Kopf.

 

„Du findest dich extrem witzig, oder Malfoy?“, fragte sie jetzt, und tatsächlich kam er näher.

 

„Nein. Das war noch nie meine Stärke. Ich habe… andere Stärken, Granger.“ Er schloss den Abstand und schlang den Arm um ihre Hüften. „Aber weißt du…“ Sie hatte die Luft angehalten. Das war einfach zu viel! „… ich habe heute eingesehen, dass ich Geld vielleicht nicht unbedingt brauche. Jedenfalls nicht, um… zufrieden zu sein. Verstehst du, was ich meine?“ Er strich ihr eine Strähne hinters Ohr. „Eigentlich stört mich viel mehr, dass du dich weigerst mit mir essen zu gehen.“

 

„Dein Vater…“, widersprach sie lahm und ihre Augen schlossen sich bereits.

 

„Mein Vater hat sein Ok dazu gegeben, dass du bei ihm einziehen kannst. Ich denke, mein Vater macht keine Probleme, Granger.“, murmelte er. Sie wollte noch etwas sagen. Wahrscheinich irgendetwas, dessen Sinn sie sowieso nicht verstanden hätte, aber er küsste sie bereits.

 

Automatisch schlangen sich ihre Arme um seinen Hals. Er presste sie gegen den Türrahmen und sie keuchte auf, als sie sich fester an ihn gepresst fühlte. Seine schlanken Finger glitten unter ihr Shirt über ihre Hüfte.

 

Sie würde ohnmächtig werden! Aber er löste sich von ihr. Seine Augen waren dunkel.

 

„Darf ich reinkommen? Oder muss ich mich dafür irgendeiner Hermine Granger Prüfung unterziehen, die…“ Doch sie unterbrach ihn, in dem sie ihn einfach wieder zu sich zog.

 

Das Verlangen verursachte ihr beinahe physische Schmerzen. Er ließ sich von ihr in die Wohnung ziehen und warf die Tür hinter sich unwirsch ins Schloss. Sie zerrte seinen Umhang von seinen Schultern, und er tat es ihr gleich und befreite sie von ihren Kleidungsstücken.

 

Sie konnte es kaum noch erwarten, ihn nackt zu sehen. Sie wusste nicht, warum sie plötzlich ihre Meinung geändert hatte. Sie wusste auch nicht, wie lange diese Änderung vorhalten würde. Aber er zog sein Hemd über seine Schultern, und sie vergaß zu denken.

 

„Schlafzimmer?“, fragte er bloß als sie ihren BH öffnete, und ehe sie ihm die Richtung hätte sagen können, küsste er sie hungrig und warf sie mit seinem Gewicht um, so dass sie auf den Teppich fielen. Sie ignorierte den kurzen Schmerz des Falls, denn er küsste bereits ihren Nacken. Ihre Finger öffneten seine Hose, hastig und ohne jede Spur von Geduld oder Erwartung. Sie wollte ihn. Und sie wollte am besten so schnell wie möglich.

 

Er stöhnte ungehalten. Anscheinend ging ihm das völlig gegen den Strich.

 

„Granger, das läuft hier alles nicht so, wie…“ Er blickte ihr in die Augen. Gott, er war zu schön. Viel zu schön. Sie konnte ihn einfach nicht aussprechen lassen. Sie wollte seine Lippen spüren, schnitt ihm wieder das Wort ab und ihre Finger fuhren durch seine blonden Haare.

 

Seine Küssen wurde ruhiger, beherrschter. Und es schien ihn Überwindung zu kosten, sich wieder zu lösen. Er grinste unwillkürlich. Wieder küsste er ihren Nacken, ihr Schlüsselbein, und soe spürte immer noch sein grinsen.

 

„Was ist?“, fragte sie atemlos.

 

„Du willst mich tatsächlich.“, sagte er nur leise.

 

„Halt die Klappe, Malfoy.“, sagte sie nur und zog seinen Kopf wieder nach oben. Sie küsste ihn ein weiteres Mal und überlegte, dass seine Erektion ihn schmerzen musste, so hart spürte sie sie an ihrem Schenkel.

 

„Darf ich dich nicht ins Schlafzimmer tragen?“, fragte er gepresst, denn sie befreite sich selber von ihrem Höschen und spreizte die Beine. Er schloss fast verzweifelt die Augen.

 

„Nein. Ich finde es gemütlich hier.“ Es war eine Lüge. Aber sie konnte sich kaum noch auf das Sprechen konzentrieren, so sehr wollte sie ihn jetzt.

 

„Dann trage ich dich gleich dort hin.“, sagte er mit rauer Stimme, ehe er nach vorne stieß. Ehe sie diese Anspielung verstehen konnte, war er bereits in ihre feuchte Hitze eingedrungen und sie musste die Augen schließen.

 

Gott, es war absolut perfekt. Sie spürte seine Muskeln unter ihren Fingern, spürte, wie er sich in ihr bewegte, und sich beherrschen musste. Aber sie wollte nicht, dass er das tat und bewegte sich schneller unter ihm. Sie konnte es sowieso nicht leiden unten zu liegen und drückte ihre Hände gegen seine Brust.

 

Er sah sie überrascht an, ließ sich dann aber willig auf die Seite schieben. Er zog sie mit sich und sie saß auf ihm. In seinem Blick sah er grenzenlose Bewunderung. Sie musste lächeln, beugte sich zu ihm hinab und küsste ihn. Sofort umfing er ihr Gesicht mit seinen Händen und begann sich wieder in ihr zu bewegen.

 

Sie richtete sich auf, schloss die Augen und vergaß die Welt um sich herum völlig.

 

 

~*~

 

 

„Hermine? Komm schon, mach auf!“ Ginny klopfte noch einmal hart gegen die verschlossene Tür. „Ich meine, es reicht jetzt. Ich verstehe ja, was du meinst.“ Sie klopfte erneut gegen das Holz. „Bitte, mach auf. Wir müssen reden. Ich will dich doch nicht als meine Freundin verlieren.“ Sie schwieg kurz. Dann seufzte sie.

 

„Und, ja, vielleicht war ich eifersüchtig auf Malfoy. Aber ich will immer noch deine beste Freundin sein. Egal, was ich tun muss. Und wenn ich mich bei diesem blöden Idioten entschuldigen muss, dann werde ich mich auch bei ihm entschuldigen, auch wenn ich nicht einsehe, weshalb.“ Sie schwieg wieder, ehe sie klopfte.

 

„Bitte, mach auf. Ich weiß, du bist da. Ich weiß, du kannst mich hören, du bist nur zu stur, um aufzumachen. Aber ich entschuldige mich. Ich liebe dich, Hermine. Du bist meine beste Freundin, und ich werde all deine Entscheidungen unterstützen. Ich meine… vielleicht hast du recht, und er hat sich geändert. Schön für ihn. Gut für ihn.“ Sie schwieg erneut.

 

„Oh, komm schon. Mach endlich auf! Was willst du denn noch von mir hören, Hermine? Bitte. Ich flehe dich an. Als Patentante für mein ungeborenes Kind. Du kannst mich doch nicht hier stehen lassen!“

 

Die Tür wurde aufgezogen. Ginnys Gesicht verlor an Farbe.

 

„Wir nehmen deine Entschuldigung beide an, nur gerade eben jetzt ist es ein ungünstiger Zeitpunkt, Weasley.“ Ihre Wangen färbten sich von kalkweiß wieder tomatenrot und es kam ihm so vor, als würde sie direkt in sein Gesicht starren, damit sie seinen nackten Oberkörper nicht sehen musste.

 

„Also, Granger meldet sich morgen bei dir. Sie ist gerade… ahem… nicht angezogen.“ Er hörte sie gereizt stöhnen. Gut, jetzt hatte er sie doch blamiert. Aber immerhin würde sie nicht kommen, und ihn schlagen, dann ihre Sachen lagen alle noch hier.

 

„Noch einen schönen Abend, Weasley.“, sagte er schließlich.

 

Sie nickte nur perplex. Dann schloss er die Tür.

 

„Hättest du das nicht anders machen können?“, rief sie zornig. „Oder gar nicht? Ich hab dir gesagt, mach nicht auf!“

 

„Dann wäre sie die ganze Nacht lang geblieben, Granger. Was sollte ich denn tun?“ Er kam wieder ins Schlafzimmer zurück. Sie lag wunderschön auf dem Bett und er konnte es nicht erwarten, wieder ihre Haut zu spüren.

 

„Was soll sie denn jetzt denken?“, fragte Granger sichtlich ernüchtert. Er küsste ihre Schulter. Sie erschauderte und es gefiel ihm gut.

 

„Was schon?“, entgegnete er ungerührt.

 

„Sie wird denken, dass du und ich… Na ja… sie wird denken, dass wir zusammen sind.“, endete sie schließlich und wandte sich von ihm ab.

 

„Du hast doch jetzt wohl nicht vor, dich anzuziehen, oder?“, erkundigte er sich gereizt und hielt sie am Arm zurück.

 

„Ich muss das doch klären, Draco!“, widersprach sie und er zog sie sanft zurück neben sich.

 

„Wieso solltest du? Sie scheint doch alles richtig verstanden zu haben.“

 

„Was? Wir sind nicht zusammen.“, erklärte sie jetzt.

 

„Nicht?“, fragte er lächeln. Das schien sie wieder einmal aus der Fassung zu bringen. Er brachte sie gerne aus der Fassung. Dann schrie sie nämlich seinen Namen. Und nicht seinen Nachnamen.

 

„Granger, ich bitte dich. Ich denke, unsere Beziehung verträgt das nächste Level.“ Sie starrte ihn kopfschüttelnd an.

 

„Das nächste… Level? Und das wäre?“

 

„Dass du einsiehst, dass wir eine Beiziehung haben.“, erklärte er, ehe er sie küsste. „Es sei denn, du willst nicht.“ Er küsste wieder ihren Hals.

 

„Ich… du… ich weiß nicht, ob…“

 

„Dafür, dass du eine Gryffindor bist, bist du ziemlich feige.“, grinste er gegen ihre Haut. Sie schlug ihn sanft auf die Schulter.

 

„Fein. Ich bin nicht feige.“ Trotzig sah sie ihn an, als er den Blick hob.

 

„Liebst du mich?“, fragte er jetzt, und konnte sich nicht entsinnen, das jemals irgendwen gefragt zu haben. Nicht einmal Pansy.

 

„Nein.“, sagte sie und wurde rot. Er küsste sie sanft auf die Lippen.

 

„Liebst du mich?“, fragte er erneut. Sie musste grinsen.

 

„Nein, Malfoy.“

 

„Lügner.“, sagte er nur. Sie zog seinen Kopf zu sich und knurrend ließ er es sich gefallen. Er küsste sie wieder hungrig. Es war wie ein Befehl in seinem Kopf. Er konnte nicht von ihr lassen. Und vielleicht… vielleicht würde er ihr morgen sagen, dass er sie liebte. Wenn sie es zugeben würde. Vielleicht….

 

 

Teil 19

 

 

„Ich glaube nicht, dass er das verstanden hat.“ Hugo hatte sich über die Wiege gebeugt.

 

„Woher willst du das wissen? Vielleicht ist er ja klüger, als du denkst.“

 

„Unsinn. Dann wäre doch wohl irgendwas passiert. Dann hätte er ja wohl geantwortet.“ Hugo kratzte sich am Kopf. „Vielleicht hat Onkel George gelogen.“, mutmaßte er jetzt.

 

„Ein Weasley würde ja niemals lügen.“, bemerkte Scorpio jetzt mit einem spöttischen Grinsen.

 

„Was soll das denn heißen, Malfoy?“, fragte Hugo und hob herausfordernd das Kinn.

 

„Das soll nur heißen, dass dein Onkel gelogen hat. Es ist gar nichts passiert. Er kann gar nicht sprechen.“ Scorpio beugte sich über seinen kleinen Neffen, der sich, recht unbeeindruckt, den Daumen in den Mund schob.

 

„Wie soll er auch mit dem Daumen im Mund sprechen können?“ Hugo griff in die Wiege und entzog dem kleinen Jungen den Daumen wieder. Das Baby fing an zu weinen.

 

„Mist! Siehst du, was du gemacht hast!“ Scorpio stieß Hugo in die Seite.

 

„Was macht ihr?“ James versuchte in die Wiege zu blicken, aber Hugo schob ihn einfach weg.

 

„Gar nichts, Pockengesicht.“, erklärte er, und James stemmte die Hände in die Hüften.

 

„Die Windpocken hab ich nicht mehr. Hugo, du bist so blöd. Ich sag es Onkel Ron!“, drohte James jetzt.

 

„Ach, ich dachte schon, du würdest zu deiner Mummy rennen.“, lachte Hugo und betrachtete den Säugling erneut. „Wieso seid ihr alle blond?“, fragte er jetzt und zupfte an den hellen Haaren. Scorpio runzelte die Stirn.

 

„Weil ihr alle rothaarig seid.“

 

„Bin ich nicht.“, widersprach James, dem keiner Beachtung schenkte, weil er nicht einmal über den Wiegenrand blicken konnte.

 

„Colin sieht eben aus wie ich.“, beschloss Scorpio.

 

„Denkst du, er kommt nach Gryffindor?“ Hugo betrachtete den kleinen Colin, der wieder aufgehört hatte zu weinen.

 

„Ich hoffe mal nicht. Er muss schließlich unseren Ruf in Ravenclaw aufrecht erhalten.“, erklärte Scorpio ernst. „Nicht wahr, Colin?“, fragte er jetzt und Colin schloss müde die braunen Augen.

 

„Ich werde nach Gryffindor kommen. Weil mein Dad da auch war.“ Scorpio wandte sich um.

 

„Die besten kommen nach Ravenclaw. Das solltest du eigentlich wissen, James.“, erklärte er nachsichtig. Hugo nickte.

 

„Obwohl ich nicht verstehen kann, wieso Devon da ist.“, bemerkte Hugo jetzt und verdrehte die Augen. „Hat dein Bruder den auch eingeladen?“, fügte Hugo genervt hinzu und Scorpio seufzte.

 

„Wir sollen nett zu ihm sein. Hermine sagt, dass Devon ein toller Kerl ist.“ Hugo verschränkte die Arme.

 

„Ich bin viel besser.“

 

„Ach, du willst doch nur Tante Hermine beeindrucken.“, sagte James jetzt.

 

„Gar nicht wahr, Pockengesicht.“, beschwerte sich Hugo, wurde aber rot dabei.

 

„Jungs.“ Scorpio beugte sich alarmiert über die Wiege. „Oh nein. Dein Onkel hat uns verarscht, Hugo.“, murmelte er. „Wenn Draco das sieht…“ Die Jungen wichen zurück. Colin hatte die Augen weit aufgerissen.

 

„Jetzt seid ihr dran!“, jubelte James, während er das Zimmer verließ. „Onkel Draco!“, hörten sie ihn heiser rufen. Sie wollten gerade verschwinden, als er schon in der Tür stand.

 

„Was ist los?“

 

Manchmal war sein Bruder furchtbar schnell. Scorpio hasste das.

 

„Gar nichts.“ Lässig stellten sich Scorpio und Hugo vor die Wiege.

 

„Was habt ihr angestellt.“ Draco schob ihn einfach zur Seite. „Oh nein.“ Draco hob den Jungen aus der Wiege. „Findest du das witzig, Scorpio?“, fragte er jetzt.

 

„Hey, George hat gesagt, er kann damit sprechen.“, rechtfertigte er sich. Er würde George nie wieder irgendetwas glauben, beschloss er für sich.

 

„Oh wirklich? Ihr seid beide dämlich.“ Er zog seinen Zauberstab und änderte die Haarfarbe des Säuglings wieder in das ursprüngliche helle blond. Die bunten Strähnen hatten natürlich besser ausgesehen, befand Scorpio, aber das würde er seinem Bruder nicht sagen.

 

„Ihr könnt froh sein, dass Hermine es nicht gesehen hat.“ Draco legte Colin wieder in die Wiege. „Außerdem soll er schlafen.“, fügte er hinzu. „Und Devon ist angekommen.“ Scorpio wechselte einen Blick mit Hugo. Wenn er erst mal seinen Zauberstab außerhalb der Schule benutzen konnte, dann würde ihm Devon nie wieder seine Pasteten wegfressen.

 

„Wann kommt Colin nach Ravenclaw, Draco?“, fragte Scorpio jetzt, ehe er ging.

 

„Ich hoffe doch wirklich, er kommt nach Slytherin.“, entgegnete sein Bruder.

 

„Was? Was soll er denn bitte da? Da sind doch nur die ganzen Versager, Draco.“ Scorpio lachte laut. „Er wird nach Ravenclaw kommen.“, beharrte er.

 

„Colin wird in acht Jahren und sechs Monaten eingeschult.“, erklärte sein Bruder jetzt eher missmutig.

 

„Dann muss er doch eigentlich gar nicht mehr schlafen. Er schläft sowieso zu viel. Wenn ich einen Sohn habe, dann wird er nicht so viel Zeit mit schlafen vergeuden.“ Draco grinste.

 

„Das heißt, du wirst heiraten, Scor? Wen denn? Wahrscheinlich doch nur ein Mädchen aus Ravenclaw. Wie wäre es mit Florina?“ Scorpio verzog den Mund.

 

„Nein, die heirate ich nicht. Die ist vollkommen bescheuert, Draco.“

 

„Na ja, Colin wird Lily heiraten. Vielleicht bleibst du auch allein.“ Sein Bruder lächelte.

 

„Colin wird niemals Lily Potter heiraten. Das wäre doch eklig. Außerdem kommen Lily und James bestimmt beide nach Gryffindor. Und eine Gryffindor soll er nicht nehmen.“ Sein Bruder grinste breiter.

 

„Ach nein? Tante Hermine war auch in Gryffindor. Genauso wie Onkel  Harry, Onkel George, Onkel Ron, Tante Ginny….“, zählte sein Bruder auf, und Scorpio sah ihn an.

 

„Die waren da alle? Wieso sind die dann so… cool?“, fragte er verwirrt. Draco hob die Augenbrauen.

 

„Unsinn. Pansy, Goyle und ich sind viel cooler.“

 

„Dann hast du eine aus Gryffindor genommen. Oh Mann, Draco.“ Scorpio war enttäuscht. Aber eigentlich mochte er Hermine viel zu gerne, als dass er es Draco übel nehmen konnte. Er erinnerte sich noch gut an seine Zeit in der Magic-Corner. Hermine hatte er da am liebsten gehabt. Gut, vielleicht waren Gryffindormädchen nicht schlecht.

 

„Kommt Dad auch?“ Sein Bruder unterdrückte ein Lächeln.

 

„Nein, ich glaube nicht. Zu viele Weasleys hier. Zu viele Potters.“, fügte er grinsend hinzu.

 

„Na und? Hugo ist mein bester Freund.“

 

„Oh ja, Lucius weiß das, Scor.“

 

„Dad mag Hugo!“ Sein Bruder lachte jetzt.

 

„Klar. Ganz bestimmt.“

 

Draco war doch doof. Was wusste der schon. Der wusste auch nicht, dass er Florina doch nicht ganz so dämlich fand, wie er sagte. Sie war hübsch. Ziemlich hübsch sogar. Aber jetzt würde er mit Hugo klären, wie sie nach den großen Ferien Elly Walsh dazu bekommen würden, mit Hugo Eis essen zu gehen.

 

Elly Walsh war nämlich jetzt auch im Quidditchteam. Und Hugo benahm sich ganz furchtbar kindisch, wenn Elly mit ihnen Training hatte. Hugo ließ jeden Quaffel durch den Ring. Wozu waren sie beide die jüngsten im Team? Bestimmt nicht, um sich lächerlich zu machen.

 

Aber Scorpio wusste, mit zwölf Jahren hatte man sowieso mehr Probleme als ein Erwachsener. Die verstanden überhaupt nicht die wichtigen Dinge. Das wichtigste war nämlich, dem Mädchen nicht zu sagen, dass man sie wirklich mochte. Und das musste er jetzt mit Hugo absprechen.

 

Vielleicht konnte er Florina in zwei Wochen einfach mal sagen, dass er sie nicht leiden konnte. Er war sich noch nicht ganz sicher, wie er das machen sollte, aber es würde sich schon eine Gelegenheit ergeben. Er warf noch einen Blick auf seine Neffen. Colin war schon wieder eingeschlafen.

 

Das war ja so öde. James Schwester war etwa genauso alt, und die schlief nicht so viel wie Colin. Aber die war ein Mädchen. Aber sie war auch das einzige Mädchen in ihrer Gruppe. Sie würde bestimmt so aussehen, wie Tante Ginny. Denn Hugo sah genauso aus wie Onkel Ron.

 

Er fand gar nicht, dass er aussah wie Draco. Vielleicht sah Draco so aus wie er. Das konnte natürlich sein.

 

„Scorpio, willst du keinen Kuchen?“, hörte er Hermine rufen und setzte sich hastig in Bewegung. Als ob er auf seinen Kuchen verzichten würde! Er hätte gleich schon genug damit zu tun, Devons Finger von seinem Stück fernzuhalten.

 

Der würde aber diesmal nicht den leckeren Erdbeerkuchen bekommen! Hermine machte nämlich den besten Kuchen. Er setzte sich gerade noch rechtzeitig, ehe sich Devon auf seinen Platz wuchten konnte.

 

„Hallo, Tante Pansy.“, sagte er. „Hey, Onkel Greg.“ Pansy strich ihm über die Haare. Sie sah ihn immer so komisch an, als ob sie gleich weinen würde. Es war ziemlich seltsam von ihr. Hermine machte das auch, aber bei ihr mochte er es, wenn sie das tat. Hermines Bauch wurde langsam kugelrund. Er und Hugo hatten schon Wetten abgeschlossen.

 

Er hatte auf einen Jungen gewettet. Hugo wettete dagegen. Denn sonst konnte man schließlich auch nicht wetten. Aber wenn er ganz ehrlich war… dann wollte er auch gerne so ein kleines Mädchen wie Lily. Dann hätte er nämlich einen Neffen und eine Nichte.

 

Er lauschte automatisch Onkel Harry, den er eigentlich Professor Potter nannte. Wenigstens in der Schule. Und er war ziemlich stolz darauf, die besten Noten von ihm zu bekommen. Auch wenn er nicht sagte, wie stolz er eigentlich war. Manche Sachen, sagte man eben nicht laut.

 

Draco setzte sich neben ihn und zerstrubbelte seine Haare.

Scorpio mochte diese Treffen am Samstag. Er mochte es sogar, wenn Devon kam. – Wenn sie nicht gerade am essen waren….

 

 

- The End -

 

 

 

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