Kapitel
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7 , Kapitel 8 ,
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12 , Kapitel
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15 ,
Kapitel 16 , Kapitel 17 , Kapitel 18 , Kapitel 19 , Kapitel 20 , Kapitel 21
Kapitel 1
In ihren
Ohren klingelten immer noch die Vorwürfe von Harry und Ron. Die ganze lange
Liste, weswegen sie unmöglich hier sein sollte. Ihre Arme schlangen sich fester
um den Lederordner mit leeren Pergamentblättern und Schreibfedern, den sie vor
sich trug, wie ein Schutzschild. Der Herbstwind wehte durch ihre langen Haare,
die, widerspenstig wie sie waren, nicht hinter ihren Ohren stecken bleiben
wollten. Sie trug den langen blauen Mantel über dem schwarzen, engen Rock zu
den schwarzen Stilettos und der hellblauen Bluse.
Immerhin sah sie so aus, als würde sie einer besonders wichtigen Tätigkeit
nachgehen.
Sicher,
Harry und Ron waren vollauf beschäftigt mit der Aurorenausbildung.
Wobei sie jedoch glaubte, dass Ron vielleicht nicht direkt dafür gemacht war.
Sie unterstellte ihm nicht, die Zauber nicht zu beherrschen, aber ihm fehlte
die richtige Hingabe. Darauf kam es natürlich nicht an, hatte Harry ihr
erklärt, aber sie wusste, zu einem Teil würde Ron keinen Spaß daran haben, wenn
es ihm immer schwerer fallen würde, magische Elemente auseinander zu halten, um
einen Fluch zur Perfektion zu bringen.
Und warum bist du dann hier?, erkundigte sich ihr Gewissen
besserwisserisch, denn ähnlich war anschließend auch Harrys Ausführung
bezüglich ihrer Berufswahlen gewesen. Sie stand vor dem großen Gebäude. Es
hatte eine schlichte Treppe, die in fünf Stufen nach oben führte. Zwei
Flügeltüren aus altem Holz blickten ihr düster entgegen, und sie wusste noch
nicht, ob die Entscheidung gut war. Was sie gereizt hatte, war die Tatsache
gewesen, dass sich nur Männer für den Posten beworben hatten.
Sie
kaute vergessen auf ihrer Unterlippe. Sie würde an der Veranstaltung
teilnehmen. Sie unterschrieb ja nichts! Aber sie wusste, sie würde nicht
glücklich werden als Aurorin.
Sie
hatte genug gekämpft. Sie kämpfte ohnehin schon ungern. Sie hatte es nie
gewollt. Sie war nur gut darin, weil sie es hatte sein müssen, denn ansonsten
wäre sie gestorben!
Das war
der einzige Grund gewesen. Nicht wie bei Harry, der es liebte mit Magie zu
kämpfen, Menschen zu retten, sich zu verteidigen auf dem höchsten Begriff der
Kunst.
Sie
wollte nicht ausführen, sie wollte lehren.
Aber
nicht in Hogwarts, denn ohne Dumbledore… war es eben nicht Hogwarts. Es war wie
eine tiefe Wunde, die der Krieg in ihr hinterlassen hatte. Der Job als Aurorin
wäre niemals in Frage gekommen. Sie war nicht für den Nahkampf geeignet. Es
hatte nichts mit Intellekt zu tun.
Und in Höhlen nach Gold suchen schon? Da war sie wieder. Die nagende
Stimme in ihrem Innern, die natürlich einen guten Punkt hatte. Für Gringotts zu
arbeiten bedeutete, körperlich unterirdische Aussichten. Sie wusste, es könnte
wieder eine fixe Idee sein. Eine spannende, aber nicht wirklich fruchtbare
Idee. Für Gringotts arbeiten, so wie Bill Weasley.
Aber er
hatte ihr schon gesagt, wie anstrengend es war. Wie undankbar, zäh und
kräftezehrend.
Zwar war
es schön, Gold zu finden, aber… der Weg dahin hatte weniger mit dem Lesen der
Bücher darüber zu tun.
Aber
Bücher lesen reichte ihr auch nicht immer. In zwei Tagen wäre sie wieder in Lunas Laden, um auszuhelfen, und vielleicht auf einer
Ersteigerung genügend spannende Artefakte zu finden, die ihr eine neue Idee auf
einen neuen Beruf in den Kopf setzten.
Auf
diese absurde Idee, wie Harry es
nannte, war sie auch nur gekommen, als sie ein Buch des Kobolds Gluckaak in die Hände bekommen hatte, der seine Geschichte
über das Geheimnis des goldenen Baums erzählte, dessen Früchte die Welt in
pures Gold verwandelten, würde man sie einschmelzen und in einen Zauber binden.
Natürlich
glaubte sie es nicht, aber der Zauber der beschrieben wurde, war, für damalige
Zeit, ein wesentlicher Fortschritt gewesen, denn er verband das erste Mal die
magischen Gesetze der Leere auf der physischen Ebene, ohne dass sie damals
überhaupt entdeckt worden waren. In einem Koboldkinderbuch!
Sie
atmete aus. Es war nicht schlimm. Sie ließ sich lediglich beraten. Das war
alles.
Es war
schwierig, wenn man sich für alles qualifizierte. Was sie natürlich nicht tat!
Allerdings schien ihr die magische Gesellschaft auf Grund der Geschichte mit
Voldemort einige Bonuspunkte zukommen zu lassen und stellte ihr in Aussicht,
auf so ziemlich jedem Berufsfeld tätig zu werden.
Deshalb
sah sie sich seit bereits einiger Zeit um. Gold war keine Sorge. Sie, Harry und
Ron hatten wohl erst mal ausgesorgt. Das Ministerium hatte sie für den Fall
Voldemorts belohnt. Großzügig. Es reichte nicht für ein ganzes Leben, aber
zumindest für ein großzügiges nächstes Jahrzehnt, wenn sie bescheiden leben
würde. Natürlich brauchte sie keine Rente.
Sie
brauchte einen Job. Einen, bei dem sie nicht nach einem Jahr die Lust verlieren
würde.
Sie war
ruhelos. Und das war schlecht, meinte Ron. Sie wusste es selber, aber sie
konnte es nicht ändern. Sie wollte auch erst Recht nicht immer in Rons Nähe
sein, was sie als Aurorin ja wohl sein würde. Sie hatten Schluss gemacht, und
es war nicht gerade sanft und freundlich zugegangen.
Es war
wohl besser, zu sagen, dass sie Schluss gemacht hatte. Nicht Ron. Aber es
führte nirgendwohin. Es wäre nicht fair gewesen.
Sie
wusste das. Sie waren eine wilde Sommerliebe gewesen, die sehr schnell
ausgebrannt war. Sie kannten sich zulange. Der Krieg musste wohl so etwas wie
eine Hormonstarre gelöst haben. Das war es wohl gewesen. Er war ihr bester
Freund, sicher. Aber… Feuer? Leidenschaft? Mit Ron? Nein, das war es nicht
gewesen. Sie glaubte auch nicht daran, dass es so etwas gab, aber dennoch
konnte sie sich nicht mit der Mittelmäßigkeit zufrieden geben. Das war wohl
scheinbar ihr ganzes Problem in allen Lebenslagen, überlegte sie bitter.
Sie
erklomm die wenigen Stufen, öffnete die Tür und betrat das Gebäude, das von der
Koboldvereinigung heute zur Verfügung gestellt worden war, für den
praxisbezogenen Vortrag über den Wert des Goldes.
Ein
Gastredner würde erzählen, was Gold ausmachte, welchen Wert es in der magischen
Gesellschaft hatte und weshalb es nur Kobolden anzuvertrauen sei. Sie nahm fast
an, dass ein Kobold selber den Vortrag würde halten müssen, um mit Vehemenz
eine ausschließliche Kompetenz der Kobolde zu rechtfertigen.
Der Saal
war ausgeschildert. Die Möbel hier waren kleiner. Wahrscheinlich trafen sich
die Kobolde hier selber nach der Arbeit, nahm sie an, und stellte sich eine Art
Koboldstammtischrunde vor. Sehr amüsant.
Der
zugewiesene Saal war allerdings mit Stühlen für menschliche Körpermaßen
gefüllt. Die Plätze waren zu einem großen Teil gefüllt, und sie war froh, etwas
zu früh gekommen zu sein. Und sie hatte recht behalten: Nur Männer füllten den
Saal. Einige erkannten sie, tuschelten verhalten, aber sie schritt
selbstbewusst zur ersten Reihe, die nie gerne besetzt wurde.
Es kam
ihr vor, wie in der Schule. Allerdings hatte sie noch niemals Angst vor der
ersten Reihe besessen. Kleine Tische ließen sich von den Armlehnen nach oben
klappen, und sie konnte ihren Ordner ablegen.
Sie
kannte niemanden hier.
Was waren das wohl für Männer, die sich für einen Job bei
Gringotts interessierten? Sie sah sich verstohlen um. Große, starke Männer
anscheinend, wurde ihr klar. Keiner war kleiner als sie, nahm sie an. Die
Schultern waren breit und eine Art von Abenteuerlust blitzte in ihren Augen.
Gut, es war vielleicht abenteuerlich. Aber dieser Vortrag hier richtete sich
eigentlich mehr auf das Ziel einer jeden Suche. Gold war etwas beeindruckend
Wertvolles. Es zu finden bedeutete doch, dass man etwas Erhebliches für die
Gesellschaft tat. Sie wollte etwas Erhebliches für die Gesellschaft tun!
Das hast du doch schon bereits, mischte sich ihr Unterbewusstsein
wieder ein. Noch fünf Minuten, stellte sie erschrocken fest, als sie die Uhr an
der Wand betrachtete. Sie war kunstvoll gearbeitet. Bestimmt Koboldhandwerk. Es
war ein spannendes Berufsfeld. Vielleicht zu spannend…. Wie lange hatte sie
draußen gestanden und gegrübelt, dass ihr zeitlicher Vorsprung auf fünf Minuten
gesunken war? Der Saal füllte sich nun eilig. Anscheinend war der Gastredner
eingetroffen.
Ob es
wirklich ein Kobold war? Dann würde sie ihn immerhin aus der ersten Reihe gut
sehen können!
Und er
sie auch, denn sie war die einzige Frau. Aber es wäre diskriminierend, wären
Frauen nicht zugelassen!
Neben
sie setzte sich hastig ein junger Mann. Er wirkte schmächtiger als die Männer
hinter ihr. Die Haare hellbraun, etwas zerzaust, und die Feder und das
mitgenommene Pergament in seinen Händen, zitterten vor Aufregung. Er sah sogar
jünger aus als sie, befand sie. Und sie würde ihn nicht gerade als geeignet
einstufen, in den Höhlen der tiefsten Minen nach Gold zu suchen!
Aber
dann wiederum… war sie auch nicht wirklich geeignet. Vielleicht zählte der
Wille.
Er trug
eine gebügelte Stoffhose in braun, ein weißes Hemd, hoch zugeknöpft, so dass er
heftiger atmen musste, eine passende Weste und ein etwas enges, braunes
Jackett. Eigentlich sah er ganz und gar nicht aus wie ein Abenteurer.
Aber sie
sagte nichts dazu.
Die Tür
schloss sich, und sie hob den Blick, setzte sich aufrechter hin und sah perplex
zu, wie ein blonder, hochgewachsener Mann nach vorne zum Rednerpult schritt,
welches als einziges Möbel hier auf Koboldgrößen ausgerichtet war, weshalb er
es lediglich als etwas höheren Stuhl missbrauchen konnte.
Aber all
das war unwichtig, denn der Mann, der den Vortrag zu halten schien war Draco
Malfoy. Zumindest war sie sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass er es
war. Sie schluckte knapp, und unbewusst strich sie ihren Rock glatt.
Das war
ein sehr großer Zufall. Ohne ihr weiter Zeit zu geben, zu verdauen, dass er
einen Vortrag halten würde, begann er zu sprechen.
„Einen
schönen guten Tag, meine Herren.“ Seine Stimme war ruhig, gefasst, vorbereitet
und angenehm tief. Er sah sich freundlich im Saal um, den Blick scheinbar kurz
auf jedes Gesicht gerichtet, um dann an ihrer Erscheinung hängen zu bleiben.
„Und einen schönen guten Tag an die einzige Dame“, fügte er schließlich hinzu.
Wiedererkennungswert lag nicht in seinem Blick. Sie sagte darauf nichts und
konnte nur, unfähig irgendetwas zu tun, warten.
„Ich bin
heute hier, um über den Wert und die Stellung des Goldes zu sprechen.
Schließlich ist dies das Thema, dass Sie am allermeisten beschäftigen wird,
sollten Sie sich entschließen und qualifizieren, ein Teil der Gringottsfamilie zu werden“, fuhr er mit sonorer, ruhiger
Stimme fort.
Aufregung
war ihm nicht anzumerken. Seine Hände zitterten nicht, und er wirkte…, ja er
wirkte… souverän? Arbeitete er bei
Gringotts? Sie wüsste nichts davon! Arbeitete er überhaupt? Durften Todesser
arbeiten? War sein Vater nicht im Gefängnis oder so etwas? Hatte Harry nicht so
etwas erwähnt? Sie hatte viele Fragen – und keine betraf in irgendeiner Weise
den Wert des Goldes! Sollte sie einfach gehen? Wollte sie einem Vortrag
zuhören, der von Draco Malfoy gehalten wurde?
War es
Draco Malfoy? Sie war sich immer noch nicht völlig sicher. Er trug ein weißes
Hemd, eine helle Krawatte, ein graues, modernes Jackett, das sich eng an seinen
Oberkörper schmiegte und eine passend graue Hose. Die Kleidung stand ihm gut.
War er
gebräunt? Oder ließ die helle Farbe seiner Kleidung und das helle blond seiner
Haare ihn einfach… gesund und gebräunt aussehen? Sie wusste es nicht zu sagen.
Vielleicht war es auch das Offensichtliche, was ihren Augen nicht entgangen
war. Malfoy besaß Oberarme. Ausgeprägte Oberarme. Und anscheinend noch einige
andere Muskeln, die das Jackett und das feine Hemd zum Spannen brachten. Nicht
im übertrieben Maße, aber eben… nicht mehr im jungenhaften Maße.
Dabei
war er…? Wie alt war er? So alt wie sie. Einundzwanzig.
Sie ließ
die angehaltene Luft aus ihren Lungen weichen.
„Mein
Name ist Draco Malfoy, und ich möchte diesen Vortrag damit beginnen, zu
erklären, warum Gold eine Faszination für jedes Lebewesen birgt. Ähnlich wie
Diamanten eignet sich auch Gold für die Einbindung von Magie. Ein besonders
mächtiger Fluch richtet und bindet sich perfekt an Mineralien. Flüche werden
häufig mit Diamanten verstärkt oder versiegelt, Zauber jedoch mit Gold.“ Seine
Stimme… sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals so geklungen
hatte! Nicht, dass sie wüsste!
„Kobolde
verwalten Gold, verarbeiten Gold und haben all ihre Weisheiten dem Gold
gewidmet. Sie sagen, Gold bleibt treu. In ihrer Sprache òr sè dìlis“,
übersetzte er auf perfektem Koboldogack, und sie war
sich wirklich nicht sicher, ob ihr gegenüber nicht eine perfekte Kopie eines
Draco Malfoys war, den sie nicht kannte.
Wieso
durfte er Vorträge halten? Sie kam über diese augenscheinliche Kompetenz nicht
hinweg.
„Gold
ist biegbar, und das Sprichwort verspricht, was biegt, bricht nicht.“ Er
lächelte kurz ein feines Lächeln. „Eine Bindung soll nicht brechen, deswegen
ist Gold ein verlässlicher Faktor bei Zaubern jeder Art. Gold löst sich nicht
auf. Wird es bei kochender Hitze geschmolzen, behält es die Form bei. Auch
flüssig verliert es nicht an Masse oder Gewicht. Das ist die Treue, die die
Kobolde am Gold so sehr schätzen und welche, ihrer Meinung nach, nicht auf
Menschen übertragbar sei.“ Er schwieg kurz. Und etwas an seiner Art hielt
anscheinend einen ganzen Saal voller männlicher Muskelprotze in einer Trance
aus andächtigem Schweigen.
Fast
lullte Malfoy sie auch in seinen Singsang aus Geschichten über Gold. Aber nur
fast. Denn sie war immer noch zu schockiert. Der Mann neben ihr kritzelte
eifrig mit, schrieb fast jedes Wort nieder, so wie sie es erkennen konnte, als
sie auf das Pergament blickte, aber sie sah auch, dass er sich notierte, wie
Malfoy stand, was er trug, wie er sprach, und sie schüttelte verwirrt den Kopf.
Sie
hingegen konnte es nicht über sich bringen, mitzuschreiben.
„Aber
das beschreibt auch auf, wie ich finde, treffende Weise das Gemüt der Kobolde.
Sie widmen ihre Zeit dem Gold, pressen Münzen und Schmuck daraus, und verlieren
somit jede Eigenschaft, die ein Lebewesen ausmacht. Mit Gold zu arbeiten führt
zur Gier. Amplùch,
wie sie es nennen. Gold ist kein Begleiter, Gold spricht nicht, es hält nicht
warm, es macht nicht satt“, erläuterte er ernster.
„Es zu
besitzen, bedeutet, ihm nicht zu verfallen. Der Goldrausch ist etwas
Gefährliches. Kein Goldstück, was für Gringotts gefunden wird, darf behalten
werden. Der Wert von Gold ist unschätzbar. Es ist zwar immer ein stabiler Wert, aber auf Grund
seines seltenen Vorhandenseins wird es immer das wertvollste sein, was auf der
Welt existiert.“
Sie
schluckte. Er hatte den Blick auf sie gesenkt. Sofort spürte sie, wie sie die
Luft automatisch anhielt. Seine blauen Augen sagten ihr sofort, dass er sie
erkannt hatte. Sie fühlte sich plötzlich sehr anwesend und groß, in diesem Raum
voller fremder Männer. Hitze stieg in ihre Wangen, ohne dass sie genau erklären
konnte, weshalb.
„Miss
Granger“, begann er schließlich, und ihr Name rollte weich wie Butter über
seine Lippen. Und nicht nur, dass er es fertig brachte vollkommen glaubhaft
ihren Nachnamen zu verwenden, obwohl sie gleichalt waren, nein, er schaffte es
sogar, autoritär zu klingen. Die Luft verließ teilweise ihre Lungen, und sie
brach den Blick zu ihm nicht. „Ich bin mir sicher, Sie wissen, wann die
Kupferzeit in der Zeitrechnung der Muggel zu beziffern ist?“ Es war keine
wirklich Frage, und dennoch vermittelte es den Anschein zwischen einem
Schüler-Lehrer-Gespräch.
Er hatte
sie tatsächlich gefragt. Warum? Weil er wusste, sie war eine Muggel?
Wahrscheinlich. Oder nicht? Sie war sich der Blicke der anwesenden Männer
gewahr.
Und sie
entschied sich zu antworten, ehe ihr Kopf abgewogen hatte, ob sie überhaupt mit
ihm sprechen musste! Es war schließlich ein Vortrag von ihm, aber ihr Kopf und
ihr Schulwissen der Grundschulzeit waren wieder einmal schneller als Abwägung
und Zurückhaltung. – Und daneben auch ihre plötzliche Faszination zu diesem
Mann vor sich.
„4200
vor Christus, geschätzt“, fügte sie rau hinzu, denn sie war nicht darauf
vorbereitet gewesen, sprechen zu müssen. Und er lächelte jetzt. Es löste ein
seltsames Gefühl in ihr aus.
„Völlig
richtig, Miss Granger. Das entspricht welchem Zeitalter Merlins?“ Ehe sie über
die Impertinenz dieses Wissenstest nachdenken konnte, hatte sie erneut
geantwortet, denn sein Blick fesselte sie immer noch.
„Ungefähr
das dritte Zeitalter, allerdings ist es schwer zu bemessen, da es keine
Zeitrechnung in diesem Sinne für die magische Bevölkerung gab. Alle
Aufzeichnungen der Zeitentafel sind im Dämonsfeuer
der angeblichen Schlacht um Wellarnok vernichtet
worden“, erwiderte sie, wie aus der Pistole geschossen, wie sie es im Lehrbuch
gelernt hatte. Fast dachte sie, er würde ihr jetzt Punkte schenken. Sie schloss
hastig den Mund, nicht willig noch etwas anderes preiszugeben. Ihr Puls brach
neue Rekorde!
Er hatte
sich elegant vom Pult abgestoßen und vergrub nun die Hände in den Taschen der
feinen Stoffhose.
„Ganz
richtig. Alle Aufzeichnungen sind vernichtet worden, allerdings gibt uns das
dritte Zeitalter Merlins Auskunft darüber, dass die ersten Goldfunde
entsprechen weit zurückliegen, was uns darauf schließen lassen, dass Gold
ähnlich lange wie die Menschen existiert, wenn nicht ungleich länger.“ Er
schritt vor der ersten Reihe auf und ab, und jedes Mal wenn sie sein Duft traf,
hielt sie die Luft erneut an.
Er roch
nach Parfum. Teuer, herb und betörend. Sie schüttelte unwillig den Kopf.
„Es
handelt sich um eine Zeit, in der Muggel und Zauberer durch Gold eng verbunden
waren. Zwar war den Muggeln nicht die magische Wirkung bewusst, aber sie
erkannten den unschätzbaren Wert dennoch. Es wurde als Kostbarkeit, als Währung
gehandhabt, welche die Zauberer bis zum heutigen Tage beibehalten haben. Sie waren schlau genug, den Muggeln die
Reserven abzunehmen und in dem Glauben zu lassen, das Vorkommen wäre noch
wesentlich seltener und ihre Minen ausgeschöpft.“ Hermine verspürte wieder
Mitleid mit den Muggeln, die wieder einmal von den Zauberern ausgetrickst und
ausgenommen worden waren.
Aber
wahrscheinlich war es besser so. Goldrausch kannten Muggel. Und vielleicht war
es gut, dass die Kobolde die Macht über Gold besaßen.
„Was ist
der unterschiedliche Maßstab der Währungen Galleone und Pfund?“, fragte er
prompt. Langsam schritt er die erste Reihe wieder zurück, ließ den Blick über
die Menge schweifen, und sie zwang sich, nicht auch noch die Hand zu heben, um
zu antworten. Sie tat es, weil sie nicht wollte, dass er es tat. Sie war
schließlich muggelgebürtig! Und irgendwas in ihrem Innern sagte ihr, er fragte
diese Fragen mit glatter Absicht. Fühlte sie sich dann geschmeichelt oder war
es impertinent? Ihr Verstand funktionierte irgendwie nicht mehr richtig.
„22:1
ist der derzeitig geltende Maßstab“, beantwortete sie unaufgefordert seine
Frage. Er kam vor ihr zum Stehen, und widerwillig legte sie den Kopf in den
Nacken, um in sein Gesicht blicken zu können.
„Das ist
richtig, Miss Granger.“ Wieder sagte er ihren Namen, und wieder fühlte sie sich
seltsam unter seinem Blick, seiner Aufmerksamkeit, seiner ganzen Erscheinung.
Sie fühlte sich zur Schau gestellt, und als sie dachte, er würde den Blick
nicht mehr von ihr abwenden, wandte er sich wieder Richtung Pult um und schritt
zurück. Und seltsamerweise blieb ihr Blick auf seinem Hintern ruhen, der sich
straff und muskulös unter dem Stoff seiner Kleidung abzuzeichnen wagte. Sie
schloss irritiert die Augen und öffnete sie erst wieder als sie sicher sein
konnte, dass er sich umgedreht hatte. Ihr Mund war trocken. Sie wurde verrückt!
„Unsere
Währung hat den zweiundzwanzigfachen Wert der Währung der Muggel inne“,
erläuterte er lauter. „Es ist wichtig, sie zu schützen. Der Wert des Goldes,
meine Dame, meine Herren, ist der wichtigste Wert in unserer Gesellschaft.
Sofern Sie sich entschließen für Gringotts arbeiten zu wollen.“ Er schenkte den
Anwesenden ein weißes Lächeln. Gerade reihten sich seine Zähne aneinander. Es
war ein entwaffnendes Lächeln.
Sie
fühlte, wie sich ihr Unterkörper unwohl auf dem unbequemen Stuhl zur anderen
Seite schob. Ihr Körper kribbelte unangenehm bei seinem Anblick.
„Es
dient nicht dem Abenteuer. Die Suche nach Gold dient der Erhaltung der
Gesellschaft, der Währungsstabilität und der magischen Einzigartigkeit“, erklärte
er offen. „Nur die besten und ehrlichsten Zauberer werden ausgewählt.“ Er
lehnte sich wieder mit beiläufiger Gelassenheit gegen das Podest, fuhr sich
durch die blonden Haare, die ihm aufgelockert und weich in die Stirn
zurückfielen und sein Blick fixierte einen Punkt neben ihr, stellte sie fest
„Witherby, die Zahlen, bitte“, verlangte er jetzt ruhig. Der
Mann neben ihr kramte hastig nach einem Pergament aus seinem schmalen
Aktenkoffer zu seinen Füßen. Er reichte es Malfoy, ohne ihn anzusehen.
„Bitte, Sir“,
flüsterte er erstickt. Sir…. Sie
hätte Malfoy niemals Sir genannt. Nicht unter Beschuss und nicht am letzten Tag
der menschlichen Welt vor ihrem eigenen Untergang. Niemals!
„LM Gold
verzeichnet Fördermengen von über achttausend Tonnen jährlich. Und
unsere Goldminen sind dort platziert, vor den Augen der Muggel versteckt, wo
auch noch heutzutage das meiste Goldvorkommen verzeichnet wird.“
Jetzt
wusste sie, weshalb er hier sprechen durfte. Es wurde ihr klar. Lucius Malfoy Gold war ihr ein Begriff.
Natürlich hatte sich Lucius Malfoy einen Weg zu eigen gemacht, wie er Profit
dafür schlagen konnte, dass andere Gold für ihn fanden,
welches er an die Kobolde verkaufen konnte. Und mit Lucius Malfoy vermutlich in
Askaban, galt der Platz an dieser Spitze jetzt wohl seinem Sohn. Und damit war
ihr auch gleichzeitig klar, wo sie nicht würde arbeiten wollen!
Mental
strich sie diese Option also von ihrer Liste. Und sein Blick ruhte wieder auf
ihr. Wieder durchleuchteten sie seine hellgrauen Augen. Sie fühlte sich wieder
ihre Haltung korrigieren.
„Miss
Granger, können Sie mir auch sagen, wo das meiste Gold zu finden ist?“ Ja,
konnte sie. Aber sie schwieg. Beharrlich ruhte sein Blick weiterhin auf,
betrachtete anscheinend ihr Gesicht, schien es sich einzuprägen, und sie fühlte
sich unwohler von Sekunde zu Sekunde. Sein Blick wurde so intensiv, dass sie
spürte, wie ihre Luft langsam wieder knapp wurde, denn sie hatte sie wieder
angehalten. Die Hitze schien in ihr wieder aufzukochen, und ehe sie noch rot
werden würde, sprach ihr Mund.
„Rumänien“,
hauchte sie schließlich, denn sie konnte den Blick nicht mehr aushalten, ohne
den Kontakt zu brechen.
„Völlig
korrekt“, bestätigte er zufrieden. „Für ein anschließendes Gespräch bin ich
gerne bereit, meine Herren, Miss Granger“, endete er schließlich, und ihr
Körper kribbelte noch immer. Und erst mit seinem abschließenden Nicken entließ
er die versammelte Menge aus seiner beängstigenden Präsenz.
Hastig
hatte sie sich erhoben, hatte die Hände um ihren Ordner gekrallt und schob sich
eilig und unauffällig zwischen den klatschenden Männern hindurch zum erlösenden
Ausgang.
Hier
wollte sie nicht länger bleiben. Sie traute ihrem Körper nicht. Das Zittern und
die Übelkeit waren ihr neu, und wenn sie eben an Malfoys Anwesenheit lagen, dann
würde sie so viel Platz zwischen sich und ihn bringen, wie nur möglich.
~*~
„Und?
Viel über Gold und die Kobolde gelernt?“, erkundigte sich Ginny abwesend,
während sie Hermine ein beiges Kleid vor die Nase hielt. „Ist das ok?“, fügte
sie ungeduldig hinzu.
Hermine
hatte ihr nicht erzählt, dass Malfoy den Vortrag gehalten hatte.
„Äh, ja.
Aber… Gold finden ist doch nicht wirklich was für mich, Ginny“, wich sie der
Frage schlichtweg aus. „Und das Kleid passt vielleicht nicht unbedingt zu
deiner grünen Stola?“, merkte sie schließlich an, und Ginny lachte.
„Nein,
natürlich nicht. Es ist ja auch für dich. Ich gehe doch nicht zu Harrys
langweiliger Feier, ohne Frauenbegleitung!“, erklärte sie sofort.
„Für
mich? Du hast gesagt, ich soll auf eine Tasse Tee vorbeikommen!“, beschwerte
sich Hermine und fühlte sich wieder einmal von Ginny ausgenutzt.
„Na und?
Tee, ein Ministeriumsfest – wo ist der Unterschied? Dann trinkst du statt Tee
eben Elfenwein“, erklärte sie schlicht. „Und es ist ja nicht so, dass du morgen
irgendwo sein müsstest.“
„Ron-“
„Ron ist heute nicht da“, unterbrach sie Ginny mit einem triumphalen Blick.
Hermine seufzte ergeben.
„Für eine Stunde, Ginny!“, warnte Hermine ihre beste Freundin.
„Zwei“,
widersprach Ginny.
„Eine“,
wiederholte Hermine gereizt.
„Hermine,
ich kann schon nichts trinken, und muss wieder und wieder langweilige
Kriegsgeschichten anhören, von mittelalten Zauberern, die ich nicht kenne und
von denen mir nüchtern auch noch jedes Wort im Gedächtnis bleiben wird!“,
beschwerte sie sich, an der Grenze der Unhöflichkeit.
Richtig.
Die Schwangerschafts-Patentante-Karte, deren Effekt Hermine zu hassen gelernt
hatte.
„Und
außerdem, das mit Ron war sowieso keine echte Beziehung. Die paar Monate zählen
so viel wie ein Kurzurlaub!“ Sie wurde sogar giftig. Aber immerhin merkte sie
es irgendwann. Eventuell.
„Vielen
Dank für diese Aufklärung“, entgegnete Hermine säuerlich.
„Entschuldige“,
erwiderte Ginny schließlich sanfter und strich sich abwesend über die
angedeutete Rundung ihres Bauches. „James ist heute genauso gereizt“, fügte sie
hinzu.
„James…“,
wiederholte Hermine langsam. „Was, wenn es ein Mädchen wird?“, fragte sie, wie
jedes Mal.
„Nein“, erwiderte Ginny nur. „Er wird ein James.“ Und damit war das wieder
einmal geklärt.
„Neunzig
Minuten“, Gab sich Hermine geschlagen.
„Abgemacht.
Und jetzt probier das Kleid
an. Die Schuhe passen aber nicht. Ich habe noch welche im Schrank, die ich wohl
die nächsten vier Monate nicht anziehen kann. Du glaubst nicht, wie groß meine
Füße werden. Dabei ist das Gewicht kaum verändert!“ Schon war sie wieder in
ihren begehbaren Schrank gewuselt.
„Jaah“, gab Hermine nur zurück, während sie sich müde auf
Harrys und Ginnys Bett ausstreckte. Wo sie James gezeugt hatten… Unwillkürlich
setzte sie sich wieder in eine sitzende Position.
„Hey,
Fremde“, begrüßte sie Harry, als er in der Tür stand. Sie hob den Blick. Er sah
sehr gut aus.
„Na, gut
gekämpft heute?“, wollte sie grinsend wissen und musste sagen, er sah wirklich
sehr gut im Anzug aus. Er war schwarz, aber seine Haare standen im krassen
Gegensatz zu dieser Eleganz, denn sie hatten wie immer ein Eigenleben. Aber
Hermine war das schon von ihren eigenen Haaren gewöhnt.
„Sicher.
Hat Ginny dich überredet?“, wollte er jetzt wissen, und sie nickte ergeben.
„Wir müssen ja nicht lange bleiben“, erklärte er, und immer noch war Harry
Potter Ruhm und Rampenlicht unangenehm. Fast lächelte sie breiter.
„Ist das
wieder eine Feier der Abteilung?“, erkundigte sie sich, ohne neugierig oder
neidisch klingen zu wollen, was Ron ihr immer zu unterstellen pflegte.
„Nein,
ich glaube, es geht um alle Abteilungen. Wohltätigkeit? Sponsoren? Ich hab
wieder vergessen, was es war.“ Er sah ihr wohl an, dass sie ihn verurteilte.
„Hey, ich kann mir nicht alles merken!“, rechtfertigte er sich, beide Hände in
der Luft. Sie verdrehte die Augen.
„Wie war
deine Koboldveranstaltung?“ Er konnte ein Grinsen nicht verhindern.
„Es war
keine Koboldveranstaltung, und sie war gut, danke“, gab sie knapp zurück. Ihm
würde sie auch nicht erzählen, dass Malfoy da gewesen war! Bei Merlin nicht!
„Und?
Die Spitzhacke gab es gratis, oder überlegst du noch?“ Sie ignorierte seine
Witze.
„Ich
überlege wohl noch.“ Sie beschloss das Thema zu wechseln. „Brauche ich für eure
Feier eine Eintrittskarte?“, erkundigte sie sich eine Spur genervt, als Ginny
mit verboten hohen Schuhen in der Hand wiederkam, und
sie sich vom Bett erhob, um das Kleid anzuziehen.
„Habe ich. Ich darf einen Gast mitbringen. Oder Ron hätte gedurft“, fügte sie
hinzu. „Außerdem, du bist ein bunter Hund im Ministerium. Als ob Hermine
Granger draußen bleiben müsste!“, fügte sie hinzu.
„Na
dann. Unter solchen Voraussetzungen kommt man doch gerne mit“, gab sie trocken
zurück, und Harry unterdrückte das Lachen.
„Dieses
Kleid? Nicht das blaue?“, erkundigte sich Harry plötzlich, aber Ginny ruckte
nur mit dem Kopf.
„Wieso
sucht ihr meine Kleider aus?“, wollte Hermine alarmiert wissen, aber Ginny
schenkte ihr nun lediglich ein Lächeln, so dass Hermine ihre Instinkte förmlich
brodeln spüren konnte.
„Ginny…!“,
begann sie warnend, aber Harry räusperte sich und schloss den Abstand zu Ginny.
„Wie geht es ihm heute?“, wollte er von seiner Verlobten wissen und ging vor
Ginny auf die Knie, um ihren Bauch zu küssen. Hermine ließ den beiden ihre
Privatsphäre und verschloss die Tür zum angrenzenden Badezimmer. Wahrscheinlich
würde sie heute wieder von fünfzig Leuten überzeugt werden, im Ministerium anzufangen.
Sie
wollte nicht. Sie wollte einfach nicht! Wenn sie doch nur wüsste, was sie
wollte….
Und wenn
sie doch nur wüsste, was Ginny wieder vorhatte.
~*~
Overdressed,
dein Name ist Hermine Granger. Ja, sie war ein bunter Hund. Ein bunter Hund in
einem beigen Kleid, das kurz über den Knien endete. Ihre Haare fielen in
weichen Wellen ihren Rücken hinab, wofür Ginny sage und schreibe eine Stunde
gebraucht hatte. Und sie hatte Hermine nicht einmal erklären wollen, wofür
dieser Aufwand nötig war. Sie war noch nie so aufgebrezelt
im Ministerium herumgelaufen. – Oder überhaupt irgendwo! Das Makeup war dezent,
aber dafür immens vorhanden. Dazu die hohen Schuhe, vor denen Hermine
eigentlich keine Angst hatte, aber in Verbindung mit dem Elfenwein, den Harry
ihr anscheinend minütlich nachzuschenken schien,
wurde es eine gefährliche Kombination.
Sie
hatte das Gefühl, der Ausschnitt gab zu viel Preis, obwohl Ginnys Ausschnitt
tiefer saß. Vielleicht lag es daran, dass Hermine von Natur aus einen größeren
Busen hatte als Ginny. Sie fuhr sich fahrig durch die weichen Haare. Das war
sie von ihrer Haarstruktur auch nicht gewöhnt.
Alle
paar Minuten fand Ginny sie und bot ihr an, den Lippenstift nachzuziehen, was
Hermine schon dreimal abgelehnt hatte. Ginny kam ihr schon vor wie eine
überbesorgte Puffmutter….
Einige
Leute hatten sie angesprochen, sie begrüßt, sie zu ihrem blendenden Aussehen
beglückwünscht, und sie hatte ihnen versichert, dass sie üblicherweise nicht so
auf der Straße herumzulaufen pflegte.
Überwiegend
Männer hatten den Weg zu ihr gemacht, ihr von den vorteilhaften Abteilungen
erzählt und eine Tour angeboten, in Verbindung mit einem Glas Wein. Hermine
hatte jedes noch so durchschaubare Angebot abgelehnt.
„Hermine?“
Harry strahlte sie praktisch an. „Das ist Don“, stellte er ihr einen jungen
Mann vor, den er mit herrischer Geste nach vorne schob. „Er arbeitet auch in
meiner Abteilung.“ Der junge Mann hatte schätzungsweise ihr Alter, wenn nicht
etwas älter. Die Haare waren dunkelblond, etwas länger, sowie seine Nase auch
etwas länger zu sein schien. Der Mann betrachtete sie freundlich, ein
gezwungenes Lächeln auf den Lippen.
„Das ist
Hermine, ich habe dir ja von ihr erzählt.“ Und Harry tat etwas Unerhörtes und
zwinkerte ihr zu. „Ich muss mal eben nach meiner Verlobten sehen.“ Er zauberte
ein weiteres Glas hinter seinem Rücken hervor und tauschte es gegen Hermines
leeres Glas aus. „Noch Wein, Hermine?“ Damit verschwand er, ehe Hermine sich
hatte beschweren können.
Wieder
ein Kupplungsversuch. Sie hätte es riechen müssen!
„Das
war… sehr subtil“, merkte Don an. Don….
Noch näher hätte Harry den Namen nicht wählen können. Hießen alle in der
Abteilung so? Ron, Don, John?
„Jaah. Es tut mir leid. Sie müssen hier wirklich nicht
stehen.“ Der Mann lächelte jetzt etwas entspannter.
„Es ist nicht weiter schlimm. Harry sagt, Sie waren die klügste Hexe Ihrer
Zeit?“ Dabei betrachtete er unauffällig ihre Erscheinung. Ja, im Moment sah sie
eher so aus, als wolle sie einen Schönheitswettbewerb gewinnen – in einem
irischen Bordell. Sie nahm einen tiefen Schluck Wein.
Die
Halle des Ministeriums war prall gefüllt. Nicht alle sahen so förmlich aus, wie
sie es tat. Don vorne weg. Er trug sogar Jeans. Einen schwarzen Pullover und er
schien sich immerhin genauso unwohl zu fühlen wie sie.
Er war
nicht viel größer als sie, aber bei ihren Schuhen war es ein Wunder, dass
überhaupt jemand größer war als sie.
„Das war
wohl so, ja“, bestätigte sie vage. „Sie sind also Auror?“
„In der
Ausbildung, ja. Natürlich ist Harry überlegen. Es ist eine echte Ehre mit Harry
Potter zusammenzuarbeiten.“ Sie schwiegen wieder. „Ich würde Ihnen ja einen
Wein besorgen, aber Sie scheinen bestens versorgt zu sein.“ Sie lachte höflich.
Merlin,
sie würde Ginny rösten! Über Dämonsflammen. Und ihren
Verlobten gleich mit.
Die
leise Musik, die die Hintergrundgeräusche übertönte, ebbte langsam ab.
„Was
kommt jetzt?“, fragte sie besorgt. Das Ministerium hatte sie einmal zu Tode
erschreckt, als eine ganze Zirkuseinlage zur Schau gestellt worden war. Wilde
Tiere, hundert Tauben – sehr viel Dreck. Sie sah skeptisch zur Decke, ob sich
waghalsige Artisten schon bereit zum Sturzflug machten.
„Ich denke, die Sponsoren werden ein paar Worte sagen. Ist jedes Jahr so.“ Er
klang nicht so, als ob er den Sponsoren freundlich gesinnt war.
„Ist Mr Fudge immer noch Sponsor?“,
erkundigte sie sich, denn sie hatte im internen Ministerium keine Ahnung, wer
welche Fäden zog.
„Ja, unter anderem. Aber die Position als ehemaliger Minister bringt ihm nicht
genug Gold ein, genügend zu spenden, um noch Erwähnung zu finden.“ Wieder klang
seine Stimme bitter.
„Für was
ist diese Veranstaltung eigentlich? Welche Sponsoren werden gewürdigt?“ Sie
hasste es, so etwas nachzufragen, nur weil Harry überhaupt kein Interesse an
irgendwelchen Funktionen des Ministeriums hatte, aber immerhin hatte sie so ein
Gesprächsthema mit Ron-Don-John. Fast hätte sie die Augen verdreht. Harry war
so furchtbar. Was mochte er Don erzählt haben? Er hätte da eine Freundin, die
dringend einen festen Freund suche? Ob er sich erbarmen würde? Sie sähe auch
passabel aus?
Merlin…!
„Dieses
Jahr gab es die größten Spenden für die Abteilung der Internationalen Magischen
Zusammenarbeit, dann für die Kommission der übergreifenden Richtlinien für die
Dichte von Kesselböden und die Dicke der Zauberstäbe – Percy Weasley würde sich
bestimmt am liebsten selber noch einen Ehrentitel verleihen“, fügte er
kopfschüttelnd hinzu, während er selber einen tiefen Schluck aus seinem Glas
nahm. Richtig, Percy verabschiedete Richtlinien, fiel ihr wieder ein.
„Ach
so“, warf sie eine Floskel ein, auf Grund schlichter Ratlosigkeit. Wo war
Ginny?
Einige
Zauberer hatten schleunigst ein Podest erscheinen lassen, inklusive Mikrophon
und grellen Scheinwerfern, die das Podest beleuchteten. Sie stand nah genug
dran, um den kleinen Zauberer erkennen zu können, der auf Zehenspitzen stand
und sich räusperte. Das magische Mikrophon übertrug seine Stimme nur teilweise.
„Meine
Damen und Her…, liebe Mitarbeiter des Minister… und alle Gäste, ich möchte
heute Abend die wichtigsten Sponsoren begr…, die
diesen Abend möglich gemacht ha…. Außerdem danke ich der Elfenküche des
Ministeriums für die Speis… und den Wein!“ Sie musste fast lächeln. „Als
Hauptveranstalter möchte sich nun Mr Ma… selber
bedanken!“ Der kleine Zauberer verließ die Bühne, und Applaus hallte durch die
Halle des Ministeriums.
Hermines
Mund öffnete sich perplex. Sie musste den Namen nicht verstehen, denn sie war
nicht blind. Sie blinzelte heftig, aber es war keine Täuschung. Malfoy? Draco
Malfoy?
„Malfoy ist Sponsor?“, flüsterte sie, eigentlich für keine weiteren Ohren
bestimmt, aber Don antwortete nickend.
„Sicher, Mr Malfoy ist stiller Geschäftsführer der
Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit“, erklärte er, während er
sich einen höflichen Anstandsapplaus abrang, wohingegen sie die Hände nicht
heben konnte.
Es
geschah, was schon gestern bei dem Vortrag geschehen war. Ihre Handflächen
wurden feucht, und ihre Atmung ging schwerer, als sie ihn sah. Er war
einundzwanzig, Himmel noch mal! Er hatte nicht auf Bühnen zu stehen!
Der
schwarze Anzug saß tadellos. Die Schuhe glänzten, als wären sie magisch
aufpoliert, und seine schwarze Fliege war perfekt gebunden. Er betrat das
Podest, stellte sich vor das Mikrophon, räusperte sich lächelnd und unterband
somit den Applaus.
„Vielen
Dank, liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, liebe Sympathisanten des
Ministeriums und Unterstützer unserer magischen Gesellschaft“, begrüßte er die
Anwesenden, wieder einmal mit erschlagender Eloquenz und ohne jede Scheu. Und
das Mikrophon schien jetzt einwandfrei zu funktionieren. Er hob grüßend die
Hand, sah sich um, und für eine Sekunde hatte sie wieder das Gefühl, er sähe
sie an. Aber wahrscheinlich sah er gar nichts durch das gleißend übertriebene
Scheinwerferlicht. „Mein Name ist Draco Malfoy, und ich bedanke mich für Ihr
vielzähliges Erscheinen. Auch danke ich Mr Wells für
die freundliche Einleitung. Seit drei Jahren sitze ich nun im Vorstand der
magischen internationalen Zusammenarbeit, und es ist mir eine Ehre auch dieses
Jahr die Danksagungen zu eröffnen.“ Sie konnte nur den Kopf schütteln. Wieso
wusste sie nichts davon?!
Was war
das für eine Welt? Harry hatte sich unauffällig neben sie gestellt.
„Na, wie
läuft es?“, raunte er lächelnd. Sie ging gar nicht darauf ein.
„Malfoy
ist ein Sponsor?“, zischte sie leise, aber Harry ruckte den Kopf.
„Er ist
der reichste Sohn Londons, also ist das anzunehmen.“ Sie konnte keine
Freundlichkeit aus seinen Worten hören. Verständlicherweise.
„Und
Lucius Malfoy?“, fragte sie hastig, und er nippte an seinem Wein.
„Inhaftiert,
noch für die nächsten fünf Jahre. Keine schöne Sache, aber anscheinend für
Malfoy äußerst lukrativ.“ Sie sah wieder nach vorne und betrachtete den blonden
Mann, der souverän allen Abteilungen und leitenden Mitarbeitern dankte.
„Unser
Dank gilt außerdem der Abteilung der magischen Strafverfolgung, speziell den Auroren und Auroren im Training,
unter herausragender Arbeit von Mr Harry Potter“,
fuhr Malfoy in gleicher Höflichkeit fort. Applaus brandete auf, aber Harry
ignorierte diese Form der Wertschätzung, in dem er den Kopf näher zu ihr
senkte.
„Ich dachte du wüsstest, dass Malfoy alle Vermögensverfügungen seines Vaters
übernommen hat?“ Sie sah ihn entgeistert an.
„Woher in Merlins Namen sollte ich so was wissen?“, zischte sie, und ihr Herz
schlug schnell. Der Wein schlug unangenehm an.
„Du bist doch auch zu seinem Koboldvortrag gegangen oder nicht?“ Harry sah sie
fast nachsichtig an. Er wusste das? Er hatte das gewusst?!
„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du wusstest, dass er den Vortrag halten
würde?“, knurrte sie wütend und spürte die Hitze in ihren Wangen.
„Du hast
es doch auch nicht erwähnt, als ich dich heute gefragt habe.“ Harry lächelte
ein wissendes Lächeln. Hermines Mund klappte zu.
„Das…
ich habe…“ Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte.
„Ich
habe mit Ginny gewettet, wie lange du wohl bei dem Vortrag bleiben würdest,
wenn du siehst, dass Malfoy ihn hält“, erzählte er munter weiter. Sie
schüttelte angewidert den Kopf. „Anscheinend bis zum bitteren Ende“,
beantwortete er diese Frage selbst.
„Du und deine Verlobte plant mir sowieso einiges zu viel!“, presste sie hervor
und deutete unauffällig auf Don.
„Was meinst du?“ Harry musste gar nicht so scheinheilig tun!
„Hört
auf mich zu verkuppeln!“, knurrte sie, und Harry kaschierte sein Lachen, in dem
er einen weiteren Schluck nahm.
„Ich
werde zum Buffet gehen“, erklärte Don lauter, als Malfoy geendet hatte und den
nächsten Sponsor ankündigte. Wieder kam Applaus auf, und Hermine nickte nur
überfordert.
„Du
scheinst ja ohnehin keinen guten Eindruck auf Don gemacht zu haben. Ist er
nicht perfekt? Ich kenne ihn gut, Hermine. Er ist loyal, nett und kürzlich aus
einer fünfjährigen Beziehung gekommen. Das heißt, er ist fähig, sich zu binden“,
erklärte Harry mit übertriebenem Ernst, und sie schüttelte nur den Kopf.
„Nein!“, erklärte sie. „Einfach nein, Harry. Und sag es deiner Verlobten auch.
Ich denke, ich bin betrunken und gedemütigt genug und werde jetzt gehen“,
erklärte sie wütend.
„Oh, komm schon Hermine“, erwiderte Harry lachend. „Sei nicht beleidigt. Wir
sind dafür da, uns um dich zu kümmern! Du wirst doch die Patentante“, streute
er wieder Salz in die Patentante-Wunde.
„Ich bin
mitgekommen, habe Komplimente von alten Männern über mich ergehen lassen, euren
Kupplungsversuch und vier Gläser Wein. Ich werde gehen, Harry“, informierte sie
ihn schließlich.
„Schön.
Irgendeine Abteilung gefunden, die endlich dein Interesse weckt?“, rief er ihr
noch hoffnungsvoll nach, als sie sich abgewandt hatte. Sie schoss ihm einen
wütenden Blick zurück und lief um den Brunnen herum, der die Mitte der Halle in
Anspruch nahm. Das Wasser war verhext und weißleuchtende Perlen tanzten auf der
Wasseroberfläche.
Als sie
der Schlange vor dem Buffet auswich, darauf bedacht, auf gar keinen Fall Don
anzurempeln und somit ein weiteres, unangenehmes Gespräch zu erzwingen, kam sie
bei einem riskanten Ausweichmanöver ins Straucheln. Sie stieß gegen einen
Ellbogen und setzte schon mal ihr Unschuldslächeln auf, die Entschuldigung auf
den Lippen.
Der
hellblonde Mann drehte ihr sein schönes Gesicht zu, und ein Lächeln umspielte
schließlich seine Mundwinkel, nach einer Sekunde der Überraschung, ehe er sie
erkannt hatte.
Oh nein! Ihr Magen rebellierte, als das neue
bekannte Kribbeln einsetzte.
„Miss Granger“, begrüßte er sie. Freundlich und distanziert, mit angenehm
sonorer Stimme. Merlin! Ihr Körper kribbelte, und sie fühlte sich nicht gut auf
den hohen Schuhen. Er war noch immer fast einen Kopf größer als sie. Sie roch
sein Parfum. Derselbe Duft wie gestern. Sie merkte, dass sie noch nichts gesagt
hatte. Sein Blick hatte ihr alle Worte geraubt. Das war doch nicht auszuhalten!
Sie
stand viel zu nah vor ihm. Seine Erscheinung war so seltsam einnehmend, dass sie
nicht klar denken konnte. Seine Haare waren auffallend hell, dafür aber dicht
und voll. Sie lagen dem Anlass entsprechend eng an seinem Kopf, elegant
frisiert.
Seine
blauen Augen funkelten amüsiert, wahrscheinlich ob ihrer anhaltenden
Sprachlosigkeit.
„Verfolgen
Sie mich, Miss Granger?“, fragte er schließlich, als sie es immer noch nicht
fertig gebracht hatte, zu sprechen. Merlin, was war los mit ihr? Sie war doch
sonst nicht um Worte verlegen! Vor allem nicht, was ehemalige Todesser betraf! Merlin, noch mal! Doch ihr logisches Sprachzentrum
schien überlagert von ihrer Reizaufnahme zu sein. In seiner Hand hielt er ein
Glas mit heller Flüssigkeit. Champagner? Die andere Hand steckte legere in
seiner Hosentasche, und die Hose saß wirklich gut, hing fast provokativ perfekt
von seinen Hüften hinab, und ihr Mund wurde trocken. Am liebsten hätte sie wild
den Kopf geschüttelt, um ihre unpassenden Gedanken schleunigst loszuwerden.
Sie
musste ihn ja praktisch anstarren. Und es war absolut nötig, dass sie etwas sagte.
Sofort!
„Nein“,
schaffte sie also zu sagen. Ein Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln, aber er
beherrschte sich. Sie schaffte es nicht einmal ihn mit Mister anzureden. Es ging einfach nicht. Es wäre gegen jedes
bessere Wissen! Sie kannten sich aus Schulzeiten! Sie kannte ihn doch schon so
lange. Und noch nie hatte er so einen Effekt auf sie gehabt. Einen stammelnden,
zitternden, völlig machtlosen Effekt.
„Sind
Sie in Begleitung hier?“ Sie konnte nicht mit ihm reden. Sie konnte physisch
einfach nicht! Ihr Gedächtnis hatte bereits seine Frage vergessen, während ihr
Geruchssinn fast gierig den Duft seines Parfums untersuchte. Seine Züge waren
so markant, und wenn seine Haarfarbe der seines Vaters ähnelte, konnte sie sich
dennoch ausreichend an das Aussehen seines Vaters erinnern, um zu sagen, dass
er nicht so aussah.
Wieso
stand sie hier? Beweg dich endlich!,
schalt sie ihr Unterbewusstsein mit der Vehemenz einer Verzweifelten. Sie war
wie festgefroren. Er schien gut auf seinen Körper zu achten, denn sie erkannte
kein Gramm Fett, keinen unangenehmen Fehler, der ihrem Auge auffiel. Verdammt!
Plötzlich war sie sich selber sehr bewusst und befeuchtete eilig ihre Lippen,
die ebenfalls sehr trocken geworden waren.
„Ich…
wollte gerade gehen“, rang sie sich ab. Worte. Aneinander reihen. Sie konnte
das. Zumindest war sie früher dazu fähig gewesen. Noch vor zwei Minuten
zumindest! Seine Freundlichkeit wich ehrlichem Bedauern. Sie sah es. Er schien
es offensichtlich zu bedauern.
War das
überhaupt möglich?!
„Ich hoffe, sie hatten mehr Spaß hier als bei meinem Vortrag?“ Er schenkte ihr
ein schmales Grinsen, das ein tiefes Grübchen in seine linke Wange grub. Röte,
unglaubliche Hitze, schoss in ihre Wangen. Sie blinzelte mehrfach. Wie konnte
er nur so aussehen? Bemerkte es denn sonst keiner? Merlin, was hatte er gesagt?
Nun offenbarte er ein Lächeln, das einen Großteil seiner geraden Zähne
entblößte.
Applaus
brandete erneut auf, als der nächste Sponsor fertig war, und sie zuckte
zusammen, so abgelenkt war sie von seinem Mund gewesen.
„Ich… muss gehen“, wiederholte sie heiser, während sie tatsächlich vergessen
hatte, was er gerade gesagt hatte. Seine Mundwinkel hoben sich jetzt erneut.
„Ich
begleite Sie zu den Kaminen“, erklärte er jetzt freundlich, deutete mit dem Arm
nach vorne, während er sein leeres Glas auf einem der Stehtische abstellte. Sie
wollte nein sagen, war aber dankbar, dass er ihr die Möglichkeit gab, einfach
zu gehen, einfach irgendwas zu tun, was nicht mit reden oder zuhören zu tun
hatte. Merlin, noch mal! Wie konnte sie ein Mann so nervös machen? Er folgte
ihr, und je weiter sie sich von der direkten, heißen Menge entfernte, um besser
konnte sie ihre Schritte kontrollieren. Sie spürte ihn neben sich, wagte nicht
den Blick zu heben, und als er sie wieder ansah, wäre sie fast umgeknickt.
Tapfer blickte sie weiter nach vorne.
„Sie
arbeiten nicht hier?“ Es klang nicht wie eine Frage. Noch ein paar Meter! Die
Kamine waren nur noch ein paar Meter entfernt! Nur noch ein bisschen
durchhalten. Woher wusste er, dass sie nicht hier arbeitete? Vielleicht, weil du die Zeit findest auf
Koboldveranstaltungen zu gehen? Sie schüttelte also den Kopf, weil sie
wusste, er betrachtete sie immer noch.
Sie wäre
wahrscheinlich gestürzt, hätte sie ihn jetzt angesehen.
Ihr Herz
klopfte unglaublich schnell und schien direkt in ihren Mund gesprungen zu sein.
Er lief
neben ihr, elegant, graziös und machte höchstwahrscheinlich eine bessere
Erscheinung als sie.
Endlich!
Sie hielt dankbar vor einem freien Kamin inne.
„Haben
Sie keinen Mantel?“ Mantel? Mantel! Oh, den hatte sie abgegeben. Und Ginny
hatte die Marke. Oh nein. Egal. Sie würde nicht erfrieren. Sie hatte ihre
Handtasche. Sie musste nur hier raus!
„Ich…
mir ist nicht kalt“, log sie eilig. Sie sah ihn nicht an. Sie sah überallhin,
nur nicht hoch in sein Gesicht. Jedes Wort war unglaublich anstrengend.
„Es ist
sehr kalt draußen. Wo ist Ihr Mantel?“, hakte er ernster nach, und sie hatte
unbewusst den Blick gehoben. Weg von dem hellen Licht wirkte sein Gesicht
dunkler. Seine Haut war glatt und kein Ansatz von Bartstoppeln war auszumachen.
Sie erkannte ein feines Grübchen im Kinn. Sein Kiefer war markant geformt, und
seine Erscheinung war die eines sehr schönen Mannes. Oh, Merlin, Himmel noch
mal! Was hatte er gesagt? Sie spürte, wie ihr Mund sich geöffnet hatte, während
sie mit Starren beschäftigt gewesen war. Peinlich. Sie war einfach schlicht und
ergreifend peinlich!
„Ich…
brauche keinen Mantel“, flüsterte sie stockend. Höchstens um sich zu
verstecken. Sie wollte nur hier weg, ehe sie noch weinen oder stolpern würde.
Was war nur los? Sie hatte die Hände zu Fäusten geschlossen, denn sonst würde
er noch bemerken, dass ihre Finger zitterten. Allerdings nicht vor Kälte….
Und sein
Ausdruck wurde ernst und verschlossen. Nach einem kurzen Moment öffnete er
tatsächlich den Knopf seines Jacketts. Ihr Mund öffnete sich perplex. Er zog es
von seinen breiten Schultern. Er trug keine Weste. Nur sein Hemd, die Fliege
und den obligatorischen Kummerbund.
Oh
Merlin! Er reichte ihr sein Jackett.
„Es wäre
höchst unvernünftig ohne Jacke draußen zu sein. Es sind nahezu null Grad, Miss
Granger.“ Seine Stimme klang streng, sein Blick schien keinen Widerspruch zu
dulden, und wie in besessener Trance griff sie artig nach dem Jackett, was er
ihr hinhielt.
Die
Hermine in ihr, die eigentlich fähig war, selber zu entscheiden, konnte nicht
fassen, was gerade passierte. Aber sie schien im Moment Sendepause zu haben.
Seine
Stimme war so angenehm tief, sehr beruhigend, und sie fragte sich
unwillkürlich, ob er früher so gewesen war? Es war doch nicht so lange her? Es
konnte unmöglich so viel passiert sein, dass Draco Malfoy plötzlich solch einen
Effekt auf sie ausübte, hatte er doch früher nur Gleichgültigkeit oder
Ablehnung hervorgerufen.
„Ich
möchte, dass Sie es überziehen, Miss Granger“, befahl er schließlich, die
Stimme tiefer, sein Blick für sie nicht zu deuten, aber so intensiv, dass sie
schlucken musste, dass sie –würde Don oder ihre Mutter sie jetzt fragen, was
sie gerade tragen würde – keine Antwort darauf wüsste.
„Du…?“,
begann sie schockiert, aber ihr Herz jagte bei seinem Blick, seiner
Ausstrahlung, seiner seltsamen Fähigkeit, Macht auszuüben, obwohl er nichts
weiter tat, als sie anzusehen.
„Ich
will, dass Sie mein Jackett überziehen, Miss Granger“, wiederholte er
eindringlicher. Seine Stimme war nur ein Raunen, aber es reichte, Schauer über
ihren Rücken zu jagen.
Und sie
schluckte schwer, unfähig den Blickkontakt zu brechen oder ihre Atmung zu
kontrollieren.
„Ja,
Sir“, ergab sie sich und senkte den Blick.
Und ihr
Unterbewusstsein fiel soeben in Ohnmacht!
…
Er ließ
sie nicht aus den Augen, während die Hitze in ihre Wangen gestiegen war. Oh
Merlin! Hatte sie das gerade gesagt? Hatte sie? Sie war tatsächlich
eingeschüchtert. Von seiner kompletten Erscheinung. Oh Himmel!
Und sie
wagte nicht, weiter in seine Augen zu sehen, denn sie meinte gesehen zu haben,
dass sie sich für einen kurzen Moment geweitet hatten.
Sie
wollte sterben. Hier im Ministerium vor den Kaminen.
„Brauchen
Sie noch weitere Hilfe, Miss Granger?“, wollte er wissen, mittlerweile ruhiger,
entließ sie aber nicht aus seinem fesselnden Blick, und sie schaffte es, den
Kopf zu schütteln. Sogar zweimal. Ja, sie brauchte anscheinend professionelle
Hilfe!
„Nein“,
sagte sie sogar, und nur zu eilig war sie in die schwachen grünen Flammen
geflüchtet, als sie wieder, in einer lichten Sekunde, ihre Beine spüren konnte.
Merlin, wie sie sich schämte. Oh nein! Sie würde niemals wieder den Blick heben
können.
Seine
Gestalt verschwamm endlich vor ihrem Blick, als sie endlich apparierte.
Oben
angekommen schlugen ihr die Kälte und der Wind angenehm erfrischend ins
Gesicht, auch wenn es eisig war. Es war zwar erst Oktober, aber der Winter
schien dieses Jahr schneller kommen zu wollen. Neben dem kalten Wind, fühlte
sie jetzt, wie sein Parfum sie umnebelte. Sie trug sein Jackett!
Sein
Jackett! Und ohne anders zu können atmete sie tief den Duft ein. Betörend und
angenehm.
Sie trug
Draco Malfoys Jackett und sog seinen Duft ein, als wäre es lebensnotwendig.
Zitternd
kramte sie schließlich nach ihrem Zauberstab und kam aus dem verzweifelten
Kopfschütteln nicht mehr raus, als sie endlich apparierte.
Das war zwar betrunken untersagt, aber die Begegnung mit Malfoy und der eisige
Wind hatten den Alkohol fast verdrängt, so viel Adrenalin war durch ihren
Körper gerauscht.
Und erst
als sie in ihrer Wohnung angekommen war, schaffte sie es, den Effekt
abzuschütteln. Hastig zog sie das teure Jackett aus, als wäre es verflucht.
Merlin!
Sie hing
es über den Küchenstuhl – und stand vor einem weiteren Problem.
Jetzt
hing Draco Malfoys Jackett über ihrem Küchenstuhl.
Und sie
roch den Geruch noch immer.
Sie
musste raus hier! Raus aus ihrer Küche!
~*~
Das
helle Licht störte sie sogar durch die geschlossenen Lider.
„Es ist nach zehn“, hörte sie eine vertraute Stimme. „Du hättest dich ruhig
verabschieden können.“ Teegeruch stieg ihr in die Nase. Sie vergrub sich unter
der Bettdecke.
„Ich will meinen Wohnungsschlüssel wiederhaben!“, brummte sie lediglich und
hörte Ginny lachen.
„Den hast du Ron geschenkt!“ Sie schlug die Decke genervt zurück.
„Ja, und nachdem wir nicht mehr zusammen waren, habe ich dich gebeten, ihn mir
zu bringen!“, knurrte sie müde.
„Was ich
auch einmal die Woche tue, oder nicht? Ich nehme ihn lediglich wieder mit. Wie
hat dir Don gefallen?“, fragte sie nun sofort, stellte das Tablett auf die
Matratze und setzte sich neben sie. Hermine hatte schon ganz vergessen, dass
sie sauer auf Ginny gewesen war.
„Das kannst
du nicht gut machen durch Tee und Toast“, bemerkte sie nur und fuhr sich durch
die Haare, die nun nicht mehr kunstvoll lagen.
„Wir
dachten ernsthaft, dir würde Don gefallen. Haben wir uns halt geirrt.“ Ja, sie
und Harry irrten sich jedes Mal! Aber ehe sie weitersprechen konnte, lächelte
Ginny. „Und wem gehört das Jackett in der Küche?“ Alles, was sie hatte sagen
wollen, erstarb auf ihren Lippen. Ginny betrachtete sie mit einem verboten
verruchten Lächeln. Hermine wurde schlecht.
Draco
Malfoys Jackett.
„Niemandem“,
erwiderte sie böse, den Blick zornig gesenkt.
„Nein? Ziemlich teuer. Ich weiß, dass Don sich so etwas nicht leisten kann.
Hattest du gestern noch Besuch?“, wollte sie lauernd wissen, aber Hermine
schüttelte den Kopf.
„Es ist
nicht wichtig, Ginny!“
„Du
willst, dass ich rate?“ Tatsächlich schien es Ginny Spaß zu machen. „Also…
Harry hat dich gestern mit Draco Malfoy sprechen sehen. Ich wusste nicht, dass
ihr Kontakt habt.“ Und Ginnys Neugierde stand ihr unverkennbar und unverhohlen
auf die Stirn geschrieben.
Und
anscheinend musste Hermine nichts dazu sagen, denn die Hitze in ihren Wangen
musste für Ginny ebenfalls unübersehbar sein. Und Ginny schien ernsthaft
überrascht zu sein.
„Oh Merlin, Hermine! Ihr habt tatsächlich Kontakt, und er war gestern hier bei
dir?“ Allein der Gedanke ließ ihren Puls Rekorde brechen, und sie schüttelte
voller Scham den Kopf. Was für eine Vorstellung! Das konnte Ginny nicht
ernsthaft denken! Was wäre das auch für ein Bild gewesen? Sie hätte sich
wahrscheinlich übergeben vor Unfähigkeit, irgendwas anderes zu tun, als ihn
anzustarren, wie eine Wahnsinnige!
„Nein,
natürlich nicht!“, schaffte sie entrüstet zu protestieren.
„Ich war
schon überrascht, dass du nicht erwähnt hast, dass er den Vortrag gehalten
hat!“ Anscheinend reimte sich Ginny gerade ihre Version einer grausamen
Geschichte zusammen. Die Hitze in ihren Wangen wurde unerträglich.
„Oh Merlin, Ginny! Nein! Er… hat mir lediglich sein Jackett gegeben.“ Und es
klang, wie es eben klingen musste. Sie schoss ergeben die Augen.
„Er hat dir lediglich sein Jackett
gegeben?“, wiederholte Ginny, als würde sie es nicht glauben. „Was in Merlins
Namen kann auf einer funktionalen Feier des Ministeriums dazu führen, dass
Draco Malfoy – Draco Malfoy, Hermine – dir sein Jackett gibt? Und was ist es?
Ein Geschenk oder so etwas?“, fuhr sie schockiert fort, aber Hermine schüttelte
nur weiterhin den Kopf.
„Nein,
nein! Und was dazu führen kann? Vielleicht, dass mich meine besten Freunde
verschachern wollen und ich flüchten muss? Ohne meinen Mantel, den du
wohlweislich versteckt hattest?“
„Und Draco Malfoy taucht auf dem nichts auf und gibt dir mir nichts dir nichts
sein Jackett?“ Und ja, es klang… nicht gut. Es klang nicht mal wirklich real.
„Das ist praktisch Harrys Arbeitgeber, Hermine!“, fuhr Ginny entrüstet fort.
Hermine runzelte die heiße Stirn.
„Arbeitgeber? Malfoy ist so alt wie wir, Ginny!“
„Er hat
die neue Ausrüstung bezahlt und im Ministerium die Abteilung komplett
umstrukturiert. Draco Malfoy ist so was wie der Drahtzieher des Ministeriums.
Du kannst doch keinen Kontakt mit Draco Malfoy haben?!“ Hermine musste erst mal
schlucken.
„Ich habe keinen Kontakt mit ihm! Ich habe ihn zweimal gesehen, Ginny!“,
widersprach sie heftig. „Und wie kann er innerhalb kürzester Zeit so eine Macht
bekommen?“
„Gold,
Hermine. Jede Menge Gold. Und du hast sein Jackett! Hast du vergessen, wer er
ist?“ Und die ehrliche Antwort darauf wäre: Teilweise ja. Wenn sie ihn jetzt in
Persona vor sich sah, dann vergaß sie alles. Alles, was sie damals verabscheut
und verachtet hatte. Alles, was ungerecht und menschenverachtend gewesen war.
Wenn sie ihn sah, dann reagierte irgendwas anderes. Irgendwas Böses in ihr.
Etwas verdrängt ihr rationales, besseres Wissen.
„Natürlich weiß ich, wer er ist! Merlin, du machst einen Hippogreif
aus einem Doxyei, Ginny“, beschwerte sich Hermine
leise.
„Mach
ich das?“, stellte Ginny die Gegenfrage.
„Es ist
unwahrscheinlich, dass ich ihn überhaupt wieder sehe, Himmel noch mal!“
„Ach ja? Und… du willst das Jackett behalten? Das Jackett von Grafton’s?“, fügte sie hinzu, und Hermine wollte gar nicht
nachrechnen, wie teuer ein Jackett von Grafton’s sein
musste. Es war das teuerste Bekleidungsgeschäft in ganz London. Sie setzte eine
trotzige Miene auf, ohne es verhindern zu können.
„Wenn er so viel Gold hat, dann wird er das Jackett nicht brauchen, wenn er es
ohnehin bereitwillig abgegeben hat“, schloss sie schließlich. „Und jetzt will
ich nicht mehr darüber reden. Und ich will meinen Schlüssel wieder haben!“
Ginny schien noch einige Fragen mehr zu haben, aber Hermine biss demonstrativ
in ihren Toast und trank einen Schluck Tee.
„Gehst
du heute Nachmittag zu Luna in den Laden?“, fragte Ginny schließlich missmutig,
wahrscheinlich um nicht doch riskieren zu müssen, den Schlüssel abzugeben,
sollte sie noch mehr Malfoy-Fragen stellen. Hermine hatte es ganz verdrängt. Es
war Samstag. Üblicherweise half sie Luna im Geschäft. Und eigentlich nur, weil
sie ihrer Freundin einen Gefallen tat. Nicht, weil sie es unbedingt wollte.
Der Klitterer als Laden bot genauso viele Seltsamkeiten wie die
Zeitschrift von Lunas Vater. Aber die Sammlung an
Büchern war interessant. Mehr als das!
Außerdem
konnte sie mit Luna dann und wann abstruse Besonderheiten ersteigern.
„Jaah. Ich habe es ihr zugesagt“, bestätigte sie.
„Wenn du
dir einen festen Job suchen würdest, müsstest du deine Zeit nicht mit suchen
verbringen. Den perfekten Beruf gibt es nicht, Hermine. Genauso wenig wie die
perfekte Beziehung“, merkte sie weise an. Hermine verdrehte die Augen.
„Ich
helfe Luna gerne“, widersprach sie bockig. „Und ich bin noch jung.“
„Nicht für immer. Und wer will dich schon, wenn du vierzig, verloren und
arbeitslos bist?“ Sie spürte die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen. Die
Falte, die in den letzten Monaten immer häufiger erschien, wenn sie über die
Zukunft nachdachte. Sie zwang sich, diesen Gedanken zu verdrängen.
„Ha ha“, gab sie trocken zurück. „Erzähl mir lieber von deinem
zukünftigen Sohn.“ Ein Thema was selbst die neugierigste Weasley besänftigen
konnte. Ginnys Augen begannen vor Vorfreude zu leuchten. Hermine konnte sich
das Lächeln nicht verkneifen.
Ginny
bekam Harrys Kind.
Das
hätte sie vor zehn Jahren bestimmt nicht gedacht.
Und sie
nahm, Ginny auch nicht.
Und sie
freute sich aufrichtig. Wahrscheinlich konnte sie Ginny deshalb auch nicht
lange böse sein….
~*~
„Hey
Luna!“, rief sie in die chaotischen Tiefen des Ladens.
„Hermine?“,
hörte sie Lunas Stimme aus einer Box kommen.
„Ja, wer
sonst? Was tust du?“
„Ich
mache Platz für unsere neuesten Errungenschaften“, informierte Luna sie, die
noch nicht aufgetaucht war.
„Was? Woher kommen die denn?“, erkundigte sich Hermine, während sie näher kam.
Luna kam schwer atmend aber zufrieden aus der Box. Hermine lugte hinein. Luna
hatte einen beeindruckenden Zauber ausgeführt, der den Raum der Kiste auf das
zehnfache vergrößern zu schien.
„Heute
ist eine großartige Zwangsversteigerung!“ Hermine runzelte die Stirn.
„Ja, eine Zwangsversteigerung ist immer ein Grund zum Feiern“, gab sie bitter
zurück.
„Oh komm schon. Es sind Reinblüter. Das Herrenhaus ist riesig und bestimmt voll
mit den gruseligsten Artefakten, die du je gesehen hast!“
„Wer ist denn der arme, dem sein Haus weggesteigert wird?“, wollte Hermine
wissen, die einer Zwangsversteigerung nichts abgewinnen konnte.
„Es ist
das Anwesen der Goyles!“, rief Luna begeistert aus.
Hermine hob eine Augenbraue. „Mr Goyle
wurde zusammen mit Lucius Malfoy nach Askaban verschifft. Und jetzt war sein
Sohn nicht in der Lage gewesen, das Anwesen zu halten, nebenbei noch alle
Strafen zu bezahlen und seinen Vater aus dem Gefängnis zu bekommen.“
„Seinen
Vater aus dem Gefängnis zu bekommen?“, wiederholte Hermine, der langsam
auffiel, dass sie sich wohl zu wenig mit der Reinblütergesellschaft
Londons beschäftigte, während sie auf der Suche nach ihrer Jobbestimmung war.
„Ja,
sicher“, erklärte Luna, als wäre es Allgemeinwissen. „Er hat seinen Vater für
50 Millionen Galleonen aus dem Gefängnis freigekauft.
Und jetzt muss dieser immer noch das Band der Isis um seinen Fuß tragen, darf
nicht zaubern und die gestellte Unterkunft des Ministerium nicht verlassen.“
„Er hat
seinen Vater freigekauft?“
„Ja,
aber zu was für einem Preis? Er ist zwar nicht mehr in Askaban, aber dafür auf
engster Überwachung. Und verliert jetzt auch noch sein Haus.“ Hermine runzelte
wieder die Stirn. Wenn Todesser ihre Väter auskaufen konnten, wieso saß Lucius
Malfoy dann noch immer in Askaban? Nicht dass sie etwas dagegen hätte!
„Ok?“,
sagte sie schließlich verwirrt.
„Und
Reinblüter haben großartige Artefakte. Meist illegal, aber das findet der
Auktionszauberer immer zu spät raus.“ Sie war völlig aufgeregt.
„Wir müssen gleich los. Gregory Goyle ist bestimmt
auch anwesend. Bin gespannt, ob er weint.“ Hermine lief Luna hinterher und
wusste nicht, ob sie die Bitterkeit ihrer Freundin teilen sollte, oder Mitleid
mit Gregory Goyle haben sollte. Sie hatte nichts gegen
ihn. Nicht mehr. Aber Luna war entführt und gefoltert worden.
Hermine
erinnerte sich dunkel, dass es bei ihr ähnlich gewesen war, und sie schauderte,
als sie an Malfoy Manor dachte.
„Alles
in Ordnung? Du hast doch immer noch Lust, oder? Das Wetter ist auch so schön.“
„Für
eine Zwangsversteigerung?“, wollte Hermine skeptisch wissen, und Luna ruckte
mit dem Kopf.
„Goyle wohnt doch ohnehin bei seinem Onkel, der die Eulerei betreibt“, gab Luna achtlos zurück.
„Wie…
bequem“, erwiderte Hermine. Luna lachte wieder.
„Reinblüter
bekommen immer, was sie verdienen.“
Hermine
half Luna die große Kiste nach draußen zu tragen. Luna verkleinerte sie eilig
und reichte Hermine ihren Arm. „Komm, wir apparieren.
Ich will gute Plätze bekommen. Stell dir vor, wir bekommen die gesamte Schrumpfkopfsammung!“ Hermine hakte sich seufzend unter.
Vielleicht sollte sie sich für ihre Samstage eine andere Beschäftigung suchen.
Ron
würde es lieben, mit Luna verrückte Sachen zu ersteigern. Und er teilte die
Auffassung über Reinblüter, die auch Luna vertrat. „Wie lief eigentlich dein
Koboldvortrag? Gefallen gefunden?“ Es erinnerte sie unangenehm an Malfoy. Bevor
irgendwelche Schauer sie erfassen konnte, und sie sich wieder in die stammelnde
Hermine verwandelte, schüttelte sie vehement den Kopf.
„Nein, ist nichts für mich“, erwiderte sie schnell.
„Schade.
Wirklich schade“, murmelte Luna lächelnd. „Vielleicht entdeckst du was neues,
was du willst“, versprach Luna zwinkernd. Hermine lächelte und verdrehte die
Augen.
Sie apparierten in den Nachmittag hinein, und Hermine hatte
keine Ahnung, wo die Goyles gewohnt hatten.
Nach
eine halben Minute – so lange war sie selten appariert
– erreichten sie ihr Ziel. Fast stolperten sie beide, denn sie waren auf einem
Hügel angekommen. Vor Ihnen lag eine weite Wiese, übersät mit Stühlen und
Menschen, und dahinter thronte das Anwesen der Goyles.
Es war schneeweiß, und als sie näher kam, sah sie das gesamte Inventar vor dem
Haus in der Luft schweben.
Es sah
gruselig und traurig zugleich aus. Sie fragte sich, ob sie underdressed
war für eine Zwangsversteigerung, aber sie verwarf diesen Gedanken.
Sie
kannte die Leute nicht, die sie traf. Und es herrschte tatsächlich heitere
Stimmung. Einige betrachteten schon die schwebenden Stücke, die sie auf jeden Fall
haben wollten, und auch Luna sah sich nach abnormen Besonderheiten um.
„Ich
suche uns Plätze, ok?“, warf Hermine ein, und Luna wedelte lediglich mit Hand,
während sie gespannt einen sprechenden Hirschkopf ins Visier nahm. Hermine
schüttelte den Kopf.
Die
Haare hatte sie heute in einen langen Zopf gebunden. Sie trug ihre dunkle Jeans
und ihre alten Chucks, die auf der Wiese ruhig dreckig werden konnte. Die
schwarze Jacke zog sie bis obenhin zu, denn der Wind war heute nicht kalt, aber
dafür stark.
„Miss
Granger, nicht wahr?“ Sofort wandte sie sich um. Der Mann vor ihr war ihr nicht
bekannt. Und doch versuchte sie, ihn einzuordnen. Irgendwoher kannte sie ihn…,
aber woher?
„Ja?
Entschuldigung, ich weiß gerade nicht-“
„Witherby“, stellte er sich eilig vor und reichte ihr die
Hand. „Sie müssen sich zuerst noch eine Kelle zum Steigern holen.“
„Ja, Sie
haben recht“, antwortete sie langsam. Witherby?
Musste sie ihn kennen? Seine braunen Haare wurden durch den Wind noch mehr
zerzaust, und er nickte lächelnd, als er sich entfernte, in Richtung Haus.
Witherby?! Hatte sie ihn gestern im
Ministerium kennen gelernt? Musste sie ja wohl. Und es war natürlich auch nicht
sonderbar, dass sie von fremden angesprochen wurden, denn die Zauberer in
London kannten auch sie immer noch.
Sie
stellte sich in die Schlange vor dem Podium und wartete im Wind.
„Wie
viele, Ma’am?“, fragte der Zauberer als sie an der Reihe war, und sie sah, wie
sich die Tür des Anwesens öffnete. Ihr Atem gefror. Der Mann namens Witherby war soeben dort angekommen und reichte seinem Boss
eine Akte.
Natürlich.
Sie erinnerte sich. Witherby war sein Assistent. Oh
nein! Merlin, tausend Mal nein!
„Wie
viele Kellen, Ma’am?“, wiederholte die Zauberer zunehmend gereizter. Sie wandte
hastig den Blick ab. Sie konnte ihn nicht schon wieder sehen! Das ging nicht!
„Ma’am?!“
Hermine blickte auf.
„Was?“, fragte sie völlig verwirrt und hörte die Leute hinter sich böse
murmeln.
„Wie viele Kellen wollen Sie haben? Es warten noch andere hinter Ihnen“,
meckerte der Zauberer. Kellen? Oh, richtig. Sie war auf einer Versteigerung.
„Zwei“,
flüsterte sie. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie zahlte zwei Knuts und
machte zögerliche Schritte zu den Stühlen, die aufgereiht auf dem Rasen
standen.
Malfoy
trug einen langen Reiseumhang. Er gestikulierte nach oben, und Witherby notierte sich eifrig, was er sagte. Sie erkannte
einen dunklen Anzug unter dem Reiseumhang. Sein Schal war dunkelgrün, und am
allermeisten stachen seine Haare in dem sonnigen Herbsttag hervor.
Sie
schluckte schwer. Sie konnte den Blick nicht abwenden.
Natürlich
war er hier, ging ihr auf. Die Goyles und die Malfoys
gehörten wohl zusammen. Verflixt. Wieso hatte sie nicht nachgedacht? Weil es
unmöglich einen solch großen Zufall hatte geben können, antwortete sie sich
selbst. Sie setzte sich, denn sie konnte nicht mehr stehen. Ihr Herz schlug
laut.
„Es sieht sehr gut aus!“, bemerkte Luna, und Hermine schreckte aus ihren
Gedanken. Luna nahm ihr eine der Kellen ab. „Die Schrumpfköpfe werde ich
mitnehmen“, informierte sie Hermine glücklich. Dann verschwand ihr Lächeln.
„Hermine, alles klar? Du bist so blass! Nimmt es dich zu sehr mit?“, wollte sie
besorgt wissen, und Hermine schüttelte zaghaft den Kopf.
„Nein,
nein. Alles ok.“ Luna betrachtete sie skeptisch. „Wirklich“, versicherte
Hermine. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass Luna mitbekam, dass Draco Malfoy
sie irgendwie beeinflusste und sie es noch Ginny erzählte, denn die traf sie
auch jede Woche, da Neville und Luna auch gerade versuchten, ein Kind zu bekommen.
Natürlich…, wie alle ihre Freunde zurzeit. Nur sie nicht.
Hermine
atmete also langsam aus.
„Herzlich willkommen. Die Auktion beginnt!“, rief der Zauberer. Hermine hörte
ihm teilweise zu. „Wir beginnen mit den körperlichen Gegenstände, bevor wir mit
der Immobilie beginnen!“, informierte er die Anwesenden, und eine Horde Elfen
brachte die vielen schwebenden Kleinigkeiten weiter nach vorne. Sofort öffnete
Hermine vor Entrüstung den Mund. Alle Elfen trugen Lumpen. Ausnahmslos.
Fast
wäre sie aufgestanden.
„Mit der
Immobilie versteigern wir auch die Hauselfen. Zusammen oder einzeln“, fuhr der Auktionär gedehnt fort. „Beginnen wir mit…“
„Das ist
doch wohl die Höhe!“, flüsterte Hermine entrüstet.
„Was?“, flüsterte Luna zurück, die auf der Kante ihres Stuhls saß.
„Die
Hauselfen!“, erwiderte Hermine empört. Luna sah sie an, zuckte aber nur die
Schultern.
„Wir können nichts machen, Hermine. Zehn Galleonen!“,
rief Luna eifrig, als das erste Stück angepriesen wurde. Hermine wusste nicht
mal, was es war. Ein dreibeiniger Hocker? Mit einem Rüssel?
„Was ist das?“, zischte sie.
„Was?
Das? Ein Kunkeltisch, Hermine!“, brachte Luna schockiert hervor. Hermines Mund
öffnete sich in stillem Verständnis. Natürlich. Ein Kunkeltisch. Was auch sonst….
„Zehn Galleonen zum ersten für die blonde junge Frau in der
zweiten Reihe!“, rief der Auktionator. Hermine wunderte es nicht, dass niemand
bot. Er wartete noch eine Sekunde.
„Zum
zweiten… und zum dritten! Verkauft!“
„Großartig“,
murmelte Luna, und ein Hauself brachte ihr den Tisch
– der kein Tisch war. Der Hauself war winzig. Und
Hermine sah, dass er zitterte. Das war doch eine Unmöglichkeit! Die Leute in
der ersten Reihe wichen zur Seite aus, um nicht von dem zuckenden Rüssel
erschlagen zu werden, während Luna den Tisch liebevoll im Karton verstaute.
Auf Lunas Kelle gravierte sich magisch die Ziffer Zehn ein.
Und
Hermine fing seinen überraschten Blick auf. Sie spürte sofort die Röte in ihren
Wangen.
Sein
geöffneter Mund schloss sich wieder. Er war weit genug weg, dass sie keine
Probleme mit ihrer Atmung hatte und den Blick hastig senken konnte.
Die
Auktion ging weiter, ohne dass Hermine sich konzentrieren konnte.
Luna
ersteigerte bestimmt noch zwanzig weitere Sache, und jedes Mal, wenn sich die
Leute in der ersten Reihe zur Seite beugten, um den Gegenständen Platz zu
machen, konnte Hermine keine fünf Meter weiter Malfoy am Rand der Auktion
warten sehen. Gregory Goyle neben ihm. Goyle hatte kurzgeschorene Haare, wirkte ernst und sprach
nicht.
Wieder
starrte Hermine schnell auf ihre Finger, ehe sich ihr Blick wieder mit seinem verbinden würde und sie nicht wegsehen konnte.
Zäh
flossen die Minuten dahin, während denen Luna sich großartig zu amüsieren
schien.
Einige
Zauberer verschwanden, nachdem das Mobiliar verstigert worden war, und Lunas Kiste war bis über die Hälfte gefüllt.
„Das war ein gutes Geschäft!“, rief sie fröhlich. „Willst du noch bleiben?“,
fragte sie jetzt, denn Hermine hatte keine Anstalten gemacht, sich zu erheben.
Sie sah
jetzt, nachdem die meisten Leute verschwunden waren, eine Reihe hinter sich,
gefüllt mit Frauen in teuersten Pelzmänteln, schwer beringten
Fingern und so arroganten Mienen, dass sie annahm, dass es sich nur um
Reinblüter handeln konnte.
„Kommen
wir zur Immobilie!“, rief der Auktionator.
„Gut, dann bleiben wir noch“, antwortete Luna sich selbst und setzte sich
wieder neben Hermine. „Du weißt, du kannst dir das Haus nicht leisten,
richtig?“, wollte Luna vorsichtshalber wissen, aber Hermine reagierte nicht.
„Das
erste Angebot liegt bei fünfhunderttausend Galleonen!“,
rief er laut. Hinter sich hob eine Dame unauffällig die Kelle.
„Fünfhunderttausend zum ersten!“, rief er laut.
„Das
sind ganz andere Zahlen“, flüsterte Luna beeindruckt. Hermine betrachtete
Malfoy. Kurz traf sie sein Blick.
„Fünfhuhnderttausend zum zweiten…“ Jetzt beugte sich Goyle näher zu Malfoy. Dieser hob schließlich seine Kelle.
„Eine
Millionen“, sagte er laut und klar. Die Damen hinter ihr begannen zu tuscheln.
„Eine Millionen!
Eine Millionen zum ersten für Mr Malfoy!“, rief er
laut. Er wusste anscheinend, wer er war. Aber das schien ja jeder hier zu
wissen, dachte sie wütend.
„Zwei
Millionen!“, hörte sie die Frau hinter sich rufen.
„Zwei Millionen für Mrs Zabini.“
Hermine wandte sich überrascht um. Sie kannte zwar Zabinis
Mutter nicht, hatte jedoch gehört, dass sie eine Veela
sei. Und so sah sie auch aus. Wunderschön, aber höchst arrogant.
„Fünf
Millionen!“, rief Malfoy lauter. Dieses Mal kam der Auktionator gar nicht dazu,
die neue Zahl auszurufen, denn Mrs Zabini hatte Kelle erneut gehoben.
„Sechs Millionen!“ Ein kühles Lächeln zierte ihren geschminkten Mund.
„Sechs
Millionen zum ersten für Mrs Zabini!“,
rief der Auktionator laut. Wieder beugte sich Goyle
zu Malfoy und sprach leise zu ihm. Malfoy schüttelte jedoch vehement den Kopf.
„Sechs
Millionen zum zweiten…!“, rief er langsam, und Mrs Zabini wirkte höchst zufrieden.
„Und
zum-“
„Neunzig
Millionen!“, rief Malfoy gereizt. Neben ihm sprach Goyle
schockiert auf ihn ein.
„Neunzig
Millionen?“, vergewisserte sich der Auktionär, aber
Malfoy revidierte nicht.
„Gut,
dann… neunzig Millionen zum ersten?“ Hermine wartete, aber Mrs
Zabini sagte nichts mehr. Und das fand sie gut.
„Einfach so neunzig Millionen. Das ist doch krank“, flüsterte Luna.
„Zum
zweiten? Und… zum dritten! Verkauft an Mr Malfoy!“
Höfliches Klatschen tönte über die Wiese. Malfoy ging nach vorne, um etwas zu
unterschreiben. Es herrschte lautes Gemurmel. Neunzig Millionen, dachte Hermine
dumpf. Wenn Malfoy so viel Gold für eine Immobilie ausgeben konnte, wieso holte
er dann nicht auch seinen Vater aus dem Gefängnis?
„Lass
uns gehen“, murmelte Luna jetzt und betrachtete selig ihren Karton.
„Kommen
wir zu den Hauselfen. Stellt euch auf!“, rief der Auktionator harsch. Hermine
blieb wo sie war.
„Hermine? Nein…“, flüsterte Luna.
Die zehn
kleinen Elfen standen voller Angst auf der Wiese. Sie schlotterten in den
Lumpen, und Hermine war starr vor Schreck.
„Beginnen
wir mit einer Galleone für den größten!“, rief der Auktionator. Hermines Mund
öffnete sich. Eine Galleone für einen heimatlosen Hauselfen? Nein! Das war
nicht richtig.
„Hermine…!“,
warnte Luna sie leise, als Hermine Anstalten machte, aufzustehen.
„Hundert
für alle“, rief Malfoy laut, während er mit Goyle
diskutierte. Hermines Kopf fuhr zu dem Auktionator herum.
„Gut.
Hundert für alle, zum ersten für Mr Malfoy!“
„Zweihundert
für alle!“, rief Mrs Zabini
laut. Hermines Nackenhaare stellten sich zu Berge. Und sie spürte wie sich ihre
Hand hob.
„Zweihundert
zum ersten für Mrs Zabini!“
Dem Auktionator schien es auch noch Spaß zu machen. Ihre Hand war oben.
„Dreihundert für alle!“, rief sie heiser.
„Oh
Merlin, Hermine, nein!“, flüsterte Luna und bedeckte mit der Hand die Augen.
Sie fing Malfoys Blick auf. Sie konnte ihn nicht deuten. Auch die Hauselfen
sahen sie aufmerksam an. Der kleinste hüpfte nach oben, um sie besser sehen zu
können.
„Fünfhundert!“,
rief Mrs Zabini schnell.
„Fünfhundert
zum ersten für Mrs Zabini!“
Hermine rechnete nach, und ignorierte Lunas
geflüsterte Warnungen.
„Eintausend
Galleonen!“, rief Malfoy dazwischen, ohne sie aus den
Augen zu lassen.
„Hermine!“, Luna versuchte ihre Hand festzuhalten, aber Hermine war
entschlossen.
„Zweitausend!“, rief sie, mutiger als vorher, ohne ihn aus dem Blick zu lassen.
„Zweitausend
Galleonen von der jungen Frau hier vorne. Zum
ersten…!“ Und ganz leicht schüttelte Malfoy den Kopf. Was wollte er ihr sagen?
Dass sie nicht bieten sollte? Nicht durfte? Wofür hatte sie die Kelle? Und was
wollte er mit den Hauselfen? Reiche behandelten Hauselfen immer schlecht.
„Dreitausend Galleonen!“, rief Mrs
Zabini, und Hermine wandte sich gereizt zu der Frau
um. Diese würdigte sie keines Blickes.
„Fünftausend Galleonen!“, rief Malfoy unbeeindruckt.
„Bitte,
Hermine, tu das nicht“, flehte Luna leise. Hermine überlegte, ließ ihn nicht
aus den Augen und hob die Kelle erneut.
„Sechstausend Galleonen!“ Sie sah, wie er ausatmete,
wie er resignierte. Seine Lippen waren schmal geworden, und Goyle
redete auf ihn ein. Fast sah es so aus, als wäre er sauer auf sie. Aber im
Moment wirkte es nur elektrisierend auf sie.
„Sechstausend
Galleonen für die junge Dame, zum ersten…!“ Der
Auktionator wartete, Hermine wartete, aber Mrs Zabini sagte nichts. „Sechstausend Galleonen
zum Zweiten…!“ Der Auktionator blickte noch ein letztes Mal zu Malfoy, fast
hilflos, aber dieser breitete die Hände tatsächlich in einer Art hilflosen
Geste aus, und Hermine wusste, sie hatte gewonnen.
„Zum dritten.
Verkauft an die junge Dame!“
„Großartig.
Und jetzt?“, zischte Luna böse, als Hermine klar wurde, dass sie zehn Hauselfen
ersteigert hatte. Die Ziffer Sechstausend hatte sich in ihre Kelle graviert,
und sie hatte soeben ihre Rente halbiert.
Sie erhob
sich schwankend. „Ich weiß es noch nicht“, murmelte sie, während sie nach vorne
schritt. „Gib mir einen Scheck“, fügte sie knapp hinzu. Luna starrte sie an.
„Du willst das wirklich machen?“
„Das ist
legal bindend. Sicher“, flüsterte sie gereizt. Luna verdrehte die Augen und zog
einen ihrer, von Gringotts datierten, Schecks aus dem Umhang. Sie schüttelte
wütend den Kopf.
Sie war
vorne angekommen. Luna dicht hinter ihr.
„Herzlichen
Glückwunsch, Miss…?“ Der Auktionator betrachtete sie.
„Granger. Hermine Granger“, sagte sie fest, und der Mann schien sie erst jetzt
zu erkennen.
„Oh, Miss Granger. Meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihren… Ihren Hauselfen“,
stammelte er verlegen. Sie unterzeichnete den Scheck, mit ihrer Unterschrift
und Verliesnummer und händigte ihn aus. Die Elfen
warteten gespannt in einer Reihe. Während sie eigentlich keine Ahnung hatte,
was sie mit zehn Hauselfen anstellen sollte.
Sie
kaute vergessen auf ihrer Unterlippe.
„Sie
haben mich ausgeboten, Miss Granger.“ Seine Stimme schickte hundert Stromstöße
durch ihren Körper, und sie schreckte aus ihrer Trance.
„Ich…“
Sie hörte auf zu sprechen, sah ihn an, sah wie der Wind seine sortierten Haare
zerzauste, und sie wusste nichts zu sagen. Sein Blick aus seinen grauen Augen
war hypnotisch.
„Und was
haben Sie jetzt mit den Elfen vor?“ Mit aller Mühe riss sie den Blick von
seinem schönen Gesicht los. Er jedoch ließ sie nicht aus den Augen.
„Ich…“,
wiederholte sie ratlos, aber plötzlich fand sie einen Satz, der an die
Oberfläche sprudelte. „Was wollten Sie mit den Hauselfen?“ Fast aggressiv
klangen ihre Worte, und er runzelte überrascht die Stirn. Wahrscheinlich war
auch er überrascht, dass sie mehr als drei Worte zu ihm sagen konnte. Das war sie
auch.
„Ich wollte sie nach Hogwarts bringen. Dort werden sie bezahlt, erfüllen eine
gute Aufgabe und sind unter ihresgleichen.“ Ihr Mund öffnete sich. Ja… das
klang nach einem Plan. Luna hatte sich neben sie gestellt. „Miss Lovegood“, begrüßte Malfoy sie höflich, und Hermine
riskierte einen Blick auf Luna, um zu sehen, ob er auf sie eine ähnliche
Wirkung hatte, aber Luna schien es, wenn es so war, nicht zu zeigen.
„Mr Malfoy“, erwiderte sie, und anscheinend fand sie es
nicht lächerlich, ihn so zu nennen. Aber wer fast eine Milliarde ausgab war
vielleicht auch nicht lächerlich, überlegte sie dumpf.
„Können wir gehen? Hast du dir schon überlegt wo du sie unterbringen willst?“,
fuhr Luna sie an, und Hermine war es peinlich, dass sie es vor Malfoy tat. Dieser
unterdrückte mittlerweile ein Lächeln.
„Hogwarts“, sagte sie tonlos.
„Hogwarts? Du kaufst dir zehn Hauselfen, um sie Hogwarts zu schenken? Du hast
keinen Job, aber das Gold Hauselfen zu kaufen?!“, vergewisserte sich Luna
seufzend und fuhr sich durch die blonden Haare. Peinlich. Wieder einmal war
alles peinlich. „Gut, dann mach das. Wir wollen los. Ich muss meinen Karton
noch auspacken. Einige der Bücher werden dir bestimmt gefallen.“ Sie sah sie
wartend an.
„Hauselfen!“,
rief Hermine, in Ermangelung eines besseren Wortes, und die Elfen sahen sie
erwartend an. „Ich… möchte… ich befehle euch, dass ihr nach Hogwarts appariert und Professor McGonagall
sagt, Hermine Granger möchte, dass ihr in der Küche arbeitet. Ihr sollt bezahlt
werden, Kleidung bekommen und… jedes Wochenende frei!“ Die Elfen sah sie so
schockiert an, als hätte soeben Blutrache geschworen. „Los!“, setzte sie hinzu
und widerwillig verschwanden die Hauselfen.
„Dankbar sind sie nicht. Was für eine Goldverschwendung. Kommst du?“, fragte
Luna ungeduldig. Sie nickte nur. Malfoy hatte die Hände in den Taschen seines
Umhangs vergraben.
„Miss Granger?“, hielt seine Stimme sie auf, und ihr Herz schlug ihr bis zum
Hals. Oh Merlin! Was wollte er? Sie konnte nicht sprechen. Sie konnte es nur
meistern, ihn anzusehen. Das kostete all ihre Kraft. Sein Blick war intensiv,
und es zog in ihrem Innern. Es war als wären alle anderen Menschen fort und nur
noch sie und Malfoy ständen auf der weiten Wiese. Der Wind spielte wieder mit
seinen Haaren. Er zog die Hand schließlich aus der Hosentasche und reichte ihr
eine weiße, kleine Karte. Sie hatte einen goldenen Rand, und in der Mitte war
eine Adresse gestampft. Darüber stand sein geschwungener Name.
Lord Draco L.A. Malfoy,
Geschäftsführer der Malfoy Group
Ihr Mund
öffnete sich langsam, als sie die Karte annahm. Luna beobachtete sie gespannt.
„Kommen
Sie doch morgen in mein Büro, Miss Granger, zehn Uhr. Sie können mir mein
Jackett wieder bringen.“ Seine Stimme klang verlockend. Ruhig und freundlich.
Sein Blick verließ ihre Augen nicht.
Nein.
Sag einfach nein! Die Röte war in ihre Wangen gekrochen. Luna sah sie perplex
an. Und er hatte es sagen müssen! Er hatte das Jackett erwähnen müssen.
Natürlich.
Oh
Merlin! „Ich erwarte Sie“, fügte er hinzu, und fast klang es wie eine Drohung.
Aber dafür, dass es eine Drohung war, war sie viel zu gefangen von allen
Reizen, die er aussandte.
„Ja.“ Sir. Sie verschluckte das letzte Wort.
Neben ihr hörte sie Luna lautlos nach Luft schnappen. Wieso schaffte er es,
Autorität auszustrahlen und sie damit so zu verwirren, dass sie schon wieder
vergaß, wer er war?!
Witherby unterbrach ihren Blickkontakt, indem
er Malfoy etwas zuflüsterte, und dieser brach schließlich den Blick zu ihr,
während sie immer noch gefangen war. Er nickte einmal.
„Wiedersehen Miss Lovegood. Miss Granger.“ Bei ihrem
Namen sah er ihr wieder ins Gesicht. Wieder machten alle ihren Nervenenden
einen Satz, und sie hielt den Atem an. Er hatte sich abgewandt, nicht ohne
seine Mundwinkel noch einmal zucken zu lassen. Aber vielleicht hatte sie es
sich eingebildet?
Er war
fort.
„Oh du
großer Merlin! Was war das?“, hauchte Luna und starrte sie herausfordernd an.
Sie hob den Blick zu ihrem Gesicht. „Was hast du mit Draco Malfoy zu schaffen?
Wieso hast du sein Jackett? Wieso bist du morgen bei ihm – und… wieso ziehst du
ihn mit deinen Augen aus?“ Völlig aufgelöst fixierte Luna sie und schien auf
eine Antwort zu brennen. Sofort vertiefte sich die Röte in Hermines Wangen.
„Das tue
ich nicht“, protestierte sie leise.
„Du
bietest gegen ihn, ersteigerst eine Horde Hauselfen, die du wegschickst, du
kriegst keinen geraden Satz vor ihm raus und… Merlin, Hermine, läuft da was?“
So schockiert wie Luna klang, musste Hermine sie auch ansehen.
„Nein! Natürlich nicht! Oh Merlin, es ist nichts! Ich habe ihn erst ein paarmal
gesehen! Der Koboldvortrag hat-“
„Koboldvortrag?“, unterbrach Luna sie verwirrt, und ihre Augen weiteten sich.
„Du warst da mit ihm?“, fragte sie empört, und Hermine schüttelte hastig den
Kopf.
„Nein! Nein, natürlich nicht! Er hat ihn nur gehalten!“
„Was?“
Luna starrte sie an. „Das hast du nicht erwähnt!“ Hermine gab es auf. Es sah
einfach alles schlecht aus. Dabei hatte sie nichts getan! Gar nichts! „Ich will
nicht wissen, weshalb du zufällig sein Jackett bei dir Zuhause hast, richtig?“,
fügte Luna jetzt mit stechendem Blick hinzu, und Hermine atmete langsam aus.
„Nein, nein. Es ist unwichtig.“
„Ok.
Dann… komm“, gab Luna kopfschüttelnd zurück. Sie bot Hermine den Arm zum apparieren. „Und.. wieso bist du devot gegenüber dem
reichsten Todesser der Stadt?“, fragte Luna sie ratlos, als sie sich im Kreis
zu drehen begannen.
Luna
hatte eine seltsame Art, die Dinge haargenau auf den Punkt zu bringen. Und es
hinterließ immer einen unangenehmen Nachgeschmack.
Devot….
Merlin, das war das kranke Wort, was sie seit Tagen suchte! Das war es, was
Malfoy in ihr auslösen konnte. Devot….
Sie
hatte bei Luna nichts weiter gefunden, was sie interessierte, und Luna hatte
Merlin sei Dank keine weiteren Fragen gestellt. Hermine hatte sich auch nur
allzu schnell verabschiedet, war nach Hause gegangen, hatte sich mit einem
komplizierten Braten abgelenkt, nur um dann zwei Bissen davon zu essen.
Sie
hatte sich früh zu Bett gelegt, war in ihrem Buch über den Elfenkrieg nicht
über den ersten Satz hinaus gekommen und hatte schließlich das Licht gelöscht.
Sie
hatte sich hin und her gewälzt, hatte nicht aufhören können, über Lunas Worte und deren Konsequenz nachzudenken, und war erst
weit nach zwei Uhr morgens in einen unruhigen Schlaf gefallen, in dem sie von
Schrumpfköpfen und Rüsseln geträumt hatte.
Und von
seinem Mund. Seinem schönen Mund.
Und es
war vielleicht sieben Uhr morgens als sie gerädert die Augen aufschlug.
Langsam
wurde es dunkler draußen. Der Morgen war länger dunkel, und sie lag unbewegt
unter ihrer warmen Bettdecke.
Was
sollte sie machen? Sie konnte doch nicht ihrem devoten Verhalten nachgeben und
auch noch wirklich zu ihm gehen? Das wäre… sie konnte es nicht mit sich
vereinbaren! Wenn sie ihn nicht sah, konnte sie denken. Dann konnte sie sogar
abwägen, wie dumm ihr bisheriges Verhalten war!
Sie
hatte nicht gewusst, dass sie sich von einem guten Aussehen so blenden lassen
konnte, und sie wünschte, sie wüsste es besser! Sie war schwer enttäuscht von
sich selber, und wünschte, der Tag wäre vorbei und sie könnte morgen… - ja was?
Einen Job hatte sie nicht, dem sie nachgehen konnte.
Müde
fuhr sie sich durch die ungekämmten Haare. Nein, sie durfte ihn nicht sehen!
Sie durfte auf keinen Fall zu ihm gehen. Und sie würde den Teufel tun, und ihm
sein Jackett bringen. Dann hätte er es ihr eben nicht geben dürfen! Sie würde
von nun an alle Orte vermeiden, an denen er auftauchen könnte.
Ja. Sie
war nüchtern, wach und wusste, was richtig war.
Sie
erhob sich also, und bevor sie noch irgendwas tun konnte, was ihre Meinung
änderte, lief sie zu ihrer Jacke, holte die Visitenkarte hervor, deren Papier
fest und weich zugleich war, und warf sie achtlos, ohne sich zu erlauben die
Adresse zu lesen, in den Kamin. Sie griff sich ihren Zauberstab vom Couchtisch,
entfachte das Feuer erneut und sah zu, wie der Goldrand zu schmoren begann.
Nach keiner Sekunde war die Karte in Flammen aufgegangen.
Wenn sie
nicht wusste, wo er war, dann würde sie sich auch nicht schuldig fühlen.
Sie
hatte keinen Vertrag unterschrieben. Sie musste nicht zu ihm! Er konnte sie
nicht zwingen. Nicht mit seinem Blick, seinen Worten oder seinem Körper! Mit
absolut nichts.
Und
plötzlich fühlte sie sich freier. Aus den Augen aus dem Sinn. Sie lief in die
Küche, griff sich das unberührte Jackett von der Stuhllehne und stopfte es
hastig in die aufklappbare Küchenbank. Sie ließ die Sitzfläche mit einem lauten
Knall zuschlagen und verließ eilig die Küche, um dem betörenden Duft seines
fast verblassten Parfums zu entgehen.
Jetzt
war alles in Ordnung.
Sie sah
sich um, räumte eilig die Überreste ihres Küchenchaos‘ beiseite, spülte die
Töpfe und Teller, wischte sogar ihr Badezimmer, und um halb zehn war ihre
Wohnung sauber und sie völlig erschöpft. Da war endlich die Erschöpfung, die
sie abends nichts gespürt hatte.
Und sie
griff sich die Wolldecke, die sie gerade erst zusammengelegt hatte, schlug sie
aus und kuschelte sich auf ihr weiches Sofa vor dem Kamin. Sie zog die Decke
hoch bis an ihr Kinn und spürte, wie die warme Müdigkeit sie einholte. Gähnend
schloss sie die Augen und war froh, ihr eigener Herr und Meister zu sein.
Sie war
Hermine Granger, und niemand schüchterte sie ein! Und mit diesen Gedanken fiel
sie in einen gemütlichen Schlaf.
Der
Kamin knisterte laut. Hellwach schlug sie die Augen auf, und ihr Herz klopfte
laut. Sie lugte über die Decke, in der sie immer noch fest eingewickelt war.
„Hermine?“
Unbewusst atmete sie die angehaltene Luft aus. Sie setzte sich gerade auf die
Couch. „Hast du geschlafen?“ Ron sah sie fragend an. Es war immer etwas
unangenehm mit Ron alleine zu sprechen. Sie fuhr sich prüfend durch die Haare,
die natürlich immer noch ungekämmt auf ihrem Kopf in alle Richtungen standen.
„Hey,
Ron“, begrüßte sie ihn heiser.
„Hast du
Lust, vorbei zu kommen?“
„Wo bist
du?“ Sie lugte hinter seinen Rücken und erkannte die große Uhr mit den vielen
Zeigern, für jeden Weasley einen. Und jetzt natürlich noch zwei für sie und
Harry. Sie sahen immer noch neuer aus als die anderen. Und sie war dankbar,
dass Molly ihren nicht abgenommen hatte, nachdem es mit Ron nicht funktioniert
hatte.
„Im
Fuchsbau. Ginny und Harry kommen gleich. Neville kommt aus Hogsmeade.
Und logischerweise bist du eingeladen.“ Er lächelte unangenehm berührt. Sie
räusperte sich verschlafen. „Wieso hast du geschlafen? Fühlst du dich krank?
Hat dich die Grippe erwischt oder so?“ Ehrliche Sorge schwang in seiner Stimme,
und es war immerhin nicht immer unangenehm mit ihm zu sprechen.
„Nein, nein. Alles bestens. Ich komme dann, wenn ich fertig bin. Wie spät ist
es?“, erkundigte sie sich planlos, und er grinste schief.
„Es ist
vier. Und es gibt jetzt Kaffee. Also beeil dich, wenn du dir von Mum nicht eine Ansprache anhören möchtest, dass man ab fünf
auf gar keinen Fall mehr Kaffee bekommt.“ Hermine erinnerte sich gut an Mollys
Meinungen über Nervengifte.
„Ok, bin
gleich da. Öffne den Kamin, dann geht es schneller“, fügte sie noch hinzu, ehe
Ron mit einem Nicken in den Flammen verschwand.
Es war
schon vier Uhr? Merlin, sie hatte den ganzen Tag verschlafen. Und nichts war
passiert. Keine böse Eule war aufgetaucht, kein Zauberer war appariert, um sie zu zwingen, den Termin doch noch
einzuhalten.
Sie
entspannte sich wieder. Ihr Schlaf war traumlos gewesen, und sie hatte nicht an
Malfoy gedacht. Bis auf jetzt natürlich, aber sie hatte sich wohl doch zu viele
Gedanken gemacht!
Eilig
stieg sie aus der riesigen Decke, die natürlich auch Molly Weasley gestrickt
hatte, und lief hastig ins Bad. Sie putzte ihre Zähne unter der Dusche um Zeit
zu sparen, kämmte ihre Haare, während sie mit der anderen Hand eilig eine
saubere Hose und einen gemütlichen Pullover aus dem Schrank kramte und zog sich
in Rekordzeit an.
Es war
auch ein Pullover, den Molly gestrickt hatte, aber dafür ohne den
Anfangsbuchstaben ihres Vornamens. Dieser Pulli war einfach, schlicht und
dunkelblau.
Die Hose
war aus schwarzem Stoff und saß sehr eng. Sie ging gut zu, was sie sonst eher
selten tat, aber da Hermine seit Tagen nicht richtig gegessen hatte, passte sie
jetzt wie angegossen. Wie auf Befehl knurrte ihr Magen unheimlich laut, und
Mollys selbstgemachter Apfelkuchen war eine wirklich gute Aussicht.
Kurz
fragte sie sich, weshalb Ron sie persönlich eingeladen hatte. Das tat er eher
selten.
Sie
griff sich ihren Zauberstab vom Tisch, sah sich noch einmal um, vergewisserte
sich, dass die Fenster zu und der Herd aus waren und warf eilig das Pulver in
die warmen Flammen. Sie loderten grün.
„Fuchsbau“, rief sie deutlich, schritt nach vorne und wurde vom dem grünen
Qualm verschluckt. Einen Moment später war sie angekommen und trat aus den
Flammen.
„Hey, Schlafmütze“, begrüßte George sie kauend, während er sich mehrere Löffel
Zucker in seinen Tee schüttete. Dass Ron auch alles sofort weiter erzählen
musste! „Hat dich meine Schwester endlich verkuppelt?“, wollte er grinsend
wissen, und sie verdrehte die Augen.
„Ich gehe nie wieder mit denen weg!“, erklärte sie feierlich.
„Hermine, Schatz, bist du das?“ Molly kam freudig in die Küche. „Jetzt halt
dich hier nicht auf! Komm ins Wohnzimmer. Die anderen sind schon da! George,
nicht so viel Zucker, Merlin!“ Sie schob sie und George aus der Küche.
„Hermine
ist endlich da!“, erklärte sie, als sie im warmen Wohnzimmer angekommen waren,
in dem der große Tisch sich zu biegen schien unter den Lasten des Kuchens und
der Kekse. „Lavender kennst du ja?“, fügte Molly hinzu, und Hermine konnte
Mollys Ton nicht deuten.
„Jaah“, erwiderte Hermine langsam, während Lavender
schüchtern lächelte. Sofort fing sie Ginnys Blick auf, die ihr mit einem
übertriebenen Verdrehen ihrer Augen bedeutete, was sie von Rons anscheinendem
Date hielt. Und Hermine konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass sie sich
nun messen musste. Und Lavender gehörte nicht unbedingt zu ihren
Lieblingsmenschen auf dieser Welt. Ausgerechnet sie? Meinte Ron das wirklich
ernst?
„Setz
dich doch, Liebling. Erzähl mir von deiner Woche. Ich habe gehört, du hast dich
dafür interessiert nach Gringotts zu gehen?“, fuhr Molly ungerührt fort, während
Hermine sich neben Ginny setzte. Neben ihr saß am Kopfende Arthur, der sie warm
anlächelte. Richtig. Sie hatte keinen Job. Was tat Lavender wohl? Bestimmt
irgendwas Bedeutungsloses. Hermine konnte die Bitterkeit nicht verhindern.
„Ja, ich
hatte es überlegt. Aber… vielleicht ist das nichts für mich. Ich glaube, es ist
eher eine Männerarbeit. In Minen zu klettern, Gold zu finden, es abzugeben…“,
erklärte sie schulterzuckend und wandte sich betont neugierig an Neville, um Lavenders fast spöttischem Blick zu entgehen. „Hey,
Neville, schön dich zu sehen. Alles in Ordnung auf unserer Schule?“, fragte sie
lächelnd, während sie zuließ, dass Molly ihr ein besonders großes Stück
auftischte.
„Alles bestens. Es gab einen kleine Aufruhr, als gestern zehn Hauselfen in die
große Halle auf den Slytherintisch appariert sind“, merkte er grinsend an. Das hatte sie ganz
vergessen, sie spürte, wie sie rot wurde.
„Oh…“, flüsterte sie. Wo war Luna eigentlich? Wahrscheinlich hatte sie es ihm
erzählt. „Ja… ich hatte einen schwachen Moment gestern auf der Versteigerung.“
Sie musste aussehen, wie eine komplett Verrückte. Selbst für die simple
Lavender.
„Ja, das
habe ich schon mitbekommen.“ Sein Ausdruck war freundlich, und sie wusste
nicht, was er noch wusste, oder was Luna vielleicht verschwiegen hatte.
„War
McGonogall wütend?“, fragte sie vorsichtig. Sie hatte immer noch den größten
Respekt vor ihr.
„Nein, gar nicht“, gab er kauend zurück.
„Du hast Hauselfen ersteigert?“, fragte Ron verwirrt und schüttelte nur den
Kopf, als wäre es eine typische Sache, die sie ständig tun würde. Lavender
lachte gekünstelt.
„Ich… -
ja“, schloss sie, denn es war einfacher, als es abzustreiten.
„Das ist
so typisch“, kaute er kopfschüttelnd.
„Ich finde es gut“, munterte Harry sie auf. Hermine atmete langsam aus. Soweit
so gut. Das Thema schien erledigt zu sein. Sie zählte innerlich bis drei,
schluckte den Kuchen hinunter und wandte sich wieder an Neville.
„Wo ist Luna?“, fragte sie jetzt, und sie konnte nicht verhindern, eigentlich
froh zu sein, dass Luna nun nicht erzählen konnte, wie sie Draco Malfoy nicht
widersprechen konnte. Oh Merlin!
„Beim
Arzt“, erklärte er, und schüttelte hastig den Kopf, als Hermines Augen vor Sorge
groß wurden. „Nein, nein! Nichts Schlimmes! Sie hat heute einen Termin beim dem
Heiler für Frauenkunde, und wir hoffen… na ja, vielleicht ist heute der Tag…“
Er ließ den Satz in der Luft hängen, grinste aber wie ein Honighippogreif.
Hermine lächelte daraufhin.
„Ich
wünsche es euch.“
„Ja, ich
auch. Ich kann es gar nicht erwarten, selber ein Kind zu bekommen!“ Hermine zog
sich vor Übelkeit der Magen zusammen, bei Lavenders
Worten. So ähnlich sah Ron auch aus.
„Ein
bisschen früh, nicht wahr?“, merkte er tonlos an. Molly klatschte in die Hände.
„Genug
jetzt!“, unterbrach sie das Gespräch, und Lavender wirkte beleidigt. „Percy
hatte großen Erfolg mit seiner neuen Richtlinie für… äh… na ja, für das, was er
eben tut“, wich sie aus, und George verschluckte sich fast, als er sein Lachen
unterdrücken musste.
„Muss ja
wahnsinnig wichtig sein, wenn es seine eigene Mutter nicht weiß“, murmelte er
und fing sich Mollys tödlichen Blick ein. Er verkniff sich jedes weitere Wort,
aber sie, Ron und Harry grinsten scheinheilig.
„Das
Ministerium richtet nächsten Freitag eine private Feier aus. Ich erwarte euch
alle da!“, setzte sie scharf hinzu.
„Kommt sonst keiner?“, wollte George kauend wissen, aber Molly sog scharf die
Luft durch die Nase, und er senkte hastig den schelmischen Blick.
„Natürlich
kommen genug Leute. Ich will nur, dass die Familie auch dabei ist. Und Hermine,
du gehörst natürlich zur Familie, so wie Neville auch!“, bestärkte sie, und
Hermine fühlte unfreiwillige Genugtuung, dass sie Lavender nicht auch
eingeladen hatte. Aber gerade als sie zusagen wollte, fiel ihr ein, was sie
sich selbst versprochen hatte. Malfoy aus dem Weg gehen, wo er vielleicht
auftauchen könnte!
„Oh, ich
weiß noch nicht, ob ich sicher kommen kann, Molly“, wich sie aus. Molly sah sie
so an, wie sie George anzusehen pflegte. „Ich… bin bei meinen Eltern
eingeladen“, log sie eilig, und Molly schien besänftigt, wenn auch nicht
zufrieden.
„Dann frag nach, ob du nicht vielleicht Samstag kommen könntest.“
„Zahnarztmesse“,
setzte sie eilig noch eine Lüge hinterher. „Für das Wochenende. Sie hatten sich
schon gefreut.“ Und Molly verzog den Mund.
„Vielleicht
kannst du ja nachkommen“, schloss sie schließlich diplomatisch. Unzufrieden,
aber diplomatisch. Hermine atmete erleichtert aus und schob sich noch ein
großes Stück Kuchen in den Mund. Merlin, war sie hungrig. Harry bedachte sie
mit einem amüsierten Blick.
In der
Sekunde klopfte es leise. Und sie wusste, es war paranoid. Sie wusste, dass ihr
vor Schreck der Kuchen im Halse stecken blieb, war mehr als nur paranoid.
Sie
hoben allesamt den Blick zum Fenster. Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich
beschleunigte.
„Das
müssen die Statistiken sein, die ich wollte“, bemerkte Arthur ruhig, erhob
sich, und Hermine schaffte es, den Kuchen zu schlucken. Er öffnete das kleine
Fenster für den Jagdfalken, der sich geduldig den Brief vom Bein nehmen ließ.
Hermine hatte die Luft dennoch angehalten. Aber so viel Pech konnte sie nicht
haben. So viel Pech gab es nicht!
Und er
hob den Blick. Er hob den Blick. Oh nein….
„Hermine,
der ist für dich?“ Es war eine Frage. Sie schloss kurz die Augen. Ihre Finger
kribbelten. Merlin, sie musste sich zusammen reißen. Sie zwang ihren Atem zur
Ruhe.
„Danke“, sagte sie, so neutral wie sie konnte, und während sie sich erhob nahm
sie den Brief entgegen, und ihre Gedanken rasten, um eine plausible Ausrede zu
finden. Sie verließ den Tisch, schritt betont gleichgültig zum Fenster und
öffnete den glatten, weißen Umschlag, der ihren Namen trug. Sie kannte die
Handschrift nicht. Und es stand kein Absender auf der Rückseite. Merlin sei
Dank nicht!
Sie
konnte nicht verhindern, dass ihre Finger fahrig zitterten. Deswegen drehte sie
dem Esstisch den Rücken zu, während die anderen wieder ins Gespräch kamen. Gut,
nur keine Aufmerksamkeit erregen, befahl sie sich stumm.
Oh bitte, lass es nicht wahr sein!
Lass es nicht wahr sein!
Sie flehte innerlich sehr laut, als sie das weiche Pergament hervorzog. Das
gleiche Material wie die Visitenkarte. Ihr wurde schlecht. Sie wünschte, sie
hätte ihn nicht geöffnet!
Aber
ihre Augen sogen die Worte in schwarzer Tinte bereits gierig auf.
Sehr geehrte Miss Granger,
wie es scheint, haben Sie mich heute
versetzt. Ich hatte mich sehr auf unser Treffen gefreut. Gerne bin ich bereit,
einen weiteren Termin zu vereinbaren. Wenden Sie sich per Post einfach an meine
Sekretärin.
Malfoy Group
Winkelgasse 1289
Ich würde Ihnen gerne ein Angebot
unterbreiten. Mag es auch seltsam klingen, möchte ich Sie bitten, nicht
vorschnell abzulehnen. Sollte Ihnen ein Treffen in meinem Unternehmen nicht
genehm sein, können wir auch einen neutralen Ort vereinbaren.
Sollte bis morgen keine Eule bei
meiner Sekretärin eintreffen, werde ich eine weitere Eule mit möglichen
Terminen schicken. Mein Jackett habe ich nicht vergessen.
Mit freundlichen Grüßen,
Lord Draco L.A. Malfoy,
Geschäftsführer der Malfoy Group
Sie
schluckte mehrfach, denn ihr Mund war trocken geworden. Oh Merlin! Wenn sie
heute nicht antwortete, würde er noch eine Eule schicken? Womöglich danach noch
eine weitere? War er verrückt? Abwesend kaute sie auf ihrer Unterlippe.
„Schlechte Neuigkeiten?“, erkundigte sich Molly, die es nicht leiden konnte,
wenn man vor ihr Geheimnisse hatte. Und Hermine revidierte ihre Lüge, denn
etwas Besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Sie steckte hastig den
Brief zurück, damit ihn niemand unter gar keinen Umständen lesen konnte!
„Die
Zahnarztmesse beginnt schon Freitag. Ich habe Zeit“, hauchte sie ergeben. Sie
wandte sich zum Tisch um, so gefasst und ruhig wie möglich. Molly wirkte sehr
zufrieden.
„Großartig. Percy wird sich freuen“, erklärte sie. Hermine war der Appetit
vergangen.
Ihre
Finger zitterten, als sie sich wieder setzte und sie mied Ginnys Blick
entschieden. Er wollte sie treffen. Er wollte ihr ein Angebot machen? Tausend
Gedanken schossen ihr in den Kopf. Aber sie musste sich an nur einem einzigen
festhalten: Er war Draco Malfoy. Und sie würde niemals zusagen!
Wieder
war die Nacht nur langsam vergangen. Sie hatte genug Schlaf gehabt. Sie hatte
sich vorher genügend ausgeruht, und jetzt wanderte sie rastlos und gereizt
durch ihre Wohnung. Sie konnte nicht entkommen! Was auch immer passieren würde,
es wäre unmöglich, zu entkommen. Und ihr Herz raste bei dem Gedanken, dass er
sich tatsächlich auf so hartnäckige Weise die Mühe machte, mit ihr in Kontakt
zu bleiben.
Sie
kaute vergessen auf ihrer Unterlippe, während sie eilig in ihren Mantel stieg.
Es war halb acht und sie hatte nirgendwo zu sein. Aber sie musste gehen! Sie
würde ihre Wohnung verlassen, würde sich nicht von Falken heimsuchen lassen,
nur damit sie ihr eigenes Schicksal besiegelte, weil sie schwach war.
Raus.
Sie musste raus hier. Sie hatte die Hände in die Manteltaschen gesteckt, auf
der Suche nach ihrem Schlüssel, aber ihre Finger schlossen sich nur um den
weichen Umschlag. Merlin, noch mal! Sie zog ihn hastig aus der Tasche, eilte
zum Kamin, in dem das Feuer langsam ausging, und warf ihn eilig hinein. Sie
atmete aus. So. Wieder einmal verbrannt.
Sie
wollte sein Angebot nicht hören. Sie wollte wirklich nicht! Sie machte das mit
dem Verdrängen und Ignorieren gut!
Ja, nicht schlafen oder essen und um
halb acht aus der Wohnung fliehen scheint wirklich fabelhafte Bewältigung zu
sein, giftete ihre
innere Hermine eisig. Sie ignorierte sie. Denn das konnte sie zurzeit ja so
gut.
Ihr war
kalt, denn sie hatte nur den Mantel über den dünnen Pullover gezogen. Zwar war
es ihr Lieblingspullover, denn er betonte ihren Oberkörper sehr gut, aber er
war nichts für die Kälte draußen.
Jedenfalls
nicht die Kälte, die um acht Uhr morgens noch in der Luft lag.
Sie apparierte in die Stadt.
Das Café
vor dem sie Halt machte, öffnete gerade erst, hatte noch nicht mal die Tür
geöffnet. Sie lief weiter, denn sie wusste, es gab bestimmt noch andere Cafés,
die geöffnet hatten. Eilig machte sie Schritt um Schritt, die Augen offen, und
einen entschlossenen Ausdruck auf den Zügen, denn auf gar keinen Fall würde sie
zugeben, dass es lächerlich war, vor der Post davonzulaufen.
Und sie
fand ein Café. Es war das Inquirer – so teuer, dass man sich eigentlich selber
verbieten müsste, hier hin zu gehen – aber das war egal. Es war teuer, aber sie
musste sich aufwärmen. Sie öffnete hastig die Türen, und nur wenige Tische
waren besetzt. Eine Kellnerin kam sofort zu ihr. Sie war zwar viel zu elegant
angezogen für eine schlichte Kellnerin, aber mit einem sehr professionellen
Lächeln hatte sie die Arme nach ihrem Mantel ausgestreckt.
„Darf
ich Ihren Mantel nehmen, Miss?“, fragte sie sofort, mit gekonnter Höflichkeit,
und Hermine zog ihn, mit einem schüchternen Lächeln, über die Schultern.
Sie
fühlte sich gleich wohler. „Der Tisch am Fenster ist frei. Erwarten Sie noch
jemanden?“, fügte die Frau geschäftig hinzu, als sie Hermine zum Fenster
führte.
„Nein,
ich…“ Sie unterbrach sich, denn als sie um die Kurve geschritten war, gefror
ihr Atem. Sie spürte, wie ihre Finger kribbelten, wie sie panisch wurde, und
die neue Entspannung komplett von ihr abfiel.
Dort saß
er.
Anscheinend
mit Geschäftspartnern, denn alle trugen förmliche Anzüge und nippten an ihren
Teetassen.
Oh
Merlin!
Er hatte
plötzlich den Blick gehoben, und als sie seine blauen Augen überrascht zur
Kenntnis nahmen, erfasste sie ein plötzlicher Schlag, und sie wandte sich auf
dem Absatz um. Sie stürmte praktisch zum Ausgang, konnte gar nicht schnell
genug zur Tür kommen, und ließ ihren Mantel einfach zurück.
„Miss!“,
rief ihr die Kellnerin nach, aber Hermine dachte nicht mehr nach.
Und als
sie draußen war schlug ihr die Kälte ins Gesicht, aber es war egal. Sie war
wieder draußen. Und sie musste hier weg!
Sie
musste apparieren! Irgendwohin!
„Miss
Granger!“
Seine Stimme
ließ sie unbeweglich inne halten. Ihr Herz jagte in ihrer Brust, und unter
größtem Zwang setzte sie sich hastig in Bewegung. Er hatte sie fast sofort
eingeholt.
„Miss
Granger“, wiederholter er lauter, versperrte ihr den Weg, und sie hob
zähneklappernd den Blick. Sofort fiel die Skepsis von ihm ab, und seine hellen
Augen weiteten sich. „Sie holen sich den Tod hier draußen!“ Er zog sich das
Jackett von den Schultern, als könne ihm die Kälte nichts anhaben. Er legte es
ihr umstandslos um die zitternden Schultern und wirkte kurz ratlos. Sie
protestierte nicht. Dafür war die willkommene Wärme zu verlockend. Und der
bekannte Duft seines Parfums benebelte ihre Sinne.
„Was
machen Sie hier? Wieso laufen Sie weg?“, fragte er schließlich, als er seine
Überraschung überwunden hatte. Sie rang sich ein paar Worte ab.
„Jetzt
wird Ihnen kalt“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen.
„Mir ist nicht kalt“, entgegnete er unwirsch. Dann verengten sich seine Augen plötzlich.
„Sie versuchen meiner Eule zu entkommen“, schloss er schließlich. Und sie
spürte die Röte in ihren Wangen. Er nickte langsam. Sie hatte seine Stimme erst
vor zwei Tagen gehört, hatte ihren Klang aber wieder komplett vergessen gehabt.
Sie war melodisch rau, angenehm tief, und eigentlich unvergesslich.
Wahrscheinlich hatte ihr ihr Unterbewusstsein diesen Gefallen getan.
Sie hob
schließlich den Blick zu seinem wunderschönen Gesicht. Der Wind zerrte an den
dichten blonden Strähnen, aber er wischte sie achtlos nach hinten, und sie
fielen nur noch anbetungswürdiger in seine glatte Stirn. Hatte er immer so
ausgesehen? Wo hatte sie nur ihre Augen gehabt? Waren sie damals noch klar
gewesen, als es einfach ausgeschlossen war, einen Todesser überhaupt nur länger
als eine Sekunde durch den rationalen Blick des Abscheus anzusehen?!
Sein
Mund schloss sich zu einer engen Linie. Er fixierte sie ernst.
„Ich
verstehe, Miss Granger“, sagte er schließlich. „Sie können mich nicht leiden“,
schloss er kühl. Ihr Mund klappte tatsächlich auf. „Ich hatte Sie nicht
belästigen wollen. Jetzt wird es mir klar“, fuhr er fort und löste den Blick
von ihren Augen, um zur Seite zu blicken. „Sie hatten nicht mit meinem
Auftauchen bei dem Gringottsvortrag gerechnet.
Deswegen sind Sie im Ministerium auch verschwunden, deswegen haben Sie mich bei
der Versteigerung ausboten wollen?“, stellte er viele Fragen, die sie nur zu
schnell wieder vergessen hatte, da sie zu beschäftigt war, ihn anzustarren.
„Deswegen beantworten Sie meine Briefe nicht“, fügte er leiser hinzu. Ihr Mund
öffnete sich weiter, klappte zu, und sie schüttelte knapp den Kopf.
„Ich…“,
fing sie an, aber er hob die Hand.
„Es muss so aussehen, als verfolge ich Sie“, stellte er schockiert fest. Wieder
fuhr er sich mit betont lässiger Eleganz durch seine verdammt dichten Haare,
und ihre Sprache hatte sich wieder verloren. „Dass ich Ihnen ein Angebot machen
wollte, lag nur daran, dass ich gehört habe, wie Miss Lovegood
meinte, Sie hätten zurzeit keinen Job, und ich dachte – das ist doch eine
Schande, wenn Sie keinen Job hätten. Ich weiß, wie qualifiziert Sie sind. Das
war alles. Wieso haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie mich verabscheuen?“,
wollte er plötzlich ernster wissen, sah sie fast vorwurfsvoll an, und sie
fragte sich selber, wieso sie ihm das nicht gesagt hatte!
„Ich
verabscheue Sie nicht“, sagte sie tatsächlich. Zwar mehr zu sich selbst, eher
leise, aber er hörte es dennoch.
„Wieso
laufen Sie dann vor mir weg?“ Trotz des Jacketts fror sie immer noch
schrecklich. Er atmete kurz aus. „Sie erfrieren hier draußen. Kommen Sie wieder
mit. Holen Sie wenigstens Ihren Mantel, Miss Granger.“ Sie konnte nicht. Sie
wollte nicht.
Es war
zu viel. Sie wollte doch überhaupt nicht so reagieren! Sie wollte kein
sabbernder Einzeller werden, jedes Mal, wenn sie ihn sah. Es war absurd. Und
anscheinend spielten nur irgendwelche Hormone verrückt. Es war lächerlich. Sie
erkannte ihn lediglich nicht wieder, in dieser Eleganz und Eloquenz, dieser
Besorgtheit und Zuvorkommenheit. In seiner neuerworbenen Höflichkeit und all
diesen Attributen, die einen guten Mann auszeichneten! Und bestimmt nicht Draco
Malfoy! Sie atmete heftig aus, streckte den Rücken durch und sah ihn an.
„Malfoy,
ich will ganz bestimmt nicht weglaufen oder deine Briefe ignorieren!“, sagte
sie schließlich und unterdrückte mit Mühe das Klappern ihrer Zähne. „Ich will
überhaupt keine Briefe von dir bekommen. Ich kann nicht begreifen, wie du –
unter allen Menschen – plötzlich überall die Fäden ziehst! Alle kennen dich,
alle wissen magischerweise Bescheid über die
Inhaftierung deines Vaters, über dein Imperium und über die Milliarden, die du
anscheinend gehortet hast!“ Plötzlich sprudelten die Worte nur so aus ihr raus.
„Und
wäre ich noch bei Verstand hätte ich genau das schon in der ersten Sekunde
gesagt, als ich dich gesehen habe. Du hältst einen Vortrag über den Wert des
Goldes? Du bist Redner bei Sponsorenbällen im Ministerium? Du spielst Samariter
und ersteigerst Goyles Haus wieder, weil er zu arm
ist, um es selber zu halten? Weil er seinen Vater aus dem Gefängnis frei
gekauft hat – und du anscheinend nicht?! Egal, wer der eigene Vater ist und was
er für Verbrechen begangen hat, sollte Lucius dann nicht ebenfalls von seinem
Sohn freigekauft werden? Tut man das nicht als treuer Sohn, wo du dich schon
auf seinen Milliarden ausruhst?“ Sie sah, wie sein Mund sich langsam öffnete,
wie sie wieder sie selber wurde, mitten in der Kälte, in seinem Jackett, auf
der menschenleeren Winkelgasse.
„Und
wir…!“ Sie deutete kopfschüttelnd von sich auf ihn. „Wir sollten kein Wort
miteinander sprechen! Wir sollten so tun, als kennen wir uns nicht! Dann bist
du eben Harrys Geldgeber, aber wir sollten alle kein Wort miteinander wechseln,
Malfoy! Das ist absurd! Du kannst nicht herkommen, gut aussehen, reich sein,
Macht besitzen und damit durchkommen! So darf es nicht sein! Und eine muggelstämmige sollte niemals – niemals – für einen
Todesser arbeiten! Und wir sollten uns nicht siezen, denn schließlich warst du
der erste Mensch, der mich jemals Schlammblut genannt hat, verdammt noch mal!“
Sie atmete heftig und konnte seinen Blick nicht deuten.
….
Die Zeit
war stehen geblieben.
Oh Gott!
Was hatte sie jetzt getan?! Da war der sabbernde, stumme Einzeller vielleicht
doch besser als die hysterische Muggel! Sie schloss die Augen.
Ach
könnte sie die Zeit eine Minute zurückdrehen.
Das war
zu viel gewesen. Aber jetzt war es zu spät. Gesagt war gesagt. Als sie die
Augen wieder öffnete, hatte sich sein Mund geöffnet und jede Freundlichkeit war
aus seinem Gesicht verschwunden. Aus dem Gesicht, das sie nicht mehr erkannte.
„Ihnen
ist klar, dass ich Ihnen keine Rechenschaft ablegen muss?“, erkundigte er sich
langsam, und Merlin sei Dank war sie wieder verstummt und nickte nüchtern.
Natürlich musste er das nicht. Ihre Zähne klapperten.
„Und
eigentlich würde ich jetzt um mein Jackett bitten – oder gleich beide Jacketts,
die in Ihrem Besitz sind, aber da ich kein Unmensch bin, verzichte ich darauf“,
schloss er äußerst bitter. Sie hatte ihn beleidigt. Sie hatte seinen Stolz
verletzt. Sie wollte wirklich das Jackett ausziehen, aber sie war überzeugt,
eine Lungenentzündung zu bekommen, wenn sie das tun würde. Sie war hin und her
gerissen.
Oh
verdammt noch mal. Wieso hatte sie mit ihrem Ausbruch nicht gewartet? Wieso war
sie nicht warm genug angezogen? Wieso hatte sie nicht auf den Brief gewartet
und ihm per Post einfach erklärt, dass sie nicht bei ihm arbeiten würde? Aber
nein! Hermine Granger machte so was natürlich unvorbereitet, im klaren
Nachteil, in Herrgottsfrühe auf der Straße!
„Ich
hole einfach meinen Mantel“, resignierte sie schließlich, und ihr Stolz gewann
tatsächlich, als sie zögernd das warme Jackett auszog. Sie hielt es ihm
schlotternd entgegen, und fast glaubte sie, dass er die Augen verdrehen wollte,
aber es nahm es wortlos an.
Er zog
es sich sogar über. Das war Draco Malfoy. Fast war sie erleichtert zu sehen,
dass sie ihn erkennen konnte.
„Manchmal ist die Distanz der bessere Weg“, erklärte er tonlos.
„Manchmal
auch nicht“, widersprach sie leise und macht sofort kehrt. Er folgte ihr, sie
sah es aus den Augenwinkeln. Dankbar öffnete sie nach schnellen Schritten die
Tür des Cafés erneut, und Malfoys gesamte Begleiter sahen sie jetzt neugierig
an. Er hatte neben ihr inne gehalten, als sie sich nach ihrem Mantel umsah. Sie
entdeckte ihn an der Garderobe. Sie wollte nur noch nach Hause. Jetzt wollte
sie wirklich einfach nach Hause. Sie spürte, dass er sie ansah. Sie hob den
Blick. Fast scheu, widerwillig und mit einem Hauch von Angst.
„Sie…
denken wirklich so von mir?“, fragte er leise. Sein Blick war offen, neugierig
fast, und er ließ sie nicht aus den Augen. Wie er es immer noch schaffte, sie
zu siezen war ihr ein absolutes Rätsel. Sie war so froh, dass Wärme ihren
Körper durchflutete. Und sie sah ihn an. Nein, nein, nein! Ihr Verstand begann
wieder nebelig zu werden. Was hatte er gesagt? Sie schüttelte leicht den Kopf,
um sich zu besinnen, ehe sie einatmete.
„Malfoy…“,
begann sie, dankbar dafür, dass ihre Stimme noch funktionierte, „ich kann
nicht-“ Doch er unterbrach sie.
„Dinge
ändern sich!“, widersprach er knapp.
„Nein,
nicht so“, erwiderte sie gepresst.
„Nein?“,
wiederholte er, und seine Augen verengten sich wieder. Sie starrte ihn an. Dann
schien er zu begreifen und nickte schließlich. „Ich ändere mich nicht, meinen
Sie“, schloss er knapp und machte ein spöttisches Geräusch, gar nicht dem
Business-Mann entsprechend, den er doch jetzt verkörperte. „Und das wissen Sie
also mit Sicherheit?“ Er war näher gekommen, ohne dass sie es registriert
hatte, so kam es ihr vor.
„Wieso
ist das wichtig?“, flüsterte sie jetzt, denn Witherby
– den sie wiedererkannt hatte – hatte sich langsam erhoben. Er sagte nichts,
schien ihre Worte abzuwägen. „Wieso willst du, dass ich für dich arbeite?“,
fügte sie verärgert hinzu. Witherby kam auf sie zu.
Malfoy atmete fast gereizt die Luft aus, schenkte ihr einen entnervten Blick,
und tatsächlich erkannte sie noch einen weiteren Fetzen von dem ihr bekannten
Draco Malfoy. Doch plötzlich senkte er kaum merklich den Kopf und war ihr plötzlich
näher, so dass sie seinen Duft wieder riechen konnte.
„Denken
Sie, ich frage Sie, weil ich unverändert bin und nur mit Ihnen schlafen
möchte?“, knurrte er tief, und ihr Herz machte einen gefährlichen Satz.
Nur mit ihr schlafen möchte? Nur?! Also… hieß das… das
wollte er? Ihre Handflächen wurden mit einem Mal schrecklich feucht, und die
neue Hermine in ihr, also der Einzeller, machte einen kompletten Salto in der
Luft. Oh Himmel, Merlin, nein!
„Sir?“ Witherby hatte sie erreicht und warf ihm einen fragenden
Blick zu. Der Moment war vorbei, und sie schaffte es, endlich Luft in ihre
Lungen zurückzubekommen.
„Ich
komme sofort“, erklärte Malfoy komplett beherrscht, als wäre nichts weiter
vorgefallen. Er wartete mit strengem Blick, bis Witherby
verstanden hatte, dass er sich wohl wieder entfernen sollte. Sehr zu ihrem
Missfallen, denn sie wollte nicht länger alleine vor ihm stehen.
„Oh,
natürlich, Sir. Miss Granger“, fügte er hastig mit einem Kopfnicken hinzu und
verschwand eilig. Und Malfoy wandte sich ihr jetzt komplett zu und schirmte sie
vor all den Begleitern in Anzügen, die bereits tuschelten, komplett ab.
Nur mit ihr schlafen…! Sie würde einfach ohnmächtig
werden. Oh Merlin! Seine Augen schienen noch blauer zu werden.
„Keine
Sorge, Miss Granger“, sagte er ruhiger, senkte den Kopf noch weiter, und sie
biss die Zähne fest zusammen. Nicht sein
Parfum einatmen, befahl sie sich streng. „Das, was Sie fühlen, ist ganz
natürlich“, fuhr er leise fort. Ihre Augen weiteten sich. Las er ihre Gedanken?
Was meinte er? Sie wurde schon wieder rot. „Mit meinem achtzehnten Lebensjahr
haben sich die Veela-Gene meiner Mutter durchgesetzt
und ich wirke anzuziehend auf alle Frauen“, erklärte er schließlich, und ihr
Mund öffnete sich.
Oh Gott!
Das war die Erklärung! Das war also der Grund! Es lag gar nicht an ihr! Es lag
an ihm. Sie konnte nichts dafür! Und er war nicht unwiderstehlich. Er war
einfach nur… so geboren. Und wahrscheinlich sah er nicht wirklich so gut aus,
sondern sie war benebelt, und ohne den Nebel würde er einfach gewöhnlich
aussehen, und ihr nicht auffallen!
„Wirklich?“,
flüsterte sie ungehalten und starrte ihn praktisch an. „Das ist der Grund?“,
fügte sie fast dankbar hinzu, und plötzlich schenkte er ihr ein unwiderstehliches
Lächeln. Was natürlich nur unwiderstehlich war, weil er Veele-Gene
in sich hatte! Es machte alles einen Sinn. Endlich! Nach Tagen machte endlich
wieder etwas Sinn.
„Nein“, entgegnete er lächelnd und zerstörte ihren Traum.
Kurz
hatte sie ein bodenloses Gefühl. Als hätte sie eine Stufe versäumt, und ihr
Magen zog sich unangenehm zusammen. Was? Was?! Oh… nein!
„Es gibt
keine männlichen Veela. Aber gut zu wissen, was Sie
denken“, fügte er grinsend hinzu, und die Röte sprengte gerade wahrscheinlich
ihr Gesicht. Und das… war Draco Malfoy.
Das war
jetzt nicht wirklich passiert! Nein, nein, nein! Sie wollte aufwachen. Sie
wollte von diesem grauenhaften Albtraum aufwachen!
„Du bist
ein Arschloch“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen und hochrotem Kopf. Und
sie hörte ein Geräusch, was ihr Schauer über den Rücken jagen ließ. Angenehme
Schauer, die sie erfüllten von Kopf bis Fuß. Er lachte. Er lachte befreit und
ungehemmt. Sie öffnete überrascht die Augen wieder, um ihn anzusehen. Sein
Lachen war fast ansteckend. Er hatte wieder die Hand zu seinen Haaren gehoben
und wirkte noch jünger, als er ohnehin schon war.
Ihr Mund
öffnete sich. Seine leuchtenden Augen senkten sich wieder auf ihr Gesicht.
„Miss
Granger…“, begann er schließlich, immer noch lächelnd, als er sich geräuspert
hatte, „ich nehme zur Kenntnis, dass wir uns kennen, dass ich meinem Namen in
Hogwarts nicht alle Ehre gemacht habe und dass es Dinge gibt, die theoretisch
nicht zu ignorieren sind“, fuhr er lächelnd fort, und sie spürte die Röte immer
noch. Aber er wurde ernster. „Ich bin allerdings älter als früher. Und ich wäre
verrückt, meinen Vater aus dem Gefängnis zu holen, wo er doch mehr als dringend
dort hineingehört“, erklärte er offen heraus und mit einer Bitterkeit die sie
noch nicht von ihm gehört hatte. „Und ich wäre verrückt, eine arbeitslose
Hermine Granger nicht wenigstens mit allen Mitteln der Kunst zu beschwören, für
mich zu arbeiten, bei Ihren Qualitäten, Ihrem Talent und Ihrem grenzenlosen
Wissen.“ Sie konnte ihn nur wieder anstarren.
Er
schien zu warten. Auf ihre Reaktion, ihren Protest – egal, was.
Aber sie
sagte gar nichts.
„Bitte,
arbeiten Sie für mich, Miss Granger. Es gäbe keine größere Ehre für mich, für
das Unternehmen, und ich bin bereit sehr große Hindernisse in Kauf zu nehmen.
Sei es auch, Ihnen alle meine Jacketts zu überlassen. Und das sind eine Menge
Jacketts, glauben Sie mir. Ich bitte Sie.“ Sein Blick war ehrlich, offen, und
ihr Mund öffnete sich langsam.
„Eine Chance.
Wenn Sie es hassen, können Sie gehen.“ Er lächelte wieder. „Ich gebe mir
wirklich große Mühe hier, Miss Granger.“ Und das tat er tatsächlich.
Und er
hatte sie schon bei grenzenlosem Wissen
gehabt, nahm ihr Verstand verärgert zur Kenntnis. Und es musste sie der Teufel
persönlich reiten, denn anscheinend antwortete ihr rasendes Herz, und die
Hermine von draußen war wieder verschwunden.
Und sie
hasste sich selbst. Noch mehr als Draco Malfoy.
„O-k“,
sagte sie stockend, und sein Lächeln vertiefte sich, als er sich ohne Umstände
umwandte.
„Meine
Herren, darf ich Ihnen Miss Granger vorstellen? Meine Assistentin?“
Ihr
Unterbewusstsein erschlug sie gerade eben.
Das
konnte doch nicht wahr sein! Das passierte doch nicht wirklich, oder? Hermine
Granger, sabbernde Einzeller-Assistentin von Draco Malfoy? Er hatte sie
ausgetrickst, oder? Wie konnte die Stelle einer Assistentin überhaupt
vielversprechend sein? Alle Muggelaktivisten würden
sie sofort mit ihren Protestschildern durch London jagen!
Jetzt
könnte sie sterben. Oder noch besser, sie erzählte das Harry und Ron. Dann
würden die sie einfach gnadenlos umbringen. Denn sie war anscheinend wahnsinnig
geworden.
Die
Männer erhoben sich schließlich, mit Erkenntnis und Wohlwollen im Blick,
während Malfoy eine feste Hand auf ihren Rücken legte und sie nach vorne schob.
Und
seine Berührung hatte sie verzaubert, denn sie konnte nichts anderes tun, als
einen Fuß vor den anderen zu setzen, und ehe sie sich versah, schüttelte sie
fast ein Dutzend fremder Hände, die sie willkommen hießen.
Wie
konnte das passiert sein?!
„Willkommen,
Miss Granger“, begrüßte sie Witherby flüsternd mit
einem scheuen Lächeln und bot ihr seinen Platz neben Malfoy an. Und sie setzte
sich. Nein, ihr Roboter-Körper, der ihr nicht mehr gehorchte, setzte sich.
Oh nein!
Oh nein…! Und je mehr Sekunden vergingen, je länger sie stumm neben diesem
wunderschönen Mann saß, umso schwieriger würde es sein, ihre Zustimmung
zurückzunehmen.
Und sie
schwieg.
„Haben
Sie etwas dagegen, wenn wir Sie kurz in die Thematik einführen? An
Auffassungsgabe sollte es der klügsten Hexe ihres Jahrgangs nicht mangeln,
nicht wahr?“, erkundigte sich ein Zauberer, den sie nicht kannte, mit einem
charmanten Lächeln.
„Ganz
und gar nicht“, antwortete Malfoy für sie und rief die Kellnerin zu sich. „Miss
Granger bekommt einen starken Kaffee mit einem Schuss Milch und einem Grog zum
Warmwerden“, erklärte er befehlsgewohnt, und ehe sie widersprechen konnte,
wurden ihr bereits Akten offenbart.
Oh
Merlin… wieso sprach sie nicht mehr?!
Das war
wohl der erste Schritt des Wahnsinns, nahm sie dumpf an.
Sie
hatte alle Namen bereits wieder vergessen. Ihre Arme waren schwer, vom Tragen
der vielen Unterlagen. Wie unter einem Bann folgte sie ihm durch die
weitläufigen Flure.
Viele weibliche
Mitarbeiterinnen waren ihr bis jetzt über den Weg gelaufen. Alle blond. Alle
mit strengen Frisuren und Kleidung, die wohl gut aussah, aber äußerst unbequem
sein musste.
Er führte sie schließlich zu einer sehr breiten Tür.
„Das ist
mein Büro, daneben liegt Ihr Büro“, erklärte er, während er die Tür öffnete.
Sie hatte keine Zeit, ihm zu widersprechen, und es war weniger luxuriös, als
sie erwartet hatte. Der Schreibtisch glänzte zwar, und das Holz wirkte speziell
und sehr teuer. So vielleicht auch der Parkettboden. Sie nahm auch zwei Kamine
wahr. Einer stand recht einer links an der Wand. Große Fenster reichten bis zum
Boden, und cremefarbene Vorhänge verbargen den Blick nach innen. Ansonsten
wirkte es schlicht. Und nicht protzig.
Sie
erkannte unten die Winkelgasse, aber er führte sie bereits weiter, zu einer Tür
neben dem rechten Kamin. „Es ist kein abgegrenztes Zimmer. Es ist ebenfalls
durch meine Tür zu verlassen“, fügte er hinzu. Sie hatte Mühe, allen Worten von
ihm zu folgen, aber, dass sie ihn nicht ansah, half schon eine ganze Menge.
Eine weitere Tür führte hinter seinem Schreibtisch ab. „Dahinten geht es zum
Konferenzraum und zu Witherbys Büro“, ergänzte er und
öffnete ihre Tür.
Sie
spähte fast neugierig hinein. Ebenfalls ein breiter Schreibtisch, ein großes
Fenster, auch ein an Floh angeschlossener Kamin, aber auf dem Parkett lag ein
flauschiger Läufer. Eine riesige Topfpflanze wuchs bis an die hohe Decke, und
Neville hätte ihr bestimmt sofort sagen können, um was für einen Exoten es sich
hier handelte.
„Sie
können die Unterlagen auf dem Schreibtisch ablegen“, informierte er sie
freundlich, und sie tat dankbar, wie ihr geheißen. „Ihr Arbeitsvertrag befindet
sich in meinem Schreibtisch, also schlage ich vor, Sie unterschreiben, ehe Sie
sich unfreiwillig in Arbeit stürzen“, schloss er und deutete wieder zurück in
sein Büro. Unschlüssig zögerte sie einige Sekunden.
Arbeitsvertrag…
- ja, sie hatte eine ganze Menge heute mitgeschrieben, als er sich mit seinen
Partnern getroffen hatte. Und sicher, es war spannend, es war… die hohe
Gesellschaft. Und es ging nicht darum, wer die größte Villa in der Innenstadt
bauen durfte, nein. Es ging um völlig andere Sachen. Sogar welche von Brisanz,
fand sie, denn durch Voldemorts Fall wurde an einem neuen Gesetzentwurf für die
magische Gesellschaft gearbeitet. Und es war ein magischer Entwurf…. Ihr Kopf
schwirrte. Immerhin musste sie sich nicht mit dem Zauberstab mitten in ein
Kriegsszenario werfen und kämpfen. Sie musste nicht in Minen klettern, und…
bisher hatte sie einen Kaffee, einen kleinen Grog, zwei Buttercroissants, eine
Zimtschnecke und einen Ginger Ale bekommen.
Verhungern
oder verdursten würde sie unter seiner Führung wohl nicht.
„Kommen
Sie?“, fragte er, fast vorsichtig. Und sie nickte. Es war seltsam,
mitanzusehen, wie sich Draco Malfoy so selbstsicher durch diese riesigen
Büroräume bewegte, als wäre er ein Fisch im Wasser. Magischem, reichen Wasser,
natürlich.
Es
klopfte an der Tür. Ein blondes Modepüppchen steckte den Kopf herein.
„Mr Malfoy, Ihr Termin?“, erklärte sie mit glockenheller,
übertrieben zuckersüßer Stimme, und er hob die Hand, als Geste, dass er
verstanden hatte. Hermine Mundwinkel hatten sich abwertend nach unten gezogen,
ohne dass sie es bemerkt hatte.
„Es
arbeiten nur Frauen hier?“, erkundigte sie sich, und er hob mit einem
entwaffnenden Lächeln den Blick.
„Und Witherby“, ergänzte er lachend, und sie senkte hastig den
ihren. Was für ein unglaublich schöner Mann! Nein, nein, nein! Malfoy! Er war
immer noch Malfoy! Wie hatte sie es überhaupt so weit kommen lassen können?!
Sie glaubte, es hatte alles mit einem Jackett angefangen!
„Dieser
Vertrag ist standardisiert, allerdings mit einer höheren Gehaltsstufe, als es
für einen schlichten Assistenzvertrag üblich ist, Miss Granger“, erläuterte er
ernster. „Das liegt aber auch daran, dass ein Assistenzjob in der Regel nicht
über Termine machen und Kaffee kochen hinausgeht. Ich würde Sie aber gerne
anderweitig einspannen.“ Anderweitig einspannen? Sofort wurde ihr heißer.
„Ach…?“,
schaffte sie zu sagen, und er nickte, während er die erste Seite des Vertrags
aufschlug, aber sie konnte den Blick nicht von seinem Gesicht wenden.
„Ich
möchte Sie gerne mitnehmen“, erklärte er.
„Wohin?“,
flüsterte sie und bekam Angst. In die Hölle, ins Verderben, in die Welt, wo sie
Draco Malfoy anschmachtete….
„Überallhin,
Miss Granger. Ich denke, Sie können keinen Fehler machen. Ich denke, Sie haben
die nötige Erfahrung auf allen Gebieten, die ich für erstrebenswert erachte.
Ich will Ihre Assistenz und Anwesenheit sozusagen jede Minute Ihrer
Arbeitszeit“, schloss er förmlich. Er… wollte sie immer an seiner Seite,
überlegte sie panisch, und spürte, wie trocken ihr Mund geworden war. Das wäre…
unmöglich…, denn dann bräuchte sie erst mal eine Pistole, um sich zu erschießen.
Sie würde sabbernd neben ihm stehen, während er… was tat? Besprechungen hielt? Klientengespräche? Einkäufe für die Firma erledigte?
Sie
schüttelte abwesend den Kopf.
„Was heißt das?“, fragte sie also heiser.
„Neun
Stunden. Sie an meiner Seite. Ich will jeden Ihrer Gedanken zu jeder
Kleinigkeit wissen, Miss Granger“, erwiderte er schlicht. Oh! Das konnte er
nicht ernst meinen!
„Was
sagen Sie?“
„Habe
ich… irgendeine…“, begann sie und schluckte wieder schwer, als er sich fragend
in seinem vorlehnte. Als wären sie Magneten, wich sie automatisch weiter vor
ihm zurück.
„Eine
was?“
„Bedenkzeit?“,
fragte sie abrupt. Er ruckte mit dem Kopf.
„Sie
haben sich noch nicht einmal Ihr Gehalt angesehen und möchten Bedenkzeit?“
„Oder…
eine Probephase?“, warf sie jetzt ein.
„Standardisiert,
vier Wochen“, erwiderte er. Er schob ihr den Vertrag zu und blätterte wieder
um. Sie betrachtete die Zahl am unteren Ende der Seite, die wohl die
Versicherungsnummer sein musste…. Dann hob sich ihr Blick.
„Ist
das… mein Gehalt?“, wagte sie zu fragen. Und er lächelte jetzt.
„Ja,
damit könnten Sie zwanzig Hauselfen jeden Monat kaufen“, gab er gleichmütig
zurück.
„Das ist unmöglich richtig!“, entfuhr es ihr. Jetzt runzelte sich seine Stirn.
„Sie
wären die erste, die sich beschwert.“, erwiderte er mit ernster Überraschung.
Seine blauen Augen musterten sie ungläubig. „Es ist normal, Miss Granger. Sie
würden nicht in Florean Fortscues
Eissalon arbeiten, sondern in der Malfoy Group“, erklärte er, als wäre dies ja
vollkommen einleuchtend.
„Es ist
zu viel“, entgegnete sie schockiert.
„Oh,
glauben Sie mir, ich kann sehr anstrengend sein. Fragen Sie Witherby.
Ich denke, ich zahle ihm nicht mal halb so viel, wie er verdienen müsste.“ In
ihrem Kopf malte sie sich bereits aus, wie es sein müsste, diesen schönen Mann
neun Stunden am Tag die gesamte Zeit auf diese Nähe zu sehen. Ihre Finger
kribbelten. „Eine Chance. Ich weiß, Sie können es kaum erwarten die
Verhandlungen mit Flourish und Blotts
aufzusetzen.“ Sie dachte an das Gespräch heute Morgen. Das renommierteste
Bücherhaus würde ihre Vorschläge einführen! Elfenrechte, Muggelbücher…
ganz zu schweigen von der Gleichberechtigungspolitik, die sie heute schon mit
dem Gesetzeausschuss des Ministeriums diskutiert
hatte.
„Vier
Wochen Probezeit“, sagte sie schließlich und sah schon kommen, dass sie nichts
von ihren großartigen Zielen erreichen würde, denn… sie wäre damit beschäftigt
ihn anzustarren und gar nichts zu tun. Er lächelte ein strahlendes Lächeln, das
ihr Schauer bis in ihre Zehen schickte. Er reichte ihr eine Feder, und sie
setzte zaghaft den ihren Namen unter diese immense Summe. Und sie kannte
keinen, der so viel im Monat verdienen sollte! Keinen!
„Ausgezeichnet!“,
rief er aus. „Das werden wir feiern“, beschloss er schließlich. „Aber jetzt
lasse ich Sie für zwei Stunden alleine, denn ich-“
„Sie haben einen Termin“, unterbrach sie ihn nickend. Er lächelte.
„Schnelle
Auffassungsgabe. Aber später bräuchte ich Ihre Unterstützung. Sie können die
neuesten Unterlagen ansehen, bewerten, überlegen, welchen wir zustimmen
sollten, welchen nicht – ich denke, das sollte in zwei Stunden machbar sein.
Ich werde dann überlegen, was zu tun ist.“
Dieses
Mal öffnete sich die Tür, ohne dass jemand klopfte.
„Draco!“
„Entschuldigung,
Mr Malfoy, ich konnte sie nicht aufhalten! Sie ist
einfach-“
„Schon gut.“ Seine Stimme hatte sich abgekühlt. Merklich und augenblicklich.
Sein Lächeln war wie weggewischt, als wäre es niemals vorhanden gewesen und als
wisse er nicht, wie man so etwas auch nur ansatzweise zustanden bringen konnte.
Sie war schockiert von dem Chamäleon vor sich, das anscheinend hundert
Gesichter besaß. Dieser Malfoy machte ihr noch mehr Angst als der charmante
Malfoy. Und Hermine saß stocksteif in dem Stuhl vor seinem Schreibtisch,
während hunderttausend Gedanken sie erfassten.
„Was…
wird das?“, erkundigte sich die eisige Stimme von Pansy Parkinson. Ihr Blick
wanderte von ihm zu ihr, und sie stemmte eine Hand in ihre Hüfte. Sie trug ein
graues Kleid, welches eng, bis zu ihren Knien anlag, geschlossen bis zu ihrem
Hals ging, jedoch vom Hals bis zu den Schultern steif ausgeschnitten war. Der
schwarze, breite Gürtel um ihre Taille glänzte matt, und sie war sehr, sehr
dünn! Dazu trug sie unglaublich hohe schwarze Schuhe, mit einem Absatz, der
keinen halben Finger breit war.
Die
schwarzen Haare lagen in einer kunstvollen, glänzenden Frisur, und ihr roter
Lippenstift ließ ihr Gesicht sehr blass aussehen. Dunkle, stark
geschminkte Augen funkelten sie
hasserfüllt an.
Hermine
ging auf, dass sie selber nicht geschminkt war, nicht mal ihre Haare gekämmt
hatte! Sie trug Jeans und Turnschuhe. Und ihr Verstand erwachte langsam wieder
aus ihrem Draco-Malfoy-Traum und erinnerte sich an die richtige Welt.
„Pansy, Miss Granger kennst du ja“, sagte er schließlich eventuell, und Hermine
hatte das Gefühl, als wäre sie in den Slytheringemeinschaftsraum
gestolpert.
„Hast du
sie entführt?“, fragte Pansy prompt und bedachte Hermine mit einem seltsamen
Ausdruck. Diese spürte ein heißes Schamgefühl in der Magengegend, und wäre am
liebsten aufgestanden, aber sie saß wie festgewachsen auf dem Stuhl.
„Sie
arbeitet für mich“, schloss er knapp. Pansys Mund
öffnete sich langsam.
„Sie tut
was?“, wiederholte sie gefährlich ruhig, und er erhob sich schließlich.
„Ich
denke, das wäre alles, Miss Granger“, warf er ein und schenkte ihr einen Blick,
den sie nicht deuten konnte.
„Miss Granger?“, wiederholte Pansy ,
während sich ihre Mundwinkel langsam hoben. „Schuldet sie dir etwas?“, wollte
sie provozierend wissen, und Hermine spürte wieder einmal die tiefe Röte in
sich aufsteigen.
„Es
reicht, Pansy“, sagte er kalt.
„Hast du
sie bezahlt, dass Sie unterschreibt, oder mit dem Imperius
belegt?“, wollte sie so konsterniert wissen, dass Hermine verstört die Stirn
runzelte. Was meinte Pansy damit? War sie blind? Und Hermine ärgerte sich
selber über ihre Gedanken, aber hatte Pansy ihn für eine Sekunde angesehen?
Hermine hatte keinen Fehler entdecken können, bis jetzt noch nicht! Und sie
hätte eher erwartet, dass Pansy ihr eine solche Frage gestellt hätte! Nicht
umgekehrt! Malfoy war höflich, zuvorkommend, resistent und sie hatte bereits
ein eingerichtetes Büro! Und das Gehalt! Bisher war Draco Malfoy das Beste, was
ihrer Karriere passieren konnte.
„Miss Granger?“,
wiederholte er tatsächlich auffordernd, und der eisige Malfoy ließ sie sofort
aufstehen. Sein Blick reichte vollkommen aus, um sie aus dem Zimmer zu
vertreiben, stellte sie fest. Selbst aus London! Sie erhaschte einen winzigen
Fetzen von einem anderen Malfoy, fiel ihr auf.
Pansy
hatte einen spöttischen Blick aufgesetzt.
„Wie
hast du das angestellt? Es ist mir ein Rätsel, Draco. Eigentlich sollte Potter
dir dafür höchstpersönlich einen Trophäenschrank bauen, nicht wahr?“ Und sie
lachte. Es war ein schreckliches Geräusch. „Da könntest du sie dann mit sieben
Schlössern wegschließen…“, fügte sie grinsend hinzu, während sie nun Hermines
Erscheinung betrachtete.
„Wie ich
sehe, erwartest du keinen positiven Ausgang unseres Gespräches?“ In seiner Stimme
schwang eine leise Warnung mit, eine Drohung fast, und die Temperatur schien um
einige Grad gesunken zu sein. Hastig verließ sie das Büro. Ohne Pansy
anzusprechen, ohne irgendwas zu sagen. Und es war untypisch für sie, aber das
hier war ganz klar nicht ihr Gespräch gewesen. Und sie wollte auch nicht Pansy
sprechen!
Sie
spürte Pansys Blick im Rücken.
Und dann wartete sie. Sie lehnte den Rücken gegen ihre neue Bürotür, aber sie
war so dick, dass sie die Stimmen nur gedämpft hören konnte, ohne ein Wort zu
verstehen.
Aber es
war kein langes Gespräch. Sie hatten ebenfalls nach keiner Minute zusammen sein
Büro verlassen.
Er war
fort, mit Pansy Parkinson. Merlin…. Sie hatte keine Gedanken mehr an Pansy
verschwendet. Und jetzt spazierte diese hier rein. Und Pansy war die einzige,
die sich wohl so verhielt, wie man sich verhalten müsste! Was zur Hölle war nur
in sie gefahren?! Für Draco Malfoy arbeiten? War sie wirklich verrückt
geworden?
Und ihre
Finger kribbelten immer noch. Ihr Magen veranstaltete noch immer Saltos, bis es
ihr plötzlich dämmerte…
Wie hoch
waren wohl die Chancen, dass sie vor Ginny und Harry und Ron und Luna und
Neville, vor Molly und George – vor allen Leuten, die sie kannte, verheimlichen
konnte, dass… sie einen Vertrag unterschrieben hatte, der sie zu Draco Malfoys
Assistentin gemacht hatte?
Es war
ein Trick gewesen! Ganz bestimmt!
Panik
schnürte ihre Kehle zu.
Absolute,
grenzenlose Panik….
~*~
Es war
ihr zweiter Tag – und sie war gestresst. Schon zweimal hatte sie Dokumente
verloren, und die Winkelgasse war so voll, dass Apparieren
eine dämliche Idee wäre. Sie schob sich schlecht gelaunt durch die
Menschenmenge und stellte, mit dem lauten Glockenschlag der nächsten Turmuhr,
fest, dass sie jetzt auch noch zu spät war.
Immerhin
hatte sie gestern nicht mehr darüber nachdenken müssen, was sie ihren Freunden
erzählen sollte, denn… sie war völlig ausgelastet. Schon jetzt!
Und sie
war wütend. Auch schon jetzt.
Denn sie
hatte eine Problematik aufgedeckt, die schon jetzt ihren Ärger erwachen ließ.
Hatte sie gestern für sich bei einer halben Flasche Rotweinbeschlossen gehabt,
die Anstellung doch aufzugeben, so war sie jetzt entschlossen, dieses Problem
noch zu lösen! Ehe sie die Anstellung aufgab.
Ihre
Haare waren hochgesteckt, aber einige Locken fand bereits jetzt den Weg aus der
Frisur, und sie pustete sich zornig die Strähnen aus der Stirn, während sie
endlich die erlösenden Türen des großen Gebäudes erreicht hatte, an denen die
goldenen Buchstaben Malfoy Group schimmerten.
„Miss
Granger, Mr Malfoy erwartet Sie in seinem Büro!“,
rief ihr eine Hexe am Empfang mit besorgter Miene zu. Und Hermine nahm ihre
Beine noch mehr in die Hand, hechtete zu den Aufzugstüren, die sich gerade
öffneten und drückte auf den siebten Stock.
Der
Fahrstuhl fuhr dank Magie so schnell empor, dass es keine zwei Sekunden
dauerte.
Sie
stürmte nach vorne, die Dokumente so fest an ihre Brust gepresst, als wäre es
ihr neugeborenes Kind, und ohne zu klopfen öffnete sie seine Tür. Er hatte den
Blick gehoben, während Witherby selber mit einem Arm
voller Unterlagen neben ihm stand.
„Guten Morgen, Miss Granger“, begrüßte er sie kühl. „Das nächste Mal, bitte
klopfen“, fügte er hinzu, ehe er den Blick zu der Standuhr auf der anderen
Seite der Tür richtete. „Sie sind zwanzig Minuten zu spät“, informierte er sie
tatsächlich, und hob den die Hand. „Witherby, das
wäre alles.“ Witherby zog sich sofort zurück.
„Ja, Mr Malfoy, Sir“, sagte er hastig, sammelte seine
Unterlagen ein und schenkte ihr einen vorsichtigen Blick, und seine Lippen
formten ein „Guten Morgen“, bevor er zur anderen Tür verschwand.
„Entschuldigen
Sie die Verspätung“, brachte sie hervor. Sie war eingeschüchtert, denn kein
Lächeln zierte seine Lippen. Er wirkte merklich angespannt und sah erwartend zu
ihr auf. Anscheinend würde er nichts weiter zu ihrer Entschuldigung sagen. „Es
wird nicht mehr vorkommen.“
„Nein,
das wird es nicht“, erwiderte er knapp. Sie schluckte schwer. Gut, er war
anscheinend wütend. Aber unmöglich auf sie! Sie hatte nichts gemacht. „Wollen
Sie das ablegen?“, fragte er jetzt und betrachtete
den Stapel an Unterlagen in ihrem Arm.
„Mr Malfoy“, brachte sie es über sich, ihn zu siezen. „Das
Problem, was Sie gestern geschildert hatten, führt eine ganze Reihe an anderen
Problemen mit sich“, begann sie einfach, und er erhob sich.
„Das ist wirklich schön, aber wenn Sie zu spät sind, bin ich es auch, und ich
nehme an, Sie können auch während des Gehens reden?“ Und sie wünschte sich, sie
hätte sich nicht von den vielen Models, die hier arbeiteten einschüchtern
lassen, und hätte sich flache Schuhe angezogen. Verdammt! Er war wütend, weil
sie zu spät war. Weil er sie ja anwesend haben wollte.
„Ich…
ja“, erwiderte sie nur, und er griff sich sein Jackett von der Garderobe. Er
zog den Mantel über, und wandte sich dann um. Die blonden Haare lagen
anbetungswürdig, sein Gesicht war das eines Gottes, und er machte eine
unglaubliche Figur im Anzug, aber seine Augen fixierten sie.
„Ich
erwarte mein Jackett übrigens bis morgen wieder“, informierte er sie streng und
trat aus der Tür. Sie sah ihm verblüfft nach. Er war… nicht mehr nett. Huh…?
Was war passiert? Hatte sie etwas nicht begriffen? „Miss Granger?“, hörte sie
seine ungeduldige Stimme, und erschrocken setzte sie sich in Bewegung.
„Also…
es geht um die… Urlaubstage der Aurorenabteilung“,
sagte sie jetzt, leiser als sie es eigentlich vorgehabt hatte.
„Was ist damit?“ Er sah sie nicht an, sondern stand wartend vor dem Aufzug, aus
dem sie gerade erst gestolpert war.
„Sie
kürzen sie“, erklärte sie schlicht. Der Aufzug öffnete sich. Er trat ein und
sie folgte ihm.
„Und?“
Er sah sie tatsächlich gleichmütig an. Die Türen des Aufzugs schlossen sich.
„Und?“,
wiederholte sie nur und wartete, dass er anders reagieren würde als jetzt. Er
hatte den Blick wider abgewandt, so dass sie jetzt sein Profil betrachten
konnte. Sein Kinn war rund, wölbte sich leicht nach vorn, so dass es fast auf
Höhe mit seiner Nasenspitze war. Seine Nase war gerade, nicht gebrochen, und
seine Lippen waren ernst verschlossen. Die Türen öffneten sich erneut, und eine
Hexe betrat den Aufzug, die tatsächlich nicht die Modelqualitäten der anderen
aufwies. Sie war erst mal kleiner, ihre Haare waren nicht honigblond und fielen
nicht glatt und perfekt auf ihre Schultern, und sie trug eine Brille! Hermine
war fast schon erleichtert. Malfoy beachtete sie allerdings nicht.
„Guten
Morgen, Sir“, hauchte die Person ehrfürchtig. Aber Malfoy sah sie plötzlich
wieder unverwandt an.
„Ja. Und?“ Anscheinend hatte er jetzt auf ihre Frage geantwortet. Mit einer
Gegenfrage. Sie holte kurz Luft und nickte dann.
„Wenn Sie die Urlaubstage kürzen, werden sich einige Leute beschweren“,
formulierte sie aus, was eigentlich klar auf der Hand liegen sollte.
„Und in
wie weit ist das mein Problem?“, wollte er wissen, während im Stock darunter
der Fahrstuhl ein weiteres Mal zum Halten gezwungen wurde, und zwei Zauberer
eintraten. Sie spürte, wie sich ihre Augen verblüfft weiteten.
„Mr Malfoy“, begrüßten ihn beide, und er nickte
knapp.
„Ihr
Problem ist es wohl, dass… sich diese Leute bei Ihnen beschweren werden. Und…
ich habe noch nicht eingesehen, weshalb die Urlaubstage der Aurorenabteilung
gekürzt werden müssen, wohingegen in der Abteilung der Internationalen Magischen
Zusammenarbeit die Gehälter aufgestockt wurden“, beschwerte sie sich weiter,
und die drei Mitarbeiter im Fahrstuhl starrten sie praktisch an, während Malfoy
sie nicht aus dem Blick ließ.
Der
Fahrstuhl war geräumig groß, aber sie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können.
„Erleuchten
Sie mich bitte, was hat die eine Abteilung mit der anderen zu tun?“
„Es ist
ungerecht“, warf sie ein und unterdrückte ihre Ehrfurcht und Angst vor Draco
Malfoy. Denn, sie sagte sich: Es ist nur Draco Malfoy. „Und nicht
gerechtfertigt, was viel wichtiger ist. Es gab keinen Grund, die Gehälter zu
erhöhen“, sagte sie nur.
„Miss
Granger, denken Sie, ich handle aus Willkür?“, fragte er sie nun offen.
„Nein, ich…“, begann sie.
„Gut“,
sagte er abschließend, aber ihr Mund öffnete sich erneut.
„Ich verstehe es aber nicht. Die Kriminalität ist nicht weiter angestiegen als
in den letzten Jahren, die Auroren arbeiten alle zehn
Stunden täglich, wenn nicht länger, und Sie streichen die Hälfte der
Urlaubstage auf Grund von betrieblich
interner Notwendigkeiten? Was sind die betrieblich
internen Notwendigkeiten, wenn ich fragen darf?“ Und es war totenstill als
sich die Aufzugstür ein weiteres Mal auf dem Weg nach unten öffnete. Eine Hexe trat
überrascht ein, und auch ihr Blick richtete sich auf sie.
„Sind
das alle Fragen, die Sie haben oder brauche ich Pergament und Feder, Miss
Granger?“ Seine Stimme klang kalt, und sie verstand nicht. War er ihr nicht
noch gestern gefolgt? Mitten auf die Straße? Hatte sie ihn gestern nicht schon
beleidigt und angeschrien, und er hatte sie trotzdem in seiner Firma gewollt?
War er nicht derjenige gewesen, der sie die ganze Woche verfolgt hatte? Wieso
tat er jetzt so, als hätte sie um eine Einstellung gebettelt?!
„Nein,
das sind nicht alle Fragen, Mr Malfoy“, konterte sie
und war dankbar dafür, ihre Schlagfertigkeit wieder ausgegraben zu haben. Sein
Kiefer spannte sich an, und er löste den Blick von ihr, um nach vorne zu sehen,
als die Aufzugstüren sich in der Eingangshalle öffneten.
Sie
verließ neben ihm den Fahrstuhl und merkte, wie alle anderen zurückgeblieben
waren.
Was war
jetzt passiert? Wieso wurde sie von allen so angestarrt? Sie folgte ihm, und
sie wurde langsam wütender. Gestern Abend hatte er ihr noch gesagt, sie könne
mit allen Problemen zu ihm kommen! Und jetzt?! Jetzt war das nicht mehr
aktuell?
„Miss
Granger?“, hörte sie die pure Ungeduld seiner Stimme und mit Mühe hielt sie
Schritt mit ihm.
„Wo
gehen wir hin?“ Er schoss ihr einen erneuten Blick zu. Fast hätte sie sich auf
die Zunge gebissen vor Schreck.
„Termin
bei einer Gesellschaft. Falls Sie nach der Konfektionsgröße der Mitarbeiter
fragen möchten, ihren Augenfarben, den bevorzugten Reisezielen, muss ich Sie
enttäuschen, also sparen Sie sich diese Fragen“, erklärte er und bedeutet ihr,
sich unterzuhaken, kaum als sie das Gebäude verlassen hatten. Und sie wagte
nicht mehr zu sprechen. Stattdessen zwang sie sich seinen Duft nicht
einzuatmen, als sie so nahe neben ihm stand, und sie versuchte sich einen Reim
darauf zu machen, wie er sich innerhalb einer Nacht in einen Teufel hatte
verwandeln können? Oder war er immer so? Auf der Arbeit?
Sie
schloss die Augen, als sie sich zu drehen begann. Sie fühlte ihn neben sich.
Stark, groß – und sie glaubte, es war das erste Mal, dass sie Draco Malfoy so
nahe war.
Gestern
hatte sie Ginny ignoriert. Würde sie das heute auch noch einmal schaffen?
Hatte
sie… also tatsächlich einen Fehler gemacht
Er hatte sie
ignoriert. Er hatte sie zwar mitgenommen, hatte sie vorgestellt, sie konnte ein
Problem lösen, aber im Großen und Ganzen… hatte er sie ignoriert! Und… sie
wusste nicht, weshalb es so schlimm war. Natürlich wusste es die Hermine in
ihrem Innern sehr genau. Sie war beleidigt. Zuerst folgte er ihr morgens auf
die Straße, um sie zu gewinnen, und einen Tag später ignorierte er sie bereits.
Und es störte sie schon fast mehr, dass ihre innere Hermine ihn schon wieder
ansehen wollte, als dass er ein Arschloch war.
Und sie
hatte gesehen, dass er abgelenkt gewesen war, dass er anders gewesen war als
noch gestern. Und sie hatte nicht gefragt, sie hatte sich nicht mehr getraut.
Und während er sie ignoriert hatte, hatte sie Gelegenheit gehabt darüber
nachzudenken, wie sie am besten aus der Sache rauskommen könnte.
Die
sabbernde Hermine in ihrem Innern protestierte alleine schon beim Gedanken, ihn
nicht ansehen zu können, aber die vernünftige Hermine hatte immer noch keine
Lösung parat, wie sie es Harry oder Ginny erklären sollte. Vor allem, wenn sie
ihn nicht sah, wenn sie nicht direkt vor ihm stand, und ihre Augen ihr
tatsächlich bewiesen, wie wunderschön er war, war es leichter, Entscheidungen
zu fällen, wie, dass sie nie wieder hier her käme, oder dass sie nie wieder in
sein Gesicht schauen würde. Aber… sie traute sich nicht wirklich zu, dass sie
auch nur einen nüchternen Schritt gehen könnte, wäre er wieder da.
Sie wartete.
Sie hatte die Arbeit erledigt, die er ihr noch aufgetragen hatte. Sie hatte
sogar schon die Bestelllisten für Flourish und Blotts zusammengestellt.
Und jetzt
tigerte sie durch sein Büro. Sie war hin und hergerissen zwischen der Kündigung
und… eben nicht der Kündigung. Ihre Finger kribbelten, ihre Handflächen waren
feucht, und sie konnte ihn nicht verstehen. Sie wollte auch nicht. Sie gehörte
hier nicht hin.
Das war es
einfach. Das war alles.
Es knisterte
im Kamin hinter ihr. Mehr aus Gewohnheit wandte sie sich um. Und sie erschrak
über die Gestalt in den Flammen. Es war eine Frau mit einer seltsam geformten
Brille auf der langen Nase. Sie hing an einer glitzernden Kette, und ihre
dunkelbraunen Augen betrachteten sie mit milder Ungeduld, während sich eine
dunkle Hochsteckfrisur fast gefährlich auf ihrem Kopf nach oben türmte.
„Ist Mr Malfoy zu sprechen?“, erkundigte sich die Dame in
besonders unangenehm hoher Tonlage, und Hermine erwachte aus ihrer Stille und
erinnerte sich an ihren – noch vorhandenen – Arbeitsvertrag.
„Nein, Mr Malfoy ist nicht hier. Kann ich Ihnen helfen?“ Die Frau
bedachte sie mit einem abschätzenden Blick.
„Ich weiß nicht, Miss…?“ Sie wartete, dass Hermine ihren Namen sagte. Sie
unterdrückte ein Seufzen.
„Granger. Ich bin…“ Und sie zögerte. Nur kurz. „Ich bin Mr
Malfoys Assistentin, und kann Ihre Nachricht entgegen nehmen.“ Dieser Satz.
Dieser Satz ging ihr erstaunlich leicht von der Zunge, bedachte man, wer sie
war und was eine solche Stellung eigentlich bedeutete. Es ging so erschreckend
leicht, dass sie wieder böse mit sich selber wurde. War es nur sein Aussehen?
Nahm sie deshalb eine gesellschaftliche Demütigung in Kauf? Von ihrem Versuch,
jeden Beruf auszuprobieren, war sie nun gescheitert und verdammt dazu, Draco
Malfoys Assistentin zu sein? Sie schämte sich wieder einmal. Wie schamlos sie
ihr Körper verraten hatte! Und zu allem Überfluss konnte Hermine nicht einmal
behaupten, dass ein Wiedererkennungswert im Blick der Frau lag. Für gewöhnlich
war ihr Name ein oder zweimal in London gefallen, dachte sie bitter. Nicht,
dass sie von jedem ein Dankeschön erwartete, dass sie einen Massenmörder
ausgeschaltet hatten, aber… ein bisschen Dankbarkeit, sei es auch nur, dass
Menschen sie erkannten, war doch nicht zu viel verlangt! Vor allem, wenn sie
doch alle Draco Malfoy kannten!
Die Frau
unterbrach ihre Gedanken ohne zu zögern.
„Gut. Madame
Tallis möchte den nächsten Termin mit Mr Malfoy vorverlegen auf morgen Nachmittag.“ Und Hermine
bewegte sich automatisch zu seinem Schreibtisch, fand seinen Tischkalender und
scannte seine Termine. In ihrem Kopf hatte sich bereits ein Wust an Fragen
aufgetürmt. Und sie spürte kurz, wie sich etwas in ihrem Magen zusammen zog,
ohne dass sie die gesamte Größe begriff.
„Morgen kann
er… nur um zwei“, erwiderte er langsam, die Stimme heiser als zuvor. Die Frau
schien es sich zu notieren. Ihr war plötzlich nicht mehr gut. Gar nicht mehr
gut.
„Zwei ist ausgezeichnet. Madame Tallis erwartet ihn
dann. Einen schönen Abend, Miss… Granger“, entgegnete die Frau schließlich
zögernd. Hermine bekam noch einen knappen Blick verpasst, und dann starrte sie
wieder in die schlichten Flammen. Dem Ton nach zu urteilen, wusste die Dame,
wer sie war. Und es wunderte Hermine nicht. Jetzt wunderte es Hermine
eigentlich nicht. Und sie griff die teure Pfauenfeder mit goldener Spitze aus
dem vorgesehenen Halter und schrieb den Termin auf.
Sie kaute
auf ihrer Unterlippe. Ihre Hände waren kühler geworden. Nein. Ihre Hände waren
eiskalt. Sie spürte die Wärme im Zimmer nicht mehr so deutlich wie vorher. Ihr
Herzschlag hatte sich beschleunigt. Und es war reiner Zufall. Es war Zufall,
dass sie Madame Tallis kannte. Es war Zufall, dass
sie sich vor einiger Zeit im Mungo hatte beraten lassen für eine mögliche
Ausbildung zum Heiler.
Es war
Zufall, dass sie ausgerechnet an Madame Tallis
geraten war. Sie war eine private Therapeutin. Und es war Zufall, dass Hermine
die Ehre zuteil geworden war, einen Blick in ihre Akten zu werfen.
Es war
Zufall, dass Madame Tallis besonderes Interesse an
Hermine gefunden hatte und dass Hermine ein besonderes Interesse gehabt hatte,
über Madame Tallis‘ These zu diskutieren. Und ihr
Geist ging zurück zu dem Tag, an dem sie das erste Mal in eine verstörende Akte
von Madame Tallis geblickt hatte.
Und sie
beschloss, nicht mehr auf ihn zu warten. Sie beschloss, ihre Entscheidung zu
verschieben. Sie beschloss, nicht mehr darüber nachzudenken. Es waren viele
Zufälle. Verdammt viele Zufälle.
Denn… es
machte ihr Angst darüber nachzudenken. Ihr Herz schlug so laut, dass sie
glaubte, es müsste von den Wänden widerhallen. Eilig löschte sie das Licht in
ihrem Büro. Sie griff sich ihren Mantel und dachte nicht mehr darüber nach, ob
er sie noch benötigte.
Denn sie
musste hier weg. Sie musste.
Und auf dem
Weg nach unten hielt sie niemand auf. Niemand schien sie zu beachten, zu
bemerken, von den wenigen Zauberern und Hexen, die noch arbeiteten.
Sie kam sich
dennoch vor, als wäre sie das rote Leuchtzeichen auf einem unsichtbaren Radar,
spürte trotzdem alle Blicke in ihrem Nacken und konnte das Gebäude nicht
schnell genug verlassen, nicht schnell genug apparieren,
nicht schnell genug in ihre Wohnung kommen. Sie verriegelte die Tür, entzündete
eilig alle Petroleumlampen und lenkte sich ab, mit Tee kochen. Mit Broten
schmieren.
Mit Kamin
anzünden.
Sie stellte
sich vor ihr Bücherregal. Demonstrativ und entschlossen. Sie würde lesen.
Irgendwas Unverfängliches. Irgendwas! Sie griff sich das nächste Buch.
Hexenroman.
Er war ein Geschenk von Molly gewesen. Ein Ehepaar, das die Liebe neu im Urlaub
entdeckte. Sie hatte es nie beendet. Heute wäre der geeignete Abend dafür. Perfekt
geeignet.
Sie wartete,
bis das Wasser kochte, setzte sich beruhigenden Tee auf, zwang sich mit der
Wolldecke ruhig auf der Couch zu sitzen, schlug das Buch auf und mit eiserner
Konzentration las sie stoisch, Seite um Seite.
Denn
ansonsten würde sie zu viel nachdenken! Viel zu viel. Ja, einfach lesen. Einfach lesen, Hermine. Und es wirkte
beinahe glaubhaft. Beinahe wirkte sie, wie eine junge Frau, alleinstehend,
selbstbewusst, auf ihrer gemütlichen Couch, in ihrer zwei Zimmerwohnung. Und
einem Außenstehenden würde nur eine einzige Sache ins Auge fallen. Nur die eine
Sache, die ihre ganze Show auffliegen ließ.
Ihre Hände
zitterten. Zitterten wie Espenlaub, so dass sie kaum die erste Zeile des Buches
ausmachen konnte.
~*~
Akte
732
Sitzung 53, April 2008
- Notizen, Askaban -
- Dritter Monat Gefangenschaft in
Askaban, Haare wurden kurz geschoren, zweiter Suizidversuch des Patienten
innerhalb eines Monats, Therapieversuch nach Hobbs-Methode
fehlgeschlagen
- reagiert nicht auf Annäherung,
bisher negativer Medikamentrenerfolg…
„Mr Malfoy, erzählen Sie mir von Ihrer Woche“, begann Rhian Tallis ihr Gespräch, wie
sie es bei jedem Treffen tat. Ruhig, freundlich, distanziert. So, wie er es
mochte. So, wie er es gewöhnt war. Sie fuhr am besten, wenn sie sich nach den
Gewohnheiten der Patienten richtete. „Sie hatten Geburtstag, nicht wahr?“ Er
hob den Blick zu ihrem Gesicht. Er war achtzehn. Und er sah wesentlich älter
aus. Vor allem jetzt, heute. Sie atmete ruhig aus, während sie sich
zurücklehnte.
„Sie wissen,
wir müssen diese Gespräche führen. Also, am besten beginnen Sie und erzählen
mir von Ihrer Woche.“ Und er fand seinen Weg in das Gespräch, so wie er seinen
Weg zu allen Dingen fand.
Mit
Arroganz. Mit verletzender Arroganz.
„Hm, mal
sehen. Es gab gallertartige Masse, die ich nicht mal unter vorgehaltenem
Zauberstab als Rührei bezeichnen möchte, ansonsten keinerlei Abweichungen vom
üblichen Ekel erregenden Tagesplan der Nouvelle Cuisine in Askaban. Aber was wollen Sie sonst von mir
hören? Vielleicht ist es eine passable Aktennotiz wert, dass mir ein
verfluchter Wichser eine Gable in den Hals gerammt hat, woraufhin ich sein
Genick gebrochen habe.“ Mit abwartender Genugtuung sah er sie, schien darauf zu
warten, dass sie reagierte, aber sie griff nicht zur Feder.
„Sie haben
einen Mann umgebracht?“, ging sie also auf seine Anspielung ein, und er blies
spöttisch die Luft aus.
„Genick gebrochen, bedeutet in der
Fachterminologie nicht automatisch den Tod. Sollten Sie es nicht wissen? Oder
liegt es an dem minderwertigen Titel, den Sie tragen, weil sie kein echter
Heiler sind?“ Sie wartete ab. Er würde weiter sprechen. Das tat er immer. „Ein
Heiler war zur Stelle. Also, sehen Sie mich nicht so an, Salazar, verflucht“,
fügte er hinzu, während den Dreck unter seinen Fingernägel betrachtete, als
wäre er wesentlich spannender als ihre Erscheinung. Sie hatte viele Antworten
auf sein Verhalten parat. Er besaß einen ausgeprägten Narziss-Komplex,
höchstwahrscheinlich gefördert von seiner Mutter.
Seine Angst
und Unsicherheit überspielte er stets mit Fäkalsprache und übertriebener
Überlegenheit. Seine Pubertät war in Schüben gekommen, er hatte niemals Zeit
gehabt, natürlich als Mann zu wachsen. Er wurde praktisch im Kindesalter von
seinem Vater in alle Geheimnisse der Todesser eingeweiht, wurde gezwungen, eine
Tradition aufrecht zu erhalten, die ein kindliches Gemüt nicht schlimmer
schädigen konnte.
Er hatte ihr
die Antwort auf sein erstes Mal mit Spott und Beleidigungen verweigert, aber
sie nahm an, es war weder romantisch gewesen, noch aus Liebe geschehen, noch
konnte er älter als vierzehn gewesen sein. Sie hatte in seinem Kopf nicht näher
nach dem Erlebnis geforscht, denn es gab dringendere Probleme mit Draco Malfoy.
„War Ihre
Mutter hier?“, wechselte sie das Thema schließlich. Er hob den Blick nicht zu
ihren Augen. Und sie kannte seine Antwort.
„Wann ist diese dämliche Schlampe mal nicht hier, Doc?“, setzte er das Wort hinzu, was sie ihm neulich beigebracht
hatte. Jetzt hatte er den Blick gehoben. „Sie wollen doch, dass ich Fremdwörter
verwende? Das ist doch Teil Ihres Plans?“
Sie lächelte jetzt und wusste, es ärgerte ihn, wenn sie es tat. Es ärgerte ihn,
wenn ihn jemand nicht ernst nahm.
„Mr Malfoy, ich möchte die Zeit nutzen, mit Ihnen einige
Erinnerungen aufzuarbeiten.“ Und er stöhnte unterdrückt.
„Wirklich?
Muss das sein?“ Seine Stimme nahm einen ätzenden Tonfall an. Jetzt griff sie
langsam zur Feder. „Wissen Sie, ich bin so wahnsinnig ausgelastet hier und muss
gleich zum Putzen, um mein Diplom als Hausmeister zu bekommen, damit mir nach
Askaban alle Türen offen stehen. Danach werden sich zwei unrasierte,
homosexuelle Fettsäcke mit dem heiligen Abzeichen des Ministeriums an mir
vergreifen, mit dem mehr als überaus begründeten Verdacht, Sie hätten mir
Schmuggelware in den Arsch geschoben, also, wenn Sie sich bitte mit ihrem
Kinderkram beeilen würden, ich habe einen vollen Tag, Doc.“
„Sie denken
also über die Karriere nach Askaban nach?“ Ignorierte sie seine Tirade. Er hob
eine Augenbraue.
„Sie spielen
wieder, dass Sie nur hören, was Sie hören wollen, damit mein Vater Ihnen Ihr
Honorar bezahlt?“ Sie lächelte wieder.
„Mr Malfoy?“, wiederholte sie nachsichtig, und es reizte
ihn, dass sie nicht auf seine Beleidigungen ansprang. Er nutzt seine Worte als
Waffe hier. Worte waren hier eine besonders gute Waffe, denn die meisten
Gefangenen von Askaban waren Worten unterlegen. Da Worte hier aber als einzige
Waffe noch erlaubt waren, bediente sich Draco Malfoy dieser Waffe besonders
gern. Seine Schutzschicht war unglaublich für einen achtzehnjährigen. Sie war
regelrecht ungesund.
Und er hatte
– wie jedes Mal – schlagartig die zwei Probleme aufgedeckt, die sie mit ihm
lösen wollte. Seine Zukunft und seinen Vater. Sie wusste nicht, ob er von dem
Verfahren seines Vaters wusste.
„Was?“, gab
er angriffslustig zurück.
„Sie werden
sich der Verantwortung stellen müssen.“
„Der
Verantwortung stellen? Was verfluchte Scheiße soll bitte meine Verantwortung
sein? Mich mit Stöcken und Steinen und Todesflüchen durch die Winkelgasse jagen
zu lassen, wenn erklärt wird, dass alle Todesser vogelfrei umzubringen sind?“
Sie notierte sich erneut das Hauptproblem.
„Sie sind
kein Todesser, Mr Malfoy“, erklärte sie – wie jedes
Mal.
„Ach nein?“
Er lehnte sich fast komplett über den Tisch. Seine Augen waren kalt, kannten
keine Sympathie für niemanden, und die Gefahr, einen Patienten zu verlieren,
weil er kein Einfühlungsvermögen, kein Mitleid und keine Toleranz für etwas
anderes als seine Auffassung besaß, war eine häufige Gefahr. „Ich glaube,
hunderte von Leuten sind einer anderen Ansicht, Doc.“
„Sie auch,
nehme ich an“, fuhr sie fort, ohne ihn anzusehen.
„Wissen
Sie…“, begann er lächelnd, und sie wartete ruhig ab. „Das Mal wird schöner, jedes
Mal, wenn ich es betrachte. Immerhin erinnert es mich daran, dass ich etwas
Besseres bin als der Rest.“ Sie notierte sich seine Worte. „Na, bringt mir das
fünfzehn weitere Sitzungen bei Ihnen und Ihrem Wunderprogramm, was nach einem
halben Jahr noch keine Heilung gebracht hat, Doc?“ Sie legte die Feder zur
Seite. Seine Stimme war bösartig, sein Lächeln ebenfalls.
„Sie haben…“
Aber sie unterbrach sich selbst. Er wog sich in Sicherheit. Sie spürte es. Er
hatte sein Territorium abgesteckt und ließ sie nicht weiter vordringen, als die
wenigen Zentimeter, die sie bewältigt hatte. Ihn jetzt nach dem Suizidversuch
zu fragen, wäre… unklug. Sie würde ihn Fragen. Sie würde es später tun. Und sie
würde die Wachen gehörig zusammenfalten! Teilweise zeigte sich die Schizophrenie
deutlicher. Seine Masken passten nicht alle zusammen. Seine Fassaden machten
nicht immer Sinn. Es war sein zweiter Selbstmordversuch. Bei seinem letzten
Versuch hatte er alle Tabletten geschluckt, die er vom Heiler verschrieben
bekommen hatte. Die Wachen haben ihn glücklicherweise entdeckt, ehe er an
seinem Erbrochenen erstickt war.
Und seine
Augen betrachteten sie, lauerten fast darauf, dass sie die nächsten Worte sagen
würde. Denn zur Sprache zu bringen, dass er versucht hatte sich umzubringen,
wohingegen er doch stets behauptete, überlegen und zufrieden zu sein, stellte
seinen Geist vor ein Problem. Vor ein Problem, was typischerweise bei labilen
Patienten durch Wut und Verdrängung gelöst wurde. Bei Patienten wie Draco
Malfoy… war es letztes Mal durch einen orkanartigen Zornesanfall gelöst worden,
dass sie ihn mit ihrem Zauberstab bedrohen musste, die Wachen ihn hatten holen
müssen, und sie das nächste Treffen um eine Woche nach hinten verlegt hatte. Es
wäre einfach unklug. Für gewöhnlich würde sie keine Schonbehandlung dulden.
Aber für gewöhnlich saßen ihre Patienten auch nicht in Askaban. Natürlich, im
Sinne ihrer neuesten Studien waren einige Patienten Gefangene hier, allerdings
war keiner vergleichbar mit diesem Exemplar, was sie vor sich hatte.
Sein
Bewusstsein brachte sie nicht weiter. Heute nicht.
„Bitte,
legen Sie sich hin, Mr Malfoy.“
„Oh nein!“,
entgegnete er mit gespielter Panik. „Die Hypnose! Bloß nicht, alles, nur nicht
das! Was werden Sie nur sehen? Den Wunsch, meine eigene Mutter zu
vergewaltigen, meinen Vater umzubringen? Hauselfen aufzutürmen und ein hübsches
Feuer zu machen?“ Er hob spöttisch eine Augenbraue. „Aber nein…“, fuhr er
ruhiger fort, bevor er zur Besuchercouch ging, und es sich demonstrativ bequem
machte, während er die Arme gähnend hinter dem Kopf verschränkte. „Sie
spezialisieren sich auf Schlammblüter. Dreckige, kleine Schlammblüter. Ich kann
Ihnen meine Gedanken auch einfach offen darlegen, Doc. Alle schmutzigen,
pervertierenden Worte, die Ihnen mein Unterbewusstsein gleich ausspucken wird.“
Sie wartete, während sich ihr Kiefer anspannte.
„Wieso ist
das Ihr Spezialgebiet? Ich weiß, ich frage jedes Mal, aber… Sie sind doch ein Reinblut, nicht wahr? Ich glaube kaum, dass meine Familie
etwas anderes für qualifiziert hält, aber… sind Sie wirklich zu schlecht für
etwas anderes als Schlammblüter-Liebe gewesen?“ Sie sah ihn an, studierte seine
Mimik, seine offenkundige Feindseligkeit. Hinter seine Fassade zu kommen war
ähnlich schwer, wie die dunkle Seite des Mondes mit bloßem Auge zu ergründen.
Und es war Angst. Viele ihrer Patienten besaßen diese Angst. Und sie gab alle
Schuld den Eltern. Dem Umgang im Elternhaus, der beeinflussenden Beziehung zu
seinem Vater. Sie beschloss, dem jungen Malfoy nichts von dem Verfahren zu
erzählen.
Es würde
seiner Heilung nichts Gutes tun.
Seine Worte
waren sehr leicht zu ignorieren. Für ihn bedeuteten sie nichts. Er machte sich
die Fähigkeit zu Eigen, Menschen durch seine Worte
verletzen zu können. Er machte sich sein Aussehen zu Eigen,
Menschen zu manipulieren. Er versuchte es bei ihr, aber sie kannte sich mit ihm
aus. Was nicht so leicht zu ignorieren war, war seine kognitive Omniszienz. Denn, er befand sich in Askaban. Er saß eine
Haftstrafe ab, die für jemanden seines Alters unmenschlich war, egal, was sein
kranker Kopf ihm vorschlug zu tun. Er versuchte sich umzubringen. Er ließ sich gehen, ließ sich in Kämpfe
verwickeln, landete bewusstlos im Krankenzimmer des Gefängnisses, und dennoch
hatte er in sechs Monaten nie versagt,
ihre Frage zu beantworten. Und sie fragte ihn jedes Mal.
Und sie
wusste nicht, ob er ahnte, weshalb sie ihn fragte. Ob er Genugtuung dabei
empfand, zu antworten, oder ob es ihn überhaupt nicht interessierte.
„Ehe wir
beginnen, sagen Sie mir bitte, welchen Wochentag wir haben.“ Und sie wartete,
völlig still. Und sie wusste nicht, ob sie wollte, dass er sich irrte.
„Heute ist
Dienstag, der achte April, 2008“, gab er so sicher zurück, als stünde es hinter
ihr an der Wand. Und vielleicht gab es nichts besonderes
an der Tatsache, das Datum zu wissen, aber hier in Askaban… gehörte es mit zur
Strafe, den Gefangenen Tag und Datum zu verweigern. Askaban war zeitlos. Es
sollte die Gefangenen wahnsinnig machen. Sie von der Außenwelt trennen. Aber er
wusste den Tag, das Datum, und würde sie ihn fragen, nahm sie an, er könnte ihr
sogar die Zeit nahezu korrekt benennen.
Und der
einzige Schluss, zu dem sie gekommen war, war, dass Draco Malfoy seine
Mahlzeiten zählte. Jeden Tag. Seit sechs Monaten.
Er war in
seinem Kopf nüchtern genug, um seit einhundertachtzig
Tagen Mahlzeiten zu zählen. Er hatte ihre These nie bestätigt. Autistische Züge
hatten ihre Faszination. Wie Draco Malfoy auf Strafen – selbst zeitlose Strafen
– reagierte war ein einstudiertes Kunstwerk, was sie mit Abscheu und Angst
betrachten konnte.
„Schließen
Sie die Augen.“
Er richtete
sich mit einem dreckigen Grinsen auf und stützte sich auf die Ellenbogen.
„Sagen Sie,
ist das nur Show? Sie ziehen mich heimlich aus, sobald ich weggedämmert bin,
oder? Ich wette-“
„Schließen
Sie die Augen, Mr Malfoy.“ Und ihre Geduld schwand
langsam. Er verdrehte erneut seine Augen. Seine Psyche war schlimmer als sein
waches Bewusstsein, aber sie wusste, wollte sie irgendwas bewirken, musste sie
tief graben, um alle feindlichen Auslöser, die er so tief verankerte hatte, ein
für allemal zu eliminieren.
Sie hob
ihren Zauberstab. Mühelos verschaffte sie sich Zutritt zu seinem Geist. Zuerst
hatte er es ihr verweigert, hatte seinen Geist verschlossen. Aber nach und
nach, nachdem er festgestellt hatte, dass es ihm nichts half, und dass seine
wachen Gedanken genauso waren wie die, wenn er bewusstlos war, war es ihm egal
geworden. Außerdem ließ sie ihn in die Akte sehen. Und sie hatte es vorgezogen,
zu lügen. Sie erzählte ihm nicht die Hälfte der Dinge, die sie sah. Sie schrieb
die Hälfte der Dinge nicht in die Akten, die er einsehen konnte. Es war eine
etwas rabiate Methode, aber er ließ ihr kaum eine Wahl. Solange sie ihm sagte,
sein Zustand sei unverändert, solange wähnte er sich in arroganter Sicherheit.
Er hielt sich für schlimm. Und er war es auch.
Aber sie
hatte ihre These nicht deshalb geschrieben und studiert, damit sie scheiterte.
Er war nicht
der erste Todesser. Sie behandelte zum Wohle der Wissenschaft nun fast
ausschließlich Todesser. Männer, Frauen. Und mit Draco Malfoy hatte sie ihren
jüngsten Patienten.
Sie
beschäftigte sich mit Patienten, die einen so dermaßen starken physischen und
psychischen Abscheu gegenüber Muggeln entwickelt hatten, dass sie es nicht
aushielten, sie um sich zu haben.
Sein Gesicht
entspannte sich. Er befand sich unter starker Hypnose. Er wirkte nicht mehr
halb so böse, und seine Züge wirkten jünger. Er sah wieder aus wie achtzehn.
Wie müde achtzehn Jahre. Seine Fäuste lockerten sich. Er schlief ruhig. Sie
erkannte die Einstichwunden der Gabel in seinem Hals. Die vier winzigen Punkte
waren verblasst. Durch Magie geheilt. Sie hoffte inständig, seine Heilung würde
Fortschritte machen, wäre er erst wieder aus dem Gefängnis entlassen.
Draco Malfoy
war vor einem halben Jahr wegen Auffälligkeiten in ihre Behandlung gekommen.
Seine Mutter hatte still und heimlich mit ihr gesprochen. Ihr Sohn zeige
ausfällige Verhaltensmuster, nannte Narzissa Malfoy
es. Er hatte einen der Hauselfen vergiftet, einen anderen totgeschlagen. Draco
Malfoy hatte mehrere Narben. Durch Flüche, durch Prügel. Seine Akte las sich
wie ein aufreibender Roman, in dem er den Antagonisten in seinem eigenen Leben
spielte.
Draco Malfoy
verehrte seinen Vater. Draco Malfoy verehrte seinen Vater so, wie es noch
keiner ihrer Patienten getan hatte. Was sie in seiner Erinnerung gefunden
hatte, waren Ablehnung, Hass und nichts als Misshandlungen von seinem Vater. Es
war eine typische co-abhängige Konstellation, wie sie
nicht selten vorkam.
Draco Malfoy
war von Voldemort zum Mord an Dumbledore angestiftet und bereits wegen dieser
Versuchen nachträglich freigesprochen worden, weil er minderjährig war und
beeinflusst wurde.
Er war vor
fünf Monaten inhaftiert worden. Betrunken wurde er von den Auroren
aufgegriffen, nachdem er eine Muggel auf der Straße mit dem Imperius
belegt hatte, um sie zu zwingen, von einem Gebäude zu springen.
Das war
natürlich nicht die Geschichte vor dem Ministerium. Den Auroren
hatte er gesagt, er wollte nur nicht, dass sie ihn ansprach oder anfasste. Es
hatte ausgereicht, ihn für ein Jahr nach Askaban zu bringen. Sie hatte, im
Sinne der Heilung, vorgezogen, den Auroren seine
wahren Gedanken nicht nachträglich zu offenbaren.
Er hatte
Berührungsängste. Das bezog sich nicht nur auf Muggel, und sie nahm an, es lag
an den Prügelstrafen, an den vielen Narben auf seinem Rücken und seinem Bauch.
Sie wusste,
sein Vater war gegen die therapeutische Behandlung. Aber sein Vater war nun
nicht mehr in der Lage, die Behandlung zu unterbinden.
Sie kannte
den Ursprung fast aller seiner Narben. Außer einer. Die Narbe über seinem
Bauch. Ganz klar durch einen Fluch verursacht, der über Wochen, wenn nicht
Monate aufrecht erhalten wurde.
Draco
Malfoys Gehirn war ein nervliches Wrack, konditioniert auf Strafe und Schmerz.
Auf Ungehorsam folgte Schmerz. Auf eigenes Denken folgte Schmerz. Auf Zuneigung
oder Liebe folgte Schmerz.
Er bekam
Tabletten verabreicht. Sie wusste, er nahm zumindest eines der Medikamente. Und
nach dem ersten Suizidversuch bekam er die Tabletten auch nur noch unter
Aufsicht und einzeln. Aber sie wusste, er erbrach die meisten von ihnen wieder,
sobald er alleine war. Sie ließ sich regelmäßig magische Untersuchungstests von
Askaban schicken, und sie wiesen keine Spur der verschriebenen Medikationen
auf. Sie würde ihn nicht zwingen, es zuzugeben. Der Prozess der Heilung
beinhielt, dass er es selber wollte. Die Heilung wollte. Das eine Medikament,
was er nahm, linderte die chronischen Schmerzen durch das Mal. Sie kannte das
Phänomen bei einigen Todessern. Es war Schuld. Sein
Gehirn projizierte die Schuld, die er anders nicht zeigen konnte, auf sein Mal.
Es verursachte ihm rein psychische Qualen. Die Medikamente linderten den
Schmerz. So machte es den Anschein. Allerdings betäubten sie nur die Schuld in
seinem Gehirn. Sie legten ein winziges Zentrum in seinem aktiven Nervensystem
lahm, das den Impuls der Schuld weitersandte.
Draco Malfoy
war besessen von Blut. Von Status. Von Vermögen. Er war überzeugt, ein
Reinblüter wäre die mächtigste Kreatur. Er zeigte das Verhalten, was sie
jahrelang studiert hatte. Und er war ein interessantes Forschungsobjekt. Sie
hatte seiner Mutter das Problem deutlich gemacht. Und sie hatte die Gefühle der
Frau nicht geschont, hatte ihr die Schuld daran gegeben, dass ihr Sohn allein
durch sein familiäres Umfeld geworden war, was er jetzt eben war.
Und sie
wusste, es gab zwei Arten von Todessern. Die, die es hatten werden müssen, um
zu überleben. Und die, die es werden wollten. Und nur bei letzteren machte es
Sinn, zu forschen, weshalb es so war. Und die Grundtheorie dazu war leicht.
Aber… das Problem zu lösen, das war der eigentliche Knackpunkt. Das war die
Herausforderung.
Draco Malfoy
war herzlos. Er war wütend. Er war sogar gemeingefährlich. Er war mit siebzehn
Jahren nach Askaban gekommen. Er hatte keinen Respekt vor anderen. Er hatte
keinen Respekt vor sich selbst. Er tötete magische Wesen. Er brachte Muggel
dazu, von Dächern zu springen.
Und
manchmal würde sie ihn lieber stumm
hexen, ins Mungo bringen und ihn in eine Zwangsjacke stecken, damit er sein
Gift nicht weiter verbreiten konnte.
Aber sie
hatte bereits erfolgreiche Heilungen gesehen. Und sie würde es auch dieses Mal
schaffen, dachte sie bitter, während sie Einblick in seinen Geist nahm und
seine Gedanken sie immer zum ersten Ursprungspunkt zurückbrachten. Es war
natürlich nicht der erste Problempunkt seiner Erziehung. Nein, es war der
Punkt, den sein eigener Geist als wichtigsten Punkt bedachte: Draco Malfoys
erster Tag in Hogwarts.
Die größten
Ängste, wenn er wach war, waren seine Zukunft und sein Vater.
Und das
größte Problem seiner unterbewussten Verdrängung erschloss sich ebenfalls in
zwei konstanten Komponenten: Harry Potter und Hermine Granger.
Sie
ertappte sich wieder dabei, wie sie kein Geräusch von sich gab. Wie sie
wartete, lauerte fast. Sie hätte gerne behauptet, der Zauber wäre vorbei. Sie
würde gerne sagen, jetzt, nachdem sie erfahren hatte, dass Draco Malfoy ein
Geheimnis hatte, hätte sich der Fluch gelöst. Aber dem war nicht so. Sie hatte
solche Angst gehabt, nicht zur Arbeit zu erscheinen, dass sie heute extra früh
aufgewacht war. Und sie hatte mehrere Theorien in ihrem Kopf hin und her
gewälzt, ohne zu einem rechten Schluss gekommen zu sein.
Auf ihrer
ewigen Jobsuche war sie vor einiger Zeit im Mungo gelandet. Und Madame Tallis hatte ihr einige Akten von potentiell gefährdeten
Todessern gezeigt. Hass-Kompulsive
nannte Madame Tallis die Gefährdeten. Es war eine Art
von neurotischem Zwangsverhalten, den eigenen Hass, die eigene Inkompetenz, auf
etwas anderes zu übertragen. Etwas, was nicht minder gut geeignet war. Die
Namen waren in den Akten nicht verzeichnet gewesen, aber Hermine hatte es
ausgereicht, die ausgiebigen Foltermethoden zu studieren, ohne, dass sie sehen
musste, welcher Todesser konkret den meisten Spaß dabei empfand, Muggel zu
foltern.
Madame Tallis hatte eine Theorie, die so adäquat wie seltsam war.
Die Muggelgeborenen repräsentierten den Abschaum der
Gesellschaft. Den Schlamm. Und mag es am Anfang lediglich dazu gedient haben,
abschreckend zu wirken, im reinen Sinne der Fortpflanzung, so hatte es sich ins
Dramatische gesteigert. Der Plan war von einem Druiden entworfen worden. Der
Plan des reinen Bluts und dessen Aufstieg. Es waren lediglich biologische
Verbindungen. Die einfache These, dass reines Blut mit reinem Blut eben rein
blieb, reines Blut mit unreinem jedoch die Reinheit verlor, war zuerst einfach
nur eine genetische Erkenntnis geworden.
Es war
ähnlich absurd, zu behaupten, Blutgruppe Null wäre in irgendeiner Art und Weise
Blutgruppe A überlegen….
Die
Theorie, Muggel würden durch das unreine Blut die Fähigkeit zu zaubern
beeinträchtigen, war widerlegt worden. Es ging letztendlich nur noch um
Prestige. Die wahnwitzige Idee, durch Blut eine Art Status festzulegen, eine
Überheblichkeit zu erfinden, artete schließlich aus.
Und es
wurde ein verbaler Dämon erschaffen. Schon lange Zeit vor Voldemort von anderen
wahnsinnigen, dunklen Anführern. Der Muggel wurde zum erklärten Feindbild.
Er wurde
entstellt, gefährlicher gemacht, als er war, und letztendlich glaubten viele
Todesser, der Muggel wäre vom Teufel persönlich auf die Erde geholt worden, um
die magische Bevölkerung zu testen, sie zu bestrafen, und die Prüfung wäre es,
dem Muggel zu widerstehen.
Wie
schon jeher mit verteufelten Randgruppen, kam es immer öfter zu dem Fall, dass
ein Todesser innerlich zerrissen war. Konnte er nicht erkennen, weshalb Muggel
unter seiner Würde sein sollten, oder fand er sogar Gefallen an einer Muggel,
dann setzte eine automatisch psychische Bestrafung ein. Es war verboten, also
richtete sich sämtlicher Zorn gegen den Muggel.
Es war
ein einfaches Konstrukt. Hatte der Todesser ein Problem, was er nicht selber
lösen konnte, wofür er keinen Ausweg hatte, so suchte er sich ein Ventil. Und
Wut war ein wesentlich einfacheres Ventil, als Wahrheit. Es wurde zur
Besessenheit, Muggel zu foltern, sie gefangen zu halten, sie zu bestrafen. Denn
der Todesser wusste sich nicht anders zu helfen. Madame Tallis
hatte sich einen Namen gemacht, nicht nur, weil sie diese These im Tagespropheten veröffentlicht hatte.
Nein, das interessante war, sie bot die Behandlung anonym an. Vom Mungo
getrennt. Mit der Garantie, dass, würde sich ein Patient zur Behandlung entschließen,
würde sie garantieren, dass keine Information jemals an die Öffentlichkeit
gelangte.
Und
natürlich sprach man über diese seltsame Therapie.
Und
Hermine hatte sich Akte um Akte durchgelesen, und sich gefragt, wie man solche
Verrückten behandeln wollte. Wie man sicher sein konnte, dass man jemandem von
einem solch unmenschlichen Hass heilen konnte. Dass sich überhaupt jemand die
Mühe machte, es zu tun. Und sie hatte nicht gewusst, was sie sagen sollte.
Madame Tallis hatte sie gebeten, ein Interview zu geben, darüber
was sie gefühlt hatte, damals auf der Flucht, als sie verfolgt wurden. Sie
hatte ihre Seite wissen wollen, hatte wissen wollen, welchen Eindruck ein
Todesser auf eine Muggel gemacht hatte.
Madame Tallis war Reinblüterin, also war
sie nicht in die Situation geraten, von einem Todesser jemals gefoltert zu
werden. Hermine schon. Aber sie hatte ein Interview abgelehnt.
Sie
kaute auf ihrer Unterlippe, während weitere Gedanken auf sie einströmten.
Und nur
langsam, nahm sie überhaupt wahr, dass er sie ansah.
Sie
spürte, wie ihr Herz einen Satz machte, und sie wieder in die Realität
zurückkam.
Langsam
hob sich seine linke Augenbraue in die Höhe.
Und sie
nahm an, es gab einfach Männer, die puren Sex ausstrahlten. Wenn sie sprachen,
wenn sie schwiegen, wenn sie einen ansahen, wenn sie ihre Augenbrauen hoben….
„Ja?“,
erkundigte er sich mit gewöhnlicher Stimme. Sie erkannte ihn nicht! Verdammt
noch mal, sie erkannte ihn nicht! Und sie suchte. Sie suchte, seit sie heute
Morgen sein Büro betreten hatte! Wenn er zu den Wahnsinnigen gehörte, die
Muggel nur zu gerne folterten und ihnen Schmerzen zufügten, wieso hatte er sie
eingestellt? War sie seine Therapie? War es ein Vorschlag von Madama Tallis gewesen, dass er es
versuchte?
Diente
sie als sein persönliches Nikotinpflaster, was er sich gönnte, wenn er das
Gefühl verspürte, sein Zorn ging mit ihm durch? Wieso sah sie es ihm nicht an?
Sie
wusste, er hatte sie in der Schule beleidigt, sie wusste das. Sie wusste, er
hatte sie Schlammblut genannt, öfter als jeder andere. Sie wusste auch das.
Aber
jetzt? Jetzt saß er vor ihr, in seinem teuren Ledersessel. In seinem
schneeweißen zugeknöpften Hemd mit dem gestärkten Kragen, in dem dunkelblauen
Jackett, was im Licht leicht schimmerte – und… ihr ging auf, er hatte etwas
gesagt. Was hatte er gesagt? Die Akte sank in seiner Hand. Er hatte ihre
Aufzeichnungen stumm gelesen, und langsam grub sich eine Falte in seine glatte,
junge Stirn. Er sah nicht aus wie ein Wahnsinniger! Wieso nicht? Was tat sie
hier? War sie in Gefahr, dass sie hier war?
Er war
in Behandlung! Und war es möglich, dass er wegen einer völlig anderen Sache bei
Madame Tallis war? Konnte er einfach ein ehemaliger
Todesser sein, der… einfach nur in Behandlung war? Einfach nur wegen…
Schlaflosigkeit? Vielleicht wegen… Bindungsängsten? Etwas weniger drastischem
als… Muggelfolterei?
Sie
schluckte, denn ihre Kehle war sehr trocken. Und… verflixt! Er legte die
Aufzeichnungen nieder. Sie musste sich konzentrieren!
„Gibt es
einen besonderen Grund, weshalb Sie mich seit fünf Minuten anstarren?“, fragte
er jetzt höchst interessiert, und sie hoffte, ihr Makeup verdeckte die Röte in
ihren Wangen. Und sie konnte dennoch nicht anders, als jede Sekunde mit einem
Ausbruch zu rechnen, einer Peitsche, einem Fluch, egal! Immerhin schien er
nicht mehr grundlos einfach nur zornig zu sein.
„Nein“,
antwortete sie also und versuchte den Blick unverfänglich im Raum schweben zu
lassen.
„Sagen
Sie, was machen Sie Freitag?“ Er holte sie kurz aus ihrer endlosen
Frageschleife in ihrem eigenen Kopf.
„Freitag? Freitag, diesen Freitag oder…?“
„Ja,
diesen Freitag.“
Bat er
sie um ein Date? War es das? Bat er sie aus? Wollte er ihr dann erzählen,
weswegen er sie eingestellt hatte? Sollte sie ein Therapieerfolg sein? Würde
sie ein kurzes Kleid anziehen, weil sie unterbewusst hoffte, dass er sie küssen
würde? Sie schloss die Augen, um ihr flatterndes Herz zu beruhigen. Er fragte
sie bestimmt, damit sie ja sagen würde, mit ihm essen zu gehen! Er hatte sie
eingestellt, weil er Muggel mochte. Weil er sie anziehend fand. Sie befeuchtete
ihre Lippen unbewusst mit ihrer Zunge. All ihre Ängste wurden erstaunlich
klein, bei der Aussicht, dass Draco Malfoy sie fragte, ob sie mit ihm Freitag
ausgehen wollen würde!
„Ja,
sehr gerne!“, hauchte sie, und seine Stirn runzelte sich plötzlich. Und sie
begriff, dass war keine Antwort auf die Frage, die er gestellt hatte. Sie
räusperte sich, um ihre Verlegenheit zu überspielen. „Ich meine, ich… mache gar
nichts. Für gewöhnlich mache ich nichts. Also… zumindest nicht… an diesem…“ Sie
verteufelte sich innerlich. Merlin, was redete sie für einen Unsinn?!
„Ah…“
entgegnete er mit einem beinahe spöttischen Grinsen. „Dann würden Sie mich also
begleiten?“ Begleiten? Zum Essen? Zum Date? Zur romantischen Mondfahrt auf
seiner Yacht auf der Themse? Ja, würde sie! Sie war wieder einmal ein
Einzeller. Ein ziemlich dummer.
„Begleiten,
ich… ja.“ In ihrem Kopf hörte sie Geigen, schmeckte fast schon den
italienischen, sündhaft teuren Rotwein, und sie hasste ihren Körper, der sie
schamlos auslieferte an einen Todesser in Behandlung….
„Es ist
zwar nur eine kleine Veranstaltung, aber bisher bin ich immer alleine
erschienen, aber sie kennen ja alle Weasleys. Also dürfte es für Sie nicht
weiter von Bedeutung sein.“ Seine Augen senkten sich wieder auf ihre
Aufzeichnungen.
Stopp.
Was?! Die romantische Musik in ihrem Kopf brach jäh, mit reißenden Saiten, ab.
„Ahem, Mr Malfoy… ich… Weasleys?“, stellte sie völlig verblüfft
ihre Frage, und er nickte, bevor er aufsah und umblätterte.
„Ja, die
Weasleys. Percy Weasley bekommt vom Ministerium eine Ehrung verliehen für den
neuesten Entwurf der Richtlinie der geeigneten Zauberstablänge. Sie schlagen
vor, dass ich ein ganzes Essen hier mit diesem Unternehmen verbringe?“, fügte
er mit gerunzelter Stirn im Bezug auf ihre Notizen
hinzu, aber sie hörte gar nicht hin.
Percys
Ehrung, oh nein! Nein! Das meinte er? Davon sprach er? Das
war das Date zu dem er sie bat? Und ihr wurde klar, er hatte sie um gar kein
Date gebeten. Es war keine Verabredung. Sie musste sich nicht darum sorgen, was
sie anhatte, denn wahrscheinlich war es ihm völlig egal, würde sie im Catsuite oder im Kartoffelsack erscheinen! Merlin, Hermine!
„Oh“,
erwiderte sie.
„Wir
können uns um sechs in der Ministeriumhalle treffen“, schlug er vor, und es
klang immer weniger wie eine Verabredung. Er hob die Augen zu ihrem Gesicht.
Sie waren grau. Sie sahen sie wartend an. Und jetzt kam sie zum nächsten
Problem.
„Ich…
kann nicht.“ Und die Falten auf seiner schönen Stirn vertieften sich. Sie
konnte nicht, weil sie Molly schon zugesagt hatte. Oder vielleicht… konnte sie.
Wie er sie ansah. Merlin!
„Ich
würde es Ihnen natürlich als Arbeitszeit berechnen, Miss Granger. Sie müssen
Ihre Freizeit nicht für mich opfern“, führte er freundlicher aus. Sie zögerte.
Wie sollte sie schaffen, mit Molly und den anderen da zu sein und gleichzeitig
als Malfoys Assistentin? Und wie hoch waren die Chancen, dass es niemand
herausfand?
Dann
klärte sich sein Blick sehr plötzlich.
„Sie
wollen nicht mit mir dorthin,
richtig?“, erkundigte er sich ernster, und sie schüttelte sofort den Kopf.
„Ich,
nein, das ist es nicht, ich-“
„Ich
verstehe schon.“ Sein Blick senkte sich wieder. Sie biss sich auf die
Unterlippe und fühlte sich nicht wohl.
„Niemand
weiß, dass ich für Sie arbeite“, verkündete sie nun kleinlaut. Sein Blick nahm
wieder ein wachsames Interesse an, als er sie wieder ansah. Und das war also
die Wahrheit. Na ja… sie hatte noch nicht viel weiter gedacht, als bis zu
diesem Satz. Und es war dumm von ihr.
„Warum
nicht? Ist der Job so eine Qual?“, wollte er wissen, und fast hoben sich seine
Mundwinkel zu einem Lächeln. Dann jedoch atmete er aus, und ehe sie antworten
konnte, hatte er sich erhoben. „Nein, ich bin so eine Qual, habe ich
recht? Deshalb würden Sie es nicht erzählen?“ Und wieder schüttelte sie nur den
Kopf. Sie wusste nicht, wie er es wirklich aufnahm, aber manchmal hatte sie das
Gefühl, sie erreichte nur zu schnell seine Grenzen.
„Nein,
nein!“, war das einzige, was sie erst mal sagen konnte, denn mehr unbewusst,
als wirklich bewusst, war sie vor ihm zurückgewichen. Er quittierte ihre
Reaktion mit dem verengen seiner grauen Augen. Sie rang sich ein knappes Lachen
ab. „Natürlich nicht. Ich…“ Er stützte seine Hände abwartend auf der
Schreibtischplatte ab, überragte sie jetzt, und sie spürte wieder ihren
gesamten Körper als unförmigen Klumpen, der nicht zu gebrauchen war, wenn er
sie mit seinem hypnotisierenden Blick durchleuchtete.
Was er
wohl dachte? Was er wohl wirklich
dachte? Oder irrte sie sich komplett?
„Gut,
dann…“, schloss er, die Stimme merklich kühler als zuvor.
„Wir
treffen uns um sechs“, lenkte sie schnell ein und nickte heftig zur
Bestätigung. Er atmete aus, schien weiter diskutieren zu wollen, aber sein
Blick verfing sich auf seinem Kalender.
„Na gut.
Wir müssen nicht weiter diskutieren. Ich habe einen Termin.“ Ihr Blick glitt
automatisch zur großen Standuhr. Viertel vor zwei. Viertel vor zwei! Sein
Termin. Er hinterfragte nicht, wer ihn gemacht hatte, wer ihn aufgeschrieben
hatte. Hatte er nicht wenigstens ein bisschen Angst davor, dass sie wissen
könnte, was er tat? Dass Madame Tallis bestimmt nicht
unbekannt war? Nicht einmal für sie?
„Aber
Sie wollen noch etwas sagen?“ Sie erschrak wieder. Sie hatte ihn wieder
angesehen. Unverwandt. „Ist irgendwas mit meinem Gesicht?“ Er fuhr sich
präventiv über die Wange, aber sie schüttelte nur wieder den Kopf. Nein. Sein
Gesicht war perfekt. Sie hätte sich selber eine Ohrfeige verpassen können,
dafür, dass sie das dachte. Er konnte schließlich nicht perfekt sein. Sollte
sie es ihm sagen? Fühlte sie sich so unwohl, dass sie ihn unbedingt fragen
musste? Er hatte keine Andeutungen gemacht, hatte sie nicht beleidigt, und
eigentlich ging es sie nichts an! Aber wenn sie schon seine Termine machen
musste, dann… es müsste sie etwas angehen! Wenn… sie Teil seines Plans war,
natürlich nur. Merlin! Sie schloss verzweifelt die Augen.
„Wann
sind Sie wieder da?“, krächzte sie, seine Fragen ignorierend, und er warf
erneut einen Blick auf die Uhr. Er umrundete den Schreibtisch, und sie
widerstand dem Drang, vor ihm zurückzuweichen. Er zog seinen dunklen Mantel
über und schlug den Kragen hoch.
„In
ungefähr einer Stunde“, gab er achselzuckend zurück, während er sie immer noch
skeptisch bedachte.
„Nur
eine Stunde sind Sie weg?“, entfuhr es ihr überrascht, denn sie dachte,
Therapiesitzungen dauerten länger. Jetzt wirkte er misstrauisch. Sie biss sich
auf die Zunge. Halt doch deinen Mund,
Hermine! Frag ihn doch gleich, ob er schon mal wen gefoltert hat! Merlin!
„Nur?“, wiederholte er spöttisch. „Bin
ich Ihnen lästig?“ Aber sein Lächeln war zu durchschauen. Er hielt sie für
merkwürdig, sie sah es ihm an.
„Nein“,
flüsterte sie resignierend. Das war ja wunderbar gelaufen. Sie sah ihm wieder
ins Gesicht. Und er schien ihre Züge zu studieren. Die Frage stand ihm deutlich
ins Gesicht geschrieben: Was war los mit ihr?
Sie
konnte es ihm nicht beantworten. Sie konnte nicht! Dann riss er sich von ihrem
Anblick los.
„Bis
später“, verabschiedete er sich von ihr, ohne sich noch einmal umzudrehen. Als
er die Tür geschlossen hatte, schlug sie sich zornig die Hände vors Gesicht.
„Merlin,
du bist eine dumme Gans!“, schalt sie sich, fuhr sich durch die Haare und
wusste, viel mehr Misstrauen konnte sie wohl kaum erregen. Es war ihm völlig
egal gewesen, wer den Termin notiert hatte. Vielleicht ging er einfach zu
Madame Tallis, weil er… ein Sponsor war! Das könnte
es sein! Vielleicht war er überhaupt kein Patient! Er kam ihr nicht einmal wie
ein Patient vor! Und wie hoch waren die Chancen, dass er ihr lediglich Gold
bezahlte, damit sie gerade eben ernsthaft kranken Todessern helfen konnte? Sein
eigener Vater war schließlich in Askaban!
Draco
Malfoy wirkte normal. Völlig fähig und erfahren. Ein Geschäftsmann. Nüchtern
und berechnend. Nicht wie ein wahnsinniger Todesser! Nein.
Sie
atmete aus und spürte, wie sie sich das erste Mal nach endlosen Stunden
entspannte.
Bevor
sie sich völlig beruhigt hatte, öffnete sich die Tür, ohne dass jemand klopfte.
Sie zuckte zusammen, aber sie fing sich schnell.
Als wäre
sie nichts weiter als Luft, sah sich Pansy Parkinson gereizt um.
„Wo ist
er?“, fragte sie, ohne sie weiter zur Kenntnis zu nehmen. Hermine betrachtete
die hohen roten Schuhe, den röhrenartigen, hoch geschnittenen schwarzen Rock
und die weiße Bluse. Mit der Hand richtete sich Pansy die strenge, schwarze
Frisur, und Hermine erkannte den knallroten Nagellack auf ihren Fingern. Ihr
Lippenstift war ebenfalls rot wie Feuer.
„Wer?“,
erwiderte Hermine in genauso arroganter Unhöflichkeit. Pansy schenkte ihr ein
nachsichtiges Lächeln. Sie konnte als eine moderne Form von Schneewittchen
durchgehen, überlegte Hermine. Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz, die Lippen,
rot wie Blut. Ihre Haut weiß wie Schnee. Aber… dann wiederum war Schneewittchen
nett, lebte mit sieben Zwergen unter einem Dach, und kleine Vögel halfen ihr
morgens beim Anziehen. Bei Pansy konnte sich Hermine nur vorstellen, dass sie
kleine Vögel morgens verspeiste, würden diese es wagen, sie in die enge, teure
Pariser-Mode zu zwängen.
„Ich
bitte dich“, erwiderte sie mit erhobener, gezupfter Augenbraue. Pansy strahlte
etwas aus, das Hermine nicht näher ergründen wollte. Pansys
Augen waren dunkel und bewerteten Hermines Erscheinung in weniger als zwei
Sekunde. Aber Hermine hatte nicht vor, noch einmal nachzugeben. Sie war kein
sabbernder Einzeller. Nicht gegenüber Pansy Parkinson. „Du bist zwar seine
Tippse, aber dumm warst du doch nie.“ Pansy schritt abschätzend durch das Büro.
„Hatten
Sie einen Termin?“ Hermine kannte sich mit Regeln aus. Und diese Regeln würde
Pansy auch befolgen müssen.
„Oh, wir
siezen uns also? Na gut, ich spiele euer krankes Spiel“, lachte Pansy jetzt. „Miss Granger, ich war mit Mr Malfoy verabredet. Um zwei Uhr“, gab
sie mit zuckersüß giftiger Stimme zurück. Wieso war der Termin mit Pansy nicht
in seinem Kalender eingetragen gewesen, überlegte sie sofort, und konnte nur
annehmen, dass es kein berufliches Treffen war. Weswegen traf er sich mit
Pansy? Hatte er… hatten sie…? Nein! Sie spürte einen eigenartigen Stich im
Innern. Nein, sie wäre niemals eifersüchtig auf Pansy Parkinson! So weit käme
es noch!
„Mr Malfoy ist nicht hier“, gab sie also mit bemühter
Gleichgültigkeit zurück, während sie die Akten auf dem Schreibtisch in strenger
Ordnung zusammen schob. Pansy bedachte sie mit einem leicht amüsierten Blick.
„Und wo
ist Mr Malfoy, wenn ich fragen darf?“
„Das ist
keine Information, die Sie etwas angeht.“ Pansys
getäuschte gute Laune verschwand.
„Ich
hatte einen Termin, und ich werde nicht gehen, bis du mir nicht gesagt hast, wo
er ist!“ Und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.
„Dann
muss ich Sie bitten, draußen zu warten.“ Sie deutete lächelnd mit der Hand
zurück auf die Tür. Pansy schenkte ihr einen bösen Blick. Dann schüttelte sie
leicht den Kopf.
„Warum
bist du hier?“, fragte Pansy jetzt, mit ungläubig angedeuteten Falten auf der
erstaunlich glatten Stirn. Hermine fragte sich plötzlich, ob Pansy bereits
magisch behandelt war. Vorstellen könnte sie es sich. Das würde dann eher gegen
die Schneewittchen-These sprechen, sondern die Rolle der bösen Königin
bestätigen. „Was will er mit dir?“
Zuerst
hatte sie gedacht, einen Therapieerfolg bewerkstelligen, aber jetzt wusste sie,
er hatte sie wegen ihres Könnens angeworben. Und… eigentlich war sie befähigt,
alle seine Klienten zu betreuen.
„Sagen
Sie mir, um was es geht, dann kann ich Ihnen helfen.“
„Du?“, wiederholte Pansy lächelnd. „Nein,
danke.“
„Geht es
um Gold?“ Sie wusste, Pansys Vater saß ebenfalls im
Gefängnis. „Hatten Sie einen Deal mit Mr Malfoy, dass
dieser Ihren Vater aus dem Gefängnis freikauft?“, wollte Hermine so trocken
wissen, als sprächen sie über die derzeitigen magischen Aktienkurse. Pansys Arroganz verschwand aus ihrem Gesicht.
„Granger,
ich würde es mir nicht erlauben, so mit mir zu sprechen, hast du verstanden?“
Und Hermine fragte sich plötzlich, ob vielleicht Pansy so eine Therapie
benötigte. „Du sagst mir, wo Draco ist. Oder ich werde dich zwingen.“
„Mit
was? Gewalt?“, wollte Hermine spöttisch wissen, aber Pansy betrachtete sie mit
Verachtung.
„Was
will er mit dir? Was tust du hier überhaupt?“, fragte sie leise, als sie
schließlich näher kam, lautlos auf ihren endlos hohen Schuhen. Sie überragte
Hermine um einen halben Kopf, Sie sah eindrucksvoll aus, Hermine gab es zu.
Gefährlich, bösartig, aber eindrucksvoll. Ihr Duft war exquisit und traf
Hermines Nase. Vielleicht etwas zu süß für ihren Geschmack.
„Wenn
Sie mir nicht sagen wollen, was Sie möchten, dann bitte ich sie erneut, das
Gebäude zu verlassen.“ Pansy
verschränkte reichlich unbeeindruckt die Arme vor der Brust, während sie
Hermine weiterhin musterte.
„Arme
Granger…“, sagte Pansy plötzlich, mit beinahe glaubhaft echtem Bedauern. „Arme,
arme Granger. Bist du in ihn verliebt?“ Hermine verzog angewidert den Mund, auf
Grund Pansys unerträglicher Nähe.
„Raus
hier oder ich rufe den Wachdienst!“, drohte sie jetzt zähneknirschend. Und
Pansy lächelte wieder.
„Gib ihm
das hier. Und nicht auspacken“, fügte
sie mit ätzender Kleinkinderstimme hinzu, als sie ein schlichtes weißes
Päckchen auf den glatten Schreibtisch legte. „Sag ihm, ich lasse mich nicht
noch ein weiteres Mal von ihm versetzen. Und… viel Spaß noch“, fügte sie mit
einem feinen, vielsagenden Grinsen hinzu. Hermine beobachtete mit Abscheu, wie
Pansy endlich verschwand. Ihre Hände zitterten vor Wut.
Dann
fiel ihr Blick auf das Päckchen. Es war flach, rechteckig und gab nichts preis.
Es war so groß wie ihre Hand und konnte alles sein. Sie atmete zornig aus.
Malfoy hatte sie gebeten für eine Gesellschaft die Formulare zur Übernahme
bereit zu machen, nachdem sie vorgeschlagen hatte, sich persönlich mit dem
Unternehmen für Hochsiedekessel auseinander zu setzen, weil man Klienten immer
besser persönlich gewann, als mit einem unpersönlichen Vertreter.
Aber
schon hatte sie sich dagegen entschieden und öffnete mit fahrigen Fingern das
Paket. Sie zog die weiße Lasche hervor und lugte ins Innere. Darin befand sich
nur ein Flakon. Sie nahm ihn mit spitzen
Fingern heraus. Die Flüssigkeit war klar. Der Flakon trug die Beschriftung Turbatikum. Sie
versuchte, sich das Wort abzuleiten, aber sie kam nicht drauf.
Was war
das? Und wieso hatte es Pansy? War es seins? War es ein Medikament? Was war es?
Sie steckte es wieder zurück in das Paket und schob die Lasche zurück.
War das
nicht ein bisschen zu einfach? Sollte es wirklich ein Medikament sein? Sie
bezweifelte es. Es könnte alles Mögliche sein. Es könnte nicht mal seins sein!
Sie
führte sich kindisch auf. Sie sah Gespenster, wo keine waren. So einfach war
es.
Und sie
war nicht verliebt. Pansy war diejenige, die ihr ziemlich eifersüchtig vorkam!
Sie spürte wieder Hitze in ihren Wangen. Sie musste… ihren Freunden sagen, dass
sie für Draco Malfoy arbeitete.
Heute
Abend. Sie würde einen direkten Weg finden. Es war immer besser, komplett
ehrlich zu sein, als dumme Geheimnisse aufrecht zu erhalten! Immer!
~*~
Sie sah
sich fast panisch um. Molly hatte sie alle gezwungen, um halb sechs anwesend zu
sein. Ron gähnte herzhaft. George stieß ihn in die Seite und deutete auf eine
Reihe an jungen Frauen, die anscheinend zu irgendeiner Abteilung hier gehörten.
„Merlin,
vielleicht ist es doch nicht so furchtbar langweilig“, murmelte George, während
er einer hübschen Blondine ein Zwinkern schenkte. Diese wandte sich sofort ab.
Hermine
unterdrückte ein Lächeln.
„Jaah. Wenn wir nur nicht Percy zuhören müssten! Wo ist
Harry?“ Ron war nur ein halber Mensch, ohne seinen besten Freund. Hermine
wusste das.
„Noch
nicht da“, erklärte sie, während sie es als Entschuldigung nutzte, sich hastig
umzusehen. Sie hatte es irgendwie nicht direkt geschafft, den Weasleys zu
beichten, dass sie für Draco Malfoy arbeitete. Nicht direkt, nein. Arthur kam
zu ihnen geeilt. Er trug einen braunen Cordanzug, der schon wesentlich bessere
Tage gesehen haben musste, nahm Hermine an. Aber er sah einfach viel zu freundlich
aus, als dass sie gewagt hätte, eine entsprechende Bemerkung zu machen.
Und
während sie ihre Freunde betrachtete, vermisste sie bereits sein Gesicht. Sie
konnte das Gefühl nicht genau bestimmen, aber er war so unglaublich schön, dass
es ihr tatsächlich physische Schmerzen bereitete, ihn nicht zusehen.
Und sie
sah eine Rettung für diesen Abend! Ein Tablett mit Champagner schwebte an ihnen
vorbei, und Hermine griff sich sofort ein Glas. Ron betrachtete sie neidisch.
Er hatte George versprochen, er würde heute nicht trinken, damit sie
Seit-an-Seit apparieren konnten, nachdem Ron beim
Zauberstein verloren hatte, was diese beiden Kindsköpfe nur gespielt hatten, um
fair zu entscheiden, wer heute trinken durfte.
„Du hast
dich mächtig schick gemacht, dafür, dass Percy über Kessel spricht“, meckerte
Ron jetzt und zog seinen Anzug gerade, der ihm eine Winzigkeit zu kurz saß.
Weasleys hatten es nicht so mit Anzügen, stellte sie amüsiert fest, während sie
einen erlösenden ersten Schluck trank.
„Zauberstäbe“,
berichtete sie Ron automatisch.
„Was auch immer. Du bist zu schick. Oder willst du… daten?“ Er betonte das Wort, wie
etwas Verwerfliches. Sie ignorierte seinen Seitenhieb. Es war Jahre her, dass
sie selbst gedatet hatten, und sie würde sich mit Ron
nicht über ihre Abendgarderobe streiten, die, wenn man für Draco Malfoy
arbeitete, wahrscheinlich gerade mal angemessen war.
„Miss
Granger?“ Sie erschrak sehr über Witherbys plötzliche
Anwesenheit. „Würden Sie-“
„Ja,
natürlich. Ich erzähle Ihnen gerne von der Flucht!“, sagte sie übertrieben
fröhlich, und Ron sah sie verwirrt an. „Ein Fan“, fügte sie sehr leise hinzu,
damit er verstand, und er schüttelte verwirrt den Kopf. Sie zuckte die Achseln
und zog Witherby mit sich.
„Ist…
alles in Ordnung?“, erkundigte sich dieser, und sie nickte, während sie hastig
ihr Glas leerte.
„Alles
bestens. Wirklich. Ist er schon da?“
„Nein,
nein. Er kommt später. Er wurde aufgehalten. Ich habe gehört, Miss Parkinson
hat Sie gestern… angetroffen?“, fügte
er mit einem mitleidigen Blick hinzu. Und Hermine nickte. Anscheinend konnte
keiner Pansy leiden, und sie mochte Witherby gleich
umso mehr. Sie überlegte, ob sie ihn nicht einfach fragen könnte, ob Malfoy in
Therapie war oder tatsächlich nur die Praxis mit Gold unterstützte, weil er
sich für ehemalige Todesser einsetzen wollte. Aber… sie sah davon ab. Für
heute.
„Ja“,
erwiderte sie also knapp.
„Eine…
spezielle Person“, entgegnete er mit vielsagendem Blick.
„Da
haben Sie Recht, Witherby.“
„Also,
ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass er wohl gerade erst pünktlich zur Rede
erscheint. Nicht, dass Sie hier warten“, ergänzte er, und sie nickte lächelnd.
Als ob sie wie ein verlorener Hund in der Eingangshalle warten würde. „Dann bis
später, Miss Granger!“, verabschiedete er sich, und wieder erschrak sie, als
jemand ihr den Arm um die Schulter legte.
„Was für ein Fang. Etwas schütteres Haar, und vielleicht… ein bis zwölf Jahre
zu alt für dich, oder?“, erkundigte sich Harry grinsend, und sie atmete langsam
aus.
„Dein bester Freund wartet schon auf dich“, informierte sie ihn kühl.
„Oh! Und
meine beste Freundin nicht?“ Er zog einen Schmollmund, der nur zu schnell zum
Grinsen wurde. Aber als sie das Lächeln erwiderte, spürte sie den unangenehmen
Nachgeschmack des schlechten Gewissens in ihrem Bauch brodeln.
War
jetzt der richtige Zeitpunkt, es ihm zu sagen? Wahrscheinlich… nicht.
„Hermine!
Du hast dich so selten gemacht, diese Woche!“, beschwerte sich Ginny jetzt, die
sich ebenfalls neben sie stellte. „Bist du noch sauer auf mich?“
„Nein,
nein“, erklärte Hermine hastig.
„Lavender
kommt auch“, fügte Ginny grimmig hinzu. Hermine warf einen Blick hinüber zu
Ron, der begonnen hatte, Champagner zu trinken. Anscheinend musste Lavender
nüchtern bleiben. Sie mochte Lavender nicht. Sie hoffte, sie käme zu spät oder gar nicht und Ron müsste im Ministerium
schlafen.
„Noch
einen Champagner? Kann ich dir zusehen? Ich hasse diese Sache mit dem Alkohol“,
meckerte Ginny jetzt.
„Die
Sache, dass du nicht trinken darfst, wenn du schwanger bist?“, vergewisserte
sich Harry nachsichtig, und Ginny schenkte ihm einen bitterbösen Blick.
Harry
verzog sich, nachdem er ihr einen Handkuss zugeworfen hatte.
„Männer“,
stieß Ginny verächtlich aus. „Bringen uns in so eine Lage und amüsieren sich
dann wie Könige. Wieso siehst du eigentlich so gut aus?“, wechselte sie so
schnell das Thema, wie nur Ginny es konnte. Hermine fühlte sich ertappt und
blickte an dem schwarzen kurzen Kleid hinab. „Wen willst du beeindrucken?
Percys Kesselgesellschaft?“
„Zauberstäbe“,
korrigierte sie auch Ginny. „Und nein, ich will niemanden beeindrucken, danke
sehr. Ich sehe für mich selber schick aus.“ Voller Neid betrachtete Ginny ihre
hohen Schuhe.
„Ich werde in zehn Jahren solche Schuhe nicht mehr anziehen können! Ich hasse Harry!“,
knurrte sie und warf einen überaus zornigen Blick in Richtung der Jungen. Ihr
Bauch war wunderschön gewölbt, und das Kleid, das sie trug, brachte ihre
Schwangerschaft anmutig zur Geltung. Sie sah einfach hinreißend aus, fand
Hermine. Aber… natürlich sah es Ginny etwas anders.
„Wo ist
eigentlich deine Mutter, die uns gezwungen hat, hier zu sein?“
„Vielleicht
hat sie sich abgesetzt?“, mutmaßte Ginny. „Hat das Haus dann endlich für sich.
Ganz allein. Ohne die Meute an einem Freitagabend. So würde ich es machen“,
fügte Ginny mit einem Zwinkern hinzu. Hermine spürte es. Jetzt sollte sie es
sagen. Sie sollte es Ginny jetzt sagen. Sie arbeitete für Draco Malfoy. Sie
könnte es einfach sagen!
„Ginny“,
begann sie zögerlich, doch es öffneten sich mehrere Türen, und eine Schar an
Zauberern in förmlichen Roben betrat die Halle durch die Seitentüren.
„So dick wie lang, so lang wie breit – 30 PW
Maßeinheit!“, dröhnten zwanzig fröhliche Männerstimmen im Gleichklang zu
ihnen hinüber, und Hermines Mund öffnete sich verdutzt. Einer trug einen
magischen Banner, worauf die verhexten Buchstaben Gemeinschaft zur weltweiten Zauberstabsrichtlinien- Reform blinkten
und blitzten.
„Oh,
Merlin, wir hätten Georges Hologramm-Zeichner mitnehmen sollen“, brachte Ginny
unter zurückgehaltenen Lachkrämpfen hervor, während Hermine hörte, wie die
Jungen sich nur einige Meter weiter heiser lachend die Bäuche hielten.
„Hermine,
vielleicht solltest du dich an Percy halten, mit seinen 30 PW dick wie lang!“, vernahm sie Georges Stimme, und sie verzog
den Mund. Percys Brüder waren allesamt gehässig. Und es kostete sie viel
Überwindung, nicht auch zu lachen. Percy freute sich zu sehr.
Und ein
bekannter Duft traf ihre Nase. Sofort versteifte sie sich.
„Guten
Abend, Miss Granger“, lächelnd rauschte Malfoy an ihr vorbei. Zu schnell, als
dass sie sein Erscheinung im vollen Maße ausgiebig hatte wahrnehmen können.
„Er
wünscht dir einen guten Abend? Hältst du sein Jackett immer noch als Geisel bei
dir gefangen?“ Hermine ignorierte Ginnys Worte, betete wieder einmal, dass das
teure Makeup hielt, was es versprach und sah zu, wie Malfoy zum Podium schritt.
Einige Zauberer in schwarz folgten ihm unauffällig. Auroren.
Natürlich nahm er Schutz in Anspruch.
„Willkommen
zur Feier der Gemeinschaft der weltweiten Zauberstabsrichtlinien-Reform! Mein
Name ist Draco Malfoy“, begrüßte Malfoy die Anwesenden. Hermine schätzte die
Gesellschaft hier auf ungefähr hundert Leute. Alle applaudierten verhalten, bis
auf die Richtliniengemeinschaft, die sogar johlte. „Ich habe seit einem Jahr in
diese Reform investiert und bin mit dem Ergebnis höchst zufrieden.“ Es würde
Hermine nicht wundern, würde Malfoy in die Hippogriefzucht
Londons investieren. Oder in magische Toaster. Oder – egal was! „Aber ich will
mich hier nicht lange aufhalten. Ich bin nur Sponsor, und begrüße Percy
Weasley, der Mann, der der neuen Maßeinheit seine Initialen gegeben hat!“
Sie
musste nicht lange raten, um zu wissen, dass wohl Harry und Ron gerade vor
Lachen zusammen gebrochen waren. Percy schickte einen bösen Blick in die Runde,
als er das Podium betrat, Malfoy die Hand schüttelte, und diesen somit ablöste.
„30 PW
sind dreißig Percy Weasley“,
flüsterte Ginny jetzt heiser, mit belustigter Erkenntnis in der Stimme. „Ich
weiß nicht, ob das demütigend oder wirklich witzig ist.“ Sie schenkte Hermine
ein anerkennendes Grinsen. „Du solltest dir Percy wirklich warmhalten, bei 30
PW.“ Und Hermine biss sich auf die Lippe. Nein! Sie würde sich nicht lustig machen!
Nicht lustig machen!
Aber
alle Gedanken daran starben, als sie erkannte, was Malfoy tat! Er kam auf sie
zu, abgeschirmt von seinen Auroren, mit einer
Selbstverständlichkeit, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie spürte, wie sie
dringend ein neues Glas Champagner vertragen konnte. Aber es war kein
schwebendes Tablett in der Nähe.
Oh nein.
Ginny
hatte den Blick ihr zugewandt. Und sie spürte auch Ron und Harrys Blick von der
anderen Seite, als sich Malfoy neben sie stellte. Ihr Herz schlug lächerlich laut.
Sein schwarzer Smoking saß tadellos. Er wirkte wie immer. Gefasst,
beeindruckend und völlig souverän.
Ihr
wurde schlecht.
„Sie
möchten bestimmt noch länger bleiben“, begann er leise ein Gespräch mit ihr,
und Ginny hörte mit gespitzten Ohren zu. Und Hermine starrte ihn an. Entweder
glaubte er, sie hätte ihren Freunden gesagt, dass sie für ihn arbeitete, oder
es war ihm egal.
„Ich…“
Sie wusste nicht, ob sie länger bleiben oder sofort sterben wollte.
„Hermine,
kann ich dich kurz sprechen“, unterbrach Ginny sie mit einem Blick auf Malfoy.
Und ein Blick in sein Gesicht sagte ihr mehrere Dinge. Er hatte erkannt, dass
sie es Ginny nicht gesagt hatte, und sie sah… dass er verschlossener wirkte.
Vielleicht sogar… verletzt? Beleidigt? Oh Merlin!
„Wie ich
sehe, haben Sie es Ihren Freunden nicht
gesagt“, bemerkte er schließlich, und Hermine war sich sicher. Er war
tatsächlich beleidigt.
„Was nicht gesagt?“, fuhr Ginny sofort
dazwischen, so dass Percy sich auf dem Podium lauter räusperte, um
Aufmerksamkeit zu bekommen. Hermine spürte die Röte in den Wangen, aber sie
wagte nichts zu sagen. „Sag mir nicht, dass du mit ihm ausgehst, Hermine?“,
fügte Ginny hinzu, ohne auf Percy zu achten.
Ja,
warum hatte Hermine nicht Ginny erzählt, dass für Malfoy arbeitete? Oh Merlin,
weil es unmöglich war, so etwas zu sagen! Weil es absurd war, dass sie für
Malfoy arbeitete. Absurder, als dass sie mit ihm ausging?
Absurder… als dass sie mit ihm
ausging?!
Ihr
Blick traf ihn. Sie konnte seinen Ausdruck nicht lesen, aber freundlich wirkte
er nicht.
„Tut ihr
das? Geht ihr aus?“, wiederholte Ginny gefährlich ruhig. Hermine knetete
bereits ihre Finger. Sie wünschte sich, sie hätte noch den Zeitenumkehrer.
Sie wünschte sich, sie hätte Malfoy nicht zugesagt, herzukommen. Sie wünschte
sich, sie wäre niemals zum Koboldvortrag gegangen. Sie wünschte sich, sie würde
ihn nicht attraktiv finden, und sie wünschte, sie hätte das Gespräch im Kamin
auch niemals – niemals – angenommen!
Und nach
einer endlosen Sekunde verdrehte Malfoy die grauen Augen und atmete aus. Er
schien einen Entschluss zu fassen und setzte ein äußerst entwaffnendes Lächeln
auf.
„Ja,
Miss Granger und ich hatten eine Verabredung, Mrs
Potter“, antwortete er anstatt ihrer, und sein kühler Blick versprach ihr eine
lange Diskussion hiernach, die in ihrer Kündigung oder sonst irgendeiner Strafe
enden würde. Ihre Hände kribbelten.
Oh Gott!
„Was?“
Ginnys Stimme war zu einem Flüstern verebbt. „Hermine, du…?“ Und Ginny wirkte
so beleidigt wie Malfoy wirkte, dass sie nicht gesagt hatte, dass sie für ihn
arbeitete. Und sie musste schnell nachdenken. Würde sie ihm jetzt auf die Zehen
treten und behaupten, es wäre gelogen, und sie würde tatsächlich für ihn arbeiten,
dann… würde es das auch nicht besser machen.
„Ja,
ich… wir hatten…“ Sie konnte den Satz nicht beenden, aber das musste sie nicht.
Ginny hatte vor Schreck den Mund geöffnet und schüttelte den Kopf.
„Das
kann doch nicht…! Du bist mit ihm ausgegangen? Du hast es mir nicht erzählt?
Luna hat also recht gehabt? Deswegen hast du dich so auffällig verhalten?“ Und
Ginny schien es völlig egal zu sein, dass Malfoy sie hören konnte. Und Hermines
Wangen wurden so heiß, wie das erste Mal, als sie Malfoys verflucht perfekten
Hintern auf dem Koboldvortrag schamlos inspiziert hatte.
„Ginny,
ich… erzähle es dir wann anders“, presste Hermine zwischen den Zähnen hervor.
Percy hatte aufgehört zu sprechen.
„Wenn
meine Schwester irgendetwas zu dieser Auszeichnung beitragen möchte, dann soll
sie es ruhig hier oben laut sagen!“, vernahm sie Percys verstärkte Stimme über
das Mikrophon. Ginny ignorierte Percy weiterhin, der schließlich gereizt seine
Worte wieder aufnahm. Ginny schüttelte ernsthaft enttäuscht ihren Kopf und ließ
Hermine stehen, als sie mit erhobenem Kopf in Richtung Harry marschierte.
Und
Hermine wusste, sie hatte keine Minute mehr Zeit.
Heute
würde sie es nicht regeln oder klären können.
Sie hob
den Blick zu Malfoys Gesicht. Dieser sah sie mahnend an. Den Blick halb zornig,
halb gereizt auf sie geheftet. Dieser schöne Mann war wütend mit ihr.
„Ich…
will nicht bleiben. Ich werde gehen“, informierte sie ihn leise. Er nickte
schließlich knapp.
„Ja, das
werde ich auch tun.“ Und sie hörte hinter seinen Worten durchaus, wie wütend er
war. „Ich denke, wir sollten reden, Miss Granger“, fügte er kalt hinzu. Oh
Merlin! So wie er es sagte, klang es nach Punkteabzug, nach Strafarbeiten
schreiben, nach… Züchtigung. Und sie
konnte nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug, als sie überlegte, ob
es schlimm wäre, von Draco Malfoy bestraft zu werden, weil sie gelogen hatte.
Sie biss sich unbewusst auf die Lippe.
„Es tut
mir leid“, begann sie leise, als er sich in Bewegung setzte, und sie immer noch
nicht aus den Augen ließ.
„Kommen
Sie“, sagte er lediglich, ihre Worte ignorierend. Sie folgte ihm, und jedes
Mal, wenn sie ihm zu nahe war, nahmen ihre Beine ein Eigenleben an, was mehr
als tollpatschig und wenig elegant war. Die Auroren
fielen in einen Gleichschritt neben ihnen, und sie wandte den Kopf halb zurück.
Harry und Ron sahen ihr nach. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern glich einem
Schock, als würde die Quidditch-Saison dieses Jahr ausfallen. Hastig wandte sie
den Blick wieder nach vorne, bevor sie Harry solange ansah, dass dieser sich
gezwungen sah, hinter ihr her zustürmen, um sie zu schütteln und so weit wie
möglich von Draco Malfoy zu entfernen.
Vorsichtig
sah sie ihn von der Seite an, bemüht, nicht zu stolpern.
„Mr Malfoy, ich-“
„Nicht
jetzt“, unterbrach er sie so scharf, dass sie zusammen zuckte beim Schritt
halten. Seine Stimme klang ausnahmslos wütend, und erschrocken senkte sie den
Blick.
„Ich
möchte wirklich-“
„Miss
Granger, nicht jetzt!“, wiederholte
er gepresst, und sie erkannte, dass er tatsächlich wütend war. Auf sie! Sie
fühlte sich wirklich schlecht, wirklich schuldig, und er bog plötzlich ab. Die Auroren folgten ihm unbeeindruckt und sie hielt Schritt.
„Eine
Minute!“, befahl er barsch in Richtung Auroren, ehe
er in einer sehr plötzlichen Geste ihr Handgelenk umfasste, und sie durch eine
Tür bugsierte, die er wütend geöffnet hatte. Die Auroren
blieben ausnahmslos alle schweigend stehen. Er zog sie in den Konferenzraum der
untersten Etage und schloss zornig die Tür hinter sich. Er fuhr sich mit beiden
Händen durch die blonden Haare, ehe er sie fest ins Auge nahm.
Und ihr
Herz machte einen Satz. Er war wieder der wütende Draco Malfoy, vor dem sie
schon einmal Angst gehabt hatte.
„Ich
möchte mich nicht wiederholen, deswegen passen Sie bitte genau auf!“, begann
er, die Stimme tief und ruhig und angespannt. „Ich glaube nicht, dass ich es
nötig habe, vor Ihren Freunden zu lügen, meine Arbeit oder meine Angestellten
zu verheimlichen“, fuhr er fort, und sie nickte sofort. Natürlich hatte er es
nicht nötig! Daran lag es doch auch gar nicht!
„Ich
weiß, ich-“
„Ich
möchte nicht von Ihnen unterbrochen werden, wenn ich rede!“, entfuhr
es ihm zornig. Sie schwieg abrupt. „Ich will auch keine romantische Liaison
erfinden, damit Sie eine Ausreden haben, Ihren Freunden Ihre Arbeit zu
verheimlichen!“, ergänzte er mit einem Knurren. Dann öffnete er den Knopf
seines Smokings, und sie erkannte wieder den steifen Kummerbund und das
schneeweiße Hemd.
„Ich
weiß nicht, ob Sie mich verstanden haben, Miss Granger. Es mag Ihnen nicht klar
sein, aber ich habe Macht und genügend Auswahlmöglichkeiten, was meine
Angestellten betrifft. Ihre Arbeit sollte Ihnen weder unangenehm, noch peinlich
sein. Ansonsten muss ich Sie entlassen. Haben wir uns verstanden?“, schloss er
grollend, und sah sie weiterhin unentwegt an. Sie schluckte schwer. Sie spürte
sogar die ersten Tränen aufsteigen.
Und sich
zu beherrschen fiel ihr schwerer als alles andere. Und alles, was sie wirklich
denken konnte, war, dass sie sich geirrt hatte. Er hatte sie nicht einmal auf
ihr Kleid angesprochen. Auf ihre Frisur, bei der sie so viel Zeit wie noch nie
in ihrem Leben angewandt hatte! Die weichen, frisierten Wellen hatten zwei
Stunden ihrer Zeit gekostet! Das Makeup, die Schuhe, das Kleid! Sie hatte ihre
Beine gewachst und kam sich lächerlich vor!
Er
wollte sie als Angestellte. Er wollte sie als… Angestellte. Und ungeduldig
entfuhr ihm ein Atemzug. „Sie lassen mich auf Ihre Antwort warten?“, erkundigte
er sich gefährlich ruhig, und sie schüttelte erschrocken den Kopf.
„Ich, nein… - ich habe Sie verstanden, Mr Malfoy“,
brachte sie heiser hervor. Ihr Blick fiel. Sie wollte ihn nicht ansehen. Er
schien sich nur schwer beruhigen zu können. Wo war ihre Schulzeit hin? Jetzt
lockerte er sogar seine Fliege und öffnete den ersten Knopf seines Hemds. „Ich…
ich hatte Ihnen gesagt, dass meine Freunde es nicht wissen“, flüsterte sie
jetzt. Sein Kiefermuskel spannte sich an.
„Ich nahm an, das hätte sich geklärt. Und es muss auch nicht meine Sorge sein,
wenn Sie sich schämen, oder irre ich mich, Miss Granger? Hätte ich….“ Er
beendete den Satz nicht, ließ ihn im Raum hängen, und sie knetete erneut
unbewusst ihre Finger, biss sich auf die Unterlippe und zählte die unangenehm,
brutal endlosen Sekunden, die er brauchte, um seine Fassung zu gewinnen. „Ich
habe es nicht nötig, mich vor irgendwem zu schämen oder zu verstecken“,
informierte er sie mit ernstem Blick.
„Nein“,
räumte sie sofort ein. Und sie wollte sich nicht mit ihm anlegen.
„Ich war
mir sicher, ich gebe Ihnen eine gute Chance. Eine gute Aussicht. Einen Job, der
Sie fordert, bei dem Sie Spaß empfinden und der Ihnen mehr Möglichkeiten bieten
sollte als in schmutzigen Mienen nach Gold zu suchen!“, fuhr er gepresst fort.
Sie nickte erneut. Ja, er hatte ja recht mit all seinen Behauptungen! Merlin,
noch mal.
„Sie
haben Recht. Die Anstellung bei Ihnen ist mehr als jemand ohne wirtschaftliche
Berufserfahrung überhaupt bekommen sollte. Es ist nur…“, begann sie zögerlich,
ignorierte die Hitze in ihren Wangen und nutzte den Moment, indem er sich
anscheinend noch nicht dazu in der Lage sah, das Zimmer zu verlassen. Ihr Blick
löste sich von ihm und glitt hilfesuchend durch den Raum. Nur die
Notbeleuchtung war an. Das Licht war gedimmt im Konferenzraum, und die
Einrichtung aus schwarzem Leder und Chrom reflektierte das gelbliche Licht.
„Nur
was?“, rang er sich anscheinend gezwungen ruhig ab.
„Nur
dass…“, setzte sie erneut an und er wartete ungeduldig. Schön, dann sagte sie
es halt! „Es wirkt möglicherweise eben unprofessionell, dass ich für Sie
arbeite.“ Sie hatte es gesagt, und seine Stirn legte sich ablehnende Falten.
„Unprofessionell,
dass ich Sie eingestellt habe?“, wiederholte. „Wollen Sie mir unterstellen, ich
hätte-“
„Nein,
nicht Sie“, unterbrach sie ihn fast gereizt. „Dass ich
Ihnen zugesagt habe“, klärte sie ihn auf. „Ich meine, ich kenne Sie nicht, und…
und…“ Sie hob verzweifelt die Hände. „Es sieht eben einfach danach aus, als
hätte ich mich von Ihrem Äußeren blenden lassen, Merlin noch mal!“, gestand sie
ihm ein und war felsenfest entschlossen Kindlings magische
Kosmetikprodukte zu verklagen, würde die Röte ihrer Wangen jetzt
unübersehbar sein!
Und er
hob überrascht eine Augenbraue. Sie wanderte langsam und äußerst skeptisch nach
oben, während er sie weiterhin betrachtete.
„Und?
Haben Sie das?“, fragte er schließlich, die Stimme wieder merklich ruhiger.
„Was?“,
wagte sie zu entgegnen, und er seufzte auf.
„Sich
von meinem Äußeren blenden lassen?“, wiederholte er langsam ihre Worte. Ihr
fiel das Gespräch wieder ein, was sie als sie selbst mit ihm auf der Straße am
frühen Morgen geführt hatte. Wo sie ihn beleidigt hatte, wo sie ihrer ganzen
Wut Luft gemacht hatte.
„Ich… nein“, gab sie zurück. Und das war eine Lüge. Allein wie er jetzt vor ihr
stand. Groß, sexy und eindrucksvoll. Er musterte sie immer noch skeptisch.
„Das
sollte nämlich wirklich keine Grundlage für unsere geschäftliche Beziehung
sein, Miss Granger“, erläuterte er ernst, und sie senkte wieder den Blick. Was
wollte er eigentlich von ihr? Sie hatte doch zugesagt! Sie arbeitete doch für
ihn! Er hatte sie doch überredet! Sie hatte sich noch nie anders als
professionell verhalten! Abgesehen davon, dass sie mit aller Macht versuchte, jeden
Tag verführerisch auszusehen. Merlin, sie war so dumm!
Und
jetzt, wo sie wusste, dass er sie nicht wollte, sie nicht einmal mit einem
Gedanken jemals so betrachtete, hob sich ihr Blick erneut, und die Frage
verließ ihren Mund, ehe sie weiter darüber nachgedacht hatte.
„Was ist
ein Turbaktikum?“
Und es
geschah alles in nur einer Sekunde. Es war als fiel seine Fassade. Sein Mund
öffnete sich perplex. Seine Pupillen verengten sich, und er war näher gekommen.
Er hatte den Abstand zu ihr geschlossen, ohne dass sie hätte sagen können, wann
er überhaupt angefangen hatte, loszugehen. Sie schluckte schwer, als er nun vor
ihr stand. Groß und angsteinflößend.
Als
müsse er sich fassen, als müsse er neuen Fokus gewinnen, hatte er den Blick in
einer knappen Kopfbewegung von ihr abgewandt, fixierte keinen bestimmten Punkt
neben ihr an der Wand, und sie sah, wie sich sein Kiefermuskel angespannt
bewegte. Er schloss die Augen, als würde ihn eine plötzliche Qual erfassen. Es
verging ein kurzer Moment. Als er die Augen öffnete traf sie sein kalter Blick.
„Betrachten Sie Ihre Probezeit als vorbei, Miss Granger. Sie sind entlassen.“
Ihr Mund
öffnete sich geschockt, und sie starrte ihn an. Nein! Nein, das konnte er nicht
sagen! Das konnte er nicht! Er hatte den Blick von ihr abgewandt, und bevor sie
nachdenken konnte, hatte sie seinen Arm ergriffen.
„Ich… es tut mir…“, fing sie an, aber sein zorniger Blick traf sie tausendmal
schärfer als zuvor.
„Sie
haben meine Pakete geöffnet?“, entgegnete er lediglich, und sie spürte heiße
Schuldgefühle aufkochen. Aber etwas viel wichtigeres kristallisierte sich genau
jetzt vor ihrem inneren Auge. Sie ließ seinen Arm nicht los.
„Ist ein
Turbatikum
wichtig im Rahmen Ihrer Therapie bei Madame Tallis?“,
fragte sie jetzt mit brüchiger Stimme, mit zitternden Fingern, und sein
Ausdruck wurde kalt.
„Lassen
Sie mich los“, erwiderte er gefährlich ruhig.
„Sie
denken nicht, dass Sie es mir hätten sagen müssen?“ Seine Augen weiteten sich
bei dieser Behauptung, und er entzog ihr seinen Arm in einer schnellen
Bewegung.
„Sie
bilden sich eine Menge ein! Sie wollen über meine Therapie aufgeklärt werden,
Miss Granger? Und Sie denken, Ihnen steht ein Recht darauf zu?“, fügte er
knurrend hinzu, und ihr Herzschlag brach Rekorde in ihrer Brust. „Sie haben den
Termin gemacht, nehme ich an“, ergänzte er nickend. Und plötzlich wurde sie
panisch.
„Bitte, entlassen Sie mich nicht!“, entfuhr es ihr leise. Seine Augen verengten
sich. „Ich will nicht von Ihnen entlassen werden, Mr
Malfoy!“, bat sie jetzt und kam sich lächerlich vor. In dem kurzen Kleid, was
ihn nicht beeindruckte. Geschminkt wie ein Superstar, mit einer Wallemähne, die er nicht bemerkte.
Er
schloss die Augen und fuhr sich mit der Handfläche über sein Gesicht. Ihn nicht
mehr zu sehen war plötzlich schlimmer, als zu wissen, dass sich ihre
Vermutungen über seine Therapie als wahr bestätigt hatten.
Plötzlich
lächelte er. Mehr als verzweifelt.
„Ich
kann Sie nicht küssen“, erwiderte er und fixierte sie jetzt. Ihr Herz machte
einen Satz. Was? Und Merlin… warum nicht? Aber das hatte sie doch gerade
überhaupt nicht von ihm verlangt!
„Ich…
ich… - entlassen Sie mich einfach nicht!“, ignorierte sie seine Worte. Und sie
würde sich später dafür umbringen, dass sie Draco Malfoy wie eine Ertrinkende
festhielt und bettelte!
„Ich
habe keine Beziehungen. Nicht mit Angestellten, nicht mit Bekannten, nicht mit…
mit niemandem!“, klärte er sie ernsthaft auf. Sie hörte ihn, aber sie
schüttelte einfach nur den Kopf. Sie wollte nicht hören, was er sagte.
„Nein!
Ich habe überhaupt nicht-“ Aber plötzlich hob sich seine Hand zu ihrem Gesicht.
Sie verstummte gänzlich. Sein warmer Daumen strich über ihre Haut, und sie
hielt den Atem an. Schließlich fuhr er über ihre Oberlippe, dann ihre
Unterlippe, so dass diese von seinem Daumen geöffnet wurde und wieder
zurückfuhr. Sein Zeigefinger legte sich unter ihr Kinn, und er fasste sie näher
ins Auge. Seine unglaublich grauen Augen. Sein unglaublicher Duft. Er schloss
die Augen, und eine verzweifelte Träne rang sich aus ihrem Augenwinkel. Sie
fiel auf ihre Wange, und er öffnete die Augen wieder. Er war so unglaublich
schön, dass sie weinen musste, und sie betete, dass er sie nie wieder loslassen
würde.
„Sie
wissen, ich habe Sie nicht wegen Ihrer Fähigkeiten eingestellt, oder?“, fragte
er jetzt leise, und wieder machte ihr Herz einen Satz. Hatte er nicht? Oh…!
„Aber es wäre dumm, mich auf irgendwas einzulassen, was ich nicht kann.
Verstehen Sie das?“, vergewisserte er sich, aber sie verstand kein Wort mehr.
„Alles, was ich bisher hatte, war bedeutungsloser Sex. Mit bedeutungslosen
Frauen“, fuhr er leiser fort. Dass er ihr das erzählte! Aber alleine seinen
Mund zu sehen, wie er das Wort Sex
sagte, war fast zu viel.
„Ok“, hauchte sie nur, während sie ihn anstarrte. Kurz zuckten seine
Mundwinkel.
„Nein, absolut nicht ok. Laut meiner Therapeutin absolut nicht ok“, erwiderte
er kopfschüttelnd. Aber ihr Unterleib zog so schmerzhaft, sehnte sich viel zu
sehr nach seiner Berührung, dass es ihr egal war. „Es wäre nicht… ich hatte
nie…“, murmelte er jetzt, aber sie verstand seine Worte nicht. Es war ihr egal!
Der sabbernde Einzeller wurde wahnsinnig in ihrem Innern. Seine Nähe war
toxisch. Sie konnte kaum denken. „Es wäre ein absoluter Fehler, verstehen Sie
nicht?“, fügte er lauter hinzu. Sein Ausdruck war so gequält.
Sie
begriff. Sie fügte ihm Qualen zu. Sie hasste dieses Gefühl. Ihr Blick senkte
sich, sie machte sich frei von seiner Berührung.
„Miss
Granger“, begann er wieder, wieder hielt sie seine Stimme auf. Verzweifelt, rau
und unglaublich sexy. Sie hasste sich selber. Was weckte er nur in ihr, das sie
so reagieren ließ? Sie hob ihren Blick. „Ich bin nicht stark. Ich bin schwach.
Ein gottverfluchter Feigling“, ergänzte er hastig, zusammenhanglos, und sie
verstand kein Wort, schüttelte bloß den Kopf, damit er nicht mehr sprach, damit
sie gehen konnte, damit… „Ein Arschloch, ein Wichser, all das, was Sie von mir
denken, ist wahr“, setzte er leise mit einem warnenden Blick aus seinen grauen
Augen hinzu. Sie sah ihn an. Ihr Mund hatte sich geöffnet, unsicher, ob sie
sprechen sollte, sterben sollte, weinen sollte, rennen sollte! Fliehen vor ihm
und seiner seltsamen Ausstrahlung. Ihr Herz schlug unglaublich schnell.
Und sie
fühlte, es war zu spät. Etwas zwischen ihnen lud sich auf. Es knisterte vor
Energie, und sie schüttelte zaghaft den Kopf.
„Mr…“
Doch
seine Augen waren dunkel geworden, er war näher gekommen und sah nicht mehr aus
wie der souveräne Gentleman. Oh Merlin! Nein, er sah aus wie purer Sex!
„Scheiß
drauf!“, knurrte er, während er sich in nur einer Bewegung gegen sie lehnte,
mit der Hand fest in ihre Haare griff und seine Lippen auf ihren lagen. Es war
so schnell passiert, dass sie gar nichts tun konnte, außer innerlich zu
explodieren! Ihr Herz raste, als er schmerzhaft an ihren Haaren zog, um ihr
Gesicht näher an seins zu bringen, mit seinen Lippen ihre teilte und seine
Zunge mit einem verlangenden Grollen zwischen ihre Lippen glitt. Sein Arm
schlang sich um ihre Taille, und sie krachten gegen die Wand des
Konferenzraums.
Oh Merlin!
Ihre
Zunge begegneter seiner, denn sie hatte keine Chance. Sie war ihm regelrecht
ausgeliefert, und ihre Hände lagen nutzlos auf seiner Brust. Es war absolut
unglaublich, und es war genauso wie sie es seit Wochen träumte! Sie spürte
seine Erektion deutlich durch den dünnen Stoff ihres Kleides, und er stöhnte
unbeherrscht in ihren Mund, während er seine Hüfte fest gegen sie presste.
Kaum
hatte sie die Hände unbewusst zu seinen Haaren gehoben, löste er den Griff um
ihre Taille und aus ihren Haaren, um ihre Handgelenke abzufangen, sie hart
gegen die Wand neben ihren Seiten zu pressen, und sie lehnte sich gegen ihn,
völlig überwältigt, während er den Kuss nicht unterbrach. Sie war ihm völlig
ausgeliefert und… hilflos. Er löste seine Lippen von ihren, und sie hätte vor
Enttäuschung fast aufgeschrien. Sein Mund küsste eine Spur ihren Hals hinab,
verharrte über ihrem Schlüsselbein, und würde er sie nicht halten, wäre sie
bereits ohnmächtig.
„Dieses
Kleid…“, vernahm sie seine raue Stimme gegen ihre Haut, und es verursachte ihr
eine Gänsehaut am gesamten Körper, „ist nicht gerade dazu gemacht, mich
aufzuhalten, Miss Granger“, brachte er heiser hervor. Und Dank Merlin, nein!
Sie schämte sich fast darüber, wie froh sie war, dieses Kleid angezogen zu
haben! Wie sehr sie ihn wollte war einfach schamlos! Er löste die Hände von
ihren Handgelenken, und hob wieder den Blick zu ihr. „Lassen Sie die Hände an
der Wand, Miss Granger“, befahl er rau, und sie nickte, unfähig zu sprechen.
Während er sie ansah, schob er die Träger ihres Kleides federleicht ihre
Schultern hinab. Sie hielt die Luft an. Sie trug keinen BH. Das Kleid war eng
und rutschte ihr somit nicht über ihren Busen, aber es fehlte nicht wirklich
viel. Und… sie schämte sich nicht einmal! Merlin…! Sie atmete heftig, und ihre
Brust hob und senkte sich in ungleichen Abständen.
Seine
Hand wanderte über ihren Bauch, tiefer hinab zum Saum des Kleides. Es musste
leicht in die Knie gehen, um ihn zu heben, und seine Finger strichen über ihren
Oberschenkel. Sie schluckte schwer, wollte die Hände zu seinem Gesicht heben,
aber er hielt inne.
„Hände
an die Wand! Das ist ein Befehl!“, knurrte er, und erschrocken, ließ sie die
ausgestreckten Finger an der Wand, als wären seine Worte ein Spruch, der sie
dazu zwang. Aber ein Blick in seine hungrigen Augen, ließ sie wohl alles tun,
was er von ihr verlangen würde, stellte sie schockiert fest. Seine Finger
wanderten höher über ihren Oberschenkel, glitten nach innen über ihre weiche
Haut, bis sich sein Zeigefinger unter den String ihres Höschens hakte. Seine
Augen fixierten sie, und mit einer viel zu schnellen Bewegung, riss er am
String. Sie hörte das Reißen der Seide, und zuckte zusammen, während sie ihre
Hände gegen die Wand presste. Er hatte ihr Höschen zerrissen, Merlin!
Er
schloss den Abstand zu ihr übergangslos, presste seine Lippen erneut auf ihren
keuchenden Mund, während seine Erektion sich mittlerweile steinhart gegen ihren
Bauch drückte. Oh Merlin, oh Merlin! Seine Zunge fand den Weg in ihren Mund.
Erbarmungslos, zielsicher, und das Blut rauschte in ihren Ohren, während sie
ihn zurückküsste, mit voller Verzweiflung und unglaublicher Lust. Ihre Hände
hielt sie weiterhin gegen die Wand gepresst. Seine Hand hob sich zu ihrer
Brust. Sein Daumen strich über ihre Brustwarze, die sich sofort aufrichtete.
Sie keuchte in seinen Mund, und seine Zunge massierte ihre nun heftiger als
vorher.
Es war
unerträglich! Seine Qual war einfach unglaublich! Sein Daumen rieb weiter über
ihren harten Nippel, und sie lehnte sich fast ungeduldig gegen ihn, ohne ihre
Hände von der Wand zu bewegen. Er strahlte eine unheimliche Macht aus, und sie
hatte so etwas noch nie gespürt, war noch nie so geküsst worden, und es machte
ihr Angst!
Dann
löste er sich von ihr, küsste noch einmal sanft ihre Lippen, ehe er mit beiden
Händen das Kleid über ihre Brüste zog. Es sah jetzt nur noch aus, wie ein
schmaler Rock. Und sie konnte den Blick von seinem Gesicht nicht abwenden. Er
war so unglaublich sexy, so unglaublich schön.
„Fuck“,
hörte sie ihn murmeln, und er konnte den Blick nicht von ihren Brüsten wenden.
Er neigte den Kopf und saugte ihren harten Nippel in seinen Mund. Ein kehliger Laut verließ ihre Lippen, und er saugte härter.
Ihre Hände lösten sich von der Wand, nur um sich in seine dichten Haare zu
krallen. Er löste sich von ihr und sah sie wieder an. „Miss Granger, lassen Sie
Ihre Hände an der Wand!“ Und es klang viel zu sexy, als dass sie seine Worte
hinterfragte, sie anzweifelte oder überhaupt analysierte. Hastig lagen ihre
Hände wieder an der Wand neben sich.
Sie war
unglaublich feucht! So unglaublich bereit, und… dann fiel er vor ihr auf die
Knie. Oh Merlin! Nein! Er hob ihren Oberschenkel an, legte ihn über seine
Schulter, und ihre Finger krallten sich in die Wand hinter sich. Das war etwas,
was noch nie jemand bei ihr gemacht hatte, und die Röte stieg ihr in die
Wangen. Eine unglaubliche Hitze! Sie schämte sich jetzt gerade. Aber sie wagte
nicht, Bedenken zu äußern! Denn sein Blick hob sich. Und wie er sie ansah! Von
unten, zwischen ihren Beinen war einfach unglaublich! Seine Mundwinkel hoben
sich unglaublich kurz, ehe er sprach.
„Schließen
Sie die Augen, Miss Granger“, befahl er rau, und ihr Mund öffnete sich. Sein
Ausdruck ließ keine Verhandlung darüber zu, und ergeben schlossen sich ihre
Augen, während ihr Kopf an die Wand hinter ihr fiel. Sie schluckte schwer. Sie
war so gut wie komplett nackt! Und komplett gewachst! Was für ein Glück, war alles, was sie noch denken konnte, ehe sein
Daumen über ihre geschwollene Klitoris rieb. Sie keuchte erschrocken auf.
Heftig formte sein Daumen Kreise, und als es fast unangenehm unerträglich
wurde, glitt ein Finger in sie. Sie beugte sich ihm entgegen, soweit sie
konnte, mit den Händen an der Wand, und unterdrückte ein weiteres Keuchen. Oh
verflucht!
Schon
schob er einen zweiten Finger in sie, und dann spürte sie, wie er ihre Klitoris
in seinen heißen Mund sog. Sie biss so fest die Zähne zusammen, um nicht zu
schreien vor Lust. Er entfernte die Finger aus ihr, und seine Zunge schnellte
vor, um ihren Eingang zu umzirkeln. Sie würde doch
ohnmächtig werden! Sie hielt die Augen schmerzhaft fest geschlossen. Kurz glitt
seine Zunge in sie, während sein Daumen wieder ihre Klitoris massierte. Wieder
glitt seine Zunge in sie, und sie spürte es, spürte wie es sich aufbaute, wie
sie gleich nicht mehr können würde! Er zog sich zurück, stieß drei Finger hart
in sie, und saugte ihre Klitoris ein letztes Mal grollend in seinen Mund,
während sie zitternd mit einem unterdrückten Stöhnen kam! In seinem Mund!
Merlin, oh Merlin! Verflucht!
Sie
zitterte über ihm, während er ihr Bein wieder auf den Boden stellte. Sie
spürte, wie er sich aufrichtete, und träge flatterten ihre Lider auf. Sein Ausdruck war ihr nicht zu deuten. Er
wirkte ruhig. Sie atmete heftig mit offenem Mund.
Und er
tat etwas Unerhörtes! Sie spürte sofort die Röte wieder in ihren Wangen, denn
er leckte sich anzüglich über seine vollen Lippen. „Sie schmecken so, wie ich
es mir vorgestellt habe“, klärte er sie auf, und sein Blick war so hungrig, so
verrucht, dass ihr Herz wieder einen Satz machte. Wie er es sich…? Er hatte es
sich vorgestellt?
Oh, Merlin! „Sie können die Wand loslassen, Miss Granger“, informierte er sie
ruhig, mit einem schmalen Lächeln. Zitternd löste sie die feuchten Hände von
der Wand. Und sie wusste, er hatte sie befriedigen wollen. Sie hatte gedacht,
er würde mit ihr schlafen, sie hätte ihn auch gelassen – oh Merlin, ja, das
hätte sie – aber sie zog die Träger ihres Kleides wieder über ihre Schultern,
richtete ihr Kleid und nahm an, sie sah aus… als wäre sie gerade gekommen! Im
Ministerium! In einem Konferenzraum! In Draco Malfoys Mund, mit einer Horde Auroren vor der Tür! Oh Merlin…!
Er
schloss den obersten Knopf seines Hemdes, richtete seine Fliege, und wirkte
kaum anders als vorher. Seine Augen waren noch dunkel. Nur sein überlegener
Ausdruck verriet ihr, dass sich etwas geändert hatte. Etwas Entscheidendes. Sie
wusste Bescheid.
Über
ihn. Er hatte ein Geheimnis, und sie wusste immerhin ansatzweise Bescheid. Und…
kurz überkam sie Angst. Aber nur für eine laue Sekunde. Er fuhr sich durch die
Haare und wirkte viel ruhiger. Viel… gelassener. Anders als vorher. Anders als
in allen Tagen vorher.
„Am
besten, Sie bleiben noch. Klären Mr Potter und Mr Weasley über Ihre Arbeitssituation auf. Und… ich sehe
Sie am Montag. Pünktlich“, fügte er mit erhobenen Augenbrauen hinzu.
Ihr Mund
hatte sich perplex geöffnet. Er wollte, dass sie noch blieb? Jetzt? Nachdem sie
gekommen war? Ohne ihren Slip? Sie sollte Harry und Ron sagen, dass sie für ihn
arbeitete? Dann war sie wohl nicht gefeuert, überlegte sie dumpf.
„Und das
hier…“, fügte er lapidar hinzu, während er den nächsten Schritt zur Tür machte,
„bleibt unser kleines Geheimnis, Miss Granger“, schloss er mit einem Lächeln.
Er legte die Hand auf die Türklinke. Er hielt inne, hob den Blick zu ihrem
Gesicht erneut, und seine Zähne gruben sich in seine Unterlippe, als er sie
betrachtete. Sein Blick wanderte kurz über ihren Körper. Und es lag keinerlei
Ablehnung darin. „Das war es doch, was sie wollten?“, fragte er mit einem
überlegenen Lächeln. Und die Röte musste ihre Wangen sprengen.
Sie
wollte ihn. Sie wollte ihn tatsächlich. Ihr Mund öffnete sich, und sie
schluckte schwer. Lächelnd öffnete er schließlich die Tür und verließ den
Konferenzraum. Sie war beinahe froh, dass sie nicht mit ihm kommen musste. Was
mussten die Auroren denken? Und zahlte Malfoy so gut,
dass sie es Harry nicht sagen würden, dem Leiter der Aurorenabteilung?
Kurz nagte das Gewissen an ihr, aber… die Wellen ihres Orgasmus‘ überschatteten
alle Gewissenbisse und Schuldgefühle. Für jetzt.
Sie
spürte, wie sich ihre Mundwinkel hoben. Und sie wusste, wahrscheinlich war es
ein Fehler gewesen. Aber… fühlte sich ein Fehler so gut an? Konnte sich ein
Fehler wirklich so gut anfühlen?
Seine
Finger trommelten auf der Sofalehne. Abwesend scannten seine Augen die
Leitartikel des Magischen Kuriers vor
ihm auf dem niedrigen Glastisch. Dann öffnete sich die Tür.
„Mr Malfoy“, begrüßte ihn Madame Tallis
und nahm ihm gegenüber im Sessel Platz. „Wie war ihr Wochenende?“ Er nickte
daraufhin.
„Gut“,
schloss er.
„Probleme
mit den Medikamenten?“, ging sie die üblichen Fragen durch. Er schüttelte
wahrheitsgemäß den Kopf.
„Nein,
keine Probleme.“
„Das
neue Turbatikum
wirkt?“
„Genauso
wie das alte“, bestätigte er, während sein Blick zur Uhr wanderte.
„Pläne?“,
fragte Madame Tallis, seinen Blick deutend, und er
schüttelte den Kopf.
„Keine
Pläne heute“, gab er zurück.
„Dann
erzählen Sie mir, nachdem sie Freitag gegangen sind, haben Sie noch irgendwas
getan?“
„Eröffnungsansprache
im Ministerium für die Gemeinschaft der Zauberstabsrichtlinien-Reform“,
erwiderte er gleichmütig.
„Das
klingt spannend“, entgegnete sie, während sie es notierte. „Auffälligkeiten?“,
hakte sie nach, und er verzog kurz den Mund. Dann schüttelte er den Kopf.
„Nein.“
Er hörte auf, auf der Lehne zu trommeln. „Wann kann ich die Medikamente sicher
absetzen, Doc?“, fragte er jetzt. Er hatte sich vorgelehnt, und seine
Therapeutin hatte den Blick überrascht gehoben.
„Sie
wollen sie absetzen, Mr Malfoy? Hat das irgendwas mit
den Neuigkeiten über Ihren Vater zu tun?“, stellte sie die nächste Frage, und
er ruckte mit dem Kopf.
„Ich
wollte es wissen“, erwiderte er defensiv genug, als dass sie ihn skeptisch
betrachtete.
„Nun,
Sie nehmen die Medikation seit vier Jahren. Alles abzusetzen wäre… wie ein
Entzug. Und vielleicht nicht ratsam“, fügte sie hinzu. Er überlegte, ob er
diskutieren sollte, entschied sich aber dagegen. „Hören Sie, ich weiß, es ist
lästig. Aber bisher haben die Medikamente Ihnen gut getan, nicht wahr? Keine
Albträume, keine Malschmerzen, keine Suizidversuche, keine Haftstrafe, kein
Hass gegenüber Muggeln oder Hauselfen…“, zählte sie auf, und er machte eine
gereizte Bewegung.
„Ja, ja. Also… das alles würde wieder kommen?“, vergewisserte er sich. Madame Tallis legte seufzend die Akte nieder.
„Mr Malfoy, Ihr Fortschritt ist beachtlich, natürlich. Sie
leiten die Firma Ihres Vaters, werden das auch weiterhin tun. Ihr Name ist
sauber. Dank Ihres Goldes“, setzte sie eine Spur bitterer hinzu. „Aber ein
Medikamentenentzug ist… kritisch.“ Er nickte beherrscht. Dank seines Goldes…. Sonst wäre er was? Arbeitslos, bettelarm? Einsam
und verlassen?
„Erzählen
Sie mir von Miss Granger“, begann sie jetzt und nahm die Feder wieder zur Hand.
Sein Blick hob sich.
„Was soll mit ihr sein?“, fragte er, und sie hob die Augenbrauen.
„Sie
arbeitet bei Ihnen? Immer noch? Irgendwelche… Antipathien Ihrerseits?“ Draco
atmete kurz aus.
„Sie
meinen, ob ich das Bedürfnis habe, sie umzubringen? Nein, Doc. Habe ich nicht“,
gab er zornig zurück.
„Natürlich
meinte ich das nicht. Aber eine Muggel arbeitet bei Ihnen nicht ohne Grund. Ich
habe Ihnen abgeraten. Ihre Idee, dass eine Muggel Sie näher zur Lösung Ihres
Problems bringt, ist verfrüht, Mr Malfoy. Das Ziel
dieser Therapie ist der Medikamentenentzug, allerdings können Sie nicht damit
rechnen, dass Sie erfolgreich sind, weil Sie es eine Woche geschafft haben,
eine Muggel nicht umzubringen“, erwiderte sie scharf. Er verdrehte die Augen.
„Ich
habe nicht vor irgendjemanden umzubringen. Egal, welchen Blutstatus er hat“,
informierte er sie beflissentlich. „Und es gibt ein geringfügiges Problem,
Doc“, eröffnete er jetzt, und die Therapeutin wartete gelassen, dass er weiter
sprach. „Ich glaube, Miss Granger hat Gefühle für mich“, fügte er offen hinzu.
Und er sah, wie die Therapeutin seine Worte notierte. Am liebsten hätte er ihr
die Feder weggenommen.
„Aha.
Wie kommen Sie darauf?“ Draco beherrschte sich.
Weil sie in meinem Mund gekommen ist,
als ich ihre verfluchte Pussy geleckt habe.
„Ich
denke, das ist der Grund, weshalb sie für mich arbeiten wollte“, erklärte er
also diplomatisch. Madame Tallis notierte sich auch
das, nahm er an.
„Nun,
Sie sind attraktiv“, schien sie abzuwägen, als ob daran ein Zweifel bestehen
könnte. Er mochte sie nicht. „Aber glauben Sie, Miss Granger lässt sich davon
beeinflussen? Ich meine, Ihre Vergangenheit in Hogwarts-“
„Ist
Vergangenheit“, unterbrach er sie harsch. Wieder ruhte ihr Blick auf ihm.
„Nehmen
wir an, Sie liegen richtig – ist das ein Problem?“, erkundigte sich die
Heilerin bei ihm, und er ruckte mit dem Kopf.
„Nein,
aber…“
„Aber?“
Er
schwieg, lehnte sich zurück, und seine Finger trommelten erneut auf der Lehne.
„Mr Malfoy, Sie müssen mir helfen, wenn ich Sie verstehen
soll. Sagen Sie mir, dass es für Sie unangenehm ist, sollte Miss Granger für
Sie Gefühle haben? Oder sagen Sie mir, dass Sie
vielleicht Gefühle haben?“ Er sah sie wieder an.
„Nein,
ich habe keine Gefühle“, erklärte er gereizt.
„Sie
wollen meinen Ratschlag?“ Und er sah die Therapeutin abschätzend an. „Wir haben
darüber gesprochen. Tabletten können Sie nicht heilen. Sie selbst können sich
heilen, wenn Sie es wollen. Und wir haben auch über Ihr anderes Problem
gesprochen. Sex ist keine Lösung. Natürlich finde ich es faszinierend, dass
Miss Granger – ausgerechnet – Gefühle
für Sie entwickelt haben soll, aber dennoch sollten Sie diesen Neigungen nicht
nachgehen. Was soll passieren? Sie schlafen mit ihr? Und dann was?“ Draco
wollte sie stoppen, aber sie sprach weiter. „Dann erinnern Sie sich, dass Sie
nicht mit einer Muggel schlafen wollen? Dass Sie nicht gerne berührt werden?
Sie setzen eigenmächtig die Tabletten ab, reißen Ihre Narben auf, landen wieder
auf der Intensivstation im Mungo?“
„Ich
bitte Sie“, erwiderte er mit einem Knurren. „Ich denke nicht, dass-“
„Wann
haben Sie das letzte Mal mit einer Muggel geschlafen?“, unterbrach sie ihn. Er
verzog den Mund. „Richtig, noch nie. Ich rate Ihnen, Miss Granger zu
entlassen.“
Er sah
sie an. „Ich bin nicht von ihr angewidert“, erklärte er knapp. Und die
Therapeutin seufzte auf.
„Das war
auch nie das Problem, nicht wahr, Mr Malfoy?“ Er sah
gereizt zur Seite. „Ihr Problem ist, dass Sie nicht in der Lage sind, Schwächen
zu akzeptieren. Ihre Schwächen überhaupt zu erkennen! Und vor allem, Schwächen
nicht als Grund zu nehmen, andere zu bestrafen. Zu wissen, dass Schwächen
nichts Schlechtes sind.“
Und er
hielt sich zurück. „Ich weiß, was Sie jetzt denken, Mr
Malfoy.“
Medikamente waren eine Schwäche.
Narben, Berührungsängste, das Mal
waren eine Schwäche.
Verdammte Heiler mit keiner Ahnung waren
eine Schwäche.
Und Muggel, die sich im Ministerium
vom ihm nur zu gerne befriedigen ließen waren eine verdammte Schwäche.
„Ich
glaube nicht, Madame Tallis“, gab er gepresst zurück.
„Und Miss Granger weiß es. Sie weiß, dass ich hier bei Ihnen in Behandlung
bin.“
„Das war
mir klar, als meine Assistentin mir erzählt hat, sie hätte mit ihr im Kamin
gesprochen. Ich habe Miss Granger vor einiger Zeit Einblick in einige meiner
Akten gewährt.“ Sein Blick hatte sich gehoben. „Ihre war nicht dabei“, fügte
sie knapp hinzu. „Und da sie weiß, was für Patienten ich behandele, bin ich
zugegebenermaßen etwas überrascht, dass sie nicht gekündigt hat.“ Draco sah aus
dem Fenster hinab auf die Straße der Winkelgasse.
Sie
atmete langsam aus. „Treiben Sie es nicht zu weit“, sagte sie plötzlich, und er
sah sie wieder an. „Nutzen Sie Ihren Vorteil nicht aus, Mr
Malfoy.“
„Ich
habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Doc“, erklärte er gleichmütig.
„Nein?
Zu glauben, dass Sie Sex mit einer Muggel haben können, ohne dass Sie Ihre
alten Gefühle dabei empfinden, bedeutet nicht, dass Sie die Medikamente
absetzen können.“ Er wusste nicht, warum er dieser alten Hexe das Gold
monatlich bezahlte. Er legte den Kopf schräg.
„Ist das so?“
„Mr Malfoy, ich warne Sie wirklich. Sie können sich einen
Rückfall nicht leisten. Ihr Vater wird bald aus Askaban entlassen. Sie haben
mit Ihrer Mutter seit vier Jahren kein Wort mehr gesprochen. Sie denken, Sie
machen großartige Fortschritte? Ihr einziger Fortschritt ist, dass Sie sich
ausreichend beherrschen können, um Geld zu verdienen. Ihr einziger Vorteil ist,
dass Menschen Angst vor Ihnen haben.“ Er erhob sich augenblicklich. „Ich weiß,
Sie wollen es nicht hören. Aber zu beweisen, wie egal Ihnen der Blutstatus ist,
nur weil der Tag der Entlassung naht, beweist gar nichts.“ Er schritt zum
Fenster und starrte nach draußen.
„Sie
verstehen es nicht“, knurrte er jetzt, aber er hörte bereits ihre Feder wieder
über das Papier kratzen. Er hasste das Geräusch! Das Geräusch, als ob sie ihn
begriffen und verstanden und analysiert hätte.
„Was
würde… Ihr Vater sagen?“
Und kurz
setzte etwas in seinem Kopf aus. Er schloss die Augen, und seine Fäuste ballten
sich unwillkürlich für einen kurzen Moment.
„Solange
dieser Satz, irgendetwas in Ihnen auslöst, solange Sie Ihren Vater als Ihr
Vorbild und Ihre Zukunft betrachten-“
„Das tue
ich nicht!“, unterbrach er sie lauter, als er sich umwandte. „Verflucht noch
mal! Was wollen Sie denn von mir? Mein Vater ist mir scheiß egal! Es ist mir
alles verflucht noch mal scheiß egal! Und wenn Potters Schlammblut von mir auf
meinem verdammten Schreibtisch gevögelt werden möchte, dann… dann werde ich…
dann…“
Ihre
Feder schrieb nicht. Und er schloss den Mund. Er war sauer auf sich selbst.
Verflucht sauer auf sich selbst! Fuck.
„Ich will sehen, was Sie geschrieben haben“, verlangte er schließlich und
streckte die Hand aus. „Ich will es sehen!“, wiederholte er zornig. Er würde
jedes ihrer Worte rausreißen.
„Sind
Sie sicher?“, vergewisserte sie sich, unbeeindruckt von seinem Ausbruch, und er
kam noch näher, hatte sich vor ihr aufgebaut und wartete wütend. Wortlos
reichte sie ihm die Akte.
Und es
stand ein einziger Satz auf dem heutigen Notizzettel. Und er hasste sie!
Hasste, hasste, hasste sie!!! Dann schlossen sich seine Augen, und er atmete
aus. Ruhig. Er zählte.
Bis
zehn. Und er warf die Akte schließlich wieder auf den Glastisch.
„Seit
zwei Tagen. Zwei Tage, ok?“, gab er gepresst zurück und fuhr sich durch die
Haare.
Der
einzige Satz auf ihren verdammten Aufzeichnungen lautete: Patient nervös, gereizt und angriffslustig, hat Medikamente
eigenmächtig abgesetzt vor…
„Ich
habe sie vor zwei Tagen abgesetzt“, wiederholte er tonlos und sah wieder
kopfschüttelnd aus dem Fenster. Er hasste seine Therapeutin.
~*~
Er war
spät gekommen. Als seine Tür ins Schloss fiel verharrte sie stocksteif auf
ihrem Platz. Ihr Herz schlug unglaublich laut. Sie hatte in den letzten zwei
Tagen so ziemlich jeden Gedanken gehabt, jede Theorie verfolgt, weswegen es ihr
gefiel, dass er… diese Dinge mit ihr getan hatte. Aber sie war zu keinem klugen
Schluss gelangt.
Und
gestern hatte sie mit Ginny sprechen müssen. Harry und Ron sprachen nicht mehr
mit ihr. Und Hermine wollte auch gar nicht mit ihnen sprechen, denn sie hatte
keine Lust, dass Harry und Ron… - ja, sie wusste nicht genau, was sie nicht
wollte.
Harry
und Ron würden noch annehmen, sie würde auf einmal Draco Malfoy vorziehen.
Egal, bei was. Und Ginny glaubte ihr wenigstens, dass sie nur für ihn
arbeitete, weil es ein Job war, der außerdem doppelt so viel zahlte wie der Aurorenjob. Aber das sahen Harry und Ron beide anders.
Natürlich! Auch von Ginny hatte sie mehr seltsame Blicke bekommen als
verständnisvolle, aber Hermine hatte vor ihr geweint. Eigentlich größtenteils,
weil sie Ginny anlog und ihr eben nicht alles sagte, aber Ginny hatte so
aufgefasst, dass es Hermine gequält hatte, ihr nicht gesagt zu haben, dass sie
für Malfoy arbeitete.
Und das
war… immerhin die halbe Wahrheit. Und sie wusste, sie wäre nicht in der Lage,
es weiter durchzuziehen, würde sie ihn jetzt nicht sofort sehen! Würde sie
jetzt nicht sofort in sein Gesicht blicken können, und… würde sie nicht in
seinen Augen lesen, dass… dass….
Ihr Herz
machte einen Satz bei dem Gedanken, dass sie gerne sehen würde, dass er sie
küssen wollte. Sie musste sehen, dass… sie wahnsinnig genug war, das hier zu
tun, wenn er es nur auch war!
Und… sie
hatte sein Gesicht vermisst. Seinen schönen Körper, den sie nicht ansehen
sollte, den sie nicht haben sollte, den sie… eigentlich abstoßend finden
sollte, eben einfach, weil er… Malfoy war. Aber sie hatte sich bereits erhoben.
Und sie hatte keine Dokumente bei sich, keine neuen Vorschläge. Sie ging
einfach nur als Hermine in sein Büro.
Und sie
öffnete leise die Tür, als wolle sie durch zu laute Geräusche nicht die
Situation zwischen sich und ihm zerstören.
Sie
lugte um die Tür. Er saß an seinem Stuhl, etwas zusammen gesunken, den Kopf in
den Händen vergraben, und sofort siegten die Neugierde und die Sorge.
„Mr Malfoy?“ Sie war in sein Zimmer getreten. Er hob müde
den Blick. Ihr Mund öffnete sich stumm. Hatte sie geglaubt, vor Scham sterben
zu müssen, vergaß sie diese Gedanken jetzt völlig. Er hatte dunkle Augenringe,
auf seinem Hals erkannte sie rote Striemen, als hätte er sich gekratzt und
seine linke Hand zitterte unwillkürlich, als er sie ansah.
Seine
Haut wirkte grauer, wirkte… älter, und er räusperte sich schwerfällig.
„Kaffee?
Bitte?“, erwiderte er lediglich, und sie setzte sich in Bewegung. Sie hatte
bereits Kaffee gekocht, in ihrem Büro. Sie war nach keiner halben Minute wieder
zurück. Sie stellte ihm den schwarzen Kaffee auf den Tisch.
„Geht es
Ihnen nicht gut?“ Sie fand es zwar lächerlich, ihn weiterhin zu siezen, aber
jetzt gerade wusste sie nicht, was los war.
„Nein,
es geht mir verflucht beschissen“, gab er zurück, ohne seine nonchalante Art,
ohne dass sie den Gentleman erkennen konnte, der er üblicherweise war.
„Sind…
sind Sie krank?“, wollte sie höflich wissen, denn sie nahm an, würde sie ihn
zwingen, zu sagen, was los war, würde er sie wegschicken. Sie hasste es, dass
sie Angst vor ihm hatte! Und dennoch sah er anbetungswürdig aus!
„Krank?
Ich dachte, das hätten wir bereits geklärt“, murrte er schlechtgelaunt, während
er an der Tasse nippte, und ihn angewidert wieder auf den Tisch stellte. „Was
soll das sein? Hippgreifpisse? Haben wir vielleicht
auch vernünftig starken Kaffee?“ Er hob den Blick zu ihrem Gesicht, und… er war
zornig.
„Er
schmeckt Ihnen nicht?“, vermutete sie also still.
„Nein,
er schmeckt mir nicht, verflucht!“, gab er angriffslustig zurück.
„Mr Malfoy?“ Witherby hatte
den Kopf zur anderen Tür hineingesteckt, und Malfoy grunzte zur Bestätigung.
„Da sind Sie. Es geht um… die Unterlagen“, druckste Witherby
mit einem Blick auf sie herum.
„Kein
Grund zur Scheu. Miss Granger kennt Lucius genauso gut wie alle anderen“, gab
er missgelaunt zurück.
„Das
Schiff nach Askaban geht um sechs Uhr, Mr Malfoy“,
fügte Witherby mit gesenktem Blick hinzu. „Dass Sie
pünktlich sind.“
„Ja, wir
wollen ihn ja nicht warten lassen“, gab Malfoy knurrend zurück, und Witherby verzog sich hastig. „Also?“ Er hatte den Blick
wieder zu ihrem Gesicht gehoben.
„Also?“,
wiederholte sie verwirrt und er deutete mit dem Zeigefinger auf die
Kaffeetasse.
„Spreche
ich chinesisch? Trage ich ein Plastikschild auf dem mein Name in großen
Druckbuchstaben steht an meinem zweitausend Galleonen
teuren Jackett?“, wollte er von ihr mit gepresster Stimme wissen, und sie hielt
unbewusst den Atem an vor Schreck. „Ich dachte, ich hätte mich klar
ausgedrückt. Ich möchte Kaffee. Und es ist mir scheiß egal, woher Sie Kaffee
bekommen, der verflucht noch mal nicht so schmeckt, als hätten die Gefangen von
Askaban mit ihren Füßen drin gebadet, es ist mir nur wichtig, dass Sie ihren
verdammten Arsch in Bewegung setzen und mir meinen verfluchten Kaffee
bringen!“, endete er grollend, und sie starrte ihn an.
Was?
Er
atmete laut aus, als sie nicht reagiert hatte. War das der Mann, der im
Ministerium ihr Höschen zerrissen hatte? Ihr Mund hatte sich perplex geöffnet.
Er fuhr sich haltlos durch die verstrubbelten Haare, die vielleicht heute
weniger gepflegt waren, aber trotzdem noch dicht und gut aussahen. Sie sollte
aufhören so zu denken!
Und
jetzt erhob er sich.
„Wie
mache ich mich am besten deutlich, hm?“, wollte er leiser von ihr wissen,
während sie erschrocken zusammen gezuckt war, als er nun vor ihr stand.
„Kaffee. Jetzt“, wiederholte er streng. „Vielleicht verstehen Sie mich auch
einfach nicht mehr“, mutmaßte er zornig.
„Ich
verstehe Sie“, gab sie zurück, als sie endlich ihre Stimme wiederfand. Und
seine Worte taten ihr weh. Sie zwang sich, tapfer in seine grauen, kalten Augen
zu sehen. Da war nichts. Keine Zuneigung, kein Hunger, keine Lust – gar nichts.
Nur ein Arschloch, das sie anschrie.
Sie
wandte sich kurzerhand von ihm ab.
„Miss
Granger…“, hielt er sie schließlich auf und hatte einen Hauch an Ruhe in seine
Stimme gezwungen. Sie war stehen geblieben und hatte ihm den Rücken zugewandt.
Ihr Herz klopfte laut vor Angst und Wut. Sie war sich sicher, er sah nicht,
dass sie sich Mühe mit ihren Haaren gegeben hatte, mit dem dunklen Lidschatten,
den geschwungenen Wimpern, dem blauen Rock – und sie trug keine Unterwäsche!
Aber nein, er war schlecht gelaunt. Er sah überhaupt nichts. Und sie kam sich noch
dümmer vor als sonst. Was war los mit ihr? Was in Merlins Namen war nur los mit
ihr? Seit wann machte sie sich so zum Deppen für irgendeinen Mann? „Vergessen
Sie den Kaffee“, fügte er nach einer Endlosigkeit hinzu.
Sie
wagte es, sich wieder umzudrehen.
„Kann
ich Sie… bitten, nach Hause zu gehen?“, schien er sich die Worte regelrecht vom
Munde abzukämpfen, und sie starrte ihn an.
„Nach Hause?“, wiederholte sie leise, und fixierte ihn.
„Heute…
ist ein besonders schlechter Tag“, erwiderte er. Und er sagte nichts weiter.
Sie starrte ihn an. Das war doch wohl nicht gerade sein ernst?!
„Sie
wollen, dass ich nach Hause gehe, weil es ein besonders schlechter Tag ist?“ Er
schloss gereizt die Augen, fuhr sich über die Stirn, und sah sie wieder an.
„Ja.“
„Ich
habe nicht vor, nach Hause zu gehen“, gab sie trotzig zurück, und seine
Augenbrauen hoben sich schließlich.
„Es war
nicht wirklich eine Bitte.“
„Warum
sollte ich das tun?“
Und sie
sahen sich an. Kurz schürzten sich seine Lippen, als würde er seine nächsten
Worte abwägen.
„Nein“,
sagte er schließlich, und verwirrt verengte sie die Augen.
„Nein?“,
wiederholte sie.
„Ich werde darauf nicht antworten.“
„Und
warum nicht? Sie wollen mich schließlich nach Hause schicken. Ohne Grund.
Einfach so.“
„Wieso
arbeiten Sie für mich?“, unterbrach er sie und wechselte das Thema ungeduldig.
„Was?“, entgegnete sie verwirrt, und er kam näher.
„Wieso?
Wieso tun Sie das“, wiederholte er mit einem spöttischen Grinsen.
„Sie… Sie haben mich überzeugt. Sie haben mich eingestellt!“, erwiderte sie,
denn er musste verrückt geworden sein.
„Ja. Deshalb sehen Sie heute auch so aus, wie Sie aussehen, nehme ich an?“ Sie
spürte die Röte in den Wangen sofort. Er sah sie also doch an. „Sie wollen,
dass ich Sie ausziehe?“, stellte er lächelnd eine weitere Frage, und sie
schüttelte starr den Kopf. „Sie wollen, dass ich Sie anfasse? Sie wollen… dass
ich noch einmal die Dinge tue, die ich vor zwei Tagen getan habe?“
Und ihr
Herz musste sie verraten! Und sie hasste seine Worte, hasste, dass er recht
hatte und hasste wirklich, dass er es laut sagte. Sie war verrückt. Und er war…
ein Arschloch!
„Und
glauben Sie mir, das würde ich wirklich gerne, aber… aber… ich“, er unterbrach
sich selbst, fuhr sich wieder durch die Haare, und sie schüttelte präventiv den
Kopf.
„Nein,
lassen Sie mich ehrlich sein. Das ist es doch, was Sie wollen, richtig? Tja,
ich sehe heute meinen Vater, und jedes Mal, wenn ich meinen Vater sehe… befällt
mich… wie soll ich es nennen…? Ich habe meine Medikamente abgesetzt. Und… ich
nehme sehr, sehr viele davon. Das wissen Sie nicht. Sie haben mich nicht
gefragt, und… wenn ich ehrlich bin, ist es mir egal, was Sie denken. Oder ob
Sie überhaupt denken…“, fuhr er achselzuckend fort, und sie konnte ihn nur
ungläubig anstarren.
„Jedenfalls
heute…“, fuhr er lächelnd fort, „bin ich nicht in der Lage, Sie anzusehen“,
schloss er. „Es fällt mir schwer. Sie wissen schon, Selbsthass, Schwächen, Muggelprobleme.
Morgen ist alles wieder normal. Morgen bin ich wieder vollständig unter Drogen,
und morgen kann ich Ihnen garantieren, dass Sie einen befriedigenden Arbeitstag
haben werden.“ Sie konnte ihn nur ansehen, sie konnte praktisch mit ansehen,
wie ihn jedes Wort zu quälen schien.
„Aber
heute… bin ich… ganz ich selbst. Und das ist ganz, ganz schlecht“, schloss er.
„Also bitte… bitte gehen Sie jetzt.“ Und sie wusste nicht, ob seine Worte dazu
dienen sollten, sie zu verletzen, oder ihn zu verteidigen. Wahrscheinlich lief beides
auf dasselbe hinaus. „Bitte“, fügte er gepresst hinzu. „Morgen… kommen Sie
morgen wieder.“
Und sie
erkannte ihn nicht wieder. Er war… verwirrt. Unsicher, bösartig geradezu. Er
hatte seine Medikamente abgesetzt? Sah er dann so aus? War er dann normal? War
das ein Normalzustand? Sein persönlicher Normalzustand?
„Gehen
Sie“, wiederholte er. Wieder schloss er die Augen. Und bevor sie weinen musste,
bevor sie noch eine entwürdigende Frage stellte, bevor noch irgendwas
passierte, eilte sie in ihr Büro, griff sich ihren Mantel und hastete wieder
zurück. Sie spürte seinen Blick, aber ohne ihn anzusehen war sie verschwunden.
Draco
Malfoy war verrückt! Und er hatte es ihr schon ganz offen gesagt! Und er hatte
es ihr schon Freitag gesagt! Er war ein Feigling, ein Wichser, und alles, was
sie über ihn dachte, war wahr! Wieso war sie dann hier? Wieso wollte sie ihn
dann unbedingt sehen?
Und
wieso war er so kalt? Was hatte sie getan?
Hermine,
er ist krank. Krank. Wirklich, wirklich krank!
Und sie
wollte nicht wieder kommen! Wie sollte sie bitte morgen wieder kommen und so
tun, als wäre nichts gewesen? Wie? Sie könnte sich niemals so sehr demütigen!
Sie
sollte es nicht tun! Sie sollte es auf gar keinen Fall tun. Sie sollte
kündigen.
Sie
musste, denn das hier war einfach nur verrückt!
~*~
Ginny
schüttelte ohne Unterlass den Kopf, während sie zornig die Spüle zum dritten
Mal wischte.
„Kündigen.
Einfach kündigen Hermine! Wieso lässt du dir so etwas gefallen? Was ist
überhaupt los mit dir?“ Und Hermine wusste, Ginny schrie aus Sorge. Und Hermine
wusste, es war dumm gewesen, anzufangen zu weinen. „Du lügst, du bist nicht
mehr du selbst, und jetzt…? Jetzt lässt du dich von diesem Arschloch nach Hause
schicken, weil er… dich heute nicht ertragen
kann? Weißt du, dass er ein Arschloch ist? Wieso hast du dich überreden lassen,
Merlin noch mal!“
Aber
Hermine schniefte weiterhin in ihr Taschentuch.
„Ich weiß nicht, wie es angefangen hat, und glaub mir, ich glaube dir nicht, dass
du lediglich für ihn arbeitest! Hat er dich zu irgendwas gezwungen? Macht er
irgendwelche… Todesser-Machtspielchen mit dir?“, flüsterte Ginny fast, und
Hermine schüttelte erschrocken den Kopf.
„So ein Unsinn, Ginny!“
„Nein?
Hast du nicht gesagt, er ist in Behandlung?“
Ja, es
war ihr rausgerutscht. Vor zwei Stunden, als sie noch völlig mit den Nerven am
Ende war.
„Ginny,
du darfst es keinem erzählen!“, entgegnete Hermine heiser vor Tränen und putzte
sich erneut die Nase.
„Wieso arbeitest du für einen kranken Mistkerl, Hermine? Wieso bist du so
besessen von ihm? Du sitzt hier und weinst! Hat er dich wirklich nicht
geschlagen? Hat er dich verflucht? Wenn er einen Unverzeihliche angewandt hat,
dann hast du so viele Rechte, er würde nicht schnell genug nach Askaban
kommen!“, fügte Ginny gehässig hinzu. „Harry würde sich kümmern!“, versprach
sie nickend in einer Manie der dunkelsten Drohung.
„Nein,
nein“, widersprach Hermine. „Ich…“ Und Ginny putzte weiter. Sie ähnelte Molly
in diesem Augenblick sehr. Hermine bereute in dieser Sekunde, dass sie Ginny
überhaupt aufgesucht hatte. Und dass sie auch noch weinte.
„Dieser
Arsch“, murmelte Ginny zornig.
„Nein, er ist kein Arsch“, hörte sie sich ihn verteidigen. Und Ginny warf den
Lappen zornig in die Spüle.
„Hörst
du, was du da redest? Hast du mit ihm geschlafen? Habt ihr eine Affäre? Ist es
das? Hat er dich irgendwie genötigt? Dich gefesselt, gefoltert, während er dich
gezwungen hat, irgendwelche versauten Sachen zu machen?“ Hermine musste nur
noch mehr weinen und schüttelte vehement den Kopf. Nein, er hatte ja nicht
einmal mit ihr schlafen wollen! Merlin, sie war ein Wrack! Und sie war selber
völlig verrückt!
„Nein!
So etwas tut er nicht, Ginny! Merlin, ich sage dir doch, er hat gar nichts
getan. Er hat mich heute nach Hause geschickt!“ Sie schluchzte laut. Ja, er
hatte sie zu allem Überfluss auch noch nach Hause geschickt! Ginny hatte nun
beide Hände in die Hüften gestemmt und musterte sie ungläubig.
„Du bist
in Malfoy verliebt?“ Hermine hob den Blick.
„Nein!“,
widersprach sie weinend.
„Du
weinst, weil er dich nach Hause schickt. So fern du mir nicht gleich beichtest,
dass er dich mit dem Cruciatus
aus seinem Büro gefoltert hat, dass er nicht andere direkte Gewalt angewandt
hat, dass er dich weder Schlammblut noch sonst irgendwas genannt hat, dann-“
„Hat er
nicht!“, sagte sie heftig.
„Wieso
weinst du dann? Wieso hast du Mitleid mit einem Verrückten in Behandlung? Wieso
arbeitest du für Draco Malfoy, Hermine?“
Und
schon wieder bekam sie heute diese Frage gestellt! Als ob sie es wüsste!
„Sag mir
einfach, wieso? Als ob dir Gold so wichtig wäre! Ich wünschte lieber, du wärst
mit Ron zusammen geblieben, denn das hier ist einfach nur krank! Draco Malfoy
ist gefährlich. Er ist reich und gefährlich. Das sind zwei Dinge, die einfach
abschreckend genug sein sollten. Er ist Reinblüter, hat den eigenen Vater im
Gefängnis sitzen, und du erzählst mir auch noch, dass er in Behandlung ist,
weil er ein Todesser war!“
Hermine
schniefte ein letztes Mal in das Taschentuch und wischte sich schließlich die
Tränen von der Wange. Und sie wusste, sie hätte es Ginny nicht sagen dürfen.
Ginny war nicht die richtige Person, mit der sie sprechen konnte. Ginny hatte…
seit ihrem ersten Jahr in Hogwarts auf Harry Potter gewartet. Hatte einen
ganzen Krieg lang auf ihn gewartet! Sie hatte ihn bekommen, bekam jetzt sein
Baby, und sie, Hermine, saß hier und war verzweifelt, weil ein kranker Todessser nicht gemerkt hatte, dass sie heute kein Höschen
trug! Sie war ein Masochist, wohingegen Ginny… sie einfach nicht verstehen
konnte!
Es
gehörte mit zu Hermines Theorien. Sie war auch geschädigt, nach dem Krieg, nach
all den Jahren voller Schmerz und Gewalt. Und sie wollte von Ginny nicht mehr
so angesehen werden! Was hatte sie gedacht? Dass es alles einfach war? Dass
sie, nur weil sie Malfoy jetzt gerade attraktiv fand, alles einfach war?
Vielleicht war sie einfach nur selber krank, weil sie ihn diese Dinge tun
ließ?!
Hatte es
nicht irgendwas mit Stolz zu tun? Wieso empfand sie nicht mehr so, sobald sie
ihn sah? Wieso träumte sie seit Tagen nur noch von ihm? Was war an ihm so
großartig, dass sie sich selber diese Last auferlegte? Aber sie hatte einen
klaren Weasley Heimvorteil.
Sie
hatte jahrelang das Verhalten aller Weasleys studiert, und sie wusste, es gab
jetzt nur einen Satz, der Ginny verstummen lassen würde. Vorerst zumindest.
„Du hast
ja Recht“, sagte sie also resignierend, und die gestemmten Hände in Ginnys
Hüften lockerten sich, fielen zu ihren Seiten hinab, und sie setzte sich neben
Hermine an die Küchentheke, während sie ihren Tee weiter trank.
„Sag ich doch. Und morgen wirst du kündigen!“
Und
Hermine nickte bitter. Vielleicht würde sie das. Was sollte sie sich quälen.
Das war der beste Orgasmus der Welt wirklich nicht wert. Und er hatte es ihr
gesagt. Er war verrückt.
Er war
absolut wahnsinnig!
Der
Weasley-Code war geknackt. Es war auch kein besonders schwerer Code. Eigentlich
resultierte aus Bestätigung und Übereinstimmung mit einem Weasley meistens
Friedfertigkeit.
~*~
Sie war
unglaublich müde.
Wirklich
müde. Das war ein so schlimmer Tag gewesen, und sie hatte kaum Schlaf gefunden.
Sie hatte sich selber verteufelt, alle Todesser verflucht, alle Malfoys
verflucht, und sie hatte den Entschluss gefasst, dass Ginny einfach richtig
lag.
Das war
es eben. Sie hatte sich vielleicht die Finger an Draco Malfoy verbrannt, aber
sie würde sich sonst nichts weiter verbrennen! Sie würde nicht in Flammen
stehen für einen psychisch labilen Wahnsinnigen!
Ja, sie
musste es sich nur weiterhin sagen.
Und sie
fühlte sich gut. In Turnschuhen. Mit Pferdeschwanz, auch wenn ihr Pony ihr lang
in die Augen fiel, und sie ihn gereizt wieder und wieder hinter ihre Ohren
strich. Mascara und leichtes Makeup waren heute das äußerte, was sie ihrem
Gesicht zugemutet hatte, und sie trug Jeans. Eine dunkelblaue Jeans zu
schwarzen Chucks. Einen blauen Pullover, und sie sah so aus, wie man zum
Kündigen wohl aussehen musste.
Und sie
kam sich albern vor. Sie befand sich immer nur in einem Für und Wider Draco
Malfoy ihre Kündigung auszusprechen. Aber immerhin sah sie heute auch danach
aus!
Sie trug
eine Lederjacke, die vielleicht ein bisschen zu gewagt für Ende Herbst war,
aber auch das war ihr egal. Sie fühlte sich mutiger in der dunklen Lederjacke.
Es war rein psychologisch. Und davon verstand Malfoy doch angeblich etwas!
Sie apparierte das letzte Stück, und erreichte das hohe
Gebäude. Der Zauberer vor der Tür, begrüßte sie freundlich und hielt ihr die
Schwingtüren auf. Sie nickte nur. Bloß nicht ablenken lassen!
„Miss
Granger!“, rief die Hexe vom Empfang erfreut, aber Hermine schüttelte den Kopf.
Sie wollte nicht in ein nettes Gespräch verwickelt werden. Verdutzt schwieg die
Hexe, und Hermine betrat den Fahrstuhl. Er hielt auf der zweiten Eben, und Witherby stieg ein.
„Ah,
Miss Granger, haben Sie schon gehört?“ Kurz glitt sein Blick an ihr hinab, aber
er sagte gar nichts. Sie schüttelte nur den Kopf, ohne ihn anzusehen. „Ihre
Theorie, das Unternehmen persönlich abzuwerben, hat ausgezeichnet funktioniert.
Mr Malfoy war noch gestern Abend dort, und wissen Sie
was – er hat es gekauft! Und das ist eine gute Sache. Er hat außerdem allen
Abteilungen Champagner spendiert.“ Witherby schien
sich darüber besonders zu freuen.
„Und wissen Sie, warum es wirklich gut ist?“, wollte er ziemlich munter von ihr
wissen, aber sie hatte immer noch nicht gesprochen, sah ihn jetzt aber immerhin
an. Hermine konnte sich vorstellen, warum es gut war. Dann wäre er noch reicher
und könnte noch wahnsinniger werden! „Weil-“
Die Tür
zum Fahrstuhl öffnete sich erneut, und sie wurde von dem bekannt herben Duft
erschlagen. Er betörte ihre Sinne. Fruchtig und herb zugleich. Er sah absolut
unglaublich aus! Kein Vergleich zu gestern! Kein Vergleich zu irgendeinem Tag.
Sie spannte ihren Kiefer an, damit sich ihr Mund nicht auch noch dümmlich
öffnete, während sie ihn angaffte. Seine Haare schimmerten golden im Licht des
Fahrstuhls. Seine Haut sah wieder gebräunt und gesund aus. Ein Lächeln
umspielte seine Lippen. Ein unglaublich verführerisches Lächeln.
„Guten Morgen Witherby, Miss Granger“, begrüßte er
sie so nonchalant, als wäre er nie ein Wahnsinniger gewesen, der sie nach Hause
geschickt hatte.
„Guten Morgen, Sir! Ich hatte Miss Granger bereits von Ihrem Erfolg berichtet,
Sir“, murmelte Witherby schüchtern.
„Ja, richtig. Ich hatte großen Erfolg mit Ihrer These, Leute persönlich
anzusprechen.“ Worte. Höfliche, vollkommen freundliche Worte, die er an sie
richtete. Und als wäre es so absonderlich, dass man Menschen persönlich besser
überzeugen konnte als per Post! Kündigung,
Hermine! Vergiss nicht, weshalb du hier bist! „Ich entschuldige mich wegen
gestern“, fügte er leiser hinzu, und lehnte sich näher zu ihr, ohne sie aus den
Augen zu lassen. Seine Augen waren betörend. So grau wie die stürmische See.
„Askaban macht mich nervös“, erklärte er schlicht. Richtig, er hatte seinen
Vater besucht. Egal! Das war völlig egal!
„Ja, ich
müsste mit Ihnen sprechen“, fasste sie sich kurz und unterbrach sein Gespräch
somit. Sie erreichten ihr Stockwerk und stiegen aus. Alle drei betraten
dasselbe Büro, nur Witherby verabschiedete sich
munter und schritt weiter in seins.
Malfoy
öffnete gleichmütig sein hellbeiges Jackett, und es war Hermine unbegreiflich,
dass er gestern noch so ein Arschloch gewesen sein konnte. Er lehnte sich gegen
seine Schreibtischkante, schlug die Füße übereinander und wartete mit einem
schelmischen Ausdruck auf den jungen Zügen.
Er sah…
anders aus. Er nahm also seine Medikamente wieder, nahm sie an. War es möglich,
dass man ohne Medikamente so ein anderer Mensch sein konnte? Sie wollte es
nicht wahrhaben, aber es machte den Anschein. Kündigung! Sie musste es
sich wieder ins Gedächtnis rufen.
Und er
trug eine Jeans. Genau wie sie, fiel ihr auf. Er sah sogar legere aus.
Natürlich nicht wirklich. Zu der Jeans trug er Schuhe aus teurem Leder. Über
der Jeans ein weißes Hemd, allerdings ohne Krawatte. Das helle Jackett saß
ausnahmslos perfekt, hing auch perfekt über seinen muskulösen Schultern, und
wachsam sah er sie an. Ausgeglichen. Und so sehr sie nach einer
übriggebliebenen Spur des Wahnsinns von gestern suchte, so wurde sie von ihm
enttäuscht.
Jetzt
lächelte er plötzlich. Merlin, sah er gut aus!
Wo war
der Malfoy von gestern?
„Also, was wollten Sie mir sagen?“ Und sie fühlte nur noch scheußlich, als sie
ihm antwortete.
„Ich… möchte kündigen“, flüsterte sie, und war nur noch ein Hauch von der
wütenden und entschlossenen Hermine von heute Morgen, die mit dem festen Plan
losgegangen war, ihn in Grund und Boden zu stampfen. Seine Stirn runzelte sich.
Eine blonde Strähne fiel ihm in die Stirn, und beiläufig wischte er sie zurück,
und sie lag wieder perfekt. Wie schaffte er das? Wie konnte bei ihm alles so
leicht und elegant aussehen, ohne dass er sich darum kümmerte? Oder kümmerte er
sich darum, indem er böse Medikamente nahm? Starke Medikation, die verhinderte,
der er sein wahres Ich zeigte, so wie gestern? So wie gestern, als er sie aus
seinem Büro gejagt hatte, weil er sie nicht ertragen konnte?
Sie
schluckte schwer, denn es war unmöglich, ihn solange anzusehen, ohne weiche
Knie zu bekommen. Er fuhr sich mit den schlanken Fingern nachdenklich über sein
Kinn. Sein schönes gewölbtes Kinn. Sein wunderschönes Gesicht wirkte nun
plötzlich besorgt. Er kam jetzt auf sie zu, hatte sich raubtierartig vom
Schreibtisch abgestoßen, in nur einer fließenden Bewegung und schritt nun
langsam auf sie zu, bis er vor ihr stand, bis sie den Kopf in den Nacken legen
musste.
„Ist das
Ihr fester Entschluss?“, fragte er voller Enttäuschung, und sie war bereit, den
Kopf zu schütteln, wenn er sie nur weiter so ansehen würde! Wieso konnte er
nicht einfach immer so sein? Genauso wie jetzt!
„Ich…
denke, nach gestern bin ich-“
„Ich
habe Ihnen gesagt, heute ist alles anders“, unterbrach er sie kopfschüttelnd,
als wäre es ihr Fehler.
„Aber Sie können mich nicht einfach wegschicken, wenn Ihnen nicht danach ist,
eine Muggel zu sehen!“, entfuhr es ihr zornig, und sie verschränkte die Arme
vor der Brust. Er betrachtete sie gequält. Es zerriss sie fast.
„Wollen
Sie nicht Ihre Jacke ausziehen?“, begann er erneut, aber sie schüttelte
vehement den Kopf.
„Nein.
Nein, ich will nicht meine Jacke ausziehen“, entgegnete sie mit fester Stimme.
„Dann… ist das alles in Ihrem Kopf bereits geklärt, und ich habe kein Wort mehr
mitzureden?“ Und sie spürte, wie ihr Herz sich beschleunigte, als sich sein
Blick änderte. Seine ganze Haltung änderte sich. Die Spannung lud sich wieder
auf. Sie sah es genau! Sie fühlte es genau! Wie er sie ansah! Wie konnte er sie
an einem Tag nicht ertragen und nach Hause schicken und am nächsten Tag nur mit
seinem Blick ausziehen?
Sie
nickte, denn sie wollte nicht, dass ihre heisere Stimme sie verriet.
„Zu schade, dass Sie heute nicht auch den Rock tragen, Miss Granger“, bemerkte
er mit einem angedeuteten Lächeln. Ihr Magen zog sich zusammen. „Ich habe Ihnen
gesagt, ich…“ Er zögerte kurz. „Sie wissen von meiner Behandlung. Und… so wie
gestern… bin ich nicht wirklich. Glauben Sie mir das? So wie gestern… bin ich,
wenn ich krank bin. Ich will nicht, dass Sie gehen. Eigentlich will ich heute
mit Ihnen feiern, dass die Malfoy Group expanideren
kann, dank Ihnen und Ihrer Idee.“ Sie hörte seinen Worten zu, wollte ihm
glauben, aber… wie konnte sie das? Sie sollte es nicht! Sie war keine Beute für
ihn! „Sie wussten, dass ich in Behandlung bin und haben mich angefleht, Sie
nicht zu entlassen“, fuhr er ernsthaft fort.
„Mr Malfoy, ich-“, versuchte sie, zu erklären, aber er
schüttelte den Kopf.
„Natürlich
können Sie gehen, wenn Sie es wünschen“, unterbrach er sie seufzend und deutete
ruhig auf die Tür hinter ihr. Und sie zögerte. Sie konnte nicht anders, als zu
verharren. Sie wollte nicht gehen. Nicht wirklich. Er war so schön! Und sie
wusste, das sollte erst recht kein Kriterium sein, weswegen man einen Job
behielt! Und was würde Ginny sagen?
Richtig.
Ihre Freunde.
„Harry und Ron sprechen nicht mehr mit mir“, entfuhr es ihr jetzt, und sie
senkte ihren Blick. Kurz schwieg er, dann kam er noch näher, und dann lag sein
Zeigerfinger unter ihrem Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Und sein Blick war
unglaublich intensiv. Seine Wimpern waren lang, und er war so attraktiv wie
noch kein Mann, dem sie jemals begegnet war. Es war so unglaublich, dass er
sich wieder unter Kontrolle hatte! Vor ihr stand der Mann, der den
Koboldvortrag gehalten hatte. Er war die eiserne Beherrschung in Person, nichts
könnte ihn schocken oder erstaunen, verunsichern oder ihn sich so unwohl fühlen
lassen, dass er jemanden aus seinem Büro verweisen musste, nahm sie mit
stockendem Atem an.
Und es
war unglaublich sexy. Seine Kontrolle war fast mehr, als sie ertragen konnte.
Wie konnte derselbe Mann, der seit Jahren in psychischer Behandlung und an
wusste Merlin wie viele Medikamente gekettet war, sie tatsächlich dazu bringen
all ihre Verteidigung aufzugeben und sie sogar dazu bringen, ihn Sir zu nennen?
„Ich mag
Geheimnisse, Miss Granger“, erklärte er plötzlich mit einem unergründlichen Lächeln.
„Und ich hätte gerne, dass Sie bleiben. Sagen Sie mir, was ich tun kann?“ Und
er sah sie ehrlich an. Und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Er wollte, dass
sie blieb! Der verrückte, wunderschöne Mann wollte, dass sie blieb.
„Zeigen
Sie mir Ihre Medikamente?“, wagte sie zu Fragen, und er löste den Zeigefinger
von ihrem Kinn. Sie vermisste die Berührung sofort. Er atmete schwer aus. Dann
schüttelte er den Kopf.
„Ich
denke, dass wäre etwas zu real, finden Sie nicht?“
„Ich
weiß es doch ohnehin!“, flüsterte sie trotzig.
Er war
ernst geworden.
„Wieso
wollen Sie das?“ Und sein Blick war wieder lauernd, als suche er eine bestimmte
Antwort aus ihrem Mund.
„Ist es
wichtig, warum? Ich bin auch vorher nicht weggelaufen“, behauptete sie tapfer,
aber er lächelte wieder.
„Sie tun
eigentlich kaum etwas anderes als vor mir wegzulaufen“, bemerkte er jetzt
spitz, aber dann atmete er aus. „Ok. Das ist Ihre Bedingung?“ Und sie nickte,
mittlerweile sehr unschlüssig. „Miss Granger, ich zeige Ihnen meine gesamte Medikation,
wenn Sie wünschen. Aber nicht heute“, erklärte er lächelnd.
Und
irgendwie war sie von der Kündigung weit abgedriftet, ging ihr dumpf auf.
„Ok…“,
sagte sie schlicht. Sie kam sich etwas manipuliert vor.
„Ok? Dann kündigen Sie heute anscheinend nicht?“, vergewisserte er sich in
seiner ganzen jungenhaften Arroganz, mit einem umwerfenden Lächeln. Und wie
konnte sie jemals nein zu ihm sagen? Sie schüttelte also den Kopf, unfähig
etwas anderes zu tun, und ging mit weichen Knien in ihr Büro.
Sie zog
sich die Jacke kopfschüttelnd aus, legte sie über den Schreibtisch, und die Tür
schloss sich plötzlich. Sie hob den Kopf und starrte blind nach vorne.
„Ich
glaube, ich schulde Ihnen noch eine Entschuldigung für gestern“, hörte sie
seine angenehm tiefe Stimme, und ihre Handflächen wurden übergangslos feucht. Oh Merlin! Diese Stimme! Seine Worte!
Das konnte er jetzt nicht anders als wörtlich meinen, oder?! Sie waren in
seinem Büro! Auf der Arbeit!
Sie
wandte sich fast ängstlich zu ihm um, das Blut rauschte angenehm laut in ihren
Ohren, als sich ihr Puls bei seinem Anblick beschleunigte. Ihr Magen zog sich
zusammen, denn hundert Schmetterlinge schlugen in heller Vorfreude mit den
Flügeln.
Falsch, Hermine! Ganz, ganz falsch, dachte sie verzweifelt, aber er hatte
den Abstand lächelnd geschlossen.
Der Blick
aus seinen Augen war fast verwegen und so magnetisch anziehend, dass sie nicht
wegsehen konnte. Und sie überlegte, ob es eine schlechte Idee wäre. Aber
anscheinend ignorierte ihr Kopf – oder ihr Körper – sein gestriges Verhalten
komplett, blendete alles schlechte an ihm aus, und ein Lächeln zog seine
Mundwinkel langsam nach oben, dass sich feine Grübchen in seine samtene Haut
gruben. Zum ersten Mal erkannte sie den Ansatz eines Barts auf seinen Zügen,
und es ließ ihn nur noch besser aussehen.
Sein
Selbstbewusstsein schien unantastbar zu sein, während er auf sie hinabblickte.
„Wir… sind
im Büro“, entrang sich schließlich die größte Sorge ihrer Kehle. Und
tatsächlich vertiefte sich sein Lächeln, als hätte sie etwas besonders
amüsantes gesagt. Es war kaum mehr Platz zwischen ihnen und sie wich
überwältigt zurück an ihre Schreibtischkante. Er folgte ihr umstandslos, und
bevor sie reagieren konnte, hob er sie mit beiden Händen auf ihren
Schreibtisch.
Oh Merlin!
„Sie glauben
nicht, wie sehr ich Sie vermisst habe“, entfuhr es ihm rau, und ihr Herz machte
gleich mehrere Sätze. Hatte er?! Er hatte sie vermisst? Wirklich? Innerlich vollführte sie Luftsprünge! „Ich habe nach
Freitag pausenlos daran gedacht, wie unglaublich Sie nackt aussehen“, sprach er
weiter, und sie spürte die Röte in ihren Wangen wieder. Und ein Ziehen in ihrer
Magengegend, das ihren Herzschlag weiter beschleunigte. Und auch, wenn sie es
niemals laut zugeben würde, aber, dass er sie siezte, trieb ihren Puls in die
Höhe. Es war wie ein Rollenspiel. Ein perverses, gefährliches Rollenspiel in
seinem Unternehmen. Jetzt verwischte sein Lächeln. „Ich möchte, dass Sie tun,
was ich von Ihnen verlange, Miss Granger“, befahl er mit strengem Blick, und
sie schmolz unter seinen Worten. Er war so unglaublich anziehend. Sie war
einfach nur Pudding unter seinem Blick. Sie nickte mit trockener Kehle.
„Heben Sie
Ihre Arme“, fuhr er fort, ohne sie aus seinem Blick zu entlassen, und ihre Arme
hoben sich zu ihrer größten Überraschung, wie von selbst. Er griff unter den
Saum ihres Pullovers und zog ihn umstandslos über ihren Kopf.
Jetzt trug
sie Jeans und BH und saß auf ihrem eigenen Schreibtisch. Ihr Pferdeschwanz fiel
ihr nach vorne über die Schulter. Er folgte ihm mit seinem Blick, und nahm ihn
in die Hand, fuhr mit den Fingern durch ihre dunklen Wellen, ehe er hart wieder
seine Finger um den Zopf schloss und sie daran plötzlich näher zog, dass sie
keinen Zentimeter mehr von seinem Gesicht entfernt war. Sie hielt den Atem an.
Seine grauen Augen glühten vor Lust. Es tat nicht wirklich weh. Es turnte sie
leider viel zu sehr an, ihm die Kontrolle zu überlassen, stellte sie mit
klopfendem Herzen fest.
Er stellte
sich mit einem letzten Schritt zwischen ihre Beine, schlang den anderen Arm um
ihre bloße Taille, und sie wusste, es fehlte nur noch der Bruchteil einer
Sekunde. Ihr Herz schlug einen letzten ungeduldigen Schlag, und dann küsste er
sie. Sie Kopf senkte sich schnell, seine warmen Lippen trafen ihren Mund, und
dass sie hatte kündigen wollen rutschte sehr, sehr weit nach hinten in ihr
Bewusstsein, denn wie hatte sie ohne seine Lippen auskommen können?
Unbewusst
stöhnte sie gegen seinen Mund. Sie erwiderte den Kuss sofort. Sofort! Es gab überhaupt
keine andere Möglichkeit. Dass sie nicht alleine waren, dass ihre Tür nicht
verschlossen war – völlig egal!
Ihre Hände
griffen in seine Jackettaufschläge, zogen ihn enger
an sich, wanderten zu seinen Schultern, über seinen Nacken, bis sie in seine
dichten Haare griffen und seine Zunge übergangslos in ihren Mund glitt. Sie zog
voller Verlangen an den blonden, dichten Haaren, und er stöhnte rau in ihren
Mund. Ihre Lippen verschlossen die seinen nur zu willig, und sie massierte
seine Zunge, bis er seine Hand über ihren nackten Rücken bis hin zu ihrem Po
wandern ließ, sie ausstreckte und sie gegen sich drückte. Sie spürte die
Erektion in seiner Hose, und in heller Vorfreude zog sich alles in ihrem
Unterleib zusammen.
Er löste den
Kuss und verharrte direkt vor ihren Lippen. Seine grauen Augen fixierten sie.
„Vertrauen
Sie mir?“, fragte er tonlos, mit sehr rauer Stimme. Ihr Atem ging unregelmäßig,
und ihre weit aufgerissenen Augen, konnten sich nicht von seinem Anblick lösen.
Seine dunkelgrauen Augen blickten hungrig auf sie hinab, und der Sturm darin
war unglaublich. Löste sie es tatsächlich aus? Und bevor sie über seine Worte
ausreichend nachgedacht hatte, nickte sie, als wäre es selbstverständlich. Und
sie tat es.
„Ja“,
hauchte sie als Antwort, und zur Bestätigung hoben sich seine Mundwinkel. Mit
seinen Fingern öffnete er langsam die Knöpfe der Jeans, und sie hielt ihn nicht
auf, hielt ihren Blick weiter auf sein Gesicht gerichtet. Er ging in die Knie,
und öffnete tatsächlich ihre Schuhe, zog sie aus, danach ihre Socken. Und die
Röte stieg wieder in ihr Gesicht. Dann zog er sie in einer schnellen Bewegung
vom Schreibtisch zurück auf den Boden. Etwas wacklig stand sie auf ihren
eigenen Beinen. Er schob die enge Hose ihre Beine hinab, bis sie selber aus den
Hosenbeinen steigen konnte, und trug nur noch ihre Unterwäsche.
Sie
befeuchtete abwesend ihre Lippen, während er noch vollständig angezogen war.
„Ihre Haut
ist absolut unglaublich“, murmelte er anerkennend. Er hob die Hand zu ihrem
Nacken, schlang sie um ihren Hals und zog sie erneut zu einem Kuss heran.
Ihre Hände
fanden hastig einen Weg zu seinen Schultern, schoben sein Jackett seine Arme
hinab, und er ließ es zu. Sie konnte nicht anders, als ihre Hände seinen Rücken
hinab streichen zu lassen, und sie erlaubte es sich, sie auf seinem festen
Hintern über der Jeans ruhen zu lassen. Sie spürte plötzlich sein Grinsen gegen
ihre Lippen. Er unterbrach den Kuss erneut, und mit offenem Mund schnappte sie
nach Luft, als seine Zunge ihren Hals entlang fuhr, seine Zähne kurz zubissen,
und das Gefühl unzählige Schauer über ihren Rücken schickte.
Seine Zähne
kratzten über ihre bloße Haut, ganz leicht, bis er mit den Zähnen den einen
Halter ihres BHs ihre Schulter hinab zog. Sie zitterte unwillkürlich vor
ungeduldiger Erwartung.
„Ihre Brüste
sind perfekt, Miss Granger. Absolut perfekt“, sprach er wieder. Er zog mit den
Fingern den BH über ihre rechte Brust und erreichte
mit seinen Lippen endlich ihren harten Nippel. Sie schloss stöhnend die Augen,
als er ihn in seinen Mund sog. Sie griff erneut in seine Haare, fest und
verlangend. Seine Zunge umrundete ihren Nippel wieder und wieder, bis sie
zischend die Luft einsog.
Sie presste
sich enger gegen ihn, und sein Duft hüllte sie nur noch mehr ein.
„Bitte“,
hörte sie sich selber flüstern, und er löste sich von seiner süßen Qual, um
seinen Blick zu heben.
„Bitte, was?“, fragte lächelnd, und es war ihr
egal, dass sie bestimmt unverschämt rot geworden war. Sie biss sich wieder auf
die Lippe, und seine Finger strichen über ihren Bauch, hinab über ihren
Bauchnabel, bis er am Bund ihres Slips inne hielt.
„Wollen Sie,
dass ich Sie berühre?“ Am liebsten wollte sie, dass er jetzt ihren Vornamen
sagte! Am liebsten wollte sie ihm seine Kleider vom Leib reißen, aber sie
konnte nur unfähig nicken. Sie wollte alles! Absolut alles, was er ihr gab!
Seine Finger schlüpften in ihren Slip, fuhren fest über ihren Venushügel, bis
er ihre Klitoris fand. Kurs massierte sein Daumen das empfindliche
Nervenbündel, ehe sich seine Mundwinkel zu einem anrüchigen Grinsen hoben. „So
feucht?“, erkundigte er sich, und sie schloss keuchend die Augen. Schließlich
stieß er einen Finger in sie, und ihre Beine zitterten vor Lust. Ein zweiter
Finger fand den Weg in sie, und er verschloss ihren Mund. Seine Zunge drang
fordernd in die Hitze, und sie begegnete dem Kuss wild und völlig losgelassen.
Ihre Finger griffen blind in sein Hemd, zogen es aus der Hose, und nur zu
schnell hatte er sich von ihr gelöst, ihre Hände abgefangen und benebelt sah
sie in sein Gesicht.
Die
Enttäuschung musste auf ihren Zügen stehen, und ihr Atem ging schnell.
Er
schüttelte sachte den Kopf. Und sie begriff, selbst in ihrem Nebel der Lust. Er
wollte nicht, dass sie ihn anfasste! Es machte aber keinen Sinn! Überhaupt
keinen. Sie wollte ihn ausziehen. Sie wollte diesen perfekten Mann vor sich
ausziehen, seinen perfekten Körper betrachten und sie wollte seine nackte Haut
spüren, wenn er in sie eindrang! Was er endlich tun sollte!
„Was wollen
Sie tun?“, fragte er ruhig, und sie hätte vor Ungeduld weinen können.
„Sie…
ausziehen“, brachte sie heiser hervor. Er schüttelte wieder den Kopf, aber er
lächelte.
„Nein, noch
nicht“, sagte er schlicht.
„Sie wollen… nicht mit mir schlafen?“, schaffte sie zu sagen und hoffte, sie
klang nicht so verzweifelt und willig, wie es sich in ihren Ohren anhörte. Die
Röte sprengte wieder einmal ihr Gesicht. Und sein Lächeln vertiefte sich,
während er die Hand zu ihrem Gesicht hob. Sie lehnte sich in seine Berührung,
ohne dass sie es verhindern konnte. Und er antwortete nicht auf ihre Frage,
aber sie wusste, er hatte eine Erektion.
„Alles hat
seine Zeit. Wollen Sie sonst noch irgendwas tun?“, fragte er jetzt lauernd, und
sie hob den Blick zu seinem wunderschönen Gesicht. Sie wollte mit diesem Mann
schlafen. Dringender als alles andere. Aber… sie durfte ihn nicht berühren? Es
machte keinen Sinn!
„Darf ich….“
Es kostete sie schon Überwindung zu fragen. „Ihre Hose öffnen?“ Und sie fühlte
sich so schüchtern, wie noch nie. Plötzlich lächelte er.
„Das dürfen
Sie, Miss Granger.“ Und sie wollte nicht fragen, weshalb sie ihn nicht berühren
durfte. Ob es deshalb war, weil sie eine Muggel war, oder… ob er durch die
Medikamente irgendwie entstellt war, oder… vielleicht sah er unter seinen
Sachen nicht perfekt aus? Während sich diese Gedanken in ihrem Kopf formten
öffneten ihre Hände bereits fahrig seinen Gürtel, die Knöpfe seiner Jeans, den
Reißverschluss, denn sie würde alles nehmen, was sie kriegen konnte. Und sie
hob unsicher den Blick zu seinem Gesicht. Sie wusste, er hatte die Luft
angehalten.
Und sie
wollte nicht hinterfragen, was los war, was das Problem war, und sie hätte
weinen können, dass sie ihn nicht vollständig ausziehen durfte.
Ohne ihn aus
den Augen zu lassen, griff ihre Hand in die dunklen Shorts.
Und die Luft
entwich stöhnend seinem Mund, während sich seine Augen augenblicklich
schlossen. Er war groß in ihrer Hand. Seine Erektion pochte weich und samten
gegen ihre Finger, und sie schluckte schwer, als sie mit einer Hand die Hose
und die Shorts seine Beine ein Stück weit hinab schob. Perfekt.
Da war
nichts Schockierendes! Seine Oberschenkel waren so muskulös, wie es die Form
seiner Hose bereits angedeutet hatte. Und sein Penis war… unglaublich. Gerade
und wunderschön. Lang lag er in ihrer Hand, und sie konnte die Finger nicht
komplett um den Schaft schließen, so dick war er.
Und es war
berauschend, dass der schöne Mann vor ihr, die Augen geschlossen hatte, dass er
sich plötzlich kaum beherrschen konnte, und sie hatte vergessen, wo sie waren,
wer sie waren, und sie konnte nicht anders, als wieder ihre Lippen zu
befeuchten. Und dann sank sie auf die Knie. Er registrierte es sofort und
öffnete seine Augen. Fragend sah sie zu ihm auf, und er sah göttlich aus. Er
atmete immer noch durch geöffnete Lippen, und sie wünschte sich, dass er nicht
ablehnen würde. Zwar war sie nie versessen auf orale Befriedigung beim Mann
gewesen, aber bei ihm… konnte sie sich kaum beherrschen.
Sie wollte
ihn! Oh sie wollte ihn wirklich! Sie wollte ihn spüren. In sich! Irgendwie. Und
er sagte nichts, hielt sie nicht auf, und bevor eine weitere Sekunde
verstreichen konnte, hatten sich ihre Lippen um seine Spitze geschlossen. Er
dehnte ihren Mund, und sie entspannte ihren Kiefer gänzlich, um ihn aufnehmen
zu können. Sie hörte ihn scharf einatmen.
„Fuck“, vernahm sie seine grollende Stimme, und ihre innere Hermine schwoll an
vor Stolz, dass ein Teil seiner Beherrschung von ihm abfiel. „Oh, Merlin!“,
knurrte er, als sie ihn tiefer in ihren Mund saugte. Sie atmete durch die Nase,
denn es war unmöglich, ihren Mund noch weiter zu öffnen als jetzt. Seine Hand
fand den Weg in ihre Haare, und sie spürte, wie er sich unbeherrscht tiefer in
ihren Mund schob. Sie atmete heftiger durch die Nase, unwillig, dieses Gefühl
wieder aufzugeben.
Sie kratzte
leicht mit den Zähnen über seine Seiten, und er sog zischend die Luft ein.
„Verflucht, Granger“, murmelte er rau, und sie zog den Kopf ein Stück zurück,
glitt mit der Zunge über seine Länge, und seine Hüfte bockte wieder
unkontrolliert nach vorne, um sich tiefer in ihren Mund zu stoßen. Panisch
spürte sie, wie er gegen ihre Gaumenwand stieß. Sie unterdrückte nur mit Not
den Würgereflex, und spürte, wie er zurückwich, wie seine Hand sanft über ihren
Nacken strich.
„Ruhig“,
murmelte er leise. „Tief atmen, Miss Granger“, fuhr er fort, und sie befolgte
seinen Befehl, atmete tief durch die Nase und schloss die Augen. Alleine schon,
weil er gerade nicht förmlich gewesen war! Weil er die höfliche,
aristokratische Umgangsform nicht mehr einhielt. So sehr es sie erregte, wenn
er sie siezte, umso mehr gefiel es ihr, wenn er es vergaß. Es war ein mächtiges
Gefühl, als sie spürte, wie er sich nur knapp beherrschen konnte. Und sie
drängte ihren Mund weiter nach vorne, nahm ihn wieder tiefer auf, und zwang
sich, ruhig zu atmen. Sie setzte ihre Zunge ein. Vorsichtig strich sie über die
weiche Haut, versuchte seine Länge mit ihrer Zunge zu umrunden und hörte ihn
abgehackt keuchen. Sie hörte, wie sein Atem jetzt schneller wurde. Ihre Hand
hob sich in ihrem neu aufkommenden Mut zu seinem, Schaft, pumpte hart an ihm
auf und ab, und er krallte sich in ihren Pferdeschwanz.
„Fuck,
verflucht!“, stöhnte er, und als sie glaubte, sie könnte nicht mehr, als sie
glaubte, das Gefühl wäre unerträglich und er wäre zu groß für ihren Mund,
bockte er ein letztes Mal auf. Und sie spürte den heißen Samen in ihrer Kehle.
Ihre Reflexe erwachten wieder, und sie schluckte automatisch, schluckte jeden schweren
Tropfen, spürte, wie er schlaffer wurde in ihrem Mund, leckte noch einmal über
seine Spitze, und er zog sich schwer atmend zurück.
„Fuck!“,
wiederholte er nur, während seine Hände um ihre Schultern griffen und sie
wieder auf ihre Füße stellten. „Granger, das war…“ Kurz verging eine Sekunde,
in der sich sein aufgewühlter hungriger Blick in ihren Augen verfing, und ihr
Puls stolz in ihr hämmerte und neue Rekorde brach, ehe er fast zornig ihre
Lippen verschloss. Sie wusste, sie hatte gerade erst seinen Samen geschluckt,
aber es schien ihm völlig egal zu sein. Seine Zunge drängte in ihren Mund, und
ihr Unterleib pochte vor genüsslichem Verlangen. Sie erwiderte seinen Kuss,
ließ ihre Zunge gegen seine kämpfen, und sie hatte
sich noch nie so gefühlt! Noch nie! Er löste sich ungeduldig von ihren Lippen
und schob sie zurück auf den Schreibtisch, presste ihren Körper auf die Fläche,
ignorierte achtlos die Unterlagen und Ordner, und seine Finger öffneten ihren
BH, zogen ihren Slip ihre Beine hinab, und sie registrierte, wie er nach seinem
Zauberstab griff.
„Vertrauen
Sie mir“, knurrte er, und sie widersprach nicht, wartete nackt und reglos. Er
führte den Zauber stumm aus. Seine Hose war immer noch geöffnet, aber er hatte
anscheinend seine Shorts wieder seine Beine hochgeschoben, stellte sie
enttäuscht fest, aber schon spürte sie den Zauber. Ihre Hände flogen über ihren
Kopf und wurden von Magie zusammen gehalten.
Sie konnte
ihn nicht berühren! Sie würde dieses Verhalten später ergründen, denn sein
Blick schickte gerade Millionen Stromstöße durch ihren Körper, als sein Mund
ungeduldig ihre Brustwarze in seine Hitze sog. Sie beugte sich ihm entgegen,
versuchte den Zauber zu lösen, der ihre Hände über ihrem Kopf hielt, aber der
Zauber war zu stark. Es erregte sie umso mehr. Seine Lippen küssten eine heiße
Spur ihre Mitte hinab, über ihren Bauchnabel, und seine Hände strichen
federleicht über die Innenseite ihrer Oberschenkel, während er ihre Beine
spreizte. Sie sah an ihrem Körper hinab, und er küsste gerade ihren Venushügel.
Dann
wanderten seine Lippen zu der Innenseite ihres Oberschenkels, und sie wollte
ihn so dringend in sich spüren, dass sie hätte schreien können. Aber
anscheinend würde sie diesen Wunsch nicht erfüllt bekommen! Seine Zunge strich
plötzlich über ihre empfindlichen Nerven, und sie keuchte auf. Sein Daumen rieb
beständige Kreise, und sie spürte, wie ihr heißer wurde, wie sich der Orgasmus
beständig aufbaute. Sie lehnte sich gegen die magischen Fesseln, konnte ihre
Hände aber nicht bewegen. Qualvoll langsam stieß er seine Zunge in ihre feuchte
Hitze, und ihr Körper bettelte schamlos um Erlösung, während sie ihre Hüfte ihm
entgegen beugte.
Seine Zunge
drang tiefer in sie, wieder hinaus, und mit zwei Fingern rieb er hart ihre
Klitoris. Ihre Brust hob und senkte sich schneller, und ihr Kopf flog zurück
gegen die harte Platte des Schreibtischs, als er die Zunge noch einmal tief in
sie gleiten ließ.
„Malfoy!“, stöhnte sie hilflos – und kam.
Haltlos und völlig unvermeidbar. Sie kämpfte nicht mehr gegen die magischen
Fesseln, entspannte ihre Arme und ließ sich von den Wellen des erlösenden
Orgasmus‘ erfassen. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Atem ging abgehackt.
Sie spürte,
wie er sich wieder aufrichtete und den Zauber löste. Schlaff fielen ihre Arme
auf den Schreibtisch. Sie konnte sich nicht bewegen. Der Orgasmus war zu
mächtig gewesen. Sie hörte, wie er seine Hose verschoss.
„Am liebsten
würde ich Sie so auf dem Schreibtisch liegen lassen“, hörte sie seine amüsierte
Stimme. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, wie er durch seine Haare
fuhr. Er sah unverschämt gut aus. Ein anzügliches Lächeln auf den Lippen. Träge
setzte sie sich auf, aber ihre Beine zitterten noch. Sie schämte sich nicht
einmal, komplett nackt zu sein.
Und was
schlimmer war – sie wollte ihn immer noch! Immer wieder. Er hatte das Jackett
wieder über sein Hemd gezogen.
„Werden Sie
mit mir schlafen?“, wagte sie tatsächlich zu fragen, denn anscheinend verlieh
der vorangegangene Orgasmus ihr noch genügend Mut, ehe ihre Angst und ihre
Scham wieder zurückkehren würden. Er sah sie nachdenklich an. Dann lächelte er.
Er ruckte vage mit dem Kopf.
„Alles zu
seiner Zeit“, wiederholte er, und sie kletterte weniger anmutig vom
Schreibtisch, stieg eilig in ihren Slip und ihre Hose und wünschte sich, er
würde ihr sagen, was falsch mit ihr war, dass er nicht mit ihr schlafen wollte!
Als ahnte er ihre Gedanken hob sein Zeigefinger ihr Kinn an. Ihr Herz machte
einen Satz. „Ich werde mit Ihnen schlafen“, versprach er plötzlich, und es
grenzte fast an eine Drohung. „Aber ich will mir sicher sein, dass Sie das auch
wollen“, schloss er ernst, und wie konnte er daran bloß zweifeln! Ungläubig sah
sie ihn an, wollte protestieren, aber er hatte den Abstand zu ihren Lippen so
schnell geschlossen, dass sie überrascht die Luft einsog, während sich ihre
Augen automatisch schlossen.
Sie
schmeckte sich selber in seinem Mund, und es hatte sie noch nie so erregte wie
jetzt. Für gewöhnlich fand sie es widerlich, aber dass er nach ihr schmeckte,
dass er diese Dinge mit ihr tat, ließ sie so willenlos werden, wie sie es nie
erwartet hatte. Ihr nackter Oberkörper presste sich gegen seinen, und
tatsächlich spürte sie seine Erektion erneut. Wieder machte ihr Herz gleich mehrere
Sätze, und dann spürte sie das Lächeln seiner Lippen gegen ihren Mund.
„Wenn die
lästige Arbeit nicht wäre“, hörte sie ihn gegen ihre Lippen murmeln. Träge
öffneten sich ihre Augen wieder. Arbeit?
Oh…. Richtig! Röte stieg wieder in ihre Wangen. War sie so laut gewesen, dass Witherby bereits Bescheid wusste? Das musste er doch! Aber
Malfoy schien es egal zu sein. „Das beste habe ich Ihnen noch gar nicht
erzählt“, fuhr er mit angenehm rauer Stimme fort. Sie sah ihn abwartend an.
„Haben Sie
Lust, mich nach Italien zu begleiten?“
Hatte sie Lust, ihn nach Italien zu
begleiten? Würde er
mit ihr schlafen, würde sie ihn zum Mond begleiten, stellte der sabbernde
Einzeller in ihrem Innern ungeduldig fest, aber sie schluckte schwer.
„Italien?“,
flüsterte sie zusammenhanglos, und er nickte.
„Das
Unternehmen, was ich erwerben konnte hat einen Außenposten in Italien. Ich
würde mich gerne dort persönlich vorstellen, das scheint ja die beste Politik
zu sein – Ihrer Meinung nach“, bemerkte er lächelnd. „Und ich würde Sie gerne
für ein Wochenende mitnehmen. Unter Bezahlung versteht sich“, fügte er hinzu,
und ihr Mund öffnete sich perplex. Ein Wochenende mit Draco Malfoy in Italien?
Oh Merlin!
Wie… sollte sie das Ginny erklären?
Sein
Ausdruck verdunkelte sich plötzlich, und sein hungriger Blick trieb ihren Puls
erneut in die Höhe. „Ich schlage vor, am besten ziehen Sie sich etwas über,
bevor ich Sie den ganzen Tag nackt auf den Schreibtisch kette
und Sie befriedige, bis die Sonne untergeht“, entfuhr es ihm mit einem Grollen,
und es zog angenehm in ihrem Unterleib, als sie sich zitternd nach ihrem BH
bückte.
Merlin…
Millionen Schmetterlinge in ihrem Innern tanzten gerade Samba….
~*~
Akte
732
Sitzung 67, Juni 2008
- Notizen, Askaban -
- Fünfter Monat Gefangenschaft in
Askaban, Patient hat keine weiteren Suizidversuche unternommen
- Patient weiß von zukünftiger
Inhaftierung seines Vaters, weist mehrere Verletzungen auf
- Haare wurden wieder kurz geschoren…
„Guten Tag, Mr Malfoy, erzählen Sie mir von Ihrer Woche“, begann sie, erwatete aber nicht allzu viele Informationen, die er
freiwillig preisgab. Er hatte die Arme verschränkt, und sie sah, dass ihm
Askaban langsam zusetzte. Er wirkte unkonzentriert, und die Wunde über seiner
Augenbraue war nicht ordentlich verarztet worden. Sie würde eine Narbe
hinterlassen, wäre sie auch noch so schwach. Sie runzelte die Stirn, notierte
sich den Fehler des Personals und räusperte sich lauter.
„Sie haben
sich geprügelt?“ Er sagte nichts, blickte in Richtung der Gitterstäbe, hinter
denen durch das schmutzige Fensterglas ein Sturm vor den Küsten Askabans tobte. Die Wachen hatten ihr berichtet, dass sein
Vater ihn geschlagen hatte, als er zur Untersuchungshaft nach Askaban gekommen
war, vor einigen Tagen. Lucius Malfoy war wieder entlassen worden und trat
seine Haftstrafe im Dezember an.
Er hatte die
Erlaubnis bekommen, seinen Sohn zu sehen. Allerdings artete diese Begegnung in
einen solch handgreiflichen Streit aus, dass die Wachen beide Männer voneinander
trennen mussten, und leider wussten die Wachen nicht, welcher Wortaustausch
dazu geführt hatte, dass der Vater den eigenen Sohn niedergeschlagen hatte.
Und sie war
sich nicht sicher, ob er darüber reden wollte. Wahrscheinlich nicht. Ihre Hände
fuhren über ihre Handtasche. Sie hatte ein neues Medikament mitgebracht. Sie
hatte es ihm noch nicht erzählt.
„Mr Malfoy?“, wiederholte sie und wartete eine Minute, bis
er sie tatsächlich ansah. „Welcher Tag ist heute?“, erkundigte sie sich, aber
er verzog spöttisch seinen Mund.
„Wen interessiert das?“, gab er tonlos zurück.
„Erzählen Sie mir von Ihrer Woche, oder wir beginnen sofort mit der Hypnose.“
„Mir scheiß
egal. Beginnen Sie mit Ihrem bekloppten Hokuspokus, damit wir hier fertig
sind.“ Sie notierte sich seine Feindseligkeit ihr gegenüber. Sie konnte nur
annehmen, dass sein Vater ihn auf die Behandlung angesprochen hatte. Und dass
er dagegen war.
„Gerne, wenn
Sie zuvor diese Tablette nehmen würden?“, schloss sie das Gespräch ab, griff in
die Tasche und holte ein Tablettenröhrchen hervor. Er atmete gereizt aus.
„Wofür? Dass ich mich nicht umbringe? Dass ich keine Phantomschmerzen habe?“
Sie wusste, er nahm die Tabletten gegen seine Malschmerzen immer noch
regelmäßig. Sie nahm auch an, er war bereits abhängig davon. Und eigentlich
hatte sie davon absehen wollen, ihn von diesem Medikament ebenfalls abhängig zu
machen, aber… wahrscheinlich war es nötig.
„Das… ist
ein Turbatikum.
Es ist eine neue Entwicklung der Heilkunde. Und es ist umstritten in der
Anwendung. Das Ministerium hat es erstmals im Mordprozess Willer gegen Hope
angewandt, um die Gewalt im Gerichtssaal zu unterbinden. Es beinhaltet eine
konzentrierte Sedierung, die ein gewisses Zentrum in ihrem Gehirn lahmlegt. Es
regelt die Wut. Und die Persönlichkeitsstörungen, die sie zur
Unausgeglichenheit im herkömmlichen Sinne bringen.“ Und er hörte ihr zu. Sie
erklärte all ihren Patienten, welche Medikamente sie wogegen nahmen.
Und sie
machte bei Draco Malfoy keine Ausnahme. Allerdings war er ihre erste
Testperson, was das neue Turbatikum
anging.
„Sie wollen
mich in einen sabbernden Zombie verwandeln, damit sie Ihre verdammte Behandlung
abschließen können? Lassen Sie mir einfach ihren verfluchten Zauberstab hier,
dann lösen wir das Problem einfacher“, gab er knurrend zurück.
„Mr Malfoy-“
„Sie können
mich mal! Ich werde bestimmt keine Idioten-Tabletten nehmen, um-“
„Ein Turbatikum regelt
Ihre Wut. Die Tabletten sind die erste Form, flüssig wird es wohl erst in
einigen Jahren zu erstehen sein, denn bisher wurde noch keine Konzentration
gefunden, die in flüssiger Form nicht augenblicklich zum Hirntod führt.“ Er sah
sie wieder an.
„Ich bin
nicht verrückt!“, knurrte er schließlich. Sie notierte sich seine Vehemenz.
„Ich bin kein verrückter Idiot, Sie verdammte Schlampe!“ Er war aufgestanden.
„Sagt Ihr Vater das?“ Und schon griff er nach dem Besucherstuhl. Sie erhob sich
ebenfalls, und bevor der Stuhl sie mitvoller Wucht treffen konnte, hatte sie
einen Schutzschild mit dem Zauberstab beschworen. Der Stuhl prallte laut daran
ab, und schon öffnete sich die Tür.
„Raus! Es
ist alles unter Kontrolle! Sofort raus!“, rief sie ärgerlich in Richtung der
Wache, die bereits den Zauberstab gezogen hatte. Der Mann zögerte kurz, ehe sie
ihm einen wütenden Blick zuwarf. Er schloss die Tür wieder.
„Am besten lassen Sie mich abtransportieren, Doc. Ich bin nicht in der Stimmung für ihren Scheiß!“ Sie löste den
Zauber wieder.
„Mr Malfoy, ich möchte, dass Sie diese Tablette nehmen.“
„Ich werde
Sie aber nicht nehmen.“
„Ich zwinge
Sie, oder Sie tun es freiwillig.“
„Sie wollen
mich zwingen? Oh und bitte wie genau soll-“
„Imperio!“, sagte
sie mit Bedauern, und kurz sah sie den Schock auf seinem Gesicht. Aber Askaban
schwächte den Geist, die Willenskraft und jede natürliche Abwehr, die der junge
Malfoy noch hatte, und zu schnell wurden seine Augen glasig. Sie schob ihm ein
Wasserglas über den Tisch und legte eine Tablette daneben.
Kurz sah sie
ihn zögern, sah, wie sich sein Geist versuchte aufzulehnen. Aber der Zauber war
zu stark.
„Nehmen Sie
die Tablette“, befahl sie, und zitternd hob sich seine Hand zum Glas. Es war
das erste Mal, dass sie den Imperius anwandte. Sie
hatte die Kompetenz dazu, wenn es der Heilung diente. Und sie war überzeugt, es
konnte nicht schaden. Er legte sie in seinen Mund, trank einen Schluck, und sie
löste den Zauber, als sie sah, wie er das Wasser schluckte.
Sein Blick
klärte sich, und er schüttelte benommen den Kopf.
„Ich hoffe,
Sie haben mich soeben vergiftet, Sie elende Blutsverräter-Schlampe!“, keuchte
er und hustete heftig. Die Zusatzstoffe im Medikament waren hoch dosiert
zusammengesetzt und schmeckten wie kalte Asche, so hatte es der Gefangene
beschrieben, der sie bereits genommen hatte. Sie kontrollierten die Ausbrüche,
schickten einen entsprechenden Reiz an das Nervenzentrum, und das Gehirn
regelte die Schwankung rational. Das war der Plan.
Natürlich
konnte Rationalität nur in einem Körper erreicht werden, dessen Gehirn die
Kapazitäten besaß, logisch zu denken. Im Fall Willer gegen Hope hatte es leider
einen negativen Effekt. Der Gefangene war für den Rest des Tages nicht mehr
ansprechbar gewesen.
Und sie war
höchst gespannt. Sie war interessiert daran, ob ihre These im
Bezug auf Draco Malfoy, stimmte. Sie glaubte, er besaß genug Vernunft, genug
Eloquenz, genügend Stärke, um den Teil in seinem Gehirn komplett auszuschalten,
der von seinem Vater und seiner Umgebung komplett vergiftet worden war.
Das Problem
war, es regelte seine Angst. Der Körper sollte eigentlich selber die Angst
bekämpfen, aber dieses Medikament übernahm diese Aufgabe. Sie musste also
aufpassen, dass es keine Regelmäßigkeit wurde, dass er die Tabletten nahm. Sollte
es überhaupt funktionieren. Denn, wenn er seine Angst nicht alleine bekämpfte,
würde er für immer abhängig von diesem Medikament bleiben. Und das war nicht
der Plan.
„Es ist kein
Gift. Und die Wirkung sollte in der nächsten Minute beginnen“, schloss sie
leise.
„Sie wollten doch Ihre verfluchte Hypnose einsetzen? Ist Ihnen die Lust
vergangen? Haben Sie Ihren glorreichen Plan, mich zu heilen, aufgegeben, Sie
unfähige Möchtegern-Heilerin?“, verlangte er zornig zu wissen, hustete erneut,
und seine grauen Augen fixierten sie voller Hass. „Das ist auch besser so! Ich
denke, wir sind fertig mit Ihrem Muggel-Programm. Wenn ich überlege, dass ich
meinem Vater gesagt habe, Sie sollen sich um ihn kümmern, dann bereu ich
überhaupt, dass ich jemals auf meine Psycho-Mutter gehört habe, und zu Ihnen
gegangen bin, bevor ich hierher gekommen bin! Wieso
helfen Sie nicht wieder den dummen, zurückgebliebenen, schwachen Idioten, die
geradezu darum betteln, auch ein verdammter Muggel-Sympathisant zu werden, so
wie Sie es sind! Es gibt Leute, die sind noch nicht vollkommen durchgeknallt,
wissen Sie? Schlammblüter sind Abschaum, und wieso zur Hölle, sollte ich meine
Meinung ändern, nur weil es gesellschaftlich schick ist?“
Sie wartete
und zählte die Sekunden. Es musste funktionieren, denn er war noch nicht
stammelnd und sabbernd zusammen gebrochen, weil seine Vitalfunktionen nicht mit
dem Medikament zurecht kamen. Es musste also…
irgendeine Auswirkung geben.
„Ich will
mich nicht ändern. Ich will zu meiner Meinung stehen, sei sie auch
undifferenziert, sei es die Meinung eines Todessers, denn ich habe es geliebt!
Ich habe es geliebt, die unterdrückten noch weiter zu quälen! Was denken Sie,
was es für ein perfekter Tag gewesen wäre, wäre ich tatsächlich dafür
verantwortlich gewesen, wenn sich dieses nutzlose Schlammblut von dem Hochhaus
gestürzt hätte? Ich hätte die Welt ein kleines bisschen verbessert. Ganz
allein!“
Er rieb sich
plötzlich über die Schläfe, atmete flach aus, und hob den Blick.
„Was ist das für ein Zeug?“, krächzte er, während plötzlich seine Hände
zitterten. Sie notierte sich eilig seine Reaktionen. „Antworten Sie mir!“,
schrie er jetzt und erhob sich hastig, so dass sein Stuhl laut nach hinten auf
den Steinboden fiel. Wieder hustete er, beugte sich über die Tischplatte und
stützte sich mit beiden Händen ab, den Kopf gesenkt, und seine Schultern hoben
sich schwer, jedes Mal, wenn er einatmete.
Sie hatte
auch eine Art Gegengift, was das Turbartikum sofort neutralisieren würde. Sie wartete einige
quälende Sekunden.
„Mr Malfoy?“, fragte sie behutsam, und sie sah, wie
Schweißtropfen auf die Tischplatte tropften. Die Nebenwirkungen waren immer
unterschiedlich. Sie konnte noch nicht ausreichend analysiert werden. Auch war
die Anwendung des Medikaments strikt untersagt, da es noch nicht genügend
erforscht war, aber… sie hatte es probieren wollen. Es war wie auf ihn
zugeschnitten! Es musste funktionieren.
„Mr Malfoy!“, wiederholte sie nun ungeduldiger.
Und er hob
den Blick.
„Was?“
Es verging
eine endlose Minute. Seine Stirn runzelte sich, sein Mund öffnete sich. Die
Verletzungen entstellten sein schönes Gesicht, aber etwas klärte sich in seinem
Blick. Seine Anspannungen lösten sich langsam. Langsam richtete er sich auf.
Langsam hob er seine Hände, fuhr sich über den kurz geschorenen Schädel, dann
über die Augen, über seine Lippen, seinen Hals.
Sie erhob
sich ebenfalls, schritt um den Tisch und stellte seinen Stuhl wieder an den
ursprünglichen Platz.
„Setzen Sie
sich bitte“, befahl sie tonlos. Wortlos sank er auf den Stuhl.
Er blickte
starr nach vorne. Direkt auf die Tischplatte. Sie befürchtete, dass es schief
gelaufen war. Sie holte den neutralisierenden Trank sofort aus ihrer Tasche und
stellte ihn neben seine Hand auf den Tisch.
„Wenn Sie es trinken, verschwindet das Gefühl, was Sie jetzt haben, Mr Malfoy. Es neutralisiert das Turbatikum. Ich werde Ihnen eine
Frage stellen, und wenn Sie sie nicht beantworten können, Sie nicht begreifen
oder… sich nicht wohlfühlen, nehmen Sie das Gegenmittel.“ Sie wusste nicht, ob
er ihr zuhörte, denn er sah sie nicht an.
„Welchen Tag haben wir heute?“, wiederholte sie behutsam ihre Frage. Und er sah
sie nicht an. Seine Hände fuhren wieder über seinen Kopf, und seine Augen
schlossen sich plötzlich.
„Freitag,
20. Juni“, erwiderte er langsam. Sie notierte es sich. Er wusste es also immer
noch.
„Was denken
Sie gerade?“, fragte sie, nur vorsichtshalber.
„Gar
nichts“, erwiderte er, immer noch, ohne die Augen zu öffnen.
„Reden Sie
mit mir. Ich muss wissen, ob Ihre Vitalfunktionen einwandfrei funktionieren, Mr Malfoy.“ Und sie hielt inne. Eine Träne fiel auf seine
Wange. Ihr überraschter Blick folgte dem Tropfen, der über seine schmutzige
Haut lief.
Er
verschloss den Mund mit seiner Hand und schüttelte den Kopf.
Seine Augen
öffneten sich. Sie waren gerötet, panisch weit aufgerissen.
Seine Hand
griff nach dem Gegengift. Sofort hatte sie nach vorne gegriffen, und ihre
Finger umschlossen seine zitternde Hand.
„Nein, Mr Malfoy. Sehen Sie mich an!“, befahl sie hastig. „Sagen
Sie mir, was passiert!“ Aber er schüttelte nur wieder und wieder den Kopf.
„Lassen Sie… mich es nehmen! Es… ich kann… nicht…“
Und dann schrie er auf. Die Qual entrang sich seinem Körper. Sofort war sie auf
den Beinen, während er mit seinen Armen um sich schlug. Sie vollführte den
Klammerfluch nahezu augenblicklich, und nun saß er gezwungenermaßen stocksteif
auf dem Stuhl. Sein Atem ging flach und schnell. Seine Augen sahen sich
hektisch um, bewegten sich unkontrolliert in den Höhlen, und sein Kiefer spannte
sich an, so fest hatte er die Zähne wohl zusammen gebissen. Das Gegengift
rollte über den Boden, aber es interessierte sie nicht.
„Hören Sie, Sie müssen sich einfach konzentrieren. Das Turbatikum nimmt Ihnen die
Schmerzen, die Angst, die Wut – einfach alles – ab! Haben Sie verstanden? Sehen
Sie mich an! Erzählen Sie mir von früher. Erzählen Sie mir irgendetwas aus
Ihrer Vergangenheit! Egal, was!“, zwang sie ihn, sie anzusehen, und er
schüttelte unwillig den Kopf, atmete heftig aus, und sie nickte motivierend.
„Quidditch. Erzählen Sie mir davon!“
Und er
schloss die Augen, als empfände er tatsächlich echte Schmerzen.
„Quidditch“,
wiederholte er, die Stimme krächzend und hoch. „Mein Vater hat mich ins Team
gekauft“, begann er, hustete, schüttelte wieder den Kopf. „Obwohl ich nicht
ausgewählt worden war. Keiner wollte, dass ich flog.“ Sie notierte sich seine
Worte. Immerhin sprach er. Immerhin konnte er sein Sprachzentrum noch steuern.
„Wenn man
Potters Gegenspieler ist, spielt man auf der falschen Seite“, hörte sie ihn
jetzt sagen. Und sie hob den Blick. Er hatte sich vor ihren Augen sehr
plötzlich entspannt.
„Wie meinen
Sie das?“, fragte sie. „Haben Sie Schmerzen?“ Er ruckte unverbindlich mit dem
Kopf. Sie hob die Hand und löste den Klammerfluch. Seine Arme sanken schlaff an
seine Seite. Er fuhr sich über die feuchten Augen, betrachtete verblüfft seine
Hände, an denen nun seine Tränen hingen, und er hob den Blick.
Er sah sie
an. Draco Malfoy sah sie an. Nicht der Malfoy, der zu ihr kam, zornig,
gefährlich, gleichgültig. Nicht der Malfoy, der versucht hat, eine Muggel zu
töten und nach Askaban geschafft wurde, nein. Draco Malfoy, der plötzlich zu
begreifen schien, weshalb er eine Therapie machen musste, sah sie an. Er stützte
sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und vergrub den Kopf in den Händen. Sie
wartete ungeduldig.
Das war es,
worauf sie seit über einem halben Jahr wartete!
Das war es!
Das war der Beginn eines Durchbruchs!
„Wie ich das
meine?“, wiederholte er, die Stimme ruhiger, und gespannt war sie auf die
äußerste Kante ihres Stuhls gerutscht. „Gegen jemanden zu arbeiten, der wie ein
Held gefeiert wird, ist eine wirklich blöde Idee. Das war das Problem.“ Und sie
schrieb hastig mit.
„Und dieses
Arschloch…“, brachte er abgehackt hervor. „Dieses verfluchte scheiß Arschloch!
Nie den Quidditchpokal gewonnen, weil Potter
immer besser war. Nie das beste Zeugnis gehabt, weil sie immer besser war. Und
dieses Arschloch hat mich plötzlich mehr gehasst als sich selbst!“, schloss er
knurrend, und sie starrte auf seinen Kopf, den er immer noch verborgen hielt.
„Wer?“, fragte sie tonlos, aber sie wusste, wen er meinte. Und ihre Feder
zögerte noch einen momentlang, bevor sie schrieb.
„Wer?“ Und
mit einem Lächeln hatte er den Kopf gehoben. „Mein scheiß Vater“, schloss er.
Sein Kopf war zurück auf die Tischplatte gesunken. Sie sah, wie sein Rücken
zitterte. Fasziniert sah sie zu, wie Draco Malfoy das erste Mal weinte, seitdem
sie ihn kannte.
…
- Durchbruch gelungen, erster Therapieansatz
durch Turbatikum erfolgt, Patient reagiert auf die
Behandlung
- weitere Behandlung durch Turbatikum bleibt als fraglich zu beurteilen…
Sie
wanderte unruhig vor dem Büro auf und ab.
Harry James Potter, Leiter der Aurorenabteilung
Sie
musste klopfen. Sie würde einfach klopfen, reingehen, mit ihm reden. So schlimm
konnte es nicht werden. Unmöglich konnte es wirklich… so schlecht ausgehen,
dass er sie für immer verabscheute. Sie kannten sich zu lange! Er war ihr
bester Freund!
Sie hob
die Hand. Zaghaft klopfte sie zweimal.
„Herein“,
hörte sie seine geschäftige Stimme und zögerte erneut. Ihr Herz schlug ihr bis
zum Hals. Verdammt, sie musste etwas tun!
„Herein!“,
wiederholte er lauter als zuvor. Und sie schloss kurz die Augen, atmete aus und
öffnete seine Tür.
„Hey,
Harry“, begrüßte sie ihn tonlos. Er sah sie an.
„Hermine“,
erwiderte er. Sie konnte keine genaue Ablehnung aus seinen Worten hören, also
trat sie ganz in sein Büro. Alles war mehr oder weniger ordentlich, und sie hatte
sich mittlerweile an die Größe der Räume bei der Malfoy Group gewöhnt, so dass ihr das hier alles… erstaunlich
bescheiden erschien.
„Was
tust du hier?“ Er sah sie verwundert an, denn tatsächlich war sie geschäftlich
hier. Und sie wusste nicht, ob Malfoy sie mit Absicht hergeschickt hatte, aber…
sie wusste, jetzt konnte sie auch nicht mehr zurück.
„Hast du
fünf Minuten Zeit?“ Und in ihrem Kopf wäre sie gerne schon fünf Minuten weiter
in der Zeit, hätte am liebsten die steife Begrüßung übersprungen und auch das
mögliche Geschrei, was folgen würde.
„Sicher“,
erwiderte Harry, und Skepsis trat in seinen Blick. Sie ignorierte es, so gut es
ging.
„Ist Ron
hier?“
„Irgendwo,
ja. Soll ich ihn rufen lassen? Ist das irgendwas, was er auch hören müsste?“
Und Harrys Blick war so bedeutungsschwanger, dass sie sie ihn mit großen Augen
ansehen musste.
„Was…? Ich, nein. Das geht nur dich etwas an“, schloss sie knapp.
„Ok?“
„Ich…
bin geschäftlich hier“, fuhr sie also zögerlich fort, die Stimme aber wieder
ruhiger.
„Geschäftlich?
Was könntest du geschäftlich mit mir
zu tun haben? Vor allem, wo mir Ginny versichert hat, dass du bis jetzt
bestimmt bei Malfoy gekündigt haben wirst.“ Sein Blick war mahnend,
durchleuchtete sie, und sie konzentrierte sich auf das Brandloch unterhalb
seiner Schulter im Trainingsanzug, den er bereits trug. Und sie war immerhin
froh, dass Ginny Harry so etwas schon erzählt hatte. Also… diese Malfoy-Sache.
„Ja,
weißt du…“, begann sie langsam, aber sie musste es sagen. Sie konnte es nicht
leugnen. Sie war immerhin hier. Ihre Stimme zitterte etwas. Nur ein wenig. Sie
glaubte nicht, dass Harry es besonders auffiel. Bestimmt sowieso nicht mehr,
wenn er gleich den Kopf verlieren würde. „Ich habe nicht gekündigt, Harry.“ Sie
sahen sich an. Und Harry lehnte sich lediglich in seinem Stuhl zurück.
„Hermine,
erklär mir mal, was so verlockend daran ist, bei Draco Malfoy zu arbeiten. Für
ihn zu arbeiten. Überhaupt in seiner Nähe zu sein? Wäre die
Aussicht, im Ministerium zu arbeiten so abschreckend für dich gewesen?“, wollte
er stirnrunzelnd von ihr wissen, aber sie ruckte mit dem Kopf.
„Nein,
aber er hat mir den Job angeboten, und… er gefällt mir.“
„Der
Job?“
„Sicher,
der Job, was sonst?“, wollte sie fast zu aggressiv wissen, aber Harry hatte
bereits eine Augenbraue gehoben. „Und das hier sind die neuen Arbeitsverträge“,
fuhr sie wütender fort. Harry betrachtete sie ungläubig, während Hermine einige
Unterlagen aus der Tasche beförderte. „Die Stunden sind wieder gekürzt, das
Gehalt erhöht, das ganze zusammengefasst. Ich habe mich um den verlängerten
Urlaub gekümmert, denn-“
„Du
hast dich gekümmert? Was ist deine neue Position, wenn ich fragen darf?“
Und
Hermine beschloss, nicht rot zu werden. Sie würde nicht auch noch vor Harry rot
werden!
„Ich…
bin… Mr Malfoys Assistentin“, gab sie schlicht
zurück. Harry starrte sie an.
„Mr Malfoy?“, wiederholte er ungläubig.
„Was ist er? Der Earl von London?“, wollte Harry eine Spur zorniger wissen, und
wieder fixierte er ihr Gesicht zu unangenehm scharf, dass sie den Blick zurück
auf das Brandloch senken musste.
„Harry“,
widersprach sie beschwichtigend, aber Harry griff sich eine Feder vom Tisch.
„Ok, du
willst nicht mit mir reden? Du willst, dass es von jetzt an so läuft?“ Und er
unterschrieb zornig auf der Linie. Dann noch ein zweites Mal, und er schob ihr
die Verträge ungläubig zu. „Deswegen bist du doch hier? Am besten beeilst du
dich, und rennst zurück zu ihm. Ich bin sicher, er ist wahnsinnig streng.
Vielleicht bedroht er dich ja auch? Wirst du eigentlich gefoltert? Ich meine,
weil du eine Muggel bist, und-“
Sie
packte ruckartig die Unterlagen wieder ein. Sie spürte die Tränen in den Augen,
aber Harry blieb stur. Und sie hatte nichts anderes von ihm erwartet gehabt.
Der Unterschied war nur, dass sie nicht in die Bibliothek oder die Eulerei zum abkühlen gehen
konnte, dass er sich nicht Ron schnappen konnte, um auf dem Quidditchfeld
hinter dem Schnatz herzujagen. Dass sie sich heute Abend nicht wieder im
Gemeinschaftsraum treffen würden, wo sie sich beruhigt hatten und wo alles
wieder in Ordnung gebracht wurde.
Sie sah
ihm also ins Gesicht. Er war so wütend.
Und sie wusste, wie es aussah.
Er sah
sie an, wie einen Verräter, aber… sie war kein Verräter. Sie hatte keinen
Seiten gewechselt, aber das würde sie ihm jetzt auch nicht erzählen. Aber wenn
er bockig sein wollte – das konnte sie auch. Zwar nicht so gut oder so
ausgiebig lang wie Harry, aber… das konnte sie auch. Kurz flackerte etwas in
seinem Blick.
Sie
wandte sich aber von ihm ab, verließ sein Büro ohne einen Abschied und war
wieder auf dem Flur.
Die fünf
Minuten waren vorbei, und am liebsten wäre sie selber nicht dabei gewesen,
entschied sie seufzend. Sie fühlte sich hier nicht wohl. Das hatte sie nie
getan, aber jetzt kam es ihr hier schon vor, wie feindliches Terrain. Und sie
beschleunigte ihre Schritte. Sie betrat den Fahrstuhl und hatte bereits vorher
gewusst, dass dieser Tag ein schlechtes Ende nehmen musste!
Ehe sich
die Türen schlossen, schob sich eine Hand zwischen die Türen und presste sie
mit aller Kraft auseinander. Sie war so überrascht, dass sich ihr Mund öffnete.
„Wirklich,
sag mir, was das soll!“, verlangte Harry außer Atem zu wissen. Und sie wusste
nicht, ob sie es gut fand, dass er ihr gefolgt war oder ob sie gleich wütend
werden würde deswegen. Aber sie beschloss, dass sie durch schreien gar nichts
erreichen würde. Harry legte den Fahrstuhl mit einem Wink seines Zauberstabs lahm.
Sie sah ihn vorwurfsvoll an.
„Wenn
noch andere auf den Aufzug warten-!“, begann sie, aber er schüttelte einfach
den Kopf.
„Dann
können sie die Treppe nehmen, Merlin, noch mal. Hermine, sag mir, wieso-“
„Wieso?
Ich weiß nicht, wieso, es ist einfach so passiert!“, rechtfertigte sie sich
lauter. Und Harry sah sie an. Er hatte sehr breite Schultern bekommen. Sie sah
es vor allem in dem Trainingsanzug der Auroren. Und
dann klopfte es gegen die Aufzugstüren.
„Bist du
es?“, rief Harry, ohne sie aus dem Blick zu lassen, und Hermine öffnete den
Mund, als sie die Stimme draußen erkannte.
„Ja,
Mann, ich bin‘s. Mach schon auf!“ Das konnte doch wohl nicht wahr sein!
Harry
öffnete die Türen einen Spalt und Ron schlüpfte schwer atmend ins Innere des
Fahrstuhls. Ihre Augenbrauen hoben sich, denn Ron dampfte und kokelte immer
noch etwas. Anscheinend kam er gerade von unten vom Training. Er und Harry
trugen die gleichen Sachen. Der hautenge Anzug verbarg erstaunlich wenig. Die
Oberschenkel waren innen leicht gummiert, die schweren, eng geschnürten Stiefel
schlossen unter den Knien ab, die Brust war mit Fluchfasern
verstärkt, die Bauchpartie ebenfalls mit Polstern verbessert, und der Rest an
Material, der bei beiden nicht durch das Training beschädigt war, schimmerte
grau. Über der Brust war das Zeichen des Ministeriums eingenäht, mit dem gelben
Zauberstab als Zeichen der Auroren. Sie wusste,
George war an der Produktion der Anzüge beteiligt, und sie kosteten ein kleines
Vermögen, so viel Schutz wie in diesen Stücken Stoff eingenäht war!
Rons
Haare lagen zerzaust auf seinem Kopf, auf seiner Wange klebte ein wenig Dreck.
Seine Schultern waren ebenfalls sehr breit geworden, und er war einen Kopf
größer als Harry. Gegen die beiden Männer wirkte sie wie aus einer komplett
anderen Welt.
Sie trug
keine Superhelden-Kostüme, kam nicht kokelnd aus Trainingsräumen, und es wirkte
nicht mehr so, als wären sie jemals ein Trio gewesen. Sie trug einen kurzen
blauen Faltenrock, lange schwarze Seidenstrümpfe und dazu passende dunkelblaue
Pumps. Eine weiße Bluse, die wohl beim leisesten Kontakt mit Rons verschmutztem
Anzug schwarz werden würde, und einen blauen Blazer. Die Haare hatte sie in
einen dicken Seitenzopf frisiert, wo einige Strähnen auf ihrer rechten Seite
lose in ihr Gesicht fielen.
Sie war
dezent geschminkt, denn… sie war seit neuestem immer geschminkt. Und jetzt
gerade wirkte es so, als wollten sie zwei kantige, schmutzige Superhelden aus
dem Aufzug retten. Sie war einmal mit dabei gewesen, erinnerte sie sich dumpf.
Was war passiert?
Sie
schüttelte den unangenehmen Gedanken ab. Sie hatte keine Lager gewechselt.
Malfoy war einfach nur… sauberer. Die Arbeit war nicht so… physisch. Es war… -
sie schauderte fast bei dem Gedanken.
„Hey,
Hermine“, begrüßte Ron sie hustend. „Also? Um was geht es?“, wandte sich Ron an
Harry, und Hermine konnte nicht fassen, dass Harry einen Fahrstuhl außer Kraft
setzte und auch noch Ron dazu rief, damit sie alles jetzt hier im Aufzug
diskutierten. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
„Hermine
arbeitet für Malfoy!“, entfuhr es Harry aufgebracht, und Ron schenkte ihr einen
scheelen Seitenblick.
„Warum?“,
war seine schlichte Frage, und sie öffnete etwas hilflos den Mund. „Habt ihr…
eine kranke Beziehung oder so was?“, wollte er grinsend und eine Spur
angewidert wissen, und sie schüttelte schockiert den Kopf, senkte den Blick
aber hastig und steckte sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Das war doch nicht zu
fassen!
„Hermine?“
Ron schien ihr plötzlich nicht zu glauben, schien fast Angst zu haben.
„Was,
Ron? Natürlich nicht! Denkst du, ich werde eingestellt, damit man mit mir
kranke Beziehungen haben kann? Denkst du, es geht vielleicht nicht darum, dass
ich talentiert oder geeignet bin?“, schlug sie in eine andere Kerbe, und
immerhin Ron ließ sich ablenken.
„Ich…
nein, Hermine! Ich halte dich für geeignet! Das war doch nur ein Witz! Ich
würde niemals behaupten, dass dich jemand nicht einstellen würde, weil du-“
„Und
Malfoy sieht natürlich dein Talent und die Notwendigkeit, dass du seine Assistentin bist?“, wollte Harry wissen,
und verschränkte die Arme vor der Brust. Und es kam ihr surreal vor. Alle drei
im Fahrstuhl des Ministeriums. Als sie das letzte Mal alle drei im Fahrstuhl
des Ministeriums gewesen waren… - na ja gut, dass war zur Begrüßungsfeier der Auroren vor einigen Jahren gewesen, aber… dass sie unter
brisanten Umständen hier drin gewesen waren, das war schon länger her. Und sie
waren damit beschäftigt gewesen, Umbridge den Horkrux zu stehlen.
„Sie ist
seine Assistentin?“, wiederholte Ron
ungläubig und starrte sie wieder an.
„Sag uns
einfach die Wahrheit, die Hermine!“, verlangte Harry jetzt, und ihr Mund
öffnete sich schockiert. Dann fixierte sie beide.
„Ja? Du
hältst mich hier gefangen, bis ich dir die Wahrheit
sage, Harry Potter? Was sind wir? Zwölf Jahre alt?“
„Das
hier ist eine Krisensitzung, Hermine Granger. Es ist doch noch Granger, oder?“, kam es bissig von ihm,
und Ron wischte sich ungläubig mit der schmutzigen Hand über die Augen.
„Merlin,
Harry, hör doch auf!“, brummte er angewidert. „Das ist… - es auch nur
anzudeuten ist…“
„Ja,
Harry. Ich habe Malfoy vor einer Woche geheiratet und heiße jetzt Hermine
Malfoy“, erwiderte sie mit eindeutig erhobenen Brauen und legte den Kopf spöttisch
schief.
Die
Jungen starrten sie an. „Oh, ich bitte euch! Ihr macht eine viel zu große Sache
daraus!“, fügte sie hinzu, denn sie glaubte langsam nicht mehr, dass sie für
ihre Scherze empfänglich waren.
„Daraus,
dass du für Malfoy arbeitest? Als seine Assistentin?“
„Ja, was
soll das überhaupt heißen? In meinem Kopf haben Assistentinnen hohe Schuhe an
und keine Unterwäsche, und sie…“ Ron brach ratlos ab, während Hermine ihn
musterte. Und plötzlich schien er sie näher zu betrachten, von ihren hohen Schuhen
bis hin zu der engen Bluse. Sein Mund öffnete sich in stummer Erkenntnis, und
seine Augen waren weit geöffnet. Sie verdrehte die Augen.
„Ron,
das ist absolut widerlich!“
„Was machst du dann bei ihm?“, entfuhr es Ron hysterisch. „Ich meine, du bist doch
wohl nicht… nackt mit ihm!“ Und er klang so entrüstet, dass sich ihr Mund
langsam öffnete. Merlin, das musste ihn wohl so sehr verletzen wie nichts
sonst. Und sie war nackt gewesen. Aber Malfoy nicht. Zählte das irgendwas in
Rons Kopf? Aber das konnte sie ihren besten Freunden bestimmt nicht erzählen.
Aber sie wollte nicht lügen.
„Ich
glaube nicht, dass wir darüber reden sollten. Ich finde es unfassbar, dass ihr
mir nicht vertraut!“, beschwerte sie sich.
„Verzeihung
Hermine, aber deinen Entscheidungen scheint es zurzeit an Rationalität zu
mangeln“, erklärte Harry, immer noch abwehrend. Ron fuhr sich verzweifelt durch
die Harre.
„Aber…
wieso?“, entfuhr es Ron. „Ich meine, bist du… zwingt er dich dazu? Will er…
irgendwie an Harry kommen?“, vermutete Ron und tauschte mit Harry einen Blick.
Hermine verdrehte die Augen.
„Ja,
Ron. Das ist es. Malfoy plant nämlich, dieses Jahr den Hauspokal zu gewinnen,
und möchte sicher gehen, dass Harry einen Trank nimmt, der ihn für drei Stunden
bewusstlos werden lässt, damit er den Schnatz auch fangen kann.“ Beide Jungen
sahen sie wieder an.
„Hey, es
wäre nicht so weit hergeholt, wenn-“, beschwerte sich Ron, aber Hermine machte
ein empörtes Geräusch.
„Er ist
der reichste Mann in England, Ron! Ich glaube, er hegt keinen Hass mehr gegen
Harry!“ Und schon als sie die Worte sagte, konnte sie es selber nicht ganz
glauben. Beide Jungen schnaubten auf.
„Ja, wir
sind die besten Freunde!“, bestätigte Harry knurrend.
„Er hat
mir gegenüber nichts dergleichen verlauten lassen. Er wollte, dass ich
persönlich zu dir komme und…“ Sie unterbrach sich selbst, denn die Blicke von
Harry waren tödlich.
„Oh, wie
nett von ihm! Hat er mir noch einen Kuchen gebacken? Wird er noch von Eulen
gebracht, Hermine?“
„Ja, mit
Gift drin?“, fügte Ron böse hinzu, und Hermine schloss kurz die Augen. „Du
schläfst mit dem, oder?“ Und jetzt sah sie ihn wieder an.
„Nein,
ich schlafe nicht mit Draco Malfoy!“ Und es klang so absurd in diesem
Fahrstuhl, wo sie auf engstem Raum zusammengepfercht standen, dass sich alle
kurz schweigend ansahen. Harry lehnte sich zurück gegen die kalte Wand. Ron
hatte den Kopf in den Händen vergraben.
„Und
selbst wenn…“, begann sie leiser, aber die Köpfe der Jungen schossen wieder
nach oben.
„Selbst wenn?“, wiederholte Harry mit
aufgerissenen Augen, und sie hob die Hände.
„Ja,
selbst wenn, dann ist es doch wohl egal! Es ist doch wohl völlig egal, mit wem
ich schlafen würde! Es ist auch egal, mit wem ich zusammen wäre, denn ich muss
euch nicht um Erlaubnis fragen. Es ist nämlich nicht eure Angelegenheit!“
„Klar,
es ist egal, ob du mit Voldemort zusammen bist, mit Lucius Malfoy, seinem Sohn,
seinem Schwager, seiner Schwester – völlig egal!“, entfuhr es Harry
aufgebracht.
„Harry,
das ist nicht fair!“
„Ich bin
mir nicht ganz sicher, wann wir Todesser-Sympathisanten geworden sind, Hermine.
Ich glaube, ich habe das Memo verpasst, also entschuldige, wenn es mir nicht
ganz so leicht fällt, heitere Miene hierzu zu machen. Seit wann bist du so
aufgeschlossen? Seit wann ist es völlig ok für Draco Malfoy zu arbeiten?“
„Harry,
es ist meine Entscheidung! Es ist auch völlig ok für die Malfoy Group zu arbeiten, denn ihr arbeitet indirekt auch für
dieses Unternehmen!“
„Ich
arbeite nicht für Draco Malfoy!“, entfuhr es Ron entrüstet. „Ich bin Auror, um die Leute vor Draco Malfoy zu schützen! Vor allen
Draco Malfoys dieser Welt! Und ich bin nicht seine Assistentin!“, fügte er bitter hinzu. Und das Wort Assistentin
klang immer mehr wie exotische Tänzerin.
Oder etwas ähnlich Absurdes!
„Ihr seid
beide unglaublich!“, entfuhr es ihr leiser.
„Ach?
Und du? Hermine Granger arbeitet für Draco Malfoy? Das ist… nicht mal in deinem
Kopf ein kleines bisschen unglaubwürdig? Denn es klingt nicht wirklich
eingängig!“
„Harry“,
begann sie, aber er schüttelte den Kopf.
„Und
wann willst du kündigen? Wann bist du diesen Job leid?“, wollte er jetzt
wissen. „Denn ich fasse es als persönliche Beleidigung auf, wenn du bei Malfoy
länger als einen Monat bleibst und dir von mir keine sichere und gut bezahlte
Stelle im Ministerium besorgen lässt!“, fuhr er sie wütend an.
„Harry,
was du sagst, ist Unsinn!“
Ron
hatte wieder den Kopf vergraben. „Warum Malfoy, Hermine? Warum nicht irgendwas
anderes? Warum ausgerechnet ihn? Bist du einfach zu ihm hin spaziert? War es so
was wie eine Mutprobe? Wolltest du dir beweisen, dass eine Muggel bei einem
Todesser arbeiten kann?“
Und sie
starrte ihn an.
„Was?“,
fragte sie völlig verstört und schüttelte den Kopf. „Zu deiner Information, er
hat mich gefragt. Wir haben uns auf
einer Auktion getroffen, und er hat mitbekommen, dass ich zurzeit ohne Arbeit
war, und er hat mir einen Job angeboten.“
„Einfach
so?“, entfuhr es Harry und Ron gleichzeitig. Beide sahen sie jetzt an.
„Ron,
wann ist es das letzte Mal passiert, dass ein Mann einer schönen Frau einen Job
einfach so angeboten hat? Ohne eine
Gegenleistung dafür zu verlangen?“, wollte Harry von Ron wissen, aber beide
sahen sie immer noch an. Sie schüttelte bereits den Kopf. Sie kannte Harrys
Tonfall. Er glaubte wieder einmal etwas besser zu wissen.
„Noch
nie, Harry“, beantwortete Ron Harrys Frage. „Sei nicht so naiv, Hermine“, fügte
Ron gereizt hinzu. „Er will irgendwas Versautes mit dir tun, und wenn er es
noch nicht getan hat, dann wird es auf jeden Fall noch machen!“ Er klang
vollkommen panisch. „Du musst kündigen! Du musst!“
Hermine
atmete aus. Sie wusste bereits, dass er das mit ihr tun wollte. Und… sie
wollte, dass er das mit ihr tat. Es erfasste sie ein verbotener Schauer, als
sie daran dachte. Und ja, sie sah, dass Rons und Harrys Panik begründet war,
aber sie war leider nicht mehr an dem Punkt, wo es sie selber so schockierte.
„Ich bin
alt genug, um meine eignen Entscheidungen zu treffen“, informierte sie beide
kalt.
„Du bist
einundzwanzig!“, stellte Harry trocken fest. Hermine verdrehte die Augen.
„Ja,
Harry. Und meine Entscheidungskompetenz liegt nicht in deiner Hand. Ich erwarte
von euch, dass ihr mich unterstützt. Nicht, dass ihr immer alles in Frage stellt,
was ich tue“, erklärte sie kopfschüttelnd, während sie mit ihrem Zauberstab den
Fahrstuhl wieder in Gang setzte. Beide, Harry und Ron, warfen sich kurze Blicke
zu.
„Hermine, wir sind noch nicht fertig!“, beschwerte sich Harry kopfschüttelnd,
aber die Türen öffneten sich in der Eingangshalle.
„So wie
ich es sehe, sind wir fertig“, berichtigte sie ihn streng. „Ihr wollt mich
überzeugen zu kündigen, weil ihr euer persönliches Problem mit Malfoy habt. Und
das werde ich nicht tun. Und entweder, ihr unterstützt mich, oder ihr verhaltet
euch wie fünfzehnjährige und erklärt mir den Krieg, weil ihr nicht erwachsen
werden könnt. Bis bald. Harry, Ron.“ Und dann verließ sie den Fahrstuhl Die
Jungen sagten nichts mehr.
Als sich
die Türen schlossen betrachtete Harry sein verzerrtes Spiegelbild in den messingfarbenen Türen.
„Denkst
du…“
„Nein“,
unterbrach er Ron sofort.
„Weißt du, was ich sagen-?“
„Ich
denke nicht, dass sie die Wahrheit sagt, Ron“, sagte er jetzt. Ron schwieg
neben ihm.
„Warum
macht sie das?“, wollte Ron verzweifelt wissen, lehnte sich an die Wand des
Aufzugs, und Harry ruckte mit dem Kopf.
„Er wird
sie dazu zwingen“, erwiderte Harry bitter, die Hände zu Fäusten geballt.
„Seit
wann lässt sie sich zu irgendetwas zwingen?“ Jetzt wandte sich Harry Ron zu.
„Ich
weiß nicht, was er von ihr will, aber… wir werden das herausfinden. Es wird
schon irgendeinen Grund geben. Und Malfoy ist ein Todesser. Es sollte nicht so
schwer sein, ihn dranzukriegen. Sobald er Hermine zu irgendwas zwingt, was
nicht legal ist, landet er so schnell bei seinem Vater in Askaban, dass er sich
wünschen wird, er hätte Hermine nicht eingestellt!“
Ron sah
ihn an. „Harry, es gibt keine Todesser mehr“, versuchte Ron ihn zu
beschwichtigen, aber Harry schüttelte den Kopf.
„Ach ja?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in Malfoys Akten das genaue Gegenteil
beweisen lässt.“ Ron atmete langsam aus. Er schien nicht überzeugt zu sein.
„Harry,
wir haben diese ganze Malfoy-Sache schon einmal durchgemacht“, entgegnete Ron
vorsichtig. Und Harrys Blick schoss zu Rons Gesicht.
„Ja! Und damals hatte ich recht, denn er hat Todesser nach Hogwarts
eingeschleust!“ Und Ron atmete aus.
„Ok, schön! Aber… was sollen wir denn tun?“
„Willst
du, dass Hermine bei ihm bleibt? Für ihn arbeitet? Dass er sie zu Sachen
zwingt, die-“
„Schon
gut!“, fuhr Ron dazwischen. „Lassen wir ihn beschatten“, stimmte er grimmig zu.
Und Harry spürte, wie sich seine Mundwinkel hoben.
„Malfoy
braucht doch ständig Auroren, um von einem Haus ins
nächste zu kommen. Wir wäre es, wenn die nächsten zwei Auroren,
die ihn begleiten, unangenehme Erinnerungen aus seiner Vergangenheit wären?“ Er
sah Ron auffordernd an.
Dieser
atmete wieder angespannt aus.
„Weiß
Ginny wie misstrauisch du bist?“ Und Harrys Lächeln verschwand.
„Oh, Ginny wird diejenige sein, die behaupten wird, es wäre ihre Idee gewesen“,
erwiderte Harry trocken, und unentschlossen ruckte Ron mit dem Kopf.
„Meinetwegen.
Aber wenn Hermine danach nie wieder mit uns spricht, schiebe ich alles auf
dich!“
Und
Harry blickte wieder nach vorne. Denn er würde alles für möglich halten.
Absolut alles, aber nicht die Tatsache, dass Hermine all das freiwillig tat.
Denn das war unmöglich. Und das wusste Malfoy auch.
Sie war
erschöpft. Sie war so unendlich erschöpft, als sie wiederkam. Aber ihr Tag war
noch nicht vorbei. Sie war noch nicht fertig. Sie hatte die Listen vergessen.
Sie lagen auf ihrem Schreibtisch und lachten sie wahrscheinlich gerade aus,
weil Hermine Granger es nicht fertig brachte, alle Sachen gleichzeitig zu
erledigen.
Das Gespräch
mit Harry und Ron hätte kaum schlechter ausgehen können, aber immerhin
hatte Hermine mit diesem Szenario
gerechnet gehabt. Das machte es nicht besser, aber es war jetzt raus. Sie hatte
es zugegeben. Zwar nicht alles und jedes bisschen, aber das musste sie
schließlich auch nicht.
Als sie die
Flügeltüren seines Büros erreicht hatte, ging sie in ihrem Kopf durch, ob er
gerade einen Kundengespräch haben könnte, aber sie kannte seine Termine, und
wusste, er hatte Besorgungen zu machen. Was auch immer das bedeuten sollte!
Sie öffnete
die Tür also, ohne zu klopfen, und wünschte sich in derselben Sekunde, sie
hätte es nicht getan.
Sie
verharrte in der offenen Tür, und ein schmerzhafter Stich durchfuhr sie
augenblicklich. Und sie wusste, es war lächerlich, irrational und völlig
unpassend, aber sie konnte nicht anders, als eifersüchtig zu sein, als tödlich
beleidigt von der Tatsache, dass er Pansy Parkinson hier hatte. Und dass sie
auf seinem Schreibtisch saß. Vor ihm. Den Rücken ihr zugewandt. Und jetzt
wandte Pansy langsam den Blick über die Schulter zurück.
Sie hatte
ihre Hand in Dracos Haaren gehabt, hatte sie wohl glatt gestrichen, aber was
zur Hölle hatte Pansys Hand in Dracos Haaren zu
suchen? Und was Hermine wirklich dachte, war, dass nur ihre Hand in seinen
Haaren sein sollte! Und sie wusste, ihr Ausdruck musste gerade alles andere als
freundlich sein. Und vor allem musste er Pansy ihre Gedanken regelrecht
entgegen schreien.
„Klopfst du nicht, Granger? Schlecht erzogen, Draco“, fügte sie mit einem
kleinen Lachen an Draco gewandt hinzu. Hermines Körper vibrierte vor Wut. Und
Draco besaß die Dreistigkeit, Pansy nicht mal von seinem Tisch zu schubsen,
wenigstens so zu tun, als wäre er empört über Pansys
Vertraulichkeit.
Nein! Er
sprach mit ihr, als wäre es nicht weiter von Bedeutung, dass Pansy ihm so nahe
war! Auf seinem Schreibtisch! Zwar saß Pansy nur zu seiner rechten auf der Schreibtischkante,
aber… das war nicht der angemessene Platz für einen Klienten?!
Und wieder
musste Hermine annehmen… - Pansy war wohl keine Klientin! Und das… war…
schmerzhaft. Es war unerträglich. Aber sie würde nicht weinen. Sie würde nicht
schreien. Sie wollte nicht. Sie würde eben einfach nicht. Merlin, er hatte sie
vielleicht zweimal befriedigt. Wer war sie, dass sie irgendwelche
Eigentumsrechte an Malfoy begründen konnte? Und doch… sie würde es gerne! Sie
würde Pansy am liebsten vom Schreibtisch schubsen, ihr sagen, dass Draco mit
ihr über das Wochenende nach Italien wollte, und dass Pansy ihren verdammten
Hintern hier nicht mehr blicken lassen sollte!
„Haben Sie
Potter angetroffen? Ich bin sicher, ihm hat gefallen, dass die Arbeitszeiten
wieder die alte Ordnung haben?“ Und wie konnte er so blasiert reagieren? Als
wäre es nichts weiter! Als wäre es nichts weiter, dass Hermine Granger von
Draco Malfoy auf dem Schreibtisch befriedigt wurde! Ihr Blick klärte sich,
fixierte keinen genauen Punkt, und Harrys Worte klingelten wie Alarmglocken in
ihren Ohren.
Hermine Granger arbeitet für Draco
Malfoy? Das ist… nicht mal in deinem Kopf ein kleines bisschen unglaubwürdig?
…
Ron, wann ist es das letzte Mal
passiert, dass ein Mann einer schönen Frau einen Job einfach so angeboten hat?
„…- Sie mir
zu?“, riss sie seine Stimme aus ihren Gedanken. Sie sah ihn wieder an. Pansy
hatte immer noch einen spöttischen, fast mitleidigen Ausdruck auf den stark
geschminkten, straffen Zügen, und Hermine ruckte mit dem Kopf. Was zur Hölle
tat sie?
Sie hatte
keine falsche Entscheidung getroffen, seitdem sie drei Jahre alt war! Sie war
schon im Kindergarten gerecht, höflich und freundlich gewesen. Sie hatte in der
Grundschule alles richtig gemacht, hatte die besten Noten gehabt, die
Hauptrolle im Theaterstück gespielt und hatte nie Probleme mit Lehrern.
In Hogwarts
war sie die beste gewesen. Hatte sich Freunde gesucht, die selber nichts
anderes als gute Menschen waren. Sie hatte Harry beigestanden, hatte die Welt
vor dem Bösen gerettet – und jetzt, wo sie anscheinend erwachsen war, lief sie
zum erstbesten Bösewicht und… ließ sich von ihm befriedigen? Ihr Herz klopfte
schnell, sie hörte jeden Schlag wie einen Paukenschlag in ihren Ohren.
Sie war bei
dem Mann, der sie als erstes Schlammblut genannt hatte! Sie war hier bei
jemandem, der in Behandlung war, weil er Muggel hasste! Sie war gejagt,
verfolgt und gefoltert worden, weil sie muggelgebürtig war! Von Leuten wie
Draco Malfoy! Er sah sie immer noch an. Und plötzlich atmete sie aus, wandte
sich einfach wieder ab und schloss die Tür als sie auf dem Flur stand.
Sie hob die
Hände zu ihrem Kopf, fuhr sich durch die Haare, schloss die Augen, während sie
sich heftig atmend gegen die Wand lehnte. Und dort stand sie. Zehn Sekunden.
Zwanzig Sekunden. Sie wusste nicht, wie viel länger sie noch einfach mit
geschlossenen Augen atmete. Halb darauf wartend, dass er kam, dass er nach ihr
sah, dass er sie holte. Zurückholte in die Welt, in der sie die Vergangenheit
verdrängt hatte und nur sein schönes Gesicht wirklich zählte.
Aber nichts
passierte.
Sie hörte
sich ruhiger atmen. Der Flur war leer. Niemand kam aus irgendeiner Richtung.
Und endlich
öffnete sich die Tür.
Sie erschrak
fast und hob den Blick.
„Panik?“, erkundigte sich Pansy mit einem kühlen Lächeln, während sie ihre
Bluse straff nach unten zog. Sie schloss perfekt über dem Saum des schwarzen,
engen Rocks ab, der ihr bis zu den Knien fiel. Und Hermine sah sie an. Hatte
Pansy Sex mit ihm? Schlief sie mit ihm? Durfte sie ihn berühren? Lag es nur an
ihr, dass er sie nicht wollte? Sie biss die Zähne fest zusammen. Sie sah Pansy
in das glatte, künstlich schöne Gesicht. „Panikattacken können übel enden,
Granger“, fuhr Pansy vielsagend fort, während sie den langen Mantel verschloss.
Dann wurde Pansys Lächeln breiter.
„Es gefällt
mir, was du da versuchst“, bemerkte Pansy mit einer spöttischen Geste auf
Hermines Erscheinung. „Schade, dass du diesen Look einfach nicht fertig
bringst“, fügte sie fast flüsternd hinzu, hob die Hand zum Abschied und ließ
Hermine einfach sprachlos zurück.
Pansys Pfennigabsätze machten bei jedem
Schritt ein scharfes Geräusch auf den Marmorfliesen, und Hermine blieb unbewegt
auf dem Flur zurück, bis sich die Aufzugtüren geschlossen hatten. Hatte Malfoy
Pansy rausgeworfen? Oder waren sie ohnehin fertig mit dem, was auch immer sie
getan hatten? Sie wusste nur eins: Sie hasste Pansy. Wirklich!
Aber es
würde nichts besser werden, würde sie hier stehen bleiben. Sie half sich selber
kein Stück, indem sie so tat als wäre die Zeit angehalten, als stünde die Welt
still, und Hermine Granger hätte alle Zeit der Welt, zu überlegen, wie es jetzt
weitergehen sollte.
Nachdem sie
also ausgeatmet hatte, öffnete sie seine Tür wieder. Sie betrat das Büro,
während er mit der Feder etwas auf ein Pergament notierte. Und erst jetzt
bemerkte sie, dass er sich im Gespräch befand. Der Kamin flackerte rot, und sie
kannte den Mann in den Flammen nicht. Malfoy hob die Hand, ohne den Blick auf
sie zu richten, und bedeutete ihr, dass sie warten sollte.
„Haben Sie
das, Mr Malfoy?“
„Ja“,
bestätigte er gleichmütig. „12. Dezember, 18 Uhr. Vielen Dank, Lavish.“ Das Gespräch war beendet. Der Mann im Feuer hatte
eine Uniform getragen, die bis zum Hals abschloss. Hermine kannte sie, aber im
Moment fiel ihr nicht mehr ein, warum.
„Wieso ist
Pansy Parkinson hier immer unangemeldet?“ Und sie wollte nicht so eifersüchtig
klingen, wie sie es jetzt gerade tat, und sie ärgerte sich, dass sie es nicht
verbergen konnte. Malfoy hob den Blick, nachdem er den Notizzettel in seinem
Schreibtisch verstaut, und die Feder ordentlich in den Halter gesteckt hatte.
„Sie haben ein Problem mit Pansy?“, fragte er also, und endlich sah er sie an.
Sein Blick war ihr nicht zu deuten, wirkte fast kalt, ausdruckslos, und es
schmerzte sie innerlich, dass jedes Gespräch mit ihm… völlig unberechenbar war.
„Ist jetzt
ein schlechter Zeitpunkt, um zu reden, Mr Malfoy?“,
wollte sie so kurz angebunden und kalt von ihm wissen, wer er seine eigenen
Worte wählte. Er atmete kurz aus.
„Nein,
natürlich nicht. Also, haben Sie ein Problem mit Pansy?“
Und dann
atmete sie aus. „Ja, ich habe ein Problem mit Pansy.“ Und er lehnte sich
seufzend zurück.
„Ich schlafe
nicht mit ihr, wenn es das ist, was-“
„Nein, das
ist nicht, was es ist!“, unterbrach sie ihn wütend, obwohl das so ziemlich ihre
größte Sorge gewesen war. Er schlief nicht mit ihr. Seine Augenbraue hatte sich
gehoben, und sie war diese Geste fast schon von ihm gewöhnt. Und wieder war er
gefasst. Er war so… - ach sie hasste es! Da wäre ihr fast lieber, er würde sie
aus dem Büro werfen, weil er sie nicht ertragen konnte.
„Was ist es
dann?“, erkundigte er sich ruhig, und sie hätte schreien können. Wenn er das
nicht wusste, dann würde sie es ihm auch nicht sagen!
„Ich hatte
keinen guten Tag. Und mein Tag ist auch noch nicht vorbei. Ich werde jetzt zu Flourish und Blotts
gehen. Wenn Sie mich entschuldigen“, beendete sie das Gespräch und ignorierte
seinen fragenden Blick. Sie hatte keine Lust ein Patienten-Gespräch mit ihm zu
führen, indem sie sich vorkam wie der dumme Patient, und er wäre der erhabene,
besonnene und völlige gelassene Draco Malfoy, den kein Wasser trügen konnte.
„In
Ordnung“, rief er ihr nach, und sie glaubte, ein Lächeln in seiner Stimme zu
hören. Bastard! Sie würde nicht den Kopf verlieren! Sie nicht! Oh nein!
~*~
Akte
732
Sitzung 137, März 2010
- Notizen -
„Wie geht es
Ihnen heute, Mr Malfoy?“
„Es geht mir
ausgezeichnet, Doc.“
„Wie laufen
die Geschäfte?“
„Ebenfalls
sehr gut, danke der Nachfrage.“
„Wie steht
es mit Ihren Träumen?“ Sie beendete die höflichen Fragen, denn schon im Tagespropheten hatte sie lesen können,
wie gut die Malfoy Group zurecht kam. Und er atmete aus.
„Besser. Sie
sind besser geworden.“
„Nachdem wir
das Turbatikum
wieder ins Sortiment genommen haben?“ Sie notierte sich sein Nicken. „Sie
wissen, wir müssen es absetzen, und das am besten noch in diesem Jahr, Mr Malfoy.“
„Ich weiß
nicht, ob ich es schaffe. Ich kann mir nicht leisten, nicht zu schlafen“, gab
er zurück. Er mied ihren Blick. Natürlich tat er das. Es ging immerhin um seine
Schwäche. Und Dank der Medikamente um seine letzte Schwäche. Es musste ihm
missfallen, dass sie seine Schwächen kannte. Er sah bemerkenswert aus.
„Sie machen Sport?“, erkundigte sie sich, um das Thema zu wechseln. Und nach
einer kurzen Pause sprang er darauf an. Nicht, weil sie geschickt war, sondern,
weil er es wollte. Sie verfolgte keine Taktik. Sie wollte nur nicht mit ihm
streiten.
„Gelegentlich“,
log er, denn sie erkannte den ausgeprägten Bizeps unter seinem Jackett.
„Tragen Sie
dabei Sportbekleidung, oder trainieren Sie oben ohne?“ Auch durchschaute er
diese Frage, aber sie hatte es aufgegeben, Tricks bei ihm anzuwenden.
„Nein, ich trage Sportbekleidung.“
„Hatten Sie
in letzter Zeit Verabredungen, Mr Malfoy?“ Und jetzt
lächelte er.
„Wie wäre es, wenn wir über meine Träume reden, Doc?“ Sie notierte sich, dass
er keine Verabredungen gehabt hatte.
„Gerne.
Erzählen Sie mir von Ihrem letzten Traum. Wann war er? Letzten Dienstag?“ Er
nickte, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
„Ich bin auf
einem Korridor. Es ist dunkel.“ Sie notierte sich seine Worte stichworthaft.
„Es ist… Winter. Eisigkalt“, fuhr er tonlos fort. „Der Krieg ist nicht vorbei,
aber ich bin… jung. Jünger als ich zu dieser Zeit eigentlich war. Die Greifer
haben das Trio zu uns gebracht gehabt. Ich erinnere mich an Potters Gesicht.
Ganz deutlich. Aber… ich zu klein, als dass es zeitlich stimmt. Ich reiche
nicht an die Portraits.“ Sie sah ihn an. Seine Augen waren geschlossen, und seine
Lider bewegten sich schnell, während er sprach.
„Licht fällt
durch eine Tür auf den Flur. Dampf kommt aus dem Zimmer. Es ist nicht wirklich
das Badezimmer im Herrenhaus, es ist das Badezimmer der Vertrauensschüler.“ Er
fuhr sich über die Stirn. „Und… und es ist… alles still.“ Kurz bedeckte er mit
der Hand den Mund.
„Ok. Was tun
Sie? Gehen Sie dieses Mal hinein?“ Sie sprach sanfter.
„Ja, dieses
Mal gehe ich wieder hinein. Das Wasser, was von der Decke und den Wänden
kondensiert macht laute Geräusche auf dem Boden. Oder… sie kommen mir nur laut
vor.“ Er bewegt sich plötzlich im Sessel, als wären ihm die Worte unangenehm.
„Erzählen Sie bitte weiter“, beruhigt sie ihn still.
„Ja“, erwiderte er nickend. „Und… ich sehe sie in der Wanne. Das Wasser ist rot.
Das Wasser ist rot wie Blut. Sie… ist schon eine Weile tot. Und ich knie mich
vor die Wanne, hole ihren nassen Körper an den Rand, hole sie aus dem Wasser,
aber sie ist schwer, und ich bin… zu schwach.“
„Was
empfinden Sie dabei?“
„Ich… ich
weiß es nicht“, schloss er, während er hart ausatmete. „Ich weiß nicht. Gar
nichts, denke ich. Sie kommt mir nicht bekannt vor. Ihr Gesicht ist weiß, die
Augen groß und starr und weit aufgerissen blicken sie zur Decke empor.“ Er
spricht von Hermine Granger. Sie weiß es, denn er spricht jedes Mal von ihr. Er
sagt jedes Mal, sie käme ihm nicht bekannt vor, wenn sie tot in der Wanne
liegt. Und sie tut, was sie jedes Mal tut. Sie bekämpft den Drang, näher zu
forschen. Sie bleibt ruhig. Sie bleibt völlig gelassen, medizinisch
interessiert. Und sie beunruhigt ihn nicht. Auf gar keinen Fall.
„Und Lucius?
Ist Lucius dieses Mal da?“ Sie wartet gespannt.
„Ja, er ist
da. Er steht in der Ecke. Er…“ Wieder führt er seine Hand zu seinen Augen,
seinem Mund. „Wir wollen sie vergraben. Im Garten“, fuhr er flüsternd fort.
„Bei den anderen. Bei all den anderen“, fügt er hinzu, die Stimme belegt und
schwer.
„Und? Haben
Sie es getan? Haben Sie Hermine Granger vergraben?“
Er
schüttelte unfähig den Kopf.
„Nein. Ich…
bin gerannt. Aus dem Bad. Aus dem Korridor. Aus dem Haus. Ich war… voller Blut.
Alles war voller Blut.“
Seine Augen
öffneten sich. Und was sie Draco Malfoy nicht sagte, war, dass sie in der
Hypnose bereits seine Träume gesehen hatte. Allerdings handelte es sich nicht
unbedingt nur um Träume. Sie war sich nicht sicher, in wie weit er selber
verdrängte, was er einst gewusst hatte. Sie konnte ihn schlecht einschätzen,
wusste nicht, in wie weit sein Geist und Körper beschlossen hatten, die
Ereignisse verschwinden zu lassen, aber sie wusste, er sprach nicht darüber.
Denn sie war
überzeugt, der Mord im Badezimmer, war etwas, was er als Junge miterlebt hatte.
Und die Andeutung, dass Lucius Malfoy Muggelleichen
in seinem Garten vergraben hatte war… so beängstigend, dass sie nicht näher
darüber nachdenken wollte, aber sie nahm an, die Narbe auf Draco Malfoys Bauch
rührte von einem solchen Erlebnis. Auch wenn sie noch nicht wusste, wie es
damit in Verbindung stand.
Aber sein
Gehirn gab ihr nicht preis, ob er träumte, ob er es erlebt hatte, aber sie
wusste, in seinen Träumen waren die toten Muggel in der Badewanne jedes Mal
Hermine Granger – die Muggel, die beste Freundin von Harry Potter.
Sie wusste,
er fürchtete sich vor Hermine Granger. Denn sie brachte die Albträume. Und sie
musste sich auch fragen, was es für Auswirkungen haben würde, würde sie den
Schritt wagen, anzunehmen, dass auf den weiten Grünflächen von Malfoy Manor Muggelleichen verschachert
worden waren. Denn würde sie ein Untersuchungsverfahren einleiten, würde sie
tatsächlich nachforschen, seine Träume als Wahrheit auslegen, dann… würde es
noch ein viel größeres Problem eröffnen.
Er war
kaputt. Er war innerlich zerbrochen, geschädigt, verloren und verlassen. Sie
wusste, er nahm die Medikamente, aber sie wusste, sie verschaffte sich selber
bloß Zeit. Sie durfte nicht aus den Augen verlieren, dass er ohne die
Medikamente auskommen musste.
Er durfte
nicht versäumen, rechtzeitig aufzuhören, bevor er es niemals können würde.
Sie sah
einen Therapieansatz darin, dass er Kontakt zu Hermine Granger aufnehmen
sollte.
Sei es auch
nur, um seine Albträume zu beseitigen. Sei es nur, um seinen eigenen Dämonen zu
bekämpfen. Sie es nur, um das stereotyphafte Denken aufzugeben, Hermine Granger
als einzige weibliche Muggel gekannt zu haben, und alles damit zu assoziieren.
Sie war stolz auf Draco Malfoy. Stolz auf den Medikamentenerfolg.
Aber er
hatte ihr Einsichten in dunkle Seiten gebracht. Und sie hoffte, Lucius Malfoy
würde eine ganze zeitlang nicht aus Askaban entlassen
werden.
Und sie
scheute sich wie immer vor der Frage. Sie hatte sie bereits gestellt, aber er
hatte sie verneint. Er tat es als Albträume ab. Sie tat es als Albträume ab,
aber sie meinte es besser zu wissen. Draco Malfoys Albträume waren wirklich so
böse wie er annahm. Sein Unterbewusstsein arbeitete auf. Und es holte ihn ein.
Aber solange
die tote Muggel in der Badewanne Hermine Granger war, musste sie sich noch
nicht die Sorgen darüber machen, was sie tun würde, wenn sie die Identität
erkennen konnte. In der Hypnose hatten die Frauen kein Gesicht gehabt. Sie
waren verschwommen gewesen, die Szenarien immer wieder etwas anders. Ob er
immer wieder dieselbe Frau sah oder ob es hunderte gewesen waren, wusste sie
nicht zu sagen.
Und damit
hatte sie ein Geheimnis vor ihrem eigenen Patienten.
Und sie war
sich nicht sicher, ob er von dem Geheimnis wusste. Sie war sich nicht sicher,
ob Draco Malfoy zusammen mit seinem Vater Muggelleichen
im Garten vergraben hatte.
Und alles,
was sie annehmen konnte, war, dass Draco Malfoy keine vierzehn Jahre alt
gewesen sein konnte. Es war natürlich, dass sein Unterbewusstsein ihn jünger
machte, als er möglicherweise gewesen war. Dass er seelisch nicht mit einer
solchen Masse an Emotionen und Gewalt umgehen konnte.
Aber sie
wartete. Sie wartete auf den Tag, an dem der Traum sich ändern würde.
Denn wenn
Hermine Granger verschwunden war, dann… würde er beginnen, sich abzufinden. Er
würde beginnen, zu heilen. Aber sie wusste, vorschnelle Schritte waren nicht
der beste Weg zum Ziel.
Und sie mussten
einen Weg finden, das Turbatikum
abzusetzen, das er seit über zwei Jahren nahm. Denn es war weiterhin nur ein
Prototyp. Es war eine Testphase, die schon viel zu lange lief. Solange war es
noch nie ausprobiert worden.
Und ihre
ganze Theorie war bedrückend. Denn erschwerend kam die Tatsache hinzu, dass
Lucius Malfoy nicht wegen Mordes im Gefängnis saß. Dem Anschein nach war es ihm
nicht nachgewiesen worden. Und sollte sie durch den geschädigten Sohn nun zur
Beweisführung mit beitragen, dann… hatte sie Lucius Malfoy zu ihrem Feind.
Wieder einmal. Und nicht nur, weil sein Sohn in ihrer Behandlung war.
Und sie
beschloss, das Thema in eine andere Richtung zu lenken. Eine andere, sehr
wichtige Richtung.
„Mr Malfoy, wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrer
Mutter?“
Und sie
wusste, er sprach nicht mit seiner Mutter. Seine Mutter sprach nicht mit ihm,
hatte sich abgesetzt, jedoch, nach Lucius’ Inhaftierung, die volle
Verwaltungsmacht über die Malfoy Group
erlangt. Und der einzige Kontakt, den Draco Malfoy mit seiner Mutter nach
Askaban gehabt hatte, war, dass Narzissa Malfoy ihrem
Sohn das Unternehmen solange überschrieben hatte, bis Lucius’
Geschäftsfähigkeit wiederhergestellt war.
Kontakt mit
seiner Mutter herzustellen, war mit eines der wichtigen Dinge, die er erreichen
sollte. Sport, Verabredungen, keine Berührungsängste waren zweitranging.
Zuerst
sollte er wieder mit seiner Mutter sprechen. Dann sollte er die Angst vor
Hermine Granger überwinden. Dann sollte er die Medikamente absetzen.
Und am besten
sollte er sich erinnern, was damals passiert war. Ob er wirklich von seinem
Vater zu solchen Grausamkeiten gezwungen worden war. Denn dann würde Lucius
Malfoy nicht freigelassen werden.
Dann könnte
Draco Malfoy das Unternehmen als Geschäftsführer weiterleiten und müsste
niemals wieder mit seinem Vater Kontakt aufnehmen.
Aber die
Zeit verging. Und bisher… hatte sie ihn lediglich aus Askaban holen können.
Bisher nahm er die Medikamente.
„Vor
achtzehn Monaten“, antwortete er kalt, und sie unterdrückte ihre Resignation.
Wie bekam sie ihn dazu, mit seiner Mutter zu sprechen? Was nicht so subtil war,
dass es Draco Malfoy nicht auffiel, brauchte sie gar nicht erst zu versuchen.
Sie hatte eine lange To-Do-Liste mit ihrem Patienten.
„Was ist, Doc?“, unterbrach er ihre Gedanken und schenkte ihr einen wachsamen
Blick aus seinen grauen Augen. „Sie sehen aus, als hätten Sie Geheimnisse vor
mir“, fügte er lächelnd hinzu.
„Aber auf
gar keinen Fall, Mr Malfoy“, beschwichtigte sie ihn
lächelnd und legte die Notizen offen auf den Tisch. Sie würde es schon noch
schaffen. Sie brauchte nur noch etwas mehr Zeit. Nur ein bisschen länger….
Sie
hatte keinen klaren Gedanken fassen können. Sie könnte es eigentlich gleich aufgeben,
noch etwas zu schaffen. Vor allem, seitdem Witherby
den Konferenzraum verlassen hatte.
Sie
strich den letzten Satz auf ihren Notizen wieder durch. Sie machte schon keinen
Sinn mehr in ihrem eigenen Kopf.
Wie
sollte sie arbeiten können? Wie sollte sie auf neue Strategien für den
Büchermarkt kommen, wenn er neben ihr saß? Wie?!
Witherby war vor zwanzig Minuten gegangen,
nachdem Malfoy mit ihnen das Programm der nächsten Wochen besprochen hatte. Die
Abteilungen im Ministerium, die er hauptsächlich finanzierte, waren
umstrukturiert worden. Die Arbeitszeiten und Verträge hatten sich geändert, und
Witherby und Hermine hatten mit ihm haarklein
besprechen müssen, ob sie alle Tarife und Bedingungen begriffen hatten.
Witherby hatte sich anschließend verabschiedet,
denn er war derjenige, der alles in den Druck bringen musste. Hermine hatte die
Aufgabe bekommen, das Konzept der Bücherläden, die Draco Malfoy gehörten, zu
ändern, damit der Absatz stieg. Und sie hatte den dämlichen Vorschlag gemacht,
dass die Büchergeschäfte auch mit Schulbüchern beliefert werden könnten, damit
alle Schüler die Bücher dort kaufen konnten.
Und
jetzt zermarterte sie sich den Kopf, welche Schulbücher wohl dauerhaft jedes
Jahr gekauft werden mussten, so dass Flourish und Blotts keine großen Gewinneinbußen verzeichnen mussten,
wenn jetzt auch andere Läden Schulbücher im Sortiment hatten.
Es war
anstrengend, denn sie erinnerte sich mittlerweile an kein einziges Buch mehr.
Sie
erinnerte sich an keins mehr, seit Witherby den Raum
verlassen hatte.
Malfoy
saß gerade selber über einigen Dokumenten, größtenteils Dankesreden und
Eröffnungen, die er Halten musste, aber ab und an zuckten seine Mundwinkel,
dann hob sich sein Blick, und ihr Fuß zuckte seit zehn Minuten nervös unter
ihrem Tisch.
Sie
starrte auf das Pergament und hatte zum dritten Mal Die Geschichte von Hogwarts aufgeschrieben. Sie war nervlich nicht
auf der Höhe. Er saß am Kopfende des langen Tisches und sie zu seiner rechten
Seite am langen Ende. Sie sah sein Profil, und es war ein hübsches Profil. Sie
hatte ihn nicht mehr auf Pansy angesprochen. Ihre Eifersucht war
unprofessionell und nur im Weg. Sie starrte wieder. Sie spürte die Röte und
senkte hastig den Blick.
„Miss
Granger?“ Seine Stimme ließ Schauer über ihren Rücken laufen. Immer wieder.
Seine Stimme klang bereits so, als würde er sie ausziehen, sie hier auf den
Konferenztisch werfen, und wusste Merlin was für Schweinereien mit ihr
veranstalten.
„Ja?“,
krächzte sie, als sie den Blick hob und sich dafür verteufelte, dass ihre
Stimme sie verriet. Er lächelte seinen Unterlagen entgegen und hob den Blick
nicht.
„Was
halten Sie von Essen gehen?“
Essen
gehen? Fragte er sie? Stellte er eine generelle Frage? Sie mochte essen gehen.
Generell. Wäre er dabei, würde sie keinen Bissen runter kriegen. Das wusste
sie.
„Ich…
weiß nicht?“, fragte sie verwirrt, und jetzt hoben sich seine grauen Augen. Sie
betrachteten sie, verengten sich kurz, und dann lächelte er.
„Wollen
Sie mit mir essen gehen? Vielleicht ist es so verständlicher?“, fügte er
grinsend hinzu, und sie öffnete perplex den Mund.
„Essen gehen?“, wiederholte sie und war verzaubert von seinem makellosen
Anblick.
„Ja. Dann können wir über Ihre Notizen sprechen?“
Ein
Geschäftsessen. Aber sein Blick sagte etwas ganz anderes, ihr plötzlich
kribbelnder Unterleib wusste das genau.
„Oder über… andere Dinge?“, fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu, und er
sah unglaublich aus. Er legte den Kopf schräg, und einige blonde Strähnen
fielen ihm die Stirn.
Wieso
hatte sie immer das Gefühl, als war er vorsichtig, ihr gegenüber? Seine Haut
war so weich. Sie wusste genau, wie sie sich unter ihren Fingern anfühlte.
„Wann?“, hauchte sie leise, und er grub die Zähne in seine volle Unterlippe.
„Sie
können auch ablehnen, Miss Granger“, bemerkte er jetzt mit einem Stirnrunzeln.
„Sie haben viel zu wenig Angst vor mir.“ Sagte er das wirklich? Natürlich hatte
sie Angst vor ihm! Aber sie lehnte nicht ab, weil ihr Herz gerade doppelte
Saltos schlug.
Sie
ruckte bloß mit dem Kopf.
„Wie wäre es mit gleich? Einige Auroren werden uns
zur Sicherheit begleiten, aber sie warten am Eingang des Restaurants. Sie
werden Sie gar nicht bemerken. Für gewöhnlich gehe ich jeden Mittwoch essen.
Also… Sie können so bleiben, wie Sie sind.“
Wie sie
war? Sie sah an sich hinab. Sie trug einen schwarzen Rock, hohe Stiefel und
eine beige Bluse. Fand er es nicht ansprechend? Sie hatte keine Zeit darüber
nachzudenken, denn er schob seine Unterlagen beiseite.
„Sprechen
Sie nicht mehr mit mir?“ Seine Hände lagen flach vor ihm auf der Tischplatte.
Er trug wieder ein helles Jackett, eine helle Krawatte, ein helles Hemd, eine
helle Hose. Merlin, er wäre im Moment auch sehr gut auf einer Yacht in der
Südsee aufgehoben, um Werbung für ausschließlich reiche Menschen zu machen.
Seine
Haut wirkte angenehm gebräunt, die Haare lagen anbetungswürdig.
Er war
zu perfekt, befand sie plötzlich, und runzelte die Stirn. Sie erhob sich
langsam. Sein Blick folgte ihr gespannt. Sie zwang sich, ruhig zu gehen, machte
Schritt um Schritt auf ihn zu, und wagte ihre Hand zu seinen Haaren zu heben,
als sie vor ihm stand. Er ließ sie gewähren. Unschlüssig, abwartend.
Sie fuhr
mit den Fingern durch die dichten blonden, glänzenden Strähnen. Sie leuchteten
golden. Sie waren wunderschön. Sie griff fester zu, zerstrubbelte
die Haare etwas, und betrachtete ihr Werk. Ihre Mundwinkel hoben sich.
„Viel
besser“, stellte sie zufrieden fest. Jetzt bildeten sich diese unglaublich
ebenmäßigen Grübchen auf seinen jungenhaften Zügen. Der Schalk blitzte in
seinem Blick.
„Ja?“,
erwiderte er und erhob sich ebenfalls. Er überragte sie, und ihr Herz machte
einen Satz. Sein Ausdruck wurde plötzlich ernst. Er hob eine Hand zu ihrem
Gesicht, verharrte aber Zentimeter vor ihrer Haut. Sie erkannte die hellen
Flecken in seiner Iris. Ihr Herz klopfte so laut in ihrer Brust. Undgeduldig wartete sie darauf, dass er den Abstand
schloss, dass er sie endlich küsste.
Und sie
verdrängte die Idee von Pansy in ihrem Kopf. Den Gedanken, dass er Pansy
genauso berührte. Sie wollte nicht, dass er jemanden genauso berührte, wie er
sie berührt hatte. Er seufzte auf.
Es war
ein schwerer Laut. Er klang unmenschlich schwer, und sofort beunruhigte es sie.
Sein
Ausdruck war jetzt nicht mehr für sie zu deuten. Seine Augen fixierten ihre.
Sein Blick sagte mehr, als alle Worte, die er hätte sagen können.
Und
schon war sein Ausdruck wieder verschlossen. Beherrscht. Er war die Kontrolle
in Person. Seine Hand sank neben seine Seite. Und er schien innerlich nicht zu
verbrennen, so wie sie es für ihn tat. Und es weckte eine nagende Frage in ihr.
War er
so beherrscht wegen der Tabletten? War es das, was ihn zurückhielt? Was ihn
Beherrschung haben ließ? Und wieso war es leicht für ihn?
Weil es
nichts weiter war als irgendwas Sexuelles? War es das?
„Oh,
Miss Granger. Ihr Blick ist unangenehm, wissen Sie das?“
Sie
erschrak über seine plötzliche Stimme. Ihr Mund öffnete sich erschrocken.
„Entschuldigung, ich wollte nicht-“
„Sie
müssen sich nicht entschuldigen“, unterbrach er sie mit ruhiger, gefasster
Stimme. „Würden Sie doch einfach Nein sagen“, murmelte er vergessen. Und sie
wusste nicht, ob er gerade mit ihr sprach oder mit sich selbst. Nein zu was,
fragte sie sich. Nein zu ihm? Meinte er das? Und es tat weh, dass er das sagte.
Sie fühlte sich schwach ihm gegenüber. Sie wäre gerne stark! Sie würde ihn
gerne einfach hier stehen lassen. Sie wäre gerne stärker. Sie wusste, er schien
keine Probleme damit zu haben, nicht mit ihr zu schlafen. Dachte er
wirklich, sie wäre nicht gerne kalt wie Stein? So glatt und berechnend, wie er
es war? Sie zwang sich zur Ruhe. Denn nur ein Blick in seine Augen ließen sie
wieder schwach werden.
„Ich
hatte Ihnen etwas versprochen“, schien ihm plötzlich wieder einzufallen. Hatte
er? Sie war kurz verwirrt. „Sie wollten meine Medikation sehen“, beantwortete
er ihre stumme Frage. Und schon hatte sie vergessen, dass er sich vorhin
gewünscht hatte, dass sie Nein sagen würde. Triumph stieg in ihr auf. Er wollte
es ihr zeigen! Er wollte sich anscheinend tatsächlich öffnen!
„Oh…“,
brachte sie überrascht hervor. Damit hatte sie nämlich nicht gerechnet.
„Haben
Sie… heute Abend noch etwas vor?“, fragte er, und tatsächlich wirkte er eine
Spur weniger beherrscht als vorher.
Heute
Abend? Er wollte sie mitnehmen? In sein Haus? Er wollte ihr heute Abend die
Medikamente zeigen, die er nahm? Und sie nickte, ehe sie nachgedacht hatte.
„Ich
habe Zeit. Wir… was Sie wollen!“, sagte sie heftig.
„Was ich will?“, wiederholte er mit einem
schmalen Lächeln. Sie war wie hypnotisiert von seinem schönen Mund. „Ich muss
vorsichtig sein, mit dem, was ich will.“ Sie hasste es, wenn er so sprach.
„Nein,
Sie müssen nicht-“ Aber sie unterbrach sich, als er plötzlich ihre Hand
ergriff. Seine Finger waren warm, seine Haut glatt und weich. Er hob ihre Hand
zu seinem Mund und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerknöchel, ohne sie aus den
Augen zu lassen. Ihr Mund öffnete sich langsam. Die Berührung seiner Lippen
jagte ihren Puls in die Höhe.
Oh, sie
wollte ihn ausziehen! Jetzt sofort!
„Oh
doch, ich muss“, widersprach mit rauer Stimme, zog sachte an ihrer Hand und sie
stolperte an seine Brust. Es war wie eine Mauer, so fest und hart. Ihre Hände
lagen auf seiner Brust, und schon das alleine ließ ihn seinen Kiefer anspannen.
Aber sein Blick bohrte sich intensiv in ihren, und sie schluckte schwer, denn
ihr Mund war plötzlich trocken.
Und
jetzt spürte sie es. Wann immer er kurz davor, ihre Geschäftsbeziehung zu
zerstören, änderte sich Verhalten. Seine Höflichkeit, seine ganze Fassade vom
Geschäftsmann, vom Gentleman, fiel im Bruchteil der Sekunde, in dem seine
Lippen ihre verschließen würden.
„Ich muss vorsichtig mit Ihnen sein“, fuhr er
gedämpft fort. Er stand so nah vor ihr, dass sie seinen heißen Atem in ihrem
Ohr spürte, als er sich vorlehnte. Sein warmer Körper hüllte sie ein mit seinem
Duft. Seinem wunderbar herben Duft. „Alleine die Hälfte der Gedanken, die ich
habe, würden Sie, so schnell Sie Ihre Füße tragen, aus meinem Büro jagen.“
Seine Stimme. Gott, diese Stimme! Seine Worte! Das Kribbeln in ihrem Bauch war
fast zu viel. Sie spürte seine Lippen an ihrem Ohrläppchen und musste die Augen
schließen. Ihr Mund hatte sich atemlos geöffnet.
„Ich
habe keine Angst vor Ihnen“, flüsterte sie heiser. Sein Arm hatte sich grob um
ihre Taille gelegt.
„Das
sollten Sie“, informierte er sie rau. Ein kehliger
Laut verließ ihren Mund, als sie plötzlich seine weichen Lippen an ihrem Hals
spürte. „Das sollten Sie wirklich“, wiederholte er gegen ihre Haut, und sie wurde
Butter in seinen Händen. Seine Worte turnten sie viel zu sehr an, als dass sie
ihren Sinn noch hinterfragen konnte. Er hatte sie in nur einer Bewegung auf die
Tischplatte gesetzt.
„Wie
wäre es, wenn Sie mich aufhalten würden?“, knurrte er, fast wütend, als er mit
beiden Händen ihre bloßen Beine spreizte und sich zwischen sie stellte. Ihr
Puls raste. Unbewusst hatte sie die Hände zu seinen dichten Haaren gehoben,
krallte ihre Finger in die Strähnen und zog ihn grob zu sich hinab.
Er
verschloss ihre Lippen mit einem Grollen, griff mit beiden Händen ihren Po und
presste sie an seine Mitte. Er teilte mit seinen Lippen die ihren, und seine
Zunge stieß nach vorne in ihren Mund. Er stöhnte ungehalten, als ihm ihre Zunge
nur zu willig begegnete. Die hundert Schmetterlinge in ihrem Bauch schlugen
aufgeregt mit ihren Flügeln, und seine Hände schoben abwesend den Saum ihre
Rocks weiter ihre Beine hinauf. Er lehnte sich gegen sie, brachte sie mit
seinem Gewicht nach unten auf die kühle Tischplatte und war sofort über ihr.
Er nahm
ihre Unterlippe zwischen seine Zähne, saugte hart daran und sie keuchte vor
Erregung auf. Schon verschloss er ihren Mund wieder, seine Zunge stieß
unbeherrscht nach vorne. Gott, sie wollte ihn so unbedingt! Er schmeckte
fantastisch, und seine Haut fühlte sich großartig an. Sein Duft war unglaublich
animalisch, und sie zerrte sein Hemd aus seiner Hose. Sofort hatte er den Kuss
unterbrochen, ihre Handgelenke ergriffen und hart auf die Tischplatte gepresst.
Sie
lehnte sich gegen den festen Griff, und wandte dieses Mal tatsächlich mehr
Gewalt an.
„Granger“,
entfuhr es ihm heiser, beinahe warnend, seine Augen dunkel vor Lust. Aber sie
wollte nicht von ihm gewarnt werden! Er musste sie nicht vor sich warnen. Es
war egal, was er verbarg! Es war ihr völlig gleichgültig. Sie wollte ihn! Und
sie wollte ihn jetzt! Mit einem Ruck befreite sie ihre Handgelenke, hatte
schnell seinen Gürtel geöffnet und knöpfte blind seine Hose auf. Wieder fing er
ihre Hände ab. „Nein!“, knurrte er gefährlich tief, und ihr Herz machte einen
Satz. Sie atmete mit geöffnetem Mund.
Sein
Atem ging unregelmäßig, mühseliger, unbeherrschter und seine Augen wanderten
sehr schnell über ihr Gesicht. Wieder lehnte sie sich gegen ihn auf, wieder
befreite sie ihre Hände, und sein Blick bohrte sich in ihre Augen, als sie
seine Hose hastig öffnete und seine Erektion befreite. Er schloss ergeben die
Augen und keuchte auf, als ihre Finger seinen harten Schaft umschlossen.
Härter
umfasste er ihr Handgelenk, riss es zornig zurück und in seinem Blick lag jetzt
ein dunkles Feuer, eine viel dunklere Kraft. Sie sog vor Schmerz die Luft ein,
als er ihre Handgelenke so brutal auf die Tischplatte pinnte, dass es ihr kurz
die Tränen in die Augen trieb. Sie erkannte seine Verwandlung sofort. Sein
Ausdruck war wilder, unkontrollierter, und ihre Handgelenke wurden taub, so
hart war sein Griff.
Aber
tapfer blickte sie seinem wilden Blick entgegen, noch immer wand sie sich unter
ihm, und seine nackte Erektion stieß nun gegen ihren feuchten Slip, nur noch
durch eine Millimeter dünne Schicht Stoff von ihrem Eingang getrennt. Er
schloss wie unter Schmerzen die Augen und schüttelte verzweifelt den Kopf.
„Nein!“,
rief er aus und wich mit aller Anstrengung zurück. Als sie sich aufsetzte,
hatte er seine Hose wieder verschlossen. Sein Atem ging immer noch schnell,
aber er hatte sich wieder unter Kontrolle. Er fuhr sich durch die Haare, und
sie rieb sich beschämt ihre schmerzenden Handgelenke. Langsam schloss er den Abstand.
„Das werden blaue Flecken“, stellte er rau fest, und nahm ihre Hände in seine.
„Machen Sie das nicht noch einmal“, flüsterte er gegen ihre Hände, als er
sanfte Küsse auf ihren Handgelenken platzierte. Sie spürte die Tränen in den
Augenwinkeln.
„Ich will aber, dass-“ Sein Blick ließ sie verstummen. Seine grauen Augen waren
aufgewühlt.
„Nein“, schnitt er ihre Worte ab. „Sie wollen kein Monster. Sie wollen kein
Monster, das Ihnen Schmerzen zufügt, weil es Sie nur so haben will, Miss
Granger. Ich kann mich dann nicht kontrollieren“, brachte er gepresst hervor.
„Das ist mir egal“, flüsterte sie, mit allem Mut, über den verfügte. Und er
lächelte ungläubig.
„Das ist
Ihnen egal?“, wiederholte er, und schüttelte nur den Kopf.
„Ich…
will mit dir schlafen“, flüsterte sie und schämte sich sofort für ihre Worte.
Er wirkte plötzlich älter, erschöpfter als zuvor. Er ließ ihre Hände sinken.
„Ich-“
Es
klopfte, und er machte automatisch einen Schritt nach hinten und fuhr sich
durch das Haar. Er sah wieder völlig gelassen aus, stellte sie entgeistert
fest, während sie hastig von der Tischkante rutschte. Schon öffnete sich die
Tür. Sie war froh, stehen zu können.
„Sir, die Auroren sind da.“ Witherby
hatte den Kopf so schnell wieder zurückgezogen, wie er ihn hinein gesteckt
hatte.
„Gut,
dann gehen wir wohl essen“, beschloss Malfoy tonlos. Ihr Herz schlug immer noch
laut in ihrer Brust. Sie richtete ihre Bluse, ihren Rock, die Nähte ihrer
Seidenstrümpfe, fuhr sich hastig durch das Haar, über ihr Gesicht, und
äußerlich konnte sie genug Ruhe vortäuschen, um das Zimmer zu verlassen. „Wir
verschieben… dieses Gespräch“, bemerkte er wieder mit gewöhnlicher Stimme.
„Das
müssen wir wohl“, gab sie eine Spur beleidigt zurück. Als er bemerkte, dass sie
es ihm übel nahm, stahl sich ein Lächeln auf seine Züge. Und sie konnte ihm
plötzlich nicht mal mehr böse sein.
„Nach
Ihnen, Miss Granger“, bot er ihr lächelnd an, aber seine Augen wirkten
spöttisch, herausfordernd und provozierend. Es zog angenehm in ihrer Mitte. Und
sie spürte, wie sich ihre Mundwinkel langsam hoben. Wie schaffte der Mistkerl
das? Wenn sie heute Abend in seinem Haus sein würde, bedeutete es dann, dass
sie so etwas wie einen nächsten Schritt wagten? Wollte er deshalb warten? Oder
hielt er sie nur auf Abstand? Würde heute einfach nichts weiter passieren? Oder
wartete er nur auf später, damit…?! Endlich? Endlich, endlich! Ihr Herz
flatterte in ihrer Brust. Sie fühlte das Pochen ihrer Handgelenke, aber der
Schmerz war längst abgeklungen. Er brauchte mehr Zeit? Mehr Vertrauen? Sie
hatte kein Problem, ihm das zu geben. Sie spürte seinen Blick auf sich, als sie
voran schritt. Und sie war so leicht. Sie fühlte sich…-
„Harry,
Ron!“, entfuhr es ihr heiser, als sie in Malfoys Büro trat, und Harry und Ron
mit verschränkten Armen vor der Tür standen und warteten. Professionell neigten
sie ihre Köpfe, und Malfoy stellte sich neben sie.
Sie
wusste, ihr Herz war gerade in ihre Magengrube gesunken. Hoffentlich konnten
sie es nicht sehen! Diese miesen Jungen! Das war doch pure Absicht. Beide
trugen Uniformen des Ministeriums. Schwarze Hosen, dicht gewebte, geschützte
Rollkragen Pullover, die Zauberstäbe direkt an ihrer Hüfte, und sie verengte
die Augen. Sie konnte sich vorstellen, dass Harry und Ron nur liebend gerne in
voller bewaffneter Montur hier in Malfoys Büro aufkreuzten, nur um abzuwarten,
ob sie nicht vielleicht ein kleines Duell herausfordern konnten.
„Gentlemen,
Sie werden uns zum Essen begleiten“, bemerkte Malfoy jetzt, und sie musste ihm
zugutehalten, dass er souverän wie immer klang. Wahrscheinlich konnte ihn
nichts wirklich überraschen, nahm sie an. Als sie daran dachte, dass sie gerade
seinen Penis in ihrer Hand gehabt hatte, kroch die Röte in ihre Wangen, und sie
senkte hastig den Blick.
„Essen… ahem… ja.“ Als sie die Augen hob, sah sie wie Rons Züge
kurz entglitten, ehe er sich wieder fasste.
„Miss
Granger, wie wäre es, wenn Sie Ihren Mantel holen würden?“ Hermine konnte den
Blick noch nicht von ihren angeblichen Freunden losreißen.
„Ja, Mr Malfoy. Gerne. Ich hole eben meine Unterlagen“, fügte
sie eisig hinzu, machte kehrt und verteufelte ihre Freunde und ihre Jobs. Das
war wirklich sehr knapp gewesen. Wirklich knapp. Hermine, du musst vorsichtiger sein, schalt sie sich, und sie war
wirklich nur haarscharf davongekommen.
~*~
Es kam
ihr vor, wie eine Situation, die sie vielleicht träumen würde, die sie jedoch
niemals wirklich gedacht hatte, zu erleben.
„Es wird
kälter“, bemerkte er neben ihr, als sie keinen Block mehr von dem Restaurant
entfernt waren. Sie wusste, die Auroren wurden zum
Schutz bestellt, nicht um ihre Meinung kundzutun. Und bisher hatten Harry und
Ron beharrlich geschwiegen, marschierten aber so dicht neben ihnen, dass ihnen
kein Wort entgehen konnte.
„Ja“,
sagte sie knapp, denn sie fühlte sich überhaupt nicht wohl. „Wie ungewöhnlich,
dass der Leiter der Abteilung die Zeit findet, persönlich Escort-Service zu
spielen“, sagte sie spitz in Richtung Harry gewandt. Dieser blickte stur nach
vorne. Die Lichter der Laternen spiegelten sich in seinen Brillengläsern.
„Absolut
kein Problem. Der beste Schutz für Mr Malfoy“,
entgegnete er gleichmütig. Hermine atmete gereizt aus.
Es war
einfach unglaublich. Sie und ihre Anstandsdamen gingen mit Draco Malfoy essen.
Sie
betraten das Restaurant. Und kurz schenkte ihnen der Saal alle Aufmerksamkeit.
Allerdings hielten sich die Leute hier selber für viel zu wichtig, als dass sie
länger als nur ein paar Sekunden die Köpfe umgewandt hätten. Es war teuer hier.
Alles war aus Marmor, oder Gold, oder teurem Parkett. Die schweren Vorhänge
waren aus Seide, in den Kerzenleuchtern steckten mindestens jeweils zwanzig
große Kerzen, und die Decke war erleuchtet mit kunstvollen Malereien.
„Vielen
Dank, Gentlemen“, entgegnete Malfoy an Harry und Ron gewandt. Beide nickten,
ohne den Hauch von Freundlichkeit auf den Zügen. Auf Malfoys Lippen lag jedoch
die Andeutung eines Lächelns. Er führte Hermine an den Tisch, als sie ihren
Mantel aufgegeben hatte.
„Es tut
mir unglaublich leid!“, entfuhr es ihr gepresst.
„Was?“, fragte er ehrlich verblüfft.
„Was?“, wiederholte sie perplex. „Dass
Harry und Ron hier aufgetaucht sind!“
„Oh, ich
hatte schon wesentlich eher mit ihrer Aufwartung gerechnet, Miss Granger“,
bemerkte er lächelnd.
„Und sie
sind so dumm!“, entfuhr es ihr bitter, während sie sich setzte. Malfoy saß mit
dem Rücken zur Tür, und somit blieb ihr die Aussicht auf Harry und Ron, die
sich nun beide unauffällig die Hälse verrenkten, um sie zu sehen.
„Nein,
sie sind vorsichtig. Und ich wiederhole mich immer wieder gern. Sie können alle
meine Bitten gerne ablehnen, Miss Granger.“ Sie sah ihn jetzt wieder an.
„Nein.
Ich nehme alle Ihre Angebote gerne an.“ Und sie wusste, der Trotz sprach aus
ihren Worten. Und sie glaubte auch nicht, dass sie wirklich wollte, dass Harry
und Ron sie und Malfoy zu seinem Haus begleiteten und sich – wusste Merlin was
für – absurde Gedanken machen konnten!
Malfoy
musste lächeln.
„Wie
wäre es, wenn wir bestellen?“
„In
Ordnung“, gab sie kleinlaut nach.
Und sie
hatte getan, was sie üblicherweise nie getan hätte, aber sie bestellte
Nachtisch. Und danach noch Eiscreme, einen Aperitif und einen Pralinenteller.
Malfoy beobachtete sie mittlerweile mit einem amüsierten blick.
„Bestrafen
Sie gerade Ihre Freunde?“ Er hatte schon vor der Eiscreme aufgehört zu essen.
„Die
können sich ruhig die Beine in den Bauch stehen und zusehen, wie ich Nachtisch
esse!“, murrte sie, und hatte tatsächlich vergessen, dass sie hier mit Malfoy
war. Aber sie hatte nichts Persönliches mit ihm besprochen. Sie waren ihre
Ideen an Schulbüchern durchgegangen, noch mal seine Termine der Eröffnungen,
und seitdem hatte sie gegessen. Häppchen für Häppchen. So langsam, als bekäme
sie die Zeit bezahlt.
Und wenn
sie drüber nachdachte, dann zahlte ihr Malfoy wahrscheinlich auch die Stunden,
die sie jetzt mit ihm hier verbrachte.
„Sie
haben einen gesunden Appetit, das beruhigt mich. Die meisten Frauen essen
wenig.“ Sofort blieb ihr der Bissen im Halse stecken. Oh Gott! Er hielt sie für
ein Schwein! Sie stopfte seit vierzig Minuten Süßkram
in sich rein! Oh nein! Natürlich musste er denken, sie wäre ein Bauerntrampel
vom Land, der nicht bescheiden oder ausgewogen aß! Sie legte die kleine Gabel
sofort zurück, und er musste breiter grinsen.
„Miss
Granger, Sie können essen, was Sie-“
„Ich bin
fertig“, unterbrach sie ihn beschämt. Merlin, sie war jetzt wahrscheinlich
genauso attraktiv wie Gregory Goyle. Sie schloss für
einen kurzen Moment die Augen.
„Wie Sie
meinen. Ich nehme an, Sie wollen mich nicht mehr begleiten?“ Sein Blick war
eindeutig, und sie seufzte auf. Doch. Mehr als alles andere. Als alles andere!
„Ich
glaube nicht.“ Er nickte dann.
„Es war
schön, mit Ihnen essen zu gehen.“ Und sie wusste, das war es nicht gewesen. Sie
hatte immerzu über seine Schulter geguckt, hatte ihren Freunde böse Blicke
zugeworfen, hatte praktisch alles von der Karte bestellt, nur um Harry und Ron
zu ärgern, und sie hatten nichts geklärt. Sie wusste immer noch nicht, ob und
wann er überhaupt mit ihr schlafen würde, und sie hatte seine Nähe nicht
genießen können. Ihre Handgelenke hatten sich dunkel verfärbt, stellte sie
überrascht fest, und als er es ebenfalls bemerkte wurde sein Blick finster.
„Es ist
nichts“, flüsterte sie beschwichtigend, aber es bildete sich eine steile Falte
zwischen seinen blonden Brauen.
„Nichts?“,
wiederholte er zähneknirschend und schüttelte unbewegt den Kopf. „Sie hätten
niemals-“ Aber er fing sich, hielt sich zurück, und sie biss sich auf die
Unterlippe. Sie wollte mit ihm sprechen. Dringend! Und jetzt konnte sie es
nicht!
Und
diese beiden Idioten waren schuld daran!
„Danke
für die Einladung“, sagte sie schließlich, traurig, tonlos, und sie nahm an,
dass dies auch ihre letzte Einladung von Draco Malfoy gewesen war. So wie sie
sich verhalten hatte.
Sie
erhob sich als er sich erhob. Anscheinend zahlte er nicht. Aber das musste er
höchstwahrscheinlich auch nicht. Wieder ernteten sie einen Schwall an
Aufmerksamkeit, der aber schnell abgeklungen war. Die Leute kamen sich ja hier
so wichtig vor, überlegte sie bitter.
Ihr
Blick für Harry und Ron war tödlich, als Malfoy ihr in ihren Mantel half.
Ron
stand eher der Appetit ins Gesicht geschrieben, während er ihrem Blick
problemlos standhielt.
„Wie
wäre es, wenn Sie Miss Granger nach Hause begleiten? Ich schaffe es von hier
aus, Mr Potter, Mr
Weasley?“ Und Hermine wusste, Harry suchte seit Stunden nach einem Fehler an
Malfoy, versuchte, ihn aus der Reserve zu locken, aber fast wollte Hermine
schon triumphierend lachen, denn Harry würde keinen Fehler finden. Malfoy war
durch und durch perfekt. Das fand sie zumindest.
Auch
jetzt durchleuchtete Harry ihn mit seinem Blick, aber Malfoys Deckung würde
nicht fallen. Harry würde keine Angriffsfläche finden können. Und fast war sie
froh, dass Ron und Harry hier gewesen waren. Denn jetzt hatten sie sehen
können, dass Malfoy kein Lustmolch war, oder was sie dachten! Zwar stimmte das
nicht wirklich, aber das wussten die beiden nicht. Lustmolch war wohl auch das falsche Wort, überlegte sie dumpf.
Aber… alleine, um Harry und Ron vor den Kopf zu stoßen, war es heute gut
gewesen.
„In
Ordnung“, erklärte sich Harry sofort bereit.
„Ja,
Wiedersehen“, sagte auch Ron, als Malfoy sich mit einem wissenden Blick von ihr
verabschiedete und das Restaurant verließ. Er apparierte
draußen nahezu augenblicklich, ohne sich noch einmal umzusehen. Ihre Wut kehrte
zurück, jetzt nachdem sie schmerzlich seine Nähe vermisste.
„Ihr seid unmöglich!“, knurrte sie, während sie zornig die Tür aufzog und in die
kalte Abendluft trat.
„Wir?“, wiederholte Harry genauso
zornig und folgte ihr.
„Wag es ja nicht, mir zu folgen, Harry Potter! Ich bin sehr enttäuscht von
euch!“, rief sie beiden zu, und Ron starrte sie ungläubig an.
„Was? Was haben wir gemacht?“, wollte Ron entrüstet wissen.
„Denkt ihr, er weiß nicht, weshalb ihr beiden Clowns aufgetaucht sein?“,
zischte sie und ging einige Schritte rückwärts, aber die Jungen folgten ihr.
„Clowns?“, wiederholte Harry ungläubig,
und seine Augen verengten sich. „Du bezeichnest uns ernsthaft als Clowns,
Hermine? Was ist, wobei haben wir gestört? Wolltest du ungestört mit Mr Wichtig essen gehen? Hattet ihr danach noch Pläne zu
zweit?“, entfuhr es Harry wütend, und Ron schüttelte angewidert den Kopf.
„Harry, hör auf mit dem Scheiß!“, murmelte Ron und verzog den Mund.
„Ja,
hatten wir!“, erwiderte sie, bevor sie ausreichend über diese Worte nachgedacht
hatte, und beide Jungen blieben stehen. Ihr Atem hatte sich beschleunigt. Sie
spürte, wie ihre Unterlippe bebte.
„Ähm… was?“
Ron sprach als erster, und plötzlich war er mächtig wütend. „Nein!“, sagte er
einfach. Knapp und sehr ernst. Er hatte den Abstand zu ihr geschlossen. „Nein,
Hermine. Nicht Malfoy. Nicht dieser scheiß Wichser! Nein!“, wiederholte er
kopfschüttelnd und ließ sie nicht aus seinem Blick.
„Was hat
dieser Scheißkerl dir angetan?“, wollte Harry jetzt wissen, und die erste Träne
löste sich aus Hermines Augenwinkel und fiel auf ihre Wange. Hastig fuhr sie
mit der Hand darüber. Sie wollte nicht weinen. Harry sah seine schlimmsten
Vermutungen bestätigt.
„Wir
werden ihn umbringen!“, fügte er haltlos hinzu, und Hermine schüttelte den
Kopf.
„Er hat
gar nichts getan!“, rief sie zornig, aber ihre Stimme zitterte. „Ihr kennt ihn
überhaupt nicht!“ Und die Jungen starrten sie jetzt mit großen Augen an.
„Imperius?“, murmelte Ron Harry zu, und dieser zuckte
die Achseln.
„Möglich“, erwiderte er nachdenklich.
„Oh, ihr seid so dämlich! Ich bin nicht mit irgendwelchen Zaubern belegt! Ihr
habt keine Ahnung von Malfoy! Er ist… er ist…“
„-In Behandlung“, schloss Harry ernst. Stiller Zorn tobte in seinen Augen.
Hermine sah ihn an.
„Ginny
hat es dir gesagt?“, vermutete sie schockiert, und Ron schnappte nach Luft.
„Du weißt
das? Ginny weiß das?!“, entfuhr es ihm hysterisch, und er wandte sich fast
hilfesuchend an Harry.
„Was weißt du?“, wollte Harry plötzlich
wissen, und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wieso?
Was weißt du?“, stellte sie die Gegenfrage.
Und alle
drei sahen sich abwartend an. Und Ron schien immer unentspannter
zu werden. Er fuhr sich kopfschüttelnd durch die roten Haare und schien sich
nicht fassen zu können. Und plötzlich nahm Harrys Gesicht einen gefährlichen
Ausdruck an.
„Wie kann es sein, dass du Draco Malfoy verteidigst, obwohl er wegen versuchten
Mordes an einer Muggel über ein Jahr in Askaban saß und eine Therapie macht,
damit er keine Muggel mehr umbringen will?“, fragte Harry tonlos, und ihr Mund öffnete
sich entgeistert.
„Was?“,
entfuhr es ihr perplex, und sie schüttelte abwesend den Kopf. „Was?!“
Sie war
gestern nicht zur Arbeit erschienen. Sie war heute nicht zur Arbeit erschienen.
Und Harry hatte ihr sehr deutlich gemacht, dass, würde sie noch einmal
erscheinen, er und Ron mit ihr kommen würden. Harry hatte sich darum gekümmert,
ihren Kamin vom Flohnetzwerk vorübergehend zu kappen und es lag ein Fluch auf
ihrer Wohnung, ihren Fenstern, sämtlichen Eingängen, der sich gegen dreißig verschiedene
Arten von Flugvögeln richtete und somit den Postweg verhinderte.
Sie saß
in ihrer Wohnung, wie in einem Elfenbeinturm, bewacht in Schichten von Harry,
Ron und Ginny. Sie kam sich vor wie ein Kind. Ein Kind, was unter Arrest
gefangen gehalten wurde von ihren besten Freunden.
Ihre
Hand lag um die Tasse Tee geschlungen und heute wäre der Tag, an dem sie mit
Draco Malfoy nach Italien fahren würde. Gewollt hatte. Nicht wollte. Sie wusste
es nicht wirklich. Aber er würde bestimmt ohne sie fahren. Jetzt, nachdem sie
sich nicht mehr gemeldet hatte. Nachdem sie… bestimmt entlassen worden war.
Merlin,
sie war sich nicht sicher, ob es alles nötig war.
Sie
hatte mit Madame Tallis gesprochen. Und die schien
nicht gerade begeistert gewesen zu sein, von einer Auroren-Brigade
gezwungen zu werden, Informationen über einen Patienten Preis zu geben, zum
Wohl einer einzelnen Muggel. Hermines Gespräch mit Madame Tallis
war auch um einiges ausgewogener als Harrys Gespräch.
Als es
zu dem Punkt kam, wo Malfoys Albträume zur Sprache kamen, wo sich
herausstellte, dass er sie jedes Mal tot in einer Badewanne sah, war Harry
förmlich ausgerastet und war vom weiteren Gespräch ausgeschlossen worden.
Er kam
alle zwei Stunden.
Harry
Potter, Leiter der Aurorenabteilung, kam alle zwei
Stunden zu ihrer Wohnung apparierte, um sicher zu
gehen, dass sie noch lebte. Sie konnte nicht oft genug die Augen über diese
Tatsache verdrehen. Es war, als wäre sie ein Kind, was eine sehr dumme Strafe
begangen hätte, indem sie begonnen hatte, bei Draco Malfoy zu arbeiten.
Und sie
sah es ja ein. Sie sah ein, weshalb Harry es tat, aber… war das wirklich nötig?
Sie hätte nicht still vor sich hin grübeln müssen, denn natürlich war sie nicht
allein. Natürlich befand sich Ginny auf ihrer Couch, las die Hexenwoche, trank
Tee und aß Croissants, die Mrs Weasley selber
gebacken hatte, während Hermine ihren Stubenarrest absaß.
Harry
hatte es nicht erwirken können, Malfoy den Aurorenschutz
abzuziehen, ihn gar verhaften zu lassen, denn… Malfoy hatte anscheinend alle
seine Strafen abgesessen. Dass er eine Muggel hatte umbringen wollen, hatte
sich nicht bewiesen, aber Hermine war erstaunt über sich selbst, wie leicht sie
diese Tatsache zur Kenntnis genommen hatte, denn sie war sich fast sicher, dass
Malfoy eine Muggel hatte umbringen wollen, und sie nur deshalb von einem
Hochhaushatte stürzen wollen.
Aber… es
schockierte nur halb so viel, wie es sollte.
Das
beunruhigte sie. Und sie träumte immer noch von ihm. Die gleichen
nervenzerfetzenden Träume, wo sie ihn auszog, ihn überall küsste, endlich mit
ihm schlief. Und natürlich erzählte sie das ihren Freunden nicht! Die würden
sie aus ihrem gemütlichen Gefängnis abtransportieren und sofort ins Mungo
überweisen. Ja. Das würde Harry gefallen. Am besten direkt einer Gehirnwäsche
unterziehen und die Festplatte neu formatieren, so dass Hermine Harry wie immer
bewunderte und jemanden wie Malfoy nicht mit dem Hintern anguckte.
Sie
wusste, das ging Harry mächtig gegen den Strich. Von Ron wollte sie gar nicht
anfangen! Ron hatte geweint. Sie hatte Ron das letzte Mal weinen gesehen, als…
er dachte, Krätze wäre gestorben. Und das war eine Weile her. Ron hatte es
nicht begreifen können, wie sie Malfoy hatte erlauben können, sie zu küssen.
Denn das war das Äußerste, was Hermine von ihrer Beziehung zu Malfoy
preisgegeben hatte, nachdem Harry sich eine Stunde heiser geschrieen
hatte. Für Ron schien ein Kuss schlimmer zu sein als alles andere.
Harry
sprach davon, dass Hermine wieder eingegliedert werden müsste, und er hatte
tatsächlich Vorstellungsgespräche für nächste Woche arrangiert. In allen
Abteilungen.
Und
Hermine unterdrückte ein Seufzen.
Natürlich
hätte sie sich auflehnen können. Aber es war wesentlich leichter, nicht gegen
ihre drei besten Freunde vorzugehen, als durch die Straßen zu rennen und
Malfoys Namen zu schreien. Denn… das wäre verrückt. Eigentlich war alles hier
verrückt. Ginnys Blick hatte sich für eine Nanosekunde zu ihrem Gesicht gehoben,
senkte sich aber wieder, als Hermine es bemerkt hatte.
„Du
denkst an ihn, stimmt’s?“, wollte Ginny täuschend gelangweilt wissen, während
sie eine weitere Seite in ihrer Zeitschrift umblätterte.
„An
wen?“, reagierte Hermine sofort mit täuschendem Unwissen. Dann hob Ginny den
Blick.
„An
Neville. Du weißt, wen ich meine“, entgegnete Ginny gereizt. Hermine antwortete
darauf nicht. Ginny legte schließlich die Zeitschrift zur Seite. „Luna ist seit
einem Monat schwanger“, sagte Ginny plötzlich, und für eine Sekunde verschwand
der mürrische Gesichtsausdruck. Hermines Augenbrauen hoben sich.
„Wow. Das sind gute Neuigkeiten. Ich bin sicher, Neville ist aus dem Häuschen“,
erwiderte sie.
„Oh ja. Vor allem über die Namen, die Luna schon ausgesucht hat. Ich sage dir,
die Frau ist verrückt.“ Hermine musste grinsen.
„Na ja,
solange sie ihre Kinder nicht Schrumpfkopf 1 und Schrumpfkopf 2 nennen möchte,
soll sich Neville besser zufrieden geben.“ Und beide Frauen grinsten sich an.
Und für einen Moment wusste Hermine, dass auch Ginny das Verhalten von
lächerlich fand. Denn dann seufzte Ginny und verdrehte ihre Augen.
„Weißt
du, es tut mir leid, dass Harry so ausgerastet ist. Ich denke wirklich, er
macht sich bloß Sorgen. Kann natürlich auch sein, dass er vollkommen ausgerastet
ist und nie wieder der alte wird“, fügte sie lapidar hinzu. Hermine ruckte mit
dem Kopf.
„Ich werde mich nicht mit ihm anlegen. Er kann gerne sein seltsames
Versteckspiel spielen, bis seine Arbeit ihm nicht mehr genügend Zeit dafür
lässt. Was seid ihr für ein Verein?“, wollte sie jetzt ungläubig von Ginny
wissen. „Wie habt ihr Zeit, mich in Schichten zu verteilen?“
„Harry
ist Leiter. Wir finden die Zeit“, gab Ginny achselzuckend zurück. Hermine
schüttelte prüfend den Kopf. Das konnte auch nicht richtig sein. Manchmal
hatten die falschen Menschen zu viel Macht. „Wirst du je wieder mit ihm
sprechen?“, wollte sie besorgt wissen, und Hermine dachte nach.
„Mal sehen. Erst mal nicht“, beschloss sie streng. Ginny streckte die Arme über
den Kopf und legte den Kopf zurück auf die Lehne. Sie war riesig. Wirklich
riesig.
„Ich
sehe aus wie eine Planschkuh“, informierte sie Hermine bedrückt. Diese musste
lächeln.
„Nein, du glühst“, entgegnete Hermine. Ginny hob gereizt den Kopf.
„Ha ha. Ich hasse es, wenn Leute das sagen. Glühen
ist wohl ein anderes Wort für superdick sein“, knurrte sie, strich sich über
den kugelrunden Bauch, und setzte eine ernste Miene auf. „Du bist besser ein
Junge!“, sagte sie mahnend, und Hermine schüttelte lächelnd den Kopf.
Und dann
klopfte es laut an ihrer Tür. Ginny warf einen überraschten Blick auf die Uhr
an der Wand.
„Harry ist früh dran“, bemerkte sie nachdenklich.
„Ich
gehe schon“, sagte Hermine, bevor Ginny wieder eine fünfminütige Show machte,
um sich zu erheben. Hermine schritt zur Tür und legte den Kopf an das Holz.
„Wer ist
da?“, rief sie, denn Harry hatte sie dazu gezwungen.
„Mach die Tür einfach auf, ja?“
Und
Hermine blickte starr nach vorne. Sie kannte die Stimme, aber es machte keinen
Sinn.
„Pansy?“,
fragte sie unsicher, hörte jedoch ein Schnauben.
„Granger!“
Und
Ginny erhob sich langsam von der Couch, nur um den Zauberstab zu ziehen.
Hermine verdrehte die Augen und öffnete die Tür. Eine selten schlecht gelaunte
Pansy Parkinson stand davor, die Hände provokativ in die Hüften gestemmt, auf
Schuhen so hoch wie Wolkenkratzer, in einem Kostüm, so teuer, dass die
eingestickten Seidenfäden funkelten.
„Willst
du reinkommen?“ Hermine konnte sich nicht vorstellen, dass Pansy das wollte,
ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, aber mit einem angewiderten Blick
atmete Pansy aus.
„Das werde ich wohl müssen“, entgegnete sie nur. Sie betrat die Wohnung. „Oh
mein Gott! Bezahlt er dich doch nicht?“, entfuhr es Pansy beinahe angewidert,
als sie sich in Hermines Wohnküche umsah.
„Parkinson,
du hast wohl kein Problem damit, wenn ich dich prüfe?“, wollte Ginny, ganz der Auror, von Pansy wissen. Pansy hatte Ginny wohl noch gar
nicht bemerkt.
„Ach du
liebe Güte! Entweder du bist unglaublich fett oder Potter hat dich geschwängert“,
bemerkte Pansy, wenn möglich, noch angewiderter, und Ginny verzog das
Gesicht. Hermine seufzte auf.
„Sie ist nicht fett“, widersprach sie sofort, aber Pansy schien es egal zu
sein.
„Was
willst du prüfen?“
„Ob du
Vielsafttrank genommen hast“, erklärte Ginny bitter. Pansy verdrehte die Augen.
„Bitte,
meinetwegen. Ich fasse es nicht“, murmelte sie, während Ginny den Zauber
durchführte. Aber Pansy war tatsächlich Pansy. Hermine hatte nichts anderes
erwartet.
„Ich
nehme an, du warst nicht bloß zufällig in der Gegend?“ Es war nicht wirklich
eine Frage von Hermine.
„Zufällig?“;
lachte Pansy hysterisch auf. „Wäre ich zufällig in dieser Gegend, würde ich
mich umbringen, denn auch nur zufällig hier zu sein, wäre absolut inakzeptabel.
Und glaub mir, ich würde eher alle meine Grafton’s Schuhe verbrennen,
bevor ich hier her in deine Bruchbude komme, aber… Draco ist einer meine
ältesten Freunde, und es ist eine Schande, dass er…“ Sie sprach nicht weiter,
aber ihr Ausdruck verriet Hermine Pansys Missfallen.
Was war
mit Draco? Sofort schrillten bei ihr alle Alarmglocken. Und gerne würde sie
Pansy die Meinung sagen! Aber es war so unpassend wie unnötig.
„Wir reden hier nicht über Malfoy“, mischte sich Ginny wieder ein. Pansy
schenkte ihr einen spöttischen Blick.
„Ja? Hat
Potter das verboten?“, wollte Pansy amüsiert wissen, wandte sich aber, ohne
eine Antwort abzuwarten, an Hermine. „Hör zu, Granger. Ich mag dich nicht.
Wirklich nicht. Aber ich werde das hier kurz und schmerzlos machen. Nach eurer,
ich sage mal, herzlosen und rachsüchtigen Razzia, bezüglich Dracos
Gesundheitszustand, ist er… wie sage ich das am besten…“ Pansy schien kurz
nachzudenken. Hermines Finger kribbelten vor Anspannung. „Er ist wahnsinnig
geworden. Wie ich annehme sind die ungefähr zweihundert Eulen hier nicht
angekommen?“ Es war nicht wirklich eine Frage.
Hermine
starrte sie an. „Er nimmt seine Tabletten nicht mehr. Keine davon. Und jetzt…
na ja, liegt er ziemlich flach in seinem Bett.“ Hermine verdrängte den kurzen
Stich, denn sie wollte nicht wissen, woher Pansy das wusste. Es gab wesentlich
dringendere Probleme.
„Wieso erzählst du uns, was das Schwein für Sorgen hat?“, fuhr Ginny
dazwischen.
Pansys Blick war geschliffenes Eis. „Weil er sie
sehen will. Nur sie. Sofort. Am besten noch schneller als das. Weil er mich
wahnsinnig macht“, erwiderte Pansy schlicht. Ginny schüttelte nur ungläubig den
Kopf. „Und glaub mir, kleine Weasley, ich verstehe Draco wesentlich besser als
alle anderen. Ich halte auch nichts von Muggeln oder Blutsverrätern. Ich hasse
das gesamte Pack“, spuckte ihr Pansy jetzt entgegen.
„Aber
anscheinend hast du irgendwas mit seinem Kopf angestellt. Er ist… „ Und Pansy
schwieg für einen Moment. „Er wird sterben“, erklärte sie. „Er wird damit nicht
umgehen können. Er weigert sich mit seiner Verräterin von Therapeutin auch nur
ein Wort zu wechseln. Und die Schmerzen und seine verdammte Wut, werden ihn
noch umbringen. Und ich habe keinen Nerv mir immer und immer wieder anzuhören,
dass das verdammte Schlammblut sein Leben ruiniert hat.“ Hermine schnappte kurz
nach Luft. „Seine Worte, nicht meine, Granger. Aber… na ja…“ Pansy schien mit
Dracos Wortwahl komplett einverstanden zu sein.
„Du Miststück solltest zusehen, dass du hier verschwindest!“, knurrte Ginny und
war näher gekommen.
„Potter
hat dich gut trainiert“, stellte Pansy beeindruckt fest. „Wie dem auch sei, er
wohnt am Rand der Stadt. Es ist versteckt. Kennst du das grüne Haus am Ende der
Rosing Road?“, wollte Pansy entnervt wissen, und
Hermine schüttelte den Kopf. Pansy seufzte auf. „Weasley hier wird es kennen.“
Hermine verzichtete darauf, Pansy zu sagen, dass Ginny Potter mit Nachnamen
hieß. „Das Passwort lautet Pfauenauge. Du berührst das linke Fenster, hauchst
es gegen die Scheibe – das übliche halt“, sagte sie knapp.
„Die
Wachen werden dich durchlassen. Das ist der Befehl“, fuhr Pansy genervt fort.
Hermine hörte ihr zu.
„Pansy,
du glaubst doch wohl nicht, dass auch nur einer von uns sie irgendwohin gehen
lassen wird, wo wir nicht hinkönnen?“ Und Pansy sah Ginny an.
„Ach ja?
Ihr habt sie doch auch sonst alles andere mit Draco machen lassen. Außerdem,
sieh sie dir an“, forderte Pansy Ginny auf, und kurz glitt Ginnys Blick zu
Hermine. „Sie ist so verschossen in Draco, dass es übelerregend ist.“ Hermine schnappte
nach Luft.
„Das ist
nicht wahr!“, sagte sie heftig. Vielleicht etwas zu heftig.
„Oh,
bitte, Granger“, gab Pansy zurück, während sie ihre Nägel betrachtete. „Selbst
ein blinder Troll könnte das erkennen. Und ich weiß, du denkst, ich hätte eine
Affäre mit Draco. Aber ich kann dich beruhige – er hat mich nicht ein einziges
Mal angerührt. Egal, wie oft ich ihn überzeugen wollte.“ Pansy wirkte
vollkommen angewidert von all den Dingen, die sie sagte. Und von Hermine auch.
„Aber… ihr… er und du…“
„Granger,
ist es dir in den Sinn gekommen, dass wir Kontakt haben, weil ich die Therapie
erfolgreich bewältigt habe? Ich habe nicht mal ansatzweise das Bedürfnis, dich
aus dem nächsten Fenster zu werfen, weil du eine Muggel bist. Ich habe höchsten
das Bedürfnis, dich aus dem Fenster zu werfen, weil Draco wegen dir
unmenschlich leidet“, informierte sie Pansy. Hermines Mund klappte auf.
„Du…
warst in Therapie?“, flüsterte sie. Pansy zuckte die Achseln.
„Die meisten von uns waren das, ja. Unsere Eltern haben einen guten Job
gemacht. Und bei Draco hat Lucius hervorragende Arbeit geleistet. Und bei Draco
geht alles noch ein Stück tiefer, aber weiß der Teufel, was er noch verbirgt.
Ich habe ihn längst verloren. Und ich wusste schon lange bevor du angefangen
hast, seine kleine Sexsklavin zu sein, dass er dich in seinen Albträumen sieht.
Ich hatte eigentlich darauf gewartet, dass er dich umbringen wird, aber
anscheinend… passiert das nicht. Noch nicht, zumindest. Also, egal, was das
hier ist“, sie deutet knapp auf Hermine, „ich würde vorschlagen, du hilfst
ihm.“
„Raus
hier, Pansy!“, knurrte Ginny jetzt mit erhobenem Zauberstab.
„Du
schmeichelst dir, Weasley, wenn du glaubst, ich würde hier nur eine Sekunde länger
bleiben als ich muss.“ Pansys Blick war kalt. Sehr
kalt. „Und Granger, nimm deinen Zauberstab mit“, fügte Pansy warnend hinzu.
„Erinnerst du dich an Draco Malfoy? Den echten? Er ist nämlich zurück.“
Und
damit verschwand Pansy, ohne etwas in der Wohnung zu berühren. Nicht einmal die
Tür. Hermine starrte ihr nach. Nein. Das konnte nicht sein. Was war passiert?
Sie
begriff nicht. Draco war verrückt geworden? Er wollte sie sehen? Er wollte sie
umbringen? Was wollte er? Hatte er Schmerzen? War es so schlimm? Sie kaute auf
ihrer Unterlippe.
„Ich
muss ihn sehen“, sagte sie plötzlich, mehr als sicher. Ginny schüttelte sofort
den Kopf, stellte sich vor die Wohnungstür, aber Hermine war ins Schlafzimmer
verschwunden, um sich ihren Mantel und ihren Zauberstab zu holen.
„Hermine,
nein! Harry hat gesagt-“
„Dann
sag Harry, es tut mir leid“, rief Hermine ihr aus dem Schlafzimmer zu.
„Nein! Hast du nicht gehört, was Pansy gesagt hat? Er ist wahnsinnig! Hermine!
Sei nicht so dumm! Ich verstehe nicht, wie du-“ Doch Ginny unterbrach sich
kopfschüttelnd. Hermine spürte, wie sie Ginny grimmig ansah, wie der Trotz ihr
wohl aus allen Poren schießen musste. Und Ginnys Augen verengten sich. „Pansy
hat recht, oder?“, entfuhr es Ginny, und Erkenntnis erhellte ihr Gesicht. „Du bist
in Malfoy verliebt!“ Ginny konnte nur den Kopf schütteln. „Hermine, das ist
Irrsinn! Er ist ein-“
„Ein
was, Ginny?“, wollte Hermine herausfordernd wissen. Ginnys Mund öffnete sich
perplex.
„Du
kannst nicht wirklich zu ihm gehen wollen!“
„Geh mir
aus dem Weg“, sagte Hermine plötzlich sehr ruhig.
„Hermine!“
„Ginny, lass mich durch. Nur weil ich keine Aurorenausbildung
gemacht habe, bedeutet es nicht, dass ich nicht genügend Sprüche kenne und
ausführen kann!“, drohte sie plötzlich, und Ginny starrte sie an. „Jetzt“,
fügte Hermine streng hinzu. Und Ginny resignierte.
„Was,
wenn es ein Trick ist, Hermine? Was, wenn Pansy dich angelogen hat? Was, wenn
er so gefährlich ist, dass er dich umbringt, bevor du fliehen kannst?“ Und
Hermine schüttelte den Kopf. Sie ignorierte Ginnys Worte.
„Das würde er nicht tun!“
Und sie
wusste, vielleicht bestand die Chance, dass er das tun würde. Aber es war ihr
egal.
Plötzlich
war ihr alles egal. Sie musste ihn sehen! Verstand Ginny es denn nicht?
„Aha“,
machte Ginny nur. Dann wich sie von der Tür zurück. „Aber wenn du jetzt gehst,
ist unsere Freundschaft vorbei, Hermine. Ich bin ganz bestimmt nicht mit
jemandem befreundet, der sein Leben so leichtfertig riskiert!“ Und Hermine
schenkte ihr einen Blick.
„Nein,
du bist zwar mit so jemandem verheiratet, aber-“
„Ach hör schon auf!“, unterbrach Ginny sie und wischte sich über die Wange.
„Komm einfach wieder, ok?“, schniefte Ginny, und Hermine seufzte auf.
„Ich dachte, wir sind nicht mehr befreundet, wenn ich gehe?“, wollte sie wissen
und war längst nicht mehr sauer.
„Schwangerschaftshormone,
du weißt schon… und… wenn er dir was tun will, dann setz ihn außer Gefecht, ruf
Harry über Floh und verschwinde da!“, fügte Ginny hinzu und kramte nach einem
Taschentuch.
„Ok“,
versprach Hermine unsicher. Das… würde doch nicht passieren, oder? Nein, würde
es nicht. So langsam war Hermine sich sicher, dass ihre innere Stimme
geisteskrank war und sie besser nicht auf sie hören sollte.
Aber…
sie ignorierte wie immer ihren Verstand und verließ ihre Wohnung.
Der Wind
draußen war kalt und unerbittlich, so dass sie ihren Mantel enger um sich
schlang. Sie apparierte an die Kreuzung der
Winkelgasse, die zur Rosing Road wurde. Ganz am Ende
erkannte sie ein grünes, baufälliges Haus.
Es war
ihr nie aufgefallen. Und es ar bezeichnend, dass
Zauberer nicht nur in Muggelgegenden, sondern auch in
Zauberergebieten ihre Häuser versteckten.
Es war
nicht viel los auf den eisigen Straßen. Ihr Atem kondensierte vor ihrem
Gesicht, als sie die Straße hinab lief. Ihr Pferdeschwanz wippte hinter ihr,
der Pony fiel ihr störend in die Augen, aber sie ignorierte es, lief einfach
weiter, und war vor dem Haus angekommen.
Sie
glaubte nicht, dass sie jemals hier gewesen war. Von welchem Haus sprach Pansy
eigentlich? Sie schritt zu der kleinen kaputten Fensterscheibe und kam sich
fast lächerlich vor. Aber nur fast. Sie hatte schon viel zu viele Geheimgänge
gesehen.
Sie
lehnte sich vor, und hauchte gegen die Scheibe.
„Pfauenauge“, flüsterte sie. Und es passierte gar nichts. Dann jedoch
erzitterte die Scheibe. Sie klirrte leise im Rahmen, und Hermine wich zurück,
als der gesamte Boden zu erzittern schien. Das Haus schien zu schmelzen, wuchs
in die Höhe und vor ihr tat sich eine riesige grüne Hecke auf. Sie hatte die
gleiche Farbe des Hauses. Verwaschenes, verwittertes Grün. Als wäre die Hecke
keine Pflanze, sondern selber ein uraltes Gemäuer.
Und mit
Schrecken erkannte sie es.
Das war
Malfoy Manor.
Kurz
befiel sie ein kühler Schock. Doch die Hecke teilte sich bereits, und ehe sie
einen weiteren Schritt machen konnte, sprangen unzählige Zauberer aus dem
dichten Grün hervor und hielten die Zauberstäbe auf sie gerichtet. Ihre Hände
hoben sich automatisch bei dieser Artillerie.
„Name
und Auftrag?“, bellte ein ziemlich gefährlich aussehender Zauberer mit
ungewaschenen Händen, als er den Zauberstab völlig ruhig gegen ihren Kopf
richtete.
„Name und Auftrag?“, wiederholte Hermine verwirrt und sah in die Gesichter der
anderen Männer. Keine Auroren, stellte sie fest.
„Bist du ein Dienstbote?“, schnappte der schmutzige Zauberer, und Hermine wurde
klar, sie hatte hier mit einem Exemplar Mensch zu tun, das wenig Geduld hatte.
Sie schluckte schwer.
„Hermine
Granger. Ich bin… Hermine Granger. Ich will zu Draco Malfoy!“, sagte sie
schnell, immer noch die Hände erhoben. Andere Zauberer näherten sich. Ohne sie
zu fragen, wurde getestet, ob sie Vielsafttrank genommen hatte. Es war ein
unangenehmes Gefühl, als würde sie mit kaltem Wasser übergossen, aber dann war
es vorbei.
„Hermine
Granger“, bestätigte ein anderer Zauberer, den Kopf etwas schief gelegt, die
Augen wachsam verengt, und er war weitaus weniger schmutzig. Er hatte keine
Haare mehr, seine Glatze glänzte im kalten Licht, das durch die Hecke fiel. Und
Hermine erkannte ihn in dieser Sekunde.
„Goyle?“, hauchte sie, und Gregory Goyle
zeigte keinerlei Wiedererkennungswert.
„Komm mit mir“, erklärte er knapp. Die anderen Zauberer nahmen wieder ihre
Position vor der Hecke ein, und Hermine wurde von Goyle
durch den Irrgarten an verstorbener, dornenbesetzter Hecke geführt.
„Woher
weißt du, wohin wir gehen?“ Zuerst dachte sie, er würde den gesamten Weg nicht
mit ihr sprechen, dann sah er sie kurz an.
„Du
siehst ein Labyrinth. Aber ich sehe einen geraden Weg“, war alles, was er
sagte. Ein Verwirrungszauber, nahm sie also an. Geschickt. „Jeder unwillkommene
verliert sich im Irrgarten und kommt nicht wieder raus“, fügte er schließlich
hinzu. Es schauderte sie. Es war gespenstisch ruhig hier. Kein Vogel, kein Tier
machte ein Geräusch. Die Hecke wirkte so todbringend, wie sie wohl war. Sie
fragte sich unwillkürlich, wie viele hier schon verschwunden waren. Und wie
groß war das Grundstück bitte?
Und nach
einer endlosen Wanderung, so kam es ihr vor, lichtete sich das Labyrinth.
„Du solltest das Haus jetzt sehen können“, informierte sie Goyle
überflüssigerweise. Sie war längst stehen geblieben. Das letzte Mal hatte sie
das Haus bei Nacht gesehen. Als sie von den Greifern hergebracht worden war.
Majestätisch ragte es aus dem Grün empor. Die Mauern so alt, wie die Zeit
selbst, so kam es ihr vor. Es war s groß wie ein Schloss und noch wesentlich
größer. Unter jedem Fenster waren Wachen verteilt, den Zauberstab bereits
gezogen. Goyle schoss grüne Funken in die Luft.
Anscheinend war das das Zeichen, das alles in Ordnung war.
Sie
schritten den endloslangen Kiesweg nach oben. Der Garten erstreckte sich noch
weit hinter ihrem Sichtfeld. Ein stillgelegter Brunnen hatte etwa das Ausmaß
ihrer gesamten Wohnung. Die Parkanlagen wirkten verwahrlost und etwa eine Meile
hinter dem Park schloss sich ein Wald an.
„Ist das alles Malfoy Manor?“, wagte sie zu fragen,
als sie zu Goyle aufgeschlossen hatte, der unbeirrt
weiter schritt.
„Ja“, sagte er knapp. Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, und sie war
außer Atem, als sie die ausladenden Stufen zum Herrenhaus erreicht hatten.
Exotische Bäume in großen Kübeln säumten die geschwungene Treppe, und sie
folgte Goyle.
Vor der
breiten Haustür musste Goyle einige Zauber ausführen,
einen Bluttest auch, so wie es ihr vorkam. Dann schwang die Tür lautlos auf.
Die
Stille des Hauses war fast so unangenehm und erdrückend, wie die Stille im
Labyrinth. Die Eindrücke erschlugen sie, und sie erkannte nichts mehr von
damals. Aber vielleicht war sie auch nie über die Haupttür
ins Haus gelangt.
Goyle führte sie durch einen hohen Flur.
Flur war auch untertrieben. Es war eine lange Halle. Lastwagen hätten hier kein
Problem nebeneinander herfahren können.
Rüstungen
standen bewegungslos an jeder Ecke, riesige Portraits mit blonden Zauberern
musterten sie skeptisch, tuschelten verhalten und zeigten auf sie hinab.
Sie
fühlte sich nicht wohl. Die Marmorfliesen waren wie ein Schachbrett verlegt,
und nach einem halben Tagesmarsch, so kam es ihr vor, erreichten sie zwei
weitere Türen.
Und Goyle blieb stehen.
„Bitte
sehr“, sagte er nur. Sie sah ihn an.
„Und
jetzt?“
„Jetzt
gehst du rein“, erwiderte er verwirrt. Sie biss sich auf die Lippe und zog
ihren Zauberstab. Er musterte diese Bewegung mit einem knappen Blick. Auf
einmal hatte sie Angst.
„Du
kommst nicht mit rein?“, wollte sie fast ängstlich von ihm wissen, aber er
schüttelte knapp den Kopf. Er führte es nicht weiter aus, sondern machte wieder
kehrt. Und sie Menschen in den Portraits hatten ihre ursprünglichen Rahmen
längst verlassen und drängelten sich gespannt in den beiden letzten riesigen
Rahmen neben der Tür.
Er
machte sie noch nervöser, und sie streckte den Rücken durch. Es war nur Malfoy.
Nur
Malfoy, Merlin noch mal. Sie kannte ihn doch.
Und sie
öffnete die Flügeltüren, ohne zu zögern. Ohne sich noch einmal umzusehen.
Und Licht
flutete den riesigen Saal, den sie betreten hatte. Es war so überraschend hell,
dass sie inne halten musste. Hier war es auch warm. Ein Feuer prasselte in
einem Kamin, der bestimmt die halbe Längsseite des Raumes maß. Dort hätte man
einen Drachen drin verbrennen können, überlegte sie dumpf, ohne ihn vorher zu
zerteilen.
Sie sah sich
um. Ein großer Perserteppich bedeckte den halben Fußboden und darunter befand
sich dunkles Parkett. Ein großer Kronleuchter funkelte an der Decke.
Die andere
Seite des Raumes war von zweistockwerkhohen Bücherregalen gesäumt. So viele
Bücher hatte sie nur in Hogwarts gesehen! Die Fenster hier waren lang und hoch.
Schwere Brokatvorhänge fielen gerafft auf den Boden und die Fenster gewährten
einen Blick über den weitläufigen Garten des Anwesens. Es war ein Schloss. Ein
wahrhaftiges Schloss.
Über ihr an
der Decke hing ein beunruhigend lebendig aussehendes, ausgestopftes Tier,
dessen Rasse oder Ursprung sie nicht kannte. Es sah aus wie ein Krokodil,
allerdings größer, der Schwanz um einiges länger, und es besaß feingliedrige
dunkelblaue Flügel. Sie maßen ausgestreckt bestimmt fünfzehn Meter. Dieses Tier
könnte man ohne Probleme in den Kamin stecken, kam ihr dumpf in den Sinn.
Jap.
Definitiv.
Sie erkannte
eine Sitzecke am Rande der Bücherregale und etwa hundert Bücher waren auf einem
Tisch gestapelt, daneben geworfen und lagen wild verteilt, als hätte sich
jemand nicht entscheiden können, welches Buch er lesen wollte.
Aber dieses
Zimmer war leer, soweit sie es feststellen konnte. Sie zog ihren Mantel aus,
denn es war viel zu warm hier. Sie legte ihn über die Lehne des Lesesessels.
Ihren Zauberstab behielt sie aber in der Hose. Eine Tür führte ab in ein
weiteres Zimmer, und sie war nur angelehnt. Langsam und lautlos ging sie
weiter. Vorbei an weiteren Rüstungen, an Tierfellen, die an der Wand zur Schau
gestellt hingen, an… Einhornköpfen? War das legal?
Sie bezweifelte es, und es schockierte sie! Mehr als alles andere!
Aber sie
beschloss, sich später darüber aufzuregen.
Und sie
schob die schwere Tür lautlos etwas weiter auf. Fast erschrak sie, denn über
dem Schreibtisch in diesem Zimmer thronte ein lebensgroßes Portrait von Lucius
Malfoy. Grimmig sah er auf sie hinab, sprach jedoch nicht. Seine Mundwinkel
kräuselten sich voller Verachtung, aber er behielt seine stolze Pose bei und
blickte demonstrativ aus dem Rahmen hinaus, so dass sie nur noch sein Profil
erkennen konnte. Sie betrat das Zimmer, und als sie nach rechts schaute,
erkannte sie ihn.
Er stand auf
einem schweren Holzstuhl und schien auf einem oberen Regalbrett etwas zu
suchen.
„Aha“, sagte
er triumphierend und sie erkannte, dass er eine unbeschriftete
Flasche mit goldener Flüssigkeit nach oben hielt. Er trank. Anscheinend. Als er
vom Stuhl sprang und sich umwandte, gefror er in der Bewegung.
Selbst Draco
Malfoy wirkte erstaunlich klein in dieser riesenhaften Umgebung. Anscheinend
befanden sie sich im Büro seines Vaters, und er trug eine dunkle Stoffhose,
darüber ein genauso dunkles Hemd. Aber der Kragen war nicht zugeknöpft. Kein
Jackett, und seine Ärmel waren hochgekrempelt. Seine Haare wirkten ungekämmt,
sein Gesicht war unrasiert, aber ansonsten sah er aus, wie sie ihn in
Erinnerung hatte, und Erleichterung überkam sie fast.
Seine grauen
Augen musterten ihre Erscheinung sehr kurz. Und sie merkte es. Es war nicht der
Blick eines Gentleman. Sie wappnete sich innerlich.
„Ein Muggel
in den heiligen Hallen der Todesser“, begrüßte er sie gedehnt. Die Stimme klang
gewöhnlich, vielleicht etwas rauer als sonst, aber er deutete eine spöttische
Verbeugung an. „Willkommen in Malfoy Manor, Miss
Granger. Wie war die Reise? Angenehm?“ Er schraubte die Flasche auf und setzte
sie, ohne abzuwarten an seine Lippen.
„Malfoy?“, fragte sie vorsichtig, denn jetzt glitten seine Finger über den
breiten, glatten Schreibtisch seines Vaters. Er öffnete die Zigarrenschachtel,
betrachtete sich anscheinend die verschiedenen Marken und wählte eine, mit
einem goldenen Etikett. Er beachtete sie nicht.
„Du hast die
Tabletten abgesetzt?“, fragte sie weiter, und sein Blick hob sich
desinteressiert.
„Tabletten?“,
wiederholte er amüsiert. „Oh ja. Allesamt.“ Er hielt ihrem Blick nicht lange
stand und verließ das Büro wieder. Auch hier entdeckte sie in einer Ecke ein
seltsam ausgestopftes Tier. Er ähnelte einem Hippogreif,
aber es hatte keine Flügel. Verwirrt folgte sie ihm eilig. Dieses Haus war
gruselig.
„Pansy war
bei mir“, fuhr sie jetzt unsicher fort. Er hielt erst inne, als er wieder vor
dem Bücherchaos stand. Was er anscheinend angerichtet hatte.
„Ach wirklich? Nettes Gespräch gehabt?“, wollte er desinteressiert wissen, und
sie kam näher.
„Malfoy!“, sagte sie ernst. Er sah sie schließlich an. Und sie konnte ihn nicht
entdecken, dort in diesem arroganten Gesicht. Plötzlich runzelte sich seine
Stirn.
„Weißt du, ich hatte geglaubt, es wäre unheimlich schwer, Granger. Die
Tabletten abzusetzen und zu überleben, aber… es ist verflucht einfach.“
„Pansy sagt, dass-“
„Oh bitte,
als ob Pansy irgendeine Ahnung hätte.“ Und er lachte. „Die Tabletten
unterdrücken nur, wer ich bin.“
„Und wer
wäre das?“, fragte sie, fast behutsam.
„Draco
Malfoy“, erklärte er, als wäre es selbstverständlich. Noch kam er ihr relativ
klar vor. Noch warf er sie zumindest nicht aus seinem Haus, weil sie eine
Muggel war.
„Du redest
nicht mehr mit deiner Therapeutin?“, fragte sie jetzt weiter, denn sie musste
ihn irgendwie aus seinen Reserven locken. Er grinste verschlagen.
„Pansy redet viel, hm?“, stellte er amüsiert fest. „Nein, Granger. Ich habe
besseres zu tun“, erwiderte er. Und er war ein Junge. Er war einundzwanzig
Jahre alt. Nicht mondän. Nicht weltgewandt und eloquent.
„Und das
wäre?“, wollte sie von ihm wissen, mit einem demonstrativen Blick auf das
Bücherchaos auf dem Boden. Aber er lächelte, stellte die Flasche Alkohol zurück
auf den Tisch, und sein Blick wurde provokativ.
„Ich nehme
an, du bist hier, um mit mir eine kleine Nummer zu schieben, richtig? Darum
bettelst du doch schon seit dem ersten Tag“, erwiderte er, und sie presste die
Lippen zusammen. Nein, er war definitiv nicht mehr der Draco Malfoy, den sie
kannte.
„Warum legst
du dich nicht einfach schon mal hier auf den Boden, während ich mir vorher
betrinke?“
Und sie
beschloss, anders vorzugehen.
„Ich würde
es lieber im Badezimmer tun“, entschied sie, und nur kurz geriet seine
arrogante Fassade ins Wanken.
„So eine bist du?“ Er lächelte wieder. Etwas unentschlossen sah sie ihn an.
„Du wolltest
mir deine Medikamente zeigen“, merkte sie stiller an. Und mit diesem Draco fiel
es ihr nicht schwer, ihn nicht zu siezen. Es passte irgendwie nicht mehr. Und
er ruckte mit dem Kopf.
„Aber gerne
doch“, erklärte er, mit einem Lächeln, das auch seine finsteren Absichten
verbergen könnte, sie von hinten zu erstechen. Aber sie glaubte ihm.
„Gut. Zeig
sie mir vorher“, sagte sie also, strich sie lose Strähnen hinter ihr Ohr, und
betete dennoch, dass Harry bereits auf dem Weg war. Nur als Vorsichtsmaßnahme.
Aber würde er wirklich im Labyrinth zu Grunde gehen? Sie folgte ihm als er an
ihr vorbei schritt.
Zügig
bewegte er sich durch das unüberschaubare Anwesen, und Hermine war beeindruckt.
Er lebte hier allein? Wie konnte er sich zurecht finden. Fast erschrak sie über
die alten Elfen, die die Gemälde putzten, die Blumen gossen, Teppiche aufreinigten und Geschirr hin und her trugen. Sie würdigten
sie mit keinem Blick, flüchteten förmlich vor Malfoy, und er ignorierte sie.
Sie erreichten nach einem autobahnbreiten Flur wieder eine Treppe. Wohl die
Haupttreppe, denn sie war bestimmt zehn Meter breit und führte in enger
werdenden Stufen empor in den ersten Stock. Ein Geländer säumte den ersten
Stock und verlief im Kreis zehn Meter über dem Boden. Sie konnte alle Türen,
die im ersten Stock abgingen, überblicken.
Wie viele
Zimmer hatte das Haus wohl? Sie sah sich fasziniert um. Sie würde es schaffen,
sich wochenlang nur zu verlaufen.
„75“, sagte
er, als sie die Treppe empor stiegen. Sie sah ihn verwirrt an. „Zimmer“, fügte
er hinzu, immer noch dasselbe Lächeln auf den Lippen. 75 Zimmer. Merlin! Was
brachte man darin unter? Sie hatte gerade mal genug Möbel für zwei Zimmer! Er
war reich, ging ihr immer wieder auf. Wirklich reich. Die Hände hatte er in den
Taschen vergraben, und das Dunkle Mal entstellte seinen linken Unterarm. Sie
schluckte schwer. Eine Muggel in den heiligen Hallen der Todesser. Ja, so
könnte man es sagen.
Sie folgte
ihm eilig, bevor sie noch irgendein Fluch treffen würde. Sie hatte längst den
Überblick verloren, um wie viele Ecken sie gebogen waren. Die Fenster erlaubten
ihr immer einen Ausblick auf den Garten. Anscheinend waren sie also nach Westen
gegangen, schätzte, war sich aber immer noch nicht sicher.
Sie betraten
eines der Zimmer im ersten Stock. Aber es war nur ein weiterer ellenlanger
Flur, vom dem erneut bestimmt zehn Türen abgingen. Aber er schritt zielsicher
auf eine breite Tür am Ende des Flurs zu.
„Mein
Zimmer“, erklärte er schlicht, öffnete die Tür, und ein miefiger Geruch
erschlug sie. Leere Flaschen lagen auf dem Zimmerboden, und sie fragte sich,
wie betrunken er wohl gerade sein musste. Aber sie erkannte, die meisten
Inhalte waren ausgelaufen und verklebten den teuren Teppich. Die Vorhänge waren
zugezogen und dämmriges Licht fiel auf den Boden. Die Decken waren hoch. Das
Bett war geräumig und breit, Kleidung lag unordentlich verteilt, Wäsche
stapelte sich in allen Ecken, und irgendwie hatte sie die leise Ahnung, die
Elfen kamen selten in das Zimmer.
Im Kamin
brannte noch ein Feuer herunter, und eine weitere Tür schien in ein Badezimmer
zu führen. Die Pflanzen auf den Tischen waren bereits allesamt verblüht.
„Schläfst du
hier?“, fragte sie jetzt vorsichtig, aber er lachte.
„Nein. Das
hier ist… ein Abstellraum“, erklärte er lediglich, und sie versuchte nicht, den
scharfen alkoholischen Geruch einzuatmen, mit dem sogar die Wände getränkt zu
seien schienen.
Das
Badezimmer war genauso geräumig wie einer der Flure, stellte sie fest. Die
Fliesen waren glatt und weiß, die Waschbecken – es gab vier – waren alle flach,
verchromt und steril. Riesige Badezimmerschränke zogen sich an den Wänden
entlang und er hielt inne vor einem breiten Schrank. Er tippte mit seinem
Zauberstab – da hatte er ihn also! – gegen das Schloss, und die Schließe
knackte auf.
Er schob den
Zauberstab zurück in seine Tasche und öffnete die beiden Kabinetttüren.
Zwei
Regalbretter kamen zum Vorschein. Aber auf nur einem stand eine lange Reihe an
Flaschen, Pillendosen, Päckchen, losen Tabletten, Flakons, Pasten in runden
Dosen, Salben in mehrfacher Ausführung, und sie erkannte auch das Turbatikum. Es
war fast randvoll.
Er wandte
sich ihr zu.
„Günstigerweise befinden wir uns in einem Badezimmer. Wir
wäre es, wenn du dich jetzt ausziehen würdest?“, schlug er ihr vor. Aber sie
reagierte darauf nicht.
„Erklär mir deine Tabletten, Malfoy“, sagte sie ernst. Er seufzte auf.
„Fein…“ Er
täuschte endlose Geduld vor, und griff sich das Turbatikum. „Das hier ist gegen
meine Wut und meinen Wunsch, Muggel umzubringen.“ Er ließ es einfach seinen
Fingern entgleiten, ohne den Blick von ihr zu lösen. Bevor sie sich hatte
bewegen können, zersprang die Flasche auf den Fliesen mit einem lauten
Scheppern, das von den Wänden widerhallte. Sie hatte instinktiv die Augen
geschlossen. „Das hier sind… einige Schmerzkiller gegen die Ängste“, erklärte
er weiter, griff sich eine Reihe an Plastikflaschen und öffnete die Deckel, um
die Flüssigkeit auszukippen.
Sie ließ ihn
gewähren. Was sollte sie sonst tun? „Salben gegen die Malschmerzen. Die Paste
gegen die Malschmerzen…“ Achtlos ließ er die Tuben und Dosen fallen, zertrat
sie mühelos mit seinem Schuh und griff dann nach einer schmalen Tablettenröhre.
„Und das hier ist gegen meine Albträume…“, ergänzte er, schüttelte das
Röhrchen, ging zur Toilette, öffnete den glänzenden Deckel und warf das
Röhrchen hinein.
„Malfoy Manor war das erste der Häuser mit einer internen
Wasseranlage. Alle anderen Zauberer dieser Umgebung hatten noch immer draußen
das Wasserklosett benutzen müssen. Sehr fortschrittlich von uns, nicht wahr?“,
erklärte er freundlich, und sie nickte schließlich.
„Du willst
also nie wieder Tabletten nehmen?“
Und
plötzlich schloss er den Abstand. „Nein. Warum sollte ich? Mein Vater kommt in
keinem Monat zurück. Dann brauche ich gar nichts mehr.“
„Hmmh“, machte sie langsam. „Ich verstehe.“
„Also,
willst du dich ausziehen?“, wollte er jetzt spöttisch von ihr wissen.
„Sehr
gerne“, erwiderte sie, immer noch ruhig. „Aber lieber in einem Badezimmer mit
Badewanne“, antwortete sie. Kurz sah er sie an. Dann verschwand sein Lächeln.
„Wird das
eine Therapie, Granger? Weil ich deinen blutüberströmten, toten
Schlammblutkörper in einer Badewanne sehe, jede Nacht, möchtest du es gerne
nachspielen?“, verlangte er zu wissen, und sie beschloss, ihre Angst nicht zu
zeigen.
„Nenn mich
nicht so, Malfoy“, sagte sie lediglich. Und es fiel ihr erstaunlich leicht,
kein sabbernder Einzeller zu sein, wenn er sich wie ein Arschloch verhielt.
„Wie?
Schlammblut?“ Und sie hatte ausgeholt, hatte ihn ins Gesicht geschlagen, und
die Wucht des Schlags hallte von den Wänden wider. Ihr Herz schlug sehr
schnell. Sein Kopf war zur Seite geflogen, aber er sah sie wieder an. Langsam,
hasserfüllt. Ihre Hand zitterte vor Schreck. Sie sah, wie er einen tiefen
Atemzug nahm. Seine Hände griffen um ihre Schultern, zerrten sie zur Seite, und
mit voller Wucht stieß er mit ihr gegen einen Spiegelschrank. Das Glas zerbrach
unter dem heftigen Stoß, und sie schloss sofort die Augen, als sie spürte, wie
Scherben ihren Rücken hinab rieselten, als sie spürte, wie eine der
Schranktüren aus der Wand auf den Boden krachten. Sie wusste nicht, ob die
Scherben sie bereits geschnitten hatten, aber ihr Adrenalinschock ließ keine
Schmerzen zu.
Er zog sie
an den Schultern nach vorne, nur um sie noch mal nach hinten krachen zu lassen.
Sie zog vor Schreck die Luft ein, kniff die Augen zusammen und spürte jetzt,
wie die Scherben ihren Rücken zerschnitten.
„Was hast du erwartet, als du hergekommen bist, Granger?“, knurrte er, das
Gesicht so nahe vor ihrem, dass sie die hellen Flecken in seiner Iris
problemlos erkennen konnte. Und natürlich den Wahnsinn in seinen Augen.
„Dass du mich umbringst“, flüsterte sie, ohne zu zögern.
Und er
starrte sie an.
Er atmete
immer noch mit offenem Mund. Er löste eine Hand von ihrer Schulter, nur um mit
voller Wucht gegen die Wand neben ihrem Kopf zu schlagen. Sie hörte noch einmal
wie Scherben zerbrachen, wie er sich wohl die Hand aufgeschnitten hatte.
„Du bist
unglaublich dumm!“, sagte er jetzt. Und sie nickte traurig. Eine Intensität
trat in seinen Blick, die ihr Schauer über den Rücken laufen ließ. „Zieh dich
aus“, befahl er tonlos, rau, so tief, dass seine Stimme von den Wänden
widerhallte. Sie blinzelte, sah ihn an, und seine Augen tanzten über ihr
Gesicht. „Ich sage es nicht noch mal, Granger“, wiederholte er strenger, und
fahrig öffneten ihre Finger ihre Hose.
Es war
unheimlich, was er für eine Macht hatte. Ganz kurz schien er nämlich
beherrschter zu sein. Ganz kurz erkannte sie etwas in seinen Augen. Aber es war
schnell wieder verflogen, dennoch gehorchte sie seinen absurden Worten. Sie
stieg aus ihrer Hose, wurde ihren Slip los und begann die Bluse aufzuknöpfen.
Er knurrte
ungeduldig, schob ihre Hände beiseite und sein Blut schmierte sich auf ihre
Bluse. Es riss sie einfach auf. Die Knöpfe flogen zu allen Seiten, kullerten
davon, aber es schien ihm egal zu sein. Er zog die Bluse ihre Schultern hinab,
und sie verzog kurz den Mund vor Schmerz, denn jetzt spürte sie die vielen
Schnitte auf ihrem Rücken. Er griff grob um ihren Körper, öffnete den BH und
zog auch diesen über ihre Schultern. Achtlos fielen ihre Sachen neben sie, und
er sog ihren Anblick in sich auf.
Völlig nackt
stand sie vor ihm. Und sie schämte sich nicht einmal wirklich. Sein Blick glitt
über ihre Rundungen, über ihren gesamten Körper, begutachtete ihre Brüste,
bevor sein Blick tiefer wanderte.
Er grub
seine Zähne in seine Unterlippe. Plötzlich lehnte er sich vor, und sie wich
instinktiv zurück. Zurück gegen die zerstörte Wand, gegen die letzten Scherben
die noch an den zerbrochenen Türen hingen, aber sie wagte nicht, ein Geräusch
zu machen.
„Sie wollen
mit Draco Malfoy schlafen?“, fragte seine Stimme rau, und es war unglaublich,
denn für eine Sekunde sah er so aus, wie sie ihn kannte. Die Augen überlegen
auf sie geheftet, die Stimme beherrscht, und seine Finger strichen über ihren
Bauch. Sanft. Wie Schmetterlingsflügel, bevor sie tiefer wanderten.
Und bevor
sie sich halten konnte, nickte ihr Kopf. Die Geisteskranke in ihr nickte.
Großartig.
Aber schon
war seine Hand zwischen ihre nackten Beine geglitten. Sie atmete vor Schreck
aus, zog ihren Kopf zurück, aber seine Hand schoss ohne Vorwarnung nach,
schlang sich um ihren Nacken und seine Lippen krachten auf ihren Mund.
Er schmeckte
nach Alkohol. Sein Atem war heiß, beißend und unglaublich. Schon stieß er einen
Finger in sie, und sie keuchte in seinen Mund. Das passierte nicht wirklich?!
Das war einfach verrückt! Und plötzlich musste sie es tun! Ihre Finger hoben
sich zu seinem Hemd, zogen es fast vorsichtig aus der Hose, während er seine
Zunge tiefer in ihren Mund stieß, an ihrer entlang gleiten ließ, und ihr fast schwindelig
wurde.
Und er hielt
sie nicht auf.
Kurz spürte
sie, wie sich seine Muskeln versteiften, wie sich seine Bauchmuskeln zusammen
zogen, aber er presste sich gegen sie, und sie keuchte noch einmal vor Schmerz
in seinen Mund, als eine weitere Scherbe sie stach. Ungeduldig zog er sie weg
von der Wand. Sie ging über Scherben, spürte es aber kaum. Er hatte sie um die
Hüfte hochgehoben, so dass sie ihre Beine um seine Hüfte legen musste. Er
setzte sie einfach auf den Waschbeckenrand. Es war kalt, es war unbequem, aber
es war egal, denn jetzt öffnete sie den ersten Knopf.
Er löste
kurz den Kopf von ihr. Die Augen dunkel. Sein Bart kratzte über ihre Wangen,
ihr Kinn, und ihre Haut fühlte sich wund an. Sein Atem ging schneller, sie
öffnete alle Knöpfe. Vorsichtig, nacheinander. Und dann schob sie das Hemd
sanft von seiner Brust, von seinen Schultern und sie erstarrte. Sie sah ihn
schlucken, denn sein Adamsapfel hob sich heftig.
Sie konnte
die vielen Narben nicht zählen. Die größte zog sich über seine Bauchdecke. Sie
war dunkel, und verheilt, aber würde sie sie mit dem Finger berühren, wäre sie
bestimmt rau. Viele weitere Schnitte zogen sich über seine muskulöse Brust, bis
hoch zu seiner Schulter. Deswegen hatte sie ihn nicht berühren dürfen! Und es
trieb ihr die Tränen in die Augen.
Aber er
schien das verhindern zu wollen. Er schloss wieder den Abstand zu ihr, umfing
ihr Gesicht mit seinen Händen, und seine Lippen umfingen ihren Mund, küssten
ihn beinahe zärtlich, und sie wollte ihn nicht berühren, wollte ihm nicht weh
tun und öffnete eilig seine Hose. Sie wusste nicht, ob es das richtige war, was
sie tat, aber sie wusste, sie wollte es. Sie wollte ihn. Egal, wie. Sie schob
beides, die Hose und seine Shorts, seine Beine hinab, und grollend verließen
seine Lippen ihren Mund, küssten eine heiße Spur ihre Wange hinab, ihren
Kiefer, und er leckte über ihren Hals. Dann nahm er die weiche Haut ihres
Halses zwischen seine Zähne und biss zu. Sie schauderte unter ihm.
Als sich
ihre Hand um seinen Penis schloss drang er vorwärts, presste sie gegen den
Wasserhahn, so dass sich dieser quietschend zur Seite drehte, und wieder spürte
sie kaltes Spiegelglas in ihrem Rücken. Es fühlte sich sogar angenehm an, auf
den kleinen Verletzungen, die ihren Rücken wohl zierten, und sie presste ihren
Oberkörper gegen seinen. Er sog scharf die Luft ein, entließ ihre Haut aus
seinem Biss, und seine Arme schlangen sich um ihren Oberkörper, schienen ihre
Haut spüren zu müssen, bevor sie vielleicht noch verschwinden würde, und sie
spreizte die Beine so ungeduldig, dass sein Penis fast von alleine in sie
hinein gleiten konnte. Sie war feucht. Schamloserweise. Und er hob den Blick zu
ihrem Gesicht. Seine Augen waren dunkel, verschleiert vor Lust, und er nahm
ihre Hände, führte sie weg von seiner Erektion, und griff dann fest um ihre
Hüften, bohrte die Finger so fest in ihr Fleisch, dass sie wieder keuchend
einatmete. Ihre Finger hoben sich zu seinen Haaren, wagten nicht seinen
Brustkorb zu berühren, und während sich sein lodernder Blick in ihren Augen
bohrte, stieß er nach vorne. Seine Spitze teilte ihren Eingang mit
Leichtigkeit. Er stieß sich tiefer in sie, musste die Augen schließen dabei,
und sie zog ihn zu einem Kuss heran.
Ihre Nase
stieß gegen seine, sie küsste seine feuchten Lippen, teilte sie mit ihrer
Zunge, stieß gegen seine Zunge, bewegte sie zu einem trägen Kampf und drängte
sich weiter um seinen Schwanz, zwang ihn, tiefer in sie zu gleiten, und dann
übten seine Hände wieder Druck auf ihre Hüften aus, pressten sie enger an ihn,
und er überwand die letzten Zentimeter, bis er seinen Schaft zur Gänze in ihr
vergraben hatte.
Gott, er war
groß. Er füllte sie vollkommen aus. Und dann bewegte er sich. Seine Zunge stieß
fordernder in ihren Mund, und ihre Finger krallten sich in seine Kopfhaut, wollten
mit ihm verschmelzen, und er stieß sich grollend wieder in ihre Enge. Sie wurde
mit voller Wucht gegen den Spiegel gedrängt, keuchte in seinen Mund, aber er
gab ihr keine Zeit, um Luft zu holen, küsste sie inniger, leckte über ihre
Zähne, sog ihre Unterlippe in seinen Mund, biss übermütig zu, bis sie Blut
schmecken konnte, und dann küsste er sie wieder hungrig, bis ihr schwindelig
wurde von seiner Nähe, seinem Duft, seinem Geschmack.
Und sie
spürte es in sich. Spürte es, jedes Mal, wenn er sich wieder verzweifelt und
kraftvoll in sie stieß. Es baute sich in ihrem Innern auf. Unaufhaltsam. Seine
Zunge focht mit ihrer um Dominanz, und wieder krachte er in sie, bohrte seinen
Schwanz tiefer in ihre Hitze, und wieder stieß ihr Rücken mit voller Wucht gegen
den großen Spiegel, dass dieser klirrte.
Aber sie
hörte es nicht mal. Sie musste den Kopf zurückziehen, und atmete stöhnend aus,
als sie es wieder spürte. Er senkte den Kopf, biss in ihren Nippel, saugte ihn
heftig in seinen Mund, und ihre Fingernägel kratzten über seinen Rücken. Auch
dort spürte sie feines Narbengewebe, und er keuchte gegen ihre Brust, rammte
sich härter in sie, so dass das Badezimmer nur so zu vibrieren schien.
Und es war
unglaublich. Er stieß sich wieder und wieder nach vorne. Sie hörte, wie das
Waschbecken in der Wand bröckelte.
„Granger!“, keuchte er und umfasste ihren Po.
„Draco!“,
begegnete sie seinen Worten, als sie plötzlich über die Klippe sprang. Sie
lehnte sich in seinen harten Stoß, spürte wie sie um ihn herum explodierte, wie
sich ihr Muskel zusammenkrampfte, und seine Lippen krachten wieder auf die
ihren. Stürmisch, hungrig, wild, unvermeidbar. Verzweifelt rammte er sich ein
letztes Mal in ihre Hitze, das Waschbecken ächzte, und dieses Mal krachten sie
mit so einer Wucht gegen den Spiegel, dass es wieder Scherben regnete, aber sie
spürte es kaum. Er kam grollend, knurrte in ihren Mund, gab ihre Lippen nicht
frei, und hilflos stieß ihre Zunge verlangend gegen seine, und erst nach einer
Weile, spürte sie, wie ein Rinnsal Wasser beständig tropfend an ihrem Schenkel
hinab lief.
Das
Waschbecken war anscheinend kaputt.
Sie öffnete
träge ihre Augen. Er stand schwer atmend vor ihr, die Hose irgendwo um seine
Knie, und hatte die Augen noch geschlossen. Scherbensplitter glitzerten in
seinen zerzausten Haaren, und sie erkannte Blutspuren, wo ihn ihre Fingernägel
gekratzt hatten. Sie war erschrocken über sich selbst. Sie spürte Millionen
Kratzer auf ihrem Rücken schmerzen, wenn sie sich bewegte.
Sie rutschte
etwas auf dem Waschbecken nach vorn. Gut, dass es so flach war. Das brachte ihn
dazu die Augen zu öffnen. Weit. Wund. Und es herrschte Stille, abgesehen von
dem beständigen Tropfen.
„Du hast
Scherben in den Haaren“, flüsterte sie. Er nickte bloß.
Dann hob er
sie hoch. Noch immer war er in ihr. Er brach den Blickkontakt nicht. Keine
Sekunde, und sie verließen das Badezimmer, nachdem er sich die Hose und Schuhe
von den Beinen getreten hatte. Sie verließen sein Zimmer und waren auf dem
Flur, in dem riesigen, menschenleeren Haus. Sie hatte ihre Arme überrascht um
seinen Hals geschlungen, aber er trug sie mühelos. Den gesamten Flur entlang,
ohne zu sprechen. Er griff mit einem Arm fester um sie, und sie stöhnte kurz
auf. Eine kleine Wunde riss auf ihrem Rücken wieder auf.
Er öffnete eine Tür, und es war ein weiteres Bad. Aber in diesem war eine
Badewanne tief in den Boden gelassen. Man könnte darin schwimmen, nahm sie an.
Er drehte wahllos einige Hähne auf, und vorsichtig schritt er mit ihr auf den
Armen die eingelassenen, breiten, Steinstufen in den Pool hinab, watete durch
das magisch beschleunigte Wasser mit ihr zu einer eingelassenen Bank am anderen
Ende des Pools.
Er setzte
sich auf die Bank, und sie saß auf ihm, die Knie rechts und links neben seinen
Schenkeln. Und er war immer noch in ihr. Ihre Hände ruhten auf seinen Schultern
und an ihren Füßen spürte sie bereits das warme Wasser. Er sah hoch in ihr
Gesicht. Sie spürte, wie sich ihre Stirn runzelte, als sie jetzt seine Narben betrachtete.
„Was ist das
alles?“, flüsterte sie, die Stimme heiser und gebrochen. Er hob seine
tropfenden Finger zu ihrem Mundwinkel und fuhr sanft darüber. Sie zuckte kurz
vor Schmerz. Er hatte das Blut abgewischt.
„Nichts
wichtiges“, erwiderte er, während sie plötzlich spürte, wie sich die Spannung
zwischen ihnen wieder auflud. Er wuchs in ihr, wurde langsam wieder härter, und
sie schnappte nach Luft. Sie schluckte und schloss kurz die Augen, um sich an
die Dehnung zu gewöhnen.
Er konnte
doch nicht schon wieder…?
Aber er
konnte. Und unbeherrscht fiel sein Kopf nach hinten gegen den kühlen
Wannenrand, während sich seine schönen Finger wieder um ihre Hüften legten, sie
anhoben und sie langsam qualvoll wieder nach unten sank, seinen Penis wieder
aufnahm, in ihre heiße Enge hüllte, und er sich genussvoll auf die Unterlippe
biss. Sie sah ihm zu, wünschte, sie könnte ihn dort beißen, aber sein Kopf lag
zu weit hinten. Sein Brustkorb offenbarte sich ihr und sie hob die Hand zu
einer kleinen Narbe über seinem Bauch. Sie berührte die weiche Stelle, und sein
Kopf hob sich wieder.
Sie hob
dieses Mal ihre Hüfte selber an und ließ sich schneller sinken, nahm ihn
schneller auf, tiefer, und er schluckte, während ihr Finger über die schmale
Narbe fuhr. Sie senkte den Kopf, während sie ihren Schoß tiefer auf seinen
steinharten Penis presste, er schnappte nach Luft, als ihre Zunge über die
Narbe leckte, als sie langsam seine harte Brustwarze umzirkelte,
und seine Hand griff unbeherrscht in ihre Haare, zog ihren Kopf nach oben, und
feine Scherben rieselten ins Wasser unter ihnen.
Die Hähne
liefen immer noch, das Wasser ging ihr bis zur Hüfte.
Noch einen
augenblicklang starrten sie sich gegenseitig in die Augen, ehe er die Kontrolle
verlor und ihren Kopf zu sich zog. Seine Lippen fanden ihren Mund, seine Zunge
fand ihre, und sie schlang die Arme um seinen Nacken, hob ihre Hüfte erneut, um
sie fest wieder hinab gleiten zu lassen, und sein Arm schlang sich um ihre
Taille, seine Hüfte bockte hart nach oben, und sie stöhnte in seinen Mund.
Seine Zunge stieß erbarmungslos gegen ihre und sie konnte nicht genug bekommen,
von seinem Geschmack, seiner Wildheit, seiner gnadenlosen Kunst, sie in völlige
Ekstase zu versetzen. Seine Finger verschwanden im Wasser, und sie spürte, wie
er harte Kreise über ihre Klitoris beschrieb, wie sie den Rhythmus
beschleunigte, ohne es verhindern zu können, wie sie sich tiefer auf ihn
presste, und wie er ihr haltlos begegnete.
Er riss sie
mit sich als er kam. Sie klammerte sich an ihn, sah bunte Lichter vor ihren
geschlossenen Augen und versank in seinen keuchenden Geräuschen, als er seine
Lippen gegen ihre Halsbeuge presste.
Das Wasser
stand fast bis zum Rand, als er sie behutsam von sich runter schob, und sie
erschöpft neben ihn auf die Steinbank fiel, während er sich erhob und zu den
Hähnen watete. Jetzt war wieder alles still.
Sie hatte
erst jetzt Zeit, sich umzusehen. Oben in der Decke war ein riesenhafter,
schlafender Drache eingelassen. Darunter standen vier Wörter.
Draco dormiens nunquam titllandus.
Ihr Mund
teilte sich zu einem feinen Lächeln. Vor den tiefen Fenstern hingen helle
Vorhänge, die auch bis auf den Boden fielen. Wagen mit Seife, verschiedenen
Badeprodukten, und flauschigen Handtüchern, waren in dem ovalen Zimmer
verteilt. Es war ein hübsches Bad. Hier gab es zwei Waschbecken, aber beide so
riesig, dass ein Hauself darin bequem Platz finden
würde.
„Ein schönes
Mosaik“, sagte sie schließlich, als die Stille erdrückend wurde. Er hatte den
Kopf wieder zurückgelehnt. „Den schlafenden Drachen nicht kitzeln. Ich denke,
wir haben einiges mehr getan, als das“, fügte sie hinzu, und das warme Wasser
beruhigte ihren schmerzenden Rücken.
Er sah schön
aus. Die Bartstoppeln standen ihm gut, auch wenn sie kratzten.
Der Sturm in
seinen Augen hatte sich gelegt, und sie waren wieder hellgrau. Faszinierend
einzigartig. Winzige Scherben glitzerten in seinen Haaren.
Ihr ging
auf, dass in ihren Haaren auch noch Scherben sein durften.
„Ich denke,
ich tauche eben unter“, eröffnete sie jetzt. Er wirkte friedlich und schien gar
nicht in der Stimmung zu sein, zu reden. Sie stieß sich vom Rand ab, stakte in
die Mitte des Pools und hielt sich die Nase zu, ehe sie untertauchte. Wärme
überströmte ihr Gesicht, säuberte ihre Verletzungen, und mit zurückgelegtem
Kopf brach sie wieder durch die Wasseroberfläche. Tropfen rannen ihr Kinn
hinab, und glatt fielen ihre Haare ihren Rücken hinab. Sie watete wieder zurück
zu ihm, um sich wieder neben ihn zu setzen.
„Dein Rücken…“, murmelte er träge, und sie hob eine Augenbraue. „Ich werde ihn
heilen“, versprach er mit ruhiger Stimme. Sie nickte lediglich. Ihr Rücken war
ihr gerade ziemlich egal. Sie hatte Sex mit Draco Malfoy gehabt. Zweimal, in
zwei verschiedenen Badezimmern.
„Hast du…
das Bedürfnis mich umzubringen?“, fragte sie, fast vorsichtig. Und er sah sie
mit einem spöttischen Blick an.
„Sehe ich
gerade so aus, Miss Granger?“, erkundigte er sich nonchalant, und sie spürte,
wie ihre Mundwinkel zuckten.
„Nein, du
siehst gerade nicht so aus“, erwiderte sie. Dann wurde sie wieder ernst. „Aber…
deine Albträume-“
„Kommen nur nachts“, unterbrach er sie.
„Und deine
Wut-“
„Ist jetzt gerade nicht vorhanden. Du würdest merken, wenn ich es nicht ertragen
könnte, mit dir hier zu sein, Granger. Das verspreche ich dir.“ Sie wollte mehr
reden, mehr Dinge besprechen, denn es gab ungefähr noch eintausend Fragen, die
sie hatte.
„Aber… was
ist mit der Therapie, mit deinen Tabletten, mit… - wir wollten heute nach
Italien“, sprudelte es aus ihr hervor. „Und… die Arbeit, ich meine…“ Er setzte
sich ächzend auf und streckte die Arme nach hinten über die runde Steinkante
aus, so dass sie seine warme Haut im Nacken spürte.
„Du willst
nach Italien?“, erkundigte er sich mit erhobener Braue.
„Nein, das…
meinte ich nicht, ich-“
„Du warst
zwei Tage nicht im Büro. Keine der Eulen hat dich erreichen können, du… warst
weg.“ Sein Ausdruck verfinsterte sich kaum merklich. Es ließ ihn älter
aussehen. „Potter war so nett, meiner Therapeutin zu erzählen, ich hätte dich
bedroht, dich in lebensgefährliche Situationen gebracht, damit sie mein
gesamtes medizinisches Leben vor ihm ausbreitet. Geschickter Schachzug von
deinem Helden.“
„Warum nimmst du die Tabletten nicht mehr?“, unterbrach sie ihn, denn sie
wollte nicht über Harry und seine Methoden reden, denn darüber würde sie sich
an anderer Stelle aufregen.
„Was?“ Er sah sie an, als hätte er sie nicht richtig verstanden.
„Warum, Draco?“
Und sein
Gesicht verlor jeglichen Ausdruck.
„Du warst
nicht mehr da. Wofür sollte ich sie nehmen? Ich dachte… ich dachte, du wärst…“
Sie starrte
ihn an. Er hatte gedacht, sie wäre weg? Für immer weg? Ein Kloß formte sich in
ihrer Kehle.
„Ich bin
hier“, flüsterte sie und rückte näher zu ihm. „Ich gehe nirgendwohin.“ Und
seine Mundwinkel zerrten seine Lippen zu einem freudlosen Lächeln nach oben.
„Das solltest du vielleicht besser“, bemerkte er bitter.
„Werde ich aber nicht“, widersprach sie ernst. „Hast du… Schmerzen?“ Er ruckte
nur mit dem Kopf.
„Unerhebliche“,
sagte er nur.
„Wann wird
es schlimmer?“, wollte sie jetzt wissen, denn wenn sie ehrlich war, kam er ihr
nicht besonders feindselig vor. Oder besonders wütend. Und die absolute
Ehrlichkeit in seinem Blick schockierte sie wohl am meisten.
„Wenn du wieder gehst“, erwiderte er ruhig, mit dem Hauch von Sorge in der
Stimme.
Und sie
fasste die Entscheidung kurzerhand. Oder nein. Ihr Herz fasste die Entscheidung
kurzerhand.
„Dann werde ich nicht mehr gehen“, beschloss sie mit einem Achselzucken, und
sein Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Lächeln. Und dann er schloss die
Augen. Sie legte ebenfalls ihren Kopf zurück und genoss die Wärme, die sie
einhüllte.
Sie lag
wach. Sie hatte bis jetzt nicht besonders viel geschlafen. Denn wann immer er
eingeschlafen war, dauerte es nicht besonders lange, bis er unruhig wurde, bis
die Albträume kamen. Also starrte sie jetzt an die hohe Decke im Gästetrakt des
riesigen Anwesens.
Sie
hatten gegessen, nachdem sie aus der Badewanne gekommen waren. Er hatte ihre
winzigen Schnitte geheilt, aber viel gesprochen hatten sie nicht.
Er hatte
vorgetäuscht, keine Schmerzen zu haben, und sie hatte so getan, als würde sie
es nicht bemerken.
Sie
erkannte die Standuhr im Zimmer, und es war kurz nach drei.
„Wieso
schläfst du nicht?“
Seine
Stimme erschrak sie, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er wach war. Es
war seltsam. Sie lag mit ihm in dem großen Bett. Zusammen. Nachdem sie heute
unglaublichen Sex gehabt hatten, er aber all seine Medikamente losgeworden war.
„Weiß nicht“, log sie, aber er drehte sich auf die Seite, um sie anzusehen.
„Du denkst, ich bekomme die Albträume?“
„Ich weiß, dass du sie bekommst“, antwortete
sie.
„Und
dann? Was denkst du, was passiert? Ich fange an, psychotisch zu werden? Meinen
Zauberstab auf dich zu richten, dich zu foltern, um dich danach umzubringen?“
Und sie wandte den Kopf, um ihn anzusehen.
Seine
Worte waren trocken, fast lakonisch über seine Lippen gekommen.
„Das ist nicht witzig, Malfoy“, sagte sie, und er lächelte. Sie sah es auch in
der Dunkelheit, denn sie erahnte das Weiß seiner Zähne.
„Etwas, Granger“, erklärte er. „Meine Albträume sind etwas anders.“
„Ach
ja?“ Eigentlich war sie zu müde, um zu diskutieren. Sie war zu ängstlich, und
sie wusste nicht, was morgen passieren würde. „Erzähl mir davon“, entschloss
sie jetzt zu sagen.
„Nein“,
sagte er nur.
„Warum
nicht?“
„Einfach
nein.“
„Soll
ich gehen?“, fragte sie, fast vorsichtig.
„Wohin?“,
war seine direkte Antwort. Und sie atmete ärgerlich aus. Es war einfach eine
Qual mit ihm zu sprechen. Wo war der Gentleman? Er stützte sich auf seinen
Ellbogen und sah sie an. „Wenn ich von den Albträumen aufwache, fühle ich
Schuld, Granger. Ich werde nicht verrückt und will Muggel umbringen. Denn ich
weiß… hinter diesen Träumen steht eine Wahrheit.“
Und sie
sah ihn in der Dunkelheit an. Sein schönes Gesicht. Die Bartstoppeln langsam
sehr sichtbar. Das Mondlicht fiel auf die dünne Bettdecke, die über ihnen lag,
und er seufzte auf.
„Ich
weiß, dass es kein Traum ist, Granger“, sagte er plötzlich. Und die Therapeutin
hatte ihr etwas Ähnliches erzählt. Sie wusste, dass er etwas verarbeiten
musste, dass sein Verstand zu einem Schluss kommen musste. Dass er… heilen
musste von dem, was sein Vater ihm angetan hatte. „Was ich weiß, ist, dass es
im Badezimmer passiert ist. Und ich erinnere mich an diesen Tag. Ich erinnere
mich an den beißenden Gestank. Nach Metall, nach… Blut in der Luft.“
Sie war
sich nicht sicher, ob sie hören wollte, was er ihr erzählte. Und er hielt inne,
umso sie näher anzusehen. „Siehst du, weshalb ich nicht darüber sprechen
möchte? Ich sehe dein Gesicht“, informierte er sie, die Stimme getränkt in
einer Traurigkeit, die ihr Herz angriff.
„Nein“,
sagte sie entschieden. „Ich will es hören. Ich will dir helfen.“
„Warum
willst du das?“, wollte er leise wissen.
„Draco“, begann sie beschwichtigend, aber er ließ nicht locker.
„Sag mir, warum“, verlangte er plötzlich zu wissen.
„Weil…“,
entgegnete sie ratlos, aber er sah sie weiterhin an. „Ich weiß es nicht.“
„Nein?“
Und sie
hatte sich geirrt. Es war wahrscheinlich genauso schwer mit dieser Version von
Draco Malfoy zu sprechen, die tatsächlich einundzwanzig Jahre alt war. Kaum ein
Mann, eher ein Jugendlicher mit genügend Erfahrung, um ständig überheblich zu
sein. Sie sah ihn herausfordernd an, aber sie wusste nicht, ob er es sehen
konnte.
„Was
willst du gerne, dass ich sage?“
Und sie
hatten das Thema gewechselt, waren vom Hauptpunkt abgedriftet, und plötzlich
sah sie, wie sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln vertieften. Es war eine
seltene Besonderheit. Er beugte den Kopf näher zu ihr.
„Ich
würde dich gerne eine Menge sagen hören, Granger“, begann er rau. „Ich würde
dich auch gerne betteln hören. Betteln, dass ich dich von süßen Qualen erlösen
soll. Betteln, dass ich dich endlich nehmen soll, so wie du es in meinem Büro
nahezu jeden Tag getan hast.“ Und ihr fiel wieder ein, er war eine Person. Alles
Dracos vereinte er in sich selbst. Und natürlich war er auch Mr Malfoy, Sir.
Und ihr
Herz beschleunigte sich in ihrer Brust, bei dem Gedanken, was er ihr
üblicherweise für Schauer über den Rücken jagte. Aber jetzt war alles noch
intimer. Sie lag mit ihm in seinem Bett. Er hatte mir ihr geschlafen, und sie
hatte eine dunklere Seite von ihm kennen gelernt.
„Draco!“,
zwang sie ihn wieder, ernsthaft zu werden. „Erzähl mir von dem Traum“,
verlangte sie wieder, und sein Kopf fiel resignierend zurück auf das Kissen.
„Granger-“,
begann er, und sie hörte den Anflug von Ungeduld in seiner Stimme.
„Bitte“,
versuchte sie es sanfter als zuvor. Er atmete gereizt aus. Sie glaubte, er
würde nicht weiter sprechen. Dann aber setzte er sich auf.
„Ich
weiß, die Ärmel meines Vaters waren hochgekrempelt. Und sie waren blutgetränkt.
Und ich weiß, dass war kein Traum. Ich höre… jedes Mal das Wasser. Es tropft in
die Wanne. Das Wasser ist… rot. Und… das Mädchen, die Muggel, ist tot. Sie ist
schon eine Weile tot. Ich komme… nur hinzu. Und bisher hatte sie dein Gesicht.“
Und
Hermine schluckte schwer.
„Du denkst, es ist kein Albtraum?“, fragte sie tonlos.
„Nein. Ich denke, es… wäre der Beweis, Lucius für immer in Askaban zu
behalten“, schloss er bitter, während sie sich ebenfalls aufsetzte.
„Die Medikamente lenken mich ab. Ich denke nicht mehr daran, werde… umgänglicher“, entschied er sich zu
sagen. „Ich… hasse Muggel. Aber mit Medikamenten verschwindet dieses Gefühl.“
Sie machte ein abruptes Geräusch. Er wandte den Kopf nach hinten.
„Ich weiß, dass es furchtbar klingt“, sagte er schnell. Und es war nicht
wirklich eine Entschuldigung in seinen Worten zu hören. „Und ich denke, ich
hasse Muggel nicht wirklich. Ich denke, es ist ein Schutz.“
„Du
denkst? Versucht Madame Tallis dir nicht seit Jahren
beizubringen, dass es nur ein Symptom ist? Dass du lediglich denkst-“ Aber sein
Blick ließ sie verstummen.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte er. „Aber… ich finde faszinierender, dass du
mich tatsächlich magst. Dass du tatsächlich hier her kommst, dass du keine
Angst vor mir hast. Dass du hier mit mir bleibst und nur darauf wartest, dass
ich ausraste und du mich retten kannst“, erklärte er offen, fast eine Spur
zornig. Sie rückte kaum merklich von ihm ab. „Warum ist das so?“, wollte er
plötzlich wissen. „Versprichst du dir irgendwas Bestimmtes davon?“
Und sie
hörte es, so plötzlich, wie der Wind an einem Sommertag umschlug und ein Sturm
aufzog. Sie griff ihren Zauberstab vom Nachtisch und entfachte die
Petroleumlampen an der Wand. Das Licht beleuchtete ihn jetzt. Seine Augen waren
wachsam, seine Haltung abweisend.
„Malfoy“,
begann sie ruhig.
„Denkst
du, die Schmerzen werden so schlimm, dass ich sterbe und du das Haus ausrauben
kannst?“
„Draco,
hör auf damit.“ Sie wusste nicht, ob sie irgendwas bewerkstelligen konnte, oder
ob er sie gleich aus dem Zimmer werfen würde.
„Sag es
mir!“ Plötzlich war er zu ihr herum gefahren, hatte ihre Schultern ergriffen,
und die dünne Decke rutschte über ihre Brust. Sie trug nur ihren BH und ihren
Slip und fühlte sich schrecklich nackt und hässlich unter seinem strengen
Blick. „Was willst du hier? Wieso willst du mir helfen? Was ist für dich
drin?“, schrie er praktisch.
„Draco!“, rief sie lauter, versuchte zu ihm durchzudringen. „Gar nichts ist für
mich drin! Ich will bei dir sein! Ich… ich mag dich“, sagte sie eindringlich.
Seine Augenbraue hob sich spöttisch.
„Du
lügst“, entschied er kalt. Und sie sah all seine Unsicherheit, versteckt hinter
widerlicher Boshaftigkeit.
„Nein“,
sagte sie leise. „Tue ich nicht.“ Und sie wehrte sich nicht gegen seinen harten
Griff. Sie lehnte sich in dem Griff nach vorne, wollte seine Lippen berühren,
aber er wich zurück, ohne sie loszulassen.
„Was
tust du?“, wollte er misstrauisch von ihr wissen. Sie sah, wie er schneller
atmete. Draco Malfoy war ein Buch mit tausend Siegeln. Und kaum hatte sie eines
aufbekommen, schnappte ein anderes wieder zu.
„Lass
mich los“, sagte sie still. Und er zögerte eine Sekunde.
„Du
willst gehen? Das ist auch besser, verflucht“, entgegnete er, ließ ihre
Schultern wütend fahren, und sie griff umstandslos hinter ihren Rücken, öffnete
den BH, und warf ihn neben das Bett. Dann setzte sie sich auf die Knie, schob
ihren Slip die Beine hinab, und war so aufgeregt, dass ihre Finger zitterten.
Er beobachtete sie angespannt.
„Was tust du?“, wollte er wieder von ihr wissen, aber dieses Mal, schloss sie
den Abstand zu ihm und küsste seine Lippen. Zuerst reagierte er nicht, und sie
dachte schon, er würde sie von sich schieben, aber dann spürte sie, wie er sich
mit nur einem Atemzug entspannte.
Seine
Lippen öffneten sich langsam, und ihre Zunge traf auf seine. Er hatte den Arm
nur zu schnell um ihre Taille geschlungen und sie umgeworfen. Er lag über ihr
und löste sich von ihren Lippen, nachdem er ihre Unterlippe geküsst und in
seinen Mund gesogen hatte.
Seine
Stirn ruhte auf ihrer, und er schien sich zu ruhigen Atemzügen zu zwingen.
„Merlin,
erklär mir, warum du hier bleibst?“ Seine Stimme war wieder rau, und er schien
sich tatsächlich zu schämen.
„Du
willst ein Geständnis hören? Was denkst du, Malfoy?“, entfuhr es ihr fast
ungeduldig, denn ihr Herz raste jetzt. Sie vermisste seine Lippen sehr
plötzlich, und seine grauen Augen fixierten ihre. „Wenn man verliebt ist, denkt
man nicht richtig!“, entfuhr es ihr ärgerlich.
Und fast
triumphierend hob sich sein Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.
„Du bist
völlig verrückt“, entgegnete er, sanfter als zuvor. „Und ich weiß nicht, wie
oft du mich aus diesen scheiß Stimmungsschwankungen holen kannst, indem du dich
nackt ausziehst, Granger“, murmelte er gegen ihren Hals, während er sanft in
ihre Haut biss. Es sandte millionen Schauer über
ihren Rücken.
„Im
Moment scheint es zu funktionieren“, flüsterte sie heiser, und seine Hände
erkundeten ihren Körper wieder. Seine Berührungen waren so erfahren, waren so
unglaublich fordernd, als hätte er studiert, was er da tat! Sie war Wachs unter
seinen Fingerspitzen, und er wusste das! Dieser Mistkerl.
Fast
behutsam strich seine Hand über die Innenseite ihres Oberschenkels.
„Ich
wollte dich in der Sekunde, als ich dich bei dem Gringotts-Vortrag in der
ersten Reihe gesehen habe“, flüsterte er rau gegen ihren Nacken, fuhr mit den
Lippen tiefer, zu ihrem Busen hinab. Ihr Atem stockte in ihrer Kehle. Was sagte
er da? „Als du auf meine Fragen geantwortet hast, wie eine Schülerin. Und dein
Blick…“, fuhr er amüsierter fort, während er seine Fingerspitzen die Innenseite
ihres Schenkels hochwanderten. Sie musste schlucken vor Erregung. „Und auf der
Auktion… als du mich ausboten wolltest?“, ergänzte er knurrend.
„Und
dieses winzige Kleid, was du auf der Sponsorenfeier im Ministerium anhattest,
Granger. Wie du neben mir entlang gestolpert bist, wie du mich angesehen hast,
als würde alleine mein Anblick dein Höschen feucht werden lassen“, flüsterte er
weiter, und gerne hätte sie gesagt, dass sein Anblick sie immer erregte, aber
jetzt hatten seine Finger ihren feuchten Eingang erreicht.
„Und ich
wusste, ich durfte dich nicht haben! Durfte nicht einmal so denken! Und… dann
hattest du keinen Job, und ich konnte nur noch daran denken, wie ich dich in
mein Büro hole…“ Er stieß zwei Finger verlangend in ihre Hitze, und ihr Atem
verließ stöhnend ihren Mund. „In deinen hohen Schuhen, deinen verdammt kurzen
Röcken…“
Sie
spürte seine Erektion durch seine Shorts. „Wie ich dich auf meinen Schreibtisch
setze…“, ergänzte er rau, während er ihre Knie spreizte. Dann schob er seine
Shorts seine Beine hinab. „Und wie ich dich dazu zwinge, keinen Laut von dir
zugeben, wenn ich dir bei offenen Türen auf meinem Schreibtisch meinen Schwanz
in deine verdammt enge Pussy schiebe.“
Und
seine Worte waren widerlich vulgär. Und sie konnte kaum noch aushalten, dass er
sie endlich wahrmachen würde.
Er
positionierte seinen Penis direkt vor ihrem Eingang.
„Und wie
gerne ich von dir hören wollte, dass du genau das willst“, murmelte er rau
gegen ihren geöffneten Mund. Sein heißer Atem stieß auf ihren eigenen, und er
brachte sie noch um den Verstand.
„Ich…
will es“, brachte sie keuchend hervor.
„Was?“,
wollte er mit einem teuflischen Lächeln von ihr wissen, während er sie mit
seiner Verzögerung quälte.
„Ich
will deinen Schwanz-“
Und er
ließ sie nicht ausreden. Sein Mund krachte auf ihre Lippen, und mit nur einem
einzigen Stoß hatte er sich bis zum Anschlag in ihr vergraben. Sie keuchte in
seinen Mund, vor Lust und Überraschung. Seine Zunge stieß hart gegen ihre,
strich an ihrer Zunge entlang, und Hermine erwiderte den Kuss, als hinge ihr
Leben davon ab, während sich ihre Beine um seine Hüften schlangen.
Kraftvoll
stieß er sie erneut gegen die Matratze, brachte sie dazu, erneut in seinen Mund
zu stöhnen, ohne dass sie es verhindern konnte, Und beide seine Hände umfassten
ihren Po, nur um ihre Beine höher zu wandern, diese langsam zu dehnen, so dass
Hermine sie im höheren Winkel nach oben streckte, und er nur noch tiefer in sie
eindringen konnte.
Er löste
sich von dem hungrigen Kuss, richtete sich auf, griff um ihre Hüfte und hob ihr
Becken von der Matratze. Kraftvoll stieß er tatsächlich noch tiefer in sie, und
sie schnappte nach Luft, als er grollend härter in sie stieß. Härter und
härter, zwang sie, die Beine weiter zu spreizen, und das Gefühl war unglaublich
intensiv. Seine muskulöse Brust schimmerte im dämmrigen Licht, die Narben
glänzten matt, und sie gab sich ihm völlig ihn, warf den Kopf nach hinten, bog
ihm ihren Oberkörper entgegen, und kraftvoll stieß er wieder nach vorne.
Sie
spürte, wie er unkontrolliert mit einem Stöhnen einen letztes Mal seinen
Schwanz in sie rammte, sich vorbeugte und ihren harten Nippel beinahe aggressiv
in die Hitze seines Mundes saugte, und sie ihm augenblicklich folgte, sich in
seine Haare krallte, und in Ekstase seinen Namen schrie. Seinen Nachnamen.
Grollend
brach er auf ihr zusammen. Sein Atem ging heiß und schwer gegen ihren Nacken.
„Geh
nicht fort“, murmelte er schwerfällig, und sie spürte durch den Nebel in ihrem
Kopf, wie er auf ihr einschlief. Sanft schob sie ihn von sich, deckte ihn zu,
und sie verblieb in seinen starken Armen.
Er war
eingeschlafen. Sein Atem ging jetzt tiefer. Sein Gesicht war so wunderschön,
dass sie weinen könnte. Wie konnte so ein schöner Mann, so viel Qual empfinden.
Und
angenehme Müdigkeit durchflutete ihren Körper.
Aber,
sie durfte besser nicht einschlafen. Besser blieb sie wach, war bereit, wenn er
einen Albtraum haben würde. Besser….
~*~
Und sie
erwachte von der Hitze, die er ausstrahlte. Träge blinzelte und hörte seinen
Atem. Schnell, rasselnd und gepresst in seiner Brust. Das Licht war immer noch
an, wenn auch schon stark herunter gebrannt.
Schweiß
stand auf seiner Stirn, sein Kopf flog von links nach rechts. Sie schälte sich
aus dem Arm, der immer noch um ihre Schulter lag.
„Draco“,
sagte sie behutsam. Seine Augen hatte er fest geschlossen, die Lider zusammen
gepresst. Er wand sich unter der Decke, und sie fuhr mit ihrer Hand über seine
glühend heiße Stirn. „Draco, shh… wach auf“,
flüsterte sie beruhigend, und plötzlich rang er keuchend nach Atem.
Seine
Augen flogen auf, das Grau so hell wie nie zuvor.
Er lag
völlig still auf dem Rücken, nur sein Atem ging noch immer abgehackt. Er schien
sie gar nicht wahrzunehmen.
„Wo…
Salbe?“, keuchte er plötzlich. Ihre Augen weiteten sich. Oh nein! Er hatte
Schmerzen!
„Draco!“,
rief sie jetzt lauter.
„Verflucht“,
rang er sich ab, schloss fest die Augen und umklammerte sein Dunkles Mal als
drohe es aus seiner Haut zu springen. „Merlin!“, keuchte er zusammenhanglos,
und sie setzte sich eilig auf.
„Sieh mich an“, befahl sie hastig. „Malfoy, sieh mich an. Es
ist nicht echt. Die Schmerzen sind Phantomschmerzen, das weißt du.“
„Granger,
ich kann jetzt nicht diskutieren“, presste er hervor, und sie fühlte sich
machtlos, nutzlos und überfordert, während er vor Schmerzen stöhnend die Augen
schloss.
Sie
hatte sich das Laken umgewickelt und stolperte aus dem Zimmer. Wenn sie nur
wüsste, wo hier irgendein Zimmer war. Jeder Flur sah hier gleich aus!
Dann
fiel ihr etwas ein.
„Elfen!“, rief sie verzweifelt in die Dunkelheit. Nichts geschah. „Master Draco
hat… Schmerzen!“, fügte sie hinzu, denn sie wusste nicht, was sie sonst tun
sollte. Und nach keiner Sekunde erschien eine Elfe neben ihr. Hermine zuckte
zusammen. Und es war ein seltsames Bild, denn die Elfe trug ein wesentlich
kleineres Stück Laken um den Körper gewickelt. Aber ansonsten gaben sie ein
interessantes Paar ab. „Elfe, er hat Schmerzen. Er braucht eine Salbe.“
Die Elfe
wirkte misstrauisch, als würde sie kein Wort verstehen. „Hörst du nicht?“
Sie sah
sich auf dem Flur um, als würden sie belauscht.
„Miss…“,
begann sie leise. So leise, dass Hermine den Kopf zu ihr neigen musste. „Lowyn darf nicht… helfen.“
„Was?“,
entfuhr es Hermine aufgebracht. „Draco wohnt hier! Du musst ihm-“
„Lowyn darf Eure Befehle nicht entgegennehmen, Miss“,
entschuldigte sich das Geschöpf jetzt fast panisch.
„Du darfst meine Befehle nicht…“, wiederholte Hermine verwirrt, aber die Elfe
nickte. „Draco braucht-“
„Master
Draco hat ausdrücklich befohlen, dass Befehle von… von… Menschen wie Euch
ignoriert werden müssen!“ Und Hermine begriff augenblicklich. „Ich kann nicht
helfen.“
„Und
wenn er mit dir spricht?“ Aber die Elfe war mit einem Plopp
verschwunden. Und zornig schritt Hermine über den Flur zurück in das matt
erleuchtete Schlafzimmer.
„Du bist ein Mistkerl“, informierte sie ihn kochend vor Wut.
Und er
öffnete träge die Augen. „Gott!“, stöhnte er.
„Du verbietest deinen Elfen, meine Befehle auszuführen, weil ich ein
Schlammblut bin?“ Sie spuckte ihm das Wort entgegen, überwand den Abstand,
setzte sich neben ihn auf die Bettkante und begutachtete das Mal, das er mit
der Hand umklammert hielt. „Sieh mich gefälligst an,
du feiger Sohn eines Todessers!“
Und er
schien aus seiner Lethargie zu schnappen. Er blinzelte heftig.
„Wie…
hast du mich genannt?“, entfuhr es ihm gepresst, aber er sein Blick wurde
klarer.
„Ich
denke, du hast mich gehört. Ich kann dir nicht helfen, wenn du alle deine
Tabletten zerstörst, und ich kann dir nicht helfen, wenn du den Elfen
verbietest mit Schlammblütern
zu sprechen“, sagte sie kalt. Und sein Ausdruck wurde weicher.
„Hermine,
es tut mir leid“, flüsterte er. Er hatte ihren Vornamen gesagt. Das erste Mal.
„Ich habe mit den Elfen das letzte Mal gesprochen, als meine Mutter ausgezogen
ist. Das ist… eine Weile her“, murmelte er. Sie presste die Lippen aufeinander.
Sein Blick war glasig. Er sah sehr blass aus, blasser als sonst. Sein Bart
schimmerte blond unter dem milchigen Licht.
„Ich weiß
es…“, fügte er tonlos hinzu. „Ich weiß, wer die Muggel ist, die hier in diesem
Haus gestorben ist“, erklärte er und schloss die Augen wieder. Zwei Tränen
rannen seine Wangen hinab, und sie schnappte nach Luft. „Ich… habe sie
gesehen.“
Hermine
hatte die Hand zu ihrem Mund gehoben, während Dracos Arm zuckte. Er hatte sich
auf die trockene Lippe gebissen. Sie würde noch anfangen zu bluten. Sie wusste,
das war wahrscheinlich egal. „Ich habe ihre Leiche an meinem vierzehnten
Geburtstag gesehen“, brachte er stockend über die Lippen.
Und
Hermine tat, was sie tun musste. Sie konnte gar nicht anders. Sie spürte ihre
stummen Tränen und hatte ihre Arme um seinen Nacken geschlungen.
Und sie
hielt ihn fest. So fest sie konnte. Sein Körper zitterte unter ihr, und sie
wartete alle Schauer ab, die ihn befielen, sie fing all seine Tränen auf. Sie
bedeckte seine Narben mit ihrem Körper und wärmte seine mittlerweile eiskalte
Haut.
Und sie
wartete mit ihm. Wartete bis die Sonne ihre ersten Strahlen durch die Spalte
der Vorhänge auf den Teppich warf. Wartete, bis er sich endlich unter ihr
beruhigte.
Und sie
wusste, der Tag, der ihnen bevorstand war lang, und unerbittlich wollte er
anscheinend beginnen. Die letzten Minuten Ruhe verbachte sie damit, ihn zu
halten. Ihn zu küssen, ihn zu beruhigen. Denn wenn er keine Medikamente hatte,
musste sie sein Medikament sein. Und sie verstand nicht alles. Sie verstand ihn
nicht komplett, und sie wollte auch nicht alles verstehen.
Dass sie
jetzt nicht alles wusste, hielt sie davon ab, Lucius Malfoy umzubringen.
Das war
es, was sie mit Sicherheit wusste.
Sie war
unruhig. Sie war mehr als das. Sie kaute nervös auf ihren Fingernägeln, während
sie wie ein gefangenes Raubtier beständige Kreise schritt.
„Merlin,
Hermine, würdest du dich setzen?“, knurrte Ron so ungehalten, als würde sie auf
seinem Rücken hin und her laufen.
„Nein,
Ron“, gab sie bloß zurück. Ginny saß ebenfalls im Büro und strickte, während
sie warteten. Hermine fuhr sich vergessen durch die Haare. Sie hatte nicht
genügend geschlafen, um eine solche Spannung locker wegzustecken.
„Du
wirst die Zeit nicht beschleunigen, indem du uns allen auf die Nerven gehst“,
bemerkte Ron bitter, während er sich über seine Unterlagen beugte. Sie hielt
wütend inne.
„Nur
weil du es nie fertig bringst, irgendein Dokument an seinem ursprünglich
fälligen Datum abzugeben, brauchst du deine schlechte Laune nicht an mir
auslassen, Ronald!“, erwiderte sie säuerlich, und verletzt hob sich sein Blick.
Und er erhob sich nahezu übergangslos.
„Tut mir
leid, Hermine, dass wir nicht alle um das Schicksal eines Todessers bangen.
Wenn er jemanden umgebracht hat, dann-“
„Er hat niemanden umgebracht!“, schrie sie
praktisch, und Ginny ließ das Strickzeug sinken.
„Jetzt
hört schon auf euch anzufauchen, Merlin noch mal!“, fuhr sie beide an. „Harry
und Malfoy sind seit einer halben Stunde da drin. Es wird schon noch eine Weile
dauern, Hermine. Wie wäre es, wenn du und Ron einen schönen heißen Tee trinken
würdet, und…“ Sie ließ die Worte verklingen, während Ron und Hermine sie
ansahen, als hätte sie vorgeschlagen, dass sie sich beide den Schädel kahl
rasieren gehen sollten. „Oh, bitte! Dann stellt euch eben an wie kleine
Kinder!“, fügte sie kopfschüttelnd hinzu.
Hermine
sah Ron nicht an, denn er war derjenige, der einfach nur kindisch war. Sie
verschränkte die Arme vor der Brust und blickte aus dem Fenster.
„Er ist
ein Wahnsinniger, Hermine“, sagte Ron jetzt gepresst, während er immer noch vor
seinem Schreibtisch stand. Nutzlos und undschlüssig.
Aber sie biss die Zähne fest zusammen, um nicht noch einmal zu schreien. „Ein
wahnsinniger Todesser, ein ehemaliger muggelfolternder
Sträfling, der von den stärksten Medikamenten abhängig ist, die auf dem
Schwarzmarkt zu bekommen sind – und du
lässt dich auf ihn ein!“
Sie
wandte sich wieder zu ihm um. „Du kennst ihn überhaupt nicht!“, fuhr sie ihn
an.
Aber
Rons Stirn legte sich in überlegene Falten. „Oh, und du denkst du kennst ihn,
weil du das Glück hattest, ein paarmal sein Bettschlampe zu sein?“ Und sofort
hatte sie sich in Bewegung gesetzt und sein Büro verlassen. Sie war so wütend!
Ron hatte unrecht! Er war einfach nur ein blöder Vollidiot!
Sie
stand auf dem Flur, aber die Tür öffnete sich nach einer Sekunde wieder. Ron
trat auf den Flur hinaus und lehnte sich neben sie an die kahle Wand. Hier oben
war nicht viel Wert auf Dekoration gelegt worden. Die Aurorenabteilung
im Ministerium war wohl die schmuckloseste Abteilung des ganzen Ministeriums.
Wahrscheinlich, weil die Auroren sowieso die meiste
Zeit unten im Training waren und nur lästige Papierarbeit in ihren Büros
erledigten. Und sie wollte sich Rons Worte nicht weiter anhören, aber sie war
auch zu müde, um zu gehen.
Ron
atmete aus.
„Was
willst du noch? Hast du nicht alles gesagt, was sagen wolltest, Ronald?“ Sie
sah ihn nicht an. Sie blickte stur nach vorne vor die graue Wand.
„Ich
hasse Malfoy, Hermine“, brachte er schließlich hervor. „Und… wir haben ihn alle
gehasst“, fügte er fast verteidigend hinzu. „Ich weiß, ich war nicht alleine
mit dieser Meinung!“
„Du
verhältst dich kindisch. Und ich will garantiert nicht mit dir darüber reden.“
„Nein,
bestimmt nicht, oder? Du hast Angst vor meinen Worten, richtig?“ Sie sah ihn
jetzt wieder an.
„Ron, du
datest Lavender“, bemerkte sie mit Nachdruck. „Ich
mag Lavender auch nicht, aber ich toleriere sie dir zuliebe.“
„Du
vergleichst Lavender Brown nicht gerade mit Draco Malfoy, oder Hermine?“,
wollte er trocken von ihr wissen, und sie atmete aus. „Wenn du wenigstens
zugeben würdest, dass es absurd ist, was du tust! Wenn du es wenigstens sagen
würdest! Ich komme mir schon vor, als wäre ich verrückt geworden. Hermine
Granger hätte nie im Leben Draco Malfoy einen zweiten Blick geschenkt“, stellte
er bitter fest. „Hermine Granger-“
„-hätte
nie Ronald Weasley verlassen?“, unterbrach sie ihn leise, und er sah sie an.
„Ron, ich bin all das. Ich tue diese Dinge. Menschen ändern sich.“
„Hermine“,
begann er wieder kopfschüttelnd, aber sie unterbrach ihn erneut.
„Nein.
Du gibst ihm keine Chance!“
„Natürlich
nicht!“, fuhr er sie zornig an. „Wieso sollte ich? Wieso um alles in der Welt?
Erklär mir das! Ich bin dein Exfreund, Hermine. Ich bin nicht dein Bruder oder
dein bester Freund. Ich bin dein verdammter Exfreund. Und jetzt hat er dich so,
wie ich dich hatte! Er hat gesehen, was niemand sonst sehen durfte. Er… hat
meinen Platz eingenommen. Und es ist nicht Dean, es ist nicht Harry – es ist
Draco Malfoy. Verdammt noch mal, es ist Draco Malfoy, Hermine!“ Ron vergrub den
Kopf in seinen Händen, und Hermine seufzte auf.
„Ron-“
„Verlang
alles von mir, aber nicht, dass ich irgendeinen deiner zukünftigen Freunde auch
nur im Ansatz toleriere, Hermine! Und erst recht nicht Draco Malfoy!“
„Und was
jetzt? Jetzt sind wir keine Freunde mehr? Jetzt können wir nichts zusammen
machen, ohne dass du mir die kalte Schulter zeigst? Ohne dass du deine
selbstsüchtige Meinung kundtust?“ Aber er konterte nicht. Er stritt ihre
Beschuldigungen nicht einmal ab. Und er nickte bloß. Das war alles, was er tat.
Er nickte einmal.
„Ja. Ich
kann es nicht anders. Und es ist mir egal. Es ist mir egal, ob er sich um
glatte 580 Grad geändert hat. Es ist mir egal, ob er einen
Hauselfenkindergarten eröffnet. Was hättest du gesagt, wäre ich nach dir mit
Pansy Parkinson zusammengekommen?“
Hermine
wollte auflachen, wollte ihm klarmachen, wie absolut absurd ein solcher
Vergleich und wie vollkommen abwegig überhaupt ein solcher Gedanke war. Und für
einen Moment befand sie sich in seinen Schuhen. Aber der Moment war von kurzer
Dauer.
„Dann würde ich damit klarkommen“, sagte sie fest.
„Die
bist eine schlechte Lügnerin, Granger“, erwiderte er lediglich, während er den
Kopf gegen die Wand zurücklehnte. Er trug seine Trainingsklamotten und sah
wieder aus wie ein verdammter Superheld. Verkohlt, verrußt und bereit,
Jungfrauen aus Nöten zu erretten. Vielleicht sollte er das auch einfach tun.
Vielleicht konnte man nicht alles behalten, nur weil man es wollte. Vielleicht
war es nicht möglich.
„Ich
will dich nicht verlieren“, flüsterte sie in den Flur, ohne ihn anzusehen. Er
atmete aus.
„Du
verlierst mich nicht. Ich bin einfach nur nicht mehr… so oft in deiner Nähe“,
erklärte er rau. Ihre Kehle schnürte sich zu, bei dem Gedanken, dass sie gerade
dabei war, ihren besten Freund zu verlieren.
„Ron“,
begann sie verzweifelt, aber er schüttelte bloß den Kopf.
„Nicht“,
sagte er tonlos.
„Aber
ich-“
„Ich
liebe dich, Hermine. Also… bitte, mach es mir leichter, ja? Du wirst es doch
schaffen, es mir leichter als das hier zu machen, oder?“, verlangte er rau von
ihr zu wissen. Sie hatte den Atem angehalten. Nein! Das meinte er bestimmt
nicht so, wie sie dachte, dass er es meinte! Sie liebte ihn auch! Er war ihr
bester Freund! Aber… seine blauen Augen verrieten ihr, dass er es wohl anders
meinte als sie. Sie spürte die Tränen in den Augenwinkeln. Nein… wieso
verlangte er das von ihr?
Die Tür
öffnete sich. Sie schraken beide zusammen.
Draco
kam auf den Flur hinaus. Richtig! Dracos Geständnis. Hastig riss sie sich
zusammen, lächelte nicht besonders überzeugend und verscheuchte die Trauer, die
sie gerade spürte. Aber fast fiel es ihr leicht, denn Erleichterung flutete
sofort ihren schamlosen Körper, als sie ihn erblickte. Sie wusste nicht, wie es
mit Ron werden würde, wenn sie es ihm leichter machte. Sie wusste nur, es war
keine Option, Draco nicht mehr zu sehen. Egal, wie sehr sie Ron mochte. Ihr
Herz flatterte in ihrer Brust, wie sie es noch nie zuvor gespürt hatte. Er sah
müde aus. Müde, aber wesentlich entspannter als zuvor. Und er sah immer noch
unglaublich schön aus. Trotz der Ringe unter seinen Augen, trotz der Blässe,
trotz der Angst, trotz… trotz allem!
Und er
und Ron wechselten einen kurzen Blick. Rons Blick war voller Verachtung,
unverhohlen und direkt. Auch Dracos Blick war nicht gerade freundlich.
„Ich
hoffe, ich störe nicht“, erkundigte sich Draco Malfoy in so typischer
Malfoy-Manie, mit einem so unterschwellig arroganten Ton, dass Ron beinahe die
Augen verdrehte, aber vielleicht fiel ihm ein, dass Draco Malfoy keine fünfzehn
mehr war, und sie sich nicht auf den Fluren von Hogwarts befanden, wo ein Fluch
lediglich Punkteabzug einbrachte.
„Hey,
wie ist es gelaufen?“, wollte sie eilig wissen, um von der Tatsache abzulenken,
dass sie sich auf einem Flur mit zwei Männern befand, die sie beide bereits
nackt gesehen hatten. Die einzigen Männer, die sie nackt gesehen hatten. Sie
spürte Röte in ihren Wangen und hasste sich dafür. Ron stieß sich von der Wand
ab. Sie folgte ihm mit dem Blick, aber er sah sie nicht mehr an. Harry sprach
im Büro mit Dracos Therapeutin.
„Ich
weiß es noch nicht“, gestand er ruhig ein. Wesentlich ruhiger, nachdem Ron
verschwunden war.
„Du…
weißt es nicht?“, wiederholte sie verwirrt. „Aber… du bekommst keine Strafe,
richtig?“, wollte sie alarmiert wissen, und er ruckte mit dem Kopf.
„Nein,
ich denke nicht. Ich denke, mein Kopf hat alles wunderbar verdrängt. Ich war
außerdem nicht volljährig, und rückwirkend wird niemand bestraft, also…“
„Also…“,
wiederholte sie erneut. „Das heißt, wir können gehen?“ Und jetzt lächelte er
traurig, während er die Hand zu ihren Haaren hob, um durch die wirren Locken zu
fahren. Sie fielen heute dichter um ihren Kopf, weil sie keine Zeit zum Glätten
gehabt hatte. Oder überhaupt Zeit, über so etwas Banales wie Haare
nachzudenken! Und sein Lächeln beunruhigte sie, auch wenn ihr Herz mehrere
Saltos schlug, als sein Daumen über ihre Wange strich. Sie sah, wie Harry
demonstrativ zur Seite blickte. Auch Ginnys Stricknadeln klickten wieder
lauter.
„Das
heißt, es kommt zu einem weiteren Verfahren. Und… Lucius wird aus Askaban
geholt.“ Hermine schluckte. Ein schwerer, kalter Stein war in ihre Magengrube
gesunken und blieb dort erst mal liegen.
„Oh?“
„Bis
dahin würde ich vorschlagen, dass wir zur Arbeit gehen.“ Sie verdaute die
Worte, die er gesagt hatte. Verwirrt, ungläubig und perplex sah sie ihm ins
Gesicht.
„Denkst
du nicht, dass… dass du dich ausruhen solltest?“ Es war eigentlich nicht
wirklich eine Frage.
„Da ich abgelehnt
habe, Medikamente zu nehmen, ist das letzte, was ich will, einzuschlafen,
Hermine“, informierte er sie.
„Du
kannst nicht für immer wach bleiben, und… was?“ Sie sah ihn an. Sie suchte
anschließend den Blick zu Madame Tallis, die
abweisend im Türrahmen stand. „Es kann unmöglich gut sein, alle Medikamente auf
einmal abzusetzen“, sagte sie heftig. Die Therapeutin nickte eindeutig, aber
Draco blieb unbeeindruckt.
„Es geht
mir…“, begann er fest, jedoch fing er sich und runzelte die schöne Stirn. „nicht
schlecht“, endete er, wenig überzeugt, aber plötzlich trat ein bekannter
Ausdruck auf seine feinen Züge. „Miss Granger, würden Sie mir die Ehre
erweisen, mich zur Arbeit zu begleiten?“ Und er kam ihr bekannter vor. Aber
seine Täuschung war nur von kurzer Dauer. Souveränität ließ sich wohl nicht
ganz so leicht vorgaukeln, nahm sie an. Aber natürlich war sie ihm verfallen.
„Sicher
komme ich mit“, erwiderte sie leise.
„Aurorenschutz,… Mr Malfoy?“,
fügte Harry mit erhobener Brau hinzu, und jetzt hörte
Hermine, wie Ron sich vernehmlich räusperte. Anscheinend wollt er Harrys
Aufmerksamkeit erregen. „Wir bieten uns an“, schloss er. Und es war wohl ein
sehr kulantes Angebot von ihm. Aber wahrscheinlich nicht gänzlich an Dracos
Wohl orientiert, wenn Hermine Harrys Blick richtig deutete. Hermine konnte sich
vorstellen, wie Ron diese Sache wohl aufnahm.
Aber sie
hörte keine Beschwerden.
Aber
Draco atmete aus. „Wahrscheinlich… wäre es besser“, räumte er ein. „Auch wenn
ich ihr nichts tun würde, Potter“, endete er zähneknirschend. Harrys Gesicht
war das reinste Pokerface. Sie sah ihn kopfschüttelnd an, aber Harry ignorierte
dies.
„Nur zur
Sicherheit dann“, sagte Harry glatt. Ron erschien neben ihm im Türrahmen, mied
jedoch ihren Blick. Großartig. „Währenddessen kümmert sich die Abteilung um den
Transport von Lucius“, fügte er hinzu. Draco nickte oder schüttelte den Kopf.
So genau konnte sie es nicht bestimmen. Aber sie hatte ein flaues Gefühl.
~*~
Es war
ein seltsames Zusammentreffen. Und Rons Hand verließ keine Sekunde seinen
Zauberstab, der in der Schlaufe seines Gürtels steckte. Hermine war so nervös,
wie noch nie. Draco war seit einer ganzen Weile im Badezimmer, nachdem er heute
relativ erfolgreich im Büro einen Vertrag nach dem nächsten abgeschlossen
hatte, als wäre nichts gewesen. Harry beäugte Pansy misstrauisch, während sich
diese ein Kristallglas voll mit goldener Flüssigkeit goss.
Pansy
trank also harten Alkohol. Es wunderte Hermine nicht. Die Slytherin Mädchen
waren hart gesotten. Sie unterschieden sich nicht besonders von den männlichen
Exemplaren des Hauses Slytherin. Goyle stand in einer
Ecke des Zimmers, kahl geschoren und bedrohlich.
Allerdings
befand Hermine sich eher in der Nähe von Harry und Ron. Sie saß auf der zweiten
schmaleren Couch im Zimmer, während Harry und Ron daneben standen. Das hatte
den Grund, dass auf der breiten, hellen Ledercouch ein ungewöhnlicher Gast
Platz genommen hatte. Narzissa Malfoy war am Abend
angekommen. Auroren hatten sie begleitet. Sie hatte
ihren schwarzen Reiseumhang bereits abgelegt und saß seit zwanzig Minuten auf
der Couch.
Elfen
füllten ihren Weißwein im Zehn-Minutentakt nach, und Hermine war beinahe
hibbelig.
Narzissa war elegant gekleidet, so wie Pansy
es immer war. Sie trug hohe schwarze Pumps, einen knielangen schwarzen Rock,
eine schwarze Seidenbluse, und ihr Dekolleté zierte eine schwer behangene
filigrane Goldkette mit funkelnden grünen Edelsteinen. Die goldenen Haare waren
kunstvoll hochgesteckt, Hermine wusste, sie musste mindestens Anfang vierzig
sein. Aber so sah sie nicht aus. Ganz und gar nicht.
Ihre
Lippen waren voll und schön, wie Dracos, aber Narzissa
lächelte nicht. Sie schwenkte ihren Wein im Glas und blickte stumm nach
draußen.
„Wie
geht es Ihrem Mann?“, fragte Pansy in die Stille hinein, und Hermines Kopf
wandte sich automatisch in ihre Richtung. Ihrem Mann? Fragte sie wirklich nach
Lucius? Aber Narzissa ließ sich tatsächlich auf die
Unterhaltung ein.
„Er
wurde heute aufgehalten. Er wird morgen früh nachkommen“, antwortete sie, die
Stimme kühl und distanziert. Anscheinend war Narzissa
mit einem anderen Mann verheiratet. Viel bedenklicher fand Hermine, dass Pansy
anscheinend Bescheid darüber wusste. Standen die beiden Frauen in so gutem
Kontakt? Narzissas Blick fiel auf Harry, schien seine
Uniform zu begutachten, ehe sie Ron näher ins Auge fasste. „Weasley, nicht
wahr?“, erkundigte sie sich beinahe abschätzend. Ron nickte knapp, während er
sie mit größter Feindlichkeit beobachtete. Narzissa
überschlug die Beine und lehnte sich langsam zurück. Bisher hatte Narzissa ihr nicht einen einzigen Blick gegönnt.
Hermine knetete ihre Finger so hart, dass sie
schon ganz taub wurden. Und endlich öffneten sich die Flügeltüren zum Salon.
Das Haus war riesig, schluckte jedes Geräusch, und beinahe lautlos betrat er
das riesige Zimmer. Und sie spürte, wie sich ihr Kiefer lockerte.
Er sah
unglaublich aus. Er trug einen gewöhnlichen dunklen Anzug, aber die Dusche
hatte ihm gut getan. Einige seiner goldenen Strähnen fielen anbetungswürdig in
seine Stirn, die Ringe unter seinen Augen waren verschwunden, und sein Gesicht
hatte eine gesündere Farbe angenommen. Und tatsächlich zierte ein Lächeln seine
wunderschönen Lippen.
„Mutter“,
begrüßte er sie und kam umstandslos auf sie zu. Narzissa
erhob sich elegant und wartete, bis ihr Sohn sie erreicht hatte.
„Draco“,
erwiderte sie den Gruß und beide schüttelten sich förmlich die Hand. Hermine
sah, dass Narzissa ihren Sohn wohl mit Wohlwollen
musterte. „Ich hatte erwartete, dich nahe am Abgrund zu finden. Schön, dass
dies nicht der Fall zu sein scheint.“ Und Hermine wusste nicht, was in Narzissa vorging, aber sie wusste, sie mochte diese Frau
nicht. Aber Draco lächelte weiterhin. Und er wandte sich von ihr ab, nur um auf
die kleine Couch zuzuschreiten, stellte Hermine mit Schrecken fest.
Und er
hatte sie erreicht. Sein Duft stieg ihr in die Nase. Herb, männlich und so
vertraut. Seine grauen Augen sahen sie warm an, und als er sich hinab beugte,
hielt er mit einer Hand seine Krawatte zurück und hauchte einen Kuss auf ihre
Lippen. Hermine wurde stocksteif vor Schreck und bewegte sich gar nicht.
Schon
hatten seine Lippen die ihren verlassen und er setzte sich neben sie. Sie
spürte Harrys Blick auf sich, aber sie wagte nicht, überhaupt jemanden
anzusehen. Draco überschlug ein Bein und ergriff umstandslos ihre Hand, um sie
in seiner zuhalten. Oh Merlin! Jedenfalls jetzt hatte Hermine Narzissas völlige Aufmerksamkeit.
„Das ist
jedoch eine Überraschung“, bemerkte Narzissa eisig.
„Ich hatte angenommen, Sie wären lediglich eine weitere Aurorin“, fügte sie mit
einem falschen Lächeln hinzu. Hermines Herz schlug ihr bis zum Hals.
„Nein.
Miss Granger arbeitet für mich“, erklärte Draco schlicht. Hermine schloss kurz
die Augen.
„Ach so?
Als was, wenn ich fragen darf?“, erwiderte seine Mutter, immer noch lächelnd,
jedoch hing die unausgesprochenen Beleidigung schwer im Raum. Ron hatte sich
augenblicklich in Bewegung gesetzt, und sofort traf ihn Narzissas
Blick. „Irgendetwas, was Sie mir sagen möchten? Mr
Weasley?“, fügte sie gedehnt hinzu, aber Ron beherrschte sich.
„Sie ist meine Assistentin, Mutter. Und meine Freundin“, erklärte Draco,
während sich seine Stimme deutlich abgekühlt hatte. Hermine jedoch hatte
Schwierigkeiten zu atmen. Seine was? Oh Merlin! Sie war… seine Freundin. Sie
war die Freundin von Draco Malfoy! Sie kam sich vor wie eine alberne Hexe bei
einem Quidditchspiel, die mit dem beliebtesten Sucher
zusammen war. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht hysterisch zu lachen.
„Aber… das geht dich wenig an, nicht wahr?“, fügte Draco mit einem genauso
falschen Lächeln wie das seiner Mutter hinzu. Die Stimmung hatte sich wieder
abgekühlt.
Und Narzissas Blick war alles andere als verständnisvoll oder
gar überhaupt im Ansatz tolerant. Aber sie sprach nicht mehr. Und plötzlich
hatte Hermine ein mehr als schlechtes Gefühl. Ein bitterer Geschmack hatte sich
in ihrer Kehle festgesetzt. Der Blick der bösen Frau wanderte über das Gesicht
ihres Sohnes.
Und
irgendetwas Endgültiges erwachte in Narzissas grauen
Augen. Und Hermine spürte, wie Dracos Hand keinen Druck mehr auf ihre Hand
ausübte. Ihr Atem ging flacher vor Angst. Dabei war es ein paranoider Gedanke.
Was konnte Narzissa Malfoy ihr schon anhaben? Sie
mochte Hermine nicht? Gut, Hermine mochte sie genauso wenig.
Es war
ein langer Tag gewesen. Und er war noch nicht einmal zu Ende.
Sie
hatte Magenschmerzen, wenn sie an die nächsten Stunden, an die nächste Nacht
dachte. An den nächsten Morgen, wenn Lucius Malfoy ins Ministerium zum letzten
Verhör gebracht wurde. Und sie wusste nicht, was genau es war, aber sie hatte
ein schlechtes Gefühl. Eine nagende Ahnung. Vorahnungen waren ihre Stärke. Im
Krieg waren sie das allerwichtigste gewesen. Aber sie hoffte, dass sie nur
nervös war.
Sie
spürte Harrys Blick auf sich, und sie wünschte, er würde endlich woanders
hinschauen. Egal, wohin. Nur nicht mehr in ihr Gesicht.
Als sie
aufwachte, war sie allein. Sonnenstrahlen fielen durch die Ritze der Vorhänge
auf den Boden. Kurz hatte sie vergessen, wo sie war, aber die Erinnerung kehrte
portionsweise zurück, und mit Schrecken hatte sie sich aufgesetzt.
Er hatte
gewollt, dass sie die Nacht über in Malfoy Manor
blieb. Und wäre Narzissa nicht hier, hätte sie
überhaupt nicht gezögert. Auch Harry und Ron war von ihm angeboten worden zu
bleiben. Harry war geblieben. Ron nicht. Und anscheinend war es schon später
als sie angenommen hatte, denn sie hörte reges Treiben in den unteren
Stockwerken des Hauses.
Wo war
Draco? Wieso hatte er sie nicht geweckt? Hatte er Albträume gehabt? Sie hatte
davon nichts mitbekommen. Sie schwang die Beine aus dem Bett, zitterte vor
Kälte und verschwand im Bad, um sich fertig zu machen. Sie verzichtete auf eine
ausgiebige Dusche, putzte sich mit einer der vielen Ersatzzahnbürsten die
Zähne, kämmte die Haare eilig und bändigte ihre Locken auch heute nur mit einem
Haargummi. Sie flocht sie zu einem Seitenzopf, der ihr lang über die Schulter
nach vorne fiel.
Sie
schlüpfte in ihre frischen Sachen, die sie gestern mitgenommen hatte, und ihr
Magen knurrte tatsächlich, auch wenn sie den Hunger noch nicht spüren konnte.
Sie lief
wahllos durch einen der Flure, bis sie eine Treppe nach unten fand. Es war ein
riesiges Labyrinth. Die Stimmen wurden lauter. Es waren viele Stimmen, fremde Stimmen,
die sie nicht zuordnen konnte. Sie erreichte das Esszimmer. Die Türen dort
waren nur angelehnt. Die Portraits hatten sich in ihren Rahmen soweit zur Seite
gebeugt, um von den Gesprächen auch etwas mitzubekommen und bedachten sie mit
einem gereizten Blick, als sie versuchte, so lautlos wie möglich, zu gehen.
Sie
betrat das Esszimmer.
Sie sah
Ron war wieder da. Und noch eine ganze Menge an Auroren
und Männern in Anzügen mit Brillen. Witherby war
ebenfalls anwesend. Narzissa saß an einem Ende des Tisches,
umringt von hektischen Zauberern.
Harrys
Blick hob sich, als er sie erkannte. Er wirkte angespannt, und sie machte einen
Schritt weiter ins Zimmer. Wo war Draco? Einige der stehenden Auroren wandten sich um und boten ihr somit einen breiteren
Blick auf den langen Esstisch. Und ihr Atem gefror.
Lucius
Malfoys Blick durchbohrte sie förmlich. Fast hätte sie ihn gar nicht
ausgemacht, in der Ansammlung an Menschen. Seine Hände ruhten auf dem Tisch,
die Handgelenke mit schweren Ketten verbunden. Um seinen Hals lag das Band der
Isis. Sie kannte seine Kraft. Es hinderte den Träger daran, jegliche Art von
Zaubern auszuführen. Lucius Malfoy war also gerade harmlos. Gefesselt, aber
harmlos, was Magie anging. Das silberne Band war breit und schwarze Runen waren
in das breite Band geritzt. Es sah nicht bequem aus, und Lucius Malfoy wirkte
auch nicht besonders angetan von seiner Situation.
Seine
Haare waren zurückgebunden. Seine Frisur wirkte unordentlich, seine
Gesichtsfarbe ungesund. Die Höhlen seiner Augen waren stark zu erkennen, seine
Wangen waren ausgemergelt. Nein, er ähnelte seinem Portrait in seinem
Arbeitszimmer nur noch entfernt. Und er sah alt aus. So alt, wie sie ihn nicht
in Erinnerung hatte.
Sein
Mund verzog sich, als er sie erkannte.
Hermines
Herz schlug laut in ihrer Brust.
Wo war
Draco?
Lucius
wandte den Blick nicht von ihr ab. Und plötzlich überkam sie maßlose Wut auf
diesen Mann. Sie schritt näher zum Tisch. Die Auroren bewegten sich unruhig, beobachteten die Situation,
und Lucius‘ Ketten klirrten, als er seine Finger ineinander verschränkte.
„Eine
Muggel in meinem Haus“, stellte er schließlich fest. Und seine Stimme war das
einzige, was sie wieder erkannte. Aristokratisch einzigartig. Angsteinflößend
und arrogant. Sie tauschte einen Blick mit den Auroren.
„Wann beginnt die Verhandlung?“
„Heute
Nachmittag. Siebzehn Uhr“, sagte ein fremder Auror
schließlich.
„Warum
ist er nicht im Ministerium?“, wandte sie sich anklagend an Harry. Dieser
antwortete nicht sofort. Ein Lächeln kräuselte die Lippen von Lucius Malfoy,
und es widerte sie an.
„Weil die Herrschaften lieber gemütlich zuhause die Einzelheiten besprechen
wollten.“ Und sie hörte Harrys Ablehnung in seinen Worten. Sie schienen Narzissa Malfoy zu gelten, die ein falsches Lächeln
aufsetzte.
„Nur
weil mein Exmann keine adäquate Verhandlungsbasis verdient, gilt dieses Prinzip
nicht für mich“, informierte sie Hermine, ohne sie anzusehen.
„Das
hier ist immer noch mein Haus“, unterbrach sie Lucius kalt.
„Noch, ja“, erwiderte Narzissa
zuckersüß und gefährlich wie eine Viper.
„Wo ist
Draco?“, fragte sie Harry jetzt leiser.
„Arbeiten“, erwiderte dieser lediglich. Und sie nickte nur.
„Gut, dann gehe ich.“
„Ich
rufe dir einen Auroren-Eskort-“, begann Harry, obwohl
er nicht begeistert klang.
„Nein“,
unterbrach sie ihn. „Schon gut, ich schaffe es alleine.“
Sie
ignorierte Narzissas Lächeln, Lucius‘ bösen Blick,
und sie musste hier verschwinden, bevor sie sich zu etwas hinreißen ließ, was
sie noch bereuen würde.
Als sie
nach zwanzig Minuten endlich das Haus verlassen, von Goyle
zum Rand des Grundstücks begleitet worden und appariert
war, konnte sie endlich aufatmen. Außerhalb des Hauses funktionierte ihr Körper
auch wieder, und sie spürte ihren Hunger deutlicher.
Aber
erst wollte sie ihn sehen.
Sie
betrat das Gebäude, ließ die Hexen im Empfang hinter sich, ignorierte alle
Fragen und Blicke und verfluchte den Fahrstuhl, der ihr viel zu langsam fuhr.
Sie beschleunigte ihre Schritte im Flur und betrat das bekannte Büro.
Draco
stand. Den Kopf über Unterlagen gebeugt. Er hob den Blick, als sie die Tür
hinter sich schloss.
„Hey“,
sagte sie, unschlüssig, was sie sagen sollte. Er sah sie an. „Du… hast mich
nicht geweckt. Wie… hast du geschlafen?“ Aber sie sah an seinen müden Augen,
dass er wohl wenig geschlafen haben musste. Und es war gerade auch nicht
wichtig, denn… sein Vater saß in Malfoy Manor. Sie
schloss den Abstand zu ihm.
Er
machte keine Anstalten, sie zu küssen oder zu umarmen. Seine Unberechenbarkeit
machte sie vollkommen nervös. „Draco?“ Sie sah ihn fragend an.
Sein
Blick war nüchtern und klar.
„Draco?“,
flüsterte sie wieder, diesmal beängstigt. Aber er wandte den Blick wieder ab.
Leer und matt.
„Du
hättest nicht kommen müssen“, sagte er lediglich. Sie sah ihn stirnrunzelnd an.
Er mied ihren Blick entschieden.
„Was?“,
entfuhr es ihr verwirrt. „Ich bin aiufgewacht und du
warst nicht da! Ich bin runter gegangen und… du warst schon auf der Arbeit.“
„Ja. Das
bedeutet nicht, dass du kommen musstest“, erklärte er schlicht. Sie schüttelte
verständnislos den Kopf.
„Draco,
was ist passiert?“, fragte sie vorsichtig, wollte näher kommen, aber er wich
zurück.
„Du
kannst hier nicht mehr arbeiten“, sagte er plötzlich mit beschlagener Stimme.
„Was?“,
wiederholte sie völlig entgeistert und schüttelte den Kopf. „Was redest du da?“
„Ich
muss dich entlassen“, wiederholte er rau.
„Warum?
Was tust du denn?“
„Ich…
danke dir für die Zeit, die du investiert hast. Ich werde dir eine Empfehlung
schreiben. Ich lasse sie die per Post zukommen“, sagte er steif, und sie griff
nach seinem Arm, zog daran, damit er sie ansah.
„Draco Malfoy, sieh mich an!“, befahl sie ungläubig. Langsam senkte er den
kalten Blick auf ihr Gesicht.
„Es ist
besser so“, versicherte er nüchtern.
„Ich
verstehe nicht…“, begann sie und spürte die Tränen in sich aufsteigen. Sie sah
seine Hände zittern. „Draco!“, wiederholte sie, ergriff seine Hände, aber er
entzog sie ihr.
„Du
verstehst das nicht!“, sagte er heftig, und sie schniefte laut.
„Nein, ich verstehe es nicht! Erkläre es mir!“
„Eine
Muggel und ein Reinblüter?“ Er lachte freudlos auf. „Es kann nicht
funktionieren! Ich kann nicht mit dir zusammen sein!“
Und
plötzlich spürte seinen einen Schmerz in der Brust. „Deine Mutter…“, flüsterte
sie.
„Du
solltest gehen“, sagte er knapp.
„Sie ist
daran schuld, nicht wahr?“
„Sie ist
an gar nichts schuld“, widersprach er kopfschüttelnd, die Stimme tief vor
Bitterkeit.
„Draco!“,
entfuhr es ihr verzweifelt.
„Sie
wird mir das Unternehmen wegnehmen! Es ist ihrs. Und… Lucius ist wieder da.
Ich… habe meine Therapie unterbrochen. Wenn… ich dich hierbehalte, wird sie
mich als unzurechnungsfähig darstellen, begreifst du nicht? Dann ist es ihr Unternehmen! Sie setzt mich an die
Luft! Sie werden denken, ich wäre genauso verrückt wie Lucius!“
„Draco“,
wiederholte sie unter Tränen.
„Die Aussage eines Verrückten vor Gericht zählt so viel wie eine Muggel in
Malfoy Manor. Es… es tut mir leid“, fügte er
kopfschüttelnd hinzu.
Sie
begriff. Seine Mutter drohte ihm. Sie drohte ihm, ihm alles wegzunehmen. Sie
drohte ihm sogar an, seine Aussage nicht gelten zu lassen. Der Beweis, dass
sein Vater Askaban niemals mehr verlassen durfte! So viel Macht konnte Narzissa Malfoy nicht besitzen! Hermine wusste, sie war
neben ihrem Mann Haupterbin. Wer in Askaban war, verlor seinen Anspruch! Aber
Draco arbeitete schon solange hier! Das konnte sie nicht tun! Das konnte sie
erst recht nicht tun, nur weil sie, Hermine, hier arbeitete! Nur weil sie eine
Muggel war!
Aber… er
hatte Angst. Sie sah es ihm an.
Und sie
war schuld. Sie hatte ihn gezwungen.
Und es
war falsch. Es war falsch, dass ihm seine Mutter ein solches Ultimatum stellte.
Dass sie ihm drohte, ihn einweisen zu lassen, ihm alles zu nehmen, nur weil…
nur weil er sie eingestellt hatte. Nur weil er sie… mochte. Falls er das
überhaupt tat.
Und sie
fühlte sich machtlos.
„Was
soll ich tun? Ohne dich?“, fragte sie jetzt tonlos.
„Siehst
du es denn nicht?“, wollte er beinahe zornig von ihr wissen. „Ich bin ein
Feigling, Granger. Ein elender Scheißkerl. Du brauchst mich nicht. Ich bin
kaputt! Ich ziehe mein Unternehmen dir vor. Das sollte dir eigentlich alles
sagen, was du wissen musst“, endete er mehr als kalt. Sie nickte schwer und
Tränen fielen auf ihre Wange.
Und sie
wollte ihn fragen, was passierte, wenn es vorbei war. Wenn die Verhandlungen
vorbei waren, wenn… er das Unternehmen behalten konnte. Was war, wenn seine
Therapie beendet wäre, was er dann tun würde, wenn er bescheinigt bekäme,
wieder vollkommen gesund zu sein?
Was er
dann tun würde? Wie lange es dauern würde? Ob er sie liebte? Oder nicht?
Aber sie
biss sich auf die Lippe.
Ihr
schöner, verlorener Draco sah sie verzweifelt an. Er war ein Schatten seiner
selbst.
Sie
hatte ihn verloren. Er war nicht mehr da. Er war der Feigling, den er sich
selber schimpfte. Und sie könnte ihn nicht zwingen! Sie konnte es versuchen.
Konnte anfangen, zu erklären, warum sie ihn nicht verlassen wollte, weshalb er
sie nicht entlassen konnte, dass sie nicht ohne ihn leben wollte, dass sie… -
aber sie wusste, es würde nicht helfen.
Was,
wenn sie ihn überzeugen würde? Was, wenn sie sich einfach wieder für ihn ausziehen
würde, ihn einfach dazu brachte, seiner Mutter zu trotzen, vor Gericht zu
gehen, mit der Aussicht, sein Unternehmen und sein Gold zu verlieren?
Was
passierte dann?
Dann
hätte sie einen gebrochenen Mann. Und nur weil seine Mutter sie hasste, weil
sie nicht ertragen konnte, ihren Sohn mit ihr zu sehen! Und war es das wert?
War es das alles wert, diesen Kampf zu kämpfen? Und ihn damit vielleicht noch
mehr zu verlieren als jetzt?
Sie
konnte ihm nicht helfen! Was machte sie sich vor? Er war nicht Harry. Er war
nicht Ron! Diese beiden konnten vielleicht alles guten Gewissens für sie
aufgeben, aber Draco Malfoy? Er war an sein Gold gekettet! Seine Seele gehörte
seiner Familie, seinem Status, seinem Vermögen!
Wer war
sie schon? Sie war Hermine Granger. Sie war… nichts weiter.
Pansy
hatte vollkommen recht. Sie war das, was Draco hasste.
Und sie
atmete aus. Die Luft verließ in Resignation und Hoffnungslosigkeit ihre Lungen.
Sie spürte nichts mehr.
„Auf
Wiedersehen“, flüsterte sie. Und sie sah ihn nicht an. Sie wollte sein schönes
Gesicht keine Sekunde länger ertragen müssen. Sie hatte ein schlechtes Gefühl
gehabt, als sie aufgestanden war. Sie hatte ein schlechtes Gefühl gehabt, als
sie hergekommen war. Wieso war sie hier überhaupt? Was hatte sie sich versprochen?
Wäre sie doch niemals hergekommen, hätte sie das hier doch hinausgezögert, bis
es unvermeidbar gewesen wäre.
Sie
hatte sich abgewandt, aber es geschah in ihrer Trance.
„Granger“,
hörte sie seine brüchige Stimme, aber die Tränen nahmen ihr die Sicht, als sie
nach der Tür tastete. Sie ignorierte seine Stimme.
Das war
es jetzt. Und das Gefühl war so bodenlos, dass sie sterben wollte. Auf der
Stelle.
Was
hatte sie nur getan?! Was hatte sie getan…?
Sie
musste fort von hier! Auf dem Flur stützte sie sich an den Wänden ab, stolperte
weiter. Nur schnell weg, nur raus hier!
Fort….
~*~
„Emma
Crane“, sagte er tonlos. Die Augen hatte er leer nach vorne gerichtet. Der
Gerichtssaal war unglaublich voll. Auroren, Wärter,
Heiler – alle möglichen Gestalten hatten sich versammelt. Und er hatte den
Namen ausgesprochen. Den Namen des Mädchens, das tot in der Badewanne gelegen
hatte.
„Sie sind sicher? Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Veritaserum
anwenden?“
Draco
schüttelte den Kopf. Er wusste nicht einmal mehr, wer die Fragen stellte. Ein
Zauberer erschien in seinem Blickfeld. Draco ergriff den Flakon mit klarer
Flüssigkeit und trank widerstandslos. Sofort fühlte er sich benebelt. Seine
Zunge schien leichter in seinem Mund. Er hörte die Fragen des Richters wie aus
weiter Ferne.
Erneut
antwortete er, beantwortete alle Fragen bezüglich dieses verhängnisvollen Tages
erneut. Nur am Rande nahm er war, wie Lucius von mehreren Auroren
festgehalten werden musste, wie er stumm gehext wurde, und Dracos Zunge sprach.
Sie sprach so viele Worte.
Er
erinnerte sich an viele Dinge. An so viele Prügelstrafen. Er erinnerte sich,
dass Lucius Narzissa genauso geschlagen hatte, wie
ihn. Er erinnerte sich an die vielen Muggel, erinnerte sich an die Todesser
treffen, erinnerte sich an den Tag, an dem er gezwungen wurde, das Mal tragen
zu müssen, erinnerte sich an die Schmerzen, an die Angst und nach einer Weile
kehrte das Gefühl zurück in seine Gliedmaßen.
Das Veritaserum verlor an Wirkung.
„Vielen
Dank, Mr Malfoy“, sagte der vorsitzende Richter.
Dann
sprach er von Beweislast, beriet sich mit Madame Tallis,
die Draco als zurechnungsfähig beschrieb, die Aussagen ohne weiteres als
zutreffend, und als die magische Strafverfolgung mit dem Beweis eintraf, dass
auf dem Grundstück von Malfoy Manor die Überreste
eines menschlichen Körpers, gebannt in einem Transformationszauber, gefunden
worden waren, ging alles sehr schnell.
Die
Strafe wurde verhängt. Er bekam nicht viel davon mit. Er kam nicht mit, was
sein Verteidiger zu ihm sagte, er bekam das große Treiben nicht mit, als Lucius
abgeführt wurde, er bekam nicht mehr mit, wie die Auroren
den Saal verließen und wie ihn die Richter entließen.
Er
spürte etwas Seltsames. Seine Hände wurden kalt. Alles in ihm wurde kalt. Alles
verschwamm, bis er ihr Gesicht erkennen konnte. Ihr wunderschönes Gesicht.
Er
hatte… sie verloren.
„Mr Malfoy!“, drang die besorgte Stimme von Madame Tallis wie durch Wasser an seine Ohren, aber er konnte sie
nicht sehen. Irgendwas passierte. Kurz spürte er Panik durch seinen Körper
zucken. Kurz versuchte er sich gegen das zu wehren, was ihn befiel.
„Draco!“,
rief sie wieder, aber er schaffte es nicht. „Wir verlieren ihn! Schnell, meinen
Zauberstab!“, rief sie in eine andere Richtung.
„Dra-“
Ihre
Stimme war abgerissen. Er sah nur noch ihr Gesicht. Sah nur noch ihre braunen
Augen.
Wo war
er gelandet? Schemenhaft erkannte er verschwommene Umrisse, verschwommene
Gestalten, die sich auf ihn zu bewegten, aber nur in einem verschwommenen Ring,
um Grangers Erscheinung, die sich in sein Blickfeld gebrannt hatte.
Verflucht.
Er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht sprechen und wusste, er hatte soeben
seinen Verstand verloren. Er hatte ohne sie seinen Verstand verloren….
Es vergingen Tage. Wochen.
Alles blieb still. Sie kam nicht mehr
jeden Tag. Sie wusste nicht mal, ob er sie überhaupt sehen konnte. Ob er
überhaupt wusste, wo er war.
Er saß den ganzen Tag. Ob in einem
Rollstuhl, einem Lehnstuhl, in seinem Bett. Er starrte geradeaus, die grauen
Augen leer und ausdruckslos, völlig verloren, in einer Welt, zu der sie keinen
Zugang besaß.
Die Therapeutin vermutete, dass der
Stress, das Absetzen der Medikamente, der Schmerz und das Geständnis, die
Erinnerungen, all der Schmerz einen totalen Zusammenbruch ausgelöst hatten.
Sein Körper hatte abgeschaltet.
Er war nicht mehr hier, so sagten die
Heiler.
Das Essen bekam er magisch
verabreicht. Seine Vitalfunktionen wurden ebenfalls mit Magie aufrecht
erhalten. Er schlief mit einem Zauber und wurde mit einem Zauber wieder
geweckt. Klinisch gesehen war er nicht mehr lebendig. Seine Gehirnfunktionen
wurden mit einer nahe Null-Aktivität gemessen.
Sie glaubte, dass sie manchmal seine
Augen zucken sah, wenn sie zu ihm sprach, auch wenn sie nur seine Hand hielt.
Es war keine echte Lethargie. Es war kein echtes Wachkoma. Es war etwas
zwischen allen Dingen.
„Guten Morgen, Draco“, sagte sie
leise und ergriff seine Hand. Sein Kiefer hing etwas schlaffer. Eine der
Schwestern hatte ihn rasiert, fiel ihr auf. Sie hatte ihm in die Wange
geschnitten. Missbilligend strich sie mit Finger über das trockene Blut. Kurz
glaubte sie, dass sich seine Iris verkleinerte. Ganz kurz.
Aber sein Körper regte sich nicht, in
dem Stuhl, in dem er saß. Man hatte ihn vor ein Fenster geschoben.
„Wie hast du geschlafen?“, erkundigte
sie sich, wie jedes Mal. „Gut?“ Sie betrachtete sein ausdrucksloses Gesicht.
„Ich war die letzte Woche nicht hier, denn Ginny hat Harrys Sohn zur Welt
gebracht“, fuhr sie leiser fort. „James Sirius Potter“, sagte sie lächelnd.
„Na ja… die Geburt hat zwanzig
Stunden gedauert, alle sind wohlauf“, schloss sie freundlich.
„Dem Unternehmen geht es… na ja… gut.
Witherby kümmert sich um… alles. Er ist wirklich
eifrig. Eine gute Entscheidung, ihn einzustellen.“ Die Heiler hatten ihr
geraten, so natürlich wie möglich mit ihm umzugehen, dass eine geringe Chance
bestand, dass er einfach wieder aufwacht, aus der Lethargie schnappte. Dennoch
enthielt sie ihm die schlechten Nachrichten. Besser war es wohl.
„Madame Tallis
kommt heute Nachmittag vorbei. Sie… haben Lucius gestern in Askaban den Kuss
verpasst. Ich dachte, ich sage es dir“, flüsterte sie, während ihr Daumen
abwesend Kreise über seinen kalten Handrücken strich.
„Ich… werde in Urlaub fahren, Draco.
Mit… Ron“, fügte sie schnell hinzu. „Er hat mich eingeladen. Harry und Ginny
sind häufig im Fuchsbau, denn Molly kümmert sich zu gerne um das Baby. Und… Ron
dachte, es wäre eine Abwechslung nach all der…“ Sie sprach nicht weiter. Was
sollte sie sagen? Sie führte nur Selbstgespräche mit ihm.
Es war viel Zeit vergangen. Mehr als
ein Monat war vergangen. Madame Tallis hatte ihr erklärt,
Draco hätte abgeschaltet. Sein Körper hätte aufgehört, wach zu sein. Er hätte
sich geweigert. Und Hermine verstand. Vielleicht. Es war an der Zeit gewesen.
Es war zu schmerzhaft für ihn. Es hatte passieren müssen. Vielleicht.
Sie erkannte ihn nicht mehr. Und er
driftete immer weiter fort von ihr. Sie wusste nicht, ob sie ihn zurückholen
konnte.
Und ob er das überhaupt wollte?
Vielleicht ging es ihm gut, da wo er jetzt war? Und sie wusste, die Heiler
ließen die Frage im Raum schweben, wie lange sie noch warten würden. Draco
Malfoy hatte genügend Gold, um für immer in diesem Status der Lethargie zu
bleiben, natürlich. Aber… ob er das wollte?
Und Madame Tallis
hatte ihr gesagt, dass sie nicht genau bestimmen könnte, wie er reagieren
würde, sollte er noch einmal aufwachen. Hermine schluckte schwer, wie jedes
Mal, wenn sie daran dachte. Er könnte ernste Schäden davon getragen haben,
könnte sein Sprachzentrum vielleicht nie mehr bedienen, hatte vielleicht
immense Gedächtnislücken.
Die Chancen, dass er es unbeschadet
schaffte waren gering.
Sie schloss die Augen, denn es machte
sie traurig, ihn so zu sehen.
„Draco“, flüsterte sie und lehnte
sich näher zu ihm, ohne dass er augenscheinlich reagierte. „Wo bist du jetzt?“
~*~
Oh verfluchte Scheiße! Er würde noch
wahnsinnig werden!
Wo er war?! Er saß hier. Hier auf
einem verdammten Stuhl, im verdammten Mungo, und sein verdammter Körper hatte
ihn im Stich gelassen! Und sie wollte mit Weasley in Urlaub fahren? Hatte sie
ihren verdammten Verstand verloren?!
Nein. Er hatte ja seinen verdammten
Verstand verloren. Dabei sah er noch nie so klar wie jetzt! Wie verdammt noch
mal genau jetzt! Und ausgerechnet jetzt hatte sie sein Körper entschieden, ein
sabbernder Idiot zu werden!
Das Unternehmen lief gut? Gut. Er
hatte nichts anderes von Witherby erwartet. Und
Lucius‘ Seele war fort? Auch gut. Wirklich gut!
Und wo war er? Ja, wo war er zum
Teufel noch mal?
Er wusste es nicht. Wenn er wach war,
sah er alles, hörte jeden und konnte nicht reagieren. Er war wütend. So wie sie
sprach musste er… aussehen wie ein Wrack!
Granger! Er dachte es voller Zorn,
mit großem Drang, aber nichts passierte. Er versuchte, seinen Kiefer
anzuspannen, seine Muskeln zu gebrauchen, seinen Blick zu heben, aber nichts
passierte! Und es passierte seit Wochen nichts. Wie demütigend es war, von
fremden Schwestern gewaschen, umgezogen, gepflegt, gefüttert zu werden, ohne
auch nur mit der Wimper zucken zu können!
Wie sie ihn in den Schlaf zwangen,
wie ihn Träume überrollten, die er nicht kontrollieren konnte! Wie viele Heiler
tagtäglich rein schneiten, ihn berührten, ihn testeten, in sein Gehirn drangen
und trotzdem nicht erkennen konnte, dass er nicht weg war! Er war genau hier!
Er hatte schon die Theorien durchgespielt,
dass er nicht wirklich hier war. Dass er in der Hölle war. Dass das die Hölle
sein müsste, in der er im Mungo gefangen war, ohne sprechen zu können, ohne
überhaupt irgendetwas tun zu können!
Er hasste es! Wenn er doch nur seine
Arme heben könnte! Wenn er doch nur… irgendwas tun könnte!
Und er versuchte es. Jedes Mal, wenn
sie da war! Warum verpasste sie ihm keine Ohrfeige? Keinen Schock mit dem
Zauberstab? Wieso ließ sie ihn hier sitzen, behandelte ihn wie ein rohes Ei?!
GRANGER!!!, schrie sein Inneres
praktisch in ihr Gesicht, aber sie bemerkte es nicht mal.
Er musste raus hier! Er musste raus
aus seinem Körper! Er hatte lange genug hier gesessen, allein, zurückgezogen
und wahnsinnig. Aber er war ja nicht wahnsinnig! Merlin, noch mal! Seine Therapeutin
war ebenfalls eine herbe Enttäuschung. Sie versuchte nicht mal wirklich, ihn zu
retten.
Draco gab nach. Es half nichts.
Granger würde gleich verschwinden, wahrscheinlich ihre scheiß Koffer packen, um
mit diesem hinterhältigen Arschloch von Weasley Urlaub zu machen, indem er
bestimmt versuchen würde, sie zu gewinnen. Arschloch, verfluchtes scheiß
Arschloch!
Gott!
Er spürte kurz, wie sich seine
Pupillen verengten. Und sie sah es. Sie sah jede kleine Bewegung in ihm.
Aber eine solche Wut konnte er nicht
die gesamte Zeit aufrechterhalten. Vor allem nicht, wenn das einzige Resultat
darin bestand, dass seine Pupille kleiner wurde.
Merlin! Er sah, wie sie aufstand.
Er sah aus den Augenwinkeln, wie sie
ging.
Und er hatte keine Ahnung, wie lange
ihn die Schwestern dort hatten sitzen lassen. Vor dem scheiß Fenster, mit dem
scheiß Ausblick, der ihn kaum weniger interessieren konnte als die Beziehung
zwischen Schwester Laura und dem Pfleger Paul.
Sein Verstand driftete manchmal ab.
Manchmal verließ er seinen Körper und fand sich an seltsamen Orten wieder. Er
konnte sie alle irgendwo in der Nähe von Hogwarts einordnen. Oft genug kam er
selber nach Hogwarts zurück.
Aber er schaffte es nie, das Schloss
zu betreten.
Aber heute… rannte er.
Er rannte auf die Portale zu, ehe sie
sich schließen konnten. Er spürte, wie sein ganzer Körper zitterte, vor
Anstrengung, spürte, wie er schneller rannte, wie Schweiß auf seinem gesamten
Körper ausbrach. Nur am Rande seiner Wahrnehmung, spürte er, wie Hände ihn
ergriffen, ihn wegzerrten, aber er konnte es nicht einordnen, konnte nicht
sagen, was Traum oder Wirklichkeit war. Oder war all das nur ein Traum?
„Er hat einen Schock!“, vernahm er
die dumpfe Stimme von Heiler Johnson, aber schon verstummten alle
Nebengeräusche und er warf sich mit voller Kraft durch die Tore des Schlosses
und segelte über Steinfußboden. Er schlitterte weiter vor, als wäre der Boden spiegelglatt, direkt in
die Große Halle.
Er war allein, als er plötzlich liegen
blieb.
Alles schmerzte ihn, aber er hob den
Blick. Die Haustische waren verlassen. In den Kaminen flackerten
heruntergebrannte Feuer, und er setzte sich keuchend auf.
Ganz hinten am Lehrertisch erkannte
er eine Erscheinung. Es konnte nichts anderes sein, denn… Draco wusste, es
konnte nicht anderes sein.
Er kam auf die Beine, und es kam ihm
vor, als wäre er seit Monaten nicht aufgestanden. Sein Körper zitterte bei
jedem Versuch, einen Schritt zu machen. Er taumelte vorwärts, nicht willig,
aufzugeben, bis er das Ende der leeren Halle erreicht hatte.
Dumbledore schien geduldig zu warten.
Und Draco brach vor dem Lehrertisch
zusammen. Keuchend, am Ende seiner Kraft.
„Draco“, begrüßte ihn der Mann
freundlich. Draco hob den tränenverhangenen Blick. Er schaffte es kaum, zu Atem
zu kommen. Es war wirklich Dumbledore. Seine Brillengläser glänzten im
schwachen Feuerschein. Sein Bart war lang und genauso weiß, wie er ihn in
Erinnerung hatte. Dumbledore hatte ihn vorne unterm Kinn mit einem Silberband
zusammengefasst.
Er trug einen weißen Umhang, keinen
Hut, keinen Zauberstab.
Er hatte die langen knochigen Finger
ineinander verschränkt und schien nur darauf zu warten, dass Draco sich
erholte.
Ein Lächeln zierte das Gesicht des
alten Mannes, und Draco kam endlich wieder zu Luft.
„Professor“, entfuhr es ihm rau. Der
Mann lächelte. „Ich träume wieder?“ Es war wirklich eine Frage, denn Draco
wusste es nicht wirklich. Der Mann lächelte weiterhin.
„Ja“, sagte er schließlich.
„Wie wache ich auf?“, rang er sich
keuchend ab.
„So wie jeder andere auch, Draco“,
erwiderte Dumbledore mit einem kryptischen Lächeln, aber Draco schüttelte den
Kopf.
„Ich verstehe nicht!“, presste er
hervor. „Ist das der Tod?“
Dumbledore sah sich ratlos in der
Großen Halle um.
„Denkst du, der Tod holt dich aus
Hogwarts ab?“
Draco starrte ihn an. Woher sollte er
so etwas wissen?! Dumbledore erhob sich schwerfällig.
„Sie sind tot!“, beharrte Draco und
sah Dumbledore zu, wie er den Lehrertisch gemächlich umrundete und auf ihn
zukam.
„Ja, Draco. Ich bin tot. Aber zwischen Schlafen und Wachen besuche ich manchmal
Menschen, die meine Hilfe brauchen“, erklärte er freundlich, und griff ihm
unter die Arme. Draco spürte, wie er auf die Füße gestellt wurde. Wacklig blieb
er stehen.
„Sir!“, entfuhr es ihm hilflos, als
Dumbledore ihn loslassen wollte. Dumbledore hielt also inne. Und es kam Draco
so real vor. So unglaublich wahrhaftig! „Was soll ich tun?“, fragte er jetzt.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte
Dumbledore schulterzuckend und ließ ihn schließlich los. Er verschränkte die
Arme hinter dem Rücken. Sein weißes Gewand war so hell, wie das Licht selbst.
„Du kannst tun, was du willst“, fuhr er lächelnd fort.
„Ich will zurück!“, entgegnete Draco
heftig.
„Was hält dich?“, wolle Dumbledore interessiert wissen.
„Ich… weiß es nicht“, gestand Draco
atemlos.
„Du bist wütend. Und verletzt“,
schloss Dumbledore nickend. „Alle negativen Emotionen kommen mit einem Preis,
Draco.“
„Ich verstehe nicht…“
„Wenn du noch länger hier verweilst,
gibt es Weg mehr hinaus.“
„Was?“ Draco starrte den Mann vor
sich an.
Dumbledore deutete lächelnd um sich.
„Hier, Hogwarts, deine Träume. Vergeude nicht zu viel Zeit.“
„Ich… verstehe nicht.“
Dumbledore beugte sich näher zu ihm
hinab, so dass Draco seine leuchtend blauen Augen sehen konnte. So blau wie das
Meer, so tief wie ein endloser Abgrund.
„Geh jetzt, Draco. Ich muss gehen“,
fügte er hinzu.
„Was? Gehen? Wohin? Sie…?“
„Ich bin seit einer Woche hier mit
dir. Ich habe andere Dinge zu erledigen. Du nicht auch?“, fragte seine ruhige
Stimme, und er runzelte die Stirn. Draco schnappte nach Luft.
„Was? Ich bin gerade erst durch diese
Tür gefallen!“, behauptete Draco und deutete nach hinten.
„Gerade für dich. Aber… wir sind
schon eine Weile hier. Es wird Zeit. Du kannst natürlich bleiben, wenn du
willst. Hogwarts ist immer für dich da. Aber… es könnte einsam werden“, gab er
zu bedenken, und Draco sah, wie er vor seinen Augen verschwamm.
„Sir?“, entfuhr es ihm panisch.
„Dumbledore!“
Aber Dumbledore war verschwunden. Das
Feuer brannte langsam herunter. Draco wandte sich um. Die Türen der Großen
Halle standen offen. Aber er sah nicht mehr die Eingangshalle. Er sah ein
Licht. Ein weißes, weites Licht. Es flutete den gesamten Eingang.
Als er den Kopf wandte, sah er eine
weitere Tür, die vorher nicht da gewesen sein konnte.
„Wohin soll ich gehen?“ Er wusste
nicht, ob er ins Licht sollte oder durch die nächste Tür. Was lag dort? Was
erwartete ihn? War eine Richtung das Leben und die andere der Tod?
„Dumbledore?“, rief er in die Leere
der Halle, aber es kam nichts zurück.
Plötzlich bebte die Halle, und fast
fiel er von den Füßen. Er sah wie das weiße Licht flackerte. Er spürte, wie
sein Ate flacher wurde. Und plötzlich wusste er, er durfte nicht durch die
zweite Tür gehen. Aber sie kam bedrohlich näher. Seine Füße setzten sich
schwach in Bewegung, er stolperte den Weg zurück, den er gekommen war. Er
setzte an zum Sprint, sprintete in Richtung Licht.
Wieder bebte die Erde unter seinen
Füßen. Der Boden der Halle brach auf, bröckelte und lange Risse zogen sich
durch den festen Stein.
„Nein!“, schrie er als sich die Tür
hinter ihm öffnete. Schwarzes Licht leckte an seinen Fersen, schien ihn fassen
zu wollen, aber er warf sich mit aller Kraft nach vorne. Nein! Er wollte ins
Licht! Er musste….
Plötzlich kippte die Welt. Er kippte
nach hinten und fiel ohne Halt auf die Tür unter ihm zu, die ihre Pforten weit
geöffnet hatte, gierig wartete, und er hörte Geräusche. Finstere Geräusche –
und er schrie.
Das Licht über ihm verschwand.
„Nein! Nein!!!“
…
Er war gefallen. Alles war schwarz.
Keuchend kam er zu Atem, schlug seine Augen auf und blinzelte in das grelle
Licht der Zauberstäbe, die ihn beleuchteten.
„Er atmete! Er atmete! Schnell, holt mir die Therapeutin! Mr
Malfoy?“
Heiler Johnson hatte sich über ihn
gebeugt.
„Mr Malfoy,
können Sie mich hören?“ Wieder wurde ihm in die Augen geleuchtet. Er blinzelte
heftig, spürte, wie sich seine Brust hob und senkte.
Nein! Er spürte, wie er zurückfiel,
wie er wieder abtauchte in Dunkelheit.
„Mr
Malfoy!“, beharrte der Heiler weiter, und Draco zwang seinen Mund, sich zu
öffnen. „Hier! Seht doch!“ Aber er schnappte lediglich nach Luft, ohne in der
Lage zu sein, zu sprechen.
„Er kann nicht atmen!“
„Sollen wir ihn schocken?“
„Was soll das bringen, Caldon?“
Draco spürte, wie er schwächer wurde.
„Was soll es noch schaden können?“,
widersprach der Zauberer. „Zurück!“ Draco sah, wie sich ein weiterer Heiler in
sein Blickfeld schob.
„Das ist Wahnsinn! DU kannst ihn nicht-“
„Stupor!“, rief der Heiler, und der lila
Blitz traf Draco in die Brust.
„Caldon!“, schrie Johnson, aber Draco spürte, wie sein
Oberkörper durch den Schlag nach oben gerissen wurde. Für eine Sekunde saß er
kerzengerade im Bett.
Luft
strömte in seine Lungen, seine Augen so weit aufgerissen, dass er alles
wahrnehmen konnte. Seine Hände hatten in das Laken unter ihm gegriffen, spürten
den rauen Stoff, er schmeckte die sterile Luft, er spürte sogar seine Haarwurzeln in seinem Kopf.
Die Tür
öffnete sich.
Madame Tallis kam völlig aufgelöst in das Zimmer gestürmt.
„Mr Malfoy! Was haben Sie getan?“, fuhr sie die Heiler an.
„Wir
haben ihn geschockt!“, erklärte ein Heiler. Madame Tallis
schloss den Abstand. Er sah sie an.
Nein. Er
würd er nicht zurückgehen! Er würde genau hier bleiben.
„Mr Malfoy…“, flüsterte sie, und er sah sie musste wohl
gerade erst wach sein, denn ihre Haare lagen wild auf ihrem Kropf, ihr Mantel
war falsch geknöpft und sie trug Pantoffel an den Füßen. Er sah alles, wusste
alles, aber… plötzlich befiel ihn eine Müdigkeit, die er nicht kannte.
„Mr-“
Aber
sein Mund öffnete sich plötzlich. Eine Träne rann seine Wange hinab. Er spürte
die Kälte, die Feuchtigkeit in seinen Augen.
„Freitag…“,
krächzte er, und Madame Tallis‘ Augen weiteten sich.
„17. Dezember“, ergänzte er und sein Kinn zitterte.
„Was?“
Die Heiler starrten ihn an.
„Was redet er?“
„Das ist
heute!“, entfuhr es Heiler Johnson verwirrt. „Was zum-“
Er sah,
wie Madame Tallis in erleichterte Tränen ausbrach,
ehe sein Körper zurück auf das Bett fiel. Er war eingeschlafen, noch bevor sein
Kopf das Kissen berührt hatte.
Und er
träumte gar nichts.
Sein Mund
war trocken. Unglaublich trocken. Er hatte so unglaublichen Durst. Er musste
seit Tagen in der Wüste gefangen sein, dachte er dumpf, als er träge seine Augen
aufschlug. Seine Hand griff um seinen Hals und er kam röchelnd zu Atem.
„Wasser“,
brachte er heiser über die trockenen Lippen und bekam sogar nahezu
augenblicklich eine Flasche gereicht. Ein zuvorkommender Traum, überlegte er dankbar. Die Flasche zitterte in seinen Händen, als er
sie an seine Lippen setzte. Es kam ihm vor, als hätte er seit Wochen nicht
getrunken.
Und er
trank, er trank, bis die Flasche beinahe leer war. Sie sank neben ihn, und
seine Finger umklammerten den kühlen Hals.
Es fühlte
sich alles neu an. Selbst der Geschmack des Wassers.
Er
blinzelte in das Tageslicht.
„Guten Morgen,
Mr Malfoy“, hörte er eine bekannte Stimme. „Wie geht
es Ihnen heute?“
Und er
hob den Blick zum Gesicht seiner Therapeutin. Es war, als hätte er sie seit
Ewigkeiten nicht benutzt. Als hätte er seit Ewigkeiten nichts gesehen. Als wäre
er blind gewesen.
Sie
lächelte schließlich. Er setzte sich vorsichtig auf.
„Wo ist
Dumbledore?“, entfuhr es ihm plötzlich, und er sah sich zum ersten Mal um. Er
lag in einem weißen Zimmer, in einem Krankenbett. Ein weißer Tisch stand in der
Ecke, daneben ein weißer Schrank. „Bin ich in Askaban?“, entfuhr es ihm tonlos,
aber er bemerkte seinen Fehler, denn es gab keine Einbettzimmer in Askaban.
Nicht mal für einen einfachen Kesseldieb.
„Also, Mr Dumbledore ist seit einigen Jahren tot, Mr Malfoy. Und was Askaban betrifft – Unschuldige kommen
für gewöhnlich nicht nach Askaban“, schloss sie, während sie die Hände vor dem
Bauch verschränkte.
Und er
nickte langsam.
„Welchen
Tag haben wir heute?“, fragte er plötzlich, und überrascht hoben sich ihre
Augenbrauen.
„Können
Sie mir das nicht sagen?“, wollte sie lächelnd wissen. Und er spürte, wie
Erleichterung seinen Körper flutete. Er schüttelte den Kopf.
„Nein“,
sagte er kopfschüttelnd. „Keine Ahnung“, fügte er hinzu, und mit aller Macht
spürte er, wie seine Mundwinkel lächelten. Es schmerzte ihn kurz, aber Madame Tallis nickte zufrieden.
„Es ist
Samstag, Mr Malfoy. Samstag, der 18. Dezember“,
erklärte sie lächelnd.
„Dann
muss ich heute wohl nicht arbeiten“, erwiderte er nickend. Er gähnte herzhaft.
„Wo waren
Sie im letzten Monat, Draco?“, wollte sie nun interessiert wissen. Er lehnte
sich wieder gegen die Kissen.
„Hier und
da…“, gab er müde zurück.
„Ruhen
Sie sich aus, die Heiler werden Sie später untersuchen, aber… Sie erscheinen
mir… gesund zu sein“, sagte sie, etwas verblüfft.
Ein
schiefes Lächeln zierte seine Züge.
„Wirklich?
Das wäre das erste Mal, seit wir uns kennen, nicht wahr?“
Doch
bevor er ihre Antwort hören konnte, war er beruhigt wieder eingeschlafen.
~*~
Gehen war
nicht weniger anstrengend als wach zu sein, hatte er gereizt festgestellt. Aber
tapfer drehte er seit einer Stunde seine Runden im Aufenthaltsraum, während Witherby ihn auf den neuesten Stand brachte.
„Immerhin
können wir sagen, sie wirtschaftet alles in nur zwei Monaten zum Bankrott.“
Draco wusste nicht, ob er das gut fand oder bedenklich.
„Wann
haben Sie gekündigt, Witherby?“, fragte er jetzt mit
gerunzelter Stirn.
„An dem
Tag, als Sie ins Koma gefallen sind, Sir. Ihre Mutter kam wie ein Todesbote zu
uns, hat alles an sich gerissen und… nun… Sie sehen es ja selbst.“ Witherby hatte ihmdie
Tageszeitung mitgebracht, und ja, er sah es selbst.
„Dafür
sind Ihre Konten eröffnet“, erklärte Witherby
freundlich.
„Meine
Konten?“ Draco sah ihn an.
„Oh ja.
Sie waren geschlossen worden, nachdem Sie ins Koma gefallen sind, Sir.
Allerdings sind sie jetzt mit Ihrem Erwachen wieder zugänglich. Und…“ Witherby zog einen Schlüssel aus seinem Jackett, „ich habe
mich um alles gekümmert.“
„Meine
Mutter-“
„Das
Erbe, was Sie nun nach Lucius‘ sagen wir mal… Ableben erhalten haben, steh
alleine Ihnen zu.“ Draco schüttelte den Kopf.
„Was
sagen Sie mir damit?“
„Na ja,
dass Sie zwar keine Möglichkeit mehr haben, in die Malfoy Group zu kommen, weil
Ihr Vater leider sicher gestellt hat, dass Ihre Mutter die alleinige Erbin der
Malfoy Group ist, aber dafür erben Sie das Haus, das Erbe Ihres Vaters von
Malfoy-Seite der Familie, und…“
„Das
Haus?“, entfuhr es ihm verwirrt, aber Witherby sah
ihn stirnrunzelnd an.
„Sicher,
Häuser werden nur auf der männlichen Linie vererbt, Sir. Das sollte Sie doch
wissen!“, mahnte er ihn streng. Draco schüttelte verwirrt den Kopf. „Außerdem
wird Ihre Mutter das Unternehmen in kürzester Zeit herunter gewirtschaftet
haben. Mit dem Quasi-Ableben Ihres Vaters erhält sie monatlich auch keine
Alimente mehr. Es sei denn natürlich, Sie möchten sich darum kümmern?“, warf Witherby mit einem wissenden Lächeln ein.
„Oh, zur Hölle
nein!“, erwiderte Draco ebenfalls lächelnd, aber er musste sich für einen
Moment setzen.
„Und…“,
fuhr Witherby fort, „ich habe etwas für uns
ausgespäht“, ergänzte er jovial und setzte sich neben Draco.
„Und das
wäre was?“, wollte Draco beunruhigt wissen, aber Witherby
reichte ihm lediglich einen Ordner. Draco überflog die erste Seite. Er hob den
Blick. „Ein Muggel-Center?“, stellte er die entsprechende Frage.
„Aber, Mr Malfoy. Ganz groß im Trend, ganz groß im Kommen. Muggel,
die als Zauberer auserwählt und erkannt werden haben immer noch Eltern, die
keine sind. Das Muggel-Center will diesen Leuten helfen, sich zu integrieren,
alles zu lernen, was ihr Kind lernen wird…“, bemerkte Witherby
immer noch mit einem seltsamen Lächeln.
„Ist das
nicht ein bisschen viel?“
„Viel?
Ich könnte mir kein besseres Projekt vorstellen, was Sie unterstützen könnten“,
erwiderte Witherby vielsagend.
„Muggel?“
„Oder
haben Sie ein Problem damit?“, erkundigte sich Witherby
mit einem glatten Lächeln. Draco atmete aus. Er lauschte in sich. Muggel… Muggel…. Nein, er spürte gar nichts mehr
bei diesem Wort.
„In
Ordnung“, sagte er achselzuckend. „Was ist mit… mit Hermine?“, fragte er
plötzlich, beinahe unwillig ihren Namen auszusprechen, und Witherby
senkte den Blick.
„Sie kommt
morgen von ihrer Reise wieder. Sie war so freundlich, mir eine Postkarte zu
schicken, in der sie auch Sie ganz herzlich grüßen lässt.“ Draco verzog den
Mund.
„Sie ist
dort mit Weasley?“, entfuhr es ihm kalt.
„So
scheint es, Sir“, erwiderte Witherby nickend.
„Wo
arbeitet sie?“, fragte er weiter.
„Mr Potter hat ihr eine Anstellung im Ministerium besorgt, Mr Malfoy. Sie arbeitet in der Abteilung der Muggelrechte“, gab Witherby
zurück.
„Wie
passend“, erwiderte er mit erhobener Augenbraue.
„Ich weiß
nicht, was Sie meinen, Sir“, entgegnete Witherby
gefasst und täuschend kühl. Aber Draco lächelte nur.
„Weihnachten
steht vor der Tür“, sagte Draco schließlich mit einem Stirnrunzeln.
„Gedenken
Sie zu feiern?“, griff Witherby seine Gedanken jetzt
auf, und Draco tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen sein Kinn.
„Vorher
gedenke ich zu renovieren, Witherby“, erwiderte er
gedehnt. „Sagen Sie, schafft es der Gärtner wohl die Hecke samt Labyrinth in
den nächsten Tagen rauszureißen?“, wollte er lapidar wissen, und Witherbys Augen weiteten sich kurz.
„Schwierig
zu sagen, Sir“, eröffnete dieser. „Einfacher wäre ein kompletter Umzug“, fuhr
er fort.
„Umzug?“, wiederholte Draco.
„Ich habe
zufällig den Immobilienteil der Zeitung bei mir“, sagte Witherby
plötzlich. Dracos Mundwinkel hoben sich langsam.
„Ich
glaube nicht, dass ich alleine in der Lage bin, umzuziehen, Witherby“,
bemerkte Draco kopfschüttelnd.
„Nein, aber… getreue Freunde würden Ihnen bestimmt helfen“, sagte Witherby mit einer vagen Andeutung.
„Und wo
finde ich solche Freunde wohl?“, wollte Draco mit gewecktem Interesse wissen.
„Das
lassen Sie meine Sorge sein, Sir.“
„Witherby, ich glaube eine Beförderung steht Ihnen ins
Haus“, erklärte Draco, während er sich mit einem Ächzen erhob, um weitere
Runden zu gehen, um seine Muskeln wieder aufzubauen. Es war seltsam, aber Witherby schien keinen Zweifel an seiner Gesundheit zu
haben.
Nicht den
kleinsten. Und Draco fühlte sich… gut. Er fühlte sich… zum ersten Mal frei….
Frei von
allem. Frei von Schuld. Frei von en schlimmen Gefühlen. Frei von… Schmerzen.
Das Mal
kümmerte ihn nicht mehr. Er spürte es gar nicht mehr. Er war wie geheilt.
„Na sieh
mal einer an. Gerade noch wahnsinnig und jetzt schon auf den Beinen.“ Er wandte
sich lächelnd um.
„Pans,
wenn ich dein loses Mundwerk nicht hätte, wüsste ich nicht, wie ich den
nächsten Tag jemals überleben sollte“, erwiderte er spitz, und er sah ihr sehr
kurz an, dass weitaus erleichterte war, als sie zuließ. Sie kam auf ihn zu, in
so hohen Schuhen, dass sie fast so groß war wie er. Ihr Mund hatte sich zu
einem Lächeln geteilt, und es war tatsächlich aufrichtig.
„Du
Idiot, ich hab mir fast Sorgen gemacht“, murmelte sie, als sie ihn umarmte. Er
erwiderte diese Geste überrascht.
„Dass ich
nicht aufwache?“, mutmaßte er, als sie ihn wieder ansah, aber sie schüttelte
den Kopf. Wirkten ihre Augen glasig? Konnte das wohl sein? Sollte er sie darauf
ansprechen? Er war geneigt, es zu tun.
„Nein, Malfoy. Dass du nie wieder du selbst bist“, flüsterte sie dankbar, und
sein Mund öffnete sich perplex. Sie umarmte ihn erneut. So viel
Gefühle waren Pansy unter gewöhnlichen Umständen gar nicht zuzutrauen.
„Pansy
Parkinson, bist du es wirklich?“, vergewisserte er sich ungläubig und hielt sie
an den Schultern von sich weg. Er betrachtete ihr Gesicht, und sie sah ihn an
wie eine Erscheinung.
„Willkommen
zuhause“, erwiderte sie und tatsächlich fiel eine winzige Träne auf ihre
gepuderte Wange.
„Tz, tz, Pansy“, mahnte er mit halbem Ernst. „Dein Makeup“,
fügte er nickend hinzu. Aber sie lachte auf.
„Oh, ich
habe dich vermisst“, entgegnete sie, taub für seine Worte, und er ließ sich ein
weiteres Mal drücken. Dann wich sie vor ihm zurück, fuhr sich kurz über beide
Wangen und begrüßte Witherby mit einem steifen
Nicken. Dieser tat so, als wäre der Boden besonders spannend.
„Und,
irgendwelche Pläne?“, fragte sie wie beiläufig. Er ruckte mit dem Kopf.
„Nichts Großes.
Wir investieren in ein Muggel-Center, wir ziehen um, ich poliere Weasley die
Fresse – das übliche“, erklärte er schulterzuckend. Sie sah ihn erstaunt an.
„Du… ziehst um? Muggel-Center?“, wiederholte sie verdutzt, und schüttelte dann
den Kopf. „Und immer noch Granger?“, fügte sie nach einer Weile hinzu, und er
lächelte.
„Keine
Ahnung“, entgegnete er ehrlich.
„Du weißt
nicht, ob du sie magst?“
„Ich…
denke, es wäre besser, wenn… sie sich von mir fern halten würde. Ich war nicht
besonders…“ Ihm fehlten kurz die Worte. Er hatte mit ihr geschlafen. Oh ja. Er
schüttelte knapp den Kopf und sah Pansy an. „Ich war mit Hermine Granger
zusammen?“, wiederholte er, als wäre es etwas vollkommen absurdes, was im Klitterer
kopfüber stand.
Pansy sah
ihn ausdruckslos an.
„Draco
Malfoy war mit Hermine Granger zusammen“, wiederholte sie etwas atemlos. Beide
sahen sich an. Er schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken zu verscheuchen.
Vorerst zumindest. Alles zu seiner Zeit.
„Pansy,
kommst du zu meiner Weihnachtsfeier?“ Und noch einmal schien er sie komplett
kalt zu erwischen.
„Draco
Malfoy feiert Weihnachten?“, vergewisserte sie sich ungläubig und tauschte
einen Blick mit Witherby, der höflich lächelte. „Ok,
so langsam glaube ich, sie haben dich lediglich ausgetauscht. Wo ist der echte
Draco?“
Aber er
lächelte. Er lächelte tatsächlich. Pansy schüttelte beeindruckt den Kopf.
„Ok.
Weihnachten. Ich wette, du traust dich nicht, Potter und Weasley einzuladen!“,
sagte sie sofort und sah ihn lauernd an. Er schien kurz zu überlegen.
„Betrachte diese Wette als angenommen, Parkinson“, erwiderte er überlegen.
~*~
Der
letzte Tag war gekommen, und sie hatte es fertig gebracht, sieben Tage von ihm
zu träumen. Jede Nacht. Ron würde sich zweimal überlegen, ob er sie überhaupt
je noch ein einziges Mal mitnehmen würde. Und sei es nur zum Essen, überlegte
sie, während sie ihre Sachen packte.
Sie war
klug genug gewesen, getrennte Zimmer vorzuschlagen. Das kleine Cottage in
Schottland lag verschlagen zwischen den Hügeln, und die Spaziergänge um den See
warenm auch schön gewesen, genauso wie das kleine
Dörfchen, indem sie jeden Abend einen neuen Pub besucht hatten.
Aber sie
befürchtete, dass Ron sich etwas anderes als Spaziergänge und Gespräche
gewünscht hatte.
Aber sie
hatte es ihm nicht geben können. Seit gestern war er merklich still geworden.
Die Reise
nahte sich dem Ende, und sie hatten sie also als Freunde beendet. Sie war froh,
dass er kein Gespräch auf dieses Thema gelenkt hatte.
Sie
glaubte auch, er war wahrscheinlich erleichtert, dass Draco im Koma lag, auch
wenn er es nicht sagte und sie es gar nicht denken wollte.
„Ron?“
Sie sah ihn an, als sie in Durchgangsflur trat. Er stand stirnrunzelnd vor dem
Fenster, einen Brief in der Hand. Er hob den Blick.
„Wir
haben Post“, bemerkte er stumm. Sie kam langsam auf ihn zu.
„Etwas
Schlimmes?“, deutete sie ängstlich seinen Blick, aber er ruckte mit dem Kopf.
Sie konnte seinen Blick nicht deuten. Und er sah sie nicht einmal an. Sie nahm
sich den Brief, der ihren Namen trug. Die Handschrift war geschwungen und fein.
Die einer Frau, erkannte sie.
Sie
öffnete den versiegelten Umschlag mit fahrigen Fingern. Wer schrieb ihr im
Urlaub? Ihre Arbeit konnte es ja nicht sein. Ron verließ das Zimmer, noch
während sie las. Seinen Brief hatte er auf den kleinen Tisch vor dem Fenster
geworfen.
Ihre
Augen verschlungen die Zeilen förmlich.
Sehr geehrte Miss Granger,
im Rahmen der Feiertage und der
Nächstenliebe möchte Mr Malfoy eine Einladung an Sie
aussprechen, zu den Festlichkeiten in seinem Hause anwesend zu sein.
Anbei befindet sich die Adresse.
Geladen wird zum 24.12. ab sechs Uhr am Abend.
Ihr Kommen wird hoffnungsvoll
erwartet.
Im Auftrag,
W. Witherby
Sie las
den Brief erneut.
Was?!
Malfoy? Er… war wach? Wieso war sie nicht informiert worden? Und was für ein
unpersönlicher Brief sollte das sein? Sie griff sich Rons geöffneten Brief. Und
er war in derselben Art und Weise mit derselben Wortwahl verfasst.
Malfoy
lud sie zu einer Weihnachtsfeier ein? Wen noch? Harry etwa auch?
Ihr Herz
schlug laut in ihrer Kehle. Wieso hatte er sich nicht gemeldet, wenn er wieder
wach war? Und ging es ihm so gut, dass er eine Feier veranstalten konnte? Oder
war er wahnsinnig geworden und musste Witherby
deshalb schreiben? Sie hatte viele Fragen, aber dieser Brief gab ihr nicht eine
einzige Antwort darauf.
Die
Adresse war ihr nicht bekannt, und… es war nicht Malfoy Manor!
Also, wo
fand diese Feier statt?
Und es
waren nur noch vier Tage bis dahin! Und wie sollte sie sich entscheiden? Sie
wollte ihn sehen. Natürlich wollte sie das. Aber… er hatte sich nicht bei ihr
gemeldet!
Was
sollte also dieser Brief bedeuten, den er an jeden verfasst hatte? Nicht einmal
er selber!
Sie biss
sich wütend auf die Lippe.
So teilte
man jemandem bestimmt nicht mit, dass man noch am Leben war, dachte sie zornig.
Sie war immerhin seine Freundin! Zumindest gewesen. Ach, sie wusste es auch
nicht! War sie noch seine Freundin? Hatte er alles vergessen?
Wie ging
es ihm? Ging es ihm gut?
Sie
wollte auf der Stelle zurück nach London.
Hastig
wandte sie sich um und erschrak, als sie Ron im Türrahmen erkannte. Er musste
ihr ihre Aufgewühltheit ansehen können, nahm sie an.
Er sah sie traurig an.
„Hermine…“,
begann er, sprach aber nicht weiter.
„Ron, wir müssen zurück!“, sagte sie nur, ohne ihn anzusehen. Sie schritt auf
ihn zu.
„Ich will
nicht zu ihm. Was auch immer er-“
„Er ist
wach, Ron“, war alles, was sie mit unglaublichem Nachdruck sagte.
„Und
deswegen lässt du jetzt alles stehen und liegen und willst zurück? Er hat sich
nicht einmal die Mühe gemacht, dir Bescheid zu sagen!“, entfuhr es ihm.
„Ron!“,
wiederholte sie leiser, aber er wich zur Seite aus.
„Fein!
Wie du willst. Ich hoffe doch, er ist jetzt nur noch ein retardierter Haufen,
und-“
„Halt
deinen Mund!“, unterbrach sie ihn scharf. Oh, sie war so wütend! Auf ihn, auf
Draco! Auf jeden!
Schon war
sie an ihm vorbei. Sie wollte nach Hause. Unbedingt.
Was für
eine Dreistigkeit. Und sie hoffte selber, dass er sich zumindest in einem
Zustand befand, der ihn daran hinderte, ihr höchstpersönlich zu schreiben! Sie
hoffte es wirklich! Denn sie nahm es übel. Wirklich, wirklich übel!
James
Sirius Potter lag träge in ihren Armen. Er schlief. Das war auch überwiegend,
was er tat. Und sie hatte herausgefunden, alle Weasleys und alle Potters waren
ebenfalls von Draco Malfoy zu seiner Weihnachtsfeier eingeladen worden. Sogar
James war eingeladen worden.
Ginny
wollte nicht gehen, aber Harry hatte den Gedanken geäußert, dass es vielleicht
eine nette Geste sein könnte.
Molly
hatte sich von Anfang an geweigert, da sie selber eine Weihnachtsfeier plante.
„Und ich
hoffe ernsthaft, ihr überlegt nicht zweimal, wohin ihr gehen werdet!“, warf sie warnend in die Stille nach dem
gemütlichen Teetrinken ein. Sie hatte die Hände bedrohlich in die Hüften
gestemmt. „Ich wäre bereit, Draco Malfoy hier zu empfangen, wenn es das ist,
was du überlegst“, wandte sie sich an Hermine, und diese zuckte erschrocken
zusammen.
„Was?“, flüsterte sie verständnislos.
„Ist er
nicht… dein Freund?“, wollte Molly fast peinlich berührt wissen. „Zumindest war
er das doch noch, bevor er… ins Koma gefallen ist. Oder nicht?“
Sie hatte
niemandem erzählt, dass er sie entlassen hatte. Sie hatte es selber fast wieder
vergessen. Sie erinnerte sich aber noch gut an seine letzten Worte. Und…
eigentlich glaubte sie nicht, dass er wirklich wollte, dass sie in sein Haus zu
einer Feier kam.
Sie konnte
sich nur vorstellen, dass er vollkommen vergessen hatte, was passiert war.
„Ich
werde natürlich mit euch im Fuchsbau feiern“, sagte sie leise genug, damit
James nicht aufwachte. „Molly, das… ist doch gar keine Frage“, fügte sie
beschämt hinzu.
„Gut.
Dann… lade ich ihn hierhin ein?“ Molly schien dieses Gespräch unangenehm zu
sein. Hermine zögerte verzweifelt. Es war ihr genauso unangenehm.
„Ich
glaube, das ist nicht nötig. Ich denke nicht, dass er …“
„Hier her
kommen würde?“, unterbrach Molly sie ungläubig. „Ist es ihm nicht fein genug?“
„Nein!
Das war nicht, was ich…“
„Dann
werde ich ihn einladen, und dann kann er immer noch absagen. Wie wäre es
damit?“ Und sie sah Molly an, dass sie noch mehr Fragen hatte. Dass sie
bestimmt gerne wissen wollte, weshalb Hermine Draco Malfoy ihrem eigenen Sohn
vorziehen konnte.
Aber
Hermine wollte nicht an ihn denken. Er war nicht mehr im Mungo gewesen, als sie
gestern schamloserweise dort aufgetaucht war, um ihn zu suchen. Er war gesund
entlassen worden, war ihr von den Heilern versichert
worden.
Und sie
war sogar zu der neuen Adresse appariert. Das
Grundstück lag weit im Innern des ländlichen Londons. Viele Zauberer waren
dabei gewesen, das Haus zu streichen, andere hatten das Dach neu gedeckt,
wieder andere trugen endlos viele Möbel hinein.
Sie war
umgekehrt, als ihr der Schmerz die Kehle zugeschnürt hatte. Sie war direkt nach
Hause gegangen. Sie hatte mit keinem mehr gesprochen, und bisher hatte sie auch
nicht auf den Brief geantwortet, so schwer es ihr auch fiel. Sie hatte solche
Sorgen gehabt, dass sie ihn womöglich in seinem neuen Zuhause sehen würde. Dass
sie… sein Gesicht sehen würde. Dass sie ihm vielleicht sofort wieder verfallen
war, wo es ihm anscheinend völlig egal war, wie es ihr ging, und was sie dachte,
wie sie es fand, dass er von einem fremden einen Brief schickte!
James
beruhigte sie ein bisschen in ihren Armen. Jedenfalls soweit, dass sie nicht
weinend das Zimmer verließ. Das Feuer prasselte im Kamin, während die ersten
Schneeflocken draußen den Garten bedeckten.
„Wenn
genug Schnee fällt steht eine gute Schlacht in Aussicht“, bemerkte George mit
einem zufriedenen Ausdruck.
Die
alljährliche Weasley-Schneeballschlacht. Ja, sie erinnerte sich mit Schrecken.
Kurz lenkte es sie von ihrer tristen Stimmung ab.
„Dieses
Jahr werdet ihr verlieren“, informierte Harry George vollkommen zuversichtlich.
Percy würde auch kommen, allerdings konnte Ginny dieses Jahr nicht mitmachen.
Und Hermine hatte auch keine Lust, aber das sagte sie nicht. Für gewöhnlich
traten sie, Harry und Ginny gegen Ron, George und Percy an, aber… ihr fehlte
die rechte Lust. Sie hoffte also, es würde über Nacht nicht so viel schneien, dass
sie sich auch noch eine gute Ausrede einfallen lassen müsste.
Harrys
Sohn schlummerte weiterhin in ihren Armen. Ginny betrachtete sie wohlwollend,
während sie James‘ erste Mütze strickte. Sie war winzig klein.
Hermine
konnte ihren Blick auch nicht von diesem winzigen Geschöpf wenden. Und sie
konnte sich nicht vorstellen, dass ihre besten Freunde es kreiert hatten.
Wirklich nicht.
Ron
betrat das Wohnzimmer. Er hatte heute gesondertes Training gehabt. Auf seinem
Mantel ruhten dicke Schneeflocken.
„Ron,
morgen beginnt die Schneeballschlacht!“, rief ihm Harry zu. Ron schien kurz
nachzudenken, dann nickte er, ohne ihr einen Blick zu schenken.
Ginny
hatte Hermine bereits auf den Urlaub mit Ron angesprochen, aber Hermine hatte
ihr nichts erzählen können, was ihr Interesse geweckt hätte. Ron und sie waren
Freunde geblieben. Nichts weiter. Und genau das schien er ihr auch noch immer
übelzunehmen.
Aber sie
nahm es ihm genauso übel. Dass er es ihr so schwer machen musste! Sie wusste
nicht, warum er sie so unbedingt bestrafen wollte. Und sie wusste, was alle
hier dachten. Sie dachte es ja selber manchmal. Warum war sie nicht mit Ron
zusammen?
Warum
nicht?
Sie hob
den Blick zu seinem verschlossenen Gesicht. Er hatte den Mantel ausgezogen und
sah aus dem Fenster, wie um sich zu vergewissern, dass es ausreichend Schnee
geben würde. Seine Haare lagen unordentlich auf seinem Kopf. Das Rot strahlte
im Winter nicht so hell wie im Sommer. Er schien ihren Blick zu bemerken. Sein
Kopf wandte sich kaum merklich in ihre Richtung.
Kurz
erwiderte sie seinen Blick, ehe ihrer wieder auf das kleine Geschöpf in ihren
Armen fiel.
Warum sie
nicht mit ihm zusammen war? Weil sie ihn nicht liebte.
Und das
war die einfache, herzlose Antwort.
Und er
wusste es.
Sie
atmete traurig aus. Hoffentlich übertrug sie ihre Trauer nicht auf dieses
wunderbare Kind in ihren Armen. Sie zwang eine sorglosere Miene auf ihre Züge.
Molly
sollte ihm ruhig schreiben. Sie glaubte nicht, dass er mehr tun würde, als es
zu ignorieren. Und auch das war ihr recht. Sie hatte viele Fehler gemacht.
Aber sie
bereute es nicht einmal. Nicht einmal das brachte sie fertig.
Sie
vermisste ihn. Wieso hatte er sich nicht bei ihr gemeldet? Wie konnte er wach
sein, ohne dass es ihn interessierte, was sie fühlte, was sie ihm gerne sagen
wollte? Wie konnte es ihm gleichgültig sein? Brauchte er sie nicht mehr?
Benötigte er sie nicht mehr in seiner Nähe? Hatte er sie vergessen?
Gehörte
das zu der Krankheit? Dass er sich nicht mehr an sie erinnern konnte?
Ihr Blick
glitt aus dem Fenster. Der Schnee fiel beständig, bedeckte die Welt mit einer
weißen Schicht, so weich wie Watte. Kein Geräusch drang von draußen ins Innere.
Der Schnee schluckte alle Geräusche des Winters.
Abwesend
strich sie über den kleinen Kopf in ihren Armen.
Einen
solchen Fehler würde sie noch einmal begehen. Nicht noch einmal.
~*~
Sie hatte
ihre Eule mit ihrer Absage an Witherby geschickt.
Nicht an ihn. Und ihr Herz war schwer geworden, als die Eule mit breiten
Flügelschlägen im grauen Himmel verschwunden war. Der Schnee war unablässig
gefallen. Der Schneeballschlacht stand also nichts im Wege. Abgesehen von ihrer
Unlust.
Aber die
würde sie sich nicht anmerken lassen. Es war der Tag vor Heiligabend.
Sie
kämmte ihre Haare stumm, sah sich nicht wirklich im Spiegel an, als sie es tat,
denn sie spürte einen großen Verlust. Nicht nur hatte sie ihn verloren, als er
sie entlassen hatte. Sie hatte ihn verloren, als er ins Koma gefallen war. Und
jetzt hatte sie ihn verloren, als er wieder erwacht war. Es war nicht gerecht.
Nichts davon war gerecht.
Sie war
froh, dass sie sich nicht über seine Mutter ärgern musste, aber… das war auch
schon alles, worüber sie froh sein konnte. Mehr nicht.
Und
tatsächlich blieb sie eine Weile länger zu Hause als sie geplant hatte.
Tatsächlich wartete sie, dass ein Jagdfalke aus der grauen Wolkendecke brechen
würde. Dass ihr Kamin knisterte, weil er mit ihr reden wollte.
Aber
nichts passierte. Kein Vogel erreichte ihr Fensterbrett.
Ein
grauer Samstag war es. Die Sonne würde sich wohl nicht zeigen.
Sie
kämmte ihre Haare lustlos. Heute hatte sie sich zum ersten Mal wieder die Mühe
gemacht, sie zu glätten. Die Hose, die sie trug, war schwarz und eng und
steckte in dicken braunen Stiefeln. Sie zog die blaue Winterjacke an, setzte
eine blaue Wollmütze auf und fühlte sich warm genug eingepackt. Den Zauberstab
hatte sie in die Innentasche ihrer Jacke gesteckt. Sie verließ das Haus in
trister Stimmung. Sie wusste, auch die Schneeballschlacht würde sie nicht
aufheitern können. Das lag aber auch… nun ja, an der Tatsache, dass es sich um
eine Schneeballschlacht handelte, dachte sie mürrisch, als sie auf der Straße apparierte.
Als sie
vor dem Fuchsbau landete sanken ihre Füße einen halben Meter tief im Schnee
ein.
Großer
Gott! Sie hob den Blick und spähte durch die dichten Flocken. Der Fuchsbau lag
etwas außerhalb auf einer Anhöhe. Sie hatte angenommen, dass der Schnee dichter
fallen würde, aber… gehofft hatte sie das Gegenteil.
Schwerfällig
zog sie die Füße aus den Schneemassen und stakte zum Haus. Kaum hatte sie den
festen Weg betreten, der unter dem Schnee auch nur durch einige Fußspuren
auszumachen war, hörte sie es.
Etwas
sauste durch die Luft. Instinktiv hatte sie den Kopf zur Seite gezogen. Ein
Schneeball sauste in präziser Richtung nur sehr knapp an ihr vorbei.
„Mist! Du
hast gute Ohren, Hermine!“, beschwerte sich George verärgert und war dabei
einen weiteren Schneeball zu formen.
„George!“, warnte sie, denn noch hatte sie keine Lust, sich mit nassem Schnee
bewerfen zu lassen. Hastig lief sie auf die Tür zu, bevor George noch einen
Schneeball werfen konnte und schlüpfte ins Innere. Sie zog die Mütze vom Kopf
und sah sich um. Niemand war im Wohnzimmer.
Ihr Blick
fiel auf die große Uhr. Harry war hier, denn sein Zeiger stand auf dem
Fuchsbau. Ginny ebenfalls. Rons Zeiger rutschte auf Unterwegs, bevor er weitertickte und auf Ministerium stehen blieb. Molly hatte die Uhr zum Uhrmacher
gebracht, als drei ihrer Kinder neben ihrem Mann auch noch im Ministerium
angefangen hatten. Ihre Stirn runzelte sich. Ron war heute im Ministerium? Was
tat er da? Sie wandte sich ratlos um. Alle anderen waren hier. Was wollte Ron
samstags auf der Arbeit?
„Molly?“,
rief sie in die Stille des Wohnzimmers und ging in die Küche. Auch hier lag
alles wie ausgestorben. „Arthur?“, fügte sie hinzu, aber auch Arthur war nicht
zu entdecken.
„Ginny?“,
rief sie als sie den Flur betreten hatte und auf dem Weg nach oben war.
Ginny
Kopf erschien über dem Geländer. „Hermine! Hey, bitte mach keinen Lärm. Was
machst du noch hier drinnen? Die Schlacht hat schon begonnen!“, rief Ginny im
Flüsterton.
„Wieso
ist Ron im Ministerium?“, wollte Hermine gepresst wissen. Ginny verdrehte
daraufhin die Augen.
„Weil er
ein Kleinkind ist“, gab sie zurück, aber Hermine verstand nicht.
„Wieso?“
Aber Ginny wandte sich um.
„Hermine,
ich habe James gerade zum Einschlafen gebracht. Ich muss wieder zurück, bevor
er aufwacht und nicht aufhört, zu weinen. Ich habe drei Stunden geschlafen und
würde gerne noch ein, zwei Stunden dranhängen, ok?“ erwiderte Ginny
entschuldigend, und Hermine nickte.
Gut. Dann
würde sie wohl nach draußen müssen.
Wieso war
Ron ein Kleinkind? Und wo war Harry? Sie beschloss hinten raus zu gehen. Aber
sie verharrte vor der Hintertür. Diese hatte ein Fenster, und ihr gefiel nicht,
was sie sah. Beide Teams hatten zwei riesige Schneemauern gebaut. Dahinter
stapelten sich bestimmt hundert Schneebälle, und sie erinnerte sich an das
letzte Jahr. Ginny hatte Rons Schneeball ins Gesicht bekommen, und ein winziges
Eisstück hatte die Schlacht zwei Stunden lang
unterbrochen, denn Molly hatte es mit einem komplizierten Zauber aus Ginnys
Auge entfernen müssen.
Und sie
erkannte Arthur. Er stand Molly gegenüber. Hermine hob eine Augenbraue. Es sah
so aus, als wolle Molly – ja.
Mollys
Schneeball flog in Arthurs Richtung und traf ihn am Bein, als dieser zur Seite
sprang. Triumphierend riss sie eine Hand in die Luft.
„Das war
noch gar nichts, mein Liebling!“, rief Arthur jetzt aufgeregt, während er einen
größeren Schneeball in die Hand nahm. Molly nahm die Beine in die Hand, duckte
sich und schlüpfte durch die Hintertür, gerade als der Ball geflogen kam. Er
klatschte gegen die Scheibe, und Molly schien erleichtert, ihm ausgewichen zu
sein.
„Puh.
Hermine, da bist du ja! Na los, raus mit dir! Arthur übernimmt Rons Platz“,
erklärte sie.
„Molly,
warum ist Ron im Ministerium?“, fragte sie erneut, und Molly schien zu
überlegen, ob sie antworten sollte. Hermines Stirn runzelte sich wieder. „Was
ist los mit ihm? Will er nicht mitmachen? Ist er sauer auf mich? Will er mich
nicht sehen? Wieso-“
„Hermine,
ich…“, begann Molly ratlos, aber ihr Gespräch wurde unterbrochen.
„Hermine, beweg dich! Ich verteidige unser Team alleine!“, hörte sie Harry
rufen. Sie verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
„Fein“,
gab sie sich geschlagen. „Dann soll Ron sich anstellen. Mir egal.“
„Hermine“,
hielt Molly sie zurück, und Hermine wandte sich um. „Mütze auf“, fügte Molly in
so fürsorglich mütterlichem Ton hinzu, dass Hermine am liebsten geblieben wäre,
um eine Antwort aus Molly raus zu zwingen. Irgendwas war hier faul!
Sie
spähte aber aus dem Fenster nach draußen.
„Ich gebe
dir Rückendeckung!“, rief Harry, ganz der Auror, und
sie verdrehte die Augen, ehe sie die Tür öffnete. George und Arthur wurden
einen Schwall an Schneebällen los, aber Harry ließ sie mit dem Zauberstab
schmelzen. Eilig rannte Hermine zu seiner Schneemauer.
„Hey, das
ist verboten! Keine Magie!“, rief George zornig.
„Oh ja? Zwei gegen einen ist auch verboten!“
„Unsinn,
Potter!“, entgegnete George und schleuderte den nächsten Ball in ihre Richtung.
Sie duckte sich, griff sich selber einen Schneeball und warf ihn in Georges
Richtung.
George
wich ihm nur um Millimeter aus.
„Beeindruckend,
Hermine! Kannst du überhaupt zielen?“, wollte er lachend wissen, aber sie
schüttelte den Kopf und versuchte ihr Lächeln zu verdrängen.
„Wo ist
Percy?“, wandte sie sich an Harry, der dabei war einen Ball in Arthurs Richtung
zu werfen.
„Percy?“,
wiederholte er beinahe außer sich. „Hermine, wir sind jetzt gerade zwei gegen
zwei. Ich hoffe, Percy kommt viel zu spät! Oder gar nicht!“
Sie wagte
es noch einmal, das Thema anzusprechen, was sie heute am meisten aufregte.
„Harry,
wo ist Ron?“, fragte sie direkt heraus, während er den nächsten Ball erfolglos
warf. Er sah sie an. Die Brille war mit feinen Wassertropfen übersät. Seine
Augen konnte sie nur schlecht erkennen.
„Im Ministerium“,
erklärte er knapp.
„Ja, ich
weiß. Warum? Wollte er… nicht hier sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass
sein Boss so ein Sklaventreiber ist, der seine Leute samstags arbeiten lässt“,
bemerkte sie spöttisch, denn Rons Boss stand mit besprenkelter Brille vor ihr.
Harry schüttelte sich den Schnee aus den Haaren, als Arthurs Schneeball einen
Meter über Harrys Kopf vorbeisauste.
„Ha, ha.
Nein. Ron ist freiwillig im Ministerium“, erklärte Harry kurzangebunden.
„Harry-“
„Wir
erwarten einen dritten Mann, Hermine“, unterbrach Harry sie, während er eine
ganze Salve in Richtung George feuerte. Sie duckte sich, denn jetzt eröffneten
George und Arthur gemeinsam das Feuer.
„Wen?
Bill? Kommen er und Fleur doch?“, rief sie Harry zu, aber diese verließ die
sichere Deckung. Hermine sah ihm panisch nach, denn George und Arthur kamen
ebenfalls hinter ihrer Mauer hervor.
„Percy!“,
hörte sie George rufen, und Percy 30-PW-Maßeinheit
Weasley huschte zwischen den Bällen hindurch. „Beweg deinen Hintern, wir jagen
Harry!“, rief George erbarmungslos, während Hermine aufquietschte,
als Arthur ihre Verfolgung ansteuerte.
„Drei
gegen einen ist unfair!“, rief sie atemlos über die Schulter und hoffte
inständig, Molly würde sie bald zum Essen rufen! Wirklich! Sie rannten um das
Haus herum. Vorne war der Schuppen neben dem Eingang. Da könnte sie in Deckung
gehen. Arthur war Merlin sei Dank auch nicht so schnell im hohen Schnee.
„Komm
schon, Hermine!“, hörte sie Harry rufen, und fast musste sie lächeln. Percy
stolperte halb angewidert halb unfähig durch die Schneeberge hinter seinem
Bruder her. Alle nahmen es vollkommen ernst hier wie Krieger durch den Schnee
zu rennen und sich mit Pulverschnee zu bewerfen.
Und sie
lachte auf, als sie mit wildem Mut nach vorne in eine Schneewehe sprang, um
Georges präzisen Bällen auszuweichen.
Sie
schüttelte den Kopf und Schnee rieselte von ihrer Mütze. „Hermine, weiter! Ich
habe eine Ladung Bälle hinter dem Schuppen!“, rief Harry, aber auch er konnte
die Ernsthaftigkeit eines Anführers nicht wirklich aufrecht erhalten. „Dann
mach ich dich fertig, Percy!“, fügte Harry unheilschwanger hinzu.
„Witzig,
Harry. Versuch das ruhig!“, rief Percy unentschlossen und schien seine Chancen
abzuwägen. Hermine kam stolpernd auf die Beine und klopfte den Schnee von ihrer
Hose. Aber sie war ohnehin durchweicht, und ihre Haare zu glätten war absolut
überflüssig gewesen.
„Hermine,
zu langsam!“, hörte sie George triumphierend hinter sich. Sie schloss präventiv
die Augen, aber keine Ladung Schnee traf sie im Nacken. Sie öffnete blinzelnd
die Augen.
Er musste
gerade appariert sein.
Und jetzt
stand er vor ihr. So wie sie ihn in Erinnerung hatte. All ihre gute Laune fiel
von ihr ab. Ihr Magen hatte sich schmerzhaft zusammen gezogen. In seiner Hand
hielt er einen Schneeball und warf ihn prüfend in die Luft, um ihn wieder
aufzufangen.
„Drei
gegen drei. Am besten nehmt ihr eure Beine in die Hand“, bemerkte Harry jetzt
und nickte Malfoy zu.
Und Percy
tat, wie ihm geheißen. Auch er begrüßte Malfoy mit einem Nicken.
„Mr Malfoy, Sir“, verabschiedete er sich hastig, als er
wieder um das Haus zurückwich.
„Percy,
du Feigling!“, rief George entnervt, und alles schien sich wieder zu beruhigen.
Aber sie stand wie angewurzelt im Schnee. Er trug einen schwarzen kurzen
Mantel. Und Jeans. Seine Handschuhe waren aus dunklem Leder, und sein Schal war
grün wie das Wappen von Slytherin. Sanfte Flocken fielen vom Himmel und blieben
auf seinem hellen Schopf liegen. Er sah… aus wie immer. Er sah… gut aus, wie
immer. Gesund und… wieso zum Teufel war er hier?!
„Was… was
tust du hier?“, war alles, was sie zustande brachte, und ihre Stimme zitterte
bei jedem Wort. Er kam näher. Wie eine Erscheinung.
„Ich habe
eine Einladung erhalten“, gab er zurück. Es war vollkommen unmöglich, dass er
hier auftauchte. Bei den Weasleys. Für… eine Schneeballschlacht!
„Einladung?“,
hauchte sie ungläubig, und er nickte bloß.
„Ronald
Weasley hat mich gebeten seinen Platz zu übernehmen“, erklärte er lapidar. Sie
schüttelte den Kopf.
„Was? Was
tust du hier? Wieso… hast du nicht Bescheid gesagt, als-“
„Du warst
in Urlaub, oder nicht?“, unterbrach er sie eine Spur kühler. „Mit Ronald
Weasley?“ Ihr Mund öffnete sich perplex. Das wusste er? Wieso wurde sie rot?
Sie hatte keinen Grund! Sie hatte nur Grund, wütend zu sein! Und das wurde sie
plötzlich.
Sie
wusste nicht, wann sie in den Schnee vor sich gegriffen hatte, um einen Ball
der Sonderklasse zu formen, aber jetzt schleuderte sie ihn mit voller Wucht in
Malfoys Richtung.
Sie
glaubte, dass George so etwas sagte, wie, „Meuterei im eigenen Team“, aber sie
hörte nicht wirklich hin. Der Ball traf Draco hart vor die Brust, so dass dieser einen Schritt zurück wich vor Schreck. Zu spät hatte
er die Arme schützend gehoben. Sie sah ihn wieder an, aber sein Ausdruck war
ihr nicht zu deuten.
Sie griff
vor blinder Wut wieder in den Schnee vor sich, formte einen weiteren Ball und
warf auch diesen nach ihm. Diesmal war er vorbereitet, wehrte ihn mit dem
Unterarm ab und kam näher.
„Du bist
ein Arschloch, Malfoy!“, brachte sie schluchzend hervor. Die Jungen um sie rum
ließen die Schneebälle sinken, während Arthur verlegen die Mütze tiefer ins
Gesicht zog. Hermine wischte sich zornig über die roten Wangen.
„Ich-“,
begann er, aber sie schüttelte den Kopf, denn er war nicht an der Reihe, sich
eine dämliche Entschuldigung auszudenken.
„Und Witherby schickt mir eine Einladung? Nicht du, sondern Witherby?“,
wiederholte sie ungläubig, während sie den nächsten Ball in Sekunden geformt
und geworfen hatte. Wieder wehrte er ihn mit dem Arm ab, und der Pulverschnee
rieselte ihm ins Gesicht, als der Ball zerstob.
„Granger-“,
begann er wieder, während er noch immer näher kam, aber sie schüttelte wieder
wild den Kopf, so dass ihr die Mütze vom Kopf rutschte.
„Nein! Du
denkst, du kannst hier einfach auftauchen? Um… um was? So zu tun, als wäre es
normal, mit uns eine Schneeballschlacht zu veranstalten? Bist du dazu überhaupt
in der Lage? Irre ich mich, oder lagst du nicht noch vorgestern im Koma?“,
schrie sie außer sich, während sie nun nur noch einfach wild in den Schnee
griff und Malfoy händeweise bombardierte.
Er
schloss umstandslos den Abstand, und hielt sie an den Schultern fest, damit sie
ihn nicht weiter mit Schnee bewerfen konnte. Seine Haare hingen ihm
mittlerweile in nassen Strähnen in die Stirn und sahen bei weitem nicht mehr
perfekt aus. Gut!, dachte sie böse. Wirklich!
„Könntest
du für eine Sekunde aufhören, verdammt?“, entfuhr es ihm ungehalten.
„Nein!
Nein, kann ich nicht. Lass mich los! Und du ziehst um? Du bist einfach mir
nichts dir nichts umgezogen! War ich so ein unwichtiger Faktor in deinem Leben,
dass du mir das nicht einmal sagen konntest, du-“
„Granger,
ich wollte dir all das sagen!“, unterbrach er sie knurrend. Immer noch sprach
er gedämpft. Anscheinend machte er sich darüber Gedanken, was die Leute um sie
herum von ihm dachten, stellte sie zornig fest und ärgerte sich wieder über
sich selbst. „Aber ich wollte mich erst wieder bewegen können. Ich wollte dich
nicht in Malfoy Manor mit all diesen Dingen
überfallen, denn… dieses Haus ist einfach nicht geeignet!“, fuhr er scharf
fort.
„Und es
ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass ich möglicherweise dabei sein wollte, wenn du aufwachst?
Dass ich dich sehen wollte, sofort,
wenn es dir besser geht?“, fuhr sie ihn so böse an, dass kurz ein überraschter
Blick in sein Gesicht trat.
„Ich…
dachte mir, nach unserem letzten Gespräch wäre das keine Option.“
„Ich war
jeden Tag bei dir!“, flüsterte sie, und spürte die unwillkommenen Tränen.
„Ich weiß“, erwiderte er still. Ihre Augen wurden groß.
„Du… du… weißt das? Woher? Haben die Schwestern-“
„Ich weiß alles. Ich war dabei. Ich konnte mich nur nicht bewegen. Ich war
nicht taub oder… verrückt. Ich war nur… fort“, schloss er sehr leise, denn
anscheinend war es ihm unangenehm, darüber zu reden. Schön, dann hatte er eben
Pech gehabt. Und… was?!
„Du hast
es alles mitbekommen? Und dann hast du mich trotzdem nicht-“
„Ich wusste, du warst mit Weasley im Urlaub, Granger“, unterbrach er sie jetzt
zorniger. „Was sollte ich bitteschön machen? Hundert Eulen nach Schottland
schicken? Dich mit einem Haufen Auroren zwingen,
zurück zu kommen? So etwas tue ich nicht!“, knurrte er wütend.
„Nein? Du
schickst bloß fünfhundert Eulen zu meinem Haus, weil ich einen Tag nicht zur
Arbeit komme, richtig!“, konterte sie, aber sie sah, dass sie das Wesentliche
aus den Augen verlor. Seine Augen wurden schmal, genauso wie sein schöner Mund.
Er sah so
gut aus. Es war so ungerecht! Und er hatte ihr nicht Bescheid gesagt. Er hatte
ihr nicht mal persönlich einen Brief geschrieben! Und jetzt kam er hier her und
erwartete was? Dass sie ihm in die Arme fiel? Dass sie dankbar war, dass er
sich dazu herabließ, aufzutauchen?
„Jetzt
gerade komme ich mir vor wie ein Vollidiot, Granger“, entgegnete er gefährlich
ruhig. „Und ich komme mir nicht gerne vor, wie ein Vollidiot“, ergänzte er,
ohne sie aus seinem kalten, grauen Blick zu lassen. „Also, nur fürs Protokoll,
bist du froh mich zu sehen oder könnte es dir nicht egaler sein?“, fuhr er sie
scharf an, und sie entriss ihre Schultern mit einem heftigen Ruck seinen
Händen.
„Wirklich?“,
erwiderte sie, und wischte sich die Tränen vom Gesicht. „Das ist deine Frage?
Am besten haust du wieder ab!“, schluchzte sie und
wandte sich augenblicklich um. Sie wollte ihn nicht mehr sehen. Seine perfekte
Figur, sein perfektes Gesicht! Und ihre Erleichterung, dass es ihm gut ging, dass
er hier war, dass sie ihm vielleicht doch nicht egal war, verriet sie schamlos.
Es machte ihren Zorn zu Nichte, aber sie würde nicht zuerst nachgeben! Wieso
sollte sie auch?
Sollte er
doch gehen, wenn er so stur und so blöd sein wollte!
Sie
stürmte zur Haustür, riss diese auf und wurde von Ginny empfangen.
„Er ist… er ist… so ein…“, brachte sie stotternd hervor, aber Ginny nickte nur.
„Ja. Ich
weiß. Sie sind alle so“, bemerkte Ginny und zog Hermine in eine sanfte
Umarmung. „Mach dir nichts draus“, flüsterte sie.
~*~
„Das…
lief gut“, bemerkte Potter ausweichend und drehte einen Schneeball in den
Händen. Und Draco war zum ersten Mal seit einer ganzen Weile nicht gut
vorbereitet. Unschlüssig klopfte er sich den Schnee von dem
tausend Galleonen teuren Wintermantel. Auch
tat das Wasser seinen Lederhandschuhen gar nicht gut. „Richtig gut“, fügte er
nickend hinzu.
Draco
warf ihm einen gereizten Blick zu.
„Ich…
sollte ihr nachgehen“, entschied er sich tonlos, aber Potter lachte auf.
„Ja,
richtig, das klingt nach einem perfekten Plan, Malfoy. Hermine Granger
nachgehen, nachdem sie dir mit ihren Augen Mord und Totschlag angedroht hat“,
erwiderte er mit einem nachsichtigen Lächeln.
„Hast du
einen besseren Vorschlag?“, entfuhr es Draco ungehalten, denn Potter regte ihn
auf.
„Frauen
regen sich gerne auf, Malfoy“, ließ ihm Potter seine Weisheit zuteilwerden.
Draco verdrehte die Augen. „Und wenn du nicht in ihrem Weg bist, regen sie sich
eventuell auch wieder ab.“
„Das
heißt konkret?“, wollte er ungeduldig wissen, aber Potter zuckte die Achseln.
„Dass wir
noch etwas Zeit vor dem Essen totzuschlagen haben“, erklärte er jovial. Und
Potters Lächeln wurde breiter. Dracos Mund öffnete sich warnend, aber schon
hatte ihn Potters Schneeball direkt ins Gesicht getroffen.
Und sein
Jagdinstinkt war geweckt.
„Das
bereust du!“, rief er zornig, und bückte sich tatsächlich, um einen Schneeball
zu formen.
„Endlich! Alle gegen Harry! Darauf warte ich seit Jahren!“, bemerkte George
fröhlich, während Arthur Weasley sich kopfschüttelnd zum Haus umwandte.
Allerdings lächelte er. Draco beschloss, seinen Granger-Plan auf später zu
verschieben. Wenn sie ihn nicht mehr umbringen wollte.
Jetzt
setzte er Potter nach und fühlte sich so jung wie schon sehr lange nicht mehr!
Hermine
wusste nicht, was sie unfassbarer fand. Dass er ihr nicht nachgelaufen war,
dass er jetzt seit zwei Stunden eine Schneeballschlacht gegen Harry führte oder
dass er mit Ron jetzt in einem Team war, denn dieser war schließlich wieder zum
Fuchsbau zurückgekehrt. Zuerst hatte sie geglaubt, es würde in eine Schlägerei
ausarten, aber… anscheinend hatte sie etwas verpasst, was zwischen Ron und
Malfoy vorgefallen war.
Sie
beobachtete das Treiben missmutig vom Küchenfenster aus, während sie mit dem
Zauberstab den Käse in kleine Würfel hackte.
„Du
möchtest alle da draußen mit deinen Blicken erdolchen, hm?“, erkundigte sich
Ginny lächelnd, aber Hermine hackte stumm weitere Würfel.
„Ich
denke, das sind genug Würfel für die Füllung, Hermine. Der Vogel muss in den
Ofen“, erklärte Ginny, und Hermine wich seufzend von der Arbeitsplatte zurück.
„Es ist unfassbar!“
„Männer
sind so, Hermine. Gib ihnen einen lächerlichen Krieg mit Schneebällen, dann
toben sie sich aus und haben plötzlich all ihre Differenzen beigelegt“,
erwiderte Ginny seufzend. „Würdest du ihnen sagen, dass sie reinkommen sollen?
Das Essen ist in einer halben Stunde fertig, und ich möchte nicht, dass sie
klatschnass am Tisch sitzen“, sagte Ginny und klang dabei genau wie ihre
Mutter.
Zuerst
wollte Hermine widersprechen, aber Ginny schien gerade im Molly-Weasley-Modus
zu sein. Diese badete gerade Ginnys Sohn mit größter Sorgfalt, deswegen war
Ginny zurzeit Küchenchefin.
Hermine
schritt also zur Tür. Es war schon dämmrig draußen und eiskalt.
„Ihr
kommt jetzt rein und hext eure Kleidung trocken! Das Essen ist in einer halben
Stunde fertig, Jungs!“ Harry sah aus, als wolle er ernsthaft protestieren, aber
verkniff sich wohl die Antwort. Sie fing Malfoys Blick auf. Er war prüfend,
vorsichtig, und wahrscheinlich dachte er, dass sie ihm die Augen auskratzen
würde, aber… sie hatte sich wieder abgeregt. Und jetzt gerade war sie wirklich
dankbar, dass er nicht verschwunden war.
Aber das
würde sie ihm nicht sagen. Sie wandte sich stumm von ihm ab, und ihr Herz
raste, während sie sich gegen die Tür lehnte.
„Deckst du noch ein Gedeck für Malfoy?“, fragte Ginny mit einem wissenden
Blick. „Ich nehme an… er bleibt?“ Und Hermine ruckte mit dem Kopf. Anscheinend
tat er das.
Die
Jungen kamen eine Minute später in die Küche gestapft. Nachdem Ginny laut
geworden war, hatten auch alle artig ihre Schuhe draußen gelassen. Im Flur
hexten sie ihre Sachen trocken. Sie schwiegen, schienen erschöpft von der
Gartenschlacht zu sein und hungrig wie zehn Wilde.
„Ich
hatte nicht geplant, zum Essen zu bleiben“, eröffnete Malfoy, als er trocken
die Küche betrat. Selbst seine Socken sahen teuer aus. Sie hatte ihn noch nie
irgendwo in Socken gesehen, ging ihr auf. Es war… so menschlich.
„Es ist
genügend da, Malfoy. Also bitte keine Bescheidenheit.“
„Und… ich
kann bleiben? Ohne Mord und Totschlag?“, fügte er knapp hinzu, und die Worte
galten wohl ihr. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ruckte mit dem
Kopf.
„Du hast
gekämpft, also… wirst du wohl Hunger haben“, stellte sie lediglich fest.
„Ich will
aber nicht, dass-“, begann er, aber sie unterbrach ihn einfach.
„Bleib
zum Essen, Malfoy“, erwiderte sie resignierend, und sein Gesicht wirkte wieder
eine Spur überheblicher als vorher. Aber es war kaum zu bemerken. Und sie
kämpfte gegen die absurde Situation an, die sich anbahnte.
Nach und
nach fanden sich alle ein. Molly brachte James ebenfalls ins Esszimmer. Hermine
saß nicht neben Draco. Er saß ihr gegenüber. Er saß zwischen George und Harry.
Sie saß neben Ron. Ginny und Molly saßen beide an den Kopfenden, und Ginny aß
weniger, als dass sie ihren kleinen Sohn in den Armen hielt. Percy reichte die
Schüssel mit den Kartoffeln um und jeder tat sich auf. Sie bemerkte, dass Draco
nur bescheiden seinen Teller füllte.
Ob
wirklich, weil er sich nicht wohlfühlte hier zu essen, oder weil es ihm wie ihr
ging, und er einfach keinen Appetit hatte, wusste sie nicht.
Die
ersten Minuten aßen alle schweigend. Draco Malfoy saß am Tisch der Weasleys. Sie
wusste nicht, wie sie das finden sollte. Anscheinend entschied sich Arthur als
erster mit dieser Situation umzugehen.
„So, Draco…“, begann er, unschlüssig, ob er ihn so nennen konnte. „Sie… ähm…
ich habe gelesen, dass… die Malfoy Group… nun, ja…“ Arthur entschied sich,
nicht weiter zu sprechen. Schließlich seufzte Draco unterdrückt.
„Ja, die Malfoy Group ist dabei Konkurs zu
laufen. Meine Mutter kümmert sich schon darum“, erklärte er beinahe spöttisch.
Hermine hatte es auch gelesen, hatte sich aber im Mungo nicht getraut, es ihm
zu erzählen. Wahrscheinlich hatte sie unterbewusst Angst gehabt, dass es ihm
noch mehr zusetzen müsste.
„Und was
haben Sie jetzt vor?“, wollte Arthur wissen, dankbar, dass er gerade also kein
Fettnäpfchen angeschnitten hatte.
„Ich
investiere in ein neues Projekt. Vielleicht haben Sie davon gehört? Das
Muggel-Center soll in Soho eröffnet werden. Ich habe
mich bereits mit einigen Ideen beteiligt.“ Arthur musterte ihn fasziniert,
während Hermines Gabel langsam sank.
Was? Er
beteiligte sich bei der Entstehung des Muggel-Centers? Ausgerechnet er?
„Und das
findest du nicht etwas unpassend?“ Es war Ron, der diese Worte sagte. Draco hob
den Blick zum Gesicht ihres zumindest ehemals besten Freundes.
„Unpassend?“,
wiederholte Draco tatsächlich, den Blick gespannt auf Ron gerichtet. Hermine
spürte ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend aufsteigen.
„Ja,
unpassend“, bestätigte Ron grimmig. „Ich meine, nach der ganzen
Muggel-Mörder-Therapie, deinem Aufenthalt in Askaban-“
„Ich sehe
es als guten Abschluss einer Rehabilitation an. Ich möchte gerne etwas für die
Muggel-Gesellschaft tun, und es tut mir leid, wenn du es als impertinent
auffassen möchtest“, gab Draco zurück, und den Ausbruch, den Hermine eigentlich
erwartet hatte, blieb aus.
„Das war
es also? Deine Therapie ist vorbei? Bewältigt? Nur weil du für ein paar Wochen
ein sabbernder Volltrottel gewesen bist?“
„Ronald!“,
entfuhr es Molly schockiert.
„Schon
gut“, bemerkte Draco relativ gelassen, aber er hatte seinen Teller von sich
geschoben. „Ich bin gerne bereit, mit deine Meinung über mich anzuhören.“
„Oh, wenn
es nach mir ginge, dann würdest du noch einiges mehr als das!“, knurrte Ron
ungehalten.
„Ron, das
reicht“, mischte sich Arthur mahnend ein. „Es tut mir leid,
Draco, das hier sollte wirklich nicht ausarten in-“
„In was,
Dad? Willst du die vorweihnachtliche Stimmung nicht mit der Wahrheit
zerstören?“, wollte Ron beinahe amüsiert wissen.
„Ich
sollte gehen“, warf Draco ruhig ein. Hermine sah Ron kopfschüttelnd an.
„Was,
Hermine?“, erwiderte Ron lediglich. „Auf einmal bist du auf seiner Seite?“
„Ich
dachte, du hättest ihn heute eingeladen, deinen Platz zu übernehmen!“
„Ich habe
es bestimmt nicht wortwörtlich gemeint!“, gab Ron zornig zurück. Er stand
abrupt auf und verließ das Esszimmer. Auch Draco war aufgestanden.
„Es war
vielleicht etwas kühn, anzunehmen, ein Abendessen wäre eine gute Idee“,
überlegte Draco, während er ein höfliches Lächelnd in die Runde warf.
„Er wird
sich abregen“, versprach Harry, aber Hermine war sich da nicht sicher. Sie
hatte sich ebenfalls erhoben. Mehr unbewusst, als wirklich bewusst.
Automatisch, als wären ihre Bewegungen an Dracos angepasst. Er sah sie kurz an.
Ein Schauer erfasste sie plötzlich, dass sie schlucken musste.
„Ich…
bringe dich zur Tür“, sagte sie tonlos, auch wenn nicht wusste, was zur Hölle
sie erst mal an der Tür machen sollte!
„In
Ordnung. Einen schönen Abend, wünsche ich. Mrs
Weasley, Mr Weasley. Vielen Dank für die Einladung“,
fügte er nonchalant hinzu, und wirklich keiner konnte ihm vorwerfen, nicht
höflich gewesen zu sein. Nicht einmal sie, auch wenn sie es nur zu gerne tun
würde. Ein Muggel-Center. Es klang… auf jeden Fall seltsam. Aber… wer war sie
schon, seine Entscheidungen irgendwie zu beeinflussen oder zu kritisieren?
Er nahm
sich seinen Mantel vom Haken, während er in seine Schuhe stieg. Er zog sich
seine Schuhe an. Noch so etwas menschliches, was sie von ihm nicht kannte.
„Dann…
hast du mich also völlig umsonst entlassen“, stellte sie trocken fest.
„Scheint so“, gab er zurück. „Soll ich… dir etwas Eis aus der Küche holen, was
du nach mir werfen könntest?“, bot er ihr an, und seine Höflichkeit kühlte
merklich ab. Sie überlegte, ob sie sich für ihr Verhalten vorher entschuldigen
musste. Aber… sie wollte nicht.
„Nein,
danke“, erwiderte sie still. Seine grauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Wie
sah sie überhaupt aus?! Sie hatte seit Stunden nicht mehr in den Spiegel
gesehen, ging ihr mit Schrecken auf. Nicht, dass er sie wirklich noch dazu
bringen konnte, sich unwohl zu fühlen. Die Zeiten waren vorbei. Sie hasste sich
selber dafür, dass sie nicht einmal sich selber mehr etwas vormachen konnte.
Sie biss
sich auf die Unterlippe. Er knöpfte den Mantel nicht zu, legte sich den Schal
lediglich um den Nacken und sah weiterhin auf sie hinab.
„Bist du…
jetzt ganz gesund?“, wollte sie vorsichtig wissen, denn es war so faszinierend
ihn so zusehen. Alle Draco Malfoys in einem vereint.
„Ganz
gesund?“, wiederholte er nachdenklich, mit einem Hauch Spott in der Stimme.
„Ich… nehme keine Medikamente mehr. Ich… muss nicht mehr jede Woche zu Madame Tallis, wenn mir nicht danach ist, ich…“
„Es tut
mir leid!“, entfuhr es ihr hastig. Überrascht hob sich seine Augenbraue.
„Was tut dir leid?“, wollte er jetzt wissen.
„Ich…
alles“, gestand sie ihm ratlos ein. „Ich habe das Gefühl, all das ist nur
passiert, weil wir… weil ich…“ Sie wusste nicht, wie sie den Satz beenden
sollte.
„Du misst dir viel Bedeutung bei, oder?“, erkundigte er sich
lächelnd. Sie atmete aus. Am liebsten hätte sie ihm vor die Brust geschlagen,
aber sie konnte es nicht über sich bringen, ihn anzufassen. „Du arbeitest im
Ministerium, habe ich gehört?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, von wem, aber
er war Draco Malfoy, also… brauchte sie sich über nicht viel wundern.
„Ja“,
bestätigte sie, etwas überrascht über den plötzlichen Themenwechsel. „Wieso?“
„Ansonsten
hätte ich Ihnen auch gerne einen Job angeboten, Miss Granger“, bemerkte er mit
einem bekannten Funkeln in den Augen. Sie spürte, wie ihre Atmung flacher wurde.
„Du hast
nicht mal ein Unternehmen und willst mir einen Job anbieten?“, flüsterte sie,
denn seine Ausstrahlung schien einen sofortigen Effekt auf ihr Sprachzentrum zu
haben. Wieder einmal! Es war doch nicht zum Aushalten!
„Ich
würde ein Unternehmen über Nacht aus dem Boden stampfen, damit ich dir einen
Job anbieten könnte“, erwiderte er vollkommen gleichmütig. Ihr Herz machte
einen heftigen Satz. Nein! Das würde er jetzt nicht machen! Dann fiel seine
Fassade. „Ich… kann mich nicht mehr erinnern, wie man es macht“, ergänzte er
fast entschuldigend.
„Wie man…
was macht?“, entfuhr es ihr tonlos. Er hob hilflos die Hände und deutete auf
sie und sich.
„Was ist
die richtige Frage, Granger?“, wollte er lauernd wissen. „Geh mit mir essen?
Verbring mit mir Weihnachten? Gib mir eine Chance?“, zählte er auf, und sie
biss sich wieder auf die Lippe. „Ich…“ Er fuhr sich fluchend durch die
mittlerweile welligen blonden Haare. Das Schneewasser hatten sie aufgelockert
und sie fielen jetzt noch viel anbetungswürdiger in seine Stirn.
„Langsam.
Wenn wir… es langsam angehen könnten? Ich meine-“
„Langsam!“,
wiederholte er nickend. „Ja, kein Problem. Finde ich gut. Kann ich mit leben“,
sagte er, und es war wirklich untypisch für ihn, dass er solche Probleme mit
Worten hatte, fiel ihr auf.
„Gut“,
erwiderte sie bestätigend. „Dann…“
„Jaah“, entgegnete er gedehnt. Sie hob den Blick zu seinem
Gesicht. Ihr Magen zog sich zusammen, als ihr Blick auf seinen Mund fiel. Er
war so wunderschön. Sie hatte ihn so vermisst! Etwas änderte sich in seinem
Blick, stellte sie besorgt fest. Etwas… war sehr rapide dunkler geworden. Er
lehnte sich leicht nach vorn zu ihr.
„Langsam
heißt, ich nehme dich mit mir mit, richtig Granger?“, entfuhr es ihm rau.
„Langsam heißt, du schläfst in meinem Bett?“ Ihr Herz klopfte laut in ihrer
Brust, als seine Augen beinahe hungrig über ihren Körper wanderten. Und sie
schüttelte unfähig den Kopf.
„Ja“,
hauchte sie. „Ja, das heißt es.“
Er hatte
übergangslos die Arme um sie geschlungen, sie an sich gezogen, und sein Mund
senkte sich verlangen auf ihre bebenden Lippen. Als sie den Kuss erwiderte
explodierten Millionen Schmetterlinge in ihrem Bauch. Ihr Körper kribbelte
unter seinen Händen, unter seinem Kuss, und sie schlang die Arme um seinen
Nacken. Und egal, wie viel sie noch hatte klären wollen, egal, wie lange sie
eigentlich hatte warten wollen, es war überhaupt nicht möglich.
Ihre
Finger krallten sich in seine dichten Haare, zogen ihn näher zu sich, und ihre
Zunge glitt zwischen seine Lippen. Er stöhnte unterdrückt und lehnte sie gegen
die Flurwand, nur um sich noch verlangender gegen sie
zu pressen.
Oh Gott,
hatte sie ihn vermisst! Und es war alles anders, und doch war alles gleich! Sie
hätte weinen können! Mit größter Anstrengung riss er sich von ihren Lippen los,
und sie spürte die Enttäuschung sofort.
„Geh…
dich verabschieden“, knurrte er förmlich, ohne sie aus dem Blick zu lassen. Und
sie gehorchte. Sie konnte nicht anders. Sie würde alles tun, was dieser Mann
sagte. Alles.
~*~
Er hatte
ihr noch eine Wahl lassen wollen. Er hatte ihr wenigstens noch vorher das Haus
zeigen wollen. Aber er konnte nichts davon. Es war ihm zuerst nicht klar
gewesen, aber je später der Abend geworden war, umso dringender hatte er sie
haben müssen. Seine Erektion war gewachsen, mit jeder Sekunde, die er sie angesehen hatte.
Und… er
hatte seit Wochen nicht mehr Sex gehabt. Es war in seinen Gedanken so weit nach
hinten gerutscht, dass er überrascht über sich selber war. Wie hatte er es
verdrängen können? Verdrängen können, wie sehr es das brauchte? Wie sehr er sie
brauchte?
Er wollte
sich entschuldigen, wollte ihr erklären, weshalb er sie so dringend haben
musste, aber er konnte schon lange keine ganzen Sätze mehr formen. Und er hatte
ernsthaft angezweifelt, dass Hermine Granger keine gute Idee für ihn war!
Er wurde
wahnsinnig, wenn er daran dachte, dass sie alleine mit Weasley in einem Hotel
geschlafen hatte! Eine ganze Woche! Aber so wie es aussah, hatte Weasley kein
Glück gehabt. Tja, Glück für ihn.
Seine
Finger fuhren über ihren bloßen Rücken. Er war ihren Pullover schon im Flur
losgeworden, als sie angekommen waren. Ihre Lippen waren schon jetzt
geschwollen, ihr Körper bog sich ihm verlangend entgegen, und alle seine Ängste
waren in ihrer Nähe einfach… nicht vorhanden, stellte er mit größerer
Faszination fest.
Sie
zerrte sein Hemd aus seiner Hose, und er ließ sie gewähren. Ihre heißen Lippen
küssten seine Brust, und seine Hand vergrub sich in ihren perfekten Haaren. Er
riss sie am Kopf wieder nach oben, zog sie ungeduldig an seinen Körper und
plünderte ihre Lippen erneut.
„Schlafzimmer“,
knurrte er rau und zog sie einfach mit sich. Es war nichts Sanftes mehr in all
ihren Bewegungen. Er stieß sie in das frisch renovierte Schlafzimmer, sie warf
die Tür ins Schloss. Sein Hemd wurde aufgerissen, und ihre Hose war sehr
schnell ihre Beine hinab verschwunden. Als sie den Abstand zu ihm schloss war
ihr Blick entschlossen, verlangend und so fesselnd, dass sich seine Erektion
schmerzhaft weiter aufrichtete.
Er
wusste, er war derjenige, der die Übung darin hatte, Frauen willenlos werden zu
lassen, aber Granger stellte sich verflucht noch mal nicht schlecht an, ihn
ziemlich arm aussehen zu lassen. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in seinem Körper
breit, als er sie ansah. Zuerst konnte er es nicht genau lokalisieren, aber
dann lächelte er plötzlich. Kurz schien er sie damit zu verwirren. Aber sie
ließ sich nicht beirren, denn ihre Finger wanderten über seinen Brustkorb,
fasziniert, neugierig beinahe, als hätte sie es vorher noch nie getan.
Die
Narben störten ihn noch immer, aber… sie schien ihn dafür nicht zu verurteilen.
Sie schien sie nicht einmal zu sehen, und wenn sie es tat betrachtete sie sie
mit derselben Zuneigung, die er in ihren Augen erahnen konnte, jedes Mal, wenn
sie sich erlaubte, ihn zu lange anzusehen.
Ihre
Finger griffen in seinen Hosensaum, zogen ihn grob näher und sie öffnete den
Knopf, dann den Reißverschluss, bis die Hose nutzlos seine Beine hinab fiel.
Er fing
ihre Hände ab. Überrascht hob sich ihr sinnlicher Blick.
Genau
jetzt. Das war der Moment.
„Granger,
ich liebe dich“, sagte er rau, denn er konnte er konnte nicht mehr an sich
halten. Sie starrte ihn an. Seine Mundwinkel zuckten überrascht über sein
eigenes Geständnis, aber ihre Augen schienen kurz glasig zu werden. Sie
lächelte, ehe eine Träne auf ihre Wange fiel. Sofort beugte er sich vor, um sie
mit seinen Lippen aufzufangen. Sie schloss die Augen unter dieser Zärtlichkeit.
Sie
schlang übergangslos ihre Arme um seinen Nacken und schien ihn nicht mehr
loslassen zu wollen. Er stieg aus der Hose und hob sie vom Boden hoch, um sie
zu seinem neuen Bett zu tragen.
Ihre
Finger glitten seine Rücken hinab, schoben seine Shorts ebenfalls seine Beine
hinunter, und er legte sie auf das Bett. Seine Finger öffneten den Verschluss
ihres BHs, und sie zerrte den Fetzen Stoff praktisch von ihrem Körper, um ihn
neben das Bett zu werfen. Jetzt lag er über ihr. Sie war so wunderbar nackt.
Nur noch ihr Höschen trennte ihn von seiner Erlösung.
Sie
betrachtete sein Gesicht ausgiebig, als wolle sie es sich einprägen. Seine
Finger wanderten langsam über ihren Körper, sanft zwischen ihren Brüsten hinab,
und seine Mundwinkel zuckten, als sie ihn immer noch fasziniert ansah.
„Was?“,
wollte er belustigt wissen, denn sie betrachtete ihn, wie ein Schulprojekt, so
kam es ihm vor.
„Nichts“,
wehrte sie schnell ab. „Ich… erkenne dich wieder. Das ist alles“, flüsterte sie
anscheinend sehr glücklich, und er senkte langsam den Kopf.
„Das
hoffe ich, Miss Granger“, murmelte er rau gegen ihren Hals und spürte sie
schaudern. Seine Finger erreichten den Saum ihres Slips, und ungeduldig schob
er ihn ihre Beine hinab, wurde ihn los und drängte sich zwischen ihre
Beine. Verflucht, sie war so
wunderschön! Beinahe zu schön, als dass er sie haben sollte, befiel ihn sein
plötzliches Gewissen.
Sie war…
viel zu gut für ihn. Ihre Finger glitten sanft durch seine welligen
Haarspitzen, schienen sie zu liebkosen, und er lächelte schief.
„Ich
liebe dich, Draco Malf-“ Das Ende des Satzes ging in
ihrem unterdrückten Stöhnen unter, denn er hatte nicht mehr an sich halten
können. Er hatte sich mit nur einem Stoß in ihr vergraben. Ihr Kopf war
zurückgeflogen, und sie krallte sich keuchend in das Laken unter ihr. Grollend
entzog er sich, nur um langsam wieder in sie zu dringen.
Ihre
Beine hatten sich um seine Hüften geschlungen, und er sah sie an, sog jedes
Detail auf. Sie war seins! Sie war nur seins, sie gehörte niemandem sonst!
Nicht Potter, nicht Weasley! Mit jedem dieser Gedanken stieß er härter in sie,
besitzergreifend, erbarmungslos. Sie klammerte sich an ihn. Ihr
Brüste hoben sich gegen seinen Oberkörper, er stützte sich auf die Hände,
pinnte sie härter gegen die Matratze, und ihre Finger fuhren verlangend über
das Spiel seiner Muskeln.
„Ja!“,
entfuhr es ihr, und ihr Kopf flog zurück. Er spürte es. Ihr Rhythmus wurde
unbeständiger. Sie bockte unter ihm auf. „Ja!“, wiederholte sie erstickt, und
er stieß härter nach vorne, wilder, schneller, bis er selber spürte, dass er
nicht mehr weit davon entfernt war. „Draco!“, keuchte sie und ihre Fingernägel
krallten sich in seine Schultern, als sie ihren Körper nach oben bäumte.
Er kam
augenblicklich, folgte ihrem Orgasmus und brach über ihr zusammen.
Fuck! Wie
sehr hatte er es vermisst! Wie sehr hatte er sie vermisst?
Sofort
musste er den Kopf senken und ihre Lippen küssen. Er verschlang ihren Mund, und
träge erwiderte sie den Kuss, legte ihre Arme sanft um seinen Nacken, und er
wusste, er würde sie heute Nacht nicht schlafen lassen!
~*~
Weihnachten…
„Es ist
jedes Jahr dasselbe“, bemerkte Ginny, während sie Lily über die roten Haare
strich. Hermine saß gespannt im Sessel und beobachtete die Türen zum Flur.
„Mummy,
kommt Santa nicht?“, wollte Lily von ihrer Mutter wissen, und Ginny lächelte.
„Natürlich
kommt Santa, Liebes. Du weißt doch… manchmal haben die Rentiere… einen
verstauchten Fuß, und er… braucht länger“, erklärter Ginny mit souveräner
Ernsthaftigkeit, die nur eine Mutter zustande bringen konnte.
„Oh
verflucht noch mal!“, vernahm sie Dracos gedämpfte Stimme von draußen auf dem
Flur.
„Daddy
hat das V-Wort gesagt, Mummy!“ Grinsend wandte sich Scorpius um. Hermine
seufzte und zwang ein Lächeln auf ihre Züge.
„Nein,
hat er nicht. Und wenn, bekommt dafür großen Ärger“, fügte sie mahnend hinzu
und Scorpius‘ Lächeln wurde schmaler.
„Wie groß?“, wollte er probeweise wissen. Aber Hermine schüttelte todernst den
Kopf.
„Riesig“,
erwiderte sie, und hastig wandte Scorpius den Kopf wieder nach vorne.
Die Türen
öffneten sich. Ron und Harry kamen sehr zufrieden ins große Wohnzimmer.
Lavender strich sich abwesend über den runden Babybauch als Ron sich neben sie
setzte.
„Wirklich
schade, Ron. Wir haben gewettet, dass du es wirst“, bemerkte sie leise.
„Dass er was wird?“, wollte Scorpius
sofort wissen. Hermine hatte schon einige Male mit Beunruhigung zur Kenntnis
genommen, dass er die spitzen Ohren eines Slytherin hatte. Aber bis dahin hatte
er noch ein paar Jahre Zeit. Merlin, sei Dank.
„Erster,
der rein kommt“, erwiderte Ginny sofort.
„Oh“, erwiderte Scorpius verwirrt. Aber Hermine versteckte ihr Lächeln.
„Dad?
Bringt Santa mir den neuen Nimbus? Ich kann nicht ohne Besen nach Hogwarts
gehen!“, entfuhr es James aufgeregt. Er war jetzt zehn und redete von nichts anderem
als Quidditch. Ginny und Harry waren stolz. Hermine hoffte jedoch, dass ihr das
erspart blieb. Wenigstens noch für drei Jahre.
„Lily,
ich wette, Santa bringt dir alte Stinkkäfer“, flüsterte Scorpius nicht
besonders leise.
„Du bist
so eklig! Mum!“, beschwerte sich Lily sofort, und
Hermine zog an den blonden Haaren ihres Sohnes.
„Noch ein Wort, und Santa bringt dir bloß Stinkkäfer!“, drohte sie ihrem Sohn,
und eilig kletterte er artig auf den Schoß, als sich die Türen ein weiteres Mal
öffneten.
Ein sehr
schlecht gelaunter Santa betrat das Zimmer. Die Kinder verfielen in andächtig
ängstliche Stille, während Harry und Ron das Lachen kaum unterdrücken konnten.
Hermine wusste, besonders Ron gönnte Draco diesen Auftritt. Sie hatten alle
Streitigkeiten begraben. Aber… manchmal hatte sie das Gefühl, Ron gefiel es,
wenn Draco litt.
„Ho, ho… ho“, sagte Draco ohne sich besonders große Mühe zugeben. Hermine biss
sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. Das Kostüm war jedes Jahr großartig.
George hatte sich mit dieser Erfindung selber übertroffen. An Weihnachten
bestellte nahezu jedes Haus in London ein waschechtes Santa-Kostüm. Es passte
sich der Trägergröße an, füllte das überflüssige Gewicht magisch aus, färbte
die Haare weiß, ließ sie wachsen, schwemmte sogar die Haut im Gesicht ein wenig
auf, und nur noch Dracos graue Augen verrieten, dass er widerwillig in diesem
Kostüm steckte.
Aber es
war wohl fair, denn Ron war bereits zweimal in Folge Santa gewesen.
„Santa,
Santa! Hast du meinen Besen dabei?“
„Und Stinkkäfer
für Lily?“
„Und die
Rute für Scorpius?“
Alle
Kinder riefen durcheinander und hatten ihre ursprüngliche Angst überwunden.
„Ja, ja“,
bemerkte Draco gereizt zog den riesigen Sack voller Geschenke hervor und warf
ihn lustlos auf den Boden. Die Kinder stürzten sich wie Wilde auf die
Geschenke.
„Was sagt
man?“, fuhr Ginnys Stimme zwischen das Gewühl, und artig erhoben sich die Kinder
wieder.
„Danke,
Santa!“, murmelten alle beschämt, nur um sich wieder auf den Geschenkeberg zu
stürzen.
Hermine
stellte sich unauffällig neben ihren Santa.
„Wirklich
sehr überzeugend, Santa.“
„Sei bloß
still, oder die Rute bleibt heute Abend für dich übrig“, knurrte er durch die
Zähne, und sie musste wieder lachen.
„Versprochen?“,
wollte sie lauernd wissen, und seine grauen Augen weiteten sich überrascht.
„Verlass
dich drauf“, versprach er mit wissendem Blick, und selbst in einem täuschend
echten Santa-Kostüm ließ er immer noch ihre Knie weich werden.
„Mum! Mum, ein Kinderbesen!“,
quietschte Scorpius aufgeregt und war sofort zu ihr gelaufen. „Wo ist Dad? Wo
ist Daddy? Ich muss ihm den Besen zeigen!“
„Ja, wo
ist dein Vater? Ich werde ihn sofort holen. Sofort“, beschloss der Santa neben
ihr erleichtert, und sie war froh, dass er es überhaupt durchgezogen hatte,
Santa zu spielen. Wenn auch nur für fünf Minuten.
Feixend
sahen Ron und Harry Draco nach, wie er unbemerkt nach draußen verschwand. Er
kam keine Minute später wieder rein. Wieder ganz er selbst. Die Haare etwas
zerzaust, aber sonst unversehrt.
„Dad!“,
rief Scorpius heiser. „Guck doch! Ein Kinder-Nimbus!“ Hermine schickte ein
stummes Gebet gen Himmel. Draco entging es nicht.
„Wahnsinn,
Scor. Wir können später rausgehen, ihn ausprobieren.“ Keines der Kinder
bemerkte, dass Santa fehlte.
„Ich
hoffe, du wirst ihn nicht zwingen, Quidditchbesessen
zu werden?“, erkundigte sie sich sanft bei ihrem Mann. Er brachte es fertig,
unschuldig auszusehen.
„Zu werden?“, wiederholte er ungläubig.
„Ich denke, das ist schon der Fall.“
„Draco!“,
warnend sah sie ihn an.
„Ja, Mrs Malfoy?“, erwiderte er ruhig mit dem Blick, der sie
immer schwach werden ließ. Sie schüttelte warnend den Kopf.
„Nein! So
kriegst du mich nicht heute!“, erklärte sie, und seine Hand legte sich auf ihre
leichte Bauchwölbung. Er küsste sanft ihre Halsbeuge.
„Und
damit?“, erkundigte er sich rau.
„Uuägh!“, entfuhr es Scorpius angewidert. „Mum, Dad! Es sind Leute hier!“
„Oh ja?
Was denkst du, was du tun wirst, wenn du meine Schwester heiratest?“, bemerkte
James mit einem fiesen Grinsen, während er seinen echten Nimbus umklammert
hielt. Scorpius wurde so bleich, wie Lily es wurde. Hermine verkniff sich ein
Lachen. James nahm also an, dass ihr Sohn seine Schwester heiraten würde. Das
wäre wirklich seltsam!
„Oh nein! Niemals! Niemals werde ich die heiraten!“, beschwerte sie
Scorpius aufgebracht. „Vielleicht, wenn die Hölle zufriert und es Bertie Botts
Bohnen regnet!“
„Ja! Wenn
Hippogreife sprechen können und… und…“, bestätigte
auch Lily aufgebracht, und Scorpius nickte heftig.
„Ja! Und nicht mal dann! Du bist so blöd, James!“, rief er und jagte dem
älteren hinterher.
„Nicht im
Haus rennen!“, rief Hermine resignierend den Kindern nach. „Wann kommen Luna
und Neville? Flyn ist immer so lieb und umgänglich“,
fügte sie seufzend hinzu.
Ginny
schenkte ihr einen mitleidigen Blick.
„Nur
damit du es weißt“, bemerkte sie, „ich wäre voll und ganz dafür, dass sie
heiraten.“ Hermine musste grinsen. Natürlich. Ginny würde die Idee einer
durchmixten Großfamilie gefallen.
„Ich
finde, Willard kann das nächste Mal den Santa spielen“, sagte Draco
schließlich, als er sich auf die Couch sinken ließ, als wäre er den Marathon
gelaufen und alle Kinder das Zimmer mit ihren Geschenken verlassen hatten. Witherby, der den Weihnachtsbaum begutachtete und einige
Kugeln an einen neuen Platz tauschte schüttelte höflich den Kopf.
„Nein,
nein. Ich bin nur ein treuer Bediensteter, Sir. Kein Weihnachtsmann“, bemerkte Witherby lächelnd, und Hermine stieß Draco in die Seite.
„Nein! Die Väter spielen den Weihnachtsmann!“, beharrte sie.
„Komisch,
dass Neville immer zu spät kommt“, fiel Harry mit eindeutigem Blick auf.
„Hey, er
unterrichtet später unsere Kinder. Am besten sagen wir nichts gegen Professor Longbottom“, erwiderte Ron,
während seine Hand wie selbstverständlich auf Lavenders
Babybauch ruhte. Hermine mochte Lavender auch nur an den Feiertagen. Ansonsten…
war sie ihr egal.
Draco
küsste ihren Handrücken.
„Also,
heute Abend Fuchsbau?“, vergewisserte er sich. Sie nickte. „Morgen deine
Eltern?“ Sie nickte erneut. „Wir lassen Scorpius bei ihnen und…?“ Er sah sie
abwartend an.
„Machen Urlaub“, versprach sie leise. Und der Urlaub, von dem sie sprach, bezog
sich tatsächlich auf ein Haus in London. In der Denmark
Road. Mit einem hübschen Garten mit einer Schaukel am Apfelbaum, einer Veranda
und dem größten Weihnachtsbaum der Straße.
Dort, wo
sie gerade alle Weihnachten feierten.
Sie
betrachtete ihren schönen Mann. Sie brauchte keinen Urlaub an einem sonnigen
Strand, wenn sie nur ihn bei sich hatte.
Er hatte
seit sieben Jahren keinen Albtraum mehr gehabt.
Er hatte
ihr einen wunderhübschen Sohn geschenkt. Und sie war sich sicher, in vier
Monaten würde er ihr auch noch eine wunderschöne Tochter schenken. Sein Lächeln
wurde schmaler, und er sah sie fragend an.
„Was ist, Liebes?“ Aber Hermine schüttelte zufrieden den Kopf. Sie lächelte
ihrem Mann entgegen, und er neigte den Kopf zu einem zärtlichen Kuss. Sie
schloss lächelnd die Augen.
Ja, sie
war glücklich. Unglaublich glücklich.
– The End –