Kapitel

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Kapitel 9 , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12 , Kapitel 13 , Kapitel 14 , Kapitel 15 ,

Kapitel 16 , Kapitel 17 , Kapitel 18 , Kapitel 19 , Kapitel 20 , Kapitel 21

 

 

Kapitel 1

 

In ihren Ohren klingelten immer noch die Vorwürfe von Harry und Ron. Die ganze lange Liste, weswegen sie unmöglich hier sein sollte. Ihre Arme schlangen sich fester um den Lederordner mit leeren Pergamentblättern und Schreibfedern, den sie vor sich trug, wie ein Schutzschild. Der Herbstwind wehte durch ihre langen Haare, die, widerspenstig wie sie waren, nicht hinter ihren Ohren stecken bleiben wollten. Sie trug den langen blauen Mantel über dem schwarzen, engen Rock zu den schwarzen Stilettos und der hellblauen Bluse. Immerhin sah sie so aus, als würde sie einer besonders wichtigen Tätigkeit nachgehen.

 

Sicher, Harry und Ron waren vollauf beschäftigt mit der Aurorenausbildung. Wobei sie jedoch glaubte, dass Ron vielleicht nicht direkt dafür gemacht war. Sie unterstellte ihm nicht, die Zauber nicht zu beherrschen, aber ihm fehlte die richtige Hingabe. Darauf kam es natürlich nicht an, hatte Harry ihr erklärt, aber sie wusste, zu einem Teil würde Ron keinen Spaß daran haben, wenn es ihm immer schwerer fallen würde, magische Elemente auseinander zu halten, um einen Fluch zur Perfektion zu bringen.

 

Und warum bist du dann hier?, erkundigte sich ihr Gewissen besserwisserisch, denn ähnlich war anschließend auch Harrys Ausführung bezüglich ihrer Berufswahlen gewesen. Sie stand vor dem großen Gebäude. Es hatte eine schlichte Treppe, die in fünf Stufen nach oben führte. Zwei Flügeltüren aus altem Holz blickten ihr düster entgegen, und sie wusste noch nicht, ob die Entscheidung gut war. Was sie gereizt hatte, war die Tatsache gewesen, dass sich nur Männer für den Posten beworben hatten.

 

Sie kaute vergessen auf ihrer Unterlippe. Sie würde an der Veranstaltung teilnehmen. Sie unterschrieb ja nichts! Aber sie wusste, sie würde nicht glücklich werden als Aurorin.

Sie hatte genug gekämpft. Sie kämpfte ohnehin schon ungern. Sie hatte es nie gewollt. Sie war nur gut darin, weil sie es hatte sein müssen, denn ansonsten wäre sie gestorben!

Das war der einzige Grund gewesen. Nicht wie bei Harry, der es liebte mit Magie zu kämpfen, Menschen zu retten, sich zu verteidigen auf dem höchsten Begriff der Kunst.

 

Sie wollte nicht ausführen, sie wollte lehren.

Aber nicht in Hogwarts, denn ohne Dumbledore… war es eben nicht Hogwarts. Es war wie eine tiefe Wunde, die der Krieg in ihr hinterlassen hatte. Der Job als Aurorin wäre niemals in Frage gekommen. Sie war nicht für den Nahkampf geeignet. Es hatte nichts mit Intellekt zu tun.

 

Und in Höhlen nach Gold suchen schon? Da war sie wieder. Die nagende Stimme in ihrem Innern, die natürlich einen guten Punkt hatte. Für Gringotts zu arbeiten bedeutete, körperlich unterirdische Aussichten. Sie wusste, es könnte wieder eine fixe Idee sein. Eine spannende, aber nicht wirklich fruchtbare Idee. Für Gringotts arbeiten, so wie Bill Weasley.

Aber er hatte ihr schon gesagt, wie anstrengend es war. Wie undankbar, zäh und kräftezehrend.

Zwar war es schön, Gold zu finden, aber… der Weg dahin hatte weniger mit dem Lesen der Bücher darüber zu tun.

 

Aber Bücher lesen reichte ihr auch nicht immer. In zwei Tagen wäre sie wieder in Lunas Laden, um auszuhelfen, und vielleicht auf einer Ersteigerung genügend spannende Artefakte zu finden, die ihr eine neue Idee auf einen neuen Beruf in den Kopf setzten.

Auf diese absurde Idee, wie Harry es nannte, war sie auch nur gekommen, als sie ein Buch des Kobolds Gluckaak in die Hände bekommen hatte, der seine Geschichte über das Geheimnis des goldenen Baums erzählte, dessen Früchte die Welt in pures Gold verwandelten, würde man sie einschmelzen und in einen Zauber binden.

 

Natürlich glaubte sie es nicht, aber der Zauber der beschrieben wurde, war, für damalige Zeit, ein wesentlicher Fortschritt gewesen, denn er verband das erste Mal die magischen Gesetze der Leere auf der physischen Ebene, ohne dass sie damals überhaupt entdeckt worden waren. In einem Koboldkinderbuch!

 

Sie atmete aus. Es war nicht schlimm. Sie ließ sich lediglich beraten. Das war alles.

Es war schwierig, wenn man sich für alles qualifizierte. Was sie natürlich nicht tat! Allerdings schien ihr die magische Gesellschaft auf Grund der Geschichte mit Voldemort einige Bonuspunkte zukommen zu lassen und stellte ihr in Aussicht, auf so ziemlich jedem Berufsfeld tätig zu werden.

Deshalb sah sie sich seit bereits einiger Zeit um. Gold war keine Sorge. Sie, Harry und Ron hatten wohl erst mal ausgesorgt. Das Ministerium hatte sie für den Fall Voldemorts belohnt. Großzügig. Es reichte nicht für ein ganzes Leben, aber zumindest für ein großzügiges nächstes Jahrzehnt, wenn sie bescheiden leben würde. Natürlich brauchte sie keine Rente.

 

Sie brauchte einen Job. Einen, bei dem sie nicht nach einem Jahr die Lust verlieren würde.

 

Sie war ruhelos. Und das war schlecht, meinte Ron. Sie wusste es selber, aber sie konnte es nicht ändern. Sie wollte auch erst Recht nicht immer in Rons Nähe sein, was sie als Aurorin ja wohl sein würde. Sie hatten Schluss gemacht, und es war nicht gerade sanft und freundlich zugegangen.

Es war wohl besser, zu sagen, dass sie Schluss gemacht hatte. Nicht Ron. Aber es führte nirgendwohin. Es wäre nicht fair gewesen.

 

Sie wusste das. Sie waren eine wilde Sommerliebe gewesen, die sehr schnell ausgebrannt war. Sie kannten sich zulange. Der Krieg musste wohl so etwas wie eine Hormonstarre gelöst haben. Das war es wohl gewesen. Er war ihr bester Freund, sicher. Aber… Feuer? Leidenschaft? Mit Ron? Nein, das war es nicht gewesen. Sie glaubte auch nicht daran, dass es so etwas gab, aber dennoch konnte sie sich nicht mit der Mittelmäßigkeit zufrieden geben. Das war wohl scheinbar ihr ganzes Problem in allen Lebenslagen, überlegte sie bitter.

 

Sie erklomm die wenigen Stufen, öffnete die Tür und betrat das Gebäude, das von der Koboldvereinigung heute zur Verfügung gestellt worden war, für den praxisbezogenen Vortrag über den Wert des Goldes.

Ein Gastredner würde erzählen, was Gold ausmachte, welchen Wert es in der magischen Gesellschaft hatte und weshalb es nur Kobolden anzuvertrauen sei. Sie nahm fast an, dass ein Kobold selber den Vortrag würde halten müssen, um mit Vehemenz eine ausschließliche Kompetenz der Kobolde zu rechtfertigen.

 

Der Saal war ausgeschildert. Die Möbel hier waren kleiner. Wahrscheinlich trafen sich die Kobolde hier selber nach der Arbeit, nahm sie an, und stellte sich eine Art Koboldstammtischrunde vor. Sehr amüsant.

Der zugewiesene Saal war allerdings mit Stühlen für menschliche Körpermaßen gefüllt. Die Plätze waren zu einem großen Teil gefüllt, und sie war froh, etwas zu früh gekommen zu sein. Und sie hatte recht behalten: Nur Männer füllten den Saal. Einige erkannten sie, tuschelten verhalten, aber sie schritt selbstbewusst zur ersten Reihe, die nie gerne besetzt wurde.

Es kam ihr vor, wie in der Schule. Allerdings hatte sie noch niemals Angst vor der ersten Reihe besessen. Kleine Tische ließen sich von den Armlehnen nach oben klappen, und sie konnte ihren Ordner ablegen.

 

Sie kannte niemanden hier.

Was waren das wohl für Männer, die sich für einen Job bei Gringotts interessierten? Sie sah sich verstohlen um. Große, starke Männer anscheinend, wurde ihr klar. Keiner war kleiner als sie, nahm sie an. Die Schultern waren breit und eine Art von Abenteuerlust blitzte in ihren Augen. Gut, es war vielleicht abenteuerlich. Aber dieser Vortrag hier richtete sich eigentlich mehr auf das Ziel einer jeden Suche. Gold war etwas beeindruckend Wertvolles. Es zu finden bedeutete doch, dass man etwas Erhebliches für die Gesellschaft tat. Sie wollte etwas Erhebliches für die Gesellschaft tun!

 

Das hast du doch schon bereits, mischte sich ihr Unterbewusstsein wieder ein. Noch fünf Minuten, stellte sie erschrocken fest, als sie die Uhr an der Wand betrachtete. Sie war kunstvoll gearbeitet. Bestimmt Koboldhandwerk. Es war ein spannendes Berufsfeld. Vielleicht zu spannend…. Wie lange hatte sie draußen gestanden und gegrübelt, dass ihr zeitlicher Vorsprung auf fünf Minuten gesunken war? Der Saal füllte sich nun eilig. Anscheinend war der Gastredner eingetroffen.

Ob es wirklich ein Kobold war? Dann würde sie ihn immerhin aus der ersten Reihe gut sehen können!

Und er sie auch, denn sie war die einzige Frau. Aber es wäre diskriminierend, wären Frauen nicht zugelassen!

 

Neben sie setzte sich hastig ein junger Mann. Er wirkte schmächtiger als die Männer hinter ihr. Die Haare hellbraun, etwas zerzaust, und die Feder und das mitgenommene Pergament in seinen Händen, zitterten vor Aufregung. Er sah sogar jünger aus als sie, befand sie. Und sie würde ihn nicht gerade als geeignet einstufen, in den Höhlen der tiefsten Minen nach Gold zu suchen!

Aber dann wiederum… war sie auch nicht wirklich geeignet. Vielleicht zählte der Wille.

Er trug eine gebügelte Stoffhose in braun, ein weißes Hemd, hoch zugeknöpft, so dass er heftiger atmen musste, eine passende Weste und ein etwas enges, braunes Jackett. Eigentlich sah er ganz und gar nicht aus wie ein Abenteurer.

 

Aber sie sagte nichts dazu.

 

Die Tür schloss sich, und sie hob den Blick, setzte sich aufrechter hin und sah perplex zu, wie ein blonder, hochgewachsener Mann nach vorne zum Rednerpult schritt, welches als einziges Möbel hier auf Koboldgrößen ausgerichtet war, weshalb er es lediglich als etwas höheren Stuhl missbrauchen konnte.

 

Aber all das war unwichtig, denn der Mann, der den Vortrag zu halten schien war Draco Malfoy. Zumindest war sie sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass er es war. Sie schluckte knapp, und unbewusst strich sie ihren Rock glatt.

Das war ein sehr großer Zufall. Ohne ihr weiter Zeit zu geben, zu verdauen, dass er einen Vortrag halten würde, begann er zu sprechen.

 

„Einen schönen guten Tag, meine Herren.“ Seine Stimme war ruhig, gefasst, vorbereitet und angenehm tief. Er sah sich freundlich im Saal um, den Blick scheinbar kurz auf jedes Gesicht gerichtet, um dann an ihrer Erscheinung hängen zu bleiben. „Und einen schönen guten Tag an die einzige Dame“, fügte er schließlich hinzu. Wiedererkennungswert lag nicht in seinem Blick. Sie sagte darauf nichts und konnte nur, unfähig irgendetwas zu tun, warten.

„Ich bin heute hier, um über den Wert und die Stellung des Goldes zu sprechen. Schließlich ist dies das Thema, dass Sie am allermeisten beschäftigen wird, sollten Sie sich entschließen und qualifizieren, ein Teil der Gringottsfamilie zu werden“, fuhr er mit sonorer, ruhiger Stimme fort.

 

Aufregung war ihm nicht anzumerken. Seine Hände zitterten nicht, und er wirkte…, ja er wirkte… souverän? Arbeitete er bei Gringotts? Sie wüsste nichts davon! Arbeitete er überhaupt? Durften Todesser arbeiten? War sein Vater nicht im Gefängnis oder so etwas? Hatte Harry nicht so etwas erwähnt? Sie hatte viele Fragen – und keine betraf in irgendeiner Weise den Wert des Goldes! Sollte sie einfach gehen? Wollte sie einem Vortrag zuhören, der von Draco Malfoy gehalten wurde?

War es Draco Malfoy? Sie war sich immer noch nicht völlig sicher. Er trug ein weißes Hemd, eine helle Krawatte, ein graues, modernes Jackett, das sich eng an seinen Oberkörper schmiegte und eine passend graue Hose. Die Kleidung stand ihm gut.

 

War er gebräunt? Oder ließ die helle Farbe seiner Kleidung und das helle blond seiner Haare ihn einfach… gesund und gebräunt aussehen? Sie wusste es nicht zu sagen. Vielleicht war es auch das Offensichtliche, was ihren Augen nicht entgangen war. Malfoy besaß Oberarme. Ausgeprägte Oberarme. Und anscheinend noch einige andere Muskeln, die das Jackett und das feine Hemd zum Spannen brachten. Nicht im übertrieben Maße, aber eben… nicht mehr im jungenhaften Maße.

Dabei war er…? Wie alt war er? So alt wie sie. Einundzwanzig.

 

Sie ließ die angehaltene Luft aus ihren Lungen weichen.

 

„Mein Name ist Draco Malfoy, und ich möchte diesen Vortrag damit beginnen, zu erklären, warum Gold eine Faszination für jedes Lebewesen birgt. Ähnlich wie Diamanten eignet sich auch Gold für die Einbindung von Magie. Ein besonders mächtiger Fluch richtet und bindet sich perfekt an Mineralien. Flüche werden häufig mit Diamanten verstärkt oder versiegelt, Zauber jedoch mit Gold.“ Seine Stimme… sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals so geklungen hatte! Nicht, dass sie wüsste!

„Kobolde verwalten Gold, verarbeiten Gold und haben all ihre Weisheiten dem Gold gewidmet. Sie sagen, Gold bleibt treu. In ihrer Sprache òr dìlis“, übersetzte er auf perfektem Koboldogack, und sie war sich wirklich nicht sicher, ob ihr gegenüber nicht eine perfekte Kopie eines Draco Malfoys war, den sie nicht kannte.

 

Wieso durfte er Vorträge halten? Sie kam über diese augenscheinliche Kompetenz nicht hinweg.

 

„Gold ist biegbar, und das Sprichwort verspricht, was biegt, bricht nicht.“ Er lächelte kurz ein feines Lächeln. „Eine Bindung soll nicht brechen, deswegen ist Gold ein verlässlicher Faktor bei Zaubern jeder Art. Gold löst sich nicht auf. Wird es bei kochender Hitze geschmolzen, behält es die Form bei. Auch flüssig verliert es nicht an Masse oder Gewicht. Das ist die Treue, die die Kobolde am Gold so sehr schätzen und welche, ihrer Meinung nach, nicht auf Menschen übertragbar sei.“ Er schwieg kurz. Und etwas an seiner Art hielt anscheinend einen ganzen Saal voller männlicher Muskelprotze in einer Trance aus andächtigem Schweigen.

 

Fast lullte Malfoy sie auch in seinen Singsang aus Geschichten über Gold. Aber nur fast. Denn sie war immer noch zu schockiert. Der Mann neben ihr kritzelte eifrig mit, schrieb fast jedes Wort nieder, so wie sie es erkennen konnte, als sie auf das Pergament blickte, aber sie sah auch, dass er sich notierte, wie Malfoy stand, was er trug, wie er sprach, und sie schüttelte verwirrt den Kopf.

Sie hingegen konnte es nicht über sich bringen, mitzuschreiben.

 

„Aber das beschreibt auch auf, wie ich finde, treffende Weise das Gemüt der Kobolde. Sie widmen ihre Zeit dem Gold, pressen Münzen und Schmuck daraus, und verlieren somit jede Eigenschaft, die ein Lebewesen ausmacht. Mit Gold zu arbeiten führt zur Gier. Amplùch, wie sie es nennen. Gold ist kein Begleiter, Gold spricht nicht, es hält nicht warm, es macht nicht satt“, erläuterte er ernster.

„Es zu besitzen, bedeutet, ihm nicht zu verfallen. Der Goldrausch ist etwas Gefährliches. Kein Goldstück, was für Gringotts gefunden wird, darf behalten werden. Der Wert von Gold ist unschätzbar. Es ist  zwar immer ein stabiler Wert, aber auf Grund seines seltenen Vorhandenseins wird es immer das wertvollste sein, was auf der Welt existiert.“

 

Sie schluckte. Er hatte den Blick auf sie gesenkt. Sofort spürte sie, wie sie die Luft automatisch anhielt. Seine blauen Augen sagten ihr sofort, dass er sie erkannt hatte. Sie fühlte sich plötzlich sehr anwesend und groß, in diesem Raum voller fremder Männer. Hitze stieg in ihre Wangen, ohne dass sie genau erklären konnte, weshalb.

 

„Miss Granger“, begann er schließlich, und ihr Name rollte weich wie Butter über seine Lippen. Und nicht nur, dass er es fertig brachte vollkommen glaubhaft ihren Nachnamen zu verwenden, obwohl sie gleichalt waren, nein, er schaffte es sogar, autoritär zu klingen. Die Luft verließ teilweise ihre Lungen, und sie brach den Blick zu ihm nicht. „Ich bin mir sicher, Sie wissen, wann die Kupferzeit in der Zeitrechnung der Muggel zu beziffern ist?“ Es war keine wirklich Frage, und dennoch vermittelte es den Anschein zwischen einem Schüler-Lehrer-Gespräch.

Er hatte sie tatsächlich gefragt. Warum? Weil er wusste, sie war eine Muggel? Wahrscheinlich. Oder nicht? Sie war sich der Blicke der anwesenden Männer gewahr.

 

Und sie entschied sich zu antworten, ehe ihr Kopf abgewogen hatte, ob sie überhaupt mit ihm sprechen musste! Es war schließlich ein Vortrag von ihm, aber ihr Kopf und ihr Schulwissen der Grundschulzeit waren wieder einmal schneller als Abwägung und Zurückhaltung. – Und daneben auch ihre plötzliche Faszination zu diesem Mann vor sich.

 

„4200 vor Christus, geschätzt“, fügte sie rau hinzu, denn sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, sprechen zu müssen. Und er lächelte jetzt. Es löste ein seltsames Gefühl in ihr aus.

 

„Völlig richtig, Miss Granger. Das entspricht welchem Zeitalter Merlins?“ Ehe sie über die Impertinenz dieses Wissenstest nachdenken konnte, hatte sie erneut geantwortet, denn sein Blick fesselte sie immer noch.

 

„Ungefähr das dritte Zeitalter, allerdings ist es schwer zu bemessen, da es keine Zeitrechnung in diesem Sinne für die magische Bevölkerung gab. Alle Aufzeichnungen der Zeitentafel sind im Dämonsfeuer der angeblichen Schlacht um Wellarnok vernichtet worden“, erwiderte sie, wie aus der Pistole geschossen, wie sie es im Lehrbuch gelernt hatte. Fast dachte sie, er würde ihr jetzt Punkte schenken. Sie schloss hastig den Mund, nicht willig noch etwas anderes preiszugeben. Ihr Puls brach neue Rekorde!

 

Er hatte sich elegant vom Pult abgestoßen und vergrub nun die Hände in den Taschen der feinen Stoffhose.

 

„Ganz richtig. Alle Aufzeichnungen sind vernichtet worden, allerdings gibt uns das dritte Zeitalter Merlins Auskunft darüber, dass die ersten Goldfunde entsprechen weit zurückliegen, was uns darauf schließen lassen, dass Gold ähnlich lange wie die Menschen existiert, wenn nicht ungleich länger.“ Er schritt vor der ersten Reihe auf und ab, und jedes Mal wenn sie sein Duft traf, hielt sie die Luft erneut an.

 

Er roch nach Parfum. Teuer, herb und betörend. Sie schüttelte unwillig den Kopf.

 

„Es handelt sich um eine Zeit, in der Muggel und Zauberer durch Gold eng verbunden waren. Zwar war den Muggeln nicht die magische Wirkung bewusst, aber sie erkannten den unschätzbaren Wert dennoch. Es wurde als Kostbarkeit, als Währung gehandhabt, welche die Zauberer bis zum heutigen Tage beibehalten haben.  Sie waren schlau genug, den Muggeln die Reserven abzunehmen und in dem Glauben zu lassen, das Vorkommen wäre noch wesentlich seltener und ihre Minen ausgeschöpft.“ Hermine verspürte wieder Mitleid mit den Muggeln, die wieder einmal von den Zauberern ausgetrickst und ausgenommen worden waren.

 

Aber wahrscheinlich war es besser so. Goldrausch kannten Muggel. Und vielleicht war es gut, dass die Kobolde die Macht über Gold besaßen.

 

„Was ist der unterschiedliche Maßstab der Währungen Galleone und Pfund?“, fragte er prompt. Langsam schritt er die erste Reihe wieder zurück, ließ den Blick über die Menge schweifen, und sie zwang sich, nicht auch noch die Hand zu heben, um zu antworten. Sie tat es, weil sie nicht wollte, dass er es tat. Sie war schließlich muggelgebürtig! Und irgendwas in ihrem Innern sagte ihr, er fragte diese Fragen mit glatter Absicht. Fühlte sie sich dann geschmeichelt oder war es impertinent? Ihr Verstand funktionierte irgendwie nicht mehr richtig.

 

„22:1 ist der derzeitig geltende Maßstab“, beantwortete sie unaufgefordert seine Frage. Er kam vor ihr zum Stehen, und widerwillig legte sie den Kopf in den Nacken, um in sein Gesicht blicken zu können.

 

„Das ist richtig, Miss Granger.“ Wieder sagte er ihren Namen, und wieder fühlte sie sich seltsam unter seinem Blick, seiner Aufmerksamkeit, seiner ganzen Erscheinung. Sie fühlte sich zur Schau gestellt, und als sie dachte, er würde den Blick nicht mehr von ihr abwenden, wandte er sich wieder Richtung Pult um und schritt zurück. Und seltsamerweise blieb ihr Blick auf seinem Hintern ruhen, der sich straff und muskulös unter dem Stoff seiner Kleidung abzuzeichnen wagte. Sie schloss irritiert die Augen und öffnete sie erst wieder als sie sicher sein konnte, dass er sich umgedreht hatte. Ihr Mund war trocken. Sie wurde verrückt!

 

„Unsere Währung hat den zweiundzwanzigfachen Wert der Währung der Muggel inne“, erläuterte er lauter. „Es ist wichtig, sie zu schützen. Der Wert des Goldes, meine Dame, meine Herren, ist der wichtigste Wert in unserer Gesellschaft. Sofern Sie sich entschließen für Gringotts arbeiten zu wollen.“ Er schenkte den Anwesenden ein weißes Lächeln. Gerade reihten sich seine Zähne aneinander. Es war ein entwaffnendes Lächeln.

 

Sie fühlte, wie sich ihr Unterkörper unwohl auf dem unbequemen Stuhl zur anderen Seite schob. Ihr Körper kribbelte unangenehm bei seinem Anblick.

 

„Es dient nicht dem Abenteuer. Die Suche nach Gold dient der Erhaltung der Gesellschaft, der Währungsstabilität und der magischen Einzigartigkeit“, erklärte er offen. „Nur die besten und ehrlichsten Zauberer werden ausgewählt.“ Er lehnte sich wieder mit beiläufiger Gelassenheit gegen das Podest, fuhr sich durch die blonden Haare, die ihm aufgelockert und weich in die Stirn zurückfielen und sein Blick fixierte einen Punkt neben ihr, stellte sie fest

 

Witherby, die Zahlen, bitte“, verlangte er jetzt ruhig. Der Mann neben ihr kramte hastig nach einem Pergament aus seinem schmalen Aktenkoffer zu seinen Füßen. Er reichte es Malfoy, ohne ihn anzusehen.

 

„Bitte, Sir“, flüsterte er erstickt. Sir…. Sie hätte Malfoy niemals Sir genannt. Nicht unter Beschuss und nicht am letzten Tag der menschlichen Welt vor ihrem eigenen Untergang. Niemals!

 

LM Gold  verzeichnet Fördermengen von über achttausend Tonnen jährlich. Und unsere Goldminen sind dort platziert, vor den Augen der Muggel versteckt, wo auch noch heutzutage das meiste Goldvorkommen verzeichnet wird.“

 

Jetzt wusste sie, weshalb er hier sprechen durfte. Es wurde ihr klar. Lucius Malfoy Gold war ihr ein Begriff. Natürlich hatte sich Lucius Malfoy einen Weg zu eigen gemacht, wie er Profit dafür schlagen konnte, dass andere Gold für ihn fanden, welches er an die Kobolde verkaufen konnte. Und mit Lucius Malfoy vermutlich in Askaban, galt der Platz an dieser Spitze jetzt wohl seinem Sohn. Und damit war ihr auch gleichzeitig klar, wo sie nicht würde arbeiten wollen!

 

Mental strich sie diese Option also von ihrer Liste. Und sein Blick ruhte wieder auf ihr. Wieder durchleuchteten sie seine hellgrauen Augen. Sie fühlte sich wieder ihre Haltung korrigieren.

 

„Miss Granger, können Sie mir auch sagen, wo das meiste Gold zu finden ist?“ Ja, konnte sie. Aber sie schwieg. Beharrlich ruhte sein Blick weiterhin auf, betrachtete anscheinend ihr Gesicht, schien es sich einzuprägen, und sie fühlte sich unwohler von Sekunde zu Sekunde. Sein Blick wurde so intensiv, dass sie spürte, wie ihre Luft langsam wieder knapp wurde, denn sie hatte sie wieder angehalten. Die Hitze schien in ihr wieder aufzukochen, und ehe sie noch rot werden würde, sprach ihr Mund.

 

„Rumänien“, hauchte sie schließlich, denn sie konnte den Blick nicht mehr aushalten, ohne den Kontakt zu brechen.

 

„Völlig korrekt“, bestätigte er zufrieden. „Für ein anschließendes Gespräch bin ich gerne bereit, meine Herren, Miss Granger“, endete er schließlich, und ihr Körper kribbelte noch immer. Und erst mit seinem abschließenden Nicken entließ er die versammelte Menge aus seiner beängstigenden Präsenz.

 

Hastig hatte sie sich erhoben, hatte die Hände um ihren Ordner gekrallt und schob sich eilig und unauffällig zwischen den klatschenden Männern hindurch zum erlösenden Ausgang.

Hier wollte sie nicht länger bleiben. Sie traute ihrem Körper nicht. Das Zittern und die Übelkeit waren ihr neu, und wenn sie eben an Malfoys Anwesenheit lagen, dann würde sie so viel Platz zwischen sich und ihn bringen, wie nur möglich.

 

~*~

 

„Und? Viel über Gold und die Kobolde gelernt?“, erkundigte sich Ginny abwesend, während sie Hermine ein beiges Kleid vor die Nase hielt. „Ist das ok?“, fügte sie ungeduldig hinzu.

Hermine hatte ihr nicht erzählt, dass Malfoy den Vortrag gehalten hatte.

 

„Äh, ja. Aber… Gold finden ist doch nicht wirklich was für mich, Ginny“, wich sie der Frage schlichtweg aus. „Und das Kleid passt vielleicht nicht unbedingt zu deiner grünen Stola?“, merkte sie schließlich an, und Ginny lachte.

 

„Nein, natürlich nicht. Es ist ja auch für dich. Ich gehe doch nicht zu Harrys langweiliger Feier, ohne Frauenbegleitung!“, erklärte sie sofort.

 

„Für mich? Du hast gesagt, ich soll auf eine Tasse Tee vorbeikommen!“, beschwerte sich Hermine und fühlte sich wieder einmal von Ginny ausgenutzt.

 

„Na und? Tee, ein Ministeriumsfest – wo ist der Unterschied? Dann trinkst du statt Tee eben Elfenwein“, erklärte sie schlicht. „Und es ist ja nicht so, dass du morgen irgendwo sein müsstest.“

 

„Ron-“


„Ron ist heute nicht da“, unterbrach sie Ginny mit einem triumphalen Blick. Hermine seufzte ergeben.


„Für eine Stunde, Ginny!“, warnte Hermine ihre beste Freundin.

 

„Zwei“, widersprach Ginny.

 

„Eine“, wiederholte Hermine gereizt.

 

„Hermine, ich kann schon nichts trinken, und muss wieder und wieder langweilige Kriegsgeschichten anhören, von mittelalten Zauberern, die ich nicht kenne und von denen mir nüchtern auch noch jedes Wort im Gedächtnis bleiben wird!“, beschwerte sie sich, an der Grenze der Unhöflichkeit.

 

Richtig. Die Schwangerschafts-Patentante-Karte, deren Effekt Hermine zu hassen gelernt hatte.

 

„Und außerdem, das mit Ron war sowieso keine echte Beziehung. Die paar Monate zählen so viel wie ein Kurzurlaub!“ Sie wurde sogar giftig. Aber immerhin merkte sie es irgendwann. Eventuell.

 

„Vielen Dank für diese Aufklärung“, entgegnete Hermine säuerlich.

 

„Entschuldige“, erwiderte Ginny schließlich sanfter und strich sich abwesend über die angedeutete Rundung ihres Bauches. „James ist heute genauso gereizt“, fügte sie hinzu.

 

„James…“, wiederholte Hermine langsam. „Was, wenn es ein Mädchen wird?“, fragte sie, wie jedes Mal.


„Nein“, erwiderte Ginny nur. „Er wird ein James.“ Und damit war das wieder einmal geklärt.

 

„Neunzig Minuten“, Gab sich Hermine geschlagen.

 

„Abgemacht. Und jetzt probier das Kleid an. Die Schuhe passen aber nicht. Ich habe noch welche im Schrank, die ich wohl die nächsten vier Monate nicht anziehen kann. Du glaubst nicht, wie groß meine Füße werden. Dabei ist das Gewicht kaum verändert!“ Schon war sie wieder in ihren begehbaren Schrank gewuselt.

 

Jaah“, gab Hermine nur zurück, während sie sich müde auf Harrys und Ginnys Bett ausstreckte. Wo sie James gezeugt hatten… Unwillkürlich setzte sie sich wieder in eine sitzende Position.

 

„Hey, Fremde“, begrüßte sie Harry, als er in der Tür stand. Sie hob den Blick. Er sah sehr gut aus.

 

„Na, gut gekämpft heute?“, wollte sie grinsend wissen und musste sagen, er sah wirklich sehr gut im Anzug aus. Er war schwarz, aber seine Haare standen im krassen Gegensatz zu dieser Eleganz, denn sie hatten wie immer ein Eigenleben. Aber Hermine war das schon von ihren eigenen Haaren gewöhnt.

 

„Sicher. Hat Ginny dich überredet?“, wollte er jetzt wissen, und sie nickte ergeben. „Wir müssen ja nicht lange bleiben“, erklärte er, und immer noch war Harry Potter Ruhm und Rampenlicht unangenehm. Fast lächelte sie breiter.

 

„Ist das wieder eine Feier der Abteilung?“, erkundigte sie sich, ohne neugierig oder neidisch klingen zu wollen, was Ron ihr immer zu unterstellen pflegte.

 

„Nein, ich glaube, es geht um alle Abteilungen. Wohltätigkeit? Sponsoren? Ich hab wieder vergessen, was es war.“ Er sah ihr wohl an, dass sie ihn verurteilte. „Hey, ich kann mir nicht alles merken!“, rechtfertigte er sich, beide Hände in der Luft. Sie verdrehte die Augen.

„Wie war deine Koboldveranstaltung?“ Er konnte ein Grinsen nicht verhindern.

 

„Es war keine Koboldveranstaltung, und sie war gut, danke“, gab sie knapp zurück. Ihm würde sie auch nicht erzählen, dass Malfoy da gewesen war! Bei Merlin nicht!

 

„Und? Die Spitzhacke gab es gratis, oder überlegst du noch?“ Sie ignorierte seine Witze.

 

„Ich überlege wohl noch.“ Sie beschloss das Thema zu wechseln. „Brauche ich für eure Feier eine Eintrittskarte?“, erkundigte sie sich eine Spur genervt, als Ginny mit verboten hohen Schuhen in der Hand wiederkam, und sie sich vom Bett erhob, um das Kleid anzuziehen.


„Habe ich. Ich darf einen Gast mitbringen. Oder Ron hätte gedurft“, fügte sie hinzu. „Außerdem, du bist ein bunter Hund im Ministerium. Als ob Hermine Granger draußen bleiben müsste!“, fügte sie hinzu.

 

„Na dann. Unter solchen Voraussetzungen kommt man doch gerne mit“, gab sie trocken zurück, und Harry unterdrückte das Lachen.

 

„Dieses Kleid? Nicht das blaue?“, erkundigte sich Harry plötzlich, aber Ginny ruckte nur mit dem Kopf.

 

„Wieso sucht ihr meine Kleider aus?“, wollte Hermine alarmiert wissen, aber Ginny schenkte ihr nun lediglich ein Lächeln, so dass Hermine ihre Instinkte förmlich brodeln spüren konnte.

„Ginny…!“, begann sie warnend, aber Harry räusperte sich und schloss den Abstand zu Ginny.


„Wie geht es ihm heute?“, wollte er von seiner Verlobten wissen und ging vor Ginny auf die Knie, um ihren Bauch zu küssen. Hermine ließ den beiden ihre Privatsphäre und verschloss die Tür zum angrenzenden Badezimmer. Wahrscheinlich würde sie heute wieder von fünfzig Leuten überzeugt werden, im Ministerium anzufangen.

Sie wollte nicht. Sie wollte einfach nicht! Wenn sie doch nur wüsste, was sie wollte….

Und wenn sie doch nur wüsste, was Ginny wieder vorhatte.

 

~*~

 

Overdressed, dein Name ist Hermine Granger. Ja, sie war ein bunter Hund. Ein bunter Hund in einem beigen Kleid, das kurz über den Knien endete. Ihre Haare fielen in weichen Wellen ihren Rücken hinab, wofür Ginny sage und schreibe eine Stunde gebraucht hatte. Und sie hatte Hermine nicht einmal erklären wollen, wofür dieser Aufwand nötig war. Sie war noch nie so aufgebrezelt im Ministerium herumgelaufen. – Oder überhaupt irgendwo! Das Makeup war dezent, aber dafür immens vorhanden. Dazu die hohen Schuhe, vor denen Hermine eigentlich keine Angst hatte, aber in Verbindung mit dem Elfenwein, den Harry ihr anscheinend minütlich nachzuschenken schien, wurde es eine gefährliche Kombination.

 

Sie hatte das Gefühl, der Ausschnitt gab zu viel Preis, obwohl Ginnys Ausschnitt tiefer saß. Vielleicht lag es daran, dass Hermine von Natur aus einen größeren Busen hatte als Ginny. Sie fuhr sich fahrig durch die weichen Haare. Das war sie von ihrer Haarstruktur auch nicht gewöhnt.

Alle paar Minuten fand Ginny sie und bot ihr an, den Lippenstift nachzuziehen, was Hermine schon dreimal abgelehnt hatte. Ginny kam ihr schon vor wie eine überbesorgte Puffmutter….

 

Einige Leute hatten sie angesprochen, sie begrüßt, sie zu ihrem blendenden Aussehen beglückwünscht, und sie hatte ihnen versichert, dass sie üblicherweise nicht so auf der Straße herumzulaufen pflegte.

Überwiegend Männer hatten den Weg zu ihr gemacht, ihr von den vorteilhaften Abteilungen erzählt und eine Tour angeboten, in Verbindung mit einem Glas Wein. Hermine hatte jedes noch so durchschaubare Angebot abgelehnt.

 

„Hermine?“ Harry strahlte sie praktisch an. „Das ist Don“, stellte er ihr einen jungen Mann vor, den er mit herrischer Geste nach vorne schob. „Er arbeitet auch in meiner Abteilung.“ Der junge Mann hatte schätzungsweise ihr Alter, wenn nicht etwas älter. Die Haare waren dunkelblond, etwas länger, sowie seine Nase auch etwas länger zu sein schien. Der Mann betrachtete sie freundlich, ein gezwungenes Lächeln auf den Lippen.

„Das ist Hermine, ich habe dir ja von ihr erzählt.“ Und Harry tat etwas Unerhörtes und zwinkerte ihr zu. „Ich muss mal eben nach meiner Verlobten sehen.“ Er zauberte ein weiteres Glas hinter seinem Rücken hervor und tauschte es gegen Hermines leeres Glas aus. „Noch Wein, Hermine?“ Damit verschwand er, ehe Hermine sich hatte beschweren können.

 

Wieder ein Kupplungsversuch. Sie hätte es riechen müssen!

 

„Das war… sehr subtil“, merkte Don an. Don…. Noch näher hätte Harry den Namen nicht wählen können. Hießen alle in der Abteilung so? Ron, Don, John?

 

Jaah. Es tut mir leid. Sie müssen hier wirklich nicht stehen.“ Der Mann lächelte jetzt etwas entspannter.


„Es ist nicht weiter schlimm. Harry sagt, Sie waren die klügste Hexe Ihrer Zeit?“ Dabei betrachtete er unauffällig ihre Erscheinung. Ja, im Moment sah sie eher so aus, als wolle sie einen Schönheitswettbewerb gewinnen – in einem irischen Bordell. Sie nahm einen tiefen Schluck Wein.

Die Halle des Ministeriums war prall gefüllt. Nicht alle sahen so förmlich aus, wie sie es tat. Don vorne weg. Er trug sogar Jeans. Einen schwarzen Pullover und er schien sich immerhin genauso unwohl zu fühlen wie sie.

Er war nicht viel größer als sie, aber bei ihren Schuhen war es ein Wunder, dass überhaupt jemand größer war als sie.

 

„Das war wohl so, ja“, bestätigte sie vage. „Sie sind also Auror?“

 

„In der Ausbildung, ja. Natürlich ist Harry überlegen. Es ist eine echte Ehre mit Harry Potter zusammenzuarbeiten.“ Sie schwiegen wieder. „Ich würde Ihnen ja einen Wein besorgen, aber Sie scheinen bestens versorgt zu sein.“ Sie lachte höflich.

Merlin, sie würde Ginny rösten! Über Dämonsflammen. Und ihren Verlobten gleich mit.

Die leise Musik, die die Hintergrundgeräusche übertönte, ebbte langsam ab.

 

„Was kommt jetzt?“, fragte sie besorgt. Das Ministerium hatte sie einmal zu Tode erschreckt, als eine ganze Zirkuseinlage zur Schau gestellt worden war. Wilde Tiere, hundert Tauben – sehr viel Dreck. Sie sah skeptisch zur Decke, ob sich waghalsige Artisten schon bereit zum Sturzflug machten.


„Ich denke, die Sponsoren werden ein paar Worte sagen. Ist jedes Jahr so.“ Er klang nicht so, als ob er den Sponsoren freundlich gesinnt war.

 

„Ist Mr Fudge immer noch Sponsor?“, erkundigte sie sich, denn sie hatte im internen Ministerium keine Ahnung, wer welche Fäden zog.


„Ja, unter anderem. Aber die Position als ehemaliger Minister bringt ihm nicht genug Gold ein, genügend zu spenden, um noch Erwähnung zu finden.“ Wieder klang seine Stimme bitter.

 

„Für was ist diese Veranstaltung eigentlich? Welche Sponsoren werden gewürdigt?“ Sie hasste es, so etwas nachzufragen, nur weil Harry überhaupt kein Interesse an irgendwelchen Funktionen des Ministeriums hatte, aber immerhin hatte sie so ein Gesprächsthema mit Ron-Don-John. Fast hätte sie die Augen verdreht. Harry war so furchtbar. Was mochte er Don erzählt haben? Er hätte da eine Freundin, die dringend einen festen Freund suche? Ob er sich erbarmen würde? Sie sähe auch passabel aus?

Merlin…!

 

„Dieses Jahr gab es die größten Spenden für die Abteilung der Internationalen Magischen Zusammenarbeit, dann für die Kommission der übergreifenden Richtlinien für die Dichte von Kesselböden und die Dicke der Zauberstäbe – Percy Weasley würde sich bestimmt am liebsten selber noch einen Ehrentitel verleihen“, fügte er kopfschüttelnd hinzu, während er selber einen tiefen Schluck aus seinem Glas nahm. Richtig, Percy verabschiedete Richtlinien, fiel ihr wieder ein.

 

„Ach so“, warf sie eine Floskel ein, auf Grund schlichter Ratlosigkeit. Wo war Ginny?

 

Einige Zauberer hatten schleunigst ein Podest erscheinen lassen, inklusive Mikrophon und grellen Scheinwerfern, die das Podest beleuchteten. Sie stand nah genug dran, um den kleinen Zauberer erkennen zu können, der auf Zehenspitzen stand und sich räusperte. Das magische Mikrophon übertrug seine Stimme nur teilweise.

 

„Meine Damen und Her…, liebe Mitarbeiter des Minister… und alle Gäste, ich möchte heute Abend die wichtigsten Sponsoren begr…, die diesen Abend möglich gemacht ha…. Außerdem danke ich der Elfenküche des Ministeriums für die Speis… und den Wein!“ Sie musste fast lächeln. „Als Hauptveranstalter möchte sich nun Mr Ma… selber bedanken!“ Der kleine Zauberer verließ die Bühne, und Applaus hallte durch die Halle des Ministeriums.

 

Hermines Mund öffnete sich perplex. Sie musste den Namen nicht verstehen, denn sie war nicht blind. Sie blinzelte heftig, aber es war keine Täuschung. Malfoy? Draco Malfoy?


„Malfoy ist Sponsor?“, flüsterte sie, eigentlich für keine weiteren Ohren bestimmt, aber Don antwortete nickend.


„Sicher, Mr Malfoy ist stiller Geschäftsführer der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit“, erklärte er, während er sich einen höflichen Anstandsapplaus abrang, wohingegen sie die Hände nicht heben konnte.

Es geschah, was schon gestern bei dem Vortrag geschehen war. Ihre Handflächen wurden feucht, und ihre Atmung ging schwerer, als sie ihn sah. Er war einundzwanzig, Himmel noch mal! Er hatte nicht auf Bühnen zu stehen!

 

Der schwarze Anzug saß tadellos. Die Schuhe glänzten, als wären sie magisch aufpoliert, und seine schwarze Fliege war perfekt gebunden. Er betrat das Podest, stellte sich vor das Mikrophon, räusperte sich lächelnd und unterband somit den Applaus.

 

„Vielen Dank, liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, liebe Sympathisanten des Ministeriums und Unterstützer unserer magischen Gesellschaft“, begrüßte er die Anwesenden, wieder einmal mit erschlagender Eloquenz und ohne jede Scheu. Und das Mikrophon schien jetzt einwandfrei zu funktionieren. Er hob grüßend die Hand, sah sich um, und für eine Sekunde hatte sie wieder das Gefühl, er sähe sie an. Aber wahrscheinlich sah er gar nichts durch das gleißend übertriebene Scheinwerferlicht. „Mein Name ist Draco Malfoy, und ich bedanke mich für Ihr vielzähliges Erscheinen. Auch danke ich Mr Wells für die freundliche Einleitung. Seit drei Jahren sitze ich nun im Vorstand der magischen internationalen Zusammenarbeit, und es ist mir eine Ehre auch dieses Jahr die Danksagungen zu eröffnen.“ Sie konnte nur den Kopf schütteln. Wieso wusste sie nichts davon?!

 

Was war das für eine Welt? Harry hatte sich unauffällig neben sie gestellt.

 

„Na, wie läuft es?“, raunte er lächelnd. Sie ging gar nicht darauf ein.

 

„Malfoy ist ein Sponsor?“, zischte sie leise, aber Harry ruckte den Kopf.

 

„Er ist der reichste Sohn Londons, also ist das anzunehmen.“ Sie konnte keine Freundlichkeit aus seinen Worten hören. Verständlicherweise.

 

„Und Lucius Malfoy?“, fragte sie hastig, und er nippte an seinem Wein.

 

„Inhaftiert, noch für die nächsten fünf Jahre. Keine schöne Sache, aber anscheinend für Malfoy äußerst lukrativ.“ Sie sah wieder nach vorne und betrachtete den blonden Mann, der souverän allen Abteilungen und leitenden Mitarbeitern dankte.

 

„Unser Dank gilt außerdem der Abteilung der magischen Strafverfolgung, speziell den Auroren und Auroren im Training, unter herausragender Arbeit von Mr Harry Potter“, fuhr Malfoy in gleicher Höflichkeit fort. Applaus brandete auf, aber Harry ignorierte diese Form der Wertschätzung, in dem er den Kopf näher zu ihr senkte.


„Ich dachte du wüsstest, dass Malfoy alle Vermögensverfügungen seines Vaters übernommen hat?“ Sie sah ihn entgeistert an.


„Woher in Merlins Namen sollte ich so was wissen?“, zischte sie, und ihr Herz schlug schnell. Der Wein schlug unangenehm an.


„Du bist doch auch zu seinem Koboldvortrag gegangen oder nicht?“ Harry sah sie fast nachsichtig an. Er wusste das? Er hatte das gewusst?!


„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du wusstest, dass er den Vortrag halten würde?“, knurrte sie wütend und spürte die Hitze in ihren Wangen.

 

„Du hast es doch auch nicht erwähnt, als ich dich heute gefragt habe.“ Harry lächelte ein wissendes Lächeln. Hermines Mund klappte zu.

 

„Das… ich habe…“ Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte.

 

„Ich habe mit Ginny gewettet, wie lange du wohl bei dem Vortrag bleiben würdest, wenn du siehst, dass Malfoy ihn hält“, erzählte er munter weiter. Sie schüttelte angewidert den Kopf. „Anscheinend bis zum bitteren Ende“, beantwortete er diese Frage selbst.


„Du und deine Verlobte plant mir sowieso einiges zu viel!“, presste sie hervor und deutete unauffällig auf Don.


„Was meinst du?“ Harry musste gar nicht so scheinheilig tun!

 

„Hört auf mich zu verkuppeln!“, knurrte sie, und Harry kaschierte sein Lachen, in dem er einen weiteren Schluck nahm.

 

„Ich werde zum Buffet gehen“, erklärte Don lauter, als Malfoy geendet hatte und den nächsten Sponsor ankündigte. Wieder kam Applaus auf, und Hermine nickte nur überfordert.

 

„Du scheinst ja ohnehin keinen guten Eindruck auf Don gemacht zu haben. Ist er nicht perfekt? Ich kenne ihn gut, Hermine. Er ist loyal, nett und kürzlich aus einer fünfjährigen Beziehung gekommen. Das heißt, er ist fähig, sich zu binden“, erklärte Harry mit übertriebenem Ernst, und sie schüttelte nur den Kopf.


„Nein!“, erklärte sie. „Einfach nein, Harry. Und sag es deiner Verlobten auch. Ich denke, ich bin betrunken und gedemütigt genug und werde jetzt gehen“, erklärte sie wütend.


„Oh, komm schon Hermine“, erwiderte Harry lachend. „Sei nicht beleidigt. Wir sind dafür da, uns um dich zu kümmern! Du wirst doch die Patentante“, streute er wieder Salz in die Patentante-Wunde.

 

„Ich bin mitgekommen, habe Komplimente von alten Männern über mich ergehen lassen, euren Kupplungsversuch und vier Gläser Wein. Ich werde gehen, Harry“, informierte sie ihn schließlich.

 

„Schön. Irgendeine Abteilung gefunden, die endlich dein Interesse weckt?“, rief er ihr noch hoffnungsvoll nach, als sie sich abgewandt hatte. Sie schoss ihm einen wütenden Blick zurück und lief um den Brunnen herum, der die Mitte der Halle in Anspruch nahm. Das Wasser war verhext und weißleuchtende Perlen tanzten auf der Wasseroberfläche.

 

Als sie der Schlange vor dem Buffet auswich, darauf bedacht, auf gar keinen Fall Don anzurempeln und somit ein weiteres, unangenehmes Gespräch zu erzwingen, kam sie bei einem riskanten Ausweichmanöver ins Straucheln. Sie stieß gegen einen Ellbogen und setzte schon mal ihr Unschuldslächeln auf, die Entschuldigung auf den Lippen.

Der hellblonde Mann drehte ihr sein schönes Gesicht zu, und ein Lächeln umspielte schließlich seine Mundwinkel, nach einer Sekunde der Überraschung, ehe er sie erkannt hatte.

 

Oh nein! Ihr Magen rebellierte, als das neue bekannte Kribbeln einsetzte.

 

 

Kapitel 2

 


„Miss Granger“, begrüßte er sie. Freundlich und distanziert, mit angenehm sonorer Stimme. Merlin! Ihr Körper kribbelte, und sie fühlte sich nicht gut auf den hohen Schuhen. Er war noch immer fast einen Kopf größer als sie. Sie roch sein Parfum. Derselbe Duft wie gestern. Sie merkte, dass sie noch nichts gesagt hatte. Sein Blick hatte ihr alle Worte geraubt. Das war doch nicht auszuhalten!

Sie stand viel zu nah vor ihm. Seine Erscheinung war so seltsam einnehmend, dass sie nicht klar denken konnte. Seine Haare waren auffallend hell, dafür aber dicht und voll. Sie lagen dem Anlass entsprechend eng an seinem Kopf, elegant frisiert.

 

Seine blauen Augen funkelten amüsiert, wahrscheinlich ob ihrer anhaltenden Sprachlosigkeit.

 

„Verfolgen Sie mich, Miss Granger?“, fragte er schließlich, als sie es immer noch nicht fertig gebracht hatte, zu sprechen. Merlin, was war los mit ihr? Sie war doch sonst nicht um Worte verlegen! Vor allem nicht, was ehemalige Todesser betraf! Merlin, noch mal! Doch ihr logisches Sprachzentrum schien überlagert von ihrer Reizaufnahme zu sein. In seiner Hand hielt er ein Glas mit heller Flüssigkeit. Champagner? Die andere Hand steckte legere in seiner Hosentasche, und die Hose saß wirklich gut, hing fast provokativ perfekt von seinen Hüften hinab, und ihr Mund wurde trocken. Am liebsten hätte sie wild den Kopf geschüttelt, um ihre unpassenden Gedanken schleunigst loszuwerden.

Sie musste ihn ja praktisch anstarren. Und es war absolut nötig, dass sie etwas sagte. Sofort!

 

„Nein“, schaffte sie also zu sagen. Ein Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln, aber er beherrschte sich. Sie schaffte es nicht einmal ihn mit Mister anzureden. Es ging einfach nicht. Es wäre gegen jedes bessere Wissen! Sie kannten sich aus Schulzeiten! Sie kannte ihn doch schon so lange. Und noch nie hatte er so einen Effekt auf sie gehabt. Einen stammelnden, zitternden, völlig machtlosen Effekt.

 

„Sind Sie in Begleitung hier?“ Sie konnte nicht mit ihm reden. Sie konnte physisch einfach nicht! Ihr Gedächtnis hatte bereits seine Frage vergessen, während ihr Geruchssinn fast gierig den Duft seines Parfums untersuchte. Seine Züge waren so markant, und wenn seine Haarfarbe der seines Vaters ähnelte, konnte sie sich dennoch ausreichend an das Aussehen seines Vaters erinnern, um zu sagen, dass er nicht so aussah.

Wieso stand sie hier? Beweg dich endlich!, schalt sie ihr Unterbewusstsein mit der Vehemenz einer Verzweifelten. Sie war wie festgefroren. Er schien gut auf seinen Körper zu achten, denn sie erkannte kein Gramm Fett, keinen unangenehmen Fehler, der ihrem Auge auffiel. Verdammt! Plötzlich war sie sich selber sehr bewusst und befeuchtete eilig ihre Lippen, die ebenfalls sehr trocken geworden waren.

 

„Ich… wollte gerade gehen“, rang sie sich ab. Worte. Aneinander reihen. Sie konnte das. Zumindest war sie früher dazu fähig gewesen. Noch vor zwei Minuten zumindest! Seine Freundlichkeit wich ehrlichem Bedauern. Sie sah es. Er schien es offensichtlich zu bedauern.

War das überhaupt möglich?!


„Ich hoffe, sie hatten mehr Spaß hier als bei meinem Vortrag?“ Er schenkte ihr ein schmales Grinsen, das ein tiefes Grübchen in seine linke Wange grub. Röte, unglaubliche Hitze, schoss in ihre Wangen. Sie blinzelte mehrfach. Wie konnte er nur so aussehen? Bemerkte es denn sonst keiner? Merlin, was hatte er gesagt? Nun offenbarte er ein Lächeln, das einen Großteil seiner geraden Zähne entblößte.

Applaus brandete erneut auf, als der nächste Sponsor fertig war, und sie zuckte zusammen, so abgelenkt war sie von seinem Mund gewesen.


„Ich… muss gehen“, wiederholte sie heiser, während sie tatsächlich vergessen hatte, was er gerade gesagt hatte. Seine Mundwinkel hoben sich jetzt erneut.

 

„Ich begleite Sie zu den Kaminen“, erklärte er jetzt freundlich, deutete mit dem Arm nach vorne, während er sein leeres Glas auf einem der Stehtische abstellte. Sie wollte nein sagen, war aber dankbar, dass er ihr die Möglichkeit gab, einfach zu gehen, einfach irgendwas zu tun, was nicht mit reden oder zuhören zu tun hatte. Merlin, noch mal! Wie konnte sie ein Mann so nervös machen? Er folgte ihr, und je weiter sie sich von der direkten, heißen Menge entfernte, um besser konnte sie ihre Schritte kontrollieren. Sie spürte ihn neben sich, wagte nicht den Blick zu heben, und als er sie wieder ansah, wäre sie fast umgeknickt. Tapfer blickte sie weiter nach vorne.

 

„Sie arbeiten nicht hier?“ Es klang nicht wie eine Frage. Noch ein paar Meter! Die Kamine waren nur noch ein paar Meter entfernt! Nur noch ein bisschen durchhalten. Woher wusste er, dass sie nicht hier arbeitete? Vielleicht, weil du die Zeit findest auf Koboldveranstaltungen zu gehen? Sie schüttelte also den Kopf, weil sie wusste, er betrachtete sie immer noch.

Sie wäre wahrscheinlich gestürzt, hätte sie ihn jetzt angesehen.

Ihr Herz klopfte unglaublich schnell und schien direkt in ihren Mund gesprungen zu sein.

Er lief neben ihr, elegant, graziös und machte höchstwahrscheinlich eine bessere Erscheinung als sie.

 

Endlich! Sie hielt dankbar vor einem freien Kamin inne.

 

„Haben Sie keinen Mantel?“ Mantel? Mantel! Oh, den hatte sie abgegeben. Und Ginny hatte die Marke. Oh nein. Egal. Sie würde nicht erfrieren. Sie hatte ihre Handtasche. Sie musste nur hier raus!

 

„Ich… mir ist nicht kalt“, log sie eilig. Sie sah ihn nicht an. Sie sah überallhin, nur nicht hoch in sein Gesicht. Jedes Wort war unglaublich anstrengend.

 

„Es ist sehr kalt draußen. Wo ist Ihr Mantel?“, hakte er ernster nach, und sie hatte unbewusst den Blick gehoben. Weg von dem hellen Licht wirkte sein Gesicht dunkler. Seine Haut war glatt und kein Ansatz von Bartstoppeln war auszumachen. Sie erkannte ein feines Grübchen im Kinn. Sein Kiefer war markant geformt, und seine Erscheinung war die eines sehr schönen Mannes. Oh, Merlin, Himmel noch mal! Was hatte er gesagt? Sie spürte, wie ihr Mund sich geöffnet hatte, während sie mit Starren beschäftigt gewesen war. Peinlich. Sie war einfach schlicht und ergreifend peinlich!

 

„Ich… brauche keinen Mantel“, flüsterte sie stockend. Höchstens um sich zu verstecken. Sie wollte nur hier weg, ehe sie noch weinen oder stolpern würde. Was war nur los? Sie hatte die Hände zu Fäusten geschlossen, denn sonst würde er noch bemerken, dass ihre Finger zitterten. Allerdings nicht vor Kälte….

Und sein Ausdruck wurde ernst und verschlossen. Nach einem kurzen Moment öffnete er tatsächlich den Knopf seines Jacketts. Ihr Mund öffnete sich perplex. Er zog es von seinen breiten Schultern. Er trug keine Weste. Nur sein Hemd, die Fliege und den obligatorischen Kummerbund.

 

Oh Merlin! Er reichte ihr sein Jackett.

 

„Es wäre höchst unvernünftig ohne Jacke draußen zu sein. Es sind nahezu null Grad, Miss Granger.“ Seine Stimme klang streng, sein Blick schien keinen Widerspruch zu dulden, und wie in besessener Trance griff sie artig nach dem Jackett, was er ihr hinhielt.

Die Hermine in ihr, die eigentlich fähig war, selber zu entscheiden, konnte nicht fassen, was gerade passierte. Aber sie schien im Moment Sendepause zu haben.

 

Seine Stimme war so angenehm tief, sehr beruhigend, und sie fragte sich unwillkürlich, ob er früher so gewesen war? Es war doch nicht so lange her? Es konnte unmöglich so viel passiert sein, dass Draco Malfoy plötzlich solch einen Effekt auf sie ausübte, hatte er doch früher nur Gleichgültigkeit oder Ablehnung hervorgerufen.

 

„Ich möchte, dass Sie es überziehen, Miss Granger“, befahl er schließlich, die Stimme tiefer, sein Blick für sie nicht zu deuten, aber so intensiv, dass sie schlucken musste, dass sie –würde Don oder ihre Mutter sie jetzt fragen, was sie gerade tragen würde – keine Antwort darauf wüsste.

 

„Du…?“, begann sie schockiert, aber ihr Herz jagte bei seinem Blick, seiner Ausstrahlung, seiner seltsamen Fähigkeit, Macht auszuüben, obwohl er nichts weiter tat, als sie anzusehen.

 

„Ich will, dass Sie mein Jackett überziehen, Miss Granger“, wiederholte er eindringlicher. Seine Stimme war nur ein Raunen, aber es reichte, Schauer über ihren Rücken zu jagen.

Und sie schluckte schwer, unfähig den Blickkontakt zu brechen oder ihre Atmung zu kontrollieren.

 

„Ja, Sir“, ergab sie sich und senkte den Blick.

 

Und ihr Unterbewusstsein fiel soeben in Ohnmacht!

 

 

Er ließ sie nicht aus den Augen, während die Hitze in ihre Wangen gestiegen war. Oh Merlin! Hatte sie das gerade gesagt? Hatte sie? Sie war tatsächlich eingeschüchtert. Von seiner kompletten Erscheinung. Oh Himmel!

Und sie wagte nicht, weiter in seine Augen zu sehen, denn sie meinte gesehen zu haben, dass sie sich für einen kurzen Moment geweitet hatten.

Sie wollte sterben. Hier im Ministerium vor den Kaminen.

 

„Brauchen Sie noch weitere Hilfe, Miss Granger?“, wollte er wissen, mittlerweile ruhiger, entließ sie aber nicht aus seinem fesselnden Blick, und sie schaffte es, den Kopf zu schütteln. Sogar zweimal. Ja, sie brauchte anscheinend professionelle Hilfe!

 

„Nein“, sagte sie sogar, und nur zu eilig war sie in die schwachen grünen Flammen geflüchtet, als sie wieder, in einer lichten Sekunde, ihre Beine spüren konnte. Merlin, wie sie sich schämte. Oh nein! Sie würde niemals wieder den Blick heben können.

Seine Gestalt verschwamm endlich vor ihrem Blick, als sie endlich apparierte.

 

Oben angekommen schlugen ihr die Kälte und der Wind angenehm erfrischend ins Gesicht, auch wenn es eisig war. Es war zwar erst Oktober, aber der Winter schien dieses Jahr schneller kommen zu wollen. Neben dem kalten Wind, fühlte sie jetzt, wie sein Parfum sie umnebelte. Sie trug sein Jackett!

Sein Jackett! Und ohne anders zu können atmete sie tief den Duft ein. Betörend und angenehm.

 

Sie trug Draco Malfoys Jackett und sog seinen Duft ein, als wäre es lebensnotwendig.

Zitternd kramte sie schließlich nach ihrem Zauberstab und kam aus dem verzweifelten Kopfschütteln nicht mehr raus, als sie endlich apparierte. Das war zwar betrunken untersagt, aber die Begegnung mit Malfoy und der eisige Wind hatten den Alkohol fast verdrängt, so viel Adrenalin war durch ihren Körper gerauscht.

 

Und erst als sie in ihrer Wohnung angekommen war, schaffte sie es, den Effekt abzuschütteln. Hastig zog sie das teure Jackett aus, als wäre es verflucht.

Merlin!

 

Sie hing es über den Küchenstuhl – und stand vor einem weiteren Problem.

Jetzt hing Draco Malfoys Jackett über ihrem Küchenstuhl.

Und sie roch den Geruch noch immer.

 

Sie musste raus hier! Raus aus ihrer Küche!

 

~*~

 

Das helle Licht störte sie sogar durch die geschlossenen Lider.


„Es ist nach zehn“, hörte sie eine vertraute Stimme. „Du hättest dich ruhig verabschieden können.“ Teegeruch stieg ihr in die Nase. Sie vergrub sich unter der Bettdecke.


„Ich will meinen Wohnungsschlüssel wiederhaben!“, brummte sie lediglich und hörte Ginny lachen.


„Den hast du Ron geschenkt!“ Sie schlug die Decke genervt zurück.


„Ja, und nachdem wir nicht mehr zusammen waren, habe ich dich gebeten, ihn mir zu bringen!“, knurrte sie müde.

 

„Was ich auch einmal die Woche tue, oder nicht? Ich nehme ihn lediglich wieder mit. Wie hat dir Don gefallen?“, fragte sie nun sofort, stellte das Tablett auf die Matratze und setzte sich neben sie. Hermine hatte schon ganz vergessen, dass sie sauer auf Ginny gewesen war.

 

„Das kannst du nicht gut machen durch Tee und Toast“, bemerkte sie nur und fuhr sich durch die Haare, die nun nicht mehr kunstvoll lagen.

 

„Wir dachten ernsthaft, dir würde Don gefallen. Haben wir uns halt geirrt.“ Ja, sie und Harry irrten sich jedes Mal! Aber ehe sie weitersprechen konnte, lächelte Ginny. „Und wem gehört das Jackett in der Küche?“ Alles, was sie hatte sagen wollen, erstarb auf ihren Lippen. Ginny betrachtete sie mit einem verboten verruchten Lächeln. Hermine wurde schlecht.

 

Draco Malfoys Jackett.

 

„Niemandem“, erwiderte sie böse, den Blick zornig gesenkt.


„Nein? Ziemlich teuer. Ich weiß, dass Don sich so etwas nicht leisten kann. Hattest du gestern noch Besuch?“, wollte sie lauernd wissen, aber Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Es ist nicht wichtig, Ginny!“

 

„Du willst, dass ich rate?“ Tatsächlich schien es Ginny Spaß zu machen. „Also… Harry hat dich gestern mit Draco Malfoy sprechen sehen. Ich wusste nicht, dass ihr Kontakt habt.“ Und Ginnys Neugierde stand ihr unverkennbar und unverhohlen auf die Stirn geschrieben.

Und anscheinend musste Hermine nichts dazu sagen, denn die Hitze in ihren Wangen musste für Ginny ebenfalls unübersehbar sein. Und Ginny schien ernsthaft überrascht zu sein.


„Oh Merlin, Hermine! Ihr habt tatsächlich Kontakt, und er war gestern hier bei dir?“ Allein der Gedanke ließ ihren Puls Rekorde brechen, und sie schüttelte voller Scham den Kopf. Was für eine Vorstellung! Das konnte Ginny nicht ernsthaft denken! Was wäre das auch für ein Bild gewesen? Sie hätte sich wahrscheinlich übergeben vor Unfähigkeit, irgendwas anderes zu tun, als ihn anzustarren, wie eine Wahnsinnige!

 

„Nein, natürlich nicht!“, schaffte sie entrüstet zu protestieren.

 

„Ich war schon überrascht, dass du nicht erwähnt hast, dass er den Vortrag gehalten hat!“ Anscheinend reimte sich Ginny gerade ihre Version einer grausamen Geschichte zusammen. Die Hitze in ihren Wangen wurde unerträglich.


„Oh Merlin, Ginny! Nein! Er… hat mir lediglich sein Jackett gegeben.“ Und es klang, wie es eben klingen musste. Sie schoss ergeben die Augen.


„Er hat dir lediglich sein Jackett gegeben?“, wiederholte Ginny, als würde sie es nicht glauben. „Was in Merlins Namen kann auf einer funktionalen Feier des Ministeriums dazu führen, dass Draco Malfoy – Draco Malfoy, Hermine – dir sein Jackett gibt? Und was ist es? Ein Geschenk oder so etwas?“, fuhr sie schockiert fort, aber Hermine schüttelte nur weiterhin den Kopf.

 

„Nein, nein! Und was dazu führen kann? Vielleicht, dass mich meine besten Freunde verschachern wollen und ich flüchten muss? Ohne meinen Mantel, den du wohlweislich versteckt hattest?“


„Und Draco Malfoy taucht auf dem nichts auf und gibt dir mir nichts dir nichts sein Jackett?“ Und ja, es klang… nicht gut. Es klang nicht mal wirklich real. „Das ist praktisch Harrys Arbeitgeber, Hermine!“, fuhr Ginny entrüstet fort. Hermine runzelte die heiße Stirn.


„Arbeitgeber? Malfoy ist so alt wie wir, Ginny!“

 

„Er hat die neue Ausrüstung bezahlt und im Ministerium die Abteilung komplett umstrukturiert. Draco Malfoy ist so was wie der Drahtzieher des Ministeriums. Du kannst doch keinen Kontakt mit Draco Malfoy haben?!“ Hermine musste erst mal schlucken.


„Ich habe keinen Kontakt mit ihm! Ich habe ihn zweimal gesehen, Ginny!“, widersprach sie heftig. „Und wie kann er innerhalb kürzester Zeit so eine Macht bekommen?“

 

„Gold, Hermine. Jede Menge Gold. Und du hast sein Jackett! Hast du vergessen, wer er ist?“ Und die ehrliche Antwort darauf wäre: Teilweise ja. Wenn sie ihn jetzt in Persona vor sich sah, dann vergaß sie alles. Alles, was sie damals verabscheut und verachtet hatte. Alles, was ungerecht und menschenverachtend gewesen war. Wenn sie ihn sah, dann reagierte irgendwas anderes. Irgendwas Böses in ihr. Etwas verdrängt ihr rationales, besseres Wissen.


„Natürlich weiß ich, wer er ist! Merlin, du machst einen Hippogreif aus einem Doxyei, Ginny“, beschwerte sich Hermine leise.

 

„Mach ich das?“, stellte Ginny die Gegenfrage.

 

„Es ist unwahrscheinlich, dass ich ihn überhaupt wieder sehe, Himmel noch mal!“


„Ach ja? Und… du willst das Jackett behalten? Das Jackett von Grafton’s?“, fügte sie hinzu, und Hermine wollte gar nicht nachrechnen, wie teuer ein Jackett von Grafton’s sein musste. Es war das teuerste Bekleidungsgeschäft in ganz London. Sie setzte eine trotzige Miene auf, ohne es verhindern zu können.


„Wenn er so viel Gold hat, dann wird er das Jackett nicht brauchen, wenn er es ohnehin bereitwillig abgegeben hat“, schloss sie schließlich. „Und jetzt will ich nicht mehr darüber reden. Und ich will meinen Schlüssel wieder haben!“ Ginny schien noch einige Fragen mehr zu haben, aber Hermine biss demonstrativ in ihren Toast und trank einen Schluck Tee.

 

„Gehst du heute Nachmittag zu Luna in den Laden?“, fragte Ginny schließlich missmutig, wahrscheinlich um nicht doch riskieren zu müssen, den Schlüssel abzugeben, sollte sie noch mehr Malfoy-Fragen stellen. Hermine hatte es ganz verdrängt. Es war Samstag. Üblicherweise half sie Luna im Geschäft. Und eigentlich nur, weil sie ihrer Freundin einen Gefallen tat. Nicht, weil sie es unbedingt wollte.

Der Klitterer als Laden bot genauso viele Seltsamkeiten wie die Zeitschrift von Lunas Vater. Aber die Sammlung an Büchern war interessant. Mehr als das!

 

Außerdem konnte sie mit Luna dann und wann abstruse Besonderheiten ersteigern.

 

Jaah. Ich habe es ihr zugesagt“, bestätigte sie.

 

„Wenn du dir einen festen Job suchen würdest, müsstest du deine Zeit nicht mit suchen verbringen. Den perfekten Beruf gibt es nicht, Hermine. Genauso wenig wie die perfekte Beziehung“, merkte sie weise an. Hermine verdrehte die Augen.

 

„Ich helfe Luna gerne“, widersprach sie bockig. „Und ich bin noch jung.“


„Nicht für immer. Und wer will dich schon, wenn du vierzig, verloren und arbeitslos bist?“ Sie spürte die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen. Die Falte, die in den letzten Monaten immer häufiger erschien, wenn sie über die Zukunft nachdachte. Sie zwang sich, diesen Gedanken zu verdrängen.

 

„Ha ha“, gab sie trocken zurück. „Erzähl mir lieber von deinem zukünftigen Sohn.“ Ein Thema was selbst die neugierigste Weasley besänftigen konnte. Ginnys Augen begannen vor Vorfreude zu leuchten. Hermine konnte sich das Lächeln nicht verkneifen.

Ginny bekam Harrys Kind.

Das hätte sie vor zehn Jahren bestimmt nicht gedacht.

Und sie nahm, Ginny auch nicht.

 

Und sie freute sich aufrichtig. Wahrscheinlich konnte sie Ginny deshalb auch nicht lange böse sein….

 

~*~

 

„Hey Luna!“, rief sie in die chaotischen Tiefen des Ladens.

 

„Hermine?“, hörte sie Lunas Stimme aus einer Box kommen.

 

„Ja, wer sonst? Was tust du?“

 

„Ich mache Platz für unsere neuesten Errungenschaften“, informierte Luna sie, die noch nicht aufgetaucht war.


„Was? Woher kommen die denn?“, erkundigte sich Hermine, während sie näher kam. Luna kam schwer atmend aber zufrieden aus der Box. Hermine lugte hinein. Luna hatte einen beeindruckenden Zauber ausgeführt, der den Raum der Kiste auf das zehnfache vergrößern zu schien.

 

„Heute ist eine großartige Zwangsversteigerung!“ Hermine runzelte die Stirn.


„Ja, eine Zwangsversteigerung ist immer ein Grund zum Feiern“, gab sie bitter zurück.


„Oh komm schon. Es sind Reinblüter. Das Herrenhaus ist riesig und bestimmt voll mit den gruseligsten Artefakten, die du je gesehen hast!“


„Wer ist denn der arme, dem sein Haus weggesteigert wird?“, wollte Hermine wissen, die einer Zwangsversteigerung nichts abgewinnen konnte.

 

„Es ist das Anwesen der Goyles!“, rief Luna begeistert aus. Hermine hob eine Augenbraue. „Mr Goyle wurde zusammen mit Lucius Malfoy nach Askaban verschifft. Und jetzt war sein Sohn nicht in der Lage gewesen, das Anwesen zu halten, nebenbei noch alle Strafen zu bezahlen und seinen Vater aus dem Gefängnis zu bekommen.“

 

„Seinen Vater aus dem Gefängnis zu bekommen?“, wiederholte Hermine, der langsam auffiel, dass sie sich wohl zu wenig mit der Reinblütergesellschaft Londons beschäftigte, während sie auf der Suche nach ihrer Jobbestimmung war.

 

„Ja, sicher“, erklärte Luna, als wäre es Allgemeinwissen. „Er hat seinen Vater für 50 Millionen Galleonen aus dem Gefängnis freigekauft. Und jetzt muss dieser immer noch das Band der Isis um seinen Fuß tragen, darf nicht zaubern und die gestellte Unterkunft des Ministerium nicht verlassen.“

 

„Er hat seinen Vater freigekauft?“

 

„Ja, aber zu was für einem Preis? Er ist zwar nicht mehr in Askaban, aber dafür auf engster Überwachung. Und verliert jetzt auch noch sein Haus.“ Hermine runzelte wieder die Stirn. Wenn Todesser ihre Väter auskaufen konnten, wieso saß Lucius Malfoy dann noch immer in Askaban? Nicht dass sie etwas dagegen hätte!

 

„Ok?“, sagte sie schließlich verwirrt.

 

„Und Reinblüter haben großartige Artefakte. Meist illegal, aber das findet der Auktionszauberer immer zu spät raus.“ Sie war völlig aufgeregt.
„Wir müssen gleich los. Gregory Goyle ist bestimmt auch anwesend. Bin gespannt, ob er weint.“ Hermine lief Luna hinterher und wusste nicht, ob sie die Bitterkeit ihrer Freundin teilen sollte, oder Mitleid mit Gregory Goyle haben sollte. Sie hatte nichts gegen ihn. Nicht mehr. Aber Luna war entführt und gefoltert worden.

Hermine erinnerte sich dunkel, dass es bei ihr ähnlich gewesen war, und sie schauderte, als sie an Malfoy Manor dachte.

 

„Alles in Ordnung? Du hast doch immer noch Lust, oder? Das Wetter ist auch so schön.“

 

„Für eine Zwangsversteigerung?“, wollte Hermine skeptisch wissen, und Luna ruckte mit dem Kopf.

 

Goyle wohnt doch ohnehin bei seinem Onkel, der die Eulerei betreibt“, gab Luna achtlos zurück.

 

„Wie… bequem“, erwiderte Hermine. Luna lachte wieder.

 

„Reinblüter bekommen immer, was sie verdienen.“

 

Hermine half Luna die große Kiste nach draußen zu tragen. Luna verkleinerte sie eilig und reichte Hermine ihren Arm. „Komm, wir apparieren. Ich will gute Plätze bekommen. Stell dir vor, wir bekommen die gesamte Schrumpfkopfsammung!“ Hermine hakte sich seufzend unter. Vielleicht sollte sie sich für ihre Samstage eine andere Beschäftigung suchen.

 

Ron würde es lieben, mit Luna verrückte Sachen zu ersteigern. Und er teilte die Auffassung über Reinblüter, die auch Luna vertrat. „Wie lief eigentlich dein Koboldvortrag? Gefallen gefunden?“ Es erinnerte sie unangenehm an Malfoy. Bevor irgendwelche Schauer sie erfassen konnte, und sie sich wieder in die stammelnde Hermine verwandelte, schüttelte sie vehement den Kopf.


„Nein, ist nichts für mich“, erwiderte sie schnell.

 

„Schade. Wirklich schade“, murmelte Luna lächelnd. „Vielleicht entdeckst du was neues, was du willst“, versprach Luna zwinkernd. Hermine lächelte und verdrehte die Augen.

Sie apparierten in den Nachmittag hinein, und Hermine hatte keine Ahnung, wo die Goyles gewohnt hatten.

Nach eine halben Minute – so lange war sie selten appariert – erreichten sie ihr Ziel. Fast stolperten sie beide, denn sie waren auf einem Hügel angekommen. Vor Ihnen lag eine weite Wiese, übersät mit Stühlen und Menschen, und dahinter thronte das Anwesen der Goyles. Es war schneeweiß, und als sie näher kam, sah sie das gesamte Inventar vor dem Haus in der Luft schweben.

 

Es sah gruselig und traurig zugleich aus. Sie fragte sich, ob sie underdressed war für eine Zwangsversteigerung, aber sie verwarf diesen Gedanken.

Sie kannte die Leute nicht, die sie traf. Und es herrschte tatsächlich heitere Stimmung. Einige betrachteten schon die schwebenden Stücke, die sie auf jeden Fall haben wollten, und auch Luna sah sich nach abnormen Besonderheiten um.

 

„Ich suche uns Plätze, ok?“, warf Hermine ein, und Luna wedelte lediglich mit Hand, während sie gespannt einen sprechenden Hirschkopf ins Visier nahm. Hermine schüttelte den Kopf.

 

Die Haare hatte sie heute in einen langen Zopf gebunden. Sie trug ihre dunkle Jeans und ihre alten Chucks, die auf der Wiese ruhig dreckig werden konnte. Die schwarze Jacke zog sie bis obenhin zu, denn der Wind war heute nicht kalt, aber dafür stark.

 

„Miss Granger, nicht wahr?“ Sofort wandte sie sich um. Der Mann vor ihr war ihr nicht bekannt. Und doch versuchte sie, ihn einzuordnen. Irgendwoher kannte sie ihn…, aber woher?

 

„Ja? Entschuldigung, ich weiß gerade nicht-“

 

Witherby“, stellte er sich eilig vor und reichte ihr die Hand. „Sie müssen sich zuerst noch eine Kelle zum Steigern holen.“

 

„Ja, Sie haben recht“, antwortete sie langsam. Witherby? Musste sie ihn kennen? Seine braunen Haare wurden durch den Wind noch mehr zerzaust, und er nickte lächelnd, als er sich entfernte, in Richtung Haus.

 

Witherby?! Hatte sie ihn gestern im Ministerium kennen gelernt? Musste sie ja wohl. Und es war natürlich auch nicht sonderbar, dass sie von fremden angesprochen wurden, denn die Zauberer in London kannten auch sie immer noch.

 

Sie stellte sich in die Schlange vor dem Podium und wartete im Wind.

 

„Wie viele, Ma’am?“, fragte der Zauberer als sie an der Reihe war, und sie sah, wie sich die Tür des Anwesens öffnete. Ihr Atem gefror. Der Mann namens Witherby war soeben dort angekommen und reichte seinem Boss eine Akte.

Natürlich. Sie erinnerte sich. Witherby war sein Assistent. Oh nein! Merlin, tausend Mal nein!

 

„Wie viele Kellen, Ma’am?“, wiederholte die Zauberer zunehmend gereizter. Sie wandte hastig den Blick ab. Sie konnte ihn nicht schon wieder sehen! Das ging nicht!

„Ma’am?!“ Hermine blickte auf.


„Was?“, fragte sie völlig verwirrt und hörte die Leute hinter sich böse murmeln.


„Wie viele Kellen wollen Sie haben? Es warten noch andere hinter Ihnen“, meckerte der Zauberer. Kellen? Oh, richtig. Sie war auf einer Versteigerung.

 

„Zwei“, flüsterte sie. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie zahlte zwei Knuts und machte zögerliche Schritte zu den Stühlen, die aufgereiht auf dem Rasen standen.

Malfoy trug einen langen Reiseumhang. Er gestikulierte nach oben, und Witherby notierte sich eifrig, was er sagte. Sie erkannte einen dunklen Anzug unter dem Reiseumhang. Sein Schal war dunkelgrün, und am allermeisten stachen seine Haare in dem sonnigen Herbsttag hervor.

 

Sie schluckte schwer. Sie konnte den Blick nicht abwenden.

Natürlich war er hier, ging ihr auf. Die Goyles und die Malfoys gehörten wohl zusammen. Verflixt. Wieso hatte sie nicht nachgedacht? Weil es unmöglich einen solch großen Zufall hatte geben können, antwortete sie sich selbst. Sie setzte sich, denn sie konnte nicht mehr stehen. Ihr Herz schlug laut.


„Es sieht sehr gut aus!“, bemerkte Luna, und Hermine schreckte aus ihren Gedanken. Luna nahm ihr eine der Kellen ab. „Die Schrumpfköpfe werde ich mitnehmen“, informierte sie Hermine glücklich. Dann verschwand ihr Lächeln. „Hermine, alles klar? Du bist so blass! Nimmt es dich zu sehr mit?“, wollte sie besorgt wissen, und Hermine schüttelte zaghaft den Kopf.

 

„Nein, nein. Alles ok.“ Luna betrachtete sie skeptisch. „Wirklich“, versicherte Hermine. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass Luna mitbekam, dass Draco Malfoy sie irgendwie beeinflusste und sie es noch Ginny erzählte, denn die traf sie auch jede Woche, da Neville und Luna auch gerade versuchten, ein Kind zu bekommen. Natürlich…, wie alle ihre Freunde zurzeit. Nur sie nicht.

Hermine atmete also langsam aus.


„Herzlich willkommen. Die Auktion beginnt!“, rief der Zauberer. Hermine hörte ihm teilweise zu. „Wir beginnen mit den körperlichen Gegenstände, bevor wir mit der Immobilie beginnen!“, informierte er die Anwesenden, und eine Horde Elfen brachte die vielen schwebenden Kleinigkeiten weiter nach vorne. Sofort öffnete Hermine vor Entrüstung den Mund. Alle Elfen trugen Lumpen. Ausnahmslos.

 

Fast wäre sie aufgestanden.

 

„Mit der Immobilie versteigern wir auch die Hauselfen. Zusammen oder einzeln“, fuhr der Auktionär gedehnt fort. „Beginnen wir mit…“

 

„Das ist doch wohl die Höhe!“, flüsterte Hermine entrüstet.


„Was?“, flüsterte Luna zurück, die auf der Kante ihres Stuhls saß.

 

„Die Hauselfen!“, erwiderte Hermine empört. Luna sah sie an, zuckte aber nur die Schultern.


„Wir können nichts machen, Hermine. Zehn Galleonen!“, rief Luna eifrig, als das erste Stück angepriesen wurde. Hermine wusste nicht mal, was es war. Ein dreibeiniger Hocker? Mit einem Rüssel?


„Was ist das?“, zischte sie.

 

„Was? Das? Ein Kunkeltisch, Hermine!“, brachte Luna schockiert hervor. Hermines Mund öffnete sich in stillem Verständnis. Natürlich. Ein Kunkeltisch. Was auch sonst….

 

„Zehn Galleonen zum ersten für die blonde junge Frau in der zweiten Reihe!“, rief der Auktionator. Hermine wunderte es nicht, dass niemand bot. Er wartete noch eine Sekunde.

„Zum zweiten… und zum dritten! Verkauft!“

 

„Großartig“, murmelte Luna, und ein Hauself brachte ihr den Tisch – der kein Tisch war. Der Hauself war winzig. Und Hermine sah, dass er zitterte. Das war doch eine Unmöglichkeit! Die Leute in der ersten Reihe wichen zur Seite aus, um nicht von dem zuckenden Rüssel erschlagen zu werden, während Luna den Tisch liebevoll im Karton verstaute.

Auf Lunas Kelle gravierte sich magisch die Ziffer Zehn ein.

 

Und Hermine fing seinen überraschten Blick auf. Sie spürte sofort die Röte in ihren Wangen.

Sein geöffneter Mund schloss sich wieder. Er war weit genug weg, dass sie keine Probleme mit ihrer Atmung hatte und den Blick hastig senken konnte.

 

Die Auktion ging weiter, ohne dass Hermine sich konzentrieren konnte.

Luna ersteigerte bestimmt noch zwanzig weitere Sache, und jedes Mal, wenn sich die Leute in der ersten Reihe zur Seite beugten, um den Gegenständen Platz zu machen, konnte Hermine keine fünf Meter weiter Malfoy am Rand der Auktion warten sehen. Gregory Goyle neben ihm. Goyle hatte kurzgeschorene Haare, wirkte ernst und sprach nicht.

 

Wieder starrte Hermine schnell auf ihre Finger, ehe sich ihr Blick wieder mit seinem verbinden würde und sie nicht wegsehen konnte.

Zäh flossen die Minuten dahin, während denen Luna sich großartig zu amüsieren schien.

Einige Zauberer verschwanden, nachdem das Mobiliar verstigert worden war, und Lunas Kiste war bis über die Hälfte gefüllt.


„Das war ein gutes Geschäft!“, rief sie fröhlich. „Willst du noch bleiben?“, fragte sie jetzt, denn Hermine hatte keine Anstalten gemacht, sich zu erheben.

Sie sah jetzt, nachdem die meisten Leute verschwunden waren, eine Reihe hinter sich, gefüllt mit Frauen in teuersten Pelzmänteln, schwer beringten Fingern und so arroganten Mienen, dass sie annahm, dass es sich nur um Reinblüter handeln konnte.

 

„Kommen wir zur Immobilie!“, rief der Auktionator.


„Gut, dann bleiben wir noch“, antwortete Luna sich selbst und setzte sich wieder neben Hermine. „Du weißt, du kannst dir das Haus nicht leisten, richtig?“, wollte Luna vorsichtshalber wissen, aber Hermine reagierte nicht.

 

„Das erste Angebot liegt bei fünfhunderttausend Galleonen!“, rief er laut. Hinter sich hob eine Dame unauffällig die Kelle. „Fünfhunderttausend zum ersten!“, rief er laut.

 

„Das sind ganz andere Zahlen“, flüsterte Luna beeindruckt. Hermine betrachtete Malfoy. Kurz traf sie sein Blick.


Fünfhuhnderttausend zum zweiten…“ Jetzt beugte sich Goyle näher zu Malfoy. Dieser hob schließlich seine Kelle.

 

„Eine Millionen“, sagte er laut und klar. Die Damen hinter ihr begannen zu tuscheln.

 

„Eine Millionen! Eine Millionen zum ersten für Mr Malfoy!“, rief er laut. Er wusste anscheinend, wer er war. Aber das schien ja jeder hier zu wissen, dachte sie wütend.

 

„Zwei Millionen!“, hörte sie die Frau hinter sich rufen.


„Zwei Millionen für Mrs Zabini.“ Hermine wandte sich überrascht um. Sie kannte zwar Zabinis Mutter nicht, hatte jedoch gehört, dass sie eine Veela sei. Und so sah sie auch aus. Wunderschön, aber höchst arrogant.

 

„Fünf Millionen!“, rief Malfoy lauter. Dieses Mal kam der Auktionator gar nicht dazu, die neue Zahl auszurufen, denn Mrs Zabini hatte Kelle erneut gehoben.


„Sechs Millionen!“ Ein kühles Lächeln zierte ihren geschminkten Mund.

 

„Sechs Millionen zum ersten für Mrs Zabini!“, rief der Auktionator laut. Wieder beugte sich Goyle zu Malfoy und sprach leise zu ihm. Malfoy schüttelte jedoch vehement den Kopf.

„Sechs Millionen zum zweiten…!“, rief er langsam, und Mrs Zabini wirkte höchst zufrieden.

„Und zum-“

 

„Neunzig Millionen!“, rief Malfoy gereizt. Neben ihm sprach Goyle schockiert auf ihn ein.

 

„Neunzig Millionen?“, vergewisserte sich der Auktionär, aber Malfoy revidierte nicht.

„Gut, dann… neunzig Millionen zum ersten?“ Hermine wartete, aber Mrs Zabini sagte nichts mehr. Und das fand sie gut.


„Einfach so neunzig Millionen. Das ist doch krank“, flüsterte Luna.

 

„Zum zweiten? Und… zum dritten! Verkauft an Mr Malfoy!“ Höfliches Klatschen tönte über die Wiese. Malfoy ging nach vorne, um etwas zu unterschreiben. Es herrschte lautes Gemurmel. Neunzig Millionen, dachte Hermine dumpf. Wenn Malfoy so viel Gold für eine Immobilie ausgeben konnte, wieso holte er dann nicht auch seinen Vater aus dem Gefängnis?

 

„Lass uns gehen“, murmelte Luna jetzt und betrachtete selig ihren Karton.

 

„Kommen wir zu den Hauselfen. Stellt euch auf!“, rief der Auktionator harsch. Hermine blieb wo sie war.


„Hermine? Nein…“, flüsterte Luna.

 

Die zehn kleinen Elfen standen voller Angst auf der Wiese. Sie schlotterten in den Lumpen, und Hermine war starr vor Schreck.

 

„Beginnen wir mit einer Galleone für den größten!“, rief der Auktionator. Hermines Mund öffnete sich. Eine Galleone für einen heimatlosen Hauselfen? Nein! Das war nicht richtig.

 

„Hermine…!“, warnte Luna sie leise, als Hermine Anstalten machte, aufzustehen.

 

„Hundert für alle“, rief Malfoy laut, während er mit Goyle diskutierte. Hermines Kopf fuhr zu dem Auktionator herum.

 

„Gut. Hundert für alle, zum ersten für Mr Malfoy!“

 

„Zweihundert für alle!“, rief Mrs Zabini laut. Hermines Nackenhaare stellten sich zu Berge. Und sie spürte wie sich ihre Hand hob.

 

„Zweihundert zum ersten für Mrs Zabini!“ Dem Auktionator schien es auch noch Spaß zu machen. Ihre Hand war oben.


„Dreihundert für alle!“, rief sie heiser.

 

„Oh Merlin, Hermine, nein!“, flüsterte Luna und bedeckte mit der Hand die Augen. Sie fing Malfoys Blick auf. Sie konnte ihn nicht deuten. Auch die Hauselfen sahen sie aufmerksam an. Der kleinste hüpfte nach oben, um sie besser sehen zu können.

 

„Fünfhundert!“, rief Mrs Zabini schnell.

 

„Fünfhundert zum ersten für Mrs Zabini!“ Hermine rechnete nach, und ignorierte Lunas geflüsterte Warnungen.

 

„Eintausend Galleonen!“, rief Malfoy dazwischen, ohne sie aus den Augen zu lassen.


„Hermine!“, Luna versuchte ihre Hand festzuhalten, aber Hermine war entschlossen.


„Zweitausend!“, rief sie, mutiger als vorher, ohne ihn aus dem Blick zu lassen.

 

„Zweitausend Galleonen von der jungen Frau hier vorne. Zum ersten…!“ Und ganz leicht schüttelte Malfoy den Kopf. Was wollte er ihr sagen? Dass sie nicht bieten sollte? Nicht durfte? Wofür hatte sie die Kelle? Und was wollte er mit den Hauselfen? Reiche behandelten Hauselfen immer schlecht.


„Dreitausend Galleonen!“, rief Mrs Zabini, und Hermine wandte sich gereizt zu der Frau um. Diese würdigte sie keines Blickes.


„Fünftausend Galleonen!“, rief Malfoy unbeeindruckt.

 

„Bitte, Hermine, tu das nicht“, flehte Luna leise. Hermine überlegte, ließ ihn nicht aus den Augen und hob die Kelle erneut.


„Sechstausend Galleonen!“ Sie sah, wie er ausatmete, wie er resignierte. Seine Lippen waren schmal geworden, und Goyle redete auf ihn ein. Fast sah es so aus, als wäre er sauer auf sie. Aber im Moment wirkte es nur elektrisierend auf sie.

 

„Sechstausend Galleonen für die junge Dame, zum ersten…!“ Der Auktionator wartete, Hermine wartete, aber Mrs Zabini sagte nichts. „Sechstausend Galleonen zum Zweiten…!“ Der Auktionator blickte noch ein letztes Mal zu Malfoy, fast hilflos, aber dieser breitete die Hände tatsächlich in einer Art hilflosen Geste aus, und Hermine wusste, sie hatte gewonnen.

„Zum dritten. Verkauft an die junge Dame!“

 

„Großartig. Und jetzt?“, zischte Luna böse, als Hermine klar wurde, dass sie zehn Hauselfen ersteigert hatte. Die Ziffer Sechstausend hatte sich in ihre Kelle graviert, und sie hatte soeben ihre Rente halbiert.

 

Sie erhob sich schwankend. „Ich weiß es noch nicht“, murmelte sie, während sie nach vorne schritt. „Gib mir einen Scheck“, fügte sie knapp hinzu. Luna starrte sie an.


„Du willst das wirklich machen?“

 

„Das ist legal bindend. Sicher“, flüsterte sie gereizt. Luna verdrehte die Augen und zog einen ihrer, von Gringotts datierten, Schecks aus dem Umhang. Sie schüttelte wütend den Kopf.

 

Sie war vorne angekommen. Luna dicht hinter ihr.

 

„Herzlichen Glückwunsch, Miss…?“ Der Auktionator betrachtete sie.


„Granger. Hermine Granger“, sagte sie fest, und der Mann schien sie erst jetzt zu erkennen.


„Oh, Miss Granger. Meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihren… Ihren Hauselfen“, stammelte er verlegen. Sie unterzeichnete den Scheck, mit ihrer Unterschrift und Verliesnummer und händigte ihn aus. Die Elfen warteten gespannt in einer Reihe. Während sie eigentlich keine Ahnung hatte, was sie mit zehn Hauselfen anstellen sollte.

 

Sie kaute vergessen auf ihrer Unterlippe.

 

„Sie haben mich ausgeboten, Miss Granger.“ Seine Stimme schickte hundert Stromstöße durch ihren Körper, und sie schreckte aus ihrer Trance.

 

„Ich…“ Sie hörte auf zu sprechen, sah ihn an, sah wie der Wind seine sortierten Haare zerzauste, und sie wusste nichts zu sagen. Sein Blick aus seinen grauen Augen war hypnotisch.

 

„Und was haben Sie jetzt mit den Elfen vor?“ Mit aller Mühe riss sie den Blick von seinem schönen Gesicht los. Er jedoch ließ sie nicht aus den Augen.

 

„Ich…“, wiederholte sie ratlos, aber plötzlich fand sie einen Satz, der an die Oberfläche sprudelte. „Was wollten Sie mit den Hauselfen?“ Fast aggressiv klangen ihre Worte, und er runzelte überrascht die Stirn. Wahrscheinlich war auch er überrascht, dass sie mehr als drei Worte zu ihm sagen konnte. Das war sie auch.


„Ich wollte sie nach Hogwarts bringen. Dort werden sie bezahlt, erfüllen eine gute Aufgabe und sind unter ihresgleichen.“ Ihr Mund öffnete sich. Ja… das klang nach einem Plan. Luna hatte sich neben sie gestellt. „Miss Lovegood“, begrüßte Malfoy sie höflich, und Hermine riskierte einen Blick auf Luna, um zu sehen, ob er auf sie eine ähnliche Wirkung hatte, aber Luna schien es, wenn es so war, nicht zu zeigen.

 

Mr Malfoy“, erwiderte sie, und anscheinend fand sie es nicht lächerlich, ihn so zu nennen. Aber wer fast eine Milliarde ausgab war vielleicht auch nicht lächerlich, überlegte sie dumpf.


„Können wir gehen? Hast du dir schon überlegt wo du sie unterbringen willst?“, fuhr Luna sie an, und Hermine war es peinlich, dass sie es vor Malfoy tat. Dieser unterdrückte mittlerweile ein Lächeln.


„Hogwarts“, sagte sie tonlos.


„Hogwarts? Du kaufst dir zehn Hauselfen, um sie Hogwarts zu schenken? Du hast keinen Job, aber das Gold Hauselfen zu kaufen?!“, vergewisserte sich Luna seufzend und fuhr sich durch die blonden Haare. Peinlich. Wieder einmal war alles peinlich. „Gut, dann mach das. Wir wollen los. Ich muss meinen Karton noch auspacken. Einige der Bücher werden dir bestimmt gefallen.“ Sie sah sie wartend an.

 

„Hauselfen!“, rief Hermine, in Ermangelung eines besseren Wortes, und die Elfen sahen sie erwartend an. „Ich… möchte… ich befehle euch, dass ihr nach Hogwarts appariert und Professor McGonagall sagt, Hermine Granger möchte, dass ihr in der Küche arbeitet. Ihr sollt bezahlt werden, Kleidung bekommen und… jedes Wochenende frei!“ Die Elfen sah sie so schockiert an, als hätte soeben Blutrache geschworen. „Los!“, setzte sie hinzu und widerwillig verschwanden die Hauselfen.


„Dankbar sind sie nicht. Was für eine Goldverschwendung. Kommst du?“, fragte Luna ungeduldig. Sie nickte nur. Malfoy hatte die Hände in den Taschen seines Umhangs vergraben.


„Miss Granger?“, hielt seine Stimme sie auf, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Oh Merlin! Was wollte er? Sie konnte nicht sprechen. Sie konnte es nur meistern, ihn anzusehen. Das kostete all ihre Kraft. Sein Blick war intensiv, und es zog in ihrem Innern. Es war als wären alle anderen Menschen fort und nur noch sie und Malfoy ständen auf der weiten Wiese. Der Wind spielte wieder mit seinen Haaren. Er zog die Hand schließlich aus der Hosentasche und reichte ihr eine weiße, kleine Karte. Sie hatte einen goldenen Rand, und in der Mitte war eine Adresse gestampft. Darüber stand sein geschwungener Name.

Lord Draco L.A. Malfoy, Geschäftsführer der Malfoy Group

 

Ihr Mund öffnete sich langsam, als sie die Karte annahm. Luna beobachtete sie gespannt.

„Kommen Sie doch morgen in mein Büro, Miss Granger, zehn Uhr. Sie können mir mein Jackett wieder bringen.“ Seine Stimme klang verlockend. Ruhig und freundlich. Sein Blick verließ ihre Augen nicht.

 

Nein. Sag einfach nein! Die Röte war in ihre Wangen gekrochen. Luna sah sie perplex an. Und er hatte es sagen müssen! Er hatte das Jackett erwähnen müssen. Natürlich.

Oh Merlin! „Ich erwarte Sie“, fügte er hinzu, und fast klang es wie eine Drohung. Aber dafür, dass es eine Drohung war, war sie viel zu gefangen von allen Reizen, die er aussandte.

 

„Ja.“ Sir. Sie verschluckte das letzte Wort. Neben ihr hörte sie Luna lautlos nach Luft schnappen. Wieso schaffte er es, Autorität auszustrahlen und sie damit so zu verwirren, dass sie schon wieder vergaß, wer er war?!

Witherby unterbrach ihren Blickkontakt, indem er Malfoy etwas zuflüsterte, und dieser brach schließlich den Blick zu ihr, während sie immer noch gefangen war. Er nickte einmal.


„Wiedersehen Miss Lovegood. Miss Granger.“ Bei ihrem Namen sah er ihr wieder ins Gesicht. Wieder machten alle ihren Nervenenden einen Satz, und sie hielt den Atem an. Er hatte sich abgewandt, nicht ohne seine Mundwinkel noch einmal zucken zu lassen. Aber vielleicht hatte sie es sich eingebildet?

 

Er war fort.

 

„Oh du großer Merlin! Was war das?“, hauchte Luna und starrte sie herausfordernd an. Sie hob den Blick zu ihrem Gesicht. „Was hast du mit Draco Malfoy zu schaffen? Wieso hast du sein Jackett? Wieso bist du morgen bei ihm – und… wieso ziehst du ihn mit deinen Augen aus?“ Völlig aufgelöst fixierte Luna sie und schien auf eine Antwort zu brennen. Sofort vertiefte sich die Röte in Hermines Wangen.

 

„Das tue ich nicht“, protestierte sie leise.

 

„Du bietest gegen ihn, ersteigerst eine Horde Hauselfen, die du wegschickst, du kriegst keinen geraden Satz vor ihm raus und… Merlin, Hermine, läuft da was?“ So schockiert wie Luna klang, musste Hermine sie auch ansehen.


„Nein! Natürlich nicht! Oh Merlin, es ist nichts! Ich habe ihn erst ein paarmal gesehen! Der Koboldvortrag hat-“


„Koboldvortrag?“, unterbrach Luna sie verwirrt, und ihre Augen weiteten sich.


„Du warst da mit ihm?“, fragte sie empört, und Hermine schüttelte hastig den Kopf.


„Nein! Nein, natürlich nicht! Er hat ihn nur gehalten!“

 

„Was?“ Luna starrte sie an. „Das hast du nicht erwähnt!“ Hermine gab es auf. Es sah einfach alles schlecht aus. Dabei hatte sie nichts getan! Gar nichts! „Ich will nicht wissen, weshalb du zufällig sein Jackett bei dir Zuhause hast, richtig?“, fügte Luna jetzt mit stechendem Blick hinzu, und Hermine atmete langsam aus.


„Nein, nein. Es ist unwichtig.“

 

„Ok. Dann… komm“, gab Luna kopfschüttelnd zurück. Sie bot Hermine den Arm zum apparieren. „Und.. wieso bist du devot gegenüber dem reichsten Todesser der Stadt?“, fragte Luna sie ratlos, als sie sich im Kreis zu drehen begannen.

Luna hatte eine seltsame Art, die Dinge haargenau auf den Punkt zu bringen. Und es hinterließ immer einen unangenehmen Nachgeschmack.

Devot…. Merlin, das war das kranke Wort, was sie seit Tagen suchte! Das war es, was Malfoy in ihr auslösen konnte. Devot….

 

Kapitel 3

 

Sie hatte bei Luna nichts weiter gefunden, was sie interessierte, und Luna hatte Merlin sei Dank keine weiteren Fragen gestellt. Hermine hatte sich auch nur allzu schnell verabschiedet, war nach Hause gegangen, hatte sich mit einem komplizierten Braten abgelenkt, nur um dann zwei Bissen davon zu essen.

 

Sie hatte sich früh zu Bett gelegt, war in ihrem Buch über den Elfenkrieg nicht über den ersten Satz hinaus gekommen und hatte schließlich das Licht gelöscht.

Sie hatte sich hin und her gewälzt, hatte nicht aufhören können, über Lunas Worte und deren Konsequenz nachzudenken, und war erst weit nach zwei Uhr morgens in einen unruhigen Schlaf gefallen, in dem sie von Schrumpfköpfen und Rüsseln geträumt hatte.

Und von seinem Mund. Seinem schönen Mund.

 

Und es war vielleicht sieben Uhr morgens als sie gerädert die Augen aufschlug.

Langsam wurde es dunkler draußen. Der Morgen war länger dunkel, und sie lag unbewegt unter ihrer warmen Bettdecke.

Was sollte sie machen? Sie konnte doch nicht ihrem devoten Verhalten nachgeben und auch noch wirklich zu ihm gehen? Das wäre… sie konnte es nicht mit sich vereinbaren! Wenn sie ihn nicht sah, konnte sie denken. Dann konnte sie sogar abwägen, wie dumm ihr bisheriges Verhalten war!

 

Sie hatte nicht gewusst, dass sie sich von einem guten Aussehen so blenden lassen konnte, und sie wünschte, sie wüsste es besser! Sie war schwer enttäuscht von sich selber, und wünschte, der Tag wäre vorbei und sie könnte morgen… - ja was? Einen Job hatte sie nicht, dem sie nachgehen konnte.

Müde fuhr sie sich durch die ungekämmten Haare. Nein, sie durfte ihn nicht sehen! Sie durfte auf keinen Fall zu ihm gehen. Und sie würde den Teufel tun, und ihm sein Jackett bringen. Dann hätte er es ihr eben nicht geben dürfen! Sie würde von nun an alle Orte vermeiden, an denen er auftauchen könnte.

 

Ja. Sie war nüchtern, wach und wusste, was richtig war.

Sie erhob sich also, und bevor sie noch irgendwas tun konnte, was ihre Meinung änderte, lief sie zu ihrer Jacke, holte die Visitenkarte hervor, deren Papier fest und weich zugleich war, und warf sie achtlos, ohne sich zu erlauben die Adresse zu lesen, in den Kamin. Sie griff sich ihren Zauberstab vom Couchtisch, entfachte das Feuer erneut und sah zu, wie der Goldrand zu schmoren begann. Nach keiner Sekunde war die Karte in Flammen aufgegangen.

Wenn sie nicht wusste, wo er war, dann würde sie sich auch nicht schuldig fühlen.

 

Sie hatte keinen Vertrag unterschrieben. Sie musste nicht zu ihm! Er konnte sie nicht zwingen. Nicht mit seinem Blick, seinen Worten oder seinem Körper! Mit absolut nichts.

 

Und plötzlich fühlte sie sich freier. Aus den Augen aus dem Sinn. Sie lief in die Küche, griff sich das unberührte Jackett von der Stuhllehne und stopfte es hastig in die aufklappbare Küchenbank. Sie ließ die Sitzfläche mit einem lauten Knall zuschlagen und verließ eilig die Küche, um dem betörenden Duft seines fast verblassten Parfums zu entgehen.

 

Jetzt war alles in Ordnung.

 

Sie sah sich um, räumte eilig die Überreste ihres Küchenchaos‘ beiseite, spülte die Töpfe und Teller, wischte sogar ihr Badezimmer, und um halb zehn war ihre Wohnung sauber und sie völlig erschöpft. Da war endlich die Erschöpfung, die sie abends nichts gespürt hatte.

Und sie griff sich die Wolldecke, die sie gerade erst zusammengelegt hatte, schlug sie aus und kuschelte sich auf ihr weiches Sofa vor dem Kamin. Sie zog die Decke hoch bis an ihr Kinn und spürte, wie die warme Müdigkeit sie einholte. Gähnend schloss sie die Augen und war froh, ihr eigener Herr und Meister zu sein.

 

Sie war Hermine Granger, und niemand schüchterte sie ein! Und mit diesen Gedanken fiel sie in einen gemütlichen Schlaf.

 

Der Kamin knisterte laut. Hellwach schlug sie die Augen auf, und ihr Herz klopfte laut. Sie lugte über die Decke, in der sie immer noch fest eingewickelt war.

 

„Hermine?“ Unbewusst atmete sie die angehaltene Luft aus. Sie setzte sich gerade auf die Couch. „Hast du geschlafen?“ Ron sah sie fragend an. Es war immer etwas unangenehm mit Ron alleine zu sprechen. Sie fuhr sich prüfend durch die Haare, die natürlich immer noch ungekämmt auf ihrem Kopf in alle Richtungen standen.

 

„Hey, Ron“, begrüßte sie ihn heiser.

 

„Hast du Lust, vorbei zu kommen?“

 

„Wo bist du?“ Sie lugte hinter seinen Rücken und erkannte die große Uhr mit den vielen Zeigern, für jeden Weasley einen. Und jetzt natürlich noch zwei für sie und Harry. Sie sahen immer noch neuer aus als die anderen. Und sie war dankbar, dass Molly ihren nicht abgenommen hatte, nachdem es mit Ron nicht funktioniert hatte.

 

„Im Fuchsbau. Ginny und Harry kommen gleich. Neville kommt aus Hogsmeade. Und logischerweise bist du eingeladen.“ Er lächelte unangenehm berührt. Sie räusperte sich verschlafen. „Wieso hast du geschlafen? Fühlst du dich krank? Hat dich die Grippe erwischt oder so?“ Ehrliche Sorge schwang in seiner Stimme, und es war immerhin nicht immer unangenehm mit ihm zu sprechen.


„Nein, nein. Alles bestens. Ich komme dann, wenn ich fertig bin. Wie spät ist es?“, erkundigte sie sich planlos, und er grinste schief.

 

„Es ist vier. Und es gibt jetzt Kaffee. Also beeil dich, wenn du dir von Mum nicht eine Ansprache anhören möchtest, dass man ab fünf auf gar keinen Fall mehr Kaffee bekommt.“ Hermine erinnerte sich gut an Mollys Meinungen über Nervengifte.

 

„Ok, bin gleich da. Öffne den Kamin, dann geht es schneller“, fügte sie noch hinzu, ehe Ron mit einem Nicken in den Flammen verschwand.

Es war schon vier Uhr? Merlin, sie hatte den ganzen Tag verschlafen. Und nichts war passiert. Keine böse Eule war aufgetaucht, kein Zauberer war appariert, um sie zu zwingen, den Termin doch noch einzuhalten.

Sie entspannte sich wieder. Ihr Schlaf war traumlos gewesen, und sie hatte nicht an Malfoy gedacht. Bis auf jetzt natürlich, aber sie hatte sich wohl doch zu viele Gedanken gemacht!

 

Eilig stieg sie aus der riesigen Decke, die natürlich auch Molly Weasley gestrickt hatte, und lief hastig ins Bad. Sie putzte ihre Zähne unter der Dusche um Zeit zu sparen, kämmte ihre Haare, während sie mit der anderen Hand eilig eine saubere Hose und einen gemütlichen Pullover aus dem Schrank kramte und zog sich in Rekordzeit an.

 

Es war auch ein Pullover, den Molly gestrickt hatte, aber dafür ohne den Anfangsbuchstaben ihres Vornamens. Dieser Pulli war einfach, schlicht und dunkelblau.

Die Hose war aus schwarzem Stoff und saß sehr eng. Sie ging gut zu, was sie sonst eher selten tat, aber da Hermine seit Tagen nicht richtig gegessen hatte, passte sie jetzt wie angegossen. Wie auf Befehl knurrte ihr Magen unheimlich laut, und Mollys selbstgemachter Apfelkuchen war eine wirklich gute Aussicht.

 

Kurz fragte sie sich, weshalb Ron sie persönlich eingeladen hatte. Das tat er eher selten.

Sie griff sich ihren Zauberstab vom Tisch, sah sich noch einmal um, vergewisserte sich, dass die Fenster zu und der Herd aus waren und warf eilig das Pulver in die warmen Flammen. Sie loderten grün.


„Fuchsbau“, rief sie deutlich, schritt nach vorne und wurde vom dem grünen Qualm verschluckt. Einen Moment später war sie angekommen und trat aus den Flammen.


„Hey, Schlafmütze“, begrüßte George sie kauend, während er sich mehrere Löffel Zucker in seinen Tee schüttete. Dass Ron auch alles sofort weiter erzählen musste! „Hat dich meine Schwester endlich verkuppelt?“, wollte er grinsend wissen, und sie verdrehte die Augen.


„Ich gehe nie wieder mit denen weg!“, erklärte sie feierlich.


„Hermine, Schatz, bist du das?“ Molly kam freudig in die Küche. „Jetzt halt dich hier nicht auf! Komm ins Wohnzimmer. Die anderen sind schon da! George, nicht so viel Zucker, Merlin!“ Sie schob sie und George aus der Küche.

„Hermine ist endlich da!“, erklärte sie, als sie im warmen Wohnzimmer angekommen waren, in dem der große Tisch sich zu biegen schien unter den Lasten des Kuchens und der Kekse. „Lavender kennst du ja?“, fügte Molly hinzu, und Hermine konnte Mollys Ton nicht deuten.


Jaah“, erwiderte Hermine langsam, während Lavender schüchtern lächelte. Sofort fing sie Ginnys Blick auf, die ihr mit einem übertriebenen Verdrehen ihrer Augen bedeutete, was sie von Rons anscheinendem Date hielt. Und Hermine konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass sie sich nun messen musste. Und Lavender gehörte nicht unbedingt zu ihren Lieblingsmenschen auf dieser Welt. Ausgerechnet sie? Meinte Ron das wirklich ernst?

 

„Setz dich doch, Liebling. Erzähl mir von deiner Woche. Ich habe gehört, du hast dich dafür interessiert nach Gringotts zu gehen?“, fuhr Molly ungerührt fort, während Hermine sich neben Ginny setzte. Neben ihr saß am Kopfende Arthur, der sie warm anlächelte. Richtig. Sie hatte keinen Job. Was tat Lavender wohl? Bestimmt irgendwas Bedeutungsloses. Hermine konnte die Bitterkeit nicht verhindern.

 

„Ja, ich hatte es überlegt. Aber… vielleicht ist das nichts für mich. Ich glaube, es ist eher eine Männerarbeit. In Minen zu klettern, Gold zu finden, es abzugeben…“, erklärte sie schulterzuckend und wandte sich betont neugierig an Neville, um Lavenders fast spöttischem Blick zu entgehen. „Hey, Neville, schön dich zu sehen. Alles in Ordnung auf unserer Schule?“, fragte sie lächelnd, während sie zuließ, dass Molly ihr ein besonders großes Stück auftischte.


„Alles bestens. Es gab einen kleine Aufruhr, als gestern zehn Hauselfen in die große Halle auf den Slytherintisch appariert sind“, merkte er grinsend an. Das hatte sie ganz vergessen, sie spürte, wie sie rot wurde.


„Oh…“, flüsterte sie. Wo war Luna eigentlich? Wahrscheinlich hatte sie es ihm erzählt. „Ja… ich hatte einen schwachen Moment gestern auf der Versteigerung.“ Sie musste aussehen, wie eine komplett Verrückte. Selbst für die simple Lavender.

 

„Ja, das habe ich schon mitbekommen.“ Sein Ausdruck war freundlich, und sie wusste nicht, was er noch wusste, oder was Luna vielleicht verschwiegen hatte.

 

„War McGonogall wütend?“, fragte sie vorsichtig. Sie hatte immer noch den größten Respekt vor ihr.


„Nein, gar nicht“, gab er kauend zurück.


„Du hast Hauselfen ersteigert?“, fragte Ron verwirrt und schüttelte nur den Kopf, als wäre es eine typische Sache, die sie ständig tun würde. Lavender lachte gekünstelt.

 

„Ich… - ja“, schloss sie, denn es war einfacher, als es abzustreiten.

 

„Das ist so typisch“, kaute er kopfschüttelnd.


„Ich finde es gut“, munterte Harry sie auf. Hermine atmete langsam aus. Soweit so gut. Das Thema schien erledigt zu sein. Sie zählte innerlich bis drei, schluckte den Kuchen hinunter und wandte sich wieder an Neville.


„Wo ist Luna?“, fragte sie jetzt, und sie konnte nicht verhindern, eigentlich froh zu sein, dass Luna nun nicht erzählen konnte, wie sie Draco Malfoy nicht widersprechen konnte. Oh Merlin!

 

„Beim Arzt“, erklärte er, und schüttelte hastig den Kopf, als Hermines Augen vor Sorge groß wurden. „Nein, nein! Nichts Schlimmes! Sie hat heute einen Termin beim dem Heiler für Frauenkunde, und wir hoffen… na ja, vielleicht ist heute der Tag…“ Er ließ den Satz in der Luft hängen, grinste aber wie ein Honighippogreif. Hermine lächelte daraufhin.

 

„Ich wünsche es euch.“

 

„Ja, ich auch. Ich kann es gar nicht erwarten, selber ein Kind zu bekommen!“ Hermine zog sich vor Übelkeit der Magen zusammen, bei Lavenders Worten. So ähnlich sah Ron auch aus.

 

„Ein bisschen früh, nicht wahr?“, merkte er tonlos an. Molly klatschte in die Hände.

 

„Genug jetzt!“, unterbrach sie das Gespräch, und Lavender wirkte beleidigt. „Percy hatte großen Erfolg mit seiner neuen Richtlinie für… äh… na ja, für das, was er eben tut“, wich sie aus, und George verschluckte sich fast, als er sein Lachen unterdrücken musste.

 

„Muss ja wahnsinnig wichtig sein, wenn es seine eigene Mutter nicht weiß“, murmelte er und fing sich Mollys tödlichen Blick ein. Er verkniff sich jedes weitere Wort, aber sie, Ron und Harry grinsten scheinheilig.

 

„Das Ministerium richtet nächsten Freitag eine private Feier aus. Ich erwarte euch alle da!“, setzte sie scharf hinzu.


„Kommt sonst keiner?“, wollte George kauend wissen, aber Molly sog scharf die Luft durch die Nase, und er senkte hastig den schelmischen Blick.

 

„Natürlich kommen genug Leute. Ich will nur, dass die Familie auch dabei ist. Und Hermine, du gehörst natürlich zur Familie, so wie Neville auch!“, bestärkte sie, und Hermine fühlte unfreiwillige Genugtuung, dass sie Lavender nicht auch eingeladen hatte. Aber gerade als sie zusagen wollte, fiel ihr ein, was sie sich selbst versprochen hatte. Malfoy aus dem Weg gehen, wo er vielleicht auftauchen könnte!

 

„Oh, ich weiß noch nicht, ob ich sicher kommen kann, Molly“, wich sie aus. Molly sah sie so an, wie sie George anzusehen pflegte. „Ich… bin bei meinen Eltern eingeladen“, log sie eilig, und Molly schien besänftigt, wenn auch nicht zufrieden.


„Dann frag nach, ob du nicht vielleicht Samstag kommen könntest.“

 

„Zahnarztmesse“, setzte sie eilig noch eine Lüge hinterher. „Für das Wochenende. Sie hatten sich schon gefreut.“ Und Molly verzog den Mund.

 

„Vielleicht kannst du ja nachkommen“, schloss sie schließlich diplomatisch. Unzufrieden, aber diplomatisch. Hermine atmete erleichtert aus und schob sich noch ein großes Stück Kuchen in den Mund. Merlin, war sie hungrig. Harry bedachte sie mit einem amüsierten Blick.

 

In der Sekunde klopfte es leise. Und sie wusste, es war paranoid. Sie wusste, dass ihr vor Schreck der Kuchen im Halse stecken blieb, war mehr als nur paranoid.

Sie hoben allesamt den Blick zum Fenster. Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.

 

„Das müssen die Statistiken sein, die ich wollte“, bemerkte Arthur ruhig, erhob sich, und Hermine schaffte es, den Kuchen zu schlucken. Er öffnete das kleine Fenster für den Jagdfalken, der sich geduldig den Brief vom Bein nehmen ließ. Hermine hatte die Luft dennoch angehalten. Aber so viel Pech konnte sie nicht haben. So viel Pech gab es nicht!

 

Und er hob den Blick. Er hob den Blick. Oh nein….

 

„Hermine, der ist für dich?“ Es war eine Frage. Sie schloss kurz die Augen. Ihre Finger kribbelten. Merlin, sie musste sich zusammen reißen. Sie zwang ihren Atem zur Ruhe.


„Danke“, sagte sie, so neutral wie sie konnte, und während sie sich erhob nahm sie den Brief entgegen, und ihre Gedanken rasten, um eine plausible Ausrede zu finden. Sie verließ den Tisch, schritt betont gleichgültig zum Fenster und öffnete den glatten, weißen Umschlag, der ihren Namen trug. Sie kannte die Handschrift nicht. Und es stand kein Absender auf der Rückseite. Merlin sei Dank nicht!

 

Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Finger fahrig zitterten. Deswegen drehte sie dem Esstisch den Rücken zu, während die anderen wieder ins Gespräch kamen. Gut, nur keine Aufmerksamkeit erregen, befahl sie sich stumm.

Oh bitte, lass es nicht wahr sein! Lass es nicht wahr sein! Sie flehte innerlich sehr laut, als sie das weiche Pergament hervorzog. Das gleiche Material wie die Visitenkarte. Ihr wurde schlecht. Sie wünschte, sie hätte ihn nicht geöffnet!

Aber ihre Augen sogen die Worte in schwarzer Tinte bereits gierig auf.


Sehr geehrte Miss Granger,

 

wie es scheint, haben Sie mich heute versetzt. Ich hatte mich sehr auf unser Treffen gefreut. Gerne bin ich bereit, einen weiteren Termin zu vereinbaren. Wenden Sie sich per Post einfach an meine Sekretärin.

 

Malfoy Group

Winkelgasse 1289

 

Ich würde Ihnen gerne ein Angebot unterbreiten. Mag es auch seltsam klingen, möchte ich Sie bitten, nicht vorschnell abzulehnen. Sollte Ihnen ein Treffen in meinem Unternehmen nicht genehm sein, können wir auch einen neutralen Ort vereinbaren.

Sollte bis morgen keine Eule bei meiner Sekretärin eintreffen, werde ich eine weitere Eule mit möglichen Terminen schicken. Mein Jackett habe ich nicht vergessen.

 Mit freundlichen Grüßen,

 

Lord Draco L.A. Malfoy, Geschäftsführer der Malfoy Group

 

 

Sie schluckte mehrfach, denn ihr Mund war trocken geworden. Oh Merlin! Wenn sie heute nicht antwortete, würde er noch eine Eule schicken? Womöglich danach noch eine weitere? War er verrückt? Abwesend kaute sie auf ihrer Unterlippe.


„Schlechte Neuigkeiten?“, erkundigte sich Molly, die es nicht leiden konnte, wenn man vor ihr Geheimnisse hatte. Und Hermine revidierte ihre Lüge, denn etwas Besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Sie steckte hastig den Brief zurück, damit ihn niemand unter gar keinen Umständen lesen konnte!

 

„Die Zahnarztmesse beginnt schon Freitag. Ich habe Zeit“, hauchte sie ergeben. Sie wandte sich zum Tisch um, so gefasst und ruhig wie möglich. Molly wirkte sehr zufrieden.


„Großartig. Percy wird sich freuen“, erklärte sie. Hermine war der Appetit vergangen.

Ihre Finger zitterten, als sie sich wieder setzte und sie mied Ginnys Blick entschieden. Er wollte sie treffen. Er wollte ihr ein Angebot machen? Tausend Gedanken schossen ihr in den Kopf. Aber sie musste sich an nur einem einzigen festhalten: Er war Draco Malfoy. Und sie würde niemals zusagen!

 

Kapitel 4

 

Wieder war die Nacht nur langsam vergangen. Sie hatte genug Schlaf gehabt. Sie hatte sich vorher genügend ausgeruht, und jetzt wanderte sie rastlos und gereizt durch ihre Wohnung. Sie konnte nicht entkommen! Was auch immer passieren würde, es wäre unmöglich, zu entkommen. Und ihr Herz raste bei dem Gedanken, dass er sich tatsächlich auf so hartnäckige Weise die Mühe machte, mit ihr in Kontakt zu bleiben.

 

Sie kaute vergessen auf ihrer Unterlippe, während sie eilig in ihren Mantel stieg. Es war halb acht und sie hatte nirgendwo zu sein. Aber sie musste gehen! Sie würde ihre Wohnung verlassen, würde sich nicht von Falken heimsuchen lassen, nur damit sie ihr eigenes Schicksal besiegelte, weil sie schwach war.

 

Raus. Sie musste raus hier. Sie hatte die Hände in die Manteltaschen gesteckt, auf der Suche nach ihrem Schlüssel, aber ihre Finger schlossen sich nur um den weichen Umschlag. Merlin, noch mal! Sie zog ihn hastig aus der Tasche, eilte zum Kamin, in dem das Feuer langsam ausging, und warf ihn eilig hinein. Sie atmete aus. So. Wieder einmal verbrannt.

Sie wollte sein Angebot nicht hören. Sie wollte wirklich nicht! Sie machte das mit dem Verdrängen und Ignorieren gut!

Ja, nicht schlafen oder essen und um halb acht aus der Wohnung fliehen scheint wirklich fabelhafte Bewältigung zu sein, giftete ihre innere Hermine eisig. Sie ignorierte sie. Denn das konnte sie zurzeit ja so gut.

 

Ihr war kalt, denn sie hatte nur den Mantel über den dünnen Pullover gezogen. Zwar war es ihr Lieblingspullover, denn er betonte ihren Oberkörper sehr gut, aber er war nichts für die Kälte draußen.

Jedenfalls nicht die Kälte, die um acht Uhr morgens noch in der Luft lag.

Sie apparierte in die Stadt.

Das Café vor dem sie Halt machte, öffnete gerade erst, hatte noch nicht mal die Tür geöffnet. Sie lief weiter, denn sie wusste, es gab bestimmt noch andere Cafés, die geöffnet hatten. Eilig machte sie Schritt um Schritt, die Augen offen, und einen entschlossenen Ausdruck auf den Zügen, denn auf gar keinen Fall würde sie zugeben, dass es lächerlich war, vor der Post davonzulaufen.

 

Und sie fand ein Café. Es war das Inquirer – so teuer, dass man sich eigentlich selber verbieten müsste, hier hin zu gehen – aber das war egal. Es war teuer, aber sie musste sich aufwärmen. Sie öffnete hastig die Türen, und nur wenige Tische waren besetzt. Eine Kellnerin kam sofort zu ihr. Sie war zwar viel zu elegant angezogen für eine schlichte Kellnerin, aber mit einem sehr professionellen Lächeln hatte sie die Arme nach ihrem Mantel ausgestreckt.

 

„Darf ich Ihren Mantel nehmen, Miss?“, fragte sie sofort, mit gekonnter Höflichkeit, und Hermine zog ihn, mit einem schüchternen Lächeln, über die Schultern.

Sie fühlte sich gleich wohler. „Der Tisch am Fenster ist frei. Erwarten Sie noch jemanden?“, fügte die Frau geschäftig hinzu, als sie Hermine zum Fenster führte.

 

„Nein, ich…“ Sie unterbrach sich, denn als sie um die Kurve geschritten war, gefror ihr Atem. Sie spürte, wie ihre Finger kribbelten, wie sie panisch wurde, und die neue Entspannung komplett von ihr abfiel.

Dort saß er.

 

Anscheinend mit Geschäftspartnern, denn alle trugen förmliche Anzüge und nippten an ihren Teetassen.

 

Oh Merlin!

 

Er hatte plötzlich den Blick gehoben, und als sie seine blauen Augen überrascht zur Kenntnis nahmen, erfasste sie ein plötzlicher Schlag, und sie wandte sich auf dem Absatz um. Sie stürmte praktisch zum Ausgang, konnte gar nicht schnell genug zur Tür kommen, und ließ ihren Mantel einfach zurück.

 

„Miss!“, rief ihr die Kellnerin nach, aber Hermine dachte nicht mehr nach.

 

Und als sie draußen war schlug ihr die Kälte ins Gesicht, aber es war egal. Sie war wieder draußen. Und sie musste hier weg!

Sie musste apparieren! Irgendwohin!

 

„Miss Granger!“

 

Seine Stimme ließ sie unbeweglich inne halten. Ihr Herz jagte in ihrer Brust, und unter größtem Zwang setzte sie sich hastig in Bewegung. Er hatte sie fast sofort eingeholt.

 

„Miss Granger“, wiederholter er lauter, versperrte ihr den Weg, und sie hob zähneklappernd den Blick. Sofort fiel die Skepsis von ihm ab, und seine hellen Augen weiteten sich. „Sie holen sich den Tod hier draußen!“ Er zog sich das Jackett von den Schultern, als könne ihm die Kälte nichts anhaben. Er legte es ihr umstandslos um die zitternden Schultern und wirkte kurz ratlos. Sie protestierte nicht. Dafür war die willkommene Wärme zu verlockend. Und der bekannte Duft seines Parfums benebelte ihre Sinne.

 

„Was machen Sie hier? Wieso laufen Sie weg?“, fragte er schließlich, als er seine Überraschung überwunden hatte. Sie rang sich ein paar Worte ab.

 

„Jetzt wird Ihnen kalt“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen.


„Mir ist nicht kalt“, entgegnete er unwirsch. Dann verengten sich seine Augen plötzlich. „Sie versuchen meiner Eule zu entkommen“, schloss er schließlich. Und sie spürte die Röte in ihren Wangen. Er nickte langsam. Sie hatte seine Stimme erst vor zwei Tagen gehört, hatte ihren Klang aber wieder komplett vergessen gehabt. Sie war melodisch rau, angenehm tief, und eigentlich unvergesslich. Wahrscheinlich hatte ihr ihr Unterbewusstsein diesen Gefallen getan.

 

Sie hob schließlich den Blick zu seinem wunderschönen Gesicht. Der Wind zerrte an den dichten blonden Strähnen, aber er wischte sie achtlos nach hinten, und sie fielen nur noch anbetungswürdiger in seine glatte Stirn. Hatte er immer so ausgesehen? Wo hatte sie nur ihre Augen gehabt? Waren sie damals noch klar gewesen, als es einfach ausgeschlossen war, einen Todesser überhaupt nur länger als eine Sekunde durch den rationalen Blick des Abscheus anzusehen?!

 

Sein Mund schloss sich zu einer engen Linie. Er fixierte sie ernst.

 

„Ich verstehe, Miss Granger“, sagte er schließlich. „Sie können mich nicht leiden“, schloss er kühl. Ihr Mund klappte tatsächlich auf. „Ich hatte Sie nicht belästigen wollen. Jetzt wird es mir klar“, fuhr er fort und löste den Blick von ihren Augen, um zur Seite zu blicken. „Sie hatten nicht mit meinem Auftauchen bei dem Gringottsvortrag gerechnet. Deswegen sind Sie im Ministerium auch verschwunden, deswegen haben Sie mich bei der Versteigerung ausboten wollen?“, stellte er viele Fragen, die sie nur zu schnell wieder vergessen hatte, da sie zu beschäftigt war, ihn anzustarren. „Deswegen beantworten Sie meine Briefe nicht“, fügte er leiser hinzu. Ihr Mund öffnete sich weiter, klappte zu, und sie schüttelte knapp den Kopf.

 

„Ich…“, fing sie an, aber er hob die Hand.


„Es muss so aussehen, als verfolge ich Sie“, stellte er schockiert fest. Wieder fuhr er sich mit betont lässiger Eleganz durch seine verdammt dichten Haare, und ihre Sprache hatte sich wieder verloren. „Dass ich Ihnen ein Angebot machen wollte, lag nur daran, dass ich gehört habe, wie Miss Lovegood meinte, Sie hätten zurzeit keinen Job, und ich dachte – das ist doch eine Schande, wenn Sie keinen Job hätten. Ich weiß, wie qualifiziert Sie sind. Das war alles. Wieso haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie mich verabscheuen?“, wollte er plötzlich ernster wissen, sah sie fast vorwurfsvoll an, und sie fragte sich selber, wieso sie ihm das nicht gesagt hatte!

 

„Ich verabscheue Sie nicht“, sagte sie tatsächlich. Zwar mehr zu sich selbst, eher leise, aber er hörte es dennoch.

 

„Wieso laufen Sie dann vor mir weg?“ Trotz des Jacketts fror sie immer noch schrecklich. Er atmete kurz aus. „Sie erfrieren hier draußen. Kommen Sie wieder mit. Holen Sie wenigstens Ihren Mantel, Miss Granger.“ Sie konnte nicht. Sie wollte nicht.

Es war zu viel. Sie wollte doch überhaupt nicht so reagieren! Sie wollte kein sabbernder Einzeller werden, jedes Mal, wenn sie ihn sah. Es war absurd. Und anscheinend spielten nur irgendwelche Hormone verrückt. Es war lächerlich. Sie erkannte ihn lediglich nicht wieder, in dieser Eleganz und Eloquenz, dieser Besorgtheit und Zuvorkommenheit. In seiner neuerworbenen Höflichkeit und all diesen Attributen, die einen guten Mann auszeichneten! Und bestimmt nicht Draco Malfoy! Sie atmete heftig aus, streckte den Rücken durch und sah ihn an.

 

„Malfoy, ich will ganz bestimmt nicht weglaufen oder deine Briefe ignorieren!“, sagte sie schließlich und unterdrückte mit Mühe das Klappern ihrer Zähne. „Ich will überhaupt keine Briefe von dir bekommen. Ich kann nicht begreifen, wie du – unter allen Menschen – plötzlich überall die Fäden ziehst! Alle kennen dich, alle wissen magischerweise Bescheid über die Inhaftierung deines Vaters, über dein Imperium und über die Milliarden, die du anscheinend gehortet hast!“ Plötzlich sprudelten die Worte nur so aus ihr raus.

 

„Und wäre ich noch bei Verstand hätte ich genau das schon in der ersten Sekunde gesagt, als ich dich gesehen habe. Du hältst einen Vortrag über den Wert des Goldes? Du bist Redner bei Sponsorenbällen im Ministerium? Du spielst Samariter und ersteigerst Goyles Haus wieder, weil er zu arm ist, um es selber zu halten? Weil er seinen Vater aus dem Gefängnis frei gekauft hat – und du anscheinend nicht?! Egal, wer der eigene Vater ist und was er für Verbrechen begangen hat, sollte Lucius dann nicht ebenfalls von seinem Sohn freigekauft werden? Tut man das nicht als treuer Sohn, wo du dich schon auf seinen Milliarden ausruhst?“ Sie sah, wie sein Mund sich langsam öffnete, wie sie wieder sie selber wurde, mitten in der Kälte, in seinem Jackett, auf der menschenleeren Winkelgasse.

 

„Und wir…!“ Sie deutete kopfschüttelnd von sich auf ihn. „Wir sollten kein Wort miteinander sprechen! Wir sollten so tun, als kennen wir uns nicht! Dann bist du eben Harrys Geldgeber, aber wir sollten alle kein Wort miteinander wechseln, Malfoy! Das ist absurd! Du kannst nicht herkommen, gut aussehen, reich sein, Macht besitzen und damit durchkommen! So darf es nicht sein! Und eine muggelstämmige sollte niemals – niemals – für einen Todesser arbeiten! Und wir sollten uns nicht siezen, denn schließlich warst du der erste Mensch, der mich jemals Schlammblut genannt hat, verdammt noch mal!“ Sie atmete heftig und konnte seinen Blick nicht deuten.

 

….

 

Die Zeit war stehen geblieben.

Oh Gott! Was hatte sie jetzt getan?! Da war der sabbernde, stumme Einzeller vielleicht doch besser als die hysterische Muggel! Sie schloss die Augen.

 

Ach könnte sie die Zeit eine Minute zurückdrehen.

 

Das war zu viel gewesen. Aber jetzt war es zu spät. Gesagt war gesagt. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich sein Mund geöffnet und jede Freundlichkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. Aus dem Gesicht, das sie nicht mehr erkannte.

 

„Ihnen ist klar, dass ich Ihnen keine Rechenschaft ablegen muss?“, erkundigte er sich langsam, und Merlin sei Dank war sie wieder verstummt und nickte nüchtern. Natürlich musste er das nicht. Ihre Zähne klapperten.

„Und eigentlich würde ich jetzt um mein Jackett bitten – oder gleich beide Jacketts, die in Ihrem Besitz sind, aber da ich kein Unmensch bin, verzichte ich darauf“, schloss er äußerst bitter. Sie hatte ihn beleidigt. Sie hatte seinen Stolz verletzt. Sie wollte wirklich das Jackett ausziehen, aber sie war überzeugt, eine Lungenentzündung zu bekommen, wenn sie das tun würde. Sie war hin und her gerissen.

 

Oh verdammt noch mal. Wieso hatte sie mit ihrem Ausbruch nicht gewartet? Wieso war sie nicht warm genug angezogen? Wieso hatte sie nicht auf den Brief gewartet und ihm per Post einfach erklärt, dass sie nicht bei ihm arbeiten würde? Aber nein! Hermine Granger machte so was natürlich unvorbereitet, im klaren Nachteil, in Herrgottsfrühe auf der Straße!

 

„Ich hole einfach meinen Mantel“, resignierte sie schließlich, und ihr Stolz gewann tatsächlich, als sie zögernd das warme Jackett auszog. Sie hielt es ihm schlotternd entgegen, und fast glaubte sie, dass er die Augen verdrehen wollte, aber es nahm es wortlos an.

Er zog es sich sogar über. Das war Draco Malfoy. Fast war sie erleichtert zu sehen, dass sie ihn erkennen konnte.


„Manchmal ist die Distanz der bessere Weg“, erklärte er tonlos.

 

„Manchmal auch nicht“, widersprach sie leise und macht sofort kehrt. Er folgte ihr, sie sah es aus den Augenwinkeln. Dankbar öffnete sie nach schnellen Schritten die Tür des Cafés erneut, und Malfoys gesamte Begleiter sahen sie jetzt neugierig an. Er hatte neben ihr inne gehalten, als sie sich nach ihrem Mantel umsah. Sie entdeckte ihn an der Garderobe. Sie wollte nur noch nach Hause. Jetzt wollte sie wirklich einfach nach Hause. Sie spürte, dass er sie ansah. Sie hob den Blick. Fast scheu, widerwillig und mit einem Hauch von Angst.

 

„Sie… denken wirklich so von mir?“, fragte er leise. Sein Blick war offen, neugierig fast, und er ließ sie nicht aus den Augen. Wie er es immer noch schaffte, sie zu siezen war ihr ein absolutes Rätsel. Sie war so froh, dass Wärme ihren Körper durchflutete. Und sie sah ihn an. Nein, nein, nein! Ihr Verstand begann wieder nebelig zu werden. Was hatte er gesagt? Sie schüttelte leicht den Kopf, um sich zu besinnen, ehe sie einatmete.

 

„Malfoy…“, begann sie, dankbar dafür, dass ihre Stimme noch funktionierte, „ich kann nicht-“ Doch er unterbrach sie.

 

„Dinge ändern sich!“, widersprach er knapp.

 

„Nein, nicht so“, erwiderte sie gepresst.

 

„Nein?“, wiederholte er, und seine Augen verengten sich wieder. Sie starrte ihn an. Dann schien er zu begreifen und nickte schließlich. „Ich ändere mich nicht, meinen Sie“, schloss er knapp und machte ein spöttisches Geräusch, gar nicht dem Business-Mann entsprechend, den er doch jetzt verkörperte. „Und das wissen Sie also mit Sicherheit?“ Er war näher gekommen, ohne dass sie es registriert hatte, so kam es ihr vor.

 

„Wieso ist das wichtig?“, flüsterte sie jetzt, denn Witherby – den sie wiedererkannt hatte – hatte sich langsam erhoben. Er sagte nichts, schien ihre Worte abzuwägen. „Wieso willst du, dass ich für dich arbeite?“, fügte sie verärgert hinzu. Witherby kam auf sie zu. Malfoy atmete fast gereizt die Luft aus, schenkte ihr einen entnervten Blick, und tatsächlich erkannte sie noch einen weiteren Fetzen von dem ihr bekannten Draco Malfoy. Doch plötzlich senkte er kaum merklich den Kopf und war ihr plötzlich näher, so dass sie seinen Duft wieder riechen konnte.

 

„Denken Sie, ich frage Sie, weil ich unverändert bin und nur mit Ihnen schlafen möchte?“, knurrte er tief, und ihr Herz machte einen gefährlichen Satz.

 

Nur mit ihr schlafen möchte? Nur?! Also… hieß das… das wollte er? Ihre Handflächen wurden mit einem Mal schrecklich feucht, und die neue Hermine in ihr, also der Einzeller, machte einen kompletten Salto in der Luft. Oh Himmel, Merlin, nein!

 

„Sir?“ Witherby hatte sie erreicht und warf ihm einen fragenden Blick zu. Der Moment war vorbei, und sie schaffte es, endlich Luft in ihre Lungen zurückzubekommen.

 

„Ich komme sofort“, erklärte Malfoy komplett beherrscht, als wäre nichts weiter vorgefallen. Er wartete mit strengem Blick, bis Witherby verstanden hatte, dass er sich wohl wieder entfernen sollte. Sehr zu ihrem Missfallen, denn sie wollte nicht länger alleine vor ihm stehen.

 

„Oh, natürlich, Sir. Miss Granger“, fügte er hastig mit einem Kopfnicken hinzu und verschwand eilig. Und Malfoy wandte sich ihr jetzt komplett zu und schirmte sie vor all den Begleitern in Anzügen, die bereits tuschelten, komplett ab.

 

Nur mit ihr schlafen…! Sie würde einfach ohnmächtig werden. Oh Merlin! Seine Augen schienen noch blauer zu werden.

 

„Keine Sorge, Miss Granger“, sagte er ruhiger, senkte den Kopf noch weiter, und sie biss die Zähne fest zusammen. Nicht sein Parfum einatmen, befahl sie sich streng. „Das, was Sie fühlen, ist ganz natürlich“, fuhr er leise fort. Ihre Augen weiteten sich. Las er ihre Gedanken? Was meinte er? Sie wurde schon wieder rot. „Mit meinem achtzehnten Lebensjahr haben sich die Veela-Gene meiner Mutter durchgesetzt und ich wirke anzuziehend auf alle Frauen“, erklärte er schließlich, und ihr Mund öffnete sich.

 

Oh Gott! Das war die Erklärung! Das war also der Grund! Es lag gar nicht an ihr! Es lag an ihm. Sie konnte nichts dafür! Und er war nicht unwiderstehlich. Er war einfach nur… so geboren. Und wahrscheinlich sah er nicht wirklich so gut aus, sondern sie war benebelt, und ohne den Nebel würde er einfach gewöhnlich aussehen, und ihr nicht auffallen!

 

„Wirklich?“, flüsterte sie ungehalten und starrte ihn praktisch an. „Das ist der Grund?“, fügte sie fast dankbar hinzu, und plötzlich schenkte er ihr ein unwiderstehliches Lächeln. Was natürlich nur unwiderstehlich war, weil er Veele-Gene in sich hatte! Es machte alles einen Sinn. Endlich! Nach Tagen machte endlich wieder etwas Sinn.


„Nein“, entgegnete er lächelnd und zerstörte ihren Traum.

 

Kurz hatte sie ein bodenloses Gefühl. Als hätte sie eine Stufe versäumt, und ihr Magen zog sich unangenehm zusammen. Was? Was?! Oh… nein!

 

„Es gibt keine männlichen Veela. Aber gut zu wissen, was Sie denken“, fügte er grinsend hinzu, und die Röte sprengte gerade wahrscheinlich ihr Gesicht. Und das… war Draco Malfoy.

 

Das war jetzt nicht wirklich passiert! Nein, nein, nein! Sie wollte aufwachen. Sie wollte von diesem grauenhaften Albtraum aufwachen!

 

„Du bist ein Arschloch“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen und hochrotem Kopf. Und sie hörte ein Geräusch, was ihr Schauer über den Rücken jagen ließ. Angenehme Schauer, die sie erfüllten von Kopf bis Fuß. Er lachte. Er lachte befreit und ungehemmt. Sie öffnete überrascht die Augen wieder, um ihn anzusehen. Sein Lachen war fast ansteckend. Er hatte wieder die Hand zu seinen Haaren gehoben und wirkte noch jünger, als er ohnehin schon war.

 

Ihr Mund öffnete sich. Seine leuchtenden Augen senkten sich wieder auf ihr Gesicht.

 

„Miss Granger…“, begann er schließlich, immer noch lächelnd, als er sich geräuspert hatte, „ich nehme zur Kenntnis, dass wir uns kennen, dass ich meinem Namen in Hogwarts nicht alle Ehre gemacht habe und dass es Dinge gibt, die theoretisch nicht zu ignorieren sind“, fuhr er lächelnd fort, und sie spürte die Röte immer noch. Aber er wurde ernster. „Ich bin allerdings älter als früher. Und ich wäre verrückt, meinen Vater aus dem Gefängnis zu holen, wo er doch mehr als dringend dort hineingehört“, erklärte er offen heraus und mit einer Bitterkeit die sie noch nicht von ihm gehört hatte. „Und ich wäre verrückt, eine arbeitslose Hermine Granger nicht wenigstens mit allen Mitteln der Kunst zu beschwören, für mich zu arbeiten, bei Ihren Qualitäten, Ihrem Talent und Ihrem grenzenlosen Wissen.“ Sie konnte ihn nur wieder anstarren.

 

Er schien zu warten. Auf ihre Reaktion, ihren Protest – egal, was.

Aber sie sagte gar nichts.

 

„Bitte, arbeiten Sie für mich, Miss Granger. Es gäbe keine größere Ehre für mich, für das Unternehmen, und ich bin bereit sehr große Hindernisse in Kauf zu nehmen. Sei es auch, Ihnen alle meine Jacketts zu überlassen. Und das sind eine Menge Jacketts, glauben Sie mir. Ich bitte Sie.“ Sein Blick war ehrlich, offen, und ihr Mund öffnete sich langsam.

„Eine Chance. Wenn Sie es hassen, können Sie gehen.“ Er lächelte wieder. „Ich gebe mir wirklich große Mühe hier, Miss Granger.“ Und das tat er tatsächlich.

 

Und er hatte sie schon bei grenzenlosem Wissen gehabt, nahm ihr Verstand verärgert zur Kenntnis. Und es musste sie der Teufel persönlich reiten, denn anscheinend antwortete ihr rasendes Herz, und die Hermine von draußen war wieder verschwunden.

Und sie hasste sich selbst. Noch mehr als Draco Malfoy.

 

„O-k“, sagte sie stockend, und sein Lächeln vertiefte sich, als er sich ohne Umstände umwandte.

 

„Meine Herren, darf ich Ihnen Miss Granger vorstellen? Meine Assistentin?“

 

Ihr Unterbewusstsein erschlug sie gerade eben.

 

Das konnte doch nicht wahr sein! Das passierte doch nicht wirklich, oder? Hermine Granger, sabbernde Einzeller-Assistentin von Draco Malfoy? Er hatte sie ausgetrickst, oder? Wie konnte die Stelle einer Assistentin überhaupt vielversprechend sein? Alle Muggelaktivisten würden sie sofort mit ihren Protestschildern durch London jagen!

 

Jetzt könnte sie sterben. Oder noch besser, sie erzählte das Harry und Ron. Dann würden die sie einfach gnadenlos umbringen. Denn sie war anscheinend wahnsinnig geworden.

Die Männer erhoben sich schließlich, mit Erkenntnis und Wohlwollen im Blick, während Malfoy eine feste Hand auf ihren Rücken legte und sie nach vorne schob.

Und seine Berührung hatte sie verzaubert, denn sie konnte nichts anderes tun, als einen Fuß vor den anderen zu setzen, und ehe sie sich versah, schüttelte sie fast ein Dutzend fremder Hände, die sie willkommen hießen.

 

Wie konnte das passiert sein?!

 

„Willkommen, Miss Granger“, begrüßte sie Witherby flüsternd mit einem scheuen Lächeln und bot ihr seinen Platz neben Malfoy an. Und sie setzte sich. Nein, ihr Roboter-Körper, der ihr nicht mehr gehorchte, setzte sich.

Oh nein! Oh nein…! Und je mehr Sekunden vergingen, je länger sie stumm neben diesem wunderschönen Mann saß, umso schwieriger würde es sein, ihre Zustimmung zurückzunehmen.

 

Und sie schwieg.

 

„Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Sie kurz in die Thematik einführen? An Auffassungsgabe sollte es der klügsten Hexe ihres Jahrgangs nicht mangeln, nicht wahr?“, erkundigte sich ein Zauberer, den sie nicht kannte, mit einem charmanten Lächeln.

 

„Ganz und gar nicht“, antwortete Malfoy für sie und rief die Kellnerin zu sich. „Miss Granger bekommt einen starken Kaffee mit einem Schuss Milch und einem Grog zum Warmwerden“, erklärte er befehlsgewohnt, und ehe sie widersprechen konnte, wurden ihr bereits Akten offenbart.

 

Oh Merlin… wieso sprach sie nicht mehr?!

 

Das war wohl der erste Schritt des Wahnsinns, nahm sie dumpf an.

 

Kapitel 5

 

Sie hatte alle Namen bereits wieder vergessen. Ihre Arme waren schwer, vom Tragen der vielen Unterlagen. Wie unter einem Bann folgte sie ihm durch die weitläufigen Flure.

Viele weibliche Mitarbeiterinnen waren ihr bis jetzt über den Weg gelaufen. Alle blond. Alle mit strengen Frisuren und Kleidung, die wohl gut aussah, aber äußerst unbequem sein musste.


Er führte sie schließlich zu einer sehr breiten Tür.

 

„Das ist mein Büro, daneben liegt Ihr Büro“, erklärte er, während er die Tür öffnete. Sie hatte keine Zeit, ihm zu widersprechen, und es war weniger luxuriös, als sie erwartet hatte. Der Schreibtisch glänzte zwar, und das Holz wirkte speziell und sehr teuer. So vielleicht auch der Parkettboden. Sie nahm auch zwei Kamine wahr. Einer stand recht einer links an der Wand. Große Fenster reichten bis zum Boden, und cremefarbene Vorhänge verbargen den Blick nach innen. Ansonsten wirkte es schlicht. Und nicht protzig.

 

Sie erkannte unten die Winkelgasse, aber er führte sie bereits weiter, zu einer Tür neben dem rechten Kamin. „Es ist kein abgegrenztes Zimmer. Es ist ebenfalls durch meine Tür zu verlassen“, fügte er hinzu. Sie hatte Mühe, allen Worten von ihm zu folgen, aber, dass sie ihn nicht ansah, half schon eine ganze Menge. Eine weitere Tür führte hinter seinem Schreibtisch ab. „Dahinten geht es zum Konferenzraum und zu Witherbys Büro“, ergänzte er und öffnete ihre Tür.

 

Sie spähte fast neugierig hinein. Ebenfalls ein breiter Schreibtisch, ein großes Fenster, auch ein an Floh angeschlossener Kamin, aber auf dem Parkett lag ein flauschiger Läufer. Eine riesige Topfpflanze wuchs bis an die hohe Decke, und Neville hätte ihr bestimmt sofort sagen können, um was für einen Exoten es sich hier handelte.

 

„Sie können die Unterlagen auf dem Schreibtisch ablegen“, informierte er sie freundlich, und sie tat dankbar, wie ihr geheißen. „Ihr Arbeitsvertrag befindet sich in meinem Schreibtisch, also schlage ich vor, Sie unterschreiben, ehe Sie sich unfreiwillig in Arbeit stürzen“, schloss er und deutete wieder zurück in sein Büro. Unschlüssig zögerte sie einige Sekunden.

 

Arbeitsvertrag… - ja, sie hatte eine ganze Menge heute mitgeschrieben, als er sich mit seinen Partnern getroffen hatte. Und sicher, es war spannend, es war… die hohe Gesellschaft. Und es ging nicht darum, wer die größte Villa in der Innenstadt bauen durfte, nein. Es ging um völlig andere Sachen. Sogar welche von Brisanz, fand sie, denn durch Voldemorts Fall wurde an einem neuen Gesetzentwurf für die magische Gesellschaft gearbeitet. Und es war ein magischer Entwurf…. Ihr Kopf schwirrte. Immerhin musste sie sich nicht mit dem Zauberstab mitten in ein Kriegsszenario werfen und kämpfen. Sie musste nicht in Minen klettern, und… bisher hatte sie einen Kaffee, einen kleinen Grog, zwei Buttercroissants, eine Zimtschnecke und einen Ginger Ale bekommen.

Verhungern oder verdursten würde sie unter seiner Führung wohl nicht.

 

„Kommen Sie?“, fragte er, fast vorsichtig. Und sie nickte. Es war seltsam, mitanzusehen, wie sich Draco Malfoy so selbstsicher durch diese riesigen Büroräume bewegte, als wäre er ein Fisch im Wasser. Magischem, reichen Wasser, natürlich.

 

Es klopfte an der Tür. Ein blondes Modepüppchen steckte den Kopf herein.

 

Mr Malfoy, Ihr Termin?“, erklärte sie mit glockenheller, übertrieben zuckersüßer Stimme, und er hob die Hand, als Geste, dass er verstanden hatte. Hermine Mundwinkel hatten sich abwertend nach unten gezogen, ohne dass sie es bemerkt hatte.

 

„Es arbeiten nur Frauen hier?“, erkundigte sie sich, und er hob mit einem entwaffnenden Lächeln den Blick.

 

„Und Witherby“, ergänzte er lachend, und sie senkte hastig den ihren. Was für ein unglaublich schöner Mann! Nein, nein, nein! Malfoy! Er war immer noch Malfoy! Wie hatte sie es überhaupt so weit kommen lassen können?! Sie glaubte, es hatte alles mit einem Jackett angefangen!

 

„Dieser Vertrag ist standardisiert, allerdings mit einer höheren Gehaltsstufe, als es für einen schlichten Assistenzvertrag üblich ist, Miss Granger“, erläuterte er ernster. „Das liegt aber auch daran, dass ein Assistenzjob in der Regel nicht über Termine machen und Kaffee kochen hinausgeht. Ich würde Sie aber gerne anderweitig einspannen.“ Anderweitig einspannen? Sofort wurde ihr heißer.

 

„Ach…?“, schaffte sie zu sagen, und er nickte, während er die erste Seite des Vertrags aufschlug, aber sie konnte den Blick nicht von seinem Gesicht wenden.

 

„Ich möchte Sie gerne mitnehmen“, erklärte er.

 

„Wohin?“, flüsterte sie und bekam Angst. In die Hölle, ins Verderben, in die Welt, wo sie Draco Malfoy anschmachtete….

 

„Überallhin, Miss Granger. Ich denke, Sie können keinen Fehler machen. Ich denke, Sie haben die nötige Erfahrung auf allen Gebieten, die ich für erstrebenswert erachte. Ich will Ihre Assistenz und Anwesenheit sozusagen jede Minute Ihrer Arbeitszeit“, schloss er förmlich. Er… wollte sie immer an seiner Seite, überlegte sie panisch, und spürte, wie trocken ihr Mund geworden war. Das wäre… unmöglich…, denn dann bräuchte sie erst mal eine Pistole, um sich zu erschießen. Sie würde sabbernd neben ihm stehen, während er… was tat? Besprechungen hielt? Klientengespräche? Einkäufe für die Firma erledigte?

 

Sie schüttelte abwesend den Kopf.


„Was heißt das?“, fragte sie also heiser.

 

„Neun Stunden. Sie an meiner Seite. Ich will jeden Ihrer Gedanken zu jeder Kleinigkeit wissen, Miss Granger“, erwiderte er schlicht. Oh! Das konnte er nicht ernst meinen!

„Was sagen Sie?“

 

„Habe ich… irgendeine…“, begann sie und schluckte wieder schwer, als er sich fragend in seinem vorlehnte. Als wären sie Magneten, wich sie automatisch weiter vor ihm zurück.

 

„Eine was?“

 

„Bedenkzeit?“, fragte sie abrupt. Er ruckte mit dem Kopf.

 

„Sie haben sich noch nicht einmal Ihr Gehalt angesehen und möchten Bedenkzeit?“

 

„Oder… eine Probephase?“, warf sie jetzt ein.

 

„Standardisiert, vier Wochen“, erwiderte er. Er schob ihr den Vertrag zu und blätterte wieder um. Sie betrachtete die Zahl am unteren Ende der Seite, die wohl die Versicherungsnummer sein musste…. Dann hob sich ihr Blick.

 

„Ist das… mein Gehalt?“, wagte sie zu fragen. Und er lächelte jetzt.

 

„Ja, damit könnten Sie zwanzig Hauselfen jeden Monat kaufen“, gab er gleichmütig zurück.


„Das ist unmöglich richtig!“, entfuhr es ihr. Jetzt runzelte sich seine Stirn.

 

„Sie wären die erste, die sich beschwert.“, erwiderte er mit ernster Überraschung. Seine blauen Augen musterten sie ungläubig. „Es ist normal, Miss Granger. Sie würden nicht in Florean Fortscues Eissalon arbeiten, sondern in der Malfoy Group“, erklärte er, als wäre dies ja vollkommen einleuchtend.

 

„Es ist zu viel“, entgegnete sie schockiert.

 

„Oh, glauben Sie mir, ich kann sehr anstrengend sein. Fragen Sie Witherby. Ich denke, ich zahle ihm nicht mal halb so viel, wie er verdienen müsste.“ In ihrem Kopf malte sie sich bereits aus, wie es sein müsste, diesen schönen Mann neun Stunden am Tag die gesamte Zeit auf diese Nähe zu sehen. Ihre Finger kribbelten. „Eine Chance. Ich weiß, Sie können es kaum erwarten die Verhandlungen mit Flourish und Blotts aufzusetzen.“ Sie dachte an das Gespräch heute Morgen. Das renommierteste Bücherhaus würde ihre Vorschläge einführen! Elfenrechte, Muggelbücher… ganz zu schweigen von der Gleichberechtigungspolitik, die sie heute schon mit dem Gesetzeausschuss des Ministeriums diskutiert hatte.

 

„Vier Wochen Probezeit“, sagte sie schließlich und sah schon kommen, dass sie nichts von ihren großartigen Zielen erreichen würde, denn… sie wäre damit beschäftigt ihn anzustarren und gar nichts zu tun. Er lächelte ein strahlendes Lächeln, das ihr Schauer bis in ihre Zehen schickte. Er reichte ihr eine Feder, und sie setzte zaghaft den ihren Namen unter diese immense Summe. Und sie kannte keinen, der so viel im Monat verdienen sollte! Keinen!

 

„Ausgezeichnet!“, rief er aus. „Das werden wir feiern“, beschloss er schließlich. „Aber jetzt lasse ich Sie für zwei Stunden alleine, denn ich-“


„Sie haben einen Termin“, unterbrach sie ihn nickend. Er lächelte.

 

„Schnelle Auffassungsgabe. Aber später bräuchte ich Ihre Unterstützung. Sie können die neuesten Unterlagen ansehen, bewerten, überlegen, welchen wir zustimmen sollten, welchen nicht – ich denke, das sollte in zwei Stunden machbar sein. Ich werde dann überlegen, was zu tun ist.“

 

Dieses Mal öffnete sich die Tür, ohne dass jemand klopfte.


„Draco!“

 

„Entschuldigung, Mr Malfoy, ich konnte sie nicht aufhalten! Sie ist einfach-“


„Schon gut.“ Seine Stimme hatte sich abgekühlt. Merklich und augenblicklich. Sein Lächeln war wie weggewischt, als wäre es niemals vorhanden gewesen und als wisse er nicht, wie man so etwas auch nur ansatzweise zustanden bringen konnte. Sie war schockiert von dem Chamäleon vor sich, das anscheinend hundert Gesichter besaß. Dieser Malfoy machte ihr noch mehr Angst als der charmante Malfoy. Und Hermine saß stocksteif in dem Stuhl vor seinem Schreibtisch, während hunderttausend Gedanken sie erfassten.

 

„Was… wird das?“, erkundigte sich die eisige Stimme von Pansy Parkinson. Ihr Blick wanderte von ihm zu ihr, und sie stemmte eine Hand in ihre Hüfte. Sie trug ein graues Kleid, welches eng, bis zu ihren Knien anlag, geschlossen bis zu ihrem Hals ging, jedoch vom Hals bis zu den Schultern steif ausgeschnitten war. Der schwarze, breite Gürtel um ihre Taille glänzte matt, und sie war sehr, sehr dünn! Dazu trug sie unglaublich hohe schwarze Schuhe, mit einem Absatz, der keinen halben Finger breit war.

 

Die schwarzen Haare lagen in einer kunstvollen, glänzenden Frisur, und ihr roter Lippenstift ließ ihr Gesicht sehr blass aussehen. Dunkle, stark geschminkte  Augen funkelten sie hasserfüllt an.

 

Hermine ging auf, dass sie selber nicht geschminkt war, nicht mal ihre Haare gekämmt hatte! Sie trug Jeans und Turnschuhe. Und ihr Verstand erwachte langsam wieder aus ihrem Draco-Malfoy-Traum und erinnerte sich an die richtige Welt.


„Pansy, Miss Granger kennst du ja“, sagte er schließlich eventuell, und Hermine hatte das Gefühl, als wäre sie in den Slytheringemeinschaftsraum gestolpert.

 

„Hast du sie entführt?“, fragte Pansy prompt und bedachte Hermine mit einem seltsamen Ausdruck. Diese spürte ein heißes Schamgefühl in der Magengegend, und wäre am liebsten aufgestanden, aber sie saß wie festgewachsen auf dem Stuhl.

 

„Sie arbeitet für mich“, schloss er knapp. Pansys Mund öffnete sich langsam.

 

„Sie tut was?“, wiederholte sie gefährlich ruhig, und er erhob sich schließlich.

 

„Ich denke, das wäre alles, Miss Granger“, warf er ein und schenkte ihr einen Blick, den sie nicht deuten konnte.


Miss Granger?“, wiederholte Pansy , während sich ihre Mundwinkel langsam hoben. „Schuldet sie dir etwas?“, wollte sie provozierend wissen, und Hermine spürte wieder einmal die tiefe Röte in sich aufsteigen.

 

„Es reicht, Pansy“, sagte er kalt.

 

„Hast du sie bezahlt, dass Sie unterschreibt, oder mit dem Imperius belegt?“, wollte sie so konsterniert wissen, dass Hermine verstört die Stirn runzelte. Was meinte Pansy damit? War sie blind? Und Hermine ärgerte sich selber über ihre Gedanken, aber hatte Pansy ihn für eine Sekunde angesehen? Hermine hatte keinen Fehler entdecken können, bis jetzt noch nicht! Und sie hätte eher erwartet, dass Pansy ihr eine solche Frage gestellt hätte! Nicht umgekehrt! Malfoy war höflich, zuvorkommend, resistent und sie hatte bereits ein eingerichtetes Büro! Und das Gehalt! Bisher war Draco Malfoy das Beste, was ihrer Karriere passieren konnte.

 

„Miss Granger?“, wiederholte er tatsächlich auffordernd, und der eisige Malfoy ließ sie sofort aufstehen. Sein Blick reichte vollkommen aus, um sie aus dem Zimmer zu vertreiben, stellte sie fest. Selbst aus London! Sie erhaschte einen winzigen Fetzen von einem anderen Malfoy, fiel ihr auf.

Pansy hatte einen spöttischen Blick aufgesetzt.

 

„Wie hast du das angestellt? Es ist mir ein Rätsel, Draco. Eigentlich sollte Potter dir dafür höchstpersönlich einen Trophäenschrank bauen, nicht wahr?“ Und sie lachte. Es war ein schreckliches Geräusch. „Da könntest du sie dann mit sieben Schlössern wegschließen…“, fügte sie grinsend hinzu, während sie nun Hermines Erscheinung betrachtete.

 

„Wie ich sehe, erwartest du keinen positiven Ausgang unseres Gespräches?“ In seiner Stimme schwang eine leise Warnung mit, eine Drohung fast, und die Temperatur schien um einige Grad gesunken zu sein. Hastig verließ sie das Büro. Ohne Pansy anzusprechen, ohne irgendwas zu sagen. Und es war untypisch für sie, aber das hier war ganz klar nicht ihr Gespräch gewesen. Und sie wollte auch nicht Pansy sprechen!

 

Sie spürte Pansys Blick im Rücken.


Und dann wartete sie. Sie lehnte den Rücken gegen ihre neue Bürotür, aber sie war so dick, dass sie die Stimmen nur gedämpft hören konnte, ohne ein Wort zu verstehen.

Aber es war kein langes Gespräch. Sie hatten ebenfalls nach keiner Minute zusammen sein Büro verlassen.

 

Er war fort, mit Pansy Parkinson. Merlin…. Sie hatte keine Gedanken mehr an Pansy verschwendet. Und jetzt spazierte diese hier rein. Und Pansy war die einzige, die sich wohl so verhielt, wie man sich verhalten müsste! Was zur Hölle war nur in sie gefahren?! Für Draco Malfoy arbeiten? War sie wirklich verrückt geworden?

Und ihre Finger kribbelten immer noch. Ihr Magen veranstaltete noch immer Saltos, bis es ihr plötzlich dämmerte…

Wie hoch waren wohl die Chancen, dass sie vor Ginny und Harry und Ron und Luna und Neville, vor Molly und George – vor allen Leuten, die sie kannte, verheimlichen konnte, dass… sie einen Vertrag unterschrieben hatte, der sie zu Draco Malfoys Assistentin gemacht hatte?

 

Es war ein Trick gewesen! Ganz bestimmt!

Panik schnürte ihre Kehle zu.

Absolute, grenzenlose Panik….

 

~*~

 

Es war ihr zweiter Tag – und sie war gestresst. Schon zweimal hatte sie Dokumente verloren, und die Winkelgasse war so voll, dass Apparieren eine dämliche Idee wäre. Sie schob sich schlecht gelaunt durch die Menschenmenge und stellte, mit dem lauten Glockenschlag der nächsten Turmuhr, fest, dass sie jetzt auch noch zu spät war.

 

Immerhin hatte sie gestern nicht mehr darüber nachdenken müssen, was sie ihren Freunden erzählen sollte, denn… sie war völlig ausgelastet. Schon jetzt!

Und sie war wütend. Auch schon jetzt.

Denn sie hatte eine Problematik aufgedeckt, die schon jetzt ihren Ärger erwachen ließ. Hatte sie gestern für sich bei einer halben Flasche Rotweinbeschlossen gehabt, die Anstellung doch aufzugeben, so war sie jetzt entschlossen, dieses Problem noch zu lösen! Ehe sie die Anstellung aufgab.

 

Ihre Haare waren hochgesteckt, aber einige Locken fand bereits jetzt den Weg aus der Frisur, und sie pustete sich zornig die Strähnen aus der Stirn, während sie endlich die erlösenden Türen des großen Gebäudes erreicht hatte, an denen die goldenen Buchstaben Malfoy Group schimmerten.

 

„Miss Granger, Mr Malfoy erwartet Sie in seinem Büro!“, rief ihr eine Hexe am Empfang mit besorgter Miene zu. Und Hermine nahm ihre Beine noch mehr in die Hand, hechtete zu den Aufzugstüren, die sich gerade öffneten und drückte auf den siebten Stock.

Der Fahrstuhl fuhr dank Magie so schnell empor, dass es keine zwei Sekunden dauerte.

 

Sie stürmte nach vorne, die Dokumente so fest an ihre Brust gepresst, als wäre es ihr neugeborenes Kind, und ohne zu klopfen öffnete sie seine Tür. Er hatte den Blick gehoben, während Witherby selber mit einem Arm voller Unterlagen neben ihm stand.


„Guten Morgen, Miss Granger“, begrüßte er sie kühl. „Das nächste Mal, bitte klopfen“, fügte er hinzu, ehe er den Blick zu der Standuhr auf der anderen Seite der Tür richtete. „Sie sind zwanzig Minuten zu spät“, informierte er sie tatsächlich, und hob den die Hand. „Witherby, das wäre alles.“ Witherby zog sich sofort zurück.


„Ja, Mr Malfoy, Sir“, sagte er hastig, sammelte seine Unterlagen ein und schenkte ihr einen vorsichtigen Blick, und seine Lippen formten ein „Guten Morgen“, bevor er zur anderen Tür verschwand.

 

„Entschuldigen Sie die Verspätung“, brachte sie hervor. Sie war eingeschüchtert, denn kein Lächeln zierte seine Lippen. Er wirkte merklich angespannt und sah erwartend zu ihr auf. Anscheinend würde er nichts weiter zu ihrer Entschuldigung sagen. „Es wird nicht mehr vorkommen.“

 

„Nein, das wird es nicht“, erwiderte er knapp. Sie schluckte schwer. Gut, er war anscheinend wütend. Aber unmöglich auf sie! Sie hatte nichts gemacht. „Wollen Sie das ablegen?“, fragte er jetzt und betrachtete den Stapel an Unterlagen in ihrem Arm.

 

Mr Malfoy“, brachte sie es über sich, ihn zu siezen. „Das Problem, was Sie gestern geschildert hatten, führt eine ganze Reihe an anderen Problemen mit sich“, begann sie einfach, und er erhob sich.


„Das ist wirklich schön, aber wenn Sie zu spät sind, bin ich es auch, und ich nehme an, Sie können auch während des Gehens reden?“ Und sie wünschte sich, sie hätte sich nicht von den vielen Models, die hier arbeiteten einschüchtern lassen, und hätte sich flache Schuhe angezogen. Verdammt! Er war wütend, weil sie zu spät war. Weil er sie ja anwesend haben wollte.

 

„Ich… ja“, erwiderte sie nur, und er griff sich sein Jackett von der Garderobe. Er zog den Mantel über, und wandte sich dann um. Die blonden Haare lagen anbetungswürdig, sein Gesicht war das eines Gottes, und er machte eine unglaubliche Figur im Anzug, aber seine Augen fixierten sie.

 

„Ich erwarte mein Jackett übrigens bis morgen wieder“, informierte er sie streng und trat aus der Tür. Sie sah ihm verblüfft nach. Er war… nicht mehr nett. Huh…? Was war passiert? Hatte sie etwas nicht begriffen? „Miss Granger?“, hörte sie seine ungeduldige Stimme, und erschrocken setzte sie sich in Bewegung.

 

„Also… es geht um die… Urlaubstage der Aurorenabteilung“, sagte sie jetzt, leiser als sie es eigentlich vorgehabt hatte.


„Was ist damit?“ Er sah sie nicht an, sondern stand wartend vor dem Aufzug, aus dem sie gerade erst gestolpert war.

 

„Sie kürzen sie“, erklärte sie schlicht. Der Aufzug öffnete sich. Er trat ein und sie folgte ihm.

 

„Und?“ Er sah sie tatsächlich gleichmütig an. Die Türen des Aufzugs schlossen sich.

 

„Und?“, wiederholte sie nur und wartete, dass er anders reagieren würde als jetzt. Er hatte den Blick wider abgewandt, so dass sie jetzt sein Profil betrachten konnte. Sein Kinn war rund, wölbte sich leicht nach vorn, so dass es fast auf Höhe mit seiner Nasenspitze war. Seine Nase war gerade, nicht gebrochen, und seine Lippen waren ernst verschlossen. Die Türen öffneten sich erneut, und eine Hexe betrat den Aufzug, die tatsächlich nicht die Modelqualitäten der anderen aufwies. Sie war erst mal kleiner, ihre Haare waren nicht honigblond und fielen nicht glatt und perfekt auf ihre Schultern, und sie trug eine Brille! Hermine war fast schon erleichtert. Malfoy beachtete sie allerdings nicht.

 

„Guten Morgen, Sir“, hauchte die Person ehrfürchtig. Aber Malfoy sah sie plötzlich wieder unverwandt an.


„Ja. Und?“ Anscheinend hatte er jetzt auf ihre Frage geantwortet. Mit einer Gegenfrage. Sie holte kurz Luft und nickte dann.


„Wenn Sie die Urlaubstage kürzen, werden sich einige Leute beschweren“, formulierte sie aus, was eigentlich klar auf der Hand liegen sollte.

 

„Und in wie weit ist das mein Problem?“, wollte er wissen, während im Stock darunter der Fahrstuhl ein weiteres Mal zum Halten gezwungen wurde, und zwei Zauberer eintraten. Sie spürte, wie sich ihre Augen verblüfft weiteten.


Mr Malfoy“, begrüßten ihn beide, und er nickte knapp.

 

„Ihr Problem ist es wohl, dass… sich diese Leute bei Ihnen beschweren werden. Und… ich habe noch nicht eingesehen, weshalb die Urlaubstage der Aurorenabteilung gekürzt werden müssen, wohingegen in der Abteilung der Internationalen Magischen Zusammenarbeit die Gehälter aufgestockt wurden“, beschwerte sie sich weiter, und die drei Mitarbeiter im Fahrstuhl starrten sie praktisch an, während Malfoy sie nicht aus dem Blick ließ.

 

Der Fahrstuhl war geräumig groß, aber sie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können.

 

„Erleuchten Sie mich bitte, was hat die eine Abteilung mit der anderen zu tun?“

 

„Es ist ungerecht“, warf sie ein und unterdrückte ihre Ehrfurcht und Angst vor Draco Malfoy. Denn, sie sagte sich: Es ist nur Draco Malfoy. „Und nicht gerechtfertigt, was viel wichtiger ist. Es gab keinen Grund, die Gehälter zu erhöhen“, sagte sie nur.

 

„Miss Granger, denken Sie, ich handle aus Willkür?“, fragte er sie nun offen.


„Nein, ich…“, begann sie.

 

„Gut“, sagte er abschließend, aber ihr Mund öffnete sich erneut.


„Ich verstehe es aber nicht. Die Kriminalität ist nicht weiter angestiegen als in den letzten Jahren, die Auroren arbeiten alle zehn Stunden täglich, wenn nicht länger, und Sie streichen die Hälfte der Urlaubstage auf Grund von betrieblich interner Notwendigkeiten? Was sind die betrieblich internen Notwendigkeiten, wenn ich fragen darf?“ Und es war totenstill als sich die Aufzugstür ein weiteres Mal auf dem Weg nach unten öffnete. Eine Hexe trat überrascht ein, und auch ihr Blick richtete sich auf sie.

 

„Sind das alle Fragen, die Sie haben oder brauche ich Pergament und Feder, Miss Granger?“ Seine Stimme klang kalt, und sie verstand nicht. War er ihr nicht noch gestern gefolgt? Mitten auf die Straße? Hatte sie ihn gestern nicht schon beleidigt und angeschrien, und er hatte sie trotzdem in seiner Firma gewollt? War er nicht derjenige gewesen, der sie die ganze Woche verfolgt hatte? Wieso tat er jetzt so, als hätte sie um eine Einstellung gebettelt?!

 

„Nein, das sind nicht alle Fragen, Mr Malfoy“, konterte sie und war dankbar dafür, ihre Schlagfertigkeit wieder ausgegraben zu haben. Sein Kiefer spannte sich an, und er löste den Blick von ihr, um nach vorne zu sehen, als die Aufzugstüren sich in der Eingangshalle öffneten.

 

Sie verließ neben ihm den Fahrstuhl und merkte, wie alle anderen zurückgeblieben waren.

 

Was war jetzt passiert? Wieso wurde sie von allen so angestarrt? Sie folgte ihm, und sie wurde langsam wütender. Gestern Abend hatte er ihr noch gesagt, sie könne mit allen Problemen zu ihm kommen! Und jetzt?! Jetzt war das nicht mehr aktuell?

 

„Miss Granger?“, hörte sie die pure Ungeduld seiner Stimme und mit Mühe hielt sie Schritt mit ihm.

 

„Wo gehen wir hin?“ Er schoss ihr einen erneuten Blick zu. Fast hätte sie sich auf die Zunge gebissen vor Schreck.

 

„Termin bei einer Gesellschaft. Falls Sie nach der Konfektionsgröße der Mitarbeiter fragen möchten, ihren Augenfarben, den bevorzugten Reisezielen, muss ich Sie enttäuschen, also sparen Sie sich diese Fragen“, erklärte er und bedeutet ihr, sich unterzuhaken, kaum als sie das Gebäude verlassen hatten. Und sie wagte nicht mehr zu sprechen. Stattdessen zwang sie sich seinen Duft nicht einzuatmen, als sie so nahe neben ihm stand, und sie versuchte sich einen Reim darauf zu machen, wie er sich innerhalb einer Nacht in einen Teufel hatte verwandeln können? Oder war er immer so? Auf der Arbeit?

Sie schloss die Augen, als sie sich zu drehen begann. Sie fühlte ihn neben sich. Stark, groß – und sie glaubte, es war das erste Mal, dass sie Draco Malfoy so nahe war.

Gestern hatte sie Ginny ignoriert. Würde sie das heute auch noch einmal schaffen?

 

Hatte sie… also tatsächlich einen Fehler gemacht

 

 

Kapitel 6

 

Er hatte sie ignoriert. Er hatte sie zwar mitgenommen, hatte sie vorgestellt, sie konnte ein Problem lösen, aber im Großen und Ganzen… hatte er sie ignoriert! Und… sie wusste nicht, weshalb es so schlimm war. Natürlich wusste es die Hermine in ihrem Innern sehr genau. Sie war beleidigt. Zuerst folgte er ihr morgens auf die Straße, um sie zu gewinnen, und einen Tag später ignorierte er sie bereits. Und es störte sie schon fast mehr, dass ihre innere Hermine ihn schon wieder ansehen wollte, als dass er ein Arschloch war.

 

Und sie hatte gesehen, dass er abgelenkt gewesen war, dass er anders gewesen war als noch gestern. Und sie hatte nicht gefragt, sie hatte sich nicht mehr getraut. Und während er sie ignoriert hatte, hatte sie Gelegenheit gehabt darüber nachzudenken, wie sie am besten aus der Sache rauskommen könnte.

 

Die sabbernde Hermine in ihrem Innern protestierte alleine schon beim Gedanken, ihn nicht ansehen zu können, aber die vernünftige Hermine hatte immer noch keine Lösung parat, wie sie es Harry oder Ginny erklären sollte. Vor allem, wenn sie ihn nicht sah, wenn sie nicht direkt vor ihm stand, und ihre Augen ihr tatsächlich bewiesen, wie wunderschön er war, war es leichter, Entscheidungen zu fällen, wie, dass sie nie wieder hier her käme, oder dass sie nie wieder in sein Gesicht schauen würde. Aber… sie traute sich nicht wirklich zu, dass sie auch nur einen nüchternen Schritt gehen könnte, wäre er wieder da.

 

Sie wartete. Sie hatte die Arbeit erledigt, die er ihr noch aufgetragen hatte. Sie hatte sogar schon die Bestelllisten für Flourish und Blotts zusammengestellt.

Und jetzt tigerte sie durch sein Büro. Sie war hin und hergerissen zwischen der Kündigung und… eben nicht der Kündigung. Ihre Finger kribbelten, ihre Handflächen waren feucht, und sie konnte ihn nicht verstehen. Sie wollte auch nicht. Sie gehörte hier nicht hin.

Das war es einfach. Das war alles.

 

Es knisterte im Kamin hinter ihr. Mehr aus Gewohnheit wandte sie sich um. Und sie erschrak über die Gestalt in den Flammen. Es war eine Frau mit einer seltsam geformten Brille auf der langen Nase. Sie hing an einer glitzernden Kette, und ihre dunkelbraunen Augen betrachteten sie mit milder Ungeduld, während sich eine dunkle Hochsteckfrisur fast gefährlich auf ihrem Kopf nach oben türmte.

 

„Ist Mr Malfoy zu sprechen?“, erkundigte sich die Dame in besonders unangenehm hoher Tonlage, und Hermine erwachte aus ihrer Stille und erinnerte sich an ihren – noch vorhandenen – Arbeitsvertrag.

 

„Nein, Mr Malfoy ist nicht hier. Kann ich Ihnen helfen?“ Die Frau bedachte sie mit einem abschätzenden Blick.


„Ich weiß nicht, Miss…?“ Sie wartete, dass Hermine ihren Namen sagte. Sie unterdrückte ein Seufzen.


„Granger. Ich bin…“ Und sie zögerte. Nur kurz. „Ich bin Mr Malfoys Assistentin, und kann Ihre Nachricht entgegen nehmen.“ Dieser Satz. Dieser Satz ging ihr erstaunlich leicht von der Zunge, bedachte man, wer sie war und was eine solche Stellung eigentlich bedeutete. Es ging so erschreckend leicht, dass sie wieder böse mit sich selber wurde. War es nur sein Aussehen? Nahm sie deshalb eine gesellschaftliche Demütigung in Kauf? Von ihrem Versuch, jeden Beruf auszuprobieren, war sie nun gescheitert und verdammt dazu, Draco Malfoys Assistentin zu sein? Sie schämte sich wieder einmal. Wie schamlos sie ihr Körper verraten hatte! Und zu allem Überfluss konnte Hermine nicht einmal behaupten, dass ein Wiedererkennungswert im Blick der Frau lag. Für gewöhnlich war ihr Name ein oder zweimal in London gefallen, dachte sie bitter. Nicht, dass sie von jedem ein Dankeschön erwartete, dass sie einen Massenmörder ausgeschaltet hatten, aber… ein bisschen Dankbarkeit, sei es auch nur, dass Menschen sie erkannten, war doch nicht zu viel verlangt! Vor allem, wenn sie doch alle Draco Malfoy kannten!

 

Die Frau unterbrach ihre Gedanken ohne zu zögern.

 

„Gut. Madame Tallis möchte den nächsten Termin mit Mr Malfoy vorverlegen auf morgen Nachmittag.“ Und Hermine bewegte sich automatisch zu seinem Schreibtisch, fand seinen Tischkalender und scannte seine Termine. In ihrem Kopf hatte sich bereits ein Wust an Fragen aufgetürmt. Und sie spürte kurz, wie sich etwas in ihrem Magen zusammen zog, ohne dass sie die gesamte Größe begriff.

 

„Morgen kann er… nur um zwei“, erwiderte er langsam, die Stimme heiser als zuvor. Die Frau schien es sich zu notieren. Ihr war plötzlich nicht mehr gut. Gar nicht mehr gut.


„Zwei ist ausgezeichnet. Madame Tallis erwartet ihn dann. Einen schönen Abend, Miss… Granger“, entgegnete die Frau schließlich zögernd. Hermine bekam noch einen knappen Blick verpasst, und dann starrte sie wieder in die schlichten Flammen. Dem Ton nach zu urteilen, wusste die Dame, wer sie war. Und es wunderte Hermine nicht. Jetzt wunderte es Hermine eigentlich nicht. Und sie griff die teure Pfauenfeder mit goldener Spitze aus dem vorgesehenen Halter und schrieb den Termin auf.

 

Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Ihre Hände waren kühler geworden. Nein. Ihre Hände waren eiskalt. Sie spürte die Wärme im Zimmer nicht mehr so deutlich wie vorher. Ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt. Und es war reiner Zufall. Es war Zufall, dass sie Madame Tallis kannte. Es war Zufall, dass sie sich vor einiger Zeit im Mungo hatte beraten lassen für eine mögliche Ausbildung zum Heiler.

Es war Zufall, dass sie ausgerechnet an Madame Tallis geraten war. Sie war eine private Therapeutin. Und es war Zufall, dass Hermine die Ehre zuteil geworden war, einen Blick in ihre Akten zu werfen.

 

Es war Zufall, dass Madame Tallis besonderes Interesse an Hermine gefunden hatte und dass Hermine ein besonderes Interesse gehabt hatte, über Madame Tallis‘ These zu diskutieren. Und ihr Geist ging zurück zu dem Tag, an dem sie das erste Mal in eine verstörende Akte von Madame Tallis geblickt hatte.

Und sie beschloss, nicht mehr auf ihn zu warten. Sie beschloss, ihre Entscheidung zu verschieben. Sie beschloss, nicht mehr darüber nachzudenken. Es waren viele Zufälle. Verdammt viele Zufälle.

 

Denn… es machte ihr Angst darüber nachzudenken. Ihr Herz schlug so laut, dass sie glaubte, es müsste von den Wänden widerhallen. Eilig löschte sie das Licht in ihrem Büro. Sie griff sich ihren Mantel und dachte nicht mehr darüber nach, ob er sie noch benötigte.

Denn sie musste hier weg. Sie musste.

 

Und auf dem Weg nach unten hielt sie niemand auf. Niemand schien sie zu beachten, zu bemerken, von den wenigen Zauberern und Hexen, die noch arbeiteten.

Sie kam sich dennoch vor, als wäre sie das rote Leuchtzeichen auf einem unsichtbaren Radar, spürte trotzdem alle Blicke in ihrem Nacken und konnte das Gebäude nicht schnell genug verlassen, nicht schnell genug apparieren, nicht schnell genug in ihre Wohnung kommen. Sie verriegelte die Tür, entzündete eilig alle Petroleumlampen und lenkte sich ab, mit Tee kochen. Mit Broten schmieren.

Mit Kamin anzünden.

 

Sie stellte sich vor ihr Bücherregal. Demonstrativ und entschlossen. Sie würde lesen. Irgendwas Unverfängliches. Irgendwas! Sie griff sich das nächste Buch.

Hexenroman. Er war ein Geschenk von Molly gewesen. Ein Ehepaar, das die Liebe neu im Urlaub entdeckte. Sie hatte es nie beendet. Heute wäre der geeignete Abend dafür. Perfekt geeignet.

 

Sie wartete, bis das Wasser kochte, setzte sich beruhigenden Tee auf, zwang sich mit der Wolldecke ruhig auf der Couch zu sitzen, schlug das Buch auf und mit eiserner Konzentration las sie stoisch, Seite um Seite.

Denn ansonsten würde sie zu viel nachdenken! Viel zu viel. Ja, einfach lesen. Einfach lesen, Hermine. Und es wirkte beinahe glaubhaft. Beinahe wirkte sie, wie eine junge Frau, alleinstehend, selbstbewusst, auf ihrer gemütlichen Couch, in ihrer zwei Zimmerwohnung. Und einem Außenstehenden würde nur eine einzige Sache ins Auge fallen. Nur die eine Sache, die ihre ganze Show auffliegen ließ.

 

Ihre Hände zitterten. Zitterten wie Espenlaub, so dass sie kaum die erste Zeile des Buches ausmachen konnte.

 

~*~

 

Akte 732

Sitzung 53, April 2008

- Notizen, Askaban -

 

- Dritter Monat Gefangenschaft in Askaban, Haare wurden kurz geschoren, zweiter Suizidversuch des Patienten innerhalb eines Monats, Therapieversuch nach Hobbs-Methode fehlgeschlagen

- reagiert nicht auf Annäherung, bisher negativer Medikamentrenerfolg

 

 

Mr Malfoy, erzählen Sie mir von Ihrer Woche“, begann Rhian Tallis ihr Gespräch, wie sie es bei jedem Treffen tat. Ruhig, freundlich, distanziert. So, wie er es mochte. So, wie er es gewöhnt war. Sie fuhr am besten, wenn sie sich nach den Gewohnheiten der Patienten richtete. „Sie hatten Geburtstag, nicht wahr?“ Er hob den Blick zu ihrem Gesicht. Er war achtzehn. Und er sah wesentlich älter aus. Vor allem jetzt, heute. Sie atmete ruhig aus, während sie sich zurücklehnte.

„Sie wissen, wir müssen diese Gespräche führen. Also, am besten beginnen Sie und erzählen mir von Ihrer Woche.“ Und er fand seinen Weg in das Gespräch, so wie er seinen Weg zu allen Dingen fand.

 

Mit Arroganz. Mit verletzender Arroganz.

 

„Hm, mal sehen. Es gab gallertartige Masse, die ich nicht mal unter vorgehaltenem Zauberstab als Rührei bezeichnen möchte, ansonsten keinerlei Abweichungen vom üblichen Ekel erregenden Tagesplan der Nouvelle Cuisine in Askaban. Aber was wollen Sie sonst von mir hören? Vielleicht ist es eine passable Aktennotiz wert, dass mir ein verfluchter Wichser eine Gable in den Hals gerammt hat, woraufhin ich sein Genick gebrochen habe.“ Mit abwartender Genugtuung sah er sie, schien darauf zu warten, dass sie reagierte, aber sie griff nicht zur Feder.

 

„Sie haben einen Mann umgebracht?“, ging sie also auf seine Anspielung ein, und er blies spöttisch die Luft aus.

 

Genick gebrochen, bedeutet in der Fachterminologie nicht automatisch den Tod. Sollten Sie es nicht wissen? Oder liegt es an dem minderwertigen Titel, den Sie tragen, weil sie kein echter Heiler sind?“ Sie wartete ab. Er würde weiter sprechen. Das tat er immer. „Ein Heiler war zur Stelle. Also, sehen Sie mich nicht so an, Salazar, verflucht“, fügte er hinzu, während den Dreck unter seinen Fingernägel betrachtete, als wäre er wesentlich spannender als ihre Erscheinung. Sie hatte viele Antworten auf sein Verhalten parat. Er besaß einen ausgeprägten Narziss-Komplex, höchstwahrscheinlich gefördert von seiner Mutter.

 

Seine Angst und Unsicherheit überspielte er stets mit Fäkalsprache und übertriebener Überlegenheit. Seine Pubertät war in Schüben gekommen, er hatte niemals Zeit gehabt, natürlich als Mann zu wachsen. Er wurde praktisch im Kindesalter von seinem Vater in alle Geheimnisse der Todesser eingeweiht, wurde gezwungen, eine Tradition aufrecht zu erhalten, die ein kindliches Gemüt nicht schlimmer schädigen konnte.

Er hatte ihr die Antwort auf sein erstes Mal mit Spott und Beleidigungen verweigert, aber sie nahm an, es war weder romantisch gewesen, noch aus Liebe geschehen, noch konnte er älter als vierzehn gewesen sein. Sie hatte in seinem Kopf nicht näher nach dem Erlebnis geforscht, denn es gab dringendere Probleme mit Draco Malfoy.

 

„War Ihre Mutter hier?“, wechselte sie das Thema schließlich. Er hob den Blick nicht zu ihren Augen. Und sie kannte seine Antwort.


„Wann ist diese dämliche Schlampe mal nicht hier, Doc?“, setzte er das Wort hinzu, was sie ihm neulich beigebracht hatte. Jetzt hatte er den Blick gehoben. „Sie wollen doch, dass ich Fremdwörter verwende? Das ist doch Teil Ihres Plans?“ Sie lächelte jetzt und wusste, es ärgerte ihn, wenn sie es tat. Es ärgerte ihn, wenn ihn jemand nicht ernst nahm.

 

Mr Malfoy, ich möchte die Zeit nutzen, mit Ihnen einige Erinnerungen aufzuarbeiten.“ Und er stöhnte unterdrückt.

 

„Wirklich? Muss das sein?“ Seine Stimme nahm einen ätzenden Tonfall an. Jetzt griff sie langsam zur Feder. „Wissen Sie, ich bin so wahnsinnig ausgelastet hier und muss gleich zum Putzen, um mein Diplom als Hausmeister zu bekommen, damit mir nach Askaban alle Türen offen stehen. Danach werden sich zwei unrasierte, homosexuelle Fettsäcke mit dem heiligen Abzeichen des Ministeriums an mir vergreifen, mit dem mehr als überaus begründeten Verdacht, Sie hätten mir Schmuggelware in den Arsch geschoben, also, wenn Sie sich bitte mit ihrem Kinderkram beeilen würden, ich habe einen vollen Tag, Doc.“

 

„Sie denken also über die Karriere nach Askaban nach?“ Ignorierte sie seine Tirade. Er hob eine Augenbraue.

 

„Sie spielen wieder, dass Sie nur hören, was Sie hören wollen, damit mein Vater Ihnen Ihr Honorar bezahlt?“ Sie lächelte wieder.

 

Mr Malfoy?“, wiederholte sie nachsichtig, und es reizte ihn, dass sie nicht auf seine Beleidigungen ansprang. Er nutzt seine Worte als Waffe hier. Worte waren hier eine besonders gute Waffe, denn die meisten Gefangenen von Askaban waren Worten unterlegen. Da Worte hier aber als einzige Waffe noch erlaubt waren, bediente sich Draco Malfoy dieser Waffe besonders gern. Seine Schutzschicht war unglaublich für einen achtzehnjährigen. Sie war regelrecht ungesund.

 

Und er hatte – wie jedes Mal – schlagartig die zwei Probleme aufgedeckt, die sie mit ihm lösen wollte. Seine Zukunft und seinen Vater. Sie wusste nicht, ob er von dem Verfahren seines Vaters wusste.

 

„Was?“, gab er angriffslustig zurück.

 

„Sie werden sich der Verantwortung stellen müssen.“

 

„Der Verantwortung stellen? Was verfluchte Scheiße soll bitte meine Verantwortung sein? Mich mit Stöcken und Steinen und Todesflüchen durch die Winkelgasse jagen zu lassen, wenn erklärt wird, dass alle Todesser vogelfrei umzubringen sind?“ Sie notierte sich erneut das Hauptproblem.

 

„Sie sind kein Todesser, Mr Malfoy“, erklärte sie – wie jedes Mal.

 

„Ach nein?“ Er lehnte sich fast komplett über den Tisch. Seine Augen waren kalt, kannten keine Sympathie für niemanden, und die Gefahr, einen Patienten zu verlieren, weil er kein Einfühlungsvermögen, kein Mitleid und keine Toleranz für etwas anderes als seine Auffassung besaß, war eine häufige Gefahr. „Ich glaube, hunderte von Leuten sind einer anderen Ansicht, Doc.“

 

„Sie auch, nehme ich an“, fuhr sie fort, ohne ihn anzusehen.

 

„Wissen Sie…“, begann er lächelnd, und sie wartete ruhig ab. „Das Mal wird schöner, jedes Mal, wenn ich es betrachte. Immerhin erinnert es mich daran, dass ich etwas Besseres bin als der Rest.“ Sie notierte sich seine Worte. „Na, bringt mir das fünfzehn weitere Sitzungen bei Ihnen und Ihrem Wunderprogramm, was nach einem halben Jahr noch keine Heilung gebracht hat, Doc?“ Sie legte die Feder zur Seite. Seine Stimme war bösartig, sein Lächeln ebenfalls.

 

„Sie haben…“ Aber sie unterbrach sich selbst. Er wog sich in Sicherheit. Sie spürte es. Er hatte sein Territorium abgesteckt und ließ sie nicht weiter vordringen, als die wenigen Zentimeter, die sie bewältigt hatte. Ihn jetzt nach dem Suizidversuch zu fragen, wäre… unklug. Sie würde ihn Fragen. Sie würde es später tun. Und sie würde die Wachen gehörig zusammenfalten! Teilweise zeigte sich die Schizophrenie deutlicher. Seine Masken passten nicht alle zusammen. Seine Fassaden machten nicht immer Sinn. Es war sein zweiter Selbstmordversuch. Bei seinem letzten Versuch hatte er alle Tabletten geschluckt, die er vom Heiler verschrieben bekommen hatte. Die Wachen haben ihn glücklicherweise entdeckt, ehe er an seinem Erbrochenen erstickt war.

 

Und seine Augen betrachteten sie, lauerten fast darauf, dass sie die nächsten Worte sagen würde. Denn zur Sprache zu bringen, dass er versucht hatte sich umzubringen, wohingegen er doch stets behauptete, überlegen und zufrieden zu sein, stellte seinen Geist vor ein Problem. Vor ein Problem, was typischerweise bei labilen Patienten durch Wut und Verdrängung gelöst wurde. Bei Patienten wie Draco Malfoy… war es letztes Mal durch einen orkanartigen Zornesanfall gelöst worden, dass sie ihn mit ihrem Zauberstab bedrohen musste, die Wachen ihn hatten holen müssen, und sie das nächste Treffen um eine Woche nach hinten verlegt hatte. Es wäre einfach unklug. Für gewöhnlich würde sie keine Schonbehandlung dulden. Aber für gewöhnlich saßen ihre Patienten auch nicht in Askaban. Natürlich, im Sinne ihrer neuesten Studien waren einige Patienten Gefangene hier, allerdings war keiner vergleichbar mit diesem Exemplar, was sie vor sich hatte.

 

Sein Bewusstsein brachte sie nicht weiter. Heute nicht.

 

„Bitte, legen Sie sich hin, Mr Malfoy.“

 

„Oh nein!“, entgegnete er mit gespielter Panik. „Die Hypnose! Bloß nicht, alles, nur nicht das! Was werden Sie nur sehen? Den Wunsch, meine eigene Mutter zu vergewaltigen, meinen Vater umzubringen? Hauselfen aufzutürmen und ein hübsches Feuer zu machen?“ Er hob spöttisch eine Augenbraue. „Aber nein…“, fuhr er ruhiger fort, bevor er zur Besuchercouch ging, und es sich demonstrativ bequem machte, während er die Arme gähnend hinter dem Kopf verschränkte. „Sie spezialisieren sich auf Schlammblüter. Dreckige, kleine Schlammblüter. Ich kann Ihnen meine Gedanken auch einfach offen darlegen, Doc. Alle schmutzigen, pervertierenden Worte, die Ihnen mein Unterbewusstsein gleich ausspucken wird.“ Sie wartete, während sich ihr Kiefer anspannte.

 

„Wieso ist das Ihr Spezialgebiet? Ich weiß, ich frage jedes Mal, aber… Sie sind doch ein Reinblut, nicht wahr? Ich glaube kaum, dass meine Familie etwas anderes für qualifiziert hält, aber… sind Sie wirklich zu schlecht für etwas anderes als Schlammblüter-Liebe gewesen?“ Sie sah ihn an, studierte seine Mimik, seine offenkundige Feindseligkeit. Hinter seine Fassade zu kommen war ähnlich schwer, wie die dunkle Seite des Mondes mit bloßem Auge zu ergründen. Und es war Angst. Viele ihrer Patienten besaßen diese Angst. Und sie gab alle Schuld den Eltern. Dem Umgang im Elternhaus, der beeinflussenden Beziehung zu seinem Vater. Sie beschloss, dem jungen Malfoy nichts von dem Verfahren zu erzählen.

 

Es würde seiner Heilung nichts Gutes tun.

 

Seine Worte waren sehr leicht zu ignorieren. Für ihn bedeuteten sie nichts. Er machte sich die Fähigkeit zu Eigen, Menschen durch seine Worte verletzen zu können. Er machte sich sein Aussehen zu Eigen, Menschen zu manipulieren. Er versuchte es bei ihr, aber sie kannte sich mit ihm aus. Was nicht so leicht zu ignorieren war, war seine kognitive Omniszienz. Denn, er befand sich in Askaban. Er saß eine Haftstrafe ab, die für jemanden seines Alters unmenschlich war, egal, was sein kranker Kopf ihm vorschlug zu tun. Er versuchte sich umzubringen.  Er ließ sich gehen, ließ sich in Kämpfe verwickeln, landete bewusstlos im Krankenzimmer des Gefängnisses, und dennoch hatte er in sechs Monaten  nie versagt, ihre Frage zu beantworten. Und sie fragte ihn jedes Mal.

 

Und sie wusste nicht, ob er ahnte, weshalb sie ihn fragte. Ob er Genugtuung dabei empfand, zu antworten, oder ob es ihn überhaupt nicht interessierte.

 

„Ehe wir beginnen, sagen Sie mir bitte, welchen Wochentag wir haben.“ Und sie wartete, völlig still. Und sie wusste nicht, ob sie wollte, dass er sich irrte.

 

„Heute ist Dienstag, der achte April, 2008“, gab er so sicher zurück, als stünde es hinter ihr an der Wand. Und vielleicht gab es nichts besonderes an der Tatsache, das Datum zu wissen, aber hier in Askaban… gehörte es mit zur Strafe, den Gefangenen Tag und Datum zu verweigern. Askaban war zeitlos. Es sollte die Gefangenen wahnsinnig machen. Sie von der Außenwelt trennen. Aber er wusste den Tag, das Datum, und würde sie ihn fragen, nahm sie an, er könnte ihr sogar die Zeit nahezu korrekt benennen.

Und der einzige Schluss, zu dem sie gekommen war, war, dass Draco Malfoy seine Mahlzeiten zählte. Jeden Tag. Seit sechs Monaten.

Er war in seinem Kopf nüchtern genug, um seit einhundertachtzig Tagen Mahlzeiten zu zählen. Er hatte ihre These nie bestätigt. Autistische Züge hatten ihre Faszination. Wie Draco Malfoy auf Strafen – selbst zeitlose Strafen – reagierte war ein einstudiertes Kunstwerk, was sie mit Abscheu und Angst betrachten konnte.

 

„Schließen Sie die Augen.“

 

Er richtete sich mit einem dreckigen Grinsen auf und stützte sich auf die Ellenbogen.

„Sagen Sie, ist das nur Show? Sie ziehen mich heimlich aus, sobald ich weggedämmert bin, oder? Ich wette-“

 

„Schließen Sie die Augen, Mr Malfoy.“ Und ihre Geduld schwand langsam. Er verdrehte erneut seine Augen. Seine Psyche war schlimmer als sein waches Bewusstsein, aber sie wusste, wollte sie irgendwas bewirken, musste sie tief graben, um alle feindlichen Auslöser, die er so tief verankerte hatte, ein für allemal zu eliminieren.

 

Sie hob ihren Zauberstab. Mühelos verschaffte sie sich Zutritt zu seinem Geist. Zuerst hatte er es ihr verweigert, hatte seinen Geist verschlossen. Aber nach und nach, nachdem er festgestellt hatte, dass es ihm nichts half, und dass seine wachen Gedanken genauso waren wie die, wenn er bewusstlos war, war es ihm egal geworden. Außerdem ließ sie ihn in die Akte sehen. Und sie hatte es vorgezogen, zu lügen. Sie erzählte ihm nicht die Hälfte der Dinge, die sie sah. Sie schrieb die Hälfte der Dinge nicht in die Akten, die er einsehen konnte. Es war eine etwas rabiate Methode, aber er ließ ihr kaum eine Wahl. Solange sie ihm sagte, sein Zustand sei unverändert, solange wähnte er sich in arroganter Sicherheit. Er hielt sich für schlimm. Und er war es auch.

Aber sie hatte ihre These nicht deshalb geschrieben und studiert, damit sie scheiterte.

Er war nicht der erste Todesser. Sie behandelte zum Wohle der Wissenschaft nun fast ausschließlich Todesser. Männer, Frauen. Und mit Draco Malfoy hatte sie ihren jüngsten Patienten.

 

Sie beschäftigte sich mit Patienten, die einen so dermaßen starken physischen und psychischen Abscheu gegenüber Muggeln entwickelt hatten, dass sie es nicht aushielten, sie um sich zu haben.

 

Sein Gesicht entspannte sich. Er befand sich unter starker Hypnose. Er wirkte nicht mehr halb so böse, und seine Züge wirkten jünger. Er sah wieder aus wie achtzehn. Wie müde achtzehn Jahre. Seine Fäuste lockerten sich. Er schlief ruhig. Sie erkannte die Einstichwunden der Gabel in seinem Hals. Die vier winzigen Punkte waren verblasst. Durch Magie geheilt. Sie hoffte inständig, seine Heilung würde Fortschritte machen, wäre er erst wieder aus dem Gefängnis entlassen.

 

Draco Malfoy war vor einem halben Jahr wegen Auffälligkeiten in ihre Behandlung gekommen. Seine Mutter hatte still und heimlich mit ihr gesprochen. Ihr Sohn zeige ausfällige Verhaltensmuster, nannte Narzissa Malfoy es. Er hatte einen der Hauselfen vergiftet, einen anderen totgeschlagen. Draco Malfoy hatte mehrere Narben. Durch Flüche, durch Prügel. Seine Akte las sich wie ein aufreibender Roman, in dem er den Antagonisten in seinem eigenen Leben spielte.

Draco Malfoy verehrte seinen Vater. Draco Malfoy verehrte seinen Vater so, wie es noch keiner ihrer Patienten getan hatte. Was sie in seiner Erinnerung gefunden hatte, waren Ablehnung, Hass und nichts als Misshandlungen von seinem Vater. Es war eine typische co-abhängige Konstellation, wie sie nicht selten vorkam.

Draco Malfoy war von Voldemort zum Mord an Dumbledore angestiftet und bereits wegen dieser Versuchen nachträglich freigesprochen worden, weil er minderjährig war und beeinflusst wurde.

 

Er war vor fünf Monaten inhaftiert worden. Betrunken wurde er von den Auroren aufgegriffen, nachdem er eine Muggel auf der Straße mit dem Imperius belegt hatte, um sie zu zwingen, von einem Gebäude zu springen.

 

Das war natürlich nicht die Geschichte vor dem Ministerium. Den Auroren hatte er gesagt, er wollte nur nicht, dass sie ihn ansprach oder anfasste. Es hatte ausgereicht, ihn für ein Jahr nach Askaban zu bringen. Sie hatte, im Sinne der Heilung, vorgezogen, den Auroren seine wahren Gedanken nicht nachträglich zu offenbaren.

Er hatte Berührungsängste. Das bezog sich nicht nur auf Muggel, und sie nahm an, es lag an den Prügelstrafen, an den vielen Narben auf seinem Rücken und seinem Bauch.

Sie wusste, sein Vater war gegen die therapeutische Behandlung. Aber sein Vater war nun nicht mehr in der Lage, die Behandlung zu unterbinden.

 

Sie kannte den Ursprung fast aller seiner Narben. Außer einer. Die Narbe über seinem Bauch. Ganz klar durch einen Fluch verursacht, der über Wochen, wenn nicht Monate aufrecht erhalten wurde.

Draco Malfoys Gehirn war ein nervliches Wrack, konditioniert auf Strafe und Schmerz. Auf Ungehorsam folgte Schmerz. Auf eigenes Denken folgte Schmerz. Auf Zuneigung oder Liebe folgte Schmerz.

 

Er bekam Tabletten verabreicht. Sie wusste, er nahm zumindest eines der Medikamente. Und nach dem ersten Suizidversuch bekam er die Tabletten auch nur noch unter Aufsicht und einzeln. Aber sie wusste, er erbrach die meisten von ihnen wieder, sobald er alleine war. Sie ließ sich regelmäßig magische Untersuchungstests von Askaban schicken, und sie wiesen keine Spur der verschriebenen Medikationen auf. Sie würde ihn nicht zwingen, es zuzugeben. Der Prozess der Heilung beinhielt, dass er es selber wollte. Die Heilung wollte. Das eine Medikament, was er nahm, linderte die chronischen Schmerzen durch das Mal. Sie kannte das Phänomen bei einigen Todessern. Es war Schuld. Sein Gehirn projizierte die Schuld, die er anders nicht zeigen konnte, auf sein Mal. Es verursachte ihm rein psychische Qualen. Die Medikamente linderten den Schmerz. So machte es den Anschein. Allerdings betäubten sie nur die Schuld in seinem Gehirn. Sie legten ein winziges Zentrum in seinem aktiven Nervensystem lahm, das den Impuls der Schuld weitersandte.

 

Draco Malfoy war besessen von Blut. Von Status. Von Vermögen. Er war überzeugt, ein Reinblüter wäre die mächtigste Kreatur. Er zeigte das Verhalten, was sie jahrelang studiert hatte. Und er war ein interessantes Forschungsobjekt. Sie hatte seiner Mutter das Problem deutlich gemacht. Und sie hatte die Gefühle der Frau nicht geschont, hatte ihr die Schuld daran gegeben, dass ihr Sohn allein durch sein familiäres Umfeld geworden war, was er jetzt eben war.

 

Und sie wusste, es gab zwei Arten von Todessern. Die, die es hatten werden müssen, um zu überleben. Und die, die es werden wollten. Und nur bei letzteren machte es Sinn, zu forschen, weshalb es so war. Und die Grundtheorie dazu war leicht. Aber… das Problem zu lösen, das war der eigentliche Knackpunkt. Das war die Herausforderung.

Draco Malfoy war herzlos. Er war wütend. Er war sogar gemeingefährlich. Er war mit siebzehn Jahren nach Askaban gekommen. Er hatte keinen Respekt vor anderen. Er hatte keinen Respekt vor sich selbst. Er tötete magische Wesen. Er brachte Muggel dazu, von Dächern zu springen.

 

Und manchmal  würde sie ihn lieber stumm hexen, ins Mungo bringen und ihn in eine Zwangsjacke stecken, damit er sein Gift nicht weiter verbreiten konnte.

Aber sie hatte bereits erfolgreiche Heilungen gesehen. Und sie würde es auch dieses Mal schaffen, dachte sie bitter, während sie Einblick in seinen Geist nahm und seine Gedanken sie immer zum ersten Ursprungspunkt zurückbrachten. Es war natürlich nicht der erste Problempunkt seiner Erziehung. Nein, es war der Punkt, den sein eigener Geist als wichtigsten Punkt bedachte: Draco Malfoys erster Tag in Hogwarts.

 

Die größten Ängste, wenn er wach war, waren seine Zukunft und sein Vater.

 

Und das größte Problem seiner unterbewussten Verdrängung erschloss sich ebenfalls in zwei konstanten Komponenten: Harry Potter und Hermine Granger.

 

Kapitel 7

 

Sie ertappte sich wieder dabei, wie sie kein Geräusch von sich gab. Wie sie wartete, lauerte fast. Sie hätte gerne behauptet, der Zauber wäre vorbei. Sie würde gerne sagen, jetzt, nachdem sie erfahren hatte, dass Draco Malfoy ein Geheimnis hatte, hätte sich der Fluch gelöst. Aber dem war nicht so. Sie hatte solche Angst gehabt, nicht zur Arbeit zu erscheinen, dass sie heute extra früh aufgewacht war. Und sie hatte mehrere Theorien in ihrem Kopf hin und her gewälzt, ohne zu einem rechten Schluss gekommen zu sein.

 

Auf ihrer ewigen Jobsuche war sie vor einiger Zeit im Mungo gelandet. Und Madame Tallis hatte ihr einige Akten von potentiell gefährdeten Todessern gezeigt. Hass-Kompulsive nannte Madame Tallis die Gefährdeten. Es war eine Art von neurotischem Zwangsverhalten, den eigenen Hass, die eigene Inkompetenz, auf etwas anderes zu übertragen. Etwas, was nicht minder gut geeignet war. Die Namen waren in den Akten nicht verzeichnet gewesen, aber Hermine hatte es ausgereicht, die ausgiebigen Foltermethoden zu studieren, ohne, dass sie sehen musste, welcher Todesser konkret den meisten Spaß dabei empfand, Muggel zu foltern.

 

Madame Tallis hatte eine Theorie, die so adäquat wie seltsam war. Die Muggelgeborenen repräsentierten den Abschaum der Gesellschaft. Den Schlamm. Und mag es am Anfang lediglich dazu gedient haben, abschreckend zu wirken, im reinen Sinne der Fortpflanzung, so hatte es sich ins Dramatische gesteigert. Der Plan war von einem Druiden entworfen worden. Der Plan des reinen Bluts und dessen Aufstieg. Es waren lediglich biologische Verbindungen. Die einfache These, dass reines Blut mit reinem Blut eben rein blieb, reines Blut mit unreinem jedoch die Reinheit verlor, war zuerst einfach nur eine genetische Erkenntnis geworden.

 

Es war ähnlich absurd, zu behaupten, Blutgruppe Null wäre in irgendeiner Art und Weise Blutgruppe A überlegen….

 

Die Theorie, Muggel würden durch das unreine Blut die Fähigkeit zu zaubern beeinträchtigen, war widerlegt worden. Es ging letztendlich nur noch um Prestige. Die wahnwitzige Idee, durch Blut eine Art Status festzulegen, eine Überheblichkeit zu erfinden, artete schließlich aus.

Und es wurde ein verbaler Dämon erschaffen. Schon lange Zeit vor Voldemort von anderen wahnsinnigen, dunklen Anführern. Der Muggel wurde zum erklärten Feindbild.

Er wurde entstellt, gefährlicher gemacht, als er war, und letztendlich glaubten viele Todesser, der Muggel wäre vom Teufel persönlich auf die Erde geholt worden, um die magische Bevölkerung zu testen, sie zu bestrafen, und die Prüfung wäre es, dem Muggel zu widerstehen.

 

Wie schon jeher mit verteufelten Randgruppen, kam es immer öfter zu dem Fall, dass ein Todesser innerlich zerrissen war. Konnte er nicht erkennen, weshalb Muggel unter seiner Würde sein sollten, oder fand er sogar Gefallen an einer Muggel, dann setzte eine automatisch psychische Bestrafung ein. Es war verboten, also richtete sich sämtlicher Zorn gegen den Muggel.

 

Es war ein einfaches Konstrukt. Hatte der Todesser ein Problem, was er nicht selber lösen konnte, wofür er keinen Ausweg hatte, so suchte er sich ein Ventil. Und Wut war ein wesentlich einfacheres Ventil, als Wahrheit. Es wurde zur Besessenheit, Muggel zu foltern, sie gefangen zu halten, sie zu bestrafen. Denn der Todesser wusste sich nicht anders zu helfen. Madame Tallis hatte sich einen Namen gemacht, nicht nur, weil sie diese These im Tagespropheten veröffentlicht hatte. Nein, das interessante war, sie bot die Behandlung anonym an. Vom Mungo getrennt. Mit der Garantie, dass, würde sich ein Patient zur Behandlung entschließen, würde sie garantieren, dass keine Information jemals an die Öffentlichkeit gelangte.

 

Und natürlich sprach man über diese seltsame Therapie.

Und Hermine hatte sich Akte um Akte durchgelesen, und sich gefragt, wie man solche Verrückten behandeln wollte. Wie man sicher sein konnte, dass man jemandem von einem solch unmenschlichen Hass heilen konnte. Dass sich überhaupt jemand die Mühe machte, es zu tun. Und sie hatte nicht gewusst, was sie sagen sollte.

Madame Tallis hatte sie gebeten, ein Interview zu geben, darüber was sie gefühlt hatte, damals auf der Flucht, als sie verfolgt wurden. Sie hatte ihre Seite wissen wollen, hatte wissen wollen, welchen Eindruck ein Todesser auf eine Muggel gemacht hatte.

 

Madame Tallis war Reinblüterin, also war sie nicht in die Situation geraten, von einem Todesser jemals gefoltert zu werden. Hermine schon. Aber sie hatte ein Interview abgelehnt.

 

Sie kaute auf ihrer Unterlippe, während weitere Gedanken auf sie einströmten.

Und nur langsam, nahm sie überhaupt wahr, dass er sie ansah.

Sie spürte, wie ihr Herz einen Satz machte, und sie wieder in die Realität zurückkam.

Langsam hob sich seine linke Augenbraue in die Höhe.

 

Und sie nahm an, es gab einfach Männer, die puren Sex ausstrahlten. Wenn sie sprachen, wenn sie schwiegen, wenn sie einen ansahen, wenn sie ihre Augenbrauen hoben….

 

„Ja?“, erkundigte er sich mit gewöhnlicher Stimme. Sie erkannte ihn nicht! Verdammt noch mal, sie erkannte ihn nicht! Und sie suchte. Sie suchte, seit sie heute Morgen sein Büro betreten hatte! Wenn er zu den Wahnsinnigen gehörte, die Muggel nur zu gerne folterten und ihnen Schmerzen zufügten, wieso hatte er sie eingestellt? War sie seine Therapie? War es ein Vorschlag von Madama Tallis gewesen, dass er es versuchte?

Diente sie als sein persönliches Nikotinpflaster, was er sich gönnte, wenn er das Gefühl verspürte, sein Zorn ging mit ihm durch? Wieso sah sie es ihm nicht an?

 

Sie wusste, er hatte sie in der Schule beleidigt, sie wusste das. Sie wusste, er hatte sie Schlammblut genannt, öfter als jeder andere. Sie wusste auch das.

Aber jetzt? Jetzt saß er vor ihr, in seinem teuren Ledersessel. In seinem schneeweißen zugeknöpften Hemd mit dem gestärkten Kragen, in dem dunkelblauen Jackett, was im Licht leicht schimmerte – und… ihr ging auf, er hatte etwas gesagt. Was hatte er gesagt? Die Akte sank in seiner Hand. Er hatte ihre Aufzeichnungen stumm gelesen, und langsam grub sich eine Falte in seine glatte, junge Stirn. Er sah nicht aus wie ein Wahnsinniger! Wieso nicht? Was tat sie hier? War sie in Gefahr, dass sie hier war?

 

Er war in Behandlung! Und war es möglich, dass er wegen einer völlig anderen Sache bei Madame Tallis war? Konnte er einfach ein ehemaliger Todesser sein, der… einfach nur in Behandlung war? Einfach nur wegen… Schlaflosigkeit? Vielleicht wegen… Bindungsängsten? Etwas weniger drastischem als… Muggelfolterei?

 

Sie schluckte, denn ihre Kehle war sehr trocken. Und… verflixt! Er legte die Aufzeichnungen nieder. Sie musste sich konzentrieren!

 

„Gibt es einen besonderen Grund, weshalb Sie mich seit fünf Minuten anstarren?“, fragte er jetzt höchst interessiert, und sie hoffte, ihr Makeup verdeckte die Röte in ihren Wangen. Und sie konnte dennoch nicht anders, als jede Sekunde mit einem Ausbruch zu rechnen, einer Peitsche, einem Fluch, egal! Immerhin schien er nicht mehr grundlos einfach nur zornig zu sein.

 

„Nein“, antwortete sie also und versuchte den Blick unverfänglich im Raum schweben zu lassen.

 

„Sagen Sie, was machen Sie Freitag?“ Er holte sie kurz aus ihrer endlosen Frageschleife in ihrem eigenen Kopf.


„Freitag? Freitag, diesen Freitag oder…?“

 

„Ja, diesen Freitag.“

 

Bat er sie um ein Date? War es das? Bat er sie aus? Wollte er ihr dann erzählen, weswegen er sie eingestellt hatte? Sollte sie ein Therapieerfolg sein? Würde sie ein kurzes Kleid anziehen, weil sie unterbewusst hoffte, dass er sie küssen würde? Sie schloss die Augen, um ihr flatterndes Herz zu beruhigen. Er fragte sie bestimmt, damit sie ja sagen würde, mit ihm essen zu gehen! Er hatte sie eingestellt, weil er Muggel mochte. Weil er sie anziehend fand. Sie befeuchtete ihre Lippen unbewusst mit ihrer Zunge. All ihre Ängste wurden erstaunlich klein, bei der Aussicht, dass Draco Malfoy sie fragte, ob sie mit ihm Freitag ausgehen wollen würde!

 

„Ja, sehr gerne!“, hauchte sie, und seine Stirn runzelte sich plötzlich. Und sie begriff, dass war keine Antwort auf die Frage, die er gestellt hatte. Sie räusperte sich, um ihre Verlegenheit zu überspielen. „Ich meine, ich… mache gar nichts. Für gewöhnlich mache ich nichts. Also… zumindest nicht… an diesem…“ Sie verteufelte sich innerlich. Merlin, was redete sie für einen Unsinn?!

 

„Ah…“ entgegnete er mit einem beinahe spöttischen Grinsen. „Dann würden Sie mich also begleiten?“ Begleiten? Zum Essen? Zum Date? Zur romantischen Mondfahrt auf seiner Yacht auf der Themse? Ja, würde sie! Sie war wieder einmal ein Einzeller. Ein ziemlich dummer.

 

„Begleiten, ich… ja.“ In ihrem Kopf hörte sie Geigen, schmeckte fast schon den italienischen, sündhaft teuren Rotwein, und sie hasste ihren Körper, der sie schamlos auslieferte an einen Todesser in Behandlung….

 

„Es ist zwar nur eine kleine Veranstaltung, aber bisher bin ich immer alleine erschienen, aber sie kennen ja alle Weasleys. Also dürfte es für Sie nicht weiter von Bedeutung sein.“ Seine Augen senkten sich wieder auf ihre Aufzeichnungen.

 

Stopp. Was?! Die romantische Musik in ihrem Kopf brach jäh, mit reißenden Saiten, ab.

 

Ahem, Mr Malfoy… ich… Weasleys?“, stellte sie völlig verblüfft ihre Frage, und er nickte, bevor er aufsah und umblätterte.

 

„Ja, die Weasleys. Percy Weasley bekommt vom Ministerium eine Ehrung verliehen für den neuesten Entwurf der Richtlinie der geeigneten Zauberstablänge. Sie schlagen vor, dass ich ein ganzes Essen hier mit diesem Unternehmen verbringe?“, fügte er mit gerunzelter Stirn im Bezug auf ihre Notizen hinzu, aber sie hörte gar nicht hin.

 

Percys Ehrung, oh nein! Nein! Das meinte er? Davon sprach er? Das war das Date zu dem er sie bat? Und ihr wurde klar, er hatte sie um gar kein Date gebeten. Es war keine Verabredung. Sie musste sich nicht darum sorgen, was sie anhatte, denn wahrscheinlich war es ihm völlig egal, würde sie im Catsuite oder im Kartoffelsack erscheinen! Merlin, Hermine!

 

„Oh“, erwiderte sie.

 

„Wir können uns um sechs in der Ministeriumhalle treffen“, schlug er vor, und es klang immer weniger wie eine Verabredung. Er hob die Augen zu ihrem Gesicht. Sie waren grau. Sie sahen sie wartend an. Und jetzt kam sie zum nächsten Problem.

 

„Ich… kann nicht.“ Und die Falten auf seiner schönen Stirn vertieften sich. Sie konnte nicht, weil sie Molly schon zugesagt hatte. Oder vielleicht… konnte sie. Wie er sie ansah. Merlin!

 

„Ich würde es Ihnen natürlich als Arbeitszeit berechnen, Miss Granger. Sie müssen Ihre Freizeit nicht für mich opfern“, führte er freundlicher aus. Sie zögerte. Wie sollte sie schaffen, mit Molly und den anderen da zu sein und gleichzeitig als Malfoys Assistentin? Und wie hoch waren die Chancen, dass es niemand herausfand?

 

Dann klärte sich sein Blick sehr plötzlich.

 

„Sie wollen nicht mit mir dorthin, richtig?“, erkundigte er sich ernster, und sie schüttelte sofort den Kopf.

 

„Ich, nein, das ist es nicht, ich-“

 

„Ich verstehe schon.“ Sein Blick senkte sich wieder. Sie biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich nicht wohl.

 

„Niemand weiß, dass ich für Sie arbeite“, verkündete sie nun kleinlaut. Sein Blick nahm wieder ein wachsames Interesse an, als er sie wieder ansah. Und das war also die Wahrheit. Na ja… sie hatte noch nicht viel weiter gedacht, als bis zu diesem Satz. Und es war dumm von ihr.

 

„Warum nicht? Ist der Job so eine Qual?“, wollte er wissen, und fast hoben sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Dann jedoch atmete er aus, und ehe sie antworten konnte, hatte er sich erhoben. „Nein, ich bin so eine Qual, habe ich recht? Deshalb würden Sie es nicht erzählen?“ Und wieder schüttelte sie nur den Kopf. Sie wusste nicht, wie er es wirklich aufnahm, aber manchmal hatte sie das Gefühl, sie erreichte nur zu schnell seine Grenzen.

 

„Nein, nein!“, war das einzige, was sie erst mal sagen konnte, denn mehr unbewusst, als wirklich bewusst, war sie vor ihm zurückgewichen. Er quittierte ihre Reaktion mit dem verengen seiner grauen Augen. Sie rang sich ein knappes Lachen ab. „Natürlich nicht. Ich…“ Er stützte seine Hände abwartend auf der Schreibtischplatte ab, überragte sie jetzt, und sie spürte wieder ihren gesamten Körper als unförmigen Klumpen, der nicht zu gebrauchen war, wenn er sie mit seinem hypnotisierenden Blick durchleuchtete.

 

Was er wohl dachte? Was er wohl wirklich dachte? Oder irrte sie sich komplett?

 

„Gut, dann…“, schloss er, die Stimme merklich kühler als zuvor.

 

„Wir treffen uns um sechs“, lenkte sie schnell ein und nickte heftig zur Bestätigung. Er atmete aus, schien weiter diskutieren zu wollen, aber sein Blick verfing sich auf seinem Kalender.

 

„Na gut. Wir müssen nicht weiter diskutieren. Ich habe einen Termin.“ Ihr Blick glitt automatisch zur großen Standuhr. Viertel vor zwei. Viertel vor zwei! Sein Termin. Er hinterfragte nicht, wer ihn gemacht hatte, wer ihn aufgeschrieben hatte. Hatte er nicht wenigstens ein bisschen Angst davor, dass sie wissen könnte, was er tat? Dass Madame Tallis bestimmt nicht unbekannt war? Nicht einmal für sie?

 

„Aber Sie wollen noch etwas sagen?“ Sie erschrak wieder. Sie hatte ihn wieder angesehen. Unverwandt. „Ist irgendwas mit meinem Gesicht?“ Er fuhr sich präventiv über die Wange, aber sie schüttelte nur wieder den Kopf. Nein. Sein Gesicht war perfekt. Sie hätte sich selber eine Ohrfeige verpassen können, dafür, dass sie das dachte. Er konnte schließlich nicht perfekt sein. Sollte sie es ihm sagen? Fühlte sie sich so unwohl, dass sie ihn unbedingt fragen musste? Er hatte keine Andeutungen gemacht, hatte sie nicht beleidigt, und eigentlich ging es sie nichts an! Aber wenn sie schon seine Termine machen musste, dann… es müsste sie etwas angehen! Wenn… sie Teil seines Plans war, natürlich nur. Merlin! Sie schloss verzweifelt die Augen.

 

„Wann sind Sie wieder da?“, krächzte sie, seine Fragen ignorierend, und er warf erneut einen Blick auf die Uhr. Er umrundete den Schreibtisch, und sie widerstand dem Drang, vor ihm zurückzuweichen. Er zog seinen dunklen Mantel über und schlug den Kragen hoch.

 

„In ungefähr einer Stunde“, gab er achselzuckend zurück, während er sie immer noch skeptisch bedachte.

 

„Nur eine Stunde sind Sie weg?“, entfuhr es ihr überrascht, denn sie dachte, Therapiesitzungen dauerten länger. Jetzt wirkte er misstrauisch. Sie biss sich auf die Zunge. Halt doch deinen Mund, Hermine! Frag ihn doch gleich, ob er schon mal wen gefoltert hat! Merlin!

 

Nur?“, wiederholte er spöttisch. „Bin ich Ihnen lästig?“ Aber sein Lächeln war zu durchschauen. Er hielt sie für merkwürdig, sie sah es ihm an.

 

„Nein“, flüsterte sie resignierend. Das war ja wunderbar gelaufen. Sie sah ihm wieder ins Gesicht. Und er schien ihre Züge zu studieren. Die Frage stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben: Was war los mit ihr?

Sie konnte es ihm nicht beantworten. Sie konnte nicht! Dann riss er sich von ihrem Anblick los.

 

„Bis später“, verabschiedete er sich von ihr, ohne sich noch einmal umzudrehen. Als er die Tür geschlossen hatte, schlug sie sich zornig die Hände vors Gesicht.

 

„Merlin, du bist eine dumme Gans!“, schalt sie sich, fuhr sich durch die Haare und wusste, viel mehr Misstrauen konnte sie wohl kaum erregen. Es war ihm völlig egal gewesen, wer den Termin notiert hatte. Vielleicht ging er einfach zu Madame Tallis, weil er… ein Sponsor war! Das könnte es sein! Vielleicht war er überhaupt kein Patient! Er kam ihr nicht einmal wie ein Patient vor! Und wie hoch waren die Chancen, dass er ihr lediglich Gold bezahlte, damit sie gerade eben ernsthaft kranken Todessern helfen konnte? Sein eigener Vater war schließlich in Askaban!

 

Draco Malfoy wirkte normal. Völlig fähig und erfahren. Ein Geschäftsmann. Nüchtern und berechnend. Nicht wie ein wahnsinniger Todesser! Nein.

 

Sie atmete aus und spürte, wie sie sich das erste Mal nach endlosen Stunden entspannte.

 

Bevor sie sich völlig beruhigt hatte, öffnete sich die Tür, ohne dass jemand klopfte. Sie zuckte zusammen, aber sie fing sich schnell.

 

Als wäre sie nichts weiter als Luft, sah sich Pansy Parkinson gereizt um.

 

„Wo ist er?“, fragte sie, ohne sie weiter zur Kenntnis zu nehmen. Hermine betrachtete die hohen roten Schuhe, den röhrenartigen, hoch geschnittenen schwarzen Rock und die weiße Bluse. Mit der Hand richtete sich Pansy die strenge, schwarze Frisur, und Hermine erkannte den knallroten Nagellack auf ihren Fingern. Ihr Lippenstift war ebenfalls rot wie Feuer.

 

„Wer?“, erwiderte Hermine in genauso arroganter Unhöflichkeit. Pansy schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln. Sie konnte als eine moderne Form von Schneewittchen durchgehen, überlegte Hermine. Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz, die Lippen, rot wie Blut. Ihre Haut weiß wie Schnee. Aber… dann wiederum war Schneewittchen nett, lebte mit sieben Zwergen unter einem Dach, und kleine Vögel halfen ihr morgens beim Anziehen. Bei Pansy konnte sich Hermine nur vorstellen, dass sie kleine Vögel morgens verspeiste, würden diese es wagen, sie in die enge, teure Pariser-Mode zu zwängen.

 

„Ich bitte dich“, erwiderte sie mit erhobener, gezupfter Augenbraue. Pansy strahlte etwas aus, das Hermine nicht näher ergründen wollte. Pansys Augen waren dunkel und bewerteten Hermines Erscheinung in weniger als zwei Sekunde. Aber Hermine hatte nicht vor, noch einmal nachzugeben. Sie war kein sabbernder Einzeller. Nicht gegenüber Pansy Parkinson. „Du bist zwar seine Tippse, aber dumm warst du doch nie.“ Pansy schritt abschätzend durch das Büro.

 

„Hatten Sie einen Termin?“ Hermine kannte sich mit Regeln aus. Und diese Regeln würde Pansy auch befolgen müssen.

 

„Oh, wir siezen uns also? Na gut, ich spiele euer krankes Spiel“, lachte Pansy jetzt. „Miss Granger, ich war mit Mr Malfoy verabredet. Um zwei Uhr“, gab sie mit zuckersüß giftiger Stimme zurück. Wieso war der Termin mit Pansy nicht in seinem Kalender eingetragen gewesen, überlegte sie sofort, und konnte nur annehmen, dass es kein berufliches Treffen war. Weswegen traf er sich mit Pansy? Hatte er… hatten sie…? Nein! Sie spürte einen eigenartigen Stich im Innern. Nein, sie wäre niemals eifersüchtig auf Pansy Parkinson! So weit käme es noch!

 

Mr Malfoy ist nicht hier“, gab sie also mit bemühter Gleichgültigkeit zurück, während sie die Akten auf dem Schreibtisch in strenger Ordnung zusammen schob. Pansy bedachte sie mit einem leicht amüsierten Blick.

 

„Und wo ist Mr Malfoy, wenn ich fragen darf?“

 

„Das ist keine Information, die Sie etwas angeht.“ Pansys getäuschte gute Laune verschwand.

 

„Ich hatte einen Termin, und ich werde nicht gehen, bis du mir nicht gesagt hast, wo er ist!“ Und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Dann muss ich Sie bitten, draußen zu warten.“ Sie deutete lächelnd mit der Hand zurück auf die Tür. Pansy schenkte ihr einen bösen Blick. Dann schüttelte sie leicht den Kopf.

 

„Warum bist du hier?“, fragte Pansy jetzt, mit ungläubig angedeuteten Falten auf der erstaunlich glatten Stirn. Hermine fragte sich plötzlich, ob Pansy bereits magisch behandelt war. Vorstellen könnte sie es sich. Das würde dann eher gegen die Schneewittchen-These sprechen, sondern die Rolle der bösen Königin bestätigen. „Was will er mit dir?“

 

Zuerst hatte sie gedacht, einen Therapieerfolg bewerkstelligen, aber jetzt wusste sie, er hatte sie wegen ihres Könnens angeworben. Und… eigentlich war sie befähigt, alle seine Klienten zu betreuen.

 

„Sagen Sie mir, um was es geht, dann kann ich Ihnen helfen.“

 

Du?“, wiederholte Pansy lächelnd. „Nein, danke.“

 

„Geht es um Gold?“ Sie wusste, Pansys Vater saß ebenfalls im Gefängnis. „Hatten Sie einen Deal mit Mr Malfoy, dass dieser Ihren Vater aus dem Gefängnis freikauft?“, wollte Hermine so trocken wissen, als sprächen sie über die derzeitigen magischen Aktienkurse. Pansys Arroganz verschwand aus ihrem Gesicht.

 

„Granger, ich würde es mir nicht erlauben, so mit mir zu sprechen, hast du verstanden?“ Und Hermine fragte sich plötzlich, ob vielleicht Pansy so eine Therapie benötigte. „Du sagst mir, wo Draco ist. Oder ich werde dich zwingen.“

 

„Mit was? Gewalt?“, wollte Hermine spöttisch wissen, aber Pansy betrachtete sie mit Verachtung.

 

„Was will er mit dir? Was tust du hier überhaupt?“, fragte sie leise, als sie schließlich näher kam, lautlos auf ihren endlos hohen Schuhen. Sie überragte Hermine um einen halben Kopf, Sie sah eindrucksvoll aus, Hermine gab es zu. Gefährlich, bösartig, aber eindrucksvoll. Ihr Duft war exquisit und traf Hermines Nase. Vielleicht etwas zu süß für ihren Geschmack.

 

„Wenn Sie mir nicht sagen wollen, was Sie möchten, dann bitte ich sie erneut, das Gebäude zu verlassen.“  Pansy verschränkte reichlich unbeeindruckt die Arme vor der Brust, während sie Hermine weiterhin musterte.

 

„Arme Granger…“, sagte Pansy plötzlich, mit beinahe glaubhaft echtem Bedauern. „Arme, arme Granger. Bist du in ihn verliebt?“ Hermine verzog angewidert den Mund, auf Grund Pansys unerträglicher Nähe.

 

„Raus hier oder ich rufe den Wachdienst!“, drohte sie jetzt zähneknirschend. Und Pansy lächelte wieder.

 

„Gib ihm das hier. Und nicht auspacken“, fügte sie mit ätzender Kleinkinderstimme hinzu, als sie ein schlichtes weißes Päckchen auf den glatten Schreibtisch legte. „Sag ihm, ich lasse mich nicht noch ein weiteres Mal von ihm versetzen. Und… viel Spaß noch“, fügte sie mit einem feinen, vielsagenden Grinsen hinzu. Hermine beobachtete mit Abscheu, wie Pansy endlich verschwand. Ihre Hände zitterten vor Wut.

 

Dann fiel ihr Blick auf das Päckchen. Es war flach, rechteckig und gab nichts preis. Es war so groß wie ihre Hand und konnte alles sein. Sie atmete zornig aus. Malfoy hatte sie gebeten für eine Gesellschaft die Formulare zur Übernahme bereit zu machen, nachdem sie vorgeschlagen hatte, sich persönlich mit dem Unternehmen für Hochsiedekessel auseinander zu setzen, weil man Klienten immer besser persönlich gewann, als mit einem unpersönlichen Vertreter.

 

Aber schon hatte sie sich dagegen entschieden und öffnete mit fahrigen Fingern das Paket. Sie zog die weiße Lasche hervor und lugte ins Innere. Darin befand sich nur ein Flakon.  Sie nahm ihn mit spitzen Fingern heraus. Die Flüssigkeit war klar. Der Flakon trug die Beschriftung Turbatikum. Sie versuchte, sich das Wort abzuleiten, aber sie kam nicht drauf.

Was war das? Und wieso hatte es Pansy? War es seins? War es ein Medikament? Was war es? Sie steckte es wieder zurück in das Paket und schob die Lasche zurück.

War das nicht ein bisschen zu einfach? Sollte es wirklich ein Medikament sein? Sie bezweifelte es. Es könnte alles Mögliche sein. Es könnte nicht mal seins sein!

 

Sie führte sich kindisch auf. Sie sah Gespenster, wo keine waren. So einfach war es.

Und sie war nicht verliebt. Pansy war diejenige, die ihr ziemlich eifersüchtig vorkam! Sie spürte wieder Hitze in ihren Wangen. Sie musste… ihren Freunden sagen, dass sie für Draco Malfoy arbeitete.

 

Heute Abend. Sie würde einen direkten Weg finden. Es war immer besser, komplett ehrlich zu sein, als dumme Geheimnisse aufrecht zu erhalten! Immer!

 

~*~

 

Sie sah sich fast panisch um. Molly hatte sie alle gezwungen, um halb sechs anwesend zu sein. Ron gähnte herzhaft. George stieß ihn in die Seite und deutete auf eine Reihe an jungen Frauen, die anscheinend zu irgendeiner Abteilung hier gehörten.

 

„Merlin, vielleicht ist es doch nicht so furchtbar langweilig“, murmelte George, während er einer hübschen Blondine ein Zwinkern schenkte. Diese wandte sich sofort ab.

 

Hermine unterdrückte ein Lächeln.

 

Jaah. Wenn wir nur nicht Percy zuhören müssten! Wo ist Harry?“ Ron war nur ein halber Mensch, ohne seinen besten Freund. Hermine wusste das.

 

„Noch nicht da“, erklärte sie, während sie es als Entschuldigung nutzte, sich hastig umzusehen. Sie hatte es irgendwie nicht direkt geschafft, den Weasleys zu beichten, dass sie für Draco Malfoy arbeitete. Nicht direkt, nein. Arthur kam zu ihnen geeilt. Er trug einen braunen Cordanzug, der schon wesentlich bessere Tage gesehen haben musste, nahm Hermine an. Aber er sah einfach viel zu freundlich aus, als dass sie gewagt hätte, eine entsprechende Bemerkung zu machen.

 

Und während sie ihre Freunde betrachtete, vermisste sie bereits sein Gesicht. Sie konnte das Gefühl nicht genau bestimmen, aber er war so unglaublich schön, dass es ihr tatsächlich physische Schmerzen bereitete, ihn nicht zusehen.

 

Und sie sah eine Rettung für diesen Abend! Ein Tablett mit Champagner schwebte an ihnen vorbei, und Hermine griff sich sofort ein Glas. Ron betrachtete sie neidisch. Er hatte George versprochen, er würde heute nicht trinken, damit sie Seit-an-Seit apparieren konnten, nachdem Ron beim Zauberstein verloren hatte, was diese beiden Kindsköpfe nur gespielt hatten, um fair zu entscheiden, wer heute trinken durfte.

 

„Du hast dich mächtig schick gemacht, dafür, dass Percy über Kessel spricht“, meckerte Ron jetzt und zog seinen Anzug gerade, der ihm eine Winzigkeit zu kurz saß. Weasleys hatten es nicht so mit Anzügen, stellte sie amüsiert fest, während sie einen erlösenden ersten Schluck trank.

 

„Zauberstäbe“, berichtete sie Ron automatisch.


„Was auch immer. Du bist zu schick. Oder willst du… daten?“ Er betonte das Wort, wie etwas Verwerfliches. Sie ignorierte seinen Seitenhieb. Es war Jahre her, dass sie selbst gedatet hatten, und sie würde sich mit Ron nicht über ihre Abendgarderobe streiten, die, wenn man für Draco Malfoy arbeitete, wahrscheinlich gerade mal angemessen war.

 

„Miss Granger?“ Sie erschrak sehr über Witherbys plötzliche Anwesenheit. „Würden Sie-“

 

„Ja, natürlich. Ich erzähle Ihnen gerne von der Flucht!“, sagte sie übertrieben fröhlich, und Ron sah sie verwirrt an. „Ein Fan“, fügte sie sehr leise hinzu, damit er verstand, und er schüttelte verwirrt den Kopf. Sie zuckte die Achseln und zog Witherby mit sich.

 

„Ist… alles in Ordnung?“, erkundigte sich dieser, und sie nickte, während sie hastig ihr Glas leerte.

 

„Alles bestens. Wirklich. Ist er schon da?“

 

„Nein, nein. Er kommt später. Er wurde aufgehalten. Ich habe gehört, Miss Parkinson hat Sie gestern… angetroffen?“, fügte er mit einem mitleidigen Blick hinzu. Und Hermine nickte. Anscheinend konnte keiner Pansy leiden, und sie mochte Witherby gleich umso mehr. Sie überlegte, ob sie ihn nicht einfach fragen könnte, ob Malfoy in Therapie war oder tatsächlich nur die Praxis mit Gold unterstützte, weil er sich für ehemalige Todesser einsetzen wollte. Aber… sie sah davon ab. Für heute.

 

„Ja“, erwiderte sie also knapp.

 

„Eine… spezielle Person“, entgegnete er mit vielsagendem Blick.

 

„Da haben Sie Recht, Witherby.“

 

„Also, ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass er wohl gerade erst pünktlich zur Rede erscheint. Nicht, dass Sie hier warten“, ergänzte er, und sie nickte lächelnd. Als ob sie wie ein verlorener Hund in der Eingangshalle warten würde. „Dann bis später, Miss Granger!“, verabschiedete er sich, und wieder erschrak sie, als jemand ihr den Arm um die Schulter legte.


„Was für ein Fang. Etwas schütteres Haar, und vielleicht… ein bis zwölf Jahre zu alt für dich, oder?“, erkundigte sich Harry grinsend, und sie atmete langsam aus.


„Dein bester Freund wartet schon auf dich“, informierte sie ihn kühl.

 

„Oh! Und meine beste Freundin nicht?“ Er zog einen Schmollmund, der nur zu schnell zum Grinsen wurde. Aber als sie das Lächeln erwiderte, spürte sie den unangenehmen Nachgeschmack des schlechten Gewissens in ihrem Bauch brodeln.

War jetzt der richtige Zeitpunkt, es ihm zu sagen? Wahrscheinlich… nicht.

 

„Hermine! Du hast dich so selten gemacht, diese Woche!“, beschwerte sich Ginny jetzt, die sich ebenfalls neben sie stellte. „Bist du noch sauer auf mich?“

 

„Nein, nein“, erklärte Hermine hastig.

 

„Lavender kommt auch“, fügte Ginny grimmig hinzu. Hermine warf einen Blick hinüber zu Ron, der begonnen hatte, Champagner zu trinken. Anscheinend musste Lavender nüchtern bleiben. Sie mochte Lavender nicht. Sie hoffte, sie käme zu spät  oder gar nicht und Ron müsste im Ministerium schlafen.

 

„Noch einen Champagner? Kann ich dir zusehen? Ich hasse diese Sache mit dem Alkohol“, meckerte Ginny jetzt.

 

„Die Sache, dass du nicht trinken darfst, wenn du schwanger bist?“, vergewisserte sich Harry nachsichtig, und Ginny schenkte ihm einen bitterbösen Blick.

Harry verzog sich, nachdem er ihr einen Handkuss zugeworfen hatte.

 

„Männer“, stieß Ginny verächtlich aus. „Bringen uns in so eine Lage und amüsieren sich dann wie Könige. Wieso siehst du eigentlich so gut aus?“, wechselte sie so schnell das Thema, wie nur Ginny es konnte. Hermine fühlte sich ertappt und blickte an dem schwarzen kurzen Kleid hinab. „Wen willst du beeindrucken? Percys Kesselgesellschaft?“

 

„Zauberstäbe“, korrigierte sie auch Ginny. „Und nein, ich will niemanden beeindrucken, danke sehr. Ich sehe für mich selber schick aus.“ Voller Neid betrachtete Ginny ihre hohen Schuhe.


„Ich werde in zehn Jahren solche Schuhe nicht mehr anziehen können! Ich hasse Harry!“, knurrte sie und warf einen überaus zornigen Blick in Richtung der Jungen. Ihr Bauch war wunderschön gewölbt, und das Kleid, das sie trug, brachte ihre Schwangerschaft anmutig zur Geltung. Sie sah einfach hinreißend aus, fand Hermine. Aber… natürlich sah es Ginny etwas anders.

 

„Wo ist eigentlich deine Mutter, die uns gezwungen hat, hier zu sein?“

 

„Vielleicht hat sie sich abgesetzt?“, mutmaßte Ginny. „Hat das Haus dann endlich für sich. Ganz allein. Ohne die Meute an einem Freitagabend. So würde ich es machen“, fügte Ginny mit einem Zwinkern hinzu. Hermine spürte es. Jetzt sollte sie es sagen. Sie sollte es Ginny jetzt sagen. Sie arbeitete für Draco Malfoy. Sie könnte es einfach sagen!

 

„Ginny“, begann sie zögerlich, doch es öffneten sich mehrere Türen, und eine Schar an Zauberern in förmlichen Roben betrat die Halle durch die Seitentüren.

 

So dick wie lang, so lang wie breit – 30 PW Maßeinheit!“, dröhnten zwanzig fröhliche Männerstimmen im Gleichklang zu ihnen hinüber, und Hermines Mund öffnete sich verdutzt. Einer trug einen magischen Banner, worauf die verhexten Buchstaben Gemeinschaft zur weltweiten Zauberstabsrichtlinien- Reform blinkten und blitzten.

 

„Oh, Merlin, wir hätten Georges Hologramm-Zeichner mitnehmen sollen“, brachte Ginny unter zurückgehaltenen Lachkrämpfen hervor, während Hermine hörte, wie die Jungen sich nur einige Meter weiter heiser lachend die Bäuche hielten.

 

„Hermine, vielleicht solltest du dich an Percy halten, mit seinen 30 PW dick wie lang!“, vernahm sie Georges Stimme, und sie verzog den Mund. Percys Brüder waren allesamt gehässig. Und es kostete sie viel Überwindung, nicht auch zu lachen. Percy freute sich zu sehr.

 

Und ein bekannter Duft traf ihre Nase. Sofort versteifte sie sich.

 

„Guten Abend, Miss Granger“, lächelnd rauschte Malfoy an ihr vorbei. Zu schnell, als dass sie sein Erscheinung im vollen Maße ausgiebig hatte wahrnehmen können.

 

„Er wünscht dir einen guten Abend? Hältst du sein Jackett immer noch als Geisel bei dir gefangen?“ Hermine ignorierte Ginnys Worte, betete wieder einmal, dass das teure Makeup hielt, was es versprach und sah zu, wie Malfoy zum Podium schritt. Einige Zauberer in schwarz folgten ihm unauffällig. Auroren. Natürlich nahm er Schutz in Anspruch.

 

„Willkommen zur Feier der Gemeinschaft der weltweiten Zauberstabsrichtlinien-Reform! Mein Name ist Draco Malfoy“, begrüßte Malfoy die Anwesenden. Hermine schätzte die Gesellschaft hier auf ungefähr hundert Leute. Alle applaudierten verhalten, bis auf die Richtliniengemeinschaft, die sogar johlte. „Ich habe seit einem Jahr in diese Reform investiert und bin mit dem Ergebnis höchst zufrieden.“ Es würde Hermine nicht wundern, würde Malfoy in die Hippogriefzucht Londons investieren. Oder in magische Toaster. Oder – egal was! „Aber ich will mich hier nicht lange aufhalten. Ich bin nur Sponsor, und begrüße Percy Weasley, der Mann, der der neuen Maßeinheit seine Initialen gegeben hat!“

 

Sie musste nicht lange raten, um zu wissen, dass wohl Harry und Ron gerade vor Lachen zusammen gebrochen waren. Percy schickte einen bösen Blick in die Runde, als er das Podium betrat, Malfoy die Hand schüttelte, und diesen somit ablöste.

 

„30 PW sind dreißig Percy Weasley“, flüsterte Ginny jetzt heiser, mit belustigter Erkenntnis in der Stimme. „Ich weiß nicht, ob das demütigend oder wirklich witzig ist.“ Sie schenkte Hermine ein anerkennendes Grinsen. „Du solltest dir Percy wirklich warmhalten, bei 30 PW.“ Und Hermine biss sich auf die Lippe. Nein! Sie würde sich nicht lustig machen! Nicht lustig machen!

 

Aber alle Gedanken daran starben, als sie erkannte, was Malfoy tat! Er kam auf sie zu, abgeschirmt von seinen Auroren, mit einer Selbstverständlichkeit, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie spürte, wie sie dringend ein neues Glas Champagner vertragen konnte. Aber es war kein schwebendes Tablett in der Nähe.

 

Oh nein.

 

Ginny hatte den Blick ihr zugewandt. Und sie spürte auch Ron und Harrys Blick von der anderen Seite, als sich Malfoy neben sie stellte. Ihr Herz schlug lächerlich laut. Sein schwarzer Smoking saß tadellos. Er wirkte wie immer. Gefasst, beeindruckend und völlig souverän.

 

Ihr wurde schlecht.

 

„Sie möchten bestimmt noch länger bleiben“, begann er leise ein Gespräch mit ihr, und Ginny hörte mit gespitzten Ohren zu. Und Hermine starrte ihn an. Entweder glaubte er, sie hätte ihren Freunden gesagt, dass sie für ihn arbeitete, oder es war ihm egal.

 

„Ich…“ Sie wusste nicht, ob sie länger bleiben oder sofort sterben wollte.

 

„Hermine, kann ich dich kurz sprechen“, unterbrach Ginny sie mit einem Blick auf Malfoy. Und ein Blick in sein Gesicht sagte ihr mehrere Dinge. Er hatte erkannt, dass sie es Ginny nicht gesagt hatte, und sie sah… dass er verschlossener wirkte. Vielleicht sogar… verletzt? Beleidigt? Oh Merlin!

 

„Wie ich sehe, haben Sie es Ihren Freunden nicht gesagt“, bemerkte er schließlich, und Hermine war sich sicher. Er war tatsächlich beleidigt.

 

„Was nicht gesagt?“, fuhr Ginny sofort dazwischen, so dass Percy sich auf dem Podium lauter räusperte, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Hermine spürte die Röte in den Wangen, aber sie wagte nichts zu sagen. „Sag mir nicht, dass du mit ihm ausgehst, Hermine?“, fügte Ginny hinzu, ohne auf Percy zu achten.

 

Ja, warum hatte Hermine nicht Ginny erzählt, dass für Malfoy arbeitete? Oh Merlin, weil es unmöglich war, so etwas zu sagen! Weil es absurd war, dass sie für Malfoy arbeitete. Absurder, als dass sie mit ihm ausging?

 

Absurder… als dass sie mit ihm ausging?!

 

Ihr Blick traf ihn. Sie konnte seinen Ausdruck nicht lesen, aber freundlich wirkte er nicht.

 

„Tut ihr das? Geht ihr aus?“, wiederholte Ginny gefährlich ruhig. Hermine knetete bereits ihre Finger. Sie wünschte sich, sie hätte noch den Zeitenumkehrer. Sie wünschte sich, sie hätte Malfoy nicht zugesagt, herzukommen. Sie wünschte sich, sie wäre niemals zum Koboldvortrag gegangen. Sie wünschte sich, sie würde ihn nicht attraktiv finden, und sie wünschte, sie hätte das Gespräch im Kamin auch niemals – niemals – angenommen!

 

Und nach einer endlosen Sekunde verdrehte Malfoy die grauen Augen und atmete aus. Er schien einen Entschluss zu fassen und setzte ein äußerst entwaffnendes Lächeln auf.

 

„Ja, Miss Granger und ich hatten eine Verabredung, Mrs Potter“, antwortete er anstatt ihrer, und sein kühler Blick versprach ihr eine lange Diskussion hiernach, die in ihrer Kündigung oder sonst irgendeiner Strafe enden würde. Ihre Hände kribbelten.

 

Oh Gott!

 

„Was?“ Ginnys Stimme war zu einem Flüstern verebbt. „Hermine, du…?“ Und Ginny wirkte so beleidigt wie Malfoy wirkte, dass sie nicht gesagt hatte, dass sie für ihn arbeitete. Und sie musste schnell nachdenken. Würde sie ihm jetzt auf die Zehen treten und behaupten, es wäre gelogen, und sie würde tatsächlich für ihn arbeiten, dann… würde es das auch nicht besser machen.

 

„Ja, ich… wir hatten…“ Sie konnte den Satz nicht beenden, aber das musste sie nicht. Ginny hatte vor Schreck den Mund geöffnet und schüttelte den Kopf.

 

„Das kann doch nicht…! Du bist mit ihm ausgegangen? Du hast es mir nicht erzählt? Luna hat also recht gehabt? Deswegen hast du dich so auffällig verhalten?“ Und Ginny schien es völlig egal zu sein, dass Malfoy sie hören konnte. Und Hermines Wangen wurden so heiß, wie das erste Mal, als sie Malfoys verflucht perfekten Hintern auf dem Koboldvortrag schamlos inspiziert hatte.

 

„Ginny, ich… erzähle es dir wann anders“, presste Hermine zwischen den Zähnen hervor. Percy hatte aufgehört zu sprechen.

 

„Wenn meine Schwester irgendetwas zu dieser Auszeichnung beitragen möchte, dann soll sie es ruhig hier oben laut sagen!“, vernahm sie Percys verstärkte Stimme über das Mikrophon. Ginny ignorierte Percy weiterhin, der schließlich gereizt seine Worte wieder aufnahm. Ginny schüttelte ernsthaft enttäuscht ihren Kopf und ließ Hermine stehen, als sie mit erhobenem Kopf in Richtung Harry marschierte.

 

Und Hermine wusste, sie hatte keine Minute mehr Zeit.

Heute würde sie es nicht regeln oder klären können.

 

Sie hob den Blick zu Malfoys Gesicht. Dieser sah sie mahnend an. Den Blick halb zornig, halb gereizt auf sie geheftet. Dieser schöne Mann war wütend mit ihr.

 

„Ich… will nicht bleiben. Ich werde gehen“, informierte sie ihn leise. Er nickte schließlich knapp.

 

„Ja, das werde ich auch tun.“ Und sie hörte hinter seinen Worten durchaus, wie wütend er war. „Ich denke, wir sollten reden, Miss Granger“, fügte er kalt hinzu. Oh Merlin! So wie er es sagte, klang es nach Punkteabzug, nach Strafarbeiten schreiben, nach… Züchtigung. Und sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug, als sie überlegte, ob es schlimm wäre, von Draco Malfoy bestraft zu werden, weil sie gelogen hatte. Sie biss sich unbewusst auf die Lippe.

 

„Es tut mir leid“, begann sie leise, als er sich in Bewegung setzte, und sie immer noch nicht aus den Augen ließ.

 

„Kommen Sie“, sagte er lediglich, ihre Worte ignorierend. Sie folgte ihm, und jedes Mal, wenn sie ihm zu nahe war, nahmen ihre Beine ein Eigenleben an, was mehr als tollpatschig und wenig elegant war. Die Auroren fielen in einen Gleichschritt neben ihnen, und sie wandte den Kopf halb zurück. Harry und Ron sahen ihr nach. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern glich einem Schock, als würde die Quidditch-Saison dieses Jahr ausfallen. Hastig wandte sie den Blick wieder nach vorne, bevor sie Harry solange ansah, dass dieser sich gezwungen sah, hinter ihr her zustürmen, um sie zu schütteln und so weit wie möglich von Draco Malfoy zu entfernen.

 

Vorsichtig sah sie ihn von der Seite an, bemüht, nicht zu stolpern.

 

Mr Malfoy, ich-“

 

„Nicht jetzt“, unterbrach er sie so scharf, dass sie zusammen zuckte beim Schritt halten. Seine Stimme klang ausnahmslos wütend, und erschrocken senkte sie den Blick.

 

„Ich möchte wirklich-“

 

„Miss Granger, nicht jetzt!“, wiederholte er gepresst, und sie erkannte, dass er tatsächlich wütend war. Auf sie! Sie fühlte sich wirklich schlecht, wirklich schuldig, und er bog plötzlich ab. Die Auroren folgten ihm unbeeindruckt und sie hielt Schritt.

 

„Eine Minute!“, befahl er barsch in Richtung Auroren, ehe er in einer sehr plötzlichen Geste ihr Handgelenk umfasste, und sie durch eine Tür bugsierte, die er wütend geöffnet hatte. Die Auroren blieben ausnahmslos alle schweigend stehen. Er zog sie in den Konferenzraum der untersten Etage und schloss zornig die Tür hinter sich. Er fuhr sich mit beiden Händen durch die blonden Haare, ehe er sie fest ins Auge nahm.

 

Und ihr Herz machte einen Satz. Er war wieder der wütende Draco Malfoy, vor dem sie schon einmal Angst gehabt hatte.

 

„Ich möchte mich nicht wiederholen, deswegen passen Sie bitte genau auf!“, begann er, die Stimme tief und ruhig und angespannt. „Ich glaube nicht, dass ich es nötig habe, vor Ihren Freunden zu lügen, meine Arbeit oder meine Angestellten zu verheimlichen“, fuhr er fort, und sie nickte sofort. Natürlich hatte er es nicht nötig! Daran lag es doch auch gar nicht!

 

„Ich weiß, ich-“

 

„Ich möchte nicht von Ihnen unterbrochen werden, wenn ich rede!“, entfuhr es ihm zornig. Sie schwieg abrupt. „Ich will auch keine romantische Liaison erfinden, damit Sie eine Ausreden haben, Ihren Freunden Ihre Arbeit zu verheimlichen!“, ergänzte er mit einem Knurren. Dann öffnete er den Knopf seines Smokings, und sie erkannte wieder den steifen Kummerbund und das schneeweiße Hemd.

„Ich weiß nicht, ob Sie mich verstanden haben, Miss Granger. Es mag Ihnen nicht klar sein, aber ich habe Macht und genügend Auswahlmöglichkeiten, was meine Angestellten betrifft. Ihre Arbeit sollte Ihnen weder unangenehm, noch peinlich sein. Ansonsten muss ich Sie entlassen. Haben wir uns verstanden?“, schloss er grollend, und sah sie weiterhin unentwegt an. Sie schluckte schwer. Sie spürte sogar die ersten Tränen aufsteigen.

 

Und sich zu beherrschen fiel ihr schwerer als alles andere. Und alles, was sie wirklich denken konnte, war, dass sie sich geirrt hatte. Er hatte sie nicht einmal auf ihr Kleid angesprochen. Auf ihre Frisur, bei der sie so viel Zeit wie noch nie in ihrem Leben angewandt hatte! Die weichen, frisierten Wellen hatten zwei Stunden ihrer Zeit gekostet! Das Makeup, die Schuhe, das Kleid! Sie hatte ihre Beine gewachst und kam sich lächerlich vor!

 

Er wollte sie als Angestellte. Er wollte sie als… Angestellte. Und ungeduldig entfuhr ihm ein Atemzug. „Sie lassen mich auf Ihre Antwort warten?“, erkundigte er sich gefährlich ruhig, und sie schüttelte erschrocken den Kopf.


„Ich, nein… - ich habe Sie verstanden, Mr Malfoy“, brachte sie heiser hervor. Ihr Blick fiel. Sie wollte ihn nicht ansehen. Er schien sich nur schwer beruhigen zu können. Wo war ihre Schulzeit hin? Jetzt lockerte er sogar seine Fliege und öffnete den ersten Knopf seines Hemds. „Ich… ich hatte Ihnen gesagt, dass meine Freunde es nicht wissen“, flüsterte sie jetzt. Sein Kiefermuskel spannte sich an.


„Ich nahm an, das hätte sich geklärt. Und es muss auch nicht meine Sorge sein, wenn Sie sich schämen, oder irre ich mich, Miss Granger? Hätte ich….“ Er beendete den Satz nicht, ließ ihn im Raum hängen, und sie knetete erneut unbewusst ihre Finger, biss sich auf die Unterlippe und zählte die unangenehm, brutal endlosen Sekunden, die er brauchte, um seine Fassung zu gewinnen. „Ich habe es nicht nötig, mich vor irgendwem zu schämen oder zu verstecken“, informierte er sie mit ernstem Blick.

 

„Nein“, räumte sie sofort ein. Und sie wollte sich nicht mit ihm anlegen.

 

„Ich war mir sicher, ich gebe Ihnen eine gute Chance. Eine gute Aussicht. Einen Job, der Sie fordert, bei dem Sie Spaß empfinden und der Ihnen mehr Möglichkeiten bieten sollte als in schmutzigen Mienen nach Gold zu suchen!“, fuhr er gepresst fort. Sie nickte erneut. Ja, er hatte ja recht mit all seinen Behauptungen! Merlin, noch mal.

 

„Sie haben Recht. Die Anstellung bei Ihnen ist mehr als jemand ohne wirtschaftliche Berufserfahrung überhaupt bekommen sollte. Es ist nur…“, begann sie zögerlich, ignorierte die Hitze in ihren Wangen und nutzte den Moment, indem er sich anscheinend noch nicht dazu in der Lage sah, das Zimmer zu verlassen. Ihr Blick löste sich von ihm und glitt hilfesuchend durch den Raum. Nur die Notbeleuchtung war an. Das Licht war gedimmt im Konferenzraum, und die Einrichtung aus schwarzem Leder und Chrom reflektierte das gelbliche Licht.

 

„Nur was?“, rang er sich anscheinend gezwungen ruhig ab.

 

„Nur dass…“, setzte sie erneut an und er wartete ungeduldig. Schön, dann sagte sie es halt! „Es wirkt möglicherweise eben unprofessionell, dass ich für Sie arbeite.“ Sie hatte es gesagt, und seine Stirn legte sich ablehnende Falten.

 

„Unprofessionell, dass ich Sie eingestellt habe?“, wiederholte. „Wollen Sie mir unterstellen, ich hätte-“

 

„Nein, nicht Sie“, unterbrach sie ihn fast gereizt. „Dass ich Ihnen zugesagt habe“, klärte sie ihn auf. „Ich meine, ich kenne Sie nicht, und… und…“ Sie hob verzweifelt die Hände. „Es sieht eben einfach danach aus, als hätte ich mich von Ihrem Äußeren blenden lassen, Merlin noch mal!“, gestand sie ihm ein und war felsenfest entschlossen Kindlings magische Kosmetikprodukte zu verklagen, würde die Röte ihrer Wangen jetzt unübersehbar sein!

 

Und er hob überrascht eine Augenbraue. Sie wanderte langsam und äußerst skeptisch nach oben, während er sie weiterhin betrachtete.

 

„Und? Haben Sie das?“, fragte er schließlich, die Stimme wieder merklich ruhiger.

 

„Was?“, wagte sie zu entgegnen, und er seufzte auf.

 

„Sich von meinem Äußeren blenden lassen?“, wiederholte er langsam ihre Worte. Ihr fiel das Gespräch wieder ein, was sie als sie selbst mit ihm auf der Straße am frühen Morgen geführt hatte. Wo sie ihn beleidigt hatte, wo sie ihrer ganzen Wut Luft gemacht hatte.


„Ich… nein“, gab sie zurück. Und das war eine Lüge. Allein wie er jetzt vor ihr stand. Groß, sexy und eindrucksvoll. Er musterte sie immer noch skeptisch.

 

„Das sollte nämlich wirklich keine Grundlage für unsere geschäftliche Beziehung sein, Miss Granger“, erläuterte er ernst, und sie senkte wieder den Blick. Was wollte er eigentlich von ihr? Sie hatte doch zugesagt! Sie arbeitete doch für ihn! Er hatte sie doch überredet! Sie hatte sich noch nie anders als professionell verhalten! Abgesehen davon, dass sie mit aller Macht versuchte, jeden Tag verführerisch auszusehen. Merlin, sie war so dumm!

Und jetzt, wo sie wusste, dass er sie nicht wollte, sie nicht einmal mit einem Gedanken jemals so betrachtete, hob sich ihr Blick erneut, und die Frage verließ ihren Mund, ehe sie weiter darüber nachgedacht hatte.

 

„Was ist ein Turbaktikum?“

 

Und es geschah alles in nur einer Sekunde. Es war als fiel seine Fassade. Sein Mund öffnete sich perplex. Seine Pupillen verengten sich, und er war näher gekommen. Er hatte den Abstand zu ihr geschlossen, ohne dass sie hätte sagen können, wann er überhaupt angefangen hatte, loszugehen. Sie schluckte schwer, als er nun vor ihr stand. Groß und angsteinflößend.

 

Als müsse er sich fassen, als müsse er neuen Fokus gewinnen, hatte er den Blick in einer knappen Kopfbewegung von ihr abgewandt, fixierte keinen bestimmten Punkt neben ihr an der Wand, und sie sah, wie sich sein Kiefermuskel angespannt bewegte. Er schloss die Augen, als würde ihn eine plötzliche Qual erfassen. Es verging ein kurzer Moment. Als er die Augen öffnete traf sie sein kalter Blick.


„Betrachten Sie Ihre Probezeit als vorbei, Miss Granger. Sie sind entlassen.“

 

Ihr Mund öffnete sich geschockt, und sie starrte ihn an. Nein! Nein, das konnte er nicht sagen! Das konnte er nicht! Er hatte den Blick von ihr abgewandt, und bevor sie nachdenken konnte, hatte sie seinen Arm ergriffen.


„Ich… es tut mir…“, fing sie an, aber sein zorniger Blick traf sie tausendmal schärfer als zuvor.

 

„Sie haben meine Pakete geöffnet?“, entgegnete er lediglich, und sie spürte heiße Schuldgefühle aufkochen. Aber etwas viel wichtigeres kristallisierte sich genau jetzt vor ihrem inneren Auge. Sie ließ seinen Arm nicht los.

 

„Ist ein Turbatikum wichtig im Rahmen Ihrer Therapie bei Madame Tallis?“, fragte sie jetzt mit brüchiger Stimme, mit zitternden Fingern, und sein Ausdruck wurde kalt.

 

„Lassen Sie mich los“, erwiderte er gefährlich ruhig.

 

„Sie denken nicht, dass Sie es mir hätten sagen müssen?“ Seine Augen weiteten sich bei dieser Behauptung, und er entzog ihr seinen Arm in einer schnellen Bewegung.

 

„Sie bilden sich eine Menge ein! Sie wollen über meine Therapie aufgeklärt werden, Miss Granger? Und Sie denken, Ihnen steht ein Recht darauf zu?“, fügte er knurrend hinzu, und ihr Herzschlag brach Rekorde in ihrer Brust. „Sie haben den Termin gemacht, nehme ich an“, ergänzte er nickend. Und plötzlich wurde sie panisch.


„Bitte, entlassen Sie mich nicht!“, entfuhr es ihr leise. Seine Augen verengten sich. „Ich will nicht von Ihnen entlassen werden, Mr Malfoy!“, bat sie jetzt und kam sich lächerlich vor. In dem kurzen Kleid, was ihn nicht beeindruckte. Geschminkt wie ein Superstar, mit einer Wallemähne, die er nicht bemerkte.

Er schloss die Augen und fuhr sich mit der Handfläche über sein Gesicht. Ihn nicht mehr zu sehen war plötzlich schlimmer, als zu wissen, dass sich ihre Vermutungen über seine Therapie als wahr bestätigt hatten.

 

Plötzlich lächelte er. Mehr als verzweifelt.

 

„Ich kann Sie nicht küssen“, erwiderte er und fixierte sie jetzt. Ihr Herz machte einen Satz. Was? Und Merlin… warum nicht? Aber das hatte sie doch gerade überhaupt nicht von ihm verlangt!

 

„Ich… ich… - entlassen Sie mich einfach nicht!“, ignorierte sie seine Worte. Und sie würde sich später dafür umbringen, dass sie Draco Malfoy wie eine Ertrinkende festhielt und bettelte!

 

„Ich habe keine Beziehungen. Nicht mit Angestellten, nicht mit Bekannten, nicht mit… mit niemandem!“, klärte er sie ernsthaft auf. Sie hörte ihn, aber sie schüttelte einfach nur den Kopf. Sie wollte nicht hören, was er sagte.

 

„Nein! Ich habe überhaupt nicht-“ Aber plötzlich hob sich seine Hand zu ihrem Gesicht. Sie verstummte gänzlich. Sein warmer Daumen strich über ihre Haut, und sie hielt den Atem an. Schließlich fuhr er über ihre Oberlippe, dann ihre Unterlippe, so dass diese von seinem Daumen geöffnet wurde und wieder zurückfuhr. Sein Zeigefinger legte sich unter ihr Kinn, und er fasste sie näher ins Auge. Seine unglaublich grauen Augen. Sein unglaublicher Duft. Er schloss die Augen, und eine verzweifelte Träne rang sich aus ihrem Augenwinkel. Sie fiel auf ihre Wange, und er öffnete die Augen wieder. Er war so unglaublich schön, dass sie weinen musste, und sie betete, dass er sie nie wieder loslassen würde.

 

„Sie wissen, ich habe Sie nicht wegen Ihrer Fähigkeiten eingestellt, oder?“, fragte er jetzt leise, und wieder machte ihr Herz einen Satz. Hatte er nicht? Oh…! „Aber es wäre dumm, mich auf irgendwas einzulassen, was ich nicht kann. Verstehen Sie das?“, vergewisserte er sich, aber sie verstand kein Wort mehr. „Alles, was ich bisher hatte, war bedeutungsloser Sex. Mit bedeutungslosen Frauen“, fuhr er leiser fort. Dass er ihr das erzählte! Aber alleine seinen Mund zu sehen, wie er das Wort Sex sagte, war fast zu viel.


„Ok“, hauchte sie nur, während sie ihn anstarrte. Kurz zuckten seine Mundwinkel.


„Nein, absolut nicht ok. Laut meiner Therapeutin absolut nicht ok“, erwiderte er kopfschüttelnd. Aber ihr Unterleib zog so schmerzhaft, sehnte sich viel zu sehr nach seiner Berührung, dass es ihr egal war. „Es wäre nicht… ich hatte nie…“, murmelte er jetzt, aber sie verstand seine Worte nicht. Es war ihr egal! Der sabbernde Einzeller wurde wahnsinnig in ihrem Innern. Seine Nähe war toxisch. Sie konnte kaum denken. „Es wäre ein absoluter Fehler, verstehen Sie nicht?“, fügte er lauter hinzu. Sein Ausdruck war so gequält.

Sie begriff. Sie fügte ihm Qualen zu. Sie hasste dieses Gefühl. Ihr Blick senkte sich, sie machte sich frei von seiner Berührung.

 

„Miss Granger“, begann er wieder, wieder hielt sie seine Stimme auf. Verzweifelt, rau und unglaublich sexy. Sie hasste sich selber. Was weckte er nur in ihr, das sie so reagieren ließ? Sie hob ihren Blick. „Ich bin nicht stark. Ich bin schwach. Ein gottverfluchter Feigling“, ergänzte er hastig, zusammenhanglos, und sie verstand kein Wort, schüttelte bloß den Kopf, damit er nicht mehr sprach, damit sie gehen konnte, damit… „Ein Arschloch, ein Wichser, all das, was Sie von mir denken, ist wahr“, setzte er leise mit einem warnenden Blick aus seinen grauen Augen hinzu. Sie sah ihn an. Ihr Mund hatte sich geöffnet, unsicher, ob sie sprechen sollte, sterben sollte, weinen sollte, rennen sollte! Fliehen vor ihm und seiner seltsamen Ausstrahlung. Ihr Herz schlug unglaublich schnell.

 

Und sie fühlte, es war zu spät. Etwas zwischen ihnen lud sich auf. Es knisterte vor Energie, und sie schüttelte zaghaft den Kopf.


Mr…“

 

Doch seine Augen waren dunkel geworden, er war näher gekommen und sah nicht mehr aus wie der souveräne Gentleman. Oh Merlin! Nein, er sah aus wie purer Sex!

 

„Scheiß drauf!“, knurrte er, während er sich in nur einer Bewegung gegen sie lehnte, mit der Hand fest in ihre Haare griff und seine Lippen auf ihren lagen. Es war so schnell passiert, dass sie gar nichts tun konnte, außer innerlich zu explodieren! Ihr Herz raste, als er schmerzhaft an ihren Haaren zog, um ihr Gesicht näher an seins zu bringen, mit seinen Lippen ihre teilte und seine Zunge mit einem verlangenden Grollen zwischen ihre Lippen glitt. Sein Arm schlang sich um ihre Taille, und sie krachten gegen die Wand des Konferenzraums.

 

Oh Merlin!

 

Ihre Zunge begegneter seiner, denn sie hatte keine Chance. Sie war ihm regelrecht ausgeliefert, und ihre Hände lagen nutzlos auf seiner Brust. Es war absolut unglaublich, und es war genauso wie sie es seit Wochen träumte! Sie spürte seine Erektion deutlich durch den dünnen Stoff ihres Kleides, und er stöhnte unbeherrscht in ihren Mund, während er seine Hüfte fest gegen sie presste.

 

Kaum hatte sie die Hände unbewusst zu seinen Haaren gehoben, löste er den Griff um ihre Taille und aus ihren Haaren, um ihre Handgelenke abzufangen, sie hart gegen die Wand neben ihren Seiten zu pressen, und sie lehnte sich gegen ihn, völlig überwältigt, während er den Kuss nicht unterbrach. Sie war ihm völlig ausgeliefert und… hilflos. Er löste seine Lippen von ihren, und sie hätte vor Enttäuschung fast aufgeschrien. Sein Mund küsste eine Spur ihren Hals hinab, verharrte über ihrem Schlüsselbein, und würde er sie nicht halten, wäre sie bereits ohnmächtig.

 

„Dieses Kleid…“, vernahm sie seine raue Stimme gegen ihre Haut, und es verursachte ihr eine Gänsehaut am gesamten Körper, „ist nicht gerade dazu gemacht, mich aufzuhalten, Miss Granger“, brachte er heiser hervor. Und Dank Merlin, nein! Sie schämte sich fast darüber, wie froh sie war, dieses Kleid angezogen zu haben! Wie sehr sie ihn wollte war einfach schamlos! Er löste die Hände von ihren Handgelenken, und hob wieder den Blick zu ihr. „Lassen Sie die Hände an der Wand, Miss Granger“, befahl er rau, und sie nickte, unfähig zu sprechen. Während er sie ansah, schob er die Träger ihres Kleides federleicht ihre Schultern hinab. Sie hielt die Luft an. Sie trug keinen BH. Das Kleid war eng und rutschte ihr somit nicht über ihren Busen, aber es fehlte nicht wirklich viel. Und… sie schämte sich nicht einmal! Merlin…! Sie atmete heftig, und ihre Brust hob und senkte sich in ungleichen Abständen.

 

Seine Hand wanderte über ihren Bauch, tiefer hinab zum Saum des Kleides. Es musste leicht in die Knie gehen, um ihn zu heben, und seine Finger strichen über ihren Oberschenkel. Sie schluckte schwer, wollte die Hände zu seinem Gesicht heben, aber er hielt inne.

 

„Hände an die Wand! Das ist ein Befehl!“, knurrte er, und erschrocken, ließ sie die ausgestreckten Finger an der Wand, als wären seine Worte ein Spruch, der sie dazu zwang. Aber ein Blick in seine hungrigen Augen, ließ sie wohl alles tun, was er von ihr verlangen würde, stellte sie schockiert fest. Seine Finger wanderten höher über ihren Oberschenkel, glitten nach innen über ihre weiche Haut, bis sich sein Zeigefinger unter den String ihres Höschens hakte. Seine Augen fixierten sie, und mit einer viel zu schnellen Bewegung, riss er am String. Sie hörte das Reißen der Seide, und zuckte zusammen, während sie ihre Hände gegen die Wand presste. Er hatte ihr Höschen zerrissen, Merlin!

 

Er schloss den Abstand zu ihr übergangslos, presste seine Lippen erneut auf ihren keuchenden Mund, während seine Erektion sich mittlerweile steinhart gegen ihren Bauch drückte. Oh Merlin, oh Merlin! Seine Zunge fand den Weg in ihren Mund. Erbarmungslos, zielsicher, und das Blut rauschte in ihren Ohren, während sie ihn zurückküsste, mit voller Verzweiflung und unglaublicher Lust. Ihre Hände hielt sie weiterhin gegen die Wand gepresst. Seine Hand hob sich zu ihrer Brust. Sein Daumen strich über ihre Brustwarze, die sich sofort aufrichtete. Sie keuchte in seinen Mund, und seine Zunge massierte ihre nun heftiger als vorher.

 

Es war unerträglich! Seine Qual war einfach unglaublich! Sein Daumen rieb weiter über ihren harten Nippel, und sie lehnte sich fast ungeduldig gegen ihn, ohne ihre Hände von der Wand zu bewegen. Er strahlte eine unheimliche Macht aus, und sie hatte so etwas noch nie gespürt, war noch nie so geküsst worden, und es machte ihr Angst!

Dann löste er sich von ihr, küsste noch einmal sanft ihre Lippen, ehe er mit beiden Händen das Kleid über ihre Brüste zog. Es sah jetzt nur noch aus, wie ein schmaler Rock. Und sie konnte den Blick von seinem Gesicht nicht abwenden. Er war so unglaublich sexy, so unglaublich schön.

 

„Fuck“, hörte sie ihn murmeln, und er konnte den Blick nicht von ihren Brüsten wenden. Er neigte den Kopf und saugte ihren harten Nippel in seinen Mund. Ein kehliger Laut verließ ihre Lippen, und er saugte härter. Ihre Hände lösten sich von der Wand, nur um sich in seine dichten Haare zu krallen. Er löste sich von ihr und sah sie wieder an. „Miss Granger, lassen Sie Ihre Hände an der Wand!“ Und es klang viel zu sexy, als dass sie seine Worte hinterfragte, sie anzweifelte oder überhaupt analysierte. Hastig lagen ihre Hände wieder an der Wand neben sich.

 

Sie war unglaublich feucht! So unglaublich bereit, und… dann fiel er vor ihr auf die Knie. Oh Merlin! Nein! Er hob ihren Oberschenkel an, legte ihn über seine Schulter, und ihre Finger krallten sich in die Wand hinter sich. Das war etwas, was noch nie jemand bei ihr gemacht hatte, und die Röte stieg ihr in die Wangen. Eine unglaubliche Hitze! Sie schämte sich jetzt gerade. Aber sie wagte nicht, Bedenken zu äußern! Denn sein Blick hob sich. Und wie er sie ansah! Von unten, zwischen ihren Beinen war einfach unglaublich! Seine Mundwinkel hoben sich unglaublich kurz, ehe er sprach.

 

„Schließen Sie die Augen, Miss Granger“, befahl er rau, und ihr Mund öffnete sich. Sein Ausdruck ließ keine Verhandlung darüber zu, und ergeben schlossen sich ihre Augen, während ihr Kopf an die Wand hinter ihr fiel. Sie schluckte schwer. Sie war so gut wie komplett nackt! Und komplett gewachst! Was für ein Glück, war alles, was sie noch denken konnte, ehe sein Daumen über ihre geschwollene Klitoris rieb. Sie keuchte erschrocken auf. Heftig formte sein Daumen Kreise, und als es fast unangenehm unerträglich wurde, glitt ein Finger in sie. Sie beugte sich ihm entgegen, soweit sie konnte, mit den Händen an der Wand, und unterdrückte ein weiteres Keuchen. Oh verflucht!

 

Schon schob er einen zweiten Finger in sie, und dann spürte sie, wie er ihre Klitoris in seinen heißen Mund sog. Sie biss so fest die Zähne zusammen, um nicht zu schreien vor Lust. Er entfernte die Finger aus ihr, und seine Zunge schnellte vor, um ihren Eingang zu umzirkeln. Sie würde doch ohnmächtig werden! Sie hielt die Augen schmerzhaft fest geschlossen. Kurz glitt seine Zunge in sie, während sein Daumen wieder ihre Klitoris massierte. Wieder glitt seine Zunge in sie, und sie spürte es, spürte wie es sich aufbaute, wie sie gleich nicht mehr können würde! Er zog sich zurück, stieß drei Finger hart in sie, und saugte ihre Klitoris ein letztes Mal grollend in seinen Mund, während sie zitternd mit einem unterdrückten Stöhnen kam! In seinem Mund! Merlin, oh Merlin! Verflucht!

Sie zitterte über ihm, während er ihr Bein wieder auf den Boden stellte. Sie spürte, wie er sich aufrichtete, und träge flatterten ihre Lider auf.  Sein Ausdruck war ihr nicht zu deuten. Er wirkte ruhig. Sie atmete heftig mit offenem Mund.

 

Und er tat etwas Unerhörtes! Sie spürte sofort die Röte wieder in ihren Wangen, denn er leckte sich anzüglich über seine vollen Lippen. „Sie schmecken so, wie ich es mir vorgestellt habe“, klärte er sie auf, und sein Blick war so hungrig, so verrucht, dass ihr Herz wieder einen Satz machte. Wie er es sich…? Er hatte es sich vorgestellt? Oh, Merlin! „Sie können die Wand loslassen, Miss Granger“, informierte er sie ruhig, mit einem schmalen Lächeln. Zitternd löste sie die feuchten Hände von der Wand. Und sie wusste, er hatte sie befriedigen wollen. Sie hatte gedacht, er würde mit ihr schlafen, sie hätte ihn auch gelassen – oh Merlin, ja, das hätte sie – aber sie zog die Träger ihres Kleides wieder über ihre Schultern, richtete ihr Kleid und nahm an, sie sah aus… als wäre sie gerade gekommen! Im Ministerium! In einem Konferenzraum! In Draco Malfoys Mund, mit einer Horde Auroren vor der Tür! Oh Merlin…!

 

Er schloss den obersten Knopf seines Hemdes, richtete seine Fliege, und wirkte kaum anders als vorher. Seine Augen waren noch dunkel. Nur sein überlegener Ausdruck verriet ihr, dass sich etwas geändert hatte. Etwas Entscheidendes. Sie wusste Bescheid.

Über ihn. Er hatte ein Geheimnis, und sie wusste immerhin ansatzweise Bescheid. Und… kurz überkam sie Angst. Aber nur für eine laue Sekunde. Er fuhr sich durch die Haare und wirkte viel ruhiger. Viel… gelassener. Anders als vorher. Anders als in allen Tagen vorher.

 

„Am besten, Sie bleiben noch. Klären Mr Potter und Mr Weasley über Ihre Arbeitssituation auf. Und… ich sehe Sie am Montag. Pünktlich“, fügte er mit erhobenen Augenbrauen hinzu.

 

Ihr Mund hatte sich perplex geöffnet. Er wollte, dass sie noch blieb? Jetzt? Nachdem sie gekommen war? Ohne ihren Slip? Sie sollte Harry und Ron sagen, dass sie für ihn arbeitete? Dann war sie wohl nicht gefeuert, überlegte sie dumpf.

 

„Und das hier…“, fügte er lapidar hinzu, während er den nächsten Schritt zur Tür machte, „bleibt unser kleines Geheimnis, Miss Granger“, schloss er mit einem Lächeln. Er legte die Hand auf die Türklinke. Er hielt inne, hob den Blick zu ihrem Gesicht erneut, und seine Zähne gruben sich in seine Unterlippe, als er sie betrachtete. Sein Blick wanderte kurz über ihren Körper. Und es lag keinerlei Ablehnung darin. „Das war es doch, was sie wollten?“, fragte er mit einem überlegenen Lächeln. Und die Röte musste ihre Wangen sprengen.

 

Sie wollte ihn. Sie wollte ihn tatsächlich. Ihr Mund öffnete sich, und sie schluckte schwer. Lächelnd öffnete er schließlich die Tür und verließ den Konferenzraum. Sie war beinahe froh, dass sie nicht mit ihm kommen musste. Was mussten die Auroren denken? Und zahlte Malfoy so gut, dass sie es Harry nicht sagen würden, dem Leiter der Aurorenabteilung? Kurz nagte das Gewissen an ihr, aber… die Wellen ihres Orgasmus‘ überschatteten alle Gewissenbisse und Schuldgefühle. Für jetzt.

 

Sie spürte, wie sich ihre Mundwinkel hoben. Und sie wusste, wahrscheinlich war es ein Fehler gewesen. Aber… fühlte sich ein Fehler so gut an? Konnte sich ein Fehler wirklich so gut anfühlen?

 

 

Kapitel  8

 

Seine Finger trommelten auf der Sofalehne. Abwesend scannten seine Augen die Leitartikel des Magischen Kuriers vor ihm auf dem niedrigen Glastisch. Dann öffnete sich die Tür.

 

Mr Malfoy“, begrüßte ihn Madame Tallis und nahm ihm gegenüber im Sessel Platz. „Wie war ihr Wochenende?“ Er nickte daraufhin.

 

„Gut“, schloss er.

 

„Probleme mit den Medikamenten?“, ging sie die üblichen Fragen durch. Er schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.

 

„Nein, keine Probleme.“

 

„Das neue Turbatikum wirkt?“

 

„Genauso wie das alte“, bestätigte er, während sein Blick zur Uhr wanderte.

 

„Pläne?“, fragte Madame Tallis, seinen Blick deutend, und er schüttelte den Kopf.

 

„Keine Pläne heute“, gab er zurück.

 

„Dann erzählen Sie mir, nachdem sie Freitag gegangen sind, haben Sie noch irgendwas getan?“

 

„Eröffnungsansprache im Ministerium für die Gemeinschaft der Zauberstabsrichtlinien-Reform“, erwiderte er gleichmütig.

 

„Das klingt spannend“, entgegnete sie, während sie es notierte. „Auffälligkeiten?“, hakte sie nach, und er verzog kurz den Mund. Dann schüttelte er den Kopf.

 

„Nein.“ Er hörte auf, auf der Lehne zu trommeln. „Wann kann ich die Medikamente sicher absetzen, Doc?“, fragte er jetzt. Er hatte sich vorgelehnt, und seine Therapeutin hatte den Blick überrascht gehoben.

 

„Sie wollen sie absetzen, Mr Malfoy? Hat das irgendwas mit den Neuigkeiten über Ihren Vater zu tun?“, stellte sie die nächste Frage, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Ich wollte es wissen“, erwiderte er defensiv genug, als dass sie ihn skeptisch betrachtete.

 

„Nun, Sie nehmen die Medikation seit vier Jahren. Alles abzusetzen wäre… wie ein Entzug. Und vielleicht nicht ratsam“, fügte sie hinzu. Er überlegte, ob er diskutieren sollte, entschied sich aber dagegen. „Hören Sie, ich weiß, es ist lästig. Aber bisher haben die Medikamente Ihnen gut getan, nicht wahr? Keine Albträume, keine Malschmerzen, keine Suizidversuche, keine Haftstrafe, kein Hass gegenüber Muggeln oder Hauselfen…“, zählte sie auf, und er machte eine gereizte Bewegung.


„Ja, ja. Also… das alles würde wieder kommen?“, vergewisserte er sich. Madame Tallis legte seufzend die Akte nieder.

 

Mr Malfoy, Ihr Fortschritt ist beachtlich, natürlich. Sie leiten die Firma Ihres Vaters, werden das auch weiterhin tun. Ihr Name ist sauber. Dank Ihres Goldes“, setzte sie eine Spur bitterer hinzu. „Aber ein Medikamentenentzug ist… kritisch.“ Er nickte beherrscht. Dank seines Goldes…. Sonst wäre er was? Arbeitslos, bettelarm? Einsam und verlassen?

 

„Erzählen Sie mir von Miss Granger“, begann sie jetzt und nahm die Feder wieder zur Hand. Sein Blick hob sich.


„Was soll mit ihr sein?“, fragte er, und sie hob die Augenbrauen.

 

„Sie arbeitet bei Ihnen? Immer noch? Irgendwelche… Antipathien Ihrerseits?“ Draco atmete kurz aus.

 

„Sie meinen, ob ich das Bedürfnis habe, sie umzubringen? Nein, Doc. Habe ich nicht“, gab er zornig zurück.

 

„Natürlich meinte ich das nicht. Aber eine Muggel arbeitet bei Ihnen nicht ohne Grund. Ich habe Ihnen abgeraten. Ihre Idee, dass eine Muggel Sie näher zur Lösung Ihres Problems bringt, ist verfrüht, Mr Malfoy. Das Ziel dieser Therapie ist der Medikamentenentzug, allerdings können Sie nicht damit rechnen, dass Sie erfolgreich sind, weil Sie es eine Woche geschafft haben, eine Muggel nicht umzubringen“, erwiderte sie scharf. Er verdrehte die Augen.

 

„Ich habe nicht vor irgendjemanden umzubringen. Egal, welchen Blutstatus er hat“, informierte er sie beflissentlich. „Und es gibt ein geringfügiges Problem, Doc“, eröffnete er jetzt, und die Therapeutin wartete gelassen, dass er weiter sprach. „Ich glaube, Miss Granger hat Gefühle für mich“, fügte er offen hinzu. Und er sah, wie die Therapeutin seine Worte notierte. Am liebsten hätte er ihr die Feder weggenommen.

 

„Aha. Wie kommen Sie darauf?“ Draco beherrschte sich.

 

Weil sie in meinem Mund gekommen ist, als ich ihre verfluchte Pussy geleckt habe.

 

„Ich denke, das ist der Grund, weshalb sie für mich arbeiten wollte“, erklärte er also diplomatisch. Madame Tallis notierte sich auch das, nahm er an.

 

„Nun, Sie sind attraktiv“, schien sie abzuwägen, als ob daran ein Zweifel bestehen könnte. Er mochte sie nicht. „Aber glauben Sie, Miss Granger lässt sich davon beeinflussen? Ich meine, Ihre Vergangenheit in Hogwarts-“

 

„Ist Vergangenheit“, unterbrach er sie harsch. Wieder ruhte ihr Blick auf ihm.

 

„Nehmen wir an, Sie liegen richtig – ist das ein Problem?“, erkundigte sich die Heilerin bei ihm, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein, aber…“

 

„Aber?“

 

Er schwieg, lehnte sich zurück, und seine Finger trommelten erneut auf der Lehne.

 

Mr Malfoy, Sie müssen mir helfen, wenn ich Sie verstehen soll. Sagen Sie mir, dass es für Sie unangenehm ist, sollte Miss Granger für Sie Gefühle haben? Oder sagen Sie mir, dass Sie vielleicht Gefühle haben?“ Er sah sie wieder an.

 

„Nein, ich habe keine Gefühle“, erklärte er gereizt.

 

„Sie wollen meinen Ratschlag?“ Und er sah die Therapeutin abschätzend an. „Wir haben darüber gesprochen. Tabletten können Sie nicht heilen. Sie selbst können sich heilen, wenn Sie es wollen. Und wir haben auch über Ihr anderes Problem gesprochen. Sex ist keine Lösung. Natürlich finde ich es faszinierend, dass Miss Granger – ausgerechnet – Gefühle für Sie entwickelt haben soll, aber dennoch sollten Sie diesen Neigungen nicht nachgehen. Was soll passieren? Sie schlafen mit ihr? Und dann was?“ Draco wollte sie stoppen, aber sie sprach weiter. „Dann erinnern Sie sich, dass Sie nicht mit einer Muggel schlafen wollen? Dass Sie nicht gerne berührt werden? Sie setzen eigenmächtig die Tabletten ab, reißen Ihre Narben auf, landen wieder auf der Intensivstation im Mungo?“

 

„Ich bitte Sie“, erwiderte er mit einem Knurren. „Ich denke nicht, dass-“

 

„Wann haben Sie das letzte Mal mit einer Muggel geschlafen?“, unterbrach sie ihn. Er verzog den Mund. „Richtig, noch nie. Ich rate Ihnen, Miss Granger zu entlassen.“

 

Er sah sie an. „Ich bin nicht von ihr angewidert“, erklärte er knapp. Und die Therapeutin seufzte auf.

 

„Das war auch nie das Problem, nicht wahr, Mr Malfoy?“ Er sah gereizt zur Seite. „Ihr Problem ist, dass Sie nicht in der Lage sind, Schwächen zu akzeptieren. Ihre Schwächen überhaupt zu erkennen! Und vor allem, Schwächen nicht als Grund zu nehmen, andere zu bestrafen. Zu wissen, dass Schwächen nichts Schlechtes sind.“

 

Und er hielt sich zurück. „Ich weiß, was Sie jetzt denken, Mr Malfoy.“

 

Medikamente waren eine Schwäche.

Narben, Berührungsängste, das Mal waren eine Schwäche.

Verdammte Heiler mit keiner Ahnung waren eine Schwäche.

Und Muggel, die sich im Ministerium vom ihm nur zu gerne befriedigen ließen waren eine verdammte Schwäche.

 

„Ich glaube nicht, Madame Tallis“, gab er gepresst zurück. „Und Miss Granger weiß es. Sie weiß, dass ich hier bei Ihnen in Behandlung bin.“

 

„Das war mir klar, als meine Assistentin mir erzählt hat, sie hätte mit ihr im Kamin gesprochen. Ich habe Miss Granger vor einiger Zeit Einblick in einige meiner Akten gewährt.“ Sein Blick hatte sich gehoben. „Ihre war nicht dabei“, fügte sie knapp hinzu. „Und da sie weiß, was für Patienten ich behandele, bin ich zugegebenermaßen etwas überrascht, dass sie nicht gekündigt hat.“ Draco sah aus dem Fenster hinab auf die Straße der Winkelgasse.

 

Sie atmete langsam aus. „Treiben Sie es nicht zu weit“, sagte sie plötzlich, und er sah sie wieder an. „Nutzen Sie Ihren Vorteil nicht aus, Mr Malfoy.“

 

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Doc“, erklärte er gleichmütig.

 

„Nein? Zu glauben, dass Sie Sex mit einer Muggel haben können, ohne dass Sie Ihre alten Gefühle dabei empfinden, bedeutet nicht, dass Sie die Medikamente absetzen können.“ Er wusste nicht, warum er dieser alten Hexe das Gold monatlich bezahlte. Er legte den Kopf schräg.


„Ist das so?“

 

Mr Malfoy, ich warne Sie wirklich. Sie können sich einen Rückfall nicht leisten. Ihr Vater wird bald aus Askaban entlassen. Sie haben mit Ihrer Mutter seit vier Jahren kein Wort mehr gesprochen. Sie denken, Sie machen großartige Fortschritte? Ihr einziger Fortschritt ist, dass Sie sich ausreichend beherrschen können, um Geld zu verdienen. Ihr einziger Vorteil ist, dass Menschen Angst vor Ihnen haben.“ Er erhob sich augenblicklich. „Ich weiß, Sie wollen es nicht hören. Aber zu beweisen, wie egal Ihnen der Blutstatus ist, nur weil der Tag der Entlassung naht, beweist gar nichts.“ Er schritt zum Fenster und starrte nach draußen.

 

„Sie verstehen es nicht“, knurrte er jetzt, aber er hörte bereits ihre Feder wieder über das Papier kratzen. Er hasste das Geräusch! Das Geräusch, als ob sie ihn begriffen und verstanden und analysiert hätte.

 

„Was würde… Ihr Vater sagen?“

 

Und kurz setzte etwas in seinem Kopf aus. Er schloss die Augen, und seine Fäuste ballten sich unwillkürlich für einen kurzen Moment.

 

„Solange dieser Satz, irgendetwas in Ihnen auslöst, solange Sie Ihren Vater als Ihr Vorbild und Ihre Zukunft betrachten-“

 

„Das tue ich nicht!“, unterbrach er sie lauter, als er sich umwandte. „Verflucht noch mal! Was wollen Sie denn von mir? Mein Vater ist mir scheiß egal! Es ist mir alles verflucht noch mal scheiß egal! Und wenn Potters Schlammblut von mir auf meinem verdammten Schreibtisch gevögelt werden möchte, dann… dann werde ich… dann…“

 

Ihre Feder schrieb nicht. Und er schloss den Mund. Er war sauer auf sich selbst. Verflucht sauer auf sich selbst! Fuck.


„Ich will sehen, was Sie geschrieben haben“, verlangte er schließlich und streckte die Hand aus. „Ich will es sehen!“, wiederholte er zornig. Er würde jedes ihrer Worte rausreißen.

 

„Sind Sie sicher?“, vergewisserte sie sich, unbeeindruckt von seinem Ausbruch, und er kam noch näher, hatte sich vor ihr aufgebaut und wartete wütend. Wortlos reichte sie ihm die Akte.

 

Und es stand ein einziger Satz auf dem heutigen Notizzettel. Und er hasste sie! Hasste, hasste, hasste sie!!! Dann schlossen sich seine Augen, und er atmete aus. Ruhig. Er zählte.

Bis zehn. Und er warf die Akte schließlich wieder auf den Glastisch.

 

„Seit zwei Tagen. Zwei Tage, ok?“, gab er gepresst zurück und fuhr sich durch die Haare.

 

Der einzige Satz auf ihren verdammten Aufzeichnungen lautete: Patient nervös, gereizt und angriffslustig, hat Medikamente eigenmächtig abgesetzt vor…

 

„Ich habe sie vor zwei Tagen abgesetzt“, wiederholte er tonlos und sah wieder kopfschüttelnd aus dem Fenster. Er hasste seine Therapeutin.

 

~*~

 

Er war spät gekommen. Als seine Tür ins Schloss fiel verharrte sie stocksteif auf ihrem Platz. Ihr Herz schlug unglaublich laut. Sie hatte in den letzten zwei Tagen so ziemlich jeden Gedanken gehabt, jede Theorie verfolgt, weswegen es ihr gefiel, dass er… diese Dinge mit ihr getan hatte. Aber sie war zu keinem klugen Schluss gelangt.

 

Und gestern hatte sie mit Ginny sprechen müssen. Harry und Ron sprachen nicht mehr mit ihr. Und Hermine wollte auch gar nicht mit ihnen sprechen, denn sie hatte keine Lust, dass Harry und Ron… - ja, sie wusste nicht genau, was sie nicht wollte.

 

Harry und Ron würden noch annehmen, sie würde auf einmal Draco Malfoy vorziehen. Egal, bei was. Und Ginny glaubte ihr wenigstens, dass sie nur für ihn arbeitete, weil es ein Job war, der außerdem doppelt so viel zahlte wie der Aurorenjob. Aber das sahen Harry und Ron beide anders. Natürlich! Auch von Ginny hatte sie mehr seltsame Blicke bekommen als verständnisvolle, aber Hermine hatte vor ihr geweint. Eigentlich größtenteils, weil sie Ginny anlog und ihr eben nicht alles sagte, aber Ginny hatte so aufgefasst, dass es Hermine gequält hatte, ihr nicht gesagt zu haben, dass sie für Malfoy arbeitete.

 

Und das war… immerhin die halbe Wahrheit. Und sie wusste, sie wäre nicht in der Lage, es weiter durchzuziehen, würde sie ihn jetzt nicht sofort sehen! Würde sie jetzt nicht sofort in sein Gesicht blicken können, und… würde sie nicht in seinen Augen lesen, dass… dass….

Ihr Herz machte einen Satz bei dem Gedanken, dass sie gerne sehen würde, dass er sie küssen wollte. Sie musste sehen, dass… sie wahnsinnig genug war, das hier zu tun, wenn er es nur auch war!

 

Und… sie hatte sein Gesicht vermisst. Seinen schönen Körper, den sie nicht ansehen sollte, den sie nicht haben sollte, den sie… eigentlich abstoßend finden sollte, eben einfach, weil er… Malfoy war. Aber sie hatte sich bereits erhoben. Und sie hatte keine Dokumente bei sich, keine neuen Vorschläge. Sie ging einfach nur als Hermine in sein Büro.

 

Und sie öffnete leise die Tür, als wolle sie durch zu laute Geräusche nicht die Situation zwischen sich und ihm zerstören.

 

Sie lugte um die Tür. Er saß an seinem Stuhl, etwas zusammen gesunken, den Kopf in den Händen vergraben, und sofort siegten die Neugierde und die Sorge.

 

Mr Malfoy?“ Sie war in sein Zimmer getreten. Er hob müde den Blick. Ihr Mund öffnete sich stumm. Hatte sie geglaubt, vor Scham sterben zu müssen, vergaß sie diese Gedanken jetzt völlig. Er hatte dunkle Augenringe, auf seinem Hals erkannte sie rote Striemen, als hätte er sich gekratzt und seine linke Hand zitterte unwillkürlich, als er sie ansah.

Seine Haut wirkte grauer, wirkte… älter, und er räusperte sich schwerfällig.

 

„Kaffee? Bitte?“, erwiderte er lediglich, und sie setzte sich in Bewegung. Sie hatte bereits Kaffee gekocht, in ihrem Büro. Sie war nach keiner halben Minute wieder zurück. Sie stellte ihm den schwarzen Kaffee auf den Tisch.

 

„Geht es Ihnen nicht gut?“ Sie fand es zwar lächerlich, ihn weiterhin zu siezen, aber jetzt gerade wusste sie nicht, was los war.

 

„Nein, es geht mir verflucht beschissen“, gab er zurück, ohne seine nonchalante Art, ohne dass sie den Gentleman erkennen konnte, der er üblicherweise war.

 

„Sind… sind Sie krank?“, wollte sie höflich wissen, denn sie nahm an, würde sie ihn zwingen, zu sagen, was los war, würde er sie wegschicken. Sie hasste es, dass sie Angst vor ihm hatte! Und dennoch sah er anbetungswürdig aus!

 

„Krank? Ich dachte, das hätten wir bereits geklärt“, murrte er schlechtgelaunt, während er an der Tasse nippte, und ihn angewidert wieder auf den Tisch stellte. „Was soll das sein? Hippgreifpisse? Haben wir vielleicht auch vernünftig starken Kaffee?“ Er hob den Blick zu ihrem Gesicht, und… er war zornig.

 

„Er schmeckt Ihnen nicht?“, vermutete sie also still.

 

„Nein, er schmeckt mir nicht, verflucht!“, gab er angriffslustig zurück.


Mr Malfoy?“ Witherby hatte den Kopf zur anderen Tür hineingesteckt, und Malfoy grunzte zur Bestätigung. „Da sind Sie. Es geht um… die Unterlagen“, druckste Witherby mit einem Blick auf sie herum.

 

„Kein Grund zur Scheu. Miss Granger kennt Lucius genauso gut wie alle anderen“, gab er missgelaunt zurück.

 

„Das Schiff nach Askaban geht um sechs Uhr, Mr Malfoy“, fügte Witherby mit gesenktem Blick hinzu. „Dass Sie pünktlich sind.“

 

„Ja, wir wollen ihn ja nicht warten lassen“, gab Malfoy knurrend zurück, und Witherby verzog sich hastig. „Also?“ Er hatte den Blick wieder zu ihrem Gesicht gehoben.

 

„Also?“, wiederholte sie verwirrt und er deutete mit dem Zeigefinger auf die Kaffeetasse.

 

„Spreche ich chinesisch? Trage ich ein Plastikschild auf dem mein Name in großen Druckbuchstaben steht an meinem zweitausend Galleonen teuren Jackett?“, wollte er von ihr mit gepresster Stimme wissen, und sie hielt unbewusst den Atem an vor Schreck. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Ich möchte Kaffee. Und es ist mir scheiß egal, woher Sie Kaffee bekommen, der verflucht noch mal nicht so schmeckt, als hätten die Gefangen von Askaban mit ihren Füßen drin gebadet, es ist mir nur wichtig, dass Sie ihren verdammten Arsch in Bewegung setzen und mir meinen verfluchten Kaffee bringen!“, endete er grollend, und sie starrte ihn an.

 

Was?

 

Er atmete laut aus, als sie nicht reagiert hatte. War das der Mann, der im Ministerium ihr Höschen zerrissen hatte? Ihr Mund hatte sich perplex geöffnet. Er fuhr sich haltlos durch die verstrubbelten Haare, die vielleicht heute weniger gepflegt waren, aber trotzdem noch dicht und gut aussahen. Sie sollte aufhören so zu denken!

 

Und jetzt erhob er sich.

 

„Wie mache ich mich am besten deutlich, hm?“, wollte er leiser von ihr wissen, während sie erschrocken zusammen gezuckt war, als er nun vor ihr stand. „Kaffee. Jetzt“, wiederholte er streng. „Vielleicht verstehen Sie mich auch einfach nicht mehr“, mutmaßte er zornig.

 

„Ich verstehe Sie“, gab sie zurück, als sie endlich ihre Stimme wiederfand. Und seine Worte taten ihr weh. Sie zwang sich, tapfer in seine grauen, kalten Augen zu sehen. Da war nichts. Keine Zuneigung, kein Hunger, keine Lust – gar nichts. Nur ein Arschloch, das sie anschrie.

 

Sie wandte sich kurzerhand von ihm ab.

 

„Miss Granger…“, hielt er sie schließlich auf und hatte einen Hauch an Ruhe in seine Stimme gezwungen. Sie war stehen geblieben und hatte ihm den Rücken zugewandt. Ihr Herz klopfte laut vor Angst und Wut. Sie war sich sicher, er sah nicht, dass sie sich Mühe mit ihren Haaren gegeben hatte, mit dem dunklen Lidschatten, den geschwungenen Wimpern, dem blauen Rock – und sie trug keine Unterwäsche! Aber nein, er war schlecht gelaunt. Er sah überhaupt nichts. Und sie kam sich noch dümmer vor als sonst. Was war los mit ihr? Was in Merlins Namen war nur los mit ihr? Seit wann machte sie sich so zum Deppen für irgendeinen Mann? „Vergessen Sie den Kaffee“, fügte er nach einer Endlosigkeit hinzu.

 

Sie wagte es, sich wieder umzudrehen.

 

„Kann ich Sie… bitten, nach Hause zu gehen?“, schien er sich die Worte regelrecht vom Munde abzukämpfen, und sie starrte ihn an.


„Nach Hause?“, wiederholte sie leise, und fixierte ihn.

 

„Heute… ist ein besonders schlechter Tag“, erwiderte er. Und er sagte nichts weiter. Sie starrte ihn an. Das war doch wohl nicht gerade sein ernst?!

 

„Sie wollen, dass ich nach Hause gehe, weil es ein besonders schlechter Tag ist?“ Er schloss gereizt die Augen, fuhr sich über die Stirn, und sah sie wieder an.

 

„Ja.“

 

„Ich habe nicht vor, nach Hause zu gehen“, gab sie trotzig zurück, und seine Augenbrauen hoben sich schließlich.

 

„Es war nicht wirklich eine Bitte.“

 

„Warum sollte ich das tun?“

 

Und sie sahen sich an. Kurz schürzten sich seine Lippen, als würde er seine nächsten Worte abwägen.

 

„Nein“, sagte er schließlich, und verwirrt verengte sie die Augen.

 

„Nein?“, wiederholte sie.


„Ich werde darauf nicht antworten.“

 

„Und warum nicht? Sie wollen mich schließlich nach Hause schicken. Ohne Grund. Einfach so.“

 

„Wieso arbeiten Sie für mich?“, unterbrach er sie und wechselte das Thema ungeduldig.


„Was?“, entgegnete sie verwirrt, und er kam näher.

 

„Wieso? Wieso tun Sie das“, wiederholte er mit einem spöttischen Grinsen.


„Sie… Sie haben mich überzeugt. Sie haben mich eingestellt!“, erwiderte sie, denn er musste verrückt geworden sein.


„Ja. Deshalb sehen Sie heute auch so aus, wie Sie aussehen, nehme ich an?“ Sie spürte die Röte in den Wangen sofort. Er sah sie also doch an. „Sie wollen, dass ich Sie ausziehe?“, stellte er lächelnd eine weitere Frage, und sie schüttelte starr den Kopf. „Sie wollen, dass ich Sie anfasse? Sie wollen… dass ich noch einmal die Dinge tue, die ich vor zwei Tagen getan habe?“

 

Und ihr Herz musste sie verraten! Und sie hasste seine Worte, hasste, dass er recht hatte und hasste wirklich, dass er es laut sagte. Sie war verrückt. Und er war… ein Arschloch!

 

„Und glauben Sie mir, das würde ich wirklich gerne, aber… aber… ich“, er unterbrach sich selbst, fuhr sich wieder durch die Haare, und sie schüttelte präventiv den Kopf.

„Nein, lassen Sie mich ehrlich sein. Das ist es doch, was Sie wollen, richtig? Tja, ich sehe heute meinen Vater, und jedes Mal, wenn ich meinen Vater sehe… befällt mich… wie soll ich es nennen…? Ich habe meine Medikamente abgesetzt. Und… ich nehme sehr, sehr viele davon. Das wissen Sie nicht. Sie haben mich nicht gefragt, und… wenn ich ehrlich bin, ist es mir egal, was Sie denken. Oder ob Sie überhaupt denken…“, fuhr er achselzuckend fort, und sie konnte ihn nur ungläubig anstarren.

 

„Jedenfalls heute…“, fuhr er lächelnd fort, „bin ich nicht in der Lage, Sie anzusehen“, schloss er. „Es fällt mir schwer. Sie wissen schon, Selbsthass, Schwächen, Muggelprobleme. Morgen ist alles wieder normal. Morgen bin ich wieder vollständig unter Drogen, und morgen kann ich Ihnen garantieren, dass Sie einen befriedigenden Arbeitstag haben werden.“ Sie konnte ihn nur ansehen, sie konnte praktisch mit ansehen, wie ihn jedes Wort zu quälen schien.

 

„Aber heute… bin ich… ganz ich selbst. Und das ist ganz, ganz schlecht“, schloss er. „Also bitte… bitte gehen Sie jetzt.“ Und sie wusste nicht, ob seine Worte dazu dienen sollten, sie zu verletzen, oder ihn zu verteidigen. Wahrscheinlich lief beides auf dasselbe hinaus. „Bitte“, fügte er gepresst hinzu. „Morgen… kommen Sie morgen wieder.“

 

Und sie erkannte ihn nicht wieder. Er war… verwirrt. Unsicher, bösartig geradezu. Er hatte seine Medikamente abgesetzt? Sah er dann so aus? War er dann normal? War das ein Normalzustand? Sein persönlicher Normalzustand?

 

„Gehen Sie“, wiederholte er. Wieder schloss er die Augen. Und bevor sie weinen musste, bevor sie noch eine entwürdigende Frage stellte, bevor noch irgendwas passierte, eilte sie in ihr Büro, griff sich ihren Mantel und hastete wieder zurück. Sie spürte seinen Blick, aber ohne ihn anzusehen war sie verschwunden.

 

Draco Malfoy war verrückt! Und er hatte es ihr schon ganz offen gesagt! Und er hatte es ihr schon Freitag gesagt! Er war ein Feigling, ein Wichser, und alles, was sie über ihn dachte, war wahr! Wieso war sie dann hier? Wieso wollte sie ihn dann unbedingt sehen?

Und wieso war er so kalt? Was hatte sie getan?

Hermine, er ist krank. Krank. Wirklich, wirklich krank!

 

Und sie wollte nicht wieder kommen! Wie sollte sie bitte morgen wieder kommen und so tun, als wäre nichts gewesen? Wie? Sie könnte sich niemals so sehr demütigen!

Sie sollte es nicht tun! Sie sollte es auf gar keinen Fall tun. Sie sollte kündigen.

Sie musste, denn das hier war einfach nur verrückt!

 

~*~

 

Ginny schüttelte ohne Unterlass den Kopf, während sie zornig die Spüle zum dritten Mal wischte.

 

„Kündigen. Einfach kündigen Hermine! Wieso lässt du dir so etwas gefallen? Was ist überhaupt los mit dir?“ Und Hermine wusste, Ginny schrie aus Sorge. Und Hermine wusste, es war dumm gewesen, anzufangen zu weinen. „Du lügst, du bist nicht mehr du selbst, und jetzt…? Jetzt lässt du dich von diesem Arschloch nach Hause schicken, weil er… dich heute nicht ertragen kann? Weißt du, dass er ein Arschloch ist? Wieso hast du dich überreden lassen, Merlin noch mal!“

 

Aber Hermine schniefte weiterhin in ihr Taschentuch.


„Ich weiß nicht, wie es angefangen hat, und glaub mir, ich glaube dir nicht, dass du lediglich für ihn arbeitest! Hat er dich zu irgendwas gezwungen? Macht er irgendwelche… Todesser-Machtspielchen mit dir?“, flüsterte Ginny fast, und Hermine schüttelte erschrocken den Kopf.


„So ein Unsinn, Ginny!“

 

„Nein? Hast du nicht gesagt, er ist in Behandlung?“

 

Ja, es war ihr rausgerutscht. Vor zwei Stunden, als sie noch völlig mit den Nerven am Ende war.

 

„Ginny, du darfst es keinem erzählen!“, entgegnete Hermine heiser vor Tränen und putzte sich erneut die Nase.


„Wieso arbeitest du für einen kranken Mistkerl, Hermine? Wieso bist du so besessen von ihm? Du sitzt hier und weinst! Hat er dich wirklich nicht geschlagen? Hat er dich verflucht? Wenn er einen Unverzeihliche angewandt hat, dann hast du so viele Rechte, er würde nicht schnell genug nach Askaban kommen!“, fügte Ginny gehässig hinzu. „Harry würde sich kümmern!“, versprach sie nickend in einer Manie der dunkelsten Drohung.

 

„Nein, nein“, widersprach Hermine. „Ich…“ Und Ginny putzte weiter. Sie ähnelte Molly in diesem Augenblick sehr. Hermine bereute in dieser Sekunde, dass sie Ginny überhaupt aufgesucht hatte. Und dass sie auch noch weinte.

 

„Dieser Arsch“, murmelte Ginny zornig.


„Nein, er ist kein Arsch“, hörte sie sich ihn verteidigen. Und Ginny warf den Lappen zornig in die Spüle.

 

„Hörst du, was du da redest? Hast du mit ihm geschlafen? Habt ihr eine Affäre? Ist es das? Hat er dich irgendwie genötigt? Dich gefesselt, gefoltert, während er dich gezwungen hat, irgendwelche versauten Sachen zu machen?“ Hermine musste nur noch mehr weinen und schüttelte vehement den Kopf. Nein, er hatte ja nicht einmal mit ihr schlafen wollen! Merlin, sie war ein Wrack! Und sie war selber völlig verrückt!

 

„Nein! So etwas tut er nicht, Ginny! Merlin, ich sage dir doch, er hat gar nichts getan. Er hat mich heute nach Hause geschickt!“ Sie schluchzte laut. Ja, er hatte sie zu allem Überfluss auch noch nach Hause geschickt! Ginny hatte nun beide Hände in die Hüften gestemmt und musterte sie ungläubig.

 

„Du bist in Malfoy verliebt?“ Hermine hob den Blick.

 

„Nein!“, widersprach sie weinend.

 

„Du weinst, weil er dich nach Hause schickt. So fern du mir nicht gleich beichtest, dass er dich mit dem Cruciatus aus seinem Büro gefoltert hat, dass er nicht andere direkte Gewalt angewandt hat, dass er dich weder Schlammblut noch sonst irgendwas genannt hat, dann-“

 

„Hat er nicht!“, sagte sie heftig.

 

„Wieso weinst du dann? Wieso hast du Mitleid mit einem Verrückten in Behandlung? Wieso arbeitest du für Draco Malfoy, Hermine?“

 

Und schon wieder bekam sie heute diese Frage gestellt! Als ob sie es wüsste!

 

„Sag mir einfach, wieso? Als ob dir Gold so wichtig wäre! Ich wünschte lieber, du wärst mit Ron zusammen geblieben, denn das hier ist einfach nur krank! Draco Malfoy ist gefährlich. Er ist reich und gefährlich. Das sind zwei Dinge, die einfach abschreckend genug sein sollten. Er ist Reinblüter, hat den eigenen Vater im Gefängnis sitzen, und du erzählst mir auch noch, dass er in Behandlung ist, weil er ein Todesser war!“

 

Hermine schniefte ein letztes Mal in das Taschentuch und wischte sich schließlich die Tränen von der Wange. Und sie wusste, sie hätte es Ginny nicht sagen dürfen. Ginny war nicht die richtige Person, mit der sie sprechen konnte. Ginny hatte… seit ihrem ersten Jahr in Hogwarts auf Harry Potter gewartet. Hatte einen ganzen Krieg lang auf ihn gewartet! Sie hatte ihn bekommen, bekam jetzt sein Baby, und sie, Hermine, saß hier und war verzweifelt, weil ein kranker Todessser nicht gemerkt hatte, dass sie heute kein Höschen trug! Sie war ein Masochist, wohingegen Ginny… sie einfach nicht verstehen konnte!

 

Es gehörte mit zu Hermines Theorien. Sie war auch geschädigt, nach dem Krieg, nach all den Jahren voller Schmerz und Gewalt. Und sie wollte von Ginny nicht mehr so angesehen werden! Was hatte sie gedacht? Dass es alles einfach war? Dass sie, nur weil sie Malfoy jetzt gerade attraktiv fand, alles einfach war? Vielleicht war sie einfach nur selber krank, weil sie ihn diese Dinge tun ließ?!

 

Hatte es nicht irgendwas mit Stolz zu tun? Wieso empfand sie nicht mehr so, sobald sie ihn sah? Wieso träumte sie seit Tagen nur noch von ihm? Was war an ihm so großartig, dass sie sich selber diese Last auferlegte? Aber sie hatte einen klaren Weasley Heimvorteil.

Sie hatte jahrelang das Verhalten aller Weasleys studiert, und sie wusste, es gab jetzt nur einen Satz, der Ginny verstummen lassen würde. Vorerst zumindest.

 

„Du hast ja Recht“, sagte sie also resignierend, und die gestemmten Hände in Ginnys Hüften lockerten sich, fielen zu ihren Seiten hinab, und sie setzte sich neben Hermine an die Küchentheke, während sie ihren Tee weiter trank.


„Sag ich doch. Und morgen wirst du kündigen!“

 

Und Hermine nickte bitter. Vielleicht würde sie das. Was sollte sie sich quälen. Das war der beste Orgasmus der Welt wirklich nicht wert. Und er hatte es ihr gesagt. Er war verrückt.

Er war absolut wahnsinnig!

 

Der Weasley-Code war geknackt. Es war auch kein besonders schwerer Code. Eigentlich resultierte aus Bestätigung und Übereinstimmung mit einem Weasley meistens Friedfertigkeit.

 

~*~

 

Sie war unglaublich müde.

Wirklich müde. Das war ein so schlimmer Tag gewesen, und sie hatte kaum Schlaf gefunden. Sie hatte sich selber verteufelt, alle Todesser verflucht, alle Malfoys verflucht, und sie hatte den Entschluss gefasst, dass Ginny einfach richtig lag.

Das war es eben. Sie hatte sich vielleicht die Finger an Draco Malfoy verbrannt, aber sie würde sich sonst nichts weiter verbrennen! Sie würde nicht in Flammen stehen für einen psychisch labilen Wahnsinnigen!

 

Ja, sie musste es sich nur weiterhin sagen.

 

Und sie fühlte sich gut. In Turnschuhen. Mit Pferdeschwanz, auch wenn ihr Pony ihr lang in die Augen fiel, und sie ihn gereizt wieder und wieder hinter ihre Ohren strich. Mascara und leichtes Makeup waren heute das äußerte, was sie ihrem Gesicht zugemutet hatte, und sie trug Jeans. Eine dunkelblaue Jeans zu schwarzen Chucks. Einen blauen Pullover, und sie sah so aus, wie man zum Kündigen wohl aussehen musste.

 

Und sie kam sich albern vor. Sie befand sich immer nur in einem Für und Wider Draco Malfoy ihre Kündigung auszusprechen. Aber immerhin sah sie heute auch danach aus!

 

Sie trug eine Lederjacke, die vielleicht ein bisschen zu gewagt für Ende Herbst war, aber auch das war ihr egal. Sie fühlte sich mutiger in der dunklen Lederjacke. Es war rein psychologisch. Und davon verstand Malfoy doch angeblich etwas!

 

Sie apparierte das letzte Stück, und erreichte das hohe Gebäude. Der Zauberer vor der Tür, begrüßte sie freundlich und hielt ihr die Schwingtüren auf. Sie nickte nur. Bloß nicht ablenken lassen!

 

„Miss Granger!“, rief die Hexe vom Empfang erfreut, aber Hermine schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht in ein nettes Gespräch verwickelt werden. Verdutzt schwieg die Hexe, und Hermine betrat den Fahrstuhl. Er hielt auf der zweiten Eben, und Witherby stieg ein.

 

„Ah, Miss Granger, haben Sie schon gehört?“ Kurz glitt sein Blick an ihr hinab, aber er sagte gar nichts. Sie schüttelte nur den Kopf, ohne ihn anzusehen. „Ihre Theorie, das Unternehmen persönlich abzuwerben, hat ausgezeichnet funktioniert. Mr Malfoy war noch gestern Abend dort, und wissen Sie was – er hat es gekauft! Und das ist eine gute Sache. Er hat außerdem allen Abteilungen Champagner spendiert.“ Witherby schien sich darüber besonders zu freuen.


„Und wissen Sie, warum es wirklich gut ist?“, wollte er ziemlich munter von ihr wissen, aber sie hatte immer noch nicht gesprochen, sah ihn jetzt aber immerhin an. Hermine konnte sich vorstellen, warum es gut war. Dann wäre er noch reicher und könnte noch wahnsinniger werden! „Weil-“

 

Die Tür zum Fahrstuhl öffnete sich erneut, und sie wurde von dem bekannt herben Duft erschlagen. Er betörte ihre Sinne. Fruchtig und herb zugleich. Er sah absolut unglaublich aus! Kein Vergleich zu gestern! Kein Vergleich zu irgendeinem Tag. Sie spannte ihren Kiefer an, damit sich ihr Mund nicht auch noch dümmlich öffnete, während sie ihn angaffte. Seine Haare schimmerten golden im Licht des Fahrstuhls. Seine Haut sah wieder gebräunt und gesund aus. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ein unglaublich verführerisches Lächeln.


„Guten Morgen Witherby, Miss Granger“, begrüßte er sie so nonchalant, als wäre er nie ein Wahnsinniger gewesen, der sie nach Hause geschickt hatte.


„Guten Morgen, Sir! Ich hatte Miss Granger bereits von Ihrem Erfolg berichtet, Sir“, murmelte Witherby schüchtern.


„Ja, richtig. Ich hatte großen Erfolg mit Ihrer These, Leute persönlich anzusprechen.“ Worte. Höfliche, vollkommen freundliche Worte, die er an sie richtete. Und als wäre es so absonderlich, dass man Menschen persönlich besser überzeugen konnte als per Post! Kündigung, Hermine! Vergiss nicht, weshalb du hier bist! „Ich entschuldige mich wegen gestern“, fügte er leiser hinzu, und lehnte sich näher zu ihr, ohne sie aus den Augen zu lassen. Seine Augen waren betörend. So grau wie die stürmische See. „Askaban macht mich nervös“, erklärte er schlicht. Richtig, er hatte seinen Vater besucht. Egal! Das war völlig egal!

 

„Ja, ich müsste mit Ihnen sprechen“, fasste sie sich kurz und unterbrach sein Gespräch somit. Sie erreichten ihr Stockwerk und stiegen aus. Alle drei betraten dasselbe Büro, nur Witherby verabschiedete sich munter und schritt weiter in seins.

 

Malfoy öffnete gleichmütig sein hellbeiges Jackett, und es war Hermine unbegreiflich, dass er gestern noch so ein Arschloch gewesen sein konnte. Er lehnte sich gegen seine Schreibtischkante, schlug die Füße übereinander und wartete mit einem schelmischen Ausdruck auf den jungen Zügen.

 

Er sah… anders aus. Er nahm also seine Medikamente wieder, nahm sie an. War es möglich, dass man ohne Medikamente so ein anderer Mensch sein konnte? Sie wollte es nicht wahrhaben, aber es machte den Anschein. Kündigung! Sie musste es sich wieder ins Gedächtnis rufen.

Und er trug eine Jeans. Genau wie sie, fiel ihr auf. Er sah sogar legere aus. Natürlich nicht wirklich. Zu der Jeans trug er Schuhe aus teurem Leder. Über der Jeans ein weißes Hemd, allerdings ohne Krawatte. Das helle Jackett saß ausnahmslos perfekt, hing auch perfekt über seinen muskulösen Schultern, und wachsam sah er sie an. Ausgeglichen. Und so sehr sie nach einer übriggebliebenen Spur des Wahnsinns von gestern suchte, so wurde sie von ihm enttäuscht.

 

Jetzt lächelte er plötzlich. Merlin, sah er gut aus!

Wo war der Malfoy von gestern?


„Also, was wollten Sie mir sagen?“ Und sie fühlte nur noch scheußlich, als sie ihm antwortete.


„Ich… möchte kündigen“, flüsterte sie, und war nur noch ein Hauch von der wütenden und entschlossenen Hermine von heute Morgen, die mit dem festen Plan losgegangen war, ihn in Grund und Boden zu stampfen. Seine Stirn runzelte sich. Eine blonde Strähne fiel ihm in die Stirn, und beiläufig wischte er sie zurück, und sie lag wieder perfekt. Wie schaffte er das? Wie konnte bei ihm alles so leicht und elegant aussehen, ohne dass er sich darum kümmerte? Oder kümmerte er sich darum, indem er böse Medikamente nahm? Starke Medikation, die verhinderte, der er sein wahres Ich zeigte, so wie gestern? So wie gestern, als er sie aus seinem Büro gejagt hatte, weil er sie nicht ertragen konnte?

 

Sie schluckte schwer, denn es war unmöglich, ihn solange anzusehen, ohne weiche Knie zu bekommen. Er fuhr sich mit den schlanken Fingern nachdenklich über sein Kinn. Sein schönes gewölbtes Kinn. Sein wunderschönes Gesicht wirkte nun plötzlich besorgt. Er kam jetzt auf sie zu, hatte sich raubtierartig vom Schreibtisch abgestoßen, in nur einer fließenden Bewegung und schritt nun langsam auf sie zu, bis er vor ihr stand, bis sie den Kopf in den Nacken legen musste.

 

„Ist das Ihr fester Entschluss?“, fragte er voller Enttäuschung, und sie war bereit, den Kopf zu schütteln, wenn er sie nur weiter so ansehen würde! Wieso konnte er nicht einfach immer so sein? Genauso wie jetzt!

 

„Ich… denke, nach gestern bin ich-“

 

„Ich habe Ihnen gesagt, heute ist alles anders“, unterbrach er sie kopfschüttelnd, als wäre es ihr Fehler.


„Aber Sie können mich nicht einfach wegschicken, wenn Ihnen nicht danach ist, eine Muggel zu sehen!“, entfuhr es ihr zornig, und sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er betrachtete sie gequält. Es zerriss sie fast.

 

„Wollen Sie nicht Ihre Jacke ausziehen?“, begann er erneut, aber sie schüttelte vehement den Kopf.

 

„Nein. Nein, ich will nicht meine Jacke ausziehen“, entgegnete sie mit fester Stimme.


„Dann… ist das alles in Ihrem Kopf bereits geklärt, und ich habe kein Wort mehr mitzureden?“ Und sie spürte, wie ihr Herz sich beschleunigte, als sich sein Blick änderte. Seine ganze Haltung änderte sich. Die Spannung lud sich wieder auf. Sie sah es genau! Sie fühlte es genau! Wie er sie ansah! Wie konnte er sie an einem Tag nicht ertragen und nach Hause schicken und am nächsten Tag nur mit seinem Blick ausziehen?

 

Sie nickte, denn sie wollte nicht, dass ihre heisere Stimme sie verriet.


„Zu schade, dass Sie heute nicht auch den Rock tragen, Miss Granger“, bemerkte er mit einem angedeuteten Lächeln. Ihr Magen zog sich zusammen. „Ich habe Ihnen gesagt, ich…“ Er zögerte kurz. „Sie wissen von meiner Behandlung. Und… so wie gestern… bin ich nicht wirklich. Glauben Sie mir das? So wie gestern… bin ich, wenn ich krank bin. Ich will nicht, dass Sie gehen. Eigentlich will ich heute mit Ihnen feiern, dass die Malfoy Group expanideren kann, dank Ihnen und Ihrer Idee.“ Sie hörte seinen Worten zu, wollte ihm glauben, aber… wie konnte sie das? Sie sollte es nicht! Sie war keine Beute für ihn! „Sie wussten, dass ich in Behandlung bin und haben mich angefleht, Sie nicht zu entlassen“, fuhr er ernsthaft fort.

 

Mr Malfoy, ich-“, versuchte sie, zu erklären, aber er schüttelte den Kopf.

 

„Natürlich können Sie gehen, wenn Sie es wünschen“, unterbrach er sie seufzend und deutete ruhig auf die Tür hinter ihr. Und sie zögerte. Sie konnte nicht anders, als zu verharren. Sie wollte nicht gehen. Nicht wirklich. Er war so schön! Und sie wusste, das sollte erst recht kein Kriterium sein, weswegen man einen Job behielt! Und was würde Ginny sagen?

 

Richtig. Ihre Freunde.


„Harry und Ron sprechen nicht mehr mit mir“, entfuhr es ihr jetzt, und sie senkte ihren Blick. Kurz schwieg er, dann kam er noch näher, und dann lag sein Zeigerfinger unter ihrem Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Und sein Blick war unglaublich intensiv. Seine Wimpern waren lang, und er war so attraktiv wie noch kein Mann, dem sie jemals begegnet war. Es war so unglaublich, dass er sich wieder unter Kontrolle hatte! Vor ihr stand der Mann, der den Koboldvortrag gehalten hatte. Er war die eiserne Beherrschung in Person, nichts könnte ihn schocken oder erstaunen, verunsichern oder ihn sich so unwohl fühlen lassen, dass er jemanden aus seinem Büro verweisen musste, nahm sie mit stockendem Atem an.

 

Und es war unglaublich sexy. Seine Kontrolle war fast mehr, als sie ertragen konnte. Wie konnte derselbe Mann, der seit Jahren in psychischer Behandlung und an wusste Merlin wie viele Medikamente gekettet war, sie tatsächlich dazu bringen all ihre Verteidigung aufzugeben und sie sogar dazu bringen, ihn Sir zu nennen?

 

„Ich mag Geheimnisse, Miss Granger“, erklärte er plötzlich mit einem unergründlichen Lächeln. „Und ich hätte gerne, dass Sie bleiben. Sagen Sie mir, was ich tun kann?“ Und er sah sie ehrlich an. Und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Er wollte, dass sie blieb! Der verrückte, wunderschöne Mann wollte, dass sie blieb.

 

„Zeigen Sie mir Ihre Medikamente?“, wagte sie zu Fragen, und er löste den Zeigefinger von ihrem Kinn. Sie vermisste die Berührung sofort. Er atmete schwer aus. Dann schüttelte er den Kopf.

 

„Ich denke, dass wäre etwas zu real, finden Sie nicht?“

 

„Ich weiß es doch ohnehin!“, flüsterte sie trotzig.

 

Er war ernst geworden.

 

„Wieso wollen Sie das?“ Und sein Blick war wieder lauernd, als suche er eine bestimmte Antwort aus ihrem Mund.

 

„Ist es wichtig, warum? Ich bin auch vorher nicht weggelaufen“, behauptete sie tapfer, aber er lächelte wieder.

 

„Sie tun eigentlich kaum etwas anderes als vor mir wegzulaufen“, bemerkte er jetzt spitz, aber dann atmete er aus. „Ok. Das ist Ihre Bedingung?“ Und sie nickte, mittlerweile sehr unschlüssig. „Miss Granger, ich zeige Ihnen meine gesamte Medikation, wenn Sie wünschen. Aber nicht heute“, erklärte er lächelnd.

 

Und irgendwie war sie von der Kündigung weit abgedriftet, ging ihr dumpf auf.

 

„Ok…“, sagte sie schlicht. Sie kam sich etwas manipuliert vor.


„Ok? Dann kündigen Sie heute anscheinend nicht?“, vergewisserte er sich in seiner ganzen jungenhaften Arroganz, mit einem umwerfenden Lächeln. Und wie konnte sie jemals nein zu ihm sagen? Sie schüttelte also den Kopf, unfähig etwas anderes zu tun, und ging mit weichen Knien in ihr Büro.

 

Sie zog sich die Jacke kopfschüttelnd aus, legte sie über den Schreibtisch, und die Tür schloss sich plötzlich. Sie hob den Kopf und starrte blind nach vorne.

 

„Ich glaube, ich schulde Ihnen noch eine Entschuldigung für gestern“, hörte sie seine angenehm tiefe Stimme, und ihre Handflächen wurden übergangslos feucht. Oh Merlin! Diese Stimme! Seine Worte! Das konnte er jetzt nicht anders als wörtlich meinen, oder?! Sie waren in seinem Büro! Auf der Arbeit!

 

Sie wandte sich fast ängstlich zu ihm um, das Blut rauschte angenehm laut in ihren Ohren, als sich ihr Puls bei seinem Anblick beschleunigte. Ihr Magen zog sich zusammen, denn hundert Schmetterlinge schlugen in heller Vorfreude mit den Flügeln.

 

Falsch, Hermine! Ganz, ganz falsch, dachte sie verzweifelt, aber er hatte den Abstand lächelnd geschlossen.

 

 

Kapitel 9

 

Der Blick aus seinen Augen war fast verwegen und so magnetisch anziehend, dass sie nicht wegsehen konnte. Und sie überlegte, ob es eine schlechte Idee wäre. Aber anscheinend ignorierte ihr Kopf – oder ihr Körper – sein gestriges Verhalten komplett, blendete alles schlechte an ihm aus, und ein Lächeln zog seine Mundwinkel langsam nach oben, dass sich feine Grübchen in seine samtene Haut gruben. Zum ersten Mal erkannte sie den Ansatz eines Barts auf seinen Zügen, und es ließ ihn nur noch besser aussehen.

 

Sein Selbstbewusstsein schien unantastbar zu sein, während er auf sie hinabblickte.

 

„Wir… sind im Büro“, entrang sich schließlich die größte Sorge ihrer Kehle. Und tatsächlich vertiefte sich sein Lächeln, als hätte sie etwas besonders amüsantes gesagt. Es war kaum mehr Platz zwischen ihnen und sie wich überwältigt zurück an ihre Schreibtischkante. Er folgte ihr umstandslos, und bevor sie reagieren konnte, hob er sie mit beiden Händen auf ihren Schreibtisch.

 

Oh Merlin!

 

„Sie glauben nicht, wie sehr ich Sie vermisst habe“, entfuhr es ihm rau, und ihr Herz machte gleich mehrere Sätze. Hatte er?! Er hatte sie vermisst? Wirklich? Innerlich vollführte sie Luftsprünge! „Ich habe nach Freitag pausenlos daran gedacht, wie unglaublich Sie nackt aussehen“, sprach er weiter, und sie spürte die Röte in ihren Wangen wieder. Und ein Ziehen in ihrer Magengegend, das ihren Herzschlag weiter beschleunigte. Und auch, wenn sie es niemals laut zugeben würde, aber, dass er sie siezte, trieb ihren Puls in die Höhe. Es war wie ein Rollenspiel. Ein perverses, gefährliches Rollenspiel in seinem Unternehmen. Jetzt verwischte sein Lächeln. „Ich möchte, dass Sie tun, was ich von Ihnen verlange, Miss Granger“, befahl er mit strengem Blick, und sie schmolz unter seinen Worten. Er war so unglaublich anziehend. Sie war einfach nur Pudding unter seinem Blick. Sie nickte mit trockener Kehle.

 

„Heben Sie Ihre Arme“, fuhr er fort, ohne sie aus seinem Blick zu entlassen, und ihre Arme hoben sich zu ihrer größten Überraschung, wie von selbst. Er griff unter den Saum ihres Pullovers und zog ihn umstandslos über ihren Kopf.

 

Jetzt trug sie Jeans und BH und saß auf ihrem eigenen Schreibtisch. Ihr Pferdeschwanz fiel ihr nach vorne über die Schulter. Er folgte ihm mit seinem Blick, und nahm ihn in die Hand, fuhr mit den Fingern durch ihre dunklen Wellen, ehe er hart wieder seine Finger um den Zopf schloss und sie daran plötzlich näher zog, dass sie keinen Zentimeter mehr von seinem Gesicht entfernt war. Sie hielt den Atem an. Seine grauen Augen glühten vor Lust. Es tat nicht wirklich weh. Es turnte sie leider viel zu sehr an, ihm die Kontrolle zu überlassen, stellte sie mit klopfendem Herzen fest.

 

Er stellte sich mit einem letzten Schritt zwischen ihre Beine, schlang den anderen Arm um ihre bloße Taille, und sie wusste, es fehlte nur noch der Bruchteil einer Sekunde. Ihr Herz schlug einen letzten ungeduldigen Schlag, und dann küsste er sie. Sie Kopf senkte sich schnell, seine warmen Lippen trafen ihren Mund, und dass sie hatte kündigen wollen rutschte sehr, sehr weit nach hinten in ihr Bewusstsein, denn wie hatte sie ohne seine Lippen auskommen können?

Unbewusst stöhnte sie gegen seinen Mund. Sie erwiderte den Kuss sofort. Sofort! Es gab überhaupt keine andere Möglichkeit. Dass sie nicht alleine waren, dass ihre Tür nicht verschlossen war – völlig egal!

 

Ihre Hände griffen in seine Jackettaufschläge, zogen ihn enger an sich, wanderten zu seinen Schultern, über seinen Nacken, bis sie in seine dichten Haare griffen und seine Zunge übergangslos in ihren Mund glitt. Sie zog voller Verlangen an den blonden, dichten Haaren, und er stöhnte rau in ihren Mund. Ihre Lippen verschlossen die seinen nur zu willig, und sie massierte seine Zunge, bis er seine Hand über ihren nackten Rücken bis hin zu ihrem Po wandern ließ, sie ausstreckte und sie gegen sich drückte. Sie spürte die Erektion in seiner Hose, und in heller Vorfreude zog sich alles in ihrem Unterleib zusammen.

 

Er löste den Kuss und verharrte direkt vor ihren Lippen. Seine grauen Augen fixierten sie.

 

„Vertrauen Sie mir?“, fragte er tonlos, mit sehr rauer Stimme. Ihr Atem ging unregelmäßig, und ihre weit aufgerissenen Augen, konnten sich nicht von seinem Anblick lösen. Seine dunkelgrauen Augen blickten hungrig auf sie hinab, und der Sturm darin war unglaublich. Löste sie es tatsächlich aus? Und bevor sie über seine Worte ausreichend nachgedacht hatte, nickte sie, als wäre es selbstverständlich. Und sie tat es.

 

„Ja“, hauchte sie als Antwort, und zur Bestätigung hoben sich seine Mundwinkel. Mit seinen Fingern öffnete er langsam die Knöpfe der Jeans, und sie hielt ihn nicht auf, hielt ihren Blick weiter auf sein Gesicht gerichtet. Er ging in die Knie, und öffnete tatsächlich ihre Schuhe, zog sie aus, danach ihre Socken. Und die Röte stieg wieder in ihr Gesicht. Dann zog er sie in einer schnellen Bewegung vom Schreibtisch zurück auf den Boden. Etwas wacklig stand sie auf ihren eigenen Beinen. Er schob die enge Hose ihre Beine hinab, bis sie selber aus den Hosenbeinen steigen konnte, und trug nur noch ihre Unterwäsche.

 

Sie befeuchtete abwesend ihre Lippen, während er noch vollständig angezogen war.

 

„Ihre Haut ist absolut unglaublich“, murmelte er anerkennend. Er hob die Hand zu ihrem Nacken, schlang sie um ihren Hals und zog sie erneut zu einem Kuss heran.

Ihre Hände fanden hastig einen Weg zu seinen Schultern, schoben sein Jackett seine Arme hinab, und er ließ es zu. Sie konnte nicht anders, als ihre Hände seinen Rücken hinab streichen zu lassen, und sie erlaubte es sich, sie auf seinem festen Hintern über der Jeans ruhen zu lassen. Sie spürte plötzlich sein Grinsen gegen ihre Lippen. Er unterbrach den Kuss erneut, und mit offenem Mund schnappte sie nach Luft, als seine Zunge ihren Hals entlang fuhr, seine Zähne kurz zubissen, und das Gefühl unzählige Schauer über ihren Rücken schickte.

 

Seine Zähne kratzten über ihre bloße Haut, ganz leicht, bis er mit den Zähnen den einen Halter ihres BHs ihre Schulter hinab zog. Sie zitterte unwillkürlich vor ungeduldiger Erwartung.

 

„Ihre Brüste sind perfekt, Miss Granger. Absolut perfekt“, sprach er wieder. Er zog mit den Fingern den BH über ihre rechte Brust und erreichte mit seinen Lippen endlich ihren harten Nippel. Sie schloss stöhnend die Augen, als er ihn in seinen Mund sog. Sie griff erneut in seine Haare, fest und verlangend. Seine Zunge umrundete ihren Nippel wieder und wieder, bis sie zischend die Luft einsog.

 

Sie presste sich enger gegen ihn, und sein Duft hüllte sie nur noch mehr ein.

 

„Bitte“, hörte sie sich selber flüstern, und er löste sich von seiner süßen Qual, um seinen Blick zu heben.

 

„Bitte, was?“, fragte lächelnd, und es war ihr egal, dass sie bestimmt unverschämt rot geworden war. Sie biss sich wieder auf die Lippe, und seine Finger strichen über ihren Bauch, hinab über ihren Bauchnabel, bis er am Bund ihres Slips inne hielt.

 

„Wollen Sie, dass ich Sie berühre?“ Am liebsten wollte sie, dass er jetzt ihren Vornamen sagte! Am liebsten wollte sie ihm seine Kleider vom Leib reißen, aber sie konnte nur unfähig nicken. Sie wollte alles! Absolut alles, was er ihr gab! Seine Finger schlüpften in ihren Slip, fuhren fest über ihren Venushügel, bis er ihre Klitoris fand. Kurs massierte sein Daumen das empfindliche Nervenbündel, ehe sich seine Mundwinkel zu einem anrüchigen Grinsen hoben. „So feucht?“, erkundigte er sich, und sie schloss keuchend die Augen. Schließlich stieß er einen Finger in sie, und ihre Beine zitterten vor Lust. Ein zweiter Finger fand den Weg in sie, und er verschloss ihren Mund. Seine Zunge drang fordernd in die Hitze, und sie begegnete dem Kuss wild und völlig losgelassen. Ihre Finger griffen blind in sein Hemd, zogen es aus der Hose, und nur zu schnell hatte er sich von ihr gelöst, ihre Hände abgefangen und benebelt sah sie in sein Gesicht.

 

Die Enttäuschung musste auf ihren Zügen stehen, und ihr Atem ging schnell.

 

Er schüttelte sachte den Kopf. Und sie begriff, selbst in ihrem Nebel der Lust. Er wollte nicht, dass sie ihn anfasste! Es machte aber keinen Sinn! Überhaupt keinen. Sie wollte ihn ausziehen. Sie wollte diesen perfekten Mann vor sich ausziehen, seinen perfekten Körper betrachten und sie wollte seine nackte Haut spüren, wenn er in sie eindrang! Was er endlich tun sollte!

 

„Was wollen Sie tun?“, fragte er ruhig, und sie hätte vor Ungeduld weinen können.

 

„Sie… ausziehen“, brachte sie heiser hervor. Er schüttelte wieder den Kopf, aber er lächelte.

 

„Nein, noch nicht“, sagte er schlicht.


„Sie wollen… nicht mit mir schlafen?“, schaffte sie zu sagen und hoffte, sie klang nicht so verzweifelt und willig, wie es sich in ihren Ohren anhörte. Die Röte sprengte wieder einmal ihr Gesicht. Und sein Lächeln vertiefte sich, während er die Hand zu ihrem Gesicht hob. Sie lehnte sich in seine Berührung, ohne dass sie es verhindern konnte. Und er antwortete nicht auf ihre Frage, aber sie wusste, er hatte eine Erektion.

 

„Alles hat seine Zeit. Wollen Sie sonst noch irgendwas tun?“, fragte er jetzt lauernd, und sie hob den Blick zu seinem wunderschönen Gesicht. Sie wollte mit diesem Mann schlafen. Dringender als alles andere. Aber… sie durfte ihn nicht berühren? Es machte keinen Sinn!

 

„Darf ich….“ Es kostete sie schon Überwindung zu fragen. „Ihre Hose öffnen?“ Und sie fühlte sich so schüchtern, wie noch nie. Plötzlich lächelte er.

 

„Das dürfen Sie, Miss Granger.“ Und sie wollte nicht fragen, weshalb sie ihn nicht berühren durfte. Ob es deshalb war, weil sie eine Muggel war, oder… ob er durch die Medikamente irgendwie entstellt war, oder… vielleicht sah er unter seinen Sachen nicht perfekt aus? Während sich diese Gedanken in ihrem Kopf formten öffneten ihre Hände bereits fahrig seinen Gürtel, die Knöpfe seiner Jeans, den Reißverschluss, denn sie würde alles nehmen, was sie kriegen konnte. Und sie hob unsicher den Blick zu seinem Gesicht. Sie wusste, er hatte die Luft angehalten.

 

Und sie wollte nicht hinterfragen, was los war, was das Problem war, und sie hätte weinen können, dass sie ihn nicht vollständig ausziehen durfte.

 

Ohne ihn aus den Augen zu lassen, griff ihre Hand in die dunklen Shorts.

 

Und die Luft entwich stöhnend seinem Mund, während sich seine Augen augenblicklich schlossen. Er war groß in ihrer Hand. Seine Erektion pochte weich und samten gegen ihre Finger, und sie schluckte schwer, als sie mit einer Hand die Hose und die Shorts seine Beine ein Stück weit hinab schob. Perfekt.

Da war nichts Schockierendes! Seine Oberschenkel waren so muskulös, wie es die Form seiner Hose bereits angedeutet hatte. Und sein Penis war… unglaublich. Gerade und wunderschön. Lang lag er in ihrer Hand, und sie konnte die Finger nicht komplett um den Schaft schließen, so dick war er.

 

Und es war berauschend, dass der schöne Mann vor ihr, die Augen geschlossen hatte, dass er sich plötzlich kaum beherrschen konnte, und sie hatte vergessen, wo sie waren, wer sie waren, und sie konnte nicht anders, als wieder ihre Lippen zu befeuchten. Und dann sank sie auf die Knie. Er registrierte es sofort und öffnete seine Augen. Fragend sah sie zu ihm auf, und er sah göttlich aus. Er atmete immer noch durch geöffnete Lippen, und sie wünschte sich, dass er nicht ablehnen würde. Zwar war sie nie versessen auf orale Befriedigung beim Mann gewesen, aber bei ihm… konnte sie sich kaum beherrschen.

 

Sie wollte ihn! Oh sie wollte ihn wirklich! Sie wollte ihn spüren. In sich! Irgendwie. Und er sagte nichts, hielt sie nicht auf, und bevor eine weitere Sekunde verstreichen konnte, hatten sich ihre Lippen um seine Spitze geschlossen. Er dehnte ihren Mund, und sie entspannte ihren Kiefer gänzlich, um ihn aufnehmen zu können. Sie hörte ihn scharf einatmen.


„Fuck“, vernahm sie seine grollende Stimme, und ihre innere Hermine schwoll an vor Stolz, dass ein Teil seiner Beherrschung von ihm abfiel. „Oh, Merlin!“, knurrte er, als sie ihn tiefer in ihren Mund saugte. Sie atmete durch die Nase, denn es war unmöglich, ihren Mund noch weiter zu öffnen als jetzt. Seine Hand fand den Weg in ihre Haare, und sie spürte, wie er sich unbeherrscht tiefer in ihren Mund schob. Sie atmete heftiger durch die Nase, unwillig, dieses Gefühl wieder aufzugeben.

 

Sie kratzte leicht mit den Zähnen über seine Seiten, und er sog zischend die Luft ein. „Verflucht, Granger“, murmelte er rau, und sie zog den Kopf ein Stück zurück, glitt mit der Zunge über seine Länge, und seine Hüfte bockte wieder unkontrolliert nach vorne, um sich tiefer in ihren Mund zu stoßen. Panisch spürte sie, wie er gegen ihre Gaumenwand stieß. Sie unterdrückte nur mit Not den Würgereflex, und spürte, wie er zurückwich, wie seine Hand sanft über ihren Nacken strich.

 

„Ruhig“, murmelte er leise. „Tief atmen, Miss Granger“, fuhr er fort, und sie befolgte seinen Befehl, atmete tief durch die Nase und schloss die Augen. Alleine schon, weil er gerade nicht förmlich gewesen war! Weil er die höfliche, aristokratische Umgangsform nicht mehr einhielt. So sehr es sie erregte, wenn er sie siezte, umso mehr gefiel es ihr, wenn er es vergaß. Es war ein mächtiges Gefühl, als sie spürte, wie er sich nur knapp beherrschen konnte. Und sie drängte ihren Mund weiter nach vorne, nahm ihn wieder tiefer auf, und zwang sich, ruhig zu atmen. Sie setzte ihre Zunge ein. Vorsichtig strich sie über die weiche Haut, versuchte seine Länge mit ihrer Zunge zu umrunden und hörte ihn abgehackt keuchen. Sie hörte, wie sein Atem jetzt schneller wurde. Ihre Hand hob sich in ihrem neu aufkommenden Mut zu seinem, Schaft, pumpte hart an ihm auf und ab, und er krallte sich in ihren Pferdeschwanz.

 

„Fuck, verflucht!“, stöhnte er, und als sie glaubte, sie könnte nicht mehr, als sie glaubte, das Gefühl wäre unerträglich und er wäre zu groß für ihren Mund, bockte er ein letztes Mal auf. Und sie spürte den heißen Samen in ihrer Kehle. Ihre Reflexe erwachten wieder, und sie schluckte automatisch, schluckte jeden schweren Tropfen, spürte, wie er schlaffer wurde in ihrem Mund, leckte noch einmal über seine Spitze, und er zog sich schwer atmend zurück.

 

„Fuck!“, wiederholte er nur, während seine Hände um ihre Schultern griffen und sie wieder auf ihre Füße stellten. „Granger, das war…“ Kurz verging eine Sekunde, in der sich sein aufgewühlter hungriger Blick in ihren Augen verfing, und ihr Puls stolz in ihr hämmerte und neue Rekorde brach, ehe er fast zornig ihre Lippen verschloss. Sie wusste, sie hatte gerade erst seinen Samen geschluckt, aber es schien ihm völlig egal zu sein. Seine Zunge drängte in ihren Mund, und ihr Unterleib pochte vor genüsslichem Verlangen. Sie erwiderte seinen Kuss, ließ ihre Zunge gegen seine kämpfen, und sie hatte sich noch nie so gefühlt! Noch nie! Er löste sich ungeduldig von ihren Lippen und schob sie zurück auf den Schreibtisch, presste ihren Körper auf die Fläche, ignorierte achtlos die Unterlagen und Ordner, und seine Finger öffneten ihren BH, zogen ihren Slip ihre Beine hinab, und sie registrierte, wie er nach seinem Zauberstab griff.

 

„Vertrauen Sie mir“, knurrte er, und sie widersprach nicht, wartete nackt und reglos. Er führte den Zauber stumm aus. Seine Hose war immer noch geöffnet, aber er hatte anscheinend seine Shorts wieder seine Beine hochgeschoben, stellte sie enttäuscht fest, aber schon spürte sie den Zauber. Ihre Hände flogen über ihren Kopf und wurden von Magie zusammen gehalten.

 

Sie konnte ihn nicht berühren! Sie würde dieses Verhalten später ergründen, denn sein Blick schickte gerade Millionen Stromstöße durch ihren Körper, als sein Mund ungeduldig ihre Brustwarze in seine Hitze sog. Sie beugte sich ihm entgegen, versuchte den Zauber zu lösen, der ihre Hände über ihrem Kopf hielt, aber der Zauber war zu stark. Es erregte sie umso mehr. Seine Lippen küssten eine heiße Spur ihre Mitte hinab, über ihren Bauchnabel, und seine Hände strichen federleicht über die Innenseite ihrer Oberschenkel, während er ihre Beine spreizte. Sie sah an ihrem Körper hinab, und er küsste gerade ihren Venushügel.

 

Dann wanderten seine Lippen zu der Innenseite ihres Oberschenkels, und sie wollte ihn so dringend in sich spüren, dass sie hätte schreien können. Aber anscheinend würde sie diesen Wunsch nicht erfüllt bekommen! Seine Zunge strich plötzlich über ihre empfindlichen Nerven, und sie keuchte auf. Sein Daumen rieb beständige Kreise, und sie spürte, wie ihr heißer wurde, wie sich der Orgasmus beständig aufbaute. Sie lehnte sich gegen die magischen Fesseln, konnte ihre Hände aber nicht bewegen. Qualvoll langsam stieß er seine Zunge in ihre feuchte Hitze, und ihr Körper bettelte schamlos um Erlösung, während sie ihre Hüfte ihm entgegen beugte.

 

Seine Zunge drang tiefer in sie, wieder hinaus, und mit zwei Fingern rieb er hart ihre Klitoris. Ihre Brust hob und senkte sich schneller, und ihr Kopf flog zurück gegen die harte Platte des Schreibtischs, als er die Zunge noch einmal tief in sie gleiten ließ.

 

Malfoy!“, stöhnte sie hilflos – und kam. Haltlos und völlig unvermeidbar. Sie kämpfte nicht mehr gegen die magischen Fesseln, entspannte ihre Arme und ließ sich von den Wellen des erlösenden Orgasmus‘ erfassen. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Atem ging abgehackt.

 

Sie spürte, wie er sich wieder aufrichtete und den Zauber löste. Schlaff fielen ihre Arme auf den Schreibtisch. Sie konnte sich nicht bewegen. Der Orgasmus war zu mächtig gewesen. Sie hörte, wie er seine Hose verschoss.

 

„Am liebsten würde ich Sie so auf dem Schreibtisch liegen lassen“, hörte sie seine amüsierte Stimme. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, wie er durch seine Haare fuhr. Er sah unverschämt gut aus. Ein anzügliches Lächeln auf den Lippen. Träge setzte sie sich auf, aber ihre Beine zitterten noch. Sie schämte sich nicht einmal, komplett nackt zu sein.

 

Und was schlimmer war – sie wollte ihn immer noch! Immer wieder. Er hatte das Jackett wieder über sein Hemd gezogen.

 

„Werden Sie mit mir schlafen?“, wagte sie tatsächlich zu fragen, denn anscheinend verlieh der vorangegangene Orgasmus ihr noch genügend Mut, ehe ihre Angst und ihre Scham wieder zurückkehren würden. Er sah sie nachdenklich an. Dann lächelte er. Er ruckte vage mit dem Kopf.

 

„Alles zu seiner Zeit“, wiederholte er, und sie kletterte weniger anmutig vom Schreibtisch, stieg eilig in ihren Slip und ihre Hose und wünschte sich, er würde ihr sagen, was falsch mit ihr war, dass er nicht mit ihr schlafen wollte! Als ahnte er ihre Gedanken hob sein Zeigefinger ihr Kinn an. Ihr Herz machte einen Satz. „Ich werde mit Ihnen schlafen“, versprach er plötzlich, und es grenzte fast an eine Drohung. „Aber ich will mir sicher sein, dass Sie das auch wollen“, schloss er ernst, und wie konnte er daran bloß zweifeln! Ungläubig sah sie ihn an, wollte protestieren, aber er hatte den Abstand zu ihren Lippen so schnell geschlossen, dass sie überrascht die Luft einsog, während sich ihre Augen automatisch schlossen.

 

Sie schmeckte sich selber in seinem Mund, und es hatte sie noch nie so erregte wie jetzt. Für gewöhnlich fand sie es widerlich, aber dass er nach ihr schmeckte, dass er diese Dinge mit ihr tat, ließ sie so willenlos werden, wie sie es nie erwartet hatte. Ihr nackter Oberkörper presste sich gegen seinen, und tatsächlich spürte sie seine Erektion erneut. Wieder machte ihr Herz gleich mehrere Sätze, und dann spürte sie das Lächeln seiner Lippen gegen ihren Mund.

 

„Wenn die lästige Arbeit nicht wäre“, hörte sie ihn gegen ihre Lippen murmeln. Träge öffneten sich ihre Augen wieder. Arbeit? Oh…. Richtig! Röte stieg wieder in ihre Wangen. War sie so laut gewesen, dass Witherby bereits Bescheid wusste? Das musste er doch! Aber Malfoy schien es egal zu sein. „Das beste habe ich Ihnen noch gar nicht erzählt“, fuhr er mit angenehm rauer Stimme fort. Sie sah ihn abwartend an.

„Haben Sie Lust, mich nach Italien zu begleiten?“

 

Hatte sie Lust, ihn nach Italien zu begleiten? Würde er mit ihr schlafen, würde sie ihn zum Mond begleiten, stellte der sabbernde Einzeller in ihrem Innern ungeduldig fest, aber sie schluckte schwer.

 

„Italien?“, flüsterte sie zusammenhanglos, und er nickte.

 

„Das Unternehmen, was ich erwerben konnte hat einen Außenposten in Italien. Ich würde mich gerne dort persönlich vorstellen, das scheint ja die beste Politik zu sein – Ihrer Meinung nach“, bemerkte er lächelnd. „Und ich würde Sie gerne für ein Wochenende mitnehmen. Unter Bezahlung versteht sich“, fügte er hinzu, und ihr Mund öffnete sich perplex. Ein Wochenende mit Draco Malfoy in Italien? Oh Merlin!

 

Wie… sollte sie das Ginny erklären?

 

Sein Ausdruck verdunkelte sich plötzlich, und sein hungriger Blick trieb ihren Puls erneut in die Höhe. „Ich schlage vor, am besten ziehen Sie sich etwas über, bevor ich Sie den ganzen Tag nackt auf den Schreibtisch kette und Sie befriedige, bis die Sonne untergeht“, entfuhr es ihm mit einem Grollen, und es zog angenehm in ihrem Unterleib, als sie sich zitternd nach ihrem BH bückte.

 

Merlin… Millionen Schmetterlinge in ihrem Innern tanzten gerade Samba….

 

~*~

 

Akte 732

Sitzung 67, Juni 2008

- Notizen, Askaban -

 

- Fünfter Monat Gefangenschaft in Askaban, Patient hat keine weiteren Suizidversuche unternommen

- Patient weiß von zukünftiger Inhaftierung seines Vaters, weist mehrere Verletzungen auf

- Haare wurden wieder kurz geschoren…

 

 

„Guten Tag, Mr Malfoy, erzählen Sie mir von Ihrer Woche“, begann sie, erwatete aber nicht allzu viele Informationen, die er freiwillig preisgab. Er hatte die Arme verschränkt, und sie sah, dass ihm Askaban langsam zusetzte. Er wirkte unkonzentriert, und die Wunde über seiner Augenbraue war nicht ordentlich verarztet worden. Sie würde eine Narbe hinterlassen, wäre sie auch noch so schwach. Sie runzelte die Stirn, notierte sich den Fehler des Personals und räusperte sich lauter.

 

„Sie haben sich geprügelt?“ Er sagte nichts, blickte in Richtung der Gitterstäbe, hinter denen durch das schmutzige Fensterglas ein Sturm vor den Küsten Askabans tobte. Die Wachen hatten ihr berichtet, dass sein Vater ihn geschlagen hatte, als er zur Untersuchungshaft nach Askaban gekommen war, vor einigen Tagen. Lucius Malfoy war wieder entlassen worden und trat seine Haftstrafe im Dezember an.

 

Er hatte die Erlaubnis bekommen, seinen Sohn zu sehen. Allerdings artete diese Begegnung in einen solch handgreiflichen Streit aus, dass die Wachen beide Männer voneinander trennen mussten, und leider wussten die Wachen nicht, welcher Wortaustausch dazu geführt hatte, dass der Vater den eigenen Sohn niedergeschlagen hatte.

Und sie war sich nicht sicher, ob er darüber reden wollte. Wahrscheinlich nicht. Ihre Hände fuhren über ihre Handtasche. Sie hatte ein neues Medikament mitgebracht. Sie hatte es ihm noch nicht erzählt.

 

Mr Malfoy?“, wiederholte sie und wartete eine Minute, bis er sie tatsächlich ansah. „Welcher Tag ist heute?“, erkundigte sie sich, aber er verzog spöttisch seinen Mund.


„Wen interessiert das?“, gab er tonlos zurück.


„Erzählen Sie mir von Ihrer Woche, oder wir beginnen sofort mit der Hypnose.“

 

„Mir scheiß egal. Beginnen Sie mit Ihrem bekloppten Hokuspokus, damit wir hier fertig sind.“ Sie notierte sich seine Feindseligkeit ihr gegenüber. Sie konnte nur annehmen, dass sein Vater ihn auf die Behandlung angesprochen hatte. Und dass er dagegen war.

 

„Gerne, wenn Sie zuvor diese Tablette nehmen würden?“, schloss sie das Gespräch ab, griff in die Tasche und holte ein Tablettenröhrchen hervor. Er atmete gereizt aus.


„Wofür? Dass ich mich nicht umbringe? Dass ich keine Phantomschmerzen habe?“ Sie wusste, er nahm die Tabletten gegen seine Malschmerzen immer noch regelmäßig. Sie nahm auch an, er war bereits abhängig davon. Und eigentlich hatte sie davon absehen wollen, ihn von diesem Medikament ebenfalls abhängig zu machen, aber… wahrscheinlich war es nötig.

 

„Das… ist ein Turbatikum. Es ist eine neue Entwicklung der Heilkunde. Und es ist umstritten in der Anwendung. Das Ministerium hat es erstmals im Mordprozess Willer gegen Hope angewandt, um die Gewalt im Gerichtssaal zu unterbinden. Es beinhaltet eine konzentrierte Sedierung, die ein gewisses Zentrum in ihrem Gehirn lahmlegt. Es regelt die Wut. Und die Persönlichkeitsstörungen, die sie zur Unausgeglichenheit im herkömmlichen Sinne bringen.“ Und er hörte ihr zu. Sie erklärte all ihren Patienten, welche Medikamente sie wogegen nahmen.

 

Und sie machte bei Draco Malfoy keine Ausnahme. Allerdings war er ihre erste Testperson, was das neue Turbatikum anging.

 

„Sie wollen mich in einen sabbernden Zombie verwandeln, damit sie Ihre verdammte Behandlung abschließen können? Lassen Sie mir einfach ihren verfluchten Zauberstab hier, dann lösen wir das Problem einfacher“, gab er knurrend zurück.


Mr Malfoy-“

 

„Sie können mich mal! Ich werde bestimmt keine Idioten-Tabletten nehmen, um-“

 

„Ein Turbatikum regelt Ihre Wut. Die Tabletten sind die erste Form, flüssig wird es wohl erst in einigen Jahren zu erstehen sein, denn bisher wurde noch keine Konzentration gefunden, die in flüssiger Form nicht augenblicklich zum Hirntod führt.“ Er sah sie wieder an.

 

„Ich bin nicht verrückt!“, knurrte er schließlich. Sie notierte sich seine Vehemenz. „Ich bin kein verrückter Idiot, Sie verdammte Schlampe!“ Er war aufgestanden.


„Sagt Ihr Vater das?“ Und schon griff er nach dem Besucherstuhl. Sie erhob sich ebenfalls, und bevor der Stuhl sie mitvoller Wucht treffen konnte, hatte sie einen Schutzschild mit dem Zauberstab beschworen. Der Stuhl prallte laut daran ab, und schon öffnete sich die Tür.

„Raus! Es ist alles unter Kontrolle! Sofort raus!“, rief sie ärgerlich in Richtung der Wache, die bereits den Zauberstab gezogen hatte. Der Mann zögerte kurz, ehe sie ihm einen wütenden Blick zuwarf. Er schloss die Tür wieder.


„Am besten lassen Sie mich abtransportieren, Doc. Ich bin nicht in der Stimmung für ihren Scheiß!“ Sie löste den Zauber wieder.

 

Mr Malfoy, ich möchte, dass Sie diese Tablette nehmen.“

 

„Ich werde Sie aber nicht nehmen.“

 

„Ich zwinge Sie, oder Sie tun es freiwillig.“

 

„Sie wollen mich zwingen? Oh und bitte wie genau soll-“

 

Imperio!“, sagte sie mit Bedauern, und kurz sah sie den Schock auf seinem Gesicht. Aber Askaban schwächte den Geist, die Willenskraft und jede natürliche Abwehr, die der junge Malfoy noch hatte, und zu schnell wurden seine Augen glasig. Sie schob ihm ein Wasserglas über den Tisch und legte eine Tablette daneben.

 

Kurz sah sie ihn zögern, sah, wie sich sein Geist versuchte aufzulehnen. Aber der Zauber war zu stark.

 

„Nehmen Sie die Tablette“, befahl sie, und zitternd hob sich seine Hand zum Glas. Es war das erste Mal, dass sie den Imperius anwandte. Sie hatte die Kompetenz dazu, wenn es der Heilung diente. Und sie war überzeugt, es konnte nicht schaden. Er legte sie in seinen Mund, trank einen Schluck, und sie löste den Zauber, als sie sah, wie er das Wasser schluckte.

 

Sein Blick klärte sich, und er schüttelte benommen den Kopf.

 

„Ich hoffe, Sie haben mich soeben vergiftet, Sie elende Blutsverräter-Schlampe!“, keuchte er und hustete heftig. Die Zusatzstoffe im Medikament waren hoch dosiert zusammengesetzt und schmeckten wie kalte Asche, so hatte es der Gefangene beschrieben, der sie bereits genommen hatte. Sie kontrollierten die Ausbrüche, schickten einen entsprechenden Reiz an das Nervenzentrum, und das Gehirn regelte die Schwankung rational. Das war der Plan.

 

Natürlich konnte Rationalität nur in einem Körper erreicht werden, dessen Gehirn die Kapazitäten besaß, logisch zu denken. Im Fall Willer gegen Hope hatte es leider einen negativen Effekt. Der Gefangene war für den Rest des Tages nicht mehr ansprechbar gewesen.

 

Und sie war höchst gespannt. Sie war interessiert daran, ob ihre These im Bezug auf Draco Malfoy, stimmte. Sie glaubte, er besaß genug Vernunft, genug Eloquenz, genügend Stärke, um den Teil in seinem Gehirn komplett auszuschalten, der von seinem Vater und seiner Umgebung komplett vergiftet worden war.

 

Das Problem war, es regelte seine Angst. Der Körper sollte eigentlich selber die Angst bekämpfen, aber dieses Medikament übernahm diese Aufgabe. Sie musste also aufpassen, dass es keine Regelmäßigkeit wurde, dass er die Tabletten nahm. Sollte es überhaupt funktionieren. Denn, wenn er seine Angst nicht alleine bekämpfte, würde er für immer abhängig von diesem Medikament bleiben. Und das war nicht der Plan.

 

„Es ist kein Gift. Und die Wirkung sollte in der nächsten Minute beginnen“, schloss sie leise.


„Sie wollten doch Ihre verfluchte Hypnose einsetzen? Ist Ihnen die Lust vergangen? Haben Sie Ihren glorreichen Plan, mich zu heilen, aufgegeben, Sie unfähige Möchtegern-Heilerin?“, verlangte er zornig zu wissen, hustete erneut, und seine grauen Augen fixierten sie voller Hass. „Das ist auch besser so! Ich denke, wir sind fertig mit Ihrem Muggel-Programm. Wenn ich überlege, dass ich meinem Vater gesagt habe, Sie sollen sich um ihn kümmern, dann bereu ich überhaupt, dass ich jemals auf meine Psycho-Mutter gehört habe, und zu Ihnen gegangen bin, bevor ich hierher gekommen bin! Wieso helfen Sie nicht wieder den dummen, zurückgebliebenen, schwachen Idioten, die geradezu darum betteln, auch ein verdammter Muggel-Sympathisant zu werden, so wie Sie es sind! Es gibt Leute, die sind noch nicht vollkommen durchgeknallt, wissen Sie? Schlammblüter sind Abschaum, und wieso zur Hölle, sollte ich meine Meinung ändern, nur weil es gesellschaftlich schick ist?“

 

Sie wartete und zählte die Sekunden. Es musste funktionieren, denn er war noch nicht stammelnd und sabbernd zusammen gebrochen, weil seine Vitalfunktionen nicht mit dem Medikament zurecht kamen. Es musste also… irgendeine Auswirkung geben.

 

„Ich will mich nicht ändern. Ich will zu meiner Meinung stehen, sei sie auch undifferenziert, sei es die Meinung eines Todessers, denn ich habe es geliebt! Ich habe es geliebt, die unterdrückten noch weiter zu quälen! Was denken Sie, was es für ein perfekter Tag gewesen wäre, wäre ich tatsächlich dafür verantwortlich gewesen, wenn sich dieses nutzlose Schlammblut von dem Hochhaus gestürzt hätte? Ich hätte die Welt ein kleines bisschen verbessert. Ganz allein!“

 

Er rieb sich plötzlich über die Schläfe, atmete flach aus, und hob den Blick.


„Was ist das für ein Zeug?“, krächzte er, während plötzlich seine Hände zitterten. Sie notierte sich eilig seine Reaktionen. „Antworten Sie mir!“, schrie er jetzt und erhob sich hastig, so dass sein Stuhl laut nach hinten auf den Steinboden fiel. Wieder hustete er, beugte sich über die Tischplatte und stützte sich mit beiden Händen ab, den Kopf gesenkt, und seine Schultern hoben sich schwer, jedes Mal, wenn er einatmete.

 

Sie hatte auch eine Art Gegengift, was das Turbartikum sofort neutralisieren würde. Sie wartete einige quälende Sekunden.

 

Mr Malfoy?“, fragte sie behutsam, und sie sah, wie Schweißtropfen auf die Tischplatte tropften. Die Nebenwirkungen waren immer unterschiedlich. Sie konnte noch nicht ausreichend analysiert werden. Auch war die Anwendung des Medikaments strikt untersagt, da es noch nicht genügend erforscht war, aber… sie hatte es probieren wollen. Es war wie auf ihn zugeschnitten! Es musste funktionieren.


Mr Malfoy!“, wiederholte sie nun ungeduldiger.

 

Und er hob den Blick.

 

„Was?“

 

Es verging eine endlose Minute. Seine Stirn runzelte sich, sein Mund öffnete sich. Die Verletzungen entstellten sein schönes Gesicht, aber etwas klärte sich in seinem Blick. Seine Anspannungen lösten sich langsam. Langsam richtete er sich auf. Langsam hob er seine Hände, fuhr sich über den kurz geschorenen Schädel, dann über die Augen, über seine Lippen, seinen Hals.

 

Sie erhob sich ebenfalls, schritt um den Tisch und stellte seinen Stuhl wieder an den ursprünglichen Platz.

 

„Setzen Sie sich bitte“, befahl sie tonlos. Wortlos sank er auf den Stuhl.

 

Er blickte starr nach vorne. Direkt auf die Tischplatte. Sie befürchtete, dass es schief gelaufen war. Sie holte den neutralisierenden Trank sofort aus ihrer Tasche und stellte ihn neben seine Hand auf den Tisch.


„Wenn Sie es trinken, verschwindet das Gefühl, was Sie jetzt haben, Mr Malfoy. Es neutralisiert das Turbatikum. Ich werde Ihnen eine Frage stellen, und wenn Sie sie nicht beantworten können, Sie nicht begreifen oder… sich nicht wohlfühlen, nehmen Sie das Gegenmittel.“ Sie wusste nicht, ob er ihr zuhörte, denn er sah sie nicht an.


„Welchen Tag haben wir heute?“, wiederholte sie behutsam ihre Frage. Und er sah sie nicht an. Seine Hände fuhren wieder über seinen Kopf, und seine Augen schlossen sich plötzlich.

 

„Freitag, 20. Juni“, erwiderte er langsam. Sie notierte es sich. Er wusste es also immer noch.

 

„Was denken Sie gerade?“, fragte sie, nur vorsichtshalber.

 

„Gar nichts“, erwiderte er, immer noch, ohne die Augen zu öffnen.

 

„Reden Sie mit mir. Ich muss wissen, ob Ihre Vitalfunktionen einwandfrei funktionieren, Mr Malfoy.“ Und sie hielt inne. Eine Träne fiel auf seine Wange. Ihr überraschter Blick folgte dem Tropfen, der über seine schmutzige Haut lief.

 

Er verschloss den Mund mit seiner Hand und schüttelte den Kopf.

Seine Augen öffneten sich. Sie waren gerötet, panisch weit aufgerissen.

Seine Hand griff nach dem Gegengift. Sofort hatte sie nach vorne gegriffen, und ihre Finger umschlossen seine zitternde Hand.

 

„Nein, Mr Malfoy. Sehen Sie mich an!“, befahl sie hastig. „Sagen Sie mir, was passiert!“ Aber er schüttelte nur wieder und wieder den Kopf.

 

„Lassen  Sie… mich es nehmen! Es… ich kann… nicht…“ Und dann schrie er auf. Die Qual entrang sich seinem Körper. Sofort war sie auf den Beinen, während er mit seinen Armen um sich schlug. Sie vollführte den Klammerfluch nahezu augenblicklich, und nun saß er gezwungenermaßen stocksteif auf dem Stuhl. Sein Atem ging flach und schnell. Seine Augen sahen sich hektisch um, bewegten sich unkontrolliert in den Höhlen, und sein Kiefer spannte sich an, so fest hatte er die Zähne wohl zusammen gebissen. Das Gegengift rollte über den Boden, aber es interessierte sie nicht.


„Hören Sie, Sie müssen sich einfach konzentrieren. Das Turbatikum nimmt Ihnen die Schmerzen, die Angst, die Wut – einfach alles – ab! Haben Sie verstanden? Sehen Sie mich an! Erzählen Sie mir von früher. Erzählen Sie mir irgendetwas aus Ihrer Vergangenheit! Egal, was!“, zwang sie ihn, sie anzusehen, und er schüttelte unwillig den Kopf, atmete heftig aus, und sie nickte motivierend. „Quidditch. Erzählen Sie mir davon!“

 

Und er schloss die Augen, als empfände er tatsächlich echte Schmerzen.

 

„Quidditch“, wiederholte er, die Stimme krächzend und hoch. „Mein Vater hat mich ins Team gekauft“, begann er, hustete, schüttelte wieder den Kopf. „Obwohl ich nicht ausgewählt worden war. Keiner wollte, dass ich flog.“ Sie notierte sich seine Worte. Immerhin sprach er. Immerhin konnte er sein Sprachzentrum noch steuern.

„Wenn man Potters Gegenspieler ist, spielt man auf der falschen Seite“, hörte sie ihn jetzt sagen. Und sie hob den Blick. Er hatte sich vor ihren Augen sehr plötzlich entspannt.

 

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie. „Haben Sie Schmerzen?“ Er ruckte unverbindlich mit dem Kopf. Sie hob die Hand und löste den Klammerfluch. Seine Arme sanken schlaff an seine Seite. Er fuhr sich über die feuchten Augen, betrachtete verblüfft seine Hände, an denen nun seine Tränen hingen, und er hob den Blick.

 

Er sah sie an. Draco Malfoy sah sie an. Nicht der Malfoy, der zu ihr kam, zornig, gefährlich, gleichgültig. Nicht der Malfoy, der versucht hat, eine Muggel zu töten und nach Askaban geschafft wurde, nein. Draco Malfoy, der plötzlich zu begreifen schien, weshalb er eine Therapie machen musste, sah sie an. Er stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und vergrub den Kopf in den Händen. Sie wartete ungeduldig.

 

Das war es, worauf sie seit über einem halben Jahr wartete!

Das war es! Das war der Beginn eines Durchbruchs!

 

„Wie ich das meine?“, wiederholte er, die Stimme ruhiger, und gespannt war sie auf die äußerste Kante ihres Stuhls gerutscht. „Gegen jemanden zu arbeiten, der wie ein Held gefeiert wird, ist eine wirklich blöde Idee. Das war das Problem.“ Und sie schrieb hastig mit.

„Und dieses Arschloch…“, brachte er abgehackt hervor. „Dieses verfluchte scheiß Arschloch! Nie den Quidditchpokal gewonnen, weil Potter immer besser war. Nie das beste Zeugnis gehabt, weil sie immer besser war. Und dieses Arschloch hat mich plötzlich mehr gehasst als sich selbst!“, schloss er knurrend, und sie starrte auf seinen Kopf, den er immer noch verborgen hielt.


„Wer?“, fragte sie tonlos, aber sie wusste, wen er meinte. Und ihre Feder zögerte noch einen momentlang, bevor sie schrieb.

 

„Wer?“ Und mit einem Lächeln hatte er den Kopf gehoben. „Mein scheiß Vater“, schloss er. Sein Kopf war zurück auf die Tischplatte gesunken. Sie sah, wie sein Rücken zitterte. Fasziniert sah sie zu, wie Draco Malfoy das erste Mal weinte, seitdem sie ihn kannte.

 

 

- Durchbruch gelungen, erster Therapieansatz durch Turbatikum erfolgt, Patient reagiert auf die Behandlung

- weitere Behandlung durch Turbatikum bleibt als fraglich zu beurteilen…

 

 

Kapitel 10

 

Sie wanderte unruhig vor dem Büro auf und ab.

 

Harry James Potter, Leiter der Aurorenabteilung

 

Sie musste klopfen. Sie würde einfach klopfen, reingehen, mit ihm reden. So schlimm konnte es nicht werden. Unmöglich konnte es wirklich… so schlecht ausgehen, dass er sie für immer verabscheute. Sie kannten sich zu lange! Er war ihr bester Freund!

 

Sie hob die Hand. Zaghaft klopfte sie zweimal.

 

„Herein“, hörte sie seine geschäftige Stimme und zögerte erneut. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Verdammt, sie musste etwas tun!

 

„Herein!“, wiederholte er lauter als zuvor. Und sie schloss kurz die Augen, atmete aus und öffnete seine Tür.

 

„Hey, Harry“, begrüßte sie ihn tonlos. Er sah sie an.

 

„Hermine“, erwiderte er. Sie konnte keine genaue Ablehnung aus seinen Worten hören, also trat sie ganz in sein Büro. Alles war mehr oder weniger ordentlich, und sie hatte sich mittlerweile an die Größe der Räume bei der Malfoy Group gewöhnt, so dass ihr das hier alles… erstaunlich bescheiden erschien.

 

„Was tust du hier?“ Er sah sie verwundert an, denn tatsächlich war sie geschäftlich hier. Und sie wusste nicht, ob Malfoy sie mit Absicht hergeschickt hatte, aber… sie wusste, jetzt konnte sie auch nicht mehr zurück.

 

„Hast du fünf Minuten Zeit?“ Und in ihrem Kopf wäre sie gerne schon fünf Minuten weiter in der Zeit, hätte am liebsten die steife Begrüßung übersprungen und auch das mögliche Geschrei, was folgen würde.

 

„Sicher“, erwiderte Harry, und Skepsis trat in seinen Blick. Sie ignorierte es, so gut es ging.

 

„Ist Ron hier?“

 

„Irgendwo, ja. Soll ich ihn rufen lassen? Ist das irgendwas, was er auch hören müsste?“ Und Harrys Blick war so bedeutungsschwanger, dass sie sie ihn mit großen Augen ansehen musste.


„Was…? Ich, nein. Das geht nur dich etwas an“, schloss sie knapp.

 

„Ok?“

 

„Ich… bin geschäftlich hier“, fuhr sie also zögerlich fort, die Stimme aber wieder ruhiger.

 

„Geschäftlich? Was könntest du geschäftlich mit mir zu tun haben? Vor allem, wo mir Ginny versichert hat, dass du bis jetzt bestimmt bei Malfoy gekündigt haben wirst.“ Sein Blick war mahnend, durchleuchtete sie, und sie konzentrierte sich auf das Brandloch unterhalb seiner Schulter im Trainingsanzug, den er bereits trug. Und sie war immerhin froh, dass Ginny Harry so etwas schon erzählt hatte. Also… diese Malfoy-Sache.

 

„Ja, weißt du…“, begann sie langsam, aber sie musste es sagen. Sie konnte es nicht leugnen. Sie war immerhin hier. Ihre Stimme zitterte etwas. Nur ein wenig. Sie glaubte nicht, dass Harry es besonders auffiel. Bestimmt sowieso nicht mehr, wenn er gleich den Kopf verlieren würde. „Ich habe nicht gekündigt, Harry.“ Sie sahen sich an. Und Harry lehnte sich lediglich in seinem Stuhl zurück.

 

„Hermine, erklär mir mal, was so verlockend daran ist, bei Draco Malfoy zu arbeiten. Für ihn zu arbeiten. Überhaupt in seiner Nähe zu sein? Wäre die Aussicht, im Ministerium zu arbeiten so abschreckend für dich gewesen?“, wollte er stirnrunzelnd von ihr wissen, aber sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein, aber er hat mir den Job angeboten, und… er gefällt mir.“

 

„Der Job?“

 

„Sicher, der Job, was sonst?“, wollte sie fast zu aggressiv wissen, aber Harry hatte bereits eine Augenbraue gehoben. „Und das hier sind die neuen Arbeitsverträge“, fuhr sie wütender fort. Harry betrachtete sie ungläubig, während Hermine einige Unterlagen aus der Tasche beförderte. „Die Stunden sind wieder gekürzt, das Gehalt erhöht, das ganze zusammengefasst. Ich habe mich um den verlängerten Urlaub gekümmert, denn-“

 

Du hast dich gekümmert? Was ist deine neue Position, wenn ich fragen darf?“

 

Und Hermine beschloss, nicht rot zu werden. Sie würde nicht auch noch vor Harry rot werden!

 

„Ich… bin… Mr Malfoys Assistentin“, gab sie schlicht zurück. Harry starrte sie an.

 

Mr Malfoy?“, wiederholte er ungläubig. „Was ist er? Der Earl von London?“, wollte Harry eine Spur zorniger wissen, und wieder fixierte er ihr Gesicht zu unangenehm scharf, dass sie den Blick zurück auf das Brandloch senken musste.

 

„Harry“, widersprach sie beschwichtigend, aber Harry griff sich eine Feder vom Tisch.

 

„Ok, du willst nicht mit mir reden? Du willst, dass es von jetzt an so läuft?“ Und er unterschrieb zornig auf der Linie. Dann noch ein zweites Mal, und er schob ihr die Verträge ungläubig zu. „Deswegen bist du doch hier? Am besten beeilst du dich, und rennst zurück zu ihm. Ich bin sicher, er ist wahnsinnig streng. Vielleicht bedroht er dich ja auch? Wirst du eigentlich gefoltert? Ich meine, weil du eine Muggel bist, und-“

 

Sie packte ruckartig die Unterlagen wieder ein. Sie spürte die Tränen in den Augen, aber Harry blieb stur. Und sie hatte nichts anderes von ihm erwartet gehabt. Der Unterschied war nur, dass sie nicht in die Bibliothek oder die Eulerei zum abkühlen gehen konnte, dass er sich nicht Ron schnappen konnte, um auf dem Quidditchfeld hinter dem Schnatz herzujagen. Dass sie sich heute Abend nicht wieder im Gemeinschaftsraum treffen würden, wo sie sich beruhigt hatten und wo alles wieder in Ordnung gebracht wurde.

 

Sie sah ihm also ins Gesicht. Er war so wütend.  Und sie wusste, wie es aussah.

Er sah sie an, wie einen Verräter, aber… sie war kein Verräter. Sie hatte keinen Seiten gewechselt, aber das würde sie ihm jetzt auch nicht erzählen. Aber wenn er bockig sein wollte – das konnte sie auch. Zwar nicht so gut oder so ausgiebig lang wie Harry, aber… das konnte sie auch. Kurz flackerte etwas in seinem Blick.

 

Sie wandte sich aber von ihm ab, verließ sein Büro ohne einen Abschied und war wieder auf dem Flur.

 

Die fünf Minuten waren vorbei, und am liebsten wäre sie selber nicht dabei gewesen, entschied sie seufzend. Sie fühlte sich hier nicht wohl. Das hatte sie nie getan, aber jetzt kam es ihr hier schon vor, wie feindliches Terrain. Und sie beschleunigte ihre Schritte. Sie betrat den Fahrstuhl und hatte bereits vorher gewusst, dass dieser Tag ein schlechtes Ende nehmen musste!

 

Ehe sich die Türen schlossen, schob sich eine Hand zwischen die Türen und presste sie mit aller Kraft auseinander. Sie war so überrascht, dass sich ihr Mund öffnete.

 

„Wirklich, sag mir, was das soll!“, verlangte Harry außer Atem zu wissen. Und sie wusste nicht, ob sie es gut fand, dass er ihr gefolgt war oder ob sie gleich wütend werden würde deswegen. Aber sie beschloss, dass sie durch schreien gar nichts erreichen würde. Harry legte den Fahrstuhl mit einem Wink seines Zauberstabs lahm. Sie sah ihn vorwurfsvoll an.

 

„Wenn noch andere auf den Aufzug warten-!“, begann sie, aber er schüttelte einfach den Kopf.

 

„Dann können sie die Treppe nehmen, Merlin, noch mal. Hermine, sag mir, wieso-“

 

„Wieso? Ich weiß nicht, wieso, es ist einfach so passiert!“, rechtfertigte sie sich lauter. Und Harry sah sie an. Er hatte sehr breite Schultern bekommen. Sie sah es vor allem in dem Trainingsanzug der Auroren. Und dann klopfte es gegen die Aufzugstüren.

 

„Bist du es?“, rief Harry, ohne sie aus dem Blick zu lassen, und Hermine öffnete den Mund, als sie die Stimme draußen erkannte.

 

„Ja, Mann, ich bin‘s. Mach schon auf!“ Das konnte doch wohl nicht wahr sein!

 

Harry öffnete die Türen einen Spalt und Ron schlüpfte schwer atmend ins Innere des Fahrstuhls. Ihre Augenbrauen hoben sich, denn Ron dampfte und kokelte immer noch etwas. Anscheinend kam er gerade von unten vom Training. Er und Harry trugen die gleichen Sachen. Der hautenge Anzug verbarg erstaunlich wenig. Die Oberschenkel waren innen leicht gummiert, die schweren, eng geschnürten Stiefel schlossen unter den Knien ab, die Brust war mit Fluchfasern verstärkt, die Bauchpartie ebenfalls mit Polstern verbessert, und der Rest an Material, der bei beiden nicht durch das Training beschädigt war, schimmerte grau. Über der Brust war das Zeichen des Ministeriums eingenäht, mit dem gelben Zauberstab als Zeichen der Auroren. Sie wusste, George war an der Produktion der Anzüge beteiligt, und sie kosteten ein kleines Vermögen, so viel Schutz wie in diesen Stücken Stoff eingenäht war!

 

Rons Haare lagen zerzaust auf seinem Kopf, auf seiner Wange klebte ein wenig Dreck. Seine Schultern waren ebenfalls sehr breit geworden, und er war einen Kopf größer als Harry. Gegen die beiden Männer wirkte sie wie aus einer komplett anderen Welt.

 

Sie trug keine Superhelden-Kostüme, kam nicht kokelnd aus Trainingsräumen, und es wirkte nicht mehr so, als wären sie jemals ein Trio gewesen. Sie trug einen kurzen blauen Faltenrock, lange schwarze Seidenstrümpfe und dazu passende dunkelblaue Pumps. Eine weiße Bluse, die wohl beim leisesten Kontakt mit Rons verschmutztem Anzug schwarz werden würde, und einen blauen Blazer. Die Haare hatte sie in einen dicken Seitenzopf frisiert, wo einige Strähnen auf ihrer rechten Seite lose in ihr Gesicht fielen.

 

Sie war dezent geschminkt, denn… sie war seit neuestem immer geschminkt. Und jetzt gerade wirkte es so, als wollten sie zwei kantige, schmutzige Superhelden aus dem Aufzug retten. Sie war einmal mit dabei gewesen, erinnerte sie sich dumpf. Was war passiert?

Sie schüttelte den unangenehmen Gedanken ab. Sie hatte keine Lager gewechselt. Malfoy war einfach nur… sauberer. Die Arbeit war nicht so… physisch. Es war… - sie schauderte fast bei dem Gedanken.

 

„Hey, Hermine“, begrüßte Ron sie hustend. „Also? Um was geht es?“, wandte sich Ron an Harry, und Hermine konnte nicht fassen, dass Harry einen Fahrstuhl außer Kraft setzte und auch noch Ron dazu rief, damit sie alles jetzt hier im Aufzug diskutierten. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Hermine arbeitet für Malfoy!“, entfuhr es Harry aufgebracht, und Ron schenkte ihr einen scheelen Seitenblick.

 

„Warum?“, war seine schlichte Frage, und sie öffnete etwas hilflos den Mund. „Habt ihr… eine kranke Beziehung oder so was?“, wollte er grinsend und eine Spur angewidert wissen, und sie schüttelte schockiert den Kopf, senkte den Blick aber hastig und steckte sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Das war doch nicht zu fassen!

 

„Hermine?“ Ron schien ihr plötzlich nicht zu glauben, schien fast Angst zu haben.

 

„Was, Ron? Natürlich nicht! Denkst du, ich werde eingestellt, damit man mit mir kranke Beziehungen haben kann? Denkst du, es geht vielleicht nicht darum, dass ich talentiert oder geeignet bin?“, schlug sie in eine andere Kerbe, und immerhin Ron ließ sich ablenken.

 

„Ich… nein, Hermine! Ich halte dich für geeignet! Das war doch nur ein Witz! Ich würde niemals behaupten, dass dich jemand nicht einstellen würde, weil du-“

 

„Und Malfoy sieht natürlich dein Talent und die Notwendigkeit, dass du seine Assistentin bist?“, wollte Harry wissen, und verschränkte die Arme vor der Brust. Und es kam ihr surreal vor. Alle drei im Fahrstuhl des Ministeriums. Als sie das letzte Mal alle drei im Fahrstuhl des Ministeriums gewesen waren… - na ja gut, dass war zur Begrüßungsfeier der Auroren vor einigen Jahren gewesen, aber… dass sie unter brisanten Umständen hier drin gewesen waren, das war schon länger her. Und sie waren damit beschäftigt gewesen, Umbridge den Horkrux zu stehlen.

 

„Sie ist seine Assistentin?“, wiederholte Ron ungläubig und starrte sie wieder an.

 

„Sag uns einfach die Wahrheit, die Hermine!“, verlangte Harry jetzt, und ihr Mund öffnete sich schockiert. Dann fixierte sie beide.

 

„Ja? Du hältst mich hier gefangen, bis ich dir die Wahrheit sage, Harry Potter? Was sind wir? Zwölf Jahre alt?“

 

„Das hier ist eine Krisensitzung, Hermine Granger. Es ist doch noch Granger, oder?“, kam es bissig von ihm, und Ron wischte sich ungläubig mit der schmutzigen Hand über die Augen.

 

„Merlin, Harry, hör doch auf!“, brummte er angewidert. „Das ist… - es auch nur anzudeuten ist…“

 

„Ja, Harry. Ich habe Malfoy vor einer Woche geheiratet und heiße jetzt Hermine Malfoy“, erwiderte sie mit eindeutig erhobenen Brauen und legte den Kopf spöttisch schief.

Die Jungen starrten sie an. „Oh, ich bitte euch! Ihr macht eine viel zu große Sache daraus!“, fügte sie hinzu, denn sie glaubte langsam nicht mehr, dass sie für ihre Scherze empfänglich waren.

 

„Daraus, dass du für Malfoy arbeitest? Als seine Assistentin?“

 

„Ja, was soll das überhaupt heißen? In meinem Kopf haben Assistentinnen hohe Schuhe an und keine Unterwäsche, und sie…“ Ron brach ratlos ab, während Hermine ihn musterte. Und plötzlich schien er sie näher zu betrachten, von ihren hohen Schuhen bis hin zu der engen Bluse. Sein Mund öffnete sich in stummer Erkenntnis, und seine Augen waren weit geöffnet. Sie verdrehte die Augen.

 

„Ron, das ist absolut widerlich!“


„Was machst du dann bei ihm?“, entfuhr es Ron hysterisch. „Ich meine, du bist doch wohl nicht… nackt mit ihm!“ Und er klang so entrüstet, dass sich ihr Mund langsam öffnete. Merlin, das musste ihn wohl so sehr verletzen wie nichts sonst. Und sie war nackt gewesen. Aber Malfoy nicht. Zählte das irgendwas in Rons Kopf? Aber das konnte sie ihren besten Freunden bestimmt nicht erzählen. Aber sie wollte nicht lügen.

 

„Ich glaube nicht, dass wir darüber reden sollten. Ich finde es unfassbar, dass ihr mir nicht vertraut!“, beschwerte sie sich.

 

„Verzeihung Hermine, aber deinen Entscheidungen scheint es zurzeit an Rationalität zu mangeln“, erklärte Harry, immer noch abwehrend. Ron fuhr sich verzweifelt durch die Harre.

 

„Aber… wieso?“, entfuhr es Ron. „Ich meine, bist du… zwingt er dich dazu? Will er… irgendwie an Harry kommen?“, vermutete Ron und tauschte mit Harry einen Blick. Hermine verdrehte die Augen.

 

„Ja, Ron. Das ist es. Malfoy plant nämlich, dieses Jahr den Hauspokal zu gewinnen, und möchte sicher gehen, dass Harry einen Trank nimmt, der ihn für drei Stunden bewusstlos werden lässt, damit er den Schnatz auch fangen kann.“ Beide Jungen sahen sie wieder an.

 

„Hey, es wäre nicht so weit hergeholt, wenn-“, beschwerte sich Ron, aber Hermine machte ein empörtes Geräusch.

 

„Er ist der reichste Mann in England, Ron! Ich glaube, er hegt keinen Hass mehr gegen Harry!“ Und schon als sie die Worte sagte, konnte sie es selber nicht ganz glauben. Beide Jungen schnaubten auf.

 

„Ja, wir sind die besten Freunde!“, bestätigte Harry knurrend.

 

„Er hat mir gegenüber nichts dergleichen verlauten lassen. Er wollte, dass ich persönlich zu dir komme und…“ Sie unterbrach sich selbst, denn die Blicke von Harry waren tödlich.

 

„Oh, wie nett von ihm! Hat er mir noch einen Kuchen gebacken? Wird er noch von Eulen gebracht, Hermine?“

 

„Ja, mit Gift drin?“, fügte Ron böse hinzu, und Hermine schloss kurz die Augen. „Du schläfst mit dem, oder?“ Und jetzt sah sie ihn wieder an.

 

„Nein, ich schlafe nicht mit Draco Malfoy!“ Und es klang so absurd in diesem Fahrstuhl, wo sie auf engstem Raum zusammengepfercht standen, dass sich alle kurz schweigend ansahen. Harry lehnte sich zurück gegen die kalte Wand. Ron hatte den Kopf in den Händen vergraben.

 

„Und selbst wenn…“, begann sie leiser, aber die Köpfe der Jungen schossen wieder nach oben.


Selbst wenn?“, wiederholte Harry mit aufgerissenen Augen, und sie hob die Hände.

 

„Ja, selbst wenn, dann ist es doch wohl egal! Es ist doch wohl völlig egal, mit wem ich schlafen würde! Es ist auch egal, mit wem ich zusammen wäre, denn ich muss euch nicht um Erlaubnis fragen. Es ist nämlich nicht eure Angelegenheit!“

 

„Klar, es ist egal, ob du mit Voldemort zusammen bist, mit Lucius Malfoy, seinem Sohn, seinem Schwager, seiner Schwester – völlig egal!“, entfuhr es Harry aufgebracht.

 

„Harry, das ist nicht fair!“

 

„Ich bin mir nicht ganz sicher, wann wir Todesser-Sympathisanten geworden sind, Hermine. Ich glaube, ich habe das Memo verpasst, also entschuldige, wenn es mir nicht ganz so leicht fällt, heitere Miene hierzu zu machen. Seit wann bist du so aufgeschlossen? Seit wann ist es völlig ok für Draco Malfoy zu arbeiten?“

 

„Harry, es ist meine Entscheidung! Es ist auch völlig ok für die Malfoy Group zu arbeiten, denn ihr arbeitet indirekt auch für dieses Unternehmen!“

 

„Ich arbeite nicht für Draco Malfoy!“, entfuhr es Ron entrüstet. „Ich bin Auror, um die Leute vor Draco Malfoy zu schützen! Vor allen Draco Malfoys dieser Welt! Und ich bin nicht seine Assistentin!“, fügte er bitter hinzu. Und das Wort Assistentin klang immer mehr wie exotische Tänzerin. Oder etwas ähnlich Absurdes!

 

„Ihr seid beide unglaublich!“, entfuhr es ihr leiser.

 

„Ach? Und du? Hermine Granger arbeitet für Draco Malfoy? Das ist… nicht mal in deinem Kopf ein kleines bisschen unglaubwürdig? Denn es klingt nicht wirklich eingängig!“

 

„Harry“, begann sie, aber er schüttelte den Kopf.

 

„Und wann willst du kündigen? Wann bist du diesen Job leid?“, wollte er jetzt wissen. „Denn ich fasse es als persönliche Beleidigung auf, wenn du bei Malfoy länger als einen Monat bleibst und dir von mir keine sichere und gut bezahlte Stelle im Ministerium besorgen lässt!“, fuhr er sie wütend an.

 

„Harry, was du sagst, ist Unsinn!“

 

Ron hatte wieder den Kopf vergraben. „Warum Malfoy, Hermine? Warum nicht irgendwas anderes? Warum ausgerechnet ihn? Bist du einfach zu ihm hin spaziert? War es so was wie eine Mutprobe? Wolltest du dir beweisen, dass eine Muggel bei einem Todesser arbeiten kann?“

 

Und sie starrte ihn an.

 

„Was?“, fragte sie völlig verstört und schüttelte den Kopf. „Zu deiner Information, er hat mich gefragt. Wir haben uns auf einer Auktion getroffen, und er hat mitbekommen, dass ich zurzeit ohne Arbeit war, und er hat mir einen Job angeboten.“

 

„Einfach so?“, entfuhr es Harry und Ron gleichzeitig. Beide sahen sie jetzt an.

 

„Ron, wann ist es das letzte Mal passiert, dass ein Mann einer schönen Frau einen Job einfach so angeboten hat? Ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen?“, wollte Harry von Ron wissen, aber beide sahen sie immer noch an. Sie schüttelte bereits den Kopf. Sie kannte Harrys Tonfall. Er glaubte wieder einmal etwas besser zu wissen.

 

„Noch nie, Harry“, beantwortete Ron Harrys Frage. „Sei nicht so naiv, Hermine“, fügte Ron gereizt hinzu. „Er will irgendwas Versautes mit dir tun, und wenn er es noch nicht getan hat, dann wird es auf jeden Fall noch machen!“ Er klang vollkommen panisch. „Du musst kündigen! Du musst!“

 

Hermine atmete aus. Sie wusste bereits, dass er das mit ihr tun wollte. Und… sie wollte, dass er das mit ihr tat. Es erfasste sie ein verbotener Schauer, als sie daran dachte. Und ja, sie sah, dass Rons und Harrys Panik begründet war, aber sie war leider nicht mehr an dem Punkt, wo es sie selber so schockierte.

 

„Ich bin alt genug, um meine eignen Entscheidungen zu treffen“, informierte sie beide kalt.

 

„Du bist einundzwanzig!“, stellte Harry trocken fest. Hermine verdrehte die Augen.

 

„Ja, Harry. Und meine Entscheidungskompetenz liegt nicht in deiner Hand. Ich erwarte von euch, dass ihr mich unterstützt. Nicht, dass ihr immer alles in Frage stellt, was ich tue“, erklärte sie kopfschüttelnd, während sie mit ihrem Zauberstab den Fahrstuhl wieder in Gang setzte. Beide, Harry und Ron, warfen sich kurze Blicke zu.


„Hermine, wir sind noch nicht fertig!“, beschwerte sich Harry kopfschüttelnd, aber die Türen öffneten sich in der Eingangshalle.

 

„So wie ich es sehe, sind wir fertig“, berichtigte sie ihn streng. „Ihr wollt mich überzeugen zu kündigen, weil ihr euer persönliches Problem mit Malfoy habt. Und das werde ich nicht tun. Und entweder, ihr unterstützt mich, oder ihr verhaltet euch wie fünfzehnjährige und erklärt mir den Krieg, weil ihr nicht erwachsen werden könnt. Bis bald. Harry, Ron.“ Und dann verließ sie den Fahrstuhl Die Jungen sagten nichts mehr.

 

Als sich die Türen schlossen betrachtete Harry sein verzerrtes Spiegelbild in den messingfarbenen Türen.

 

„Denkst du…“

 

„Nein“, unterbrach er Ron sofort.


„Weißt du, was ich sagen-?“

 

„Ich denke nicht, dass sie die Wahrheit sagt, Ron“, sagte er jetzt. Ron schwieg neben ihm.

 

„Warum macht sie das?“, wollte Ron verzweifelt wissen, lehnte sich an die Wand des Aufzugs, und Harry ruckte mit dem Kopf.

 

„Er wird sie dazu zwingen“, erwiderte Harry bitter, die Hände zu Fäusten geballt.

 

„Seit wann lässt sie sich zu irgendetwas zwingen?“ Jetzt wandte sich Harry Ron zu.

 

„Ich weiß nicht, was er von ihr will, aber… wir werden das herausfinden. Es wird schon irgendeinen Grund geben. Und Malfoy ist ein Todesser. Es sollte nicht so schwer sein, ihn dranzukriegen. Sobald er Hermine zu irgendwas zwingt, was nicht legal ist, landet er so schnell bei seinem Vater in Askaban, dass er sich wünschen wird, er hätte Hermine nicht eingestellt!“

 

Ron sah ihn an. „Harry, es gibt keine Todesser mehr“, versuchte Ron ihn zu beschwichtigen, aber Harry schüttelte den Kopf.

 

„Ach ja? Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in Malfoys Akten das genaue Gegenteil beweisen lässt.“ Ron atmete langsam aus. Er schien nicht überzeugt zu sein.

 

„Harry, wir haben diese ganze Malfoy-Sache schon einmal durchgemacht“, entgegnete Ron vorsichtig. Und Harrys Blick schoss zu Rons Gesicht.


„Ja! Und damals hatte ich recht, denn er hat Todesser nach Hogwarts eingeschleust!“ Und Ron atmete aus.


„Ok, schön! Aber… was sollen wir denn tun?“

 

„Willst du, dass Hermine bei ihm bleibt? Für ihn arbeitet? Dass er sie zu Sachen zwingt, die-“

 

„Schon gut!“, fuhr Ron dazwischen. „Lassen wir ihn beschatten“, stimmte er grimmig zu. Und Harry spürte, wie sich seine Mundwinkel hoben.

 

„Malfoy braucht doch ständig Auroren, um von einem Haus ins nächste zu kommen. Wir wäre es, wenn die nächsten zwei Auroren, die ihn begleiten, unangenehme Erinnerungen aus seiner Vergangenheit wären?“ Er sah Ron auffordernd an.

 

Dieser atmete wieder angespannt aus.

 

„Weiß Ginny wie misstrauisch du bist?“ Und Harrys Lächeln verschwand.


„Oh, Ginny wird diejenige sein, die behaupten wird, es wäre ihre Idee gewesen“, erwiderte Harry trocken, und unentschlossen ruckte Ron mit dem Kopf.

 

„Meinetwegen. Aber wenn Hermine danach nie wieder mit uns spricht, schiebe ich alles auf dich!“

 

Und Harry blickte wieder nach vorne. Denn er würde alles für möglich halten. Absolut alles, aber nicht die Tatsache, dass Hermine all das freiwillig tat. Denn das war unmöglich. Und das wusste Malfoy auch.

 

 

Kapitel 11

 

Sie war erschöpft. Sie war so unendlich erschöpft, als sie wiederkam. Aber ihr Tag war noch nicht vorbei. Sie war noch nicht fertig. Sie hatte die Listen vergessen. Sie lagen auf ihrem Schreibtisch und lachten sie wahrscheinlich gerade aus, weil Hermine Granger es nicht fertig brachte, alle Sachen gleichzeitig zu erledigen.

 

Das Gespräch mit Harry und Ron hätte kaum schlechter ausgehen können, aber immerhin hatte  Hermine mit diesem Szenario gerechnet gehabt. Das machte es nicht besser, aber es war jetzt raus. Sie hatte es zugegeben. Zwar nicht alles und jedes bisschen, aber das musste sie schließlich auch nicht.

 

Als sie die Flügeltüren seines Büros erreicht hatte, ging sie in ihrem Kopf durch, ob er gerade einen Kundengespräch haben könnte, aber sie kannte seine Termine, und wusste, er hatte Besorgungen zu machen. Was auch immer das bedeuten sollte!

 

Sie öffnete die Tür also, ohne zu klopfen, und wünschte sich in derselben Sekunde, sie hätte es nicht getan.

 

Sie verharrte in der offenen Tür, und ein schmerzhafter Stich durchfuhr sie augenblicklich. Und sie wusste, es war lächerlich, irrational und völlig unpassend, aber sie konnte nicht anders, als eifersüchtig zu sein, als tödlich beleidigt von der Tatsache, dass er Pansy Parkinson hier hatte. Und dass sie auf seinem Schreibtisch saß. Vor ihm. Den Rücken ihr zugewandt. Und jetzt wandte Pansy langsam den Blick über die Schulter zurück.

 

Sie hatte ihre Hand in Dracos Haaren gehabt, hatte sie wohl glatt gestrichen, aber was zur Hölle hatte Pansys Hand in Dracos Haaren zu suchen? Und was Hermine wirklich dachte, war, dass nur ihre Hand in seinen Haaren sein sollte! Und sie wusste, ihr Ausdruck musste gerade alles andere als freundlich sein. Und vor allem musste er Pansy ihre Gedanken regelrecht entgegen schreien.


„Klopfst du nicht, Granger? Schlecht erzogen, Draco“, fügte sie mit einem kleinen Lachen an Draco gewandt hinzu. Hermines Körper vibrierte vor Wut. Und Draco besaß die Dreistigkeit, Pansy nicht mal von seinem Tisch zu schubsen, wenigstens so zu tun, als wäre er empört über Pansys Vertraulichkeit.

Nein! Er sprach mit ihr, als wäre es nicht weiter von Bedeutung, dass Pansy ihm so nahe war! Auf seinem Schreibtisch! Zwar saß Pansy nur zu seiner rechten auf der Schreibtischkante, aber… das war nicht der angemessene Platz für einen Klienten?!

 

Und wieder musste Hermine annehmen… - Pansy war wohl keine Klientin! Und das… war… schmerzhaft. Es war unerträglich. Aber sie würde nicht weinen. Sie würde nicht schreien. Sie wollte nicht. Sie würde eben einfach nicht. Merlin, er hatte sie vielleicht zweimal befriedigt. Wer war sie, dass sie irgendwelche Eigentumsrechte an Malfoy begründen konnte? Und doch… sie würde es gerne! Sie würde Pansy am liebsten vom Schreibtisch schubsen, ihr sagen, dass Draco mit ihr über das Wochenende nach Italien wollte, und dass Pansy ihren verdammten Hintern hier nicht mehr blicken lassen sollte!

 

„Haben Sie Potter angetroffen? Ich bin sicher, ihm hat gefallen, dass die Arbeitszeiten wieder die alte Ordnung haben?“ Und wie konnte er so blasiert reagieren? Als wäre es nichts weiter! Als wäre es nichts weiter, dass Hermine Granger von Draco Malfoy auf dem Schreibtisch befriedigt wurde! Ihr Blick klärte sich, fixierte keinen genauen Punkt, und Harrys Worte klingelten wie Alarmglocken in ihren Ohren.

 

Hermine Granger arbeitet für Draco Malfoy? Das ist… nicht mal in deinem Kopf ein kleines bisschen unglaubwürdig?

Ron, wann ist es das letzte Mal passiert, dass ein Mann einer schönen Frau einen Job einfach so angeboten hat?

 

„…- Sie mir zu?“, riss sie seine Stimme aus ihren Gedanken. Sie sah ihn wieder an. Pansy hatte immer noch einen spöttischen, fast mitleidigen Ausdruck auf den stark geschminkten, straffen Zügen, und Hermine ruckte mit dem Kopf. Was zur Hölle tat sie?

 

Sie hatte keine falsche Entscheidung getroffen, seitdem sie drei Jahre alt war! Sie war schon im Kindergarten gerecht, höflich und freundlich gewesen. Sie hatte in der Grundschule alles richtig gemacht, hatte die besten Noten gehabt, die Hauptrolle im Theaterstück gespielt und hatte nie Probleme mit Lehrern.

 

In Hogwarts war sie die beste gewesen. Hatte sich Freunde gesucht, die selber nichts anderes als gute Menschen waren. Sie hatte Harry beigestanden, hatte die Welt vor dem Bösen gerettet – und jetzt, wo sie anscheinend erwachsen war, lief sie zum erstbesten Bösewicht und… ließ sich von ihm befriedigen? Ihr Herz klopfte schnell, sie hörte jeden Schlag wie einen Paukenschlag in ihren Ohren.

 

Sie war bei dem Mann, der sie als erstes Schlammblut genannt hatte! Sie war hier bei jemandem, der in Behandlung war, weil er Muggel hasste! Sie war gejagt, verfolgt und gefoltert worden, weil sie muggelgebürtig war! Von Leuten wie Draco Malfoy! Er sah sie immer noch an. Und plötzlich atmete sie aus, wandte sich einfach wieder ab und schloss die Tür als sie auf dem Flur stand.

 

Sie hob die Hände zu ihrem Kopf, fuhr sich durch die Haare, schloss die Augen, während sie sich heftig atmend gegen die Wand lehnte. Und dort stand sie. Zehn Sekunden. Zwanzig Sekunden. Sie wusste nicht, wie viel länger sie noch einfach mit geschlossenen Augen atmete. Halb darauf wartend, dass er kam, dass er nach ihr sah, dass er sie holte. Zurückholte in die Welt, in der sie die Vergangenheit verdrängt hatte und nur sein schönes Gesicht wirklich zählte.

 

Aber nichts passierte.

 

Sie hörte sich ruhiger atmen. Der Flur war leer. Niemand kam aus irgendeiner Richtung.

 

Und endlich öffnete sich die Tür.

 

Sie erschrak fast und hob den Blick.


„Panik?“, erkundigte sich Pansy mit einem kühlen Lächeln, während sie ihre Bluse straff nach unten zog. Sie schloss perfekt über dem Saum des schwarzen, engen Rocks ab, der ihr bis zu den Knien fiel. Und Hermine sah sie an. Hatte Pansy Sex mit ihm? Schlief sie mit ihm? Durfte sie ihn berühren? Lag es nur an ihr, dass er sie nicht wollte? Sie biss die Zähne fest zusammen. Sie sah Pansy in das glatte, künstlich schöne Gesicht. „Panikattacken können übel enden, Granger“, fuhr Pansy vielsagend fort, während sie den langen Mantel verschloss.

Dann wurde Pansys Lächeln breiter.

 

„Es gefällt mir, was du da versuchst“, bemerkte Pansy mit einer spöttischen Geste auf Hermines Erscheinung. „Schade, dass du diesen Look einfach nicht fertig bringst“, fügte sie fast flüsternd hinzu, hob die Hand zum Abschied und ließ Hermine einfach sprachlos zurück.

 

Pansys Pfennigabsätze machten bei jedem Schritt ein scharfes Geräusch auf den Marmorfliesen, und Hermine blieb unbewegt auf dem Flur zurück, bis sich die Aufzugtüren geschlossen hatten. Hatte Malfoy Pansy rausgeworfen? Oder waren sie ohnehin fertig mit dem, was auch immer sie getan hatten? Sie wusste nur eins: Sie hasste Pansy. Wirklich!

 

Aber es würde nichts besser werden, würde sie hier stehen bleiben. Sie half sich selber kein Stück, indem sie so tat als wäre die Zeit angehalten, als stünde die Welt still, und Hermine Granger hätte alle Zeit der Welt, zu überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte.

 

Nachdem sie also ausgeatmet hatte, öffnete sie seine Tür wieder. Sie betrat das Büro, während er mit der Feder etwas auf ein Pergament notierte. Und erst jetzt bemerkte sie, dass er sich im Gespräch befand. Der Kamin flackerte rot, und sie kannte den Mann in den Flammen nicht. Malfoy hob die Hand, ohne den Blick auf sie zu richten, und bedeutete ihr, dass sie warten sollte.

 

„Haben Sie das, Mr Malfoy?“

 

„Ja“, bestätigte er gleichmütig. „12. Dezember, 18 Uhr. Vielen Dank, Lavish.“ Das Gespräch war beendet. Der Mann im Feuer hatte eine Uniform getragen, die bis zum Hals abschloss. Hermine kannte sie, aber im Moment fiel ihr nicht mehr ein, warum.

 

„Wieso ist Pansy Parkinson hier immer unangemeldet?“ Und sie wollte nicht so eifersüchtig klingen, wie sie es jetzt gerade tat, und sie ärgerte sich, dass sie es nicht verbergen konnte. Malfoy hob den Blick, nachdem er den Notizzettel in seinem Schreibtisch verstaut, und die Feder ordentlich in den Halter gesteckt hatte.


„Sie haben ein Problem mit Pansy?“, fragte er also, und endlich sah er sie an. Sein Blick war ihr nicht zu deuten, wirkte fast kalt, ausdruckslos, und es schmerzte sie innerlich, dass jedes Gespräch mit ihm… völlig unberechenbar war.

 

„Ist jetzt ein schlechter Zeitpunkt, um zu reden, Mr Malfoy?“, wollte sie so kurz angebunden und kalt von ihm wissen, wer er seine eigenen Worte wählte. Er atmete kurz aus.

 

„Nein, natürlich nicht. Also, haben Sie ein Problem mit Pansy?“

 

Und dann atmete sie aus. „Ja, ich habe ein Problem mit Pansy.“ Und er lehnte sich seufzend zurück.

 

„Ich schlafe nicht mit ihr, wenn es das ist, was-“

 

„Nein, das ist nicht, was es ist!“, unterbrach sie ihn wütend, obwohl das so ziemlich ihre größte Sorge gewesen war. Er schlief nicht mit ihr. Seine Augenbraue hatte sich gehoben, und sie war diese Geste fast schon von ihm gewöhnt. Und wieder war er gefasst. Er war so… - ach sie hasste es! Da wäre ihr fast lieber, er würde sie aus dem Büro werfen, weil er sie nicht ertragen konnte.

 

„Was ist es dann?“, erkundigte er sich ruhig, und sie hätte schreien können. Wenn er das nicht wusste, dann würde sie es ihm auch nicht sagen!

 

„Ich hatte keinen guten Tag. Und mein Tag ist auch noch nicht vorbei. Ich werde jetzt zu Flourish und Blotts gehen. Wenn Sie mich entschuldigen“, beendete sie das Gespräch und ignorierte seinen fragenden Blick. Sie hatte keine Lust ein Patienten-Gespräch mit ihm zu führen, indem sie sich vorkam wie der dumme Patient, und er wäre der erhabene, besonnene und völlige gelassene Draco Malfoy, den kein Wasser trügen konnte.

 

„In Ordnung“, rief er ihr nach, und sie glaubte, ein Lächeln in seiner Stimme zu hören. Bastard! Sie würde nicht den Kopf verlieren! Sie nicht! Oh nein!

 

~*~

 

Akte 732

Sitzung 137, März 2010

- Notizen -

 

 

 

„Wie geht es Ihnen heute, Mr Malfoy?“

 

„Es geht mir ausgezeichnet, Doc.“

 

„Wie laufen die Geschäfte?“

 

„Ebenfalls sehr gut, danke der Nachfrage.“

 

„Wie steht es mit Ihren Träumen?“ Sie beendete die höflichen Fragen, denn schon im Tagespropheten hatte sie lesen können, wie gut die Malfoy Group zurecht kam. Und er atmete aus.

 

„Besser. Sie sind besser geworden.“

 

„Nachdem wir das Turbatikum wieder ins Sortiment genommen haben?“ Sie notierte sich sein Nicken. „Sie wissen, wir müssen es absetzen, und das am besten noch in diesem Jahr, Mr Malfoy.“

 

„Ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Ich kann mir nicht leisten, nicht zu schlafen“, gab er zurück. Er mied ihren Blick. Natürlich tat er das. Es ging immerhin um seine Schwäche. Und Dank der Medikamente um seine letzte Schwäche. Es musste ihm missfallen, dass sie seine Schwächen kannte. Er sah bemerkenswert aus.


„Sie machen Sport?“, erkundigte sie sich, um das Thema zu wechseln. Und nach einer kurzen Pause sprang er darauf an. Nicht, weil sie geschickt war, sondern, weil er es wollte. Sie verfolgte keine Taktik. Sie wollte nur nicht mit ihm streiten.

 

„Gelegentlich“, log er, denn sie erkannte den ausgeprägten Bizeps unter seinem Jackett.

 

„Tragen Sie dabei Sportbekleidung, oder trainieren Sie oben ohne?“ Auch durchschaute er diese Frage, aber sie hatte es aufgegeben, Tricks bei ihm anzuwenden.


„Nein, ich trage Sportbekleidung.“

 

„Hatten Sie in letzter Zeit Verabredungen, Mr Malfoy?“ Und jetzt lächelte er.


„Wie wäre es, wenn wir über meine Träume reden, Doc?“ Sie notierte sich, dass er keine Verabredungen gehabt hatte.

 

„Gerne. Erzählen Sie mir von Ihrem letzten Traum. Wann war er? Letzten Dienstag?“ Er nickte, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

 

„Ich bin auf einem Korridor. Es ist dunkel.“ Sie notierte sich seine Worte stichworthaft. „Es ist… Winter. Eisigkalt“, fuhr er tonlos fort. „Der Krieg ist nicht vorbei, aber ich bin… jung. Jünger als ich zu dieser Zeit eigentlich war. Die Greifer haben das Trio zu uns gebracht gehabt. Ich erinnere mich an Potters Gesicht. Ganz deutlich. Aber… ich zu klein, als dass es zeitlich stimmt. Ich reiche nicht an die Portraits.“ Sie sah ihn an. Seine Augen waren geschlossen, und seine Lider bewegten sich schnell, während er sprach.

 

„Licht fällt durch eine Tür auf den Flur. Dampf kommt aus dem Zimmer. Es ist nicht wirklich das Badezimmer im Herrenhaus, es ist das Badezimmer der Vertrauensschüler.“ Er fuhr sich über die Stirn. „Und… und es ist… alles still.“ Kurz bedeckte er mit der Hand den Mund.

 

„Ok. Was tun Sie? Gehen Sie dieses Mal hinein?“ Sie sprach sanfter.

 

„Ja, dieses Mal gehe ich wieder hinein. Das Wasser, was von der Decke und den Wänden kondensiert macht laute Geräusche auf dem Boden. Oder… sie kommen mir nur laut vor.“ Er bewegt sich plötzlich im Sessel, als wären ihm die Worte unangenehm.


„Erzählen Sie bitte weiter“, beruhigt sie ihn still.


„Ja“, erwiderte er nickend. „Und… ich sehe sie in der Wanne. Das Wasser ist rot. Das Wasser ist rot wie Blut. Sie… ist schon eine Weile tot. Und ich knie mich vor die Wanne, hole ihren nassen Körper an den Rand, hole sie aus dem Wasser, aber sie ist schwer, und ich bin… zu schwach.“

 

„Was empfinden Sie dabei?“

 

„Ich… ich weiß es nicht“, schloss er, während er hart ausatmete. „Ich weiß nicht. Gar nichts, denke ich. Sie kommt mir nicht bekannt vor. Ihr Gesicht ist weiß, die Augen groß und starr und weit aufgerissen blicken sie zur Decke empor.“ Er spricht von Hermine Granger. Sie weiß es, denn er spricht jedes Mal von ihr. Er sagt jedes Mal, sie käme ihm nicht bekannt vor, wenn sie tot in der Wanne liegt. Und sie tut, was sie jedes Mal tut. Sie bekämpft den Drang, näher zu forschen. Sie bleibt ruhig. Sie bleibt völlig gelassen, medizinisch interessiert. Und sie beunruhigt ihn nicht. Auf gar keinen Fall.

 

„Und Lucius? Ist Lucius dieses Mal da?“ Sie wartet gespannt.

 

„Ja, er ist da. Er steht in der Ecke. Er…“ Wieder führt er seine Hand zu seinen Augen, seinem Mund. „Wir wollen sie vergraben. Im Garten“, fuhr er flüsternd fort. „Bei den anderen. Bei all den anderen“, fügt er hinzu, die Stimme belegt und schwer.

 

„Und? Haben Sie es getan? Haben Sie Hermine Granger vergraben?“

 

Er schüttelte unfähig den Kopf.

 

„Nein. Ich… bin gerannt. Aus dem Bad. Aus dem Korridor. Aus dem Haus. Ich war… voller Blut. Alles war voller Blut.“

 

Seine Augen öffneten sich. Und was sie Draco Malfoy nicht sagte, war, dass sie in der Hypnose bereits seine Träume gesehen hatte. Allerdings handelte es sich nicht unbedingt nur um Träume. Sie war sich nicht sicher, in wie weit er selber verdrängte, was er einst gewusst hatte. Sie konnte ihn schlecht einschätzen, wusste nicht, in wie weit sein Geist und Körper beschlossen hatten, die Ereignisse verschwinden zu lassen, aber sie wusste, er sprach nicht darüber.

 

Denn sie war überzeugt, der Mord im Badezimmer, war etwas, was er als Junge miterlebt hatte. Und die Andeutung, dass Lucius Malfoy Muggelleichen in seinem Garten vergraben hatte war… so beängstigend, dass sie nicht näher darüber nachdenken wollte, aber sie nahm an, die Narbe auf Draco Malfoys Bauch rührte von einem solchen Erlebnis. Auch wenn sie noch nicht wusste, wie es damit in Verbindung stand.

Aber sein Gehirn gab ihr nicht preis, ob er träumte, ob er es erlebt hatte, aber sie wusste, in seinen Träumen waren die toten Muggel in der Badewanne jedes Mal Hermine Granger – die Muggel, die beste Freundin von Harry Potter.

 

Sie wusste, er fürchtete sich vor Hermine Granger. Denn sie brachte die Albträume. Und sie musste sich auch fragen, was es für Auswirkungen haben würde, würde sie den Schritt wagen, anzunehmen, dass auf den weiten Grünflächen von Malfoy Manor Muggelleichen verschachert worden waren. Denn würde sie ein Untersuchungsverfahren einleiten, würde sie tatsächlich nachforschen, seine Träume als Wahrheit auslegen, dann… würde es noch ein viel größeres Problem eröffnen.

 

Er war kaputt. Er war innerlich zerbrochen, geschädigt, verloren und verlassen. Sie wusste, er nahm die Medikamente, aber sie wusste, sie verschaffte sich selber bloß Zeit. Sie durfte nicht aus den Augen verlieren, dass er ohne die Medikamente auskommen musste.

Er durfte nicht versäumen, rechtzeitig aufzuhören, bevor er es niemals können würde.

Sie sah einen Therapieansatz darin, dass er Kontakt zu Hermine Granger aufnehmen sollte.

Sei es auch nur, um seine Albträume zu beseitigen. Sei es nur, um seinen eigenen Dämonen zu bekämpfen. Sie es nur, um das stereotyphafte Denken aufzugeben, Hermine Granger als einzige weibliche Muggel gekannt zu haben, und alles damit zu assoziieren. Sie war stolz auf Draco Malfoy. Stolz auf den Medikamentenerfolg.

 

Aber er hatte ihr Einsichten in dunkle Seiten gebracht. Und sie hoffte, Lucius Malfoy würde eine ganze zeitlang nicht aus Askaban entlassen werden.

 

Und sie scheute sich wie immer vor der Frage. Sie hatte sie bereits gestellt, aber er hatte sie verneint. Er tat es als Albträume ab. Sie tat es als Albträume ab, aber sie meinte es besser zu wissen. Draco Malfoys Albträume waren wirklich so böse wie er annahm. Sein Unterbewusstsein arbeitete auf. Und es holte ihn ein.

 

Aber solange die tote Muggel in der Badewanne Hermine Granger war, musste sie sich noch nicht die Sorgen darüber machen, was sie tun würde, wenn sie die Identität erkennen konnte. In der Hypnose hatten die Frauen kein Gesicht gehabt. Sie waren verschwommen gewesen, die Szenarien immer wieder etwas anders. Ob er immer wieder dieselbe Frau sah oder ob es hunderte gewesen waren, wusste sie nicht zu sagen.

 

Und damit hatte sie ein Geheimnis vor ihrem eigenen Patienten.

Und sie war sich nicht sicher, ob er von dem Geheimnis wusste. Sie war sich nicht sicher, ob Draco Malfoy zusammen mit seinem Vater Muggelleichen im Garten vergraben hatte.

Und alles, was sie annehmen konnte, war, dass Draco Malfoy keine vierzehn Jahre alt gewesen sein konnte. Es war natürlich, dass sein Unterbewusstsein ihn jünger machte, als er möglicherweise gewesen war. Dass er seelisch nicht mit einer solchen Masse an Emotionen und Gewalt umgehen konnte.

 

Aber sie wartete. Sie wartete auf den Tag, an dem der Traum sich ändern würde.

Denn wenn Hermine Granger verschwunden war, dann… würde er beginnen, sich abzufinden. Er würde beginnen, zu heilen. Aber sie wusste, vorschnelle Schritte waren nicht der beste Weg zum Ziel.

 

Und sie mussten einen Weg finden, das Turbatikum abzusetzen, das er seit über zwei Jahren nahm. Denn es war weiterhin nur ein Prototyp. Es war eine Testphase, die schon viel zu lange lief. Solange war es noch nie ausprobiert worden.

 

Und ihre ganze Theorie war bedrückend. Denn erschwerend kam die Tatsache hinzu, dass Lucius Malfoy nicht wegen Mordes im Gefängnis saß. Dem Anschein nach war es ihm nicht nachgewiesen worden. Und sollte sie durch den geschädigten Sohn nun zur Beweisführung mit beitragen, dann… hatte sie Lucius Malfoy zu ihrem Feind. Wieder einmal. Und nicht nur, weil sein Sohn in ihrer Behandlung war.

 

Und sie beschloss, das Thema in eine andere Richtung zu lenken. Eine andere, sehr wichtige Richtung.

 

Mr Malfoy, wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrer Mutter?“

 

Und sie wusste, er sprach nicht mit seiner Mutter. Seine Mutter sprach nicht mit ihm, hatte sich abgesetzt, jedoch, nach Lucius’ Inhaftierung, die volle Verwaltungsmacht über die Malfoy Group erlangt. Und der einzige Kontakt, den Draco Malfoy mit seiner Mutter nach Askaban gehabt hatte, war, dass Narzissa Malfoy ihrem Sohn das Unternehmen solange überschrieben hatte, bis Lucius’ Geschäftsfähigkeit wiederhergestellt war.

 

Kontakt mit seiner Mutter herzustellen, war mit eines der wichtigen Dinge, die er erreichen sollte. Sport, Verabredungen, keine Berührungsängste waren zweitranging.

Zuerst sollte er wieder mit seiner Mutter sprechen. Dann sollte er die Angst vor Hermine Granger überwinden. Dann sollte er die Medikamente absetzen.

Und am besten sollte er sich erinnern, was damals passiert war. Ob er wirklich von seinem Vater zu solchen Grausamkeiten gezwungen worden war. Denn dann würde Lucius Malfoy nicht freigelassen werden.

 

Dann könnte Draco Malfoy das Unternehmen als Geschäftsführer weiterleiten und müsste niemals wieder mit seinem Vater Kontakt aufnehmen.

 

Aber die Zeit verging. Und bisher… hatte sie ihn lediglich aus Askaban holen können. Bisher nahm er die Medikamente.

 

„Vor achtzehn Monaten“, antwortete er kalt, und sie unterdrückte ihre Resignation. Wie bekam sie ihn dazu, mit seiner Mutter zu sprechen? Was nicht so subtil war, dass es Draco Malfoy nicht auffiel, brauchte sie gar nicht erst zu versuchen. Sie hatte eine lange To-Do-Liste mit ihrem Patienten. „Was ist, Doc?“, unterbrach er ihre Gedanken und schenkte ihr einen wachsamen Blick aus seinen grauen Augen. „Sie sehen aus, als hätten Sie Geheimnisse vor mir“, fügte er lächelnd hinzu.

 

„Aber auf gar keinen Fall, Mr Malfoy“, beschwichtigte sie ihn lächelnd und legte die Notizen offen auf den Tisch. Sie würde es schon noch schaffen. Sie brauchte nur noch etwas mehr Zeit. Nur ein bisschen länger….

 

Kapitel 12

 

Sie hatte keinen klaren Gedanken fassen können. Sie könnte es eigentlich gleich aufgeben, noch etwas zu schaffen. Vor allem, seitdem Witherby den Konferenzraum verlassen hatte.

Sie strich den letzten Satz auf ihren Notizen wieder durch. Sie machte schon keinen Sinn mehr in ihrem eigenen Kopf.

 

Wie sollte sie arbeiten können? Wie sollte sie auf neue Strategien für den Büchermarkt kommen, wenn er neben ihr saß? Wie?!

 

Witherby war vor zwanzig Minuten gegangen, nachdem Malfoy mit ihnen das Programm der nächsten Wochen besprochen hatte. Die Abteilungen im Ministerium, die er hauptsächlich finanzierte, waren umstrukturiert worden. Die Arbeitszeiten und Verträge hatten sich geändert, und Witherby und Hermine hatten mit ihm haarklein besprechen müssen, ob sie alle Tarife und Bedingungen begriffen hatten.

 

Witherby hatte sich anschließend verabschiedet, denn er war derjenige, der alles in den Druck bringen musste. Hermine hatte die Aufgabe bekommen, das Konzept der Bücherläden, die Draco Malfoy gehörten, zu ändern, damit der Absatz stieg. Und sie hatte den dämlichen Vorschlag gemacht, dass die Büchergeschäfte auch mit Schulbüchern beliefert werden könnten, damit alle Schüler die Bücher dort kaufen konnten.

 

Und jetzt zermarterte sie sich den Kopf, welche Schulbücher wohl dauerhaft jedes Jahr gekauft werden mussten, so dass Flourish und Blotts keine großen Gewinneinbußen verzeichnen mussten, wenn jetzt auch andere Läden Schulbücher im Sortiment hatten.

Es war anstrengend, denn sie erinnerte sich mittlerweile an kein einziges Buch mehr.

 

Sie erinnerte sich an keins mehr, seit Witherby den Raum verlassen hatte.

 

Malfoy saß gerade selber über einigen Dokumenten, größtenteils Dankesreden und Eröffnungen, die er Halten musste, aber ab und an zuckten seine Mundwinkel, dann hob sich sein Blick, und ihr Fuß zuckte seit zehn Minuten nervös unter ihrem Tisch.

 

Sie starrte auf das Pergament und hatte zum dritten Mal Die Geschichte von Hogwarts aufgeschrieben. Sie war nervlich nicht auf der Höhe. Er saß am Kopfende des langen Tisches und sie zu seiner rechten Seite am langen Ende. Sie sah sein Profil, und es war ein hübsches Profil. Sie hatte ihn nicht mehr auf Pansy angesprochen. Ihre Eifersucht war unprofessionell und nur im Weg. Sie starrte wieder. Sie spürte die Röte und senkte hastig den Blick.

 

„Miss Granger?“ Seine Stimme ließ Schauer über ihren Rücken laufen. Immer wieder. Seine Stimme klang bereits so, als würde er sie ausziehen, sie hier auf den Konferenztisch werfen, und wusste Merlin was für Schweinereien mit ihr veranstalten.

 

„Ja?“, krächzte sie, als sie den Blick hob und sich dafür verteufelte, dass ihre Stimme sie verriet. Er lächelte seinen Unterlagen entgegen und hob den Blick nicht.

 

„Was halten Sie von Essen gehen?“

 

Essen gehen? Fragte er sie? Stellte er eine generelle Frage? Sie mochte essen gehen. Generell. Wäre er dabei, würde sie keinen Bissen runter kriegen. Das wusste sie.

 

„Ich… weiß nicht?“, fragte sie verwirrt, und jetzt hoben sich seine grauen Augen. Sie betrachteten sie, verengten sich kurz, und dann lächelte er.

 

„Wollen Sie mit mir essen gehen? Vielleicht ist es so verständlicher?“, fügte er grinsend hinzu, und sie öffnete perplex den Mund.


„Essen gehen?“, wiederholte sie und war verzaubert von seinem makellosen Anblick.


„Ja. Dann können wir über Ihre Notizen sprechen?“

 

Ein Geschäftsessen. Aber sein Blick sagte etwas ganz anderes, ihr plötzlich kribbelnder Unterleib wusste das genau.


„Oder über… andere Dinge?“, fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu, und er sah unglaublich aus. Er legte den Kopf schräg, und einige blonde Strähnen fielen ihm die Stirn.

Wieso hatte sie immer das Gefühl, als war er vorsichtig, ihr gegenüber? Seine Haut war so weich. Sie wusste genau, wie sie sich unter ihren Fingern anfühlte.


„Wann?“, hauchte sie leise, und er grub die Zähne in seine volle Unterlippe.

 

„Sie können auch ablehnen, Miss Granger“, bemerkte er jetzt mit einem Stirnrunzeln. „Sie haben viel zu wenig Angst vor mir.“ Sagte er das wirklich? Natürlich hatte sie Angst vor ihm! Aber sie lehnte nicht ab, weil ihr Herz gerade doppelte Saltos schlug.

 

Sie ruckte bloß mit dem Kopf.


„Wie wäre es mit gleich? Einige Auroren werden uns zur Sicherheit begleiten, aber sie warten am Eingang des Restaurants. Sie werden Sie gar nicht bemerken. Für gewöhnlich gehe ich jeden Mittwoch essen. Also… Sie können so bleiben, wie Sie sind.“

 

Wie sie war? Sie sah an sich hinab. Sie trug einen schwarzen Rock, hohe Stiefel und eine beige Bluse. Fand er es nicht ansprechend? Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn er schob seine Unterlagen beiseite.

 

„Sprechen Sie nicht mehr mit mir?“ Seine Hände lagen flach vor ihm auf der Tischplatte. Er trug wieder ein helles Jackett, eine helle Krawatte, ein helles Hemd, eine helle Hose. Merlin, er wäre im Moment auch sehr gut auf einer Yacht in der Südsee aufgehoben, um Werbung für ausschließlich reiche Menschen zu machen.

 

Seine Haut wirkte angenehm gebräunt, die Haare lagen anbetungswürdig.

 

Er war zu perfekt, befand sie plötzlich, und runzelte die Stirn. Sie erhob sich langsam. Sein Blick folgte ihr gespannt. Sie zwang sich, ruhig zu gehen, machte Schritt um Schritt auf ihn zu, und wagte ihre Hand zu seinen Haaren zu heben, als sie vor ihm stand. Er ließ sie gewähren. Unschlüssig, abwartend.

 

Sie fuhr mit den Fingern durch die dichten blonden, glänzenden Strähnen. Sie leuchteten golden. Sie waren wunderschön. Sie griff fester zu, zerstrubbelte die Haare etwas, und betrachtete ihr Werk. Ihre Mundwinkel hoben sich.

 

„Viel besser“, stellte sie zufrieden fest. Jetzt bildeten sich diese unglaublich ebenmäßigen Grübchen auf seinen jungenhaften Zügen. Der Schalk blitzte in seinem Blick.

 

„Ja?“, erwiderte er und erhob sich ebenfalls. Er überragte sie, und ihr Herz machte einen Satz. Sein Ausdruck wurde plötzlich ernst. Er hob eine Hand zu ihrem Gesicht, verharrte aber Zentimeter vor ihrer Haut. Sie erkannte die hellen Flecken in seiner Iris. Ihr Herz klopfte so laut in ihrer Brust. Undgeduldig wartete sie darauf, dass er den Abstand schloss, dass er sie endlich küsste.

 

Und sie verdrängte die Idee von Pansy in ihrem Kopf. Den Gedanken, dass er Pansy genauso berührte. Sie wollte nicht, dass er jemanden genauso berührte, wie er sie berührt hatte. Er seufzte auf.

Es war ein schwerer Laut. Er klang unmenschlich schwer, und sofort beunruhigte es sie.

Sein Ausdruck war jetzt nicht mehr für sie zu deuten. Seine Augen fixierten ihre. Sein Blick sagte mehr, als alle Worte, die er hätte sagen können.

 

Und schon war sein Ausdruck wieder verschlossen. Beherrscht. Er war die Kontrolle in Person. Seine Hand sank neben seine Seite. Und er schien innerlich nicht zu verbrennen, so wie sie es für ihn tat. Und es weckte eine nagende Frage in ihr.

 

War er so beherrscht wegen der Tabletten? War es das, was ihn zurückhielt? Was ihn Beherrschung haben ließ? Und wieso war es leicht für ihn?

 

Weil es nichts weiter war als irgendwas Sexuelles? War es das?

 

„Oh, Miss Granger. Ihr Blick ist unangenehm, wissen Sie das?“

 

Sie erschrak über seine plötzliche Stimme. Ihr Mund öffnete sich erschrocken.


„Entschuldigung, ich wollte nicht-“

 

„Sie müssen sich nicht entschuldigen“, unterbrach er sie mit ruhiger, gefasster Stimme. „Würden Sie doch einfach Nein sagen“, murmelte er vergessen. Und sie wusste nicht, ob er gerade mit ihr sprach oder mit sich selbst. Nein zu was, fragte sie sich. Nein zu ihm? Meinte er das? Und es tat weh, dass er das sagte. Sie fühlte sich schwach ihm gegenüber. Sie wäre gerne stark! Sie würde ihn gerne einfach hier stehen lassen. Sie wäre gerne stärker. Sie wusste, er schien keine Probleme damit zu haben, nicht mit ihr zu schlafen. Dachte er wirklich, sie wäre nicht gerne kalt wie Stein? So glatt und berechnend, wie er es war? Sie zwang sich zur Ruhe. Denn nur ein Blick in seine Augen ließen sie wieder schwach werden.

 

„Ich hatte Ihnen etwas versprochen“, schien ihm plötzlich wieder einzufallen. Hatte er? Sie war kurz verwirrt. „Sie wollten meine Medikation sehen“, beantwortete er ihre stumme Frage. Und schon hatte sie vergessen, dass er sich vorhin gewünscht hatte, dass sie Nein sagen würde. Triumph stieg in ihr auf. Er wollte es ihr zeigen! Er wollte sich anscheinend tatsächlich öffnen!

 

„Oh…“, brachte sie überrascht hervor. Damit hatte sie nämlich nicht gerechnet.

 

„Haben Sie… heute Abend noch etwas vor?“, fragte er, und tatsächlich wirkte er eine Spur weniger beherrscht als vorher.

 

Heute Abend? Er wollte sie mitnehmen? In sein Haus? Er wollte ihr heute Abend die Medikamente zeigen, die er nahm? Und sie nickte, ehe sie nachgedacht hatte.

 

„Ich habe Zeit. Wir… was Sie wollen!“, sagte sie heftig.


„Was ich will?“, wiederholte er mit einem schmalen Lächeln. Sie war wie hypnotisiert von seinem schönen Mund. „Ich muss vorsichtig sein, mit dem, was ich will.“ Sie hasste es, wenn er so sprach.

 

„Nein, Sie müssen nicht-“ Aber sie unterbrach sich, als er plötzlich ihre Hand ergriff. Seine Finger waren warm, seine Haut glatt und weich. Er hob ihre Hand zu seinem Mund und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerknöchel, ohne sie aus den Augen zu lassen. Ihr Mund öffnete sich langsam. Die Berührung seiner Lippen jagte ihren Puls in die Höhe.

Oh, sie wollte ihn ausziehen! Jetzt sofort!

 

„Oh doch, ich muss“, widersprach mit rauer Stimme, zog sachte an ihrer Hand und sie stolperte an seine Brust. Es war wie eine Mauer, so fest und hart. Ihre Hände lagen auf seiner Brust, und schon das alleine ließ ihn seinen Kiefer anspannen. Aber sein Blick bohrte sich intensiv in ihren, und sie schluckte schwer, denn ihr Mund war plötzlich trocken.

 

Und jetzt spürte sie es. Wann immer er kurz davor, ihre Geschäftsbeziehung zu zerstören, änderte sich Verhalten. Seine Höflichkeit, seine ganze Fassade vom Geschäftsmann, vom Gentleman, fiel im Bruchteil der Sekunde, in dem seine Lippen ihre verschließen würden.

 

„Ich muss vorsichtig mit Ihnen sein“, fuhr er gedämpft fort. Er stand so nah vor ihr, dass sie seinen heißen Atem in ihrem Ohr spürte, als er sich vorlehnte. Sein warmer Körper hüllte sie ein mit seinem Duft. Seinem wunderbar herben Duft. „Alleine die Hälfte der Gedanken, die ich habe, würden Sie, so schnell Sie Ihre Füße tragen, aus meinem Büro jagen.“ Seine Stimme. Gott, diese Stimme! Seine Worte! Das Kribbeln in ihrem Bauch war fast zu viel. Sie spürte seine Lippen an ihrem Ohrläppchen und musste die Augen schließen. Ihr Mund hatte sich atemlos geöffnet.

 

„Ich habe keine Angst vor Ihnen“, flüsterte sie heiser. Sein Arm hatte sich grob um ihre Taille gelegt.

 

„Das sollten Sie“, informierte er sie rau. Ein kehliger Laut verließ ihren Mund, als sie plötzlich seine weichen Lippen an ihrem Hals spürte. „Das sollten Sie wirklich“, wiederholte er gegen ihre Haut, und sie wurde Butter in seinen Händen. Seine Worte turnten sie viel zu sehr an, als dass sie ihren Sinn noch hinterfragen konnte. Er hatte sie in nur einer Bewegung auf die Tischplatte gesetzt.

 

„Wie wäre es, wenn Sie mich aufhalten würden?“, knurrte er, fast wütend, als er mit beiden Händen ihre bloßen Beine spreizte und sich zwischen sie stellte. Ihr Puls raste. Unbewusst hatte sie die Hände zu seinen dichten Haaren gehoben, krallte ihre Finger in die Strähnen und zog ihn grob zu sich hinab.

 

Er verschloss ihre Lippen mit einem Grollen, griff mit beiden Händen ihren Po und presste sie an seine Mitte. Er teilte mit seinen Lippen die ihren, und seine Zunge stieß nach vorne in ihren Mund. Er stöhnte ungehalten, als ihm ihre Zunge nur zu willig begegnete. Die hundert Schmetterlinge in ihrem Bauch schlugen aufgeregt mit ihren Flügeln, und seine Hände schoben abwesend den Saum ihre Rocks weiter ihre Beine hinauf. Er lehnte sich gegen sie, brachte sie mit seinem Gewicht nach unten auf die kühle Tischplatte und war sofort über ihr.

 

Er nahm ihre Unterlippe zwischen seine Zähne, saugte hart daran und sie keuchte vor Erregung auf. Schon verschloss er ihren Mund wieder, seine Zunge stieß unbeherrscht nach vorne. Gott, sie wollte ihn so unbedingt! Er schmeckte fantastisch, und seine Haut fühlte sich großartig an. Sein Duft war unglaublich animalisch, und sie zerrte sein Hemd aus seiner Hose. Sofort hatte er den Kuss unterbrochen, ihre Handgelenke ergriffen und hart auf die Tischplatte gepresst.

 

Sie lehnte sich gegen den festen Griff, und wandte dieses Mal tatsächlich mehr Gewalt an.

 

„Granger“, entfuhr es ihm heiser, beinahe warnend, seine Augen dunkel vor Lust. Aber sie wollte nicht von ihm gewarnt werden! Er musste sie nicht vor sich warnen. Es war egal, was er verbarg! Es war ihr völlig gleichgültig. Sie wollte ihn! Und sie wollte ihn jetzt! Mit einem Ruck befreite sie ihre Handgelenke, hatte schnell seinen Gürtel geöffnet und knöpfte blind seine Hose auf. Wieder fing er ihre Hände ab. „Nein!“, knurrte er gefährlich tief, und ihr Herz machte einen Satz. Sie atmete mit geöffnetem Mund.

 

Sein Atem ging unregelmäßig, mühseliger, unbeherrschter und seine Augen wanderten sehr schnell über ihr Gesicht. Wieder lehnte sie sich gegen ihn auf, wieder befreite sie ihre Hände, und sein Blick bohrte sich in ihre Augen, als sie seine Hose hastig öffnete und seine Erektion befreite. Er schloss ergeben die Augen und keuchte auf, als ihre Finger seinen harten Schaft umschlossen.

 

Härter umfasste er ihr Handgelenk, riss es zornig zurück und in seinem Blick lag jetzt ein dunkles Feuer, eine viel dunklere Kraft. Sie sog vor Schmerz die Luft ein, als er ihre Handgelenke so brutal auf die Tischplatte pinnte, dass es ihr kurz die Tränen in die Augen trieb. Sie erkannte seine Verwandlung sofort. Sein Ausdruck war wilder, unkontrollierter, und ihre Handgelenke wurden taub, so hart war sein Griff.

 

Aber tapfer blickte sie seinem wilden Blick entgegen, noch immer wand sie sich unter ihm, und seine nackte Erektion stieß nun gegen ihren feuchten Slip, nur noch durch eine Millimeter dünne Schicht Stoff von ihrem Eingang getrennt. Er schloss wie unter Schmerzen die Augen und schüttelte verzweifelt den Kopf.

 

„Nein!“, rief er aus und wich mit aller Anstrengung zurück. Als sie sich aufsetzte, hatte er seine Hose wieder verschlossen. Sein Atem ging immer noch schnell, aber er hatte sich wieder unter Kontrolle. Er fuhr sich durch die Haare, und sie rieb sich beschämt ihre schmerzenden Handgelenke. Langsam schloss er den Abstand.


„Das werden blaue Flecken“, stellte er rau fest, und nahm ihre Hände in seine. „Machen Sie das nicht noch einmal“, flüsterte er gegen ihre Hände, als er sanfte Küsse auf ihren Handgelenken platzierte. Sie spürte die Tränen in den Augenwinkeln.


„Ich will aber, dass-“ Sein Blick ließ sie verstummen. Seine grauen Augen waren aufgewühlt.


„Nein“, schnitt er ihre Worte ab. „Sie wollen kein Monster. Sie wollen kein Monster, das Ihnen Schmerzen zufügt, weil es Sie nur so haben will, Miss Granger. Ich kann mich dann nicht kontrollieren“, brachte er gepresst hervor.


„Das ist mir egal“, flüsterte sie, mit allem Mut, über den verfügte. Und er lächelte ungläubig.

 

„Das ist Ihnen egal?“, wiederholte er, und schüttelte nur den Kopf.

 

„Ich… will mit dir schlafen“, flüsterte sie und schämte sich sofort für ihre Worte. Er wirkte plötzlich älter, erschöpfter als zuvor. Er ließ ihre Hände sinken.

 

„Ich-“

 

Es klopfte, und er machte automatisch einen Schritt nach hinten und fuhr sich durch das Haar. Er sah wieder völlig gelassen aus, stellte sie entgeistert fest, während sie hastig von der Tischkante rutschte. Schon öffnete sich die Tür. Sie war froh, stehen zu können.


„Sir, die Auroren sind da.“ Witherby hatte den Kopf so schnell wieder zurückgezogen, wie er ihn hinein gesteckt hatte.

 

„Gut, dann gehen wir wohl essen“, beschloss Malfoy tonlos. Ihr Herz schlug immer noch laut in ihrer Brust. Sie richtete ihre Bluse, ihren Rock, die Nähte ihrer Seidenstrümpfe, fuhr sich hastig durch das Haar, über ihr Gesicht, und äußerlich konnte sie genug Ruhe vortäuschen, um das Zimmer zu verlassen. „Wir verschieben… dieses Gespräch“, bemerkte er wieder mit gewöhnlicher Stimme.

 

„Das müssen wir wohl“, gab sie eine Spur beleidigt zurück. Als er bemerkte, dass sie es ihm übel nahm, stahl sich ein Lächeln auf seine Züge. Und sie konnte ihm plötzlich nicht mal mehr böse sein.

 

„Nach Ihnen, Miss Granger“, bot er ihr lächelnd an, aber seine Augen wirkten spöttisch, herausfordernd und provozierend. Es zog angenehm in ihrer Mitte. Und sie spürte, wie sich ihre Mundwinkel langsam hoben. Wie schaffte der Mistkerl das? Wenn sie heute Abend in seinem Haus sein würde, bedeutete es dann, dass sie so etwas wie einen nächsten Schritt wagten? Wollte er deshalb warten? Oder hielt er sie nur auf Abstand? Würde heute einfach nichts weiter passieren? Oder wartete er nur auf später, damit…?! Endlich? Endlich, endlich! Ihr Herz flatterte in ihrer Brust. Sie fühlte das Pochen ihrer Handgelenke, aber der Schmerz war längst abgeklungen. Er brauchte mehr Zeit? Mehr Vertrauen? Sie hatte kein Problem, ihm das zu geben. Sie spürte seinen Blick auf sich, als sie voran schritt. Und sie war so leicht. Sie fühlte sich…-

 

„Harry, Ron!“, entfuhr es ihr heiser, als sie in Malfoys Büro trat, und Harry und Ron mit verschränkten Armen vor der Tür standen und warteten. Professionell neigten sie ihre Köpfe, und Malfoy stellte sich neben sie.

 

Sie wusste, ihr Herz war gerade in ihre Magengrube gesunken. Hoffentlich konnten sie es nicht sehen! Diese miesen Jungen! Das war doch pure Absicht. Beide trugen Uniformen des Ministeriums. Schwarze Hosen, dicht gewebte, geschützte Rollkragen Pullover, die Zauberstäbe direkt an ihrer Hüfte, und sie verengte die Augen. Sie konnte sich vorstellen, dass Harry und Ron nur liebend gerne in voller bewaffneter Montur hier in Malfoys Büro aufkreuzten, nur um abzuwarten, ob sie nicht vielleicht ein kleines Duell herausfordern konnten.

 

„Gentlemen, Sie werden uns zum Essen begleiten“, bemerkte Malfoy jetzt, und sie musste ihm zugutehalten, dass er souverän wie immer klang. Wahrscheinlich konnte ihn nichts wirklich überraschen, nahm sie an. Als sie daran dachte, dass sie gerade seinen Penis in ihrer Hand gehabt hatte, kroch die Röte in ihre Wangen, und sie senkte hastig den Blick.

 

„Essen… ahem… ja.“ Als sie die Augen hob, sah sie wie Rons Züge kurz entglitten, ehe er sich wieder fasste.

 

„Miss Granger, wie wäre es, wenn Sie Ihren Mantel holen würden?“ Hermine konnte den Blick noch nicht von ihren angeblichen Freunden losreißen.

 

„Ja, Mr Malfoy. Gerne. Ich hole eben meine Unterlagen“, fügte sie eisig hinzu, machte kehrt und verteufelte ihre Freunde und ihre Jobs. Das war wirklich sehr knapp gewesen. Wirklich knapp. Hermine, du musst vorsichtiger sein, schalt sie sich, und sie war wirklich nur haarscharf davongekommen.

 

~*~

 

Es kam ihr vor, wie eine Situation, die sie vielleicht träumen würde, die sie jedoch niemals wirklich gedacht hatte, zu erleben.

 

„Es wird kälter“, bemerkte er neben ihr, als sie keinen Block mehr von dem Restaurant entfernt waren. Sie wusste, die Auroren wurden zum Schutz bestellt, nicht um ihre Meinung kundzutun. Und bisher hatten Harry und Ron beharrlich geschwiegen, marschierten aber so dicht neben ihnen, dass ihnen kein Wort entgehen konnte.

 

„Ja“, sagte sie knapp, denn sie fühlte sich überhaupt nicht wohl. „Wie ungewöhnlich, dass der Leiter der Abteilung die Zeit findet, persönlich Escort-Service zu spielen“, sagte sie spitz in Richtung Harry gewandt. Dieser blickte stur nach vorne. Die Lichter der Laternen spiegelten sich in seinen Brillengläsern.

 

„Absolut kein Problem. Der beste Schutz für Mr Malfoy“, entgegnete er gleichmütig. Hermine atmete gereizt aus.

 

Es war einfach unglaublich. Sie und ihre Anstandsdamen gingen mit Draco Malfoy essen.

 

Sie betraten das Restaurant. Und kurz schenkte ihnen der Saal alle Aufmerksamkeit. Allerdings hielten sich die Leute hier selber für viel zu wichtig, als dass sie länger als nur ein paar Sekunden die Köpfe umgewandt hätten. Es war teuer hier. Alles war aus Marmor, oder Gold, oder teurem Parkett. Die schweren Vorhänge waren aus Seide, in den Kerzenleuchtern steckten mindestens jeweils zwanzig große Kerzen, und die Decke war erleuchtet mit kunstvollen Malereien.

 

„Vielen Dank, Gentlemen“, entgegnete Malfoy an Harry und Ron gewandt. Beide nickten, ohne den Hauch von Freundlichkeit auf den Zügen. Auf Malfoys Lippen lag jedoch die Andeutung eines Lächelns. Er führte Hermine an den Tisch, als sie ihren Mantel aufgegeben hatte.

 

„Es tut mir unglaublich leid!“, entfuhr es ihr gepresst.


„Was?“, fragte er ehrlich verblüfft.

 

Was?“, wiederholte sie perplex. „Dass Harry und Ron hier aufgetaucht sind!“

 

„Oh, ich hatte schon wesentlich eher mit ihrer Aufwartung gerechnet, Miss Granger“, bemerkte er lächelnd.

 

„Und sie sind so dumm!“, entfuhr es ihr bitter, während sie sich setzte. Malfoy saß mit dem Rücken zur Tür, und somit blieb ihr die Aussicht auf Harry und Ron, die sich nun beide unauffällig die Hälse verrenkten, um sie zu sehen.

 

„Nein, sie sind vorsichtig. Und ich wiederhole mich immer wieder gern. Sie können alle meine Bitten gerne ablehnen, Miss Granger.“ Sie sah ihn jetzt wieder an.

 

„Nein. Ich nehme alle Ihre Angebote gerne an.“ Und sie wusste, der Trotz sprach aus ihren Worten. Und sie glaubte auch nicht, dass sie wirklich wollte, dass Harry und Ron sie und Malfoy zu seinem Haus begleiteten und sich – wusste Merlin was für – absurde Gedanken machen konnten!

 

Malfoy musste lächeln.

 

„Wie wäre es, wenn wir bestellen?“

 

„In Ordnung“, gab sie kleinlaut nach.

 

Und sie hatte getan, was sie üblicherweise nie getan hätte, aber sie bestellte Nachtisch. Und danach noch Eiscreme, einen Aperitif und einen Pralinenteller. Malfoy beobachtete sie mittlerweile mit einem amüsierten blick.

 

„Bestrafen Sie gerade Ihre Freunde?“ Er hatte schon vor der Eiscreme aufgehört zu essen.

 

„Die können sich ruhig die Beine in den Bauch stehen und zusehen, wie ich Nachtisch esse!“, murrte sie, und hatte tatsächlich vergessen, dass sie hier mit Malfoy war. Aber sie hatte nichts Persönliches mit ihm besprochen. Sie waren ihre Ideen an Schulbüchern durchgegangen, noch mal seine Termine der Eröffnungen, und seitdem hatte sie gegessen. Häppchen für Häppchen. So langsam, als bekäme sie die Zeit bezahlt.

 

Und wenn sie drüber nachdachte, dann zahlte ihr Malfoy wahrscheinlich auch die Stunden, die sie jetzt mit ihm hier verbrachte.

 

„Sie haben einen gesunden Appetit, das beruhigt mich. Die meisten Frauen essen wenig.“ Sofort blieb ihr der Bissen im Halse stecken. Oh Gott! Er hielt sie für ein Schwein! Sie stopfte seit vierzig Minuten Süßkram in sich rein! Oh nein! Natürlich musste er denken, sie wäre ein Bauerntrampel vom Land, der nicht bescheiden oder ausgewogen aß! Sie legte die kleine Gabel sofort zurück, und er musste breiter grinsen.

 

„Miss Granger, Sie können essen, was Sie-“

 

„Ich bin fertig“, unterbrach sie ihn beschämt. Merlin, sie war jetzt wahrscheinlich genauso attraktiv wie Gregory Goyle. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen.

 

„Wie Sie meinen. Ich nehme an, Sie wollen mich nicht mehr begleiten?“ Sein Blick war eindeutig, und sie seufzte auf. Doch. Mehr als alles andere. Als alles andere!

 

„Ich glaube nicht.“ Er nickte dann.

 

„Es war schön, mit Ihnen essen zu gehen.“ Und sie wusste, das war es nicht gewesen. Sie hatte immerzu über seine Schulter geguckt, hatte ihren Freunde böse Blicke zugeworfen, hatte praktisch alles von der Karte bestellt, nur um Harry und Ron zu ärgern, und sie hatten nichts geklärt. Sie wusste immer noch nicht, ob und wann er überhaupt mit ihr schlafen würde, und sie hatte seine Nähe nicht genießen können. Ihre Handgelenke hatten sich dunkel verfärbt, stellte sie überrascht fest, und als er es ebenfalls bemerkte wurde sein Blick finster.

 

„Es ist nichts“, flüsterte sie beschwichtigend, aber es bildete sich eine steile Falte zwischen seinen blonden Brauen.

 

„Nichts?“, wiederholte er zähneknirschend und schüttelte unbewegt den Kopf. „Sie hätten niemals-“ Aber er fing sich, hielt sich zurück, und sie biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte mit ihm sprechen. Dringend! Und jetzt konnte sie es nicht!

 

Und diese beiden Idioten waren schuld daran!

 

„Danke für die Einladung“, sagte sie schließlich, traurig, tonlos, und sie nahm an, dass dies auch ihre letzte Einladung von Draco Malfoy gewesen war. So wie sie sich verhalten hatte.

 

Sie erhob sich als er sich erhob. Anscheinend zahlte er nicht. Aber das musste er höchstwahrscheinlich auch nicht. Wieder ernteten sie einen Schwall an Aufmerksamkeit, der aber schnell abgeklungen war. Die Leute kamen sich ja hier so wichtig vor, überlegte sie bitter.

 

Ihr Blick für Harry und Ron war tödlich, als Malfoy ihr in ihren Mantel half.

 

Ron stand eher der Appetit ins Gesicht geschrieben, während er ihrem Blick problemlos standhielt.

 

„Wie wäre es, wenn Sie Miss Granger nach Hause begleiten? Ich schaffe es von hier aus, Mr Potter, Mr Weasley?“ Und Hermine wusste, Harry suchte seit Stunden nach einem Fehler an Malfoy, versuchte, ihn aus der Reserve zu locken, aber fast wollte Hermine schon triumphierend lachen, denn Harry würde keinen Fehler finden. Malfoy war durch und durch perfekt. Das fand sie zumindest.

 

Auch jetzt durchleuchtete Harry ihn mit seinem Blick, aber Malfoys Deckung würde nicht fallen. Harry würde keine Angriffsfläche finden können. Und fast war sie froh, dass Ron und Harry hier gewesen waren. Denn jetzt hatten sie sehen können, dass Malfoy kein Lustmolch war, oder was sie dachten! Zwar stimmte das nicht wirklich, aber das wussten die beiden nicht. Lustmolch war wohl auch das falsche Wort, überlegte sie dumpf. Aber… alleine, um Harry und Ron vor den Kopf zu stoßen, war es heute gut gewesen.

 

„In Ordnung“, erklärte sich Harry sofort bereit.

 

„Ja, Wiedersehen“, sagte auch Ron, als Malfoy sich mit einem wissenden Blick von ihr verabschiedete und das Restaurant verließ. Er apparierte draußen nahezu augenblicklich, ohne sich noch einmal umzusehen. Ihre Wut kehrte zurück, jetzt nachdem sie schmerzlich seine Nähe vermisste.


„Ihr seid unmöglich!“, knurrte sie, während sie zornig die Tür aufzog und in die kalte Abendluft trat.


Wir?“, wiederholte Harry genauso zornig und folgte ihr.


„Wag es ja nicht, mir zu folgen, Harry Potter! Ich bin sehr enttäuscht von euch!“, rief sie beiden zu, und Ron starrte sie ungläubig an.


„Was? Was haben wir gemacht?“, wollte Ron entrüstet wissen.


„Denkt ihr, er weiß nicht, weshalb ihr beiden Clowns aufgetaucht sein?“, zischte sie und ging einige Schritte rückwärts, aber die Jungen folgten ihr.

 

Clowns?“, wiederholte Harry ungläubig, und seine Augen verengten sich. „Du bezeichnest uns ernsthaft als Clowns, Hermine? Was ist, wobei haben wir gestört? Wolltest du ungestört mit Mr Wichtig essen gehen? Hattet ihr danach noch Pläne zu zweit?“, entfuhr es Harry wütend, und Ron schüttelte angewidert den Kopf.


„Harry, hör auf mit dem Scheiß!“, murmelte Ron und verzog den Mund.

 

„Ja, hatten wir!“, erwiderte sie, bevor sie ausreichend über diese Worte nachgedacht hatte, und beide Jungen blieben stehen. Ihr Atem hatte sich beschleunigt. Sie spürte, wie ihre Unterlippe bebte.

 

„Ähm… was?“ Ron sprach als erster, und plötzlich war er mächtig wütend. „Nein!“, sagte er einfach. Knapp und sehr ernst. Er hatte den Abstand zu ihr geschlossen. „Nein, Hermine. Nicht Malfoy. Nicht dieser scheiß Wichser! Nein!“, wiederholte er kopfschüttelnd und ließ sie nicht aus seinem Blick.

 

„Was hat dieser Scheißkerl dir angetan?“, wollte Harry jetzt wissen, und die erste Träne löste sich aus Hermines Augenwinkel und fiel auf ihre Wange. Hastig fuhr sie mit der Hand darüber. Sie wollte nicht weinen. Harry sah seine schlimmsten Vermutungen bestätigt.

„Wir werden ihn umbringen!“, fügte er haltlos hinzu, und Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Er hat gar nichts getan!“, rief sie zornig, aber ihre Stimme zitterte. „Ihr kennt ihn überhaupt nicht!“ Und die Jungen starrten sie jetzt mit großen Augen an.


Imperius?“, murmelte Ron Harry zu, und dieser zuckte die Achseln.


„Möglich“, erwiderte er nachdenklich.


„Oh, ihr seid so dämlich! Ich bin nicht mit irgendwelchen Zaubern belegt! Ihr habt keine Ahnung von Malfoy! Er ist… er ist…“


„-In Behandlung“, schloss Harry ernst. Stiller Zorn tobte in seinen Augen. Hermine sah ihn an.

 

„Ginny hat es dir gesagt?“, vermutete sie schockiert, und Ron schnappte nach Luft.

 

„Du weißt das? Ginny weiß das?!“, entfuhr es ihm hysterisch, und er wandte sich fast hilfesuchend an Harry.

 

Was weißt du?“, wollte Harry plötzlich wissen, und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Wieso? Was weißt du?“, stellte sie die Gegenfrage.

 

Und alle drei sahen sich abwartend an. Und Ron schien immer unentspannter zu werden. Er fuhr sich kopfschüttelnd durch die roten Haare und schien sich nicht fassen zu können. Und plötzlich nahm Harrys Gesicht einen gefährlichen Ausdruck an.


„Wie kann es sein, dass du Draco Malfoy verteidigst, obwohl er wegen versuchten Mordes an einer Muggel über ein Jahr in Askaban saß und eine Therapie macht, damit er keine Muggel mehr umbringen will?“, fragte Harry tonlos, und ihr Mund öffnete sich entgeistert.

 

„Was?“, entfuhr es ihr perplex, und sie schüttelte abwesend den Kopf. „Was?!“

 

 

Kapitel 13

 

Sie war gestern nicht zur Arbeit erschienen. Sie war heute nicht zur Arbeit erschienen. Und Harry hatte ihr sehr deutlich gemacht, dass, würde sie noch einmal erscheinen, er und Ron mit ihr kommen würden. Harry hatte sich darum gekümmert, ihren Kamin vom Flohnetzwerk vorübergehend zu kappen und es lag ein Fluch auf ihrer Wohnung, ihren Fenstern, sämtlichen Eingängen, der sich gegen dreißig verschiedene Arten von Flugvögeln richtete und somit den Postweg verhinderte.

 

Sie saß in ihrer Wohnung, wie in einem Elfenbeinturm, bewacht in Schichten von Harry, Ron und Ginny. Sie kam sich vor wie ein Kind. Ein Kind, was unter Arrest gefangen gehalten wurde von ihren besten Freunden.

 

Ihre Hand lag um die Tasse Tee geschlungen und heute wäre der Tag, an dem sie mit Draco Malfoy nach Italien fahren würde. Gewollt hatte. Nicht wollte. Sie wusste es nicht wirklich. Aber er würde bestimmt ohne sie fahren. Jetzt, nachdem sie sich nicht mehr gemeldet hatte. Nachdem sie… bestimmt entlassen worden war.

 

Merlin, sie war sich nicht sicher, ob es alles nötig war.

 

Sie hatte mit Madame Tallis gesprochen. Und die schien nicht gerade begeistert gewesen zu sein, von einer Auroren-Brigade gezwungen zu werden, Informationen über einen Patienten Preis zu geben, zum Wohl einer einzelnen Muggel. Hermines Gespräch mit Madame Tallis war auch um einiges ausgewogener als Harrys Gespräch.

Als es zu dem Punkt kam, wo Malfoys Albträume zur Sprache kamen, wo sich herausstellte, dass er sie jedes Mal tot in einer Badewanne sah, war Harry förmlich ausgerastet und war vom weiteren Gespräch ausgeschlossen worden.

 

Er kam alle zwei Stunden.

 

Harry Potter, Leiter der Aurorenabteilung, kam alle zwei Stunden zu ihrer Wohnung apparierte, um sicher zu gehen, dass sie noch lebte. Sie konnte nicht oft genug die Augen über diese Tatsache verdrehen. Es war, als wäre sie ein Kind, was eine sehr dumme Strafe begangen hätte, indem sie begonnen hatte, bei Draco Malfoy zu arbeiten.

 

Und sie sah es ja ein. Sie sah ein, weshalb Harry es tat, aber… war das wirklich nötig? Sie hätte nicht still vor sich hin grübeln müssen, denn natürlich war sie nicht allein. Natürlich befand sich Ginny auf ihrer Couch, las die Hexenwoche, trank Tee und aß Croissants, die Mrs Weasley selber gebacken hatte, während Hermine ihren Stubenarrest absaß.

 

Harry hatte es nicht erwirken können, Malfoy den Aurorenschutz abzuziehen, ihn gar verhaften zu lassen, denn… Malfoy hatte anscheinend alle seine Strafen abgesessen. Dass er eine Muggel hatte umbringen wollen, hatte sich nicht bewiesen, aber Hermine war erstaunt über sich selbst, wie leicht sie diese Tatsache zur Kenntnis genommen hatte, denn sie war sich fast sicher, dass Malfoy eine Muggel hatte umbringen wollen, und sie nur deshalb von einem Hochhaushatte stürzen wollen.

Aber… es schockierte nur halb so viel, wie es sollte.

 

Das beunruhigte sie. Und sie träumte immer noch von ihm. Die gleichen nervenzerfetzenden Träume, wo sie ihn auszog, ihn überall küsste, endlich mit ihm schlief. Und natürlich erzählte sie das ihren Freunden nicht! Die würden sie aus ihrem gemütlichen Gefängnis abtransportieren und sofort ins Mungo überweisen. Ja. Das würde Harry gefallen. Am besten direkt einer Gehirnwäsche unterziehen und die Festplatte neu formatieren, so dass Hermine Harry wie immer bewunderte und jemanden wie Malfoy nicht mit dem Hintern anguckte.

 

Sie wusste, das ging Harry mächtig gegen den Strich. Von Ron wollte sie gar nicht anfangen! Ron hatte geweint. Sie hatte Ron das letzte Mal weinen gesehen, als… er dachte, Krätze wäre gestorben. Und das war eine Weile her. Ron hatte es nicht begreifen können, wie sie Malfoy hatte erlauben können, sie zu küssen. Denn das war das Äußerste, was Hermine von ihrer Beziehung zu Malfoy preisgegeben hatte, nachdem Harry sich eine Stunde heiser geschrieen hatte. Für Ron schien ein Kuss schlimmer zu sein als alles andere.

 

Harry sprach davon, dass Hermine wieder eingegliedert werden müsste, und er hatte tatsächlich Vorstellungsgespräche für nächste Woche arrangiert. In allen Abteilungen.

 

Und Hermine unterdrückte ein Seufzen.

 

Natürlich hätte sie sich auflehnen können. Aber es war wesentlich leichter, nicht gegen ihre drei besten Freunde vorzugehen, als durch die Straßen zu rennen und Malfoys Namen zu schreien. Denn… das wäre verrückt. Eigentlich war alles hier verrückt. Ginnys Blick hatte sich für eine Nanosekunde zu ihrem Gesicht gehoben, senkte sich aber wieder, als Hermine es bemerkt hatte.

 

„Du denkst an ihn, stimmt’s?“, wollte Ginny täuschend gelangweilt wissen, während sie eine weitere Seite in ihrer Zeitschrift umblätterte.

 

„An wen?“, reagierte Hermine sofort mit täuschendem Unwissen. Dann hob Ginny den Blick.

 

„An Neville. Du weißt, wen ich meine“, entgegnete Ginny gereizt. Hermine antwortete darauf nicht. Ginny legte schließlich die Zeitschrift zur Seite. „Luna ist seit einem Monat schwanger“, sagte Ginny plötzlich, und für eine Sekunde verschwand der mürrische Gesichtsausdruck. Hermines Augenbrauen hoben sich.


„Wow. Das sind gute Neuigkeiten. Ich bin sicher, Neville ist aus dem Häuschen“, erwiderte sie.


„Oh ja. Vor allem über die Namen, die Luna schon ausgesucht hat. Ich sage dir, die Frau ist verrückt.“ Hermine musste grinsen.

 

„Na ja, solange sie ihre Kinder nicht Schrumpfkopf 1 und Schrumpfkopf 2 nennen möchte, soll sich Neville besser zufrieden geben.“ Und beide Frauen grinsten sich an. Und für einen Moment wusste Hermine, dass auch Ginny das Verhalten von lächerlich fand. Denn dann seufzte Ginny und verdrehte ihre Augen.

 

„Weißt du, es tut mir leid, dass Harry so ausgerastet ist. Ich denke wirklich, er macht sich bloß Sorgen. Kann natürlich auch sein, dass er vollkommen ausgerastet ist und nie wieder der alte wird“, fügte sie lapidar hinzu. Hermine ruckte mit dem Kopf.


„Ich werde mich nicht mit ihm anlegen. Er kann gerne sein seltsames Versteckspiel spielen, bis seine Arbeit ihm nicht mehr genügend Zeit dafür lässt. Was seid ihr für ein Verein?“, wollte sie jetzt ungläubig von Ginny wissen. „Wie habt ihr Zeit, mich in Schichten zu verteilen?“

 

„Harry ist Leiter. Wir finden die Zeit“, gab Ginny achselzuckend zurück. Hermine schüttelte prüfend den Kopf. Das konnte auch nicht richtig sein. Manchmal hatten die falschen Menschen zu viel Macht. „Wirst du je wieder mit ihm sprechen?“, wollte sie besorgt wissen, und Hermine dachte nach.


„Mal sehen. Erst mal nicht“, beschloss sie streng. Ginny streckte die Arme über den Kopf und legte den Kopf zurück auf die Lehne. Sie war riesig. Wirklich riesig.

 

„Ich sehe aus wie eine Planschkuh“, informierte sie Hermine bedrückt. Diese musste lächeln.


„Nein, du glühst“, entgegnete Hermine. Ginny hob gereizt den Kopf.


„Ha ha. Ich hasse es, wenn Leute das sagen. Glühen ist wohl ein anderes Wort für superdick sein“, knurrte sie, strich sich über den kugelrunden Bauch, und setzte eine ernste Miene auf. „Du bist besser ein Junge!“, sagte sie mahnend, und Hermine schüttelte lächelnd den Kopf.

 

Und dann klopfte es laut an ihrer Tür. Ginny warf einen überraschten Blick auf die Uhr an der Wand.


„Harry ist früh dran“, bemerkte sie nachdenklich.

 

„Ich gehe schon“, sagte Hermine, bevor Ginny wieder eine fünfminütige Show machte, um sich zu erheben. Hermine schritt zur Tür und legte den Kopf an das Holz.

 

„Wer ist da?“, rief sie, denn Harry hatte sie dazu gezwungen.


„Mach die Tür einfach auf, ja?“

 

Und Hermine blickte starr nach vorne. Sie kannte die Stimme, aber es machte keinen Sinn.

 

„Pansy?“, fragte sie unsicher, hörte jedoch ein Schnauben.

 

„Granger!“

 

Und Ginny erhob sich langsam von der Couch, nur um den Zauberstab zu ziehen. Hermine verdrehte die Augen und öffnete die Tür. Eine selten schlecht gelaunte Pansy Parkinson stand davor, die Hände provokativ in die Hüften gestemmt, auf Schuhen so hoch wie Wolkenkratzer, in einem Kostüm, so teuer, dass die eingestickten Seidenfäden funkelten.

 

„Willst du reinkommen?“ Hermine konnte sich nicht vorstellen, dass Pansy das wollte, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, aber mit einem angewiderten Blick atmete Pansy aus.


„Das werde ich wohl müssen“, entgegnete sie nur. Sie betrat die Wohnung. „Oh mein Gott! Bezahlt er dich doch nicht?“, entfuhr es Pansy beinahe angewidert, als sie sich in Hermines Wohnküche umsah.

 

„Parkinson, du hast wohl kein Problem damit, wenn ich dich prüfe?“, wollte Ginny, ganz der Auror, von Pansy wissen. Pansy hatte Ginny wohl noch gar nicht bemerkt.

„Ach du liebe Güte! Entweder du bist unglaublich fett oder Potter hat dich geschwängert“, bemerkte Pansy, wenn möglich, noch angewiderter, und Ginny verzog das Gesicht.  Hermine seufzte auf.


„Sie ist nicht fett“, widersprach sie sofort, aber Pansy schien es egal zu sein.

 

„Was willst du prüfen?“

 

„Ob du Vielsafttrank genommen hast“, erklärte Ginny bitter. Pansy verdrehte die Augen.

 

„Bitte, meinetwegen. Ich fasse es nicht“, murmelte sie, während Ginny den Zauber durchführte. Aber Pansy war tatsächlich Pansy. Hermine hatte nichts anderes erwartet.

 

„Ich nehme an, du warst nicht bloß zufällig in der Gegend?“ Es war nicht wirklich eine Frage von Hermine.

 

„Zufällig?“; lachte Pansy hysterisch auf. „Wäre ich zufällig in dieser Gegend, würde ich mich umbringen, denn auch nur zufällig hier zu sein, wäre absolut inakzeptabel. Und glaub mir, ich würde eher alle meine Grafton’s Schuhe verbrennen, bevor ich hier her in deine Bruchbude komme, aber… Draco ist einer meine ältesten Freunde, und es ist eine Schande, dass er…“ Sie sprach nicht weiter, aber ihr Ausdruck verriet Hermine Pansys Missfallen.

 

Was war mit Draco? Sofort schrillten bei ihr alle Alarmglocken. Und gerne würde sie Pansy die Meinung sagen! Aber es war so unpassend wie unnötig.


„Wir reden hier nicht über Malfoy“, mischte sich Ginny wieder ein. Pansy schenkte ihr einen spöttischen Blick.

 

„Ja? Hat Potter das verboten?“, wollte Pansy amüsiert wissen, wandte sich aber, ohne eine Antwort abzuwarten, an Hermine. „Hör zu, Granger. Ich mag dich nicht. Wirklich nicht. Aber ich werde das hier kurz und schmerzlos machen. Nach eurer, ich sage mal, herzlosen und rachsüchtigen Razzia, bezüglich Dracos Gesundheitszustand, ist er… wie sage ich das am besten…“ Pansy schien kurz nachzudenken. Hermines Finger kribbelten vor Anspannung. „Er ist wahnsinnig geworden. Wie ich annehme sind die ungefähr zweihundert Eulen hier nicht angekommen?“ Es war nicht wirklich eine Frage.

 

Hermine starrte sie an. „Er nimmt seine Tabletten nicht mehr. Keine davon. Und jetzt… na ja, liegt er ziemlich flach in seinem Bett.“ Hermine verdrängte den kurzen Stich, denn sie wollte nicht wissen, woher Pansy das wusste. Es gab wesentlich dringendere Probleme.


„Wieso erzählst du uns, was das Schwein für Sorgen hat?“, fuhr Ginny dazwischen.


Pansys Blick war geschliffenes Eis. „Weil er sie sehen will. Nur sie. Sofort. Am besten noch schneller als das. Weil er mich wahnsinnig macht“, erwiderte Pansy schlicht. Ginny schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Und glaub mir, kleine Weasley, ich verstehe Draco wesentlich besser als alle anderen. Ich halte auch nichts von Muggeln oder Blutsverrätern. Ich hasse das gesamte Pack“, spuckte ihr Pansy jetzt entgegen.

 

„Aber anscheinend hast du irgendwas mit seinem Kopf angestellt. Er ist… „ Und Pansy schwieg für einen Moment. „Er wird sterben“, erklärte sie. „Er wird damit nicht umgehen können. Er weigert sich mit seiner Verräterin von Therapeutin auch nur ein Wort zu wechseln. Und die Schmerzen und seine verdammte Wut, werden ihn noch umbringen. Und ich habe keinen Nerv mir immer und immer wieder anzuhören, dass das verdammte Schlammblut sein Leben ruiniert hat.“ Hermine schnappte kurz nach Luft. „Seine Worte, nicht meine, Granger. Aber… na ja…“ Pansy schien mit Dracos Wortwahl komplett einverstanden zu sein.


„Du Miststück solltest zusehen, dass du hier verschwindest!“, knurrte Ginny und war näher gekommen.

 

„Potter hat dich gut trainiert“, stellte Pansy beeindruckt fest. „Wie dem auch sei, er wohnt am Rand der Stadt. Es ist versteckt. Kennst du das grüne Haus am Ende der Rosing Road?“, wollte Pansy entnervt wissen, und Hermine schüttelte den Kopf. Pansy seufzte auf. „Weasley hier wird es kennen.“ Hermine verzichtete darauf, Pansy zu sagen, dass Ginny Potter mit Nachnamen hieß. „Das Passwort lautet Pfauenauge. Du berührst das linke Fenster, hauchst es gegen die Scheibe – das übliche halt“, sagte sie knapp.

 

„Die Wachen werden dich durchlassen. Das ist der Befehl“, fuhr Pansy genervt fort. Hermine hörte ihr zu.

 

„Pansy, du glaubst doch wohl nicht, dass auch nur einer von uns sie irgendwohin gehen lassen wird, wo wir nicht hinkönnen?“ Und Pansy sah Ginny an.

 

„Ach ja? Ihr habt sie doch auch sonst alles andere mit Draco machen lassen. Außerdem, sieh sie dir an“, forderte Pansy Ginny auf, und kurz glitt Ginnys Blick zu Hermine. „Sie ist so verschossen in Draco, dass es übelerregend ist.“ Hermine schnappte nach Luft.

 

„Das ist nicht wahr!“, sagte sie heftig. Vielleicht etwas zu heftig.

 

„Oh, bitte, Granger“, gab Pansy zurück, während sie ihre Nägel betrachtete. „Selbst ein blinder Troll könnte das erkennen. Und ich weiß, du denkst, ich hätte eine Affäre mit Draco. Aber ich kann dich beruhige – er hat mich nicht ein einziges Mal angerührt. Egal, wie oft ich ihn überzeugen wollte.“ Pansy wirkte vollkommen angewidert von all den Dingen, die sie sagte. Und von Hermine auch.


„Aber… ihr… er und du…“

 

„Granger, ist es dir in den Sinn gekommen, dass wir Kontakt haben, weil ich die Therapie erfolgreich bewältigt habe? Ich habe nicht mal ansatzweise das Bedürfnis, dich aus dem nächsten Fenster zu werfen, weil du eine Muggel bist. Ich habe höchsten das Bedürfnis, dich aus dem Fenster zu werfen, weil Draco wegen dir unmenschlich leidet“, informierte sie Pansy. Hermines Mund klappte auf.

 

„Du… warst in Therapie?“, flüsterte sie. Pansy zuckte die Achseln.


„Die meisten von uns waren das, ja. Unsere Eltern haben einen guten Job gemacht. Und bei Draco hat Lucius hervorragende Arbeit geleistet. Und bei Draco geht alles noch ein Stück tiefer, aber weiß der Teufel, was er noch verbirgt. Ich habe ihn längst verloren. Und ich wusste schon lange bevor du angefangen hast, seine kleine Sexsklavin zu sein, dass er dich in seinen Albträumen sieht. Ich hatte eigentlich darauf gewartet, dass er dich umbringen wird, aber anscheinend… passiert das nicht. Noch nicht, zumindest. Also, egal, was das hier ist“, sie deutet knapp auf Hermine, „ich würde vorschlagen, du hilfst ihm.“

 

„Raus hier, Pansy!“, knurrte Ginny jetzt mit erhobenem Zauberstab.

 

„Du schmeichelst dir, Weasley, wenn du glaubst, ich würde hier nur eine Sekunde länger bleiben als ich muss.“ Pansys Blick war kalt. Sehr kalt. „Und Granger, nimm deinen Zauberstab mit“, fügte Pansy warnend hinzu. „Erinnerst du dich an Draco Malfoy? Den echten? Er ist nämlich zurück.“

 

Und damit verschwand Pansy, ohne etwas in der Wohnung zu berühren. Nicht einmal die Tür. Hermine starrte ihr nach. Nein. Das konnte nicht sein. Was war passiert?

Sie begriff nicht. Draco war verrückt geworden? Er wollte sie sehen? Er wollte sie umbringen? Was wollte er? Hatte er Schmerzen? War es so schlimm? Sie kaute auf ihrer Unterlippe.

 

„Ich muss ihn sehen“, sagte sie plötzlich, mehr als sicher. Ginny schüttelte sofort den Kopf, stellte sich vor die Wohnungstür, aber Hermine war ins Schlafzimmer verschwunden, um sich ihren Mantel und ihren Zauberstab zu holen.

 

„Hermine, nein! Harry hat gesagt-“

 

„Dann sag Harry, es tut mir leid“, rief Hermine ihr aus dem Schlafzimmer zu.


„Nein! Hast du nicht gehört, was Pansy gesagt hat? Er ist wahnsinnig! Hermine! Sei nicht so dumm! Ich verstehe nicht, wie du-“ Doch Ginny unterbrach sich kopfschüttelnd. Hermine spürte, wie sie Ginny grimmig ansah, wie der Trotz ihr wohl aus allen Poren schießen musste. Und Ginnys Augen verengten sich. „Pansy hat recht, oder?“, entfuhr es Ginny, und Erkenntnis erhellte ihr Gesicht. „Du bist in Malfoy verliebt!“ Ginny konnte nur den Kopf schütteln. „Hermine, das ist Irrsinn! Er ist ein-“

 

„Ein was, Ginny?“, wollte Hermine herausfordernd wissen. Ginnys Mund öffnete sich perplex.

 

„Du kannst nicht wirklich zu ihm gehen wollen!“

 

„Geh mir aus dem Weg“, sagte Hermine plötzlich sehr ruhig.

 

„Hermine!“


„Ginny, lass mich durch. Nur weil ich keine Aurorenausbildung gemacht habe, bedeutet es nicht, dass ich nicht genügend Sprüche kenne und ausführen kann!“, drohte sie plötzlich, und Ginny starrte sie an. „Jetzt“, fügte Hermine streng hinzu. Und Ginny resignierte.

 

„Was, wenn es ein Trick ist, Hermine? Was, wenn Pansy dich angelogen hat? Was, wenn er so gefährlich ist, dass er dich umbringt, bevor du fliehen kannst?“ Und Hermine schüttelte den Kopf. Sie ignorierte Ginnys Worte.


„Das würde er nicht tun!“

 

Und sie wusste, vielleicht bestand die Chance, dass er das tun würde. Aber es war ihr egal.

Plötzlich war ihr alles egal. Sie musste ihn sehen! Verstand Ginny es denn nicht?

 

„Aha“, machte Ginny nur. Dann wich sie von der Tür zurück. „Aber wenn du jetzt gehst, ist unsere Freundschaft vorbei, Hermine. Ich bin ganz bestimmt nicht mit jemandem befreundet, der sein Leben so leichtfertig riskiert!“ Und Hermine schenkte ihr einen Blick.

 

„Nein, du bist zwar mit so jemandem verheiratet, aber-“


„Ach hör schon auf!“, unterbrach Ginny sie und wischte sich über die Wange. „Komm einfach wieder, ok?“, schniefte Ginny, und Hermine seufzte auf.


„Ich dachte, wir sind nicht mehr befreundet, wenn ich gehe?“, wollte sie wissen und war längst nicht mehr sauer.

 

„Schwangerschaftshormone, du weißt schon… und… wenn er dir was tun will, dann setz ihn außer Gefecht, ruf Harry über Floh und verschwinde da!“, fügte Ginny hinzu und kramte nach einem Taschentuch.

 

„Ok“, versprach Hermine unsicher. Das… würde doch nicht passieren, oder? Nein, würde es nicht. So langsam war Hermine sich sicher, dass ihre innere Stimme geisteskrank war und sie besser nicht auf sie hören sollte.

Aber… sie ignorierte wie immer ihren Verstand und verließ ihre Wohnung.

Der Wind draußen war kalt und unerbittlich, so dass sie ihren Mantel enger um sich schlang. Sie apparierte an die Kreuzung der Winkelgasse, die zur Rosing Road wurde. Ganz am Ende erkannte sie ein grünes, baufälliges Haus.

 

Es war ihr nie aufgefallen. Und es ar bezeichnend, dass Zauberer nicht nur in Muggelgegenden, sondern auch in Zauberergebieten ihre Häuser versteckten.

Es war nicht viel los auf den eisigen Straßen. Ihr Atem kondensierte vor ihrem Gesicht, als sie die Straße hinab lief. Ihr Pferdeschwanz wippte hinter ihr, der Pony fiel ihr störend in die Augen, aber sie ignorierte es, lief einfach weiter, und war vor dem Haus angekommen.

 

Sie glaubte nicht, dass sie jemals hier gewesen war. Von welchem Haus sprach Pansy eigentlich? Sie schritt zu der kleinen kaputten Fensterscheibe und kam sich fast lächerlich vor. Aber nur fast. Sie hatte schon viel zu viele Geheimgänge gesehen.

Sie lehnte sich vor, und hauchte gegen die Scheibe.


„Pfauenauge“, flüsterte sie. Und es passierte gar nichts. Dann jedoch erzitterte die Scheibe. Sie klirrte leise im Rahmen, und Hermine wich zurück, als der gesamte Boden zu erzittern schien. Das Haus schien zu schmelzen, wuchs in die Höhe und vor ihr tat sich eine riesige grüne Hecke auf. Sie hatte die gleiche Farbe des Hauses. Verwaschenes, verwittertes Grün. Als wäre die Hecke keine Pflanze, sondern selber ein uraltes Gemäuer.

 

Und mit Schrecken erkannte sie es.

 

Das war Malfoy Manor.

 

Kurz befiel sie ein kühler Schock. Doch die Hecke teilte sich bereits, und ehe sie einen weiteren Schritt machen konnte, sprangen unzählige Zauberer aus dem dichten Grün hervor und hielten die Zauberstäbe auf sie gerichtet. Ihre Hände hoben sich automatisch bei dieser Artillerie.

 

„Name und Auftrag?“, bellte ein ziemlich gefährlich aussehender Zauberer mit ungewaschenen Händen, als er den Zauberstab völlig ruhig gegen ihren Kopf richtete.


„Name und Auftrag?“, wiederholte Hermine verwirrt und sah in die Gesichter der anderen Männer. Keine Auroren, stellte sie fest.


„Bist du ein Dienstbote?“, schnappte der schmutzige Zauberer, und Hermine wurde klar, sie hatte hier mit einem Exemplar Mensch zu tun, das wenig Geduld hatte. Sie schluckte schwer.

 

„Hermine Granger. Ich bin… Hermine Granger. Ich will zu Draco Malfoy!“, sagte sie schnell, immer noch die Hände erhoben. Andere Zauberer näherten sich. Ohne sie zu fragen, wurde getestet, ob sie Vielsafttrank genommen hatte. Es war ein unangenehmes Gefühl, als würde sie mit kaltem Wasser übergossen, aber dann war es vorbei.

 

„Hermine Granger“, bestätigte ein anderer Zauberer, den Kopf etwas schief gelegt, die Augen wachsam verengt, und er war weitaus weniger schmutzig. Er hatte keine Haare mehr, seine Glatze glänzte im kalten Licht, das durch die Hecke fiel. Und Hermine erkannte ihn in dieser Sekunde.

 

Goyle?“, hauchte sie, und Gregory Goyle zeigte keinerlei Wiedererkennungswert.


„Komm mit mir“, erklärte er knapp. Die anderen Zauberer nahmen wieder ihre Position vor der Hecke ein, und Hermine wurde von Goyle durch den Irrgarten an verstorbener, dornenbesetzter Hecke geführt.

 

„Woher weißt du, wohin wir gehen?“ Zuerst dachte sie, er würde den gesamten Weg nicht mit ihr sprechen, dann sah er sie kurz an.

 

„Du siehst ein Labyrinth. Aber ich sehe einen geraden Weg“, war alles, was er sagte. Ein Verwirrungszauber, nahm sie also an. Geschickt. „Jeder unwillkommene verliert sich im Irrgarten und kommt nicht wieder raus“, fügte er schließlich hinzu. Es schauderte sie. Es war gespenstisch ruhig hier. Kein Vogel, kein Tier machte ein Geräusch. Die Hecke wirkte so todbringend, wie sie wohl war. Sie fragte sich unwillkürlich, wie viele hier schon verschwunden waren. Und wie groß war das Grundstück bitte?

 

Und nach einer endlosen Wanderung, so kam es ihr vor, lichtete sich das Labyrinth.


„Du solltest das Haus jetzt sehen können“, informierte sie Goyle überflüssigerweise. Sie war längst stehen geblieben. Das letzte Mal hatte sie das Haus bei Nacht gesehen. Als sie von den Greifern hergebracht worden war. Majestätisch ragte es aus dem Grün empor. Die Mauern so alt, wie die Zeit selbst, so kam es ihr vor. Es war s groß wie ein Schloss und noch wesentlich größer. Unter jedem Fenster waren Wachen verteilt, den Zauberstab bereits gezogen. Goyle schoss grüne Funken in die Luft. Anscheinend war das das Zeichen, das alles in Ordnung war.

 

Sie schritten den endloslangen Kiesweg nach oben. Der Garten erstreckte sich noch weit hinter ihrem Sichtfeld. Ein stillgelegter Brunnen hatte etwa das Ausmaß ihrer gesamten Wohnung. Die Parkanlagen wirkten verwahrlost und etwa eine Meile hinter dem Park schloss sich ein Wald an.


„Ist das alles Malfoy Manor?“, wagte sie zu fragen, als sie zu Goyle aufgeschlossen hatte, der unbeirrt weiter schritt.


„Ja“, sagte er knapp. Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, und sie war außer Atem, als sie die ausladenden Stufen zum Herrenhaus erreicht hatten. Exotische Bäume in großen Kübeln säumten die geschwungene Treppe, und sie folgte Goyle.

 

Vor der breiten Haustür musste Goyle einige Zauber ausführen, einen Bluttest auch, so wie es ihr vorkam. Dann schwang die Tür lautlos auf.

 

Die Stille des Hauses war fast so unangenehm und erdrückend, wie die Stille im Labyrinth. Die Eindrücke erschlugen sie, und sie erkannte nichts mehr von damals. Aber vielleicht war sie auch nie über die Haupttür ins Haus gelangt.

Goyle führte sie durch einen hohen Flur. Flur war auch untertrieben. Es war eine lange Halle. Lastwagen hätten hier kein Problem nebeneinander herfahren können.

 

Rüstungen standen bewegungslos an jeder Ecke, riesige Portraits mit blonden Zauberern musterten sie skeptisch, tuschelten verhalten und zeigten auf sie hinab.

Sie fühlte sich nicht wohl. Die Marmorfliesen waren wie ein Schachbrett verlegt, und nach einem halben Tagesmarsch, so kam es ihr vor, erreichten sie zwei weitere Türen.

 

Und Goyle blieb stehen.

 

„Bitte sehr“, sagte er nur. Sie sah ihn an.

 

„Und jetzt?“

 

„Jetzt gehst du rein“, erwiderte er verwirrt. Sie biss sich auf die Lippe und zog ihren Zauberstab. Er musterte diese Bewegung mit einem knappen Blick. Auf einmal hatte sie Angst.

 

„Du kommst nicht mit rein?“, wollte sie fast ängstlich von ihm wissen, aber er schüttelte knapp den Kopf. Er führte es nicht weiter aus, sondern machte wieder kehrt. Und sie Menschen in den Portraits hatten ihre ursprünglichen Rahmen längst verlassen und drängelten sich gespannt in den beiden letzten riesigen Rahmen neben der Tür.

 

Er machte sie noch nervöser, und sie streckte den Rücken durch. Es war nur Malfoy.

Nur Malfoy, Merlin noch mal. Sie kannte ihn doch.

 

Und sie öffnete die Flügeltüren, ohne zu zögern. Ohne sich noch einmal umzusehen.

 

Kapitel 14

 

Und Licht flutete den riesigen Saal, den sie betreten hatte. Es war so überraschend hell, dass sie inne halten musste. Hier war es auch warm. Ein Feuer prasselte in einem Kamin, der bestimmt die halbe Längsseite des Raumes maß. Dort hätte man einen Drachen drin verbrennen können, überlegte sie dumpf, ohne ihn vorher zu zerteilen.

Sie sah sich um. Ein großer Perserteppich bedeckte den halben Fußboden und darunter befand sich dunkles Parkett. Ein großer Kronleuchter funkelte an der Decke.

 

Die andere Seite des Raumes war von zweistockwerkhohen Bücherregalen gesäumt. So viele Bücher hatte sie nur in Hogwarts gesehen! Die Fenster hier waren lang und hoch. Schwere Brokatvorhänge fielen gerafft auf den Boden und die Fenster gewährten einen Blick über den weitläufigen Garten des Anwesens. Es war ein Schloss. Ein wahrhaftiges Schloss.

 

Über ihr an der Decke hing ein beunruhigend lebendig aussehendes, ausgestopftes Tier, dessen Rasse oder Ursprung sie nicht kannte. Es sah aus wie ein Krokodil, allerdings größer, der Schwanz um einiges länger, und es besaß feingliedrige dunkelblaue Flügel. Sie maßen ausgestreckt bestimmt fünfzehn Meter. Dieses Tier könnte man ohne Probleme in den Kamin stecken, kam ihr dumpf in den Sinn.

Jap. Definitiv.

 

Sie erkannte eine Sitzecke am Rande der Bücherregale und etwa hundert Bücher waren auf einem Tisch gestapelt, daneben geworfen und lagen wild verteilt, als hätte sich jemand nicht entscheiden können, welches Buch er lesen wollte.

 

Aber dieses Zimmer war leer, soweit sie es feststellen konnte. Sie zog ihren Mantel aus, denn es war viel zu warm hier. Sie legte ihn über die Lehne des Lesesessels. Ihren Zauberstab behielt sie aber in der Hose. Eine Tür führte ab in ein weiteres Zimmer, und sie war nur angelehnt. Langsam und lautlos ging sie weiter. Vorbei an weiteren Rüstungen, an Tierfellen, die an der Wand zur Schau gestellt hingen, an… Einhornköpfen? War das legal? Sie bezweifelte es, und es schockierte sie! Mehr als alles andere!

 

Aber sie beschloss, sich später darüber aufzuregen.

 

Und sie schob die schwere Tür lautlos etwas weiter auf. Fast erschrak sie, denn über dem Schreibtisch in diesem Zimmer thronte ein lebensgroßes Portrait von Lucius Malfoy. Grimmig sah er auf sie hinab, sprach jedoch nicht. Seine Mundwinkel kräuselten sich voller Verachtung, aber er behielt seine stolze Pose bei und blickte demonstrativ aus dem Rahmen hinaus, so dass sie nur noch sein Profil erkennen konnte. Sie betrat das Zimmer, und als sie nach rechts schaute, erkannte sie ihn.

 

Er stand auf einem schweren Holzstuhl und schien auf einem oberen Regalbrett etwas zu suchen.

 

„Aha“, sagte er triumphierend und sie erkannte, dass er eine unbeschriftete Flasche mit goldener Flüssigkeit nach oben hielt. Er trank. Anscheinend. Als er vom Stuhl sprang und sich umwandte, gefror er in der Bewegung.

Selbst Draco Malfoy wirkte erstaunlich klein in dieser riesenhaften Umgebung. Anscheinend befanden sie sich im Büro seines Vaters, und er trug eine dunkle Stoffhose, darüber ein genauso dunkles Hemd. Aber der Kragen war nicht zugeknöpft. Kein Jackett, und seine Ärmel waren hochgekrempelt. Seine Haare wirkten ungekämmt, sein Gesicht war unrasiert, aber ansonsten sah er aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte, und Erleichterung überkam sie fast.

 

Seine grauen Augen musterten ihre Erscheinung sehr kurz. Und sie merkte es. Es war nicht der Blick eines Gentleman. Sie wappnete sich innerlich.

 

„Ein Muggel in den heiligen Hallen der Todesser“, begrüßte er sie gedehnt. Die Stimme klang gewöhnlich, vielleicht etwas rauer als sonst, aber er deutete eine spöttische Verbeugung an. „Willkommen in Malfoy Manor, Miss Granger. Wie war die Reise? Angenehm?“ Er schraubte die Flasche auf und setzte sie, ohne abzuwarten an seine Lippen.


„Malfoy?“, fragte sie vorsichtig, denn jetzt glitten seine Finger über den breiten, glatten Schreibtisch seines Vaters. Er öffnete die Zigarrenschachtel, betrachtete sich anscheinend die verschiedenen Marken und wählte eine, mit einem goldenen Etikett. Er beachtete sie nicht.

 

„Du hast die Tabletten abgesetzt?“, fragte sie weiter, und sein Blick hob sich desinteressiert.

 

„Tabletten?“, wiederholte er amüsiert. „Oh ja. Allesamt.“ Er hielt ihrem Blick nicht lange stand und verließ das Büro wieder. Auch hier entdeckte sie in einer Ecke ein seltsam ausgestopftes Tier. Er ähnelte einem Hippogreif, aber es hatte keine Flügel. Verwirrt folgte sie ihm eilig. Dieses Haus war gruselig.

 

„Pansy war bei mir“, fuhr sie jetzt unsicher fort. Er hielt erst inne, als er wieder vor dem Bücherchaos stand. Was er anscheinend angerichtet hatte.


„Ach wirklich? Nettes Gespräch gehabt?“, wollte er desinteressiert wissen, und sie kam näher.


„Malfoy!“, sagte sie ernst. Er sah sie schließlich an. Und sie konnte ihn nicht entdecken, dort in diesem arroganten Gesicht. Plötzlich runzelte sich seine Stirn.


„Weißt du, ich hatte geglaubt, es wäre unheimlich schwer, Granger. Die Tabletten abzusetzen und zu überleben, aber… es ist verflucht einfach.“


„Pansy sagt, dass-“

 

„Oh bitte, als ob Pansy irgendeine Ahnung hätte.“ Und er lachte. „Die Tabletten unterdrücken nur, wer ich bin.“

 

„Und wer wäre das?“, fragte sie, fast behutsam.

 

„Draco Malfoy“, erklärte er, als wäre es selbstverständlich. Noch kam er ihr relativ klar vor. Noch warf er sie zumindest nicht aus seinem Haus, weil sie eine Muggel war.

 

„Du redest nicht mehr mit deiner Therapeutin?“, fragte sie jetzt weiter, denn sie musste ihn irgendwie aus seinen Reserven locken. Er grinste verschlagen.


„Pansy redet viel, hm?“, stellte er amüsiert fest. „Nein, Granger. Ich habe besseres zu tun“, erwiderte er. Und er war ein Junge. Er war einundzwanzig Jahre alt. Nicht mondän. Nicht weltgewandt und eloquent.

 

„Und das wäre?“, wollte sie von ihm wissen, mit einem demonstrativen Blick auf das Bücherchaos auf dem Boden. Aber er lächelte, stellte die Flasche Alkohol zurück auf den Tisch, und sein Blick wurde provokativ.

 

„Ich nehme an, du bist hier, um mit mir eine kleine Nummer zu schieben, richtig? Darum bettelst du doch schon seit dem ersten Tag“, erwiderte er, und sie presste die Lippen zusammen. Nein, er war definitiv nicht mehr der Draco Malfoy, den sie kannte.

„Warum legst du dich nicht einfach schon mal hier auf den Boden, während ich mir vorher betrinke?“

 

Und sie beschloss, anders vorzugehen.

 

„Ich würde es lieber im Badezimmer tun“, entschied sie, und nur kurz geriet seine arrogante Fassade ins Wanken.


„So eine bist du?“ Er lächelte wieder. Etwas unentschlossen sah sie ihn an.

 

„Du wolltest mir deine Medikamente zeigen“, merkte sie stiller an. Und mit diesem Draco fiel es ihr nicht schwer, ihn nicht zu siezen. Es passte irgendwie nicht mehr. Und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Aber gerne doch“, erklärte er, mit einem Lächeln, das auch seine finsteren Absichten verbergen könnte, sie von hinten zu erstechen. Aber sie glaubte ihm.

 

„Gut. Zeig sie mir vorher“, sagte sie also, strich sie lose Strähnen hinter ihr Ohr, und betete dennoch, dass Harry bereits auf dem Weg war. Nur als Vorsichtsmaßnahme. Aber würde er wirklich im Labyrinth zu Grunde gehen? Sie folgte ihm als er an ihr vorbei schritt.

 

Zügig bewegte er sich durch das unüberschaubare Anwesen, und Hermine war beeindruckt. Er lebte hier allein? Wie konnte er sich zurecht finden. Fast erschrak sie über die alten Elfen, die die Gemälde putzten, die Blumen gossen, Teppiche aufreinigten und Geschirr hin und her trugen. Sie würdigten sie mit keinem Blick, flüchteten förmlich vor Malfoy, und er ignorierte sie. Sie erreichten nach einem autobahnbreiten Flur wieder eine Treppe. Wohl die Haupttreppe, denn sie war bestimmt zehn Meter breit und führte in enger werdenden Stufen empor in den ersten Stock. Ein Geländer säumte den ersten Stock und verlief im Kreis zehn Meter über dem Boden. Sie konnte alle Türen, die im ersten Stock abgingen, überblicken.

 

Wie viele Zimmer hatte das Haus wohl? Sie sah sich fasziniert um. Sie würde es schaffen, sich wochenlang nur zu verlaufen.

 

„75“, sagte er, als sie die Treppe empor stiegen. Sie sah ihn verwirrt an. „Zimmer“, fügte er hinzu, immer noch dasselbe Lächeln auf den Lippen. 75 Zimmer. Merlin! Was brachte man darin unter? Sie hatte gerade mal genug Möbel für zwei Zimmer! Er war reich, ging ihr immer wieder auf. Wirklich reich. Die Hände hatte er in den Taschen vergraben, und das Dunkle Mal entstellte seinen linken Unterarm. Sie schluckte schwer. Eine Muggel in den heiligen Hallen der Todesser. Ja, so könnte man es sagen.

 

Sie folgte ihm eilig, bevor sie noch irgendein Fluch treffen würde. Sie hatte längst den Überblick verloren, um wie viele Ecken sie gebogen waren. Die Fenster erlaubten ihr immer einen Ausblick auf den Garten. Anscheinend waren sie also nach Westen gegangen, schätzte, war sich aber immer noch nicht sicher.

 

Sie betraten eines der Zimmer im ersten Stock. Aber es war nur ein weiterer ellenlanger Flur, vom dem erneut bestimmt zehn Türen abgingen. Aber er schritt zielsicher auf eine breite Tür am Ende des Flurs zu.

 

„Mein Zimmer“, erklärte er schlicht, öffnete die Tür, und ein miefiger Geruch erschlug sie. Leere Flaschen lagen auf dem Zimmerboden, und sie fragte sich, wie betrunken er wohl gerade sein musste. Aber sie erkannte, die meisten Inhalte waren ausgelaufen und verklebten den teuren Teppich. Die Vorhänge waren zugezogen und dämmriges Licht fiel auf den Boden. Die Decken waren hoch. Das Bett war geräumig und breit, Kleidung lag unordentlich verteilt, Wäsche stapelte sich in allen Ecken, und irgendwie hatte sie die leise Ahnung, die Elfen kamen selten in das Zimmer.

 

Im Kamin brannte noch ein Feuer herunter, und eine weitere Tür schien in ein Badezimmer zu führen. Die Pflanzen auf den Tischen waren bereits allesamt verblüht.

 

„Schläfst du hier?“, fragte sie jetzt vorsichtig, aber er lachte.

 

„Nein. Das hier ist… ein Abstellraum“, erklärte er lediglich, und sie versuchte nicht, den scharfen alkoholischen Geruch einzuatmen, mit dem sogar die Wände getränkt zu seien schienen.

 

Das Badezimmer war genauso geräumig wie einer der Flure, stellte sie fest. Die Fliesen waren glatt und weiß, die Waschbecken – es gab vier – waren alle flach, verchromt und steril. Riesige Badezimmerschränke zogen sich an den Wänden entlang und er hielt inne vor einem breiten Schrank. Er tippte mit seinem Zauberstab – da hatte er ihn also! – gegen das Schloss, und die Schließe knackte auf.

 

Er schob den Zauberstab zurück in seine Tasche und öffnete die beiden Kabinetttüren.

 

Zwei Regalbretter kamen zum Vorschein. Aber auf nur einem stand eine lange Reihe an Flaschen, Pillendosen, Päckchen, losen Tabletten, Flakons, Pasten in runden Dosen, Salben in mehrfacher Ausführung, und sie erkannte auch das Turbatikum. Es war fast randvoll.

 

Er wandte sich ihr zu.

 

Günstigerweise befinden wir uns in einem Badezimmer. Wir wäre es, wenn du dich jetzt ausziehen würdest?“, schlug er ihr vor. Aber sie reagierte darauf nicht.


„Erklär mir deine Tabletten, Malfoy“, sagte sie ernst. Er seufzte auf.

 

„Fein…“ Er täuschte endlose Geduld vor, und griff sich das Turbatikum. „Das hier ist gegen meine Wut und meinen Wunsch, Muggel umzubringen.“ Er ließ es einfach seinen Fingern entgleiten, ohne den Blick von ihr zu lösen. Bevor sie sich hatte bewegen können, zersprang die Flasche auf den Fliesen mit einem lauten Scheppern, das von den Wänden widerhallte. Sie hatte instinktiv die Augen geschlossen. „Das hier sind… einige Schmerzkiller gegen die Ängste“, erklärte er weiter, griff sich eine Reihe an Plastikflaschen und öffnete die Deckel, um die Flüssigkeit auszukippen.

 

Sie ließ ihn gewähren. Was sollte sie sonst tun? „Salben gegen die Malschmerzen. Die Paste gegen die Malschmerzen…“ Achtlos ließ er die Tuben und Dosen fallen, zertrat sie mühelos mit seinem Schuh und griff dann nach einer schmalen Tablettenröhre. „Und das hier ist gegen meine Albträume…“, ergänzte er, schüttelte das Röhrchen, ging zur Toilette, öffnete den glänzenden Deckel und warf das Röhrchen hinein.

„Malfoy Manor war das erste der Häuser mit einer internen Wasseranlage. Alle anderen Zauberer dieser Umgebung hatten noch immer draußen das Wasserklosett benutzen müssen. Sehr fortschrittlich von uns, nicht wahr?“, erklärte er freundlich, und sie nickte schließlich.

 

„Du willst also nie wieder Tabletten nehmen?“

 

Und plötzlich schloss er den Abstand. „Nein. Warum sollte ich? Mein Vater kommt in keinem Monat zurück. Dann brauche ich gar nichts mehr.“

 

Hmmh“, machte sie langsam. „Ich verstehe.“

 

„Also, willst du dich ausziehen?“, wollte er jetzt spöttisch von ihr wissen.

 

„Sehr gerne“, erwiderte sie, immer noch ruhig. „Aber lieber in einem Badezimmer mit Badewanne“, antwortete sie. Kurz sah er sie an. Dann verschwand sein Lächeln.

 

„Wird das eine Therapie, Granger? Weil ich deinen blutüberströmten, toten Schlammblutkörper in einer Badewanne sehe, jede Nacht, möchtest du es gerne nachspielen?“, verlangte er zu wissen, und sie beschloss, ihre Angst nicht zu zeigen.

 

„Nenn mich nicht so, Malfoy“, sagte sie lediglich. Und es fiel ihr erstaunlich leicht, kein sabbernder Einzeller zu sein, wenn er sich wie ein Arschloch verhielt.

 

„Wie? Schlammblut?“ Und sie hatte ausgeholt, hatte ihn ins Gesicht geschlagen, und die Wucht des Schlags hallte von den Wänden wider. Ihr Herz schlug sehr schnell. Sein Kopf war zur Seite geflogen, aber er sah sie wieder an. Langsam, hasserfüllt. Ihre Hand zitterte vor Schreck. Sie sah, wie er einen tiefen Atemzug nahm. Seine Hände griffen um ihre Schultern, zerrten sie zur Seite, und mit voller Wucht stieß er mit ihr gegen einen Spiegelschrank. Das Glas zerbrach unter dem heftigen Stoß, und sie schloss sofort die Augen, als sie spürte, wie Scherben ihren Rücken hinab rieselten, als sie spürte, wie eine der Schranktüren aus der Wand auf den Boden krachten. Sie wusste nicht, ob die Scherben sie bereits geschnitten hatten, aber ihr Adrenalinschock ließ keine Schmerzen zu.

 

Er zog sie an den Schultern nach vorne, nur um sie noch mal nach hinten krachen zu lassen. Sie zog vor Schreck die Luft ein, kniff die Augen zusammen und spürte jetzt, wie die Scherben ihren Rücken zerschnitten.


„Was hast du erwartet, als du hergekommen bist, Granger?“, knurrte er, das Gesicht so nahe vor ihrem, dass sie die hellen Flecken in seiner Iris problemlos erkennen konnte. Und natürlich den Wahnsinn in seinen Augen.


„Dass du mich umbringst“, flüsterte sie, ohne zu zögern.

 

Und er starrte sie an.

 

Er atmete immer noch mit offenem Mund. Er löste eine Hand von ihrer Schulter, nur um mit voller Wucht gegen die Wand neben ihrem Kopf zu schlagen. Sie hörte noch einmal wie Scherben zerbrachen, wie er sich wohl die Hand aufgeschnitten hatte.

 

„Du bist unglaublich dumm!“, sagte er jetzt. Und sie nickte traurig. Eine Intensität trat in seinen Blick, die ihr Schauer über den Rücken laufen ließ. „Zieh dich aus“, befahl er tonlos, rau, so tief, dass seine Stimme von den Wänden widerhallte. Sie blinzelte, sah ihn an, und seine Augen tanzten über ihr Gesicht. „Ich sage es nicht noch mal, Granger“, wiederholte er strenger, und fahrig öffneten ihre Finger ihre Hose.

 

Es war unheimlich, was er für eine Macht hatte. Ganz kurz schien er nämlich beherrschter zu sein. Ganz kurz erkannte sie etwas in seinen Augen. Aber es war schnell wieder verflogen, dennoch gehorchte sie seinen absurden Worten. Sie stieg aus ihrer Hose, wurde ihren Slip los und begann die Bluse aufzuknöpfen.

 

Er knurrte ungeduldig, schob ihre Hände beiseite und sein Blut schmierte sich auf ihre Bluse. Es riss sie einfach auf. Die Knöpfe flogen zu allen Seiten, kullerten davon, aber es schien ihm egal zu sein. Er zog die Bluse ihre Schultern hinab, und sie verzog kurz den Mund vor Schmerz, denn jetzt spürte sie die vielen Schnitte auf ihrem Rücken. Er griff grob um ihren Körper, öffnete den BH und zog auch diesen über ihre Schultern. Achtlos fielen ihre Sachen neben sie, und er sog ihren Anblick in sich auf.

 

Völlig nackt stand sie vor ihm. Und sie schämte sich nicht einmal wirklich. Sein Blick glitt über ihre Rundungen, über ihren gesamten Körper, begutachtete ihre Brüste, bevor sein Blick tiefer wanderte.

 

Er grub seine Zähne in seine Unterlippe. Plötzlich lehnte er sich vor, und sie wich instinktiv zurück. Zurück gegen die zerstörte Wand, gegen die letzten Scherben die noch an den zerbrochenen Türen hingen, aber sie wagte nicht, ein Geräusch zu machen.

 

„Sie wollen mit Draco Malfoy schlafen?“, fragte seine Stimme rau, und es war unglaublich, denn für eine Sekunde sah er so aus, wie sie ihn kannte. Die Augen überlegen auf sie geheftet, die Stimme beherrscht, und seine Finger strichen über ihren Bauch. Sanft. Wie Schmetterlingsflügel, bevor sie tiefer wanderten.

 

Und bevor sie sich halten konnte, nickte ihr Kopf. Die Geisteskranke in ihr nickte. Großartig.

 

Aber schon war seine Hand zwischen ihre nackten Beine geglitten. Sie atmete vor Schreck aus, zog ihren Kopf zurück, aber seine Hand schoss ohne Vorwarnung nach, schlang sich um ihren Nacken und seine Lippen krachten auf ihren Mund.

 

Er schmeckte nach Alkohol. Sein Atem war heiß, beißend und unglaublich. Schon stieß er einen Finger in sie, und sie keuchte in seinen Mund. Das passierte nicht wirklich?! Das war einfach verrückt! Und plötzlich musste sie es tun! Ihre Finger hoben sich zu seinem Hemd, zogen es fast vorsichtig aus der Hose, während er seine Zunge tiefer in ihren Mund stieß, an ihrer entlang gleiten ließ, und ihr fast schwindelig wurde.

 

Und er hielt sie nicht auf.

 

Kurz spürte sie, wie sich seine Muskeln versteiften, wie sich seine Bauchmuskeln zusammen zogen, aber er presste sich gegen sie, und sie keuchte noch einmal vor Schmerz in seinen Mund, als eine weitere Scherbe sie stach. Ungeduldig zog er sie weg von der Wand. Sie ging über Scherben, spürte es aber kaum. Er hatte sie um die Hüfte hochgehoben, so dass sie ihre Beine um seine Hüfte legen musste. Er setzte sie einfach auf den Waschbeckenrand. Es war kalt, es war unbequem, aber es war egal, denn jetzt öffnete sie den ersten Knopf.

 

Er löste kurz den Kopf von ihr. Die Augen dunkel. Sein Bart kratzte über ihre Wangen, ihr Kinn, und ihre Haut fühlte sich wund an. Sein Atem ging schneller, sie öffnete alle Knöpfe. Vorsichtig, nacheinander. Und dann schob sie das Hemd sanft von seiner Brust, von seinen Schultern und sie erstarrte. Sie sah ihn schlucken, denn sein Adamsapfel hob sich heftig.

 

Sie konnte die vielen Narben nicht zählen. Die größte zog sich über seine Bauchdecke. Sie war dunkel, und verheilt, aber würde sie sie mit dem Finger berühren, wäre sie bestimmt rau. Viele weitere Schnitte zogen sich über seine muskulöse Brust, bis hoch zu seiner Schulter. Deswegen hatte sie ihn nicht berühren dürfen! Und es trieb ihr die Tränen in die Augen.

 

Aber er schien das verhindern zu wollen. Er schloss wieder den Abstand zu ihr, umfing ihr Gesicht mit seinen Händen, und seine Lippen umfingen ihren Mund, küssten ihn beinahe zärtlich, und sie wollte ihn nicht berühren, wollte ihm nicht weh tun und öffnete eilig seine Hose. Sie wusste nicht, ob es das richtige war, was sie tat, aber sie wusste, sie wollte es. Sie wollte ihn. Egal, wie. Sie schob beides, die Hose und seine Shorts, seine Beine hinab, und grollend verließen seine Lippen ihren Mund, küssten eine heiße Spur ihre Wange hinab, ihren Kiefer, und er leckte über ihren Hals. Dann nahm er die weiche Haut ihres Halses zwischen seine Zähne und biss zu. Sie schauderte unter ihm.

 

Als sich ihre Hand um seinen Penis schloss drang er vorwärts, presste sie gegen den Wasserhahn, so dass sich dieser quietschend zur Seite drehte, und wieder spürte sie kaltes Spiegelglas in ihrem Rücken. Es fühlte sich sogar angenehm an, auf den kleinen Verletzungen, die ihren Rücken wohl zierten, und sie presste ihren Oberkörper gegen seinen. Er sog scharf die Luft ein, entließ ihre Haut aus seinem Biss, und seine Arme schlangen sich um ihren Oberkörper, schienen ihre Haut spüren zu müssen, bevor sie vielleicht noch verschwinden würde, und sie spreizte die Beine so ungeduldig, dass sein Penis fast von alleine in sie hinein gleiten konnte. Sie war feucht. Schamloserweise. Und er hob den Blick zu ihrem Gesicht. Seine Augen waren dunkel, verschleiert vor Lust, und er nahm ihre Hände, führte sie weg von seiner Erektion, und griff dann fest um ihre Hüften, bohrte die Finger so fest in ihr Fleisch, dass sie wieder keuchend einatmete. Ihre Finger hoben sich zu seinen Haaren, wagten nicht seinen Brustkorb zu berühren, und während sich sein lodernder Blick in ihren Augen bohrte, stieß er nach vorne. Seine Spitze teilte ihren Eingang mit Leichtigkeit. Er stieß sich tiefer in sie, musste die Augen schließen dabei, und sie zog ihn zu einem Kuss heran.

 

Ihre Nase stieß gegen seine, sie küsste seine feuchten Lippen, teilte sie mit ihrer Zunge, stieß gegen seine Zunge, bewegte sie zu einem trägen Kampf und drängte sich weiter um seinen Schwanz, zwang ihn, tiefer in sie zu gleiten, und dann übten seine Hände wieder Druck auf ihre Hüften aus, pressten sie enger an ihn, und er überwand die letzten Zentimeter, bis er seinen Schaft zur Gänze in ihr vergraben hatte.

 

Gott, er war groß. Er füllte sie vollkommen aus. Und dann bewegte er sich. Seine Zunge stieß fordernder in ihren Mund, und ihre Finger krallten sich in seine Kopfhaut, wollten mit ihm verschmelzen, und er stieß sich grollend wieder in ihre Enge. Sie wurde mit voller Wucht gegen den Spiegel gedrängt, keuchte in seinen Mund, aber er gab ihr keine Zeit, um Luft zu holen, küsste sie inniger, leckte über ihre Zähne, sog ihre Unterlippe in seinen Mund, biss übermütig zu, bis sie Blut schmecken konnte, und dann küsste er sie wieder hungrig, bis ihr schwindelig wurde von seiner Nähe, seinem Duft, seinem Geschmack.

 

Und sie spürte es in sich. Spürte es, jedes Mal, wenn er sich wieder verzweifelt und kraftvoll in sie stieß. Es baute sich in ihrem Innern auf. Unaufhaltsam. Seine Zunge focht mit ihrer um Dominanz, und wieder krachte er in sie, bohrte seinen Schwanz tiefer in ihre Hitze, und wieder stieß ihr Rücken mit voller Wucht gegen den großen Spiegel, dass dieser klirrte.

 

Aber sie hörte es nicht mal. Sie musste den Kopf zurückziehen, und atmete stöhnend aus, als sie es wieder spürte. Er senkte den Kopf, biss in ihren Nippel, saugte ihn heftig in seinen Mund, und ihre Fingernägel kratzten über seinen Rücken. Auch dort spürte sie feines Narbengewebe, und er keuchte gegen ihre Brust, rammte sich härter in sie, so dass das Badezimmer nur so zu vibrieren schien.

 

Und es war unglaublich. Er stieß sich wieder und wieder nach vorne. Sie hörte, wie das Waschbecken in der Wand bröckelte.


„Granger!“, keuchte er und umfasste ihren Po.

 

„Draco!“, begegnete sie seinen Worten, als sie plötzlich über die Klippe sprang. Sie lehnte sich in seinen harten Stoß, spürte wie sie um ihn herum explodierte, wie sich ihr Muskel zusammenkrampfte, und seine Lippen krachten wieder auf die ihren. Stürmisch, hungrig, wild, unvermeidbar. Verzweifelt rammte er sich ein letztes Mal in ihre Hitze, das Waschbecken ächzte, und dieses Mal krachten sie mit so einer Wucht gegen den Spiegel, dass es wieder Scherben regnete, aber sie spürte es kaum. Er kam grollend, knurrte in ihren Mund, gab ihre Lippen nicht frei, und hilflos stieß ihre Zunge verlangend gegen seine, und erst nach einer Weile, spürte sie, wie ein Rinnsal Wasser beständig tropfend an ihrem Schenkel hinab lief.

 

Das Waschbecken war anscheinend kaputt.

 

Sie öffnete träge ihre Augen. Er stand schwer atmend vor ihr, die Hose irgendwo um seine Knie, und hatte die Augen noch geschlossen. Scherbensplitter glitzerten in seinen zerzausten Haaren, und sie erkannte Blutspuren, wo ihn ihre Fingernägel gekratzt hatten. Sie war erschrocken über sich selbst. Sie spürte Millionen Kratzer auf ihrem Rücken schmerzen, wenn sie sich bewegte.

 

Sie rutschte etwas auf dem Waschbecken nach vorn. Gut, dass es so flach war. Das brachte ihn dazu die Augen zu öffnen. Weit. Wund. Und es herrschte Stille, abgesehen von dem beständigen Tropfen.

 

„Du hast Scherben in den Haaren“, flüsterte sie. Er nickte bloß.

 

Dann hob er sie hoch. Noch immer war er in ihr. Er brach den Blickkontakt nicht. Keine Sekunde, und sie verließen das Badezimmer, nachdem er sich die Hose und Schuhe von den Beinen getreten hatte. Sie verließen sein Zimmer und waren auf dem Flur, in dem riesigen, menschenleeren Haus. Sie hatte ihre Arme überrascht um seinen Hals geschlungen, aber er trug sie mühelos. Den gesamten Flur entlang, ohne zu sprechen. Er griff mit einem Arm fester um sie, und sie stöhnte kurz auf. Eine kleine Wunde riss auf ihrem Rücken wieder auf.


Er öffnete eine Tür, und es war ein weiteres Bad. Aber in diesem war eine Badewanne tief in den Boden gelassen. Man könnte darin schwimmen, nahm sie an. Er drehte wahllos einige Hähne auf, und vorsichtig schritt er mit ihr auf den Armen die eingelassenen, breiten, Steinstufen in den Pool hinab, watete durch das magisch beschleunigte Wasser mit ihr zu einer eingelassenen Bank am anderen Ende des Pools.

 

Er setzte sich auf die Bank, und sie saß auf ihm, die Knie rechts und links neben seinen Schenkeln. Und er war immer noch in ihr. Ihre Hände ruhten auf seinen Schultern und an ihren Füßen spürte sie bereits das warme Wasser. Er sah hoch in ihr Gesicht. Sie spürte, wie sich ihre Stirn runzelte, als sie jetzt seine Narben betrachtete.

 

„Was ist das alles?“, flüsterte sie, die Stimme heiser und gebrochen. Er hob seine tropfenden Finger zu ihrem Mundwinkel und fuhr sanft darüber. Sie zuckte kurz vor Schmerz. Er hatte das Blut abgewischt.

 

„Nichts wichtiges“, erwiderte er, während sie plötzlich spürte, wie sich die Spannung zwischen ihnen wieder auflud. Er wuchs in ihr, wurde langsam wieder härter, und sie schnappte nach Luft. Sie schluckte und schloss kurz die Augen, um sich an die Dehnung zu gewöhnen.

 

Er konnte doch nicht schon wieder…?

 

Aber er konnte. Und unbeherrscht fiel sein Kopf nach hinten gegen den kühlen Wannenrand, während sich seine schönen Finger wieder um ihre Hüften legten, sie anhoben und sie langsam qualvoll wieder nach unten sank, seinen Penis wieder aufnahm, in ihre heiße Enge hüllte, und er sich genussvoll auf die Unterlippe biss. Sie sah ihm zu, wünschte, sie könnte ihn dort beißen, aber sein Kopf lag zu weit hinten. Sein Brustkorb offenbarte sich ihr und sie hob die Hand zu einer kleinen Narbe über seinem Bauch. Sie berührte die weiche Stelle, und sein Kopf hob sich wieder.

 

Sie hob dieses Mal ihre Hüfte selber an und ließ sich schneller sinken, nahm ihn schneller auf, tiefer, und er schluckte, während ihr Finger über die schmale Narbe fuhr. Sie senkte den Kopf, während sie ihren Schoß tiefer auf seinen steinharten Penis presste, er schnappte nach Luft, als ihre Zunge über die Narbe leckte, als sie langsam seine harte Brustwarze umzirkelte, und seine Hand griff unbeherrscht in ihre Haare, zog ihren Kopf nach oben, und feine Scherben rieselten ins Wasser unter ihnen.

 

Die Hähne liefen immer noch, das Wasser ging ihr bis zur Hüfte.

 

Noch einen augenblicklang starrten sie sich gegenseitig in die Augen, ehe er die Kontrolle verlor und ihren Kopf zu sich zog. Seine Lippen fanden ihren Mund, seine Zunge fand ihre, und sie schlang die Arme um seinen Nacken, hob ihre Hüfte erneut, um sie fest wieder hinab gleiten zu lassen, und sein Arm schlang sich um ihre Taille, seine Hüfte bockte hart nach oben, und sie stöhnte in seinen Mund. Seine Zunge stieß erbarmungslos gegen ihre und sie konnte nicht genug bekommen, von seinem Geschmack, seiner Wildheit, seiner gnadenlosen Kunst, sie in völlige Ekstase zu versetzen. Seine Finger verschwanden im Wasser, und sie spürte, wie er harte Kreise über ihre Klitoris beschrieb, wie sie den Rhythmus beschleunigte, ohne es verhindern zu können, wie sie sich tiefer auf ihn presste, und wie er ihr haltlos begegnete.

 

Er riss sie mit sich als er kam. Sie klammerte sich an ihn, sah bunte Lichter vor ihren geschlossenen Augen und versank in seinen keuchenden Geräuschen, als er seine Lippen gegen ihre Halsbeuge presste.

 

Das Wasser stand fast bis zum Rand, als er sie behutsam von sich runter schob, und sie erschöpft neben ihn auf die Steinbank fiel, während er sich erhob und zu den Hähnen watete. Jetzt war wieder alles still.

 

Sie hatte erst jetzt Zeit, sich umzusehen. Oben in der Decke war ein riesenhafter, schlafender Drache eingelassen. Darunter standen vier Wörter.

Draco dormiens nunquam titllandus.

 

Ihr Mund teilte sich zu einem feinen Lächeln. Vor den tiefen Fenstern hingen helle Vorhänge, die auch bis auf den Boden fielen. Wagen mit Seife, verschiedenen Badeprodukten, und flauschigen Handtüchern, waren in dem ovalen Zimmer verteilt. Es war ein hübsches Bad. Hier gab es zwei Waschbecken, aber beide so riesig, dass ein Hauself darin bequem Platz finden würde.

 

„Ein schönes Mosaik“, sagte sie schließlich, als die Stille erdrückend wurde. Er hatte den Kopf wieder zurückgelehnt. „Den schlafenden Drachen nicht kitzeln. Ich denke, wir haben einiges mehr getan, als das“, fügte sie hinzu, und das warme Wasser beruhigte ihren schmerzenden Rücken.

Er sah schön aus. Die Bartstoppeln standen ihm gut, auch wenn sie kratzten.

Der Sturm in seinen Augen hatte sich gelegt, und sie waren wieder hellgrau. Faszinierend einzigartig. Winzige Scherben glitzerten in seinen Haaren.

 

Ihr ging auf, dass in ihren Haaren auch noch Scherben sein durften.

 

„Ich denke, ich tauche eben unter“, eröffnete sie jetzt. Er wirkte friedlich und schien gar nicht in der Stimmung zu sein, zu reden. Sie stieß sich vom Rand ab, stakte in die Mitte des Pools und hielt sich die Nase zu, ehe sie untertauchte. Wärme überströmte ihr Gesicht, säuberte ihre Verletzungen, und mit zurückgelegtem Kopf brach sie wieder durch die Wasseroberfläche. Tropfen rannen ihr Kinn hinab, und glatt fielen ihre Haare ihren Rücken hinab. Sie watete wieder zurück zu ihm, um sich wieder neben ihn zu setzen.


„Dein Rücken…“, murmelte er träge, und sie hob eine Augenbraue. „Ich werde ihn heilen“, versprach er mit ruhiger Stimme. Sie nickte lediglich. Ihr Rücken war ihr gerade ziemlich egal. Sie hatte Sex mit Draco Malfoy gehabt. Zweimal, in zwei verschiedenen Badezimmern.

 

„Hast du… das Bedürfnis mich umzubringen?“, fragte sie, fast vorsichtig. Und er sah sie mit einem spöttischen Blick an.

 

„Sehe ich gerade so aus, Miss Granger?“, erkundigte er sich nonchalant, und sie spürte, wie ihre Mundwinkel zuckten.

 

„Nein, du siehst gerade nicht so aus“, erwiderte sie. Dann wurde sie wieder ernst. „Aber… deine Albträume-“


„Kommen nur nachts“, unterbrach er sie.

 

„Und deine Wut-“


„Ist jetzt gerade nicht vorhanden. Du würdest merken, wenn ich es nicht ertragen könnte, mit dir hier zu sein, Granger. Das verspreche ich dir.“ Sie wollte mehr reden, mehr Dinge besprechen, denn es gab ungefähr noch eintausend Fragen, die sie hatte.

 

„Aber… was ist mit der Therapie, mit deinen Tabletten, mit… - wir wollten heute nach Italien“, sprudelte es aus ihr hervor. „Und… die Arbeit, ich meine…“ Er setzte sich ächzend auf und streckte die Arme nach hinten über die runde Steinkante aus, so dass sie seine warme Haut im Nacken spürte.

 

„Du willst nach Italien?“, erkundigte er sich mit erhobener Braue.

 

„Nein, das… meinte ich nicht, ich-“

 

„Du warst zwei Tage nicht im Büro. Keine der Eulen hat dich erreichen können, du… warst weg.“ Sein Ausdruck verfinsterte sich kaum merklich. Es ließ ihn älter aussehen. „Potter war so nett, meiner Therapeutin zu erzählen, ich hätte dich bedroht, dich in lebensgefährliche Situationen gebracht, damit sie mein gesamtes medizinisches Leben vor ihm ausbreitet. Geschickter Schachzug von deinem Helden.“


„Warum nimmst du die Tabletten nicht mehr?“, unterbrach sie ihn, denn sie wollte nicht über Harry und seine Methoden reden, denn darüber würde sie sich an anderer Stelle aufregen.


„Was?“ Er sah sie an, als hätte er sie nicht richtig verstanden.


„Warum, Draco?“

 

Und sein Gesicht verlor jeglichen Ausdruck.

 

„Du warst nicht mehr da. Wofür sollte ich sie nehmen? Ich dachte… ich dachte, du wärst…“

 

Sie starrte ihn an. Er hatte gedacht, sie wäre weg? Für immer weg? Ein Kloß formte sich in ihrer Kehle.

 

„Ich bin hier“, flüsterte sie und rückte näher zu ihm. „Ich gehe nirgendwohin.“ Und seine Mundwinkel zerrten seine Lippen zu einem freudlosen Lächeln nach oben.


„Das solltest du vielleicht besser“, bemerkte er bitter.


„Werde ich aber nicht“, widersprach sie ernst. „Hast du… Schmerzen?“ Er ruckte nur mit dem Kopf.

 

„Unerhebliche“, sagte er nur.

 

„Wann wird es schlimmer?“, wollte sie jetzt wissen, denn wenn sie ehrlich war, kam er ihr nicht besonders feindselig vor. Oder besonders wütend. Und die absolute Ehrlichkeit in seinem Blick schockierte sie wohl am meisten.


„Wenn du wieder gehst“, erwiderte er ruhig, mit dem Hauch von Sorge in der Stimme.

Und sie fasste die Entscheidung kurzerhand. Oder nein. Ihr Herz fasste die Entscheidung kurzerhand.


„Dann werde ich nicht mehr gehen“, beschloss sie mit einem Achselzucken, und sein Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Lächeln. Und dann er schloss die Augen. Sie legte ebenfalls ihren Kopf zurück und genoss die Wärme, die sie einhüllte.

 

 

 

Kapitel 15

 

Sie lag wach. Sie hatte bis jetzt nicht besonders viel geschlafen. Denn wann immer er eingeschlafen war, dauerte es nicht besonders lange, bis er unruhig wurde, bis die Albträume kamen. Also starrte sie jetzt an die hohe Decke im Gästetrakt des riesigen Anwesens.

 

Sie hatten gegessen, nachdem sie aus der Badewanne gekommen waren. Er hatte ihre winzigen Schnitte geheilt, aber viel gesprochen hatten sie nicht.

Er hatte vorgetäuscht, keine Schmerzen zu haben, und sie hatte so getan, als würde sie es nicht bemerken.

 

Sie erkannte die Standuhr im Zimmer, und es war kurz nach drei.

 

„Wieso schläfst du nicht?“

 

Seine Stimme erschrak sie, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er wach war. Es war seltsam. Sie lag mit ihm in dem großen Bett. Zusammen. Nachdem sie heute unglaublichen Sex gehabt hatten, er aber all seine Medikamente losgeworden war.


„Weiß nicht“, log sie, aber er drehte sich auf die Seite, um sie anzusehen.


„Du denkst, ich bekomme die Albträume?“

 

„Ich weiß, dass du sie bekommst“, antwortete sie.

 

„Und dann? Was denkst du, was passiert? Ich fange an, psychotisch zu werden? Meinen Zauberstab auf dich zu richten, dich zu foltern, um dich danach umzubringen?“ Und sie wandte den Kopf, um ihn anzusehen.

 

Seine Worte waren trocken, fast lakonisch über seine Lippen gekommen.


„Das ist nicht witzig, Malfoy“, sagte sie, und er lächelte. Sie sah es auch in der Dunkelheit, denn sie erahnte das Weiß seiner Zähne.


„Etwas, Granger“, erklärte er. „Meine Albträume sind etwas anders.“

 

„Ach ja?“ Eigentlich war sie zu müde, um zu diskutieren. Sie war zu ängstlich, und sie wusste nicht, was morgen passieren würde. „Erzähl mir davon“, entschloss sie jetzt zu sagen.

 

„Nein“, sagte er nur.

 

„Warum nicht?“

 

„Einfach nein.“

 

„Soll ich gehen?“, fragte sie, fast vorsichtig.

 

„Wohin?“, war seine direkte Antwort. Und sie atmete ärgerlich aus. Es war einfach eine Qual mit ihm zu sprechen. Wo war der Gentleman? Er stützte sich auf seinen Ellbogen und sah sie an. „Wenn ich von den Albträumen aufwache, fühle ich Schuld, Granger. Ich werde nicht verrückt und will Muggel umbringen. Denn ich weiß… hinter diesen Träumen steht eine Wahrheit.“

 

Und sie sah ihn in der Dunkelheit an. Sein schönes Gesicht. Die Bartstoppeln langsam sehr sichtbar. Das Mondlicht fiel auf die dünne Bettdecke, die über ihnen lag, und er seufzte auf.

 

„Ich weiß, dass es kein Traum ist, Granger“, sagte er plötzlich. Und die Therapeutin hatte ihr etwas Ähnliches erzählt. Sie wusste, dass er etwas verarbeiten musste, dass sein Verstand zu einem Schluss kommen musste. Dass er… heilen musste von dem, was sein Vater ihm angetan hatte. „Was ich weiß, ist, dass es im Badezimmer passiert ist. Und ich erinnere mich an diesen Tag. Ich erinnere mich an den beißenden Gestank. Nach Metall, nach… Blut in der Luft.“

 

Sie war sich nicht sicher, ob sie hören wollte, was er ihr erzählte. Und er hielt inne, umso sie näher anzusehen. „Siehst du, weshalb ich nicht darüber sprechen möchte? Ich sehe dein Gesicht“, informierte er sie, die Stimme getränkt in einer Traurigkeit, die ihr Herz angriff.

 

„Nein“, sagte sie entschieden. „Ich will es hören. Ich will dir helfen.“

 

„Warum willst du das?“, wollte er leise wissen.


„Draco“, begann sie beschwichtigend, aber er ließ nicht locker.


„Sag mir, warum“, verlangte er plötzlich zu wissen.

 

„Weil…“, entgegnete sie ratlos, aber er sah sie weiterhin an. „Ich weiß es nicht.“

 

„Nein?“

 

Und sie hatte sich geirrt. Es war wahrscheinlich genauso schwer mit dieser Version von Draco Malfoy zu sprechen, die tatsächlich einundzwanzig Jahre alt war. Kaum ein Mann, eher ein Jugendlicher mit genügend Erfahrung, um ständig überheblich zu sein. Sie sah ihn herausfordernd an, aber sie wusste nicht, ob er es sehen konnte.

 

„Was willst du gerne, dass ich sage?“

 

Und sie hatten das Thema gewechselt, waren vom Hauptpunkt abgedriftet, und plötzlich sah sie, wie sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln vertieften. Es war eine seltene Besonderheit. Er beugte den Kopf näher zu ihr.

 

„Ich würde dich gerne eine Menge sagen hören, Granger“, begann er rau. „Ich würde dich auch gerne betteln hören. Betteln, dass ich dich von süßen Qualen erlösen soll. Betteln, dass ich dich endlich nehmen soll, so wie du es in meinem Büro nahezu jeden Tag getan hast.“ Und ihr fiel wieder ein, er war eine Person. Alles Dracos vereinte er in sich selbst. Und natürlich war er auch Mr Malfoy, Sir.

 

Und ihr Herz beschleunigte sich in ihrer Brust, bei dem Gedanken, was er ihr üblicherweise für Schauer über den Rücken jagte. Aber jetzt war alles noch intimer. Sie lag mit ihm in seinem Bett. Er hatte mir ihr geschlafen, und sie hatte eine dunklere Seite von ihm kennen gelernt.

 

„Draco!“, zwang sie ihn wieder, ernsthaft zu werden. „Erzähl mir von dem Traum“, verlangte sie wieder, und sein Kopf fiel resignierend zurück auf das Kissen.

 

„Granger-“, begann er, und sie hörte den Anflug von Ungeduld in seiner Stimme.

 

„Bitte“, versuchte sie es sanfter als zuvor. Er atmete gereizt aus. Sie glaubte, er würde nicht weiter sprechen. Dann aber setzte er sich auf.

 

„Ich weiß, die Ärmel meines Vaters waren hochgekrempelt. Und sie waren blutgetränkt. Und ich weiß, dass war kein Traum. Ich höre… jedes Mal das Wasser. Es tropft in die Wanne. Das Wasser ist… rot. Und… das Mädchen, die Muggel, ist tot. Sie ist schon eine Weile tot. Ich komme… nur hinzu. Und bisher hatte sie dein Gesicht.“

 

Und Hermine schluckte schwer.


„Du denkst, es ist kein Albtraum?“, fragte sie tonlos.


„Nein. Ich denke, es… wäre der Beweis, Lucius für immer in Askaban zu behalten“, schloss er bitter, während sie sich ebenfalls aufsetzte.


„Die Medikamente lenken mich ab. Ich denke nicht mehr daran, werde… umgänglicher“, entschied er sich zu sagen. „Ich… hasse Muggel. Aber mit Medikamenten verschwindet dieses Gefühl.“ Sie machte ein abruptes Geräusch. Er wandte den Kopf nach hinten.


„Ich weiß, dass es furchtbar klingt“, sagte er schnell. Und es war nicht wirklich eine Entschuldigung in seinen Worten zu hören. „Und ich denke, ich hasse Muggel nicht wirklich. Ich denke, es ist ein Schutz.“

 

„Du denkst? Versucht Madame Tallis dir nicht seit Jahren beizubringen, dass es nur ein Symptom ist? Dass du lediglich denkst-“ Aber sein Blick ließ sie verstummen.


„Ich weiß es nicht“, erwiderte er. „Aber… ich finde faszinierender, dass du mich tatsächlich magst. Dass du tatsächlich hier her kommst, dass du keine Angst vor mir hast. Dass du hier mit mir bleibst und nur darauf wartest, dass ich ausraste und du mich retten kannst“, erklärte er offen, fast eine Spur zornig. Sie rückte kaum merklich von ihm ab. „Warum ist das so?“, wollte er plötzlich wissen. „Versprichst du dir irgendwas Bestimmtes davon?“

 

Und sie hörte es, so plötzlich, wie der Wind an einem Sommertag umschlug und ein Sturm aufzog. Sie griff ihren Zauberstab vom Nachtisch und entfachte die Petroleumlampen an der Wand. Das Licht beleuchtete ihn jetzt. Seine Augen waren wachsam, seine Haltung abweisend.

 

„Malfoy“, begann sie ruhig.

 

„Denkst du, die Schmerzen werden so schlimm, dass ich sterbe und du das Haus ausrauben kannst?“

 

„Draco, hör auf damit.“ Sie wusste nicht, ob sie irgendwas bewerkstelligen konnte, oder ob er sie gleich aus dem Zimmer werfen würde. 

 

„Sag es mir!“ Plötzlich war er zu ihr herum gefahren, hatte ihre Schultern ergriffen, und die dünne Decke rutschte über ihre Brust. Sie trug nur ihren BH und ihren Slip und fühlte sich schrecklich nackt und hässlich unter seinem strengen Blick. „Was willst du hier? Wieso willst du mir helfen? Was ist für dich drin?“, schrie er praktisch.


„Draco!“, rief sie lauter, versuchte zu ihm durchzudringen. „Gar nichts ist für mich drin! Ich will bei dir sein! Ich… ich mag dich“, sagte sie eindringlich. Seine Augenbraue hob sich spöttisch.

 

„Du lügst“, entschied er kalt. Und sie sah all seine Unsicherheit, versteckt hinter widerlicher Boshaftigkeit.

 

„Nein“, sagte sie leise. „Tue ich nicht.“ Und sie wehrte sich nicht gegen seinen harten Griff. Sie lehnte sich in dem Griff nach vorne, wollte seine Lippen berühren, aber er wich zurück, ohne sie loszulassen.

 

„Was tust du?“, wollte er misstrauisch von ihr wissen. Sie sah, wie er schneller atmete. Draco Malfoy war ein Buch mit tausend Siegeln. Und kaum hatte sie eines aufbekommen, schnappte ein anderes wieder zu.

 

„Lass mich los“, sagte sie still. Und er zögerte eine Sekunde.

 

„Du willst gehen? Das ist auch besser, verflucht“, entgegnete er, ließ ihre Schultern wütend fahren, und sie griff umstandslos hinter ihren Rücken, öffnete den BH, und warf ihn neben das Bett. Dann setzte sie sich auf die Knie, schob ihren Slip die Beine hinab, und war so aufgeregt, dass ihre Finger zitterten. Er beobachtete sie angespannt.


„Was tust du?“, wollte er wieder von ihr wissen, aber dieses Mal, schloss sie den Abstand zu ihm und küsste seine Lippen. Zuerst reagierte er nicht, und sie dachte schon, er würde sie von sich schieben, aber dann spürte sie, wie er sich mit nur einem Atemzug entspannte.

Seine Lippen öffneten sich langsam, und ihre Zunge traf auf seine. Er hatte den Arm nur zu schnell um ihre Taille geschlungen und sie umgeworfen. Er lag über ihr und löste sich von ihren Lippen, nachdem er ihre Unterlippe geküsst und in seinen Mund gesogen hatte.

 

Seine Stirn ruhte auf ihrer, und er schien sich zu ruhigen Atemzügen zu zwingen.

 

„Merlin, erklär mir, warum du hier bleibst?“ Seine Stimme war wieder rau, und er schien sich tatsächlich zu schämen.

 

„Du willst ein Geständnis hören? Was denkst du, Malfoy?“, entfuhr es ihr fast ungeduldig, denn ihr Herz raste jetzt. Sie vermisste seine Lippen sehr plötzlich, und seine grauen Augen fixierten ihre. „Wenn man verliebt ist, denkt man nicht richtig!“, entfuhr es ihr ärgerlich.

 

Und fast triumphierend hob sich sein Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.

 

„Du bist völlig verrückt“, entgegnete er, sanfter als zuvor. „Und ich weiß nicht, wie oft du mich aus diesen scheiß Stimmungsschwankungen holen kannst, indem du dich nackt ausziehst, Granger“, murmelte er gegen ihren Hals, während er sanft in ihre Haut biss. Es sandte millionen Schauer über ihren Rücken.

 

„Im Moment scheint es zu funktionieren“, flüsterte sie heiser, und seine Hände erkundeten ihren Körper wieder. Seine Berührungen waren so erfahren, waren so unglaublich fordernd, als hätte er studiert, was er da tat! Sie war Wachs unter seinen Fingerspitzen, und er wusste das! Dieser Mistkerl.

 

Fast behutsam strich seine Hand über die Innenseite ihres Oberschenkels.

 

„Ich wollte dich in der Sekunde, als ich dich bei dem Gringotts-Vortrag in der ersten Reihe gesehen habe“, flüsterte er rau gegen ihren Nacken, fuhr mit den Lippen tiefer, zu ihrem Busen hinab. Ihr Atem stockte in ihrer Kehle. Was sagte er da? „Als du auf meine Fragen geantwortet hast, wie eine Schülerin. Und dein Blick…“, fuhr er amüsierter fort, während er seine Fingerspitzen die Innenseite ihres Schenkels hochwanderten. Sie musste schlucken vor Erregung. „Und auf der Auktion… als du mich ausboten wolltest?“, ergänzte er knurrend.

 

„Und dieses winzige Kleid, was du auf der Sponsorenfeier im Ministerium anhattest, Granger. Wie du neben mir entlang gestolpert bist, wie du mich angesehen hast, als würde alleine mein Anblick dein Höschen feucht werden lassen“, flüsterte er weiter, und gerne hätte sie gesagt, dass sein Anblick sie immer erregte, aber jetzt hatten seine Finger ihren feuchten Eingang erreicht.

 

„Und ich wusste, ich durfte dich nicht haben! Durfte nicht einmal so denken! Und… dann hattest du keinen Job, und ich konnte nur noch daran denken, wie ich dich in mein Büro hole…“ Er stieß zwei Finger verlangend in ihre Hitze, und ihr Atem verließ stöhnend ihren Mund. „In deinen hohen Schuhen, deinen verdammt kurzen Röcken…“

 

Sie spürte seine Erektion durch seine Shorts. „Wie ich dich auf meinen Schreibtisch setze…“, ergänzte er rau, während er ihre Knie spreizte. Dann schob er seine Shorts seine Beine hinab. „Und wie ich dich dazu zwinge, keinen Laut von dir zugeben, wenn ich dir bei offenen Türen auf meinem Schreibtisch meinen Schwanz in deine verdammt enge Pussy schiebe.“

 

Und seine Worte waren widerlich vulgär. Und sie konnte kaum noch aushalten, dass er sie endlich wahrmachen würde.

 

Er positionierte seinen Penis direkt vor ihrem Eingang.

 

„Und wie gerne ich von dir hören wollte, dass du genau das willst“, murmelte er rau gegen ihren geöffneten Mund. Sein heißer Atem stieß auf ihren eigenen, und er brachte sie noch um den Verstand.

 

„Ich… will es“, brachte sie keuchend hervor.

 

„Was?“, wollte er mit einem teuflischen Lächeln von ihr wissen, während er sie mit seiner Verzögerung quälte.

 

„Ich will deinen Schwanz-“

 

Und er ließ sie nicht ausreden. Sein Mund krachte auf ihre Lippen, und mit nur einem einzigen Stoß hatte er sich bis zum Anschlag in ihr vergraben. Sie keuchte in seinen Mund, vor Lust und Überraschung. Seine Zunge stieß hart gegen ihre, strich an ihrer Zunge entlang, und Hermine erwiderte den Kuss, als hinge ihr Leben davon ab, während sich ihre Beine um seine Hüften schlangen.

 

Kraftvoll stieß er sie erneut gegen die Matratze, brachte sie dazu, erneut in seinen Mund zu stöhnen, ohne dass sie es verhindern konnte, Und beide seine Hände umfassten ihren Po, nur um ihre Beine höher zu wandern, diese langsam zu dehnen, so dass Hermine sie im höheren Winkel nach oben streckte, und er nur noch tiefer in sie eindringen konnte.

 

Er löste sich von dem hungrigen Kuss, richtete sich auf, griff um ihre Hüfte und hob ihr Becken von der Matratze. Kraftvoll stieß er tatsächlich noch tiefer in sie, und sie schnappte nach Luft, als er grollend härter in sie stieß. Härter und härter, zwang sie, die Beine weiter zu spreizen, und das Gefühl war unglaublich intensiv. Seine muskulöse Brust schimmerte im dämmrigen Licht, die Narben glänzten matt, und sie gab sich ihm völlig ihn, warf den Kopf nach hinten, bog ihm ihren Oberkörper entgegen, und kraftvoll stieß er wieder nach vorne.

 

Sie spürte, wie er unkontrolliert mit einem Stöhnen einen letztes Mal seinen Schwanz in sie rammte, sich vorbeugte und ihren harten Nippel beinahe aggressiv in die Hitze seines Mundes saugte, und sie ihm augenblicklich folgte, sich in seine Haare krallte, und in Ekstase seinen Namen schrie. Seinen Nachnamen.

 

Grollend brach er auf ihr zusammen. Sein Atem ging heiß und schwer gegen ihren Nacken.

 

„Geh nicht fort“, murmelte er schwerfällig, und sie spürte durch den Nebel in ihrem Kopf, wie er auf ihr einschlief. Sanft schob sie ihn von sich, deckte ihn zu, und sie verblieb in seinen starken Armen.

 

Er war eingeschlafen. Sein Atem ging jetzt tiefer. Sein Gesicht war so wunderschön, dass sie weinen könnte. Wie konnte so ein schöner Mann, so viel Qual empfinden.

 

Und angenehme Müdigkeit durchflutete ihren Körper.

 

Aber, sie durfte besser nicht einschlafen. Besser blieb sie wach, war bereit, wenn er einen Albtraum haben würde. Besser….

 

~*~

 

Und sie erwachte von der Hitze, die er ausstrahlte. Träge blinzelte und hörte seinen Atem. Schnell, rasselnd und gepresst in seiner Brust. Das Licht war immer noch an, wenn auch schon stark herunter gebrannt.

 

Schweiß stand auf seiner Stirn, sein Kopf flog von links nach rechts. Sie schälte sich aus dem Arm, der immer noch um ihre Schulter lag.

 

„Draco“, sagte sie behutsam. Seine Augen hatte er fest geschlossen, die Lider zusammen gepresst. Er wand sich unter der Decke, und sie fuhr mit ihrer Hand über seine glühend heiße Stirn. „Draco, shh… wach auf“, flüsterte sie beruhigend, und plötzlich rang er keuchend nach Atem.

 

Seine Augen flogen auf, das Grau so hell wie nie zuvor.

 

Er lag völlig still auf dem Rücken, nur sein Atem ging noch immer abgehackt. Er schien sie gar nicht wahrzunehmen.

 

„Wo… Salbe?“, keuchte er plötzlich. Ihre Augen weiteten sich. Oh nein! Er hatte Schmerzen!

 

„Draco!“, rief sie jetzt lauter.

 

„Verflucht“, rang er sich ab, schloss fest die Augen und umklammerte sein Dunkles Mal als drohe es aus seiner Haut zu springen. „Merlin!“, keuchte er zusammenhanglos, und sie setzte sich eilig auf.

 

Sieh mich an“, befahl sie hastig. „Malfoy, sieh mich an. Es ist nicht echt. Die Schmerzen sind Phantomschmerzen, das weißt du.“

 

„Granger, ich kann jetzt nicht diskutieren“, presste er hervor, und sie fühlte sich machtlos, nutzlos und überfordert, während er vor Schmerzen stöhnend die Augen schloss.

 

Sie hatte sich das Laken umgewickelt und stolperte aus dem Zimmer. Wenn sie nur wüsste, wo hier irgendein Zimmer war. Jeder Flur sah hier gleich aus!

Dann fiel ihr etwas ein.


„Elfen!“, rief sie verzweifelt in die Dunkelheit. Nichts geschah. „Master Draco hat… Schmerzen!“, fügte sie hinzu, denn sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Und nach keiner Sekunde erschien eine Elfe neben ihr. Hermine zuckte zusammen. Und es war ein seltsames Bild, denn die Elfe trug ein wesentlich kleineres Stück Laken um den Körper gewickelt. Aber ansonsten gaben sie ein interessantes Paar ab. „Elfe, er hat Schmerzen. Er braucht eine Salbe.“

 

Die Elfe wirkte misstrauisch, als würde sie kein Wort verstehen. „Hörst du nicht?“

 

Sie sah sich auf dem Flur um, als würden sie belauscht.

 

„Miss…“, begann sie leise. So leise, dass Hermine den Kopf zu ihr neigen musste. „Lowyn darf nicht… helfen.“

 

„Was?“, entfuhr es Hermine aufgebracht. „Draco wohnt hier! Du musst ihm-“


Lowyn darf Eure Befehle nicht entgegennehmen, Miss“, entschuldigte sich das Geschöpf jetzt fast panisch.


„Du darfst meine Befehle nicht…“, wiederholte Hermine verwirrt, aber die Elfe nickte. „Draco braucht-“

 

„Master Draco hat ausdrücklich befohlen, dass Befehle von… von… Menschen wie Euch ignoriert werden müssen!“ Und Hermine begriff augenblicklich. „Ich kann nicht helfen.“

 

„Und wenn er mit dir spricht?“ Aber die Elfe war mit einem Plopp verschwunden. Und zornig schritt Hermine über den Flur zurück in das matt erleuchtete Schlafzimmer.


„Du bist ein Mistkerl“, informierte sie ihn kochend vor Wut.

 

Und er öffnete träge die Augen. „Gott!“, stöhnte er.


„Du verbietest deinen Elfen, meine Befehle auszuführen, weil ich ein Schlammblut bin?“ Sie spuckte ihm das Wort entgegen, überwand den Abstand, setzte sich neben ihn auf die Bettkante und begutachtete das Mal, das er mit der Hand umklammert hielt. „Sieh mich gefälligst an, du feiger Sohn eines Todessers!“

 

Und er schien aus seiner Lethargie zu schnappen. Er blinzelte heftig.

 

„Wie… hast du mich genannt?“, entfuhr es ihm gepresst, aber er sein Blick wurde klarer.

 

„Ich denke, du hast mich gehört. Ich kann dir nicht helfen, wenn du alle deine Tabletten zerstörst, und ich kann dir nicht helfen, wenn du den Elfen verbietest mit Schlammblütern zu sprechen“, sagte sie kalt. Und sein Ausdruck wurde weicher.

 

„Hermine, es tut mir leid“, flüsterte er. Er hatte ihren Vornamen gesagt. Das erste Mal. „Ich habe mit den Elfen das letzte Mal gesprochen, als meine Mutter ausgezogen ist. Das ist… eine Weile her“, murmelte er. Sie presste die Lippen aufeinander. Sein Blick war glasig. Er sah sehr blass aus, blasser als sonst. Sein Bart schimmerte blond unter dem milchigen Licht.

 

„Ich weiß es…“, fügte er tonlos hinzu. „Ich weiß, wer die Muggel ist, die hier in diesem Haus gestorben ist“, erklärte er und schloss die Augen wieder. Zwei Tränen rannen seine Wangen hinab, und sie schnappte nach Luft. „Ich… habe sie gesehen.“

 

Hermine hatte die Hand zu ihrem Mund gehoben, während Dracos Arm zuckte. Er hatte sich auf die trockene Lippe gebissen. Sie würde noch anfangen zu bluten. Sie wusste, das war wahrscheinlich egal. „Ich habe ihre Leiche an meinem vierzehnten Geburtstag gesehen“, brachte er stockend über die Lippen.

 

Und Hermine tat, was sie tun musste. Sie konnte gar nicht anders. Sie spürte ihre stummen Tränen und hatte ihre Arme um seinen Nacken geschlungen.

Und sie hielt ihn fest. So fest sie konnte. Sein Körper zitterte unter ihr, und sie wartete alle Schauer ab, die ihn befielen, sie fing all seine Tränen auf. Sie bedeckte seine Narben mit ihrem Körper und wärmte seine mittlerweile eiskalte Haut.

Und sie wartete mit ihm. Wartete bis die Sonne ihre ersten Strahlen durch die Spalte der Vorhänge auf den Teppich warf. Wartete, bis er sich endlich unter ihr beruhigte.

 

Und sie wusste, der Tag, der ihnen bevorstand war lang, und unerbittlich wollte er anscheinend beginnen. Die letzten Minuten Ruhe verbachte sie damit, ihn zu halten. Ihn zu küssen, ihn zu beruhigen. Denn wenn er keine Medikamente hatte, musste sie sein Medikament sein. Und sie verstand nicht alles. Sie verstand ihn nicht komplett, und sie wollte auch nicht alles verstehen.

 

Dass sie jetzt nicht alles wusste, hielt sie davon ab, Lucius Malfoy umzubringen.

Das war es, was sie mit Sicherheit wusste.

 

 

Kapitel 16

 

Sie war unruhig. Sie war mehr als das. Sie kaute nervös auf ihren Fingernägeln, während sie wie ein gefangenes Raubtier beständige Kreise schritt.

 

„Merlin, Hermine, würdest du dich setzen?“, knurrte Ron so ungehalten, als würde sie auf seinem Rücken hin und her laufen.

 

„Nein, Ron“, gab sie bloß zurück. Ginny saß ebenfalls im Büro und strickte, während sie warteten. Hermine fuhr sich vergessen durch die Haare. Sie hatte nicht genügend geschlafen, um eine solche Spannung locker wegzustecken.

 

„Du wirst die Zeit nicht beschleunigen, indem du uns allen auf die Nerven gehst“, bemerkte Ron bitter, während er sich über seine Unterlagen beugte. Sie hielt wütend inne.

 

„Nur weil du es nie fertig bringst, irgendein Dokument an seinem ursprünglich fälligen Datum abzugeben, brauchst du deine schlechte Laune nicht an mir auslassen, Ronald!“, erwiderte sie säuerlich, und verletzt hob sich sein Blick. Und er erhob sich nahezu übergangslos.

 

„Tut mir leid, Hermine, dass wir nicht alle um das Schicksal eines Todessers bangen. Wenn er jemanden umgebracht hat, dann-“

 

„Er hat niemanden umgebracht!“, schrie sie praktisch, und Ginny ließ das Strickzeug sinken.

 

„Jetzt hört schon auf euch anzufauchen, Merlin noch mal!“, fuhr sie beide an. „Harry und Malfoy sind seit einer halben Stunde da drin. Es wird schon noch eine Weile dauern, Hermine. Wie wäre es, wenn du und Ron einen schönen heißen Tee trinken würdet, und…“ Sie ließ die Worte verklingen, während Ron und Hermine sie ansahen, als hätte sie vorgeschlagen, dass sie sich beide den Schädel kahl rasieren gehen sollten. „Oh, bitte! Dann stellt euch eben an wie kleine Kinder!“, fügte sie kopfschüttelnd hinzu.

 

Hermine sah Ron nicht an, denn er war derjenige, der einfach nur kindisch war. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte aus dem Fenster.

 

„Er ist ein Wahnsinniger, Hermine“, sagte Ron jetzt gepresst, während er immer noch vor seinem Schreibtisch stand. Nutzlos und undschlüssig. Aber sie biss die Zähne fest zusammen, um nicht noch einmal zu schreien. „Ein wahnsinniger Todesser, ein ehemaliger muggelfolternder Sträfling, der von den stärksten Medikamenten abhängig ist, die auf dem Schwarzmarkt zu bekommen sind – und du lässt dich auf ihn ein!“

 

Sie wandte sich wieder zu ihm um. „Du kennst ihn überhaupt nicht!“, fuhr sie ihn an.

 

Aber Rons Stirn legte sich in überlegene Falten. „Oh, und du denkst du kennst ihn, weil du das Glück hattest, ein paarmal sein Bettschlampe zu sein?“ Und sofort hatte sie sich in Bewegung gesetzt und sein Büro verlassen. Sie war so wütend! Ron hatte unrecht! Er war einfach nur ein blöder Vollidiot!

 

Sie stand auf dem Flur, aber die Tür öffnete sich nach einer Sekunde wieder. Ron trat auf den Flur hinaus und lehnte sich neben sie an die kahle Wand. Hier oben war nicht viel Wert auf Dekoration gelegt worden. Die Aurorenabteilung im Ministerium war wohl die schmuckloseste Abteilung des ganzen Ministeriums. Wahrscheinlich, weil die Auroren sowieso die meiste Zeit unten im Training waren und nur lästige Papierarbeit in ihren Büros erledigten. Und sie wollte sich Rons Worte nicht weiter anhören, aber sie war auch zu müde, um zu gehen.

 

Ron atmete aus.

 

„Was willst du noch? Hast du nicht alles gesagt, was sagen wolltest, Ronald?“ Sie sah ihn nicht an. Sie blickte stur nach vorne vor die graue Wand.

 

„Ich hasse Malfoy, Hermine“, brachte er schließlich hervor. „Und… wir haben ihn alle gehasst“, fügte er fast verteidigend hinzu. „Ich weiß, ich war nicht alleine mit dieser Meinung!“

 

„Du verhältst dich kindisch. Und ich will garantiert nicht mit dir darüber reden.“

 

„Nein, bestimmt nicht, oder? Du hast Angst vor meinen Worten, richtig?“ Sie sah ihn jetzt wieder an.

 

„Ron, du datest Lavender“, bemerkte sie mit Nachdruck. „Ich mag Lavender auch nicht, aber ich toleriere sie dir zuliebe.“

 

„Du vergleichst Lavender Brown nicht gerade mit Draco Malfoy, oder Hermine?“, wollte er trocken von ihr wissen, und sie atmete aus. „Wenn du wenigstens zugeben würdest, dass es absurd ist, was du tust! Wenn du es wenigstens sagen würdest! Ich komme mir schon vor, als wäre ich verrückt geworden. Hermine Granger hätte nie im Leben Draco Malfoy einen zweiten Blick geschenkt“, stellte er bitter fest. „Hermine Granger-“

 

„-hätte nie Ronald Weasley verlassen?“, unterbrach sie ihn leise, und er sah sie an. „Ron, ich bin all das. Ich tue diese Dinge. Menschen ändern sich.“

 

„Hermine“, begann er wieder kopfschüttelnd, aber sie unterbrach ihn erneut.

 

„Nein. Du gibst ihm keine Chance!“

 

„Natürlich nicht!“, fuhr er sie zornig an. „Wieso sollte ich? Wieso um alles in der Welt? Erklär mir das! Ich bin dein Exfreund, Hermine. Ich bin nicht dein Bruder oder dein bester Freund. Ich bin dein verdammter Exfreund. Und jetzt hat er dich so, wie ich dich hatte! Er hat gesehen, was niemand sonst sehen durfte. Er… hat meinen Platz eingenommen. Und es ist nicht Dean, es ist nicht Harry – es ist Draco Malfoy. Verdammt noch mal, es ist Draco Malfoy, Hermine!“ Ron vergrub den Kopf in seinen Händen, und Hermine seufzte auf.

 

„Ron-“

 

„Verlang alles von mir, aber nicht, dass ich irgendeinen deiner zukünftigen Freunde auch nur im Ansatz toleriere, Hermine! Und erst recht nicht Draco Malfoy!“

 

„Und was jetzt? Jetzt sind wir keine Freunde mehr? Jetzt können wir nichts zusammen machen, ohne dass du mir die kalte Schulter zeigst? Ohne dass du deine selbstsüchtige Meinung kundtust?“ Aber er konterte nicht. Er stritt ihre Beschuldigungen nicht einmal ab. Und er nickte bloß. Das war alles, was er tat. Er nickte einmal.

 

„Ja. Ich kann es nicht anders. Und es ist mir egal. Es ist mir egal, ob er sich um glatte 580 Grad geändert hat. Es ist mir egal, ob er einen Hauselfenkindergarten eröffnet. Was hättest du gesagt, wäre ich nach dir mit Pansy Parkinson zusammengekommen?“

 

Hermine wollte auflachen, wollte ihm klarmachen, wie absolut absurd ein solcher Vergleich und wie vollkommen abwegig überhaupt ein solcher Gedanke war. Und für einen Moment befand sie sich in seinen Schuhen. Aber der Moment war von kurzer Dauer.


„Dann würde ich damit klarkommen“, sagte sie fest.

 

„Die bist eine schlechte Lügnerin, Granger“, erwiderte er lediglich, während er den Kopf gegen die Wand zurücklehnte. Er trug seine Trainingsklamotten und sah wieder aus wie ein verdammter Superheld. Verkohlt, verrußt und bereit, Jungfrauen aus Nöten zu erretten. Vielleicht sollte er das auch einfach tun. Vielleicht konnte man nicht alles behalten, nur weil man es wollte. Vielleicht war es nicht möglich.

 

„Ich will dich nicht verlieren“, flüsterte sie in den Flur, ohne ihn anzusehen. Er atmete aus.

 

„Du verlierst mich nicht. Ich bin einfach nur nicht mehr… so oft in deiner Nähe“, erklärte er rau. Ihre Kehle schnürte sich zu, bei dem Gedanken, dass sie gerade dabei war, ihren besten Freund zu verlieren.

 

„Ron“, begann sie verzweifelt, aber er schüttelte bloß den Kopf.

 

„Nicht“, sagte er tonlos.

 

„Aber ich-“

 

„Ich liebe dich, Hermine. Also… bitte, mach es mir leichter, ja? Du wirst es doch schaffen, es mir leichter als das hier zu machen, oder?“, verlangte er rau von ihr zu wissen. Sie hatte den Atem angehalten. Nein! Das meinte er bestimmt nicht so, wie sie dachte, dass er es meinte! Sie liebte ihn auch! Er war ihr bester Freund! Aber… seine blauen Augen verrieten ihr, dass er es wohl anders meinte als sie. Sie spürte die Tränen in den Augenwinkeln. Nein… wieso verlangte er das von ihr?

 

Die Tür öffnete sich. Sie schraken beide zusammen.

 

Draco kam auf den Flur hinaus. Richtig! Dracos Geständnis. Hastig riss sie sich zusammen, lächelte nicht besonders überzeugend und verscheuchte die Trauer, die sie gerade spürte. Aber fast fiel es ihr leicht, denn Erleichterung flutete sofort ihren schamlosen Körper, als sie ihn erblickte. Sie wusste nicht, wie es mit Ron werden würde, wenn sie es ihm leichter machte. Sie wusste nur, es war keine Option, Draco nicht mehr zu sehen. Egal, wie sehr sie Ron mochte. Ihr Herz flatterte in ihrer Brust, wie sie es noch nie zuvor gespürt hatte. Er sah müde aus. Müde, aber wesentlich entspannter als zuvor. Und er sah immer noch unglaublich schön aus. Trotz der Ringe unter seinen Augen, trotz der Blässe, trotz der Angst, trotz… trotz allem!

 

Und er und Ron wechselten einen kurzen Blick. Rons Blick war voller Verachtung, unverhohlen und direkt. Auch Dracos Blick war nicht gerade freundlich.

 

„Ich hoffe, ich störe nicht“, erkundigte sich Draco Malfoy in so typischer Malfoy-Manie, mit einem so unterschwellig arroganten Ton, dass Ron beinahe die Augen verdrehte, aber vielleicht fiel ihm ein, dass Draco Malfoy keine fünfzehn mehr war, und sie sich nicht auf den Fluren von Hogwarts befanden, wo ein Fluch lediglich Punkteabzug einbrachte.

 

„Hey, wie ist es gelaufen?“, wollte sie eilig wissen, um von der Tatsache abzulenken, dass sie sich auf einem Flur mit zwei Männern befand, die sie beide bereits nackt gesehen hatten. Die einzigen Männer, die sie nackt gesehen hatten. Sie spürte Röte in ihren Wangen und hasste sich dafür. Ron stieß sich von der Wand ab. Sie folgte ihm mit dem Blick, aber er sah sie nicht mehr an. Harry sprach im Büro mit Dracos Therapeutin.

 

„Ich weiß es noch nicht“, gestand er ruhig ein. Wesentlich ruhiger, nachdem Ron verschwunden war.

 

„Du… weißt es nicht?“, wiederholte sie verwirrt. „Aber… du bekommst keine Strafe, richtig?“, wollte sie alarmiert wissen, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein, ich denke nicht. Ich denke, mein Kopf hat alles wunderbar verdrängt. Ich war außerdem nicht volljährig, und rückwirkend wird niemand bestraft, also…“

 

„Also…“, wiederholte sie erneut. „Das heißt, wir können gehen?“ Und jetzt lächelte er traurig, während er die Hand zu ihren Haaren hob, um durch die wirren Locken zu fahren. Sie fielen heute dichter um ihren Kopf, weil sie keine Zeit zum Glätten gehabt hatte. Oder überhaupt Zeit, über so etwas Banales wie Haare nachzudenken! Und sein Lächeln beunruhigte sie, auch wenn ihr Herz mehrere Saltos schlug, als sein Daumen über ihre Wange strich. Sie sah, wie Harry demonstrativ zur Seite blickte. Auch Ginnys Stricknadeln klickten wieder lauter.

 

„Das heißt, es kommt zu einem weiteren Verfahren. Und… Lucius wird aus Askaban geholt.“ Hermine schluckte. Ein schwerer, kalter Stein war in ihre Magengrube gesunken und blieb dort erst mal liegen.

 

„Oh?“

 

„Bis dahin würde ich vorschlagen, dass wir zur Arbeit gehen.“ Sie verdaute die Worte, die er gesagt hatte. Verwirrt, ungläubig und perplex sah sie ihm ins Gesicht.

 

„Denkst du nicht, dass… dass du dich ausruhen solltest?“ Es war eigentlich nicht wirklich eine Frage.

 

„Da ich abgelehnt habe, Medikamente zu nehmen, ist das letzte, was ich will, einzuschlafen, Hermine“, informierte er sie.

 

„Du kannst nicht für immer wach bleiben, und… was?“ Sie sah ihn an. Sie suchte anschließend den Blick zu Madame Tallis, die abweisend im Türrahmen stand. „Es kann unmöglich gut sein, alle Medikamente auf einmal abzusetzen“, sagte sie heftig. Die Therapeutin nickte eindeutig, aber Draco blieb unbeeindruckt.

 

„Es geht mir…“, begann er fest, jedoch fing er sich und runzelte die schöne Stirn. „nicht schlecht“, endete er, wenig überzeugt, aber plötzlich trat ein bekannter Ausdruck auf seine feinen Züge. „Miss Granger, würden Sie mir die Ehre erweisen, mich zur Arbeit zu begleiten?“ Und er kam ihr bekannter vor. Aber seine Täuschung war nur von kurzer Dauer. Souveränität ließ sich wohl nicht ganz so leicht vorgaukeln, nahm sie an. Aber natürlich war sie ihm verfallen.

 

„Sicher komme ich mit“, erwiderte sie leise.

 

Aurorenschutz,… Mr Malfoy?“, fügte Harry mit erhobener Brau hinzu, und jetzt hörte Hermine, wie Ron sich vernehmlich räusperte. Anscheinend wollt er Harrys Aufmerksamkeit erregen. „Wir bieten uns an“, schloss er. Und es war wohl ein sehr kulantes Angebot von ihm. Aber wahrscheinlich nicht gänzlich an Dracos Wohl orientiert, wenn Hermine Harrys Blick richtig deutete. Hermine konnte sich vorstellen, wie Ron diese Sache wohl aufnahm.

 

Aber sie hörte keine Beschwerden.

 

Aber Draco atmete aus. „Wahrscheinlich… wäre es besser“, räumte er ein. „Auch wenn ich ihr nichts tun würde, Potter“, endete er zähneknirschend. Harrys Gesicht war das reinste Pokerface. Sie sah ihn kopfschüttelnd an, aber Harry ignorierte dies.

 

„Nur zur Sicherheit dann“, sagte Harry glatt. Ron erschien neben ihm im Türrahmen, mied jedoch ihren Blick. Großartig. „Währenddessen kümmert sich die Abteilung um den Transport von Lucius“, fügte er hinzu. Draco nickte oder schüttelte den Kopf. So genau konnte sie es nicht bestimmen. Aber sie hatte ein flaues Gefühl.

 

~*~

 

Es war ein seltsames Zusammentreffen. Und Rons Hand verließ keine Sekunde seinen Zauberstab, der in der Schlaufe seines Gürtels steckte. Hermine war so nervös, wie noch nie. Draco war seit einer ganzen Weile im Badezimmer, nachdem er heute relativ erfolgreich im Büro einen Vertrag nach dem nächsten abgeschlossen hatte, als wäre nichts gewesen. Harry beäugte Pansy misstrauisch, während sich diese ein Kristallglas voll mit goldener Flüssigkeit goss.

 

Pansy trank also harten Alkohol. Es wunderte Hermine nicht. Die Slytherin Mädchen waren hart gesotten. Sie unterschieden sich nicht besonders von den männlichen Exemplaren des Hauses Slytherin. Goyle stand in einer Ecke des Zimmers, kahl geschoren und bedrohlich.

 

Allerdings befand Hermine sich eher in der Nähe von Harry und Ron. Sie saß auf der zweiten schmaleren Couch im Zimmer, während Harry und Ron daneben standen. Das hatte den Grund, dass auf der breiten, hellen Ledercouch ein ungewöhnlicher Gast Platz genommen hatte. Narzissa Malfoy war am Abend angekommen. Auroren hatten sie begleitet. Sie hatte ihren schwarzen Reiseumhang bereits abgelegt und saß seit zwanzig Minuten auf der Couch.

 

Elfen füllten ihren Weißwein im Zehn-Minutentakt nach, und Hermine war beinahe hibbelig.

 

Narzissa war elegant gekleidet, so wie Pansy es immer war. Sie trug hohe schwarze Pumps, einen knielangen schwarzen Rock, eine schwarze Seidenbluse, und ihr Dekolleté zierte eine schwer behangene filigrane Goldkette mit funkelnden grünen Edelsteinen. Die goldenen Haare waren kunstvoll hochgesteckt, Hermine wusste, sie musste mindestens Anfang vierzig sein. Aber so sah sie nicht aus. Ganz und gar nicht.

Ihre Lippen waren voll und schön, wie Dracos, aber Narzissa lächelte nicht. Sie schwenkte ihren Wein im Glas und blickte stumm nach draußen.

 

„Wie geht es Ihrem Mann?“, fragte Pansy in die Stille hinein, und Hermines Kopf wandte sich automatisch in ihre Richtung. Ihrem Mann? Fragte sie wirklich nach Lucius? Aber Narzissa ließ sich tatsächlich auf die Unterhaltung ein.

 

„Er wurde heute aufgehalten. Er wird morgen früh nachkommen“, antwortete sie, die Stimme kühl und distanziert. Anscheinend war Narzissa mit einem anderen Mann verheiratet. Viel bedenklicher fand Hermine, dass Pansy anscheinend Bescheid darüber wusste. Standen die beiden Frauen in so gutem Kontakt? Narzissas Blick fiel auf Harry, schien seine Uniform zu begutachten, ehe sie Ron näher ins Auge fasste. „Weasley, nicht wahr?“, erkundigte sie sich beinahe abschätzend. Ron nickte knapp, während er sie mit größter Feindlichkeit beobachtete. Narzissa überschlug die Beine und lehnte sich langsam zurück. Bisher hatte Narzissa ihr nicht einen einzigen Blick gegönnt.

 

 Hermine knetete ihre Finger so hart, dass sie schon ganz taub wurden. Und endlich öffneten sich die Flügeltüren zum Salon. Das Haus war riesig, schluckte jedes Geräusch, und beinahe lautlos betrat er das riesige Zimmer. Und sie spürte, wie sich ihr Kiefer lockerte.

 

Er sah unglaublich aus. Er trug einen gewöhnlichen dunklen Anzug, aber die Dusche hatte ihm gut getan. Einige seiner goldenen Strähnen fielen anbetungswürdig in seine Stirn, die Ringe unter seinen Augen waren verschwunden, und sein Gesicht hatte eine gesündere Farbe angenommen. Und tatsächlich zierte ein Lächeln seine wunderschönen Lippen.

 

„Mutter“, begrüßte er sie und kam umstandslos auf sie zu. Narzissa erhob sich elegant und wartete, bis ihr Sohn sie erreicht hatte.

 

„Draco“, erwiderte sie den Gruß und beide schüttelten sich förmlich die Hand. Hermine sah, dass Narzissa ihren Sohn wohl mit Wohlwollen musterte. „Ich hatte erwartete, dich nahe am Abgrund zu finden. Schön, dass dies nicht der Fall zu sein scheint.“ Und Hermine wusste nicht, was in Narzissa vorging, aber sie wusste, sie mochte diese Frau nicht. Aber Draco lächelte weiterhin. Und er wandte sich von ihr ab, nur um auf die kleine Couch zuzuschreiten, stellte Hermine mit Schrecken fest.

 

Und er hatte sie erreicht. Sein Duft stieg ihr in die Nase. Herb, männlich und so vertraut. Seine grauen Augen sahen sie warm an, und als er sich hinab beugte, hielt er mit einer Hand seine Krawatte zurück und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Hermine wurde stocksteif vor Schreck und bewegte sich gar nicht.

 

Schon hatten seine Lippen die ihren verlassen und er setzte sich neben sie. Sie spürte Harrys Blick auf sich, aber sie wagte nicht, überhaupt jemanden anzusehen. Draco überschlug ein Bein und ergriff umstandslos ihre Hand, um sie in seiner zuhalten. Oh Merlin! Jedenfalls jetzt hatte Hermine Narzissas völlige Aufmerksamkeit.

 

„Das ist jedoch eine Überraschung“, bemerkte Narzissa eisig. „Ich hatte angenommen, Sie wären lediglich eine weitere Aurorin“, fügte sie mit einem falschen Lächeln hinzu. Hermines Herz schlug ihr bis zum Hals.

 

„Nein. Miss Granger arbeitet für mich“, erklärte Draco schlicht. Hermine schloss kurz die Augen.

 

„Ach so? Als was, wenn ich fragen darf?“, erwiderte seine Mutter, immer noch lächelnd, jedoch hing die unausgesprochenen Beleidigung schwer im Raum. Ron hatte sich augenblicklich in Bewegung gesetzt, und sofort traf ihn Narzissas Blick. „Irgendetwas, was Sie mir sagen möchten? Mr Weasley?“, fügte sie gedehnt hinzu, aber Ron beherrschte sich.


„Sie ist meine Assistentin, Mutter. Und meine Freundin“, erklärte Draco, während sich seine Stimme deutlich abgekühlt hatte. Hermine jedoch hatte Schwierigkeiten zu atmen. Seine was? Oh Merlin! Sie war… seine Freundin. Sie war die Freundin von Draco Malfoy! Sie kam sich vor wie eine alberne Hexe bei einem Quidditchspiel, die mit dem beliebtesten Sucher zusammen war. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht hysterisch zu lachen. „Aber… das geht dich wenig an, nicht wahr?“, fügte Draco mit einem genauso falschen Lächeln wie das seiner Mutter hinzu. Die Stimmung hatte sich wieder abgekühlt.

 

Und Narzissas Blick war alles andere als verständnisvoll oder gar überhaupt im Ansatz tolerant. Aber sie sprach nicht mehr. Und plötzlich hatte Hermine ein mehr als schlechtes Gefühl. Ein bitterer Geschmack hatte sich in ihrer Kehle festgesetzt. Der Blick der bösen Frau wanderte über das Gesicht ihres Sohnes.

 

Und irgendetwas Endgültiges erwachte in Narzissas grauen Augen. Und Hermine spürte, wie Dracos Hand keinen Druck mehr auf ihre Hand ausübte. Ihr Atem ging flacher vor Angst. Dabei war es ein paranoider Gedanke. Was konnte Narzissa Malfoy ihr schon anhaben? Sie mochte Hermine nicht? Gut, Hermine mochte sie genauso wenig.

 

Es war ein langer Tag gewesen. Und er war noch nicht einmal zu Ende.

Sie hatte Magenschmerzen, wenn sie an die nächsten Stunden, an die nächste Nacht dachte. An den nächsten Morgen, wenn Lucius Malfoy ins Ministerium zum letzten Verhör gebracht wurde. Und sie wusste nicht, was genau es war, aber sie hatte ein schlechtes Gefühl. Eine nagende Ahnung. Vorahnungen waren ihre Stärke. Im Krieg waren sie das allerwichtigste gewesen. Aber sie hoffte, dass sie nur nervös war.

 

Sie spürte Harrys Blick auf sich, und sie wünschte, er würde endlich woanders hinschauen. Egal, wohin. Nur nicht mehr in ihr Gesicht.

 

 

Kapitel 17

 

Als sie aufwachte, war sie allein. Sonnenstrahlen fielen durch die Ritze der Vorhänge auf den Boden. Kurz hatte sie vergessen, wo sie war, aber die Erinnerung kehrte portionsweise zurück, und mit Schrecken hatte sie sich aufgesetzt.

 

Er hatte gewollt, dass sie die Nacht über in Malfoy Manor blieb. Und wäre Narzissa nicht hier, hätte sie überhaupt nicht gezögert. Auch Harry und Ron war von ihm angeboten worden zu bleiben. Harry war geblieben. Ron nicht. Und anscheinend war es schon später als sie angenommen hatte, denn sie hörte reges Treiben in den unteren Stockwerken des Hauses.

 

Wo war Draco? Wieso hatte er sie nicht geweckt? Hatte er Albträume gehabt? Sie hatte davon nichts mitbekommen. Sie schwang die Beine aus dem Bett, zitterte vor Kälte und verschwand im Bad, um sich fertig zu machen. Sie verzichtete auf eine ausgiebige Dusche, putzte sich mit einer der vielen Ersatzzahnbürsten die Zähne, kämmte die Haare eilig und bändigte ihre Locken auch heute nur mit einem Haargummi. Sie flocht sie zu einem Seitenzopf, der ihr lang über die Schulter nach vorne fiel.

 

Sie schlüpfte in ihre frischen Sachen, die sie gestern mitgenommen hatte, und ihr Magen knurrte tatsächlich, auch wenn sie den Hunger noch nicht spüren konnte.

 

Sie lief wahllos durch einen der Flure, bis sie eine Treppe nach unten fand. Es war ein riesiges Labyrinth. Die Stimmen wurden lauter. Es waren viele Stimmen, fremde Stimmen, die sie nicht zuordnen konnte. Sie erreichte das Esszimmer. Die Türen dort waren nur angelehnt. Die Portraits hatten sich in ihren Rahmen soweit zur Seite gebeugt, um von den Gesprächen auch etwas mitzubekommen und bedachten sie mit einem gereizten Blick, als sie versuchte, so lautlos wie möglich, zu gehen.

 

Sie betrat das Esszimmer.

 

Sie sah Ron war wieder da. Und noch eine ganze Menge an Auroren und Männern in Anzügen mit Brillen. Witherby war ebenfalls anwesend. Narzissa saß an einem Ende des Tisches, umringt von hektischen Zauberern.

 

Harrys Blick hob sich, als er sie erkannte. Er wirkte angespannt, und sie machte einen Schritt weiter ins Zimmer. Wo war Draco? Einige der stehenden Auroren wandten sich um und boten ihr somit einen breiteren Blick auf den langen Esstisch. Und ihr Atem gefror.

 

Lucius Malfoys Blick durchbohrte sie förmlich. Fast hätte sie ihn gar nicht ausgemacht, in der Ansammlung an Menschen. Seine Hände ruhten auf dem Tisch, die Handgelenke mit schweren Ketten verbunden. Um seinen Hals lag das Band der Isis. Sie kannte seine Kraft. Es hinderte den Träger daran, jegliche Art von Zaubern auszuführen. Lucius Malfoy war also gerade harmlos. Gefesselt, aber harmlos, was Magie anging. Das silberne Band war breit und schwarze Runen waren in das breite Band geritzt. Es sah nicht bequem aus, und Lucius Malfoy wirkte auch nicht besonders angetan von seiner Situation.

 

Seine Haare waren zurückgebunden. Seine Frisur wirkte unordentlich, seine Gesichtsfarbe ungesund. Die Höhlen seiner Augen waren stark zu erkennen, seine Wangen waren ausgemergelt. Nein, er ähnelte seinem Portrait in seinem Arbeitszimmer nur noch entfernt. Und er sah alt aus. So alt, wie sie ihn nicht in Erinnerung hatte.

Sein Mund verzog sich, als er sie erkannte.

 

Hermines Herz schlug laut in ihrer Brust.

 

Wo war Draco?

 

Lucius wandte den Blick nicht von ihr ab. Und plötzlich überkam sie maßlose Wut auf diesen Mann. Sie schritt näher zum Tisch. Die Auroren bewegten sich unruhig, beobachteten die Situation, und Lucius‘ Ketten klirrten, als er seine Finger ineinander verschränkte.

 

„Eine Muggel in meinem Haus“, stellte er schließlich fest. Und seine Stimme war das einzige, was sie wieder erkannte. Aristokratisch einzigartig. Angsteinflößend und arrogant. Sie tauschte einen Blick mit den Auroren.


„Wann beginnt die Verhandlung?“

 

„Heute Nachmittag. Siebzehn Uhr“, sagte ein fremder Auror schließlich.

 

„Warum ist er nicht im Ministerium?“, wandte sie sich anklagend an Harry. Dieser antwortete nicht sofort. Ein Lächeln kräuselte die Lippen von Lucius Malfoy, und es widerte sie an.


„Weil die Herrschaften lieber gemütlich zuhause die Einzelheiten besprechen wollten.“ Und sie hörte Harrys Ablehnung in seinen Worten. Sie schienen Narzissa Malfoy zu gelten, die ein falsches Lächeln aufsetzte.

 

„Nur weil mein Exmann keine adäquate Verhandlungsbasis verdient, gilt dieses Prinzip nicht für mich“, informierte sie Hermine, ohne sie anzusehen.

 

„Das hier ist immer noch mein Haus“, unterbrach sie Lucius kalt.

 

Noch, ja“, erwiderte Narzissa zuckersüß und gefährlich wie eine Viper.

 

„Wo ist Draco?“, fragte sie Harry jetzt leiser.


„Arbeiten“, erwiderte dieser lediglich. Und sie nickte nur.


„Gut, dann gehe ich.“

 

„Ich rufe dir einen Auroren-Eskort-“, begann Harry, obwohl er nicht begeistert klang.

 

„Nein“, unterbrach sie ihn. „Schon gut, ich schaffe es alleine.“

 

Sie ignorierte Narzissas Lächeln, Lucius‘ bösen Blick, und sie musste hier verschwinden, bevor sie sich zu etwas hinreißen ließ, was sie noch bereuen würde.

 

Als sie nach zwanzig Minuten endlich das Haus verlassen, von Goyle zum Rand des Grundstücks begleitet worden und appariert war, konnte sie endlich aufatmen. Außerhalb des Hauses funktionierte ihr Körper auch wieder, und sie spürte ihren Hunger deutlicher.

 

Aber erst wollte sie ihn sehen.

 

Sie betrat das Gebäude, ließ die Hexen im Empfang hinter sich, ignorierte alle Fragen und Blicke und verfluchte den Fahrstuhl, der ihr viel zu langsam fuhr. Sie beschleunigte ihre Schritte im Flur und betrat das bekannte Büro.

 

Draco stand. Den Kopf über Unterlagen gebeugt. Er hob den Blick, als sie die Tür hinter sich schloss.

 

„Hey“, sagte sie, unschlüssig, was sie sagen sollte. Er sah sie an. „Du… hast mich nicht geweckt. Wie… hast du geschlafen?“ Aber sie sah an seinen müden Augen, dass er wohl wenig geschlafen haben musste. Und es war gerade auch nicht wichtig, denn… sein Vater saß in Malfoy Manor. Sie schloss den Abstand zu ihm.

 

Er machte keine Anstalten, sie zu küssen oder zu umarmen. Seine Unberechenbarkeit machte sie vollkommen nervös. „Draco?“ Sie sah ihn fragend an.

 

Sein Blick war nüchtern und klar.

 

„Draco?“, flüsterte sie wieder, diesmal beängstigt. Aber er wandte den Blick wieder ab. Leer und matt.

 

„Du hättest nicht kommen müssen“, sagte er lediglich. Sie sah ihn stirnrunzelnd an. Er mied ihren Blick entschieden.

 

„Was?“, entfuhr es ihr verwirrt. „Ich bin aiufgewacht und du warst nicht da! Ich bin runter gegangen und… du warst schon auf der Arbeit.“

 

„Ja. Das bedeutet nicht, dass du kommen musstest“, erklärte er schlicht. Sie schüttelte verständnislos den Kopf.

 

„Draco, was ist passiert?“, fragte sie vorsichtig, wollte näher kommen, aber er wich zurück.

 

„Du kannst hier nicht mehr arbeiten“, sagte er plötzlich mit beschlagener Stimme.

 

„Was?“, wiederholte sie völlig entgeistert und schüttelte den Kopf. „Was redest du da?“

 

„Ich muss dich entlassen“, wiederholte er rau.

 

„Warum? Was tust du denn?“

 

„Ich… danke dir für die Zeit, die du investiert hast. Ich werde dir eine Empfehlung schreiben. Ich lasse sie die per Post zukommen“, sagte er steif, und sie griff nach seinem Arm, zog daran, damit er sie ansah.


„Draco Malfoy, sieh mich an!“, befahl sie ungläubig. Langsam senkte er den kalten Blick auf ihr Gesicht.

 

„Es ist besser so“, versicherte er nüchtern.

 

„Ich verstehe nicht…“, begann sie und spürte die Tränen in sich aufsteigen. Sie sah seine Hände zittern. „Draco!“, wiederholte sie, ergriff seine Hände, aber er entzog sie ihr.

 

„Du verstehst das nicht!“, sagte er heftig, und sie schniefte laut.


„Nein, ich verstehe es nicht! Erkläre es mir!“

 

„Eine Muggel und ein Reinblüter?“ Er lachte freudlos auf. „Es kann nicht funktionieren! Ich kann nicht mit dir zusammen sein!“

 

Und plötzlich spürte seinen einen Schmerz in der Brust. „Deine Mutter…“, flüsterte sie.

 

„Du solltest gehen“, sagte er knapp.

 

„Sie ist daran schuld, nicht wahr?“

 

„Sie ist an gar nichts schuld“, widersprach er kopfschüttelnd, die Stimme tief vor Bitterkeit.

 

„Draco!“, entfuhr es ihr verzweifelt.

 

„Sie wird mir das Unternehmen wegnehmen! Es ist ihrs. Und… Lucius ist wieder da. Ich… habe meine Therapie unterbrochen. Wenn… ich dich hierbehalte, wird sie mich als unzurechnungsfähig darstellen, begreifst du nicht? Dann ist es ihr Unternehmen! Sie setzt mich an die Luft! Sie werden denken, ich wäre genauso verrückt wie Lucius!“

 

„Draco“, wiederholte sie unter Tränen.


„Die Aussage eines Verrückten vor Gericht zählt so viel wie eine Muggel in Malfoy Manor. Es… es tut mir leid“, fügte er kopfschüttelnd hinzu.

 

Sie begriff. Seine Mutter drohte ihm. Sie drohte ihm, ihm alles wegzunehmen. Sie drohte ihm sogar an, seine Aussage nicht gelten zu lassen. Der Beweis, dass sein Vater Askaban niemals mehr verlassen durfte! So viel Macht konnte Narzissa Malfoy nicht besitzen! Hermine wusste, sie war neben ihrem Mann Haupterbin. Wer in Askaban war, verlor seinen Anspruch! Aber Draco arbeitete schon solange hier! Das konnte sie nicht tun! Das konnte sie erst recht nicht tun, nur weil sie, Hermine, hier arbeitete! Nur weil sie eine Muggel war!

 

Aber… er hatte Angst. Sie sah es ihm an.

 

Und sie war schuld. Sie hatte ihn gezwungen.

 

Und es war falsch. Es war falsch, dass ihm seine Mutter ein solches Ultimatum stellte. Dass sie ihm drohte, ihn einweisen zu lassen, ihm alles zu nehmen, nur weil… nur weil er sie eingestellt hatte. Nur weil er sie… mochte. Falls er das überhaupt tat.

 

Und sie fühlte sich machtlos.

 

„Was soll ich tun? Ohne dich?“, fragte sie jetzt tonlos.

 

„Siehst du es denn nicht?“, wollte er beinahe zornig von ihr wissen. „Ich bin ein Feigling, Granger. Ein elender Scheißkerl. Du brauchst mich nicht. Ich bin kaputt! Ich ziehe mein Unternehmen dir vor. Das sollte dir eigentlich alles sagen, was du wissen musst“, endete er mehr als kalt. Sie nickte schwer und Tränen fielen auf ihre Wange.

 

Und sie wollte ihn fragen, was passierte, wenn es vorbei war. Wenn die Verhandlungen vorbei waren, wenn… er das Unternehmen behalten konnte. Was war, wenn seine Therapie beendet wäre, was er dann tun würde, wenn er bescheinigt bekäme, wieder vollkommen gesund zu sein?

 

Was er dann tun würde? Wie lange es dauern würde? Ob er sie liebte? Oder nicht?

 

Aber sie biss sich auf die Lippe.

 

Ihr schöner, verlorener Draco sah sie verzweifelt an. Er war ein Schatten seiner selbst.

 

Sie hatte ihn verloren. Er war nicht mehr da. Er war der Feigling, den er sich selber schimpfte. Und sie könnte ihn nicht zwingen! Sie konnte es versuchen. Konnte anfangen, zu erklären, warum sie ihn nicht verlassen wollte, weshalb er sie nicht entlassen konnte, dass sie nicht ohne ihn leben wollte, dass sie… - aber sie wusste, es würde nicht helfen.

 

Was, wenn sie ihn überzeugen würde? Was, wenn sie sich einfach wieder für ihn ausziehen würde, ihn einfach dazu brachte, seiner Mutter zu trotzen, vor Gericht zu gehen, mit der Aussicht, sein Unternehmen und sein Gold zu verlieren?

 

Was passierte dann?

 

Dann hätte sie einen gebrochenen Mann. Und nur weil seine Mutter sie hasste, weil sie nicht ertragen konnte, ihren Sohn mit ihr zu sehen! Und war es das wert? War es das alles wert, diesen Kampf zu kämpfen? Und ihn damit vielleicht noch mehr zu verlieren als jetzt?

 

Sie konnte ihm nicht helfen! Was machte sie sich vor? Er war nicht Harry. Er war nicht Ron! Diese beiden konnten vielleicht alles guten Gewissens für sie aufgeben, aber Draco Malfoy? Er war an sein Gold gekettet! Seine Seele gehörte seiner Familie, seinem Status, seinem Vermögen!

 

Wer war sie schon? Sie war Hermine Granger. Sie war… nichts weiter.

Pansy hatte vollkommen recht. Sie war das, was Draco hasste.

 

Und sie atmete aus. Die Luft verließ in Resignation und Hoffnungslosigkeit ihre Lungen. Sie spürte nichts mehr.

 

„Auf Wiedersehen“, flüsterte sie. Und sie sah ihn nicht an. Sie wollte sein schönes Gesicht keine Sekunde länger ertragen müssen. Sie hatte ein schlechtes Gefühl gehabt, als sie aufgestanden war. Sie hatte ein schlechtes Gefühl gehabt, als sie hergekommen war. Wieso war sie hier überhaupt? Was hatte sie sich versprochen? Wäre sie doch niemals hergekommen, hätte sie das hier doch hinausgezögert, bis es unvermeidbar gewesen wäre.

 

Sie hatte sich abgewandt, aber es geschah in ihrer Trance.

 

„Granger“, hörte sie seine brüchige Stimme, aber die Tränen nahmen ihr die Sicht, als sie nach der Tür tastete. Sie ignorierte seine Stimme.

 

Das war es jetzt. Und das Gefühl war so bodenlos, dass sie sterben wollte. Auf der Stelle.

 

Was hatte sie nur getan?! Was hatte sie getan…?

 

Sie musste fort von hier! Auf dem Flur stützte sie sich an den Wänden ab, stolperte weiter. Nur schnell weg, nur raus hier!

 

Fort….

 

~*~

 

„Emma Crane“, sagte er tonlos. Die Augen hatte er leer nach vorne gerichtet. Der Gerichtssaal war unglaublich voll. Auroren, Wärter, Heiler – alle möglichen Gestalten hatten sich versammelt. Und er hatte den Namen ausgesprochen. Den Namen des Mädchens, das tot in der Badewanne gelegen hatte.


„Sie sind sicher? Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Veritaserum anwenden?“

 

Draco schüttelte den Kopf. Er wusste nicht einmal mehr, wer die Fragen stellte. Ein Zauberer erschien in seinem Blickfeld. Draco ergriff den Flakon mit klarer Flüssigkeit und trank widerstandslos. Sofort fühlte er sich benebelt. Seine Zunge schien leichter in seinem Mund. Er hörte die Fragen des Richters wie aus weiter Ferne.

 

Erneut antwortete er, beantwortete alle Fragen bezüglich dieses verhängnisvollen Tages erneut. Nur am Rande nahm er war, wie Lucius von mehreren Auroren festgehalten werden musste, wie er stumm gehext wurde, und Dracos Zunge sprach. Sie sprach so viele Worte.

 

Er erinnerte sich an viele Dinge. An so viele Prügelstrafen. Er erinnerte sich, dass Lucius Narzissa genauso geschlagen hatte, wie ihn. Er erinnerte sich an die vielen Muggel, erinnerte sich an die Todesser treffen, erinnerte sich an den Tag, an dem er gezwungen wurde, das Mal tragen zu müssen, erinnerte sich an die Schmerzen, an die Angst und nach einer Weile kehrte das Gefühl zurück in seine Gliedmaßen.

 

Das Veritaserum verlor an Wirkung.

 

„Vielen Dank, Mr Malfoy“, sagte der vorsitzende Richter.

 

Dann sprach er von Beweislast, beriet sich mit Madame Tallis, die Draco als zurechnungsfähig beschrieb, die Aussagen ohne weiteres als zutreffend, und als die magische Strafverfolgung mit dem Beweis eintraf, dass auf dem Grundstück von Malfoy Manor die Überreste eines menschlichen Körpers, gebannt in einem Transformationszauber, gefunden worden waren, ging alles sehr schnell.

 

Die Strafe wurde verhängt. Er bekam nicht viel davon mit. Er kam nicht mit, was sein Verteidiger zu ihm sagte, er bekam das große Treiben nicht mit, als Lucius abgeführt wurde, er bekam nicht mehr mit, wie die Auroren den Saal verließen und wie ihn die Richter entließen.

 

Er spürte etwas Seltsames. Seine Hände wurden kalt. Alles in ihm wurde kalt. Alles verschwamm, bis er ihr Gesicht erkennen konnte. Ihr wunderschönes Gesicht.

Er hatte… sie verloren.

 

Mr Malfoy!“, drang die besorgte Stimme von Madame Tallis wie durch Wasser an seine Ohren, aber er konnte sie nicht sehen. Irgendwas passierte. Kurz spürte er Panik durch seinen Körper zucken. Kurz versuchte er sich gegen das zu wehren, was ihn befiel.

„Draco!“, rief sie wieder, aber er schaffte es nicht. „Wir verlieren ihn! Schnell, meinen Zauberstab!“, rief sie in eine andere Richtung.

 

Dra-“

 

Ihre Stimme war abgerissen. Er sah nur noch ihr Gesicht. Sah nur noch ihre braunen Augen.

 

Wo war er gelandet? Schemenhaft erkannte er verschwommene Umrisse, verschwommene Gestalten, die sich auf ihn zu bewegten, aber nur in einem verschwommenen Ring, um Grangers Erscheinung, die sich in sein Blickfeld gebrannt hatte.

 

Verflucht. Er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht sprechen und wusste, er hatte soeben seinen Verstand verloren. Er hatte ohne sie seinen Verstand verloren….

 

 

Kapitel 18

 

Es vergingen Tage. Wochen.

 

Alles blieb still. Sie kam nicht mehr jeden Tag. Sie wusste nicht mal, ob er sie überhaupt sehen konnte. Ob er überhaupt wusste, wo er war.

Er saß den ganzen Tag. Ob in einem Rollstuhl, einem Lehnstuhl, in seinem Bett. Er starrte geradeaus, die grauen Augen leer und ausdruckslos, völlig verloren, in einer Welt, zu der sie keinen Zugang besaß.

 

Die Therapeutin vermutete, dass der Stress, das Absetzen der Medikamente, der Schmerz und das Geständnis, die Erinnerungen, all der Schmerz einen totalen Zusammenbruch ausgelöst hatten.

 

Sein Körper hatte abgeschaltet.

 

Er war nicht mehr hier, so sagten die Heiler.

 

Das Essen bekam er magisch verabreicht. Seine Vitalfunktionen wurden ebenfalls mit Magie aufrecht erhalten. Er schlief mit einem Zauber und wurde mit einem Zauber wieder geweckt. Klinisch gesehen war er nicht mehr lebendig. Seine Gehirnfunktionen wurden mit einer nahe Null-Aktivität gemessen.

 

Sie glaubte, dass sie manchmal seine Augen zucken sah, wenn sie zu ihm sprach, auch wenn sie nur seine Hand hielt. Es war keine echte Lethargie. Es war kein echtes Wachkoma. Es war etwas zwischen allen Dingen.

 

„Guten Morgen, Draco“, sagte sie leise und ergriff seine Hand. Sein Kiefer hing etwas schlaffer. Eine der Schwestern hatte ihn rasiert, fiel ihr auf. Sie hatte ihm in die Wange geschnitten. Missbilligend strich sie mit Finger über das trockene Blut. Kurz glaubte sie, dass sich seine Iris verkleinerte. Ganz kurz.

 

Aber sein Körper regte sich nicht, in dem Stuhl, in dem er saß. Man hatte ihn vor ein Fenster geschoben.

 

„Wie hast du geschlafen?“, erkundigte sie sich, wie jedes Mal. „Gut?“ Sie betrachtete sein ausdrucksloses Gesicht. „Ich war die letzte Woche nicht hier, denn Ginny hat Harrys Sohn zur Welt gebracht“, fuhr sie leiser fort. „James Sirius Potter“, sagte sie lächelnd.

„Na ja… die Geburt hat zwanzig Stunden gedauert, alle sind wohlauf“, schloss sie freundlich.

 

„Dem Unternehmen geht es… na ja… gut. Witherby kümmert sich um… alles. Er ist wirklich eifrig. Eine gute Entscheidung, ihn einzustellen.“ Die Heiler hatten ihr geraten, so natürlich wie möglich mit ihm umzugehen, dass eine geringe Chance bestand, dass er einfach wieder aufwacht, aus der Lethargie schnappte. Dennoch enthielt sie ihm die schlechten Nachrichten. Besser war es wohl.

 

„Madame Tallis kommt heute Nachmittag vorbei. Sie… haben Lucius gestern in Askaban den Kuss verpasst. Ich dachte, ich sage es dir“, flüsterte sie, während ihr Daumen abwesend Kreise über seinen kalten Handrücken strich.

 

„Ich… werde in Urlaub fahren, Draco. Mit… Ron“, fügte sie schnell hinzu. „Er hat mich eingeladen. Harry und Ginny sind häufig im Fuchsbau, denn Molly kümmert sich zu gerne um das Baby. Und… Ron dachte, es wäre eine Abwechslung nach all der…“ Sie sprach nicht weiter. Was sollte sie sagen? Sie führte nur Selbstgespräche mit ihm.

 

Es war viel Zeit vergangen. Mehr als ein Monat war vergangen. Madame Tallis hatte ihr erklärt, Draco hätte abgeschaltet. Sein Körper hätte aufgehört, wach zu sein. Er hätte sich geweigert. Und Hermine verstand. Vielleicht. Es war an der Zeit gewesen. Es war zu schmerzhaft für ihn. Es hatte passieren müssen. Vielleicht.

Sie erkannte ihn nicht mehr. Und er driftete immer weiter fort von ihr. Sie wusste nicht, ob sie ihn zurückholen konnte.

 

Und ob er das überhaupt wollte? Vielleicht ging es ihm gut, da wo er jetzt war? Und sie wusste, die Heiler ließen die Frage im Raum schweben, wie lange sie noch warten würden. Draco Malfoy hatte genügend Gold, um für immer in diesem Status der Lethargie zu bleiben, natürlich. Aber… ob er das wollte?

 

Und Madame Tallis hatte ihr gesagt, dass sie nicht genau bestimmen könnte, wie er reagieren würde, sollte er noch einmal aufwachen. Hermine schluckte schwer, wie jedes Mal, wenn sie daran dachte. Er könnte ernste Schäden davon getragen haben, könnte sein Sprachzentrum vielleicht nie mehr bedienen, hatte vielleicht immense Gedächtnislücken.

 

Die Chancen, dass er es unbeschadet schaffte waren gering.

 

Sie schloss die Augen, denn es machte sie traurig, ihn so zu sehen.

 

„Draco“, flüsterte sie und lehnte sich näher zu ihm, ohne dass er augenscheinlich reagierte. „Wo bist du jetzt?“

 

~*~

 

Oh verfluchte Scheiße! Er würde noch wahnsinnig werden!

 

Wo er war?! Er saß hier. Hier auf einem verdammten Stuhl, im verdammten Mungo, und sein verdammter Körper hatte ihn im Stich gelassen! Und sie wollte mit Weasley in Urlaub fahren? Hatte sie ihren verdammten Verstand verloren?!

 

Nein. Er hatte ja seinen verdammten Verstand verloren. Dabei sah er noch nie so klar wie jetzt! Wie verdammt noch mal genau jetzt! Und ausgerechnet jetzt hatte sie sein Körper entschieden, ein sabbernder Idiot zu werden!

 

Das Unternehmen lief gut? Gut. Er hatte nichts anderes von Witherby erwartet. Und Lucius‘ Seele war fort? Auch gut. Wirklich gut!

 

Und wo war er? Ja, wo war er zum Teufel noch mal?

 

Er wusste es nicht. Wenn er wach war, sah er alles, hörte jeden und konnte nicht reagieren. Er war wütend. So wie sie sprach musste er… aussehen wie ein Wrack!

 

Granger! Er dachte es voller Zorn, mit großem Drang, aber nichts passierte. Er versuchte, seinen Kiefer anzuspannen, seine Muskeln zu gebrauchen, seinen Blick zu heben, aber nichts passierte! Und es passierte seit Wochen nichts. Wie demütigend es war, von fremden Schwestern gewaschen, umgezogen, gepflegt, gefüttert zu werden, ohne auch nur mit der Wimper zucken zu können!

 

Wie sie ihn in den Schlaf zwangen, wie ihn Träume überrollten, die er nicht kontrollieren konnte! Wie viele Heiler tagtäglich rein schneiten, ihn berührten, ihn testeten, in sein Gehirn drangen und trotzdem nicht erkennen konnte, dass er nicht weg war! Er war genau hier!

 

Er hatte schon die Theorien durchgespielt, dass er nicht wirklich hier war. Dass er in der Hölle war. Dass das die Hölle sein müsste, in der er im Mungo gefangen war, ohne sprechen zu können, ohne überhaupt irgendetwas tun zu können!

 

Er hasste es! Wenn er doch nur seine Arme heben könnte! Wenn er doch nur… irgendwas tun könnte!

 

Und er versuchte es. Jedes Mal, wenn sie da war! Warum verpasste sie ihm keine Ohrfeige? Keinen Schock mit dem Zauberstab? Wieso ließ sie ihn hier sitzen, behandelte ihn wie ein rohes Ei?!

 

GRANGER!!!, schrie sein Inneres praktisch in ihr Gesicht, aber sie bemerkte es nicht mal.

 

Er musste raus hier! Er musste raus aus seinem Körper! Er hatte lange genug hier gesessen, allein, zurückgezogen und wahnsinnig. Aber er war ja nicht wahnsinnig! Merlin, noch mal! Seine Therapeutin war ebenfalls eine herbe Enttäuschung. Sie versuchte nicht mal wirklich, ihn zu retten.

 

Draco gab nach. Es half nichts. Granger würde gleich verschwinden, wahrscheinlich ihre scheiß Koffer packen, um mit diesem hinterhältigen Arschloch von Weasley Urlaub zu machen, indem er bestimmt versuchen würde, sie zu gewinnen. Arschloch, verfluchtes scheiß Arschloch!

 

Gott!

 

Er spürte kurz, wie sich seine Pupillen verengten. Und sie sah es. Sie sah jede kleine Bewegung in ihm.

 

Aber eine solche Wut konnte er nicht die gesamte Zeit aufrechterhalten. Vor allem nicht, wenn das einzige Resultat darin bestand, dass seine Pupille kleiner wurde.

Merlin! Er sah, wie sie aufstand.

 

Er sah aus den Augenwinkeln, wie sie ging.

 

Und er hatte keine Ahnung, wie lange ihn die Schwestern dort hatten sitzen lassen. Vor dem scheiß Fenster, mit dem scheiß Ausblick, der ihn kaum weniger interessieren konnte als die Beziehung zwischen Schwester Laura und dem Pfleger Paul.

 

Sein Verstand driftete manchmal ab. Manchmal verließ er seinen Körper und fand sich an seltsamen Orten wieder. Er konnte sie alle irgendwo in der Nähe von Hogwarts einordnen. Oft genug kam er selber nach Hogwarts zurück.

 

Aber er schaffte es nie, das Schloss zu betreten.

 

Aber heute… rannte er.

 

Er rannte auf die Portale zu, ehe sie sich schließen konnten. Er spürte, wie sein ganzer Körper zitterte, vor Anstrengung, spürte, wie er schneller rannte, wie Schweiß auf seinem gesamten Körper ausbrach. Nur am Rande seiner Wahrnehmung, spürte er, wie Hände ihn ergriffen, ihn wegzerrten, aber er konnte es nicht einordnen, konnte nicht sagen, was Traum oder Wirklichkeit war. Oder war all das nur ein Traum?

 

„Er hat einen Schock!“, vernahm er die dumpfe Stimme von Heiler Johnson, aber schon verstummten alle Nebengeräusche und er warf sich mit voller Kraft durch die Tore des Schlosses und segelte über Steinfußboden. Er schlitterte weiter vor,  als wäre der Boden spiegelglatt, direkt in die Große Halle.

 

Er war allein, als er plötzlich liegen blieb.

 

Alles schmerzte ihn, aber er hob den Blick. Die Haustische waren verlassen. In den Kaminen flackerten heruntergebrannte Feuer, und er setzte sich keuchend auf.

 

Ganz hinten am Lehrertisch erkannte er eine Erscheinung. Es konnte nichts anderes sein, denn… Draco wusste, es konnte nicht anderes sein.

 

Er kam auf die Beine, und es kam ihm vor, als wäre er seit Monaten nicht aufgestanden. Sein Körper zitterte bei jedem Versuch, einen Schritt zu machen. Er taumelte vorwärts, nicht willig, aufzugeben, bis er das Ende der leeren Halle erreicht hatte.

 

Dumbledore schien geduldig zu warten.

 

Und Draco brach vor dem Lehrertisch zusammen. Keuchend, am Ende seiner Kraft.

 

„Draco“, begrüßte ihn der Mann freundlich. Draco hob den tränenverhangenen Blick. Er schaffte es kaum, zu Atem zu kommen. Es war wirklich Dumbledore. Seine Brillengläser glänzten im schwachen Feuerschein. Sein Bart war lang und genauso weiß, wie er ihn in Erinnerung hatte. Dumbledore hatte ihn vorne unterm Kinn mit einem Silberband zusammengefasst.

 

Er trug einen weißen Umhang, keinen Hut, keinen Zauberstab.

 

Er hatte die langen knochigen Finger ineinander verschränkt und schien nur darauf zu warten, dass Draco sich erholte.

 

Ein Lächeln zierte das Gesicht des alten Mannes, und Draco kam endlich wieder zu Luft.

 

„Professor“, entfuhr es ihm rau. Der Mann lächelte. „Ich träume wieder?“ Es war wirklich eine Frage, denn Draco wusste es nicht wirklich. Der Mann lächelte weiterhin.

 

„Ja“, sagte er schließlich.

 

„Wie wache ich auf?“, rang er sich keuchend ab.

 

„So wie jeder andere auch, Draco“, erwiderte Dumbledore mit einem kryptischen Lächeln, aber Draco schüttelte den Kopf.

 

„Ich verstehe nicht!“, presste er hervor. „Ist das der Tod?“

 

Dumbledore sah sich ratlos in der Großen Halle um.

 

„Denkst du, der Tod holt dich aus Hogwarts ab?“

 

Draco starrte ihn an. Woher sollte er so etwas wissen?! Dumbledore erhob sich schwerfällig.

 

„Sie sind tot!“, beharrte Draco und sah Dumbledore zu, wie er den Lehrertisch gemächlich umrundete und auf ihn zukam.


„Ja, Draco. Ich bin tot. Aber zwischen Schlafen und Wachen besuche ich manchmal Menschen, die meine Hilfe brauchen“, erklärte er freundlich, und griff ihm unter die Arme. Draco spürte, wie er auf die Füße gestellt wurde. Wacklig blieb er stehen.

 

„Sir!“, entfuhr es ihm hilflos, als Dumbledore ihn loslassen wollte. Dumbledore hielt also inne. Und es kam Draco so real vor. So unglaublich wahrhaftig! „Was soll ich tun?“, fragte er jetzt.

 

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Dumbledore schulterzuckend und ließ ihn schließlich los. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Sein weißes Gewand war so hell, wie das Licht selbst. „Du kannst tun, was du willst“, fuhr er lächelnd fort.

 

„Ich will zurück!“, entgegnete Draco heftig.


„Was hält dich?“, wolle Dumbledore interessiert wissen.

 

„Ich… weiß es nicht“, gestand Draco atemlos.

 

„Du bist wütend. Und verletzt“, schloss Dumbledore nickend. „Alle negativen Emotionen kommen mit einem Preis, Draco.“

 

„Ich verstehe nicht…“

 

„Wenn du noch länger hier verweilst, gibt es Weg mehr hinaus.“

 

„Was?“ Draco starrte den Mann vor sich an.

 

Dumbledore deutete lächelnd um sich. „Hier, Hogwarts, deine Träume. Vergeude nicht zu viel Zeit.“

 

„Ich… verstehe nicht.“

 

Dumbledore beugte sich näher zu ihm hinab, so dass Draco seine leuchtend blauen Augen sehen konnte. So blau wie das Meer, so tief wie ein endloser Abgrund.

 

„Geh jetzt, Draco. Ich muss gehen“, fügte er hinzu.

 

„Was? Gehen? Wohin? Sie…?“

 

„Ich bin seit einer Woche hier mit dir. Ich habe andere Dinge zu erledigen. Du nicht auch?“, fragte seine ruhige Stimme, und er runzelte die Stirn. Draco schnappte nach Luft.

 

„Was? Ich bin gerade erst durch diese Tür gefallen!“, behauptete Draco und deutete nach hinten.

 

„Gerade für dich. Aber… wir sind schon eine Weile hier. Es wird Zeit. Du kannst natürlich bleiben, wenn du willst. Hogwarts ist immer für dich da. Aber… es könnte einsam werden“, gab er zu bedenken, und Draco sah, wie er vor seinen Augen verschwamm.

 

„Sir?“, entfuhr es ihm panisch. „Dumbledore!“

 

Aber Dumbledore war verschwunden. Das Feuer brannte langsam herunter. Draco wandte sich um. Die Türen der Großen Halle standen offen. Aber er sah nicht mehr die Eingangshalle. Er sah ein Licht. Ein weißes, weites Licht. Es flutete den gesamten Eingang.

 

Als er den Kopf wandte, sah er eine weitere Tür, die vorher nicht da gewesen sein konnte.

 

„Wohin soll ich gehen?“ Er wusste nicht, ob er ins Licht sollte oder durch die nächste Tür. Was lag dort? Was erwartete ihn? War eine Richtung das Leben und die andere der Tod?

 

„Dumbledore?“, rief er in die Leere der Halle, aber es kam nichts zurück.

 

Plötzlich bebte die Halle, und fast fiel er von den Füßen. Er sah wie das weiße Licht flackerte. Er spürte, wie sein Ate flacher wurde. Und plötzlich wusste er, er durfte nicht durch die zweite Tür gehen. Aber sie kam bedrohlich näher. Seine Füße setzten sich schwach in Bewegung, er stolperte den Weg zurück, den er gekommen war. Er setzte an zum Sprint, sprintete in Richtung Licht.

 

Wieder bebte die Erde unter seinen Füßen. Der Boden der Halle brach auf, bröckelte und lange Risse zogen sich durch den festen Stein.

 

„Nein!“, schrie er als sich die Tür hinter ihm öffnete. Schwarzes Licht leckte an seinen Fersen, schien ihn fassen zu wollen, aber er warf sich mit aller Kraft nach vorne. Nein! Er wollte ins Licht! Er musste….

 

Plötzlich kippte die Welt. Er kippte nach hinten und fiel ohne Halt auf die Tür unter ihm zu, die ihre Pforten weit geöffnet hatte, gierig wartete, und er hörte Geräusche. Finstere Geräusche – und er schrie.

 

Das Licht über ihm verschwand.

 

„Nein! Nein!!!“

 

 

Er war gefallen. Alles war schwarz. Keuchend kam er zu Atem, schlug seine Augen auf und blinzelte in das grelle Licht der Zauberstäbe, die ihn beleuchteten.


„Er atmete! Er atmete! Schnell, holt mir die Therapeutin! Mr Malfoy?“

 

Heiler Johnson hatte sich über ihn gebeugt.

 

Mr Malfoy, können Sie mich hören?“ Wieder wurde ihm in die Augen geleuchtet. Er blinzelte heftig, spürte, wie sich seine Brust hob und senkte.

 

Nein! Er spürte, wie er zurückfiel, wie er wieder abtauchte in Dunkelheit.

 

Mr Malfoy!“, beharrte der Heiler weiter, und Draco zwang seinen Mund, sich zu öffnen. „Hier! Seht doch!“ Aber er schnappte lediglich nach Luft, ohne in der Lage zu sein, zu sprechen.

 

„Er kann nicht atmen!“

 

„Sollen wir ihn schocken?“

 

„Was soll das bringen, Caldon?“

 

Draco spürte, wie er schwächer wurde.

 

„Was soll es noch schaden können?“, widersprach der Zauberer. „Zurück!“ Draco sah, wie sich ein weiterer Heiler in sein Blickfeld schob.


„Das ist Wahnsinn! DU kannst ihn nicht-“

 

Stupor!“, rief der Heiler, und der lila Blitz traf Draco in die Brust.

 

Caldon!“, schrie Johnson, aber Draco spürte, wie sein Oberkörper durch den Schlag nach oben gerissen wurde. Für eine Sekunde saß er kerzengerade im Bett.

Luft strömte in seine Lungen, seine Augen so weit aufgerissen, dass er alles wahrnehmen konnte. Seine Hände hatten in das Laken unter ihm gegriffen, spürten den rauen Stoff, er schmeckte die sterile Luft, er spürte sogar seine Haarwurzeln in seinem Kopf.

 

Die Tür öffnete sich.

 

Madame Tallis kam völlig aufgelöst in das Zimmer gestürmt.

 

Mr Malfoy! Was haben Sie getan?“, fuhr sie die Heiler an.

 

„Wir haben ihn geschockt!“, erklärte ein Heiler. Madame Tallis schloss den Abstand. Er sah sie an.

 

Nein. Er würd er nicht zurückgehen! Er würde genau hier bleiben.

 

Mr Malfoy…“, flüsterte sie, und er sah sie musste wohl gerade erst wach sein, denn ihre Haare lagen wild auf ihrem Kropf, ihr Mantel war falsch geknöpft und sie trug Pantoffel an den Füßen. Er sah alles, wusste alles, aber… plötzlich befiel ihn eine Müdigkeit, die er nicht kannte.

 

Mr-“

 

Aber sein Mund öffnete sich plötzlich. Eine Träne rann seine Wange hinab. Er spürte die Kälte, die Feuchtigkeit in seinen Augen.

 

„Freitag…“, krächzte er, und Madame Tallis‘ Augen weiteten sich. „17. Dezember“, ergänzte er und sein Kinn zitterte.

 

„Was?“ Die Heiler starrten ihn an.


„Was redet er?“

 

„Das ist heute!“, entfuhr es Heiler Johnson verwirrt. „Was zum-“

 

Er sah, wie Madame Tallis in erleichterte Tränen ausbrach, ehe sein Körper zurück auf das Bett fiel. Er war eingeschlafen, noch bevor sein Kopf das Kissen berührt hatte.

 

Und er träumte gar nichts.

 

 

Kapitel 19

 

Sein Mund war trocken. Unglaublich trocken. Er hatte so unglaublichen Durst. Er musste seit Tagen in der Wüste gefangen sein, dachte er dumpf, als er träge seine Augen aufschlug. Seine Hand griff um seinen Hals und er kam röchelnd zu Atem.

 

„Wasser“, brachte er heiser über die trockenen Lippen und bekam sogar nahezu augenblicklich eine Flasche gereicht. Ein zuvorkommender Traum, überlegte er dankbar. Die Flasche zitterte in seinen Händen, als er sie an seine Lippen setzte. Es kam ihm vor, als hätte er seit Wochen nicht getrunken.

 

Und er trank, er trank, bis die Flasche beinahe leer war. Sie sank neben ihn, und seine Finger umklammerten den kühlen Hals.

 

Es fühlte sich alles neu an. Selbst der Geschmack des Wassers.

 

Er blinzelte in das Tageslicht.

 

„Guten Morgen, Mr Malfoy“, hörte er eine bekannte Stimme. „Wie geht es Ihnen heute?“

 

Und er hob den Blick zum Gesicht seiner Therapeutin. Es war, als hätte er sie seit Ewigkeiten nicht benutzt. Als hätte er seit Ewigkeiten nichts gesehen. Als wäre er blind gewesen.

 

Sie lächelte schließlich. Er setzte sich vorsichtig auf.

 

„Wo ist Dumbledore?“, entfuhr es ihm plötzlich, und er sah sich zum ersten Mal um. Er lag in einem weißen Zimmer, in einem Krankenbett. Ein weißer Tisch stand in der Ecke, daneben ein weißer Schrank. „Bin ich in Askaban?“, entfuhr es ihm tonlos, aber er bemerkte seinen Fehler, denn es gab keine Einbettzimmer in Askaban. Nicht mal für einen einfachen Kesseldieb.

 

„Also, Mr Dumbledore ist seit einigen Jahren tot, Mr Malfoy. Und was Askaban betrifft – Unschuldige kommen für gewöhnlich nicht nach Askaban“, schloss sie, während sie die Hände vor dem Bauch verschränkte.

 

Und er nickte langsam.

 

„Welchen Tag haben wir heute?“, fragte er plötzlich, und überrascht hoben sich ihre Augenbrauen.

 

„Können Sie mir das nicht sagen?“, wollte sie lächelnd wissen. Und er spürte, wie Erleichterung seinen Körper flutete. Er schüttelte den Kopf.

 

„Nein“, sagte er kopfschüttelnd. „Keine Ahnung“, fügte er hinzu, und mit aller Macht spürte er, wie seine Mundwinkel lächelten. Es schmerzte ihn kurz, aber Madame Tallis nickte zufrieden.

 

„Es ist Samstag, Mr Malfoy. Samstag, der 18. Dezember“, erklärte sie lächelnd.

 

„Dann muss ich heute wohl nicht arbeiten“, erwiderte er nickend. Er gähnte herzhaft.

 

„Wo waren Sie im letzten Monat, Draco?“, wollte sie nun interessiert wissen. Er lehnte sich wieder gegen die Kissen.

 

„Hier und da…“, gab er müde zurück.

 

„Ruhen Sie sich aus, die Heiler werden Sie später untersuchen, aber… Sie erscheinen mir… gesund zu sein“, sagte sie, etwas verblüfft.

 

Ein schiefes Lächeln zierte seine Züge.

 

„Wirklich? Das wäre das erste Mal, seit wir uns kennen, nicht wahr?“

 

Doch bevor er ihre Antwort hören konnte, war er beruhigt wieder eingeschlafen.

 

~*~

 

Gehen war nicht weniger anstrengend als wach zu sein, hatte er gereizt festgestellt. Aber tapfer drehte er seit einer Stunde seine Runden im Aufenthaltsraum, während Witherby ihn auf den neuesten Stand brachte.

 

„Immerhin können wir sagen, sie wirtschaftet alles in nur zwei Monaten zum Bankrott.“ Draco wusste nicht, ob er das gut fand oder bedenklich.

 

„Wann haben Sie gekündigt, Witherby?“, fragte er jetzt mit gerunzelter Stirn.

 

„An dem Tag, als Sie ins Koma gefallen sind, Sir. Ihre Mutter kam wie ein Todesbote zu uns, hat alles an sich gerissen und… nun… Sie sehen es ja selbst.“ Witherby hatte ihmdie Tageszeitung mitgebracht, und ja, er sah es selbst.

 

„Dafür sind Ihre Konten eröffnet“, erklärte Witherby freundlich.

 

„Meine Konten?“ Draco sah ihn an.

 

„Oh ja. Sie waren geschlossen worden, nachdem Sie ins Koma gefallen sind, Sir. Allerdings sind sie jetzt mit Ihrem Erwachen wieder zugänglich. Und…“ Witherby zog einen Schlüssel aus seinem Jackett, „ich habe mich um alles gekümmert.“

 

„Meine Mutter-“

 

„Das Erbe, was Sie nun nach Lucius‘ sagen wir mal… Ableben erhalten haben, steh alleine Ihnen zu.“ Draco schüttelte den Kopf.

 

„Was sagen Sie mir damit?“

 

„Na ja, dass Sie zwar keine Möglichkeit mehr haben, in die Malfoy Group zu kommen, weil Ihr Vater leider sicher gestellt hat, dass Ihre Mutter die alleinige Erbin der Malfoy Group ist, aber dafür erben Sie das Haus, das Erbe Ihres Vaters von Malfoy-Seite der Familie, und…“

 

„Das Haus?“, entfuhr es ihm verwirrt, aber Witherby sah ihn stirnrunzelnd an.

 

„Sicher, Häuser werden nur auf der männlichen Linie vererbt, Sir. Das sollte Sie doch wissen!“, mahnte er ihn streng. Draco schüttelte verwirrt den Kopf. „Außerdem wird Ihre Mutter das Unternehmen in kürzester Zeit herunter gewirtschaftet haben. Mit dem Quasi-Ableben Ihres Vaters erhält sie monatlich auch keine Alimente mehr. Es sei denn natürlich, Sie möchten sich darum kümmern?“, warf Witherby mit einem wissenden Lächeln ein.

 

„Oh, zur Hölle nein!“, erwiderte Draco ebenfalls lächelnd, aber er musste sich für einen Moment setzen.

 

„Und…“, fuhr Witherby fort, „ich habe etwas für uns ausgespäht“, ergänzte er jovial und setzte sich neben Draco.

 

„Und das wäre was?“, wollte Draco beunruhigt wissen, aber Witherby reichte ihm lediglich einen Ordner. Draco überflog die erste Seite. Er hob den Blick. „Ein Muggel-Center?“, stellte er die entsprechende Frage.

 

„Aber, Mr Malfoy. Ganz groß im Trend, ganz groß im Kommen. Muggel, die als Zauberer auserwählt und erkannt werden haben immer noch Eltern, die keine sind. Das Muggel-Center will diesen Leuten helfen, sich zu integrieren, alles zu lernen, was ihr Kind lernen wird…“, bemerkte Witherby immer noch mit einem seltsamen Lächeln.

 

„Ist das nicht ein bisschen viel?“

 

„Viel? Ich könnte mir kein besseres Projekt vorstellen, was Sie unterstützen könnten“, erwiderte Witherby vielsagend.

 

„Muggel?“

 

„Oder haben Sie ein Problem damit?“, erkundigte sich Witherby mit einem glatten Lächeln. Draco atmete aus. Er lauschte in sich. Muggel… Muggel…. Nein, er spürte gar nichts mehr bei diesem Wort.

 

„In Ordnung“, sagte er achselzuckend. „Was ist mit… mit Hermine?“, fragte er plötzlich, beinahe unwillig ihren Namen auszusprechen, und Witherby senkte den Blick.

 

„Sie kommt morgen von ihrer Reise wieder. Sie war so freundlich, mir eine Postkarte zu schicken, in der sie auch Sie ganz herzlich grüßen lässt.“ Draco verzog den Mund.

 

„Sie ist dort mit Weasley?“, entfuhr es ihm kalt.

 

„So scheint es, Sir“, erwiderte Witherby nickend.

 

„Wo arbeitet sie?“, fragte er weiter.

 

Mr Potter hat ihr eine Anstellung im Ministerium besorgt, Mr Malfoy. Sie arbeitet in der Abteilung der Muggelrechte“, gab Witherby zurück.

 

„Wie passend“, erwiderte er mit erhobener Augenbraue.

 

„Ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir“, entgegnete Witherby gefasst und täuschend kühl. Aber Draco lächelte nur.

 

„Weihnachten steht vor der Tür“, sagte Draco schließlich mit einem Stirnrunzeln.

 

„Gedenken Sie zu feiern?“, griff Witherby seine Gedanken jetzt auf, und Draco tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen sein Kinn.

 

„Vorher gedenke ich zu renovieren, Witherby“, erwiderte er gedehnt. „Sagen Sie, schafft es der Gärtner wohl die Hecke samt Labyrinth in den nächsten Tagen rauszureißen?“, wollte er lapidar wissen, und Witherbys Augen weiteten sich kurz.

 

„Schwierig zu sagen, Sir“, eröffnete dieser. „Einfacher wäre ein kompletter Umzug“, fuhr er fort.


„Umzug?“, wiederholte Draco.

 

„Ich habe zufällig den Immobilienteil der Zeitung bei mir“, sagte Witherby plötzlich. Dracos Mundwinkel hoben sich langsam.

 

„Ich glaube nicht, dass ich alleine in der Lage bin, umzuziehen, Witherby“, bemerkte Draco kopfschüttelnd.


„Nein, aber… getreue Freunde würden Ihnen bestimmt helfen“, sagte Witherby mit einer vagen Andeutung.

 

„Und wo finde ich solche Freunde wohl?“, wollte Draco mit gewecktem Interesse wissen.

 

„Das lassen Sie meine Sorge sein, Sir.“

 

Witherby, ich glaube eine Beförderung steht Ihnen ins Haus“, erklärte Draco, während er sich mit einem Ächzen erhob, um weitere Runden zu gehen, um seine Muskeln wieder aufzubauen. Es war seltsam, aber Witherby schien keinen Zweifel an seiner Gesundheit zu haben.

 

Nicht den kleinsten. Und Draco fühlte sich… gut. Er fühlte sich… zum ersten Mal frei….

Frei von allem. Frei von Schuld. Frei von en schlimmen Gefühlen. Frei von… Schmerzen.

Das Mal kümmerte ihn nicht mehr. Er spürte es gar nicht mehr. Er war wie geheilt.

 

„Na sieh mal einer an. Gerade noch wahnsinnig und jetzt schon auf den Beinen.“ Er wandte sich lächelnd um.

 

„Pans, wenn ich dein loses Mundwerk nicht hätte, wüsste ich nicht, wie ich den nächsten Tag jemals überleben sollte“, erwiderte er spitz, und er sah ihr sehr kurz an, dass weitaus erleichterte war, als sie zuließ. Sie kam auf ihn zu, in so hohen Schuhen, dass sie fast so groß war wie er. Ihr Mund hatte sich zu einem Lächeln geteilt, und es war tatsächlich aufrichtig.

 

„Du Idiot, ich hab mir fast Sorgen gemacht“, murmelte sie, als sie ihn umarmte. Er erwiderte diese Geste überrascht.

 

„Dass ich nicht aufwache?“, mutmaßte er, als sie ihn wieder ansah, aber sie schüttelte den Kopf. Wirkten ihre Augen glasig? Konnte das wohl sein? Sollte er sie darauf ansprechen? Er war geneigt, es zu tun.


„Nein, Malfoy. Dass du nie wieder du selbst bist“, flüsterte sie dankbar, und sein Mund öffnete sich perplex. Sie umarmte ihn erneut. So viel Gefühle waren Pansy unter gewöhnlichen Umständen gar nicht zuzutrauen.

 

„Pansy Parkinson, bist du es wirklich?“, vergewisserte er sich ungläubig und hielt sie an den Schultern von sich weg. Er betrachtete ihr Gesicht, und sie sah ihn an wie eine Erscheinung.

 

„Willkommen zuhause“, erwiderte sie und tatsächlich fiel eine winzige Träne auf ihre gepuderte Wange.

 

„Tz, tz, Pansy“, mahnte er mit halbem Ernst. „Dein Makeup“, fügte er nickend hinzu. Aber sie lachte auf.

 

„Oh, ich habe dich vermisst“, entgegnete sie, taub für seine Worte, und er ließ sich ein weiteres Mal drücken. Dann wich sie vor ihm zurück, fuhr sich kurz über beide Wangen und begrüßte Witherby mit einem steifen Nicken. Dieser tat so, als wäre der Boden besonders spannend.

 

„Und, irgendwelche Pläne?“, fragte sie wie beiläufig. Er ruckte mit dem Kopf.

 

„Nichts Großes. Wir investieren in ein Muggel-Center, wir ziehen um, ich poliere Weasley die Fresse – das übliche“, erklärte er schulterzuckend. Sie sah ihn erstaunt an.


„Du… ziehst um? Muggel-Center?“, wiederholte sie verdutzt, und schüttelte dann den Kopf. „Und immer noch Granger?“, fügte sie nach einer Weile hinzu, und er lächelte.

 

„Keine Ahnung“, entgegnete er ehrlich.

 

„Du weißt nicht, ob du sie magst?“

 

„Ich… denke, es wäre besser, wenn… sie sich von mir fern halten würde. Ich war nicht besonders…“ Ihm fehlten kurz die Worte. Er hatte mit ihr geschlafen. Oh ja. Er schüttelte knapp den Kopf und sah Pansy an. „Ich war mit Hermine Granger zusammen?“, wiederholte er, als wäre es etwas vollkommen absurdes, was im Klitterer kopfüber stand.

 

Pansy sah ihn ausdruckslos an.

 

„Draco Malfoy war mit Hermine Granger zusammen“, wiederholte sie etwas atemlos. Beide sahen sich an. Er schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken zu verscheuchen. Vorerst zumindest. Alles zu seiner Zeit.

 

„Pansy, kommst du zu meiner Weihnachtsfeier?“ Und noch einmal schien er sie komplett kalt zu erwischen.

 

„Draco Malfoy feiert Weihnachten?“, vergewisserte sie sich ungläubig und tauschte einen Blick mit Witherby, der höflich lächelte. „Ok, so langsam glaube ich, sie haben dich lediglich ausgetauscht. Wo ist der echte Draco?“

 

Aber er lächelte. Er lächelte tatsächlich. Pansy schüttelte beeindruckt den Kopf.

 

„Ok. Weihnachten. Ich wette, du traust dich nicht, Potter und Weasley einzuladen!“, sagte sie sofort und sah ihn lauernd an. Er schien kurz zu überlegen.


„Betrachte diese Wette als angenommen, Parkinson“, erwiderte er überlegen.

 

~*~

 

Der letzte Tag war gekommen, und sie hatte es fertig gebracht, sieben Tage von ihm zu träumen. Jede Nacht. Ron würde sich zweimal überlegen, ob er sie überhaupt je noch ein einziges Mal mitnehmen würde. Und sei es nur zum Essen, überlegte sie, während sie ihre Sachen packte.

 

Sie war klug genug gewesen, getrennte Zimmer vorzuschlagen. Das kleine Cottage in Schottland lag verschlagen zwischen den Hügeln, und die Spaziergänge um den See warenm auch schön gewesen, genauso wie das kleine Dörfchen, indem sie jeden Abend einen neuen Pub besucht hatten.

Aber sie befürchtete, dass Ron sich etwas anderes als Spaziergänge und Gespräche gewünscht hatte.

 

Aber sie hatte es ihm nicht geben können. Seit gestern war er merklich still geworden.

Die Reise nahte sich dem Ende, und sie hatten sie also als Freunde beendet. Sie war froh, dass er kein Gespräch auf dieses Thema gelenkt hatte.

 

Sie glaubte auch, er war wahrscheinlich erleichtert, dass Draco im Koma lag, auch wenn er es nicht sagte und sie es gar nicht denken wollte.

 

„Ron?“ Sie sah ihn an, als sie in Durchgangsflur trat. Er stand stirnrunzelnd vor dem Fenster, einen Brief in der Hand. Er hob den Blick.

 

„Wir haben Post“, bemerkte er stumm. Sie kam langsam auf ihn zu.

 

„Etwas Schlimmes?“, deutete sie ängstlich seinen Blick, aber er ruckte mit dem Kopf. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. Und er sah sie nicht einmal an. Sie nahm sich den Brief, der ihren Namen trug. Die Handschrift war geschwungen und fein. Die einer Frau, erkannte sie.

 

Sie öffnete den versiegelten Umschlag mit fahrigen Fingern. Wer schrieb ihr im Urlaub? Ihre Arbeit konnte es ja nicht sein. Ron verließ das Zimmer, noch während sie las. Seinen Brief hatte er auf den kleinen Tisch vor dem Fenster geworfen.

 

Ihre Augen verschlungen die Zeilen förmlich.


Sehr geehrte Miss Granger,

 

im Rahmen der Feiertage und der Nächstenliebe möchte Mr Malfoy eine Einladung an Sie aussprechen, zu den Festlichkeiten in seinem Hause anwesend zu sein.

Anbei befindet sich die Adresse. Geladen wird zum 24.12. ab sechs Uhr am Abend.

Ihr Kommen wird hoffnungsvoll erwartet.

 

Im Auftrag,

W. Witherby

 

Sie las den Brief erneut.

 

Was?! Malfoy? Er… war wach? Wieso war sie nicht informiert worden? Und was für ein unpersönlicher Brief sollte das sein? Sie griff sich Rons geöffneten Brief. Und er war in derselben Art und Weise mit derselben Wortwahl verfasst.

 

Malfoy lud sie zu einer Weihnachtsfeier ein? Wen noch? Harry etwa auch?

 

Ihr Herz schlug laut in ihrer Kehle. Wieso hatte er sich nicht gemeldet, wenn er wieder wach war? Und ging es ihm so gut, dass er eine Feier veranstalten konnte? Oder war er wahnsinnig geworden und musste Witherby deshalb schreiben? Sie hatte viele Fragen, aber dieser Brief gab ihr nicht eine einzige Antwort darauf.

 

Die Adresse war ihr nicht bekannt, und… es war nicht Malfoy Manor!

 

Also, wo fand diese Feier statt?

 

Und es waren nur noch vier Tage bis dahin! Und wie sollte sie sich entscheiden? Sie wollte ihn sehen. Natürlich wollte sie das. Aber… er hatte sich nicht bei ihr gemeldet!

Was sollte also dieser Brief bedeuten, den er an jeden verfasst hatte? Nicht einmal er selber!

 

Sie biss sich wütend auf die Lippe.

 

So teilte man jemandem bestimmt nicht mit, dass man noch am Leben war, dachte sie zornig. Sie war immerhin seine Freundin! Zumindest gewesen. Ach, sie wusste es auch nicht! War sie noch seine Freundin? Hatte er alles vergessen?

Wie ging es ihm? Ging es ihm gut?

 

Sie wollte auf der Stelle zurück nach London.

 

Hastig wandte sie sich um und erschrak, als sie Ron im Türrahmen erkannte. Er musste ihr ihre Aufgewühltheit ansehen können, nahm sie an. Er sah sie traurig an.

 

„Hermine…“, begann er, sprach aber nicht weiter.


„Ron, wir müssen zurück!“, sagte sie nur, ohne ihn anzusehen. Sie schritt auf ihn zu.

 

„Ich will nicht zu ihm. Was auch immer er-“

 

„Er ist wach, Ron“, war alles, was sie mit unglaublichem Nachdruck sagte.

 

„Und deswegen lässt du jetzt alles stehen und liegen und willst zurück? Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, dir Bescheid zu sagen!“, entfuhr es ihm.

 

„Ron!“, wiederholte sie leiser, aber er wich zur Seite aus.

 

„Fein! Wie du willst. Ich hoffe doch, er ist jetzt nur noch ein retardierter Haufen, und-“

 

„Halt deinen Mund!“, unterbrach sie ihn scharf. Oh, sie war so wütend! Auf ihn, auf Draco! Auf jeden!

 

Schon war sie an ihm vorbei. Sie wollte nach Hause. Unbedingt.

Was für eine Dreistigkeit. Und sie hoffte selber, dass er sich zumindest in einem Zustand befand, der ihn daran hinderte, ihr höchstpersönlich zu schreiben! Sie hoffte es wirklich! Denn sie nahm es übel. Wirklich, wirklich übel!

 

 

Kapitel 20

 

James Sirius Potter lag träge in ihren Armen. Er schlief. Das war auch überwiegend, was er tat. Und sie hatte herausgefunden, alle Weasleys und alle Potters waren ebenfalls von Draco Malfoy zu seiner Weihnachtsfeier eingeladen worden. Sogar James war eingeladen worden.

Ginny wollte nicht gehen, aber Harry hatte den Gedanken geäußert, dass es vielleicht eine nette Geste sein könnte.

 

Molly hatte sich von Anfang an geweigert, da sie selber eine Weihnachtsfeier plante.

 

„Und ich hoffe ernsthaft, ihr überlegt nicht zweimal, wohin ihr gehen werdet!“, warf sie warnend in die Stille nach dem gemütlichen Teetrinken ein. Sie hatte die Hände bedrohlich in die Hüften gestemmt. „Ich wäre bereit, Draco Malfoy hier zu empfangen, wenn es das ist, was du überlegst“, wandte sie sich an Hermine, und diese zuckte erschrocken zusammen.


„Was?“, flüsterte sie verständnislos.

 

„Ist er nicht… dein Freund?“, wollte Molly fast peinlich berührt wissen. „Zumindest war er das doch noch, bevor er… ins Koma gefallen ist. Oder nicht?“

 

Sie hatte niemandem erzählt, dass er sie entlassen hatte. Sie hatte es selber fast wieder vergessen. Sie erinnerte sich aber noch gut an seine letzten Worte. Und… eigentlich glaubte sie nicht, dass er wirklich wollte, dass sie in sein Haus zu einer Feier kam.

Sie konnte sich nur vorstellen, dass er vollkommen vergessen hatte, was passiert war.

 

„Ich werde natürlich mit euch im Fuchsbau feiern“, sagte sie leise genug, damit James nicht aufwachte. „Molly, das… ist doch gar keine Frage“, fügte sie beschämt hinzu.

 

„Gut. Dann… lade ich ihn hierhin ein?“ Molly schien dieses Gespräch unangenehm zu sein. Hermine zögerte verzweifelt. Es war ihr genauso unangenehm.

 

„Ich glaube, das ist nicht nötig. Ich denke nicht, dass er …“

 

„Hier her kommen würde?“, unterbrach Molly sie ungläubig. „Ist es ihm nicht fein genug?“

 

„Nein! Das war nicht, was ich…“

 

„Dann werde ich ihn einladen, und dann kann er immer noch absagen. Wie wäre es damit?“ Und sie sah Molly an, dass sie noch mehr Fragen hatte. Dass sie bestimmt gerne wissen wollte, weshalb Hermine Draco Malfoy ihrem eigenen Sohn vorziehen konnte.

 

Aber Hermine wollte nicht an ihn denken. Er war nicht mehr im Mungo gewesen, als sie gestern schamloserweise dort aufgetaucht war, um ihn zu suchen. Er war gesund entlassen worden, war ihr von den Heilern versichert worden.

Und sie war sogar zu der neuen Adresse appariert. Das Grundstück lag weit im Innern des ländlichen Londons. Viele Zauberer waren dabei gewesen, das Haus zu streichen, andere hatten das Dach neu gedeckt, wieder andere trugen endlos viele Möbel hinein.

 

Sie war umgekehrt, als ihr der Schmerz die Kehle zugeschnürt hatte. Sie war direkt nach Hause gegangen. Sie hatte mit keinem mehr gesprochen, und bisher hatte sie auch nicht auf den Brief geantwortet, so schwer es ihr auch fiel. Sie hatte solche Sorgen gehabt, dass sie ihn womöglich in seinem neuen Zuhause sehen würde. Dass sie… sein Gesicht sehen würde. Dass sie ihm vielleicht sofort wieder verfallen war, wo es ihm anscheinend völlig egal war, wie es ihr ging, und was sie dachte, wie sie es fand, dass er von einem fremden einen Brief schickte!

 

James beruhigte sie ein bisschen in ihren Armen. Jedenfalls soweit, dass sie nicht weinend das Zimmer verließ. Das Feuer prasselte im Kamin, während die ersten Schneeflocken draußen den Garten bedeckten.

 

„Wenn genug Schnee fällt steht eine gute Schlacht in Aussicht“, bemerkte George mit einem zufriedenen Ausdruck.

 

Die alljährliche Weasley-Schneeballschlacht. Ja, sie erinnerte sich mit Schrecken. Kurz lenkte es sie von ihrer tristen Stimmung ab.

 

„Dieses Jahr werdet ihr verlieren“, informierte Harry George vollkommen zuversichtlich. Percy würde auch kommen, allerdings konnte Ginny dieses Jahr nicht mitmachen. Und Hermine hatte auch keine Lust, aber das sagte sie nicht. Für gewöhnlich traten sie, Harry und Ginny gegen Ron, George und Percy an, aber… ihr fehlte die rechte Lust. Sie hoffte also, es würde über Nacht nicht so viel schneien, dass sie sich auch noch eine gute Ausrede einfallen lassen müsste.

 

Harrys Sohn schlummerte weiterhin in ihren Armen. Ginny betrachtete sie wohlwollend, während sie James‘ erste Mütze strickte. Sie war winzig klein.

Hermine konnte ihren Blick auch nicht von diesem winzigen Geschöpf wenden. Und sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre besten Freunde es kreiert hatten. Wirklich nicht.

 

Ron betrat das Wohnzimmer. Er hatte heute gesondertes Training gehabt. Auf seinem Mantel ruhten dicke Schneeflocken.

 

„Ron, morgen beginnt die Schneeballschlacht!“, rief ihm Harry zu. Ron schien kurz nachzudenken, dann nickte er, ohne ihr einen Blick zu schenken.

 

Ginny hatte Hermine bereits auf den Urlaub mit Ron angesprochen, aber Hermine hatte ihr nichts erzählen können, was ihr Interesse geweckt hätte. Ron und sie waren Freunde geblieben. Nichts weiter. Und genau das schien er ihr auch noch immer übelzunehmen.

 

Aber sie nahm es ihm genauso übel. Dass er es ihr so schwer machen musste! Sie wusste nicht, warum er sie so unbedingt bestrafen wollte. Und sie wusste, was alle hier dachten. Sie dachte es ja selber manchmal. Warum war sie nicht mit Ron zusammen?

Warum nicht?

 

Sie hob den Blick zu seinem verschlossenen Gesicht. Er hatte den Mantel ausgezogen und sah aus dem Fenster, wie um sich zu vergewissern, dass es ausreichend Schnee geben würde. Seine Haare lagen unordentlich auf seinem Kopf. Das Rot strahlte im Winter nicht so hell wie im Sommer. Er schien ihren Blick zu bemerken. Sein Kopf wandte sich kaum merklich in ihre Richtung.

 

Kurz erwiderte sie seinen Blick, ehe ihrer wieder auf das kleine Geschöpf in ihren Armen fiel.

 

Warum sie nicht mit ihm zusammen war? Weil sie ihn nicht liebte.

 

Und das war die einfache, herzlose Antwort.

 

Und er wusste es.

 

Sie atmete traurig aus. Hoffentlich übertrug sie ihre Trauer nicht auf dieses wunderbare Kind in ihren Armen. Sie zwang eine sorglosere Miene auf ihre Züge.

Molly sollte ihm ruhig schreiben. Sie glaubte nicht, dass er mehr tun würde, als es zu ignorieren. Und auch das war ihr recht. Sie hatte viele Fehler gemacht.

Aber sie bereute es nicht einmal. Nicht einmal das brachte sie fertig.

 

Sie vermisste ihn. Wieso hatte er sich nicht bei ihr gemeldet? Wie konnte er wach sein, ohne dass es ihn interessierte, was sie fühlte, was sie ihm gerne sagen wollte? Wie konnte es ihm gleichgültig sein? Brauchte er sie nicht mehr? Benötigte er sie nicht mehr in seiner Nähe? Hatte er sie vergessen?

 

Gehörte das zu der Krankheit? Dass er sich nicht mehr an sie erinnern konnte?

 

Ihr Blick glitt aus dem Fenster. Der Schnee fiel beständig, bedeckte die Welt mit einer weißen Schicht, so weich wie Watte. Kein Geräusch drang von draußen ins Innere. Der Schnee schluckte alle Geräusche des Winters.

Abwesend strich sie über den kleinen Kopf in ihren Armen.

Einen solchen Fehler würde sie noch einmal begehen. Nicht noch einmal.

 

~*~

 

Sie hatte ihre Eule mit ihrer Absage an Witherby geschickt. Nicht an ihn. Und ihr Herz war schwer geworden, als die Eule mit breiten Flügelschlägen im grauen Himmel verschwunden war. Der Schnee war unablässig gefallen. Der Schneeballschlacht stand also nichts im Wege. Abgesehen von ihrer Unlust.

 

Aber die würde sie sich nicht anmerken lassen. Es war der Tag vor Heiligabend.

Sie kämmte ihre Haare stumm, sah sich nicht wirklich im Spiegel an, als sie es tat, denn sie spürte einen großen Verlust. Nicht nur hatte sie ihn verloren, als er sie entlassen hatte. Sie hatte ihn verloren, als er ins Koma gefallen war. Und jetzt hatte sie ihn verloren, als er wieder erwacht war. Es war nicht gerecht. Nichts davon war gerecht.

 

Sie war froh, dass sie sich nicht über seine Mutter ärgern musste, aber… das war auch schon alles, worüber sie froh sein konnte. Mehr nicht.

 

Und tatsächlich blieb sie eine Weile länger zu Hause als sie geplant hatte. Tatsächlich wartete sie, dass ein Jagdfalke aus der grauen Wolkendecke brechen würde. Dass ihr Kamin knisterte, weil er mit ihr reden wollte.

Aber nichts passierte. Kein Vogel erreichte ihr Fensterbrett.

Ein grauer Samstag war es. Die Sonne würde sich wohl nicht zeigen.

 

Sie kämmte ihre Haare lustlos. Heute hatte sie sich zum ersten Mal wieder die Mühe gemacht, sie zu glätten. Die Hose, die sie trug, war schwarz und eng und steckte in dicken braunen Stiefeln. Sie zog die blaue Winterjacke an, setzte eine blaue Wollmütze auf und fühlte sich warm genug eingepackt. Den Zauberstab hatte sie in die Innentasche ihrer Jacke gesteckt. Sie verließ das Haus in trister Stimmung. Sie wusste, auch die Schneeballschlacht würde sie nicht aufheitern können. Das lag aber auch… nun ja, an der Tatsache, dass es sich um eine Schneeballschlacht handelte, dachte sie mürrisch, als sie auf der Straße apparierte.

 

Als sie vor dem Fuchsbau landete sanken ihre Füße einen halben Meter tief im Schnee ein.

Großer Gott! Sie hob den Blick und spähte durch die dichten Flocken. Der Fuchsbau lag etwas außerhalb auf einer Anhöhe. Sie hatte angenommen, dass der Schnee dichter fallen würde, aber… gehofft hatte sie das Gegenteil.

 

Schwerfällig zog sie die Füße aus den Schneemassen und stakte zum Haus. Kaum hatte sie den festen Weg betreten, der unter dem Schnee auch nur durch einige Fußspuren auszumachen war, hörte sie es.

 

Etwas sauste durch die Luft. Instinktiv hatte sie den Kopf zur Seite gezogen. Ein Schneeball sauste in präziser Richtung nur sehr knapp an ihr vorbei.

 

„Mist! Du hast gute Ohren, Hermine!“, beschwerte sich George verärgert und war dabei einen weiteren Schneeball zu formen.


„George!“, warnte sie, denn noch hatte sie keine Lust, sich mit nassem Schnee bewerfen zu lassen. Hastig lief sie auf die Tür zu, bevor George noch einen Schneeball werfen konnte und schlüpfte ins Innere. Sie zog die Mütze vom Kopf und sah sich um. Niemand war im Wohnzimmer.

 

Ihr Blick fiel auf die große Uhr. Harry war hier, denn sein Zeiger stand auf dem Fuchsbau. Ginny ebenfalls. Rons Zeiger rutschte auf Unterwegs, bevor er weitertickte und auf Ministerium stehen blieb. Molly hatte die Uhr zum Uhrmacher gebracht, als drei ihrer Kinder neben ihrem Mann auch noch im Ministerium angefangen hatten. Ihre Stirn runzelte sich. Ron war heute im Ministerium? Was tat er da? Sie wandte sich ratlos um. Alle anderen waren hier. Was wollte Ron samstags auf der Arbeit?

 

„Molly?“, rief sie in die Stille des Wohnzimmers und ging in die Küche. Auch hier lag alles wie ausgestorben. „Arthur?“, fügte sie hinzu, aber auch Arthur war nicht zu entdecken.

„Ginny?“, rief sie als sie den Flur betreten hatte und auf dem Weg nach oben war.

 

Ginny Kopf erschien über dem Geländer. „Hermine! Hey, bitte mach keinen Lärm. Was machst du noch hier drinnen? Die Schlacht hat schon begonnen!“, rief Ginny im Flüsterton.

 

„Wieso ist Ron im Ministerium?“, wollte Hermine gepresst wissen. Ginny verdrehte daraufhin die Augen.

 

„Weil er ein Kleinkind ist“, gab sie zurück, aber Hermine verstand nicht.

 

„Wieso?“ Aber Ginny wandte sich um.

 

„Hermine, ich habe James gerade zum Einschlafen gebracht. Ich muss wieder zurück, bevor er aufwacht und nicht aufhört, zu weinen. Ich habe drei Stunden geschlafen und würde gerne noch ein, zwei Stunden dranhängen, ok?“ erwiderte Ginny entschuldigend, und Hermine nickte.

 

Gut. Dann würde sie wohl nach draußen müssen.

 

Wieso war Ron ein Kleinkind? Und wo war Harry? Sie beschloss hinten raus zu gehen. Aber sie verharrte vor der Hintertür. Diese hatte ein Fenster, und ihr gefiel nicht, was sie sah. Beide Teams hatten zwei riesige Schneemauern gebaut. Dahinter stapelten sich bestimmt hundert Schneebälle, und sie erinnerte sich an das letzte Jahr. Ginny hatte Rons Schneeball ins Gesicht bekommen, und ein winziges Eisstück hatte die Schlacht zwei Stunden lang unterbrochen, denn Molly hatte es mit einem komplizierten Zauber aus Ginnys Auge entfernen müssen.

 

Und sie erkannte Arthur. Er stand Molly gegenüber. Hermine hob eine Augenbraue. Es sah so aus, als wolle Molly – ja.

 

Mollys Schneeball flog in Arthurs Richtung und traf ihn am Bein, als dieser zur Seite sprang. Triumphierend riss sie eine Hand in die Luft.

 

„Das war noch gar nichts, mein Liebling!“, rief Arthur jetzt aufgeregt, während er einen größeren Schneeball in die Hand nahm. Molly nahm die Beine in die Hand, duckte sich und schlüpfte durch die Hintertür, gerade als der Ball geflogen kam. Er klatschte gegen die Scheibe, und Molly schien erleichtert, ihm ausgewichen zu sein.

 

„Puh. Hermine, da bist du ja! Na los, raus mit dir! Arthur übernimmt Rons Platz“, erklärte sie.

 

„Molly, warum ist Ron im Ministerium?“, fragte sie erneut, und Molly schien zu überlegen, ob sie antworten sollte. Hermines Stirn runzelte sich wieder. „Was ist los mit ihm? Will er nicht mitmachen? Ist er sauer auf mich? Will er mich nicht sehen? Wieso-“

 

„Hermine, ich…“, begann Molly ratlos, aber ihr Gespräch wurde unterbrochen.


„Hermine, beweg dich! Ich verteidige unser Team alleine!“, hörte sie Harry rufen. Sie verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.

 

„Fein“, gab sie sich geschlagen. „Dann soll Ron sich anstellen. Mir egal.“

 

„Hermine“, hielt Molly sie zurück, und Hermine wandte sich um. „Mütze auf“, fügte Molly in so fürsorglich mütterlichem Ton hinzu, dass Hermine am liebsten geblieben wäre, um eine Antwort aus Molly raus zu zwingen. Irgendwas war hier faul!

 

Sie spähte aber aus dem Fenster nach draußen.

 

„Ich gebe dir Rückendeckung!“, rief Harry, ganz der Auror, und sie verdrehte die Augen, ehe sie die Tür öffnete. George und Arthur wurden einen Schwall an Schneebällen los, aber Harry ließ sie mit dem Zauberstab schmelzen. Eilig rannte Hermine zu seiner Schneemauer.

 

„Hey, das ist verboten! Keine Magie!“, rief George zornig.


„Oh ja? Zwei gegen einen ist auch verboten!“

 

„Unsinn, Potter!“, entgegnete George und schleuderte den nächsten Ball in ihre Richtung. Sie duckte sich, griff sich selber einen Schneeball und warf ihn in Georges Richtung.

 

George wich ihm nur um Millimeter aus.

 

„Beeindruckend, Hermine! Kannst du überhaupt zielen?“, wollte er lachend wissen, aber sie schüttelte den Kopf und versuchte ihr Lächeln zu verdrängen.

 

„Wo ist Percy?“, wandte sie sich an Harry, der dabei war einen Ball in Arthurs Richtung zu werfen.

 

„Percy?“, wiederholte er beinahe außer sich. „Hermine, wir sind jetzt gerade zwei gegen zwei. Ich hoffe, Percy kommt viel zu spät! Oder gar nicht!“

 

Sie wagte es noch einmal, das Thema anzusprechen, was sie heute am meisten aufregte.

 

„Harry, wo ist Ron?“, fragte sie direkt heraus, während er den nächsten Ball erfolglos warf. Er sah sie an. Die Brille war mit feinen Wassertropfen übersät. Seine Augen konnte sie nur schlecht erkennen.

 

„Im Ministerium“, erklärte er knapp.

 

„Ja, ich weiß. Warum? Wollte er… nicht hier sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sein Boss so ein Sklaventreiber ist, der seine Leute samstags arbeiten lässt“, bemerkte sie spöttisch, denn Rons Boss stand mit besprenkelter Brille vor ihr. Harry schüttelte sich den Schnee aus den Haaren, als Arthurs Schneeball einen Meter über Harrys Kopf vorbeisauste.

 

„Ha, ha. Nein. Ron ist freiwillig im Ministerium“, erklärte Harry kurzangebunden.

 

„Harry-“

 

„Wir erwarten einen dritten Mann, Hermine“, unterbrach Harry sie, während er eine ganze Salve in Richtung George feuerte. Sie duckte sich, denn jetzt eröffneten George und Arthur gemeinsam das Feuer.

 

„Wen? Bill? Kommen er und Fleur doch?“, rief sie Harry zu, aber diese verließ die sichere Deckung. Hermine sah ihm panisch nach, denn George und Arthur kamen ebenfalls hinter ihrer Mauer hervor.

 

„Percy!“, hörte sie George rufen, und Percy 30-PW-Maßeinheit Weasley huschte zwischen den Bällen hindurch. „Beweg deinen Hintern, wir jagen Harry!“, rief George erbarmungslos, während Hermine aufquietschte, als Arthur ihre Verfolgung ansteuerte.

 

„Drei gegen einen ist unfair!“, rief sie atemlos über die Schulter und hoffte inständig, Molly würde sie bald zum Essen rufen! Wirklich! Sie rannten um das Haus herum. Vorne war der Schuppen neben dem Eingang. Da könnte sie in Deckung gehen. Arthur war Merlin sei Dank auch nicht so schnell im hohen Schnee.

 

„Komm schon, Hermine!“, hörte sie Harry rufen, und fast musste sie lächeln. Percy stolperte halb angewidert halb unfähig durch die Schneeberge hinter seinem Bruder her. Alle nahmen es vollkommen ernst hier wie Krieger durch den Schnee zu rennen und sich mit Pulverschnee zu bewerfen.

 

Und sie lachte auf, als sie mit wildem Mut nach vorne in eine Schneewehe sprang, um Georges präzisen Bällen auszuweichen.

 

Sie schüttelte den Kopf und Schnee rieselte von ihrer Mütze. „Hermine, weiter! Ich habe eine Ladung Bälle hinter dem Schuppen!“, rief Harry, aber auch er konnte die Ernsthaftigkeit eines Anführers nicht wirklich aufrecht erhalten. „Dann mach ich dich fertig, Percy!“, fügte Harry unheilschwanger hinzu.

 

„Witzig, Harry. Versuch das ruhig!“, rief Percy unentschlossen und schien seine Chancen abzuwägen. Hermine kam stolpernd auf die Beine und klopfte den Schnee von ihrer Hose. Aber sie war ohnehin durchweicht, und ihre Haare zu glätten war absolut überflüssig gewesen.

 

„Hermine, zu langsam!“, hörte sie George triumphierend hinter sich. Sie schloss präventiv die Augen, aber keine Ladung Schnee traf sie im Nacken. Sie öffnete blinzelnd die Augen.

 

Er musste gerade appariert sein.

 

Und jetzt stand er vor ihr. So wie sie ihn in Erinnerung hatte. All ihre gute Laune fiel von ihr ab. Ihr Magen hatte sich schmerzhaft zusammen gezogen. In seiner Hand hielt er einen Schneeball und warf ihn prüfend in die Luft, um ihn wieder aufzufangen.

 

„Drei gegen drei. Am besten nehmt ihr eure Beine in die Hand“, bemerkte Harry jetzt und nickte Malfoy zu.

 

Und Percy tat, wie ihm geheißen. Auch er begrüßte Malfoy mit einem Nicken.

 

Mr Malfoy, Sir“, verabschiedete er sich hastig, als er wieder um das Haus zurückwich.

 

„Percy, du Feigling!“, rief George entnervt, und alles schien sich wieder zu beruhigen. Aber sie stand wie angewurzelt im Schnee. Er trug einen schwarzen kurzen Mantel. Und Jeans. Seine Handschuhe waren aus dunklem Leder, und sein Schal war grün wie das Wappen von Slytherin. Sanfte Flocken fielen vom Himmel und blieben auf seinem hellen Schopf liegen. Er sah… aus wie immer. Er sah… gut aus, wie immer. Gesund und… wieso zum Teufel war er hier?!

 

„Was… was tust du hier?“, war alles, was sie zustande brachte, und ihre Stimme zitterte bei jedem Wort. Er kam näher. Wie eine Erscheinung.

 

„Ich habe eine Einladung erhalten“, gab er zurück. Es war vollkommen unmöglich, dass er hier auftauchte. Bei den Weasleys. Für… eine Schneeballschlacht!

 

„Einladung?“, hauchte sie ungläubig, und er nickte bloß.

 

„Ronald Weasley hat mich gebeten seinen Platz zu übernehmen“, erklärte er lapidar. Sie schüttelte den Kopf.

 

„Was? Was tust du hier? Wieso… hast du nicht Bescheid gesagt, als-“

 

„Du warst in Urlaub, oder nicht?“, unterbrach er sie eine Spur kühler. „Mit Ronald Weasley?“ Ihr Mund öffnete sich perplex. Das wusste er? Wieso wurde sie rot? Sie hatte keinen Grund! Sie hatte nur Grund, wütend zu sein! Und das wurde sie plötzlich.

 

Sie wusste nicht, wann sie in den Schnee vor sich gegriffen hatte, um einen Ball der Sonderklasse zu formen, aber jetzt schleuderte sie ihn mit voller Wucht in Malfoys Richtung.

 

Sie glaubte, dass George so etwas sagte, wie, „Meuterei im eigenen Team“, aber sie hörte nicht wirklich hin. Der Ball traf Draco hart vor die Brust, so dass dieser einen Schritt zurück wich vor Schreck. Zu spät hatte er die Arme schützend gehoben. Sie sah ihn wieder an, aber sein Ausdruck war ihr nicht zu deuten.

Sie griff vor blinder Wut wieder in den Schnee vor sich, formte einen weiteren Ball und warf auch diesen nach ihm. Diesmal war er vorbereitet, wehrte ihn mit dem Unterarm ab und kam näher.

 

„Du bist ein Arschloch, Malfoy!“, brachte sie schluchzend hervor. Die Jungen um sie rum ließen die Schneebälle sinken, während Arthur verlegen die Mütze tiefer ins Gesicht zog. Hermine wischte sich zornig über die roten Wangen.

 

„Ich-“, begann er, aber sie schüttelte den Kopf, denn er war nicht an der Reihe, sich eine dämliche Entschuldigung auszudenken.

 

„Und Witherby schickt mir eine Einladung? Nicht du, sondern Witherby?“, wiederholte sie ungläubig, während sie den nächsten Ball in Sekunden geformt und geworfen hatte. Wieder wehrte er ihn mit dem Arm ab, und der Pulverschnee rieselte ihm ins Gesicht, als der Ball zerstob.

 

„Granger-“, begann er wieder, während er noch immer näher kam, aber sie schüttelte wieder wild den Kopf, so dass ihr die Mütze vom Kopf rutschte.

 

„Nein! Du denkst, du kannst hier einfach auftauchen? Um… um was? So zu tun, als wäre es normal, mit uns eine Schneeballschlacht zu veranstalten? Bist du dazu überhaupt in der Lage? Irre ich mich, oder lagst du nicht noch vorgestern im Koma?“, schrie sie außer sich, während sie nun nur noch einfach wild in den Schnee griff und Malfoy händeweise bombardierte.

 

Er schloss umstandslos den Abstand, und hielt sie an den Schultern fest, damit sie ihn nicht weiter mit Schnee bewerfen konnte. Seine Haare hingen ihm mittlerweile in nassen Strähnen in die Stirn und sahen bei weitem nicht mehr perfekt aus. Gut!, dachte sie böse. Wirklich!

 

„Könntest du für eine Sekunde aufhören, verdammt?“, entfuhr es ihm ungehalten.

 

„Nein! Nein, kann ich nicht. Lass mich los! Und du ziehst um? Du bist einfach mir nichts dir nichts umgezogen! War ich so ein unwichtiger Faktor in deinem Leben, dass du mir das nicht einmal sagen konntest, du-“

 

„Granger, ich wollte dir all das sagen!“, unterbrach er sie knurrend. Immer noch sprach er gedämpft. Anscheinend machte er sich darüber Gedanken, was die Leute um sie herum von ihm dachten, stellte sie zornig fest und ärgerte sich wieder über sich selbst. „Aber ich wollte mich erst wieder bewegen können. Ich wollte dich nicht in Malfoy Manor mit all diesen Dingen überfallen, denn… dieses Haus ist einfach nicht geeignet!“, fuhr er scharf fort.

 

„Und es ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass ich möglicherweise dabei sein wollte, wenn du aufwachst? Dass ich dich sehen wollte, sofort, wenn es dir besser geht?“, fuhr sie ihn so böse an, dass kurz ein überraschter Blick in sein Gesicht trat.

 

„Ich… dachte mir, nach unserem letzten Gespräch wäre das keine Option.“

 

„Ich war jeden Tag bei dir!“, flüsterte sie, und spürte die unwillkommenen Tränen.


„Ich weiß“, erwiderte er still. Ihre Augen wurden groß.


„Du… du… weißt das? Woher? Haben die Schwestern-“


„Ich weiß alles. Ich war dabei. Ich konnte mich nur nicht bewegen. Ich war nicht taub oder… verrückt. Ich war nur… fort“, schloss er sehr leise, denn anscheinend war es ihm unangenehm, darüber zu reden. Schön, dann hatte er eben Pech gehabt. Und… was?!

 

„Du hast es alles mitbekommen? Und dann hast du mich trotzdem nicht-“


„Ich wusste, du warst mit Weasley im Urlaub, Granger“, unterbrach er sie jetzt zorniger. „Was sollte ich bitteschön machen? Hundert Eulen nach Schottland schicken? Dich mit einem Haufen Auroren zwingen, zurück zu kommen? So etwas tue ich nicht!“, knurrte er wütend.

 

„Nein? Du schickst bloß fünfhundert Eulen zu meinem Haus, weil ich einen Tag nicht zur Arbeit komme, richtig!“, konterte sie, aber sie sah, dass sie das Wesentliche aus den Augen verlor. Seine Augen wurden schmal, genauso wie sein schöner Mund.

Er sah so gut aus. Es war so ungerecht! Und er hatte ihr nicht Bescheid gesagt. Er hatte ihr nicht mal persönlich einen Brief geschrieben! Und jetzt kam er hier her und erwartete was? Dass sie ihm in die Arme fiel? Dass sie dankbar war, dass er sich dazu herabließ, aufzutauchen?

 

„Jetzt gerade komme ich mir vor wie ein Vollidiot, Granger“, entgegnete er gefährlich ruhig. „Und ich komme mir nicht gerne vor, wie ein Vollidiot“, ergänzte er, ohne sie aus seinem kalten, grauen Blick zu lassen. „Also, nur fürs Protokoll, bist du froh mich zu sehen oder könnte es dir nicht egaler sein?“, fuhr er sie scharf an, und sie entriss ihre Schultern mit einem heftigen Ruck seinen Händen.

 

„Wirklich?“, erwiderte sie, und wischte sich die Tränen vom Gesicht. „Das ist deine Frage? Am besten haust du wieder ab!“, schluchzte sie und wandte sich augenblicklich um. Sie wollte ihn nicht mehr sehen. Seine perfekte Figur, sein perfektes Gesicht! Und ihre Erleichterung, dass es ihm gut ging, dass er hier war, dass sie ihm vielleicht doch nicht egal war, verriet sie schamlos. Es machte ihren Zorn zu Nichte, aber sie würde nicht zuerst nachgeben! Wieso sollte sie auch?

Sollte er doch gehen, wenn er so stur und so blöd sein wollte!

 

Sie stürmte zur Haustür, riss diese auf und wurde von Ginny empfangen.


„Er ist… er ist… so ein…“, brachte sie stotternd hervor, aber Ginny nickte nur.

 

„Ja. Ich weiß. Sie sind alle so“, bemerkte Ginny und zog Hermine in eine sanfte Umarmung. „Mach dir nichts draus“, flüsterte sie.

 

~*~

 

„Das… lief gut“, bemerkte Potter ausweichend und drehte einen Schneeball in den Händen. Und Draco war zum ersten Mal seit einer ganzen Weile nicht gut vorbereitet. Unschlüssig klopfte er sich den Schnee von dem tausend Galleonen teuren Wintermantel. Auch tat das Wasser seinen Lederhandschuhen gar nicht gut. „Richtig gut“, fügte er nickend hinzu.

 

Draco warf ihm einen gereizten Blick zu.

 

„Ich… sollte ihr nachgehen“, entschied er sich tonlos, aber Potter lachte auf.

 

„Ja, richtig, das klingt nach einem perfekten Plan, Malfoy. Hermine Granger nachgehen, nachdem sie dir mit ihren Augen Mord und Totschlag angedroht hat“, erwiderte er mit einem nachsichtigen Lächeln.

 

„Hast du einen besseren Vorschlag?“, entfuhr es Draco ungehalten, denn Potter regte ihn auf.

 

„Frauen regen sich gerne auf, Malfoy“, ließ ihm Potter seine Weisheit zuteilwerden. Draco verdrehte die Augen. „Und wenn du nicht in ihrem Weg bist, regen sie sich eventuell auch wieder ab.“

 

„Das heißt konkret?“, wollte er ungeduldig wissen, aber Potter zuckte die Achseln.

 

„Dass wir noch etwas Zeit vor dem Essen totzuschlagen haben“, erklärte er jovial. Und Potters Lächeln wurde breiter. Dracos Mund öffnete sich warnend, aber schon hatte ihn Potters Schneeball direkt ins Gesicht getroffen.

Und sein Jagdinstinkt war geweckt.

 

„Das bereust du!“, rief er zornig, und bückte sich tatsächlich, um einen Schneeball zu formen.


„Endlich! Alle gegen Harry! Darauf warte ich seit Jahren!“, bemerkte George fröhlich, während Arthur Weasley sich kopfschüttelnd zum Haus umwandte. Allerdings lächelte er. Draco beschloss, seinen Granger-Plan auf später zu verschieben. Wenn sie ihn nicht mehr umbringen wollte.

Jetzt setzte er Potter nach und fühlte sich so jung wie schon sehr lange nicht mehr!

 

 

Kapitel 21

 

Hermine wusste nicht, was sie unfassbarer fand. Dass er ihr nicht nachgelaufen war, dass er jetzt seit zwei Stunden eine Schneeballschlacht gegen Harry führte oder dass er mit Ron jetzt in einem Team war, denn dieser war schließlich wieder zum Fuchsbau zurückgekehrt. Zuerst hatte sie geglaubt, es würde in eine Schlägerei ausarten, aber… anscheinend hatte sie etwas verpasst, was zwischen Ron und Malfoy vorgefallen war.

 

Sie beobachtete das Treiben missmutig vom Küchenfenster aus, während sie mit dem Zauberstab den Käse in kleine Würfel hackte.

 

„Du möchtest alle da draußen mit deinen Blicken erdolchen, hm?“, erkundigte sich Ginny lächelnd, aber Hermine hackte stumm weitere Würfel.

 

„Ich denke, das sind genug Würfel für die Füllung, Hermine. Der Vogel muss in den Ofen“, erklärte Ginny, und Hermine wich seufzend von der Arbeitsplatte zurück.


„Es ist unfassbar!“

 

„Männer sind so, Hermine. Gib ihnen einen lächerlichen Krieg mit Schneebällen, dann toben sie sich aus und haben plötzlich all ihre Differenzen beigelegt“, erwiderte Ginny seufzend. „Würdest du ihnen sagen, dass sie reinkommen sollen? Das Essen ist in einer halben Stunde fertig, und ich möchte nicht, dass sie klatschnass am Tisch sitzen“, sagte Ginny und klang dabei genau wie ihre Mutter.

 

Zuerst wollte Hermine widersprechen, aber Ginny schien gerade im Molly-Weasley-Modus zu sein. Diese badete gerade Ginnys Sohn mit größter Sorgfalt, deswegen war Ginny zurzeit Küchenchefin.

 

Hermine schritt also zur Tür. Es war schon dämmrig draußen und eiskalt.

 

„Ihr kommt jetzt rein und hext eure Kleidung trocken! Das Essen ist in einer halben Stunde fertig, Jungs!“ Harry sah aus, als wolle er ernsthaft protestieren, aber verkniff sich wohl die Antwort. Sie fing Malfoys Blick auf. Er war prüfend, vorsichtig, und wahrscheinlich dachte er, dass sie ihm die Augen auskratzen würde, aber… sie hatte sich wieder abgeregt. Und jetzt gerade war sie wirklich dankbar, dass er nicht verschwunden war.

 

Aber das würde sie ihm nicht sagen. Sie wandte sich stumm von ihm ab, und ihr Herz raste, während sie sich gegen die Tür lehnte.


„Deckst du noch ein Gedeck für Malfoy?“, fragte Ginny mit einem wissenden Blick. „Ich nehme an… er bleibt?“ Und Hermine ruckte mit dem Kopf. Anscheinend tat er das.

 

Die Jungen kamen eine Minute später in die Küche gestapft. Nachdem Ginny laut geworden war, hatten auch alle artig ihre Schuhe draußen gelassen. Im Flur hexten sie ihre Sachen trocken. Sie schwiegen, schienen erschöpft von der Gartenschlacht zu sein und hungrig wie zehn Wilde.

 

„Ich hatte nicht geplant, zum Essen zu bleiben“, eröffnete Malfoy, als er trocken die Küche betrat. Selbst seine Socken sahen teuer aus. Sie hatte ihn noch nie irgendwo in Socken gesehen, ging ihr auf. Es war… so menschlich.

 

„Es ist genügend da, Malfoy. Also bitte keine Bescheidenheit.“

 

„Und… ich kann bleiben? Ohne Mord und Totschlag?“, fügte er knapp hinzu, und die Worte galten wohl ihr. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ruckte mit dem Kopf.

 

„Du hast gekämpft, also… wirst du wohl Hunger haben“, stellte sie lediglich fest.

 

„Ich will aber nicht, dass-“, begann er, aber sie unterbrach ihn einfach.

 

„Bleib zum Essen, Malfoy“, erwiderte sie resignierend, und sein Gesicht wirkte wieder eine Spur überheblicher als vorher. Aber es war kaum zu bemerken. Und sie kämpfte gegen die absurde Situation an, die sich anbahnte.

 

Nach und nach fanden sich alle ein. Molly brachte James ebenfalls ins Esszimmer. Hermine saß nicht neben Draco. Er saß ihr gegenüber. Er saß zwischen George und Harry. Sie saß neben Ron. Ginny und Molly saßen beide an den Kopfenden, und Ginny aß weniger, als dass sie ihren kleinen Sohn in den Armen hielt. Percy reichte die Schüssel mit den Kartoffeln um und jeder tat sich auf. Sie bemerkte, dass Draco nur bescheiden seinen Teller füllte.

 

Ob wirklich, weil er sich nicht wohlfühlte hier zu essen, oder weil es ihm wie ihr ging, und er einfach keinen Appetit hatte, wusste sie nicht.

Die ersten Minuten aßen alle schweigend. Draco Malfoy saß am Tisch der Weasleys. Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte. Anscheinend entschied sich Arthur als erster mit dieser Situation umzugehen.


„So, Draco…“, begann er, unschlüssig, ob er ihn so nennen konnte. „Sie… ähm… ich habe gelesen, dass… die Malfoy Group… nun, ja…“ Arthur entschied sich, nicht weiter zu sprechen. Schließlich seufzte Draco unterdrückt.

 

„Ja, die Malfoy Group ist dabei Konkurs zu laufen. Meine Mutter kümmert sich schon darum“, erklärte er beinahe spöttisch. Hermine hatte es auch gelesen, hatte sich aber im Mungo nicht getraut, es ihm zu erzählen. Wahrscheinlich hatte sie unterbewusst Angst gehabt, dass es ihm noch mehr zusetzen müsste.

 

„Und was haben Sie jetzt vor?“, wollte Arthur wissen, dankbar, dass er gerade also kein Fettnäpfchen angeschnitten hatte.

 

„Ich investiere in ein neues Projekt. Vielleicht haben Sie davon gehört? Das Muggel-Center soll in Soho eröffnet werden. Ich habe mich bereits mit einigen Ideen beteiligt.“ Arthur musterte ihn fasziniert, während Hermines Gabel langsam sank.

Was? Er beteiligte sich bei der Entstehung des Muggel-Centers? Ausgerechnet er?

 

„Und das findest du nicht etwas unpassend?“ Es war Ron, der diese Worte sagte. Draco hob den Blick zum Gesicht ihres zumindest ehemals besten Freundes.

 

„Unpassend?“, wiederholte Draco tatsächlich, den Blick gespannt auf Ron gerichtet. Hermine spürte ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend aufsteigen.

 

„Ja, unpassend“, bestätigte Ron grimmig. „Ich meine, nach der ganzen Muggel-Mörder-Therapie, deinem Aufenthalt in Askaban-“

 

„Ich sehe es als guten Abschluss einer Rehabilitation an. Ich möchte gerne etwas für die Muggel-Gesellschaft tun, und es tut mir leid, wenn du es als impertinent auffassen möchtest“, gab Draco zurück, und den Ausbruch, den Hermine eigentlich erwartet hatte, blieb aus.

 

„Das war es also? Deine Therapie ist vorbei? Bewältigt? Nur weil du für ein paar Wochen ein sabbernder Volltrottel gewesen bist?“

 

„Ronald!“, entfuhr es Molly schockiert.

 

„Schon gut“, bemerkte Draco relativ gelassen, aber er hatte seinen Teller von sich geschoben. „Ich bin gerne bereit, mit deine Meinung über mich anzuhören.“

 

„Oh, wenn es nach mir ginge, dann würdest du noch einiges mehr als das!“, knurrte Ron ungehalten.

 

„Ron, das reicht“, mischte sich Arthur mahnend ein. „Es tut mir leid, Draco, das hier sollte wirklich nicht ausarten in-“

 

„In was, Dad? Willst du die vorweihnachtliche Stimmung nicht mit der Wahrheit zerstören?“, wollte Ron beinahe amüsiert wissen.

 

„Ich sollte gehen“, warf Draco ruhig ein. Hermine sah Ron kopfschüttelnd an.

 

„Was, Hermine?“, erwiderte Ron lediglich. „Auf einmal bist du auf seiner Seite?“

 

„Ich dachte, du hättest ihn heute eingeladen, deinen Platz zu übernehmen!“

 

„Ich habe es bestimmt nicht wortwörtlich gemeint!“, gab Ron zornig zurück. Er stand abrupt auf und verließ das Esszimmer. Auch Draco war aufgestanden.

 

„Es war vielleicht etwas kühn, anzunehmen, ein Abendessen wäre eine gute Idee“, überlegte Draco, während er ein höfliches Lächelnd in die Runde warf.

 

„Er wird sich abregen“, versprach Harry, aber Hermine war sich da nicht sicher. Sie hatte sich ebenfalls erhoben. Mehr unbewusst, als wirklich bewusst. Automatisch, als wären ihre Bewegungen an Dracos angepasst. Er sah sie kurz an. Ein Schauer erfasste sie plötzlich, dass sie schlucken musste.

 

„Ich… bringe dich zur Tür“, sagte sie tonlos, auch wenn nicht wusste, was zur Hölle sie erst mal an der Tür machen sollte!

 

„In Ordnung. Einen schönen Abend, wünsche ich. Mrs Weasley, Mr Weasley. Vielen Dank für die Einladung“, fügte er nonchalant hinzu, und wirklich keiner konnte ihm vorwerfen, nicht höflich gewesen zu sein. Nicht einmal sie, auch wenn sie es nur zu gerne tun würde. Ein Muggel-Center. Es klang… auf jeden Fall seltsam. Aber… wer war sie schon, seine Entscheidungen irgendwie zu beeinflussen oder zu kritisieren?

 

Er nahm sich seinen Mantel vom Haken, während er in seine Schuhe stieg. Er zog sich seine Schuhe an. Noch so etwas menschliches, was sie von ihm nicht kannte.

 

„Dann… hast du mich also völlig umsonst entlassen“, stellte sie trocken fest.


„Scheint so“, gab er zurück. „Soll ich… dir etwas Eis aus der Küche holen, was du nach mir werfen könntest?“, bot er ihr an, und seine Höflichkeit kühlte merklich ab. Sie überlegte, ob sie sich für ihr Verhalten vorher entschuldigen musste. Aber… sie wollte nicht.

 

„Nein, danke“, erwiderte sie still. Seine grauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Wie sah sie überhaupt aus?! Sie hatte seit Stunden nicht mehr in den Spiegel gesehen, ging ihr mit Schrecken auf. Nicht, dass er sie wirklich noch dazu bringen konnte, sich unwohl zu fühlen. Die Zeiten waren vorbei. Sie hasste sich selber dafür, dass sie nicht einmal sich selber mehr etwas vormachen konnte.

 

Sie biss sich auf die Unterlippe. Er knöpfte den Mantel nicht zu, legte sich den Schal lediglich um den Nacken und sah weiterhin auf sie hinab.

 

„Bist du… jetzt ganz gesund?“, wollte sie vorsichtig wissen, denn es war so faszinierend ihn so zusehen. Alle Draco Malfoys in einem vereint.

 

„Ganz gesund?“, wiederholte er nachdenklich, mit einem Hauch Spott in der Stimme. „Ich… nehme keine Medikamente mehr. Ich… muss nicht mehr jede Woche zu Madame Tallis, wenn mir nicht danach ist, ich…“

 

„Es tut mir leid!“, entfuhr es ihr hastig. Überrascht hob sich seine Augenbraue.


„Was tut dir leid?“, wollte er jetzt wissen.

 

„Ich… alles“, gestand sie ihm ratlos ein. „Ich habe das Gefühl, all das ist nur passiert, weil wir… weil ich…“ Sie wusste nicht, wie sie den Satz beenden sollte.

 

„Du misst dir viel Bedeutung bei, oder?“, erkundigte er sich lächelnd. Sie atmete aus. Am liebsten hätte sie ihm vor die Brust geschlagen, aber sie konnte es nicht über sich bringen, ihn anzufassen. „Du arbeitest im Ministerium, habe ich gehört?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, von wem, aber er war Draco Malfoy, also… brauchte sie sich über nicht viel wundern.

 

„Ja“, bestätigte sie, etwas überrascht über den plötzlichen Themenwechsel. „Wieso?“

 

„Ansonsten hätte ich Ihnen auch gerne einen Job angeboten, Miss Granger“, bemerkte er mit einem bekannten Funkeln in den Augen. Sie spürte, wie ihre Atmung flacher wurde.

 

„Du hast nicht mal ein Unternehmen und willst mir einen Job anbieten?“, flüsterte sie, denn seine Ausstrahlung schien einen sofortigen Effekt auf ihr Sprachzentrum zu haben. Wieder einmal! Es war doch nicht zum Aushalten!

 

„Ich würde ein Unternehmen über Nacht aus dem Boden stampfen, damit ich dir einen Job anbieten könnte“, erwiderte er vollkommen gleichmütig. Ihr Herz machte einen heftigen Satz. Nein! Das würde er jetzt nicht machen! Dann fiel seine Fassade. „Ich… kann mich nicht mehr erinnern, wie man es macht“, ergänzte er fast entschuldigend.

 

„Wie man… was macht?“, entfuhr es ihr tonlos. Er hob hilflos die Hände und deutete auf sie und sich.

 

„Was ist die richtige Frage, Granger?“, wollte er lauernd wissen. „Geh mit mir essen? Verbring mit mir Weihnachten? Gib mir eine Chance?“, zählte er auf, und sie biss sich wieder auf die Lippe. „Ich…“ Er fuhr sich fluchend durch die mittlerweile welligen blonden Haare. Das Schneewasser hatten sie aufgelockert und sie fielen jetzt noch viel anbetungswürdiger in seine Stirn.

 

„Langsam. Wenn wir… es langsam angehen könnten? Ich meine-“

 

„Langsam!“, wiederholte er nickend. „Ja, kein Problem. Finde ich gut. Kann ich mit leben“, sagte er, und es war wirklich untypisch für ihn, dass er solche Probleme mit Worten hatte, fiel ihr auf.

 

„Gut“, erwiderte sie bestätigend. „Dann…“

 

Jaah“, entgegnete er gedehnt. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht. Ihr Magen zog sich zusammen, als ihr Blick auf seinen Mund fiel. Er war so wunderschön. Sie hatte ihn so vermisst! Etwas änderte sich in seinem Blick, stellte sie besorgt fest. Etwas… war sehr rapide dunkler geworden. Er lehnte sich leicht nach vorn zu ihr.

 

„Langsam heißt, ich nehme dich mit mir mit, richtig Granger?“, entfuhr es ihm rau. „Langsam heißt, du schläfst in meinem Bett?“ Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust, als seine Augen beinahe hungrig über ihren Körper wanderten. Und sie schüttelte unfähig den Kopf.

 

„Ja“, hauchte sie. „Ja, das heißt es.“

 

Er hatte übergangslos die Arme um sie geschlungen, sie an sich gezogen, und sein Mund senkte sich verlangen auf ihre bebenden Lippen. Als sie den Kuss erwiderte explodierten Millionen Schmetterlinge in ihrem Bauch. Ihr Körper kribbelte unter seinen Händen, unter seinem Kuss, und sie schlang die Arme um seinen Nacken. Und egal, wie viel sie noch hatte klären wollen, egal, wie lange sie eigentlich hatte warten wollen, es war überhaupt nicht möglich.

 

Ihre Finger krallten sich in seine dichten Haare, zogen ihn näher zu sich, und ihre Zunge glitt zwischen seine Lippen. Er stöhnte unterdrückt und lehnte sie gegen die Flurwand, nur um sich noch verlangender gegen sie zu pressen.

 

Oh Gott, hatte sie ihn vermisst! Und es war alles anders, und doch war alles gleich! Sie hätte weinen können! Mit größter Anstrengung riss er sich von ihren Lippen los, und sie spürte die Enttäuschung sofort.

 

„Geh… dich verabschieden“, knurrte er förmlich, ohne sie aus dem Blick zu lassen. Und sie gehorchte. Sie konnte nicht anders. Sie würde alles tun, was dieser Mann sagte. Alles.

 

~*~

 

Er hatte ihr noch eine Wahl lassen wollen. Er hatte ihr wenigstens noch vorher das Haus zeigen wollen. Aber er konnte nichts davon. Es war ihm zuerst nicht klar gewesen, aber je später der Abend geworden war, umso dringender hatte er sie haben müssen. Seine Erektion war gewachsen, mit jeder Sekunde, die er sie angesehen hatte.

 

Und… er hatte seit Wochen nicht mehr Sex gehabt. Es war in seinen Gedanken so weit nach hinten gerutscht, dass er überrascht über sich selber war. Wie hatte er es verdrängen können? Verdrängen können, wie sehr es das brauchte? Wie sehr er sie brauchte?

 

Er wollte sich entschuldigen, wollte ihr erklären, weshalb er sie so dringend haben musste, aber er konnte schon lange keine ganzen Sätze mehr formen. Und er hatte ernsthaft angezweifelt, dass Hermine Granger keine gute Idee für ihn war!

Er wurde wahnsinnig, wenn er daran dachte, dass sie alleine mit Weasley in einem Hotel geschlafen hatte! Eine ganze Woche! Aber so wie es aussah, hatte Weasley kein Glück gehabt. Tja, Glück für ihn.

 

Seine Finger fuhren über ihren bloßen Rücken. Er war ihren Pullover schon im Flur losgeworden, als sie angekommen waren. Ihre Lippen waren schon jetzt geschwollen, ihr Körper bog sich ihm verlangend entgegen, und alle seine Ängste waren in ihrer Nähe einfach… nicht vorhanden, stellte er mit größerer Faszination fest.

 

Sie zerrte sein Hemd aus seiner Hose, und er ließ sie gewähren. Ihre heißen Lippen küssten seine Brust, und seine Hand vergrub sich in ihren perfekten Haaren. Er riss sie am Kopf wieder nach oben, zog sie ungeduldig an seinen Körper und plünderte ihre Lippen erneut.

 

„Schlafzimmer“, knurrte er rau und zog sie einfach mit sich. Es war nichts Sanftes mehr in all ihren Bewegungen. Er stieß sie in das frisch renovierte Schlafzimmer, sie warf die Tür ins Schloss. Sein Hemd wurde aufgerissen, und ihre Hose war sehr schnell ihre Beine hinab verschwunden. Als sie den Abstand zu ihm schloss war ihr Blick entschlossen, verlangend und so fesselnd, dass sich seine Erektion schmerzhaft weiter aufrichtete.

 

Er wusste, er war derjenige, der die Übung darin hatte, Frauen willenlos werden zu lassen, aber Granger stellte sich verflucht noch mal nicht schlecht an, ihn ziemlich arm aussehen zu lassen. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in seinem Körper breit, als er sie ansah. Zuerst konnte er es nicht genau lokalisieren, aber dann lächelte er plötzlich. Kurz schien er sie damit zu verwirren. Aber sie ließ sich nicht beirren, denn ihre Finger wanderten über seinen Brustkorb, fasziniert, neugierig beinahe, als hätte sie es vorher noch nie getan.

 

Die Narben störten ihn noch immer, aber… sie schien ihn dafür nicht zu verurteilen. Sie schien sie nicht einmal zu sehen, und wenn sie es tat betrachtete sie sie mit derselben Zuneigung, die er in ihren Augen erahnen konnte, jedes Mal, wenn sie sich erlaubte, ihn zu lange anzusehen.

 

Ihre Finger griffen in seinen Hosensaum, zogen ihn grob näher und sie öffnete den Knopf, dann den Reißverschluss, bis die Hose nutzlos seine Beine hinab fiel.

Er fing ihre Hände ab. Überrascht hob sich ihr sinnlicher Blick.

 

Genau jetzt. Das war der Moment.

 

„Granger, ich liebe dich“, sagte er rau, denn er konnte er konnte nicht mehr an sich halten. Sie starrte ihn an. Seine Mundwinkel zuckten überrascht über sein eigenes Geständnis, aber ihre Augen schienen kurz glasig zu werden. Sie lächelte, ehe eine Träne auf ihre Wange fiel. Sofort beugte er sich vor, um sie mit seinen Lippen aufzufangen. Sie schloss die Augen unter dieser Zärtlichkeit.

 

Sie schlang übergangslos ihre Arme um seinen Nacken und schien ihn nicht mehr loslassen zu wollen. Er stieg aus der Hose und hob sie vom Boden hoch, um sie zu seinem neuen Bett zu tragen.

 

Ihre Finger glitten seine Rücken hinab, schoben seine Shorts ebenfalls seine Beine hinunter, und er legte sie auf das Bett. Seine Finger öffneten den Verschluss ihres BHs, und sie zerrte den Fetzen Stoff praktisch von ihrem Körper, um ihn neben das Bett zu werfen. Jetzt lag er über ihr. Sie war so wunderbar nackt. Nur noch ihr Höschen trennte ihn von seiner Erlösung.

 

Sie betrachtete sein Gesicht ausgiebig, als wolle sie es sich einprägen. Seine Finger wanderten langsam über ihren Körper, sanft zwischen ihren Brüsten hinab, und seine Mundwinkel zuckten, als sie ihn immer noch fasziniert ansah.

 

„Was?“, wollte er belustigt wissen, denn sie betrachtete ihn, wie ein Schulprojekt, so kam es ihm vor.

 

„Nichts“, wehrte sie schnell ab. „Ich… erkenne dich wieder. Das ist alles“, flüsterte sie anscheinend sehr glücklich, und er senkte langsam den Kopf.

 

„Das hoffe ich, Miss Granger“, murmelte er rau gegen ihren Hals und spürte sie schaudern. Seine Finger erreichten den Saum ihres Slips, und ungeduldig schob er ihn ihre Beine hinab, wurde ihn los und drängte sich zwischen ihre Beine.  Verflucht, sie war so wunderschön! Beinahe zu schön, als dass er sie haben sollte, befiel ihn sein plötzliches Gewissen.

 

Sie war… viel zu gut für ihn. Ihre Finger glitten sanft durch seine welligen Haarspitzen, schienen sie zu liebkosen, und er lächelte schief.

 

„Ich liebe dich, Draco Malf-“ Das Ende des Satzes ging in ihrem unterdrückten Stöhnen unter, denn er hatte nicht mehr an sich halten können. Er hatte sich mit nur einem Stoß in ihr vergraben. Ihr Kopf war zurückgeflogen, und sie krallte sich keuchend in das Laken unter ihr. Grollend entzog er sich, nur um langsam wieder in sie zu dringen.

 

Ihre Beine hatten sich um seine Hüften geschlungen, und er sah sie an, sog jedes Detail auf. Sie war seins! Sie war nur seins, sie gehörte niemandem sonst! Nicht Potter, nicht Weasley! Mit jedem dieser Gedanken stieß er härter in sie, besitzergreifend, erbarmungslos. Sie klammerte sich an ihn. Ihr Brüste hoben sich gegen seinen Oberkörper, er stützte sich auf die Hände, pinnte sie härter gegen die Matratze, und ihre Finger fuhren verlangend über das Spiel seiner Muskeln.

 

„Ja!“, entfuhr es ihr, und ihr Kopf flog zurück. Er spürte es. Ihr Rhythmus wurde unbeständiger. Sie bockte unter ihm auf. „Ja!“, wiederholte sie erstickt, und er stieß härter nach vorne, wilder, schneller, bis er selber spürte, dass er nicht mehr weit davon entfernt war. „Draco!“, keuchte sie und ihre Fingernägel krallten sich in seine Schultern, als sie ihren Körper nach oben bäumte.

 

Er kam augenblicklich, folgte ihrem Orgasmus und brach über ihr zusammen.

 

Fuck! Wie sehr hatte er es vermisst! Wie sehr hatte er sie vermisst?

 

Sofort musste er den Kopf senken und ihre Lippen küssen. Er verschlang ihren Mund, und träge erwiderte sie den Kuss, legte ihre Arme sanft um seinen Nacken, und er wusste, er würde sie heute Nacht nicht schlafen lassen!

 

~*~

 

Weihnachten…

 

 

„Es ist jedes Jahr dasselbe“, bemerkte Ginny, während sie Lily über die roten Haare strich. Hermine saß gespannt im Sessel und beobachtete die Türen zum Flur.

 

„Mummy, kommt Santa nicht?“, wollte Lily von ihrer Mutter wissen, und Ginny lächelte.

 

„Natürlich kommt Santa, Liebes. Du weißt doch… manchmal haben die Rentiere… einen verstauchten Fuß, und er… braucht länger“, erklärter Ginny mit souveräner Ernsthaftigkeit, die nur eine Mutter zustande bringen konnte.

 

„Oh verflucht noch mal!“, vernahm sie Dracos gedämpfte Stimme von draußen auf dem Flur.

 

„Daddy hat das V-Wort gesagt, Mummy!“ Grinsend wandte sich Scorpius um. Hermine seufzte und zwang ein Lächeln auf ihre Züge.

 

„Nein, hat er nicht. Und wenn, bekommt dafür großen Ärger“, fügte sie mahnend hinzu und Scorpius‘ Lächeln wurde schmaler.


„Wie groß?“, wollte er probeweise wissen. Aber Hermine schüttelte todernst den Kopf.

 

„Riesig“, erwiderte sie, und hastig wandte Scorpius den Kopf wieder nach vorne.

 

Die Türen öffneten sich. Ron und Harry kamen sehr zufrieden ins große Wohnzimmer. Lavender strich sich abwesend über den runden Babybauch als Ron sich neben sie setzte.

 

„Wirklich schade, Ron. Wir haben gewettet, dass du es wirst“, bemerkte sie leise.


„Dass er was wird?“, wollte Scorpius sofort wissen. Hermine hatte schon einige Male mit Beunruhigung zur Kenntnis genommen, dass er die spitzen Ohren eines Slytherin hatte. Aber bis dahin hatte er noch ein paar Jahre Zeit. Merlin, sei Dank.

 

„Erster, der rein kommt“, erwiderte Ginny sofort.


„Oh“, erwiderte Scorpius verwirrt. Aber Hermine versteckte ihr Lächeln.

 

„Dad? Bringt Santa mir den neuen Nimbus? Ich kann nicht ohne Besen nach Hogwarts gehen!“, entfuhr es James aufgeregt. Er war jetzt zehn und redete von nichts anderem als Quidditch. Ginny und Harry waren stolz. Hermine hoffte jedoch, dass ihr das erspart blieb. Wenigstens noch für drei Jahre.

 

„Lily, ich wette, Santa bringt dir alte Stinkkäfer“, flüsterte Scorpius nicht besonders leise.

 

„Du bist so eklig! Mum!“, beschwerte sich Lily sofort, und Hermine zog an den blonden Haaren ihres Sohnes.


„Noch ein Wort, und Santa bringt dir bloß Stinkkäfer!“, drohte sie ihrem Sohn, und eilig kletterte er artig auf den Schoß, als sich die Türen ein weiteres Mal öffneten.

 

Ein sehr schlecht gelaunter Santa betrat das Zimmer. Die Kinder verfielen in andächtig ängstliche Stille, während Harry und Ron das Lachen kaum unterdrücken konnten. Hermine wusste, besonders Ron gönnte Draco diesen Auftritt. Sie hatten alle Streitigkeiten begraben. Aber… manchmal hatte sie das Gefühl, Ron gefiel es, wenn Draco litt.


„Ho, ho… ho“, sagte Draco ohne sich besonders große Mühe zugeben. Hermine biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. Das Kostüm war jedes Jahr großartig. George hatte sich mit dieser Erfindung selber übertroffen. An Weihnachten bestellte nahezu jedes Haus in London ein waschechtes Santa-Kostüm. Es passte sich der Trägergröße an, füllte das überflüssige Gewicht magisch aus, färbte die Haare weiß, ließ sie wachsen, schwemmte sogar die Haut im Gesicht ein wenig auf, und nur noch Dracos graue Augen verrieten, dass er widerwillig in diesem Kostüm steckte.

 

Aber es war wohl fair, denn Ron war bereits zweimal in Folge Santa gewesen.

 

„Santa, Santa! Hast du meinen Besen dabei?“

 

„Und Stinkkäfer für Lily?“

 

„Und die Rute für Scorpius?“

 

Alle Kinder riefen durcheinander und hatten ihre ursprüngliche Angst überwunden.

 

„Ja, ja“, bemerkte Draco gereizt zog den riesigen Sack voller Geschenke hervor und warf ihn lustlos auf den Boden. Die Kinder stürzten sich wie Wilde auf die Geschenke.

 

„Was sagt man?“, fuhr Ginnys Stimme zwischen das Gewühl, und artig erhoben sich die Kinder wieder.

 

„Danke, Santa!“, murmelten alle beschämt, nur um sich wieder auf den Geschenkeberg zu stürzen.

 

Hermine stellte sich unauffällig neben ihren Santa.

 

„Wirklich sehr überzeugend, Santa.“

 

„Sei bloß still, oder die Rute bleibt heute Abend für dich übrig“, knurrte er durch die Zähne, und sie musste wieder lachen.

 

„Versprochen?“, wollte sie lauernd wissen, und seine grauen Augen weiteten sich überrascht.

 

„Verlass dich drauf“, versprach er mit wissendem Blick, und selbst in einem täuschend echten Santa-Kostüm ließ er immer noch ihre Knie weich werden.

 

Mum! Mum, ein Kinderbesen!“, quietschte Scorpius aufgeregt und war sofort zu ihr gelaufen. „Wo ist Dad? Wo ist Daddy? Ich muss ihm den Besen zeigen!“

 

„Ja, wo ist dein Vater? Ich werde ihn sofort holen. Sofort“, beschloss der Santa neben ihr erleichtert, und sie war froh, dass er es überhaupt durchgezogen hatte, Santa zu spielen. Wenn auch nur für fünf Minuten.

 

Feixend sahen Ron und Harry Draco nach, wie er unbemerkt nach draußen verschwand. Er kam keine Minute später wieder rein. Wieder ganz er selbst. Die Haare etwas zerzaust, aber sonst unversehrt.

 

„Dad!“, rief Scorpius heiser. „Guck doch! Ein Kinder-Nimbus!“ Hermine schickte ein stummes Gebet gen Himmel. Draco entging es nicht.

 

„Wahnsinn, Scor. Wir können später rausgehen, ihn ausprobieren.“ Keines der Kinder bemerkte, dass Santa fehlte.

 

„Ich hoffe, du wirst ihn nicht zwingen, Quidditchbesessen zu werden?“, erkundigte sie sich sanft bei ihrem Mann. Er brachte es fertig, unschuldig auszusehen.

 

Zu werden?“, wiederholte er ungläubig. „Ich denke, das ist schon der Fall.“

 

„Draco!“, warnend sah sie ihn an.

 

„Ja, Mrs Malfoy?“, erwiderte er ruhig mit dem Blick, der sie immer schwach werden ließ. Sie schüttelte warnend den Kopf.

 

„Nein! So kriegst du mich nicht heute!“, erklärte sie, und seine Hand legte sich auf ihre leichte Bauchwölbung. Er küsste sanft ihre Halsbeuge.

 

„Und damit?“, erkundigte er sich rau.

 

Uuägh!“, entfuhr es Scorpius angewidert. „Mum, Dad! Es sind Leute hier!“

 

„Oh ja? Was denkst du, was du tun wirst, wenn du meine Schwester heiratest?“, bemerkte James mit einem fiesen Grinsen, während er seinen echten Nimbus umklammert hielt. Scorpius wurde so bleich, wie Lily es wurde. Hermine verkniff sich ein Lachen. James nahm also an, dass ihr Sohn seine Schwester heiraten würde. Das wäre wirklich seltsam!


„Oh nein! Niemals! Niemals werde ich die heiraten!“, beschwerte sie Scorpius aufgebracht. „Vielleicht, wenn die Hölle zufriert und es Bertie Botts Bohnen regnet!“

 

„Ja! Wenn Hippogreife sprechen können und… und…“, bestätigte auch Lily aufgebracht, und Scorpius nickte heftig.


„Ja! Und nicht mal dann! Du bist so blöd, James!“, rief er und jagte dem älteren hinterher.

 

„Nicht im Haus rennen!“, rief Hermine resignierend den Kindern nach. „Wann kommen Luna und Neville? Flyn ist immer so lieb und umgänglich“, fügte sie seufzend hinzu.

 

Ginny schenkte ihr einen mitleidigen Blick.

 

„Nur damit du es weißt“, bemerkte sie, „ich wäre voll und ganz dafür, dass sie heiraten.“ Hermine musste grinsen. Natürlich. Ginny würde die Idee einer durchmixten Großfamilie gefallen.

 

„Ich finde, Willard kann das nächste Mal den Santa spielen“, sagte Draco schließlich, als er sich auf die Couch sinken ließ, als wäre er den Marathon gelaufen und alle Kinder das Zimmer mit ihren Geschenken verlassen hatten. Witherby, der den Weihnachtsbaum begutachtete und einige Kugeln an einen neuen Platz tauschte schüttelte höflich den Kopf.

 

„Nein, nein. Ich bin nur ein treuer Bediensteter, Sir. Kein Weihnachtsmann“, bemerkte Witherby lächelnd, und Hermine stieß Draco in die Seite.


„Nein! Die Väter spielen den Weihnachtsmann!“, beharrte sie.

 

„Komisch, dass Neville immer zu spät kommt“, fiel Harry mit eindeutigem Blick auf.

 

„Hey, er unterrichtet später unsere Kinder. Am besten sagen wir nichts gegen Professor Longbottom“, erwiderte Ron, während seine Hand wie selbstverständlich auf Lavenders Babybauch ruhte. Hermine mochte Lavender auch nur an den Feiertagen. Ansonsten… war sie ihr egal.

 

Draco küsste ihren Handrücken.

 

„Also, heute Abend Fuchsbau?“, vergewisserte er sich. Sie nickte. „Morgen deine Eltern?“ Sie nickte erneut. „Wir lassen Scorpius bei ihnen und…?“ Er sah sie abwartend an.


„Machen Urlaub“, versprach sie leise. Und der Urlaub, von dem sie sprach, bezog sich tatsächlich auf ein Haus in London. In der Denmark Road. Mit einem hübschen Garten mit einer Schaukel am Apfelbaum, einer Veranda und dem größten Weihnachtsbaum der Straße.

Dort, wo sie gerade alle Weihnachten feierten.

Sie betrachtete ihren schönen Mann. Sie brauchte keinen Urlaub an einem sonnigen Strand, wenn sie nur ihn bei sich hatte.

 

Er hatte seit sieben Jahren keinen Albtraum mehr gehabt.

Er hatte ihr einen wunderhübschen Sohn geschenkt. Und sie war sich sicher, in vier Monaten würde er ihr auch noch eine wunderschöne Tochter schenken. Sein Lächeln wurde schmaler, und er sah sie fragend an.


„Was ist, Liebes?“ Aber Hermine schüttelte zufrieden den Kopf. Sie lächelte ihrem Mann entgegen, und er neigte den Kopf zu einem zärtlichen Kuss. Sie schloss lächelnd die Augen.

Ja, sie war glücklich. Unglaublich glücklich.

 

– The End –

 

 

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