Kapitel
Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 , Kapitel 7 ,
Kapitel 8 , Kapitel 9 , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12 , Kapitel 13 ,
Kapitel 14 , Kapitel 15 , Kapitel 16 , Kapitel 17 , Kapitel 18 , Kapitel 19 ,
Kapitel 20 , Kapitel 21 , Kapitel 22
Kapitel 1
Again
Sie
hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Kopf wurde langsam schwer. Seit
einer Weile hatte sie nicht mehr gesprochen. Sie wollte auch nicht mehr
sprechen. Sie hatte genug gesagt. Und nach drei Stunden hatte sie einfach keine
Lust mehr. Aber sie wusste, so einfach gab es kein Rauskommen aus dieser Sache.
Sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich nach siebzehn Jahren ein weiteres
Mal ausgerechnet in diese Situation geraten war. War sie auch nun etwas anders
als damals.
„Wo ist
sein Vater?“, murmelte der Minister wieder in die Richtung eines Rechtsmagiers,
der alte Akten durchforstete. Es war wie ein Albtraum, der nicht enden wollte.
Und sie
war sauer. Stinksauer, um genau zu sein. Denn etwas störte sie besonders.
Alle,
außer ihr, fanden es nicht weiter verwunderlich, dass ausgerechnet dieser Junge
heute hier aufgetaucht war. Niemand machte ein großes Aufheben davon. Fast so,
als… hätten sie es gewusst.
„Ich habe keinen Vater!“, rief der Junge aufgebracht und genauso widerspenstig
wie am Anfang der Verhandlung. Es wunderte sie überhaupt nicht, dass er ein
kleiner arroganter Widerling war. Aber sagen würde sie es nicht.
„Aber
Junge…. Natürlich hast du einen Vater“, erklärte der Minister, dem feine
Schweißtropfen auf der Stirn standen. „Ms Granger, könnten Sie…?“ Sie wusste,
sie musste selber wieder in den Akten suchen. Als ob sie etwas über den
Aufenthalt seines Vater zu sagen wüsste! Bis vor drei Stunden hatte sie nicht
einmal gewusst, dass er überhaupt einen Sohn hatte! Wenn sie jetzt schon an den
ganzen Papierkram dachte, der vor ihr lag, dann hatte sie überhaupt keine Lust
mehr, auch nur noch eine Sekunde hier im Ministerium zu sitzen.
Das
würde sie Wochen kosten.
„Ich
will endlich gehen!“, beschwerte sich der Junge, strich sich die schmierigen
blonden Haare zurück und blickte finster in die Runde. Sie bekam einen
besonders angriffslustigen Blick verpasst. Am liebsten hätte sie die Augen
verdreht, aber sie beherrschte sich und reagierte mit Gleichgültigkeit.
„Das
wird nicht möglich sein. Ich habe es dir bereits erklärt. Ohne einen magischen
volljährigen Vertreter wirst du nirgendwo hingehen.“ Der Minister warf ihr auch
einen Blick zu, aber natürlich gaben die Akten nichts über den Verbleib des
Vaters her. Aber über den Verbleib des Großvaters wusste sie immerhin Bescheid.
Nicht, dass das helfen würde….
„Ich bin
volljährig, verdammt!“
„Junger
Mann, bitte mäßige deinen Ton. Du sprichst mit dem Minister. Es ist eine Ehre,
dass ich mich überhaupt dieser Sache annehme.“ Hermine atmete langsam aus. Sie
wollte gehen. Zuhause war die Stimmung ähnlich angespannt, aber sie würde sich
lieber mit Ron Tassen an den Kopf werfen, als sich im Ministerium über alte, zu
den Akten gelegte, Fälle den Kopf zerbrechen zu müssen.
„Ich
will hier nicht sein! Und wo ist mein Anwalt? Ich habe doch ein verfluchtes
Recht darauf!“, schrie der Junge außer sich.
„Anwalt?“, wiederholte der Minister
etwas verwirrt.
„Ein Anwalt ist ein Rechtsmagier der Muggel“, erklärte Hermine beflissen. Der
Junge stöhnte auf.
„Hör auf mit dieser Muggel-Scheiße! Was seid ihr überhaupt für Idioten? Seid
ihr eine Sekte? Ist es das? Wollt ihr an mein Blut? Meine Organe verkaufen?“
„Reinblüter“,
murmelte sie leise.
„Was?“,
schnauzte der Junge, aber sie reagierte nicht darauf. „Ich muss mir das nicht
bieten lassen!“, rief der Junge wieder.
„Du bist
minderjährig, also brauchst du einen Vormund. Für die rechtlichen
Angelegenheiten“, erklärte ein weiter Beamter des Ministerium trocken.
„Ich bin
volljährig!“
„Sich
seinen Geburtstag auszudenken ist nicht möglich!“, unterbrach Dean Thomas‘
Stimme scharf das Geschrei. „Laut den Akten, die wir haben, ist dein Geburtstag
in einem Monat. Dann bist du volljährig.“ Der Junge schien zum ersten Mal
verwirrt. Auch Hermine. Denn sie wusste, Dean wusste mehr, als er zu Anfang
hatte zugeben wollen. Sie hatte es doch geahnt!
„Welche Akten?“, fragte sie, ehe es der Junge tun konnte. Dean wirkte eine Spur
ertappt und warf seinen Kollegen einen knappen Blick zu, bis ein anderer
ebenfalls nickte.
„Es gab
einen Bericht einer Hebamme. Sie wurde in der Nacht ebenfalls umgebracht. Dort
hieß es, dass Astoria Greengrass ein Kind zur Welt gebracht hat. Sie wurde
danach von den Todessern gefoltert und schließlich mit dem Todesfluch belegt,
und der vermeintliche Vater hat das Kind vor einem Waisenhaus abgelegt.“
Hermine schüttelte den Kopf.
„Was soll der Scheiß? Redet ihr über mich? Ich habe keinen Vater, verdammt!“,
schrie der Junge wieder, diesmal etwas panischer als zuvor. „Wieso wollt ihr
das wissen, ihr Verrückten?“, verlangte er zu wissen, bekam aber keine Antwort.
Er beäugte die Zauberstäbe, die er vorher noch als lächerlich abgetan hatte,
zögerlich. Er hatte noch keine Anstalten gemacht zu fliehen, was Hermine
annehmen ließ, dass der Junge wusste, dass eine Gefahr von den Holzstäben ausging, wie er sie nannte.
„Ihr
habt Akten darüber? Ihr habt Formulare? Wieso sind mir die unbekannt?“, wollte
sie recht kühl wissen.
„Es war
damals nicht angebracht. Du warst in der Ausbildung.“
„Oh ja,
sicher, Dean. Und du bist so viel erfahrener als ich!“, erklärte sie zornig.
„Ich
arbeite in einer anderen Abteilung und hatte schließlich irgendwann Einsicht.
Es gab bisher keinen Anlass, anzunehmen, dass die Hebamme die Wahrheit gesagt
hatte.“
„Und
deshalb nehmen wir an, dass sie lügt?“ Es änderte einiges. Es änderte fast
alles.
„Ich
will gehen!“, unterbrach der Junge wieder das Gespräch.
„Ruhe!“,
befahl der Minister streng. „Also… wir haben den Namen, die Umstände und-“
„Minister,
Entschuldigung“, unterbrach Hermine den Mann, ohne ihn anzusehen. „Wieso ist so
etwas nicht bekannt? Wie kann es sein, dass der Sohn eines Reinblüters
mit zehn Jahren keinen Brief bekommen hat? Wie kann es sein, dass Hogwarts ihm
nicht geschrieben hat? Wieso war er nicht vorgemerkt?“
„Vielleicht
sollte er den Saal verlassen“, schlug Dean ernst vor.
„Ja! Ich
will ohnehin gehen, verdammt!“
„Wieso
sollte er gehen?“, ignorierte Hermine den Einwurf.
„Weil es
Dinge sind, die nicht unbedingt für seine Ohren bestimmt sind“, erklärte Dean
eine Spur gereizter.
„Wieso
wurde er nicht von Hogwarts erfasst?“ Sie würde die Frage wiederholen, bis es
Sinn machte. „Wieso werden solche Informationen vorenthalten? Wir hätten ihn
schon längst finden können!“
„Malfoy hat verdammt gute Arbeit geleistet, ihn unauffindbar zu machen,
begreifst du nicht?“, rief Dean jetzt wütend, und zum ersten Mal horchte der
Junge auf.
„Nein,
ich begreife nicht, Dean!“, erwiderte sie.
„Wir
sind hier nicht, um zu streiten“, unterbrach der Minister wieder und übernahm
die Unterhaltung erneut. „Wir sind hier, um eine Lösung zu finden. Der Junge
hat Magie unerlaubterweise in Anwesenheit von Muggeln angewendet, wurde von
unserer Aurorin gestellt, und jetzt braucht er einen Vormund, der ihn bis zu
der Verhandlung betreut.“ Er sah auffordernd in die Runde. Sein Blick blieb an
ihr hängen. Sofort hob sie die Hände.
„Nein! Absolut nicht, Minister.“
„Aber Ms
Granger, es wäre nur für ein paar Tage. Sie sind Aurorin, wir haben hier einen
Fall der Abteilung der Auroren, und wenn die Dinge nun so liegen, wie wir sie
einschätzen, braucht der Junge Schutz.“
„Was?“
Hermine konnte es nicht fassen. „Welchen Schutz? Vor wem?“
„Ich
brauche gar nichts!“
„Jemand
hat sich besonders viel Mühe gegeben, den Jungen loszuwerden, in die Muggelwelt
abzuschieben und ihm jede Magie zu nehmen“, erklärte Dean wieder, und Hermine
hatte die Nase gestrichen voll, von der Überheblichkeit der Magischen
Strafverfolgung.
„Wovon sprichst du wieder? Du tust so, als wäre es Gang und Gäbe! Für mich ist
das alles neu!“
„Du
bezweifelst, dass er sein Sohn ist? Wir können den Bluttest machen, Hermine. An
Zeit mangelt es uns heute auch nicht mehr.“
„Nein,
ich glaube, dass es sein Sohn ist, ok?“, fuhr sie ihren Kollegen wütend an. Wer
könnte nicht glauben, dass dieser blonde Halbwüchsige nicht sein Sohn war?
Niemand konnte es anzweifeln. Vor allem, da er ihm schon auf gruselige Weise
ähnlich sah.
„Ich
muss um Ruhe bitten. Ms Granger, die Tatsachen berücksichtigend, die dem Aurorenbüro bedauerlicherweise noch nicht zugänglich waren,
muss ich entscheiden, dass ein Auror für den Schutz des Jungen zuständig sein
muss“, beschloss der Minister streng.
„Wieso ich?“, warf sie ein.
„Sie haben ihn gefunden“, entgegnete der Minister, als würde das alles
erklären.
„Mr Prinkett-“
„Sie
sind die letzte Aurorin im Dienst heute Abend“, fuhr er etwas leiser und
eindringlicher fort. Und sie war nur die letzte, weil sie für Harry
eingesprungen war, weil der sein doofes Quidditchtraining hatte! „Und Sie sind
gebürtige Muggel.“
„Muggel?“, wiederholte der Junge wieder.
„Was soll das? Ich brauche niemanden, ich will nach Hause! Die Leiterin wird
sich ohnehin bei der Polizei melden, wenn ich nicht auftauche!“, brachte er
siegessicher hervor.
„Die Leiterin deiner Einrichtung wurde bereits mit einem Zauber belegt und wird
sich nicht erinnern, dass ein Junge namens Scorpius Malfoy in ihrem Waisenhaus
gelebt hat“, widersprach der Minister ruhig, und der Junge starrte ihn an.
„Sie wollen mich verarschen, richtig? Ist das eine von diesen Shows? Und gleich
kommt Mrs Davis und lacht mich aus?“
„Mrs
Davis wurde von fähigen Mitarbeitern einem Gedächtniszauber unterzogen, und wie
ich bereits sagte, sie wird sich nicht erinnern.“ Der Minister wandte sich
wieder an sie.
„Ms Granger, ich erwarte, dass sie den Jungen schützen. Ich will keinen
weiteren dieser Fälle unter meiner Amtszeit zu verbuchen haben. Sie haben ihn
gefunden, Sie werden ihn mitnehmen. Ihre Wohnung ist groß genug. Das habe ich
beim letzten Kaffeetrinken schließlich gesehen.“ Hermines Mund öffnete sich im
Protest.
„Sir, ich habe keinen Platz für einen Jungen“, widersprach sie. „Ich bin
berufstätig.“
„Für
diesen Fall sind Sie in besonderer Position. Sie kümmern sich um den Jungen,
finden seinen Vater und kümmern sich um die Eingliederung. Darüber haben Sie
doch schließlich Ihre These geschrieben, wenn ich mich recht entsinne?“ Sie
hasste ihn.
„Aber
Sir-“
„Es ist
spät. Das ist die Entscheidung. Der Junge bleibt in der Obhut des Ministeriums.
Der Schutz wird Stufe drei sein, Ms Granger. Falls Sie Unterstützung brauchen,
sagen Sie über Floh Bescheid und ich lasse Ihnen noch einen Auroren zukommen.
Potter vielleicht?“ Oh ja. Harry würde begeistert sein, nahm sie an.
„Bluttest“,
sagte sie eilig. „Ich will sicher sein. Ich nehme nicht irgendeinen Kriminellen
mit nach Hause!“ Es war ein letzter Versuch. Dean Thomas erhob sich sogar
persönlich. „Er ist nicht autorisiert!“, rief sie aus, aber Dean schloss
einfach den Abstand zu dem Jungen, der ihn panisch ansah.
„Weg von mir, du-“ Aber Dean hob den Zauberstab, griff nach dem Arm des Jungen,
der sich hastig loszureißen versuchte und presste dann den Zauberstab mit der Spitze
in die Armbeuge. Er führte den Zauber stumm aus, und der Junge hörte auf sich
zu wehren, als ein silberner Strahl in die Luft schoss. Hermine schloss genervt
die Augen, als ein riesiger, wuchtiger Stammbaum in der Luft zu wachsen begann.
Nur Reinblüter hatten einen Stammbaum
mit ungefähr hundert Ästen und Abzweigungen.
„Scorpius Falco Malfoy, Sohn von Astoria und Draco
Malfoy“, erklärte Dean eisig.
„Aber
Minister! Sir, Mr Prinkett, ich kann wirklich keinen
Jungen bei mir unterbringen!“, begann sie wieder.
„Ms
Granger, Sie sind eine der besonders fähigen Auroren. Sie betteln mich seit
Jahren um ein wichtiges Projekt an, und jetzt werden Sie sich diesem Befehl
nicht widersetzen. Es geht um weit mehr, als einen verlorenen Jungen. Denken
Sie an die Anschläge auf Gringotts, auf das Verlies, auf den Namen!“ Es war das
letzte Wort. Sie warf Dean einen letzten bösen Blick zu und würdigte den
Minister gar nicht mehr.
„Hey,
ich gehe mit keinem mit! Schon gar nicht mit ihr!“, rief der Junge wieder.
„Ms
Granger, ich schlage vor, Sie leiten morgen die Suche ein und kümmern sich um
das Verfahren der Eingliederung. Wir müssen den Jungen im Mungo
vorbeischicken“, fügte er bedächtig hinzu.
„Warum?
Und kann er dort nicht die Nacht verbringen?“
„Ungeschützt? Nein. Kommt nicht in Frage. Wenn wieder ehemalige Todesser
auftauchen? Ich nehme an, es war der Hauptgrund, weshalb man ihn weggeschafft
hat“, fügte der Minister hinzu.
„Die
Hälfte dieser Todesser ist tot“, rief sie ärgerlich aus. Der Junge starrte von einem
zum anderen. „Warum muss er ins Mungo?“, wiederholte sie wieder.
„Am
besten liest du die Akte“, erklärte Dean gereizter. „Das wär es dann. Er darf
dein Haus nicht verlassen, verstanden? Wenn, dann nur in deiner Begleitung.“
„Ich bin
volljährig!“, rief er wieder. „Ihr könnt mir gar nichts!“
„Du bist minderjährig. Keine Widerrede oder es geht direkt nach Askaban. Dann
kannst du deinem Großvater Hallo sagen.“ Der Minister warf Dean einen bösen
Blick zu.
„Na, na,
Mr Thomas. Das ist wohl nicht nötig. Minderjährige kommen nicht nach Askaban.
Egal, wie viel Magie sie vor Muggeln anwenden“, ergänzte er streng.
„Ich
habe keinen Großvater, ihr dämlichen Zauberkünstler! Ich habe keine Mutter und
keinen Vater. Mein ganzes Leben lang wohne ich im London Creeks Waisenhaus!“ Er
klang fast verzweifelt. Und Hermine hatte vielleicht ein kleines bisschen
Mitleid. Vielleicht. Aber nicht viel.
„Fein.
Ich bringe ihn morgen wieder. Ich werde ihn keinen Monat bei mir behalten, nur
weil er keine siebzehn ist“, sagte sie bitter. „Beweg dich. Es ist spät.“ Sie
zog vorsichtshalber ihren Zauberstab.
„Ich
gehe nicht-“
„Wir
wollen dir nichts Böses, Junge“, sagte der Minister jetzt, während er sich erhob.
„Soweit ich heute verstanden habe, wurde das Vermögen in Gringotts nicht
angegriffen. Niemand hat in den letzten
siebzehn Jahren darüber verfügt. Es sollte dem Jungen ein beachtlicher Teil
davon zustehen. Über die Details reden wir morgen. Granger, ich verlasse mich
auf Sie“, fügte er hinzu. Sie seufzte
auf.
„Vermögen?“,
wiederholte er. „Ihr wollt mich bestechen?“
„Wohl
kaum“, erklärte Dean, der seinen Umhang überwarf. „Mit dem Namen Malfoy geht
das Wort Gold seit Generationen einher. Nicht deine Schuld, Junge.“ Der Junge
starrte ihn an.
„Gold?“, wiederholte er verwirrt, und Hermine schnaubte auf.
„Beweg
dich, oder du siehst nichts von deinem Geld“, erklärte sie. Und der Junge
setzte sich tatsächlich in Bewegung. Es hätte ihr klar sein müssen, dass man
einen Malfoy mit Gold wohl immer überzeugen konnte. Sie verließ kopfschüttelnd
den Saal, der Junge lief hinter ihr her. Sie merkte, wie ängstlich er sich
umsah. Alles musste seltsam und fremd für ihn sein. Obwohl er sich ja
anscheinend mit Magie so gut auskannte, ein Auto aufzubrechen und es magisch
anzulassen.
Sie
schüttelte immer noch den Kopf, als sie den Fahrstuhl erreicht hatten.
Sie
würde einen Malfoy mit nach Hause bringen. Sie war sich fast sicher, dass dies
das Fass zum Überlaufen bringen würde. Wahrscheinlich wären Rons Sachen noch
heute Nacht fertig gepackt, nahm sie müde an.
Gone
„Ich
will nach Hause.“ Sie verstand den Einwand und wünschte sich nichts dringender,
als dass der Junge wieder verschwinden würde. Nichts bereute sie so sehr, wie,
dass sie heute Harrys Schicht übernommen hatte. Sie hätte keinen Außendienst
gehabt, hätte keine verdächtigen Dinge bemerkt, wäre nicht in die Londoner
Innenstadt appariert, hätte nicht diesen halbwüchsigen Jungen dabei erwischt, wie
er seinen Kumpeln aus dem Waisenhaus gezeigt hatte, wie man ein Wagen ohne
Schlüssel zum Laufen bringt, und hätte die Jungen nicht mit dem Vergessenszauber belegen müssen.
Sie wäre
einfach nach Hause gegangen, hätte sich, wie jeden Abend, mit Ron gestritten
und wäre gemütlich zu Bett gegangen. Allein. Ron schlief im Gästezimmer, seit…?
Seit wann eigentlich? Sie wusste es schon nicht mal mehr, stellte sie
schockiert fest.
„Das
glaubst du doch wohl selber nicht“, erwiderte sie müde, als sie in der Eingangshalle
angekommen waren. Sie verließen den Aufzug. Staunend sah sich der junge Malfoy
um.
„Von wie
viel Geld sprechen wir? Ich meine, so viel, dass ich das hier kaufen könnte?“
Das
Malfoy-Vermögen gehörte zu den meist umwitterten Summen der Zaubereigeschichte,
nahm sie an. Es gab Spekulationen um dreistellige Milliardenbeträge. Aber das
konnte auch ganz leicht Unsinn sein. Sie entschied sich, ihm keine Hoffnungen
zu machen, das Ministerium kaufen zu können.
„Weiß
ich nicht“, sagte sie also. „Ich glaube, du kannst dir das Ministerium nicht
leisten“, fügte sie bitter hinzu.
„Ich
will gehen“, wiederholte er und wurde langsamer. Der Brunnen in der Mitte der
Halle plätscherte leise. Sie hielt ebenfalls inne.
„Scorpius,
ich weiß, das ist für dich genauso unangenehm wie für alle anderen. Aber du
hast eine Straftat begangen. Dafür musst du Rechenschaft tragen. Und… dann
kommt noch eine ganze Menge mehr hinzu.“ Und dabei stellte sie sich wieder die
Frage, wieso Hogwarts den Jungen nicht aufgegriffen hatte.
Und
natürlich hatte der Minister recht. Seit Jahren kamen Betrüger nach London,
ehemalige Todesser, die versuchten, in Gringotts einzubrechen und das Vermögen
zu bekommen, was seit Jahren unangetastet im Verlies wartete.
Bisher
gab es keinen Erben. Und ihr schilmmster Gedanke war,
dass Draco Malfoy vielleicht nicht mehr leben würde. Denn dann… wäre der Junge
der erste in der Erbfolge.
Und das
würde besonders einer Person nicht gefallen. Und diese Person war die böseste
Person, die zurzeit im Askaban Hochsicherheitstrakt untergebracht war.
Hermine
schauderte allein beim Gedanken an den Namen dieser Person.
„Ich
will aber nicht mitgenommen werden. Ich will nicht ins Gefängnis, oder was auch
immer!“, beschwerte sich der blonde Junge und schien sich nach einem Fluchtweg
umzusehen. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
„Du
wirst nicht ins Gefängnis müssen.“ Sie hatte keine Lust dieses Gespräch zu
führen.
„Und was
ist das Gerede von einer scheiß Einführung?“, wollte er patzig wissen, und sie
atmete aus.
„Das ist
was Positives, du undankbarer Idiot.“ Sie wollte nicht fluchen, wollte nicht
ausfällig werden, aber diese Junge machte es ihr nicht leicht. „Du wirst in die
magische Gesellschaft eingeführt“, erläuterte sie unwillig. Er lachte auf, so
dass seine Stimme in der Halle widerhallte.
„Immer
noch? Du willst mir das immer noch weiß machen? Du bist eine Hexe oder was auch
immer?“ Und es war so seltsam. Ein Malfoy tat Zauberei ab, als wäre es
lächerlich.
„Miss.
Granger. Für. Dich“, erklärte sie langsam. Sein Grinsen verschwand.
„Wirklich
seltsam. Du kennst mich nicht, aber du magst mich nicht. Bisschen unfair,
oder?“ Sie sah all ihre Autorität bereits schwinden. Ein Malfoy und Respekt
gingen nicht einher.
„Wir
gehen“, informierte sie ihn streng. „Du wirst Folge leisten“, fügte sie hinzu,
als er schon wieder den Mund geöffnet hatte. „Ich habe die Befugnis, dich außer
Gefecht zu setzen, wenn du dich selber gefährden könntest“, fuhr sie fort. „Und
dass kann ich tun, indem ich dich stumm hexe, deine Gliedmaßen versteiner oder
solange bewusstlos hexe, bis die nächste Verhandlung ist, verstanden?“ Und er
schüttelte langsam den Kopf.
„Du glaubst das echt“, stellte er fest. „Seid ihr alle verrückt?“ Aber er klang
nicht mehr so skeptisch. Er hatte vorhin doch selber einen komplizierten Zauber
gesehen. Aber natürlich glaubte ein Malfoy nichts. Sei es auch unterschrieben
und von Gott persönlich bestätigt, nahm sie an.
„Komm
endlich“, befahl sie knapp. Zog den Zauberstab, und er folgte ihr langsam, wenn
auch äußerst widerwillig. Sie griff angewidert nach seinem Arm und zog ihn zu
einem der Kamine.
„Was
wird das? Bist du der Weihnachtsmann?“, fragte er belustigt, als sie ihn
hineingeschoben hatte.
„Ja, genau.
Der Weihnachtsmann, Malfoy“, erklärte sie gereizt, und schon wurden sie nach
oben geschleudert. Sie hörte seinen gedämpften Schrei, aber die Fahrt betrug
keine Sekunde. Er hatte sich an ihre Schulter geklammert, als sie plötzlich auf
der Straße aufgetaucht waren. Sie hätte direkt apparieren können, aber
wahrscheinlich war es besser ihn vorzuwarnen, ehe er sich noch losriss, wenn
sie gerade dabei war.
„Was war
das, verfluch?“, rief er ärgerlich aus und ließ sie eilig los. „Ein Strudel?
Ein Luftzug? Sowas gibt es nicht!“, beschwerte er sich. Sie streckte die Hand
aus.
„Wir
apparieren jetzt“, erzählte sie gelangweilt. „Hör auf zu meckern, und halt
gleich einfach still. Es wird nicht lange dauern.“
„Wir tun
was?“,
wollte er abgeschreckt wissen und schüttelte den Kopf.
„Nein. Ohne mich! Ich kenn den Weg zurück!“, behauptete er steif, aber sie
verdrehte die Augen. Sie zwang seinen Arm um ihren.
„Halt
bloß still!“, warnte sie ihn.
„Ich werde nicht-“
Aber sie
hatte sich schon angefangen zu drehen und zog ihn einfach mit sich. Diesmal
schrie er wesentlich lauter. Die ganzen zehn Sekunden, die es dauerte.
Sie
kamen so abrupt zum Stehen, dass er mit den Knien auf den Boden schlug. Grover’s Corner lag ruhig vor ihnen. Es war aber auch schon
nach elf. Diese Gegend war immer tot um diese Uhrzeit.
„Oh mein
Gott!“, rief er keuchend aus. „Wie hast du das gemacht?“ Hustend kam er auf die
Beine. Sie glaubte, dass er zitterte und musste sich unwillkürlich fragen, wie
sie so viel Magie am ersten Tag aufgenommen hätte. „Ich meine, ich weiß, ich
kann seltsame Sachen mit meinen Händen machen, wenn ich mich konzentriere –
aber das!“ Er starrte sie an. „Das ist doch nicht normal!“
„Nein,
natürlich nicht. Wir sind ja auch Zauberer.“ Sie versuchte ihm das Wunder Magie
näher zu bringen. Und wäre es nicht spät, hätte sie nicht schon sechzehn
Stunden gearbeitet, dann wäre sie vielleicht netter. Wäre er nicht ein
krimineller Malfoy, dann wäre es vielleicht auch einfacher. Aber manchmal kam
es nicht so günstig aus.
„Können
wir das noch mal machen?“, fragte er begeistert und hielt ihr seinen Arm
entgegen. Sie musterte ihn müde.
„Nein“,
erklärte sie tonlos.
„Dann
was? Worauf warten wir?“
Sie
blickte an ihrem Haus hoch. Die Wohnung oben war erleuchtet. Dass Ron schon
schlafen würde, war also keine Option. Sie seufzte. Ihr blieb heute wenig
erspart. „Wohnst du hier?“, unterbrach er ihre Gedanken, und sie blieb
regungslos.
„Was
ist? Müssen wir hineingebeten werden? Lösen wir uns gleich auf? Sind wir so wie
Vampire oder sowas?“, wollte er begierig wissen, aber sie schloss kurz die
Augen.
„Nein.
Keine Vampire. Komm einfach“, erklärte sie müde, und in ihrem Kopf verteufelte
sie Draco Malfoy. So sehr wie heute hatte sie ihn selten verabscheut, dabei
hatte sie ihn siebzehn Jahre nicht gesehen. Ach, was sagte sie! Sie hatte ihn
seit der Abschlussfeier auf Hogwarts nicht mehr gesehen.
Sie
öffnete die Tür, machte Licht im Treppenhaus mit einem Wink ihres Zauberstabs,
was ihn wieder aufkeuchen ließ, und schob ihn die Treppe nach oben. Er
bombardierte sie mit Fragen über sich, seinem angeblichen Geld, über Apparieren
und weshalb er überhaupt in einem Waisenhaus gelandet war. Anscheinend wurde er
redseliger, wenn man ihm ein paar Tricks vorführte und die Aussicht auf Geld im
Raume stand.
Sie
öffnete ihre Wohnungstür.
„Weasley?“,
las er von der Klingel ab. Und seltsamerweise klang seine Stimme beim
Aussprechen des Namens abwertend. Sie überlegte, ob es genetisch veranlagt war.
„Ich dachte, du heißt Granger?“
„Ms Granger“, verbesserte sie ihn ärgerlich.
„Wohnt
noch ein Mädchen mit dir zusammen? Habt ihr sowas wie eine lesbische WG?“,
wollte er grinsend wissen. Sie starrte ihn an.
„Du denkst, ich wäre-“ Sie schüttelte zornig den Kopf. „Weißt du was, es geht dich
nichts an!“, entschied sie sich jetzt. „Du kannst auch auf dem Flur schlafen.
Es ist mir egal“, fügte sie hinzu.
„Ich dachte, du musst mich beschützen?“, wollte er überheblich wissen, und sie
atmete verzweifelt aus.
„Geh
einfach rein.“
Sie
schob die Tür auf, und er betrat den erleuchteten Flur. Er sah sich um, und sie
bemerkte den Schatten in der Tür zum Wohnzimmer.
„Na,
hast du dich im Ministerium versteckt, weil…“ Ron unterbrach sich selbst, als
er bemerkte, dass sie nicht alleine war. „Was soll das?“, stellte er die
nächste Frage prompt. Er hätte nicht feindlich gesinnter aussehen können.
„Das habe ich beim Arbeiten gefunden“, gab sie garstig zurück. „Er steht unter
Schutz und bleibt erst mal bis morgen hier.“
„Ist er
nicht ein bisschen zu jung?“, bemerkte Ron mit kaltem Spott, und sie machte
sich bereit für die nächste Runde.
„Eklig,
Ron. Wirklich. Und nein. Ich verbringe meine Zeit nämlich nicht damit, Ersatz
zu suchen“, fügte sie hinzu. Sie wusste nicht, wann auf einmal jede natürliche
Scham von ihr abgefallen war. Es war ihr egal, was Außenstehende über die
Beziehung zwischen ihr und Ron dachten. Für sie war sie längst gestorben.
„Du bist
auch nicht erfolgreich. Wie alt ist der kleine? Fünfzehn?“
„Siebzehn!“,
widersprach der Junge. Ron nickte anerkennend.
„Na dann. Immerhin brichst du dann nicht das Gesetz, richtig Hermine?“
„Wer ist
der Idiot?“, wollte Scorpius grimmig wissen.
„Der Idiot zahlt hier zufällig die Hälfte der Miete, du kleiner Hosenscheißer.“
Ron war näher gekommen, und Hermine wusste nicht, wie sie die Akte gestalten
sollte, wenn Ron Scorpius heute Nacht verprügeln würde.
„Ron!“,
sagte sie warnend. „Das Ministerium bürgt für den Jungen. Also lass ihn in
Ruhe.“
„Wieso ist er hier? Brauchst du so dringend Gesellschaft, Hermine?“, wollte Ron
wütend wissen, und der Junge lachte auf.
„Meine
Fresse! Bei so einem bleichen, rothaarigen Spießer wundert es mich nicht, dass
Granger mich mitgenommen hat. Hättest du mir eher sagen können, dass es eigentlich
darum geht“, informierte er sie, und sie funkelte ihn zornig an.
„Scorpius,
ich hoffe, du weißt noch, was ich über deine Gliedmaßen gesagt habe? Zwing mich
nicht dich zu verfluchen!“
„Scorpius? Was ist er? Ein antiker
Held aus Merlins Kindergeschichten?“
Scorpius
hatte schon wieder den Mund geöffnet, aber Hermine fuhr dazwischen.
„Ron,
halt deine Klappe! Er steht unter meinem Schutz, ob dir das passt oder nicht.
Ich wohne hier ebenfalls, und ich kann garantieren, dass er dich in deiner
stumpfen Einsamkeit im Gästezimmer heute Nacht nicht stören wird!“
„Ihr schlaft nicht mal mehr zusammen?“ Scorpius betrachtete Ron kopfschüttelnd.
„Aber das kann ich mir gut denken.“
„Scorpius!“,
drohte Hermine wieder, aber diesmal war Ron schon zu ihm geschritten und hatte
ihm am Kragen gepackt.
„Am
besten ziehst du deinen Zauberstab und zeigst mir, ob du auch magisch so begabt
bist, wie mit deinem dreckigen Mund! Aber nein… du darfst ja außerhalb der
Schule nicht zaubern“, lachte Ron hämisch.
„Ich
habe auch keinen Zauberstab“, spuckte ihm Scorpius entgegen. „Aber Arschlöcher
wie dich, habe ich schon mit zwölf zusammen geschlagen!“ Hermine schloss die
Augen und zog den Zauberstab.
„Protego!“,
rief sie zornig und beide wurden auseinander gerissen. Scorpius starrte sie mit
einem Hauch Neid an.
„Er hat
keinen Zauberstab? Wo hast du diesen Urkobold
gefunden?“
„Hey!“,
rief Scorpius wütend. „Ich muss mich von dir bestimmt nicht beleidigen lassen.
Ich habe bestimmt genug Geld, um dich verhaften zu lassen!“ Hermine bekam
Kopfschmerzen.
„Ruhe!
Ihr haltet beide den Mund!“
„So
siehst du nicht aus. Das Geld scheinst du nicht für Kleidung auszugeben!“
„Ron,
bitte. Was soll das? Er ist ein Muggel, ok? Na ja. Technisch gesehen nicht“, widersprach
sie sich selbst verwirrt. „Für ihn ist alles neu. Es wäre eine Hilfe, wenn du
ihn nicht anschreien würdest!“
„Ein
Muggel? Was tut er dann hier? Soll sich die Polizei um ihn kümmern!“
„Muggel?
Nein. Mein Name ist Malfoy!“, rief Scorpius ärgerlich. „Muggel ist ein scheiß
Wort!“
Und Ron
rastet ungefähr in diesem Moment aus.
„Du hast
einen Malfoy in die Wohnung gebracht?“, schrie er so laut, dass sogar
Scorpius zusammen zuckte. Rons Zauberstab lag sofort in seiner Hand. „Raus!“,
knurrte er, und presste die Spitze gegen die Brust des Jungen. Dieser hob
automatisch die Hände in die Luft, als wäre es der Lauf einer Waffe, der sich
in seine Kleidung bohren würde.
„Hey,
hey! Reg dich ab, verdammt!“, rief Scorpius, zum ersten Mal eingeschüchtert.
Ron griff hinter ihm nach der Türklinke.
„Hermine,
er geht, oder ich bin weg! Für immer!“
Wieder
mal ein Ultimatum. Wenn es etwas gab, was sie über Ron zu sagen wusste, dann,
dass er wohl König in dieser Disziplin war. Ultimaten waren seine Stärke. Seine
einzige Stärke. Und sie hatte es schon vor zehn Jahren gehasst.
„Ron,
ich kann ihn nicht rauswerfen, das weißt du hoffentlich. Ist dir nicht klar,
was das bedeutet?“, versuchte sie ihn zu besänftigen, aber Ron schüttelte den
Kopf.
„Du willst mir doch nicht erklären, dass du dich für einen Malfoy entscheidest?
Das willst doch wohl nicht sagen?“
„Ich entscheide mich nicht! Das hier ist ein Auftrag! Ich kann ihn nicht zurück
schicken. Im Waisenhaus wurde die Erinnerungslöschung bereits durchgeführt. Er
hat kein Zuhause!“
„Malfoy
Manor steht doch leer! Soll er in das Gruselhaus verschwinden!“
„Er hat
keinen Zauberstab, kann sich nicht verteidigen, und wenn Ehemalige kommen, und
ihn umbringen wollen, stand er in meiner Verantwortung. Er bleibt!“
„Es gibt
keine Todesser mehr! Warum sollte ihn jemand umbringen wollen, verdammt?“, fuhr
Ron sie zornig an, den Zauberstab immer noch gegen Scorpius gerichtet.
„Wegen des Golds! Malfoy hat seinen Anspruch anscheinend aufgegeben. Und das
Verlies in Gringotts ist eingefroren. Es gab keine Transaktionen mehr! Mit der
Rückkehr eines Erbens können sich Ehemalige nicht mehr in Sicherheit wiegen, an
das Gold zu kommen!“
„Ich
fasse nicht, dass du ihn verteidigst!“
„Ich
verteidige ihn nicht! Ich habe keine Wahl, Ron!“
„Er ist
nur ein Todesser!“
„Er ist
ein Muggel!“
„Das ist
Unsinn, und das weißt du! Er ist ein Reinblüter, und zwar einer, der von einer
ganzen Ahnenreihe Todesser abstammt! Denkst du, seine Einstellung ist anders?
Du hörst doch, was für ein verzogener, arroganter, kleiner Wichser er ist! Wie
sein verfluchter Vater!“, schrie Ron außer sich.
„Mein
Vater?“, fragte Scorpius jetzt dazwischen. „Ihr kennt meinen Vater?“,
erkundigte er sich ungläubig, und Ron schoss ihm einen zornigen Blick zu.
„Jeder
kennt deinen Vater, Junge! Sei froh, dass dir diese Bekanntschaft erspart
geblieben ist.“ Scorpius wirkte nur noch schockiert.
„Ron!“
„Nein, Hermine! Wenn er bleibt, bin ich weg“, wiederholte er knapp. Hermines
Schultern sanken. Ron war ein Idiot. So ein blöder Idiot!
„Mir
sind die Hände gebunden“, erwiderte sie schlicht.
„Fein.
Ganz wie du willst.“ Mit einem letzten hasserfüllten Blick ließ er von Scorpius
ab. „Glückwunsch. Du hast mich mit einem Malfoy ersetzt. Das macht sich
bestimmt gut in deinem Lebenslauf“, fügte Ron hinzu und hatte sich abgewandt.
Scorpius sackte gegen die Wand.
„Was
läuft hier für eine Scheiße?“, flüsterte er, und rieb sich seine Brust. Rons
Zauberstab hatte seine Kleidung an der Stelle leicht angesengt. Aber diese
Kleidung war ohnehin nicht dafür gedacht, noch ein weiteres Mal angezogen zu
werden, befand Hermine. „Wer seid ihr? Und… wer bin ich?“, fragte er noch
leiser und sah sie an, als wäre sie der Feind.
Vielleicht
war sie heute auch für ihn der Feind. Ganz offensichtlich war sie das.
Greengrass
Fives
„Wie
muss ich ihn halten?“ Scorpius holte aus. „So?“, erkundigte er sich, und dabei flogen eine ganze Regalreihe an Zauberstäben auf den Boden.
„Mr Malfoy, Mr Malfoy! Bitte, vorsichtig!“, rief Mr Ollivander besorgt. Hermine
saß auf einem Hocker und las in ihren Berichten. Sie hätte jetzt auf der Arbeit
sein können. Sie hätte mit Ginny zu Mittag essen können, sich Gedanken darüber
machen können, ob sie am Wochenende bei Harry und ihr Essen würden, oder ob sie
vielleicht ausgehen wollten.
Aber
nein. Sie streifte durch die Winkelgasse, mittags, wenn alle Haushexen und
kleinen Kinder ebenfalls unterwegs waren und kaufte einen Zauberstab für Malfoy
Junior.
Sie war
wütend, denn Ron hatte sich erdreistet gestern Abend noch das gute Geschirr
mitzunehmen. Nur, um sie zu ärgern, nahm sie an. Denn, was wollte er sonst mit
Geschirr?
„Der ist
nicht gut!“, rief Scorpius aus und sah sich bereits nach dem nächsten
Zauberstab um.
„Einhornhaar, Weichdornholz vielleicht…“, murmelte
Ollivander. Hermine atmete gereizt aus. Sie war froh, dass sie diesem
Halbstarken keine Eule kaufen musste. Sie würden einen Zauberstab finden, Gold
abheben und dann würde sie sich nur noch um eine Zauberhilfe kümmern müssen.
Und er hatte Merlin sei Dank genug Gold, um privat unterrichtet zu werden!
Hermine
hob rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie die Lampen zu glühen begannen.
Feuerschein flackerte über die Wände, und der große Leuchter an der Decke
klirrte unheilschwanger.
„Wow!“,
flüsterte Scorpius. „Das war wie… ein Stromschlag…“,fügte
er ehrfürchtig hinzu. Mr Ollivander schien zufrieden.
„Der
Zauberstab findet seinen Meister. Hätte ich mir denken können. Ihr Vater besaß
einen ähnlichen Zauberstab. Vielleicht einen halben Zentimeter länger.“
Scorpius war merklich still geworden. Er nickte nur.
„Das
Ministerium schreibt an, Mr Ollivander. Ich danke Ihnen für die Hilfe, und
nächste Woche spätestens haben Sie das Gold.“
„Vielen
Dank, Ms Granger.“ Mr Ollivanders Blick ruhte dennoch
auf Scorpius, der seinen Zauberstab betrachtete.
„Kommst
du?“ Hermine konnte nicht schneller verschwinden.
„Warte!“,
sagte er, und sie hasste es, dass er sie nicht siezte. „Ich… kann den behalten?“,
fragte er leiser. Sie sah ihn kurz verdutzt an.
„Willst du nicht zaubern?“, erwiderte sie gereizt.
„Doch“, sagte er hastig und betrachtete das Stück Holz in seinen Fingern. Sie
seufzte auf.
„Du lernst
später damit umzugehen. Steck ihn ein, und wir gehen weiter.“
Er
folgte ihr, und mit offenem Mund lief er durch die Winkelgasse. Es war fast
schon witzig, wenn er nicht in ihrer Obhut stehen würde. Sie würde sich später
mit Harry im Ministerium treffen. Er war schließlich Leiter der Abteilung und
wüsste eine gute Zauberhilfe für den Jungen.
„Wo
gehen wir hin?“, fragte er hastig und hielt mit ihr Schritt.
„Gringotts“,
erwiderte sie steif.
„Ringo-was?“,
wiederholte er verwirrt, und sie funkelte ihn an. Wenn er doch einfach nur
Folge leisten würde.
„Nein.
Die Bank. Für Zauberer.“
„Da, wo
mein Geld ist?“, flüsterte er gierig, und sie seufzte auf.
„Ja.“
„Perfekt!“
„Du
weißt, dass du bleiben musst, richtig? Dass du Geld besitzt, heißt nicht, dass
du irgendwelche Freiheiten bekommst. Du wirst immer noch bei mir bleiben. Hast
du das verstanden?“ Sie wusste nicht, warum sie es nicht schaffte, netter zu
sein. Es lag an ihm. An seinem Namen. Seinem Aussehen.
Sie
würden gleich zu Madame Malkin gehen und neue Kleidung kaufen. Er beschwerte
sich allerdings nicht über irgendwas.
Er hatte
ihr sogar heute Morgen gesagt, dass er ihre Wohnung riesig fand. Das war
angenehm. Er war ein Malfoy, der nicht verwöhnt war. Es war auch seltsam. Zu
seltsam, befand sie.
Aber es
würde sich gleich ändern.
„Bist du
verrückt? Ich bin ein reicher Zauberer! Entweder ich bin eingeschlafen und
nicht mehr aufgewacht, oder die Drogen von Tommy Gorgins
sind besser als Dope!“, erklärte er begeistert. Sie ließ diese Aussage einfach
so stehen. Anscheinend war der Junge in weit mehr illegale Aktivitäten
verwickelt, als sie gerade fassen konnte.
Sie
erreichten Gringotts. Es ragte hoch in den Himmel und die gläserne Kuppel
glänzte in der Spätherbstsonne. Scorpius‘ Mund klappte auf.
„Komm
schon“, sagte sie hastig, als er stehen geblieben war. „Oh, und in Gringotts
arbeiten Kobolde. Und sie sind nicht besonders menschenfreundlich. Starr sie
nicht an. Mach dich nicht lustig“, warnte sie ihn noch, ehe sie die ausladende
Treppe nach oben gingen.
Die
Türen öffneten sich ohne Geräusch und sie betraten den stillen Saal.
Die
Kobolde hoben die arroganten Blicke nur sehr kurz. Scorpius folgte ihr
staunend.
An einem
Schalter hielt sie an und wartete gereizt, bis der Kobold endlich die Zeit
fand, den Blick zu heben.
„Ja?“, fragte er gedehnt und schien im Moment alles lieber zu tun, als Kunden
zu bedienen. Hermine mochte die meisten Kobolde nicht.
„Hermine
Granger vom Ministerium. Mr Malfoy möchte Gold aus dem Familienverlies
abheben.“ Dieser Satz reichte wohl alleine aus, um alle Kobolde von ihren
Beschäftigungen abzulenken. Der Kobold, mit dem sie sprach, musterte sofort den
Jungen neben ihr.
„Malfoy?“,
wiederholte der Kobold. Dann sah er sie wieder an.
„In
welcher Beziehung soll er zu den Malfoys stehen, Miss…?“ Jeder kannte ihren
Namen. Kobolde regten sie auf.
„Er ist
der Sohn der regierenden Malfoy Erben.“
„Mr
Draco Malfoy hat das Erbe nicht angetreten.“ Sie war vorbereitet auf diese
Unterhaltung.
„Er hat
das Vermögen nie aufgegeben, korrekt?“, fragte sie also knapp.
„Lord
Lucius Ma-“
„Lucius
Malfoy ist Gefangener in Askaban und hat somit keinerlei Rechte auf nur einen
Silberknut“, unterbrach sie den Kobold hastig.
„Und das
hier soll der Sohn sein?“, wollte der Kobold überheblich wissen, musterte die
schäbige Kleidung des Jungen, und Scorpius sah Hermine an.
Diese
atmete aus.
„Ich bin
sicher, die Reinblüterpolitik hier hat die Verliestore bestimmt auch betroffen. Also dürfte er, wenn
er der rechtmäßige Erbe ist, die Tore ohne weiteres öffnen können.“ Sie sah den
Kobold gereizt an.
„Wie Sie
wünschen“, erwiderte dieser nach einer ganzen Weile. Wahrscheinlich nahm er an,
dass auch sie Betrüger waren. „Ich hoffe, Sie sind sich bewusst, dass, wenn er
kein echter Malfoy ist, die Tore zum sofortigen Tod führen werden“, fuhr der
Kobold beflissen fort. Sie nickte nur. Scorpius schluckte hart.
„Keine Sorge“,
sagte sie nur. Sie verließen den Saal, und auf der gesamten Fahrt nach unten
hörte sie Scorpius hinter sich fluchen vor Begeisterung. Es kam ihm wohl vor
wie eine Achterbahnfahrt in Disneyland.
Sie
hielten vor einem riesigen Felsvorsprung. Feuer brannte in großen Fackeln und
warf gruselige Schatten auf die Steine.
„Mr…
Malfoy, wenn Sie vortreten würden.“ Der Kobold schien sich schon zu freuen.
Hermine fragte sich unwillkürlich, wie viele Betrüger hier schon gescheitert
und gestorben waren. Schade, dass sie gegen das Rechtssystem der Kobolde nicht
ankam. Kobolde ließen sich nicht von milderen Maßnahmen oder Gnade belehren.
Und erst recht nicht von Zauberern. „Legen Sie Ihre Hand auf den Griff“, befahl
er knapp. Scorpius hob sogar recht tapfer die Hand und legte sie auf den
goldenen Knauf.
Zuerst
passierte nichts.
Der
Kobold schien nicht weiter überrascht. Dann ächzten die Zahnräder und Balken,
die Ketten und Zauber, die die Tore verschlossen hielten. Hastig wich der
Kobold nun zurück.
„Heiliger
Hippogreif!“, flüsterte er, als die Tore sich zu bewegen begannen und Scorpius
eilig die Finger wieder zurück zog. Er wich an ihre Seite, und sie konnte nicht
verhindern, beeindruckt zu sein. Nur wenige Verliese hatten Doppeltore.
Und dieses hier verdiente sie absolut.
Kaum
kamen die staubigen, alten, schweren Tore zum Stehen, wurden sie geblendet von
einem hellen Schimmer. Gold, nahm sie an. So viel Gold, wie Lucius Malfoy vor
der Inhaftierung hatte habhaft werden können.
„Verdammt!“, flüsterte Scorpius. „Und das ist meins?“, fügte er leise hinzu und
wagte nicht, sich zu bewegen. Der Kobold jedoch verfiel in eine alberne
Verbeugung.
„Lord
Malfoy, wenn Sie eintreten wollen“, rief er überschwänglich, und Hermine
verdrehte die Augen. Sie betraten das Verlies. Es war bestimmt so groß wie ein
Quidditchfeld, und all die Sachen, die sie als illegal einzuordnen wusste,
häuften sich mit jedem Wimpernschlag.
Hippogreifköpfe, vergoldete Relikte aus vergangenen
Zeiten, schwarzmagische Objekte, Diademe, Goldbarren, Schmuck, Dokumente, die
sie nur zu gerne mal in die Finger kriegen würde, und natürlich Münzen. So
viele Münzen, dass die vielen Kisten und Regale überhaupt nicht fassen konnten,
was sie beinhalteten.
Es waren
bestimmte hunderte an Kisten. Mannshohe Kisten, musste man erwähnen. Sie würde
nur zwei Hände voll benötigen, um alles zu bezahlen, was er brauchte.
„Meins?“,
wiederholte er immer noch völlig überwältigt.
„Ja.
Deins“, erklärte sie. „Wir werden etwas Gold mitnehmen, dir Kleidung kaufen und
davon die Zauberhilfe bezahlen. Eine Unterkunft finden wir.“
„Er
wohnt nicht in Malfoy Manor?“, mischte sich der Kobold ein, und Hermine wandte
sich um.
„Ich
glaube nicht, dass es bewohnbar ist“, erklärte sie knapp.
„Stellen
Sie Elfen ein! Ein Lord kann nicht woanders wohnen!“ Der Kobold witterte wohl
wieder mehr Goldgeschäfte durch einen Malfoy.
„Malfoy
Manor?“, wiederholte Scorpius begierig, und sie schüttelte den Kopf.
„Da
gehen wir nicht hin.“
„Es ist mein
Haus?“
„Haus?“,
lachte der Kobold, und Hermine seufzte auf. „Mylord,
ein Haus ist es nicht! Es ist vielmehr ein Palast!“ Scorpius sah sie an.
„Ich
habe einen Palast?“, flüsterte er. Hermine schüttelte rigoros den Kopf.
„Nein.
Du hast ein Gemäuer. Verlassen, verwünscht und wahrscheinlich halbwegs
vernichtet.“
„Nein,
Ms Granger. Der Schutz, der auf dem Vermögen liegt, liegt ebenfalls auf dem
Herrenhaus. Lord Lucius hätte niemals Ansprüche untergehen lassen!“ Sie mochte
nicht, wie der Kobold Lucius Malfoy verteidigte. Sie mochte es wirklich nicht!
„Wir
werden gehen“, erklärte sie. Sie stopfte ein paar Händevoll Münzen in den
Beutel, den sie mitgebracht hatte, und nahm ebenfalls einen Goldbarren mit. Sie
wollte nicht zu schnell wieder kommen.
„Und der
Rest?“, murmelte Scorpius enttäuscht, und sie zog ihn wieder mit zurück zu dem
Schienenwagen.
„Der
Rest wird schon nicht verschwinden“, erwiderte sie entnervt.
„Und
jetzt?“, rief er, als der Kobold den Wagen wieder eilig in Gang setzte, nachdem
er die Tore versiegelt hatte.
„Jetzt
kaufen wir Kleidung, gehen ins Ministerium zurück und dann… suchen wir deinen
Vater“, ergänzte sie bitter, und wünschte Malfoy, dass sie ihn besser nicht
finden würde!
Ein
Blick in Scorpius‘ Gesicht sagte ihr, dass er nicht viel mit der Vorstellung
eines Vaters anfangen konnte.
Und sie
wusste nicht, ob das gut oder eher schlecht war.
~*~
Harry
musterte den Jungen skeptisch. Scorpius fuhr immer wieder über den glatten Stoff
der Jacke, die er neu bekommen hatte. Die Kleidung stand ihm gut. Sie hatte es
sich nicht nehmen lassen, mit ihm auch noch zum Frisör zu gehen. Die
Frisierhexe hatte sich gar nicht mehr eingekriegt, als sie die Haare des Jungen
hatte schneiden können.
Das
Ministerium zahlte schließlich für die Eingliederung verlorener Zauberer.
Es war
es wert gewesen. Wenn er auch jetzt aussah, als wäre er Draco Malfoy aus dem
Gesicht geschnitten worden.
„Du bist
Scorpius?“, wollte Harry wissen. Sie hatte keine Ahnung, weshalb er ihr so
einen prüfenden Blick zuwarf. Als hätte sie ihn freiwillig mitgenommen!
„Ja, Mr
Potter.“ Scorpius hatte an Höflichkeit gewonnen. Hermine hatte erwartet, dass
er mit dem Wissen, reich zu sein, nur noch unausstehlicher geworden wäre, aber
sie hatte sich geirrt. Er wollte nicht mehr weglaufen. Nein, er schien jetzt
besessen von dem Gedanken zu sein, Zaubern zu lernen.
Er
sprach Harrys Namen mit genau demselben Unwissen aus, wie ihren oder Rons. Das
war seltsam. Wie so vieles an dieser Geschichte.
„Ich
denke, es ist wichtig, dass du die Umstände deiner Geschichte kennst.“ Sie sah
Harry an.
„Bist du
sicher, dass es wichtig ist, dass-“
„Hermine,
hätte ich meine Geschichte nicht erfahren, dann wäre ich nicht der, der ich
heute bin“, bemerkte er knapp.
„Sie
kennen meine Geschichte?“ Und es ärgerte sie, dass Scorpius Harry siezte und es
bei ihr nicht einmal in Erwägung zog. Aber sie sagte nichts weiter dazu.
„Viele
kennen deine Geschichte. Und ich bin ebenfalls ein Waisenkind. Natürlich
existiert bei dir noch Familie. Auch wenn es nicht mit Sicherheit feststeht.
Jedenfalls ist es so gut wie sicher, dass dein Vater irgendwo auf der Welt noch
lebt“, fuhr er fort.
„Warum
hat er mich verlassen?“, war die Frage, die so kalt Scorpius‘ Lippen verließ,
dass Hermine überrascht den Blick hob. „Wenn er so reich ist, wenn ihn alle
kennen, wenn er einen Palast besitzt, wieso hat er mich verlassen?“
Harry
atmete knapp aus.
„Was hat dir Ms Granger über Todesser erzählt?“ Der Junge sah sie knapp an.
„Gar
nichts. Was ist das?“ Hermine warf Harry wieder einen Blick zu. Es wäre schön,
dieses Gespräch vermeiden zu können. Aber sie wusste, wenn der Junge als
Zauberer leben sollte, dann musste er die Geschichte kennen. Die Akte lag auf
ihrem Schoss. Harry hatte sie besorgt, und Hermine konnte nur schwer die Augen
von ihr lösen.
„Es gab
einen Zauberer. Sein Name war Voldemort, und er hatte einen waghalsigen Plan,
die Zauberergesellschaft von muggelgebürtigen zu
befreien“, begann Harry.
„Ich bin
ein Muggel?“, erkundigte sich Scorpius schließlich verwirrt, aber Harry
schüttelte den Kopf.
„Nein.
Du bist ein Reinblüter. Deine Vorfahren haben reines Blut, wie man es damals
genannt hat. Du stammst von Zauberern ab. Ms Granger hingegen hat nichtmagische
Vorfahren.“ Hermine verdrehte knapp die Augen.
„Und
Sie?“, wollte Scorpius wissen, und Harry lächelte.
„Ich bin ein Halbblut. Meine Mutter war eine Muggel, mein Vater ein Zauberer.
Voldemort wollte nur Reinblüter als Anhänger haben, und hat diese beauftragt,
Muggel oder muggelstämmige Hexen und Zauberer
umzubringen.“
„Warum?“,
wollte er plötzlich wissen. Und die Frage traf Hermine überraschend. Sie selbst
hatte sich diese Frage die meiste Zeit ihres Lebens gestellt. Aber sie glaubte
nicht, dass allzu viele Reinblüter die Agenda von Voldemort hinterfragt hatten.
„Warum?“,
wiederholte Harry bedächtig und lächelte wieder. „Er hatte keinen Grund. Er
wollte kein unreines Blut in der Gesellschaft haben.“
„Granger
kann verflucht gut zaubern“, bemerkte Scorpius jetzt lauter, und Hermine
entschied sich, zumindest so zu tun, als hätte sie das Wort Miss gehört.
„Muggelstämmige
zaubern natürlich genauso gut wie alle anderen auch. Wie gesagt, er war ein
mächtiger Zauberer, aber ein dummer. Deine Familie wiederum gehörte zu den
treusten Anhängern. Ich, Hermine und einige andere haben Voldemort schließlich
gestürzt, das Todesserregime gebrochen, und die Welt beruhigte sich wieder.“
„Ihr
habt das gemacht?“, wiederholte er verblüfft, und Hermine sah das erste Mal Respekt
in dem Gesicht des jungen Malfoys. Respekt und Unglaube. Natürlich.
„Ja.“
„Und…
man muss das sein, was ihr seid? Auror, oder wie es heißt? Kann ich das auch?“,
wollte er sofort wissen. „Hier! Ich habe einen Zauberstab!“, fügte er hinzu,
und zog ihn ehrfürchtig aus der Manteltasche. Harry lächelte wieder. Sie wusste
nicht, weshalb Harry so selbstgefällig tat. Vielleicht, weil er das erste Mal
Respekt von einem Malfoy bekam.
„Das
braucht viel Zeit, viel Kunst und viel Übung.“ Scorpius seufzte enttäuscht.
„Dein Vater gehörte zu den reichsten Zauberern. Für gewöhnlich arbeitet diese
Reihe an Zauberern auch nicht. Sie verwalten Vermögen. Er heiratete Astoria
Greengrass nach dem Abschluss. Und sie bekam ein Kind. Das wohl bisher reichste
Kind in der Geschichte Londons.“
Scorpius
hörte gebannt zu. Hermine überflog die Akte weiter.
„Jedoch
gab es Neider. Das Malfoy Vermögen ist groß. Und Lucius Malfoy, dein Großvater
musste die Haftstrafe antreten, die allen Todesser zuteilwurde.“
„Wieso heißt
es so? Todesser?“, unterbrach Scorpius. Er schien nicht sonderlich interessiert
an seiner Familie zu sein. Aber wenn man sie nie gesehen hatte, vielleicht war
das Interesse dann auch eher gering, nahm Hermine an.
„Eine
gute Frage“, gab Harry zurück. „Das kann ich dir nicht sagen, Scorpius.“
„Ok“,
erwiderte der Junge. „Wo ist meine Mutter?“, fragte er schließlich.
„Ehemalige
Todesser haben sie am Tage deiner Geburt getötet“, entgegnete Harry ohne
weitere Umschweife. Hermine hatte den Punkt in den Akten erreicht.
„Warum?“,
flüsterte Scorpius jetzt.
„Gold,
Scorpius. Jede Menge Gold. Je weniger Malfoys im Weg standen, umso größer war
die Chance, an das Gold zu kommen. Dein Glück war es wohl, dass niemand von
deiner Existenz wusste. Dein Vater hatte nämlich die Hebamme bestochen, so wie
wir es wissen. Dein Tod bei der Geburt stand schwarz auf weiß in den
offiziellen Akten.“ Scorpius schüttelte verwirrt den Kopf.
„Sie
waren auch hinter deinem Vater her. Die letzten fünf Todesser, die das große
Gold gewittert hatten. Gringotts war schwach nach der Belagerung und einfach zu
stürmen gewesen, wären erst mal alle berechtigten Erben ausgeschaltet. Dein
Vater hat dich mitgenommen. Er hat dich nach London gebracht und mit einem
gewagten Zauber deine Magie entzogen.“
„Meine…
Magie?“ Hermine hatte den Blick endlich gehoben. Sie hatte die Stelle in den
Akten erreicht und konnte nicht fassen, was sie hörte.
„Ja. Das
war bisher nur eine der vielen Theorien, die um den Malfoy Erben die Runde
gemacht hatten. Anscheinend war es eine korrekte Theorie. Hogwarts verfügt über
Listen aller Kinder, die auf Hogwarts einen Platz bekommen werden. Am Tag
deiner Geburt fand dein Name ebenfalls den Weg auf die Liste. Als die nächsten
zehn Jahre verstrichen waren, hätte deine Magie Anlass geben müssen, den Zauber
zu wecken. Mit deinem Namen auf der Liste wird automatisch herausgefunden, wo
du bist. Aber mit zehn Jahren war keine Magie vorhanden. Du warst vollkommen
ohne Magie.“
Er
schüttelte langsam den Kopf, als verstünde er nicht.
„Aber
ein Zauber wirkt auch nur eine gewisse Zeitlang. Ein Zauber dieser Art wird
gelöst, wenn derjenige, der für ihn verantwortlich ist, stirbt, oder ihn
aufhebt. Dass dein Vater den Zauber aufgehoben hat, ist möglich.“
„Und
dass er gestorben ist, nicht?“, fragte Hermine plötzlich, aber Harry ruckte mit
dem Kopf.
„Gringotts
hätte Kenntnis erhalten. Der Tod eines Inhabers wird magisch angezeigt.“ Sie
war nicht überzeugt. Wenn ein Sohn einfach fast siebzehn Jahre unbemerkt
existieren konnte, dann konnte ein Malfoy auch unbemerkt sterben.
„Du
denkst, er hat den Zauber aufgehoben?“, wollte sie jetzt wissen und klang
höchst skeptisch dabei.
„Ich
weiß es nicht. Fakt ist, dass Scorpius Magie anwenden kann. Unkontrolliert, nicht
gezielt, aber Magie ist vorhanden. Starke Magie. Das heißt, sie kanalisiert
sich jetzt nach außen, wie sie es nach einigen Lebensjahren schon hätte tun
sollen. Es wird Zeit, dass du sie zu nutzen lernst. Wir werden es dir
beibringen. Oder anders, Hermine wird es dir beibringen.“
Auch
Harry siezte sie schon nicht mehr vor dem Jungen, und – was?!
„Nein!“,
sagte sie harsch und war aufgestanden.
„Hermine,
du bist die beste Hexe hier. Du hast freigestellte Zeit bekommen, und wieso
nicht?“, fuhr Harry sie an.
„Ich bin
keine Lehrerin!“
„Ach
nein?“, wiedersprach Harry grinsend. „Willst du lieber auf der Stelle seinen
Vater finden?“ Das wollte sie auch nicht. „Bring ihm ein paar Dinge bei. Das
hast du bei uns doch auch gemacht.“
„Ich bin
nicht ausgebildet!“
„Du hast
doch deine These über die Eingliederung geschrieben. Du weißt doch besser, was
zu tun ist. Und er hat sich an dich gewöhnt.“ Scorpius betrachtete sie
grinsend. Und sie schüttelte wieder den Kopf.
„Ich bin
doch kein Babysitter!“, rief sie aus.
„Ich bin
volljährig, verdammt!“ Sie wandte sich zornig an den Jungen.
„Nein!
Bist du nicht! Und ich habe es satt! Ich werde ihn nicht eingliedern, ihm nicht
zaubern beibringen und schon gar nicht weiter hier sitzen und mich zwingen
lassen! Ich habe ihm Geld besorgt, Kleidung, einen verdammten Zauberstab, und
jetzt können sich andere ärgern!“
„Hermine,
das ist ein Befehl.“
„Kümmer
du dich doch, Harry!“
„Ich
werde mich darum kümmern, seinen Vater zu finden. Wozu noch mehr Durcheinander?
Kümmer dich, bis wir Draco Malfoy gefunden haben.“
„Und
wenn ihr ihn nicht findet?“, wollte sie angriffslustig wissen.
„Dann
wird er in einem Monat volljährig sein, alleine wohnen, seine Ausbildung irgendwann
abschließen und vielleicht in einem Jahr in der Gesellschaft arbeiten können.
Einen Monat, Hermine. Mehr nicht.“
„Er ist
ein Malfoy!“, knurrte sie böse. Scorpius runzelte darauf hin die glatte Stirn.
„Er ist
keiner von den Malfoys, Hermine. Er kennt keinen Muggelhass, er ist nicht
verwöhnt, er ist wie ich, Hermine. Er hat niemanden, und du willst ihm nicht
mal helfen? Das kenne ich nicht von dir!“ Sie öffnete entrüstet den Mund.
„Ich habe genug Sorgen, Harry!“, erklärte sie gepresst.
„Das hier
ist Arbeit, Hermine. Und es ist eine gute Sache. Wenn du es schaffst, aus einem
Malfoy einen rechtschaffenen Menschen zu machen, dann ist das eine ziemlich
gute Sache.“ Hermine wusste, sie hatte keine Chance. Alle hatten sich gegen sie
gestellt.
„Ich
verspreche dir, ich werde alles lernen! Ich werde aufpassen und alles machen.
Ich will auch zaubern. Und auch böse Menschen jagen. Und…“ Der Junge sah sie
begierig an. „Und ich habe doch niemanden.“ Und er spielte seine Malfoy-Karten
verflucht hervorragend. Sie verzog den Mund. Er sah sie mitleiderregend an,
aber sie kannte seinen Vater.
Es zog
bei ihr nicht! Dämliche Spiele zogen bei ihr nicht.
„Hermine,
er kooperiert doch bereits. Kein weiteres Problem. Ich werde mich jetzt auf die
Suche begeben. Ich nehme noch ein paar Auroren mit. Aber die meisten bleiben
vor Ort, falls es doch Probleme geben sollte.“
„Harry!“,
rief sie aus.
„Hermine,
das wäre geklärt. Beatworte ihm Fragen, die er noch hat. Die Akte sollte alle
erschließen.“ Ihre Schultern sanken. Sie war zum Babysitter und Lehrer
degradiert worden.
Askaban
Er hörte
seinen Atem. Ein und aus.
Ein und
aus.
Der
Regen prasselte unaufhörlich gegen die schmutzigen Scheiben, die keinen Blick nach draußen gewährten. Der Regen hatte die Nacht
über angedauert. Die Gefangenen hatten geschrien. Die Gefangenen sind
wahnsinnig geworden. Sie sehen Gestalten in den Schatten. Düstere Krallen, die
nach ihnen greifen. Selig diejenigen, die vor Jahren schon den erlösenden Kuss
bekommen hatten und träge die Wände anstarren konnten. Ohne zu denken. Ohne
Gefühl.
Er hatte
einen Gast. Er hatte Besuch. Seit fünf Jahren hatte er keinen Besuch.
Und
hätte er es sich aussuchen können, dann hätte er lieber keinen Besuch.
Die
Narbe war verblasst. Immer noch war sie ein deutlicher Blitz. Seine Haut war
gesund. Frisch. So, als ob er Tageslicht sehen durfte.
Sein
Blick wanderte über die schwarzen Haare. Haare, die wild abstanden. Unmögliches
Aussehen. Ihn fror es im Herbst. Seine Haare wurden mit einem aggressiven
Zauber am Wachsen gehindert, damit er sich nicht in einer schwachen Stunde
daran erhängen konnte.
Die
meisten Gefangenen hatten keine Haare.
Er
erinnerte sich noch an die Farbe. Sie waren blond. Fast weiß. Königliche Haare.
Sein
Mund verzog sich zu einem grimmigen Ausdruck.
Er
sprach nicht mehr. Mit wem auch? Es gab niemanden in Askaban, mit dem es sich
lohnte zu sprechen. Die Gefangenen, die so verrückt waren, dass sie mit sich
selbst sprachen, hatten nicht mehr lange zu leben. So war es immer. So war es
schon seit siebzehn Jahren.
„Nein“,
sagte er also. Seine Stimme war nicht mehr funktionsfähig. Sie war rau, heiser,
brach nach jeder Silbe. Als hätte sich seine Kehle dagegen entschieden, seine
Stimmbänder weiterhin zu tragen.
„Nein?“,
wiederholte der Junge, der überlebte. „Sie haben Ihren Sohn also seit achtzehn
Jahren nicht mehr gesehen? Er hat Sie nicht besucht? Er hat Ihnen keine Post
geschickt? Keine Nachricht über seinen Aufenthalt?“
Lucius
fühlte sich unwohl auf dem Stuhl. Die Magie hielt ihn gefangen. Ketten um seine
Handgelenke hielten ihn davon ab, Gewalt anzuwenden. Aber was brachte Gewalt?
Er hatte keinen Zauberstab mehr. Er hatte gar nichts mehr.
„Nein“,
sagte er erneut.
„Vor
fünf Jahren hatten Sie einen Gast, Mr Malfoy. Einen Gast, der Ihre Unterschrift
gewollt hat, um frei über das Vermögen verfügen zu können. Einen Gast, der Ihre
Unmündigkeit erklärt haben wollte.“
„Nicht
Draco“, brachte er hervor.
„Nein.
Aber in seiner Gestalt. Ihre Frau hat Sie besucht, nicht wahr?“
„Meine
Frau…“, wiederholte er nachdenklich.
„Sie
wurde umgebracht.“ Das wusste er selber. Kurz spürte er einen rauen Schmerz.
Aber er war nicht zu stark. Kein Gefühl war mehr allzu stark. Selbst der Hass
auf Harry Potter war kaum noch mehr ein Glühen in seiner Brust. „Als sie
Askaban verlassen hatte, in Gestalt Ihres Sohnes, ist sie umgebracht worden.
Die Verfügung ist ebenfalls verschwunden. Ihr Sohn hatte davon wissen müssen.
Er hatte wissen müssen, dass er nicht unbemerkt einen solchen Schritt gehen
konnte.“
Lucius
wusste nicht, was Potter von ihm wollte.
„Denken Sie, er hat es geplant?“, fragte Potter jetzt mit unverhohlenem
Abscheu. Träge hob Lucius eine Augenbraue.
„Nein“,
sagte er wieder. „Draco ist tot.“
„Nein,
Draco ist nicht tot.“
Wo lag
der Sinn? Lucius wusste es nicht. Natürlich war Draco tot. Er war tot, seine
Frau war tot, Narzissa war tot. Sein Enkelkind war tot. Seine Schwägerin. Alle
waren tot.
„Wenn er
nicht tot ist, wie kommt es dann, dass Sie Ihre Zeit hier in Askaban
verschwenden, Mr Potter?“ Höflichkeit ging ihm nicht mehr leicht von der Zunge.
Die Worte, die er sagte, waren einstudierte Floskeln, die er dann und wann
abrufen konnte, wenn er es wollte. Aber eigentlich wollte er gar nichts mehr.
„Das
soll nicht Ihre Sorge sein. Sagen Sie mir, was Sie wissen.“
„Ich bin
hier seit achtzehn Jahren. Alles, was ich weiß, wissen Sie besser, nehme ich
an.“ Seine Handgelenke schmerzten mittlerweile. Die rauen Ketten waren bestimmt
nicht dafür gedacht, bequem zu sitzen.
„Sie
wissen, in zwei Jahren endet die Haft, Lucius.“
In zwei
Jahren wäre er längst gestorben. Er wunderte sich, dass er nicht schon längst
dem Wahnsinn erlegen war. Er sagte nichts dazu. „Ich bin sicher, wir könnten
daran etwas ändern“, fügte Potter ruhig hinzu. Lucius hob die Mundwinkel. Eine
seltene Geste.
„Oh ja?
Sie wollen mich mit meiner Freiheit bestechen, Mr Potter? Ich sagte Ihnen, mein
Sohn ist tot. Sie verschwenden Ihre Zeit hier. Am besten gehen Sie.“ Er wandte den
Blick von seinem Gegenüber ab. Er hatte sich an die graue Gefangenenuniform
gewöhnt. Nur dunkel erinnerte er sich an die Tage, an denen er Seide und Einhornfell getragen hatte. Lederstiefel und Schmuck, so
teuer, dass er Askaban hätte kaufen können.
Nur
manchmal erinnerte er sich daran, der reichste Mann Englands gewesen zu sein.
„Wissen
Sie, wo die letzten Ehemaligen sind?“ Wieder musste er lächeln.
„Sie
sind nicht hier, wo ich bin. Also, nein, ich weiß es nicht.“ Das waren mehr
Worte an einem Tag, als in den ganzen Jahren zuvor.
„Wir
haben Ihren Enkel gefunden.“
Lucius
hob den Blick. „Wir gliedern ihn in die Gesellschaft ein. Es wird nicht lange
dauern, bis Ehemalige versuchen werden, ihn umzubringen. Das steht fest. Denn mit
einem Erben wird das Vermögen wieder unantastbar.“ Das Vermögen…. Daran hatte
Lucius Ewigkeiten nicht mehr gedacht. Es war auch nicht mehr wichtig. Noch war
er hier. Noch war es unwichtig.
„Mein
Enkel ist tot.“
„Nein,
er lebt.“
„Alle
sind tot, Mr Potter.“ Wieder blickte er die grauen Steinwände an. Und er hörte
Potter seufzen.
„Ich
werde Sie wieder besuchen, Lucius.“ Das glaubte er nicht wirklich. Niemand kam
zweimal. Niemand würde kommen. Vielleicht nur noch der Tod. Und der würde ihn
dann mitnehmen. Fort von hier.
Fort von
hier. Dorthin, wo die anderen waren.
Und wäre
er dort angekommen, würde er Draco ein weiteres Mal umbringen.
Denn er
gab allein seinem missratenen Sohn die Schuld daran, hier zu sein.
Und es
juckte ihn nur noch in den Fingern, Rache zu üben. Und sei es an einem Toten,
den er noch ein weiteres Mal töten konnte.
Und
sollte Draco leben – dann würde ihn Lucius umbringen, sobald es seine Kraft
zuließ.
Grimmig
starrte er die Wand an.
Er würde
alle umbringen, die dafür verantwortlich waren, dass er hier drin alles
verloren hatte, was ihm einst lieb und teuer war. Aus den Augenwinkeln sah er,
wie sich Potter seufzend erhob und den Raum verließ.
„Und Sie
werden eine weitere Person auf meiner List sein, Mr Potter“, murmelte er, als
Potter längst gegangen war. Lucius merkte, dass er soeben mit sich selbst
gesprochen hatte. Er schloss die Augen
und sehnte sich nach seinem Zauberstab.
~*~
Er sah
die Frau an, die ihn weder erkannte, noch genau zu wissen schien, was er eigentlich
wollte. Und sogar ein Troll würde verstehen, was offensichtlich auf der Hand
lag:
Diese
Frau war mit einem Vergessenszauber belegt worden.
„Sie
sagen, Sie beherbergen keinen Jungen namens Scorpius?“, wiederholte er fast
verzweifelt. Und er wusste, Draco würde das nicht gerne hören. Draco würde
höchstwahrscheinlich wahnsinnig werden. Draco würde einen Weg finden, es seinem
Vater in die Schuhe zu schieben, würde bei Nacht und Nebel Askaban angreifen
lassen, und Lucius umbringen.
„Mr
Goyle, ich sagte Ihnen, ich habe diesen Namen noch nie gehört!“
Gregory
sah sich um. Das Waisenhaus war heruntergekommen und war nicht unbedingt der
angemessenste Ort. Und so kurz vor der Verwirklichung des Plans! Ausgerechnet
jetzt, war der Junge nicht mehr da! Kinder spielten auf der kalten Erde, mit
nichts weiter als Unrat und muffigen Stofftieren.
„Ich…
ich danke Ihnen, Ms Davis“, sagte er also schließlich. Die Frau hatte sich
bereits geschäftig abgewandt. Gregory begriff nicht, wie Draco seinen Sohn in
dieser Absteige hatte hausen lassen können. Wie er keinen Finger gekrümmt
hatte, Gelder zufließen zu lassen, um das Waisenhaus zu renovieren. Er war
nicht einmal in Kenntnis gesetzt worden, wie Draco überhaupt vorhatte, seinem
Sohn das Vermögen zukommen zu lassen, was ihm zustand.
Und
jetzt war es auch noch zu spät! Irgendwas war vorgefallen.
Aber
was…?
„Hey,
Sie!“, rief ein Junge, der in einer Ecke gestanden hatte. Er wirkte alles
andere als vertrauenerweckend. Er wirkte wie ein Junge, der in Slytherin besonders
gut aufgehoben wäre, überlegte Gregory verwirrt. Aber natürlich waren hier nur
Muggel.
„Ja?“
Gregory würde vorsichtig sein. Das waren hier alles Diebe. Selbst Scorpius war
lediglich zu einem Dieb herangewachsen. Soweit er es beurteilen konnte. Er kam schließlich
jeden Monat vorbei, um einen Blick auf den jungen Malfoy-Erben zu erhaschen.
„Sind
Sie auch einer von denen?“, flüsterte der Junge, sah sich hastig um, und schien
bereit, ihn anzugreifen, wenn nötig. Gregory griff in seiner Manteltasche fest um
seinen Zauberstab.
„Von
wem?“ Er wollte gehen. Es hatte neue Probleme aufgeworfen. Der Junge war fort,
und jetzt mussten sie ihn suchen, und sicher zurück bringen. Gregory hatte
Draco seit Jahren gesagt, er hätte es seinem Sohn sagen müssen. Und jetzt war
das Schlimmste eingetreten.
„Kommen
Sie, um noch wen zu holen?“ Gregory atmete aus.
„Junge,
ich muss gehen.“ Er wandte sich ab.
„Sie
haben ihn mitgenommen! Und jetzt erinnert sich keiner! Ich erinnern mich!“,
rief der Junge hastig. „Ich weiß, was sie mit den Holzstäben machen!“, fügte er
lauter hinzu. Sofort hatte Gregory kehrt gemacht. Der Junge wusste also mehr.
Und er wusste gleichzeitig etwas, was er nicht zu wissen hatte!
„Was
sagst du?“, zischte er, schloss den Abstand und zog den Jungen zur Seite. Es
musste nicht jeder hören.
„Scorpius
wurde von denen entführt. Sie sind auch nur einer von denen! Wollen Sie mich
jetzt entführen?“ Gregory ignorierte die ängstlichen Worte des Jungen.
„Wer hat
ihn entführt?“ Er wagte gar nicht zu fragen, ob diese Leute Umhänge und weiße
Masken trugen. Ob sie einen dunklen Totenschädel auf dem Arm hatten.
„Menschen“,
brachte der Junge heiser hervor.
„Welche
Menschen? Hast du sie gesehen? Hatten sie… wie sahen sie aus?“
Der
Junge schien begeistert darüber zu sein, dass sein Wissen wohl wichtig war.
„Wie
viel zahlen Sie mir für die Information?“ Gregorys Geduld schwand. Er griff den
Jungen am schmutzigen Hemdkragen und zog ihn näher zu sich.
„Sag
mir, was du weißt!“, verlangte er zornig zu wissen. Der Junge schluckte schwer,
und hob dann beschwichtigend die Arme.
„Eine Frau! Eine Frau hat ihn erwischt, als er das Auto angelassen hat. Ohne
Schlüssel. Wir dachten, sie wäre ein Cop, aber sie…
hatte diesen Stab und… hat uns bedroht! Hat irgendwas von einem Ministerium
erzählt. Von minderjährigen Zauberern und all so einen Unsinn!“, erklärte der
Junge hastig. Gregory ließ ihn langsam los.
„Eine Frau?“, wiederholte er. Und dann auch noch vom Ministerium. Anscheinend
eine Aurorin. „Weißt du, wie sie heißt?“ Es wäre alles nur noch schlimmer, wäre
Scorpius vom Ministerium aufgegriffen worden. Dann wüssten sie, wer er war, und
dass Draco selber einen Zauber ausgeführt hatte, der ihn nach Askaban bringen
konnte. Gregory schloss panisch die Augen.
„Nein“,
sagte der Junge hastig. „Aber ich habe sie gesehen!“, rief er aus. Anscheinend
witterte er schon wieder die Chance auf Geld, aber Gregory hatte nicht einmal Muggelgeld dabei. Er atmete also aus, und griff wieder nach
dem Kragen des Jungen.
„Wie sah
sie aus?“ Alles wurde einfach nur noch schlimmer, befand er.
„Ok, ok!
Schon gut!“, rief der Junge ärgerlich, wohl weil er keinen Profit machen
konnte. „Was seid ihr für Leute? Was ist so toll an Scorpius? Er ist nur ein
Waisenjunge mit einem blöden Namen!“ Gregory drückte fester zu. Der Junge
schluckte schwer. „Ok!“, wiederholte er hastig. „Die Frau war hübsch! Schlank,
verdammt heiß!“, rief er aus. „Braune Locken und ziemlich cool.“
„War sie
alt?“, wollte Gregory jetzt wissen. Der Junge ruckte mit dem Kopf.
„Keine
Ahnung. Bestimmt über dreißig“, sagte er hastig. Gregory dachte eilig nach.
Welche Frau in seinem Alter konnte wohl schon als Aurorin im Ministerium
arbeiten? Aus seinem Jahrgang vielleicht? Niemand aus Slytherin war Auror
geworden. Alle waren zu beschäftigt gewesen, Todesser zu sein. Viele waren tot.
Seine
Mund wurde kurz trocken. Er wusste, Potter arbeitete in der Abteilung.
Eine
hübsche, starke Aurorin, mit braunen Locken und den Fähigkeiten, ein Waisenhaus
einem Vergessenzauber zu unterwerfen. „Was kriege ich
für meine Informationen?“, wollte der Junge trotzig wissen. Gregory sah sich
kurz um. Dann zog er den Zauberstab aus der Tasche.
Der
Junge schnappte nach Luft. „Du bist doch einer von denen!“, rief er aus. Ehe er
nach etwas sagen konnte, hatte Gregory den Zauberstab erhoben.
„Du bekommst etwas, wofür du noch dankbar sein wirst“, beantwortete er knapp
die Frage des Jungen. „Obliviate“,
flüsterte er, und die Augen des Jungen wurden glasig, und er blinzelte
schließlich heftig. Ehe er zur Besinnung kommen konnte, hatte sich Gregory
abgewandt.
Die
Auroren waren hier gewesen. Sie hatten Scorpius mitgenommen, und wenn Gregory
mit seiner Befürchtung richtig lag, dann war Scorpius ausgerechnet der einen
Aurorin in die Finger geraten, von deren Existenz Draco alles andere als
angetan sein würde.
Und
wahrscheinlich würde Draco sich dazu verleiten lassen, etwas unglaublich Dummes
zu tun. Immer wenn es zum Thema Potter und dem heiligen Trio kam, war Draco
verleitet – nun ja – alle Rationalität hinter sich zu lassen.
Aber
vielleicht irrte er sich auch. Oh, Salazar, hoffentlich irrte er sich einfach!
Magic
„Es geht
nicht, verdammt!“
Sie
atmete ruhig aus, sie versuchte zu zählen, sie versuchte alles in ihm zu sehen
– nur nicht einen Malfoy. Einen Malfoy, den sie mehr als gut zu kennen glaubte.
„Du musst es ruhig angehen. Du brauchst Konzentration und-“
„Ja, ja!
Scheiß Geduld, ich weiß! Aber ich habe seit zwei Stunden Geduld, und der Scheiß
geht nicht!“, unterbrach er sie zornig. Seine Brust hob und senkte sich
unregelmäßig. Er war geschwitzt und sehr, sehr schlecht gelaunt. Sie hasste
solche Kombinationen.
„Hör auf zu schreien!“ Sie hatte die Fassung wieder einmal verloren. „Du bist
unkonzentriert. Du willst alles sofort lernen, weil du denkst, du kannst alles,
aber du kannst noch überhaupt gar nichts!“ Sie atmete heftig. Er starrte sie so
zornig an, dass er ohne weiteres gleich davon anfangen könnte, dass sie
eigentlich ein Schlammblut sei und er es seinem Vater sagen würde. Natürlich
tat er nichts dergleichen.
Er
atmete laut aus, hob den Zauberstab erneut und fixierte sie hart. „Expelliarmus!“,
sagte er fest und deutlich. Sie wusste, was er falsch machte. Aber wie erklärte
man so etwas? Er war ein Muggel. Die meiste Zeit seines Lebens war er ein
Muggel gewesen. Und sie sah es ihm an. Sie hörte es an seiner Stimme. Er
glaubte nicht an das, was er tat.
„Scorpius“, begann sie sanfter, aber er schüttelte zornig den Kopf und warf den
Zauberstab auf den Boden vor sich.
„Das scheiß Ding ist kaputt!“, schrie er.
„Du
hebst ihn sofort auf!“, befahl sie eisig.
„Nein! Ich habe keine Lust mehr!“ Er war ein Kind. Ein dummes, verzogenes Malfoy-Kind.
Sie versuchte, zu atmen, zu zählen, sich zu beruhigen, aber sie konnte nicht.
Sie verdrängte die Tatsache, dass sie kein Kindermädchen war, dass sie kein
ausgebildeter Lehrer war, und dass sie noch keine Zeit hatte, zu verarbeiten,
dass Ron ausgezogen war.
Sie
hatte noch für gar nichts anderes Zeit gehabt, als ihre verdammte Arbeit, die
sie von allem abhielt, was ansatzweise mit emotionalen Gefühlen zu tun hatte.
Und sie
wusste, ihre Arbeit war ihr Leben. Aber seitdem ihr Leben einen Malfoy einschloss,
war sie seltsamerweise außerhalb ihrer gewohnten, sicheren Balance.
Und sie
war keine Molly Weasley. Sie konnte ungezogene Kinder nicht leiden!
Nein.
Sie konnte gar keine Kinder leiden!
„Du wirst
den Zauber lernen. Hast du mich verstanden? Denn das ist der wichtigste Zauber,
den du lernen kannst! Mit diesem Zauber hat Harry-“
„Ja, ja!
Harry hat damit Voldemort besiegt. Ich habe zugehört, Granger. Ich habe all die
hundert Stunden zugehört, in denen du mir von dem wahnsinnigen Schlangengesicht
erzählt hast! Ok? Ich will endlich zaubern, aber anscheinend habt ihr euch
geirrt, und ich kann überhaupt nichts!“ Er trat mit dem Fuß nach dem
Zauberstab, wandte sich ab, und marschierte zum Ausgang.
„Pertrificus totalus!“,
rief sie zornig, und Scorpius fiel wie ein Stein zu Boden. Sie kam langsam zu
ihm. Seine Augen funkelten sie an. Neidisch und wütend. „Also, du wirst endlich
anfangen, auf mich zu hören. Du wirst deinen Zauberstab niemals wieder wegschmeißen,
und alles, was ich dir erkläre, wirst du gefälligst mit Respekt zur Kenntnis
nehmen und behalten. Ich weiß zufällig, dass dein Gehirn durchaus fähig dazu
ist, Wissen zu verarbeiten. Und wahrscheinlich kannst du sogar besser zaubern,
als es gerecht wäre.“
Sie
beruhigte sich wieder und löste den Zauber. Hastig erhob er sich. Er klopfte
sich den Staub von seinen teuren Sachen und sah aus, wie ein waschechter
Malfoy.
„Gib mir was einfacheres, verflucht!“, knurrte er jetzt, während er seinen
Zauberstab vom Boden klaubte.
„Was?“
„Einen
einfacheren Spruch. Ist das etwa der erste Zauber, den man lernt auf eurer
dämlichen Schule?“ Sie wusste, er war neidisch, weil er nicht auf Hogwarts
gewesen war. Malfoy-Muster wiederholten sich. Er machte sich über Dinge lustig,
die er eigentlich wollte, und er hasste alles, was er nicht haben konnte.
„Nein.“
Mit einem Schlenker ließ sie eine Auroren-Uniform aus den Schränken zu sich
schweben. Sie ließ sie auf den Boden sinken, und Scorpius wartete genervt.
„Sieh genau zu. Es kommt nicht nur auf die Worte an, sondern auch auf die
Bewegung.“ Sie richtete die Spitze des Zauberstabs auf die Uniform. „Wingaridum leviosa“,
sagte sie knapp und ließ den Zauberstab einen Schlenker machen. Sie sah,
Scorpius sah genau zu. Die Uniform hob sich in die Luft.
„Was für
ein dämlicher Scheiß“, sagte er nur. Sie ließ die Uniform wieder sinken.
„Halt die Klappe, und versuch es!“, befahl sie jetzt, ihre
Geduld wieder nahe am Verschwinden.
„Wing…“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist
albern“, erklärte er jetzt.
„Wingardium
leviosa“, wiederholte Hermine langsam. „Sag es
einfach, mach den Schlenker, und hör auf so verdammt überheblich alles von dir
zu weisen, nur weil du es nicht kannst!“, erwiderte sie wütend.
„Ich
will es auch nicht können!“, schrie er wieder. Sie kannte diesen Blick. Sie
hasste es, dass sie seine Mimik bereits kannte. Wieder zwang sie sich zur Ruhe.
„Gut, dann zeig mir doch einfach, wie weit es unter deiner Würde ist, und zeig
mir, wie du es nicht können willst, du dämlicher Malfoy-Idiot!“ Er warf ihr
kurz einen fragenden Blick zu. Sie atmete wieder ruhiger aus.
„Fein,
ich zeig dir, wie albern es ist!“, entgegnete er gereizt. „Wingardium leviosa!“
Und sie sah,
wie er das erste Mal den Zauberstab richtig bewegte. Die Uniform erhob sich
anmutig in die Luft, als würde er die ganze Zeit schon zaubern. Überrascht
entglitt ihm der Zauberstab seinen Fingern, und die Uniform rauschte zurück auf
den Boden.
Sie hob zufrieden
den Blick zu seinem verdutzten Gesicht.
„Hast du… hast du das gesehen?“, rief er begeistert aus. „Ich bin ein
verdammtes Genie! Ich bin ein Zauberer!“ Sie würde ihm gerne erklären, dass er
genau das überhaupt noch nicht war, aber sie beherrschte sich. Sie versuchte
sich zu erinnern, ob sie auch geglaubt hatte, ein Genie zu sein, aber sie
konnte sich nicht mehr entsinnen.
„Ein
Genie durch einen Schwebezauber? Ein echter Malfoy…“, murmelte Ginny amüsiert,
die gerade das Trainingsfeld betreten hatte. „Hey, Hermine. Na, wie läuft dein
Mutterschutz?“ Hermine verdrehte die Augen.
„Witzig.“
„Sie ist
nicht meine Mutter!“, erklärte Scorpius ziemlich entrüstet. Aber Hermine war
dankbar. Sie war doch wirklich zu jung, um einen sechzehnjährigen Sohn zu haben.
„Wirklich,
Malfoy?“ Ginny ging zum Schrank und griff sich einige der Uniformen raus. „Ich
muss ein paar von denen umnähen“, fügte sie an Hermine gewandt hinzu. „Meine
Wünsche werden hier ja ignoriert. Alle zu groß oder zu lang. Außerdem müssen
wir mal reden. Ron war gestern bei uns. Ich hoffe, dir ist klar, dass er
vorhat, den kleinen Malfoy umzubringen?“, ergänzte sie, fast schon lächelnd.
„Hey! Ich bin nicht klein, ok? Und dieser dämliche Ron soll sich bloß
vorsehen!“ Heroisch griff Scorpius nach seinem Zauberstab und hielt ihn drohend
in die Luft.
„Oh, was
willst du tun? Ihn in der Luft schweben lassen?“, wollte Ginny grinsend wissen,
und Scorpius war zu seinem eigenen Ärger sprachlos.
„Ginny,
ich…“
„Tante
Hermine!“ Hastig wandte sie sich um.
„Ginny,
du weißt, er darf nicht hier runter“, flüsterte sie. Ginny zuckte nur die
Achseln.
„Hermine,
ich müsste ihn festbinden, um ihn von irgendwo fernzuhalten“, erklärte Ginny in
mütterlicher Manie. Hermine hatte nicht einmal die Zeit gehabt, mit Ginny zu
sprechen. Über alles. Für gewöhnlich verpasste sie nie so eine Gelegenheit.
„Hi, ich
bin James Sirius Potter! Mein Vater ist berühmt.“ James hatte Scorpius die Hand entgegen gestreckt.
„Aha.
Mein Vater ist tot.“ Scorpius schüttelte lächelnd die Hand des Jungen, dessen
schwarze kurze Haare wild nach oben standen. Hermine eilte zu den Jungen.
„Hey,
James. Lange nicht gesehen.“ Der Junge umarmte sie heftig.
„Wer ist
das?“, fragte der Junge jetzt.
„Das ist
ein… Klient“, erwiderte sie, obwohl sie sicher war, James wusste mit diesem
Wort nichts anzufangen.
„Oh“,
sagte er nur, weil er wohl dachte, es wäre etwas Schlechtes.
„James,
wir müssen gleich weiter. Hermine, Harry lässt fragen, ob du dir überlegt hast,
den Jungen weiter auszubilden. Er hat sich wirklich was in den Kopf gesetzt.
Will ihn besser machen als seinen Vater.“ Hermines Mund öffnete sich knapp.
„Du hast
mit Harry gesprochen? Wie läuft die Operation?“, wollte sie eilig wissen, um
auf gar keinen Fall darüber zu sprechen, dass sie auf gar keinen Fall den
Jungen ausbilden würde! Nicht in fortführender Magie! Nein. Bestimmt nicht!
„In
Askaban hatte er kein Glück. Der alte Malfoy sieht bereits die Elfen huschen“,
fügte sie leiser hinzu. Scorpius verstand sie dennoch.
„Was? Welcher alte Malfoy?“ Ginny warf Hermine einen bösen Blick zu.
„Du hast
ihm nichts erzählt, richtig?“ Hermine spürte einen Hauch Hitze in den Wangen.
„Doch.
Ich habe ihm alles erzählt.“
„Vom
Krieg und der Flucht? Von der Schlacht und von Voldemort? Hast du ihm sein Haus
gezeigt?“, wollte sie jetzt wissen. Scorpius trat näher.
„Nein.
Hat sie nicht! Sie hat mir noch gar nichts gezeigt. Welcher alte Malfoy?“,
wiederholte er jetzt ungeduldig.
„Dein
Großvater sitzt in Askaban. Seit achtzehn Jahren.“ Sein Mund öffnete sich
langsam.
„Im…
Gefängnis? Kann… man ihn besuchen?“
„Nein“,
unterbrach Hermine das Gespräch.
„Es gibt
doch bestimmt Besucherzeiten!“, widersprach er.
„Scorpius, hör auf damit! Dein Großvater ist kein Mensch, den man sehen möchte,
ok? Er ist nicht mehr ganz… normal“, fuhr sie unsicher fort. Sie beschloss das
kleinere Übel zu wählen, wenn sie schon anscheinend musste. „Wir können heute
Nachmittag das Anwesen besichtigen. Aber… nur kurz.“ Sie hatte nämlich noch
anderes zu tun, als einen Jungen zu hüten.
„Ihr könnt doch heute zum Abendessen kommen!“, rief James begeistert und sprang
in die Luft. Ginny schien darüber nachzudenken.
„Ron
kommt heute nicht. Es wäre also kein Problem. Bring den Jungen mit. Ich bin
sicher, Harry will gerne mit ihm sprechen.“ Hermine ahnte schon, worüber Harry
sprechen wollte.
„Ginny, er ist zu jung!“
„Ich bin
volljährig!“, widersprach Scorpius sofort.
„Nein, bist du nicht!“, verbesserte ihn Hermine eilig. „Ich will nicht, dass
Harry ihm Flausen in den Kopf setzt! Ich weiß genau,
was er tun will. Aber er ist nicht Dumbledore, und Scorpius ist nicht er
selber. Es läuft nicht immer so!“ Ginny hob die Hände.
„Das
kannst du ihm heute Abend gerne erklären. Kommt ihr also vorbei? Ich könnte
etwas Ablenkung gebrauchen. Nicht wahr, James? Du lässt Mommy
keine Sekunde Ruhe mehr, richtig?“, wandte sie sich an ihren Sohn, der grinsend
nickte. Noch nicht alle Milchzähne waren raus, und noch nicht alle waren
nachgewachsen. Er sah niedlich aus. Aber das wusste James zu gut. Harry
verwöhnte ihn zu sehr.
„Ich
weiß nicht“, sagte sie unsicher. Sie wollte alleine ein Bad nehmen. Allein!
Ganz allein!
„Granger,
komm schon“, bat Scorpius ruhig.
„Miss Granger“, knurrte sie böse.
„Ich
will mit Harry sprechen“, bat der Junge jetzt. Und sie musste ausatmen. Er sah
aus wie Malfoy, er regte sich auf wie Malfoy, aber seine Augen leuchteten, beim
Gedanken daran, mit Harry sprechen zu können. Definitiv eine andere
Malfoy-Seite. Eine sehr beunruhigende. Auch Ginny wirkte verwirrt.
„Na los.
Es gibt Braten, Kartoffeln und alle Desserts, die du dir vorstellen kannst.
Meine Männer werden dick und rund werden“, fügte sie leise hinzu.
„Ich
überlege es mir, in Ordnung?“ Doch Scorpius trat einfach vor, und streckte
Ginny die Hand entgegen.
„Mrs
Potter, wir kommen gern“, erklärte er jovial. Ginny schüttelte lachend seine
Hand.
„Hermine, ein Charmeur. Vielleicht hat Malfoy hier nur seine guten Eigenschaften
vererbt.“ Ginny griff nach James’ Hand, und beide winkten zum Abschied.
„Hat er nicht“, murmelte Hermine so unverständlich, dass Scorpius es nicht
hören konnte.
„Ok, ich
will diesen verdammten Entwaffnungszauber lernen!“, rief Scorpius, als er sich
bereits wieder in Position stellte. Hermine schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
Babysitter…
Sie war einfach degradiert worden. Einfach so!
Malfoy
Manor
„Wer
wohnt hier alles?“ Seine Stimme war kleinlaut geworden. Endlich. Nachdem er geschätzte
zwei Stunden geduscht hatte, Ewigkeiten fürs Anziehen und seine Haare
verschwendet hatte, hatte er sich endlich dazu erbarmt, mit ihr zu Apparieren.
Und
jetzt, nachdem seine Arroganz ein ziemliches Übermaß erreicht hatte, verschlug
es ihm endlich die Sprache. Malfoy Manor war einst ein sehr eindrucksvoller Ort
gewesen.
Sie war
seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Die Diebe hatten aufgehört einzubrechen.
Die Flüche waren hier zu vielzählig verteilt. Und Zauberer, die keine
Reinblüter waren, liefen Gefahr auf hässliche Flüche zu treffen.
„Hier
wohnt niemand mehr“, erklärte sie und sah sich um. Man konnte nie wissen. Alles
lag ruhig in der kühlen Herbstsonne, die bereits unterging. Das Gras wuchs
wild, die Pfauen waren verschwunden. Die Rosenbeete, waren nur noch wuchtige Gestrüppbeete, die den Blick auf die Weiten des Grundstücks
versperrten. Das Tor war mit einem Fluch aus den Angeln gerissen worden. Der
noble Glanz war verschwunden. Der Kiesweg war durch Wind und Wetter aufgewühlt
und nahezu verkommen.
Hundert
Meter weiter ragte das Herrenhaus bedrohlich empor. Die Fassade bröckelte
langsam ab. Einige Schindeln lagen auf dem ungepflegten Rasen und hatte
hässliche kahle Stellen verursacht, wo die Sonne ihre Strahlen nicht mehr
scheinen lassen konnte.
Einer
der kunstvollen Wasserspeier vor dem Eingang war umgekippt, und sein Kopf war
gänzlich verschwunden. Vermutlich gestohlen und verkauft. Oder zur Zierde
aufgestellt. Aber wer würde so etwas behalten wollen? Sie wusste es nicht
wirklich.
Der Irrgarten,
der einst in jedem Hochglanzexemplar der Hexenwoche als schönster Garten
abgedruckt worden war, bestand nun noch aus knorrigen Hecken. Einst waren sie
in der Form von Schachfiguren aufgebaut worden. Nun, wo sich niemand mehr
kümmerte, seit fast zwei Jahrzehnten, war ein Irrgarten gewachsen, in dem sich
bestimmt schon einige arme Tiere verloren hatten, dachte sie dumpf.
„Müssen…
wir da rein?“, fragte er vorsichtig.
„Hast du Angst?“, wollte sie lächelnd wissen, aber er schüttelte tapfer den
Kopf.
„Scorpius,
das hier ist kein gewöhnliches Haus.“ Es stimmte wirklich, denn das Haus mochte
verlassen sein, aber für einen unerwünschten war es auch nicht zu betreten.
Jedenfalls nicht, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Scorpius hatte das
Glück, ein Erbe zu sein. Der einzige Erbe, falls sein Vater denn tot war. Was
sie immer noch nicht glaubte, was aber durchaus möglich war. Wahrscheinlich…
wäre es sogar besser für Scorpius. Wer dem eigenen Kind die Magie entzog, der
hatte wohl keinen besonders großen Wunsch, den Jungen zu behalten, nahm sie an.
„Was
soll das heißen?“, erkundigte sich Scorpius und blieb akkurat auf dem einst
angelegten Weg.
„Das
heißt, nur die, die bestimmt sind, können das Haus betreten. Darin wird dich
kein Raubtier erwarten. Keine Räuber, gar nichts“, erwiderte sie knapp. Er
schien ihr nicht zu glauben. Sie schritten die vielen breiten Stufen der
Marmortreppe empor, aus der viele, viele Stücke bereits herausgeflucht
worden waren. Alles, was man äußerlich am Herrenhaus stehlen konnte, war
bereits fort, stellte sie fest. Die Blumen, die Fensterläden, die goldenen
Zierfassaden.
Sie war
einmal hier gewesen. Und das hatte ihr gereicht.
Sie zog
den Zauberstab. Scorpius tat es ihr gleich, obwohl er wohl nur höchstens
jemanden schweben lassen oder entwaffnen konnte. Er hatte den zweiten Zauber
tatsächlich schnell gelernt. Er war begabt. So viel stand fest.
Sie
erreichten die Tür. Die Blumenkästen waren leer. Sie waren wohl zu schwer
gewesen, um sie davon zu schleppen. Oder mit Flüchen belegt, um Diebe genau
daran zu hindern.
„Hier
hat mein Vater gewohnt?“, wollte er ehrfürchtig wissen. Hermine nickte nur
knapp.
„Ja. Und
sein Vater. Und der Vater von ihm. Und der Vater von ihm. Wahrscheinlich haben
alle Malfoys, die jemals existierten hier gewohnt“, fügte sie hinzu. Die Türen
waren robust und unbeschädigt. Der Türknauf war ein goldener Drache. Verhext,
nahm sie an. Sonst wäre diese Schmuckstück nicht mehr hier.
Bevor
Scorpius einen weiteren Schritt machen konnte, richtete sie den Zauberstab auf
den Knauf. „Anima!“,
rief sie und ein Funke traf den Knauf. Der Drache gähnte herzhaft, und sie sah,
wie Scorpius vor Schreck näher an sie wich. Er hatte also doch Angst.
Natürlich! Aber zugeben würde er es niemals. Dann öffnete er die ausgeblichenen
Augen. Er blinzelte kurz, dann hob er den Blick. Seine Zunge, aus purem Gold,
züngelte kurz über seine Lippen.
Dann
ertönte ein eisiges Zischen aus seinem Mund. „Losung?“, fragte er mit rostiger,
hoher Stimme.
Hermine
verdrehte die Augen. Natürlich.
„Wir
haben keine Losung. Das hier ist Scorpius Malfoy. Ihm
gehört das Haus“, erklärte sie.
Der
Drache schien zu grinsen. Es sah nicht sehr schön aus.
„Das
sehe ich“, zischte er kühl. „Losung für das Schlammblut“, ergänzte der Drache
ohne zu blinzeln.
„Das was?“, fragte Scorpius verwirrt.
Hermine schloss die Augen.
„Scorpius,
willst du da wirklich rein? Ich kann nicht mit, denn ich bin kein Reinblüter,
und der Drache…“
„Der
Drache ist doch nicht echt, verdammt! Natürlich gehst du mit rein! Hast du
gehört, du Stück Blech?“, schrie er aufgebracht. „Natürlich geht sie mit rein!“
Der Drache musterte ihn einen langen Moment.
Dann
erstarrte er wieder zu solidem Gold. Scorpius sah sie an.
„Was jetzt?“, fragte er leiser. Sie zuckte die Achseln.
„Entweder du hast den Türgriff verärgert oder-“ Sie unterbrach sich selbst,
denn die Tür bewegte sich in den rostigen Angeln. Dann schwang sie auf. Kalte,
muffige Luft traf ihr Gesicht. „Anscheinend hast du die Regeln geändert,
Scorpius“, fügte sie leise hinzu. Sie hob den Zauberstab höher. „Folge mir.“
„Wofür
brauchst du den?“, fragte er eilig. „Du hast gesagt,
niemand kann hier sein!“
„Nein“,
bestätigte sie langsam. „Nur jemand mit deinem Blut“, fuhr sie fort, und sah
sich in der Dunkelheit um. „Und wir wollen besser vorsichtig sein.“ Sie wusste,
eigentlich hatte Scorpius recht. Zumindest hatte hier niemand zu sein. Aber sie
hatte genügend Abenteuer erlebt. Sie ging kein Risiko ein. „Lumos totalus!“, rief sie leise. Mit einem
Surren, entzündeten sich die Kronleuchter an der Decke. Scorpius schnappte nach
Luft.
Der
Raum, den sie betreten hatten, war riesig. Muffig, aber riesig. Möbel waren mit
dicken Tüchern verhangen. Teppiche trugen eine große Staubschicht, die bei
jedem Tritt Wolken in die Luft stoben ließ.
„Wow!“,
flüsterte er, als er den Kopf in den Nacken legen musste, um die Decke erkennen
zu können. Auch dort war ein Mosaik aus Gold und Silber, aus Edelsteinen und
Kristallen, in Form eines Drachens gelegt. Ein schlafender, wunderschöner
Drache. Der Schwanz wölbte sich einmal um die Kuppel und endete in einem
hübschen Erker. Dort stand ein Teeservice.
Es
wunderte sie.
Es
wunderte sie wirklich. Und sie hatte ein schlechtes Gefühl. Sehr plötzlich.
„Sei mal
leise“, befahl sie jetzt und sah sich um. Der Saal war leer. Vielleicht standen
die Tassen auch nur vergessen auf dem Tisch. Es musste nichts bedeuten. „Ok,
hier ist niemand.“ Sie betrachtete eine Ecke genauer. Aber auch neben der Tür
zum nächsten Raum war nichts, außer Staub und Spinnweben. Sie fragte sich, ob
die Spinnen, die hier webten, auch reinblütige
Spinnen waren.
„Ist er
das?“ Hermine folgte Scorpius’ Blick zur anderen Seite des Raumes. Der Kamin
war bestimmt zehn Meter lang und majestätisch in die Wand eingelassen. Gold
umrandete die Kanten, und unzählige Artefakte häuften sich auf dem Sims.
Verflucht, allesamt, nahm sie an. Darüber jedoch hing das größte Portrait, das
sie jemals gesehen hatte.
Alle
drei Malfoys starrten sie böse an. Keiner sprach.
„Ja“,
erwiderte sie und warf Malfoy Junior einen gehässigen Blick zu. Seine Lippen
waren eine schmale Linie. Sie nahm an, er war gerade achtzehn Jahre alt. Sie
sah, wie Scorpius hoch zu seinen Haaren fuhr. Und ja. Ihr war es schon längst
aufgefallen.
Scorpius
sah ihm zum Verwechseln ähnlich.
„Er hat
mein Gesicht“, flüsterte er. Und er sagte es mehr schockiert als zufrieden.
„Und das ist mein Großvater“, schloss er mit rauer Stimme, und er fixierte den
langhaarigen blonden Mann, der wie ein König neben seinem Sohn stand. Lucius
war ein schöner Mann. Ein schöner, tödlicher Mann.
„Hermine…“,
begann Scorpius langsam, und sie wollte sich gerade beschweren, dass er sie nun
nicht mal mehr beim Nachnamen nannte, aber er war näher an ihre Seite gewichen.
„Du hast
gesagt, niemand ist hier, richtig?“ Sofort fühlte sie, wie sich ihre Muskeln
anspannten.
„Ja“,
bestätigte sie, den Zauberstab fest in der Hand. Und sie sah es, ehe Scorpius
es sagen konnte. Nein. Sie roch es eher.
„Warum
ist dann Rauch im Kamin?“ Scorpius flüsterte jetzt so leise, dass sie ihn nur
verstehen konnte, weil er direkt neben ihr stand.
„Zurück,
hinter mich, Scorpius!“, rief sie jetzt, und wohl nur zu gerne verschwand er
hinter ihrem Rücken. Er war zwar ein Stück größer, aber sie war um einiges mächtiger.
Sie hatte das Gefühl, der Raum wurde kleiner und kleiner. Hastig sauste ihr
Blick durch den Saal. Noch immer war alles ruhig. Sie hätte es tun müssen! Sie
hätte es schon längst tun müssen! Verdammt! „Revalo!“, rief sie beinahe
ängstlich. Aber nur beinahe, denn egal, was es war, es würde ihr keine Angst
machen!
Und
neben der Tür flackerten zwei Schatten. Sofort ging sie in Kampfposition.
„Oh, ich
würde Ihnen raten, den Zauberstab ziemlich schnell zu senken, Ms Granger.“ Und seine
Stimme hatte sich nicht verändert. Sein Aussehen war immer noch genauso
unausstehlich wie damals. Seinen Zauberstab hielt er auf sie gerichtet. Und so
tat es sein Partner ebenfalls. Bevor ihr einfiel, weshalb auch dieser Mann ihr
bekannt vorkam, sprach Malfoy bereits wieder. „Und jetzt treten Sie von meinem
Sohn zurück.“
Sie
hörte Scorpius hinter sich die Luft einziehen.
Malfoy
trat näher. Sie wusste nicht, wie gut die beiden Männer waren. Aber sie waren
in der Überzahl. Würde sie stumm fluchen, würde Malfoy reagieren.
„Den
Zauberstab, Ms Granger, oder ich ändere die Regel“, informierte er sie knapp.
Und obwohl sie nicht hatte sprechen wollen, sprach sie doch.
„Welche
Regel?“, knurrte sie, aber in ihrem Kopf formte sich die Antwort bereits.
„Was
denken Sie ist Schlammblütern ursprünglich in diesem Hause widerfahren, wenn
sie unerlaubten Eintritt erlangten?“ Die Frage war rein rhetorisch und bedurfte
keiner Antwort. Er hob den Zauberstab an. „Eins, zwei…“
„Was
wollen Sie überhaupt? Wissen Sie, wie viel Haft Ihnen droht, dafür, dass Sie
Ihren Sohn verschleppt und verhext haben?“, rief sie so zornig, dass ihr schon
fast egal war, ob er die Regel änderte.
„Dr-“, begann er, aber bevor er den Mund vollständig öffnen
konnte, schob Scorpius sie einfach zurück.
„Lass sie in Ruhe!“, schrie er so zornig, dass seine Stimme von den Wänden
widerhallte. Und Malfoy hob tatsächlich eine Augenbraue in die Höhe.
„Mutig“,
sagte er nur. „Scorpius, komm hier her. Du willst sie nicht verteidigen“, fügte
er kühl hinzu.
„Ich
werde bestimmt nicht zu dir gehen!“ Und sie lugte an Scorpius vorbei. Die
beiden Männer tauschten einen knappen Blick.
„Goyle?“,
fragte sie jetzt, völlig verwirrt, und der große Mann warf ihr einen ertappten
Blick zu. Er war nicht mehr untersetzt und übergewichtig. Jetzt war Gregory
Goyle groß, breit an Muskelmasse und sein Kopf war kahl.
„Das
hier ist keine Verhandlung, Ms Granger. Meine Zeit ist knapp bemessen. Sie
werden meinen Sohn in Ruhe lassen und sich nicht einmischen, wo Sie nichts zu
suchen haben!“
„Oh, du
hast Nerven!“, rief sie wütend aus. Sie hasste Harry dafür, dass er Malfoy
nicht gefunden hatte, wo er doch anscheinend munter und fröhlich durch London
spazierte. Sie hasste Malfoy dafür, dass er Malfoy war, und sie würde sich
bestimmt nicht von ihm einschüchtern lassen! Das wäre das erste Mal in ihrem
Leben! Sie trat um Scorpius herum, direkt auf Malfoy zu. Mit jedem Schritt
entdeckte sie mehr an ihm. Der Umhang war immer noch teuer. Die Kleidung und
die Schuhe ließen sie auch nicht annehmen, dass ihn Armut geschlagen hatte.
Aber
sein Gesicht war Merlin sei Dank älter geworden.
Ein
sanfter Ring des Alters lag um seine hellen Augen. Die Haare waren immer noch
voll, aber dafür kürzer, als sie es in Erinnerung hatte. Er war nicht
vollständig rasiert. Stoppeln zierten seine untere Gesichtspartie. Und wenn sie
ihn näher betrachtete, dann veränderte sich sein Gesicht eigentlich. War es ihr
vorher nicht unbedingt aufgefallen, so war es jetzt umso deutlicher.
„Lucius
freut sich bestimmt, dass du die Metamorphose beinahe vollständig vollendet
hast“, spuckte sie ihm entgegen und richtete ihren Zauberstab direkt gegen
seinen. Sein Mund verzog sich bei diesen Worten, und er sah seinem Vater nur
noch ähnlicher.
„Witzig.
Wirklich ausgesprochen schlagfertig“, erklärte er. Nur seine Stimme war die
seine geblieben. Ansonsten war er in die Züge reingewachsen, die ihm genetisch
vorbestimmt gewesen waren.
„Ist dir
klar, dass Haft darauf steht, einen Auroren zu bedrohen, Malfoy? Ist dir klar,
dass du, laut den Akten, nicht mehr existent bist? Du brichst alleine durch
dein Überleben fünfzig Gesetze, die du nicht kaufen oder umgehen kannst! Du
hast Menschenleben auf dem Gewissen! Vielleicht lässt sich Lucius dazu
überreden, seine Zelle mit dir zu teilen, du verdammtes Arschloch!“, schrie sie
so wütend, wie schon lange nicht mehr. Sie hatte nicht vorgehabt, ihre Wut an
einer Person auszulassen.
All ihre
Wut der letzten Tage.
„Granger-“
„Ich
habe dich schon einmal geschlagen, und glaub mir, ich habe keine Angst davor,
es wieder zu tun!“ Und Malfoys Blick löste sich von ihrem Gesicht. Er fixierte
etwas direkt neben ihr.
„Du
wirst sie nicht anrühren!“ Wie ähnlich ihre Stimmen doch klangen. Hermine hatte
das Gefühl, verrückt zu werden. Scorpius stand direkt hinter ihr. Den
Zauberstab auf seinen Vater gerichtet. „Du warst nie da! Du hast mich verstoßen
und allein gelassen. Hermine hat mich gefunden, mich mitgenommen, und du hast
dich einen Scheißdreck gekümmert! Du hast Geld? So viel Geld und keinen Penny
für mich übrig? Du lebst und lässt mich im schmutzigsten Waisenhaus der Stadt?“
Er war mit jedem Satz lauter geworden.
Hermine
wandte sich zu ihm um. „Scorpius, halt dich da raus. Geh weg von ihm, und nimm
den Zauberstab runter!“ Sie wusste, er würde nicht zaubern. Er konnte nicht
zaubern. Zwar war er minderjährig, aber ein Schwebezauber würde ihm das Gesetz
schon nicht zu sehr vorwerfen. Mal abgesehen davon, dass er damit nichts bezwecken
konnte.
„Nenn
mir einen Grund, weshalb ich mit dir kommen sollte, Draco!“, verlangte Scorpius
kalt zu wissen, und betonte den Namen so, wie Hermine ihn für gewöhnlich
aussprach, wenn sie sich überhaupt dazu herabließ, den Namen dieses Ekels
auszusprechen.
„Weil du
sonst sterben wirst“, erklärte Draco sehr ruhig. Und das beunruhigte sie.
Wieder wusste selbst Malfoy mehr als sie! „Ich habe nicht vor, heute jemanden
umzubringen, Scorpius. Aber deine geschätzte Ms Granger war zur falschen Zeit
am ganz falschen Ort. Sie hat nichts hiermit zu tun. Ich erkläre es dir, sobald
ich kann. Jetzt strapazier meine Geduld nicht.“
„Hör
auf, ihm zu drohen!“, unterbrach sie das Gespräch der beiden.
„Ich
rede nicht mit dir“, erwiderte er nur. „Was willst du mit einem Schlammblut?
Sie kann dir nicht helfen, der zu werden, der du sein kannst!“
„Soweit
ich weiß, bin ich dann auch ein Schlammblut. So nennt man doch Zauberer, die
unter Muggeln aufwachsen, richtig?“ Und zum ersten Mal wirkte Draco Malfoy
entwaffnet. Hermine war beeindruckt von dem Malfoy-Jungen. Wenn auch nur zu
kurz, um es wirklich zuzugeben.
„Ich
habe keine Zeit hierfür“, knurrte Draco ungehalten.
„Er wird
dir weglaufen“, sagte Hermine sehr leise. „Er wird nicht bei dir bleiben. Sei doch
vernünftig, Malfoy. Das Ministerium kann mehr für deinen Sohn tun, als-“
„Oh ja!
Ich sehe, was das Ministerium tut! Es lässt die ganze Stadt Bescheid wissen,
und ein Schlammblut ist sein Leibwächter!“, unterbrach er sie gereizt. „Wenn du
klug bist, und dafür hältst du dich doch, dann hältst du mir Potter und seine
Bluthunde fern, hast du verstanden?“, fügte er streng hinzu. Dann wandte er
sich an Goyle. „Bereit?“ Dieser nickte. Hermine spürte, dass ein Plan wohl
gerade eben in die Fugen sprang.
„Scorpius!“,
rief sie, aber zu spät. Goyle hatte den Jungen eilig am Arm gegriffen, und sie
verschwanden, ehe Hermine reagieren konnte. Der Schrei des Jungen wurde
verschluckt, als er sich auflöste. „Malfoy!“, rief sie zornig, wollte den
nächstbesten Fluch loslassen, da begann auch Malfoy sich zu drehen. Aber vorher
sah sie, wie sich seine Mundwinkel hoben.
„Drei“,
sagte er, ehe er verschwand, und ihr Fluch ins Leere ging.
Drei?
Wofür…
Aber sie
begriff. Malfoy hatte die Regel wieder aufgehoben. Zornig wandte sie sich um.
Aus dem Teppich wuchsen Gestalten. Dunkle, finstere Gestalten mit langen
Krallen, aber sie war gerade in der richtigen Stimmung hierfür.
Nur als
sie auch den Schatten in der Tür hinter sich gewahr wurde, musste sie sich
fragen, ob es klug wäre, in Malfoy Manor aus Trotz und Wut möglicherweise
umzukommen.
Denn das
würde ihr die Chance vermiesen, Harry schlicht und einfach umzubringen!
Sie
fluchte laut, denn sie spürte bereits, dass sie nicht in der Lage war, von hier
zu apparieren. Sie musste ihre Flucht zu Fuß antreten. Sie schleuderte den
ersten Fluch gegen die Schattenwesen und sprang durch die Lücke, die sie
gesprengt hatte in Richtung Tür.
Diese
Monster hatten sich einen verflucht schlechten Tag ausgesucht!
Lost
„Wenn er
nicht aufhört, werde ich ihn bewusstlos schlagen“, murmelte er ungehalten,
während der Tee in der Tasse begann, abzukühlen. Seine Finger trommelten
unregelmäßig auf der Tischplatte, während Gregory immer wieder laut ausatmete.
Draco musste zugeben, sie hatten nicht den elegantesten Weg gewählt. Mit den
Jahren hatte seine Ungeduld irgendwann zu ihm aufgeschlossen.
„Das
wäre vielleicht nicht der klügste Zug“, entgegnete Gregory, der der Tür einen
scheelen Blick zuwarf. „Und… musstest du den Fluch wieder aktivieren?“, setzte
er kleinlaut hinzu. Draco wusste, wovon er sprach, hob aber fragend eine
Augenbraue.
„Wovon sprichst du?“
„Musstest
du Granger das antun? Was, wenn sie da nicht rausgekommen ist?“
„Oh ja“,
gab Draco gedehnt zurück. „Granger ist bestimmt nur durch ihre äußeren, nicht
vorhanden, Reize Aurorin geworden. Sie wird eine Nervensäge bleiben. Sie wird
die gesamte dämliche Truppe an Auroren auf diese Aktion ansetzen, verflucht. Es
ist alles außer Kontrolle geraten. Und nur, weil du nicht aufgepasst hast.“ Er
wusste, Gregory traf nicht besonders viel Schuld, aber es war niemand sonst da,
den er maßregeln konnte. Dementsprechend betroffen sah Gregory ihn jetzt auch
an.
Diesmal
gab es einen besonders großen Knall. Wahrscheinlich hatte sein Sohn gerade
einen der teuren Mahagonistühle gegen die Tür geworfen.
„Mach so
weiter, und du verlässt diesen Raum in Einzelteilen!“, rief er nur. Natürlich
blieb sein Sohn unbeeindruckt. Draco hatte nichts anderes erwartet.
„Vielleicht
hat Granger Recht, und das Ministerium kann dir besser helfen.“ Gregory schien
selber zu wissen, dass er sich mit dieser Aussage erst recht auf sehr, sehr
dünnes Eis begab. Er wich sogar mit seinem Stuhl ein Stück zurück.
„Sehe
ich so aus, als bräuchte ich Hilfe vom verdammten Ministerium? Die letzten
siebzehn Jahre habe ich keine Hilfe gebraucht!“ Gregory sah so aus, als wolle
er eine weitere Vorhaltung anbringen, entschied sich aber wohl dagegen.
Wahrscheinlich war ihm siedend heiß wieder eingefallen, wer ihn doch gleich
bezahlte.
Erneut
ließ ein Krach die Tür erzittern.
„Du
erreichst damit nichts, Scorpius“, informierte ihn Draco, nachdem er genüsslich
einen Schluck Tee getrunken hatte. „Es wird kein einziges Gespräch geben, ehe
du dich nicht wie ein normaler Mensch verhältst.“ Draco hörte ein zorniges
Schnauben, und kurz darauf warf sich Scorpius wohl mit seinem eigenen Gewicht
gegen die Tür. Diese Anschauung roher Gewalt, ließ Draco an seine eigene Zeit
zurückdenken. Und es erinnerte ihn daran, dass er seinen Sohn so eigentlich
nicht hatte wiedersehen wollen. In seinem Kopf waren die Voraussetzungen besser
gewesen.
„Vielleicht…
könntest du ihn mit Granger überreden.“ Draco schoss Gregory einen weiteren
bösen Blick zu.
„Ich will
diesen Namen nicht mehr hören, Gregory!“, entfuhr es ihm lauter als
beabsichtigt.
„Aber…
er scheint sie zu mögen!“, unterbrach ihn Gregory eilig. „Wenn du in Aussicht
stellst, er könne Granger wiedersehen, dann-“
„Ich
werde ignorieren, dass du die Vermutung hegst, dass mein Sohn möglicherweise…
Gefallen an dem Mädchen gefunden hat“, bemerkte er sehr kühl. Gregory wandte
hastig den Blick ab. „Aber im Krieg sind ungewöhnliche Maßnahmen vielleicht
nicht dumm“, gab er sich geschlagen, auch wenn es über alle Maßen anwiderte.
„Wenn du
zurück zu Granger willst, dann solltest du kooperieren“, sagte Draco also mehr
als widerwillig. Und daraufhin war es für einen Moment still im kleinen
Gästezimmer. Gregory wirkte zufrieden. Draco jedoch warf ihm einen entnervten
Blick zu. Anscheinend hatte sein Diener recht. Anscheinend gab es einen
absurden, völlig ekelerregenden Schlüssel zur Vernunft seines eigenen Sohnes.
Und dieser Schlüssel schien ein Schlammblut zu sein.
Draco
schloss die Augen.
Wieso
musste ausgerechnet ihm so etwas passieren?
„Ich
fasse es nicht“, knurrte er wütend. Als es weiterhin still blieb, erhob er sich
schnaubend, seinen Tee ignorierend.
„Draco, du-“
„Halt
bloß den Mund!“, unterbrach er Gregory scharf. Dieser schwieg sofort. Draco entriegelte
die Tür mit einem stummen Zauber, und stand seinem Ebenbild gegenüber. Er
konnte keine Worte dafür finden, wie gruselig es war. Er fühlte sich
tatsächlich unangenehm mit dem Jungen in einem Zimmer. War er alt genug, um
einen beinahe volljährigen Sohn zu haben? Der Junge ließ ihn ziemlich alt
aussehen. Er spürte, wie seine Mundwinkel in Bitterkeit zuckten. Verdammt. Er
war also wirklich fast fünfunddreißig.
„So“,
begann er knapp. „Ich hatte nicht ausreichend Zeit, mich vorzustellen“, fuhr er
fort. Wo war seine Freundlichkeit? Die war wohl verschwunden, als sein
ausgeklügelter Plan zur Hölle gegangen war, nahm er bitter an.
„Ich
will zurück.“
„Scorpius“,
sagte Draco langsam, mit der Mahnung hinter dem Namen stehend.
„Sie
wird dich finden!“, entgegnete Scorpius, und das sogar mit einer Überzeugung,
die Draco die Augen gereizt verdrehen ließ.
„Denkst
du, Granger ist die einzige Hexe auf dieser Welt, Scorpius?“, wollte Draco
zornig wissen, aber sein Sohn schwieg beharrlich. Draco hasste alle Eigenschaften,
die er an sich selber einst zu schätzen gewusst hatte. Scorpius war stur,
arrogant und viel zu gutaussehend für sein Alter. Er hatte sich selber als
Schlammblut tituliert. Kopfschmerzen in immensem Ausmaß bahnten sich an. Draco
rieb sich die Schläfe.
„Habt
Ihr Hunger, Master Scorpius?“ Dass Gregory auch noch wagte, förmlich zu
sprechen, war beinahe zu viel.
„Gregory,
nicht jetzt“, erwiderte Draco ungehalten.
„Er hat
seit Stunden nichts-“
„Nicht
jetzt!“, schnappte Draco verärgert. Gregory nickte nur.
„Behandelst
du alle Menschen wie Dreck, Draco?“ Er mochte nicht, dass der Junge seinen
Vornamen sagte. Und er würde nicht auf so eine impertinente Frage antworten.
„Wenn du
mit mir sprichst, dann wirst du mich-“ Und er unterbrach sich selbst. Nein! Er
hatte das nicht durchdacht. Wollte er seinem Sohn befehlen, dass er ihn Vater nannte?! Wirklich? Wollte er
tatsächlich Grangers Worten entsprechen und unbemerkt zu Lucius werden? Es
schauderte ihn vor dieser Aussicht. Tatsächlich tat es das!
„Nein“,
entschied er eilig. „Draco ist vollkommen in Ordnung.“
„Wieso
hast du mich zurückgelassen? Wenn du mich nicht wolltest – schön! Aber musstest
du mir alles nehmen?“, schrie Scorpius plötzlich. „Und dann findet mich endlich
jemand, der mir erklärt, zu was ich fähig sein kann, und du reißt mich wieder
fort?“ Ja. So sah es wohl verflucht noch mal aus.
„Es war alles geplant, Scorpius!“, rechtfertigte er sich plötzlich, obwohl er
seine Coolness nicht hatte aufgeben wollen.
„Geplant?“,
wiederholte Scorpius und hob die Arme. „Ich habe nichts von diesem Plan
gewusst! Du hättest mich fragen können! Du hättest mich retten können!“ Draco
atmete langsam aus.
„Niemand wusste von deinem Überleben – geschweige denn von meinem Überleben! Du
hast keine Ahnung, was passiert. Du hast keine Ahnung, wer du bist und wer die
Leute sind, die hinter unserem Leben her sind!“
„Nein,
dank dir weiß ich überhaupt nichts! Ich will zurück! Ich will zurück zu Mr
Potter!“ Draco spürte, wie sich etwas in ihm zusammen zog. Nein. Egal, was er
vorhatte. Egal, was der Plan gewesen war. Egal, dass er Scorpius hatte
einweihen wollen – das war – verdammt noch mal – zu viel! Er wandte sich ab,
ohne ein weiteres Wort, denn würde er bleiben, würde er Dinge sagen, die er eventuell
bereuen würde. Vielleicht auch nicht!
„Draco!“,
ermahnte ihn Gregory ruhig, aber er schüttelte zornig den Kopf.
„Hast du
nicht gehört? Er will zu dem Wichser Potter! Ich fasse es nicht! Ich fasse es
nicht!!!“, schrie er, und stürmte aus dem Salon. „Dann lass ihn gehen, wenn er
denkt, das scheiß Narbengesicht könnte ihm auch nur einen Penny sichern!“
Er
hörte, wie Gregory wieder einatmete. „Und sag ihm, er wäre tot, in der Sekunde,
in der er das Haus verlässt!“ Gehässig wandte er sich zu seinem ehemaligen
Abbild um. „Denn so talentiert wie sein Mund, ist sein Zauberstab wohl
anscheinend nicht“, ergänzte er kalt.
Alkohol.
Er brauchte dringend einen Scotch.
Er würde
niemals behaupten, dass er verstehen konnte, weshalb Lucius so war, wie er eben
war, aber… er konnte vielleicht einen winzig kleinen Funken von Vaterschaft
verstehen. Vielleicht. Er hasste seinen Sohn! Das stand fest!
~*~
Sie
hatte ihre Wunden versorgt. Diese dämlichen Schattengeister hatten ihr doch
zugesetzt. Aber es schmerzte kaum noch. Harry hatte seit fünf Minuten nicht
gesprochen. Er schrieb einige Zeilen auf ein Dokument, schien zu überlegen,
welchen Schritt er jetzt zu gehen hatte, und sie hatte langsam aber sicher
keine Lust mehr.
„Harry“,
begann sie gereizt, aber er hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Bist du
sicher, dass es-“
„-
Malfoy war? Ja, Harry. Ich bin mir sicher!“, erwiderte sie knapp. Sie konnte
nicht fassen, dass Harry ihre Worte tatsächlich anzweifeln wollte. Er nickte
schließlich.
„Ok. Dann… wo ist er wohl hinappariert?“ Er hob den
Blick. Sie starrte ihn fassungslos an. Was war sie? Ein Orakel? Sie war froh,
dass die Flüche keine Narbe hinterlassen würden. Harry konnte froh sein, dass
sie das Herrenhaus nicht abgebrannt hatte, nachdem sie geflohen war!
„Anscheinend hat er Gold!“, sagte sie also, mehr als kalt. „Also kann er
überall sein!“, vollendete sie die Vermutung.
„Dann
werden wir ihn suchen. Lucius ist keine Hilfe.“
„Wann
war er das schon mal“, warf sie ärgerlich ein, aber Harry ignorierte sie.
Anscheinend nahm er ihr wirklich übel, dass sie Scorpius verloren hatte, aber
sie würde nicht darüber sprechen. Denn dann würde sie ihn wahrscheinlich
anschreien müssen.
Und sie
wollte nicht noch einmal schreien. Nicht mehr heute.
„Wahrscheinlich
müssen wir nach Besitztümern Ausschau halten, die innerhalb den letzten
siebzehn Jahren erworben wurden. Von reichen Zauberern, oder Verwaltern. Ich
nehme nicht an, dass er in London residiert“, fuhr Harry müde fort.
„Residiert“,
wiederholte sie tonlos das Wort. Versteckt
traf es wohl eher, nahm sie an. Dann kam ihr ein Gedanke. „Was wissen wir über
Gregory Goyle? Er ist sein Partner, oder Diener oder Sklave, wie auch immer!“
Harry fuhr sofort mit dem Zauberstab über einen Stapel an Akten.
„Bist du
sicher, dass es Goyle war? Wir haben keinen Zusammenhang mehr zwischen ihm und
den Malfoys gelistet“, erklärte er wenig überzeugt. Sie verdrehte die Augen.
„Harry, Geister wollten mir die Haut vom Körper ziehen. Ja, verdammt! Es war
Goyle. Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt!“ Harry nickte schließlich.
„Gut.
Dann checken wir den Namen Goyle. Keine Ahnung, ob er überhaupt noch von den
Zaubern erfasst werden kann. Wenn er nach Kanada oder Kuba gezogen ist, dann
können unserer Zauber ihn nicht finden.“
„Es gibt
nur fünf Kontinente. Und ungefähr zwanzig Ministerien mit großer Macht. Das
sollte nicht zu schwer sein“, erwiderte sie genervt.
„Jaah“,
begann Harry. „Aber wir schaffen es nicht heute Abend“, ergänzte er vorsichtig.
„Scorpius könnte-“
„Harry,
Malfoy wollte seinen Sohn holen. Bestimmt nicht, um ihn zu zerstückeln und zu
verschachern!“, gab sie gereizt zurück. Harry wirkte nicht besonders amüsiert
oder beruhigt durch ihre Worte.
„Ok!“,
bestätigte er schließlich. „Ich kümmer mich darum. Dann… kommst du wohl nicht
zum Essen heute?“, fragte er nach, und sie schüttelte heftig den Kopf. Sie
sehnte sich nach ihrer Badewanne und einem schönen Glas Wein. Allein! „Denkst
du etwa… Malfoy hat einen vernünftigen Grund seinen Sohn zu verstecken, zu
warten, bis er volljährig ist, und ihn dann wieder zurückzuholen?“, erkundigte
er sich schließlich. Es schien ihm großes Kopfzerbrechen zu bereiten.
Hermine
seufzte auf. „Keine Ahnung, Harry. Ich weiß nicht, ob man noch das Wort
vernünftig verwenden kann, nach allem, was wir über diese Sache wissen.
Vernünftig wäre es gewesen, das Ministerium sofort einzuschalten, nachdem die
Todesser Astoria getötet hatten. Vernünftig wäre es gewesen, Scorpius nicht
alle Magie zu nehmen, ihn auszulagern und selber zu verschwinden. Vernünftig
wäre es, eine Mitarbeiterin des Ministeriums nicht in einem verfluchten Haus
zurückzulassen!“
„Ja, ich
weiß, aber-“
„Harry,
das ist kein Märchen! Es gibt keine tolle Erklärung, die alles besser macht.
Egal, was Malfoys Beweggründe sind – er muss ins Gefängnis! Und wenn wir Glück
haben, muss Scorpius ihn niemals wieder sehen. Für den Fall, dass wir die
beiden finden.“
„Hermine,
wenn-“
„Nein!“,
schnappte sie. „Harry, ich weiß, du denkst, der Junge ist arm, allein und
verlassen. Aber ist und bleibt ein Malfoy. In einigen Jahren wird er zaubern
können, sein Gold für Blödsinn ausgeben und Muggel verabscheuen. So ist es
vorgesehen. Und du kannst von Glück reden, wenn es so kommt!“
„Du mochtest
ihn überhaupt nicht?“, fuhr Harry sie jetzt an, und sie schüttelte heftig den
Kopf.
„Nein!“, schrie sie einfach, ohne Lüge oder Wahrheit zu beachten. Heute Abend
mochte sie keinen mehr. Nicht einmal mehr Harry. Und er gab es auf und nickte.
„Ok. Geh
nach Hause. Keine Malfoy-Geschichten mehr heute Abend, versprochen.“ Aber
meistens, wenn Harry etwas versprach, dann kam es anders, als er dachte.
Und
meistens endete es für sie stressig. Aber im Moment dachte sie nur an ihre
Badewanne.
Fights
Sie mochte das Gefühl nicht.
Es fühlte sich an… als hätte sie versagt. Dabei
hatte sie sich nicht so fühlen wollen. Aber sie hatte ihn verloren. Sie hatte
ihn gefunden, versprochen, ihm zu helfen, und jetzt hatte sie ihn verloren. Sie
– die beste Aurorin – hatte gegen zwei mittelmäßige Kriminelle verloren.
Es machte sie unglücklich. Aber sie musste
vergessen, dass sie Aurorin war.
Sie musste wenigstens heute Abend Hermine Granger
sein. Eine Hermine Granger, die alleine war.
Ohne Ron.
Ohne irgendwen. Oh Hermine, bitte, schalt sie sich in Gedanken. Der Tag war lang
gewesen. Ähnlich lang wie der vorherige. Sie wollte baden, Wein trinken – und
nicht mehr nachdenken!
Sie blieb stehen. Der Tropfende Kessel erschien
ihr sehr verlockend. Sie lockerte den Umhang des Ministeriums und trat ein. Tom
hob kurz den Blick, aber Tom war wohl der einzige Bürger der Stadt, der so
ignorant sein konnte, sie einfach nicht zu kennen. Es war relativ voll.
Zauberer und Hexen lachten, sprachen über den Tag, über Pläne, Urlaub,
Familien, und sie schritt langsam zur Theke. Müde, ausgelaugt und völlig
willig, etwas Stärkeres als Wein zu trinken.
„Tom, einen Martini, bitte. Mit Tonic“, fügte sie
knapp hinzu.
Wortlos stellte ihr der Wirt das dreieckige Glas
mit dem langen Stiel auf die Theke.
„Olive, Miss?“, fragte er rau, aber sie verneinte.
Sie würde eine Olive nicht bewältigen können, befürchtete sie. Sie konnte schon
nicht Gregory Goyle entwaffnen. Ihr Job war jahrelang wirklich vergleichsweise
einfach gewesen. Sie hob das Glas zu den Lippen, und die kühle Flüssigkeit
verbrannte ihre Kehle.
Sie hatte keine Ahnung, wann sie das letzte Mal
getrunken hatte. Wahrscheinlich mit Ron. Hatte sie jemals allein getrunken,
fragte sie sich unwillkürlich, und wollte diese Frage gar nicht beantworten.
Sie trank noch einen Schluck, schüttelte angeekelt den Kopf, und hatte keine
Ahnung, weshalb irgendjemand Martini trank.
„Noch einen?“, fragte Tom, als er zu ihr herüber wischte.
Sie ruckte mit dem Kopf und wollte nein sagen. Stattdessen füllte Tom das Glas
erneut. Auch das war ihr mäßig gleichgültig.
„Ich habe gehört, dir ist der junge Malfoy
abhanden gekommen.“ Sie hob überrascht den Blick. Dean Thomas setzte sich neben
sie. Sie senkte den Blick zurück in ihr volles Glas. Auf diesen Idioten hatte
sie keine Lust. Absolut keine Lust!
„Hm“, erwiderte sie nur.
„Keine Glanzleistung. Wie war es in Malfoy Manor?“
Richtig. Dean war auch Muggel. Er konnte auch nicht rein. Immerhin etwas! Sie
versuchte sich vorzustellen, wie ihm die Geister mehr zugesetzt hätten. „Hey,
komm schon. Ich versuche nur, nett zu sein.“ Er lachte gehässig. Sie mochte ihn
nicht.
„Kann ich drauf verzichten.“
„Bist du betrunken?“, fragte er jetzt und grinste.
„Dabei ist es erst Donnerstag, Ms Granger“, fügte er lachend hinzu. Und mit
einem Zug leerte sie ihr Glas.
„War nett, mit dir zu plaudern“, gab sie knapp
zurück, warf ein paar Knuts auf den Tisch, und wandte sich ab.
„Hey, warte!“, rief er ihr nach, aber sie hielt
nicht an. Das waren zehn weitere scheiß Minuten ihres Lebens. Der Alkohol
bahnte sich einen recht schnellen Weg in ihre Blutlaufbahn. „Du kannst mit mir
apparieren, Hermine!“, rief er lauter. „Wenn du auch nur einen Meter selber apparierst, verhafte ich dich!“, fügte er scherzhaft hinzu,
aber sie verbrachte lieber eine Nacht in Haft, als mit Dean Thomas Seit-an-Seit
zu apparieren!
Es war immerhin nicht weit. Sie wohnte in der
Stadt. Mittlerweile allein.
Ahrg! Sie hasste dieses Wort!
Hastig lief sie schneller. Es war doch eigentlich
alles egal. Dann fanden sie Scorpius nicht. Dann war er eben mit seinem Vater
verschollen. Das wäre das Beste! Wenn sie von keinem mehr auch nur einen Piep
hören würde. Am besten brach Lucius Malfoy auch aus Askaban aus und verschwand
über alle Berge!
Sie hatte das Haus erreicht. Sie stand an
derselben Stelle, an der sie mit Scorpius gestanden hatte. Wie hatte sie ihn
verlieren können?! Sie stieß ärgerlich die Tür auf, erklomm die Stufen; eine
nach der anderen schien höher und höher zu werden. Schon war sie gegen die Wand
gestolpert. Wieso war es so verdammt dunkel hier?
Sie hatte Harry und Ron an einem dreiköpfigen
Monsterhund vorbeibringen können, hatte alle Rätsel lösen können, hatte
Horkruxe zerstört und die Aurorenausbildung mit Auszeichnung bestanden – aber
sie verlor ein Kind!
Sie war die schlechteste Aurorin dieser Welt!
Sie war in ihrem Stockwerk angekommen. Sie öffnete
die Tür.
Sie hätte wetten können, heute Morgen war sie noch
verschlossen gewesen! Ron war so unvorsichtig! Eigentlich sollte sie ihn
aufwecken und ihn dafür maßregeln. Aber sie wollte nicht schon wieder streiten.
Sie warf den Schlüssel auf die Anrichte neben der Tür, hängte den Umhang nur
wenige Zentimeter neben die Garderobe, hatte aber Angst, sich zu bücken.
Sie zog das Zopfgummi aus den Haaren, die nun
unordentlich über ihre Schultern fielen.
Sie kickte die Schuhe von den Füßen, und entschied
sich dagegen, höflich zu sein.
„Ron?“, rief sie böse und wankte ins Wohnzimmer. „Ron! Wenn ich sage, die Tür
muss immer verschlossen sein, dann meine ich das!“, schrie sie lauter.
Sie blieb plötzlich stehen. Musste Ron morgen früh
raus? Würde er dann grantig sein, wenn sie ihn jetzt weckte? Ach – egal!
„Ron?“
Und sie hörte, wie die Haustür langsam ins Schloss
geschoben wurde. Ron war also noch wach. Dann musste er wohl morgen – oh!
Ihr wurde plötzlich heiß und schlecht zugleich.
Es gab… keinen… Ron…. Da war kein Ron mehr in
dieser Wohnung…! Zauberstab, schlug
ihr Verstand ihr panisch vor. Sie griff hastig in ihre – oh nein! Ihr Umhang
hing im Flur. Oder lag da! Oh nein, oh nein! Sie wich hastig an die dunkle
Wohnzimmerwand zurück. Jemand war in ihrer Wohnung. Und wenn es nicht Ron war –
wer war es dann?
Für eine wilde Sekunde hatte sie eine Hoffnung.
Eine sehr, sehr kleine….
Ihre Brust hob und senkte sich hastig.
Sie wartete. Sekundenlang. Nichts passierte.
Langsam wandte sie sich in Richtung Flur. Und wie ein Actionheld sprang sie mit
einem Hechtsprung in den dunklen Flur.
Nichts passierte. Da war niemand. Sie griff
hektisch nach dem Zauberstab aus ihrem Umhang, entfachte das Licht und stand
ziemlich dämlich in ihrem Flur. Sie durchschritt die wenigen Zimmer, überprüfte
die Fenster und musste zu zwei Lösungen kommen.
Sie war entweder verrückt und betrunken, oder es
war jemand hier gewesen und hatte sich davon geschlichen. Sie verschloss hastig
die Tür. Sie wusste, sie musste dem Ministerium Bescheid geben, musste Alarm
schlagen und sich sofort in weiteren Schutz begeben. Aber wer sollte hier
einbrechen, nichts stehlen, sie nicht bedrohen und einfach heimlich wieder
verschwinden? Scorpius hätte bestimmt auf sie gewartet, hätte ihre Hilfe
gewollt.
Dies musste jemand gewesen sein, der nicht ihre
Hilfe wollte.
Sie wollte nicht weiter denken. Es gab keine
Todesser mehr! Und selbst wenn, dann kamen sie nicht in ihre Wohnung! Ohne
etwas zu zerstören! Sie checkte noch einmal, ob alles an seinem Platz war. Aber
nichts wies auf einen Raub hin. Gar nichts! Wer brach denn in eine Wohnung ein,
um sie sich anzusehen?!
Sie beschloss, dass sie nichts mehr tun würde,
heute Abend. Denn es bestand immer noch die knappe Hoffnung, dass sie sich das
gerade nur eingebildet hatte.
War es Ron, der sich davon geschlichen hatte? Wahrscheinlich
eher nicht, nahm sie jedoch an. Badewanne. Ja, das klang nicht schlecht. Aus
paranoiden Gründen führte sie noch einen materiellen Zauber durch, der ihr
anzeigen würde, ob noch ein Lebewesen in der Wohnung war. Natürlich ohne
Erfolg. Sie war allein. Wieder einmal.
Badewanne. Zur Sicherheit nahm sie den Zauberstab
mit ins Bad und ließ die übrigen Lichter in der Wohnung an. Nur für den Fall!
Sie versteckte außerdem ihren Schmuck unter ihrer Matratze und machte Feuer im
Kamin, damit sie zur Not schnell dem Ministerium Bescheid geben konnte.
Im Schlafzimmer entkleidete sie sich leise, zog
ihren Bademantel über und war immer noch skeptisch. Der Alkohol verließ ihr
Blut langsam wieder. Sie band sich die dichten Haare zusammen. Sie hatte
Scorpius verloren. Sie kam nicht drüber hinweg. Sie hatte ihn von seinem
grausamen Vater entführen lassen! Und jetzt passierte Merlin weiß was!
Im Badezimmer verriegelte sie die Tür sorgsam und
ließ das Wasser ein.
Wahrscheinlich war es nicht die beste Lösung, nach
einem vielleicht-Einbruch baden zu gehen, aber etwas Besseres fiel ihr nicht
ein. Wer auch immer hier eingebrochen war, der hätte sie garantiert schon
umgebracht, und wäre nicht geflohen. Dass ließ sie annehmen, sie war nicht das
Ziel dieser Tat gewesen.
Aber was war es? Was hatte dieser Mensch hier
gewollt?
Sie stieg vorsichtig in die Wanne, nachdem sie aus
dem Bademantel geschlüpft war. Sie vertraute darauf, dass der Einbrecher nicht
wiederkommen würde. Denn er hatte seine Chance nun wahrlich gehabt. Sie hatte
wenig Angst. Das lag vielleicht daran, dass sie heute schon einem Todeshaus
entkommen war. Das mochte sein. Sie war sowieso, dank ihrer Vergangenheit und
ihrem Beruf, erschreckend schussgleichgültig geworden.
Sie lehnte den Rücken gegen die Wand der Wanne und
schloss mit einem tiefen Atemzug die Augen. Der Schaum machte leise Geräusche,
und das warme Wasser war so entspannend, dass sie die Müdigkeit zu spüren
begann. Sie erlaubte sich tatsächlich, langsam müde zu werden, runter zu
kommen, von den letzten Tagen, und sie hob die Hand zu ihren Augen, als sie ein
paar winzige Tränen spürte.
Sie sagte sich, sie könne nichts dafür, Scorpius
verloren zu haben, aber innerlich gab sie nur sich die Schuld. Nur sich! Sie
gab sich die Schuld, dass sie Malfoy nicht entwaffnet und umgebracht hatte, als
sie noch die Chance dazu gehabt hatte. Sie hatte sie verstreichen lassen. Aus
sentimentalen Arbeitsmoralen heraus. Sie hätte sich wehren können! Wieso hatte
sie es denn nur nicht getan? Wieso war ihre Beziehung mit Ron gescheitert? War
das auch ihr Fehler gewesen? Sie sank noch ein Stück tiefer in die wohlige
Wärme, atmete die Badedämpfe ein und versuchte, sich keine Schuld mehr zu
geben.
Sie würde gleich einen heißen Tee trinken, ins
Bett gehen, sich ausschlafen und morgen früh nach einer Lösung suchen.
Und sie glaubte schon tatsächlich, sie müsse
träumen, als sie erneut Geräusche hörte. Sie hielt die Luft mit einem Mal an.
Es klang wie ein Kratzen. Ein raues Ächzen, und dann hörte sie das bekannte
Knarren ihrer Haustür.
Jemand kam – schon wieder – in ihre Wohnung!
Diesmal verhielt sie sich ruhig. Wer konnte es wagen, bei hell erleuchteten
Zimmern hier – schon wieder – einzubrechen? Ihre Ruhe fiel von ihr ab. Ihre
Atmung beschleunigte sich genug, um ihr Adrenalin wieder zu erwecken.
Die Haustür schloss sich. Nicht bemüht leise,
nein! So dreist, als wäre dieser jemand hier zu Hause – und nicht sie! Sie
griff hinter sich nach ihrem Zauberstab. Was für eine denkbar ungünstige
Position! Hastig setzte sie sich auf, stieg eilig aus der Wanne, hinein in den
Bademantel. Das waren zehn verdammt kurze Minuten gewesen.
Sie verschloss eilig den Knoten des Bademantels
und hätte nicht eher fertig sein können. Jemand besaß die Dreistigkeit, die Tür
aufzuhexen!
Und sie wandte sich kampfbereit um. Ehe sie
richtig denken konnte, hatte Malfoy sie entwaffnet. Ihr Zauberstab fiel mit
einem Platsch zurück in das Badewasser und sank mit einem dumpfen Geräusch auf
den Grund der Wanne.
„Er ist also nicht bei dir“, stellte er das Offensichtliche
fest. Sie fuhr sich durch die Haare, schlang den dünnen Stoff des Mantels enger
um sich und kam zornig auf ihn zugestapft.
„Du hast Nerven!“, sagte sie wieder zu ihm. „Du dämliches Arschloch!“ Sie stieß
ihm vor die Brust und ließ außer Acht, dass er derjenige mit der Waffe war.
„Hey!“, unterbrach er sie grob, fing ihre
Handgelenke ab und fixierte sie. „Reg dich ab. Ist er hier? Hast du ihn
gesehen?“ Sie schüttelte verwirrt den Kopf.
„Ihr könnt hier nicht einfach rein spazieren, wenn es euch gefällt! Ich bin
Aurorin, verdammt noch mal! Meine Wohnung ist kein Aufenthaltsort für
Todesser!“
„Was? Wovon redest du?“
„Wie viele kommen noch, Malfoy? Wie viele willst hier noch rein lassen?“
„Ich… rein lassen? Badest du zu heiß, verflucht?“,
schrie er sie jetzt an, und sie riss sich von ihm los.
„Wen?“, fragte sie plötzlich ohne Zusammenhang.
„Was?“, knurrte er gereizt und sah sich in ihrem kleinen Badezimmer um.
„Wen habe ich gesehen?“, flüsterte sie.
„Wen wohl, verflucht? Ich bin bestimmt nicht auf der Suche nach deinem
rothaarigen Mitbewohner. Scorpius“, sagte er schließlich widerwillig. „Er… ist
abgehauen.“ Er klang zerknirscht bei diesen Worten und mehr als sauer. Draco
Malfoy war hier! In ihrer Wohnung! Sie könnte ihn ausliefern, schoss es in ihre
Gedanken. Er schien sie zu erraten. „Ah, ah, ah…!“, bedeutete er ihr und
richtete den Zauberstab wieder auf ihre Brust. „Du wirst nichts tun, Granger,
hast du mich verstanden?“
Und sie hörte es wieder. Mit einem Knarren öffnete
sich ihre Tür.
„Weasley?“, murmelte er mit erhobener Braue und
wartete auf ihre Antwort. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Sie schüttelte
nur leicht den Kopf. Sofort betrat er ihr Badezimmer und hexte die Tür zu.
„Malfoy, was-“
„Ruhig!“, befahl er knapp, legte den Muffliato auf die Tür und einen weiteren Fluch.
„Was tust du? Wieso brechen hier Leute ein?“, verlangte sie zu wissen, und er
hob den Zauberstab wieder. Diesmal blieb es nicht ruhig. Sie hörte, wie jemand
in ihrer Wohnung Schubladen öffnete, Sachen auf den Boden warf und Türen
knallten.
„Leute?
Wer war noch hier?“, fragte er leise, die Tür nicht aus den Augen lassend.
„Keine Ahnung!“, gab sie zornig zurück. „Deine
Leute?“ Er schenkte ihr ein Lächeln.
„Ich habe keine Leute. Ihr und euer sauberes
Ministerium habt die Todesser auf eure Fährte gelenkt. Ich nehme an, sie suchen
Scorpius“, fuhr er ärgerlich fort. „Du hast Glück, dass sie dich nicht in
deiner Wanne umgebracht haben“, bemerkte er spitz, und sie sah mit Schrecken,
wie der Knauf gedreht wurde. Dann heftiger, bis jemand gegen die Tür trat.
„Malfoy-“
„Shht!“, sagte er nur
und belegte sie beide mit einem Desillusionierungszauber. Sie spürte, wie ihre Haut
vor ihren Augen verschwamm und die Farbe der Wand annahm. „Kein Wort!“, befahl
er und sah sie durchdringend an.
Er ergriff ihren Arm und zog sie weiter in das
kleine Bad zurück, hinter den Handtuchständer.
Beim nächsten Tritt sprang die Tür auf, das
Schloss war kaputt gebrochen. Sie schnappte leise nach Luft. Ein Mann betrat
das Bad. Er war groß, trug schwarze Kleidung und hielt den Zauberstab nach vorn
gestreckt.
„Komm raus, komm raus!“, sagte der Mann mit einer
kalten Stimme. Seine kleinen blauen Augen sahen sich aufmerksam um. Er lehnte
sich vor, roch an dem Badewasser und entdeckte ihren Zauberstab auf dem Grund.
Verwirrt beugte er sich vor, und Malfoy gab die Deckung auf.
„Imperio!“, donnerte seine Stimme,
und der Mann stand völlig regungslos im Bad, das Gesicht ausdruckslos nach vorn
gerichtet. „Wer schickt dich?“, hörte sie ihn fragen, während er um den
Handtuchständer herum schritt, den Zauberstab auf den Fremden gerichtet. Der
Mann sagte nichts. „Wer?“, wiederholte Malfoy lauter.
„Unser Herr“, sagte der Mann widerwillig.
„Wer ist das?“, wollte Malfoy lauter wissen. Er
hob den Zauberstab höher, verstärkte den Fluch, und der Mann zuckte zusammen.
„Sag es!“, befahl er kalt.
„Lucius… Lucius Malfoy.“ Hermine schnappte nach Luft.
„Kommen noch mehr?“ Malfoy ließ sich nicht
beirren, hielt den Zauberstab näher an das Gesicht des Fremden, dessen Augen
nun bläulich schimmerten, so stark war der Zauber.
„Ja“, sagte er nur.
„Stupor!“,
rief Malfoy jetzt, und mit einem Ächzen brach der Mann unter dem direkten Fluch
zusammen.
„Malfoy!“, rief sie schockiert, aber dieser sah sie ausdruckslos an.
„Deine Wohnung wird überwacht. Es ist nicht sicher.“ Dann schritt er aus dem
Bad. Sie folgte ihm augenblicklich.
„Warte!“, schrie sie wütend. Er hielt in seinem Gang kurz inne. „Du stehst
unter Arrest!“, brachte sie schließlich hervor. Er betrachtete sie abschätzend.
„Du solltest dir vielleicht lieber etwas
anziehen“, schlug er trocken vor.
„Malfoy!“, begann sie wieder, und er schloss
genervt den Abstand.
„Granger, hast du nicht verstanden?“
„Doch, ich habe verstanden! Lucius ist in Askaban,
es ist nicht möglich!“, sagte sie heiser und schüttelte den Kopf. Er umfasste
ihre Schultern.
„Glaub es einfach. Du solltest hier nicht bleiben“,
fuhr er fort. Dann wandte er sich wieder ab, aber sie griff nach seinem Arm.
„Ich habe keine Zeit hierfür“, sagte er nur und riss sich los.
„Oh, du
hast verdammt viel Zeit, ehe die magische Strafverfolgung eintrifft!“ Er
verdrehte die Augen. „Wenn du mich umbringst, werden sie dich finden! Wenn du
mich entführst, verschleppst und zerstückelst werden sie das auch dann noch
tun!“
„Glaub mir, das sind verlockende Angebote, aber
vielleicht später!“
„Du hast mich in deinem verdammten Haus gelassen!“,
schrie sie wieder, denn alles wurde ein bisschen viel. Was passierte denn hier?
Wo war Scorpius? Wieso konnte Lucius Malfoy irgendwas befehlen, wenn er doch in
Askaban war?
„Und du hast überlebt!“, erwiderte er relativ
gelassen. „Ich hatte nichts anderes erwartet.“
„Malfoy, du-“
„Was? Was, Granger? Wenn du nicht alles ruiniert
hättest, mit deiner verdammten Ministeriums-Moral, dann wäre mittlerweile jedes
Problem gelöst, verdammt!“, schrie er sie jetzt an.
„In meinem Badezimmer liegt ein Todesser!“, schrie
sie außer sich. „Das Ministerium wird-“
„Begreifst du es nicht?“, unterbrach er sie zornig
und fuhr sich durch die Haare. „Das Ministerium kann nichts ausrichten!“ Er
verlor die Fassung, sie sah es deutlich. „Ich muss Scorpius finden, ehe es das
Ministerium schafft und ihn auch noch auf einem silbernen Tablett serviert!“
„Nein!“, sagte sie heftig. Seine Geduld schwand
immer schneller, denn er stöhnte ungehalten auf. Ehe er etwas sagen konnte,
entschied sie sich in ihrem Kopf sehr schnell. „Ich komme mit dir.“
„Du… kommst mit mir?“, wiederholte er fast
amüsiert. „Das ist schön, aber ich nehme dich nicht mit!“
„Du willst Scorpius nur loswerden, ihm Magie
rauben, ihm sein Leben kaputt machen! Und das lasse ich nicht zu!“ Zuerst
dachte sie, er würde wieder schreien. Sie sah, wie er den Mund öffnete, um zu
widersprechen. Dann schloss er jedoch die Augen, und die gewohnte Kälte kehrte
in sein Gesicht zurück, das dem seines Vaters auf gruselige Weise glich.
Er schloss den Abstand, drückte ihr den Zauberstab
direkt gegen die Brust, und sie keuchte auf, als er ihr Kinn in die Hand nahm,
und sie zwang ihn anzusehen. Sie spürte seinen Körper an ihrem, roch seinen
Duft, und versuchte sich aus seinem Griff zu wenden. Sie atmete abgehackt, und
die Spitze des Zauberstabs schmerzte sie unangenehm.
„Ich kann nur hoffen“, brachte er zornig hervor,
als sie schon jeden hellen Fleck in seinen blauen Augen sehen konnte, „dass du
eher aufwachst als dein Gast im Badezimmer!“ Helle Panik erwachte in ihr. Sie sträubte
sich erneut.
„Oh ja? Du willst mich auch verfluchen?“, keuchte
sie tonlos, denn er raubte ihr mit seinem Griff fast die Luft zum Atmen. „Mit
einem Unverzeihlichen? Direkt in die Brust?“, presste sie hervor.
„Was sollte ich sonst mit dir tun, Granger?“,
erwiderte er kalt. „Ich bin nicht mein Sohn, der einen seltsamen
Beschützerinstinkt im Bezug auf dich entwickelt hat“, knurrte er leise. „Ich
frage mich, ob du ihn dazu verhext hast“, ergänzte er bitter.
„Du bist widerlich!“
„Nein. Widerlich ist das Schlammblut, was glaubt,
dass es auch nur irgendwas ausrichten könnte! Eigentlich fällt mir kein guter
Grund ein, weshalb ich dich nicht gleich umbringen sollte!“
„Lebenslang Askaban“, brachte sie keuchend hervor, als sein Griff nur fester
wurde.
„Das wäre es wert“, konterte er wütend, und sie
wand sich wieder unter seinem Griff, heftiger als zuvor. Er fixierte sie, und
sie sah seinen Kiefermuskel deutlich hervortreten.
Sie riss ihren Kopf endlich los, aber sein Arm
schnellte vor, schlang sich um ihren Körper und presste sie wieder an sich. Sie
hatte viel zu wenig an, für eine solche Art Kampf. Der Knoten ihres Bademantels
lockerte sich allmählich, und sie fluchte als sie ihre Hände gegen seine Brust
stemmte. Er war zu stark.
„Lass mich los“, brachte sie heiser hervor, und
sein Gesicht verlor an Härte. Seine Züge entspannten sich. „Er wird nicht auf
dich hören!“, sagte sie heftig. „Er wird wieder weglaufen und-“ Er war immer
noch nahe. Mittlerweile übte er aber kaum noch Druck auf sie aus. Er hielt sie
lediglich in seinem Arm. Der Zauberstab presste sich nicht mehr schmerzhaft
gegen ihre Brust. Sie musste schon den Kopf in den Nacken legen, um ihn
anzusehen. Sie wusste nicht, wann sich alles geändert hatte. Sein Blick war
ruhiger geworden, wanderte über ihr Gesicht.
„Malfoy“, sagte sie leise, aber er schüttelte kaum
merklich den Kopf.
„Nein“, sagte er fast bedauernd, atmete gereizt
aus, und, mit einem letzten Blick auf ihr Gesicht, hob er den Zauberstab. „Stupor“, sprach er widerwillig, und der
Zauber traf sie in die Brust. Der Schock löste sofort die Bewusstlosigkeit aus,
und während alles schwarz wurde, sackte sie in seinen Armen zusammen.
Gregory Granger
„Und es war der Plan, sie zu entführen?“ Er hatte
noch nicht gesprochen. „Nackt?“, setzte Gregory ungläubig hinzu, und Draco sah,
wie er Granger beinahe ängstlich betrachtete.
„Natürlich war das nicht der Plan.“
„Weiß sie denn, wo er ist?“, wagte Gregory noch
eine weitere Frage. Draco atmete gereizt aus.
„Nein, wieso?“, erwiderte er zornig, und Gregory schürzte die Lippen und
schüttelte unverfänglich den Kopf.
„Oh, kein besonderer Grund. Draco, wieso hast du
Hermine Granger verflucht und entführt? Und wieso hat sie nur einen Bademantel
an?“ Draco würde viel geben, auf diese Fragen eine plausible Antwort zu haben.
„Hast du sie…? Habt ihr…?“ Sein Blick schoss zornig hoch.
„Nein, natürlich nicht“, knurrte er.
„Aber sie…?“ Gregory sprach nicht weiter, denn
anscheinend konnte sein Gehirn auch keine logische Erklärung finden.
„Bist du fertig mit deiner Fragestunde?“, fragte
Draco gefährlich ruhig. Gregory schien sich wieder zu besinnen.
„Ja. Bist du verletzt? Brauchst du Heilung?“
Endlich. Manchmal vergaß Gregory seinen Platz. Und Draco würde ihm nicht sagen,
dass er manchmal mochte, wenn Gregory vergaß, was er versprochen hatte.
„Nein. Einen Tee.“
„Ja, sofort. Was ist der nächste Schritt?“,
erkundigte sich Gregory, ehe er ging. Draco legte den Umhang ab und atmete müde
aus. „Und wieso hast du den anderen Todesser nicht umgebracht? Du hast doch
gesagt, Lucius hätte ihn geschickt, oder nicht?“ Draco ruckte mit dem Kopf.
„Ich habe ihn mit dem Imperius belegt, und er wird
sich nicht mehr an mich erinnern. Wenn er aufwacht, wird er wissen, dass er
verflucht wurde, aber ich will Lucius nicht seiner kleinen Armee berauben, weil
er sonst nur noch schneller Askaban verlassen wird, als er es jetzt ohnehin
schon tun wird.“ Er beantwortete nur die zweite von Gregorys Fragen.
„Wie soll er ausbrechen?“ Diesmal klang Gregory
ungläubig. Aber Draco wusste es besser.
„Das ist nicht die Frage. Die Frage ist, wann.“
„Aber die Dementoren und die Wachen…. Er kann doch
gar nicht-“
„Du solltest auch im Ministerium anfangen. Du hast
die perfekte Mentalität dafür“, unterbrach er seinen Diener eisig. Gregory
stellte keine weiteren Fragen mehr. Er nickte und verschwand. Der nächste
Schritt war lästig. Er betrachtete Granger, die auf der Couch immer noch
bewusstlos war. Sie war friedlich. Sie sah aus, als wäre sie umgänglich und nicht
hysterisch und anstrengend.
Er fragte sich unwillkürlich, ob sie mit seinem
Sohn geschlafen hatte. Der Gedanke widerte ihn genauso sehr an, wie er ihn
aufregte. Aber sie war wahrscheinlich zu rechtschaffen, um so ein Gesetz zu
brechen. Er schritt langsam auf sie zu, schloss in seinem Kopf den nächsten
Plan ab, und zog den Zauberstab. Er nahm eine dünne Strähne ihrer Haare in die
Hand und schnitt mit dem Zauberstab eine Locke ab.
Er begutachtete sie zwischen seinen Fingern. „Danke,
Granger. Doch noch nützlich“, murmelte er zufrieden.
Gregory kehrte zurück. Draco wandte sich lächelnd
zu ihm um.
„Gregory, du musst mir einen kleinen Gefallen
erfüllen“, begann er langsam und hielt die Strähne nach oben. Gregory brauchte
ungefähr eine Sekunde, ehe er begriff.
„Oh nein! Eine Frau? Draco, muss das-“
„Danach gebe ich dir eine weitere Stunde, sie zu
sehen“, fuhr Draco unbeirrt fort.
„Sie zu sehen?“, wiederholte Gregory verwirrt,
doch dann legten sich die Falten auf seiner Stirn. „Du weißt, wo sie ist?“
„Ja, ich weiß, wo sie ist.“ Die Vergangenheit war
für sie alle schmerzhaft. Er wusste, wenn er mal keine egoistischen Gedanken
hatte, dass es für Gregory so schwer war, wie für jeden sonst. „Willst du sie
sehen?“, fragte er jetzt ernst, denn sie zu sehen, bedeutete noch eine ganze
Menge mehr.
Gregory nickte nur. „Ja, ich will sie sehen.“
„Bitte, hol den Vielsafttrank aus der Kammer, wir
haben nicht viel Zeit“, wechselte er nun das Thema. „Am besten bist du
überzeugend. Wenigstens für eine halbe Stunde. Wenn Potter etwas merkt, dann
wäre das denkbar ungünstig für dich.“ Gregory verzog den Mund.
„Keine Sorge.“
„Nein? Wie geht es deinem Auge, Greg?“, erkundigte
er sich glatt. Gregory hatte es bereits wieder heil gehext. Den Beweis, dass
ein sechzehnjähriger ihn tatsächlich k.o. geschlagen hatte. Gregory zog es wohl
vor, nicht zu antworten, und verschwand, um den Vielsafttrank zu holen. Draco
nippte an dem heißen Tee und warf Granger wieder einen Blick zu.
„Tee? Nein?“ Mit einem freudlosen Lächeln setzte
er sich an den Tisch. Am besten blieb sie bewusstlos. Aus seiner Hosentasche
zog er die Adresse. Wenn er zwei Dinge gut konnte, dann war es wohl, Magie zu
entziehen und Vergessenszauber zu benutzen. Er wusste
nur nicht, ob er damit Gefallen tat oder ob er tatsächlich der Böse in der
ganzen Sache war.
„Was meinen Sie, Ms Granger? Was?“ Er lehnte sich
in seinem Stuhl näher vor und nickte der schlafenden Frau zu, als hätte sie
etwas gesagt. „Der Böse, meinen Sie? Ja, das steht mir auch besser, nicht
wahr?“, murmelte er und wandte den Blick schließlich ab.
Ja. Der Böse zu sein, würde ihn um einiges weniger
Aufwand kosten. Grimmig trank er den Tee. Er erlaubte sich nicht, an Scorpius
zu denken. Wäre er tot, dann hätte es bereits in der Zeitung gestanden. Das
nahm er zumindest an. Das Ministerium wäre nicht klug genug, einzusehen, Dinge
für sich zu behalten. Er hasste das Ministerium.
~*~
„Wirklich entzückend“, hörte er Dracos Stimme, die
vor Ironie troff.
„Du hättest dann auch gleich ein paar von ihren
Sachen mitnehmen können“, erwiderte er mit hoher Stimme. Er hatte sogar seine
Stimme verändern müssen, für diese Scharade.
„Du machst dir Sorgen über dein Aussehen,
wirklich?“ Er wandte sich um. Er war plötzlich kleiner als Draco. Er warf
Granger einen kurzen Blick zu.
„Sie ist ziemlich lange bewusstlos“, merkte er
besorgt an.
„Nein. Sie war vorhin wach, aber ich habe sie erneut verflucht. Ansonsten
könnte mich hinreißen lassen, sie doch umzubringen.“ Manchmal wusste Gregory
nicht, ob Draco Witze machte oder es bitter ernst meinte. Er wollte nicht
fragen. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie bewusstlos war.
„Ok. Ich bin in zwei Stunden zurück.“ Er steckte
sich noch eine kleine Portion vom Vielsafttrank ein und die Adresse.
„Das wäre besser so“, gab Draco nur zurück.
Gregory nickte zum Abschied.
Er verließ das Haus, apparierte auf der Schwelle
und hoffte nur, dass noch niemand gemerkt hatte, dass Granger verschwunden war.
Das wäre nämlich der Fehler im Plan. Aber es war so früh, dass unmöglich
aufgefallen wäre, dass sie nicht auf der Arbeit war.
Es wäre auch zu früh für Potter auf der Arbeit zu
sein. Es war generell zu früh, denn es waren noch keine Leute auf der Straße.
Er konnte schon nicht mehr zählen, wie viele
Gesetze er gebrochen hatte, seit er in den Diensten von Draco Malfoy stand. Er
wollte gar nicht darüber nachdenken. Es machte ihn traurig und zornig zugleich.
Er erreichte die Adresse von Harry Potter. Dafür,
dass er der berühmteste Bewohner Londons war, wohnte er ziemlich einfach. Das
Haus war klein. Aber Gregory selber hätte sich auch für ein kleines Haus
entschieden. Fast lächelte er. Er hatte sich für ein kleines Haus
entschieden. Er schüttelte den Gedanken ab. Granger war langsamer als er es
gewohnt war, zu gehen. Sie war kleiner als er. Er fühlte sich sehr unterlegen
in ihrem Körper. Ihr Zauberstab gehorchte ihm auch nicht wirklich, stellte er
fest. Er lag nicht angenehm in der Hand.
Die Jeans war zu groß. Granger war wirklich dünn.
Ärgerlicherweise.
Er klopfte und räusperte sich noch ein letztes
Mal.
Potters Frau öffnete gähnend im Morgenmantel.
„Oh, Hermine! Wir hatten versucht, dich gestern
Abend zu erreichen! Du glaubst ja nicht, wer uns besucht hat!“ Sie öffnete die Tür
weiter. Gregory zählte zwei und zwei zusammen.
„Scorpius war hier?“ Seine Stimme klang hoch und glaubwürdig.
„Ja.“
„Ist er… da?“
„Nein, tut mir leid. Du wolltest zu Harry,
richtig?“ Er nickte vage. „Die beiden sind schon weg.“
„Schon weg? Wohin?“
„Harry hatte einen neuen Plan.“
„Oh nein“, sagte er nur, denn er konnte nur
annehmen, es hatte etwas mit dem Ministerium zu tun und damit, dass Scorpius
von noch mehr Menschen entdeckt wurde.
„Ich glaube, es könnte wirksam sein. Möchtest du
reinkommen? Ich habe gerade Tee aufgesetzt“, erklärte sie freundlich. Gregory
sträubte sich ein wenig.
„Ginny, was ist der neue Plan?“, benutzte er den
Namen der Frau. Wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben. Er kannte sie
nur noch ungefähr. Sie war im Quidditchteam von Gryffindor gewesen. Das war
eigentlich alles, was er wusste.
„Harry denkt immer noch, dass Lucius mehr weiß,
als er zugibt. Er denkt außerdem, dass Lucius durch den Beweis, dass sein
Enkelsohn noch lebt, wieder zur Vernunft kommt. Denn Malfoy kann sich nicht
immer verstecken! Scorpius hat uns zwar erklärt, wo das Haus zu finden ist,
aber bisher haben es die Auroren nicht ausfindig machen können“, fuhr sie fort.
„Es ist mit dem Fidelius belegt“, erklärte er nur
tonlos. „Harry hat Scorpius nach Askaban mitgenommen?“, schloss er und
schüttelte nur den Kopf. Das war wirklich, wirklich schlecht. Zwar hegt er noch
Zweifel an dem Ausbruch des ältesten Malfoys, aber er zweifelte nicht an der
grenzenlosen Wut des Mannes hinter den Gitterstäben. Er zweifelte nicht daran,
dass Lucius Malfoy alles tun würde, um seinen Enkel umzubringen, und sei es
auch noch in Askaban selbst. Seine Atmung beschleunigte sich in Grangers
Körper.
„Woher weißt du das? Ein Fidelius
ist eine von vielen Möglichkeiten, ich-“
„Ginny, ich muss los!“, sagte er nur.
„Harry ist bestimmt bald wieder zurück. Du kannst
auch solange warten“, schlug sie vor, aber er schüttelte heftig den Kopf, so
dass die langen Locken im Pferdeschwanz wippten, den er trug. „Außerdem gibt es
da noch eine Sache“, fuhr sie leiser fort, als sie drinnen Geräusche vernahm.
Aber Gregory hatte sich schon abgewandt.
„Wann anders“, erwiderte er schnell.
„Richtig. Du läufst lieber weg.“ Diese Stimme kannte
er auch. Er hielt inne und drehte sich um. Weasley. Wie hieß er mit Vornamen?
Ron? Unzählige Male hatte es in einer Schlägerei geendet.
„Ich habe jetzt keine Zeit.“
„Ja, denn du bist ja in einen Minderjährigen
verliebt“, gab Weasley zurück. Seine Schwester knuffte ihn leicht.
„Was?“ Gregory verstand manche Menschen nicht.
„Ich muss wirklich gehen.“
„Du willst also nicht mal darüber sprechen?“,
schrie Weasley zornig und kam tatsächlich nach draußen. Gregory atmete gereizt
aus und drehte sich noch ein letztes Mal um. Er würde Weasley auch noch einmal
schlagen. Sei es auch im Körper einer Frau.
„Ich habe wirklich keine Zeit für diese dramatischen Beziehungsgeschichten“,
erklärte er entnervt. „Ihr seid wirklich absolut dämlich. Ihr habt keine Ahnung,
was Lucius Malfoy tut! Ihr begreift nicht mal jetzt, was für Fehler ihr macht!“
Weasley und seine Schwester starrten ihn an. „Scorpius wird fast zwei
Jahrzehnte unentdeckt geschützt, und ihr Leute schafft
es innerhalb von zwei Tagen, seinen Tod mit Gewalt herbeizuführen.“ Vielleicht
war Dracos Hass auf das Ministerium begründet.
„Hermine, was ist los?“, fragte Ginny völlig
verständnislos. Gregory schüttelte nur den Kopf und verschwand mit schnellen
Schritten.
„Ich komme mit.“ Weasley hatte tatsächlich zu ihm
aufgeschlossen. Gregory hielt nicht inne.
„Nein“, erklärte er nur streng.
„Du kannst das nicht alles alleine machen!“
„Was willst du? Bist du auch Auror?“, fragte er
zornig, denn all die Menschen machten ihn wütend.
„Was? Nein. Das weißt du doch.“ Weasley hielt ihn
am Arm fest. Er war sogar stärker. Gregory spürte es sofort. Gregory atmete
langsam aus. Draco hatte ihm eingetrichtert auf jeden Fall in seiner Rolle zu
bleiben. Es gäbe nur noch mehr Durcheinander, wenn jetzt rauskam, dass sie auch
noch Granger entführt hatten.
„Ja, ja. Ich weiß“, bestätigte er also hastig.
„Hör zu, ich muss nach Askaban. Danach können wir reden“, machte er eine vage
Versprechung, die er vielleicht nicht würde halten können.
„Danach? Wann sollten wir danach reden? Du willst
doch seit drei Monaten nicht mehr reden!“ Er hatte das Gefühl, er erfuhr mehr
über Granger, als er eigentlich wissen wollte. Anscheinend lief ihr Leben auch
nicht ideal.
„Weasley, ich muss jetzt nach Askaban und Potter
von einem großen Fehler abhalten!“ Weasleys Stirn legte sich wieder in Falten.
„Du nennst uns beim Nachnamen?“, gab er völlig
verwirrt zurück. Gregory schloss genervt die Augen.
„Nein. Ich… du weißt schon, was ich meine!“
„Dann komme ich mit.“
„Nein, das ist gefährlich. Und es geht dich nichts
an.“
„Wieso stößt du mich weg? Ich mache den ersten
Schritt. Das wolltest du doch!“ Gregory schloss die Augen erneut. Atmen. Er
musste einfach nur hier weg.
„Du glaubst nicht, wie unpassend das ist. Ich habe
keine Zeit mehr.“ Er wollte sich losmachen, aber Weasley hielt ihn fest.
„Was ist los? Du bist anders. Du bist nicht mehr du selbst! Dieser ganze
Malfoy-Scheiß nimmt Überhand! Was kümmerst du dich? Niemand gibt dir die
Schuld, den Jungen verloren zu haben! Du bist nicht mit seinem Schicksal
verbunden! Soll Malfoy doch ins Gefängnis kommen! Dann ist der Junge eben weg!
Was kümmert es dich, wenn du mit keinem von ihnen Sex hast? Ich begreife dich
nicht! Sind die verdammten Malfoys auf einmal wichtiger als dein eigenes
Leben?“ Und Gregory antwortete für sich. Nicht für sie.
„Ja, Ron. Die Malfoys sind wichtiger.“ Und völlig
verletzt ließ ihn der Mann los.
„Dann geh! Geh zu Draco Malfoy. Wenn du einen
Kriminellen, einen Mörder, ein verdammtes Arschloch vorziehst, dann bitte – ich
halte dich bestimmt nicht mehr auf!“ Gregory wollte sich eigentlich bedanken,
aber er hatte schon genug angerichtet. Er sagte also nichts und apparierte an
Ort und Stelle. Granger würde ihn vielleicht umbringen. Aber dann sollte sie
sich auch in der langen Reihe anstellen. Sie würde es ihrem Weasley schon
erklären können. Vielleicht…..
Seitenwechsel
Sie blinzelte verschlafen. Sie war aufgewacht,
weil ihr kalt wurde. Wo war ihre Bettdecke? Müde griff sie um sich.
„Na, wach?“, hörte sie eine Stimme, die sie in den
letzten Tagen definitiv zu oft gehört hatte. Dann fiel es ihr wieder ein.
Sofort saß sie aufrecht. Anscheinend auf einer Couch. Sie hob den Blick. Hastig
griff sie in den Bademantel, zog ihn so eng wie möglich um sich und starrte ihn
böse an.
„Du hast mich verflucht!“, brachte sie heiser
hervor.
„Ja?“, erwiderte er, als wäre es
selbstverständlich gewesen. Dann sah sie sich um.
„Wo bin ich?“, flüsterte sie und sah sich eilig nach
ihrem Zauberstab um. Er durchschaute dies wohl.
„Falls du deine Waffe suchst, die hat Gregory leihweise an sich genommen“,
erklärte er, während er seine Tee trank. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war.
Aus dem Fenster sah sie nur Felder und Wald.
„Goyle?“, flüsterte sie heiser und rieb ihre
Oberarme. Langsam war ihr wirklich kalt.
„Wenn du nicht vor hast, dich zu wehren oder
wegzulaufen, dann kannst du dich anziehen.“ Er deutete mit einem Kopfrucken
neben sie. Sie folgte dem Blick.
„Das sind nicht meine Sachen“, sagte sie langsam.
„Dann lass den Bademantel an. Mir ist es gleich“,
erwiderte er unbeeindruckt. Sie griff unsicher nach den Sachen. Sie wirkten
teuer. Und sie waren überwiegend schwarz. Und wahrscheinlich zu groß.
„Wem gehören die? Wen hast du noch alles entführt
und danach umgebracht?“, wollte sie bitter wissen, aber er erhob sich nur.
„Dieser Raum ist ein magisches Gefängnis. Du wirst
nicht raus können und auch sonst wird keiner hören, wenn du schreist,
verstanden?“ Anscheinend hatte er keine Lust, länger zu bleiben.
„Warte! Wo bin ich? Wieso hast du mich
mitgenommen?“ Er hielt kurz inne.
„Richtig. Wo bleiben meine Manieren?“, stellte er
eine rhetorische Frage, mit einem freudlosen Lächeln. „Willkommen in Gregorys
bescheidenem Haus.“ Dann machte er sich wieder daran zu gehen. Sie stand
schnell auf, ignorierte die Kopfschmerzen, den plötzlichen Hunger und die
Angst.
„Wo ist Scorpius? Hast du ihn gefunden?“
„Ich bin dabei. Zieh dich lieber an“, sagte er
knapp.
„Du wirst ins Gefängnis kommen, wenn das vorbei ist!“, drohte sie ihm wütend,
den Tränen nahe.
„Ja?“ Er lächelte sogar daraufhin. „Ok, ich
verspreche dir etwas“, begann er ruhig und schloss den Abstand. Er hatte seine
Kleidung gewechselt, fiel ihr auf. Er wirkte ruhig, reserviert, gefährlich.
„Wenn du mich findest, dann gehe ich sogar freiwillig“, endete er übertrieben
freundlich.
„Du willst mich also nicht umbringen?“, wollte sie
amüsiert wissen, denn sie glaubte nicht, dass er sie laufen lassen würde.
„Im Moment plane ich das nicht, nein.“
„Warum nicht?“ Wieder schien sie an seiner Geduld
zu zerren. Er schloss kurz die Augen, als er sich wieder umwandte.
„Wen es dir ein Anliegen ist, schnell zu sterben, dann bitte. Dann mache ich eine
Ausnahme, Granger“, knurrte er. Sie schüttelte aber den Kopf.
„Weißt du, du verschwendest viel Kraft darauf, die
Leute nicht umzubringen. Ich frage mich, woran das liegt. Ist es dein
Gewissen, was dir sagt, dass du nicht solange in Askaban sitzen musst, wenn du
nicht das Kronverbrechen begehst?“, wollte sie wütend
wissen.
„Mein Gewissen?“ Und er betrachtete sie ausgiebig.
„Ich frage mich, ob du nach dem dritten Stupor immer noch aufstehen kannst“,
erwiderte er kalt, im Begriff den Zauberstab zu ziehen. Und die Wut siegte
wieder. Sie holte aus und verpasste ihm eine so schallende Ohrfeige, dass sein
Kopf zur Seite flog und sie ihre Hand fluchend an ihren Körper presste, so sehr
tat es weh. Er sah sie wieder an. Nur diesmal reichlich zornig.
„Du bist ein Arschloch!“, schaffte sie zu sagen.
Er nickte nur knapp.
„Am besten gehst du mir aus den Augen, bevor ich
mich vergesse!“, knurrte er.
„Du hast mich entführt! Bring mich zurück, wenn du
mich sowieso nicht umbringen willst! Gib mir meinen Zauberstab und werd mich
doch einfach los, Malfoy!“ Er schloss die Augen.
„Verdammt gerne. Aber da müssen wir uns beide wohl
noch einen Moment gedulden“, schloss er bitter. Der Kamin flackerte. Sie wandte
sofort den Blick.
„Was zur…?“ Sie starrte in die Flammen, die sich
färbten, und sie begriff zuerst nicht. Malfoy schob sie einfach zur Seite.
„Was ist los? Wo bist du?“ Seine Stimme hatte sich
geändert. Alle Kälte war sofort zu einer steten Unruhe gewichen.
„In Askaban. Potter hat ihn nach Askaban mitgenommen, um mit Lucius zu reden“,
hörte sie ihre eigene Stimme.
„Er hat was?“ Sie fühlte sich ausgeschlossen, und absolut missbraucht,
denn anscheinend sprach er gerade mit Gregory Goyle, der in ihrem Körper
steckte. Vielsafttrank, nahm sie an. Hart stieß sie ihm in die Seite.
„Du hast mir Haare genommen, und Goyle läuft in
meinem Körper durch London?“, schrie sie aufgebracht. Er umfing grob ihren Arm,
um sie davon abzuhalten, ihn zu schlagen.
„Oh, sie ist wach?“, hörte sie Goyle fragen, und
wütend blickte sie in die Flammen.
„Ihr werdet beide verhaftet werden, wenn das
rauskommt!“
„Greg, was ist passiert?“, ignorierte Malfoy ihre
Worte und hielt sie so fest, dass sie nicht mal protestieren oder sich wehren
konnte, so heftig sie es auch versuchte. Es schmerzte sogar so sehr, dass sie
still hielt, und vor Schmerz fluchen musste. Tränen schossen ihr in die Augen,
so fest hielt er ihren Arm.
„Ich habe Potter abgefangen. Er hat natürlich nichts
Böses geahnt. Ich habe ihn entwaffnet, und im Moment ist er noch bewusstlos. So
wie der Großteil der Wachen hier“, fügte er eine Spur schuldbewusst hinzu.
„Wo ist mein Sohn?“, fragte Malfoy jetzt ohne
weitere Umschweife.
„Er ist hier. Allerdings… musste ich ihn ebenfalls
bewusstlos hexen, denn…“ Hermine wartete, dass er weiter sprach, aber sie sah,
wie er sich in ihrem Körper schämte. „Darüber sprechen wir dann.“
„Hat Lucius die beiden gesehen?“, fuhr Malfoy
ärgerlich fort. Kurz schwieg Goyle und holte dann Luft. Er kam näher in die
Flammen.
„Nein. Aber er befindet sich nicht in der Zelle,
Draco. Er ist im Besucherraum. Potter hatte wohl einen Termin. Die Wachen haben
ihn schon aus der Zelle geholt. Und er ist nebenan“, sagte Goyle nun eindringlich.
Ihre Stimme klang furchtbar panisch. Wie hatte er ihre Stimme annehmen können?
Bestimmt auch ein dämlicher Zauber, den Malfoy perfektioniert hatte, um seine
Jahrzehnte lange Flucht aufrecht zu erhalten. Malfoy schwieg neben ihr.
„Du bleibst, wo du bist. Du lässt Scorpius nicht
raus. Ich bin sofort da!“ Malfoy brach die Verbindung ab. Er ließ ihren Arm
los, und sie rieb ihn schmerzerfüllt. Kurz blieb er regungslos. Dann fuhr er
sich über das Gesicht, durch die hellen Haare und wirkte plötzlich älter. Dann
sah er sie an.
„Vergiss es!“, sagte sie heiser. Er runzelte die
Stirn. „Wag es nicht, meine Erinnerung zu löschen, mich zu schocken oder
irgendwo einzusperren, Draco Malfoy!“, brachte sie zornig hervor. Kurz wirkte
er überrascht. „Mit meiner Hilfe bist du besser dran als ohne!“ Seine Augen
weiteten sich für einen Moment.
„Ach, jetzt willst du mir auf einmal helfen? Was denkst du, kann ich mit dir
anfangen, Granger? Du bringst meinen Sohn in Gefahr, du schlägst mich ins
Gesicht, und auch sonst, bist du nichts weiter als eine Belastung!“, brachte er
wütend hervor.
„Wieso hast du mich dann überhaupt entführt? Ich dachte, der Todesser in meinem
Badezimmer sollte mich umbringen, Malfoy?“ Er sagte daraufhin nichts.
„Zieh dich an“, knurrte er schließlich.
„Was?“, erwiderte sie, etwas aus dem Konzept
gebracht.
„So sehr ich Frauen in knapper Bekleidung schätze,
umso praktischer wäre es wahrscheinlich für uns alle, wenn du dich endlich
anziehen würdest“, führte er ungeduldig aus.
„Du nimmst mich mit?“, vergewisserte sie sich, um
sicher zu gehen, und er verdrehte die Augen.
„Noch eine Frage, und ich ändere meine Meinung,
verflucht“, knurrte er. Sie ging zurück zur Couch.
„Dreh dich um“, befahl sie dann. Sie sah, wie er
noch einmal die Augen verdrehte. „Umdrehen!“, wiederholte sie böse. Und
tatsächlich folgte er ihren Worten und wandte sich um. Sie stieg in die Hose,
die etwas zu groß war und zog sich die Bluse über.
„Wieso folgt Goyle deinen Befehlen?“, fragte sie
leise. Er antwortete nicht. Sie hatte den letzten Knopf verschlossen und stieg
in die Schuhe, die auch eine Nummer zu groß waren. Aber sie beschwerte sich
nicht. Alles war besser als der Bademantel! „Malfoy“, sagte sie eindringlich.
„Ich wüsste nicht, was es dich angeht“, antwortete
er kalt. „Fertig?“ Er betrachtete sie abschätzend.
„Du bist nicht so kalt und unnahbar und böse, wie
du tust, Malfoy“, sagte sie schließlich.
„Wer sagt, dass ich so tue?“, wollte er prompt
wissen und kam näher.
„Ich weiß zwar nicht, was vor sich geht, aber
anscheinend liegt dir dein Sohn am Herzen“, erklärte sie offen. „Du behandelst
alle anderen zwar mit grober Gewalt und Unhöflichkeit, aber anscheinend
verfolgst du doch irgendein Ziel“, fuhr sie fort, ohne ihn aus den Augen zu
lassen.
„Oh, Ms Granger, denken Sie, Sie haben mich jetzt
vollkommen verstanden? Denkst du, du hast mich durchschaut?“, knurrte er. Sie
atmete langsam aus.
„Ich bin immer noch bei Bewusstsein, und du hast
mich auch nicht umgebracht, Malfoy. Also, ja. Du bist harmlos“, endete sie
schließlich. Fast lächelte er.
„Harmlos?“, wiederholte er, während er den
Zauberstab zog.
„So harmlos, wie Psychopathen eben sein können“,
gab sie bitter zurück. Jetzt lächelte er wirklich.
„Das hier…“, begann er lächelnd, „das zählt
nichts, Granger. Ich werde dein Gedächtnis löschen, Potters und alle anderen zu
denen ich komme. Und wenn es auch anders aussieht – unterm Strich ist es mir
völlig egal, ob du lebst oder stirbst. Du bist ein Makel im Plan, nichts
weiter. Und ich werde mit dir fertig, so wie ich auch mit meinem Vater fertig
werden muss. Versuch nicht, irgendwas in irgendeine Tat zu interpretieren, denn
da ist nichts, ok? Wir pflegen keine Verbundenheiten,
Granger. Zum Teufel, vielleicht überlege ich es mir beim Apparieren gleich auch
anders und lasse dich in deinen verdienten Tod stürzen, dafür, dass du mir alle
Pläne durchkreuzt, hast du verstanden?“ Er brachte sie plötzlich näher an sich.
„Wir haben keinen Waffenstillstand, ok? Weil ich
dich gerade nicht schocke oder verletzte, heißt es nicht, dass ich es nicht
jede Sekunde könnte. Es wäre dumm, dich auf mich zu verlassen. Es ist schon
dumm von dir, mitkommen zu wollen. Ich habe dich lieber zu meinem Feind als
auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, weshalb mein Sohn vorzieht, das
Gegenteil in dir zu sehen!“
Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn
anzusehen. Wahrscheinlich hatte ihm der Schmerz jedes Gefühl geraubt.
„Es gibt andere Wege, als dich aus jeder
Erinnerung zu löschen“, sagte sie leise. „Du musst so nicht sein“, fügte sie
hinzu. Er lächelte immer noch. Am liebsten würde sie es ihm aus dem Gesicht
schlagen. „Aber wie du willst. Es soll sich keiner um dich kümmern? Sich keiner
Sorgen machen? Du willst alles alleine schaffen? Du bist wie dein Sohn. Aber
auch er schafft es nicht alleine, ok? Tut mir leid, dass deine Frau gestorben
ist, Malfoy“, sagte sie schließlich. Sein Grinsen verwischte langsam. „Du
glaubst, niemand kann deinen Vater zurückhalten? Niemand begreift, was er getan
hat, zu was er fähig ist? Ich war in eurem Haus! Deine Familie hat mich
gefoltert. Dein Vater hat mich bereits in der Mysteriumsabteilung davon
überzeugt, dass er ein gefährlicher, grundböser Mensch ist!“
Sie sah, wie er sich wieder anspannte, wie alle
seine Muskeln hart wurden, wie er versuchte, ihre Worte an sich abprallen zu
lassen.
„Ich unterschätze euch nicht. Keinen von euch. Ich wollte nichts mit deinem
Sohn zu tun haben! Als ich wusste, um was es sich handelt, hätte ich am
liebsten alle Gedächtnisse selber gelöscht, hätte ihn in das widerliche
Waisenhaus zurückgebracht und niemals wieder über den Tag gesprochen! Du bist
mir lebhaft im Gedächtnis geblieben, Malfoy. Manchmal träume ich von dir, wache
nachts auf und bin dankbar dafür, überzeugt zu sein, dass du schon lange nicht
mehr am Leben bist. Das hier…“, sie deutete um sich, „das ist auch mein
persönlicher Albtraum. Dass alle Malfoys, die hasse, noch am Leben sind, das
ist die Hölle für mich! Dass dein Sohn genauso wird wie du, dass du so wirst,
wie dein verdammter Vater, das ist mein persönlicher Albtraum!“, schrie sie
förmlich.
„Und wenn ich mit dir kommen will, hat das bei
Merlin nichts mit Verbundenheit zu tun. Oh nein! Ich gehe nur sicher, dass ich
alle meine Ängste und Albträume genau im Blick habe, Malfoy. Und wenn du heute
stirbst, dann will ich es mit meinen eigenen Augen sehen, damit ich nachts
wieder ruhig schlafen kann!“
Sein Mund hatte sich ein Stück weit geöffnet.
Seine blauen Augen hatten eine kalte Farbe. Sein Blick lag auf ihrem Gesicht. Ihr
Arm schmerzte immer noch. Ein blauer Fleck war bestimmt schon da. Und
schließlich nickte er langsam.
„Schön, dass wir darüber gesprochen haben“, sagte
er langsam. Und er verbarg keine Freundlichkeit hinter seinen Worten. Oder
hinter seiner ganzen Erscheinung. Sie konnte kein bisschen Menschlichkeit mehr
erkennen. „Am besten bringen wir es hinter uns, damit du wieder schlafen
kannst“, sagte er ruhig. Sie wusste, sie musste mehr sagen. Sie wollte…, sie
wusste nicht wirklich, was sie wollte.
Sie machte einen Schritt, stolpert aber, weil die
Schuhe tatsächlich zu groß waren.
„Woher sind diese Sachen? Kannst du die nicht kleiner hexe, wo du mir schon
meinen Zauberstab genommen hast?“, fragte sie böse und wechselte das Thema
schließlich. Sie fühlte sich unter seinem Blick nicht wohl.
„Nein, kann ich nicht.“
„Sagst du immer nur nein?“ Sie wusste, sie waren
wieder auf dem besten Weg, zu schreien, und es würde damit enden, dass er sie
doch noch verfluchte. Aber er atmete lediglich aus, sah sie ernst an, und sein
eisiger Blick schien ein wenig zu tauen.
„Das ist Gregorys Haus. Die Sachen gehören Pansy,
und wahrscheinlich bringt er mich doch noch um, wenn ich auch nur eine
Kleinigkeit an den Sachen verändere. Also, leb damit, Granger.“ Ihr Mund
öffnete sich.
„Pansy?“, wiederholte sie völlig verwirrt. „Pansy
ist schon lange tot“, erinnerte sie sich an den Fall vor einigen Jahren.
„So wie ich?“, erkundigte er sich glatt mit
erhobener Augenbraue, als er ihr seinen Arm reicht, damit sie apparieren
konnten. Hatte Draco Malfoy gerade eine persönliche Information mit ihr
geteilt? „Schade, dass du für das Ministerium arbeitest“, sagte er schließlich.
Sie verstand nicht, was er damit meinte. Sie sah ihn an. Neben der Couch griff
er nach einer Tasche, in der sich ebenfalls Kleidung befand. Männerkleidung,
nahm sie an. „Komm endlich“, befahl er schließlich, und sie hielt sich an ihm
fest.
Death of a Father
Askaban lag ruhig auf dem Felsen. Niemand bewachte
den Eingang. Wahrscheinlich, weil Gregory alle aus dem Weg geflucht hatte.
Granger folgte ihm ohne Worte. Er war dankbar dafür, denn was sie sagte, gefiel
ihm nicht. Es störte ihn, dass er anfing, zuzuhören. Dass er über ihre Worte
nachdenken musste, und er wusste, es wurde Zeit, dass sie ging. Oder er. Je
nach dem.
„Wir gehen zuerst zu Gregory, dann kriegst du
deinen Zauberstab“, informierte er sie ruhig, als sie das Gefängnis betreten
hatten. Sie sah zu ihm auf.
„Und was genau hält mich davon ab, dich danach
unschädlich zu machen?“ Er überlegte knapp. Er schenkte ihr ein Lächeln.
„Deine Menschlichkeit. Einer von uns muss
schließlich welche besitzen, richtig?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab. Es war
außerdem dumm und gefährlich von ihm, ihr den Zauberstab zu geben. Aber sollte
sie hier heute sterben, dann wollte er nicht schuld daran sein. Noch ein
dämlicher Gedanke.
Sie erreichten unbemerkt den ersten Stock. Er sah
das Besucherzimmer, und er fragte sich, wann Lucius wohl versuchen würde, aus den
Ketten zu kommen, die schließlich das einzige waren, was ihn noch hielt. Sein
Herzschlag beschleunigte sich. Er war lange nicht mehr hier gewesen.
„Hier rein“, sagte sie, und sie hatten die Tür
erreicht, von der Gregory sie benachrichtigt hatte. Er klopfte gegen das Holz.
„Wer ist da?“, hörte er Grangers Stimme. Die echte Granger neben ihm machte ein entnervtes Geräusch.
„Ich, Gregory“, gab er zurück.
„Verzeih, Draco. Kannst du dich bitte besser zu
erkennen geben?“, hörte er die Stimme entschuldigend durch das Holz. Diese
Tonart kannte er von Granger nicht. Diese hatte neben ihm die Arme vor der
Brust verschränkt. Draco überlegte kurz, während er Granger betrachtete.
„Du hast niemals die Scheidung eingereicht. Und
nächste Woche wäre dein fünfzehnjähriges Jubiläum. Und Devon wird nächsten
Monat bereits zehn Jahre alt, oder Greg?“, erklärte er langsam, eine Spur
gereizt. Er sah, wie Granger langsam den Mund öffnete. Ihren Blick konnte er
nicht deuten. Die Tür öffnete sich hastig. Und die zweite Granger sah zuerst
das Original an und dann ihn.
„Devon wird diesen Monat schon zehn“, sagte
Gregory mit Grangers Stimme.
„Mein Fehler“, gestand Draco schließlich. „Ist er
hier?“
„Gerade wach“, bestätigte Gregory und wich in
Grangers Gestalt zur Seite. Draco schritt eilig an ihm vorbei. Granger folgte.
Scorpius schüttelte benommen den Kopf und kam
hastig auf die Beine als er ihn erkannte. Draco spürte, wie der Knoten um seine
Brust lockerer wurde. Sein Sohn lebte! Merlin sei Dank.
„Zwei Grangers?“, murmelte Scorpius verwirrt und
rieb sich die Stirn. „Aber…?“
„Ich bin Hermine“, sagte sie neben ihm
eindringlich. „Bist du ok?“
„Du bist…?“ Er hob den Blick zu Gregory, der so
wütend wirkte, wie Draco es von der echten Granger gewohnt war.
„Das ist Gregory, derjenige, den du überwältigt
hast“, stellte Draco kurz klar.
„Was? Aber sie sieht aus wie…“ Und passenderweise
löste sich der Zauber des Vielsafttranks. Gregory wuchs in die Höhe, Grangers Locken
wuchsen in seinen Kopf zurück, bis nur noch die glatt rasierte Glatze übrig
blieb. Draco warf ihm die Tasche mit seiner Kleidung zu, und Gregory schälte
sich aus den nun viel zu engen Sachen. „Oh verdammt!“, rief der Junge jetzt
angewidert aus.
„Ja, das trifft es ziemlich gut“, erwiderte
Gregory mit gewöhnlicher Stimme, wenn auch wütender.
„Was ist passiert?“, wollte Draco wissen, aber
Scorpius schüttelte nur heftig den Kopf.
„Nichts! Nichts!“, sagte er sehr schnell. Draco
wandte sich an Gregory. Dieser wirkte nur noch grimmiger.
„Nichts, worüber ich wirklich sprechen möchte.
Sagen wir, es war eine Verwechslung.“ Draco atmete langsam aus.
„Ok. Wir reden später darüber. Anscheinend hast du die Grenzen des Anstands
ausgetestet“, vermutete Draco, der seinen Sohn musterte. Granger ging auf die
Knie, und schien sich um Potters Wohlbefinden zu sorgen.
„Ihr… versteht euch auf einmal?“ Und er hörte
durchaus, was in der Stimme seines Sohnes mitschwang. Und es war so
irritierend, wie es widerlich war. Es war schlichte Eifersucht.
„Nein, tun wir nicht“, entschied sich Draco zu
sagen. Granger erhob sich schließlich und drückte Scorpius kurz an sich. Draco
beobachtete es genau.
„Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Ich bin
froh, dass es dir gut geht, Scorpius!“ Während er seine Arme um sie legte, ließ
ihn sein Sohn nicht aus den Augen. Draco hatte keine Zeit für so etwas. Absolut
nicht.
„Gib ihr ihren Zauberstab. Wie lange ist Potter
noch außer Gefecht?“, wechselte er das Thema, und Gregory zuckte die Achseln.
„Nicht mehr lange, nehme ich an.“
„Gut. Er kann nur hilfreich sein.“
„Harry ist der beste Zauberer der Welt!“, mischte
sich Scorpius ein, und Draco betrachtete ihn eine Spur angewidert. Und diesen
Menschen versuchte er also wirklich zu beschützen? Er bezwang all seine
natürlichen Instinkte und antwortete nicht.
„Du musst weg von hier. Draco, er muss fort von
hier!“
Sie sprach ihn das zweite Mal mit seinem Vornamen
an. Und anscheinend verlangte sie auch noch eine Antwort von ihm.
„Ich kann mit Hermine gehen!“, brachte sein Sohn
sofort hervor. Jetzt würde Draco eigentlich zu gerne wissen, was passiert war,
als Scorpius gedacht hatte, Gregory wäre Granger gewesen. Er wurde eine Spur
zorniger.
„Ich brauche sie hier.“
„Für was?“
„Sie kann zaubern, im Vergleich zu anderen Klötzen
an meinem Bein.“ In seinem Kopf hatte er bestimmt nicht geplant, mit seinem
Sohn zu streiten. Heimlich hatte er angenommen, Scorpius würde ihn bewundern,
seine Pläne verstehen und ihn niemals – niemals – so voller Hass ansehen,
wie er seinen eigenen Vater betrachtete.
„Ich habe nie um deine Hilfe gebeten! Ich kann-“
„Hey! Wir sind hier alle wegen derselben Sache.
Ich könnte ihn zu Ginny bringen und wieder kommen“, bot sie an, und er wusste
nicht, weshalb er tatsächlich glaubte, dass sie die Wahrheit sagte, aber er
dachte sehr schnell nach. Dann beschloss er zu tun, was mehr Sinn machte.
„Nein. Nimm ihn mit. Und bleib bei ihm.“ Und sie
sah ihn ernst an. Dann kam sie auf ihn zu.
„Ich kann wieder kommen“, sagte sie leise und eindringlich, ohne ihn aus ihrem
tapferen, absolut nervtötenden, immer rechtschaffenen
und mutigen Gryffindor-Blick zu lassen.
„Erstens: Warum solltest du“, begann er gereizt, „und zweitens: Ich will, dass
er sicher ist, und das wäre er mit dir höchstwahrscheinlich.“ Er sah, dass ihr
dieser Plan nicht gefiel.
„Was ist mit Harry?“
„Ich weiß es nicht, Granger, ok? Ich habe nicht
den perfekten Plan für jeden.“
„Es wäre schön, wenn du ihn wenigstens für einen
von uns hättest“, gab sie gereizt zurück. Zuerst wollte er sich auf den Streit
einlassen, wollte mit ihr streiten, denn es würde ihn einfach beruhigen, sich
jetzt mit ihr zu streiten, seine Angst und seine Sorge an jemandem auszulassen,
aber er widerstand der Versuchung.
„Nimm Scorpius mit. Potter ist ein großer Junge.
Er wird schon nicht umkommen.“
„Und was ist mit Lucius? Mit den Todessern, die
wahrscheinlich auf dem Weg sind? Was wirst du machen, wenn du merkst, dass ihr
in der Unterzahl seid und die Auroren nicht rechtzeitig eintreffen?“ Er schloss
kurz die Augen.
„Wir improvisieren, Granger.“
„Das ist mir aber nicht gut genug.“ Draco wusste,
alle sahen sie an. Er hob die Hände.
„Gut, schön. Dann sag mir deinen perfekten Plan.“
„Ok. Ich bringe Scorpius zu Ginny, denn sie ist
schließlich auch Aurorin. Und sie gibt dem Ministerium Bescheid, erklärt alles,
und die schicken Verstärkung. Ich komme wieder zurück und sorge dafür, dass
niemand stirbt.“ Er tat so, als würde er überlegen und schüttelte dann den
Kopf. „Wieso nicht, Malfoy? Du weißt, ich kann kämpfen!“
„Bisher habe ich dich machtlos in meinem Haus
gesehen und in deinem Bademantel in deiner Wohnung.“
„Du bist ein Arschloch“, sagte sie zornig.
„Das mag sein. Nimm Scorpius. Und komm nicht
zurück.“
„Du wirst mich nicht aufhalten können“, sagte sie
nur, und er hasste sie. Sie hatte sich abgewandt, aber er griff nach ihrem Arm,
zog sie wieder zurück und brachte sie so nah an sich, dass er nur zu flüstern
brauchte, damit sie ihn verstand.
„Ich will, dass er sicher ist. Und so fähig
Potters Frau sein mag, sie ist es nicht, in die mein verfluchter Sohn verliebt
ist, ok? Bleib bei ihm, denn das garantiert mir, dass er nicht schon wieder
versucht, sich in Lebensgefahr zu bringen.“ Sie starrte ihn völlig ungläubig
an. „Was denkst du, weshalb ihn Gregory bewusstlos gehext hat? Weil er versucht
hatte deinem Doppelgänger die Hand zu geben? Bestimmt nicht.“ Ihr Mund hatte
sich langsam geöffnet.
„Und wenn Lucius dich umbringt-?“
„Dann hast du eine Sorge weniger“, unterbrach er
sie gereizt. Er hasste es. Er hatte das Gefühl, dass sie durch seine Augen,
tief in seine Seele sehen konnte. Und es störte ihn. Es störte ihn unheimlich.
„Du überlebst das Ganze besser, Malfoy“, drohte
sie jetzt verärgert. „Sonst habe ich nämlich deinen Sohn am Hals.“ Und so
ungerne er es zugab, er wollte sie nicht gehen lassen.
Und deswegen musste er sie schleunigst loswerden,
beschloss er in seinem Kopf. Er ließ ihren Arm los, machte einen Schritt zurück
und ließ die Kälte wieder in sein Herz. Etwas anderes konnte er dort nicht
gebrauchen.
„Geh endlich“, knurrte er böse. Sie runzelte die Stirn, aber er wandte sich an
Gregory. Er sah noch den Blick, mit dem ihn sein Diener musterte. Seine Augen
sprachen Bände. Anscheinend sah er irgendwas zwischen Granger und ihm, was ihm
verborgen geblieben war. Gerne würde er Gregory auslachen, ihm erklären, wie
dumm er war, aber dafür war jetzt einfach keine Zeit.
„Ich weiß nicht, wie lange wir noch haben. Ich
werde reingehen und-“
„Ich komme mit!“
„Nein, wenn es eine Falle ist, dann wirst du es
wahrscheinlich hören. Dann will ich, dass du alles erdenkliche tust, um zu
verhindern, dass die Todesser reinkommen. Wo auch immer sie jetzt gerade sind!“
„Du willst wirklich rein?“ Gregory sah ihn kopfschüttelnd an. Wieso zweifelten
alle an seinen Plänen?
„Das ist keine Verhandlung, das ist ein Befehl. Und ihr geht endlich!“,
donnerte er in Richtung Granger und Scorpius. Die zog seinen Sohn einfach mit
sich. Potter stöhnte unterdrückt. „Gut, der Prinz ist auch endlich wach. Erklär
ihm, was nötig ist. Oder besser nicht. Ich weiß es nicht. Ich werde sehen, wie
es Daddy geht“, brachte er mit einem
bitteren Lächeln hervor.
Er verließ das Zimmer ebenfalls und sah noch, wie Granger
mit seinem Sohn in Richtung Ausgang verschwand. Er wartete, bis er hörte wie
sie das Gefängnis verließen. Dann noch einen kurzen Augenblick, bis er annehmen
konnte, dass sie appariert waren.
Kurz atmete aus und überschlug die Jahre in seinem
Kopf, in denen er von diesem Anblick verschont geblieben war. Er stand vor der
Besuchertür, und es kam ihm fast so vor, als stünde er in Malfoy Manor vor dem
Arbeitszimmer seines Vaters. Er verscheuchte den lächerlichen Gedanken und
öffnete die Tür.
Er hatte ein ungutes Gefühl. Den Zauberstab hielt
er fest in der Hand.
Und Lucius saß auf dem Stuhl des Gefangenen, die
Ketten fest um seine Handgelenke gelegt. Er hatte keine Haare mehr. Die graue
Uniform der Gefangenen ließ ihn noch älter aussehen, als er es ohnehin schon
war. Seine Gesichtsfarbe war gräulich, aber seine Augen musterten ihn wachsam.
„Bist du es wirklich, Draco?“
Und seine Stimme schnitt tiefe Wunden in seinen
Geist. Er hatte diese Stimme nie mehr hören wollen, auch wenn sie wohl durch
die Jahre nicht mehr den alten, scharfen Glanz aufwies. Er hatte diesen Mann
nie mehr sehen wollen, und wenn, dann hatte er sich geschworen, ihn umzubringen
bevor er in der Lage wäre, zu sprechen.
Er hatte Astoria getötet! Er hatte seine Frau
getötet! Er wollte seinen Sohn töten! Er hatte ihn töten wollen! Draco hatte
Angst, dass sein Zauberstab unter dem Druck seiner Hand brechen würde.
„Draco?“ Sein Vater hob den Kopf ein Stück, um ihn
besser erkennen zu können. Und er füllte sich völlig machtlos, plötzlich vergaß
er alles, was er sich über die Jahre so hart antrainiert hatte. „Hast du ihn
mitgebracht? Meinen Enkel?“, wollte Lucius mit heiserer, wirrer Stimme wissen,
und Draco hob den Zauberstab.
„Du wirst ihn nicht anrühren! Hast du mich
verstanden?“
„Wirst du mich jetzt umbringen, Draco?“ Und ein
gruseliges Lächeln erhellte die Züge seines Vaters. Und Draco nickte nur. Jeder
Muskel in seinem Körper war angespannt. Es war eine selbstmörderische Aktion
gewesen. Draco sah eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Es könnte der feine Regen
sein, der an die Scheibe tropfte, aber eigentlich wusste er es besser.
Natürlich wusste er es besser. „Das wäre sehr
unsportlich von dir“, entgegnete Lucius träge.
„Warum stehst du dann nicht einfach auf, du
verdammter Mistkerl“, brachte Draco gepresst hervor.
„Du hast noch meinen Zauberstab“, sagte sein Vater
nur, und Draco schluckte schwer. Der Mann vor ihm war also nicht durch die
Ketten gebunden. Er hatte es gewusst! Mit einem stummen Zauber verriegelte
Draco die Tür hinter sich. Lucius lächelte wie ein Wolf. „Ich hätte ihn gerne
wieder.“
„Dann wirst du ihn dir holen müssen“, erklärte
Draco nur, und sein Vater nickte schließlich und erhob sich langsam. Die Ketten
fielen mit einem lauten Rasseln zu Boden.
Und er hatte falsch geplant. Er hätte es wissen
müssen! Und er brach den Pakt, den er mit sich selber gemacht hatte.
„Avada Kedavra!“, knurrte er, und das Abbild seines Vaters
brach vor ihm zusammen. „Revalo!“,
ließ er den nächsten Zauber los und drei Gestalten wurden in seinem Spektrum
sichtbar. Die Flüche wurden in derselben Sekunde losgelassen. Stumm wehrte er
sie ab, und genauso stumm schockte er die drei Todesser, die mit dumpfen
Geräuschen auf den Boden sackten.
Von draußen hörte er, wie Hände gegen die Tür hämmerten.
Er löste den Zauber. Seine Zauberstabhand zitterte vor Zorn.
„Draco, was war das für ein verdammter Zauber? Wir konnte nicht-!“, hörte er
Gregory wütend rufen, und dann schnappte er nach Luft. „Dein Vater!“, rief er
aus. Doch Draco schüttelte zornig den Kopf.
„Nein. Mein Vater ist nicht mehr hier. Vielsafttrank“, fügte er nur hinzu, und
als das letzte bisschen Leben aus dem Körper des Doppelgängers geschwunden war,
brach die Wirkung des Vielsafttranks, und der tatsächliche Mensch hinter der Fassade
kam zum Vorschein. Und Draco ignorierte, dass er das Gesicht kannte, er
verbannte den kühlen Hauch, der ihn erfasste, ob der Tatsache, dass er
tatsächlich jemanden getötet hatte, den er erst vor einem Tag gesehen hatte. In
Grangers Badezimmer.
„Bist du sicher? Woher sollte er ihn haben?“ Potter war in das Zimmer getreten.
Dann sah er die drei bewusstlosen Todesser. Draco tauschte einen kurzen Blick
mit Gregory. Dann kam Potter auf ihn zu. „Er ist nicht mehr hier?“, wollte er
noch einmal eindringlich wissen. Und er nickte. „Wir müssen ihn finden, bevor
er Scorpius tötet“, sagte Potter mit einer Eile und einer
Selbstverständlichkeit, die Draco gerade ihm nicht zugetraut hätte. Anscheinend
vertrat Harry Potter nicht die Ministeriumsmentalität mit der sich schlimme
Dinge auf besonders dumme Art erklären ließen. Potter schien schlimme Dinge auf
genauso schlimme Weise zu begreifen.
„Im Moment stehst du unter dem Schutz des
Ministeriums, und das hier…“ Er deutete auf die Männer im Raum. „Das nennen wir
einfach mal Notwehr“, erklärte er grimmig, versiegelte die Tür, nachdem sie
wieder auf dem Flur waren, und Potter fuhr sich kurz durch die strubbeligen
Haare.
„Wo kann er sein?“, fragte Potter jetzt mit großer
Eile, und Draco ignorierte, dass er Harry Potter nicht vertrauen wollte, und
schenkte ihm einen eindeutigen Blick.
„Zuhause.“
Talent
Sie saßen an Ginnys Küchentisch. Ginny war bereits
unterwegs ins Ministerium. Harry hatte Bescheid gegeben, dass der Plan sich
geändert hatte, dass jetzt Malfoy Manor belagert werden würde, und sie war
wieder einmal hilflos als Babysitter eingesetzt. Scorpius betrachtete sie schon
seit einer Weile. Sie mochte es nicht, vom Malfoy-Blick durchleuchtet zu
werden.
„Er hat dich entführt?“ Sie kaute lustlos auf dem
Brötchen. Eigentlich starb sie vor Hunger, aber sie konnte einfach nicht essen,
wenn sie daran dachte, dass Harry, Draco, Ginny, Goyle und weitere Auroren sich
in direkte Gefahr begaben.
„Er hatte seine Gründe“, erklärte sie nur vage,
wie es Erwachsene eben tun würden, wenn sie selber keine gute Rechtfertigung
hatten.
„Seine Gründe? Er ist ein Arschloch!“, brauste Scorpius schließlich auf, griff
sich seinen Zauberstab vom Tisch und drehte ihn in den Händen.
„Er ist dein Vater“, korrigierte sie ihn leise.
„Na und? Ein Vater, der sich einen Scheißdreck
schert!“, gab er nur zurück.
„Er tut das alles für dich!“
„Du hast doch wohl nicht die Seiten gewechselt?
Ich fliehe aus seiner Gewalt, brauche Ewigkeiten, um zurückzufinden, und auf
einmal magst du ihn?“ Sie erhob sich ebenfalls. Sie hatte das Gefühl, es war an
der Zeit, ein ernstes Wort mit dem Jungen zu reden.
„Scorpius, ich-“
„Nein! Hermine, begreifst du nicht?“ Er sah sie
an, wie Draco. Er unterstellte ihr Dummheit, gab nur
sich selber recht, und ähnelte seinem Vater so sehr, dass er bestimmt
wahnsinnig werden würde, würde sie ihm das sagen.
„Ich begreife es, ok? Du musst ihm zumindest
vertrauen. Ich kann nicht die ganze Zeit hier sein, denn es macht mich
verrückt, jetzt nicht helfen zu können!“, erklärte sie.
„Du willst zu ihm?“ Er klang, als hätte sie ihn
verraten.
„Ich will nicht zu ihm. Ich will den Auroren
helfen.“
„Du kannst doch sowieso nicht ins Haus!“,
schnappte er zornig. „Schlammblüter dürfen doch nicht in unser Haus“, knurrte
er und wandte sich von ihr ab, um die Küche zu verlassen.
„Hey!“, rief sie wütend, holte ihn und riss ihn am
Arm herum. „Wag es nicht, mich so zu nennen, du undankbarer, verzogener Junge!“
„Ich bin kein Junge, Hermine“, erwiderte er ernst.
„Und Draco nennt dich doch so. Und auf ihn scheinst du ja mächtig abzufahren!“
Oh, wie sie ihn gerade schlagen wollte! Wie sehr es sie in den Fingern juckte!
„Du bist absolut widerlich!“, spuckte sie ihm
entgegen. Er sah sie wütend an.
„Am besten hau ich ab, und du kannst zu ihm
rennen! Hätte ich dich auch entführen müssen? Muss ich dich auch mit deinem
Nachnamen ansprechen, dich wie ein Stück Dreck behandeln, und auf einmal
riskierst du alles für mich?“, wollte er provozierend wissen, als er näher kam.
„Ist es das, Granger? Stehst du darauf?“
Und sie schlug den zweiten Malfoy in ihrem Leben.
Ihre Hand knallte auf seine glatte Wange, sein Kopf flog zur Seite, und der
Schall war in der Küche noch kurz zu hören. Er sah sie an wie Draco. Hastig
schlug sie sich die Hand vor den Mund. Zorn flackerte über seine schönen Züge.
„Es tut mir-“, begann sie, aber er unterbrach ihre
Worte, mit einem wütenden Kopfrucken.
„Ich will nicht, dass du dich entschuldigst“,
sagte er nur.
„Scorpius-“
„Nein, verflucht!“, schrie er jetzt, umfing ihre
Schultern und schüttelte sie. „Du bist genauso wie er! Du hast mich genauso
betrogen!“ Sie versuchte, ihn wegzuschieben, aber er hielt sie fest. „Ich hab
gedacht, du magst mich!“
„Ich mag dich doch auch!“ Seine Hände legten sich
plötzlich um ihren Nacken, zwangen sie, ihn anzusehen und erschrocken öffnete
sich ihr Mund, als sie seine blauen Augen fixierten.
„Scor-“ Doch er schloss den Abstand, seine Lippen
legten sich auf ihren Mund, und sie hielt die Luft an. Oh Merlin! Nein!
Nach einer Sekunde Schock kam die Kraft zurück in
ihre Arme, und heftig schob sie ihn von sich. „Bist du völlig verrückt
geworden?“, flüsterte sie panisch und starrte ihn an. Er wirkte merklich ruhig.
„Ich bin bald volljährig. Es ist nichts Schlimmes
an-“
„Nichts Schlimmes? Das sehe ich entschieden
anders, Scorpius! Das ist… - ich fühle nicht so für dich! Ich… du bist sechzehn!“,
brachte sie angewidert hervor, und verfluchte Malfoy in Gedanken dafür, dass er
recht gehabt hatte. Und tief verletzt sah er sie jetzt an.
„Entschuldigt die Unterbrechung“, hörte sie Rons
amüsierte Stimme. Sie fuhren auseinander und Scorpius schien rot zu werden. Er
tat Hermine leid, aber… eigentlich war sie gerade sauer auf ihn. Er verschwand
aus der Küche, ohne einen von ihnen noch einmal anzusehen. Hermine atmete
langsam aus, und warf Ron einen knappen Blick zu.
„Was?“, schnappte sie. Er hob die Hände in die
Luft.
„Beide Malfoys, Hermine? Ich würde behaupten, das
ist eine gute Quote.“
„Oh, halt die Klappe!“
„Ich habe heute Morgen also mit Goyle gesprochen,
als du hier warst?“, fragte er weiter, und sie runzelte die Stirn, nickte aber
schließlich, als sie begriff.
„Ja. Also tut mir leid, was auch immer er gesagt
hat.“ Sie merkte, dass Ron wohl weitaus weniger wütend war, als noch vor ein
paarTagen.
„Wenn du nach Malfoy Manor apparieren willst, ich
kann Scorpius auch im Auge behalten“, bot er an. Sie runzelte die Stirn.
„Du magst ihn nicht“, stellte sie nur fest.
„Er ist auch nur ein armer Junge, der in dich
verliebt ist“, erwiderte Ron achselzuckend.
„Ron-“, begann sie, aber Ron hob abwehrend die
Hände.
„Schon gut, Hermine.“ Sie seufzte schließlich.
„Nein. Ich sollte bleiben“, gab sie schließlich
nach.
„Wir… könnten ihm noch ein paar Zauber beibringen.
Dann fühlt er sich nicht völlig nutzlos“, schlug er vor. Wieso war er auf
einmal nett zu ihr? Das hatte sie nicht erwartet und wahrscheinlich auch nicht
verdient.
„Jaah. Könnten wir“, bestätigte sie schließlich.
Sie gingen ins Wohnzimmer, wo er auf der Couch saß und ins Leere starrte.
„Hey, Scor, hättest du Lust einen richtig coolen
Spruch zu lernen?“ Ron setzte sich vor ihn auf den niedrigen Couchtisch und
hatte seine loyalste Stimme angeschlagen. Scorpius wandte den Blick ab. „Komm
schon, ich weiß, das willst du.“ Er sprach immer noch nicht. „Entwaffnen und
schweben ist zwar nett, aber wie wären ein paar Flüche?“
„Kann ich dann nach Malfoy Manor?“, fragte er
plötzlich ziemlich wachsam.
„Nein!“, erklärte sie streng. Er warf ihren einen
wütenden Blick zu.
„Dann lasst mich in Ruhe. Ich bin keine
Pflichtaufgabe, mit der ihr euch gezwungener Maßen beschäftigen müsst, ok?“ Er
verschränkte die Arme vor der Brust. Sie versuchte, zu verdrängen, dass sie
dieser Junge vor fünf Minuten geküsst hatte.
„Es braucht mehr an Zeit, um so gut zu sein, zu
kämpfen, Scorpius. Ich kann nicht riskieren, dass du verletzt wirst.“
„Weil mein Vater dann sauer auf dich ist?“, gab er
bockig zurück, und sie setzte sich neben ihn auf die Couch und nahm sein Kinn
in ihre Hand. Sie zwang ihn, sie anzusehen. Widerwillig hob er den Blick.
„Nein. Weil ich dich mag. Weil ich nicht will,
dass dir jemand wehtut! Weil ich mir nicht verzeihen könnte, wenn dir was
passiert, du dummer Idiot!“ Er sah sie unglücklich an. Sie lehnte sich vor und
gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Zeig mir, was du kannst. Vielleicht ändere
ich meine Meinung, wenn du gut bist.“ Natürlich würde er das nicht sein.
Ron erhob sich schließlich. „Pass auf“, sagte er
knapp, zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf den Tagespropheten, der auf dem Tisch lag. „Diffindo!“
Der Prophet
zerfledderte sich in winzige Fetzen. Hermine nahm an, Ginny würde wütend
werden. Der Kamin blieb immer noch ruhig. Niemand meldete sich. Sie wusste
nicht, ob das gute oder schlechte Nachrichten waren.
„Kommt, wir gehen raus auf die Terrasse.“ Von da
aus konnten sie den Kamin immer noch sehen. Scorpius folgte ihnen.
Draußen legte Ron einen kaputten Eimer ins Gras. Hermines
Blick glitt immer wieder zum Kamin. Dann sah sie Scorpius aufmunternd an.
Dieser zog den Zauberstab.
Kurz sah er Ron an. Dieser nickte. „Du darfst
zaubern. Das Ministerium erlaubt es dir, nehme ich an.“ Er warf Hermine einen
kurzen Blick zu. Diese seufzte ergeben auf und nickte nur. Scorpius war
wahrscheinlich sowieso nirgendwo gelistet. Der Zauberstab war zwar auf ihn
geeicht, aber wenn er tatsächlich eine Vorladung bekam, würde sie es schon
rechtfertigen. Es gab größere Verbrechen als das.
„Diffindo!“, sagte er fest, und der Eimer zersprang in hundert Teile. Sie hob
überrascht den Blick.
„Das war perfekt“, sagte sie erstaunt. Und
Scorpius lächelte zum ersten Mal wieder.
„Ich halte es auch nicht mehr für völligen Scheiß,
Granger“, erklärte er in arroganter Malfoy-Manie, und sie verdrehte die Augen.
„Ok, du Angeber“, begann sie, stellte sich neben
ihn und hob den Zauberstab. „Aguamenti!“, sagte sie laut, und Wasser brach aus der Spitze
ihres Zauberstabs hervor. Ein Elementen-Zauber war immer noch anspruchsvoller,
als ein Zerstörungsfluch.
Er betrachtete das Wasser und nickte dann. Er
ahmte die Bewegung nach.
„Aguamenti!“,
sagte er mit fester Stimme. Und ein glatter Wasserstrahl brach auch aus seiner
Spitze. Ron tauschte beeindruckt einen Blick mit ihr. Es war unmöglich, dass
Scorpius die Zauber einfach so beherrschte. Dafür müsste er mehr als begabt
sein.
„Ich greife dich jetzt an, und du wehrst den Zauber ab. Pass auf, so!“ Sie richtete den
Zauberstab auf Ron. Dieser ging lächelnd in Position.
„Stupor!“,
rief sie laut. Ron schwang seinen Zauberstab.
„Protego!“, rief er, und der Zauber löste sich in einem
Funkenregen auf.
„Protego“, murmelte
Scorpius und ahmte die Bewegung langsam nach. „Ok. Fang an!“, befahl er
angespannt. Hermine hob ihren Zauberstab.
„Stupor!“,
rief sie, aber Scorpius war zu sehr auf sie fixiert und verteidigte sich zu
spät. Aber sie hatte den Zauber nicht stark angelegt. Er traf ihn in die Brust
und schleuderte ihn zwei Meter weit nach hinten in den Garten.
„Scheiße!“, rief er wütend, kam auf die Beine und
musterte sie scharf. „Noch mal.“
„Scorpius-“, begann sie beschwichtigend, aber er
wischte sich die blonden Strähnen aus der Stirn.
„Nein! Noch mal!“ Konzentriert wartete er. Sie atmete
aus. Dann hob sie den Zauberstab wieder.
„Stupor!“,
rief sie, und dieses Mal schaltete er schneller.
„Protego!“,
bellte er, führte die Bewegung zu Ende, und machte einen Schritt vor. „Expelliarmus!“,
rief er hinterher, und ihr Zauberstab wurde ihr aus der Hand gerissen. Ron
klatschte begeistert in die Hände.
„Das muss Hermine ziemlich ärgern, denn in der
Schule war sie die erste gewesen, die zwei Zauber hatte verbinden können“,
erklärte er lachend. Sie schenkte beiden einen zornigen Blick und bückte sich
nach ihrem Zauberstab.
„Accio Zauberstab!“, sagte sie bitter, knallte mit dem
Zauberstab durch die Luft und schon wurde er aus Scorpius‘ Hand gerissen.
Verblüfft sah er seinem Zauberstab nach, den sie geschickt auffing.
„Zeig mir, wie das geht!“, verlangte er sofort zu
wissen.
„Vielleicht sollten wir-“
„Eine Pause machen?“, unterbrach er sie mit
hochgezogener Augenbraue, und lachte auf. „Ja. Ich bin so überanstrengt, ich
kann mich kaum noch halten. Los, bring mir was bei, oder ist das alles was du
kannst?“ Sie warf ihm wütend den Zauberstab zu. Ron verschwand mit einem
Kopfschütteln wieder im Haus. Sie glaubte, ihn lächeln zu sehen. Es war ihr
egal, dass sie sich auch kindisch verhielt.
„Versuch mich zu entwaffnen. Verwende keinen
anderen Zauber!“, befahl sie streng. Sie hob den Zauberstab. „Impedimenta!“,
verwandte sie den Lähmungszauber auf höchster Wirkung.
Sie sah, wie Scorpius in die Knie gehen musste,
als er den Expelliarmus
gesprochen hatte.
Sie legte mehr Kraft hinter ihren Zauber. Scorpius
ergriff den Zauberstab mit beiden Händen, und der rote und der blaue Fluch
beschrieben ein schönes buntes Schauspiel in Harrys Garten.
Er sah sie plötzlich direkt an und fand den
direkten Weg durch seinen Zauberstab. Der Junge war gut. Der Junge war besser
als nur gut. Seine Kraft entwickelte sich schnell. Dennoch stand ihm feiner
Schweiß auf der Stirn.
„Genug!“, rief er heiser, riss den Zauberstab in
die Luft, und zerriss die Verbindung zu ihrem Zauberstab. Er stützte die Hände
auf die Knie und atmete schwer. Sie wartete geduldig.
„Vielleicht sollten wir eine Pause machen. Da war
ein ziemlicher Kräftezehrer, Scorpius“, erklärte sie
schließlich. Er richtete sich wieder auf, fuhr sich durch die Haare, und
peitschte kurz mit dem Zauberstab durch die Luft.
„Accio Zauberstab!“, ahmte er den Fluch nach, und hatte Harry
Wochen dafür gebraucht, so schaffte es doch dieser Angeber innerhalb von
Minuten. Hermines Zauberstab entriss sich ihrem Griff und landete in Scorpius‘
ausgestreckter Hand. „Nett“, sagte er anerkennend und warf ihr den Zauberstab
wieder zu. „Ich bin nicht müde“,
erklärte er, ehe sie wieder sprechen konnte.
Sie nickte lächelnd, und führte den nächsten
Zauber aus.
„Expecto Patronum!“, sagte sie, und der silberne Otter brach aus
der Spitze ihres Zauberstabs. Scorpius starrte sie verblüfft an.
„Ok? Was ist das?“ Der Otter schwamm im
unsichtbaren Wasser Kreise um ihn, und er sah ihm nach.
„Gegen die Dementoren in Askaban. Sie saugen dir
jedes Glück aus dem Körper. Das wirst du gemerkt haben. Der Expecto ist ein Zauber, basierend
auf einem glücklichen Erlebnis. Wenn du die Formel sprichst, brauchst du ein
glückliches Erlebnis in deinem Kopf.“ Sie nahm nicht an, dass er diesen Zauber
schnell hinbekommen würde. Denn dieser Zauber hatte im Vergleich zu allen
anderen, nichts mit Geschick zu tun. Sondern tatsächlich mit Emotionalität.
„Expecto Patronum!“, sagte er zuversichtlich. Nichts passierte.
„Expecto Patronum!“,
wiederholte er gereizter. Er wartete einen kurzen Moment, besann sich neu, und
schwang den Zauberstab. „Expecto Patronum!“
Nichts passierte. Er sah sie an.
„Ist es immer ein Otter?“, fragte er wütend. Sie
schüttelte den Kopf.
„Rons ist ein Hund. Harrys
ist ein Hirsch. Ginnys ist ein Delfin.“
„Und Dracos?“ Hermine zuckte langsam die Achseln.
„Das… weiß ich nicht“, erklärte sie. „Das Tier ist
unerheblich. Es entsteht aus deinem Innern heraus, aus deinen Neigungen, Vererbungen. Das kannst du nur schwer kontrollieren, nur
schwer ändern.“ Sie dachte an den armen Snape, der Harrys Mutter so sehr
geliebt hatte, dass er seinen Patronus in ihren geändert hatte, nur um noch
irgendetwas von ihr zu besitzen.
„Ich habe kein gutes Erlebnis, Granger“, sagte er
schließlich, nachdem er nachgedacht hatte. Sie nahm an, es musste schwer für
ihn sein.
„Ja, das kann ich mir denken. Harry zum Beispiel
hatte auch große Probleme mit dem Expecto. Aber… er hat schließlich sein gutes Erlebnis in
seinem Vater gefunden.“
„Oh ja. Das ist sehr wahrscheinlich“, erwiderte
Scorpius gedehnt.
„Bei dir kann es etwas anderes sein“, sagte sie
sofort. Er schüttelte langsam den Kopf.
„Schon gut“, entgegnete er grimmig und steckte den
Zauberstab langsam ein.
„Hey, du bist gut. Du bist besser als das! Du bist
unglaublich talentiert, und ich kann nicht erwarten, weiter mit zu trainieren,
dich auszubilden und dich als den weltbesten Auroren zu sehen, ok?“, versprach
sie und hörte plötzlich Rons Stimme von drinnen.
„Hermine, beeil dich!“
Und er klang nicht positiv.
All Cards down
„Nein!“, sagte sie entschieden. „Auf gar keinen
Fall!“
Durch die Flammen wirkte sie verzerrt, aber er
erkannte deutlich ihre Wut.
„Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er nach
Gringotts kommt, sein Gold von den verdammten, linken, gierigen Kobolden
bekommt und sich absetzt, Todesser rekrutiert und angreift! Wenn wir ihn jetzt
kriegen-“, begann er wieder, aber sie schüttelte wieder den Kopf.
„Wie? Du, Goyle und Ron? Wie wollt ihr das bewerkstelligen?“
„Ich kann helfen!“, hörte er seinen eigenen Sohn.
Aber sie schnitt ihm harsch das Wort ab.
„Oh ja, sicher! Wir bringen dich aus Askaban
bestimmt in Sicherheit, damit du danach von Lucius Malfoy umgebracht werden
kannst!“, schnappte sie.
„Du hast gesagt, ich bin begabt!“
„Ja, gegen mich kannst du dich verteidigen, weil ich dich nicht verletzen will!
Die in Malfoy Manor wollen dich umbringen!“, schrie sie förmlich. Draco atmete
ungeduldig aus.
„Ich kann das! Außerdem ist ein Mann mehr besser
als einer weniger, oder nicht?“, rief er bockig, und sie raufte sich die Haare.
„Scorpius-“
„Und Harry hat schon gegen Voldemort gekämpft, da
war er vierzehn! Und er hat ihn mit siebzehn sogar besiegt!“, rief er aus. Draco
konnte sich das Harry Potter Geplänkel auch gerne sparen.
„Granger“, unterbrach er den Streit im Hause
Potter, aber sein Sohn schob Granger einfach von den Flammen fort.
„Sag, dass ich kommen soll! Sag, dass du meine
Hilfe willst. Ich bin Reinblüter, ich kann mit in das Haus! Ich kann euch
helfen! Sag mir den Zauber, den ich lernen muss, und ich kann ihn lernen! Ich
bin gut!“ Sein Sohn sah ihn durchdringend an. Dracos Mund öffnete sich langsam,
dann schüttelte er den Kopf.
„Scorpius, so einfach geht es nicht. Einfache
Zauber können dich nicht schützen, und für gefährliche Zauber hast du nicht die
Erfahrung, und ich habe kein Interesse daran, dich in diesem Haus zu
verlieren“, endete er knapp.
„Lass mich doch helfen! Ich kann sie auch mit
Brettern bewusstlos schlagen!“, rief er wütend aus.
„Scorpius, wir brauchen-“
„Mehr Reinblüter, ja! Ich weiß! Nimm mich. Ich bin
Reinblüter. Ich will helfen. Ich will irgendwas tun, außer hier nutzlos
rumzusitzen!“ Draco atmete erschöpft aus.
„Granger, schick mir Weasley vorbei“, ignorierte
er seinen Sohn. Er sah Grangers Gesicht wieder.
„Wieso brichst du nicht die Regeln des Hauses?“
Draco verdrehte die Augen.
„Weil Lucius die Regeln gemacht hat“, erklärte er unwillig. „Ich kann nur
hoffen, dass Reinblüter überhaupt noch erlaubt sind. Aber daran kann er wohl
nichts ändern, denn seine Lakaien werden auch nichts anderes als das
vorzuweisen haben.“
„Dann komme ich einfach mit. Ein paar Monster kann
ich nebenbei noch bewältigen.“
„Das waren meine Regeln, Granger. Lucius‘ Regeln
sehen für Halbblüter und Muggel etwas anderes vor“, sagte er nur und führte
nicht aus, was er meinte. Aber das musste er wohl auch nicht. Granger schwieg.
„Dann nimm mich mit rein. Ich verspreche dir, ich
lasse mich nicht finden und umbringen! Gib mir eine Aufgabe! Komm schon! Ich
bitte dich!“ Wieder hatte sich Scorpius dazwischen geschoben.
„Ok“, sagte Draco gereizt. „Kannst du
apparieren?“, fragte er schroff. Scorpius schwieg zornig.
„Nein“, sagte er schließlich. „Aber ich-“
„Kannst du den Todesfluch aussprechen, wenn du
musst? Und wenn er gegen dich angewandt wird, hast du genug Kraft, dich zu
verteidigen?“
„Nein, aber-“
„Beherrscht du irgendeinen Zauber, der dem Gegner
Verletzungen zufügt? Kannst du die Unverzeihlichen ohne Reue und Fehler
anwenden, Scorpius?“ Und sein Sohn schwieg.
„Das dachte ich mir.“
„Dann zeig sie mir!“, schrie er wütend. „Ich kann
das alles, wenn du es mir zeigst!“
„Nein, du kannst es nicht!“, schrie er zornig. „Es
gibt keine Verhandlung hier rüber! Ich bin dein Vater und du tust gefälligst,
was ich dir befehle, verdammt noch mal! Du bleibst in Potters Haus, unter
Grangers Aufsicht!“
„Ich hasse dich!“, schrie Scorpius durch die
Flammen und stürmte aus seinem Sichtfeld. Dracos Atmung hatte sich ungewollt
beschleunigt. Ja. Da war Scorpius nur einer auf einer langen Liste. Granger sah
ihn vorwurfsvoll an.
„Oh, du nicht auch noch!“, rief er wütend. „Was
willst du, dass ich tue? Ihm erlauben, zu kämpfen?“ Sie schüttelte schließlich
den Kopf.
„Nein. Aber ihn so anzuschreien ist unnötig. Und
er ist fähig.“
„Kann er einen Mann umbringen?“, unterbrach er sie
gereizt, und sie atmete aus.
„Nein. Aber das konnte Harry damals auch nicht. Und das muss wohl auch nicht sein!“
„Ja, deswegen hat es ihn auch sieben Jahre
gekostet, Voldemort umzubringen. So viel Zeit besitze ich nicht! Ich kann mich
da drinnen nicht auch noch um einen Minderjährigen kümmern.“ Kurz entstand eine
knappe Pause. „Wo ist Weasley?“, fragte er jetzt. „Seine Schwester ist schon
hier.“ Und anscheinend ging ihr jetzt auf, was es bedeutete.
„Nein!“, sagte sie plötzlich. „Draco, nein! Nicht
Ginny!“
„Sie will aber“, erwiderte er gleichgültig.
„Und wenn sie stirbt?“
„Ich kann sie nicht aufhalten“, beschwerte er
sich. „Ich hoffe, dir ist klar, dass nicht mal ihr eigener Mann sie aufhalten
kann?“ Aber Granger schüttelte wieder den Kopf.
„Das ist zu gefährlich! Ihr seid in der
Unterzahl!“
„Aha. Also Weasley und Goyle und ich, wir dürfen
rein. Aber sobald Ginny dabei ist – geht es nicht mehr?“ Sie sah ihn wütend an.
„Nein. Ich will nicht, dass überhaupt einer geht,
aber wenn-“
„Aber wenn, dann bist du froh, dass es niemand
ist, an dem dein Herz hängt? Gut. Dann komm her, zwing Ginny mit dem Lähmungszauber
zu Boden, und lass uns anderen in den Tod laufen.“
„Draco-“
„Nein! Ich werde Ginny nicht hindern, wenn sie
unbedingt will.“
„Ich bin unterwegs“, hörte er Weasley im
Hintergrund. Granger sagte irgendetwas wütendes in Richtung Weasley, aber
anscheinend apparierte er bereits.
„Ihr seid zu viert! Ihr werdet sterben!“
„Bisher habe ich gut aufpassen können!“ Dann sah er, wie sie plötzlich auf die
Füße sprang.
„Scorpius!“, hörte er ihre schrille Stimme, und
sie verschwand aus seinem Sichtfeld. Er lehnte sich weiter vor.
„Granger?“, rief er laut, aber nichts passierte. „Granger!“, wiederholte er,
und sie kam zurück.
„Er ist appariert!“, sagte sie nun entsetzt.
„Er ist was?!“, erwiderte er ungläubig, und
sie fuhr sich durch die Haare.
„Er ist appariert!“, wiederholte sie verzweifelt.
„Er ist sechzehn, er kann nicht apparieren! Er hat keine Erfahrung, er wird
sich höchstens zersplittern, und dann kann ich die Scherben einsammeln!“, rief
er wütend.
„Oder du nimmst mich einfach mit in das verdammte
Haus, damit wir diesen blöden Wichser endlich umbringen können!“, sprach hinter
ihm die äußert kalte Stimme seine Sohnes. Er wandte sich langsam um. Scorpius
war nicht zersplittert. In einem Stück stand er vor ihm, den Zauberstab
gezogen, und seine Brust hob und senkte sich heftig. Weasley kam angestürmt.
„Seid ihr Seit-an-Seit appariert?“, fragte Draco scharf, fixierte Weasley, aber
dieser betrachtete Scorpius wie vom Donner gerührt.
„Nein“, erklärte Scorpius an seiner Stelle. „Ich
hab dir gesagt, ich bin gut. Zeig mir, wie man einen Mann umbringt, und ich
werde auch das mit Erfolg bewältigen.“ Und Draco betrachtete seinen Sohn mit
Sorge. Er war… tatsächlich mehr als gut. Draco fehlten die Worte.
„Ich spreche nie wieder ein Wort mit euch!“, vernahm
er Grangers zornige Stimme. Scorpius ignorierte das Mädchen in den Flammen, und
sah nur ihn an.
„Bitte. Ich tue alles, was du willst“, sagte er
schließlich.
„Das ist illegal! Er ist minderjährig! Draco!“,
hörte er Granger schreien, aber, dass etwas illegal war, schockte Draco nicht
mehr.
„Zeig mir, was du kannst!“, sagte er also, und
sein Sohn lächelte ein Malfoy-Lächeln. Es war wie ein Spiegel in die
Vergangenheit. Draco löschte das Feuer, das sie magisch auf dem Rasen gelegt
hatten, um Kontakt aufzunehmen. Grangers Proteste gingen unter. Sie hatten
wahrscheinlich keine fünf Minuten, ehe Granger appariert wäre.
„Accio Zauberstab!“, rief Scorpius schnell, beraubte Draco
seines Zauberstabs, nahm nun je einen in beide Hände, richtete sie auf ihn und
Weasley, und ehe Draco protestieren konnte, führte Scorpius stumm den Stupor
mit doppelter Durchschlagskraft aus.
Er und Weasley flogen Meter weit nach hinten, ehe
sie unsanft auf den Boden schlugen.
Schwer atmend stand Scorpius über ihnen. Er und Weasley
tauschten einen Blick, und tatsächlich nickte Weasley anerkennend.
„Mach das mit drei Zauberstäben“, sagte er nur und
warf Scorpius auch noch seinen zu, direkt als Grangers apparierte. Draco kam
langsam auf die Beine und hätte nicht gedacht, in ausgerechnet Scorpius eine
magische Waffe zu besitzen.
Und tatsächlich riss Scorpius sie noch einmal,
alle drei, von den Beinen. Und die wütende Granger
ging mit einem Schrei zu Boden. Grinsend warf sein Sohn die Zauberstäbe zurück.
„Das war pures Glück“, murmelte Granger, die sich
den Rücken rieb und auf die Beine kam.
„Ich würde sagen, das war angewandte Magie eines
Erfahrenen“, sagte Weasley mühsam. Draco hatte immer noch nichts gesagt. Er
überlegte scharf.
„Du kannst ihn nicht gehen lassen!“, sagte Granger
eindringlich, während sie ihn böse fixierte. Als hätte er seinem Sohn dieses
Talent zukommen lassen!
„Das hast du nicht zu entscheiden!“, hörte er
Scorpius laut sagen.
„Nein. Aber ich bin sicher, auch dein Vater wird
dich nicht in unnötige Gefahr bringen wollen, nur weil du eine fixe Idee hast,
auf einmal Todesser umzubringen! Weil du weißt, wie gefährlich es ist, gehst du
zu Draco und erwartest, dass du ihn überreden kannst, weil ich es bereits
verboten habe? Du stehst unter meinem Schutz! Das ist nicht irgendeine Floskel,
Scorpius. Das ist bitterer Ernst!“ Scorpius war näher gekommen.
„Du leistest keinen guten Job. Du hast mich schon
vorher nicht beschützen können. Und verbieten kannst du mir nichts, Granger. Du
bist nicht meine Mutter!“, sagte er zornig, und Granger und sein Sohn starrten
sich wütend an. All die Jahre hatte er es geschafft, niemanden in das Leben
seines Sohnes zu involvieren. Und jetzt war Potters Auroren Parade bereit, das
Haus seiner Vorväter zu stürmen, sich in Gefahr zu begeben, und er war
verantwortlich.
Noch immer sprach keiner.
„Sie hat trotzdem recht“, erklärte Draco nun
ernst. „Es ist gefährlich.“ Er überlegte. „Wahrscheinlich zu gefährlich.“
„Was? Nein! Ich habe dir gezeigt, was ich kann! Sag
mir, was ich noch tun soll!“, forderte Scorpius zornig. „Lass dich doch nicht
von ihr blenden oder überreden! Schläfst du mit ihr? Ist es das?“, knurrte er
plötzlich, und Draco sah, wie Granger die Augen schloss.
„Nein, Scorpius. Ich schlafe nicht mit ihr. Und es
geht dich nichts an, was ich tue!“
„Nein, anscheinend nicht. Sonst hättest du mich
nicht mein gesamtes Leben in diesem gottverlassenen Waisenhaus zurückgelassen,
um irgendeinen Plan auszutüfteln, für den du am Ende doch Harry Potter brauchst!“,
presste Scorpius wütend hervor, und Draco schloss zum ersten Mal den Abstand zu
seinem Sohn. „Wahrscheinlich hattest du Angst, dass ich besser bin als du! Dass
ich mehr Talent habe als du! Mehr Erfolg, und dass ich dir nur im Weg stehe,
wenn du an dein Vermögen willst! An dein Haus! An dein Recht!“
Draco schüttelte nur ungläubig den Kopf.
„Und tut mir wirklich leid, Draco, aber
anscheinend bin ich besser als du. Immerhin habe ich Hermine schon geküsst! Du
bist einfach nur erbärmlich, und eigentlich verdienst du es nicht, dass dir
irgendjemand Hilfe-“
Er hatte so schnell ausgeholt, dass es ihn selber
überraschte. Er schlug seinen Sohn das erste Mal. Direkt ins Gesicht, die Hand
zur Faust geballt. Scorpius ging direkt zu Boden, hatte die Hände vors Gesicht
geschlagen, und Draco schüttelte die taube Faust, während er unterdrückt
fluchte.
Scorpius hatte Granger geküsst.
Das war unwichtig. Unwichtig!
Er beleidigte ihn, war undankbar, und für einen
kurzen Moment hasste Draco alles an seinem Sohn.
„Ein Glück, dass deine Mutter nicht mit anhören
muss, was für ein verdammt undankbarer Mistkerl du bist!“, rief er zornig,
während Scorpius immer noch auf dem Boden lag. Er blutete nicht, aber Draco
nahm an, dass der Schlag ausreichen würde, ihm ein blaues Augen zu bescheren,
wenn nicht sogar eine dicke Schwellung.
„Wenn du dein Leben im Haus opfern willst – bitte.
Aber retten werde ich deinen undankbaren Hintern nicht. Hast du mich
verstanden? Du bist allein. Das willst du doch so unbedingt, oder nicht, Scorpius
Malfoy?“
Sein Sohn sah ihn schwer atmend an, das Gesicht
von offenem Hass verzehrt.
Draco musste sich abwenden, ehe er schlimmere
Dinge sagte, als das. Ehe er sich nicht mehr halten konnte, und dringend
wünschte, dass Astoria lebte und Scorpius nicht.
Er hörte, wie ihm jemand folgte. Einige Meter
weiter wurde er aufgehalten.
„Du kannst nicht gehen! Du musst dich
entschuldigen! Du kannst ihn nicht schlagen!“ Granger starrte ihn völlig
schockiert an. Er musterte sie abschätzend.
„Du küsst meinen Sohn?“, erkundigte er sich
ungerührt und machte sich von ihr los. Sie verdrehte die Augen.
„Ich bitte dich! Das würde ich niemals tun! Er hat
mich geküsst. Für eine Sekunde!“
„Es ist mir egal!“, unterbrach er sie zornig.
„Kümmer dich um ihn, wenn du willst. Ich bin fertig damit.“
„Draco-“
„Nein! Es geht dich ohnehin nichts an!“
„Ach nein? Als ob es dir nicht klar sein würde,
dass er nicht irgendwann ohnehin entdeckt werden würde! Als ob du es nicht im
Endeffekt darauf angelegt hast, dass ihn jemand im Waisenhaus aufspürt und
zurück bringt. Wahrscheinlich hast du das antizipiert! Wahrscheinlich war es
nötig, dass es jemand tut, denn wie lange hättest du noch warten wollen? Er ist
dein Sohn! Und alles, was du getan hast, war, ihn zu entführen, ihn
anzuschreien, einzusperren – du hast noch keinen aufrichtigen Satz mit ihm
gesprochen!“ Er hörte ihr ruhig zu. Seine Mundwinkel zuckten freudlos.
„Dafür hat er doch dich. Er scheint seine Zeit ohnehin lieber mit seiner Eskort-Hexe Granger zu verbringen!“ Sie hatte ausgeholt,
aber dieses Mal war er vorbereitet, fing ihre Hand geschickt vor seinem Gesicht
ab und verdrehte ihr Handgelenk brutal. Sie sog schmerzhaft die Luft ein.
„Malfoy-“, keuchte sie, aber er brachte sie näher
an sich.
„Nein!“, sagte er bestimmt. „Geh mir aus den
Augen, bevor ich mich zu einem weiteren Fluch herablasse. Schlammblüter haben
hier nichts zu suchen“, ergänzte er kalt. Sie entzog ihm abrupt ihre Hand. Mit
einem letzten hasserfüllten Blick hatte sie sich von ihm abgewandt.
„Wir gehen“, rief er laut. Weasley hatte Scorpius
anscheinend geheilt. Und er musste seinem Sohn eine Sache lassen: Er war stur.
Verflucht stur, denn er griff fest um seinen Zauberstab und schien völlig
bereit, ihnen zu folgen.
Und er wandte den Blick ab.
Scorpius war nicht mehr seine Verantwortung.
Sollte er doch im Haus umkommen.
Es war ihm erschreckend gleichgültig. Granger
konnte er nirgendwo mehr entdecken.
Gregory hatte zu ihm aufgeschlossen.
„Wen magst du mehr? Deinen Sohn oder Hermine
Granger?“, fragte er leise, während sie ihre Schritte beschleunigten. Draco hob
gereizt den Blick, um seinen Diener anzusehen.
„Du kannst mich mal“, knurrte er zornig. „Wären
wir nicht ohnehin so wenige, dann hätte ich große Lust, dir auch einen Fluch zu
verpassen.“ Gregory lächelte jedoch.
Draco hasste ihn. Und gerne würde er Gregory erklären, wie wenig er
keinen von beiden leiden konnte, aber er befürchtete, das würde nicht viel
glaubhafter wirken als alles andere, was er bisher getan hatte. Er atmete also
ruhig aus.
„Wenn es aussichtslos wird, will ich, dass du
gehst“, sagte er leise. Gregory sah ihn an. „Ich meine das ernst, hast du
verstanden?“, fügte Draco eilig hinzu. „Wenn wir es nicht schaffen, dann bist
du erlöst. Dann stehst du nicht mehr in meinem Dienst. Du bist frei, zu gehen.
Das ist der letzte Befehl“, ergänzte er schließlich, ohne ihn anzusehen.
Gregory lächelte jedoch. „Ich stehe in deiner
Schuld. Nicht umgekehrt. Mein Leben für deins, Draco“, endete er erschreckend
entschieden.
„Unsinn! Wir sind quitt. Es gibt keine offenen
Rechnungen!“, sagte Draco harsch, aber immer noch wirkte Gregory
unerschütterlich.
„Ich werde nicht gehen, wenn es aussichtslos ist.“
Und Draco seufzte auf. Wieso widersetzten sich alle seinen Befehlen? Er sah
sich noch einmal um. Und er wünschte sich, dass das letzte, was er zu Granger
gesagt hatte, nicht unbedingt das Wort Schlammblut
beinhaltet hätte. Verdammt.
Kiss & Curse
Sie würde sich so nicht abspeisen lassen. Möglich,
dass sie versagt hatte, Scorpius bisher zu beschützen. Sie hatte es ohnehin von
Anfang nicht gewollt. Aber wahrscheinlich, zu einem geringen Prozentsatz hatte
sie wohl gewusst, dass sie für ihn verantwortlich war. Denn immerhin hatte sie
ihn nicht ohne Grund mitgenommen.
Und der dämliche Todesser, der sie Schlammblut
schimpfte, konnte sie auch mal kreuzweise.
Sie war bestimmt nicht die beste Hexe und fand
dann keinen Weg! Sie hatte bisher immer alles bekommen, was sie hatte haben
wollen, war jeden Weg gegangen, so unmöglich es auch war.
Sie würde einen Weg in das verdammte Haus finden,
und wenn sie es Stein um Stein abreißen musste. Lucius dachte, er hätte einen
Plan? Soweit sie es als Auror beurteilen konnte, versteckte sich ein Gefangener
in seinem Haus und hoffte, die Auroren würden irgendwann aufgeben, damit er
sich absetzen konnte, um seine Rache zu planen.
Aber so würde es nicht funktionieren.
Und nein, sie war nicht Scorpius‘ Mutter. Aber
dann sollte er sich nicht so aufführen, als hätte er das verflucht gerne so.
Sie würde ihn beschützen, weil es eben ihr Job war. Nicht weil sie sich nicht
halten konnte! Dass er es wagte, sich zu widersetzen! Ja. Er war erstaunlich
begabt, erstaunlich magisch. Und wahrscheinlich würde er nicht nach den ersten
fünf Minuten sterben. Aber das wusste sie nicht mit absoluter Sicherheit.
Sie legte den Kopf in den Nacken als sie zur
Südseite des Herrenhauses vorgedrungen war, betrachtete die brüchige Fassade
und entdeckte, wonach sie gesucht hatte. Ein Zimmer mit einem ausladenden
Balkon. Denn es gab meistens ein Problem mit solchen Flüchen, die man auf seine
Häuser legte.
War man einigermaßen klug verbarrikadierte man
seine Türen, Fenster und sämtliche Lücken im Haus. Bei einer halben Ruine, so
wie Malfoy Manor mittlerweile eine war, war es schwieriger, sich abzusichern.
Der Zauber, den Lucius angewandt hatte, war bestimmt gut genug, Muggel im
Türrahmen auf der Stelle sofort tot umfallen zu lassen, aber so etwas brauchte
Kraft.
Dann auch noch die Fenster zu sichern, den
Schornstein, jede lose Dachschindel – das war mit einer Hand voll Todessern
absolut unmöglich.
Und es hatte wenig mit Glück zu tun. Es hatte mit
Verstand zu tun. Und war Lucius bei rechtem Verstand, dann hatte er sich darum
gekümmert, dass seine Todesser vor allen Fenster und Türen Wache standen.
Aber das war der Punkt. Lucius war eben nicht bei
rechtem Verstand.
Sie apparierte ein Stockwerk höher, direkt auf den
Balkon. Als sie drehend zum Stehen kam, wandte sie sich um, um das Grundstück zu
überblicken. Selbst von weiter oben konnte sie das Ende des Gartens nicht
erkennen, sah nicht den Boden der hohen Hecken.
Sie hörte allerdings Rons Stimme. Sie brachen ein.
Sie stürmten das Haus. Die Zeit zum Handeln war also knapp bemessen, sagte sie
sich. Mit einer gelenken Bewegung, öffnete sie die
Balkontüren. Soweit kein Hindernis. Soweit kein Problem, stellte sie fest.
Dumpf hörte sie von unten Geschrei, Flüche, und
mit jeder Sekunde bekam sie mehr Angst. Scorpius war nicht fähig zu kämpfen. Er
war es einfach nicht!
Sie holte tief Luft und überschritt die Schwelle.
Kurz spürte sie den alten Zauber, den alten Fluch.
Es knisterte in ihrem Körper, ihren Fingerspitzen.
Böse Mächte griffen nach ihrem Herz, versuchten es zum Stillstand zu bewegen,
aber sie hatte recht gehabt.
Lucius brauchte die Kraft des Zaubers, um Muggel
von seinen Türen fernzuhalten. Unten würde sie größere Probleme haben. Sie
musste also die Aufmerksamkeit auf dieses Stockwerk lenken.
Kurz stutzte sie. Über dem abgedeckten Schreibtisch,
unter dem Staub der Jahre, erkannte sie ein Stück Silber an der Wand. Dort
hing, was sie nie besessen hatte. Wovon sie Jahre im Zelt bei der Zerstörung
der Horkruxe geträumt hatte. Das Abzeichen der Schulsprecher. Das silberne S
hing zwischen zwei Nadeln an der Wand, wohl lange unbeachtet. Feiner Staub nahm
ihm den Schimmer, aber ihr wurde klar, dass das Balkonzimmer wohl Malfoys
Zimmer sein musste.
Unbehaglich sah sie sich um. Die Möbel waren alle
mit Tüchern verhangen. Nichts deutete auf Dekoration oder Geschmack hin. Das
war alles fort. Der Teppich war matt grau und dick und schwer. Ihre Tritte
verursachten keinen Ton. Ein dunkler Schrank stand an der Wand. Mit
Doppeltüren, groß und wuchtig. Daneben hing eine magische Kopie des Stammbaums.
Ebenfalls wuchtig, da zwei Blutlinien, die der Malfoys und der Blacks,
verknüpft wurden.
Über dem Himmelbett hing ebenfalls ein weißes
dickes Tuch. Nichts versteckte sich dort drunter, nahm sie an. Sie bückte sich
dennoch, um unters Bett zu luken. Sie hob das dicke
Tuch an.
Eine Box lag unter dem Mahagoniholz des Betts.
Vorsichtig zog sie diese hervor. Sie wusste, sie hatte keine Zeit hierfür,
aber… ihre Neugier kaufte ihr noch ein paar Sekunden mehr Zeit. Vielleicht
hatte sie hier noch eine Waffe gefunden.
Aber nein. Sie hatte den Deckel angehoben. Das
schimmernde Holz des Nimbus glänzte im Licht, das durch die Scheiben fiel. Auf
einem zerfetzten Trainingsumhang lag sein Kapitänsabzeichen. Seine Handschuhe
waren ebenfalls arg mitgenommen. Unter dem Umhang surrte träge ein goldener
Schnatz, dessen Gold bereits schon angelaufen war. Sie musste schmunzeln. Alle
Junge klauten wohl den Schnatz gerne mal. In der Box lagen ansonsten noch ein
paar alte Klausuren, mit Ohnegleichen bestanden. Ein paar alte Zeitungen mit Artikeln
über Todesser, Voldemort, den Sturz, Mutmaßungen über Harrys damaligen
Aufenthalt und natürlich ein ausgeschnittener Artikel über den grausamen Tod
von Astoria Malfoy, den vermuteten Tod von Scorpius Malfoy und Draco Malfoy.
Sie atmete wütend aus.
Dann klappte sie die Box wieder zu, schob sie
zurück unters Bett, und beschloss, keine Zeit mehr zu verlieren. Koste es, was
es eben kosten musste!
Sie verließ Dracos Zimmer und stand nun auf einem
endlosen Flur. Von unten vernahm sie deutlich Rons Stimme, Dracos Stimme und –
Merlin sei Dank – auch noch Ginnys.
Der Kampf lief wohl auf höchsten Touren. Und ihr
Auge war ein geübtes Auge. Sie erkannte die Funken, den Schimmer, weiter
hinten, wo sie die Treppe vermutete. Bis dorthin würde sie gehen können, wenn
sie nicht schlimme Verletzungen haben wollen würde.
Sie sah sich um. Auch hier auf diesem Flur waren
die Gemälde verhangen. Alles sah kalt und unbewohnt aus. Sie griff beherzt nach
einem der Tücher und zog es von dem Gemälde.
Ein faltiger Zauberer hob den Blick.
Er musterte sie mit gerunzelter Stirn. Sie riss
das nächste Tuch von einem weiteren Gemälde. Und noch ein weiteres und noch
eins, bis sie bestimmt zwanzig Portraits von uralten Zauberern freigelegt
hatte. Manche kamen ihr bekannt vor aus irgendwelchen alten Ausgaben von
Büchern, die sie in Hogwarts nicht beachtete hatte, weil die Philosophien darin
veraltete und falsch gewesen waren.
Sie wurde grimmig angestarrt.
Sie drehte sich einmal im Kreis, um alle
anzusehen.
„Meine Herrschaften, Sie sollten vielleicht Alarm
schlagen“, riet sie nun den Männern in den Gemälden. Eine Frau war wohl nicht
gemalt worden. Diese musterten sie immer noch prüfend. „Schließlich befindet
sich ein Schlammblut in den Hallen“, fügte sie kalt hinzu.
Und es war wie ein Lauffeuer. Die Gemälde
tauschten erregte Blicke, manche verschwanden, und manche – wahrscheinlich
Verwandte der Blacks – begannen zu schreien. So wie es Hermine gehofft hatte.
Sie nutzte den Moment der Überraschung. Sie versteckte
sich eilig im nächsten Gang.
„Schlammblüter im Haus!“, dröhnte eine hysterische
Stimme den Gang entlang. Sie wartete ungeduldig, hörte unten ein Gemenge und
dann dröhnende Fußtritte auf der Treppe. Sie sprang sofort aus ihrer Deckung,
schleuderte den Stupor mit voller Kraft, und ein Mann, den sie nicht direkt
kannte stürzte mit einem Grunzen zu Boden. Seinen Zauberstab verlor er, und
Hermine klaubte ihn auf.
„Bist du verrückt?“, keuchte Ron, teilweise
wütend, teilweise beeindruckt. „Wie bist du reingekommen?“
„Der Fluch ist nur unten. Wo ist Lucius?“, fragte
sie eilig, während sie sich die Ärmel hochkrempelte.
„Noch nicht gesichtet. Die Todesser unten sind
schwer beschäftigt uns im Salon zu halten. Ich muss wieder runter.“
„Schick mir noch welche rauf!“, rief sie ihm nach.
Er nickte beim Laufen. An der Treppe rief er nach Malfoy und Goyle. Sie hörte
wie sich der Lärmpegel verschob, wie er näher rückte, wie die Kämpfer unten
versuchten, die Feinde an die Treppe zu bringen. Sie hastete zurück in Malfoys
Kinderzimmer, trat auf den Balkon und schickte ihren Patronus in Richtung
Harry, mit der Botschaft, dass er über den Balkon reinkommen sollte.
Eilig war sie wieder zurück im Flur, kampfbereit.
Der Krach war lauter geworden. Sie wagte sich
näher zur Treppe, erkannte Malfoy, der gerade einen silbernen Fluch losließ. Er
fing ihren Blick in einem kurzen Moment auf. Seine Augen weiteten sich kurz.
Heftig fluchte er erneut, schleuderte den Zauber hart in die Richtung des
Angreifers und nutzte die Chance, einige Stufen höher zu springen. Jetzt
erkannte sie den nächsten Todesser und schockte auch diesen, zusammen mit
Malfoy.
„Noch drei!“, rief er laut. „Scorpius!“, fügte er
beinahe nahtlos hinzu und sprang wieder die Stufen hinab. Sie wusste nicht, ob
gerade etwas Schlimmes passiert war, denn plötzlich stürzten zwei Todesser die
Treppe nach oben.
„Lucius!“, schrie einer so laut, dass die Wände
bebten. „Das Schlammb-“
„Aber Hermine schockte ihn grimmig, nur um den
nächsten mit einem hässlichen Furunkelfluch zu
belegen, der ihm die Tränen in die Augen trieb.
„Petrificus Totalus!“, ertönte Harrys Stimme über ihr. „Die Auroren
kommen!“, fügte er eilig hinzu, während er misstrauisch die schimmernde Linie über
dem Treppenabsatz beäugte, die auch ihm den Weg versperren würde. Aber ihn
würde der Fluch wahrscheinlich nicht unbedingt umbringen. Vielleicht nicht. Sie
war sich nicht sicher.
„Wir müssen Lucius finden“, sagte sie nur und
ärgerte sich, hier auf diesem Flur gefangen zu sein.
„Das ist nicht deine Sorge. Ich hätte es gerne,
wenn du wieder verschwinden würdest! Und du auch!“, fügte Malfoy mit einem
gereizten Blick auf Harry hinzu, als er die Treppe eilig nach oben kam. „Es ist
ägerglich genug, dass ich andere in diese Aktion
verwickelt habe.“
Sie stemmte die Hände in die Hüften und war völlig
bereit, sich mit ihm anzulegen.
„Tja, das hättest du dir einfach vorher überlegen
können!“
„Raus!“, knurrte er schließlich und fixierte sie
erschöpft. „Danke hierfür, Potter“, fügte er noch hinzu, als hätte Harry die
Todesser im Alleingang erledigt. Was für ein Arschloch!
„Ron, bist du da oben eingeschlafen?“, hörte sie
nun Ginnys Stimme, die nicht gerade fröhlich klang.
„Ich komme, ich komme!“, rief Ron zurück und eilte
die Stufen hinunter.
„Was passiert, wenn ich die Stufen runtergehe?“,
wollte Harry jetzt wissen. Malfoy ruckte mit dem Kopf.
„Bin mir nicht sicher. Ist schon schwer genug den Zauber gegen Muggel aufrecht
zu erhalten. Wahrscheinlich erscheinen bei den Halbblütern nur die zahmen
Teppichdämonen.“
„Zahm sind die nicht, verdammt! Ich habe sie schon
gesehen. Und die sind reichlich wütend!“, gab sie schnaubend zurück. „Und
außerdem, dein Lieblingswort war bestimmt nicht Muggel, Malfoy!“, brauste sie
auf, und Harry sprang auf die erste Treppenstufe. Staub wirbelte
unheilschwanger aus dem Teppich auf und formte sich zu einem großen Schatten.
„Das sollte ziemlich lustig werden!“, murmelte
Harry grimmig und lief einfach geradeaus weiter, der Schattendämon direkt auf
seinen Fersen hinterher. „Ich bringe Gäste!“, hörte sie Harry rufen und dann
tanzten bunte Flüche durch den Salon, die wohl auf den letzten Todesser
gerichtet wurden.
„Und du verschwindest!“, sagte er scharf, und
schob sie über den Flur.
„Hey!“, protestierte sie heftig. „Was ist mit
Scorpius? Ist er ok?“
„Er ist mehr als das. Du gehst.“
„Wo ist Goyle?“
„Sucht Lucius.“
„Allein?“
„Granger, das ist hier ist kein Spiel.“ Er schob sie
direkt in sein altes Zimmer, aber sie machte sich von ihm los.
„Malfoy, ich kann-“
„Nein!“, unterbrach er sie laut. „Du kannst mir
den letzten Nerv rauben, uns alle in Gefahr bringen, aber du kannst auf gar
keinen Fall bleiben! Ich habe keine Zeit, mich um dich zu kümmern, Granger.“
„Ich will nicht, dass du dich kümmerst, ich-“
„Verstehst du es nicht? Es ist gefährlich!“
„Ich bin Auror!“
„Du bist tot, wenn du die Stufe berührst!“, schrie
er außer sich. „Denkst du, dass ist es, was ich heute auch noch über meinem
Kopf schweben haben möchte? Deinen Tod?“, knurrte er böse, aber sie wollte
wieder an ihm vorbei.
„Für wie unfähig hältst du mich?“
„Du kannst hier nichts ausrichten! Es gibt nichts
im ersten Stock, was deiner Anwesenheit bedarf, Granger! Geh endlich. Bring
dich in Sicherheit! Du hältst uns nur auf!“
Sie fixierte ihn wütend. Sie kam sich unter seinem
Blick völlig nutzlos vor, dabei wäre er ohne sie überhaupt nicht soweit gekommen!
„Du bist ein egoistisches Arschloch!“
„Ich bin egoistisch? Weil ich nicht will, dass du
stirbst?“
„Ich sterbe nicht!“
„Was wenn doch? Was
dann? Was, wenn-“ Er schloss die Augen, rieb sich über die Stirn und schüttelte
schließlich den Kopf. „Nein“, sagte er schließlich, ruhiger als vorher. „Du wirst
jetzt gehen.“
„Malfoy-“
„Meine Geduld kannst du morgen testen. Nicht mehr
heute, Hermine.“ Ihr Name klang ernst und völlig selbstverständlich, so wie er
ihn sagte. Als hätte er ihn immer gesagt.
„Wo ist dein Vater?“, fragte sie wieder, nicht
mehr ganz so wütend.
„Ich werde ihn suchen“, erklärte er, den Blick
über die Schulter gewandt, bereit zu gehen.
„Was, wenn du stirbst? Was dann? Hast du darüber schon nachgedacht? Was ist mit
Scorpius? Was soll er dann machen?“
„Er ist dann ein reicher Junge“, gab er knapp
zurück. „Er braucht mich nicht.“
„Du bist so ein Idiot!“, gab sie kopfschüttelnd
zurück.
„Ich denke, er hat es völlig klar gemacht, dass er
auf mich nicht angewiesen ist!“ Er wurde wieder wütend.
„Du bist sein Vater! Natürlich braucht er dich!
Natürlich öffnet er sich dir nicht, wenn alles was du tust, ist, ihn zu
bevormunden, ihm alles zu verbieten, ihn zu untergraben und keine Sekunde Zeit
mit ihm verbringst!“
„Granger, du hast keine Ahnung! Du verstehst
nicht, was es bedeutet, ein Elternteil zu sein!“
„Oh ja. Richtig. Ich denke, mein Kind verlassen
und im schmutzigsten Waisenhaus der Stadt zurücklassen hätte ich noch gerade so
hinbekommen, Malfoy!“ Er fixierte sie wieder. Sein Blick wurde kalt. Es würde
kommen. Die nächste messerscharfe Beleidigung würde kommen. Er würde nicht
zögern. Er zögerte ja nie davor, irgendwelche Gefühle zu verletzen, wann immer
sich die Gelegenheit dazu bot.
„Man sagt, ein Kind braucht zumindest ein
funktionierendes Elternteil um ein halbwegs verantwortungsbewusster Mensch zu
werden. Meine Mutter hat alles getan, was mein Vater von ihr wollte. Mein Vater
ist ein Psychopath. Ohne Herz. Ohne Reue. Was denkst du, kommt dabei heraus,
Granger? Nach meiner Rechnung kommt das scheußlichste Lebewesen was es geben
kann am Ende heraus.“
Und das war keine Beleidigung gewesen, ging ihr
auf. Sie atmete aus. Sie kannte ihn so nicht. Ganz und gar nicht. „Stell dir
vor, deine Eltern sind nicht weiter von Wichtigkeit für dich. Sie interessieren
sich nicht. Und sie geben dich auf. Du bist allein und froh, dass du am Ende
eine Frau gefunden hast, die es über sich gebracht hat, dich zu lieben,
Granger. Dich so sehr zu lieben, dass sie sogar ein Kind von dir zur Welt
bringt. Und diese Frau wird umgebracht. Von deinem Vater. Und ich habe getan,
was ich in meiner grauenhaften Verfassung als Mensch noch tun konnte. Du sagst,
das wäre es nicht gewesen, was ein vernünftiger Mensch getan hätte? Ein
liebender Vater? Ein Mann, der noch Gefühle hat?“ Er sah ihr fest in die Augen.
Sein Körper war nur noch von seiner Kälte bewohnt. Sie glaubte, er hatte alles
verloren. Es war absolut furchterregend.
„Granger, da sind keine Gefühle mehr. Da ist
nichts mehr. Wenn dir also daran gelegen ist, mich zu verletzen, dann tut es
mir leid, denn-“ Es brach ihr Herz. Er brach ihr Herz. Sie schüttelte bloß den
Kopf, griff in seinen Nacken und stoppte seine Worte durch ihren Kuss.
Ihre Lippen lagen ruhig auf seinem Mund. Er
versteifte sich sehr plötzlich, bewegte sich nicht, und für ein paar Sekunden
passierte gar nichts, und die Welt stand still.
Schließlich zog er den Kopf ein Stück zurück, fast
erschrocken. Sie hielt seinen Kopf immer noch in ihren Händen, und er sah
völlig erschüttert auf sie hinab.
„Mitleid…“, flüsterte er. „Die Schwäche der
Gryffindors“, fügte er rau hinzu, ließ sie aber nicht aus den Augen. „Das hat
euch schon immer den Kopf gekostet, und-“ Sie zog ihn wieder näher, ignorierte
die Worte, die nur seiner unsicheren Natur entsprangen und berührte seine
Lippen erneut. Aus zaghaft wurde forschend, und sie wollte ihm eigentlich nur
zeigen, dass er nicht allein war. Dass er Gefühle hatte! Dass Mitleid keine
Schwäche war….
Er zog den Kopf dieses Mal heftiger zurück.
„Granger…“, begann er leise, die Augen geschlossen. „Du musst gehen. Alles, was
mir etwas bedeutet, verliere ich schon allein durch meine Anwesenheit“,
flüsterte er.
„Dann… hast du ja doch Gefühle? Das… ist doch
eigentlich unmöglich, richtig?“, gab sie ruhig zurück und fand die Kraft, zu
lächeln. Er sah sie an. Er hatte die Augen langsam wieder geöffnet.
„Richtig“, bestätigte er. „Du machst einen
Fehler“, fügte er hinzu.
„Das ist deine Meinung“, erwiderte sie und fühlte
sich unheimlich leicht.
„Du bist unheimlich stur“, fuhr er nickend fort.
„Noch eine meine guten Qualitäten.“ Er schwieg
schließlich. Seine Hand hob sich erstaunlich ruhig zu ihrem Gesicht. Seine
Finger fuhren über ihre Wange, ihren Mundwinkel, ihre Unterlippe, während er
den Kopf langsam senkte. Sie sah, dass er die Kontrolle bis zu letzten Sekunde
nicht wagte aufzugeben. Seufzend machte er den letzten Schritt, überwand sein
letztes bisschen an falschem Stolz und seine Lippen pressten sich auf ihre. Er
atmete sie förmlich ein, verschmolz mit ihr, und, als wäre ein Feuer entfacht,
teilte er ihre Lippen mit seiner Zunge, und überrascht keuchte sie auf.
Sein Arm hatte sich um sie geschlungen, während
plötzlich alle Gefühle losbrachen, die sie beschreiben konnte. Seine Zunge
fühlte sich unglaublich dominant, unglaublich fordernd in ihrem Mund an. Seine
Hand hatte sich in ihren Haaren vergraben, zwang sie, still zu halten, und sie
konnte nicht anders als, gefangen in den Sensationen, den Kuss zu erwidern. So
verzweifelt und willig wie er es tat. Immer wieder stieß seine Zunge in ihren
Mund, schien sie zu erkunden, sie zu schmecken, und sein unterdrücktes Stöhnen
sandte Schübe der Ekstase durch ihren Körper, der auf ihn reagierte, als stünde
er plötzlich in Flammen.
Sie vergrub ihre Hände in seinen Haaren, presste
sich enger an ihn und wusste mit aller Macht, dass sie bestimmt keinen Fehler
gemacht hatte! Fehler fühlten sich nicht… so gut an? Und das tat er! Er fühlte
sich unbeschreiblich an. Voller Kraft, voller Drang. Ungeduldige Lust
durchbrach seine sonst so reservierte Oberfläche, und sie wusste, sie würde
alles um sich herum vergessen. Seine Hände griffen fest in ihre Hüften, hoben
sie fast vom Boden hoch, als er ein weiteres Mal ihre Lippen eroberte und ihre
Zungen miteinander fochten, als wäre es der letzte Kuss der Welt.
So eine Leidenschaft hatte sie noch nie gespürt.
Und sie musste annehmen, es war nur so, wegen der drohenden Gefahr, die über
ihnen schwebte.
Gefahr, richtig! Sie musste… aufhören. Wieder
normal werden. Einfach den Kopf von ihm lösen…. Aber es war unmöglich! Sie
konnte nicht! Sie….
„Draco!“
Der Schrei gellte durch das gesamte Haus. Und sie
erkannte die Stimme sofort. Der Kuss war unterbrochen. Sie standen schwer
atmend voreinander. Und es dauerte nur noch den Bruchteil einer Sekunde, ehe er
sich gefangen hatte und sich in Bewegung setzte.
„Dad!“, schrie Scorpius. Und diesmal noch lauter.
Sein Sohn schrie um Hilfe. All ihre Instinkte erwachten augenblicklich! Sie
setzte ihm nach, aber scharf hielt er inne und wandte
sich um.
„Nein! Tut mir leid“, sagte er rau, hob den
Zauberstab mit glasigem Blick und ehe sie völlig begriff, was er tat, ehe sie
wieder auf dem Boden der grausamen Realität angekommen war und den Zauberstab
hatte ziehen können, traf sie der Stupor direkt in die Brust.
Sein entschuldigendes Gesicht verschwamm vor ihren
Augen, und lautlos sank sie auf den weichen Teppich und hatte das Bewusstsein
verloren.
The Fall of Malfoy Manor
Er hatte die Tür hinter sich mit einem Fluch
versiegelt, der sogar sie an Zeit kosten würde. Der Fluch tat ihm leid. Mehr
als das! Aber er würde sie nicht verlieren! Und musste er sie dafür auch
bewusstlos hexen. Es war zu ihrem eigenen besten. Das würde sie etwas anders
sehen, aber dafür hatte er keine Zeit. Er stürmte den Flur entlang, die Treppe
nach unten, wich dem Teppichmonster aus und konnte Scorpius nicht entdecken.
Er rannte durch den Salon, stolperte fast über den
letzten Todesser und hechtete weiter. Durch die Halle, die nächste Treppe
hinauf. Wo waren die anderen?
Er war dankbar für das Adrenalin, die Panik und
alle anderen Gefühle, denn die hielten ihn davon ab, darüber nachzudenken was
gerade passiert war. Das Haus war gefährlich. Das war es immer gewesen. Und
dieses Mal würde Lucius nicht gewinnen.
Garantiert nicht! Die Gänge schienen endlos zu
sein. Noch immer hörte er nichts.
Nur wen er ab und an einem Fenster vorbei kam, sah
er wie mehr und mehr Auroren den Rasen füllten. Das Ministerium rückte mit
voller Besatzung an.
Aber was nützte das, wenn Lucius im Haus war?
Er hatte den nördlichsten Teil des Hauses
erreicht. Er nahm den letzten Flur. Er sah niemanden auf seinem Weg. Und er
wagte nicht nach seinem Sohn zu rufen.
Lucius Arbeitszimmer lag vor ihm. Es war die
letzte Tür am Ende des Ganges. Wie oft er dort gewesen war. Er konnte es nicht
mehr zählen.
Aber die Jahre die es her war, konnte er auch kaum
noch fassen.
Und gegen all sen
besseres Wissen öffnete er die Tür. Er wusste, müsste er nun einen Endgegner
besiegen, dann wäre dies die Tür durch die er gehen musste.
Sie schwang lautlos auf, als würde sie immer noch
geölt werden. Aber er sah direkt an den Möbeln, der einst so feinen
Einrichtung, dass hier Jahre niemand mehr einen Lappen in die Hand genommen
hatte.
„Mein Sohn“, begrüßte ihn sein Vater mit einem
kühlen Lächeln. Der Lucius in Askaban hatte ein gutes Abbild abgegeben, aber er
war nichts im Vergleich zu dem Original.
„Lass in runter.“
„Er ist so gut wie tot“, erwiderte Lucius
ungerührt. Mit einem Zauberstab hielt er Scorpius im Schwebezauber gefangen. Blut
tropfte auf den Teppich und Dracos nackte Panik verwandelte sich in Zorn. „Ah,
nein, Draco. Noch einen Schritt, und ich töte dich an seiner Stelle.“
„Was willst du?“, knurrte er. Er fühlte alles, nur
konnte er nichts davon genau fassen. Er fühlte Sorge und Zorn. Wut und Hass.
„Willst du Gold? Du denkst, wenn du Scorpius tötest bekommst du Gold? Oder
mich?“
„Ich gebe dir die faire Chance zu fliehen, so wie
deine Freunde. Trete in den magischen Kreis, der Scorpius umgibt und das Gift
des Zaubers tötet dich innerhalb einiger Stunden, Draco. Du kannst es dir
aussuchen.“
„Welches Gift? Was tust du?“, schrie er zornig,
machte noch einen Schritt nach vorne, zögerte jedoch, als der magische Kreis um
Scorpius grün aufglühte.
„Du hättest deinen Sohn nicht in diese Gefahr
bringen müssen.“
„Du willst ihn doch ohnehin töten!“
Er konnte nicht fassen, dass er hier stand und
überhaupt nichts tat!
„Noch ist er lebendig. Verschwinde aus meinem
Haus, sag den Auroren, sie sollen abziehen, und wir kommen alle lebend aus der
Sache raus.“ Die Augen seines Vaters waren stumpf. Seine Haut gräulich und sein
Körper war hager geworden. Er sah nicht mehr aus wie ein Mensch. Sie waren alle
keine Menschen mehr.
„Wir alle? Was genau passiert, wenn ich dich mit
meinem Sohn hier alleine lassen, damit du fliehen kannst?“
„Ich werde ihn töten“, erwiderte Lucius kalt.
Draco schnaubte auf. „Aber du bleibst am Leben. Fair. Nicht wahr?“
„Nein. Vergiss es. Du wirst sterben.“
„Du willst es drauf ankommen lassen?“
„Du wirst meinem Sohn kein Haar krümmen. Du wirst
ihn runter lassen, du wirst dich stellen. Tust du das nicht, werde ich dich
töten. Und meine Geduld schwindet.“
„Denkst du wirklich, ich habe keinen Plan B?
Denkst du, wir sind alleine in diesem Zimmer, Draco?“ Lucius lächelte ein
grausiges Lächeln. „Mit einem Wink kann ich dir die Kehle durchschneiden
lassen. Das hier ist keine Verhandlung. Ich stelle hier die Regeln auf. Wenn
ich sage, flieh, dann fragst du, wie weit.“
Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt, und er
wusste nur, fliehen würde er nicht.
Würde er bleiben, würde er sterben. Scorpius würde sterben. Und wusste Salazar, wer noch alles sterben
würde!
Sein Blick glitt über seine Schulter nach draußen.
Dort formierten sich sämtliche Auroren in einem Kreis. Sah er etwa Granger dort
unten? Hatte sie jemand gefunden und geholt? Gut so. Sie sollte nicht sterben.
Was taten die Auroren? Lucius ging nicht einmal darauf ein.
„Meine Geduld ist auch am Ende. Geh, und ich gebe
dir zwei Tage Vorsprung.“ Das war kein Handel, auf den er eingehen würde.
„Das Ministerium muss blind sein, zu überlegen,
dich eher aus der Haft zu entlassen. Den Kuss hättest du bekommen müssen, du
Scheusal“, knurrte er tonlos.
„Du stehst immer noch hier. Dein Sohn scheint dir
genauso wenig zu bedeuten wie dein eigenes Leben.“ Er ballte die Hände zu
Fäusten, den Zauberstab festumschlossen, damit ihm kein unsichtbarer den Stab
entreißen konnte.
Und plötzlich spürte er etwas.
Lucius schien für einen Moment zu wanken. Seine
Fassade entglitt ihm kurz. Es fühlte sich an, als würde die Erde erzittern. Es
war mächtig. Und um sich herum hörte er Gemurmel. Die unsichtbaren Todesser
schienen es mit der Angst zu bekommen. Lucius warf einen zornigen Blick in die
Runde.
„Niemand rührt sich!“, befahl er donnernd. Dracos
Gehirn arbeitete schnell, kam aber zu keinem Schluss.
Dann bebte die Erde erneut. Ein mächtiger Donner
erschütterte die uralten Mauern. Dieses Mal hörte er ängstliche Stimmen
wispern. Und einen erschrockenen Laut, als ein Stein das Fenster zerbrach.
Draco nahm an, dieses war nicht das einzige Fenster.
„Ich habe es mir anders überlegt“, presste Lucius
hervor, brach den Zauber, mit dem er Scorpius hielt, und sein Sohn fiel
bewusstlos zu Boden. Noch Bevor Draco zu ihm stürzen konnte, hatte sein Vater
gezielt. „Expelliarmus!“,
bellte er, und Dracos Zauberstab entriss sich selber seiner Hand und landete
fünf Meter entfernt neben dem Schreibtisch.
„Avada Kedavra!“
Alles geschah im Bruchteil einer Sekunde. Das
grüne Licht schoss aus der Spitze des Zauberstabs seines Vaters. Die Zeit floss
zäh dahin. Bevor der letzte Atem seiner Lunge entwich, stürzte eine
schemenhafte Gestalt durch das zerbrochene Fenster. Die Gestalt riss ihn zu
Boden. Aller Luft wurde aus seinem
Körper gepresst. Mit dem nächsten Beben bröckelte Putz von der hohen Decke. Die
Todesser gaben ihre Positionen auf. Draco war von Körperteilen begraben, die er
nicht zu ordnen konnte. Mit aller Macht setzte er sich hustend auf, schob das
Gewicht von sich, bewegte sich vom Boden aus durch den Staub vorwärts. Er fand
einen Zauberstab! Nicht seinen, aber das war egal.
Er kam auf die Beine, Staub wirbelte auf.
„Avada Kedavra!“
„Avada Kedavra!“
Vater und Sohn sprachen den gleichen Spruch zur gleichen
Zeit. Beide Todesflüche prallten aufeinander. Und Scorpius war sehr plötzlich
auf die Beine gekommen, Dracos Zauberstab fest in der Hand. Die Flüche
verbanden sich und wechselten Die Bahn, steuerten auf Scorpius und ehe Draco
schreien konnte, hatte Scorpius den Zauberstab mit beiden Händen empor
gerissen.
„Expelliarmus!“, keuchte er und zielte auf Lucius. Der grüne
Fluch verband sich mit dem roten. Und Lucius schnappte vor Überraschung nach Luft,
versuchte den Todesfluch zu halten, hatte aber keine Kraft. Kein bisschen Kraft
mehr übrig.
Scorpius gewann den Kampf. Der rote Fluch fraß
sich durch die grünen Fasern des Todesfluch, spaltete Lucius‘ Zauberstab, und
mit einem letzten Schrei wurde Lucius‘ Dasein beendet. Der Fluch traf ihn mit
voller Wucht, schleuderte seinen Körper nach hinten an die Wand, die unter dem
nächsten Beben zusammen stürzte.
„Raus! Wir müssen raus!“, schrie Draco. Die
Todesser mit Desillusionierungszauber leisteten Folge, verschwanden unsichtbar
durch Türen und Fenster, aber Scorpius stützte sich keuchend mit den Händen auf
den Knien ab.
„Scorpius!“, wiederholte Draco lauter, kam auf ihn
zu und zog ihn mit sich.
Der Staub lag so dicht, dass er die Tür nicht mehr
sehen konnte. Er musste durch das Fenster, hob den Zauberstab und wandte den Lumos an, um besser sehen zu können.
Goyles Zauberstab funktionierte nicht übel in
seiner Hand.
Sein Gehirn machte den nächsten Schritt.
Aber sein Kopf weigerte sich zu akzeptieren, als
er Scorpius durch das Fenster schob. Die Mauer gab bereits nach. Er sprang ihm
nach, stieß Scorpius nach vorne, damit er noch ein paar Meter zwischen sich und
das Haus brachte und hechtete ihm nach.
Sie stürzten beide auf die Erde, als das Haus
hinter ihnen zusammen brach.
Der Lärm war so ohrenbetäubend, dass er die Augen
schloss, sich über Scorpius warf und wartete. Auf seinen Tod, auf das Ende, auf
Stille.
Und nach einer Minute war es vorbei.
„Draco!“, hörte er ihre Stimme. Endlich. Nach
einer Ewigkeit.
Langsam hob er den Kopf. Staub und Schutt rieselte
von seinen Haaren herab. Sie hatte einen Schutzzauber über ihn und seinen Sohn
gelegt. Er atmete unter ihm heftig.
Auroren liefen hin und her. Draco wagte nicht, sich
umzudrehen, von Scorpius fort zu weichen, etwas zu sagen. Er lag völlig
unbewegt auf dem Boden, sah sie an und spürte wie Blut aus Millionen winziger
Kratzer floss, die er sich beim Sturz zugezogen hatte.
Sie kniete sich vor ihn. „Draco“, wiederholte sie
leiser. „Scorpius!“, fügte sie erleichtert hinzu. Sein Sohn kam auf Hände und
Füße und ließ sich von Granger umarmen.
Und langsam, wie in Trance, schüttelte Draco die
Starre ab, kam stolpernd auf die Beine und wandte sich um. Granger sprach, aber
er ignorierte die Worte, hörte sie nicht einmal.
Nebelschwaden hingen in der Luft, umgaben die
nächste Umgebung. Das Haus seiner Urväter war dem Boden gleichgemacht. Nichts
stand mehr. Alles war zusammen gestürzt, vom Dach bis zum Keller. Ein riesiger
Schutthaufen thronte jetzt in dem einst herrschaftlichen Garten.
Langsam machte er Schritt auf das Geröll zu, was
einmal sein Zuhause gewesen war. Hier und da erkannte er Stühle, Tische,
Kommoden, Reste von Teppichen im Nebel und dem Staub. Er machte nur wenige
Schritte. Granger rief ihn erneut. Aber er war wie von Sinnen, als er über das
Geröll kletterte, Auroren hinter ihm rufen hörte und er Stein um Stein zur
Seite fegte. Da ein Buch, hier eine Schublade, einen Bilderrahmen, noch mehr
Schutt. Es scherte ihn nicht, dass seine Finger aufrissen.
Er wusste, wer durch das Fenster gesprungen war
und seinen Todesfluch abgewandt hatte. Wer ihn auf sich genommen hatte. Ohne zu
fragen! Ohne ihn vorher zu fragen!!!
Nach einem weiteren Berg Geröll sah er es. Er sah
eine staubige Hand. Keuchend zerrte er schmutzige Vorhänge und Steine zur
Seite, gab immer mehr frei, zog heftig an dem Freund, der längst verloren war.
„Nein!“, flüsterte er stumm. „Nein!“ Der Staub um
ihn herum lichtete sich. Formen wurden wieder zu Formen. Er lag auf dem Rücken,
bedeckt von Steinen. Heiße Tränen liefen Dracos schmutzige Wangen hinab.
„Gregory, komm schon“, murmelte er, zerrte an dem leblosen Arm, versuchte seine
Schultern zu heben, ihn umzudrehen, ihn aus dem ganzen Chaos zu entziehen. Aber
der Schutt hielt ihn fest am Boden. Sein Bein war unter einem schweren Balken
gefangen.
„Hilfe! Ich brauche Hilfe!“, krächzte seine
unkenntliche Stimme.
„Draco“, hörte er eine dumpfe Stimme hinter.
Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter. Er wischte sie achtlos weg, zerrte
wieder an Gregorys leblosem Körper und schrie auf, als ihn jemand nach hinten
zogt. „Lass ihn gehen. Draco, lass ihn gehen.“ Potters Stimme drang langsam zu
ihm durch. Er ließ zu, dass er seine Arme zurückhielt, bewegte sich aber kein
Stück.
Er konnte nicht tot sein. Er durfte nicht.
Der Staub hatte sich noch nicht völlig gelegt.
Aber er erkannte die Überreste seines Hauses vor sich deutlicher. Das Portrait
war durchgebrochen und ragte wie ein bedrohlicher Berg aus der Mitte der Trümmer.
Sein Gesicht auf dem Portrait bewegte sich nicht mehr. Der Zauber war
gebrochen, und ie Gesichter waren jetzt starr
geworden. Lucius Haare waren lang, seine Mutter blickte starr nach vorn, und
sein eigenes Gesicht richtete den Blick in eine unbekannte Ferne. Alle
Habseligkeiten seiner Familie waren zerstört und lagen nun, ohne dass ein Fluch
auf ihnen lastete, verstreut.
Und inmitten dieser Sachen lag sein bester Freund.
Sein einziger Freund.
Sein Freund, mit dem er alles durchlebt hatte. Den
Tod seiner Familie, seine Flucht, das Verstecken seines Sohnes. Sein Diener,
der eigentlich viel mehr war als das.
Wenn er die Augen schloss, sah er den pausbackigen
Jungen, der ihm Hogwartsexpress im ersten Jahr seinen Platz für ihn aufgegeben
hatte.
„Es tut mir so leid!“, flüsterte er heiser. „Greg,
es tut mir so leid!“ Tränen nahmen ihm die Sicht. „Bitte, geh nicht. Bitte
nicht! Geh nicht auch!“
Und wäre Lucius nicht tot und unter Steinen
begraben, würde er ihn noch ein weiteres Mal töten! Und danach noch einmal um
sicher zu gehen!
„Dad“, hörte er eine vorsichtige Stimme. Scorpius
machte sich seinen Weg durch das Geröll auf ihn zu. Potter erhob sich, um für
Scorpius Platz zu machen. „Dad“, wiederholte er leiser.
Dad. Ja. Er war ein Dad.
Gregory war auch ein Dad. Er schloss verzweifelt
die Augen. „Deine Schuld ist so viel mehr als erfüllt, mein Freund“, flüsterte
er dem Körper vor sich zu. „Du bist frei“, fügte er noch leiser hinzu. Seine
Hand ließ von Gregory Goyle ab, und er zog seinen Sohn ohne Worte zu sich in
seine Arme. Und auch wenn Scorpius es zu unterdrücken versuchte, versuchte,
tapfer zu sein, so hörte es Draco dennoch. Scorpius weinte. Er zuckte ab und an
zusammen, und Draco presste ihn fest an sich. So fest es ging. Sein Blick hob
sich gen Himmel.
Die Sonne bahnte sich einen Weg durch den Nebel
der Verwüstung und schien ruhig und friedlich über den Bergen.
Es war vorbei.
Pansy
Die Beerdigung war im so kleinen Kreise geschehen,
dass die Anwesenden so gut wie an einer Hand abzuzählen waren. Potter und seine
Frau, Weasley, Granger, er und Scorpius.
Der magische Priester hatte die letzten Worte
längst gesprochen. Der Sarg war längst versenkt und der Stein durch
verschiedene Zauber erschienen und beschriftet.
„Kommst du?“ Granger stand neben ihm. Sie hatten
nicht mehr über den Kuss gesprochen. Sie hatte ihm nicht übel genommen, dass er
sie verflucht und eingeschlossen hatte.
Sie hatten über gar nichts mehr gesprochen, was
etwas mit privaten Angelegenheiten zu tun hatte. Das Ministerium hatte die
Aufsicht über Scorpius aufgegeben. Es hatte ihn von aller Schuld befreit, was
eine großzügige Geste war.
Scorpius war wieder sein Sohn. Er hatte zurzeit
kein Haus. Er wohnte bei Granger in der Wohnung. Mit Scorpius. Und Ronald
Weasley. In vergangener Zeit wäre das wohl sein Albtraum gewesen. Aber Weasley
verbrachte seine Zeit damit, zu packen und verstimmt zu sein. Er dachte wohl,
er und Granger waren eine Art Paar.
Aber er wusste nicht, was sie waren. Auch Scorpius
hatte ihn gestern gefragt. Er hatte es nicht beantworten können.
Er hatte auch keine Arbeit. Er hatte in den
letzten Jahrzehnten keiner nachgehen können. Das Vermögen war seins. Die
Todesser waren geflohen.
Er atmete langsam aus, nicht sicher, was er jetzt
sagen musste.
„Später. Ich muss noch eine Kleinigkeit
erledigen.“
„Ron zieht heute Nachmittag aus“, informierte sie
ihn vage, und er hatte keine Ahnung, was sie damit sagen wollte. Er sah sie
also an. Hieß das…, dann waren sie allein in der Wohnung? Und dann was?
„Ok“, erwiderte er also. „Ich sollte mich auch
nach einer neuen Wohnung umsehen.“ Wahrscheinlich wollte sie ihm damit einen
Wink geben, dass er auch langsam mal was finden sollte.
„Äh… ja.“ Sah sie verschlossen aus? Hatte er etwas
Falsches gesagt?
„Wir könnten natürlich auch weiterhin eine
seltsame WG haben, Granger“, korrigierte er sich und schenkte ihr ein kleines
Lächeln. Sie sah an ihm vorbei, hinunter auf den Grabstein.
„Nein. Schon gut.“ Sie nickte ihm noch kurz zu.
„Du kommst noch zum Kaffeetrinken zu Harry und Ginny, richtig?“ Ehe sie gehen
konnte, hatte er sie am Handgelenk aufgehalten.
„Danke. Für deine Hilfe“, erklärte er knapp. Sie
ruckte unwirsch mit dem Kopf.
„Das ist mein Job.“
Anscheinend hatte er irgendwo im laufenden
Gespräch einen Fehler gemacht. Aber er konnte nicht konstruieren wann oder wo.
Er wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, aber jetzt zu versuchen, ihr
näher zu kommen, würde wohl fatal enden, nahm er an. Er ließ also von ihr ab.
„Ja, ich komme später“, sagte er also nur und ließ sie gehen. Scorpius hatte
noch auf sie gewartet und ging nun mit ihr zusammen. Er war stolz auf seinen
Sohn. Und dieser hatte sich sehr an Granger gewöhnt.
„Ok, wir sind allein“, murmelte er, zum Grab
gewandt. Immer noch hatte er Gregorys Zauberstab. Das Grab blieb stumm. Er
hatte gehofft, Gregory würde als Geist zurückgeblieben sein. Aber natürlich war
er das nicht. Er war nicht mehr aufgetaucht.
Für gewöhnlich wurde der Zauberer mit seinem
Zauberstab begraben.
Auch Lucius‘ Zauberstab war nicht mit ihm
verschwunden. Er hatte ihn noch in der Tasche des Umhangs. Seine Beerdigung war
bereits gewesen. Anonym. So viel hatte Draco ihm gegönnt. Lucius‘ Name sollte
nie wieder mit der Familie Malfoy in Zusammenhang gebracht werden können. Nie
wieder.
Er sah sich um, aber niemand war mehr hier oben
auf dem Hügel. Sachte steckte er den Zauberstab in die frische Erde des Grabs.
„Requiescat in Pace“, sagte er und ließ den
Zauberstab los. Durch die Erde schien ein warmes rotes Licht in den Zauberstab
zu fließen, bis er vollständig erleuchtet war.
Draco zog ihn mit einem Ruck aus der Erde. Das
Licht blieb. „Entschuldige die Störung. Aber wir haben noch einen kleinen Weg
vor uns.“ Ja. Einen Weg, um den er seinen besten Freund gebracht hatte. Aber er
würde es nachholen. Er machte ein paar Schritte und apparierte dann auf der
Stelle.
Er erreichte die winzige Ortschaft hinter Sussex
nach wenigen Augenblicken, kam drehend zum Stehen und duckte sich hinter
blühenden Ginster, während er über die Straße lugte.
Das kleine Haus lag friedlich am Ende der Straße.
Luftballons schmückten die Bäume im Garten. Eine Horde an Jungen rannte durch
den Garten, johlend und voller Freude.
Devons Geburtstag. Vorsichtig schlich er sich über
die Straße, darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Er wandte sich um, ob
niemand kam, und als er den Kopf zurückwandte, stieß er fast mit ihr zusammen.
Im Arm trug sie einen Korb, voll mit Süßigkeiten und Kleinigkeiten, die einem
Kind den Magen bestimmt verderben konnten.
„Entschuldigen Sie“, sagte sie freundlich und
musterte seine Erscheinung ganz kurz mit einem Hauch Skepsis, so wie es die
meisten Muggel taten, wenn sie zufällig einen Zauberer im Umhang sahen. In
ihrem Gesicht lag kein Wiedererkennungswert. Natürlich nicht. Draco hatte ganze
Arbeit geleistet.
„Kein Problem“, gab er schließlich zurück. Sie war
älter geworden. Natürlich. Aber er sah es ihr nicht an. Er sah dieselbe Pansy
wie zur Hochzeit von ihr und Gregory. Wäre sein Herz nicht schon längst
zerfetzt und kälter geworden, hätte er geweint. Die Pansy, die ihm im fünften
Jahr ihre Liebe gestanden hatte. Die Pansy, mit der er sein erstes Mal gehabt
hatte. Die Pansy, die seinen besten Freund geheiratet hatte, weil er ihre wahre
Liebe gewesen war.
Die Pansy, die Gregory hatte schützen wollen, weil
die Todesser hinter ihr her waren, weil die Goyles in Verbindung mit den
Malfoys gestanden hatte. Die Pansy, für die er ein neues Leben gefunden hatte.
Gregory hatte nie wissen wollen, wen sie geheiratet hatte. Er hatte aber selbst
vorgeschlagen, Pansy ein Leben zu geben, ohne Angst. Ohne Sorge. Ein Leben, von
dem sie glaubte, es wäre das gewesen, was sie immer hatte führen wollen. Er
hatte ihre Magie genommen, Devons Magie genommen, und hatte sie glauben lassen,
sie wäre seit der Middleschool mit Rupert Green
zusammen gewesen und wäre auch von genau diesem Mann schwanger geworden. Den
Namen Goyle hatte er aus ihrem Gedächtnis verbannt. So wie den Namen Malfoy.
Sowie Hogwarts, Voldemort, Todesser – alles.
Mit einem höflichen, aber aussagelosen Lächeln,
verschwand sie durch das Gartentor im Garten. Die Jungen stürmten auf sie zu.
„Mum!“, schrie Devon, der fast so pausbäckig und
freundlich wie Gregory aussah, als dieser zehn Jahre alt war. „Endlich!“
„Er sieht aus wie du“, flüsterte Draco, während er
sich unauffällig bückte. Mit Lucius Zauberstab teilte er die Erde im Garten der
Greens. Er ließ Gregorys Zauberstab in das schmale Loch gleiten und verschloss
es wieder mit Erde. Die Erde glühte auf, als sich der Zauberstab erdete,
Gregorys Seele einbettete, und diese sich im Bruchteil einer Sekunde
ausbreitete, und das Gras vor dem Haus für einen Moment aufzuleuchten schien.
Ganz schwach. Ganz kurz. Als wäre es von der Sonne
geküsst worden.
Draco erhob sich wieder.
Der Mann kam aus dem Haus, auf Devon zu. Draco
wollte ihn nicht sehen. Er hatte vor Jahren schon genug Zeit darauf
verschwendet einen geeigneten, netten, unaufregenden
Muggel zu finden. Er wollte nicht sehen, wie der falsche Vater, seinen Sohn an
seinem Geburtstag auf die Arme hob.
Er musste es auch nicht sehen.
„Leb wohl“, sagte er sehr leise, ohne sich noch
einmal umzudrehen.
Er wusste, er würde nicht mehr wiederkommen. Er
hatte einen neuen Ort, an dem er sein wollte. Er konnte die Vergangenheit hinter
sich lassen. Die Toten hatten ihren Frieden.
Er musste sich um die Lebenden kümmern. Solang sie
ihm noch nicht den Rücken zugewandt hatten.
Das war der neue Plan.
Und jetzt wollte er nach Hogsmeade. Aus einem sehr
bestimmten Grund.
~*~
Es war ein Gefühl, dass er nicht kannte. Er war es
nicht gewohnt. Er hatte es zuerst gar nicht gemerkt. Erst jetzt, als es für
einen Moment ruhiger geworden war.
Sein Blick hing an den Bildern und Fotos über dem
Kamin. Ein Paar tanzte im Schnee. Zuerst dachte er, es wären Harry und Ginny.
Aber bei näherem Hinsehen, fehlte die Ähnlichkeit zu Ginny Potter.
Wahrscheinlich waren es Harrys Eltern. Sie waren schon lange tot.
Daneben standen Fotos von dem Ort, an den er sich
nur selten zu denken erlaubte.
Hogwarts musste ein Schloss sein. Zuerst hatte er
es mit dem Waisenhaus verglichen, und war sich sicher, dass Hogwarts unter
keinen Umständen besser sein könnte.
Mittlerweile, je mehr er zufällig hörte, oder je
mehr Fotos er sah – die sich magisch bewegten – umso mehr, stach es in seinem
Innern.
Es war Neid. Gemischt mit einer Art Trauer. Er
wusste, warum sein Vater so gehandelt hatte.
Und er war ernsthaft froh, noch einen Vater zu
haben.
Er wusste beim Beispiel Harry, dass manche
Menschen sehr viel Pech hatten und irgendwann doch glücklich wurden.
Dies heute war seine erste Beerdigung gewesen. Vor
allem war sie magisch gewesen. Es war aufregend und sehr traurig zugleich.
Gregory war einer der wenigen Zauberer, die er gekannt hatte. Und wieder war es
ein Mensch weniger in seinem Leben. Er hatte ihn zwar nicht gut gekannt, aber
soweit er verstanden hatte, war es auch einer der wenigen Menschen, die sein
Vater noch gehabt hatte.
Um den Tod seines Großvaters war es nicht schade.
Aus dem Fenster sah er Draco apparieren. Aber er
machte keinen weiteren Schritt in den Garten hinein. Er stand einfach nur vor
dem Weg, der zum Haus führte, und eine wilde Sekunde lang, dachte Scorpius,
sein Vater würde umdrehen, und ihn im nächsten Haus zurücklassen. Aber Draco
verschwand nicht. Er stand nur unschlüssig da.
Und Scorpius teilte eine Ansicht ganz und gar
nicht. Sein Vater sah nicht so aus wie sein Großvater. Absolut nicht! Er konnte
keine Ähnlichkeit entdecken. Aber er fand auch, er sah nicht so aus wie sein
Vater.
Sein Blick glitt erneut in die Runde. Die Leute
hier waren erleichtert, plauderten. Sprachen über die Arbeit, über ihr Leben.
James rannte im Haus hin und her, wollte, dass er, Scorpius, mit ihm spielte.
Manchmal warf Harry ein, was Scorpius für großartige Arbeit geleistet hatte,
wie begabt er war, und dass seine beruflichen Chancen überragend waren.
Und Scorpius hatte bislang nur geglaubt, er könne
mäßig lesen und schreiben und hätte seltsame Fähigkeiten, wegen denen er noch
eingesperrt werden würde.
Er erhob sich schließlich und entschuldigte sich
unauffällig. Hermine sah ihn kurz an. Sie konnte Draco nicht sehen, von ihrem
Platz, aber er lächelte nur und verließ das Zimmer.
Er würde über sie hinwegkommen. Hinwegkommen müssen, denn anscheinend wollte sie Draco. Sie wollte seinen
Vater. Was… vom Alter her verständlich war.
Er schüttelte den unangenehmen Gedanken
schließlich ab, öffnete die Tür, und sein Vater hob den Blick. Scorpius schritt
langsam auf ihn zu.
„Hast du erledigt, was du erledigen wolltest?“,
fragte er also schließlich, immer noch etwas unbeholfen, denn eigentlich kannte
er diesen Mann nicht gut. Und dass, was er wusste, kannte er nur unter
besonders schlechten Umständen.
„Ja“, bestätigte sein Vater knapp.
„Und… kommst du nicht rein?“ Draco sah ihn
undurchdringlich an.
„Wir sollten uns nach einem Haus umsehen“, schlug
dieser jetzt aus heiterem Himmel vor.
„Was? Was ist mit Hermine?“ Er hatte gar nicht so
offensichtlich schockiert klingen wollen.
„Willst du ihre Gastfreundschaft etwa noch länger
strapazieren? Sie hat sich wohl genug um uns gekümmert.“ Ja. Draco hatte recht.
„Ihr… wollte also nicht zusammen sein?“ Scorpius
verstand das alles nicht wirklich. Er hatte geglaubt, wenn man jemanden mochte,
dann war man auch mit ihm zusammen.
Draco schenkte ihm einen Blick, der wohl bedeuten
sollte, dass ihm keine weiteren Fragen mehr über dieses Thema zustanden. „Da
wird sie mächtig enttäuscht sein“, fügte er leiser hinzu.
Draco atmete aus und bewegte sich noch immer
nicht.
„Du willst nicht mal reinkommen?“
„Doch. Scorpius, ich habe mir etwas überlegt. Und
es ist vielleicht gewagt und nicht durchsetzbar, aber alles, was du verlieren
würdest, wäre ein Jahr.“ Scorpius war sofort alarmiert.
„Was? Was hast du dir überlegt? Du willst mich abschieben? Du willst wieder
gehen? Was ist dein Plan? Du kannst mich nicht einfach weggeben, wenn es dir
gerade passt und-“
„Nein“, unterbrach ihn sein Vater streng. „Du bist
hochbegabt. Und… es wäre eine Schande, wenn du Hogwarts nie von innen gesehen hättest,
oder?“ Hatte er… richtig gehört? Das konnte sein Vater nicht ernst meinen!
„Aber… das ist doch gar nicht möglich…“, flüsterte
Scorpius. „Ich wurde nicht eingeschult. Ich… bin zu alt“, schloss er bitter.
„Es gibt immer Möglichkeiten für einen Malfoy“,
erklärte sein Vater lächelnd. „Ich müsste ein paar Dinge klären, dann…“ Er hob
die Arme in einer freien Geste empor. „Dann müsstest du nur Ja sagen und dich
sehr, sehr anstrengen.“ Scorpius nickte, ehe sein Vater geendet hatte.
„Ja! Ja, absolut, Dad!“ Es entfuhr ihm immer
häufiger. Das Wort, was ihm nicht geläufig war. Und auch seinem Vater schien
das Wort unbekannt zu sein. Aber er hatte das Gefühl, jedes Mal, wenn er es
sagte, zuckten die Mundwinkel seines Vaters.
„Verzeih mir, bitte“, entschuldigte sich Draco
jetzt mit beschlagener Stimme. „Ich hätte dich niemals alleine lassen sollen.
Es war ein Fehler von mir.“ Scorpius hatte seinen Vater nur weinen gesehen, als
er den Arm seines toten Freundes aus dem Schutt des gruseligen Hauses hatte
ziehen wollen. Jetzt waren keine Tränen zu sehen. Nur echte Schuldgefühle.
Scorpius schüttelte leicht den Kopf.
„Du bist jetzt hier“, erwiderte er ruhig. „Und du
gehst nicht mehr?“ Es sollte keine Frage sein. Aber es war dennoch eine. Draco
schüttelte den Kopf. Sehr bestimmt sogar.
„Oh nein. Ich gehe nicht mehr“, bestätigte er.
Scorpius wollte die Hand ausstrecken, hielt aber in der Bewegung inne und
überlegte es sich anders. Sein Vater schloss ohne Umstände den Abstand, zog ihn
in eine sehr feste Umarmung, die ihm die Luft aus den Lungen presste, und
Scorpius erlaubte es sich, sich von seinem Vater halten zu lassen.
Für einen Moment schloss er die Augen.
Er war nicht mehr allein. Er hatte einen Dad.
Love,
Love, Love…
Das Haus war riesig. Viel zu
groß für zwei, fand sie. Aber sie hatte noch genug andere Sorgen. Sie konnte
nicht alle auf einmal äußern.
Er hatte sie gebeten, zu
helfen. Deswegen war sie hier. Sie hätte nein sagen können, aber es war
Samstag. Sie hätte Arbeit nicht vorschieben können. Natürlich hätte sie sagen
können, dass sie auch mal entspannen wollte, aber das wäre gelogen, denn dann
hätte sie ohnehin nur an ihn und Scorpius gedacht.
„Was denkst du?“ Draco
führte sie von Zimmer zu Zimmer. Ein riesiges Wohnzimmer mit angrenzendem Salon
zur Küche. Elfen in hübscher Kleidung kochten bereits, und sie ignorierte die
Arbeitsverträge, die Draco wohl mit voller Absicht auf einer Kommode drapiert
hatte. Danach folgte ein Arbeitszimmer, zumindest nahm sie das an, vom
Schreibtisch her zu urteilen, und dann ein Gästezimmer mit angrenzendem Bad.
Eine Treppe führte nach
oben, und dort entdeckte sie noch zwei Bäder mit Wannen, Duschen, und viel zu
viel Platz! Ihre Wohnung hätte in die Badezimmer gepasst. Scorpius Zimmertür
war verschlossen, und Musik tönte aus dem Innern.
„Er ist wohl schon
eingezogen“, mutmaßte sie lächelnd. Alles war noch etwas spärlich eingerichtet,
aber Draco schaffte wohl mehr und mehr Sachen an. Sie kamen an einem weiteren
Gästezimmer vorbei, und die Tour endete in einem riesigen Zimmer, mit
Flügeltüren auf einen mächtigen Balkon, der einen Blick in einen schönen Garten
hatte.
Nicht so groß wie Malfoy
Manor. Überschaubar gerade zu, obwohl auch dieser Garten zehnmal so groß war,
wie ihre Wohnung.
„Du legst dein Gold gut an,
Malfoy“, sagte sie schließlich, als sie vor den Flügeltüren stand.
„Willst du raus?“,
erkundigte er sich, vergrub die Hände in den Taschen, und sie schüttelte den
Kopf. Neben dem großen Bett stand ein Rechteck, bedeckt mit einem weißen Tuch.
„Was ist da drunter? Ein
gruseliges Familienportrait?“, fragte sie lachend, und mit einer schnellen
Bewegung hatte er das Tuch abgenommen. Sie erkannte Astoria sofort.
Sie saß auf einem feinen
Stuhl, und Draco stand neben ihr. Ein sehr junger Draco.
„Ich habe keinen weiteren
Fotos von ihr“, erklärte er. „Aber ich halte dieses Bild auch nicht für
unbedingt passend für dieses Zimmer.“
„Nein? Deine Wände sind
alle noch frei“, bemerkte sie, mit einem Blick in die Runde.
„Ich bin sicher, dir würde
es gefallen, wenn sie hier hängen würde, und uns anstarrt?“, vermutete er
spöttisch, und sie sah ihn stirnrunzelnd an.
„Und wenn schon? Meine
Meinung ist wohl nicht gefragt.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er
verhängte das Portrait wieder.
„Granger, wofür habe ich
ein ganzes Haus, wenn dir kein einziges Zimmer gefällt?“, wollte er langsam
wissen, und kam wieder näher. Sie sah ihn an. Was?! Was sagte er da?
„Mir… gefällt?“,
wiederholte sie verdutzt, aber er nickte wie selbstverständlich.
„Wem sonst?“ Er schritt zum Schrank. „Und das hier…“, er öffnete die beiden
großen Türen, „sind auch nur Vorkehrungen, aber für den Fall, dass du öfter zu
Besuch kommen wirst…“ Er deutete auf die leeren Fächer. Es war exakt
symmetrisch aufgeteilt. Seine Sachen belegten die linke Seite und die Hälfte
des Platzes an der Stange im Schrank. Die andere Hälfte der Stange war frei,
sowie auch die rechte Seite der Regalböden.
Sie starrte ihn an. „Was
soll das bedeuten?“
„Du kannst natürlich auch
aus deiner Tasche leben“, schlug er ihr vor.
Was? Sie verstand nicht
richtig. Er schien das zu sehen. Er schloss also den Abstand zu ihr, und sein
Ausdruck war so viel ruhiger geworden. Er schien nicht mehr wütend. Er war ein
anderer Draco Malfoy. Einer, der nicht auf der Flucht war. Einer, der sich um
seinen Sohn kümmerte, einer, der ein Haus kaufte, Hogwarts besuchte, seinen
Sohn als für das letzte Jahr eingeschrieben hatte, und einer, der ins
Ministerium marschierte und sich für jeden Job bewarb, der zu machen war.
Sie mochte diesen Draco
Malfoy. Diesen, der ihr in seinem Zimmer einen halben Schrank frei gemacht
hatte. Der anscheinend kein Haus für zwei Personen, sondern für drei gekauft
hatte. Ihr Herz klopfte viel zu schnell, denn sie wusste immer noch nicht, ob
sie das richtig verstanden hatte.
„Ich… bin es nicht mehr
gewöhnt, alles zu erklären, was ich tue. Aber…Scorpius und ich würden uns sehr
freuen, wenn du erwägen könntest, eine oder mehrere
Nächte die Woche, hier zu wohnen. Wahrscheinlich ist das nicht vollständig
ersichtlich gewesen?“, vermutete er grinsend.
„Wie viele Nächte die
Woche?“, fragte sie mit erstickter Stimme und schüttelte bereits ungläubig den
Kopf. Er tat so, als würde er überlegen.
„Für den Anfang… wie wäre
es mit… sieben?“ Seine blauen Augen betrachteten ihr Gesicht eingehend, und ihr
wurde heiß unter seinem Blick. Und ihre Mundwinkel gingen nach oben, ohne dass
sie es kontrolliere konnte. Sie schüttelte sofort heftig den Kopf.
„Nein! Das ist völliger Wahnsinn, Draco! Ich ziehe ganz bestimmt nicht in euer
Haus! Und ich kann meine Sachen unmöglich hier unterbringen! Vor allem, was
denkst du? Dass wir hier einfach wohnen können? Man kann sich nicht
zurückziehen und-“
„Für dich ist eine
Bibliothek mit Balkon im Nebenzimmer“, unterbrach er sie, während er immer
näher und näher kam. Ihre Worte erstarben, aber ihr Mund öffnete und schloss
sich weiterhin.
„Nein, ich… du-“
Mit einem Lächeln hatte er
den Kopf geneigt, verschloss ihre Lippen, und seine Hände zogen sie einfach an
seinen Körper. Sie schnappte nach Luft, und ihr Bauch schien zu explodieren. In
ihrer Mitte zog es angenehm, und ohne weiter nachzudenken, legten sich ihre
Hände um seinen Nacken.
Seine Zunge glitt fordernd
zischen ihre Lippen, er stöhnte ungehalten, und Schmetterlinge tanzten in ihrem
Innern so wild, dass sie schwarze Punkte vor den geschlossenen Augen sah.
„Hm… einfach Tür zu
machen!“, hörte sie eine amüsierte Stimme. Sie fuhren auseinander. „Hey,
Hermine. Vorschlag also angenommen?“, erkundigte sich Scorpius mit einem Blick
auf seinen Vater. Hermine senkte die geröteten Wangen
„Ich denke mal, das geht dich im Moment wirklich
nichts an, Scorpius!“, fuhr ihn Draco an.
„Hey, du hast gesagt, wir gehen heute los! Wie
lang soll ich noch warten?“, entgegnete der Junge und sah aus, wie ein
trotziger junger Draco. Faszinierend, wie ähnlich sie sich waren. Ob Scorpius
das überhaupt sah? Sie konnte nicht sprechen.
„Ich komme sofort“, knurrte Draco. Scorpius
schloss mit einem leichten Grinsen die Tür.
„Ja, sicher. Beeilt euch!“, fügte er noch hinzu,
und Hermine schlug die Hände vors Gesicht.
„Oh, das war so peinlich!“
„Unsinn“, erwiderte Draco, zog sie wieder an sich,
und sie hob den Blick. „Also?“ Wieder runzelte sie die Stirn, und war noch
nicht vollständig zurück auf der Erde angekommen.
„Also was?“, fragte sie leise.
„Vorschlag angenommen?“ Ihr Mund öffnete sich
langsam. Vorschlag angenommen? Dass sie hier wohnen würde? Anscheinend wollten
das beide Männer im Haus so. Aber… gut, sie war gerade verliebt in Draco
Malfoy, aber… würde sie hier wohnen, wäre es doch permanent! Sie müsste ihre
Wohnung aufgeben, sie müsste sich bereit erklären, dass sie das hier auch wollte.
Draco und Scorpius. Dass sie… ein Pärchen waren. Dass sie zusammen waren! Sie
wusste noch nicht mal, wie er im Bett war.
Vielleicht war er grausig schlecht, und wollte sie
deshalb austricksen, und von ihr verlangen vorher eine Entscheidung zu treffen!
Er hatte den Kopf schräg gelegt und sah sie mit
seinem wunderschönen Gesicht an. Und egal, was sie auch glaubte, was der Haken
sein werden würde – sie nahm an, Schlafzimmerprobleme wären kein Punkt auf
ihrer Liste. Seine Augen hatten wieder ihre Lippen fixiert. Selbst ihre
Zehenspitzen kribbelten.
„Ich… weiß nicht…“, flüsterte sie ehrlich.
„Du hast Angst?“, vermutete er ruhig und sah ihr
wieder in die Augen. Sie nickte. „Vor mir?“ Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Ok. Überleg es dir einfach, ja?“, endete er schließlich, und strich ihr eine
Strähne hinter ihr Ohr. „Ich gehe nirgendwohin. Ich warte gerne. Wenn ich denn
auf dich warten kann“, fügte er hinzu und lächelte wieder.
„Verfluchst du mich und schließt mich ein, wenn
ich nein sage?“, wollte sie schließlich wissen, und ein Hauch Schuldgefühl
erfüllte sein Gesicht.
„Wäre möglich“, erklärte er mit einem
entschuldigenden Grinsen. Sie schlug ihm leicht auf die Schulter.
„Du kannst das nicht jedes Mal machen, Draco!“ Sie
wollte ihm deswegen ohnehin noch mal die Meinung sagen. Er zog den Zauberstab
aus seiner Tasche und warf ihn demonstrativ auf einen Sessel in der Ecke und
hob die Hände in die Höhe.
„Unbewaffnet, Granger!“, erklärte er lächelnd. Sie verdrehte die Augen.
„Und du denkst, das überzeugt mich?“ Und jetzt
wurde sein Lächeln anders. Irgendwas funkelte in seinen Augen.
„Ich meine mich zu erinnern, früher habe ich
anders überzeugt…“, erwiderte er mit rauer Stimme. Wieder machte ihr Herz einen
Satz. Diesmal einen gefährlichen, denn allein sein Blick schien sie
auszuziehen.
„Draco…!“, begann sie warnend, aber sein Lächeln
vertiefte sich nur eine Spur, als er die Hände wieder auf ihre Taille legte.
„Ja, Hermine?“
Und die Art wie er ihren Namen sagte…! Plötzlich wollte
sie, dass nur noch er ihren Namen so sagte. Genau so! Sie hob den Blick zu
seinen Augen, die dunkler geworden waren. Ihre Hände fanden den Weg zu seinem
Nacken, und sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Sie küsste ihn heftig und
zog ihn näher zu sich.
Kurz war er überrascht, aber grollend hatte er die
Arme um sie gelegt, hielt sie fest an sich gepresst, und sie glaubte nicht,
jemals solche Gefühle gehabt zu haben. So tief in ihrem Innern. So ein
Verlangen jemals gespürt zu haben. Einen Mann jemals so dringend gewollt zu
haben!
Ihre Hände zogen sein Hemd einfach aus der Hose,
und wenn er überrascht war, dann überspielte er es gekonnt, denn er ließ sie
gewähren, küsste sie nur noch inniger, dass sie fast vergaß, was sie eigentlich
tun wollte.
Fahrig öffneten ihre Finger die Knöpfe seines
Hemdes, kratzten über seine nackte Brust, und plötzlich war sie unheimlich
dankbar, dass er da war. Dass er überlebt hatte. Dass er sie wollte. Ihre Hände
fuhren wieder hoch zu seinem Nacken, und sie schmiegte sich an seinen bloßen
Oberkörper.
Er löste sich von ihren Lippen. „Vielleicht
sollten wir erst…“ Aber er unterbrach sich selbst, als er in ihre Gesicht sah.
„Nein. Vergiss es. Wir sollten genau das tun“, fügte er heiser hinzu. Sie hatte
keine Ahnung, wie sie ihn ansehen musste, aber anscheinend so, wie eine Dame
keinen Herrn anzusehen hatte. Sofort hatten seine Finger ihr Shirt gegriffen,
zogen es über ihren Kopf, und seine Lippen verbrannten die Haut auf ihrem
Oberkörper, als er den Kopf neigte, um sie zu küssen. Ihre Schultern, ihr
Schlüsselbein, ihren Brustansatz. Sie musste die Augen schließen, denn seine
Berührung war absolut perfekt.
Sie biss sich hart auf die Lippe, und verdrängte,
dass sie nicht alleine im Haus waren, dass sie Orte hatten, wo sie sein sollten,
dass das hier gerade jetzt absolut nicht der richtige Zeitpunkt war. Seine
Finger öffneten ihren BH. Und er schien nichts verlernt zu haben, stellte sie
fest, als er ihre Brustwarze in den Mund sog, und diese sich sofort
aufrichteten. Das Gefühl war unbeschreiblich, und damit sie nicht stöhnte, biss sie sich so fest auf die Lippen, dass es weh tat.
Sie konnte nicht warten! Sie öffnete seine Hose
beinahe hastig, riss ihm das Hemd praktisch von den Schultern, und auch er
schien sich kaum noch beherrschen zu können, als er sie einfach auf die Arme
hob und zum Bett brachte. Er legte sie ab und war sofort über ihr.
Ganz bestimmt trug sie den fließenden beigen Rock
nicht, damit der Zugang einfacher war, aber jetzt war sie durchaus dankbar für
diese Entscheidung. Ihr Herz raste, sie wollte einfach wieder seine Lippen
spüren, und hatte wieder in seinen Nacken gegriffen.
Seine Hände schoben ihren weichen Rock einfach
nach oben, berührten die Innenseiten ihrer Schenkel, und sie stöhnte
unterdrückt in seinen Mund, als seine Finger auf die verräterische Nässe ihres
Höschens trafen.
Er riss sich von ihr los, und schwer atmend sah er
sie an.
„Ich sollte… wir sollten… mehr Zeit“, brachte er
abgehackt hervor. Sie schüttelte nur den Kopf, denn sie hielt den Druck, die
Spannung und die Lust jetzt schon kaum noch aus.
„Draco, bitte“, brachte sie nur hervor. Sie sah
ihn schlucken, sah, wie er es sich anders vorgestellt hatte. Wie er unzufrieden
war, über den Hergang dieses Ereignisses, und fast hätte sie gelacht. „Ich will
dich jetzt!“, fügte sie leiser hinzu. Sie sah, wie sich seine Atmung
beschleunigte, spürte plötzlich eine ungeahnte Härte zwischen ihren Beinen, und
geistesgegenwärtig zog sie die Hose über seine Hüften. Er half ihr bei der
Shorts, und sie wagte nicht, sich die Größe und die Härte anzusehen, die sie
spüren konnte.
Das war sie nicht gewöhnt gewesen, in den letzten
Jahren, war alles, was sie denken konnte.
Er zog ihr Höschen ihre Beine hinab, ohne sie aus
den Augen zu lassen. Es störte sie nicht mal, dass ihr Rock lediglich
hochgeschoben war. Nein, es machte sie tatsächlich an, dass er sich kaum
beherrschen konnte. „Bitte“, flehte sie fast, als er ihr immer näher kam.
Sie spürte sein raues Lachen an ihrer Kehle, als
er ihren Hals küsste.
„Du bringst mich um“, flüsterte er grinsend gegen
ihre Haut. Sie schloss ungeduldig die Augen, fuhr durch seine dichten Haare,
griff erneut nach seinem Nacken und zog ihn zu einem hungrigen Kuss zu sich.
Und als sie sich ihm erneut entgegen bog, spürte sie, wie er mit einem Grollen
in sie drang. Mit einer fließenden Bewegung. Einem einzigen Stoß.
Sie dehnte sich ungeahnt. Er füllte sie aus, und
sie keuchte überrascht in seinen Mund. Der Kuss wurde langsamer, intensiver,
und sie konnte nicht abwarten, dass er sich schneller bewegte. Sie hatte keine
Zweifel mehr! Im Bezug auf gar nichts! Er sollte sich bewegen!
Und langsam zog er sich zurück, stieß wieder nach
vorne in sie, seine Hände griffen hart um ihre Hüften, pressten sie wieder und
wieder gegen sich, und sie spürte eine Hitze in sich aufkommen, als sie seinem
Rhythmus begegnete. Sie vergaß, wo sie war. Sie vergaß, wer sie war, als er
sich plötzlich auf seine Hände stützte, den Kopf nach oben riss und härter in
sie drang. Ihre Beine schlangen sich wie von selbst um seine Hüften, ihre
Fingernägel kratzte über seinen Rücken, seine Schultern, bis sie scharf die
Luft einzog und sich in das Laken krallen musste. Sie bog
sich ihm entgegen, als die Wellen ihres Orgasmus sie erzittern ließen. Sie
hatte längst vergessen, wie es sich anfühlte.
Wie gut sich guter Sex anfühlte!
„Draco!“, keuchte sie erstickt, und er schien sich
nicht mehr halten zu können, brach auf ihr zusammen, schloss die Arme fest um
ihren Körper, stieß noch härter in sie, gab sie noch nicht aus ihrem Orgasmus,
ihren Höheflügen, frei, bis er das letzte Mal grollend nach vorne stieß und
seinen Kopf in ihren Haaren vergrub.
Die Muskeln unter ihren Fingern zitterten, als er
kam. Und für einen Moment bewegten sie sich nicht, hingen ihren Gefühlen nach,
und sie wartete, bis sich sein Atem beruhigte.
Er hob langsam den Kopf, um sie anzusehen. Er
schluckte schwer, und sein Blick wirkte glasig. Sie fuhr ihm durch die wirren
blonden Haare, strich mit dem Finger über seine geschwollene Unterlippe, und
sein Blick war so irritierend ehrlich und aufrichtig, dass sie Schauer
befielen.
Und wusste Merlin, woher die Worte kamen! Sie
schob es auf alles, nur nicht auf ihren Verstand! Sie bereute sie noch, ehe sie
sie ausgesprochen hatte – denn nur emotionale Mädchen taten dies!
„Ich liebe dich, Draco“, flüsterte sie unheimlich
leise. Seine Pupillen weiteten sich ganz kurz. Zu kurz. Der Moment war schon
wieder vorbei. Aber sie wusste, sie hatte es sagen müssen. Sie wusste, wie dumm
es war. Vor allem nach Sex! Wieso hatte sie nicht ihren Mund gehalten? Sie
schloss die Augen, spürte die Röte in ihren Wangen deutlicher und bedeckte ihre
Augen mit der Hand.
„Entschuldigte, das war absolut… dämlich… ich…“,
begann sie stotternd, aber sie spürte seinen Zeigefinger auf ihren Lippen.
„Shht“, befahl er leise.
Er schob die Hand von ihren Augen, und sie öffnete sie wieder einen Spalt.
„Ehrlich, ich bin nicht so!“, erklärte sie eilig.
„ Weißt du was, ich nehme es zurück! So! Es ist nichts passiert. Wir hatten den
besten Sex der Welt, ich hab meine Klappe gehalten, und es ist absolut nichts
passiert! Ich hab nichts gesagt, ok? Ich-“
Grinsend hatte er mit seinen Lippen ihren Mund
verschlossen. Seufzend schloss sie die Augen. Er löste sich wieder von ihr, und
seine Hand strich über ihre wirren Locken.
„Nimm es nicht zurück. Ich habe noch nie etwas
Schöneres gehört“, murmelte er, küsste ihre Wange, ihre Nasenspitze und wieder
ihre Lippen. Oh Gott! Das war unheimlich peinlich! Sie war ein Weichei.
Aber… sie wusste nur… unterm Strich wollte sie es
nicht mal zurücknehmen. Sie meinte die Worte ernst. Und sie beschloss,
innerlich nicht vor Scham zu sterben, nahm sein Gesicht in beide Hände und
küsste ihn sanft.
Hogwarts
Scorpius musste mittlerweile so oft die Augen
verdreht haben, dass selbst Draco es merkte. Ja, seine Hand hatte immer wieder
Hermines gefunden, er fand immer wieder einen Weg, sie zufällig zu berühren,
den Arm um sie zu legen, sie einfach nicht in Ruhe lassen zu können. Er hatte
vergessen, wie es war. Er hatte vergessen, wie es sich anfühlte, jemanden zu
wollen. Immer nur, die ganze Zeit über!
Er konnte nicht mal für eine Minute den Blick von
ihr wenden. Ihrem perfekten Gesicht, ihren geschwungenen Lippen, ihren Fingern,
ihrem Körper.
„Mr Malfoy?“ Ertappt wandte er den Blick nach
vorne.
„Ja, ich denke… der Nimbus 2020 ist erst mal eine
gute Wahl“, erklärte er.
„Einmal den Nimbus?“, erkundigte sich der junge
Verkäufer eifrig, und Draco überlegte, während sein Daumen über Grangers
Handrücken strich und Kreise malte.
„Zweimal, bitte.“
„Du fliegst mit mir?“, wollte Scorpius grinsend
wissen, und Draco ruckte mit dem Kopf.
„Sicher. Wozu war man Kapitän!“, erklärte er
lapidar, und Scorpius betrachtete voller Ehrfurcht die Besen, die gerade
eingepackt wurden.
„Fliegt Hermine auch?“, wollte er jetzt wissen,
aber Draco musste lächeln.
„Oh ja, lass uns das herausfinden. Hermine?“ Sie
warf ihm einen bösen Blick zu, entzog ihm aber nicht ihre Hand. „Nein, Hermine
fliegt nicht“, fügte er versöhnlicher hinzu.
„Hast du sonst alles? An alles gedacht?“ Sie
musterte Scorpius streng.
„Ja, ich… denke schon. Papier, Federn, Kleidung,
Roben, Bücher…“ Aber Scorpius klang nicht glücklich.
„Was ist los?“, fragte sie leiser.
„Nichts“, log sein Sohn. Draco wusste, was es war. Es konnte nur eine Sache
sein. Sein Sohn hatte Sorge. Er hatte Angst.
Er hatte so viel gelernt in den letzten Wochen,
dass er ihn kaum zu Gesicht bekommen hatte. Hermine hatte ihm zwar versichert, dass
er gut vorbereitet war, zumindest in den wichtigsten Fächern, dass er bestimmt
im letzten Jahr alles nötige aufholen konnte, um einen mehr als annehmbaren
Abschluss hinzulegen, aber Scorpius hatte natürlich Sorge.
Aber er war so begabt, dass sich Draco keine
Gedanken machen müsste.
Sie verließen den Laden mit dem vorzeitigen
Geburtstagsgeschenk seines Sohnes.
„Die werden mich hassen“, erklärte Scorpius
draußen. Er blickte an sich hinab. „Das sind viel zu teure Klamotten, Dad“,
warf er ihm jetzt vor. „Die schlagen mich doch zusammen, wenn ich da hin komme,
mir rausnehme, am letzten Jahr einfach teilzunehmen, auch noch ins
Quidditchteam will, mit dem verdammt teuersten Besen aus dem Geschäft!“ Er lief
eilig einige Schritte vor. Draco runzelte die Stirn.
„Sehr seltsam“, sagte er gedehnt, und er und
Hermine folgten Scorpius die Straße hinab.
„Was? Dass ein Malfoy von Reichtum abgeneigt ist?“
„Dass er sich nicht auch über sein vorzügliches
Aussehen beschwert“, bemerkte Draco grinsend. Sie schlug ihm leicht in die
Seite.
„Das ist jetzt nicht leicht für ihn.“
„Natürlich nicht. Aber er ist ein Malfoy. Wir sind
das gewöhnt. Er wird zurecht kommen“, schloss er.
„Kein Grund, sich jetzt schon fertig zu machen“, fügte er ruhiger hinzu.
„Und ich will nicht nach Slytherin!“, beschwerte
sich sein Sohn jetzt lautstark. Draco musste lachen.
„Oh, ich denke, daran können wir nichts ändern.“ Scorpius schoss ihm einen
bösen Blick zu.
„Nur Idioten waren dort!“, rechtfertigte sich
Scorpius.
„Dann bist du eben der erste Nicht-Idiot“, gab
Draco zurück. „Bevor wir gehen, müssen wir noch deine Bescheinigung abholen.“
Scorpius sah ihn an.
„Meine Bescheinigung?“ Er klang beunruhigt.
„Ja. Die Bescheinigung, dass du vor einem Monat bestätigt hast, in der
magischen Gesellschaft aufgenommen worden zu sein, und dass du ein Zauberer
bist, durch Vorhandensein deiner Zaubererurkunde“,
erklärte Draco ernst. Scorpius starrte ihn an.
„Meine was? Ich hab so was nicht, Draco! Ich hab so
was nie bekommen! Siehst du, ich hab dir gesagt, es funktioniert alles nicht,
verdammt!“, schrie er wütend, und Draco musste lauter lachen.
„Das war ein Witz, Scor“, erwiderte er grinsend. Sein Sohn kam auf ihn
zugestürmt, und Hermine wich zur Seite aus. Scorpius boxte ihn in die Seite,
und Draco lachte noch mehr. „Du bist wirklich leicht zu beeinflussen!“ Scorpius
schubste ihn noch einmal, fluchte laut, und fuhr sich dann durch die Haare, als
er sich wieder gefangen hatte.
„Also, wir holen die Bescheinigung, dass du
apparieren kannst. Du hast doch nicht gedacht, wir begleiten einen so alten
Jungen noch zur Schule, oder?“ Er sah, wie Scorpius wieder die nackte Panik ins
Gesicht geschrieben stand.
„Draco!“, maßregelte Hermine ihn jetzt gereizt,
und Scorpius stöhnte wütend auf.
„Du bist so blöd!“, knurrte er und warf ihm einen
bösen Blick zu. Draco musste schon wieder grinsen, aber sein Sohn ignorierte
ihn ab jetzt völlig.
„Du musst im Ministerium eben beweisen, dass du
apparieren kannst, ohne dich zu zersplittern, und dann bekommst du den Apparierschein dafür. Dann bringen wir dich nach Hogwarts.
Zusammen“, erklärte Hermine streng. Scorpius warf ihm einen prüfenden Blick zu,
ob das nun auch wieder nicht stimmte, aber dieses Mal beherrschte sich Draco.
Er hätte Scorpius gerne viel früher nach Hogwarts gebracht. Dann, als es sich
gehört hatte. Es tat ihm leid, dass sein Sohn jetzt viel mehr Aufmerksamkeit
bekommen würde. Negative.
Aber er wäre schon stark genug, sich nicht
unterkriegen zu lassen. Das wusste Draco schließlich.
„Ok. Dann mal los“, erwiderte Scorpius tapfer.
~*~
„Dann zeigen Sie mir mal den Zauber, von dem Sie
glauben, dass Sie ihn am besten beherrschen, Mr Malfoy.“ Er spürte, wie er sich
immer wieder auf die Lippe biss, sich immer wieder durch die Haare fuhr, und
sich überhaupt nicht wohl fühlte. Die alte Dame sah ihn über ihre Brille hinweg
durchgehend an, mit Augen, die ihn an dieselben neugierigen Augen einer Katze
erinnerten.
Er hatte ihren Namen wieder vergessen. Oh Gott,
nein! Ronagagoll? McNogarall?
Verdammt.
„Ok?“, begann er zögerlich.
Das große Büro, in dem sie standen, war rund. Es
war sehr seltsam. Und er kannte keine weiblichen Schulleiter. Aber anscheinend
war diese Frau besonders klug, oder besonders mächtig. Er wusste immerhin
zusagen, dass sie bestimmt besonders alt sein musste.
Aber so was äußerte man wohl besser nicht laut.
Ihm fiel plötzlich kein Zauber mehr ein. Kein
einziger. Wie ging der Wasserzauber? Aber nein. Wasser wäre… wohl nicht
passend. Oder Entwaffnung? Aber niemand hatte einen Zauberstab in der Hand.
Vielleicht den Furunkelfluch, den Ron ihm gezeigt
hatte – aber… wem sollte er den verpassen? Seiner neuen Direktorin?
Er wandte sich hilfesuchend um. Hermine schien genauso
nervös zu sein, wie er es war. Aber sein Vater lehnte zufrieden am Schreibtisch
der Direktorin, schien sich wohl zu fühlen und betrachtete das Büro, warf
Blicke nach draußen auf die Landschaft, und Scorpius wusste, er war nur einen
Zauber davon entfernt, aufgenommen zu werden.
Er könnte nach draußen apparieren und wieder
zurück, denn dank seines Vaters durfte er das jetzt legal tun. Er könnte die
Portraits dazu bringen, zu singen, könnte den Schreibtisch klein und wieder
groß hexen. Er brachte sogar schon Desillusionierungen zustande.
Der Zauberstab gehorchte ihm, wie ein Diener.
Und er liebte es, zu zaubern.
Und plötzlich wusste er den Zauber.
Er hatte ihn zwar noch nie ausprobiert, wenn er
wusste, dass er funktionieren würde, aber er hatte das Gefühl, dass dieser
Zauber angebracht wäre.
Und er wandte sich zu Draco und Hermine um.
Hermine hatte ihre Sachen nämlich heute ins Haus
gebracht. Sie hatte den Elfen erklärt, dass sie viel weniger tun mussten, als
sie es jetzt taten. Sie hatte seine Sachen zusammen gelegt, und ihm heute
Morgen sogar die Kruste vom Brot abgeschnitten.
Sie hatte ihm über den Kopf gestreichelt, als er
völlig versunken, immer wieder dieselbe Zeile im Tagespropheten gelesen hatte.
Sein Vater hatte ihm heute einen Besen gekauft,
mit dem er würde fliegen können. Fliegen! Wie im Märchen. In einem perfekten
Märchen. Mit einem so glorreichen Ende, von er nicht mehr zu träumen gewagt
hatte. Noch nie geträumt hatte, wenn er ehrlich war.
Sein Vater wandte den Blick und sah ihn wieder an.
Und er lächelte, zwinkerte ihm zu, und Scorpius wusste, er hatte einen Dad.
Einen richtigen Dad.
„Expecto Patronum!“, rief er also, schloss die Augen, als er die
Bewegung vorführte, die Hermine ihm gezeigt hatte, und spürte, wie eine Welle
des Glücks durch seinen Körper strömte. Spürte, wie er von seinem Vater umarmt
worden war, wie er, durch alles Glück der Welt, eine Familie bekommen hatte,
und Freunde wie Ginny und Harry Potter.
„Durch und durch beeindruckend, Mr Malfoy! Ich
hege keinerlei Zweifel an Ihrem großartigen Weg hier in Hogwarts!“, rief die
Schulleiterin anerkennend. Scorpius öffnete die Augen. Er zuckte erschrocken
zusammen, als der silberne Schwanz eines riesigen Drachens durch ihn schwebte,
während der Drache träge Runden durch das Büro zog. Seine silbernen
durchsichtigen Schwingen bewegten sich auf und nieder, erlaubten ihm taumelnde
Kreise zu ziehen, und seine müden Augen blinzelten umher.
Dann verschwand er durch das offene Fenster und
sein silberner Schein flog in die Morgensonne.
Hermine kam sofort auf ihn zu gestürzt und drückte
ihn an sich.
„Oh, Scorpius! Das war wunderschön! Seit wann beherrscht du ihn?“, fragte sie
heftig, während sie ihn immer wieder drückte. Er warf seinem Vater einen Blick
zu. Er hatte sich nicht bewegt, stand immer noch am Schreibtisch, und Scorpius
konnte seinen Blick nicht deuten.
„Seit gerade“, flüsterte er rau. Und sein Vater
lächelte. Und er glaubte, er würde gleich weinen. Aber Scorpius sagte sich,
dass das wahrscheinlich nur seine Einbildung war.
„Kommen Sie näher. Noch eine Sache müssen wir
machen“, entschied die Schulleiterin. Sie zückte den Zauberstab, und stumm flog
ein alter Hut in ihre ausgestreckten Hände.
„Ich habe schon meine Kleidung“, sagte er eilig, bevor
er noch mit diesem Hut würde rumlaufen müssen.
„Nein, Sie werden jetzt eingeteilt, Mr Malfoy“,
erwiderte sie lächelnd. Tausend Lachfalten legten sich um ihren Mund.
„Eingeteilt? Meine Eltern waren in Slytherin,
meine Großeltern waren in Slytherin… ist das nötig?“
„Wollen Sie denn nach Slytherin? Oder haben Sie eine andere Wahl?“ Er überlegte
sehr kurz.
Dann schüttelte er den Kopf.
„Nein. Ich will dorthin, wo mein Vater war. Nur
dorthin“, wiederholte er ernst. Die Schulleiterin drehte den alten Hut in den
Händen.
„Nun, bisher ist es noch nie vorgekommen, dass ein
Schüler von Hogwarts, den Hut nicht aufgesetzt hat. Aber… so manches ist hier
noch nie vorgekommen. Wissen Sie was, Mr Malfoy, Sie haben sich so eben selber
eingeteilt. Willkommen auf Hogwarts!“, begrüßte sie ihn lächelnd und schüttelte
seine Hand. „Für den Fall, dass Ihnen mein Name Probleme bereitet, McGonagall
ist auch der Name eines mäßig talentierten Quidditchspielers
der Sheffield Shooters. Wenn Sie nach Ihrem Vater schlagen, werden Sie eine Quiddtchbegeisterung hegen, welche Ihnen beim Namensmerken
behilflich sein wird“, erklärte sie augenzwinkernd. Er nickte perplex.
„Das war es dann wohl“, bemerkte Draco
schließlich.
„Ja, Mr Malfoy, Ms Granger. Schön Sie beide zu
sehen. Sie wohnen jetzt zusammen?“ Woher die Schulleiterin das wusste, war
Scorpius nicht zu erklären, aber anscheinend wusste diese Frau sowieso einfach
alles. Hermine nickte und wurde doch rot dabei. Scorpius fand es nicht schlimm,
dass sie bei ihnen wohnte. Seine Eifersucht war so gut wie verschwunden. Er
hatte jetzt einen Besen! Er konnte nicht erwarten, zu fliegen.
„Hier habe ich außerdem Ihren Stundenplan, Mr
Malfoy. Vielleicht ein bisschen viel. Ich habe mir erlaubt, sie für
Verwandlung, Zaubertränke, Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Kräuterkunde,
Zaubereigeschichte und Muggelkunde einzutragen. Mr
Potter erzählte mir, dass Sie vorhaben als Auror zu
arbeiten?“ Scorpius nickte langsam.
„Ja… aber das ist so gut wie unmöglich, richtig?“,
erkundigte er sich vorsichtig, und die Schulleiterin schien diese Worte
abzuwägen.
„Lassen Sie mich es so sagen: Es ist so gut wie
unmöglich, dass ein Anfänger auf Hogwarts, der nie gezaubert hat, einen
vollständigen Patronus hervorbringen kann.“ Er verdaute diese Worte, begriff,
und musste schließlich grinsen.
„Ok!“, rief er fröhlich aus. „Vielen Dank, Mrs McGo….“ Mist. Er hatte den Namen vergessen. Er räusperte
sich und lächelte verlegen. „Vielen Dank, Professor!“, schlug er einen anderen
Weg ein, und wandte sich an seine Familie.
Das war das erste Mal, dass er dieses Wort gedacht
hatte.
~*~
Er war zu spät. Viel zu spät. Und Hermine hatte
ihm noch gesagt, er sollte bei Professor Longbottom besser nicht zu spät kommen.
Mit weiten Schritten lief er über den Rasen. Aber er hatte fasziniert in der
Großen Halle gesessen, gegessen und den ellenlangen Brief von seinem Vater und
Hermine gelesen.
Jetzt stolperte er fast über die Säume seines
Umhangs.
„Es ist sowieso egal. Du kriegst Punkteabzug, ob
du rennst oder nicht“, bemerkte ein Mädchen neben ihm, die ihn anscheinend
eingeholt hatte. Sie hatte einen langen dunkelblonden Zopf und trug ein
silbernes S auf der Brust. Die Schulsprecherin. Wie hieß sie noch mal?
Elizabeth? Oder so ähnlich.
„Von Professor Longbottom?“, wunderte er sich,
denn Hermine hatte ihm gesagt, er wäre zwar streng, jedoch wirklich nett. Das
Mädchen lachte jedoch hell.
„Nein. Von mir natürlich. Ich bin Schulsprecherin
und werde kein Verhalten dulden, was irgendjemanden aus dem siebten Jahrgang
schlecht dastehen lässt.“ Scorpius’ Ausdruck wurde grimmiger. Aha. Sie war also
ein dummes Mädchen. „Du bist Malfoy, richtig?“ Sie musterte ihn mit
unverhohlener Neugierde. Er beschloss, nicht zu antworten. Wer zog ihr
eigentlich Punkte ab? Sie kam immerhin genauso spät wie er!
„Ah, die letzten beiden kommen auch noch. Mr
Malfoy, richtig? Kannte Ihren Vater gut damals. Er war mächtig schlecht in
Kräuterkunde. Vielleicht habe ich in Ihnen ja einen würdigeren Kandidaten
gefunden?“ Professor Longbottom lächelte jedoch bei seinen Worten. Sein Vater
hatte ihm nicht viel über Longbottom erzählt. Anscheinend waren sie keine
Freunde gewesen. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Oder ob er
überhaupt sprechen sollte. Er war neu hier. Absolut neu. Und anscheinend
wussten aber alle anderen über ihn Bescheid. Das war er ja in dieser Welt
eigentlich gewöhnt.
„Ja.“ Er schluckte kurz. „Sir“, setzte er eilig
hinzu. „Verzeihen Sie.“
„Zauberstäbe raus. Ich teile Sie in Paare ein. Und
ich bitte die Gryffindors und Slytherins darum, unter einander klarzukommen!“,
setzte er drohend hinzu. „Auch dieses Jahr möchte ich Ruhe und Frieden in
meinem Kurs. Und wie ich sehe, wird Mr Lupin nicht mit Ms McLaggen zusammen
arbeiten. Mr Malfoy rutscht im Alphabet nun dazwischen.“ Scorpius hatte zwar
keine Ahnung, wer Mr Lupin war, aber ein Junge betrachtete ihn voller Ärger.
Professor Longbottom teilte die weiteren Paare ein, während Lupin eilig mit dem
blonden Mädchen sprach.
Und der Partner, der ihm zugeteilt wurde, war die
dumme Schulsprecherin. Großartig.
Und tatsächlich rempelte ihn Lupin mit voller
Absicht beim Vorbeigehen an.
„Keine Tricks, Malfoy. Fass Victoria an, und du
bist tot“, erklärte der breitschultrige Junge ihm, mit einem schmalen Lächeln,
was ziemlich weiße, kantige Zähne entblößte. Scorpius hatte das Gefühl, die
Haare des Jungen schimmerten rötlich im Licht der Sonne und wechselten
plötzlich in ein helleres blond. „Dein Vater hat dir bestimmt von Werwölfen
erzählt, oder?“, fuhr der Junge fort, und Scorpius erlitt einen weiteren Moment
der Erkenntnis.
Ja, er sollte nicht zu spät zu Kräuterkunde
kommen, und er sollte am besten Freundschaft mit einem Bekannten der Familie
schließen. Teddy Lupin. Sein Jahrgang, großartiger Junge. Waise und ein
Werwolf. Und ein Metamorph-irgendwas…. Er schloss kurz die Augen und
unterdrückte den Fluch. Er würde ihn gerne bedrohen, ihm erklären, dass er vor
einigen Wochen zusammen mit seinem Vater seinen Großvater getötet hatte, der
ein gefährlicher Gefangener von Askaban gewesen war, dass er auf der Flucht
gewesen war, dass er verflucht gut zaubern konnte, und dass er stinkreich war,
aber er unterdrückte all diese Anwandlungen.
Und ausgerechnet dieser Junge war mit der
Schulsprecherin zusammen.
Er trug ein silbernes K an seiner Uniform.
Kapitän von Gryffindor, schloss Scorpius also, und beschloss, sich definitiv
andere Freunde zu suchen.
„Willkommen in Hogwarts“, murmelte die Schulsprecherin
unglücklich. „Ach ja, bevor ich es vergesse: Zehn Punkte Abzug für Slytherin
fürs zu spät kommen, Malfoy.“ Er wusste, im Schloss flogen gerade zehn Punkte
von dem Stundenglas der Slytherins zurück nach oben.
Er atmete langsam aus, hielt den Zauberstab fest
umklammert, und wusste, er konnte die verdammte Schulsprecherin und Gryffindors
absolut nicht leiden!
Fist’n’Fight
Er hatte sich wieder erhoben. Es war kein
gemütliches Abendessen. Harry hatte bisher nur verfolgt, wie Draco immer wieder
aufgestanden war, sich entschuldigt hatte, in Harrys Küche verschwunden war,
und ein Gespräch nach dem nächsten empfing.
Das Ministerium hatte die Suche nach Draco Malfoy
eingestellt, die Klagen und Anschuldigungen nach mildernden Umständen fallen
gelassen. Sogar ein Bericht war veröffentlicht worden, in dem Draco Malfoy alle
Last und Schuld aus der Akte genommen worden waren.
Aber das Ministerium hatte kein Interesse, Draco
Malfoy einzustellen. Sogar Harrys gutes Wort hatte nichts gebracht. Draco hatte
kein Interesse als Auror eine Ausbildung zu absolvieren. Und von Hermines
Vorschlag, ganz woanders zu arbeiten, wollte er auch nichts hören.
„Alles ok mit ihm?“ Harry sah ich besorgt nach.
Aus der Küche drang dumpf seine gereizte Stimme. Wahrscheinlich legte er sich
gerade mit der nächsten Abteilung an, befürchtete Hermine.
„Na ja. Er findet keine Anstellung. Wie würdest du
dich fühlen?“, erkundigte sie sich leise.
„Na und? Er braucht doch keine. Ist doch reich
genug, um niemals arbeiten zu müssen.“ Seitdem Hermine bei Draco und Scorpius
eingezogen war, hatte sie von nichts anderes als eine eisigkalte Schulter zu
spüren bekommen.
Er stritt sich nicht in aller Öffentlichkeit mit
ihr, auch nicht mit Draco, aber es war greifbar, dass es ihm missfiel. Aber
Harry und Ginny haben sie und Draco herzlich eingeladen.
„Darum geht es nicht“, sagte sie nur.
„Ach nein? Worum geht es dann? Erklär‘ es mir,
Hermine“, forderte Ron und legte den Cracker zurück auf seinen Teller und sah
sie direkt an.
„Was willst du von mir, Ron?“, fragte sie jetzt
wütend, weil ihr seine Laune gegen den Strich ging.
„Leute, kein Streit!“, befahl Ginny im Ton einer Mutter streng, und Ron blickte
demonstrativ in eine andere Richtung, als Draco zurück zum Tisch kam. Er setzte
sich lächelnd, aber Hermine sah, wie deutlich angespannt er war. Ihre Hand
legte sich unter dem Tisch auf sein Knie.
„Alles klar?“, flüsterte sie, er nickte jedoch nur
unwirsch.
„Noch eine Stelle nicht bekommen?“ Ron hatte geräuschvoll in den Cracker
gebissen. Draco räusperte sich.
„Ja“, erwiderte er nur.
„Na und, egal. Dann bewirbst du dich solange, bis
dich einer nimmt“, sagte sie rigoros, aber Draco blickte gedankenverloren aus
dem Fenster.
„Falls das überhaupt passiert“, merkte Ron leise
an. Ginnys Hand schlug auf den Tisch.
„Ron!“, entgegnete sie warnend, aber Ron wirkte nicht eingeschüchtert.
„Nein, lass Weasley ruhig seine Meinung kundtun“,
unterbrach Draco den stummen Streit zwischen Bruder und Schwester. „Sag es
ruhig, Weasley“, forderte er ruhig.
„Draco, nicht“, murmelte Hermine, aber Ron hatte
sich schon vorgelehnt.
„Wunderte es dich wirklich, dass niemand einen
ehemaligen Todesser einstellen will, der seinen Tod vorgetäuscht und seinen
Sohn abgeschoben hat?“ Hermine schloss kurz die Augen. Sie hasste Ron dafür!
„Ich habe Scorpius nicht abgeschoben“, erwiderte
Draco verärgert.
„Leg es aus wie du willst!“, lachte Ron freudlos.
„Jeder kennt deine Geschichte in der Stadt!“, fügte er gehässig hinzu. Draco
atmete langsam aus.
„Es geht darum, dass deine Exfreundin
bei mir eingezogen ist, richtig? Das ist es doch, oder Weasley? Wieso sagst du
es nicht einfach?“
„Nein! Darum geht es verdammt noch mal nicht!“, schrie
Ron jetzt außer sich, war aufgesprungen und sein Stuhl war zurückgefallen. Alle
waren zusammen gezuckt, und Draco war genauso schnell auf den Beinen.
„Nein? Dann frage ich mich, weshalb du dich sonst
wie ein verfluchtes Arschloch verhalten musst“, führte Draco immer noch ruhig
aus.
„Wag es nicht, mich zu beschimpfen, Malfoy!“
„Ron, reg dich ab“, unterbrach Hermine den Streit.
„Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt gehen!“, sagte sie gepresst in die
Runde.
„Wenn Weasley kein Problem hat, müssen wir auch
nicht gehen.“
„Ich habe kein Problem. Aber vielleicht willst du
die restlichen Absagen über Floh lieber in deinem Lebkuchenhaus fortführen, in
dem du unschuldige Mädchen zwingst, dich und deinen Sohn zu erziehen“, schlug
Ron knurrend vor. Draco ging umstandslos um den Tisch herum.
„Das reicht!“, erwiderte er zornig, und ehe
Hermine oder Harry reagieren konnte, krachte Dracos Faust in Weasleys Kiefer.
Ron taumelte nach hinten, fing sich aber noch ab.
„Gut, dass du angefangen hast – und nicht ich“,
gab Ron zurück und stürzte sich auf Draco, der mit einem provozierenden
Ausdruck bereits wartete.
„Harry!“, keuchte Hermine, und Harry hatte die beiden mit dem Zauberstab
getrennt, ehe noch Blut fließen würde.
„Es gibt keine Schlägereien in meinem Haus, habt
ihr verstanden? Ron, es ist vorbei. Wir haben Draco und Hermine eingeladen.
Komm damit zurecht oder komm gar nicht mehr vorbei! Draco, du bist hier Gast.
Lass dich nicht von Ron provozieren. Das ist unnötig“, fuhr Harry beide an.
Draco kam als erster wieder auf die Beine, schien an Fassung zu gewinnen und
streckte Ron sogar die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen.
Ron lehnte mit einer hässlichen Beleidigung ab und
kam selber wieder auf die Füße.
„Ich gehe“, erklärte Ron tonlos.
„Ron“, sagte sie in einem verzweifelten Versuch, ihn aufzuhalten, aber er
schüttelte nur den Kopf.
„Tut mir leid. Ich hab versucht, damit
klarzukommen, aber ich glaube nicht, dass mein gesunder Menschenverstand
verkraftet, dass du in sein Haus gezogen bist, Hermine. Wenn das die kranke
Beziehung ist, die du willst, dann – bitte. Aber ohne mich“, erklärte er
stumpf, verließ das Zimmer, ohne sich umzusehen, und sie seufzte leise auf.
„Wir werden besser gehen. Der Tag war lang“, rechtfertigte
Hermine die Situation.
„Entschuldigt diese…“ Draco unterbrach sich
selber. Anscheinend schien er kein Ende zu diesem Satz zu finden. Hermine sah,
wie unwohl er sich fühlte. „Entschuldigt, bitte“, fügte er schließlich hinzu,
wartete, dass sie ihren Mantel übergezogen hatte, und so endete dieser Abend
mit hässlichen Worten und bestimmt ruhig und entspannt, wie es sich Ginny und
Harry gewünscht hatten.
„Bist du wütend?“, erkundigte er sich draußen, als
er den Kragen seines Umhangs nach oben schlug. Sie sagte nichts darauf. Sie
wusste, es war nicht seine Schuld. Aber trotzdem.
„Du hättest ihn nicht schlagen müssen“, sagte sie
bedächtig.
„Tut mir leid, aber er hat drum gebettelt.“
„Na und?“, fuhr sie ihn scharf an. „Das hättest du
dir sparen können! Er ist nur verletzt, nichts weiter! Er verdient bestimmt
keine Gewalt!“
„Aber er hat doch nur zu gerne zurück-“
„Genug!“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Schon gut,
ok? Ich will nach Hause.“
„Schön.“
Und er war wütend. Sie gingen neben einander, bis
sie den Garten hinter sich gelassen hatte. Er apparierte getrennt von ihr. Und
er sah sie nicht mehr an. Er war sauer.
Großartig.
Sie freute sich, immerhin gleich noch mit Scorpius
zu reden und von seiner ersten Woche zu hören. Er hatte bestimmt nicht so eine
Laune wie sein Vater. Er käme gleich vom Auswahlspiel zurück. Sie rechnete fest
damit, dass er gerade in dieser Sekunde ins Team aufgenommen werden würde.
~*~
„Komm schon! Ich will sehen, was du kannst,
Malfoy!“, rief ihm der Kapitän zornig entgegen. Er war mit Bartholomew Black um
einige Ecken verwandt, das wusste er. Draco hatte ihm erzählt, dass seine
Großmutter eine geborene Black war. Allerdings handelte es sich wohl um den
Sohn eines angeheirateten Großcousins seines Vaters. Er hatte die Verbindung
schon wieder vergessen, die sein Vater versucht hatte, zu rekonstruieren.
Scorpius antwortete nicht. Er war zu sehr damit
beschäftigt, die Beleidigungen und Flüche an sich abprallen zu lassen, die die
Gryffindortribüne ihm entgegen schleuderte. Er hätte gerne auf die Uhr gesehen.
Das war das beste Auswahlspiel nicht wert.
Er belegte gerade die Position eines Jägers,
konnte sich aber nicht darauf konzentrieren, dem Quaffel hinterher zu jagen und
gleichzeitig die Flüche abzuwehren, die Teddy Lupin ihm entgegen schleuderte.
Verbissen lehnte er sich in die Kurve. Er
beherrschte den Besen noch nicht besonders gut. Ihm fehlte noch der rechte
Zugang. Er gehorchte ihm nicht auf die Weise, die er gerne hätte.
„Komm schon“, murmelte er leise, warf sich in den
nächsten Steilflug, um den Quaffel vor dem Aufprall auf den Boden zu bewahren
und preschte nach unten.
Lupin schoss den nächsten Fluch, konnte genauer
zielen, weil Scorpius jetzt tiefer fliegen musste, und beim Blick nach vorne
auf den Quaffel gerichtet, zog Scorpius den Zauberstab, wehrte den Fluch mehr
schlecht als recht ab, denn jetzt gerade flog er, ohne sich festzuhalten.
Hastig griff er wieder um den Besenstiel, fing den
Quaffel mit dem ganzen Arm auf und katapultierte ihn zurück nach oben ins
Spielgeschehen.
„Das nächste mal
schneller, Malfoy!“, schrie ihm Bart entgegen, als er wieder an Höhe gewann.
„Noch ein Angriff!“ Und Scorpius wusste, Bart sprach von einer Spielattacke.
Aber Lupin sah sich wohl genötigt, ihn mit einem nächsten Fluch anzugreifen.
Scorpius verfolgte mit den Augen den Quaffel, der
durch die Luft segelte, Richtung Torstangen. Er folgte auf der Stelle, trieb
seinen Besen an, der endlich einen Ruck nach vorne machte und Gas gab, während
der goldene Fluch von Teddy Lupin auf ihn zuschoss.
Er fing den Quaffel wütend aus der Luft, löste
beide Hände vom Besen und warf ihn mit einem Schrei durch den mittleren
Torring, vorbei an Bart Black, der ihn nicht schnell genug packen konnte.
Voller Adrenalin und Zorn riss er die Hand nach oben, und fing – mit was ihn
Lupin auch immer hatte treffen wollen – im Lederhandschuh ein.
Kurz herrschte Stille auf dem Feld, während er
wartete, dass das Spiel fortgesetzt wurde.
Bart flog näher zur Mitte.
„Spiel ist vorbei!“, rief er knapp. „Malfoy hat
den Schnatz gefangen.“
Scorpius stutzte verwirrt. Langsam ließ er die
Hand sinken. Es war nicht Lupins Fluch gewesen. Er hatte keinen Fluch gefangen.
Der Schnatz schlug seine goldenen Flügel heftig gegen seine Handfläche, als er
langsam die Faust öffnete. Der kleine goldene Ball erhob sich wieder in die
Luft, wickelte die Flügel ein, hörte auf zu surren, und fiel leblos in
Scorpius‘ ausgestreckte Hand zurück.
Die Slytherins klatschten anerkennend, während
verärgerte Stille bei den Gryffindors auf der Tribüne herrschte. Bart
betrachtete ihn näher.
„Also, Jäger oder Sucher?“
Scorpius öffnete den Mund. „Bart, ich hab ihn nur
aus Versehen gefangen“, erklärte er hastig. Bart nickte.
„Noch besser. Den Schnatz aus Versehen zu fangen
ist unmöglich. Fang ihn mit Absicht, und wir gewinnen jedes Spiel. Hörst du
Lupin? Wir haben einen Potter im Team!“, lachte er, und Scorpius musste nicht
zur Tribüne blicken, um zu wissen, dass sein Leben damit nicht einfacher werden
würde.
„Davenport übernimmt die zweite Jägerposition,
Gallagher die dritte, Westfield und Wexford machen
die Treiber, und Malfoy wird neuer Sucher von Slytherin“, verkündete Bart
lautstark. „Alle vom Platz, umziehen und Montagabend pünktlich um sieben Uhr
auf dem Feld antreten!“ Damit war die Auswahl vorbei. Er war im Team.
Auf dem Flug nach unten, sah er, wie sich Lupin
bei seiner Freundin über die Auswahl beschwerte. Die war wohl eher gelangweilt.
Scorpius musste mir ihr schon in Kräuterkunde und Zaubertränke zusammen
arbeiten und wunderte sich, dass Lupin nicht ständig Anfälle bekam. Scorpius
konnte Victoria McLaggen genauso gut leiden, wie einen Ausschlag auf dem
Hintern.
Sie war anstrengend und so rechthaberisch, dass er
schon gar nicht mehr mit ihr sprach, wenn sie eingeteilt wurden. Bisher war das
dreimal in dieser Woche passiert.
Dieses Wochenende würde er nach Hause fahren,
seinen Geburtstag feiern und erst am Montag wieder mit ihr in Kräuterkunde
streiten müssen, wie man einen verfluchten Grünwicht in einen Topf pflanzte,
damit die heilende Kraft nicht nach dem ersten Tag verloren ging.
Er würde so viel über scheiß Kräuter lernen, dass
er sie in der Abschlussprüfung ausstechen würde.
Er klemmte sich den Besen unter den Arm und hatte
keine Lust, sich im Zelt umzuziehen. Er kannte keinen der Slytherins, und die
meisten beäugten ihn noch wie einen Außerirdischen, der nicht dazu gehörte. Im
Gemeinschaftsraum der Slytherins hing ein Portrait seines Ururururgroßvaters.
Aber er schien unfreundlich und seltsam zu sein.
Sein Großvater wurde in einem der Geschichtsbücher
als einer der gefährlichen einhundert Zauberer der Neugeschichte hervorgehoben.
Und in anderen Büchern wurde von der Familie als komplett ausgerotteter Familie
gesprochen. Völlig inkorrekt, aber bis das geändert wurde, vergingen bestimmt
zwei Auflagen, nahm er an.
Es half ihm nicht wirklich viel, Gold zu besitzen
und einen Vater, der zwei Jahrzehnte für verschollen und tot geglaubt galt.
Er hatte immerhin eine Position im Team bekommen.
Das heiterte seine Laune geringfügig auf. Zuerst hatte er nicht mitfliegen
wollen. Aber sein Vater hatte ihn bestärkt. Und auch Hermine – die wohl
Quidditch nicht abgewinnen konnte – hatte verlauten lassen, dass Quidditch
nicht das langweiligste auf der Welt gewesen sei.
„Hey, Malfoy!“
Er blieb seufzend stehen. Gut. Lupin wollte
wirklich noch Streit? Dann sollte er ihn bekommen. Es war Freitag, und er war
gerade in der Stimmung dafür.
Er ließ den Besen ins kühle Gras fallen, und
wandte sich schließlich um.
Lupin war nicht allein. Natürlich nicht. Er war
nie irgendwo allein, der Kapitän von Slytherin.
„Hast du irgendein Problem, Lupin?“, fragte er
gelassen und konnte nicht erwarten, bis Vollmond war, und er ihn als Wolf
bekämpfen konnte. Dann würde er sich nicht zurückhalten müssen.
„Du bist mein Problem, Malfoy, aber das weißt du
ja bestimmt schon“, bemerkte Lupin, und seine Freunde lachten verhalten. „Du
glaubst ja wohl nicht ernsthaft, dass du wirklich im Team bleiben wirst, oder?
Du bist eine Woche hier. Solche Freaks wie du gehören ins Heim, nicht nach
Hogwarts.“
„Hey, du bist doch Waise. Also gehörst du doch
auch ins Heim, richtig, Lupin?“, erkundigte er sich scheinheilig, und Lupin
ballte die Fäuste und trat vor. Er war größer als er, ging Scorpius auf.
„Halt deinen Mund! Harry Potter und Hermine Granger halten dich doch nur aus,
weil dein Vater ein reiches Schwein ist, was das Ministerium bezahlen kann,
damit er nicht nach Askaban abtransportiert wird! Da gehören Todesser wie du
doch hin, Arschloch!“, rief er wütend, und Scorpius hatte den Zauberstab
gezogen, ehe er nachgedacht hatte.
Der Stupor brach stumm aus der Spitze, und Lupin
wurde nach hinten geschleudert. Er kam strauchelnd wieder auf die Beine, hielt
sich den Bauch und keuchte schwer.
„Das bereust du!“ Er zog ebenfalls den Zauberstab, Scorpius ging in Position.
„Expelliarmus!“, gellte ihre Stimme über die Ländereien. Sein
Zauberstab entglitt seiner Hand, sowie der Zauberstab von Lupin. Beide landeten
in Victorias ausgestreckter Handfläche, und Lupins Freunde zogen sich leise
murmelnd zurück. Sie hatten Angst vor der Schulsprecherin.
„Bist du übergeschnappt? Du nimmst mir meinen Zauberstab?
Das Arschloch hat mich gerade verflucht, Vic!“, schrie er au0er sich. „Aber
eigentlich brauche ich keinen verdammten Zauberstab, um dir die Fresse zu
polieren!“, rief er wütend, stürzte nach vorne, und ehe seine Freundin einen
weiteren Zauber losgelassen hatte, traf ihn Lupins Faust heftig ins Gesicht.
Er fiel zurück ins Gras, bunte Punkte tanzten über
ihm, und stöhnend hielt er die Augen geschlossen.
„Du bist unmöglich! Du schlägst ihn einfach
nieder? Du beleidigst ihn, als wärst du ein Neandertaler? Was bist du? Ein
Alphamännchen, was in seinem Stolz verletzt ist? Du bist so kindisch, Theodor,
ich glaube, ich hab die Nase voll von deinen Ausrastern!“, hörte er ihre Stimme
dumpf durch seine Schmerzen. „Fünfzig Punkte Abzug für Gryffindor! Und ich
hoffe, du weißt, wie sehr es mich schmerzt, uns Punkte abzuziehen!“
„Du bist ein Miststück!“, knurrte Lupin, und
Scorpius hörte, wie er wohl fluchend zum Schloss hochstürmte.
„Alles klar?“ Ihre Stimme kam jetzt von ganz nah.
Scorpius öffnete unter großer Anstrengung die Augen. „Warte“, befahl sie. „Episkey“, sprach
sie ruhig, und seine Nase rückte sich mit einem lauten Knack wieder gerade. Er
sog scharf die Luft ein, und blinzelte heftig. Die Schmerzen schwanden schnell.
Sie reichte ihm den Zauberstab zurück.
„Jetzt gibst du mir ihn wieder? Zu spät“, knurrte
er bedauernd. Sie schien wieder wütend zu werden.
„Oh ja? Wolltest du ihn gleich direkt in den Krankenflügel fluchen?“
„Zieh mir doch wieder Punkte ab. Das kannst du
doch besonders gut!“, gab er zornig
zurück, aber sie erhob sich einfach.
„Wenn du einfach nett zu ihm wärst und dich
anpassen würdest, dann wäre es nicht so schwer für dich!“
„Oh richtig. Ich bin sicher, ich finde neben
meiner Rolle als Außenseiter, als Neuer, als Junge, der in weniger als einem
Jahr, alle Prüfungen bestehen muss, auch noch die Zeit, der Nette und der beste
Freund von Arschloch-Lupin zu spielen. Danke für den Rat, Schulsprecherin.“ Sie
wirkte nicht mehr ganz so wütend, während er sich den Schmutz von seinem neuen
Trikot klopfte, was nun auch voller Grasflecken war.
„Wieso hast du mir noch keine Punkte abgezogen?“,
fragte er unwirsch ein weiteres Mal. Es wunderte ihn etwas.
„Weil es nicht fair von Teddy war, dich einfach
anzugreifen“, erklärte sie nüchtern. Das überraschte ihn nur noch mehr. Ein
Gryffindor, der irgendwas von Fairness verstand?
„Aber das wird nicht zur Gewohnheit!“, fügte sie
drohend hinzu. Er betrachtete sie müde.
Das war ein verflucht langer Tag gewesen. Aber sie
war plötzlich nicht mehr das unfreundlichste Gesicht des Tages.
„Was?“, fuhr sie ihn an, als er sie immer noch
ansah.
„Nichts. Hab mich gewundert, wieso die
Schulsprecherin mit so einem Volltrottel zusammen ist. Sonst nichts.“ Und kurz
schien sie darüber nachzudenken. Nachzudenken, ob das ein Kompliment sein
sollte, ob es Kritik war und ob sie es bewerten musste. Ihre Lippen wurden
schmaler.
„Lass ihn einfach in Ruhe. Du bedrohst sein
Territorium, nichts weiter. Würde mich nicht wundern, wenn ihr nach dem
nächsten Quidditchturnier beste Freunde werdet“,
bemerkte sie und klang dabei äußerst bitter.
„Was? Ja klar. Zuerst schlagen wir uns, und dann
stoßen wir darauf an. Nicht wahrscheinlich, McLaggen“, benutzte er ihren
Nachnamen, so wie sie seinen benutzte. Das schien sie kurz zu verwirren.
„Genau“, erwiderte sie lächelnd. „Ihr seid doch
gleich. Sobald die Mädchen merken, dass du harmlos bist, stehen sie bei dir
Schlange. Dann merkt Teddy, dass du ihm hilfreich sein könntest dabei, der
beliebteste Junge der gesamten Schule zu werden, und er nimmt dich feierlich in
seinen Club der Coolsten auf“, ratterte sie eisig runter. Scorpius runzelte die
Stirn.
„Harmlos? Sobald sie merken, dass ich harmlos
bin?“, wiederholte er etwas beleidigt, denn das war es, was ihm von ihren
Worten deutlich im Gedächtnis stecken geblieben war. Sie verdrehte die Augen.
„Dass du kein Killer bist, kein Todesser, kein
Nachfahre von Lucius Malfoy, der alle töten will.“ Dann hob sich seine
Augenbraue. Sein Gesicht schmerzte noch ein wenig, als er das tat.
„Ah ja. Und dann stehen sie Schlange? Warum
sollten sie das tun?“ Und er spürte, wie seine Mundwinkel nach oben wanderten,
als sie plötzlich etwas mehr Farbe in den Wangen bekam. Sie warf energisch
ihren Zopf über die Schulter, streckte den Rücken durch, und das silberne V
blitzte, wie zur Bestätigung.
„Weißt du was? Sie werden es nicht tun!“,
schnappte sie, während sie eilig über die Wiesen Richtung Schloss davon
stürmte. „Idiot“, hörte er sie noch schimpfen, als sie schon zwanzig Meter
weiter war. Tatsächlich musste er immer noch grinsen, als er seinen Besen aus
dem Gras aufhob.
Gehörte Victoria McLaggen dann auch zu denen, die
Schlange stehen würden, fragte er sich ganz kurz auf seinem Weg zurück zum Schloss.
Seine Nase schmerzte schon gar nicht mehr.
Leverage
Ihm gefiel Hogwarts nicht besonders gut. Alles
Magische fand er großartig, auch Quidditch machte ihm Spaß, aber ab und an
bekam Teddy Lupin von ihm einen Seitenhieb verpasst, wenn er sprach. Sie hatte
Teddy kennen gelernt und fand ihn… umgänglich. Er war nett zu ihr. Aber in
seinem Alter begriff er die Ungerechtigkeit. Er wusste, für was und für wen
seine Eltern gestorben waren, und er war auf Harry auch nicht besonders gut zu
sprechen die Tage. Er gab ihm die Schuld am Verlust seiner Eltern.
Er war ein schwerer Umgang. Und ganz bestimmt war
er das gerade für den Sohn von Draco Malfoy. Sie wusste nicht, ob sie ihm
weiterhelfen konnte.
Draco hatte sie schon des Wohnzimmers verwiesen, als
sie Hogwarts über Floh benachrichtigen wollte, als sie die geschwollene Nase
von Scorpius entdeckt hatte, als er in die Winkelgasse appariert war. Sie hatte
sich völlig zurecht darüber aufgeregt, wie Scorpius
behandelt wurde!
Das war eine Unmöglichkeit. Aber Draco hatte ihr
gesagt, dass Scorpius‘ Behandlung bestimmt nicht besser werden würde, wenn sie
in Hogwarts Bescheid sagte, und Scorpius als Feigling und Petze dastehen würde.
Sie hatte sich mit Draco gestritten, Scorpius
hatte versucht, zu schlichten, dann war Draco gegangen, und sie saß in der
Bibliothek, nachdem auch Scorpius höflich gefragt hatte, ob er gehen konnte.
Sie führte sich auf wie ein gekränktes, besorgtes
Muttertier. Sie wusste das. Aber was sollte sie auch sonst tun? Scorpius wurde
schikaniert und weshalb? Weil er anders war? Weil er neu war? Weil er einem
Angeber den Platz streitig machen konnte?
Und sie hatte keine Ahnung, wer Victoria McLaggen war, aber ihr Vater war nicht
wirklich charmant gewesen. Aber das hatte sie Draco gar nicht erst erzählt.
Der war zurzeit sowieso gereizt, weil er im
Ministerium nicht angenommen wurde. Sie hatte ihm schon andere Unternehmen
empfohlen, andere Versichrungen außerhalb, aber er wollte nichts von alldem
hören. Der Name seines Vaters bedeutet nichts mehr im Ministerium. Nichts Gutes
zumindest. Und er wollte nicht, dass sie Gefallen für ihn einholte, die ihr
noch geschuldet wurden. Er musste zwar nicht arbeiten, aber er wollte dringend
seine Zeit sinnvoll gestalten, das verstand sie auch. Aber er war so stur!
Wenn er so dringend ins Ministerium wollte, dann
sollte er Harrys Angebot annehmen. Aber das wollte er auch nicht. Nachdem er so
über das Ministerium hergezogen war, verstand sie erst recht nicht, weshalb er unbedingt
nur dahin wollte. Sie konnte keine einzige Zeile lesen, in dem Buch auf ihrem
Schoss.
Beide Männer im Haus waren wütend und enttäuscht.
Scorpius Geburtstag morgen sollte eigentlich eine hübsche Party werden, aber
sie konnte ja auch niemanden von Hogwarts einladen, denn da verstand er sich
mit keinem. Er hatte noch keine Freunde, und Ron würde morgen bestimmt nicht
ins Haus kommen, wenn Draco hier war.
Und sie hoffte, zumindest Draco hätte sich bis
dahin abgeregt. Wie würde sich Scorpius denn fühlen, wenn nur Harry und Ginny
und James kamen, neben ihr und Draco natürlich?
Wahrscheinlich nicht so, als würde er siebzehn
werden.
Er hatte keinem erzählt, dass er dieses Wochenende
Geburtstag hatte.
Das fand sie auch nicht gut. Es wusste keiner, es
würde ihm keiner gratulieren, wenn er wieder kam, und es passt ihr ganz und gar
nicht gut, dass Scorpius so viel Ablehnung erfuhr. Genauso, wie Draco sie
erfuhr.
Wütend legte sie das Buch zur Seite und
verschränkte die Arme vor der Brust.
Es klopfte schließlich.
„Ja?“ Wahrscheinlich wollte Scorpius doch nicht
allein in seinem Zimmer sitzen, nahm sie an. Aber sie irrte sich. Draco schloss
die Tür hinter sich, und schritt seufzend auf sie zu.
„Ich hatte nicht weggehen wollen“, erklärte er
offen.
„Bist du aber“, gab sie zurück. „So einfach läuft
eine Beziehung nicht. Wenn es dir nicht gut geht, dann rede mit mir. Wenn dir
was nicht passt, dann sag es mir. Wenn du darüber sprechen willst, wie du dich
fühlst, weil du keine Anstellung findest, dann sagst du mir das gefälligst
auch! So läuft es eben. Ansonsten hätte ich hier auch nicht einziehen müssen.“
Sie wandte den Kopf entnervt zur Seite und wollte ihn gar nicht sehen.
„O-k“, erwiderte er langsam, aber sie sah ihn
nicht an. „Hermine, bei mir ist das alles schon eine ganze Weile her.“
„Aber du hattest schon ab und an mit Menschen zu
tun, oder? Dein Sohn sitzt in seinem Zimmer und heult sich die Augen aus, weil
er keine Freunde hat!“, fuhr sie ihn an. Er lächelte jetzt leicht.
„Er heult bestimmt nicht in seinem Zimmer“; widersprach er, aber sie schüttelte
unwirsch den Kopf.
„Völlig egal! Es geht ihm schlecht, und du kümmerst dich nur um deine Sorgen!“
„Was soll ich machen, Hermine?“, wurde er lauter
und kam näher. „Soll ich nach Hogwarts fahren und jeden Idioten boxen, der ihn
nicht gleich so perfekt akzeptiert, wie sie Harry Potter akzeptiert haben? Für
manche dauert es etwas!“
„Lass Harry da raus. Das hat nichts mit Ruhm zu
tun!“
„Es hat alles damit zu tun. Mit Ruhm, dem Ruf, der
Familie – mit allem. Es dauert. Was dachtest du? Dass er es leicht haben wird?
Niemand hat es leicht!“ Sie erhob sich. Sie würde sich nicht weiter streiten.
„Was ist? Läufst du jetzt weg?“
„Ich habe keine Lust, zu streiten. Morgen ist ein
wichtiger Tag für Scorpius, und ich will heute Abend nicht so wütend sein, dass
ich nicht schlafen kann. Ich gehe ins Gästezimmer.“
„Über meine verfluchte Leiche gehst du in das
verdammte Gästezimmer!“, knurrte er so plötzlich und schnitt ihr den Weg ab.
„Ich werde meinen Tag nicht damit beenden, hier mit dir in einem Haus zu sein
und dich im Gästezimmer schlafen lassen, verdammt!“, fuhr er sie harsch an, und
sie schluckte ihre zornigen Worte runter.
„Dann musst du dich wohl ärgern“, gab sie nur
zurück und wollte an ihm vorbei. Er umfing ihre Schultern.
„Nein“, sagte er nur.
„Du kannst nicht alles erzwingen, was dir gerade
passt!“
„Granger-“
„Mein Nachname bringt dich nicht weiter, Malfoy!“,
giftete sie sofort zurück. Er schloss die Augen und stieß hart die Luft aus.
„Hör auf“, sagte er schließlich gepresst.
„Aufhören? Mit was?“
„Zu widersprechen, alles zu hinterfragen, über
alles reden zu wollen! Ich habe nichts zu sagen! Was willst du hören? Dass mich
Gesellschaft und das Ministerium ankotzen? Dass ich Weasley zu gerne noch mal
schlagen möchte? Nein, das willst du nicht hören!“, schrie er, und sie hoffte,
dass Scorpius so laut Musik hörte, dass er es nicht mitbekam.
„Hör auf zu schreien! Hör auf damit!“, zischte sie böse. „Und du wirst Ron
nicht schlagen!“
„Weil… du mir sonst Punkte abziehst?“, vermutete
er ruhiger und legte die Stirn in Falten. Sie verdrehte die Augen daraufhin und
versuchte, sich zu beruhigen. „Verzeih mir. Was kann ich tun, damit du nicht
mehr wütend bist? Außer ewiglange Beziehungskiller-Gespräche zu führen, die
jede Stimmung versauen, und bei denen ich mir so vorkomme, wie bei einem
verfluchten Nervenheiler, der ständig über meine Gefühle sprechen will?“
Bevor sie sich jetzt auch noch über diese Worte
aufregen würde, verschränkte sie die Arme unter seinem Griff und sah ihn
herausfordernd an.
„Ich werde eine Verbindung über Floh herstellen,
und du wirst einem Vorstellungsgespräch – ohne Murre und Meckern, ohne Fluchen
und schreien – zustimmen, Draco Malfoy.“
„Hermine…“, begann er genervt.
„Nein! Du wirst zustimmen, über deinen dämlichen
Stolz springen, und einfach kein Arschloch sein!“, unterbrach sie ihn
stinksauer und sah, wie er wieder zornig wurde. Sie schloss einfach den
Abstand. „Wenn du willst, dass ich nicht mehr wütend bin…“ Sie machte eine
wirksame Pause, und ihre Hand strich sanft über seine glatte Wange, während sie
sich auf Zehenspitzen stellte. Jetzt berührte sie fast seine Lippen. Sie sah,
wie er die Luft anhielt. „Wenn du das willst, dann wirst du das Vernünftige
tun. Und das ist das, was ich dir sage“, fügte sie mit Nachdruck hinzu, und mit
einem Knurren verdrehte er die Augen.
„Wenn ich das tue, dann… kann ich mit dir machen,
was ich will, Granger?“, fragte er mit dem wahren Lächeln eines Slytherins, und
sie spürte ein Kribbeln in ihrer Mitte.
„Ja, Malfoy“, bestätigte sie, während sie eine
Handvoll Flohpulver in die Flammen des Kamins der Bibliothek warf. Er kam mit
einem leichten Grinsen näher, wollte sie wohl berühren, aber sie wich ihm
geschickt aus. „Ah, ah, ah – zuerst das Gespräch. Dann das Vergnügen.“ Mit
einem Grollen hockte er sich vor den Kamin.
„Delaware Parks 17“, rief sie schließlich, und ein
Wohnzimmerkamin öffnete sich ihrem Blickfeld.
„Ist jemand da? Ich bin es Hermine“, rief sie.
„Wir hatten über Draco Malfoys Einstellung gesprochen?“ Schon kam eine Gestalt
herbei gelaufen.
„Richtig, richtig. Bin schon da!“ Kauend war Luna
Longbottom auf die Knie gesunken. „Hallo Draco, Hermine“, begrüßte die blonde
Frau sie lächelnd.
Sie war sich sicher, Dracos Impuls war,
aufzuspringen und wegzulaufen – aber anscheinend überlegte er es sich im selben
Moment anders, und schenkte ihr einen bösen Blick.
Und sie wusste, dafür würde sie noch bluten
müssen.
Sie hatte ihm versprochen, was er wollte. Sie nahm
nicht an, dass sie so leicht davon kommen würde. Aber vielleicht… war das auch
gar nicht so schlimm….
„Hallo Mrs Longbottom“, begrüßte er sie
schließlich. „Draco Malfoy, wir-“
„Kennen uns aus der Schule. Ja, ich weiß. Schön,
dass Sie noch leben. Ich habe so unendlich viel über Geschichte gehört, gelesen
und geschrieben, dass ich kaum erwarten kann, Ihre Version zu hören. Was halten
Sie von dem Plan?“ Etwas perplex sah er sie an.
„Plan?“, wiederholte er etwas verdutzt.
„Hat Hermine es Ihnen nicht erzählt? Ach, was soll’s.
Ich dachte mir, Sie interessieren sich vielleicht für eine Stelle in meiner
Firma. An einem meiner Schreibtische. Sie können doch schreiben, Mr Malfoy?
Aber sich, Sie waren schließlich Schulsprecher“, fügte sie lächelnd hinzu.
„An Ihrem Schreibtisch? Was ist Ihre Firma denn?“,
wollte er unsicher wissen. Sie lachte jetzt auf.
„Meine Firma? Ich bin Chefredakteurin des Tagespropheten. Ich will Sie als
Schreiber, Reporter, Kolumnisten. Ihre Story. Ihre Meinung. Interesse, Malfoy?“
Und tatsächlich klappte sein Mund auf.
„Tagesprophet?
Als Reporter beim Tagespropheten?“
„Wenn Ihnen Kolumnen nicht liegen, dürfen Sie auch
gerne Sport machen. Haben zurzeit einige offene Stellen. Quidditch, Hippogreifrennen – alles, was Sie wollen. Politik, Reisen –
ich gebe Ihnen die seltene Gelegenheit, zu wählen.“ Und Draco hob den Blick
nicht mehr zu ihr. Er schien nicht einmal weiter nachzudenken.
„Ok“, sagte er.
„Ja? Dann erwarte ich Sie Montag. Sie wissen, wo
der Tagesprophet sitzt? Bestimmt,
nicht wahr? Herzlichen Glückwunsch. Wir sind quitt, Hermine“, wandte sie sich
jetzt an sie und löschte dann schließlich die Flammen. Der Kamin war wieder
leer. Draco hockte immer noch vor den Flammen.
„Tagesprophet?“,
sagte er schließlich und betrachtete sie kopfschüttelnd. „Ich werde es mir
ansehen“, fügte er ernst hinzu. Sie war sich sicher, es würde ihm gefallen.
„Danke dafür“, meinte er schließlich, kam auf die
Beine und öffnete die obersten Hemdknöpfe. „Wenn Sie mir ins Badezimmer folgen
würden, Ms Granger?“ Das Lächeln war zurück.
Und tapfer folgte sie ihrem Freund.
~*~
Er sah ihre Skepsis durchaus, als er die Hähne an
der tiefen Badewanne aufdrehte, die eher ein eingelassener Whirlpool war. Sie
hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während er Badezusatz beifügte. Aber
das würde er jetzt auskosten.
Mit dem Zauberstab verriegelte er sorgsam die Tür.
Scorpius hatte genug gesehen für ein Leben. Da musste er nicht auch noch seinen
Vater beim Verführen erwischen.
„Ist es nicht schon viel zu spät für-“ Er unterbrach
sie mit einem Kopfschütteln.
„Bitte, ausziehen“, befahl er jetzt knapp. Sie
verdrehte erneut die Augen. Etwas, das sie sehr gut beherrschte. Langsam
öffnete sie kopfschüttelnd ihre Strickjacke, streifte die Hose ihre Beine
hinab, zog das Shirt über den Kopf und stand vor ihm nur noch in BH und
Höschen.
Er biss sich genüsslich auf die Unterlippe.
Er mochte sie genauso.
„Und der Rest?“, fragte er gehässig und sah, wie
unwohl sie sich fühlte.
„Draco“, begann sie, aber schüttelte erneut den
Kopf.
„Ausziehen“, wiederholte er streng. Langsam stieg
sie aus dem Höschen, was achtlos ihre Beine hinab glitt. Sie wurde rot. Ihre
Wangen färbten sich in einer entzückenden Farbe, und er lehnte sich grinsend
gegen den Seifenwagen. Sie öffnete auch noch ihren BH, und am liebsten hätte er
ihr gesagt, dass sie sich wegen nichts zu schämen hatte. Denn sie sah perfekt
aus. Absolut perfekt. An jeder Stelle. Aber er spielte gerade den Bösen.
Die Wanne war voll. Er stellte das Wasser ab,
testete mit seinem Finger die Temperatur und befand sie als ebenfalls perfekt.
„Wie wäre es, wenn du zu mir kommen würdest“; schlug er scheinheilig vor, und
langsam folgte sie seinen Worten. Er legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn,
und hob es an. Sonst berührte er sie nirgendwo, was verflucht schwer war.
Er hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Ganz
sachte, ganz vorsichtig. Sie lehnte sich kurz in diese Berührung. Dann zog er
sich schon wieder zurück.
„Ich möchte, dass du mich ausziehst, Hermine“,
raunte er in ihr Ohr. Und sie folgte auch diesem Befehl. Er liebte es! Langsam
öffnete sie die restlichen Knöpfe seines Hemdes, ohne ihn aus den Augen zu
lassen.
Bei seiner Hose hatte sie mehr Probleme, denn
seine Erektion war so hart, dass er ihr helfen musste. Er sah, wie sie noch
röter wurde, und grinsen musste.
„Dir gefällt, was du siehst?“, vermutete sie
leise, und er zog sie an den Schultern wieder nach oben. Er ignorierte ihre
Worte und zog sie mit sich. Sie stiegen die schmalen Treppen hinab in die
Wanne, und er setzte sich auf die steinerne Bank, die unter Wasser lag.
„Und jetzt möchte ich, dass du mich reitest,
Granger“, sagte er rau. Sie wandte mit rotem Kopf den Blick zur Seite. Sie sah
aus, als ob sie sprechen würde, überlegte es sich aber anscheinend anders.
Schließlich sah sie ihn direkt an und kam die wenigen Schritte durchs Wasser,
was ihr bis zur Hüfte reichte, auf ihn zu. Er konnte ihren Ausdruck nicht
deuten, aber dass sie nicht sprach, oder widersprach, machte ihn unglaublich
an. Sie sah einfach nur perfekt aus, wie sie vor ihm im Wasser stand.
Sie stieß ihm beide Hände gegen die Brust, so dass
er mit dem Rücken gegen den Rand der Wanne gedrückt war. Dann setzte sie sich
rittlings über ihn, und quälend langsam setzte sie sich auf seinen Schoss. Noch
passierte nichts, aber plötzlich ließ sie ihre Hand unter Wasser gleiten und
fand nur zu bald seinen steinharten Schwanz. Ihre Finger legten sich hart um
seinen Schaft, und er musste schlucken.
Noch immer sah sie ihn an.
Seine Atmung beschleunigte sich unregelmäßig, als
sie an ihm auf und ab zu pumpen begann. Dann lehnte sie sich vor und küsste
seine Lippen, sog seine Unterlippe in ihren heißen Mund, und seine Hand schlang
sich um ihren Hals. Er küsste sie verlangend, aber nur zu schnell zog sie den
Kopf grinsend zurück. Sie schüttelte sachte den Kopf, löste die Hand von ihrem
Hals und brachte sie zurück an seine Seite.
Er verstand. Sie dominierte gerade. Und verflucht,
es gefiel ihm verdammt gut!
Er erlaubte es ihr, lehnte sich zurück, und
wartete, dass sie ihn wieder küssen würde. Und sie enttäuschte ihn nicht.
Langsam näherte sie sich wieder, und er brachte alle Beherrschung auf, sie
nicht von ihrem Unterwasserspiel abzuhalten und sich in sie zu stoßen.
Den ganzen Tag hatte er nur daran denken können!
Er war wie ein Teenager, ging ihm auf.
Sie schloss den letzten Abstand und küsste ihn
erneut. Er überließ ihr die Macht, ließ sie die Zunge zwischen seine Lippen
bringen, seinen Mund erforschen und spürte, wie sie sich erneut aufrichtete.
Seinen Kopf musste er schon in den Nacken legen und merkte, wie sie sich über
seinem Schwanz positionierte. Sie ließ sich tiefer sinken, unterbrach den Kuss
aber nicht.
Und er hatte sich nicht rühren wollen, hatte ihr
die Macht überlassen wollen, aber als er bis zur Hälfte in ihr versunken war,
hielt er es nicht mehr aus, und seine Hände griffen in ihre Hüften und pressten
sie die letzten Zentimeter nach unten, bis er vollständig in ihre vergraben
war. Sie keuchte überrascht in seinen Mund. Er übte keinen Druck mehr aus, und
sie zog langsam den Kopf zurück.
Jetzt wirkte sie wieder eine Spur unsicher, als
sie sich langsam anhob, sich wieder zurückzog, nur um sich wieder auf ihn
sinken zu lassen. Es war eine enge, heiße Sensation, die er spürte. Sie wiederholte
die Bewegung, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Das Wasser schwappte langsam über den Wannenrand,
aber das war ihm verflucht egal.
Er spürte, wie es ihr mehr und mehr gefiel, wie
sie mehr und mehr an Scham verlor und schneller wurde. Ihre Bewegung wurde
härter und sie bewegte sich immer heftiger.
Seine Finger hatten sich längst in ihre Hüften
gekrallt, beherrschten ihren Rhythmus mit, und mit geschlossenen Augen sank
sein Kopf gegen den Rand. Sie hatte begonnen unterdrückt zu stöhnen, und er wusste,
lange würde er es nicht mehr aushalten. Das warme Wasser umspülte sie beide,
ihr Körper eng an seinen gepresst. Er stieß sich selber härter in sie, hörte
wie sie wieder seinen Namen stöhnte und hoffte darauf, dass sie noch einmal
sagen würde, dass sie ihn liebte.
Aber erst mal würde er ihrem Orgasmus folgen. Er
konnte auch verflucht nichts anderes tun! Er wollte auch nichts anderes mehr!
Er wollte sie! Er brauchte nur sie…. – Ein tiefes Grollen rang sich aus seiner
Kehle, und er folgte ihr übergangslos.
Party
„Raus!“, befahl er knapp. Scorpius hatte den Kopf
aus dem Bett gehoben und starrte seinen Vater an, als wäre dieser verrückt
geworden. So sah er auch aus. Es war höchstens acht Uhr morgens.
Und wenn er schon um diese Uhrzeit Worte hören
musste, dann hätte mit etwas ähnlichem gerechnet, was wie Herzlichen Glückwunsch, Scorpius klang.
Er runzelte verschlafen die Stirn. „Na los,
aufstehen!“
„Ich habe Geburtstag“, murrte er rau, aber Draco
kam einfach ins Zimmer und zog ihm die Decke vom Körper.
„Eben.“ Was er bekam, war ein ruppiges Kopfstrubbeln, und er fuhr sich hastig über die Haare. Er
mochte seine Haare nämlich.
„Was ist los?“
„Ich helfe dir“, gab sein Vater murrend zur
Kenntnis. „Wir sind Malfoys. Und es wäre eine Schande würdest du deinen letzten
Geburtstag in der Schulzeit nicht in Hogwarts verbringen.“ Sein Vater wollte
ihn zurück nach Hogwarts schicken? War er jetzt verrückt und kalt geworden? Da
sollte er ihn lieber zurück ins Waisenhaus bringen!
„Ich will hier sein. Harry und Ginny kommen
heute.“ Draco verdrehte die tatsächlich die Augen.
„Für mich wäre es damals eine Strafe gewesen, mit
Harry Potter und Ginny Weasley als meinen einzigen Gästen zu feiern“, erwiderte
er leise. „Mittlerweile… nicht mehr so. Aber du bist halb so alt. Und du
solltest mit Menschen feiern, die halb so alt sind“, fuhr er ungeduldig aus.
„Und jetzt aufstehen!“
„Weiß Hermine das?“, erkundigte er sich
angriffslustig und wollte wieder seine Decke über den Kopf ziehen.
„Hermine? Sie ist nicht dein Beschützer! Und sie
findet, es ist wichtig, dass du in Hogwarts Freunde findest. Du willst doch
wohl nicht, dass deine Wahl-Mommy nach Hogwarts
appariert und Teddy Lupin die Werwolfohren langzieht,
oder? Wie sähe das nur aus…“, fügte er mit gespielter Entrüstung hinzu.
Scorpius fiel kraftlos zurück auf die Matratze.
„Steh auf, oder du wirst ein Levicorpus-Opfer.“
Er wollte nicht fragen, was es war. Aber er hatte genug Latein in den letzten
Wochen gelernt, um ansatzweise zu wissen, um was der Spruch gehen könnte. Er
schwang wütend die Beine aus dem Bett.
„Ich habe Geburtstag!“, wiederholte er knurrend.
Draco lachte nur.
„Ich weiß. Du kannst mir später danken, Scor“,
erklärte er, und Scorpius rieb sich mürrisch die Augen. Das wäre also sein
Geburtstag? Ein saublöder Tag. Wie also jedes Jahr. Dass der Monat verschoben
worden war, änderte als wirklich nichts weiter, außer seinem Sternzeichen.
Er verschwendete mit Absicht viel Zeit unter der
Dusche, stylte seine Haare doppelt so lang und entschied sich für eine helle
Jeans und ein weißes Hemd. Die Ärmel krempelte er hoch, wieder runter und noch
einmal hoch, damit er noch mal zehn Minuten länger brauchte.
Was dachte sich sein Vater? Er war absolut
ungerecht. Er wollte nicht nach Hogwarts an seinem Geburtstag. Er konnte an
jedem anderen Tag alleine sein. Nicht an seinem Geburtstag!
Lustlos stapfte er die Stufen hinunter. Auf dem
Treppenabsatz blieb er stehen. Seltsame Wesen schoben sich durch den breiten
Flur. Kistenweise Butterbier schleppend, Dekoration und Flaschen, die unbedruckt waren, von denen er auf harten Alkohol schließen
konnte.
Draco segnete alles im Wohnzimmer ab, während
Hermine wütend auf ihn einredete.
„Du willst ihn nach einer Woche von der Schule
werfen lassen? Ist das dein Plan?“
„Granger, würdest du bitte dein
Vertrauensschülerabzeichen ablegen und aufhören, alles mies zu machen?“, gab er
fröhlich zurück, und sie schüttelte nur wieder den Kopf.
„Das wird ihm nicht helfen!“
„Du kennst wohl keine Slytherins?“, erwiderte er
spöttisch.
„Ich kenne die Regeln! Wenn McGonagall erfährt-“
„Sie wird es nicht erfahren, Hermine. Was ich
organisiere hat bisher noch nie jemand erfahren. Was denkst du, wie oft ich
solche Partys in Hogwarts hatte?“ Sie sah ihn wütend an. „Jedes zweite
Wochenende“, beantwortete er seine eigene Frage gelassen. Sie hatte die Arme
zornig vor der Brust verschränkt und war im Begriff, zu gehen. Da entdeckte sie
ihn.
„Oh, Scorpius! Herzlich Glückwunsch!“ Ihre Laune
hob sich sofort, und sie eilte auf ihn zu, drückte ihn kurz an sich, und strich
über seine frisierten Haare. Er duckte sich unter der Hand weg, und sie
verdrehte die Augen. „Du siehst immer noch gut aus“, versicherte sie. Fast
wurde er rot. Er schüttelte den Gedanken ab.
„Was wird das?“, fragte er also.
„Dein Vater hält es für sinnvoll, eine Horde
Brauelfen mit Alkohol nach Hogwarts zu schmuggeln, den Gemeinschaftsraum der
Slytherins zum Partyzimmer dekorieren zu lassen und dich als Helden von
Slytherin mit ganzer Schiffstaufe zu feiern“, entgegnete sie eisig.
Und seine Mundwinkel hoben sich ein Stück. Er
schritt an Hermine vorbei.
„Und du denkst, das klappt?“
„Ich hab das Mädchen aus Gryffindor bekommen, oder
nicht?“, erwiderte Draco mit einem Grinsen, und Scorpius hörte Hermine aufschnauben.
„Ha ha. Bestimmt nicht mit blöden Angeberpartys, wo nur bewiesen wird, dass du zu viel Gold
und keine Achtung vor Regeln oder Prinzipien hast!“, rief sie ihnen zu.
„Angeberparty?“, wiederholte Scorpius ehrfurchtsvoll. „Keine
Ahnung, ob…“
„Wenn die Mädchen jetzt noch nicht deine Füße
massieren, werden sie das spätestens heute Nacht tun. Kennst du dich eigentlich
mit Verhütungszaubern aus?“, erkundigte sich sein Vater im selben Satz. Jetzt
wurde Scorpius definitiv rot.
„Draco!“, schalt ihn Hermine. „Du wirst ihm keine
Alkohol-Sex-Party organisieren!“, schrie sie praktisch. Scorpius starrte seinen
Vater.
„Du kannst Alkohol-Sex-Partys organisieren?“, flüsterte sein Sohn, und Draco
lachte, während Hermine böse vor sich hin murmelte.
„Sex ist in Hogwarts verboten.“
„Nein“, widersprach Draco Hermine nachsichtig.
„Sex ist nur verboten, wenn du erwischt wirst.“
„Ich will nicht, dass er mit jedem Mädchen Sex
hat, Draco!“
„Er wird nicht mit jedem Mädchen Sex haben. Er
wird sich die nehmen, die er will.“ Hermine fing an zu schreien, aber Scorpius
Gedanken schweiften ab. Zu einem Gemeinschaftsraum, in dem er vielleicht kein
Außenseiter sein musste. Vielleicht konnte er eine Party geben, und die Leute
würden ihm gratulieren, ihm die Hände schütteln und seinen Namen auf einem
Banner steigen lassen, wenn er das nächste Quidditchturnier
gewann.
„Scorpius, das willst du doch nicht, oder?“ Sie
versuchte an sein Gewissen zu appellieren, das sah er genau. Aber er musste
leider grinsen.
„Darf ich?“ Hermine seufzte auf. „Ich habe auch
keinen Sex, versprochen“, fügte er leiser hinzu, denn irgendwie war es ihm
peinlich, vor seinem anscheinend erfahrenen Vater zugeben zu müssen, dass er
überhaupt noch nie an so etwas wie Sex gedacht hatte. Und anscheinend taute
Hermine ein bisschen auf. Anscheinend war es ihr unangenehm, dass er dieses
Thema angesprochen hatte. Darauf hatte Scorpius auch gehofft.
Das war es ihm nämlich auch.
„Ok. Lass dich nicht erwischen. Und wenn, schieb
es auf wen anders“, murmelte sie, so dass es Draco nicht hören konnte.
„Habt ihr das jetzt geklärt?“, erkundigte sich
Draco gutgelaunt, während er einem dicken Elfen weitere Instruktionen gab.
„Wichtig ist, Rückendeckung“, fuhr er jetzt fort.
„Mit wem hast du dich schon mal unterhalten? Wer
sind Leute, die du einfach für dich einnehmen könntest? Jemand namens Zabini in
deinem Jahrgang?“, fragte er jetzt, und Scorpius überlegte angestrengt.
„Vielleicht im ersten Jahr? Ich glaube, ein
Mädchen heißt-“
„Zu jung“, unterbrach ihn Draco nachdenklich.
„Alleine könnte es schwer werden. Ich kann dich nicht begleiten. Das sähe nicht
cool aus.“ Dass sein Vater das Wort verwendete war seltsam. Aber wahrscheinlich
war es das nicht unbedingt. Immerhin fragte er ihn, ob er Verhütungszauber
konnte. Die Antwort darauf war auch übrigens nein. Aber das würde er hier nicht
verraten. Nicht vor Hermine zumindest!
Es klopfte an der Haustür. Noch mehr Elfen? Er
nahm an, mit noch mehr Alkohol würde er höchstens eine halbe Stunde aushalten.
Hermine öffnete resignierend die Tür.
„Hey, Geburtstagskind! Obwohl, ein Kind ist er
nicht mehr wirklich, oder?“ Harry Potter sah sich um. „Eine Party im
Aufbruch?“, fügte er langsam hinzu.
„Wohl eine Gemeinschaftsraumparty? Draco, planst
du etwa wieder?“ Ginny hatte ihn kurz umarmt und ihm ein kleines Geschenk in
die Hand gedrückt. „Da kommt unser Geschenk vielleicht nicht ungelegen“, fügte
sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Mehr sagte sie dazu nicht, und schon schritt
sie weiter, um Hermine zu umarmen. Harry klopfte ihm auf die Schulter.
„Hast als erstes den Patronus ausgeführt, hm?“ Er
schien wirklich stolz zu sein, und Draco spürte, wie seine Brust anschwoll.
„Jaah… Kleinigkeit“, log er gekonnt.
„Es würde mich sehr freuen, dich auszubilden. Hab
doch gewusst, dass du es drauf hast. Und, ich habe zwar kein Geschenk, aber
eine Leihgabe. Bis mein eigener Sohn nach Hogwarts geht“, fügte er hinzu. „Aber
du darfst es nicht verlieren, musst vorsichtig sein, und sag es Hermine bloß
nicht!“, flüsterte Harry. Scorpius nickte heftig. Das war aufregend.
„Es nennt sich, die Karte des Rumtreibers. Sie
zeigt dir alle Gänge, Stockwerke, Lehrer, Schüler in Hogwarts und wo sie gerade
sind. Du aktivierst sie mit den Worten: Ich schwöre feierlich, dass ich ein
Tunichtgut bin. Und du deaktivierst sie mit den Worten: Unheil angerichtet“,
erklärte Harry sehr schnell, denn Ginny kam wieder zurück. Hastig versteckte
sie Scorpius hinter seinem Rücken. Sie war schwer eingewickelt in braunes
Packpapier.
„Was hast du ihm mitgebracht?“, wollte Ginny
wissen.
„Auroren-Broschüren“, erklärte er Harry abgebrüht.
„Herrje, Harry, gib ihm doch noch ein paar Monate
Zeit, ehe du ihn zwingst“, murmelte Ginny kopfschüttelnd und schenkte Scorpius
ein Lächeln. „Aber tapfer genug ist er wohl.“
„Was wird das, Draco? Wie viel Alkohol schmuggelst
du diesmal ins Schloss?“, rief Harry lachend seinem Vater zu. Anscheinend war
es allgemein bekannt, dass sein Vater Partys veranstaltet hatte.
„Soll ich mit Teddy reden, Scorpius, Hermine hat
mit gerade erzählt, dass er die keine leichte Zeit verschafft“, bemerkte Ginny
plötzlich leiser und sah ihn eindringlich an. „Im Moment ist er wirklich
etwas-“ Aber Scorpius schüttelte hastig den Kopf.
„Nein! Nein, absolut nicht. Danke, aber nein!“,
widersprach er heftig. Er würde es selber hinkriegen. Er hatte keine Angst vor
Lupin. Wann war noch mal Vollmond? Vielleicht sollte er ihm da dann fern
bleiben, überlegte er dumpf. Ansonsten hatte er keine Sorge.
Er hatte keine Ahnung, wie gut Lupin im Quidditch
war, aber wenn ihm selber unterstellt wurde, er wäre ein Potter, dann nahm er
an, er war nicht gerade schlecht.
Er hatte sich die Pokale und Medaillen angesehen.
Natürlich reihten sich Regale mit Auszeichnungen
für Harry Potter im dritten Stock aneinander, aber auch eine Medaille, die ihn
als jüngsten und besten Sucher aus Gryffindor auszeichnete. Das hieß doch schon
mal einiges.
„Scor, komm raus, zeig mir, wie du fliegst!“, rief
ihm sein Vater zu, als hätte er seine Gedanken gerade erraten. Scorpius nickte,
ein bisschen überfordert.
„Oh ja, ich komme gleich nach!“, versprach Harry
daraufhin. Scorpius verließ mit seinem Vater das Wohnzimmer über die Terrasse.
Draußen griff sein Vater nach dem Besen, der
bereits gegen die weiß verputzte Hauswand lehnte. Dann umfasste er Scorpius‘
Handgelenk und drückte ihm etwas Kaltes in die Finger. Scorpius starrte auf
seine Hand.
„Das ist der Familienring. Ich denke, es ist Zeit,
dass du ihn trägst, Scorpius“, bemerkte er lächelnd. Das Silber lag schwer in
seiner Hand. Er zog ihn skeptisch über den Zeigefinger. Eigentlich trug er
keinen Schmuck. Er hatte noch nie welchen besessen. Der schlafende Drache
rankte sich anmutig um seinen Finger, und Scorpius glaubte, seine Nüstern im
Schlaf zucken zu sehen.
„Der ist schön“, erwiderte er leise. „Danke“, fügte er hinzu.
„Ich bin gespannt“, rief Harry jetzt, der vom
Innern nach draußen gekommen war. „Wie viel Zeit haben wir noch?“
„Wieso?“, erkundigte sich Draco jetzt. Harry zog den Zauberstab aus seiner
Tasche.
„Accio Feuerblitz!“, rief er laut. „Weil das vielleicht noch
fünf Minuten dauert“, fügte er lächelnd hinzu. Scorpius musste grinsen. Mit
Harry Potter fliegen wäre vielleicht ein besseres Geschenk, als eine Karte über
Hogwarts.
~*~
Der Nachmittag war schnell gekommen. Mit Harry zu
fliegen hatte ihm gezeigt, wie schlecht er noch war. Selbst sein Vater wagte
tiefere Sturzflüge und schien keine Angst zu haben.
Er selbst hatte sogar jetzt schon Angst. Hier, im Gemeinschaftsraum,
den er gerade betreten hatte. Aber Harry und Draco hatten ihm beide dasselbe
gesagt: Keine Unsicherheit zu erkennen geben.
Aber wie sollte er das tun? Konnte man alleine
selbstbewusst sein?
Es war Samstag, und die Schüler von Slytherin
saßen gelangweilt im Gemeinschaftsraum verteilt, als er durch das Portrait den
Raum betrat. Kaum einer hatte den Blick gehoben, und die, die es getan hatten,
grüßten ihn nicht. Sie betrachteten ihn nur, wie man eben einen Fremden
betrachtete. Es wäre einfacher, hätte er irgendjemanden.
Egal, wen.
Aber er hatte im Moment nur sich. Und die Karte
des Rumtreibers in seiner Tasche, den Ring an seiner Hand. In ungefähr fünf
Minuten würde die Elfen apparieren und den Gemeinschaftsraum umgestalten. Was,
wenn die Schüler protestieren würden? Ihn anschwärzen würden? Er von der Schule
flog? Was, wenn Hermine recht hatte, und nicht Harry und Draco, die eine Party
beide für eine geniale Idee hielten?
Er atmete aus. Es war ein bisschen zu spät für
einen Rückzieher, also tat er, was sein Vater ihm aufgetragen hatte. Mit weiten
Schritten durchquerte er den Raum, schritt zum Fenster und belegte es mit dem Muffliato, einem
Verstummungszauber und einem Akkustikschutz.
Einige ließen ihre Bücher und Hausaufgaben sinken,
um ihm zuzusehen. Er dachte an Ginnys Geschenk. Es war eine Box aus dem
Scherzartikelladen ihres Bruders. Viele nützliche Sachen waren darin enthalten.
Ein paar Knallkäfer, die den Raum in schwarzen Rauch tauchten, um eine Flucht
zu ermöglich. Ein kleines Feuerwerk zur Ablenkung, welches er vielleicht später
plante, wenn die Party lau werden würde, dann noch magisches Juckpulver für
Feinde, hausgemachte Desillusionierungen für fünf Minuten und ein
Anti-Kater-Mittel, welches Morgen vielleicht nützlich werden würde.
Wenn sie ihn gleich mit Tomaten bewerfen würden,
würde er den Knallkäfer loslassen, überlegte er angespannt.
Die Älteren lachten bereits, hielten ihn wohl für
neurotisch oder ängstlich. Er führte die Zauber weiter aus.
Er wandte sich um. Jetzt wurde er von allen
angestarrt. Ok. Wo blieben die Elfen? Es sah jetzt einfach nur lächerlich aus.
Er beschloss, so zu tun, als hätte er schon ein Glas Feuerwhiskey auf seinen
siebzehnten Geburtstag getrunken, als wäre er noch im Waisenhaus. Da hatten alle Angst vor ihm gehabt. Aber nur weil er einen
Hauch Magie in den Fingern besessen hatte. Hier sollten sie auch Respekt haben.
Aber hier würde er mit Magie nicht trumpfen können.
Aber es gab immer noch die Kunst von der sein
Vater gesprochen hatte: Selbstdarstellung.
Und anscheinend konnten Malfoys dies immer. Zu
jeder Zeit. Er würde Draco umbringen, wenn das nicht stimmte. Sein Vater hatte
ihm zu einem anderen Outfit geraten. Ein Streberoutfit, wie Scorpius fand. Denn
jetzt trug er eine Stoffhose. Sie war schwarz. Dazu ein dunkles Hemd, so teuer,
dass es seine gesamte Hogwartsausrüstung bezahlen
konnte. Ein schwarzes Jackett, extra für ihn geschneidert, und wüsste er es
nicht besser, würde er annehmen, er müsste zu der Beerdigung des Königs gehen.
Nicht auf seinen Geburtstag. Er räusperte sich
also, hoffte, seine Stimme würde nicht brechen, und beschloss, zumindest zu
versuchen, einen perfekten Eindruck zu hinterlassen. Draco hatte ihm gesagt,
wenn er es richtig anging, dann würde er ab Morgen in die Partylegenden
eingegangen sein. Seine Fingerspitzen kribbelten, und einige ältere wandten
schon wieder den Kopf zur Seite, um sich ihren Gesprächen zu widmen.
„Hey…“, begann er also. Er räusperte sich erneut,
setzte mehr Druck hinter seine Stimme. „Mein Name ist Scorpius Malfoy, und
heute wird sich dieser Gemeinschaftsraum einer legendären Party erfreuen.
Nämlich meiner Geburtstagsparty. Ihr seid herzlich eingeladen. Der Codex gilt:
Wer quatscht, fliegt raus!“, erklärte er mit der arroganten Manie, die ihm sein
Vater nahe gelegt hatte, und als wäre es Absicht, erschienen die Elfen mit
einem Plopp im Gemeinschaftraum. Bestimmt zwanzig Stück. Die Schüler sprangen
aus der Ledercouch und aus den Sesseln, während die grimmigen – und
wahrscheinlich betrunkenen – Elfen begannen, die schwere Holztheke aufzubauen,
Fässer dahinter rollten, und dann ein riesiger Holzwürfel erschien.
Es war wohl ein Musikwürfel, hatte ihm Draco
erklärt. Teures Gerät.
Ein schlanker Elf, der etwas größer war, erschien
nun ebenfalls im Raum, im dem großes Gemurmel ausgebrochen war.
„Mr Malfoy?“, rief er laut in den Raum, und zu
Scorpius‘ großer Zufriedenheit deutete ein Mädchen aus seinem Jahrgang eilig
mit dem Finger auf ihn. Sie wussten jetzt, wer er war. Geschäftig näherte er
sich dem Elfen.
„Ich bräuchte Ihre Bestätigung für den Whiskey und
den Black Wizard Poker Tisch.“ Etwas überfordert unterschrieb er einige
Pergamentblätter und hoffte nur, damit nicht seinen Rauswurf zu unterzeichnen.
Und jetzt kam Bart Black auf ihn zu, schlug ihm auf die Schulter, und pfiff
anerkennend, als der nachtschwarze Pokertisch aus dem Nichts erschien.
„Verdammt, Malfoy! Das ist der beste Samstag,
bisher! Glückwunsch, Mann!“ Dem Kapitän der Mannschaft folgten alle anderen
Spieler hastig, schlugen ihm auf dem Rücken, schüttelten ihm die Hand, und
sobald er die Männer auf seiner Seite hatte, bemerkte er die Blicke der
verschiedenen Mädchen aus Slytherin.
Ein Elf startete den Würfel, und ein Lied, was
Scorpius nicht kannte, wurde lautstark von allen Schülern mitgesungen. Die
erste Ladung Butterbier machte die erste Runde, und es wurde auf seinen Namen
angestoßen.
Er würde sich bei einem der Elfen nur noch
erkundigen müssen, was zur Hölle ein Black Wizard Poker Tisch zu bedeuteten
hatte, und wie man es spielte. Ansonsten sah er sich im Stande, wenigstens ein
Glas Whiskey zu trinken und seinen Geburtstag zu überleben. Vielleicht….
Home
Er hatte mit so vielen angestoßen, so viele neue
Namen gelernt, endlose Lieder gesungen, bis er heiser war – und bereits den
Text und alle neu gelernten Namen vergessen.
Durch die Masse an Schülern schob er sich durch
das Portrait hinaus auf den Flur.
Der Blutige Baron schenkte ihm wenig Beachtung. Er
fuhr sich durch die verschwitzten Haare und atmete tief die kühle Luft auf dem
Flur ein.
Zu viel Whiskey, definitiv.
Seine Haare gehorchten seit einer Stunde nicht
mehr, standen wild ab, und er versuchte nicht mal mehr, sie in irgendeine Form
zu bringen, außer dieser, dass sie ihm wild in die Stirn fielen.
Er öffnete die obersten Knöpfe seines Hemds und
hoffte, dass die Hitze endlich verschwinden würde. Die Party war ein absoluter
Erfolg, das konnte er so sagen. Niemand würde das so schnell vergessen. Niemand
würde vergessen, wie Bart Black kopfüber beim Whiskey trinken ohne Hände vom
Stuhl auf den Boden gekracht war, und das gesamte Poker Spiel mitgerissen
hatte.
Er würde das betrunkene Geburtstagsständchen des
Quidditchteams im Gedächtnis behalten und die Blicke der vielen Mädchen da
drin. Bei dem Gedanken spürte er, wie sich das Portrait zur Seite bewegte. Das
Mädchen, was aus dem Portraitloch trat brachte einen Schwall Hitze und Lärm
mit. Sie rief ihren Freundinnen irgendwas zu, und stellte sich dann lächelnd
neben ihn, als das Portrait wieder zu schwang.
Larissa Bullstrode-Baxter
hieß sie. Er hatte sich den Namen gemerkt. Sie hatte lange, glatte dunkelbraune
Haare. Ihr Gesicht war schmal und ihre Augen sehr hellblau.
„Hi“, begrüßte sie ihn scheu. „Super Party. Aber
etwas heiß“, erklärte sie, lehnte sich erschöpft an seine Schulter, und er
fragte sich, ob sie es aus Absicht oder Versehen getan hatte. „Das ist bestimmt
eine spannende Geschichte, weshalb du erst im letzten Jahr nach Hogwarts
kommst, oder?“ Sie klimperte auffallend mit ihren langen dunklen Wimpern.
Sie war in seinem Jahr, und er hatte sie nur bei Zaubertränke das erste Mal betrachtet. Sie war hübsch,
schlank, und ihr Blick zeigte keinen Abscheu. Nein, ehrlich gesagt, sah sie so
aufrichtig zu ihm auf, dass er den Mund überrascht öffnete und wieder schloss.
„Ich… war die ersten sechzehn Jahre in einem
Waisenhaus. Mein Dad war auf der Flucht“; erklärte er möglichst lässig.
Erschrocken öffneten sich ihre Augen weiter, und sie fuhr mit der Hand
bedauernd über seinen Unterarm.
„Wow, das klingt hart. Dein Dad hat dich einfach ausgesetzt?“ Ihre Stimme klang
charmant.
„Jaah“, bestätigte er ernsthafter, als er es
eigentlich befand, während sein Blick sich tatsächlich an ihren Lippen verfing.
„Dann bist du also ein tragischer Held“, fuhr sie
beeindruckt fort. Seine Mundwinkel hoben sich. Wenn sich dieses Mädchen nicht
gerade tatsächlich mit voller Wucht an ihn ranmachte, dann wusste er auch nicht
weiter! Das war ja sehr interessant. Ihm kamen die Worte der Schulsprecherin
wieder in den Sinn. Dass er gut aussah, das war nie etwas gewesen, worüber er
großartig nachgedacht hatte. Er hatte nicht viel Zeit darauf verschwendet, denn
sein Aussehen hatte ihm in seiner Vergangenheit nicht viel gebracht, außer
Ärger.
Mittlerweile schien er es einsetzen zu können. Er
lehnte sich also entspannt gegen die Wand zurück, senkte den Blick und wusste
zum ersten Mal, dass er überlegen war. Wie seltsam es sich anfühlte, wenn die
Mädchen so dreist waren und ihn einfach ansprachen, berührten und
offensichtlich wollten, dass man… ja, was eigentlich? Müsste er es rausfinden?
Das erste Mädchen, was er geküsst hatte, war ein
Mädchen aus der Nachbarschaft des Waisenhauses gewesen, und sie hatte sich auch
nur küssen lassen, weil er es bei einer Wette gewonnen hatte.
Und das zweite Mädchen war Hermine gewesen. Und
das gäbe keine Story ab, würde er sie jetzt stolz erzählen. Draco hatte ihm
gesagt, nichts wäre so überzeugend und verführerisch wie Selbstsicherheit. Und
wenn er diese nicht besaß, konnte er immer noch so tun. Und das würde er wohl.
„Erzähl mir von dir, Larissa“, erwiderte er also,
schenkte ihr ein Lächeln, von dem er wusste, dass es nicht schlecht aussah, und
sie erwiderte das Lächeln sofort.
„Von mir? Oh, von mir gibt es nicht besonders viel
zu-“ Das war ihm egal. Er wollte es ausprobieren. Was könnte schon Schlimmeres
passieren, als dass sie ihn zur Seite stoßen und weglaufen würde? Es war der
Whiskey in seinem Körper, der ihm tatsächlich den Mut gab, etwas so waghalsiges
zu versuchen. Er lehnte sich einfach zur runter, zog sie an ihrem Shirt näher
zu sich, und schon verschlossen seine Lippen ihren geöffneten Mund.
Es passierte nichts.
Sie stieß ihn nicht zur Seite!
Anscheinend wartete sie aber auf etwas.
Wahrscheinlich darauf, dass er einfach Initiative ergriff. Ach, zur Hölle,
jetzt hatte er auch nicht zu verlieren. Er wusste nicht, was sie wollte, oder
was er tun musste, also beschloss er, sich zu nehmen, worauf er eben Lust
hatte. Er wollte ihre Lippen mit seiner Zunge teilen. Und er zog sie näher zu
sich, hörte sie seufzen und hätte fast gegrinst. Wenn sie wüsste, dass sie das
erste Mädchen war, dass er tatsächlich wirklich küsste!
Aber das würde sein Geheimnis bleiben. Selbstbewusstsein, Scor, sagte er sich
tapfer und schob seine Zunge zwischen ihre Lippen, griff mit der Hand um ihren
Hals, und schon hatten ihre Finger den Weg in sein Jackett gefunden, in seine
Haare, glitten über seinen Körper, und sie rieb sich plötzlich gegen ihn,
komplett eng. Körper an Körper.
Seine untere Region reagierte sofort. Es
überraschte ihn. Das Gefühl war großartig!
Wie war das mit Verhütungen? Er hatte keine Zeit
gehabt, sich schlau zu machen. Mist!
Er küsste sie verlangender, wusste nichts weiter
anzufangen, als sie näher an sich zu bringen und zu knurren, wenn sie sich an
seiner Beule rieb. Sie drückte ihn plötzlich gegen die Wand, löste sich von
seinen Lippen, was er nicht gut fand, und begann sein Hemd langsam
aufzuknöpfen, bis ihre Hände über seine nackte Brust strichen! Ich verflucht!
Was tat sie denn?! Er hoffte, er kam nicht schon allein, weil dieses Mädchen
ihn berührte!
Und dann glitten ihre Finger einfach zu seiner
Hose, öffneten den Gürtel und er zuckte zurück.
„Hey, hey…“, unterbrach er rau ihre Handlungen und
umfing sachte aber bestimmt ihre geschickten Finger. „Hier?“, erkundigte er
sich außer Atem, und sie nickte bloß, als wäre es so Gang und Gäbe.
„Willst du nicht?“, fragte sie scheinheilig und
biss sich auf die Unterlippe, während sie ihm ihre Hände wieder entzog und
langsam auf die Knie ging. Oh Himmel, noch mal! Gleich würde er wahrscheinlich
sterben! Oder in ihr Gesicht kommen, ehe sie irgendetwas von den Dingen tun
konnte, die er sich bisher nur in seinem Kopf ausgemalt hatte.
Er wollte nicht ohnmächtig werden! Und garantiert
nicht kommen! Merlin, wie sollte er jetzt…
„Einen schönen guten Abend“, hörte er eine
missbilligende Stimme. Larissa kam schnell und äußerst verstimmt wieder auf die
Beine, als sie vom Lumos-Zauber
der Schulsprecherin getroffen wurden. „So spät noch draußen? Ms Bullstrode-Baxter, haben Sie nicht erst letzte Woche eine
Abmahnung und Strafarbeiten von mir bekommen? Sie gehen besser wieder!“, befahl
sie streng. Scorpius war ihr dankbar zum einen Teil und wütend zum anderen.
Larissa flüsterte das Passwort und verschwand im
stickigen, lauten Gemeinschaftsraum. Victoria sah ihn jetzt mit erhobener Braue
an.
„Eine Party?“, vermutete sie schlecht gelaunt und schaute auf ihre Armbanduhr.
„Um zwei Uhr nachts?“, fügte sie hinzu und wollte sich den Weg zum
Gemeinschaftsraum bahnen.
Er hielt sie hastig auf, griff um ihre Schultern
und schüttete verzweifelt den Kopf.
Er sah all sein gewonnenes Glück, seine neu
erworbene Beliebtheit dahinschwinden.
„Lass mich los, Malfoy. Und mach deine Hose zu!“,
presste sie hervor. „Dir ist klar, dass alle Partys ab elf Uhr untersagt sind!
Und wehe, ihr habt Alkohol!“, fügte sie wütend hinzu, während er mit einer Hand
seine Hose verschloss. Immerhin war die Erektion verschwunden!
„Hör zu, bitte, geh nicht rein. Da ist eine Party,
ja. Meine Party. Meine Verantwortung, bitte!“, flehte er praktisch, und die
Portraits betrachteten diesen Vorfall mit höchstem Interesse.
„So läuft das nicht!“, informierte sie ihn wütend.
„Das ist mein erster Geburtstag hier. Und mein
erster Geburtstag, den ich nicht alleine auf der Straße oder in einer
heruntergekommenen Kneipe verbringe, mit gefälschtem Ausweis und Menschen, die
ich nicht kenne. Mein erster Geburtstag, an dem ich ein Geschenk bekommen habe.
Nein, sogar drei! Und ich will nicht mehr allein sein. Denn alles, was ich hier
bin, ist allein, Victoria! Ich bitte dich, zwing mich zu allem, was dir
einfällt, aber lass das nicht auffliegen!“
Er sah sie eindringlich an. Sein Herz klopfte sehr
schnell. Ihr Blick ruhte auf seinem Gesicht. Sie verzog schließlich den Mund.
„Du stinkst nach Alkohol“, spuckte sie ihm entgegen, dennoch sah er wie sie ihr
Zorn langsam legte. Seine Mundwinkel zuckten kurz.
„Und du solltest dich besser nicht auf Larissa Bullstrode-Baxter einlassen“, fügte sie kühler hinzu.
„Ach nein?“, wollte er erleichtert wissen, und
würde sie es ihm verbieten, würde er sich wahrscheinlich daran halten, so
dankbar war er.
„Nein“, bestätigte sie und sah ihn weiterhin an.
Sie seufzte schwer. „Wahrscheinlich bedeutet das, dass Teddy dich ab Montag
beachten wird.“ Sie wandte den Blick zur Seite, und anscheinend gefiel ihr
diese Vorstellung nicht gut. Er hielt immer noch mit einer Hand ihre Schulter
fest.
Sie war hübscher als Larissa, war alles, was ihm
einfiel.
„Du magst Lupin, oder?“, fragte er, bemüht um
einen lässigen Tonfall. Sie hob eine Augenbraue in die Höhe.
„Wenn du denkst, dass ich irgendwann diejenige
bin, die hier auf dem Flur vor dir auf die Knie geht, dann muss ich dich
enttäuschen, Scorpius Malfoy. Ja, ich mag Teddy Lupin“, fügte sie gereizt
hinzu. Sie regte sich schnell über ihn auf. War das ein gutes oder ein
schlechtes Zeichen?
„Das… würde ich bestimmt nicht verlangen“, sagte
er schnell, schenkte ihr ein Lächeln und zog die Hand von ihrer Schulter
zurück. „Vielleicht erst mal nur… einen Spaziergang, einen Kaffee, zusammen
lernen in der Bibliothek…“, bot er ihr mehrere Möglichkeiten an, und ihre Hand
schlug ihn gegen seinen Arm.
Ein gutes Zeichen, also….
„Vergiss es“, sagte sie nur. „Zu deiner Strafe…“,
fügte sie lächelnd hinzu, und er versuchte seinen flehendsten
Blick, wenn er denn zu sowas fähig war.
„Oh bitte, Ms McLaggen, seien Sie gnädig“, bat er
rau, aber sie schüttelte den Kopf.
„Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin, und Montagnachmittag
erwarte ich Sie zur Strafarbeit im Zauberkunstraum, um drei Uhr“, fügte sie
hinzu. Immer noch sah sie ihn an. Er war sehr glimpflich davon gekommen. Aber
nein. Sie hatte einen Freund. Und dazu noch einen Werwolffreund.
Er mochte sich gar nicht ausmalen, wie kompliziert es werden würde, würde er
auch nur eine Sekunde lang daran denken, irgendetwas zu versuchen.
„Du wärst bestimmt zu gern auf der Party dabei,
oder?“, neckte er sie lächelnd, aber sie lächelte ebenfalls.
„Nein. Slytherins sind mir zuwider“, stellte sie
ernsthaft klar.
„Alle?“, wagte er zu fragen und wusste nicht,
weshalb sie nicht schon längst gegangen war, und ihm nicht auch noch hundert
Punkte abgezogen hatte.
„Scorpius“, erwiderte sie mit einem Kopfschütteln.
„Tut mir leid“, sagte er, fuhr sich durch die dichten Haare und richtete sich
wieder zur vollen Größe auf. Selbstbewusstsein,
Scor. „Wenn du deine Meinung ändern solltest…, ich sag es dem Wolf gern“,
bemerkte er spöttisch, und dieses Mal verdrehte sie gereizt die Augen und
wandte sich von ihm ab.
„Du bist wirklich blöd!“, rief sie über die
Schulter zurück. Er musste hinter verborgener Hand lachen. Er hatte das Gefühl,
die Schulsprecherin mochte ihn leiden. Wahrscheinlich war das eher ungünstig,
aber darüber würde er morgen nachdenken.
„Hey, ist die Luft rein? Ich hab alle veranlasst,
sich zu verstecken und den Alkohol fortzuschaffen.“ Ein Junge lehnte sich aus
dem Portrait und sah den Flur hinunter. „Wow, du hast die Schulsprecherin
abgewimmelt. Normalerweise ist sie Biest, was keinen Spaß versteht“, merkte er
an. Scorpius sah das anders. Victoria war… - bevor er perfekt denken konnte, schüttelte er hastig den Kopf. Nein, war sie
nicht. Er wollte sie nur einmal ganz
kurz küssen, mehr nicht.
„Danke… äh…“ Er wusste den Namen des Jungen nicht.
„Harry. Harry Parker. Nicht Potter”, fügte er mit
einem Zucken seiner Mundwinkel hinzu. Anscheinend bekam er oft den Vergleich
zuhören. „Einfach nur Harry. Wir haben zusammen Verteidigung“, fügte er hinzu.
„Danke, Harry.“
„Das war ziemlich hart. Ich wusste nicht, dass du
den Patronus so gut beherrschst. Richtig cool. Ich bin richtig schlecht“, fügte
er hinzu. Er war etwas kleiner als er selbst, aber er hatte breite Schultern.
Ansonsten waren seine Haare braun, sein Gesicht gewöhnlich, und er wäre
Scorpius nicht aufgefallen.
„Das ist leicht zu lernen“, gab er zurück, und
führte gerade sein erstes Gespräch in Hogwarts, mit einem Jungen. Sein erste freundliches Gespräch.
„Ja? Vielleicht kannst du es mir zeigen. Ich hab keinen Plan. Immer noch nicht.
Und ich sollte langsam einen haben.“
„Ich kann dir helfen“, bot er an.
„Ja?“
„Klar.“
„Wollen wir… darauf einen Trinken?“, schlug Harry
Parker mit ausgestreckter Hand vor, und Scorpius schlug nach keiner Sekunde grinsend
ein.
„Absolut! Scorpius Malfoy“, stellte er sich vor.
„Oh Mann, ich weiß! Larissa steht auf dich. Sie
ist wirklich… also… nicht, dass sie wüsste, wer ich bin, aber… sie ist
wirklich…!“ Harry wurde etwas röter um die Nase.
„Du… magst sie?“, erkundigte sich Scorpius und
versuchte zu verdrängen, was Larissa vorhin noch gemacht hatte, oder im Begriff
war, zu tun.
„Ich? Sie? Nein…, quatsch. Ich doch nicht. Sie…
kennt mich nicht mal. Wie könnte ich sie da… - ist ja auch egal. Wieso? Magst
du sie? Habt ihr… irgendwie beschlossen…, was zusammen zu machen?“, schien er
möglichst desinteressiert fragen zu wollen.
Und Scorpius entschied sich schnell.
„Nein. Wirklich nicht. Ich hab… kein Interesse an
ihr.“
„Gut. Nicht, dass ich das gut finde. Ich meine, mir
ist es egal. Sie ist mir egal, meine ich“, stotterte hastig. Scorpius musste
grinsen.
„Komm, wir gehen rein.“
„Cool, klar – ok!“
Sie verließen den Flur gemeinsam. Und das war mit
Abstand der beste Abend, den er jemals an seinem Geburtstag verbracht hatte.
Mit großem Abstand! Er fühlte sich Wohl. Zum ersten Mal.
~*~
Sie lag dick eingewickelt auf dem Liegestuhl auf
der Veranda. Es war weit nach zwölf, aber müde war sie nicht. Die Sterne
schienen heute so klar, als wären sie aufgemalt. Draco kam auf die Veranda,
zwei Gläser Wein in den Händen und legte sich in den freien Stuhl neben ihr. Er
reichte ihr das Glas, und sie nippte an dem köstlichen Rotwein.
„Die Nacht ist perfekt“, murmelte sie.
„Ja“, gab er zurück, während auch er in den Himmel
blickte.
„Was denkst du?“, fragte sie jetzt und zog sich
die Decke enger um die Schultern. Er erhob sich augenblicklich, setzte sich mit
auf ihren Liegestuhl, und sie schmiegte sich an seine willkommene Wärme. Er war
wärmer als sie. Männer waren meist wärmer als Frauen. Sie wurde noch müder.
„Ich denke… dass es lange her ist, dass ich
draußen bei Mondschein auf einer Veranda lag. Mit einer Frau. In meinem Haus
mit Garten“, erwiderte er bedächtig. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht.
„Bist du… glücklich?“, wagte sie zu fragen, und er
zog sie enger in seine Arme.
„Müsste ich das Wort neu erfinden, dann würde ich
anfangen, es damit zu erklären, dass ich hier mit dir auf einer Liege bei Nacht
auf der Veranda bin, Hermine“, antwortete er sanft.
Sie lächelte gegen den warmen Stoff seiner Jacke.
„Bist du glücklich mit mir?“ Er klang tatsächlich
skeptisch. „Mit… Draco Malfoy?“ Sein Name aus seinem eigenen Mund klang so
ungläubig, dass sie fast gelacht hätte. Sie setzte sich langsam auf.
„Mit Draco Malfoy…?“, wiederholte sie leise.
„Anscheinend“, gab sie schließlich zurück. „Ist das so abwegig?“, fügte sie
lächelnd hinzu, und er nickte daraufhin.
„Weasley scheint es abwegig zu finden“, bemerkte
er und konnte wohl einen Hauch Bitterkeit nicht aus der Stimme verdrängen.
„Ron wird drüber wegkommen.“ Sie blickte in den
Garten hinein. „Habt ihr… damals in Malfoy Manor gewohnt?“, fragte sie
vorsichtig. Er lehnte den Rücken gegen die Lehne, atmete langsam aus und nickte
dann.
„Ja. Vater wurde irgendwann verrückt“, sagte er
ernst. „Ich weiß nicht wann. Nach dem Krieg? Nach der Wende? Nach meiner
Hochzeit? Astoria hat jeden Tag damit verbracht mir zu erzählen, dass Lucius
gefährlich sei. Dass er Pläne hätte. Ich habe ihr gesagt, sie sei verrückt, und
dass mein Vater niemals etwas gegen uns planen würde.“ Er schwieg einen
momentlang. „Ich hätte niemals auf sie gehört. Nicht mal, wenn es mir meine
Mutter auch noch versichert hätte. Ich habe Lucius vertraut.“
„Es tut mir so leid.“
„Hermine, man verliert Dinge. Man verliert immer
etwas oder irgendwen.“
„Du hast Scorpius“, erklärte sie sanft. „Und
mich“, fügte sie hinzu.
„In der Nacht als er geboren wurde, war ich
glücklich. Für einen Augenblick. Es ging alles so schnell. Sie brachen in das
Haus ein, töteten Astoria, und ich konnte nur einen retten. Und sie sagte zu
mir, nimm das Kind, Draco. Nimm bloß das Kind…“ Wieder schwieg er. „Und ich
habe nie getan, was sie von mir wollte“, fügte er lächelnd hinzu. „Nur da. In
dieser Nacht“, endete er so leise, dass sie ihn kaum verstand. „Sie hätte ihn
unheimlich geliebt. Und sie würde sich freuen, dass ich mich für dich
entschieden habe.“ Er küsste sie auf die Stirn.
Sein Schmerz traf sie heftig. Sie hielt ihn ganz
fest, ließ ihn nicht los. Er war ein Vater. Ein Vater, der seine Frau verloren
hatte. Seine Eltern. Seine besten Freunde.
„Die Lügen, die mein Vater mir erzählte, über
Muggel und Voldemort, den Vorteil des Kriegs, haben ihn seinen Verstand
gekostet. Jedes bisschen Menschlichkeit. Hätte ich es doch nur gesehen. Dann
hätte ich nicht fliehen müssen, dann hätte ich Dinge anders gemacht.“ Er
lächelte jetzt. „Ich vermisse ihn nicht. Mein Vater ist vor zwanzig Jahren in
Askaban gestorben. Er ist kaum mehr als eine Erinnerung. Ich werde Scorpius
nicht enttäuschen. Ich werde ihn immer retten, und die Frau mit der ich
zusammen bin immer lieben“, schloss er ernst.
Sie hob den Blick und strich ihm eine Strähne aus
der Stirn. Er sah sie plötzlich an. „Du weißt, dass ich dich liebe, richtig?“,
fragte er besorgt, und ihr Herz machte einen kleinen Satz.
„Ja“, log sie fest, und er senkte den Kopf. Ihre
Lippen berührten sich sachte. Sie schloss die Augen und genoss diese wunderbare
Nähe für eine Weile. Er zog sich zurück und sah sie mit einem liebevollen Blick
an.
„Wenn du mich willst…?“
Sie lächelte breiter. Sie legte den freien Arm um
seinen Hals und küsste ihn stürmischer.
War sie verrückt? Vielleicht ein bisschen. War es
alles gefährlich und risikoreich? Sicher war es das. Bereute sie, dass sie in
der einen Nacht Dienst hatte, einen Jungen auf der Straße aufgegriffen hatte,
der versuchte, seine Freunde mit einem Hauch Magie zu beeindrucken?
Bereute sie, dass sie ihn aufgelesen, mitgenommen,
aufgenommen und ihm geholfen hatte seinen Vater zurückzubekommen?
Nein. Sie bereute es nicht. Vielleicht hatte sie
den letzten Rest der Familie Malfoy gar nicht gefunden. Vielleicht war es
anders herum, und die Malfoys hatten sie gefunden und gerettet? Vielleicht
hatte sie sich gar nicht verwehren können….
Sie hielt Draco Malfoy in ihren Armen, und
vielleicht retteten sie sich ja gegenseitig.
Das war ein guter Gedanke. Sie würde ihn nicht
enttäuschen. Sie würde Scorpius nicht enttäuschen. Sie war da, wo sie
hingehörte. Neben einen Mann, der sie liebte. Wenn sie es vorher nicht
verstanden hatte, dann sah sie jetzt wirklich, dass die Liebe blind sein
musste. Die Liebe sah mit dem Herzen, nicht mit dem logischen Verstand oder den
Augen, denen das Wichtigste verweht blieb.
Es war nicht sein Name. Er war sein gutes Herz, das
sie überzeugt hatte. Dem sie verfallen war. Sie fühlte sich unendlich wohl. Und
in der lauen, sternenklaren Nacht schlief sie in seinen Armen ein. Warm, in
seinen Duft gehüllt. Seine Anwesenheit beruhigte ihre Sinne völlig. Sie würde
nicht mehr gehen. Und das wusste sie mit Sicherheit.
– The
End –