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Kapitel

Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 , Kapitel 7 ,

Kapitel 8 , Kapitel 9  , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12 , Kapitel 13  ,

Kapitel 14 , Kapitel 15 , Kapitel 16 , Kapitel 17 , Kapitel 18 , Kapitel 19 ,

Kapitel 20  , Kapitel 21 , Kapitel 22

 

Kapitel 1

Again

 

Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Kopf wurde langsam schwer. Seit einer Weile hatte sie nicht mehr gesprochen. Sie wollte auch nicht mehr sprechen. Sie hatte genug gesagt. Und nach drei Stunden hatte sie einfach keine Lust mehr. Aber sie wusste, so einfach gab es kein Rauskommen aus dieser Sache. Sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich nach siebzehn Jahren ein weiteres Mal ausgerechnet in diese Situation geraten war. War sie auch nun etwas anders als damals.

 

„Wo ist sein Vater?“, murmelte der Minister wieder in die Richtung eines Rechtsmagiers, der alte Akten durchforstete. Es war wie ein Albtraum, der nicht enden wollte.

Und sie war sauer. Stinksauer, um genau zu sein. Denn etwas störte sie besonders.

Alle, außer ihr, fanden es nicht weiter verwunderlich, dass ausgerechnet dieser Junge heute hier aufgetaucht war. Niemand machte ein großes Aufheben davon. Fast so, als… hätten sie es gewusst.


„Ich habe keinen Vater!“, rief der Junge aufgebracht und genauso widerspenstig wie am Anfang der Verhandlung. Es wunderte sie überhaupt nicht, dass er ein kleiner arroganter Widerling war. Aber sagen würde sie es nicht.

 

„Aber Junge…. Natürlich hast du einen Vater“, erklärte der Minister, dem feine Schweißtropfen auf der Stirn standen. „Ms Granger, könnten Sie…?“ Sie wusste, sie musste selber wieder in den Akten suchen. Als ob sie etwas über den Aufenthalt seines Vater zu sagen wüsste! Bis vor drei Stunden hatte sie nicht einmal gewusst, dass er überhaupt einen Sohn hatte! Wenn sie jetzt schon an den ganzen Papierkram dachte, der vor ihr lag, dann hatte sie überhaupt keine Lust mehr, auch nur noch eine Sekunde hier im Ministerium zu sitzen.

 

Das würde sie Wochen kosten.

 

„Ich will endlich gehen!“, beschwerte sich der Junge, strich sich die schmierigen blonden Haare zurück und blickte finster in die Runde. Sie bekam einen besonders angriffslustigen Blick verpasst. Am liebsten hätte sie die Augen verdreht, aber sie beherrschte sich und reagierte mit Gleichgültigkeit.

 

„Das wird nicht möglich sein. Ich habe es dir bereits erklärt. Ohne einen magischen volljährigen Vertreter wirst du nirgendwo hingehen.“ Der Minister warf ihr auch einen Blick zu, aber natürlich gaben die Akten nichts über den Verbleib des Vaters her. Aber über den Verbleib des Großvaters wusste sie immerhin Bescheid. Nicht, dass das helfen würde….

 

„Ich bin volljährig, verdammt!“

 

„Junger Mann, bitte mäßige deinen Ton. Du sprichst mit dem Minister. Es ist eine Ehre, dass ich mich überhaupt dieser Sache annehme.“ Hermine atmete langsam aus. Sie wollte gehen. Zuhause war die Stimmung ähnlich angespannt, aber sie würde sich lieber mit Ron Tassen an den Kopf werfen, als sich im Ministerium über alte, zu den Akten gelegte, Fälle den Kopf zerbrechen zu müssen.

 

„Ich will hier nicht sein! Und wo ist mein Anwalt? Ich habe doch ein verfluchtes Recht darauf!“, schrie der Junge außer sich.


Anwalt?“, wiederholte der Minister etwas verwirrt.


„Ein Anwalt ist ein Rechtsmagier der Muggel“, erklärte Hermine beflissen. Der Junge stöhnte auf.


„Hör auf mit dieser Muggel-Scheiße! Was seid ihr überhaupt für Idioten? Seid ihr eine Sekte? Ist es das? Wollt ihr an mein Blut? Meine Organe verkaufen?“

 

„Reinblüter“, murmelte sie leise.

 

„Was?“, schnauzte der Junge, aber sie reagierte nicht darauf. „Ich muss mir das nicht bieten lassen!“, rief der Junge wieder.

 

„Du bist minderjährig, also brauchst du einen Vormund. Für die rechtlichen Angelegenheiten“, erklärte ein weiter Beamter des Ministerium trocken.


„Ich bin volljährig!“

 

„Sich seinen Geburtstag auszudenken ist nicht möglich!“, unterbrach Dean Thomas‘ Stimme scharf das Geschrei. „Laut den Akten, die wir haben, ist dein Geburtstag in einem Monat. Dann bist du volljährig.“ Der Junge schien zum ersten Mal verwirrt. Auch Hermine. Denn sie wusste, Dean wusste mehr, als er zu Anfang hatte zugeben wollen. Sie hatte es doch geahnt!


„Welche Akten?“, fragte sie, ehe es der Junge tun konnte. Dean wirkte eine Spur ertappt und warf seinen Kollegen einen knappen Blick zu, bis ein anderer ebenfalls nickte.

 

„Es gab einen Bericht einer Hebamme. Sie wurde in der Nacht ebenfalls umgebracht. Dort hieß es, dass Astoria Greengrass ein Kind zur Welt gebracht hat. Sie wurde danach von den Todessern gefoltert und schließlich mit dem Todesfluch belegt, und der vermeintliche Vater hat das Kind vor einem Waisenhaus abgelegt.“ Hermine schüttelte den Kopf.


„Was soll der Scheiß? Redet ihr über mich? Ich habe keinen Vater, verdammt!“, schrie der Junge wieder, diesmal etwas panischer als zuvor. „Wieso wollt ihr das wissen, ihr Verrückten?“, verlangte er zu wissen, bekam aber keine Antwort. Er beäugte die Zauberstäbe, die er vorher noch als lächerlich abgetan hatte, zögerlich. Er hatte noch keine Anstalten gemacht zu fliehen, was Hermine annehmen ließ, dass der Junge wusste, dass eine Gefahr von den Holzstäben ausging, wie er sie nannte.

 

„Ihr habt Akten darüber? Ihr habt Formulare? Wieso sind mir die unbekannt?“, wollte sie recht kühl wissen.

 

„Es war damals nicht angebracht. Du warst in der Ausbildung.“

 

„Oh ja, sicher, Dean. Und du bist so viel erfahrener als ich!“, erklärte sie zornig.

 

„Ich arbeite in einer anderen Abteilung und hatte schließlich irgendwann Einsicht. Es gab bisher keinen Anlass, anzunehmen, dass die Hebamme die Wahrheit gesagt hatte.“

 

„Und deshalb nehmen wir an, dass sie lügt?“ Es änderte einiges. Es änderte fast alles.

 

„Ich will gehen!“, unterbrach der Junge wieder das Gespräch.

 

„Ruhe!“, befahl der Minister streng. „Also… wir haben den Namen, die Umstände und-“

 

„Minister, Entschuldigung“, unterbrach Hermine den Mann, ohne ihn anzusehen. „Wieso ist so etwas nicht bekannt? Wie kann es sein, dass der Sohn eines Reinblüters mit zehn Jahren keinen Brief bekommen hat? Wie kann es sein, dass Hogwarts ihm nicht geschrieben hat? Wieso war er nicht vorgemerkt?“

 

„Vielleicht sollte er den Saal verlassen“, schlug Dean ernst vor.

 

„Ja! Ich will ohnehin gehen, verdammt!“

 

„Wieso sollte er gehen?“, ignorierte Hermine den Einwurf.

 

„Weil es Dinge sind, die nicht unbedingt für seine Ohren bestimmt sind“, erklärte Dean eine Spur gereizter.

 

„Wieso wurde er nicht von Hogwarts erfasst?“ Sie würde die Frage wiederholen, bis es Sinn machte. „Wieso werden solche Informationen vorenthalten? Wir hätten ihn schon längst finden können!“


„Malfoy hat verdammt gute Arbeit geleistet, ihn unauffindbar zu machen, begreifst du nicht?“, rief Dean jetzt wütend, und zum ersten Mal horchte der Junge auf.

 

„Nein, ich begreife nicht, Dean!“, erwiderte sie.

 

„Wir sind hier nicht, um zu streiten“, unterbrach der Minister wieder und übernahm die Unterhaltung erneut. „Wir sind hier, um eine Lösung zu finden. Der Junge hat Magie unerlaubterweise in Anwesenheit von Muggeln angewendet, wurde von unserer Aurorin gestellt, und jetzt braucht er einen Vormund, der ihn bis zu der Verhandlung betreut.“ Er sah auffordernd in die Runde. Sein Blick blieb an ihr hängen. Sofort hob sie die Hände.


„Nein! Absolut nicht, Minister.“

 

„Aber Ms Granger, es wäre nur für ein paar Tage. Sie sind Aurorin, wir haben hier einen Fall der Abteilung der Auroren, und wenn die Dinge nun so liegen, wie wir sie einschätzen, braucht der Junge Schutz.“

 

„Was?“ Hermine konnte es nicht fassen. „Welchen Schutz? Vor wem?“

 

„Ich brauche gar nichts!“

 

„Jemand hat sich besonders viel Mühe gegeben, den Jungen loszuwerden, in die Muggelwelt abzuschieben und ihm jede Magie zu nehmen“, erklärte Dean wieder, und Hermine hatte die Nase gestrichen voll, von der Überheblichkeit der Magischen Strafverfolgung.


„Wovon sprichst du wieder? Du tust so, als wäre es Gang und Gäbe! Für mich ist das alles neu!“

 

„Du bezweifelst, dass er sein Sohn ist? Wir können den Bluttest machen, Hermine. An Zeit mangelt es uns heute auch nicht mehr.“

 

„Nein, ich glaube, dass es sein Sohn ist, ok?“, fuhr sie ihren Kollegen wütend an. Wer könnte nicht glauben, dass dieser blonde Halbwüchsige nicht sein Sohn war? Niemand konnte es anzweifeln. Vor allem, da er ihm schon auf gruselige Weise ähnlich sah.

 

„Ich muss um Ruhe bitten. Ms Granger, die Tatsachen berücksichtigend, die dem Aurorenbüro bedauerlicherweise noch nicht zugänglich waren, muss ich entscheiden, dass ein Auror für den Schutz des Jungen zuständig sein muss“, beschloss der Minister streng.


„Wieso ich?“, warf sie ein.


„Sie haben ihn gefunden“, entgegnete der Minister, als würde das alles erklären.

 

„Mr Prinkett-“

 

„Sie sind die letzte Aurorin im Dienst heute Abend“, fuhr er etwas leiser und eindringlicher fort. Und sie war nur die letzte, weil sie für Harry eingesprungen war, weil der sein doofes Quidditchtraining hatte! „Und Sie sind gebürtige Muggel.“

 

Muggel?“, wiederholte der Junge wieder. „Was soll das? Ich brauche niemanden, ich will nach Hause! Die Leiterin wird sich ohnehin bei der Polizei melden, wenn ich nicht auftauche!“, brachte er siegessicher hervor.


„Die Leiterin deiner Einrichtung wurde bereits mit einem Zauber belegt und wird sich nicht erinnern, dass ein Junge namens Scorpius Malfoy in ihrem Waisenhaus gelebt hat“, widersprach der Minister ruhig, und der Junge starrte ihn an.


„Sie wollen mich verarschen, richtig? Ist das eine von diesen Shows? Und gleich kommt Mrs Davis und lacht mich aus?“

 

„Mrs Davis wurde von fähigen Mitarbeitern einem Gedächtniszauber unterzogen, und wie ich bereits sagte, sie wird sich nicht erinnern.“ Der Minister wandte sich wieder an sie.


„Ms Granger, ich erwarte, dass sie den Jungen schützen. Ich will keinen weiteren dieser Fälle unter meiner Amtszeit zu verbuchen haben. Sie haben ihn gefunden, Sie werden ihn mitnehmen. Ihre Wohnung ist groß genug. Das habe ich beim letzten Kaffeetrinken schließlich gesehen.“ Hermines Mund öffnete sich im Protest.


„Sir, ich habe keinen Platz für einen Jungen“, widersprach sie. „Ich bin berufstätig.“

 

„Für diesen Fall sind Sie in besonderer Position. Sie kümmern sich um den Jungen, finden seinen Vater und kümmern sich um die Eingliederung. Darüber haben Sie doch schließlich Ihre These geschrieben, wenn ich mich recht entsinne?“ Sie hasste ihn.

 

„Aber Sir-“

 

„Es ist spät. Das ist die Entscheidung. Der Junge bleibt in der Obhut des Ministeriums. Der Schutz wird Stufe drei sein, Ms Granger. Falls Sie Unterstützung brauchen, sagen Sie über Floh Bescheid und ich lasse Ihnen noch einen Auroren zukommen. Potter vielleicht?“ Oh ja. Harry würde begeistert sein, nahm sie an.

 

„Bluttest“, sagte sie eilig. „Ich will sicher sein. Ich nehme nicht irgendeinen Kriminellen mit nach Hause!“ Es war ein letzter Versuch. Dean Thomas erhob sich sogar persönlich. „Er ist nicht autorisiert!“, rief sie aus, aber Dean schloss einfach den Abstand zu dem Jungen, der ihn panisch ansah.


„Weg von mir, du-“ Aber Dean hob den Zauberstab, griff nach dem Arm des Jungen, der sich hastig loszureißen versuchte und presste dann den Zauberstab mit der Spitze in die Armbeuge. Er führte den Zauber stumm aus, und der Junge hörte auf sich zu wehren, als ein silberner Strahl in die Luft schoss. Hermine schloss genervt die Augen, als ein riesiger, wuchtiger Stammbaum in der Luft zu wachsen begann. Nur Reinblüter hatten einen  Stammbaum mit ungefähr hundert Ästen und Abzweigungen.


„Scorpius Falco Malfoy, Sohn von Astoria und Draco Malfoy“, erklärte Dean eisig.

 

„Aber Minister! Sir, Mr Prinkett, ich kann wirklich keinen Jungen bei mir unterbringen!“, begann sie wieder.

 

„Ms Granger, Sie sind eine der besonders fähigen Auroren. Sie betteln mich seit Jahren um ein wichtiges Projekt an, und jetzt werden Sie sich diesem Befehl nicht widersetzen. Es geht um weit mehr, als einen verlorenen Jungen. Denken Sie an die Anschläge auf Gringotts, auf das Verlies, auf den Namen!“ Es war das letzte Wort. Sie warf Dean einen letzten bösen Blick zu und würdigte den Minister gar nicht mehr.

 

„Hey, ich gehe mit keinem mit! Schon gar nicht mit ihr!“, rief der Junge wieder.

 

„Ms Granger, ich schlage vor, Sie leiten morgen die Suche ein und kümmern sich um das Verfahren der Eingliederung. Wir müssen den Jungen im Mungo vorbeischicken“, fügte er bedächtig hinzu.

 

„Warum? Und kann er dort nicht die Nacht verbringen?“


„Ungeschützt? Nein. Kommt nicht in Frage. Wenn wieder ehemalige Todesser auftauchen? Ich nehme an, es war der Hauptgrund, weshalb man ihn weggeschafft hat“, fügte der Minister hinzu.

 

„Die Hälfte dieser Todesser ist tot“, rief sie ärgerlich aus. Der Junge starrte von einem zum anderen. „Warum muss er ins Mungo?“, wiederholte sie wieder.

 

„Am besten liest du die Akte“, erklärte Dean gereizter. „Das wär es dann. Er darf dein Haus nicht verlassen, verstanden? Wenn, dann nur in deiner Begleitung.“

 

„Ich bin volljährig!“, rief er wieder. „Ihr könnt mir gar nichts!“


„Du bist minderjährig. Keine Widerrede oder es geht direkt nach Askaban. Dann kannst du deinem Großvater Hallo sagen.“ Der Minister warf Dean einen bösen Blick zu.

 

„Na, na, Mr Thomas. Das ist wohl nicht nötig. Minderjährige kommen nicht nach Askaban. Egal, wie viel Magie sie vor Muggeln anwenden“, ergänzte er streng.

 

„Ich habe keinen Großvater, ihr dämlichen Zauberkünstler! Ich habe keine Mutter und keinen Vater. Mein ganzes Leben lang wohne ich im London Creeks Waisenhaus!“ Er klang fast verzweifelt. Und Hermine hatte vielleicht ein kleines bisschen Mitleid. Vielleicht. Aber nicht viel.

 

„Fein. Ich bringe ihn morgen wieder. Ich werde ihn keinen Monat bei mir behalten, nur weil er keine siebzehn ist“, sagte sie bitter. „Beweg dich. Es ist spät.“ Sie zog vorsichtshalber ihren Zauberstab.

 

„Ich gehe nicht-“

 

„Wir wollen dir nichts Böses, Junge“, sagte der Minister jetzt, während er sich erhob. „Soweit ich heute verstanden habe, wurde das Vermögen in Gringotts nicht angegriffen.  Niemand hat in den letzten siebzehn Jahren darüber verfügt. Es sollte dem Jungen ein beachtlicher Teil davon zustehen. Über die Details reden wir morgen. Granger, ich verlasse mich auf Sie“, fügte er hinzu.  Sie seufzte auf.

 

„Vermögen?“, wiederholte er. „Ihr wollt mich bestechen?“

 

„Wohl kaum“, erklärte Dean, der seinen Umhang überwarf. „Mit dem Namen Malfoy geht das Wort Gold seit Generationen einher. Nicht deine Schuld, Junge.“ Der Junge starrte ihn an.


„Gold?“, wiederholte er verwirrt, und Hermine schnaubte auf.

 

„Beweg dich, oder du siehst nichts von deinem Geld“, erklärte sie. Und der Junge setzte sich tatsächlich in Bewegung. Es hätte ihr klar sein müssen, dass man einen Malfoy mit Gold wohl immer überzeugen konnte. Sie verließ kopfschüttelnd den Saal, der Junge lief hinter ihr her. Sie merkte, wie ängstlich er sich umsah. Alles musste seltsam und fremd für ihn sein. Obwohl er sich ja anscheinend mit Magie so gut auskannte, ein Auto aufzubrechen und es magisch anzulassen.

 

Sie schüttelte immer noch den Kopf, als sie den Fahrstuhl erreicht hatten.

 

Sie würde einen Malfoy mit nach Hause bringen. Sie war sich fast sicher, dass dies das Fass zum Überlaufen bringen würde. Wahrscheinlich wären Rons Sachen noch heute Nacht fertig gepackt, nahm sie müde an.

 

 

Kapitel 2

Gone

 

„Ich will nach Hause.“ Sie verstand den Einwand und wünschte sich nichts dringender, als dass der Junge wieder verschwinden würde. Nichts bereute sie so sehr, wie, dass sie heute Harrys Schicht übernommen hatte. Sie hätte keinen Außendienst gehabt, hätte keine verdächtigen Dinge bemerkt, wäre nicht in die Londoner Innenstadt appariert, hätte nicht diesen halbwüchsigen Jungen dabei erwischt, wie er seinen Kumpeln aus dem Waisenhaus gezeigt hatte, wie man ein Wagen ohne Schlüssel zum Laufen bringt, und hätte die Jungen nicht mit dem Vergessenszauber belegen müssen.

 

Sie wäre einfach nach Hause gegangen, hätte sich, wie jeden Abend, mit Ron gestritten und wäre gemütlich zu Bett gegangen. Allein. Ron schlief im Gästezimmer, seit…? Seit wann eigentlich? Sie wusste es schon nicht mal mehr, stellte sie schockiert fest.

 

„Das glaubst du doch wohl selber nicht“, erwiderte sie müde, als sie in der Eingangshalle angekommen waren. Sie verließen den Aufzug. Staunend sah sich der junge Malfoy um.

 

„Von wie viel Geld sprechen wir? Ich meine, so viel, dass ich das hier kaufen könnte?“

 

Das Malfoy-Vermögen gehörte zu den meist umwitterten Summen der Zaubereigeschichte, nahm sie an. Es gab Spekulationen um dreistellige Milliardenbeträge. Aber das konnte auch ganz leicht Unsinn sein. Sie entschied sich, ihm keine Hoffnungen zu machen, das Ministerium kaufen zu können.

 

„Weiß ich nicht“, sagte sie also. „Ich glaube, du kannst dir das Ministerium nicht leisten“, fügte sie bitter hinzu.

 

„Ich will gehen“, wiederholte er und wurde langsamer. Der Brunnen in der Mitte der Halle plätscherte leise. Sie hielt ebenfalls inne.

 

„Scorpius, ich weiß, das ist für dich genauso unangenehm wie für alle anderen. Aber du hast eine Straftat begangen. Dafür musst du Rechenschaft tragen. Und… dann kommt noch eine ganze Menge mehr hinzu.“ Und dabei stellte sie sich wieder die Frage, wieso Hogwarts den Jungen nicht aufgegriffen hatte.

Und natürlich hatte der Minister recht. Seit Jahren kamen Betrüger nach London, ehemalige Todesser, die versuchten, in Gringotts einzubrechen und das Vermögen zu bekommen, was seit Jahren unangetastet im Verlies wartete.

Bisher gab es keinen Erben. Und ihr schilmmster Gedanke war, dass Draco Malfoy vielleicht nicht mehr leben würde. Denn dann… wäre der Junge der erste in der Erbfolge.

Und das würde besonders einer Person nicht gefallen. Und diese Person war die böseste Person, die zurzeit im Askaban Hochsicherheitstrakt untergebracht war.

 

Hermine schauderte allein beim Gedanken an den Namen dieser Person.

 

„Ich will aber nicht mitgenommen werden. Ich will nicht ins Gefängnis, oder was auch immer!“, beschwerte sich der blonde Junge und schien sich nach einem Fluchtweg umzusehen. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel.

 

„Du wirst nicht ins Gefängnis müssen.“ Sie hatte keine Lust dieses Gespräch zu führen.

 

„Und was ist das Gerede von einer scheiß Einführung?“, wollte er patzig wissen, und sie atmete aus.

 

„Das ist was Positives, du undankbarer Idiot.“ Sie wollte nicht fluchen, wollte nicht ausfällig werden, aber diese Junge machte es ihr nicht leicht. „Du wirst in die magische Gesellschaft eingeführt“, erläuterte sie unwillig. Er lachte auf, so dass seine Stimme in der Halle widerhallte.

 

„Immer noch? Du willst mir das immer noch weiß machen? Du bist eine Hexe oder was auch immer?“ Und es war so seltsam. Ein Malfoy tat Zauberei ab, als wäre es lächerlich.

 

„Miss. Granger. Für. Dich“, erklärte sie langsam. Sein Grinsen verschwand.

 

„Wirklich seltsam. Du kennst mich nicht, aber du magst mich nicht. Bisschen unfair, oder?“ Sie sah all ihre Autorität bereits schwinden. Ein Malfoy und Respekt gingen nicht einher.

 

„Wir gehen“, informierte sie ihn streng. „Du wirst Folge leisten“, fügte sie hinzu, als er schon wieder den Mund geöffnet hatte. „Ich habe die Befugnis, dich außer Gefecht zu setzen, wenn du dich selber gefährden könntest“, fuhr sie fort. „Und dass kann ich tun, indem ich dich stumm hexe, deine Gliedmaßen versteiner oder solange bewusstlos hexe, bis die nächste Verhandlung ist, verstanden?“ Und er schüttelte langsam den Kopf.


„Du glaubst das echt“, stellte er fest. „Seid ihr alle verrückt?“ Aber er klang nicht mehr so skeptisch. Er hatte vorhin doch selber einen komplizierten Zauber gesehen. Aber natürlich glaubte ein Malfoy nichts. Sei es auch unterschrieben und von Gott persönlich bestätigt, nahm sie an.

 

„Komm endlich“, befahl sie knapp. Zog den Zauberstab, und er folgte ihr langsam, wenn auch äußerst widerwillig. Sie griff angewidert nach seinem Arm und zog ihn zu einem der Kamine.

 

„Was wird das? Bist du der Weihnachtsmann?“, fragte er belustigt, als sie ihn hineingeschoben hatte.

 

„Ja, genau. Der Weihnachtsmann, Malfoy“, erklärte sie gereizt, und schon wurden sie nach oben geschleudert. Sie hörte seinen gedämpften Schrei, aber die Fahrt betrug keine Sekunde. Er hatte sich an ihre Schulter geklammert, als sie plötzlich auf der Straße aufgetaucht waren. Sie hätte direkt apparieren können, aber wahrscheinlich war es besser ihn vorzuwarnen, ehe er sich noch losriss, wenn sie gerade dabei war.

 

„Was war das, verfluch?“, rief er ärgerlich aus und ließ sie eilig los. „Ein Strudel? Ein Luftzug? Sowas gibt es nicht!“, beschwerte er sich. Sie streckte die Hand aus.

 

„Wir apparieren jetzt“, erzählte sie gelangweilt. „Hör auf zu meckern, und halt gleich einfach still. Es wird nicht lange dauern.“

 

„Wir tun was?“, wollte er abgeschreckt wissen und schüttelte den Kopf.


„Nein. Ohne mich! Ich kenn den Weg zurück!“, behauptete er steif, aber sie verdrehte die Augen. Sie zwang seinen Arm um ihren.

 

„Halt bloß still!“, warnte sie ihn.


„Ich werde nicht-“

 

Aber sie hatte sich schon angefangen zu drehen und zog ihn einfach mit sich. Diesmal schrie er wesentlich lauter. Die ganzen zehn Sekunden, die es dauerte.

Sie kamen so abrupt zum Stehen, dass er mit den Knien auf den Boden schlug. Grover’s Corner lag ruhig vor ihnen. Es war aber auch schon nach elf. Diese Gegend war immer tot um diese Uhrzeit.

 

„Oh mein Gott!“, rief er keuchend aus. „Wie hast du das gemacht?“ Hustend kam er auf die Beine. Sie glaubte, dass er zitterte und musste sich unwillkürlich fragen, wie sie so viel Magie am ersten Tag aufgenommen hätte. „Ich meine, ich weiß, ich kann seltsame Sachen mit meinen Händen machen, wenn ich mich konzentriere – aber das!“ Er starrte sie an. „Das ist doch nicht normal!“

 

„Nein, natürlich nicht. Wir sind ja auch Zauberer.“ Sie versuchte ihm das Wunder Magie näher zu bringen. Und wäre es nicht spät, hätte sie nicht schon sechzehn Stunden gearbeitet, dann wäre sie vielleicht netter. Wäre er nicht ein krimineller Malfoy, dann wäre es vielleicht auch einfacher. Aber manchmal kam es nicht so günstig aus.

 

„Können wir das noch mal machen?“, fragte er begeistert und hielt ihr seinen Arm entgegen. Sie musterte ihn müde.

 

„Nein“, erklärte sie tonlos.

 

„Dann was? Worauf warten wir?“

 

Sie blickte an ihrem Haus hoch. Die Wohnung oben war erleuchtet. Dass Ron schon schlafen würde, war also keine Option. Sie seufzte. Ihr blieb heute wenig erspart. „Wohnst du hier?“, unterbrach er ihre Gedanken, und sie blieb regungslos.

„Was ist? Müssen wir hineingebeten werden? Lösen wir uns gleich auf? Sind wir so wie Vampire oder sowas?“, wollte er begierig wissen, aber sie schloss kurz die Augen.

 

„Nein. Keine Vampire. Komm einfach“, erklärte sie müde, und in ihrem Kopf verteufelte sie Draco Malfoy. So sehr wie heute hatte sie ihn selten verabscheut, dabei hatte sie ihn siebzehn Jahre nicht gesehen. Ach, was sagte sie! Sie hatte ihn seit der Abschlussfeier auf Hogwarts nicht mehr gesehen.

 

Sie öffnete die Tür, machte Licht im Treppenhaus mit einem Wink ihres Zauberstabs, was ihn wieder aufkeuchen ließ, und schob ihn die Treppe nach oben. Er bombardierte sie mit Fragen über sich, seinem angeblichen Geld, über Apparieren und weshalb er überhaupt in einem Waisenhaus gelandet war. Anscheinend wurde er redseliger, wenn man ihm ein paar Tricks vorführte und die Aussicht auf Geld im Raume stand.

 

Sie öffnete ihre Wohnungstür.

 

„Weasley?“, las er von der Klingel ab. Und seltsamerweise klang seine Stimme beim Aussprechen des Namens abwertend. Sie überlegte, ob es genetisch veranlagt war. „Ich dachte, du heißt Granger?“


„Ms Granger“, verbesserte sie ihn ärgerlich.

 

„Wohnt noch ein Mädchen mit dir zusammen? Habt ihr sowas wie eine lesbische WG?“, wollte er grinsend wissen. Sie starrte ihn an.


„Du denkst, ich wäre-“ Sie schüttelte zornig den Kopf. „Weißt du was, es geht dich nichts an!“, entschied sie sich jetzt. „Du kannst auch auf dem Flur schlafen. Es ist mir egal“, fügte sie hinzu.


„Ich dachte, du musst mich beschützen?“, wollte er überheblich wissen, und sie atmete verzweifelt aus.

 

„Geh einfach rein.“

 

Sie schob die Tür auf, und er betrat den erleuchteten Flur. Er sah sich um, und sie bemerkte den Schatten in der Tür zum Wohnzimmer.

 

„Na, hast du dich im Ministerium versteckt, weil…“ Ron unterbrach sich selbst, als er bemerkte, dass sie nicht alleine war. „Was soll das?“, stellte er die nächste Frage prompt. Er hätte nicht feindlich gesinnter aussehen können.


„Das habe ich beim Arbeiten gefunden“, gab sie garstig zurück. „Er steht unter Schutz und bleibt erst mal bis morgen hier.“

 

„Ist er nicht ein bisschen zu jung?“, bemerkte Ron mit kaltem Spott, und sie machte sich bereit für die nächste Runde.

 

„Eklig, Ron. Wirklich. Und nein. Ich verbringe meine Zeit nämlich nicht damit, Ersatz zu suchen“, fügte sie hinzu. Sie wusste nicht, wann auf einmal jede natürliche Scham von ihr abgefallen war. Es war ihr egal, was Außenstehende über die Beziehung zwischen ihr und Ron dachten. Für sie war sie längst gestorben.

 

„Du bist auch nicht erfolgreich. Wie alt ist der kleine? Fünfzehn?“

 

„Siebzehn!“, widersprach der Junge. Ron nickte anerkennend.


„Na dann. Immerhin brichst du dann nicht das Gesetz, richtig Hermine?“

 

„Wer ist der Idiot?“, wollte Scorpius grimmig wissen.


„Der Idiot zahlt hier zufällig die Hälfte der Miete, du kleiner Hosenscheißer.“ Ron war näher gekommen, und Hermine wusste nicht, wie sie die Akte gestalten sollte, wenn Ron Scorpius heute Nacht verprügeln würde.

 

„Ron!“, sagte sie warnend. „Das Ministerium bürgt für den Jungen. Also lass ihn in Ruhe.“


„Wieso ist er hier? Brauchst du so dringend Gesellschaft, Hermine?“, wollte Ron wütend wissen, und der Junge lachte auf.

 

„Meine Fresse! Bei so einem bleichen, rothaarigen Spießer wundert es mich nicht, dass Granger mich mitgenommen hat. Hättest du mir eher sagen können, dass es eigentlich darum geht“, informierte er sie, und sie funkelte ihn zornig an.

 

„Scorpius, ich hoffe, du weißt noch, was ich über deine Gliedmaßen gesagt habe? Zwing mich nicht dich zu verfluchen!“


Scorpius? Was ist er? Ein antiker Held aus Merlins Kindergeschichten?“

 

Scorpius hatte schon wieder den Mund geöffnet, aber Hermine fuhr dazwischen.

 

„Ron, halt deine Klappe! Er steht unter meinem Schutz, ob dir das passt oder nicht. Ich wohne hier ebenfalls, und ich kann garantieren, dass er dich in deiner stumpfen Einsamkeit im Gästezimmer heute Nacht nicht stören wird!“


„Ihr schlaft nicht mal mehr zusammen?“ Scorpius betrachtete Ron kopfschüttelnd. „Aber das kann ich mir gut denken.“

 

„Scorpius!“, drohte Hermine wieder, aber diesmal war Ron schon zu ihm geschritten und hatte ihm am Kragen gepackt.

 

„Am besten ziehst du deinen Zauberstab und zeigst mir, ob du auch magisch so begabt bist, wie mit deinem dreckigen Mund! Aber nein… du darfst ja außerhalb der Schule nicht zaubern“, lachte Ron hämisch.

 

„Ich habe auch keinen Zauberstab“, spuckte ihm Scorpius entgegen. „Aber Arschlöcher wie dich, habe ich schon mit zwölf zusammen geschlagen!“ Hermine schloss die Augen und zog den Zauberstab.


Protego!“, rief sie zornig und beide wurden auseinander gerissen. Scorpius starrte sie mit einem Hauch Neid an.

 

„Er hat keinen Zauberstab? Wo hast du diesen Urkobold gefunden?“

 

„Hey!“, rief Scorpius wütend. „Ich muss mich von dir bestimmt nicht beleidigen lassen. Ich habe bestimmt genug Geld, um dich verhaften zu lassen!“ Hermine bekam Kopfschmerzen.

 

„Ruhe! Ihr haltet beide den Mund!“

 

„So siehst du nicht aus. Das Geld scheinst du nicht für Kleidung auszugeben!“

 

„Ron, bitte. Was soll das? Er ist ein Muggel, ok? Na ja. Technisch gesehen nicht“, widersprach sie sich selbst verwirrt. „Für ihn ist alles neu. Es wäre eine Hilfe, wenn du ihn nicht anschreien würdest!“

 

„Ein Muggel? Was tut er dann hier? Soll sich die Polizei um ihn kümmern!“

 

„Muggel? Nein. Mein Name ist Malfoy!“, rief Scorpius ärgerlich. „Muggel ist ein scheiß Wort!“

 

Und Ron rastet ungefähr in diesem Moment aus.

 

„Du hast einen Malfoy in die Wohnung gebracht?“, schrie er so laut, dass sogar Scorpius zusammen zuckte. Rons Zauberstab lag sofort in seiner Hand. „Raus!“, knurrte er, und presste die Spitze gegen die Brust des Jungen. Dieser hob automatisch die Hände in die Luft, als wäre es der Lauf einer Waffe, der sich in seine Kleidung bohren würde.

 

„Hey, hey! Reg dich ab, verdammt!“, rief Scorpius, zum ersten Mal eingeschüchtert. Ron griff hinter ihm nach der Türklinke.

 

„Hermine, er geht, oder ich bin weg! Für immer!“

 

Wieder mal ein Ultimatum. Wenn es etwas gab, was sie über Ron zu sagen wusste, dann, dass er wohl König in dieser Disziplin war. Ultimaten waren seine Stärke. Seine einzige Stärke. Und sie hatte es schon vor zehn Jahren gehasst.

 

„Ron, ich kann ihn nicht rauswerfen, das weißt du hoffentlich. Ist dir nicht klar, was das bedeutet?“, versuchte sie ihn zu besänftigen, aber Ron schüttelte den Kopf.


„Du willst mir doch nicht erklären, dass du dich für einen Malfoy entscheidest? Das willst doch wohl nicht sagen?“


„Ich entscheide mich nicht! Das hier ist ein Auftrag! Ich kann ihn nicht zurück schicken. Im Waisenhaus wurde die Erinnerungslöschung bereits durchgeführt. Er hat kein Zuhause!“

 

„Malfoy Manor steht doch leer! Soll er in das Gruselhaus verschwinden!“

 

„Er hat keinen Zauberstab, kann sich nicht verteidigen, und wenn Ehemalige kommen, und ihn umbringen wollen, stand er in meiner Verantwortung. Er bleibt!“

 

„Es gibt keine Todesser mehr! Warum sollte ihn jemand umbringen wollen, verdammt?“, fuhr Ron sie zornig an, den Zauberstab immer noch gegen Scorpius gerichtet.


„Wegen des Golds! Malfoy hat seinen Anspruch anscheinend aufgegeben. Und das Verlies in Gringotts ist eingefroren. Es gab keine Transaktionen mehr! Mit der Rückkehr eines Erbens können sich Ehemalige nicht mehr in Sicherheit wiegen, an das Gold zu kommen!“

 

„Ich fasse nicht, dass du ihn verteidigst!“

 

„Ich verteidige ihn nicht! Ich habe keine Wahl, Ron!“

 

„Er ist nur ein Todesser!“

 

„Er ist ein Muggel!“

 

„Das ist Unsinn, und das weißt du! Er ist ein Reinblüter, und zwar einer, der von einer ganzen Ahnenreihe Todesser abstammt! Denkst du, seine Einstellung ist anders? Du hörst doch, was für ein verzogener, arroganter, kleiner Wichser er ist! Wie sein verfluchter Vater!“, schrie Ron außer sich.

 

„Mein Vater?“, fragte Scorpius jetzt dazwischen. „Ihr kennt meinen Vater?“, erkundigte er sich ungläubig, und Ron schoss ihm einen zornigen Blick zu.

 

„Jeder kennt deinen Vater, Junge! Sei froh, dass dir diese Bekanntschaft erspart geblieben ist.“ Scorpius wirkte nur noch schockiert.

 

„Ron!“


„Nein, Hermine! Wenn er bleibt, bin ich weg“, wiederholte er knapp. Hermines Schultern sanken. Ron war ein Idiot. So ein blöder Idiot!

 

„Mir sind die Hände gebunden“, erwiderte sie schlicht.

 

„Fein. Ganz wie du willst.“ Mit einem letzten hasserfüllten Blick ließ er von Scorpius ab. „Glückwunsch. Du hast mich mit einem Malfoy ersetzt. Das macht sich bestimmt gut in deinem Lebenslauf“, fügte Ron hinzu und hatte sich abgewandt. Scorpius sackte gegen die Wand.

 

„Was läuft hier für eine Scheiße?“, flüsterte er, und rieb sich seine Brust. Rons Zauberstab hatte seine Kleidung an der Stelle leicht angesengt. Aber diese Kleidung war ohnehin nicht dafür gedacht, noch ein weiteres Mal angezogen zu werden, befand Hermine. „Wer seid ihr? Und… wer bin ich?“, fragte er noch leiser und sah sie an, als wäre sie der Feind.

 

Vielleicht war sie heute auch für ihn der Feind. Ganz offensichtlich war sie das.

 

 

Kapitel 3

Greengrass Fives

 

 

„Wie muss ich ihn halten?“ Scorpius holte aus. „So?“, erkundigte er sich, und dabei flogen eine ganze Regalreihe an Zauberstäben auf den Boden.


„Mr Malfoy, Mr Malfoy! Bitte, vorsichtig!“, rief Mr Ollivander besorgt. Hermine saß auf einem Hocker und las in ihren Berichten. Sie hätte jetzt auf der Arbeit sein können. Sie hätte mit Ginny zu Mittag essen können, sich Gedanken darüber machen können, ob sie am Wochenende bei Harry und ihr Essen würden, oder ob sie vielleicht ausgehen wollten.

Aber nein. Sie streifte durch die Winkelgasse, mittags, wenn alle Haushexen und kleinen Kinder ebenfalls unterwegs waren und kaufte einen Zauberstab für Malfoy Junior.

 

Sie war wütend, denn Ron hatte sich erdreistet gestern Abend noch das gute Geschirr mitzunehmen. Nur, um sie zu ärgern, nahm sie an. Denn, was wollte er sonst mit Geschirr?

 

„Der ist nicht gut!“, rief Scorpius aus und sah sich bereits nach dem nächsten Zauberstab um.

 

Einhornhaar, Weichdornholz vielleicht…“, murmelte Ollivander. Hermine atmete gereizt aus. Sie war froh, dass sie diesem Halbstarken keine Eule kaufen musste. Sie würden einen Zauberstab finden, Gold abheben und dann würde sie sich nur noch um eine Zauberhilfe kümmern müssen. Und er hatte Merlin sei Dank genug Gold, um privat unterrichtet zu werden!

 

Hermine hob rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie die Lampen zu glühen begannen. Feuerschein flackerte über die Wände, und der große Leuchter an der Decke klirrte unheilschwanger.

 

„Wow!“, flüsterte Scorpius. „Das war wie… ein Stromschlag…“,fügte er ehrfürchtig hinzu. Mr Ollivander schien zufrieden.

 

„Der Zauberstab findet seinen Meister. Hätte ich mir denken können. Ihr Vater besaß einen ähnlichen Zauberstab. Vielleicht einen halben Zentimeter länger.“ Scorpius war merklich still geworden. Er nickte nur.

 

„Das Ministerium schreibt an, Mr Ollivander. Ich danke Ihnen für die Hilfe, und nächste Woche spätestens haben Sie das Gold.“

 

„Vielen Dank, Ms Granger.“ Mr Ollivanders Blick ruhte dennoch auf Scorpius, der seinen Zauberstab betrachtete.

 

„Kommst du?“ Hermine konnte nicht schneller verschwinden.

 

„Warte!“, sagte er, und sie hasste es, dass er sie nicht siezte. „Ich… kann den behalten?“, fragte er leiser. Sie sah ihn kurz verdutzt an.


„Willst du nicht zaubern?“, erwiderte sie gereizt.


„Doch“, sagte er hastig und betrachtete das Stück Holz in seinen Fingern. Sie seufzte auf.

 

„Du lernst später damit umzugehen. Steck ihn ein, und wir gehen weiter.“

 

Er folgte ihr, und mit offenem Mund lief er durch die Winkelgasse. Es war fast schon witzig, wenn er nicht in ihrer Obhut stehen würde. Sie würde sich später mit Harry im Ministerium treffen. Er war schließlich Leiter der Abteilung und wüsste eine gute Zauberhilfe für den Jungen.

 

„Wo gehen wir hin?“, fragte er hastig und hielt mit ihr Schritt.

 

„Gringotts“, erwiderte sie steif.

 

„Ringo-was?“, wiederholte er verwirrt, und sie funkelte ihn an. Wenn er doch einfach nur Folge leisten würde.

 

„Nein. Die Bank. Für Zauberer.“

 

„Da, wo mein Geld ist?“, flüsterte er gierig, und sie seufzte auf.


„Ja.“

 

„Perfekt!“

 

„Du weißt, dass du bleiben musst, richtig? Dass du Geld besitzt, heißt nicht, dass du irgendwelche Freiheiten bekommst. Du wirst immer noch bei mir bleiben. Hast du das verstanden?“ Sie wusste nicht, warum sie es nicht schaffte, netter zu sein. Es lag an ihm. An seinem Namen. Seinem Aussehen.

Sie würden gleich zu Madame Malkin gehen und neue Kleidung kaufen. Er beschwerte sich allerdings nicht über irgendwas.

 

Er hatte ihr sogar heute Morgen gesagt, dass er ihre Wohnung riesig fand. Das war angenehm. Er war ein Malfoy, der nicht verwöhnt war. Es war auch seltsam. Zu seltsam, befand sie.

 

Aber es würde sich gleich ändern.

 

„Bist du verrückt? Ich bin ein reicher Zauberer! Entweder ich bin eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht, oder die Drogen von Tommy Gorgins sind besser als Dope!“, erklärte er begeistert. Sie ließ diese Aussage einfach so stehen. Anscheinend war der Junge in weit mehr illegale Aktivitäten verwickelt, als sie gerade fassen konnte.

 

Sie erreichten Gringotts. Es ragte hoch in den Himmel und die gläserne Kuppel glänzte in der Spätherbstsonne. Scorpius‘ Mund klappte auf.

 

„Komm schon“, sagte sie hastig, als er stehen geblieben war. „Oh, und in Gringotts arbeiten Kobolde. Und sie sind nicht besonders menschenfreundlich. Starr sie nicht an. Mach dich nicht lustig“, warnte sie ihn noch, ehe sie die ausladende Treppe nach oben gingen.

Die Türen öffneten sich ohne Geräusch und sie betraten den stillen Saal.

 

Die Kobolde hoben die arroganten Blicke nur sehr kurz. Scorpius folgte ihr staunend.

 

An einem Schalter hielt sie an und wartete gereizt, bis der Kobold endlich die Zeit fand, den Blick zu heben.


„Ja?“, fragte er gedehnt und schien im Moment alles lieber zu tun, als Kunden zu bedienen. Hermine mochte die meisten Kobolde nicht.

 

„Hermine Granger vom Ministerium. Mr Malfoy möchte Gold aus dem Familienverlies abheben.“ Dieser Satz reichte wohl alleine aus, um alle Kobolde von ihren Beschäftigungen abzulenken. Der Kobold, mit dem sie sprach, musterte sofort den Jungen neben ihr.

 

„Malfoy?“, wiederholte der Kobold. Dann sah er sie wieder an.

 

„In welcher Beziehung soll er zu den Malfoys stehen, Miss…?“ Jeder kannte ihren Namen. Kobolde regten sie auf.

 

„Er ist der Sohn der regierenden Malfoy Erben.“

 

„Mr Draco Malfoy hat das Erbe nicht angetreten.“ Sie war vorbereitet auf diese Unterhaltung.

 

„Er hat das Vermögen nie aufgegeben, korrekt?“, fragte sie also knapp.

 

„Lord Lucius Ma-“

 

„Lucius Malfoy ist Gefangener in Askaban und hat somit keinerlei Rechte auf nur einen Silberknut“, unterbrach sie den Kobold hastig.

 

„Und das hier soll der Sohn sein?“, wollte der Kobold überheblich wissen, musterte die schäbige Kleidung des Jungen, und Scorpius sah Hermine an.

Diese atmete aus.

 

„Ich bin sicher, die Reinblüterpolitik hier hat die Verliestore bestimmt auch betroffen. Also dürfte er, wenn er der rechtmäßige Erbe ist, die Tore ohne weiteres öffnen können.“ Sie sah den Kobold gereizt an.

 

„Wie Sie wünschen“, erwiderte dieser nach einer ganzen Weile. Wahrscheinlich nahm er an, dass auch sie Betrüger waren. „Ich hoffe, Sie sind sich bewusst, dass, wenn er kein echter Malfoy ist, die Tore zum sofortigen Tod führen werden“, fuhr der Kobold beflissen fort. Sie nickte nur. Scorpius schluckte hart.

 

„Keine Sorge“, sagte sie nur. Sie verließen den Saal, und auf der gesamten Fahrt nach unten hörte sie Scorpius hinter sich fluchen vor Begeisterung. Es kam ihm wohl vor wie eine Achterbahnfahrt in Disneyland.

 

Sie hielten vor einem riesigen Felsvorsprung. Feuer brannte in großen Fackeln und warf gruselige Schatten auf die Steine.

 

„Mr… Malfoy, wenn Sie vortreten würden.“ Der Kobold schien sich schon zu freuen. Hermine fragte sich unwillkürlich, wie viele Betrüger hier schon gescheitert und gestorben waren. Schade, dass sie gegen das Rechtssystem der Kobolde nicht ankam. Kobolde ließen sich nicht von milderen Maßnahmen oder Gnade belehren. Und erst recht nicht von Zauberern. „Legen Sie Ihre Hand auf den Griff“, befahl er knapp. Scorpius hob sogar recht tapfer die Hand und legte sie auf den goldenen Knauf.

 

Zuerst passierte nichts.

 

Der Kobold schien nicht weiter überrascht. Dann ächzten die Zahnräder und Balken, die Ketten und Zauber, die die Tore verschlossen hielten. Hastig wich der Kobold nun zurück.

 

„Heiliger Hippogreif!“, flüsterte er, als die Tore sich zu bewegen begannen und Scorpius eilig die Finger wieder zurück zog. Er wich an ihre Seite, und sie konnte nicht verhindern, beeindruckt zu sein. Nur wenige Verliese hatten Doppeltore. Und dieses hier verdiente sie absolut.

 

Kaum kamen die staubigen, alten, schweren Tore zum Stehen, wurden sie geblendet von einem hellen Schimmer. Gold, nahm sie an. So viel Gold, wie Lucius Malfoy vor der Inhaftierung hatte habhaft werden können.


„Verdammt!“, flüsterte Scorpius. „Und das ist meins?“, fügte er leise hinzu und wagte nicht, sich zu bewegen. Der Kobold jedoch verfiel in eine alberne Verbeugung.

 

„Lord Malfoy, wenn Sie eintreten wollen“, rief er überschwänglich, und Hermine verdrehte die Augen. Sie betraten das Verlies. Es war bestimmt so groß wie ein Quidditchfeld, und all die Sachen, die sie als illegal einzuordnen wusste, häuften sich mit jedem Wimpernschlag.

Hippogreifköpfe, vergoldete Relikte aus vergangenen Zeiten, schwarzmagische Objekte, Diademe, Goldbarren, Schmuck, Dokumente, die sie nur zu gerne mal in die Finger kriegen würde, und natürlich Münzen. So viele Münzen, dass die vielen Kisten und Regale überhaupt nicht fassen konnten, was sie beinhalteten.

 

Es waren bestimmte hunderte an Kisten. Mannshohe Kisten, musste man erwähnen. Sie würde nur zwei Hände voll benötigen, um alles zu bezahlen, was er brauchte.

 

„Meins?“, wiederholte er immer noch völlig überwältigt.

 

„Ja. Deins“, erklärte sie. „Wir werden etwas Gold mitnehmen, dir Kleidung kaufen und davon die Zauberhilfe bezahlen. Eine Unterkunft finden wir.“

 

„Er wohnt nicht in Malfoy Manor?“, mischte sich der Kobold ein, und Hermine wandte sich um.

 

„Ich glaube nicht, dass es bewohnbar ist“, erklärte sie knapp.

 

„Stellen Sie Elfen ein! Ein Lord kann nicht woanders wohnen!“ Der Kobold witterte wohl wieder mehr Goldgeschäfte durch einen Malfoy.

 

„Malfoy Manor?“, wiederholte Scorpius begierig, und sie schüttelte den Kopf.

 

„Da gehen wir nicht hin.“

 

„Es ist mein Haus?“

 

„Haus?“, lachte der Kobold, und Hermine seufzte auf. „Mylord, ein Haus ist es nicht! Es ist vielmehr ein Palast!“ Scorpius sah sie an.

 

„Ich habe einen Palast?“, flüsterte er. Hermine schüttelte rigoros den Kopf.

 

„Nein. Du hast ein Gemäuer. Verlassen, verwünscht und wahrscheinlich halbwegs vernichtet.“

 

„Nein, Ms Granger. Der Schutz, der auf dem Vermögen liegt, liegt ebenfalls auf dem Herrenhaus. Lord Lucius hätte niemals Ansprüche untergehen lassen!“ Sie mochte nicht, wie der Kobold Lucius Malfoy verteidigte. Sie mochte es wirklich nicht!

 

„Wir werden gehen“, erklärte sie. Sie stopfte ein paar Händevoll Münzen in den Beutel, den sie mitgebracht hatte, und nahm ebenfalls einen Goldbarren mit. Sie wollte nicht zu schnell wieder kommen.

 

„Und der Rest?“, murmelte Scorpius enttäuscht, und sie zog ihn wieder mit zurück zu dem Schienenwagen.

 

„Der Rest wird schon nicht verschwinden“, erwiderte sie entnervt.

 

„Und jetzt?“, rief er, als der Kobold den Wagen wieder eilig in Gang setzte, nachdem er die Tore versiegelt hatte.

 

„Jetzt kaufen wir Kleidung, gehen ins Ministerium zurück und dann… suchen wir deinen Vater“, ergänzte sie bitter, und wünschte Malfoy, dass sie ihn besser nicht finden würde!

Ein Blick in Scorpius‘ Gesicht sagte ihr, dass er nicht viel mit der Vorstellung eines Vaters anfangen konnte.

 

Und sie wusste nicht, ob das gut oder eher schlecht war.

 

~*~

 

Harry musterte den Jungen skeptisch. Scorpius fuhr immer wieder über den glatten Stoff der Jacke, die er neu bekommen hatte. Die Kleidung stand ihm gut. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, mit ihm auch noch zum Frisör zu gehen. Die Frisierhexe hatte sich gar nicht mehr eingekriegt, als sie die Haare des Jungen hatte schneiden können.

 

Das Ministerium zahlte schließlich für die Eingliederung verlorener Zauberer.

Es war es wert gewesen. Wenn er auch jetzt aussah, als wäre er Draco Malfoy aus dem Gesicht geschnitten worden.

 

„Du bist Scorpius?“, wollte Harry wissen. Sie hatte keine Ahnung, weshalb er ihr so einen prüfenden Blick zuwarf. Als hätte sie ihn freiwillig mitgenommen!

 

„Ja, Mr Potter.“ Scorpius hatte an Höflichkeit gewonnen. Hermine hatte erwartet, dass er mit dem Wissen, reich zu sein, nur noch unausstehlicher geworden wäre, aber sie hatte sich geirrt. Er wollte nicht mehr weglaufen. Nein, er schien jetzt besessen von dem Gedanken zu sein, Zaubern zu lernen.

Er sprach Harrys Namen mit genau demselben Unwissen aus, wie ihren oder Rons. Das war seltsam. Wie so vieles an dieser Geschichte.

 

„Ich denke, es ist wichtig, dass du die Umstände deiner Geschichte kennst.“ Sie sah Harry an.

 

„Bist du sicher, dass es wichtig ist, dass-“

 

„Hermine, hätte ich meine Geschichte nicht erfahren, dann wäre ich nicht der, der ich heute bin“, bemerkte er knapp.

 

„Sie kennen meine Geschichte?“ Und es ärgerte sie, dass Scorpius Harry siezte und es bei ihr nicht einmal in Erwägung zog. Aber sie sagte nichts weiter dazu.

 

„Viele kennen deine Geschichte. Und ich bin ebenfalls ein Waisenkind. Natürlich existiert bei dir noch Familie. Auch wenn es nicht mit Sicherheit feststeht. Jedenfalls ist es so gut wie sicher, dass dein Vater irgendwo auf der Welt noch lebt“, fuhr er fort.

 

„Warum hat er mich verlassen?“, war die Frage, die so kalt Scorpius‘ Lippen verließ, dass Hermine überrascht den Blick hob. „Wenn er so reich ist, wenn ihn alle kennen, wenn er einen Palast besitzt, wieso hat er mich verlassen?“

 

Harry atmete knapp aus.


„Was hat dir Ms Granger über Todesser erzählt?“ Der Junge sah sie knapp an.

 

„Gar nichts. Was ist das?“ Hermine warf Harry wieder einen Blick zu. Es wäre schön, dieses Gespräch vermeiden zu können. Aber sie wusste, wenn der Junge als Zauberer leben sollte, dann musste er die Geschichte kennen. Die Akte lag auf ihrem Schoss. Harry hatte sie besorgt, und Hermine konnte nur schwer die Augen von ihr lösen.

 

„Es gab einen Zauberer. Sein Name war Voldemort, und er hatte einen waghalsigen Plan, die Zauberergesellschaft von muggelgebürtigen zu befreien“, begann Harry.

 

„Ich bin ein Muggel?“, erkundigte sich Scorpius schließlich verwirrt, aber Harry schüttelte den Kopf.

 

„Nein. Du bist ein Reinblüter. Deine Vorfahren haben reines Blut, wie man es damals genannt hat. Du stammst von Zauberern ab. Ms Granger hingegen hat nichtmagische Vorfahren.“ Hermine verdrehte knapp die Augen.

 

„Und Sie?“, wollte Scorpius wissen, und Harry lächelte.


„Ich bin ein Halbblut. Meine Mutter war eine Muggel, mein Vater ein Zauberer. Voldemort wollte nur Reinblüter als Anhänger haben, und hat diese beauftragt, Muggel oder muggelstämmige Hexen und Zauberer umzubringen.“

 

„Warum?“, wollte er plötzlich wissen. Und die Frage traf Hermine überraschend. Sie selbst hatte sich diese Frage die meiste Zeit ihres Lebens gestellt. Aber sie glaubte nicht, dass allzu viele Reinblüter die Agenda von Voldemort hinterfragt hatten.

 

„Warum?“, wiederholte Harry bedächtig und lächelte wieder. „Er hatte keinen Grund. Er wollte kein unreines Blut in der Gesellschaft haben.“

 

„Granger kann verflucht gut zaubern“, bemerkte Scorpius jetzt lauter, und Hermine entschied sich, zumindest so zu tun, als hätte sie das Wort Miss gehört.

 

„Muggelstämmige zaubern natürlich genauso gut wie alle anderen auch. Wie gesagt, er war ein mächtiger Zauberer, aber ein dummer. Deine Familie wiederum gehörte zu den treusten Anhängern. Ich, Hermine und einige andere haben Voldemort schließlich gestürzt, das Todesserregime gebrochen, und die Welt beruhigte sich wieder.“

 

„Ihr habt das gemacht?“, wiederholte er verblüfft, und Hermine sah das erste Mal Respekt in dem Gesicht des jungen Malfoys. Respekt und Unglaube. Natürlich.

 

„Ja.“

 

„Und… man muss das sein, was ihr seid? Auror, oder wie es heißt? Kann ich das auch?“, wollte er sofort wissen. „Hier! Ich habe einen Zauberstab!“, fügte er hinzu, und zog ihn ehrfürchtig aus der Manteltasche. Harry lächelte wieder. Sie wusste nicht, weshalb Harry so selbstgefällig tat. Vielleicht, weil er das erste Mal Respekt von einem Malfoy bekam.

 

„Das braucht viel Zeit, viel Kunst und viel Übung.“ Scorpius seufzte enttäuscht. „Dein Vater gehörte zu den reichsten Zauberern. Für gewöhnlich arbeitet diese Reihe an Zauberern auch nicht. Sie verwalten Vermögen. Er heiratete Astoria Greengrass nach dem Abschluss. Und sie bekam ein Kind. Das wohl bisher reichste Kind in der Geschichte Londons.“

 

Scorpius hörte gebannt zu. Hermine überflog die Akte weiter.

 

„Jedoch gab es Neider. Das Malfoy Vermögen ist groß. Und Lucius Malfoy, dein Großvater musste die Haftstrafe antreten, die allen Todesser zuteilwurde.“

 

„Wieso heißt es so? Todesser?“, unterbrach Scorpius. Er schien nicht sonderlich interessiert an seiner Familie zu sein. Aber wenn man sie nie gesehen hatte, vielleicht war das Interesse dann auch eher gering, nahm Hermine an.

 

„Eine gute Frage“, gab Harry zurück. „Das kann ich dir nicht sagen, Scorpius.“

 

„Ok“, erwiderte der Junge. „Wo ist meine Mutter?“, fragte er schließlich.

 

„Ehemalige Todesser haben sie am Tage deiner Geburt getötet“, entgegnete Harry ohne weitere Umschweife. Hermine hatte den Punkt in den Akten erreicht.

 

„Warum?“, flüsterte Scorpius jetzt.

 

„Gold, Scorpius. Jede Menge Gold. Je weniger Malfoys im Weg standen, umso größer war die Chance, an das Gold zu kommen. Dein Glück war es wohl, dass niemand von deiner Existenz wusste. Dein Vater hatte nämlich die Hebamme bestochen, so wie wir es wissen. Dein Tod bei der Geburt stand schwarz auf weiß in den offiziellen Akten.“ Scorpius schüttelte verwirrt den Kopf.

 

„Sie waren auch hinter deinem Vater her. Die letzten fünf Todesser, die das große Gold gewittert hatten. Gringotts war schwach nach der Belagerung und einfach zu stürmen gewesen, wären erst mal alle berechtigten Erben ausgeschaltet. Dein Vater hat dich mitgenommen. Er hat dich nach London gebracht und mit einem gewagten Zauber deine Magie entzogen.“

 

„Meine… Magie?“ Hermine hatte den Blick endlich gehoben. Sie hatte die Stelle in den Akten erreicht und konnte nicht fassen, was sie hörte.

 

„Ja. Das war bisher nur eine der vielen Theorien, die um den Malfoy Erben die Runde gemacht hatten. Anscheinend war es eine korrekte Theorie. Hogwarts verfügt über Listen aller Kinder, die auf Hogwarts einen Platz bekommen werden. Am Tag deiner Geburt fand dein Name ebenfalls den Weg auf die Liste. Als die nächsten zehn Jahre verstrichen waren, hätte deine Magie Anlass geben müssen, den Zauber zu wecken. Mit deinem Namen auf der Liste wird automatisch herausgefunden, wo du bist. Aber mit zehn Jahren war keine Magie vorhanden. Du warst vollkommen ohne Magie.“

 

Er schüttelte langsam den Kopf, als verstünde er nicht.

 

„Aber ein Zauber wirkt auch nur eine gewisse Zeitlang. Ein Zauber dieser Art wird gelöst, wenn derjenige, der für ihn verantwortlich ist, stirbt, oder ihn aufhebt. Dass dein Vater den Zauber aufgehoben hat, ist möglich.“

 

„Und dass er gestorben ist, nicht?“, fragte Hermine plötzlich, aber Harry ruckte mit dem Kopf.

 

„Gringotts hätte Kenntnis erhalten. Der Tod eines Inhabers wird magisch angezeigt.“ Sie war nicht überzeugt. Wenn ein Sohn einfach fast siebzehn Jahre unbemerkt existieren konnte, dann konnte ein Malfoy auch unbemerkt sterben.

 

„Du denkst, er hat den Zauber aufgehoben?“, wollte sie jetzt wissen und klang höchst skeptisch dabei.

 

„Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass Scorpius Magie anwenden kann. Unkontrolliert, nicht gezielt, aber Magie ist vorhanden. Starke Magie. Das heißt, sie kanalisiert sich jetzt nach außen, wie sie es nach einigen Lebensjahren schon hätte tun sollen. Es wird Zeit, dass du sie zu nutzen lernst. Wir werden es dir beibringen. Oder anders, Hermine wird es dir beibringen.“

 

Auch Harry siezte sie schon nicht mehr vor dem Jungen, und – was?!

 

„Nein!“, sagte sie harsch und war aufgestanden.

 

„Hermine, du bist die beste Hexe hier. Du hast freigestellte Zeit bekommen, und wieso nicht?“, fuhr Harry sie an.

 

„Ich bin keine Lehrerin!“

 

„Ach nein?“, wiedersprach Harry grinsend. „Willst du lieber auf der Stelle seinen Vater finden?“ Das wollte sie auch nicht. „Bring ihm ein paar Dinge bei. Das hast du bei uns doch auch gemacht.“

 

„Ich bin nicht ausgebildet!“

 

„Du hast doch deine These über die Eingliederung geschrieben. Du weißt doch besser, was zu tun ist. Und er hat sich an dich gewöhnt.“ Scorpius betrachtete sie grinsend. Und sie schüttelte wieder den Kopf.

 

„Ich bin doch kein Babysitter!“, rief sie aus.

 

„Ich bin volljährig, verdammt!“ Sie wandte sich zornig an den Jungen.

 

„Nein! Bist du nicht! Und ich habe es satt! Ich werde ihn nicht eingliedern, ihm nicht zaubern beibringen und schon gar nicht weiter hier sitzen und mich zwingen lassen! Ich habe ihm Geld besorgt, Kleidung, einen verdammten Zauberstab, und jetzt können sich andere ärgern!“

 

„Hermine, das ist ein Befehl.“

 

„Kümmer du dich doch, Harry!“

 

„Ich werde mich darum kümmern, seinen Vater zu finden. Wozu noch mehr Durcheinander? Kümmer dich, bis wir Draco Malfoy gefunden haben.“

 

„Und wenn ihr ihn nicht findet?“, wollte sie angriffslustig wissen.

 

„Dann wird er in einem Monat volljährig sein, alleine wohnen, seine Ausbildung irgendwann abschließen und vielleicht in einem Jahr in der Gesellschaft arbeiten können. Einen Monat, Hermine. Mehr nicht.“

 

„Er ist ein Malfoy!“, knurrte sie böse. Scorpius runzelte darauf hin die glatte Stirn.

 

„Er ist keiner von den Malfoys, Hermine. Er kennt keinen Muggelhass, er ist nicht verwöhnt, er ist wie ich, Hermine. Er hat niemanden, und du willst ihm nicht mal helfen? Das kenne ich nicht von dir!“ Sie öffnete entrüstet den Mund.


„Ich habe genug Sorgen, Harry!“, erklärte sie gepresst.

 

„Das hier ist Arbeit, Hermine. Und es ist eine gute Sache. Wenn du es schaffst, aus einem Malfoy einen rechtschaffenen Menschen zu machen, dann ist das eine ziemlich gute Sache.“ Hermine wusste, sie hatte keine Chance. Alle hatten sich gegen sie gestellt.

 

„Ich verspreche dir, ich werde alles lernen! Ich werde aufpassen und alles machen. Ich will auch zaubern. Und auch böse Menschen jagen. Und…“ Der Junge sah sie begierig an. „Und ich habe doch niemanden.“ Und er spielte seine Malfoy-Karten verflucht hervorragend. Sie verzog den Mund. Er sah sie mitleiderregend an, aber sie kannte seinen Vater.

 

Es zog bei ihr nicht! Dämliche Spiele zogen bei ihr nicht.

 

„Hermine, er kooperiert doch bereits. Kein weiteres Problem. Ich werde mich jetzt auf die Suche begeben. Ich nehme noch ein paar Auroren mit. Aber die meisten bleiben vor Ort, falls es doch Probleme geben sollte.“

 

„Harry!“, rief sie aus.

 

„Hermine, das wäre geklärt. Beatworte ihm Fragen, die er noch hat. Die Akte sollte alle erschließen.“ Ihre Schultern sanken. Sie war zum Babysitter und Lehrer degradiert worden.

 

 

Kapitel 4

Askaban

 

Er hörte seinen Atem. Ein und aus.

 

Ein und aus.

 

Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die schmutzigen Scheiben, die keinen Blick nach draußen gewährten. Der Regen hatte die Nacht über angedauert. Die Gefangenen hatten geschrien. Die Gefangenen sind wahnsinnig geworden. Sie sehen Gestalten in den Schatten. Düstere Krallen, die nach ihnen greifen. Selig diejenigen, die vor Jahren schon den erlösenden Kuss bekommen hatten und träge die Wände anstarren konnten. Ohne zu denken. Ohne Gefühl.

 

Er hatte einen Gast. Er hatte Besuch. Seit fünf Jahren hatte er keinen Besuch.

Und hätte er es sich aussuchen können, dann hätte er lieber keinen Besuch.

Die Narbe war verblasst. Immer noch war sie ein deutlicher Blitz. Seine Haut war gesund. Frisch. So, als ob er Tageslicht sehen durfte.

Sein Blick wanderte über die schwarzen Haare. Haare, die wild abstanden. Unmögliches Aussehen. Ihn fror es im Herbst. Seine Haare wurden mit einem aggressiven Zauber am Wachsen gehindert, damit er sich nicht in einer schwachen Stunde daran erhängen konnte.

 

Die meisten Gefangenen hatten keine Haare.

 

Er erinnerte sich noch an die Farbe. Sie waren blond. Fast weiß. Königliche Haare.

 

Sein Mund verzog sich zu einem grimmigen Ausdruck.

Er sprach nicht mehr. Mit wem auch? Es gab niemanden in Askaban, mit dem es sich lohnte zu sprechen. Die Gefangenen, die so verrückt waren, dass sie mit sich selbst sprachen, hatten nicht mehr lange zu leben. So war es immer. So war es schon seit siebzehn Jahren.

 

„Nein“, sagte er also. Seine Stimme war nicht mehr funktionsfähig. Sie war rau, heiser, brach nach jeder Silbe. Als hätte sich seine Kehle dagegen entschieden, seine Stimmbänder weiterhin zu tragen.

 

„Nein?“, wiederholte der Junge, der überlebte. „Sie haben Ihren Sohn also seit achtzehn Jahren nicht mehr gesehen? Er hat Sie nicht besucht? Er hat Ihnen keine Post geschickt? Keine Nachricht über seinen Aufenthalt?“

 

Lucius fühlte sich unwohl auf dem Stuhl. Die Magie hielt ihn gefangen. Ketten um seine Handgelenke hielten ihn davon ab, Gewalt anzuwenden. Aber was brachte Gewalt? Er hatte keinen Zauberstab mehr. Er hatte gar nichts mehr.

 

„Nein“, sagte er erneut.

 

„Vor fünf Jahren hatten Sie einen Gast, Mr Malfoy. Einen Gast, der Ihre Unterschrift gewollt hat, um frei über das Vermögen verfügen zu können. Einen Gast, der Ihre Unmündigkeit erklärt haben wollte.“

 

„Nicht Draco“, brachte er hervor.

 

„Nein. Aber in seiner Gestalt. Ihre Frau hat Sie besucht, nicht wahr?“

 

„Meine Frau…“, wiederholte er nachdenklich.

 

„Sie wurde umgebracht.“ Das wusste er selber. Kurz spürte er einen rauen Schmerz. Aber er war nicht zu stark. Kein Gefühl war mehr allzu stark. Selbst der Hass auf Harry Potter war kaum noch mehr ein Glühen in seiner Brust. „Als sie Askaban verlassen hatte, in Gestalt Ihres Sohnes, ist sie umgebracht worden. Die Verfügung ist ebenfalls verschwunden. Ihr Sohn hatte davon wissen müssen. Er hatte wissen müssen, dass er nicht unbemerkt einen solchen Schritt gehen konnte.“

 

Lucius wusste nicht, was Potter von ihm wollte.


„Denken Sie, er hat es geplant?“, fragte Potter jetzt mit unverhohlenem Abscheu. Träge hob Lucius eine Augenbraue.

 

„Nein“, sagte er wieder. „Draco ist tot.“

 

„Nein, Draco ist nicht tot.“

 

Wo lag der Sinn? Lucius wusste es nicht. Natürlich war Draco tot. Er war tot, seine Frau war tot, Narzissa war tot. Sein Enkelkind war tot. Seine Schwägerin. Alle waren tot.

 

„Wenn er nicht tot ist, wie kommt es dann, dass Sie Ihre Zeit hier in Askaban verschwenden, Mr Potter?“ Höflichkeit ging ihm nicht mehr leicht von der Zunge. Die Worte, die er sagte, waren einstudierte Floskeln, die er dann und wann abrufen konnte, wenn er es wollte. Aber eigentlich wollte er gar nichts mehr.

 

„Das soll nicht Ihre Sorge sein. Sagen Sie mir, was Sie wissen.“

 

„Ich bin hier seit achtzehn Jahren. Alles, was ich weiß, wissen Sie besser, nehme ich an.“ Seine Handgelenke schmerzten mittlerweile. Die rauen Ketten waren bestimmt nicht dafür gedacht, bequem zu sitzen.

 

„Sie wissen, in zwei Jahren endet die Haft, Lucius.“

 

In zwei Jahren wäre er längst gestorben. Er wunderte sich, dass er nicht schon längst dem Wahnsinn erlegen war. Er sagte nichts dazu. „Ich bin sicher, wir könnten daran etwas ändern“, fügte Potter ruhig hinzu. Lucius hob die Mundwinkel. Eine seltene Geste.

 

„Oh ja? Sie wollen mich mit meiner Freiheit bestechen, Mr Potter? Ich sagte Ihnen, mein Sohn ist tot. Sie verschwenden Ihre Zeit hier. Am besten gehen Sie.“ Er wandte den Blick von seinem Gegenüber ab. Er hatte sich an die graue Gefangenenuniform gewöhnt. Nur dunkel erinnerte er sich an die Tage, an denen er Seide und Einhornfell getragen hatte. Lederstiefel und Schmuck, so teuer, dass er Askaban hätte kaufen können.

 

Nur manchmal erinnerte er sich daran, der reichste Mann Englands gewesen zu sein.

 

„Wissen Sie, wo die letzten Ehemaligen sind?“ Wieder musste er lächeln.

 

„Sie sind nicht hier, wo ich bin. Also, nein, ich weiß es nicht.“ Das waren mehr Worte an einem Tag, als in den ganzen Jahren zuvor.

 

„Wir haben Ihren Enkel gefunden.“

 

Lucius hob den Blick. „Wir gliedern ihn in die Gesellschaft ein. Es wird nicht lange dauern, bis Ehemalige versuchen werden, ihn umzubringen. Das steht fest. Denn mit einem Erben wird das Vermögen wieder unantastbar.“ Das Vermögen…. Daran hatte Lucius Ewigkeiten nicht mehr gedacht. Es war auch nicht mehr wichtig. Noch war er hier. Noch war es unwichtig.

 

„Mein Enkel ist tot.“

 

„Nein, er lebt.“

 

„Alle sind tot, Mr Potter.“ Wieder blickte er die grauen Steinwände an. Und er hörte Potter seufzen.

 

„Ich werde Sie wieder besuchen, Lucius.“ Das glaubte er nicht wirklich. Niemand kam zweimal. Niemand würde kommen. Vielleicht nur noch der Tod. Und der würde ihn dann mitnehmen. Fort von hier.

 

Fort von hier. Dorthin, wo die anderen waren.

Und wäre er dort angekommen, würde er Draco ein weiteres Mal umbringen.

Denn er gab allein seinem missratenen Sohn die Schuld daran, hier zu sein.

Und es juckte ihn nur noch in den Fingern, Rache zu üben. Und sei es an einem Toten, den er noch ein weiteres Mal töten konnte.

 

Und sollte Draco leben – dann würde ihn Lucius umbringen, sobald es seine Kraft zuließ.

 

Grimmig starrte er die Wand an.

Er würde alle umbringen, die dafür verantwortlich waren, dass er hier drin alles verloren hatte, was ihm einst lieb und teuer war. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Potter seufzend erhob und den Raum verließ.

 

„Und Sie werden eine weitere Person auf meiner List sein, Mr Potter“, murmelte er, als Potter längst gegangen war. Lucius merkte, dass er soeben mit sich selbst gesprochen hatte.  Er schloss die Augen und sehnte sich nach seinem Zauberstab.

 

 

~*~

 

Er sah die Frau an, die ihn weder erkannte, noch genau zu wissen schien, was er eigentlich wollte. Und sogar ein Troll würde verstehen, was offensichtlich auf der Hand lag:

Diese Frau war mit einem Vergessenszauber belegt worden.

 

„Sie sagen, Sie beherbergen keinen Jungen namens Scorpius?“, wiederholte er fast verzweifelt. Und er wusste, Draco würde das nicht gerne hören. Draco würde höchstwahrscheinlich wahnsinnig werden. Draco würde einen Weg finden, es seinem Vater in die Schuhe zu schieben, würde bei Nacht und Nebel Askaban angreifen lassen, und Lucius umbringen.

 

„Mr Goyle, ich sagte Ihnen, ich habe diesen Namen noch nie gehört!“

 

Gregory sah sich um. Das Waisenhaus war heruntergekommen und war nicht unbedingt der angemessenste Ort. Und so kurz vor der Verwirklichung des Plans! Ausgerechnet jetzt, war der Junge nicht mehr da! Kinder spielten auf der kalten Erde, mit nichts weiter als Unrat und muffigen Stofftieren.

 

„Ich… ich danke Ihnen, Ms Davis“, sagte er also schließlich. Die Frau hatte sich bereits geschäftig abgewandt. Gregory begriff nicht, wie Draco seinen Sohn in dieser Absteige hatte hausen lassen können. Wie er keinen Finger gekrümmt hatte, Gelder zufließen zu lassen, um das Waisenhaus zu renovieren. Er war nicht einmal in Kenntnis gesetzt worden, wie Draco überhaupt vorhatte, seinem Sohn das Vermögen zukommen zu lassen, was ihm zustand.

Und jetzt war es auch noch zu spät! Irgendwas war vorgefallen.

 

Aber was…?

 

„Hey, Sie!“, rief ein Junge, der in einer Ecke gestanden hatte. Er wirkte alles andere als vertrauenerweckend. Er wirkte wie ein Junge, der in Slytherin besonders gut aufgehoben wäre, überlegte Gregory verwirrt. Aber natürlich waren hier nur Muggel.

 

„Ja?“ Gregory würde vorsichtig sein. Das waren hier alles Diebe. Selbst Scorpius war lediglich zu einem Dieb herangewachsen. Soweit er es beurteilen konnte. Er kam schließlich jeden Monat vorbei, um einen Blick auf den jungen Malfoy-Erben zu erhaschen.

 

„Sind Sie auch einer von denen?“, flüsterte der Junge, sah sich hastig um, und schien bereit, ihn anzugreifen, wenn nötig. Gregory griff in seiner Manteltasche fest um seinen Zauberstab.

 

„Von wem?“ Er wollte gehen. Es hatte neue Probleme aufgeworfen. Der Junge war fort, und jetzt mussten sie ihn suchen, und sicher zurück bringen. Gregory hatte Draco seit Jahren gesagt, er hätte es seinem Sohn sagen müssen. Und jetzt war das Schlimmste eingetreten.

 

„Kommen Sie, um noch wen zu holen?“ Gregory atmete aus.

 

„Junge, ich muss gehen.“ Er wandte sich ab.

 

„Sie haben ihn mitgenommen! Und jetzt erinnert sich keiner! Ich erinnern mich!“, rief der Junge hastig. „Ich weiß, was sie mit den Holzstäben machen!“, fügte er lauter hinzu. Sofort hatte Gregory kehrt gemacht. Der Junge wusste also mehr. Und er wusste gleichzeitig etwas, was er nicht zu wissen hatte!

 

„Was sagst du?“, zischte er, schloss den Abstand und zog den Jungen zur Seite. Es musste nicht jeder hören.

 

„Scorpius wurde von denen entführt. Sie sind auch nur einer von denen! Wollen Sie mich jetzt entführen?“ Gregory ignorierte die ängstlichen Worte des Jungen.

 

„Wer hat ihn entführt?“ Er wagte gar nicht zu fragen, ob diese Leute Umhänge und weiße Masken trugen. Ob sie einen dunklen Totenschädel auf dem Arm hatten.

 

„Menschen“, brachte der Junge heiser hervor.

 

„Welche Menschen? Hast du sie gesehen? Hatten sie… wie sahen sie aus?“

Der Junge schien begeistert darüber zu sein, dass sein Wissen wohl wichtig war.

 

„Wie viel zahlen Sie mir für die Information?“ Gregorys Geduld schwand. Er griff den Jungen am schmutzigen Hemdkragen und zog ihn näher zu sich.

 

„Sag mir, was du weißt!“, verlangte er zornig zu wissen. Der Junge schluckte schwer, und hob dann beschwichtigend die Arme.


„Eine Frau! Eine Frau hat ihn erwischt, als er das Auto angelassen hat. Ohne Schlüssel. Wir dachten, sie wäre ein Cop, aber sie… hatte diesen Stab und… hat uns bedroht! Hat irgendwas von einem Ministerium erzählt. Von minderjährigen Zauberern und all so einen Unsinn!“, erklärte der Junge hastig. Gregory ließ ihn langsam los.


„Eine Frau?“, wiederholte er. Und dann auch noch vom Ministerium. Anscheinend eine Aurorin. „Weißt du, wie sie heißt?“ Es wäre alles nur noch schlimmer, wäre Scorpius vom Ministerium aufgegriffen worden. Dann wüssten sie, wer er war, und dass Draco selber einen Zauber ausgeführt hatte, der ihn nach Askaban bringen konnte. Gregory schloss panisch die Augen.

 

„Nein“, sagte der Junge hastig. „Aber ich habe sie gesehen!“, rief er aus. Anscheinend witterte er schon wieder die Chance auf Geld, aber Gregory hatte nicht einmal Muggelgeld dabei. Er atmete also aus, und griff wieder nach dem Kragen des Jungen.

 

„Wie sah sie aus?“ Alles wurde einfach nur noch schlimmer, befand er.

 

„Ok, ok! Schon gut!“, rief der Junge ärgerlich, wohl weil er keinen Profit machen konnte. „Was seid ihr für Leute? Was ist so toll an Scorpius? Er ist nur ein Waisenjunge mit einem blöden Namen!“ Gregory drückte fester zu. Der Junge schluckte schwer. „Ok!“, wiederholte er hastig. „Die Frau war hübsch! Schlank, verdammt heiß!“, rief er aus. „Braune Locken und ziemlich cool.“

 

„War sie alt?“, wollte Gregory jetzt wissen. Der Junge ruckte mit dem Kopf.

 

„Keine Ahnung. Bestimmt über dreißig“, sagte er hastig. Gregory dachte eilig nach. Welche Frau in seinem Alter konnte wohl schon als Aurorin im Ministerium arbeiten? Aus seinem Jahrgang vielleicht? Niemand aus Slytherin war Auror geworden. Alle waren zu beschäftigt gewesen, Todesser zu sein. Viele waren tot.

Seine Mund wurde kurz trocken. Er wusste, Potter arbeitete in der Abteilung.

Eine hübsche, starke Aurorin, mit braunen Locken und den Fähigkeiten, ein Waisenhaus einem Vergessenzauber zu unterwerfen. „Was kriege ich für meine Informationen?“, wollte der Junge trotzig wissen. Gregory sah sich kurz um. Dann zog er den Zauberstab aus der Tasche.

 

Der Junge schnappte nach Luft. „Du bist doch einer von denen!“, rief er aus. Ehe er nach etwas sagen konnte, hatte Gregory den Zauberstab erhoben.


„Du bekommst etwas, wofür du noch dankbar sein wirst“, beantwortete er knapp die Frage des Jungen. „Obliviate“, flüsterte er, und die Augen des Jungen wurden glasig, und er blinzelte schließlich heftig. Ehe er zur Besinnung kommen konnte, hatte sich Gregory abgewandt.

 

Die Auroren waren hier gewesen. Sie hatten Scorpius mitgenommen, und wenn Gregory mit seiner Befürchtung richtig lag, dann war Scorpius ausgerechnet der einen Aurorin in die Finger geraten, von deren Existenz Draco alles andere als angetan sein würde.

Und wahrscheinlich würde Draco sich dazu verleiten lassen, etwas unglaublich Dummes zu tun. Immer wenn es zum Thema Potter und dem heiligen Trio kam, war Draco verleitet – nun ja – alle Rationalität hinter sich zu lassen.

 

Aber vielleicht irrte er sich auch. Oh, Salazar, hoffentlich irrte er sich einfach!

 

 

Kapitel 5

Magic

 

 

„Es geht nicht, verdammt!“

 

Sie atmete ruhig aus, sie versuchte zu zählen, sie versuchte alles in ihm zu sehen – nur nicht einen Malfoy. Einen Malfoy, den sie mehr als gut zu kennen glaubte.


„Du musst es ruhig angehen. Du brauchst Konzentration und-“

 

„Ja, ja! Scheiß Geduld, ich weiß! Aber ich habe seit zwei Stunden Geduld, und der Scheiß geht nicht!“, unterbrach er sie zornig. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Er war geschwitzt und sehr, sehr schlecht gelaunt. Sie hasste solche Kombinationen.


„Hör auf zu schreien!“ Sie hatte die Fassung wieder einmal verloren. „Du bist unkonzentriert. Du willst alles sofort lernen, weil du denkst, du kannst alles, aber du kannst noch überhaupt gar nichts!“ Sie atmete heftig. Er starrte sie so zornig an, dass er ohne weiteres gleich davon anfangen könnte, dass sie eigentlich ein Schlammblut sei und er es seinem Vater sagen würde. Natürlich tat er nichts dergleichen.

 

Er atmete laut aus, hob den Zauberstab erneut und fixierte sie hart. „Expelliarmus!“, sagte er fest und deutlich. Sie wusste, was er falsch machte. Aber wie erklärte man so etwas? Er war ein Muggel. Die meiste Zeit seines Lebens war er ein Muggel gewesen. Und sie sah es ihm an. Sie hörte es an seiner Stimme. Er glaubte nicht an das, was er tat.


„Scorpius“, begann sie sanfter, aber er schüttelte zornig den Kopf und warf den Zauberstab auf den Boden vor sich.


„Das scheiß Ding ist kaputt!“, schrie er.

 

„Du hebst ihn sofort auf!“, befahl sie eisig.


„Nein! Ich habe keine Lust mehr!“ Er war ein Kind. Ein dummes, verzogenes Malfoy-Kind. Sie versuchte, zu atmen, zu zählen, sich zu beruhigen, aber sie konnte nicht. Sie verdrängte die Tatsache, dass sie kein Kindermädchen war, dass sie kein ausgebildeter Lehrer war, und dass sie noch keine Zeit hatte, zu verarbeiten, dass Ron ausgezogen war.

Sie hatte noch für gar nichts anderes Zeit gehabt, als ihre verdammte Arbeit, die sie von allem abhielt, was ansatzweise mit emotionalen Gefühlen zu tun hatte.

Und sie wusste, ihre Arbeit war ihr Leben. Aber seitdem ihr Leben einen Malfoy einschloss, war sie seltsamerweise außerhalb ihrer gewohnten, sicheren Balance.

 

Und sie war keine Molly Weasley. Sie konnte ungezogene Kinder nicht leiden!

Nein. Sie konnte gar keine Kinder leiden!

 

„Du wirst den Zauber lernen. Hast du mich verstanden? Denn das ist der wichtigste Zauber, den du lernen kannst! Mit diesem Zauber hat Harry-“

 

„Ja, ja! Harry hat damit Voldemort besiegt. Ich habe zugehört, Granger. Ich habe all die hundert Stunden zugehört, in denen du mir von dem wahnsinnigen Schlangengesicht erzählt hast! Ok? Ich will endlich zaubern, aber anscheinend habt ihr euch geirrt, und ich kann überhaupt nichts!“ Er trat mit dem Fuß nach dem Zauberstab, wandte sich ab, und marschierte zum Ausgang.

 

Pertrificus totalus!“, rief sie zornig, und Scorpius fiel wie ein Stein zu Boden. Sie kam langsam zu ihm. Seine Augen funkelten sie an. Neidisch und wütend. „Also, du wirst endlich anfangen, auf mich zu hören. Du wirst deinen Zauberstab niemals wieder wegschmeißen, und alles, was ich dir erkläre, wirst du gefälligst mit Respekt zur Kenntnis nehmen und behalten. Ich weiß zufällig, dass dein Gehirn durchaus fähig dazu ist, Wissen zu verarbeiten. Und wahrscheinlich kannst du sogar besser zaubern, als es gerecht wäre.“

 

Sie beruhigte sich wieder und löste den Zauber. Hastig erhob er sich. Er klopfte sich den Staub von seinen teuren Sachen und sah aus, wie ein waschechter Malfoy.


„Gib mir was einfacheres, verflucht!“, knurrte er jetzt, während er seinen Zauberstab vom Boden klaubte.

 

„Was?“

 

„Einen einfacheren Spruch. Ist das etwa der erste Zauber, den man lernt auf eurer dämlichen Schule?“ Sie wusste, er war neidisch, weil er nicht auf Hogwarts gewesen war. Malfoy-Muster wiederholten sich. Er machte sich über Dinge lustig, die er eigentlich wollte, und er hasste alles, was er nicht haben konnte.

 

„Nein.“ Mit einem Schlenker ließ sie eine Auroren-Uniform aus den Schränken zu sich schweben. Sie ließ sie auf den Boden sinken, und Scorpius wartete genervt. „Sieh genau zu. Es kommt nicht nur auf die Worte an, sondern auch auf die Bewegung.“ Sie richtete die Spitze des Zauberstabs auf die Uniform. „Wingaridum leviosa“, sagte sie knapp und ließ den Zauberstab einen Schlenker machen. Sie sah, Scorpius sah genau zu. Die Uniform hob sich in die Luft.

 

„Was für ein dämlicher Scheiß“, sagte er nur. Sie ließ die Uniform wieder sinken.

 

Halt die Klappe, und versuch es!“, befahl sie jetzt, ihre Geduld wieder nahe am Verschwinden.

 

Wing…“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist albern“, erklärte er jetzt.

 

„Wingardium leviosa“, wiederholte Hermine langsam. „Sag es einfach, mach den Schlenker, und hör auf so verdammt überheblich alles von dir zu weisen, nur weil du es nicht kannst!“, erwiderte sie wütend.

 

„Ich will es auch nicht können!“, schrie er wieder. Sie kannte diesen Blick. Sie hasste es, dass sie seine Mimik bereits kannte. Wieder zwang sie sich zur Ruhe.


„Gut, dann zeig mir doch einfach, wie weit es unter deiner Würde ist, und zeig mir, wie du es nicht können willst, du dämlicher Malfoy-Idiot!“ Er warf ihr kurz einen fragenden Blick zu. Sie atmete wieder ruhiger aus.

 

„Fein, ich zeig dir, wie albern es ist!“, entgegnete er gereizt. „Wingardium leviosa!“

 

Und sie sah, wie er das erste Mal den Zauberstab richtig bewegte. Die Uniform erhob sich anmutig in die Luft, als würde er die ganze Zeit schon zaubern. Überrascht entglitt ihm der Zauberstab seinen Fingern, und die Uniform rauschte zurück auf den Boden.

Sie hob zufrieden den Blick zu seinem verdutzten Gesicht.


„Hast du… hast du das gesehen?“, rief er begeistert aus. „Ich bin ein verdammtes Genie! Ich bin ein Zauberer!“ Sie würde ihm gerne erklären, dass er genau das überhaupt noch nicht war, aber sie beherrschte sich. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie auch geglaubt hatte, ein Genie zu sein, aber sie konnte sich nicht mehr entsinnen.

 

„Ein Genie durch einen Schwebezauber? Ein echter Malfoy…“, murmelte Ginny amüsiert, die gerade das Trainingsfeld betreten hatte. „Hey, Hermine. Na, wie läuft dein Mutterschutz?“ Hermine verdrehte die Augen.

 

„Witzig.“

 

„Sie ist nicht meine Mutter!“, erklärte Scorpius ziemlich entrüstet. Aber Hermine war dankbar. Sie war doch wirklich zu jung, um einen sechzehnjährigen Sohn zu haben.

 

„Wirklich, Malfoy?“ Ginny ging zum Schrank und griff sich einige der Uniformen raus. „Ich muss ein paar von denen umnähen“, fügte sie an Hermine gewandt hinzu. „Meine Wünsche werden hier ja ignoriert. Alle zu groß oder zu lang. Außerdem müssen wir mal reden. Ron war gestern bei uns. Ich hoffe, dir ist klar, dass er vorhat, den kleinen Malfoy umzubringen?“, ergänzte sie, fast schon lächelnd.


„Hey! Ich bin nicht klein, ok? Und dieser dämliche Ron soll sich bloß vorsehen!“ Heroisch griff Scorpius nach seinem Zauberstab und hielt ihn drohend in die Luft.

 

„Oh, was willst du tun? Ihn in der Luft schweben lassen?“, wollte Ginny grinsend wissen, und Scorpius war zu seinem eigenen Ärger sprachlos.

 

„Ginny, ich…“

 

„Tante Hermine!“ Hastig wandte sie sich um.

 

„Ginny, du weißt, er darf nicht hier runter“, flüsterte sie. Ginny zuckte nur die Achseln.

 

„Hermine, ich müsste ihn festbinden, um ihn von irgendwo fernzuhalten“, erklärte Ginny in mütterlicher Manie. Hermine hatte nicht einmal die Zeit gehabt, mit Ginny zu sprechen. Über alles. Für gewöhnlich verpasste sie nie so eine Gelegenheit.

 

„Hi, ich bin James Sirius Potter! Mein Vater ist berühmt.“ James hatte Scorpius die Hand entgegen gestreckt.

 

„Aha. Mein Vater ist tot.“ Scorpius schüttelte lächelnd die Hand des Jungen, dessen schwarze kurze Haare wild nach oben standen. Hermine eilte zu den Jungen.

 

„Hey, James. Lange nicht gesehen.“ Der Junge umarmte sie heftig.

 

„Wer ist das?“, fragte der Junge jetzt.

 

„Das ist ein… Klient“, erwiderte sie, obwohl sie sicher war, James wusste mit diesem Wort nichts anzufangen.

 

„Oh“, sagte er nur, weil er wohl dachte, es wäre etwas Schlechtes.

 

„James, wir müssen gleich weiter. Hermine, Harry lässt fragen, ob du dir überlegt hast, den Jungen weiter auszubilden. Er hat sich wirklich was in den Kopf gesetzt. Will ihn besser machen als seinen Vater.“ Hermines Mund öffnete sich knapp.

 

„Du hast mit Harry gesprochen? Wie läuft die Operation?“, wollte sie eilig wissen, um auf gar keinen Fall darüber zu sprechen, dass sie auf gar keinen Fall den Jungen ausbilden würde! Nicht in fortführender Magie! Nein. Bestimmt nicht!

 

„In Askaban hatte er kein Glück. Der alte Malfoy sieht bereits die Elfen huschen“, fügte sie leiser hinzu. Scorpius verstand sie dennoch.


„Was? Welcher alte Malfoy?“ Ginny warf Hermine einen bösen Blick zu.

 

„Du hast ihm nichts erzählt, richtig?“ Hermine spürte einen Hauch Hitze in den Wangen.

 

„Doch. Ich habe ihm alles erzählt.“

 

„Vom Krieg und der Flucht? Von der Schlacht und von Voldemort? Hast du ihm sein Haus gezeigt?“, wollte sie jetzt wissen. Scorpius trat näher.

 

„Nein. Hat sie nicht! Sie hat mir noch gar nichts gezeigt. Welcher alte Malfoy?“, wiederholte er jetzt ungeduldig.

 

„Dein Großvater sitzt in Askaban. Seit achtzehn Jahren.“ Sein Mund öffnete sich langsam.

 

„Im… Gefängnis? Kann… man ihn besuchen?“

 

„Nein“, unterbrach Hermine das Gespräch.

 

„Es gibt doch bestimmt Besucherzeiten!“, widersprach er.


„Scorpius, hör auf damit! Dein Großvater ist kein Mensch, den man sehen möchte, ok? Er ist nicht mehr ganz… normal“, fuhr sie unsicher fort. Sie beschloss das kleinere Übel zu wählen, wenn sie schon anscheinend musste. „Wir können heute Nachmittag das Anwesen besichtigen. Aber… nur kurz.“ Sie hatte nämlich noch anderes zu tun, als einen Jungen zu hüten.


„Ihr könnt doch heute zum Abendessen kommen!“, rief James begeistert und sprang in die Luft. Ginny schien darüber nachzudenken.

 

„Ron kommt heute nicht. Es wäre also kein Problem. Bring den Jungen mit. Ich bin sicher, Harry will gerne mit ihm sprechen.“ Hermine ahnte schon, worüber Harry sprechen wollte.


„Ginny, er ist zu jung!“

 

„Ich bin volljährig!“, widersprach Scorpius sofort.


„Nein, bist du nicht!“, verbesserte ihn Hermine eilig. „Ich will nicht, dass Harry ihm Flausen in den Kopf setzt! Ich weiß genau, was er tun will. Aber er ist nicht Dumbledore, und Scorpius ist nicht er selber. Es läuft nicht immer so!“ Ginny hob die Hände.

 

„Das kannst du ihm heute Abend gerne erklären. Kommt ihr also vorbei? Ich könnte etwas Ablenkung gebrauchen. Nicht wahr, James? Du lässt Mommy keine Sekunde Ruhe mehr, richtig?“, wandte sie sich an ihren Sohn, der grinsend nickte. Noch nicht alle Milchzähne waren raus, und noch nicht alle waren nachgewachsen. Er sah niedlich aus. Aber das wusste James zu gut. Harry verwöhnte ihn zu sehr.

 

„Ich weiß nicht“, sagte sie unsicher. Sie wollte alleine ein Bad nehmen. Allein! Ganz allein!

 

„Granger, komm schon“, bat Scorpius ruhig.


„Miss Granger“, knurrte sie böse.

 

„Ich will mit Harry sprechen“, bat der Junge jetzt. Und sie musste ausatmen. Er sah aus wie Malfoy, er regte sich auf wie Malfoy, aber seine Augen leuchteten, beim Gedanken daran, mit Harry sprechen zu können. Definitiv eine andere Malfoy-Seite. Eine sehr beunruhigende. Auch Ginny wirkte verwirrt.

 

„Na los. Es gibt Braten, Kartoffeln und alle Desserts, die du dir vorstellen kannst. Meine Männer werden dick und rund werden“, fügte sie leise hinzu.

 

„Ich überlege es mir, in Ordnung?“ Doch Scorpius trat einfach vor, und streckte Ginny die Hand entgegen.

 

„Mrs Potter, wir kommen gern“, erklärte er jovial. Ginny schüttelte lachend seine Hand.


„Hermine, ein Charmeur. Vielleicht hat Malfoy hier nur seine guten Eigenschaften vererbt.“ Ginny griff nach James’ Hand, und beide winkten zum Abschied.


„Hat er nicht“, murmelte Hermine so unverständlich, dass Scorpius es nicht hören konnte.

 

„Ok, ich will diesen verdammten Entwaffnungszauber lernen!“, rief Scorpius, als er sich bereits wieder in Position stellte. Hermine schickte ein Stoßgebet zum Himmel.

Babysitter… Sie war einfach degradiert worden. Einfach so!

 

 

Kapitel 6

Malfoy Manor

 

 

„Wer wohnt hier alles?“ Seine Stimme war kleinlaut geworden. Endlich. Nachdem er geschätzte zwei Stunden geduscht hatte, Ewigkeiten fürs Anziehen und seine Haare verschwendet hatte, hatte er sich endlich dazu erbarmt, mit ihr zu Apparieren.

Und jetzt, nachdem seine Arroganz ein ziemliches Übermaß erreicht hatte, verschlug es ihm endlich die Sprache. Malfoy Manor war einst ein sehr eindrucksvoller Ort gewesen.

 

Sie war seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Die Diebe hatten aufgehört einzubrechen. Die Flüche waren hier zu vielzählig verteilt. Und Zauberer, die keine Reinblüter waren, liefen Gefahr auf hässliche Flüche zu treffen.

 

„Hier wohnt niemand mehr“, erklärte sie und sah sich um. Man konnte nie wissen. Alles lag ruhig in der kühlen Herbstsonne, die bereits unterging. Das Gras wuchs wild, die Pfauen waren verschwunden. Die Rosenbeete, waren nur noch wuchtige Gestrüppbeete, die den Blick auf die Weiten des Grundstücks versperrten. Das Tor war mit einem Fluch aus den Angeln gerissen worden. Der noble Glanz war verschwunden. Der Kiesweg war durch Wind und Wetter aufgewühlt und nahezu verkommen.

 

Hundert Meter weiter ragte das Herrenhaus bedrohlich empor. Die Fassade bröckelte langsam ab. Einige Schindeln lagen auf dem ungepflegten Rasen und hatte hässliche kahle Stellen verursacht, wo die Sonne ihre Strahlen nicht mehr scheinen lassen konnte.

Einer der kunstvollen Wasserspeier vor dem Eingang war umgekippt, und sein Kopf war gänzlich verschwunden. Vermutlich gestohlen und verkauft. Oder zur Zierde aufgestellt. Aber wer würde so etwas behalten wollen? Sie wusste es nicht wirklich.

 

Der Irrgarten, der einst in jedem Hochglanzexemplar der Hexenwoche als schönster Garten abgedruckt worden war, bestand nun noch aus knorrigen Hecken. Einst waren sie in der Form von Schachfiguren aufgebaut worden. Nun, wo sich niemand mehr kümmerte, seit fast zwei Jahrzehnten, war ein Irrgarten gewachsen, in dem sich bestimmt schon einige arme Tiere verloren hatten, dachte sie dumpf.

 

„Müssen… wir da rein?“, fragte er vorsichtig.


„Hast du Angst?“, wollte sie lächelnd wissen, aber er schüttelte tapfer den Kopf.

 

„Scorpius, das hier ist kein gewöhnliches Haus.“ Es stimmte wirklich, denn das Haus mochte verlassen sein, aber für einen unerwünschten war es auch nicht zu betreten. Jedenfalls nicht, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Scorpius hatte das Glück, ein Erbe zu sein. Der einzige Erbe, falls sein Vater denn tot war. Was sie immer noch nicht glaubte, was aber durchaus möglich war. Wahrscheinlich… wäre es sogar besser für Scorpius. Wer dem eigenen Kind die Magie entzog, der hatte wohl keinen besonders großen Wunsch, den Jungen zu behalten, nahm sie an.

 

„Was soll das heißen?“, erkundigte sich Scorpius und blieb akkurat auf dem einst angelegten Weg.

 

„Das heißt, nur die, die bestimmt sind, können das Haus betreten. Darin wird dich kein Raubtier erwarten. Keine Räuber, gar nichts“, erwiderte sie knapp. Er schien ihr nicht zu glauben. Sie schritten die vielen breiten Stufen der Marmortreppe empor, aus der viele, viele Stücke bereits herausgeflucht worden waren. Alles, was man äußerlich am Herrenhaus stehlen konnte, war bereits fort, stellte sie fest. Die Blumen, die Fensterläden, die goldenen Zierfassaden.

 

Sie war einmal hier gewesen. Und das hatte ihr gereicht.

 

Sie zog den Zauberstab. Scorpius tat es ihr gleich, obwohl er wohl nur höchstens jemanden schweben lassen oder entwaffnen konnte. Er hatte den zweiten Zauber tatsächlich schnell gelernt. Er war begabt. So viel stand fest.

 

Sie erreichten die Tür. Die Blumenkästen waren leer. Sie waren wohl zu schwer gewesen, um sie davon zu schleppen. Oder mit Flüchen belegt, um Diebe genau daran zu hindern.

 

„Hier hat mein Vater gewohnt?“, wollte er ehrfürchtig wissen. Hermine nickte nur knapp.

 

„Ja. Und sein Vater. Und der Vater von ihm. Und der Vater von ihm. Wahrscheinlich haben alle Malfoys, die jemals existierten hier gewohnt“, fügte sie hinzu. Die Türen waren robust und unbeschädigt. Der Türknauf war ein goldener Drache. Verhext, nahm sie an. Sonst wäre diese Schmuckstück nicht mehr hier.

 

Bevor Scorpius einen weiteren Schritt machen konnte, richtete sie den Zauberstab auf den Knauf. „Anima!“, rief sie und ein Funke traf den Knauf. Der Drache gähnte herzhaft, und sie sah, wie Scorpius vor Schreck näher an sie wich. Er hatte also doch Angst. Natürlich! Aber zugeben würde er es niemals. Dann öffnete er die ausgeblichenen Augen. Er blinzelte kurz, dann hob er den Blick. Seine Zunge, aus purem Gold, züngelte kurz über seine Lippen.

Dann ertönte ein eisiges Zischen aus seinem Mund. „Losung?“, fragte er mit rostiger, hoher Stimme.

 

Hermine verdrehte die Augen. Natürlich.

 

„Wir haben keine Losung. Das hier ist Scorpius Malfoy. Ihm gehört das Haus“, erklärte sie.

Der Drache schien zu grinsen. Es sah nicht sehr schön aus.

 

„Das sehe ich“, zischte er kühl. „Losung für das Schlammblut“, ergänzte der Drache ohne zu blinzeln.


„Das was?“, fragte Scorpius verwirrt. Hermine schloss die Augen.

 

„Scorpius, willst du da wirklich rein? Ich kann nicht mit, denn ich bin kein Reinblüter, und der Drache…“

 

„Der Drache ist doch nicht echt, verdammt! Natürlich gehst du mit rein! Hast du gehört, du Stück Blech?“, schrie er aufgebracht. „Natürlich geht sie mit rein!“ Der Drache musterte ihn einen langen Moment.

Dann erstarrte er wieder zu solidem Gold. Scorpius sah sie an.


„Was jetzt?“, fragte er leiser. Sie zuckte die Achseln.


„Entweder du hast den Türgriff verärgert oder-“ Sie unterbrach sich selbst, denn die Tür bewegte sich in den rostigen Angeln. Dann schwang sie auf. Kalte, muffige Luft traf ihr Gesicht. „Anscheinend hast du die Regeln geändert, Scorpius“, fügte sie leise hinzu. Sie hob den Zauberstab höher. „Folge mir.“

 

„Wofür brauchst du den?“, fragte er eilig. „Du hast gesagt, niemand kann hier sein!“

 

„Nein“, bestätigte sie langsam. „Nur jemand mit deinem Blut“, fuhr sie fort, und sah sich in der Dunkelheit um. „Und wir wollen besser vorsichtig sein.“ Sie wusste, eigentlich hatte Scorpius recht. Zumindest hatte hier niemand zu sein. Aber sie hatte genügend Abenteuer erlebt. Sie ging kein Risiko ein. „Lumos totalus!“, rief sie leise. Mit einem Surren, entzündeten sich die Kronleuchter an der Decke. Scorpius schnappte nach Luft.

 

Der Raum, den sie betreten hatten, war riesig. Muffig, aber riesig. Möbel waren mit dicken Tüchern verhangen. Teppiche trugen eine große Staubschicht, die bei jedem Tritt Wolken in die Luft stoben ließ.

 

„Wow!“, flüsterte er, als er den Kopf in den Nacken legen musste, um die Decke erkennen zu können. Auch dort war ein Mosaik aus Gold und Silber, aus Edelsteinen und Kristallen, in Form eines Drachens gelegt. Ein schlafender, wunderschöner Drache. Der Schwanz wölbte sich einmal um die Kuppel und endete in einem hübschen Erker. Dort stand ein Teeservice.

Es wunderte sie.

 

Es wunderte sie wirklich. Und sie hatte ein schlechtes Gefühl. Sehr plötzlich.

 

„Sei mal leise“, befahl sie jetzt und sah sich um. Der Saal war leer. Vielleicht standen die Tassen auch nur vergessen auf dem Tisch. Es musste nichts bedeuten. „Ok, hier ist niemand.“ Sie betrachtete eine Ecke genauer. Aber auch neben der Tür zum nächsten Raum war nichts, außer Staub und Spinnweben. Sie fragte sich, ob die Spinnen, die hier webten, auch reinblütige Spinnen waren.

 

„Ist er das?“ Hermine folgte Scorpius’ Blick zur anderen Seite des Raumes. Der Kamin war bestimmt zehn Meter lang und majestätisch in die Wand eingelassen. Gold umrandete die Kanten, und unzählige Artefakte häuften sich auf dem Sims. Verflucht, allesamt, nahm sie an. Darüber jedoch hing das größte Portrait, das sie jemals gesehen hatte.

Alle drei Malfoys starrten sie böse an. Keiner sprach.

 

„Ja“, erwiderte sie und warf Malfoy Junior einen gehässigen Blick zu. Seine Lippen waren eine schmale Linie. Sie nahm an, er war gerade achtzehn Jahre alt. Sie sah, wie Scorpius hoch zu seinen Haaren fuhr. Und ja. Ihr war es schon längst aufgefallen.

Scorpius sah ihm zum Verwechseln ähnlich.

 

„Er hat mein Gesicht“, flüsterte er. Und er sagte es mehr schockiert als zufrieden. „Und das ist mein Großvater“, schloss er mit rauer Stimme, und er fixierte den langhaarigen blonden Mann, der wie ein König neben seinem Sohn stand. Lucius war ein schöner Mann. Ein schöner, tödlicher Mann.

 

„Hermine…“, begann Scorpius langsam, und sie wollte sich gerade beschweren, dass er sie nun nicht mal mehr beim Nachnamen nannte, aber er war näher an ihre Seite gewichen.

„Du hast gesagt, niemand ist hier, richtig?“ Sofort fühlte sie, wie sich ihre Muskeln anspannten.

 

„Ja“, bestätigte sie, den Zauberstab fest in der Hand. Und sie sah es, ehe Scorpius es sagen konnte. Nein. Sie roch es eher.

 

„Warum ist dann Rauch im Kamin?“ Scorpius flüsterte jetzt so leise, dass sie ihn nur verstehen konnte, weil er direkt neben ihr stand.

 

„Zurück, hinter mich, Scorpius!“, rief sie jetzt, und wohl nur zu gerne verschwand er hinter ihrem Rücken. Er war zwar ein Stück größer, aber sie war um einiges mächtiger. Sie hatte das Gefühl, der Raum wurde kleiner und kleiner. Hastig sauste ihr Blick durch den Saal. Noch immer war alles ruhig. Sie hätte es tun müssen! Sie hätte es schon längst tun müssen! Verdammt! „Revalo!“, rief sie beinahe ängstlich. Aber nur beinahe, denn egal, was es war, es würde ihr keine Angst machen!

 

Und neben der Tür flackerten zwei Schatten. Sofort ging sie in Kampfposition.

 

„Oh, ich würde Ihnen raten, den Zauberstab ziemlich schnell zu senken, Ms Granger.“ Und seine Stimme hatte sich nicht verändert. Sein Aussehen war immer noch genauso unausstehlich wie damals. Seinen Zauberstab hielt er auf sie gerichtet. Und so tat es sein Partner ebenfalls. Bevor ihr einfiel, weshalb auch dieser Mann ihr bekannt vorkam, sprach Malfoy bereits wieder. „Und jetzt treten Sie von meinem Sohn zurück.“

 

Sie hörte Scorpius hinter sich die Luft einziehen.

 

Malfoy trat näher. Sie wusste nicht, wie gut die beiden Männer waren. Aber sie waren in der Überzahl. Würde sie stumm fluchen, würde Malfoy reagieren.

 

„Den Zauberstab, Ms Granger, oder ich ändere die Regel“, informierte er sie knapp. Und obwohl sie nicht hatte sprechen wollen, sprach sie doch.

 

„Welche Regel?“, knurrte sie, aber in ihrem Kopf formte sich die Antwort bereits.

 

„Was denken Sie ist Schlammblütern ursprünglich in diesem Hause widerfahren, wenn sie unerlaubten Eintritt erlangten?“ Die Frage war rein rhetorisch und bedurfte keiner Antwort. Er hob den Zauberstab an. „Eins, zwei…“

 

„Was wollen Sie überhaupt? Wissen Sie, wie viel Haft Ihnen droht, dafür, dass Sie Ihren Sohn verschleppt und verhext haben?“, rief sie so zornig, dass ihr schon fast egal war, ob er die Regel änderte.

 

Dr-“, begann er, aber bevor er den Mund vollständig öffnen konnte, schob Scorpius sie einfach zurück.


„Lass sie in Ruhe!“, schrie er so zornig, dass seine Stimme von den Wänden widerhallte. Und Malfoy hob tatsächlich eine Augenbraue in die Höhe.

 

„Mutig“, sagte er nur. „Scorpius, komm hier her. Du willst sie nicht verteidigen“, fügte er kühl hinzu.

 

„Ich werde bestimmt nicht zu dir gehen!“ Und sie lugte an Scorpius vorbei. Die beiden Männer tauschten einen knappen Blick.

 

„Goyle?“, fragte sie jetzt, völlig verwirrt, und der große Mann warf ihr einen ertappten Blick zu. Er war nicht mehr untersetzt und übergewichtig. Jetzt war Gregory Goyle groß, breit an Muskelmasse und sein Kopf war kahl.

 

„Das hier ist keine Verhandlung, Ms Granger. Meine Zeit ist knapp bemessen. Sie werden meinen Sohn in Ruhe lassen und sich nicht einmischen, wo Sie nichts zu suchen haben!“

 

„Oh, du hast Nerven!“, rief sie wütend aus. Sie hasste Harry dafür, dass er Malfoy nicht gefunden hatte, wo er doch anscheinend munter und fröhlich durch London spazierte. Sie hasste Malfoy dafür, dass er Malfoy war, und sie würde sich bestimmt nicht von ihm einschüchtern lassen! Das wäre das erste Mal in ihrem Leben! Sie trat um Scorpius herum, direkt auf Malfoy zu. Mit jedem Schritt entdeckte sie mehr an ihm. Der Umhang war immer noch teuer. Die Kleidung und die Schuhe ließen sie auch nicht annehmen, dass ihn Armut geschlagen hatte.

Aber sein Gesicht war Merlin sei Dank älter geworden.

 

Ein sanfter Ring des Alters lag um seine hellen Augen. Die Haare waren immer noch voll, aber dafür kürzer, als sie es in Erinnerung hatte. Er war nicht vollständig rasiert. Stoppeln zierten seine untere Gesichtspartie. Und wenn sie ihn näher betrachtete, dann veränderte sich sein Gesicht eigentlich. War es ihr vorher nicht unbedingt aufgefallen, so war es jetzt umso deutlicher.

 

„Lucius freut sich bestimmt, dass du die Metamorphose beinahe vollständig vollendet hast“, spuckte sie ihm entgegen und richtete ihren Zauberstab direkt gegen seinen. Sein Mund verzog sich bei diesen Worten, und er sah seinem Vater nur noch ähnlicher.

 

„Witzig. Wirklich ausgesprochen schlagfertig“, erklärte er. Nur seine Stimme war die seine geblieben. Ansonsten war er in die Züge reingewachsen, die ihm genetisch vorbestimmt gewesen waren.

 

„Ist dir klar, dass Haft darauf steht, einen Auroren zu bedrohen, Malfoy? Ist dir klar, dass du, laut den Akten, nicht mehr existent bist? Du brichst alleine durch dein Überleben fünfzig Gesetze, die du nicht kaufen oder umgehen kannst! Du hast Menschenleben auf dem Gewissen! Vielleicht lässt sich Lucius dazu überreden, seine Zelle mit dir zu teilen, du verdammtes Arschloch!“, schrie sie so wütend, wie schon lange nicht mehr. Sie hatte nicht vorgehabt, ihre Wut an einer Person auszulassen.

 

All ihre Wut der letzten Tage.

 

„Granger-“

 

„Ich habe dich schon einmal geschlagen, und glaub mir, ich habe keine Angst davor, es wieder zu tun!“ Und Malfoys Blick löste sich von ihrem Gesicht. Er fixierte etwas direkt neben ihr.

 

„Du wirst sie nicht anrühren!“ Wie ähnlich ihre Stimmen doch klangen. Hermine hatte das Gefühl, verrückt zu werden. Scorpius stand direkt hinter ihr. Den Zauberstab auf seinen Vater gerichtet. „Du warst nie da! Du hast mich verstoßen und allein gelassen. Hermine hat mich gefunden, mich mitgenommen, und du hast dich einen Scheißdreck gekümmert! Du hast Geld? So viel Geld und keinen Penny für mich übrig? Du lebst und lässt mich im schmutzigsten Waisenhaus der Stadt?“ Er war mit jedem Satz lauter geworden.

 

Hermine wandte sich zu ihm um. „Scorpius, halt dich da raus. Geh weg von ihm, und nimm den Zauberstab runter!“ Sie wusste, er würde nicht zaubern. Er konnte nicht zaubern. Zwar war er minderjährig, aber ein Schwebezauber würde ihm das Gesetz schon nicht zu sehr vorwerfen. Mal abgesehen davon, dass er damit nichts bezwecken konnte.

 

„Nenn mir einen Grund, weshalb ich mit dir kommen sollte, Draco!“, verlangte Scorpius kalt zu wissen, und betonte den Namen so, wie Hermine ihn für gewöhnlich aussprach, wenn sie sich überhaupt dazu herabließ, den Namen dieses Ekels auszusprechen.

 

„Weil du sonst sterben wirst“, erklärte Draco sehr ruhig. Und das beunruhigte sie. Wieder wusste selbst Malfoy mehr als sie! „Ich habe nicht vor, heute jemanden umzubringen, Scorpius. Aber deine geschätzte Ms Granger war zur falschen Zeit am ganz falschen Ort. Sie hat nichts hiermit zu tun. Ich erkläre es dir, sobald ich kann. Jetzt strapazier meine Geduld nicht.“

 

„Hör auf, ihm zu drohen!“, unterbrach sie das Gespräch der beiden.

 

„Ich rede nicht mit dir“, erwiderte er nur. „Was willst du mit einem Schlammblut? Sie kann dir nicht helfen, der zu werden, der du sein kannst!“

 

„Soweit ich weiß, bin ich dann auch ein Schlammblut. So nennt man doch Zauberer, die unter Muggeln aufwachsen, richtig?“ Und zum ersten Mal wirkte Draco Malfoy entwaffnet. Hermine war beeindruckt von dem Malfoy-Jungen. Wenn auch nur zu kurz, um es wirklich zuzugeben.

 

„Ich habe keine Zeit hierfür“, knurrte Draco ungehalten.

 

„Er wird dir weglaufen“, sagte Hermine sehr leise. „Er wird nicht bei dir bleiben. Sei doch vernünftig, Malfoy. Das Ministerium kann mehr für deinen Sohn tun, als-“

 

„Oh ja! Ich sehe, was das Ministerium tut! Es lässt die ganze Stadt Bescheid wissen, und ein Schlammblut ist sein Leibwächter!“, unterbrach er sie gereizt. „Wenn du klug bist, und dafür hältst du dich doch, dann hältst du mir Potter und seine Bluthunde fern, hast du verstanden?“, fügte er streng hinzu. Dann wandte er sich an Goyle. „Bereit?“ Dieser nickte. Hermine spürte, dass ein Plan wohl gerade eben in die Fugen sprang.

 

„Scorpius!“, rief sie, aber zu spät. Goyle hatte den Jungen eilig am Arm gegriffen, und sie verschwanden, ehe Hermine reagieren konnte. Der Schrei des Jungen wurde verschluckt, als er sich auflöste. „Malfoy!“, rief sie zornig, wollte den nächstbesten Fluch loslassen, da begann auch Malfoy sich zu drehen. Aber vorher sah sie, wie sich seine Mundwinkel hoben.

 

„Drei“, sagte er, ehe er verschwand, und ihr Fluch ins Leere ging.

 

Drei? Wofür…

 

Aber sie begriff. Malfoy hatte die Regel wieder aufgehoben. Zornig wandte sie sich um. Aus dem Teppich wuchsen Gestalten. Dunkle, finstere Gestalten mit langen Krallen, aber sie war gerade in der richtigen Stimmung hierfür.

Nur als sie auch den Schatten in der Tür hinter sich gewahr wurde, musste sie sich fragen, ob es klug wäre, in Malfoy Manor aus Trotz und Wut möglicherweise umzukommen.

Denn das würde ihr die Chance vermiesen, Harry schlicht und einfach umzubringen!

 

Sie fluchte laut, denn sie spürte bereits, dass sie nicht in der Lage war, von hier zu apparieren. Sie musste ihre Flucht zu Fuß antreten. Sie schleuderte den ersten Fluch gegen die Schattenwesen und sprang durch die Lücke, die sie gesprengt hatte in Richtung Tür.

Diese Monster hatten sich einen verflucht schlechten Tag ausgesucht!

 

Kapitel 7

Lost

 

 

„Wenn er nicht aufhört, werde ich ihn bewusstlos schlagen“, murmelte er ungehalten, während der Tee in der Tasse begann, abzukühlen. Seine Finger trommelten unregelmäßig auf der Tischplatte, während Gregory immer wieder laut ausatmete. Draco musste zugeben, sie hatten nicht den elegantesten Weg gewählt. Mit den Jahren hatte seine Ungeduld irgendwann zu ihm aufgeschlossen.

 

„Das wäre vielleicht nicht der klügste Zug“, entgegnete Gregory, der der Tür einen scheelen Blick zuwarf. „Und… musstest du den Fluch wieder aktivieren?“, setzte er kleinlaut hinzu. Draco wusste, wovon er sprach, hob aber fragend eine Augenbraue.


„Wovon sprichst du?“

 

„Musstest du Granger das antun? Was, wenn sie da nicht rausgekommen ist?“

 

„Oh ja“, gab Draco gedehnt zurück. „Granger ist bestimmt nur durch ihre äußeren, nicht vorhanden, Reize Aurorin geworden. Sie wird eine Nervensäge bleiben. Sie wird die gesamte dämliche Truppe an Auroren auf diese Aktion ansetzen, verflucht. Es ist alles außer Kontrolle geraten. Und nur, weil du nicht aufgepasst hast.“ Er wusste, Gregory traf nicht besonders viel Schuld, aber es war niemand sonst da, den er maßregeln konnte. Dementsprechend betroffen sah Gregory ihn jetzt auch an.

 

Diesmal gab es einen besonders großen Knall. Wahrscheinlich hatte sein Sohn gerade einen der teuren Mahagonistühle gegen die Tür geworfen.

 

„Mach so weiter, und du verlässt diesen Raum in Einzelteilen!“, rief er nur. Natürlich blieb sein Sohn unbeeindruckt. Draco hatte nichts anderes erwartet.

 

„Vielleicht hat Granger Recht, und das Ministerium kann dir besser helfen.“ Gregory schien selber zu wissen, dass er sich mit dieser Aussage erst recht auf sehr, sehr dünnes Eis begab. Er wich sogar mit seinem Stuhl ein Stück zurück.

 

„Sehe ich so aus, als bräuchte ich Hilfe vom verdammten Ministerium? Die letzten siebzehn Jahre habe ich keine Hilfe gebraucht!“ Gregory sah so aus, als wolle er eine weitere Vorhaltung anbringen, entschied sich aber wohl dagegen. Wahrscheinlich war ihm siedend heiß wieder eingefallen, wer ihn doch gleich bezahlte.

 

Erneut ließ ein Krach die Tür erzittern.

 

„Du erreichst damit nichts, Scorpius“, informierte ihn Draco, nachdem er genüsslich einen Schluck Tee getrunken hatte. „Es wird kein einziges Gespräch geben, ehe du dich nicht wie ein normaler Mensch verhältst.“ Draco hörte ein zorniges Schnauben, und kurz darauf warf sich Scorpius wohl mit seinem eigenen Gewicht gegen die Tür. Diese Anschauung roher Gewalt, ließ Draco an seine eigene Zeit zurückdenken. Und es erinnerte ihn daran, dass er seinen Sohn so eigentlich nicht hatte wiedersehen wollen. In seinem Kopf waren die Voraussetzungen besser gewesen.

 

„Vielleicht… könntest du ihn mit Granger überreden.“ Draco schoss Gregory einen weiteren bösen Blick zu.

 

„Ich will diesen Namen nicht mehr hören, Gregory!“, entfuhr es ihm lauter als beabsichtigt.

 

„Aber… er scheint sie zu mögen!“, unterbrach ihn Gregory eilig. „Wenn du in Aussicht stellst, er könne Granger wiedersehen, dann-“

 

„Ich werde ignorieren, dass du die Vermutung hegst, dass mein Sohn möglicherweise… Gefallen an dem Mädchen gefunden hat“, bemerkte er sehr kühl. Gregory wandte hastig den Blick ab. „Aber im Krieg sind ungewöhnliche Maßnahmen vielleicht nicht dumm“, gab er sich geschlagen, auch wenn es über alle Maßen anwiderte.

 

„Wenn du zurück zu Granger willst, dann solltest du kooperieren“, sagte Draco also mehr als widerwillig. Und daraufhin war es für einen Moment still im kleinen Gästezimmer. Gregory wirkte zufrieden. Draco jedoch warf ihm einen entnervten Blick zu. Anscheinend hatte sein Diener recht. Anscheinend gab es einen absurden, völlig ekelerregenden Schlüssel zur Vernunft seines eigenen Sohnes. Und dieser Schlüssel schien ein Schlammblut zu sein.

Draco schloss die Augen.

Wieso musste ausgerechnet ihm so etwas passieren?

 

„Ich fasse es nicht“, knurrte er wütend. Als es weiterhin still blieb, erhob er sich schnaubend, seinen Tee ignorierend.


„Draco, du-“

 

„Halt bloß den Mund!“, unterbrach er Gregory scharf. Dieser schwieg sofort. Draco entriegelte die Tür mit einem stummen Zauber, und stand seinem Ebenbild gegenüber. Er konnte keine Worte dafür finden, wie gruselig es war. Er fühlte sich tatsächlich unangenehm mit dem Jungen in einem Zimmer. War er alt genug, um einen beinahe volljährigen Sohn zu haben? Der Junge ließ ihn ziemlich alt aussehen. Er spürte, wie seine Mundwinkel in Bitterkeit zuckten. Verdammt. Er war also wirklich fast fünfunddreißig.

 

„So“, begann er knapp. „Ich hatte nicht ausreichend Zeit, mich vorzustellen“, fuhr er fort. Wo war seine Freundlichkeit? Die war wohl verschwunden, als sein ausgeklügelter Plan zur Hölle gegangen war, nahm er bitter an.

 

„Ich will zurück.“

„Scorpius“, sagte Draco langsam, mit der Mahnung hinter dem Namen stehend.

 

„Sie wird dich finden!“, entgegnete Scorpius, und das sogar mit einer Überzeugung, die Draco die Augen gereizt verdrehen ließ.

 

„Denkst du, Granger ist die einzige Hexe auf dieser Welt, Scorpius?“, wollte Draco zornig wissen, aber sein Sohn schwieg beharrlich. Draco hasste alle Eigenschaften, die er an sich selber einst zu schätzen gewusst hatte. Scorpius war stur, arrogant und viel zu gutaussehend für sein Alter. Er hatte sich selber als Schlammblut tituliert. Kopfschmerzen in immensem Ausmaß bahnten sich an. Draco rieb sich die Schläfe.

 

„Habt Ihr Hunger, Master Scorpius?“ Dass Gregory auch noch wagte, förmlich zu sprechen, war beinahe zu viel.

 

„Gregory, nicht jetzt“, erwiderte Draco ungehalten.

 

„Er hat seit Stunden nichts-“

 

„Nicht jetzt!“, schnappte Draco verärgert. Gregory nickte nur.

 

„Behandelst du alle Menschen wie Dreck, Draco?“ Er mochte nicht, dass der Junge seinen Vornamen sagte. Und er würde nicht auf so eine impertinente Frage antworten.

 

„Wenn du mit mir sprichst, dann wirst du mich-“ Und er unterbrach sich selbst. Nein! Er hatte das nicht durchdacht. Wollte er seinem Sohn befehlen, dass er ihn Vater nannte?! Wirklich? Wollte er tatsächlich Grangers Worten entsprechen und unbemerkt zu Lucius werden? Es schauderte ihn vor dieser Aussicht. Tatsächlich tat es das!

„Nein“, entschied er eilig. „Draco ist vollkommen in Ordnung.“

 

„Wieso hast du mich zurückgelassen? Wenn du mich nicht wolltest – schön! Aber musstest du mir alles nehmen?“, schrie Scorpius plötzlich. „Und dann findet mich endlich jemand, der mir erklärt, zu was ich fähig sein kann, und du reißt mich wieder fort?“ Ja. So sah es wohl verflucht noch mal aus.


„Es war alles geplant, Scorpius!“, rechtfertigte er sich plötzlich, obwohl er seine Coolness nicht hatte aufgeben wollen.

 

„Geplant?“, wiederholte Scorpius und hob die Arme. „Ich habe nichts von diesem Plan gewusst! Du hättest mich fragen können! Du hättest mich retten können!“ Draco atmete langsam aus.


„Niemand wusste von deinem Überleben – geschweige denn von meinem Überleben! Du hast keine Ahnung, was passiert. Du hast keine Ahnung, wer du bist und wer die Leute sind, die hinter unserem Leben her sind!“

 

„Nein, dank dir weiß ich überhaupt nichts! Ich will zurück! Ich will zurück zu Mr Potter!“ Draco spürte, wie sich etwas in ihm zusammen zog. Nein. Egal, was er vorhatte. Egal, was der Plan gewesen war. Egal, dass er Scorpius hatte einweihen wollen – das war – verdammt noch mal – zu viel! Er wandte sich ab, ohne ein weiteres Wort, denn würde er bleiben, würde er Dinge sagen, die er eventuell bereuen würde. Vielleicht auch nicht!

 

„Draco!“, ermahnte ihn Gregory ruhig, aber er schüttelte zornig den Kopf.

 

„Hast du nicht gehört? Er will zu dem Wichser Potter! Ich fasse es nicht! Ich fasse es nicht!!!“, schrie er, und stürmte aus dem Salon. „Dann lass ihn gehen, wenn er denkt, das scheiß Narbengesicht könnte ihm auch nur einen Penny sichern!“

Er hörte, wie Gregory wieder einatmete. „Und sag ihm, er wäre tot, in der Sekunde, in der er das Haus verlässt!“ Gehässig wandte er sich zu seinem ehemaligen Abbild um. „Denn so talentiert wie sein Mund, ist sein Zauberstab wohl anscheinend nicht“, ergänzte er kalt.

 

Alkohol. Er brauchte dringend einen Scotch.

Er würde niemals behaupten, dass er verstehen konnte, weshalb Lucius so war, wie er eben war, aber… er konnte vielleicht einen winzig kleinen Funken von Vaterschaft verstehen. Vielleicht. Er hasste seinen Sohn! Das stand fest!

 

~*~

 

Sie hatte ihre Wunden versorgt. Diese dämlichen Schattengeister hatten ihr doch zugesetzt. Aber es schmerzte kaum noch. Harry hatte seit fünf Minuten nicht gesprochen. Er schrieb einige Zeilen auf ein Dokument, schien zu überlegen, welchen Schritt er jetzt zu gehen hatte, und sie hatte langsam aber sicher keine Lust mehr.

 

„Harry“, begann sie gereizt, aber er hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.

 

„Bist du sicher, dass es-“

 

„- Malfoy war? Ja, Harry. Ich bin mir sicher!“, erwiderte sie knapp. Sie konnte nicht fassen, dass Harry ihre Worte tatsächlich anzweifeln wollte. Er nickte schließlich.


„Ok. Dann… wo ist er wohl hinappariert?“ Er hob den Blick. Sie starrte ihn fassungslos an. Was war sie? Ein Orakel? Sie war froh, dass die Flüche keine Narbe hinterlassen würden. Harry konnte froh sein, dass sie das Herrenhaus nicht abgebrannt hatte, nachdem sie geflohen war!


„Anscheinend hat er Gold!“, sagte sie also, mehr als kalt. „Also kann er überall sein!“, vollendete sie die Vermutung.

 

„Dann werden wir ihn suchen. Lucius ist keine Hilfe.“

 

„Wann war er das schon mal“, warf sie ärgerlich ein, aber Harry ignorierte sie. Anscheinend nahm er ihr wirklich übel, dass sie Scorpius verloren hatte, aber sie würde nicht darüber sprechen. Denn dann würde sie ihn wahrscheinlich anschreien müssen.

Und sie wollte nicht noch einmal schreien. Nicht mehr heute.

 

„Wahrscheinlich müssen wir nach Besitztümern Ausschau halten, die innerhalb den letzten siebzehn Jahren erworben wurden. Von reichen Zauberern, oder Verwaltern. Ich nehme nicht an, dass er in London residiert“, fuhr Harry müde fort.

 

„Residiert“, wiederholte sie tonlos das Wort. Versteckt traf es wohl eher, nahm sie an. Dann kam ihr ein Gedanke. „Was wissen wir über Gregory Goyle? Er ist sein Partner, oder Diener oder Sklave, wie auch immer!“ Harry fuhr sofort mit dem Zauberstab über einen Stapel an Akten.

 

„Bist du sicher, dass es Goyle war? Wir haben keinen Zusammenhang mehr zwischen ihm und den Malfoys gelistet“, erklärte er wenig überzeugt. Sie verdrehte die Augen.


„Harry, Geister wollten mir die Haut vom Körper ziehen. Ja, verdammt! Es war Goyle. Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt!“ Harry nickte schließlich.

 

„Gut. Dann checken wir den Namen Goyle. Keine Ahnung, ob er überhaupt noch von den Zaubern erfasst werden kann. Wenn er nach Kanada oder Kuba gezogen ist, dann können unserer Zauber ihn nicht finden.“

 

„Es gibt nur fünf Kontinente. Und ungefähr zwanzig Ministerien mit großer Macht. Das sollte nicht zu schwer sein“, erwiderte sie genervt.

 

„Jaah“, begann Harry. „Aber wir schaffen es nicht heute Abend“, ergänzte er vorsichtig. „Scorpius könnte-“

 

„Harry, Malfoy wollte seinen Sohn holen. Bestimmt nicht, um ihn zu zerstückeln und zu verschachern!“, gab sie gereizt zurück. Harry wirkte nicht besonders amüsiert oder beruhigt durch ihre Worte.

 

„Ok!“, bestätigte er schließlich. „Ich kümmer mich darum. Dann… kommst du wohl nicht zum Essen heute?“, fragte er nach, und sie schüttelte heftig den Kopf. Sie sehnte sich nach ihrer Badewanne und einem schönen Glas Wein. Allein! „Denkst du etwa… Malfoy hat einen vernünftigen Grund seinen Sohn zu verstecken, zu warten, bis er volljährig ist, und ihn dann wieder zurückzuholen?“, erkundigte er sich schließlich. Es schien ihm großes Kopfzerbrechen zu bereiten.

 

Hermine seufzte auf. „Keine Ahnung, Harry. Ich weiß nicht, ob man noch das Wort vernünftig verwenden kann, nach allem, was wir über diese Sache wissen. Vernünftig wäre es gewesen, das Ministerium sofort einzuschalten, nachdem die Todesser Astoria getötet hatten. Vernünftig wäre es gewesen, Scorpius nicht alle Magie zu nehmen, ihn auszulagern und selber zu verschwinden. Vernünftig wäre es, eine Mitarbeiterin des Ministeriums nicht in einem verfluchten Haus zurückzulassen!“

 

„Ja, ich weiß, aber-“

 

„Harry, das ist kein Märchen! Es gibt keine tolle Erklärung, die alles besser macht. Egal, was Malfoys Beweggründe sind – er muss ins Gefängnis! Und wenn wir Glück haben, muss Scorpius ihn niemals wieder sehen. Für den Fall, dass wir die beiden finden.“

 

„Hermine, wenn-“

 

„Nein!“, schnappte sie. „Harry, ich weiß, du denkst, der Junge ist arm, allein und verlassen. Aber ist und bleibt ein Malfoy. In einigen Jahren wird er zaubern können, sein Gold für Blödsinn ausgeben und Muggel verabscheuen. So ist es vorgesehen. Und du kannst von Glück reden, wenn es so kommt!“

 

„Du mochtest ihn überhaupt nicht?“, fuhr Harry sie jetzt an, und sie schüttelte heftig den Kopf.


„Nein!“, schrie sie einfach, ohne Lüge oder Wahrheit zu beachten. Heute Abend mochte sie keinen mehr. Nicht einmal mehr Harry. Und er gab es auf und nickte.

 

„Ok. Geh nach Hause. Keine Malfoy-Geschichten mehr heute Abend, versprochen.“ Aber meistens, wenn Harry etwas versprach, dann kam es anders, als er dachte.

Und meistens endete es für sie stressig. Aber im Moment dachte sie nur an ihre Badewanne.

 

 

Kapitel 8

Fights

 

Sie mochte das Gefühl nicht.

 

Es fühlte sich an… als hätte sie versagt. Dabei hatte sie sich nicht so fühlen wollen. Aber sie hatte ihn verloren. Sie hatte ihn gefunden, versprochen, ihm zu helfen, und jetzt hatte sie ihn verloren. Sie – die beste Aurorin – hatte gegen zwei mittelmäßige Kriminelle verloren.

Es machte sie unglücklich. Aber sie musste vergessen, dass sie Aurorin war.

Sie musste wenigstens heute Abend Hermine Granger sein. Eine Hermine Granger, die alleine war.

 

Ohne Ron.

 

Ohne irgendwen. Oh Hermine, bitte, schalt sie sich in Gedanken. Der Tag war lang gewesen. Ähnlich lang wie der vorherige. Sie wollte baden, Wein trinken – und nicht mehr nachdenken!

 

Sie blieb stehen. Der Tropfende Kessel erschien ihr sehr verlockend. Sie lockerte den Umhang des Ministeriums und trat ein. Tom hob kurz den Blick, aber Tom war wohl der einzige Bürger der Stadt, der so ignorant sein konnte, sie einfach nicht zu kennen. Es war relativ voll. Zauberer und Hexen lachten, sprachen über den Tag, über Pläne, Urlaub, Familien, und sie schritt langsam zur Theke. Müde, ausgelaugt und völlig willig, etwas Stärkeres als Wein zu trinken.

 

„Tom, einen Martini, bitte. Mit Tonic“, fügte sie knapp hinzu.

 

Wortlos stellte ihr der Wirt das dreieckige Glas mit dem langen Stiel auf die Theke.

 

„Olive, Miss?“, fragte er rau, aber sie verneinte. Sie würde eine Olive nicht bewältigen können, befürchtete sie. Sie konnte schon nicht Gregory Goyle entwaffnen. Ihr Job war jahrelang wirklich vergleichsweise einfach gewesen. Sie hob das Glas zu den Lippen, und die kühle Flüssigkeit verbrannte ihre Kehle.

Sie hatte keine Ahnung, wann sie das letzte Mal getrunken hatte. Wahrscheinlich mit Ron. Hatte sie jemals allein getrunken, fragte sie sich unwillkürlich, und wollte diese Frage gar nicht beantworten. Sie trank noch einen Schluck, schüttelte angeekelt den Kopf, und hatte keine Ahnung, weshalb irgendjemand Martini trank.

 

„Noch einen?“, fragte Tom, als er zu ihr herüber wischte. Sie ruckte mit dem Kopf und wollte nein sagen. Stattdessen füllte Tom das Glas erneut. Auch das war ihr mäßig gleichgültig.

 

„Ich habe gehört, dir ist der junge Malfoy abhanden gekommen.“ Sie hob überrascht den Blick. Dean Thomas setzte sich neben sie. Sie senkte den Blick zurück in ihr volles Glas. Auf diesen Idioten hatte sie keine Lust. Absolut keine Lust!

 

„Hm“, erwiderte sie nur.

 

„Keine Glanzleistung. Wie war es in Malfoy Manor?“ Richtig. Dean war auch Muggel. Er konnte auch nicht rein. Immerhin etwas! Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihm die Geister mehr zugesetzt hätten. „Hey, komm schon. Ich versuche nur, nett zu sein.“ Er lachte gehässig. Sie mochte ihn nicht.


„Kann ich drauf verzichten.“

 

„Bist du betrunken?“, fragte er jetzt und grinste. „Dabei ist es erst Donnerstag, Ms Granger“, fügte er lachend hinzu. Und mit einem Zug leerte sie ihr Glas.

 

„War nett, mit dir zu plaudern“, gab sie knapp zurück, warf ein paar Knuts auf den Tisch, und wandte sich ab.

 

„Hey, warte!“, rief er ihr nach, aber sie hielt nicht an. Das waren zehn weitere scheiß Minuten ihres Lebens. Der Alkohol bahnte sich einen recht schnellen Weg in ihre Blutlaufbahn. „Du kannst mit mir apparieren, Hermine!“, rief er lauter. „Wenn du auch nur einen Meter selber apparierst, verhafte ich dich!“, fügte er scherzhaft hinzu, aber sie verbrachte lieber eine Nacht in Haft, als mit Dean Thomas Seit-an-Seit zu apparieren!

 

Es war immerhin nicht weit. Sie wohnte in der Stadt. Mittlerweile allein.

 

Ahrg! Sie hasste dieses Wort!

 

Hastig lief sie schneller. Es war doch eigentlich alles egal. Dann fanden sie Scorpius nicht. Dann war er eben mit seinem Vater verschollen. Das wäre das Beste! Wenn sie von keinem mehr auch nur einen Piep hören würde. Am besten brach Lucius Malfoy auch aus Askaban aus und verschwand über alle Berge!

 

Sie hatte das Haus erreicht. Sie stand an derselben Stelle, an der sie mit Scorpius gestanden hatte. Wie hatte sie ihn verlieren können?! Sie stieß ärgerlich die Tür auf, erklomm die Stufen; eine nach der anderen schien höher und höher zu werden. Schon war sie gegen die Wand gestolpert. Wieso war es so verdammt dunkel hier?

Sie hatte Harry und Ron an einem dreiköpfigen Monsterhund vorbeibringen können, hatte alle Rätsel lösen können, hatte Horkruxe zerstört und die Aurorenausbildung mit Auszeichnung bestanden – aber sie verlor ein Kind!

 

Sie war die schlechteste Aurorin dieser Welt!

 

Sie war in ihrem Stockwerk angekommen. Sie öffnete die Tür.

 

Sie hätte wetten können, heute Morgen war sie noch verschlossen gewesen! Ron war so unvorsichtig! Eigentlich sollte sie ihn aufwecken und ihn dafür maßregeln. Aber sie wollte nicht schon wieder streiten. Sie warf den Schlüssel auf die Anrichte neben der Tür, hängte den Umhang nur wenige Zentimeter neben die Garderobe, hatte aber Angst, sich zu bücken.

Sie zog das Zopfgummi aus den Haaren, die nun unordentlich über ihre Schultern fielen.

 

Sie kickte die Schuhe von den Füßen, und entschied sich dagegen, höflich zu sein.


„Ron?“, rief sie böse und wankte ins Wohnzimmer. „Ron! Wenn ich sage, die Tür muss immer verschlossen sein, dann meine ich das!“, schrie sie lauter.

 

Sie blieb plötzlich stehen. Musste Ron morgen früh raus? Würde er dann grantig sein, wenn sie ihn jetzt weckte? Ach – egal!

 

„Ron?“

 

Und sie hörte, wie die Haustür langsam ins Schloss geschoben wurde. Ron war also noch wach. Dann musste er wohl morgen – oh!

 

Ihr wurde plötzlich heiß und schlecht zugleich.

 

Es gab… keinen… Ron…. Da war kein Ron mehr in dieser Wohnung…! Zauberstab, schlug ihr Verstand ihr panisch vor. Sie griff hastig in ihre – oh nein! Ihr Umhang hing im Flur. Oder lag da! Oh nein, oh nein! Sie wich hastig an die dunkle Wohnzimmerwand zurück. Jemand war in ihrer Wohnung. Und wenn es nicht Ron war – wer war es dann?

Für eine wilde Sekunde hatte sie eine Hoffnung. Eine sehr, sehr kleine….

 

Ihre Brust hob und senkte sich hastig.

 

Sie wartete. Sekundenlang. Nichts passierte. Langsam wandte sie sich in Richtung Flur. Und wie ein Actionheld sprang sie mit einem Hechtsprung in den dunklen Flur.

Nichts passierte. Da war niemand. Sie griff hektisch nach dem Zauberstab aus ihrem Umhang, entfachte das Licht und stand ziemlich dämlich in ihrem Flur. Sie durchschritt die wenigen Zimmer, überprüfte die Fenster und musste zu zwei Lösungen kommen.

 

Sie war entweder verrückt und betrunken, oder es war jemand hier gewesen und hatte sich davon geschlichen. Sie verschloss hastig die Tür. Sie wusste, sie musste dem Ministerium Bescheid geben, musste Alarm schlagen und sich sofort in weiteren Schutz begeben. Aber wer sollte hier einbrechen, nichts stehlen, sie nicht bedrohen und einfach heimlich wieder verschwinden? Scorpius hätte bestimmt auf sie gewartet, hätte ihre Hilfe gewollt.

 

Dies musste jemand gewesen sein, der nicht ihre Hilfe wollte.

 

Sie wollte nicht weiter denken. Es gab keine Todesser mehr! Und selbst wenn, dann kamen sie nicht in ihre Wohnung! Ohne etwas zu zerstören! Sie checkte noch einmal, ob alles an seinem Platz war. Aber nichts wies auf einen Raub hin. Gar nichts! Wer brach denn in eine Wohnung ein, um sie sich anzusehen?!

 

Sie beschloss, dass sie nichts mehr tun würde, heute Abend. Denn es bestand immer noch die knappe Hoffnung, dass sie sich das gerade nur eingebildet hatte.

War es Ron, der sich davon geschlichen hatte? Wahrscheinlich eher nicht, nahm sie jedoch an. Badewanne. Ja, das klang nicht schlecht. Aus paranoiden Gründen führte sie noch einen materiellen Zauber durch, der ihr anzeigen würde, ob noch ein Lebewesen in der Wohnung war. Natürlich ohne Erfolg. Sie war allein. Wieder einmal.

 

Badewanne. Zur Sicherheit nahm sie den Zauberstab mit ins Bad und ließ die übrigen Lichter in der Wohnung an. Nur für den Fall! Sie versteckte außerdem ihren Schmuck unter ihrer Matratze und machte Feuer im Kamin, damit sie zur Not schnell dem Ministerium Bescheid geben konnte.

 

Im Schlafzimmer entkleidete sie sich leise, zog ihren Bademantel über und war immer noch skeptisch. Der Alkohol verließ ihr Blut langsam wieder. Sie band sich die dichten Haare zusammen. Sie hatte Scorpius verloren. Sie kam nicht drüber hinweg. Sie hatte ihn von seinem grausamen Vater entführen lassen! Und jetzt passierte Merlin weiß was!

Im Badezimmer verriegelte sie die Tür sorgsam und ließ das Wasser ein.

Wahrscheinlich war es nicht die beste Lösung, nach einem vielleicht-Einbruch baden zu gehen, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Wer auch immer hier eingebrochen war, der hätte sie garantiert schon umgebracht, und wäre nicht geflohen. Dass ließ sie annehmen, sie war nicht das Ziel dieser Tat gewesen.

 

Aber was war es? Was hatte dieser Mensch hier gewollt?

 

Sie stieg vorsichtig in die Wanne, nachdem sie aus dem Bademantel geschlüpft war. Sie vertraute darauf, dass der Einbrecher nicht wiederkommen würde. Denn er hatte seine Chance nun wahrlich gehabt. Sie hatte wenig Angst. Das lag vielleicht daran, dass sie heute schon einem Todeshaus entkommen war. Das mochte sein. Sie war sowieso, dank ihrer Vergangenheit und ihrem Beruf, erschreckend schussgleichgültig geworden.

 

Sie lehnte den Rücken gegen die Wand der Wanne und schloss mit einem tiefen Atemzug die Augen. Der Schaum machte leise Geräusche, und das warme Wasser war so entspannend, dass sie die Müdigkeit zu spüren begann. Sie erlaubte sich tatsächlich, langsam müde zu werden, runter zu kommen, von den letzten Tagen, und sie hob die Hand zu ihren Augen, als sie ein paar winzige Tränen spürte.

 

Sie sagte sich, sie könne nichts dafür, Scorpius verloren zu haben, aber innerlich gab sie nur sich die Schuld. Nur sich! Sie gab sich die Schuld, dass sie Malfoy nicht entwaffnet und umgebracht hatte, als sie noch die Chance dazu gehabt hatte. Sie hatte sie verstreichen lassen. Aus sentimentalen Arbeitsmoralen heraus. Sie hätte sich wehren können! Wieso hatte sie es denn nur nicht getan? Wieso war ihre Beziehung mit Ron gescheitert? War das auch ihr Fehler gewesen? Sie sank noch ein Stück tiefer in die wohlige Wärme, atmete die Badedämpfe ein und versuchte, sich keine Schuld mehr zu geben.

 

Sie würde gleich einen heißen Tee trinken, ins Bett gehen, sich ausschlafen und morgen früh nach einer Lösung suchen.

 

Und sie glaubte schon tatsächlich, sie müsse träumen, als sie erneut Geräusche hörte. Sie hielt die Luft mit einem Mal an. Es klang wie ein Kratzen. Ein raues Ächzen, und dann hörte sie das bekannte Knarren ihrer Haustür.

Jemand kam – schon wieder – in ihre Wohnung! Diesmal verhielt sie sich ruhig. Wer konnte es wagen, bei hell erleuchteten Zimmern hier – schon wieder – einzubrechen? Ihre Ruhe fiel von ihr ab. Ihre Atmung beschleunigte sich genug, um ihr Adrenalin wieder zu erwecken.

 

Die Haustür schloss sich. Nicht bemüht leise, nein! So dreist, als wäre dieser jemand hier zu Hause – und nicht sie! Sie griff hinter sich nach ihrem Zauberstab. Was für eine denkbar ungünstige Position! Hastig setzte sie sich auf, stieg eilig aus der Wanne, hinein in den Bademantel. Das waren zehn verdammt kurze Minuten gewesen.

Sie verschloss eilig den Knoten des Bademantels und hätte nicht eher fertig sein können. Jemand besaß die Dreistigkeit, die Tür aufzuhexen!

 

Und sie wandte sich kampfbereit um. Ehe sie richtig denken konnte, hatte Malfoy sie entwaffnet. Ihr Zauberstab fiel mit einem Platsch zurück in das Badewasser und sank mit einem dumpfen Geräusch auf den Grund der Wanne.

 

„Er ist also nicht bei dir“, stellte er das Offensichtliche fest. Sie fuhr sich durch die Haare, schlang den dünnen Stoff des Mantels enger um sich und kam zornig auf ihn zugestapft.


„Du hast Nerven!“, sagte sie wieder zu ihm. „Du dämliches Arschloch!“ Sie stieß ihm vor die Brust und ließ außer Acht, dass er derjenige mit der Waffe war.

 

„Hey!“, unterbrach er sie grob, fing ihre Handgelenke ab und fixierte sie. „Reg dich ab. Ist er hier? Hast du ihn gesehen?“ Sie schüttelte verwirrt den Kopf.


„Ihr könnt hier nicht einfach rein spazieren, wenn es euch gefällt! Ich bin Aurorin, verdammt noch mal! Meine Wohnung ist kein Aufenthaltsort für Todesser!“

 

„Was? Wovon redest du?“


„Wie viele kommen noch, Malfoy? Wie viele willst hier noch rein lassen?“

 

„Ich… rein lassen? Badest du zu heiß, verflucht?“, schrie er sie jetzt an, und sie riss sich von ihm los.

 

„Wen?“, fragte sie plötzlich ohne Zusammenhang.


„Was?“, knurrte er gereizt und sah sich in ihrem kleinen Badezimmer um.

 

„Wen habe ich gesehen?“, flüsterte sie.


„Wen wohl, verflucht? Ich bin bestimmt nicht auf der Suche nach deinem rothaarigen Mitbewohner. Scorpius“, sagte er schließlich widerwillig. „Er… ist abgehauen.“ Er klang zerknirscht bei diesen Worten und mehr als sauer. Draco Malfoy war hier! In ihrer Wohnung! Sie könnte ihn ausliefern, schoss es in ihre Gedanken. Er schien sie zu erraten. „Ah, ah, ah…!“, bedeutete er ihr und richtete den Zauberstab wieder auf ihre Brust. „Du wirst nichts tun, Granger, hast du mich verstanden?“

 

Und sie hörte es wieder. Mit einem Knarren öffnete sich ihre Tür.

 

„Weasley?“, murmelte er mit erhobener Braue und wartete auf ihre Antwort. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Sie schüttelte nur leicht den Kopf. Sofort betrat er ihr Badezimmer und hexte die Tür zu.

 

„Malfoy, was-“

 

„Ruhig!“, befahl er knapp, legte den Muffliato auf die Tür und einen weiteren Fluch.


„Was tust du? Wieso brechen hier Leute ein?“, verlangte sie zu wissen, und er hob den Zauberstab wieder. Diesmal blieb es nicht ruhig. Sie hörte, wie jemand in ihrer Wohnung Schubladen öffnete, Sachen auf den Boden warf und Türen knallten.

 

Leute? Wer war noch hier?“, fragte er leise, die Tür nicht aus den Augen lassend.

 

„Keine Ahnung!“, gab sie zornig zurück. „Deine Leute?“ Er schenkte ihr ein Lächeln.

 

„Ich habe keine Leute. Ihr und euer sauberes Ministerium habt die Todesser auf eure Fährte gelenkt. Ich nehme an, sie suchen Scorpius“, fuhr er ärgerlich fort. „Du hast Glück, dass sie dich nicht in deiner Wanne umgebracht haben“, bemerkte er spitz, und sie sah mit Schrecken, wie der Knauf gedreht wurde. Dann heftiger, bis jemand gegen die Tür trat.

 

„Malfoy-“

 

Shht!“, sagte er nur und belegte sie beide mit einem Desillusionierungszauber. Sie spürte, wie ihre Haut vor ihren Augen verschwamm und die Farbe der Wand annahm. „Kein Wort!“, befahl er und sah sie durchdringend an.

 

Er ergriff ihren Arm und zog sie weiter in das kleine Bad zurück, hinter den Handtuchständer.

 

Beim nächsten Tritt sprang die Tür auf, das Schloss war kaputt gebrochen. Sie schnappte leise nach Luft. Ein Mann betrat das Bad. Er war groß, trug schwarze Kleidung und hielt den Zauberstab nach vorn gestreckt.

 

„Komm raus, komm raus!“, sagte der Mann mit einer kalten Stimme. Seine kleinen blauen Augen sahen sich aufmerksam um. Er lehnte sich vor, roch an dem Badewasser und entdeckte ihren Zauberstab auf dem Grund. Verwirrt beugte er sich vor, und Malfoy gab die Deckung auf.


Imperio!“, donnerte seine Stimme, und der Mann stand völlig regungslos im Bad, das Gesicht ausdruckslos nach vorn gerichtet. „Wer schickt dich?“, hörte sie ihn fragen, während er um den Handtuchständer herum schritt, den Zauberstab auf den Fremden gerichtet. Der Mann sagte nichts. „Wer?“, wiederholte Malfoy lauter.

 

„Unser Herr“, sagte der Mann widerwillig.

 

„Wer ist das?“, wollte Malfoy lauter wissen. Er hob den Zauberstab höher, verstärkte den Fluch, und der Mann zuckte zusammen. „Sag es!“, befahl er kalt.


„Lucius… Lucius Malfoy.“ Hermine schnappte nach Luft.

 

„Kommen noch mehr?“ Malfoy ließ sich nicht beirren, hielt den Zauberstab näher an das Gesicht des Fremden, dessen Augen nun bläulich schimmerten, so stark war der Zauber.

 

„Ja“, sagte er nur.

 

Stupor!“, rief Malfoy jetzt, und mit einem Ächzen brach der Mann unter dem direkten Fluch zusammen.


„Malfoy!“, rief sie schockiert, aber dieser sah sie ausdruckslos an.


„Deine Wohnung wird überwacht. Es ist nicht sicher.“ Dann schritt er aus dem Bad. Sie folgte ihm augenblicklich.


„Warte!“, schrie sie wütend. Er hielt in seinem Gang kurz inne. „Du stehst unter Arrest!“, brachte sie schließlich hervor. Er betrachtete sie abschätzend.

 

„Du solltest dir vielleicht lieber etwas anziehen“, schlug er trocken vor.

 

„Malfoy!“, begann sie wieder, und er schloss genervt den Abstand.

 

„Granger, hast du nicht verstanden?“

 

„Doch, ich habe verstanden! Lucius ist in Askaban, es ist nicht möglich!“, sagte sie heiser und schüttelte den Kopf. Er umfasste ihre Schultern.

 

„Glaub es einfach. Du solltest hier nicht bleiben“, fuhr er fort. Dann wandte er sich wieder ab, aber sie griff nach seinem Arm. „Ich habe keine Zeit hierfür“, sagte er nur und riss sich los.

 

 „Oh, du hast verdammt viel Zeit, ehe die magische Strafverfolgung eintrifft!“ Er verdrehte die Augen. „Wenn du mich umbringst, werden sie dich finden! Wenn du mich entführst, verschleppst und zerstückelst werden sie das auch dann noch tun!“

 

„Glaub mir, das sind verlockende Angebote, aber vielleicht später!“

 

„Du hast mich in deinem verdammten Haus gelassen!“, schrie sie wieder, denn alles wurde ein bisschen viel. Was passierte denn hier? Wo war Scorpius? Wieso konnte Lucius Malfoy irgendwas befehlen, wenn er doch in Askaban war?

 

„Und du hast überlebt!“, erwiderte er relativ gelassen. „Ich hatte nichts anderes erwartet.“

 

„Malfoy, du-“

 

„Was? Was, Granger? Wenn du nicht alles ruiniert hättest, mit deiner verdammten Ministeriums-Moral, dann wäre mittlerweile jedes Problem gelöst, verdammt!“, schrie er sie jetzt an.

 

„In meinem Badezimmer liegt ein Todesser!“, schrie sie außer sich. „Das Ministerium wird-“

 

„Begreifst du es nicht?“, unterbrach er sie zornig und fuhr sich durch die Haare. „Das Ministerium kann nichts ausrichten!“ Er verlor die Fassung, sie sah es deutlich. „Ich muss Scorpius finden, ehe es das Ministerium schafft und ihn auch noch auf einem silbernen Tablett serviert!“

 

„Nein!“, sagte sie heftig. Seine Geduld schwand immer schneller, denn er stöhnte ungehalten auf. Ehe er etwas sagen konnte, entschied sie sich in ihrem Kopf sehr schnell. „Ich komme mit dir.“

 

„Du… kommst mit mir?“, wiederholte er fast amüsiert. „Das ist schön, aber ich nehme dich nicht mit!“

 

„Du willst Scorpius nur loswerden, ihm Magie rauben, ihm sein Leben kaputt machen! Und das lasse ich nicht zu!“ Zuerst dachte sie, er würde wieder schreien. Sie sah, wie er den Mund öffnete, um zu widersprechen. Dann schloss er jedoch die Augen, und die gewohnte Kälte kehrte in sein Gesicht zurück, das dem seines Vaters auf gruselige Weise glich.

 

Er schloss den Abstand, drückte ihr den Zauberstab direkt gegen die Brust, und sie keuchte auf, als er ihr Kinn in die Hand nahm, und sie zwang ihn anzusehen. Sie spürte seinen Körper an ihrem, roch seinen Duft, und versuchte sich aus seinem Griff zu wenden. Sie atmete abgehackt, und die Spitze des Zauberstabs schmerzte sie unangenehm.

 

„Ich kann nur hoffen“, brachte er zornig hervor, als sie schon jeden hellen Fleck in seinen blauen Augen sehen konnte, „dass du eher aufwachst als dein Gast im Badezimmer!“ Helle Panik erwachte in ihr. Sie sträubte sich erneut.

 

„Oh ja? Du willst mich auch verfluchen?“, keuchte sie tonlos, denn er raubte ihr mit seinem Griff fast die Luft zum Atmen. „Mit einem Unverzeihlichen? Direkt in die Brust?“, presste sie hervor.

 

„Was sollte ich sonst mit dir tun, Granger?“, erwiderte er kalt. „Ich bin nicht mein Sohn, der einen seltsamen Beschützerinstinkt im Bezug auf dich entwickelt hat“, knurrte er leise. „Ich frage mich, ob du ihn dazu verhext hast“, ergänzte er bitter.

 

„Du bist widerlich!“

 

„Nein. Widerlich ist das Schlammblut, was glaubt, dass es auch nur irgendwas ausrichten könnte! Eigentlich fällt mir kein guter Grund ein, weshalb ich dich nicht gleich umbringen sollte!“


„Lebenslang Askaban“, brachte sie keuchend hervor, als sein Griff nur fester wurde.

 

„Das wäre es wert“, konterte er wütend, und sie wand sich wieder unter seinem Griff, heftiger als zuvor. Er fixierte sie, und sie sah seinen Kiefermuskel deutlich hervortreten.

Sie riss ihren Kopf endlich los, aber sein Arm schnellte vor, schlang sich um ihren Körper und presste sie wieder an sich. Sie hatte viel zu wenig an, für eine solche Art Kampf. Der Knoten ihres Bademantels lockerte sich allmählich, und sie fluchte als sie ihre Hände gegen seine Brust stemmte. Er war zu stark.

 

„Lass mich los“, brachte sie heiser hervor, und sein Gesicht verlor an Härte. Seine Züge entspannten sich. „Er wird nicht auf dich hören!“, sagte sie heftig. „Er wird wieder weglaufen und-“ Er war immer noch nahe. Mittlerweile übte er aber kaum noch Druck auf sie aus. Er hielt sie lediglich in seinem Arm. Der Zauberstab presste sich nicht mehr schmerzhaft gegen ihre Brust. Sie musste schon den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Sie wusste nicht, wann sich alles geändert hatte. Sein Blick war ruhiger geworden, wanderte über ihr Gesicht.

 

„Malfoy“, sagte sie leise, aber er schüttelte kaum merklich den Kopf.

 

„Nein“, sagte er fast bedauernd, atmete gereizt aus, und, mit einem letzten Blick auf ihr Gesicht, hob er den Zauberstab. „Stupor“, sprach er widerwillig, und der Zauber traf sie in die Brust. Der Schock löste sofort die Bewusstlosigkeit aus, und während alles schwarz wurde, sackte sie in seinen Armen zusammen.

 

 

Kapitel 9

Gregory Granger

 

„Und es war der Plan, sie zu entführen?“ Er hatte noch nicht gesprochen. „Nackt?“, setzte Gregory ungläubig hinzu, und Draco sah, wie er Granger beinahe ängstlich betrachtete.

 

„Natürlich war das nicht der Plan.“

 

„Weiß sie denn, wo er ist?“, wagte Gregory noch eine weitere Frage. Draco atmete gereizt aus.


„Nein, wieso?“, erwiderte er zornig, und Gregory schürzte die Lippen und schüttelte unverfänglich den Kopf.

 

„Oh, kein besonderer Grund. Draco, wieso hast du Hermine Granger verflucht und entführt? Und wieso hat sie nur einen Bademantel an?“ Draco würde viel geben, auf diese Fragen eine plausible Antwort zu haben. „Hast du sie…? Habt ihr…?“ Sein Blick schoss zornig hoch.

 

„Nein, natürlich nicht“, knurrte er.

 

„Aber sie…?“ Gregory sprach nicht weiter, denn anscheinend konnte sein Gehirn auch keine logische Erklärung finden.

 

„Bist du fertig mit deiner Fragestunde?“, fragte Draco gefährlich ruhig. Gregory schien sich wieder zu besinnen.

 

„Ja. Bist du verletzt? Brauchst du Heilung?“ Endlich. Manchmal vergaß Gregory seinen Platz. Und Draco würde ihm nicht sagen, dass er manchmal mochte, wenn Gregory vergaß, was er versprochen hatte.

 

„Nein. Einen Tee.“

 

„Ja, sofort. Was ist der nächste Schritt?“, erkundigte sich Gregory, ehe er ging. Draco legte den Umhang ab und atmete müde aus. „Und wieso hast du den anderen Todesser nicht umgebracht? Du hast doch gesagt, Lucius hätte ihn geschickt, oder nicht?“ Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Ich habe ihn mit dem Imperius belegt, und er wird sich nicht mehr an mich erinnern. Wenn er aufwacht, wird er wissen, dass er verflucht wurde, aber ich will Lucius nicht seiner kleinen Armee berauben, weil er sonst nur noch schneller Askaban verlassen wird, als er es jetzt ohnehin schon tun wird.“ Er beantwortete nur die zweite von Gregorys Fragen.

 

„Wie soll er ausbrechen?“ Diesmal klang Gregory ungläubig. Aber Draco wusste es besser.

 

„Das ist nicht die Frage. Die Frage ist, wann.“

 

„Aber die Dementoren und die Wachen…. Er kann doch gar nicht-“

 

„Du solltest auch im Ministerium anfangen. Du hast die perfekte Mentalität dafür“, unterbrach er seinen Diener eisig. Gregory stellte keine weiteren Fragen mehr. Er nickte und verschwand. Der nächste Schritt war lästig. Er betrachtete Granger, die auf der Couch immer noch bewusstlos war. Sie war friedlich. Sie sah aus, als wäre sie umgänglich und nicht hysterisch und anstrengend.

 

Er fragte sich unwillkürlich, ob sie mit seinem Sohn geschlafen hatte. Der Gedanke widerte ihn genauso sehr an, wie er ihn aufregte. Aber sie war wahrscheinlich zu rechtschaffen, um so ein Gesetz zu brechen. Er schritt langsam auf sie zu, schloss in seinem Kopf den nächsten Plan ab, und zog den Zauberstab. Er nahm eine dünne Strähne ihrer Haare in die Hand und schnitt mit dem Zauberstab eine Locke ab.

 

Er begutachtete sie zwischen seinen Fingern. „Danke, Granger. Doch noch nützlich“, murmelte er zufrieden.

 

Gregory kehrte zurück. Draco wandte sich lächelnd zu ihm um.

 

„Gregory, du musst mir einen kleinen Gefallen erfüllen“, begann er langsam und hielt die Strähne nach oben. Gregory brauchte ungefähr eine Sekunde, ehe er begriff.

 

„Oh nein! Eine Frau? Draco, muss das-“

 

„Danach gebe ich dir eine weitere Stunde, sie zu sehen“, fuhr Draco unbeirrt fort.

 

„Sie zu sehen?“, wiederholte Gregory verwirrt, doch dann legten sich die Falten auf seiner Stirn. „Du weißt, wo sie ist?“

 

„Ja, ich weiß, wo sie ist.“ Die Vergangenheit war für sie alle schmerzhaft. Er wusste, wenn er mal keine egoistischen Gedanken hatte, dass es für Gregory so schwer war, wie für jeden sonst. „Willst du sie sehen?“, fragte er jetzt ernst, denn sie zu sehen, bedeutete noch eine ganze Menge mehr.

 

Gregory nickte nur. „Ja, ich will sie sehen.“

 

„Bitte, hol den Vielsafttrank aus der Kammer, wir haben nicht viel Zeit“, wechselte er nun das Thema. „Am besten bist du überzeugend. Wenigstens für eine halbe Stunde. Wenn Potter etwas merkt, dann wäre das denkbar ungünstig für dich.“ Gregory verzog den Mund.

 

„Keine Sorge.“

 

„Nein? Wie geht es deinem Auge, Greg?“, erkundigte er sich glatt. Gregory hatte es bereits wieder heil gehext. Den Beweis, dass ein sechzehnjähriger ihn tatsächlich k.o. geschlagen hatte. Gregory zog es wohl vor, nicht zu antworten, und verschwand, um den Vielsafttrank zu holen. Draco nippte an dem heißen Tee und warf Granger wieder einen Blick zu.

 

„Tee? Nein?“ Mit einem freudlosen Lächeln setzte er sich an den Tisch. Am besten blieb sie bewusstlos. Aus seiner Hosentasche zog er die Adresse. Wenn er zwei Dinge gut konnte, dann war es wohl, Magie zu entziehen und Vergessenszauber zu benutzen. Er wusste nur nicht, ob er damit Gefallen tat oder ob er tatsächlich der Böse in der ganzen Sache war.

„Was meinen Sie, Ms Granger? Was?“ Er lehnte sich in seinem Stuhl näher vor und nickte der schlafenden Frau zu, als hätte sie etwas gesagt. „Der Böse, meinen Sie? Ja, das steht mir auch besser, nicht wahr?“, murmelte er und wandte den Blick schließlich ab.

 

Ja. Der Böse zu sein, würde ihn um einiges weniger Aufwand kosten. Grimmig trank er den Tee. Er erlaubte sich nicht, an Scorpius zu denken. Wäre er tot, dann hätte es bereits in der Zeitung gestanden. Das nahm er zumindest an. Das Ministerium wäre nicht klug genug, einzusehen, Dinge für sich zu behalten. Er hasste das Ministerium.

 

 

~*~

 

 

„Wirklich entzückend“, hörte er Dracos Stimme, die vor Ironie troff.

 

„Du hättest dann auch gleich ein paar von ihren Sachen mitnehmen können“, erwiderte er mit hoher Stimme. Er hatte sogar seine Stimme verändern müssen, für diese Scharade.

 

„Du machst dir Sorgen über dein Aussehen, wirklich?“ Er wandte sich um. Er war plötzlich kleiner als Draco. Er warf Granger einen kurzen Blick zu.

 

„Sie ist ziemlich lange bewusstlos“, merkte er besorgt an.


„Nein. Sie war vorhin wach, aber ich habe sie erneut verflucht. Ansonsten könnte mich hinreißen lassen, sie doch umzubringen.“ Manchmal wusste Gregory nicht, ob Draco Witze machte oder es bitter ernst meinte. Er wollte nicht fragen. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie bewusstlos war.

 

„Ok. Ich bin in zwei Stunden zurück.“ Er steckte sich noch eine kleine Portion vom Vielsafttrank ein und die Adresse.

 

„Das wäre besser so“, gab Draco nur zurück. Gregory nickte zum Abschied.

 

Er verließ das Haus, apparierte auf der Schwelle und hoffte nur, dass noch niemand gemerkt hatte, dass Granger verschwunden war. Das wäre nämlich der Fehler im Plan. Aber es war so früh, dass unmöglich aufgefallen wäre, dass sie nicht auf der Arbeit war.

Es wäre auch zu früh für Potter auf der Arbeit zu sein. Es war generell zu früh, denn es waren noch keine Leute auf der Straße.

Er konnte schon nicht mehr zählen, wie viele Gesetze er gebrochen hatte, seit er in den Diensten von Draco Malfoy stand. Er wollte gar nicht darüber nachdenken. Es machte ihn traurig und zornig zugleich.

 

Er erreichte die Adresse von Harry Potter. Dafür, dass er der berühmteste Bewohner Londons war, wohnte er ziemlich einfach. Das Haus war klein. Aber Gregory selber hätte sich auch für ein kleines Haus entschieden. Fast lächelte er. Er hatte sich für ein kleines Haus entschieden. Er schüttelte den Gedanken ab. Granger war langsamer als er es gewohnt war, zu gehen. Sie war kleiner als er. Er fühlte sich sehr unterlegen in ihrem Körper. Ihr Zauberstab gehorchte ihm auch nicht wirklich, stellte er fest. Er lag nicht angenehm in der Hand.

 

Die Jeans war zu groß. Granger war wirklich dünn. Ärgerlicherweise.

 

Er klopfte und räusperte sich noch ein letztes Mal.

 

Potters Frau öffnete gähnend im Morgenmantel.

 

„Oh, Hermine! Wir hatten versucht, dich gestern Abend zu erreichen! Du glaubst ja nicht, wer uns besucht hat!“ Sie öffnete die Tür weiter. Gregory zählte zwei und zwei zusammen.


„Scorpius war hier?“ Seine Stimme klang hoch und glaubwürdig.

 

„Ja.“

 

„Ist er… da?“

 

„Nein, tut mir leid. Du wolltest zu Harry, richtig?“ Er nickte vage. „Die beiden sind schon weg.“

 

„Schon weg? Wohin?“

 

„Harry hatte einen neuen Plan.“

 

„Oh nein“, sagte er nur, denn er konnte nur annehmen, es hatte etwas mit dem Ministerium zu tun und damit, dass Scorpius von noch mehr Menschen entdeckt wurde.

 

„Ich glaube, es könnte wirksam sein. Möchtest du reinkommen? Ich habe gerade Tee aufgesetzt“, erklärte sie freundlich. Gregory sträubte sich ein wenig.

 

„Ginny, was ist der neue Plan?“, benutzte er den Namen der Frau. Wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben. Er kannte sie nur noch ungefähr. Sie war im Quidditchteam von Gryffindor gewesen. Das war eigentlich alles, was er wusste.

 

„Harry denkt immer noch, dass Lucius mehr weiß, als er zugibt. Er denkt außerdem, dass Lucius durch den Beweis, dass sein Enkelsohn noch lebt, wieder zur Vernunft kommt. Denn Malfoy kann sich nicht immer verstecken! Scorpius hat uns zwar erklärt, wo das Haus zu finden ist, aber bisher haben es die Auroren nicht ausfindig machen können“, fuhr sie fort.


„Es ist mit dem Fidelius belegt“, erklärte er nur tonlos. „Harry hat Scorpius nach Askaban mitgenommen?“, schloss er und schüttelte nur den Kopf. Das war wirklich, wirklich schlecht. Zwar hegt er noch Zweifel an dem Ausbruch des ältesten Malfoys, aber er zweifelte nicht an der grenzenlosen Wut des Mannes hinter den Gitterstäben. Er zweifelte nicht daran, dass Lucius Malfoy alles tun würde, um seinen Enkel umzubringen, und sei es auch noch in Askaban selbst. Seine Atmung beschleunigte sich in Grangers Körper.

 

„Woher weißt du das? Ein Fidelius ist eine von vielen Möglichkeiten, ich-“


„Ginny, ich muss los!“, sagte er nur.

 

„Harry ist bestimmt bald wieder zurück. Du kannst auch solange warten“, schlug sie vor, aber er schüttelte heftig den Kopf, so dass die langen Locken im Pferdeschwanz wippten, den er trug. „Außerdem gibt es da noch eine Sache“, fuhr sie leiser fort, als sie drinnen Geräusche vernahm. Aber Gregory hatte sich schon abgewandt.

 

„Wann anders“, erwiderte er schnell.

 

„Richtig. Du läufst lieber weg.“ Diese Stimme kannte er auch. Er hielt inne und drehte sich um. Weasley. Wie hieß er mit Vornamen? Ron? Unzählige Male hatte es in einer Schlägerei geendet.

 

„Ich habe jetzt keine Zeit.“

 

„Ja, denn du bist ja in einen Minderjährigen verliebt“, gab Weasley zurück. Seine Schwester knuffte ihn leicht.

 

„Was?“ Gregory verstand manche Menschen nicht. „Ich muss wirklich gehen.“

 

„Du willst also nicht mal darüber sprechen?“, schrie Weasley zornig und kam tatsächlich nach draußen. Gregory atmete gereizt aus und drehte sich noch ein letztes Mal um. Er würde Weasley auch noch einmal schlagen. Sei es auch im Körper einer Frau.


„Ich habe wirklich keine Zeit für diese dramatischen Beziehungsgeschichten“, erklärte er entnervt. „Ihr seid wirklich absolut dämlich. Ihr habt keine Ahnung, was Lucius Malfoy tut! Ihr begreift nicht mal jetzt, was für Fehler ihr macht!“ Weasley und seine Schwester starrten ihn an. „Scorpius wird fast zwei Jahrzehnte unentdeckt geschützt, und ihr Leute schafft es innerhalb von zwei Tagen, seinen Tod mit Gewalt herbeizuführen.“ Vielleicht war Dracos Hass auf das Ministerium begründet.

 

„Hermine, was ist los?“, fragte Ginny völlig verständnislos. Gregory schüttelte nur den Kopf und verschwand mit schnellen Schritten.

 

„Ich komme mit.“ Weasley hatte tatsächlich zu ihm aufgeschlossen. Gregory hielt nicht inne.

 

„Nein“, erklärte er nur streng.

 

„Du kannst das nicht alles alleine machen!“

 

„Was willst du? Bist du auch Auror?“, fragte er zornig, denn all die Menschen machten ihn wütend.

 

„Was? Nein. Das weißt du doch.“ Weasley hielt ihn am Arm fest. Er war sogar stärker. Gregory spürte es sofort. Gregory atmete langsam aus. Draco hatte ihm eingetrichtert auf jeden Fall in seiner Rolle zu bleiben. Es gäbe nur noch mehr Durcheinander, wenn jetzt rauskam, dass sie auch noch Granger entführt hatten.

 

„Ja, ja. Ich weiß“, bestätigte er also hastig. „Hör zu, ich muss nach Askaban. Danach können wir reden“, machte er eine vage Versprechung, die er vielleicht nicht würde halten können.

 

„Danach? Wann sollten wir danach reden? Du willst doch seit drei Monaten nicht mehr reden!“ Er hatte das Gefühl, er erfuhr mehr über Granger, als er eigentlich wissen wollte. Anscheinend lief ihr Leben auch nicht ideal.

 

„Weasley, ich muss jetzt nach Askaban und Potter von einem großen Fehler abhalten!“ Weasleys Stirn legte sich wieder in Falten.

 

„Du nennst uns beim Nachnamen?“, gab er völlig verwirrt zurück. Gregory schloss genervt die Augen.


„Nein. Ich… du weißt schon, was ich meine!“

 

„Dann komme ich mit.“

 

„Nein, das ist gefährlich. Und es geht dich nichts an.“

 

„Wieso stößt du mich weg? Ich mache den ersten Schritt. Das wolltest du doch!“ Gregory schloss die Augen erneut. Atmen. Er musste einfach nur hier weg.

 

„Du glaubst nicht, wie unpassend das ist. Ich habe keine Zeit mehr.“ Er wollte sich losmachen, aber Weasley hielt ihn fest.


„Was ist los? Du bist anders. Du bist nicht mehr du selbst! Dieser ganze Malfoy-Scheiß nimmt Überhand! Was kümmerst du dich? Niemand gibt dir die Schuld, den Jungen verloren zu haben! Du bist nicht mit seinem Schicksal verbunden! Soll Malfoy doch ins Gefängnis kommen! Dann ist der Junge eben weg! Was kümmert es dich, wenn du mit keinem von ihnen Sex hast? Ich begreife dich nicht! Sind die verdammten Malfoys auf einmal wichtiger als dein eigenes Leben?“ Und Gregory antwortete für sich. Nicht für sie.

 

„Ja, Ron. Die Malfoys sind wichtiger.“ Und völlig verletzt ließ ihn der Mann los.

 

„Dann geh! Geh zu Draco Malfoy. Wenn du einen Kriminellen, einen Mörder, ein verdammtes Arschloch vorziehst, dann bitte – ich halte dich bestimmt nicht mehr auf!“ Gregory wollte sich eigentlich bedanken, aber er hatte schon genug angerichtet. Er sagte also nichts und apparierte an Ort und Stelle. Granger würde ihn vielleicht umbringen. Aber dann sollte sie sich auch in der langen Reihe anstellen. Sie würde es ihrem Weasley schon erklären können. Vielleicht…..

 

 

Kapitel 10

Seitenwechsel

 

Sie blinzelte verschlafen. Sie war aufgewacht, weil ihr kalt wurde. Wo war ihre Bettdecke? Müde griff sie um sich.

 

„Na, wach?“, hörte sie eine Stimme, die sie in den letzten Tagen definitiv zu oft gehört hatte. Dann fiel es ihr wieder ein. Sofort saß sie aufrecht. Anscheinend auf einer Couch. Sie hob den Blick. Hastig griff sie in den Bademantel, zog ihn so eng wie möglich um sich und starrte ihn böse an.

 

„Du hast mich verflucht!“, brachte sie heiser hervor.

 

„Ja?“, erwiderte er, als wäre es selbstverständlich gewesen. Dann sah sie sich um.

 

„Wo bin ich?“, flüsterte sie und sah sich eilig nach ihrem Zauberstab um. Er durchschaute dies wohl.


„Falls du deine Waffe suchst, die hat Gregory leihweise an sich genommen“, erklärte er, während er seine Tee trank. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Aus dem Fenster sah sie nur Felder und Wald.

 

„Goyle?“, flüsterte sie heiser und rieb ihre Oberarme. Langsam war ihr wirklich kalt.

 

„Wenn du nicht vor hast, dich zu wehren oder wegzulaufen, dann kannst du dich anziehen.“ Er deutete mit einem Kopfrucken neben sie. Sie folgte dem Blick.

 

„Das sind nicht meine Sachen“, sagte sie langsam.

 

„Dann lass den Bademantel an. Mir ist es gleich“, erwiderte er unbeeindruckt. Sie griff unsicher nach den Sachen. Sie wirkten teuer. Und sie waren überwiegend schwarz. Und wahrscheinlich zu groß.

 

„Wem gehören die? Wen hast du noch alles entführt und danach umgebracht?“, wollte sie bitter wissen, aber er erhob sich nur.

 

„Dieser Raum ist ein magisches Gefängnis. Du wirst nicht raus können und auch sonst wird keiner hören, wenn du schreist, verstanden?“ Anscheinend hatte er keine Lust, länger zu bleiben.

 

„Warte! Wo bin ich? Wieso hast du mich mitgenommen?“ Er hielt kurz inne.

 

„Richtig. Wo bleiben meine Manieren?“, stellte er eine rhetorische Frage, mit einem freudlosen Lächeln. „Willkommen in Gregorys bescheidenem Haus.“ Dann machte er sich wieder daran zu gehen. Sie stand schnell auf, ignorierte die Kopfschmerzen, den plötzlichen Hunger und die Angst.


„Wo ist Scorpius? Hast du ihn gefunden?“

 

„Ich bin dabei. Zieh dich lieber an“, sagte er knapp.


„Du wirst ins Gefängnis kommen, wenn das vorbei ist!“, drohte sie ihm wütend, den Tränen nahe.

 

„Ja?“ Er lächelte sogar daraufhin. „Ok, ich verspreche dir etwas“, begann er ruhig und schloss den Abstand. Er hatte seine Kleidung gewechselt, fiel ihr auf. Er wirkte ruhig, reserviert, gefährlich. „Wenn du mich findest, dann gehe ich sogar freiwillig“, endete er übertrieben freundlich.

 

„Du willst mich also nicht umbringen?“, wollte sie amüsiert wissen, denn sie glaubte nicht, dass er sie laufen lassen würde.

 

„Im Moment plane ich das nicht, nein.“

 

„Warum nicht?“ Wieder schien sie an seiner Geduld zu zerren. Er schloss kurz die Augen, als er sich wieder umwandte.


„Wen es dir ein Anliegen ist, schnell zu sterben, dann bitte. Dann mache ich eine Ausnahme, Granger“, knurrte er. Sie schüttelte aber den Kopf.

 

„Weißt du, du verschwendest viel Kraft darauf, die Leute nicht umzubringen. Ich frage mich, woran das liegt. Ist es dein Gewissen, was dir sagt, dass du nicht solange in Askaban sitzen musst, wenn du nicht das Kronverbrechen begehst?“, wollte sie wütend wissen.

 

„Mein Gewissen?“ Und er betrachtete sie ausgiebig. „Ich frage mich, ob du nach dem dritten Stupor immer noch aufstehen kannst“, erwiderte er kalt, im Begriff den Zauberstab zu ziehen. Und die Wut siegte wieder. Sie holte aus und verpasste ihm eine so schallende Ohrfeige, dass sein Kopf zur Seite flog und sie ihre Hand fluchend an ihren Körper presste, so sehr tat es weh. Er sah sie wieder an. Nur diesmal reichlich zornig.

 

„Du bist ein Arschloch!“, schaffte sie zu sagen. Er nickte nur knapp.

 

„Am besten gehst du mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse!“, knurrte er.

 

„Du hast mich entführt! Bring mich zurück, wenn du mich sowieso nicht umbringen willst! Gib mir meinen Zauberstab und werd mich doch einfach los, Malfoy!“ Er schloss die Augen.

 

„Verdammt gerne. Aber da müssen wir uns beide wohl noch einen Moment gedulden“, schloss er bitter. Der Kamin flackerte. Sie wandte sofort den Blick.

 

„Was zur…?“ Sie starrte in die Flammen, die sich färbten, und sie begriff zuerst nicht. Malfoy schob sie einfach zur Seite.

 

„Was ist los? Wo bist du?“ Seine Stimme hatte sich geändert. Alle Kälte war sofort zu einer steten Unruhe gewichen.


„In Askaban. Potter hat ihn nach Askaban mitgenommen, um mit Lucius zu reden“, hörte sie ihre eigene Stimme.


„Er hat was?“ Sie fühlte sich ausgeschlossen, und absolut missbraucht, denn anscheinend sprach er gerade mit Gregory Goyle, der in ihrem Körper steckte. Vielsafttrank, nahm sie an. Hart stieß sie ihm in die Seite.

 

„Du hast mir Haare genommen, und Goyle läuft in meinem Körper durch London?“, schrie sie aufgebracht. Er umfing grob ihren Arm, um sie davon abzuhalten, ihn zu schlagen.

 

„Oh, sie ist wach?“, hörte sie Goyle fragen, und wütend blickte sie in die Flammen.

 

„Ihr werdet beide verhaftet werden, wenn das rauskommt!“

 

„Greg, was ist passiert?“, ignorierte Malfoy ihre Worte und hielt sie so fest, dass sie nicht mal protestieren oder sich wehren konnte, so heftig sie es auch versuchte. Es schmerzte sogar so sehr, dass sie still hielt, und vor Schmerz fluchen musste. Tränen schossen ihr in die Augen, so fest hielt er ihren Arm.

 

„Ich habe Potter abgefangen. Er hat natürlich nichts Böses geahnt. Ich habe ihn entwaffnet, und im Moment ist er noch bewusstlos. So wie der Großteil der Wachen hier“, fügte er eine Spur schuldbewusst hinzu.

 

„Wo ist mein Sohn?“, fragte Malfoy jetzt ohne weitere Umschweife.

 

„Er ist hier. Allerdings… musste ich ihn ebenfalls bewusstlos hexen, denn…“ Hermine wartete, dass er weiter sprach, aber sie sah, wie er sich in ihrem Körper schämte. „Darüber sprechen wir dann.“

 

„Hat Lucius die beiden gesehen?“, fuhr Malfoy ärgerlich fort. Kurz schwieg Goyle und holte dann Luft. Er kam näher in die Flammen.

 

„Nein. Aber er befindet sich nicht in der Zelle, Draco. Er ist im Besucherraum. Potter hatte wohl einen Termin. Die Wachen haben ihn schon aus der Zelle geholt. Und er ist nebenan“, sagte Goyle nun eindringlich. Ihre Stimme klang furchtbar panisch. Wie hatte er ihre Stimme annehmen können? Bestimmt auch ein dämlicher Zauber, den Malfoy perfektioniert hatte, um seine Jahrzehnte lange Flucht aufrecht zu erhalten. Malfoy schwieg neben ihr.

 

„Du bleibst, wo du bist. Du lässt Scorpius nicht raus. Ich bin sofort da!“ Malfoy brach die Verbindung ab. Er ließ ihren Arm los, und sie rieb ihn schmerzerfüllt. Kurz blieb er regungslos. Dann fuhr er sich über das Gesicht, durch die hellen Haare und wirkte plötzlich älter. Dann sah er sie an.

 

„Vergiss es!“, sagte sie heiser. Er runzelte die Stirn. „Wag es nicht, meine Erinnerung zu löschen, mich zu schocken oder irgendwo einzusperren, Draco Malfoy!“, brachte sie zornig hervor. Kurz wirkte er überrascht. „Mit meiner Hilfe bist du besser dran als ohne!“ Seine Augen weiteten sich für einen Moment.


„Ach, jetzt willst du mir auf einmal helfen? Was denkst du, kann ich mit dir anfangen, Granger? Du bringst meinen Sohn in Gefahr, du schlägst mich ins Gesicht, und auch sonst, bist du nichts weiter als eine Belastung!“, brachte er wütend hervor.


„Wieso hast du mich dann überhaupt entführt? Ich dachte, der Todesser in meinem Badezimmer sollte mich umbringen, Malfoy?“ Er sagte daraufhin nichts.

 

„Zieh dich an“, knurrte er schließlich.

 

„Was?“, erwiderte sie, etwas aus dem Konzept gebracht.

 

„So sehr ich Frauen in knapper Bekleidung schätze, umso praktischer wäre es wahrscheinlich für uns alle, wenn du dich endlich anziehen würdest“, führte er ungeduldig aus.

 

„Du nimmst mich mit?“, vergewisserte sie sich, um sicher zu gehen, und er verdrehte die Augen.

 

„Noch eine Frage, und ich ändere meine Meinung, verflucht“, knurrte er. Sie ging zurück zur Couch.

 

„Dreh dich um“, befahl sie dann. Sie sah, wie er noch einmal die Augen verdrehte. „Umdrehen!“, wiederholte sie böse. Und tatsächlich folgte er ihren Worten und wandte sich um. Sie stieg in die Hose, die etwas zu groß war und zog sich die Bluse über.

„Wieso folgt Goyle deinen Befehlen?“, fragte sie leise. Er antwortete nicht. Sie hatte den letzten Knopf verschlossen und stieg in die Schuhe, die auch eine Nummer zu groß waren. Aber sie beschwerte sich nicht. Alles war besser als der Bademantel! „Malfoy“, sagte sie eindringlich.

 

„Ich wüsste nicht, was es dich angeht“, antwortete er kalt. „Fertig?“ Er betrachtete sie abschätzend.

 

„Du bist nicht so kalt und unnahbar und böse, wie du tust, Malfoy“, sagte sie schließlich.

 

„Wer sagt, dass ich so tue?“, wollte er prompt wissen und kam näher.

 

„Ich weiß zwar nicht, was vor sich geht, aber anscheinend liegt dir dein Sohn am Herzen“, erklärte sie offen. „Du behandelst alle anderen zwar mit grober Gewalt und Unhöflichkeit, aber anscheinend verfolgst du doch irgendein Ziel“, fuhr sie fort, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

 

„Oh, Ms Granger, denken Sie, Sie haben mich jetzt vollkommen verstanden? Denkst du, du hast mich durchschaut?“, knurrte er. Sie atmete langsam aus.

 

„Ich bin immer noch bei Bewusstsein, und du hast mich auch nicht umgebracht, Malfoy. Also, ja. Du bist harmlos“, endete sie schließlich. Fast lächelte er. 

 

„Harmlos?“, wiederholte er, während er den Zauberstab zog.

 

„So harmlos, wie Psychopathen eben sein können“, gab sie bitter zurück. Jetzt lächelte er wirklich.

 

„Das hier…“, begann er lächelnd, „das zählt nichts, Granger. Ich werde dein Gedächtnis löschen, Potters und alle anderen zu denen ich komme. Und wenn es auch anders aussieht – unterm Strich ist es mir völlig egal, ob du lebst oder stirbst. Du bist ein Makel im Plan, nichts weiter. Und ich werde mit dir fertig, so wie ich auch mit meinem Vater fertig werden muss. Versuch nicht, irgendwas in irgendeine Tat zu interpretieren, denn da ist nichts, ok? Wir pflegen keine Verbundenheiten, Granger. Zum Teufel, vielleicht überlege ich es mir beim Apparieren gleich auch anders und lasse dich in deinen verdienten Tod stürzen, dafür, dass du mir alle Pläne durchkreuzt, hast du verstanden?“ Er brachte sie plötzlich näher an sich.

 

„Wir haben keinen Waffenstillstand, ok? Weil ich dich gerade nicht schocke oder verletzte, heißt es nicht, dass ich es nicht jede Sekunde könnte. Es wäre dumm, dich auf mich zu verlassen. Es ist schon dumm von dir, mitkommen zu wollen. Ich habe dich lieber zu meinem Feind als auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, weshalb mein Sohn vorzieht, das Gegenteil in dir zu sehen!“

 

Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Wahrscheinlich hatte ihm der Schmerz jedes Gefühl geraubt.

 

„Es gibt andere Wege, als dich aus jeder Erinnerung zu löschen“, sagte sie leise. „Du musst so nicht sein“, fügte sie hinzu. Er lächelte immer noch. Am liebsten würde sie es ihm aus dem Gesicht schlagen. „Aber wie du willst. Es soll sich keiner um dich kümmern? Sich keiner Sorgen machen? Du willst alles alleine schaffen? Du bist wie dein Sohn. Aber auch er schafft es nicht alleine, ok? Tut mir leid, dass deine Frau gestorben ist, Malfoy“, sagte sie schließlich. Sein Grinsen verwischte langsam. „Du glaubst, niemand kann deinen Vater zurückhalten? Niemand begreift, was er getan hat, zu was er fähig ist? Ich war in eurem Haus! Deine Familie hat mich gefoltert. Dein Vater hat mich bereits in der Mysteriumsabteilung davon überzeugt, dass er ein gefährlicher, grundböser Mensch ist!“

 

Sie sah, wie er sich wieder anspannte, wie alle seine Muskeln hart wurden, wie er versuchte, ihre Worte an sich abprallen zu lassen.


„Ich unterschätze euch nicht. Keinen von euch. Ich wollte nichts mit deinem Sohn zu tun haben! Als ich wusste, um was es sich handelt, hätte ich am liebsten alle Gedächtnisse selber gelöscht, hätte ihn in das widerliche Waisenhaus zurückgebracht und niemals wieder über den Tag gesprochen! Du bist mir lebhaft im Gedächtnis geblieben, Malfoy. Manchmal träume ich von dir, wache nachts auf und bin dankbar dafür, überzeugt zu sein, dass du schon lange nicht mehr am Leben bist. Das hier…“, sie deutete um sich, „das ist auch mein persönlicher Albtraum. Dass alle Malfoys, die hasse, noch am Leben sind, das ist die Hölle für mich! Dass dein Sohn genauso wird wie du, dass du so wirst, wie dein verdammter Vater, das ist mein persönlicher Albtraum!“, schrie sie förmlich.

 

„Und wenn ich mit dir kommen will, hat das bei Merlin nichts mit Verbundenheit zu tun. Oh nein! Ich gehe nur sicher, dass ich alle meine Ängste und Albträume genau im Blick habe, Malfoy. Und wenn du heute stirbst, dann will ich es mit meinen eigenen Augen sehen, damit ich nachts wieder ruhig schlafen kann!“

 

Sein Mund hatte sich ein Stück weit geöffnet. Seine blauen Augen hatten eine kalte Farbe. Sein Blick lag auf ihrem Gesicht. Ihr Arm schmerzte immer noch. Ein blauer Fleck war bestimmt schon da. Und schließlich nickte er langsam.

 

„Schön, dass wir darüber gesprochen haben“, sagte er langsam. Und er verbarg keine Freundlichkeit hinter seinen Worten. Oder hinter seiner ganzen Erscheinung. Sie konnte kein bisschen Menschlichkeit mehr erkennen. „Am besten bringen wir es hinter uns, damit du wieder schlafen kannst“, sagte er ruhig. Sie wusste, sie musste mehr sagen. Sie wollte…, sie wusste nicht wirklich, was sie wollte.

 

Sie machte einen Schritt, stolpert aber, weil die Schuhe tatsächlich zu groß waren.


„Woher sind diese Sachen? Kannst du die nicht kleiner hexe, wo du mir schon meinen Zauberstab genommen hast?“, fragte sie böse und wechselte das Thema schließlich. Sie fühlte sich unter seinem Blick nicht wohl.

 

„Nein, kann ich nicht.“

 

„Sagst du immer nur nein?“ Sie wusste, sie waren wieder auf dem besten Weg, zu schreien, und es würde damit enden, dass er sie doch noch verfluchte. Aber er atmete lediglich aus, sah sie ernst an, und sein eisiger Blick schien ein wenig zu tauen.

 

„Das ist Gregorys Haus. Die Sachen gehören Pansy, und wahrscheinlich bringt er mich doch noch um, wenn ich auch nur eine Kleinigkeit an den Sachen verändere. Also, leb damit, Granger.“ Ihr Mund öffnete sich.

 

„Pansy?“, wiederholte sie völlig verwirrt. „Pansy ist schon lange tot“, erinnerte sie sich an den Fall vor einigen Jahren.

 

„So wie ich?“, erkundigte er sich glatt mit erhobener Augenbraue, als er ihr seinen Arm reicht, damit sie apparieren konnten. Hatte Draco Malfoy gerade eine persönliche Information mit ihr geteilt? „Schade, dass du für das Ministerium arbeitest“, sagte er schließlich. Sie verstand nicht, was er damit meinte. Sie sah ihn an. Neben der Couch griff er nach einer Tasche, in der sich ebenfalls Kleidung befand. Männerkleidung, nahm sie an. „Komm endlich“, befahl er schließlich, und sie hielt sich an ihm fest.

 

 

Kapitel 11

Death of a Father

 

Askaban lag ruhig auf dem Felsen. Niemand bewachte den Eingang. Wahrscheinlich, weil Gregory alle aus dem Weg geflucht hatte. Granger folgte ihm ohne Worte. Er war dankbar dafür, denn was sie sagte, gefiel ihm nicht. Es störte ihn, dass er anfing, zuzuhören. Dass er über ihre Worte nachdenken musste, und er wusste, es wurde Zeit, dass sie ging. Oder er. Je nach dem.

 

„Wir gehen zuerst zu Gregory, dann kriegst du deinen Zauberstab“, informierte er sie ruhig, als sie das Gefängnis betreten hatten. Sie sah zu ihm auf.

 

„Und was genau hält mich davon ab, dich danach unschädlich zu machen?“ Er überlegte knapp. Er schenkte ihr ein Lächeln.

 

„Deine Menschlichkeit. Einer von uns muss schließlich welche besitzen, richtig?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab. Es war außerdem dumm und gefährlich von ihm, ihr den Zauberstab zu geben. Aber sollte sie hier heute sterben, dann wollte er nicht schuld daran sein. Noch ein dämlicher Gedanke.

 

Sie erreichten unbemerkt den ersten Stock. Er sah das Besucherzimmer, und er fragte sich, wann Lucius wohl versuchen würde, aus den Ketten zu kommen, die schließlich das einzige waren, was ihn noch hielt. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er war lange nicht mehr hier gewesen.

 

„Hier rein“, sagte sie, und sie hatten die Tür erreicht, von der Gregory sie benachrichtigt hatte. Er klopfte gegen das Holz.

 

„Wer ist da?“, hörte er Grangers Stimme. Die echte Granger neben ihm machte ein entnervtes Geräusch.

 

„Ich, Gregory“, gab er zurück.

 

„Verzeih, Draco. Kannst du dich bitte besser zu erkennen geben?“, hörte er die Stimme entschuldigend durch das Holz. Diese Tonart kannte er von Granger nicht. Diese hatte neben ihm die Arme vor der Brust verschränkt. Draco überlegte kurz, während er Granger betrachtete.

 

„Du hast niemals die Scheidung eingereicht. Und nächste Woche wäre dein fünfzehnjähriges Jubiläum. Und Devon wird nächsten Monat bereits zehn Jahre alt, oder Greg?“, erklärte er langsam, eine Spur gereizt. Er sah, wie Granger langsam den Mund öffnete. Ihren Blick konnte er nicht deuten. Die Tür öffnete sich hastig. Und die zweite Granger sah zuerst das Original an und dann ihn.

 

„Devon wird diesen Monat schon zehn“, sagte Gregory mit Grangers Stimme.

 

„Mein Fehler“, gestand Draco schließlich. „Ist er hier?“

 

„Gerade wach“, bestätigte Gregory und wich in Grangers Gestalt zur Seite. Draco schritt eilig an ihm vorbei. Granger folgte.

 

Scorpius schüttelte benommen den Kopf und kam hastig auf die Beine als er ihn erkannte. Draco spürte, wie der Knoten um seine Brust lockerer wurde. Sein Sohn lebte! Merlin sei Dank.

 

„Zwei Grangers?“, murmelte Scorpius verwirrt und rieb sich die Stirn. „Aber…?“

 

„Ich bin Hermine“, sagte sie neben ihm eindringlich. „Bist du ok?“

 

„Du bist…?“ Er hob den Blick zu Gregory, der so wütend wirkte, wie Draco es von der echten Granger gewohnt war.

 

„Das ist Gregory, derjenige, den du überwältigt hast“, stellte Draco kurz klar.

 

„Was? Aber sie sieht aus wie…“ Und passenderweise löste sich der Zauber des Vielsafttranks. Gregory wuchs in die Höhe, Grangers Locken wuchsen in seinen Kopf zurück, bis nur noch die glatt rasierte Glatze übrig blieb. Draco warf ihm die Tasche mit seiner Kleidung zu, und Gregory schälte sich aus den nun viel zu engen Sachen. „Oh verdammt!“, rief der Junge jetzt angewidert aus.

 

„Ja, das trifft es ziemlich gut“, erwiderte Gregory mit gewöhnlicher Stimme, wenn auch wütender.

 

„Was ist passiert?“, wollte Draco wissen, aber Scorpius schüttelte nur heftig den Kopf.

 

„Nichts! Nichts!“, sagte er sehr schnell. Draco wandte sich an Gregory. Dieser wirkte nur noch grimmiger.

 

„Nichts, worüber ich wirklich sprechen möchte. Sagen wir, es war eine Verwechslung.“ Draco atmete langsam aus.


„Ok. Wir reden später darüber. Anscheinend hast du die Grenzen des Anstands ausgetestet“, vermutete Draco, der seinen Sohn musterte. Granger ging auf die Knie, und schien sich um Potters Wohlbefinden zu sorgen.

 

„Ihr… versteht euch auf einmal?“ Und er hörte durchaus, was in der Stimme seines Sohnes mitschwang. Und es war so irritierend, wie es widerlich war. Es war schlichte Eifersucht.

 

„Nein, tun wir nicht“, entschied sich Draco zu sagen. Granger erhob sich schließlich und drückte Scorpius kurz an sich. Draco beobachtete es genau.

 

„Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Ich bin froh, dass es dir gut geht, Scorpius!“ Während er seine Arme um sie legte, ließ ihn sein Sohn nicht aus den Augen. Draco hatte keine Zeit für so etwas. Absolut nicht.

 

„Gib ihr ihren Zauberstab. Wie lange ist Potter noch außer Gefecht?“, wechselte er das Thema, und Gregory zuckte die Achseln.

 

„Nicht mehr lange, nehme ich an.“


„Gut. Er kann nur hilfreich sein.“

 

„Harry ist der beste Zauberer der Welt!“, mischte sich Scorpius ein, und Draco betrachtete ihn eine Spur angewidert. Und diesen Menschen versuchte er also wirklich zu beschützen? Er bezwang all seine natürlichen Instinkte und antwortete nicht.

 

„Du musst weg von hier. Draco, er muss fort von hier!“

 

Sie sprach ihn das zweite Mal mit seinem Vornamen an. Und anscheinend verlangte sie auch noch eine Antwort von ihm.

 

„Ich kann mit Hermine gehen!“, brachte sein Sohn sofort hervor. Jetzt würde Draco eigentlich zu gerne wissen, was passiert war, als Scorpius gedacht hatte, Gregory wäre Granger gewesen. Er wurde eine Spur zorniger.

 

„Ich brauche sie hier.“

 

„Für was?“

 

„Sie kann zaubern, im Vergleich zu anderen Klötzen an meinem Bein.“ In seinem Kopf hatte er bestimmt nicht geplant, mit seinem Sohn zu streiten. Heimlich hatte er angenommen, Scorpius würde ihn bewundern, seine Pläne verstehen und ihn niemals – niemals – so voller Hass ansehen, wie er seinen eigenen Vater betrachtete.

 

„Ich habe nie um deine Hilfe gebeten! Ich kann-“

 

„Hey! Wir sind hier alle wegen derselben Sache. Ich könnte ihn zu Ginny bringen und wieder kommen“, bot sie an, und er wusste nicht, weshalb er tatsächlich glaubte, dass sie die Wahrheit sagte, aber er dachte sehr schnell nach. Dann beschloss er zu tun, was mehr Sinn machte.

 

„Nein. Nimm ihn mit. Und bleib bei ihm.“ Und sie sah ihn ernst an. Dann kam sie auf ihn zu.


„Ich kann wieder kommen“, sagte sie leise und eindringlich, ohne ihn aus ihrem tapferen, absolut nervtötenden, immer rechtschaffenen und mutigen Gryffindor-Blick zu lassen.


„Erstens: Warum solltest du“, begann er gereizt, „und zweitens: Ich will, dass er sicher ist, und das wäre er mit dir höchstwahrscheinlich.“ Er sah, dass ihr dieser Plan nicht gefiel.

 

„Was ist mit Harry?“

 

„Ich weiß es nicht, Granger, ok? Ich habe nicht den perfekten Plan für jeden.“

 

„Es wäre schön, wenn du ihn wenigstens für einen von uns hättest“, gab sie gereizt zurück. Zuerst wollte er sich auf den Streit einlassen, wollte mit ihr streiten, denn es würde ihn einfach beruhigen, sich jetzt mit ihr zu streiten, seine Angst und seine Sorge an jemandem auszulassen, aber er widerstand der Versuchung.

 

„Nimm Scorpius mit. Potter ist ein großer Junge. Er wird schon nicht umkommen.“

 

„Und was ist mit Lucius? Mit den Todessern, die wahrscheinlich auf dem Weg sind? Was wirst du machen, wenn du merkst, dass ihr in der Unterzahl seid und die Auroren nicht rechtzeitig eintreffen?“ Er schloss kurz die Augen.


„Wir improvisieren, Granger.“

 

„Das ist mir aber nicht gut genug.“ Draco wusste, alle sahen sie  an. Er hob die Hände.

 

„Gut, schön. Dann sag mir deinen perfekten Plan.“

 

„Ok. Ich bringe Scorpius zu Ginny, denn sie ist schließlich auch Aurorin. Und sie gibt dem Ministerium Bescheid, erklärt alles, und die schicken Verstärkung. Ich komme wieder zurück und sorge dafür, dass niemand stirbt.“ Er tat so, als würde er überlegen und schüttelte dann den Kopf. „Wieso nicht, Malfoy? Du weißt, ich kann kämpfen!“

 

„Bisher habe ich dich machtlos in meinem Haus gesehen und in deinem Bademantel in deiner Wohnung.“

 

„Du bist ein Arschloch“, sagte sie zornig.

 

„Das mag sein. Nimm Scorpius. Und komm nicht zurück.“

 

„Du wirst mich nicht aufhalten können“, sagte sie nur, und er hasste sie. Sie hatte sich abgewandt, aber er griff nach ihrem Arm, zog sie wieder zurück und brachte sie so nah an sich, dass er nur zu flüstern brauchte, damit sie ihn verstand.

 

„Ich will, dass er sicher ist. Und so fähig Potters Frau sein mag, sie ist es nicht, in die mein verfluchter Sohn verliebt ist, ok? Bleib bei ihm, denn das garantiert mir, dass er nicht schon wieder versucht, sich in Lebensgefahr zu bringen.“ Sie starrte ihn völlig ungläubig an. „Was denkst du, weshalb ihn Gregory bewusstlos gehext hat? Weil er versucht hatte deinem Doppelgänger die Hand zu geben? Bestimmt nicht.“ Ihr Mund hatte sich langsam geöffnet.

 

„Und wenn Lucius dich umbringt-?“

 

„Dann hast du eine Sorge weniger“, unterbrach er sie gereizt. Er hasste es. Er hatte das Gefühl, dass sie durch seine Augen, tief in seine Seele sehen konnte. Und es störte ihn. Es störte ihn unheimlich.

 

„Du überlebst das Ganze besser, Malfoy“, drohte sie jetzt verärgert. „Sonst habe ich nämlich deinen Sohn am Hals.“ Und so ungerne er es zugab, er wollte sie nicht gehen lassen.

Und deswegen musste er sie schleunigst loswerden, beschloss er in seinem Kopf. Er ließ ihren Arm los, machte einen Schritt zurück und ließ die Kälte wieder in sein Herz. Etwas anderes konnte er dort nicht gebrauchen.


„Geh endlich“, knurrte er böse. Sie runzelte die Stirn, aber er wandte sich an Gregory. Er sah noch den Blick, mit dem ihn sein Diener musterte. Seine Augen sprachen Bände. Anscheinend sah er irgendwas zwischen Granger und ihm, was ihm verborgen geblieben war. Gerne würde er Gregory auslachen, ihm erklären, wie dumm er war, aber dafür war jetzt einfach keine Zeit.

 

„Ich weiß nicht, wie lange wir noch haben. Ich werde reingehen und-“

 

„Ich komme mit!“

 

„Nein, wenn es eine Falle ist, dann wirst du es wahrscheinlich hören. Dann will ich, dass du alles erdenkliche tust, um zu verhindern, dass die Todesser reinkommen. Wo auch immer sie jetzt gerade sind!“


„Du willst wirklich rein?“ Gregory sah ihn kopfschüttelnd an. Wieso zweifelten alle an seinen Plänen?


„Das ist keine Verhandlung, das ist ein Befehl. Und ihr geht endlich!“, donnerte er in Richtung Granger und Scorpius. Die zog seinen Sohn einfach mit sich. Potter stöhnte unterdrückt. „Gut, der Prinz ist auch endlich wach. Erklär ihm, was nötig ist. Oder besser nicht. Ich weiß es nicht. Ich werde sehen, wie es Daddy geht“, brachte er mit einem bitteren Lächeln hervor.

 

Er verließ das Zimmer ebenfalls und sah noch, wie Granger mit seinem Sohn in Richtung Ausgang verschwand. Er wartete, bis er hörte wie sie das Gefängnis verließen. Dann noch einen kurzen Augenblick, bis er annehmen konnte, dass sie appariert waren.

 

Kurz atmete aus und überschlug die Jahre in seinem Kopf, in denen er von diesem Anblick verschont geblieben war. Er stand vor der Besuchertür, und es kam ihm fast so vor, als stünde er in Malfoy Manor vor dem Arbeitszimmer seines Vaters. Er verscheuchte den lächerlichen Gedanken und öffnete die Tür.

 

Er hatte ein ungutes Gefühl. Den Zauberstab hielt er fest in der Hand.

 

Und Lucius saß auf dem Stuhl des Gefangenen, die Ketten fest um seine Handgelenke gelegt. Er hatte keine Haare mehr. Die graue Uniform der Gefangenen ließ ihn noch älter aussehen, als er es ohnehin schon war. Seine Gesichtsfarbe war gräulich, aber seine Augen musterten ihn wachsam.

 

„Bist du es wirklich, Draco?“

 

Und seine Stimme schnitt tiefe Wunden in seinen Geist. Er hatte diese Stimme nie mehr hören wollen, auch wenn sie wohl durch die Jahre nicht mehr den alten, scharfen Glanz aufwies. Er hatte diesen Mann nie mehr sehen wollen, und wenn, dann hatte er sich geschworen, ihn umzubringen bevor er in der Lage wäre, zu sprechen.

Er hatte Astoria getötet! Er hatte seine Frau getötet! Er wollte seinen Sohn töten! Er hatte ihn töten wollen! Draco hatte Angst, dass sein Zauberstab unter dem Druck seiner Hand brechen würde.

 

„Draco?“ Sein Vater hob den Kopf ein Stück, um ihn besser erkennen zu können. Und er füllte sich völlig machtlos, plötzlich vergaß er alles, was er sich über die Jahre so hart antrainiert hatte. „Hast du ihn mitgebracht? Meinen Enkel?“, wollte Lucius mit heiserer, wirrer Stimme wissen, und Draco hob den Zauberstab.

 

„Du wirst ihn nicht anrühren! Hast du mich verstanden?“

 

„Wirst du mich jetzt umbringen, Draco?“ Und ein gruseliges Lächeln erhellte die Züge seines Vaters. Und Draco nickte nur. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt. Es war eine selbstmörderische Aktion gewesen. Draco sah eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Es könnte der feine Regen sein, der an die Scheibe tropfte, aber eigentlich wusste er es besser.

 

Natürlich wusste er es besser. „Das wäre sehr unsportlich von dir“, entgegnete Lucius träge.

 

„Warum stehst du dann nicht einfach auf, du verdammter Mistkerl“, brachte Draco gepresst hervor.

 

„Du hast noch meinen Zauberstab“, sagte sein Vater nur, und Draco schluckte schwer. Der Mann vor ihm war also nicht durch die Ketten gebunden. Er hatte es gewusst! Mit einem stummen Zauber verriegelte Draco die Tür hinter sich. Lucius lächelte wie ein Wolf. „Ich hätte ihn gerne wieder.“

 

„Dann wirst du ihn dir holen müssen“, erklärte Draco nur, und sein Vater nickte schließlich und erhob sich langsam. Die Ketten fielen mit einem lauten Rasseln zu Boden.

Und er hatte falsch geplant. Er hätte es wissen müssen! Und er brach den Pakt, den er mit sich selber gemacht hatte.

 

Avada Kedavra!“, knurrte er, und das Abbild seines Vaters brach vor ihm zusammen. „Revalo!“, ließ er den nächsten Zauber los und drei Gestalten wurden in seinem Spektrum sichtbar. Die Flüche wurden in derselben Sekunde losgelassen. Stumm wehrte er sie ab, und genauso stumm schockte er die drei Todesser, die mit dumpfen Geräuschen auf den Boden sackten.

 

Von draußen hörte er, wie Hände gegen die Tür hämmerten. Er löste den Zauber. Seine Zauberstabhand zitterte vor Zorn.


„Draco, was war das für ein verdammter Zauber? Wir konnte nicht-!“, hörte er Gregory wütend rufen, und dann schnappte er nach Luft. „Dein Vater!“, rief er aus. Doch Draco schüttelte zornig den Kopf.


„Nein. Mein Vater ist nicht mehr hier. Vielsafttrank“, fügte er nur hinzu, und als das letzte bisschen Leben aus dem Körper des Doppelgängers geschwunden war, brach die Wirkung des Vielsafttranks, und der tatsächliche Mensch hinter der Fassade kam zum Vorschein. Und Draco ignorierte, dass er das Gesicht kannte, er verbannte den kühlen Hauch, der ihn erfasste, ob der Tatsache, dass er tatsächlich jemanden getötet hatte, den er erst vor einem Tag gesehen hatte. In Grangers Badezimmer.


„Bist du sicher? Woher sollte er ihn haben?“ Potter war in das Zimmer getreten. Dann sah er die drei bewusstlosen Todesser. Draco tauschte einen kurzen Blick mit Gregory. Dann kam Potter auf ihn zu. „Er ist nicht mehr hier?“, wollte er noch einmal eindringlich wissen. Und er nickte. „Wir müssen ihn finden, bevor er Scorpius tötet“, sagte Potter mit einer Eile und einer Selbstverständlichkeit, die Draco gerade ihm nicht zugetraut hätte. Anscheinend vertrat Harry Potter nicht die Ministeriumsmentalität mit der sich schlimme Dinge auf besonders dumme Art erklären ließen. Potter schien schlimme Dinge auf genauso schlimme Weise zu begreifen.

 

„Im Moment stehst du unter dem Schutz des Ministeriums, und das hier…“ Er deutete auf die Männer im Raum. „Das nennen wir einfach mal Notwehr“, erklärte er grimmig, versiegelte die Tür, nachdem sie wieder auf dem Flur waren, und Potter fuhr sich kurz durch die strubbeligen Haare.

 

„Wo kann er sein?“, fragte Potter jetzt mit großer Eile, und Draco ignorierte, dass er Harry Potter nicht vertrauen wollte, und schenkte ihm einen eindeutigen Blick.

 

„Zuhause.“

 

 

Kapitel 12

Talent

 

 

Sie saßen an Ginnys Küchentisch. Ginny war bereits unterwegs ins Ministerium. Harry hatte Bescheid gegeben, dass der Plan sich geändert hatte, dass jetzt Malfoy Manor belagert werden würde, und sie war wieder einmal hilflos als Babysitter eingesetzt. Scorpius betrachtete sie schon seit einer Weile. Sie mochte es nicht, vom Malfoy-Blick durchleuchtet zu werden.

 

„Er hat dich entführt?“ Sie kaute lustlos auf dem Brötchen. Eigentlich starb sie vor Hunger, aber sie konnte einfach nicht essen, wenn sie daran dachte, dass Harry, Draco, Ginny, Goyle und weitere Auroren sich in direkte Gefahr begaben.

 

„Er hatte seine Gründe“, erklärte sie nur vage, wie es Erwachsene eben tun würden, wenn sie selber keine gute Rechtfertigung hatten.


„Seine Gründe? Er ist ein Arschloch!“, brauste Scorpius schließlich auf, griff sich seinen Zauberstab vom Tisch und drehte ihn in den Händen.

 

„Er ist dein Vater“, korrigierte sie ihn leise.

 

„Na und? Ein Vater, der sich einen Scheißdreck schert!“, gab er nur zurück.


„Er tut das alles für dich!“

 

„Du hast doch wohl nicht die Seiten gewechselt? Ich fliehe aus seiner Gewalt, brauche Ewigkeiten, um zurückzufinden, und auf einmal magst du ihn?“ Sie erhob sich ebenfalls. Sie hatte das Gefühl, es war an der Zeit, ein ernstes Wort mit dem Jungen zu reden.

 

„Scorpius, ich-“

 

„Nein! Hermine, begreifst du nicht?“ Er sah sie an, wie Draco. Er unterstellte ihr Dummheit, gab nur sich selber recht, und ähnelte seinem Vater so sehr, dass er bestimmt wahnsinnig werden würde, würde sie ihm das sagen.

 

„Ich begreife es, ok? Du musst ihm zumindest vertrauen. Ich kann nicht die ganze Zeit hier sein, denn es macht mich verrückt, jetzt nicht helfen zu können!“, erklärte sie.

 

„Du willst zu ihm?“ Er klang, als hätte sie ihn verraten.

 

„Ich will nicht zu ihm. Ich will den Auroren helfen.“

 

„Du kannst doch sowieso nicht ins Haus!“, schnappte er zornig. „Schlammblüter dürfen doch nicht in unser Haus“, knurrte er und wandte sich von ihr ab, um die Küche zu verlassen.

 

„Hey!“, rief sie wütend, holte ihn und riss ihn am Arm herum. „Wag es nicht, mich so zu nennen, du undankbarer, verzogener Junge!“

 

„Ich bin kein Junge, Hermine“, erwiderte er ernst. „Und Draco nennt dich doch so. Und auf ihn scheinst du ja mächtig abzufahren!“ Oh, wie sie ihn gerade schlagen wollte! Wie sehr es sie in den Fingern juckte!

 

„Du bist absolut widerlich!“, spuckte sie ihm entgegen. Er sah sie wütend an.

 

„Am besten hau ich ab, und du kannst zu ihm rennen! Hätte ich dich auch entführen müssen? Muss ich dich auch mit deinem Nachnamen ansprechen, dich wie ein Stück Dreck behandeln, und auf einmal riskierst du alles für mich?“, wollte er provozierend wissen, als er näher kam. „Ist es das, Granger? Stehst du darauf?“

 

Und sie schlug den zweiten Malfoy in ihrem Leben. Ihre Hand knallte auf seine glatte Wange, sein Kopf flog zur Seite, und der Schall war in der Küche noch kurz zu hören. Er sah sie an wie Draco. Hastig schlug sie sich die Hand vor den Mund. Zorn flackerte über seine schönen Züge.

 

„Es tut mir-“, begann sie, aber er unterbrach ihre Worte, mit einem wütenden Kopfrucken.

 

„Ich will nicht, dass du dich entschuldigst“, sagte er nur.

 

„Scorpius-“

 

„Nein, verflucht!“, schrie er jetzt, umfing ihre Schultern und schüttelte sie. „Du bist genauso wie er! Du hast mich genauso betrogen!“ Sie versuchte, ihn wegzuschieben, aber er hielt sie fest. „Ich hab gedacht, du magst mich!“

 

„Ich mag dich doch auch!“ Seine Hände legten sich plötzlich um ihren Nacken, zwangen sie, ihn anzusehen und erschrocken öffnete sich ihr Mund, als sie seine blauen Augen fixierten.

„Scor-“ Doch er schloss den Abstand, seine Lippen legten sich auf ihren Mund, und sie hielt die Luft an. Oh Merlin! Nein!

 

Nach einer Sekunde Schock kam die Kraft zurück in ihre Arme, und heftig schob sie ihn von sich. „Bist du völlig verrückt geworden?“, flüsterte sie panisch und starrte ihn an. Er wirkte merklich ruhig.

 

„Ich bin bald volljährig. Es ist nichts Schlimmes an-“

 

„Nichts Schlimmes? Das sehe ich entschieden anders, Scorpius! Das ist… - ich fühle nicht so für dich! Ich… du bist sechzehn!“, brachte sie angewidert hervor, und verfluchte Malfoy in Gedanken dafür, dass er recht gehabt hatte. Und tief verletzt sah er sie jetzt an.

 

„Entschuldigt die Unterbrechung“, hörte sie Rons amüsierte Stimme. Sie fuhren auseinander und Scorpius schien rot zu werden. Er tat Hermine leid, aber… eigentlich war sie gerade sauer auf ihn. Er verschwand aus der Küche, ohne einen von ihnen noch einmal anzusehen. Hermine atmete langsam aus, und warf Ron einen knappen Blick zu.

 

„Was?“, schnappte sie. Er hob die Hände in die Luft.

 

„Beide Malfoys, Hermine? Ich würde behaupten, das ist eine gute Quote.“

 

„Oh, halt die Klappe!“

 

„Ich habe heute Morgen also mit Goyle gesprochen, als du hier warst?“, fragte er weiter, und sie runzelte die Stirn, nickte aber schließlich, als sie begriff.

 

„Ja. Also tut mir leid, was auch immer er gesagt hat.“ Sie merkte, dass Ron wohl weitaus weniger wütend war, als noch vor ein paarTagen.

 

„Wenn du nach Malfoy Manor apparieren willst, ich kann Scorpius auch im Auge behalten“, bot er an. Sie runzelte die Stirn.

 

„Du magst ihn nicht“, stellte sie nur fest.

 

„Er ist auch nur ein armer Junge, der in dich verliebt ist“, erwiderte Ron achselzuckend.

 

„Ron-“, begann sie, aber Ron hob abwehrend die Hände.

 

„Schon gut, Hermine.“ Sie seufzte schließlich.

 

„Nein. Ich sollte bleiben“, gab sie schließlich nach.

 

„Wir… könnten ihm noch ein paar Zauber beibringen. Dann fühlt er sich nicht völlig nutzlos“, schlug er vor. Wieso war er auf einmal nett zu ihr? Das hatte sie nicht erwartet und wahrscheinlich auch nicht verdient.

 

„Jaah. Könnten wir“, bestätigte sie schließlich. Sie gingen ins Wohnzimmer, wo er auf der Couch saß und ins Leere starrte.

 

„Hey, Scor, hättest du Lust einen richtig coolen Spruch zu lernen?“ Ron setzte sich vor ihn auf den niedrigen Couchtisch und hatte seine loyalste Stimme angeschlagen. Scorpius wandte den Blick ab. „Komm schon, ich weiß, das willst du.“ Er sprach immer noch nicht. „Entwaffnen und schweben ist zwar nett, aber wie wären ein paar Flüche?“

 

„Kann ich dann nach Malfoy Manor?“, fragte er plötzlich ziemlich wachsam.

 

„Nein!“, erklärte sie streng. Er warf ihren einen wütenden Blick zu.

 

„Dann lasst mich in Ruhe. Ich bin keine Pflichtaufgabe, mit der ihr euch gezwungener Maßen beschäftigen müsst, ok?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Sie versuchte, zu verdrängen, dass sie dieser Junge vor fünf Minuten geküsst hatte.

 

„Es braucht mehr an Zeit, um so gut zu sein, zu kämpfen, Scorpius. Ich kann nicht riskieren, dass du verletzt wirst.“

 

„Weil mein Vater dann sauer auf dich ist?“, gab er bockig zurück, und sie setzte sich neben ihn auf die Couch und nahm sein Kinn in ihre Hand. Sie zwang ihn, sie anzusehen. Widerwillig hob er den Blick.

 

„Nein. Weil ich dich mag. Weil ich nicht will, dass dir jemand wehtut! Weil ich mir nicht verzeihen könnte, wenn dir was passiert, du dummer Idiot!“ Er sah sie unglücklich an. Sie lehnte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Zeig mir, was du kannst. Vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn du gut bist.“ Natürlich würde er das nicht sein.

 

Ron erhob sich schließlich. „Pass auf“, sagte er knapp, zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf den Tagespropheten, der auf dem Tisch lag. „Diffindo!“

 

Der Prophet zerfledderte sich in winzige Fetzen. Hermine nahm an, Ginny würde wütend werden. Der Kamin blieb immer noch ruhig. Niemand meldete sich. Sie wusste nicht, ob das gute oder schlechte Nachrichten waren.

 

„Kommt, wir gehen raus auf die Terrasse.“ Von da aus konnten sie den Kamin immer noch sehen. Scorpius folgte ihnen.

Draußen legte Ron einen kaputten Eimer ins Gras. Hermines Blick glitt immer wieder zum Kamin. Dann sah sie Scorpius aufmunternd an. Dieser zog den Zauberstab.

 

Kurz sah er Ron an. Dieser nickte. „Du darfst zaubern. Das Ministerium erlaubt es dir, nehme ich an.“ Er warf Hermine einen kurzen Blick zu. Diese seufzte ergeben auf und nickte nur. Scorpius war wahrscheinlich sowieso nirgendwo gelistet. Der Zauberstab war zwar auf ihn geeicht, aber wenn er tatsächlich eine Vorladung bekam, würde sie es schon rechtfertigen. Es gab größere Verbrechen als das.

 

Diffindo!“, sagte er fest, und der Eimer  zersprang in hundert Teile. Sie hob überrascht den Blick.

 

„Das war perfekt“, sagte sie erstaunt. Und Scorpius lächelte zum ersten Mal wieder.

 

„Ich halte es auch nicht mehr für völligen Scheiß, Granger“, erklärte er in arroganter Malfoy-Manie, und sie verdrehte die Augen.

 

„Ok, du Angeber“, begann sie, stellte sich neben ihn und hob den Zauberstab. „Aguamenti!“, sagte sie laut, und Wasser brach aus der Spitze ihres Zauberstabs hervor. Ein Elementen-Zauber war immer noch anspruchsvoller, als ein Zerstörungsfluch.

 

Er betrachtete das Wasser und nickte dann. Er ahmte die Bewegung nach.


Aguamenti!“, sagte er mit fester Stimme. Und ein glatter Wasserstrahl brach auch aus seiner Spitze. Ron tauschte beeindruckt einen Blick mit ihr. Es war unmöglich, dass Scorpius die Zauber einfach so beherrschte. Dafür müsste er mehr als begabt sein.

 

„Ich greife dich jetzt an, und du wehrst den Zauber ab. Pass auf, so!“ Sie richtete den Zauberstab auf Ron. Dieser ging lächelnd in Position.

 

Stupor!“, rief sie laut. Ron schwang seinen Zauberstab.

 

Protego!“, rief er, und der Zauber löste sich in einem Funkenregen auf.

 

Protego“, murmelte Scorpius und ahmte die Bewegung langsam nach. „Ok. Fang an!“, befahl er angespannt. Hermine hob ihren Zauberstab.

 

Stupor!“, rief sie, aber Scorpius war zu sehr auf sie fixiert und verteidigte sich zu spät. Aber sie hatte den Zauber nicht stark angelegt. Er traf ihn in die Brust und schleuderte ihn zwei Meter weit nach hinten in den Garten.

 

„Scheiße!“, rief er wütend, kam auf die Beine und musterte sie scharf. „Noch mal.“

 

„Scorpius-“, begann sie beschwichtigend, aber er wischte sich die blonden Strähnen aus der Stirn.

 

„Nein! Noch mal!“ Konzentriert wartete er. Sie atmete aus. Dann hob sie den Zauberstab wieder.

 

Stupor!“, rief sie, und dieses Mal schaltete er schneller.


Protego!“, bellte er, führte die Bewegung zu Ende, und machte einen Schritt vor. „Expelliarmus!“, rief er hinterher, und ihr Zauberstab wurde ihr aus der Hand gerissen. Ron klatschte begeistert in die Hände.

 

„Das muss Hermine ziemlich ärgern, denn in der Schule war sie die erste gewesen, die zwei Zauber hatte verbinden können“, erklärte er lachend. Sie schenkte beiden einen zornigen Blick und bückte sich nach ihrem Zauberstab.

 

Accio Zauberstab!“, sagte sie bitter, knallte mit dem Zauberstab durch die Luft und schon wurde er aus Scorpius‘ Hand gerissen. Verblüfft sah er seinem Zauberstab nach, den sie geschickt auffing.

 

„Zeig mir, wie das geht!“, verlangte er sofort zu wissen.

 

„Vielleicht sollten wir-“

 

„Eine Pause machen?“, unterbrach er sie mit hochgezogener Augenbraue, und lachte auf. „Ja. Ich bin so überanstrengt, ich kann mich kaum noch halten. Los, bring mir was bei, oder ist das alles was du kannst?“ Sie warf ihm wütend den Zauberstab zu. Ron verschwand mit einem Kopfschütteln wieder im Haus. Sie glaubte, ihn lächeln zu sehen. Es war ihr egal, dass sie sich auch kindisch verhielt.

 

„Versuch mich zu entwaffnen. Verwende keinen anderen Zauber!“, befahl sie streng. Sie hob den Zauberstab. „Impedimenta!“, verwandte sie den Lähmungszauber auf höchster Wirkung.

Sie sah, wie Scorpius in die Knie gehen musste, als er den Expelliarmus gesprochen hatte.

Sie legte mehr Kraft hinter ihren Zauber. Scorpius ergriff den Zauberstab mit beiden Händen, und der rote und der blaue Fluch beschrieben ein schönes buntes Schauspiel in Harrys Garten.

 

Er sah sie plötzlich direkt an und fand den direkten Weg durch seinen Zauberstab. Der Junge war gut. Der Junge war besser als nur gut. Seine Kraft entwickelte sich schnell. Dennoch stand ihm feiner Schweiß auf der Stirn.

 

„Genug!“, rief er heiser, riss den Zauberstab in die Luft, und zerriss die Verbindung zu ihrem Zauberstab. Er stützte die Hände auf die Knie und atmete schwer. Sie wartete geduldig.

 

„Vielleicht sollten wir eine Pause machen. Da war ein ziemlicher Kräftezehrer, Scorpius“, erklärte sie schließlich. Er richtete sich wieder auf, fuhr sich durch die Haare, und peitschte kurz mit dem Zauberstab durch die Luft.

 

Accio Zauberstab!“, ahmte er den Fluch nach, und hatte Harry Wochen dafür gebraucht, so schaffte es doch dieser Angeber innerhalb von Minuten. Hermines Zauberstab entriss sich ihrem Griff und landete in Scorpius‘ ausgestreckter Hand. „Nett“, sagte er anerkennend und warf ihr den Zauberstab wieder zu.  „Ich bin nicht müde“, erklärte er, ehe sie wieder sprechen konnte.

 

Sie nickte lächelnd, und führte den nächsten Zauber aus.

 

Expecto Patronum!“, sagte sie, und der silberne Otter brach aus der Spitze ihres Zauberstabs. Scorpius starrte sie verblüfft an.

 

„Ok? Was ist das?“ Der Otter schwamm im unsichtbaren Wasser Kreise um ihn, und er sah ihm nach.

 

„Gegen die Dementoren in Askaban. Sie saugen dir jedes Glück aus dem Körper. Das wirst du gemerkt haben. Der Expecto ist ein Zauber, basierend auf einem glücklichen Erlebnis. Wenn du die Formel sprichst, brauchst du ein glückliches Erlebnis in deinem Kopf.“ Sie nahm nicht an, dass er diesen Zauber schnell hinbekommen würde. Denn dieser Zauber hatte im Vergleich zu allen anderen, nichts mit Geschick zu tun. Sondern tatsächlich mit Emotionalität.

 

Expecto Patronum!“, sagte er zuversichtlich. Nichts passierte. „Expecto Patronum!“, wiederholte er gereizter. Er wartete einen kurzen Moment, besann sich neu, und schwang den Zauberstab. „Expecto Patronum!“

 

Nichts passierte. Er sah sie an.

 

„Ist es immer ein Otter?“, fragte er wütend. Sie schüttelte den Kopf.

 

„Rons ist ein Hund. Harrys ist ein Hirsch. Ginnys ist ein Delfin.“

 

„Und Dracos?“ Hermine zuckte langsam die Achseln.

 

„Das… weiß ich nicht“, erklärte sie. „Das Tier ist unerheblich. Es entsteht aus deinem Innern heraus, aus deinen Neigungen, Vererbungen. Das kannst du nur schwer kontrollieren, nur schwer ändern.“ Sie dachte an den armen Snape, der Harrys Mutter so sehr geliebt hatte, dass er seinen Patronus in ihren geändert hatte, nur um noch irgendetwas von ihr zu besitzen.

 

„Ich habe kein gutes Erlebnis, Granger“, sagte er schließlich, nachdem er nachgedacht hatte. Sie nahm an, es musste schwer für ihn sein.

 

„Ja, das kann ich mir denken. Harry zum Beispiel hatte auch große Probleme mit dem Expecto. Aber… er hat schließlich sein gutes Erlebnis in seinem Vater gefunden.“

 

„Oh ja. Das ist sehr wahrscheinlich“, erwiderte Scorpius gedehnt.

 

„Bei dir kann es etwas anderes sein“, sagte sie sofort. Er schüttelte langsam den Kopf.

 

„Schon gut“, entgegnete er grimmig und steckte den Zauberstab langsam ein.

 

„Hey, du bist gut. Du bist besser als das! Du bist unglaublich talentiert, und ich kann nicht erwarten, weiter mit zu trainieren, dich auszubilden und dich als den weltbesten Auroren zu sehen, ok?“, versprach sie und hörte plötzlich Rons Stimme von drinnen.

 

„Hermine, beeil dich!“

 

Und er klang nicht positiv.

 

 

Kapitel 13

All Cards down

 

 

„Nein!“, sagte sie entschieden. „Auf gar keinen Fall!“

 

Durch die Flammen wirkte sie verzerrt, aber er erkannte deutlich ihre Wut.

 

„Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er nach Gringotts kommt, sein Gold von den verdammten, linken, gierigen Kobolden bekommt und sich absetzt, Todesser rekrutiert und angreift! Wenn wir ihn jetzt kriegen-“, begann er wieder, aber sie schüttelte wieder den Kopf.


„Wie? Du, Goyle und Ron? Wie wollt ihr das bewerkstelligen?“

 

„Ich kann helfen!“, hörte er seinen eigenen Sohn. Aber sie schnitt ihm harsch das Wort ab.

 

„Oh ja, sicher! Wir bringen dich aus Askaban bestimmt in Sicherheit, damit du danach von Lucius Malfoy umgebracht werden kannst!“, schnappte sie.


„Du hast gesagt, ich bin begabt!“


„Ja, gegen mich kannst du dich verteidigen, weil ich dich nicht verletzen will! Die in Malfoy Manor wollen dich umbringen!“, schrie sie förmlich. Draco atmete ungeduldig aus.

 

„Ich kann das! Außerdem ist ein Mann mehr besser als einer weniger, oder nicht?“, rief er bockig, und sie raufte sich die Haare.


„Scorpius-“

 

„Und Harry hat schon gegen Voldemort gekämpft, da war er vierzehn! Und er hat ihn mit siebzehn sogar besiegt!“, rief er aus. Draco konnte sich das Harry Potter Geplänkel auch gerne sparen.

 

„Granger“, unterbrach er den Streit im Hause Potter, aber sein Sohn schob Granger einfach von den Flammen fort.

 

„Sag, dass ich kommen soll! Sag, dass du meine Hilfe willst. Ich bin Reinblüter, ich kann mit in das Haus! Ich kann euch helfen! Sag mir den Zauber, den ich lernen muss, und ich kann ihn lernen! Ich bin gut!“ Sein Sohn sah ihn durchdringend an. Dracos Mund öffnete sich langsam, dann schüttelte er den Kopf.

„Scorpius, so einfach geht es nicht. Einfache Zauber können dich nicht schützen, und für gefährliche Zauber hast du nicht die Erfahrung, und ich habe kein Interesse daran, dich in diesem Haus zu verlieren“, endete er knapp.

 

„Lass mich doch helfen! Ich kann sie auch mit Brettern bewusstlos schlagen!“, rief er wütend aus.

 

„Scorpius, wir brauchen-“

 

„Mehr Reinblüter, ja! Ich weiß! Nimm mich. Ich bin Reinblüter. Ich will helfen. Ich will irgendwas tun, außer hier nutzlos rumzusitzen!“ Draco atmete erschöpft aus.

 

„Granger, schick mir Weasley vorbei“, ignorierte er seinen Sohn. Er sah Grangers Gesicht wieder.

 

„Wieso brichst du nicht die Regeln des Hauses?“ Draco verdrehte die Augen.


„Weil Lucius die Regeln gemacht hat“, erklärte er unwillig. „Ich kann nur hoffen, dass Reinblüter überhaupt noch erlaubt sind. Aber daran kann er wohl nichts ändern, denn seine Lakaien werden auch nichts anderes als das vorzuweisen haben.“

 

„Dann komme ich einfach mit. Ein paar Monster kann ich nebenbei noch bewältigen.“

 

„Das waren meine Regeln, Granger. Lucius‘ Regeln sehen für Halbblüter und Muggel etwas anderes vor“, sagte er nur und führte nicht aus, was er meinte. Aber das musste er wohl auch nicht. Granger schwieg.

 

„Dann nimm mich mit rein. Ich verspreche dir, ich lasse mich nicht finden und umbringen! Gib mir eine Aufgabe! Komm schon! Ich bitte dich!“ Wieder hatte sich Scorpius dazwischen geschoben.

 

„Ok“, sagte Draco gereizt. „Kannst du apparieren?“, fragte er schroff. Scorpius schwieg zornig.


„Nein“, sagte er schließlich. „Aber ich-“

 

„Kannst du den Todesfluch aussprechen, wenn du musst? Und wenn er gegen dich angewandt wird, hast du genug Kraft, dich zu verteidigen?“

 

„Nein, aber-“

 

„Beherrscht du irgendeinen Zauber, der dem Gegner Verletzungen zufügt? Kannst du die Unverzeihlichen ohne Reue und Fehler anwenden, Scorpius?“ Und sein Sohn schwieg.

„Das dachte ich mir.“

 

„Dann zeig sie mir!“, schrie er wütend. „Ich kann das alles, wenn du es mir zeigst!“

 

„Nein, du kannst es nicht!“, schrie er zornig. „Es gibt keine Verhandlung hier rüber! Ich bin dein Vater und du tust gefälligst, was ich dir befehle, verdammt noch mal! Du bleibst in Potters Haus, unter Grangers Aufsicht!“

 

„Ich hasse dich!“, schrie Scorpius durch die Flammen und stürmte aus seinem Sichtfeld. Dracos Atmung hatte sich ungewollt beschleunigt. Ja. Da war Scorpius nur einer auf einer langen Liste. Granger sah ihn vorwurfsvoll an.

 

„Oh, du nicht auch noch!“, rief er wütend. „Was willst du, dass ich tue? Ihm erlauben, zu kämpfen?“ Sie schüttelte schließlich den Kopf.

 

„Nein. Aber ihn so anzuschreien ist unnötig. Und er ist fähig.“

 

„Kann er einen Mann umbringen?“, unterbrach er sie gereizt, und sie atmete aus.


„Nein. Aber das konnte Harry damals auch nicht. Und das muss wohl auch nicht sein!“

 

„Ja, deswegen hat es ihn auch sieben Jahre gekostet, Voldemort umzubringen. So viel Zeit besitze ich nicht! Ich kann mich da drinnen nicht auch noch um einen Minderjährigen kümmern.“ Kurz entstand eine knappe Pause. „Wo ist Weasley?“, fragte er jetzt. „Seine Schwester ist schon hier.“ Und anscheinend ging ihr jetzt auf, was es bedeutete.

 

„Nein!“, sagte sie plötzlich. „Draco, nein! Nicht Ginny!“

 

„Sie will aber“, erwiderte er gleichgültig.

 

„Und wenn sie stirbt?“

 

„Ich kann sie nicht aufhalten“, beschwerte er sich. „Ich hoffe, dir ist klar, dass nicht mal ihr eigener Mann sie aufhalten kann?“ Aber Granger schüttelte wieder den Kopf.

 

„Das ist zu gefährlich! Ihr seid in der Unterzahl!“

 

„Aha. Also Weasley und Goyle und ich, wir dürfen rein. Aber sobald Ginny dabei ist – geht es nicht mehr?“ Sie sah ihn wütend an.

 

„Nein. Ich will nicht, dass überhaupt einer geht, aber wenn-“

 

„Aber wenn, dann bist du froh, dass es niemand ist, an dem dein Herz hängt? Gut. Dann komm her, zwing Ginny mit dem Lähmungszauber zu Boden, und lass uns anderen in den Tod laufen.“

 

„Draco-“

 

„Nein! Ich werde Ginny nicht hindern, wenn sie unbedingt will.“

 

„Ich bin unterwegs“, hörte er Weasley im Hintergrund. Granger sagte irgendetwas wütendes in Richtung Weasley, aber anscheinend apparierte er bereits.

 

„Ihr seid zu viert! Ihr werdet sterben!“


„Bisher habe ich gut aufpassen können!“ Dann sah er, wie sie plötzlich auf die Füße sprang.

 

„Scorpius!“, hörte er ihre schrille Stimme, und sie verschwand aus seinem Sichtfeld. Er lehnte sich weiter vor.


„Granger?“, rief er laut, aber nichts passierte. „Granger!“, wiederholte er, und sie kam zurück.


„Er ist appariert!“, sagte sie nun entsetzt.

 

„Er ist was?!“, erwiderte er ungläubig, und sie fuhr sich durch die Haare.


„Er ist appariert!“, wiederholte sie verzweifelt.


„Er ist sechzehn, er kann nicht apparieren! Er hat keine Erfahrung, er wird sich höchstens zersplittern, und dann kann ich die Scherben einsammeln!“, rief er wütend.

 

„Oder du nimmst mich einfach mit in das verdammte Haus, damit wir diesen blöden Wichser endlich umbringen können!“, sprach hinter ihm die äußert kalte Stimme seine Sohnes. Er wandte sich langsam um. Scorpius war nicht zersplittert. In einem Stück stand er vor ihm, den Zauberstab gezogen, und seine Brust hob und senkte sich heftig. Weasley kam angestürmt.


„Seid ihr Seit-an-Seit appariert?“, fragte Draco scharf, fixierte Weasley, aber dieser betrachtete Scorpius wie vom Donner gerührt.

 

„Nein“, erklärte Scorpius an seiner Stelle. „Ich hab dir gesagt, ich bin gut. Zeig mir, wie man einen Mann umbringt, und ich werde auch das mit Erfolg bewältigen.“ Und Draco betrachtete seinen Sohn mit Sorge. Er war… tatsächlich mehr als gut. Draco fehlten die Worte.

 

„Ich spreche nie wieder ein Wort mit euch!“, vernahm er Grangers zornige Stimme. Scorpius ignorierte das Mädchen in den Flammen, und sah nur ihn an.

 

„Bitte. Ich tue alles, was du willst“, sagte er schließlich.

 

„Das ist illegal! Er ist minderjährig! Draco!“, hörte er Granger schreien, aber, dass etwas illegal war, schockte Draco nicht mehr.

 

„Zeig mir, was du kannst!“, sagte er also, und sein Sohn lächelte ein Malfoy-Lächeln. Es war wie ein Spiegel in die Vergangenheit. Draco löschte das Feuer, das sie magisch auf dem Rasen gelegt hatten, um Kontakt aufzunehmen. Grangers Proteste gingen unter. Sie hatten wahrscheinlich keine fünf Minuten, ehe Granger appariert wäre.

 

Accio Zauberstab!“, rief Scorpius schnell, beraubte Draco seines Zauberstabs, nahm nun je einen in beide Hände, richtete sie auf ihn und Weasley, und ehe Draco protestieren konnte, führte Scorpius stumm den Stupor mit doppelter Durchschlagskraft aus.

 

Er und Weasley flogen Meter weit nach hinten, ehe sie unsanft auf den Boden schlugen.

Schwer atmend stand Scorpius über ihnen. Er und Weasley tauschten einen Blick, und tatsächlich nickte Weasley anerkennend.

 

„Mach das mit drei Zauberstäben“, sagte er nur und warf Scorpius auch noch seinen zu, direkt als Grangers apparierte. Draco kam langsam auf die Beine und hätte nicht gedacht, in ausgerechnet Scorpius eine magische Waffe zu besitzen.

 

Und tatsächlich riss Scorpius sie noch einmal, alle drei, von den Beinen. Und die wütende Granger ging mit einem Schrei zu Boden. Grinsend warf sein Sohn die Zauberstäbe zurück.

 

„Das war pures Glück“, murmelte Granger, die sich den Rücken rieb und auf die Beine kam. 

 

„Ich würde sagen, das war angewandte Magie eines Erfahrenen“, sagte Weasley mühsam. Draco hatte immer noch nichts gesagt. Er überlegte scharf.

 

„Du kannst ihn nicht gehen lassen!“, sagte Granger eindringlich, während sie ihn böse fixierte. Als hätte er seinem Sohn dieses Talent zukommen lassen!

 

„Das hast du nicht zu entscheiden!“, hörte er Scorpius laut sagen.

 

„Nein. Aber ich bin sicher, auch dein Vater wird dich nicht in unnötige Gefahr bringen wollen, nur weil du eine fixe Idee hast, auf einmal Todesser umzubringen! Weil du weißt, wie gefährlich es ist, gehst du zu Draco und erwartest, dass du ihn überreden kannst, weil ich es bereits verboten habe? Du stehst unter meinem Schutz! Das ist nicht irgendeine Floskel, Scorpius. Das ist bitterer Ernst!“ Scorpius war näher gekommen.

 

„Du leistest keinen guten Job. Du hast mich schon vorher nicht beschützen können. Und verbieten kannst du mir nichts, Granger. Du bist nicht meine Mutter!“, sagte er zornig, und Granger und sein Sohn starrten sich wütend an. All die Jahre hatte er es geschafft, niemanden in das Leben seines Sohnes zu involvieren. Und jetzt war Potters Auroren Parade bereit, das Haus seiner Vorväter zu stürmen, sich in Gefahr zu begeben, und er war verantwortlich.

 

Noch immer sprach keiner.

 

„Sie hat trotzdem recht“, erklärte Draco nun ernst. „Es ist gefährlich.“ Er überlegte. „Wahrscheinlich zu gefährlich.“

 

„Was? Nein! Ich habe dir gezeigt, was ich kann! Sag mir, was ich noch tun soll!“, forderte Scorpius zornig. „Lass dich doch nicht von ihr blenden oder überreden! Schläfst du mit ihr? Ist es das?“, knurrte er plötzlich, und Draco sah, wie Granger die Augen schloss.

 

„Nein, Scorpius. Ich schlafe nicht mit ihr. Und es geht dich nichts an, was ich tue!“

 

„Nein, anscheinend nicht. Sonst hättest du mich nicht mein gesamtes Leben in diesem gottverlassenen Waisenhaus zurückgelassen, um irgendeinen Plan auszutüfteln, für den du am Ende doch Harry Potter brauchst!“, presste Scorpius wütend hervor, und Draco schloss zum ersten Mal den Abstand zu seinem Sohn. „Wahrscheinlich hattest du Angst, dass ich besser bin als du! Dass ich mehr Talent habe als du! Mehr Erfolg, und dass ich dir nur im Weg stehe, wenn du an dein Vermögen willst! An dein Haus! An dein Recht!“

 

Draco schüttelte nur ungläubig den Kopf.

 

„Und tut mir wirklich leid, Draco, aber anscheinend bin ich besser als du. Immerhin habe ich Hermine schon geküsst! Du bist einfach nur erbärmlich, und eigentlich verdienst du es nicht, dass dir irgendjemand Hilfe-“

 

Er hatte so schnell ausgeholt, dass es ihn selber überraschte. Er schlug seinen Sohn das erste Mal. Direkt ins Gesicht, die Hand zur Faust geballt. Scorpius ging direkt zu Boden, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, und Draco schüttelte die taube Faust, während er unterdrückt fluchte.

 

Scorpius hatte Granger geküsst.

 

Das war unwichtig. Unwichtig!

 

Er beleidigte ihn, war undankbar, und für einen kurzen Moment hasste Draco alles an seinem Sohn.

 

„Ein Glück, dass deine Mutter nicht mit anhören muss, was für ein verdammt undankbarer Mistkerl du bist!“, rief er zornig, während Scorpius immer noch auf dem Boden lag. Er blutete nicht, aber Draco nahm an, dass der Schlag ausreichen würde, ihm ein blaues Augen zu bescheren, wenn nicht sogar eine dicke Schwellung.

„Wenn du dein Leben im Haus opfern willst – bitte. Aber retten werde ich deinen undankbaren Hintern nicht. Hast du mich verstanden? Du bist allein. Das willst du doch so unbedingt, oder nicht, Scorpius Malfoy?“

 

Sein Sohn sah ihn schwer atmend an, das Gesicht von offenem Hass verzehrt.

 

Draco musste sich abwenden, ehe er schlimmere Dinge sagte, als das. Ehe er sich nicht mehr halten konnte, und dringend wünschte, dass Astoria lebte und Scorpius nicht.

Er hörte, wie ihm jemand folgte. Einige Meter weiter wurde er aufgehalten.

 

„Du kannst nicht gehen! Du musst dich entschuldigen! Du kannst ihn nicht schlagen!“ Granger starrte ihn völlig schockiert an. Er musterte sie abschätzend.

 

„Du küsst meinen Sohn?“, erkundigte er sich ungerührt und machte sich von ihr los. Sie verdrehte die Augen.

 

„Ich bitte dich! Das würde ich niemals tun! Er hat mich geküsst. Für eine Sekunde!“

 

„Es ist mir egal!“, unterbrach er sie zornig. „Kümmer dich um ihn, wenn du willst. Ich bin fertig damit.“

 

„Draco-“

 

„Nein! Es geht dich ohnehin nichts an!“

 

„Ach nein? Als ob es dir nicht klar sein würde, dass er nicht irgendwann ohnehin entdeckt werden würde! Als ob du es nicht im Endeffekt darauf angelegt hast, dass ihn jemand im Waisenhaus aufspürt und zurück bringt. Wahrscheinlich hast du das antizipiert! Wahrscheinlich war es nötig, dass es jemand tut, denn wie lange hättest du noch warten wollen? Er ist dein Sohn! Und alles, was du getan hast, war, ihn zu entführen, ihn anzuschreien, einzusperren – du hast noch keinen aufrichtigen Satz mit ihm gesprochen!“ Er hörte ihr ruhig zu. Seine Mundwinkel zuckten freudlos.


„Dafür hat er doch dich. Er scheint seine Zeit ohnehin lieber mit seiner Eskort-Hexe Granger zu verbringen!“ Sie hatte ausgeholt, aber dieses Mal war er vorbereitet, fing ihre Hand geschickt vor seinem Gesicht ab und verdrehte ihr Handgelenk brutal. Sie sog schmerzhaft die Luft ein.

 

„Malfoy-“, keuchte sie, aber er brachte sie näher an sich.

 

„Nein!“, sagte er bestimmt. „Geh mir aus den Augen, bevor ich mich zu einem weiteren Fluch herablasse. Schlammblüter haben hier nichts zu suchen“, ergänzte er kalt. Sie entzog ihm abrupt ihre Hand. Mit einem letzten hasserfüllten Blick hatte sie sich von ihm abgewandt.

 

„Wir gehen“, rief er laut. Weasley hatte Scorpius anscheinend geheilt. Und er musste seinem Sohn eine Sache lassen: Er war stur. Verflucht stur, denn er griff fest um seinen Zauberstab und schien völlig bereit, ihnen zu folgen.

Und er wandte den Blick ab.

Scorpius war nicht mehr seine Verantwortung. Sollte er doch im Haus umkommen.

Es war ihm erschreckend gleichgültig. Granger konnte er nirgendwo mehr entdecken.

Gregory hatte zu ihm aufgeschlossen.

 

„Wen magst du mehr? Deinen Sohn oder Hermine Granger?“, fragte er leise, während sie ihre Schritte beschleunigten. Draco hob gereizt den Blick, um seinen Diener anzusehen.

 

„Du kannst mich mal“, knurrte er zornig. „Wären wir nicht ohnehin so wenige, dann hätte ich große Lust, dir auch einen Fluch zu verpassen.“ Gregory lächelte jedoch.  Draco hasste ihn. Und gerne würde er Gregory erklären, wie wenig er keinen von beiden leiden konnte, aber er befürchtete, das würde nicht viel glaubhafter wirken als alles andere, was er bisher getan hatte. Er atmete also ruhig aus.

 

„Wenn es aussichtslos wird, will ich, dass du gehst“, sagte er leise. Gregory sah ihn an. „Ich meine das ernst, hast du verstanden?“, fügte Draco eilig hinzu. „Wenn wir es nicht schaffen, dann bist du erlöst. Dann stehst du nicht mehr in meinem Dienst. Du bist frei, zu gehen. Das ist der letzte Befehl“, ergänzte er schließlich, ohne ihn anzusehen.

 

Gregory lächelte jedoch. „Ich stehe in deiner Schuld. Nicht umgekehrt. Mein Leben für deins, Draco“, endete er erschreckend entschieden.

 

„Unsinn! Wir sind quitt. Es gibt keine offenen Rechnungen!“, sagte Draco harsch, aber immer noch wirkte Gregory unerschütterlich.

 

„Ich werde nicht gehen, wenn es aussichtslos ist.“ Und Draco seufzte auf. Wieso widersetzten sich alle seinen Befehlen? Er sah sich noch einmal um. Und er wünschte sich, dass das letzte, was er zu Granger gesagt hatte, nicht unbedingt das Wort Schlammblut beinhaltet hätte. Verdammt.

 

 

Kapitel 14

Kiss & Curse

 

Sie würde sich so nicht abspeisen lassen. Möglich, dass sie versagt hatte, Scorpius bisher zu beschützen. Sie hatte es ohnehin von Anfang nicht gewollt. Aber wahrscheinlich, zu einem geringen Prozentsatz hatte sie wohl gewusst, dass sie für ihn verantwortlich war. Denn immerhin hatte sie ihn nicht ohne Grund mitgenommen.

Und der dämliche Todesser, der sie Schlammblut schimpfte, konnte sie auch mal kreuzweise.

Sie war bestimmt nicht die beste Hexe und fand dann keinen Weg! Sie hatte bisher immer alles bekommen, was sie hatte haben wollen, war jeden Weg gegangen, so unmöglich es auch war.

 

Sie würde einen Weg in das verdammte Haus finden, und wenn sie es Stein um Stein abreißen musste. Lucius dachte, er hätte einen Plan? Soweit sie es als Auror beurteilen konnte, versteckte sich ein Gefangener in seinem Haus und hoffte, die Auroren würden irgendwann aufgeben, damit er sich absetzen konnte, um seine Rache zu planen.

Aber so würde es nicht funktionieren.

 

Und nein, sie war nicht Scorpius‘ Mutter. Aber dann sollte er sich nicht so aufführen, als hätte er das verflucht gerne so. Sie würde ihn beschützen, weil es eben ihr Job war. Nicht weil sie sich nicht halten konnte! Dass er es wagte, sich zu widersetzen! Ja. Er war erstaunlich begabt, erstaunlich magisch. Und wahrscheinlich würde er nicht nach den ersten fünf Minuten sterben. Aber das wusste sie nicht mit absoluter Sicherheit.

 

Sie legte den Kopf in den Nacken als sie zur Südseite des Herrenhauses vorgedrungen war, betrachtete die brüchige Fassade und entdeckte, wonach sie gesucht hatte. Ein Zimmer mit einem ausladenden Balkon. Denn es gab meistens ein Problem mit solchen Flüchen, die man auf seine Häuser legte.

War man einigermaßen klug verbarrikadierte man seine Türen, Fenster und sämtliche Lücken im Haus. Bei einer halben Ruine, so wie Malfoy Manor mittlerweile eine war, war es schwieriger, sich abzusichern. Der Zauber, den Lucius angewandt hatte, war bestimmt gut genug, Muggel im Türrahmen auf der Stelle sofort tot umfallen zu lassen, aber so etwas brauchte Kraft.

 

Dann auch noch die Fenster zu sichern, den Schornstein, jede lose Dachschindel – das war mit einer Hand voll Todessern absolut unmöglich.

 

Und es hatte wenig mit Glück zu tun. Es hatte mit Verstand zu tun. Und war Lucius bei rechtem Verstand, dann hatte er sich darum gekümmert, dass seine Todesser vor allen Fenster und Türen Wache standen.

Aber das war der Punkt. Lucius war eben nicht bei rechtem Verstand.

 

Sie apparierte ein Stockwerk höher, direkt auf den Balkon. Als sie drehend zum Stehen kam, wandte sie sich um, um das Grundstück zu überblicken. Selbst von weiter oben konnte sie das Ende des Gartens nicht erkennen, sah nicht den Boden der hohen Hecken.

Sie hörte allerdings Rons Stimme. Sie brachen ein. Sie stürmten das Haus. Die Zeit zum Handeln war also knapp bemessen, sagte sie sich. Mit einer gelenken Bewegung, öffnete sie die Balkontüren. Soweit kein Hindernis. Soweit kein Problem, stellte sie fest.

Dumpf hörte sie von unten Geschrei, Flüche, und mit jeder Sekunde bekam sie mehr Angst. Scorpius war nicht fähig zu kämpfen. Er war es einfach nicht!

 

Sie holte tief Luft und überschritt die Schwelle.

 

Kurz spürte sie den alten Zauber, den alten Fluch.

Es knisterte in ihrem Körper, ihren Fingerspitzen. Böse Mächte griffen nach ihrem Herz, versuchten es zum Stillstand zu bewegen, aber sie hatte recht gehabt.

Lucius brauchte die Kraft des Zaubers, um Muggel von seinen Türen fernzuhalten. Unten würde sie größere Probleme haben. Sie musste also die Aufmerksamkeit auf dieses Stockwerk lenken.

 

Kurz stutzte sie. Über dem abgedeckten Schreibtisch, unter dem Staub der Jahre, erkannte sie ein Stück Silber an der Wand. Dort hing, was sie nie besessen hatte. Wovon sie Jahre im Zelt bei der Zerstörung der Horkruxe geträumt hatte. Das Abzeichen der Schulsprecher. Das silberne S hing zwischen zwei Nadeln an der Wand, wohl lange unbeachtet. Feiner Staub nahm ihm den Schimmer, aber ihr wurde klar, dass das Balkonzimmer wohl Malfoys Zimmer sein musste.

Unbehaglich sah sie sich um. Die Möbel waren alle mit Tüchern verhangen. Nichts deutete auf Dekoration oder Geschmack hin. Das war alles fort. Der Teppich war matt grau und dick und schwer. Ihre Tritte verursachten keinen Ton. Ein dunkler Schrank stand an der Wand. Mit Doppeltüren, groß und wuchtig. Daneben hing eine magische Kopie des Stammbaums. Ebenfalls wuchtig, da zwei Blutlinien, die der Malfoys und der Blacks, verknüpft wurden.

Über dem Himmelbett hing ebenfalls ein weißes dickes Tuch. Nichts versteckte sich dort drunter, nahm sie an. Sie bückte sich dennoch, um unters Bett zu luken. Sie hob das dicke Tuch an.

 

Eine Box lag unter dem Mahagoniholz des Betts. Vorsichtig zog sie diese hervor. Sie wusste, sie hatte keine Zeit hierfür, aber… ihre Neugier kaufte ihr noch ein paar Sekunden mehr Zeit. Vielleicht hatte sie hier noch eine Waffe gefunden.

Aber nein. Sie hatte den Deckel angehoben. Das schimmernde Holz des Nimbus glänzte im Licht, das durch die Scheiben fiel. Auf einem zerfetzten Trainingsumhang lag sein Kapitänsabzeichen. Seine Handschuhe waren ebenfalls arg mitgenommen. Unter dem Umhang surrte träge ein goldener Schnatz, dessen Gold bereits schon angelaufen war. Sie musste schmunzeln. Alle Junge klauten wohl den Schnatz gerne mal. In der Box lagen ansonsten noch ein paar alte Klausuren, mit Ohnegleichen bestanden. Ein paar alte Zeitungen mit Artikeln über Todesser, Voldemort, den Sturz, Mutmaßungen über Harrys damaligen Aufenthalt und natürlich ein ausgeschnittener Artikel über den grausamen Tod von Astoria Malfoy, den vermuteten Tod von Scorpius Malfoy und Draco Malfoy.

 

Sie atmete wütend aus.

 

Dann klappte sie die Box wieder zu, schob sie zurück unters Bett, und beschloss, keine Zeit mehr zu verlieren. Koste es, was es eben kosten musste!

 

Sie verließ Dracos Zimmer und stand nun auf einem endlosen Flur. Von unten vernahm sie deutlich Rons Stimme, Dracos Stimme und – Merlin sei Dank – auch noch Ginnys.

Der Kampf lief wohl auf höchsten Touren. Und ihr Auge war ein geübtes Auge. Sie erkannte die Funken, den Schimmer, weiter hinten, wo sie die Treppe vermutete. Bis dorthin würde sie gehen können, wenn sie nicht schlimme Verletzungen haben wollen würde.

Sie sah sich um. Auch hier auf diesem Flur waren die Gemälde verhangen. Alles sah kalt und unbewohnt aus. Sie griff beherzt nach einem der Tücher und zog es von dem Gemälde.

Ein faltiger Zauberer hob den Blick.

 

Er musterte sie mit gerunzelter Stirn. Sie riss das nächste Tuch von einem weiteren Gemälde. Und noch ein weiteres und noch eins, bis sie bestimmt zwanzig Portraits von uralten Zauberern freigelegt hatte. Manche kamen ihr bekannt vor aus irgendwelchen alten Ausgaben von Büchern, die sie in Hogwarts nicht beachtete hatte, weil die Philosophien darin veraltete und falsch gewesen waren.

 

Sie wurde grimmig angestarrt.

 

Sie drehte sich einmal im Kreis, um alle anzusehen.

 

„Meine Herrschaften, Sie sollten vielleicht Alarm schlagen“, riet sie nun den Männern in den Gemälden. Eine Frau war wohl nicht gemalt worden. Diese musterten sie immer noch prüfend. „Schließlich befindet sich ein Schlammblut in den Hallen“, fügte sie kalt hinzu.

Und es war wie ein Lauffeuer. Die Gemälde tauschten erregte Blicke, manche verschwanden, und manche – wahrscheinlich Verwandte der Blacks – begannen zu schreien. So wie es Hermine gehofft hatte.

 

Sie nutzte den Moment der Überraschung. Sie versteckte sich eilig im nächsten Gang.

 

„Schlammblüter im Haus!“, dröhnte eine hysterische Stimme den Gang entlang. Sie wartete ungeduldig, hörte unten ein Gemenge und dann dröhnende Fußtritte auf der Treppe. Sie sprang sofort aus ihrer Deckung, schleuderte den Stupor mit voller Kraft, und ein Mann, den sie nicht direkt kannte stürzte mit einem Grunzen zu Boden. Seinen Zauberstab verlor er, und Hermine klaubte ihn auf.

 

„Bist du verrückt?“, keuchte Ron, teilweise wütend, teilweise beeindruckt. „Wie bist du reingekommen?“

 

„Der Fluch ist nur unten. Wo ist Lucius?“, fragte sie eilig, während sie sich die Ärmel hochkrempelte.

 

„Noch nicht gesichtet. Die Todesser unten sind schwer beschäftigt uns im Salon zu halten. Ich muss wieder runter.“

 

„Schick mir noch welche rauf!“, rief sie ihm nach. Er nickte beim Laufen. An der Treppe rief er nach Malfoy und Goyle. Sie hörte wie sich der Lärmpegel verschob, wie er näher rückte, wie die Kämpfer unten versuchten, die Feinde an die Treppe zu bringen. Sie hastete zurück in Malfoys Kinderzimmer, trat auf den Balkon und schickte ihren Patronus in Richtung Harry, mit der Botschaft, dass er über den Balkon reinkommen sollte.

 

Eilig war sie wieder zurück im Flur, kampfbereit.

 

Der Krach war lauter geworden. Sie wagte sich näher zur Treppe, erkannte Malfoy, der gerade einen silbernen Fluch losließ. Er fing ihren Blick in einem kurzen Moment auf. Seine Augen weiteten sich kurz. Heftig fluchte er erneut, schleuderte den Zauber hart in die Richtung des Angreifers und nutzte die Chance, einige Stufen höher zu springen. Jetzt erkannte sie den nächsten Todesser und schockte auch diesen, zusammen mit Malfoy.

 

„Noch drei!“, rief er laut. „Scorpius!“, fügte er beinahe nahtlos hinzu und sprang wieder die Stufen hinab. Sie wusste nicht, ob gerade etwas Schlimmes passiert war, denn plötzlich stürzten zwei Todesser die Treppe nach oben.

 

„Lucius!“, schrie einer so laut, dass die Wände bebten. „Das Schlammb-“

 

„Aber Hermine schockte ihn grimmig, nur um den nächsten mit einem hässlichen Furunkelfluch zu belegen, der ihm die Tränen in die Augen trieb.

 

Petrificus Totalus!“, ertönte Harrys Stimme über ihr. „Die Auroren kommen!“, fügte er eilig hinzu, während er misstrauisch die schimmernde Linie über dem Treppenabsatz beäugte, die auch ihm den Weg versperren würde. Aber ihn würde der Fluch wahrscheinlich nicht unbedingt umbringen. Vielleicht nicht. Sie war sich nicht sicher.

 

„Wir müssen Lucius finden“, sagte sie nur und ärgerte sich, hier auf diesem Flur gefangen zu sein.

 

„Das ist nicht deine Sorge. Ich hätte es gerne, wenn du wieder verschwinden würdest! Und du auch!“, fügte Malfoy mit einem gereizten Blick auf Harry hinzu, als er die Treppe eilig nach oben kam. „Es ist ägerglich genug, dass ich andere in diese Aktion verwickelt habe.“

 

Sie stemmte die Hände in die Hüften und war völlig bereit, sich mit ihm anzulegen.

 

„Tja, das hättest du dir einfach vorher überlegen können!“

 

„Raus!“, knurrte er schließlich und fixierte sie erschöpft. „Danke hierfür, Potter“, fügte er noch hinzu, als hätte Harry die Todesser im Alleingang erledigt. Was für ein Arschloch!

 

„Ron, bist du da oben eingeschlafen?“, hörte sie nun Ginnys Stimme, die nicht gerade fröhlich klang.

 

„Ich komme, ich komme!“, rief Ron zurück und eilte die Stufen hinunter.

 

„Was passiert, wenn ich die Stufen runtergehe?“, wollte Harry jetzt wissen. Malfoy ruckte mit dem Kopf.


„Bin mir nicht sicher. Ist schon schwer genug den Zauber gegen Muggel aufrecht zu erhalten. Wahrscheinlich erscheinen bei den Halbblütern nur die zahmen Teppichdämonen.“

 

„Zahm sind die nicht, verdammt! Ich habe sie schon gesehen. Und die sind reichlich wütend!“, gab sie schnaubend zurück. „Und außerdem, dein Lieblingswort war bestimmt nicht Muggel, Malfoy!“, brauste sie auf, und Harry sprang auf die erste Treppenstufe. Staub wirbelte unheilschwanger aus dem Teppich auf und formte sich zu einem großen Schatten.

 

„Das sollte ziemlich lustig werden!“, murmelte Harry grimmig und lief einfach geradeaus weiter, der Schattendämon direkt auf seinen Fersen hinterher. „Ich bringe Gäste!“, hörte sie Harry rufen und dann tanzten bunte Flüche durch den Salon, die wohl auf den letzten Todesser gerichtet wurden.

 

„Und du verschwindest!“, sagte er scharf, und schob sie über den Flur.

 

„Hey!“, protestierte sie heftig. „Was ist mit Scorpius? Ist er ok?“

 

„Er ist mehr als das. Du gehst.“

 

„Wo ist Goyle?“

 

„Sucht Lucius.“

 

„Allein?“

 

„Granger, das ist hier ist kein Spiel.“ Er schob sie direkt in sein altes Zimmer, aber sie machte sich von ihm los.

 

„Malfoy, ich kann-“

 

„Nein!“, unterbrach er sie laut. „Du kannst mir den letzten Nerv rauben, uns alle in Gefahr bringen, aber du kannst auf gar keinen Fall bleiben! Ich habe keine Zeit, mich um dich zu kümmern, Granger.“

 

„Ich will nicht, dass du dich kümmerst, ich-“

 

„Verstehst du es nicht? Es ist gefährlich!“

 

„Ich bin Auror!“

 

„Du bist tot, wenn du die Stufe berührst!“, schrie er außer sich. „Denkst du, dass ist es, was ich heute auch noch über meinem Kopf schweben haben möchte? Deinen Tod?“, knurrte er böse, aber sie wollte wieder an ihm vorbei.

 

„Für wie unfähig hältst du mich?“

 

„Du kannst hier nichts ausrichten! Es gibt nichts im ersten Stock, was deiner Anwesenheit bedarf, Granger! Geh endlich. Bring dich in Sicherheit! Du hältst uns nur auf!“

Sie fixierte ihn wütend. Sie kam sich unter seinem Blick völlig nutzlos vor, dabei wäre er ohne sie überhaupt nicht soweit gekommen!

 

„Du bist ein egoistisches Arschloch!“

 

„Ich bin egoistisch? Weil ich nicht will, dass du stirbst?“

 

„Ich sterbe nicht!“

 

Was wenn doch? Was dann? Was, wenn-“ Er schloss die Augen, rieb sich über die Stirn und schüttelte schließlich den Kopf. „Nein“, sagte er schließlich, ruhiger als vorher. „Du wirst jetzt gehen.“

 

„Malfoy-“

 

„Meine Geduld kannst du morgen testen. Nicht mehr heute, Hermine.“ Ihr Name klang ernst und völlig selbstverständlich, so wie er ihn sagte. Als hätte er ihn immer gesagt.

 

„Wo ist dein Vater?“, fragte sie wieder, nicht mehr ganz so wütend.

 

„Ich werde ihn suchen“, erklärte er, den Blick über die Schulter gewandt, bereit zu gehen.


„Was, wenn du stirbst? Was dann? Hast du darüber schon nachgedacht? Was ist mit Scorpius? Was soll er dann machen?“

 

„Er ist dann ein reicher Junge“, gab er knapp zurück. „Er braucht mich nicht.“

 

„Du bist so ein Idiot!“, gab sie kopfschüttelnd zurück.

 

„Ich denke, er hat es völlig klar gemacht, dass er auf mich nicht angewiesen ist!“ Er wurde wieder wütend.

 

„Du bist sein Vater! Natürlich braucht er dich! Natürlich öffnet er sich dir nicht, wenn alles was du tust, ist, ihn zu bevormunden, ihm alles zu verbieten, ihn zu untergraben und keine Sekunde Zeit mit ihm verbringst!“

 

„Granger, du hast keine Ahnung! Du verstehst nicht, was es bedeutet, ein Elternteil zu sein!“

 

„Oh ja. Richtig. Ich denke, mein Kind verlassen und im schmutzigsten Waisenhaus der Stadt zurücklassen hätte ich noch gerade so hinbekommen, Malfoy!“ Er fixierte sie wieder. Sein Blick wurde kalt. Es würde kommen. Die nächste messerscharfe Beleidigung würde kommen. Er würde nicht zögern. Er zögerte ja nie davor, irgendwelche Gefühle zu verletzen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot.

 

„Man sagt, ein Kind braucht zumindest ein funktionierendes Elternteil um ein halbwegs verantwortungsbewusster Mensch zu werden. Meine Mutter hat alles getan, was mein Vater von ihr wollte. Mein Vater ist ein Psychopath. Ohne Herz. Ohne Reue. Was denkst du, kommt dabei heraus, Granger? Nach meiner Rechnung kommt das scheußlichste Lebewesen was es geben kann am Ende heraus.“

 

Und das war keine Beleidigung gewesen, ging ihr auf. Sie atmete aus. Sie kannte ihn so nicht. Ganz und gar nicht. „Stell dir vor, deine Eltern sind nicht weiter von Wichtigkeit für dich. Sie interessieren sich nicht. Und sie geben dich auf. Du bist allein und froh, dass du am Ende eine Frau gefunden hast, die es über sich gebracht hat, dich zu lieben, Granger. Dich so sehr zu lieben, dass sie sogar ein Kind von dir zur Welt bringt. Und diese Frau wird umgebracht. Von deinem Vater. Und ich habe getan, was ich in meiner grauenhaften Verfassung als Mensch noch tun konnte. Du sagst, das wäre es nicht gewesen, was ein vernünftiger Mensch getan hätte? Ein liebender Vater? Ein Mann, der noch Gefühle hat?“ Er sah ihr fest in die Augen. Sein Körper war nur noch von seiner Kälte bewohnt. Sie glaubte, er hatte alles verloren. Es war absolut furchterregend.

 

„Granger, da sind keine Gefühle mehr. Da ist nichts mehr. Wenn dir also daran gelegen ist, mich zu verletzen, dann tut es mir leid, denn-“ Es brach ihr Herz. Er brach ihr Herz. Sie schüttelte bloß den Kopf, griff in seinen Nacken und stoppte seine Worte durch ihren Kuss.

 

Ihre Lippen lagen ruhig auf seinem Mund. Er versteifte sich sehr plötzlich, bewegte sich nicht, und für ein paar Sekunden passierte gar nichts, und die Welt stand still.

Schließlich zog er den Kopf ein Stück zurück, fast erschrocken. Sie hielt seinen Kopf immer noch in ihren Händen, und er sah völlig erschüttert auf sie hinab.

 

„Mitleid…“, flüsterte er. „Die Schwäche der Gryffindors“, fügte er rau hinzu, ließ sie aber nicht aus den Augen. „Das hat euch schon immer den Kopf gekostet, und-“ Sie zog ihn wieder näher, ignorierte die Worte, die nur seiner unsicheren Natur entsprangen und berührte seine Lippen erneut. Aus zaghaft wurde forschend, und sie wollte ihm eigentlich nur zeigen, dass er nicht allein war. Dass er Gefühle hatte! Dass Mitleid keine Schwäche war….

 

Er zog den Kopf dieses Mal heftiger zurück. „Granger…“, begann er leise, die Augen geschlossen. „Du musst gehen. Alles, was mir etwas bedeutet, verliere ich schon allein durch meine Anwesenheit“, flüsterte er.

 

„Dann… hast du ja doch Gefühle? Das… ist doch eigentlich unmöglich, richtig?“, gab sie ruhig zurück und fand die Kraft, zu lächeln. Er sah sie an. Er hatte die Augen langsam wieder geöffnet.

 

„Richtig“, bestätigte er. „Du machst einen Fehler“, fügte er hinzu.

 

„Das ist deine Meinung“, erwiderte sie und fühlte sich unheimlich leicht.

 

„Du bist unheimlich stur“, fuhr er nickend fort.

 

„Noch eine meine guten Qualitäten.“ Er schwieg schließlich. Seine Hand hob sich erstaunlich ruhig zu ihrem Gesicht. Seine Finger fuhren über ihre Wange, ihren Mundwinkel, ihre Unterlippe, während er den Kopf langsam senkte. Sie sah, dass er die Kontrolle bis zu letzten Sekunde nicht wagte aufzugeben. Seufzend machte er den letzten Schritt, überwand sein letztes bisschen an falschem Stolz und seine Lippen pressten sich auf ihre. Er atmete sie förmlich ein, verschmolz mit ihr, und, als wäre ein Feuer entfacht, teilte er ihre Lippen mit seiner Zunge, und überrascht keuchte sie auf.

 

Sein Arm hatte sich um sie geschlungen, während plötzlich alle Gefühle losbrachen, die sie beschreiben konnte. Seine Zunge fühlte sich unglaublich dominant, unglaublich fordernd in ihrem Mund an. Seine Hand hatte sich in ihren Haaren vergraben, zwang sie, still zu halten, und sie konnte nicht anders als, gefangen in den Sensationen, den Kuss zu erwidern. So verzweifelt und willig wie er es tat. Immer wieder stieß seine Zunge in ihren Mund, schien sie zu erkunden, sie zu schmecken, und sein unterdrücktes Stöhnen sandte Schübe der Ekstase durch ihren Körper, der auf ihn reagierte, als stünde er plötzlich in Flammen.

 

Sie vergrub ihre Hände in seinen Haaren, presste sich enger an ihn und wusste mit aller Macht, dass sie bestimmt keinen Fehler gemacht hatte! Fehler fühlten sich nicht… so gut an? Und das tat er! Er fühlte sich unbeschreiblich an. Voller Kraft, voller Drang. Ungeduldige Lust durchbrach seine sonst so reservierte Oberfläche, und sie wusste, sie würde alles um sich herum vergessen. Seine Hände griffen fest in ihre Hüften, hoben sie fast vom Boden hoch, als er ein weiteres Mal ihre Lippen eroberte und ihre Zungen miteinander fochten, als wäre es der letzte Kuss der Welt.

 

So eine Leidenschaft hatte sie noch nie gespürt. Und sie musste annehmen, es war nur so, wegen der drohenden Gefahr, die über ihnen schwebte.

Gefahr, richtig! Sie musste… aufhören. Wieder normal werden. Einfach den Kopf von ihm lösen…. Aber es war unmöglich! Sie konnte nicht! Sie….

 

„Draco!“

 

Der Schrei gellte durch das gesamte Haus. Und sie erkannte die Stimme sofort. Der Kuss war unterbrochen. Sie standen schwer atmend voreinander. Und es dauerte nur noch den Bruchteil einer Sekunde, ehe er sich gefangen hatte und sich in Bewegung setzte.

 

„Dad!“, schrie Scorpius. Und diesmal noch lauter. Sein Sohn schrie um Hilfe. All ihre Instinkte erwachten augenblicklich! Sie setzte ihm nach, aber scharf hielt er inne und wandte sich um.

 

„Nein! Tut mir leid“, sagte er rau, hob den Zauberstab mit glasigem Blick und ehe sie völlig begriff, was er tat, ehe sie wieder auf dem Boden der grausamen Realität angekommen war und den Zauberstab hatte ziehen können, traf sie der Stupor direkt in die Brust.

Sein entschuldigendes Gesicht verschwamm vor ihren Augen, und lautlos sank sie auf den weichen Teppich und hatte das Bewusstsein verloren.

 

 

Kapitel 15

 

The Fall of Malfoy Manor

 

Er hatte die Tür hinter sich mit einem Fluch versiegelt, der sogar sie an Zeit kosten würde. Der Fluch tat ihm leid. Mehr als das! Aber er würde sie nicht verlieren! Und musste er sie dafür auch bewusstlos hexen. Es war zu ihrem eigenen besten. Das würde sie etwas anders sehen, aber dafür hatte er keine Zeit. Er stürmte den Flur entlang, die Treppe nach unten, wich dem Teppichmonster aus und konnte Scorpius nicht entdecken.

 

Er rannte durch den Salon, stolperte fast über den letzten Todesser und hechtete weiter. Durch die Halle, die nächste Treppe hinauf. Wo waren die anderen?

 

Er war dankbar für das Adrenalin, die Panik und alle anderen Gefühle, denn die hielten ihn davon ab, darüber nachzudenken was gerade passiert war. Das Haus war gefährlich. Das war es immer gewesen. Und dieses Mal würde Lucius nicht gewinnen.

Garantiert nicht! Die Gänge schienen endlos zu sein. Noch immer hörte er nichts.

Nur wen er ab und an einem Fenster vorbei kam, sah er wie mehr und mehr Auroren den Rasen füllten. Das Ministerium rückte mit voller Besatzung an.

 

Aber was nützte das, wenn Lucius im Haus war?

 

Er hatte den nördlichsten Teil des Hauses erreicht. Er nahm den letzten Flur. Er sah niemanden auf seinem Weg. Und er wagte nicht nach seinem Sohn zu rufen.

Lucius Arbeitszimmer lag vor ihm. Es war die letzte Tür am Ende des Ganges. Wie oft er dort gewesen war. Er konnte es nicht mehr zählen.

Aber die Jahre die es her war, konnte er auch kaum noch fassen.

 

Und gegen all sen besseres Wissen öffnete er die Tür. Er wusste, müsste er nun einen Endgegner besiegen, dann wäre dies die Tür durch die er gehen musste.

 

Sie schwang lautlos auf, als würde sie immer noch geölt werden. Aber er sah direkt an den Möbeln, der einst so feinen Einrichtung, dass hier Jahre niemand mehr einen Lappen in die Hand genommen hatte.

 

„Mein Sohn“, begrüßte ihn sein Vater mit einem kühlen Lächeln. Der Lucius in Askaban hatte ein gutes Abbild abgegeben, aber er war nichts im Vergleich zu dem Original.

 

„Lass in runter.“

 

„Er ist so gut wie tot“, erwiderte Lucius ungerührt. Mit einem Zauberstab hielt er Scorpius im Schwebezauber gefangen. Blut tropfte auf den Teppich und Dracos nackte Panik verwandelte sich in Zorn. „Ah, nein, Draco. Noch einen Schritt, und ich töte dich an seiner Stelle.“

 

„Was willst du?“, knurrte er. Er fühlte alles, nur konnte er nichts davon genau fassen. Er fühlte Sorge und Zorn. Wut und Hass. „Willst du Gold? Du denkst, wenn du Scorpius tötest bekommst du Gold? Oder mich?“

 

„Ich gebe dir die faire Chance zu fliehen, so wie deine Freunde. Trete in den magischen Kreis, der Scorpius umgibt und das Gift des Zaubers tötet dich innerhalb einiger Stunden, Draco. Du kannst es dir aussuchen.“

 

„Welches Gift? Was tust du?“, schrie er zornig, machte noch einen Schritt nach vorne, zögerte jedoch, als der magische Kreis um Scorpius grün aufglühte.

 

„Du hättest deinen Sohn nicht in diese Gefahr bringen müssen.“

 

„Du willst ihn doch ohnehin töten!“

 

Er konnte nicht fassen, dass er hier stand und überhaupt nichts tat!

 

„Noch ist er lebendig. Verschwinde aus meinem Haus, sag den Auroren, sie sollen abziehen, und wir kommen alle lebend aus der Sache raus.“ Die Augen seines Vaters waren stumpf. Seine Haut gräulich und sein Körper war hager geworden. Er sah nicht mehr aus wie ein Mensch. Sie waren alle keine Menschen mehr.

 

„Wir alle? Was genau passiert, wenn ich dich mit meinem Sohn hier alleine lassen, damit du fliehen kannst?“

 

„Ich werde ihn töten“, erwiderte Lucius kalt. Draco schnaubte auf. „Aber du bleibst am Leben. Fair. Nicht wahr?“

 

„Nein. Vergiss es. Du wirst sterben.“

 

„Du willst es drauf ankommen lassen?“

 

„Du wirst meinem Sohn kein Haar krümmen. Du wirst ihn runter lassen, du wirst dich stellen. Tust du das nicht, werde ich dich töten. Und meine Geduld schwindet.“

 

„Denkst du wirklich, ich habe keinen Plan B? Denkst du, wir sind alleine in diesem Zimmer, Draco?“ Lucius lächelte ein grausiges Lächeln. „Mit einem Wink kann ich dir die Kehle durchschneiden lassen. Das hier ist keine Verhandlung. Ich stelle hier die Regeln auf. Wenn ich sage, flieh, dann fragst du, wie weit.“

Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt, und er wusste nur, fliehen würde er nicht.

 

Würde er bleiben, würde er sterben. Scorpius würde sterben. Und wusste Salazar, wer noch alles sterben würde!

 

Sein Blick glitt über seine Schulter nach draußen. Dort formierten sich sämtliche Auroren in einem Kreis. Sah er etwa Granger dort unten? Hatte sie jemand gefunden und geholt? Gut so. Sie sollte nicht sterben. Was taten die Auroren? Lucius ging nicht einmal darauf ein.

 

„Meine Geduld ist auch am Ende. Geh, und ich gebe dir zwei Tage Vorsprung.“ Das war kein Handel, auf den er eingehen würde.

 

„Das Ministerium muss blind sein, zu überlegen, dich eher aus der Haft zu entlassen. Den Kuss hättest du bekommen müssen, du Scheusal“, knurrte er tonlos.

 

„Du stehst immer noch hier. Dein Sohn scheint dir genauso wenig zu bedeuten wie dein eigenes Leben.“ Er ballte die Hände zu Fäusten, den Zauberstab festumschlossen, damit ihm kein unsichtbarer den Stab entreißen konnte.

 

Und plötzlich spürte er etwas.

 

Lucius schien für einen Moment zu wanken. Seine Fassade entglitt ihm kurz. Es fühlte sich an, als würde die Erde erzittern. Es war mächtig. Und um sich herum hörte er Gemurmel. Die unsichtbaren Todesser schienen es mit der Angst zu bekommen. Lucius warf einen zornigen Blick in die Runde.

 

„Niemand rührt sich!“, befahl er donnernd. Dracos Gehirn arbeitete schnell, kam aber zu keinem Schluss.

 

Dann bebte die Erde erneut. Ein mächtiger Donner erschütterte die uralten Mauern. Dieses Mal hörte er ängstliche Stimmen wispern. Und einen erschrockenen Laut, als ein Stein das Fenster zerbrach. Draco nahm an, dieses war nicht das einzige Fenster.

 

„Ich habe es mir anders überlegt“, presste Lucius hervor, brach den Zauber, mit dem er Scorpius hielt, und sein Sohn fiel bewusstlos zu Boden. Noch Bevor Draco zu ihm stürzen konnte, hatte sein Vater gezielt. „Expelliarmus!“, bellte er, und Dracos Zauberstab entriss sich selber seiner Hand und landete fünf Meter entfernt neben dem Schreibtisch.

 

Avada Kedavra!“

 

Alles geschah im Bruchteil einer Sekunde. Das grüne Licht schoss aus der Spitze des Zauberstabs seines Vaters. Die Zeit floss zäh dahin. Bevor der letzte Atem seiner Lunge entwich, stürzte eine schemenhafte Gestalt durch das zerbrochene Fenster. Die Gestalt riss ihn zu Boden.  Aller Luft wurde aus seinem Körper gepresst. Mit dem nächsten Beben bröckelte Putz von der hohen Decke. Die Todesser gaben ihre Positionen auf. Draco war von Körperteilen begraben, die er nicht zu ordnen konnte. Mit aller Macht setzte er sich hustend auf, schob das Gewicht von sich, bewegte sich vom Boden aus durch den Staub vorwärts. Er fand einen Zauberstab! Nicht seinen, aber das war egal.

 

Er kam auf die Beine, Staub wirbelte auf.

 

Avada Kedavra!“

 

Avada Kedavra!“

 

Vater und Sohn sprachen den gleichen Spruch zur gleichen Zeit. Beide Todesflüche prallten aufeinander. Und Scorpius war sehr plötzlich auf die Beine gekommen, Dracos Zauberstab fest in der Hand. Die Flüche verbanden sich und wechselten Die Bahn, steuerten auf Scorpius und ehe Draco schreien konnte, hatte Scorpius den Zauberstab mit beiden Händen empor gerissen.

 

Expelliarmus!“, keuchte er und zielte auf Lucius. Der grüne Fluch verband sich mit dem roten. Und Lucius schnappte vor Überraschung nach Luft, versuchte den Todesfluch zu halten, hatte aber keine Kraft. Kein bisschen Kraft mehr übrig.

 

Scorpius gewann den Kampf. Der rote Fluch fraß sich durch die grünen Fasern des Todesfluch, spaltete Lucius‘ Zauberstab, und mit einem letzten Schrei wurde Lucius‘ Dasein beendet. Der Fluch traf ihn mit voller Wucht, schleuderte seinen Körper nach hinten an die Wand, die unter dem nächsten Beben zusammen stürzte.

 

„Raus! Wir müssen raus!“, schrie Draco. Die Todesser mit Desillusionierungszauber leisteten Folge, verschwanden unsichtbar durch Türen und Fenster, aber Scorpius stützte sich keuchend mit den Händen auf den Knien ab.

„Scorpius!“, wiederholte Draco lauter, kam auf ihn zu und zog ihn mit sich.

Der Staub lag so dicht, dass er die Tür nicht mehr sehen konnte. Er musste durch das Fenster, hob den Zauberstab und wandte den Lumos an, um besser sehen zu können.

 

Goyles Zauberstab funktionierte nicht übel in seiner Hand.

 

Sein Gehirn machte den nächsten Schritt.

 

Aber sein Kopf weigerte sich zu akzeptieren, als er Scorpius durch das Fenster schob. Die Mauer gab bereits nach. Er sprang ihm nach, stieß Scorpius nach vorne, damit er noch ein paar Meter zwischen sich und das Haus brachte und hechtete ihm nach.

 

Sie stürzten beide auf die Erde, als das Haus hinter ihnen zusammen brach.

Der Lärm war so ohrenbetäubend, dass er die Augen schloss, sich über Scorpius warf und wartete. Auf seinen Tod, auf das Ende, auf Stille.

 

Und nach einer Minute war es vorbei.

 

„Draco!“, hörte er ihre Stimme. Endlich. Nach einer Ewigkeit.

 

Langsam hob er den Kopf. Staub und Schutt rieselte von seinen Haaren herab. Sie hatte einen Schutzzauber über ihn und seinen Sohn gelegt. Er atmete unter ihm heftig.

 

Auroren liefen hin und her. Draco wagte nicht, sich umzudrehen, von Scorpius fort zu weichen, etwas zu sagen. Er lag völlig unbewegt auf dem Boden, sah sie an und spürte wie Blut aus Millionen winziger Kratzer floss, die er sich beim Sturz zugezogen hatte.

 

Sie kniete sich vor ihn. „Draco“, wiederholte sie leiser. „Scorpius!“, fügte sie erleichtert hinzu. Sein Sohn kam auf Hände und Füße und ließ sich von Granger umarmen.

 

Und langsam, wie in Trance, schüttelte Draco die Starre ab, kam stolpernd auf die Beine und wandte sich um. Granger sprach, aber er ignorierte die Worte, hörte sie nicht einmal.

Nebelschwaden hingen in der Luft, umgaben die nächste Umgebung. Das Haus seiner Urväter war dem Boden gleichgemacht. Nichts stand mehr. Alles war zusammen gestürzt, vom Dach bis zum Keller. Ein riesiger Schutthaufen thronte jetzt in dem einst herrschaftlichen Garten.

 

Langsam machte er Schritt auf das Geröll zu, was einmal sein Zuhause gewesen war. Hier und da erkannte er Stühle, Tische, Kommoden, Reste von Teppichen im Nebel und dem Staub. Er machte nur wenige Schritte. Granger rief ihn erneut. Aber er war wie von Sinnen, als er über das Geröll kletterte, Auroren hinter ihm rufen hörte und er Stein um Stein zur Seite fegte. Da ein Buch, hier eine Schublade, einen Bilderrahmen, noch mehr Schutt. Es scherte ihn nicht, dass seine Finger aufrissen.

 

Er wusste, wer durch das Fenster gesprungen war und seinen Todesfluch abgewandt hatte. Wer ihn auf sich genommen hatte. Ohne zu fragen! Ohne ihn vorher zu fragen!!!

 

Nach einem weiteren Berg Geröll sah er es. Er sah eine staubige Hand. Keuchend zerrte er schmutzige Vorhänge und Steine zur Seite, gab immer mehr frei, zog heftig an dem Freund, der längst verloren war.

 

„Nein!“, flüsterte er stumm. „Nein!“ Der Staub um ihn herum lichtete sich. Formen wurden wieder zu Formen. Er lag auf dem Rücken, bedeckt von Steinen. Heiße Tränen liefen Dracos schmutzige Wangen hinab. „Gregory, komm schon“, murmelte er, zerrte an dem leblosen Arm, versuchte seine Schultern zu heben, ihn umzudrehen, ihn aus dem ganzen Chaos zu entziehen. Aber der Schutt hielt ihn fest am Boden. Sein Bein war unter einem schweren Balken gefangen.

 

„Hilfe! Ich brauche Hilfe!“, krächzte seine unkenntliche Stimme.

 

„Draco“, hörte er eine dumpfe Stimme hinter. Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter. Er wischte sie achtlos weg, zerrte wieder an Gregorys leblosem Körper und schrie auf, als ihn jemand nach hinten zogt. „Lass ihn gehen. Draco, lass ihn gehen.“ Potters Stimme drang langsam zu ihm durch. Er ließ zu, dass er seine Arme zurückhielt, bewegte sich aber kein Stück.

 

Er konnte nicht tot sein. Er durfte nicht.

 

Der Staub hatte sich noch nicht völlig gelegt. Aber er erkannte die Überreste seines Hauses vor sich deutlicher. Das Portrait war durchgebrochen und ragte wie ein bedrohlicher Berg aus der Mitte der Trümmer. Sein Gesicht auf dem Portrait bewegte sich nicht mehr. Der Zauber war gebrochen, und ie Gesichter waren jetzt starr geworden. Lucius Haare waren lang, seine Mutter blickte starr nach vorn, und sein eigenes Gesicht richtete den Blick in eine unbekannte Ferne. Alle Habseligkeiten seiner Familie waren zerstört und lagen nun, ohne dass ein Fluch auf ihnen lastete, verstreut.

 

Und inmitten dieser Sachen lag sein bester Freund. Sein einziger Freund.

 

Sein Freund, mit dem er alles durchlebt hatte. Den Tod seiner Familie, seine Flucht, das Verstecken seines Sohnes. Sein Diener, der eigentlich viel mehr war als das.

 

Wenn er die Augen schloss, sah er den pausbackigen Jungen, der ihm Hogwartsexpress im ersten Jahr seinen Platz für ihn aufgegeben hatte.

 

„Es tut mir so leid!“, flüsterte er heiser. „Greg, es tut mir so leid!“ Tränen nahmen ihm die Sicht. „Bitte, geh nicht. Bitte nicht! Geh nicht auch!“

Und wäre Lucius nicht tot und unter Steinen begraben, würde er ihn noch ein weiteres Mal töten! Und danach noch einmal um sicher zu gehen!

 

„Dad“, hörte er eine vorsichtige Stimme. Scorpius machte sich seinen Weg durch das Geröll auf ihn zu. Potter erhob sich, um für Scorpius Platz zu machen. „Dad“, wiederholte er leiser.

 

Dad. Ja. Er war ein Dad.

 

Gregory war auch ein Dad. Er schloss verzweifelt die Augen. „Deine Schuld ist so viel mehr als erfüllt, mein Freund“, flüsterte er dem Körper vor sich zu. „Du bist frei“, fügte er noch leiser hinzu. Seine Hand ließ von Gregory Goyle ab, und er zog seinen Sohn ohne Worte zu sich in seine Arme. Und auch wenn Scorpius es zu unterdrücken versuchte, versuchte, tapfer zu sein, so hörte es Draco dennoch. Scorpius weinte. Er zuckte ab und an zusammen, und Draco presste ihn fest an sich. So fest es ging. Sein Blick hob sich gen Himmel.

 

Die Sonne bahnte sich einen Weg durch den Nebel der Verwüstung und schien ruhig und friedlich über den Bergen.

 

Es war vorbei.

 

 

Kapitel 16

Pansy

 

Die Beerdigung war im so kleinen Kreise geschehen, dass die Anwesenden so gut wie an einer Hand abzuzählen waren. Potter und seine Frau, Weasley, Granger, er und Scorpius.

Der magische Priester hatte die letzten Worte längst gesprochen. Der Sarg war längst versenkt und der Stein durch verschiedene Zauber erschienen und beschriftet.

 

„Kommst du?“ Granger stand neben ihm. Sie hatten nicht mehr über den Kuss gesprochen. Sie hatte ihm nicht übel genommen, dass er sie verflucht und eingeschlossen hatte.

Sie hatten über gar nichts mehr gesprochen, was etwas mit privaten Angelegenheiten zu tun hatte. Das Ministerium hatte die Aufsicht über Scorpius aufgegeben. Es hatte ihn von aller Schuld befreit, was eine großzügige Geste war.

 

Scorpius war wieder sein Sohn. Er hatte zurzeit kein Haus. Er wohnte bei Granger in der Wohnung. Mit Scorpius. Und Ronald Weasley. In vergangener Zeit wäre das wohl sein Albtraum gewesen. Aber Weasley verbrachte seine Zeit damit, zu packen und verstimmt zu sein. Er dachte wohl, er und Granger waren eine Art Paar.

Aber er wusste nicht, was sie waren. Auch Scorpius hatte ihn gestern gefragt. Er hatte es nicht beantworten können.

 

Er hatte auch keine Arbeit. Er hatte in den letzten Jahrzehnten keiner nachgehen können. Das Vermögen war seins. Die Todesser waren geflohen.

 

Er atmete langsam aus, nicht sicher, was er jetzt sagen musste.

 

„Später. Ich muss noch eine Kleinigkeit erledigen.“

 

„Ron zieht heute Nachmittag aus“, informierte sie ihn vage, und er hatte keine Ahnung, was sie damit sagen wollte. Er sah sie also an. Hieß das…, dann waren sie allein in der Wohnung? Und dann was?

 

„Ok“, erwiderte er also. „Ich sollte mich auch nach einer neuen Wohnung umsehen.“ Wahrscheinlich wollte sie ihm damit einen Wink geben, dass er auch langsam mal was finden sollte.

 

„Äh… ja.“ Sah sie verschlossen aus? Hatte er etwas Falsches gesagt?

 

„Wir könnten natürlich auch weiterhin eine seltsame WG haben, Granger“, korrigierte er sich und schenkte ihr ein kleines Lächeln. Sie sah an ihm vorbei, hinunter auf den Grabstein.

 

„Nein. Schon gut.“ Sie nickte ihm noch kurz zu. „Du kommst noch zum Kaffeetrinken zu Harry und Ginny, richtig?“ Ehe sie gehen konnte, hatte er sie am Handgelenk aufgehalten.

 

„Danke. Für deine Hilfe“, erklärte er knapp. Sie ruckte unwirsch mit dem Kopf.

 

„Das ist mein Job.“

 

Anscheinend hatte er irgendwo im laufenden Gespräch einen Fehler gemacht. Aber er konnte nicht konstruieren wann oder wo. Er wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, aber jetzt zu versuchen, ihr näher zu kommen, würde wohl fatal enden, nahm er an. Er ließ also von ihr ab.


„Ja, ich komme später“, sagte er also nur und ließ sie gehen. Scorpius hatte noch auf sie gewartet und ging nun mit ihr zusammen. Er war stolz auf seinen Sohn. Und dieser hatte sich sehr an Granger gewöhnt.

 

„Ok, wir sind allein“, murmelte er, zum Grab gewandt. Immer noch hatte er Gregorys Zauberstab. Das Grab blieb stumm. Er hatte gehofft, Gregory würde als Geist zurückgeblieben sein. Aber natürlich war er das nicht. Er war nicht mehr aufgetaucht.

Für gewöhnlich wurde der Zauberer mit seinem Zauberstab begraben.

 

Auch Lucius‘ Zauberstab war nicht mit ihm verschwunden. Er hatte ihn noch in der Tasche des Umhangs. Seine Beerdigung war bereits gewesen. Anonym. So viel hatte Draco ihm gegönnt. Lucius‘ Name sollte nie wieder mit der Familie Malfoy in Zusammenhang gebracht werden können. Nie wieder.

 

Er sah sich um, aber niemand war mehr hier oben auf dem Hügel. Sachte steckte er den Zauberstab in die frische Erde des Grabs. „Requiescat in Pace“, sagte er und ließ den Zauberstab los. Durch die Erde schien ein warmes rotes Licht in den Zauberstab zu fließen, bis er vollständig erleuchtet war.

 

Draco zog ihn mit einem Ruck aus der Erde. Das Licht blieb. „Entschuldige die Störung. Aber wir haben noch einen kleinen Weg vor uns.“ Ja. Einen Weg, um den er seinen besten Freund gebracht hatte. Aber er würde es nachholen. Er machte ein paar Schritte und apparierte dann auf der Stelle.

 

Er erreichte die winzige Ortschaft hinter Sussex nach wenigen Augenblicken, kam drehend zum Stehen und duckte sich hinter blühenden Ginster, während er über die Straße lugte.

 

Das kleine Haus lag friedlich am Ende der Straße. Luftballons schmückten die Bäume im Garten. Eine Horde an Jungen rannte durch den Garten, johlend und voller Freude.

Devons Geburtstag. Vorsichtig schlich er sich über die Straße, darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Er wandte sich um, ob niemand kam, und als er den Kopf zurückwandte, stieß er fast mit ihr zusammen. Im Arm trug sie einen Korb, voll mit Süßigkeiten und Kleinigkeiten, die einem Kind den Magen bestimmt verderben konnten.

 

„Entschuldigen Sie“, sagte sie freundlich und musterte seine Erscheinung ganz kurz mit einem Hauch Skepsis, so wie es die meisten Muggel taten, wenn sie zufällig einen Zauberer im Umhang sahen. In ihrem Gesicht lag kein Wiedererkennungswert. Natürlich nicht. Draco hatte ganze Arbeit geleistet.

 

„Kein Problem“, gab er schließlich zurück. Sie war älter geworden. Natürlich. Aber er sah es ihr nicht an. Er sah dieselbe Pansy wie zur Hochzeit von ihr und Gregory. Wäre sein Herz nicht schon längst zerfetzt und kälter geworden, hätte er geweint. Die Pansy, die ihm im fünften Jahr ihre Liebe gestanden hatte. Die Pansy, mit der er sein erstes Mal gehabt hatte. Die Pansy, die seinen besten Freund geheiratet hatte, weil er ihre wahre Liebe gewesen war.

 

Die Pansy, die Gregory hatte schützen wollen, weil die Todesser hinter ihr her waren, weil die Goyles in Verbindung mit den Malfoys gestanden hatte. Die Pansy, für die er ein neues Leben gefunden hatte. Gregory hatte nie wissen wollen, wen sie geheiratet hatte. Er hatte aber selbst vorgeschlagen, Pansy ein Leben zu geben, ohne Angst. Ohne Sorge. Ein Leben, von dem sie glaubte, es wäre das gewesen, was sie immer hatte führen wollen. Er hatte ihre Magie genommen, Devons Magie genommen, und hatte sie glauben lassen, sie wäre seit der Middleschool mit Rupert Green zusammen gewesen und wäre auch von genau diesem Mann schwanger geworden. Den Namen Goyle hatte er aus ihrem Gedächtnis verbannt. So wie den Namen Malfoy. Sowie Hogwarts, Voldemort, Todesser – alles.

 

Mit einem höflichen, aber aussagelosen Lächeln, verschwand sie durch das Gartentor im Garten. Die Jungen stürmten auf sie zu.

 

„Mum!“, schrie Devon, der fast so pausbäckig und freundlich wie Gregory aussah, als dieser zehn Jahre alt war. „Endlich!“

 

„Er sieht aus wie du“, flüsterte Draco, während er sich unauffällig bückte. Mit Lucius Zauberstab teilte er die Erde im Garten der Greens. Er ließ Gregorys Zauberstab in das schmale Loch gleiten und verschloss es wieder mit Erde. Die Erde glühte auf, als sich der Zauberstab erdete, Gregorys Seele einbettete, und diese sich im Bruchteil einer Sekunde ausbreitete, und das Gras vor dem Haus für einen Moment aufzuleuchten schien.

Ganz schwach. Ganz kurz. Als wäre es von der Sonne geküsst worden.

 

Draco erhob sich wieder.

 

Der Mann kam aus dem Haus, auf Devon zu. Draco wollte ihn nicht sehen. Er hatte vor Jahren schon genug Zeit darauf verschwendet einen geeigneten, netten, unaufregenden Muggel zu finden. Er wollte nicht sehen, wie der falsche Vater, seinen Sohn an seinem Geburtstag auf die Arme hob.

 

Er musste es auch nicht sehen.

 

„Leb wohl“, sagte er sehr leise, ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

Er wusste, er würde nicht mehr wiederkommen. Er hatte einen neuen Ort, an dem er sein wollte. Er konnte die Vergangenheit hinter sich lassen. Die Toten hatten ihren Frieden.

Er musste sich um die Lebenden kümmern. Solang sie ihm noch nicht den Rücken zugewandt hatten.

 

Das war der neue Plan.

 

Und jetzt wollte er nach Hogsmeade. Aus einem sehr bestimmten Grund.

 

~*~

 

Es war ein Gefühl, dass er nicht kannte. Er war es nicht gewohnt. Er hatte es zuerst gar nicht gemerkt. Erst jetzt, als es für einen Moment ruhiger geworden war.

Sein Blick hing an den Bildern und Fotos über dem Kamin. Ein Paar tanzte im Schnee. Zuerst dachte er, es wären Harry und Ginny. Aber bei näherem Hinsehen, fehlte die Ähnlichkeit zu Ginny Potter. Wahrscheinlich waren es Harrys Eltern. Sie waren schon lange tot.

Daneben standen Fotos von dem Ort, an den er sich nur selten zu denken erlaubte.

 

Hogwarts musste ein Schloss sein. Zuerst hatte er es mit dem Waisenhaus verglichen, und war sich sicher, dass Hogwarts unter keinen Umständen besser sein könnte.

Mittlerweile, je mehr er zufällig hörte, oder je mehr Fotos er sah – die sich magisch bewegten – umso mehr, stach es in seinem Innern.

Es war Neid. Gemischt mit einer Art Trauer. Er wusste, warum sein Vater so gehandelt hatte.

Und er war ernsthaft froh, noch einen Vater zu haben.

Er wusste beim Beispiel Harry, dass manche Menschen sehr viel Pech hatten und irgendwann doch glücklich wurden.

 

Dies heute war seine erste Beerdigung gewesen. Vor allem war sie magisch gewesen. Es war aufregend und sehr traurig zugleich. Gregory war einer der wenigen Zauberer, die er gekannt hatte. Und wieder war es ein Mensch weniger in seinem Leben. Er hatte ihn zwar nicht gut gekannt, aber soweit er verstanden hatte, war es auch einer der wenigen Menschen, die sein Vater noch gehabt hatte.

 

Um den Tod seines Großvaters war es nicht schade.

 

Aus dem Fenster sah er Draco apparieren. Aber er machte keinen weiteren Schritt in den Garten hinein. Er stand einfach nur vor dem Weg, der zum Haus führte, und eine wilde Sekunde lang, dachte Scorpius, sein Vater würde umdrehen, und ihn im nächsten Haus zurücklassen. Aber Draco verschwand nicht. Er stand nur unschlüssig da.

Und Scorpius teilte eine Ansicht ganz und gar nicht. Sein Vater sah nicht so aus wie sein Großvater. Absolut nicht! Er konnte keine Ähnlichkeit entdecken. Aber er fand auch, er sah nicht so aus wie sein Vater.

 

Sein Blick glitt erneut in die Runde. Die Leute hier waren erleichtert, plauderten. Sprachen über die Arbeit, über ihr Leben. James rannte im Haus hin und her, wollte, dass er, Scorpius, mit ihm spielte. Manchmal warf Harry ein, was Scorpius für großartige Arbeit geleistet hatte, wie begabt er war, und dass seine beruflichen Chancen überragend waren.

Und Scorpius hatte bislang nur geglaubt, er könne mäßig lesen und schreiben und hätte seltsame Fähigkeiten, wegen denen er noch eingesperrt werden würde.

 

Er erhob sich schließlich und entschuldigte sich unauffällig. Hermine sah ihn kurz an. Sie konnte Draco nicht sehen, von ihrem Platz, aber er lächelte nur und verließ das Zimmer.

 

Er würde über sie hinwegkommen. Hinwegkommen müssen, denn anscheinend wollte sie Draco. Sie wollte seinen Vater. Was… vom Alter her verständlich war.

 

Er schüttelte den unangenehmen Gedanken schließlich ab, öffnete die Tür, und sein Vater hob den Blick. Scorpius schritt langsam auf ihn zu.

 

„Hast du erledigt, was du erledigen wolltest?“, fragte er also schließlich, immer noch etwas unbeholfen, denn eigentlich kannte er diesen Mann nicht gut. Und dass, was er wusste, kannte er nur unter besonders schlechten Umständen.

 

„Ja“, bestätigte sein Vater knapp.

 

„Und… kommst du nicht rein?“ Draco sah ihn undurchdringlich an.

 

„Wir sollten uns nach einem Haus umsehen“, schlug dieser jetzt aus heiterem Himmel vor.

 

„Was? Was ist mit Hermine?“ Er hatte gar nicht so offensichtlich schockiert klingen wollen.

 

„Willst du ihre Gastfreundschaft etwa noch länger strapazieren? Sie hat sich wohl genug um uns gekümmert.“ Ja. Draco hatte recht.

 

„Ihr… wollte also nicht zusammen sein?“ Scorpius verstand das alles nicht wirklich. Er hatte geglaubt, wenn man jemanden mochte, dann war man auch mit ihm zusammen.

Draco schenkte ihm einen Blick, der wohl bedeuten sollte, dass ihm keine weiteren Fragen mehr über dieses Thema zustanden. „Da wird sie mächtig enttäuscht sein“, fügte er leiser hinzu.

 

Draco atmete aus und bewegte sich noch immer nicht.

 

„Du willst nicht mal reinkommen?“

 

„Doch. Scorpius, ich habe mir etwas überlegt. Und es ist vielleicht gewagt und nicht durchsetzbar, aber alles, was du verlieren würdest, wäre ein Jahr.“ Scorpius war sofort alarmiert.


„Was? Was hast du dir überlegt? Du willst mich abschieben? Du willst wieder gehen? Was ist dein Plan? Du kannst mich nicht einfach weggeben, wenn es dir gerade passt und-“

 

„Nein“, unterbrach ihn sein Vater streng. „Du bist hochbegabt. Und… es wäre eine Schande, wenn du Hogwarts nie von innen gesehen hättest, oder?“ Hatte er… richtig gehört? Das konnte sein Vater nicht ernst meinen!

 

„Aber… das ist doch gar nicht möglich…“, flüsterte Scorpius. „Ich wurde nicht eingeschult. Ich… bin zu alt“, schloss er bitter.

 

„Es gibt immer Möglichkeiten für einen Malfoy“, erklärte sein Vater lächelnd. „Ich müsste ein paar Dinge klären, dann…“ Er hob die Arme in einer freien Geste empor. „Dann müsstest du nur Ja sagen und dich sehr, sehr anstrengen.“ Scorpius nickte, ehe sein Vater geendet hatte.

 

„Ja! Ja, absolut, Dad!“ Es entfuhr ihm immer häufiger. Das Wort, was ihm nicht geläufig war. Und auch seinem Vater schien das Wort unbekannt zu sein. Aber er hatte das Gefühl, jedes Mal, wenn er es sagte, zuckten die Mundwinkel seines Vaters.

 

„Verzeih mir, bitte“, entschuldigte sich Draco jetzt mit beschlagener Stimme. „Ich hätte dich niemals alleine lassen sollen. Es war ein Fehler von mir.“ Scorpius hatte seinen Vater nur weinen gesehen, als er den Arm seines toten Freundes aus dem Schutt des gruseligen Hauses hatte ziehen wollen. Jetzt waren keine Tränen zu sehen. Nur echte Schuldgefühle. Scorpius schüttelte leicht den Kopf.

 

„Du bist jetzt hier“, erwiderte er ruhig. „Und du gehst nicht mehr?“ Es sollte keine Frage sein. Aber es war dennoch eine. Draco schüttelte den Kopf. Sehr bestimmt sogar.

 

„Oh nein. Ich gehe nicht mehr“, bestätigte er. Scorpius wollte die Hand ausstrecken, hielt aber in der Bewegung inne und überlegte es sich anders. Sein Vater schloss ohne Umstände den Abstand, zog ihn in eine sehr feste Umarmung, die ihm die Luft aus den Lungen presste, und Scorpius erlaubte es sich, sich von seinem Vater halten zu lassen.

Für einen Moment schloss er die Augen.

 

Er war nicht mehr allein. Er hatte einen Dad.

 

 

Kapitel 17

Love, Love, Love…

 

Das Haus war riesig. Viel zu groß für zwei, fand sie. Aber sie hatte noch genug andere Sorgen. Sie konnte nicht alle auf einmal äußern.

Er hatte sie gebeten, zu helfen. Deswegen war sie hier. Sie hätte nein sagen können, aber es war Samstag. Sie hätte Arbeit nicht vorschieben können. Natürlich hätte sie sagen können, dass sie auch mal entspannen wollte, aber das wäre gelogen, denn dann hätte sie ohnehin nur an ihn und Scorpius gedacht.

 

„Was denkst du?“ Draco führte sie von Zimmer zu Zimmer. Ein riesiges Wohnzimmer mit angrenzendem Salon zur Küche. Elfen in hübscher Kleidung kochten bereits, und sie ignorierte die Arbeitsverträge, die Draco wohl mit voller Absicht auf einer Kommode drapiert hatte. Danach folgte ein Arbeitszimmer, zumindest nahm sie das an, vom Schreibtisch her zu urteilen, und dann ein Gästezimmer mit angrenzendem Bad.

 

Eine Treppe führte nach oben, und dort entdeckte sie noch zwei Bäder mit Wannen, Duschen, und viel zu viel Platz! Ihre Wohnung hätte in die Badezimmer gepasst. Scorpius Zimmertür war verschlossen, und Musik tönte aus dem Innern.

 

„Er ist wohl schon eingezogen“, mutmaßte sie lächelnd. Alles war noch etwas spärlich eingerichtet, aber Draco schaffte wohl mehr und mehr Sachen an. Sie kamen an einem weiteren Gästezimmer vorbei, und die Tour endete in einem riesigen Zimmer, mit Flügeltüren auf einen mächtigen Balkon, der einen Blick in einen schönen Garten hatte.

Nicht so groß wie Malfoy Manor. Überschaubar gerade zu, obwohl auch dieser Garten zehnmal so groß war, wie ihre Wohnung.

 

„Du legst dein Gold gut an, Malfoy“, sagte sie schließlich, als sie vor den Flügeltüren stand.

 

„Willst du raus?“, erkundigte er sich, vergrub die Hände in den Taschen, und sie schüttelte den Kopf. Neben dem großen Bett stand ein Rechteck, bedeckt mit einem weißen Tuch.

 

„Was ist da drunter? Ein gruseliges Familienportrait?“, fragte sie lachend, und mit einer schnellen Bewegung hatte er das Tuch abgenommen. Sie erkannte Astoria sofort.

Sie saß auf einem feinen Stuhl, und Draco stand neben ihr. Ein sehr junger Draco.

 

„Ich habe keinen weiteren Fotos von ihr“, erklärte er. „Aber ich halte dieses Bild auch nicht für unbedingt passend für dieses Zimmer.“

 

„Nein? Deine Wände sind alle noch frei“, bemerkte sie, mit einem Blick in die Runde.

 

„Ich bin sicher, dir würde es gefallen, wenn sie hier hängen würde, und uns anstarrt?“, vermutete er spöttisch, und sie sah ihn stirnrunzelnd an.

 

„Und wenn schon? Meine Meinung ist wohl nicht gefragt.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er verhängte das Portrait wieder.

 

„Granger, wofür habe ich ein ganzes Haus, wenn dir kein einziges Zimmer gefällt?“, wollte er langsam wissen, und kam wieder näher. Sie sah ihn an. Was?! Was sagte er da?

 

„Mir… gefällt?“, wiederholte sie verdutzt, aber er nickte wie selbstverständlich.

 

„Wem sonst?“ Er schritt zum Schrank. „Und das hier…“, er öffnete die beiden großen Türen, „sind auch nur Vorkehrungen, aber für den Fall, dass du öfter zu Besuch kommen wirst…“ Er deutete auf die leeren Fächer. Es war exakt symmetrisch aufgeteilt. Seine Sachen belegten die linke Seite und die Hälfte des Platzes an der Stange im Schrank. Die andere Hälfte der Stange war frei, sowie auch die rechte Seite der Regalböden.

 

Sie starrte ihn an. „Was soll das bedeuten?“

 

„Du kannst natürlich auch aus deiner Tasche leben“, schlug er ihr vor.

 

Was? Sie verstand nicht richtig. Er schien das zu sehen. Er schloss also den Abstand zu ihr, und sein Ausdruck war so viel ruhiger geworden. Er schien nicht mehr wütend. Er war ein anderer Draco Malfoy. Einer, der nicht auf der Flucht war. Einer, der sich um seinen Sohn kümmerte, einer, der ein Haus kaufte, Hogwarts besuchte, seinen Sohn als für das letzte Jahr eingeschrieben hatte, und einer, der ins Ministerium marschierte und sich für jeden Job bewarb, der zu machen war.

 

Sie mochte diesen Draco Malfoy. Diesen, der ihr in seinem Zimmer einen halben Schrank frei gemacht hatte. Der anscheinend kein Haus für zwei Personen, sondern für drei gekauft hatte. Ihr Herz klopfte viel zu schnell, denn sie wusste immer noch nicht, ob sie das richtig verstanden hatte.

 

„Ich… bin es nicht mehr gewöhnt, alles zu erklären, was ich tue. Aber…Scorpius und ich würden uns sehr freuen, wenn du erwägen könntest, eine oder mehrere Nächte die Woche, hier zu wohnen. Wahrscheinlich ist das nicht vollständig ersichtlich gewesen?“, vermutete er grinsend.

 

„Wie viele Nächte die Woche?“, fragte sie mit erstickter Stimme und schüttelte bereits ungläubig den Kopf. Er tat so, als würde er überlegen.

 

„Für den Anfang… wie wäre es mit… sieben?“ Seine blauen Augen betrachteten ihr Gesicht eingehend, und ihr wurde heiß unter seinem Blick. Und ihre Mundwinkel gingen nach oben, ohne dass sie es kontrolliere konnte. Sie schüttelte sofort heftig den Kopf.


„Nein! Das ist völliger Wahnsinn, Draco! Ich ziehe ganz bestimmt nicht in euer Haus! Und ich kann meine Sachen unmöglich hier unterbringen! Vor allem, was denkst du? Dass wir hier einfach wohnen können? Man kann sich nicht zurückziehen und-“

 

„Für dich ist eine Bibliothek mit Balkon im Nebenzimmer“, unterbrach er sie, während er immer näher und näher kam. Ihre Worte erstarben, aber ihr Mund öffnete und schloss sich weiterhin.

 

„Nein, ich… du-“

 

Mit einem Lächeln hatte er den Kopf geneigt, verschloss ihre Lippen, und seine Hände zogen sie einfach an seinen Körper. Sie schnappte nach Luft, und ihr Bauch schien zu explodieren. In ihrer Mitte zog es angenehm, und ohne weiter nachzudenken, legten sich ihre Hände um seinen Nacken.

 

Seine Zunge glitt fordernd zischen ihre Lippen, er stöhnte ungehalten, und Schmetterlinge tanzten in ihrem Innern so wild, dass sie schwarze Punkte vor den geschlossenen Augen sah.

 

„Hm… einfach Tür zu machen!“, hörte sie eine amüsierte Stimme. Sie fuhren auseinander. „Hey, Hermine. Vorschlag also angenommen?“, erkundigte sich Scorpius mit einem Blick auf seinen Vater. Hermine senkte die geröteten Wangen

 

„Ich denke mal, das geht dich im Moment wirklich nichts an, Scorpius!“, fuhr ihn Draco an.

 

„Hey, du hast gesagt, wir gehen heute los! Wie lang soll ich noch warten?“, entgegnete der Junge und sah aus, wie ein trotziger junger Draco. Faszinierend, wie ähnlich sie sich waren. Ob Scorpius das überhaupt sah? Sie konnte nicht sprechen.

 

„Ich komme sofort“, knurrte Draco. Scorpius schloss mit einem leichten Grinsen die Tür.

 

„Ja, sicher. Beeilt euch!“, fügte er noch hinzu, und Hermine schlug die Hände vors Gesicht.

 

„Oh, das war so peinlich!“

 

„Unsinn“, erwiderte Draco, zog sie wieder an sich, und sie hob den Blick. „Also?“ Wieder runzelte sie die Stirn, und war noch nicht vollständig zurück auf der Erde angekommen.

 

„Also was?“, fragte sie leise.

 

„Vorschlag angenommen?“ Ihr Mund öffnete sich langsam. Vorschlag angenommen? Dass sie hier wohnen würde? Anscheinend wollten das beide Männer im Haus so. Aber… gut, sie war gerade verliebt in Draco Malfoy, aber… würde sie hier wohnen, wäre es doch permanent! Sie müsste ihre Wohnung aufgeben, sie müsste sich bereit erklären, dass sie das hier auch wollte. Draco und Scorpius. Dass sie… ein Pärchen waren. Dass sie zusammen waren! Sie wusste noch nicht mal, wie er im Bett war.

 

Vielleicht war er grausig schlecht, und wollte sie deshalb austricksen, und von ihr verlangen vorher eine Entscheidung zu treffen!

 

Er hatte den Kopf schräg gelegt und sah sie mit seinem wunderschönen Gesicht an. Und egal, was sie auch glaubte, was der Haken sein werden würde – sie nahm an, Schlafzimmerprobleme wären kein Punkt auf ihrer Liste. Seine Augen hatten wieder ihre Lippen fixiert. Selbst ihre Zehenspitzen kribbelten.

 

„Ich… weiß nicht…“, flüsterte sie ehrlich.

 

„Du hast Angst?“, vermutete er ruhig und sah ihr wieder in die Augen. Sie nickte. „Vor mir?“ Sie schüttelte langsam den Kopf. „Ok. Überleg es dir einfach, ja?“, endete er schließlich, und strich ihr eine Strähne hinter ihr Ohr. „Ich gehe nirgendwohin. Ich warte gerne. Wenn ich denn auf dich warten kann“, fügte er hinzu und lächelte wieder.

 

„Verfluchst du mich und schließt mich ein, wenn ich nein sage?“, wollte sie schließlich wissen, und ein Hauch Schuldgefühl erfüllte sein Gesicht.

 

„Wäre möglich“, erklärte er mit einem entschuldigenden Grinsen. Sie schlug ihm leicht auf die Schulter.

 

„Du kannst das nicht jedes Mal machen, Draco!“ Sie wollte ihm deswegen ohnehin noch mal die Meinung sagen. Er zog den Zauberstab aus seiner Tasche und warf ihn demonstrativ auf einen Sessel in der Ecke und hob die Hände in die Höhe.


„Unbewaffnet, Granger!“, erklärte er lächelnd. Sie verdrehte die Augen.

 

„Und du denkst, das überzeugt mich?“ Und jetzt wurde sein Lächeln anders. Irgendwas funkelte in seinen Augen.

 

„Ich meine mich zu erinnern, früher habe ich anders überzeugt…“, erwiderte er mit rauer Stimme. Wieder machte ihr Herz einen Satz. Diesmal einen gefährlichen, denn allein sein Blick schien sie auszuziehen.

 

„Draco…!“, begann sie warnend, aber sein Lächeln vertiefte sich nur eine Spur, als er die Hände wieder auf ihre Taille legte.

 

„Ja, Hermine?“

 

Und die Art wie er ihren Namen sagte…! Plötzlich wollte sie, dass nur noch er ihren Namen so sagte. Genau so! Sie hob den Blick zu seinen Augen, die dunkler geworden waren. Ihre Hände fanden den Weg zu seinem Nacken, und sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Sie küsste ihn heftig und zog ihn näher zu sich.

 

Kurz war er überrascht, aber grollend hatte er die Arme um sie gelegt, hielt sie fest an sich gepresst, und sie glaubte nicht, jemals solche Gefühle gehabt zu haben. So tief in ihrem Innern. So ein Verlangen jemals gespürt zu haben. Einen Mann jemals so dringend gewollt zu haben!

 

Ihre Hände zogen sein Hemd einfach aus der Hose, und wenn er überrascht war, dann überspielte er es gekonnt, denn er ließ sie gewähren, küsste sie nur noch inniger, dass sie fast vergaß, was sie eigentlich tun wollte.

Fahrig öffneten ihre Finger die Knöpfe seines Hemdes, kratzten über seine nackte Brust, und plötzlich war sie unheimlich dankbar, dass er da war. Dass er überlebt hatte. Dass er sie wollte. Ihre Hände fuhren wieder hoch zu seinem Nacken, und sie schmiegte sich an seinen bloßen Oberkörper.

 

Er löste sich von ihren Lippen. „Vielleicht sollten wir erst…“ Aber er unterbrach sich selbst, als er in ihre Gesicht sah. „Nein. Vergiss es. Wir sollten genau das tun“, fügte er heiser hinzu. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn ansehen musste, aber anscheinend so, wie eine Dame keinen Herrn anzusehen hatte. Sofort hatten seine Finger ihr Shirt gegriffen, zogen es über ihren Kopf, und seine Lippen verbrannten die Haut auf ihrem Oberkörper, als er den Kopf neigte, um sie zu küssen. Ihre Schultern, ihr Schlüsselbein, ihren Brustansatz. Sie musste die Augen schließen, denn seine Berührung war absolut perfekt.

 

Sie biss sich hart auf die Lippe, und verdrängte, dass sie nicht alleine im Haus waren, dass sie Orte hatten, wo sie sein sollten, dass das hier gerade jetzt absolut nicht der richtige Zeitpunkt war. Seine Finger öffneten ihren BH. Und er schien nichts verlernt zu haben, stellte sie fest, als er ihre Brustwarze in den Mund sog, und diese sich sofort aufrichteten. Das Gefühl war unbeschreiblich, und damit sie nicht stöhnte, biss sie sich so fest auf die Lippen, dass es weh tat.

 

Sie konnte nicht warten! Sie öffnete seine Hose beinahe hastig, riss ihm das Hemd praktisch von den Schultern, und auch er schien sich kaum noch beherrschen zu können, als er sie einfach auf die Arme hob und zum Bett brachte. Er legte sie ab und war sofort über ihr.

Ganz bestimmt trug sie den fließenden beigen Rock nicht, damit der Zugang einfacher war, aber jetzt war sie durchaus dankbar für diese Entscheidung. Ihr Herz raste, sie wollte einfach wieder seine Lippen spüren, und hatte wieder in seinen Nacken gegriffen.

 

Seine Hände schoben ihren weichen Rock einfach nach oben, berührten die Innenseiten ihrer Schenkel, und sie stöhnte unterdrückt in seinen Mund, als seine Finger auf die verräterische Nässe ihres Höschens trafen.

Er riss sich von ihr los, und schwer atmend sah er sie an.

 

„Ich sollte… wir sollten… mehr Zeit“, brachte er abgehackt hervor. Sie schüttelte nur den Kopf, denn sie hielt den Druck, die Spannung und die Lust jetzt schon kaum noch aus.

 

„Draco, bitte“, brachte sie nur hervor. Sie sah ihn schlucken, sah, wie er es sich anders vorgestellt hatte. Wie er unzufrieden war, über den Hergang dieses Ereignisses, und fast hätte sie gelacht. „Ich will dich jetzt!“, fügte sie leiser hinzu. Sie sah, wie sich seine Atmung beschleunigte, spürte plötzlich eine ungeahnte Härte zwischen ihren Beinen, und geistesgegenwärtig zog sie die Hose über seine Hüften. Er half ihr bei der Shorts, und sie wagte nicht, sich die Größe und die Härte anzusehen, die sie spüren konnte.

 

Das war sie nicht gewöhnt gewesen, in den letzten Jahren, war alles, was sie denken konnte.

 

Er zog ihr Höschen ihre Beine hinab, ohne sie aus den Augen zu lassen. Es störte sie nicht mal, dass ihr Rock lediglich hochgeschoben war. Nein, es machte sie tatsächlich an, dass er sich kaum beherrschen konnte. „Bitte“, flehte sie fast, als er ihr immer näher kam.

Sie spürte sein raues Lachen an ihrer Kehle, als er ihren Hals küsste.

 

„Du bringst mich um“, flüsterte er grinsend gegen ihre Haut. Sie schloss ungeduldig die Augen, fuhr durch seine dichten Haare, griff erneut nach seinem Nacken und zog ihn zu einem hungrigen Kuss zu sich. Und als sie sich ihm erneut entgegen bog, spürte sie, wie er mit einem Grollen in sie drang. Mit einer fließenden Bewegung. Einem einzigen Stoß.

 

Sie dehnte sich ungeahnt. Er füllte sie aus, und sie keuchte überrascht in seinen Mund. Der Kuss wurde langsamer, intensiver, und sie konnte nicht abwarten, dass er sich schneller bewegte. Sie hatte keine Zweifel mehr! Im Bezug auf gar nichts! Er sollte sich bewegen!

 

Und langsam zog er sich zurück, stieß wieder nach vorne in sie, seine Hände griffen hart um ihre Hüften, pressten sie wieder und wieder gegen sich, und sie spürte eine Hitze in sich aufkommen, als sie seinem Rhythmus begegnete. Sie vergaß, wo sie war. Sie vergaß, wer sie war, als er sich plötzlich auf seine Hände stützte, den Kopf nach oben riss und härter in sie drang. Ihre Beine schlangen sich wie von selbst um seine Hüften, ihre Fingernägel kratzte über seinen Rücken, seine Schultern, bis sie scharf die Luft einzog und sich in das Laken krallen musste. Sie bog sich ihm entgegen, als die Wellen ihres Orgasmus sie erzittern ließen. Sie hatte längst vergessen, wie es sich anfühlte.

 

Wie gut sich guter Sex anfühlte!

 

„Draco!“, keuchte sie erstickt, und er schien sich nicht mehr halten zu können, brach auf ihr zusammen, schloss die Arme fest um ihren Körper, stieß noch härter in sie, gab sie noch nicht aus ihrem Orgasmus, ihren Höheflügen, frei, bis er das letzte Mal grollend nach vorne stieß und seinen Kopf in ihren Haaren vergrub.

 

Die Muskeln unter ihren Fingern zitterten, als er kam. Und für einen Moment bewegten sie sich nicht, hingen ihren Gefühlen nach, und sie wartete, bis sich sein Atem beruhigte.

Er hob langsam den Kopf, um sie anzusehen. Er schluckte schwer, und sein Blick wirkte glasig. Sie fuhr ihm durch die wirren blonden Haare, strich mit dem Finger über seine geschwollene Unterlippe, und sein Blick war so irritierend ehrlich und aufrichtig, dass sie Schauer befielen.

 

Und wusste Merlin, woher die Worte kamen! Sie schob es auf alles, nur nicht auf ihren Verstand! Sie bereute sie noch, ehe sie sie ausgesprochen hatte – denn nur emotionale Mädchen taten dies!

 

„Ich liebe dich, Draco“, flüsterte sie unheimlich leise. Seine Pupillen weiteten sich ganz kurz. Zu kurz. Der Moment war schon wieder vorbei. Aber sie wusste, sie hatte es sagen müssen. Sie wusste, wie dumm es war. Vor allem nach Sex! Wieso hatte sie nicht ihren Mund gehalten? Sie schloss die Augen, spürte die Röte in ihren Wangen deutlicher und bedeckte ihre Augen mit der Hand.

 

„Entschuldigte, das war absolut… dämlich… ich…“, begann sie stotternd, aber sie spürte seinen Zeigefinger auf ihren Lippen.

 

Shht“, befahl er leise. Er schob die Hand von ihren Augen, und sie öffnete sie wieder einen Spalt.

 

„Ehrlich, ich bin nicht so!“, erklärte sie eilig. „ Weißt du was, ich nehme es zurück! So! Es ist nichts passiert. Wir hatten den besten Sex der Welt, ich hab meine Klappe gehalten, und es ist absolut nichts passiert! Ich hab nichts gesagt, ok? Ich-“

 

Grinsend hatte er mit seinen Lippen ihren Mund verschlossen. Seufzend schloss sie die Augen. Er löste sich wieder von ihr, und seine Hand strich über ihre wirren Locken.

 

„Nimm es nicht zurück. Ich habe noch nie etwas Schöneres gehört“, murmelte er, küsste ihre Wange, ihre Nasenspitze und wieder ihre Lippen. Oh Gott! Das war unheimlich peinlich! Sie war ein Weichei.

 

Aber… sie wusste nur… unterm Strich wollte sie es nicht mal zurücknehmen. Sie meinte die Worte ernst. Und sie beschloss, innerlich nicht vor Scham zu sterben, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn sanft.

 

 

Kapitel 18

Hogwarts

 

 

Scorpius musste mittlerweile so oft die Augen verdreht haben, dass selbst Draco es merkte. Ja, seine Hand hatte immer wieder Hermines gefunden, er fand immer wieder einen Weg, sie zufällig zu berühren, den Arm um sie zu legen, sie einfach nicht in Ruhe lassen zu können. Er hatte vergessen, wie es war. Er hatte vergessen, wie es sich anfühlte, jemanden zu wollen. Immer nur, die ganze Zeit über!

Er konnte nicht mal für eine Minute den Blick von ihr wenden. Ihrem perfekten Gesicht, ihren geschwungenen Lippen, ihren Fingern, ihrem Körper.

 

„Mr Malfoy?“ Ertappt wandte er den Blick nach vorne.

 

„Ja, ich denke… der Nimbus 2020 ist erst mal eine gute Wahl“, erklärte er.

 

„Einmal den Nimbus?“, erkundigte sich der junge Verkäufer eifrig, und Draco überlegte, während sein Daumen über Grangers Handrücken strich und Kreise malte.

 

„Zweimal, bitte.“

 

„Du fliegst mit mir?“, wollte Scorpius grinsend wissen, und Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Sicher. Wozu war man Kapitän!“, erklärte er lapidar, und Scorpius betrachtete voller Ehrfurcht die Besen, die gerade eingepackt wurden.

 

„Fliegt Hermine auch?“, wollte er jetzt wissen, aber Draco musste lächeln.

 

„Oh ja, lass uns das herausfinden. Hermine?“ Sie warf ihm einen bösen Blick zu, entzog ihm aber nicht ihre Hand. „Nein, Hermine fliegt nicht“, fügte er versöhnlicher hinzu.

 

„Hast du sonst alles? An alles gedacht?“ Sie musterte Scorpius streng.

 

„Ja, ich… denke schon. Papier, Federn, Kleidung, Roben, Bücher…“ Aber Scorpius klang nicht glücklich.

 

„Was ist los?“, fragte sie leiser.


„Nichts“, log sein Sohn. Draco wusste, was es war. Es konnte nur eine Sache sein. Sein Sohn hatte Sorge. Er hatte Angst.

 

Er hatte so viel gelernt in den letzten Wochen, dass er ihn kaum zu Gesicht bekommen hatte. Hermine hatte ihm zwar versichert, dass er gut vorbereitet war, zumindest in den wichtigsten Fächern, dass er bestimmt im letzten Jahr alles nötige aufholen konnte, um einen mehr als annehmbaren Abschluss hinzulegen, aber Scorpius hatte natürlich Sorge.

Aber er war so begabt, dass sich Draco keine Gedanken machen müsste.

 

Sie verließen den Laden mit dem vorzeitigen Geburtstagsgeschenk seines Sohnes.

 

„Die werden mich hassen“, erklärte Scorpius draußen. Er blickte an sich hinab. „Das sind viel zu teure Klamotten, Dad“, warf er ihm jetzt vor. „Die schlagen mich doch zusammen, wenn ich da hin komme, mir rausnehme, am letzten Jahr einfach teilzunehmen, auch noch ins Quidditchteam will, mit dem verdammt teuersten Besen aus dem Geschäft!“ Er lief eilig einige Schritte vor. Draco runzelte die Stirn.

 

„Sehr seltsam“, sagte er gedehnt, und er und Hermine folgten Scorpius die Straße hinab.

 

„Was? Dass ein Malfoy von Reichtum abgeneigt ist?“

 

„Dass er sich nicht auch über sein vorzügliches Aussehen beschwert“, bemerkte Draco grinsend. Sie schlug ihm leicht in die Seite.

 

„Das ist jetzt nicht leicht für ihn.“

 

„Natürlich nicht. Aber er ist ein Malfoy. Wir sind das gewöhnt. Er wird zurecht kommen“, schloss er. „Kein Grund, sich jetzt schon fertig zu machen“, fügte er ruhiger hinzu.

 

„Und ich will nicht nach Slytherin!“, beschwerte sich sein Sohn jetzt lautstark. Draco musste lachen.


„Oh, ich denke, daran können wir nichts ändern.“ Scorpius schoss ihm einen bösen Blick zu.

 

„Nur Idioten waren dort!“, rechtfertigte sich Scorpius.

 

„Dann bist du eben der erste Nicht-Idiot“, gab Draco zurück. „Bevor wir gehen, müssen wir noch deine Bescheinigung abholen.“ Scorpius sah ihn an.

 

„Meine Bescheinigung?“ Er klang beunruhigt.


„Ja. Die Bescheinigung, dass du vor einem Monat bestätigt hast, in der magischen Gesellschaft aufgenommen worden zu sein, und dass du ein Zauberer bist, durch Vorhandensein deiner Zaubererurkunde“, erklärte Draco ernst. Scorpius starrte ihn an.

 

„Meine was? Ich hab so was nicht, Draco! Ich hab so was nie bekommen! Siehst du, ich hab dir gesagt, es funktioniert alles nicht, verdammt!“, schrie er wütend, und Draco musste lauter lachen.


„Das war ein Witz, Scor“, erwiderte er grinsend. Sein Sohn kam auf ihn zugestürmt, und Hermine wich zur Seite aus. Scorpius boxte ihn in die Seite, und Draco lachte noch mehr. „Du bist wirklich leicht zu beeinflussen!“ Scorpius schubste ihn noch einmal, fluchte laut, und fuhr sich dann durch die Haare, als er sich wieder gefangen hatte.

 

„Also, wir holen die Bescheinigung, dass du apparieren kannst. Du hast doch nicht gedacht, wir begleiten einen so alten Jungen noch zur Schule, oder?“ Er sah, wie Scorpius wieder die nackte Panik ins Gesicht geschrieben stand.

 

„Draco!“, maßregelte Hermine ihn jetzt gereizt, und Scorpius stöhnte wütend auf.

 

„Du bist so blöd!“, knurrte er und warf ihm einen bösen Blick zu. Draco musste schon wieder grinsen, aber sein Sohn ignorierte ihn ab jetzt völlig.

 

„Du musst im Ministerium eben beweisen, dass du apparieren kannst, ohne dich zu zersplittern, und dann bekommst du den Apparierschein dafür. Dann bringen wir dich nach Hogwarts. Zusammen“, erklärte Hermine streng. Scorpius warf ihm einen prüfenden Blick zu, ob das nun auch wieder nicht stimmte, aber dieses Mal beherrschte sich Draco. Er hätte Scorpius gerne viel früher nach Hogwarts gebracht. Dann, als es sich gehört hatte. Es tat ihm leid, dass sein Sohn jetzt viel mehr Aufmerksamkeit bekommen würde. Negative.

 

Aber er wäre schon stark genug, sich nicht unterkriegen zu lassen. Das wusste Draco schließlich.

 

„Ok. Dann mal los“, erwiderte Scorpius tapfer.

 

~*~

 

„Dann zeigen Sie mir mal den Zauber, von dem Sie glauben, dass Sie ihn am besten beherrschen, Mr Malfoy.“ Er spürte, wie er sich immer wieder auf die Lippe biss, sich immer wieder durch die Haare fuhr, und sich überhaupt nicht wohl fühlte. Die alte Dame sah ihn über ihre Brille hinweg durchgehend an, mit Augen, die ihn an dieselben neugierigen Augen einer Katze erinnerten.

 

Er hatte ihren Namen wieder vergessen. Oh Gott, nein! Ronagagoll? McNogarall? Verdammt.

 

„Ok?“, begann er zögerlich.

 

Das große Büro, in dem sie standen, war rund. Es war sehr seltsam. Und er kannte keine weiblichen Schulleiter. Aber anscheinend war diese Frau besonders klug, oder besonders mächtig. Er wusste immerhin zusagen, dass sie bestimmt besonders alt sein musste.

Aber so was äußerte man wohl besser nicht laut.

 

Ihm fiel plötzlich kein Zauber mehr ein. Kein einziger. Wie ging der Wasserzauber? Aber nein. Wasser wäre… wohl nicht passend. Oder Entwaffnung? Aber niemand hatte einen Zauberstab in der Hand. Vielleicht den Furunkelfluch, den Ron ihm gezeigt hatte – aber… wem sollte er den verpassen? Seiner neuen Direktorin?

 

Er wandte sich hilfesuchend um. Hermine schien genauso nervös zu sein, wie er es war. Aber sein Vater lehnte zufrieden am Schreibtisch der Direktorin, schien sich wohl zu fühlen und betrachtete das Büro, warf Blicke nach draußen auf die Landschaft, und Scorpius wusste, er war nur einen Zauber davon entfernt, aufgenommen zu werden.

 

Er könnte nach draußen apparieren und wieder zurück, denn dank seines Vaters durfte er das jetzt legal tun. Er könnte die Portraits dazu bringen, zu singen, könnte den Schreibtisch klein und wieder groß hexen. Er brachte sogar schon Desillusionierungen zustande.

Der Zauberstab gehorchte ihm, wie ein Diener.

Und er liebte es, zu zaubern.

 

Und plötzlich wusste er den Zauber.

 

Er hatte ihn zwar noch nie ausprobiert, wenn er wusste, dass er funktionieren würde, aber er hatte das Gefühl, dass dieser Zauber angebracht wäre.

 

Und er wandte sich zu Draco und Hermine um.

 

Hermine hatte ihre Sachen nämlich heute ins Haus gebracht. Sie hatte den Elfen erklärt, dass sie viel weniger tun mussten, als sie es jetzt taten. Sie hatte seine Sachen zusammen gelegt, und ihm heute Morgen sogar die Kruste vom Brot abgeschnitten.

Sie hatte ihm über den Kopf gestreichelt, als er völlig versunken, immer wieder dieselbe Zeile im Tagespropheten gelesen hatte.

 

Sein Vater hatte ihm heute einen Besen gekauft, mit dem er würde fliegen können. Fliegen! Wie im Märchen. In einem perfekten Märchen. Mit einem so glorreichen Ende, von er nicht mehr zu träumen gewagt hatte. Noch nie geträumt hatte, wenn er ehrlich war.

Sein Vater wandte den Blick und sah ihn wieder an. Und er lächelte, zwinkerte ihm zu, und Scorpius wusste, er hatte einen Dad.

Einen richtigen Dad.

 

Expecto Patronum!“, rief er also, schloss die Augen, als er die Bewegung vorführte, die Hermine ihm gezeigt hatte, und spürte, wie eine Welle des Glücks durch seinen Körper strömte. Spürte, wie er von seinem Vater umarmt worden war, wie er, durch alles Glück der Welt, eine Familie bekommen hatte, und Freunde wie Ginny und Harry Potter.

 

„Durch und durch beeindruckend, Mr Malfoy! Ich hege keinerlei Zweifel an Ihrem großartigen Weg hier in Hogwarts!“, rief die Schulleiterin anerkennend. Scorpius öffnete die Augen. Er zuckte erschrocken zusammen, als der silberne Schwanz eines riesigen Drachens durch ihn schwebte, während der Drache träge Runden durch das Büro zog. Seine silbernen durchsichtigen Schwingen bewegten sich auf und nieder, erlaubten ihm taumelnde Kreise zu ziehen, und seine müden Augen blinzelten umher.

 

Dann verschwand er durch das offene Fenster und sein silberner Schein flog in die Morgensonne.

 

Hermine kam sofort auf ihn zu gestürzt und drückte ihn an sich.


„Oh, Scorpius! Das war wunderschön! Seit wann beherrscht du ihn?“, fragte sie heftig, während sie ihn immer wieder drückte. Er warf seinem Vater einen Blick zu. Er hatte sich nicht bewegt, stand immer noch am Schreibtisch, und Scorpius konnte seinen Blick nicht deuten.

 

„Seit gerade“, flüsterte er rau. Und sein Vater lächelte. Und er glaubte, er würde gleich weinen. Aber Scorpius sagte sich, dass das wahrscheinlich nur seine Einbildung war.

 

„Kommen Sie näher. Noch eine Sache müssen wir machen“, entschied die Schulleiterin. Sie zückte den Zauberstab, und stumm flog ein alter Hut in ihre ausgestreckten Hände.

 

„Ich habe schon meine Kleidung“, sagte er eilig, bevor er noch mit diesem Hut würde rumlaufen müssen.

 

„Nein, Sie werden jetzt eingeteilt, Mr Malfoy“, erwiderte sie lächelnd. Tausend Lachfalten legten sich um ihren Mund.

 

„Eingeteilt? Meine Eltern waren in Slytherin, meine Großeltern waren in Slytherin… ist das nötig?“


„Wollen Sie denn nach Slytherin? Oder haben Sie eine andere Wahl?“ Er überlegte sehr kurz.

Dann schüttelte er den Kopf.

 

„Nein. Ich will dorthin, wo mein Vater war. Nur dorthin“, wiederholte er ernst. Die Schulleiterin drehte den alten Hut in den Händen.

 

„Nun, bisher ist es noch nie vorgekommen, dass ein Schüler von Hogwarts, den Hut nicht aufgesetzt hat. Aber… so manches ist hier noch nie vorgekommen. Wissen Sie was, Mr Malfoy, Sie haben sich so eben selber eingeteilt. Willkommen auf Hogwarts!“, begrüßte sie ihn lächelnd und schüttelte seine Hand. „Für den Fall, dass Ihnen mein Name Probleme bereitet, McGonagall ist auch der Name eines mäßig talentierten Quidditchspielers der Sheffield Shooters. Wenn Sie nach Ihrem Vater schlagen, werden Sie eine Quiddtchbegeisterung hegen, welche Ihnen beim Namensmerken behilflich sein wird“, erklärte sie augenzwinkernd. Er nickte perplex.

 

„Das war es dann wohl“, bemerkte Draco schließlich.

 

„Ja, Mr Malfoy, Ms Granger. Schön Sie beide zu sehen. Sie wohnen jetzt zusammen?“ Woher die Schulleiterin das wusste, war Scorpius nicht zu erklären, aber anscheinend wusste diese Frau sowieso einfach alles. Hermine nickte und wurde doch rot dabei. Scorpius fand es nicht schlimm, dass sie bei ihnen wohnte. Seine Eifersucht war so gut wie verschwunden. Er hatte jetzt einen Besen! Er konnte nicht erwarten, zu fliegen.

 

„Hier habe ich außerdem Ihren Stundenplan, Mr Malfoy. Vielleicht ein bisschen viel. Ich habe mir erlaubt, sie für Verwandlung, Zaubertränke, Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Kräuterkunde, Zaubereigeschichte und Muggelkunde einzutragen. Mr Potter erzählte mir, dass Sie vorhaben als Auror zu arbeiten?“ Scorpius nickte langsam.

 

„Ja… aber das ist so gut wie unmöglich, richtig?“, erkundigte er sich vorsichtig, und die Schulleiterin schien diese Worte abzuwägen.

 

„Lassen Sie mich es so sagen: Es ist so gut wie unmöglich, dass ein Anfänger auf Hogwarts, der nie gezaubert hat, einen vollständigen Patronus hervorbringen kann.“ Er verdaute diese Worte, begriff, und musste schließlich grinsen.

 

„Ok!“, rief er fröhlich aus. „Vielen Dank, Mrs McGo….“ Mist. Er hatte den Namen vergessen. Er räusperte sich und lächelte verlegen. „Vielen Dank, Professor!“, schlug er einen anderen Weg ein, und wandte sich an seine Familie.

 

Das war das erste Mal, dass er dieses Wort gedacht hatte.

 

~*~

 

Er war zu spät. Viel zu spät. Und Hermine hatte ihm noch gesagt, er sollte bei Professor Longbottom besser nicht zu spät kommen. Mit weiten Schritten lief er über den Rasen. Aber er hatte fasziniert in der Großen Halle gesessen, gegessen und den ellenlangen Brief von seinem Vater und Hermine gelesen.

 

Jetzt stolperte er fast über die Säume seines Umhangs.

 

„Es ist sowieso egal. Du kriegst Punkteabzug, ob du rennst oder nicht“, bemerkte ein Mädchen neben ihm, die ihn anscheinend eingeholt hatte. Sie hatte einen langen dunkelblonden Zopf und trug ein silbernes S auf der Brust. Die Schulsprecherin. Wie hieß sie noch mal? Elizabeth? Oder so ähnlich.

 

„Von Professor Longbottom?“, wunderte er sich, denn Hermine hatte ihm gesagt, er wäre zwar streng, jedoch wirklich nett. Das Mädchen lachte jedoch hell.

 

„Nein. Von mir natürlich. Ich bin Schulsprecherin und werde kein Verhalten dulden, was irgendjemanden aus dem siebten Jahrgang schlecht dastehen lässt.“ Scorpius’ Ausdruck wurde grimmiger. Aha. Sie war also ein dummes Mädchen. „Du bist Malfoy, richtig?“ Sie musterte ihn mit unverhohlener Neugierde. Er beschloss, nicht zu antworten. Wer zog ihr eigentlich Punkte ab? Sie kam immerhin genauso spät wie er!

 

„Ah, die letzten beiden kommen auch noch. Mr Malfoy, richtig? Kannte Ihren Vater gut damals. Er war mächtig schlecht in Kräuterkunde. Vielleicht habe ich in Ihnen ja einen würdigeren Kandidaten gefunden?“ Professor Longbottom lächelte jedoch bei seinen Worten. Sein Vater hatte ihm nicht viel über Longbottom erzählt. Anscheinend waren sie keine Freunde gewesen. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Oder ob er überhaupt sprechen sollte. Er war neu hier. Absolut neu. Und anscheinend wussten aber alle anderen über ihn Bescheid. Das war er ja in dieser Welt eigentlich gewöhnt.

 

„Ja.“ Er schluckte kurz. „Sir“, setzte er eilig hinzu. „Verzeihen Sie.“

 

„Zauberstäbe raus. Ich teile Sie in Paare ein. Und ich bitte die Gryffindors und Slytherins darum, unter einander klarzukommen!“, setzte er drohend hinzu. „Auch dieses Jahr möchte ich Ruhe und Frieden in meinem Kurs. Und wie ich sehe, wird Mr Lupin nicht mit Ms McLaggen zusammen arbeiten. Mr Malfoy rutscht im Alphabet nun dazwischen.“ Scorpius hatte zwar keine Ahnung, wer Mr Lupin war, aber ein Junge betrachtete ihn voller Ärger. Professor Longbottom teilte die weiteren Paare ein, während Lupin eilig mit dem blonden Mädchen sprach.

 

Und der Partner, der ihm zugeteilt wurde, war die dumme Schulsprecherin. Großartig.

Und tatsächlich rempelte ihn Lupin mit voller Absicht beim Vorbeigehen an.

 

„Keine Tricks, Malfoy. Fass Victoria an, und du bist tot“, erklärte der breitschultrige Junge ihm, mit einem schmalen Lächeln, was ziemlich weiße, kantige Zähne entblößte. Scorpius hatte das Gefühl, die Haare des Jungen schimmerten rötlich im Licht der Sonne und wechselten plötzlich in ein helleres blond. „Dein Vater hat dir bestimmt von Werwölfen erzählt, oder?“, fuhr der Junge fort, und Scorpius erlitt einen weiteren Moment der Erkenntnis.

 

Ja, er sollte nicht zu spät zu Kräuterkunde kommen, und er sollte am besten Freundschaft mit einem Bekannten der Familie schließen. Teddy Lupin. Sein Jahrgang, großartiger Junge. Waise und ein Werwolf. Und ein Metamorph-irgendwas…. Er schloss kurz die Augen und unterdrückte den Fluch. Er würde ihn gerne bedrohen, ihm erklären, dass er vor einigen Wochen zusammen mit seinem Vater seinen Großvater getötet hatte, der ein gefährlicher Gefangener von Askaban gewesen war, dass er auf der Flucht gewesen war, dass er verflucht gut zaubern konnte, und dass er stinkreich war, aber er unterdrückte all diese Anwandlungen.

 

Und ausgerechnet dieser Junge war mit der Schulsprecherin zusammen.

Er trug ein silbernes K an seiner Uniform. Kapitän von Gryffindor, schloss Scorpius also, und beschloss, sich definitiv andere Freunde zu suchen.

 

„Willkommen in Hogwarts“, murmelte die Schulsprecherin unglücklich. „Ach ja, bevor ich es vergesse: Zehn Punkte Abzug für Slytherin fürs zu spät kommen, Malfoy.“ Er wusste, im Schloss flogen gerade zehn Punkte von dem Stundenglas der Slytherins zurück nach oben. 

Er atmete langsam aus, hielt den Zauberstab fest umklammert, und wusste, er konnte die verdammte Schulsprecherin und Gryffindors absolut nicht leiden!

 

 

 

Kapitel 19

 

Fist’n’Fight

 

 

Er hatte sich wieder erhoben. Es war kein gemütliches Abendessen. Harry hatte bisher nur verfolgt, wie Draco immer wieder aufgestanden war, sich entschuldigt hatte, in Harrys Küche verschwunden war, und ein Gespräch nach dem nächsten empfing.

Das Ministerium hatte die Suche nach Draco Malfoy eingestellt, die Klagen und Anschuldigungen nach mildernden Umständen fallen gelassen. Sogar ein Bericht war veröffentlicht worden, in dem Draco Malfoy alle Last und Schuld aus der Akte genommen worden waren.

 

Aber das Ministerium hatte kein Interesse, Draco Malfoy einzustellen. Sogar Harrys gutes Wort hatte nichts gebracht. Draco hatte kein Interesse als Auror eine Ausbildung zu absolvieren. Und von Hermines Vorschlag, ganz woanders zu arbeiten, wollte er auch nichts hören.

 

„Alles ok mit ihm?“ Harry sah ich besorgt nach. Aus der Küche drang dumpf seine gereizte Stimme. Wahrscheinlich legte er sich gerade mit der nächsten Abteilung an, befürchtete Hermine.

 

„Na ja. Er findet keine Anstellung. Wie würdest du dich fühlen?“, erkundigte sie sich leise.

 

„Na und? Er braucht doch keine. Ist doch reich genug, um niemals arbeiten zu müssen.“ Seitdem Hermine bei Draco und Scorpius eingezogen war, hatte sie von nichts anderes als eine eisigkalte Schulter zu spüren bekommen.

 

Er stritt sich nicht in aller Öffentlichkeit mit ihr, auch nicht mit Draco, aber es war greifbar, dass es ihm missfiel. Aber Harry und Ginny haben sie und Draco herzlich eingeladen.

 

„Darum geht es nicht“, sagte sie nur.

 

„Ach nein? Worum geht es dann? Erklär‘ es mir, Hermine“, forderte Ron und legte den Cracker zurück auf seinen Teller und sah sie direkt an.

 

„Was willst du von mir, Ron?“, fragte sie jetzt wütend, weil ihr seine Laune gegen den Strich ging.


„Leute, kein Streit!“, befahl Ginny im Ton einer Mutter streng, und Ron blickte demonstrativ in eine andere Richtung, als Draco zurück zum Tisch kam. Er setzte sich lächelnd, aber Hermine sah, wie deutlich angespannt er war. Ihre Hand legte sich unter dem Tisch auf sein Knie.

 

„Alles klar?“, flüsterte sie, er nickte jedoch nur unwirsch.


„Noch eine Stelle nicht bekommen?“ Ron hatte geräuschvoll in den Cracker gebissen. Draco räusperte sich.

 

„Ja“, erwiderte er nur.

 

„Na und, egal. Dann bewirbst du dich solange, bis dich einer nimmt“, sagte sie rigoros, aber Draco blickte gedankenverloren aus dem Fenster.

 

„Falls das überhaupt passiert“, merkte Ron leise an. Ginnys Hand schlug auf den Tisch.


„Ron!“, entgegnete sie warnend, aber Ron wirkte nicht eingeschüchtert.

 

„Nein, lass Weasley ruhig seine Meinung kundtun“, unterbrach Draco den stummen Streit zwischen Bruder und Schwester. „Sag es ruhig, Weasley“, forderte er ruhig.

 

„Draco, nicht“, murmelte Hermine, aber Ron hatte sich schon vorgelehnt.

 

„Wunderte es dich wirklich, dass niemand einen ehemaligen Todesser einstellen will, der seinen Tod vorgetäuscht und seinen Sohn abgeschoben hat?“ Hermine schloss kurz die Augen. Sie hasste Ron dafür!

 

„Ich habe Scorpius nicht abgeschoben“, erwiderte Draco verärgert.

 

„Leg es aus wie du willst!“, lachte Ron freudlos. „Jeder kennt deine Geschichte in der Stadt!“, fügte er gehässig hinzu. Draco atmete langsam aus.

 

„Es geht darum, dass deine Exfreundin bei mir eingezogen ist, richtig? Das ist es doch, oder Weasley? Wieso sagst du es nicht einfach?“

 

„Nein! Darum geht es verdammt noch mal nicht!“, schrie Ron jetzt außer sich, war aufgesprungen und sein Stuhl war zurückgefallen. Alle waren zusammen gezuckt, und Draco war genauso schnell auf den Beinen.

 

„Nein? Dann frage ich mich, weshalb du dich sonst wie ein verfluchtes Arschloch verhalten musst“, führte Draco immer noch ruhig aus.

 

„Wag es nicht, mich zu beschimpfen, Malfoy!“

 

„Ron, reg dich ab“, unterbrach Hermine den Streit. „Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt gehen!“, sagte sie gepresst in die Runde.

 

„Wenn Weasley kein Problem hat, müssen wir auch nicht gehen.“

 

„Ich habe kein Problem. Aber vielleicht willst du die restlichen Absagen über Floh lieber in deinem Lebkuchenhaus fortführen, in dem du unschuldige Mädchen zwingst, dich und deinen Sohn zu erziehen“, schlug Ron knurrend vor. Draco ging umstandslos um den Tisch herum.

 

„Das reicht!“, erwiderte er zornig, und ehe Hermine oder Harry reagieren konnte, krachte Dracos Faust in Weasleys Kiefer. Ron taumelte nach hinten, fing sich aber noch ab.

 

„Gut, dass du angefangen hast – und nicht ich“, gab Ron zurück und stürzte sich auf Draco, der mit einem provozierenden Ausdruck bereits wartete.


„Harry!“, keuchte Hermine, und Harry hatte die beiden mit dem Zauberstab getrennt, ehe noch Blut fließen würde.

 

„Es gibt keine Schlägereien in meinem Haus, habt ihr verstanden? Ron, es ist vorbei. Wir haben Draco und Hermine eingeladen. Komm damit zurecht oder komm gar nicht mehr vorbei! Draco, du bist hier Gast. Lass dich nicht von Ron provozieren. Das ist unnötig“, fuhr Harry beide an. Draco kam als erster wieder auf die Beine, schien an Fassung zu gewinnen und streckte Ron sogar die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen.

 

Ron lehnte mit einer hässlichen Beleidigung ab und kam selber wieder auf die Füße.

 

„Ich gehe“, erklärte Ron tonlos.


„Ron“, sagte sie in einem verzweifelten Versuch, ihn aufzuhalten, aber er schüttelte nur den Kopf.

 

„Tut mir leid. Ich hab versucht, damit klarzukommen, aber ich glaube nicht, dass mein gesunder Menschenverstand verkraftet, dass du in sein Haus gezogen bist, Hermine. Wenn das die kranke Beziehung ist, die du willst, dann – bitte. Aber ohne mich“, erklärte er stumpf, verließ das Zimmer, ohne sich umzusehen, und sie seufzte leise auf.

 

„Wir werden besser gehen. Der Tag war lang“, rechtfertigte Hermine die Situation.

 

„Entschuldigt diese…“ Draco unterbrach sich selber. Anscheinend schien er kein Ende zu diesem Satz zu finden. Hermine sah, wie unwohl er sich fühlte. „Entschuldigt, bitte“, fügte er schließlich hinzu, wartete, dass sie ihren Mantel übergezogen hatte, und so endete dieser Abend mit hässlichen Worten und bestimmt ruhig und entspannt, wie es sich Ginny und Harry gewünscht hatten.

 

„Bist du wütend?“, erkundigte er sich draußen, als er den Kragen seines Umhangs nach oben schlug. Sie sagte nichts darauf. Sie wusste, es war nicht seine Schuld. Aber trotzdem.

 

„Du hättest ihn nicht schlagen müssen“, sagte sie bedächtig.

 

„Tut mir leid, aber er hat drum gebettelt.“

 

„Na und?“, fuhr sie ihn scharf an. „Das hättest du dir sparen können! Er ist nur verletzt, nichts weiter! Er verdient bestimmt keine Gewalt!“

 

„Aber er hat doch nur zu gerne zurück-“

 

„Genug!“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Schon gut, ok? Ich will nach Hause.“

 

„Schön.“

 

Und er war wütend. Sie gingen neben einander, bis sie den Garten hinter sich gelassen hatte. Er apparierte getrennt von ihr. Und er sah sie nicht mehr an. Er war sauer.

Großartig.

Sie freute sich, immerhin gleich noch mit Scorpius zu reden und von seiner ersten Woche zu hören. Er hatte bestimmt nicht so eine Laune wie sein Vater. Er käme gleich vom Auswahlspiel zurück. Sie rechnete fest damit, dass er gerade in dieser Sekunde ins Team aufgenommen werden würde.

 

 

~*~

 

„Komm schon! Ich will sehen, was du kannst, Malfoy!“, rief ihm der Kapitän zornig entgegen. Er war mit Bartholomew Black um einige Ecken verwandt, das wusste er. Draco hatte ihm erzählt, dass seine Großmutter eine geborene Black war. Allerdings handelte es sich wohl um den Sohn eines angeheirateten Großcousins seines Vaters. Er hatte die Verbindung schon wieder vergessen, die sein Vater versucht hatte, zu rekonstruieren.

 

Scorpius antwortete nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Beleidigungen und Flüche an sich abprallen zu lassen, die die Gryffindortribüne ihm entgegen schleuderte. Er hätte gerne auf die Uhr gesehen. Das war das beste Auswahlspiel nicht wert.

 

Er belegte gerade die Position eines Jägers, konnte sich aber nicht darauf konzentrieren, dem Quaffel hinterher zu jagen und gleichzeitig die Flüche abzuwehren, die Teddy Lupin ihm entgegen schleuderte.

 

Verbissen lehnte er sich in die Kurve. Er beherrschte den Besen noch nicht besonders gut. Ihm fehlte noch der rechte Zugang. Er gehorchte ihm nicht auf die Weise, die er gerne hätte.

 

„Komm schon“, murmelte er leise, warf sich in den nächsten Steilflug, um den Quaffel vor dem Aufprall auf den Boden zu bewahren und preschte nach unten.

 

Lupin schoss den nächsten Fluch, konnte genauer zielen, weil Scorpius jetzt tiefer fliegen musste, und beim Blick nach vorne auf den Quaffel gerichtet, zog Scorpius den Zauberstab, wehrte den Fluch mehr schlecht als recht ab, denn jetzt gerade flog er, ohne sich festzuhalten.

 

Hastig griff er wieder um den Besenstiel, fing den Quaffel mit dem ganzen Arm auf und katapultierte ihn zurück nach oben ins Spielgeschehen.

 

„Das nächste mal schneller, Malfoy!“, schrie ihm Bart entgegen, als er wieder an Höhe gewann. „Noch ein Angriff!“ Und Scorpius wusste, Bart sprach von einer Spielattacke. Aber Lupin sah sich wohl genötigt, ihn mit einem nächsten Fluch anzugreifen.

 

Scorpius verfolgte mit den Augen den Quaffel, der durch die Luft segelte, Richtung Torstangen. Er folgte auf der Stelle, trieb seinen Besen an, der endlich einen Ruck nach vorne machte und Gas gab, während der goldene Fluch von Teddy Lupin auf ihn zuschoss.

 

Er fing den Quaffel wütend aus der Luft, löste beide Hände vom Besen und warf ihn mit einem Schrei durch den mittleren Torring, vorbei an Bart Black, der ihn nicht schnell genug packen konnte. Voller Adrenalin und Zorn riss er die Hand nach oben, und fing – mit was ihn Lupin auch immer hatte treffen wollen – im Lederhandschuh ein.

 

Kurz herrschte Stille auf dem Feld, während er wartete, dass das Spiel fortgesetzt wurde.  Bart flog näher zur Mitte.

 

„Spiel ist vorbei!“, rief er knapp. „Malfoy hat den Schnatz gefangen.“

 

Scorpius stutzte verwirrt. Langsam ließ er die Hand sinken. Es war nicht Lupins Fluch gewesen. Er hatte keinen Fluch gefangen. Der Schnatz schlug seine goldenen Flügel heftig gegen seine Handfläche, als er langsam die Faust öffnete. Der kleine goldene Ball erhob sich wieder in die Luft, wickelte die Flügel ein, hörte auf zu surren, und fiel leblos in Scorpius‘ ausgestreckte Hand zurück.

 

Die Slytherins klatschten anerkennend, während verärgerte Stille bei den Gryffindors auf der Tribüne herrschte. Bart betrachtete ihn näher.

 

„Also, Jäger oder Sucher?“

 

Scorpius öffnete den Mund. „Bart, ich hab ihn nur aus Versehen gefangen“, erklärte er hastig. Bart nickte.

 

„Noch besser. Den Schnatz aus Versehen zu fangen ist unmöglich. Fang ihn mit Absicht, und wir gewinnen jedes Spiel. Hörst du Lupin? Wir haben einen Potter im Team!“, lachte er, und Scorpius musste nicht zur Tribüne blicken, um zu wissen, dass sein Leben damit nicht einfacher werden würde.

 

„Davenport übernimmt die zweite Jägerposition, Gallagher die dritte, Westfield und Wexford machen die Treiber, und Malfoy wird neuer Sucher von Slytherin“, verkündete Bart lautstark. „Alle vom Platz, umziehen und Montagabend pünktlich um sieben Uhr auf dem Feld antreten!“ Damit war die Auswahl vorbei. Er war im Team.

 

Auf dem Flug nach unten, sah er, wie sich Lupin bei seiner Freundin über die Auswahl beschwerte. Die war wohl eher gelangweilt. Scorpius musste mir ihr schon in Kräuterkunde und Zaubertränke zusammen arbeiten und wunderte sich, dass Lupin nicht ständig Anfälle bekam. Scorpius konnte Victoria McLaggen genauso gut leiden, wie einen Ausschlag auf dem Hintern.

 

Sie war anstrengend und so rechthaberisch, dass er schon gar nicht mehr mit ihr sprach, wenn sie eingeteilt wurden. Bisher war das dreimal in dieser Woche passiert.

Dieses Wochenende würde er nach Hause fahren, seinen Geburtstag feiern und erst am Montag wieder mit ihr in Kräuterkunde streiten müssen, wie man einen verfluchten Grünwicht in einen Topf pflanzte, damit die heilende Kraft nicht nach dem ersten Tag verloren ging. 

 

Er würde so viel über scheiß Kräuter lernen, dass er sie in der Abschlussprüfung ausstechen würde.

 

Er klemmte sich den Besen unter den Arm und hatte keine Lust, sich im Zelt umzuziehen. Er kannte keinen der Slytherins, und die meisten beäugten ihn noch wie einen Außerirdischen, der nicht dazu gehörte. Im Gemeinschaftsraum der Slytherins hing ein Portrait seines Ururururgroßvaters. Aber er schien unfreundlich und seltsam zu sein.

 

Sein Großvater wurde in einem der Geschichtsbücher als einer der gefährlichen einhundert Zauberer der Neugeschichte hervorgehoben. Und in anderen Büchern wurde von der Familie als komplett ausgerotteter Familie gesprochen. Völlig inkorrekt, aber bis das geändert wurde, vergingen bestimmt zwei Auflagen, nahm er an.

 

Es half ihm nicht wirklich viel, Gold zu besitzen und einen Vater, der zwei Jahrzehnte für verschollen und tot geglaubt galt.

Er hatte immerhin eine Position im Team bekommen. Das heiterte seine Laune geringfügig auf. Zuerst hatte er nicht mitfliegen wollen. Aber sein Vater hatte ihn bestärkt. Und auch Hermine – die wohl Quidditch nicht abgewinnen konnte – hatte verlauten lassen, dass Quidditch nicht das langweiligste auf der Welt gewesen sei.

 

„Hey, Malfoy!“

 

Er blieb seufzend stehen. Gut. Lupin wollte wirklich noch Streit? Dann sollte er ihn bekommen. Es war Freitag, und er war gerade in der Stimmung dafür.

Er ließ den Besen ins kühle Gras fallen, und wandte sich schließlich um.

 

Lupin war nicht allein. Natürlich nicht. Er war nie irgendwo allein, der Kapitän von Slytherin.

 

„Hast du irgendein Problem, Lupin?“, fragte er gelassen und konnte nicht erwarten, bis Vollmond war, und er ihn als Wolf bekämpfen konnte. Dann würde er sich nicht zurückhalten müssen.

 

„Du bist mein Problem, Malfoy, aber das weißt du ja bestimmt schon“, bemerkte Lupin, und seine Freunde lachten verhalten. „Du glaubst ja wohl nicht ernsthaft, dass du wirklich im Team bleiben wirst, oder? Du bist eine Woche hier. Solche Freaks wie du gehören ins Heim, nicht nach Hogwarts.“

 

„Hey, du bist doch Waise. Also gehörst du doch auch ins Heim, richtig, Lupin?“, erkundigte er sich scheinheilig, und Lupin ballte die Fäuste und trat vor. Er war größer als er, ging Scorpius auf.


„Halt deinen Mund! Harry Potter und Hermine Granger halten dich doch nur aus, weil dein Vater ein reiches Schwein ist, was das Ministerium bezahlen kann, damit er nicht nach Askaban abtransportiert wird! Da gehören Todesser wie du doch hin, Arschloch!“, rief er wütend, und Scorpius hatte den Zauberstab gezogen, ehe er nachgedacht hatte.

 

Der Stupor brach stumm aus der Spitze, und Lupin wurde nach hinten geschleudert. Er kam strauchelnd wieder auf die Beine, hielt sich den Bauch und keuchte schwer.


„Das bereust du!“ Er zog ebenfalls den Zauberstab, Scorpius ging in Position.

 

Expelliarmus!“, gellte ihre Stimme über die Ländereien. Sein Zauberstab entglitt seiner Hand, sowie der Zauberstab von Lupin. Beide landeten in Victorias ausgestreckter Handfläche, und Lupins Freunde zogen sich leise murmelnd zurück. Sie hatten Angst vor der Schulsprecherin.

 

„Bist du übergeschnappt? Du nimmst mir meinen Zauberstab? Das Arschloch hat mich gerade verflucht, Vic!“, schrie er au0er sich. „Aber eigentlich brauche ich keinen verdammten Zauberstab, um dir die Fresse zu polieren!“, rief er wütend, stürzte nach vorne, und ehe seine Freundin einen weiteren Zauber losgelassen hatte, traf ihn Lupins Faust heftig ins Gesicht.

 

Er fiel zurück ins Gras, bunte Punkte tanzten über ihm, und stöhnend hielt er die Augen geschlossen.

 

„Du bist unmöglich! Du schlägst ihn einfach nieder? Du beleidigst ihn, als wärst du ein Neandertaler? Was bist du? Ein Alphamännchen, was in seinem Stolz verletzt ist? Du bist so kindisch, Theodor, ich glaube, ich hab die Nase voll von deinen Ausrastern!“, hörte er ihre Stimme dumpf durch seine Schmerzen. „Fünfzig Punkte Abzug für Gryffindor! Und ich hoffe, du weißt, wie sehr es mich schmerzt, uns Punkte abzuziehen!“

 

„Du bist ein Miststück!“, knurrte Lupin, und Scorpius hörte, wie er wohl fluchend zum Schloss hochstürmte.

 

„Alles klar?“ Ihre Stimme kam jetzt von ganz nah. Scorpius öffnete unter großer Anstrengung die Augen. „Warte“, befahl sie. „Episkey“, sprach sie ruhig, und seine Nase rückte sich mit einem lauten Knack wieder gerade. Er sog scharf die Luft ein, und blinzelte heftig. Die Schmerzen schwanden schnell. Sie reichte ihm den Zauberstab zurück.

 

„Jetzt gibst du mir ihn wieder? Zu spät“, knurrte er bedauernd. Sie schien wieder wütend zu werden.


„Oh ja? Wolltest du ihn gleich direkt in den Krankenflügel fluchen?“

 

„Zieh mir doch wieder Punkte ab. Das kannst du doch besonders gut!“,  gab er zornig zurück, aber sie erhob sich einfach.

 

„Wenn du einfach nett zu ihm wärst und dich anpassen würdest, dann wäre es nicht so schwer für dich!“

 

„Oh richtig. Ich bin sicher, ich finde neben meiner Rolle als Außenseiter, als Neuer, als Junge, der in weniger als einem Jahr, alle Prüfungen bestehen muss, auch noch die Zeit, der Nette und der beste Freund von Arschloch-Lupin zu spielen. Danke für den Rat, Schulsprecherin.“ Sie wirkte nicht mehr ganz so wütend, während er sich den Schmutz von seinem neuen Trikot klopfte, was nun auch voller Grasflecken war.

„Wieso hast du mir noch keine Punkte abgezogen?“, fragte er unwirsch ein weiteres Mal. Es wunderte ihn etwas.

 

„Weil es nicht fair von Teddy war, dich einfach anzugreifen“, erklärte sie nüchtern. Das überraschte ihn nur noch mehr. Ein Gryffindor, der irgendwas von Fairness verstand?

„Aber das wird nicht zur Gewohnheit!“, fügte sie drohend hinzu. Er betrachtete sie müde.

Das war ein verflucht langer Tag gewesen. Aber sie war plötzlich nicht mehr das unfreundlichste Gesicht des Tages.

 

„Was?“, fuhr sie ihn an, als er sie immer noch ansah.

 

„Nichts. Hab mich gewundert, wieso die Schulsprecherin mit so einem Volltrottel zusammen ist. Sonst nichts.“ Und kurz schien sie darüber nachzudenken. Nachzudenken, ob das ein Kompliment sein sollte, ob es Kritik war und ob sie es bewerten musste. Ihre Lippen wurden schmaler.

 

„Lass ihn einfach in Ruhe. Du bedrohst sein Territorium, nichts weiter. Würde mich nicht wundern, wenn ihr nach dem nächsten Quidditchturnier beste Freunde werdet“, bemerkte sie und klang dabei äußerst bitter.

 

„Was? Ja klar. Zuerst schlagen wir uns, und dann stoßen wir darauf an. Nicht wahrscheinlich, McLaggen“, benutzte er ihren Nachnamen, so wie sie seinen benutzte. Das schien sie kurz zu verwirren.

 

„Genau“, erwiderte sie lächelnd. „Ihr seid doch gleich. Sobald die Mädchen merken, dass du harmlos bist, stehen sie bei dir Schlange. Dann merkt Teddy, dass du ihm hilfreich sein könntest dabei, der beliebteste Junge der gesamten Schule zu werden, und er nimmt dich feierlich in seinen Club der Coolsten auf“, ratterte sie eisig runter. Scorpius runzelte die Stirn.

 

„Harmlos? Sobald sie merken, dass ich harmlos bin?“, wiederholte er etwas beleidigt, denn das war es, was ihm von ihren Worten deutlich im Gedächtnis stecken geblieben war. Sie verdrehte die Augen.

 

„Dass du kein Killer bist, kein Todesser, kein Nachfahre von Lucius Malfoy, der alle töten will.“ Dann hob sich seine Augenbraue. Sein Gesicht schmerzte noch ein wenig, als er das tat.

 

„Ah ja. Und dann stehen sie Schlange? Warum sollten sie das tun?“ Und er spürte, wie seine Mundwinkel nach oben wanderten, als sie plötzlich etwas mehr Farbe in den Wangen bekam. Sie warf energisch ihren Zopf über die Schulter, streckte den Rücken durch, und das silberne V blitzte, wie zur Bestätigung.

 

„Weißt du was? Sie werden es nicht tun!“, schnappte sie, während sie eilig über die Wiesen Richtung Schloss davon stürmte. „Idiot“, hörte er sie noch schimpfen, als sie schon zwanzig Meter weiter war. Tatsächlich musste er immer noch grinsen, als er seinen Besen aus dem Gras aufhob.

 

Gehörte Victoria McLaggen dann auch zu denen, die Schlange stehen würden, fragte er sich ganz kurz auf seinem Weg zurück zum Schloss. Seine Nase schmerzte schon gar nicht mehr.

 

 

Kapitel 20

Leverage

 

Ihm gefiel Hogwarts nicht besonders gut. Alles Magische fand er großartig, auch Quidditch machte ihm Spaß, aber ab und an bekam Teddy Lupin von ihm einen Seitenhieb verpasst, wenn er sprach. Sie hatte Teddy kennen gelernt und fand ihn… umgänglich. Er war nett zu ihr. Aber in seinem Alter begriff er die Ungerechtigkeit. Er wusste, für was und für wen seine Eltern gestorben waren, und er war auf Harry auch nicht besonders gut zu sprechen die Tage. Er gab ihm die Schuld am Verlust seiner Eltern.

 

Er war ein schwerer Umgang. Und ganz bestimmt war er das gerade für den Sohn von Draco Malfoy. Sie wusste nicht, ob sie ihm weiterhelfen konnte.

Draco hatte sie schon des Wohnzimmers verwiesen, als sie Hogwarts über Floh benachrichtigen wollte, als sie die geschwollene Nase von Scorpius entdeckt hatte, als er in die Winkelgasse appariert war. Sie hatte sich völlig zurecht darüber aufgeregt, wie Scorpius behandelt wurde!

Das war eine Unmöglichkeit. Aber Draco hatte ihr gesagt, dass Scorpius‘ Behandlung bestimmt nicht besser werden würde, wenn sie in Hogwarts Bescheid sagte, und Scorpius als Feigling und Petze dastehen würde.

 

Sie hatte sich mit Draco gestritten, Scorpius hatte versucht, zu schlichten, dann war Draco gegangen, und sie saß in der Bibliothek, nachdem auch Scorpius höflich gefragt hatte, ob er gehen konnte.

Sie führte sich auf wie ein gekränktes, besorgtes Muttertier. Sie wusste das. Aber was sollte sie auch sonst tun? Scorpius wurde schikaniert und weshalb? Weil er anders war? Weil er neu war? Weil er einem Angeber den Platz streitig machen konnte?
Und sie hatte keine Ahnung, wer Victoria McLaggen war, aber ihr Vater war nicht wirklich charmant gewesen. Aber das hatte sie Draco gar nicht erst erzählt.

 

Der war zurzeit sowieso gereizt, weil er im Ministerium nicht angenommen wurde. Sie hatte ihm schon andere Unternehmen empfohlen, andere Versichrungen außerhalb, aber er wollte nichts von alldem hören. Der Name seines Vaters bedeutet nichts mehr im Ministerium. Nichts Gutes zumindest. Und er wollte nicht, dass sie Gefallen für ihn einholte, die ihr noch geschuldet wurden. Er musste zwar nicht arbeiten, aber er wollte dringend seine Zeit sinnvoll gestalten, das verstand sie auch. Aber er war so stur!

 

Wenn er so dringend ins Ministerium wollte, dann sollte er Harrys Angebot annehmen. Aber das wollte er auch nicht. Nachdem er so über das Ministerium hergezogen war, verstand sie erst recht nicht, weshalb er unbedingt nur dahin wollte. Sie konnte keine einzige Zeile lesen, in dem Buch auf ihrem Schoss.

 

Beide Männer im Haus waren wütend und enttäuscht. Scorpius Geburtstag morgen sollte eigentlich eine hübsche Party werden, aber sie konnte ja auch niemanden von Hogwarts einladen, denn da verstand er sich mit keinem. Er hatte noch keine Freunde, und Ron würde morgen bestimmt nicht ins Haus kommen, wenn Draco hier war.

Und sie hoffte, zumindest Draco hätte sich bis dahin abgeregt. Wie würde sich Scorpius denn fühlen, wenn nur Harry und Ginny und James kamen, neben ihr und Draco natürlich?

Wahrscheinlich nicht so, als würde er siebzehn werden.

 

Er hatte keinem erzählt, dass er dieses Wochenende Geburtstag hatte.

 

Das fand sie auch nicht gut. Es wusste keiner, es würde ihm keiner gratulieren, wenn er wieder kam, und es passt ihr ganz und gar nicht gut, dass Scorpius so viel Ablehnung erfuhr. Genauso, wie Draco sie erfuhr.

 

Wütend legte sie das Buch zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

Es klopfte schließlich.

 

„Ja?“ Wahrscheinlich wollte Scorpius doch nicht allein in seinem Zimmer sitzen, nahm sie an. Aber sie irrte sich. Draco schloss die Tür hinter sich, und schritt seufzend auf sie zu.

 

„Ich hatte nicht weggehen wollen“, erklärte er offen.

 

„Bist du aber“, gab sie zurück. „So einfach läuft eine Beziehung nicht. Wenn es dir nicht gut geht, dann rede mit mir. Wenn dir was nicht passt, dann sag es mir. Wenn du darüber sprechen willst, wie du dich fühlst, weil du keine Anstellung findest, dann sagst du mir das gefälligst auch! So läuft es eben. Ansonsten hätte ich hier auch nicht einziehen müssen.“ Sie wandte den Kopf entnervt zur Seite und wollte ihn gar nicht sehen.

 

„O-k“, erwiderte er langsam, aber sie sah ihn nicht an. „Hermine, bei mir ist das alles schon eine ganze Weile her.“

 

„Aber du hattest schon ab und an mit Menschen zu tun, oder? Dein Sohn sitzt in seinem Zimmer und heult sich die Augen aus, weil er keine Freunde hat!“, fuhr sie ihn an. Er lächelte jetzt leicht.


„Er heult bestimmt nicht in seinem Zimmer“; widersprach er, aber sie schüttelte unwirsch den Kopf.


„Völlig egal! Es geht ihm schlecht, und du kümmerst dich nur um deine Sorgen!“

 

„Was soll ich machen, Hermine?“, wurde er lauter und kam näher. „Soll ich nach Hogwarts fahren und jeden Idioten boxen, der ihn nicht gleich so perfekt akzeptiert, wie sie Harry Potter akzeptiert haben? Für manche dauert es etwas!“

 

„Lass Harry da raus. Das hat nichts mit Ruhm zu tun!“

 

„Es hat alles damit zu tun. Mit Ruhm, dem Ruf, der Familie – mit allem. Es dauert. Was dachtest du? Dass er es leicht haben wird? Niemand hat es leicht!“ Sie erhob sich. Sie würde sich nicht weiter streiten. „Was ist? Läufst du jetzt weg?“

 

„Ich habe keine Lust, zu streiten. Morgen ist ein wichtiger Tag für Scorpius, und ich will heute Abend nicht so wütend sein, dass ich nicht schlafen kann. Ich gehe ins Gästezimmer.“

 

„Über meine verfluchte Leiche gehst du in das verdammte Gästezimmer!“, knurrte er so plötzlich und schnitt ihr den Weg ab. „Ich werde meinen Tag nicht damit beenden, hier mit dir in einem Haus zu sein und dich im Gästezimmer schlafen lassen, verdammt!“, fuhr er sie harsch an, und sie schluckte ihre zornigen Worte runter.

 

„Dann musst du dich wohl ärgern“, gab sie nur zurück und wollte an ihm vorbei. Er umfing ihre Schultern.

 

„Nein“, sagte er nur.

 

„Du kannst nicht alles erzwingen, was dir gerade passt!“

 

„Granger-“

 

„Mein Nachname bringt dich nicht weiter, Malfoy!“, giftete sie sofort zurück. Er schloss die Augen und stieß hart die Luft aus.

 

„Hör auf“, sagte er schließlich gepresst.


„Aufhören? Mit was?“

 

„Zu widersprechen, alles zu hinterfragen, über alles reden zu wollen! Ich habe nichts zu sagen! Was willst du hören? Dass mich Gesellschaft und das Ministerium ankotzen? Dass ich Weasley zu gerne noch mal schlagen möchte? Nein, das willst du nicht hören!“, schrie er, und sie hoffte, dass Scorpius so laut Musik hörte, dass er es nicht mitbekam.


„Hör auf zu schreien! Hör auf damit!“, zischte sie böse. „Und du wirst Ron nicht schlagen!“

 

„Weil… du mir sonst Punkte abziehst?“, vermutete er ruhiger und legte die Stirn in Falten. Sie verdrehte die Augen daraufhin und versuchte, sich zu beruhigen. „Verzeih mir. Was kann ich tun, damit du nicht mehr wütend bist? Außer ewiglange Beziehungskiller-Gespräche zu führen, die jede Stimmung versauen, und bei denen ich mir so vorkomme, wie bei einem verfluchten Nervenheiler, der ständig über meine Gefühle sprechen will?“

 

Bevor sie sich jetzt auch noch über diese Worte aufregen würde, verschränkte sie die Arme unter seinem Griff und sah ihn herausfordernd an.

 

„Ich werde eine Verbindung über Floh herstellen, und du wirst einem Vorstellungsgespräch – ohne Murre und Meckern, ohne Fluchen und schreien – zustimmen, Draco Malfoy.“

 

„Hermine…“, begann er genervt.

 

„Nein! Du wirst zustimmen, über deinen dämlichen Stolz springen, und einfach kein Arschloch sein!“, unterbrach sie ihn stinksauer und sah, wie er wieder zornig wurde. Sie schloss einfach den Abstand. „Wenn du willst, dass ich nicht mehr wütend bin…“ Sie machte eine wirksame Pause, und ihre Hand strich sanft über seine glatte Wange, während sie sich auf Zehenspitzen stellte. Jetzt berührte sie fast seine Lippen. Sie sah, wie er die Luft anhielt. „Wenn du das willst, dann wirst du das Vernünftige tun. Und das ist das, was ich dir sage“, fügte sie mit Nachdruck hinzu, und mit einem Knurren verdrehte er die Augen.

 

„Wenn ich das tue, dann… kann ich mit dir machen, was ich will, Granger?“, fragte er mit dem wahren Lächeln eines Slytherins, und sie spürte ein Kribbeln in ihrer Mitte.

 

„Ja, Malfoy“, bestätigte sie, während sie eine Handvoll Flohpulver in die Flammen des Kamins der Bibliothek warf. Er kam mit einem leichten Grinsen näher, wollte sie wohl berühren, aber sie wich ihm geschickt aus. „Ah, ah, ah – zuerst das Gespräch. Dann das Vergnügen.“ Mit einem Grollen hockte er sich vor den Kamin.

„Delaware Parks 17“, rief sie schließlich, und ein Wohnzimmerkamin öffnete sich ihrem Blickfeld.

 

„Ist jemand da? Ich bin es Hermine“, rief sie. „Wir hatten über Draco Malfoys Einstellung gesprochen?“ Schon kam eine Gestalt herbei gelaufen.

 

„Richtig, richtig. Bin schon da!“ Kauend war Luna Longbottom auf die Knie gesunken. „Hallo Draco, Hermine“, begrüßte die blonde Frau sie lächelnd.

Sie war sich sicher, Dracos Impuls war, aufzuspringen und wegzulaufen – aber anscheinend überlegte er es sich im selben Moment anders, und schenkte ihr einen bösen Blick.

Und sie wusste, dafür würde sie noch bluten müssen.

Sie hatte ihm versprochen, was er wollte. Sie nahm nicht an, dass sie so leicht davon kommen würde. Aber vielleicht… war das auch gar nicht so schlimm….

 

„Hallo Mrs Longbottom“, begrüßte er sie schließlich. „Draco Malfoy, wir-“

 

„Kennen uns aus der Schule. Ja, ich weiß. Schön, dass Sie noch leben. Ich habe so unendlich viel über Geschichte gehört, gelesen und geschrieben, dass ich kaum erwarten kann, Ihre Version zu hören. Was halten Sie von dem Plan?“ Etwas perplex sah er sie an.

 

„Plan?“, wiederholte er etwas verdutzt.

 

„Hat Hermine es Ihnen nicht erzählt? Ach, was soll’s. Ich dachte mir, Sie interessieren sich vielleicht für eine Stelle in meiner Firma. An einem meiner Schreibtische. Sie können doch schreiben, Mr Malfoy? Aber sich, Sie waren schließlich Schulsprecher“, fügte sie lächelnd hinzu.

 

„An Ihrem Schreibtisch? Was ist Ihre Firma denn?“, wollte er unsicher wissen. Sie lachte jetzt auf.

 

„Meine Firma? Ich bin Chefredakteurin des Tagespropheten. Ich will Sie als Schreiber, Reporter, Kolumnisten. Ihre Story. Ihre Meinung. Interesse, Malfoy?“ Und tatsächlich klappte sein Mund auf.

 

Tagesprophet? Als Reporter beim Tagespropheten?“

 

„Wenn Ihnen Kolumnen nicht liegen, dürfen Sie auch gerne Sport machen. Haben zurzeit einige offene Stellen. Quidditch, Hippogreifrennen – alles, was Sie wollen. Politik, Reisen – ich gebe Ihnen die seltene Gelegenheit, zu wählen.“ Und Draco hob den Blick nicht mehr zu ihr. Er schien nicht einmal weiter nachzudenken.

 

„Ok“, sagte er.

 

„Ja? Dann erwarte ich Sie Montag. Sie wissen, wo der Tagesprophet sitzt? Bestimmt, nicht wahr? Herzlichen Glückwunsch. Wir sind quitt, Hermine“, wandte sie sich jetzt an sie und löschte dann schließlich die Flammen. Der Kamin war wieder leer. Draco hockte immer noch vor den Flammen.

 

Tagesprophet?“, sagte er schließlich und betrachtete sie kopfschüttelnd. „Ich werde es mir ansehen“, fügte er ernst hinzu. Sie war sich sicher, es würde ihm gefallen.

„Danke dafür“, meinte er schließlich, kam auf die Beine und öffnete die obersten Hemdknöpfe. „Wenn Sie mir ins Badezimmer folgen würden, Ms Granger?“ Das Lächeln war zurück.

 

Und tapfer folgte sie ihrem Freund.

 

~*~

 

Er sah ihre Skepsis durchaus, als er die Hähne an der tiefen Badewanne aufdrehte, die eher ein eingelassener Whirlpool war. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während er Badezusatz beifügte. Aber das würde er jetzt auskosten.

 

Mit dem Zauberstab verriegelte er sorgsam die Tür. Scorpius hatte genug gesehen für ein Leben. Da musste er nicht auch noch seinen Vater beim Verführen erwischen.

 

„Ist es nicht schon viel zu spät für-“ Er unterbrach sie mit einem Kopfschütteln.

 

„Bitte, ausziehen“, befahl er jetzt knapp. Sie verdrehte erneut die Augen. Etwas, das sie sehr gut beherrschte. Langsam öffnete sie kopfschüttelnd ihre Strickjacke, streifte die Hose ihre Beine hinab, zog das Shirt über den Kopf und stand vor ihm nur noch in BH und Höschen.

Er biss sich genüsslich auf die Unterlippe.

Er mochte sie genauso.

 

„Und der Rest?“, fragte er gehässig und sah, wie unwohl sie sich fühlte.

 

„Draco“, begann sie, aber schüttelte erneut den Kopf.

 

„Ausziehen“, wiederholte er streng. Langsam stieg sie aus dem Höschen, was achtlos ihre Beine hinab glitt. Sie wurde rot. Ihre Wangen färbten sich in einer entzückenden Farbe, und er lehnte sich grinsend gegen den Seifenwagen. Sie öffnete auch noch ihren BH, und am liebsten hätte er ihr gesagt, dass sie sich wegen nichts zu schämen hatte. Denn sie sah perfekt aus. Absolut perfekt. An jeder Stelle. Aber er spielte gerade den Bösen.

 

Die Wanne war voll. Er stellte das Wasser ab, testete mit seinem Finger die Temperatur und befand sie als ebenfalls perfekt. „Wie wäre es, wenn du zu mir kommen würdest“; schlug er scheinheilig vor, und langsam folgte sie seinen Worten. Er legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn, und hob es an. Sonst berührte er sie nirgendwo, was verflucht schwer war.

 

Er hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Ganz sachte, ganz vorsichtig. Sie lehnte sich kurz in diese Berührung. Dann zog er sich schon wieder zurück.

„Ich möchte, dass du mich ausziehst, Hermine“, raunte er in ihr Ohr. Und sie folgte auch diesem Befehl. Er liebte es! Langsam öffnete sie die restlichen Knöpfe seines Hemdes, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

 

Bei seiner Hose hatte sie mehr Probleme, denn seine Erektion war so hart, dass er ihr helfen musste. Er sah, wie sie noch röter wurde, und grinsen musste.

 

„Dir gefällt, was du siehst?“, vermutete sie leise, und er zog sie an den Schultern wieder nach oben. Er ignorierte ihre Worte und zog sie mit sich. Sie stiegen die schmalen Treppen hinab in die Wanne, und er setzte sich auf die steinerne Bank, die unter Wasser lag.

 

„Und jetzt möchte ich, dass du mich reitest, Granger“, sagte er rau. Sie wandte mit rotem Kopf den Blick zur Seite. Sie sah aus, als ob sie sprechen würde, überlegte es sich aber anscheinend anders. Schließlich sah sie ihn direkt an und kam die wenigen Schritte durchs Wasser, was ihr bis zur Hüfte reichte, auf ihn zu. Er konnte ihren Ausdruck nicht deuten, aber dass sie nicht sprach, oder widersprach, machte ihn unglaublich an. Sie sah einfach nur perfekt aus, wie sie vor ihm im Wasser stand.

 

Sie stieß ihm beide Hände gegen die Brust, so dass er mit dem Rücken gegen den Rand der Wanne gedrückt war. Dann setzte sie sich rittlings über ihn, und quälend langsam setzte sie sich auf seinen Schoss. Noch passierte nichts, aber plötzlich ließ sie ihre Hand unter Wasser gleiten und fand nur zu bald seinen steinharten Schwanz. Ihre Finger legten sich hart um seinen Schaft, und er musste schlucken.

 

Noch immer sah sie ihn an.

 

Seine Atmung beschleunigte sich unregelmäßig, als sie an ihm auf und ab zu pumpen begann. Dann lehnte sie sich vor und küsste seine Lippen, sog seine Unterlippe in ihren heißen Mund, und seine Hand schlang sich um ihren Hals. Er küsste sie verlangend, aber nur zu schnell zog sie den Kopf grinsend zurück. Sie schüttelte sachte den Kopf, löste die Hand von ihrem Hals und brachte sie zurück an seine Seite.

Er verstand. Sie dominierte gerade. Und verflucht, es gefiel ihm verdammt gut!

 

Er erlaubte es ihr, lehnte sich zurück, und wartete, dass sie ihn wieder küssen würde. Und sie enttäuschte ihn nicht. Langsam näherte sie sich wieder, und er brachte alle Beherrschung auf, sie nicht von ihrem Unterwasserspiel abzuhalten und sich in sie zu stoßen.

Den ganzen Tag hatte er nur daran denken können! Er war wie ein Teenager, ging ihm auf.

 

Sie schloss den letzten Abstand und küsste ihn erneut. Er überließ ihr die Macht, ließ sie die Zunge zwischen seine Lippen bringen, seinen Mund erforschen und spürte, wie sie sich erneut aufrichtete. Seinen Kopf musste er schon in den Nacken legen und merkte, wie sie sich über seinem Schwanz positionierte. Sie ließ sich tiefer sinken, unterbrach den Kuss aber nicht.

 

Und er hatte sich nicht rühren wollen, hatte ihr die Macht überlassen wollen, aber als er bis zur Hälfte in ihr versunken war, hielt er es nicht mehr aus, und seine Hände griffen in ihre Hüften und pressten sie die letzten Zentimeter nach unten, bis er vollständig in ihre vergraben war. Sie keuchte überrascht in seinen Mund. Er übte keinen Druck mehr aus, und sie zog langsam den Kopf zurück.

 

Jetzt wirkte sie wieder eine Spur unsicher, als sie sich langsam anhob, sich wieder zurückzog, nur um sich wieder auf ihn sinken zu lassen. Es war eine enge, heiße Sensation, die er spürte. Sie wiederholte die Bewegung, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

Das Wasser schwappte langsam über den Wannenrand, aber das war ihm verflucht egal.

Er spürte, wie es ihr mehr und mehr gefiel, wie sie mehr und mehr an Scham verlor und schneller wurde. Ihre Bewegung wurde härter und sie bewegte sich immer heftiger.

 

Seine Finger hatten sich längst in ihre Hüften gekrallt, beherrschten ihren Rhythmus mit, und mit geschlossenen Augen sank sein Kopf gegen den Rand. Sie hatte begonnen unterdrückt zu stöhnen, und er wusste, lange würde er es nicht mehr aushalten. Das warme Wasser umspülte sie beide, ihr Körper eng an seinen gepresst. Er stieß sich selber härter in sie, hörte wie sie wieder seinen Namen stöhnte und hoffte darauf, dass sie noch einmal sagen würde, dass sie ihn liebte.

 

Aber erst mal würde er ihrem Orgasmus folgen. Er konnte auch verflucht nichts anderes tun! Er wollte auch nichts anderes mehr! Er wollte sie! Er brauchte nur sie…. – Ein tiefes Grollen rang sich aus seiner Kehle, und er folgte ihr übergangslos.

 

Kapitel 21

 

Party

 

„Raus!“, befahl er knapp. Scorpius hatte den Kopf aus dem Bett gehoben und starrte seinen Vater an, als wäre dieser verrückt geworden. So sah er auch aus. Es war höchstens acht Uhr morgens.

Und wenn er schon um diese Uhrzeit Worte hören musste, dann hätte mit etwas ähnlichem gerechnet, was wie Herzlichen Glückwunsch, Scorpius klang.

Er runzelte verschlafen die Stirn. „Na los, aufstehen!“

 

„Ich habe Geburtstag“, murrte er rau, aber Draco kam einfach ins Zimmer und zog ihm die Decke vom Körper.

 

„Eben.“ Was er bekam, war ein ruppiges Kopfstrubbeln, und er fuhr sich hastig über die Haare. Er mochte seine Haare nämlich.

 

„Was ist los?“

 

„Ich helfe dir“, gab sein Vater murrend zur Kenntnis. „Wir sind Malfoys. Und es wäre eine Schande würdest du deinen letzten Geburtstag in der Schulzeit nicht in Hogwarts verbringen.“ Sein Vater wollte ihn zurück nach Hogwarts schicken? War er jetzt verrückt und kalt geworden? Da sollte er ihn lieber zurück ins Waisenhaus bringen!

 

„Ich will hier sein. Harry und Ginny kommen heute.“ Draco verdrehte die tatsächlich die Augen.

 

„Für mich wäre es damals eine Strafe gewesen, mit Harry Potter und Ginny Weasley als meinen einzigen Gästen zu feiern“, erwiderte er leise. „Mittlerweile… nicht mehr so. Aber du bist halb so alt. Und du solltest mit Menschen feiern, die halb so alt sind“, fuhr er ungeduldig aus. „Und jetzt aufstehen!“

 

„Weiß Hermine das?“, erkundigte er sich angriffslustig und wollte wieder seine Decke über den Kopf ziehen.

 

„Hermine? Sie ist nicht dein Beschützer! Und sie findet, es ist wichtig, dass du in Hogwarts Freunde findest. Du willst doch wohl nicht, dass deine Wahl-Mommy nach Hogwarts appariert und Teddy Lupin die Werwolfohren langzieht, oder? Wie sähe das nur aus…“, fügte er mit gespielter Entrüstung hinzu. Scorpius fiel kraftlos zurück auf die Matratze.

 

„Steh auf, oder du wirst ein Levicorpus-Opfer.“ Er wollte nicht fragen, was es war. Aber er hatte genug Latein in den letzten Wochen gelernt, um ansatzweise zu wissen, um was der Spruch gehen könnte. Er schwang wütend die Beine aus dem Bett.

 

„Ich habe Geburtstag!“, wiederholte er knurrend. Draco lachte nur.

 

„Ich weiß. Du kannst mir später danken, Scor“, erklärte er, und Scorpius rieb sich mürrisch die Augen. Das wäre also sein Geburtstag? Ein saublöder Tag. Wie also jedes Jahr. Dass der Monat verschoben worden war, änderte als wirklich nichts weiter, außer seinem Sternzeichen.

 

Er verschwendete mit Absicht viel Zeit unter der Dusche, stylte seine Haare doppelt so lang und entschied sich für eine helle Jeans und ein weißes Hemd. Die Ärmel krempelte er hoch, wieder runter und noch einmal hoch, damit er noch mal zehn Minuten länger brauchte.

Was dachte sich sein Vater? Er war absolut ungerecht. Er wollte nicht nach Hogwarts an seinem Geburtstag. Er konnte an jedem anderen Tag alleine sein. Nicht an seinem Geburtstag!

 

Lustlos stapfte er die Stufen hinunter. Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen. Seltsame Wesen schoben sich durch den breiten Flur. Kistenweise Butterbier schleppend, Dekoration und Flaschen, die unbedruckt waren, von denen er auf harten Alkohol schließen konnte.

Draco segnete alles im Wohnzimmer ab, während Hermine wütend auf ihn einredete.

 

„Du willst ihn nach einer Woche von der Schule werfen lassen? Ist das dein Plan?“

 

„Granger, würdest du bitte dein Vertrauensschülerabzeichen ablegen und aufhören, alles mies zu machen?“, gab er fröhlich zurück, und sie schüttelte nur wieder den Kopf.

 

„Das wird ihm nicht helfen!“

 

„Du kennst wohl keine Slytherins?“, erwiderte er spöttisch.

 

„Ich kenne die Regeln! Wenn McGonagall erfährt-“

 

„Sie wird es nicht erfahren, Hermine. Was ich organisiere hat bisher noch nie jemand erfahren. Was denkst du, wie oft ich solche Partys in Hogwarts hatte?“ Sie sah ihn wütend an. „Jedes zweite Wochenende“, beantwortete er seine eigene Frage gelassen. Sie hatte die Arme zornig vor der Brust verschränkt und war im Begriff, zu gehen. Da entdeckte sie ihn.

 

„Oh, Scorpius! Herzlich Glückwunsch!“ Ihre Laune hob sich sofort, und sie eilte auf ihn zu, drückte ihn kurz an sich, und strich über seine frisierten Haare. Er duckte sich unter der Hand weg, und sie verdrehte die Augen. „Du siehst immer noch gut aus“, versicherte sie. Fast wurde er rot. Er schüttelte den Gedanken ab.

 

„Was wird das?“, fragte er also.

 

„Dein Vater hält es für sinnvoll, eine Horde Brauelfen mit Alkohol nach Hogwarts zu schmuggeln, den Gemeinschaftsraum der Slytherins zum Partyzimmer dekorieren zu lassen und dich als Helden von Slytherin mit ganzer Schiffstaufe zu feiern“, entgegnete sie eisig.

 

Und seine Mundwinkel hoben sich ein Stück. Er schritt an Hermine vorbei.

 

„Und du denkst, das klappt?“

 

„Ich hab das Mädchen aus Gryffindor bekommen, oder nicht?“, erwiderte Draco mit einem Grinsen, und Scorpius hörte Hermine aufschnauben.

 

„Ha ha. Bestimmt nicht mit blöden Angeberpartys, wo nur bewiesen wird, dass du zu viel Gold und keine Achtung vor Regeln oder Prinzipien hast!“, rief sie ihnen zu.

 

Angeberparty?“, wiederholte Scorpius ehrfurchtsvoll. „Keine Ahnung, ob…“

 

„Wenn die Mädchen jetzt noch nicht deine Füße massieren, werden sie das spätestens heute Nacht tun. Kennst du dich eigentlich mit Verhütungszaubern aus?“, erkundigte sich sein Vater im selben Satz. Jetzt wurde Scorpius definitiv rot.

 

„Draco!“, schalt ihn Hermine. „Du wirst ihm keine Alkohol-Sex-Party organisieren!“, schrie sie praktisch. Scorpius starrte seinen Vater.


„Du kannst Alkohol-Sex-Partys organisieren?“, flüsterte sein Sohn, und Draco lachte, während Hermine böse vor sich hin murmelte.


„Sex ist in Hogwarts verboten.“

 

„Nein“, widersprach Draco Hermine nachsichtig. „Sex ist nur verboten, wenn du erwischt wirst.“

 

„Ich will nicht, dass er mit jedem Mädchen Sex hat, Draco!“

 

„Er wird nicht mit jedem Mädchen Sex haben. Er wird sich die nehmen, die er will.“ Hermine fing an zu schreien, aber Scorpius Gedanken schweiften ab. Zu einem Gemeinschaftsraum, in dem er vielleicht kein Außenseiter sein musste. Vielleicht konnte er eine Party geben, und die Leute würden ihm gratulieren, ihm die Hände schütteln und seinen Namen auf einem Banner steigen lassen, wenn er das nächste Quidditchturnier gewann.

 

„Scorpius, das willst du doch nicht, oder?“ Sie versuchte an sein Gewissen zu appellieren, das sah er genau. Aber er musste leider grinsen.

 

„Darf ich?“ Hermine seufzte auf. „Ich habe auch keinen Sex, versprochen“, fügte er leiser hinzu, denn irgendwie war es ihm peinlich, vor seinem anscheinend erfahrenen Vater zugeben zu müssen, dass er überhaupt noch nie an so etwas wie Sex gedacht hatte. Und anscheinend taute Hermine ein bisschen auf. Anscheinend war es ihr unangenehm, dass er dieses Thema angesprochen hatte. Darauf hatte Scorpius auch gehofft.

Das war es ihm nämlich auch.

 

„Ok. Lass dich nicht erwischen. Und wenn, schieb es auf wen anders“, murmelte sie, so dass es Draco nicht hören konnte.

 

„Habt ihr das jetzt geklärt?“, erkundigte sich Draco gutgelaunt, während er einem dicken Elfen weitere Instruktionen gab. „Wichtig ist, Rückendeckung“, fuhr er jetzt fort.

„Mit wem hast du dich schon mal unterhalten? Wer sind Leute, die du einfach für dich einnehmen könntest? Jemand namens Zabini in deinem Jahrgang?“, fragte er jetzt, und Scorpius überlegte angestrengt.

 

„Vielleicht im ersten Jahr? Ich glaube, ein Mädchen heißt-“

 

„Zu jung“, unterbrach ihn Draco nachdenklich. „Alleine könnte es schwer werden. Ich kann dich nicht begleiten. Das sähe nicht cool aus.“ Dass sein Vater das Wort verwendete war seltsam. Aber wahrscheinlich war es das nicht unbedingt. Immerhin fragte er ihn, ob er Verhütungszauber konnte. Die Antwort darauf war auch übrigens nein. Aber das würde er hier nicht verraten. Nicht vor Hermine zumindest!

 

Es klopfte an der Haustür. Noch mehr Elfen? Er nahm an, mit noch mehr Alkohol würde er höchstens eine halbe Stunde aushalten. Hermine öffnete resignierend die Tür.

 

„Hey, Geburtstagskind! Obwohl, ein Kind ist er nicht mehr wirklich, oder?“ Harry Potter sah sich um. „Eine Party im Aufbruch?“, fügte er langsam hinzu.

 

„Wohl eine Gemeinschaftsraumparty? Draco, planst du etwa wieder?“ Ginny hatte ihn kurz umarmt und ihm ein kleines Geschenk in die Hand gedrückt. „Da kommt unser Geschenk vielleicht nicht ungelegen“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Mehr sagte sie dazu nicht, und schon schritt sie weiter, um Hermine zu umarmen. Harry klopfte ihm auf die Schulter.

 

„Hast als erstes den Patronus ausgeführt, hm?“ Er schien wirklich stolz zu sein, und Draco spürte, wie seine Brust anschwoll.

 

„Jaah… Kleinigkeit“, log er gekonnt.

 

„Es würde mich sehr freuen, dich auszubilden. Hab doch gewusst, dass du es drauf hast. Und, ich habe zwar kein Geschenk, aber eine Leihgabe. Bis mein eigener Sohn nach Hogwarts geht“, fügte er hinzu. „Aber du darfst es nicht verlieren, musst vorsichtig sein, und sag es Hermine bloß nicht!“, flüsterte Harry. Scorpius nickte heftig. Das war aufregend.

 

„Es nennt sich, die Karte des Rumtreibers. Sie zeigt dir alle Gänge, Stockwerke, Lehrer, Schüler in Hogwarts und wo sie gerade sind. Du aktivierst sie mit den Worten: Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin. Und du deaktivierst sie mit den Worten: Unheil angerichtet“, erklärte Harry sehr schnell, denn Ginny kam wieder zurück. Hastig versteckte sie Scorpius hinter seinem Rücken. Sie war schwer eingewickelt in braunes Packpapier.

 

„Was hast du ihm mitgebracht?“, wollte Ginny wissen.


„Auroren-Broschüren“, erklärte er Harry abgebrüht.

 

„Herrje, Harry, gib ihm doch noch ein paar Monate Zeit, ehe du ihn zwingst“, murmelte Ginny kopfschüttelnd und schenkte Scorpius ein Lächeln. „Aber tapfer genug ist er wohl.“

 

„Was wird das, Draco? Wie viel Alkohol schmuggelst du diesmal ins Schloss?“, rief Harry lachend seinem Vater zu. Anscheinend war es allgemein bekannt, dass sein Vater Partys veranstaltet hatte.

 

„Soll ich mit Teddy reden, Scorpius, Hermine hat mit gerade erzählt, dass er die keine leichte Zeit verschafft“, bemerkte Ginny plötzlich leiser und sah ihn eindringlich an. „Im Moment ist er wirklich etwas-“ Aber Scorpius schüttelte hastig den Kopf.

 

„Nein! Nein, absolut nicht. Danke, aber nein!“, widersprach er heftig. Er würde es selber hinkriegen. Er hatte keine Angst vor Lupin. Wann war noch mal Vollmond? Vielleicht sollte er ihm da dann fern bleiben, überlegte er dumpf. Ansonsten hatte er keine Sorge.

Er hatte keine Ahnung, wie gut Lupin im Quidditch war, aber wenn ihm selber unterstellt wurde, er wäre ein Potter, dann nahm er an, er war nicht gerade schlecht.

Er hatte sich die Pokale und Medaillen angesehen.

Natürlich reihten sich Regale mit Auszeichnungen für Harry Potter im dritten Stock aneinander, aber auch eine Medaille, die ihn als jüngsten und besten Sucher aus Gryffindor auszeichnete. Das hieß doch schon mal einiges.

 

„Scor, komm raus, zeig mir, wie du fliegst!“, rief ihm sein Vater zu, als hätte er seine Gedanken gerade erraten. Scorpius nickte, ein bisschen überfordert.

 

„Oh ja, ich komme gleich nach!“, versprach Harry daraufhin. Scorpius verließ mit seinem Vater das Wohnzimmer über die Terrasse.

 

Draußen griff sein Vater nach dem Besen, der bereits gegen die weiß verputzte Hauswand lehnte. Dann umfasste er Scorpius‘ Handgelenk und drückte ihm etwas Kaltes in die Finger. Scorpius starrte auf seine Hand.

 

„Das ist der Familienring. Ich denke, es ist Zeit, dass du ihn trägst, Scorpius“, bemerkte er lächelnd. Das Silber lag schwer in seiner Hand. Er zog ihn skeptisch über den Zeigefinger. Eigentlich trug er keinen Schmuck. Er hatte noch nie welchen besessen. Der schlafende Drache rankte sich anmutig um seinen Finger, und Scorpius glaubte, seine Nüstern im Schlaf zucken zu sehen.


„Der ist schön“, erwiderte er leise. „Danke“, fügte er hinzu.

 

„Ich bin gespannt“, rief Harry jetzt, der vom Innern nach draußen gekommen war. „Wie viel Zeit haben wir noch?“


„Wieso?“, erkundigte sich Draco jetzt. Harry zog den Zauberstab aus seiner Tasche.

 

Accio Feuerblitz!“, rief er laut. „Weil das vielleicht noch fünf Minuten dauert“, fügte er lächelnd hinzu. Scorpius musste grinsen. Mit Harry Potter fliegen wäre vielleicht ein besseres Geschenk, als eine Karte über Hogwarts.

 

~*~

 

Der Nachmittag war schnell gekommen. Mit Harry zu fliegen hatte ihm gezeigt, wie schlecht er noch war. Selbst sein Vater wagte tiefere Sturzflüge und schien keine Angst zu haben.

Er selbst hatte sogar jetzt schon Angst. Hier, im Gemeinschaftsraum, den er gerade betreten hatte. Aber Harry und Draco hatten ihm beide dasselbe gesagt: Keine Unsicherheit zu erkennen geben.

 

Aber wie sollte er das tun? Konnte man alleine selbstbewusst sein?

 

Es war Samstag, und die Schüler von Slytherin saßen gelangweilt im Gemeinschaftsraum verteilt, als er durch das Portrait den Raum betrat. Kaum einer hatte den Blick gehoben, und die, die es getan hatten, grüßten ihn nicht. Sie betrachteten ihn nur, wie man eben einen Fremden betrachtete. Es wäre einfacher, hätte er irgendjemanden.

Egal, wen.

 

Aber er hatte im Moment nur sich. Und die Karte des Rumtreibers in seiner Tasche, den Ring an seiner Hand. In ungefähr fünf Minuten würde die Elfen apparieren und den Gemeinschaftsraum umgestalten. Was, wenn die Schüler protestieren würden? Ihn anschwärzen würden? Er von der Schule flog? Was, wenn Hermine recht hatte, und nicht Harry und Draco, die eine Party beide für eine geniale Idee hielten?

 

Er atmete aus. Es war ein bisschen zu spät für einen Rückzieher, also tat er, was sein Vater ihm aufgetragen hatte. Mit weiten Schritten durchquerte er den Raum, schritt zum Fenster und belegte es mit dem Muffliato, einem Verstummungszauber und einem Akkustikschutz.

Einige ließen ihre Bücher und Hausaufgaben sinken, um ihm zuzusehen. Er dachte an Ginnys Geschenk. Es war eine Box aus dem Scherzartikelladen ihres Bruders. Viele nützliche Sachen waren darin enthalten. Ein paar Knallkäfer, die den Raum in schwarzen Rauch tauchten, um eine Flucht zu ermöglich. Ein kleines Feuerwerk zur Ablenkung, welches er vielleicht später plante, wenn die Party lau werden würde, dann noch magisches Juckpulver für Feinde, hausgemachte Desillusionierungen für fünf Minuten und ein Anti-Kater-Mittel, welches Morgen vielleicht nützlich werden würde.

 

Wenn sie ihn gleich mit Tomaten bewerfen würden, würde er den Knallkäfer loslassen, überlegte er angespannt.

 

Die Älteren lachten bereits, hielten ihn wohl für neurotisch oder ängstlich. Er führte die Zauber weiter aus.

 

Er wandte sich um. Jetzt wurde er von allen angestarrt. Ok. Wo blieben die Elfen? Es sah jetzt einfach nur lächerlich aus. Er beschloss, so zu tun, als hätte er schon ein Glas Feuerwhiskey auf seinen siebzehnten Geburtstag getrunken, als wäre er noch im Waisenhaus. Da hatten alle Angst vor ihm gehabt. Aber nur weil er einen Hauch Magie in den Fingern besessen hatte. Hier sollten sie auch Respekt haben. Aber hier würde er mit Magie nicht trumpfen können.

 

Aber es gab immer noch die Kunst von der sein Vater gesprochen hatte: Selbstdarstellung.

 

Und anscheinend konnten Malfoys dies immer. Zu jeder Zeit. Er würde Draco umbringen, wenn das nicht stimmte. Sein Vater hatte ihm zu einem anderen Outfit geraten. Ein Streberoutfit, wie Scorpius fand. Denn jetzt trug er eine Stoffhose. Sie war schwarz. Dazu ein dunkles Hemd, so teuer, dass es seine gesamte Hogwartsausrüstung bezahlen konnte. Ein schwarzes Jackett, extra für ihn geschneidert, und wüsste er es nicht besser, würde er annehmen, er müsste zu der Beerdigung des Königs gehen.

 

Nicht auf seinen Geburtstag. Er räusperte sich also, hoffte, seine Stimme würde nicht brechen, und beschloss, zumindest zu versuchen, einen perfekten Eindruck zu hinterlassen. Draco hatte ihm gesagt, wenn er es richtig anging, dann würde er ab Morgen in die Partylegenden eingegangen sein. Seine Fingerspitzen kribbelten, und einige ältere wandten schon wieder den Kopf zur Seite, um sich ihren Gesprächen zu widmen.

 

„Hey…“, begann er also. Er räusperte sich erneut, setzte mehr Druck hinter seine Stimme. „Mein Name ist Scorpius Malfoy, und heute wird sich dieser Gemeinschaftsraum einer legendären Party erfreuen. Nämlich meiner Geburtstagsparty. Ihr seid herzlich eingeladen. Der Codex gilt: Wer quatscht, fliegt raus!“, erklärte er mit der arroganten Manie, die ihm sein Vater nahe gelegt hatte, und als wäre es Absicht, erschienen die Elfen mit einem Plopp im Gemeinschaftraum. Bestimmt zwanzig Stück. Die Schüler sprangen aus der Ledercouch und aus den Sesseln, während die grimmigen – und wahrscheinlich betrunkenen – Elfen begannen, die schwere Holztheke aufzubauen, Fässer dahinter rollten, und dann ein riesiger Holzwürfel erschien.

 

Es war wohl ein Musikwürfel, hatte ihm Draco erklärt. Teures Gerät.

 

Ein schlanker Elf, der etwas größer war, erschien nun ebenfalls im Raum, im dem großes Gemurmel ausgebrochen war.

 

„Mr Malfoy?“, rief er laut in den Raum, und zu Scorpius‘ großer Zufriedenheit deutete ein Mädchen aus seinem Jahrgang eilig mit dem Finger auf ihn. Sie wussten jetzt, wer er war. Geschäftig näherte er sich dem Elfen.

 

„Ich bräuchte Ihre Bestätigung für den Whiskey und den Black Wizard Poker Tisch.“ Etwas überfordert unterschrieb er einige Pergamentblätter und hoffte nur, damit nicht seinen Rauswurf zu unterzeichnen. Und jetzt kam Bart Black auf ihn zu, schlug ihm auf die Schulter, und pfiff anerkennend, als der nachtschwarze Pokertisch aus dem Nichts erschien.

 

„Verdammt, Malfoy! Das ist der beste Samstag, bisher! Glückwunsch, Mann!“ Dem Kapitän der Mannschaft folgten alle anderen Spieler hastig, schlugen ihm auf dem Rücken, schüttelten ihm die Hand, und sobald er die Männer auf seiner Seite hatte, bemerkte er die Blicke der verschiedenen Mädchen aus Slytherin.

 

Ein Elf startete den Würfel, und ein Lied, was Scorpius nicht kannte, wurde lautstark von allen Schülern mitgesungen. Die erste Ladung Butterbier machte die erste Runde, und es wurde auf seinen Namen angestoßen.

 

Er würde sich bei einem der Elfen nur noch erkundigen müssen, was zur Hölle ein Black Wizard Poker Tisch zu bedeuteten hatte, und wie man es spielte. Ansonsten sah er sich im Stande, wenigstens ein Glas Whiskey zu trinken und seinen Geburtstag zu überleben. Vielleicht….

 

 

Kapitel 22

Home

 

Er hatte mit so vielen angestoßen, so viele neue Namen gelernt, endlose Lieder gesungen, bis er heiser war – und bereits den Text und alle neu gelernten Namen vergessen.

Durch die Masse an Schülern schob er sich durch das Portrait hinaus auf den Flur.

Der Blutige Baron schenkte ihm wenig Beachtung. Er fuhr sich durch die verschwitzten Haare und atmete tief die kühle Luft auf dem Flur ein.

 

Zu viel Whiskey, definitiv.

 

Seine Haare gehorchten seit einer Stunde nicht mehr, standen wild ab, und er versuchte nicht mal mehr, sie in irgendeine Form zu bringen, außer dieser, dass sie ihm wild in die Stirn fielen.

Er öffnete die obersten Knöpfe seines Hemds und hoffte, dass die Hitze endlich verschwinden würde. Die Party war ein absoluter Erfolg, das konnte er so sagen. Niemand würde das so schnell vergessen. Niemand würde vergessen, wie Bart Black kopfüber beim Whiskey trinken ohne Hände vom Stuhl auf den Boden gekracht war, und das gesamte Poker Spiel mitgerissen hatte.

 

Er würde das betrunkene Geburtstagsständchen des Quidditchteams im Gedächtnis behalten und die Blicke der vielen Mädchen da drin. Bei dem Gedanken spürte er, wie sich das Portrait zur Seite bewegte. Das Mädchen, was aus dem Portraitloch trat brachte einen Schwall Hitze und Lärm mit. Sie rief ihren Freundinnen irgendwas zu, und stellte sich dann lächelnd neben ihn, als das Portrait wieder zu schwang.

 

Larissa Bullstrode-Baxter hieß sie. Er hatte sich den Namen gemerkt. Sie hatte lange, glatte dunkelbraune Haare. Ihr Gesicht war schmal und ihre Augen sehr hellblau.

 

„Hi“, begrüßte sie ihn scheu. „Super Party. Aber etwas heiß“, erklärte sie, lehnte sich erschöpft an seine Schulter, und er fragte sich, ob sie es aus Absicht oder Versehen getan hatte. „Das ist bestimmt eine spannende Geschichte, weshalb du erst im letzten Jahr nach Hogwarts kommst, oder?“ Sie klimperte auffallend mit ihren langen dunklen Wimpern.

 

Sie war in seinem Jahr, und er hatte sie nur bei Zaubertränke das erste Mal betrachtet. Sie war hübsch, schlank, und ihr Blick zeigte keinen Abscheu. Nein, ehrlich gesagt, sah sie so aufrichtig zu ihm auf, dass er den Mund überrascht öffnete und wieder schloss.

 

„Ich… war die ersten sechzehn Jahre in einem Waisenhaus. Mein Dad war auf der Flucht“; erklärte er möglichst lässig. Erschrocken öffneten sich ihre Augen weiter, und sie fuhr mit der Hand bedauernd über seinen Unterarm.


„Wow, das klingt hart. Dein Dad hat dich einfach ausgesetzt?“ Ihre Stimme klang charmant.

 

„Jaah“, bestätigte er ernsthafter, als er es eigentlich befand, während sein Blick sich tatsächlich an ihren Lippen verfing.

 

„Dann bist du also ein tragischer Held“, fuhr sie beeindruckt fort. Seine Mundwinkel hoben sich. Wenn sich dieses Mädchen nicht gerade tatsächlich mit voller Wucht an ihn ranmachte, dann wusste er auch nicht weiter! Das war ja sehr interessant. Ihm kamen die Worte der Schulsprecherin wieder in den Sinn. Dass er gut aussah, das war nie etwas gewesen, worüber er großartig nachgedacht hatte. Er hatte nicht viel Zeit darauf verschwendet, denn sein Aussehen hatte ihm in seiner Vergangenheit nicht viel gebracht, außer Ärger.

 

Mittlerweile schien er es einsetzen zu können. Er lehnte sich also entspannt gegen die Wand zurück, senkte den Blick und wusste zum ersten Mal, dass er überlegen war. Wie seltsam es sich anfühlte, wenn die Mädchen so dreist waren und ihn einfach ansprachen, berührten und offensichtlich wollten, dass man… ja, was eigentlich? Müsste er es rausfinden?

Das erste Mädchen, was er geküsst hatte, war ein Mädchen aus der Nachbarschaft des Waisenhauses gewesen, und sie hatte sich auch nur küssen lassen, weil er es bei einer Wette gewonnen hatte.

 

Und das zweite Mädchen war Hermine gewesen. Und das gäbe keine Story ab, würde er sie jetzt stolz erzählen. Draco hatte ihm gesagt, nichts wäre so überzeugend und verführerisch wie Selbstsicherheit. Und wenn er diese nicht besaß, konnte er immer noch so tun. Und das würde er wohl.

 

„Erzähl mir von dir, Larissa“, erwiderte er also, schenkte ihr ein Lächeln, von dem er wusste, dass es nicht schlecht aussah, und sie erwiderte das Lächeln sofort.

 

„Von mir? Oh, von mir gibt es nicht besonders viel zu-“ Das war ihm egal. Er wollte es ausprobieren. Was könnte schon Schlimmeres passieren, als dass sie ihn zur Seite stoßen und weglaufen würde? Es war der Whiskey in seinem Körper, der ihm tatsächlich den Mut gab, etwas so waghalsiges zu versuchen. Er lehnte sich einfach zur runter, zog sie an ihrem Shirt näher zu sich, und schon verschlossen seine Lippen ihren geöffneten Mund.

 

Es passierte nichts.

 

Sie stieß ihn nicht zur Seite!

 

Anscheinend wartete sie aber auf etwas. Wahrscheinlich darauf, dass er einfach Initiative ergriff. Ach, zur Hölle, jetzt hatte er auch nicht zu verlieren. Er wusste nicht, was sie wollte, oder was er tun musste, also beschloss er, sich zu nehmen, worauf er eben Lust hatte. Er wollte ihre Lippen mit seiner Zunge teilen. Und er zog sie näher zu sich, hörte sie seufzen und hätte fast gegrinst. Wenn sie wüsste, dass sie das erste Mädchen war, dass er tatsächlich wirklich küsste!

 

Aber das würde sein Geheimnis bleiben. Selbstbewusstsein, Scor, sagte er sich tapfer und schob seine Zunge zwischen ihre Lippen, griff mit der Hand um ihren Hals, und schon hatten ihre Finger den Weg in sein Jackett gefunden, in seine Haare, glitten über seinen Körper, und sie rieb sich plötzlich gegen ihn, komplett eng. Körper an Körper.

 

Seine untere Region reagierte sofort. Es überraschte ihn. Das Gefühl war großartig!

 

Wie war das mit Verhütungen? Er hatte keine Zeit gehabt, sich schlau zu machen. Mist!

 

Er küsste sie verlangender, wusste nichts weiter anzufangen, als sie näher an sich zu bringen und zu knurren, wenn sie sich an seiner Beule rieb. Sie drückte ihn plötzlich gegen die Wand, löste sich von seinen Lippen, was er nicht gut fand, und begann sein Hemd langsam aufzuknöpfen, bis ihre Hände über seine nackte Brust strichen! Ich verflucht! Was tat sie denn?! Er hoffte, er kam nicht schon allein, weil dieses Mädchen ihn berührte!

 

Und dann glitten ihre Finger einfach zu seiner Hose, öffneten den Gürtel und er zuckte zurück.

 

„Hey, hey…“, unterbrach er rau ihre Handlungen und umfing sachte aber bestimmt ihre geschickten Finger. „Hier?“, erkundigte er sich außer Atem, und sie nickte bloß, als wäre es so Gang und Gäbe.

 

„Willst du nicht?“, fragte sie scheinheilig und biss sich auf die Unterlippe, während sie ihm ihre Hände wieder entzog und langsam auf die Knie ging. Oh Himmel, noch mal! Gleich würde er wahrscheinlich sterben! Oder in ihr Gesicht kommen, ehe sie irgendetwas von den Dingen tun konnte, die er sich bisher nur in seinem Kopf ausgemalt hatte.

 

Er wollte nicht ohnmächtig werden! Und garantiert nicht kommen! Merlin, wie sollte er jetzt…

 

„Einen schönen guten Abend“, hörte er eine missbilligende Stimme. Larissa kam schnell und äußerst verstimmt wieder auf die Beine, als sie vom Lumos-Zauber der Schulsprecherin getroffen wurden. „So spät noch draußen? Ms Bullstrode-Baxter, haben Sie nicht erst letzte Woche eine Abmahnung und Strafarbeiten von mir bekommen? Sie gehen besser wieder!“, befahl sie streng. Scorpius war ihr dankbar zum einen Teil und wütend zum anderen.

 

Larissa flüsterte das Passwort und verschwand im stickigen, lauten Gemeinschaftsraum. Victoria sah ihn jetzt mit erhobener Braue an.


„Eine Party?“, vermutete sie schlecht gelaunt und schaute auf ihre Armbanduhr. „Um zwei Uhr nachts?“, fügte sie hinzu und wollte sich den Weg zum Gemeinschaftsraum bahnen.

Er hielt sie hastig auf, griff um ihre Schultern und schüttete verzweifelt den Kopf.

Er sah all sein gewonnenes Glück, seine neu erworbene Beliebtheit dahinschwinden.

 

„Lass mich los, Malfoy. Und mach deine Hose zu!“, presste sie hervor. „Dir ist klar, dass alle Partys ab elf Uhr untersagt sind! Und wehe, ihr habt Alkohol!“, fügte sie wütend hinzu, während er mit einer Hand seine Hose verschloss. Immerhin war die Erektion verschwunden!

 

„Hör zu, bitte, geh nicht rein. Da ist eine Party, ja. Meine Party. Meine Verantwortung, bitte!“, flehte er praktisch, und die Portraits betrachteten diesen Vorfall mit höchstem Interesse.

 

„So läuft das nicht!“, informierte sie ihn wütend.

 

„Das ist mein erster Geburtstag hier. Und mein erster Geburtstag, den ich nicht alleine auf der Straße oder in einer heruntergekommenen Kneipe verbringe, mit gefälschtem Ausweis und Menschen, die ich nicht kenne. Mein erster Geburtstag, an dem ich ein Geschenk bekommen habe. Nein, sogar drei! Und ich will nicht mehr allein sein. Denn alles, was ich hier bin, ist allein, Victoria! Ich bitte dich, zwing mich zu allem, was dir einfällt, aber lass das nicht auffliegen!“

 

Er sah sie eindringlich an. Sein Herz klopfte sehr schnell. Ihr Blick ruhte auf seinem Gesicht. Sie verzog schließlich den Mund. „Du stinkst nach Alkohol“, spuckte sie ihm entgegen, dennoch sah er wie sie ihr Zorn langsam legte. Seine Mundwinkel zuckten kurz.

„Und du solltest dich besser nicht auf Larissa Bullstrode-Baxter einlassen“, fügte sie kühler hinzu.

 

„Ach nein?“, wollte er erleichtert wissen, und würde sie es ihm verbieten, würde er sich wahrscheinlich daran halten, so dankbar war er.

 

„Nein“, bestätigte sie und sah ihn weiterhin an. Sie seufzte schwer. „Wahrscheinlich bedeutet das, dass Teddy dich ab Montag beachten wird.“ Sie wandte den Blick zur Seite, und anscheinend gefiel ihr diese Vorstellung nicht gut. Er hielt immer noch mit einer Hand ihre Schulter fest.

Sie war hübscher als Larissa, war alles, was ihm einfiel.

 

„Du magst Lupin, oder?“, fragte er, bemüht um einen lässigen Tonfall. Sie hob eine Augenbraue in die Höhe.

 

„Wenn du denkst, dass ich irgendwann diejenige bin, die hier auf dem Flur vor dir auf die Knie geht, dann muss ich dich enttäuschen, Scorpius Malfoy. Ja, ich mag Teddy Lupin“, fügte sie gereizt hinzu. Sie regte sich schnell über ihn auf. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

 

„Das… würde ich bestimmt nicht verlangen“, sagte er schnell, schenkte ihr ein Lächeln und zog die Hand von ihrer Schulter zurück. „Vielleicht erst mal nur… einen Spaziergang, einen Kaffee, zusammen lernen in der Bibliothek…“, bot er ihr mehrere Möglichkeiten an, und ihre Hand schlug ihn gegen seinen Arm.

Ein gutes Zeichen, also….

 

„Vergiss es“, sagte sie nur. „Zu deiner Strafe…“, fügte sie lächelnd hinzu, und er versuchte seinen flehendsten Blick, wenn er denn zu sowas fähig war.

 

„Oh bitte, Ms McLaggen, seien Sie gnädig“, bat er rau, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin, und Montagnachmittag erwarte ich Sie zur Strafarbeit im Zauberkunstraum, um drei Uhr“, fügte sie hinzu. Immer noch sah sie ihn an. Er war sehr glimpflich davon gekommen. Aber nein. Sie hatte einen Freund. Und dazu noch einen Werwolffreund. Er mochte sich gar nicht ausmalen, wie kompliziert es werden würde, würde er auch nur eine Sekunde lang daran denken, irgendetwas zu versuchen.

 

„Du wärst bestimmt zu gern auf der Party dabei, oder?“, neckte er sie lächelnd, aber sie lächelte ebenfalls.

 

„Nein. Slytherins sind mir zuwider“, stellte sie ernsthaft klar.

 

„Alle?“, wagte er zu fragen und wusste nicht, weshalb sie nicht schon längst gegangen war, und ihm nicht auch noch hundert Punkte abgezogen hatte.

 

„Scorpius“, erwiderte sie mit einem Kopfschütteln.


„Tut mir leid“, sagte er, fuhr sich durch die dichten Haare und richtete sich wieder zur vollen Größe auf. Selbstbewusstsein, Scor. „Wenn du deine Meinung ändern solltest…, ich sag es dem Wolf gern“, bemerkte er spöttisch, und dieses Mal verdrehte sie gereizt die Augen und wandte sich von ihm ab.

 

„Du bist wirklich blöd!“, rief sie über die Schulter zurück. Er musste hinter verborgener Hand lachen. Er hatte das Gefühl, die Schulsprecherin mochte ihn leiden. Wahrscheinlich war das eher ungünstig, aber darüber würde er morgen nachdenken.

 

„Hey, ist die Luft rein? Ich hab alle veranlasst, sich zu verstecken und den Alkohol fortzuschaffen.“ Ein Junge lehnte sich aus dem Portrait und sah den Flur hinunter. „Wow, du hast die Schulsprecherin abgewimmelt. Normalerweise ist sie Biest, was keinen Spaß versteht“, merkte er an. Scorpius sah das anders. Victoria war… - bevor er perfekt denken konnte, schüttelte er hastig den Kopf. Nein, war sie nicht.  Er wollte sie nur einmal ganz kurz küssen, mehr nicht.

 

„Danke… äh…“ Er wusste den Namen des Jungen nicht.

 

„Harry. Harry Parker. Nicht Potter”, fügte er mit einem Zucken seiner Mundwinkel hinzu. Anscheinend bekam er oft den Vergleich zuhören. „Einfach nur Harry. Wir haben zusammen Verteidigung“, fügte er hinzu.

 

„Danke, Harry.“

 

„Das war ziemlich hart. Ich wusste nicht, dass du den Patronus so gut beherrschst. Richtig cool. Ich bin richtig schlecht“, fügte er hinzu. Er war etwas kleiner als er selbst, aber er hatte breite Schultern. Ansonsten waren seine Haare braun, sein Gesicht gewöhnlich, und er wäre Scorpius nicht aufgefallen.

 

„Das ist leicht zu lernen“, gab er zurück, und führte gerade sein erstes Gespräch in Hogwarts, mit einem Jungen. Sein erste freundliches Gespräch.


„Ja? Vielleicht kannst du es mir zeigen. Ich hab keinen Plan. Immer noch nicht. Und ich sollte langsam einen haben.“


„Ich kann dir helfen“, bot er an.

 

„Ja?“

 

„Klar.“

 

„Wollen wir… darauf einen Trinken?“, schlug Harry Parker mit ausgestreckter Hand vor, und Scorpius schlug nach keiner Sekunde grinsend ein.

 

„Absolut! Scorpius Malfoy“, stellte er sich vor.

 

„Oh Mann, ich weiß! Larissa steht auf dich. Sie ist wirklich… also… nicht, dass sie wüsste, wer ich bin, aber… sie ist wirklich…!“ Harry wurde etwas röter um die Nase.

 

„Du… magst sie?“, erkundigte sich Scorpius und versuchte zu verdrängen, was Larissa vorhin noch gemacht hatte, oder im Begriff war, zu tun.

 

„Ich? Sie? Nein…, quatsch. Ich doch nicht. Sie… kennt mich nicht mal. Wie könnte ich sie da… - ist ja auch egal. Wieso? Magst du sie? Habt ihr… irgendwie beschlossen…, was zusammen zu machen?“, schien er möglichst desinteressiert fragen zu wollen.

 

Und Scorpius entschied sich schnell.

 

„Nein. Wirklich nicht. Ich hab… kein Interesse an ihr.“

 

„Gut. Nicht, dass ich das gut finde. Ich meine, mir ist es egal. Sie ist mir egal, meine ich“, stotterte hastig. Scorpius musste grinsen.

 

„Komm, wir gehen rein.“

 

„Cool, klar – ok!“

 

Sie verließen den Flur gemeinsam. Und das war mit Abstand der beste Abend, den er jemals an seinem Geburtstag verbracht hatte. Mit großem Abstand! Er fühlte sich Wohl. Zum ersten Mal.

 

~*~

 

Sie lag dick eingewickelt auf dem Liegestuhl auf der Veranda. Es war weit nach zwölf, aber müde war sie nicht. Die Sterne schienen heute so klar, als wären sie aufgemalt. Draco kam auf die Veranda, zwei Gläser Wein in den Händen und legte sich in den freien Stuhl neben ihr. Er reichte ihr das Glas, und sie nippte an dem köstlichen Rotwein.

 

„Die Nacht ist perfekt“, murmelte sie.

 

„Ja“, gab er zurück, während auch er in den Himmel blickte.

 

„Was denkst du?“, fragte sie jetzt und zog sich die Decke enger um die Schultern. Er erhob sich augenblicklich, setzte sich mit auf ihren Liegestuhl, und sie schmiegte sich an seine willkommene Wärme. Er war wärmer als sie. Männer waren meist wärmer als Frauen. Sie wurde noch müder.

 

„Ich denke… dass es lange her ist, dass ich draußen bei Mondschein auf einer Veranda lag. Mit einer Frau. In meinem Haus mit Garten“, erwiderte er bedächtig. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht.

 

„Bist du… glücklich?“, wagte sie zu fragen, und er zog sie enger in seine Arme.

 

„Müsste ich das Wort neu erfinden, dann würde ich anfangen, es damit zu erklären, dass ich hier mit dir auf einer Liege bei Nacht auf der Veranda bin, Hermine“, antwortete er sanft.

Sie lächelte gegen den warmen Stoff seiner Jacke.

 

„Bist du glücklich mit mir?“ Er klang tatsächlich skeptisch. „Mit… Draco Malfoy?“ Sein Name aus seinem eigenen Mund klang so ungläubig, dass sie fast gelacht hätte. Sie setzte sich langsam auf.

 

„Mit Draco Malfoy…?“, wiederholte sie leise. „Anscheinend“, gab sie schließlich zurück. „Ist das so abwegig?“, fügte sie lächelnd hinzu, und er nickte daraufhin.

 

„Weasley scheint es abwegig zu finden“, bemerkte er und konnte wohl einen Hauch Bitterkeit nicht aus der Stimme verdrängen.

 

„Ron wird drüber wegkommen.“ Sie blickte in den Garten hinein. „Habt ihr… damals in Malfoy Manor gewohnt?“, fragte sie vorsichtig. Er lehnte den Rücken gegen die Lehne, atmete langsam aus und nickte dann.

 

„Ja. Vater wurde irgendwann verrückt“, sagte er ernst. „Ich weiß nicht wann. Nach dem Krieg? Nach der Wende? Nach meiner Hochzeit? Astoria hat jeden Tag damit verbracht mir zu erzählen, dass Lucius gefährlich sei. Dass er Pläne hätte. Ich habe ihr gesagt, sie sei verrückt, und dass mein Vater niemals etwas gegen uns planen würde.“ Er schwieg einen momentlang. „Ich hätte niemals auf sie gehört. Nicht mal, wenn es mir meine Mutter auch noch versichert hätte. Ich habe Lucius vertraut.“

 

„Es tut mir so leid.“

 

„Hermine, man verliert Dinge. Man verliert immer etwas oder irgendwen.“

 

„Du hast Scorpius“, erklärte sie sanft. „Und mich“, fügte sie hinzu.

 

„In der Nacht als er geboren wurde, war ich glücklich. Für einen Augenblick. Es ging alles so schnell. Sie brachen in das Haus ein, töteten Astoria, und ich konnte nur einen retten. Und sie sagte zu mir, nimm das Kind, Draco. Nimm bloß das Kind…“ Wieder schwieg er. „Und ich habe nie getan, was sie von mir wollte“, fügte er lächelnd hinzu. „Nur da. In dieser Nacht“, endete er so leise, dass sie ihn kaum verstand. „Sie hätte ihn unheimlich geliebt. Und sie würde sich freuen, dass ich mich für dich entschieden habe.“ Er küsste sie auf die Stirn.

 

Sein Schmerz traf sie heftig. Sie hielt ihn ganz fest, ließ ihn nicht los. Er war ein Vater. Ein Vater, der seine Frau verloren hatte. Seine Eltern. Seine besten Freunde.

 

„Die Lügen, die mein Vater mir erzählte, über Muggel und Voldemort, den Vorteil des Kriegs, haben ihn seinen Verstand gekostet. Jedes bisschen Menschlichkeit. Hätte ich es doch nur gesehen. Dann hätte ich nicht fliehen müssen, dann hätte ich Dinge anders gemacht.“ Er lächelte jetzt. „Ich vermisse ihn nicht. Mein Vater ist vor zwanzig Jahren in Askaban gestorben. Er ist kaum mehr als eine Erinnerung. Ich werde Scorpius nicht enttäuschen. Ich werde ihn immer retten, und die Frau mit der ich zusammen bin immer lieben“, schloss er ernst.

 

Sie hob den Blick und strich ihm eine Strähne aus der Stirn. Er sah sie plötzlich an. „Du weißt, dass ich dich liebe, richtig?“, fragte er besorgt, und ihr Herz machte einen kleinen Satz.

 

„Ja“, log sie fest, und er senkte den Kopf. Ihre Lippen berührten sich sachte. Sie schloss die Augen und genoss diese wunderbare Nähe für eine Weile. Er zog sich zurück und sah sie mit einem liebevollen Blick an.

 

„Wenn du mich willst…?“

 

Sie lächelte breiter. Sie legte den freien Arm um seinen Hals und küsste ihn stürmischer.

War sie verrückt? Vielleicht ein bisschen. War es alles gefährlich und risikoreich? Sicher war es das. Bereute sie, dass sie in der einen Nacht Dienst hatte, einen Jungen auf der Straße aufgegriffen hatte, der versuchte, seine Freunde mit einem Hauch Magie zu beeindrucken?

Bereute sie, dass sie ihn aufgelesen, mitgenommen, aufgenommen und ihm geholfen hatte seinen Vater zurückzubekommen?

Nein. Sie bereute es nicht. Vielleicht hatte sie den letzten Rest der Familie Malfoy gar nicht gefunden. Vielleicht war es anders herum, und die Malfoys hatten sie gefunden und gerettet? Vielleicht hatte sie sich gar nicht verwehren können….

 

Sie hielt Draco Malfoy in ihren Armen, und vielleicht retteten sie sich ja gegenseitig.

Das war ein guter Gedanke. Sie würde ihn nicht enttäuschen. Sie würde Scorpius nicht enttäuschen. Sie war da, wo sie hingehörte. Neben einen Mann, der sie liebte. Wenn sie es vorher nicht verstanden hatte, dann sah sie jetzt wirklich, dass die Liebe blind sein musste. Die Liebe sah mit dem Herzen, nicht mit dem logischen Verstand oder den Augen, denen das Wichtigste verweht blieb.

 

Es war nicht sein Name. Er war sein gutes Herz, das sie überzeugt hatte. Dem sie verfallen war. Sie fühlte sich unendlich wohl. Und in der lauen, sternenklaren Nacht schlief sie in seinen Armen ein. Warm, in seinen Duft gehüllt. Seine Anwesenheit beruhigte ihre Sinne völlig. Sie würde nicht mehr gehen. Und das wusste sie mit Sicherheit.

 

 

– The End –

 

 

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