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~Part 1 – Milk~

Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4

~Part 2 – Honey~

Kapitel 5 , Kapitel 6 , Kapitel 7 , Kapitel 8

~Part 3 – Bitter Choclate~

Kapitel 9 , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12

~Part 4 – White Vanilla~

Kapitel 13 , Kapitel 14 , Kapitel 15 , Kapitel 16

~Part 5 – Sweet Ginger~

Kapitel 17 , Kapitel 18 , Kapitel 19 , Kapitel 20

~Part 6 – Sugar & Spice~

Kapitel 21 , Kapitel 22  , Kapitel 23  , Kapitel 24

~Part 7 – All Together~

Kapitel 25 , Kapitel 26 , Kapitel 27 , Kapitel 28 , Kapitel 29

 

 

~ Milk ~

 

Kapitel 1

 

 

„Hallo, ist jemand da?“, rief sie nicht allzu laut, denn sie wollte nicht plump wirken. „Luna?“ Ihre Stimme wurde noch leiser. Luna Lovegood hatte sie eingeladen, ihre neu eröffnete Confiserie zu besuchen. Allerdings war sie schon nicht mehr neu. Hermine hatte es einfach nur noch nicht geschafft, vorbei zu schauen. Aber Luna war nicht zu entdecken. Hermine war ganz gefangen von den Düften. Schokolade, Chili, indische Gewürze. Es roch nach Milch, nach süßem Honig, nach all den Dingen, die einem sofort gute Laune machten, ohne dass man es wollte.

 

Sie nahm einen tiefen Zug der Luft hier in den Räumen. Sie überlegte, dass sie wahrscheinlich schon vom Atmen hier fünf Pfund zunehmen würde. Lächelnd sah sie sich um. Im Vergleich zu einer nicht magischen Confiserie war hier alles noch ein wenig aufregender. Kleine Männer aus dunklem Glas standen über kleine Töpfe am Fenster gebeugt und rührten eifrig die Schokolade, während sie leise und melodisch miteinander sprachen. Hermine kam näher und die kleinen Männer schossen ein paar böse Blicke weit nach oben.

 

Sie hätte sie auf die Hand setzen können, so klein waren sie. Es musste unglaublich schwierig für diese Männer sein, die Schokolade zu rühren.

 

„Gefallen sie dir?“ Hermine erschrak beinahe. Luna hatte sich lautlos näher geschlichen und strahlte über das ganze Gesicht. Ihre Schürze war voller dunkler Schokoladenspritzer. „Das sind afrikanische Kakaorührer“, erklärte sie und Hermine war sich sicher, dass ihr Vater darüber schon einen Bericht im Klitterer verfasst hatte. Sie war sich nicht ganz sicher, ob es politisch korrekt war, sie so zu nennen, aber den kleinen Männern schien es herzlich egal zu sein, wie man sie nannte, denn ihr Leben schien wohl nur aus Schokolade zu bestehen.

 

Hermine fragte sich, ob die Männer selber auch aus Schokolade bestanden? Es musste ein ziemlich großartiges Leben sein, dachte sie dann.

 

„Hey, ja sie gefallen mir“, erwiderte sie lächelnd. „Luna, das ist wahrscheinlich der beste Laden der Welt“, fügte sie kopfschüttelnd hinzu. „Und du bist noch erstaunlich fit, abgesehen von dem Bauch“, fügte sie hinzu.

 

„Jaah, ich weiß. Am liebsten würde ich den ganzen Tag Schokolade essen, aber die dämliche Schwangerschaft erlaubt es mir nicht.“ Hermine zog die Stirn kraus.


„Seit wann darf man denn bitte keine Schokolade mehr essen?“ Sie erwartete fast schon, dass Luna einen Artikel aus dem Klitterer zitierte, aber sie tat es nicht.

 

„Nein, ich darf sie essen. Aber… ich glaube, mein Sohn mag keine Schokolade“, erklärte sie leise, damit es anscheinend die Kakaorührer nicht hören konnten. Hermine öffnete den Mund, völlig schockiert.

 

„Dein Baby mag keine Schokolade? Und… es ist ein Junge?“, fügte sie überrascht hinzu. „Hast du nachgefragt?“

 

„Unsinn. Ich habe den dreifachen Hupf-Um-Test gemacht, Hermine. Eine absolut Hundertprozent sicherer Methode, um das Geschlecht des Babys herauszufinden. Neville ist schon ganz aufgeregt.“ Hermine war bereit, eine sehr kostspielige Wette einzugehen und zu sagen, es würde ein Mädchen werden.

 

Sie wollte nicht wissen, was ein dreifacher Hupf-Um-Test war, aber es klang nicht besonders entspannend oder glaubhaft. Aber Luna schien es zu glauben. Vielleicht reichte ihr Glaube ja über den dreifachen Hupf-Um-Test hinaus, überlegte Hermine.


„Also? Welche Schokolade kann ich dir anbieten?
Chili-Papaya? Doxy-Ei- Karamell?“ Hermine verzog kurz den Mund.

 

„Wie… wäre es mit etwas ganz normalem?“ Luna wirkte enttäuscht.

 

„Du bist kein Schokoladenkenner. Aber bitte. Ich werde dir eine Kleinigkeit nach draußen bringen.“

 

„Sag mal, wie lange kannst du noch arbeiten?“, rief Hermine ihr nach. „Dein Bauch scheint ja kaum noch runder werden zu können, oder? Wann ist es soweit?“ Luna kam wieder raus mit einem Tablett voller kleiner schwarzer Köstlichkeiten. Hermine hoffte inständig, dass irgendwo Vollmilch mit dabei war.

 

„Nächste Woche. Aber das sagt bloß der Heiler. Da gebe ich nichts drauf.“ Hermine nickte.

 

„Also nächste Woche“, bestätigte Hermine völlig überzeugt. „Wer wird denn den Laden vertreten?“

 

„Oh, ich habe schon mit einem guten Kunden gesprochen. Allerdings sind wir geteilter Ansicht über das Magazin meines Vaters.“ Sie schüttelte den Kopf und wartete, dass Hermine etwas sagte. Sie hatte sehr dunkle Schokolade im Mund, aber sie schmeckte nicht nach Doxy-Ei.


„Hmm…“, kaute Hermine. „Du willst einem Kunden den Laden überlassen?“ Luna zuckte mit den Achseln.


„Es ist nicht sein einziger Job und er liebt Schokolade. Also wird er nichts klauen und weiß, was gut ist.“ Hermine kaute fleißig weiter.


„Na dann. Hast du Absicherungen? Ich meine, du kannst ja nicht irgendwem Fremdes den Laden überlassen“, kaute sie weiter und schluckte endlich den letzten Bissen runter. Luna reichte ihr sofort noch ein Stück.

 

„Ich kenne den Kunden. Mach dir keine Gedanken. Oder möchtest du gerne hier arbeiten?“, erkundigte sie sich grinsend. Hermine seufzte als sie sich ziemlich sicher war, gerade Vollmilch im Mund zu haben.

 

„Nein, ich wäre nicht gut für den Job. Ich hätte innerhalb zwei Stunden, alles aufgegessen, was du hast. Außer natürlich so eklige Sachen wie Doxy-Ei-Karamell nicht“, fügte sie lachend hinzu und erntete sofort einen tödlichen Blick von den Kakaorührern, die zwar kein Wort Englisch sprachen, aber wohl verstanden, dass sie gesagt hatte, eine Schokoladensorte nicht zu mögen.

 

„Sind sind sehr empfindlich“, erklärte Luna lächelnd. Hermine war sich nicht sicher, ob sie sich entschuldigen sollte, aber stattdessen schob sie sich hastig noch ein Stück Schokolade in den Mund. Sofort gingen ihre Mundwinkle nach unten.


„Uähhgh… was ist das?“, fragte sie angewidert, während sie versuchte, nicht zu kauen.

 

„Oh…“, Luna roch besorgt an dem Teller. „Könnte sein, dass ein kleines Stück Paprika-Kartoffel-Schokolade mit dabei war.“ Hermine spuckte die Schokolade in die hohle Hand und einer der Kakaorührer ließ vor Entrüstung seinen Rührstab fallen.

 

„Tut mir leid“, keuchte Hermine in seine Richtung. „Aber das ist doch wirklich eklig!“, fügte sie hinzu und knüllte die Schokolade in ein Taschentuch. Luna rollte die Augen.

 

„Nein, das ist künstlerische Freiheit.“ Hermine verzichtete auf ein weiteres Stück Schokolade und bestellte sich einen Kakao bei den Rührern, die eher halbherzig für sie rührten. Hermine konnte nicht umhin, zu glauben, dass sie bei den kleinen Männern kein Schokoladenstück im Brett sitzen hatte.

 

„Und jetzt erzähl mir von der Schwangerschaft, von Neville und deinem Leben. Ich war ja die letzten beiden Monate ein furchtbarer Mensch“, entschuldigte sie sich kleinlaut. Aber es stimmte wirklich. Sie hatte sich bei niemandem mehr gemeldet. Sie hatte genug damit zu tun gehabt, sich nicht mit Ron zu Tode zu streiten, aus seiner Wohnung auszuziehen, in ihrer eigene auszuwandern und ihm auf der Arbeit nicht in die Quere zu kommen.

 

„Ach Unsinn. Hermine, denkst du sobald ich meinen Charles habe, werde ich noch Zeit dafür haben, mich um meine Freundschaften zu kümmern? Ich nehme mal an, dann werde ich Mutter sein. Und wieder hier arbeiten, sobald es geht, natürlich. Ich nehme dir nicht übel, dass du keine Zeit hattest. Sowas passiert eben.“ Auch Luna nippte an ihrem Kakao, aber er schien ihr wirklich nicht zu schmecken. Sie wirkte traurig darüber.


„Du hast schon einen Namen?“, fragte Hermine jetzt.

 

„Ja, sicher. Ich will doch nicht da liegen und dann heißt mein Sohn für Tage Baby-Boy Lovegood-Longbottom!“, entrüstete sie sich. Hermine grinste in ihren Kakao. Es war schon schlimm genug, dass Luna diesen Doppelnamen gewählt hatte.

 

„Du könntest ihn auch Louis nenne“, schlug sie scheinheilig vor.


„Louis Lovegood-Longbottom?“, wiederholte Luna und schlug sie leicht in die Seite. „Ha ha, Hermine. Aber… eigentlich ist der Name schön“, fuhr Luna nachdenklich fort.


„Nein, bitte nicht. Wenn dein Sohn dann alt genug ist, um zu sprechen und die ihm erzählst, wer für den Vornamen verantwortlich ist, dann will ich wirklich nicht als schlechter Mensch dastehen!“, lachte sie. Luna musste auch wieder grinsen.

 

„Du könntest doch niemals ein schlechter Mensch sein“, beteuerte sie ernsthaft.

 

„Ja? Erzähl das Molly Weasley. Und bitte, erzähl ihr das!“, sagte sie traurig.

 

„Ist es immer noch schlimm?“


„Na ja, sagen wir so, Molly hatte schon eine ganze Sammlung an Babysocken und Pullovern, an Hosen, an kleinen Mützen und Decken gestrickt, und jetzt… muss sie doch erst auf ihre Tochter warten, die irgendwann ein Baby bekommt, wenn Harry es einrichten kann“, fuhr sie fort.


„Hm… meist du, ich kann ihr ein paar Sachen abkaufen? Ich kann zwar Schokolade rühren, aber stricken kann ich überhaupt nicht“, überlegte Luna laut. Hermine ruckte mit dem Kopf.

 

„Bestimmt gibt Molly dir die Sachen umsonst.“


„Denkst du, mit Ron wird es nie wieder gut?“ Auch Luna schien eine von den Personen zu sein, die heimlich darauf warteten, dass es ein Ron-Hermine-Revival gab.

 

„Nein, ich glaube, es sieht nicht gut aus.“ Was sie verschwieg war, dass es absolut unmöglich war, denn es lag an Ron, der sich nicht hatte beherrschen können. Auch wenn er sich dafür entschuldigte, die Sekretariatshexe für eine Nacht beglückt zu haben, machte es das nicht ungeschehen. Hermine konnte darüber nicht hinwegsehen. Sie konnte nicht. Und mittlerweile konnte auch Ron nicht mehr. Und damit war es eben vorbei.

 

„Tut mir leid, Hermine.“

 

Ja, ihr tat es auch leid. Aber das sagte sie nicht mehr laut. Sie musste sich irgendwie abfinden. Und Schokolade schien ihr ein guter Ersatz zu sein.

 

„Ich bin sicher, es wird noch Wochen dauern. Du weißt ja, wie das ist. Diese Heiler haben alle sowieso nicht den blassesten Schimmer von dem Körper einer Frau!“

 

 

~*~

 

 

Und genau eine Woche später brachte Luna ein bezauberndes kleines Mädchen zur Welt. Und sie bekam den Namen Charlotte-Louise. Hermine hatte es nicht geschafft, Wetten abzuschließen, aber sie hatte es geschafft, Luna zwei Stunden nach der Geburt zu besuchen. Sie hatte zwar geschlafen, aber immerhin hatte sie ihre Karte abgeben, einen glücklichen Neville und das kleine blonde Mädchen begutachten können, was in einem kleinen Glaskasten neben Lunas Bett ebenfalls eingeschlafen war.

 

Wie aufregend musste es wohl sein, neun Monate gemütlich in einem Pool zu schwimmen, um dann auf einer grauenhaften langen und unbequemen Reise durch ein sprichwörtliches Nadelöhr nach draußen in die kalte Welt gequetscht zu werden?

 

Neville meinte, es hatte fast achtzehn Stunden gedauert, und das schien auch noch relativ kurz über die Bühne gegangen zu sein. Hermine langweilte sich schon nach zwei Stunden in einem Bett, wenn sie wach war und irgendwie Schmerzen hatte. Aber wahrscheinlich waren diese Schmerzen einfach so betäubend, dass sie einfach sterben würde, überlegte sie ängstlich.

 

Auf der Arbeit lief alles schleppend und furchtbar. Sie war noch nicht über ihren immer noch verführerischen Vor-Ron-Verstecken-Tanz hinausgewachsen, deswegen saß sie die meiste Zeit an ihrem Schreibtisch, wagte nicht Mittagessen zu gehen und ließ nicht einmal mehr Harry länger als fünfzehn Minuten in ihr Büro.

 

Anscheinend hatte Ron auch Probleme, alles zu überwinden, denn wenn sie Harry richtig verstanden hatte, brachte Ron keinen gerade Zauber mehr zu Stande. Er konnte nicht einmal mehr seine Schuhe zuhexen, wenn er es musste.

Und für einen Auror gab es wohl nichts Schlimmeres, als nicht mehr zaubern zu können.

 

Sie konnte sich dafür jetzt nicht wirklich schlecht fühlen. Sie freute sich fast, dass es Ron auch schlecht ging. Sie schaffte wenigstens ihre Arbeit. Aber ihr restliches Leben litt unter den Schmerzen, die es verursachte, abends nicht mehr bei Molly essen zu können, denn dieses Privileg hatte Ron bekommen. Ihr kam es sowieso so vor, als wäre Ron viel besser bei dieser Sache weggekommen, obwohl er derjenige war, der Mist gebaut hatte.

 

Es war ungerecht und sie wollte ihre Familie Weasley eigentlich für sich haben. Aber sie hatte Molly nicht erzählt, weswegen alles in die Brüche gegangen war. Sie wollte paradoxerweise nicht, dass seine Mutter ihn mehr hassen würde als sie es tat.

 

Vielleicht war das der Fehler aller Exfreundinnen. Vielleicht sollten alle Exfreundinnen zu den Müttern ihrer Exfreunde gehen und denen erst mal erzählen, wie schlecht ihr Sohn wirklich war!

 

Exfreundin… sie war jetzt also eine Exfreundin.

 

Sie wusste genau, was sie wollte. Sie wollte Schokolade. Viel davon. Und es würde nicht schaden, Lunas Laden weiter in Betrieb zu halten, während sie sich von ihrer Geburt erholte und ihre kleine Familie genoss.

 

Sobald sie auf der Arbeit ihren Vor-Ron-Verstecken-Tanz beendet hätte, würde sie rüber in die Winkelgasse gehen und zu Lunas Laden tanzen. Versteckterweise, natürlich. Wer wusste schon, wo Ron sich gerade aufhielt….

 

 

Kapitel 2

 

Sie hatte länger gebraucht, um von der Arbeit zu fliehen, denn unten vor dem Haupteingang hatten sich Harry und Ron tatsächlich einen Streit geliefert. Ron wollte eingesetzt werden, damit er nicht ständig im Ministerium sein musste, aber Harry hatte ihm, als sein Vorgesetzter, erklärt, dass er absolut nutzlos war, wenn er nicht zaubern konnte.

 

Das ging eine Weile im Kreis, bis Ron irgendwann wutentbrannt raus gestürmt war. Sie nahm an, er ging jetzt nach Hause zu seiner Mutter, um von ihr getröstet und bekocht zu werden.

 

Ihre Mutter war sonst wo. Nein, sie war auf einer Kreuzfahrt mit ihrem Vater. Hermine hatte das Geld weise angelegt, das das Ministerium ihr nach dem Fall Voldemorts als Ehrendankeschön gezahlt hatte. Sie hatte ihre Eltern immerhin nach Australien verschifft, ihr Gedächtnis gelöscht und belogen.


Das einzige, was sie hatte tun können, war, ihnen jedes Jahr einen bombastischen Urlaub zu bezahlen, nach dem sie sich bis zum Sankt Nimmerleinstag entschuldigen würde.

 

Endlich war sie auf dem Weg zu Lunas Laden und zu ihrer großen Enttäuschung spürte sie gar keinen rechten Hunger auf die Schokolade.

 

Sie beendete dennoch den Weg.

 

Sie konnte schon die kleinen Männer rühren sehen. Und sie glaubte sogar, dass sie die Augen verdrehten, als sie erkannten. Gerade verließ eine Familie den Laden, vollgepackt mit Tüten und schokoladenverklebten Fingern.

 

Luna nagte also nicht am Hungertuch mit einer Confiserie, nahm sie an und betrat den Laden. Die Glocke läutete laut. Sie winkte den Kakaorührern, aber diese starrten demonstrativ in eine andere Richtung.


„Hey, es tut mir leid“, sagte sie leise, obwohl sie sicher war, dass diese kleine  Männer nur schokoladenbezogene Themen verstanden.

 

„Hallo?“, rief sie wieder in den Laden, denn sie konnte niemanden zwischen den Ständern und bunten Schachteln voller Pralinen ausmachen. „Ist die Vertretung für Luna da?“ Sie wusste ja den Namen der Vertretung nicht. Sie wusste nicht mal, ob es ein Mann oder eine Frau war, die Luna vertrat. Aber, nachdem sie den Film mit Johny Depp gesehen hatte, nahm sie an, dass nur Frauen die Kunst der Schokoladenküche gut verstanden.

 

Sie hatte schon überlegt, Luna diesen Film zu schenken. Aber dann musste sie ihr auch einen DVD-Player schenken. Und einen Fernseher. Und Strom. Also war dieses Geschenk viel zu kostspielig.


„Wir haben geschlossen!“, hörte sie eine Stimme aus dem kleinen Hinterzimmer rufen. Sie wandte sich um. Tatsächlich war der Laden jetzt völlig leer. An der Scheibe konnte sie spiegelverkehrt erkennen, dass sie genau zwei Minuten zu spät gekommen war.

 

„Oh“, erwiderte sie nur. Anscheinend war es also ein Mann, der Luna vertrat. „Könnte ich nicht vielleicht nur eine ganz kleine Schachtel Vollmilchpralinen bekommen? Ich will Luna nicht enttäuschen, wenn ich nie zeitig genug komme, um etwas zu kaufen!“, rief sie und kam sich albern vor, nicht mit einer Person zu sprechen, sondern nur mit einer Stimme.

 

„Vollmilch?“, wiederholte die Stimme ungläubig und der Mann, der zu der Stimme gehörte kam endlich aus dem Lager nach vorne. „Das ist wahrscheinlich das Langweiligste, was…“ Er hörte auf zu sprechen.

 

Vielleicht lag es an der Tatsache, dass sie ihn mit offenem Mund anstarrte und er sich unwohl fühlte, oder es lag an der verdammten Tatsache, dass ihr Draco Malfoy in Lunas schokoladenbeschmierter Schürze gegenüber stand.

 

„So sieht man sich wieder“, sagte er, nachdem er sich wesentlich schneller gefangen hatte als sie.

 

„Malfoy?“, flüsterte sie völlig fassungslos. „Draco Malfoy?“, wiederholte sie, weil sie nicht sicher war, ob sie jetzt verrückt geworden war.

 

„Ich… kenne meinen Namen“, sagte er schließlich und wischte sich die Finger an der Schürze ab.


„Weiß Luna, dass du hier bist?“, fragte sie sofort und stemmte die Hände eher in die Hüften, als das sie sich hätte aufhalten können.

 

„Ja?“, erwiderte er. „Du hast mich doch gerade schon als ihre Vertretung bezeichnet.“ Er hob ungeduldig die Hände. „Also, was ist? Willst du noch was kaufen, oder willst du mich lieber anstarren, bis ich abschließe?“, erkundigte er sich jetzt etwas gereizt.

 

„Sie weiß, dass du – du – hier bist?“, wiederholte sie die Frage.

 

„Ja oder nein, Granger?“, fragte er und war dabei die Schürze aufzubinden.

 

„Du weißt, wer ich bin?“, fragte sie fassungslos und er atmete langsam aus.

 

„Ich weiß, wer ich bin, ich weiß, wer Luna ist und ja, ich weiß wer du bist“, erklärte er mit hochgezogener Augenbraue. „Und Granger, vielleicht kippst du gleich aus deinen alte-Damen-Latschen, aber ich weiß sogar, wer Harry Potter ist!“ Sie verzog genervt den Mund. „Unglaublich, oder?“ Er sah sie spöttisch an.

 

„Nein, ich meine-“

 

„Du meinst, auf deine immer so höfliche Art und Weise, ob Luna Lovegood-Longbottom weiß, dass sie mir, Draco Malfoy, ihren Laden überlassen hat, solange sie in Mutterschaftsurlaub ist?“ Seine Stirn lag jetzt in übertrieben genervten Falten und sie schloss den Mund wieder.

 

„Du arbeitest hier?“, sagte sie jetzt und er warf die Schürze über einen Garderobenhaken an der Wand.

 

„Hör zu, das wird zu albern. Ich schließe ab, und ich würde dich nur ungerne hier drin lassen, denn…“ Er warf ihr einen abschätzenden Blick zu, „du siehst so aus, als würdest du den ganzen Laden nur zu schnell vernichtet haben.“

 

Was war das? Eine Beleidigung? Sie war jetzt also dick? Wie einfallsreich von ihm.

 

„Ich meine, du arbeitest hier?“, wiederholte sie und folgte ihm zur Tür. „Im Sinne von, Draco Malfoy arbeitet hier in einer Confiserie, während dein Vater Galleone um Galleone aus Spaß zu Hause verbrennt?“ Er ignorierte sie tatsächlich.


„Jungs, ihr könnt einpacken. Wir sehen uns morgen“, rief er den Rührern zu, die die Hand zum Gruße hoben, die kleinen Stäbe an winzigen Tüchern sauber wischten und dann in ein kleines Lebkuchenhaus kletterten, was neben der Tür hing. Sie beobachtete dies völlig verstört. Die Männer schliefen im Laden? Sie mussten überhaupt schlafen?

 

„Ich glaube, dass B-Elfe-Kakaorührer-R nicht auf einen Anstecker passt, Granger“, erklärte er spöttisch, als er in ihr Gesicht blickte.

 

„Ha ha“, würgte sie hervor und war noch nicht über den Anblick der kleinen Männer hinweggekommen, die mit einem letzten bösen Blick auf sie, die kleine Lebkuchentür in das kleine Lebkuchenschloss warfen.

 

„Was machen sie jetzt da drin? Sind da… Betten, oder…?“ Er lachte und irritierte sie damit völlig.


„Das sind Kakaorührer. Sobald es dunkel wird, werden sie zu Schokolade. Sie… haben keinen Organismus. Wenn es hell wird, dann erwachen sie wieder“, erklärte er, als hätte er gerade einem Muggel erklärt, dass man bei Grün über die Ampel ging und bei Rot warten musste.

„Woher…“ Sie unterbrach sich selbst. „Nein, wieso bist du hier?“

 

„Granger, dieses Spiel ist mir ein wenig zu dumm“, sagte er jetzt offen, schenkte ihr ein Kaufmannslächeln und öffnete die Tür, die melodisch klingelte. „Einen schönen Abend, wünsche ich dir.“

 

Sie sah ihn an. Entweder wollte er nicht sagen, weshalb er hier arbeitete, oder er wollte es eben nicht sagen, weil sie es war, die fragte.


„Luna weiß das wirklich?“, fragte sie noch einmal.

 

„Raus“, sagte er betont freundlich und gleichzeitig so kühl, dass sie keine Wahl hatte, als die Confiserie zu verlassen. Kaum war sie draußen, verschloss er die Tür, ließ das Rollo runter und schien weiter aufzuräumen.

 

Sie stand noch einen Augenblick völlig verwirrt vor der Tür, aber er kam nicht wieder, um sich zu erklären. Draco Malfoy arbeitete für Luna Lovegood-Longbottom in ihrer Confiserie.

 

Entweder war dieser Satz korrekt, oder sie war so eben völlig verrückt geworden.

 

 

~*~

 

 

Sie kam nicht über die Tatsache hinweg, dass er in Lunas Laden war. Aber sie hatte entweder die Möglichkeit, zu Luna zugehen und sie selber noch einmal zu fragen, oder heute pünktlich Schluss zu machen, um ihn selber zu fragen. Er musste ja heute wieder da sein, oder nicht?

 

Und wieso hatte ihr Luna das nicht gesagt? Es war doch nicht so, als ob Mia Mausezahn ihre Vertretung war. Hermine konnte verstehen, weshalb Luna ihr so jemanden nicht vorstellte. Aber zu sagen, weißt du, nächste Woche arbeitet Draco Malfoy in meinem Schokoladenladen, das war etwas, was der ganze Hogwartsjahrgang hätte hören wollen!

 

Prinz Malfoy arbeitete in einem Schokoladenladen? Sie schüttelte schon wieder den Kopf. Es war unmöglich!

 

Und vielleicht log er. Vielleicht war er wirklich da, um Vandalismus zu betreiben! Es war schließlich nicht so, dass sein Vater ein netter Mann war, der damals nicht davor zurückgeschreckt war, Luna zu entführen, damit ihr Vater Harry an die Todesser ausliefern konnte!

 

Sie waren keine alten Canasta-Freunde, nein! Das waren sie eben nicht.

 

Luna würde doch niemals einen Malfoy für sich arbeiten lassen! Na ja, Luna ließ auch kleine Schokoladenmonster für sich arbeiten. Wie hießen sie doch gleich? Umpa-Lumpas? Waren das nicht auch kleine Schokoladenmonster?

 

Hermine atmete langsam aus. Man war doch nicht einfach nach so einer Sache befreundet? Vor allem doch nicht Malfoy und Luna! Sie kannten sich doch überhaupt nicht. War Luna so ein vergebungsfreudiger Mensch, dass sie Malfoy nicht einmal die Entführung übel nahm? Hieß das, sie musste Ron auch vergeben?

 

Nein, das hieß es nicht. Das hieß höchstens, dass Luna komplett verrückt war und sie eben nicht.

 

Sie schüttelte wieder den Kopf. War es wirklich Malfoy gewesen? Hatte er sich Luna vielleicht mit dem Vielsafttrank vorgestellt, damit er… heimlich in ihrem Laden arbeiten konnte?

 

Nichts davon machte überhaupt einen Sinn. Vor allem war sie sich fast sicher, dass Malfoy auch im Ministerium angestellt war. Da konnte er doch nicht einfach zwei Jobs haben! Das ging nicht. Er konnte sich nicht teilen. Und nach ihrer Zeit mit dem Zeitenumkehrer in Hogwarts, wusste sie auch, wie anstrengend ein solches Leben war.

 

Das würde Malfoy nicht machen. Erstens war es anstrengend und zweitens… war er Draco Malfoy!

 

Es musste ein Trick sein. Es war nicht anders möglich!

 

Sie arbeitete schnell einen Fall durch, entfluchte eine verwunschene Halskette, die sofort einen grünen Ausschlag verursachte, wenn Muggel oder Halbblüter sie anlegten, legte den Fall zu den Akten, packte die entfluchte Kette wieder ein und nahm sich für morgen den nießenden Toaster vor.

 

Er würde die Erkältung schon noch eine Nacht überstehen, sagte sie sich. Sie schnappte sich den Mantel, schloss ihr Büro ab und fuhr sogar Fahrstuhl.

Im zweiten Stock stoppte der Fahrstuhl. Sie hielt die Luft an. Hier war das Stockwerk der Auroren.

 

Und es hatte nichts mit Karma zu tun, mit Glück oder Pech. Nein, es lag einfach daran, dass sie sie war. Und dass die Welt sie nicht leiden konnte. Ron quetschte sich wütend durch die Türen, anscheinend hatte er es eilig. Dann sah er sie.

Er blockierte die Türen, also standen sie jetzt völlig sinnlos voreinander.

 

Sie senkte den Blick und überlegte schon, ob sie nicht vielleicht aussteigen und die Treppen nehmen sollte, aber das war auch ihr Ministerium, verflucht! Sie durfte genauso gut Aufzug fahren, wie Ron. Sie streckte also den Rücken durch und sah ihn einfach an.

 

Er entschied sich auch dafür, stur zu sein, drückte zornig auf den Knopf für das Erdgeschoss und so standen sie nebeneinander und zählten die Sekunden, bis sie endlich fliehen konnte. Wenn man im Fahrstuhl mit jemandem war, den man nicht leiden konnte, schien die Fahrt umso länger zu dauern.

 

Endlich, nach endlosen zehn Sekunden waren sie da. Die Türen öffneten sich quälend langsam und sie hechtete nach draußen.

 

„Ja! Du kannst wohl nicht schnell genug wegkommen, oder?“, schrie er tatsächlich. Anscheinend hatte er es nicht geschafft, den Überlegenen zu markieren, aber sie hatte keine Lust, zu antworten.

 

Sie musste Lunas Laden retten, der wahrscheinlich schon abgebrannt war, weil sie gestern dumm genug war, Malfoy nicht sofort zu verfluchen!

 

Sie rannte fast über die Straße, weil ihre Angst so lächerlich ernst wurde, dass ihr schon ganz schlecht war.

 

Aber der Laden stand noch, als sie ihn außer Atem erreichte. Und er war vollgepackt. Sie hatte Glück, überhaupt die Türen öffnen zu können.

So viele Kinder und Mütter und Familien waren hier und sie plauderten, während Malfoy Schokoladenwürfel wog, Pralinen abfüllte und auf die Kakaorührer wartete, die gerade den Kakao für die Kunden, je nach Geschmack, herstellten.

 

Für sie hatte er eine erhobene Augenbraue übrig. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein, denn er bedachte sie mit keinem weiteren Blick oder irgendeinem Wort.

 

„Es ist ja so angenehm, wenn ein Mann sich auskennt“, erklärte gerade ein Mädchen, die gefährlich so aussah, wie eine Schülerin. Musste die nicht in Hogwarts sein? Durfte die überhaupt in die Winkelgasse? Hermine nahm an, dass dies nicht erlaubt war.

 

Der Laden stand. Sie sah sich um. Es duftete herrlich und sie brauchte einen Moment, ehe sie wieder normal atmen konnte.

Sie war also doch vielleicht verrückt. Sie setzte sich auf die Stufen, die anscheinend nach oben führten, aber ab der dritten Stufe mit Schokolade und buntem Papier dekortiert waren. Anscheinend war es nicht geplant, dass man nach oben ging.

 

Die Kunden beachteten sie gar nicht, so besessen waren sie von der Schokolade, die Malfoy verpackte oder stampfte oder ab kostete, irgendwelche Gewürze hinzugab und Applaus von den Kunden erntete.

Sie schüttelte ab und an den Kopf und beobachtete dann die kleinen Männer, die nichts Wichtigeres in ihrem Leben zu tun hatten, als die Schokolade zu rühren.

 

Sie spürte, wie ihr Handy vibrierte. Anscheinend hatte sie auch in der Winkelgasse Empfang. Während sie Malfoy beobachtete, zog sie ihr Handy aus der Tasche. Harry. Sie nahm ab.

 

„Hi“, sagte sie leise, damit nicht alle zu ihr sahen. Sie nahm an, dass hier nur Zauberer zugegen waren.

 

„Hey, sag mal, ist irgendwas passiert?“, fragte er, als ob er wollte, dass sie zugab, etwas angestellt zu haben.


„Nein?“, erwiderte sie und drehte sich zur Seite, was auf der Treppenstufe ein wenig komplizierter war.

 

„Wo bist du?“, fragte Harry, denn gerade jauchzte ein Kind fröhlich auf, als es seinen Kakao bekam.

 

„In… Lunas Confiserie“, sagte sie schnell.

 

„Oh“, erwiderte Harry, der wohl etwas anderes erwartet hatte.

 

„Wieso rufst du an?“, fragte sie jetzt und war sich sicher, es konnte nur einen einzigen wirklichen Grund gegeben, weshalb sie Harry anrief.

 

„Hast du mit Ron gesprochen?“, stellte er jetzt also die entscheidende Frage und sie seufzte laut.

 

„Nein, wenn du so fragst…“, entgegnete sie.

 

„Nicht? Er hat sich nämlich bei mir für heute abgemeldet, um Trinken zu gehen“, bemerkte Harry bitter. „Du hast also nichts damit zu tun?“ Sie verdrehte die Augen, auch wenn Harry es nicht sehen konnte.

 

„Nein, ich hatte nichts damit zu tun. Wir sind zusammen Aufzug gefahren. Ich meine, ich gehe ich auch nicht trinken, und habe diese zehn Sekunden überlebt.“ Sie hörte Harry Stöhnen.

 

„Was machst du überhaupt in der Confiserie? Ich dachte, Luna ist auf Mutterschaft?“ Und genau ab dem Punkt, wurde ihr das Gespräch zu unangenehm.

 

„Ich glaube, die Verbindung ist hier schlecht, Harry“, log sie jetzt eilig.

 

„Was? Ich verstehe dich ausgezeichnet. Du hast also keine Lust, nach Ron zu sehen und zu gucken, dass er sich nicht völlig betrinkt? Ich nehme an, er sitzt im Tropfenden Kessel und-“

 

„Tut mir leid, Harry, ich verstehe kein Wort mehr. Ich leg auf, bis morgen, bye bye!“, rief sie laut und klappte ihr Handy wieder zu. Als ob Harry wirklich glaubte, dass sie auf die Suche nach dem betrunkenen Ron gehen würde. Wahrscheinlich war es gerade das, was Ron wollte, nahm sie an. Oder wenigstens das, was Harry wollte. Denn Harry sah sich beauftragt, sie und Ron wieder zu vereinen.

 

Aber da machte sie nicht mit. Absolut nicht. Sollte Harry sich selber um seinen besten Freund kümmern. Sie hatte diese Stelle aufgegeben.

 

Sie betrachtete die verschiedenen Menschen, die sich alle nur aus dem einen Grund zusammen fanden. Und eigentlich konnte sie jetzt gehen, denn vielleicht hatte sie sich geirrt und Malfoy würde den Laden doch nicht abbrennen.

 

Er stand plötzlich vor ihr, mit tropfend warmen Schokoladenflecken an den Händen, die er an der Schürze abwischte.

 

„Also entweder du zeigst mir den Ausweis der Schokoladenbehörde oder du kaufst etwas. Wenn du dich ausruhen möchtest, kannst du dich an den Bahnhof setzen“, fügte er hinzu. Sie erhob sich schließlich.

 

„Fein“, sagte sie und war sich noch nicht sicher, ob sie gehen sollte, weil sie beleidigt war und ihn nicht mochte, oder ob sie etwas kaufen sollte. Langsam atmete sie aus. „Es gibt keinen Kakao mit Alkohol, oder?“, fragte sie betrübt. Kurz legte er den Kopf schräg.

 

„Bin gleich wieder da“, sagte er und es klang förmlich wie eine Drohung.

 

Es war doch absolut unfair, überlegte sie. Wenn sie sich irgendwo betrank, telefonierte Harry nicht hinter Ron her und überredete ihn, dass er nach ihr suchte.

 

Sie sah rüber zum Fenster, wo Malfoy mit einem der Schokoladenmänner sprach. Sie glaubte, selbst aus dieser Entfernung sehen zu können, dass die kleine Kreatur sie böse ansah. Aber er rührte fleißig weiter.

Wie konnte sie sich bei einem Kakaorührer entschuldigen? Sie wusste es noch nicht genau.

 

Aus dem Nichts stand er wieder vor ihr, gerade als sie sich entschieden hatte, ihr Handy auszuschalten, ehe Ron betrunken auf irgendwelche dämliche Ideen kam, bei denen er es für eine großartige Idee hielt, sie anzurufen und anzuschreien.

Sie steckte es wieder zurück und beäugte die dickwandige Tasse. Es sah aus wie Kakao.

 

„Probier es einfach“, sagte er gereizt. Sie nahm ihm die Tasse ab und er bediente weiter die anderen Kunden. Sie nippte an dem warmen Getränke. Und sie wollte es zuerst ausspucken, aber sie sah, wie der kleine Kakaorührer heimlich über die Schulter blickte. Also schluckte sie es tapfer runter und leckte sich über die Lippen. Ehe sie noch ein falsches Lächeln aufsetzen konnte, hatte der kleine Mann den Kopf wieder nach vorne gedreht.

 

Aber… auf den zweiten Schluck schmeckte es doch nicht völlig furchtbar. Es schmeckte sogar… fast interessant. So… exotisch. Und – alkoholisch, stellte sie fest. Oder bildete sie sich das ein? Die nächste Viertelstunde verbrachte sie damit, auf der Treppenstufe zu sitzen und das heiße Schokoladengetränk zu trinken, das sie von Minute zu Minute glücklicher machte.

 

Sie hatte gelesen, Schokolade machte glücklich, aber sie hatte noch nicht davon gehört, dass Schokolade auch betrunken machen konnte.

 

Jedenfalls schien das Schokoladengeschäft zu boomen, denn selbst, wenn sie aufstehen und gehen wollte, musste sie erst mal hundert Kunden zur Seite schubsen. Sie beschloss, einfach sitzen zu bleiben und zu warten.

 

 

Kapitel 3

 

 

Erst um fünf leerte sich die kleine Confiserie wirklich. Und um halb sechs schloss der Laden bereits. Sie starrte in ihre Tasse, die mittlerweile leer war. Nein, sie starrte in ihre dritte Tasse, die mittlerweile leer war.

Malfoy wischte gerade den Tresen ab. Ein Pärchen, das sich ein Liebespaket gekauft hatte, verabschiedete sich und verließ als letztes den Laden.

 

Sie erhob sich vorsichtig. Ja, es war Alkohol in ihrem Kakao gewesen, stellte sie fasziniert fest.

 

„Was ist in diesen Liebespakten?“, fragte sie und stellte die Tasse auf dem Tresen ab. Er war aus Mahagoni und sah fast selber aus, wie eine riesige Tafel Schokolade.

 

„Schokolade“, erklärte mit einem Achselzucken.


„Ja, das weiß ich. Aber warum für Paare?“

 

„Es ist nicht nur für Paare“, sagte er während er ihre Tasse abräumte und hinten verschwand. Sie lehnte sich auf den Tresen.

 

„Ja, aber was ist in dem Paket?“, wiederholte sie langsam, weil sie nicht in die Gefahr kommen wollte, vielleicht auch noch zu lallen. Er kam wieder aus dem Zimmer und griff nach einem Paket aus der Auslage. Er öffnete den Deckel und sie sah gespannt hinein.

 

Dort drin lag Schokoladenbadesalz, Schokoladenduftkerzen, gefüllte Zuckerherzen und ein Stück Schokolade mit Sicherheitspapier verpackt. George verkaufte dieses Papier. Das Ministerium bestellte es für Geräte, die Kinder nicht anfassen durften. Sie hob fragend den Blick.

 

„Schokolade mit Sicherheitspapier?“ Er nickte.

 

„Es gibt Schokolade, die ist so schwarz und so stark, dass ein bisschen davon dich auf eine ziemlich außerkörperliche Reise schickt.“ Sie sah ihn an.

 

„Du lügst!“, sagte sie knapp.

 

„Du musst mir nicht glauben“, erwiderte er und verschloss den Karton, um ihn wieder zurück zustellen.


„Außerkörperliche Reise? Das sind dann also Drogen, ja?“

 

Er wandte sich um. „Sind die Tagträume von Weasleys Zauberhaft Zauberscherze Drogen?“

 

„Man hat also Tagträume von der Schokolade?“

 

„Nicht direkt.“ Er schien keine Lust zu haben, es zu erklären. „Hör zu, wenn du es isst, oder mit deinem Partner teilst, und dann habt ihr wilden hemmungslosen Sex – oder in deinem Fall, einfach nur Sex – dann kommt es dir vor, wie die absolut großartigste Erfahrung deines Lebens.“

 

Sie verzog den Mund. „Natürlich sagst du so etwas. Jeder Mann sagt wohl so etwas. Als ob automatisch nur Sex zu der großartigsten Erfahrung deines Lebens werden könnte. Als ob es nichts anderes auf der Welt gibt, was sich zu erfahren lohnt.“ Er zog sich die Schürze aus und öffnete die Kasse, um das Geld zu zählen.

 

„Ich bekomme noch sieben Galleonen und drei Sickel von dir“, erwiderte er statt ihr zu antworten. Sie holte ihre Brieftasche hervor.

 

„Außerdem habe ich auch wilden hemmungslosen Sex!“, sagte sie als sie ihm acht Galleonen gab. „Den Rest kannst du behalten oder auch nicht“, fügte sie knapp hinzu. Er lächelte, ohne etwas zu sagen, zählte das Trinkgeld ab und warf es in eine Spardose neben der Kasse.

 

„Vielen Dank“, sagte er, immer noch grinsend.

 

Sie hatte gerade gesagt, dass sie wilden, hemmungslosen Sex hatte. Sie schloss die Augen und spürte, wie sie rot wurde.

 

„Was war da drin?“, fragte sie sofort und fuhr sich über die Stirn.


„Wo drin? In deinem wilden, hemmungslosen Sex Kakao?“, fragte er scheinheilig und sie öffnete die Augen zornig.

 

„Oh, du hältst dich für so witzig, oder?“ Sie stand übergangslos auf. Die Wirkung des Getränks war absolut durchschlagend, fand sie. Sie versuchte ihre Jacke anzuziehen, aber es klappte erst beim zweiten Versuch.

 

„Single Malt“, erwiderte er schließlich und half ihr in den rechten Ärmel.

 

„Whiskey?“, fragte sie ungläubig und schüttelte den Kopf. „Kakao mit Whiskey kann unmöglich schmecken!“, beteuerte sie und hörte wie einer das Kakaorührer mit dem Fuß vor den Rührtopf trat.

 

„Ich würde es einfach noch lauter sagen. Oder, wieso stellst du dich nicht direkt hinter ihn und schubst ihn in seinen eigenen Topf, Granger?“ Er grinste ihr dreist entgegen. Die kleinen Männer würdigten sie keines Blickes mehr.


„Merlin, ich meinte doch nur theoretisch dürfte der Kakao nicht schmecken!“, rief sie laut. „Das heißt, er schmeckt gut!“ Aber keiner der Männer schenkte ihr keine Beachtung. „Wirklich“, fügte sie lauter hinzu. Sie gab es auf.

„Du hättest mir das sagen sollen“, sagte sie schließlich. Er hob eine Augenbraue.


„Was? Du wolltest doch Kakao mit Alkohol“, erwiderte er und umschritt den Tresen, um die Kasse zu schließen.

 

„Ja, aber ich wusste nicht, dass du mir das auch bringst!“, entgegnete sie müde. Er sagte darauf nichts, schien sein Geld abzuzählen und steckte auch diesen Betrag in die kleine Spardose.

„Was machst du da eigentlich?“ Seine Hände sanken auf die Holzplatte.


„Granger, ich arbeite hier. Wollen wir dieses Spiel wieder spielen? Hast du nichts anderes zu tun? Arbeitest du nicht in der undankbaren Abteilung, aus der du eigentlich nicht vor acht Uhr raus darfst?“, fügte er bitter hinzu.

 

„Arbeitest du nicht eigentlich auch im Ministerium?“, erwiderte sie jetzt zornig und funkelte ihn an. „Wie ist das? Dürfen sich ehemalige Todesser einfach so freinehmen und in einem Laden arbeiten, der einem Entführungsopfer deines Vaters gehört?“

 

Ok… sie war betrunken. Das stellte sie jetzt sehr plötzlich fest.

 

„Wie wäre es, wenn-“

 

„-ich einfach gehen würde. Ja“, beendete sie den Satz hastig. Sie warf sich die Tasche über die Schulter und bedauerte förmlich, dass sie wohl nicht noch einmal einen Fuß hier rein setzen konnte, solange Luna nicht wieder zurückgekommen war.

 

Draußen blieb sie stehen. Es war Dienstag und sie war betrunken. Um fünf Uhr. Sie war nicht besser als Ron. Doch, sie war besser. Sie hatte Malfoy noch einen reingewürgt. Sie war schlimmer als Malfoy selber. Sie war immer so politisch korrekt und sie wusste nicht einmal, ob man überhaupt noch sagen durfte, dass jemand ein ehemaliger Todesser war.

 

Sie wusste nicht einmal mehr genau, weshalb sie ausgerechnet sauer auf Malfoy war. Vielleicht war sie eigentlich sauer auf Luna. Oder einfach direkt auf Ron.

Auf Ron, weil sie nicht das Liebespaket ausprobieren konnte. Höchstens allein. Auf Luna, weil sie ein Kind hatte und Hermine nicht gesagt hatte, dass Malfoy den Laden übernahm. Auf Malfoy, weil… anscheinend alle ehemaligen Todesser ständig irgendwelche zweiten Chancen bekamen.

 

Sie wollte nach Hause. Nicht in ihre neue, halbmöblierte Wohnung. Nein, sie wollte in den Fuchsbau. Das Feuer brannte jetzt bestimmt schon gemütlich im Kamin und Molly hatte bestimmt schon eine ihrer heißen Eintöpfe aufgesetzt, die richtig von Innen wärmten. Hermine würde die Decke für ihren Schoss bekommen, weil ihr abends immer kalt wurde und Molly würde sie mit Kleinigkeiten verwöhnen. Sie hätte ihr das Rätsel im Tagespropheten ausgeschnitten gehabt, die lustigsten Anzeigen eingekringelt, Ron würde ihre Schultern massieren und wenn sie irgendwann nach Hause torkelten, müde vor Glück, würden sie über Harry und Ginny lästern, die sich so kindisch zusammen verhielten.

 

Aber nein.

 

Sie musste in ihre halbmöblierte Wohnung. Dort konnte sie sich ein Fertiggericht über der Flamme aufwärmen, überlegen, wie sie den Toaster morgen heilen würde, alleine ein Glas Wein trinken – heute wohl eher nicht – und alleine in ihr kaltes Bett gehen.

 

Nein. Ihre Füße waren schwer wie Blei. Vielleicht lag es heute am Whiskey, aber für gewöhnlich hatte sie diese Ausrede nicht unbedingt parat. Sie wusste, sie sollte lieber nicht zu lange auf der Winkelgasse stehen bleiben. Irgendwo hier war Ron bestimmt immer noch, taumelnd und wütend auf die Welt.

 

Gerade als sie sich in Bewegung setzte, kam ein Mädchen um die Ecke. Und sie wollte in den Laden.

 

„Darf ich?“, fragte sie, weil Hermine immer noch die Tür blockierte. Sie kam sich vor wie ein Klotz, der überall im Weg war.


„Sicher“, nickte sie und schritt zur Seite.

 

„Hermine Granger?“, fragte das Mädchen jetzt und Hermine hoffte wirklich, dass sie nicht irgendeine dramatische Geschichte verband, die sie in ihrem betrunkenen Kopf heute nicht mehr rekonstruieren konnte.

 

„Ja?“, sagte sie vorsichtig und das Mädchen strahlte sie förmlich an.

 

„Mein Name ist Eleanor. Eleanor Riggs“, stellte sie sich vor und schüttelte Hermines Hand. Hermine wartete. Kannten sie sich? Oder war das Mädchen höflich? „Ich habe vor zwei Jahren das Buch geschrieben. Über… Ihre Abenteuer?“, fügte sie hinzu. Hermine schloss kurz die Augen.

 

„Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht erkannt.“ Ehrlich gesagt, hatte sie die Frau auch noch nie gesehen. Aber sie erinnerte sich an das Buch. Es war nicht das Beste Buch, das jemals über Harry, Ron und sie geschrieben worden war, aber es war auch nicht das schlechteste.

 

„Kein Problem. Ich hatte mich nie getraut, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, Ms Granger. Ich weiß nicht einmal, wie Ihnen das Buch überhaupt gefallen hat. Haben Sie es überhaupt gelesen?“, fügte das Mädchen hinzu, die Hermine viel zu nüchtern war.

 

„Ja, ich habe es gelesen“, sagte sie. Sie hatte jedes Buch gelesen, was von Harry handelte. Sie spielte natürlich auch eine Rolle, aber Harrys war wesentlich dramatischer. In diesem Buch wurde die Liebesgeschichte von ihr und Ron regelrecht ausgeschlachtet. Ron und sie hatten das Buch eigentlich ganz gerne gemocht. Mittlerweile stützte sie damit ihren Fernseher ab. Mittlerweile hasste sie das Buch. „Es… ist wirklich gut. Dafür, dass Sie nicht dabei waren“, fügte sie lächelnd hinzu.


„Vielen Dank. Ihre Geschichte hat mich so berührt und so sehr fasziniert, dass ich nur über Sie schreiben konnte. Vor allem Sie als Frau, in einer Welt von Männern. Ich meine, ohne Sie wäre es doch zu keinem guten Ende gekommen, richtig? Die Männer wären ohne Sie doch hoffnungslos verloren gewesen!“

 

Ja, so sah sie es auch. Aber die Männer hatten wohl entschieden, sie nicht mehr unbedingt zu brauchen, überlegte sie dumpf. Anstatt zu antworten, lächelte sie.

 

„Wissen Sie, ich bin auch Muggel und ich war so berührt. Sie sind ein so großer Hoffnungsträger für unsere Gesellschaft. Die Gesellschaft der Muggel meine ich“, fügte sie hinzu. Hermine hatte schon fast Lust, dem Mädchen einen Drink zu kaufen. Wann hatte ihr das letzte Mal jemand solche Komplimente gemacht?

 

„Ich war nicht Hogwarts“, sagte das Mädchen jetzt. „Ich wurde leider nicht ausgewählt, aber die Schlacht hätte ich auch nicht miterleben wollen. Ich habe nur Augenzeugenberichte gesammelt und… es muss wirklich furchtbar gewesen sein.“ Sie schüttelte bestürzt den Kopf, als würde sie sich selber erinnern.

 

Allerdings war Hermine zu betrunken, um darüber zu philosophieren.

 

„Sie wollen Schokolade kaufen?“, fragte sie also stattdessen und lächelte breit, um das Thema zu wechseln.


„Oh nein. Schokolade ist nicht gut für meinen Stoffwechsel.“ Das konnte Hermine sehen. Das Mädchen war recht dünn. Wahrscheinlich aß sie gar nichts. „Ich hole meinen Freund ab“, erklärte sie lächelnd. Hermine sah verwirrt in den Laden.

 

„Ihren…?“ Sie sprach nicht weiter. „Sie sind mit Draco Malfoy zusammen“, stellte sie stattdessen bitter fest. Natürlich. Malfoy war nicht nur ein herzensguter Mensch, der Luna ihr Geld nicht wegnahm, sondern er war jetzt auch mit einer Muggel zusammen. Wollte die Welt sie komplett verarschen?

 

„Ja. Wir haben uns auf einer meiner Lesungen kennengelernt. Großartig, dass er hier arbeitet, oder? Ich finde das Ministerium so… politisch“, sagte sie nur. Na ja, das Ministerium war jetzt kein Kinderparadies, aber es war auch nicht nur furchtbar. Politisch… Sie sah sich außerstande, noch länger mit dieser Grinsekatze zu sprechen.

 

„Ich muss los“, sagte Hermine schließlich.

 

„Ronald Weasley wartet bestimmt?“, fragte das Mädchen mit einem Augenzwinkern und Hermine schaffte ein halbherziges Lächeln.


„Oh, ja, er wartet“, sagte sie wahrheitsgetreu. Zwar wusste sie nicht, worauf Ron heute noch wartete, aber er wartete bestimmt auf irgendetwas.

 

„Es war mir ein großes Vergnügen!“ Das Mädchen schüttelte glücklich ihre Hand. Hermine war froh, als sie verschwunden war. Fröhliche Menschen waren sehr anstrengend, stellte sie fest.

 

Sie sah dem Mädchen nach. Ziemlich zielstrebig ging sie durch den Laden und Malfoy küsste sie zur Begrüßung auf den Mund. Sie konnte nur wieder den Kopf schütteln. Anscheinend hatte sich die Welt irgendwann geändert. Ohne sie. Sie konnte nur annehmen, dass Malfoy mit seiner perfekten Muggelfreundin höchstwahrscheinlich außerkörperliche Reisen unternahm.

 

Sie musste nach Hause. Dringend.

 

 

 

Kapitel 4

 

„Vielleicht hätte ich es dir sagen sollen“, bemerkte Luna achselzuckend. Hermine hielt seine einer halben Stunde das Baby in den Armen, von dem sie Patentante geworden war. Luna hatte es ihr erst heute mitgeteilt. Und Hermine war so überrascht, dass sie diese Aufgabe angenommen hatte, ehe sie nachdenken konnte.

 

„Wer ist eigentlich der Patenonkel, oder hat sie keinen?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

 

„Unwichtig“, sagte Luna mit einem Lächeln. Hermine runzelte die Stirn.


„Ist es Malfoy? Sagst du mir das auch wieder nicht?“, versuchte sie, amüsiert zu vermuten, aber sie klang panisch.


„Nein, ich lasse Malfoy meine Pralinen anfassen, aber nicht mein Kind“, erwiderte Luna. Hermine nickte nur.

 

„Er hat eine Muggelfreundin“, fuhr sie fort. Es gelang ihr nicht, das Thema zu wechseln.

 

„Ja, ich weiß“, erwiderte Luna lächelnd und trank ihren Tee. Es lagen mehrere Sorten Schokolade auf dem Tisch, aber Hermine war heute nicht nach Schokolade zumute.

 

„Wieso weißt du eigentlich alles?“, erkundigte sich Hermine gereizt, aber sie hielt ihre Stimme ruhig, damit die kleine Charlotte nicht aufwachen konnte. Sie war eigentlich ganz froh, dass Luna das Kind nicht, wider aller Umstände nach, Charles genannt hatte.

 

„Weil ich mit Draco Kontakt halte“, erklärte sie, so völlig ausgeglichen, wie nur Luna es nach einer achtzehnstündigen Geburt sein konnte. Hermine wäre wahrscheinlich wochenlang ein Wrack, aber selbst das Kind schien völlig ausgeglichen in ihren Armen zu liegen. Es beruhigte sie sogar auf eine seltsame Art und Weise.

 

„Ja… aber… wieso?“ Hermine begriff es nicht.


„Geht es darum, dass du in dem Laden arbeiten wolltest? Wenn das so ist, dann tut es mir leid. Ich habe nie von dir angenommen, dass du gerne mit Schokolade arbeitest, Hermine“, entschuldigte sich Luna prompt, und Hermine schüttelte nur den Kopf.

 

„Nein, es geht hier nicht um Eifersucht oder Arbeitsneid, Luna. Es geht darum, dass ein Todesser hinter deiner Theke steht“, sagte sie leise. Sie kam sich politisch schon wieder völlig inkorrekt vor. Malfoys Freundin würde sagen, es lag daran, dass sie im Ministerium arbeitete, weil dort alle furchtbar politisch waren. Egal, ob korrekt oder inkorrekt, nahm sie an.

 

„Hermine, bitte“, lachte Luna jetzt. „Das ist zehn Jahre her. Denkst du nicht, man sollte die Vergangenheit ruhen lassen?“ Und das sagte Luna! Luna, die wochenlang in seinem Haus als Gefangene gehalten worden war!

 

„Nein! Und Malfoys Freundin hat erst neulich ein Buch über die Vergangenheit geschrieben. Wissen die Leute nicht, wer er ist?“, entrüstete sie sich und Charlotte drehte sich etwas verstört in ihrem Arm. Sie versuchte, sich zu beruhigen.

 

„Ok, du bist also böse auf Malfoy“, versuchte Luna ihr Verhalten zu analysieren. Hermines Mund öffnete sich perplex.

 

„Mit ist niemand so egal, wie Malfoy!“, widersprach sie gepresst. „Aber jemand, der dich sieben Jahrelang ein Schlammblut schimpft, auf den hast du auch nach zehn Jahren ein Recht böse zu sein“, fuhr sie bitter fort.

 

„Er hat unter schlechtem Einfluss gestanden, ja. Und er hat Fehler gemacht. Jeder macht Fehler. Du kannst einem Menschen seine Fehler kein Leben lang vorhalten, wenn er wirklich versucht, sich zu ändern, Hermine. Das geht einfach nicht. Und es belastet dich viel zu sehr. Gib deine Wut ab und deine Seele kann wieder atmen.“

 

„Du klingst wie eine Christin“, merkte sie kopfschüttelnd an.


„Eine was?“, fragte Luna freundlich und Hermine fand es immer wieder seltsam, wenn Menschen mit Jesus nichts anzufangen wussten.

 

„Ach nichts“, sagte sie hastig, ehe sie mit Luna noch einen Streit darüber führen musste, ob Jesus nicht ein verdeckter Mitarbeiter des Klitterers war, der Zeitreisen unternahm. Sie erinnerte sich an eine ähnliche Diskussion, die nur ein paar Jahre her war.

 

„Hermine, wir müssen unseren Feinden irgendwann verzeihen.“

 

„Aber… wie machst du das? Wie kannst du ihn nicht umbringen wollen, alleine für das, was sein Vater dir angetan hat?“, flüsterte sie, weil Charlotte immer unruhiger wurde.

 

„Weil Draco nicht sein Vater ist“, erklärte Luna leichthin. „Wie wäre es, wenn du morgen einfach noch mal zu ihm gehst, und versuchst, dich mit ihm zu verstehen. Er kennt sich ausgezeichnet mit Schokolade aus, und es wäre wirklich eine Verschwendung, würdest du woanders deine Pralinen kaufen“, erklärte sie mit einem Lächeln. Hermine ersparte es sich, Luna zu erklären, dass sie nicht so schokoladenverrückt war, dass sie sich jetzt eine neue Confiserie suchen musste.

 

Die Wohnungstür öffnete sich laut.

 

„Liebling, wir sind da!“, rief Neville und Hermine wunderte sich, ob Neville mittlerweile so verrückt war, dass er von sich in der königlichen Mehrheit sprach.


„Der Patenonkel ist jetzt da.“ Luna sagte es zu ihrer Tochter. Nicht zu Hermine, stellte diese fest. Charlotte war aufgewacht und schien sich ernsthaft über ihren Vater zu freuen, der überstürzt ins Wohnzimmer kam, um seine Frau zu begrüßen.

 

„Hermine, schön dich zu sehen!“, rief er laut und umarmte auch sie, ehe er ihr seine Tochter aus den Armen nahm. „Na, meine wunderschöne?“, fragte er laut und seine Tochter sah ihn beinahe erhaben an, wenn man das mit nur ein paar wenigen Tagen an Alter zu Stande bringen konnte. „Ist sie nicht wunderschön?“, wandte er sich stolz an Hermine und diese konnte nur nicken.

 

Luna legte die Arme um Nevilles Oberkörper und plötzlich musste Hermine ganz kurz an den Nachmittag denken, an dem sie im Mungo gewesen waren. Als sie Neville getroffen hatten, wie er seine Eltern besuchte. Dass seine Eltern ihn nicht wieder erkannt hatten, und wie ihm nichts peinlicher war, als dass seine Großmutter ihr und Harry und Ron alles erzählt hatte.

 

Plötzlich war ihr wieder klar, dass Voldemort die Wahl hatte, wen er zum Jungen machen würde, der überlebte. Und er hatte sich für Harry entschieden. Sie fragte sich, ob es aus eitlen Gründen war.

Und wenn Nevilles Eltern dann nicht Bellatrix untergekommen wären, wären sie dann unter Voldemorts Hand gestorben?

 

„Was?“, fragte er und sah sie erwartend an. Er hatte eine lange Narbe auf der linken Wange. Seine Haare waren lang geworden und einzelne graue Strähnen zogen sich bereits jetzt durch die dunkle Farbe. Sie schüttelte den Kopf und versuchte ein Lächeln.

 

Und sie konnte gar nicht sagen, wie froh sie für Neville war. Und für Luna, und dass sie jetzt eine kleine, gesunde Tochter hatten.

 

„Was ist? Hast du dich im Flur verlaufen?“, rief Neville schließlich und Hermine warf Luna einen ungläubigen Blick zu, als sie Ron im Türrahmen erkannte. Dieser fuhr sich etwas verlegen durch die Haare.

 

„Ich dachte, du wärst nicht hier. Wirklich“, fügte er hinzu und sah sie an.

 

„Ich hatte auch gedacht, du lädst Hermine erst für morgen ein“, merkte Neville an. Luna sah sehr zufrieden aus, als wäre gerade ein Plan in die richtigen Fugen gefallen. Hermine verdreht die Augen.


„Na ja, ich hatte die kleine Charlotte schon eine halbe Stunde für mich. Du kannst sie jetzt gerne in Anspruch nehmen.“ Anscheinend hatte Ron einen Kater und veranstaltete deswegen keine Szene. Er nickte nur.

 

Alle Welt schien sie wieder mit Ron zusammen bringen zu wollen. Und fast war sie sogar sentimental genug, darüber nachzudenken. Aber sie verwarf diesen Gedanken schnell wieder. Auf dem Flur zog sie sich ihren Mantel an und erkannte den Duft von Rons Aftershave nur zu gut wieder.

Ja, sie vermisste ihn. Aber das änderte nichts. Aber immer, wenn sie das den Leuten sagte, war es, als hörte doch keiner zu.

 

Wahrscheinlich gab es Dinge, die sich andere niemals erklären konnten. Die andere einfach nicht einsehen konnten. Für die es keine logische andere Erklärung gab. Und dennoch lagen die Dinge manchmal eben etwas anders.

 

Vielleicht lagen die Dinge bei Malfoy auch etwas anders.

 

Vielleicht bestand die Chance, dass sie, Hermine Granger, nicht mit Ronald Weasley glücklich werden sollte. Und vielleicht bestand die Chance, dass Draco Malfoy kein schlechter Mensch war. Zumindest vielleicht nicht mehr.

 

Aber genauso unvorstellbar für all die anderen Menschen die Tatsache war, dass sie nicht mit Ron ein glückliches Leben führen wurde, genauso unmöglich konnte sie akzeptieren, dass Luna Malfoy vergeben hatte. Das würde sie nicht tun.

Vielleicht, wenn die Welt aufhören würden, zu versuchen, sie mit Ron wieder zu vereinen.

 

Also müsste sie sich wahrscheinlich niemals darüber Gedanken machen, mit Malfoy auszukommen. Warum auch? Wer brauchte schon Schokolade? Sie würde dann wieder in den Laden gehen, wenn Luna wieder da war. Also… in zwei Monaten, wenn sie Luna Glauben schenken konnte. Sie selber würde wahrscheinlich Jahre brauchen, um sich an ein Kind zu gewöhnen.

 

Es war lächerlich. Sie selber hatte schon über Namen nachgedacht. Ohne, dass Ron davon wusste.

 

Kurz schloss sie die Augen.

 

„Du musst nicht wirklich gehen, weißt du?“, sagte er ernst.

 

Sie sah ihn an und lächelte, weil es einfacher war, zu lächeln, als jetzt anzufangen zu weinen. Sie glaubte ja selber nicht, dass es so sein musste. Jetzt waren sie und Ron Paten für ein fremdes Baby, anstatt Eltern ihres eigenen Babys zu sein.

 

Wie unglaublich war das bitte?

 

„Doch, ich muss wirklich gehen, Ron“, sagte sie heiser. Würde sie nicht wirklich gehen, dann würde sie noch weinen. Und sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal geweint hatte. Wahrscheinlich auf Hagrids Beerdigung, letztes Jahr. Aber auf Beerdigungen musste man weinen. Es gehörte sich nicht anders und befreite die Seele. Irgendwie. Aber vielleicht stimmte das auch nicht, denn immer wenn sie jetzt noch an Hagrid dachte, dann zog sich ihr Herz so schmerzhaft zusammen und raubte ihr all die Luft zum Atmen, dass sie glaubte, nicht mehr weiter leben zu können.

 

Sie hatte nicht geweint, als Ron ihr gestanden hatte, dass er sie betrogen hatte. Sie hatte nicht geweint, als sie ihre Sachen gepackt hatte und ausgezogen war. Sie hatte nicht geweint, als Ginny geweint hatte, nachdem sie es erfahren hatte. Sie hatte nicht einmal dann geweint, als sie das erste Mal allein in einem Bett eingeschlafen war, nach zehn Jahren, und sofort gewusst hatte, dass sie den Fuchsbau wahrscheinlich nicht mehr wiederzusehen würde.

Vielleicht nur noch zu Ginnys Hochzeit. Ab dann folgten wohl nur noch Beerdigungen, weswegen sie dort auftauchen musste. Aber vielleicht musste sie nicht einmal das mehr tun.

 

Und sie wusste sehr genau, heute war bestimmt nicht der Tag, an dem Ihre Mauer aus Trauer brechen würde. Heute war nicht der Tag, an dem die Tränen ihren Weg fanden. Heute nicht.

 

„Wiedersehen“, sagte sie also sehr leise und zog die Tür hinter sich fest ins Schloss.

 

 

~ Honey ~

 

Kapitel 5

 

 

Sie schlief noch, als er gerade aufstand. Er weckte sie nicht. Nicht mehr. Am Anfang, hatte er sich noch die Mühe gemacht, sie vorsichtig mit Kaffee aus dem Bett zu locken, damit sie ihn verabschiedete, vielleicht noch mit ihm schlief, ehe er gehen musste, um seinen langen Tag zu beginnen.

 

Seine Aktentasche lehnte neben seiner Ledercouch. Hatte er gestern noch alle nötigen Akten eingesteckt? Er hasste es, wenn er etwas vergaß. Alles hatte sich in einem Trott verlaufen. Zwar mochte er es, wenn alle Dinge ihren Platz hatten und ihn nichts überraschen konnte, aber manchmal würde er gerne aufwachen, ins Wohnzimmer gehen und seinen Aktenkoffer nicht wiederfinden.

 

Er machte kein Geräusch, während er durch die Wohnung lief, seine Sachen ins Bad trug, sich die Zähne putzte, duschte, sich anzog und Kaffee kochte. Eigentlich war es schon kein Kaffee mehr. Er zog Espresso vor. Er hatte außerdem ein Rezept eingepackt für ziemlich interessante Trüffel. Er hatte es in einem Buch der Trollküche gefunden. Trolle verstanden sich nicht nur exzellent darauf, Schmuck und Waffen zu fertigen, sie beherrschten auch die Kunst, Schokolade herzustellen, perfekt.

 

Es wunderte ihn nicht.

 

Er glaubte, dass er vor zwei Wochen aufgehört hatte, sie morgens aufzuwecken. Zuerst nur, um zu testen, ob sie etwas dazu sagen würde, aber schnell hatte er festgestellt, dass sie wohl lieber ausschlief, als seinen Bedürfnissen nachzukommen.

 

Gestern hatte sie ihn das erste Mal abgeholt. Sie hatte ihm schon mehrere Male erklärt, wie seltsam sie es fand, dass er zwei so verschiedene Arbeiten ausübte. Er fand es selber seltsam. Aber auf eine befriedigende Art, seltsam.

Jedenfalls weckte er sie nicht mehr und das einzige Problem, was dabei entstand, war, dass er sich sexuell nicht ausgelastet fühlte.

 

Aber damit konnte er wohl leben, denn wenn er an den Rest der Bevölkerung dachte, dann glaubte er nicht einen Menschen zu kennen, der vollkommen ausgelastet war. Ob sexuell oder eben anderswo. Jeder trug sein Päckchen und zurzeit trug er sogar zwei.

 

Er kam sich vor wie ein seltsam verquerer Superheld. Tagsüber war er Finanzberater der Reichen und nachmittags machte er Schokolade. Er hatte auch Superkräfte. Neben der Kunst der Magie, die er ausgezeichnet beherrschte, war er auch noch unsichtbar. Allerdings dieser Punkt galt nur für seinen Vater. Alle anderen konnten ihn mehr oder weniger sehen.

 

Seit er mit Eleanor ausging hatte er viele Dinge kennen gelernt.

Erstens: Eine Muggel war für seinen Vater der absolute Overkill und warf ihn hochkant aus der geschätzten Familie Malfoy.

Zweitens: Die Muggel liebten Superhelden, allerdings konnten die alle nicht zaubern, sondern waren von radioaktiven Spinnen gebissen worden, kamen von seltsamen Planeten und konnten fliegen, oder waren arme, gequälte reiche Seelen, die in einer Höhle wohnten und sich als Fledermaus verkleideten.

 

Sich zu verkleiden, schien auch noch sehr wichtig zu sein. Draco hatte noch nicht verstanden, weshalb Muggel darauf so standen. Sie verbanden die menschlichen Kräfte immer mit denen von Tieren. Eleanor liebte Comics. Eigentlich liebte sie alles bedruckte Papier. Sie schrieb Bücher. Meist nur magische Reiseführer, aber vor zwei Jahren gelang ihr ein internationaler Durchbruch mit dem Potter-Roman, den sie geschrieben hatte.

Er hatte ihn gelesen. Und er war dankbar, dass seine Familie größtenteils verschont geblieben war. Dumbledores Erben hieß ihr bahnbrechendes Buch.

 

Er hatte auch in ein oder zwei ihrer Reiseführer reingeschaut. Die Türkei erschien ihm vielversprechend. Oder Dubai. Im Moment konnte er sich aber nur eine Reise pro Tag leisten. Und die führte ihn vom Ministerium in Lunas Confiserie und wieder nach Hause, wo Eleanor vielleicht auf ihn wartete. Es sei denn, der Ideenreichtum hatte sie überkommen und sie saß wieder einmal an ihrem Minicomputer, deren System er noch nicht verstanden hatte.

 

Die Muggel hatten viel Ahnung von Technologie, wie sie es nannten. Alles, was die Zauberer mit Magie erledigten, dafür hatten die Muggel Knöpfe. Elektrizität, Pumpen, Solarenergie… Es kam ihm so vor, als wären Muggel Steinzeitmenschen, die eben die Welt und das, was sie bot, nutzen mussten, weil sie die Magie nicht kannten.

 

Fast taten sie ihm leid. Aber sie waren meist stur und so engstirnig, dass es viele nicht besser verdient hatten.

 

Wenn ein Apartment groß genug war, dass die eigene Freundin nicht hören konnte, wenn man unter der Dusche sang, dann war es wahrscheinlich zu groß, überlegte er. Es kam ihm sowieso zu groß vor.

Er hatte den Umhang gerade übergeworfen, als ihm schlagartig bewusst wurde, dass sein Vater in vier Tagen seinen siebenundvierzigsten Geburtstag feiern würde. Und es wunderte ihn weniger, dass er keine Einladung erhalten hatte. Nicht einmal seine Mutter hatte sich noch einmal gemeldet.

 

Er verließ die Wohnung mit ziemlich schlechter Laune. Sie würde sich wahrscheinlich erst bessern, wenn er vom Ministerium in die Confiserie gehen konnte. Aber auch nur dann, wenn ihn seine Vergangenheit dort nicht einholte und ihn als Todesser beschimpfte, dachte er bitter und apparierte gereizt zum Ministerium.

 

Dort lief es auch nicht wirklich gut. Er wurde bereits bestürmt, ehe er den Umhang hatte ablegen können.

 

„Mr Malfoy, gut Sie zu sehen!“ Es war nie gut, den Boss zu sehen, entschied er. „Wir haben da einen kleinen Problemfall.“ Er spürte die Bitterkeit in seinen Mundwinkeln zucken.

 

„Was für einen Problemfall, Mr Davis?“, fragte er direkt und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

 

„Ich dachte mir, Sie wären der geeignete Kandidat, um sich dieses Falls anzunehmen“, fuhr er fort und das Lächeln machte Draco beinahe Angst.

 

„Der geeignete Kandidat? Wovon sprechen Sie, Sir?“, fragte er vorsichtig, aber er konnte ahnen, um was es ging.

 

„Nun, Ihre… Geschichte machte es für einige Kunden einfacher, hier her zu kommen.“ Seine Mundwinkel fielen nun völlig. In anderen Worten bedeutete dies wohl, dass er sich schon wieder um eine Handvoll Todesser kümmern sollte, die finanzielle Probleme hatten.

 

„Mr Davis, ich-“

 

„Großartig, Malfoy. Ich habe mir erlaubt, Ihre Termine etwas umzusortieren und unser Kunde wird in zwanzig Minuten erscheinen. Sie sind doch ein kompetenter Mann, nicht wahr? Vielleicht könnten Sie ein wenig des Geldes in unserem Institut binden. Liquide Mittel sind doch immer ein erwünschter Nebenfaktor.“ Sein Boss zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Draco atmete langsam aus. Eigentlich war es egal, ob er mit exzentrischen, betagten Hexen zu tun hatten, die Angst hatten, ihre hunderttausende an Galleonen unter ihrer Matratze hervor zu holen, oder sich mit Todessern abgab, die das gleiche Problem hatten.

 

„Bereiten Sie sich vor. Heute wird nur die Dame des Hauses erscheinen, aber vielleicht wird auch ihr Vater ein regulärer Kunde werden.“ Draco konnte sich nichts Besseres vorstellen. „Mrs Zabini wird bestimmt pünktlich sein. Vielleicht räumen Sie Ihren Schreibtisch noch etwas…“ Er sprach nicht weiter, sondern machte eine knappe Geste mit beiden Händen. Was sollte Draco tun? Den Schreibtisch umstürzen und sich oben auf setzen?

 

„Mr Davis, mit Verlaub, ich glaube der Vater von Mrs Zabini ist bereits vor einer Dekade von uns gegangen“, bemerkte er jetzt.

 

„Was? Das kann nicht sein, ich habe erst gestern mit ihm gesprochen, Malfoy. Sind Sie falsch informiert?“ Er war so gut wie überhaupt nicht über diese Familie informiert, hätte er gerne gesagt. Dann fiel auch der Knut in seinem Kopf.

 

„Wir sprechen von Mrs Blaise Zabini?“, fragte er und als wäre es selbstverständlich, nickte sein Vorgesetzter.

 

„Sicher, Mrs Blaise Zabini. Und ihr Vater, Geoffrey Parkinson“, fügte er hinzu.

Er hatte schon seit über fünf Jahren nicht mehr mit Blaise gesprochen. Und mit seiner Frau erst recht nicht mehr. „Also, dann ist das beschlossene Sache. Sie feiern Ihre Freundschaft und überzeugen die Parkinsons, ihre Anlagen zu investieren. Am besten in ministeriumseigene Projekte“, fuhr er fort und er hätte Draco einfach befehlen können, seinen Vater zu zwingen, ihm eine Einladung zu seinem Geburtstag zu schicken. Das wäre genauso unwahrscheinlich.

 

Dann verließ sein Boss in Vorfreude das Büro.

 

Draco betrachtete seinen Schreibtisch, der anscheinend nicht aufgeräumt genug war, für diesen Besuch. Er hatte keine Fotos in schwer goldenen Rahmen auf seinem Tisch stehen, die seine Familie zeigten. Er trug keine Ringe, hatte keine angeberische Kunst an den Wänden.

 

Es würde ihn nicht wundern, wenn Königin Pansy ihn überhaupt nicht erkennen würde. Seine Laune sank noch ein weiteres Stück. Aber wenn er diese Arbeit nicht hätte, die auch noch sein Vater für ihn besorgt hatte, wäre er nicht in der Lage, sein Leben weiter zu finanzieren, deswegen hatte er keine Wahl. Außer seines Pflichtanteils blieb ihm nichts von seinem einst so glorreichen Erbe übrig.

 

Er nahm an, Pansy war darüber bestens informiert. Das war wohl auch der Grund, warum keiner seiner einst so unterwürfigen Freunde, sich bei ihm gemeldet hatte. Seit… einer Ewigkeit.

 

Und Pansy war zu früh. Wie schon früher immer. Pünktlichkeit war eine Tugend, aber Unpünktlichkeit war einfach unhöflich, ob nun zu früh oder zu spät. Sie klopfte einmal und betrat dann sein Büro.

 

Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, die nötigen Formulare vorzubereiten.

 

„Draco Malfoy“, begrüßte sie ihn und der Schmuck an ihren Fingern, um ihren Hals, das Gold in ihren Haaren, der übertriebene Umhang und der knallrote Lippenstift waren fast zu viel für ihn. Er erhob sich dennoch und ergriff zögernd ihre ausgestreckte, beringte Hand.


„Pansy“, erwiderte er und er wusste, sie erwartete, dass er ihre Hand küsste. Er erinnerte sich dunkel, dass er während der Schulzeit noch ganz andere Stellen ihres Körpers geküsst hatte, und er war dankbar, dass diese Zeit vorbei war. Er überwand sich also und seine Lippen berührten für eine winzige Sekunde die winzige Stelle an Haut, die der Schmuck nicht verbergen konnte.

 

„Oh, du bist immer noch zum Anbeißen“, sagte sie, um keine unpassende Antwort verlegen. Er runzelte die Stirn.

 

„Und du bist verheiratet. Mit Blaise“, fügte er hinzu.

 

„Oh ja. Ist es nicht fabelhaft?“, fragte sie und streckte ihm ihre linke Hand entgegen, an der ein protziger Diamantring funkelte. „Ich weiß, wir hatten Pläne, Dray… aber du musstest ja dein Vermögen in deinem jugendlichen Leichtsinn aufgeben“, lachte sie. „Glaub mir, es ist trotzdem verflucht sexy“, fügte sie verschwörerisch hinzu und schenkte ihm ein verruchtes Lächeln.

 

„Was ist verflucht sexy, Pansy?“, fragte er ungläubig.

 

„Dass du jetzt einer von ihnen bist. Der gefallene schwarze Prinz, Draco. Ich sage dir, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.“ Er beschloss, dazu nichts zu sagen.


„Ich schlage vor, wir fangen an“, sagte er schließlich und ignorierte, dass Pansy ihn wohl gerade anflirtete.

 

„Auf einmal schüchtern, Draco?“, fragte sie grinsend und er hob eine Augenbraue.

 

„Was genau möchtest du von mir, Pansy?“, fragte er jetzt gereizt. Sie biss sich auf die Unterlippe.

 

„Oh, ich habe es schon immer geliebt, wenn du auf einmal deine Geduld verloren hast, wenn du angefangen hast zu schreien, wenn du mich aus deinem Schlafsaal werfen wolltest, weil du noch betrunken von der letzten Nacht warst. Wenn du dich geschämt hast, irgendwelche Schlampen meinem Körper vorgezogen zu haben“, fuhr sie mit rauer Stimme fort und er erhob sich übergangslos.


„Ich hatte erwartet, über die finanzielle Situation deiner Familie zu sprechen, Pansy. Nicht über irgendwelche Anwandlungen, die vor zehn Jahren Grund genug dafür waren, sich den eigenen Penis abzufluchen.“ Auch sie hatte sich erhoben.

 

„Draco, ich bitte dich“, sagte sie und er war kurz verwirrt darüber, wie hartnäckig und unerschütterlich sie war. Beleidigungen prallten an ihr ab. Nichts konnte sie erreichen. Keine Worte, keine Vernunft, keine Dringlichkeit. Aber er erinnerte sich… sie hatte Blaise geheiratet. Pansy war praktisch veranlagt. Sie hätte wahrscheinlich sogar den Vorschlag seines Vaters angenommen, als seine Mätresse in Malfoy Manor zu wohnen.

 

Seine Mutter hatte bei einer solchen Idee mit der Scheidung gedroht. Er fragte sich, ob Blaise selber noch eine Mätresse hatte. Er wusste nicht, ob Pansy verloren und gebrochen war, oder ob sie so kalt und herzlos in ihrem Innern war, dass es ihr schon völlig egal war.

 

„Was willst du, Pansy? Am besten kommst du nämlich ziemlich schnell zum Punkt. Denn wenn du hierhergekommen bist, um deiner langweiligen, anscheinend unbefriedigenden, Beziehung zu Blaise zu entkommen, muss ich dich enttäuschen. Ich habe nicht das geringste Interesse an dir oder deinem Körper.“ Sie lächelte immer noch und kam um den Schreibtisch herum. Ihre Schuhe waren verboten hoch und er überragte sie immer noch um einen Kopf. „Also, vielleicht solltest du zu meinem Kollegen gehen. Der kann sich über den bevorstehenden Ruin deines Vaters kümmern, du kaltes, arrogantes Miststück. Du würdest deinen Vater ins Armenhaus schicken, oder?“

 

Denn Draco nahm an, das war das Problem. Pansys Vater war nicht klug genug gewesen, sein Vermögen zu sichern, ehe er die Schulden dafür zahlen musste, ein Todesser zu sein. Und Blaise und Pansy hatten ihr Gold gehortet und nun klagte wohl Pansys Vater.

 

Das war meistens das Generationenproblem. Er hatte dieses Problem umgangen, indem er klug gewesen war, und seine Fehler eingesehen, zugegeben und dafür bezahlt hatte. Mit so ziemlich allem, was er gehabt hatte.

 

„Draco…“, begann sie und ihre Hand fand einen Weg zu seinem Arm und begann über die Muskeln seines Oberarms zu streichen. „Ich glaube nicht, dass du wirklich in der Position bist, mich abzuschieben, oder?“, fuhr sie lächelnd fort.

„Wenn ich deinem… Vorgesetzen“, sie betonte das Wort wie etwas sehr lächerliches, „erzähle, dass ich nicht zufrieden mit dir bin, wer denkst du, zieht den Kürzeren?“

 

„Wie charmant, Pansy. Du willst mich erpressen?“, fragte er knapp.

 

„Nein, Draco. Ich will, dass wir uns verstehen.“ Wie um ihre Worte zu bestätigen, glitt ihre Hand weiter nach unten, bis in seinen Schritt. Er fluchte unterdrückt, als sie geschickt seinen Penis erfühlte und ihre Hand hart dagegen presste. Er wich vor ihr zurück, hatte aber nur seinen Schreibtisch hinter sich.

 

„Fass mich nicht an, Parkinson“, knurrte er und war tatsächlich überfordert, denn er wusste, er durfte den Job nicht verlieren, und er wusste auch, Pansy hatte Macht über seinen Boss, denn sein Boss war nur ein geldgieriger Mistkerl.

 

„Zabini. Mein Name ist Zabini, Draco“, erklärte sie und leckte sich über die Lippen, ehe sie auf die Knie ging. Sein Mund öffnete sich fast panisch. „Und ich sehe es noch nicht als den Beginn unseres Geschäftes. Es ist lediglich… ein Vorspiel.“

 

„Du willst deinen Ehemann betrügen, Pansy?“, fragte er eilig und hasste diese Frau, die vor nichts zurückschreckte. Irgendwann, vor einer Ewigkeit, wollte er nur sie haben. Sie war seine Vorstellung von dem perfekten Gegenstück. Sie war böse und reich und versaut. Mittlerweile konnte er nur ungläubig den Kopf schütteln.

 

„Was, Draco? Denkst du, ich bin eine treue, kleine Hausfrau? Denkst du, Blaise darf sich durch die Landschaft vögeln und ich sehe mit einem erhabenen Lächeln in die andere Richtung? Es ist eine Nutzehe. Eine Nutzehe, die alle Todesser führen, Draco. Aber… davon weißt du nichts mehr, oder?“, lachte sie und er umfing grob ihre Schultern und riss sie nach oben, bis sie wieder wacklig auf ihren Füßen stand.

 

„Pansy, nimm deine Sachen und hau ab.“ Sie biss sich auf die Unterlippe.

 

„Oh, wie habe ich das vermisst“, flüsterte sie und griff in seinen Nacken. Ihre langen, lackierten Fingernägel kratzten über seine Haut. Es widerte ihn an.

 

„Pansy, ich habe eine Freundin.“ Es war ein Satz, der zwischen ihm und Pansy fast lächerlich wirkte.

 

„Ich weiß“, sagte sie und lächelte, als wäre es besonders lustig. „Eine Muggel, nicht wahr, Draco?“, fügte sie grinsend hinzu. Er griff nach ihren Handgelenken und zwang sie von seinem Hals. Fest hielt er sie jetzt, bis Pansy in gespielt süßer Qual den Mund verzog. „Weiß sie, wer du bist?“, fügte sie hinzu und sah ihn lustvoll an.

 

„Sicher weiß sie, wer ich bin. Aber ich glaube, du hast keine Ahnung, oder?“ Mit einer groben Bewegung entriss sie ihm ihr Handgelenk und ehe er sie hindern konnte hatte sie den Ärmel seines Hemdes aufgerissen. Der helle Knopf riss ab und rollte lautlos über den Holzboden. Dann schob sie den Ärmel nach oben und der Anblick des Dunklen Mals auf seinem Unterarm, machte ihn – wie immer – zornig.

 

Er entzog ihr den Arm.

 

„Sieht sie großzügig über diesen Makel hinweg, Draco? Vögelst du sie einfach härter, wenn dir bewusst wird, dass sie dich dafür verurteilt, was du bist? Ist es dann einfacher?“, flüsterte sie leiser und er griff achtlos nach seinem Zauberstab, um den Knopf wieder anzuhexen.

 

„Weißt du noch, als du mich mit dem Unverzeihlichen belegt hast, damit du mir beim Sex Befehle erteilen konntest? Befehle, denen ich so oder so gefolgt wäre?“, fügte sie ruhig hinzu und er atmete langsam aus. Er hätte wissen müssen, dass er vor Pansy nicht davonlaufen konnte. Er hätte wissen müssen, dass Pansy Parkinson nicht persönlich kam, um über das Geschäft zu reden.

Stumm flog der Knopf wieder an seinen Platz und er warf seinen Zauberstab zurück auf den Tisch.

 

Dann legte er hart die Hand um ihren Hals und zog sie näher an sich. Und sie schien es zu lieben. Es war pervers, ging ihm auf.

„Du willst das so, oder? Du stehst immer noch auf das Leid und die Qual, dass dich keiner wirklich liebt, Pansy. Deswegen kamst du immer zu mir, obwohl du wusstest, dass du nur eine Ablenkung warst. Deswegen hast du Blaise geheiratet, weil auch er dich wie ein Stück Dreck behandelt. Ich schlage vor, du setzt dich hin, denn – alle anderen kranken Probleme mal außer Acht gelassen – du kommst nicht zu mir, wenn du nicht genau wüsstest, dass es ernst um deine Glaubwürdigkeit steht!“, flüsterte er zornig.

 

Sie schnappte gierig nach Luft, denn er spürte, wie er langsam die Kontrolle verlor, und ihre Kehle fester zudrückte. Dann ließ er sie los und sie taumelte kurz zurück.

 

„Ich liebe dich, Malfoy“, sagte sie schließlich, zog den Kragen des teuren Umhangs zurecht und schritt wieder um seinen Schreibtisch zurück zu dem Kundenstuhl. Das Lächeln lag immer noch auf ihren Lippen, aber er glaubte ein wenig mehr erkennen zu können. Er glaubte, dass hinter ihrer ganzen Boshaftigkeit auch ein normaler Mensch wohnte. „Deine Freundin kann sich glücklich schätzen“, fügte sie hinzu und nahm schließlich Platz.

 

Er fuhr sich über die Stirn und fühlte eine Müdigkeit, die nicht vom Schlafmangel her rührte.

 

„Kommen wir zum Geschäft, Mrs Zabini“, begann er jetzt und ihr Lächeln verschwand langsam. Sie wurde plötzlich zu seiner Kundin.

Er wäre wahrscheinlich der allerletzte Mensch auf der Welt, der Pansy Parkinsons Test nicht bestehen würde. Wenn es darum ging, die Macht zu messen, dann stand sie finanziell vielleicht auf einer besseren Seite. Aber er wusste, er war ihr immer überlegen, egal wie weit unten er in der Gunst aller Reinblüter stand.

 

Er hatte Pansys Versuchung widerstanden, wusste aber ziemlich genau, dass er jetzt besser keinen Rückzug machte. Es war gefährlich zu wissen, wer sofort mit einem schlafen würde. Er fürchtete sich nicht vor seiner Schwäche. Er fürchtete sich lediglich vor seiner Gleichgültigkeit.

 

 

Kapitel 6

 

Der Tag war furchtbar anstrengend gewesen. Er war nicht einmal mehr dazu gekommen, das neue Rezept auszuprobieren. Er hatte nur im Laden gestanden und verkauft. Und er hatte über den Morgen nachgedacht.

Es sah nicht völlig hoffnungslos aus. Er wusste, dass auch Pansy wusste, dass sie ihrem Vater mehrere Millionen hohe Beträge zusichern musste, damit er einer jahrelangen Haftstrafe in Askaban entkommen konnte.

 

Und sie war kein boshafter Mensch. Vielleicht von außen, ja. Aber die seltsame Sache unter den Reinblüter war, dass sie ein sehr hohes Familienempfinden hatten. Draco nahm an, es lag daran, dass sie sich als bedrohte Art sahen. Er wusste, er hätte für seinen Vater alles aufgegeben.

 

Jetzt hatte er selber alles aufgegeben und konnte mit Sicherheit behaupten, dass sein Vater ihn eher in einem Kerker verrecken ließ, als seine Fehler einzugestehen.

 

Er war sich nicht sicher, ob Pansy sich erweichen ließ. Ihr Vater würde ihm auch einen Besuch abstatten.

 

Er war eingeladen worden. Natürlich von Pansy. Sie und Blaise gaben eine Party. Etwas Unpassenderes konnte er sich nicht vorstellen. Sie hatte es sich auch nicht nehmen lassen, ihm zu erzählen, dass sie schon vor einem Monat eine Einladung zu Lucius’ Geburtstag erhalten hatte. Er hatte geschwiegen. Und er hatte Pansys Einladung auch noch nicht angenommen.

 

Eigentlich war es besser so, wie es war. Er wollte niemanden von diesen Leuten wiedersehen. Denn sie waren alle wie Pansy. Unhöflich, arrogant, sie schreckten vor nichts zurück. Vor keiner Tugend, vor keinem Heiligtum.

 

„Alles ok? Tut mir leid, dass ich es heute nicht geschafft habe, im Laden vorbeizuschauen. Ich hatte wieder Ideen“, erklärte Eleanor und sie hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie war immer vorsichtig. Der Sex war normal, nicht aufregend.

 

„Kein Problem. Es war sowieso voll.“ Das stimmte. Aber das machte ihm nichts, denn die Leute, die in die Confiserie kamen, drängten ihn nicht in eine Ecke und versuchten ihm einen Blowjob zu verpassen. Noch eine Sache, die Eleanor noch nie getan hatte. Aber… eigentlich hatte er bisher immer von sich behaupten können, dass er das normale dem verrückten vorzog.

 

All die Sachen, die Pansy erzählt hatte, kamen ihm unwahr und weit entfernt vor, aber er erinnerte sich an eine betrunkene Begebenheit, in der er sie mit dem Imperius belegt hatte und sie zu den furchtbarsten Sachen gezwungen hatte. Und es ging weit über einen freundlichen Dreier hinaus, an diesem Abend, fiel ihm ein.

 

„Woran denkst du?“, fragte Eleanor und legte ihm die Hände um den Hals. Er schüttelte hastig den Kopf.

 

„Rezepte?“, schlug er vor, denn unter keinem Umstand würde er ihr von diesen Gedanken erzählen. „Was für Ideen hattest du?“, fragte er und er konnte sich sicher sein, dass ihm die Ideen nicht gefallen würden. Die Themen, die ihr vorschwebten waren, neben den Reiseführern, immer sehr unangenehm. Denn sie war schließlich eine Muggel. Und für eine Muggel in magischer Gesellschaft kam es kaum ein spannenderes Thema als die breite Schere zwischen Muggeln und Reinblütern. Sie hatten schon so oft darüber diskutiert und es war für Eleanor wirklich schwer, nachzuvollziehen, wie er sich so hatte ändern können.

 

„Ich habe darüber nachgedacht eine Art Reinblüter Lexikon zu schrieben“, erklärte sie lächelnd. Er sah sie ungläubig an.

 

„Reinblüter Lexikon? Was soll das bitteschön sein?“, fragte er und sie zuckte die Achseln.

 

„Ich will begreifen, warum sie sich so erhaben fühlen. Weshalb alles, was sie tun, mit der Angst verbunden ist, ihren Status zu verlieren. Es kann ja nicht ausschließlich um Blut und Gold gehen.“ Er nickte nur langsam.

 

„Doch, Eleanor. Das ist alles, worum es immer geht. Blut und Gold“, wiederholte er bitter.

 

„Das glaube ich nicht“, widersprach sie, so wie sie immer widersprach. So wie alle Muggel immer widersprachen, wenn er versuchte, zu erklären, dass wirklich alle Reinblüter Schweine waren.

 

„Ich bin heute von einer Kundin auf eine Feier eingeladen worden. Wenn du willst, kannst du aus Forschungsgründen dorthin gehen und dich vergewissern, dass es nur um Blut und Gold geht.“ Ihre Augen leuchteten auf.


„Du hast… keine Einladung zu der Feier deines Vaters erhalten, oder?“ Draco schüttelte den Kopf.


„Glaub mir, er würde dich auch nicht auf sein Grundstück lassen. Oder mich“, fügte er knapp hinzu und blätterte weiter durch den Tagespropheten. Er liebte das Rätsel. Und die Rezepte. Wenn es denn Rezepte waren, die Schokolade beinhalteten.

 

„Wieso überhaupt eine Confiserie? Ich habe dich nie gefragt“, sagte sie plötzlich und küsste seine Wange. Er zuckte die Achseln.


„Ich denke… Schokolade ist nichts, was jemals mit etwas schlechtem in Verbindung gebracht wird“, sagte er. „Und sie schmeckt verflucht fantastisch“, fügte er hinzu, zog sie auf seinen Schoss und entlud all die angestaute sexuelle Energie, die er heute gesammelte hatte. Sie quietschte auf, aber er küsste sie verlangend und biss in ihren Hals.

 

„Nicht. Ich mag es nicht, wenn du das tust“, sagte sie und schob ihn bestimmt von sich. „Ich kann jetzt auch keinen Sex mit dir haben, ich muss meine Ideen aufschreiben“, erklärte sie und erhob sich von seinem Schoss. Sie konnte jetzt keinen Sex mit ihm haben... Seufzend erinnerte er sich an die Zeiten, als er Schulsprecher war, und die Hexen Schlange gestanden hatten. Gut, es gab vielleicht ein oder zwei Sachen, die heute für ihn schlechter waren als vorher.

 

Aber wirklich nur ein oder zwei.

 

Und anscheinend ging er morgen auf die Party, die Pansy ausrichtete. Es war schon immer so gewesen, dass sich alle Feste der Reinblüter dicht aneinander drängten. Anscheinend waren die reichen der reichen niemals müde, Feste dicht hintereinander zu feiern, überlegte er kopfschüttelnd und trug die Buchstaben P-O-T-T-E-R in das magische Kreuzworträtsel mit stoischer Ruhe ein, auf die Frage: Junge, der überlebte.

 

Der Name Harry Potter war nun ein kleiner Bestandteil eines vulgär primitiven Kreuzworträtsels geworden. Nein, nur der Nachname, überlegte er.

 

„Hab ich dir erzählt, dass ich Hermine Granger vor dem Laden getroffen habe?“, rief sie von nebenan und er verzog kurz den Mund.

 

„Nein.“ Er hoffte, seine Stimme klang abweisend genug, dass sie nicht weiter sprechen würde.

 

„Sie ist absolut großartig! Wirklich, ich meine, wie oft trifft man schon sein Vorbild mitten in der Stadt? War sie im Laden gewesen?“, fragte sie aufgeregt. Er nickte nur und studierte weiter das Kreuzworträtsel. „Ich meine, ich habe ein Buch über sie geschrieben!“, fuhr Eleanor fort.

 

„Ich dachte, du hast ein Buch über Potter geschrieben?“ Auch das ging ihm schon irgendwie gegen den Strich, aber sie schlief schließlich mit ihm, nicht mit Potter. Das war immerhin ein Trost.

 

„Ja, sicher. Aber es ging eigentlich mehr um sie. Sie war doch schließlich das Mädchen, das alles geopfert hatte, um Harry zu helfen, richtig? Du kennst sie doch besser als ich, oder nicht?“, fragte sie, ein wenig erregter als vorher. „Vielleicht könntest du uns ja mal vorstellen?“, schlug sie vor. Draco hob ungläubig eine Augenbraue.

 

„Eleanor, ich kenne Hermine Granger nicht. Uns verbinden keine guten Erinnerungen. Nicht eine einzige. Und ich glaube, sie würde sich eher einem Vergessenszauber unterziehen, als mir zu gestatten, sie irgendwem vorzustellen“, fuhr er fort und sein Blick flog wieder über die Spalten.

 

„Könntest du sie nicht auch einladen?“

 

„Zu dem Fest?“ Er musste tatsächlich grinsen. Oh ja. Das war bestimmt einer von Grangers Träumen. Auf Pansys Gartenfest zu gehen, überlegte er. Ja, die Chancen standen gut, dass sie ihn vorher umbringen würde. Oder Pansy.

 

„Ja“, bestätigte Eleanor.

 

„Nein, ich denke nicht. Hör zu, ich kenne sie wirklich nicht“, fügte er hinzu und versuchte seine Freundin zu küssen, aber diese schob ihn wieder von sich und verschwand im anderen Zimmer.

Und er wollte selber nicht zu diesem Fest. Wenn er ging, dann weil Eleanor darin eine Chance sah, für einen neuen Bestseller. Obwohl er nicht glaubte, dass sie dort viel Spaß haben würde. Es waren immer noch Reinblüter. Ein ganzer Haufen voll.

 

~*~

 

 

Zwar führte er nicht darüber Buch, wann er mit wem geschlafen hatte, aber er hatte weder gestern noch heute Morgen Sex mit Eleanor gehabt. Und es störte ihn. Pansy warf sich auf seinen Schreibtisch, und er durfte seine Freundin nicht auf den Hals küssen.

 

Aber überflog noch einmal die Angaben, die Pansy gemacht hatte. Er hatte ein vages Bild von Geoffrey Parkinson vor Augen. Er hatte ihn ein paar Mal auf Geburtstagsfeiern von Pansy gesehen. Sonst eher weniger.

 

Es klopfte sehr bestimmt an seine Tür.

 

„Herein?“, rief er und ein Mann im Alter seines Vaters betrat den Raum. Die Haare waren schüttern, der Umhang nicht weiter erwähnenswert. Er trug eine Brille und einen goldenen Ring auf dem kleinen Finger. Ansonsten zierte kein weiterer Schmuck seinen Körper. Die Falten lagen tief um seine Augen und seinem Mund.

 

„Mr Malfoy. Sie sehen Ihrem Vater sehr ähnlich.“ Es war keine wirkliche Begrüßung. Das war nicht mal ein Kompliment. Nicht für ihn und wahrscheinlich meinte es auch Mr Parkinson nicht positiv. Es war mehr eine erschreckende Feststellung.

 

„Tja, im Nachhinein sind wir alle nur Kopien unserer Eltern, nicht wahr, Mr Parkinson“, bemerkte er und schüttelte die kühle Hand von Pansys Vater. Er hatte Pansys Augen, stellte er jetzt fest. Genau dieselben wässrig blauen Augen, die ihn zu durchleuchten schienen.

 

„Wenn es so wäre…“, bemerkte Mr Parkinson mit einem schwachen Lächeln. „Aber weder Sie noch meine Tochter scheinen diesem Beispiel zu folgen“, ergänzte er mit einem knappen Blick. Draco zog es vor, zu lächeln und nahm wieder Platz.


„Ihre Tochter war so frei, mir die Angaben zu Ihrer Situation zu machen, Mr Parkinson“, sagte er schließlich.


„Welche Angaben, Draco? Ich bin pleite. Und Pansy weiß das. Und ihr fabelhafter Ehemann weiß es auch.“ Er erinnerte sich, welchen Aufwand sich Mr Parkinson für die Geburtstage seiner Tochter gemacht hatte. Ein kompletter magischer Zirkus hatte im Garten gastiert; Einhörner haben Kinder auf ihren Rücken getragen und Clowns haben Gold hinter Pansys Ohren hervorgezaubert.

 

„Ist es korrekt, dass Sie Ihrer Tochter zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag eine Auszahlung Ihres Erbanteils geschenkt haben?“, fragte er und Mr Parkinson nickte nur.

 

„Sicher, es stand ihr zu.“ Draco runzelte die Stirn.

 

„Nein, nicht unbedingt. Auch unter magischen Gesichtspunkten, steht ein Erbe dem Erbträger erst dann zu, wenn der Vererbende gestorben ist. Natürlich darf der Vererbende jeden Betrag zu fast jeder Zeit auszahlen, es sei denn…“ Er machte eine kurze Pause und blickte in das gebrochene Gesicht des Mannes vor ihm. „Es sei denn, der Erbträger erweist sich als unwürdig. Und hier könnte man rückwirkend eine Zurückzahlung fordern.“

 

„Sie sagen, ich kann meiner Tochter das Geld wieder wegnehmen?“, vergewisserte sich der Mann unsicher.

 

„Exakt, Mr Parkinson. Ich denke, Ihrer Tochter würde dieser Betrag sehr leicht abgehen. Das Problem stellt sich nur auf moralischer Ebene, verstehen Sie?“ Der Mann nickte grimmig.

 

„Wenn ich meine Tochter auf das Geld verklage, was ihr zusteht, weil ich nicht finde, dass sie noch als meine Tochter vor dem Gesetz existiert? Das ist es doch, richtig? Ich sage damit, dass ich keine Tochter mehr habe.“ Er schloss die Augen und rieb sich seine Schläfen.

„Habe ich andere Optionen?“, fragte er ruhig.

 

„Sicher“, bestätigte Draco jetzt ruhig. „Allerdings gelten dann die Bestimmungen, die bei jedem Betrug gelten, Mr Parkinson. Und anders ist es nicht auszulegen. Sie haben kein Geld, um die Schulden und die Strafe zu bezahlen, also werden Tagessätze abgebucht, die Sie in Askaban absitzen.“ Er faltete die Hände und das Gesicht des Mannes vor ihm wurde grau.


„Wie viele Tagessätze wären das?“, fragte er heiser. Draco überschlug die Beträge kurz in seinem Kopf.


„Schwer zu sagen. Es werden nicht nur die Schulden bestraft, Mr Parkinson, sondern auch die Schwere der Tat. Rein vom Geld her, kommen Sie auf fünf bis zehn Jahre Haftstrafe. Ethisch dürften da noch einige zu kommen.“

 

Es entstand eine Pause. Der Mann legte sich müde die Hände über sein Gesicht. Er wirkte jetzt um einiges älter. Draco räusperte sich.

 

„Das sind meine Angaben. Ich gehe hier vom äußersten aus, Mr Parkinson. Das sind die Folgen, wenn Ihre Tochter nicht bereit ist, zu zahlen. Das sind wirklich die letzten Folgen, die in Kraft treten werden, wenn jede Verhandlung scheitert und Sie für jede Tat schuldig gesprochen werden“, fuhr er fort. Parkinson sah ihn an.

 

„Was denken Sie? Denken Sie, meine Tochter wird sich erbarmen? Denken Sie, die Richter sprechen mich frei von jeder Schuld? Ich denke, Sie haben mir soeben meine Zukunft vorgelegt.“ Draco atmete aus.

 

„Sie haben immer noch die Möglichkeit, Ihre Tochter zu verklagen. Und sie weiß das.“ Jetzt lächelte der Mann vor ihm.

 

„Sagen Sie, haben Sie Ihren Vater damals verklagt, Mr Malfoy?“ Der Mann hatte sich behutsam vorgelehnt. „Ich glaube, ich habe davon nichts im Propheten gelesen. Ich denke, unsereins besitzt Würde genug, von solchen Schritten abzusehen.“ Draco dachte kurz nach.


„Wenn mir eine Gefängnisstrafe gedroht hätte, hätte ich mich vielleicht anders entschieden. Angst ist ein großer Faktor, Mr Parkinson. Niemand macht Ihnen irgendwelche Vorwürfe, und es geht nicht mehr um Würde“, schloss er ernst.

 

„Angst? Vor Askaban? Nein, ich habe keine Angst vor meiner Strafe. Es gibt einige wenige, die sind beeindruckt von dem Schritt, den Sie getan haben, Draco. Nicht meine Frau oder mein Tochter, nein, natürlich nicht. Aber andere.“ Draco wunderte sich kurz. Er war also doch noch ein Gesprächsthema? Wahrscheinlich bei denen, die ihn als Präzedenzfall dafür nahmen, dass sie ihr Gewissen noch irgendwie rein waschen wollten.

 

„Es liegt bei Ihnen, Mr Parkinson.“


„Was hat denn Ihre Abteilung im Sinn?“, fragte er jetzt mit einem freudlosen Lächeln.


„Meine Abteilung hoffte darauf, dass Sie Ihre Tochter verklagen, eine Abfindung bekommen und in das Ministerium investieren“, schloss er, denn er hatte keine Lust zu lügen. Wozu auch? In diesem Fall sah er keine Chancen, dass sein Vorgesetzter reich abkassieren würde.

 

„Pansy verklagen… Es klingt verlockend, aber ich denke, ich bin zu alt für eine solche Vendetta. Sie haben mit ihr gesprochen. Sie kennen doch meine Tochter mehr als gut, Draco“, fuhr der Mann mit einem wissenden Blick fort. Draco fühlte sich unangenehm beobachtet. „Sie glauben doch selber nicht, dass sie freiwillig für mich zahlen würde, oder?“

 

Er wollte die Wahrheit hören? Er glaubte nicht mal, dass Pansy ihre ungeborenen Kinder vor dem Untergang retten würde, wenn es Unkosten auf ihrer Seite verursachen würde. Sein Schweigen schien völlig ausreichend zu sein.

 

„Das dachte ich mir“, sagte der Mann leise.

 

„Sie können mit ihr sprechen.“

 

„Nein, Draco. Man kann mit Pansy nicht sprechen“, widersprach der Mann jetzt. Und Draco musste ihm in diesem Punkt recht geben.

 

„Ich bin heute höchstwahrscheinlich Gast auf ihrem seltsamen Fest, Mr Parkinson. Natürlich kann ich Ihnen keine Versprechungen machen, aber wenn Sie es wünschen, dann spreche ich mit ihr.“

 

„So viel Macht haben Sie nicht, Draco. Ich weiß, meine Tochter war einmal sehr angetan von Ihnen gewesen, aber das ist nicht mehr so. Ich danke Ihnen dennoch für das Angebot.“ Draco nickte langsam. Manchmal war es seltsam, mit anzusehen, wie gewisse Dinge einfach nicht zu ändern waren. Natürlich würde er Pansy noch einmal mehr vorwerfen, dass sie ein gemeines Biest war.

 

Er mochte ihren Vater mittlerweile um ein tausendfaches lieber als sie. Er hatte sie nie wirklich gemocht. Und vielleicht hatte Geoffrey Parkinson recht, wenn er sagte, dass weder er noch seine Tochter ihren Eltern ähnelten.

Aber vielleicht würde Pansy noch Vernunft annehmen. Und vielleicht würde aus ihm nur ein weiterer Lucius werden. Vielleicht brauchte es nur etwas an Zeit, ehe alles Gute verlor.

 

Denn er wusste sehr wohl, er hatte immer noch das Recht, seinen Vater zu verklagen. Der Gedanke lag sehr weit entfernt, aber er wusste, er hatte sogar eine gute Chance, mehr als den Großteil des gut gesicherten Vermögens zu bekommen. Dann wäre er nicht nur der reichste Mann der Stadt, dann wäre er wahrscheinlich auch in der Lage, Lucius ein Leben lang nach Askaban zu verschiffen.

 

Aber das waren Luxusgedanken, die er sich nur in sehr bitteren Stunden erlaubte. Und ihm graute davor, dass er vielleicht eines Tages die Kontrolle verlieren würde und sich mit den schlimmsten Mitteln gegen seinen Vater wendete.

Aber ehe so etwas passierte, müsste die Hölle zufrieren. An dem Tag, an dem er soweit sinken würde, würde er wohl vorher noch auf Pansys durchschaubare Masche reinfallen, überlegte er.

 

Verlockend waren diese Gedanken allemal. Aber keiner von ihnen war besonders erstrebenswert.

 

 

Kapitel 7

 

Sie wurden natürlich nicht von den Gastgebern empfangen. Das war ihm bewusst gewesen. Eleanor neben ihm war völlig nervös. Ihre Augen glitten durch den langen Flur und sogen alle Informationen auf. Sie murmelte leise. Das tat sie häufiger. Sie behielt so die Ideen in ihrem Kopf, sagte sie.

 

Er fühlte sich direkt unwohl. Er hatte ihre Hand fest in seiner. Und er wusste, er würde hier nicht lange bleiben. Absolut nicht. Hierfür hatte er die Confiserie eher schließen müssen.

 

„Ist es nicht aufregend?“, flüsterte Eleanor außer sich und er sagte nichts. Er sah sich wachsam um. Einige Gesichter kamen ihm ansatzweise bekannt vor. Aber er konnte sie nicht mehr zuordnen.

 

„Draco“, hörte er eine bekannte Stimme. Er hatte fast gar nicht damit gerechnet, dass Blaise überhaupt anwesend sein würde.

 

„Blaise“, begrüßte er den Mann einsilbig, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er hatte sich kaum verändert. Eigentlich sah er immer noch so aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Er trug einen teuren Anzug und einen noch teureren Umhang, der modisch schief über seiner Schulter hing.

 

„Deine Freundin?“, fragte Blaise und Eleanors Hand zitterte in seiner.


„Ja, hallo. Eleanor Riggs“, sagte sie ehrfürchtig. „Sie sind Reinblüter, nehme ich an?“ Blaise musste lächeln. Draco war völlig klar, dass Eleanor von ihm angetan war, denn Blaise hatte zur Hälfte Veelablut in seinen Adern fließen. Alle Frauen fühlten sich auf eine seltsame Art von ihm angezogen.

 

„Meine Liebe, sind wir hier nicht alle Reinblüter? Entschuldige mich, ich muss die nächsten Gäste begrüßen. Macht es euch bequem“, fügte er hinzu und war schon weiter gezogen. Als hätten sie sich erst letzte Woche gesehen und nicht vor sieben Jahren.

 

„Aufregend“, wiederholte seine Freundin jetzt.

 

„Hör zu, vielleicht gehen wir hier eher. Also, sammel deine Inspirationen und bitte frag die Leute nicht, ob sie Reinblüter sind“, fügte er gereizter hinzu.

 

Sie konnten kaum einen Schritt tun, da spürte er, wie die mäßig schlechte Laune, die er hatte, zum absoluten Tiefpunkt fiel.

 

„Oh Merlin, das kann doch nicht möglich sein.“ Es war keine Aussage, die einer Antwort bedurfte. „Das ist ja eine große Ehre für dich, oder? Dass Pansy es überhaupt in Betracht gezogen hat, dich einzuladen. Mit… deiner Begleitung.“ Seine Mutter warf Eleanor einen abschätzenden Blick zu.

 

„Hallo Mutter“, sagte er und Eleanors Mund klappte auf.

 

„Unglaublich. Draco hat Ihre Augen. Nicht wahr, Draco? Ich bin-“ Narzissa hob abweisend die Hand.

 

„Vielen Dank, aber das interessiert mich nicht wirklich. Wissen Blaise und Pansy, dass du eine Muggel mitgebracht hast, Draco?“ Sie lächelte freundlich, aber dahinter verbarg sich nichts als böses Gift.


„Ich wüsste nicht, was es dich angeht.“ Er war bereit, sofort zu gehen. Dann sprach er eben nicht mit Pansy. Was ging es ihn an? Es war nicht seine Sache, Familienstreits der Parkinsons zu schlichten.


„Sprich nicht so mit mir. Und ich würde dir raten, dich nicht von deinem Vater sehen zu lassen.“ Draco verdrehte die Augen.

 

„Denkst du, ich habe Angst vor Lucius?“, erwiderte er kühl und das Lächeln seiner Mutter nahm eine nachsichtige Note an.

 

„Oh nein, Draco. Aber es könnte peinlich für deine Begleitung werden“, fügte sie verhalten hinzu. Eleanor war näher an seine Seite gerückt. Mehr unbewusst, nahm er an.


„Ich habe nicht gewusst, dass ihr hier seid“, erklärte er  und er wusste, sein Ton war taktlos.

 

„Natürlich nicht. Bei einem Reinblüterfest ist mit mir und deinem Vater auch nicht zu rechnen, richtig?“

 

„Sie müssen wirklich nicht unfreundlich sein. Wir verstehen uns hier doch alle“, versuchte Eleanor einen erneuten Anlauf. Das Lächeln seiner Mutter gefror augenblicklich.

 

„Mein Kind, ich würde es wirklich begrüßen, wenn Sie das Wort nicht an mich richten würden, denn ich – im Gegensatz zu meinem Sohn – habe noch einen Ruf zu vertreten. Und wenn die Gesellschaft wüsste, dass sich Muggel in diesen Hallen befindet, dann würden Sie auch nicht unter dem Missverständnis leiden, wir würden uns verstehen“, erklärte sie mit eisiger Kälte.

 

Und es passierte wirklich selten, dass Eleanor verstummte.

 

„Ihr solltet gehen“, fügte seine Mutter mit einem Seitenblick hinzu. Draco erkannte seinen Vater auch aus dieser Entfernung. Es war eine sehr dumme Idee gewesen, hier her zu kommen. Sehr dumm. Wahrscheinlich war ihm langweilig gewesen, oder er hatte sein Glück auf die Probe stellen wollen, oder… er wusste es nicht. Nicht wirklich.


„Wir gehen.“ Er sagte es zu Eleanor, nicht zu seiner Mutter. Und Eleanor nickte nur.

 

Er hatte das Glück, dass sein Vater sie nicht gesehen hatte. Er hatte keine Angst. Die Streite mit seinem Vater waren unschön, manchmal gewalttätig und ließen jedes Treffen zu einem Skandal sondergleichen werden, aber Angst hatte er nicht. Er wollte nur vermeiden, dass Lucius seine Freundin vor aller Augen tatsächlich zum Weinen bringen würde.

 

Aber sein Glück war ein zweischneidiges Schwert.


„Draco, seid ihr schon lange da? Ich habe dich gar nicht gesehen“, heuchelte Pansy mit übertriebener Gastfreundlichkeit. „Und du hast deine Muggelfreundin tatsächlich mitgebracht. Wie schön Sie kennen zu lernen“, log Pansy überschwänglich und ein paar Blick wanderten in ihre Richtung.

 

„Pansy, wir gehen gerade“, erklärte er eilig und sie seufzte auf.

 

„Wie schade. Ja, vielleicht hätte ich dir sagen sollen, dass deine Eltern doch zugesagt haben. Aber du kennst mich… immer vergesslich.“ Sie lächelte und er verfluchte sich innerlich. Pansy war nicht vergesslich, Pansy war einfach nur teuflisch.

 

„Überleg dir die Sache mit deinem Vater. Ich weiß, auch ein Monster wie du, wird irgendwann von dem schlechten Gewissen erreicht werden, wirst du es auch noch so gut verstecken.“

 

„Draco, wir sind anders. Mein Vater ist ein dummer Idiot gewesen. Er hat schlecht geplant und jetzt muss er damit leben. Dein Vater hingegen hat alles richtig gemacht.“ Sie nippte lächelnd an ihrem Champagner und widmete sich nun Eleanor.

 

„Pansy“, warnte Draco, aber Pansy schürzte die Lippen.

 

„Oh bitte, ich plaudere nur ein bisschen. Wussten Sie, dass Draco und ich in der Schule Sex hatten?“ Draco schloss kurz die Augen. Eleanor räusperte sich verhalten.

 

„Ahem… nein“, gestand sie leise.

 

„Nicht? Erzählt Draco nicht davon? Ich muss wirklich sagen, solch brutalen gewalttätigen Sex hatte ich auch schon lange nicht mehr.“

 

„Pansy“, fuhr er fort und sie lachte auf.


„Aber Sie müssen sich keine Gedanken machen. Als ich seinen Schwanz gestern im Büro in der Hand hatte, hat sich absolut nichts getan.“ Er wollte sie erwürgen. Jetzt. Genau jetzt. Pansy hatte keinen Anstand, keine Moral, aber schlimmer war, dass er keine Erklärung parat hatte.


„Was?“, zischte Eleanor. „Draco, sie hat was?“

 

„Nein, nein, Eleanor, hat sie nicht. Es ist nicht so-“

 

„Früher wäre es kein Problem gewesen. Er hätte mich halb bewusstlos geschlagen und dann von hinten auf dem Schreibtisch genommen“, erklärte Pansy achselzuckend und Eleanor entzog ihm entrüstet die Hand.

 

„Was ist das hier?“ Draco hob die Arme.

 

„Ich hab es dir gesagt. Reinblüter sind böse, gemeine Menschen. Sie sind nicht mal Menschen. Und Pansy, ist das nötig? Musst du dich selber demütigen?“, fügte er knurrend hinzu.


„Das Ziel ist es wert“, erklärte sie. „Du dachtest doch nicht ernsthaft, dass ich es dir einfach nicht übelnehmen würde, oder, Draco? Du dachtest doch nicht, dass es folgenlos bliebe?“, flüsterte sie. Er schüttelte verächtlich den Kopf. Eleanor stürmte nach draußen.

 

„Vielen Dank, Pansy“, bemerkte er mit einem kalten Lächeln und verließ das Anwesen, dass er vor wenigen Minuten erst betreten hatte. Er hatte Mühe, sie einzuholen. „Eleanor, warte!“, rief er ungehalten.

 

„Nein!“, schrie sie. „Und ich weiß, dass Reinblüter anders sind. Dass sie arrogant sind und… aber dass du auch so bist!“

 

„Was? Mir wurde geraten, zu verschwinden, weil ich nicht willkommen bin.“

 

„Nein, dir wurde geraten, zu gehen, weil du eine Muggel dabei hast. Du hättest für mich einstehen können, Draco!“, schrie sie jetzt. Er musste fast lachen.


„Vor meinem Vater? Bist du wahnsinnig geworden, Eleanor? Du kennst Lucius Malfoy nicht. Du hast nicht die geringste Ahnung, was es heißt, ihm gegenüber zu stehen. Als sein Sohn ist es unmöglich, aber als Muggel ist es tödlich“, versicherte er ihr mit kalter Sicherheit.


„Oh, das sind doch nur Ausreden, Draco! Und diese Pansy? Was ist das? Ein Spiel für dich? Du betrügst mich mit ihr?“

 

„Nein! Habe ich nicht. Ich habe kein Interesse an Pansy“, gab er zornig zurück.

 

„Sie hat deinen Penis in der Hand?“, schrie Eleanor außer sich. Immerhin hatte irgendwer noch ab und an Interesse an seiner Sexualität. Aber nein, das war ein dummer Gedanke.

 

„Hatte sie nicht. Sie hat ihre Hand gegen meinen Schritt gedrückt. Ich hatte nichts damit zu tun.“

 

„Was? Wenn man nichts von einer Person will, dann kann diese auch nicht einfach die Hand gegen den Schritt drücken!“, keuchte Eleanor kopfschüttelnd.

 

„Du willst doch wohl nicht deswegen streiten, oder?“

 

„Draco, das ist… nicht zu entschuldigen. Denkst du, ich bin eine von deinen kleinen Freundinnen, die du bewusstlos schlagen kannst?“ Er atmete genervt aus.


„Das erzählt sie doch nur! Hast du dich an irgendeinem Tag in unserer Beziehung etwa unwohl gefühlt? Hast du irgendwann Angst davor gehabt, dass ich dich bewusstlos schlagen würde, dich mit dem Imperius belege und dich zwinge-“ Er schloss den Mund. Was tat er da? Wollte er weiter reden? Wollte er es schlimmer machen?

 

„Jetzt habe ich Angst davor“, erklärte sie kalt. „Ich glaube, das funktioniert nicht mehr.“ Sie wollte gehen, aber er hielt sie auf.


„Das ist doch nicht dein Ernst! Du wolltest hier hin kommen. Du wolltest die Reinblüter sehen. Jetzt sprichst du mit einer giftigen Schlange, und glaubst jedes Wort?“

 

„Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hatte aber auch nicht erwartet, sämtliche Wahrheiten über Draco Malfoy zu erfahren.“ Es wurde ihm zu bunt.


„Hättest du auch nur eine Handvoll Recherche mit deinem heiligen Potter Buch betrieben, dann wäre es für dich jetzt kein Schock, verflucht“, knurrte er zornig. „Dass ich das Dunkle Mal trage dürfte dir nicht entgangen sein, oder?“, fügte er bitter hinzu und sie schüttelte mit verstörtem Blick den Kopf.


„Nein, Draco. Ich wusste allerdings nicht, dass es für dich noch irgendeine Bedeutung hat. Das hättest du mir eher sagen können, dann hätte ich nicht den Fehler gemacht, überhaupt mit dir auszugehen!“

 

Anscheinend lief hier alles schief. Anscheinend ging es nur um eine einzige Sache, die noch zählte, aber sie ließ ihn nicht antworten.


„Ich hole meine Sachen. Und dann bin ich weg.“

 

Er glaubte nicht, dass er bisher schon mal verlassen worden war. Es war ein seltsames Gefühl und er sah sich außer Stande, noch etwas zu sagen. Er hatte nichts getan und verlor? Es war unglaublich.

 

„Und du hältst mich nicht mal auf. Du hast nicht mal den Hauch eines schlechten Gewissens, weil ich hier die Muggel bin“, warf sie ihm in tödlicher Beleidigung vor.


„Was? Ich soll mich jetzt dafür schämen, Reinblüter zu sein?“, vergewisserte er sich, denn er glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. „Du wolltest auf diese Party!“, fügte er laut hinzu.


„Ich wollte, dass du dich wohl mit mir fühlst! Nicht, dass du mich deinem Vater vorenthältst!“ Er ersparte es sich, Eleanor von den bösen Seiten des Lucius Malfoy zu erzählen.

 

„Fein, weiß du was, wahrscheinlich ist es besser so.“ Er sah sie nicht mehr an. Vielleicht war er einfach schlecht darin, sich die richtigen Mädchen auszusuchen. Er hatte schon früher Schwierigkeiten damit gehabt. Sie apparierte keinen Moment später, ohne ein letztes Wort.

 

Aus den Augenwinkeln sah er Pansy in der Tür stehen, aber er würde sich wahrscheinlich vergessen und etwas dummes tun, würde er sich auch noch auf einen Streit mit ihr einlassen.

 

Es gab einen Ort, an dem er jetzt sein wollte, wo all das Böse und seine Wut ihm nichts anhaben konnten. Und dort würde er jetzt hingehen. Und dort würde er sich dafür hassen, sich überhaupt auf Frauen einzulassen, die nicht fähig waren, zu vergessen, wer er war oder für was seine Familie stand.

 

Frauen waren viel zu anstrengend.

 

 

Kapitel 8

 

 

Es war schon spät. Bisher hatte er die Beleuchtung noch nie anmachen müssen, weil es bisher hell genug gewesen war. Er mochte den Laden. Natürlich hätte er seinen eigenen Laden anders eingerichtet. Es überraschte ihn, dass er überhaupt darüber nachdachte, einen eigenen Laden zu haben.

 

Wahrscheinlich lag ihm das nicht besonders, weil man sich – neben dem produzieren der Ware – auch noch um all die anderen Kleinigkeiten kümmern musste. Und das erinnerte ihn wieder zu sehr an das Leben, dass er ja eigentlich führte.

 

Er wollte sich nicht um die Versicherung kümmern oder um die Bestellung der Ware. Aber das musste er wohl am Ende des Monats bald tun, denn die Leute schienen immer mehr zu kaufen.

 

Er war sich nicht sicher, ob die Leute ihn oder Luna vorzogen. Er wusste, warum einige Frauen hierher kamen. Aber es störte ihn wirklich nicht, dass sie ihn für attraktiv hielten. Manchmal nahm er an, sein Aussehen war einer der wenigen Gründe, weshalb er doch noch an so manchen Stellen Fuß fassen konnte.

So sehr manche Menschen ihn auch verabscheuten – er wusste, dass das Auge manchmal geblendet werden konnte. Sei es auch nur von oberflächlichen Äußerlichkeiten.

 

Die Kakaorührer hatten müde die Köpfe aus der Tür gesteckt. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie müde sein konnten. Aber er wusste, dass die Dämmerung sie eigentlich in den Schlaf schicken musste. Jetzt hatte er für Licht gesorgt und die Männer wirkten verwirrt.

Sie sahen ihn ratlos an und sahen danach aus dem Fenster in die Dunkelheit.

 

„Ihr könnt ruhig schlafen. Ich kann mir ohne euch was machen“, erklärte er und wusste auch nicht, ob sie ihn wirklich hören konnten. Kurz sahen sich die Männer an, ehe sich einer an der kleinen Hängetreppe hinab schwang.

 

Draco sah ihm zu, wie er Pulver, ein wenig Wasser und Milch in einen Topf gab und nach seinem Rührstab griff. Der Blick des kleinen Mannes war fasziniert nach draußen gewandert. Anscheinend hatte er die Dunkelheit noch niemals gesehen.

Draco musste also annehmen, dass es sich um eine freie Entscheidung handelte, ob die Männer nachts zu Schokolade wurden.

 

Der Rührer nahm eine Handvoll von seltsamen Körnern aus seiner winzigen Umhängetasche und zerrieb sie in der Hand. Er rührte noch ein paar Male und wandte sich dann um. Es war doch seltsam, dass sie nie sprechen mussten, fand Draco. Dann deutete der Mann auf den Topf und Draco erhob sich müde und schwerfällig.

 

Er wusste, die Männer wunderten sich, warum er noch hier war. Oder wieder hier war.

 

Er ging vor dem Mann in die Hocke und erkannte, dass der Kakaorührer keine wirklichen Augen hatte, keinen wirklichen Mund, keine wirkliche Nase. Alles war nur fein angedeutet in sein Schokoladengesicht geritzt. Die Mundwinkel des Rührers hoben sich kurz. Dann nickte er mit seinem Schokoladenkopf und griff nach der untersten Sprosse der Hängeleiter.

 

„Ihr wisst nicht, was Todesser sind, oder?“, fragte Draco plötzlich mit einem Drang, den er von sich nicht kannte. Seine Stimme klang auch anders. Aber das mochte daran liegen, dass er hier nicht mit einem anerkannten Wesen sprach. Diese Männer hatten keinen Organismus. Sie hatten keinen Herzschlag und waren kaum als lebendig zu bezeichnen, aber doch waren sie ihm eine sehr angenehme Gesellschaft.

 

Der Mann sah ihn wieder an. Das Schokoladengesicht blieb völlig ausdruckslos.

Draco besann sich und schüttelte den Kopf. „Schon gut. Gute Nacht, kleiner Mann“, sagte er schließlich und der Rührer schwang sich die Leiter nach oben.

Kaum hatte er die Lebkuchentür hinter sich geschlossen, wurde es sehr still in dem winzigen Haus.

 

Draco beäugte den Topf. Es musste mit den Rührstäben zusammenhängen. Und vielleicht auch mit den Männern selber, vermutete er. Die winzigen Stäbe lagen säuberlich in einer Reihe und er roch an der dampfenden Flüssigkeit. Alkohol. Er erkannte den Geruch, aber es war kein Whiskey oder etwas anderes Starkes. Es lag nur die Note in der Luft.

 

Woher wusste der Rührer, dass ihm danach zu Mute war, wo er doch nicht mal Augen hatte? Aber das führte zu weit. Dann konnte Draco sich auch gleich fragen, weshalb seine Hände den Rührstab fanden oder den Weg nach oben ins Lebkuchenhaus. Magische Geschöpfe waren eben anders.

 

Er nahm den Topf mit zum Tresen und füllte sich etwas in einen sauberen Becher. Er war überzeugt davon, dass dieses Getränk ausgezeichnet schmecken musste.

 

Was war nur passiert?

 

Er konnte nicht verhindern, sich diese Frage zu stellen. Was war nur in ihn gefahren, Pansys Einladung zu akzeptieren? Er hatte doch gewusst, dass es nicht gut enden würde. In seinem Innern hatte er doch schon das schlechte Gefühl gehabt. Er hatte doch genau gespürt, dass es die schlechteste Idee sein würde, Eleanor dorthin mitzunehmen. Also, wieso hatte er es dann getan? Verschaffte es ihm ein seltsames Vergnügen, zu sehen, wie die Dinge einfach schief liefen?

 

War er so veranlagt? Nein, unmöglich. Fast hatte er sich gewünscht, dass Lucius sie gesehen hätte. Dass er sich umgedreht und mit ihnen gesprochen hätte. Vielmehr hätte es ihn gefreut, hätte Eleanor sich mit seinem Vater angelegt, hätte ihm… ja, was eigentlich? Die Meinung gesagt?

 

Konnte er das nicht selbst? Brauchte er eine Muggel, um das zu tun? Für gewöhnlich nicht, überlegte er. Es war purer Selbstmord gewesen. Und Selbstmord für ihre Beziehung. Er hätte es wissen müssen. Aber das war es gar nicht, denn… er hatte es gewusst. Er hatte sofort gewusst, dass Pansy nichts Gutes im Schilde führen konnte. Ohne jeden Zweifel. Hatte er sich also selber sabotiert? Hatte er Eleanor sabotiert? Oder hatte er sie testen wollen? War es ein Test?

 

War er so grausam gewesen? Und hatte sie diesen Test jetzt bestanden oder nicht?

 

Er atmete langsam aus und trank einen tiefen Schluck.

 

Es schmeckte wie… Zuhause. Die Art von Zuhause, wo man sich unglaublich wohlfühlte. Es schmeckte wie Hogwarts. Ja, das war wohl das Wort, was ihm auf der Zunge lag. Aber nicht das Hogwarts der letzten beiden Jahre. Nein, wie das Hogwarts, an das er dachte, wenn er sich denn die Zeit nahm, überhaupt daran zu denken.

 

Es schmeckte nach Quidditch, nach den ersten Jahren, nach Duellierungen und Zaubertränke, nach dem Weihnachtsball, nach dem Duft im Slytheringemeinschaftsraum.

 

Er sah sie erst, als er den Kopf hob. Kurz war er überrascht, aber eigentlich überraschte ihn heute Abend nicht mehr besonders viel.

Sie schien wohl nur auf eine Art Zeichen gewartet zu haben. Sie kam ihm gar nicht mehr so fremd vor, musste er gestehen, denn das Getränk hatte seine Erinnerung nicht nur benebelt, es hatte die alten auch wieder völlig klar in Erscheinung treten lassen.

 

Er erinnerte sich, wie er an seinem ersten Tag, beinahe gierig nach Potter Ausschau gehalten hatte. Wie er versucht hatte, ihn zu überzeugen, wie wichtig es war, dass sie Freunde wurden. Wie dringend er seinem Vater gehorchen wollte. Er erinnerte sich, dass sich Potter, trotz seiner Bemühungen, ganz andere Freunde gesucht hatte. Und Draco hatte es nicht verstanden.

Er hatte nicht begreifen können, wie man Ronald Weasley und eine Muggel vorziehen konnte, wenn man die Wahl hatte, mit Draco Malfoy befreundet zu sein.

 

Er war ganz dankbar, dass es so gekommen war, denn er konnte Harry Potter nicht als Menschen bezeichnen, mit dem er wirklich viel mehr als eine Klausurstunde an Zeit verbringen wollte. Ihm war sehr schnell klar geworden, dass Potter kein großer Geist war. Kein großer Denker, keiner, der es wirklich auf Erfolg und Macht abgesehen hatte.

 

Und ständig war Hermine Granger bei ihm gewesen. Nahezu immer. Und es war ihm so vorgekommen, als hätten Potter und Weasley sie genauso wenig leiden können, wie er es getan hatte. Sie war besserwisserisch gewesen und bevormundend. Sie war nicht schön gewesen und hatte es weder Potter noch Weasley leichter gemacht, dem Bestreben eines jungen Mannes zu folgen.

 

Mit Granger haben sie nicht mehr Mädchen abbekommen. Und trotzdem waren sie mit ihr befreundet geblieben.

 

Jetzt öffnete sie die Ladentür sehr leise und sah ihn beinahe zornig an. Aber das war ihm auch sehr vertraut. Sie wirkte sehr selbstbewusst und schien bestens vorbereitet zu sein.

 

„Der Laden hat geschlossen“, sagte er, aber er nahm nicht an, dass sie sich davon aufhalten ließ. Sie betrachtete ihn, wie eine Prüfung, die sie noch ablegen musste.

 

„Hör zu, meinetwegen ändern sich Menschen“, sprudelte sie hervor, anscheinend wütend mit sich selbst. „Aber ich weiß, ich ändere mich nicht, also wieso zur Hölle solltest du das tun? Und nur weil Luna möchte, dass ich mit dir spreche, heißt das nicht, dass ich das will. Ich finde es pervers und unnötig, dass sie mit dir Kontakt hat. Und ich für meinen Teil möchte das nicht haben. Ich will nicht mal wissen, wer du bist oder was du tust, oder was du irgendwann getan hast“, fuhr sie bitter fort.

 

„Aber wenn ich hier einkaufen will, wenn ich eine Dienstleistung kaufen möchte oder nur eine Ware, dann werde ich das tun. Ich lass mir von dir ganz bestimmt kein schlechtes Gewissen machen, nur weil du hier hinter der Kasse stehst!“ Kurz dachte er darüber nach, ob die Kakaorührer von ihrer Stimme wieder aufwachen würden, oder ob sie, wenn sie schliefen, dann auch durchschliefen bis zum Morgen.

 

„Es ist nämlich jetzt der Fall, dass du meinen Wünschen Folge zu leisten hast. Und wenn ich dir eine Frage stelle, dann beantwortest du sie, denn dafür wirst du ja anscheinend bezahlt. Haben wir uns verstanden, oder bist du so engstirnig und kleinkariert, dass es dir nicht möglich ist, erwachsen zu sein und das hier einfach als Geschäftsabwicklung anzusehen?“

 

Er war sich nicht sicher, ob er darauf antworte sollte. Aber sie sah ihn mit zorniger Erwartung an.

 

„Du willst etwas kaufen?“, fragte er also, nicht ganz sicher, ob es das war, was sie wollte.

 

„Nein!“, sagte sie wütend. Der Tag hatte ihn so erschlagen, dass ihn nicht mal mehr Hermine Grangers kryptische Worte erschüttern konnten. „Ich will wissen, ob wir uns verstanden haben? Ich habe es nämlich nicht nötig, mir von irgendwem irgendwas vorwerfen zu lassen. Und es ist ja wohl auch die Höhe, dass gerade du mir einen Besuch in diesem Laden verweigern willst, der nicht mal dein eigener ist. Nicht, dass ich in deinen Laden überhaupt erst gehen würde.“

 

Immer noch wusste er nicht, was sie wollte.

 

„Ok?“, sagte er also, aber das schien erst eine Art Auslöser zu sein.

 

„Und was soll das überhaupt? Du gehst mit einer Muggel aus? Ist das sowas wie Krisenbewältigung? Empfiehlt dir das dein magischer Therapeut? Sollst du jetzt Buße tun und dich mit denen beschäftigen, die du damals verabscheut hast? Reinigt das dein böses Karma, oder ist das sowas wie ein Fetisch von dir?“, fuhr sie fort. „Denn ich finde, jede Muggel, die wirklich mit dir zusammen ist, sollte wirklich wissen, auf was sie sich überhaupt einlässt. Ist dir klar, wie heuchlerisch das von dir ist?“

 

Wieder eine Frage. Er sah sie an und trank zur Beruhigung noch einen Schluck des leckeren Getränks.

 

„Ich meine, wirklich? Du und eine Muggel? Das ist doch irgendwie… und ich will hier wirklich nicht irgendeinen Streit verursachen, aber… wie kannst du, unter allen Menschen, mit einer Muggel zusammen sein? Und ich will keine Antwort.“

 

Er hatte den Mund geöffnet, war aber froh, ihn wieder zu schließen, denn er wusste immer noch nicht genau, worum es eigentlich ging.

 

„Es interessiert mich nicht einmal. Nein, tut es wirklich nicht! Es geht um das Prinzip, weißt du? Du hast ganze Hasskampagnen angeführt. Du bist die Ausgeburt des Teufels, Malfoy. Und auf einmal stehst du hier. Und auf einmal kennen dich alle als wahnsinnig netten Mann, mit dem sogar Muggel ausgehen wollen? Und Luna stellt dich ein! Weißt du nicht mehr, wer du bist? Denn ich weiß es erschreckenderweise noch sehr gut. Wahrscheinlich triffst du dich sogar mit Harry zum Tee jeden Sonntag, oder? Das würde mich absolut nicht überraschen.“ Sie sprach gar nicht mehr mit ihm, so kam es ihm vor. Er schien nur noch irgendwer zu sein, der gerade hier war.

 

„Wir haben geschlossen“, sagte er also noch mal und sie sah ihn wieder an.

 

Wir? Das ist Lunas Laden. Du bist einfach nur ein Störfaktor, der-“ Er hatte sich erhoben, aber sie schüttelte den Kopf. „Nein! Ich lasse mich von dir nicht aus diesem Laden werfen. Nicht noch einmal! Ich habe hier mehr Recht zu sein als du. Es ist nicht fair, Malfoy. Es ist nicht fair!“, schrie sie plötzlich und er war sich nicht sicher, was nicht fair sein sollte.

 

„Könntest du bitte gehen, wenn du nichts kaufen willst? Nicht, dass es nicht großartig ist, von dir fertig gemacht zu werden. Ich genieße jede Sekunde davon, aber… du hast ja bereits geklärt, dass wir hier ein Dienstleistungsverhältnis vorliegen haben. Also, wenn du keine Dienstleistung von mir verlangst, dann kannst du doch auch gehen, richtig?“

 

Sie sah ihn böse an. „Siehst du? Genau das meine ich!“, spuckte sie ihm entgegen. Sie hatte keine Angst vor ihm. Er glaubte, das hatte sie noch nie gehabt. Hatte sie ihn nicht sogar im dritten Jahr geschlagen?

„Du bist nicht erhaben!“, fügte sie hinzu. Er hob die Hände.

 

„Gegenüber was? Was willst du eigentlich?“

 

„Ich will nicht von dir rausgeworfen werden.“

 

„Das ist nicht deine Entscheidung.“

 

„Deine ist es auch nicht. Das gehört dir hier nicht.“ Er schloss kurz die Augen.


„Das heißt, du willst hier bleiben? Du willst jetzt um halb zehn hier in diesem Laden sein? Mit mir? Um mich anzuschreien? Tut mir leid, Granger, aber darauf habe ich keine Lust.“

 

„Es ist mir egal, ob du Lust dazu hast!“ Sie schrie plötzlich. Sie weinte plötzlich. Plötzlich war sie völlig aufgelöst. „Es ist mir scheiß egal! Was denkst du, wie viel Lust ich in der Schule darauf hatte, dein ausgewähltes Opfer zu sein? Basierend auf Vorurteilen und Willkür und deiner verfluchten Langeweile, Malfoy? Darauf hatte ich auch keine Lust!“

 

„Bist du fertig?“, fragte er jetzt und sie atmete schwer.

 

„Nein!“, erwiderte sie böse.

 

„Das hier ist lächerlich. Das ist vorbei“, fügte er knapp hinzu. „Das war jugendlicher Scheiß. Es tut mir leid, wenn es schwer für dich war. Ich kann es aber nicht mehr ändern. Wenn du mich nicht leiden kannst, dann komm nicht hierher“, erklärte er und stellte fest, dass sein Getränk leer war.

 

„Ich komme nicht wegen dir hierher. Ich…“

 

„Du…?“ Er wartete, aber sie sah ihn an, wie einen Hochverräter. „Du fühlst dich verraten? Du denkst, Luna betrügt dich um die oberflächliche Freundschaft, die ihr pflegt, weil sie Draco Malfoy bei sich arbeiten lässt?“ Grangers Mund öffnete sich. „Ist das dann mein Problem oder ist es nicht eher Lunas und deins? Oder hast du schon mit ihr gesprochen und sie hat kein Problem mehr damit? Heißt das, du hattest keinen anderen Weg gesehen, als abends hierher zu kommen, um mich dafür zu anzuschreien, dass deine Freundin über die Schulzeit hinweg gekommen ist?“

 

„Schulzeit? Ist das dein Synonym dafür, ein Todesser zu sein.“ Seine Augen verengten sich wütend. „Oder gewesen zu sein“, fügte sie mit so viel Unglauben und Widerwillen hinzu, dass er fast gelächelt hätte.

 

„Das ist es? Darum geht es?“ Er atmete aus. Es verfolgte ihn. Immer wieder. Es war dumm von ihm gewesen, mit einer Muggel auszugehen. Nein, eigentlich war es dumm gewesen, sie mit auf eine Reinblüterparty zu nehmen. Aber gehörte das zu ihm? Musste er sich damit abfinden? Wollte ihm Granger seinen beschissen Abend noch verschlechtern? Wahrscheinlich schon.

 

„Heute ist kein guter Tag für dieses Gespräch“, erklärte er also bitter.

 

„Nein? Weißt du, du kannst es dir nicht aussuchen. Ich will auch nicht mit dir reden. Aber es stört mich. Du störst mich“, korrigierte sie sich böse. „Und auch, wenn du vielleicht nicht wirklich das bist, was mich wirklich stört, denke ich, dass ich einen guten Anfang damit mache, dir die Schuld zugeben. Denn du verdienst ein bisschen Schuld. Ich denke, du kannst sehr gut die Schuld daran tragen, dass… dass…“ Sie schien nicht zu wissen, welche Schuld sie ihm auf bürgen wollte.

 

„Luna sagt, du bist nicht mehr mit Weasley zusammen? Gibt mir doch diese Schuld. Dann kannst du dich noch heute Abend besser fühlen. Aber wahrscheinlich würdest du mir diese Schuld nur zuschieben, damit ich dich noch ein bisschen fertig machen kann? Ist es nicht so etwas, was dir vorschwebt? Du denkst doch sowieso nur das Schlechteste über mich? Also, warum hierher kommen und mich für Dinge verantwortlich machen, an denen du selber Schuld bist?“

 

Sie hatte wütend die Arme verschränkt. „Weißt du, wir können damit wirklich noch ewig weiter machen. Oder nein… du kannst damit noch ewig weiter machen. Mich langweilt das. Ich habe besseres zu tun. Du willst nichts kaufen, du willst kein Gespräch über Schokolade führen, du willst keine Entschuldigung. Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten.“

 

Sie fuhr sich schließlich über die Wange, wischte die nicht sichtbaren Tränen fort, die sie vielleicht erwartet hatte, und bewegte sich nicht. Sie schien von sich selbst überrascht zu sein. Oder von irgendetwas anderem, was sie nicht genau zuordnen konnte.

 

„Das ist dir gleichgültig?“, fragte sie plötzlich ruhig und sah ihn lauernd an. Ihre dunklen Augen schienen jedes bisschen von ihm aufzusaugen, zu analysieren, zu bewerten und zu verabscheuen.

 

„Ja?“, erwiderte er ein wenig verwirrt.

 

„Das alles, die ganze Zeit früher, wie du mich behandelt hast, wie du gewesen bist, was du getan hast? Das ist dir jetzt alles gleichgültig?“, wiederholte sie etwas detaillierter und er holte langsam Luft.


„Ja?“, wiederholte er erneut und sie nickte.

 

„Und deswegen bist du ein gottverdammtes Arschloch, Malfoy!“

 

Und hatte er erwartet, dass sie danach aus dem Laden stürmen würde, hatte er sich doch tatsächlich getäuscht. Anscheinend war es wieder an ihm irgendwas zu sagen.

 

„Wir haben-“

 

„Geschlossen, ja, ich weiß“, beendete sie seinen Satz gereizt.

 

„Hast du vor, zu gehen?“, stellte er die Frage jetzt ungeduldig und sie zuckte tatsächlich die Achseln.

 

„Wenn dir alles gleichgültig ist, dann ist es doch wohl völlig egal, ob ich bleibe.“ Sie sah sich demonstrativ im Laden um. „Was riecht hier eigentlich so.“

 

„Geh, oder ich muss dich zwingen“, sagte er kühl.

 

„Ich dachte, es sei dir gleichgültig?“, entgegnete sie jetzt und er atmete langsam aus.

 

„Es ist mir gleichgültig, für was du mich in deinem Leben verantwortlich machst, ja. Es ist mir nicht gleichgültig, ob mir eine Wahnsinnige meinen Abend noch schlimmer macht. Und ich hatte es nicht für möglich gehalten. Aber du bist tatsächlich eine Person, die einen Abend noch schlimmer machen kann. Aber du wolltest doch sowieso in allem die beste sein, richtig? Dann kannst du das jetzt auch von deiner Liste streichen“, fuhr er ungeduldig fort. „Und jetzt verschwinde endlich!“

 

Irgendwas passierte in ihrem Gesicht. Er konnte nicht genau sagen, was es war. Dafür kannte er ihr Gesicht nicht gut genug. Wenn er ehrlich war, dann kannte er sie eigentlich gar nicht. Selbst ihre Stimme kam ihm nicht vertraut vor. Aber hatte er wirklich jemals mit ihr gesprochen? Er hatte sie nie leiden können, ja. Aber das konnte er auch jetzt wohl nicht wirklich. Sie war anstrengend. Und furchtbar nervtötend. Er konnte Weasley nicht verdenken, dass er sich was anderes gesucht hatte. Er nahm nicht an, dass Granger diejenige war, die nach etwas anderem gesucht hatte. Nach was auch?

 

Aber jetzt sah sie ihn an. Und die Wut war verschwunden. Da war gar nichts mehr. Deswegen kam es ihm wahrscheinlich absolut unbekannt vor. Ihre Augen glühten nicht in einem bösen Feuer aus Hass. Sie waren jetzt nur noch braun.

 

Und sie wandte sich um. Allerdings blieb sie wieder stehen. Sie sprach, mit dem Blick auf die Tür gerichtet, so nahm er an.

 

„Sie wurden gezüchtet. Und sie leben ewig. Wenn einmal ein Rührer geboren wurde, dann gab es für ihn keinen Tod, außer den selbstgewählten.“

Anscheinend betrachtete sie das Lebkuchenhaus. „Und sie schlafen nicht. Sie bleiben nur ganz still. Sie haben sehr große Angst vor der Dunkelheit und scheinen festgestellt zu haben, dass ihnen die Dunkelheit nichts antun kann, wenn sie ganz still sind. Es gibt kaum noch hundert Stück von ihnen. Sie sterben nicht und sie vermehren sich nicht. Sie haben sich versteckt gehalten. In kühlen Gegenden, damit sie nicht schmelzen in der Hitze“, fuhr sie leise fort. „Früher gab es sie in jeder Stadt. In jedem Laden, in dem auch nur ansatzweise der Gebrauch von Schokolade erforderlich war. Dann kam Voldemort und hat widerlicherweise festgestellt, wie gut sie schmecken.“

 

Sie machte eine kurze Pause. „Und er war nicht der erste Zauberer, der dies festgestellt hat. Es ist wie ein Fluch. Die Kakaorührer schmecken wie der süße Tod, so heißt es. Isst man sie, empfindet man das perfekte Glück. Wenn ein Rührer sein Leben für beendet sieht, dann geht er in die Sonne. Vor fünfzig Jahren hatte Voldemort Spaß daran gefunden, sie einzuschmelzen und zu sehr hohe Preisen zu verkaufen, um Gold für seine Propaganda zu sammeln.“

 

Sie ging zur Tür und zog sie auf. „Und sie selber mögen keine Schokolade. Auf eine tragische Weise ist das komisch, nicht wahr?“

 

Und sie erinnerte ihn an früher. Er erinnerte sich an die gemeinsamen Unterrichtsstunden. Hatte sie also vor einer Woche nicht gewusst, was Kakaorührer waren, hatte sie jetzt ihr bestes getan, es nachzulernen. Und diese Geschichte gefiel ihm nicht. Anscheinend fand Granger immer mehr Gründe, warum er verabscheuungswürdig war, dabei hatte er nichts damit zu tun, dass irgendwann die Rührer eingeschmolzen worden waren.

 

„Ich bin kein Todesser“, sagte er, als sie schon längst gegangen und die Tür ins Schloss gefallen war.

 

 

~ Bitter Choclate ~

 

Kapitel 9

 

Selten war sie so ruhelos gewesen. Nein, eigentlich war sie nie so ruhelos gewesen wie jetzt. Lag es an ihr? Das musste sie ja annehmen. Sie stritt sich nur noch. Und wenn sie sich nicht stritt, dann war sie trotzdem nicht zufrieden.

Es war so schwer ohne Ron. Es war so schwer, ohne jemanden an ihrer Seite. Und viel schwerer war es, genau das zuzugeben.

 

Und was war nur in sie gefahren? Die ganze Woche hatten sie Lunas Worte nicht berühren können. Und dann, als sie gestern von Luna und Neville nach Hause hatten gehen wollen, hatte sie noch das Licht in der Confiserie gesehen und hatte sich auf einmal nicht halten können.

Und wie kam Luna dazu, Malfoy von ihr und Ron zu erzählen? Das war eine private Angelegenheit. Sie wollte nicht mal, dass Luna Neville davon erzählte.

 

Und was hatte sie erwartet, was es ihr bringen würde, Malfoy anzuschreien? Dass sie sich besser fühlen würde? Dass er womöglich irgendwas tun konnte, damit sie sich besser fühlte? Na wohl kaum. Was hatte sie gedacht? Dass er gute Erklärungen dafür haben würde, weshalb er nun ein guter Mensch war? Wollte sie das überhaupt wirklich glauben? Nein, doch wohl eher nicht.

 

Und natürlich war es gleichgültig. Sie hatte überhaupt nicht anfangen wollen, zu streiten. Sie hatte sich überhaupt nicht darauf einlassen wollen. Sie hätte gehen sollen. Was war nur los mit ihr, dass sie nicht den Punkt finden konnte, an dem sie merkte, dass es nichts mehr zu sagen gab?

 

Sie war ein emotionaler Trampel geworden. Und vieles, was sie ihm gesagt hatte, machte nicht mal in ihren eigenen Ohren besonders viel Sinn. Was musste er denken? Es interessierte sie eigentlich nie, was Menschen von ihr dachten. Auch was Malfoy dachte, interessierte sie nicht wirklich. Aber er war eigentlich derjenige, der nichts in diesem Freundeskreis zu suchen hatte. Sie wusste, sie benahm sich selber sehr seltsam, wenn sie jetzt auch schon mit einem Ausschlussverfahren der Menschen anfing, aber… sie hatte doch recht gehabt?

 

Und jemand durfte doch nicht einfach so gleichgültig der Tatsache gegenüber stehen, dass er eigentlich Abbitte zu leisten und Buße zu tun hatte. Wieso machte es ihm Luna so leicht? Wieso hatte er es so leicht? Sie sollte diejenige mit dem fabelhaften Leben sein. Sie sollte diejenige sein, der das Glück zulachte.

 

Wieso gewannen die Bösen am Ende? Wieso konnte das Leben nicht einmal – nur ein einziges Mal – alles so zu Ende gehen lassen, wie es sich gehörte? Die Bösen bekamen, was sie verdienten und die Guten siegten am Ende und erlebten triumphale Glücksgefühle.

Sie musste plötzlich wieder an das Schokoladen Partnerpaket denken, was Malfoy verkaufte. Sie könnte so eine außerkörperliche Erfahrung wirklich dringend brauchen.

 

Die Arbeit machte ihr keinen Spaß mehr. Alles war nur noch eine Qual und sie war sich selber leid geworden. Wahrscheinlich konnte sie heute Ginny und Harry besuchen, aber danach stand ihr nicht der Sinn.

 

Ihre Finger glitten durch den kleinen Stapel an Post. Sie hatte kaum den Nerv, sich mit den üblichen Dingen des Tages zu beschäftigten. Aber irgendwas musste sie tun. Sie konnte sich ja nicht stundenlang darüber aufregen, dass Menschen furchtbar waren und nicht das bekamen, was sie verdienten.

 

Ihr Mund öffnete sich ungläubig, als sie einen violetten Umschlag umdrehte. Der Absender war eine Adresse, bei der sie nicht einmal aus Versehen oder zufällig vorbeigekommen war.

 

Dieser Brief war an sie adressiert und kam direkt vom London Wizard Country Club. Das war der Club der Elite. Und es war nicht verwunderlich, dass eigentlich nur Reinblüter in diesem Club Mitglieder waren.

 

Sie hatte nicht mal die Zeit, den furchtbaren Umschlag zu öffnen, da klopfte es ungehalten an ihre Tür. Harry hatte den Kopf hinein geschoben. Er war nassgeschwitzt, sein Trainingsumhang rauchte noch an einigen Stellen und er war außer Atem. Hermine hob die Augenbraue.

 

„Was ist los?“, fragte sie alarmiert. Einen brennenden Harry konnte sie nicht als freudige Botschaft einsortieren.


„Hast du den Brief bekommen?“, fragte er heiser und sie hielt fragend den violetten Umschlag in die Höhe. Harry atmete erleichtert aus. „Merlin sei Dank, wenigstens du!“, rief er aus.

 

„Was?“, fragte sie verständnislos und er räusperte sich und fuhr sich durch die zotteligen Haare.

 

„Ich habe schon letzten Monat einen Brief bekommen und abgesagt, weil…“ Er hob verzweifelt die Hände. „Was soll ich da? Und die haben sich nicht abspeisen lassen und ich habe gesagt, alleine würde ich keine Aufwartung machen…“ Ihr Mund öffnete sich. Harry war also schuld an ihrem Brief, stellte sie gereizt fest.

„Und na ja… Ron haben sie keinen Brief geschickt. Also dachte ich, ich komme zu dir und…“ Er deutete lächelnd auf den Brief. „Jetzt können wir zusammen in den Country Club.“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

 

„Harry, wie wäre es mit: Wir gehen da ganz bestimmt nicht hin!“

 

„Hermine, es ist ein Ehre. Diese Menschen wollen uns ehren“, erklärte er mit Nachdruck.


„Nein, diese Menschen wollen dein Geld“, erwiderte sie entgeistert. „Das ist dir doch klar, oder?“

 

„Wir sind Personen der Gesellschaft!“, brauste er auf und sie wusste, sie hatte seinen Stolz verletzt.

 

„Du magst eine Person der Gesellschaft sein, Harry“, unterbrach sie ihn ruhig. „Ich bin lediglich deine Begleitung.“


„Hermine, das ist Unsinn. Bitte komm mit mir. Ich würde gerne in den Club gehen. Vielleicht kann man Dinge ändern. Dort sitzen die einflussreichsten Zauberer von ganz London. Wir könnten Ideen mit einbringen. Wir könnten Dinge wirklich ändern!“

 

Sie wusste, dass Harry nur ziemlich begeistert war, dass er wirklich Mitglied des Country Clubs sein könnte. Er war ganz aus dem Häuschen gewesen, als sein Name im Kreuzworträtsel des Tagespropheten vorgekommen war.

 

„Was ist mir Ron?“, stellte sie nun die entscheidende Frage. Harry wurde merklich stiller.


„Wieso? Was ist mit Ron?“

 

„Ihr hattet ja anscheinend erwartet, dass Ron die zweite Einladung bekommen sollte. Wie sieht es aus, wenn ich seinen Platz an deiner Seite einnehme?“ Harry blickte zu Boden.

„Ich hatte sowieso nicht wirklich damit gerechnet, dass sie Ron auswählen. Ich meine, alle wissen, dass eigentlich du der Kopf des ganzen Abenteuers warst.“ Sie spürte, wenn Harry versuchte, ihr Komplimente zu machen. Und sie konnte ein knappes Lächeln nicht verhindern.


„Harry Potter, sag mir, warum du nicht allein dahin gehst?“, fragte sie also unerbittlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Harry atmete schließlich aus. Der Geruch seines rauchenden Umhangs füllte ihr Büro und Harry fuhr sich noch mal durch die Haare.

 

„Hermine, da sind Reinblüter. Größtenteils. Und ich glaube nicht, dass ich dort auftauchen kann, ohne eine seelische Unterstützung.“

 

„Du willst doch nicht wirklich Mitglied sein, oder?“, erkundigte sie sich ungläubig. Er zuckte die Schultern.


„Ginny sagt, es bringt uns einiges an Anerkennung. Und sogar ein wenig mehr Gold im Monat. Ausgaben könnte ich von der Steuer absetzen und dann hätten Ginny und ich mehr Geld, wenn wir Kinder haben.“ Es war eine gemeine Ausrede. Als ob Harry wirklich ein Geldproblem hätte.

 

„Es geht dir also ums Geld? Harry Potter ist also Kapitalist geworden“, lachte sie und er verdrehte schließlich die Augen.


„Die Wahrheit?“, fragte er also ernst. Und sie nickte langsam. „Ok. Ich glaube, ich… habe etwas Angst.“ Diese Worte aus dem Mund von Harry Held-des-Jahres Potter, waren wohl das Absurdeste, was sie jemals gehört hatte. „Ich meine… Hermine, ich bitte dich. Da laden mich Leute ein. Leute, die wahrscheinlich ehemalige Todesser sind, oder weiß der Teufel was! Und dann gehe ich dahin? Ich würde wahrscheinlich sofort meinen Zauberstab ziehen, nur aus Sicherheit. Und was macht das für einen Eindruck?“

 

Sie musste grinsen. „Keinen guten, nehme ich an“, erklärte sie und fühlte sich mit Harry auf einmal nicht mehr ganz so bitter. „In Ordnung. Ich gehe mit dir mit. Um dich zu beschützen, Leiter der Aurorenabteilung“, fügte sie spöttisch hinzu. Er verzog den Mund.


„Sag das keinem“, drohte er. „Und danke“, fügte er lächelnd hinzu. „Ich hole dich morgen Nachmittag dann ab“, erklärte er und verließ ihr Büro. Sie überflog die Einladung. Tatsächlich war die Einladung für morgen ausgeschrieben.

 

Jetzt bekam sie selber Angst. Sie verabscheute solche Veranstaltungen und machte sich Gedanken, was sie tragen sollte.

Aber der Club hatte sie ausgewählt – nicht Ron. Und das war schon ein Grund, um sie aufzuheitern! Zwar nur ein kleiner, aber im Moment war ihr wirklich jeder Grund recht. Dass sie vielleicht ausgewählt worden war, weil sie eine Muggel und ein Mädchen – und damit in der Minderheit zu sein – schien, ignorierte sie, so gut es ging.

 

~*~

 

Harry war sehr pünktlich aufgetaucht. Und er sah aus, als wolle er den Weihnachtsball besuchen. Seine Aufmachung war durchaus festlich und wahrscheinlich viel zu overdressed. Und wenn dies nicht der Fall sein sollte, dann war sie wahrscheinlich nicht overdressed genug, schwante ihr.

 

„Ok, bist du soweit?“, fragte er mehr als nur nervös und sie hakte sich nickend bei ihm unter, um zu apparieren.

 

Sie kamen drehend zum Stehen und sie fuhr sich noch einmal über die Haare. Sie musste zugeben, sich anzuziehen und hier her zu kommen, stellte sich nicht als so großes Problem heraus.

 

Nein, das Problem war, weiter zu gehen. Auch Harry stand neben ihr wie angewurzelt. Sie betrachteten das riesige Schild neben der Auffahrt. Es war riesig und vergoldet. Darauf prangten die Worte London Wizard Country Club und allein die Schrift wirkte erhaben.

 

Sie schluckte schwer. Niemals hätte jemand damit gerechnet, dass ausgerechnet sie und Harry hier her eingeladen wurden. Plötzlich musste sie an die Vergangenheit denken. Wie schwer sie es gehabt hatten. All die Prüfungen und Abenteuer, die sie hatten bestehen müssen, nur um zu beweisen, dass sie recht gehabt hatten. Dass Voldemorts Regime hatte gestürzt werden müssen.

 

Bitter kam ihr die Erinnerung des vorherigen Abends in den Sinn. Wie kalt und widerlich Malfoy gewesen war. Dass es ihn nicht scherte was war oder was jetzt vor sich ging. Dass seine Entschuldigung nicht nötig, oder wenn dann nur halbherzig ernst gemeint war.

 

So waren sie doch dann anscheinend alle, nicht wahr?

Alle Zauberer sahen es als keine große Sache an, was die anderen, nicht so privilegierten Menschen, für ein Leid erfahren hatten. Konnten sie wirklich so ein Gebäude betreten, in denen Menschen auf sie warteten, die sich keiner Schuld bewusst waren? Die von ihrem Geld gelebt hatten, während sie wochenlang in einem winzigen Zelt durch die Weltgeschichte gereist waren, um Menschen aus der Unterdrückung zu befreien?

 

Sie wusste nicht, ob in Harry ähnliche Gefühle vor sich gehen mussten.

 

„Also?“, fragte er schließlich und sie hatte das Bedürfnis, ihren Zauberstab zu ziehen. Harry ergriff plötzlich ihre Hand, ohne weitere Worte. Die Tür ließ sich leicht öffnen, schwang nach inne und gab die Sicht auf einen wunderschönen Salon frei.

 

Ein Gang führte dort hinein und ein Zauberer deutete lächelnd auf einen Tisch, auf dem Anstecker lagen. Für einen wirren Moment, überlegte Hermine, ob es so wie B.Elfe.R. war, aber natürlich irrte sie sich. Es waren Namensschilder. Als ob Harry wirklich so etwas brauchen würde.

 

Aber sie fand ihr Messingschild schnell. Viele Frauen waren wirklich nicht hier. Oder sie trugen bereits ihr Schild. Neben Harrys Namen lagen einige weitere, die ihr bekannt vorkamen. Draco L. Malfoy war nur ein weiterer Name, der ihr eine Gänsehaut verpasste. Aber das Schild lag noch unberührt auf dem Tisch, also konnte sie annehmen, dass er noch nicht hier war.

 

Harry steckte sich sein Schild an den Kragen und sie wurden weiter gelotst, bis vor die offenen Flügeltüren des großen Salons. Er trug den Namen Malfoy Lounge. Hermine hatte das Gefühl, eine Guillotine würde jede Sekunde aus dem Türrahmen fallen, würde sie auch nur einen weiteren Schritt tun.

 

Geigenmusik drang gedämpft zu ihnen herüber und Champagner wurde im Malfoy Salon gereicht. Ein Kellner schritt an ihnen vorbei.


„Wird hier gefeiert?“, erkundigte sich Harry leise und der Kellner registrierte sein Namensschild.


„Mr Potter, willkommen im London Wizard Country Club.
Im Zabini Salon werden Krabbencocktails und Gaumenfreuden gereicht und in der Malfoy Lounge findet zur Ehrung unserer Mitglied und Stifters Lucius Malfoy ein kleiner Umtrunk statt. Mr Malfoy feiert heute seinen siebenundvierzigsten Geburtstag und hat uns einen kleinen Besuch gegönnt.“ Hermine fragte sich, ob der Kellner einer Gehirnwäsche unterzogen worden war.

 

Aber ein Kellner war wahrscheinlich besser als ein armer, ausgebeuteter Hauself, der die Drinks servieren musste.


„Geburtstag?“, vergewisserte sich Harry ungläubig. „Lucius Malfoy hat Geburtstag?“ So wie Harry es sagte, klang es, als ob ein Dämon der Hölle niemals Geburtstag haben könnte.


„Oh ja. Bitte, fühlen Sie sich frei, einzutreten. Mr Potter, Ms Granger“, bemerkte er nun auch ihre Anwesenheit mit einem Nicken und entfernte sich, nachdem er ihnen zwei Gläser Champagner in die Hand gedrückt hatte. Ein Blick nach draußen sagte Hermine, dass die Sonne noch strahlte und dass es beim besten Willen nicht an der Zeit war, zu trinken.

 

Aber ungewöhnliche Umstände forderten ungewöhnliche Maßnahmen.

 

Sie und Harry hatten sich noch nicht bewegt und standen reichlich unpassend zwischen Tür und Angel. Eine Schar an dunkel gekleideten Männern und Frauen umringten anscheinend den Ehrengast.

 

Hermine wünschte sich plötzlich, ein Kleid zu tragen und nicht nur den schlichten, wenn auch hübschen dunkelblauen, Hosenanzug gewählt zu haben. Sie kam sich anders vor als die anderen Frauen. Eine Frau löste sich plötzlich aus der Menge. Die silbrig blonden Haare fielen ihr über die Schulter und glänzten in der Sonne, als sie sich plötzlich umwandte.

 

Ihr Gesicht hätte wunderschön sein können, würde die kalte Arroganz es nicht gänzlich überschatten.

 

„Lucius, du glaubst nicht, wer zu deinem Geburtstag erschienen ist.“

 

Oh Merlin. Narzissa Malfoy hatte ihren Mann am Ärmel gezupft. Hermine erwartete, dass die Menge nun brennende Fackeln in die Luft halten würde und mit Bannern, auf denen das Wort Schlammblut stand, und Mistgabeln hinter hier her jagen würde. Sie rückte etwas näher zu Harry, der den Rücken durchgestreckt hatte.

 

Es war eine Perversion, dass sie beide hier waren. Inmitten ehemaliger Todesser, die man vielleicht – oder auch nicht – so nennen durfte. Dann teilte sich ein Gang durch die anwesenden Menschen.

 

Der kühle Blick von Lucius Malfoy fiel auf die beiden neuen Gäste. Hermine hatte das Bedürfnis, ihre Hacken zusammen zu schlagen und „Kein Ort ist wie zu Hause“ zu rufen, damit der Wirbelsturm sie wieder zurück nach Kansas bringen würde. Weg von der bösen blonden Hexe des Westflügels und dem König der Malfoy Lounge.

 

 

Kapitel 10

 

Zwar hatte er eine Einladung bekommen, aber er drehte die immer noch zwischen seinen Fingern. Er konnte nur annehmen, dass auch sein Vater im Club sein würde. Er war schon lange nicht mehr dagewesen. Wenn, dann kam er auch nur, um sich am Buffet zu bedienen. Er ging davon aus, dass Lucius und Narzissa keine Kosten und Mühen gescheut hatten.

 

Es wäre einfach nur gerecht, würde er auftauchen. Vielleicht konnte er auch eine Szene veranstalten, so wie Lucius es auch tun würde. Seinen Vater zu sehen würde aber auch bedeuten, dass die anwesende Gesellschaft wissen würde, dass er nicht zu der privaten Geburtstagsfeier eingeladen war.

 

Aber das dürfte die Gesellschaft ohnehin schon wissen, nahm er bitter an.

 

Zu seinem großen Widerwillen hatte er jetzt selber auch über die Kakaorührer recherchiert und zu seinem noch größeren Ärger, hatte Granger sogar recht. Aber gut, er erinnerte sich an keine Begebenheit, wann die Besserwisserin nicht recht gehabt hatte.

 

Er war in der Laune, sich zu streiten. Und das war keine gute Laune, das wusste er. Aber im Moment war er ein Mann, der seinen Job hasste, der keine Freundin mehr hatte, der nicht zum Geburtstag seines Vaters eingeladen war und der einfach überhaupt gar nichts mehr verlieren konnte.


Es war also eine gute Mischung aus Wut und Gleichgültigkeit. Und er hatte genauso ein Recht, da zu sein, wie alle anderen scheinheiligen Idioten, befand er.

 

Er griff sich seinen Umhang und apparierte mit grimmiger Entschlossenheit in den London Wizard Country Club.

 

Er war es gewöhnt, begrüßt zu werden. Sein Umhang wurde höflich abgenommen und er griff sich sein Namensschild vom Tisch. Nur bei besonderen Anlässen gab es Namensschilder. Und nur das L. auf seinem Schild konnte seine Laune noch mehr verschlechtern.

 

Und er war sich nicht ganz sicher, in welche Szene er gerade reingeplatzt war. Er hatte den Namen ignoriert, den die Lounge vor ihm trug. So wie er ihn immer ignorierte. Er hielt abrupt inne. Er fragte sich, ob es gleich zu einem Kampf kommen würde.

 

Und er wunderte sich nur einen Augenblick lang, dass Granger und Potter hier her eingeladen wurden. Alle Persönlichkeiten der Gesellschaft kamen letztendlich hier her. Mit Potter hatte er auch schon vor Ewigkeiten gerechnet.

 

Beide standen vor ihm, wie angewachsen. Seine Mutter erkannte in dieser Sekunde.

 

„Ah, Draco. Ist Ms Granger mit dir hier?“, fragte sie mit einem kühlen Lächeln. Draco konnte seiner Mutter ihre billige Schlagfertigkeit nicht verdenken.

Beide, Potter und Granger, wandten sich blitzschnell um. Kurz dachte er, Potter würde den Zauberstab ziehen.

 

Er hatte ihn länger nicht gesehen, fiel ihm auf. Er wirkte um einiges älter. Sein Vater strafte ihn mit einem verachtenden Blick. Es war eine seltsame Szene.


„Champagner, Mr Malfoy?“, fragte der Kellner plötzlich neben ihm. Und Draco war dankbar für die Ablenkung, wenn er auch keinen Appetit auf Alkohol hatte Er nahm ein Glas vom Tablett. Und die Spannung schien sich zu lösen. Und Potter ging wohl den Weg des geringeren Widerstands und kam auf ihn zu. Und mehr oder weniger widerwillig folgte ihm Granger. Sie wirkte angespannt und sehr blass.

 

Wahrscheinlich machten ihr die Todesser Angst, vermutete er bitter. Er trank einen großen Schluck.

 

„Ich nehme an, ihr seid hier, um meinem Vater alles Gute zu wünschen?“, fragte er, ehe Potter etwas sagen konnte. Bemerkenswert, dass er das geringere Übel war, wenn es um ihn oder seinen Vater ging.

 

„Ha ha“, sagte Potter trocken und trank selber einen großen Schluck. Granger sagte gar nichts. Sie mied sogar seinen Blick. Und er hasste sie in diesem Moment, denn ihre falschen Wahrheiten wirkten selbst auf ihn im Moment so, als wären sie gar nicht so falsch. Aber er hatte bestimmt keine Muggel zur Freundin gehabt, weil er sich schlecht gefühlt hatte! Es war keine Abbitte gewesen. Er hatte das Bedürfnis, irgendwas zu sagen. Sie blickte aus dem Fenster und Potter klammerte sich an sein Glas, als wäre er niemals der große Held gewesen. Es war amüsant.

 

„Immerhin mögen dich die Kakaorührer genauso wenig, wie sie Todesser leiden können“, sagte er und klang sehr neutral. Sie sah ihn plötzlich an und Potter schien verwirrt.

 

„Sie haben mich lediglich missverstanden“, sagte Granger und schien sich zu ärgern, überhaupt geantwortet zu haben.


„Kakaorührer?“, fragte Potter recht verständnislos. „Ist das ein Codewort für irgendwas?“ Granger sah ihn böse an und er blickte nicht minder böse zurück.

Potter schien mäßig verwirrt zu sein. Er sah ihn an und dann wieder Granger.

 

„Wieso gratulierst du deinem Vater nicht?“, fragte Granger plötzlich herausfordernd. Draco spürte, wie sich seine Mundwinkel vor Bitterkeit nach unten zogen.

 

„Ich lasse dir gerne den Vortritt. Oder brauchst du dafür vielleicht Single Malt im Kakao?“ Wieder ließ Potter den Blick verständnislos zwischen ihm und Granger wandern.


„Was?“, fragte er schließlich. „Whiskey im Kakao?“, wiederholte er skeptisch, aber Granger antwortete ihm nicht.

 

„Hast du deine Muggelfreundin nicht mitgebracht?“, fuhr sie ungerührt fort und er beschloss, dass dies ein ganz schlechtes Thema war. „Anscheinend nicht“, deutete Granger sein Schweigen richtig.


„Ich habe das Gefühl, ihr kennt euch. Habt ihr irgendwie Kontakt oder so?“, wollte Potter jetzt wissen und fixierte Granger.

 

„Nein, wir kennen uns nicht“, antwortete sie endlich.


„Nicht?“, wiederholte Potter und sah nun ihn jetzt an.

 

„Deine Freundin Granger kommt ab und an in Lunas Confiserie, um mich anzuschreien und mich zu beleidigen.“ Grangers Mund öffnete sich empört.


„Das tue ich überhaupt nicht!“, entgegnete sie entrüstet.

 

„Nein? Du kommst also nicht vorbei, um zu gucken, ob ich ihren Laden nicht abbrenne? Oder um mir vorzuwerfen, dass man als Todesser nicht mit einer Muggel zusammen sein darf, um sein Gewissen zu beruhigen? Oder um mir zu sagen, dass die Kakaorührer von Voldemort verkauft und verspeist worden sind, damit ich mich noch schlechter fühle?“, konterte und wurde beim Sprechen lauter, ohne dass er es verhindern konnte.

 

„Das hatte überhaupt nichts mit dir zu tun!“, gab sie gepresst zurück, während Potters Kinnlade aufgeklappt war.

 

„Nein? Hat es dann damit zu tun, dass Weasley dich verlassen hat? Interessiert dich das Partner Paket deshalb, Granger? Vielleicht hast du ja gehofft, du könntest ihn zurück bekommen, wenn du sexuell nur etwas attraktiver für ihn wärst!“

 

Sie starrte ihn an und bekam rote Flecken auf den Wangen. Potter sah nun mehr als interessiert aus und nippte an seinem Champagner.


„Und wie oft habt ihr euch jetzt gesehen und euch angeschrien?“, wollte er neugierig wissen. Granger wirkte noch wütender als zuvor.

 

„Das mit Ron geht dich nichts an“, zischte sie böse. „Und meine Sexualität geht dich auch nichts an!“, knurrte sie leise. Potter hatte sein Glas geleert und wirkte gelassener als vorher.

„Eine neue Freundin, Draco? Wie passend. Ich sehe, du pflügst dich jetzt durch das ganze Muggel Repertoire Londons“, merkte Pansy amüsiert an, die sich einen Weg zu ihnen gebahnt hatte.

 

„Nein, Pansy. Dank deines Auftritts ziehe ich es vor, meine aktuellen Freundinnen nicht mehr in den Bereich deiner Anwesenheit zu zerren.“ Er fixierte sie mit einem kalten Blick. Sie wirkte bereits angetrunken. „Bist du hier, weil du dir erhoffst mit meinem Vater zu schlafen?“ Grangers und Potters Blick ruhten jetzt schockiert auf Pansy. Diese wurde nicht einmal rot.

 

„Dafür muss ich nicht extra hier her kommen, Draco. Und nein. Ich weiß, der Tag wird kommen, an dem du vor mir auf die Knie fällst und darum bettelst, dass du mich noch einmal anfassen darfst“, erklärte sie erhaben. Granger verzog angewidert den Mund.

 

„Ja? Denkst du, dieser Tag tritt eher ein als der Tag, an dem du noch mal auf die Knie gehst?“, erkundigte er sich mit einem Lächeln und Pansy musterte ihn. Ihr unverhohlenes Interesse war immer noch sichtbar in ihren Augen zu erkennen.

 

„Pansy, ich wusste nicht, dass du mit diesen Personen verkehrst.“ Draco hatte das Gefühl, einer nach dem anderen gesellte sich nun zu ihnen. Seine Mutter blickte kurz auf Potters Narbe, ehe sie Granger fixierte.

 

„Hermine Granger“, sagte sie gedehnt. Und Granger schien in der Stimmung zu sein, sich anzulegen.

 

„Mrs Malfoy, wir kennen uns bereits.“

 

„Ja, wirklich?“ Seine Mutter hatte die Dreistigkeit, komplett überrascht auszusehen.

 

„Ja, wirklich“, bestätigte Granger böse. „Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr genau an den Tag. Es war ein kühler Oktobertag, Mrs Malfoy. Ihre Schwester hatte mich in ihrer Gewalt und hat mich mit dem Unverzeihlichen zur Besinnungslosigkeit gefoltert, während Ihr Mann in der Gunst des so genannten Dunklen Lords soweit gesunken war, dass er ihm den Zauberstab abgenommen hatte.“ Die Lippen seiner Mutter wurden furchtbar schmal und die Farbe wich aus ihren hohen Wangen.

 

„Champagner?“, erkundigte sich der Kellner ungerührt und Granger griff sich wütend ein weiteres Glas.

 

„So ungefähr war es doch. Nicht wahr, Mutter?“ Auch er nahm sich ein weiteres Glas und das erste Lächeln stahl sich auf seine Züge. Seine Mutter schenkte ihm einen vernichtenden Blick, den er gekonnt erwiderte. Granger war ganz außer Atem.

 

„Wenn Sie mich entschuldigen“, sagte seine Mutter jetzt gleichmütig, aber in ihrem Gesicht konnte man die Entrüstung deutlich erkennen. Damit hatte sie sich schnell wieder abgewandt.

 

„Das ist das erste lustige Treffen hier in diesem öden Club“, merkte Pansy an und schüttelte anerkennend den Kopf.

 

„Ich glaube nicht, dass du hier noch etwas verloren hast“, sagte Draco jetzt. „Wie wäre es, wenn du weiter planen gehst, wie du deinem Vater noch den letzten Knut aus den Taschen locken kannst, Pansy. Ansonsten vernachlässigst du noch deine Rolle, als missratene, verwöhnte Tochter“, fügte er kalt hinzu.  Sie wirkte ernsthaft verletzt durch seine Worte.

 

„Immerhin habe ich noch Geld, Draco Malfoy.“ Und damit ließ sie ihn stehen. Die Gruppen hatten sich wieder klar geteilt und aus unerfindlichen Gründen stand er auf der Seite, wo Potter und Granger standen. Nicht dort, wo Pansy und seine Familie waren.

 

Der Tag schlug ihm auf den Magen. Vielleicht war es auch der Champagner.


„Ich wusste nicht, dass du die Confiserie als Vertretung übernommen hast“, versuchte Potter nun unverfänglich ein Gespräch anzufangen.

 

„Hat Granger dir wohl nicht erzählt“, vermutete er schließlich.


„Nein, hat sie nicht. Ich wusste nicht, dass du dich mit Luna verstehst“, fügte Potter nun überrascht hinzu und wirkte enthemmter durch den Alkohol.

 

„Oh ja Harry. Sie sind die besten Freunde, denn Luna ist ebenfalls in dem Club angemeldet, der das Programm: Gib jedem Todesser eine verfluchte zweite Chance! betreibt!“, knurrte sie wütend, stellte ihr Glas zornig ab und schritt durch den Salon raus auf die riesige Terrasse.

 

Ehe Potter darauf etwas sagen konnte, war Draco ihr gefolgt. Ohne dass er groß darüber nachgedacht hatte. Ohne, dass er wusste, was er überhaupt tat.

 

„Wag es ja nicht, mir zu folgen und dich mit mir hier draußen zu streiten!“, fing sie drohend an.

 

„Ich begreife es nicht! Erklär es mir! Was habe ich dir getan, dass du mich hier schlecht reden willst?“, erwiderte er und konnte lauter sprechen als drinnen. Hier waren keine Zeugen.

 

„Malfoy, ich muss dich nicht schlecht reden! Du-“

 

„Ich bin schon schlecht. Ja, sicher, Granger. Ich weiß“, unterbrach er sie gereizt. „Lass es einfach gut sein, ok? Ich habe es satt, dass du dich so äußerst. Und was ist verflucht noch mal schlecht an einer dämlichen zweiten Chance?“, verlangte er zu wissen, ehe sie sprechen konnte. „Wenn jemand in deiner Gunst gefallen ist, bedeutet das dann, dass er nie wieder einen Fuß auf die Erde bekommt?“

 

Sie sah ihn an, ohne dass er ihren Ausdruck deuten konnte. „Wenn das deine Meinung ist, dann bitte. Das ist mir recht. Dann halt dich aber aus meinen Angelegenheiten raus und behalt deine Meinung für dich, verstanden?“

 

„Du willst eine zweite Chance von Harry?“, fragte sie ungläubig. „Seit wann interessiert dich Harry überhaupt? Du hast doch sonst keinen Sickel dafür gegeben, mit Harry Potter in Verbindung gebracht zu werden. Denkst du, es poliert deinen Ruf auf? Jetzt wo du kein Gold mehr hast, denkst du, die Bekanntschaft zu Harry Potter macht es besser?“, verlangte sie zu wissen und sah ihn fassungslos an.

 

„Ich werde rein gehen. Es will nicht in deinen sturen, besserwisserischen Schädel, oder Granger? Egal, was du denkst. Egal, wie du es gerne hättest. Ich bin kein Todesser.“ Er sah sie protestieren. „Kein Todesser mehr, verflucht. Ich habe das aufgegeben. Ich habe meine Schuldigkeit getan, die Buße getragen. Ich habe gesühnt, ok? Die Fehler sind beglichen.“ Er konnte nicht fassen, mit diesem Mädchen darüber zu sprechen.

 

„Nein, Malfoy. Einen Scheiß hast du beglichen. Wie kannst so arrogant durch deine Welt laufen? Schön, du hast dein Geld aufgebeben, die Gunst deines Vaters. Aber du hast mir weh getan! Denkst du, ich vergesse das? Und auch wenn dir diese eine Meinung einen Scheiß bedeutet, dann ändert das nichts an der Tatsache, dass dir eben nicht verflucht noch mal alle vergeben haben! Nicht alle haben vergessen, was für ein widerliches, selbstverliebtes, arrogantes, opportunistisches, gefühlkaltes, reiches, unverbesserliches Todesserarschloch du gewesen bist!“

 

Sein Mund hatte sich durch ihre Beleidigungen hinweg geöffnet.

 

„Ich habe es nicht vergessen! Ich habe nicht vergessen, wie oft das Wort Schlammblut deine Lippen verlassen hat. Ich habe nicht vergessen, dass du meine Tasche verbrannt hast, und es als Versehen aussehen lassen hast. Ich habe nicht vergessen, wie du die Klatscher bei jedem Quidditchspiel in meine Richtung hast lenken lassen, in der Hoffnung, dass sie mich irgendwann von der Tribüne schlagen.“

 

Er schloss den Mund wieder.

 

„Ich weiß noch, dass du mich an Umbridge ausliefern wolltest, dass ich das Opfer für die Dementoren sein sollte, dass du bei jedem verdammten Vertrauensschülertreffen ohne mich anfangen wolltest! Dass du die Räume hast verlegen lassen, damit ich unter gar keinen Umständen daran teilnehmen kann.“

 

Sie hatte sich völlig in Rage geredet. Und die Dinge, von denen sie sprach, fielen ihm portionsweise wieder ein. Eins nach dem anderen.

 

„Und keiner… keiner hat sich auch nur ansatzweise getraut, irgendwas gegen deine königliche Meinung zu sagen! Niemand hat gewagt, sich zu widersetzen, dir auch nur ein einziges Mal zu widersprechen. Denn niemand wollte den König von Slytherin beleidigen! Und all das, was in deinem kleinen, reichen Todesserleben falsch lief, hast du an den Muggeln ausgelassen. Und in Hogwarts gab es nur zwei davon“, fügte sie bitter hinzu. Sie erinnerte sich an alles, ging ihm auf. An jedes Detail, an jede Einzelheit und er kam sich so vor, als hätte er alle Kakaorührer zum Tode verurteilt.

 

Er kam sich plötzlich um einiges schlechter vor. Schlechter, als er sich ohnehin schon fühlte. Natürlich hatte er sich tausendmal entschuldigt. Nur  nicht bei Hermine Granger. Er hatte sie schon völlig verdrängt gehabt. Sie war höchstens eine unangenehme Erinnerung aus einer Zeit, die er nicht mehr wahrhaben wollte.

 

Aber sie hatte ihn verfolgt, die Erinnerung bis hier her.

 

„Und entschuldige, wenn es für mich schwer zu glauben ist, dass du dich um hundertachtzig Grad gedreht hast. Das letzte, was du zu mir gesagt hast, war nämlich keine Entschuldigung. Aber du bist ja so verbohrt und egozentrisch, dass du bestimmt nicht mehr weißt, was du gesagt hast, oder, Malfoy?“ Sie lachte fast auf, bei ihren Worten.

 

„Dass der Schlamm in deinen Adern irgendwann an die Oberfläche kommen wird und dass dann alle sehen können, wie unwürdig du bist und welchen Zweck du in der magischen Gesellschaft erfüllst“, antwortete akkurat und ruhig auf ihre Worte.

 

Er erinnerte sich. Doch, er kannte Hermine Granger. Denn sie war diejenige gewesen an der er den Hass auf seinen Vater tagtäglich ausgelassen hat. Ungefiltert. Gnadenlos. Ihr Mund hatte sich geöffnet und er sah die ersten Tränen in ihren Augen schimmern.

 

„Verzeih mir“, fügte er leise hinzu. Sie schüttelte nur den Kopf. Wie hatte er sie vergessen können? Eine dunkle Strähne löste sich aus ihrer strengen Frisur, lockte sich in ihrer Stirn und sie wischte sich ärgerlich über die Wangen. Ärgerlich und völlig perplex.

 

„Wenn einer von euch nicht gleich wieder rein kommt, werde ich noch den Zauberstab ziehen müssen“, unterbrach Potter das Gespräch, das anscheinend schon vorüber war. Er stellte sich neben Granger und sah sie besorgt an.


„Hermine, alles in Ordnung?“, fragte er jetzt und sie zauberte ein Lächeln auf die hübschen Züge, ihres Gesichts. Draco stellte fest, dass sie niemals hässlich gewesen war. Ihre Augen waren dunkel wie Schokolade. Die Lippen voll und die Haare sinnlich, mit dichten, langen Locken.

 

„Alles bestens“, log sie so gekonnt, dass sogar Draco ihr die Worte abnahm.

 

„Das heißt, wir können uns hier vertragen?“, fragte Potter mit einem Blick auf ihn. Ehe Granger darauf antworten konnte, hatte er sich geräuspert.

 

„Ich werde reingehen. Meinem… Vater gratulieren“, sagte er knapp und verließ die Terrasse. Er wollte plötzlich nicht mehr, dass Granger für ihn log. Er wollte keine Lüge mehr hören. Anscheinend hatte er sich selber nur Lügen erzählt.

Anscheinend hatte alles wenig Wert. Was machte er sich vor? Vielleicht war er einfach nur ein weiterer, bedeutungsloser Todesser. Wie sein Vater.

 

Vielleicht hatte Pansys Vater Recht mit dem, was er sagte. Vielleicht hatte er aber auch Unrecht und Draco war doch nur eine Kopie seines Vaters.

Er spürte eine kalte Hilflosigkeit, die keiner Rettung mehr bedurfte.

 

Und gerade eben, draußen auf der Terrasse, in dem Club, den er verabscheute, war irgendwas passiert. Es kam ihm vor, als wäre ihm der letzte Rest Hoffnung vergangen.

 

Und er tippte auf die Schulter des Mannes, der genauso groß war wie er selber. Der sich genauso bewegte, wie er selber, genauso sprach, genauso aussah wie er.

 

„Herzlichen Glückwunsch, Vater“, sagte er und streckte dem Mann die Hand entgegen. „Entschuldige, dass ich so spät komme“, fügte er kühl hinzu. Und mit einem prüfenden Blick schüttelte sein Vater die gebotene Hand.

 

„Draco“, sagte er nur. Langsam, als müsse er erst testen, wie der Name in seinem Mund schmeckte. „Wir haben lange nicht gesprochen“, sagte Lucius Malfoy mit glatter Stimme. „Du begibst dich in Potters Kreise?“, fragte er und Draco hörte die Verurteilung in seinen Worten. Er sah aus den Augenwinkeln, dass seine Mutter ihn keines Blickes würdigte.

 

„Nein. Das tue ich bestimmt nicht“, erklärte er bitter. Sein Vater drückte seine Hand eine Spur fester.

 

„Was hast du heute Abend vor? Interesse an meinem Fest auf Malfoy Manor?“ Draco hatte das Gefühl, als wären die Jahre des Streits nie gewesen. Sein Vater betrachtete ihn mit geweckter Neugierde, die ihm eigentlich Angst einjagen sollte.

 

Granger und Potter betraten wieder den Salon. Sein Kiefermuskel spannte sich unangenehm hart an. Ihre Gestalt ließ den Schmerz in ihm hochkochen. Und die Wut auf sich selbst. Er musste sich also betäuben. Und sei es mit dem stumpfesten Mittel, das ihm zur Verfügung stand: Dem größten Rückfall, den er sich hatte suchen können.

 

„Sehr gerne, Vater“, sagte er gleichmütig. Plötzlich legte Lucius einen Arm um seine Schulter.

 

„Gentlemen, mein Sohn wird uns heute Abend beiwohnen!“, verkündete er und Draco konnte nicht einschätzen, ob es seinen Vater freute oder ob er sich gerade so fühlte, als hätte er gewonnen. Lucius Malfoy gegen Draco Malfoy. Draco hatte schon völlig vergessen, gegen was er eigentlich gekämpft hatte.

 

Menschen änderten sich anscheinend nicht. Granger hatte Recht. Hatte sie schließlich immer schon gehabt. Ein Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln. Es war freudlos und kalt.

 

 

Kapitel 11

 

Sie war froh gewesen, als Harry nach seinem zweiten Krabbencocktail endlich hatte gehen wollen. Sie war froh, nicht mehr über diesen Tag nachdenken zu müssen, als sie endlich zu Hause angekommen war. Es hatte sich gut angefühlt, Narzissa Malfoy anzuschreien. Aber sie hatte sich noch niemals selber so gedemütigt. Sie hatte geweint, war ihr aufgegangen. Vor Malfoy. Ausgerechnet. Sie hatte tatsächlich ansatzweise geweint.

 

Wieso hatte sie nicht ihren Mund halten können? Wieso hatte sie immer weiter und weiter sprechen müssen, wo Malfoy doch bereits alles vergessen hatte? Wieso hatte sie ihn wieder erinnern müssen? Sie hätte selber so tun können, als hätte sie es vergessen.

 

Aber das hatte sie ja nicht gekonnt.

 

Und eigentlich hielt sie nichts von Vergeltung. Sie hielt nichts davon, den Menschen ihre Fehler und schlechten Seiten vorzuhalten. Nicht einmal Malfoy. Nein, gerade Malfoy. Schlechte verdienten nicht mal den Hauch an Aufmerksamkeit. Aber sie war so zornig auf die Welt gewesen. Auf alle Reinblüter.

 

Selbst Harry hatte sie komisch angesehen und gemeint, dass Malfoy im Ministerium immer höflich und unauffällig wäre, würde er ihn alle Jubeljahre sehen.

 

Vielleicht hatte Malfoy es geschafft, sich in die verdammte Gesellschaft neu einzubürgern. Vielleicht hatte er wirklich mal etwas Gutes getan, und sie war eben zufällig nicht dabei gewesen. Vielleicht konnte man es nicht allen recht machen und sie blieb eben übrig. Sie war eben etwas in seiner Vergangenheit, was er nicht ändern konnte.

 

Oder sie wollte nicht, dass er es änderte. Nachher dachte er noch, es würde sie interessieren! Eigentlich war es egal. Und sie erzählte noch so einen Unsinn. Zwar hatte er ihr weh getan, aber was spielt es für eine Rolle? Es war tatsächlich lange her und daran dachte sie überhaupt nicht mehr. Jetzt, wo sie traurig allein und verlassen war, suchte sie die Schuld natürlich bei allen anderen und nicht bei sich.

 

Aber das hätte sie auch still tun können.

 

Die Arbeit funktionierte nicht mehr. Sie hatte es nicht geschafft auch nur einen Toaster zu kurieren. Er würde mit Dauerschnupfen auch diese Woche im Ministerium bleiben müssen.

 

Sie kam sich schon vor wie Ron. Sie musste dringend an ihrer Psyche arbeiten. Sie musste überwinden. Sie musste endlich über all die Dinge hinwegkommen. Die dämliche alte Zeit. Ihre dämliche Beziehung mit Ron.

 

Harry hatte es in dem Club gefallen. Ihr hatte es dort überhaupt nicht gefallen. Aber gerade deshalb musste sie dort wieder hin. Denn dort war die Elite. Und sie zählte sich immer zur Elite. Die Elite waren nicht die besseren Menschen, nein. Die Elite waren die Menschen, die auch etwas veränderten konnten. Die, die Chance dazu bekamen.

 

Gut, vielleicht bekam sie eine Chance und deswegen sollte Malfoy eine bekommen, aber… das konnte sie noch nicht einsehen. Aber wahrscheinlich musste sie irgendwas tun.

 

Sie wollte unter keinen Umständen, dass er sich fühlte, als hätte er wirklich Einfluss auf sie. Oder auf ihre Gefühle, oder als würde es ihr etwas ausmachen, wer er nun war oder was er tat.

 

Sie würde in die Confiserie gehen und ihm den Rückzug erklären. Sie würde den Laden nicht mehr betreten, würde ihn nicht mehr Todesser nennen und er konnte somit frei von Schuld in seinem neuen Leben leben. Was hatte sie noch mit ihm zu tun? Gar nichts. Sie hatte keinerlei Einfluss auf ihn, also sollte er auch keinen auf sie haben.

 

Er wusste ja nicht mal mehr, wer sie war, bis sie es ihm haarklein auf die Nase hatte binden müssen. Sie würde eher Schluss machen. Sie würde eher gehen und vielleicht würde sie sich morgen frei nehmen. Sie war überhaupt nicht mehr zu gebrauchen, stellte sie fest.

 

Nicht auf der Arbeit und nicht unter Menschen. Es sollte sich ändern. Sie würde sich ändern.

 

 

~*~

 

Als sie ankam, dachte sie zuerst, der Laden hätte zu. Aber sie irrte sich. Er war einfach nur leer. Sie betrat den Laden und stellte fest, dass die Männer nicht vor ihren Töpfen standen. Die Töpfe sahen recht unbenutzt aus.

 

„Hallo?“, rief sie, denn vielleicht war Malfoy wieder hinten im Laden. Sie wartete. „Hallo?“, rief sie lauter und hörte ein Schnauben.


„Was denn?“ Eine Frau erschien genervt vorne hinter der Theke. Hermine runzelte die Stirn.

 

„Ist Draco Malfoy nicht hier?“, wollte sie wissen und die Frau kaute stumpf auf ihrem Kaugummi.

 

„Sieht nicht so aus, oder?“

 

„Wer… wer sind sie?“, wollte Hermine wissen und betrachtete die Frau vor sich. Sie hatte nicht das Gefühl, als käme sie ihr bekannt vor.

 

„Wer will das wissen?“, erwiderte die Frau unhöflich.

 

„Ich will das wissen! Weiß Luna, dass Sie hier sind?“ Hermine wurde es zu bunt. Wie unhöflich konnte jemand sein?


„Sie bezahlt mir einige Galleonen, dass ich hier in diesem Drecksloch für sie arbeite, also ja, meine Cousine weiß das.“ Lunas Cousine? Was tat die hier? Und warum war sie hier?

 

„Draco Malfoy ist Lunas Vertretung“, sagte Hermine mit fester Stimme.

„Der reiche Malfoy hat gekündigt. Brauchte den Job eh nicht, hat er gesagt.“ Sie feixte dumm und Hermine sah sich um.

 

„Hier ist keine Kundschaft. Wo sind die Kakaorührer?“, wollte sie wissen.

 

„Was? Keine Ahnung, warum keiner kommt. Ist eben eine dumme Investition gewesen“, behauptete die Frau.


„Wo sind die Rührer?“, verlangte Hermine zu wissen.

 

„Wer?“

 

„Die… die Männer aus Schokolade, die im Fenster rühren!“, schrie sie fast.

 

„Keine Ahnung. Hab keinen gesehen“, behauptete die Frau, aber Hermine sah, dass sie log. Sie wurde noch wütender. Sie drehte sich um und schritt zu dem kleinen Lebkuchenhaus.

Sie klopfte vorsichtig und öffnete dann die Tür. Dort saßen die Männer. Stocksteif, völlig unbewegt und starrten nach vorne.

 

„Ich nehme euch mit“, sagte Hermine ruhig und schloss die Tür wieder.

 

„Du tust hier gar nichts!“, rief die Frau von der Theke aus. Ohne zu zögern, zog Hermine den Zauberstab und richtete ihn kalt auf die Frau.

 

„Ich würde den Mund nicht so weit aufreißen. Wenn ich Sie wäre, würde ich vorsichtig sein“, drohte Hermine kalt und nahm das Lebkuchenhaus von dem schweren Haken. Innen bewegte sich immer noch nichts.

 

Die Frau starrte sie völlig fassungslos an. Aber sie wagte anscheinend nicht, sich zu bewegen und sie aufzuhalten. Das war auch gut so. Hermine würde nicht zögern, die Frau sofort zu verfluchen.

 

Und was fiel Malfoy ein? Sie hatte die Tür verschlossen und schlug direkt eine bestimmte Richtung ein. Sie passte auf, dass die Rührer kein Licht treffen konnte und warf noch ihren Umhang über das Haus, das bereits an ihren Fingern klebte.

 

„Keine Sorge, ok? Ich werde euch nichts tun!“, versprach sie eilig, aber sie war sich nicht sicher, ob die Rührer sie verstanden hatten.

 

Nur wenig später war sie angekommen. Ganz ohne zu apparieren. Das wäre mit dem Haus auch wohl schlecht gegangen. Sie schob die Türe auf, die nur angelehnt war. Eilig lief sie die Stufen hoch und hämmerte im ersten Stock an die erste Tür. Verschlafen öffnete Luna ihr.


„Hermine? Was ist los?“, fragte sie verwirrt und betrachtete Hermines Umhang, unter dem das Lebkuchenhaus verborgen war.

 

„Eine Verrückte ist in deinem Laden, und sie sagt, sie sei deine Cousine und du bezahlst sie dafür, dass sie bei dir arbeitet!“ Luna wirkte unglücklich darüber.

 

„Ja, Draco hat gekündigt und… ich wusste keinen Ersatz. Lexa hat keine Arbeit und jede Menge Zeit, also…“

 

„Lexa Lovegood?“, wiederholte Hermine, hatte aber keine Zeit etwas Entsprechendes zu diesem Namen zu sagen. „Malfoy hat gekündigt? Wieso das?“

 

„Ich weiß es nicht. Ich habe nur eine Nachricht von ihm bekommen. Er hat es nicht erklärt. Aber ich kann noch nicht zurück in den Laden, also…“ Sie schien immer noch verwirrt über den Umhang zu sein. „Was ist das?“

 

Hermine zögerte kurz, ehe sie den Umhang zur Seite schob. Luna wirkte milde überrascht.

 

„Du bist in den Laden gegangen, um das Haus zu klauen?“, fragte sie verwirrt und Hermine schüttelte ungeduldig den Kopf.

 

„Nein. Die Männer waren nicht draußen und haben keine Schokolade gerührt und ich glaube, sie hat irgendwas mit ihnen gemacht oder irgendwas gesagt und…“ Hermine musste erst mal Luft holen.

 

„Ok. Gut, dann ist es wohl besser so.“ Luna klang immer noch traurig.


„Ja, aber… du kannst diese Frau da nicht arbeiten lassen! Es ist keine Kundschaft da!“, entrüstete sich Hermine. „Wieso kündigt dieses blöde Arschloch?“, knurrte sie wütend. Sie hasste Malfoy doch und ärgerte sich, dass sie sich auch noch bei ihm hatte entschuldigen wollen! So ein blöder Mistkerl!

 

„Nicht? Wer soll denn sonst dort arbeiten? Ich kenne niemanden genug, dass ich ihm vertraue. Und ich kenne niemanden, der mit Schokolade sonst noch umgehen kann.“ Luna blickte an ihr vorbei. „Vielleicht sollte ich einfach schon wieder kommen.“ Wie aufs Stichwort fing Charlotte an zu weinen. Luna verdrehte die Augen. „Nicht schon wieder. Hermine, komm rein. Ich muss mich eben um Charlotte kümmern“, sagte Luna und hatte sich schon abgewandt.

 

Hermine lugte durch eines der Fenster, aber die Schokoladenmänner rührten sich immer noch nicht. Und es brach ihr das Herz, dass die kleinen Männer ganz starr vor Angst waren.

 

Und es drängte sich ihr nur eine Lösung für das Problem auf. Und sie atmete langsam aus. Immerhin war sie Patentante. Luna vertraute ihr sogar ihr Kind an.

 

„Luna, ich übernehme den Laden solange. Du musst mich auch nicht bezahlen“, rief Hermine ergeben durch die Wohnung und hoffte, sie würde einen Weg finden, die Männer aus ihrem Lebkuchenhaus zu locken. Und dann würde sie Malfoy umbringen.

 

Luna erschien mit ihrer Tochter auf dem Arm wieder im Wohnzimmer. Und sie trug ein Lächeln auf dem müden Gesicht.

 

„Oh Hermine, darum könnte ich dich nicht bitten“, sagte sie jetzt.

 

„Nein, musst du auch nicht. Natürlich helfe ich dir“, knurrte Hermine unwillig. Sie fühlte sich immer noch schuldig, weil die kleinen Rührer sie nicht leiden konnten. Und das bei ihr! Sie, die sie sich für jedes magische Geschöpf einsetzte und für dessen Rechte kämpfte. Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen! Da käme ihr der Urlaub gerade recht. Sie hatte sowieso noch keine Ahnung, wie sie ihn nutzen sollte. Ron und sie hatten verreisen wollen, aber das hier kam ihr dringender und wichtiger vor.

 

„Hermine…“

 

„Nein, ok? Ich mag Schokolade. Und ich… kann das schon. Ich bin Hermine Granger, zum Teufel noch mal!“ Wofür hatte sie elf Ohnegleichen? Um anzugeben? Nein, sie konnte Sachen tun. Sie war doch angeblich verflucht brillant. Also würde sie genau das beweisen!

 

Lunas Lächeln wurde breiter. Hermine fragte sich, wann sie das letzte Mal wohl geschlafen hatte. Luna schlief schon fast auf dem Flur ein.

 

„Ok, hör zu. Ich nehme die Kleine mit. Ich habe jetzt sowieso frei. Ich pack die Tasche für Charlotte, sie kann bei mir bleiben heute. Und ich gehe in den Laden, kündige deiner dämlichen Cousine und dann werde ich morgen Schokolade rühren. Und verpacken. Und verkaufen“, erklärte sie etwas euphorisch. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollte.

 

Luna ließ es zu, dass Hermine ihr ihre Tochter aus den Armen nahm.

 

„Hermine, das musst du wirklich nicht…“ Sie unterbrach sich selbst, weil sie gähnte. Sie lehnte an der Flurwand und schlief fast im Stehen ein. Rigoros bugsierte Hermine Luna ins Schlafzimmer und Luna war eingeschlafen, ehe ihr Kopf das Kissen berührt hatte. Charlotte betrachtete das Ganze ein wenig verächtlich und schien sich auf Hermines Armen sehr wohl zu fühlen.


„Ok, kleine Dame. Wir haben noch einiges zu tun“, beschloss sie leise, hexte Charlottes Sachen in eine Tasche und ließ das Lebkuchenhaus ebenfalls hinter sich her schweben. Charlotte machte es ich bequem und schloss die Augen auf dem Weg nach draußen.

 

Und Hermine fühlte sich gut. Zum ersten Mal seit einer Weile.

 

 

Kapitel 12

 

Er fühlte sich wie erschlagen. Als hätte er den Kampf verloren. Und nicht nur den Kampf. Er widerte sich selber an, fiel ihm auf. Müde erhob sich der Körper neben ihm. Pansys Haare fielen ihr kurz in den Nacken.

 

„Ich gehe duschen. Kommst du mit?“, fragte sie ihn lockend und küsste seine unbehaarte Brust mit einem schnurrenden Ton. Er schüttelte nur den Kopf, weil seine Kehle vor Ekel ganz trocken war. „Dann bis gleich, Dray.“ Es klang fast wie eine Drohung. Lächelnd verschwand sie im Bad.

 

Er hatte nicht ml ein schlechtes Gewissen gegenüber Blaise. Nicht mal das konnte er sich vorwerfen. Er wollte selber schleunigste duschen und dann hoffen, dass sie verschwand.

 

Er hörte das Knistern im Kamin auch vom Schlafzimmer aus.

 

„Draco?“ Er erhob sich augenblicklich. Wann war er wieder hörig geworden? Er wusste es nicht. Der Alkohol hing ihm noch schwer in den Gliedern und sein Kopf schmerzte furchtbar.

 

„Vater.“ Er ging müde auf die Knie vor dem Kamin.

 

„Heute kommen die MacNairs. Und sie bringen ihre reizende Tochter mit. Ich hoffe doch, dass du erscheinst? Deine Mutter lässt die Elfen heute frischen Hippogreif kochen. Es wird ein regelrechtes Fest. Außerdem wollte ich mit dir über deine Anstellung im Ministerium sprechen. Wie wäre es, wenn du Leiter der Abteilung wärst? Dann müsstest du dich nicht mit lästigen Kunden rumschlagen? Ich bin sicher, ich könnte einiges arrangieren. Vor allem, nach dem Gespräch, dass ich heute mit Mr Lewis hatte.“

 

„Mr Lewis?“, wiederholte Draco und irgendwo weiter hinten in seinem Kopf, klingelte es leise. Er kannte den Namen.

 

„Ja, Draco. Ich habe mit ihm über die Wideraufnahme der Verhandlungen gesprochen. Das Testament war zwar geschlossen, aber ich habe Revision eingelegt. Dein Name steht wieder direkt neben meinem.“ Dracos Mund öffnete sich.

 

Er war im Testament? Er war… wieder Erbe?

 

Und er wusste nicht, ob das gut war oder wirklich, wirklich schlecht.

 

„Ist es bei dir noch spät geworden?“ Draco hörte Pansy unter der Dusche summen. Er räusperte sich.

 

„Ja, nein. So ungefähr, Vater“, sagte er vage.


„Also? Kann ich mir dir rechnen, Sohn?“ Und Draco atmete aus. Er hatte sein Schicksal gewählt und sich sein Bett selbst gemacht. Jetzt konnte er auch genauso gut darin liegen.

 

„Sicher, Vater“, sagte er also.

 

„Ausgezeichnet. Ich werde es deiner Mutter ausrichten. Bis später.“ Damit war der Kopf seines Vaters aus den Flammen verschwunden und Draco starrte nur noch ins Feuer.

 

Wann genau hatte sich alles geändert? Er wusste es nicht mal mehr zu sagen.

 

Pansy hatte sich verabschiedet, ehe er duschen gegangen war. Verabschiedet war untertrieben, nahm er an. Er hatte in der Tür einen verfluchten Blowjob bekommen. Und er hatte nicht mal die Lust gehabt, abzulehnen. Für eine Sekunde hatte er es genossen, seine Hand in ihren Haaren zu vergraben und hart nach vorne zu stoßen.

 

Aber nur für einen Moment. Mittlerweile war ihm selber schlecht. Er duschte, bis nur noch kaltes Wasser aus den Hähnen strömte. In seinem Bademantel saß er auf seinem Bett und starrte an die Wand.

 

Wo lag noch mal das Problem, so zu sein wie sein Vater? Was war schlimm an einem guten Job im Ministerium? Was war schlimm an einem zwölfstelligen Erbe? Was war schlimm an einer reichen, schönen Frau, die sich für eine Nutzehe eignete?

 

Er atmete aus und vergrub den Kopf in seinen Händen.

 

Ihm fiel siedend heiß wieder ein, dass er ja einen Termin hatte.

 

Was war noch mal falsch daran, Geoffrey Parkinson heute mitzuteilen, dass seine Tochter keinen hellen Sickel für ihn übrig hatte? Dracos Kehle schnürte sich unangenehm zu. Richtig, es gab noch Menschen mit einer Seele.

Es gab noch Menschen, die besser waren als er.

 

~*~

 

Er war immer noch müde als er sich an seinen Schreibtisch setzte. Es kam ihm so vor, als hätte er sein Leben betrogen. Mit seinem alten Ich. Mit all den schlechten Dingen, die er hatte verdrängen wollen.

 

Es klopfte schließlich an der Tür, egal, wie sehr er sich gewünscht hatte, dass dies nicht passieren würde. Wieso hatte er nicht noch mal mit Pansy darüber gesprochen? Wieso war es ihm entfallen?

 

Weil es ihr wahrscheinlich sowieso völlig gleichgültig gewesen wäre.

 

„Mr Parkinson“, sagte Draco, und allein am Klang seiner Stimme schien Geoffrey Parkinson bereits zu wissen, was Draco nicht sagen wollte.

 

„Meine Frist ist also zu Ende“, erkundigte sich der Mann, während er sich setzte und eine kleine Schachtel aus der Innentasche seines Umhangs holte. „Sie erlauben doch?“, fragte er knapp und zog eine Zigarre hervor. Draco griff geistesgegenwärtig nach dem Feuerzeug, was auf dem Tisch stand. Er wusste nicht mal, weshalb es dort stand. Es war golden und protzig und stand wohl nur aus dekorativen Gründen dort.

 

Er zündete die Zigarre des Mannes vor ihm an.

 

„Es tut mir leid, Mr Parkinson“, sagte er ehrlich und musste verdrängen, dass die Tochter dieses Mannes heute Morgen in seinem Bett aufgewacht war.

 

Er war ein verfluchter Scheißkerl.

 

„Ich habe gehört, Sie sind in der Gunst Ihres Vaters wieder hoch gestiegen, Mr Malfoy.“ Und es klang so, wie es auch war. Es klang, wie etwas Abscheuliches. Draco schaffte es, keinerlei Regung zu zeigen. „Stehen Sie wieder im Testament, Mr Malfoy?“, erkundigte sich Geoffrey Parkinson mit einem bitteren Zug um den schmalen Mund und Draco schwieg auch auf diese Frage.

 

Es verging ein Moment.

 

„Wie lange bleibt mir noch?“, fragte der Mann ihn schließlich träge, während er die blauen Wolken der Zigarre in das Büro blies.

 

„Eine Woche“, erwiderte Draco, nachdem er einen Blick in die Formulare geworfen hatte. „Die Frist endet in einer Woche, Sir.“

 

„Dann sollte ich die letzten Tage dringend genießen“, erwiderte er rau und Draco war sich nicht sicher, ob er zu ihm sprach.

 

Er wusste wieder, warum solche Menschen wie Geoffrey Parkinson existentiell wichtig waren. Sie erinnerten ihn daran, dass sein Vater ein schlechter Mensch war. Und sie zeigten ihm, was Würde und Tapferkeit bedeuteten. Geoffrey Parkinson trug also sein Schicksal.

 

Und er, Draco, zog es vor, so zu sein, wie Lucius. Er konnte sich nicht entsinnen, wann er sich jemals schlechter als heute gefühlt hatte. Er wusste es wirklich nicht.

 

~*~

 

 

Der Tag war träge dahin gezogen und er wusste nicht, warum er durch die Winkelgasse gehen wollte. Er fühlte sich zu träge zum Apparieren. Das wollte schon einiges heißen. Aber müsste er auch nicht ausgerechnet nach Malfoy Manor, dann würde es ihm vielleicht leichter fallen.

 

Aber der Gedanke an sein Erbe heiterte ihn etwas auf. Sein Blick fiel nach rechts. Auf den winzigen Laden. Und er hielt unbewusst inne, als er sie sah. Anscheinend kaufte sie gerade eine ganze Menge ein. Und sie hatte ein Kind auf den Armen. Es machte für ihn wenig Sinn, dass sie ein Kind dabei hatte.

 

Sie verließ den Laden mit vollgepackten Taschen und einem Kind, vor die Brust geschnallt. Sie sah ihn und wurde augenblicklich zornig. Sie kam auf ihn zu.

 

„Weißt du eigentlich, was du für ein Arschloch bist?“ Er wunderte sich nicht, dass sie diese Worte wählte. Sie hatte ja noch nie andere Worte gewählt. „Du kündigst? Einfach so? Mit einem verdammten Brief? Wirklich großartiger Abgang, Malfoy!“ Er legte den Kopf schräg.

 

„Wem hast du das Kind gestohlen?“, fragte er müde.


Sie lachte hart auf. „Das ist Lunas Kind. Ich passe auf sie auf, weil Luna nämlich schlafen muss. Und nicht nur das. Nein, ich habe Lunas Vertretung entlassen, nachdem sie den Schokoladenmännern solche Angst eingejagt hatte, dass sie immer noch stumm und still in ihrem Häuschen sitzen!“

 

Er öffnete verwunderte den Mund. „Aber das ist dir ja alles herzlich egal. Du hast ja beschlossen, zu kündigen und dich mit solchen Kleinigkeiten nicht mehr zu befassen!“, warf sie ihm vor. Das Kind zappelte auf ihrem Arm.

 

„Sie bewegen sich nicht mehr?“, vergewisserte er sich und sie verzog den Mund.

 

„Ja, sie sind einfach steif.“ Er betrachtete die Taschen, die sie trug.

 

„Du hast… Schokolade gekauft?“, stellte er jetzt fest und sie wurde tatsächlich rot.

 

„Das geht dich überhaupt nichts an.“

 

„Was hast du damit vor? Willst du sie schmelzen und so tun, als hättest du sie selber gemacht?“ Sie sagte nichts und er öffnete ungläubig den Mund.


„Granger, ich bin enttäuscht. Du hast also in Zaubertränke nicht aufgepasst?“, sagte er spöttisch und sie öffnete entrüstet den Mund.


„Wann? Als wir Schokolade gebraut haben? Mein Plan ist immerhin besser als fristlos zu kündigen, du Arschloch!“ Und jetzt fing das Baby an zu weinen.


„Sehr klug von dir“, murmelte er und streichelte dem Mädchen über den weichen Kopf.

 

„Ich muss jetzt weiter“, sagte sie rigoros, um ihn davon abzuhalten, das Baby zu berühren.

 

„Das ist doch nicht dein Ernst. Du kannst keine künstliche Schokolade verkaufen.“

 

„Das ist nicht deine Sorge. Ich will nur, dass du weiß, wie beschissen es von dir war, abzuhauen und Luna allein zu lassen. Ich dachte, du wärst der große Held, den alle so toll finden.“ Er hätte gerne gesagt, dass er kein Held sei. Niemals gewesen war und dass sie wohl doch als allererstes sowieso nichts darauf gegeben hatte, dass er sich geändert hatte.

 

Oder eben auch nicht geändert hatte.

 

„Fein“, sagte er nur.


„Dann weißt du, dass du ein Arschloch bist“, erwiderte sie böse. Er nickte nur.

 

„Sicher, Granger. Viel Spaß, beim Schokolade schmelzen“, sagte er nur und hatte sich abgewandt. Er beschleunigte die Schritte und seine Hände ballten sich zu Fäusten.

 

Auch sie hatte sich abgewandt und ging in die entgegengesetzte Richtung, zur Confiserie.

 

Wieso waren die Männer im Haus? Wieso bewegten sie sich nicht mehr? Was hatte die Vertretung denn bitte angestellt? Und wieso begnügte sich Luna mit Granger, die überhaupt keine Ahnung von Schokolade hatte? Dass es wegen ihm war, weil er gekündigt hatte, ignorierte er gekonnt.

 

Er hasste es, wenn Granger ihn anschrie und ihm Vorwürfe machte.

 

Und er wusste, er kam zu spät zu seinem Vater. Und wenn er jetzt darüber nachdachte, wen er lieber nicht enttäuschen würde, dann lag Granger nicht besonders weit vorne. Denn sie konnte ihn sowieso nicht leiden.

 

Dann konnte er ruhig wieder ein Todesser sein. Es interessierte doch sowieso keinen. Er war so wütend, dass er lieber noch ein paar Schritte ging, ehe er apparierte. Sonst landete er womöglich noch in Plymouth an der Küste. Und nicht bei seinem Vater.

 

Scheiß Schlammblut Granger.

 

Noch bevor er die Worte gedacht hatte, hatte er inne gehalten. Stur blickte er nach vorne. Er hatte die Worte tatsächlich gedacht. Ohne es verhindern zu können. Aber er hatte sie nicht so gemeint. Er hatte sie unmöglich so gemeint!

 

Er hasste sich selbst. Und das war wahrscheinlich gut so.

 

Er musste sich beeilen. Sein Vater wartete.

 

Dann apparierte er mit geschlossenen Augen.

 

 

~ White Vanilla ~

 

Kapitel 13

 

Sie fuhr sich über die Stirn. Noch lag die gekaufte Schokolade unangerührt auf der Theke. Sie hatte die Rollläden runter gelassen, so dass sie niemand sehen konnte.

 

„Es wäre wirklich toll, wenn ihr helfen könntet.“ Sie hatte die Männern vorsichtig aus dem Haus geholt und sie auf die Theke gesetzt. Jetzt sah sie jeden vorwurfsvoll an. „Aber nein. Ihr müsst jetzt ja eingeschnappt sein“, murmelte sie.

 

Charlotte war in ihrem Sitz eingeschlafen. Das war gut, denn Hermine hatte keine Zeit, sich um alles zu kümmern. Sicher hätte sie Ron Bescheid sagen können, aber das ging ihr gegen den Strich. Vor allem hatte sie Luna vorher noch versichert hatte, dass alles einfach großartig liefe und sie keine Hilfe brauchen würde.

 

Dass das gelogen war, das wusste nur sie. Und Charlotte. Und Malfoy jetzt wahrscheinlich auch. Aber er war ja zu einem Arschloch mutiert. Oder wieder mutiert. Oder er war eben immer eins gewesen.

 

Schokolade klebte an ihren Händen. Und sie sollte eigentlich nicht kleben. Hermine wusste, dass Schokolade flüssig sein musste, aber nicht zu flüssig. Und nicht zu fest. Und diese hier war definitiv zu fest. Sie konnte nicht das rechte Maß finden. Es ärgerte sie maßlos, denn sie hatte bisher alles gekonnt.

 

Es passierte nicht, dass sie etwas nicht konnte oder falsch machte!

 

Dinge gelangen ihr gut. Sie dachte analytisch und wusste, wie viele Grünwurzeln man in den Trank der lebenden Toten geben musste, damit er perfekt gelang. Bei Schokolade aber versagte sie.

 

Vielleicht weil man dies nicht mit analytischem Denken, sondern mit irgendetwas anderem bewältigen musste. Mit Gefühl, vielleicht. Aber das war ihr zu ungenau. Deswegen gelangen ihr auch Nudeln nie wirklich. Sie waren immer zu fest oder zu labberig. Auch das hatte mit Gefühl zu tun. Und Gefühl gehörte nicht zu den Angaben, die sie in einer Beschreibung finden wollte.

 

Es hatte nichts mit Logik zu tun. Und Logik war einer ihrer Freunde. Gefühle hingegen… nein, da ließ sie die Finger von. Zu gefährlich. Zu ungenau. Zu unberechenbar, als dass sie damit hantieren wollte.

 

Für sich selber, ja. Aber nicht, wenn es um ein Endprodukt ging, das sie auch noch verkaufen wollte. Oder musste, vielmehr.

 

Sie starrte in den riesigen Topf vor sich. Sie wollte sich an einfacher Vollmilch Schokolade versuchen, aber sie war wohl einfach schlicht und ergreifend gescheitert.

 

„Wieso nicht? Wieso wirst du nicht weich und cremig? Wieso können ehemalige Todesser Schokolade rühren und ich kann es nicht?“, murmelte sie verbittert und kippte wieder etwas Milch hinzu. Die schwammige Masse teilte sich plötzlich in zwei Schichten. Es war, als hätte sie Öl in Joghurt gekippt. So sah das ganze auch in etwa aus.

 

Sie verzog den Mund angewidert.

 

Ok. Das ging nicht gut. Noch ein Versuch. Ein Blick auf die Uhr, sagte ihr, dass es nach zehn war. Und eigentlich hätte Charlotte im Bettchen liegen sollen. Sie sollte nicht in dem Stühlchen schlafen, was zwar auch bestens geeignet, aber eben kein Bettchen Ersatz war.

 

Sie würde sie erst morgen wieder zu Luna bringen. Und sie musste bis morgen auch Schokolade fertig haben, denn die Vorräte, die Malfoy gemacht hatte, gingen langsam zur Neige. Sonst würde auch wieder niemand kommen. Und dann machte Luna noch mehr Einbußen. Und Hermine wäre daran auch noch Schuld. Nein, so ging es nicht.

 

„Hilfe“, sagte sie zu den kleinen Männern, die immer noch ungerührt vor ihr saßen. Sie seufzte leise. „Nicht nett von euch. Wirklich nicht. Ich habe mich doch entschuldigt. Es geht doch schließlich um Schokolade. Wieso hilft denn keiner von euch?“ Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Die Schürze war voll klebriger Schokomasse. Genau wie ihre Finger und die gesamte Theke vor ihr.

 

Es klopfte an der Scheibe. War es Harry? Denn ihm hatte sie gesagt, dass sie hier sein würde, falls er sie suchte. Oder es war Ron? Betrunken und wütend, oder was auch immer. Oder Luna, die sicher gehen wollte, dass sich Hermine ausreichend um ihr Baby kümmerte – was sie nicht tat. Denn die Kleine lag nicht in ihrem Bettchen, wo sie hingehörte. Hermine war ein schlechter Sitter und eine schlechte Vertretung.

 

Sie ging zur Scheibe und linste durch die Lamellen nach draußen. Sie hielt die Luft an, als sie ihn erkannte. Aber sie reagierte nicht. Er klopfte also noch einmal leise gegen die Glastür.


„Lässt du mich rein?“, fragte seine dumpfe Stimme und sie konnte seinen Tonfall nicht deuten. Sie zögerte einen weiteren Moment. „Komm schon, Granger“, fügte er lauter hinzu. Er klopfte erneut, und ehe er Charlotte noch wecken würde, öffnete sie leise die Tür. Die Klingel läutete sanft, aber das Baby wurde nicht wach.

 

„Was willst du?“, flüsterte sie aufgebracht. „Solltest du nicht bei deinem Vater auf dem Schoss sitzen oder so?“, fügte sie böse hinzu.


„Wieso flüsterst du?“, ignorierte er einfach ihre Frage.

 

„Was? Oh, wegen Charlotte“, erklärte sie gereizt. „Was willst du?“

 

Er roch prüfend in die Luft. „Das riecht nicht nach Schokolade, Granger“, erklärte er leise und sie verdrehte die Augen.

 

„Oh wirklich? Das darfst du wohl nicht beurteilen, nachdem du so sang und klanglos gekündigt hast“, zischte sie und er trat einfach ein.

„Was willst du hier?“


„Ich hab mir gedacht, ich sehe nach, ob du hier bist“, erklärte er, legte den Umhang ab, und sie betrachtete den teuren Anzug, den er darunter trug.


„Du hast kein Recht hier zu sein“, sagte sie beleidigt, aber er war schon in die Hocke gegangen und begutachtete die Kakaorührer prüfend.


„Sie bewegen sich wirklich nicht. Hast du ihnen Angst gemacht? Hast du Kakao weggeschüttet und sie mit dem Rührstab gejagt?“, fragte er und sie kam zornig näher.


„Als ob ich wirklich-“ Aber sie unterbrach sich verwirrt, denn er lächelte. „Diese blöde Kuh hat irgendwas mit ihnen angestellt“, flüsterte sie schließlich. Er strich sanft mit dem Finger über einen der winzigen Körper.


„Kalt“, sagte er. „Das ist gut. Das heißt, sie müssten eigentlich funktionieren.“

 

Funktionieren? Sie sind keine Maschinen, Malfoy“, murrte sie leise.


„Das weißt du natürlich am besten. Wenn sie eine beste Freundin haben, dann bist du es wohl, richtig?“ Er hatte sich wieder erhoben und überragte sie einen ganzen Kopf. Er hob den Finger und fuhr über ihre Wange. Sie zuckte vor Schreck zusammen, aber ihn schien es nicht zu stören. Er leckte die Spitze prüfend ab.

 

„Merlin, Granger! Willst du die Kunden morgen einfach vergiften? Das ist natürlich auch ein einfacher Weg, den Laden in den Bankrott zu treiben“, informierte er sie spöttisch und verzog angewidert den Mund.

 

„Oh, mach es doch besser, du Angeber!“, rief sie lauter und Charlotte grunzte im Schlaf. Malfoy hatte sie angefasst, überlegte sie dumpf. Und hatte ihre Schokolade kritisiert.

 

„Shh“, sagte er mahnend und sie hätte ihn am liebsten geschlagen. Wäre er nicht hier, würde sie nicht schreien und Charlotte wecken. Wäre er nicht hier, wäre sie höchstwahrscheinlich morgen diesen Job auch wieder los, überlegte sie weiter.

 

Er betrachtete die Pampe im Topf. Dann hob er den Blick. Er krempelte die Ärmel höher und das Dunkle Mal schimmerte bedrohlich schwarz im Kerzenlicht. Ihr Blick verfing sich kurz daran.

 

Todesser. Todesser trugen das Schwarze Mal, aber sie hatte ja vorgehabt von dieser Denkweise wegzukommen. Es war schwer. War es zu schwer? Sie wusste es nicht. Nicht wirklich. Sie wollte nicht darüber nachdenken, aber sie konnte den Blick nicht abwenden. Es war unhöflich. Das wusste sie. Und das wusste er auch.

 

„Ms Granger?“, sagte er schließlich und ließ einen Teil der Pampe vom Löffel zurück in den Topf klatschen. „Ich muss Ihnen zehn Punkte dafür abziehen, dass Sie das Rezept falsch befolgt haben“, mahnte er in Snapes exakter Tonlage, dass sie fast gelächelt hätte. Aber nur fast.

 

„Mach es einfach besser“, wiederholte sie nur. Sie hasste es, dass er Recht hatte.

 

Er schenkte ihr einen letzten Blick, ehe er ihren Versuch mit dem Zauberstab verschwinden ließ. Sie fragte nicht, weshalb er so schick aussah, und woher er kam. Sie fragte auch nicht, weshalb er gekündigt hatte. Sie sah ihm zu.

 

„Zuerst“, begann er leise und sie kam ungewollt näher, „nehmen wir Zucker.“ Er hob ein Päckchen hoch und kippte eine geschätzte Menge in den Topf. „Milchpulver“, fuhr er fort und kippte auch davon eine ungefähre Menge dazu. „Kakaobutter“, endete er knapp. „Mischen“, befahl er und führte den Zauber stumm aus. Es dauerte eine Weile, bis er zufrieden war. „Das nennt man Zuckerkristalle, Ms Granger. Ich hoffe, Sie notieren sich das“, zitierte er die Snape-Stimme. Und am liebsten hätte sie das. Er wendete und wendete die Schokoladenmasse wieder und wieder. „Das nennt man Conchieren“, fügte er ruhig hinzu und sie lehnte sich vor.

 

Ja. Das sah aus, wie die perfekte Konsistenz. Mist.

 

Er griff schließlich unter sich und öffnete eine der Schranktüren. „Wir fügen Shea Öl hinzu. Nur ein ganz wenig, um es zu verfeinern“, erklärte er, immer noch so, als würde er es einer ganzen Zaubertrank Gruppe erklären. Sie verdrehte die Augen, ließ ihn aber nicht aus ihrem Blick.

 

„Jetzt temperieren wir das Ganze, denn bevor die Schokolade starr wird, muss sie gekühlt werden.“ Mit einem simplen Kühlzauber, den auch sie zu Stande gebracht hätte, kühlte Malfoy die Masse runter.

 

„Ok, und jetzt kommt das eigentlich spannende. Für deine langweilige Vollmilch Variante reicht das hier völlig aus. Wir erhitzen das ganze wieder ein wenig und die Schokolade bildet neue Kristalle und ist fertig. Sollten wir uns aber dafür entscheiden, etwas Spannendes zu machen, ist jetzt der Zeitpunkt, wo wir Zutaten hinzufügen, die sich auch mit dem Rest zusammen fügen müssen“, erklärte er und sie konnte hören, wie viel Spaß ihm das hier machte.

 

Er lächelte jetzt nämlich, ohne es zu kontrollieren.


„Ok.“

 

„Ok, was?“, fragte er mit erhobener Braue.

 

„Dann mach es spannender“, flüsterte sie und kam um die Theke herum.

 

„Sag mir mit was. Oder nein. Mach es selbst“, erklärte er und wich zurück.

„Mit was denn?“, fragte sie alarmiert.

 

„Was ist deine Lieblingssorte? Neben der langweiligen Vollmilch“, fügte er grinsend hinzu. Sie atmete böse aus. Sie mochte Vollmilch eben.

 

„Vanille-Nuss“, sagte sie also.

 

„Ok“, sagte er gedehnt und sah sich um. „Haselnuss, nehme ich an?“ Er griff nach einer Tüte von weiter oben. Das Nussmehl rieselte auf sein feines Hemd, aber es schien ihn nicht zu stören. „Für das Vanille Aroma brauchen wir Schoten“, murmelte er und zog eine weitere Dose hervor. „Schäl die, bitte“, sagte er und Hermine folgte diesem Befehl.

 

Sie schälte die Schoten und zerkleinerte das Innere.

 

„Aufkochen“, sagte er schließlich und sie setzte einen Topf auf die winzige Kochplatte, die unter der Theke stand. Sie zündete sie mit dem Zauberstab an und setzte den Topf darauf. In etwas Milch kochte sie also unter Malfoys Anweisung die Vanille Schote, die sie ausgeschlachtet hatte. So kam es ihr vor. Und nach einer Weile begann es tatsächlich zu duften.


„Oh Merlin! Das riecht absolut großartig!“, flüsterte sie begeistert. Malfoy nickte nur.

 

„Die Nüsse sind gemahlen. Zum Teil sind sie ganz, damit man die Optik beibehält“, informierte er sie leise. „Jetzt gibst du das ganze dabei. Nicht zu viel“, merkte er an und half ihr, eine kleine Menge abzuschütten. Dann zog er seinen Zauberstab zurück. „Jetzt temperierst du die Schokolade noch mal. Nicht zu hoch. Bis sich Kristalle bilden, ok?“ Sie nickte, wusste aber nicht genau, ob es funktionieren würde.

 

Und langsam, ganz langsam verschmolz das Vanille Extrakt mit der Schokoladenmasse. Die Nüsse betten sich langsam ein und er hob die Hand.


„Stopp“, sagte er nur und sie hörte auf. „Bitte“, sagte er knapp und sie wagte gar nicht, zu probieren. Nur ein winziges Stück der lauwarmen und trotzdem harten Schokolade verschwand in ihrem Mund. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht.

 

„Malfoy! Du kannst Schokolade machen“, flüsterte sie beinahe ehrfürchtig. Er musste grinsen.


„Volle Punktzahl, also?“

 

„Mr Malfoy, nehmen sie zwanzig Punkte für Slytherin!“, sagte sie, mit demselben nasalen Tonfall, den Snape auch gewählt hätte. Er grinste schief.


„Vielen Dank, Professor Snape. Irre ich mich, oder sehen Ihre Haare heute weitaus weniger fettig aus, als üblicherweise?“, warf er ein und sie schlug ihm auf den Arm.

 

„Halt den Mund“, sagte sie und Charlotte zuckte wieder zusammen.


„Ist dir aufgefallen, dass du sie immer weckst und ich nicht?“, flüsterte er und sie hob wieder den Blick, als sie sicher war, dass Charlotte wieder eingeschlafen war.

 

Jetzt hatte sie die Hand gehoben, und strich ihm ein wenig Nussmehl von der Wange. Er war nicht zurückgezuckt. Sie allerdings, als ihr klar wurde, dass sie ihn gerade angefasst hatte.


„Mehl“, erklärte sie schließlich.

 

„Wir müssen die Schokolade in die richtige Form bringen“, sagte er endlich, nach einer ganzen Weile. „Luna hat am liebsten die große Kastenform.“ Er zog eine Form hervor, in der große rundliche Kästen eingestanzt waren. „Du kannst die nächste Runde selber versuchen“, bot er ihr an.

 

Sie griff sich den Topf. „Was machen wir hiermit? Zu schade, es wegzuwerfen.“


„Wie wäre es mit Nuss-Vollmilch-Vanille-Kakao?“, schlug er vor.


„Das gibt es gar nicht“, beschwerte sie sich leise.


„Oh Granger, es gibt alles, was du willst“, sagte er nur, erhitzte das Ganze und kippte es in zwei Becher. Ein Teil ging daneben auf die Theke. Grinsend wischte sie es mit dem Finger fort. Dann leckte sie den Finger genüsslich ab.


„Ziemlich genial!“, sagte sie anschließend.

 

„Ist das so?“ Er umfasste plötzlich ihren Finger, führte ihn zu seinem Mund und ehe sie reagieren konnte, ehe sie zurückspringen konnte, ehe sie ihm den Finger wieder entziehen konnte, hatte auch er die Spitze in den Mund gesteckt und nahm die Schokolade nur zwischen seine Lippen. Dann zog er ihren Finger wieder zurück, leckte sich über die Lippen und schien kurz zu überlegen, während sie ihn mehr oder weniger fassungslos anstarrte.

 

„Du hast meinen Finger in den Mund genommen!“, flüsterte sie fast panisch. Er musste grinsen und ließ ihre Hand wieder los.


„Das klingt ja fast verboten, so wie du es sagst, Granger“, gab er zurück.

 

„Du hast…“, wiederholte sie perplex und er verdrehte die Augen. Er tunkte auch seinen Zeigefinger in die Schokolade.

 

„Bitte“, bot er ihr schließlich lächelnd den Finger an. Sie schüttelte angewiderte den Kopf.

 

„Niemals!“, sagte sie ernsthaft.

 

„Nein?“, wiederholte er und deutete an, den Finger an ihrer Bluse sauber zu wischen. Sie wich quietschend zurück, aber er folgte ihr.


„Malfoy!“, zischte sie, damit Charlotte nicht wach werden würde und hüpfte um die Theke herum. „Wehe! Ich verfluch dich!“ Er stellte sich ihr einfach in den Weg.

 

„Oh ja?“, wollte er herausfordernd wissen und tippte ihr einfach mit dem Finger auf die Nase. Sie spürte die warme Schokolade genau auf ihrer Nasenspitze.

 

„Das war sehr erwachsen“, grummelte sie.

 

„Steht dir“, war alles, was er sagte. Er war schön, fiel ihr auf. Aber das wusste sie ja eigentlich schon. Ihr fiel wieder ein, was sie ihm alles an den Kopf geworfen hatte.

 

„Danke, übrigens“, sagte sie plötzlich.


„Wofür?“, fragte er verstört.

 

„Dass… du hilfst“, erklärte sie schließlich. Er zuckte die Achseln. „Und… ich wollte eigentlich gestern herkommen, um…“ Sie blickte kurz zur Seite. „Ich wollte dir sagen, dass ich das alles nicht so gemeint habe, was ich gesagt habe. Dass… es nicht so schlimm war. Damals“, fügte sie hinzu. Er wirkte plötzlich wieder sehr ernst.

 

„Ich bin ein Arschloch. Und ein Todesser. Du hast völlig recht.“

 

„Nein, ich-“ Doch er unterbrach sie ernst.


„Doch. Du hast recht. Ich… bin zu meinem Vater zurückgegangen. Ich hab hier gekündigt, stehe wieder im Testament, werde im Ministerium befördert, weil ich eingesehen habe, dass du recht hast. Ich habe mich nicht geändert. Kein bisschen. Und vielleicht… war ich mit einer Muggel zusammen, damit ich mich besser fühlen konnte.“ Sie starrte ihn an.

 

„Malfoy, du machst Schokolade. Du…“ Sie schwieg. „Du warst nicht mehr im Testament?“


„Ich hatte alles aufgeben und ich hatte… keinen Kontakt mit meine Vater seit… Jahren. Erst wieder als…“ Er sprach nicht weiter und schüttelte schließlich den Kopf.


„Du hattest Recht. Niemand kann sich ändern“, stellte er fest und er wirkte traurig. Es bereitete ihr fast Schmerzen.


„Nur wegen den Sachen, die ich gesagt habe? Malfoy, das war nur meine Meinung! Alle anderen mögen dich. Jedenfalls bis jetzt.“

 

„Na ja, ab jetzt nicht mehr. Es ist einfacher so.“

 

Einfacher? Was? Du gehst zurück zu deinem Vater, weil es einfacher ist? Du hast doch vorher alles aufgeben und jetzt… ist dir das egal?“ Er zuckte die Achseln.

 

„Du hast Schokolade an der Nase“, bemerkte er schließlich und sie hatte es fast vergessen. Er hatte die Hand gehoben, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein.“

 

„Nein?“

 

„Nein. Ich will nicht, dass du sie wegmachst, wenn du… wenn du auf einmal alles… Du kannst doch nicht alles wieder aufgeben! Völlig egal, was ich gesagt habe. Merlin, ich hab doch keine Ahnung, wer du bist!“, rief sie aus und Charlotte seufzte leise auf.

 

„Ich hatte das Gefühl, du weißt ziemlich genau, wer ich bin. Du hast das Mal gesehen, oder nicht?“ Er hob zur Bestätigung noch einmal den linken Arm. Sie griff sich einfach die Tasse mit Kakao und kippte die warme Flüssigkeit über seinen Arm. Sie lief über den Schädel, die Schlange und tauchte alles in ein warmes Braun.

 

„So. Jetzt ist es nur noch Schokolade“, erklärte sie wütend.

 

„Jetzt ist mein Hemd ruiniert“, erwiderte er konsterniert. „Und darunter ist es immer noch da, Granger“, informierte er sie schließlich.

 

„Na und?“, sagte sie plötzlich und überraschte sich mehr als ihn. Sie griff nach seinem Unterarm und wischte die Schokolade fort. Schemenhaft war das Mal wieder zu erkennen. „Es brennt nicht. Es färbt nicht. Es lässt mich nicht in Flammen aufgehen, obwohl ich Schlamm in meinen Adern habe, richtig?“ Sie lächelte leicht.


„Ha ha“, sagte er trocken. „Wahrscheinlich hast du Schokolade in deinen Adern fließen, Granger.“ Er überlegte kurz. „Obwohl das wahrscheinlich auf die Dauer ungesund wäre. Und eklig. Und…“

 

Ihr Herz klopfte gefährlich schnell, als er sie plötzlich wieder ansah. Der Duft von Schokolade hing schwer und süß in der Luft. Es war beinahe benebelnd verführerisch. Sie hielt sein Handgelenk noch immer fest und spürte die warme Schokolade an ihren Fingern.

 

Sie führte den Finger wieder zu ihren Lippen. „Schmeckt auch von deinem Arm noch nach Schokolade“, sagte sie leise. Und sein Kopf senkte sich langsam. Ihr Herz zersprang, brach tausend Rekorde und sie wusste, sie musste sich bewegen. Am besten rückwärts nach hinten, aber sie war ganz berauscht von den Sensationen.

 

Sein Mund öffnete sich und streifte leicht über ihre Lippen. Wie ein Hauch.

 

Ehe Charlotte anfing zu weinen.

 

Sie fuhren beide wie verbrannt auseinander.

 

Sie schnappte nach Luft, als wäre sie tausend Meter weit getaucht und wieder durch die Wasseroberfläche gebrochen. In seinen Augen sah sie, wie aufgewühlt er war und irgendwas in ihren Knien wurde sehr weich und sie hielt sich an der Theke fest.


„Sie… sie muss in ihr Bett“, erklärte sie mit kieksiger Stimme. Er nickte nur. „Kannst du abschließen? Der Schlüssel liegt bei den-“ Sie unterbrach sich und vergaß, sich in Grund und Boden zu schämen, weil sie gerade fast Draco Malfoy geküsst hatte! Diese eine Sekunde zählte nämlich nicht wirklich.

 

Allerdings wollte sie ihm gerade sagen, dass der Schlüssel bei den Kakaorürhren lag. Aber soweit war sie nicht gekommen, denn mit Schrecken stellte sie fest, dass alle kleinen Männer die Köpfe in ihre Richtung gewandt hatten und anscheinend gebannt verfolgt hatten, wie dieser Kuss beinahe zu Stande gekommen wäre.

 

Auch Malfoy hatte die Stirn gerunzelt. Die kleinen Männer waren allerdings wieder stocksteif geworden.

 

„Ich schließe ab“, erklärte er nur und seine Stimme klang rau und tief. Gefährlich tief, würde sie behaupten.

 

„Ok.“ Sie griff sich Charlotte und es war ihr egal, dass sie Schokoladenflecken auf dem Babysitz hinterließ. Jetzt musste sie schleunigst hier raus!

 

 

Kapitel 14

 

Das Anwesen der Familie Zabini war groß und unüberschaubar. Er war nicht besonders oft hier gewesen. Früher waren sie in Hogwarts zusammen gewesen oder hatten sich in den Ferien irgendwo außerhalb getroffen. Aber es war üblich, dass die Hexe zu dem Zauberer zog, wenn unter Reinblütern geheiratet wurde.

 

Er hatte jetzt mehr Gelegenheit, sich umzusehen.

 

Keine Pfauen, überlegte er dumpf. Das war also nur bei seiner Familie ein Steckenpferd. Er klopfte an die schwere Tür. Es dauerte einen Moment, ehe sich im Haus etwas rührte.

 

Und der Elf war es nicht, der ihm öffnete.

 

„Draco.“ Und die Art und Weise, wie Blaise seinen Namen nannte, machte Draco augenblicklich klar, dass er wusste, was passiert war. Er öffnete also langsam den Mund.

 

„Blaise“, begrüßte er den Mann vor sich.

 

„Du hast Nerven“, sagte sein ehemaliger Freund in der Schule mit einem bitteren Unterton. „Aber Angst hatte man dir ja noch nie vorwerfen können.“ Draco schien es so, als würde ihm Blaise lieber ganz andere Sachen vorwerfen. Und er kam sich ziemlich schäbig und äußerst widerlich vor. Aber unter Reinblütern galt der Stolz als höchstes Gut. Blaise würde es sich nicht anmerken lassen. Oder doch. Aber er würde es nicht aussprechen.

 

„Blaise“, wiederholte Draco dringender und versuchte, die Gedanken und die Schuld, die ihn plagten, weit nach hinten zu drängen. „Ist Pansy da?“ Schon allein ihren Namen zu sagen, war nahezu unmöglich. Blaise Augen verengten sich.


„Wieso? Möchtest du etwa reinkommen und mit ihr reden?“ Der Subtext dieser Frage war, die reine Unterstellung, ob Draco jetzt hier in Blaises Haus mit dessen Frau vögeln wollte. Draco atmete gereizt aus.

 

„Nein.“

 

„Oh, nein?“ Blaise lachte auf. „Ich glaube nicht, dass du es dir leisten kannst bei egal was ich sage auch nur die kleinste Meinung zu haben.“ Dracos Mund öffnete sich.

 

„Ist sie da oder nicht?“

 

„Was willst du? Dass ich dich rein bitte, du verfluchtes Arschloch?“ Ok. Vielleicht hatte sich Draco geirrt, und Blaise verzichtete auf seinen kühlen Stolz.

 

„Blaise, ich-“

 

„Nein, Malfoy“, schnitt er ihm grob das Wort ab. „Du solltest verschwinden, bevor ich dich zwinge.“

 

„Du willst mich zwingen? Mit einem Unverzeihlichen oder direkt mit deiner Faust? Sollen wir Sekundanten bestellen und treffen uns im Morgengrauen, damit du mich erschießen kannst? Was soll das, Blaise?“

 

„Halt deinen Mund!“, schrie der Mann vor ihm, den er nicht wieder erkannte. Ein Blaise Zabini mit ernsthaften Gefühlen. Obwohl Draco vermutete, es ging um etwas anderes als das. Gefühle spielten eine sekundäre Rolle.

Es ging wohl nur um den verletzten Stolz und die Tatsache, dass er etwas Verwerfliches getan hatte, was Blaise ihm nicht heimzahlen konnte.

 

„Sag mir einfach nur, ob sie da ist. Mehr will ich nicht“, wiederholte er gepresst.

 

„Hau einfach ab!“, knurrte Blaise, aber Draco hatte keine Lust, zu gehen.


„Schlag mich doch einfach, dann geht es dir vielleicht besser.“ Oder mir, fügte er in Gedanken hinzu und tatsächlich tat ihm Blaise akkurat genau diesen Gefallen und holte so zornig aus, dass er schrie, als er Draco die Faust ins Gesicht rammte.

 

Draco taumelte gefährlich zurück, stolperte die Stufen hinunter und fing sich gerade noch vor dem Sturz auf und rettete sein Gleichgewicht. Bunte Sterne tanzten vor seinen Augen und er hatte kurz das Gefühl, als sei sein Kiefer fünfhundert Mal gebrochen.

 

Aber nach einer kleinen Weile wich die Unmenschlichkeit des Schmerzes einem dumpfen Pochen.

 

Er hob den Blick. Blaise atmete schwer und hielt sich die Faust.

 

Nein, es ging ihm jetzt definitiv nicht besser. Blaise anscheinend auch nicht.

 

Und Draco war sich ziemlich sicher, dass die rein oberflächliche Freundschaft hiermit beendet war. Für immer.

Entscheidend war aber ein Gedanke: Er war wieder er selbst. Plötzlich war es ihm völlig klar. Er hatte einen Fehler gemacht. Nein, in den letzten Tagen hatte er einige Fehler gemacht.

 

Und es war einfach gewesen. Es war wahrscheinlich immer einfacher, einen Fehler zu machen, als das richtige zu tun.

 

Er hob kurz den Blick, nickte und ging.

 

Blaise hielt ihn nicht auf. Aber offen gestanden hatte Draco auch nicht damit gerechnet. Es war egal, ob Pansy da war. Es ging auch ohne sie. Es ging gut ohne sie. Und all sein Elan war deshalb vorhanden und durchaus wichtig, weil er sonst daran denken musste, dass er Granger geküsst hatte.

 

Nein.

 

Dass er sie hatte küssen wollen. Würde er auch nur eine Sekunde darüber nachdenken, dann würde er nichts anderes mehr tun. Also erlaubte er sich diese Gedanken erst gar nicht. Er wollte, was ihn am meisten hasste. Jedenfalls nahm er nicht an, dass ihn kaum jemand mehr hassen konnte als Granger. Das hatte sie recht wortreich zum Ausdruck gebracht.

 

Und gestern wieder zurückgenommen. Unfassbar.

 

Aber… vielleicht würde er in ein paar Stunden doch noch Menschen finden, die ihn mehr hassten als Hermine Granger. Es war eine Herausforderung.

 

 

~*~

 

Sie wusste nicht, ob sie ihn hier erwartet hatte. Wahrscheinlich. Sie wusste nicht, was sie überhaupt erwartet hatte. Sie hatte Charlotte zurück zu Luna gebracht und der Laden war seit ein paar Stunden geöffnet. Es waren nicht so viele Kunden da, wie zu der Zeit, als sie hier selber als Kunde reingekommen war, aber es waren definitiv einige Kunden da.

 

Sie hatte sogar noch mehr Schokolade gemacht.

 

Kinder fragten sie nach den Rühren, die sie dekorativ – und einigermaßen sicher – in Entfernung auf ein Regal hinter der Theke gesetzt hatte.

Aber Hermine hatte noch keine Zeit gehabt, sich näher mit diesem Problem zu befassen. Sie konnte den Kindern also auch nicht sagen, weshalb sie stocksteif waren.

 

Die Kinder fanden es allesamt traurig und Hermine war bereits dazu übergegangen, Schokoladentrüffel zu verschenken, wann immer ein Kind so aussah, als würde es vor Trauer anfangen zu schluchzen.

 

Sie schob sich schon selber die Schuld zu, weil sie nicht von vornherein hinter den Männern gestanden hatte. Dass diese kleinen Männer es ihr übel genommen hatte, dass sie ihre Arbeit kritisierte, das war schon der erste Fehler gewesen. Und das hatte ihr schon ein schlechtes Gewissen bereitet.

 

Und sie war mehr als überrascht, als Ron den Laden betrat. Er kam betont gleichmütig zur Theke geschlendert.

 

„Hi“, begrüßte er sie ungezwungen. Sie wusste nicht, dass sie mittlerweile dazu übergegangen waren, sich wie Menschen zu unterhalten. Normale Menschen. Aber jede Ablenkung kam ihr nur recht und sie sprang sogar über diesen Schatten und lächelte freundlich.


„Hi“, erwiderte sie freundlich, wenn auch einfallslos. „Was kann ich für dich tun?“, fragte sie geschäftig und er sah sich um.

 

„Eigentlich… wollte ich nur sehen, wie es läuft. Harry hat gesagt, du würdest hier arbeiten. Du hast den Urlaub wohl jetzt schon eingereicht?“, erkundigte er sich und sie nickte.

 

„Ja. Ich… dachte, es wäre mal eine Abwechslung.“

 

Dann schwiegen sie. Hermine bediente eine ältere Dame und Ron bewegte sich aber nicht von der Stelle. Die Dame bezahlte, packte ihre Schokolade ein und dann standen sie wieder voreinander, ohne ein nennenswertes Gesprächsthema in Aussicht zu haben.

 

„Und… es geht dir gut?“, wollte er wissen. Sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Sicher. Dir?“ Sie wusste, vielleicht meinte er es anders, aber mehr als Smalltalk konnte sie wirklich nicht zu Stande bringen. Er wirkte unschlüssig.


„Ja, mir geht es gut. Hör mal, ich hab überlegt, dass wir uns besser vertragen sollten. Also… wirklich.“ Sie wusste damit nicht viel anzufangen.


„Ich wusste nicht, dass wir uns nicht vertragen“, stellte sie also verwirrt fest.


„Ich meine, dass du gerne in den Fuchsbau kommen kannst, denn Mum fragt oft nach dir.“ Der Gedanke an Molly versetzte ihr einen Stich. Sie beschloss ganz kurz ehrlich zu sein.


„Ich glaube, ich kann noch nicht zurück“, sagte sie leise und packte auf Wunsch einen Schokoladenfrosch in buntes Papier. Diese Dinge zwischen Tür und Angel zu besprechen, missfiel ihr sowieso.

 

„Nur dass du weißt, dass es völlig ok ist. In Ordnung?“, fuhr er beschwichtigend fort, als auch diese Kunden gegangen waren.

 

„Ron, ich muss hier wirklich arbeiten und kann jetzt nicht unbedingt darüber sprechen. Es ist einfach noch nicht wirklich an der Zeit.“

 

„Hast du… wen neues?“, fragte er plötzlich ein wenig alarmiert und ihr kam die Frage beinahe beleidigend vor. Als ob sie wen neues hätte! Und wenn, dann ging es ihn nichts – Malfoy.

 

Ihre Körperhaltung versteifte sich augenblicklich und sie kam sich selber vor wie einer der Rührer.

 

„Hey“, sagte er, aber an Ron gewandt und offensichtlich ein wenig überrascht. Ron betrachtete ihn ausdruckslos.

 

„Schönes Veilchen“, sagte er schließlich. Malfoy fuhr sich unbewusst mit der Hand über die linke Wange.

 

„Jaah“, sagte er langsam. „Läuft alles?“, wandte er sich dann an sie und sie konnte diese zwei Worte unmöglich als ernst gemeinte Frage auffassen. Sein Blick durchbohrte sie förmlich.

 

„Ahem, ja“, gab sie einsilbig zurück.

 

„Hast du noch mehr Schokolade hinbekommen? Hast du dir gemerkt, was ich gesagt habe? Anscheinend“, bestätigte er selber, als er sich umsah und zufriedene Kunden erblickte.

 

„Ihr… macht zusammen Schokolade?“, fragte Ron völlig entgeistert und Malfoy sah ihn wieder an.

 

„Ja. Ich arbeite hier. Und sie arbeitet hier. Also… ist es wohl die logische Konsequenz, dass wir Schokolade machen.“

 

Ja, nicht nur Schokolade, dachte sie. Schokolade wurde zu einem völlig neuen Synonym, stellte sie panisch fest. Wieso hatte er ein Veilchen? Hatte er sich geschlagen? Mit wem? Er sah müde aus. Und er wirkte gereizt. Ihr wurden seine Worte klar.

 

„Was? Du arbeitest hier gar nicht mehr. Weil du nicht mehr hier arbeitest, bin ich schließlich hier!“, entrüstete sie sich, plötzlich nicht mehr so verlegen um die Worte. Ron sah aus, als verstehe er überhaupt nichts mehr.

 

„Ich war gerade bei Luna. Ich arbeite wieder hier. Du kannst also…“ Er ließ den Satz mit einem Achselzucken verklingen.

 

„Was? Nachdem ich hier aufgeschlossen, Schokolade gemacht habe und verkaufe, soll ich also einfach so gehen?“

 

„Du kannst auch bleiben“, gab er defensiv zurück.

 

„Ihr arbeitet jetzt zusammen?“, vergewisserte sich Ron noch einmal ungläubig. Hermine verdrehte die Augen.


„Ron, es ist jetzt wirklich kein guter Zeitpunkt. Vielleicht könnten wir wann anders reden.“ Und sie sah, dass Ron beleidigt war. Denn es sah so aus, als würde sie Malfoy vorziehen. Was sie eigentlich nicht tat. Sie wollte nur keinen Streit. Und sie wollte auch keinen Malfoy haben, der jetzt hier im Laden stand.

 

„Ja“, sagte Malfoy und beging damit anscheinend einen sehr schwerwiegenden Fehler.

 

„Ich kann mich nicht erinnern, dass du Teil unserer Unterhaltung warst, Malfoy“, knurrte Ron böse. Malfoy runzelte jedoch die Stirn.

 

„Weasley, das heute war nicht mein bester Tag. Das einzige, was meine Laune heben könnte, wäre, hier jetzt etwas Neutrales zu tun, wie Schokolade zu verkaufen. Und wenn du mir diese eine Sache versauen willst, dann – bei Merlin – glaub ja nicht, dass ich nicht auch noch in der Lage wäre, mich mit dir zu schlagen“, konterte Malfoy völlig ernst.

 

„Sag mal, du denkst doch wohl nicht-“

 

„Nein!“, durchschnitt sie, den sich anbahnenden Streit. „Keine schlägt sich hier. Und Ron, du hast hier wirklich nichts verloren. Ich hab dir gesagt, wir klären das wann anders.“

 

„Du bist auf einmal auf seiner Seite? Was ist das? Habt ihr eine heimliche Affäre?“, brauste er plötzlich auf. „Seit wann zählen wir ihn zu den netten Menschen der magischen Welt, Hermine?“

 

„Ron, raus“, befahl sie tonlos. Dass sie rot geworden war, ignorierte sie. Bevor Ron wutentbrannt gehen konnte, flog die Tür zur Confiserie förmlich auf. Und es passierte etwas Eindrucksvolles. Der Tag schien abzukühlen und die Nacht brach beinahe augenblicklich herein, als Lucius Malfoy des ersten Fuß in den Laden setzte.

 

Er strahlte etwas Böses aus.

 

„Du!“ Drohend zeigte er mit dem Finger auf seinen Sohn. Einige Mütter nahmen ihre Kinder bei der Hand und zogen sie näher zu sich. Andere Familien verließen beinahe überstürzt den Laden. Wieder andere waren vor Ehrfurcht erstarrt.

 

Lucius Malfoy war kein Mann, den man zum Kochen bringen sollte. Hermine wusste das. Denn Lucius Malfoy war gefährlich. Und es schien ihm egal zu sein, dass er nicht alleine hier im Laden war.

 

„Wie kannst du es wagen?“, knurrte er. Malfoy blieb erstaunlich ruhig.

 

„Angst, Lucius?“, erkundigte er sich gelassen und sein Vater ballte die beringten Hände zu Fäusten.


„Du wirst sofort mitkommen. Du wirst diese Klage zurücknehmen. Keinen Knut wirst du erben, Draco!“, sagte er mit gepresster Stimme.

 

„Ich glaube, mit dem gesamten Vermögen, was ich bekommen werde, interessiert mich der Pflichtteil herzlich wenig, Vater.“ Das Wort Vater klang wie eine lächerliche Beleidigung.

 

„Das ist deine Entscheidung? Du willst mich nicht zum Feind haben, Draco“, fuhr Lucius kühl fort.

 

„Du warst niemals etwas anderes. Wir sehen uns im Ministerium. Grüß Mutter von mir.“ Kurz dachte Hermine, Lucius würde den Zauberstab gegen seinen Sohn richten, aber nach einem kurzen Moment wandte sich der blonde Zauberer in einer fließenden Bewegung um und verließ den Laden ohne ein weiteres Wort.

 

Die eisige Kälte verschwand und die Leute begannen wieder zu reden. Verhalten und leise. Sie verschwanden auch, einer nach dem anderen. Malfoy nahm dies böse zur Kenntnis.

 

„Was war das?“, fragte Ron völlig verblüfft. Aber Malfoy erklärte es nicht weiter. Sie fixierte ihn prüfend. Er fuhr sich über die Haare.

 

„Du verklagst deinen Vater?“, vermutete sie und Malfoys Mundwinkel zuckte.

 

„Soll vorkommen, ja“, bestätigte er schließlich.


„Was?“, wiederholte Ron perplex und gleich, dachte Hermine, würde Malfoy wirklich zuschlagen. Sie ging eilig um die Theke.

 

„Ron, geh bitte. Wir reden wann anders.“ Ron protestierte noch eine Weile, ehe er sich von Hermine aus dem Laden schieben ließ. Er warf ihr vor, nicht loyal zu sein und dass sie Malfoy vor ihn stelle und dass er nicht begriff, wie sie überhaupt hatte dazu kommen können, jetzt hier mit Malfoy zu arbeiten.


Aber das wusste sie selber nicht genau.

 

Ron war der Letzte, der den Laden verließ. Sie schloss die Tür hinter ihm. Es war ihr egal, dass sie noch einige Stunden offen haben sollten.

 

„Was hast du getan?“, wollte sie wissen. Er sah nicht so aus, als ob er mit ihr reden wollte, aber dann wandte er sich um und lehnte sich gegen die Theke.

 

„Ist das wichtig?“, entgegnete er schließlich und sie öffnete den Mund.


„Dein Vater macht hier einen unmöglichen Auftritt und du kommst mit einem Veilchen hier hin! Hat dein Vater dich geschlagen?“, fuhr sie plötzlich aufgebrachter fort.

 

„Lucius?“, lachte er und schüttelte den Kopf. „Nein. Er schlägt mich seit einer Weile nicht mehr“, fügte er bitter hinzu. Hermine begriff die Informationen, die sich dahinter verbargen und konnte Lucius wieder einmal noch weniger leiden, als es sowieso schon der Fall war.

 

„Wer hat dich geschlagen?“, wollte sie wissen. Er würde es ihr nicht sagen. Er blickte auf den Boden. Dann verzog er den Mund, als würde es ihm Schmerzen bereiten, zu antworten.

 

„Blaise“, erklärte er schließlich. Sie runzelte die Stirn.

 

„Warum das?“

 

Dann lächelte Malfoy.

 

„Weil ich mit seiner Frau geschlafen habe.“ Hermine brauchte einen Augenblick, ehe sie verstand.


„Du… hast mit Pansy geschlafen?“, flüsterte sie fast und wusste nicht, weshalb sie dieser Gedanke verletzte. Sie hatte keine Rechte an Malfoy. Es interessierte sie auch nicht. Es war widerlich. Mehr nicht.

 

„Ja.“

 

„Aber… wieso?“ Sie konnte es nicht begreifen. Pansy war furchtbar!

 

„Unwichtig“, sagte er nur.

 

„Anscheinend ist es das nicht. Blaise weiß es wohl!“, erwiderte sie aufgebracht.

 

„Ja, tut er. Aber… es war einmalig. Es war… ein dummer Fehltritt von mir“, fuhr er bitter fort.

 

„Und du warst wieder im Testament? Ich dachte, du wärst so nobel und anders, Malfoy“, griff sie die Worte von Lucius wieder auf.

 

„Ich bin bestimmt ab morgen nicht mehr im Testament. Und nein, du hast mir doch erklärt, dass ich nicht nobel und anders bin, Granger“, erwiderte er.

 

„Was? Du gibst mir doch jetzt nicht schuld? Weil ich sage, du bist nicht anders, heißt das, du hast das Recht mit Pansy zu schlafen, ohne dass es einen Effekt hat? Du machst es dir leicht!“, brauste sie auf.

 

„Leicht? Nein, leicht ist es nicht.“

 

„Es ist mir auch egal!“, widersprach sie plötzlich. Was fragte sie überhaupt?

 

„Ja? Hast du deswegen gestern-“

 

„Nicht“, unterbrach sie ihn leise. „Sag es nicht. Sprech einfach nicht darüber. Lass es sein.“ Und er wirkte tatsächlich kurz aus dem Konzept gebracht. Er fuhr sich durch die Haare.

 

„Wir müssen darüber-“

 

„Nein, müssen wir nicht.“

 

„Unterbrich mich nicht ständig, verflucht!“

 

„Ich werde gehen“, erklärte sie plötzlich.


„Ich dachte, du arbeitest hier?“ Er legte den Kopf schräg.

 

„Nein, das tust du ja anscheinend wieder.“

 

„Granger-“

 

„Draco, nicht“, sagte sie laut und zum ersten Mal benutzte sie seinen Vornamen. Er hörte es auch. Und er runzelte kurz die Stirn. „Wir… brauchen hier nicht zusammen zu sein“, fuhr sie rigoros fort. „Es war sowieso dumm. Und ein Fehler. Und völlig bedeutungslos.“

 

„Ich habe nie behauptet, dass es von Bedeutung war“, rechtfertigte er sich trotzig.

 

„Gut!“ Sie wusste, sie klang zornig. Das Wort verlor stark an Glaubwürdigkeit.

 

„Hör zu, ich…“, begann er gereizt und fuhr sich erneut durch die Haare. „Ich wollte nicht alles aufgeben“, sagte er schließlich. „Ich konnte doch nicht alles aufgeben. Ich… ich bin kein Todesser“, fügte er mit Nachdruck hinzu. „Ich bin kein Todesser, Granger!“, wiederholte er lauter.

 

Ihr Mund öffnete sich perplex. „Warum sagst du mir das?“, fragte sie leise.

 

„Weil ich nicht will, dass du das von mir denkst!“ Und ihm selber ging wohl gerade auf, was er gesagt hatte. Sie schüttelte langsam den Kopf.

 

„Seit wann interessiert es dich, was ich denke, Malfoy?“ Spott klang in ihrer Stimme mit.

 

„Weil ich niemals etwas anderes als ein Todesser sein kann, wenn du es mir wieder und wieder vorhältst. Ich will kein Todesser mehr sein, Granger. Ich will nicht mehr!“ Er schüttelte fast manisch den Kopf. „Ich will es nicht. Ich will nicht mein Vater sein! Und ich will nicht, dass du mir das vorhältst!“

 

„Und dann was? Denkst du, ich bin der letzte Stein in deinem Weg zum Heiligen, Malfoy?“

 

„Nein, aber du machst es mir verflucht schwer“, knurrte er.

 

„Oh, verzeih mir, Malfoy. Ich will es dir wirklich nicht schwer machen! Hier, ich mache es dir sehr einfach!“ Und demonstrativ schritt sie zur Tür und zog sie einfach auf. Keine Sekunde später war er neben ihr, und hielt die Tür fest.

 

„Du hast gesagt, du weißt gar nicht, wer ich bin. Du hast gesagt, dass du dich irren kannst, richtig?“ Seine Stimme war ruhiger geworden. Sie verzog den Mund.

 

„Und jetzt? Dann bist du eben der beste Mensch der Welt. Besser?“ Sie versuchte, die Tür weiter zu öffnen.

 

„Nein. Du denkst wirklich, ich bin genau der gleiche Draco Malfoy?“ Sie schloss kurz die Augen. Dann atmete sie gereizt aus.

 

„Nein, ok? Das denke ich nicht. Das bist du auch nicht. Du bist nicht dein Vater. Du bist… du“, erklärte sie resignierend.

 

„Dann kannst du mir verzeihen?“

 

„Dir verzeihen?“, wiederholte sie ungläubig.

 

„Ja, Granger. Mir verzeihen. Bitte, verzeih mir.“

 

„Wieso?“ Sie klang schon fast verzweifelt.

 

„Warum ist alles immer so wichtig? Wieso hinterfragst du ständig alles? Wieso muss es einen Grund für alles geben? Wieso kannst du mir nicht grundlos verzeihen? Wieso soll ich dich nicht grundlos küssen wollen?“, fragte er aufgebracht.

 

„Weil wir so was nicht tun!“, brauste sie auf. „Weil es nicht richtig ist!“

 

„Weil ich ein Todesser bin, richtig?“, wollte er zornig wissen.

 

„Du bist kein Todesser!“, schrie sie fast schon.

 

„Ich bin kein Todesser?“, vergewisserte er sich.


„Nein!“ Sie wusste schon gar nicht mehr, warum sie überhaupt schrie. „Du bist… du bist…“ Sie wusste nicht genau, was sie sagen wollte.

 

„Ich bin…?“ Er wartete mit erhobener Augenbraue.

 

„Ich mag dich nicht“, schloss sie schließlich. Und sie glaubte, dass er beinahe lächelte.

 

„Ok. Damit kann ich wahrscheinlich leben. Bleibst du hier?“, fügte er prüfend hinzu. Sie öffnete den Mund. „Ich meine, du hast dir extra hierfür Urlaub genommen“, fuhr er fort.

 

„Du willst mich überreden, hier zu bleiben?“, fragte sie also direkt.


„Ich will…“ Er überlegte kurz. „Ich will die Rührer wieder erwecken.“

 

„Und… das ist alles, wofür du mich hier haben willst?“ Sie bereute schon, die Frage gestellt zu haben, denn jetzt grinste er tatsächlich.

 

„Ja, das ist alles, wofür ich dich hier haben will. Vielleicht kommt Weasley noch mal und rastet noch mal aus“, fuhr er lächelnd fort.

 

„Ok.“

 

„Ok?“, wiederholte er fragend und sie ruckte mit dem Kopf.


„Ich bleibe“, bestätigte sie knapp. „Wegen der Rührer“, fügte sie bedächtig hinzu.

 

„Natürlich“, sagte er. Sie wusste nicht, was sie mehr störte. Dass sie selber wusste, dass sie nicht wegen der Rührer blieb, oder dass Malfoy es genauso wusste. Sie mochte ihn wirklich nicht.

 

 

Kapitel 15

 

 

„ES funktioniert nicht!“, rief sie zornig aus.


„Das sehe ich selber, verflucht!“, gab er gestresst zurück. Sie hatten alles so gemacht, wie gestern. Hatten Schokolade gekocht, hatten die halbe Theke vollgeschmiert, hatten sämtliche Erweckungszauber ausprobiert, die vielleicht anspringen konnten.

 

Aber es waren zwei Stunden vergangen. Die Rührer waren unbewegt geblieben.

 

„Vielleicht… vielleicht sind sie…“, begann Granger leise und er fragte sich automatisch, ob sie gleich wieder weinen würde.

 

„Nein. Sie sind nicht tot. Sie können sich nur selbst zum Tod entscheiden. Und dann schmelzen sie. Anders geht es nicht. Solange sie ihre Form haben, geht es ihnen gut.“

 

„Was?“, sie schrie ihn wieder an. Strähnen standen wirr aus ihrem Zopf ab. „Wie kannst du sagen, es gehe ihnen gut, verdammt? Schau sie dir an!“, befahl sie zornig. „Los!“, knurrte sie und er ging wieder einmal in die Hocke.

 

Ok, sie sahen nicht wirklich lebendig aus. Aber sie hatten keinen Organismus, also waren sie auch nicht tot.


„Sie sehen nicht gut aus, Malfoy“, ergänzte sie gepresst.


„Ok. Aber sie haben uns gestern angesehen. Sie haben die Köpfe umgewandt. Das steht fest. Und wahrscheinlich ging es um etwas, das wir gesagt haben. Oder das wir getan haben“, fügte er hinzu. Sie schüttelte bestimmt den Kopf.

 

„Wir haben den Kuss ausgeschlossen, Malfoy.“

 

„Ja, anscheinend hast du das getan, Granger“, gab er knapp zurück.

 

„In keinem Buch, in überhaupt keiner Anleitung, wird ein Kuss jemals als Heilmittel beschrieben.“ Er hob kurz eine Augenbraue.

 

„Schneewittchen, Dornröschen, Prinzessin Fantaghiro…“, zählte er ruhig auf und ihr Mund öffnete sich.

 

„Das sind… Märchen. Muggel Märchen“, fügte sie hinzu, als hielt sie ihn für verrückt.


„Ja, ich weiß das. Ich war mit einer Muggel zusammen, die ganz besessen davon gewesen war.“ Ja, er war nicht mehr mit Eleanor zusammen. Ziemlich bemerkenswert, dass sie sich wirklich nicht mehr gemeldet hatte. Aber hätte sie seine Entwicklung verfolgt, dann hätte sie sich sowieso nicht mehr die Mühe gemacht, sich zu melden, nahm er an.

 

„Jedenfalls…“, begann Granger wieder, etwas aus dem Konzept gebracht, „bedeutet das trotzdem nicht, dass es ausgerechnet daran lag. Vielleicht lag es an dem Baby.“

 

Er hob ungläubig eine Augenbraue. „Jaah, richtig. Ich glaube, das ist der ultimative Schlüssel zu jedem Problem, Granger. Lass uns ein Baby holen und damit Frieden auf Erden herauf beschwören“, fuhr er spöttisch fort. Sie schloss gereizt die Augen.


„Alles andere wirkt nicht!“

 

„Vielleicht hat sie der Kuss beruhigt, oder-“

 

„Nein, Malfoy! Wieso ist dir das so wichtig?“ Sie mied seinen Blick.


„Das habe ich nie behauptet.“ Er schaffte es nicht mal, es richtig abzustreiten. Seine Finger kribbelten, wenn er schon daran dachte, wie nah sie ihm gewesen war. Wie seltsam doch di Tatsache war, dass er sich für dieses Mädchen erwärmen konnte. Hermine Granger… Hermine Granger… In seinem Kopf ergab es keinen Sinn.

 

„Dann lass uns nicht darüber sprechen“, sagte sie leise. „Du scheinst ja sowieso an Pansy interessiert zu sein. Und das ist absolut eklig“, fügte sie noch leiser hinzu.

 

„Das geht dich nichts an, oder?“, informierte er sie scharf und sie hob erschrocken den Blick.


„Nein. Und das ist auch gut so. Aber es sagt einiges über deine Neigungen aus, findest du nicht?“ Sie schien sogar recht wütend zu sein.

 

„Meine Neigungen?“, wiederholte er belustigt. „Hast wieder irgendwelche Todesser Theorien auf Lager?“ Sie verdrehte die Augen.


„Nein! Hör zu, ich hab gar nichts gesagt, ok? Lassen wir es gut sein und konzentrieren auf die Unmöglichkeit, die Rührer wieder auf zu wecken“, versuchte sie jetzt mit Worten zu beschwichtigen, was er nicht hören wollte.


„Nein, lass uns ruhig darüber sprechen, was du mir übel nimmst, und was nicht. Wahrscheinlich ist es meine Schuld, dass die Rührer überhaupt erstarrt sind, oder? Das denkst du doch!“, fuhr er sie an. Er hatte erwartet, dass es einen Zauber geben würde, der die Rührer wieder an die Arbeit gehen lässt. Aber er hatte sich geirrt. Sie sah ihn wieder nicht an. „Wäre ich nicht gegangen, dann wäre diese Kuh nicht gekommen und hätte sonst was getan!“

 

„Das habe ich nicht gesagt, Malfoy. Du bist paranoid.“

 

„Das ist es aber doch, was du denkst, oder? Und wenn einer paranoid ist, dann bin ich das wohl nicht. Ich weiche nicht jedem Blick von dir aus und bringe eine Theke zwischen uns, weil ich Angst habe, dass du dich auf mich stürzen könntest!“, erwiderte er spöttisch und sie sah ihn fassungslos an.

 

„Du liegst so falsch! Würdest noch ein wenig falscher liegen, dann…“ Sie schien nicht zu wissen, wie sie den Satz beenden sollte.

 

„Dann?“, provozierte er sie lauernd und sie verschränkte zornig die Arme vor der Brust.

 

„Dann wärst du der Mann, der am falschesten auf der ganzen weiten Welt liegt.“

 

„Das bin ich doch anscheinend sowieso. Ist falschesten ein Wort?“, fügte er bissig hinzu und sie warf die Tüte Mehl quer durch den Laden. Sie traf allerdings seine Schulter, auch wenn er so gut es ging ausgewichen war.

 

„Das war sehr erwachsen“, erklärte er böse.

 

„Draco…“, sagte sie langsam. Er wollte sie gerade daran erinnern, dass sie doch nie seinen Nachnamen aussprach, da folgte er ihrem Blick. Die Männer beobachteten mit zuckenden Köpfen, wie das Mehl langsam zu Boden rieselte. „Wieso machen sie das?“, flüsterte sie, wahrscheinlich aus Angst, dass sie sofort wieder starr werden würden, würde sie lauter sprechen.

 

Ihm kam ein Gedanke.

 

„Schrei mich an“, befahl er leise. Sie öffnete verblüfft den Mund.


„Was?“, zischte sie und er hob den Blick zu ihrem Gesicht.

 

„Ich glaube… es geht um Gefühle. Oder irgendwas, was ihnen Ausdruck verleiht. Vielleicht… brauchen die Männer das Gespür… die Ahnung, dass starke Gefühle im Raum sind“, endete er eilig.


„Starke Gefühle? Das ist nicht lache! Hier sind keine starken Gefühle im Raum!“ Ihre Stimme war wieder lauter geworden.


„Richtig, du wirfst das Mehl nur aus guter Form?“, wollte er lächelnd wissen und hob einen Löffel warmer Schokolade aus einem Becher, mit dem sie experimentiert hatten.

 

„Malfoy!“, drohte sie und hob beide Hände. „Meine Bluse ist frisch gewaschen. Sie ist weiß und ist zerstört, wenn-“ Aber er hatte den Löffel schon in ihre Richtung sausen lassen. Die warme Schokolade traf sie über der Brust.

Schockiert sah sie ihn an. „Das hast du nicht wirklich getan, du Idiot!“, fuhr sie ihn zornig an und er lächelte nur.

 

„Lust, dich zu rächen?“, erkundigte er sich und ließ die Männer nicht aus den Augen. Sie schien die Chancen abzuwägen. Ihr Mund öffnete sich entrüstet und schnappte wieder zu.

 

„Das… ist albern, Malfoy“, knurrte sie.

 

„Komm schon… irgendein Gefühl“, verlangte er ruhig.

 

„Du kannst überhaupt kein Gefühl in mir auslösen“, erklärte sie verzweifelt. „Das ist nicht der richtige Weg!“, fuhr sie fort.

 

„Hast du eine bessere Idee?“ Sie blickte runter auf ihre beschmierte Bluse. Eher halbherzig ging sie um die Theke. In der Hand den Topf mit Shea Öl. Er wartete geduldig. Ihre Finger griffen in den Topf, nahmen das Öl in die hohle Hand und sie ließ die Hand mit einem schleimigen Geräusch auf sein Hemd klatschen.

 

„Das war erbärmlich“, sagte er nur, denn die Männer blickten stumm in eine andere Richtung.


„Merlin, das ist ja auch sinnlos!“, brauste sie auf.

 

„Nein!“, gab er angestrengt zurück. „Ich bin sicher, daran liegt es. Es geht immer um Gefühl. Bei Schokolade ist das so. Deswegen bist du auch grauenhaft darin, sie zu kochen, Granger. Du hast kein Gefühl. Ich hab die Ahnung, dass du mit Gefühlen ohnehin nicht umgehen kannst, und deswegen bist du kalt wie tausend tote Steine“, fuhr er fort. Ihr Mund öffnete sich.


„Ich bin nicht kalt!“

 

„Du hast Weasley verlassen, oder nicht?“

 

„Er… hat mich betrogen! Hätte ich bei ihm bleiben sollen?“, brauste sie auf und wischte sich die Haare aus der Stirn.

 

„Anscheinend hatte er ja Grund genug, dich zu betrügen, wenn du sowieso völlig kalt bist!“, gab er zurück und sie biss sich wütend auf die Unterlippe, um sich davon abzuhalten zu antworten und trat den Rücktritt an. Er sah es genau, sah, wie sie sich abwandte und passte den Moment genau ab.

 

Er umfing ihr Handgelenk und blitzschnell hatte sie es ihm entrissen und ihre flache Hand landete in seinem Gesicht. Direkt unter seinem Veilchen und er knurrte voller Schmerz. Er keuchte hart auf und brauchte eine Sekunde, ehe er sich gefangen hatte.

 

„Besser?“, wollte er zornig wissen und warf einen schnellen Blick auf die Männer, die nun interessierte zusammen gerückt waren und das Schauspiel definitiv verfolgten. Die Aufmerksamkeit gehörte nun ihm und Granger. Sie schien es gar nicht zu durchschauen. Sie schien gar nicht zu merken, dass er spielte. Sie rastete aus.


„Nein!“, schrie sie, griff sich sämtliche Zutaten von der Theke, schleuderte sie ihm ins Gesicht, gegen den Körper und er wich erschrocken zurück. „Du hast keine Ahnung! Du bist…“

 

„Was?“, fragte er vorsichtig. Eine Ruhe lag in seiner Stimme. Er wusste, was sie sagen wollte. Und er hasste es, dass sie es sagen würde. Er würde ihr zuvorkommen. Er wollte es nämlich verflucht noch mal nicht hören!

 

„Du bist ein Tod-“ Er war schneller. Er hatte sie an sich gezogen. Ohne zu zögern, ohne ihr die Chance zu lassen, zu entkommen. Es reichte ihm. Es war zu viel!

 

Sein Mund verschloss ihre Lippen. Konsequent und ungeduldig.

 

Er hörte ihren erstickten Laut. Seine Augen schlossen sich in dem Augenblick und seine Hand schlang sich um ihren Nacken, griff in ihre Haare und er hatte gewusst, es würde sich verflucht fantastisch anfühlen, sie zu küssen.

 

Ihre Lippen waren voll und weich und unerbittlich gegen seine gepresst. Sie war noch zu überrascht von seinem Überfall und er nutzt die Chance jetzt. Denn später war es höchstwahrscheinlich zu spät. Seine Hand hielt immer noch ihren Kopf umfangen, während er seine Lippen von ihr löste, um schnell ihre Unterlippe in seinen Mund zu saugen.

 

Sie schnappte erschrocken nach Luft und ihr Mund hatte sich dafür ein Stück weit geöffnet. Er dachte nicht nach, verschloss ihre Lippen mit einem Stöhnen und seine Zunge drang in ihren Mund.

 

Und es war irgendwann dann, als sie plötzlich nicht mehr völlig steif vor ihm stand. Plötzlich spürte er ihre Weichheit, ihr Zögern, ihre Faszination. Zuerst war ihre Zunge wie gelähmt gewesen, und er umspielte ihre verlangend mit seiner. Träge begann sich ihre Zunge schließlich zu bewegen und er zog sie enger an sich.

 

Sie schmeckte fantastisch. Nach Schokolade und etwas neuem, unbekanntem, was er nur zu verlockend fand. Warum hatte er das nicht in Hogwarts schon festgestellt?

 

Seine Erektion war schon längst erwacht und er hatte langsam das eigentlich Ziel völlig aus den Augen verloren. Widerwillig und mit größter Beherrschung musste er sich langsam von ihr lösen. Ihr Körper fühlte sich unnatürlich heiß unter seinen Händen an. Er löste die Hand von ihrem Nacken, gab sie unwillig frei und bemerkte begeistert, dass ihre Augen noch geschlossen waren.

 

„Granger…“, flüsterte er heiser, die Stimme tief vor Erregung. Ihre Augen flatterten langsam wieder auf. Ihre Lippen waren herrlich geschwollen und er war sicher, sie wollte ihn. Das, oder sie würde ihn umbringen. „Ich hab’s dir gesagt“, murmelte er leise und deutete zur Theke. Sie schien etwas desorientiert zu sein. Und er fand es verflucht fantastisch. Es war berauschend, dass er mit ihr seine Sorgen zu vergessen schien.

 

Dann blickte sie zur Seite. Und ihr Mund öffnete sich überrascht.

 

Die Rührer hatten sich erhoben, standen auf ihren kleinen Beinen und musterten sie mit schräg gelegten Köpfen. Einer band sich etwas unschlüssig behelfsmäßig eine Schürze aus Papier um, und begann ein wenig Chaos zu beseitigen.

Die anderen wirkten noch nicht ganz überzeugt, sich wieder zu bewegen.

 

Draco beschloss, sein verfluchtes Glück wieder mal auf eine einzige Karte zu setzen.


„Vielleicht sollte ich dich noch mal küssen, damit-“

 

Aber weiter kam er nicht. Sie hatte die Hände in den Stoff seines Hemdes gekrallt und ihn zu sich gezogen. Ihre Augen hatten sich geschlossen, ehe ihre Lippen aufeinander krachten.

 

Kurz war er zu überrascht. Aber zu seiner Verteidigung musste man wirklich sagen, dass diese Überraschung vielleicht nur eine Sekunde währte.

Dann krachte er mit ihr gegen eine Glasvitrine und stöhnend hatte sie die Arme gehoben, um ihn enger an sich zu ziehen.

 

Und ab jetzt hatte er völlig vergessen, um was es ging, weshalb sie gestritten hatten, weshalb seine Wange brannte, denn jetzt… öffneten ihre Finger die Knöpfe seines Hemds….

 

 

Kapitel 16

 

 

Sie war wie von Sinnen. Sie wusste nicht, was plötzlich ausgerechnet in sie gefahren war. Sie würde es darauf schieben, dass es die Rührer aus ihrer Starre weckte, aber ehrlich gesagt, dachte sie darüber schon nicht mehr nach.

Ihre Finger kribbelten wie verrückt, wenn sie ihn berührte. Sie spürte die Zutaten, die sie nach ihm geworfen hatte unter ihren Fingern.

 

Er stöhnte unter ihrer Berührung, als hätte sie die Macht ihm diese Töne zu entlocken. Töne, die sie noch nie vorher bei irgendwem hervorgerufen hatte.

Sie zog seinen Kopf wieder zu sich, küsste seine vollen Lippen und er verschlang ihren Mund praktisch, biss sanft in ihre Unterlippe, ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten, umkreiste ihre, brachte sie dazu, beinahe gegen ihn zu kämpfen, während sie ihn an sich zog und gleichzeitig von sich stieß.

 

Kurz hatte sie Sorge gehabt, die Vitrine wäre unter dem Stoß kaputt gegangen, aber dieser Gedanke hatte sich verflüchtigt. Genauso wie die kurze Panik, dass die Rührer verstanden, was passierte. Aber… selbst wenn – es war ihr so egal!

 

Seine Finger griffen hart in ihre Hüften, rissen sie grob an seinen harten Körper und er stöhnte erneut, als er ihren Körper gegen seine Erektion presste.

Sie keuchte auf und zerrte sein Hemd endlich von seinen Schultern. Er sah absolut anbetungswürdig aus. Sie musste sich von seinen Lippen lösen, um ihn einfach anzusehen. Wie seine Muskeln sich seinen Oberkörper hinab zogen, wie sie in schrägen Strängen über seinem Hosenbund endeten und seine Hüftknochen sie nur erahnen ließen, wie gut er gebaut war, würde sie seine Hose ausziehen.

 

Merlin, sie wollte seine Hose ausziehen! Sie konnte die Muskeln seiner Oberschenkel schon durch den Stoff erahnen und sie nahm an, dass der Prinz von Slytherin auch ansonsten bestimmt nichts an seinem Körper besaß, weswegen er nicht stolz sein konnte.

 

„Zufrieden?“, schaffte er tatsächlich zu fragen und seine raue Stimme schickte unendlich viele Schauer über ihre Haut. Sie antwortete darauf nicht. Was auch? Jetzt ließ er sie nicht mehr in Ruhe seinen Körper betrachten, sondern griff nach dem Bund ihres Oberteils. „Arme über den Kopf“, sagte er sehr bestimmt und sie musste verrückt geworden sein, denn, ohne ihn aus den Augen zu lassen, hob sie langsam die Arme. Sein Kiefermuskel spannte sich an, als er ungeduldig ihr Oberteil ihren Oberkörper nach oben zog.

 

Dann warf er es achtlos zur Seite und seine Augen wanderten hungrig über ihren Oberkörper. Ehe sie sich schämen konnte, oder überhaupt in irgendeiner Weise reagierte, senkte er wieder den Kopf. Kurz zögerte er und hielt vor ihren Lippen inne. Sie hatte den Mund bereits halb geöffnet und sah ihn jetzt fast erschrocken an.

 

„Granger…“, begann er heiser und sie sah ihn nur an. Wieso sah er sie so an? Wie konnte ein Mann sie nur so ansehen? Sie musste davon ausgehen, dass Draco Malfoy einiges an Erfahrung gesammelt hatte. War das Spiel? Sah er jede Frau so an, als wäre sie… Ja, was eigentlich? Perfekt? Wunderschön? Denn so kam sie sich gerade tatsächlich vor. Nicht vor dem Spiegel, nicht im Fitnessstudio. Nein, nur unter dem Blick von Draco Malfoy. Sie schluckte kurz, denn in seinen hellen Augen, sah sie etwas, dass ihre Knie weich wie Pudding werden ließ.

 

Unaufhaltbares Verlangen brannte in seinem Blick. Und es verleitete sie dazu, etwas unendlich Kühnes zu tun. Sie konnte nicht anders. Ehe er sie küssen konnte, öffnete sie seinen Gürtel, zog seinen Reißverschluss nach unten und sein Mund öffnete sich stumm. Sie schob ihre Hand langsam in seine Shorts und hatte kurz Zweifel.

 

Aber nur sehr kurz, denn mit einem Keuchen schloss er die hellen Augen und seine Hände stützten sich hastig neben ihrem Kopf am kalten Glas der Vitrine ab.

„Granger!“, wiederholte er ihren Namen, nur diesmal völlig tonlos und fast panisch. Seine Erregung kratzte an ihrem Bewusstsein und als sich ihre Hand um seinen harten Schaft schloss, biss sie sich auf die Lippe.

 

Sie senkte den Blick und war fasziniert. Sie hätte wissen müssen, dass alles an ihm schön war. Selbst sein Penis. Sein langer, harter, absolut perfekter Penis, den ihre Hand gerade eben umschließen konnte. Sie schluckte und pumpte an seiner Länge auf und ab. Als sie den Blick wieder zu seinem Gesicht hob, erschrak sie, denn der Hunger in seinen Augen erschlug sie fast. Mit einem Knurren senkte er den Kopf und küsste sie so hart, dass ihr Kopf wieder gegen die Vitrine gedrückt wurde. Seine Hände hielt er immer noch gegen das Glas gepresst, denn sie hörte nicht auf, seinen Penis zu berühren.

 

Er stöhnte unterdrückt gegen ihre Lippen. „Granger“, flüsterte er wieder. „Nicht“, fügte er rau hinzu. „Wenn du… dann…“ Sie verstand. Aber es war ihr egal. Es war faszinierend. Sie hatte nur Ron zum Vergleich und Ron hatte niemals gezeigt, wenn ihm etwas gefallen hatte. Nie. Und Draco war… so anders. So völlig offen, so völlig unbeschwert mit seiner Sexualität, musste sie annehmen.

 

Und dann konnte sie sich nicht mehr aufhalten und ging langsam auf die Knie. Sie überraschte sich selbst. Sie kam sich plötzlich unglaublich mutig und absolut verführerisch vor. Auch wenn es sonst niemals so war! Wirklich nicht. Aber sein Mund öffnete sich überrascht und seine Augen weiteten sich, als er erkannte, was sie im Begriff war zu tun. Er schüttelte nur den Kopf, völlig unfähig etwas zu sagen und schon stülpte sich ihr Mund über seine Eichel.

 

„Fuck!“, stöhnte er gepresst. „Verflucht, Hermine!“ Und ihr Name aus seinem Mund klang… sexy, stellte sie fest. Und sie konnte viel von ihrem Namen behaupten. Er war altmodisch, einzigartig, aber niemals klang er sexy. Sie schloss die Augen, atmete durch die Nase und ließ ihre Zunge um seine Spitze kreisen. Sie saugte seinen Penis tiefer in ihren Mund und hörte ihn abgehackt atmen, spürte, wie sich sein Unterkörper anspannte, als wolle er sich zurück halten.

 

„Scheiße, Granger!“ Damit zog er sich zurück, griff in ihre Haare und zog sie grob nach oben. Sie keuchte auf als er sich hart gegen sie presste, die Hände in ihren Hinter grub und sie nach oben riss. Seine Erektion pochte hart gegen ihre Mitte, als seine Finger ihren Rock achtlos nach oben zerrten und sie von ihrem Slip befreiten.

 

Sein Kuss verschloss ihre Lippe und sie schrie gedämpft in seinen Mund als er nach vorne in sie stieß. Die Vitrine klirrte bedrohlich. Die Pralinen im Innern begannen gefährlich zu wackeln, aber er stieß nur noch härter in sie. Das Glas vibrierte förmlich in ihrem Rücken, als er sie wieder dagegen presste. Es kühlte ihren überhitzten Körper und ihre Fingernägel gruben sich in seinen Rücken. Seine Hände öffneten ihren BH und er landete neben der restlichen Kleidung. Als er das nächste Mal in sie stieß fanden seine Lippen ihre hartgewordenen Brustwarzen und sie keuchte vor Verzückung auf als er eine tief in seinen Mund sog.

 

Seine Zunge umzirkelte sie ließ von ihr ab, nur um der anderen die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken.

 

Es fühlte sich berauschend an, wie sein Penis aus ihr blitt, nur um noch härter in sie einzudringen und sie begegnete ihm in seinem Rhythmus. Ein tiefes Knurren verließ seine Lippen und als sie spürte, wie sie unter seinen Stößen kam, küsste sie ihn so verlangend, dass er selber nur noch wenig länger aushielt, sie hart gegen das Glas presste und sie spürte, wie er sich heiß in ihr ergoss.

 

Zitternd umschlang sie mit den Armen seinen Körper und keuchte, als wäre sie tausend Meter gerannt. Ihre Augen waren geschlossen und als die Wellen langsam verebbten zog sie benebelt den Kopf zurück.

Schwer atmend starrte er sie an. Feiner Schweiß zeichnete sich auf seiner Stirn ab. Seine Lippen waren geöffnet, geschwollen und verführerisch.

 

Aber ehe sie ihn wieder küssen konnte, hatte er sich wieder vorgelehnt und dieser Kuss glich keinem zuvor. Ganz sanft verschloss er ihre Lippen und ihre Augen schlossen sich automatisch.

 

Und langsam kehrte ihr Bewusstsein wieder zurück.

 

Nach einer ganzen Weile setzte er sie auf dem Boden ab und lehnte seine Stirn gegen ihre. Sein Blick bohrte sich in ihre Augen und sie konnte ihn nicht deuten. Sie wusste nur, dass ihre Knie wieder drohten, weich zu werden.

 

„Verflucht“, murmelte er schließlich anerkennend und endlich spürte sie, wie sie rot wurde. Sie löste den Blick von seinen hungrigen Augen und erkannte, wie die Rührer neue Schokolade aufgesetzt hatten. Peinlich berührt, versuchte sie sich nicht anmerken zu lassen, dass Draco Malfoy gerade mit ihr an einer Vitrine Sex gehabt hatte, aber die Männer waren entweder höflich und sie wussten damit nichts anzufangen.

 

Der Geruch von frischer Schokolade stieg ihr wieder in die Nase und es war berauschend.

 

Dann kam ihr ein Gedanke. Seine Augen öffneten sich wieder als sie mit der Handfläche über seine Wange strich, die, die sie geschlagen hatte und auf der das Veilchen prangte. Aber… es entstellte ihn nicht. Oder vielleicht, war sie einfach verrückt geworden. Denn das musste sie einfach annehmen. Ihr Mund formte nämlich Worte, die sie noch vor einer Woche nicht zu denken gewagt hätte.

 

„Draco?“ Er sah sie mit einem so intensiven Blick an, dass sie das Ziehen wieder in ihrer Mitte spüren konnte. Sie wollte eigentlich wegsehen, aber sein Blick hielt sie einfach gefangen.

 

„Ja?“, gab er mit tiefer Stimme zurück und sie musste schlucken, denn er war wieder hart geworden. Nur unter ihrem Blick? Reichte das alleine aus? Noch nie hatte sie das Gefühl gehabt, eine solche Macht über einen Mann zu haben, aber es verlieh ihr einen ungeahnten Mut.

 

„Was passiert, wenn wir…“ Sie unterbrach sich, aber seine Zunge befeuchtete plötzlich seine Lippen und ihr Blick verfing sich an seinem perfekten Mund.

 

„Wenn wir was?“, sprachen seine Lippen heiser und sie sah wieder in seine umwerfenden blauen Augen.

 

„Wenn wir das Paar Paket ausprobieren?“, endete sie leiser und er senkte den Kopf, um ihren Hals zu küssen. Eine Schwäche, die sie so nicht kannte, breitete sich in ihrem Körper aus und sie musste plötzlich die Augen schließen.

 

„Dann wird die Vitrine nicht mehr so ein Glück haben“, schnurrte er gegen ihre bloße Haut und ein Schauer befiel sie kurz. Er biss sanft in ihre Halsbeuge und hob wieder den Blick. „Willst du das?“, fügte er hinzu und sie hatte das Gefühl, er verschlang sie förmlich mit seinen Blicken.

 

Sie musste schlucken und räusperte sich, damit ihre Stimme nicht so völlig willig und hilflos klang. Tapfer nickte sie also.

 

„Ja, das will ich“, erklärte sie und bevor sie den Mund hatte schließen können, hatte er sie wieder an sich gerissen, eroberte ihre Lippen stürmisch und sie stöhnte laut, denn ihre Finger fanden wieder einen Weg zu seiner haarlosen Brust, fuhren über seine Muskeln, griffen in seinen Nacken und sie vertiefte den Kuss, bis sie bunte Punkte der Ekstase vor ihren Augen tanzen sah.

 

Dann löste er sich langsam und küsste noch einmal ihre Lippen. Ein feines Lächeln trat auf seine perfekten Lippen.

 

„Wir können es bei mir ausprobieren. Erst… will ich aber noch etwas anderes tun, Granger.“ Und an seinen Worten gab es nichts, was ihr Blut hätte zum Kochen bringen können. Aber dafür an seinem vielsagenden Blick als er plötzlich vor ihr auf die Knie ging, ohne sie aus den Augen zu lassen.

 

Ihr Mund öffnete sich. Die Röte schoss in ihre Wangen und sie schüttelte fast panisch den Kopf.

 

„Draco!“, sagte sie wie gelähmt und sein Grinsen wurde teuflisch als er ihr Bein über seine Schulter legte und die Innenseite ihres Oberschenkels küsste.

 

„Schließ die Augen“, befahl er rau.

 

Und sie wusste nicht, was zum Teufel in sie gefahren war, aber sie gehorchte. Ihr Kopf sank zurück gegen das kühle Glas und ihr Mund öffnete sich in stummer, süßer Qual als sie spürte, wie seine Zunge über ihr weiches Fleisch leckte.

 

Ihr Bewusstsein verabschiedete sich und im Nachhinein war sie sich nicht mehr sicher, wie oft sie seinen Namen geschrien hatte. Seinen Vornamen….

 

 

~ Sweet Ginger ~

 

 

Kapitel 17

 

 

„Mr Malfoy?“ Er zuckte zusammen vor Schreck. Er konnte nicht behaupten, besonders viel geschlafen zu haben. Wenn er ehrlich war, kam er in seinem Kopf auf keine drei Stunden. Er gähnte verhalten und nickte.

 

„Ja, ich… will genau diese Transaktion vornehmen“, erklärte er schließlich. Neben ihm schüttelte Geoffrey Parkinson den Kopf.

 

„Draco, meinen Sie das wirklich ernst? Ich kann nicht begreifen, weshalb Sie so viel Gold für mich ausgeben wollen. Sie wissen, ich kann es Ihnen bestimmt nicht zurückzahlen“, fuhr der Mann neben ihm fort. Draco winkte ab.

 

„Das ist schon in Ordnung. Jetzt, wo ich meinem Vater mehr als die Hälfte seines Reichtums abgenommen habe, kann ich mir die Freiheit nehmen, die richtigen Menschen, die es verdienen, zu retten“, erklärte er und gähnte wieder.

 

„Also, haben Sie sich geeignet?“ fragte Mr Lewis, sein Finanzberater jetzt gereizt und Draco nickte wieder, unterzeichnete und neben ihm atmete Mr Parkinson plötzlich aus.

 

„Ich muss nicht nach Askaban“, schien ihm gerade aufzufallen. „Sie haben mich gerettet, Draco“, fügte er überrascht hinzu.


„Unsinn. Sie haben sich praktisch selbst gerettet. Ich… war nur zufällig mit etwas Gold vorhanden.“ Er lächelte. Und er dachte wieder an sie. Er dachte wieder an Granger… Verflucht. Er musste hier raus. Er musste sie sehen. Er musste sich vergewissern, dass er das nicht nur geträumt hatte. Er musste zum Laden, musste sie da raus holen, abschließen und sie zu sich nach Hause nehmen, um dann wieder eine Nacht nicht dazu zu kommen, lästig viel Zeit an Schlaf zu verschwenden.

 

Schlaf war für… ach, für irgendwelche Idioten, die keinen Sex haben konnten, beschloss er dumpf in seinem Kopf.

 

„Dann wären wir hier fertig. Mr Parkinson kann unten einen Beamten sehen und ihm die Kaution überreichen. Dann müssen noch einige Formulare ausgefüllt werden und rechtliche und ethische Hintergründe überprüft werden. Mr Malfoy als Ihr Zeuge, kann dafür bürgen, dass Sie bereuen und mit dem Geld nicht Ihre Schuld bezahlen, sondern mit der Entscheidung büßen, Ihre Tochter aufzugeben.“

 

Noch eine Sache, die Draco vorgeschlagen hatte. Und es tat ihm nicht mal leid. Nicht mal ansatzweise. Pansy war ein furchtbarer Mensch geworden. Und Mr Parkinson kam wunderbar ohne seine herzlose Tochter aus. Und es war ein idealer Grund, zu beweisen, wie zuwider ihm die ganze Gesellschaft war.

 

„Danke“, sagte Mr Parkinson. Und er sagte es nicht an Mr Lewis gewandt. Draco lächelte stumm in sich hinein. Heute kam er sich wie ein besserer Mensch vor. Kein guter Mensch, aber… zumindest ein bisschen besser als noch vor ein paar Tagen. Er nahm an, sein Vater tobte in seinem Herrenhaus, dass die Wände bebten und die Stuckelfen von der Decke bröselten. Und auch das gefiel ihm gut.

 

Aber nichts konnte die Vorstellung von Granger überschatten, die vor ihm auf ihre verfluchten Knie gegangen war! Verflucht!

 

Er erhob sich übergangslos.

 

„Kommen Sie, wir bringen das hier zu Ende und dann… muss ich auch los“, endete er hastig und ignorierte die vielen Wort, die Mr Parkinson noch von sich gab. Er zog ihn beinahe mit sich. Er wollte keine Sekunde länger mehr im Ministerium bleiben.

Er wandte sich im Gehen noch um. Fast hätte er noch etwas vergessen, fiel ihm siedend heiß wieder ein.


„Sagen Sie Mr Davis, dass er seinen Job wieder beziehen kann. Ich kündige fristlos. Sagen Sie ihm das auch. Er erhält meine Nachricht in wenigen Tagen. Ich dank Ihnen, Lewis.“ Und damit wandte er sich ab. Mr Lewis hatte den Mund schockiert geöffnet, aber Draco war nicht mehr bereit dazu, mit irgendwem zu diskutieren. Bestimmt nicht mehr. Er hatte lange genug ausgehalten, fand er. Viel zu lange.

 

Fast hätte er gesummt, vor Glück, aber er hielt sich davon ab. Das stand ihm wahrscheinlich nicht besonders gut. Und zu seinem Pech kam ihm um die Kurve ein weiterer Kandidat auf seiner Hassliste entgegen.

 

„Mr Parkinson, wenn Sie schon mal vorgehen würden“, lenkte er hastig ein und ehe Parkinson noch etwas fragen konnte, verfinsterte sich das Gesicht von Ronald Weasley. Er hatte zumindest so viel Anstand, Mr Parkinson in den Fahrstuhl steigen zu lassen.

 

„Ok“, sagte Draco schließlich. „Ich nehme an, du möchtest schreien, oder?“ Er war sich nicht sicher, was Weasley wollte, oder ob er etwas wollte, aber er machte den Anschein.

 

„Wieso sollte ich dich anschreien? Weil du mir meine Freundin mit deiner Schokolade wegnehmen willst?“ Dracos Mund öffnete sich langsam.

 

„Sie ist nicht deine-“

 

„Du willst sie also!“, schrie Weasley aufgebracht und hörte ihm gar nicht zu. Draco erkannte, dass er wohl mehrere taktische Fehler begangen hatte und fuhr sich müde durch die hellen Haare. Ok. Kam er da wieder raus? Sein Verstand döste träge hinter seiner Stirn und er musste einsehen, dass er keine Erklärung parat hatte.

 

„Scheint so“, sagte er also, eher vage, aber Weasleys Mund öffnete sich noch weiter als er ihn fassungslos anstarrte.

 

„Du Wichser!“ Er zog seinen Zauberstab.

 

„Ron, du hast deine…“ Potter schien vergessen zu haben, was er sagen wollte. Es musste ein befremdliches Bild sein. Oder nein. Eigentlich war es das nicht. Nur das nächste, was passieren musste, war, dass Weasleys Zauber nach hinten losging und er gleich vor ihm auf die Knie sinken und Schnecken spucken würde. Oh, das wäre wirklich ausgezeichnet. „Was… macht ihr hier?“, fragte Potter und wirkte wesentlich seriöser, mit seinem Anzug, seinem goldenen Zeichen des Ministeriums und dem Drei-Tage-Bart als damals in der Schule. Draco konnte sich gar nicht daran erinnern, wie oft sie alle in irgendwelche Situationen geraten waren.

 

Er hatte die Hände erhoben. „Weasley, komm schon“, sagte er, versucht, beruhigend zu klingen. Doch Weasley schüttelte den Kopf.

 

„Du… du bist eine Ratte, Malfoy! Was willst du von ihr? Was will ein Todesser von einer Muggel?“ Gute Frage. Verdammt gute Frage.


„Ron!“, brauste Potter auf. „Keine Beleidigungen auf meinem Flur, verstanden? Malfoy, am besten gehst du-“

 

„Er will Hermine, Harry!“, brüllte Weasley aufgebracht und kam ihm vor wie ein Dreijähriger. Mit Zauberstab. Ein dreijähriger Auror mit einem verfluchten Zauberstab auf seine Brust gerichtet. Potter wirkte verstört.

 

„Was? Was soll das heißen? Das ist Malfoy“, fügte er hinzu, als ob diese Aussage sofort unmöglich machte, dass er… was eigentlich? Seine Hände sanken schließlich. Er war selber verblüfft. Jetzt kam es ihm absurd vor. Wenn die beiden Idioten vor ihm standen und ihn ansahen, als hätten ihn alle guten Geister verlassen, dann kam ihm absurd vor, dass er Interesse an Hermine Granger haben konnte. Aber… wenn er an sie dachte… wenn er daran dachte, wie er sich fühlte, wenn sie in der Nähe war… dann war nichts Absurdes an diesem Gedanken.

 

Er wusste nur nicht, was überwog.

 

„Sie ist meine Freundin, Harry. Meine! Denkt sie etwa, sie hätte das große Los gezogen, mit Malfoy? Hat sie vergessen, wer er ist, zur Hölle noch mal?“ Sein Zauberstab sprühte ziellose Funken und Draco sog scharf die Luft ein.

 

„Könntest du den woanders hinhalten?“, knurrte er gereizt und Weasley schoss ihm wieder einen bösen Blick zu.

 

„Was ist? Hast du auf einmal Seiten gewechselt? Bist du jetzt einer von uns?“

 

Er öffnete unschlüssig den Mund, aber Weasley unterbrach ihn. „Nein, bist du nicht, Malfoy! Hermine… Hermine ist verrückt geworden, das ist alles!“ Wieder öffnete er den Mund. „Und…“, unterbrach ihn Weasley erneut, „und ich werde sie heiraten!“

 

Draco sah ihn an. Er würde was?

 

„Weiß sie das?“, erkundigte er sich seelenruhig, denn nach gestern würde er nicht unbedingt behaupten, dass ihre Gedanken bei Weasley gewesen waren. Nein, würde er absolut nicht.

 

„Du kannst sie mir nicht wegnehmen!“ Weasleys Stimme zitterte. „Das kannst du nicht machen. Das kann er nicht machen, oder Harry?“ Kurz erinnerte ihn Weasley wieder an den Jungen, der in der Schule immer furchtbar sensibel gewesen war. Potter schien immer noch verwirrt zu sein.

 

„Ron,… sie wird dich wahrscheinlich nicht heiraten“, sagte Potter lediglich. „Das ist vorbei.“

 

„Ja aber… aber… es war doch nur eine Phase! Ein Streit, ein Versehen von mir. Ich… habe mich entschuldigt. Ich… habe doch alles getan! Wieso will sie ihn? Wieso macht sie das? Was geht denn hier vor? So soll es nicht sein. So kann es doch nicht sein!“ Weasley plapperte und Draco musste wieder gähnen.

 

„Tut mir leid“, sagte er und meinte die Worte tatsächlich. Zornig hatte Weasley den Zauberstab wieder gehoben und Draco war erschrocken an die Wand zurückgewichen.

 

„Wag es ja nicht, dich bei mir zu entschuldigen! Wag es nicht, Malfoy!“, schrie er. „Avada Kedavra!“, gellte Weasleys Stimme durch den Flur und Draco schloss die Augen, als das Licht ihn in einem Maße blendete, dass er die Augen nicht mehr offen halten konnte.

 

„Ron!“, hörte er Potter noch schreien, ehe die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde.

 

Alles wurde schwarz. Alles wurde einfach –

 

 

~*~

 

Sie hatte gewartet, nahm aber an, dass er im Ministerium noch aufgehalten worden war. Das war schließlich eine Möglichkeit. Sie verdrängte den Gedanken, dass er es sich anders überlegt haben könnte.

Sie verschloss die Türen des Ladens, nachdem sie den Rührern noch einen Moment zugesehen hatte. Sie rührten nämlich wieder!

 

Zwar ignorierte sie peinlichen Umstände unter denen dies wieder möglich geworden war, aber sie freute sich unheimlich, trank jedes Gebräu, dass ihr die Rührer zum Dank vorgesetzt hatten und fühlte sich schokoladig wohl.

Sie überlegte, dass sie schon zu seiner Wohnung vor apparieren konnte. Er hatte ihr gesagt, wo er wohnte und sie würde dort auf ihn warten.

 

Sie konnte auch zum Ministerium, nahm sie an. Aber sie hatte ja extra Urlaub genommen. Eigentlich musste sie die Arbeit also nicht zwingend sehen.

Sie würde ja sowieso nächste Woche zurück müssen.

Immerhin würde Draco im Laden arbeiten, wenn er denn wirklich gekündigt hatte.

 

Sie wollte gerade apparieren, da fiel ihr das Paar Paket wieder ein.

Sie schloss wieder auf und die Rührer steckten neugierig den Kopf aus dem Lebkuchenfenster. Sie ging hinter die Theke und nahm sich eine Tafel von der in Sicherheitspapier eingewickelten Schokolade. Sie musste lächeln, bei dem Gedanken an den heutigen Abend. Sie war zwar müde wie nach zehn schlaflosen Nächten, aber der Gedanke an Draco jagte ihr wieder und wieder Schauer über ihren Rücken.

 

Plötzlich hielt einer der Männer auf der Leiter inne. Sie befürchtete schon, dass sie wieder erstarren würden.

 

„Alles klar? Was vergessen?“, fragte sie und betrachtete den kleinen Mann, der jetzt an der kleinen Strickleiter wie angewurzelt hing. Er wandte den Kopf in ihre Richtung und sie war froh, dass er sich noch bewegte.

Dann hob er die Arme. Und schien ihr zu winken. Kurz öffnete sie verblüfft den Mund. Dann hob auch sie die Hand. Ärgerlich schüttelte der Mann den Kopf.

 

„Nein?“, fragte sie fassungslos. „Du… kannst mich sehen?“, fügte sie hinzu und er stampfte mit dem schokoladenen Fuß so feste auf, dass ein kleiner brauner Abdruck auf der Ablage des Schaufensters zurück blieb. „Was ist los?“

Plötzlich war sie ein wenig alarmiert. Hatte er Schmerzen? Was war passiert. Die anderen Männer hatten im Lebkuchenhaus die Köpfe zusammen gesteckt. Was veranstalten sie jetzt? Waren sie doch böse, dass sie und Draco hier Sex gehabt hatten?

 

Sex mit Draco. Sie holte kurz Luft.

 

„Ich muss jetzt gehen“, erklärte sie und versuchte, höflich zu lächeln. Der Mann schüttelte hastig den Kopf. Dann griff er verzweifelt nach seinem Rührstab, rührte in einem kühlen Topf Schokolade, bis sie wieder flüssig wurde und Hermine zog den Umhang fester um ihre Schultern. „Ich bin wirklich weg. Aber wenn ihr noch Schokolade machen wollt, dann bitte…!“, bot sie hilfreich an, aber der Mann zog den Stab aus der flüssigen Schokolade und setzte ihn auf der Ablage ab. Ihr Mund öffnete sich, als ihre Augen seiner Bewegung folgten.

 

mafo.jpg

 

 

Was? Sie starrte auf die Buchstaben in krakeliger Kinderschrift. Was sollte das bedeuten? Und der Rührer konnte also ansatzweise tatsächlich schreiben, ging ihr auf. Wann hatte er sowas gelernt?

 

„Mafo?“, las sie langsam und der kleine Rührer nickte so hastig, dass ihm der Stab aus der Hand fiel. „Was soll das sein?“, fragte sie vorsichtig. Der kleine Mann sah sie eine Sekunde lang ausdruckslos an – was nicht schwer war, wenn man keine Gesichtszüge besaß. Dann deutete er wie wild auf seine gezeichneten Buchstaben

 

Mafo?“, wiederholte sie und konnte sich keinen Reim darauf machen. „Was soll das sein? Eine Schokoladesorte? Ein… Rezept? Ist das ein Passwort für irgendwas? Oder eine Zutat, die ich besorgen soll, für…“ Doch er unterbrach sie mit wedelnden Armen. Hermine ärgerte sich, dass sie ihm nicht helfen konnte. Dass sie, als schlauste Hexe, nicht darauf kam, was er wollte.

 

Völlig ungeduldig deutete er jetzt auf die Glasvitrine, die ein wenig schiefer stand als gestern. Fast wurde sie rot.

 

„Ist sie kaputt? Sind die Risse oder Kratzer oder Scherben? Ist das der Name des Mannes, der sie reparieren soll?“ Plötzlich hörte sie die anderen Rührer. Sie zerrten an der Strickleiter, die gegen das Haus schlug, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Auch sie zeigten nun, manche direkt, manche zögerlich, auf die Vitrine.

 

„Mafo“, wiederholte sie ratlos und dann schnappte sie nach Luft. „Malfoy!“, rief sie plötzlich aus. Sie starrte die Rührer an, die nickten. Der Rührer, der die Buchstaben geschrieben hatte, nickte noch heftiger mit dem Kopf und sie verstand immer noch nicht.

 

„Was ist mit Draco? Was willst du sagen?“, sagte sie und konnte nicht begreifen, weshalb die Rührer so einen Aufwand veranstalteten. „Was ist auf einmal los mit euch?“ Sie war lange genug eine Hexe, um sich nicht mehr über Eigenarten zu wundern, keine Wunder mehr anzuzweifeln und sich erst recht nicht verunsichern ließ, weil es erst mal unmöglich war, dass ein Rührer schreiben konnte und dann, dass er plötzlich irgendwas gespürt hatte, was ihr entgangen war.

 

Sie ging in die Hocke. „Es geht ihm gut, richtig?“ Und es war kaum eine Frage. Sie besaß kaum eine Stimme, um die Worte auszusprechen. Und der kleine Kakaorührer schüttelte betroffen den Kopf. Ganz langsam. Zaghaft deutete er wieder auf den Namen und der Stab, den er wieder aufgehoben hatte, sank in seiner kleinen Hand. Ihr Mund öffnete sich. „Woher weiß du das?“, flüsterte sie angestrengt. Aber natürlich bekam sie keine Antwort. „Irgendwas ist passiert?“ Es machte sie wahnsinnig, dass ihr niemand antwortete.

 

Sankt Mungo. Da würde sie hingehen. Da musste sie anscheinend hingehen. Und wenn das ein Scherz war, dann würde sie die Rührer höchstpersönlich in die Schokolade werfen. „Ich bin… gleich wieder da“, versprach sie zögerlich und war aus dem Laden gestürmt. Hastig verriegelte sie die Tür und spürte die Blicke der augenlosen Rührer im Nacken, während sie apparierte.

 

 

Kapitel 18

 

Schwindelnd kam sie vor dem Mungo zum Halten. Fast hätte sie es versäumt, anzuhalten. Sie war so außer sich, dass sie an den Türen zerrte, obwohl sie zum drücken waren. Es verging ein kurzer Moment des Zorns und dann atmete sie ruhig aus. Die Muggel rauschten an ihr vorbei, beachteten nicht, wie sie vor dem anscheinend leeren Kaufhaus stand. Würde sie die Türen öffnen, würde sie durch den Illusionierungszauber gleiten und dann würde sie sich im Trubel des Krankenhauses befinden.

 

Wollte sie das? Was konnte sie schon machen? Für immer hiervor stehen bleiben.

Eine Mutter mit ihrem Kind lief an ihr vorbei und das Kind drehte sich nach ihr um und zeigte auf die spärlich angezogene Schaufensterpuppe im Schaufenster.

Hermine folgte dem Blick. Ja, es war wirklich kein schöner Anblick.

Dann sprach das Kind seine Mutter an, wollte dass sie in den Laden gingen und Hermine atmete endlich aus. Sie drückte die Tür nach vorne und absolut gr nichts passierte.

 

Sie runzelte die Stirn. Sie hob den Blick. Ja, es war Reinig & Tunkunter. Das Kaufhaus stimmte. Sie betrachtete zornig die Schaufensterpuppe.

Was musste sie noch gleich tun? Es war doch zum Schreien.

Sie drückte ihre Hände gegen die Scheibe, aber alles, was sie vorfand, war kühles Glas unter ihren Finger. Sie zerrte noch einmal an den Türen.

 

„Lasst mich rein!“, rief sie ärgerlich und konnte nicht fassend, dass sie ausgerechnet jetzt nicht mehr darauf kam.

 

„Hermine?“ Sie schrak zurück betrachtete die Schaufensterpuppe, aber sie klang verdächtig nach…

 

„Harry!“, rief sie aus und drehte sich um. Harry war anscheinend selber gerade angekommen und trug eine Jeans und einen Pullover. „Was ist los“, keuchte sie und wollte endlich irgendwas wissen. „Und wie kommt man hier rein?“, fügte sie zornig hinzu.

 

Eine weitere Familie passierte sie und warf ihnen seltsame Blicke zu und wandte dann ungläubig den Blick auf das ramponierte Kaufhaus vor ihnen. Harry lächelte ihnen entschuldigend zu und dann griff er um ihren Arm.

 

„Woher wusstest du, dass du hier herkommen musst? Ich war in der Confiserie und du warst schon weg“, fuhr er leise fort.

 

„Was ist mit Draco?“, gab sie zurück, ohne sich aufhalten zu können. Anstatt ihr zu antworten zog sie Harry vor die Scheibe.

 

„Harry Potter und Hermine Granger für Ronald Weasley“, sagte er ruhig und Hermine sah, wie die Schaufensterpuppe plötzlich die Finger krümmte und das Glas vor ihrem Blick verschwamm. Sie wurden hindurch gesogen, ehe sie nachdenken konnte.

 

Dann waren sie schon in der Eingangshalle des Krankenhauses, was von Patienten und Heilern, von Besuchern und Menschen mit Schmerzen nur so wimmelte. Sie folgte Harry angespannt. Ron? Wieso gingen sie zu Ron, drang es dumpf in ihr Bewusstsein.

 

„Harry, was ist los? Was ist mit Ron?“, zischte sie, damit eine Handvoll Gnome sie nicht hören konnte, die sich in eine Schlange zur Schwester drängten.

Harry zog sie vorbei an den Mengen an verfluchten und verletzten Menschen, die sich Körperteile hielten, weil sie schmerzten oder im Gesicht bluteten. Sie rauschten vorbei an zischenden Kesseln, fluchenden Perserteppichen und sprechenden Katzen.


„Wir müssen in den vierten Stock“, erklärte Harry karg. Sie machte sich von ihm los und lief neben ihm.

 

„Was ist passiert? Was ist mit Ron?“, verlangte sie zu wissen und Harry und sie stiegen in den vollen Fahrstuhl.

Er drückte auf die Taste vier und sie stiegen langsam nach oben, nachdem sie überall sonst auch hielten. Bei Fluchschäden und Zauberunfällen stiegen sie aus. Ihre Augen wurden groß.


„Was ist los?“

 

„Ron hat den Avada Kedavra auf Malfoy losgelassen“, sagte er schlicht. Sie hatte schockiert inne gehalten.

 

„Was?“, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. „Das kann nicht… ist Draco…?“ Harry verzog knapp den Mund.

 

„Nein. Ron kann immer noch nicht besonders gut zaubern nach… nach eurer Trennung“, erklärte er. „Aber ein Gutes hat es. Seine Fähigkeiten kommen langsam zurück. Er hat Malfoy getroffen, aber in schwacher Form ist der Avada Kedavra nicht mehr als-“

 

„Ein Koma-Fluch, ich weiß, Harry!“, knurrte sie böse und schloss wieder zu ihm auf. „Wie kann Ron so dämlich sein?“, fuhr sie böse fort.

 

„Er war eifersüchtig. Anscheinend läuft da was?“, warf Harry jetzt ein und Hermine hörte, er war beleidigt.

 

„Und wieso ist Ron hier und nicht in Askaban?“, fragte sie dazwischen, ohne Harrys Frage zu beantworten. Harry sah sie verdutzt an.

 

„Weil es ein Affekt-Zauber war, Hermine. Denkst du wirklich, bei vernünftigem Verstand würde Ron jemanden auf den Fluren des Ministeriums töten? Selbst Malfoy nicht“, fügte er hinzu. Hermine biss die Zähne zusammen. „Ron liegt auf der angrenzenden Station, weil er Zeter und Mordio geschrien hat, als sie ihn auf die Geschlossene haben einweisen wollen.“ Hermine musste all das erst verarbeiten.

 

„Weil er eifersüchtig war, wollte er Malfoy umbringen?“, schloss sie diese Unterhaltung und Harry nickte.

 

„Ron war traurig und anscheinend wahnsinnig, Hermine.“ Das reichte ihr aber nicht aus.


„Er kann nicht einfach-!“, begann sie, aber Harry nickte energisch.


„Sicher kann er das nicht, Hermine. Natürlich darf er so was nicht. Aber in seiner Psyche hat er keinen anderen Weg gesehen, ok?“ Sie gingen weiter, bis Harry angehalten hatte. „Er ist mittlerweile ruhiger, hat Medikamente bekommen und weint nicht mehr. Er bereut den Zauber und er ist froh, dass nichts weiter als ein leichtes Koma passiert ist.“

 

„Da hat er verfluchtes Glück gehabt.“ Sie war völlig bereit, rein zu gehen und Ron anzuschreien dafür, dass er so unsäglich dämlich war! Aber als sie eingetreten waren und sie seine Gestalt im Krankenhausbett erkannte, musste sie an Mr Weasley und den Schlangenbiss denken. Sie hasste Krankenhäuser. So sehr! Und eigentlich war sie froh, dass Ron nicht nach Askaban musste, sondern, dass man seinen Unverzeihlichen als Psychose auslegen konnte.

 

„Ron“, sagte sie und es klang nach einer Mischung aus Wut und Erleichterung.


„Hey, Hermine.“ Er blinzelte müde. „Bin ausgerastet“, erklärte er sofort. „Tut mir leid. Aber er lebt“, fügte er ruhig hinzu.

 

„Habe ich gehört.“

 

„Alles klar bei dir?“, fragte er vorsichtig. Sie setzt sich neben ihn.


„Ja. Wie geht es dir?“ Es war ein seltsames Gespräch. Es unterschied sich nicht von den anderen seltsamen Gesprächen, die sie seit der Trennung mit Ron führte, nur dieses Mal lag er in einem Krankenhausbett.

 

„Gut. Besser“, korrigierte er sich. „Mann, ich hab echt abgeschaltet. Ich wusste nicht mal mehr, welchen Zauber ich benutzt habe. Ich bin froh…, dass es nicht schlimmer geworden ist als jetzt.“

 

„Dir… geht es also gut?“, vergewisserte sie sich schließlich.

 

„Ja. Müde von den Mitteln, die sie mir gegeben haben. Aber definitiv will ich Malfoy nicht mehr töten“, fügte er mit einem schmalen Lächeln hinzu, Sie musste hysterisch auflachen.


„Gut“, sagte sie, weil sie sonst nichts zu sagen wusste.

 

„Du bist jetzt mit ihm zusammen?“, fragte er vorsichtig und sie wusste darauf keine Antwort. Nein, war sie nicht. Oder war sie doch? Nein, sie hate nur mit ihm geschlafen. Rn deutete ihr Schweigen, Merlin sei Dank, falsch. „Schon gut, geht mich nichts an. Tut mir so leid, Hermine. Ich war so ein Idiot. Aber… ich hatte dich verloren, dann meine Magie, dann konnte ich nicht mehr richtig arbeiten und…“ Er hob vage eine Hand. „Ich denke, das war zu viel“, erklärte er. Sie nickte langsam.

 

„Du hast ja kaum Schaden angerichtet. Er lebt. Du lebst. Du kannst es sogar als Krankheit auslegen und die Richter im Ministerium würden es nicht wagen, eine aus der Weasley Generation zu verhaften“, fuhr sie fort.

 

„Du würdest es tun?“, fragte er und sie runzelte die Stirn.


„Nein, Ron. Ich würde dich nicht verhaften lassen.“

 

„Aber du hättest mich lieber im Koma jetzt?“, stellte er die nächste Frage und sie strich ihm behutsam eine rote Strähne aus der Stirn.

 

„Am liebsten hätte ich niemandem im Koma. Am liebsten hätte ich gehabt, dass du mich nicht betrogen hättest. Am liebsten wäre ich jetzt nicht hier, Ron.“ Aber es lag in der Luft, was Ron nicht sagen musste. Er hatte sie betrogen, sie waren nicht zusammen und er war selber Schuld an dem, was passiert war. Er und garantiert nicht Draco. Ron nickte nur langsam.

 

„Tut mir leid“, sagte er noch einmal und sie wollte es nicht mehr hören.


„Vergiss es. Es ist schon gut, denke ich.“

 

„Dann geh. Ich muss ausruhen, bekomme gleich Medikamente, die mich wieder freundlich und normal machen und ich hab auch noch Harry“, fügte er hinzu. Harry stieß sich dankbar von der Wand ab. Er war sich wohl überflüssig vorgekommen.

 

„Welches Zimmer?“, fragte Hermine Harry leise.

 

„412“, erwiderte er genauso leise und sie erhob.


„Ihr könnt es ruhig laut sagen. Ich werde nicht aus meinem Bett kriechen und ihn verfluchen gehen, während er schläft!“, beschwerte sich Ron müde.


„Ich komm später wieder“, sagte sie und küsste Ron auf die Stirn. Er war darüber wohl so überrascht, dass er gar nichts mehr sagte. Sie spürte, dass er ihr nachsah, aber sie konnte jetzt nur daran denken, dass sie in das nächte Zimmer musste. Sie ging den Gang langsam hinunter, aber so langsam sie uch ging, irgendwann war sie drei Türen weiter und wusste nicht, ob es unsinnig war, zu klopfen. Denn, wenn er schlief, dann schlief er.

 

Dennoch klopfte sie leise. Und zaghaft öffnete sie die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten. Ihr Atem gefror und ihr Herzschlag setzte aus.

Lucius Malfoy ließ den Tagespropheten sinken und Narzissa wandte sich von dem magischen Fenster ab und warf ihr einen kühlen Blick zu.

 

Einfach wieder rausgehen. Einfach rückwärts wieder aus der Tür!

 

„Ms Granger.“ Es war keine Begrüßung. Es war kaum ein ganzer Satz, den Lucius Malfoy ihr gönnte. Später. Sie würde später wieder kommen. Ehe sie aber den Rückzug antreten oder überhaupt etwas sagen konnte, fiel ihr Blick schließlich auf das Bett. Langsam öffnete sich ihr Mund. Dort lag er. Ganz ruhig. Seine Brust hob und senkte sich verdächtig langsam. Sie erkannte die magische Drenage um seinen Kopf. Sie kontrollierte seine Gehirnströme und ging sicher, dass seine Organe im Koma nicht versagen würden. Ohne die beiden Menschen zu beachten, machte sie einen Schritt vor, bis sie vor dem hellen Bett stand.

 

Er sah so aus, als würde er schlafen. Ganz ruhig lag er da. Seine vollen Lippen blieben unbewegt und er machte keinen einzigen Laut.

Wie lange würde so sein? Und… wann wachte er wieder auf? Und dann… war er dann anders? Ehe sie weiter überlegen konnte, öffnete sich die Tür.

 

„Mr und Mrs Malfoy, wir haben…“ Die Schwester unterbrach sich, als sie sie erkannte. „Hallo, ich wusste nicht, dass noch ein Besucher erschienen ist.“ Hermine nickte verwirrt. „Wie ich sagte, es ist Ihnen in einer Stunde möglich einen magischen Transport zu bekommen, denn die Zimmer der Station sieben werden zurzeit umgebaut.“ Hermine begriff nicht.


„Das heißt, wir können ihn in einer Stunde mitnehmen?“, erkundigte sich Narzissa Malfoy und ignorierte sie völlig.

 

„Mitnehmen?“, wiederholte Hermine heiser und spürte, wie sich ihre Hand um die kühle Stange des Krankenbetts gelegt hatte. Seit wann interessierten sich denn seine Eltern für sein Wohlbefinden?

 

„Ja, in einer Stunde werde ich Ihnen Bescheid geben und dann wird Ihr Sohn abtransportiert“, bestätigte die Schwester.


„Abtransportiert?“, wiederholte Hermine schockiert und die Schwester schien verwirrt, dass keiner der Malfoys mit ihr sprach. Nach einem unsicheren Blick auf beide, sprach die Schwester wieder.

 

„Ahem, ja. Die Malfoys nehmen Ihren Sohn mit nach Hause“, erklärte sie.


„Er wohnt da nicht!“, unterbrach Hermine sie besorgt.

 

„Wollen Sie ihn mitnehmen, Ms Granger?“, fragte Lucius gefährlich ruhig und ihr Mund öffnete sich ängstlich. Lucius schien etwas in ihrem Blick zu deuten, was nicht einmal sie selber wirklich als Gedanken gefasst hatte. „Wenn Sie glauben, ich würde meinen Sohn etwas antun, dann muss ich sie korrigieren, Ms Granger.“ Seine Stimme hatte sich merklich noch mehr abgekühlt. „Sie können wieder zurück zu Ihrem Freund Weasley gehen. Und glauben Sie mir, das wird Konsequenzen für ihn haben.“

 

Und daran hatte Hermine keine Zweifel. Hätte Ron wen anders verflucht, dann wäre es unwahrscheinlich, dass ein Krieg losbrechen würde. Bei Draco Malfoy hatte er sich allerdings jemanden ausgesucht, der hinter seinem Rücken eine ganze Kavallerie Reinblüter hatte.

 

„Seit wann interessiert Sie das Schicksal Ihres Sohnes? Sie wollten ihn doch verklagen, Mr Malfoy!“, erklärte sie entrüstet und es war ihr egal, dass ihre Stimme lauter wurde, auch wenn die Schwester noch im Raum war. Sie sah, wie Narzissa Malfoy ihrem Mann einen überraschten Blick zugeworfen hatte.


„Draco ist mein Sohn. Er ist krank und deswegen bekommt er die beste Pflege, die er in dieser Absteige für Halbblüter und mittellose Muggel niemals bekommen wird.“ Die Schwester hatte protestierend den Mund geöffnet, schien sich aber dann zu besinnen mit wem sie sprach. Sie sagte also gar nichts mehr.

 

Sie verließ hastig das Zimmer. Hermine fühlte sich fast ohnmächtig.

 

„Sie können ihn nicht mitnehmen“, flüsterte sie und sah ihn wieder an. Alles schien ziemlich weit entfernt zu sein. Dass sie den Abend zusammen verbringen wollten, dass sie sich darüber klar geworden war, dass sie Draco Malfoy mögen konnte und dass er mit seinen Eltern absolut überhaupt nichts mehr zu tun hatte. Jetzt lagen die Dinge so, dass Narzissa und Lucius ihren Sohn stehlen würde, in Malfoy Manor eingeschlossen und dass sie, Hermine, ihn nie wieder sehen würde.

 

„Ich bezweifel, dass Sie uns aufhalten werden“, schloss Lucius kalt und hatte das Zimmer verlassen, wohl um noch einige Transportdinge zu klären. Jetzt blieb sie zurück mit Dracos Mutter und sie wusste nicht, wer ihr unangenehmer war.

 

Alles war kurz davor wieder auseinander zu brechen, wo sie doch gedacht hatte, alles Schwere wäre jetzt vorbei. Sie sah, wie Narzissa ihren Sohn betrachtete, wie sie jedes Detail von ihm in ihrem Blick gefangen hielt. Es war so, als wäre Hermine gar nicht mehr da. Sie wandte sich hilflos ab. Sie konnte nur hoffen, dass Draco schnell aufwachen würde, dass er seine Eltern anschrie und floh. Und dass dies alles passierte, bevor sie die Weasleys alle nach Askaban gebracht hatten.

 

„Ms Granger“, unterbrach sie die Stimme von Narzissa Malfoy, die immer ohne jede Wärme sprach. „Sie sind schuld daran, nicht wahr?“, fragte sie und Hermine wusste, es war unmöglich, aber Leute wie die Malfoys konnten bestimmt alles so drehen, dass die unschuldige Muggel am Ende diejenige sein würde, die ihren Sohn verflucht hatte.


„Was? Ich war überhaupt nicht-“

 

„Wegen Ihnen hat er den Job wieder gekündigt, oder? Wegen Ihnen hat er Parkinson all das Gold gegeben“, fuhr Narzissa fort. Was? Sie hatte nicht gewusst, dass er sein Gold abgegeben hatte. „Wegen Ihnen hat er den Kontakt wieder abgebrochen, richtig?“ Sie sah sie an, als würde sie einen Hinweis darauf suchen, weshalb man für eine Muggel überhaupt etwas aus einem positiven Anreiz tun konnte. „Was versprechen Sie ihm? Ihren Körper? Er kann bessere haben, das wissen Sie, oder?“ Hermines Mund öffnete sich. Narzissa sah ihrem Sohn auf beunruhigende Weise sehr ähnlich, wenn sie eine Antwort verlangte. „Wollen Sie ihn stürzen? Wollen Sie irgendwie an sein Gold kommen? Ich weiß, Sie sind schlau, aber… er wird jeden Ihrer Tricks durchschauen, Ms Granger.“

 

Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt. „Sie haben bestimmt eingefädelt, dass der Weasely Junge ihn töten sollte!“, brauste Narzissa auf und wischte sich eine Träne von der Wange, als wäre sie ein lästiger Beweis für ein menschliches Gefühl. „Vielleicht können Sie ihre Pläne hinter der unschuldigen Muggel Fassade verstecken, aber mich täuschen Sie nicht!“

 

Hermines Mund hatte sich stumm geöffnet.

 

„Das können Sie nicht ernst meinen, Mrs Malfoy“, sagte sie schließlich. „Ich würde Draco niemals weh tun! Ich würde ihm niemals durch irgendwem Schmerzen zufügen!“ Jetzt spürte sie, wie sie selber weinen musste.

 

„Nein?“, knurrte Narzissa förmlich. „Richtig, warum sollte eine Muggel keinen Groll gegen einen Todesser hegen!“, entrüstete sich die Frau vor ihr. Und Hermine verstand ihren Punkt tatsächlich. Das war schließlich genau ihre Ansicht gewesen. „Ich habe gehört, was Sie ihm Club gesagt haben. Denken Sie ich sei taub? Oder blind?“, fügte sie zornig hinzu. „Aber wenn Sie denken, ich würde nicht-“

 

„Ich liebe Draco!“, rief Hermine aus, ehe sie sich halten konnte. Es musste an den albernen Tränen liegen, dass sie so etwas laut sagte. Sie konnte die schöne, kühle Frau vor sich nicht mehr ansehen. Allerdings hatten ihre Worte den Mund von Narzissa Malfoy verstummen lassen. Als sie sich wieder gefangen hatte und den Blick zurück zu dem vertrauten Gesicht hob, was Draco so ähnlich sah, erkannte sie keinen vertrauten Ausdruck darauf. Es war, als würde Narzissa die Worte auf ihre Wahrheit prüfen und käme zu keinem logischen Schluss.

 

Hermine kam selber zu keinem logischen Schluss. Es war völlig verrückt, aber ja. Ihr Herz schlug laut in ihrer Brust. Sie liebte Draco Malfoy. Und blöderweise hatte sie das gerade seiner Mutter gesagt.

 

 

Kapitel 19

 

 

Schokolade… Was für ein verwirrender Gedanke. Er spürte, wie sich seine Stirn zu runzeln anfing. Wieso hatte er jetzt an Schokolade gedacht? Vielleicht, weil sein Magen so laut knurrte, dass es fast wehtat.

 

„Draco“, hörte er eine ruhige Stimme.

 

Granger, dachte er und öffnete träge die Augen. Er roch frische, weiche Laken. Ein Geruch von gestärktem Leinen und ein Hauch von Lavendel in der Luft. Beinahe erschrak er, denn diesen Duft hatte seine Mutter im gesamten Herrenhaus versprühen lassen. Er  blinzelte eilig, damit sich seine Augen ausreichend befeuchteten und er sehen konnte.

 

Aber es reichte völlig aus, den dunklen Stoff des Himmels über dem Bett zu erkennen, um zu wissen, dass er lächerlicherweise in seinem alten Bett lag. Er wandte den Kopf zur Seite. Seine Mutter hatte das Nähzeug sinken lassen. Er wusste gar nicht, dass sie jemals nähen konnte. Er hatte sie eigentlich noch nie eine körperliche Arbeit tun sehen.

 

„Du bist endlich wach. Und ich bin nicht Hermine Granger“, fügte sie eine Spur kühler hinzu. Hatte er den Namen gerade laut gesagt? Das war ihm nicht bewusst gewesen.

 

„Ich habe geschlafen?“, fragte er verblüfft, aber er hatte gewusst, dass er irgendwie geträumt hatte. Viel und lange.

 

„In einem Koma tut man nicht viel anderes“, erklärte sie und plötzlich hob sie die Hand, um ihm über die Stirn zu streichen. „Die magischen Instrumente wurden schon vor einigen Tagen entfernt“, erklärte sie, ohne Zusammenhang. „Du musstest also so oder so jetzt aufwachen“, fügte sie hinzu.

 

„Koma?“, wiederholte er verwirrt und räusperte seine raue Stimme. „Weasley“, sagte er schließlich, als ihm langsam wieder einfiel, weshalb er überhaupt geschlafen hatte. Die Züge seiner Mutter verhärteten sich.

 

„Keine Sorge. Die Weasleys werden keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, nachdem dein vater mit ihnen fertig ist“, versprach und dieses Versprechen hatte etwas sehr Bedrohliches an sich. Die Worte drangen langsam in seinen Kopf. Eigentlich kam ihm das Recht. Weasley das Arschloch hatte ihn verflucht. Seine Glieder schmerzten als er sich bewegte.

 

„Ich werde mit ihm reden“, sagte er schließlich.

 

„Dein Vater ist nicht hier“, erwiderte sie. „Außerdem solltest du jetzt etwas essen. Du solltest dich bewegen, ehe der Stärkungszauber nachlässt und du spürst wie wenig du deine Muskeln gebraucht hast“, erklärte seine Mutter und legte das Nähzeug beiseite. Sie half ihm, aufzustehen und als sich das Summen in seinen Ohren gelegt hatte, konnte er aufstehen. Er beschloss, ihr später zu widersprechen und zu genießen, das er das erste normale Gespräch mit seiner Mutter seit zehn Jahren führen konnte.

 

Er ging einige Schritte. Seine Haare waren ungewaschen und er erkannte sich selber kaum. Er sah nicht mehr gut aus, befand er. So würde er sie bestimmt nicht – Moment! Sie!

Er wandte sich um.

 

„Ich muss ein Gespräch führen“, sagte er schließlich, aber seine Mutter lächelte und schüttelte sanft den Kopf.


„Das ist jetzt nicht eingeplant. Solltest du dich später in der Stimmung fühlen, Ms Granger anzuflohen, dann kannst du es dann tun. Wenn es überhaupt sein muss“, fügte sie hinzu.

 

„Ich werde es jetzt tun“, widersprach er und sah den Frieden mit seiner Mutter schnell schwinden. Sie verdrehte die Augen.


„Du hast es jetzt drei Wochen ausgehalten, ohne dich zu-“

 

„Drei Wochen!“, brauste er auf und das Blut rauschte in seinen Ohren.

 

„Ja, drei Wochen. Was denkst du, wie lange ein magisches Koma dauert? Zwei Minuten? Draco, ich bitte dich, es gibt wichtigere Dinge, als dieses Muggelmädchen, auf die du dich jetzt konzentrieren musst.“ Er begriff nicht recht.

 

„Wieso weißt du überhaupt von ihr?“

 

„Was gibt es zu wissen?“, fragte seine Mutter plötzlich hellhörig. Er musste sich kurz wieder setzen.

 

„Nichts. Es gibt nichts zu wissen“, lenkte er schließlich ein.

 

„Draco, du hast ihren Namen jeden Abend im Schlaf gesagt. Jeden verfluchten Abend.“ Merlin, stimmte das? Seine Mutter wirkte etwas zorniger. Wahrscheinlich wäre es ihr lieber gewesen, hätte er nach seiner Mutter geschrien. Er sagte dazu gar nichts.

 

„Hast du ihr… gesagt…“ Er unterbrach sich. „Wieso bin ich hier und nicht im Mungo? Wieso sprichst du überhaupt mit mir?“ Er kratzte sich am Kopf und musste kurz die Augen schließen.

 

„Du bist so dumm, wie dein Vater“, brachte seine Mutter gepresst hervor, ehe sie ihn in ihre Arme zog. Seine Mutter hatte sich plötzlich aufs Bett gesetzt und den Kopf in seiner Schulter vergraben. Er spürte, dass sie weinte, aber er war höflich genug, das nicht laut zu sagen. Er spürte, wie ihre Tränen sein Hemd durchnässten. „Manchmal seid ihr absolut furchtbar“, fügte sie bitter hinzu. Seine Hand legte sich auf ihren Rücken und sie schluchzte einmal auf.

 

„Wenn du vorhast diese Muggel zu heiraten, musst du erst noch deinen Vater ins Koma versetzen. Nur damit du es weißt, Draco“, fuhr sie etwas versöhnlicher fort. Er bekam kurz ein beengendes Gefühl in der Kehle, als er über die Worte nachdachte.

 

„Wieso sollte ich sie heiraten?“, brachte er raus und er gab nicht einmal mehr vor, nicht zu wissen, über wen seine Mutter sprach. „Und dich muss ich nicht ins Koma hexen?“, fügte er spöttisch hinzu. Sie sagte daraufhin gar nichts, sondern vergrub sich in seiner Schulter. Er runzelte wieder die Stirn. Vielleicht schlief er noch. Er fühlte sich wieder müde. Aber er würde noch etwas essen. Und duschen, beschloss er.

 

 

~*~

 

Er hatte nicht das Gefühl, auch nur einen einzigen Tag weggewesen zu sein. Er kam sich vor, wie ein Teenager.

 

„Weil ich es verbiete! Ich habe dir gesagt, es ist mir nicht wichtig. Ich will nicht, dass du solche Schritte einleitest!“, schrie er und die Müdigkeit nervte ihn. Eigentlich war er noch nicht in der Verfassung, seinen Vater anzuschreien, aber eigentlich sollte sein Körper daran bestens gewöhnt sein. Lucius fuhr sich zornig durch die hellen Strähnen, die sich aus dem ordentlichen Zopf gelöst hatten.

 

„Du verbietest es mir? Du gibst all mein Gold aus für diesen Idioten Parkinson, der keine Vorkehrungen getroffen hatte, als er es hätte tun müssen!“, schrie sein Vater jetzt wieder. „Und Ronald Weasley gehört nach Askaban, wie seine gesamte Familie!“, fügte er zornig hinzu.


„Ich habe gesagt, du lässt die Weasleys in Ruhe, verflucht!“ Sein Kopfschmerz meldete sich plötzlich und er fuhr sich über die Stirn.

 

„Es ist nicht deine Entscheidung, Draco! Weißt du, wie schwer du mir jede Entscheidung machst? Weißt du, wie viel Gold und Nerven du mich bis jetzt gekostet hast?“


„Ich habe dich nicht gebeten, mich aus dem Mungo zu holen! Du hättest das nicht tun müssen, es hat dich doch bis hierher einen Scheiß interessiert!“

 

„Du wirst diesen Ton in meinem Haus nicht anschlagen, Draco!“, schrie er böse und Draco atmete zornig aus. Sein Vater funkelte ihn an und sah nicht aus, wie siebenundvierzig. Er kam ihm vor, wie jemand seines Alters, mit dem er sich gerade einen lächerlichen Streit lieferte.

 

„Ich wollte nie in deinem Haus sein!“, gab er zurück.

 

„Oh, ich hätte dich also in diesem Loch zurücklassen sollen? Nein, am besten hätte dich Hermine Granger mitgenommen, richtig?“, erwiderte sein Vater und strich sich wieder die Haare hinter die Ohren.

 

„Dieses Loch ist eine Einrichtung, die hunderten von Zauberern exzellente Hilfe bietet. Und was ist das Problem mit Hermine Granger, zum Teufel?“ Es machte ihn wahnsinnig, dass sein Vater und seine Mutter sie in jedem Satz erwähnen mussten.


„Das Problem ist, das sie ein Schlammblut ist, Draco. Aber das ist nur ein Randproblem, dem ich keine Aufmerksamkeit beimesse“, erwiderte sein vater zornig und es machte Draco rasend, dass er dieses Wort benutzt hatte.

„Ich habe es satt, dass du dich widersetzt und mein Gold annimmst, abweist, dich ständig in Gefahren begibst und unseren Namen mit einem Schokoladen Laden in Verbindung bringst, verflucht!“

 

Seine Mutter hatte den Salon schon mehrere Male betreten und stumm und kopfschüttelnd wieder verlassen. Sie war jetzt mit einer Tasse Tee wieder gekommen.

 

„Was ist schlimm an Schokolade, Lucius? Was ist schlimm daran? Ich brauche dein Gold nicht, verdammt!“, gab er zurück und kam sich höchst lächerlich in dem dunklen Bademantel vor, dem ihm seine Mutter aufgezwungen hatte. Sein Vater tigerte die gleiche Strecke durch den Perserteppich zurück, die er schon hundertmal an diesem Abend gelaufen war.

 

„Ja, das ist das Problem, nicht wahr?“, schnappte sein Vater plötzlich und war wieder sein Vater. Älter und müde.

 

„Was?“ Draco begriff nicht. Dann runzelte er die Stirn. „Vater, dein Geld ist mir nicht wichtig. Und du kannst mich damit nicht binden. Aber das ist es doch, was du willst, oder? Du bist frei. Frei von dem Sohn, der dich so maßlos enttäuscht hat, nachdem er sich öffentlich der Meinung angeschlossen hat, Todesser wären schlecht.“

 

„Du bist ein Idiot“, sagte sein Vater wütend.

 

„Hör zu, es ist mir egal. Ich lasse die Klage fallen! Ich verfüge, dass mein Name niemals, niemals auch nur ansatzweise in deinem königlichen Testament auftaucht, ok? Aber lass die Weasleys in Ruhe. Lass Granger in Ruhe! Lass mich verflucht noch mal in Ruhe!“, schrie er und musste sich setzen, denn die Müdigkeit brach wie eine Flutwelle auf ihn nieder. Die Ledercouch war hart und unbequem und er sehnte sich fast nach seinem Bett, auch wenn es in dem Haus stand, das er verabscheute.

 

Sein Vater war zu ihm gekommen und hatte sich neben ihn gesetzt.

 

„Weißt du noch, als du mir nicht widersprochen hast?“, fragte er bitter und sah ihn dabei nicht an.


„Ja, da war ich ungefähr fünfzehn“, erwiderte Draco und musste sich den Kopf halten.


„Das war eine gute Zeit“, fügte sein Vater ruhiger hinzu.

 

„War es nicht“, widersprach Draco trotzig und erntete einen gereizten Blick von seinem Vater.

 

„Was willst du jetzt?“ Draco verwirrte diese Frage.


„Ich will ins Bett“, sagte er mit Nachdruck. Lucius seufzte schwer.

 

„Du willst also, dass ich die Weasleys davonkommen lasse? Dass ich akzeptiere, dass du Hermine Granger… was auch immer du mit ihr tust, und dass ich dir kein Geld gebe?“ Draco holte langsam Luft.

 

„Ich tue gar nichts mit ihr! Und… was soll das? Du tust mir doch sonst auch keine Gefallen, Lucius!“ Sein Vater wirkte kurz so, als ob er ihm eine Ohrfeige verpassen würde.

 

„Ich tue dir garantiert auch jetzt keine Gefallen, Draco“, sagte er zornig. „Sag mir, was du willst“, befahl er schließlich.


„Und dann was? Dann tust du es?“, erkundigte sich Draco ungläubig und brauchte noch eine Sekunde, ehe er begriff, dass ihm sein Vater nicht widersprechen würde. „Was?“, fügte er verwirrt hinzu und sein Vater erhob sich.

 

„Zehn Jahre sind lang genug, findest du nicht? Irgendwann hört man auf zu streiten und wird erwachsen“, fügte er hinzu. Dracos Mund öffnete sich.

 

„Und wenn ich die Confiserie kaufen will, dann kann ich das tun? Wenn ich Granger heirate, dann bezahlst du die Hochzeit? Wenn ich… mich von Potter adoptieren lassen will und im Fuchsbau wohnen möchte, dann sagst du gar nichts dazu?“, fragte er langsam und sein Vater verdrehte gereizt die Augen.

 

„Potter kann dich ganz bestimmt nicht adoptieren, Draco.“

 

„Aber ansonsten kann ich all das tun.“

 

„Ich wüsste nicht, weshalb du im stinkenden Fuchsbau wohnen möchtest. Ist es hier so schrecklich?“


„Vater!“, unterbrach er ihn ungehalten. Dann seufzte Lucius und band seinen Zopf neu.

 

„Ich bin alt, Draco.“ Und das war er nicht. „Wenn du mit Schokolade dein Leben verbringen möchtest, bitte. Wenn du das Schlammblut heiraten willst, dann tu das.“

 

„Sag das nicht.“ Draco hatte nicht geschrien. Er hatte nicht mal die Stimme gehoben. Sein Vater stöhnte gereizt.


„Merlin, tu was du willst.“ Draco wusste, dieser Satz war noch nicht zu Ende. Er wartete also. „Aber… komm ab und an nach Hause.“ Dracos Mund öffnete sich, aber sein Vater machte eine entnervte Handbewegung. „Und jetzt geh ins Bett.“ Kurz hoben sich seine Mundwinkel bei diesen Worten. Draco erhob sich müde.

 

„Gute Nacht“, sagte er abschließend. Er konnte nicht fassen, dass er den Streit gewonnen hatte. Der Streit, der seit zehn Jahren auf seiner Agenda ganz weit oben stand! Wer hatte gewonnen. Und er zögerte eine kurze Sekunde. „Bis morgen…, Dad“, fügte er hinzu und damit war der Kampf vorbei. Beide Seiten verließen das Schlachtfeld mit einem Waffenstillstand. Seine Mutter trank mit einem überlegenen Gesichtsausdruck den Tee weiter, ohne ein Wort zu sagen.

 

Merlin, hatte ihn das jetzt müde gemacht. Und während er oben in die Kissen sank, dachte er daran, mit Granger im Fuchsbau zu wohnen. Die Müdigkeit gaukelte ihm schaurige Bilder vor. Kurz musste er allerdings lächeln. Der Geruch nach Lavendel kam ihm jetzt nicht mehr so beißend und unerträglich vor.

 

 

Kapitel 20

 

 

Die Muskelzauber waren endlich vollständig in seinen Kreislauf übergegangen und seine Energie war wieder komplett hergestellt, ohne dass er sich Sorgen machen musste, draußen umzukippen oder Ähnliches.

Jetzt juckte es ihn in den Fingern, sie zu sehen. Nur so. Er hatte sie nicht vermisst! Bei Merlin nicht, nein. Es war nur… es war ihm nicht recht, sie solange nicht gesehen zu haben. Drei Wochen und zwei Tage.

Nicht, dass er zählen würde.

 

Er hatte es über Floh versucht, aber sie nicht erreicht. Seinen Eltern hatte er gesagt, er würde sich in der Winkelgasse die Beine vertreten. Und er glaubte, nur seine Mutter hatte diesen Worten nicht den vollständigen Glauben geschenkt. Lucius schien nur erfreut zu sein, die Familienstreitigkeiten zu einem Teil begraben zu haben.

 

Auch wenn Draco beiden versichern musste, dass er nicht vorhatte eine Muggel zu heiraten. Und das hatte er schließlich auch nicht vor. Lächerlich, dass er überhaupt an so etwas denken würde. Oder, dass seine Mutter an so etwas Absurdes denken würde.

 

Er hasste sich fast selber dafür, dass seine Füße schneller wurden, als er erst mal appariert war. Aber jetzt schlug sein Puls ein wenig schneller. Die Heiler hatten ihm gesagt, das könne nach Anstrengung passieren, aber er war sich nicht sicher, ob es ihn wirklich so sehr angestrengt hatte. Aber… was sollte es sonst sein?

 

So schnell ihn also seine Füße und seine neugewonnen Kraft trugen, eilte er die wenigen Meter weiter und stieß die Ladentür schwungvoll auf. Die Glocke läutete und die Rührer hielten inne. Sie hüpften stumm auf und ab. Es war ein lustiger Anblick, denn sie konnten ja nicht sprechen. Sie zeigten mit ihren kleinen Fingern und Rührstäben auf ihn und schlugen begeistert gegen ihre Töpfe.

 

Er konnte nicht umhin, sich ein wenig geschmeichelt zu fühlen.


„Wie ich sehe, freut sich meine Belegschaft.“ Und ganz kurz – mikroskopisch kurz – sank seine Hochstimmung etwas.

 

„Hey, Luna. Was machst du denn schon wieder hier?“

 

„Es wurde wirklich Zeit für mich. Wie geht es dir? Alles wieder in Ordnung? Hast du vor, Ron zu verklagen? Er ist der Pate meiner Tochter, das weißt du, richtig?“, versuchte sie ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken, aber er winkte mit der Hand ab.

 

„Nein, ich werde ihn nicht verklagen. Sag mal, ahem…“ Doch Luna half ihm nicht. Sie rührte interessiert die Schokolade und sah ihn an.

 

„Gut siehst du aus. Deine Eltern haben wirklich sämtliche Möglichkeiten ein Koma bei dir, wie eine Erholungskur aussehen zu lassen. Vielleicht hätte ich mich nach Malfoy Manor für den Mutterschaftsurlaub begeben sollen“, mutmaßte sie weiter und er schenkte ihr ein eiliges Lächeln.

 

„Na, da hätte Lucius sich bestimmt gefreut. Wo ihr doch alte Bekannte seid.“ Lunas Lächeln schwand kurz.

 

„Ach ja. Richtig, da war was. Das habe ich doch tatsächlich verdrängt!“ Sie starrte verblüfft in die Luft. Anscheinend dachte sie gerade darüber nach, was sie noch alles verdrängt hatte.

 

„Luna, sag mal…“

 

„Was?“ Er kaute kurz auf seiner Unterlippe, während ihm einer der Rührer eine Tasse Kakao zuschob.


„Oh, Jungs, danke. Aber ich habe jetzt wirklich-“ Hastig schluckte er die Worte wieder herunter, denn beinahe gefährlich beleidigt sah ihn der Rührer jetzt an.

„Ich… hab jetzt wirklich richtigen Durst auf euren Kakao!“, rettet er sich, leckte sich über die Lippen und setzte die Tasse so hastig an den Mund, dass ein wenig Kakao über den Rand schwappte. Die Rührer schienen wieder besänftigt.

 

„Wo ist…“, begann er wieder, aber Luna half ihm nicht weiter. Sie war wirklich mies.

 

„Ach, übrigens Draco“, unterbrach sie ihn jetzt. „Das war wirklich nicht nett, als du abgehauen bist“, fuhr sie an und schien vergessen zu haben, dass er eigentlich eine Bonusbehandlung verdient hatte, weil er schließlich im Koma gelegen hatte.


„Es tut mir leid, ok? Es war dumm von mir.“

 

„Merlin sei Dank, hatte ich Hermine“, erklärte sie schließlich und rührte weiter. Einer der Rührer sprang Luna herbei und gab noch mehr Zutaten in den Topf. Draco runzelte die Stirn. Das hatten sie bei ihm nicht gemacht.

 

„Ja, apropos…“, sagte er wieder.

 

„Was?“, fragte Luna scheinheilig.

 

Er seufzte aus. Schön. Dann spielte Luna eben nicht mit. Was kümmerte es ihn? Er könnte fragen. Er würde sie einfach fragen.

 

„Wo… wo ist Hermine?“

 

„Hast du gedacht, sie arbeitet noch hier und bist deswegen sofort hier her gekommen?“ Er ging nicht auf die Falle ein.


„Nein. Ich wollte dich sehen und mich persönlich entschuldigen, dich im Stich gelassen zu haben.“ Sie schenkte ihm ein nachsichtiges Lächeln.


„Netter Versuch, Draco“, würgte sie ihn ab. „Aber meine Vitrine hat mehr als tausend Worte gesprochen.“ Sein Blick glitt hinüber zu der Glasvitrine gegen die er und…. Er schloss die Augen. Peinlich. Ja, das war das Wort, was ihm einfiel.

„Aber Schwamm drüber“, fuhr Luna unbeeindruckt fort. „Und Hermine, die dich ja überhaupt nicht interessiert, verbringt ihren restlichen Urlaub zuhause. Der ist aber sowieso in zwei Tagen vorbei. Du hast ja die meiste Zeit verschlafen“, ergänzte sie vielsagend.

 

„Aha“, schaffte er, ungerührt zu erwidern. „Zuhause“, fügte er noch hinzu. „Gut. Ich muss…“

 

„Ja, ja“, gab Luna grinsend zurück. „Und danke, dass du Ron nichts antust“, rief sie ihm noch hinterher.

 

Er hielt inne, als er den leisen Ton hörte. Einer der Rührer schlug sachte den Stab gegen den Topf. Draco ließ den Blick nach unten gleiten.


„Ja?“, fragte er leise und der Rührer zeigte auf das Lebkuchenhaus. „Ich hab jetzt wirklich keine Zeit, ok?“, versuchte er den Rührer abzufertigen und hob entschuldigend die Hände. Die anderen Rührer zeigten ebenfalls aufgeregt auf das Haus. Luna plapperte gerade mit dem anderen Rührer, der ihr half, ohne dass dieser Worte erwidern konnte. Also bekam sie nichts mit von den seltsamen Gebärden der anderen Rührer. „Jungs, ich hab wirklich keine Zeit. Tut mir leid. Ich komm die Tage wieder und sehe mir dann das Haus an. Ja?“

 

Beleidigt wandte sich ein kleines Geschöpf nach dem anderen von ihm ab. Aber er konnte sich morgen schlecht fühlen und sich entschuldigen. Jetzt musste er los.


„Ja, kein Problem. Weasley soll in Furcht leben!“, rief er Luna über die Schulter zu und war schon aus dem Laden verschwunden. Gerade rechtzeitig, denn eine Großfamilie kam ihm entgegen und schien den Laden entern zu wollen. Er wich zur Seite und stieß mit jemand anderem zusammen.

 

„Draco“, wurde er sehr kalt begrüßt und er verzog kurz den Mund.


„Eleanor, hi“, sagte er nur. Fuck. Ausgerechnet. Sie sah aus wie immer.

 

„Arbeitest du nicht mehr hier?“ Sie machte sich nicht einmal die Mühe, den Mann an ihrer Seite vorzustellen.


„Zurzeit nicht“, erklärte er vage. Nein, denn er erholte sich gerade von seinem Koma. Aber das interessierte diese Frau sowieso nicht. Und er war überrascht, dass er gar nichts fühlte, als er sie anblickte.

 

„Tja, Reinblüter müssen so was wohl auch nicht. Oder?“ Sein Mund öffnete sich, aber er schloss ihn wieder. Er nickte höflich.

 

„Ich muss weiter. Schön, dich gesehen zu haben. Mach‘s gut.“ Und damit war er einfach weiter marschiert. Er hatte keine Zeit, die er verlieren konnte. Sie hatte nur noch zwei Tage Urlaub. Ja und dann was? Er zwang sich, langsamer zu werden. Es sah lächerlich aus, würde er die Straße hinunter stürzen.

Er beruhigte sich für etwa zwei weitere Straßen, ehe er es zuließ, zu ihr zu apparieren. Er hatte sich die Adresse gemerkt. Natürlich hatte er das.

 

Die Tür zum Gebäude war offen und er lief die Treppen hoch. Langsam, damit er oben nicht außer Atem wäre, wenn sie ihm öffnete. Hermine Granger. Das Namensschild war golden und er klopfte hart gegen das Holz. Er wartete. Eine Sekunde, zwei…. Dann klopfte er wieder. Und wieder.

 

Fast hätte er ihren Namen gerufen, aber er hielt sich zurück. Gut, dann war sie eben nicht da. Das war nicht weiter schlimm. Sein Tag bestand nicht nur darin, sie zu suchen. Absolut nicht. Er hatte so viel zu tun. Sie hätte er nur eben eingeschoben, bevor er… - Vielleicht war sie im Ministerium, unterbrach seine eigenen Gedanken.

 

Er würde dort hingehen! Sie arbeitete bestimmt schon wieder. Was sollte sie auch sonst tun? Er war ja nicht wach gewesen! Er schloss die Augen und schalt sich für diesen Gedanken. Und dann sauste er die Treppe wieder runter, ohne sich zusammen reißen zu können.

 

 

~*~

 

 

„Vielleicht sollte ich wieder ins Ministerium. Etwas arbeiten“, erklärte sie unwillig.

 

„Hermine, ich bitte dich. Als wüsstest du nichts mit deiner freien Zeit anzufangen, nur weil Malfoy gerade schläft“, fuhr Ginny sie an. Ron erhob sich augenblicklich und ging stumm ins andere Zimmer. Harry verdrehte die Augen.


„Ginny!“, rief Hermine entrüstet und wurde sofort rot.

 

„Was denn? Er weiß es. Wir wissen es doch alle, oder nicht? Oder sprechen wir noch nicht darüber, dass ihr zusammen seid? Bei euch weiß man auch nie Bescheid“, beschwerte sich ihre Freundin jetzt.

 

„Wir sind nicht zusammen“, gab Hermine kleinlaut zurück, denn – allem Anschein nach – waren sie das wirklich nicht. Er hatte sich nicht gemeldet. Nicht ein einziges Mal. Und Sie konnte wohl davon ausgehen, dass Narzissa ihre Worte überhört hatte. Mit Absicht.

 

„Du solltest vielleicht mit Malfoy reden. Nicht, dass die Malfoys jetzt doch noch ernst machen.“

 

„Ach, was sollen sie schon tun?“ Doch sie wusste, die Malfoys konnten einiges tun, wenn sie wollten.


„Sie könnten ihn foltern, zerstückeln und nach Askaban verschiffen“, überlegte Harry gereizt.


„Bis jetzt ist noch nichts passiert!“, gab Hermine zurück.

 

„Ja, noch nicht“, merkte Harry besorgt an. „Was ist mit Malfoy? Hast du mit ihm gesprochen? Ron ist ja wieder auf dem besten Weg. Denn jetzt kann er wieder zaubern und er hat die Buße gezahlt, nimmt die Beruhigungsmedikamente und kann wieder arbeiten. Wenn Lucius Malfoy jetzt beschließt, ihm beide Hände abzuhacken, dann wüsste ich das schon gerne vorher, denn-“

 

„Harry, bitte! Als ob Draco das zulassen würde!“, entrüstete sie sich und war sich nicht mal so sicher, dass er es nicht tun würde. Sie wusste gar nichts mehr. Die letzten drei Wochen waren kalter Entzug von etwas gewesen, vom dem sie nicht mal gewusst hatte, danach süchtig zu sein. Es war seltsam und es gefiel ihr nicht. Nicht einmal Ginny hatte sie über ihre neuen Gefühle aufgeklärt. Und Ron schien jedes Mal schlecht zu werden, wenn das Thema Draco auf den Tisch kam.

 

„Draco“, wiederholte Harry fassungslos. „Wir nennen ihn beim Vornamen, Ginny, ist dir das aufgefallen?“, wandte er sich jetzt spöttisch seiner Freundin zu. Diese zuckte die Achseln.


„War alles nur eine Frage der Zeit, wenn du mich fragst. Er hat was, das gebe ich zu.“ Harry starrte seine Freundin an, als hätte diese ihm gerade vor ganz London den Laufpass gegeben.


„Was?“, fuhr er sie zornig an und sie hob die Hände.


„Natürlich nicht für mich. Ich liebe dich. Nur dich. Als ob mich irgendein Malfoy jemals auch nur ansatzweise beeindrucken könnte. Ich meine nur… so allgemein“, fuhr sie mit einem Lächeln fort. Harry atmete gereizt aus.

 

„Hat irgendwas…“, wiederholte er ärgerlich. „Ja, ein verfluchtes Dunkles Mal. Mehr auch nicht“, setzte er bitter hinzu. Hermine biss sich auf die Lippe, um ihn nicht auch noch in Schutz zu nehmen. Hatte sie sich alle die Spannung und die Gefühle nur eingebildet? Nein, hatte sie nicht.

 

Und vielleicht… meldete er sich nur nicht, weil er dachte, sie würde sich nicht melden; wäre vielleicht sauer, wegen Ron? Vielleicht hielt ihn seine Mutter auch gefangen! Ihre Gedankengänge wurden immer absurder, bis sie schließlich beschloss, das einzige zu tun, was ihr wahrscheinlich Ruhe bringen würde.

Sie würde ihn besuchen. Warum auch nicht? Sie hatte ein Recht dazu. Und er würde es bestimmt wollen. Und wenn sie ihn sehen würde und er sagte, dass er nicht mehr wüsste, wer sie war – dann umso besser! Dann würde sie gehen, und wäre sicher, dass Narzissa ihrem Sohn nichts gesagt hätte, und sie könnte die ganze Malfoy Episode abhaken. Ja, das war gut.

 

Nur, dass sie wahrscheinlich nichts würde abhaken können. Aber darüber machte sie sich jetzt keine Gedanken.

 

„Ich… werd ins Ministerium gehen. Die Akten machen sich nicht von selbst. Und ich… bin auch nur ein, zwei Stunden da“, versprach sie und log sehr gekonnt. Aber wahrscheinlich würde sich Ron in die Spüle übergeben, würde sie ihm sagen, dass sie vorhatte nach Malfoy Manor zu apparieren.

Das erzählte sie besser überhaupt keinem! Niemals.

 

~ Sugar & Spice ~

 

Kapitel 21

 

 

Es ärgerte ihn, dass er eine halbe Stunde im Ministerium umher gerannt war und auch noch lästige Fragen hatte beantworten müssen. Weshalb er nicht im Bett lag und sich ausruhte, dass das gesamte Ministerium und seine Abteilung sich die größten Sorgen machen würden, und das Lewis gerne noch mit ihm sprechen würde, wegen der Kündigung, die so hastig und übereilt beschlossen worden war.

 

Er konnte nicht mal zu Ende sprechen. Immer wieder kamen neue Kollegen, die ihm die Hand schütteln wollten, die Witze darüber machten, dass er einen Todesfluch überlebt hatte und die gerne mit ihm auf ein Butterbier in die Kantine wollten. Er lehnte alles höflich, aber entschieden, ab. Und auf die Kündigung kam er gar nicht weiter zu sprechen. Er würde sich bestimmt nicht in die Falle begeben, jetzt zu streiten.

 

Seine Meinung stand felsenfest. Er hatte keine Zeit, verflucht!

 

Granger war nicht in ihrem Büro gewesen, nicht in der Abteilung, anscheinend gar nicht in ihrem Urlaub hier. Aber was hatte er gedacht? Dass er unersetzlich für sie war? Ja. Das hatte er. Er sagte es natürlich nicht laut.

 

Und jetzt? Er wimmelte einen nach dem anderen ab. Mehrere Sekretärinnen mit Gute Besserungskarten verscheuchte er mit höflichen Floskeln. Er gähnte einige Male und deutete an, nur mal vorbeischauen zu wollen, was eine dämliche Ausrede war. Dann sagte er, er sei müde und müsse jetzt wirklich gehen.

 

Potter, fiel ihm plötzlich ein. Vielleicht war sie bei Potter!

 

Natürlich. Wo sollte sie sonst hin? Sie würde bestimmt nicht einfach irgendwo sitzen. Vielleicht weinte sie sich bei Potter die Augen nach ihm aus. So musste es sein, beschloss er.

 

„Sagen Sie, wo wohnt Potter eigentlich?“, fragte er eilig eine Sekretärin. Die Frauen wussten immer, wo alle wohnten.

 

Grove’s Mill“, erwiderte eine perplex. „Wollen Sie ihn besuchen, wegen Ronald Weasley? Der arme war ganz verstört war Angst!“ Oh, das sollte er auch. Dämlicher Weasley. Aber… er konnte ihm seinen Zorn schlecht verübeln.


„So etwas in der Art“, sagte er.


„Warten Sie, Mr Malfoy. Ich suche Ihnen die Adresse komplett raus“, beeilte sich die Sekretariatshexe ihm zu versichern und eilte davon. Gut, er könnte noch eine Minute länger warten, beschloss er.


„Es muss eine grauenhafte Erfahrung gewesen sein“, flüsterte eine andere Hexe jetzt und sah ihn mit großen Augen an. Gut, Zeit, sich bewundern zu lassen, würde er auch noch schnell aufbringen können.

 

„Oh ja… es war absolut Furcht erregend. Aber ich hatte ja noch nie in meinem Leben wirklich Angst!“, beschwichtige er die Damen, die jetzt aufseufzten. Oh, du Lügner, schalt ihn seine innere Stimme. Vor Granger hatte er solche Angst gehabt, dass er sich sogar zu seinem Vater geflüchtet hatte, verflucht. Aber das würde er nicht laut sagen. Hier, vor diesen Hexen, war er absolut furchtlos.

 

Und er vergaß die Zeit.

 

 

~*~

 

 

Das Anwesen war beängstigend groß. Sie hatte Bilder gesehen, Berichte gelesen, war aber noch nie wirklich so nah davorgestanden wie jetzt in diesem Moment. Sie schluckte schwer, schlich an den Pfauen vorbei, die ihr Angst einjagten, mit ihrer Größe, den arroganten Blicken und den bunten Federn, die sie zum Schutz in ihre Richtung streckten.

 

Sie überwand die letzten Meter laufend und hielt erst vor der schweren Tür inne.

 

Sie klopfte zaghaft und sagte sich, würde niemand in den nächsten zwei Sekunden öffnen, dann würde sie einfach ganz schnell wieder gehen. Sie hatte sich schon wieder umgewandt, als die Tür aufgezogen wurde.

 

„Ja?“, fragte ein Elf mit kratziger Stimme und so langen Nasenhaaren, dass sie fast wie ein Bart aussahen. Auch aus den alten, krummen Ohren wuchsen weiße Büschel. Sie fragte sich, wie alt dieses Exemplar wohl sein musste, und ob es nicht Zeit wurde, dass er in Rente ging. Gab es so etwas? Eine Elfenpension? Ein Eintrittsalter, ab dem ein Elf zu alt wurde?

 

„Ahem…“, sagte sie ratlos und der Elf runzelte gereizt die ohnehin schon faltige Stirn.

 

„Ja?“, wiederholte er langsam und sah sie wie versteinert an.

 

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste ja nicht mal, was sie hier wollte. Der Elf trug allerdings – im Gegensatz zum armen Dobby – einen kleinen Anzug. Maßgeschneidert und bestimmt um ein hundertfaches teurer als das, was die Malfoys ihm als Lohn zukommen ließen.

 

Die Malfoys. Wahrscheinlich bekam er gar keinen Lohn!

 

„Wie viel bezahlen Ihnen die Malfoys?“, hatte sie gefragt, ehe sie sich zurückhalten konnte. Er verzog den Mund, als hätte sie etwas Unanständiges gesagt. Sie kannte diese Elfen. Sie waren zu stolz, um zu erkennen, unterdrückt zu werden.


„Was wünschen Sie?“, ignorierte er ihre Frage und seine Worte klangen kühl.

 

Avalon, wer ist da? Es zieht!“, beschwerte sich die arrogante Stimme von Narzissa Malfoy.

 

„Eine Dame. Sie will nicht verraten, wie sie heißt, oder was sie will“, bemerkte der Elf spitz und Hermine stockte der Atem als sie den Schatten von Narzissa Malfoy auf dem Perserteppich ausmachen konnte. Sie stand plötzlich direkt vor ihr. Wie eine Königin der Nacht, plötzlich aus dem Dunkel aufgetaucht. Hermine zuckte unpassenderweise zusammen.

 

„Merlin“, sagte Narzissa und auch, wenn ihre Züge gleichgültig blieben, hörte Hermine an ihrer Stimme, dass sie doch überrascht, wenn nicht sogar fassungslos, über ihr Auftauchen war.

 

„Hallo“, sagte Hermine schließlich.

 

„Ich hoffe doch nicht, dass sie reinkommen möchten, Ms Granger“, bemerkte Narzissa kühl. Hermine wusste nicht, was sie wollte. Immer noch nicht.

 

„Ist er wach?“, fragte sie und vergaß, höflich zu sein.

 

Narzissa schwieg einen Moment. „Ist er wach?“, wiederholte Hermine mit Nachdruck.

 

„Er ist wach“, bestätigte Narzissa nach einer endlosen Weile, äußerst widerwillig.

 

„Er ist wach!“, rief Hermine schließlich ungläubig aus.

 

„Ja, er ist wach und er braucht sehr viel Ruhe, Ms Granger. Also vielleicht sollten Sie-“

 

„Wieso hat er sich nicht gemeldet? Wieso haben Sie mir nicht Bescheid gesagt?“, fuhr sie die mächtige Frau vor sich an und vergaß, mit wem sie es zu tun hatte.

 

„Ich habe Ihnen den Gefallen getan, meinem Sohn nichts von Ihren verqueren Gefühlen zu berichten“, erwiderte Narzissa kühl und der Elf sah von einer Frau zur anderen. Hermine überlegte kurz.


„Gut“, sagte sie schließlich. „Trotzdem will ich ihn sehen.“

 

„Warum?“ Narzissa Malfoy hielt die Tür mit einer Hand fest, als wolle sie persönlich verhindern, dass Hermine das Haus betrat.

 

„Weil… ich mir Sorgen mache! Ist das so schwer zu begreifen?“, schrie Hermine plötzlich und war außer sich. „Ich habe Ihnen gesagt, wie ich fühle! Und es sind drei Wochen vergangen. Denken Sie, ich nehme es einfach gelassen hin? Das tue ich nicht! Und Sie schließen ihn einfach-!“

 

„Was ist los, es zieht“, beschwerte sich eine weitere Stimme und Hermine taumelte vor Schreck die Stufen hinunter. Sie schnappte kurz nach Luft, war dabei, nach ihrem Zauberstab zu greifen, hielt sich aber selber noch auf. Aber ihre Hand lag jetzt auf ihrem Hosenbund.


„Wie nett“, fuhr Lucius Malfoy fort. „Eine angenehme Begrüßung hat jeder gerne, nehme ich an. Was können wir für Sie tun?“

 

„Sie will zu Draco“, beantwortete seine Frau für ihn die Frage. Lucius runzelte kurz die Stirn.

 

„Wirklich? Sie machen sich den Aufwand, hierher zu kommen? Sie kommen allein? Ohne Harry Potter, der sie beschützt. Nur um Draco zu sehen?“ Hermines Mund klappte langsam zu und sie beruhigte sich wieder. Lucius Malfoy würde sie nicht auf seinem Grundstück töten. Obwohl es wohl keinen besseren Ort gab, um ihre Leiche zu verscharren.

 

Ihr Blick senkte sich langsam. In seiner Hand hielt er einen Muffin, stellte sie fest. Sie brachte Lucius Malfoy nicht mit etwas so harmlosen wie einem Muffin in Verbindung. Unter keinen Umständen.


„Draco ist nicht hier. Aber wenn Sie herein kommen wollen, um auf ihn zu warten?“, bot er mit einem gefährlichen Lächeln an.

 

„Was?“

 

„Was?“

 

Gleichzeitig sagten sie und Narzissa diese Worte.

 

„Aber bitte, Narzissa. Anscheinend… gibt es eine seltsame Verbindung zwischen Draco und Ms Granger. Sie soll ruhig reinkommen.“

 

„Damit Sie mich in Ihrem Folterkeller töten können?“, fragte Hermine vorsichtig und tatsächlich lächelte Lucius wieder.


„Sie haben Humor.“

 

„Nein, habe ich nicht. Ich meine es sehr ernst!“, erklärte sie leise.

 

„Ich will sie nicht in meinem Haus!“, zischte Narzissa und machte sich nicht einmal die Mühe, die Stimme zu senken.

 

„Wissen Sie, Mrs Malfoy, Muggel tropfen keinen Schlamm auf Ihre teuren Teppiche oder Sofas, denn selbst wenn wir Schlammblüter wären, wäre das Blut – oder der Schlamm – im Inneren unseres Körpers?“ Ihre Stimme klang zynisch und sehr trocken.

 

Lucius lachte auf.

 

„Sie ist wirklich witzig, Narzissa.“ Narzissa Malfoy jedoch hatte die Lippen aufeinander gepresst. Sie ging wohl gerade alle ihre Möglichkeiten durch. Dann ging ihr wahrscheinlich wieder die Schlacht um Hogwarts durch den Kopf. Vielleicht hatte sie es verdrängt, aber sie, Harry und Ron hatten ihren Sohn gerettet. Jedenfalls war es das, was Hermine durch den Kopf ging.

 

„Wir haben keine Vorurteile, Ms Granger. Kommen Sie rein.“

 

Dann ließ ihre schmale Hand die Tür endlich los und stieß sie auf. Der Elf ging wieder anderen Tätigkeiten nach, nahm sie an, denn er entfernte sich mit neugierigen Blicken. Lucius biss interessiert in seinen Muffin und Narzissa bot ihr mit dem Arm an, hinein zu kommen.

 

Hermine war wie versteinert. In jedem Märchen unterbrach der Erzähler die Geschichte mit etwa einem Satz, wie: Und die Heldin ahnte nicht, in welche Gefahr sie sich begeben würde, würde sie den Bösewichten trauen und die Höhle des Löwen betreten….

 

~*~

 

 

Er hatte die Adresse endlich bekommen, sich von den Bewunderinnen losgerissen und stand nun ratlos vor der Wohnung. Er betätigte den Knopf, der magisch das Klingeln in der Wohnung auslösen würde.

 

Kurz war er irritiert, als er Weasleys Stimme, magisch über sich verstärkt hörte. Aber wahrscheinlich hatte er auch kein Leben und lungerte ständig bei Potter rum.

 

„Ja, wer ist da?“ Er klang schlecht gelaunt. Gut. Dann würde seine Laune jetzt wohl nicht besser werden. Draco räusperte sich.


„Draco Malfoy“, sagte er also, so sicher er konnte und am anderen Ende wurde es sehr still. Zuerst dachte er, Weasley würde ihn eiskalt ignorieren, dann flog die Tür unten auf. Er ging schon wieder irgendwelche fremden Treppen hoch, überlegte er gerade dumpf, wo ihm Granger doch so lächerlich egal war.

 

Weasley stand schon in der Tür.

 

„Ja, ich lebe noch“, sagte Draco, ehe Weasley ihm einen hervorragenden Auftritt versauen konnte. Weasley schien bleich zu werden, lachte verhalten, beinahe hysterisch und räusperte sich dann heiser.

 

„Du willst mich nach Askaban bringen, richtig?“, fragte er panisch und Draco genoss den Moment der echten Angst auf Weasleys Gesicht.


„Nein“, sagte er nach einem Moment. Er fühlte sich unwohl auf dem Flur. „Alle Klagen sind aufgehoben. Auch meine Eltern werden sich nicht an dir zu schaffen machen“, fügte er hinzu, als Weasley den Mund schon geöffnet hatte.


„Was ist los, Ron?“ Seine Schwester hatte sich neben ihn gestellt. „Uh oh“, sagte sie beunruhigt. „Du kommst, um ihn mitzunehmen?“ Was dachten sie? Dass er die Autorität dieser Stadt war?


„Nein. Sehe ich so aus?“ Er sah an sich hinab und überlegte, vielleicht etwas anderes hätte anziehen können. Wenn Granger auch denken würde, er käme um irgendwen nach Askaban zu bringen, dann sah vielleicht doch zu förmlich aus, in dem schwarzen Anzug, den er trug.

 

„Wer will wen mitnehmen?“ Es sah albern aus, aber auch Potter hatte sich jetzt in den schmalen Flur gesellt und starre ihn an. „Malfoy“, sagte er langsam. „Ist jemand gestorben?“, fragte Potter unbeeindruckt und betrachtete den Anzug. Draco verdrehte die Augen.


„Also, ich habe nicht vor, Weasley mitzunehmen. Auch wenn er das verdient hätte.“ Er schenkte dem Wiesel einen zornigen Blick. Er würde nicht vergessen, wie wütend er gewesen war. Mit erhobenem Zauberstab, zu schnell für ihn, um zu reagieren. Draco hatte sich schon vom Leben verabschiedet gehabt.

 

„Ja, ich… habe nicht… du weißt… du… ich…“, war alles was Weasley stammelte. Draco nahm an, es war ansatzweise so etwas, wie eine Entschuldigung.


„Es tut dir leid?“, half er gereizt nach und Weasley hob verstimmt den Blick.

 

„Es tut mir leid“, bestätigte er nach einer ganzen Weile.

 

„Hermine hat uns schon gesagt, dass du ihn wahrscheinlich nicht verhaften lässt“, erklärte Potter eher unbeeindruckt. Und ehe Draco sich aufhalten konnte, sprach auch schon sein dummer Mund.

 

„Ist sie hier?“

 

Weasleys Schwester sah ihn  böse an.

 

„Nein, sie ist im Ministerium. Arbeiten. Etwas Vernünftiges tun.“ Sein Mund öffnete sich stumm. „Denkst du, sie wartet hier, bis Prinz Malfoy endlich aufwacht?“ Er schüttelte den Kopf. Aber nicht auf ihre Worte hin.


„Sie ist nicht im Ministerium. Ich war da.“ Erst jetzt begriff er, was er gerade gesagt hatte.


„Du hast sie gesucht?“, wollte Potter ungläubig wissen.


„Nein“, gab Draco hastig zurück. Ihm fiel keine Ausrede ein.


„Sie hat gesagt, sie wäre dort.“

 

„Dann hat sie wohl gelogen, oder?“, entgegnete er genervt und fühlte sich im Flur immer unwillkommener.

 

„Vielleicht in der Confiserie?“, warf Weasley verblüfft ein.

 

„Nein, da-“ Draco biss sich rechtzeitig auf die Zunge, aber Weasleys Schwester lächelte plötzlich.


„Da warst du auch schon?“ Draco atmete schließlich aus.

 

„Also, wo ist sie?“ Er gab auf. Es war albern, zu leugnen, dass er sie sehen wollte.

 

„Ich weiß nicht“, sagte Potter schließlich mit echter Verwirrung. „Wo könnte sie hingegangen sein, wenn sie uns extra dafür anlügen muss?“, wandte er sich an Weasley und dieser wurde noch ein Stück bleicher. Er wandte den Blick wieder auf ihn.

 

Draco begriff in dieser Sekunde. Granger war mutig. Verflucht mutig. Und sie machte sich Sorgen um ihn. Triumph begleitete diesen letzten Gedanken.

 

„Sie ist bei meinen Eltern“, fasste Draco schließlich in Worte, was alle mit aufgerissenen Augen begriffen hatten.

 

 

 

Kapitel 22

 

Ihre Hand ruhte auf dem Bund ihrer Hose und zu jeder Sekunde wäre sie bereit, ihren Zauberstab zu ziehen. Als Lucius an ihr vorbei schritt erschrak sie kurz. Er hatte Dracos Statur und seine Gesichtszüge, aber er hatte ein völlig anderes Gemüt. Sie erkannte Draco im Äußeren, aber nicht hinter denselben blauen Augen.

 

Lucius setzte sich auf die breite, unheimliche teure Couch und Hermine erlaubte es sich gar nicht erst, den Blick schweifen zu lassen. Narzissa blieb gereizt an der Tür stehen, verschränkte ungastlich die Arme und warf ihr einen kühlen Blick zu. Das war Dracos Gemüt. Das kannte sie, damit konnte sie umgehen.

Der Elf kam unaufgefordert wieder.

 

„Miss“, bot er ihr ein Tablett an, auf dem drei Tassen Tee standen. Es kam ihr vor wie britisches Roulette. In welcher der Tassen war wohl das Gift? Vielleicht in allen, weil die Malfoys jetzt sowieso ihr Haus abbrennen mussten.


Ms Granger, ich bitte Sie“, sagte Narzissa mehr als gereizt und es wunderte Hermine nicht, dass Narzissa ihre Gedanken richtig gedeutet hatte. Lucius griff sich eine Tasse, als Hermine gezögert und der Elf schließlich zu ihm gegangen war. Narzissa klang höchst beleidigt in ihrer sogenannten Gastfreundlichkeit.

 

Hermine nahm sich ebenfalls eine Tasse, beschloss sie aber nicht anzurühren.

 

Und dann beging sie den großen Fehler den Blick vom kunstvoll geknüpften Drachenteppich zu wenden. Ihre Augen trafen auf die endlos langen Bücherreihen und das Bild löste ein Fehler in ihren Synapsen aus, denn plötzlich vergaß sie, wo sie war. Ihre Sehnerven erlaubten ihr nur noch, Bücher zu sehen.

 

Sie schritt los, ohne zu zögern, ohne innezuhalten, ohne nachzudenken. Sie erkannte die Bücher sofort. Sie hatte genug Bilder in Archiven gesehen, um zu wissen, dass sie als verschollen und für immer verloren galten.

Sie hob die Hand zu den beschlagenen Rücken und hauchte ehrfürchtig die Luft aus ihren Lungen.

 

„Merlin!“, flüsterte sie und nicht nur, weil das Wort gerade passend war, nein sondern weil es tatsächlich die Merlinbücher waren, die er höchstpersönlich verfasst hatte. Vor aberhunderten von Jahren. Es war unglaublich. Vielleicht waren sie eine Fälschung? Sie erschrak so sehr, als Lucius plötzlich neben ihr stand.

 

„Beeindruckend, nicht wahr? Sie sind natürlich behandelt, damit sie nicht beim kleinsten Lufthauch zu Staub zerfallen. Ich habe sie gefunden und mir gedacht, dass ich mich wesentlich besser um sie kümmern kann, als jeder andere.“

 

Hermine hatte eine Augenbraue gehoben. Was gefunden bei Lucius Malfoy bedeutete, konnte sie sich denken. Wahrscheinlich hatte er sie einem unschuldigen Opfer aus den leichentoten Fingern geraubt. Er lächelte kurz. Nicht freundlich, aber auch nicht gefährlich. Sie nippte an ihrem Tee und hatte geschluckt, ehe sie sich daran erinnern konnte, das Gift nicht zu trinken.

 

Jetzt hatten sich ihre Augen geweitet. Lucius schmunzelte erneut.


„Das Gift braucht sowieso gute vierundzwanzig Stunden, bis uns nichts mehr nachgewiesen kann. Es basiert auf reinem Alkohol.“ Ihr Mund öffnete sich schockiert  und dann schenkte er ihr ein Draco-Lächeln. Ihr Mund schloss sich.


„Das ist wirklich nicht witzig, Mr Malfoy“, knurrte sie ungehalten und stellte die Tasse auf einen kleinen Beistelltisch.

 

„Ich fand schon. Es ist interessant, Ihnen zuzusehen, wie unwohl sie sich fühlen.“ Sie wandte sich ab, ehe sie erröten würde. Vor Zorn. Vor nichts anderem. Das immens erschreckende Bild über dem riesigen Kamin, ließ sie die Stirn runzeln. Sie konnte nicht verhindern, es zu verurteilen.

 

Lucius thronte neben seiner Frau, die auf einem sehr prunkvollen Sessel saß. Draco saß daneben auf der Lehne und wirkte nicht viel älter als jetzt. Narzissa hatte ihm die Hand auf das Knie gelegt und Lucius den Arm um seine Schulter.

 

„Sie finden es scheußlich?“, erkundigte sich Lucius belustig, aber Hermine schüttelte starr den Kopf.


„Es sieht recht… frisch aus.“ Lucius schien es zu genießen, dass sie die richtigen Dinge festzustellen schien, denn er bot ihr an, näher an das Bild zu treten.


„Es ist eine Großartigkeit, Ms Granger. Sie mögen mit dieser Kunst nicht vertraut sein, weil es – bei allem Respekt – für Menschen wie Sie, unerschwinglich ist, aber hierbei handelt es sich um kein gewöhnliches Portrait. Es wird mit einem komplizierten Alterszauber belegt. Er erfasst das gesamte Leben eines Menschen und drückt es, je nach vergangener Zeit in Farben aus.“ Hermine begriff nicht ganz.

 

Sie betrachtete das Bild und tatsächlich sah Lucius genauso aus wie jetzt in dieser Sekunde. Dann stellte sie die nächste Frage.

 

„Wann wurde es gemalt?“, fragte sie leise. Lucius schien kurz zu überlegen.


„Vor fünfundzwanzig Jahren“, sagte er schließlich.


„Was? Da war Draco…“ Sie unterbrach sich. Seine Eltern wussten, wie alt Draco da gewesen sein muss. Drei. „Das Bild altert!“, rief sie schließlich aus.

 

„Nein, die Farben übernehmen ein Alter, was in ihnen sowieso vorhanden ist. Sie können nicht anders als sich anzupassen, aber wahrscheinlich ist das für Sie zu kompliziert, also sagen wir einfach, ja, das Bild altert.“ Das ließ sie nicht auf sich sitzen. Das konnte er vergessen!

 

„Sie wollen sagen, die Farben bilden eine exakte Kopie des Menschen, was wirklich kein ungefährlicher Zauber. Die Farben sind also eher weniger Farben, als tatsächlich ein genetischer Meisterstreich der Kunst. Ich nehme an, es wurde mit Blut genauso gezeichnet wie mit Farben? Denn nur Blut birgt den genetischen Code, der den Farben erlaubt, das Alter zu erkennen?“ Sie ließ es als Frage enden, obwohl sie genau wusste, dass sie recht hatte. „Ich bin mir bewusst, was ein Blutgemälde ist, Mr Malfoy.“

 

Und zum ersten Mal wirkte Lucius beeindruckt. So beeindruckt, dass er nicht sprach. Wahrscheinlich überlegte er auch, ob sie recht haben konnte und ihn ohne zu zögern verklagen würde. Blutbilder waren nämlich verboten. Das wusste Lucius, das wusste sie. Blutbilder waren sehr populär gewesen, sie erinnerte sich an einen Bericht im Zauberspiegel. Allerdings wusste das Bild, wann jemand starb. Oder nein. Das Bild nicht wirklich, aber es war ja im genetischen Code der Farben enthalten. Und es war vierundzwanzig Stunden schneller im Bilde als der Mensch.

 

Würde ein Mensch also sterben, dann würde er im Blutgemälde nicht mehr erscheinen. Und das war eine unangenehme Sache und außerdem eine Sache, weswegen berühmten und reichen Zauberern früher solche Bilder gestohlen wurden, weil man selber  - sobald man das Bild zerstörte und Farbproben entnahm – wusste, wann jemand sterben würde.

 

Und die Behörden hatten es, Merlin sei Dank, irgendwann als illegal empfunden, solche Todesbilder zu malen.

 

Narzissa stieß ein genervtes Stöhnen aus.

 

„Sie haben Ihre Worte also ernst gemeint?“, erkundigte sich Narzissa spitz. Hermine musste sie nicht fragen, um rot zu werden. Sie musste die Worte nicht noch einmal hören, die sie gesagt hatte. Aber sie wusste, da Narzissa ja wie ihr Sohn war, dass sie nicht verschont bleiben würde. „Sie lieben meinen Sohn?“ Sie sah, wie Lucius kurz den Mund öffnete und dann wieder schloss.

 

Hermine musste schlucken, ihren Atem beruhigen und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. „Oder nicht, Ms Granger?“

 

„Ich habe es nicht auf Ihr Gold abgesehen. Oder Ihre Anerkennung. Oder sonst irgendwas, wovor Sie sich fürchten, es aufgeben zu müssen. Ihre Familie hat mich immer angewidert und es bereitet mir größte Qualen, dass mein Herz mich so verraten hat. Aber meine Gefühle haben nichts mit Ihnen oder Ihrem Mann zu tun. Lediglich mit Ihrem Sohn.“ Sie hatte sich in Rage geredet und hörte wie Lucius langsam ausatmete. Wahrscheinlich überlegte er es sich jetzt mit dem Gift doch noch mal anders.

 

„Deswegen redet er davon, zu heiraten“, sagte er fassungslos zu seiner Frau.

 

„Was?“ Hermine hatte sich mit einem leisen Quietschen umgedreht. Sie starrte Lucius an.

 

„Er hat versprochen, keine Muggel zu heiraten“, fuhr Lucius ungerührt an seine Frau gewandt fort.


„Er wird auch keine heiraten. Oder haben Sie ihn da schon in die Enge getrieben?“, warf Narzissa ein und schenkte ihr einen zornigen Blick. Hermines Mund öffnete und schloss sich wieder. Heiraten? Wer zum Teufel sprach denn von so etwas? Sie bestimmt nicht. Mit keinem Wort! Sie ließ ihr keine Zeit zu antworten, denn Lucius unterbrach sie.

 

„Das fasse ich nicht. Er liebt sie also auch?“ Hermine öffnete den Mund erneut.

 

„Das weiß ich nicht. Ich habe ihm natürlich nicht gesagt, dass sie ihn liebt, Lucius, was denkst du denn?“ Lucius schnappte nach Luft.

 

„Ich denke nicht, dass ihn aufhalten kannst, wenn er das will. Wahrscheinlich sucht sie er gerade, um ihr den Antrag zu machen, verdammt!“, rief er aus und fixierte sie jetzt. Hermines Griff um ihren Zauberstab verfestigte sich. Jetzt würde sie von den Malfoys umgebracht werden! Ungefähr jetzt! Lucius verdrehte gereizt die Augen.


„Wenn Sie jedes Mal Angst davor haben, umgebracht zu werden, wenn wir uns sehen, dann haben ein ziemlich großes Problem!“, knurrte er böse.


„Ich habe überhaupt nicht vor, zu heiraten!“, rief sie heiser. „Ich habe nie mit ihm darüber… wir haben sowieso noch nie gesprochen!“, korrigierte sich und wusste, wie seltsam diese Worte klangen.


„Was?“, unterbrach sie Narzissa. „Sie haben noch nie gesprochen? Wie kann es dann sein, dass Sie ihn lieben?“ Hermine fühlte jedes Mal einen Stich, wenn dieses Geheimnis so  brutal ans Licht gezerrt wurde.

 

„Ich… ich…“

 

„Was kann es dann sein, was sie überzeugt hat, so eine Aussage zu treffen? Sie sind doch anscheinend intelligent genug, nicht ihrem Herzen zu folgen, bei solchen Entscheidungen?“ Narzissa fixierte sie gefährlich ruhig. Dann klärte sich ihr Blick. „Sie haben mit ihm geschlafen.“ Hermine wurde so rot, dass sie den Blick senken musste. Lucius wich einen Schritt zurück.

 

„Wehe, Sie sind schwanger!“, rief er aus. Zornig drehte sie sich zu ihm um.

 

„Nein, Lucius. Ich bin nicht schwanger. Natürlich bin ich nicht schwanger!“ Sie atmete genervt aus. Lucius schien sich etwas zu beruhigen.

 

„Er schläft mit tausenden!“, erklärte er, als wäre es nichts weiter.


„Nicht seit seiner Muggel Wohltätigkeitsphase“, warf Narzissa besorgt ein.


„Seiner was…?“ Hermine konnte nicht fassen, wie diese Menschen über ihren Sohn sprachen.

 

„Warum sie?“, jammerte Narzissa, und Hermine fühlte sich schon gar nicht mehr anwesend. „Und wieso kommt er nicht wieder?“

 

„Willst du, dass er hier ist, wenn sie da ist? Damit er uns wieder emotional und verbal die Hände binden kann?“ Hermine verstand nicht.


„Du lässt es ihm doch nicht durchgehen? Lucius!“ Drohend betrachtete sie ihren Mann.


„Er ist erwachsen. Wenn er sie heiraten muss…“ Es klang wie eine schreckliche Pflicht, die ihm plötzlich und anscheinend unausweichlich auferlegt wurde.


„Ich will Ihren Sohn nicht heiraten!“, rief sie zornig. Narzissa funkelte sie an.


„Ach und warum das wohl nicht? Ist er Ihnen nicht gut genug, Ms Granger?“ Hermine konnte nur fassungslos und ungläubig den Mund öffnen.


„Was?“, flüsterte sie verwirrt und Narzissa runzelte selber über ihre Worte die Stirn.

 

„Sie lieben meinen Sohn?“, fragte jetzt auch Lucius mehr als verwirrt. Und Hermine starb einen weiteren Tod. Sie wollte vielleicht mit Ginny darüber reden, ganz vielleicht auch mit Harry, aber bestimmt nicht mit Lucius, Narzissa oder Ron. Ja, Ron gehörte auch mit in diese Reihe. Lucius sah sie an, als hätte sie gesagt, sie verspeise rohe Hauselfen zum Frühstück. Es lag eine Art von Unglauben in seinem Gesicht, den sie sehr gut nachfühlen konnte.

 

Sie ergab sich. „Ja“, sagte sie leise.

 

Ihr wurde augenblicklich klar, dass sie jetzt gehen musste. Weswegen war sie überhaupt hier rein gekommen? Hatte sie darauf gehofft, dass magischerweise auch Lucius und Narzissa bessere Menschen geworden waren? „Ich finde es unmöglich, dass Sie mir nicht Bescheid gesagt haben. Nicht einmal haben Sie sich gekümmert, mir irgendwelche Informationen zukommen zu lassen“, fügte sie böse an Narzissa gewandt hinzu. Es war offensichtlich, dass sie ihren Sohn nicht mit einer weiteren Frau teilen wollte. Jedenfalls keiner, die nicht äußerlich den Anforderungen entsprach.

 

„Und wenn ich ihn heirate, dann werde ich Ihre Zustimmung nicht benötigen!“, fügte sie so kühn hinzu, dass ihr Verstand sie erschlug. Merlin, was erzählte sie da? Sie hasste Heirat. Sie würde doch niemals heiraten! Ron hätte sie heiraten sollen. Aber das hatte sie nicht. Also stellte sich jetzt nicht mehr die Frage. Und sie ging zu den Eltern des Grauens und sagte solche Worte? Lucius und Narzissa wirkten beider bleicher als zuvor.

 

Sie schritt durch die lange Halle und erwartete eigentlich von einem Unverzeihlichen getroffen zu werden. Aber nichts passierte. Absolut gar nicht. Sie kam unbeschadet zur Tür.

 

Sie kam unbeschadet nach draußen. Aber der Elf erschien aus dem nichts, um die Tür schließen zu können. Und er wirkte tatsächlich amüsiert. Wahrscheinlich war noch nie etwas Spannenderes passiert.

 

„Danke“, sagte Hermine ungehalten, griff in ihre Tasche, gab ihm eine Galleone und der Elf betrachtete verwirrt die Münze in seiner Hand. Dann beeilte sie sich an den Pfauen vorbei zum Tor zu rauschen.

 

Sie brauchte jetzt… sie wusste es nicht. Am besten reiste sie zurück in der Zeit und verhinderte, dass sie dieses Horrorhaus betrat. Schokolade. Sie wollte Schokolade. Sie musste mit jemandem reden. Luna. Luna war eine gute Wahl. Malfoy schien sich ja zu verstecken. Oder sonst was zu tun! Sie nahm ihm übel, dass er sie nicht vor seinen Eltern bewahrt hatte.

 

Sie apparierte.

 

~*~

 

Er apparierte.

 

Die Pfauen schienen recht aufgewühlt zu sein. Er eilte hoch zum Haus. Er spürte die Erschöpfung langsam in seine Muskeln kriechen. Aber es ging ihm immer noch ganz gut. Wenn man bedachte, dass er die letzte Zeit schlafend zugebracht hatte. Er öffnete die Tür, nach dem der Türklinken-Zauber ihn erkannt hatte.

 

Seine Eltern saßen angespannt auf der Couch und unterbrachen ihr Gespräch.

 

Seine Mutter sah ihn in tödlicher Beleidigung an. War sie sauer, dass er solange fort gewesen war? Wo war Granger? War sie hier? Lag sie tot im Keller? Nein, absurd. Seine Eltern waren keine Monster. Na ja… jedenfalls nicht mehr solche Art von Monster.

 

„Ist sie hier?“, fragte er außer Atem und kannte die Antwort bereits.

 

„Du bist zu spät. Deine Verlobte ist bereits gegangen“, erklärte sein Vater kalt.

 

„Sie ist weg?“

 

Moment…. Seine… was?

 

„Was?“, fügte er verwirrt hinzu, denn ihm war neu, dass er überhaupt eine Verlobte besaß.

 

„Hermine Granger hat uns eben gerade klar gemacht, dass sie unser Einverständnis nicht braucht, um dich zu heiraten.“ Was? Schlief er noch? War das ein seltsamer Traum?

 

„Sie hat was…?“

 

„Wieso erzählst du uns so etwas nicht? Ging es darum? Hat dich Weasley verflucht, weil du Hermine Granger heiraten wolltest? Dann kann ich ihn nämlich gut verstehen!“, rief seine Mutter unter Tränen aus und erhob sich.


„Mutter!“, begann  er schockiert, aber sie hob abwehrend die Hand.

 

„Ich möchte jetzt nicht mit dir reden. Du, der du unser Blut und unsere Ehre entweihst, mit diesem… mit dieser… Person“, fügte sie böse hinzu. Draco kratzte sich verwirrt am Kopf. Er sah seinen Vater für weitere Informationen an.

 

„Was habt ihr mit ihr gemacht?“, wollte er schließlich wissen. Lucius atmete langsam aus und der Elf reichte ihm ein Glas mit goldener Flüssigkeit. Wenn Lucius jetzt schon zum Alkohol überging, dann musste es ernst sein.

 

„Hättest du nicht einfach eine Reinblüterin nehmen können? Ich meine, die sind auch anstrengend und aufmüpfig und unausstehlich. Guck dir deine Mutter an“, murmelte er und lehnte den Kopf zurück. Draco öffnete verwirrt den Mund.

 

„Aber… ich heirate doch überhaupt nicht, Vater!“, rief er ärgerlich aus. Was hatte Granger bitteschön angestellt?

 

„Wenn du uns nicht einlädst enterbe ich dich noch heute Abend“, drohte sein Vater jetzt tonlos und leerte sein Glas mit einem Seufzen.

 

„Wo ist sie jetzt?“

 

„Ich weiß es nicht“, erklärte sein Vater teilnahmslos. „Kleider aussuchen?“, schlug er träge vor und Draco konnte sich nicht mehr beherrschen.


„Das ist wirklich großartig. Ich habe keine Ahnung, was hier gespielt wird, aber vor zwei Tagen war ich noch im Koma und von Heirat war bis dahin keine Rede. Sie hat euch bestimmt irgendeinen Streich gespielt. Es ist nicht echt, in Ordnung? Ich will sie nicht heiraten!“, rief er aufgebracht.

 

„Nein?“, erkundigte sich Lucius mit einem milden Lächeln. „Sie liebt dich genug, um deine Familie zu ignorieren. Bemerkenswert, nicht wahr?“

 

„Hör zu, ich…“ Er unterbrach sich selbst. Was?! „Sie…?“, begann er verwirrt und konnte nicht glauben, solche Worte Granger zuzuordnen. „Wir kennen uns doch gar nicht wirklich… gut genug…“, endetet er langsam. Sein Vater bestellte mit einem Fingerschnippen einen weiteren Drink.


„Dafür dass ich euch so zuwider seid, reist ihr ziemlich viel in der Weltgeschichte herum, um euch zu finden. Ich hasse junge Menschen“, murmelte Lucius ungerührt und nahm den zweiten Drink entgegen. Dracos Mund öffnete sich. Sie war also hier, hatte von Heiratsplänen gesprochen, davon, dass sie ihn liebte und sie war wieder gegangen? Wohin? Nach Hause? Zu Potter?

 

Er sehnte sich nach dem ruhigen Koma zurück. Aber neben diesem Wunsch, war der Drang, sie sehen zu müssen, fast schon übermächtig. Mit einem leisen Fluch erhob er sich zornig und verließ sein eigenes Haus wieder.

 

„Und du kannst ihr sagen, dass wir es nicht schätzen, wenn sie unsere Elfen bezahlt!“, rief ihm Lucius noch hinter her, als er die Tür ins Schloss gezogen hatte. Diese Worte machten keinen Sinn in seinem Kopf, aber auf Granger bezogen waren sie wirklich nicht verwunderlich.

 

Granger wollte also seine Eltern mit Lügen gegen ihn aufbringen? Das sollte sie ihm erst mal persönlich erklären. Auge in Auge. Wenn sie sauer auf ihn war, dann sollte sie ihn persönlich fertig machen. Nicht über seine Eltern!

 

Er verließ das Grundstück, betrachtete gereizt die dummen Pfauen und apparierte zurück in die Stadt.

 

 

Kapitel 23

 

Mürrisch hatte sie die Confiserie betreten. Luna fertigte gerade ein paar zufriedene Familien ab und Hermine stach wieder einmal das Paar-Paket ins Auge. Richtig. Da waren ja noch alberne Pläne gewesen. Sich kam sich so kindisch und albern vor. Sie kam sich nicht mehr vor, wie sie selbst.

 

Es war seltsam, aber solange Draco nicht in der Nähe war, solange sie sich nicht mal mehr sicher sein konnte, dass überhaupt etwas passiert war, war es ihr praktisch unmöglich überhaupt zu kompensieren, was in den letzten Wochen passiert war. Wie sie jetzt Tag ein und Tag aus Zuhause gesessen hatte, in Sorge um Draco, der sich nicht einmal genug dafür interessierte, dass sie erfuhr, dass er wieder wach war.

 

War es nur ein Spiel gewesen? War sie auf seine Gleichgültigkeit reingefallen? Hatte er nur mit ihr schlafen wollen, um sich dann wieder seinem Leben zu widmen? Und hatte sie episch auf allen Längen versagt, weil sie sich insgeheim mehr erhofft hatte? Und selbst wenn sie jetzt beschloss, damit abzuhaken, wussten jetzt seine Eltern, dass sie ihn liebte. Und er könnte sich nach Herzenslaune über sie lustig machen.

 

Wahrscheinlich würde es ein Todesserkaffeekränzchen geben, wo sich alle ehemaligen dann mit Schampus begießen konnten und darüber lachten, dass auch die letzte Muggelverfechterin einem Todesser verfallen war.

Sie schloss gereizt die Augen.

 

Oh nein. Sie liebte Draco Malfoy. Die Auswirkungen dieser Tatsache, erschlugen sie praktisch in diesem Moment.

 

„Na, Langeweile gehabt?“, fragte Luna munter und Hermine verzog den Mund.

 

„Nein“, sagte sie offen und Luna lehnte sich über die Theke. Die kleinen Rührer hüpften aufgeregt, aber Hermine hatte jetzt keinen Sinn dafür. Sie wollte weder Namen im Kakao entziffern, noch wollte sie überhaupt an Schokolade erinnert werden.

 

„Übrigens, habe ich dir eigentlich schon genug gedankt, dass du ausgeholfen hast?“ Hermine verkniff sich ein Stöhnen.

 

„Eigentlich hat Malfoy mehr geholfen.“

 

„Unsinn. Der hat nur geholfen, weil du eingesprungen bist. Hat er dich gefunden?“ Und dieser beinahe qualitative Nebensatz, ließ sie aufhorchen.

 

„Wer?“

 

„Malfoy“, erwiderte Luna und schob sich einen winzigen Trüffel in den Mund.

 

„War… war er hier gewesen?“ Sie fragte die vorsichtig, fast so, als können sie womöglich wieder unwahr werden, hatte sie sie erst einmal ausgesprochen. Luna ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja. Aber ich habe ihm gesagt, du verbringst deinen Urlaub Zuhause.“

 

„Ich… war bei Harry“, erklärte sie nur tonlos.

 

„Na, dann werdet ich euch wohl irgendwie verpasst haben“, erklärte Luna achselzuckend. „Was wird jetzt eigentlich aus euch? Ich meine, irgendwie ist es schon seltsam. Aber…“ Sie schien kurz nachzudenken. „Ich fühle mich irgendwie verantwortlich. Stell dir vor, ich bin verantwortlich dafür, dass ihr zusammen kommt.“

 

„Zusammen?“, weiderholte Hermine verzweifelt. „Wir sind nicht zusammen, Luna. Es gab kein Abkommen darüber. Es gab… nicht mal wirklich ein Gespräch.“ Wenn man die endlosen Streitigkeiten ein Gespräch nennen konnte, gut, dann gab es auch ein Gespräch, aber…. Aber nein.

 

„Nicht? Er schien mir ganz den Eindruck zu machen. Wieso redet ihr nicht einfach? Ich dachte, du wolltest ihn sowieso besuchen, wenn er aufgewacht ist?“

 

„Ja!“, gab sie aggressiv zurück. „Aber es war wohl nicht wichtig genug, mir mitzuteilen, dass er wieder wach ist.“ Er war wieder wach. Noch eine Sache, die sie nicht ganz zuordnen konnte. Sie wusste, ihr Leben war grauenhaft gewesen, war ihr plötzlich so endlich vorgekommen, wenn sie darüber nachgedacht hatte, ihn zu verlieren, zu überlegen, dass er vielleicht nicht mehr aufwachen würde.

 

Und jetzt…? Jetzt war er wach und… sie war endlos dankbar und dafür auch genauso zornig. Er hatte sich nicht gemeldet. Aber anscheinend suchte er sie. Oder auch nicht. Aber was sollte sie tun? Luna hatte eine Augenbraue gehoben.

 

„Hermine… manchmal muss die Dinge selber in die Hand nehmen. Denkst du, Neville hätte mich geheiratet, hätte ich ihm nicht Dampf gemacht?“ Hermine schloss wieder die Augen.

 

„Niemand spricht von einer Hochzeit!“ Hinter ihr schlug ein Rührer gerade vor Entrüstung einen Topf kaputt. Luna schüttelte verwirrt den Kopf.

„Sie sind heute ganz durch den Wind“, stellte sie ratlos fest. Hermine wandte den Blick nach hinten. Die Rührer schienen sich stumm und sehr unbeherrscht aufzuregen. Einige deuteten zornig auf ihr Lebkuchenhaus, ein anderer schubste den Rührer, der den Topf vor Aufregung zerschlagen hatte. Kakao breitete sich aus, aber faszinierenderweise konnten ihn die Rührer mit ihren Stäben aufsaugen.

 

Hermine öffnete verwirrt den Mund. „Was ist denn los mit euch?“, fragte sie ruhig und musste sich eingestehen, dass sie sich ein Schokoladenleben ohne die Rührer noch kaum vorstellen konnte. Sie schienen in ihrer eigenen Welt zu leben und sich über irgendwas aufzuregen. „Irgendwas im Haus kaputt gegangen?“

 

Heilloses Durcheinander herrschte plötzlich vor ihr auf dem Sims des Schaufensters. Die kleinen Männer schienen dankbar die Hände in die Höhe zu strecken, zeigten aufgebracht auf das Haus, schwangen die Stäbe in stiller Freude und drängten sich plötzlich in einem knappen Dutzend vor sie und nickten eifrig. Aber ehe sie die Tür zum Haus öffnen konnte, verfing sich ihr Blick.

 

Er stand draußen.

 

Ihr Herz sank in diesem Augenblick. Ihr Atem setzte aus und er sah absolut anbetungswürdig aus. Der dunkle Anzug wirkte so elegant, als wäre er auf dem Weg zu einem Abend in der Oper. Seine Haare lagen weich auf seinem Kopf und einige Strähnen fielen ihm in lässiger Eleganz in die Stirn. Seine hellen Augen betrachteten sie und sie konnte den Ausdruck nicht deuten.

 

Sie war so glücklich, dass er lebte, dass er wach war und dass sie ihn sehen konnte, aber… sie war so böse, dass sie es als letzte erfahren hatte. Dabei war sie sich nicht mal sicher, ob es ihr überhaupt zustand, zu erfahren, ob er wach war. Was verband sie schon mit ihm? Nicht besonders viel, musste sie eingestehen.

 

Ihre Hand sank wieder und sie vergaß das Haus der Rührer. Einer schien sich nicht fassen zu können und zerbrach über seinem Schokoladenknie seinen eigenen Stab aus Zorn.

Die kleinen Männer fielen auf ihr Hinterteil und sahen sie resignierend an. Sie konnte jetzt aber nichts weiter tun, als versteinert an derselben Stelle neben der Tür stehen zu bleiben und darauf zu warten, dass irgendwas passieren würde.

 

Sie würde bestimmt nicht zu ihm gehen.

 

Eine lächerliche Tür trennte sie nur von ihm. Wusste er es?

 

Er wusste es. Er war bei seinen Eltern gewesen! Jetzt konnte sie sogar seinen atemberaubenden Blick deuten. Es war nichts weiter als Zorn.

Oh. Ja, sie erkannte es deutlich. Und plötzlich wollte sie gar nicht, dass er zu ihr kam. Sie wollte, dass er besser ging. Denn er raubte ihr jetzt auch jedes Glücksgefühl in ihrem Innern.

 

„Das wird jetzt spannend“, bemerkte Luna, die nun auch gerade nichts weiter zu tun hatte, als diesem Schauspiel beizuwohnen, weil gerade kein Kunde im Laden war.

 

Plötzlich setzte er sich in Bewegung und das gab ihrem Körper das Zeichen, zurückzuweichen. Sie wich weiter in den Laden zurück, näher zur Theke, näher zu Luna. Sie legte nur wenige Meter zurück, als er grob die Tür öffnete. Die Glocke läutete nur kurz und laut, da hatte er die Tür auch schon wieder ins Schloss geworfen.

 

„Wäre es zu viel verlangt, wenn du einfach einmal an derselben Stelle bleiben würdest, verflucht?“, war das erste, was er nach drei Wochen zu ihr sagte. Seine Stimme klang gleich, er sah gesund aus und er schien keine bleibenden Schäden davonzutragen. Und das gab ihr den Ausschlag, nicht mehr besorgt oder dankbar zu sein.

 

„Ich hatte keine Ahnung, dass ich dazu verpflichtet gewesen wäre, Malfoy!“, gab sie genauso laut zurück.

 

„Ich bin hinten“, beschloss Luna ziemlich kleinlaut und zog sich leise zurück. Sie schloss sogar die Tür. Wahrscheinlich hatte sie keine Lust, einen Streit zu schlichten, der sie wenig interessierte. Hermine sah das ähnlich. Sie hatte auch keine Lust, zu streiten.

 

Jetzt waren sie allein. Nein, die beleidigten Rührer standen auf dem Sims und betrachteten beide von ihnen missmutig.

 

„Verpflichtet?“, wiederholte er und fuhr sich über die Stirn, als könne er nicht fassen, was sie von sich gab. „Nein, du wärst es mir einfach schuldig gewesen, Hermine!“ Ihr Vorname klang sehr schön aus seinem Mund aber sie besann sich wieder und nahm ihm schon fast übel, dass er ihn ausgesprochen hatte. Und blöderweise fiel ihm das wohl gerade auf. „Was?“, reizte er sie mit böser Stimme.

 

„Du erzählst meinen Eltern, du heiratest mich, egal was passiert und ich darf deinen Vornamen nicht aussprechen? Wirklich sehr clever, Granger“, spuckte er ihr jetzt ihren Nachnamen entgegen und ihr Mund öffnete sich protestierend.


„Ich habe nur-“ Sie hielt kurz inne. „Was?“, fragte sie jetzt schwach und er stemmte die Hände in die Hüften.


„Weißt du, ich habe keine Ahnung, was hier überhaupt läuft. Ich war nämlich drei Wochen weg“, umschrieb er den Zustand, der ihr drei Wochen schlaflose Nächte bereitet hatte. „Muss ich irgendwie aufpassen, wohin ich gehe? Werde ich nächste Woche mit Glückwunschkarten überhäuft? Bekommst du irgendwann unser erstes geheimes Kind?“, wollte er ungehalten wissen und sie wurde wieder wütend.


„Ich habe überhaupt nichts gesagt! Wie kannst du es wagen, mir so etwas zu unterstellen! Anscheinend hast du überhaupt damit angefangen!“, brannte sie auf, denn sein Vater hatte es ihr schließlich gesagt. Richtig! Das war richtig! „Dein Vater…“, begann sie wieder und er hob aggressiv die Hände.


„Ja, mein Vater! Was hast du mit meinem Vater überhaupt zu schaffen? Ich wusste nicht, dass ihr die besten Freunde seid, verflucht!“ Sie sah ihn so zornig an und sie konnte nicht fassen, dass sie ihre Gefühle für ihn – die jetzt erstaunlich schnell schwanden – überhaupt in Worte gefasst hatte!

 

„Ich wollte nach dir sehen, du egoistischer Idiot!“

 

„Und da konntest du dir nicht verkneifen von unserer lächerlichen Hochzeit anzufangen?“ Er sah sie an als wäre sie verrückt geworden.


„Das habe ich nicht! Ich habe nichts dergleichen gesagt!“ Sie würde noch weinen aus lauter Wut.

 

„Nein?“ Und plötzlich wurde seine Stimme gefährlich ruhig. „Dann liebt mich Hermine Granger also nicht?“ Es war eine Frage. Es klang zumindest wie eine Frage. Aber eine echte Frage war es nicht. Ihr Mund klappte zornig zu. Mist. Sie hasste ihre eigenen Fallen, die sie sich stellte. Denn sie war so clever, dass sie nicht ganz so leicht aus diesen Fallen rauskam.

 

Die Rührer schlugen Alarm. Wieder einmal.


„Was?“

 

„Was?“

 

Beide hatten sich gleichzeitig zu ihnen umgewandt. Hermine konnte nicht umhin, ein wenig dankbar für die Ablenkung zu sein. Wie Besessene deuteten die Rührer stumm und völlig gereizt und auf ihr Haus. Sie hüpften wieder und schwangen ihre Stäbe. Hermine hatte sie noch nie so gesehen.


„Ok, fein“, sagte Draco jetzt ärgerlich. „Anscheinend ist es immer noch akut“, fuhr er böse fort, zog die Tür des Lebkuchenhauses auf und die Rührer verstummten plötzlich und knufften sich gegenseitig in die Seiten. Hermine runzelte die Stirn. „Was ist das?“, murmelte Draco als er in das Haus griff. Er zog etwas Weißes hervor. Schokolade, stellte Hermine dumpf fest. Eine Schachtel aus weißer Schokolade. Klein, aber groß genug, dass die Rührer wohl nicht mehr im Haus hatten schlafen können. Sie warn verziert mit Zuckerguss und Blumen aus rosa Schokolade.

 

„Die ist aus Schokolade“, stellte Draco jetzt auch langsam fest. Dann hob sich sein Blick. Sehr langsam. Er fixierte die Rührer ungläubig. „Ihr habt das gemacht?“ Auch wieder eine Frage, die nicht wirklich eine Frage war. Begeistert nickten die kleinen Männer. Und Hermine wurde plötzlich klar, was in der Schachtel sein musste. Und sie wusste nicht, ob sie lachen oder besser weinen sollte. „Das ist wirklich…“ Aber Draco beendete den Satz nicht, denn auch sie wusste nicht, wie man so einen Satz beenden sollte. „Wieso?“, fragte er und hielt die Schachtel auf der Hand, als könne sie gleich anfangen zu brennen. Oder wahrscheinlich eher schmelzen.

 

Die Rührer sahen ihn verständnislos an und deuteten dann wild auf die Glasvitrine, die immer noch etwas schief im Laden stand. Hermine wurde so rot, dass ihr fast übel wurde. Oh nein. Gut, sie hatte gewusst, dass die Rührer zugesehen hatten. Oder was auch immer sie getan hatten. Sie hatte nicht gewusst, dass sie wussten, was sie sahen. Und dass sie darauf schlossen, dass…

 

Draco hatte sich zu ihr umgewandt. Sein Blick war ihr nicht zu deuten, aber der Zorn war definitiv verschwunden.


„Ich soll dich heiraten“, sagte er recht nüchtern. Hermine presste die Lippen zusammen und sagte gar nichts. Die Rührer warteten gespannt und zeigten mit kleinen Bewegungen, völlig aufgelöst auf die Schachtel. Es war wohl das Aufregendste Erlebnis für sie. Hermine verdrehte schließlich die Augen.

 

„Oh komm schon. Sie haben sich Mühe gegeben.“ Draco verzog knapp den Mund.

 

„Hast du ihnen auch von deinen Plänen erzählt?“, fragte er spöttisch und schien immer noch verärgert zu sein.

 

„Jetzt frag einfach. Ich sag ja, die Rührer freuen sich und die Welt ist wieder normal.“

 

„Normal? Dir einen verfluchten Antrag zu machen ist alles andere als normal“, knurrte er haltlos und sie schloss die Augen.

 

„Malfoy die Rührer wissen doch nicht, ob es echt ist oder nicht“, fuhr sie leise fort.


„Sie wissen anscheinend, was Sex ist, oder?“, gab er zurück, aber er öffnete mit einem gereizten Laut die kleine Schachtel. Hermine war nicht klar, wie die kleinen Männer etwas so kompliziertes hatten bauen können. Es hatte kleine Scharniere – natürlich aus Schokolade – und ein Kissen im Innern, ebenfalls aus Schokolade. Der Ring war so exquisit schön, dass es ihr den Atem verschlug.

 

Die Schokolade glänzte silbern und golden und weiß, formte ein filigranes Band und der Stein, anscheinend aus grüner Schokolade, war mir ihrer Magie so verfeinert worden, dass er zu leuchten und zu funkeln schien. Auch Draco starrte wie gebannt auf diese recht verderbliche Kostbarkeit.

 

„Das wäre so ein Kassenschlager!“, murmelte sie plötzlich und warf den Rührern einen anerkennenden Blick zu. Wie gebannt sahen sie Draco und ihr zu jetzt.

 

„Wie romantisch von dir“, gab Draco zurück. Ein Rührer machte vor, wie er auf ein Knie sank. Die anderen Rührer nickten heftig. Draco sah es und verdrehte die Augen, als er auf ein Knie ging. „Merlin, das ist so unglaublich lächerlich“, flüsterte er durch zusammen gebissene Zähne.


„Granger, willst du mich heiraten?“, fragte er jetzt laut, dass die Rührer auch ja kein Wort verpassten. Hermine musste fast grinsen. Jetzt kniete Malfoy tatsächlich vor ihr.

 

„Solltest du nicht vielleicht meinen Vornamen benutzen?“, schlug sie amüsiert vor und Draco erdolchte sie mit einem finsteren Blick.


„Fein“, erwiderte er und sie war sich sicher, würde er wieder hochkommen, würde er sie verfluchen. „Hermine“, sagte er jetzt gedehnt und mittlerweile genervt, „willst du mich heiraten?“ Sie überlegte kurz. Er öffnete den Mund, atmete zornig aus und sah sie ungeduldig an. Sie warf den Rührern einen Blick zu und musste lächeln. Wie gebannt sie das Schauspiel verfolgten.

„Granger, das ist reichlich unbequem. Vielleicht solltest du dich hinknien“, fuhr er sie leise an. Sie gab sich einen Ruck.

 

„Ja, Draco“, sagte sie überschwänglich und er kam dankbar wieder auf die Füße.

 

„Wunderbar“, sagte er knapp und zog vorsichtig den Ring aus der Schachtel. „Verdammt, wie haben sie das hingekriegt? Er schmilzt nicht mal“, fuhr er beeindruckt fort. Er berührte ihre Hand und sofort schoss sein Blick zu ihrem Gesicht. „Glaub mir, ich würde die lieber den Hals umdrehen“, fuhr er gepresst fort.

 

Sie glaubte ihm. Aber sie konnte die Worte nicht finden, denn der Ring passte ihr. Er schmolz nicht und war wohl das schönste Schmuckstück, das sie jemals bekommen hatte.

 

„Danke“, sagte sie leise, in Richtung der Rührer gewandt. Diese hüpften gönnerhaft und zeigten wieder auf Malfoy. „Was?“, fragte sie jetzt und blickte ihn wieder an. Er grinste ein unverschämtes Grinsen.


„Ich glaube, ich darf dich jetzt küssen, Granger“, murmelte er und sie öffnete schockiert den Mund.

 

„Nein!“, hauchte sie entrüstet. Aber die Rührer schienen immer noch zu warten.


„Nein?“, wiederholte er. „Was mache ich mir dann die Mühe mit einem verfluchten Antrag, wenn ich dich nicht mal küssen darf? Möchtest du lieber erwürgt werden? Ich bin sicher, ich kann die Rührer überzeugen, dass das auch eine traditionelle Sache ist“, knurrte er.

 

„Oh bitte. Als würde es mir so viel ausmachen.“


„Ja, richtig“ sagte er konsterniert. „Du liebst mich ja nicht.“ Es war böse von ihm. Ziemlich böse.

 

„Nein“, sagte sie als er näher kam. Dann konnte sie jetzt auch lügen. Wer einen Heiratsantrag vorspielen konnte, der konnte jetzt auch noch ein bisschen lügen.

 

„Du würdest wohl-“, begann er, aber sie verdrehte die Augen, legte die Hände auf seine Schultern und sah ihn an.

 

„Küss mich einfach, Malfoy“, befahl sie und war überrascht, wie willig er dieser Aufforderung nach kam.

 

Und dann küsste er sie. Für eine Sekunde passierte nichts. Seine Lippen lagen auf ihren. Ihre Augen schlossen sich und er verharrte in der Bewegung. Sie öffnete die Lippen nicht. So wenig, wie er seine öffnete. Dann spürte sie, wie er langsam einatmete, wie er sich unter dem Kuss versteifte und plötzlich die Lippen öffnete. Sein heißer Atem brannte auf ihrem Mund und als wäre sie hypnotisiert davon, öffnete sie ihren Mund einen Spalt, wollte seinen heißen Atem spüren.

 

Seine Oberlippe glitt zwischen ihre Lippen und saugte vorsichtig ihre Unterlippe in seinen Mund. Ein winziger Laut entfuhr ihr und beinahe erschrocken hielt er inne. Als würde er erst begreifen, was er tat.

Sie hielt die Luft an und spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, wie sie, wohl oder übel, versagt hatte, bei dem Versuch, ihm gänzlich zu widerstehen.

 

Sie spürte ihn schlucken und plötzlich lagen seine Lippen wieder auf ihrem Mund, zwangen sie, seiner Zunge Einlass zu gewähren.

 

Und sie wusste, sie war schon wieder einmal der Lust verfallen, denn sie konnte sich nicht erinnern, wie ihre Hände von seinen Schultern zu seinen Haaren gewandert waren. Seine Zunge machte weiteres Denken überflüssig und der Kontakt ihrer beider Zungen ließ irgendetwas in ihren Köpfen durchknallen. Er zog sie an sich und etwas in ihrem Innern explodierte förmlich.

 

Sie schlang die Arme fester um seinen Nacken, seufzte gegen seinen Mund und er presste sie fester an seinen Körper. Seinen Körper, den sie drei Wochen lang so sehr vermisst hatte.

 

Ganz plötzlich wurde sie zurückgeholt. Sie öffnete träge die Augen und er löste sich von ihren Lippen, als sie das Getrommel hörten. Die Rührer schlugen begeistert mit den Stäben gegen ihre Töpfe und Hermine wurde wieder peinlich bewusst, dass sie hier ja nicht alleine waren.

 

 

Kapitel 24

 

 

Er war von ihr zurückgewichen. Er hatte mit keiner Sekunde vergessen, dass er eigentlich wütend auf sie war. Und die Tatsache, dass er sofort auf ihre Nähe reagierte, ließ diesen Punkt nicht verrauchen. Aber es war amüsant zu sehen, wie sie anscheinend alles andere vergessen hatte.

 

„Er wird nicht ewig halten“, merkte er an, als sich ihre Lider wieder öffneten und sie ihn anblinzelte. Verstört bildeten sich Falten auf ihrer Stirn. „Der Ring“, fügte er nachsichtig hinzu. Nach einem weiteren Moment der Stille hatte sie begriffen, nahm den Ring ab und steckte ihn zurück in die feine Schachtel. Dann räusperte sie sich.

 

„Gut. Ich muss los“; sagte sie schließlich, wenig überzeugt und ein wenig neben sich.

 

„Oh, das glaube ich nicht. Es sei denn, dein Weg führt direkt zu meinen Eltern, um dich bei ihnen für deine Aufregung zu entschuldigen.“ Ihr Blick nahm etwas Gehetztes an.

 

„Niemals gehe ich zurück zu deinen Eltern!“, zischte sie und der Kuss war aus ihrem sanften Blick verdrängt. Ihr Blick war jetzt auch nicht mehr sanft.

 

„Wir sind hier auch noch nicht fertig“, setzte er gereizt hinzu, während die Rührer eine Art Hochzeits-Freudentanz vollführten.

 

„Nein? Ich denke, du hast geschrien, mich geküsst und jetzt willst du mich zu deinen Eltern schleifen. Wir sind sowas von fertig, Malfoy!“

 

„Granger-“, begann er, aber die Rührer winkten wieder mit den Stäben. Zwei Tassen Kakao dampften auf dem Sims. Ein Rührer hielt stolz eine kleine Hand in die Höhe. Er hörte Granger keuchen.

 

„Was ist mit seiner Hand? Er hat nur noch drei Finger!“, stieß sie empört aus und beendete den Weg zum Fenster mit hastigen Schritten. „Oh Merlin, können wir dagegen etwas tun?“

 

Draco kam zu ihr. „Das ist ein Geschenk, Granger“, sagte er ruhig. „Er hat in jede Tasse einen seiner Finger getan“, fügte er leiser hinzu. Der Satz an sich war eigentlich eklig, fand er. „Und das… ist eine ziemlich hohe Ehre.“ Die Worte verließen widerwillig den Mund.


„Oh, das ist furchtbar, Draco!“ Ihm entging nicht, wie sie zwischen seinem Vor- und Nachnamen hin und her sprang. Ihr anscheinend schon. „Das können wir nicht annehmen. Wir müssen ihn wieder dran hexen.“ Er lächelte kurz.

 

„Das ist unmöglich. Und es nicht anzunehmen, wäre… äußerst unhöflich“; fügte er hinzu.

 

„Wir sollen also etwas trinken, wo ein Finger drin ist?“, fragte sie schockiert durch ein gespieltes Lächeln hindurch, damit die Rührer keinen Verdacht schöpfen würden.

 

„Das ist wohl der Plan. Und es ist kein Finger. Es sieht nur so aus. Es ist Schokolade. Vielen Dank“, fügte er laut an die Rührer gewandt hinzu.

 

„Dann… trinken wir es“, beschloss sie sachte und hob den Becher an. Er hielt ihre Hand auf, indem er ihr Handgelenk umschloss.

 

„Nein, das geht nicht“, sagte er vorsichtig.

 

„Was?“ Jetzt wirkte sie verwirrt.

 

„Das wird… dann eine andere Wirkung zeigen als Kakao. Ich habe dir doch gesagt, dass… schon allein ein Hauch von der Schokolade der Rührer reicht, um sich vollkommen anders zu fühlen. „Ein ganzer Finger wäre berauschend, wie…“ Er suchte nach einem Vergleich, bis ihm der ähnlichste Vergleich gekommen war. „Wie der Zauber eines Paar-Pakets.“

 

Jetzt sank ihre Hand ganz automatisch. „Nein. Das geht nicht. Das trinke ich nicht.“

 

„Gut, dann lass dir eine Ausrede einfallen, die sie nicht gleich zu Stein werden lässt“; knurrte er und hasste diesen Moment. Er war hier her gekommen, um abzurechnen, ihr Vorwürfe zu machen und sich nicht überlegen zu müssen, wie er gleich verhindern würde, eine Erektion zu bekommen, und sie nicht über den Ladentisch nehmen würde.

 

Er schloss die Augen. Merlin, war es kompliziert. Was scherten ihn die blöden Rührer schon? Aber er wusste, so konnte er nicht argumentieren. Die Rührer waren… sie waren einfach zu wunderbar.

 

„Ich weiß keine“, flüsterte sie. „Wir müssen das trinken. Ich will nicht noch mal, dass starr werden. Und ich will nicht hier rein kommen und dann schreibt einer mit Schokolade deinen Namen auf den Sims, weil du gerade im Sterben liegst“, fügte sie böse hinzu.


„Er hat meinen Namen geschrieben?“, fragte er verwirrt und vergaß, dass er sich gerade Sorgen gemacht hatte, keinen Sex mit Granger zu haben.

 

„Ja“, sagte sie bockig. Er betrachtete die Rührer. Jetzt machten sie sich auch noch Sorgen um ihn. Er verdrehte die Augen.

 

„Ok, hier ist der Plan“, begann er wieder leise. „Wir trinken das“, fuhr er fort und erntete ihren schockierten Blick. „Warte!“, befahl er ihr, ehe sie widersprechen konnte. „Wir trinken das und machen, dass wir hier weg kommen. Wenn wir uns beeilen, erreicht uns die Stärke des Zaubers, wenn wir beide sicher Zuhause sind und nichts passiert. Ich bin mir sowieso nicht sicher, ob ich mich überhaupt schon wieder so verausgaben darf“, fügte er dumpf hinzu. Sie wurde rot.

 

„Verausgaben“, wiederholte sie empört.

 

„Oh ja, Granger. Anders kann man es nicht nennen“, erwiderte er plötzlich sanft. Es war immer schön, wenn sie die Fassung verlor. Und er machte sich auch wenig vor. Dann würde er mit ihr schlafen. Danach konnte er sie immer noch zwingen, sich zu entschuldigen und seinen Eltern klarmachen, dass sie niemals heiraten würden.

 

„Dann trink. Und lauf nach Hause. Damit du dich nicht verausgaben musst“; erklärte sie bitter und trank ihren Becher leer. Er tat es ihr hastig gleich und eine wohlige Wärme erfüllte seinen gesamten Körper. Alle Sorgen fielen von ihm ab und er wusste, weshalb man nicht apparieren sollte, wenn man unter solchen Drogen stand. Man konnte das Ziel aus den Augen verlieren.

 

Und das Ziel war… Granger Bluse auszuziehen, überlegte dumpf. Nein. Das Ziel war, abzuhauen, korrigierte er sich gereizt.


„Ok… vielen Dank, Leute. Wir… werden jetzt… gehen“, erklärte er, griff nach Grangers Hand, die sich wohl erst noch orientieren musste. Die Männer sahen sie glücklich an und nickten mit vielsagenden Blicken. Granger winkte zum Abschied verwirrt. „Bis bald, Luna“, rief er noch nach hinten und zog Granger aus dem Laden.

 

Sie folgte ihm beinahe hüpfend.

 

„Oh Draco! Es ist unglaublich. Wie blau der Himmel ist. Die Vögel singen nur für uns! Du bist unglaublich schön!“ Er verkniff sich ein breites Grinsen. Oh, es wäre viel zu leicht, stellte er fest.

 

„Unsinn, Granger, reiß dich zusammen. Schaffst du es allein? Dann verschwinde ich jetzt nämlich.“

 

„Ohne mich?“

 

„Granger!“, sagte er ruhig. „Der Plan?“, erinnerte er sie nachsichtig und sie schüttelte benommen den Kopf.

 

„Wir wollten das Paar-Paket doch sowieso ausprobieren“, entgegnete sie trotzig und obwohl sie so klang wie die normale Granger, waren dies Worte einer liebestrunkenen Granger. Oder nicht?

 

„Was?“, fragte er also verwirrt und sie nickte wieder.

 

„Ja. Oder hast du das vergessen? Aber seit dem Koma hast du wohl alles vergessen. Ich habe auf dich gewartet, habe gedacht, wir probieren es aus. Aber du musstest dich ja von Ron verfluchen lassen“, warf sie ihm jetzt vor.


„Ich musste…?“, wiederholte er entrüstet. „Dein geschätzter Ron konnte sich leider nicht halten. Anstatt mir Vorwürfe zu machen, solltest du lieber froh sein, dass ich überlebt habe.“ Sie drehte die Schokoladenschachtel zwischen den Fingern. Sie schien nicht zu wissen, ob sie verwirrt sein sollte oder einfach nur wütend.

 

„Oh, Draco, wir sollten besser gehen. Getrennt. Ich… fühle mich irgendwie anders. Leichter und… ziemlich erregt.“ Dass sie das Wort sagte, war ziemlich großartig.

 

„Ok. Ich finde, wir verschieben die Diskussion auf morgen.“

 

„Und du wachst morgen auch auf? Und du… meldest dich bei mir? Es ist… nicht nur eine einmalige Sache, dass du mir deine verfluchte Aufmerksamkeit zu teil werden lässt?“ Ihm wurde eine Sache wieder augenblicklich klar. Er hatte es fast vergessen. Es war völlig egal, welche Oberflächlichkeit heute die Oberhand übernommen hatte. Unterm Strich stand jetzt einfach nur fest: Hermine Granger liebte ihn. Das hatte sie gesagt. Das hatte sie verteidigt. Das hatte sie vor seinen Eltern sogar vertreten. Und das ließ ihn… ließ es ihn kalt? Was ließ es ihn fühlen? Erleichterung? Bodenlose Furcht?

 

„Was? Was denkst du?“, fragte sie plötzlich mit einem Hauch Sorge.

 

„Du liebst mich morgen also auch noch?“, fragte er mit vollem Ernst in der Stimme.

 

„Was?“, flüsterte sie verstört und rieb sich über die Stirn.

 

„Du hast es gesagt. Ich weiß, du hast es gesagt. Zwar noch nicht zu mir, aber anscheinend zu beiden meinen Eltern, oder?“ Ihr Mund schloss sich.


„Draco…“

 

„Sag es“, forderte er und wusste plötzlich nicht mehr, weshalb er es hören musste. „Sag es, weil… ich kann nicht glauben, dass eine Muggel einen Todesser lieben kann“, fuhr er fort. Sie verdrehte die Augen.


„Du bist ein Arschloch.“

 

„Warum?“

 

„Oh, du weißt, warum?“

 

„Nein, warum, Granger?“ Er war näher gekommen. Sie war zurückgewichen.


„Der Zauber wirkt. Wir sollten-“


„Miteinander schlafen?“, schlug er träge vor, denn sein Kopf war benebelt. Er hatte den richtigen Moment verstreichen lassen. Alles, was er jetzt von sich gab, war nur noch Unsinn, war keine Wahrheit mehr. Keine, die er kontrollieren, oder auf ihre echte Wahrheit prüfen konnte. Es war das, was sein verzauberter Geist jetzt wollte.

 

„N…nein?“, entfuhr es ihr ängstlich. „Du hast gesagt, wir…“

 

„Scheiß drauf, was ich gesagt habe. Wir apparieren. Komm“, befahl er und ergriff ihre Hand.

 

„Draco, wir-“

 

„Wenn du mich liebst, kommst du mit mir! Bitte, Hermine“, flüsterte er und hätte seine Worte nicht wiederholen können. Seine Rationalität lag blank. Er wusste nicht mal seinen Namen zu sagen.

 

Ihr Ausdruck wich einem sehr nüchternem Gesicht. Sie resignierte, wollte den Kopf schütteln als er plötzlich sah, wie der Zauber einen hellrosa Schleier über ihre Augen legte.

 

„Ok“, sagte sie mit völlig veränderter Stimme, die so klang wie seine eigene Im Moment. „Malfoy Manor?“, schlug sie begeistert vor.

 

Nein! Nein, nein, nein!!!! Das war es, was sein Verstand schrie. Das bisschen, was zumindest übrig war.

 

„Oh ja!“, entgegnete sein Mund jedoch, zog sie an sich und sie begannen sich zu drehen.

 

 

~ All Together ~

 

Kapitel 25

 

Es war ein Rausch.

Aus Farben, aus Formen und über allem Undeutlichen erkannte sie ihn immer noch. Er war bildschön, küsste ihre Lippen unablässig und sie wollte gar nicht mehr nachdenken. So schien es ihr viel angenehmer zu sein. Sie wusste nicht, was sie zu seinen Eltern gesagt hatten, oder ob es ohnehin nur ein absurder Traum gewesen war, dass sie ihnen wirklich die Tür geöffnet hatten.

 

Sie wusste, jetzt waren sie in irgendeinem Zimmer, das er ausgesucht hatte und sie konnte nicht darauf warten, ihn zu besitzen. Er war ihrs. Ihrs ganz allein.

 

„Draco!“

 

Es war nicht ihre Stimme. Eine andere Stimme dröhnte in ihr Bewusstsein.

 

„Hör nicht hin“, sagte Draco bloß, küsste sie erneut hungrig, bis die Tür aufflog. Lucius Malfoy stand imposant vor ihr. Er sah nicht schlecht aus, überlegte ihr zu gedröhnter Kopf.

 

„Runter von ihr!“, schrie Lucius. „Was fällt dir ein!“

 

Was wollte er? Hermine konnte sich die Antwort zu dieser Frage nicht erklären. Da hatte Lucius schon den Zauberstab gehoben. Was wurde das denn jetzt? Sie verstand nicht, was er sagte. Sie wusste nicht, was geschah. Jedenfalls flog Draco praktisch von ihr runter und knallte auf den Boden. Ehe sie protestieren konnte, verfluchte Lucius sie. Wie eine nasse Dusche tropften sämtliche Gefühle von ihr ab. Es war unangenehm, sie spürte sich zittern, während all das angenehme Gift aus ihr rausgezogen wurde.

 

Keuchend sank sie auf die Knie. Dann klärte sich ihr Blick.

 

Da waren keine Farben. Da war kein Rausch. Da war nichts Angenehmes. Alles, was da war, war ihr keuchender Atem, die Wände, die nach teurer Farbe rochen. Der teure Teppich unter ihren Fingern. Malfoy neben ihr und Lucius direkt vor ihr mit einem tödlichen Blick.

 

„Ich weiß nicht, was du dir vorgestellt hast, Draco, aber du wirst jetzt aufstehen, Ms Granger zur Tür begleiten und dann wirst du in deinem Bett verschwinden, denn… zu so etwas… bist du noch nicht in der Lage.“ Die Worte entglitten Hermines Bewusstsein.

 

„Und Sie!“ Sie kam sich vor, als wäre sie im Büro des Direktors, weil sie etwas angestellt hatte.

 

Sie hob angestrengt den Blick und blinzelte die Benommenheit schließlich fort.

 

„Es war ein Zauber!“ rechtfertigte sie sich sofort, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Doch Lucius Malfoy war wohl kein Mann, der Ausreden gelten ließ. Dann sank sein Zauberstab.

 

„Hören Sie, es ist ganz einfach. Sehr einfach sogar“, fuhr er fort. „Draco, du wirst sie heiraten oder du wirst sie nicht mehr sehen, haben wir uns verstanden?“

 

Ihr Mund klappte zu. Diese Lösung hatte sie nicht erwartet.

 

„Lucius“ begann Malfoy und sie hörte mit Schrecken, wie schwach seine Stimme klang. Er hatte drei Wochen Koma hinter sich, nahm einen Liebestrank und sie hatte nichts dagegen gesagt? Was war los? War sie so verliebt, dass selbst die simpelsten Dinge in ihrem Kopf keinen Sinn ergaben?

 

„Nein, Draco. Ich diskutiere nicht mit dir. Unsere Familie hat Ehre und Tradition! Und nur weil du deine Triebe nicht unter Kontrolle hast, heißt das nicht, dass wir alles aufgeben werden! Das halbe Ministerium spricht bereits davon! Wegen einer Muggel alles aufzugeben!“, fuhr Lucius ungehalten fort. „Meinetwegen verzichte ich auf die Ehre, der es gebührt, eine Reinblüterin zu nehmen. Aber du wirst es richtig machen, oder du machst es überhaupt nicht, hast du mich verstanden?“, schrie sein Vater in einer solchen Lautstärke, dass Draco neben ihr zusammen zuckte.

 

„Was soll das heißen?“, erwiderte Draco genauso laut und kam langsam wieder auf die Beine. Definitiv schwach und ausgelaugt. Der Tag hatte ihn angestrengt. Hermine musste dafür kein fachkundiger Heiler sein.

 

„Das heißt, dass es Regeln gibt. Auch für dich. Und entweder du befolgst sie, auch wenn das gegen deine sture Bequemlichkeit geht, oder du findest dich damit, dass du nicht alles bekommst, worauf du dein Augenmerk richtest!“

 

Dracos Mund öffnete und schloss sich perplex. Er blickte müde durch das Zimmer. Anscheinend fragte er sich, genau wie sie, wie er hierhergekommen war. Starker Zauber. Sehr gefährlich, nahm sie an. Es beunruhigte sie.

Was war mit ihr passiert? Das war doch nicht sie! Was war mit ihrer Mauer aus Trauer? Wo war die hin?

So konnte es doch unmöglich ausgehen. Hermine Granger und Draco Malfoy glücklich vereint! Das war kein Rezept für Glückseligkeit. Gezwungenermaßen glücklich vereint. Nein.

 

Die Lösung war wirklich sehr einfach.


„Draco, leg dich hin“, befahl sie etwas tonlos, rückte ihre Bluse und den Rock zurecht und streckte den Rücken durch. Vielleicht war das hier wie beim Direktor. Vielleicht würde er ihre Eltern benachrichtigen und vielleicht bekam sie eine Suspendierung, aber selbst das war ihr jetzt egal. Alle Metaphern hin oder her.

 

„Ich werde gehen“, erklärte sie, mutiger als sie sich überhaupt führte. „Und niemand muss mich zur Tür bringen. Niemand muss sich darum kümmern, dass irgendwelche Regeln eingehalten werden. Niemand muss sich Sorgen darüber machen, ob ich heiraten werde oder nicht. Es tut mir leid, für all die Umstände“, fügte sie zerknirscht hinzu.

 

Sie mied jeden Blick auf Draco. Denn es war einfach peinlich. Alles war aus dem Ruder gelaufen.

 

Ms Granger-“, begann sein Vater jetzt mit bedrohlichem Unterton.

 

„Mr Malfoy, Ihr Sohn liebt mich nicht. Es gab nie irgendwelche Pläne bezüglich einer absurden Hochzeit und Sie müssen sich keine weiteren Gedanken machen. Ich plane nicht, dieses Haus noch einmal zu betreten“, schloss sie und Lucius fixierte seinen Sohn.

 

„Du liebst sie nicht?“, knurrte er seinen Sohn an und Draco schüttelte daraufhin den Kopf.


Oh es tat verflucht weh. Sie zwang sich, weiter zu atmen, zwang sich, gerade zu stehen. Zwang den Schmerz mit harten, bösen Gedanken sehr weit nach hinten.

Er liebte sie nicht. Natürlich nicht. Hatte er ja auch nie behauptet. Es wurde ihr klar: Er hatte nur gespielt. Wahrscheinlich war es für ihn gar kein Spiel. Die Frage stellte sich nicht. Sie drohte zu zerbrechen unter der Frage, ob es daran lag, dass ihr Blut reiner Schlamm war. Sie schloss kurz die Augen.

 

Nein. Nur Blut. Kein Schlamm. Sie war ein ganz normaler Mensch. Und Malfoy war eben… Malfoy. Sie hatte hier nichts zu suchen. Hier gab es nichts für sie.

 

Und seltsamerweise schien Lucius Malfoy diese Tatsache nicht zufrieden zu stellen. Er verzog das Gesicht und plötzlich verlor es jeden Ausdruck an Härte.

 

„Gut. Das ist wirklich gut. Ich… hatte schon Befürchtungen.“ Das Wort Befürchtungen klang allerdings nicht wie etwas Schlechtes, so wie Lucius es sagte. „Dann geh ins Bett. Ich schicke gleich einige Elfen nach oben“, fuhr er ungerührt fort. Sie mied Dracos Blick noch immer als er das Zimmer verließ.

„Meine aufrichtige Entschuldigung, Ms Granger.“ Und ihr Mund öffnete sich. „Wir ändern uns nicht alle. Nicht auf einmal“, erklärte er bitter. Und sie wusste nicht, ob die Worte ihr überhaupt galten. Sie wusste nicht mal genau, was Lucius Malfoy damit andeuten wollte.

 

Aber damit war alles abgeschlossen. Sie war frei. Frei in jeder Hinsicht.

 

Lucius blieb zurück, während sie schnell die Treppen runter eilte. Narzissa unten wirkte aufgelöst und es wunderte Hermine, dass sie bei fünfundsiebzig Zimmern dennoch auf die Leute traf, die hier wohnten.

 

„Sie gehen“, stellte Narzissa mehr als verwirrt fest. Hermine wollte nicht sprechen. Wollte nicht denken. Wollte gar nichts mehr. Sie lächelte nur. Und dann lief sie zur Tür. Sie veranstaltete ein lächerliches Wettrennen gegen sich selbst. Nur nicht hier in diesem Haus weinen, schwor sie sich und keuchend schlug sie die Tür hinter sich ins Schloss, lief den Kiesweg runter und hatte sich selten so schlecht gefühlt wie jetzt.

 

Als sie begann sich zu drehen, um schnell fort zu apparieren, fiel die erste Träne auf ihre Wange. Dann verschwand sie.

 

 

~*~

 

„Ich hatte bereits mit dem Caterer gesprochen. Was ist auf einmal passiert? Wir hatten die Meinung doch geändert?“ Seine Mutter sprach mit gedämpfter Stimme.

 

„Was ist los?“, fragte er heiser den Elfen, der ihm angewidert die Suppe einflößte.


„Es gibt Unruhen im Haus, Master Draco“, erklärte er schlicht.


„Was für Unruhen?“ Er konnte es sich jedoch denken.


„Eine Hochzeit war geplant worden. Aber die findet nun nicht statt.“ Und aus irgendeinem Grund klang der Elf genauso unzufrieden wie seine Mutter.

 

„Aber… es war doch nie geplant gewesen!“, brauste Draco unruhig auf.

 

„Das klang hier anders, Master Draco“, erwiderte der Elf ruhig.

 

„Und wieso… ist Mutter sauer? Es ist absurd!“

 

„Gewiss“, sagte der Elf nur abweisend.

 

„Und du hast auch nicht sauer zu sein. Du arbeitest für uns, Avalon. Dir sollte es gleichgültig sein, wer hier heiratet.“

 

„Sicher, Master Draco.“ Draco hasste die Unterwürfigkeit in diesem Haus. Granger hatte nie…. Der Gedanke fand kein Ende in seinem Kopf.

 

„Ich hätte nicht lügen können, Avalon“, sagte er zerknirscht. „Wenn ich sie nicht liebe, kann ich sie nicht heiraten.“ Und es war so seltsam. Denn genau das taten die Menschen in dieser Familie seit Generationen. Es gab Zweckheiraten, Nutzehen, selbst Zwangsheirat war völlig normal. Und Granger hatte ihm klar gemacht, wie furchtbar diese Tradition war. Und deswegen tat er es nicht. Er heiratete sie nicht. Er liebte sie nicht.

 

„Warum nicht?“, fragte der Elf jetzt tatsächlich.

 

„Weil man verliebt sein muss. Wie soll man sonst sein Leben glücklich leben können, verflucht?“

 

„Ja, warum nicht?“, wiederholte der Elf anscheinend seine Frage.

 

„Warum nicht, was?“, fragte Draco verstört. Und begriff. „Warum ich sie nicht liebe?“, beantwortete er die Frage selbst. Der Elf runzelte bestätigend die faltige Stirn. Er liebte sie nicht, weil… weil… - Er wurde augenblicklich zornig.


„Das steht dir nicht zu, Avalon. Verschwinde endlich!“, schrie er wütend und realisierte, dass er sein Temperament nicht unter Kontrolle hatte. Der Elf verschwand ängstlich und Draco sank zurück in die Kissen. Was ging es irgendwen an? Er liebte sie nicht. Punkt. Was gab es noch groß zu sagen?

Niemand sonst musste sich für irgendetwas rechtfertigen! Hundert Muggel hatte sein Vater gefoltert und umgebracht und er hatte sich vor dem Ministerium nicht mal rechtfertigen müssen. Vielleicht kurz. Wieso musste er dann erklären, weshalb er irgendwen nicht liebte?

 

Er tat es eben nicht. Das war alles. Als würde er jedes Mädchen lieben, mit dem er mal passablen Sex gehabt hatte! Das war doch… absurd.

Er dachte an den ersten Kuss. Ja, er hatte sie unbedingt küssen müssen. Er hatte es unbedingt gewollt. Aber verlangen war keine Liebe. Sie hatte ihn gezwungen, dass er seinen Ängsten nachgab. Gut, er hatte sich vor ihr gefürchtet, vor ihr und ihren Ansichten. Aber nicht weil er sie liebte. Er hatte sich geändert, aber nicht weil er sie liebte. Liebe war etwas Verzehrendes. Sie erlaubte einem keinen anderen Gedanken als den Gedanken an denjenigen, den man hasst oder nicht ausstehen kann. Sie zwingt einen, nachts wach zu liegen, zu planen, wie man die Person bekommt, die man will.

 

Sie lässt einen sämtliche Hindernisse überstehen, ob man siegt oder eben nicht. Sie bringt einen anscheinend dazu, dass Ronald Weasley einen Todesfluch sprechen muss, dass er seinen Vater verklagt, dass Rührer eine Hochzeit arrangieren.

 

Draco schloss müde die Augen. Feigheit war eine schlimme Sache.

Das wurde ihm gerade klar. Er war nichts weiter als ein elender, verzogener, verwöhnter, egoistischer Feigling, der im richtigen Moment nicht in der Lage war, das richtige zu sagen.

 

Und kalte Angst erfasste ihn, wenn er darüber nachdachte, was passiert wäre, hätte er gesagt, er würde sie lieben und würde sie heiraten, weil er verflucht noch mal, keine bessere würde finden können, selbst wenn er all sein Vermögen in eine verdamme Weltreise investieren würde und sich Millionen passende Mädchen in eine Schlange stellen würden.

 

Hätte er Ja gesagt, dann hätte sie all seine Fehler gesehen. All seine Ängste. Kein Makel wäre ihr verborgen geblieben. Wenn er selber nicht bereit war, sich alles einzugestehen, was ihm schlaflose Nächte bereitete, dann konnte er sie unmöglich lieben! Er konnte nicht. Er wusste nicht genau, wie sich Liebe anfühlte, aber bestimmt nicht so, dass er sich so elend fühlte, nicht aus dem Bett steigen zu können.

 

Als seine Mutter die Tür öffnete, tat er so als würde er schlafen, damit er ja auch nicht auch von gerade ausgerechnet ihr, Vorwürfe zu hören bekam. Anscheinend liebte jeder aus seiner Familie Granger mittlerweile mehr, als er es selber tat. Denn er tat es bedauerlicherweise nicht. Zumindest nicht genug, um es laut zu sagen.

 

Blieb er allein, würde er ihr nicht wehtun können.

 

Niemand sollte ihr wehtun können. Auch nicht her, beschloss er bitter und wusste, er würde diese Nacht nicht schlafen können.

 

 

Kapitel 26

 

 

„Die Zeitung, bitte“, sagte er, während er den starken Kaffee trank, den die Elfen für seinen Vater zu kochen pflegten. „Mutter?“, ergänzte er, als sie ihm immer noch nicht die Zeitung zugeschoben hatte. Sie warf ihm einen Blick zu, der ihm unmöglich zu deuten war. Zornige Blicke seiner Mutter deutete er sowieso lieber nicht.

 

„Hier“, sagte sie barsch, schob den Tagespropheten quer über die Tafel und erhob sich danach. „Mein Appetit ist mir vergangen. Wenn ihr mich entschuldigt.“ Sie wartete keinerlei Antwort ab und hatte ihn und seinen Vater zurückgelassen. Draco und Lucius tauschten einen knappen Blick.

 

„Was ist jetzt? Ist es die Zeit des Monats?“, versuchte Draco einen schwachen Scherz. Sein Vater erbarmte sich immerhin und lächelte. Denn so verwerflich es war, einen solchen Scherz zu machen – so vollkommen unmöglich war die schlichte Tatsache, dass seine Mutter – Narzissa Malfoy – es ihm tatsächlich übel nahm, dass es Hermine Granger jetzt nicht heiratete. Es hatte nicht einmal zur Debatte gestanden, aber anscheinend hatten Lucius und sie sich schon darauf geeinigt.

 

Und jetzt zeigte ihm seine Mutter die kälteste aller Schultern auf Grund einer Sache, die niemals Wahrheit gewesen war. Viel schlimmer war die Frage, warum auf einmal, unter allen Frauen der magischen Welt, seine Mutter Hermine Granger als Kandidatin akzeptiert hatte. Und Draco konnte nur annehmen, dass es Narzissa selber so zuwider war, diese Tatsache zu akzeptieren und dass sie deshalb ihre Wut an ihrem Sohn und ihrem Mann ausließ.

 

Das wäre die gute Variante. Die schlechte Variante war, dass seine Mutter ihre Sturheit überwunden hatte, was die Blutfrage betraf. Und dass sie mittlerweile ihre eigenen kleinen Gründe hatte, weshalb Granger eine perfekte Wahl war, und dass sie ihn das spüren lassen würde, bis die Sonne das letzte Mal untergehen würde. Und wenn er drüber nachdachte, dann würde das sogar relativ bald sein. Denn lange würde er diese Folter nicht ertragen.

 

„Sie wird sich schon fangen“, log sein Vater dreist. Er selber schien Draco etwas übel zu nehmen. Aber er sprach es nicht aus. Lucius war eher der Typ Mensch, der die Leute, die er verabscheute stumm leiden ließ. Deshalb bekam auch Draco von seinem Vater nicht viel Gutes zu hören.

 

Es war eine Woche seit seinem Genie Streich vergangen, Granger nicht mehr wehzutun. Denn er hatte ihr in der Schule weh getan. Und jetzt auch danach. Und er war überzeugt, sie nicht mehr zu sehen. Nicht mehr anzurühren und… ja, eigentlich gar nichts mehr zu tun, was mit ihr in Verbindung stand.

Auch das Schokoladengeschäft hatte er aufgegeben. Sie würde Luna besuchen, er würde sie sehen, sie würde ihn hassen, er würde sich noch mehr hassen.

 

Vielleicht tötete ihn Narzissa im Schlaf. Das wäre die beste aller Lösungen. Er konnte annehmen, dass seine Mutter die Gnade finden würde, ihn schnell sterben zu lassen. Oder auch nicht….

 

Er schlug den Propheten träge auf. Die üblichen Nachrichten warteten auf ihn. Quidditchmannschaften, die er vorgab nicht zu mögen, gewannen irgendwelche Regionalspiele. Kurz überflog er die Zahlen und überlegte, ob er nicht besser Punkte hätte erzielen können, dann wurde ein Datum für eine Bucherscheinung bekannt gegeben. Eleanor hatte ein neues Werk verfasst. Seine Mundwinkel sanken. Reinblüterzauber hieß es und es würgte ihn im Halse.

 

Auf der nächsten Seite stand für gewöhnlich Klatsch und Tratsch. Dort fand er ihren Namen. Hermine Granger hatte im Ministerium gekündigt. Sein Name wurde Merlin sei Dank nicht mehr erwähnt. Es hatte wohl eine kleine Feier gegeben und sie hatte ihren letzten Arbeitstag bereits angetreten gehabt.

 

Und was machte sie jetzt? Sie hatte nicht genug Gold um sich zur Ruhe zu setzen. Es juckte ihn in den Finger, rauszufinden, was sie jetzt tat. Aber er zwang sich gewaltsam, das Kreuzworträtsel auf Seite sechzehn zu lösen.

 

„Irgendwas neues?“, fragte sein Vater desinteressiert und er ruckte nur mit dem Kopf. Seine Laune war schlecht. Süße Verführung aus Kakaobohnen, lautete die Frage zu sieben waagerecht. Er legte die Feder nieder und trug das Wort Schokolade mit voller Absicht nicht ein.

 

„Nein“, knurrte er zornig und warf den Propheten zurück über den Tisch. Lucius hob eine Augenbraue. Draco wusste, sein Vater hielt nichts von unangebrachtem Zorn. Zorn war eine lästige Emotion, die nicht nachhaltig war und einem keinen Vorteil brachte. Man überwand sie besser schnell und maß ihr nicht zu viel Bedeutung bei. Ja, wenn es denn so verflucht einfach wäre, überlegte Draco gereizt.

 

Merlin, er war selbst zu feige, das Wort Schokolade in ein dämliches Kreuzworträtsel zu schreiben!

 

~*~

 

 

Es war fast lächerlich befreiend. Sie war komplett mit Schokolade beschmiert. Ihre Hände klebten und selten hatte sie eine solche Befriedigung gespürt.

 

„Ich denke, ich kann dich allein lassen?“, vermutete Luna, die ihre Sachen bereits gepackt hatte. Sie hatte sich mit Luna darauf geeinigt, dass sie beide Halbtagsschichten übernehmen würde. Luna war so großzügig, Hermine hier arbeiten zu lassen. Das Ministerium wollte sie nicht mehr sehen, auch wenn es ihr sogar mehr Geld geboten hatte. Harry und Ron hatten beide nicht begreifen können, wie sich Schokolade völlig widmen konnte, aber immerhin hatte sie Ginny auf ihrer Seite.

 

„Ja, ist ok. Ich schaff en Rest. Wir schließen ja sowieso heute eher. Also ist es nicht so viel.“ Ja, es war Freitag und es war ein schöner Tag. Es wurde kühl draußen, aber… das war nicht weiter tragisch. Das Jahr konnte ja nicht mitten im Sommer stehen bleiben, nahm sie an.

 

„Dann schließ ab. Und deck die Männer zu“, fügte Luna mit einem Zwinkern hinzu. Luna sprach sie wenigstens nicht auf Malfoy an. Die Rührer hatten ihr ab und an noch Blicke zugeworfen, aber sie schienen wohl anzunehmen, dass sie glücklich verheiratet war, oder sonst was. Sie begnügte sich, sie ab und anzulächeln und erwähnte den bösen Namen nicht mehr!

 

Der böse Name kam zur Tür herein. Die Glocke läutete melodisch und betont gleichgültig schlendert Narzissa Malfoy, vollbepackt mit Taschen von unerschwinglich teuren Boutiquen, durch den Laden. Sie sah Hermine nicht an, aber sie musste wissen, dass sie hier arbeitete. Hermine wischte sich verwirrt die Hände an ihrer Schürze ab.

 

Mrs Malfoy, sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind?“ Es war ihr peinlich und unangenehm, dass Narzissa hier aufgetaucht war.

 

„Ich möchte Schokolade kaufen. Und sie verkaufen doch Schokolade, oder nicht?“ Narzissa sah sie abschätzend an. Hermine schloss die Augen und bat Merlin um Fassung.

 

„Ja. Wir verkaufen Schokolade. Aber vielleicht ist der Honigtopf eher für Ihre Bedürfnisse geeignet“, bot Hermine jetzt gedehnt an.

 

„Honigtopf?“, wiederholte Narzissa mit gerümpfter Nase. „Nein, danke. Sagen Sie, taucht dieses Paar-Paket etwas?“ Hermine überlegte kurz, aber die Vorstellung Narzissa und Lucius würden… Nein. Sie schloss kurz die Augen, aber die Vorstellung schien sich in ihre Netzhaut eingebrannt zu haben. Sie waren ein attraktives Paar, keine Frage. Aber trotzdem!

 

„Ich… hatte noch keine Gelegenheit es auszuprobieren, Mrs Malfoy, aber es hat sich noch kein Kunde beschwert. Also nehme ich an, es sollte zweckentsprechend sein.“ Narzissa schlenderte nach vorne. Die blonden Haare so lang, dass sie ihre Hüften ohne weiteres berühren konnten.


„Wie geht es Ihnen, Ms Granger?“, fragte sie jetzt so beiläufig, dass Hermine beinahe geantwortet hätte.

 

„Ich glaube, darüber müssen wir nicht unbedingt sprechen. Wir kennen uns schließlich nicht wirklich und-“

 

„Wirklich schade, wissen Sie“, unterbrach Narzissa sie ohne weiteres, als hätte Hermine gar nichts gesagt. „Ich hatte mich bereits umgesehen. Nach dem richtigen Essen. Nach den richtigen Blumen. Und es ist wirklich ein Geschenk, dass sie dunkle Locken haben, Ms Granger.“ Hermine verstummte abrupt. Nein, das war eine Beleidigung. Irgendwo in diesem Wust an Worten war eine Beleidigung so schön verpackt, dass sie sie einfach nicht raus gehört hatte.

 

„Was?“, fragte sie verstört und Narzissa machte eine wegwerfende Handbewegung.

 

„Es ist ja eigentlich völlig egal“, fuhr sie fort, nahm ein Paar-Paket von einem Stehtisch und kam zum Tresen. „Und bei Ihrem schönen Teint könnten sie jedes Weiß, jedes Beige tragen. Haben Sie eigentlich überlegt, wie himmlisch ein beiges Allegra Vender Kleid aussehen würde?“ Hermine kannte den Namen nur von Ginnys Modezeitschriften und war sich sicher, dass ein solches Kleid, mehr als ein Dreimonatsgehalt beim Ministerium kostete. „Mit einem sehr offenen Kragen. Bei Ihrem perfekten Dekolleté“, fuhr Narzissa fast neidisch fort. „Ohne Ärmel, denn es ist ja immer noch sehr warm draußen. Und der Schleier wäre dezent gefasst. Nur zwei Tüllbänder links und rechts, eingeflochten in diese fantastischen Locken. Sie sehen aus wie eine Modehexe vom Cover“, ergänzte sie mit einem knappen Blick, mit dem sie Hermines Körper begutachtete.

 

Ok. Hermine konnte die Beleidigung nicht finden. Außer es war von Modehexen vom Schlammblut-Magazin die Rede.

 

„Ahem… Mrs Malfoy, wollen Sie das Paket kaufen?“, beschloss Hermine einfach dieses seltsame Thema zu wechseln.

 

„Wissen Sie, ich hatte heute in der Stadt einen Termin ausgemacht. Für Sie und mich.“

 

Zur Hinrichtung? Hermine sprach die Worte nicht laut aus, denn sie glaubte, Narzissa Malfoy gleich etwas Schlimmes sagen zu hören.

 

„Was für einen Termin?“, fragte sie so vorsichtig und desinteressiert es ihr nur möglich war. Die wunderschöne Frau lehnte sich vor.

 

„Bei Vender und Vaines“, erklärte sie leichthin.

 

„Dem Modegeschäft“, wiederholte Hermine etwas aus der Bahn geworfen.

 

„Dem Brautmodegeschäft. Die teuerste, bestausgestatteste Boutique in ganz London.“ Hermine Mund öffnete sich und schloss sich wieder.

 

„Das wären dann fünfundzwanzig Galleonen, Mrs Malfoy.“ Sie versuchte so gut es ging, nicht auf Narzissa Worte einzugehen, genauso wenig, wie Narzissa auf ihre eingegangen war.

 

„Der Termin steht noch. Ich habe ihn nicht abgesagt. Und Mrs Vender hat bereits alle Kollektionen in ihrer Größe raus gelegt. Ich habe angenommen, Sie tragen Größe 2?“ Hermine nickte und sprach direkt weiter.

 

„Soll ich es Ihnen einpacken?“ Woher wusste sie ihre Größe? Weshalb wollte sie mit ihr zu einem Termin gehen, wo sie Brautmode anprobierte? Was passierte hier gerade? Und Narzissa schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln. Ein Lächeln, das Hermine noch nie an dieser Frau gesehen hatte. Ein Lächeln, dass sie fast vergessen ließ, dass dies die Schwester von Bellatrix Lestrange war.

 

„Würden Sie mir den Gefallen tun und mit mir kommen, Ms Granger? Wir können den Termin heute noch wahrnehmen. Es wäre ein Spaß. Diese Kleider sind ein Traum und-“

 

Mrs Malfoy…“, begann Hermine verzweifelt. „Ich soll mit Ihnen in einen Brautladen gehen und Hochzeitskleider anprobieren? Zu welchem Sinn und Zweck? Ich heirate Ihren Sohn nicht.“ Narzissas Gesicht verfinsterte sich eine Spur. Hermines Herz pochte laut. Jetzt hatte sie an ihn gedacht.


Ms Granger, bitte überlassen Sie doch mir die Planung.“ Was sollte das jetzt heißen? „Die Frage ist simpel: Möchten Sie mit mir zu Vender und Vaines, Hochzeitskleider anprobieren und Champagner umsonst bekommen oder nicht?“ Die Antwort war genauso simpel. Sie würde nicht mit Narzissa Malfoy auf Anprobejagd gehen. Genauso wenig würde sie mit ihr auf eine Hauselfenjagd gehen, überlegte sie.

 

„Wieso fragen Sie mich so etwas Irrsinniges?“, stieß Hermine kopfschüttelnd aus.

Und Narzissa Malfoy griff zu einer so fiesen Waffe, die Hermine sofort hätte durchschauen sollen. Weil sie eben nicht so auf ihrer Äußeres bedacht war, wie vielleicht Ginny es war, aber die Tatsache, dass diese wunderschöne Frau vor ihr diese Worte sagte, rührte etwas in ihr, an einer Stelle, die ihr vorher überhaupt nicht bewusst gewesen war.

 

„Weil Sie die Figur haben, von der ich immer nur träumen kann. Sie haben dunklen Teint, wunderschöne dunkle, wilde Haare und würden mir einen großen Gefallen tun. Ich habe gute Verbindungen zu diesem Laden und sie suchen ständig schöne Models, um die Mode vorzuführen. Sie sind sich wohl nicht bewusst, wie perfekt Ihr Körper ist, Ms Granger? Es wäre eine echte Schande ihn für immer in dieser Schokoladen verklebten Schürze einzusperren.“ Dann lächelte sie ein flehendes Lächeln.

 

Im Nachhinein wusste Hermine, dass sie irgendeine Falle hätte riechen müssen. Ihr Körper war bei weitem nicht perfekt. Ihre Haare waren zausig und nicht wild. Und Narzissa Malfoy war eine der schönsten Frauen und hatte es bestimmt nicht nötig für eine Boutique Models anzuwerben. Aber das Mädchen in Hermine, das kleine Mädchen, das Bewunderung nicht ausschlagen konnte, nickte plötzlich.

 

„Ich… ich mache sowieso gleich zu. Wenn Sie schon einen Termin gemacht haben, dann…“ Narzissa ließ sie nicht aussprechen, zog fünfundzwanzig Galleonen aus ihrer Tasche und griff nach ihrem Arm.

 

„Ausgezeichnet!“ Und das Gruselige war, dass sie sich wirklich zu freuen schien.

 

 

 Kapitel 27

 

„Eine Party?“ Lucius betrachtete die Liste, die Narzissa hatte liegen lassen. „Sie hat gar nichts erwähnt“, fuhr er fort. Draco konnte nur annehmen, sein Vater hatte irgendeinen Geburtstag oder Jubiläum vergessen, oder die Party war für ihn gedacht. Aber was für eine Party sollte ihm seine zornige Mutter geben? Eine Schade-dass-er-wieder-aufgewacht-ist-Party? Er bezweifelte es stark.

 

Draco betrachtete die Liste. „Sieht aus wie eine Party. Das Essen, der Alkohol, die Band.“

 

„Eine Party, die euch nichts angeht“, schnappte Narzissa und griff nach der Liste. „Eine Party nur für mich und die Damen. Vander und Vaines führen nämlich ihre Mode bei uns vor.“

 

„Warum?“, fragte Lucius kühl, denn er hasste soclhe Partys.


„Weil wir den größten Salon haben, Liebling.“ Er war alarmiert. Genau wie Lucius. „Aber ich weiß, dass es dir immer lästig ist, also habe ich eine kleine Überraschung für dich. Später“, fügte sie mit einem Blick auf Draco zu, und er kam sich beides, unpassend und viel zu gut informiert vor. Er wusste nicht, wie oft Narzissa Lucius mit Sex zu ködern versuchte, aber anscheinend wohl nicht besonders häufig, denn der geschlossene Mund seines Vaters klappte überrascht auf. „Ich habe uns ein Paar-Paket besorgt“, flüsterte Narzissa verschwörerisch.

 

Draco wusste bereits, wo.

 

„Du warst in der Confiserie?“, fragte er scharf.

 

„Ja“, erwiderte seine Mutter.

„Freiwillig?“, erkundigte sich sein Vater jetzt auch höchst skeptisch.

 

„Sicher, freiwillig“, erklärte sie knapp. „Schöne Grüße von dieser Luna.“ Seine Mutter kannte Luna sehr wohl! Das wusste er.


„Was?“, stammelte er jetzt und hatte keine Ahnung, weshalb seine Mutter überhaupt wieder mit ihm sprach.

 

„Nehmt euch einfach etwas vor. Die Models werden sich nämlich nicht mehr abbestellen lassen“, fuhr sie fort und ging ihre List wieder durch.

 

„Models?“, wiederholten er und Lucius gleichzeitig. Ihr Blick wurde etwas kühler.

 

„Für dich sind sie nichts, Draco. Und für dich erst recht nicht“, wandte sie sich an ihren Mann, aber eher mit schelmischer Überzeugung. Schon wieder öffnete sich der sonst so verschlossene Mund seines Vaters.

 

„Draco, ich glaube, eine Meuterei findet hier statt. Ich gehe zu den Elfen. Vielleicht wissen sie mehr. Deine Mutter flirtet mit mir.“ Draco nickte nur perplex.

 

„Oh bitte, Lucius. Als würde ich nie mit dir flirten.“ Sie schritt an ihm vorbei, die Haare offen und lang und ließ ihre Hüfte bei vorbeigehen an die seines Vaters gleiten. Lucius starrte der Frau nach, die angeblich seine eigene Frau sein sollte.

 

„Was ist das?“, fragte Draco haltlos. Lucius fuhr sich über die Stirn, strich die Strähnen zurück und zuckte die Achseln.


„Man könnte meinen, sie mag mich“, sagte er nachdenklich.


„Sollte sie dich nicht ohnehin mögen?“, erkundigte sich Draco verwirrt, aber er konnte das Spiel nicht lange aufrecht erhalten, denn er wusste, die Ehe seiner Eltern war immer eine Nutzehe gewesen und echte Gefühle waren so gut wie nie vorhanden. Außer heute. Heute schien sie… Gefallen an seinem Vater gefunden zu haben. Und so seltsam dies auch klang, es beunruhigte Draco.

 

„Wir sehen uns die Models an, oder?“, ergänzte er jetzt doch verwirrt. Lucius nickte nur.

 

„Sicher. Was wäre das für eine Verschwendung? Da geben wir unseren Salon und dürfen die Models nicht sehen? Natürlich bleiben wir.“ Draco nickte und wollte gehen, aber das Räuspern seines Vaters hielt ihn auf.

„Draco?“ Er wandte sich noch einmal um. „Was ist ein Paar-Paket?“ Und der große, böse Lucius Malfoy konnte zum ersten Mal seit Jahren seine Angst nicht ganz verbergen.

 

„Etwas… ziemlich erotisches“, erklärte er und Lucius Ausdruck wurde zusehend verwirrter.

 

„Deine Mutter hat es bisher nie als nötig gesehen, mich attraktiv zu finden und sich mit etwas Mühe zu geben, was Schlafzimmerangelegenheiten betrifft.“ Sein Vater legte eine unheimliche Ehrlichkeit an den Tag. Und es war Draco fast unbegreiflich. Er war zwar ein Mann und sah andere Männer – vor allem nicht seinen Vater – in einem solchen Licht, aber müsste er objektiv entscheiden, dann war sein Vater ein unglaublich gutaussehender Mittvierziger. Wahrscheinlich der beste in ganz London. Und wenn er ihn sich in seinem Alter vorstellte, also zu einem Alter, indem seine Eltern bereits zehn Jahre verheiratet gewesen waren, dann konnte er nicht begreifen, dass Narzissa ihn nicht attraktiv gefunden hatte.

 

Würde es einen Preis geben, für das attraktivste Paar, dann ginge der Preis wohl an die Malfoys. Es musste wohl sehr bitter für seinen Vater sein. Denn Draco hatte die hunderttausend Liebesbriefe oben in einer Schachtel gefunden. Alle an seinen Vater. Alle zu Hogwarts Zeiten, als Lucius Schulsprecher gewesen war. Aber soweit er wusste, war es immer klar gewesen, dass Lucius Narzissa Black hatte heiraten müssen, damit zwei große rein magische Familien zusammengeschlossen wurden und viele rein magische Erben garantieren würden.

 

Aber das hatte nicht funktioniert. Ob Narzissa eben nur einmal hatte schwanger werden können, oder ob sein Vater nicht viel öfter ran gedurft hatte.

 

Er schloss die Augen. Gedanken, die er nicht denken wollte.

 

„Du liebst Mutter, oder?“

 

„Sicher“, sagte Lucius kühl.

 

„Nein, ich meine… du liebst sie wirklich?“

 

„Sicher.“ Draco gab es auf. Was wollte er hören? Wilde Begeisterungsstürme über eine Vernunftehe? Wohl eher nicht.

 

„Aber… du findest sie attraktiv?“, versuchte er es noch einmal und kam sich dämlicher von Sekunde zu Sekunde vor.

 

„Narzissa Black war das schönste Mädchen, was ich jemals in meinem ganzen Leben gesehen habe. Und auch wenn du mit meiner Antwort nicht besonders zufrieden bist, Draco, natürlich liebe ich deine Mutter. Ich habe eine Familie mit deiner Mutter. Das sollte dir als Antwort genügen.“

 

„Oh“, sagte er und wusste nichts weiter zu sagen. Doch. Noch etwas. „Und wenn sie eine Muggel gewesen wäre, hättest du sie geheiratet?“

 

„Nein“, erwiderte sein Vater schlicht.

 

„Nein?“

 

„Ich hätte nicht gedurft. Wäre deine Mutter keine Black gewesen, dann hätte ich Bellatrix geheiratet. So sah es die strenge Planung meiner Eltern vor. Ich hatte Glück.“

 

„Du warst also ohnehin in niemanden verliebt gewesen?“ Lucius lächelte plötzlich.

 

„Draco, sei nicht dumm. Man ist immer, ohne dass man es will, in irgendjemand verliebt.“ Draco nahm an, das sollte ihm irgendetwas sagen.

 

„Also warst du nicht verliebt in Mum?“ Er hatte noch nie Mum gesagt, ging ihm auf. Lucius bemerkte es auch.

 

„Sag das Wort bloß nicht, wenn sie da ist“, erklärte er amüsiert. Draco verdrehte die Augen. „Aber nein. Interessanterweise fand ich deine Mutter immer anziehend schön, aber verliebt war ich in jemand anderes. Nur kurz, natürlich. Es hätte niemals etwas werden können, wie schon gesagt.“

 

„Wie schon gesagt? Oh, na sicher. Du warst in eine Muggel verliebt.“ Er lachte hart auf. Lucius blieb erstaunlich ernst.

 

„Zu meiner Zeit war Voldemort gerade im Aufstieg. Muggel waren verpönt, aber noch nicht so verhasst, wie ich es dir zu deiner Zeit eingetrichtert habe. Und das Problem war, dass Narzissa es wusste.“ Dracos Mund öffnete sich. Er hatte vergessen, was auch immer er gerade noch vorgehabt hatte. Jetzt sank er neben seinen Vater auf die Couch und starrte ihn fassungslos an.

 

„Nein. Du könntest nie…! Du hast Muggel gefoltert und getötet.“ Lucius lächelte freudlos.

 

„Wahrscheinlich eine Art Selbsttherapie. Es war schwer. Deine Mutter hatte mich gehasst, weil sie wusste, ich liebte sie nie wirklich. Die Muggel die liebte wurde umgebracht und ich… habe irgendwann aufgehört, Muggel als Menschen zu betrachten. Was auch nicht gesund war. Und dann wurde Narzissa schwanger.“

 

Draco schüttelte den Kopf. Nein, unmöglich. Das war unmöglich.

 

„Wir hast du das alles tun können? Wie hast du so werden können, wenn du eine Muggel geliebt hast? Ich dachte, wir hätten nichts mit ihnen zu tun gehabt, dass wir… dass du nie auch nur gesehen hast, dass sie existieren? Deine ganze Haltung-!“, rief er aus, aber Lucius zuckte die Achseln.

 

„Ich habe für meine Feigheit gezahlt. Aber dafür habe ich ein Vermögen, größer als das der Muggelkönigin. Ich denke, das dürfte es leichter machen.“ Es klang nicht so, als ob es das leichter machen würde. „Sag es deiner Mutter nicht. Sie hat mir endlich vergeben“, fügte er mit einem Lächeln hinzu.

 

„Sie liebt dich also, war dir aber die meiste Zeit böse?“, fasste Draco zusammen.

 

„Draco, wir sind Malfoys. Frauen lieben uns immer. Allerdings zu ihrem Zeitplan und wenn es ihnen passt.“

 

Draco war schockiert. „Wer weiß davon?“, fragte er leise.

 

„Deine Mutter. Und jetzt du.“

 

„Und sonst keiner?“

 

„Natürlich nicht. Denkst du, du wirst erfolgreich, wenn du deine Schwächen offen vor dir herträgst, Draco?“ Er wusste die Antwort darauf nicht. Anscheinend war man auch nicht erfolgreich, wenn man sie verbarg. Wenn Narzissa Lucius zwanzig Jahre böse war, dann war das auch keine gute Quote. Wie verhielt man sich dann richtig?

 

„Was sollen die Fragen über Liebe?“ Sein Vater hätte die Frage nicht stellen müssen. Er war kein dummer Mann.

 

„Ich versuche mir nur über etwas klar zu werden. Und nein, nicht über Granger“, fügte er knurrend hinzu.

 

„Natürlich nicht. Das hast du ja schon etabliert“, griff sein Vater die Worte auf und erhob sich. „Ich glaube, ich werde mit deiner Mutter reden.“

 

Reden?“, wiederholte Draco, als könne man dieses Wort auch durch etwas anderes ersetzen.

 

„Reden, ja“, bestätigte Lucius und sein Pokerface war Draco undeutbar. Merlin sei Dank, war es das. Dann war er wieder allein. Models… vielleicht würden die ihn ablenken. Aber Models waren eben nur Models. Jedenfalls müsste er das Haus nicht verlassen, um Mädchen zu sehen.

 

~*~

 

„Du sollst in Malfoy Manor Kleider vorführen? Mit Models? Mit richtigen Models?“ Und sich wusste nicht, ob Ginny schockiert oder neidisch klang.

 

„Ich hab Fotos von den Kleidern. Ich wusste nicht, ob-“ Ginny schnappte sie ihr aus der Hand.

 

„Oh Merlin!“, stieß ihre Freundin aus. „Die sind absolut wunderschön! Das ist schon die Herbstkollektion, Hermine! Die ist unerschwinglich teuer. Und sie lassen dich die Kleider anziehen?“, rief sie so neidisch aus, dass Hermine sicher war, Harry würde gleich panisch den Kopf herein schieben.

 

„Ich… darf sie danach auch behalten, wenn ich will“, sagte Hermine leiser.

 

„Was?“, schrie Ginny außer sich und atmete heftig. „Oh, das ist so ungerecht, du bist viel dicker als ich! Dann passen sie mir nicht!“, heulte Ginny und Hermine runzelte entrüstet die Stirn.


„Was?“

 

„Natürlich nicht dicker“, verbesserte sich Ginny, aber ich bin eine Größe 1 und du bist 2. Das ist ein Unterschied in der Taille. Was musst du auch so kurvig gebaut sein? Kannst du nicht vielleicht ein oder zwei in der kleineren Größe anprobieren, Hermine?“ Hermine hatte erwartet, dass Ginny ausrasten würde. Vor allem, weil sie nicht nur Kleider, sondern auch Hochzeitskleider vorführen musste. Nun, nur eins. „Aber… du kriegst doch nicht auch noch Geld dafür, dass du diese Schönheiten tragen musste, oder?“

 

Hermine biss sich auf die Lippe. „Oh nein!“, rief Ginny aus.

 

„Was ist los?“ Harry steckte den Kopf in die Küche.

 

„Hermine kriegt Geld dafür, Kleider anzuziehen!“, erklärte Ginny höchst ärgerlich.

 

Harry zuckte die Achseln. „Na ja, sie trägt schrecklich viele Hosen, Ginny. Wurde Zeit, dass sie jemand dafür bezahlt.“ Hermine warf kurzerhand das Spülhandtuch nach Harry, der hastig und lachend den Kopf wieder zurückzog.

 

„Wie viel?“, fragte Ginny böse und Hermine wusste, die Zahl würde sie noch böser machen. „Wie viel, Hermine?“, verlangte sie zu wissen. Hermine schloss seufzend die Augen.


„Achttausend“

 

„Achttausend Galleonen dafür ein paar blöde Kleider vorzuführen? Ich würde sie umsonst tragen, vor allen Todessern der Welt!“, rief Ginny verzweifelt aus.

 

„Ich weiß“, versuchte Hermine die Sache besser zu machen. „Würdest du es also auch tun?“

 

„Auch tun? Ich würde nackt auf der Straße tanzen, würde ich die Kleider auch noch behalten dürfen!“ Hermine wusste nicht genau, ob sie erleichtert sein sollte, oder sie Ginny mal ernsthaft Hilfe empfehlen sollte, für eine solche Modebesessenheit.

 

„Aber es ist auf Malfoy Manor“, gab Hermine zu bedenken.


„Na und? Ist er da?“

 

„Narzissa hat mir versprochen, dass er nicht da ist.“

 

„Hast du gewusst, dass Narzissa Malfoy früher selber für Vender und Vaines gemodelt hat“, schwärmte Ginny und schien ihre Frage schon wieder vergessen zu haben. „Sie hat selber eine Größe 1. Absolut perfekt.“ Hermine runzelte die Stirn.

 

„Mir hat sie gesagt, sie würde mich beneiden, weil sie nie so eine Figur wie ich haben würde.“

 

„Dann war sie höflich, Hermine“, erwiderte Ginny überschwänglich.


„Ginny“, sagte Hermine ernst und Ginny schien zu begreifen, von wem sie sprachen.


„Dann will sie irgendwas von dir“, verbesserte sich Ginny plötzlich nüchtern. „Aber sie hat doch alles.“ Dann schlug Ginny die Hand auf den Tisch. „Vielleicht soll es eine Art Entschuldigung sein!“, rief sie aus.

 

„Eine Entschuldigung? Wer trägt denn bitte Kleider als Entschuldigung?“ Hermine sah schon, sie hatte Ginny wieder verloren, die wohl auch sofort die Kleider gegen Harry eintauschen würde.

Und vielleicht meinte es Narzissa nett. Vielleicht. Immerhin war Malfoy nicht da. Oder wollte sie sie vor den Models blamieren? Weil sie eine Größe 2 war? Aber nein. Auch 2 war noch immer dünn. Ginny machte sie noch wahnsinnig.

 

Gut, sie würde ein paar Kleider vorführen. Sie wusste selber, wie albern es war. Wieso hatte sie sich von Narzissa Malfoy überreden lassen? Wahrscheinlich fragte sich das Lucius Malfoy auch. Wahrscheinlich hatte Narzissa ihn zur Hochzeit überredet. Hermine würde sich nicht wundern, wenn Narzissa sie auch noch dazu überreden würden, einen Hauselfen zum Spaß auszupeitschen. Sie schloss die Augen. Nein. Das würde sie niemals tun! Außerdem konnte sie mit den achttausend Galleonen wirklich viel anfangen. Sie konnte die Miete für die nächsten Monate zahlen und den Rest für den nächsten Urlaub sparen.

 

Es war gutes Geld dafür, dass sie nur ein paar Kleider anziehen musste! Ja, das sagte sie sich zumindest und verdrängte das ungute Gefühl in ihrer Magengegend.

 

 

Kapitel 28

 

Seine Mutter hatte ihn und seinen Vater eher halbherzig raus gescheucht. Und sie ignorierte die Tatsache, dass sie hier eigentlich nicht willkommen waren. Etwa hier hätte Draco wittern sollen, dass irgendetwas vor sich ging, auch wenn er sich nicht sicher war, was er war.

 

Jedenfalls waren die Models ins Haus gekommen und waren bereits im Gästetrakt, um sich umzuziehen. Wahrscheinlich konnte er sich betrinken und dann eines der Models mit wenig Überredung dazu bringen, ihm den Abend schöner zu gestalten. Models waren für gewöhnlich dumm und außerdem… war er der reichste Junggeselle in der Gegend. Er würde das Wort Junggeselle etablieren, denn das würde er wohl für immer bleiben.

 

Sicher war es.

 

Der dämliche Ring in der dämlichen Schachtel lag immer noch auf seinem Ankleideschrank. Sie hatte ihn hier vergessen und noch hatte er es nicht über sich gebracht ihn wegzuwerfen oder aufzuessen. Beide Varianten kamen ihm falsch vor.

 

Es kam ihm recht, sich von hübschen Mädchen ablenken zu lassen.

 

„Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der Kollektion“, hörte er die Stimme seiner Mutter, die ihre feinen Damen der Gesellschaft begrüßte. Er würde sich an den Rand zum Salon stellen können. Die Elfen würden ihm vielleicht sogar auch den Champagner bringen und ihn die Diätpralinen essen lassen, die für die Damen bestellt wurden. Obwohl er Schokolade im Moment nicht ausstehen konnte. Er hatte sich eine schwarze Hose angezogen, dazu ein helles Hemd. Er wollte schließlich nicht unangenehm auffallen.

 

Dann ging er runter. Er sah, wie ein Model eine seltsame Version eines Strandkleides vorführte, die wohl eher unpraktisch als angenehm war. Die Schleppe war so lang, dass sie den halben Sand darin einsammeln konnte.

 

Die Modemacherin beschrieb mit kitschigen Worten ihren Assoziationen zu dem Kleid und er bestellte sich einen Grog. Einen doppelten. Dann drehte sich das Model und er hatte das Gefühl als zwinkerte ihm die blonde Badenixe tatsächlich zu. Er hob nur die Augenbrauen, um zu zeigen, dass er es zur Kenntnis genommen hatte.

 

„Als nächstes möchte ich Ihnen ein Abendkleid für den lauen Herbst präsentieren, dass sich ebenfalls für den Strand eignet. Hierfür hat sich eine Bekannte von unserer geschätzten Gastgeberin bereit erklärt, es vorzuführen“, fuhr Mrs Vender fort. „Einen Applaus bitte für Tanz im Sonnenuntergang!“, rief sie und klatschte in die Hände.

 

Auf den gebauten Laufsteg trat jetzt eine bezaubernde brünette Schönheit. Die Locken fielen ihr weit über den Rücken, in die Stirn und in die betörenden dunklen Augen, die durch das Makeup… Draco starrte mittlerweile. Tanz im Sonnenuntergang sah verdächtig so aus, wie….

 

Und sie sah ihn auch. Sie strauchelte beinahe in dem viel zu knappen Kleid mit den viel zu hohen Schuhen. Sie warf seiner Mutter einen bestürzten Blick zu und halbherzig erhob sich seine Mutter.

 

„Draco, das hier ist privat!“, rief sie lächelnd.

 

„Ich wohne hier“, erklärte er plötzlich, gierig näher zu kommen, bestellte noch einen Drink und zog sich den Stuhl direkt vor den Laufsteg. Granger war eines der Models und trug ein verboten heißes Kleid und würde gleich direkt auf ihn zulaufen.

 

Sie schien mit sich zu hadern, tauschte ein wütendes Blickduell mit seiner Mutter aus und warf dann die lockige Pracht über die Schulter, um plötzlich aufreizend auf ihn zuzugehen. Wahrscheinlich war er sie gewöhnt, mit einem Packen Schulbücher über der Schulter und nicht in einem sexy Kleid. Aber er wusste doch schon, wie sie nackt aussah! Es sollte ihn nicht… so verflucht scharf machen, sie so zu sehen. Er konnte sich kaum auf dem Stuhl halten, als sie sich unsicher drehte und er sich auf die Lippe beißen musste, damit er seine Erektion nicht richten würde.

 

In seinem Kopf wurde ihm klar, was seine Mutter getan hatte. Aber leider hatte sein Kopf zurzeit Sendepause. Alles was zählte, war, dass er keine Sekunde hiervon verpasste.

 

Die Tortur dauerte an. Nach ihr kamen zwei andere Mädchen, die nicht seine Aufmerksamkeit behalten konnten. Er hatte nach einer Minute bereits wieder vergessen, was sie trugen. Dann kam sie wieder.

 

„Bei den Abendkleidern habe ich versucht dieses Jahr eine äußerst elegante Note zu finden. Kombiniert mit Mitteln der Burlesque“, erklärte sie. Vor Dracos Kopf tanzten nackte Showgirls, aber das würde hier nicht der Fall sein.

 

Sie trat vor. Sie trug ein Knöchellanges, sehr eng anliegendes Kleid. Schwarze Stöckelschuhe und die Haare waren auf einer Seite kunstvoll zurück gesteckt. Sein Blick blieb an dem roten Lippenstift hängen, der ihr Gesicht viel zu sinnlich betonte. Ihm lief buchstäblicherweise das Wasser im Mund zusammen. Die linke Seite des Kleides war eingeschnitten, bis weit über den Oberschenkel und der Saum, war mit roten geschmackvollen Rüschen gefasst. Und sie trug ein schwarzes Strumpfband mit besetzter Spitze am Oberschenkel. Er könnte ihr das ohne weiteres mit den Zähnen ausziehen, bevor er sich in ihr vergraben würde.

 

Er öffnete hektisch den obersten Hemdknopf und stützte die Ellenbogen auf die Knie, während er sich vorlehnte. Sie kam auf ihn zu, sah ihn aber nicht an. Als sie keinen halben Meter vor ihm stand, und er zu ihr empor blickte, sprach seine Mutter.

 

„Oh, Ms Granger bitte bleiben Sie kurz stehen.“ Und er konnte in ihrem Gesicht erkennen, dass es das letzte war, was sie tun wollte. „Sagen Sie, Mrs Vender, die Rüschen, sind die optional, oder gibt es nur diese Version?“ Mrs Vender schien kurz verwirrt zu sein, aber es war Draco verflucht egal. Er könnte sie praktisch anfassen! Und diese Gefahr schien Granger auch zu wittern.

 

Kaum merklich erwiderte sie plötzlich seinen Blick. Sie schüttelte warnend mit dem Kopf und ihr Ausdruck nahm etwas Endgültiges an. Er spürte, wie er sich gerade hinsetzte, wie er sich in dem Anblick aus schwarzer Seite und Spitze völlig verlor, wie er, Merlin noch mal, all seine kühle Kontenance verlor, bloß weil sie Haut zeigte! Er fühlte den feinen Schweiß der anstrengenden Zurückhaltung im Nacken. Was hielt ihn davon ab auf diesen Laufsteg zu springen und ihr die Klamotten vom Leib zu reißen?

 

Ungefähr dreißig Gäste. Na und? Scheiß drauf, riet ihm seine Erektion, aber dann entließ seine Mutter Granger aus der Poste und sie eilte hinter die Bühne zurück.

 

Es vergingen Minuten, ehe er sich wieder fassen konnte.

Er musste sich mit einem weiteren Grog beruhigen und wusste, er würde sich sowieso nicht mehr beruhigen. Fuck!

 

„Anscheinend gefällt es dir. Du findest meine Veranstaltungen doch immer gähnend langweilig, Draco.“

 

Er hob verzweifelte den Kopf und fixierte seine Mutter, die sich unauffällig neben ihn gesetzt hatte.

 

„Warum tust du das?“, fragte er rau und Narzissa lachte tatsächlich.

 

„Ich tue gar nichts. Ich befehle dir nicht, hier zu sitzen wie ein Wolf und sie anzustarren. Das tust du allein“, erklärte sie und wirkte allerdings höchst zufrieden.

 

„Worauf bist du damit aus?“, knurrte er als sie sich schon wieder erhoben hatte. Es ging weiter. Alles in ihm zog sich zusammen, als Mrs Vender jetzt sprach.


„Der Höhepunkt der Kollektion sind die Brautkleider. Natürlich, wie jedes Jahr. Wie haben letztes Jahr so ziemlich alle auszeichnenden Preise bekommen, was uns nur stärkt in unseren Ideen.“ Er spürte, wie sich seine Knie unangenehm anfühlten, wie er in die Lehnen griff und sich empor zog. Nein! Keine Brautkleider! „Wir beginnen mit recht schlicht mit unserem-“

 

Die Modemacherin unterbrach sich kurz, als seine Mutter ihr irgendetwas zu zischte. „Äh… nein, wir beginnen heute mit unserem schönsten Exemplar. Wir waren sehr stolz darauf, denn es ist eine reine Seidenkollektion und hierfür wurde magische Seide der Saphirraupe verwendet. Sie ist in der Lage, die Farben zu wechseln. Das Gold ist geschmolzen und wieder erstarrt. Der Gesamtwert des Kleides beträgt geschätzte 250.000 Galleonen. Wir haben es Millionen Schichten getauft“, endetet die Modemacherin hastig und Draco erstarrte.

 

Er war aufgestanden, war schon um den Stuhl gegangen, denn er wusste in der Sekunde, was seine Mutter wollte und er wusste, es würde nicht funktionieren. Egal, wie gut er auf nuttige Mode auch ansprang. Das hier würde bei ihm niemals…-

 

Es war lang. Mehrere Schichten aus funkelnder Seide. Mal weiß, mal blau. Goldene Fäden spannten sich über die Millionen feinen Unterröcke. Gehalten wurde es mit zwei schmalen silbernen Trägern. Eine Schleife aus funkelnden Diamanten hielt es in der Taille hinten geschnürt zusammen und zwei einzelne Streifen Seide waren ihr in das etwas gebändigte Haar geflochten.

 

Sie sah aus wie… eine Prinzessin aus einem furchtbar kitschigen Märchen. Sie trug eine Kette mit einem saphirblauen Stein, die im magischen Licht blitzte und machte in feinen weißen Seidenschuhen mit einem goldenen, Stecknadeldünnen Absatz langsame Schritte auf ihn zu.

 

Sein Atem ging flach in seiner Brust, denn sie war so schön, wie er sie noch nie gesehen hatte. All das erotische, was ihn gerade eben so sehr angemacht hatte, war nichts zu dem, was gerade in seinem Innern passierte. Etwas Schöneres hatte er noch nie gesehen. Er wollte auch niemals mehr etwas Schöneres als das in seinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen.

 

Sie verdiente immer nur die schönsten Kleider. Immer nur das Beste von allem.

Es brach sein Herz. Alles an ihr brach sein verdammtes, eiskaltes Herz.

Denn er war nicht das Beste, was sie verdiente. Er war es verflucht noch mal nicht!

 

Seine Hände ballten sich zu schmerzhaften Fäusten, während er sich umwandte und eilig den Salon verließ. Seine Tritte machten keinen Laut auf dem teuren Teppich. Er traf auf seinen Vater im Flur. Die Modenschau lief weiter. Er hörte Mrs Vender weitersprechen.  Granger war also nicht mehr auf der Bühne. Im Flur hielt er inne und atmete gezwungen ruhig aus.

 

„Wieso tut Mutter mir so etwas an?“, knurrte er ungehalten und sein Vater runzelte die Stirn. Er hatte sich wohl selber gerade etwas zu trinken geholt und war auf dem Weg zurück zur Modenschau.

 

„Dir? Was tut sie dir denn an, Draco? Du musstest ja nicht zusehen. Alles, was die vorhältst, tust du dir doch selber an“, erklärte sein Vater ungerührt, nippte an seinem Getränk.

 

„Was soll ich denn tun, verflucht?“, schrie er zornig und hörte, wie die Modemacherin im Salon kurz verstummte. Sein Vater schenkte ihm einen maßregelnden Blick.

 

„Mach die Augen auf“, entgegnete sein Vater ungeduldig. „Wahrscheinlich befindet sich die Lösung direkt vor deiner Nase.“ Damit ließ er ihn stehen. Nein. Seine Augen würden geschlossen bleiben. Sie hätten die gesamte Zeit geschlossen bleiben sollen! Er wollte sie nicht sehen! Wenn Granger die Lösung war, dann wollte er sie nicht sehen.

 

Aber er hatte die Augen wohl zu spät zugemacht, denn er sah sie durch den Flur huschen. Nur wenige Türen vor ihm. Sie hatte sich abgesetzt und versuchte gerade aus dem Haus zu kommen. In de 250000 Galleonen teuren Kleid.

Seine Füße rannten, ehe er sich bewusst wurde, dass sein Gehirn ihnen das Signal dazu gegeben hatte. Er stürmte ihr regelrecht hinterher. Sein Herz stand in gefährlichen Flammen und alles, was er gleich sagen würde, wäre wahrscheinlich falsch.

 

„Hey!“, rief er einfallslos, als er sie eingeholt hatte. An der Verandatür blieb sie ertappt stehen und wandte sich langsam um. Ihr Makeup hatte gehalten. Nein. Ihm wurde klar, sie weinte gar nicht. Sie floh nur. Vor ihm. Das wurde ihm bewusst. „Die… die Tür im Ostflügel ist näher zum Tor“, erklärte er etwas schwach. Sie schien zu begreifen, was er ihr damit sagen wollte und nickte einmal. Sie ließ ihn nicht aus den Augen.

 

Das Kleid glitzerte in der Nachmittagssonne, die von draußen hinein fiel.

 

„Das… das ist wunderschön.“ Das hatte er nicht sagen wollen. Das Kleid war nichts, verglichen mit ihr. Sie fuhr unbewusst über die Seide. „Aber… dir ist bewusst, sie würden dich mit einem Fluch niederstrecken, wenn du damit wegläufst?“, fragte er schließlich und war froh, dass er seine Angst überwand. Wäre er nicht mehr schlagfertig, dann konnte er sich gleich begraben lassen.

 

„Was?“, flüsterte er sie verwirrt und sah an sich hinab. „Nein, ich… es ist meins“, erklärte sie.

 

„Du… hast ein Hochzeitskleid? Für einen bestimmten Anlass oder einfach nur-“

Sie hatte die Tür bereits geöffnet. „Warte!“, unterbrach er sich selbst.


„Worauf?“, verlangte sie plötzlich wütend zu wissen. „Dass du mich noch mal blamierst? Ich denke, für heute hast du dein Pensum erfüllt!“, erklärte sie kühl und trat nach draußen.

 

„Granger!“, knurrte er und folgte ihr. „Warte“, wiederholte er und hatte noch keine Ahnung, was er ihr sagen wollte. Er hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Sein Puls hatte sich wieder beschleunigt und kein intelligentes Wort wollte über seine Lippen. „Ich… wollte dich nicht blamieren“, begann er schließlich.

„Spar dir das“, informierte sie ihn und stapfte über die Wiese, was in den hohen Schuhen nicht nur gefährlich, sondern auch unmöglich aussah.

 

„Du hättest mich doch sowieso nicht gewollt!“, rief er plötzlich und sie hielt zornig inne.

 

„Keine Sorge, Draco. Ich will dich nicht. Du bist vollkommen sicher!“ Er folgte ihr, was nicht schwer war, denn für jeden ihrer Schritte konnte er selber drei gehen.

 

„Du bist gegangen!“, hielt er sie plötzlich auf. „Du hast meinem Vater gesagt, du würdest nicht wieder kommen!“

 

„Du hast gesagt, dass du mich nicht liebst, also habe ich keinen Grund, oder?“, schnappte sie und er konnte sehen, wie lästig ihr das Kleid war.

 

„Oh bitte, Granger“, sagte er rau.

 

„Bitte, was? Du liebst mich plötzlich, weil ich ein blödes Hochzeitskleid anhabe?“, erkundigte sie sich und versuchte die Schichtend es Kleides nach hinten zu schieben, damit sie einen geraden Schritt tun konnte.

 

„Nein“, murmelte er belustigt, „das Kleid macht mir unglaubliche Angst.“ Er lächelte. Sie sah sie ihn immer noch wütend an. Aber sie war so schön dabei, dass er nicht anders konnte, als zu lächeln. „Angst ist eine gefährliche Sache, Granger. Ziemlich mächtig“, fügte er langsam hinzu.


„Ach ja?“, entgegnete sie angriffslustig, was in einem halbe Millionen teuren Hochzeitskleid nicht unbedingt so wirkungsvoll erschien. „Ich will dir wirklich keine Angst machen, Draco, also geh einfach wieder rein, ok?“ Er blieb, wo er war. „Was willst du noch?“, rief sie verzweifelt aus.


„Ich dachte, das wäre seit einigen Wochen recht offensichtlich“, erwiderte er ruhiger und betrachtete ihr Gesicht, was ihm so vertraut geworden war. Ihr Mund öffnete sich langsam.


„Du willst mich. Schön, aber das reicht nicht, ok. Außerdem… stimmt das ja auch nicht mehr!“, gab sie zurück. „Bitte, lass mich endlich gehen“, fügte sie leiser hinzu.

 

„Es tut dir weh, mich zu sehen?“ Es sollte keine Frage sein, aber er hatte es nicht verhindern können. Sie wischte sich ärgerlich über die Wange. Eine Träne hatte sich tatsächlich von ihren langen, stark geschminkten Wimpern gelöst.


„Nein, weißt du was, du Arschloch?“, fuhr sie ihn plötzlich an. „Eigentlich tut es nur weh, dich nicht zu sehen. Dich zu sehen ist überraschenderweise einigermaßen erträglich!“, fügte sie zornig hinzu. Sie blickte nun an ihm vorbei.

 

„Ich bin nicht perfekt“, sagte er langsam.

 

„Oh ja? Seit wann das?“, knurrte sie. „Wer sollte perfekter sein als du es bist?“, verlangte sie höhnisch zu wissen, während sie ihre Röcke wieder raffte. Er umfing ihre Schultern und sie sah erschrocken zu ihm auf.

 

„Ich habe Angst, dir wehzutun. Und ich habe Angst davor, dass du mir nicht vergibst. Ich habe Angst, neben dir aufzuwachen und zu wissen, dass du mich verurteilst! Ich habe Angst meinen Namen laut zu sagen, wenn du neben mir stehst, weil du alles Schlechte dahinter sehen kannst! Du siehst kein Geld hinter dem Namen Draco Malfoy! Du siehst keinen Ruhm oder Reichtum oder eine Ahnentafel, die ein Millionenvermögen garantiert! Du siehst nicht das Erbe hinter dem  Namen Draco Malfoy. Du siehst den Todesser Draco Malfoy, der das Dunkle Mal trägt und die Vergangenheit niemals, niemals rückgängig machen kann!“ Seine Stimme war lauter geworden und er atmete heftig.

 

„Du bist zu schön für mich, Granger. Zu gut, zu perfekt. Du bist verflucht unerreichbar. Nichts an mir kann sich mit dir messen. Absolut gar nichts! Neben dir fühle ich mich… wie ein Monster“, sagte er mit einem freudlosen Lächeln. „Draco Malfoy, das Monster“, endete er schließlich.

 

„Die Rührer sehen das anders“, sagte sie mit merklich heiserer Stimme. Er verdrehte die Augen.

 

„Die Rührer sind Männer aus Schokolade, Granger. Was wissen die schon?“, wollte er wissen und musste tatsächlich lachen.

 

„Ich sehe es auch etwas anders als du. Auch wenn du immer denkst, du wüsstest genau, was ich denke, Draco. Du bist nicht allwissend. Wie kannst du dir überhaupt heraus nehmen, zu sagen, was ich denke?“ Aber es war keine echte Frage, denn sie ließ ihn gar nicht antworten.

 

„Draco Malfoy war ein Todesser. Und er hat für seine Fehler gebüßt. Draco Malfoy macht Schokolade und kleine magische Wesen, auf deren Seite für gewöhnlich ich mit Bannern und Ansteckern stehe, ziehen die Gesellschaft von Draco Malfoy vor. Draco Malfoy vergibt seinem Vater. Draco Malfoy überlebt einen Todesfluch. Draco Malfoy schafft es, dass Hermine Granger sich verliebt.“ Ihre Stimme bricht. „Und sie kann ihn nicht mal hassen, selbst wenn er sie nicht liebt, nicht heiraten will und niemals wiedersehen möchte. Das ist es, was ich denke, wenn ich deinen Namen sage, Draco Malfoy.“

 

„Ich hatte angenommen, du wärst klüger als ich“, sagte er schließlich und ließ ihre Schultern los, um ihr Gesicht in beide Hände zunehmen. Er küsste sie in diesem Moment und ihm wurde klar, er brauchte kein dämliches Paar-Paket! Der Rausch erfasste noch, bevor er ihre weichen Lippen berührt hatte. Sie keuchte erschrocken auf, aber er hatte ihre Lippen bereits verschlossen.

 

Er verweilte nur kurz in diesem Moment. Er löste sich von ihren Lippen, um sie anzusehen. „Ich liebe dich, Hermine“, sagte er ernsthaft und sie lachte kurz auf, als noch eine Träne ihre Wange hinab rollte. Er fing sie mit dem Daumen ab.

 

„Tust du?“, fragte sie unsicher und er küsste sie noch einmal kurz.

 

„Ja“, bestätigte er knapp. Sie griff in sein Hemd und er ließ sich grinsend von ihr küssen. „Zieh das schwarze Kleid noch mal an“, murmelte er lächelnd gegen ihre Lippen und erntete ihren Schlag in seine Rippen. Er zog sie übergangslos enger an sich, was bei einer Millionen Schichten nicht gerade einfach war. Dann löste er sich wieder von ihren verflucht weichen Lippen, die er immer wieder berühren konnte. „Du weißt, es bringt Unglück, die Braut vor der Hochzeit im Kleid zu sehen“, merkte er an und sie wirkte überrascht.

 

„Wir heiraten?“, fragte sie skeptisch und ihre Finger fuhren durch die kurzen Hare seines Nackens. Er mochte es, wenn sie das tat.

 

„Nur der Form halber“, erklärte er lächelnd. „Und wegen der Rührer. Nicht dass sie wieder erstarren“, fügte er knapp hinzu. Ehe sie protestieren konnte, küsste er sie wieder, ließ seine Zunge fordernd in ihren Mund gleiten und kämpfte nur zu gern mit ihr um Dominanz. Angst war ein lächerlicher Gegner, entschied er siegestrunken. Aber dennoch hatte er Angst, dass er gleich vielleicht nur wieder aufwachen würde. Er hielt Hermine noch fester und würde sie einfach im Garten verführen, wenn sie noch weiter so verflucht scharfe Geräusche gegen seine Lippen machen würde.

 

Kapitel 29

 

 

Sie hatte die weise Voraussicht, nicht ins Haus zurückzugehen. Sie zog ihn mit sich und sie apparierten in seine alte Wohnung. Und er ließ er nicht die Zeit zu verurteilen, wie reich er hier lebte. Sie würde ihn später dafür in die Seite schlagen beschloss sie, während er ihren Rücken gegen seine Vorderseite presste und unter heißen Küssen ihr Kleid öffnete.

 

Seine sanften Berührungen ließen sie alles vergessen, was sie eigentlich sagen wollte. Es war so unwichtig auf einmal. Sein Stöhnen trieb sie in den Wahnsinn und als sie endlich spürte, wie alle Bänder und Schleifen und Schichten von ihr ab fielen und sie so gut wie nackt vor ihm stand, wandte sie sich um, und schlang die Arme um seinen Nacken.

 

Er war wundervoll und so schön, dass sie kaum begreifen konnte, ihn nach all der Zeit wieder zu haben. Ihn überhaupt zu haben. Sie strich über seine Wange, fuhr durch seine dichten Haare und ließ ihn nicht aus den Augen, während das helle Blau in seinen eigenen Augen dunkler wurde.

 

„Hier wohnst du also“, hauchte sie, weil sie einfach sprechen musste. Sie musste sich vergewissern, dass sie Herr der Lage war und nicht nur träumte. Er warf kurz einen Blick in die Runde und ein Hauch des berühmten Grinsens erschien auf seinen Zügen.

 

„Ich glaube schon. Die Wohnung ist so ungefähr das letzte, worauf ich mich hier konzentriere, Granger“, knurrte er rau und seine Lippen küssten langsam ihren Hals. Sie hatte keinen BH unter dem Kleid tragen können.

Dinge schossen ihr durch den Kopf, wie, dass sie sich nicht bei seiner Mutter für den Aufbruch entschuldigt hatte, dass sie Narzissa nicht gefragt hatte, ob es volle Absicht von ihr war, und ob das nun bedeutete, dass Narzissa Malfoy sich mit Hermine Granger völlig abgefunden hatte.

Und noch etwas….

 

„Sag mal, hast du das ernst gemeint?“ Die Ungeduld flackerte in seinem hungrigen Blick deutlich auf.


„Granger, ich habe so ziemlich alles verflucht ernst gemeint, wenn du mich jetzt quälen willst“, murmelte er, während seine Hände verlangend über ihren nackten Oberkörper strichen. Aber sie konnte es nicht einfach in eine Ecke schieben und nicht darüber sprechen.

 

„Mit der Heirat“, sagte sie leise. Jetzt seufzte er knapp und nahm ihr Gesicht in beide Hände.

 

„Granger, wenn du jetzt, in dieser Sekunde, von mir verlangen würdest, die Welt zu bereisen und alle Hauselfen zu befreien, dann würde ich auch das tun. Alles, was du verflucht noch mal willst!“, brauste er erregt auf, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein, nicht, weil ich es will. Ich wollte es ja überhaupt nicht!“, rechtfertigte sie sich und war sich bewusst, wie nackt sie gerade war. Er schloss kurz die Augen und schien alle seine Energie zurück in sein Gehirn zu zwingen. Sie hatte seine Erektion schon gespürt, als sie appariert waren.

 

„Was willst du von mir hören?“, fragte er ruhig. „Dass ich dich liebe? Dass ich dich vom Fleck weg heiraten möchte? Dass ich will, dass du meinen Sohn gebärst? Dass ich will, dass nur noch du neben aufwachst und einschläfst?“

 

„Ich will keine Floskeln hören, Draco!“, rief sie und stellte es sich jedoch sehr schön vor, diese Sachen wirklich von ihm zu hören.

Sie spürte die kleine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen und wusste, sie konnte jetzt nicht besonders verführerisch aussehen. Zu ihrer erstaunlichen Überraschung lächelte.


„Ich will… dass du mich genauso ansiehst. Jeden Tag, bevor ich dich verführe“, flüsterte und küsste die kleine steile Falte einfach fort. Sie musste plötzlich grinsen.

 

„Draco, du…“

 

„Oh nein. Ich habe lange genug ausgehalten, Hermine“, sagte er rau und ihr Name auf seinen Lippen war so berauschend, dass sie ihn einfach küssen musste. Er reagierte prompt, zog sie unbeherrscht an sich und ihre Finger zerrten das Hemd aus seiner Hose. Seine Bauchmuskeln waren hart und warm unter ihren Fingern. Seine Brust war glatt und lud dazu ein, sie zu küssen, was Hermine sofort tat. Das Hemd fiel von seinen Schultern und mit einem leisen Stöhnen aus seinem begleitet, öffnete sie seine Hose.

 

„Wenn du…“, würget er hervor, „wenn du jetzt noch was diskutieren willst…“, presste er weiter durch die Zähne, „dann mach es schnell!“, verlangte er, und sie sah, wie er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Die Knöchel traten schon weiß hervor.

 

„Nein“, flüsterte sie sanft. „Ich bin völlig zufrieden“, fügte sie leise hinzu. Seine blauen Augen öffneten sich und auf einmal war sie die Beute. Mit einem Knurren hob er sie auf seine Arme, lief mit ihr durch seinen Flur bis ins Schlafzimmer und ließ sie auf das Bett sinken. Er war sofort über ihr und sie wusste nicht, ob sie jemals wieder eine Sekunde ohne ihn sein wollte. Wie seltsam. Das war Draco Malfoy! Sein Kopf wanderte mit einem kleinen Grinsen weiter abwärts. Oh Merlin! Das war Draco Malfoy!

 

Ihr Kopf flog zurück, ihre Finger krallten sich in das dunkle Laken und seine Finger zogen geschickt ihren Slip ihre Beine hinab. Er spreizte ihre Oberschenkel, und ehe sie sich schämen konnte, hatte er seine Lippen gegen ihre Venushügel gepresst und sie hörte Laute aus ihrem Mund, wegen denen sie sich morgen noch ausreichend würde schämen können.

 

Sie biss sich auf die Unterlippe und wusste, sie war eigentlich schon viel zu feucht für so eine Art Vorspiel. Er schien es regelrecht zu genießen, stieß zwei Finger in sie und beobachtete sie, wie sie ihm ihre Hüfte entgegen bäumte.

Sie wusste, sie murmelte seinen Namen nur undeutlich, hörte, wie er selber begann schneller zu atmen und sie dann mit einem weiteren Finger dehnte.

 

Als seine Zunge leicht über ihre geschwollenen Nerven strich, war es schon fast vorbei mit ihrem letzten Rest Beherrschung und sie schloss genießerisch die Augen. Er saugte ihre Klitoris in seinen Mund und sie spürte ihre Hüfte zittern, als sich ihr Becken völlig automatisch anhob. Sie keuchte und spürte ihn grinsen. Er gab ihr schließlich, was sie dringend brauchte, beendete sein Spiel, ließ seinen Daumen aber anschließend weiter über ihre Klitoris streichen.

 

Sein Kopf lehnte an ihrem Oberschenkel und endlich sah sie ihn an, wie er zwischen ihren Beinen lag. Er war perfekt.

 

„Draco“, flüsterte sie völlig zufrieden und er bewegte sich langsam wieder nach oben. Wie ein Raubtier sah er sie lauernd an. Das Spiel seiner Muskeln unter seinem eigenen Gewicht war faszinierend und sie biss sich wieder auf die Unterlippe als er schließlich den Kopf senkte und nur Millimeter vor ihrem Gesicht inne hielt. Sie bräuchte praktisch nur zu atmen, dann würden sich ihre Lippen berühren.

 

Aber sie konnte nicht atmen. Sie hielt die Luft in Ekstase an und dann verließen seine Augen ihren Blick und verfingen sich an ihren Lippen. Ihr Herz machte einen Satz und dann schloss er den Abstand. Sie stöhnte in seinen Mund und ihre Beine umschlossen automatisch seine Hüfte.

 

Sie konnte sich kaum beherrschen als er nach vorne in ihre feuchte Hitze drang. Das Gefühl war unbeschreiblich und sie hatte es unglaublich vermisst. Wie er sie ausfüllte, wie er kurz verharrte, weil er wohl überwältigt von den Gefühlen war, wie er keuchend den Kopf hob, wie sie sah, wie seine Augen wieder dunkler geworden waren. Sie begann sich unter ihm ungeduldig zu bewegen und seine Mundwinkel zuckten, in der Andeutung eines Grinsens.

 

„Nicht… so schnell“, murmelte er abgehackt und zwang sie, ruhig zu bleiben. Aber das wollte sie nun überhaupt nicht. Die Hitze in ihren Wangen war noch nicht abgeklungen. Die verwegene Kühnheit, die sie spürte, der Orgasmus der all ihre Sinne freigesetzt hatte, veranlasste sie zu einer ungeahnt mutigen Tat.

 

Ihre Hände schoben sich gegen seine Brust und stießen ihn zur Seite. Er fiel überrascht auf den Rücken und sie kletterte behände über ihn, setzte sich rittlings auf ihn und ehe er registrierte, was passierte, ließ sie sich auf seine steinharte Erektion gleiten. Sie zog überrascht die Luft ein, denn fast war es schmerzhaft, wie tief er in sie drang. Seine Augen schlossen sich für einen Moment und seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihre Hüfte.

 

„Hermine!“, presste er schwach hervor. „Fuck!“ Und zum ersten Mal, mochte sie es, ihn fluchen zu hören. Und sie hob ihr Becken vorsichtig an, um sich in einer kreisenden Bewegung wieder auf ihm nieder zu lassen. „Oh verflucht!“, keuchte er und er versuchte sie aufzuhalten, versuchte, ihre Hüfte festzuhalten, aber sie verstand langsam, ihre Macht zu gebrauchen, hob sich selber wieder an, um sich nur tiefer auf ihn zu senken.

 

Er biss sich auf die Unterlippe, gab die Gegenwehr auf und stieß plötzlich hart in sie, verfiel ihrem Rhythmus und sie hörte ihn ihren Namen stöhnen. Ihren Vornamen. Sie spürte, wie sich ihr Atem beschleunigte, wie sie ihre eigene Kontrolle verlor, wie sie immer schneller wurde, wie feiner Schweiß ihren Rücken hinab perlte und sie zu keuchen begann.

 

Er richtete sich mit einem Grollen auf, presste sie an seine Brust und stieß ein letztes Mal nach oben und ergoss sich mit einem kehligen Schrei in ihr. Sie griff in seinen Nacken und küsste ihn hart, als sie ebenfalls kam. Bunte Punkte tanzten vor ihrem inneren Auge, als seine Zunge sich verlangend, fordernd und hungrig in ihren Mund schob, um den Kuss mit solcher Intensität zu erwidern, dass sie alles um sich herum vergaß.

 

Das Gefühl war… unglaublich! Absolut unbeschreiblich!

 

 

~*~

 

Er wusste nicht, was passiert war, aber es war für ihn absolut unmöglich, seine Finger von ihr zu lassen. Es war unmöglich, sie nicht zu berühren, sie nicht anzusehen. Sie nicht vor seinem inneren Auge auszuziehen und sich vorzustellen, sich in ihr zu vergraben.

 

Und viel schlimmer war, dass es alle sehen konnten. Seine Mutter räusperte sich laut.

 

„Draco, das Kleid? Es hat dir also gefallen?“ Er zwang mit Gewalt den Blick in seine Teetasse und Grangers hochrote Wangen waren wie immer schon zu viel für ihn.

 

„Ja“, sagte er knapp.


„Ich hoffe, du hast es heile gelassen“, fügte seine Mutter mit Distanz in der Stimme hinzu. Er hob schuldbewusst den Blick. Er war sich sicher, dem Kleid war nichts passiert. Es hing bereits in ihrem Kleiderschrank. Und wartete.

 

„Ja“, erwiderte überraschend eintönig.

 

„Hermine, deine Eltern sind hier herzlich eingeladen und vorher zu besuchen. Immerhin sind vier Monate kaum genug Zeit, um eine Party zu planen, geschweige denn, eine gesamte Hochzeit.“ Er hob den Blick zu seiner perfekten Verlobten, die immer noch verstohlene Blick über die Schulter warf, weil sie sich hier nicht völlig wohl fühlte.

 

„Ja, Narzissa.“ Auch Granger schien all ihre Schlagfertigkeit verloren zu haben. Vielleicht hatte er sie aus ihrem Körper gevögelt. Er wurde unter dem Tisch hart und zwang sich an etwas Unverfängliches zu denken.

Schokolade. Grangers Körper in heißer Schokolade, wie sie sich räkelte und er sich an die Arbeit machen konnte, sie davon zu befreien. Mit seiner Zunge…. Er schloss die Augen. Fuck.

 

„Draco?“ Sein Kopf ruckte nach oben. Lucius betrachtete ihn mit einem so eindeutigen Blick, dass er wusste, würde es ihm mehr ausmachen, dann würde er jetzt rot werden.


„Entschuldige, was?“, fragte er so gleichgültig wie möglich.

 

„Ob du festgestellt hast, was mit der Schachtel passiert ist?“, wiederholte sein Vater anscheinend. „Eurer Schokoladenschachtel“, fügte er eine Spur abfällig hinzu.

 

„Oh ja, richtig!“ Narzissa sprang plötzlich auf und holte sie aus dem Salon. „Sieh dir das an.“ Draco hatte sie schon völlig vergessen gehabt. Eine Woche oder zwei war es her, als die Rührer sie ihnen geschenkt hatten.

 

„Oh Merlin“, rief Granger leise aus. Draco sah es auch. Die Schachtel war nicht mehr aus Schokolade. Das äußere Weiß war nicht mehr weiße Schokolade. Es war hartes Holz. Weißes, hartes Holz. Die feinen kleinen Blumen waren ebenfalls feine Schnitzereien aus Holz, Glas und Edelsteinen. Er öffnete überrascht die Schachtel und wunderte sich nicht, dass der Ring kein Ring mehr aus Schokolade war. Der funkelnde Stein hatte sich in einen richtigen Stein verwandelt. Er nahm an, es war ein gefärbter Brillant, denn Smaragde nahmen für gewöhnlich nicht so eine helle, vom Licht gebrochene, schimmernde Farbe an.

 

Die Fassung war wohl Weißgold mit Silber und Platin. Die Stränge wanden sich umeinander und er konnte beim besten Willen nicht schätzen, wie viel der Ring wohl wert sein musste. Und er konnte auch nicht fassen, dass die Kakaorührer eine Magie besaßen, welche Schokolade zu Gold machen konnte. Nein, das glaubte er auch nicht.

 

Granger nahm ihm den Ring ab.

 

„Wie ist das möglich?“, flüsterte sie.

 

„Es ist nicht möglich“, erwiderte Draco knapp. „Es ist eigentlich ziemlich unmöglich“, fügte er nachdenklich hinzu.

 

„Er ist echt, Draco!“, rief Hermine glücklich aus. „Er ist so wunderschön! Wie kann das sein?“ Sie streifte ihn sich völlig verblüfft über den Finger und über Lucius Gesicht huschte ein sehr kurzes, sehr feines Lächeln. Draco war es nicht entgangen.

 

Er warf seiner Mutter einen kurzen Blick zu, die, unter größter Anstrengung, ihn nicht anzusehen, mit einem Löffel das Stück Zucker in ihren Tee rührte.

Dann glaubte er, seinen Vater zwinkern zu sehen. Er könnte sich irren und Lucius hatte nur etwas im Auge.

 

„So etwas Wunderschönes“, flüsterte Granger verzaubert.


„Ja, das muss eine Menge Gold wert sein“, vermutete er jetzt laut, ohne seine Eltern aus den Augen zu lassen. Narzissa wirkte unheimlich zufrieden. Und Lucius lehnte sich im Sessel zurück.

 

„Das bringt euch um die lästige Suche nach einem Ring“, erklärte er. Draco fragte sich nur, was sie mit der echten Schachtel und dem echten Ring angestellt hatten. Seine Mutter war relativ sentimental. Er würde noch irgendwo existieren.

Er beschloss, nichts zu sagen. Er betrachtete wieder seine Verlobte.

Der Ring war nicht die einzige Überraschung, die heute auf sie wartete. Seine Eltern waren ihm hier zuvor gekommen. Er griff schließlich in sein Jackett. Er hatte erst gestern mit Luna alles besprochen.

 

„Hermine, jetzt wo wir quasi vor dem Gesetz vereint sind“, begann er und sie riss ihren Blick von dem Schmuckstück los, „habe ich mir überlegt, dass es unsinnig wäre, würdest du arbeiten.“ Er wartete und sie enttäuschte ihn nicht.

 

„Was? Was glaubst du? Weil du ein Malfoy bist, kannst du mich hinter Glas stellen und ich bewege nie wieder einen Finger?“, erwiderte sie böse und schüttelte den Kopf. „Das kannst du gleich wieder vergessen, Draco!“

 

„Wieso? Es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, dass du das Haus hütest, auf meine drei Söhne aufpasst und-“

 

„Drei Söhne? Bist du noch zu retten? Darüber werden wir noch diskutieren und nein! Ich werde nicht hier sitzen oder in irgendeinem anderen Palast, währen du-“

 

Confiserien kaufst?“, bot er ihr ein Ende des Satzes an. Sie nickte wild.

 

„Ja!“, brauste sie auf und verstummte dann abrupt. „Was?“, fragte sie verwirrt und er zog ein Bündel an Unterlagen aus seiner Innentasche. Er schob sie ihr zu und sie warf einen misstrauischen Blick auf das oberste Blatt.

„Draco…“, begann sie verwirrt. „Du… hast Lunas Confisierie gekauft!“ Sie hob den Blick.

 

„Ja“, erklärte er und nippte an seinem Tee. „Ich dachte, du würdest gerne irgendwas Sinnvolles mit deinem Leben anstellen und nicht hinter Glas stehen.“ Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder.

 

„Der Laden gehört uns?“, flüsterte sie und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.


„Na ja, Luna darf kommen, wann sie will“, erklärte er lächelnd.

 

„Oh Draco!“ Sie sprang förmlich aus ihrem Stuhl und umrundete den Tisch, um ihn zu küssen. Er zog sie an sich, setzte sie auf seinen Schoss und musste ihm Hinterkopf behalten, dass er hier nicht alleine war. Nicht alleine! Er löste sich nur wenig später von ihr. Bereits atemlos und unbeschreiblich erregt.

 

„Es sei denn, Schokolade ist nichts für dich“, fügte er betont gleichgültig hinzu. Sie schlug ihm gegen die Schulter. Seine Eltern begannen leise zu sprechen. Wahrscheinlich verurteilten sie eine solche Investition, waren aber höflich genug, es nicht laut zu äußern. „Die Rührer wären zwar mächtig enttäuscht, aber wenn du nicht willst…“, sagte er schulterzuckend, aber sie strahlte förmlich.

 

„Du bist verrückt“, flüsterte Hermine in sein Ohr. „Ich liebe dich“, fügte sie versöhnlicher hinzu. Sie küsste ihn, ehe er ihre Worte erwidern konnte.

Glück. Ja, das war wohl das Gefühl, das er empfand. Er konnte nicht begreifen, dass er wirklich so glücklich war. Und wenn es nur einer Hochzeit bedurfte, um alles zu bekommen, was er immer wollte, dann… sollte das kein Problem sein. Seine Hand schlang sich um ihren Nacken und er vertiefte den Kuss.

 

Hermine Granger und Schokolade. Wahrscheinlich eine perfekte Kombination!

 

 

– The End –

 

 

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